Das Buch:
Das Paradis der Karibik mit ihren weißen Sandstränden unter einem glühenden Himmel ist der Schauplatz eines ...
50 downloads
778 Views
1MB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Das Buch:
Das Paradis der Karibik mit ihren weißen Sandstränden unter einem glühenden Himmel ist der Schauplatz eines dramatischen Abenteuers um Liebe und Tod. Korsaren kapern die Yacht des Erfinders und Chemikers Dr. Andreas Rainherr. Dabei wird der Kapitän des Piratenschiffes schwer verletzt. Dr. Rainherr will die Wunde versorgen und macht eine atemberaubende Entdeckung: Der Kapitän ist eine Frau – Mary-Anne Tolkins, glutäugig, eine Schönheit. Mary-Anne hat zunächst nur ein Ziel: Sie will den Fremden töten, um ihr Geheimnis zu wahren. Aber dann erkennt sie, dass sie ihn liebt und er ihre Gefühle erwidert. Sie flüchtet mit ihm, doch Fernando Dalques, ihr Komplize, verfolgt die Liebenden mit gnadenlosem Haß. Wird es Mary-Anne gelingen, mit Dr. Rainherr ein neues Leben zu beginnen?
Heinz G. Konsalik
GELIEBTE KORSARIN Roman
Scanned June 2004 by Binchen71 Not for sale
© Copyright 1978 by author and Gustav Lübbe Verlag GmbH, Bergisch Gladbach 7. Auflage Herausgeber: Gustav Lübbe Verlag GmbH, Bergisch Gladbach Printed in Western Germany 1980 Einbandgestaltung: Manfred Peters Gesamtherstellung: Ebner Ulm ISBN 3-404-00818-9
I Er saß auf einer von Korallenbänken gebildeten Plattform zwei Meter über dem Meeresspiegel und beobachtete seine Angeln. Um ihn herum schimmerte das türkisgrüne Wasser so klar, daß er den ungefähr 15 Meter tieferen sandigen Meeresboden erkennen konnte. Schwärme buntschillernder Fische, die um die Schwimmer seiner Angeln kreisten, tanzten einen Reigen. Er hatte es sich bequem gemacht. Er trug nur eine knappe rote Badehose und einen an den Rändern zerzausten, breitkrempigen geflochtenen Strohhut, wie ihn die Eingeborenen in der Karibik als Sonnenschutz verwenden. Als einzigen Luxus hatte er sich ein flaches Kissen gegönnt, auf dem er saß. Er hatte alle Mühe damit, daß die kleinen bunten Fische nicht anbissen; er klatschte ab und zu in die Hände oder warf Steinchen ins Wasser, um sie zu verjagen. Er wartete auf größere Fische, die der Blutgeruch seiner Köder- frisches Fleisch - anlocken würde: pfeilschnelle Barrakudas oder tückisch und mordlustig glotzende Haie. Sie würden kommen, das wußte er. Dieses Spiel hatte er schon oft gespielt; es war ganz nach seinem Geschmack, mit einem dieser starken Fische zu kämpfen und dann Sieger zu bleiben. Er angelte überhaupt gern, auch wenn er sich wenig aus Fischgerichten machte. Zwar lebte hier fast jeder von Fischen; das Meer und die Fruchtbarkeit der vielen hundert Atolle, die man hier Cays nannte, schenkten den Leuten das tägliche Brot . . . Aber meistens warf er die Fische, wenn er sie gefangen hatte, ins Meer zurück und rief dabei: »Dämlicher Kerl! Fällt auf solche Tricks herein! Wenn ich dich nun wirklich essen würde, na?!« Nur die Haie tötete er. Bog sich eine seiner Angeln so stark durch, als würde sie wie ein Pfeilbogen gespannt, dann wurde sein Gesicht kantig und hart. Und der Kampf, der nun begann, war genauso gnadenlos und der
5
Tod des Hais genauso grausam wie die Absichten des großen Fischs, der angegriffen hatte. Etwas seitlich, am flachen sandigen Ufer der Koralleninsel, dümpelte das kleine Beiboot. Es trug in Goldbuchstaben einen Namen: ANNETTE II. Die ANNETTE I, ein schönes weißes Motorboot, ankerte etwa zwei Seemeilen weiter an der Hauptinsel des unbewohnten Glover Reef. Die Luxusyacht ANNETTE I hatte einen Salon und gemütliche Kabinen, eine vollautomatische Küche, zwei Steuerstände, zwei Mannschaftskojen, ein großes, mit orangener Plane überdachtes Deck aus Mahagoniholzplanken, eine Bar und vor allem einen so starken Motor, daß man kein Meer zu scheuen brauchte und die ganze Welt vor einem lag. Glover Reef war eine längliche Gruppe aus Koralleninseln, vielleicht 40 Stück, grüne Flecke in der See, winzige Paradiese mit schneeweißen Stränden und vom Wind gebogenen Palmen, mit bis ins Meer wachsenden Mangrovenwäldern und der unbeschreiblichen Schönheit einer Landschaft, die der Mensch noch nicht entdeckt und umfunktioniert hat zu Feriendörfern, Millionärsstränden, Hotelanlagen und Schlupfwinkeln amerikanischer Industrieller und ihrer Sekretärinnen. Hier gab es noch ein Stückchen Welt, nicht einkalkuliert in die Prospekte von Touristenbüros und Reisemanagern, aber doch schon ein Geheimtip für die, die einmal - mehr durch Zufall - hier gewesen waren, etwa bei einem Rundflug von Belize aus. Außer ein paar Maya-Ruinen auf dem Festland des ehemaligen Britisch-Honduras, das jetzt Belize heißt, hatte man nur zu bieten: das zweitgrößte Wallriff der Erde, aus Korallen in Jahrmillionen gebildet Great Barrier Reef of the Caribean. Nördlicher gab es einige Cays, wo schon Hotels standen, einfache Unterkünfte, die man »Lodges« nannte. Etwa auf der Turneffe-Gruppe oder auf den Hicks Cays und San Pedro ankerten schon die Hochseeyachten der Amerikaner, für die es fast ein Sport war, die Karibik von
6
Insel zu Insel abzufahren. Auch ein paar mutige Touristen, die das Gefühl haben wollten, für ein paar Wochen Robinson zu spielen, waren hier gelandet. Aber im Süden, am Glover Reef, die Weite des seine Farbe ständig wechselnden Yukatanmeers vor sich, das von Tiefblau bis Hellgrün schillern konnte und in der Abendsonne wie wogendes Gold glänzte . . . hier war man allein. Allein mit seinen Angeln, den Haien und dem Glück, tatsächlich ein freier Mensch zu sein. Der einsame Angler wußte, daß sein Schiff gut versorgt war. Sein Steuermann Juan Noales - klein, drahtig, listig wie ein Luchs, mit einem Gespür für Untiefen, das besser reagierte als jedes Echolot, ein Kerl, der die Karibik kannte, als wären alle Inseln Murmeln in seiner Hosentasche -und das waren Tausende -, würde jetzt im Maschinenraum herumlaufen und die Lager der Antriebswellen ölen. »Ich fahre mit dem Kleinen«, hatte der Angler gesagt und damit das Beiboot gemeint, »hinüber zum Atoll und werde sehen, was ich fangen kann.« Und Juan Noales hatte genickt, seinen Chef aus den Augenwinkeln gemustert und geantwortet: »Hai, Sir?« »Ja.« »Nehmen Sie den Stahlspeer mit, Sir.« »Natürlich.« »Und die Axt.« »Auch die, Juan. Und das lange Messer, das Kurzgewehr mit Sprengmunition, eine Pistole . . . habe ich noch was vergessen?« »Nein, Sir.« Juan Noales hatte zu dem äußersten Korallenriff hinübergeschaut, das den Abschluß des Glover Reef bildete. Ja, dachte er, dort wird es Haie geben. Da ist das Wasser nicht so seicht wie hier, da fängt die freie See an. Er weiß schon, wo man sie finden kann, die Räuber. Sein Haß ist grenzenlos . . . »Seien Sie vorsichtig, Sir«, hatte Noales gesagt und
7
seine braunen Hände an den zerschlissenen Jeans gerieben. Er war, wie die meisten Kariben, ein Mischling. In ihm pulsierte spanisches und schwarzes Blut, gemischt mit indianischem Erbe, in das sich sogar ein Holländer eingeschlichen hatte. »Mein Urgroßvater hieß Jan de Haarlog«, pflegte er stolz zu erzählen. »Der war Wiegemeister auf einer Kokosmilchfarm. Nach der Auszahlung des Wochenlohns nahm er meine Großmutter immer mit ins Bett. Die war damals noch Sklavin. Eine Halbnegerin . . .« »Ich bin vorsichtig, Juan, das weißt du«, hatte der Chef geantwortet. »Ja, aber nicht, wenn es um Haie geht.« »Ich will noch mindestens vierzig Jahre leben, Juan!« »Dann haben wir ja noch viel vor uns, Sir.« »Das will ich hoffen.« So war er abgefahren zu der Korallenbank, auf der er nun auf seinem Kissen saß und auf die Haie wartete. Der blutige Köder schwimmt im Wasser, die schweren Angelstöcke sind in den Korallenrissen festgeklemmt. Er sieht ihn ja kommen, den Hai, das Wasser ist so klar, daß man glauben kann, der Meeresboden sei nur handflach unter der Meeresoberfläche. Und wenn er kommt, der große mordgierige Fisch, sieht er ihn schon von weitem - zuerst als Schatten, aber dann in seiner ganzen herrlichen, kraftvollen schaurigen Schönheit. Er hat sich darauf vorbereitet, atmet ruhig und blickt über die See, die heute grün schillert und mit dem wolkenlosen blauen Horizont zusammenstößt. Fast eine halbe Stunde saß er so, über manches nachdenkend, was hinter ihm lag; zum Beispiel ein Leben, das jetzt 45 Jahre zählte. Begonnen hatte es in Deutschland, genauer, in Wuppertal; und hatte drei Höhepunkte gehabt: Die Erfindung eines Kunststoffes, der die Festigkeit von Chromstahlplatten hatte, aber nur ein Viertel davon wog - die Krönung seiner Forschungen als Diplomchemi-
8
ker -; seine Hochzeit mit Lucia Hammerfeldt, die er auch heute noch die schönste Frau seines Lebens nannte; und drittens - die Geburt seiner Tochter Annette. Alles andere war der Ablauf eines normalen Lebens, das zudem noch von Erfolg verwöhnt wurde, bis zu jenem Tag, an dem er zu Lucia sagte: »Dieses Jahr machen wir Urlaub auf Jamaika!« Er hob leicht den Kopf, schob den ausgefransten Strohhut in den Nacken und beugte sich vor. Sein muskulöser Körper, bis in die kleinste Sehne durchtrainiert im täglichen Spiel mit dem Meer und den Winden, spannte sich. Querab vom Köder, in der Nähe der Angel 3, jagte ein silberner Schatten durch das Meer. Er war noch zu weit weg, um ihn genau zu erkennen, aber der Mann wußte: Das war kein Barrakuda, das war ein Hai! Langsam streckte er die Hand zur Angel aus und umfaßte das glatte biegsame Holz. Der Fisch kam nach einem Bogen zurück und umschwamm den Köder. Dann wendete er sich, schwamm direkt auf den Angler zu, blieb im Wasser stehen und blickte ihn durch das glasklare Meer böse und tückisch an. Kalte Mörderaugen. Komm, dachte der Mann. Komm heran, du Bursche! Schnapp zu! Gutes, frisches blutiges Fleisch! Du zitterst ja vor Gier. Stürz dich auf das Fleisch, schling es hinunter . . . dann habe ich dich! Die Nylonschnur durchbeißt du nicht . . . und dann hole ich dich aus dem Wasser und spalte dir mit der Axt den Schädel. Verdammter, verfluchter Hai . . . Nun tauchte der Fisch weg, schwamm einen eleganten Bogen, als sei er für ein Wasserballett trainiert, und kam zurück. Sein fürchterliches Maul mit den blitzenden dreieckigen Zähnen klappte auf, als er sich auf den Köder stürzte. In diesem Augenblick, als der Mann mit beiden Händen die Angel umfaßte, sagte eine ruhige, aber sehr harte Stimme hinter ihm:
9
»Bleiben Sie so sitzen, Mister! Drehen Sie sich nicht um! Genau zwischen Ihre Schulterblätter zielt der Lauf einer Maschinenpistole. Wenn ich den Zeigefinger krumm mache, sind Sie ein Sieb. Was aber soll ich mit einem Sieb? Jetzt nehmen wir brav die Arme hoch und legen die Hände im Nacken zusammen. Die berühmte Haltung . . . Sie kennen sie doch, Mister?« Der Angler saß unbeweglich, beide Hände noch um den Angelstock, und stemmte sich gegen die Korallenbank. Der Hai hatte angebissen, der dreifache Haken hatte sich in seinem Gaumen festgekrallt, die Schnur spannte, die Angel bog sich . . . Der tödliche Kampf begann. Hai gegen Mensch. Gier gegen Haß. »Mann, ich habe einen Hai an der Angel!« erklärte der Mann. »Und was für ein Exemplar!« Er sprach englisch wie der Unbekannte hinter ihm, jenes merkwürdige Englisch, das man in der ganzen Karibik spricht. Ein Gemisch aus Negerenglisch, indianischen Ausdrücken und mit spanisch-französischer Klangfarbe. »Was ich mit Ihnen an der Angel habe, ist mir lieber, Mister! Tun Sie, was ich sage, und Sie leben weiter. Übrigens, was Ihr Schiffchen betrifft, die >Annette IO Gott