Handbuch Zahnriementechnik
Raimund Perneder
Handbuch Zahnriementechnik Grundlagen, Berechnung, Anwendungen
123
Dipl.-Ing. Raimund Perneder Milinowskistr. 37a 14169 Berlin Deutschland
[email protected] ISBN 978-3-540-89321-9
e-ISBN 978-3-540-89322-6
DOI 10.1007/978-3-540-89322-6 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. c 2009 Springer-Verlag Berlin Heidelberg Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Satz und Herstellung: le-tex publishing services oHG, Leipzig Einbandgestaltung: eStudioCalamarS.L.,F.Steinen-Broo,Girona,Spain Gedruckt auf säurefreiem Papier 987654321 springer.de
Vorwort
Zahnriemengetriebe stehen für eine große Vielfalt innovativer Antriebslösungen. In modernen Konstruktionen vereinigen sich Mechanik, Sensorik und Steuerung zu mechatronischen Systemen. Die Servotechnik ermöglicht dabei frei programmierbare und dezentrale Antriebslösungen, in denen unterschiedliche Maschinenelemente nebeneinander zum Einsatz kommen. Unter diesen Rahmenbedingungen hat der Zahnriemen eine breite Anwendung gefunden und er hat selbst zu technologischen Neuerungen beigetragen. Er ermöglicht spielarmen Betrieb in Robotersystemen, arbeitet in der Automatisierungs- und Handhabungstechnik unter hoher Dynamik beim Anfahren, ist wartungsarm im Dauerbetrieb und garantiert exaktes Positionieren aus hoher Geschwindigkeit heraus. Das vorliegende Handbuch ist für den Anwendungstechniker in Entwicklung und Konstruktion bestimmt, und es ist zugleich als Ratgeber für Studierende an Universitäten, Hoch- und Fachschulen geeignet. Wenn es um Antriebsaufgaben geht, wird nach eleganten Lösungen gesucht. Gemeint sind einfache und robuste mechanische Konzepte, die kostengünstig zu realisieren sind, und die auch dem Anspruch „innovativ gelöst“ genügen. Die Zahnriementechnik bietet dazu vielerlei Ansätze. Aus langjähriger Erfahrung abgeleitet werden hierfür, basierend auf kurzgefassten Grundlagen zur Dimensionierung von Zahnriemengetrieben, erprobte und verallgemeinerbare Beispiele aus der Antriebs-, Transport- und Lineartechnik vorgestellt. Zudem erfolgt die Behandlung ungünstiger Betriebsbedingungen sowie die von Zahnriemenschäden, und der Betriebsingenieur erhält Hinweise zur Optimierung der Getriebe. Es sollen aber auch Richtlinien für das Gestalten von Antriebsdetails sowie für die Umgebungskonstruktion vermittelt werden. Gute Kenntnisse über die Wirkmechanismen stützen eine funktionsgerechte Dimensionierung. Das Handbuch basiert auf eigener 30-jähriger beruflicher Beschäftigung mit dem Maschinenelement Zahnriemen. Über diesen Zeitraum konnte sich ein junges Antriebselement nach und nach eine herausragende Stellung am Markt erobern. Zeitgleich mit dem Fortschritt und dieser Akzeptanz verfeinerten die Hersteller Fertigungsverfahren für die Zahnriemenproduktion. Sie wurden einerseits sichtbar
vi
Vorwort
durch die Weiterentwicklung des Produktes Zahnriemen selbst und gingen andererseits mit einer reichhaltigen Anwendervielfalt einher. Beim industriellen Zahnriemeneinsatz wird stets nach funktionell-ökonomischen Lösungen gesucht. Aus der Zeit eigener Tätigkeit und aufgrund zahlreicher persönlicher Kontakte zu Industriebetrieben gelang es, beispielhafte Antriebskonzepte zu dokumentieren und diese zunächst in einer Loseblattsammlung zusammenzustellen. Die Beispiele stammen aus verschiedenen Fachbereichen, wobei der Weg der selbsterklärenden Bilddokumentation beschritten wurde. Diese Anwendungen sind Hauptbestandteil des vorliegenden Handbuches, und sie sind auch der Anlass für eine Veröffentlichung in einem gesammelten Werk. Die Einheiten in Gleichungen sind durch das SI-System definiert. Auf Ableitungen wurde verzichtet. Die Zahlenwertgleichungen sind so dargestellt, dass der physikalische Zusammenhang erkennbar bleibt. Dank Für die reichhaltigen Anregungen zur inhaltlichen und redaktionellen Gestaltung danke ich Allen, die sich am Zustandekommen des Buches beteiligt haben. Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr.-Ing. habil. Dr. hc. Werner Krause von der Technischen Universität Dresden, denn er gab den Anstoß zu diesem Buchprojekt. Ohne seine wertvollen wie wohlwollenden und ermutigenden Anregungen wäre die Arbeit nicht begonnen worden. Er begleitete meine Bemühungen von Beginn an und unterstützte die fachlichen Inhalte in Struktur und Ordnung sprachlich umzusetzen. Ferner gilt der besondere Dank Herrn Prof. Dr. Henning Meyer von der Technischen Universität Berlin, der die wissenschaftliche Betreuung an meinem Heimatort fortsetzte. Er stellte die Kontakte zum Verlag her, und es entwickelte sich eine angenehme Kooperation mit einem engagierten Team aus Mitarbeitern des Springer-Verlages in Heidelberg, dem Satzbetrieb LE-TEX publishing services in Leipzig und der Technischen Universität in Berlin. Eine wesentliche Belebung der im Grunde nüchternen Materie „Zahnriementechnik“ ist auf die Wiedergabe authentischer Anwendungen zurückzuführen. Sie wurden von zahlreichen Industriebetrieben zur Verfügung gestellt, und denen gilt der Dank für die Erlaubnis zum Abdruck. Am Zusammenstellen der Dokumentationen haben sich die Berufskollegen aus den F+E-Abteilungen beteiligt. Ich danke Herrn Mathias Arndt (Cybertron GmbH), Herrn Jens Eisenhaber (Stemme GmbH), Herrn Michael Hupka (Schiffswerft Genthin GmbH), Herrn Peter Leihacker (Ratiotec GmbH), Herrn Ralf Lukat (Focke GmbH), Herrn Helmut Zeddies (Korsch AG), Herrn John Pallutt (Colt GmbH), Herrn Guido Paulsen (Promess GmbH). Eine Beteiligung besonderer Art stellt der Fachbeitrag von Herrn Hermann Schulte (Contitech GmbH) dar mit dem Sonderkapitel 3.11 „ZahnriemenSteuerantriebe in der KFZ-Technik“. Die Entstehung dieser Arbeit war entscheidend geprägt durch meine lange Zugehörigkeit zur Wilhelm Herm. Müller GmbH & Co. KG, sowie zur MULCOArbeitsgemeinschaft. Ich danke deshalb allen mir und meinem Buchprojekt zuge-
Vorwort
vii
neigten Kollegen und Vorgesetzten. Aus diesem Berufsumfeld richte ich meinen besonderen Dank an Herrn Rudi Kölling für die Druckfreigabe der Inhalte aus der BRECO-Dokumentation. Die vorliegende Arbeit wurde des Weiteren durch die Beteiligung an der jährlich stattfindenden Tagung „Zahnriemengetriebe“ durch die Technische Universität Dresden positiv beeinflusst. Mein besonderer Dank gilt den Teilnehmern Herrn Dr. Walter Terschüren (Cordus GmbH) sowie Herrn Bert Vanderbeken (NV Bekaert SA), die über ausgewiesene Fachkenntnisse der Zugstrangtechnologie verfügen und darüber referierten. Aus diesem Kreis danke ich auch den Kollegen Herrn Burghard König (SIT Antriebselemente GmbH) und Herrn Hendrik Kaden (TU Chemnitz) für deren anregende Diskussionsbeiträge. Mein guter Freund Helmut Luther hat gegengelesen. Danke. Meine liebe Frau Annegret hat zu diesem Buch umfangreiche Zeichenarbeit geleistet und die Textformatierung ausgeführt. Danke. Zukunft Die vorliegende Arbeit ist als Handbuch deklariert. Daraus kann der Leser leicht den Anspruch ableiten, dass bei Fragen zur Zahnriementechnik erschöpfende und vor allem zuverlässige Auskünfte über alle Themen und Nebenthemen bereitstehen. Eine 100%-ige Abhandlung ist nicht machbar. Ferner sind eventuelle Fehler dem Autor anzulasten. Hinweise auf diese, sowie Anregungen oder konstruktive Kritik nimmt der Autor unter
[email protected] entgegen. Die angestrebte Option ist, dieses Handbuch zur jeweils nächsten Auflage immer auf den aktuellen Kenntnisstand zu ergänzen. Der Zahnriemen ist ein relativ junges Antriebselement und Schritte zur nächsten Weiterentwicklung kündigen sich an. Dieses Buch soll eine ausgewogene Mischung aus wissenschaftlicher Theorie und betrieblicher Praxis widerspiegeln. Es soll spannende Fachdiskussionen mit praxistauglichen Lösungen fördern. Der interessierte Leser und Nutzer der Zahnriementechnik kann dazu sein Antriebslayout dem Autor zur vertraulichen Einsicht überlassen. Eine eventuelle Freigabe zur Bereicherung des Handbuches ist dabei nur durch den Einsender selbst auszulösen. Ich hoffe, die Lektüre des Handbuches bringt soviel Nutzen, wie mir seine Abfassung Freude bereitet hat. Berlin, im Oktober 2008
Raimund Perneder
Inhaltsverzeichnis
1
Per Mausklick zum richtigen Antrieb...................................................
1
2
Grundlagen.............................................................................................. 2.1 Warum Zahnriemen? ..................................................................... 2.2 Hauptgeometrische Abmessungen................................................. 2.3 Riemenprofile ................................................................................ 2.3.1 Standardprofil in Zollteilung............................................ 2.3.2 Standardprofil mit metrischer T-Teilung ......................... 2.3.3 Hochleistungsprofil AT.................................................... 2.3.4 Hochleistungsprofil H ...................................................... 2.3.5 Hochleistungsprofil R ...................................................... 2.3.6 Hochleistungsprofil S....................................................... 2.3.7 Hochleistungsprofil Omega ............................................. 2.3.8 Hochleistungsprofil GT3.................................................. 2.3.9 Hochleistungsprofil PC-MGT2........................................ 2.3.10 Hochleitungsprofil ATP................................................... 2.3.11 Sonderprofil Spurzahnriemen .......................................... 2.3.12 Sonderprofil SFAT........................................................... 2.3.13 Sonderprofil Bogenzahnriemen ....................................... 2.3.14 Sonderprofil Pfeilverzahnung .......................................... 2.3.15 Sonderprofil Noppenriemen............................................. 2.3.16 Sonderprofil mit Steckmuttern......................................... 2.4 Fertigungsverfahren und Elastomere ............................................. 2.4.1 Aus Polyurethan gegossene Zahnriemen ......................... 2.4.2 Aus Synthesekautschuk vulkanisierte Zahnriemen .......... 2.4.3 Aus Polyurethan extrudierte Zahnriemen ........................ 2.4.4 Aus Polyurethan extrudierte Meterware .......................... 2.4.5 Weitere Herstellverfahren ................................................ 2.4.6 Meterware endlos verschweißt......................................... 2.4.7 Zahnriemenschloss...........................................................
3 3 5 11 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 29 32 33 34 35 35 36
x
Inhaltsverzeichnis
2.4.8 Anwendung und Einsatzbereiche..................................... 2.4.9 Leistungssteigerungen und Entwicklungsreserven .......... Zugstrang....................................................................................... Kräfte im Zahnriemengetriebe....................................................... Kraftwirkmechanismus und Vorspannkraft................................... Vorspannkraft in Mehrwellenantrieben ......................................... Zahntragfähigkeit .......................................................................... Riemenführung, Bordscheiben ...................................................... Ungleichmäßigkeiten, Schwingungen, Dynamik .......................... Geräuschverhalten ......................................................................... Übertragungsgenauigkeit, Verdrehsteifigkeit................................ Mechatronischer Antriebsstrang.................................................... Zahnriemenscheiben, Zahnlückengeometrie ................................. Tangentialeingriff .......................................................................... Riemenmontage, Einstellen der Vorspannkraft ............................. Mindestdurchmesser für Umlenkungen und Spannrollen.............. Messen der Wirklänge ................................................................... Wirkungsgrad ................................................................................
37 38 39 46 48 52 54 58 67 74 80 87 89 94 99 104 106 108
Zahnriemen in der Antriebstechnik...................................................... 3.1 Raum-Riemen-Anordnungen......................................................... 3.2 Spindelhubelement ........................................................................ 3.3 Zuschnittapparat für Verpackungsmittel ....................................... 3.4 Pressenantrieb................................................................................ 3.5 Seilfähre......................................................................................... 3.6 Prüfstand........................................................................................ 3.7 Einstellbare Achsabstände konstruktiv gelöst ............................... 3.8 Zahnscheiben aus Kunststoff gespritzt .......................................... 3.9 Propellerantrieb für Motorsegler ................................................... 3.10 Industrieroboter ............................................................................. 3.11 Zahnriemen-Steuerantriebe in der KFZ-Technik .......................... 3.11.1 Einleitung......................................................................... 3.11.2 Entwicklungsgeschichte von Zahnriemen-Steuerantrieben ..................................... 3.11.3 Das Ovalrad-Schwingungstilgersystem ........................... 3.11.4 Aktuelle Kundenanforderungen an Zahnriemen-Steuerantriebe ......................................... 3.11.5 OIL RUNNER Zahnriemen .............................................
111 111 122 123 124 125 126 127 129 130 131 135 135
Zahnriemen in der Lineartechnik ......................................................... 4.1 Umformung der Bewegung ........................................................... 4.2 Dimensionieren von Linearantrieben ............................................ 4.3 Positionieren linearer Bewegungen ............................................... 4.4 Dynamik und Schwingungsverhalten ............................................ 4.5 Berechnungsbeispiel zum Positioniernachweis .............................
147 147 148 155 165 166
2.5 2.6 2.7 2.8 2.9 2.10 2.11 2.12 2.13 2.14 2.15 2.16 2.17 2.18 2.19 2.20 3
4
135 138 141 142
Inhaltsverzeichnis
4.6 4.7 4.8 4.9 4.10 4.11 4.12 4.13
xi
Linearachsen.................................................................................. Regalbediengeräte ......................................................................... Flächenportal/Kreuztisch............................................................... Teleskopantrieb ............................................................................. Linear-Differenzgetriebe ............................................................... Linear-Umsetzer ............................................................................ Portalantriebe................................................................................. Gebäudetechnik .............................................................................
169 173 180 182 184 186 187 190
5
Zahnriemen in der Transporttechnik ................................................... 5.1 Stand der Technik.......................................................................... 5.2 Auslegung des Transportzahnriemens ........................................... 5.3 Reibung und tribologisches Verhalten........................................... 5.4 Transportflächen, Kontaktflächen und Beschichtungen ................ 5.5 Gleitender Abtrag/rollender Abtrag............................................... 5.6 Nockenzahnriemen ........................................................................ 5.7 Einsatzbeispiele für Nockenzahnriemen........................................ 5.8 Einsatzbeispiele mit verstellbaren Nocken .................................... 5.9 Nockenzahnriemen und Anbauteile............................................... 5.10 Palettierer....................................................................................... 5.11 Bandabzüge ................................................................................... 5.12 Saugriemen, Magnetriemen...........................................................
193 193 194 196 197 198 199 203 208 210 214 216 219
6
Zahnriemenschäden................................................................................ 223 6.1 Schadensursachen.......................................................................... 223 6.2 Schadensbilder............................................................................... 225
7
Anhang..................................................................................................... 7.1 Übersicht zur Antriebsauslegung................................................... 7.2 Die ausgewogene Antriebskonstruktion ........................................ 7.3 Zugstrang- und Zahnsteifigkeit......................................................
8
Zeichen, Benennungen und Einheiten................................................... 237
231 231 233 235
Literaturverzeichnis ........................................................................................ 241 Index ................................................................................................................. 245
1 Per Mausklick zum richtigen Antrieb
„Bitte geben Sie Ihre Antriebsbedingungen mit Drehzahl, Leistung und gewünschter Übersetzung in das PC-Programm ein. Die Antriebsaufgabe wird umgehend bearbeitet. Bitte warten …“. Per Mausklick könnte das Ergebnis dann heißen: „… und hierfür ist ein Zahnriemen genau die richtige Lösung!“ Das ist die Zukunft am Arbeitsplatz der Konstrukteure! In dieser oder ähnlicher Weise von Experten prognostiziert, könnten Maschinenelemente und Bausteine einer jeden technischen Konstruktion künftig durch rechnerunterstützte Auswahl- und Entscheidungsprozesse gelöst werden. Das sieht plausibel aus. Ein Angebot wäre auch wünschenswert. Solch ein Programm ist vorstellbar, doch realisierbar ist es nicht. Die Thematik der Antriebstechnik ist zu vielfältig. Wäre eine Antriebsauswahl durch Mausklick möglich, brauchte es ein Handbuch der Zahnriementechnik nicht zu geben. Deshalb soll dieses Buch an die Thematik heranführen und aufzeigen, bei welchen Antriebsaufgaben Zahnriemengetriebe zu bevorzugen sind. Dazu werden viele Beispiele aus der Praxis vorgestellt und deren einsatzentscheidende Funktionsvorteile beschrieben. Die Kap. 3 bis 5 befassen sich mit illustrierten Darstellungen. Diese halten eine Vielzahl von Informationen und Lösungsansätzen mit ganzheitlichen Raum-Riemen-Anordnungen bereit. Die dargestellten Antriebssysteme kann man auch als Lösungsmodule betrachten und auf ähnliche Aufgabenstellungen übertragen. Damit sollen insbesondere die technisch-kreativen Potentiale der Konstrukteure angesprochen werden. Sie denken in Bildern und räumlichen Gebilden. Die Konstruktion setzt diese in logisch-rationale Funktionen um. Durch die Kombination von zwei oder mehreren bekannten Lösungen entwickelt sich eine neue innovative Variante. Vorhandene Beispiele, aus anderen Quellen entliehen, setzen den Arbeitsaufwand erheblich herab. Zweckmäßig ist ferner der schöpferische Zugriff auf Lösungselemente verschiedener Fachdisziplinen, wodurch interaktiv die gewünschte Struktur gefunden werden kann [47]. Der Denkprozess zu neuen technischen Ausführungen fordert Anstrengungen eines kreativen Geistes. Und solche Leistungen sind (noch) nicht durch Mausklick abrufbar.
2
1 Per Mausklick zum richtigen Antrieb
Der Leser des Buches erkennt Schwerpunkte und Haupteinsatzbereiche der Zahnriemengetriebe. Bei ähnlichen Aufgabenstellungen werden somit Auswahlprozesse erleichtert. Außerdem finden sich Hinweise und Empfehlungen für die Detailausführung. Eine Umgebungskonstruktion steht mit ihren gewählten Antriebskomponenten in Wechselbeziehung. Der Zahnriemen beeinflusst das konstruktive Umfeld positiv. Die günstige Laufkultur sowie die Vorteile von wartungs freiem und geräuscharmem Lauf lassen sich damit gezielt nutzen. Zahnriemen und zugehörige Zahnscheiben müssen richtig dimensioniert werden. Für die Antriebsauslegung sind zwei Dimensionierungsschritte erforderlich. Zunächst ist die geometrische Auslegung mit den Achsabständen, Scheibengrößen sowie der Riemenverlegung mit dem verfügbaren Einbauraum in Einklang zu bringen. Danach erfolgt der Leistungsnachweis und die Beantwortung der Frage, ob aufgrund der gewählten Geometrie die Drehmomente und Kräfte auch sicher übertragbar sind. Für die Zahnriemenauslegung stehen in aller Regel PC-unterstützte Programme*) bereit. Damit führt der Mausklick letztendlich doch zum Ergebnis. Aber der Weg dorthin und die Wahl des Antriebselements sowie die Abstimmung mit der Umgebungskonstruktion bleibt als Gestaltungsaufgabe in der Verantwortung des Konstrukteurs. Zahnriemen oder Synchronriemen? Welcher Begriff ist richtig: Zahnriemen oder, wie es DIN empfiehlt, Synchronriemen ? Während mit Keilriemen, Rundriemen und Flachriemen jeweils die geometrische Form definiert ist, wird mit Synchronriemen auf die Funktion hingewiesen. Die Norm für Synchronriementriebe DIN ISO 5296 lässt mit erklärendem Text weiterhin die Begriffe Zahnriemen und Zahnriemenscheibe ausdrücklich bestehen. Deshalb werden sie auch mit Blick auf die weite Verbreitung in der Praxis in diesem Buch verwendet. Die am Markt angebotenen Zahnriemenarten unterscheiden sich in den Merkmalen der Profilgeometrie sowie der Teilung, dem Aufbau des Zugstranges und den Werkstoffkomponenten des eingesetzten Elastomeres. Je nach Fabrikat sind die Riemen erhältlich aus dem Synthesekautschuk Chloropren (bedingt ölbeständig) oder aus gegossenem bzw. plastifizierbarem Polyurethan (in der Regel ölfest). Die handelsüblichen Profile und zugehörigen Maßtabellen sind in den Kapiteln 2.3.1 bis 2.3.16 aufgelistet.
*) Diesem Buch liegt kein PC-Programm bei. Jedes Fabrikat am Markt hat seine spezifischen Leistungsmerkmale. Die meisten Hersteller bieten im Zusammenhang mit ihren Vertriebskatalogen auch zugehörige PC-unterstützte Berechnungsprogramme an [50].
2 Grundlagen
Zusammenfassung Eine sichere Grundlage der gewählten Komponenten für Konstruktionen mit Bewegungsabläufen erfordert umfangreiche Kenntnisse über die Funktionsmerkmale von Antriebselementen. Im vorliegenden Kapitel findet der Leser Maßtabellen zu den handelsüblichen Zahnriemenprofilen. Sie bestehen aus unterschiedlichen Elastomeren und Zugsträngen. Durch die Beschreibung der Herstellung lassen sich die Eigenschaften sowie Haupteinsatzbereiche der einzelnen Ausführungsarten ableiten. Die marktführenden Produzenten sind namentlich genannt. Das Betriebsverhalten aller Zahnriemenprofile ist jedoch im Kraftwirkmechanismus grundsätzlich gleich. Hier findet der Anwender vielfältige Hinweise auf die erforderliche Vorspannkraft, erreichbare Übertragungsgenauigkeit, mögliche Geräusche sowie Gestaltung von Konstruktionsdetails. Die Einzelthemen bieten Berechnungen der technischen Parameter sowie Maßnahmen zur Optimierung an.
2.1 Warum Zahnriemen? Wenn Antriebssysteme mit beispiellosen Werten beschleunigt und wieder gebremst werden, und wenn aus hoher Geschwindigkeit heraus punktgenau zu positionieren ist, dann sind Zahnriemen von erstrangigem Interesse. Dieser Satz beschreibt die Kernkompetenz des Zahnriemens. Er arbeitet gleichermaßen in hohen wie auch in niederen Drehzahlbereichen, und lässt sich insbesondere hervorragend beschleunigen und bremsen. Zudem ist er massearm. Der Zahnriemen reiht sich als formschlüssiges Antriebselement in die Gruppe der Zugmittelgetriebe ein, und er erreicht seine hohe Leistungsdichte aus der günstigen Krafteinleitung im Zusammenwirken mit den Zahnscheiben. Diese werden in
4
2 Grundlagen
der Regel aus Leichtmetalllegierungen, zum Teil auch aus Kunststoff gefertigt. In den Umschlingungsbögen der Scheiben liegt stets eine Lastverteilung über viele eingreifende Zähne vor. Je mehr Zähne am Eingriff beteiligt sind, umso geringer ist die Einzellast je Zahn d. h. umso größer kann das übertragbare Drehmoment für den Gesamtantrieb angesetzt werden. Die hervorragende Eignung für Aufgaben im Anlauf- beziehungsweise Bremsbetrieb bezieht der Zahnriemen auch aus der Werkstoffpaarung zwischen Riemen und Scheibe. Es wird ein nachgiebiger Zahn aus Elastomere-Werkstoffen zwischen den starren Flanken der Zahnscheibenlücke aufgenommen. Da jeder Wechsel vom Anlaufen zum Bremsen und umgekehrt im Antrieb eine Drehmomenten-Umkehr bewirkt, wechseln auch die Lastflanken im Zahneingriff. Dieser Lastwechsel vollzieht sich dank der Nachgiebigkeit im Riemenzahn sanft und ohne Stöße. Dadurch weisen Zahnriemen eine überaus günstige Laufkultur auf, was sich zugleich auf vor- und nachgeschaltete Antriebsglieder positiv auswirkt. Bei wechselnden Drehrichtungen, bei häufig auftretenden Anlauf- und Bremsvorgängen oder bei ständig intermittierender Funktion gibt es kein Schlagen und Ausschlagen. Unter diesen Betriebsbedingungen beweisen Zahnriemen ihre überragende Lebensdauer, an die kein anderes Antriebselement annähernd heranreicht. Dank gesteuerter Schrittmotore und moderner Servotechnik werden in Produktionsanlagen oft von Punkt-zu-Punkt-Bewegungsaufgaben gelöst. Es handelt sich um Vorgänge der Handhabungstechnik wie Greifen, Verfahren und Absetzen. Genau solche Aufgabenstellungen sind gekennzeichnet durch begrenzte Bewegungsabläufe. Sie erfordern ein ständiges Anfahren, Bremsen und Positionieren. Erschwerend kommt hinzu, dass dann die Wechselkräfte im Antriebsstrang zumeist auf dieselben Umkehrpunkte wirken. Insbesondere auf diesem Gebiet wird der Einsatz des Zahnriemens deutlich zunehmen. Er lässt sich außerdem in Aufgaben der Produktionsverkettung hervorragend einbinden und passt sich unterschiedlichen Betriebsbedingungen gut an. Der Zahnriemen verbindet die Vorzüge herkömmlicher Riemen (Flach-, Keilund Keilrippenriemen), wie hohe zulässige Umfangsgeschwindigkeit und geräuscharmer Lauf, mit denen der Kette, besonders hinsichtlich der schlupffreien Bewegungsübertragung. Der wesentliche Unterschied zur Kette besteht darin, dass der Zahnriemen durch einen gliederlosen Aufbau gekennzeichnet ist. Dadurch ergeben sich beim Wechsel vom geraden Trum in die Scheibenkrümmung weder Gliederbewegungen noch Relativbewegungen, die Verschleiß oder eine Längung hervorrufen könnten. Zudem unterdrückt der gliederlose Aufbau den Polygoneffekt, und das Geräuschverhalten ist entsprechend günstig. Die Einbindung in vielfältige Aufgabenstellungen für antriebstechnische Lösungen im Maschinenbau und in der Feinwerktechnik wird insbesondere dadurch erleichtert, dass der Zahnriemen ein breit angelegtes Eigenschaftsprofil hat und, ob im Schwerlast- sowie Dauerbetrieb eingesetzt, gänzlich ohne Schmierung auskommt. Andererseits ist auch der Umkehrschluss von Bedeutung: Sollte die unmittelbare Umgebungskonstruktion durch Schmierstellen (Schmierfett, Öl, Ölnebeldämpfe) belastet sein, dann ist aus dem Angebot der Riemenfabrikate ein ölfestes Produkt zu wählen.
2.2 Hauptgeometrische Abmessungen
5
2.2 Hauptgeometrische Abmessungen Abbildung 2.1 zeigt die hauptgeometrischen Abmessungen eines Zahnriemengetriebes. Tabelle 2.1 enthält die zugehörigen Benennungen und Beschreibungen der einzelnen Zeichen. Innerhalb der hauptgeometrischen Abmessungen stehen einzelne Größen zueinander in verifizierbarer Abhängigkeit. Im Folgenden sind die zur Antriebsauslegung nützlichen Zusammenhänge aufgeführt. Es kann zum Beispiel die Riemenlänge als Produkt von Teilung und Zähnezahl ausgedrückt werden: lB = p ⋅ z B .
(2.1)
Bei formgepaarten Antriebselementen errechnet sich die Übersetzung aus den Zähnezahlen der Scheiben. Die Übersetzung ist somit der Quotient ganzer Zahlen: i=
z2 . z1
(2.2)
Der Achsabstand C bildet sich aus den Zähnezahlen der Scheiben und des Riemens gemäß der Beziehung: C≈
2 ⎡ ⎤ z + z1 ⎞ z + z1 ⎞ 2 p ⎢⎛ ⎛ 2 ⎜ zB − 2 ⎟ + ⎜ zB − 2 ⎟ − 2 (z 2 − z1 ) ⎥ . ⎥ 4 ⎢⎝ 2 ⎠ 2 ⎠ π ⎝ ⎣ ⎦
Abb. 2.1 Hauptgeometrische Abmessungen
(2.3)
6
2 Grundlagen
Tabelle 2.1 Benennung und Beschreibung der hauptgeometrischen Abmessungen Zeichen
Benennung (Einheit)
Erläuterungen
–
Zahnriemengetriebe
Antriebssystem bestehend aus einem Zahnriemen und mindestens zwei Zahnscheiben.
1
Wirklinie
Die Wirklinie ist jene Linie im Riemen, die auch bei dessen Krümmung ihre Länge beibehält. Die Wirklinie befindet sich in Zugstrangmitte.
2
Kopflinie
Die Kopflinie ist jene Linie, die die Kopfflächen der Zähne des Riemens verbindet.
3
Fußlinie
Die Fußlinie ist jene Linie, die den Grund der Zähne des Riemens verbindet.
4
Riemenrücken, Rückenlinie
Der Riemenrücken bzw. die Rückenlinie bildet die Begrenzungslinie des Riemens (des Hülltriebes) nach außen.
5
Arbeitsflanke der treibenden Scheibe
Die Arbeitsflanke der treibenden Scheibe überträgt die Bewegung oder Kraft von der Scheibe in den Riemen.
6
Arbeitsflanke der getriebenen Scheibe
Die Arbeitsflanke der getriebenen Scheibe überträgt die Bewegung oder Kraft vom Riemen in die Scheibe.
C
Achsabstand (mm)
Der Achsabstand ist die kürzeste Entfernung zweier Zahnscheibenzentren unter Messspannkraft des Riemens.
n n1 n2
Drehzahl (min–1)
Die Drehzahl der kleinen Scheibe bezeichnet man mit n1, die der großen Scheibe mit n2 (wirkt die große Scheibe treibend, ist die Indizierung zu ändern).
lB
Riemenlänge (mm)
Das Maß der Riemenlänge bezieht sich auf die Wirklinie unter Messspannkraft.
lt
Trumlänge (mm)
Die Trumlänge ist der Abstand zwischen Tangentenauslauf und Tangenteneinlauf der Nachbarscheibe.
l1
ziehende Riementeillänge (mm) siehe Abb. 2.11
Die ziehende Riementeillänge besteht aus dem belasteten Riemenabschnitt zuzüglich der jeweils halbierten Umschlingungslänge der beteiligten Scheiben.
l2
gezogene Riementeillänge (mm) siehe Abb. 2.11
Die gezogene Riementeillänge besteht aus dem entlasteten Riemenabschnitt zuzüglich der jeweils halbierten Umschlingungslänge der beteiligten Scheiben.
zB
Zähnezahl des Riemens
Die Zähnezahl des Riemens ist die Gesamtzahl der auf der Eingriffsseite zu den Zahnscheiben angeordneten Riemenzähne.
zm
Eingriffszähnezahl gesamt
Die Eingriffszähnezahl gesamt gibt die Anzahl der auf einer Zahnscheibe im Eingriff befindlichen Riemenzähne an.
ze
Eingriffszähnezahl für Traglastberechnung
Zur Berechnung der Traglast ist die Eingriffszähnezahl ze eine auf eine ganze Zahl nach unten gerundete Zahl. Je nach Fabrikat ist die rechnerisch eingreifende Zähnezahl auf einen Maximalwert begrenzt, z. B. ze max = 12.
2.2 Hauptgeometrische Abmessungen
7
Tabelle 2.1 (Fortsetzung) Zeichen
Benennung (Einheit)
Erläuterungen
z z1 z2
Zähnezahl der Scheibe
Die in der Scheibe korrespondierende Geometrie zur Formpaarung des Riemens bilden zur Aufnahme der Riemenzähne die Zahnlücken und zur radialen Abstützung des Riemens die Zähne. Die Anzahl der Zähne über den Umfang der kleinen Scheibe – in der Regel treibende Scheibe – ist z1. Die Anzahl der Zähne über den Umfang der großen Scheibe ist z2. (wirkt die große Scheibe treibend, ist die Indizierung zu ändern).
p pb pp
Zahnteilung (mm)
Die Zahnteilung bzw. Nennteilung wird gebildet aus dem Abstand zwischen zwei benachbarten Zähnen im Wirklinienverlauf unter Messspannkraft. Wenn zwischen Riemen- und Scheibenteilung unterschieden werden muss, sind zusätzliche Indizes anzuwenden: pb = Riementeilung, pp = Scheibenteilung.
dW dW1 dW2
Wirkkreisdurchmesser (mm)
Der Wirkkreisdurchmesser liegt in Zugstrangmitte und wird durch jene Kreisbogenlinie um das Zahnscheibenzentrum gebildet, in der Teilungsgleichheit zwischen Riementeilung pb und Scheibenteilung pp besteht. Der Wirkkreisdurchmesser ist eine toleranzfreie Nenngröße, wobei das Maß der kleinen Scheibe mit dW1 und das der großen mit dW2 zu bezeichnen ist (wirkt die große Scheibe treibend, ist die Indizierung zu ändern).
dK dK1 dK2
Kopfkreisdurchmesser (mm)
Der Kopfkreisdurchmesser ist jene Mantelfläche der Zahnscheibe, auf den sich der Zahnriemen im Umschlingungsbogen abstützt. Der Kopfkreisdurchmesser der kleinen Scheibe heißt dK1, der großen dK2 (wirkt die große Scheibe treibend, ist die Indizierung zu ändern).
d d1 d2
Bohrung (mm)
Die Bohrung in der Scheibe verläuft zentrisch zur Mantelfläche der Verzahnung, und ihre Zylinderfläche dient in der Regel zur Aufnahme der Achse. Die Bohrung in der kleinen Scheibe heißt d1, die in der großen Scheibe d2 (wirkt die große Scheibe treibend, ist die Indizierung zu ändern).
β
Umschlingungswinkel (°)
Der Winkel des Kreissegments, auf dem sich der Riemen auf der kleinen Zahnscheibe abstützt, ist der Umschlingungswinkel.
α
Trumneigungs winkel (°)
In Riemenanordnungen mit i ≠ 1 verlassen die Riementrume die kleine Scheibe zur großen mit dem Öffnungswinkel 2α. Den Halbwinkel nennt man Trumneigungswinkel.
hs
Gesamtdicke des Riemens (mm)
Die Gesamtdicke (Gesamthöhe des Riemens) ist das Maß von der Kopflinie bis zur Rückenlinie des Riemens.
hd
Gesamtdicke bei Doppelverzahnung (mm)
Die Gesamtdicke des beiderseitig verzahnten Riemens ist das Maß zwischen den Kopflinien von Verzahnung zu Gegenverzahnung.
8
2 Grundlagen
Tabelle 2.1 (Fortsetzung) Zeichen
Benennung (Einheit)
Erläuterungen
ht
Zahnhöhe des Riemens (mm)
Die Zahnhöhe ist der Abstand vom Grund der Zähne bis zur Kopflinie.
hr
Rückenhöhe des Riemens (mm)
Die Rückenhöhe ist die Entfernung zwischen Rückenlinie und Fußlinie des Riemens.
dZ
Zugstrangdurchmesser (mm)
Der Zugstrangdurchmesser ist das Maß des Umkreisdurchmessers.
s
Zahnfußbreite (mm)
Die Zahnfußbreite wird am gestreckten Riemen bestimmt durch den linearen Abstand zwischen den Schnittpunkten der verlängerten Riemenzahnflanken mit der Fußlinie des Riemens.
γ
Flankenwinkel (°)
Der Riemenzahnwinkel 2γ ist der Gesamtwinkel zwischen beiden Flanken. Der Halbwinkel ist der Flankenwinkel.
ra
Kopfradius (mm)
Der Kopfradius verbindet Zahnflanke und Kopflinie des Riemens.
rr
Fußradius (mm)
Der Fußradius verbindet Zahnflanke und Fußlinie des Riemens.
i
Übersetzung
Die Übersetzung wird gebildet aus dem Quotient der Zähnezahlen der Scheiben z2/z1 beziehungsweise der Drehzahlen n1/n2.
b
Riemenbreite (mm)
Die Riemenbreite ist das Maß quer zur Laufrichtung gemessen von der rechten zur linken Flanke des Zahnriemens.
B
Verzahnungsbreite der Scheibe (mm) siehe Abb. 2.24
Die Verzahnungsbreite entspricht dem Entfernungsmaß beider an die Verzahnung der Scheibe angrenzenden Stirnflächen. Wenn die Zahnscheibe mit Bordscheiben ausgerüstet wird, ist als Verzahnungsbreite bzw. als Verzahnungsnennbreite das Maß „außen über die Bordscheiben gemessen“ zu verstehen.
u
Wirklinienabstand (mm)
Der Abstand zwischen Zugstrangmitte und Fußlinie des Zahnriemens wird als Wirklinienabstand bezeichnet.
Benennung und Beschreibung übernommen aus Krause, W.; Metzner, D.: Zahnriemengetriebe [46] sowie ISO 5288 [35]. Weitere Bestimmungsgrößen zur Zahnscheibe und deren Zahnlückenprofil sind in Kap. 2.14, Abb. 2.24 sowie Tabelle 2.6 definiert.
Für den Fall, dass die Antriebsgeometrie mit Achsabstand, Scheibengröße und Teilung vorgegeben ist, führt die nachfolgende Beziehung zur Riemenlänge: lB =
mit
p (z 2 + z1 ) + p ⋅ α (z 2 − z1 ) + 2C ⋅ cos α , 2 π α = arcsin
p(z 2 − z1 ) , 2π ⋅ C
(2.4) (2.5)
2.2 Hauptgeometrische Abmessungen
9
oder überschläglich π (d W 2 + d W1 ) + 2C + (d W 2 − d W1 ) . 2 4C 2
lB ≈
(2.6)
Bei Antriebsanordnungen mit gleichgroßen Scheiben (Übersetzung i = 1) vereinfacht sich die Berechnung des Achsabstandes auf die Beziehung: C=
p (z B − z ) = 1 (lB − p ⋅ z ) . 2 2
(2.7)
Der Wirkkreisdurchmesser von Zahnscheiben errechnet sich aus: dW =
z⋅ p . π
(2.8)
Der Wirkkreisdurchmesser ist als toleranzfreies Nennmaß die nominelle Führungsgröße, aus welcher alle weiteren Maße der Scheibe wie Kopfkreisdurchmesser, Fußkreisdurchmesser und Lage der Rückenlinie des Riemens abzuleiten sind. Der Wirkkreisdurchmesser lässt sich durch Messmittel nicht direkt prüfen (siehe Qualitätskontrolle von Zahnscheiben in Kap. 2.15). Er liegt außerhalb der Zahnscheibe, und wird gebildet aus der Lage jener Kreisbogenlinie um das Zahnscheibenzentrum, in welcher die Zugstrangmitte des Riemens in Teilungsgleichheit mit der Zahnscheibe steht. Der Zahnriemen stützt sich in der Regel auf dem Kopfkreisdurchmesser ab, und damit beeinflussen weitere Abmessungen sowohl in der Scheibe als auch im Riemen die tatsächliche Wirklinienlage. Es kommt folglich auf die richtige Ausführung des Kopfkreisdurchmessers in der Scheibe an. Er berechnet sich aus der Beziehung: d K = d W − 2(u − vK ) =
z⋅ p − 2(u - vK ) π
(2.9 a)
Die Größe vK in mm wirkt dabei als radiale Profilkorrektur auf den Kopfkreisdurchmesser, um die Verkürzung der tatsächlichen Umschlingungslänge zur theoretischen Ideallänge auszugleichen. Die Verkürzung kommt zum einen aufgrund von Verformungen im Elastomere durch die Riemenabstützkräfte im Bereich der Kopfkreisauflage zustande. Durch die Stützkräfte ergeben sich zum anderen Querbelastungen auf den Zugstrang, und als Folge davon entstehen Abplattungen im Seilverbund, die sich als Verschiebung des Wirklinienabstandes u auswirken. Eine weitere Umschlingungsverkürzung verursacht der Polygoneffekt. Der tatsächliche Wirklinienverlauf um die Scheibe weist einen im Zahnteilungsrhythmus schwankenden Wert für dW auf. Es bildet sich praktisch ein Wirkdurchmesser gegenüber dem Zahn und ein etwas kleinerer Wirkdurchmesser gegenüber der Zahnlücke aus. Die in Gl. (2.9 a) erforderliche Profilverschiebung νK hat somit die korrigierende Aufgabe, die Summe aller Verkürzungen auszugleichen. Für die angestrebte Teilungsgleichheit zwischen Riemen und Scheibe ist jener Kopfkreisdurchmesser anzustreben, bei der die theoretische Umschlingungslänge mit der tatsächlichen zusammenfällt.
10
2 Grundlagen
Die absoluten Größen für vK je Zahnriemenart stellen von den Herstellern empirisch ermittelte Werte dar, und sie betragen 0 bis 0,15 mm. Die Korrekturwerte für die Profilverschiebung sind abhängig von der Größe der Teilung, den Werkstoffkenndaten der Zahnriemenkomponenten, der Art der Zahnlückengeometrie in der Scheibe und insbesondere davon, ob der Zahnfuß des Riemens im Lückengrund teilweise oder vollkommen aufliegt. Es kommt bei der Formpaarung darauf an, dass die oben beschriebenen, oft nur wenige Hundertstel mm betragenden Werte zum Erreichen der Teilungsgleichheit zwischen Riemen und Scheibe von den Herstellern richtig ermittelt und exakt eingehalten sind. Erst die Gleichheit beider Teilungen führt zu einem reibungsarmen Zahneingriff und zum gewünschten ruhigen Lauf. Die Werte der Profilverschiebung vK haben einen entsprechend hohen Stellenwert für die Qualität der Scheibenfertigung. Es handelt sich allerdings um sehr kleine Korrekturgrößen, die von den Herstellern nicht publiziert werden. Für den in der Konstruktionspraxis stehenden Zahnriemenanwender wirken sich die Korrekturgrößen der Profilverschiebung auf die Umgebungskonstruktion explizit nicht aus. Es genügt weiterhin die Betrachtung, als würde der Umschlingungsbogen des Riemens um die Scheibe eine ideale Kreisform aufweisen. Somit ist die Gl. (2.9 a) zu vereinfachen auf die Beziehung: d K ≈ d W − 2u ≈
z⋅ p − 2u . π
(2.9 b)
Die vereinfachte Umrechnung zwischen Wirkkreis- und Kopfkreisdurchmesser steht auch in Übereinstimmung mit weiteren Veröffentlichungen, so in DIN 7721 [12]. Bei einigen Zahnriemenarten (z. B. Hochleistungsprofil AT, siehe Kap. 2.3.3) erfolgt die Riemenabstützung ausschließlich durch Zahnfußauflage im Scheibengrund. In diesem Fall ist das Funktionsmaß, auf den sich der Riemen im Umschlingungsbogen abstützt, der Fußkreisdurchmesser dF. Er berechnet sich aus der Beziehung: d F = d W − 2(ht + u − vK ) =
z⋅ p − 2(ht + u − vK ) . π
(2.10 a)
In Gl. (2.10 a) gelten die gleichen Zusammenhänge wie bereits zur Gl. (2.9 b) erläutert, und für die vereinfachte Berechnung ist die Beziehung anzuwenden: d F ≈ d W − 2(ht + u ) ≈
z⋅ p − 2(ht + u ) . π
(2.10 b)
2.3 Riemenprofile
11
2.3 Riemenprofile Die Vielzahl der angebotenen Riemenprofile ist untrennbar mit der Entwicklungsgeschichte der Zahnriementechnik verbunden. Mit den ersten Versuchseinsätzen und der Erkenntnis der offensichtlichen Funktionsvorteile ging eine zügige Markteinführung einher. Die ersten Zahnriemen, die als Hülltriebe mit formgepaarten Scheiben arbeitsfähig waren, entwickelte US-Rubber (das Nachfolgeunternehmen ist bekannt als Uniroyal und firmiert heute unter Gates Mectrol) in den 40-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts [24]. Sie fanden in Textilmaschinen und Industrienähmaschinen ihren Einsatz. Es ist namentlich der Erfinder Richard Case [6] überliefert, der die Synchronisation zwischen Nadel und Spule in den Singer-Nähmaschinen entscheidend verbesserte. Er erkannte als erster die Zusammenhänge zwischen neutraler Zugstranglage im Zahnriemen und Wirkkreisdurchmesser der Scheibe und er definierte die Begriffe der Zahnriementechnik, die heute noch Gültigkeit haben. Die Entwicklungsleistung der Ingenieure des damaligen U.S. Konzerns bezog sich seinerzeit auf einen speziell konzipierten verzahnten Flachriemen und dessen Herstellung. Die Ausführung bestand in einer Verbundkonstruktion aus Kautschuk sowie einem speziellen Festigkeitsträger und einem zahnseitigen Deckgewebe aus Baumwolle (später Polyamidgewebe). Die Herstellung solcher endlosen, verzahnten Flachriemen erfolgte durch Vulkanisation auf Formkernen. Das Lösungsprinzip erwies sich recht bald als derart erfolgreich, dass man sich entschloss, das System auch auf andere Einsatzfälle im Bereich des Maschinenbaus zu übertragen. Aufgrund des offensichtlichen Nutzens und der gezielten Entwicklung für den USMarkt wurden ab 1946 die Zahnriemen mit Zollteilung eingeführt, die heute noch weltweit im Einsatz sind. Es setzten sich insbesondere sechs Profilgeometrien am Markt erfolgreich durch. Diese sind seit 1977 für Riemen in DIN ISO 5294 [14] und für Scheiben in DIN ISO 5296 standardisiert [15]. In Deutschland begann ab ca. 1950 die Entwicklung und die Markteinführung metrisch geteilter Zahnriemen mit „T-Teilung“ durch die MULCO-Gruppe, Hannover. Die Riemen wurden gefertigt aus Contilan®, einem gießbaren Polyurethan mit dem Härtegrad 90 Shore. Als Festigkeitsträger kamen Stahlcordzugstränge zum Einsatz. Das Gießverfahren in geschlossenen Formen zur Herstellung von Endlosriemen wird heute noch genutzt. Zahnriemen der T-Teilung sind inzwischen in DIN 7721, Teil 1 für Riemen und Teil 2 [12] für Scheiben genormt. In den 60-er Jahren des 19. Jahrhunderts war es als erster PKW-Hersteller die Firma Glas, die den Zahnriemen für den Nockenwellenantrieb im Fahrzeugbau erfolgreich einsetzte. Durch die Nutzung im Automobilbau und besonders durch eine inzwischen breite Akzeptanz im allgemeinen Maschinenbau, entschlossen sich die Hersteller, weitere Fertigungsverfahren zur Zahnriemenproduktion zu erschließen. Nach der Einführung vulkanisierter und gegossener Endlosriemen entwickelte die Firma BRECO Antriebstechnik, Porta Westfalica (ein Betrieb der MULCOGruppe), Umformverfahren aus thermoplastischem Polyurethan. Das Ergebnis
12
2 Grundlagen
waren gespritzte Endloszahnriemen aus geschlossener Form, extrudierte Riemen in Meterware und extrudierte Endlosriemen. Die Firma BRECO führte ca. 1970 als erster Riemenhersteller außerdem aus Meterware endlos verschweißte Zahnriemen ein. Als Folge der verstärkten Einsatzbreite entstanden Forderungen der Zahnriemenanwender nach höherer Leistungsdichte, größerer Steifigkeit und verbesserter Genauigkeit. Die dadurch ausgelösten Entwicklungen führten zu neuen Zahnriemenarten mit optimierten Werkstoffen und deutlich verstärkten Zugsträngen sowie auch zu neuen Profilen. Die erreichten Leistungssteigerungen sind in der Tat beachtlich, und die Weiterentwicklungen sind noch nicht abgeschlossen. Vor dem Hintergrund der konsequenten Fortschritte zu einer markterfolgreichen Produktgruppe kann der heutige Anwender je nach zu lösender Antriebsaufgabe auf eine reichhaltige Auswahl verschiedener Zahnriemenarten zurückgreifen. Die einzelnen Zahnriemenarten sind untereinander nicht austauschbar. Jedes Profil erfordert – nur von wenigen Ausnahmen abgesehen – eine eigene Scheiben- sowie Zahnlückengeometrie. Im Folgenden sind zu den derzeitig marktgängigen Profilen die zugehörigen Geometrien in Maßtabellen aufgelistet. Zudem werden Hinweise auf die Ersthersteller gegeben, welche in der Regel als Entwickler auch Schutzrechte für das jeweils neue Profil eintragen ließen. Nach Ablauf der Schutzrechte übernahmen weitere Hersteller die vormals neuen Profile in ihre Fertigungsprogramme. Somit kann sich der Anwender auf eine ausreichend breite Anzahl von Anbietern stützen. Für die Lieferbereitschaft vor Ort ist die sichere Bezugsquelle zumeist der Fachhandelsbetrieb. Profile mit noch wirksamen Schutzrechten (Stand März 2009) sind gekennzeichnet. Aufgrund der großen Anzahl der Hersteller fallen zu den einzelnen Profilen nicht alle Detailmaße exakt deckungsgleich aus. Es ist festzustellen, dass insbesondere die Rückenhöhe hr (sie beeinflusst die Riemenhöhe hs) im absoluten Maß und in der Häufigkeit von Abweichungen betroffen ist. Somit sind bei festgestellten Maßabweichungen die eingetragenen Tabellenwerte entweder gemittelt, oder, wenn eine Normung erfolgte, ist das durch die Norm gestützte Maß bevorzugt genannt. Da es im Einzelfall für den Anwender auf reproduzierbare Detailmaße und deren zugehörige Toleranzen sehr wohl genau ankommt, wird empfohlen, zum jeweiligen Fabrikat die zugehörige Firmendokumentation anzufordern. Der Anwender der Zahnriementechnik kann davon ausgehen, dass bei Übereinstimmung der Teilungskurzzeichen jeweils ein maßlich austauschbares Profil vorliegt und mit den Scheiben dieses Systems lauffähig ist. Während die Geometrie identisch ist, können die technischen Daten erhebliche Abweichungen aufweisen. Die Nutzung modifizierter Elastomere (für Hoch- oder Tieftemperaturbereiche) sowie die Anwendung unterschiedlicher Kraftträger (Standard-, verstärkte oder besonders flexible Zugstränge) führen zu einer Vielzahl von Eigenschaftsmerkmalen. Bei der Berechnung der Leistungsfähigkeit ist man somit auf die technischen Daten des jeweiligen Fabrikats angewiesen.
2.3 Riemenprofile
13
2.3.1 Standardprofil in Zollteilung
Teilungskurzzeichen*)
pb Zoll
pb mm
hs mm
ht mm
hd mm
u mm
Bemerkung **)
MXL
0,08
2,023
1,140
0,510
1,530
0,225
DIN ISO 5296
XL
1/5
5,080
2,300
1,270
3,050
0,225
DIN ISO 5296
L
3/8
9,525
3,600
1,910
4,580
0,380
DIN ISO 5296
H
1/2
12,700
4,300
2,290
5,950
0,685
DIN ISO 5296
XH XXH
7/8
22,225
11,200
6,350
15,490
1,395
DIN ISO 5296
1 1/4
31,750
15,700
9,530
22,100
1,520
DIN ISO 5296
*) Mit dem Teilungskurzzeichen wird die Profilgeometrie und Teilung identifiziert. **) DIN ISO 5296 [15]
Die mit Trapezprofil in Zollteilung ausgeführten Zahnriemen sind vorzugsweise aus Chloroprenkautschuk, mit dem Zugstrang Glascord und einer zahnseitigen Gewebedeckschicht aus Polyamid erhältlich. Sie wurden um 1940 von USRubber, heute bekannt unter Gates Mectrol, entwickelt. Diese Riemen werden weltweit von fast allen namhaften Zahnriemenherstellern produziert. Dem Anwender steht ein reichhaltiges Längensortiment zur Verfügung. Sie sind auch in Polyurethan mit Stahlcord- oder wahlweise Aramidzugstrang in Endloslängen sowie auch als Meterware und verschweißte Meterware erhältlich. Die doppelt verzahnten Riemen sind sowohl in den Ausführungen Zahn gegenüber Zahn wie auch Zahn gegenüber Lücke gebräuchlich.
14
2 Grundlagen
2.3.2 Standardprofil mit metrischer T-Teilung
Teilungskurzzeichen T2 T 2,5 T5 T 10 T 20
pb mm 2,0 2,5 5,0 10,0 20,0
hs mm 1,1 1,3 2,2 4,5 8,0
ht mm 0,5 0,7 1,2 2,5 5,0
hd mm – 2,0 3,4 7,0 13,0
u mm 0,3 0,3 0,5 1,0 1,5
Bemerkung *) – DIN 7721 DIN 7721 DIN 7721 DIN 7721
*) DIN 7721 [12]
Die mit Trapezprofil und metrischer Teilung ausgeführten Zahnriemen werden vorzugsweise aus Polyurethan mit Stahlcord-, aber auch mit Aramidzugstrang, angeboten. Das Kurzzeichen T steht für Trapezprofil. Diese Zahnriemen entwickelte etwa 1955 die Firma Wilhelm Herm. Müller in Kooperation mit der Firma Continental, beide Hannover. Die MULCO-Gruppe übernahm unter dem Markennamen Synchroflex®-Zahnriemen den Vertrieb deutschlandweit, später europaweit. 1977 erfolgte die Normung in DIN 7721 [12]. Diese Zahnriemen sind weltweit verbreitet, und dem Anwender stehen Endlosriemen, Meterware und endlos verschweißte Meterware zur Verfügung.
2.3 Riemenprofile
15
2.3.3 Hochleistungsprofil AT
Teilungskurzzeichen AT 3 AT 5 AT 10 AT 15 AT 20
pb mm 3,0 5,0 10,0 15,0 20,0
hs mm 1,9 2,7 5,0 6,5 9,0
ht mm 1,1 1,2 2,5 3,8 5,0
hd mm – 3,6 6,7 9,8 12,4
u mm 0,18 0,60 0,85 1,1 1,20
Bemerkung – – – *) –
*) Gebrauchsbezeichnung der MULCO-Gruppe ATS 15. Neues Profil 2008 eingeführt.
Die mit Trapezprofil und metrischer Teilung ausgeführten AT-Riemen stellen eine Weiterentwicklung des metrischen T-Zahnriemens dar. Sie sind vorzugsweise aus Polyurethan mit Stahlcord-, oder auch mit Aramidzugstrang ausgeführt. Sie sind gekennzeichnet durch ein vergrößertes Zahnvolumen und deutlich stärkere Zugstränge im Vergleich zum Standardprofil in metrischer Teilung (siehe Abschn. 2.3.2). Die Besonderheit dieses Profils ist die zahnfußabstützende Funktion im Lückengrund der Scheibe. Die MULCO-Gruppe, Hannover, entwickelte diese Riemen und führte sie unter dem Markennamen Synchroflex®-Zahnriemen AT etwa 1980 ein. Sie sind weltweit verbreitet, und erhältlich als Endlosriemen, Meterware und endlos verschweißte Meterware.
16
2 Grundlagen
2.3.4 Hochleistungsprofil H
Teilungskurzzeichen H2M H3M H5M H8M H14M H20M
pb mm 2,0 3,0 5,0 8,0 14,0 20,0
hs mm 1,5 2,4 3,6 6,0 10,0 13,2
ht mm 0,70 1,20 2,10 3,38 6,02 9,00
hd mm – 3,2 5,4 8,1 14,8 –
u mm 0,250 0,380 0,570 0,686 1,397 2,200
Bemerkung – – – ISO 13050 ISO 13050 –
Die nach ISO13050 [34] genormten Profile mit dem Kurzzeichen H sind auch als HTD-Zahnriemen bekannt. HTD steht für High Torque Drive. Diese Zahnriemen, welche vorzugsweise aus Chloroprenkautschuk mit Glascordzugstrang und einer zahnseitigen Polyamidgewebeschicht ausgeführt sind, entwickelte Gates Mectrol (vormals Uniroyal) und führte sie 1973 am US-Markt ein. Die gekrümmten Flanken in kreisförmiger Geometrie sowie die größere Zahnhöhe verbesserten die Zahntragfähigkeit und das Überspringverhalten deutlich. Ab 1976 begann der Vertrieb in der Bundesrepublik Deutschland durch Walther Flender, Düsseldorf [21]. Zahnriemen mit diesem Profil sind weltweit verbreitet, und weitere Hersteller befassen sich mit deren Produktion. Sie werden auch aus Polyurethan, wahlweise mit Stahlcord- oder mit Aramidzugstrang gefertigt. Dem Anwender steht ein umfangreiches Längensortiment von Endlosriemen sowie Meterware und endlos verschweißte Meterware zur Verfügung.
2.3 Riemenprofile
17
2.3.5 Hochleistungsprofil R
Type R2 R3 R5 R8 R14
pb mm 2,0 3,0 5,0 8,0 14,0
hs mm 1,5 2,4 3,8 5,4 9,7
ht mm 0,73 1,15 2,00 3,20 6,00
hd mm – – 5,14 7,80 14,5
u mm 0,270 0,380 0,570 0,686 1,397
Bemerkungen – – – ISO 13050 ISO 13050
Die nach ISO 13050 [34] genormten Profile mit dem Kurzzeichen R sind auch als RPP-Zahnriemen bekannt. RPP steht für Rubber Parabolic Profil. Diese Zahnriemenart mit parabolisch ausgeführter Zahnflanke entwickelte 1985 Pirelli, Italien (das heutige Nachfolgeunternehmen heißt Megadyne) und führte sie aus Chloroprenkautschuk mit Glascordzugstrang und zahnseitiger Polyamidgewebeschicht ein. Zahnriemen dieser Ausführung sind hauptsächlich in Südeuropa verbreitet und weitere Hersteller befassen sich mit deren Produktion. Sie werden auch aus Polyurethan, wahlweise mit Stahlcord- oder mit Aramidzugstrang gefertigt. Dem Anwender steht ein umfangreiches Längensortiment von Endlosriemen sowie Meterware und endlos verschweißter Meterware zur Verfügung.
18
2 Grundlagen
2.3.6 Hochleistungsprofil S
Teilungskurzzeichen S2 S3 S4,5 S5 S8 S14
pb mm 2,0 3,0 4,5 4,0 8,0 14,0
hs mm 1,4 2,3 2,7 3,4 5,3 10,2
ht mm 0,76 1,14 1,71 1,90 3,05 5,30
hd mm – – 4,18 4,70 7,50 13,40
u mm 0,254 0,380 0,380 0,480 0,686 1,397
Bemerkungen – – – – ISO 13050 ISO 13050
Die nach ISO 13050 [34] genormten Profile mit dem Kurzzeichen S sind auch als STD-Zahnriemen bekannt. STD steht für Super Torque Drive. Das Profil entwickelte 1976 Goodyear, Lincoln, Nebraska, USA., und führte diesen Riemen mit evolventenförmiger Profilgeometrie aus Chloroprenekautschuk mit Glascordzugstrang und zahnseitiger Polyamidgewebeschicht ein. Zahnriemen mit diesem Profil sind weltweit verbreitet, und weitere Hersteller befassen sich mit deren Produktion. Sie werden auch aus Polyurethan, wahlweise mit Stahlcord- oder mit Aramidzugstrang gefertigt. Dem Anwender steht ein umfangreiches Längensortiment von Endlosriemen sowie Meterware und endlos verschweißte Meterware zur Verfügung.
2.3 Riemenprofile
19
2.3.7 Hochleistungsprofil Omega
Teilungskurzzeichen Omega 2M Omega 3M Omega 5M Omega 8M Omega 14M
pb mm 2,0 3,0 5,0 8,0 14,0
hs mm 1,5 2,3 3,4 5,4 9,5
ht mm 0,7 1,1 1,9 3,2 5,6
hd mm – – – – –
u mm 0,250 0,380 0,570 0,686 1,397
Bemerkungen ähnlich H-Profil ähnlich H-Profil ähnlich H-Profil ähnlich H-Profil ähnlich H-Profil
Zahnriemen dieses Typs weisen, wie die mit H bzw. HTD gekennzeichneten Profile, ähnliche geometrischen Merkmale auf. Sie sind mit ihnen austauschbar und laufen auf denselben Zahnscheiben. Sie wurden 1990 in Deutschland unter dem von Firma Optibelt, Höxter, geschützten Markennamen Omega®-Zahnriemen eingeführt. Gefertigt werden sie als Endlosriemen aus Chloroprenkautschuk mit Glascordzugstrang und zahnseitiger Polyamidgewebeschicht. Dieser Riementyp ist nach Herstellerangaben auch lauffähig auf Zahnscheiben des Profils R und S.
20
2 Grundlagen
2.3.8 Hochleistungsprofil GT3
Teilungskurzzeichen 2GT3 3GT3 5GT3 8GT3 14GT3
pb mm 2 3 5 8 14
hs mm 1,52 2,41 3,81 5,60 9,91
ht mm 0,71 1,12 1,92 3,40 5,82
hd mm – – – 8,17 14,43
u mm 0,255 0,380 0,570 0,685 1,395
Bemerkungen – – – wie H-Profil wie H-Profil
Riemen mit dem kreisbogenförmigen Profil sind unter dem Warenzeichen PowerGrip®GT3 eingetragen. Der Hersteller Gates Mectrol führte die Riemen ab 1991 am Markt ein. Sie werden gefertigt aus Chloroprenekautschuk mit Glascordzugstrang und zahnseitiger Polyamidgewebeschicht. Riemen mit den Teilungen 2, 3 und 5 mm laufen nach Herstellerangaben nur auf „GT3“-eigenen Scheiben, die mit den Teilungen 8 und 14 mm sind auf H- beziehungsweise HTD-Scheiben lauffähig. Diese Zahnriemen sind erhältlich als Endlosriemen sowie als Meterware (Teilungskurzzeichen LL-GT3) wahlweise mit Glascord- oder Stahlcordzugstrang.
2.3 Riemenprofile
21
2.3.9 Hochleistungsprofil PC-MGT2
Teilungskurzzeichen PC- 8MGT2 PC-14MGT2
pb mm 8 14
hs mm 5,9 10,2
ht mm 3,40 6,00
hd mm – –
u mm 0,8 1,4
Bemerkungen – –
Riemen mit diesem evolventenförmigen Profil sind unter dem Warenzeichen PolyChain® MGT2 eingetragen. Sie werden von Gates Mectrol aus Polyurethan mit Aramidzugstrang und einer zahnseitigen Gewebeauflage aus Polyamid gefertigt. Die Gewebeauflage ist durch eine besondere Präparation (Tränkung auf PTFEBasis) auf einen äußerst geringen Reibwert optimiert. Der Riemen weist bei hoher Leistungsdichte niedere innere Eigenverluste auf, und das Einzahnen in die zugehörige Scheibenlücke ist besonders geräuscharm. Entsprechend den Herstellerrichtlinien sind Rückenspannrollen für diese Riemenart nicht geeignet. PolyChain®-Zahnriemen sind in einem gestuften Längensortiment als Endlosriemen und als Meterware lieferbar. Seit 2007 werden diese Riemen auch alternativ mit Carbon-Zugstrang angeboten. In diesem Ausrüstungszustand sind Gegenbiegungen zugelassen. Sie tragen die Bezeichnung PCC-MGT2. Zu dieser Ausführung bietet Continental für die Teilung 8 mm den Synchrochain®-Zahnriemen mit einem neuen Gewebecompound und einer reibungsarmen PE-Folie an. Gegenbiegungen sind zugelassen.
22
2 Grundlagen
2.3.10 Hochleitungsprofil ATP
Teilungskurzzeichen ATP 10 ATP 15
pb mm 10 15
hs mm 4,5 6,6
ht mm 2,50 3,75
hd mm 6,5 9,4
u mm 0,75 0,95
Bemerkungen – –
Zahnriemen mit dem Profil ATP sind gekennzeichnet durch den so genannten Doppelzahn, d. h. die Zahntraglast pro Teilung verteilt sich auf zwei Flanken. Das Profil entwickelte etwa 1992 Firma Wilhelm Herm. Müller, Hannover, und es gehört zum Lieferprogramm der MULCO-Gruppe, Hannover. Diese Riemen werden in Endloslängen aus Polyurethan mit Stahlcordzugstrang angeboten. Schutzrechte sind eingetragen.
2.3 Riemenprofile
23
2.3.11 Sonderprofil Spurzahnriemen
Spurgeführte Zahnriemen, kurz Spurzahnriemen genannt, sind gekennzeichnet durch einen Führungskeil in Riemenlängsrichtung, welcher in der Regel auf der Zahnseite und riemenmittig angeordnet ist. Er sorgt für den erforderlichen Geradeauslauf. Als korrespondierende Geometrie sind in die zugehörigen Zahnscheiben, Umlenkungen und Stützschienen entsprechende keilförmige Einstiche einzubringen. Spurzahnriemen eignen sich insbesondere für den Einsatz bei Handhabungsund Transportaufgaben. Die ersten Spurzahnriemen entwickelte etwa 1980 die Firma BRECO-Antriebstechnik, Porta Westfalica, und sie gehören inzwischen zum Standard-Vertriebsprogramm der MULCO-Gruppe, Hannover. Aufgrund der breiten Akzeptanz durch die Anwender sind alle Riemen der T- und AT-Profile auch in der Ausführung als Spurzahnriemen lieferbar. Die zugehörige Zahnlückengeometrie ist austauschbar. Sie werden angeboten aus Polyurethan mit Stahlcordzugstrang als Endloszahnriemen, als Meterware und als endlos verschweißte Meterware. Die Keilführung ist im Zahnteilungsrhythmus bis zum Zahnlückengrund „unterbrochen“ ausgebildet. Durch diese Maßnahme bleibt die Biegewilligkeit erhalten.
24
2 Grundlagen
2.3.12 Sonderprofil SFAT
Die Riemen sind gekennzeichnet durch zwei um eine halbe Zahnteilung versetzte Zahnspuren. Sie weisen in beiden Laufrichtungen ein eigenständiges Geradeauslaufverhalten auf. Die Bezeichnung SFAT steht für Selbst-Führende Zahnriemen in Profil AT (siehe auch Kap. 2.3.3). Diese Riemen wurden 1985 von der Firma BRECO Antriebstechnik, Porta Westfalica, entwickelt und gehören zum Lieferprogramm der MULCO-Guppe, Hannover. Sie sind erhältlich mit der Teilung 10 mm und werden aus Polyurethan mit Stahlcordzugstrang als Endloszahnriemen, als Meterware und als endlos verschweißte Meterware gefertigt.
2.3 Riemenprofile
25
2.3.13 Sonderprofil Bogenzahnriemen
Bogenzahnriemen laufen in die zugehörigen Scheiben annähernd ohne Polygoneffekt ein. Sie zeichnen sich gegenüber anderen Riemen durch deutlich geringere Geräusche und ein eigenständiges Geradeauslaufverhalten in Vorzugslaufrichtung aus. Diese Zahnriemen wurden 1990 von der Firma BRECO Antriebstechnik, Porta Westfalica, entwickelt und gehören zum Lieferprogramm der MULCO-Guppe, Hannover. Sie sind erhältlich mit der Profilgeometrie BAT 10 sowie BAT 15 und werden aus Polyurethan mit Stahlcordzugstrang als Endloszahnriemen, als Meterware und als endlos verschweißte Meterware gefertigt. Das Kurzzeichen BAT steht für Bogenzahn mit AT Hochleistungsprofil. Eine weitere Variante des Bogenzahnriemens bezieht sich auf eine mit Keilspur lieferbare Ausführungsart.
26
2 Grundlagen
2.3.14 Sonderprofil Pfeilverzahnung
Pfeilverzahnte Riemen mit der Bezeichnung Eagle (Adler) laufen in die zugehörigen Scheiben annähernd ohne Polygoneffekt ein. Sie zeichnen sich gegenüber anderen Riemen durch deutlich geringere Geräusche und ein eigenständiges Geradeauslaufverhalten in beiden Laufrichtungen aus. Diese Zahnriemen wurden von Firma Goodyear, Lincoln, Nebraska, USA 1994 patentiert und ab 1997 in den Teilungen 8 und 14 mm am Markt eingeführt. Sie bestehen aus Synthesekautschuk mit Aramidzugstrang und einer zahnseitigen Polyamidgewebeschicht. Die Zahngeometrie entspricht dem Profil S bzw. STD (siehe Abschn. 2.3.5). Die in Pfeilanordnung gezahnten Reihen sind zueinander um eine halbe Teilung versetzt. Die Riemen werden auch in Lizenz von den Herstellern Elatech und Megadyne, beide Italien, aus Polyurethan mit Stahlcord- oder Aramidzugstang als Endlosriemen als Meterware und als endlos Verschweißte Meterware gefertigt. Schutzrechte sind eingetragen.
2.3 Riemenprofile
27
2.3.15 Sonderprofil Noppenriemen
Die Sonderbauform Noppenriemen verbindet mit ihrem speziellen Profil die formgepaarte Umschlingungsfunktion zur Scheibe und den spurtreuen Geradeauslauf. Dieser Riemen wurde 1998 von Continental, Hannover, entwickelt. Er wird angeboten mit dem Kurzzeichen N10 (Noppenprofil mit 10 mm Teilung) aus Polyurethan mit Stahlcordzugstrang als Meterware und als endlos verschweißte Meterware. Schutzrechte sind eingetragen. Riemen dieser Ausführung sind bevorzugt geeignet für Anwendungen in Aufgaben der Handhabungs- und Transporttechnik.
28
2 Grundlagen
2.3.16 Sonderprofil mit Steckmuttern
Den Zahnriemen mit Durchbrüchen für Steckmuttern entwickelte im Jahr 2002 die Firma BRECO-Antriebstechnik, Porta-Westfalica, und er gehört zum Lieferprogramm der MULCO-Gruppe, Hannover. Die Profilbezeichnung ATN kennzeichnet die Lauffähigkeit auf AT-Zahnscheiben, das N steht für Nockenbefestigungen. Von der Zahnseite sind in beliebiger Folge Steckmuttern einzulegen. Diese stellen damit eine montierbare bzw. demontierbare Verbindung für Transportnocken auf dem Riemenrücken her. Im Lieferneuzustand sind die Durchbrüche zunächst geschlossen (verhautet), das Öffnen erfolgt je nach gewünschter Nockenteilung vom Anwender. Riemen dieser Ausführung sind erhältlich mit dem Profil AT (siehe Kap. 2.3.3) in den Teilungen 10 sowie 12,7 und 20 mm aus Polyurethan mit Stahlcordzugstrang als Meterware und als endlos verschweißte Meterware. Eine weitere Ausführungsart dieser Riemen wird mit Spurführung (siehe Kap. 2.3.11) angeboten. Schutzrechte sind eingetragen.
2.4 Fertigungsverfahren und Elastomere
29
2.4 Fertigungsverfahren und Elastomere Der Markt bietet dem Anwender Zahnriemen aus unterschiedlichen Werkstoffkomponenten und Fertigungsverfahren an. Sie haben alle gemeinsam, dass ihr Aufbau aus einer Verbundkonstruktion besteht, die sich hauptsächlich aus einem elastomeren Basismaterial mit eingelagerten, längenstabilen Festigkeitsträgern, den Zugsträngen, zusammensetzt. Jeder Werkstoff übernimmt seinen speziellen Eigenschaften entsprechende Aufgaben. Die Elastizitätsmodule von Basis- und Zugstrangmaterial liegen dabei um etwa vier Zehnerpotenzen auseinander. Demzufolge sind die Zugstränge (Kap. 2.5) mit entsprechenden Haftvermittlern präpariert. Die verwendeten Werkstoffe sowie die Fertigungsschritte müssen derart aufeinander abgestimmt sein, dass die Einzelkomponenten während des Herstellungsprozesses miteinander verträglich sind, und sich im Produkt ihre Eigenschaften ergänzen sowie auf Dauer erhalten bleiben. Mit der Wahl des eingesetzten Elastomeretyps sind die Gestaltungsmöglichkeiten und Verfahrensschritte im Wesentlichen vorgegeben. Im Folgenden stehen nach einer kurzen Beschreibung der Fertigungsverfahren die im Endprodukt Zahnriemen je nach Herstellungsart erreichbaren Liefermöglichkeiten und Qualitätsmerkmale im Vordergrund. Abhängig vom eingesetzten Elastomeretyp und dessen Verarbeitungsweise ergeben sich dabei unterschiedliche Eignungsund Einsatzschwerpunkte. Diese werden bereits durch die Grobeinteilung der Herstellungsarten vorgegeben. Die als Meterware gefertigten Zahnriemen sind für die Lineartechnik einschließlich der Transporttechnik bestimmt, während Endloszahnriemen vorzugsweise in voll umlauffähigen Leistungsantrieben Verwendung finden. Etwa 90% der Zahnriemen werden für den letztgenannten Bereich produziert. Im Verbundaufbau ist dabei der Zugstrang spiralförmig im Riemenrücken „gewickelt“ eingebettet, weshalb die Hersteller dann auch von „Zahnriemenwickel“ oder „Endloswickel“ sprechen.
2.4.1 Aus Polyurethan gegossene Zahnriemen Polyurethane gehören aufgrund ihrer Fähigkeit, große Formänderungen zu ertragen und nach Entlastung wieder in den Ausgangszustand zurückzukehren, zu den Elastomeren. In der Zahnriemenherstellung setzt man unter anderem das gießbare Zweikomponenten-Polyurethan ein. Es weist im Verarbeitungszustand, also direkt nach dem Anmischen, eine niederviskose Konsistenz auf. Zur Formgebung eignen sich ausschließlich geschlossene Formen, bestehend aus Kern und Außenteil, Abb. 2.2. In der Regel trägt der Kern die entsprechende Geometrie des Zahnprofils, und der Innendurchmesser des Außenteils, der Formmantel, bildet die Rückenkontur aus. Im Falle eines beiderseitig verzahnten Riemens kann auch er eine entsprechende Kontur zur Gestaltung der Gegenverzahnung aufweisen.
30
2 Grundlagen
Abb. 2.2 Gießverfahren mit Zweikomponenten-Polyurethan
Auf den Formkern werden die Zugstränge gewickelt (aufgespult), welche sich auf den so genannten Wickelnasen abstützen. Bei Hochleistungsriemen kommen dabei in der Regel Kraftträger aus paarweise angeordneten Zugsträngen zum Einsatz, die durch rechts-links geschlagene Verseilung die Laufkultur des Riemens (geringe Ablaufneigung) positiv beeinflussen. Über das Spulgewicht bzw. die eingestellte Vorspannkraft beim Wickeln ist die Toleranzlage der Riemenlänge beeinflussbar. Das Formaußenteil wird mit Gießpolyurethan gefüllt und der bespulte Kern eingeführt. Durch das Eintauchen bis zum Formboden findet der Verdrängungsguss statt, wobei die gewollte Fließrichtung „von unten nach oben“ das Entweichen der Luft begünstigt. Unter Wärmezufuhr vernetzt sich das Polyurethan und härtet in
2.4 Fertigungsverfahren und Elastomere
31
der Temperstrecke aus. Nach dem Entformen schließen sich die Fertigungsschritte der weiteren Veredelung an wie Bedrucken der Kennung (Teilungskurzzeichen und Riemenlänge), Aufschneiden zu Einzelriemen, Besäubern der Zugstrangaustritte, sowie gezielte Maßnahmen zur Qualitätssicherung. Die Shore-Härteprüfung gibt Aufschluss über die vollständige Vernetzung, mit der Zahnabzugskraft beurteilt man die Bindung zum Zugstrang und die Freigabe schließt in der Regel mit der Kontrolle der Maßhaltigkeit ab. Zahnriemen aus Zweikomponenten-Gießpolyurethan gefertigt, zeichnen sich insbesondere durch gleichbleibende Teilung, formgetreue Abbildgüte sowie konstante Eigenschaften über die gesamte Endloslänge des Riemens aus. Der niederviskose Zustand beim Gießen begünstigt die Ausbildung filigraner Konturen. Somit wird dieses Herstellungsverfahren für Zahnriemen kleiner Teilungen bevorzugt. Durch kapillare Wirkung verfüllen sich die Zwischenräume innerhalb des Seilverbunds der Stahlcordzugstränge fast vollständig mit Polyurethan. Die Bindekräfte zwischen Zugstrang und Elastomere bilden sich insbesondere durch gute mechanische Verankerung beider Werkstoffkomponenten aus. Dadurch wird bei Biegung und Gegenbiegung die mechanische Reibung der Filamente untereinander weitestgehend unterbunden. Aus Polyurethan gegossene Zahnriemen haben in ihrem Zahngrund und quer zur Laufrichtung schmale Nuten mit freiliegenden Zugsträngen. Diese Besonderheit bildet sich durch die oben beschriebenen Wickelnasen aus, auf die sich der Zugstrang auf dem Formkern abstützt. Sie haben für die weitere Funktion keine Bedeutung. Riemen dieser Machart sind mit Stahlcord- oder Aramidzugsträngen erhältlich, wobei die angebotenen Elastomere-Härten im Bereich 85 bis 95 Shore A liegen. Eine Riemenausführung mit zusätzlichem zahnseitigem Polyamidgewebe lässt das Verfahren technologisch nicht zu. Auch der Einsatz von Glascordzugsträngen ist bisher nicht realisiert, da der Entformungsvorgang über die Wickelnasen die spröden und gegen Scherbeanspruchung empfindlichen Glasfilamente offensichtlich schädigt. Aus Polyurethan gegossene Riemen liegen stets als Endlosriemen vor. Das Fertigungsverfahren wird von den Herstellern in einem Längenbereich von ca. 50 bis 5.000 mm angewandt. Das oben beschriebene Gießverfahren wird je nach Ausrüstungszustand der Produktionsanlagen in vielerlei Varianten unterschiedlich praktiziert. Anstelle des Verdrängungsgießens nutzt man beispielsweise ein so genanntes Injektionsgießen. Dabei befindet sich der bespulte Kern bereits im Formmantel und das niederviskose Zweikomponenten-Polyurethan wird durch eine Injektionsleitung über den Formboden zugeführt. Auch in diesem Fall findet der eigentliche Gießvorgang von „unten nach oben“ statt. Durch weitere Maßnahmen in den Produktionsanlagen sind Qualitätssteigerungen möglich. So lässt sich die Abbildgüte feiner Konturen sowie die Polyurethan-Durchdringung der Zugstränge durch Gießtechniken unter Vakuum weiter verbessern.
32
2 Grundlagen
2.4.2 Aus Synthesekautschuk vulkanisierte Zahnriemen Für die Produktion von Endloszahnriemen weist der Synthesekautschuk CR die größte Anwendungsbreite auf. CR steht für Chloropren Rubber, der in der Praxis oft unter dem Handelsnamen Neoprene® von DU PONT anzutreffen ist. CR besitzt ein ausgeglichenes Eigenschaftsbild bezüglich Zugfestigkeit, Bruchdehnung, Alterungsbeständigkeit und maximaler/minimaler Gebrauchstemperatur, ohne dabei im Vergleich zu anderen Kautschuktypen Höchstwerte zu erreichen. In Automobilanwendungen, insbesondere zur Steuerung der Nockenwelle, wo häufig hohe Umgebungstemperaturen auftreten, wird für Zahnriemen vermehrt der Synthesekautschuk HNBR eingesetzt. Das Kürzel steht für hydrierter Nitril Butadien Rubber. Die Höhe der Sättigung von HNBR-Gerüstketten setzt die Wärmebeständigkeit (nach DIN 780078) um bis zu 25°C herauf. Die Temperatureinsatzgrenze beträgt +130, bei ausgewiesenen Sondermischungen bis zu +150°C. Die Fertigungsschritte zur Herstellung eines Zahnriemenwickels aus Synthesekautschuk mit eingelagerten Zugsträngen bestehen aus einem schichtweisen Auftragen der Komponenten auf den Formkern. Zunächst wird das Polyamid-Rohgewebe in Gestalt eines Endlosstrumpfes, welcher bereits für die zugehörige Zahnriemenlänge und Wickelbreite konfektioniert ist, aufgelegt. Anschließend erfolgt das Spulen der Glascord- oder Aramidzugstränge auf den Formkern. Sie stützen sich mit der beim Wickeln vorgegebenen Vorspannkraft auf den Zahnköpfen der Form ab und fixieren so zugleich das Polyamid-Gewebe. Als letzte Komponente wird der unvernetzte und plastisch verformbare Synthesekautschuk in so genannten Fellen (streifenförmige Zuschnitte aus Rohkautschuk) in gleichmäßiger Dicke auf den Formkern aufgetragen. Ein derart vorbereiteter Kern wird im Autoklaven höheren Temperaturen und deformierenden Kräften auf die zylindrische Mantelfläche des unvernetzten Elastomeres ausgesetzt. Unter diesem Einfluss zeigt Kautschuk zunehmend viskoses Verhalten, und die Rohmasse fließt in die Verzahnung. In der Folge wirken Temperatur und Druck über einen vorbestimmten Zeitraum (ca. 30 Minuten) ein, der plastische Synthesekautschuk vernetzt sich, vulkanisiert aus und wechselt in den elastischen und damit formstabilen Zustand. Im Fall von HNBR Typen erfolgt eine peroxidische Vernetzung. Gleichzeitig geht das Elastomere über den Haftvermittler einen innigen Verbund sowohl zur Gewebedeckschicht als auch zum Zugstrang ein. Die Bindung zwischen den Komponenten beruht überwiegend auf chemisch-physikalischen Kräften. Der entformte Wickel weist auf der Zahnseite ein exaktes Abbild der Zahngeometrie seines Formkerns bei hoher Teilungsgleichheit auf. Bei diesem Verfahren ist kein Formaußenteil erforderlich, und Unregelmäßigkeiten im Riemenrücken werden durch Überschleifen egalisiert. Der letzte Arbeitsgang besteht aus dem Aufschneiden des Wickels in Einzelriemen. Aus Synthesekautschuk vulkanisierte Zahnriemen sind mit Glascord- oder Aramidzugstrang (selten mit Stahlcordzugstrang) erhältlich, wobei die Zahnseite generell mit einer Polyamid-Gewebeschicht bewehrt ist. Nach diesem Ver-
2.4 Fertigungsverfahren und Elastomere
33
fahren hergestellte Riemen sind in einem Endloslängenbereich von ca. 100 bis 5.000 mm lieferbar.
2.4.3 Aus Polyurethan extrudierte Zahnriemen Eine marktgängig eingeführte Produktreihe plastifizierbarer Polyurethane ist unter dem eingetragenen Handelsnamen Desmopan® von Bayer bekannt. Sie ist erhältlich in einem E-Modulbereich von 10 bis 650 MPa. Für die Anwendung in der Zahnriementechnik sind davon die Typen mit einem E-Modul von 15 bis 40 MPa interessant, was einem Härtegrad von 85 bis 95 Shore A entspricht. Aus Polyurethan extrudierte Endloswickel entstehen auf einer Fertigungsanlage zwischen zwei gegenüberliegend angeordneten Produktionszahnscheiben. Abbildung 2.3 zeigt einen nicht vollendeten, teilweise extrudierten Riemen. Die Zugstränge sind unter Vorspannkraft zwischen beiden Scheiben, auch Formräder genannt, aufgewickelt und stützen sich auf den so genannten Wickelnasen ab. Das aufgeschmolzene Polyurethan steht unter entsprechender Verarbeitungstemperatur im Extruder bereit. Die Ausbildung von Zahngeometrie und Riemenrücken sowie der Verbundaufbau zwischen Polyurethan und Zugstrang erfolgen durch den Plastifizierungsvorgang über eine Breitschlitzdüse, wobei man die Formmasse kontinuierlich in die umlaufende Produktionsscheibe drückt.
Abb. 2.3 Aus Polyurethan extrudierter Zahnriemen
Der Riemen wird Zahn um Zahn gemeinsam mit dem Riemenrücken fortschreitend ausgebildet. Die Kühlstrecke bis zum Ausformen entspricht einem 180°-Umlauf um die formgebende Produktionsscheibe. Die Ausführungsart PAZ*) erreicht man durch das zeitgleiche Einziehen eines Polyamid-Gewebebandes in das Formrad während der Plastifizierung. Der Extrusionsvorgang eines kompletten Wickels
*) PAZ Polyamidauflage auf der Zahnseite
34
2 Grundlagen
ist nach einem vollen Umlauf des Riemens dann abgeschlossen, wenn der erstgeformte Riemenzahn mit dem letztgeformten plastisch verfließt. Aus dieser Fertigungsart hergestellte Endloswickel werden zur Egalisierung des Riemenrückens komplett überschliffen. Die letzte Fertigungsstufe besteht aus dem Teilen des Wickels in Einzelriemen. Die Besonderheit dieses Verfahrens ist, dass durch das Verstellen des Achsabstandes in der Produktionsanlage jede Endloslänge gestuft von Zahn zu Zahn realisierbar ist. Die kürzest mögliche Länge ist jene, bei der sich die Formräder gerade noch nicht berühren. Nach diesem Verfahren hergestellte Endlosriemen können in beliebigen Längen ausgeführt werden. In der Praxis sind Endloslängen bis ca. 22 m möglich. Dieses Extrusionsverfahren entwickelte die Firma BRECO Antriebstechnik, etwa 1980 und verfeinerte in der Folgezeit die Qualitätsmerkmale bezüglich Längentoleranz und Teilungsgleichheit. So sind heute die Teilungsabweichungen zwischen dem erst- und letztgeformten Zahn im Vergleich zu beliebigen anderen Zähnen oder Zahngruppen messtechnisch nicht mehr zu erfassen. Extrudierte Endloswickel aus Polyurethan sind herstellbar mit Stahlcord- oder wahlweise mit Aramidzugstrang. In der Standardausführung ist der Riemen unbeschichtet. Er ist wahlweise auch mit der Beschichtung PAZ*) lieferbar.
2.4.4 Aus Polyurethan extrudierte Meterware Das Herstellen von endlicher Meterware unterscheidet sich von endlos extrudierten Riemen dadurch, dass die Fertigungsanlage mit nur einem Formrad auskommt. Der Begriff „Wickel“ trifft nicht mehr zu, denn die Kraftträger werden bei diesem Verfahren kantenparallel zugeführt, wobei die Folge nebeneinander liegender Zugstränge sich in links- und rechtsverseilten Ausführungen abwechselt. Die Plastifizierung zum Verbundaufbau Zahnriemen vollzieht sich in gleicher Weise wie zuvor beschrieben. Nach dem Ausbilden von Zähnen und Riemenrücken sowie einem Kühlstreckenumlauf von ca. 180° um die Produktionszahnscheibe schließt sich das Entformen mit dem Breitenschnitt der Riemenkanten an. Das fertige Produkt wird aufgehaspelt. Den Riemenrücken unterzieht man zeitgleich mit dem Plastifizieren einer Glättung. Damit ist der Riemen maßgetreu eingeebnet, und die Rückenstruktur liegt in der Qualität „spritzglatt“ vor. Riemen dieser Ausführung werden je nach Teilung in einer Maximalbreite bis zu 150 mm hergestellt und schmalere Standard- oder Sonderbreiten daraus geschnitten. Als erster Hersteller dieser Machart kann BRECO Verfahrenspatente vorweisen [65], die bis in das Jahr 1970 zurückreichen. Endlich extrudierte Zahnriemen sind erhältlich aus Polyurethan mit Stahlcordoder wahlweise mit Aramidzugstrang. In Standardausführung ist der Riemen un-
*) PAZ Polyamidauflage auf der Zahnseite
2.4 Fertigungsverfahren und Elastomere
35
beschichtet. Es sind wahlweise aber auch die Beschichtungsarten PAR und PAZ sowie PAR-PAZ*) lieferbar. Die Riemen stehen als Rollenware in Vorzugslängen oder als Zuschnitte abgelängt zur Verfügung, wobei unbegrenzte Längen realisierbar sind.
2.4.5 Weitere Herstellverfahren Weitere Herstellverfahren sollen wegen ihrer geringen Verbreitung nur benannt, aber nicht eingehend behandelt werden. • Bei aus plastifizierbarem Polyurethan durch Spritzgießen geformten Zahnriemen sind geschlossene Formen mit relativ hohen Werkzeugkosten erforderlich. Die Anwendung bleibt nur größeren Serienstückzahlen vorbehalten. Die Riemenlänge ist begrenzt. • Die Herstellung extrudierter Zahnriemen als Meterware ist auch aus Synthesekautschuk mit Glascord- sowie Aramidcord- oder Stahlcordzugstrang möglich. • Endlos hergestellte Riemen können durch weiterverarbeitende Maßnahmen in endliche Meterware überführt werden. Das erfolgt durch „Spiralisieren“ von Zahnriemenwickeln. Bei diesem Verfahren ist zu beachten, dass die Zähne je nach bereitgestellter Wickellänge und je nach geschnittener Riemenbreite eine leichte Schrägstellung aufweisen. • Alle Riemen, mit welcher Produktionsart sie auch gefertigt werden, lassen sich für spezielle Anforderungen einer nachträglichen mechanischen Bearbeitung unterziehen. Dazu gehören im Einzelnen die mechanische Längs- und Querbearbeitung von Riemenrücken und/oder Zahnseite, das Lochen von Riemen sowie das Schleifen der Riemenkanten, um gegebenenfalls Sonderbreiten mit eingeschränkter Breitentoleranz zu realisieren. Das Beschichten von Riemen nutzt man für die Handhabungs- und Zuführtechnik, wenn die Reibpaarung mit der Transportaufgabe abzustimmen ist. Ferner eignen sich die Riemenausführungen aus Polyurethan zum Bestücken mit aufgeschweißten Nocken. Besondere Lösungsbeispiele der Transporttechnik zum Takten und Vereinzeln sowie zu Bandabzügen behandelt Kap. 5.
2.4.6 Meterware endlos verschweißt Bei diesem Verfahren bereitet ein Stanzschnitt die Riemenenden zur Verschweißung vor (Abb. 2.4). Es sind unterschiedliche Stanzgeometrien im Gebrauch, die
*) PAR PAZ PAR-PAZ
Polyamidauflage auf dem Riemenrücken Polyamidauflage auf der Zahnseite Polyamidauflage auf beiden Seiten
36
2 Grundlagen
jedoch alle vom Prinzip der Schweißflächenvergrößerung durch eine mäanderförmige Stanzlinie ausgehen. Die so vorbereiteten Enden der Riemenzuschnitte werden in der Schweißvorrichtung zwischen Oberplatte (glatt) und Unterplatte (verzahnt) verpresst und einem thermischen Zyklus bestehend aus Aufheizen, Schweißen und Abkühlen unterzogen.
Abb. 2.4 Endlosverschweißung durch a) Mäander-Schnitt b) V-Schnitt
Derartige thermische Verfahren zeigen im Verbindungsbereich keine Auffälligkeiten in der Teilungspräzision zum übrigen Riemen auf. Die mäanderförmige Schweißlinie ist über eine Riemenlänge von 9 Teilungen (= 10 Zähne) bemessen, in deren Bereich die Zugstränge unterbrochen sind, wobei die Trennung derselben längenversetzt angeordnet ist. Der Riemen kann somit in der Schweißzone nur etwa die Hälfte der zulässigen Zugkräfte Fzul im Vergleich zum ungestörten Riemenabschnitt aufnehmen. Die ersten verschweißten Zahnriemen konnte BRECO [65] um 1970 anbieten.
2.4.7 Zahnriemenschloss Ein Zahnriemenschloss ist gekennzeichnet durch eine montierbare Verbindungseinrichtung die es ermöglicht, den Riemen in seine Antriebsanordnung „einzufä-
2.4 Fertigungsverfahren und Elastomere
37
deln“ und vor Ort durch mechanische Hilfsmittel zu schließen. Die hier beschriebene Verbindung ist biegeumlauffähig gestaltet und ist annähernd für die gleichen Scheibenmindestdurchmesser, wie der Riemen selbst, einsetzbar. Schloßausführungen dieser Art bietet BRECO [52] mit rechtwinkligen Mäanderstanzschnitten entsprechend Abb. 2.4 a) an. Im Montagebereich sind über 9 Teilungen zahnseitig Einlegeteile sowie riemenrückseitig Bleche angeordnet, die über Kreuzschlitzschrauben M4 zu schließen sind. Anwendungen dieser Verbindungsart bieten sich bei großen Riemenlängen und insbesondere in Bereichen an, bei denen andernfalls ein erheblicher Montageaufwand erforderlich währe. Durch das Öffnen und Schließen kann sich der Serviceaufwand für den Ersatzbedarf erheblich vereinfachen. Schoßausführungen sind erhältlich für die Riemenarten T10, T20, AT10 und AT20.
2.4.8 Anwendung und Einsatzbereiche Die mit unterschiedlichen Profilgeometrien, Werkstoffkomponenten und Fertigungsarten hergestellten Riemen weisen naturgemäß auch spezielle Eigenschaften auf. Wenn Antriebsaufgaben zu lösen sind, bei denen rotatorische oder lineare Bewegungen konstruktiv umzusetzen sind, dann ergeben sich je nach Umgebungsbedingungen und Einsatzzweck bestimmte Anforderungen an das Antriebselement. Das Handbuch soll für diesen Fall als fabrikatsneutraler Ratgeber dienen, eine Auswahl fundiert abzusichern. Empfehlungen für bestimmte Produkte können nicht ausgesprochen werden. In den Kapn. 3. sowie 4. und 5. erfolgt jedoch die Angabe bevorzugter Riemenarten für den jeweiligen Einsatzbereich, ohne dass daraus eine Einschränkung oder ein Ausschluss anderer Arten abzuleiten ist. Die Beispiele sind als Hilfe zu verstehen, damit der Konstrukteur sich an erprobten Ausführungen orientieren kann. Eine Reihe von Einsatzgebieten und Anwendungen lässt sich nicht eindeutig einer Riemenart zuordnen. Hier ist der Einzelfall abzuwägen, welcher Riementyp zu bevorzugen ist. Viele Hersteller bieten zu den einzelnen Riemenarten je nach Ausrüstungs- und Entwicklungsstand unterschiedliche Leistungsklassen an. Die Profilgeometrien stimmen dabei überein und sie sind in der Regel maßlich austauschbar. So sind z. B. Riemenausrüstungen mit verstärkten Zugsträngen und/oder mit modifizierten Elastomere-Mischungen im Angebot, siehe nächstes Kapitel „Leistungssteigerungen und Entwicklungsreserven“. Bei der Riemenwahl für Neukonstruktionen empfiehlt das Handbuch, stets die höchste Leistungsdichte zum jeweiligen Profil einzusetzen. Als dessen Folge kann der Antrieb oft mit geringerer Breite dimensioniert werden, und die Gesamtkosten verringern sich aufgrund schmalerer Scheiben. Mit abnehmender Riemenbreite geht letztlich eine geringere Geräuschabstrahlung einher (siehe Kap. 2.12).
38
2 Grundlagen
2.4.9 Leistungssteigerungen und Entwicklungsreserven In den Jahren 1975 bis 1995 gehörte es zum innovativen Stil namhafter Riemenhersteller, Leistungssteigerungen durch neue Profilgeometrien herbeizuführen. Die Leistungsdichte stieg in der Tat beachtlich, und sie wurde durch Optimierung der Zahngeometrie und insbesondere durch Vergrößerung des Zahnvolumens erreicht. Das führte zu einer Vielfalt verschiedener Riemenarten, welche jeweils nur auf eigens gefertigten Zahnscheiben lauffähig sind. Mit jedem neu eingeführten Profil änderte sich die Austauschbarkeit nachteilig. So bleibt aus Anwendersicht und aus der des Maschinen- und Anlagenservice zu hoffen, dass die Anzahl der jetzt angebotenen Riemenarten nicht noch weiter zunimmt. Mit der Vergrößerung des Zahnvolumens geht zwangsläufig eine Verkleinerung der zugehörigen Zahnkopffläche der Scheiben einher, auf dem sich der Riemen im Umschlingungsbogen abstützen muss.
Abb. 2.5 Volumenvergleiche ausgewählter Profile dargestellt im Einheitsprofil nach Vorbild der TU-Dresden [55]
Im Praxiseinsatz und bei Vergleich mit Standardriemen ist damit ein neuer Trend zu anderen Ausfallkriterien in Erscheinung getreten. Die flächenverringerte Zahnkopfauflage führt häufiger zum so genannten Stegverschleiß im Riemen (siehe Kap. 6, Zahnriemenschäden). Aufgrund dieser Erkenntnis zeigen sich zudem Grenzen zur Profilgestaltung auf, wobei weitere anteilige Vergrößerungen des Zahnvolumens nicht mehr zu erwarten sind. Bald nach der Einführung neuer Profile erfolgten intensive Weiterentwicklungen auf dem Werkstoffsektor und zwar auf dem Gebiet der Elastomeretechnik, der Zugstränge sowie deren Verarbeitung zum Verbundaufbau Zahnriemen. Die Entwicklungsanstrengungen halten an, und in der Riemenantriebstechnik sind weitere Leistungszunahmen zu erwartet [55], [56]. In Hochleistungszahnriemen wird unter anderem das Kautschuk-Basismaterial durch gezielte Zugaben von Faserkurzschnitt aus Aramid optimiert. Diese sind als richtungsorientierte Verstärkungen im Elastomere eingebettet und heben damit die Zahntragfähigkeit auf ein deutlich höheres Niveau an. Bei Anwendungen in der KFZ-Technik sind neuartige teflongetränkte Gewebekonstruktionen im Einsatz, die auch mehrlagig angewandt das Profil verstärken und ein reibungsarmes Einzahnen ermöglichen. Derartige Ausführungen mit zusätzlichen Faserbeimengungen im Elastomere tragen ganz erheblich zur Leis-
2.5 Zugstrang
39
tungssteigerung von Zahnriemen bei. Der mit dem Markennamen Synchrochain® angebotene Riemen von Continental AG weist ein neuartiges Gewebecompound im Verbund mit reibungsarmer PE-Folie auf. Auf diesem Gebiet sind weitere Optimierungen denkbar. Auf dem Sektor der PU-Hochleistungsriemen liegen neue Zugstrang-Anordnungen in S-Z-Spulung vor, die zudem in deutlich engerem Abstand zueinander angeordnet sind [53]. Des weiteren ist der Härtegrad der Polyurethanmischung größer. Beide Maßnahmen ergeben deutliche Leistungssteigerungen in Verbindung mit einem verminderten Ablaufverhalten. Die umgesetzten Weiterentwicklungen finden sich wieder in angehobenen Werten für die übertragbare Leistung, verbesserten Steifigkeitswerten und größeren Zahntragfähigkeiten. Die Grundlage zur Berechnung von Riemengetrieben bleibt weiterhin den publizierten technischen Daten aus Firmenunterlagen vorbehalten. Die Entwicklungen der letzten Jahre spiegeln sich auch in Fachbeiträgen und Werbeschriften der herstellenden Betriebe wider, die ihre optimierten Riemen zum Beispiel als Isoran® Silver und Gold, Synchroforce® Extreme, Powergrip® GT3, Synchroflex® Generation III oder als HTD Mustang in den Varianten Speed, Torque und Force bezeichnen. Das Bereitstellen der aktuellen technischen Daten zum jeweiligen Fabrikat kann ein Handbuch nicht erfüllen. Bei Bedarf ist somit direkter Kontakt zu den Riemenherstellern aufzunehmen, um dort den detaillierten Rat zum firmenspezifischen Produkt oder den webbasierten Auslegungsservice (z. B. [50]) anzufordern. Die Berechnung von Zahnriemen ist nicht genormt. Die bestehenden Standardisierungen verstehen sich als Abmessungsnormen. Lediglich die VDI-Richtlinie 2758 [70] enthält grundlegende Gleichungen und Werte, die aber nur eingeschränkt auf die zollgeteilten Riemen mit Trapezprofil und auf solche mit HTDProfil anwendbar sind. Damit wird deutlich, dass eine Auslegung von Antrieben mit Zahnriemen ohne konkrete Herstellerangaben für den Anwender nicht möglich ist. Da die Hersteller verschiedene Verfahren zur Berechnung der notwendigen Riemenbreite benutzen, sind schnelle Produktvergleiche erschwert. Vollkommen identische Produkte wird es nicht geben, aber einheitliche Dimensionierungsverfahren mit vergleichbaren Beurteilungskriterien wären im Sinne des Anwenders anzustreben [55], [56].
2.5 Zugstrang Ein Zahnriemen wird je Umlauf mindestens zweimal gezwungen, sich dem Durchmesser der Scheiben anzupassen, und er wird im Übergang zum Trum jeweils wieder aufgebogen. Bei einer angenommenen Drehzahl von 3000 min–1 erreicht ein Zahnriemen ca. 1 Mio Lastspiele bereits innerhalb von acht Stunden. Durch den Einsatz von Rückenspannrollen muss er zusätzlich die Gegenbiegung ertragen. Die Spannung im Zugstrang setzt sich aus Kräften der zu übertragenden Momente und den Biegespannungen zusammen, die sich zur Vergleichsspannung addieren.
40
2 Grundlagen
Damit ist er hochdynamischen Dauerbelastungen ausgesetzt. Für die Optimierung von Zahnriemen sind deshalb detaillierte Kenntnisse der im Riemen auftretenden inneren Belastungsvorgänge und der damit verbundenen Verschleißmechanismen notwendig. Die Belastungsvorgänge sind jedoch sehr komplex, da die einzelnen Riemenkomponenten höchst unterschiedliches Materialverhalten aufweisen. Die Verbundkonstruktion Zahnriemen besteht einerseits aus dem Basismaterial Polyurethan oder einem synthetischen Kautschuk sowie andererseits aus hochfesten Zugsträngen aus Stahllitze oder Glas- bzw. Aramidfasern, wobei sich die Kennwerte von Basismaterial und Zugstrang im E-Modul um ca. vier Zehnerpotenzen unterscheiden. Der Zugstrang ist dabei einem Lastkollektiv aus schwellender Zugbelastung und überlagerter Biegebeanspruchung ausgesetzt. Aufgrund seiner bestehenden Struktur aus mehreren Einzelfasern (Filamenten) kommt es zusätzlich zu reibungsbehafteten Relativbewegungen zwischen den Filamenten. Besonders bei kleinen Scheibendurchmessern können diese Relativbewegungen sowie die Belastungen der einzelnen Filamente sehr groß werden und somit zu einem verstärkten abrasiven Verhalten der Fasern untereinander führen. Die komplexen Wechselwirkungen der Filamente sind bislang wenig erforscht. Vorausberechnungen zur Lebensdauer der Zugstränge oder ganzer Zahnriemengetriebe gelangen bisher nicht. Für Neuentwicklungen bzw. Getriebeoptimierungen wäre also die Kenntnis von Versagensmechanismen sowohl für die Zugstrang- als auch für die Getriebehersteller von außerordentlicher Bedeutung, könnte man doch so die Leistungsfähigkeit steigern und den experimentellen Testaufwand mindern. Auch die Zahnriemenanwender verlangen zunehmend genauere Informationen zur Lebensdauer bzw. zu definierten Wechselintervallen. Zugstränge aus Stahlcord bestehen aus kaltverfestigt gezogenen Stahldrähten, die in einer Schraubenlinie symmetrisch zur Achse gewunden sind. Im Gegensatz zu Stahlseilen in anderen Anwendungsgebieten, wo häufig Filamenteinlagen und mitunter auch verschiedene Querschnittsformen Verwendung finden, bestehen Stahlzugträger für Zahnriemen ausschließlich aus Drähten mit kreisförmigem Querschnitt. Die kleinsten Drahtdurchmesser betragen etwa 0,04 mm, die Nennfestigkeiten der Drähte erreichen σ0,2-Werte um 2500 N/mm² [2], [11], [74]. Den Zugstrang bezeichnet man bei einfacher Verseilung als Litze. Ein zweiter Verseilgang bildet das Seil. Weitere Verseilschritte sind möglich, sie finden in der Zahnriementechnik jedoch keine Anwendung. Es gibt eine Vielzahl von Strangtypen, da neben dem Drahtdurchmesser auch die Anzahl der Drähte bzw. Drahtlagen pro Litze sowie die Anzahl und Anordnung der Litzen im Strang variable Herstellungsgrößen sind. Abbildung 2.6 zeigt einen gängigen Zugstrang der Ausführung 7 × 7, was bedeutet, dass eine Zentrallitze bestehend aus 7 Drähten (ein Kerndraht + sechs geschlagene Drähte) umgeben ist von 6 Litzen, die wiederum aus je 7 Einzeldrähten bestehen. Als Zugstrang-Außendurchmesser dZ des Seils wird der Umkreisdurchmesser verstanden.
2.5 Zugstrang
41
Abb. 2.6 Zugstrangaufbau: 1 Seil/Zugstrang, 2 Litze, 3 Filament/Draht, dZ Umkreisdurchmesser
In kleinen, feinmechanischen Zahnriementypen besteht der Zugstrang ausschließlich aus Litze, für größere Leistungsriemen kommen Seilausführungen in Betracht. Allgemein gilt, je kleiner der Zugstrangdurchmesser und je dünner die darin eingebrachten Einzeldrähte sind, desto biegewilliger ist die Gesamtkonstruktion. Neben der Anzahl und Anordnung der Drähte sind insbesondere die Schlaglänge und die Schlagrichtung von Bedeutung. Mit Schlaglänge wird dabei die Ganghöhe bezeichnet, die ein Draht zur vollständigen Umschlingung der Litze oder eine Litze zur vollständigen Umschlingung des Seils benötigt. Die Schlaglänge bezieht sich dabei auf ein Vielfaches des Nenndurchmessers der Litze bzw. des Seils. Für Stahlcordzugstränge in Zahnriemen sind Schlaglängen zwischen dem 6- und 12-fachen des Litzen- bzw. Seildurchmessers üblich. Sie beeinflussen den E-Modul der Litzenbzw. Seilkonstruktion. Während der E-Modul eines gestreckten Einzeldrahtes bei ca. 210.000 MPa liegt, verringert er sich im Zugstrang auf ca. 190.000 bis 140.000 MPa. Diese Verringerung wird durch die Beweglichkeit im Seilverbund verursacht. Die Lage eines jeden Einzeldrahtes in einer Litze bzw. in einem Seil beschreibt eine geometrische Raumkurve, und durch wachsende Zugkräfte verursacht wird jeder geschlagene Einzeldraht den kürzesten Weg einnehmen wollen. Es ergeben sich somit Annäherungen der Einzeldrähte untereinander mit zugehörigen Abplattungen an den Berührungsstellen sowie als Folge davon zusätzliche Nachgiebigkeiten. Bei der Schlagrichtung wird in Links- bzw. S-Schlag und in Rechts- bzw. Z-Schlag unterschieden. Da diese Ausführungen sowohl für Litzen als auch für das gesamte Seil angewandt werden können, bestehen die in Abb. 2.7 dargestellten Kombinationsmöglichkeiten. Dabei ist es üblich, die Schlagrichtung der Litze mit kleinen und die des Seils mit großen Buchstaben zu kennzeichnen.
42
2 Grundlagen
Abb. 2.7 Schlagarten
Erwähnenswert ist ferner die Parallelschlaglitze. Hier haben übereinander liegende Drahtlagen die gleiche Schlaglänge und gleiche Schlagrichtung. Das hat zur Folge, dass im Gegensatz zum Kreuzschlag die äußeren Drahtlagen durch die jeweils darunter liegenden Drähte eingebettet sind. Es ergeben sich zwangsläufig ein günstigerer Füllfaktor (Faktor des metallischen Querschnitts) und zusätzliche Abstützeffekte der Drähte untereinander durch Linienberührungen. Der Parallelschlag und die Art des Kontaktes der Einzeldrähte führen unter Last und Biegung jedoch zu Instabilitäten, so dass er in Zugsträngen für Zahnriemen wenig gebräuchlich ist. Die gegenwärtigen Zugstranguntersuchungen konzentrieren sich auf Dauerversuche in Seilbiegemaschinen [2], [11], in welchen der Zugstrang unter einer bestimmten Last wiederholt über eine oder mehrere Seilscheiben gelenkt wird. Dabei ist die Biegewechselzahl ein Maß für die Lebensdauer, und neben der Axialkraft ist das Biegeverhältnis von Zugstrang- zu Scheibendurchmesser entscheidend für die Anzahl der erreichten Biegewechsel. Andere Parameter wie Biegelänge, Temperatur, Scheibenwerkstoff und Rillenform wirken auf das Ergebnis ein. Beim Verbundaufbau Zahnriemen ist der Zugstrang jedoch vollständig im vergleichsweise sehr weichen Basismaterial eingebettet, und er hat auch keinen direkten Kontakt mit der verzahnten Scheibe. Des Weiteren geht das Basismaterial, unterstützt durch Haftvermittler, einen innigen Kontakt mit dem Zugstrang ein,
2.5 Zugstrang
43
d. h. die Relativbewegungen der Filamente untereinander werden weitgehend unterbunden. Die ausgewogene Rezeptur des Haftvermittlers bildet dabei ein entscheidendes Kriterium für die Gesamtfunktion zwischen Zugstrang und Elastomere. Die Wahl des eingesetzten Herstellprozesses (gegossenes Zweikomponenten-PUR, extrudiertes PUR oder gepresster und vulkanisierter Synthesekautschuk) beeinflusst die Güte der Verbundkonstruktion. Die Zwischenräume im Seilverbund sind mehr oder weniger vollständig mit dem elastomeren Basismaterial gefüllt, und somit bildet sich eine zusätzliche mechanische Verankerung aus. Auch wenn die Dauerversuche der Zugstränge in den Seilbiegetests eine gewisse Grundlage für die Eignung der Biegewilligkeit liefern, so sind deren Werte auf den Zahnriemen insgesamt nur beschränkt übertragbar. Die Anwender von Zahnriemen sind somit auf die Herstellerangaben zu den einzelnen Fabrikaten angewiesen. Zumeist beinhalten deren Katalogangaben die Mindestzähnezahlen und Mindestdurchmesser eines jeden Zahnriementyps für den Antriebsfall „mit einer Biegerichtung“ und „mit Gegenbiegung“ [53]. Praktische Einsatzerfahrungen haben ergeben, dass die Angaben über Mindestzähnezahlen und Mindestdurchmesser von den Herstellern verlässlich recherchiert und mit genügend Sicherheitsfaktoren festgelegt sind. Damit vereinfacht sich die Antriebsauslegung und eine gesonderte Berechnung auf Vergleichsspannung (eine aus Zugkraft und Biegung zusammengesetzte Spannung) erübrigt sich. Nur bei extremen Antriebsaufgaben, in welchen die geometrischen Grenzwerte erreicht sind (z. B. sehr kleine Scheibendurchmesser) und die Zahnriemen bei gleichzeitig großen Drehzahlen betrieben werden, kann durch hohe Biegewechselfrequenz ein Setzen und damit eine Nachlängung der Zugstränge eintreten. Ansonsten verändern Stahlcord-Zugstränge ihre Ursprungslänge nicht. Be- sowie Entlastungsvorgänge vollziehen sich im dauerelastischen Bereich. Die größte Verbreitung weisen Zugstränge aus verzinktem Stahlcord auf. Beim Einsatz in korrosiver Umgebung sind auch Sonderausführungen aus Edelstahl lieferbar, die jedoch in den Steifigkeits- sowie Biegewerten deutlich niedriger gegenüber den Standardausführungen liegen. Die Technologie des Zugstrangaufbaues unterliegt einer ständigen Weiterentwicklung. Die Stahlcordhersteller verstehen sich als Systemlieferant für die speziellen Erfordernisse im Einsatz unterschiedlicher Zahnriemenprofile und Elastomereanwendungen. Das Veredeln mit Haftvermittlern sowie die Qualitätsoptimierung liegt heute in deren Verantwortung [68]. Messingüberzüge bieten in Riemen aus Chloroprenekautschuk und Zinküberzüge in Riemen aus Polyurethan jeweils die günstigsten adhäsiven Voraussetzungen. Zusätzlich ist es möglich, die Zugstränge mit einer elastomeren Einbettmatrix bereitzustellen. Die Filamentzwischenräume derart vorbehandelter Zugstränge sind zu 100% verfüllt. Sie verhindern die Relativbewegung der Einzelfilamente untereinander. Der tribologische Abtrag berührender Einzeldrähte wird unterbunden. Die Neigung zu Feinabrieb, die mit der Bildung von Reibrost einhergeht, unterbleibt nach heutigen Erkenntnissen gänzlich. In dieser Weise optimierte Zugstränge bewirken im Verbundaufbau der Zahnriemen eine deutliche Zunahme der Haftung durch gute mechanische Verankerung der Werkstoffkomponenten untereinander. Derart optimierte Zugstrangsysteme verbessern die Längenstabilität sowie das Korrosionsverhalten zusätzlich.
44
2 Grundlagen
Zugstränge aus Glascord unterscheiden sich in der Feinheit der Filamente, in der Zwirnart, im Metergewicht und in der Zusammensetzung der verwendeten Komponenten. Die heute üblichen Einzeldurchmesser der Filamente betragen 5 bis 9 µm und der Trend geht aufgrund besserer Werkstoffausnutzung zu immer feineren Filamenten (2 µm) [9]. Chemisch reines Glas ist Quarzglas, es besteht ausschließlich aus SiO2. Durch Zusetzen von Mennige, Borax, Kaolin oder Feldspat kann man Glas für fast jeden gewünschten Zweck herstellen [33], [66]. Bekannte Standardgarntypen für Glasfasern bestehen aus E-Glas. E-Glas steht für seine dielektrischen Qualitäten, das heißt für seine geringe Ionenleitfähigkeit. Diese Ausführung wird schon seit 1930 produziert und ist auch heute noch die gebräuchlichste Faser für Zahnriemen. Durch Zusatz von Aluminiumoxid und Borax erhält man eine Glasfaser relativ hoher Festigkeit. Gleichzeitig setzt man noch Magnesiumoxid zu, was die Kristallisation herabsetzt und eine Verarbeitung über ein größeres Temperaturintervall ermöglicht. Durch Zugabe von Titanoxid, Zinkoxid oder Zirkonoxid wird die Hydrolyseempfindlichkeit verbessert, aber nicht vollständig beseitigt. Die Schlichte als zweite Komponente ist für die Funktion eines Glascords von großer Bedeutung (Abb. 2.8). Sie übernimmt als Kunststoffüberzug je Einzelcord zum einen die Schutzfunktion gegenüber Hydrolyseeinfluss, zum anderen dient sie als Haftvermittler im Elastomereverbund. Die dritte Komponente des Glascordzugstrangs ist die Matrixbettung im Dipp. Es besteht in der Regel aus Resorcin-Formaldehyd-Latex und weiteren Haftvermittlern. Dipp und dessen abgestimmte Rezeptur übernimmt dabei in Wechselwirkung mit der Schlichte chemisch-physikalische Schutzfunktionen zum Glas, es bettet die im Grunde spröden und gegenüber Scherbeanspruchung äußerst empfindlichen Einzelfilamente in eine elastische Schicht und schützt sie so vor mechanischem Kontakt untereinander. Das Dipp umhüllt sowohl jedes Einzelfilament als auch den gesamten Cord. Der Cord erhält eine abschließende Hüllschicht aus Haftvermittlern.
Abb. 2.8 Aufbau eines Glascords
2.5 Zugstrang
45
Aufgrund der Matrixeinbettung unterscheidet sich die Machart von Glascord deutlich von dem anderer Corde. Glascord wird als ungedrehter Einzelfaden gedippt, wobei durch geeignete Verfahren eine vollständige Umhüllung der Filamente gewährleistet ist. Danach erfolgt in einem mehrstufigen Prozess die Verzwirnung zu der jeweils gewünschten Konstruktion. Beispiel: Eine Cord-Konstruktion in dtex 1.400 × 1 × 3 × 12 mit der Verzwirnung S/S/Z 140/80/40 bedeutet, dass ein Garn mit einem Nettogewicht von 1.400 g je 10.000 m einfach mit 140 Umdrehungen je m linksgängig, die zweite Zwirnstufe dreifach mit 80 Umdrehungen je m linksgängig und die dritte Stufe zwölffach mit 40 Umdrehungen je m rechtsgängig geschlagen ist. Dieses Garn 1.400 dtex ist mehrfach verzwirnt, insgesamt 1 × 3 × 12 = 36-fach, das heißt, der Cord hat ein Gesamttiter von 50.400 dtex. Als Nettozugstranggewicht ist ausschließlich der Gewichtsanteil des unbehandelten Glascords zu verstehen. Titer ist eine in der Textilindustrie verwendete Größe, die Garn- bzw. Cordmasse pro Längeneinheit definiert. Solch eine Cord-Konstruktion ist auch in der Ausführung Z/Z/S erhältlich, und der übliche Cordeinsatz in Zahnriemen erfolgt derart paarweise, dass nebeneinander liegende Zugstränge spiegelbildlich erzeugte Schlagrichtungen aufweisen. Zugstränge aus Chemiefasern werden am häufigsten in Kombination einer Verbundkonstruktion mit Elastomeren eingesetzt, wie sie in Reifen, Schläuchen und Antriebsriemen anzutreffen sind. In KFZ-Keilriemen haben sich beispielsweise gezwirnte Corde aus Polyester durchgesetzt, die durch gezielte Verstreckung mit Temperaturfixierung auf einen vorbestimmten Schrumpfweg bei gleichzeitig hoher Schrumpfkraft eingestellt sind. Das Ergebnis sind die bekannten wartungsfreien Keilriemen, die durch Heißschrumpfen Rückstellkräfte aufbauen, so dass ein Nachspannen nicht mehr erforderlich ist. Während in kraftgepaarten Antriebselementen ein Dehnungs- und gegebenenfalls ein Schrumpfverhalten erwünscht ist, wird beim Zahnriemen absolute Maßhaltigkeit im Betrieb zwingend gefordert. Bei den heute in Zahnriemen eingesetzten Kunststoffcorden handelt es sich in der Regel um ein Aramid, denn dessen gezogener Faden weist ein überragendes Potential an mechanischen, chemischen und thermischen Eigenschaften auf. So wirken sich die günstigen thermischen Eigenschaften (hitzebeständig und hydrolysefest bis 250°C) bei Verarbeitung und Anwendung positiv aus. Die Einzeldurchmesser des Filaments betragen etwa 10 bis 15 µm. Die Reißfestigkeit liegt deutlich höher im Vergleich zu Stahlcord, aber nachteilig sind größere Dehnwerte. Die Bruchdehnung beträgt ca. 4%. Da im Zahnriemen eine annähernd konstante Teilung über den gesamten Lastbereich gefordert ist, wird als maximal zulässige Trumkraftgrenze Fzul derjenige Kraftwert im Zugstrang definiert, welcher unter Last einen Dehnwert ≤ 0,4% aufweist, und der keine bleibende Dehnung hinterlässt. Der mangelnden Quersteifigkeit von Aramidcorden wird vor dem Aufbringen des ElastomereHaftsystems mit einer Harz-Härter-Kombination begegnet. Die Präparation ist dabei so eingestellt, dass die textile Flexibilität erhalten bleibt. Es folgen weitere Schritte der Veredelung bei denen der Chemiefaserstoff Aramid in ein- oder mehrstufigen Verfahrenschritten zur gewünschten Cord-Konstruktion verzwirnt wird.
46
2 Grundlagen
Beispiel: Eine Cord-Konstruktion in dtex 1.610 × 1 × 3 mit der zweifachen Verzwirnung Z/S 150/100 bedeutet, dass das Garn ein Nettozugstranggewicht von 1.610 g je 10.000 m aufweist. Die erste Zwirnstufe ist einfach mit 150 Umdrehungen je m rechtsgängig und die zweite Zwirnstufe dreifach mit 100 Umdrehungen je m linksgängig geschlagen ist. Der Cord hat damit einen Gesamttiter von 4.830 dtex. Zugstränge aus Carbonfasern kommen in den bekannten CFK-Verbundwerkstoffen zum Einsatz. Ihre bevorzugte Anwendung sind hoch beanspruchte Strukturbauteile der Luft- und Raumfahrttechnik. Je nach Fasertyp erreicht der E-Modul Werte von 220 bis 700 GPa (im Vergleich Stahl 210 GPa). Die Filamentdurchmesser betragen 5 bis 11 μm. Diese Faser konnte wegen ihrer fehlenden Quersteifigkeit nicht einfach 1:1 für den Zugstrangaufbau übernommen werden. Mit der Entwicklung einer besonderen Werkstofflegierung in Verbindung der Schlichte (Oberflächenveredelung) ist es gelungen, einen Fasertyp mit guter Biegefähigkeit sowie textilen Eigenschaften zu entwickeln. Das Vorprodukt für die Zahnriemenanwendung ist ein aus Kohlenstofffilamenten in mehreren Stufen verzwirnter und geschlagener Seilverbund in Matrixeinbettung. Er verleiht dem Riemen über einen Haftvermittler überragende mechanische Eigenschaften für Zugkraft, Steifigkeit und Biegewilligkeit. Das erste Fabrikat, das mit Zugsträngen dieser Art ausgerüstet wurde, stellte Gates-Mectrol [24] im Frühjahr 2007 mit dem Polychain-Zahnriemen PCC-8MGT2 vor. Besonders erwähnenswert ist, dass der lineare Wärmeausdehnungskoeffizient dieses Zugstranges einen leicht negativen Wert aufweist. Zusammenfassung Alle beschriebenen Festigkeitsträger (Stahl, Glas, Aramid, Carbon) weisen im Riemenverbund beachtliche Standzeiten und hervorragende Längenkonstanz unter dynamischer Dauerbelastung in Zugstrangrichtung auf. Auf Belastungsarten quer zur Kraftträgerrichtung, wie sie beim Scheren oder Knicken auftreten, setzt der Verbundaufbau Zahnriemen jedoch nur geringe Widerstandskraft entgegen. Diese Lastrichtung kommt unter normalen Betriebsbedingungen praktisch nicht vor. Es ist aber denkbar, dass vom Versand bis zum Einbau ein einmaliger Handhabungsfehler geschieht. Ein Knick gilt dabei als erheblicher Vorschaden und solche Zahnriemen sollte nicht zum Einbau zugelassen werden.
2.6 Kräfte im Zahnriemengetriebe Unabhängig davon mit welcher Fertigungsart hergestellt und mit welcher Profilgeometrie ausgestattet, verhalten sich Zahnriemen bezüglich des Zusammenwirkens der Kraftwirkmechanismen grundsätzlich gleich. Abbildung 2.9 a) stellt ein Zahnriemengetriebe im Stillstand beziehungsweise unter idealen Leerlaufbedingungen dar. Die Vorspannkraft FV weist an jeder Stelle des Riemens die gleiche Größe
2.6 Kräfte im Zahnriemengetriebe
47
F Kraft, FA Achskraft, Ft Tangentialkraft, FV Vorspannkraft, F1 Kraft im Lasttrum, F2 Kraft im Leertrum, P Leistung Abb. 2.9 Kräfte im Zahnriemengetriebe a) Leerlaufbedingungen b) Leistungsübertragung c) Diagram: Kraftverlauf in Abhängigkeit von der Leistung
auf. Es wird kein Drehmoment übertragen. In Abb. 2.9 b) ist derselbe Riemen bei Leistungsübertragung dargestellt. Die rechte Scheibe ist die Treibende, die linke die Getriebene. Letztere ist durch ein Bremsbackensymbol für die Leistungsabnahme gekennzeichnet. Wenn der Antrieb arbeitet und die getriebenen Scheibe Leistung fordert, dann steigt die Kraft im Lasttrum und die durch die Kraftzunahme entstehende Dehnlänge nimmt der Leertrum unter entsprechendem Kraftabbau
48
2 Grundlagen
auf. Abbildung 2.9 c) verdeutlicht den Kraftverlauf im Riemen unter Leerlauf- und Leistungsbedingungen. Im Leistungspunkt 0, also unter Leerlaufbedingungen, finden die Trumkräfte F1 und F2 ihren Ausgangspunkt bei FV. Je mehr Leistung gefordert wird, desto größer ist die Differenzkraft zwischen ziehendem und gezogenem Trum. Diese Differenzkraft ist die Umfangskraft, auch bezeichnet als Tangentialkraft Ft: Ft = F1 − F2 .
(2.11)
Nur diese Tangentialkraft kann von der rechten auf die linke Scheibe Drehmoment bzw. Leistung übertragen. Das Diagramm wie auch die Modellbetrachtung für Leerlauf- und Leistungsübertragung sind von grundsätzlicher Bedeutung für die weiteren Ausführungen. In diesem Zusammenhang ist insbesondere die aufzubringende Vorspannkraft genauer zu untersuchen.
2.7 Kraftwirkmechanismus und Vorspannkraft Aus Abb. 2.9 a) bis c) wird die Bedeutung der aufzubringenden Vorspannkraft FV ersichtlich. Eine sichere Leistungsübertragung ist nur möglich, solange im Leertrum eine Restspannkraft verbleibt. Somit muss der Zahnriemen auf einen Wert von FV ≥ 12 Ft
(2.12)
vorgespannt werden. Das Zeichen „ ≥ “ soll hier als „gleich oder wenig größer“ verstanden werden, um nicht unnötig hohe Vorlasten sowohl im Riemen als auch auf den Achsen und in den Lagern herbeizuführen. Bei einer Leistungssteigerung über den kritischen Punkt hinaus würde der Leertrum mit einem Durchhang reagieren. Als Folge davon besteht akute Überspringgefahr. Kompakte Antriebe mit relativ kurzen Riemen werden geringfügige Überlasten besser ertragen, aber Antriebe mit langen Riemen neigen bei zu geringer Vorspannkraft zum Überspringen. Die überspringgefährdete Stelle ist stets der Zahnriemeneinlauf an der getriebenen Scheibe, dort wo die geringsten Zugkräfte im Riemen wirksam sind. In diesem Zusammenhang sind die Untersuchungen von Köster [42] von Bedeutung, denn er beschreibt als Erster das Einwanderungsverhalten und die keilförmige Annäherung der Verzahnungspartner an der getriebenen Scheibe. Zur Ausbildung dieses Keils kommt es, wenn die radiale Komponente der im Einlauf vorhandenen Vorspannkraft nicht ausreicht, um den Riemenzahn gegen den Wider stand der Flankenreibung vollständig in seine Lücke hineinzuziehen. Erst wenn sich die Zugkraft entlang des Umschlingungsbogens vergrößert, kann der Widerstand allmählich überwunden werden, bis der Riemenzahn schließlich vollständig in die Lücke eintaucht. Tatsächlich zeigen stroboskopische Untersuchungen am umlaufenden Riemen, dass im Einlaufbereich der getriebenen Scheibe nur eine allmähliche Annäherung des Riemens an die Scheibe stattfindet. Hierdurch ent-
2.7 Kraftwirkmechanismus und Vorspannkraft
49
Abb. 2.10 Einlaufkeil an der getriebenen Scheibe
steht das keilförmige Loslösen des Riemens von der Scheibe. Die in diesem Bereich befindlichen Riemenzähne tragen nur teilweise. Der Einlaufkeil ist umso deutlicher ausgeprägt, je näher der Antrieb an seiner Leistungsgrenze betrieben wird, je größer das Lastverhältnis Ft /F2, je geringer die Vorspannkraft FV und je größer der Reibwert ist, der dem Einzahnvorgang Widerstand entgegensetzt. Im Vergleich dazu setzen kompakte Getriebeanordnungen mit kurzen Riemenlängen relativ hohe Steifigkeitswerte entgegen. Dadurch sind deren Dehnlängen gering, und die Loslösung des Riemens bzw. die Ausbildung des Einlaufkeils unterbleibt. Nach Herstellerempfehlung [53] sind Antriebgeometrien dieser Art auch mit deutlich geringerer Vorspannkraft zu betreiben, siehe hierzu den Leistungsantrieb nach Abb. 3.34 in Kap. 3.9. Des Weiteren übt die Übereinstimmung zwischen Riementeilung und Scheibenteilung einen wesentlichen Einfluss auf die Laufkultur des Riemens und die Ausbildung des Einlaufkeils an der getriebenen Scheibe aus. Die Riementeilung unterliegt einer ausgeprägten Kraft-Dehnungs-Abhängigkeit, wodurch es zu geringen Veränderungen der Teilung je nach Belastungszustand kommt. Der betrachtete Riemenabschnitt weist im Einlaufbereich der getriebenen Scheibe bei zunehmender Größe des zu übertragbaren Drehmoments eine abnehmende Zugkraft auf. Die Teilung des Riemens wird im betrachteten Bereich kürzer. Folglich kann der einlaufende Zahn des Riemens auf die Arbeitsflanke der Zahnscheibe aufsteigen, auf diese hat der Riemen eigentlich mit der Flankenpressung zu wirken, um die Umfangskraft vom Riemen auf die Scheibe zu übertragen. Das Hochlaufen des Riemens wirkt zudem wie eine Teilungsvergrößerung der Verzahnung an der getriebenen Scheibe [46], so dass die Eingriffsstörungen weiter zunehmen, bis ein Gleichgewicht zwischen den Reibungskräften und der aus der Trumspannung resultierenden Gegenkraft hergestellt ist. Extreme Teilungsveränderungen können im Zusammenhang mit der Ausbildung des Einlaufkeils auch auffällige Verschleißerscheinungen hervorrufen. Durch
50
2 Grundlagen
ungünstige Toleranzlage und zu geringe Vorspannkraft nimmt die Reibkraft beim Einzahnen und damit die Verschleißneigung zu. Auf die Zusammenhänge der Teilungsübereinstimmung zwischen Riemen und Scheibe gehen speziell Krause und Metzner im Abschnitt Kraftwirkungsmechanismus in [46] ein. Eine entscheidende Beurteilung für Laufkultur, Leistungsfähigkeit und Riemenverschleiß wird hier aus der Lastverteilung der Zähne über dem Umschlingungsbogen abgeleitet. Das anzustrebende Optimum wäre, wenn der Einzahnvorgang in die jeweilige Zahnlücke kraftlos und damit ohne oder zumindest mit verringerter Reibung erfolgen könnte, während die Flankenpressung auf die Arbeitsflanken bis zum Zahnauslauf hin zunimmt. Das Einzahnen an der treibenden Zahnscheibe vollzieht sich unter erhöhter, das Einzahnen an der getriebenen Scheibe unter verringerter Trumkraft. Je nach örtlich wirkender Kraft ergeben sich hierdurch entsprechende Teilungsveränderungen im Riemen, die durch eine Vergrößerung des Kopfkreisdurchmessers an der treibenden Scheibe und Verkleinerung an der getriebenen Scheibe ausgeglichen werden könnten. Dauerlaufversuche am Institut für Feinwerktechnik und Elektronik-Design der TU Dresden mit entsprechend korrigierten Kopfkreisdurchmessern (um ca. 0,1 bis 0,15 mm) haben zu einer deutlichen Leistungssteigerung geführt [46]. Eine Korrektur des Außendurchmessers bedeutet jedoch Verzicht auf Einsatz von Standardscheiben, schränkt die Austauschbarkeit ein und sollte nur in besonderen Ausnahmefällen Anwendung finden. Im Zusammenhang mit der Ausbildung des Einlaufkeils geht ein Anstieg der Achskräfte einher. Wie oben beschrieben, entfernt sich der Zahnriemen von seiner Ideallinie. Der Wirklinienabstand des Riemens verlegt sich nach außen. Der Riemen wird damit stärker gedehnt, es bauen sich höhere Zugkräfte auf, und die Dehnkraft wirkt zusätzlich auf die Achsen. Dieser Effekt ist im Diagramm Abb. 2.9 c) im Betriebspunkt der Lastgrenze und insbesondere im Überlastbereich durch den Anstieg der Leertrumkraft F2 deutlich zu erkennen. Das Wissen um die überspringgefährdete Stelle nutzen Monteure, indem sie beim Probelauf nur den Leertrum und davon nur die Einlaufgüte an der getriebenen Scheibe unter besondere Beobachtung stellen. Wenn der Riemen beim Einzahnen in die getriebene Scheibe „glatt“ einläuft, d. h. sich nicht aufbäumt, und wenn der Leertrum keine Flatterneigung (Transversalschwingungen, siehe Kap. 2.11) zeigt, ist der Riemen richtig vorgespannt. Somit muss sich die eingestellte Vorspannkraft auf das maximal wirksame Drehmoment beziehen. In der Regel erzeugen die Anlaufbedingungen die größten Übertragungsmomente. Dieser Betriebszustand ist beim Probelauf zu simulieren. Die Riemenmontage sowie das Einstellen und Messen der Vorspannkraft behandelt gesondert das Kap. 2.17. Die Modellbetrachtung zeigt, dass ein Zugstrang nur bis zu einem bestimmten Maß belastbar ist. Wird dieses Maß während des Umlaufs an irgendeiner Stelle überschritten, so muss der Riemen nachgeben. Als Folge hiervon springt er über und wird kurzzeitig über eine deutlich größere Länge des Umschlingungsbogens gezwungen als es die Ideallinie als Länge vorgibt. Damit ist der Riemen entweder geschädigt (überdehnt), oder bei kurzen und kompakten Antrieben kann er die Dehnlänge nicht mehr aufnehmen. Er wird durch das Aufklettern dann unmittelbar
2.7 Kraftwirkmechanismus und Vorspannkraft
51
reißen. Bei der Antriebsauslegung ist abzusichern, dass im Riemen die maximal zulässige Zugkraft Fzul nicht überschritten wird. Die maximalen Zugkräfte bilden sich im ziehenden Riementrum aus, und sie errechnen sich aus der Beziehung: Fmax ≈ FV + 12 Ft .
(2.13)
Die Trumkräfte wirken auf die Achsen, und bei Antriebsanordnungen mit i = 1 betragen die Achslasten: FA = 2 ⋅ FV ≈ F1 + F2 ,
(2.14)
wobei das Näherungszeichen „ ≈ “ jeweils auf die Zusammenhänge im Betriebszustand hinweist. Im unteren und mittleren Lastbereich und bei richtig eingestellter Vorspannkraft kann man mit „=“ rechnen. Wird der Zahnriemenantrieb jedoch an der oberen Leistungsgrenze betrieben, beziehungsweise ist diese Grenze überschritten oder wird die Vorspannkraft auf zu geringem Niveau eingestellt, dann ist die Laufkultur gestört und Fmax und FA können deutlich höhere Werte annehmen. Die maximal zulässigen Zugkräfte im Riemen dürfen nicht überschritten werden: Fmax ≤ Fzul .
(2.15)
Das Wissen um Einlaufkeil, Teilungsungleichheit und Reibverhältnisse beim Einzahnen kann auch beim Einschätzen von Antriebsschäden (siehe Kap. 6.2 Schadensbilder) wichtig sein, welche stets an ihrer Leistungsgrenze betrieben werden. Wenn beispielsweise Zahnverschleiß auf der lastübertragenden Zahnseite des Riemens bezogen auf die Arbeitsflanke zur getriebenen Scheibe festgestellt wird, dann kann eine Überlastung des Antriebs vorliegen. Übrigens ist das Verschleißbild sehr ähnlich, wenn der Riemen „nur“ eine zu geringe Vorspannkraft aufweist. Will man ihn bezüglich der oben genannten Kriterien beurteilen, ist folglich vor dem Ausbau seine Laufrichtung zu kennzeichnen. Ein probates Mittel bei Einzahnschwierigkeiten ist, den Riemen zu fetten. Diese Maßname schlägt Köster [42] vor, und er stellt dabei auch eine signifikante Leistungssteigerung fest. Zuvor ist aber zu klären, ob das entsprechende Produkt ölfest ist. Bei den vorgenannten Überlegungen zur Wahl der richtigen Vorspannkraft ist auch die Betriebsart „Bremsen“ zu beachten. Insbesondere ist zu klären, wie der Motor angesteuert wird, und wie sich die Trägheitsmassen im Antriebsstrang vor und hinter dem Zahnriemen aufteilen. Von Interesse ist außerdem, ob es Bremssituationen, z. B. durch Notstopp gibt, deren Drehmomente deutlich größer als die unter Anlaufbedingungen sind, und ob die Bremsmomente voll über das Antriebsglied Zahnriemen wirken. Für diesen Betriebszustand wechselt der Lasttrum zum Leertrum, die treibende Scheibe wird zur getriebenen und umgekehrt. Aber die grundsätzlichen Überlegungen bleiben unverändert, d. h. als Bemessungsgrundlage der bereitzustellenden Vorspannkraft ist das maximal zu übertragende Drehmoment heranzuziehen.
52
2 Grundlagen
Zur Berechnung der maximalen Kräfte im Zugstrang sowie der sich ausbildenden Achslasten nach den Gln. (2.13) bis (2.15) sind ferner die praktizierbaren Einbaumöglichkeiten zu beachten. Bei einem realen Antrieb ist eine exakt gewünschte Vorspannkraft FV nicht erreichbar. Vielmehr ist dem Monteur ein Grenzbereich mit FV kleinst und FVgrößt zuzugestehen. Somit ist bei der Antriebsauslegung gegebenenfalls ein Sicherheitszuschlag anzuwenden. Das Thema Riemenmontage und Einstellen der Vorspannkraft behandelt Kap. 2.17.
2.8 Vorspannkraft in Mehrwellenantrieben Ein Mehrwellenantrieb liegt vor, wenn der Riemen mit drei oder mehr Scheiben gepaart wird. Bei der Definition des Mehrwellenantriebs ist dabei nicht von Bedeutung, ob jede der Scheiben an der Drehmomentübertragung beteiligt ist, oder ob einzelne Scheiben „nur“ als Umlenk- oder Spannrollen wirken. Durch den Riemenumlauf um mindestens drei Scheiben liegen andere geometrische Verhältnisse vor, als im bisher betrachteten Zweiwellenantrieb. Die aufzubringende Vorspannkraft wird insbesondere durch die Längenunterschiede zwischen ziehender und gezogener Riementeillänge beeinflusst (Abb. 2.11) [59]. Wenn die ziehende Riementeillänge mit l1 und die gezogene Riementeillänge mit l2 bezeichnet wird, dann errechnet sich das Riemenlängenverhältnis λ aus λ = l2 / l1.
(2.16)
Die aufzubringende Vorspannkraft ergibt sich für Mehrwellenantriebe aus FV =
1 ⋅ Ft . 1+ λ
(2.17)
Ist die ziehende Riementeillänge „sehr groß“ und die entlastete Teillänge „sehr kurz“ (Abb. 2.11 b)), dann muss bei Leistungsübertragung die Dehnlänge aus der ziehenden Riementeillänge von einer „sehr kurzen“ Riementeillänge durch Spannungsabbau aufgenommen werden. In diesem Fall würde die Spannkraft in der gezogenen Riementeillänge entsprechend dem verlangten Drehmoment absinken. Die kurze Teillänge verfügt aber nur über eine endliche und äußerst begrenzte Längenaufnahmefähigkeit. Dieser Riemenabschnitt würde zum Durchhängen neigen. Solche Riemenanordnungen sind somit im Vergleich zu Zweiwellenantrieben höher vorzuspannen (siehe hierzu die Bedingungen zu Gl. 2.12), nämlich mit FV ≥ 1 ⋅ Ft .
(2.18)
Die Umfangskraft Ft wird somit von der treibenden auf die getriebene Scheibe nicht durch eine Kraftzunahme im ziehenden sondern nahezu ausschließlich durch die Kraftabnahme im entlasteten Riemenabschnitt herbeigeführt.
2.8 Vorspannkraft in Mehrwellenantrieben
53
Abb. 2.11 Einfluss der Vorspannkraft aufgrund der Unterschiede zwischen ziehender und gezogener Riementeillänge: l1 ziehende Riementeillänge, l2 gezogene Riementeillänge, FV Vorspannkraft, Ft Tangentialkraft
Die übertragbare Tangentialkraft Ft bildet sich aus der Differenzkraft F1 − F2 , so wie in Gl. (2.11) beschrieben, nur mit dem Unterschied, dass sich Kraftzunahme im ziehenden und Kraftabnahme im gezogenen Riemenabschnitt unsymmetrisch
54
2 Grundlagen
aufteilen, was sich in unterschiedlichen Steigungswinkeln der Lastdiagramme ausdrückt (Abb. 2.11 b)). Bei Drehrichtungsumkehr (Abb. 2.11 c)) verändert sich die oben beschriebene Situation derart, dass eine „sehr kurze“ ziehende einer „sehr langen“ gezogenen Riementeillänge gegenübersteht. Theoretisch erfordert diese Antriebsanordnung keine oder nur eine sehr geringe Vorspannkraft. Für solche Anwendungen ist jedoch zu berücksichtigen, dass sich im Bremsbetrieb die Lastverhältnisse umkehren. Somit ist dieser Antrieb aus Sicherheitsgründen vorzuspannen mit FV ≥ 1 ⋅ Ft . Wenn jedoch abgesichert ist, dass nur eine Lastrichtung „Antreiben“ denkbar ist, dann kann die Vorspannkraft auf FV ≥ 0 ⋅ Ft zurückgenommen werden. Das Zeichen „ ≥ “ steht hier für „gleich oder wenig größer als null“. Mehrwellenantriebe gemäß Abb. 2.11 d) werden in der Regel über eine Scheibe, die Motorantriebsscheibe, angetrieben, und über die getriebenen Scheiben erfolgt jeweils die Abnahme von Teilleistungen. Es liegt somit eine Leistungsverzweigung vor, wobei sich nur in seltenen Fällen die abgenommene Leistung auf die getriebenen Scheiben gleichmäßig aufteilt. Ist eine der getriebenen Scheiben übermäßig gebremst oder gar blockiert, dann muss das gesamte Drehmoment über diese aufgenommen werden. Wenn bei der Ausführung solcher Mehrwellenantriebe keine Klarheit über die Leistungsverteilung besteht, ist eine aufzubringende Vorspannkraft FV ≥ 1 ⋅ Ft zu empfehlen, wobei die Option zur Rücknahme auf FV ≥ 12 ⋅ Ft insbesondere dann besteht, je gleichmäßiger sich die Teilleistungen auf die einzelnen getriebenen Scheiben verteilen. Zum Mehrwellenantrieb in Abb. 2.11 d) kann man je nach betrachtetem Lastfall unterschiedliche Riementeillängen bezogen auf die Motorantriebsscheibe oder beliebiger Scheiben untereinander bilden. Innerhalb von Mehrwellenantrieben ergibt sich somit eine Vielzahl weiterer Varianten von l1 und l2. Die Berechnung der geeigneten Vorspannkraft erfolgt dann in gleicher Weise wie zuvor beschrieben.
2.9 Zahntragfähigkeit Die über den Umschlingungsbogen eingreifenden Riemenzähne stehen bei Leistungsübertragung im Flankenkontakt mit der Verzahnung der Scheibe. Die treibende Scheibe überträgt dabei die Kraft in den Riemen, die getriebene vom Riemen in die Scheibe. Als Zahntragfähigkeit des Riemens wird jene Last bezeichnet, die der Riemenzahn ohne Schaden zu nehmen auf Dauer erträgt [53]. Zumeist geben die Hersteller in ihren Katalogen diese Tragfähigkeit als maximal zulässige spezifische Tangentialkraft je eingreifendem Zahn und je cm Riemenbreite Ftspez an. Die Multiplikation mit der eingreifenden Zähnezahl ze und mit der Riemenbreite b ergibt die übertragbare Tangentialkraft
Ft = Ftspez ⋅ z e ⋅ b .
(2.19)
2.9 Zahntragfähigkeit
55
In den Berechnungsvorschriften wird der Multiplikator ze begrenzt, d. h. auch wenn sehr viel mehr Zähne am Formschluss beteiligt sind, so ist die eingreifende Zähnezahl bei der Antriebsauslegung bis zu einem Maximum (z. B. zwölf Zähne) zu berücksichtigen. Diese Maßnahme hat als theoretischen Hintergrund, dass der Riemenzahn über den Umschlingungsbogen unterschiedliche Lastzonen durchläuft (Abb. 2.12). Der Riemen zahnt in die Lücke der treibenden Scheibe in der Regel unter geringer Kraftwirkung ein. Entlang des Umschlingungsbogens nimmt die Kraft auf die Arbeitsflanke zu. Die Ursache sind die Teilungsveränderungen im Riemen, wie bereits in Kap. 2.6 beschrieben. Beim Einzahnen in die getriebene Scheibe kehrt sich zum einen die Kraftwirkrichtung auf den Riemenzahn um, zum anderen ist in der Regel der einlaufende Zahn auch der am stärksten belastete. Die Darstellung in Abb. 2.12 geht von einer symmetrischen Kraftübertragung in der treibenden und getriebenen Scheibe aus. Die tatsächliche Lastverteilung hängt aber von der Toleranzlage aller beteiligten Komponenten, von der Vorspannkraft im Riemen und von der augenblicklichen Leistungsabforderung des Gesamtgetriebes ab. Angestrebtes Ziel der Hersteller ist, dass der Zahnkraftverlauf über dem Umschlingungsbogen möglichst gleichmäßig auf alle Riemenzähne wirkt. Ein Zugträger ohne jegliche Dehnung würde ein erwünschtes aber nicht erreichbares Optimum darstellen.
Abb. 2.12 Zahnkraftverlauf: Lastaufnahme des Einzelzahns über einen Umlauf. Die Nummerierung der Zähne ist in Laufrichtung angegeben
Tatsächlich gehen die Anstrengungen der Riemenhersteller in diese Richtung, im Zahnriemen zumeist mehr Zugstrangmaterial einzusetzen, als die rechnerischen Umfangskräfte dies erfordern.
56
2 Grundlagen
Das Mehr an Zugstrang kommt der Steifigkeit zugute, und die Lastübertragung vom Riemen in die Scheibe und umgekehrt verteilt sich gleichmäßiger über den Umschlingungsbogen. Ein zusätzlich erwünschter Effekt sind deutliche Kraftreserven und damit mehr Sicherheit sowohl für die Zahntragfähigkeit als auch für den Zugstrang. In der bisher vorliegenden Literatur wird die Lastaufnahmefähigkeit des Riemenzahns von der Verschleißtragfähigkeit des eingesetzten Elastomers abgeleitet. Man benutzt auch gelegentlich den Begriff Flächenpressung. Der eindeutig bessere Begriff ist die hier genannte Zahntragfähigkeit, weil er die komplexe Funktion der zu erfüllenden Aufgabe des Riemenzahns am besten beschreibt. Dieser Begriff beinhaltet die Eignung des eingesetzten Werkstoffs (Shore-Härte, Weiterreißfestigkeit), die Zahngeometrie, die Zahnfußrundung, die Bindung des Elastomers zum Zugträger und, wenn vorhanden, das eingesetzte Deckgewebe auf der Zahnseite des Riemens. Von wesentlichem Einfluss ist letztlich die zugehörige Lückenausbildung in der Scheibe. Die genannten Größen weisen je nach Zahnriemenprofil sowie je nach angewandtem Fertigungsverfahren und Elastomeretyp (siehe Kap. 2.4) unterschiedliche Qualitätsmerkmale auf. Bei der Berechnung der Leistungsfähigkeit ist der Zahnriemenanwender folglich auf die jeweiligen Herstellerangaben des eingesetzten Produkts angewiesen. In den Firmenschriften ist die spezifische Zahntragfähigkeit unter anderem als Ftspez, als Mspez oder als Pspez angegeben [53], wobei die Werte mit steigender Drehzahl einen degressiven Verlauf aufweisen. In der Regel sind die Herstellerangaben zu den Zahntragfähigkeiten als verlässliche technische Daten zu werten, da sie durch Prüfstandsversuche, Dauertests und Praxiseinsätze mehrfach abgesichert werden. Den Herstellern geht es letztlich um Produkthaftung, und die gelieferten Antriebskomponenten müssen auch bei ungünstig gepaarter Toleranzlage ihre Aufgabe erfüllen. Üblicherweise sind die Katalogwerte für die Zahntragfähigkeit mit „reichlicher“ Sicherheit angegeben. Im Normalfall bedeuten somit geringe Überlasten noch keine Gefahr für den Ausfall des Riemengetriebes. Aber bei erheblicher Überschreitung der zulässigen Zahntragfähigkeit können je nach Art der Überlast Schäden mit verschiedenen Schadensbildern entstehen. Man unterscheidet beispielsweise Schädigungen durch Dauerlast oder durch einmalige Gewaltlast. Das Kap. 6.2 behandelt und analysiert Schadensbilder. Lastaufteilung im Riemen-Scheiben-Kontakt Die Lastübertragungseigenschaften im Umschlingungsbogen sind Gegenstand zahlreicher Untersuchungen, welche insbesondere die Traganteile der im Flankenkontakt stehenden Einzelzähne näher betrachten. Die Arbeiten von Köster [42], Metzner [49] sowie Koyama [44], [45] und [46] befassen sich experimentell unter anderem mit Relativverschiebungen beim Einzahnen aufgrund geometrischer Teilungsabweichungen zwischen Riemen und Scheiben. Dabei werden auch das Dehnverhalten durch die Vorspannkraft sowie Längenänderungen durch die aktu-
2.9 Zahntragfähigkeit
57
elle Kraftdynamik im umlaufenden Riemen bewertet. Diese Untersuchungen charakterisieren über hinreichend exakte Modellbetrachtungen das wirksame Kontaktverhalten der gepaarten Arbeitsflanken. Demnach weist die Lastverteilung über die Flanken der Einzelzähne in der Tat erhebliche Ungleichmäßigkeiten auf. Die angewandten Untersuchungen liefern über visualisierte Last-VerformungsBeziehungen lediglich qualitative Resultate. Weiterführende Ergebnisse zeigen die Arbeiten von Librentz [48], welcher die Anteile der reibschlüssig übertragbaren Umfangskraft mit der von Eytelwein hergeleiteten Seilreibungsgleichung mit einschließt. In Zweischeibenversuchen betrachtet Librentz den Kontakt im Umschlingungsbogen auch über den radialen Andruck auf den Scheibenkopf, der dann, eine entsprechende Toleranzlage zwischen Riemen und Scheibe vorausgesetzt, den umlaufenden Zahnriemen auch voreilen läst. Im Umschlingungsbogen der Riemenbettung kommt somit die „falsche“ Flanke zum Anliegen. Der Riemen wandert innerhalb seines Zahnlückenspiels. Die Modellbetrachtung geht dabei von der Toleranzlage der Wirklinie im Vergleich zur abstützenden Kopfkreislinie unter Lastbedingungen zwischen den Verzahnungspartnern aus. Falsche Zahnstellungen treten dabei insbesondere unter Teillast sowohl in der treibenden als auch der getriebenen Scheibe auf. Zudem kann der Riemenbogen auch Positionen einnehmen, in denen kein tangentialer Kontakt zwischen Riemen- und Scheibenzahnflanken besteht. Die Drehmomentübertragung erfolgt in diesem Fall rein kraftschlüssig. Die eindeutig „richtige“ Flanke wird sich bei zunehmender Last sofort wieder anlegen. Im Zusammenhang mit diesen Zahnbewegungen in der Lücke, sie betragen wenige 1/10 mm und sie erfolgen unter den Riemenabstützkräften, geht ein tribologischer Stegverschleiß einher (siehe Schadensbilder unter Kap. 6.2). Das Wandern des Riemenzahns in seiner Zahnlücke nimmt bei wechselnder Dynamik zu. Eine mögliche Maßnahme gegen diese Verschleißart ist, eine eingeengte Zahnlücke oder eine mit NullTangentialspiel cm1 einzusetzen, um die Reibbewegungen zu verringern oder zu unterbinden. Die jeweiligen Zahnstellungen in den Scheibenlücken sind demnach toleranz-, last-, reibungs- sowie vorspannungsabhängig. Des weiteren durchläuft ein Riemenzahn im Umschlingungsbogen unterschiedliche Lastzonen (Abb. 2.12) und die dabei auftretenden Gleitbewegungen bestimmen das Verschleißverhalten. Die aktuell anliegenden Flanken sind nur mit erheblichem Messaufwand nachweisbar. Für den praktischen Zahnriemeneinsatz ist somit eine Prognose für die Zahnstellung kaum möglich. Die Art des Lasteintrags in den Riemenzahn sowie die Analyse des Betriebsverhaltens eines umlaufenden Zweischeibengetriebes verdeutlicht die hohe Komplexität der Vorgänge im Umschlingungsbogen. Durch Kenntnisse der ablaufenden Mechanismen sind Beurteilungen der Laufkultur, des Verschleißverhaltens sowie des Positionierverhaltens im Detail möglich. Andererseits genügen bei praxisüblichen Anwendungen dem Konstrukteur oft die realitätsnahen Betrachtungen im höheren Lastsegment, welche die Wirkmechanismen in technisch vereinfachter Weise beschreiben. Hierin sind die Lastflanken in treibender und getriebener Scheibe in ihrer Tangentialrichtung eindeutig definiert.
58
2 Grundlagen
Das Kap. 2.13 bietet Berechnungsmöglichkeiten zur Abschätzung von Verdrehwinkelabweichungen φ an der getriebenen Scheibe bezogen auf die treibende an. Die Ergebnisse dieser Berechnungen beziehen sich dabei auf die üblicherweise zugewiesene Zahnstellung. Somit ist anzumerken, dass die tatsächliche Abweichung aufgrund der im wesentlichen unbekannten Zahnstellung auch deutlich geringer ausfallen kann. Allen Zahnriemenprofilen ist gemeinsam, dass die Zahntragfähigkeit die dominierende Auslegungsgröße ist, die das Ergebnis für die berechnete Mindestbreite des Getriebes am stärksten beeinflusst.
2.10 Riemenführung, Bordscheiben Ein eigenständiges Geradeauslaufverhalten fehlt dem Zahnriemen gänzlich. Er ist im Allgemeinen bestrebt, von den Scheiben abzulaufen. Das ihm typische Ablaufverhalten erzeugt er selbst. Dem Ablaufverhalten muss durch besondere Maßnahmen, z. B. durch die Sonderbauform „Spurzahnriemen“ (siehe Kap. 2.3.11) oder durch Anordnung von Führungselementen begegnet werden. Im Vergleich dazu wird z. B. der Geradeauslauf von Keilriemen und Keilrippenriemen durch das in Riemenlaufrichtung angeordnete Profil eindeutig vorgegeben. Der Flachriemen strebt durch ballig ausgeführte Laufflächen stets den höchsten Durchmesser auf den Scheiben an, und hält sich damit eigenständig auf diesen Scheiben. Würden Zahnriemenscheiben ballig ausgeführt, könnte man eventuell eine Tendenz zum eigenständigen Geradeauslauf von Zahnriemen, aber nur unter idealen Leerlaufbedingungen, beobachten. Bereits bei Übertragung geringer Leistung stützt er sich jedoch auf Flanken ab, die annähernd senkrecht zum Kopfkreisdurchmesser angeordnet sind. Folglich müssten auch diese ballig ausgeführt sein. Abgesehen davon, dass räumliche Geometrien dieser Art sehr schwierig herzustellen sind, dürfte solch eine Maßnahme die Leistungsfähigkeit eines Zahnriemens einschränken. Versuche mit balligen Ausführungen blieben bisher erfolglos. Der Geradeauslauf von Zahnriemen erfordert zwingend das Vorhandensein von Führungselementen. In der Regel sind die zugehörigen Zahnscheiben mit Bordscheiben zu versehen. Das Ablaufverhalten ist dadurch zu erklären, dass die im Riemen eingebetteten Zugstränge aus einem geschlagenen Seilverbund bestehen, und die Lage eines jeden Einzelfilaments beschreibt im Riemen beziehungsweise um dessen Zugstrangachse eine geometrische Raumkurve. Unter Last ist jedes Einzelfilament bestrebt, den kürzesten Weg einzunehmen. Das umgebende Elastomere verhindert eine Zugstrangaufdrehung. Stattdessen wirken sich Drallmomente aus, die der Riemen zu
2.10 Riemenführung, Bordscheiben
59
Ablaufkräften umsetzt. Diese Kräfte bilden sich umso stärker aus, je größer der Zugstrangdurchmesser ist, je mehr Zugstränge im Riemen angeordnet sind, je breiter der Riemen dimensioniert ist und je mehr Drehmoment aktuell zu übertragen ist. Der Ablaufdrang wird durch die Maßnahme kompensiert, dass im Riemen nebeneinander liegende Zugstränge paarweise angeordnet sind, welche wechselweise rechts/links geschlagen hergestellt werden. Somit hebt sich zumindest die aus dieser Ursache entstehende Seitenablaufneigung bis auf geringe Restkräfte auf. Nicht alle Fabrikate weisen aber diese Zugstranganordnung auf. Ein weiteres vom Riemen selbst erzeugtes Ablaufverhalten stammt von den spiralförmig gewickelten Zugsträngen in Endlosriemen. Die Zugstränge weisen zur Riemenlaufrichtung eine der gewickelten Steigung entsprechende Schräge auf. Die dadurch ausgelösten Ablaufkräfte sind jedoch deutlich geringer als die von der Schlagrichtung des Zugstranges erzeugten Kräfte. Bei unmittelbaren Veränderungen der Leistungsübertragung (z. B. von Leerlaufbetrieb auf Nennleistung) ist zu beobachten, dass der geführte Zahnriemen die Anlaufseite auch wechseln kann. Während z. B. die Ablaufrichtung zunächst von der zylindrischen Güte des Kopfkreisdurchmessers beeinflusst ist, dominiert unter Leistungsbedingungen die Verzahnungsparallelität. Somit tragen Toleranzen im Riemen und in den Scheiben zum Ablaufverhalten bei. Weitere Ursachen stammen von Achsneigungen, Achsschränkungen und Fluchtungsfehlern der Scheiben. Montageabweichungen erzeugen unterschiedliche Randspannungen, und der Riemen neigt zur größten Spannung hin abzulaufen. Die zulässigen Abweichungen für Fluchtungsfehler von Scheiben und Winkelabweichung von Achsen sind am Ende dieses Kapitels behandelt. Die Ausführung von Zahnscheiben mit Bordscheiben sowie die Geometrie der Bordscheiben selbst und die Art ihrer Befestigung am Scheibenkörper müssen so beschaffen sein, dass einerseits die Führungsaufgabe mit ausreichender Seitenkraftaufnahme gewährleistet ist und andererseits wirtschaftliche Aspekte bei der Herstellung beachtet werden. Ein Zahnriemen ist sicher geführt, wenn er vollständig zwischen den Bordscheiben eintaucht. Die Norm für Zahnscheiben [14] empfiehlt abgewinkelte Bordscheiben mit vorgeschriebenem Winkelbereich für die Einlaufschräge.
Abb. 2.13 Ausführungen von Bordscheiben und Befestigungsarten: a) gebördelt, b) mit Hinterschnitt gebördelt, c) geschraubt
60
2 Grundlagen
In den Tabellen 2.2 und 2.3 sind aus dieser Norm in gekürzter und vereinfachter Fassung die Mindesthöhen h für Bordscheiben und die Mindestbreiten bf, (also die lichte Breite zwischen den Bordscheiben) angegeben. Tabelle 2.2 Bordscheibenhöhe Teilungskurzzeichen
Mindesthöhe h der Bordscheibe (mm)
T 2,5
0,8
T5
1,2
T 10
2,2
T 20
3,2
Tabelle 2.3 Lichte Breite zwischen den Bordscheiben Riemenbreite b (mm)
Mindestbreite bf zwischen den Bordscheiben (mm)
4
5,5
6
7,5
10
11,5
16
17,5
25
26,5
32
34
50
52
75
77
100
102
Bei den hier aufgeführten Werten sind Mindestanforderungen derart festgelegt, dass die lichte Breite zwischen den Bordscheiben bf gegenüber der Zahnriemenbreite b genügend Freiraum für Toleranzen und Walkarbeit zulässt. Die Hersteller von Riemen und Scheiben verstehen jedoch als Nennbreite B der Zahnscheibe das Entfernungsmaß beider an die Verzahnung angrenzenden Stirnflächen. Nach Abzug der Bordscheibendicke und der Breitenzugabe für den Anrollvorgang müssen die in Tabelle 2.3 empfohlenen Mindestbreiten bf eingehalten sein. Die lichte Breite zwischen den Bordscheiben wird in der Regel nicht bemaßt. Es ist aufgrund der Winkelstellung für den Zahnriemeneinlauf ferner zu beachten, dass die Bordscheiben nicht bündig mit den Stirnflächen abschließen. Die oben genannten Maße beziehen sich auf Zahnriemenscheiben mit metrischer Teilung nach DIN 7721 Blatt 2 [12]. Aus diesen Werten können die zu empfehlenden Bordscheibenmaße für weitere Zahnriemenarten und andere Teilungen, die keiner Norm unterliegen, durch interpolieren bzw. extrapolieren abgeleitet werden.
2.10 Riemenführung, Bordscheiben
61
Die Bordscheiben sind am zweckmäßigsten auf dem Scheibenkörper angebördelt (verstemmt) oder besser über die gesamte Umfangslinie durch Metalldrücken angerollt (siehe Abb. 2.13 a)). Ein qualitativ hochwertiges Anrollen mit erhöhter Seitenkraftaufnahme ergibt sich, wenn die Innendurchmesser der Bordscheiben zuvor mit einem Hinterschnitt von 15 bis 30° ausgestattet sind (siehe Abb. 2.13 b)). Angeschraubte Bordscheiben wie in Abb. 2.13 c) ausgeführt, stellen eine aufwändige Befestigungsart dar, sie bieten jedoch bei eingeengtem Montageraum zusätzlich die Möglichkeit, bei demontierter Bordscheibe das Auflegen und Abnehmen des Riemens zu erleichtern. Wegen der erforderlichen Senkungen sind angeschraubte Bordscheiben in der Regel in größerer Blechdicke ausgeführt, und anstelle einer Abwinkelung ist die Einlaufschräge mechanisch bearbeitet. In einem Zahnriemengetriebe kann jede beteiligte Scheibe und Umlenkung mit Riemenseitenbegrenzungen in Form von Bordscheiben ausgerüstet sein. Es wird jedoch empfohlen, den Riemen nur so häufig zu führen wie nötig. Zur zweckmäßigen Anordnung von Bordscheiben sind einige Besonderheiten zu berücksichtigen, wie sie die Abb. 2.14 bis 2.17 verdeutlichen.
Abb. 2.14 Zweiwellengetriebe
Bei Antrieben über zwei Wellen ist die Bordscheibenanordnung stets an der treibenden Scheibe zu empfehlen. Auf der Gegenscheibe hält sich der bereits geführte Riemen selbst. Ab einem Achsabstand größer als dem 15-fachen der Riemenbreite kann eine zusätzliche Seitenführung auch an der Gegenscheibe erfolgen, ab 30facher Riemenbreite ist eine Seitenführung an beiden Scheiben zweckmäßig. Die Bordscheibenführung ist in jenen Getriebebereichen zu vermeiden, in denen geringe Seilzugkräfte am Ort des Trumeinlaufs zu erwarten sind. Das trifft regelmäßig bei getriebenen Scheiben zu. Kapitel 2.7 beschreibt in Abb. 2.10 den Einlaufkeil sowie die Loslösung des Riemens von der Ideallinie. Bei der Bordscheibenanlage unter geringer Trumkraft würde die Riemenebene durch einseitige Reibkraftwirkung zur Schräglage neigen. Die Seilzugbelastung steigt zur Richtung der angehobenen Riemenseite. Durch den gekoppelten Mechanismus eines einseitig aufsteigenden Riemens gepaart mit zunehmendem Ablaufdrang zur Seite der höheren Belastung kann der sich selbst verstärkende Effekt zu starkem Abrieb und zur Zerstörung des Riemens führen.
62
2 Grundlagen
Abb. 2.15 Mehrwellengetriebe
Die bevorzugte Bordscheibenführung in Mehrwellengetrieben nach Abb. 2.15 erfolgt an jenen Scheiben, bei denen der einlaufende Riemen eine möglichst große freie Trumlänge hat. Es ist die Riemenlaufrichtung zu beachten.
2.10 Riemenführung, Bordscheiben
63
Abb. 2.16 OmegaAntriebsstation
Riemenanordnungen in der Verlegeart des griechischen Buchstabens Ω finden insbesondere Ihre Anwendung im Zusammenhang mit Antriebsstationen. Durch die zweifache Umlenkung erreicht man den angestrebten großen Umschlingungswinkel für eine günstige Leistungsübertragung. In Getrieben nach Abb. 2.16 ergeben sich jedoch aufgrund der räumlich unmittelbar aufeinander folgenden Umlenkungen sehr kurze Riementrume. Bordscheiben an der treibenden Scheibe würden infolgedessen starke Seitenkräfte entwickeln. Sie sind deshalb in die Umlenkrollen zu verlegen. Es ergeben sich deutlich geringere Reibkräfte auf die Seitenführungen und Riemenkanten.
Abb. 2.17 a) Zahnriemenführung für Transportaufgabe
64
2 Grundlagen
Die Einlaufsituation in seitenbegrenzte Stützschienen nach Abb. 2.17 a) ist besonders zu beachten. Es ist zu vermeiden, dass der Riemen an „stehenden“ Kanten zwangsgeführt wird. Es muss deshalb sichergestellt sein, dass die lichte Breite zwischen den Bordscheiben bf kleiner und die lichte Breite zwischen den Seitenführungen der Stützschiene Bf größer ausgeführt ist. Ein bereits eingelaufener Riemen wird in der Folge ohne nennenswerten Ablaufdrang und ohne übermäßig Reibung zu erzeugen die seitenbegrenzte Stützschiene nicht verlassen. Ausgehend von der Riemenbreite b und unter Beachtung der möglichen Toleranzen aller beteiligten Baugruppen gilt die Regel: b < bf < BF
(2.20)
Die Anwendung der Gl. (2.20) ist bei bevorzugter Nutzung von Standardzahnscheiben Einschränkungen ausgesetzt, da das lichte Maß zwischen den Bordscheiben bf auf Anwendungen für Antriebsaufgaben abgestimmt ist. Es fällt dadurch zu groß aus, andererseits ist das Maß von den Herstellern zumeist nicht dokumentiert. Für die gewünschte Funktion „Stützschieneneinlauf“ ist die lichte Breite zwischen den Bordscheiben „enger“ zu wählen und deshalb gesondert zu bemaßen oder gegebenenfalls zu tolerieren. Somit sind Zahnscheiben für diese Einsatzart nur als Sonderfertigungen geeignet, oder als Alternative sind die Bordscheiben aus dem Liefersortiment der Standardausführungen durch Nacharbeit an korrigierter Position neu zu befestigen.
Abb. 2.17 b) Geteilter Führungsring [40]
Als weitere Alternative sind geteilte Führungselemente anwendbar, die sowohl zur Nachrüstung als auch bei begrenzten Einbauverhältnissen Vorteile bieten. Sie lösen bevorzugt Aufgaben in der Zuführtechnik, denn es bilden sich keine Störkanten gegenüber dem Transportgut aus. Der zugehörige Riemen erhält eine zahnseitige Einfräsung. Dieses System ist auf dem Markt als easy-drive® [40] eingeführt und seit 2006 patentiert.
2.10 Riemenführung, Bordscheiben
65
Zusammenfassung Die zum Thema Riemenseitenführung beschriebenen Maßnahmen sollten bei der Wahl für die Anordnung von Bordscheiben bei jeder Antriebskonstruktion ernsthafte Berücksichtigung finden. Es kann jedoch in der Art der Aufgabenstellung liegen, dass besondere Vorgaben und andere Sachzwänge dazu führen, Kompromisslösungen anstelle der empfohlenen Bordscheibenanordnung anzuwenden. Inwieweit die zuvor behandelten Zahnriemenführungen nur aus einer vorteilhaften „Kann-Vorschrift“ bestehen, die aber auch anders lösbar sind, wird im Folgenden beschrieben: Die in Abb. 2.14 dargestellte Riemenseitenführung wird durch Bordscheiben an der treibenden Scheibe realisiert. An dieser liegen auch stets stabile Riemeneinlaufbedingungen vor, und deshalb ist hier die Führung im Hinblick auf die Gesamtfunktion günstig gewählt. Es ist denkbar, dass ein begrenzter Einbauraum dem Konstrukteur eine andere Lösung aufzwingt. Für die Wahl der Bordscheibenanordnung ist nicht immer die aus der Sicht für den Geradeauslauf günstigste Variante wählbar. Beispiel: Motor- und Getriebewellen werden zunehmend glatt ausgeführt. Damit kommen häufiger Welle-Nabe-Spannsätze oder auch Presssitze zum Einsatz, die durch Warmschrumpfen erzeugt werden. Gebördelte oder durch Metalldrücken angerollte Bordscheiben sind dabei problematisch, da insbesondere der Wärmeeintrag beim Schrumpfen die Bordscheibenbefestigung schädigen kann. Des Weiteren sind häufig Platzprobleme entscheidend, denn Bordscheiben benötigen auch konstruktiven Bauraum. Die Zahnriemenführung ist dann doch besser an der Gegenscheibe gelöst. Nahezu jede Konstruktion kommt nur durch Kompromisslösungen zustande. Wenn aber der verantwortliche Konstrukteur „seine“ kritischen und durch Kompromiss gefundenen Lösungen kennt und diese unter besonderer Beobachtung bleiben, dann sind auch negative Überraschungen nicht zu erwarten. Regeln für die Wahl der Bordscheibenanordnung: • Die Führungselemente sind vorzugsweise an der treibenden Scheibe anzuordnen. • Der Geradeauslauf ist vorzugsweise an jenen Scheiben herbeizuführen, in die der Riemen mit langer freier Trumstrecke einläuft. • Bei Mehrwellengetrieben sind diejenigen Scheiben für die Riemenseitenführung zu bevorzugen, bei denen die Trumkräfte unter Betriebsbedingungen möglichst groß sind.
Fluchtung von Scheiben Die Voraussetzung eines reibungs- und verschleißarmen Geradeauslaufs ist die sorgfältige Ausrichtung von Achsen und Scheiben. Abweichungen zur Idealstel-
66
2 Grundlagen
lung verursachen einseitige Randspannungen im Riemen und als dessen Folge läuft er zur Seite der größten Spannung ab. Durch Montagefehler kann sich der Reibdruck gegen die Bordscheiben übermäßig verstärken und zu Kantenabrieb und Laufgeräuschen führen. Es gibt drei Abweichungsarten: • Parallelversatz der Scheiben • Winkelfehler der Achsen • Schränkung der Achsen Die Montageabweichungen können dabei einzeln oder auch in Kombination die Laufkultur des Zahnriemens beeinflussen, wobei sich der Ablaufdrang verstärken oder auch (teilweise) egalisieren kann. Die durch Winkelfehler ausgelösten Randspannungen sind dabei nicht korrigierbar und wirken einseitig und lastzunehmend auf die außen angeordneten Kraftträger. Es besteht die Gefahr von vorzeitigen Dauerbrüchen in den Zugsträngen. Die Schränkung ist eine Achsneigung senkrecht zum Winkelfehler. Schränkungen wirken sich für den Riemenein- und -auslauf jeweils wie ein Parallelversatz der Scheiben aus, wobei die Summe aus beiden Abweichungen gleich oder kleiner jeder Einzelabweichung bleiben muss. Je größer die Riemenbreite und je steifer die Riemenkonstruktion ausgeführt ist, desto auffälliger reagiert ein Zahnriemen auf Montageabweichungen dieser Art. Ein zu starker Seitenablaufdruck ist erkennbar, wenn der Riemen auf die Bordscheibe aufzusteigen neigt. Sichtbarer Kantenabrieb oder eine schüsselförmig deformierte Riemenebene sind weitere Kennzeichen auf Störungen dieser Art. Ein „leichtes Anlegen“ des laufenden Riemens an die Bordscheibe ist normal.
Abb. 2.18 Montageabweichungen durch a) Parallelversatz b) Winkelfehler c) Schränkung
2.11 Ungleichmäßigkeiten, Schwingungen, Dynamik
67
Die Prüfung winkeltreuer Achsen und fluchtender Scheiben führt man zweckmäßigerweise mit den bekannten Kontrollmitteln wie Lichtspaltlineal und/oder Messtaster durch. Für weit voneinander entfernte Achsen und Scheiben vertreibt der Fachhandel ein so genanntes Easy-Laser® Gerät, welches mittels Laserlinie und Zielmarke anzeigt, in welcher Richtung eine Korrektur vorzunehmen ist. Tabelle 2.4 Die Montagerichtlinien nach [21], [24] und [57] empfehlen folgende maximale Abweichungen Parallelversatz der Scheiben
maximal ± 5 mm je Meter Achsabstand*)
Winkelfehler der Achsen
für die Riemenbreite ≤ 25 > 25 ≤ 50 > 50 ≤ 100 > 100
maximale Abweichung ± 1,00° ± 0,50° ± 0,25° ± 0,15°
Schränkung der Achsen
Eine Schränkung tordiert den Riemen um die Riemenmitte. Solch eine Drehverlagerung ist innerhalb vorgegebener Anordnungen zulässig (siehe Winkeltriebe in Kap. 3.10). Mit der in Abb. 2.18 c) dargestellten Schränkung bilden sich jedoch Abweichungen aus, welche dieselbe Wirkung wie ein Parallelversatz der Scheiben verursachen. Maximal zulässige Abweichung ± 5 mm je Meter Achsabstand*).
*) Die zulässige Summe der Abweichungen aus Parallelversatz + Schränkung beträgt ≤ ± 5 mm
2.11 Ungleichmäßigkeiten, Schwingungen, Dynamik Zahnriemen bieten aufgrund ihrer Elastizität, verbunden mit Eigendämpfungen, im Allgemeinen günstige Voraussetzungen, Schwingungen abzubauen [70]. In Antrieben sind zumeist Effektivleistungen oder Drehmomentmittelwerte zu übertragen, denen auch periodische Veränderungen überlagert sein können. Diese Störungen kommen entweder von außen in Form von Drehmoment- oder Drehwinkelschwankungen, oder sie entstehen durch die Antriebskomponenten selbst. Ein Zahnriemen arbeitet in der Regel in einem System mit vor- und nachgeschalteten Maschinenelementen, und da der gesamte Antriebsstrang wie auch Teile davon (z. B. die freien Trume) schwingungsfähige Systeme darstellen, ist eine Anregung möglich. Nachfolgend wird beschrieben, wie man Schwingungsvorgänge erkennen kann und welche Maßnahmen für deren Reduzierung anzuwenden sind. Drehschwingungen Drehschwingungen lassen sich im Vergleich zu Trumschwingungen (Transversalschwingungen) durch bloßes Beobachten nur schwer erkennen, da die um ihre Achse
68
2 Grundlagen
oszillierenden Bewegungen den rotatorischen Hauptbewegungen überlagert sind. In Riemengetrieben bezeichnet man sie auch als Longitudinalschwingungen, denn ihre Kraftwirkung verläuft in Zugstrangrichtung. Sie werden angeregt durch periodische, stoßartige oder zeitlich zufällig verlaufende Drehmomente [16]. Ein Riemengetriebe besteht aus mindestens zwei Drehachsen, die bei Anregung insbesondere dann zum gegensinnigen Schwingen neigen, wenn periodische Störungen in gleicher oder angenäherter Frequenzlage im Vergleich zur Eigenfrequenz wirken. Um das Drehschwingungsverhalten beurteilen zu können, muss das reale System in ein sinnvolles Ersatzsystem überführt werden. Als Modellbetrachtung stellt man sich zwei Drehkörper mit dem sie verbindenden Riemen als elastisches Glied vor (Abb. 2.19 b)). Es ergibt sich somit ein Feder-Masse-System, das über einen nachgiebigen Zahnriemen gekoppelt ist, wobei das Federungsverhalten über die Kenngröße k (Verdrehsteifigkeit) zu definieren ist (siehe Kap. 2.13). Bei bekannten Werten für die Drehkörper kann man über die Massenträgheitsmomente Θ1 und Θ2 für ein solches System die Eigenfrequenz bestimmen. Die Drehkörper, also die Zahnscheiben, werden dabei als starr, der Zahnriemen als federndes, masseloses Element angenommen. Die mit den Zahnscheiben starr gekoppelten Wellen und Wellenteile sind den jeweiligen Seiten der entsprechenden Trägheitsmomente zuzuschlagen. Die folgenden Gleichungen beziehen sich auf sogenannte Ein- und Zweimassensysteme.
Abb. 2.19 Schwingungsfähiges System, a) mit einer Drehmasse, b) mit zwei Drehmassen
Zur Betrachtung von Drei- und Mehrmassensystemen sowie zu rechnergestützten Simulationsprogrammen sei auf [16] und [36] verwiesen. Eine Drehmasse nach Abb. 2.19 a) schwingt mit der Eigenkreisfrequenz
ωe = k Θ
(2.21)
f e = ωe 2 π .
(2.22)
und mit der Eigenfrequenz von
Zwei über den Riemen gekoppelte Drehmassen nach Abb. 2.19 b) weisen eine Eigenkreisfrequenz von
ωe = k
Θ1 + Θ2 Θ1 ⋅ Θ2
(2.23)
2.11 Ungleichmäßigkeiten, Schwingungen, Dynamik
69
auf, wobei sich die Massenträgheitsmomente Θ jeder Seite aus der Welle und der Zahnscheibe zusammensetzen. Sie berechnen sich aus Θ=
Welle Zahnscheibe
Θ=
1 ⋅ ρ ⋅ π ⋅l ⋅d4 32
(
(2.24 a)
)
1 4 ⋅ ρ ⋅ π ⋅ B ⋅ dK − d 4 , 32
(2.24 b)
mit ρ Dichte in kg/m3, B Scheibenbreite in m, dK Kopfkreisdurchmesser in m und d Bohrung in m, l Wellenlänge in m
Eine „innere Anregung“ liegt vor, wenn periodische Ungleichmäßigkeiten vom Riemen selbst ausgehen. Dadurch ausgelöste Störungen nehmen zu, je mehr sich die Frequenz der Ungleichmäßigkeit der Eigenfrequenz des Systems nähert. Bei Übereinstimmung beider Frequenzen liegt Resonanz vor. Eine Verringerung der Drehmassen mindert den Schwingungseffekt, eine Vergrößerung verstärkt ihn. Bei ungleichen Maßnahmen der Drehmassenveränderung gehen Verringerungen der Schwingungen einer Seite zu Lasten der Anderen. „Äußere Anregungen“, vor allem in Resonanznähe, lassen sich durch Vergrößerung der betreffenden Massenträgheitsmomente abschirmen. Schwingungen dieser Art können vor- und nachgeschaltete Antriebsglieder erheblich stören, und sie beanspruchen insbesondere durch ihren in Riemenlängsrichtung ausgerichteten schwellenden Lastwechsel den Zugstrang zusätzlich. Des weiteren neigt der Antrieb zu Stegverschleiß (siehe Schadensbild 6.6). Die durch Kraftwechsel ausgelösten Relativbewegungen wirken auf die Verzahnungspartner mit tribologischen Gleit-Verschleiß-Bewegungen ein. Die resonanten Drehschwingungen sind relativ einfach zu bekämpfen, da die für die Eigenfrequenz maßgeblichen Massenträgheitsmomente Θ und die Riemensteifigkeit k auch bei wechselnden Betriebsbedingungen unverändert bleiben. Sie lassen sich durch Riemen mit vergrößerten Steifigkeitswerten, z. B. durch Verstärken des Zugstranges, beheben. Die Verdrehsteifigkeit ist auch über die Größe der Zahnscheiben beeinflussbar. Das Vergrößern oder Verkleinern von rotatorischen Massen sind weitere Möglichkeiten, die Eigenfrequenz in die gewünschte Richtung gezielt zu verändern. Trumschwingungen Das Auf- und Abschwingen freier Riementrume, auch als Transversalschwingungen bezeichnet, wird durch Anregungskräfte ausgelöst, die in Übereinstimmung ihrer Frequenz mit der Eigenfrequenz des Trums liegen, oder wenn diese in einem ganzzahligen Verhältnis zu ihr steht. Als Transversalschwingungen werden solche Schwingungen bezeichnet, bei denen die Auslenkung des Riementrums in einer Ebene senkrecht zur Riemenoberfläche erfolgt. Mit zunehmender Amplitude bilden sich dabei longitudinale Spannungsschwankungen im Zugstrang aus, und als
70
2 Grundlagen
deren Folge können sie sich zu Drehschwingungen in den Scheiben wandeln. Beide Schwingungsarten kommen somit einzeln oder auch gekoppelt zur Wirkung. Bilden transversale Schwingungen den Ausgang der Störung, ist zumeist die Frequenz fe der Grundschwingung des betrachteten Riemenabschnittes von Interesse und sie berechnet sich aus: fe =
F , 4 ⋅ mspez ⋅ b ⋅ lT2
(2.25)
mit F Trumkraft in N, mspez spezifische Riemenmasse in kg je mm Riemenbreite und je m Riemenlänge, b Riemenbreite in mm und lT Trumlänge in m.
Transversalschwingungen werden oft angeregt durch die Zahneinlauffrequenz oder durch periodische Störungen von den Übertragungsgliedern selbst, die auf Qualitätsschwankungen sowohl im Riemen als auch in den Scheiben zurückzuführen sind. Es sind auch Oberschwingungen mit der entsprechenden Anzahl Schwingungsknoten möglich. Eventuelle Ungleichmäßigkeiten eines Riemens haben ihre Ursache in Fertigungsschwankungen der Riemensteifigkeit und/oder der Zahnsteifigkeit, in veränderter Zugstranglage und in schwankender Riemendicke im Zusammenwirken mit Rückenspannrollen. Unrund gefertigte oder exzentrisch montierte Scheiben können ebenfalls ganz erheblich zur Schwingungsanregung beitragen. Sofern die Störungen vom Riemengetriebe selbst ausgehen, lassen sie sich durch gezielte Auswahl von gleichmäßig gefertigten Antriebskomponenten mindern. Des weiteren sind Rundlaufkontrollen und einwandfrei mittig montierte Scheiben anzustreben. Oft liegen auch Anregungen von außen als Drehfeldschwingungen vom Motor oder als periodische Schwankung bei der Drehmomentabnahme vor. Die möglichen Ursachen einer Schwingungsanregung sind vielfältig, sie lassen sich zwar mindern, aber nicht völlig beseitigen. Demgegenüber reichen in vielen Fällen nur geringe Störungen aus, die freien Trume zum Schwingen anzuregen. So steigt die Schwingungsanfälligkeit mit der Zunahme der Trumlänge, wobei entlastete Riemenabschnitte (Leertrume) besonders gefährdet sind. Da sich bei jeder aktuellen Belastungsänderung die zugehörigen Trumkräfte mit verändern, durchläuft ein Riemen – und damit jeder betrachtete freie Riemenabschnitt – große Bereiche unterschiedlicher Eigenschwingungszahlen. Bei festgestellten Schwingungserscheinungen gilt als angemessene Maßnahme, die Vorspannkraft zu ändern. Die erneute Beobachtung unter wiederholten Betriebsbedingungen lässt erwarten, dass sich die Schwingungsanfälligkeit auf einen anderen, für den Maschinenbetrieb möglichst unkritischen Betriebszustand verlagert. Wenn dies nicht zum gewünschten Ergebnis führt, kann man die Eigenschwingung des betroffenen Trums durch Anbringen einer Spannrolle bekämpfen. Ein probates Mittel ist ferner, den gefährdeten Riementrum am Aufschwingen zu hindern. Ein mechanisches Bauteil wird, ohne dass es den Trum zunächst berührt oder gar auslenkt, dicht neben dem freien Riemenabschnitt angeordnet. In der Folge wird jedes Aufschwingbestreben durch Berührung unmittelbar unterbunden. Das
2.11 Ungleichmäßigkeiten, Schwingungen, Dynamik
71
mechanische Bauteil ist zweckmäßigerweise dem Riemenrücken zugekehrt und mit einem gleitfähigen Kunststoff oder Filz belegt.
Stick-Slip-Effekt Ein ungleichmäßiger Bewegungsablauf, bei welchem Stillstands- und Laufphasen periodisch wechseln, ist bei sehr geringen Drehzahlen bzw. bei Schleichfahrt festzustellen. Sie treten, vom Antriebsmotor aus betrachtet, in jenen Getriebeteilen auf, die dem Zahnriemen nachgeordnet sind. Für den Charakter der ungleichmäßigen Bewegungen, die als Haft-Gleit-Bewegung ruckweise ablaufen, steht die sinnvolle Bezeichnung Stick-Slip-Effekt. Sie haben ihre Ursachen im Nachgiebigkeitsverhalten des Riemens sowie im Zusammenwirken veränderlicher Reibwerte im getriebenen Teil des Antriebsstrangs. Haftreibwerte aus dem Stillstand heraus und Reibwerte unter Bewegung weisen in der Regel erhebliche Unterschiede auf. Bei sehr langsam eingeleiteten Antriebsbewegungen werden zunächst die Spannkräfte im Riemen aufgebaut. Vom getriebenen Teil wird eine Bewegung erst dann zugelassen, wenn die Haftkräfte überschritten sind. Aufgrund der dann verringerten Reibung setzt sich im getriebenen Teil die Bewegung fort, bis die gespeicherte Spannkraft des Riemens abgebaut ist. Die nun folgende Stillstandszeit benötigt der langsame Antrieb, um die Spannkräfte im Riemen zum nächsten Bewegungszyklus erneut aufzubauen. Solche periodischen Ungleichmäßigkeiten sind in langsam laufenden Getrieben nicht ungewöhnlich. Diese Effekte treten insbesondere im Zusammenhang mit sehr langen Zahnriemen bei gleichzeitig hohen Reibwerten im getriebenen Teil auf. Um einen gleichmäßigen Bewegungsablauf für alle Antriebsglieder herbeizuführen, ist mindestes eine der folgenden Maßnahmen oder in Kombination anzuwenden:
• Steifigkeit des Riemens vergrößern • Reibung verringern • Geschwindigkeit (Drehzahl) heraufsetzen.
Dynamik Die zunehmenden Forderungen nach kürzeren Taktzeiten in Produktionsanlagen führen zu notwendigen Optimierungen der dynamischen Eigenschaften der Antriebe. Unter Dynamik versteht man dabei zeitabhängige Änderungen, d. h. Beschleunigen und Verzögern der Bewegung von Körpern aufgrund einwirkender Kräfte. Zahnriemengetriebe weisen eine geringe Eigenmasse auf. Sie sind im Vergleich zu anderen Übertragungssystemen fähig, die besonderen Lastbedingungen beim Anfahren, Bremsen und bei Drehmomentumkehr deutlich besser zu bewältigen. Im Umschlingungsbogen bewirkt einmal die Lastverteilung über mehrere eingreifende Zähne und zum anderen die elastomere Nachgiebigkeit der Riemenzähne einen stoßfreien und gedämpften Flankenwechsel. Somit löst man mit ihnen
72
2 Grundlagen
bevorzugt solche Antriebsaufgaben, bei denen die Trägheiten der Drehmassen bzw. das Feder-Masse-Verhalten besondere Anforderungen stellen. Wenn ein Drehkörper ein Massenträgheitsmoment Θ aufweist, ist zu dessen Winkelbeschleunigung ω ein Beschleunigungsmoment MB aufzubringen von
M B = Θ ⋅ ω .
(2.26)
Es steht nur in seltenen Fällen die Größe der Winkelbeschleunigung bereit. Somit ist alternativ der Drehzahlbereich ∆n z. B. von 0 bis nmax und mit ihr die zugehörige Beschleunigungszeit tB heranzuziehen, wobei man den Beschleunigungswert für den gesamten Drehzahlbereich als konstant voraussetzt. Das Beschleunigungsmoment errechnet sich somit aus MB =
Θ ⋅ Δn . 9,55 ⋅ t B
(2.27 a*)
Als Rechnungsumkehr und bei bekannten Antriebsdaten kann man die Beschleunigungszeit ermitteln aus tB =
Θ ⋅ Δn . 9,55 ⋅ M B
(2.27 b*)
Das Massenträgheitsmoment einer Welle berechnet sich aus Θ=
1 ⋅ ρ⋅ π⋅l ⋅d4 . 32
(2.28)
Das Massenträgheitsmoment einer Zahnriemenscheibe, idealisiert als Hohlzylinder betrachtet, ist zu ermitteln aus Θ=
(
)
1 ⋅ ρ ⋅ π ⋅ B ⋅ d K4 − d 4 . 32
(2.29)
Das Massenträgheitsmoment mehrerer Körper oder mehrerer Teile eines Körpers in Bezug auf die selbe oder mehrere Wellen, die untereinander drehzahlgleich im Zusammenhang stehen, ist gleich der Summe aller Massenträgheitsmomente der einzelnen Körper Θges = Θ1 + Θ2 + Θ3 + Θn .
(2.30)
Das Gesamt-Massenträgheitsmoment Θges1 bezogen auf die treibende Welle 1, die mit einer getriebenen Welle 2 in einem Übersetzungsverhältnis i zusammenhängt, berechnet sich aus
Θges1 = Θ1 +
Θ2 . i2
(2.31)
*) Die mit * gekennzeichneten Gln. (2.27 a*) und (2.27 b*) sind Zahlenwertgleichungen. Sie sind anzuwenden in den vorgegebenen Dimensionen: Beschleunigungsmoment MB in N·m, Drehzahlbereich ∆n in min–1, Beschleunigungszeit tB in s, Massenträgheitsmoment Θ in kg·m2.
2.11 Ungleichmäßigkeiten, Schwingungen, Dynamik
73
Das Gesamt-Massenträgheitsmoment Θges2 bezogen auf die getriebene Welle 2, die mit einer treibenden Welle 1 in einem Übersetzungsverhältnis i zusammenhängt, berechnet sich aus
Θges 2 = Θ2 + Θ1 ⋅ i 2 .
(2.32)
Bei der Untersuchung von Trägheitsmassen und deren Auswirkung auf die Beschleunigungsfähigkeit werden die Zahnscheiben als starr und der Riemen als masseloses Element angenommen. Die mit den Zahnscheiben starr gekoppelten Wellen und Wellenteile sind den jeweiligen Drehmassen zuzuschlagen. Beispiel: Ein Zahnriemen mit den Abmessungen 960-HTD-30 treibt die Haspel einer Drahtwickelmaschine durch einen Drehstrom-Kurzschlussläufer-Motor an. Die technischen Daten sind für die Motorseite: Nennleistung P = 6 kW bei Drehzahl n = 1.430 min–1, Nennmoment Mnenn = 40 Nm, Anlaufmoment Mmax = 80 Nm, Massenträgheitsmoment des Motors Θ = 25 · 10–3 kg · m2, Antriebszahnscheibe aus Stahl z1 = 36 mit dK1 = 90,30 mm, sowie Scheibenbreite B = 36 mm und Bohrung d = 24H7. Die technischen Daten sind für die Arbeitsmaschine: Zahnscheibe an der Haspel aus Stahl z2 = 72 mit dK2= 181,97 mm sowie Scheibenbreite B = 38 mm und Bohrung d = 40H7, Massenträgheitsmoment der Arbeitsmaschine Θ = 400 · 10–3 kg · m2. Es ist durch Berechnung zu prüfen, ob die Enddrehzahl der Arbeitsmaschine (Haspel) innerhalb t = 1 s erreichbar ist. Die Massenträgheitsmomente von kleiner und großer Scheibe mit den Zähnezahlen z1 = 36 und z2 = 72 berechnen sich aus Gl. (2.29):
(
)
(
)
Θkl =
7,8 ⋅ 10 3 ⋅ π ⋅ 0,038 ⋅ 0,09034 − 0,0024 4 = 2,17·10–3 kg · m2 32
Θgr =
7,8 ⋅ 103 ⋅ π ⋅ 0,038 ⋅ 0,18197 4 − 0,004 4 = 31,83·10–3 kg · m2 32
Die Massenträgheitsmomente auf Welle 1 setzen sich aus den Trägheiten von kleiner Zahnscheibe und Antriebsmotor und die auf Welle 2 aus großer. Zahnscheibe und Haspel zusammen. Man nutzt Gl. (2.30): Θ1 = 2,17 ⋅ 10 −3 + 25 ⋅ 10 −3 = 27,17·10–3 kg · m2
Θ2 = 31,83 ⋅ 10 −3 + 400 ⋅ 10 −3 = 431,83·10–3 kg · m2.
Das Gesamt-Massenträgheitsmoment bezogen auf die Motorwelle (Welle 1) ist zu ermitteln aus Gl. 2.31 Θges1 = 27,12 ⋅ 10 −3 +
431,83 ⋅ 10 −3 = 135,1 ⋅ 10 −3 kg ⋅ m 2 . 2 2
74
2 Grundlagen
Die Beschleunigungszeit wird berechnet aus Gl. (2.27 b*), wobei für MB der Mittelwert aus Anfahr- und Nennmoment einzusetzen ist.
tB =
135,1 ⋅ 10 −3 ⋅ 1430 = 0,337 s. 9,55 ⋅ 60
Bewertung: Die errechnete Beschleunigungszeit ist kleiner als eine Sekunde. Fliehkraft
Wenn ein Zahnriemen um sein Scheibenzentrum läuft, bauen sich Fliehkräfte auf, die der Zugstrang zu Spannkräften FZ umsetzt. Sie berechnen sich aus dem Metergewicht mm in kg/m im Zusammenwirken der Umlaufgeschwindigkeit v in m/s: FZ = mm ⋅ v 2 .
(2.33)
Die aus Fliehkraftwirkung resultierenden Beanspruchungen sind als Vorlast zu betrachten, um den die max. zulässige Seilzugkraft zu verringern ist auf: ' Fzul = Fzul − FZ .
(2.34)
Fliehkräfte, die als Lastanteil auf den Zugstrang einwirken, treten merkbar zunehmend erst ab Umlaufgeschwindigkeiten >50 m/s auf.
2.12 Geräuschverhalten Laufgeräusche von Zahnriemengetrieben werden bei Riemengeschwindigkeiten ab etwa 1 m/s wahrgenommen und ab 3 m/s als störend empfunden. Ab 10 m/s können die entstehenden Schallleistungspegel den Einsatz in Frage stellen. Besonders auffallend ist dabei der tonale Charakter des abgestrahlten Geräuschs. Geräuschentstehung
Als Ort der Geräuschentstehung wurde der Zahneingriff erkannt, wobei die Zahneingriffsfrequenz und deren harmonische Schwingung deutlich ausgeprägt sind. Dagegen bleiben die Drehzahlfrequenzen der Scheiben und die Riemenumlauffrequenz ohne Einfluss. Die Anzahl der Impulse je Zeiteinheit ergibt die Einlauffrequenz und damit die Tonlage. Der sich ausbildende Schallleistungspegel ist infolge der Überlagerung mehrerer Entstehungsmechanismen ein komplexer Vorgang. Im Zusammenwirken der Verzahnungspartner konnte Böttger [3] folgende Ursachen am Zustandekommen der Geräuschentstehung nachweisen:
2.12 Geräuschverhalten
75
Luftverdrängung
Während des Riemeneinlaufs ist hauptsächlich die Luftverdrängung aus den Riemen- und Scheibenlücken an der Geräuschentstehung beteiligt. Es sind sowohl die Riemenzähne als auch die Scheibenzähne beteiligt. Das während des Zahneingriffs zu verdrängende Volumen setzt sich somit aus zwei Teilvolumina zusammen. Die pulsierend entweichende Luft verursacht den lärmerzeugenden Luftstrom. Der erzeugte Schallleistungspegel bildet sich insbesondere aus der radialen Geschwindigkeitskomponente, der Eintauchgeschwindigkeit des Riemenzahns in seine Scheibenlücke bzw. der Riemenauftreffgeschwindigkeit auf den Kopfkreisdurchmesser der Zahnscheibe. Damit ist die Drehzahl derjenige Parameter, der die Höhe des abgestrahlten Geräusches am stärksten beeinflusst. Polygoneffekt
Das Einzahnen bzw. das Auftreffen des Riemens auf den Zahnkopf ist ein polygoner (unterbrochener) Vorgang, welcher die Trume mit der Zahneinlauffrequenz zu Transversalschwingungen anregt. Je kleiner die Zähnezahl der Scheibe, desto stärker wirkt sich der Polygoneffekt aus. Dadurch ausgelöste Schwingungen können das Geräusch verstärken. Reibung
Teilungsunterschiede zwischen Riemen und Scheibe erzeugen einerseits Flankenreibgeräusche beim Einzahnen mit Pegelanstiegen bis über 10 dB. Andererseits kann sich die Zahneintauchgeschwindigkeit durch Reibwirkung verringern. Dies führt zu einer Dämpfung der polygonen Trumschwingungen, wobei eine Minderung der Schallleistung um bis zu 5 dB möglich ist. Des weiteren verursachen die radialen Riemenabstützkräfte im Zusammenhang mit Riemenbewegungen auf dem Umschlingungsbogen pegelverstärkende Reibgeräusche. Resonanz
Angeregt von der Zahneingriffsfrequenz können bei Übereinstimmung zur Trumeigenschwingungszahl erhebliche Transversalschwingungen ausgelöst werden. Ein akustisch kritischer Fall liegt vor, wenn der eingeschlossene Luftkeil im Einzahnungsbereich zwischen Riemen- und Scheibenlücke in genäherter Resonanz zum schwingenden Trum steht. Die Überhöhung des Schallleistungspegels erreicht in diesen Fällen Werte über 5 dB. Riemenbreite
Eine dominierende Größe auf die Geräuschabstrahlung geht von der gewählten Riemenbreite aus, da sie die verdrängte Luftmenge proportional beeinflusst. Als
76
2 Grundlagen
Ergebnis der Untersuchungen in [3] wurde unter Anderem festgestellt, dass die abgestrahlte Schallleistung bei Lastveränderungen nahezu konstant bleibt. Für die Entstehung von Verdrängungsströmungen ist es unbedeutend, ob die Radialkraft beim Einzahnen aus einer Vorspannkraft oder aus einer äquivalenten Tangentialkraft resultiert. Es verändern sich jedoch je nach Belastungszustand die zugehörigen Trumkräfte, so dass die frei schwingenden Riemenabschnitte große Bereiche unterschiedlicher Trumeigenschwingungszahlen durchlaufen. Bei Resonanz mit der Einlauffrequenz treten Schallüberhöhungen innerhalb eng begrenzter Drehzahl- bzw. Lastbereiche auf. Lärmminderungsmaßnahmen
Das Wissen um die wesentlichen Ursachen der Geräuschentstehung erlaubt ein zielgerichtetes Anwenden praktischer Lärmminderungsmaßnahmen. Dem stehen zahlreiche Einsatzfälle gegenüber, die aus Gründen einer geringen Drehzahl nicht zu diesen Überlegungen gehören. Lärmmindernde Maßnahmen sind anzuwenden • für Profilteilungen