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Hypomnemata Untersuchungen zur Antike und zu ihrem Nachleben
Herausgegeben von AlbrechI Dihle, Siegmar Döpp,...
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Hypomnemata Untersuchungen zur Antike und zu ihrem Nachleben
Herausgegeben von AlbrechI Dihle, Siegmar Döpp, Dorol hea Frede, Hans-Joachim Gehrke, Hugh L1oyd-Jones, Günther Patzig, Chrisloph Riedweg, Gisela SlI;ker
Band 153
Vandenhoeck & Ruprecht
Anja Bettenworth
Gastrnahlszenen in der antiken Epik von Horner bis Claudian Diachrone Untersuchungen zur Szenentypik
Vandenhoeck & Ruprecht
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Verantwortlicher Herausgeber: Siegmar Döpp
Bibliografische Infonnation Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek ...erzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; deta illierte bibliografische Daten sind im Internet tl ber abru lbar. IS BN 3-525-25252-8 Hypomnemata ISSN 0085-167 1
"2004. Vanden hoed: & Ruprecht in Göningen I www ....-r.de Alle Rechte ... orbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlic h geschützl. Jede Verwenun g in anderen als den gesel1.lich zugelassenen Fällen bedarf der ... orheri gen schriftl ichen Einwi lligung des Verlages. Hinweis zu § 520. UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dUrfen ohne vorherige schriftliche Einwilligu ng d es Verl ages öffentl ich zugänglich gemacht werden. Dies gi lt auch bei eine r ents prechenden N UI zung ftir Lehr- und UnterrichlS7.wecke. Printed in Gennany. Gesamt herstellu ng: Hu ben & Co. Gedruck t auf alterungsbeständ igem Pa pier.
In haltsverzeichn is I . Theoreti sche Grundl agen
1. 1 Einleitung: Methodische Vorbemerkungen....................................... 1.2 Ocr Begriff » Gastmahl~( ........ ............................................................ I.3 Der Begri ff ))Szenc«. ................. ... ... ....... ........... ... .... ... ....... ............... 1.4 Der Begriff »Strukturelement«........................... ............................... 1.5 Forschungsstand................................................................................
9 13 16 22 25
2. Die Typik der Gaslmah lszene 2. 1 Das typische Schema einer Gastmahlszene...... .................................
35
2.2 Die Strukturelemente des typischen Schemas.............................. ......
46
3. Die Nonn : Der wohlhabende Gastgeber 3. 1 Vorbemerkung: Die homerischen Gastmah lszenen.......................... 3.2 Interpretationen ................................................. ... ............................ 3.2. 1 Das Gastmah l bei Dido (Verg. Aen . 1.695-3.7 18)......................... 3.2. 2 Das Gastmahl bei Kleopatra ( Lucan. 10. 107-333)... ....... ... .... ........
111 143 143 178
4. Abweichungen von der Nonn : Ungewöhnliche Gastgeber 4. 1 Vorbemerkung..... .......................................... .................................... 4.2 Interpretationen ................................................................................ 4.2.1 Bescheidene Umstände: Odysseus bei Eumaios ( Ho rn . Od. 14).... 4.2.2 Der hiln ose Wirt: Die Argonauten bei Phineus (A .R. 2. 176-536). 4.2.3 Bewi rtung o hne Wirt: Hannibal in Capua (Si l. Ita l. 11 .259-368) ..
2 15 2 15 215 277 338
5. Ex kurs: Antigastmähl er 5. 1 Vorbemerkung... .................................................. ......................... ... 5. 1.1 Die Kyklopen szene der Odyssee.. ................................................ 5. 1.2 Die übrigen Antigastrnähler: Die Bewirtung................................ 5. 1.3 Die übrigen Antigastmähler: Der Kampf.. ................................... 5. 1.4 Die Ant igastmäh ler und die Besonderheit der Freiennordszcne .
395 396 430 446 470
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Inhalt
6. Ergebnisse.................................... ............................................. ........ .
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Literaturverzcichnis.............. ..... ............................................................. Index nominuln et rerum...................................................................... .. Index locorum........ ...... ....... ... ...... ... ..................... .. ...... ........................... Appendix: Übersicht über die berücksichtigten Gastmah lszenen. .........
49 1
509 5 11 524
Vorwort Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um die fUf den Druck überarbeitete Fassung meiner Di ssertation, die im Sommersemester 2002 von der Philosophi schen Fakultät der Westflilischen Wilhelms-Universität
in Münste r angenommen wurde. Nach Ende 2002 erschienene Literatur konnte ni cht mehr berücksichtigt werden.
Die Anregung zu dieser Studie stammt von meinem Lehrer, Herrn Professor Dr. Adolf Köhnken, der die Arbeit zu jeder Ze it und auf jede erdenkl iche Weise gefOrdert hat. Einen besseren Doktorvater hätte ich mir nicht wünschen können. Ich bin ihm sehr dankbar.
Danken möchte ich auch Herrn Professor Dr. Matthias Battes t. der sich trotz schwerer gesundheitli cher Beeinträchtigung zur Übernahme des Korreferates bereiterklärte. Die Publ ikati on der Arbeit hat er nicht mehr erlebt. Die Abfassung der Di ssertation wurde durch ein Promotionsstipendium der Studienstiftung des Deutschen Volkes ermöglicht, die auch das Studium gefördert und ei nen Forschungsaufenthalt in der Fondation Hardt unterstützt hat. Ihr se i an dieser Stelle herzlich gedankt. Beim Lese n der Korrekturen halfen MaItin Busse, Claudia G lanemann, G uido Gunderloch, Marcus Heckenkamp, Christian Horstmann , Caro lin Jakobs, Markus MUlke, Dr. Claudi a Schindler, Eli sabeth Serafirn und Roswi tha Wethkamp. Sie haben, ebenso wie Maria Vrysa, auch durch Gespräche zum Ge lingen der Arbeit beigetragen. Me in Dan k gill auch den Herausgebern der Hypomnernata, besonders Herrn Pro fessor Dr. Siegmar Döpp, rur die Aufnahme der Arbei t in ihre Reihe, Frau Dr. Blech und Herrn Markus Eidt vom Verl ag Vandenhoeck & Ruprecht rur di e fre undliche und ko mpetente Betreuung bei der Druck legung sow ie der Johanna und Fri tz Buch Gedächtni s-Stiftung rur ihren großzügigen Dmckkostenzuschuß. Gewidmet ist d ieses Buch meinen Eltern und mei ner Schwester in Liebe und Dankbarkeit. Münster, im Oktober 2003
Anja Bettenworth
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I. Theoretische Grundlagen LI Einleitung: Methodi sche Vorbemerkungen Mahl beschreibungen gehören zum Kembestand der antiken epischen Dichtung. Vielfach bilden sie Glanzpunkte der Darstellung und ni cht selten läßt der epische Erzähler zentrale Ereignisse hier ihren Anfang nehmen, we nn zum Beispie l Odysseus während des Mahl s di e tatkräftige Hilfe der Phäaken erwirkt, di e ihn schli eßlich nach zehnjähriger Irrfahrt in die Heimal zurückbringen (Horn. Od. 7, 191- 193), oder wenn Dido beim gemeinsamen Schmaus ihre lange Liebe zu Aeneas »trinkt« (Verg. Aen . 1,749). Die besonderen gestalterischen Möglichkeiten, die gerade eine Bankettschilderung dem epi schen Di chter bietet, erwachsen aus ihren inhaltlichen Vorgaben. Da das gesell ige Zusammentre ffen mehrerer Figuren im Wesen des Gastmahl s ange legt ist, I lassen sich hier indi viduelle Charakterdarstellungen organisch in die Erzäh lung integrieren.2 Der Festsaal selbst bietet Anknüpfungspunkte für eine Ekphrasis, mit der der Dichter nicht nur seine poetischen Fähigkeiten unter Beweis stellen, sondern auch inhaltli che Aussagen treffen kann .3 Nicht zuletzt ergibt sich die Möglichkeit, Exkurse in Fonn von Vorträgen zwanglos in die fortlaufende Handlung einzuftigen und so das Epos kunstvo ll zu strukturieren (man denke an die Erzählungen des Odysseus und des Aeneas über ihre Erlebni sse oder an den gelehrten Vortrag des ägypti schen Priesters über di e Nilquellen [Lucan. 10, 194-33 1J). Angesichts der vielfälti gen Gestaltungsmöglichkeiten wäre zu erwarten, daß die einzelnen Gastmahlschilderungen deutlich voneinander abweichen, vor a llem in der flir das Lesen bestimmten hellen isti schen und römischen 4 Epik. Stau desse n zeigen sich jedoch auffallige strukturelle ÜbereinstimI Die Verbind ung von Umtrunk und Konversation ist in de r griechischcn und rö mischen Literatur auch außerhalb des Epos selbstvcrständl ich, vgl. z.8. Cal!. fr. 178 Pf. 15f.: ... ~ ~6:A' lrros T6l)' OA'l9ES, Ö T' oV IJOVOV ÜSOTOS oloov. / aAl. ' hl Kai
AEOX'lS oTvos fXEI V teiAEI.
2 Vgl. die Tatkraft des Eumaios im vier.lehnten Buch der OdySSL"C und das laszive Gebaren der Klcopatra in der Pharsalia (Lucan. 10,141- 143). 3 Vgl. zur homerischen Ekphrasis '1.. 8 . BECKER (1995), bes. 42-44 und SIMON (1995) 123- 141. Zuranliken Ekphrasislheorie s. 'l.B. GRAF( I995) 143- 155 . 4 Tatsächlich venriu HUNTER ( 1989) 39 die Auffassung, daß Apollonios innerhalb sei nes Werkes jewei ls nur ein Beispiel fnr eine Iypische Szene verwende: ))A. docs not repeal scene-types, such as feasting or arming: one cxample o f each suffices. Where such
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I. Theoretische Grundlagen
mungen, die bis in Details reichen, vgl. di e Rolle der Sänger beim Mahl (Horn. Od. 8,72-82; 8,266-366; 8,499-520; A. R. 1,496-5 11 ; Verg. Aen. 1,740-747; Si l. 11 ,288-297), die Beschreibung der mit kostbaren Polstern geschmückten Sitze und Liegen (Od. 7,95-97; V.rg. Aen. 1,697-700; Lucan. 10, 123- 126; Sil. 11 ,272-274) und die Parallelen in der Hervorhebung von Zahl und Tätigkeiten der Mägde und Di ener.s Ziel dieser Arbeit ist es, e inen Überbli ck über die Entwi cklun g der epischen Gastmahlszene und ihrer Bestandtei le zu geben, welcher die Unterscheidung zwischen den individuellen Eigenhei ten e ines Di chters und epochen- bzw. gattungstypisc ben Ko nventionen ermöglicht. Vor allem soll di e Frage geklärt werden, ob sich für die Gastmahlszenen aller Epochen e in diachron ausgerichtetes Referenzmodell entwerfen läßt, das die gle ichblei benden Elemente vereini gt und al s Interpretati onshilfe eingesetzt werden kann . Ein solches Schema, verbunden mit dem notwendi gen Ko mmentar, kann helfen, die Darstellungen der einzelnen Autoren, ihre Arbeitsweise und ihr Verhältnis zu den Vorgängern besser zu beurteilen und ihre eigene schöpferi sche Leistung zu würdigen. Der Nutzen eines schemati schen Überblicks auf synchroner Ebene ist unumstritten, s. z. B. SAiD ( 1979) 13 zum Begriff }scene ty p iq u e~ bei Homer: »E lle [sc. la scene typique] [... ] constitue [... ] une >norme poetique<et un schema idea l qui permet de meUre en relation toute une serie de developpe ments, de les lire les uns par rapport aux autres et de mesurer d' eventue ls ecarts. Quand il s'agit de banquet [... ) les ecarts sont meme plus interessants que le type qui permet de les apprecier.« Auch für das diachrone Schema gilt, daß gerade di e Abweichungen von der Norm oft interessan te Beobachtungen ermög lichen . Neben inhaltlichen Aspekten (z. B. der Darstellung der Dienerschaft und der Wiedergabe von Gesprächen und Liedern) so llen bei der Interpretatio n vor allem Fragen der Erähltechn ik berücksichtigt werden. z.B. der Erzählstandpunkt, di e Auswahl der dargestellten Elemente und die Anspielungen auf Vorgänger. Dieser diachrone scenes do occur, the Homeric pattern is usually eüher abbreviated or brokcn up.(( Ähnlich schon AREND ( 1933) 127f. Gegen diescn a llgemeinen }Konsens( wendet s ich CAIRNS ( 1998), der bei Apollonios ci n wicderholtcs Schema ffi r )}Ankunft(( und »)Abreisc(( nachwei st. 5 Zahlenangaben z.B. Horn. Od. 7. 103 (Qdysseus bei den Phäaken); Verg. Aen. 1,703 (Aeneas bei Dido); Angaben aber d ie Tätigkeit z. B. Ho rn. Od. 4 ,52-58 (Telemach bei Menelaos); A.R. 3.27 1-273 (Jason bei Aietes); Verg. Aen. 1,70 1-706 (Aeneas bei Dido): Si!. 11.274 -277 (Hannibal in Capua); C laud. rapt. Pros. 2,317-321 (Hochzeitsmah l von Pluto und Proserpina).
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I. Theorelische Gru ndlagen
II
Ansatz ist in der Forschung bi slang nur in Bezug auf einzelne Autoren und Epochen (Bezüge zwischen Apoll onios und Homer, Vergil und Homer, der flav ischen Epik und Homer, sowie zwi schen Vergil und ApolIonios) verfo lgt, aber nie konsequent auf lange Zeiträume und eine größere Gruppe von Autoren angewandt worden (s. dazu unten den Forschungsüberblick). Die Untersuchung erstreckt sich auf griechi sche und lateini sche Epen mit fortlaufender Handlung von Homer6 bis Claudian, da bei den Di chtem dieses Zeitraums die Kenntnis ihrer jeweiligen Vorgänger vorausgesetzt werden kann . Nicht berücksichtigt werden fragmentari sch erhaltene Dichtungen wie die »Hekale« des Kall imachos, die frührömi schen Epen des Li vius Andronicus, Naev ius und Ennius 7 sowie späte re griechi sche Epiker wie Quintus Smymaeus oder der unbekannte Verfasser der Orphischen Argonautika, die in größerer ze itli cher Distanz wirkten, und be i denen nicht geklärt ist, ob und wie weit sie die lateini sche Literatur rezipierten.8 Auch die Werke chri stli cher Dichter gehören ni cht zum Untersuchungsgegenstand, da ihre Gastmahl schilderungen vor allem von den biblischen Schriften, besonders den Abendmahlsdarstellungen und der Beschreibung der Hochzeit von Kanaa, bee influßt sind, die anderen Maßstäben gehorchen a ls die nichtchristliehe Epik. Diese Zusammenhänge näher zu beleuchten, würde den Rahmen der Arbeit sprengen. Nur bedingt herangezogen werden außerdem th emati sch ausgeri chtete Ged ichte wie die »Theogonie« und di e »Werke und Tage« Hesiods sowie di e Metamorphosen Ovids, bei denen die Szenen nicht nach dem Prinzip einer fortlaufe nden Handlun g, sondern nach stomi chen Gesichtspunkten angeordnet sind. Szenen aus den Metamorphosen werden aber im Rahmen eines Exkurses zu den bluti g endenden Mahl beschreibungen berücksichti gt,
6 Der Begriff » I-I omerl~ wird im fo lgenden aus praktischen Gründe n fü r den oder die unbekannten Verfasser von llias und Odyssee verwendCI. Dabei gehen wir von der Annahme aus. daß die schriftliche Fassung dcr Ilias früher als die der Odyssee entstand. 7 Es stcht fest, daß d ie Epen des Nacvius und die Annalen des Ennius Banketlschildemngen enthielten . Das längste, sicher zu einer Gaslmahlszene gehörige Fragment li ndet sich im siebten Buch der Annalen (fr. 234ff. V. "'" 268ff. SKUTSCH). Zu dcn })Anspiel ungen auf symposiastische Siluationcß« in der fru hrömischen Ep ik, die von den antiken Phi lologen als passender Rahmen für ein Selbstportra it des Dichters (Sängers) aufgefaßt wurden, s. RÜPKE (200 1) 50r. 8 Die Verg ilrczcpt ion des Quintus Smymaeus behandelt GÄRTNER in ihrer ftI r die Reihe »Zetematlu • • rropOV TL OVVOUOLOV. 14 Plalo n, symp. 174 A: Kai TOV eiTTeiv ÖTLt ni 5einvov EIs: 'Aya6wvOS. 15 Xenoph. symp. 1,4: EOTLOV yap Ilenw AIiTOAuKOV Ka i TOV TTaTEpo Q\iTov; 1.7 oi ouv all n AOTW\lOS OV001Ti'iJ onw Kai EiKOOL noo\l. 19 Athen. I I A l\apn\lOlOS [... 1ToUS KOTO: TTäoO\l TTOLSElO\l ElJTTE 1POTClTOVS (\I lTOisJ O\JTOV SOLTVlJ6\10S n010VlJE V~ . I I C oi S' E\I TC;> ÖEiTT\lY öiiBE\I ETTlÖrU1I100 \lTes ÖElTTtIOOOq>LOTOi. I 2 A oliT6S ... ~eTelAllcpw s ni5 KO)..f'jS EKei\lllS ov\lovoioS ... ti nop' O:AAOV ~aew\l Tois hoipOlS öLel;JjelS: 20 WrLPERT (1964) 694. 2 1 Eine Diskussion dieser Literaturgattung findet sich bei MARTIN (1931) 156- 166. In den homerischen Epen bezeichnet ÖEiTT\lO\l gewöhnlich eine »Mahlzeit am Tage((, LFE 2 ( 1991) 239 s.v. öeiTT\lo\l. Dagegen bedeutet O:PIOTO\l ein ») Frühstück, eigentlich das Essen in der Frühe, die ersle der drei Mahlzeiten, welche früh am Morgen [... 1eingenommen wurde. In besonderen Fällen konnte die erste Mahlzeit jedoch auch in einem (gehaltvollen?) Seinvo\l bestehen.(( LFE t ( 1979) 1287 S. V. 0PLOTO\l. 6 6pTTO\l SIeht gewöhnlich Hir eine »)Abcndmahlzcit (nach der Tagesarbeit und vor dem Schlafengehen)( LFE 2 (1991) 335 S.V. OOpTTO\l. Zu den bei Homer seltener erwähnten Begriffen eiAoni\l1l (Fes1schmaus) und lpa\los (ein schlichteres Mahl , zu dem jeder Teilnehmer selbst einen Ameil beisteuerte) s. RUNDIN ( 1996) 185f.
I. Theoretische Grundlagen
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einen Bestandteil einer komplexen Szene, zum Beispiel eines Opfers oder der Bewirtung eines Gastes, darstellt. 22 Solche Bewirtungsszenen im weiteren S inne, die im Engli schen in der Rege l nicht als »fea sts«, sondern al s »hospitality-scenes« bezeichnet werden , umfassen in einigen Arbeiten nicht nur die eigentliche Aufnahme, sondern alle Ereignisse von der Ankunft des Gastes bis zu seiner Abrei se.23 In der deutschen Forschungsliteratur trägt ein Festessen, das unter Beteiligung von Fremden stattfindet, in der Regel die Bezeichnung »Gastmahl« , wobei sich der Begriff, anders al s das englische »hospitality-scene«, ni cht nur auf einen wirklichen Fremden bezieht, der auf einer Reise bei einem örtlichen Gastgeber einkehrt, sondern ebenso auf die Bewirtung von Freunden, di e der Gastgeber eigens zum Mahl eingeladen hat. 24 Da das Wort »Gastmahl« überdies als gängige Übersetzung von »Symposion« gebraucht und in diesem Sinn z. B. als Titel philosophi scher Dialoge benutzt wird,25 kann es nicht ohne genauere Definition rur die Beschreibung epischer Konventionen verwendet werden. Im fol genden wird »Mah l« als allgemeine Bezeichnung ftir ein gemeinsames Essen gebraucht, und zwar ohne Rücksicht auf Zahl und Art der Teil nehmer, den betriebenen Aufwand oder den Anlaß des Beisammenseins. Von einem »Gastmah l« im eigentlichen Sinn sprechen wir nur, wenn es sich tatsächlich um ein Mahl zum Empfang eines Gastes handelt, nicht aber, wenn die Teilnehmer ungebeten zusammenkommen oder schon länger gemeinsam leben, wie Odysseus und Kalypso (s. Horn . Od. 1, 13- 15 und 5, 13- 15). Als »Gastmahl« ist daher die Aufnahme von Athene!Mentes durch Telemach zu bewerten (Horn. Od. 1,102-323), ni cht aber das gleich22 RUNDIN ( 1996) 186 gibt mit dem Won "feasl« das griechische SOLS wieder. REECE ( 1993) 7 bezeichnet mit »feaSh( de n aus .)Preparation( , »)Consumption( und
))Conclusion( bestehenden Kern e iner Bewinung. 23 REECE ( 1993) S: )) In the hospitality scene, I includc everything that occurs fTom the momcnt a visitor approaches someone's house unti l the moment he deparu.« PLANTINGA (1996) 5 schließt sich dieser Definition an. 24 S. l. B. BINDER. ONP IV (1998) s.v. Gasimahllll. Rom: "Zum Gastmahl wurde zeitig eingeladen.« 2S S. für die Neuzeit 2.B. HÜBSCHER ( 1987) und die online·Ausgabe des Gnomon, die a ls Alternative zum Suchbegriff »)Gastmahlt( das Schlagwon ))Symposium Platonis« anbietet. WILAMOWllZ ( 1919) 354 wehne sich heftig, wenn auch vergeblich, gegen die Übersetzung des Titels cv~n60Lo v durch )Gaslmahl«: .)Die modeme Unsiue des Diners läßt ganz abgesehen von der Zahl schon durch die Fresserei mit ihrem monotonen Luxus nicht nur ei n wirkJiches Gespräch, sondern auch die Stimmung dazu kaum aufkommen. So ist es denn auch eine AbsurdiUlI, den Titel Symposion mit Gastmah l zu übersetzen.«
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I. Theoretische Grundlagen
zeitig stattfindende Gelage der Freier, bei dem die jungen Adligen der Insel eigenmächtig das Haus des Odysseus besetzen. Ferner gilt zwar das Abschiedsfest der Argonauten am Strand von lolkos als Gastmahl (A. R. 1,450518), da Jason hier als Einladender in Erscheinung tritt,26 nicht aber ihr Schmaus in Mysien, wo sich die nunmehr zu einer Mannschaft zusammengewachsenen Helden mit dem von den Einheimischen zur Verfügung gestellten Proviant eine Ruhepause gönnen (A.R. 1,11 82-11 86). Die Gastmah lszene umfaßt nicht nur die reine Nahrungsaufnahme, sondern auch die unmittelbar vorausgehenden und nachfolgenden Handlungen , die zur Bewirtung des Besuchers dienen. Oft malen die Epiker gerade die Rahmenhandlung farbig aus, während die Speisen und ihr Verzehr knapp geschi ldert werden. Man vergleiche z. B. das Gastmah l bei Kleopatra (Lucan . 10,107-333), wo der Festsaal, Kleopatras Kleidung, die geschäftigen Diener und das Gespräch mit dem Priester 219 Verse einnehmen, während der Tafelluxus in gerade neun Hexametern, der Genuß der Speisen überhaupt nicht erwähnt wird . Eine Analyse der Darstellungstechnik kann daher die rahmenden Partien nicht übergehen.
1.3 Der Begriff •• Szene« Eine nähere Bestimmung des Begriffs »Szene«, wie er im folgenden verstanden wird, ist vor allem deshalb erforderlich, weil der Tenninus in der Forschung sehr unterschiedliche Bedeutungen annehmen kann . AREND ( 1933), der auf eine genauere Bestimmung verzichtet, versteht unter »Szene« offenbar einen einfachen Vorgang - zum Beispiel »Bad« , »Mahl « oder )Schlaf« - unabhängig davon, ob dieser in einen größeren Handlungszusammenhang ei ngebettet ist (z.B. in die Bewirtung eines Gastes). Ihm
folgen u. a. NAGLER (1974), EDWARDS (1975) und SAID ( 1979), die in demselben Sinne von »type-scenes« bzw. »)scene typiquc« sprechen . GUNN
(197 1) dagegen wählt unter Berufung auf LORD (1951 und 1960) fUr denselben Gegenstand die Beze ichnung »theme«, verzichtet aber ausdrückli ch darauf, LORDS allgemein gehaltene Definition näher zu spezi fi zieren. Dieser hatte den Begriff »theme« bestimmt als 26 S. zuvor die fUhrende Rolle Jasons bei dem Opfer. das dem Mahl vorausgeht, A. R. I ,40M.: ayiATlge\l ETTLTfpoETlKaV ayovTE~ / ~uK6AOI AiaoviSao Me..> ß6e. und Val. Flac . 1,250-310, s. bes. 1,248-25 1: ~ ite. viri. mecum dubiisque evincite rebl/s I qllae meminisse il/vet nos(risque IIepotibllS ins/em. , Halle vero. socii. veniellfem li/are !ae/i I dl/lciblls adloqlliis !IIdoqlle edllci/e noclem!l.
I, Theorelische Grundlagen
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»a recurrent element ofnarration or descriplion in traditional oral poetry. 1t is not rcstricted, as is the formular, by melrical consideralion; hence, it should nOI be limited to exact word-for-word repetition. lt is approx imately what Arend has called )die typischen Scenen( in his work on Homer [.. .]. Regular use, or repetition, is as much a part of the defi nition of the theme as it is of the definition of the formular, bUI the repetition need not be exact. Strictly speaking, we cannot ca ll an action or situation or description in the poetry a theme unless we can find it at least twice.«27 Im Gegensatz dazu bezeichnen FEN IK ( 1968), REECE ( 1993), PLANTINGA ( 1996) und HELLM ANN (2000) mit dem Begriff »Szene« einen kompl exen, zielgerichteten Vorgang, der mehrere Handlungsschritte (bei der Bewirtung eines Gastes z.8. »Mahl«, »Bad« und »Schlaf«) umfassen kann .28 Diese kompl exe Struktur belegt andererse its DIMOCK ( 1963) 50 mit dem Terminus »stock motif« (im Unterschi ed zur einfachen »type-scene« im ARENDSCUEN Sinn), während EDWARDS ( 1975) 53 für denselben Sachverhalt den Ausdruck »narrative pauem« bevorzugt. In seiner Untersuchung gebraucht er jedoch synonym dazu den Begriff »episode« (vgl. S. 54: »The episode conta ins elements of the following type-scenes ... «). Dieselbe begriffl iche Unklarheit findet sich auch in Arbeiten zur lateinischen Epik. JuHN KE ( 1972) VIII verzeichnet unter der Überschrift »Szenenanalysen zu Statius' Theba is und Achilleis« ein Kapitel »Das Gastmahl«, beze ichnet den Vorgang innerhalb des Kapitel s jedoch als »Szenenfolge.«29 In der modemen Theorie des Theaters bildet die »Szene« das primäre Bauelement eines Stücks, das durch die Einheit von Ort, Ze it und Figuren konst ituiert wird.3o Die Figuren fUhren bestimmte Handlungen aus, welche 27 LORD ( 1951) 73. S. dazu GUNN ( 197 1) I Anm. I: »Th is general definition wi ll suflice to get our inquiry under way and no altempt wi ll be made here to extend, modify, or clarify iu< 28 PLANTINGA (1996) 3 unterscheidet allerdings im Anschluß an KNIGIIT ( 1995) 23 bei der Defin ition des Begriffs >)type-scene« nicht deutlich zwischen einfachen und komplexen Handlungen : nThe term typical scene (or type-scene) is used 10 describe an aetion or set of aetions which is repeated several times within an epie.« Synonym dazu erscheint in den Kapitelüberschriften der Begriff »episode« , vgl. 2. ß . S. 120 »Phineus Episode (2. 176·536)\1. Wiederkehrende ElemeOle innerhalb einer »type-scene« bezeichnet sie als »motifs.« 29 JUHNKE (1972) 63 : »Uaupttei l diescr ganzen Szenenfolge, der aueh das Erscheinen der Töchter Adrasts ( 1,533-539a) in den Hintergrund treten läßt, ist die große aitiologi . sehe Erzählung des alten Königs ( 1,557-672).« 30 LÄMMERT ( 1993) 92f.
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I. Theorelische Grundlagen
am Ende der Szene zu einem mindestens vorläufi gen Abschluß ge langt sind. Die inhaltliche Einheit bildet damit e ines ihrer wesentlichen Kennze ichen .ll Fortschritte oder Rückschritte der Fabel spie len sich innerhalb einzelner Szenen ab, welche dann zusammengefaßt den dramati schen Akt mit se ine n spezifi schen Aufgaben innerhalb des Stückes ergeben. Anfang und Ende der Szene kann der Dramatiker jeweils durch das Auf- bzw. Abtreten der Hauptpersonen oder durch den Wechsel der Kuli sse markieren . In der antiken Dramentheorie dagegen sind die Einheiten )Akt< und >Szene( noch nicht deutlich voneinander getrennt. Aristote les verwendet in seiner Poetik den Begriff ETTEIOOOIOV (eigentlich: Das »Auftreten«) einerseits fur den gesamten Abschnitt zwischen zwe i Chorliedem, der durch das Erscheinen der Personen geprägt ist und am ehesten dem modemen Begriff »Akt« entspricht,J2 daneben aber nach AI CHELES Ansicht auch »zur Bezeichnung der kleineren szenischen Einheit >Auftritt«(.l3 In übertragenem Sinne bedeutet das Wort bei Aristoteles »)die e inzel ne n Vorfalle im Geschehensablauf eines Mythos oder einer Dichtung, deren Details, ekphrastische Einschübe usw.«J4 Aufgrund der umstrittenen Bedeutung der Termini ver3 1 Die Einheit der epischen Handlung insgesamt fordert schon AristOieles, der darauf hinweist, daß e ine Einhei t von Protagonist, Zeit und Ort allein nicht ausreiche. Ar. Poet. 1451 a 16-32 : MüSoS 5' tOTlv etS 0Ux wcmep TIVES OiOVTai EOv llEp\ Eva 1). 1TOAAO
yop KaI 01TElpa Tc:;:, EVI ovI-Ißaivel, t~ w v Eviwv ou5iv tOTIV Ev. OÜTWS St Kai 1Tpa ~EtS' EVOs TToAAai EI01V, E~ IJia oU5EIJio yiVETOl TTpO;IS'. [... 1 Xpij ouv [... 1 TOV IJüSov, EllEi npa~EwS' IJ1IJEoiS EOTI. ~.II0 S' TE ElVOl Kai TOVTr!S' ö,Ä,T'jS' . 32 Ar. Poet. 1452b 20f.: t mlo6510v St IJEPOS' ÖAOV Tpoy~io S' TO IlETO;V ö,Ä,wv XoplKt::1V lle,Ä,wv. Dazu KOHNKEN ( 1990) 136·149 mit einer Diskussion fliihercr For-
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schungsansllZe. 33 Ar. Poet. 1449a 28 (im Rahmen einer Aufzahlung der Veränderungen, die die Tra· gödie seit Aisehylos durchgemacht hat) : hl 5E ETTElOOO[WV TT,Ä,fi6n . S. dazu AICIIELE (197 1) 49 Anm. 9: ~)Mit 1T,Ä,r')6n muß die Anzahl der Auftritte gemeint sein, die VOll fUnf in den Persern bi s auf siebzehn in den Phoi nissen steigt [... ]. Die Zah l der Epeisodien da· gegen vermehrt sich von Aischylos zu Euripides praktisch nur um eins.« S. dazu Ar. Poet. 145Ib 34f.; 1455b 13.16: 1459a 35; 1459b30. 34 AICHELE ( 1971) 48f. Zu ähnlichen Ergebnissen war schon NICKAU (1966) gekommen. der rur die aristo te lischen Begriffe hTElO&)IOV I ETTEIOOOIOÜV eine enge Bedeutung (ETTEI06510V = »Akt«, S. 160) und eine weitere Bedeutung (hTEloooloVv "Auftritte schaffen« S. 170 Anm. 38) annimmt. Für ..die Stellen. an denen man t TTEI06510V mit )Akt( Obersetzen mag«, (S. 160) fUhrt er Ar. Poet. 1452b 16 und 20: 14500 3 1 sowie mit Vorbehalt den oben (Anm. 33) zitierten und von AICHELE im Sinne von )Mengen der Auftritte« gedeuteten Halbsatz hl 5t Emlooo[wv 1TAT)6T'j an. Die Untersuchung geht von dem Lob Homers in 1459a 35 aus (Ev IJEPOS' ClTTo,Ä,oßWv
ETTE10OO!OlS' KEXPT'j TOl OIJTWV TTO,Ä,AOiS'. otov vewv ICQTOA6Ysekundäre Quelle< auch in Szenen präsent, deren Hauptvorbild aus einem anderen Werk stammt, wie bei dem Festsc hmaus des Hannibal in Capua (Sil. I 1,259-368; Primärquelle: Bericht des Livius, Liv. 23 ,7, 1-23, 10,13), dem Gastmahl der Argonauten auf Lemnos, Val. Flac. 2,332-356 ( Primärquelle: Apollonios Rhodios, A.R. 1,607-9 13) und dem Gastmahl der Argonauten bei Aietes, Val. Flac. 5,558-6 17 (primärquelle: Apollonios Rhodios, 3.213-442).66 So entsteht eine Gruppe eng zusammengehöriger »Königsmähler«, die wechselseitig aufei nander wirken und die landl äufige Vorstellung eines »)epischen Gastmahl s« prägen. Andere Szenen werden seltener oder in weniger auffiilli ger Fonn rezipiert . Deutlich aufeinander bezogen sind die Mähler des Nestor und des Euander (Horn . Od. 3,31-403 und Verg. Aen . 8,97-369), sow ie das Kirkeabenteuer der Odyssee und die Phineusszene bei Apollonios Rhod ios, die ihrerseits von Valerius Flaccus aufgegriffen wird (Horn . Od. 10,210-243 und 10,308-405, A.R. 2,178-536, Val. Flac. 4,423-636). In allen Szenen kommen weitere Vorbilder hinzu, die entweder in Form von wörtlichen Zitaten 66 Vgl. auch die Bewirtung der Anna durc h Aeneas, Sil . 8,69- 166, die inhaltlich direkt an das Gastmahl in Karthago und die in der Aeneis beschriebenen Ereignisse anknOpR. Die Primärquelle des Silius filr die Sage der von dcn Römem an den Iden dcs März verehrten Anna Perenna stellt jedoch Ovids Schilderung fasl. 3.523-696 dar.
I. Theoretische Gru ndlagen
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oder strukture llen bzw. inhalt lichen Entsprechungen präsent sind, so daß sich ein Geflecht von Anspielungen ergibt, welches wir aufgrund der besseren Überlieferungslage vor allem in der flavischen Zeit gut fassen können. Diese Bezugnahme auf mehrere Vorbilder, die gelegentlich als contaminalio bezeichnet wird (s. dazu den Index bei W ESTIWooDMAN [ 1979]), sc hli eßt auch die Mög lichkeit ein, daß die Einteilung nach primary source und secondGlY SQlIrce innerhalb einer Szene changiert. Die Anspielungen enthalten also einen potentiell dynamischen Aspekt, den besonders H INDS ( 1998) 142 herausgearbeitet hat. Daß die von allen untersuchten Autoren praktizierte Verschmelz ung unterschiedli cher. auch in der Verarbeitung ( HINDS spricht von appropriation) noch erken nbarer Modelle zu ei ner neuen epischen Szene dennoc h gelingt, wi rd dadurch erleichtert, daß sich im Laufe der Zeit e ine traditione lle, d.h. von verschiedenen Ep ikern akzepti erte wiederholt verwendete Struktur des Gastmah ls herausgebi ldet hat. Diese kann der Leser auch dann als »typisch epi sch« identifizieren, wenn sich die wechselseiti gen Beziehungen zw isc hen den Epen im einze lnen komplex und unilbersichtli ch darstellen. Ihre Bestandteil e sowie die von den Dichtem verwendeten Anspielungstecbniken soll en im folgenden kurz vorgestell t werden.
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2. Die Typik der Gastmahlszene 2.1 Das typische Schema einer Gastmahlszene Das fo lgende Schema einer »typi schen« Gastmahl szene stellt eine Abstrakti on dar, die aus dem Vergleich von 40 Szenen aus den Epen Home rs, den Argonautika des Apollonios Rhodios und des Valerius Flaccus, der verg i-
lischen Aeneis, der Pharsalia Lucans, den Puni ca des Silius Italicus, der Thebais und der Achilleis des Statius sowie dem Epos »De raptu Proserpinac« des Claud ia n gewonnen wurde. Es ist led ig lich als Interpretationshilfe für den modernen Leser zu verstehen und bildet ni cht etwa die Vorgehensweise eines anti ken Epi kers ab. Vie lmehr muß stets berücksichti gt werden,
was EDM UNDS (200 1) 149 allgemein im Hinbl ick auf die Intertextualität ant iker Dichtung fomlU liert: "The trad ition [ ... ] appears in each poem no t as such (it does not ex ist as such) but as the fi gure ofthe tradition. So one can speak ofa lrop ing ofthe tradi tion." Als geschl ossene Gaslmah lszenen, die der Analyse zugrundeliegen, werden nur so lche Szenen betrachtet, in denen das Mahl und das damit zusammenhängende Beisammensein der Figuren vergegenwärtigt und nicht nur summari sc h als cin Bestandte il e ines längeren Aufenthalts erwähnt wird .67 Eingesc hl ossen sind neben Bew irtungen, die nur unter Menschen stattfin den, und die di e größte Gruppe darstellen, auch Gastmähler unter Göttern (2 Belege, Hennes be i Kalypso, Hom. Od. 5,55-1 48; Plu to und Proserpina, Claud . rapt. Pros. 2,306-372) sow ie Gastm ähler, die sich zwischen einem Menschen und e inem als Mensch verkle ideten Gott abspi elen. 68 Da der Gotl 67 Der Unterschied zwischen beiden Darstellungsweisen zeigt sich besonders im Vergleich de r beiden Argonaulcnelx:n des Apollonios Rhodios und des Valerius Flaceus. Nur das Abschiedsmahl (A.R. 1,450-5 18 und Val. Flae. 1,240-302) sowie die Aufenthalte bei Phineus (A. R. 2. 178-536 und Val. Flae. 4,423-636) und Aietes (A.R. 3,210-442 und Val. Flae. 5.558-617) sind in beiden Versionen als Gastmahlszcne im oben defini enen Si nn gestal tet. Das Lykosabcnteuer (A. R. 2,752-8 11 und Val. Flae. 4,733-762) und der Aufenthalt auf der Aresinscl (A.R. 2. 1118- (227) dagegen erscheinen nur bei Apollonios al s Gastmahlszene, der Empfang auf Lemnos (A.R. 1.849-860 und Val. Flac. 2.332-356) und bei K)'"J.:ikos (A. R. 1.947-984 und Val. Flac. 2,634-664) nur in de r Fassung des Va lerius Flaccus. Das Zusammentre lTen mit dem aggressiven Amykos ist in keinem der heiden Epen als Gastmah lszelle gestaltet. Ei ne Analyse d ieses Abenteuers bietet PLANTINGA ( 1996) 107- 119. die nicht die Gastmähler, sondern allgemein d ie Aufnahme e ines Fremden ())hospitality(() bei Apollonios behandelt. 68 Athene wird in Menschengesta lt von T elemach bcwin et (Horn. Od. 1, 102-323), Bacchus läßt sich unerkannt von Falernus bewin en (Si\. 7, 171-205). Beim Besuch der
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bestrebt ist, sich in all em an irdi sche GepOogenheiten anzupassen, unterscheidet sich diese Form der Bewirt ung von den unter Menschen spielenden Szenen o ft nur durch ihren unvennittelten Abbruch, der sich aus der Epiphanie bzw. dem plötz lichen Versc hwinden des Gottes ergibt. Die hi er gewählte Abgrenzung der Szenen ruhrt im Verg le ich zu der G liederung ARENDS zu e iner größeren Geschlossenheit. Da AREN D di e ein zelnen Vorgänge innerhalb einer Bew irtung getrennt aufschlüsselt, erscheint diese lbe Zusammenkunft zuweilen unter verschiedenen O berbegri f69 fe n. REECE dagegen legt seiner Arbeit ein nicht näher begründetes Textkorpus aus achtzehn »hospitality-scenes« zugrunde, von denen vier aus der I1i as, zwölf aus der Odyssee und zwei aus den ho merischen Hymnen stammen/ o wobei er mehrere Szenen, die Kennzeichen ei ner »hospitalityscene(~ aufwei sen, unberücksichti gt läßt. ll Andererseits nimmt er Handlungste il e ohne szenische Geschl ossenheit und ohne Mahl in seine Untersuchung auf, die nach den oben skizzierten Kriterien in der vorliegenden Arbeit ni cht zur Etablierung des typi schen Schemas herangezogen werden.72 Thetis in Chirons Höhle sind außer der Göttin und dem Kentau ren auch Achill (Sohn einer Gön in und ei nes Menschen) und ein Mensch (Patroklos) beteil igt. Auch hier ist es, um ein gemeinsames Speisen zu ennöglichen, notwendig, daß sich d ie göttlichen und hal bgötllichen Te ilnehmer auf die menschliche Ebene begeben. 69 Vgl. die Zusammenkunft der HeerfLI hrer bei Agamemnon, Hom. 11. 2 .402-411 und das Siegesmahl fLlr Aias, Horn. 11. 7.3 11-344. die tei ls unler der Rub ri k »Speiseopfer( und tei ls unter »)Mahl« erschei nen. 70 Bei den von REECE bertlcksichtigtcn Szenen handelt es sich um »Athene-Mentes in Ilhaca (Od. 1.103-324)lolvllc:t· VOI)OE SE Si~ ·OSUOOEUs. I rr;'noauevos S'OiVOLO Strrac; SeiSEKT' 'AXLAt'ja' I ))xa ip·. 'AXLAeii... ((). Ein wei teres Vorbild der S7.ene bildet der Besuch des Aeneas bei Euander. der. ähnlich wie Diomcdes und Odysscus in der Achi lleis, auf der Suche nach VerbOndclen für einen Feldzug ist. Vgl. v.a. Verg. Aen. 8, 11 5f. (Reaktion des Aeneas auf die Frage des !lallas): 111m paler Aeneas pl/ppi sie/alllS ab 0/10 I paciferaeqlle mallli mmllm praetelldil o/il'{le ... und Stal. Aeh. 1.726f.: ipso portarum in /imine regem leernil et osle/l.s(1 pacem prae/oflls o!iva .... Der Ö lzweig als Friedenssymbol findet sich nur in diesen beiden Gastmahlszenen. 133 Athene bei Telcmach. Horn. Od. 1. 123f.; Hermes bei Kalypso, Horn. Od. 5.87-90; Odysscus bei Eumaios, Horn. Od. 14,45-47. 134 In der Bewirtung des Tydeus und Po lyneikes. die insgesamt stark an ho merische B~uehe angelchnt ist, erfolgt vor dem Mahl nur eine grobe Identifikation des Tydeus (Stat. Theb. 1,452-465), während genauere Angaben erst im Anschluß an d ie Beköstigung gegeben werden (Stat. Theb. 1,676-68 1). 135 Abschiedsmahl der Argonauten (A.R. 1,336: cp!AOL und Val. Flae. 1.242 : socil), Die ArgonaUlen erschei nen in Begleitung der Phrixossöhne im ko lehische n KOnigspalast, wo diese sogleich von Medea und Chalkiope erkannt werden (A. R. 3.253-267). Die Vo rste llung der Argonauten erfolgt erst nach dem Mahl, wi rd aber nicht wie bei Homer a ls
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kunft des Fremden schon vor dem Mahl (14 Szenen).I36 Auch der Charakter der BegrOßungsreden des Wirtes, für die wir 7 nachhomerische Belege besitzen, ändert sich: Während sie bei HorneT immer von Gastfreundschaft geprägt sind, tragen in der nachhomeri schen Epik nur die Anreden einen durchgehend freundlichen Charakter, die an einen bereits identifiz ierten Gast gerichtet sind. 137 In den beiden anderen Szenen überwiegen anfangs Mißtrauen oder Unwillen , die sich erst dann legen, wenn der Wirt nähere Informationen über den Besucher erhalten hat. U8
Gesprlich zwischen dem Fremden und dem Wirt gestaltet, sondern in den Erlebnisbericht der Phri xossöhne integriert. A.R. 3,320-366); Aeneas bei Helenus (Verg. Acn. 3.306-3 t 2: Andromaehe erkennl Aeneas); Serranus bei Marus (Si\. 6.77); Anna bei Aeneas (Sil . 8,7 1f. ); Thclis bei Chiron (Sial. Ach. 1,121-123). 136 Argonauten bei Ph.ineus (A.R. 2. 194- 196: Phineus identifiziert die Argonauten aufgrund seiner Seherkraft und A.R. 2,2 15-239 : Phineus stellt sich selbst den Argonauten vor. die ihn daraufhin vo n den Harpyien befreien und ihn bewirten sowie Va\. Flae. 4.433 f.: Phineus erkennt die Argonauten aufgrund sei ner Sehrkraft; Val. Flae. 4 ,436-464 : Ph ineus stellt sich sel bst vor); Argo nauten bei Lykos (A.R. 2.752-754 : Als die A rgonauten eintreffen, hai Lykos bereits erfahren, daß sie den Bebrykerkönig Amykos getötet haben): Argonauten und Phrixossöhne (A. R. 2, 1141 - 11 56: Auf Jasons Frage ste llt Argos sich und seine Brflder vor und nennt auch ihre Namen): Jason bei Aietes, (Val. Flac. 5.47 1-5 18: Jason stellt die Argonauten vor); Aeneas bei Dido (Verg. Aen. 1.522-558: lIioneus stellt Dido die Trojaner beim Gesprach am Tempel vor und erwähnt auch Aeneas. Verg. Aen. 1,595-6 10 : Aeneas tritt aus der Wolke und stellt sich selbst vor); Aeneas bei Euander (Verg. Aen . 8. 11 7- 120: Aeneas stellt sich Pallas vor); Caesar bei Kleopatra (Luean . 10.107 : Vor der Mahlszene kurz erwähnte Verhandlungen mit dem Bruder der Kleopatra); Hannibal in Capua (S il. 11 .222-258 : Einzug in Capua und Ause inandersetzung mit der romfreundlichen Partei vor der Mah lszene); Tydeus und Polynei kes bei Adrast. (Stal. Theb. 1.452-467 : Vorstellung des Tydeus. Die Vorstellung des Po lyneikes wird von Adrast zunäch.st unterbrochen und nach dem Mahl nachgeholt, Slat. Theb. 1.676-68 1); Odysseus und Diomedes bei Lycomedes (Stat. Ach. 1.730-733); Argonauten auf Lemnos (Val. Flac. 2.322-325 : Lemnierinnen erkennen die Argonauten aufgrund der Weissagung der Polyxo); Argonauten bei Cyzicus (Val. Flac. 2.636-648: Cyzicus erkennt die Argonauten als Griechen); Hochzeit von Pluto und Proserpina (Claud. rapt. Pros. 2,204 Pluto raubt Proserpina beim Blumenpflücken). 137 Chalkiope bei der Ankunft der Argonauten in Kolchis. A.R. 3,260-267 (Der Hauplgaslgeber Aietes dagegen greift nicht aktiv in die Begrüßung ein); BegrOßung durch Helenus, Verg. Aen. 3.34 7f. ; BegrOßung des Serranus durch Ma rus, Sil. 6.77-89; Odysseus und Diomedes bei Lycomedes, Stat. Ach. 1.738-740: Argonauten bei Cyzicus. Val . Flac. 2.639-648. 138 Ankunft bei Euander. Verg. Aen. 8.1 10- 114; Ankunft bei Adrast, Stal. Theb. 1.4 38-473 .
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VI) Der Platz bei Tisch Der Platz bei Tisch wird in 29 von 40 Szenen erwähnt und bildet damit eines der am häufigsten beschriebenen Details in epischen Gastmahlszenen . 139 Bei Homer wird, sofern der Dichter nähere Angaben macht, stets sitzend gespeist, wobei die Helden der Ilias auf einem KAtOIlOS oder einem QUPPOS Platz nehmen, während die Gäste in der Odyssee in der Mehrzahl der Fälle (6 von 10 odysseischen Szenen, in denen der Platz bei Tisch erwähnt wird) einen 6povoS erhalten. Kirke stellt ruf die Geflihrten des Odysseus außer den 6povo t auch KAtOIlOI bereit; in der Theoklymenosszene erscheint nur ein KAtOllOS. Horn . Od. 17,90. Nur wenn das Mahl im Freien ( I Beleg: Nestor, Horn . Od. 3,37f) oder unter betont ärmlichen Bedingungen stattfindet (2 Belege: Eurnaios, Horn . Od. 14,49-51 und 16,46-48), erhalten die Besucher statt eines Stuhles oder Sessels ein auf den Boden oder auf Rei sig gebreitetes Fell, wobei aber auch hier offenbar die aufrechte Haltung der Speisenden vorausgesetzt wird (5. Horn. Od. 3,37:'iOpvoev, Horn Od. 14,79 (über Eurnaios): aVTiov TI;,v; Horn. Od. 16,48: KaeE~ET '). In nachhomerischer Zeit scheint sich eine liegende Position beim Mahl durchzusetzen , wobei viele Szenen allerdings keinen Aufschluß über die gena ue Körperhaltung geben. Mit Sicherheit liegend speisen die Gäste in t J
139 Es hande lt sich um folgende Szenen: Presbei a zu Achill (Horn. 11. 9.200); Machaon bei Nestor (Horn. 11. 11 .623); Nestor und Odysseus in Phthia (Horn. 11 . 11,778); Prianlos bei Achi ll (Horn. 11 . 24.553 , in der Rede des Priamos; V. 24,578 bezieht sich ofrenbar a ur den Sitzplatz des Herolds); AthenelMcntes bei Telemaeh ( Horn . Od. 1. 130135); Telemaeh bei Nestor (Horn. Qd. 3.35-39); Te lemach bei Menelaos (Horn. Od. 4,5 1); Hermes bei Kalypso (Ho rn. Od. 5.85r.); Odysseus bei den Phäaken (Hom. Od. 7, 167-171); Gef"ähnen des Odysseus bei Kirke (Horn. Od. 10.233); Odysseus bei Kirke ( Hom. Od. 10,3 14 f.); Odysseus bei Eumaios (Horn. Od . 14,49-5 1); Telemach bei Eumaios (Horn. Od. 16,46-48); Theoklymenos bei Telcmaeh (Hom. Od. 17,90); Abschiedsmahl der Argonauten (A .R. 1.45 3-455); Argo nauten bei Phi neus (A. R. 2,305 und 309f.); Aeneas bei Dido (Verg. Aen. 1,697·700); Aeneas bei Euander (Verg. Acn. 8.176·178); Caesar bei Kleopatr3 (Lucan. 10.122- 126: Ausstattung der Liegen und 136f. Platz der Mahlteilnehmer); Senanus bei Marus (Si l. 6,89r.); Bacehus bei Falemus (Si!. 7,176); Hannibal in Capua (Sil. 11,272-274); Tydeus und Po lyneikes bei Adrast (St3t. Theb. 1,525-528); Odysseus und Diomedes bei Lycomedes (Stal. Aeh. 1,756 und 760); Ab-schiedsmahl der Argonauten (Val. Flae. 1,252f.); Argonauten aur Lcmnos (Val. Flac. 2,342·347); Argonauten bei Cyzicus (Val. Flae. 2,651: die Darstellung des Sitzplatzes P.ill t hier mit der sehr knapp gehaltenen Raum beschreibung zusammen): Argonauten bei Phineus (Val. Flac . 4,53 Ir. und 535); Jason bei Aietes (Val. Flac. 5,57 1: Jason speist ofrenbar neben Aietes. Der Text ist allerdings umstritten, vgl. dazu unten Anm . 148).
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der 22 nachhomerischen Szenen,l 40 mit Sicherheit sitzend speisen nur die Argonauten bei Phineus (A.R. 2,305) und die Trojaner bei ihrem Besuch bei Euander (Verg. Aen. 8, 175-178). Da Euander in dieser Szene als Repräsentant eines archaisch-ehrwürdigen Lebensstils erscheint, fUgt sich die auffällige Anlehnung an homerische Tischsitten hier gut in den Zusammenhang ein. Daß es sich um eine bewußte Anspielung handelt, kann der Leser aus weiteren Parallelen schließen , die den Aufenthalt des Telemach bei Nestor als primäres Vorbild ausweisen, s. z. B. die aktive Rolle der Söhne zu Beginn (Horn. Od. 3,36-42; Verg. Aen. 8, 110-125), den Gang vom Opferplatz zum Haus (Horn. Od. 3,386f.; Verg. Aen. 8,306f.) und die Tatsache, daß sowohl Pei sistratos als auch Pa lias den Gast bei der Weiterreise begleiten (Horn. Od. 3,481-483; Verg. Aen. 8,587f.). Die sorgfälti ge Ausstattung des Sitzplatzes bzw. der Tischliegen, die in 21 der 29 Erwähnungen näher präzisiert wird, kennzeichnet in homeri schen wie nachhomeri schen Szenen die Lebensverhältnisse des Wirtes und die Aufmerksamkeit, die dem Gast zuteil wird. Bei Horner erhält er einen »schimmernden« oder »kunstvo llen« Stuhl, der in zwei Fällen (bei den Phäaken, Horn. Od. 7, 162f. und bei Kirke, Ho rn . Od. I O,366f.) ausdrücklich aus Silber besteht oder, unter besonderen Bedingungen, ein ))dichtes« bzw. »weiches« Fell als Unterlage (Horn. Od. 3,37f.; Horn. Od. 14,49-51 ; Horn. Od. 16,46f.). In der lateini schen Epik dagegen verlagert sich das Interesse der Dichter stärker auf die Decken und Kissen, mit denen die Tischliegen bedeckt sind, wobe i besonders Purpurstoffe hervorgehoben werden (5 der 13 lateinischen Szenen, in denen der Platz bei Tisch erwähnt wird). Der Purpur gi lt im römischen Kulturkreis als Statussymbol , in der Kai serzeit besonders rlir den princeps14 1 und kommt daher nur bei königlichen sowie dem ausdrücklich als )königsgleich« (Si!. 11 ,271) bezeichneten Mahl in 140 Es handelt sich um die Argonauten beim Abschiedsmahl in lolkos (A.R. 1.453455 und Val. Flac. 1.252f.) sowie in der lateinischen Epik um die Trojaner bei Dido (Verg. Aen. 1.697-700, wobei sich Dido offenbar gelegentl ich aurrichtct, s.u. S. 158f.); Caesar bei Kleopalra (Lucan. 10. 13M.); Sermnus bei Marus (der allerdings schon aufgrund seiner Verwundung zum Liegen gezwungen iSI. Si1. 6,89f.): Hannibal in Capua (Sil. 11 ,272-274); Polydeukcs und Tydeus bei Adrast (hier liegen mil Sicherheit nur die Gäste, wAhrend Adrast selbst offenbar sitzend speist, Stat. Theb. 1.525-527); Odysscus und Diomedes bei Lycomedes (Slat. Ach. 1,756, vgl. 1.763): Jason auf Lemnos (Val. Flac. 2,342 und 34M.); die Argonauten bei Cyz.icus (Val. Flac. 2,651); die Argonauten bei Phineus (Val. Flac. 4,530 und 535). 141 Diese Tendenz läßt sich historisch schon bei hellenistischen Herrschern nachweisen, kommt a llerdings in den Gastmahlszenen der hellenistischcn Argonautika nicht zum Ausdruck . S. REINHOLD ( 1970) 48-5 1.
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Ca pua vor. Dieselbe Wertschätzung zeigt sich schon in den homerischen Epen, wo der kostbare Stoff ebenfall s den höheren Kreisen vorbehalten ist, doch erscheinen hier purpurfarbene Ki ssen nur zweimal als Sitzge legenheit (bei AchilI , Ho rn . 11. 9,200 und Kirke, Horn . Od. IO,352C).''' Bei Apollonios werden sie gar nic ht erwähnt. l44 Obwohl die lateini schen Dichter also im Vergleich zu Homer deutlich mehr Wert auf den Purpurstoff als Schmuck des Festsaals legen, knüpfen sie an lIias und Odyssee an, indem sie besonders den schimmernden Glanz hervorheben, der auch bei den homeri schen Stühlen und Sesse ln betont wird. Das Material, aus dem die Sitze bestehen, beschreiben die Epiker all er Epochen regelmäßig, wenn es sich um eine schlichte Einrichtung handelt, wie bei dem Opfer des Nestor am Strand und dem Hereules fest des Euander sowie den Bewinungen bei dem bescheiden lebenden Euma ios - die Gäste ruh en in di esen Szenen au f Fe llen, aufG rasbänken und e inem Ahornthron oder beim Abschiedsmahl der Argonauten. l 45 Edle Materialien werden dagegen nicht immer spezifiziert, sel bst wenn die sonstige Ausstattung des Raumes auf ein prächti ges Mobi liar schl ießen läßt. Horner spri cht nur in zwei von vierzehn Szenen, in denen er den Platz be i Tisch darstellt (Odysseus bei den Phäaken, Horn . Od. 7,162f. und Odysseus bei Kirke, 142 Verg. Aen. 1.700 (Aeneas bei Dido); Luean. 10, 123- 126 (Cacsar bei Kleopalra); Sil. 11 . 273 (Hannibal in Capua); Stal. T heb. 1,5 17 (Tydeus und Polyneikes bei Adrast), Val. Flae. 2,342 (Argonauten auf Lcmnos). 143 Außcrhalb einer Gastmahlszene befiehlt einmal Euryk lcia dcn Mägden, purpume Sioffe auf die Stühle zu legen. bezeichnet dies jedoch ausdr1lcklich als Maßnahmen rur cin Fest (Horn. Od. 20.\50-156; lv Tl ep6volo' EUlTOIT1TOIOI TOlTnTOS: / ßOhhETE lTOPqluptOVi; [... ) (mi Koi nöolv topTli). Telemaeh dagegen halle AtheneiMentes bei der Bewinung offenbar keine PurpurstofTe angeboten, s. Ho rn. Od. 1. 130f. STULZ ( 1990) 115 deulel die Anordnung der Eurykleia daher als Ausdruck ihrer Freude Ober die Heimkehr des (zu diesem Zeitpunkt .. l1crdings noch verkleide tcn) Odysseus. Mehrfach ersche inen Purp urslOffe dagegen als Ausstßltung des für den Gast bereitgestel hen Beues. vgl. das Nachtlager rur Phoinix bei Aehil1 . HOnl. 11. 24,644f.• rur Telemaeh am span anischc n Königshof. Horn. Od. 4,298 und fUr Odysse us bei den Ph!l.aken. Horn. Od. 7,337. Zu Purpurgewändem bei ~I omer s. BLUM ( 1998) 68-75 und STULZ ( 1990) 98- 114. 144 Purpurstoff erscheint in den Argonautika des Apollonios jedoch als Material für kostbare Gewänder. s. den Mantel Jasons (A .R. 1,721-767), den purpurfarbenen Peplos, den er von Hypsipyle erhalten hat (A.R. 4.423-434) sowie das Purpurgewand der Mcdea (A .R. 4. 1661 - 1663). 145 Ho rn. Od. 3.38 (weiche Felle); I-Iom. Od. 14,49f. (Laub mit einem darubergebreiteten Ziegen fell) ; Horn. Od. 16.47 (Laub mi t darube rgcbrei tetem Fell); Verg. Aen. 8, 176178 (Blinke aus Gras, ein mit einem Löwenfell bede;ETTOV TEpTTOVTO): Jason bei Aietes (A. R. 3,301: oOTTao iw~ S6PTT~ TE TTOTi'jT; TE 6vIlOV äpEOoav); Jason aur Lemnos (Val. Flac. 2,347f : sacris dum vincilur exlis I prima james ). 1822 Belege: Odysseus bei den Phäaken (Ho rn. Od. 7. 177); Phineus beim Besuch der Argonauten (A.R. 2,305r.). 183 3 Be lege : Hennes bei Kalypso (Od. 5,95); Aeneas bei Euander (Verg. Aen. 8.1 82[); Eumeniden aur der Hochzeit des Pluto (Claud. rapl. Pros. 2.344r.: die Eumeni· den trinken ausnahmsweise Wein). S. dazu auch Val. Flac. 5,584·586: Hier wird nicht da.. Speisen von Gast und Gastgeber beschrieben, sondern Jason beobachtet während der Konversation mit Aietes einen Gerolgsmann des Kolcherkönigs. der sich am Blut seines Rennprerdes labt. 1843 Belege: Odysseus bei Eumaios (Horn. Od. 14,\09f: Odysseus ißt schweigend. während Eumaios ihm unaufhörlich von seinem Kummer berichtet); Abschiedsmahl der Argonauten (A. R. 1,472-474: Idas trinkt als einziger Argonaut so ungestüm, daß er sic h den Ban mit Wein besudelt. Das Detail wird von Vergil nachgeahmt, vgl. das Vcrhalten des Bitias am karthagischen Königshor, das sich von den zurückhaltenden Trinksitten der Dido und anderer Teilnehmer abhebt. Allerdings gehOrt der Weingenuß hier nicht zum gewöhnlichen Verzehr, sondern bi ldet einen Tei l der Trankspende, Verg. Aen. 1,736740); Hannibal in Capua (Sil. 11,283[; Hannibal speist schweigend, wahrend das Haus vom Unn der Herumgehenden crfiUlt ist, s. v. 1I,279r.). 185 Val. Flac. 4,532-534: laelus od oblilae Cereris suspirat honores: I agnoscit Bacchi lalices. agnoscil et undam, / et nova non pavidae mirofur galldio mensae. 186 Horn. Od. 4,65f und Verg. Aen. 8,182 f Die Übergabe eincs solchen yepas. das aus dem besonders nahrhaften Rückenslück des geschlachtetcn Ticres besteht, erscheint in den untersuchten Szenen sonst nur bei der Bewirtung des Odysseus durch Eumaios. Eine Variante findet sich außerdem wahrend seines mehrtllgigen Aurenthalts bei den PhA-
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Die Darstellung der Nahrungsaufnahme umgeht der homerische Dichter in 11 von 18 Szenen dadurch, daß er nur die Vorbereitung des Mahls oder allenfa lls das Ausstrecken der Hände schildert, worauf er unmitte lbar zum Ende des Schmauses übergeht. 181 In nachhomeri scher Zeit nimmt dieses Verfahren an Häufigkeit ab: Nur Apollonios wechselt in zwei Szenen von der Vorbereitung unmittelbar zum Ende des eigentlichen Mahls (A. R. 1,455-459: Abschiedsmahl der Argonauten ; A.R. 2,495f.: Mahl bei Phineus). In allen anderen Szenen, in denen der Erzähler die Nahrungsaufnahme übergeht, treten entweder andere Ereigni sse zwi schen die Vorbereitung und das Ende des eigentlichen Mahls, oder es fehlen alle auf den Verzehr folgende Aktivitäten. Ebenso wie den Genuß von Spe isen und Getränken umgehen die Di chter gewöhnlich auch deren Wirkung. Die Belastung des Magens durch opulente Gerichte wird in den untersuchten Szenen nur einmal, die berauschende Qualität des Weines nur zweimal direkt beschrieben. Bei den betroffenen Fi guren, dem streitsüchtigen Idas (A.R. 1,472-474, vgl. die erzürnte Frage des Idmon, A. R. 1,477 f.... i\i TOI Eil äTTv 1;wpov ~iev eapaaA€OV Kiip I oiSaVEt EV aTil8wOI:),188 den Festgästen in Capua (SiI. 11 ,302) und dem verräteri schen Pacuvius (S il. 1 J,3 J 2f.), handelt es sich jeweils um negative Persönlic hke iten, deren Verhalten der auktoria le Erzähler auch sonst mißbilligl. 189 Einen Sonderfall bildet Fa lemus, der zum aken. wo allerdings nicht der Gastgeber das Fleisch überreicht. sondern der Gast Odysscus auf diese Wei se den Sänger Dcmodokos ehrt (Hom. Od. 8,474-478). 187 Das Ausstrecken der Hände. das stets durch den Fonnel vers 01 5' Elf' o\leia6' hoilJo npOIO:ellJE\lo XElpOS iOhAO\l ausgedruckt wird, kommt in den untersuchten homerischen Szenen insgesamt siebenmal vor und ist immer mit einem Fonnclvers zum Abschluß der Nahrungsaufnahme kombinien : Bennung der Heerfuhrer (Horn. 11 . 9,91); Presbeia zu Achill (1·lom. 11. 9.22 1); Priamos bei Hektar (Hom. 11. 24,627); Athene bei Telemach ( Horn. Od. 1,149): Telemach bei Menelaos (Horn. Od. 4,67); Telemach bei Eumaios (Horn. Od. 16,54); Theoklymenos bei Telemach (1·lom. Od. 17,98). Viemlal wi rd im Anschluß an die Mahlvorbereitungen nur der Abschluß des Spcisevorgangs in einem Fonnelvers genannt Pflege des Machaon in Nestors Zelt (Horn. 11. 11 ,642); Nestor und Odysseus in Phthia (.Iom . 11. 11 ,780); Gefllhrten des Odysscus bei Kirke ( I-10m. Od. 10,237); Odysscus bei Kirke (Horn. Od. 10,318). Zur Gestalt des Abschlußverses s. unten S. 84. 188 Der nach dem Vorbild des Idas gestaltete Bitias (Verg. Acn. I ,738f.) betrinkt s ich dagegen nicht, sondern rallt durch sein grobschlächtiges Betragen auf. 189 Eine Anspielung auf die sorgenlöscnde Wirkung des Weins findet sich beim Gastmahl der Dido. wo die Königin außer zu Iuppiter und luno auch zum Weingoll als datQr loetiliae betet (Verg. Aen. 1,73 1-735). Die berauschende Wirkung des Getränks wird jedoch nicht dargestellt. Nur angedeutct wird die Trunkenheit auch bei der Bewirtung des Jason in Kolchis, Val. Flac. 5.593-598 . In dcn regu laren homerischen Gast-
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2. Die Typik der GaSlmahlszene
Dank fiir se ine Gastfreundschaft von Bacchus selbst den bisher noch unbekannten Wein erhält und dessen Rausch daher keine negat iven Konnotationen trägt (S ilo 7, 199-205). Das dionysische Ambiente hat Silius durch A Itribute wie Weinranken und den Thyrsosstab kenntli ch gemaCht, die di e Epiphanie des Gottes begleiten (Si!. 7, 194- J 98), so daß der Leser die ungewöhnlich ausführli che Darstellung der Trunkenheit nicht mißverstehen kann o190 c) das Ende des eigentlichen Mahles Das Ende der Beköstigung wird in allen homerischen Gastmahl szenen - mit Ausnahme des kurz geschilderten Empfangs bei Autolykos (Horn . Od. 19,425 f.) - durch einen Formelvers nach dem Muster OlITa p en EI n omoS Kai eSrrnios E~ epov EVTO markiert, der zu den Aktivitäten nach dem Mahl überleitet. Ei n solcher Neuansatz findet sich auch in den meisten nachhomeri schen Szenen. Trotz zahlreicher Varianten im Detail behalten die Dichter dabei in sieben Fällen die homeri sche Konstruktion eines mit blEI (bzw. poslqllam) eingeleiteten Temporalsatzes bei, so daß der Fokus auf den im Hauptsatz beschriebenen Aktivitäten nach dem Mahl liegt, während die Bew irtung selbst nur im Rückblick erscheint. 191 Di ese lbe Wirkung erzielen ebenfall s mah lszenen venneidet de r Dichter selbst diese Anspielungen : Am Hof des Menelaos sorgt nicht der Wein, sondern das Zaubennittel der Helena rur eine entspannte Sti mmung (Horn. Od. 4,219-226). Eine Rolle spi elen die Folgen des Weingenusses dagegen in den Antigastm!l.hlem, d ie ihre Vorläufer in der Ky klopcnszene und im Gelage der Freier haben. Diese können wegen ihrer besonderen Voraussetzungen nicht mit denselben Maßstäben gemessen werden wie reguläre Gastmahlszenen. 190 Die realistische Darstellung des trunkenen Falemus ist, wic auch die gesamte Anlage der Szene als aitiologisehcr Exkurs innerhalb des Epos, deutlich von hel1enistischen Vorbi ldem beeinnußt, s. dazu VESSEY ( 1973) 240-242 . 19 1 Argonauten bei Phineus, A. R. 2,307f.: ·Ev6a 8'. blEi OOPTIOIO KopiceavT' Ti81: TIoTi'jTOS. I TIaVvVxlOI Bepiw IJevev uiios typ';eoovTES : Argonauten und Phrixossöhne, A.R . 2,1177f.: A VTOP eTIE\ pE;avTes EnapTea ÖatTa nooavTo, I ö~ T6T' äp' Aioovlöns IJETeipWVEEV ~Pxi TE IJv6wv...; Acneas bei Dido, Verg. Aen . 1,723[; Postquom prima qllies eplIlis mellsaeqlle remotae, / crateras magnos statlllillt et I'il/a co ronollt; Aeneas bei Euandcr, Verg. Aen. 8, I84f.: Postqllam exempta f ames et amor co",presSlls edelldi, / rex Ellandrus ait .... ; Cacsar bei Kleopatra, Lucan . 10. 172- 174: Postqllam eplilis Bacchoqlle modllm lassata ~'OllIptas I im/)()Sllif, 1011gis Caesor prodllcere /loctem I inchoal alloquiis; Scrranus bei Marus, Sil. 6.94-97: exin cllra l'eni fris tem depellerefesso I are sitim et parca ",ires accersere mensa./ Qllae postqllam properaltl, sopor $110 nllmera falldem I appliclIt er mitem Jimdit per membra quiere", ; Tydeus und PoIyneikes bei Adrast, Stal. Thcb. 1.539-54 1: Postq llam ordine met/soe I vicltl fames, signis perfL'Ctam allroqlle ni/entem I lasides pateram fimmlas ex more poposcit.
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siebenmal vorkommende freie Formulierungen, di e mit ~ ETE 'TT E1 Ta . EI( SE T OU . ubi, u/, iamqlle oder einer Partizipi alkonstruktion beginnen, ohne sich inhaltl ich immer eng an den homerischen Formelvers anzuschli eßen. l92 Von dieser Konvention weichl Silius Ita licus bei der Bewirtung des Bacchus durch Fa lernus und beim Emp fa ng des Hannibal in Capua ab, indem er nic ht di e Akti vitäten nach dem Mahl , sondern das Mahl selbst bzw. di e Trunkenhe it der Teilnehmer im Hauptsatz darstellt, s. Sil. 7,202-204: tempora qllassatus grates et praemia digna I vix intelleclis conaris reddere verbis I donec composuil fllclanlia lumina Somnlls; Sil. 11 ,28 3-286: vescitur ipse silens [... ] donec pulsa fam es et Bacchi mllnera dllram I laranmt mentem. Dadurch rückt in beiden Fäll en der Weingenu ß in den Vordergrund, dem di e Protagonisten so lange frönen, bi s eine erheiternde Wirkung einsetz t bzw. bis sie in Schlaf verfallen. Di e Variation des üblichen, mit poslquam beginnenden Verses hat der Dichter in der Hannibalszene durch wörtl iche Anspi elungen auf die Vorgänger hervorgehoben;9J während er bei der Bewirtung des Bacchus zwei mit pos/quam und dum einge leitete Temporal sätze so kombi niert, daß der Kontrasl zwischen den Varianten ersichtli ch iSt. I94 192 7 Belege: Abschiedsmahl der Argonauten. A.R. 1,457-459 : METE mlTa S'
OXXT)XOICl / ~vEl Eiive ' oto TE TToXAa viol TTapa SalTi lea i oivcp / TEPTTVWS E,+,IOwVTat; Jason bei Aietes, A.R. 3.302 f.: 'Eie SE TOÜ AiT)TTlS O!pETEpnS epEElvE 6vya TPOs: / ui i;as ToiolOI TTapnYOpEWV ETTEEOO1... ; Anna bei Aeneas, Sil. a~ ol ßaSis
8.76- 78: atqlle /lbi iam casus odversonlmq ue pavorem I hospitii lenivil honos. I/Im discere maesw l exposcit cura letum infelic;s Elis$ae; Odysseus und Diomedes bei Lycomedes, Stal. Ach. 1,99 [ : V I /JJaca/ofomes ep ulis bis lerque reposris, I rex prior odloqllitur paterisqllc hortotur Archivos. Abschiedsmahl der Argonauten, Val. Flac. 1,294-296: lamqlle mero IlIdoq ue modllS positique qllietis I eOIll;ellere loris. soills quibus ordine fusis I iml)lItiens sonmi ductar manet (es folgt eine Unterredung zwischen Jaso n, Aeson und Alcimedes); Argonauten auf Lemnos, Va l. Flac. 2.349f. : Dapibus eoeplis mox tempora fal/unt I I/Oclis et in seras dunmt semOllibllS 11mbras (un mittelbar zuvor setzt Valerius Flaccus eine wo hl iJber Vergi l Aen. 8.182- 185 vermittelte Imitation des homerischen Fonnelverses zur Beschreib ung de r Nahrungsa ufnah me ein, Val. Flac. 2.347f. : Saeris dum I'incil/lr extis I primofames circ/lln p(l/eris il Bocchus); ArgonaUlen bei Phineus, Val. Flac . 4 ,535537 (Jason betrachtet den bei m Mahl sitzenden Phineus): flullc II bi reclinem stratis el p(lce fmelltem l ospicit (... J taliblls appellat slIpplexqllC ila fowr lasoll ... 193 Vgl. Si l. 11 ,285f. : dot/ee pulsa fames et Boeehi nllmero dumm I lamnmt mellle", mit Verg. Aen. 8.184: Pos tquClm exemplo fil/lles et amor eompresSllS edend i; Luean. 10.172[ : Pos tquom epulis Boechoq/le modum lassata mluptas I imposuit. 194 Si l. 7,200·204: postquam iterata tibi sll1l1 lJOCllla. iam pede riS/lIll, / iam linglla tilllbante moves, potriqlle Lyaeo / tempora qllassallls grates ct praemia digna I vix illlel· lectis COllaris reddere verbis, I dOl/ee eomposliitluetCllltio lumina Sam/ws . Ein Sonderfa ll bei Apollonios Rhodios dient dazu, die fll r Phineus wichtige ZubereilUng der ers ten ungcstMen Mah lzeit zu betonen, S. A.R. 2,304-308: AliTa p Emi ~tya OOPTTOV Evl
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Ein Neuansatz entfliJlt in den untersuchten Gastmahlszenen nur in Fällen, in denen ausnahmsweise keine weiteren Zerstreuungen geschildert werden t9S oder wenn das Mahl nur sehr knapp als Hintergrund für eine Unterhaltung erscheint. t96
VIII) Religi6se Handlungen (Libation , Opfer, Gebet) Religiöse Handlungen in Fonn von Gebeten , Segenswünschen, Trankspenden und Opfern erscheinen in 24 von 40 Gastmahl szenen. 197 Eine Kombi).JeyapolO\v ~ ee vTo, I 8alvvve' tt;o).JevoI · oUV 8E oq>lO\ 8a;\lVTo lveus I aplTaAEwS", oTov T' EV oveipaol, tru).Jov io;vwv. I vEv6a 8'. EllE! 50plTolo KopEoooavT' liSt lTOTi)TOS, lTaVvVxlOI BOPEW lJEVOV uiEos eypnooOVTES . Der mit A UTOP Eml beginnende Vers ist einer homerischen Fomlel nachgebildet, die in der lIias
dreimal als Abschluß einer ausftlhrlich geschilderten Mahlvorbcreitung erscheint, davon einma l in einer re inen Opferszene, zwe imal in einer mit einem Opfer verbundenen Gastmah[szene. S. Horn. 11 . [,467 = Horn. [\. 2,430 :0 Horn. 11 . 7,319: alrrop Emi nauoavTo lTOVOU TETVKOVTO TE 8aiTa . Eine weitere auffällige Fonnu lierung bei Valcrius Flaccus stellt einen intertextuellen Bezug zwischen dem Lemnosabenteuer und seinen stilistischen Vorbildern, der Dido- und der Euanderszene, her, auf die Valerius mehrfach rekurriert, s. Val. Flac. 2.347-349: sacris dllm vineirur exris I primafames cireum pareris ir Baeehl/$ er omnis I aula si/er und Verg. Aen. 1,723: Posrqllam prima q/lies eplliis und Verg. Aen. 8,182f.: vescirllr Aelleos [ ... ] IIISrralibllS exris. 1954 Belege: Odysseus bei Autolykos (Horn. Od. 19,424-427); Argonauten bei eyzicus (Val. Flac. 2.653-664: Das Herbeibringen des Tischgeschirrs geht unmittelbar in die Libation über, deren Segensspruche an die Stelle einer Unterhaltung nach dem Mahl treten); Hochzeit des Pluto und der Proserpina (Claud. 2.36 I f.: Stau eines Gesprächs [Element IX] oder eines Sängervortrags [Element Xl folgt die Hochzeitsnacht). Hierher gehört auch der Besuch des Aeneas bei Helenus, wo eine Unterhaltung zwischen Gastgeber und Gast erst nach mehreren Tagen der Bewinung gesch ilden wird (Verg. Aen. 3.356-462). 1963 Belege: Argonauten bei Lykos, A.R. 2,759-761: Thetis bei Chiron. Stal. Ach. 1.1 84-188: Jason bei Aietes. Val. Flac. 5,570-573 . 197 Die religiösen Handlungen verteilen sich folgendennaßcn : 15 Szenen enthalten e ine Libation, 13 Szenen enthalten ei n Speiseopfer, 9 Szenen enthalten Gebete. Gelübde und Segenswünsche . Im e inzel nen handelt es sich um fo lgende Szenen (wenn re ligiöse R.iten im Zusammenhang mit einem Bankett erscheinen, ohne zur e igentlichen Gastmahlszene zu gehören . werden diese der Übersicht halber mit einer entsprechenden Bemerkung aufgefUhrt, sind aber in die Zahlenangaben nicht ei ngerechnet): Agamemnon bewinet die Heerftlhrer (Gebet, Horn . 11. 2,412-4 18 und Speiseopfer. 1·lom. 11. 2.42 1427); Mahl für Aias (Speiseopfer an Zeus, Horn. 11. 7.314f.); Beratung der Heer1Uhrer vor der Presbeia (Trankspende erst nach der Presbeia, unmittelbar vor dem Nacht lager. 110m. 11 . 9,7 12); Presbeia zu Achill (Speiseopfer, Horn. 11. 9,220, Trankspcnde vor der Trennung, Horn. 11. 9 ,656f.), Nestor und Odysseus in Phthia (Opfer an Zeus, verbunden mit einer Trankspcnde. Horn. 11 . 11,772-775); Telemach bei Nestor {Opfer an Poseidon ist bereits im Gange. als die Szene einsetzt, Horn . Od. 3,5-9, Trankspende und Gebete an Poseidon, Horn. Od. 3,43-64. Verbrennen der Rinderzungen und Trankspende vor dem Nachtlager, Ho rn. Od. 3,341 , Gelübde, Trankspcnde und Gebete zu Athene, Horn. Od.
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nation solcher Handlungen ist bei Homer etwas häufi ger anzutreffen als in der späteren Epik: Von 18 Mahlszenen in I1ias und Odyssee enthalten 6 mehrere religiöse Hand lungen, bei Apo lJ onios ist es eine von fünf und in der lateinischen Epik sind es 4 von 17 Szenen. 198 Die Kombination mehre· 3,380·385 und 393f. Die Schlachtung des gelobten Rindes wird am zweiten Tag in einer Opferszene beschrieben, Horn. Od. 3,430-463); Odysseus bei den Phäaken (Trankspende an Hennes vor dem Nachtlager. Horn. Od. 7, 136- 138. Trankspende an Zeus Hikesios, Horn. Od. 7, 179- 183, weitere Trankspende, Horn. Od. 7,228. Bingebet des Odysseus an Zeus, Horn. Od. 7,331 -333. Nicht während des Gastmah ls, sondern beim Abschiedsschmaus erfolgt außerdem ein Opfer der Phllaken an Zeus, Horn. Od. 13,24-27, ein Segenswunsch des Odysseus, Horn. Od. 13,44-46, sowie eine Trankspende mit Gebet und Segenswunsch des Odysscus. Horn. Od. 13,53-62); Odysseus bei Eumaios (2 SegenswUnsche des Odysseus an Eumaios. Horn. Od. 14,53 f., 440f. , vgl. außcrhalb dcr Gastmahlsz.ene Ho rn. Od. 15,341 f.; Haaropfer vom geschlachteten Schwein mit Gebet des Eumaios, Horn. Od. 14,420-424, Speiseopfer, Horn. Od . 14,427-429, Opfer aus gebratene m Fleisch, Horn. Od. 14,434-436, Opfer der äpy~aTa mit Trankspende. Horn. Od. 14,446-448); Abschiedsmahl der Argonauten (Opfer an Apollo mit Gebet und Libation vor der Gastmahlszene, A. R. 1,406-438, Verbrennen der RinderLungen mit Trankspende. A.R. 1,516518); Argonauten bei Phi neus (Opfer an ApolI , A.R. 2.490-494); Argonauten bei Lykos (Gelübde, einen Tempel zu bauen, A. R. 2,806-8 10); Argonauten und Phrixossöhne auf der Aresinsel (Schafopfer an Ares. 2,1 169- 11 76); Aeneas bei Dido (Trankspende und Gebet rur Gäste, Verg. Aen. 1,728-740); Aeneas bei He lcnus (Libation, Verg. Aen. 3,354); Aeneas bei Euander (Opfer an Herakles im Gang, Verg. Aen. 8. 102-1 06, Libation an Herakles, Verg. Acn. 8.273-279, Gesang der Salier. Verg. Aen. 8,285-305); Serranus bei Marus (Libation rur die wundersame Lanze, Si l. 6. 137- 139); Bacchus bei Falernus (Speiseopfer an Vesta verbrannt, Sil. 7, I 84f.); Hannibal in Capua (Libation an Capys, Si l. 11,299-302); Tydeus und Po lyneikes bei Adrast (Gebet, Stat. Theb. 1.498-5 10, Libation besonders an Apollo. Stat . Theb. I , 540~556, neuerliche Trankspende, die ins Feuer gegossen wird, und Gebet an ApolI. Stal. Theb. 1,694-720); Abschiedsmahl der Argonauten (Opfer. Gebet und Libation an Poseidon, Zephyrus, Glaucus und Thetis vor dem e igentli . ehen Mahl. Val. Flac. 1. 188-204. Gebet des Peleus, Val. Flae. 1,265-267); Jason auf Lemnos (Opfer an Venus unmittelbar vor Mahl. Val. Flae. 2,329-33 1, Aufforderung zu Libation und Gebet. Val Flac. 2,336); Argonauten bei Cyzicus. (Opfer in Tempeln. Val. Flac. 2,650); Argonauten bei Phineus (Opfer an Zeus. Val. Flac. 4,529f.); Argonauten bei Aietes (getrennte Libationen von Ko lehern und Argonauten an ihre jewei ligen Göller am Schluß der Gastmahlszene, Val . Flac. 5,615-617). Ei ne Miue lstellung nimmt der am zweiten Tag stattfindende Tanz der Madchen am Hof des Lycomedes ein. Zwar handelt es sich um eine an religiösen Bn'luchen orientierte Darbietung, doch wird sie offenbar zu Ehren der Gäste aufgefUhrt, d ie sich anschließend mit Geschenken rur die Gunst bedanken, S. Stal. Ach. 1,82 1·823: egressae Iha/oma Scyreides ihonl ! aSien/are charos pramissaque socra I'f!re"dis I hospifibus und die Heimkehr der Tänzerinnen 1.842-844. : in medioe iamdudum sedibm aulae I mllnera virgineos visu.)' IraClura /ocaral l Tydides. signum hospilii preliumque laboris. 198 Belege bei Homer: Agamemnon bewirtet die griechischen HeerfUhrer, Horn. 11. 2.402-441; Presbeia z.u AchilI , Horn. 11. 9,185-668; Nestor und Odysseus in Phthia. Horn. 11. 11,769-790; Telemach bei Nestor, Horn. 0ovnOOs, Tl pa etc., die sich nur auf di e letzte Wortäußerung beziehen und auch außerhalb von Gastmahl szenen häu fi g verwendet werden, um das Ende einer wörtl ichen Rede anzuzeigen. m Nur beim Gespräch zwischen Odysseus und dem phäakischen Köni gspaar, zwischen Odysseus und Eumai os sowie zwischen Penelope, Telemach und Theoklymenos verwendet der Dichter e inen voll ständigen Fonnelvers, der sich ausdrücklich auf die gesamte Unterhaltung bezieht und deren Darstellung als e ine ungefähre Wiedergabe des Geschehens kennzeichnet: Horn . Od. 7,334 = 14,409 = 17,166: WS oi IJEV TOIOVTO lTpOS CxAArlAOVS cyopevov. Bei Apollonios finden wir ein ähnliches Bild: ln drei von fünf Szenen bezieht sich die abschließende kurze Bemerkung nur auf die letzte Rede des Ti schgesprächs;224 in zwe i Fällen handelt es sich um eine Bemerkung, die auf das gesamte Mahl ausgerichtet ist, zu welchem auch die Unterha ltung gehört (A .R. 2,811 : "WS TOTE IJEV SaiT' clJq>llTavnlJEpol E~)l OWVTO ) bzw. um e inen an Homer orienti erten Vers, der die Wechselreden betont: A.R . 2, 1226: "WS 01 y ' CAAnAOIOIV CIJOLßaöov rlYOPOWVTO). In der lateini schen Epi k nimmt die Häufig kei t der Sc hlußbemerkungen ab. Von siebze hn Szenen en thalten nur sechs ei ne Abschlußfonnulierung, von denen sich wiederum vier nur auf die letzte Wortäußerung beziehen: Verg. Aen . 3,7 18: Erzählungen des Aeneas: eont;eu;t tandem f actoque ";e fin e quievit; Si!. 6,55 1: Rede des Marus: hoee Marus (sc. dixif); Val. Flac . 4,624f.: Rede des Phineus: atque ita f aeto / fine dedit rocitis ;/enun responsa /enebris und Va l. Flac. 5,6 15: Rede des Aietes: ! atllr. Nu r in der Kleopatraszene der Pharsa lia und wäh rend des Aufen thalts der Argonau ten bei Cyzicus bei Va lerius Flaccus verweist der Dichter auf den Verlauf des gesamten Ti schgesprächs: Lucan. IO,332f. : sie vellit in !Ufa securi paee traheban/ / noe/is i/er mediae; Val. Flac. 2,663f.: hasque inter variis nox plurima dic/is / rop fa vices nee non simili lux postera traclll.
223 Es hande l! sich um folgende Szenen: Agamemnon bewinet die HeerfUhrer (Ho rn. 11. 2,441 ); Siegesmahl fUr Aias ( Horn . 11. 7,344); Presbeia (Horn. 11 .9,620); Beratung der Heerfii hrcr vor und naeh der Presbcia ( ~I om . 11. 9,7 10); Nestor und Odysscus in Py los (Horn. 11. 11 ,790); Mac haon bei Nestor (Horn. 11 . 11.804); Priamos bei Achill (Horn. 11. 24 .643); Telemach bei Nestor (Horn. Od. 3,329); Telemaeh bei Menelaos (Horn. Od. 4.296); Odysseus bei Kirke (Hom. Od. 10.388). 224 Ende der Rede des Idas (A.R. 1,492); Ende der Rede des Phineus (A.R. 2,426); Ende der Rede des Aietes (A.R. 3.439 ).
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2. Die Typik der Gastmahlszene
[X) Vortrag des Sängers] Sänger werden in epischen Gastmäh lern mehrfach erwähnt. Dem Odysseus gi lt die Lyra, deren Klang das Lied der Barden begleitet, gar als gottgegebene Begleiterin eines Banketts (Horn. Od. 17,270f.). Eine ganz ähnliche Aussage trifft der auktoriale Erzähler im ersten Buch, wo Musik und Tanz als ava8iUlaTO SOtTOS" (Horn . Od. 1, 152) bezeichnet werden. Trotz dieser hervorgehobenen Stellung ist die Zah l der ausftihrlich beschriebenen Darbietungen insgesamt nicht hoch (10 Lieder, die von fünf Sängern und ei nem Chor vorgetragen werden 225 ). Sie finden in 2 Fällen zwischen dem eigentli225 Demodokos am Ho f der Phäaken ( Inhaltsangabe bzw. wönliche Wiedergabe dreier Lieder am zweiten und dritten Tag von Odysseus' Aufenthalt, Hom. Od. 8,72-82; 8,266-366; 8,499-520); Abschiedsmahl der Argonauten in lolkos (A. R. 1,494-51 1 und Val. Flac. 1.277-293, jeweils Lied des Grpheus mit ausflihrlicher Inhaltsangabe nach dem )}Gespräch zwischen Gastgeber und Gast«); Aeneas bei Dido. Verg. Aen. 1.740-746 (Gesang des lo pas mit ausfllhrli cher Inhaltsangabe zwischen dem eigentlichen Mahl, auf das die Libatio n folgt, und dem Gespräch zwischen Gastgeberin und Gast); Aeneas bei Euander (Verg. Aen. 8,285·305: Abwand lung: Statt eines Sängers Chor der Priester mit ausfUhrli cher Inhaltsangabe nach einer ersten Er.täh lung des Gastgebers): Hannibal in Capua (zwei Lieder des Teuthras nach de m eigentlichen Mahl. Sil. 11 ,288-297, bzw. während des weite ren Aufenthalts, Si\. 11.440-482 mit ausflihrticher Inhaltsangabe); Thetis bei Chiron (StaI. Ach. 1,188- 194, Lied des Achi ll mit Inhaltsangabe zwischen an· deren, nicht näher beschriebenen Aktivitäten nach dem Mahl und de m Nachtlager. Der adlige Hintergrund ist in diesem Fall durch das Ideal des kriegerisch und musisch gebildeten Heroen gewahn). Hinzu kommen zwei kurze Erwähnungen des Phemios, Horn. Gd. 1, 153-155 (hier wird der Inhalt seines Liedes nach Abschluß der Gastmahlszene nachgereicht, Hom. Od. 1,325-327) und ei nes nicht namentlich genannten Sängers, der bei der Hochzeit im Palast des Mene laos auftritt, als Telemach und Peisistratos das Haus betre· ten. !-I om Gd. 4, 17f. sowie einige kurze Erwähnungen von nicht näher beschriebenen Gesängen bei der Vennählung von Pluto und Proserpina in der Unterwelt, Claud. rapt. Pros. 2,329, 2,345.2,360. Ob es sich bei dem Gruß an das Hochzeitspaar. dessen Beginn Claud ian in wörtlicher Rede wiedergibt (Claud. rapt. Pros. 2,365-372). um einen reinen Gesang handelt, geht aus dem von allen Editoren gebotenen Text nicht hervor, s. Vcrs 2,365f.: exlillOlII Cilm voce pii Difisquc sub aula I falia pervigi l i SlImllllf exordia plallslI . Dazu HALL (1969) ad loc.: }}E;r:l/lfalll CI/m I lQCe may mean )express thcir joy in song( (for cllln voce ::: an instrumental abI., c f. Quadrig. Ap. Gell. 9.13. 10 cum voce maxima COII· clamant) o r, alternatively. )dance and sing.«( Allerdings bietet die aus dem zwölften Jahrhunden stammende und nicht zu den Hauptzeugen der TextUberlieferung zählende Handschrift B statt der Junktur pervigili l ... ] p/allsil die Lesan pervig ili { .... ] eantll. Diese wurde offenbar von den Herausgebern a ls teefio facilior ausgeschieden . Legt man diese Textversion zugrunde. so handelt es sich eindeutig um den Beginn (V. 2,366: exordia) eines hochzeitlichen Liedes (hymenaeus), dessen genauer Inhalt im Dunkeln bleibt . Der wönlich zitierte Anfangsteil enthält nicht wic gewöhnliche musikalische Darbietungen nach dem Mahl eine Erzäh lung. sondern Aufforderungen an das Hochzeitspaar. Sie lassen sich daher nicht in die im folgenden entwickelten Kategorien einordnen, S. dazu unten Anm. 227 .
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chen Mahl (E lement VU) und den Gesprächen zwischen Gastgeber und Gast statt (E lement IX), doch können sie auch nach der Unterredung (4 Belege) oder, wenn der Besuch mehrere Mäh ler um fa ßt, erst im wei teren Verlauf des Aufenthalts eines Gastes, d.h. außerhalb der eigentli chen »Szene«, vorkommen (4 Be lege, s. Anm . 225). Angesichts ihrer inhaltli chen Bedeutung werden alle diese Gesänge ausgewenet, auch wenn sie sich nicht innerhalb der Szenengrenze befinden. Gegenstand der Lieder sind entweder kosmologische Zusammenhänge und die Taten der Götter (zweites Lied des Demodo kos, Ho rn . Od. 8,266366; Lied des Orpheus bei Apollonios Rhodios, A.R. 1,496-5 11; Lied des lopas, Verg. Aen. 1,740-746; Lied der Salier, Verg. Aen . 8,285-305; zwei Li eder des Teuthras, Si l. 11 ,288-297 und I J ,440-482 während des weiteren Aufenthalts des Hannibal ; Li ed des Orpheus über Phrixos und Helle, Val. Flac. 1,277-293) oder aber Begebenheiten aus der Lebenswe lt der Figuren. In di esem Fa ll werden stels Ereigni sse vorgetragen, die mindestens einen der Anwesenden unmittel bar betreffen (erstes und drittes Lied des Demodokos über den Trojanischen Krieg, Horn . Od. 8,72-82 und 8,499-520; Lied des Achill über die Heldentaten des Herakles, des Pollux, des Theseus und über das (Ehe-)Lager der Theli s, SIal. Ach. 1, 188- 194). Dies gilt se1bsl dann , wenn der Sänger, wie im Fa ll des Demodokos, diesen Zusa mmenhang zunächst nic ht ahnt. So lche Erzählungen treiben die Handlung des Epos voran, da sie flir die Figuren Aktua litäl besitzen und sie zum Handeln provozieren. Dasselbe triffi auf einen gleichnishaften Gesang zu, der a llerdings e inen Sonderfa ll darstellt und nur bei Apo ll onios ei nm al vorkom mt (fr iedenssliftender Gesang des Orpheus beim Absc hiedsmah! der Argenaulen , A.R. 1,494-5 11 ).'" Kosmo logische oder auf di e Götterwelt bezogene Lieder hingegen, deren ti eferer Si nn sich gewöhnlich nur dem Leser erschließt, errull en oft e ine kommen tierende Funk tion und fOrdern so die Orient ierung des Rezipienten. Dabei können sowohl gegenwärtige Ereignisse erläutert a ls auch künft ige 226 Zur Di skussion um d ie Bede utung des Orpheusgesangs s. PIETSCH ( 1999), bcs. 522-524. Er betrachtet den Gesang al s Versuch. die Menschenwelt in einen größeren Rahmen einzuordnen. s. S. 538: » Der kosmoJogisch-theogonische Gesang erflillt also durchaus die Funktion einer mentalen Beruhigung, e iner durch die Einsicht in die den Menschen umfassende göttliche Ordnung bewirk ten Festigung der Persönlichkeit, e iner Klärung des menschlichen Denkens und Wo llenS.11 A llerdings wird die friedliche Gesinnung. die sich nach dem Gesang bei den Argonauten e inste llt, im Text nicht ausdrücklich mit dem Inhalt. sondern vor allem mit der Melodie des Liedes in Verbindung gebracht.
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2. Die Typik der Gastmahlszene
angedeutet und so bestimmte Erwartungshalrun gen beim Leser aufgebaut werden. 227 Da Gesangsvorträge beträchtlichen Einfluß auf Fortgang und Verständnis der Handlung besitzen, verdienen sie bei der Analyse episc her Gastmähler besondere Beachtung. Ihre geringe Zahl verbi etet es jedoch, sie als reguläres Elemen t in ei n typisches Schema aufzunehmen. Sie werden daher nur in eckigen Klammem beim Verlaufsschema berücksichtigt. Gesangsvorträge bilden das beste Beispiel daftir, daß die Häufigkeit eines Elements nicht unbedingt seine Bedeutung ftir das jeweilige Epos widerspiegelt. Auch zeigt sich daran, daß eine epische Mahlszene nicht als getreues Abbild wirklicher Tischsitten mißverstanden werden darf. Musik gehört zwar - zumindest fti r den homerischen Dich ter - zu den selbstverständlichen Vergnügungen beim Festschmaus (s. Hom. Od. 17,270f.), doch ein Gesangsvortrag bildet deshalb noch keinen selbstverständ lichen Bestandteil einer Gastmahlszene. Es handelt sich hier um eine literari sche Gestaltung, die nicht kulturgeschichtliche In fo rmationen liefern, sondern eine Gesch ic hte auf mögli chst wi rkungsvolle Weise erzählen soll.
22 7 Einen auch rur die Figuren zwei fel sfrei erkennbaren Bezug zur gegenwän igen Si t\J3tion weist der mythologische Gesang des Orpheus beim Abschiedsmahl der ArgNachtlagcr< zwischen zwei Bewin ungen); Odysseus bei Eumaios (Hom. Od. 14,518-533): Odysse us bei Autolykos (Horn. Od. 19,427). Nachhomerische Belege : Abschiedsmahl der A rgonautcn (A. R. 1,5 18); Argonauten bei Phineus (A .R. 2,496f.); ArgonaUien auf der Aresinsel (A. R. 2, 1227); Aeneas bei Dido (Verg. Aen . 3.7 18); Aeneas bei Euander (Verg. Aen. 8,367-369); Baechus bei Falernus (Si1. 7.204f.); Anoa bei Aeneas (Si I. 8, 164- 166); Hannibal in Capua (SiI. 11 ,368) ; Abschiedsmahl der A rgonauten (Val. Flac. 1,295f. und 300); Thetis bei Chiron (StaL Ach. 1.195-197): Diomedes und Odysseus bei Lycomcdes (Slat. Ach . 1.8 16-8 18). Hinzu kommt der >Heilschlaf< des $erranus (Si l. 6.96f.), der e ine Abwandlung des Elements INachtlager< darste llt, ohne d ie Szene zu beenden. 229 ['AXlAEu KAIO il'lS tVmiKTOV bzw. [KoBevSe] ~VXc+> M~ov VI.vr1AOio. Eine enlspr«hende Raumauftcilung reh lt in de r lI ias bei de r Beratung der Heerfllhrer vor der Presbeia, wo sich die Teilnehmer mIch dem Mahl in ihre eigenen Zelte begeben .
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des Odysseus bei Kirke, wo der Beisch laf von Gast und Gastgeberin das übliche Lager ersetzt (Horn. Od. 10,347) sowie der in einem Ex.kurs kurz geschilderte Aufenthalt des Odysseus bei Auto lykos, wo die Nachtruhe nur kurz erwähn. wird (Hom. Od. 19 ,426f.). Die nachhomerischen Ep iker erwähnen das Nachtlager meist nur summarisch und verzichten durchgehend darauf, die Sch lafp lätze von Gast und Gastgeber zu trennen . A uch in der Bewirtung des Aeneas durch Euander, der einzigen Szene, in der die Bereitung des Nach tlagers (in Anlehnung an die Nestorszene der Odyssee) ausfUhrlich beschrieben wird, findet keine Einteilung nach Wirt und Bewirtetem statt (Verg. Aen. 8,366-368). I.n folgedesse n steht in der nachhomeri schen Ep ik weniger die Fürsorge des Wirtes fUr sei nen Gast im Vordergrund, die in I1ias und Odyssee e ine wichtige Rolle spielt, als die erzähltechn ische Funkti on des Elements »Nach tl ager«, das eine natürliche Handlungszäsur bildet. Diese Funktion läßt sich ex. negativo an den Fällen ablesen, in denen der nächtliche Schl af fehlt. Abgesehen von den Szenen , in denen das Nachllager auf ~)ßatü rli c h e « Weise ausHi llt, weil das Mahl nicht bis in die Nacht hine in fortgefUhrt wird (9 Belege, fast nur bei Horner vorkorn mend 2J t ), oder we il die Teilnehmer die Nacht durchwachen (I Beleg, nur bei Apollonios vorkommend 232) , han-
23 1 AgaOlcmnon bewirtet die Heerftlhrer (Horn. 11 . 2,442-449); Nestor beherbergt Machaon ( I-I om. 11 . 11,804 f. : die Erzählung fo lgt dem al s Boten zu Nestor geschicklen Patroklos auf se inem Rückweg zu AchilI); A thene bei Telemach (Ho m. Od. 1.31 9-323: Tageszeit nichl sicher bestimmbar); Hermes bei Kaly pso (Hom. Od. 5, 148- 150); Gefährten des Odysseus bei Kirke (Ho m. Od . 10.241 -24 5); Telemach bei Eumaios (Ho m. Od. 16. 154- 159); Bewirtung des Theokl ymenos durch Telemach. (Horn. Od. 17.166-1 69 : Diese beg inn! offenbar während des Tages. doch dürfte ein weiterer G rund ftir das feh · lende Nachllagcr in dem Wechsel z u der gle ichzeitig Kontrasthandlung der schmausen· den Freier liegen: WS o i I-IEV TOlaiha rrpOs a)..)..f] ).ous ayo p EuoV· I I-IVlloT"iiPES SE rrO:po.Oev ·OSvo o iios: I-IEYO:pOlO I SiOKO.Otv TEprro vTO Kai a iyaVEI)OIV iEVTES I EV TVKTc:tl SarrE~ . ö Ot TTEp TTO:pOS. üßp.v l XOVTES): Argonauten bei A ietes (A.R. 3.439· 442); Argonauten bei Phincus (Va l. Flac. 4,629-638). Bei der die Presbcia rahmenden Beratung der Hee rftlhrcr fo lgl die En.ählung z unächst den Boten auf ihrem Weg von Agamemnons Zeh z u Achill (Hom. 11. 9,182- 185). Die Nachtruhe erfolgt am Ende des neunlcn Buches nach einer neuerlichen kUf7.cn Mahlzeit und einer Trankspende (Horn. 11. 9 ,7 12f.). 232 Argonaulen bei Ly kos (A.R. 2,8 1If.). Die einzige durchwachte Nachl in den homerischen Bewinungen (Odyssc us bei Kirke, Od. 10.541 ) beendel nicht eine geschlossene Gastmah lszene, sondern ei nen e injähri gen Aufe nthalt der G efährten (s. Horn. Od. 10,467-471). Vg l. auch die erste Nacht der Argonauten bei Ph ineus, A.R. 2,449 f. , dazu unten S. 326f. In sechs Szenen, Neslor in Phthia (Hom. 11 . 11 ,769-790); Alhene bei Tele· mach (Ho m. Od . 1.103 -323); Jason bei Aictes (A.R. 3,2 10-442); Aeneas bei Hclenus
2. Die Typik der Gastmahlszenc
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deli es sich dabei stets um Situationen. in denen das Gastmahl exemp lari sch rur einen längeren, aber nur summari sch erwähnten Aufenthalt steht,2n oder bei denen sich der Erzähler in der folgenden Szene einer gle ichze iti g stau234 find enden Parall elhandlung zuwendel. In beiden Fällen hebt der Verzicht auf das Nachtlager eine räumliche und/oder zeitliche Ko ntinuität der Ereigni sse hervor. In sechs der lateini schen Szenen wird der enge Zusammenhang mit dem Folgenden dadurch hergestellt, daß das Nacht lager zwa r erwähnt, aber nic ht in gewöhnlicher Weise zu Ende gebracht wird. Vergil deutet am Ende des Gastmah ls in Karthago zwar eine Ruhephase an, fahrt aber sogleich mit der Schilderung der schlaflosen, von Liebe gequälten Dido fort, deren Erregung durch den Kontrast mit dem ruhenden Aeneas besonderes Gewicht erhält. In gleic her Weise wird die um ihren Sohn besorgte Thetis von Sch laflosigkei t geq uält, während Achill und C hiron fried lich sc hlummern , und ebenso empfindet Odysseus die Nacht unter dem schlafenden Gefolge des Ly(Ve rg. Acn. 3,300-355); Baeehus bei Falcmus (Si l. 7, 171 -205); Argo nauten bei Phineus (Val. Flac. 4,423-636), läßt sich die Tageszeit nicht genau bestimmen. 233 3 Belege: Aeneas bei Helenus (Verg. Aen. 3.356: iamqu€ dies allerque dies processil); Argonauten auf Lemnos (Val. Flac. 2,356-373, bes. 370fT. : IIrbe sedelll loeli Minyae vid/lisq/le vacallles I indulgelll thalamis nimbosque ed/lcere ball I "ec iom ~'elle vias Zephyrosque oudire vocontes I di:.-simulollt): Argonauten bei Cyzicus (Val. Flac. 2.663 r.: hasque inter II(lriis II0X pillrima dictis I rapt(l I';ces IIec non simili lux postern IrnclII). 234 8 Belege: Siegesmahl rur Aias, 11. 7.344f. (Schauplatz wechselt vom Zelt des Agamemnon zur Versammlung der Troer); Nestor in Phthia, 11. I 1,788-79 1 (hier beendet Nestor seinen Bericht an Patroklos mit dem )Gesprtich nach dem Mahl«, worauf die ErZählung zur Haupthandlung zurückkehn); Theoklymenos bei Telemach. Ho rn. Od. 17, 166- 169 (Wechsel vom Inneren des Hauses in den Hof, wo die Freier sich vergnügen. Hier wird das Ma hl außerdem nicht bis zum Abend fongernhn); Caesar bei Kleop.·1tra, Lucan. 10,332f. (Wechsel vom Festsaal zu den Machenschaften des Pothinus); Serranus bei Marus, Sil . 6,55 1-554 (am Ende des Aufenthalts Wechsel von der HüHe des Marus zu dem von Gerüchten beunruhigten Rom): Tydeus und Po lyneikes bei Adrast, Stat. Theb. 1,720-2.2 (Wechsel vom Hor des Adrast aur die GÖHerebene); Jaso n bei Aietes, Val. Flac. 5,617-622 (Wechsel vom Hof des Aietes auf die Göuerebene); Hoch7.eit von Pluto und Proscrpina, Claud. rapt. Pros. 2,37 1-3,2 (Wechsel vom Hades zum Olymp). Vgl. dazu auch den Aurenthalt des Telemach bei Menelaos, bei dem zwar die beiden ersten, ausflihrlich beschriebenen Tage durch ein Nachtlager voneinander abgesetzt werden (Horn. Od. 4,302-305), der zweite Tag aber mitten in der Mahlvorbcrei tung, d.h. ohne Nachtlager, abbricht, worauf sich der Erzäh ler der Parallelhandlung in Ithaka zuwendet. Der Zusammenhang zwischen heiden Szenen wird hier durch ein fon laufendes, mit I-IE\I - SE verbundenes SatzgefUge gekennzeichnet (Horn. Od. 4,624f.). Nach Abschluß der Paral[elhandlung im 15. Buch kehrt der Erzähler sodann mit der Darstellung eines Nachtlagers zu den Ereignissen in Spana zurOck (Od. 15,4-8).
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2. Die Typik der Gaslmahlszene
comedes als lang und drückend.2J.S Ei nen engen Zusammenhang mit dem Fo lgenden erzielen Silius ltalicus in der Annaszene und Valerius Flaccus beim Absch iedsmah l der Argonauten dadurch, daß Anna bzw. Jason zwar schlafen, im Traum jedoch göttliche Aufträge empfangen, die sie nach dem Erwac hen ausfuhren , so daß es auch hier nicht zu einer wirk li chen Zäsur in der Handlung kommt (Si l. 8, 164- 19 1; Val. Flac. 1,300-3 11 ). In der SeITanusszene der Punica, bei der die Nachtruhe des verwundeten Legionärs zugleich einen Heilschlaf darstellt, setzt der Gastgeber Marus seine Bemühungen um den Kranken schon vor Tagesanbruch mit ungebrochenem Eifer fort, so daß das Nachtlager hier ausnahmsweise nicht als Schluß der Szene, sondern nur als Anzeichen der Gesundung eingesetzt wird (Si\. 6,96-99: Quae poslquam properata [sc. die Reinigung der Wunden und die erste Stärkung des geschwächten Serranus] sopor Slia numero tandem I applical er mitem fundit per membra quielem. I Necdum exorla dies, Marus ins/at vulneris aestus I experris medicare modis) . Die Szene endet erst, als sich der Dichter abrupt dem Parallelschauplatz Rom zuwendet und dabei nach dem oben beschriebenen Muster auf die Darstellung eines erneuten Nachtlagers verzichtet (S il. 6,55 1f.: Die Gleichzeitigkeit wird durch ;nterea markien). Kun stgriffe dieser Art sind zwar auch dem homerischen Di chter bekannt (man vergleiche die Erscheinung des Hennes vor Priamos, Horn. 11. 24,677688, und außerhalb der Gastmahlszene die der Athene vor dem sch laflosen Te lemach, Od. 15,7-42 oder vor Odysseus Od. 20,28-53), doch werden sie erst in der lateinischen Epik häufiger am Ende von Gastmah lszenen eingesetzt. Dadurch erhöhen die Dichter im Vergleich zu Homer das Erähltempo, verzichten aber zugleich auf eine Möglichkeit, die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Gastgeber und Gast am Sch luß der Szene noch einmal durch die ausfUhrliche Darstellung des Nachtlagers zu veranschau lichen.
235 Verg. Acn. 3,7 16-4 ,2: Sic pater Aeneas inlelltis omnibus lI/l/IS f fata renarrobat divum Cllr$lIsqlle docebat. I CQnlicuit tandem f actoque Mc fi ne quievit. I At regina gra vi ;omdudllm sOllda cura f vIIInIls aUt w nis et caeco carpilllr igni; SIal. Ach. 1, 195-200: Nox trahit in somllos; saxo coniabilllr ingeru f Centa llnls blandllsq ue umeris se ;,mectit Achil/es . f qllomqllom ibi fido parens, adsllelaque pectora mavll fl. I At Thetis /IIrd isonis per noctem in nllJibll.f astafIS. f quae nato secreta velit (... ] 11/Ic illllc divisa mente wJ/utat; Slat. Ach. 1,816-8 18: cetera depositis Lycomedis regia cllris I trallqlliIJa .fllb pace si/eI. sed tanga sagad f nox Ithaco. IlIcemqlle cllpit somnumqlle gravalllr.
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Weitere Einzelheiten aus dem Bereich des epischen Gastmahls Außer den eben beschriebenen erscheinen noch weitere Einzelheiten mehrfach im Umfeld eines epischen Gastmah ls. ohne jedoch in allen Epochen einen festen Bestandteil der Szene zu bi lden. Dies gi h für die >Begegnung auf dem WegGastgeschenke< und das >BadBegegnungen vor dem Mahl < unterscheidet sich die Darstellung auch durch di e Beteiligung der Phrixossöhne am eigentli chen Gastmahl. In all en anderen Fä ll en greifen di e Helfer nur während der Reise ein und verabschi eden sich, ehe der Besucher das Haus seines Wirtes betritt . In der Helenusszene der Aeneis geht von der Begegnung auf dem Weg ke in prakti scher Nutzen fllr das Zusammentreffen mit dem Gastgeber aus. Das Gespräch des Aeneas mit der trauernden Andromache dient vielmehr dazu, das Pathos der Szene zu erhöhen und eine direkte Verbindung zu den Ereigni ssen des troj ani schen Krieges zu schaffe n. Gastgeschenke Die Übergabe von Geschenken bildet bei Horner eine auch außerh alb von Gastmahlszenen erwähnte Mög lichkeit, e iner anderen Person seine freundli che Gesi nnun g zu bekunden. Wenn er dazu imstande ist, antwortet de r Besc henkte mit e iner Gegengabe, di e ein Band wechselse itiger Freundschaft knapft (s. Horn . 11. 6,232-236: Glaukos und Di omedes tauschen ihre Rüstungen). Geschenke im Zusammenhang mit einer Gastmahlszene werden dagegen nur in der Odyssee beschri eben, wo der Wirt den Fremden bei der Abreise je nach seinen Möglichkeiten mit kostbaren Gegenständen, 237 Ähnliches gilt ftlr die Begegnung von Jason und Medea aur dem Weg zum Tempel des Sol (Val. Flac. 5,373·398: hier handelt es sich um eine rein praktische Hilfe) .
2. Die Typik der Gastmahlszene
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Kleidung, Proviant und manchmal sogar einem Gefährt und Begleitern ausstattet (5 Belege2J8). Wenn Frauen als Schenkende auftreten , überreichen sie ihren Gästen kostbare Gewänder a ls Gabe. 239 Diese Geste gilt als Teil der Gastfreundschaft, so daß der Wirt, sollte er dem Fremden einst einen Gegenbesuch abstatten, seinerse its auf entsprechende Leistungen hoffen kann ? 40 In den iliadischen Gastmah lszenen hingegen, in denen alle Teilnehmer bereits durch Freundschaft oder kriegerische Allianz miteinander verbunden sind, unterbleiben solche Beweise dauerhaften Wohlwollens, obwohl der Brauch selbst in der Glaukos-Diomedes-Szene ausdrücklich envähnt wird (Horn. 11. 6,2 18-221 : Erinnerung an die Gastfreundschaft der Väter). Die Lösung Hektors, die einzige Szene, in der die Beteiligten erst während des Mahles miteinander vertraut werden und daher eine Übergabe von Gastgeschenken zu erwarten wäre, endet mit der Flucht des Priamos, so daß Achill keine Ge legenheit hat, ihn mit Gaben auszustatten, die der 24 1 Fremde gewöhnlich beim feierlichen Abschied erhä lt. 238 Athenc bei Telemach (Horn. Od. 1,310-318: die Götlin lehnt das Geschenk vorerst ab); Telemach bei Nesto r (Horn. Od. 3,478-485 : Nestor stellt Telemach e in Gespann zur Verfügung und gibt ihm seinen Sohn Peisistratos al s Begleiter mit); Telemach bei Mcnelaos (Horn . Od. 15, 101-130); Odysseus bei den Phäaken (Horn. Od. 13. 10- 14 und 66-69); Odysseus bei Eumaios (Horn. Od. 14,5 15f.: das aus Kle idungsstücken bestehende Gastgeschenk soll später von Telemach übergeben werden). Vgl. zum Wegbegleiter in der nachhomerischen Epik A.R . 2,8 14 (Lykos g ibt den Argonauten seinen Sohn a ls Begleiter mit) und Verg. Acn. 3 ,470 (ilelenus stel lt dem Aeneas Führer); Verg. Aen. 8,587f (Euander gibt dem Acneas se inen Sohn Pallas als Kampfgefährten mit). 239 Helena fibergibt Telemach das schönste ihrer selbstgewebten Gewänder (Hom. Od. 15. 104-108); Arete schickt drei Mägde zum Schiff. die Kleidung für Odysseus brin· gen (Hom. Gd. 13.66-68). S. dazu PEDRICK ( 1983). Dasselbe gilt rur die nachhomerische Epik : Andromache bringt Kleider fur Acneas und Ascanius (Verg. Aen. 3.482-49 1): die Frau des Cyzicus bringt Kleider (Val. Flac. 3,8·10: der Text ist alle rd ings umstritten, dazu LtUERMAN 11997] 21 6). Vgl. außcrhalb einer Gastmahlszene die Kleidung, die Penelope Odysseus bei seiner Ausrahrt nach Troja mitgab, Hom. Gd . 19,225-2 58. Umgckehrt erhalten Frauen vom Gastfreund unter anderem Gewänder und Schmuck: Aeneas läßt für Dido außer einem kostbaren Königsszcpter auch ein besticktes Gewand und Schmuck holen, das cr seinerseits als Geschenk von He lena erhalten hat. Verg. Aen . 1,647-655; Odysseus und Dio medes überreichen den skyrischen Mädchen Schmuc k. Kleider. Thyrsosstabe und Musikinstrumente, Stal. Ach. 1.7 14-7 t 6 und 849f. 240 Vgt. die Zusage von AthcnelMcntes, die Telemachs Gastgeschenk für den Augenblick hMich ablehnt. Ho m. Od. 1,316·3 18: OWPO\l O· ÖTTI KE 110 1 SoÜ\lOI q>C\ O\l ~TOP avwYEI. / OllTlS aVEpxol1l v,+, öOlJEVOI OTKOVOE q> ~ pEOeOl . / Koi 1100AO !CoA()\!
EAWV' ooi 5' 6~I O\l loTOI 0I10Ißi'lS.
241 Bei den Gaben, die Priamos dem Achill anbietet. handelt es sic h nicht um Gastgeschenke, sondern um das Lösegeld für Hekto rs Leichnam (Horn. 11. 24.229-237 und Hom.
11. 24,458).
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2. Die Typik der GaSlmahlszene
Die späte Übergabe der Geschenke, die unter Umständen erst nach einem langen, von anderen Ereigni ssen unterbrochenen Aufenthalt stattfindet, fUhrt dazu, daß die Geste be i Homer ni cht mehr in die eigentliche Gastmahl szene fällt und daher auch nicht in das typi sche Schema eingeordnet werden kann. Ähnliches gilt für die Argonautika des Apollonios, wo einmal (beim Aufenthalt bei Lykos, A.R . 2,813f.) ein Abschiedsgeschenk des Wirtes vorkommt sowie fur das an ApoUonios orientierte Argonautenepos des Valerius Flaccus (ein Beleg: Argonauten bei Cyzicus, Val. Flac. 3,8- 13, der Text ist a llerdings umstritten). In der Aeneis hingegen tritt erstmals neben dem üblichen Abschiedsgeschenk des Wirtes, wie es Helenus und Andromache, die im Exi l ein kleines Troja errichtet haben, dem Aeneas nach ho merischer Tradition überrei chen (Verg. Aen . 3,463-471 ), auch der Besucher innerhalb einer Gastmah lszene als Spender auf: Dido erhält von Aeneas kostbare Gegenstände, die Cupido in Gestalt des Ascanius herbeibringt (Verg. Aen. 1,647-655; 1,709-7 14). Diese dienen, anders als bei Homer, nicht als Beweis fortdauernder Freundschaft gegenüber dem scheidenden Gast, sondern unterstreichen Wohlwollen und Rang des Besuchers, der auf diese Wei se eine stärkere Pos ition erhält als in der Odyssee.242 Diese Variante des ))Gastgeschenks« wird jedoch nur noch einmal (in einer abgewandelten Form) von Si liu s Itali cus aufgegriffen , der den unerkannt bei Falemus einkehrenden Bacchus zum Dank für die Gastfreundschaft die Gabe des Weins stiften läßt (S il. 7, 171-205). Eine Besonderheit stellen auch die Geschenke dar, die Diomedes und Odysseus der Fami lie des Lycomedes am zwe iten Tag des Aufenthalts überreichen (Stal. Ach. 1,841-874). Diese dienen zwar vorgebli ch als Zeichen des Dank s fUr die Bew irtun g und als Anerkennung fUr den Tanz der Mädc hen , sollen aber in Wirkl ichke it den als Frau verkle ideteten Achill in eine Fa lle locken (Stal. Ach. 1,719-725). Tatsächlich wählt der Held nicht wie seine Geflihrtinnen Schmuck und Musikinstrumente, sondern ergreift die bereit liegende Rüstung, wodurch er sich verrät. Maßgeblich für den Zeitpunkt der Übergabe sind hier nicht die traditi onell en Gepn ogenhei len der Bew irtung, sondern d ie günsti ge, von Odysseus herbeigefUhrte Ge legenheit, Achi ll zu enttarnen. Nur im Anschluß an den Reigen können die 242 Vgl. auch außcrhalb einer GaSlmah lszene den Besuch des Aeneas bei Lalin us (Verg. Aen. 7. 155 und 243-248: Aeneas läßt als Geschenke die goldene Oprerschale des Priamus, sein Szepter, seine tiara und troische Gewänder herbeibringen. Zur Bedeutu ng des ebenralls als Geschenk genannten. unbestimmten gesflImell an dieser Stelle s. FORDYCE [ 19771 ad loe.).
2. Die Typik der Gastmahlszene
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Gäste, ohne Argwohn zu erregen, die Frauen des Hauses beschenken und ihre Reaktionen beobachten. Bad Ein Bad Hir einen Mahlteilnehmer wird im Zusammenhang mit 11 von 40 untersuchten Szenen erwähnt Die me isten Be lege (insgesamt 6) stammen aus der Odyssee,24J während es sic h in der lIi as gar ni cht find et (bier stellen sich Nestor und Mac haon an den Meeresstrand, um den Schweiß im Wind trocknen zu lassen, Horn . 11. 11,62 1f.). Außer der Reinigung mit Wasser um faßt das Bad eine Sa lbung mit Öl und schließlich das Anlegen frischer Kleider. Die einze lnen Vorgänge werden mit Fonnelversen beschrieben (s. dazu unten S. 11 7f.), di e in nachhomeri scher Ze it nicht mehr erscheinen, wie überhaupt di e Häufigkeit der Bad beschreibungen abnimmt. Bei Apollonios erscheint di e Reinigun g mit Wasser in zwei von fli nf Szenen, doch hande lt es sich in e inem Fall um e ine knappe Andeutun g (Jason bei Aietes, A. R. 3,300) und im zweiten um ei ne ebenfall s kurz gehaltene Umkehrung der Rollen, bei der nicht der Wirt dem Gast ein Bad bereitet, sondern die Gäste ihren hilflosen Wirt Phineus von Schmutz und Unrat reinigen (A. R. 2,30 1f.). Va lcrius Flacc us, der sich sonst auch in Einze lhe iten an Apoll onios orienti ert, verzichtet dagegen auf das rein igende Bad des VOll den Harpyien gepl agte n Greises. Der Gedanke der Reini gung erscheint in den lateinischen Gastmahl szenen sonst nur in der Achi lleis des Statius, wo sich der von der Jagd hei mgekehrte Achi ll Haar und Gesicht im Fluß wäscht (Stat. Ach. 1, 178- 183) sow ie in zwei kurzen Abwand lungen, bei denen Marus und Adrast da filr sorge n, daß die Wunden ihrer Gäste gewaschen und verbunden werden (S il. 6,9 1 und Sial. Theb. 1,527f.). Es handelt sich also im Wesen tlic hen um e ine Eigenart der Odyssee, wobei in e inem Fall (Te lemach bei Nestor) der Gast nic ht nur erfri scht, son24J dern auch mit gött licher Hilfe versc hönt aus dem Bad hervorgehl. Diese Wirkung finde t sich außerha lb von Gastmahl szenen noc h mehrfach, vgl. die 243 Athene bei Telemaeh (Horn. Od. 1,309-3 15: Telemach bietet ein Bad an. das die Göuin hönich ablehnt): Telemach bei Nestor (Hom. Od. 3,464-468: Bad am 2. Tag des Aufenthalts); Telemac h bei Mcnelaos (Horn. Od. 4,48-51); Odysseus bei den Phäaken (Horn. Od . 8,433-437: Bad nach den We ttspielen); Odysseus bei Kirke (Horn. Od. 10.360-367: Bad, nachdem Kirke Odysseus erkannt hat. sowie Horn. Od . 10.449-451 : Bad rur die Gefl!.hrten nach der Gastmahlszene, im wei teren Verlauf des Aufemhalts); Theoklymenos bei Te lemach (Horn. Od. 17,85-90: Gastgeber und Gast baden gemeinsam). 244 S. Horn. Od. 3.468: flC p' ooouiv60u ßi'i SEIlOS 6eOVOTOlCl olloios.
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2. Die Typik der GaSlmahlszene
improvi sierte Waschung des Odysseus am Strand von Scheria (Horn. Od. 6,229-245) und sein Bad zwischen dem Freiermord und der Wiedererkennung durch Penelope (Horn . Od. 23,154-163). Ein )übernatürlicher< Effekt läßt sich bei keiner nachhomerischen Badbeschreibung fe ststellen, wo die Protagonisten allenfalls eine vom Bad unabhängige Anziehungskraft besitzen (vgl. Jason, A.R. 1,307-31 1 und 3,443f. sow ie Aeneas, Verg. Aen. 1,588-593). In allen Gastmahlszenen wird, wenn es sich nicht ausdrücklich um die Reinigung einer Wunde handelt, der ganze Körper gebadet. Die spezielle Fußwaschung, wie sie Eurykleia (außerhaJb einer Gastmahlszene) an Odysseus vollzieht, stellt dagegen eine besondere Geste der Aufmerksamkeit dar, die nur hier beschrieben wird. Schon in der Odyssee ist das >Bad< nur locker mit der Gastmahlszene verbunden. Nur dreimal findet die Erfrischung während der eigentlichen Gastmahlszene statt (Telemach bei Menelaos, Horn . Od. 4,48-5 1; Odysseus bei Kirke, Horn . Od. 10,360-367; Theoklyrnenos bei Telemach, Horn . Od. 17,85 -90), während sie dreimal erst im Verlauf eines längeren Aufenthalts erfolgt (Te\emach bei Nestor, Horn. Od. 3,464-468; Odysseus bei den Phäaken, Horn . Od. 8,433 -437 und 449-457; Bad flir die Geflihrten des Odysseus im Haus der Kirke, Horn . Od. 10,449-451). In einer Szene bleibt es bei einem Angebot, das die als Mentes getarnte Athene höflich ablehnt (Horn . Od. 1,309-3) 5). Aus diachroner Sicht kann das Bad daher nicht als regelmäßiges Element einer Gastmahlszene gelten.
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3. Die Norm. Der wohlhabende Gastgeber 3.1 Vorbemerkung: Die homerischen Gastmahlszenen Die meisten der berücksichtigten Gastmähler (32 von 40) werden von einem Gastgeber ausgerichtet, der, auch wenn die Vermögensverhältnisse im einzelnen differi eren, leicht in der Lage ist, einen Besucher aufzunehmen . Diese Konstellat ion ist schon in den homeri schen Epen so verbreitet, daß sie, al s scheinbare Selbstverständlichkeit, in der Forschung nur dann themati siert wird, wenn eine Mahlszene von dieser Vorgabe abwe icht oder wenn der Rei chtum eines Königs wie Alkinoos ans Märchenhafte grenzt. In der Ilias gehören alle Gastgeber zu den wohlhabenden Kreisen, und auch in der Odyssee verfügen alle Wirte mit Ausnahme des Eumai os über ausreichenden Besitz. ' Ähnliches gilt rur die übrigen Epen. Die Bewirtung durch e inen wohlhabenden Gastgeber kann daher als Norm rur epi sche Mahlszenen ge lten. Das fo lgende Kapitel soll einen Überbl ick über den Aufbau des »no rmalen« homeri schen Gastmahls verm itteln, welches die Grund lage rur die Entwi cklung des Szenenty ps in der griech ischen und römischen Literatur bildet. Dabei soll en vor allem di e Details hervorgehoben werden , in denen sich der Ablauf e iner homerischen Gastmah lszene von dem oben vorgestellten diac hronen Schema unterscheidet. HierfUr ist ei ne Ause inandersetzung mit dem von REECE vorgelegten Pl an einer ho meri schen ~~hospitality-scene« si nnvol1. 2 Alls der Di skussion soll deutli ch werden, warum dieser Ansatz in der vorliegenden Arbei t - anders als in PLANTtNGAS Untersuchungen zur »hospita lity scene« bei Apollonios - ni cht übernommen wird.
I Auch die Nymphe Kalypso und die Göttin Kirke verfUgen Ober alle Mille! zur Bewirtung eines Gastes: Kalypso, d ie in einer wundervollen G rolle lebt, welche sogar Göller in Erstaunen versetzt (s. Horn. Od. 5.73-76), rOckt Hermes einen »glänzenden, sch immernden Lehnstuhl« hin (Horn. Od. 5,86), wie es auch andere Gastgeber tun (s. oben S. 67). Kirke verfilgt, wie die adligen Gastgeber der Odyssee. über mehrere Dienerinnen (es handelt sich dabei, dem göttlichen Ambiente entsprechend, um Nymphen), die den Gast baden, d ie Mahlvorbereitung abernehmen und Tischdienste lei sten (Horn. Od. 10.348372). 2 Die von REECE ausgewerteten Mäh ler sind oben S. 36 aufgefUhrt.
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11 2
3. 1 Vorbemerkung - Die homerischen Gastmahlszenen
Die äußerl ich aufHilli gste Besonderhe it der homeri schen Epen besteht in der Verwendung von Fonne lversen,3 die auch die Gastmahlszenen prägen. Spätere Epiker imiti eren nur weni ge dieser Verse und verzichten darauf, einen eigenen Bestand feststehender Fonnulierungen zu entwickeln. Das Korpus der homeri schen Gastmahl szenen erweckt so im Vergleich zu nac hhomeri schen Be ispielen schon sprachli ch den Eindruck größerer Geschlossenhe it. Um welche Verse es sich jewe ils handelt , wird unten be i der Besprechung der verschiedenen Bestandtei le angegeben. Für di e Identifizierung typischer Strukturelemente in homeri schen Gastmahl szenen sind die im dritten und vierten Buch der Odyssee beschri ebenen Bewirtungen des Te lemach bei Nestor und Menelaos besonders geeignet, da sie unter gleichen Voraussetzungen stattfinden. In beiden Fällen wird dieselbe Person (Telemach) bew irtet, di e sich mit demselben Anliegen - Informationen über das Schicksal des Odysseus zu erlangen - an dessen ehemalige Kampfgefährt en wendet. Beide Gastgeber reagieren wohlwollend und heide verfüge n, der Norm entsprechend, über di e materiell en Mög lichke iten für e ine großzügige Bewirtung. Zudem folgen die bei den Gastmähler so dicht aufeinander, daß der Hörer zum Vergleich aufgeforde rt wird. Ähnlich günsti ge Voraussetzungen sind bei keiner anderen homeri schen Bewirtun g gegeben. Di e beiden Szenen stimmen in folgenden Deta ils überein : I) Ankunft des Gastes während e ines Mahl s 2) Beschreibung der Anwesenden und ihrer Tätigkeiten 3) Anwesende erbl icken di e Gäste 4) Begrüßung durch Gesten 5) Sitzplatz neben dem Hauptgastgeber 6) eigentli ches Mahl - Vorbereitung des Mahl s (als Speisen werden Fleisch und Wei n genannt) - Endes des Mahl s (Fonnel: alh o p b rei TromOS Ka i e8rrnJos E~ epo v EVTO) 7) Gespräch zwi schen Gastgeber und Gast - Erzählungen des Gastgebers 3 Nach der Defi nition PARRYS ( 1939) 80 ist ein homerischer Formelvers »a group of words which is regularly employed. under the same metrical conditions, to express a gi· ven essential idea.(
3. 1 Vorbemerku ng - Die: homerischen GaSllnahlszencn
I 13
- Frage nach der Identität des Gastes - Identifizierung des Gastes 8) Nachtlager
- Gast bittet um Nachtruhe - Schl afplatz des Gastes - Schlafplatz des Gastgebers u. seiner Frau (Forme l: Kageü5e
~vxi;>
06~ov ~Aoio)
Hinzu kommen vier übereinstimmende Deta il s, die im weiteren Verlauf des Aufenthalts, d.h. außerhalb der oben definierten Szenengrenze. beschrieben werden : 9) Anbruch des folgenden Tages (Fonnel: i\~os 6' npIY' VElO q>o v~
p06050'-'\lAos 'Hws)
10) Absch iedsmahl
11 ) Der Wirt überreicht dem Gast Gesc henke 12) Abreise auf einem Pferdegespann sowie jeweils ei n von Di eneri nnen bereitgeste lltes Bad und e ine feierliche Trankspende. die jedoch wegen des unterschiedlichen Kontextes der Be· wirtungen (Opfer für Poseidon am Strand bzw. Hochzeitsfeier im Palast des Menelaos) zu verschiedenen Zeitpunkten stattfinden.4 Zieht man auf dieser Grundlage die übrigen Gastmäh ler in IIi as und Odys· see zum Vergleich heran, so zeigt sich. daß einersei ts nur wenige der er· mitteilen Gemei nsamkeiten in all en homeri schen Gastm ählern ersche inen (z. B. Vorbere itung des Mahls und Sitzpla tz) , und daß andere rsei ts die übri· gen Szenen wiederholte Elemente aufweisen, die in den Bewirtungen bei Nestor und Menelaos ni cht zu find en sind (z. B. di e Begegnung des Gastes mit eine m Haushund und das Abnehmen des Speeres bei der Begrüßung). 4 Bei estor, der eben am Strand ein Opfer rur Poseidon darbringt. erfolgt die Trankspende (als Teil der religiösen Zeremonie, s. Horn. Od. 3.43f.) unmittelbar vor dem e~ ten Mah l ( ~I om. Cd. 3,40-64), wahrend Menelaos keine Spende darbringt. Die Verse Horn. Od. 15, 14 7.1 50. die REECE als Abschieds libation zah lt, beschreiben keine Trankspende, sondern eine freundliche Geste des Menelaos, der seinen scheidenden Glisten zutrinkt . Umgekehrt kann Nestor, anders als Menelaos ( Horn. Od . 4.4 8-50), den Besuc hern nicht gleich bei der Ankunft ein warmes Bad bereitstellen, da sich die Feslgesellschaft gerade am Strand aufhalt. E~t am zweiten Tag, als alle in den Palast zurOckgekehrt sind. wird Telemach daher von einer Dienerin gebadet (Horn. Cd . 3.464-468).
114
3.1 Vorbemerkung - Die homerischen Gastmahlszenen
Es muß daher geklärt werden, ob und unter welchen Bedingungen ein Element, das nicht in allen homerischen Gastmahl szenen erscheint, als typisch betrachtet und in ein Schema aufgenommen we rden kann .s Hier liegt der Haupleinwand gegen den Ansatz von REECE, der auf eine Präzis ierung seiner Beurteilungskriterien verzichtet. Die Aussage, se in Schema umfasse Elemente »that occur repeatedly in the eighteen hospitality scenes uoder consideration« (S. 6), bleibt angesichts der stark schwankenden Häufi gkeit der Elemente unbefriedigend. Vor allem bei Details, die nur zweima l oder dreimal auftreten, wie das Abnehmen des Speeres bei der Begrüßung ( Ho rn . Od. 1,127-129 und Horn . 0Odysseus and Polyphemus (Gd. 9. 105-564)«; )>Odysscus and Aeolus (Od. 10 . 1- 76}1~; »Odysscus and the laestrygonians (Od 1O.8()" J32}1(, Odysscus and Circe (Od. 1O. 133- tI.l 2; t2.1-1 52}1Odysscus and Eumaeus (Od. 13.221-14 .533; 15.301-494; 16.452-1 7.25; 17. 182-203)((; ).Telemachus and Eumaeus (Gd. 1 5.555 -16. 1 55~( ; »Odysseus' Homecoming (Od. 17.204-23 .348)((, ))The Embassy to Achilles (11. 9,185-668}1a lle Ereignisse zwischen Ankunft und Abreise des Gastes yE 6vaKTL T paTfE~f'iEt; KVVEt; T1oav). Offenbar werden diese Tiere, wie schon die Bezeichnung TpaTfE~f'iES KVvES nahe legt, nicht zur Bewachung des Zeltes eingesetzt. Einen Überbl ick Ober d ie Darstellung von Hunden in der griechischen Dichtung bietel UUA ( 1976), allerdings ohne d ie el7llhlteehnische Funktion der in der Odyssee wiederholl erwähnten Tiere am Hausei ngang näher zu untersuchen. S. bes. 26-29. Vgl. auch SCOlT ( 1948), der aus den Erw!lhnungen von Hunden in llias und Odyssee Argumente für die Identität von lIias- und Odysseedichter gewinnen wi ll.
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3. 1 Vorbemerkung - Die homerischen Gastmahlszenen
12 1
Szenen ersche int ( 11 Szenen bei REECE, davon neun mal in der Odyssee, zweimal in der lIias)20 gehört bei Homer zu den häufi gsten Elementen. ))Typi ca lly the visilor remains at the doorway fo r some time, wa iting for the master to notice hirn and ( .. .] offer hosptita lity .«21 Ob der Gast stehend oder sitzend auf Ein laß wartet, hängt nach REECES Au ffass ung von seinem sozialen Status ab: )) If the visitor is a social equal [... ] he stands at the doorway [ ... ]. If tbe visitor is a social in fe ri or [... ] he sits at the doorway in a posture thai symbolizes submission and helplessness. «22 Ein direkter Zusammenhang zwischen sozialem Status und der Kö rperhaltung des Gastes läßt sich j edoch aus den drei OdysseesteIlen, an denen e in Ankömmling auf der Schwelle sitzt, nicht ablesen.2J Als sich Odysseus in Gestalt des alten Mannes am Eingang zu Eumaios ' Gehöft niedersetzt und sei nen Stab fa llen läßt, handelt es sich um ei ne unmittelbare Reakt ion auf die Attacke der Hofhun de, die weniger seinen sozialen Status als vielmehr sei ne Hilfl osigkeit gegenüber den wütenden Ti eren unterstreicht und Eumaios zu einer Hil fe le istung bewegt (s. dazu unten S. 2 19f.). Auch beim zwe iten Besuch im Haus des Aiolos dient die sitzende Posi tion ni cht dazu, soziale Rangunterschiede, so ndern die augenblickliche Hilfl os igkeit des von de n Winden verschlagenen Odysseus zu verdeutlichen (Horn . Od. IO,62f.). Ein sozialer Rangunterschied zw ischen Gast und Gastgeber kommt in dieser Szene schon deswegen ni cht in Betrac ht , weil Aio los und seine Famili e Odysseus kurz zuvor bew irtet und ihn dabei ni cht wie eine rangniedere Person, sondern wie eiTnl VTO ~ i AE I nen Freund behande lt hatten (s. Horn . Od. 10, 14: I.nlva IlE). Auch die von den Göttern begünstigte Stell ung des Aiolos rechtfertigt
oe
20 Die Belege sind oben S. 48fT. aufgefUhrt. REECE rechnet auc h die Presbeia hinzu, wo die Gesandten aber nicht an der TOrseh welle. sondern direk t vor dem in sei nem Zelt sitzendcn Achill stcht:n bleiben (Hom. 11. 9, I92 f.) sowie den nicht szeni sch dargestellten Bcsuch des Odysseus bei Aiolos (Horn, Od. 10,62f.) und die (von ihm als einzige große Szene betrachtete) Heimkehr des Odysseus (Horn. Od. 17,26 1 und 339-34 1). Andererse its trennt er nicht zwischen der Bewirtung der Gefährten des Odysseus bei Kirke und dem GaSlmah l fUr Odysseus selbst. In den Hymnen zähl! REECE zwei Belege (Demeter bei Keleos. hy. Dem. lSSf. und Aphrodite bei Anchises, hy. Aphr. S I). 21 REECE(1993) 15. 22 REECE( I993) 15f. 23 Es handelt sich um den zweiten Besuch des Odysseus bei Aiolos, de r nach unserer Definit ion nicht zu den Gastmahlszenen zählt (Horn. Od . 10,62f. : t AeOVTEI) S' EI) BW~a TTapa OTae~O'OLV ETT' ouoov I tt;o~[e ' ), seine Bewinung durch Eumaios (Horn. Qd, 14 JOf.: aVTap 'OSUOOEVI) I Et;ETO K[POOoWI) und seine Heimkehr, die ebenfalls kei · ne geschlossene Szene bildet (Horn. Od. 17,339f.: tt;e S' eTTi ~[hivou oIioov f VToo6e 9upowv I KAtv6:~E VO') OTaelJ~ KVTTaploo(vy).
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122
3. 1 Vorbemerk ung - Die homerischen Gastmahls.zencn
ni cht die Annahme, daß Odysseus die Stelle ei nes »soc ial i nfe ri oT1 TiOEt XPUOELO KUTTEAAO , Kilpv~
S' OVTOtOlV 601.1 ' €TTc;,XETO OiVOXOEUWV.
Die Organ isation der homerischen Dienerschaft in ei nze lne Gruppen, die von REECE nicht hervorgehoben wird, hat auf die Gastmahlszenen der späteren Epi k großen Einfluß ausgeübt und gehört aus diachroner Perspektive zu den am häufigslen wiederkehrenden Elementen. Während der homerische Dich ter die einze lnen Klassen oft durch unterschied liche Bezeichnungen vonei nander abgrenzt (s.o. S. 77 f.), erzielen sei ne Nachfo lger denselbe n EfTekt durch gliedernde Partikeln (oi - oi: o i IJEV - 0 \ alii - alii; fli - hi; pars - pars etc.), die die strafTe Organisation noch stärker betonen. Bei Homer erscheint di ese Art der Einteilung nur bei den vier Mägden im Palast
oe:
43 Athene bei Telentach (Horn. Od, 1,136- 140); Telemach bei Menclaos (Horn. Qd. 4,52-56): Odysscus bei den Phäaken (I-10m. Od. 7.1 72· 176): Odysseus bei Kirke ( Horn. Od. 10.368-372): Thooklymenos bei Telemach (Horn . Od. 17.91-95). 44 Andere Nahrungsmittel als f leisch, Brot und Wein werden nur beim Besuch des I'atroklos im Zelt des Nestor und beim Aufenthalt der Gefährten dcs Odysscus bei Ki rke geschildert ( Horn. 11 . 11 .638-641 und I-10m, Od. 10.234-236), In beiden Fallen wird geriebener Käse mit pramnischen Wein vennengt; im Fa ll des Nestor gehören auch Honig, Zwiebeln und Gcrslenmehl zu den bereitgestellten Speisen (Horn. 11. 11.630f.. bei der zweiten Zubereitung durch Kirke wird nur der Name des Tranks. nicht aber seine Zusammensetzung genannt, Horn. Od. 10.316). In beiden Szenen handelt es sich um Sonder· flille . Bei Nestor werden die Speisen nicht ror den in Eile befindlichen Patroklos bereitgestellt, der sogar einen Sitzplatz ablehnt und gleich wieder aufbrahen will . nachdem er den Gast des Nestor, Ober dessen Identit.!t er Achill Auskunft geben soll. als Machao n erkannt haI (Ho rn. 11. 11,648-654), sondern rur den erschöpR heimkehrenden Haushcrm Nestor. Kirke bereitet den Ankömmlingen ei nen Zaubertrank, der sie zusammen mit dem Rutenschlag in Schweine verwandelt ( Horn. Od, 10,234-243). so daß die ., Bewi rtung{( auch hier nicht in Oblicher Weise zu Ende gebracht wi rd.
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3.1 Vorbemerk ung - Die homerischen Gastmahlszcnen
der Kirke, deren G leicharti gkei t (bei all en handelt es sich um Nymphen) durch die Be iordnung unterstrichen wird ( Horn . Od. 10,3 52-359) sowie bei den die Freier bewirtenden Dienern, die AthenelMentes beobachtet, während sie auf Ei nl aß wartet:~5 Die in den Fonnelversen beschriebenen, nur mit ihrer Gruppenbezeichnung genannten Di ener verrichten ihre Tätigkeit stets o hne Fehl und Tadel und ohne vom Hausherm dazu aufgefordert oder überhaupt angesprochen zu werden. Durch eine d irekte Anrede wird be i Horner während der Mahlvorbereitung nur der phäakische Herold Pontonoos hervorgehoben, der nach der ersten Bekösti gun g des Odysseus auf A nweis ung des Alki noos Wein für eine Trankspende mi scht. 46 Dabei hande lt es sich ausdrückli ch um eine auf die Ankun ft des Odysseus abgestimmte, dem Zeus Hi kesios gewidmete Libation, deren außergewöhnlicher Charakter durch d ie sonst unübl ic he Anrede an den Herold unterstrichen wird. Auf den Genuß von Speisen und Getränken (Elemen t Vll b in unserem Schema, ))Consumption«, Element IXb REECE) geht der Di chter in den homeri schen Gastmahl szenen nur dre imal näher ein (be im Besuch des Herrnes bei Ka1ypso sowie bei den Aufenthalten des O dysseus bei den Phäaken und bei Eumaios).41 Der Götterbote verzehrt Nektar und Ambrosia, die typi sche Speise der Himmli schen (Hom. Od. 5,92-94), Odysseus bittet die Phäaken, ihn erst zu befragen, nachdem er gespeist habe (Horn . Od. 7,2 15-221 ), und der )) Benler« Odysseus verzehrt in der Hütte des Eumaios schweigend das gebratene Ferkel, das ihm der Sauhirt vorsetzt, wobei er den lebhaften Klagen lauscht, di e der treue Diener über das Verschwi nden seines Herrn äußert (Horn. Od. 14, I09f.).48 In allen Fällen illustriert die ausdrückliche Dar-
45 Hier sind gliedernde Ausdrücke und Gruppenbezeichnungen miteinander verbunden, s. Horn. Od. I, I 09- 112: Kr,PUKEo; S' o v.oiot Ko i OTpl1poi SepcTTo IITEo; / oi IJEII
apo 01\10 11 lIJ10y o II E\li KPI1Ti1POI Kai ü5wp. I oi 5' o ihe OTTOYYOtOl TTOAUTpr,TOtOt TPOTTEt;Oo; I lIit;o \l KO\ TTpOTI9EII. Toi SE KPEO TTo Ahcl SOnÜ\lTo. 46 Horn. Od. 7.179. 183 : »TTOIITOIIOE. KPI1Ti1PO KEPOOOOIJE\lOS IJE6u \lEilJo\l / TTÖOtll o lla IJEYOPO\l. 'i\lo Ka i .6ti npTTtKEpo Uvt+' / Om iOOIJE\I. ÖO; S' iKETIJOI\I älJ' o iooiOtOl\l o rrI1SEi. (( / WO; !llOTO. TT O\lTOII~ 5t IJEAi
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3.1 Vorbemerkung - Die homerischen Gastmah lszenen
Hintergrundinformationen zu li efern oder gar die Handlung des Epos voranzutreiben. Am Hof der Phäaken, wo sowoh l Tanz als auch Gesang ausflihrlich geschi ldert werden, ist es nicht die tänzeri sche Lei stun g der Jünglinge, sondern der Gesang des Demodokos, der schließ li ch zur Identifikation des Odysseus und damit zu seiner Heimkehr fuhrt. Ähnliches gilt flir die Situation in dem von den Freiem besetzten Festsaal. Zwar wird auch hier der Tanz als Unterha ltungsfonn gewählt , doch nur der Gesang des Phemios über die VOOTOI der Trojakämpfer erlangt ei ne konkrete, über die gegenwärtige Situation hinausweisende Bedeutung. Indem er einen Bezug zum Schicksal des Odysseus herstellt, regt er Penelope zu ihrer bekümmerten Äußerung und Telemach zu seinem ersten selbstbewußten Auftreten an (Horn . Od. 1,337-359) und verweist den Leser damit auf die parallel laufende Heimkehrhandlung. Die Darbietung des Sängers ist in den homerischen Epen eng mit den Geschichten verwandt, die Gastgeber oder Gast einander vortragen. Besonders die Erzählkunst des Odysseus wird rühmend mit dem Vortrag eines aOl0os verglichen , der seine Hörer verzaubert (S. den Bericht, den Eumaios der Penelope von seinem Gespräch mit Odysseus gibt, Horn . Od. 17,5 14-521). Wie der Gesang, so können auch die Geschichten dazu dienen, die Handlung des Epos voranzutreiben; vgl. die Erlählung der Athene, die sich in der Gestalt des Mentes von Te lemach bewirten läßt und ihn dabei zur se lbständigen Suche nach se inem Vater ermuntert (Horn . Od. 1,253305) oder die Äußerungen des Eumaios (s. bes. 14, 144), die die Ankündigung der Athene bestätigen . daß der Sauhirt Odysseus freundlich gesinnt sei (Horn . Od. 13,404-41 1), wodurch er als potentie ll er Verbündeter in Frage kommt. REECE ( 1993) 28f. trennt in se iner Analyse zwischen «telling of stories«, das er als e ine Spie lart des Elements XIII (»After-dinner Entertainment«) auffaßt, und einem davon unabhängigen ) In fonnationsaustausch«, der ein eigenes Element bilde (E lement XII : »Exchange of informatio n«). Al s »storyte lling« klassifiziert er außer den Liedern der Sänger die Erzählungen des Nestor über seine Heimk ehr (Horn . Od. 3, 102-198) und über den Tod des Agamemnon (Horn. Od. 3,247-3 12), den Bericht des Menelaos über seine Rückkehr (Horn . Od. 4,76- 11 2) und seine Begegnung mit Proteus (Horn . Od. 4,347-586), die Kindheitsgesc hichte des Eumaios, die dieser dem Bettler vorträgt (Horn . Od. 15,383-494) sowie die Verse Horn. Od. 4,2 12-289. die jedoch nicht nur die Erlählung der He lena über Odysseus'
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3.1 Vorbemerkung - Die homerischen Gastmahlszenen
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Spähgang nach Troja, sondern auch ein kurz erwähntes Mahl , einen Umtrunk der Festgesell schafl und ein Gespräch zwischen Helena und Menelaos e nthalten. Ferner gehö ren nach R EECE di e Apologo i des Odysseus (Horn . Od. 9, 1- 12,453) und innerhalb d ieser der nur beiläufi g erwähnte Tatenbericht vor Aiolos (H o rn . Od. 10, 14-1 6) sowie Odysseus' Lügengesc hichten vor Eum.io, (H orn . Gd. 14, 19 1-359 und 462-506) und di e Verse Horn . Gd. 18,428-430 (s ie, es handelt sich offenbar um ein Versehen) in den Berei ch des »Geschichtenerzählens.« Während die Kretergeschichte, di e Odysseus dem Eumaios vorträgt, also a ls »Entertainment« (E lement XIII ) verstanden wird, stuft R EECE ( 1993) 28 die ebenso erfundene Kretergeschichte vor Pene lope ( Horn . Od. 19, 172 248) als »exchange of infomlation« ein (Element XIO. S7 Dieses Beispi el verdeutlicht die Schw ierigkeiten, di e sich aus einer Unterscheidung zw ischen »storytell ing« und »exchange of info nnatio n« ergeben: Sowohl Eumaios als auch Penelope fassen di e Lügengesc hi chten, die Odysseus bei seiner Heimkehr vorträgt, als ernsthaften, wenn auch unterhaltsam gesta lteten Infonnationsaustausch auf, ebenso wie andere »Geschichten«, di e ein Gast oder Gastgeber nach dem Mahl erzählen, stels auch der Selbstvorstel lung und damit der Info rmation dienen. Eine zusätzli che Schwierigkeit entsteht in R EEC ES Schema dadurch, daß er die Identifiz ie rung des Gastes, die sich im Laufe des Gesprächs ergibt und dem Wi rt wichti ge Informati onen liefert, ni cht unter das Element XII »Exchange of Infonnation« eingliedert, sondern sie als separaten Bestandtei l auffaßt (E lement X I: » Idenrificatio n«). Dieser gliedert sich nach R EECE in die Befragung des Gastes durch den Wirt (X I a » Host qllestions the vis itor«) und die Selbstvorste llllng des Gastes (X I b »Visitor revea ls hi s identity«). Diese Vorgänge untersche iden sich j edoch weder aus erzähltechnischer noch aus inhaltlicher Sicht vom Rest des Wechse lgesprächs, von dem sie daher nicht getrennt werden sollten. Überd ies nimmt die Identifi zierung des Gastes im Gespräch nur in der Odyssee ei ne zentra le und fü r den Fort57 Als weitere Beispiele fü r »Exchangc ofinfo rmalioOl< ne nnt REECE (1993) 28 d ie Verse Ho rn. Od. 14 ,11 5-1 4 7 (Eumaios erzäh h dem vermeintlic hen Bettler von sei nem verschollenen Herrn Odysseus) und d ie Vermutungen über sein Schicksal (Horn. Od. 14.42-44 und 133- 136), die Prophezeiungen des »Bettlers(( über d ie Heimkehr des Odysseus vor Eurnaios ( Horn. Od . 14,149-164 und 321-333) und vor Pene lope (Horn. Od. 19,269-307,555-558,583-587), d ie sehnsüchligen Äußerungen PeneJopes ober Odysseus ( Horn. Od. 19, 124-161 ) und d ie LOgcngeschichle des Odysseus vor Laer1es (Horn. Od. 24,266-3 14).
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3. 1 Vorbemerkung - Die homerischen Gastmahlszenen
gang der Handlung entscheidende Stellung ein,58 während sie in der llias gar nicht vorkommt. Bei der Wechselrede von Thetis und Hephaist, die REECE (1993) 227 als Beleg rur das Element ) Identification« betrachtet
(Horn. 11. 18,385f., 424-427 und 428-46 1l, geht es nicht um die Identität der ) Besucherin« Thelis, die der Gott sogleich erkennt und mit Namen anspricht, sondern um den Grund ihres Erscheinens ( Horn. 11. 18,385 = 424: TllTTE. ehl TaVVlTElTAE, iKcIVEIS TH.1ETEPOV 5w:). Das Gespräch sollte daher nach REECES eigenen Kriterien als Bestandteil des Elements XJI })Exchange of infonnation« gewertet werden. Während ein - wie auch immer gearteter - Austausch von Erlebnissen und Meinungen in den meisten längeren Gastmahlszenen vorkommt, erscheint eine ) Identifizierung« des Besuchers nur dann. wenn es sich tatsächlich um einen Fremden handelt. Daraus erklärt sich die Häufigkeit des Elements in der Odyssee, deren Thema die Heimkehr und schrittweise Wiedereinsetzung des zunächst unerkannten Odysseus in seinen alten Besitz bildet. In der Ilias hingegen, in der die Hauptpersonen einander vertraut sind und ohne Tarnung miteinander verkehren, ist keine Vorstellung der eigenen Person erforderlich. Da sic h außerhalb der Odyssee kein besonderes Eigengewicht der Identifizierung eines Gastes nachweisen läßt, ist es nicht sinnvoll , diesen Vorgang als selbständiges Element zu werten. Statt dessen sollte er als e in möglicher Bestandteil der »)Unterhaltung nach dem Mahl « aufgefaßt werden . Ähnliche Schwierigkeiten wie bei der Einteilung der Gespräche zwischen Gastgeber und Gast ergeben sich bei den von REECE angesetzten Elementen »)Visitor pronounces a blessing on the host« (E lement XIV) und »Visitor shares in a libation or sacrifice« (Element XV). Beide erscheinen in den homeri schen Epen nur se lten 59 und lassen sich nicht deutlich vonein58 Sie erscheint nach unserer Zählung in allen odysseischen Szenen außer den Besuchen des Hennes bei Kalypso (110 m. Od . 5,55- 148: Gastgeberin und Besucher kennen sich gut); der Gefähnen des Odysseus bei Kirke (Horn. Od. 10,210-243: hier kommt es nicht zu Gesprächen, weil die Besucher in Schweine verwandelt werden); des Theoklymenos bei Telemach (Horn. Od. 17,84- 166: hier haben sich Gast und Gastgeber schon fruher kennengelemt) und des Odysseus bei Autolykos (Horn. Od. 19,413427 : AUlolykos hat seinen Enkel Odysseus selbst eingeladen). 59 Ein Segen des Gastes wird nur in der Odyssee und auch hier nach REECES Zählung nur in drei Gastmahlszenen beschrieben (Horn. Od. 3,55-59 : Telemach bei Nesto r; Horn. 00YOVTE~ I OAAWV aVepWlTWV Sevp' hCOIJEe', oi d n 061 ZEV~ / t;on iow mp lTauo!] O lt;u~.
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3.2.1 Das Gastmahl bei Dido
met. 12,2 10-535), bzw. der lemnischen Frauen, d ie sch ließli ch ihre ahnungslosen Männer ermorden (Sta1. Theb. 5, 186-264, s. unten den Exkurs). Vor diesem Hintergrund wirkt d ie Trank spende der Dido um so tragischer. Obwohl sie sich in allem an den Brauch der Väter hält,1l5 die Fremden freundlich bewirtet, den Göttern opfert und sie um Beistand anfl eht, IJ6 wird von dem Gastmahl rur sie nur Ung lück ausgehen. Die Art der Darstellung entlastet di e Köni gin . Nicht die Menschen, sondern die Götter sind es, die das unheil vo lle Geschehen in Gang setzen. Noch während die Protagonisten arglos beten, nimmt das Schicksal seinen Lauf, o hne daß di e Figuren es bemerken oder gar verhindern könnten. Nur der Leser erkennt in der Schilderung einze lne Hinwei se. Zu ihnen gehö rt das hastige Trinken des Bitias, der, als Dido ihm nach der Trankspende die potero reicht, sein Gesicht furmlich in den Wein taucht. 131 Seine Eile ra llt um so mehr ins Auge, als Dido selbst nur an dem Wein nippt , bevor sie ihrem Gefolgsmann die Schale weiterreicht (Ve rg. Aen. 1.737: summo lel1us oUig it are). Servius deutet die Zurückhaltung der Königin als Adaption römischer Gepfl ogenhei len. 1J8 doch dient sie erzäh ltec hni sch auch als Folie rur das ungestüme Verhalten des Bitias.1J9 Hasti ges oder übermäßiges Trinken. ein naturali stischer Zug, der sich vom hohen epischen Stil abhebt,14O fun giert auch bei anderen Autoren als Warnsignal. Die 135 Verg. Aen. I,729f. : i mplevilque mero pareram. quam BelliS el oml/es l a Befo so{iIi .
136 Die rechte Gesinnung der Dido wird noch dadurch unterstrichen, daß sie die Karthager mit den gleichen Worten zum Feiern einlädt wie der pills E"andel': Verg. Aen. 8.173: anlllW, quae differre nefas, celebralejallenles; V. 1.735: cl vos 0 coerum. Tyrii, celebrale j allen/es. 137 Zu der Wendun gpleno se profllir auro vgt. u. Anm. 140. 138 Servius ad Acn. 737 : })ct verecundiam regi nae ostendit. ct morem Romanum . Nam apud maiores nostros feminae non utebantur vil1o, nisi sacrorum causa certis diebus.« Daß das Gastmahl nicht in Rom, sondern in Karthago stattfindet, beachtet er nicht. 139 AUSTIN ( 1971) zu V. 1,738.: )Ni rgil neatly shows here and in the nexlline the contrast between the delicate Dido and the somewhat unpol ished manners or her men.« Vgl. PUTNAM in seinem )Intervento( zu GRIFFIN (1995) 296: ») Her (sc. Dido 'sl moderation is countcrbalanced by the deep. roaming draughts in which 8ilias and his rellow courtiers find pleasure.«( 140 Vgl. HEINZE ( 1957) 488. Auch ZWIERLEtN ( 1999) 430 weist, allerd ings mit anderen Folgerungen fu r die Textkonstitution, aur den auffä lligen Charakter der Verse als ,){!erb-komische Trinkszene« hin. In den modemen Kommentaren, soweit sie Stell ung nehmen, herrscht die Auffassung vor, pfeno se profIliI auro ( V. 1,739) sei ein Synonym ftlr )trinken sich benetzen"pumamem pateram: pro/llit). Von einem beschmutzten Ban ist hier keine Rede. SEGAL ( 197 1) 340 verweist auf den Zusammenhang zwischen beiden Stellen (»In the sctting of Orpheus' song drinking also plays a prominent part 1... 1and Virgil may have borrowed some details from Ihis scene(() ohne den Gedanken weiler zu verfolgen. AUSTIN ( 197 1) zu Verg. Aen. 1.739 verweisl kommentarlos auf die Apolloniosstelle. 144 Vgl. al s Kontrast die thematisch ganz ähnlichen Erklärungen des Anchises zur Weltentstehung im sechsten Buch. Verg. Acn . 6 ,724-75 1, deren Inhaltsangabe mit der Festslellung zusammengefaßt wird: inde hominum pecudumque genus (Verg. Aen. 6.728). Sodann folgt eine ebenfalls konkrei gehaltene Erklärung der Phänomene ohne indirekte Fragen, vgl. V. 6,733 : hine; V. 6,739: ergo; V. 6.743: exinde.
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3.2. 1 Das Gastmahl bei Oido
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sach t teils durch bewußte Täuschung (Verg. Aen. 1,7 10 simulataque verba, Verg. Aen. 1,7 16 fa/si; vgl. daraus resultierend Verg. Aen. 1,71 8 inscia), teil s durch die Grenzen der menschli chen Einsicht (Dido kann weder di e Zukunft [vgl. ihr Bittgebet] noch alle Einzelheiten der Vergangenheit genau kennen [vgl. di e Fragen an Aeneas] , s. auch Verg. Aen. 1,7 12: infelix. pesti devota f lltllrae, Verg. Aen. 1,749: infelix Dido), tritt im Gesang des lopas deutlich hervor: Die Figuren durchschauen ni cht di e größeren geschi chtli145 chen und kosmischen Zusammenhänge, in denen sie sich befinden. Der Sänger wiederum, der Antworten auf einze lne Fragen zu geben vennag (V. 743: Imde hominwn genus el pecudes ... etc.) verdankt seine Einsicht nicht menschli cher Erkenntn is, sondern der Unterweisung durch Atlas (V. 1,741 : docuir quem maximlls AI/as). Mit der Wahl gerade dieses Lehrers gre ift Vergil einerseits die homeri sche Tradition auf, nach der Atlas als Begründer der Astronomie galt,]46 andererseits hebt er den regionalen Aspekt der Schi lderung hervor, indem er den mythi schen HimmelstTäger an anderer Stelle (Verg. Aen. 4,246-25 1) ausdrückl ich mit dem afrikanischen Berg 141 Alias identifi ziert. Das Streben nach Lokalkolorit hat später u.a. Lukan aufgegriffe n, indem er am Hof der Kleopatra statt eines Sängers einen gebildeten ägypti schen Pri ester auftre ten läßt, der in einem naturwi ssenscha ftli chen Vortrag die Geheimn isse des Nil verlaufs enthü llt (Luca n. 10, 193-33 1). Die Kenntni sse afrikanischer Ge lehrter, die im Fa ll Ägyptens schon in der Odyssee gerühmt werden (hier geht es um medi zinische Kunstfertigkeit, Horn. Od. 4,227-232), dienen in be iden Fä llen dazu, den 148 Wi ssensdu rst der Zuhörer zu sti llen. Damit steht das Lied des lopas trotz inhalt li cher Berührungspun kte in eiTlem Spannungsverhä lln is zu seinem Vorbild, dem Gesang des Orpheus bei Apolloni os Rhodios. Orph eIJs setzt eine gleichn ishafte myth ische Erzäh145 Die antike Homercrklänmg sah in dcm )unpcTSÖnlichcn( Inhalt des lopasgesanges einen Kontrast zu dem anzüglichen zweiten Lied des Demodokos über Ares und Aphroditc, dem der Vortrag des lopas strukturell entspricht, s. dazu unten Anm. 150. Der unverntngliche Inhalt verdeutliche die seelische Verfassung der Dido als einer regina ad/me casla (s. Servo ad Aen. 742), die kurz darauf ihrer verderblichen Liebe zu Aeneas verfallen wird. 146 Servo ad. Aen. 4,246. 147 S. GARIJARINO ( 1994) mit ei ner Zusammenfassung früherer Forschungsansatze. 148 Nach SEGAL ( 1971) 345 »)Virgil has chosen loemphasize Ihe irregularilies and the blemishes of nature rather thnn its orderl iness (lnd harmony.(( Diese Deutung scheint mir unscharf: Aus der Perspektive der Figuren mag die Natur ))irregulllf(( oder undurchschaubar erscheinen (s. die indirekten Fragen), jedoch folgt sie in Wirklichkeit bestimmten Gesetzm1l.ßigkeiten, die von lopas im Gesang dargelegt werden.
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3.2.1 Das Gastmahl bei Dido
lung zug le ich al s d idakti sches Mittel ein, das den zerstrittenen Argonauten hilft, ihre Situati on richti g einzusc hätzen und ihr persönlic hes Verhalten so zu ändern, daß die bevorstehende Expediti on erfo lgreich verla ufen kann . Eben dies ist bei Verg il nicht der Fall: Wie die Art der Darstellung eher die Unwissenheit der Hörer herausstellt, so trägt auch der Inhalt des Liedes ni cht dazu bei , das kommende Unhe il aufzuhalten. Di e Fragen, die hier beantwortet werden, stehen fü r d ie Figuren in keinem erkennbaren Zusammenhang mit ihrer augenblicklichen Lage, so da ß sie auch keinen förd ernden Einfluß auf das kommende epi sche Geschehen gewinnen können. 149 Die kommentierende Funktion des Sängers ist bei Vergil also allenfall s vom Leser zu durchschauen. Eine solche Konstell ation, die auch auf das Lied des Demodokos über Ares und Aphrodite zutrifft ( Horn . Od. 8,266366),150 ist in epischen Gastmahlszenen nicht ungewöhnl ich (s. o. S. 99 f. ). Anders verhält es sich, wenn der Sänger Begebenheiten aus der Lebenswelt seines Publikums zu Gehör bringt, denn in diesem Fall besitzt der Vortrag fü r di e Figuren Aktualität. 151 Dies gilt selbstverständlich auch, wenn der 149 Inwieweit der Inhalt des Gesangs den Gang der Ereignisse symbolisch ande utet, ist, ebenso wie die Figur des Sängers, umstritten, vgl. z. B. RUDßERG ( 1936), DUKE ( 1950), POSCI-I L ( 1977) 185fT. rur ei ne symbolistische Interpretation. dagegen EICHHQLZ (1968) 107, der betont, daß diese Deutung nicht den gesamten Inhalt des Liedes berücksichtige und der Gesang v.a. als Kontrast zur aufkeimenden Liebe de r Dido betrachtet werde n müsse. Ähnl ich SEGAL (1971) 343-348 mit stärkerer Betonung des im Lied präsemierten »cosmic orden(, in dc m NEUS (200 I)a 105- 112 empcdokleischen Einfluß erkennt; vgl. BROWN ( 1990); LlTTLE ( 1992) und GARUARINQ (1994). KRANZ (1953) bes. 34-38 sicht die Erwähnung von Sonne und Mond a ls Anspielung aur orientalische Gestimsgötler, die der Szene Lo kalkolorit verleihe. HERRMANN ( 1967) 474-476 wi ll lopas als Rep räsentation des Maecenas und den Inhalt des Liedes als Anspielung aur dessen philosophische Interessen deuten. Diese These hat allerdings keinen Rückhalt im Tex!. 150 Be ide Lieder entsprec hen sich durch ihre Stellung im Epos, s. dazu SCHM1TNEUER BURG ( 1999) 13M.: ))Vergil läßt in sei ner Adaption de r odysseischen Szene an die SteHe dieser drei Gesänge {sc. des Demodokosl einen einzigen wesentlich geringeren Umra ngs treten. Den ersten Demodokosgesang [... J verarbeite t er strukturell in de r Beschreibung de r kunstvoll gestalteten Wände des [...} Junotempcls ( 1,466-493) [... }. Den Gegenstand des dritten Demodokosgesanges, die I1iupersis, verarbeitet Vergil im gesamten 2. Buch als ersten Te il der Erzählungen sei nes Helden; ihr zweiter Abschnitt, de n das 3. Buch in voller Lange umfa ßt, entspricht schl ießlich de n - sich unmittelbar an den letzten Demodokosgesang ansch ließende n - Apologen des Odysseus. Damit wi rd d ie szenische und slrukturelle Entsprechung zwischen dem lopas-Gesang und dem zweiten Gesang des Demodokos (von Ares und Aphroditc) recht de utlich.« 15 1 Eine Verbi ndung zwischen mythischem Geschehen und aktuellem Bezug zeigt das bei Silius beschriebene Lied des Teuthras (vor Hanni bal in Capua) über die Liebesabenteuer Jupiters, das sodann bis zur mythischen G ründ ung der Stadt Capua ron gefl1hn wird (Si!. 11,288-297).
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3.2.1 Das Gastmahl bei Dido
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Sänger in belehrender Absicht ein Gleichnis vorträgt, wie es beim Lied des Orpheus (A. R. 1,496-511 ) der Fall ist (der allerdings zugl eich das Geschehen für den Leser kommentiert, s. Ne li s [200 11105f.]). Solche Lieder nutzen die Dichter, um di e Handlung unmittelbar voranzutreiben. Der bewußte Einsatz der Gesänge wird dadurch deutlich, daß aus der menschli chen Welt immer nur Ereignisse berichtet werden, von denen mindestens einer der Anwesenden direkt betroffen ist. Dies ist sogar dann der Fall, wenn der Sänger den Zusammenhang anfangs nicht ahnl. I52 Als der phäakische Sänger Demodokos den Streit von Achill und Odysseus besingt (Horn . Od. 8,72-82), kann er noch nicht wissen, daß sich hinter dem fremden Gast der Held se ines Liedes verbirgt. Der Gesang aber rührt Odysseus zu Tränen, bewirkt sc hli eßlich seine Identifikation und treibt so di e Handlung des Epos ein gutes Stück voran . Phemios, der vor den Fre iem die V60T O I der Trojakämpfer besingt, kann den Bezug auf die aktue lle Situation im Haus des verschollenen Odysseus zwar erfassen, provoziert aber dennoch mit dem Auftritt der trauernden Penelope, d ie ein anderes Lied zu bören wünscht, ein Ere ig ni s, das eine unetwartete Folge, die selbstbewußte Äußerung des bi s dahi n so unsic heren Telemach, nach sich zieht ( Horn . Od. J,358 f.). So trägt der Gesang einerse its zur Exposition der Figuren bei und fördert andererse its die Entwicklung Telemachs zur reifen Persönlichkeit, die später in der Lage sein wi rd, den heimkehrenden Odysseus be i se inem Rachefeldzug zu unterstiltzen. lopas' Lied, das den Gang der Ereigni sse nicht unmittelbar fördert, steht durch seinen Kontext, die beiden >trojan ischen Partien< der Tempe lbilder und der Jrrfahrtcrzählung, in ei ner nur für den Leser erkennbaren Parallele zum Lied des De modokos über Ares und Aphrod ite (Horn . Od. 8,266-366, s. Anm . 150), das ebenfall s durch zwei >troj ani sche Partien IThough the feelings of !his cnigmatic persona correspond to thosc ofthe author. it cannot be identified with ei lher the aUlhor or narrator,« und die folgende Diskussion de r These. Nicht zuletzt das Hervonreten der EI7.ählerpersönlichkeit bzw. einer in seinem Namen kommentierenden persolfa hat die Auffassung begünstigt, daß es sich bei der Pharsalia um e in zeitkritisches Werk handele, die Darsle llung der Bürgerkriege also in Wirklichkeit auf Nero und sein Regi me ziele. So sei die negativ geflirbte Palastbeschreibung als Kritik am LlJ)(us Neros zu verstehen, der sich u.a. in der prächtigen domus aurea äußerte (s. dazu BAS IEI o. Anm. 174 ). Der Text der Ekphrasis liefen dafllr jedoch keine Hinweise.
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3.2.2 Das Gastmahl bei KJeopatfB
Weise deutet: Der unerfahrene Telemach weiß bei se inem ersten Besuch am spartanischen Königshof vor Staunen keinen anderen Vergleich, als daß so die Wohnung der Götter aussehen müsse (Hom. Od. 4,71-75), und Aeneas, se lbst im Begriff, Ahnherr eines neuen Volkes zu werden, bemerkt im Palast der Dido - neben der kostbaren Ausstattung - auch die Darstellungen großer Taten aus ihrer langen Familiengeschichte. 19s Demgegenüber fällt Caesar beim Anblick des prächtigen Festsaals vor allem die Relativität seiner eigenen Erfolge ins Auge: Er hat niemals vergleichbar blonde Menschen gesehen (sc. geschweige denn sie als Sklaven besessen) wie am Hof der Kleopatra und auch bei se inem größten Erfolg in Afrika kein vergleichbares Ebenho lz erbeutet. Die drohende Begehrlichkeit, die die Vergleiche nur andeuten, macht der Erzäh lerkommentar explizit. Die von Ehrgeiz getriebene K1eopatra (Lucan. 10,157: ambilione furens) findet in ihrem Gast ein ebenbürtiges Gegenüber. Caesar wird so als der skrupellose, nach Beute lüsterne Kriegsherr gezeichnet, der, anders als die Konsuln und Diktatoren der Frühzeit, auf alles andere als das Wohlergehen des Vaterlandes bedacht ist. Trotz der freund li chen Bewirtung durch die Gastgeberin und des (augenblicklich) friedlichen Verhaltens ihres Besuchers erscheinen so beide als negative Figuren - eine im epischen Gastmahl bis dahin einzigartige Konstellation.]96 Bei den Vorgängern wird der Ankömmling stets als positive Gestalt gezeichnet, so daß sich die Spannung des Lesers ganz auf das Verhalten des Gastgebers richtet. Wird er den Fremden woh lwollend aufnehmen, oder drohen ihm womög lich Gefahren? 197 Tatsächlich gehen Regel verstöße, wenn sie überhaupt vorkommen, mei st vom Gastgeber aus, sind jedoch mit insgesamt nur drei Fä ll en äußerst selten. 198 Gewöhn lich 195 Verg. Acn . 1,640-642: Caelataque in allrQ I fortiafacta ,mtmm, series longissima
reYl/m I per tot dliCl a ..,jras amiquQ ab origine gen/iso
196 Sie findet sich nur spatcr noch cinmal beim Empfang Hannibals in Capua, S. u. dic Interpretation der Szene. 197 Vgl. fllr potentiell bedenkliche Siluat ioncn de n Bittgang des Priamos zu Achill (Horn. 11. 24,448·691, S. die warnenden Worte der Hekabe Horn. 11. 24,206f. und die Klagen de r Freunde bei seincr Abfahrt, Horn. 11. 24,327 f.); Odysseus bei Kirke (Horn. Od. 10,308-540) und Jason bei Aietes (A.R. 3.21 5-448; Val. Flac. 5,558-6 17). 198 Es handelt sich zum einen um Kirke, die dic Gefährten des Odysseus in Schweine verwandelt (Horn. Od. 10,237-243), zum anderen um ihren Verwandten Aietes, der auf die Bitten Jasons. ihm das goldene Vlies zu überlassen. eine menschenunmögliche Probe ersi nnt (A.R. 3,396-42 1) bzw. zunächst nur mit unterdrücktem Zom reagiert (Val. F lac. 5,5 19-531). Selbst in den blutig endenden Antigastmählem ist es mit zwei Ausnahmen, dem Mahl de r Lapithen und Kentauren, (Ov. met. 12, 146-579; Val. Flac . 1, \37- 148) und
3.2.2 Das Gast mahl bei Kleopatra
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halten sich beide Parteien an das Gastrecht, d .h. auch der Wirt erweist sich in der überwiegenden Mehrzahl der Szenen als positiver Charakter. Daß der Dichter nun trotz des bei oberflächli cher Betrachtung regelkonfonnen Gastmahl s heide Protagoni sten negativ beurteilt, unterscheidet das Banken der Kleopatra von seinen Vorgängern, und läßt den Pess imi smus Lukans hervortreten . Sein Ziel ist es, die unglücklichen Verkettungen des Bürger. kriegs darLusteIlen, die eine klare Scheidung von Gut und Böse nicht erlau· ben. l99 Unter dem Deckmantel gewahrter Konventionen verbirgt sich daher ei n ganz anderer Sachverhalt als bei den epischen Vorgängern. Weder von der Gaslgeberin noch vom Gast ist etwas Gutes zu erwarten: Sein furor w ird durch das Fest eher noch gesteigert (Lucan. 10,169: Discit opes
Caesar spoliati perdere 11llmdi).
Abweichungen vom traditionellen Schema entstehen bei Lukan also nicht nur dadurch, daß der Dichter unter Wahrung typischer struktureller Eigenhciten bei der Wertung Modifikationen vornimmt (z. B. in der Dar· ste llung des als dekadent gekennzeichneten Palastes und der Dienerschaft), sondern auch durch die Einfligung eines nClIen Elements, des ausflihrlichen Erzählerkommentars, der nicht nur das flir Lukan insgesamt kennzeichnen· de Pathos erzeugt, sondern auch der Charakteri sierung der bei den Protago· ni sten dient. Die geschickt gewählte Stellung des Ausrufs gegen Ende der Mah lvorbereitungen (Lucan . 10, 146· 154) bewirkt eine Zäsur in der Schi l· derung und zugleich einen prononcierten Neuansatz, mit dem der Dichter zum üblichen Ablauf eines Gastmahls zurückkehrt.
Das eigen/liehe Mahl Nachdem di e Vorbereitungen abgeschlossen sind, werden versc hiedene Speisen aufget ragen, dazu Wein als Getränk und Wasser, um die Hände zu der Geschichte von Perseus und Phineus in den Metamorphosen (Ov. met. 4.757-5,235) stets der Win, der als erster zur Gewalt greift. Man erinnere sich an das Verhalten des Kyklopen (Horn. Od. 9,287-344), die schmäh liche Behandlung des , Bettlers( Odysseus durch die Freier bei seiner - nicht als geschlossene Szene gestalteten - Heimkehr (s. bes. den Schemelwurf, Horn. Od. 17,462-465) und de n Meuchelmord der lemnischen Frauen an ihren heimkehrenden Männem, der bei Statius (Stal. Theb. 5,186-264), anders als bei ApolIonios, während eines Gastmahls stattfindet. 199 Vgl. V. ALBRECHT (1968) 286 (zum Prooem): » Es geht Lucan weniger darum. Caesar anzuschwärzen oder Pompeius reinzuwaschen, viel wichtiger ist ihm die Darstel· Jung der verhängnisvollen Situation des Bruderkrieges, bei der die Grenzen von Recht und Unrecht sich verwischen.( Die gle iche Einstellung spiegelt auch das Gastmahl in Alexandria.
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reinigen (Lucan. 10, 155-163). Wie schon beim Aufstellen der Ti sche (Lucan. 10, 144-146) tritt dabei jedoch die Dienerschaft, der diese Tätigkeit in einem vornehmen Haushalt normalerweise obliegt, nicht ausdrücklich in Erscheinung. Lukan wählt statt dessen eine Fonnulierung, die die Aufmerksamkeit des Lesers ganz auf die dargebotenen Speisen lenk1. 2OO Er bleibt damit seinem Darstellungsprinzip treu, nach dem die Dienstboten nicht als Dienstboten, sondern als schmückendes Beiwerk ins Bewußtsein treten . Derselbe Effekt entsteht durch die Personifizierung des Kristalls, der das Wasser zum Waschen der Hände »darbietet«, sow ie der Edelsteingetaße, die den edlen Falerner aufnehmen. (Lucan. 10,159-16 1: manibusque minislra/ I Niliacas cryslaflos aquas, gemmaeqlle capaces I excepere menlln). Ähnlich werden auch die Speisen ni cht konkret genannt, sondern nach ihrer Herkunft umschrieben: Infudere eplilas auro, qllod terra, quod aer, I quod peJagus NiJusqlle dedit (Lucan. 10,155f.). Alle Elemente, so suggeriert der Dichter, mUssen ihren Tribut für die königli che Tafel li efern, und zwar unabhängig von ihrem eigentlichen Nährwert. Sogar Fisch trägt man auf, der sonst in epischen Mahlszenen niemals verzehrt wird. Wie die Diener haben auch die Speisen ihre primäre Funktion eingebüßt und dienen weniger der Sättigung, als der Selbstdarstellung der Gastgeberin: Jnjudere eplilas aura, [... ] qllod luxus inan; I ambilione jurens 1010 qllaesivit ;n orbe I non mandante janze. (Lucan. 10, 155-158). Dieser Befund bestätigt die oben dargelegten Prinzipien. Seit Homer gehört die knappe Erwähnung von Speisen beim Gastmahl zur epischen Konvention . In lIias und Odyssee werden Brot und Fleisch als wichtigste Bestandteile der Mah lzeit meist konkret mit Namen genannt, während weitere Zutaten allgemein als »Speisen« (EioaTa) erscheinen. In der römischen Epik ist di ese summari201 sche Beschreibung das übliche. Dieses Verfahren hat Lukan in se inem 200 SCHMIDT ( 1986) 237 bemerkt dazu richtig, daß »mit in fund ere und posuere [ .. .]
d ie Prascnz der Diener vorausgesetzt lwird] ; sie sind das logisch zu ergänzende Subjekt der Handlung1( - aber eben nur das ZII ergänzende Subjekt. 201 VgL Horn. Od. 1, 141 : KpEIWV nivaKas: Horn. Od. 7. 175[ : aiTov: EiSaTa n OA.A' : A.R. 1,456: EiSaTa Kai I-IE&u Aapov; A.R. 3.30J: oopny TE n on;Ti; Verg. Aen. 3,355: impositis allro dopiblls : Verg. Acn. 7, 109: dopes ; Aen . 8. 175 : dopes, Si\. 11 ,275 : dopes . Eine Ausnahme bildet Stat. Theb. 1,522f.: His labor inserto tQrTere er· sangllia ferro I viscera caesonlm peclldllm, die wohl - dem mythisch-heroischen Thema der Thebais entsprechend - als bewußte Reminiszenz an homerische (Opfer-) Mahlvorbereitungen ZU deuten ist, vgl. z.B. Hom. Od. 12,364f. Die knappe Nennung weniger Be· standtei le unterscheidet das Epos von Satire und Epigramm, bei denen die Dichter gerade an der umständlichen Darstellung eltotischer Leckerbissen GefaJlen finden (vgl. Hor. sat. 2,2, 15-48; luv. 5, 143- 170; Mart. 12, I 7,4-6 u.ö.).
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Sinne abgewandelt: Zwar knüpft er an die Struktur der homerischen Mahlszene an, indem er die Nahrungsmitte l nennt, setzt aber gleichzeiti g durch die all e Elemente einbeziehende Umschreibung andere Akzente. Wie schon bei der Darstellung des Palastes ist das Ergebnis der Eindruck von Dekadenz, den der Dichter durch den ausdrücklichen Zusatz non mandal/te fame deutli ch ausspricht. Übennäßi gen Speisenluxus, der sich in der Gier nach ausge fa llenen Lekkerbissen äußert, hat Luk an schon mehrfac h kriti siert, z. B. im neunten Buch. wo er in seiner Klage über die römi sche luxuria mit seltenen Speisen und Hö lzern , die zu Tischen ve rarbeitet werden, zwei Beispiele anfUhrt, die sich auch an Kl eopatras Tafel wiederfinden.202 Was den Luxus so verwerflich macht, erläutert der Di chter in einem emotionalen Ausru f des vierten Buches (V. 4,373-38 1), der sich all gemein gegen di e Schlemmer richtet: diese Menschen halten das Maß der Natur nicht ein, sondern überschreiten achtlos die ihnen gesteckten Grenzen.20J Das Thema ist in der römi schen Literatur auch sonst verbreitet, wird jedoch ni cht im heroischen Epos, sondern in der Satire, in der )moralischen( Geschichtsschreibung und vor allem im ph ilosophischen Schrifttum angesprochen.204 Hier zeigt sich der Einfluß der Stoa, der die Pharsali a allenthalben prägt.205 Bei Kl eopatra tritt zu der bloßen Gier nach Luxus noch ein weiterer Aspekt: Sie scheut sich nicht einmal, ihrem Gast di e Götter Ägyptens als Speise vorzusetzen (Lucan. IO,158f.: mullas volucresque ferasque I Aegypti posuere deos). Durch seine pointi erte Ausdrucksweise hebt Lukan das Paradoxe der Situation, rur das er auch sonst ein sicheres Gespür zeigt,206 scharf hervor. Es handelt sich um den gleichen Hang zur religiösen Indifferenz, ja zur Blasphemie, der sich schon in der tempelähnlichen Gestaltung des Festsaa les abzeichnete. Kleopatra ähnelt in dieser Hinsicht dem Bi ld, das Lukan sonst von Caesar entwirft.207 Nur der For/una folgend ,203 setzt 202 V. 9,429f.: In I/emus ignotllm nosrrae venere seCli res, I e.xrremoqlle eplilas men-
sasque pelimllS ab arbe. 203 $. bes. Luean. 10.373-378: 0 prodiga renlm 1 /II:OIries nllmquam pan'Q COlllellla parolis I et qllaesitonml terra pelagoque cibom m I w nbitiosa fames et lautae gloria me,,sae. I discite quam pan'O liceat proollcere vi/am I et qllal/lIIm ,w tUrG pelat. 204 Schon Sallust prangert mit ähnlichen Worten die Dekadenz seiner Zeitgenossen an (Ca\. 13,3: l'escendi causa terra mariqlle omnia exq uirere); das gleiche Phänomen beklagt auch Seneca (z. 8 . ep. 47,2 und 8).
205 S. zum Thema DUE ( 1968) 201 -232. 206 Dazu zuerst THIERFELDER ( 1934/35) 7IT. 207 Zur Ähn lichkeit der Frauengestalten mit ihren jewei ligen Partnern vgl. HARICII (1990) 212: »Ncben weiteren ErJ".1I.htfiguren kommt. epischer Technik getreu. den Frau-
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sich dieser bedenkenlos und ungestraft über menschliches wie göttliches Recht hinweg.209 Der wiederholte Hinwei s auf die Hybris der Kleopatra ist aber auch bemerkenswert, weil ihre pietätlose Haltung gegenüber dem Heili gen sie in Gegensatz zu den positiv besetzten Gastgebern früherer Epen bringt, bei denen , wie oben (S. 86fT.) gezeigt, Respekt vor den Göttern die Rege l ist. Dem episch geschulten Leser muß Kleopatra so als negati ve Figur erscheinen, bei der Vors icht geboten ist. Es ist vor diesem Hintergrund kein Zufall, wenn die Libation , di e im homerischen Epos mei st zum Ende des Gastmahls, im nach homerischen zwischen dem »eigentli chen Mahl« (E lement VII) und »Gespräch zwischen Gastgeber und Gast« (Element IX) bzw. als Reaktion auf eine mythologische Erzäh lung vom Gastgeber dargebracht wird , hier ausfä llt. Da sonst in der Pharsalia gelegentlich Gebete erwähnt werden ,2lo kann der Grund nicht darin liegen, daß Lukan , der die traditionelle Götterwelt weitgehend ausengcstahen die Aufgabe zu, Ei nblick in das Wesen der Helden zu gestatten.t( Wie Kleopalra ihrem Gast und Liebhaber Caesar, so Sieht Cornelia dem Pompeius und Mareia dem Cato charakterlich nahe. Dazu auch ZW1ERLEIN ( 1986) 473 . 208 Vgl. seine Worte beim Überschreiten des Rubicon (V. 1,225 f.): >Hic(. Oil, >Me
pace", lemeralaque iura relinqllo: I le. Fortuna, "'eqllor; procul hinc iam foedera SlIntO.t 209 Das prominenteste Beispiel ist die Abholzung des heiligen Hai ns in Gallien. bei
der Caesar angesichts seiner zaudernden Legionäre sogar eigenhändig zur Axt greift (V. 3.399-452), dazu RUTZ ( 1950 1989]) 162-1 65 und LEIGH (1999), bes. 171-179. Instruktiv si nd auch Selbstaussagen wie die Seestunnreden (V. 5,532-537 und 5.578-593). In titanenhafter Weise wagt Caesar hier un!er dem Schutz seines »Glücks« die o ffene Konfron tation mit den Oberirdischen und den \Ion ihnen entfesselten Naturgewalten - und siegt (V. 5.579f.: lraliam si coelo al/Clore reclIsas. I me IJele). Die Szene ist a ls Kontrast zum Seestunn in der Aeneis (Verg. Aen. 1,81- 143) konzipiert, mit dem die \Io n luno bzw. Aiolos aufgeslaehellen Winde, noch während Aeneas um Schonung betel. die trojanische Flotte zerschmettern, dazu RUTL. ( 1950[ 1989]) 154f. In de r Konfrontation des goulosen, aber erfolgreichen Caesar mit dem hart getroffenen pills Aeneas zeigt sich der Pessimis· mus Lukans besonders deu tlich: lI Die allen Götter sind hilnos geworden gegenüber de m Mächtigen dieser Erde(( (RUTZ [1 950/ 1989) 155). 210 Vgl. das Gebet. das Caesar bei seinem Besuch in Troja \lor einem nüchtig erbauten Altar an d ie in den Ruinen wohnenden nAschengöucf((. die Laren des Aeneas und die Gönin des Palladions richtet (V. 9.987-999). Die Stimmung ist allerdings hier wie an \lergleichbaren SIelIen weit von derjenigen tmdilioneller Epen entfernt. Das Gebet auf den Trümmern \Ion Troja stellt Caesar ftIr den kundigen Leser nicht in die Nachfolge des pills Ael/eas, die er durch d ie Selbstbezeichung ge"lis //lleue [... 1clurissimllS (V. 9.995) ftIr sich in Ans pruch nimmt. sondern in die des ))E.-llyranneM Alexander. Dieser aber war nach dem zeitgenössischen stoischen Denken ),eine [ ... ) signifikante Gestah ru r das Böse geworden.(( Run (1950[ 19891) 143. \lgl. Sen. benef. 1,13.1-3; Sen. de im 3, 17,1. außerdem C ie. de off. 1.90. Zum Alexanderbild bei den Rö mern s. WEBER ( 1909). G leichzei tig enttarn t die ganze Anlage der Trojaszene Caesar als Gegenbi ld des pius Ael/eas. S. ZWIERLEIN ( 1986) 477 .
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b iendel,2I1 weshalb seinem Werk sogar der Rang eines Epos abgesprochen 12 wurde/ auch konsequent auf d ie Darstellung religiöser Riten verzichte. Vi el mehr setzt sich hier die ;mpie/as der Mahlteilnehmer konsequent fort: Kleopatra, di e sich nicht scheut, Caesar die heimi schen Götter als Speise vorzusetzen, macht keinerlei Anstalten, das Bankett durch eine Trankspende den Himm li schen zu empfehlen . Damit ist jedoch nur die inhaltliche Seite des Tatbestandes erfaßt. Auf struktureller Ebene bedeutet der Verzicht auf die Libation zugleich, daß ein traditioneller Auftritt des Gastgebers ausfallt, die Stellung Kl eopatras gegenüber ihrem Gast also geschwächt wird. Freilich hat eine fehlende Tranks pende allein noch keine große Akzentverschiebung zur Folge. (Man erinnere sich, daß auch Menelaos den Göttern ke inen Wein sprengt, ohne daß se ine Stellung in der Telemachie dadurch gefahrdet wUrde). Sie fallt aber ins Gewicht, wenn man den weiteren Verlauf des Mahls, vor allem des Tischgesprächs, hinzunimmt. Ohne der Interpretation zu weit vorzugreifen, läßt sich sagen, daß sich hier die schwache Position Kleopatras bestätigt: Zur beherrschenden Gestalt entwi ckelt sich Caesar, der schon zu Beginn der Fest lichkeiten als maior pOles/as (Lucan. 10, 136) bezeichnet wurde. Auf die Erwähnung des Handwassers, welches zur Mahlvorbereitung zählt , fo lgt unmiltelbar die Darbietung des Weins, der aus kostbaren Edelsteingefäßen genossen wird ( Lucan. 10, 159- 16 1: man;bllsqlle m;n;stral I N;liacas cryslallos aquas. gemmaeqlle capaces I excepere merum ). Nicht nur inhaltli ch durch die fehlende Libati on, sondern auch syntakti sch durch d ie Wahl eines fortlaufenden Satzgefliges wird so der Eindruck erwec kt, Mahl und Umtrunk bildeten keine deut lich getrennten Phasen des Gastmahl s. Zwar fUhrt Lukan zuerst die Speisen samt dem dazugehörigen Waschwasser und erst danach den Wein an, doch sind Handwasser und Wein darstellerisc h so eng miteinander verbunden, daß sie nahezu g leichzeitig in das Bewußtsein des Lesers treten. Beide werden unter dem Aspekt ihrer Behältnisse (cryslallos, gemmaeqlle capaces, Lucan. 10, 160) betrach21 1 Vgl. zum Problem der Religion in de r Pharsa lta LE BONNIEC ( 1968) passim. AHL ( 1974) passim. 212 Diese Einschätzung gehl bis in die A ntike zurück. s. Servius ad Aen. 1,382: Lllcanus l ... J ideo in numero poelomm esse 11011 memit, sowie Quint. inst. 10. 1,90 vgl. dazu die Worte des Eumol ptls bei Petron. 118,6: ecce belli civilis ingens opus quisquis 1Iltigerii IIisi plen/ls Ii/leris. 1m b ollere labelur. 11011 eI/im res ges/ae versibus comprehell doe SUnI. quod longe melius his/orid facillnl. sed per ambages deommq/le ministeria praecipi/Ond/ls eslliber spirirus. Vgl. auch Mart . ep. 14,194: (Lucanus): Sunt quidam qui me dicllnt non esse poelam: I sed qlli me wmdir bybliopolll pI/rar.
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3.2.2 Das Gastmahl bei Kleopalra
tet, wobei die beiden Kola durch ein gemeinsames Prädikat zusammengeschlossen sind. So entsteht ein homogenes Bild, das eine zeitliche Differenzierung zwi schen dem Darreichen des Handwassers und dem Auftragen des Getränks kaum zuläßt. Dies entspricht den auch sonst zu beobachtenden Konventionen. Den Wein läßt Kleopatra ihren Gästen abweichend von den normalen griechischen und römi sc hen Gepfl ogenheiten als menrm, also ungemischt vorsetzen. Schon seit homerischer Zeit ist es sonst üblich, den zum Trinken 213 bestimmten Wein mit Wasser zu verdünnen - ein Brauch, an den sich. wie gesehen, Dido gew issenhaft hält.214 Überdies wählt Kleopatra ni cht ein einheimisches Produkt, sondern einen uralten, von den Römern besonders geschätzten Falerner. 2IS Auch in diesem Punkt hebt Lukan also den maßlosen Aufwand hervor. Die Verwendung der Antithese (Lucan. 10, 16 1-1 63: merum, sed non Mareotidos uvae, ! nohile sed [ ... ] FaJernum) verknüpft das Detail mit der strukturell ganz ähnlich gesta lteten Ekphrasis, die ja ebenfalls durch Antithesen die Maßlosigkeit der Königin herausstellte . Auch die Blumenkränze und das kostbare Parfüm, an denen sich die Festgesellschaft anschließend erfreut, sind durch die Beschreibung er negativo in diesen Rahmen eingeordnet (Lucan. 10, 166f.: e ui IIof/dunl evonuit aura I eimromon ex/ema IIee perdidit aero terra) . Der Gebrauch von Blumenkränzen und duftenden Salben beim Mahl ist aus der Satire und dem Epigramm wOhlbekannt,216 wird im Epos jedoch selten erwähnt. 21 7 Lukan nimmt hier ein neues Detail in den Ablauf des epi2 13 Vgl. Horn. Qd. 1, 110: oi Ili v öp ' 01vov f lllOYOV EV\ ICpnTl\pol Kai ü5wp u.Ö. 2 14 Nur bei der Trankspende an Illpirer hospilalis spricht Vergil ausdrücklich von menlm (Verg. Aen. 1,729), während rur den Umtrunk unter Anspie lung aur einen homerischen Fonnel vers von vinllm die Rede ist (Verg. Aen . 1,724 : craleras magnos s talUlml CI villa coronant, vgl. Horn. Qd. 1,148: Koiipol SE Kprpijpa s ETtEOTE4IOVTO tTOToio). 2 15 Vgl. Mart. ep. 1,18,1-4: Qllid le. Tllcco i/l val vell/lo miscere Fa/uno I in Valica n is condila muSla cadis? I q/l id lantllm fecere honi libi pessima vina ? I 0111 quid fecenlnl optima ..,ina moli? Ähnlich Man. 3,77,8 u.Ö. 216 S. LlUA ( 19 72) mit ausfllhrli cher Diskussion des Brauchs und dessen restlichen Konnotationen . Vg l. rur Kränze Hor. sat. 2.3, 13; 2,7.24; 2, 11, 14r.: 3,29,3; 4.1I.3r.; dazu Man . 5,64 ,3r.; 8.77,3r.; 12. 17, 7 (Salben und Kränze); lu v. 4.108; 8 , 159; Persius 3,104 ; Stal . s il v. 1.2, 111 (Salben als Zeichen der Freude). 2 17 Außer Lukan spricht noch Silius von wohlriechenden Salben. die Hannibal beim Gastmahl in Capua kennen lernen werde (Sil. 11.402). Anders als in unserer Szene beschreibt er sie aber nicht während des Mahls selbst, sondern nennt sie nur allgemein in einer Rede der Venus, mit der die Liebesgöttin noch vor den eigentlichen Festlichkeiten ihre Sö hne auffordert, die Karthager zum Wohlleben zu verleiten. Auc h die zweite Bemerkung fal lt eher bei läufig außerhalb eines Mahls. als sich Virtl/.$ in einer Scheideweg-
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se hen Gastmahl s auf, das rur den an Homer, Apolloni os und Vergil geschulten Leser ei ne Überschreitung der gattungsspezifischen Gepflogenhe iten bedeutet. Während di e ungewöhnli che Beschre ibung der Kleopatra sich als eine Erweiterung der übli chen Darstellung aller Anwesenden deuten läßt, ergibt sich di ese Neuerung nicht ohne weiteres aus dem traditionellen epischen Gastmahl. Allerdings ist sie nur vom Leser als solche zu erkennen, ni cht aber aus der Fi gurenperspekti ve, rur di e Kränze und Sa lben auc h wenn diese im Epos gewöhnlich nicht beschrieben werden - zum gewö hnli chen Bestand ze itgenössischer Gastmähl er zählen dürften. Die Übernahme von gattungsfremden Details stellt also ei nen weiteren Kunstgriff dar, mit dessen Hilfe Lukan die epischen Vorbilder in seinem Sinne modifiziert: Sie charakterisieren das Gastmahl der Kleopatra für den Leser als e in d ie übl ichen Grenzen überschreitendes Gelage. Als Anhaltspun kt darur, daß diese Detail s tatsächlich als Fremdkörper empfunden wurden, kann die Tatsache gehen, daß sie bei den späteren römi schen Epikern , denen der Gebrauch von Kränzen und Salben beim Mahl durch ihren eigenen kulture llen Hintergrund durchaus vertraut war, nicht traditionsbi ldend gew irkt haben. S. Anm . 2 17. Szene mit Voll/p'a5 um die Seele des Scipio strei tet (S il. 15,117) und diesem dabei eine Reihe von verlockenden Annehmlichkeiten aufzählt, zu denen auch kostbare Parfüms gehören. In der Aeneis erscheint gesalbtes Ihar nur außerhalb von Gastmah lszenen (Verg. Acn . 4,2 16f., 12.99f.) und wird als Zeichen der Verweichlichung gedeutet. So auch bei Va l. Fine. 5.588-592. S. die Besprechung bei lI UA (1972) 86. Blumenkränze erscheinen in epischen Gastmahlszenen sonst n icht. Vergil und Statius erwähnen nu r Krän ze aus Laub, d ie aber nicht wie bei Lukan zum bloßen Schmuck d ienen. sondem religiös besetz t sind : Sie gehören zur Kleidung der Teil nehmer bei religiösen UandJu ngen. s. das Mahl bei Euander, Verg . Aen. 8.274 : cingile f ronde cornas el pocl/la porgite dexlris; Verg. Acn . 8.275-277 : >dale vintl volenles( I di:ceral. Herculea bic% r cl/m popl/lus umbra I velavilque comos foliisque inne.m pepe/ldil; Verg. Aen. 8.285L turn Salii fld canflLf incensa altaria eirCl/m I 'JOplileis adsllnl evillcli tempora ramis; und das Mahl bei Adrast, Stal. Theb. 1,552-555: hone (sc. fJOlerom J lIndallle mero f llndens \'()(:at ordim? Cll1lelOS I c(leJieo/as l ... J comitum famulwlIqllc evincta pudica I frollde mallllS. Als nicht religiös gefärbter Kopfschmuck erschei nt cin Kranz erst bei C laudian im Rahmen e iner regulären Gastmahlszene (Die Manen tragen nicht näher bezeichnete Klilnze. C laud. ra pt. Pros. 2,328; Charon trägt während der Uochzeils feie rlichkeiten von Pluto und Prosperpina ei nen Kra nz aus Ual men, C laud. ra pt. Pros. 2,359f.). Vor C laudian werden KrAnze sonst nur während der A ntigastmähler als allgemeines Zcichen der Festfreude genannt, Gv. met. 4.756-760; Stat. Theb. 5. 190- 192. Zu ungenau daher GRUZELI ER ( 1993) zu Claud . ra pt. Pros. 2,328 coronol;: »the nower garlands of a traditiona] symposi um, distributed in Greek tradi tion to the guests after the libation to Zeus Soter. Garlands always go with drink ing . (~ Die angefUhn en Belege luv. 5.36; Anac. 396 (P MG) und Hor. Od. 1.38 sta mmen jwoch nicht a us dem Epos.
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Wirkt das auffalli ge Element der Bekränzung schon durch sein bloßes Vorhandensein überraschend auf den Leser, so entfaltet es seinen Einfl uß auf der Figurenebene erst durch die hohe Quali tät des dargebotenen Schmucks. In gleicher Weise wirkt nicht der Sc hmuck des Festsaals an sich auf Caesar, sondern erst der darin zur Schau gestellte maßlose Luxus. Obwohl di e Bekränzung beim Mahl dem Epos inhaltli ch fremd ist, unterscheidet sich di e Art ihrer Wirksamkeit auf die dargestellten Personen also nicht von der konventioneller Bestandteile. Den verderbl ic hen Einfluß des von der Pharaonin sorgflilti g in Szene gesetzten Re ichtums (vgl. Lucan. 10, I 09f.) auf Caesar faßt Lukan in einem direkten Kommentar zusammen, der ein Pendant zu dem an Kleopatra geri chteten Ausruf ( Lucan. 10, 146154) darstellt. Bl ind vor Ehrgeiz se i die Köni gi n, hatte es dort geheißen, so daß sie sogar einem Bewaffneten ihren Reichtum offenbare (s. Lucan. 10, 146- 149: Pro caeclIs el amens / ambi/ jone Juror, civilia bel/a gerenli / d jvj/ias aperire suas. incendere menlem I hospitis arma/i), Nun zeigt sich der Erfo lg dieses Kalkü ls: Der römische Feldherr, bi sher von so lchem Luxus unberührt. >lernt< auf diese Weise, di e Reic htümer der Welt zu verschwenden. (Lucan. 10, 169: Discit opes Caesar spoliali perdere rmmdi). In wirkungsvoller Prolepse wird d ie drohende Plünderung der Welt vorweggenommen: Mit der verführerischen Bewirtung des kriegführenden Caesar sind weitere Raubzüge vorgezeichnet (Luean. IO, 170f.: el gessisse pudel genero cum paupere bel/mn, / e/ causas Marlis Phariis cum gen/ibus optCl/). Diesen direkten Ei nwurf, der die vorangegangene Schilderung nac h ihrer Wirkung und den daraus erwac hsenden tragischen Konsequenzen zusammenfaß t, hat Lukan wieder effektvoll an e ine traditionelle Zäsur innerhalb der Gastmahl szene gekn Opft: den durch e ine Reminiszenz an homerische Formelverse bezeichneten Übergang zwisc hen eigentlichem Mahl (E lement VII ) und Gespräch zw. Gastgeber und Gast (E lement IX).218 Die nachträgliche Feststellung, daß das Mahl beendet se i, erl aubt es dem Dichter, den eigentlichen Vorgang des Speisens zu umgehen, der in epischen Gastmahlszenen nur dann näher beschrieben wird. wenn ihm besondere Bedeutung zuko mmt. 219 Wie im vorigen Kapitel geze igt, verwendet schon Vergil e inen 218 Lucan. 1O, I72f. : Poslquam epulis Bacchoque modum lassala I'oluplas I imposlIil, vgl. Horn. Od. 1.1 50 U.ö. : aUTop IhlEi 1T6010S: Kai i:SrrnJOS i:~ lpov €VTO ... S. dazu oben S . 84r, 219 Vgl. auch außerhalb der Gastmahlszenen das Tischprodigium in der Aeneis, wo de r Verzehr der Brote, dem eine entscheidende Bedeut ung zukommt, ausführlich geschilden wird (Verg. Aen. 7. 112- 117).
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] .2.2 Das Gastmahl bei Klcopatra
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an lI ias und Odyssee orientierten Fonnelvers (Verg. Aen. 1,723f.: Pos/qll. am prima qllies eplilis mensaeqlle rem%e, I ero/eras magnos slafluml el v;na coronant). A nders als Lukan fU gt er ihn jedoch nicht zwischen e inem Umtrunk und dem Gespräch ein, sondern sc hon an früherer Stelle, zwischen dem Genuß der Spei sen und dem Umtrunk , womit er der aus dem römi schen Kulturkre is bekannten Trennung zw ischen dem Genuß der Spei sen und dem anschließenden Trinkge lage Rechnung trägt. Da Lukan seinerse its ke in e igenes Trinkge lage schildert, sondern dessen Elemente in die Beschreibung der Bekösti gung integriert, erscheint der an Homer ori entierte Hexameter folgerichti g am Ende des gesamten Ko mplexes, also direkt vor dem Gespräch, in das e in Bankett gewöhnlich mündet. 22o
Der Abschniu nach dem eigentlichen Mahl Anders als in den Primärquell en der Szene, dem Besuch des Odysseus be i den Phäaken und der Bewirtung des Aeneas be i Dido tritt nac h dem Mahl jedoch kein Sänger auf, um das Ohr der Gäste zu erfreuen. Statt desse n beginnt Caesar ei ne lange, bis ti ef in die Nacht dauernde Unterhaltung. Diese Konste ll ation ist zwar inhalt lich auffälli g, da meist nicht der Gast, sondern de r Gastgeber den Anstoß zum Gespräch g ibt,221 fonnal jedoch läßt sie d ie üb liche Darste llung eines wißbegierigen Wirtes anklingen. Primäres Vorbild ist das Gastmahl be i Dido, vg l. Lucan. 10.173f: /ongis Caesar producere Ilocrem I inchoar adloquiis und Verg. Aen. 1,748f: nec non el vario lJocrem sermone rrahebat I infe lix Dido. Gemei nsame Detai ls, di e he ide Szenen mit anderen epi schen Gastmählern tei len, si nd einerseits d ie lange Dauer der Unterhaltung, andererseits der wechse lvolle Gesprächssto ff, der bei Verg il ausdrück lich genannt (Verg. Aen. 1,748: vario [... ] sermone). be i Lukan nur durch den Plura l (Luca n. 10, 174: al/oquiis) angedeutet wird. We iterhi n ist das Prinzip gewahrt, daß von den zahl reichen 220 Dies ist in 35 der 40 untersuchten Gastmahlszenen der Fall . Nur fllnf enthalten keine Unterhaltung nach dem Mah l: Aufenthalt der Gefllhrten des Odysseus bei Ki rke, Bom. Cd. 10.210-24 3; Odysscus bei Autolykos. Horn. Od . 19,41 3-427; Acneas bei l'lelenus. Verg. Aen. 3,300-355: Thctis bei Chiron. Stal. Ach. 1, 104-197: Hochzei tsmahl von Pluto und Proserpina. C I.md. ra pt. Pros. 2,306-372; dazu oben S. 92f. 22 1 In der lIias eröffnet dagegen meist der älteste Tei lnehmer das Gesprllch . Die Erzäh lungen der Gäste in der Odyssee, die gewöhnlich vom Gastgeber angeregt werden, können dagegen geradezu als »Gegenleistung« rur die freundliche Au fnahme betrachtet werden, s. REECE ( 1993) 28 (der sci ne Aussage allerdings unrichtig auch auf die Ilias bezieht): »The visitor provides news from abroad to a curious host. as though in exchange for material hos pitali ty.«( S. dazu S . 93f.
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Themen ni cht alle wiedergegeben werden, sondern im Extremfall nur eines, näml ich die längere Erzählung einer einzelnen Person.222 Doch während sonst meist der Gast nach AufTorderung von seinen Abenteuern berichtet, ist es hier der ägyptische Priester Acoreus, der auf Caesars Bitten in e inem natunvi ssenschaftli chen Vortrag die Geheimni sse des Nils enthüllt (Lucan. I0, 1 93 ~33 1 ). Die rur ein episches Gastmahl überraschende Initiative des hospes kommt durch eine lange wörtliche Rede (Lucan. 10, 176- 192) gebührend zur Ge ltung, während KJeopatra, di e wahre Gastgeberin, in dem verbleibenden Teil der Szene mit keinem Wort mehr envähnt wird - ja es ist nicht einmal sicher, inwieweit sie sich an den von Caesar angeregten alloquia betei li gt. Ein solches Übergewicht des Gastes, der nicht nur die Initi ati ve zum Gespräch an sich zieht, sondern sogar die Wirtin ganz in den Hintergrund drän gt, weist kein anderes epi sches Gastmahl au f. 223 Lukan erreicht diese Verschiebung, indem er nicht nur die Initi ati ve zur Konversation auf Caesar überträgt, sondern darüber hinaus das traditione lle Element des ))Gesprächs zwischen Gastgeber und Gast« (lX) mit dem künstlerischen Vortrag verschmilzt. Während an Königshäusern oft ein (Hof-)Sänger auftritt, und zuvor oder, se ltener, im Anschluß daran e ine Unterhaltung über die Erlebnisse des fremden stattfindet, bei welcher der Gastgeber durch seine Anordnun gen und Wünsche eine lenkende Funktion ausübt, so besteht hi er der beri chtende Teil der Unterha ltung aus einem Vortrag, der nicht von Gast oder Gastgeber, sondern einem Dritten geli efert wird. In dieser Beziehung gleicht also die Rede des Acoreus eher den Li edern der Sänger, die ebenfa lls als Außenstehende die Protagoni sten unterhalten. Da außerdem die Aufforderung zum Vortrag während der Unterhaltung ergeht, tritt dieser zugleich an die Stelle der langen Erzählung, mit der sich gewöhnli ch der Fremde näher vorstellt. Durch diese Verschmelzung zwe ier gängiger Elemente und die Übertragung der Initiative auf Caesar blendet 222 Auch bei Homer, der von allen Epikern die größte Vorliebe ru r längere Gespräc he hat und manchmal bis zu vier Wechsel reden darstellt (vgl. den Besuch des Telemach bei Menelaos, Hom. Od. 3.78-305) werden nicht alle erwähnten Themen ausgeftlhn. Apollonios und Vergil, dessen Beispiel Lukan fo lgt. raffen die Unterhaltungen noch stärker. Vgl. das Abschiedsmahl der Argonauten, A. R. 1.457-459, wo zwar viele T hemen angedeutet werden, später aber nur der Streit mit Idas erscheint. Zu Vergil s. HEINZE ( 1957) 404 : »Was zunächst bei Virgi l ins Auge fli llt. ist [ ...] die große Ei nschränkung, die bei ihm das Gespräch erfähn . {... } Z u allenneist beschränkt sich das Gespräch auf Rede und Gegenrede zweier Sprecher.« 223 Vgl. dagegen die Konversation von Jason und Aietes (Val. Flac. 5.574-614), bei der zwar der Gast Jason den Gesprächsverlauf durch Fragen lenkt, seinen Win aber ausdrücklich zu Wechselreden au ffordert.
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Lukan die eigentliche Gastgeberin KJeopatra , wie zuvor schon ihren Bru· der, vollkommen aus, ohne daß der Eindruck eines epischen Mahls dadurch ernsthaft gestört würde . Als Caesar den Priester zum Reden auffordert (Lucan. 10, 176-192), schließt er in seine Bitte zahlreiche Einze lfragen ein, ganz wie es in anderen epischen Mahl szenen die Gastgeber tun , wenn sie den Ankömmling bitten, se ine Geschichte zu erzählen. 224 Anders als diese verlangt er jedoch nicht danach, persönliche Erlebni sse seines Gesprächspartners zu hören, sondern erkundigt sich nach der Geschichte, der Geographie, den Bräuchen und be· sonders der Religion des Gastlandes (Lucan. 10, 177-1 8 1 und 189·191), also nach Einzelheiten, für die Acoreus nur in seiner Eigenschaft als gelehrter Pri ester, nicht aber als Person interessant ist. Da dieses Gespräch zugleich als einzige Phase der Unte rhaltung breit ausgeführt wird, während ein Austausc h zwischen Caesar und Kleopatra vollkommen fehlt, erhalten die alloquia insgesamt eine nüchternere Färbung als alle vergleichbaren Gast· mahl szenen, in denen die Protagonisten in eine persönliche Beziehung Ire· ten.225 Eine so ausführliche Begründung für se ine Wißbegier, wie Caesar sie Iie· fen, ist in den epischen Gastmahlszenen einzigartig. Sowohl bei dem Lied eines Sängers als auch bei den Erzählungen eines Gastes wird gewöhnlich wenn überhaupt - nur eine kurze Einladung ausgesprochen , weil sich die Unterhaltung hannoni sch aus dem Zusammenhang ergibt. Wenn ein be· rufsmäßiger Sänger anwesend ist, muß nicht eigens begründet werden, warum gerade er ein Lied vortragen soll , und noch weniger müssen sich di e Gäste dafür rechtferti gen, daß sie sich nach dem Mahl an einer musischen Darbietung erfreuen wollen .226 Auch wenn der Fremde vom Gastgeber auf224 Vgl. Horn. Od. 1,170·177 (Telemach an Athene); 3,7 1·74 (Nestor an Telemach und Mentor); 7,238 f. (Arete an Odysseus); I~ om . Od. 10,325 (Kirke an Odysseus); t4.187- 19O (Eumaios an Odysseus); A. R. 3.304-3 16 (Aietes an die Phrixossöhnc); Verg. Aen. 1,750-756 (Dido an Aeneas), vgl. auch die vorgezogene Be fra gung des Acneas durch Pallas. Aen. 8.1 12·114. s. dazu oben S. 95 Anm. 219. 225 Diese kann im intensivsten Fall in einer Liebesbcziehung bestehen, aber auch in allgemein freun dschaftlicher Verbundenhei t. wie zwischen Telemach und Nestor oder Telemach und Me nelaos. Selbst Zom und Wut, wie sie zwischen Aietes und Jason herr· sehen (vgl. A.R. 3,367·382; Val. Flac. 567-569), stellen eine Fonn von persön licher Beziehung dar, die sich von d em Schweigen, das Lukan über alle Wechselreden zwischen Caesar und Kleopatra breitet, deutlich abhebt. 226 So zeigt Ho mer den Beginn des Gesangs gelegentlich ei nfach dadurch an, daß dem Sänger sein Instrument gere icht wi rd, vgl. Horn. Od. 1, 153f. (Phemios); Ho rn. Od. 8,67-69 (Demodo kos).
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gefordert wird, von seinen Abenteuern zu erzählen, muß weder die Wahl des Vortragenden - nur er se lbst kann sei ne Vorgeschichte kennen - noch der Wunsch des Hörers umständlich begründet werden. Entsprechend 227 knapp fallen die Aufforderungen jeweils aus. Caesar hingegen greitl zu einer freundlich vorgebrachten (Lucan. 10,175: placidis [... ] dicris) und geschickt gegliederten Argumentation, in der er zunächst die Frömmigkeit und Gottesnähe des Acoreus hervorhebt (Lucan. 10,176f.: sacris devote senex [... ] nOIJ neglecte deis) .228 Di e achtungsvoll e Anrede al s senex und der ausdrückliche Hinweis auf sein hohes Aller (Lucan. 10, 176) schaffen einen hannoni schen Übergang zu den Fragen Caesars nach der Frühgeschi chte des ägyptischen Volkes und, daran anschließend, nach se inen Bräuchen, religiösen Riten und vielgestaltigen Gottheiten (Lucan . 10, 177-179). Gerade von den ältesten und verborgensten Geheimnissen und Aufzeichnungen wünscht der Römer zu erfahren, wobei er sich auf die Götter selbst beruft, die sich gern erkennen ließen (Lucan. 10, 179- 181 : quodcllmqlle vetustis I insculptwn est adytis pro/er. nosciqlle volentes I prode deos). Als unterstützendes Argument dient ihm die Legende, daß die Vorfahren des Priesters sogar ihren Gastfreund Platon unterwiesen hätten (Lucan . 10, 18 1f.: Si Cecropium sua sacra Platona I maiores docllere tui ... ).229 Von dem berühmten hospes leitet Caesar sodann unmerkli ch zu seiner eigenen Person über: Der Hauptgrund flir seinen Aufenthalt in Alexandria sei zwar der Ruhm des Pompcius, jedoch, so fugt er rasch hinzu, auch der der Priestersc haft ;2JO habe er sich doch se lbst während der Kämpfe des Bür227 Das Recht eines Wirtes, Näheres über seinen Gast zu erfahren. ist in der Odyssee so unumstritten. daß Reisende, d ie ihre Anonymität zu wahren wünschen, sogar eher zu ei ner LOgengeschichte greifen , als die Bille des Gastgebers rundheraus abzuleh nen. Vgl. al s bekanntestes Beipiel die Trugrede des Odysseus vor EUlllaios (Horn . Od. 14.19 1-359). aber auch die vorgetäuschte Identität der Atheue im erslen Buch der Odyssee (Horn. Od. 179-2 12). 228 Die Ansprache weist Parallelen zur Rede des Aeneas vor seiner Unterwehs fahn auf (Verg. Aen. 6,103-123). besonders was die Argumentation mil großen Vorbi ldem bctriffi (Aeneas erwähnt O rpheus, Pollux, Theseus und Herakles). Vgl. dazu EIC HßERGER ( 193 5) 9-13 . Die Rede des Aeneas wiederum gehl möglicherweise auf orphische Vorb ilde r zurOck, dazu NORDEN (1957) zu Aen. 6,120. 229 Die Legende. daß Plalon nach Ägyplen gereist sei, überliefem auch Diodor 1.96.2 und Cicero (Oe rcp. 1. 16. vgl. Oe fin . 5.50). Eine kommentierte ZU5.1mmenstellung der Zeugnisse bei DORRIE (1990) Nr. 62-65. 230 Lucan . 10. 184f.: Fama q/lidem gelleri Pharias me dllxil ad IIrbes, I sed lamen el
\'cslri.
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gerkriegs mit Sternbildern und allgemein den Himmelserscheinungen beschä fti gt und werde durch seine Kalenderrefonn sogar dem Mathematiker Eudoxos g leichkommen ( Lucan. 10,185-187). Seine Kenntni sse stellt der Römer scho n durch die Wortwahl heraus, die von feierli chen bzw. gelehrten Ausdrücken (V. 177: primordia ; V. 180: adylis; V. 18 1: Cecropiwn) und seltenen oder fremd sprachigen Fo rnlen (V. 178: vIIIgi; V. 187 :[astibus; V. 18 1: Platona) geprägt ist - eine geschickte Anpassung an seinen gebi l23 1 dete n Gesprächspartner. Sein mit virl/lS gepaartes großes Verlangen nach Wahrheit, das sich darin ausdrücke, finde freili ch seinen Höhepunkt in der Frage nach den Nilquellen ( Lucan. 10, 189-191 : Nihil est, quod noscere malim / quam jluvii callsas [... ] igno fllmque caput). Hier erst enthüllt der Römer seine eigentlichen Absichten. Nicht die Götter Ägyptens und die Frömmigkeit, die er eingangs an Acoreus gerühmt hatte, stehen im Mittelpunkt seines Interesses, sondern ein sagenumwobener Ort jense its der bekannten Welt. Um zu ihm vorzustoßen, sei er, der erfolgreiche Feldherr, sogar bereit, den Bürgerkrieg zu verlassen (Lucan. 10, 19 1f. : spes si! mihi certa videndi t Niliacos [otlles. bellum civile relinquam). Es zei gt sich, daß die Religion nur als Mittel zum Zweck dient: Sie bildet ein G li ed in der Argumentationskette, mit deren Hilfe Caesar die eigentli ch wichtigen Informationen von dem Priester zu erlangen horn . Sein Verhalten korrespondiert also mit dem der Kleopatra, die di e heili gen Tiere des Landes riicksichtlos ihrem Repräsentationsbedürfni s dienstbar macht, indem sie sie dem Gast a ls exotische Speise vorsetzt (Lucan. 10, 158f.). Offenbar versteht Acoreus den eigent lichen Hintergrund der Frage sehr wohl : Se ine Antwort befaßt sich nach einem kurzen Abriß über den Sternenhimmel (Lucan . 10, 199-2 18) au sschli eßli ch mit dem Verlauf des Nil s und seiner gehei mni svollen Schwemme (Lucan . 10,219-33 1).232 Daß die geographische Lage der Que llen nur ungenau angegeben wird ( Lucan. 10,287: medio cons urgis ab axe) entschuldigt der Priester mehrfach durch Wendungen, di e sein eigenes Wissen relativieren (Lucan . 10,237: q uis callsas reddere poss it ?~ Lucan. 10,27 1: vincit ad/me natura latendi; Lucan. 10,284f. : nul/i conlingit gloria genti t UI Nilo sit laela suo; Lucan . 10,285287: Tuajlllmina prodom, / qua deus [... ] / le me nosse dedil) . Von den re231 Auf diesen Effekt weist zu Recht TASl.ER ( 1972) 87 hin . der ihn vor allem im Vergleich mit der Caesarrede an den niedrig gestellten Amyclas herausarbeitet (ebd. 86-
88).
232 Die AusfUhrungen weisen Parallelen zum ) ) De Ni IO« überschriebenen Buch IV A der Naturales Quaestiones des Seneca auf. Vgl. aber auch Hdt . 2, 19-34 .
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lig iösen Bräuchen und den Göttern des Landes, nach denen Caesar zuerst gefragt hatte, ist hingegen keine Rede mehr. Sie spielen nur am Anfang des Vortrags eine Ro lle, als der Priester ausdrücklich versichert, den Himml ischen se ien se ine Ausführungen zwei fellos genehm ( Lucan. 10, 197: ast ego eoelieolis gratllIn reor). A llerdings gründet sich diese Auffassung nicht auf eine gött liche Offenbarung oder gar die Tradition der ägyptischen Priesterkaste, sondern auf se in eigenes, nicht unumstrittenes Urteil (Lucan. 10, I 96f. : Sit pietos aliis miracula tanta silere; / ast ego ... ). Acoreus ist also keineswegs der konservative Vertreter der Priesterschaft, den Caesars Anrede saais devote senex (Lucan . 10, 176) vennuten lassen könnte. Sein ambivalenter Charakter wird schon gleich beim ersten Auftritt des heiligen Mannes im achten Buch deutlich, wo ihn der Dichter unter die ))U ngeheuer«, d . h. die Ratgeber, am Hof des Pto lemaios einreiht (Lucan. 8,474f.: omnia monstra / Pellaeae eoiere d OntliS. quos inter Acoreus), um allerdings abschwächend hinzuzufügen : [A coreus] iam placidlls senio !ractisque modestior annis (L ucan. 8,476). Nun offenbart er, wenn auch mit warnendem Unterton , dem machtbesessenen Feldherrn geheime Kenntnisse über den Nil. Daß nur ein Teil der gestellten Fragen ausfUhrlieh beantwortet wird, ist, wie oben gezeigt, in einer epischen Gastmahlszene ni chts Ungewöhnliches.233 Da di e Dichter sich normalerwei se am Kenntni sstand des Lesers orientieren, kommen im Vortrag hauptsächlich Einze lheiten zur Sprache, die diesem noch unbekannt sind. Hier verhält es sich anders: Die Antworten werden nicht nach den Vorkenntnissen des Publikums, ja nicht einma l nach denen des Gesprächspartners ausgewählt. Vielmehr orientiert sich der Priester nur an bestimmten Aspekten der ihm vorge legten Fragen, während andere ganz ausgek lammert bleiben. Wie läßt sich der Vortrag des Acoreus nun fonnal fassen? Oben (S. 99f.) haben wir gesehen , daß sich Gesänge beim Mahl grob in zwei Kategorien ei nteilen lassen: Solche, die als Kommentar rur den Leser konzipiert sind, und so lche, di e als handlungsfOrdemde Elemente wirken . Das Charakteristikum eines )kommentierenden< Gesangs besteht darin, daß er für die Figuren einen bloßen Zeitvertreib darstellt, während ihnen seine eigent liche Bedeutung verborgen bleibt. Al s Beispiel diente u.a. der Gesang des lopas in
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233 S. schon Scho l. ad Lucan. 10,1 75 zur Ä hnlichkeit der Bankette von Dido und Klco paua : )) U! illa Aencan interrogat de Troiano bello ac dc inde contc nta est de expug na· tione urbis audire et de erroribus, ita hic {sc. Caesar} intcrrogat primordia gentis terrarumque situs vulgique mores CI non ind icat nisi de natum Nili,c!
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der Aeneis (Verg. Aen. 1,740-747). Stellt man se inen Vortrag neben den des Acoreus, so werden einige grundlegende Unterschiede sichtbar. Daß der Gesang des lopas auch allegori sche Funktion habe, ist unbestritten . Jedoch sind die von ihm verwendeten Bilder so gewählt, daß sie unter den 234 Lesern der Aeneis zu unterschiedlichen Deutungen fuhren können . Noch weni ger sind die Bezüge und Vorausdeutungen von den involvierten Figuren zu erkennen, die sich nur an dem künstleri schen Vortrag erfreuen . Bei den Ausftihrungen des Acoreus verhält es sich anders. Nicht nur, daß der Pri ester se in Thema an dem ausdrücklichen Wunsch Caesars ausrichtet und ihm damit Bedeutung für die Gegenwart verleiht - auch die exempla rur berühmte Nilexpeditionen entstammen dem Wi ssenshorizont sei ner Hö rer, werden eindeutig qual ifi ziert und auf Caesar bezogen. Der Wunsch, die verborgenen Quellen zu entdecken, hat vor ihm schon ägypti sche, persi sche und makedonische Tyrannen geleitet, Lucan. 10,268f.: Quae tibi noscendi Ni/llIn, Romane, cupido est, I et Phariis Persisque [ llil Macetwnque ty rannis. Die Anrede mit dem Völkemamen (Romane) stellt Caesar - auch rur die Festgesell schaft erkennbar - auf eine Stufe mit ihnen , d.h., wie der Priester g leich präzisisiert, mit Alexander, Sesostris und Kambyses ( Lucan. 10,272-282). Die darin liegende Warnung ist offenkundi g, denn alle drei sind auch aus der Figurenperspektive al s mächtige und bewunderte, aber auch skrupellose Eroberer erkennbar, denen es trotz ihrer militärischen Erfolge nicht gelang, den Ursprung des Nils zu ergründen.noS Bes itzt aber der Vortrag des Acoreus rur di e Figuren Aktualität, so kann er nicht ausschließlich al s Kommentar rur den Leser eingestuft werden wie das Lied des lopas. Es bleibt zu fragen, ob er stattdessen, wie verg leichbare ))aktue lle« Gesänge in anderen Gastmahlszenen , handlungsfördernd wirkt, dem Geschehen also eine neue Richtung verleiht. Da das Epos kurz darauf abbri cht, läßt sich dieses Problem nicht mit letzter Sicherheit klären . Unstrittig ist jedenfa ll s, daß, während z. B. das dritte Lied des Demodokos die Identifikati on des Odysseus und das Lied des Orpheus die Versöhnung der 234 Man vergleiche die noch immer andauernde Forschungsdiskussion, dazu oben S. 168 mit Anmerkungen. 235 Zu den militärischen Erfolgen des ägyplischen Königs Sesostris s. Hdt. 2,102110, zu seiner Skrupellosigkeit ebd. 2, 107. Vgl. den zusammenfassenden Bericht bei Strabo 790. ähnlich Diod. 1,57, 1-5. Ober die Regierungszeit des Kambyses s. Hdt. 3, 166; zu seinem Wahnsinn, mit dem er wegen sei nes Frevels gegen den Apisstier geschlagen wurde. Hdt. 3.27-30. Zum Alexanderbild und der Alexandernachfo lge Caesars s. o. Anm . 210 und u. Anm. 237.
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Argonauten erst herbei flihrt,236 Caesars Wunsch, die Nilquell en zu entdek· ken, schon vor der Unterhaltung besteht. Nicht der Beri cht des Acoreus weckt sein Verlangen, sondern gerade weil Caesar dieses Verlangen ver· spUrt, fo rdert er einen entsprechenden Bericht. Ebenso weist der Priester, wenn er Caesar warnend mit Alexander vergleicht, auf eine schon bestehende Parallele hin. Während der Gesa ng des Dernodokos zu neuen Aufschlüssen über die Identität des noch unerkannten Odysse us führt, stellt die aemulalio Alexandri, die Acoreus in Caesars Ansinnen erkennt, einen be· reits bekannten Charakterzug des Römers dar,237 der sich durch seinen kurz vor dem Festmahl besc hriebenen Besuch am Grab Alexanders (V. 10, 18· Hg 52) selbst in Beziehung zum makedonischen Eroberer gesetzt hatte. Aus diesem Grunde ist fragli ch, ob die warnenden Worte des Priesters abschreckend oder nicht vielmehr bestätigend auf seinen Hörer wirken. Haben sie bestäti gende Kraft, sprechen sie also nur eine ohnehin vorhandene Tendenz deutlich aus, so geben sie der Handlung keine neuen Impul se, wie es vergle ichbare »aktuelle( Darbietungen tun . Bringen sie Caesar hingegen von seinem Wunsch ab, die Nilquellen zu sehen, so üben sie akti v Einfluß auf den Verlau f des Epos aus und könnten daher im eigentlichen Sinne als »handlungsfördemd« bezeichnet werden. Die Indizien - und auf solche sind wir wegen des unvo ll ständi gen Zu· stands der Pharsalia angewiesen - sprechen für die erste Mögl ichkeit. Anders als bei den Gesängen des Phemi os (Horn. Od. 1,337·344), Demodokos (Horn . Od. 8,83-85), Orpheus (A. R. 1,512-5 15) oder des lopas (Verg. Aen. 1,747) fehlt be i Lukan jede Publikumsreaktion. Weder erhält Acoreus aus· 236 Drilles Lied des Demodokos, I-I om. Od. 8,499-520: Lied des Orpheus, A.R. 1.494-515 . 237 Die oemll/otio Alexondri ist Oberhaupt ein rester Bestandtei l des antiken Caesarbildes, vgl. Suet. Caes. 7, 1; Cass. Dio 37,52, 1-2 und 41,24.2, dazu Pl ut. Caes. 11,5-6. Zur Alexandemachahmung im Selbstverständnis Caesars vgl. jetzt BRACCESI (1993) 149- 162. 238 Dieser bewußte Rückgri ff auf den berühmten Eroberer laßt auch den kurz zuvor geschilderten Besuch Caesars in den Ruinen von Troja (9,%4·999) in neuem Licht erscheinen. Man hat oft gesehen, daß Lukan diese Szene nach dem entsprechenden Aurenthalt Alexanders in llion gestaltet hat, als dessen Ebenbild der römische Feldherr erscheinen soll. Zieht man auch seinen kurz darauf rolgenden Besuch am Grab Alexanders in Betracht, so stellt sich die Frage, ob die symbolische Bedeutung von Caesars Trojabesuch tatsllchlich nur dem Leser bewußt wird, wie ZW1ERLE1N ( 1986) 468 meint. Vielmehr schei nt das Interesse, das Caesar selbst an dem Welteroberer bekundet, darauf hinzudeuten, daß auch die Figuren den typologischen Bezug der Ereignisse erkennen. Wi r können also ftIr den Caesar Lukans ei ne willentl iche Alexandcrnachfolge annehmen, so daß die von Acoreus bemühten warnenden exemp/o geradezu al s Anreiz wi rken mOssen.
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drOckl ich Beifall , noch Obt jemand Kritik an se inen AusfUhrun gen. Di e aufs höchste gesteigerte Wißbegierde Caesars, die er unmittelbar vor der Rede des Priesters se lbst eingestanden hatte (Lucan. 10, 189: nihil es! quod noscere malim und Lucan. 10, 19 1f. : spes sir mihi cerfa videndi I Niliacos fon/es. bellum civile relinqllam) wird an ihrem Ende nicht revidiert, noch äußert Caesar Enttäuschung Uber di e Darstellungen des Acoreus. Vielmehr nehmen d ie Unterhaltungen e inen ruhigen und sorglosen Verlauf, wie Lukan zusammenfassend bemerkt, V. IO,332f.: Sic velUl in IUla secur; pace traheballt / "oelis iler mediae. Der in den Versen 10, 189- 192 erzeugte Eindruck , Caesar sei zu einer Ni lexpedition geneigt, wird also durch die Rede des Acoreus nicht getrübt. Es steht daher zu vermuten, daß Lukan diese nicht als »hand lungsfördemdes(( Element im eigentlichen Sinne verstanden wisn ll sen wol lte. Da sie aber auch nicht als nur an den Leser gerichteter Kommentar konzipiert ist, stellt sich die Frage, welchem Zweck die Erzählung statt dessen dient. Ein Blick auf die bisher ana lysierten Elemente des Gastmahl s liefert einen möglic hen Ansatzpunkt. Dabe i hat sich ergeben, daß viele von ihnen bei m Bankett der Kleopatra ihre ursprüngliche Funktion ei ngebOßt haben. Die Dienerschaft erscheint als dekorati ves Element, ebenso wie die Ausstattung des Festsaa ls und di e aufgetragenen Speisen: Das Holz der Pfeiler ist ni cht primär unter dem Gesichtspunkt seiner Tragfähi gkeit, sondern nach sei nem materiell en Wert ausgesucht , das MenU nicht nach seiner sättigenden Wirkung, sondern nach seinem exotischen Reiz. Da Lukan bei der Darstellung dieser Elemente j edoch Slrukturprinzipien wahrt, die sich auch be i seinen Vorgängern finden , tritt durch den Kontrast zwischen traditioneller Fonn und ihrer Ausgesta ltung die Dekadenz der beschriebenen Persone n hervor, die fortwährend traditio nelle Grenzen Ubersc hreiten.
239 Ob der historische Caesar tatsächlich eine Fahrt auf dem Ni l unternommen hai, spielt fUr die hier behandelte Frage nach de r ET71thltechnik eine untcrgcordnete Rolle, da der Dichter auch sonst gelegentlich frei mit historischen Tatsachen umgeht (Man vergleiche die - rein fiktive - Rede Ciceros in Pharsalos fV . 7.68-85 ] oder die ins Jahr 48 statt. wie historisch bezeugt. ins Jah r 49 datierte Rede Caesars vor seinen in Placentia meuternden Soldaten [5.319-364]. zur Datierung RUTZ ( 1989 (1950} 30). Selbst wenn eine Fah rt auf dem Nil historisch erwiesen wAre, bedeutete dies also nicht zwi ngend, daß Luka n sie dargestellt Mue. Welche Funktion er de r Aeoreusrede zuweist. muß daher - mit aller gebotenen Vorsichl - aus dem vorliegenden Teil des Epos erschlossen werde n. Vo n e iner angeblichen romantischen Ni lreise mit Kleopatra berichten Appian (BC 2,90) und Sueton (Caes. 52), wAhrend über wissenschaftliche Expeditionen nichts bekannt ist.
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3.2.2 Das Gastmahl bei Kleopatra
Wendet man man dieses Prinzip auf die Acoreusrede an, so ergibt sich, daß auch hier äußerlich Strukturen bewahrt sind, die sich auch in anderen Gastmahlszenen finden . Daß Lukan dabei zwei typische Formen von Aktivitäten nach dem Mahl, das Gespräch zwischen Gastgeber und Gast (Element IX ) sow ie den Sängervortrag (Element X), verschmolzen hat, ist rur diese grundsätzliche Feststellung ohne Belang. Während aber die einzelnen Details (Beginn der Rede nach dem Essen, Aufforderung zur Erzählung, Vortrag, Abbruch und Hinwendung zu einer Parallelhandlung) leicht identifiziert werden können, gestaltet sich eine sichere Aussage über die Wirkung der Rede problematisch: Entspräche sie den traditionellen »handlungsfördernden« Beiträgen, wie ihre formale Anlage vermuten läßt, so müßte sie dem Geschehen eine neue Wendung geben, das heißt, sie müßte Caesar von se inem früher gefaßten Wunsch , die Ni lqueJlen zu sehen, abbringen. Während sich bei vergleichbaren Reden der Effekt so fort an den betroffenen Personen zeigt (Penelope äußert sofort ihr Mißfallen über das Lied des Phemios und gibt damit Telemach Gelegenheit zu seiner selbstbewußten Äußerung [Horn. Od. 1,337-344]; Odysseus weint schon während des Gesangs des Demodokos und leitet damit se ine Identifizierung ei n [Horn. Od. 8,83-86]) finden sich in dem erhaltenen Teil der Pharsalia keine Anzeichen für eine solche neue Wendung, die sich an Caesar als der betroffenen Person zeigen mUßte. Sind diese Überlegungen ri chtig, so prallen die warnenden Worte des Priesters wirkungslos an dem nach Macht strebenden Feldherrn ab. Wie Kleopatra sich nicht scheut, die Grenzen von pie/as und modeslia zu sprengen, so läßt sich auch Caesar von Mahnungen zur Bescheidenheit nicht beeindrucken.240 Dies entspräche ganz dem Bild, das Lukan auch sonst von ihm entwirft? " Übt aber die Rede des Priesters keinen erkennbaren Einfluß auf Caesar aus, so haben wir dieselbe Art der Modifikation vor uns, die sich auch an anderen Details des Gastmah ls beobachten läßt. Eine von der jewei ls positiv gefärbten Primärquelle (Aeneas bei Dido) und Sekundärquelle (Odysseus bei den Phäaken) abweichende negati ve Wertung der Ereignisse 240 Daß sich nach dem Tod des Pompeius und mit dem Aufenthalt in Ägypten eine neue Qualitat seines Machtstrebens snkßndigt. deutet Luksn selbst an. vgl . V. 10.170f. (Ober Caesar): et genisse pudel genera cum paufH!N! bellum I et causas Martis Phariis cum gentibus optat. 241 S. RUTZ ( 1950 (19891) 169 zur Seesturmrede. Lucan. 5.654-67 1, eine rur den C harakter Caesars besonders illustrative Stelle : »)In dem Genuß dieses Geruhls. stets gefllrchtet zu werden. steigen sich Caesar zu einem wahrhaft dämonischen Triumphbewußtsein und zerbricht [.. .1alle Schranken. die ihm als Mensch gesetzt sind.«
3.2.2 Das Gastmahl bei Kleopatra
2 11
unter weitgehender Bewahrung der Struktur und ihrer Elemente ist ein kontinuierliches Kennzeichen der Szene. 242 Lukan ken nzeichnet seine Protagonisten auf diese Weise als rücksichtslose, auf unbegrenzten Luxus und unumschränkte Macht bedachte Gesta lten, die sich weder von Göttern noch von Menschen in ihrem Streben aufhalten lassen. Für Caesar läßt sich dieser beherrschende Wesen szug auch außerhalb des Festmah ls durchgehend nachweisen.243 Als Antagonist steht ihm innerhalb des Epos Cato Uticensis gegenüber (dessen Hochzeit, wie wir gesehen haben, eine Kontrastfolie zum Luxus der Kleopatra bildet), rUf di e spezielle Situation des Gastmah ls aber auch all jene Gastfreunde in der vorlukanischen Epik, rur die pie/os und modes/ia die Richtschnur ihres Hande ins bilden - in erster Linie also Aeneas und Odysseus, deren Bewirtungen in Karthago und auf Scheria die Primär- und die Sekundärquelle der Kleopatraszene bilden. Nach dem Ende der Rede schließt die Gastmahlszene abrupt mit ei nem einzigen zusammenfassenden Satz: Sie velul in lula secur; pace Irahebant I tJOclis iler mediae (Lucan. 10,332f.). In gleicher Weise bringen auch andere Dichter die Szene nach der wört lichen Rede rasch zu einem Abschluß, wobei sie allenfalls noch die Bereitung des Nachtlagers rur den Fremden darstellen.244 Daß Lukan dieses Detail nicht mehr aufnimmt, hängt mit dem abrupien Ortswechsel zusammen, der den Leser mitten im Vers zu den Um tri eben des Pothinus versetzt: Lucan . 10,332-335: Sic [... ) Irahebam I noclis iler mediae. sed non vaesana POlhini I mens imbula semel sacra iam ca ed e vacabat l a scelerum mO/ti . Indem er das Mahl kurz vor seinem eigentlic hen Ende, der Nachtruhe, abbricht, deutet Lukan die Gleichzeitigkeit beider Handlun gen an , ein Verfahren, das schon bei Homer zu beobachten ist, s.o. S. 104. Zusammenfass ung Oie versc hiedenen Modifikation en, die Lukan gegenüber dem typischen Schema einer Gastmah lszene vorgenommen hai, lassen sich in zwei Grup242 Vgl. RUTZ (1950[ 19891) 154, zum allgemeinen Verhältnis zwischen Pharsalia und Aeneis: Das Epos Lukans zeichne sich dadurch aus ))daß nicht nur eine in der Situation glcichan igc Szene einen emgegengesetzten künstlerischen EfTekt erzielt, sondern vor al lem alle Wene des ei nen beim anderen in ihr Gegcmei l verkehn sind.l( 243 Vgl. z. 8 . die Seeslurmredcn, s.o. Anm . 209. 244 S. z.ß . Horn. Od. 7,334-347 (Odysseus bei den Phäaken); Verg. Aen. 3,7 16-718 (Acneas bei Dido).
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3.2.2 Das Gastmahl bei Klcopatrn
pen e inteilen. Die erste um faßt fonnale Änderungen, also Eingriffe in die Struktur der Gastmahlszene, die dadurch entstehen, daß der Autor Elemente, die seine Vorgänger mehrfach gebrauchen , ausläßt (man denke an die feh lende Libation) oder neue einfügt. Das Material flir solche Ergänzungen kann entweder aus anderen Gattungen stammen, wie die Blumenkränze und Salben be im Mahl, oder, wie der ausführliche Erlählerkommentar. aus Tendenzen früherer Epiker entwickelt sein und nun eine gewisse Eigenständigkeit erlangen. Da gattungs fremde Elemente einen Stilbruch bewirken , können sie eingesetzt werden, um eine negative Wertung auszudrükken: Die beschriebenen Personen, so suggeriert der Dichter sei nem Publikum, halten sich nicht an den Kodex der heroi schen Welt und entsprechen daher nicht den positiven Vorbildern der Vergangenheit. Da solche fonnalen Änderungen in den Aufbau der typischen Szene eingreifen, dürfen sie nicht zu zahlrei ch se in, wenn deren charakteristische Gestalt erhalten bleiben soll. Wesentlich häufiger sind daher Modifikationen, bei denen äußerlich die Fonn gewahrt und die Szene nur vom Dichter auf besondere Weise ausgestaltet wird (vg1. die ornamentale Funktion der Dienerschaft, die Art und die Aufzäh lung der Speisen oder die Art der Unterhaltung nach dem Mahl). Nicht immer sind beide Fonnen der Modifikation deutlich voneinander zu trennen , zumal sie wechselseitig aufeinander einwirken können . In unserer Szene fuhrt z. B. die rein schmückende Funktion des Gesindes - a lso eine besondere Ausgestaltung des Struktu relements »Dienerschaft« (Element VlI a) - dazu, daß das Element nicht wie sonst beim Auftragen der Speisen erscheint, sondern direkt an die Ekphrasis des Palastes angeschlossen wird. Die Art der Ausgesta ltung zicht also eine Verschi ebung im typischen Ablauf - eine rormale Änderung - nach sich. Seide Formen der Modifikationen wirken hier zusammen und verleihen Lukans Gastmahlszene ihre eigenartige Prägung. Für ihre Anwendung sind zwei Prinz ipi en enlscheidend: I. Konsequenz: Abweichungen vom typischen Schema ze igen sich im Gastmahl der Kleopatra ni cht nur bei einzelnen, sondern bei der Mehrzahl der Elemente, wobei sie stets in die gleiche Richtung zielen. Der Dichter geht damit über einze lne kleine Verschiebungen, wie sie jede Gastmahlszene aufgrund ihres spezi fischen Kontextes verlangt, hinaus: Die ganze Szene erhält eine unverkennbare Färbung. 2. Transparenz: Die Modifikationen wandeln die aus anderen Epen bekannten Strukturelemente zwar ab, bewahren aber deren Grundzüge so
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213
genau . daß jeder einzelne Bestandteil. und oft auch sei n direktes Vorbild, zwe ifel sfre i erkennbar bleibt (s. S. 168). Die einzelnen Komponenten werden also nicht vollständig verkehn oder deformien wie in den Antigastmählern (z. B. dem Bankett der Lapithen und Kentauren oder dem de r lemni schen Frauen, s. daz u unten den Exkurs). Welche Detai ls sind nun dafür entscheidend, daß der Leser eine Gastmahlszene trotz aller individuellen Eigenschaften als »typisc h episch« empfind et? Die bisherigen Ergebnisse legen nahe, daß der Struktur der Szene dabei eine wichtige Funktion zukommt. Da nun die Mähler bei Dido und Kleo patra eine grundlegende Parallele in der Figurenkonslellalion aufweisen. aus der sich weitere Bestandteile harmoni sc h ergeben, bleibt zu prüfen, ob das Ergebnis durch diese Analogien verflilscht wurde. Seide Male handelt es sich um eine Frau, die einen Mann aus einem fremden Land bei sich aufnimmt, beide Male ist die Gastgeberin eine Königin . Aus der Konstellati on Mann - Frau entwickeh sich die jeweils im Hintergrund präsente Liebesbeziehung; aus der königlichen Stellung der Gastgeberin ergibt sich die prunkvolle Kulisse und die Beteiligung der Dienerschaft. Welches Bild bietet sich uns aber, wenn diese G rundkonstanten wegfa llen? Läßt sich auch in solchen Szenen noch von einer ) ty pischen« Struktur sprechen, und wenn ja, wie wird sie erzeugt? Als Gegenprobe kommen nur we ni ge Szenen in Frage, da der männli che Held in den mei sten Fäll en ent weder von e iner Frau (Ka lypso, Kirke, Dido, KJeopatra, in gewissem Sinne auch Arete) oder aber von einem Herrscher (Nestor, Mcnelaos, Alkinoos, Aietcs. Euander, Lyco medes) empfangen wird. Eine Ausnahme bilden die Bewi nung des Odysseus durch Eumaios, da hi er ein Schwei nehin unter besche idenen Bedingungen al Gastgeber auftritt, der Aufenthalt der Argonauten bei Phineus, bei dem nicht e in einziger Gast hervorgehoben wird~ sondern ei ne ganze Gruppe erscheint und das Fest ftIr Hannibal in Capua, bei dem umgekehrt kein ei nze lner Wirt den Besucher aufnimm t, sondern eine ganze Stadt als »Gastgeber« fun giert. Die drei Szenen unterscheiden sich also in ihrer Grundkonstellation deutlich voneinander und von den bisher besprochenen Gastmählern und könnnen daher als Folie dienen . Zug leich erfassen wir mit der Odyssee, den A rgonauti ka des Apollonios und den Punica drei Epen aus drei unterschiedl ichen Epochen. Finden sich auch hier die Prinzipien , d ie wi r bisher aus zwei nah verwandten Szenen abge lei tet haben. bestätigt?
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4. Abweichungen von der Norm. Ungewöhnliche Gastgeber 4.1 Vorbemerkung In acht Szene n weichen die Dichter von der Nonn einzelner, wohlhabender Wirte ab. Fünfmal stellen sie dem Besucher eine in bescheidenen Verhältni ssen lebende Person gegenüber, I zweimal setzen sie einen Wirt an, der aus körperlicher Schwäche unPJ.hig ist. Besucher zu empfangen.2 In einem weiteren Fall handelt es sich um eine Gruppe von Personen, von denen ke ine als Indiv iduum in Erscheinung triu.3 Läßt sich auch unter diesen besonderen Umständen ei ne Orientierung der Dichter am typischen Schema nachweisen, und welche erzähltechni schen Besonderheiten zeigt die Darstellung? Im folgenden werden drei Beispiele aus drei Epochen vorgestellt, die verschiedene Arten der Abweichung repräsentieren. 4.2 Interpretatio nen 4.2. / Bescheidene Umstä'lde: Odyssells bei Eumaios (Holl/. Od. /4 ) Mit der Bewirtung durch Eumaios beginnt die eigentli che Hei mkehr des Odysseus. Nac hdem ihn die Phäaken schlafend am Strand von Ithaka zurückgelassen haben. erkennt er beim Erwachen zunächst seine Hei mat ni cht. Erst die Begegnung mit Athene, welche den Nebel über dem Land lichtet . überzeugt ihn davon, wi rklich zu Hause zu sein . Von der Göttin erhält er auch den Ratsc hl ag. zu nächst den treuen Schwei nehinen Eumaios in seinem Gehöft aufzus uchen und dort zu warten, bi s sie den noch in Sparta weilenden Telemach herbe igehoh habe. Auf dem Landgut möge er sich auch einen Plan zur Überwindung der Frei er zurechtlegen (1 3,330-415 ). Odysseus s[immt zu und macht sich, von Athene in ei nen greisen Bettler verwandelt, auf den Weg zu Eumaios. Dieser zögert trotz sei ner bescheidenen Minel nicht, den Wanderer aufzu nehmen und ihn über mehrere Tage hinweg zu bewi rten. Für die Untersut Es handelt sich um Eumaios. der Odysseus (Horn. Od. 14.1-533) und Tetemach (Horn. Qd. 16,4- 153) bewirtet; Euander (Verg. Aen. 8.97-369); Marus (Si!. 6.62-55 1) und Falemus (Sil . 7. 171-205). 2 Argonaute n bei Phineus. A.R. 2.178-497 und Val. Flac. 4.423-636. 3 Hann ibal in Capua. Sil. 11.259-368.
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4.2. 1 Odysscus bei Eumaios
chung der Gastmahlszenen sind besonders die Ere ignisse des ersten Tages instrukti v, di e das 14. Buch der Odyssee füllen. Während in den Büchern 15 und 16 die Ankunf! Telcmachs und die Se lbstoffenbarung des Odysseusalso die ZusammenfUhrung der Telemach- und der Odysseushandlung - im Vordergru nd stehen, konzenlriert sich die Hand lung des 14. Buches ganz auf die Bewirtu ng. Da di e äußeren Umstände des schli chten Mah ls, mit dem Eumaios den fremden Bettler empfangt, ganz andere sind al s beim vorhergehenden märchenhaften Festmahl der Phäaken und bei den bisher besprochenen prunkvollen Bankenen an den Königshöfen von Karth ago und Alexandria , bietet sich die Szene als Gegenprobe an. Der Abschlliu vor dem eigelltliche" Mahl Ähnlich wie in den bi sher besprochenen Gastmählern steht am Beg inn der Szene ei ne Ekphrasis der Räumli chkei ten, die der Ankömmling bei seine m Eintreffen erblickt (Ho rn . Od. 14.5-22). Obwohl sich die Darstellung des schlichten Gehöf!s unter inhaltlic hen Gesichtspunkten deutlich von der Ekphras is eines Köni gspalastes untersc heidet, folgt di e Beschre ibung strukturell dem gleichen Schema. Der Di chter geht von außen nac h innen vor und wendet sich zunächst den großen Bauteilen des Raumes zu (Horn. Od. 14,5- 12), um anschließend nähere Einze lheiten zu schildern (Ho rn. Od. 14, 13-22). An di e Stelle der sonst ge legentlich erwähnten Kunstwerke. of! Nachbildungen von Menschen oder Tieren, treten hier wirkliche Hunde, die Eumaios selbst aufgezogen haL. Der Relali vsatz KVVES [... 1 / OÜS E6PEI.JIE ovßc.:lTTlS (Horn . Od. 14.21f.) ersetzt dabei di e bei Statuen übliche Nennung des Künstlers, vgl. Horn . Od. 7,9 1f.: KUVES [ ... 1 OÜS " Hq>OIOTOS eTEv~E v , A. R. 3,229f.: " Hq>OIOTOS EllnOOTO 8e.OKEAo epyo ' KOl oi XOAKOTTOOOS TOVPOVS KallE).
Anders als die Königspaläste wird jedoch das Heim des Schwei nehirten rückschauend gleichsam in sei ner Entstehung beschrieben (V. 8: OE\Il08' , V. 10: e8piYKwOEV, V. 11 : EAOOOE, V. 12: O:Ilq>II(EaOOOS, V. 13: TToiE I) und eng mit der Person des eben im Hof sitzenden Eumaios vcrhunden .4 4 Diese Iypisch homerische DarsleJlungsweise beobachtet schon Lessing im ltLaokoon.. am Beispiel der Schildbcschreibung der Ilias: »Homer malet n!lmlich das Schild nicht als ein renig vollendetes. sondern als ein werde ndes Schild. Er hai also auch hier s ich des gepriesenen Kunstgri ffes bedient. das Koex islierende seines Vorwurfs in cin Konsekutives zu verwandel n und dadurch aus der langweiligen Malerei eines Kör-
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4.2. 1 Odysseus bei Eumaios
2 17
WähJend der Akzent bei den Adelshäusem auf dem staunenswerten Glanz des Festsaals liegt, triu hi er die Tatkrafl des treuen Dieners in den Vordergrund .:; Nicht nur, daß Eumaios in Abwesenheit seines Hcnn dessen Besitz sorgsam hütet (V. 3f: Ö oi ßtOTOLO jJCxALoTa I Kr;OETO) - er mehrt ihn sogar a us eigenem Antrieb, ohne auf die Befehle der Penelope oder des Laerles zu warten (V. 9: VOOqlLV OEOlT01V1lS KaI I\aepTao yepovTos). Selbständiges und pflichlbewußtes Handeln als Wesenszug des Eumaios wird dem Leser also zuerst durch die Ekphrasis vorgeführt . Damit läßt sich eine wich tige Funktion der Raumbeschreibung, die Charakteri sierung des jeweili gen Besitzers, die schon bei den köni glichen Gastmählern zu beobachten war, auch für das e infache Milieu des Schweinehirten nachweisen. FOlgte die Szene nun dem typischen Ablauf, so müßte Odysseus seinen Gastgeber beim Mahl mit mehreren anderen Personen antreffen . Dies ist jedoch nicht der Fall . Eumaios hält sich vielmehr allein auf seinem Gehöfl auf und sitzt auch njcht in sei ner Hülte beim Mahl, sondern im Vorhaus, wo er aus Leder Sandalen schneidet (Horn. Od. 14,5 und 23f.). Diese Abwei chung kann nicht durch die andersartigen Lebensbedingungen des Knechts im Vergleich zu einem König wie Alkinoos begründet werden. da Eumaios. wie sich später zeigt, auf se inem Gehöft eine Reihe von anderen Hirten (und in Mesaulios sogar ei nen ei genen Diener) bei sich hat, mü denen zusammen er gewöhnli ch se ine Mahlze iten einnimmt (s. Horn. Od. 14,24f.. Hom . Od. 14.407f. : zu Mesaulios s. Ho rn . Od. 14,449-455). Es wäre dem Di chter also cin Leichtes gewese n, Odysseus während eines solchen ge meinschaftl iche n Esse ns der Hirten eintreffen zu lassen, ähnlich wie kurz darauf Telemach gerade in dem Augenblick heimkehrt . als Odysseus und Eumaios in der Hüne bei m Frühstück sitzen ( Horn . Od. 16, 1-5). Daß der Dichter hier von dieser Tradi ti on abweicht, lenkt die Aufmerksamke it des Lesers auf die für den Beg inn einer epi schen Gaslmahlszene ungewöhnliche Beschäftigung des treuen Schweinehirten. Er wird als fl e ißi g und arbeitsam ei ngefü hrt - e ine Darslellung, die den von der Ekphrasis evozierten Ei ndruck bestätigt. Daß Eumaios bei der erslen Begegnung mit seinem heimkehrenden Henn nicht bei Ti sch si lZl, sondern einer handwerkpeni. das lebendige Gemlilde e iner Handlung zu machen. Wir sehen nicht das Schi ld. sondern den göttlichen Meister. wie er das Sc hild verfertigt. « (S. 12 1 in der Ausgabe von GöPFERT). 5 So schon AREND ( 1933) 44 Anm. 2. S. auch AUSTIN ( 1975) 166: )J Eumnios' hUl. lowly as it is, is as slriking as a palace ror its archileclural deLail . ils symmetry and its crarlsmanship.«
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4.2. 1 Odysseus bei Eu maios
lichen Tätigkeit nachgeht, schafft einen wirkungsvollen Kontrast zu den Freiem. die bei der Ankunft des Qdysseus ein Gelage feiern (Horn. Od. 17.269·271: YIVWOKW S' ÖTI rroAAoi EV aUTct> (sc. Tct> oWJJaTlj SalTa
TlOevTat / avSpes. Erre! KviOll IJEV Evf)voOev. EV OE Te
q>6PJJIY~
/
Als Prasser werden sie schon im ersten Buch vorgestellt (vgl. die Rede der Athene in der GÖllerversamm lung. Horn. Od. 1,91 f. : lJJVlloTi')pes l cii TE oi aiet / JJi'iA ' aOlvo: Q(pa~ouol Kai l ... 1 ßoüs). so daß der Leser der Eumaiosszene den Unterschied zwischen ihnen und dem rastlosen Schwei· nehirten wahrnehmen kann . Die Veränderung eines typischen Merkmal s kann also darin begrUndet sein, daß der Dichter einen Kontrast zu einer anderen Begebenheit des Epos schaffen will. Die Besonderheit der Eumaiosszene liegt darin, daß eine markante Abweichung vom typischen Schema hier positiv besetzt ist, wäh· rend sie bei den bi sher besprochenen Szenen negativ gewertet wurde (s.o. S. 212). Der Di chter erzielt diese Wirkung, indem er ein traditionelles. aber CUr sic h genommen wertfreies Detail (»Esse n und Trinken«) gegen ein anderes, positiv besetztes (» nützliche Tätigkeit «) austauscht. Durch die mehrfache Würdigung der praktischen Tätigkeit. nicht zuletz t in der unmittelbar vor· ausgehenden Ekphrasis. hat er die ModifikaLion sorgfaltig vorbereitet. Sie bestätigt, was Odysseus zuvor über das untadelige Betragen des Eumaios gehört hai (V. 13.404f.: ovßwTTJv 1...1. / ÖS TOI vc:;,v ElTiovpos. 6~c:;,s Bi Ta l !irrla oTOe). Daß die Variatjon tatstichlich der Charakteri sierung des Schweinehirten dient. bestätigt die erwähnte Ankunft des Te lemach im 16. Buch. Zu di esem Zeitpunkt hat sich Eumaios durch se ine eifrige Gast· freundschaft, seine sehnsüchtigen Erzählungen von Odysseus und seinen Groll gegen die Freier bereits als treuer Diener erwiesen. so daß er, als Te· lemac h das Gehöft betritt. dem typischen Schema gemäß beim Mahl sitzend dargestellt werden kann (Horn . Od. 16.1·5: 'Qouoevs Kai oioS uepopß6s / ~nvel ).
EVTVVOVT' aploTov äJJ' Tioll ... ] TIlXEJJaxov OE rrepiooalvov Kvves 1... 1 rrpoolovTa).
Die übrigen Hirten halten sich bei der Ankunft des Odysseu s nicht bei Eumaios auf. sondern gehen außerhalb ihrer Tätigkeit nach (Horn. Od. 14,24-28). Daß auch Abwesende erwähnt werden , ist für eine epische Gasunahlszene ungewöhnlich . Sonst schildert der homerische Dichter den tafelnden Gastgeber und vervollständigt das Bild durch seine mit ihm speisenden Tischgenossen. Da Eumaios jedoch handwerk lich tätig ist, werden fOlgerichtig auch seine Mitarbeiter mit ihren speziellen Aufgaben vorge·
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4.2. 1 Odysseus bei Eumaios
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stellt, wobei der Dichter eine Durchbrechung der eigentlichen Onsbeschreibung in Kauf nimmt (Horn. Od. 14,25f.: ~XOVT ' äAAVOIS äAAOS Öll' aypollEvOIOl oVEOOlV. / oi TpEIS' TCV OE TETapTov anonpoEIlKE nOAlvSE).6 Er kann dies um so leichter tun , als die entsprechenden Verse
dem Leser Infomlationen liefern , die rur das fol gende Geschehen von Bedeutung sind. So erfahn er nicht nur die Zahl der auf dem Landgut ansässigen Knechte und damit der potentiellen Verbündeten, sondern erlebt Eumaios auch erstmals als Vorgesetzten der Hinen. d.h. als ordnenden und vorausschauenden Verwalter. Daß er nur unter Zwang den Freiern die Tiere abl iefen (Horn . Od. 14,27: aVaYKIJ), ist ein weiterer Beleg rur seine Treue zum rechtmäßigen Herrn und hebt ihn von den pfli chtvergessenen Dienern und Mägden ab, die sich den Freiern angeschlossen haben (vgl. Horn. Od. 2ü,6-8). Als der Bettler sich dem Gehöft nähen , erblicken ihn die Hunde des Eumaios, stürzen bellend herbei und drohen, ihn zu zerreißen (Horn . Od. 14.29f. . vgl. Horn. Od. 14,37: oAiyov OE KUVES SIESIlAnoavTo).7 Odysseus wehn ihren Angriff nicht mit Gewalt ab, sondern kauert sich »klug« (Horn. Od. 14,3 1 KEpOooVVt;)) nieder,8 wobei ihm sein Stecken aus der 6 Zur üblichcn Darstellungsweise s. z.B. Horn. 11 . 24.476f.: Horn. Cd. 3,32f.: Ho rn. Cd. 4 ,3f.: s. auch in der späleren Dichlung Verg. Aen. 1.697. 700: Verg. Aen. 8,102- 105 (Die Reihe nfo lge wird umgekehrt am Ho f der Phäaken. wo Arele und Alkinoos, an d ie sich Odysseus hilfeflehend wendel, in einer Art Klimax ersl nach den übrigen Fürslen erscheinen (s. Ho rn. Od. 7,136 und 7.14 1). Vgl. auch den Besuch der Athene bei Telemach. wo die Göuin schon im Hof den aufdringliche n Freiem begegnet. bevor Telemach selbsl ihr entgegeneilt (Horn. Cd. I, I06 und I 13). Ebenso ke hrt Lukan, wie oben beschrieben. die Reihenfolge um, so daß nicht die Gasigeberin KleopatrJ., sondern der Ubermächtige Cac....ar am Ende de r Gliste liste erscheinl (lucan. 10, I36f.). 7 In einigen homerischen GaSlmahlszenen wird der Ankö mmling zunllchsl nicht vom GasIgeber selbst, sondern von einer anderen Person erblickt. S. die Ankunft des Telemach bei Menelaos (Od. 4,22). die Begegnung des Cdysseus mit Alhene an der Quelle auf Scheria (Cd. 7,19 und zuvor mit Nausikaa am Strand, Horn. Qd . 6, 139-315), das Gesprtlch des Aeneas mit Andromache vor de m an homerische Brtluche eri nnernde n Empfang bei Helenus (Verg. Aen. 3.302-306, s. dazu S. 108) u.ö. S. REECE (1993) 12f. zum Element >I maiden al the weil«. In der Eumaioss7.ene Ubernehmen die Hunde. die Odysseus als ersle erblicken, e ine lIhnliche Funklion, wobei sic h allerdings eine - sonSI unUbliche - kö rpe rliche AUac ke anschließt. s. AREND ( 1933) 45. 8 HAI NSWQRTU ( 1961) 124f. siehl in dem Zwischenfall e inen Mangel an Logi k: Einerseits kauere sich Odysseus »klug« nieder, um die Hunde zu besllnfligen - ein Kn iff. der auch sonst bekannt sei - andererseits schwebe er in tödlicher Gefahr. bi s Eumaios die Tiere mit Sleinen vertreibe. Diese Inkongruenz sei ein Ergebnis der mündlichen Überlieferun g. die wenig Wert auf eine slringente GedankenfUhrung lege. Tatsächlich de uten die
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4.2. 1 Odysseus bei Eumaios
Hand faUt. Eumaios eil! sofort herbei , läßt das Leder fallen und vertreibt die Hunde mit SteinwUrfen (Horn. Od. 14.33-36).9 Sodan n begrUßI er den Fremden freundlich (Ho rn . Od. 14.37-47). Daß der Gast am Ei ngang der Behausung wartet, bi s er in Empfang genommen wird, gehört zum traditionellen Ablauf einer Gastmahlszene. 1O Kann aus triftigen GrUnden diese Konventi on nicht eingehalten werden, wie bei der Ankunft des (unsich tbaren) Qdysseus im Palast des Al kinoos ll und befindet sic h ei n Gast in Bedrängnis, so tritt an ihre Stelle eine bitlflehende Geste durch Umfasse n der Knie und/oder Niederkauem am Boden. 12 Ein guter Gastgeber beeilt sich sodann, den Fremden aus seiner demiltigen Haltung aufzurichten und ihm ei nen ehrenvollen Platz in seinem Hause anzubieten, ganz wie Eumaios es mit dem Bettler Odysseus tut. l ) Daß aber in einer Bewirtungsszene Scho lien das Verhallen des Odysseus als Maßnahme gegen d ie aggressiven Hunde. s. Schol. Dind ad. 14.3 1: El:ETO KepöoaVv1)J epU01KOV q>OOl ßor,6'lI-lO TTPOs CITTOTPOTTi]U KUUWU Ta Ko6eo6ijuol Kai TTPOE060 1 nlV poßöou ws I-In eTTlT16€l-Ievou. v . Es ist jedoch fraglich. ob sich die KEPSooW'l tatsächlich auf die listige Abwehr der Hunde bezieht: In diesem Fall hlitte sie in der Tat versagt. (Vgl. d ie aus auktorialer Perspekti ve vorgetragene Aussage Horn . Od . 14.32f.: i u60 KEV ~ rro p' OTo61-1t;) OEIK{}\10U TTo6eu aXyos' / aAAa außwTlls... ). Die demonstrative Hi lflosigkeit des Odysscus entspricht vielmehr seiner neuen Rolle als schwacher Greis. an die er sich klug anpaßt und so d ie erste gastfreundliche T at des Eumaios provoziert. 9 Mit der gesuchten Parallelität zwischen Horn. Od . 14.3 1 (OKijTTTPOV SE oi EKTTEOE Xe1pOs) und Hom. Od. 14.34 (OK\rrOS SE o i l KTTeoe XElpOS). d ie durch die Ste llung jewei ls am Versende noch betont wi rd. kUndigt sich e ine Reihe von Übereinstimmungen zwischen Eumaios und dem heimke hrenden Odysseus an. Indem der Dichter g leich zu Beginn der Szene e ine auch fornla l auffällige Ent sprechung w!ihh . schlirft er de n Blick des Lesers tur solche versteckten Hinweise. S. dazu Kt NG (1 999). 10 Stellenangaben s.o. S. 48rf. II Horn. Od. 7,139f.. wo der unsichtbare Odysseus alle rdings zunächst bewundernd auf der Schwelle verham hatte. Eine tlhnl iche Situation erscheint beim Bingang des Priamos zu AchilI . als er nur heimlich ins Zeh seines Feindes zu treten wagt, und daher plötzlich vor Achill erscheint. Ho m. 11. 24.477-479. Auch Hernles verham e ine Zeitlang bewundernd auf der Schwelle der Kalypse. betritt dan n jedoch als der Höherrangige ohne Aufforderung (und ohne Demutsgeste) d ie Grolle (Qd. 5.75-77). 12 S. Horn. Od. 7, 142 und 7. 153 f. (Odysseus umfaßt die Knie der Arete. fl eht das Königspaar an und setzt sich dann in die Asche am Herd). Diese Form der fle hentliche n Bitte ist streng ritualisiert. Zum genauen Ablauf e ine r Hikesie vgl. GOULD ( 1973) sowie zu den Unterschiede n von griechischer Hikes ie und lateinischer supplica/io FREY. ßURGER (1988). 13 Diese Verpflichtung zeigt sich indirek t an den tadelnden Worten des Echeneos (Hom . Qd. 7. 159f.: 'A Xtduo', cU IJ.€V TOI T6Se K6:AAIOV oüSe EOIKe I ~eivov I-IEV x o I-Ioi 1j0601 hT' EO)(opl] EV Ko viI]01V). Vgl. auch d ie Lösung Hektors. wo Achill zunächst vom SchmerL um sei nen Vater übermannt wird , Priamos aber aufric htet. sobald er s ich wieder gefaßt hat (Hom. 11.24.5 15).
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4,2. 1 Odysscus bei Eumaios
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das Verharren oder Niederkauem durch einen körperlichen Angriff ausgelöst w ird, kommt in der epischen Tradition sonst nicht vor. t4 Während ei ner regul ären Gastmahl szene muß der Ankömmling kei ne Tätlichkeiten durch Mensc h oder Ti er befil rchten , selbst wenn die Aufnahme anfangs nicht allzu 1S
her.dich ausfOpß6s; 14, 12 1: ovßc.:nns, 6pxouos avSpwv u.O.). Zum Problem der heroische n
4.2.1 Odyssells bei ElImaios
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achdem Eumaios die Hunde durch Sche itreden und Steinwürfe vertrie~n hat. begrüßt er den Gast mit freundlichen Wonen (V. 14,37f.). Bevor er aber den BetLler fonn vollendet zum Mahl bittet und ihm sogar zusichert, ihn e rst danach über seine Identität zu befragen - ei n Versprechen, das zeigt. wie ge nau sich Eumaios Ober die Pflichten eines guten (odysseisc hen) Gastl9 gebers im klaren ist - äußert er eine ungewöhnliche Klage Uber sein eigenes Leid. Er habe vie l UnglUck zu ertragen, weil sei n Herr fern von der Heimat weile. Womögli ch irre er gar hungernd umher, während er, Eumaios, gezwungen sei, den Freiem die Mastschweine des Odysseus auszuliefern (V. 14,39-44). Eine so ausfUhrliche Bemerkung Uber die eigenen Sorgen ist bei der Begrußung eines Gastes einziganig. Sie belegt die außergewöhnliche Verbundenheit des Knechtes mit seinem Herrn und sein waches Empfinden flir rechtes Verhalten. Wie ihn die Vorstellung bedruckt , daß ein Fremder, ruT den er nach dem Gastrecht Verantwortung trägt, auf seine m Grund und Boden zerri ssen werden könnte (V. 14,38), so leidet er darunter, aus Zwang den ihm anvertrauten Besitz se ines Herrn anderen abtreten zu mUssen.20 In der ungewöhnlichen Rede des Schweinehinen zeigt sich eine auch sonst in der Odyssee zu beobachtende dramatisc he lronie.21 Dieser erzäh ltechni sche Kunstgri ff kann jedoc h erst mit der Heimkehr nach Ithaka sei ne Epithe ta rur Eumaios vgl. BONNA"'E ( 1984) 193: Die Formel n ÖlOS uq>Op~ und oußwTT'JS. 6pxa lJOS ävSpc:,v ..soulignent ce qui ra pproche ce dernier Isc. Eumeel des he.ros epiques traditioneis." 19 Ho rn . Od. 14,45-47. Einen Fremden erst nach dem Mahl 1.11 befragen. gehön zu den Regeln der homerischen Gastfreundsc hafl. wird aber nur in der Odyssee im Rahmen ei ner geschlossenen Gasunahlszene beschrieben. Zu allgemein daher REECE ( 1993) 26. Wird dieses Prinzip ei nmal mißachtet. wie am Hof der Phäake n. so kann es der Fremde sogar selbst in Erinnerung rufen (s. Horn. Od. 7.2 15). Besonders pnichtbewußte Gastgeber sind u.a. dadurch gekennzeichnet. daß sie ihrem Gast sogleich eine entsprechende Zusicherung machen . s. Ho rn. Od. 1.123f. (Telemach zu Athene/Mentcs): Horn. Od. 4.60f. (Mc ne laos zu Telemuch). An d ie gleiche Sille h:Ut sich auch NeslOr. wie sei ne Anrede nach dem Mahl bestätigt (Horn. Od . 3.69f.). 20 Den Zusammenhang zwischen Gastfreundschaft und Treue zu Odysseus ste lll GROSSARDT ( 1998) 67 zu Recht heraus: ,.Da die beiden Themen auch im weiteren Verlauf des 14. Buchs miteinander verk nUpft sind (Eumaios spricht von Odysseus und bewinet währenddessen seinen Gast). ist damit rur den Leser dieser Szene ein deutlicher Rezeptionshinweis gegeben. dass rur Eumaios Gastfreundschaft (bzw. allgemeine Mitmenschlichkeit) und Treue zur Herrschaft nur zwei äussere Erscheinungsbilder derselben ethischen Gesinnung sind ... 2 1 Vgl. das erste Lied des Demodokos. der den Streit zwischen Odysseus und AchilI besingt. ohne zu ahnen. daß Odysseus selbst unter den Zuhörern weilt (Horn. Od. 7,7282).
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4.2. 1 Odysseus bei Eumaios
volle Wirkung entfalten, da der verkleidete Odysseus erst hier auf Personen trifft, die ihn schon früher gekannt und sei ne Ankunft sehnsUchtig erwartet 22 haben. Das Gespräch mit Eumaios bi ldet dabei nur den Auftakt zu einer Reihe ähn licher Zusammentreffen mit Telemach (Ho rn . Od. 16,44- 185), Euryk1eia (Hom. Od. 19,36 1-391 ) und Laertes (Hom. Od.24,226-3 19), die in den verschiedenen Begegnungen mit Penelope ihren Höhepunkt find en (Hom. Od. 19.97-360; 509-604 und 23.85-206 mit Übergang in die Anagnori sis).23 Nachdem er seinem Herzen Luft gemacht hat, besinnt sich Eumaios auf die nächstliegenden Aufgaben und geleitet den Bettler in die Hütte (Horn . Od. 14,48), wo er ihm nach seinen Möglichkeiten einen Platz herrichtet: Eigenhändig häuft er Reisig auf und bedeckt es mit einem Ziegen fe ll , das ihm selbst sonst als Bett dient (Horn . Od. 14,49-5 1). Ist dieser Sitz auch seinem materiellen Wert nach nicht mit den kostbaren Sesseln ve rg leichbar, di e den Fremden in e inem Königspalast angeboten werden , so weist die Darstellungstechnik doch Berührungspunkte mit dem Empfang in Adelshäusern auf: Hier wie dort gilt das Interesse des Dichters de m Material der Sitze sowie den Decken oder Polstern , mit denen sie belegt sind. 24 Bei Eumaios wiegt der ideelle Wert die materielle Annseli gkeit auf: Indem der Sauhirt seine eigene Bettdecke hervorholt, bietet er dem Gast das Kostbarste und zugleich Persön lichste an , was er besitzt. Ihm selbst ist dieser Umstand bewußt. da er dem Fremden versichert, daß seine Gastfreundschaft 22 Die dramatische tronie ist e in ko nstitutives Element gerade der Eumaiosszene . Sie ist Voraussetzung dafUr. daß Eumaios seine Treue und seine rechte Gesinnung gegenUber dem venneimtichen Bellier unter Be weis stellen kann . Hätte er Odysseus dagegen scho n bei seiner Ankunft (bewußt oder unbewußt) erkannt wie ROISMA N (1990) 215-36. !>es. 2 15 meim. SO verlöre sein gas tfreund liches Verhalten seinen Aussagewert, könnte es doch als kluge Berechnung erschei nen. Damit wäre auch der Probecharakter hinntllig. den der Dichter selbst hervorhebt (Hom. Od. 14.459: OUßWTEW m l pI'lT(~W\I . Horn. Od. 15.304: oußWTEW mlpI'lT(~W\I). Gegen ROISMA N auch GROSSARDT ( 1998) 69f. und KING ( 1999) 79 Anm. 22. 23 Zu den Parallelen zwischen Odysseus' Aufnahme bei Eumaios in Buch 14 und seiner Späteren Begegnung mit Pene lo pe s. FENIK ( 1974) 155- 158. bes. 155: ..The meeting with Eumaios is thus a e10se doublet. in ilS detail s and in il5 tone. o f the homilia to follo w. Anticipation on a smaUer scale of more important evems 10 come by minor repli. cas of themselves is characteristic o f Ihe Odyssey (cf. Telemachos' weeping in Spana and Odysseus' double weeping at the coun of Alkinoos) .• 24 S. z. B. Athene bei Telemach (Horn. Od. 1.1 3Of.): Odysseus auf Scheria (Horn . Od. 7.162 und 169): Odysseus bei Kirke (Horn. Od. 10.3 14f.) und sogar Qd. 3.38. wo die Felle. auf denen Nestor und sein Ge folge beim Mahl am Strand sitzen. beschrieben werde n.
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4.2.1 Odysseus bei Eumaios
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zwar arm, aber gern gewährt sei (Horn . Od. 14,58f.: 500ts 5 ' oAIYTl TE : ähnl ich auch Horn. Od. 4.59 1f. (Abschiedsgeschenk des Menelaos): SWow K a ~ov 6:~EIOOV . 'iva On EvSl)Oea eEoiolV I 6:eavoTOIo ' El-leeEV I-lEI-lVfWEV05 "l-laTa nO VTa . Vgl. dazu auch d ie (außerhalb eines Mahls stattfindende) Trankspende des AchilI rur seinen Liebling Patroklos. zu der er eigens einen ideell und materiell besonders kostbare n BeO'i, cfl mp htwE\I. Die Frage. o b Odysseus oder Eumaios als Subjekl zu SWKe zu ergänzen sei, ist umslritten. Die fraglichen Verse lauten: 1 11 aUTap em' SelTT\lflOe Kai fjpape &v~C)\l t&.J5ij. Kai 0 ; TT).noa~e\lOS 5WKE OKV<J>O'i. cfl TTEp lTTl\le\l. oivou E\liTTAelov' 6 5 ' E5E~aTo. XaiPE SE ~c;:,. Kai ~I\I (V. 14,113) fo lgerichtig auf Eumaios beziehe. Wie die Paralle len in Horn. 11 . 9.224 und Od. 13, 57 (sowie Od. 8,475-478) zeigten. sei es auch sonst gelegentlich möglich. daß der Gast seinem Wirt Wein (oder etwas anderes) anbiete. In diesem Fall mUßte freilich ein ebenfalls unbezeichneter Subjektswechsel zwischen xaipe und Kai ~I\I q>e.)\lf)oas hua TTTEp6EVTa TTpoonvSa (V. 14.114) angenommen werden. da die folgende wörtliche Rede eindeutig aus Odysseus' Mund sta mmt. FUr die Entscheidung sind daher andere Kriterien heranzuziehen. Die Reakti on der annehmenden Figur wird mit xaipe SE 9u~4> beschrieben . eine Reaktion, d ie in der Szene sonst nur Odysseus beigelegt wird (vgl. V. 14 ,5 1: xaipe S' ·05voaevs. V. 14 ,526 x o i pe S' '0 SUOCEVS. sowie V. 14,438 von Eumaios: KVSal\lE SE 9u~ov ovaKTOS). Sie bezeichnet dort die Freude Uber besondere Erweise von Gastfreundschaft oder Zuverlässigkeit. Eine solche auff:U1ige Gunst bedeutet das Darbieten des eigenen Bechers. Das Imperfekt betom dabei den häufigen bzw. regelmtißigen Gebrauch des GeHtßes. Ein allbewähnes Trinkgefll.ß aber besitzt der Bettler Odysseus nic ht . Sein frUheres Hab und Gut halte er beim Schiffbruch vor Scheria verloren. und die Schätze. die er von den Phäaken erhalten hatte. sind noch in der Höhle am Strand verborgen . Von einem Skyphos, aus dem er regelmäßig lrinke, kann also keine Rede sein. Alles spric ht also dafür. daß an dieser Stelle Eumaios dem Gast sei nen Becher anbietet. ganz wie e r es vorher mit seiner Decke und später mit seine m eigenen Bett und seinem Mantel tut. Von den von HOEKSTRA (in HEUBECK/WEST 1984) ad loc. angefUhrten Parallelstelle n ist nur die erste (Horn. H. 9.224: Odysseus trinkt Achill bei der Presbeia zu) umer bestimmten Voraussetzungen stichhaltig. Sie bietet da.~ Verb SEISioKW ()zulrinken(). während an unserer Stelle öWKE verwendet wird. Daß SelSloKw in de m fragl ichen Vers einen >ToasI< bezeichnet. bei dem man dem Geehrten einen Becher überreichte. geht jedoch nicht aus dem Ko ntext hervor. sondern läßt sich nur indirekt aus e iner von HOEKSTRA nicht aufgeführten Parallele in
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4.2.1 Qdysseus bei Eumaios
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nutzt, ersetzt hier - gemäß der Maxime 500t) 5' 6ldYll TE q>iAIl TE / yivETat TlIJETEPIl (V. 58f.) - die Beschreibung der wertvollen Materialien, 48 aus denen sonst solche Becher gefertigt sind. Odysseus selbst erkennl die Ehrenbezeugung, die in dieser Geste liegt, und freut sich dartlber (V. 14, 113: XaiPE 5E ev~c;» .49 Er antwortet jedoch nicht mit einem Segens· wun sc h wie bei den drei anderen Gelegenheiten, an denen Eumaios ihm e inen besonderen Dienst erweist (V. 14,53f.; V. 14,44Of. ; V. 15,341f.), son dern mit einer Frage nach dem verschollenen Herrn des Eumaios (V. 14, 115f.). Der Abschnitt nach dem eigentlichen Mahl Die Initiative des Gastes ist nicht nur wegen des fehlenden Segens auffa lli g, der nach dem Vergleich mit ähnlichen Situationen während der lan· gen Bewirtung zu erwarten wäre. In der Odyssee ist es gewöhnlich nicht der Gast, sondern der Hausherr, der das Gespräch in Gang bringt (s . dazu oben S. 94). Ergreift dagegen der Ankömmling die Initiative, so könnte dies als Horn. 0iKEo: nws BE OE vaÜTOL / tiyayo v Eis ' ISaKnV: TivEs E~~EVOL EUXETOwVTO;). In ähnlicher We ise hatte schon Telemach seinen Gast AthenelMentes befragt (V. 1,170- 173), und ebenso hielt es Nestor gegenüber Telemach (Ho rn . Od. 3,7 1-74) und Alkinoos gegenüber Odysseus (Horn . Od. 8,550-555 und 8,572-586). Auf die spätere Epik hat diese Fragetechnik traditionsbildend gewirkt.56 Der Beuler Odysseus antwortet auf di e Erkundigung mit einer langen Darste llung sei ner angeblichen Bi ographie (V. 14,199-359) , die mil 160 Versen zu den um fa ngreichsten Erzählungen in der Odyssee gehört . Länger sind nur die durch ein Intemlezzo in V. 11 .333-384 unterbrochenen Apologoi und die Erzählung des Menelaos bei der Bewirtung des Telemach (V. 4.3 33-592). Daß Od ysseus einerse its noch unerkannt bleibt, andererseits aber de m Eumaios seine Bitte um Auskunft nicht abschlägt, zeigt di e wichtige Stellung, die diese Frage im Rahmen der Gastfreundschaft einnimmt: Der ho meri sche Wirt haI ein Anrecht darauf, zu erfahren , wen er unter seine m Dach beherbergt. So kann eine entsprechende Erzählung geradezu al s
56 Vgl. Verg. Aen . 1.753-756: vgl. auch Caesars Fragen an den PrieSler Acoreus. die die Erkundigungen des Wirts erselz(, Lucan. 10, 178- 181 . S. dazu oben S. 203f.
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4.2. 1 Odysseus bei Eumaios
>Gegengabe ( fü r freundliche Aufnahme betrachtet werden,57 freilich ohne daß damit alle materiellen Anspruche abgegolten wären .58 Das regelkonforme Verhalten des Wirtes muß demnach durch ein regelkonformes Betragen des Gastes erwidert werden . Die Trugrede des Odysseus und ihre komplexe Struktur ist Gegen stand zahlreicher Untersuchungen. Im Rahmen der Gastmahl szenen ist vo r allem ihre Bedeutung für den Fortgang der Hand lung interessant. 59 Der Beuler Odysseus gibt sich in seiner Erzählung als unehelicher Sohn ei nes reichen kretischen Kaufmanns aus, der sich durch Raubzüge ei ne geachtete Stellung in der Heimat erworben hatte, bevor er mit den Griechen nach Troja aufbrach. Nach sei ner Heimkehr habe er eine Expedition nach Ägypten unternommen, wo se ine Gefährten jedoch im Kampf von den Ei nhe imischen besiegt worden seien. Nur durch die Gnade des ägyptischen Königs sei er verschont und als Gast aufgenommen worden. Nach sieben Jahren des Aufenthahs habe ihn schließlich ei n betrügeri scher Seemann zu einer Fahrt nach Phönizien verleitet, auf der er jedoch Schiffbruch erlitten habe und bei den Thesproten gestrandet sei. Dort habe er von den Abenteuern des Odysseus gehört. Die Seeleute, die ihn selbst einige Zeit später nach Dulichion geleiten sollten. hällen ihn jedoch unterwegs llberfallen, um ihn auf Ilhaka als Sklaven zu verkaufen. Nur mit Hil fe der Göller sei er entkommen und habe sich in der schlechten Kle idung. die sie ihm ge lassen häuen, bis zur Hütte des Eumaios durchgeschlagen. In der Erzahlung misc hen sich - nur rur den Leser erkennbar - wahre Elemente mit erfundenen Begebenheiten ; ganz ähn li ch wie scho n Athene. die SChutzgöttin des Odysseus. in ihrer Trugrede vor Telemach nur Elemente der Wahrheit preisgegeben hatte (V . 1.1 80-2 12).60 Der Schweinehirt 57 REOCE ( 1993) 27f. In der nac hho merischen Epik wird der GaSI dagegen mit e iner Ausnahme (ßacchus bei Fale mus. Sil. 7. 194- 198) schon vor der Beköstigung identifizie rt. 58 Vie lmehr entste ht durch das gemeinsame Mahl eine Gastfreundscha ft zwischen den Parteien . d ie daue rhaft zu wec hselseitiger Aufnahme und UnterstUtz ung verpflichtel. Vgl. in der Begegnung von Dio medes und Glaukos d ie Verse Horn. 11. 6.2 12-233, wo die Gastfreundschaft der Väter als BegrtIndung fur die Freundschaft der Söhne dien!. 59 Für eine ausführlic he In terpre tatio n s. jelzt GROSSARDT ( 1998) 66-11 6. Eine detaillierte Untersuc hung der Trugreden im 14. Bueh auch bei KI NG (1999). Don ebenfalls eine Diskussion de r über die Gastmah lsze ne hinausgehenden Funktione n. z. B. die Kritik Olm Heldenbild der lIias. 60 S. KtNG (1999) 80: " Thi s Iying tale is the one that corresponds most c losely to the life o f the real Odysseus.« Ähnlichkeiten bestehen zwischen dem Ägyptenfeldzug und dem Kampf gegen die Kiko nen. zwische n de r Ankunft bei den Thesproten und auf Sc he-
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4.2.1 Odysseus bei Eumaios
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nimml diese wechse lvolle Lebensgeschi chte mit Erschütterung auf, wi e seine lebhafte Reaktion zeigt (V. 14,36 1 ÖE!AE ~Eivwv. Tl IJO! IJO:AO 8vIJov ö pIVOS ). Mit seiner emotionalen Färbung hebt sich der Ausruf klar von den bi sherigen Anreden für den Beuler ab. 61 Die Anteilnahme des Eumaios ist einerseits aus seiner allgemeinen Gutmütigkeit und Menschenfre undli chkeit zu erklären, die er schon durch die gastliche Aufnahme des Fremden bewi esen hat. Daneben bestehen jedoch auch Parallelen zu se iner eigenen Lebensgeschichte .62 Wie der Bettler entstammt Eumaios ei ner angesehenen Familie und wurde al s Sklave nach Ithaka verkauft. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn er der Erzählung seines Gastes mit be sonderer Anteiln ahme lauscht. Auch fur andere Erlählungen in der Odyssee ist es kennzeichnend, daß der unerkannte Odysseus seine Selbstvorstellung auf die Leben sumstände und Interessen des Publikums abstimmt. Dabei ni cht er immer wieder Details ein , die seine Hörer besonders anriJhren . In den Apologoi am Hof der Phäaken , di e ihn soeben als den beruhmten Odysseus identifi ziert haben, kommen nebe n den Irrfahrten beso nders se ine Li sl und Tatkraft zur Geltung (vg l. den Einfall sreichtum , mit der Odysseus sich und einen Tei l se iner Gefä hrten aus der Gewalt des Kyk lope n befreit). In der hier besprochenen 63 Trugrede stehen dagegen Leiden und Hilflosigkeit im Vordergrund. Odysseu s stell t so dem Schwei nehirten e ine Re ihe von Beispi elen für vorbildli -
a
ria. zwischen dem Schi ffbruch der Phönizier und dem Schiffbruc h des Odysseus bei der Abfahn aus Thrinakia sowie zwischen der Behauplung. daß der Bettler die Schätze des OGespräch zwische n Gastgeber und Gast« nicht beliebig austauschbar. Erzählung und Lied können sich aber darin beriihre n, daß sie den Anwesenden Vergnügen bereiten, wenn sie kunstvoll vorgetragen werden . Eben auf diese Virtuosität zie lt die Äußerung des Eumaios: Betrachtet man nur die Kun stfert igkeit und das daraus resultierende Vergnügen für das Publ.ikum, so könnte Odysseus - auf Figurenebene - tatsäc hli ch ei nen profess ionell en Sänger ersetzen. Di e Tatsache, daß die Austauschbarkeit von Erzähler und Sänger nur für deren Wirkung auf der Figurenebene gi lt. zeigt der Aufenthalt des Odysseus auf Scheria, wo Alk inoos seine Erzählkun st ebenfa ll s mit der ei nes Barden vergleicht (Od. I 1.368: l1ü6ov S' WS ÖT ' aOlbos elTlOTal1EVWS KaTEAE~a s) . Da bei den Phäaken auch drei wi rkl iche Auftritte eines beru fsmäßigen Sängers beschrieben werden, läßt sic h folgern. daß in e iner homeri schen Gastmah lszene offenbar der bloße Vergleich mit einem aOlb6s neben einer realen Gesangsdarbietung stehen kann, o hne diese überflü ssig zu machen. Beide erfü llen eine je e igene erzähltechni sche Fu nktion, se lbst wenn ihre Wirkungen den beteili gten Figure n vergleichbar ersche inen. Bei der Vorstellung des $ truklurelements X »Vortrag des Sängers« haben wir je nach ihrer Fun kt io nen innerhalb des Epos zwei Gruppen von Gesangsdarbietunge n unterschieden . Während die erste e inen Kommentar für den Leser darstel lt , dessen li efere Bedeutung von den Figuren nicht erfaßt werden kann,7j besitzt die zweite auch für die Hörer Aktu alität. 16 Nur die 75 Vgl . 1.. B. während des weileren Aufenthalts des Odysseus. d.h. außerhalb einer ge·
schlossenen Gaslmahl szene. das Licd des Demodo kos Ober Ares und Aphrodi le [Horn . Od. 8,266-3661 oder das Licd des lopas in dcr Acneis rVerg. Aen . 1,740-746[ 76 Vgl. (auBcrhalb dcr eigcmlichen Gastmahl szene) die Lieder des Demodo kos über Troja (Hom. Qd. 8.72-82 und 8.499-520) und das nur kurz erwähnle Lied des Phemios Ober die nosto; der griechischen Hclden (Horn. Od. 1.325-327).
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4.2. 1 Odysseus bei Eumaios
zweite Gruppe wirkt im Rahmen des Epos handlungsfördernd. Wie die Analyse gezeigt hat, enthält die große Trugrede in Buch 14 tatsächlich Be· standteile, die auf eine Förderung der Handlung abzielen: So paßt Odysseus seine angebliche Biographie bewußt in einzelnen Punkten der Lebensge· schichte des Eumaios an, ein Kunstgriff, der seine Wirkung auf den Gastge· ber nicht verfehlt. Diese Beobachtung allein reicht jedoch nicht aus, um die listige Erzählung zu einem Ersatz fUr den Sängervoruag mit »aktuellem« Inhalt zu machen. Ganz ähnlich hatte Odysseus nämlich schon auf Scheria seine Apologoi dem Geschmack seiner Gastgeber angeglichen und sich de· 77 ren Hochachtung erworben. in beiden Fällen handelt es sich um einen geschickten Schachzug des TToAvlli'jTIS 'OBVOOEV), der mit seiner Er· zählergabe die Hörer auf seine Seite zu bringen weiß, um so langfristig die Rückkehr in sein Haus zu erreichen. Der Inhalt wirklicher Gesangsvorträge wird vom Sänger hingegen nicht mit Blick auf ein langfristiges Ziel ausgewählt. Wenn Demodokos von den Abenteuern des Odysseus singt - ein Thema, das eine handlungsfördernde Wirkung entfaltet, indem es den dabeisitzenden Odysseus zu Tränen rührt so hegt er dabei keine übergeordnete Absicht, sondern folgt ausdrtlckJich einer momentanen »Mode« (vgl. Horn. Od. 8,73f.: O:Vi'jKEv O:EIBEllevOI, KAia o:vBpwv, / OillT)), Tf)) nh' apa KAEOS oupavov eupuv '(KavE).78 Ohne Zutun des Sängers entwickelt sich der Gesang sodann zum Ausgangs· punkt fUr die Identifizierung des Gastes. Oie Unterschiede zur Trugrede im 14. Buch sind erkennbar: Wenn auch der Bettler seine Lebensgeschichte so fesselnd zu schildern vermag. daß Eumaios sich wie von einem Sänger verzaubert fuhlt, so bleibt die Erzählung doch im Rahmen einer beim Gastmahl 77 S. die lobenden Worte des Alkinoos, Horn . Od. 11 .362-369. Da er vor Fürsten spricht, erscheint er in den Apologoi in zahlreichen Abenteuern als umsichtige und von seinen Gef'ährten anerkannte Führungspersönlichkeit (s. z.B. die Abreise von Aiolos. wo die Gefährten erst dann den geheimnisvollen Sack zu öffnen wage n. als Odysseus, de r ihnen dies unIersagt haue. eingeschlafen ist. Horn. Od. 10.3 1-47) sowie die vergle ichbare Situation bei der Schlachtung dcr Hel iosrinder (Horn . Od. 12.338-373). Auch ist es auffllllig. daß nur hier, im märchenhaften Reich der lOgönemahen Phäake n«. von sagenhaften Onen und der Begegnung mit Wunderwesen die Rede ist. Die dem Eumaios prtlsentierte Erzählung spielt sich dagegen ausschließlich in der bekannten Welt ab. 78 Dies gilt selbst fUr den Gesang des Orpheus. der Frieden unter de n streitenden Argonauten stiflet (A. R. 1.496-5 11 ). Seine Wirkung liegt nämlich außer im Inhalt des Liedes vor allem in der An des Vortrags (vgl. das stille Lauschen der Argonauten. nachdem Orpheus seine n Gesang beende! hat und die ErkJärung A.R.1.5J5 : Toi6u O~ IU EUEAAIITt. eiAKnN clQlSfis). Von ei ner listigen Wahl der Worte und Inhalte wie in der Trugrede des Odysseus ist hier ke ine Rede.
4.2.1 Odyssc:us bei Eumaios
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üblichen Selbstvorstellung. Diese aber ist al s eigenständiges Element von ei ner Gesangsdarbietung zu trennen. Daß Ho mer bei der Darstellung der einfachen Hinen tatsächlich aus inhaltlichen Grunden auf den Sänger verz.ic htet. legt auch die anschließende Beschreibung der Abendmahlzeit nahe. Zu diesem Zeitpunkt hat sich der Gast bereits vorgestellt und ein längeres Gespräch mit Eumaios gefühn . Da nun außerdem mehrere Personen versamme lt sind, die als Publikum dienen könnten. wäre es ein Leichtes gewesen. nach dem Mahl eine abgewandelte Gesangsdarbietung -z. B. durch einen der Hinen - einzufUhren. Statt dessen verzichtet der Dichter auf jede Art von »Unterhaltung nach dem Mahl « und läßt die Hinen nach dem Essen sogleich an ihr Nachtlager denken (V. 14,455f.). Die schlichte. von Arbeit geprägte Lebensführung der einfachen Leute, die in Gegensatz steht zum Lebensstil der Fürstenhäuser. tritt durch die zwe ifache Auslass ung hervor. Aufenthalte mit mehreren Mählern kommen in der Odyssee wiederholt vor, während sie in der lIias gar nicht eingesetzt und auch von ApoJlonios und den lateinischen Epikern nicht allgemein aufgegriffen werde n.79 Ihr Vorkommen hängt in der Odyssee offenbar nicht mit der Länge eines Aufenthalts zusammen: Die beiden ersten Mahlzeiten bei Eumaios spi elen sich innerha lb weniger Stunden ab, während zwisc hen dem ersten und dem zwei ten Festschmaus der Ph äaken eine ganze Nacht liegt (Od. 7, 177f. und 8.7 1). Daß erzähltechnische Gru nde fUr die mehrfachen Mahlbeschreibungen ausschlaggebend si nd. legt auch der Vergleich mit anderen Szenentypen nahe . Dort ist der Dichter gerade bestrebt, Dopplunge n zu verme iden, in de m er bestimmte Elemente nur einmal ausführt. obwoh l er mehrmals Gelegenhei t hälle. sie darzustellen .so Um so mehr muß die Htlufung von Mahlsch ilderungen am selben Ort und mit denselben Protagoni sten verwundern , wie sie sich außer bei den Phäaken und bei Eumaios z. B. auch beim Aufenth alt des Telemach in Sparta (s. Od. 4,67; [Wiederaufnahme in 4.2181 ; 4,624 und \ 5. \42) finden . 79 Be ispiele in der nachhomerischen Dichtung sind die Mahlzeiten der Argonauten bei Phineus (AR 2.301 -306 u. 490-497): das doppelte Mahl bei Euander (Verg. Aen . 8.175· 183 und 8.283L) sowie das Gelage des Hannibal in Capua (SiJ. 11.283-297 und 427-482). bei dem Silius zweimal auf den fröhli chen Schmaus eingeht und als einziger late inischer Epiker auch zwei ausfUhrliche Gesangsvorträge nach dem Vorbild des Demodokos darstellt. 80 Diese Tendenz läßt sieh auch an der oben erwähnten Beschreibung von Odysseus ' Haus auf h haka erkenne n. Diese wird. entgegen den Ublichen Gepflogenheitcn bei Gastmahlszcnen. beim Besuc h von AthcnelMentes auf Ithaka zunächst ausgespart. und später bei der Heimkehr des Odysseus nachgeholt (Ho m. Cd. 17,264-27 1).
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4.2.1 Odysseus bei Eumaios
In allen Fällen slehen neben der Aufnahme an den eigenen Ti sch, die den Kern der Gastfreundschaft bi ldet. ausführli che Gespräche zwisc hen Gasl und Gastgeber im Miuelpunkl. Im Verlauf dieser Unterhaltung erfährt Telemach von der abenteuerlichen Heimkehr des Menelaos. die Phäaken von der Irrfahrt des Odysseus. 8 1 Seide Male stellt der Erzäh ler e inen längeren Abschnin seiner Vergangenheit dar, wobei er jeweil s vom Trojanischen Krieg ausgeht und den Bericht bis in die Gegenwart fortfUhrt . Jedesmal ist auch die ausführliche Schi lderung durch ei ne längere Phase der Begrüßung, der ersten Kontaktaufnahme und des ge meinsamen Spei sens vorbereitet. Da nun in diesen Szenen die lange Selbstvorstellu ng, durch welche sich die Gesprächspartner miteinander bekannt machen, eng mit dem Mahl verbunden ist. kann die Wi ederaufnahme des Banketts eingesetzt werden , um wachsende Vertrautheit zwischen den Betei ligten zu kennzeichnen.82 Tatsächlich finde n sich Doppel gastmähler nur in Zusammenhängen, di e von Einvernehmen und wechselseitiger Akzeptanz geprägt sind.83 Äußerlich betrachtet gi lt Ähnliches fOr den Besuch des Odysseus bei Eumaios. Durch die aufmerksame Bewirtung bahnt sich eine freund schaftliche Beziehung zwischen den Protagoni sten an , die durch längere Gespräche verstärkt wird. Ersl danach enählt der Gast ausfuhrli ch se ine lebensgeschi chte, bei der er auch den Trojanischen Krieg streift und di e er bi s zu seiner Ankunft auf Ithaka fortfUhrt . Ein wesentlicher Unterschi ed zum Besuch bei den Phäaken oder Telemac hs Aufenthalt in Sparta liegt jedoch darin, daß es sich bei der Lebensgeschichte, die der vermeintli che Bettler 8 1 Die Parallele zwische n der Telemachie und der Heimke hr des Odysseus und im besonderen der Mah lszene bei Menelaos und am Hof der Phäaken ist mehrfach hervorgehoben worden. Vgl. ROTER (1969) 221f. (Parallelen 7.wischen Telemac h und Nausikaa) und besonders 238-240 (Banke tte in S parta und auf Scheria). 82 Der bewußte Einsatz dieses Details läßt sich ex negativo aus der Kyklopen-Szene ablesen. die ei n Gegenbi ld zu den regelko nfonnen Gastmah lszenen darstellt . Wie sonst im Laufe der ei nzelnen Mahlzeite n d ie Vertra utheit und d ie gegenseitige Zuneigung de r Teilnehme r wlichst. so ste igert sich hie r mit jeder grausigen lOMahlz.eit« des Kyklopen Wut und Haß seiner Gefangene n. die in e inen konkreten Re uungsplan mUnden. vgl. die Vert weinung des Odysseus und seiner Geflthnen nach der ers ten »Mahl zeit« des Kyklopen (Horn. Od. 9.294: KAaio vTE~ und 9.306: CTE Va XOVTE ~). den Wunsch nach Rache nach der zweiten ... Mahlzeit« (Hom . Od. 9,3 16 f.: AmO~JllV KOKO ßuaaOOoIlEuwv. / Ei TTW ~ TElco illl1V) und die Ausführung des Planes nach der dritten »Mahlzeit« (Horn. Qd. 9.347ff. : ,KUKAw,+" Ti'I. TTie olvov eTTEl q>o:ye~ clv8pollea KpEO ... I). 83 In dem anfangs von Konnikten überschatteten Besuch des Odysseus bei Kirke erfo lgt die fonnvollendete zweite Bewirtung des Odysseus erst. als Ki rke ihn als ihren VOll Hennes vorhergesagten Bezwinger erkannt und - nach ei nem Eid. der Odysseus Unver· sehrtheit zusichen - das Lager mit ihm geteilt hat (Hom . Od. 10.325-407).
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dem Schweinehirten vorträgt, nicht um e inen wahrheitsgetreuen Bericht der Vorgeschichte handelt. Zwar greift die Erzählung Elemen te aus de n Abenteuern des Odysseus auf,S4 doch wird dem Leser scho n durch die falsc he Ident ität, die der Heimkehrer vortäuscht, kJ argemacht, daß die folgende Schilderung nicht al s Ergänzung zu den Apologoi aufzufassen ist. Hande lt es sich aber nicht um eine n Nachtrag zu den vergangenhe its bezogene n Schilderungen am Hof der Phäaken. so kann der eigenLlic he Zweck der Rede nur auf die Gegenwart der Figuren abzielen, selbst wenn sie äußerli ch den Charakter einer rückwärtsgewandten Erzähl ung trägt. Ihr Ziel ist es nichl , den Schweinehirten über die wahre Identität und das Leben des venneintlichen Bettlers aufzuklären: Stau dessen schafft der Fremde J.ilnst. lieh Parallele n zwi schen der Biographie des Eumaios und seiner eigene n fikti onalen Lebensgesc hichte. Dieses Manöver verfehlt seine Wirkung nicht, wie die Reakt ion des Sauhirten zeigt (V. 14,36 1: SEihE ~Eivwv, 1-10 1 1J00ha 8vj..loV 0 PIVQ) . Die behutsame Annäherung zwi schen Gastgeber und Gast trägt also einen anderen C harakter als bei den Doppelgastmählem des Menelaos und des Alkinoos. Telemach strebt in Sparta zunächst danach, aus zuverlässiger Quelle Nachrichten tiber den verscho llenen Odysseus zu erhalten, und Odysseus bemüht sich auf Scheria, die göuem ahen Phäaken dazu zu bewegen, ihn sicher nach Hause zu gele iten. In beiden Fällen trägt der Gast ei n bestimmtes Anli egen vor, von dem er bereits weiß, daß sein Gegenüber es erfüllen kann. Bei der Begegnung mit Eumaios ist dies hingegen nicht in gle icher Weise der Fall. Zwar hat Odysseus bereits von Athene erfahren, daß der Sauhirt ihm auch während seiner Abwesenheit die Treue gehalten hat und daher al s möglicher Verbündeter in Frage ko mmt, doch bleibt di e Aussage der Göttin recht vage (V. 13,404-406). Der C harak ter des Eumaios. der ihn zum mutigen und umsichti gen Helfer beim Rache fe ldzug macht , muß sich erst im Laufe des längeren Besuchs bewähren. Vor alle m aber muß d ie Beziehung zwischen dem He im kehrer und sei ne m trcus te n Knecht wieder angeknü pft werden. Auf eine wachsende Venrautheit, di e die eigentliche Wiedererkennung vorberei tet. zielt paradoxerwe ise gerade di e LUgenrede des Odysseus ab. Wi r haben hier e ine je ner iron ischen Wendungen vor un s. di e di e gesamte Heimkehrgeschi chte prägen . Auf den Erfolg dieser paradoxen Strategie deutet das mehrfache Gastmahl hin . Ein ähnliches Prinz.ip läßl sich in den Begegnungen des verkleideten Odysseus mil Penelope beobachten. Auch hier finde n sich Elemente von Bewi nungssze-
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84 S. o. Anßl. 60.
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nen. z. B. wenn Penelope ei ne n Sessel für den Gast herbeiholen und mit Fellen belegen läßt (Horn. Od. 19.97·99: »Platz bei Ti sch«) oder nach der Untene· dung de n Mägde n die Anwei sung erteilt. ihm di e Füße zu waschen, ein Bell im Hause bereitzustellen (Element »Nachtlager«) und am nächsten Tag fUr ein Frühstück zu sorgen (Horn. Od. 19,317·322). Beze ichnend ist auch der Zeitpunkt der ersten Begegnung zwischen Odysseus und Penelope. die staufindet. »während die Mägde den Tisch abräumen.. (Ho m. Od. 19.60-64). Das Gespräch nimmt damit den Platz einer intimen Unterredung nach dem offiziellen Ende des eigentlichen Mahles e in - eine Konstell ation. die sic h so auch bei m Mahl der Phäaken und in der Abendmahlzeit bei Eumaios findet (dazu unten S. 269). Zwar speist Pene lope als )alleinstehende< Frau des Hauses nicht persön lich mit dem Fremden. wie es Arete tut. doch bahnt sich auc h hier im Laufe der Begegnungen e in vertrautes Verhältni s an, das sich am deutlichsten in den VergUnsti gungen zeigt. die Penelope ihrem Gast gewährt (s. ihre Ankündigung Hom. Od. 19. 253f.: vüv I-IEV Sn 1-10 1, ~EivE I... J I EV I-IEyapolOlv ElJoiOl cpiAOS T ' EOlJ aiSoi6s TE).
Die abendliche Hauptmahlzeit Der Abschnitt vor dem eigentlichen Mahl Unmiuelbar nac h de m Abschluß des ersten Mahls treffen die Hirten e in (Horn . Cd. 14,410), de re n Arbeit auf den Weiden der Dic hter schon z u Beg inn des vierzehnten Buches geschilde rt hatte (H o rn. Od. 14,24-27). Ihre Ankunft markie rt de n Begi nn des gemeinsamen Abendessens. mir d e m de r erste Tag bei Eumaios zu Ende geht. Allerdings ist d as Mahl zu diesem Zeitpunkt noch nic ht im Gange. und die Ereignisse werden auch nicht, wie es de m typi sche n Sche ma entspräche, aus d e r Sicht d er Ankömmlinge ge· schildert . So fehlt di e Ekphrasis der Räumli c hkeite n sowie di e Erwähnung d e r versammelten Pe rsonen , die sonst rege lmäßig beim Beg inn e iner Mahlzeit erfolgt: A lle diese Detail s hat d e r Dichter hi e r scho n bei der Ankunft d es Gastes geschilde rt. Indem er die bereits bekannten Eleme nte ausläßt, bewirkt er eine geraffte Darstellung, wie sie auch bei anderen Gelegenheiten nachgew iesen werden kann . Die genaue Beschreibung setzt daher erst mit dem Element der Mahlvo rbereitung, a lso e iner ko nkre ten Handlung, ein . Eine Ähn lic hke it zum Beginn der Gaslmahl szene beste ht aber insofe rn , als auch hier die Ankunft einer oder mehrerer Personen den Beginn d er Besc hreibung markie rt .
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Die Vorberei tun g der Abendmahlzeit erfolgt auf die ausdrückliche Anweisung des Eumaios hin , der sich so ein weiteres Mal als umsichtiger VorgeseLZter der Hirten zeigt (Horn . Od. 14,414f.). Ein in wört li cher Rede gehaltener Befehl an die Bediensteten oder andere Anwesende, die Speisen aufzutragen, kommt sonst in den ho meri schen Epen se lten vor.85 Gewöhnli ch werden nur die Handlungen der Die ner beschrieben, so daß sich die Bewirtung ohne retardierende wörtliche Reden unmittelbar an den fre undli chen Empfa ng des Fremden an schließt. Oi e prompte Aufnahme an den eigenen Ti sch ist dabei Kennzeichen eines guten Gastgebers (Vgl. den Tadel des Phäaken Echeneos Ho rn . Od. 7, 159f.). Da sich Odysseu s hier jedoch bereits in der Hütte aufhält und von Eumaios eigenhändig bewirtet worden ist, kann der Dichter hier auf diesen Aspekt, den er l. B. bei der Ankunft von Athene/Mentes in Ithaka hervorhebt, verzichten. An Stelle der un verzüg li chen Bewirtung betont er hier die herau sgehobene Stellung des Eumaios, welcher den anderen Hirten in se lbstverständlicher Weise Anweisungen gi bt. Indem der Schweinehirt sich seinem Gast zu Ehren über die Forderungen der Freier hinwegsetzt und den besten Eber hol en läßt, bringt er sowohl seine Gastfre undsc haft al s auch sei ne Abneigung gegenüber den Usurpatoren und seine selbstbewußte Haltung zum Ausdruck (s. V. 14,414-4 17). Es ist darüber hinaus bezeichnend, daß Eumaios erst jetzt, nac hdem durch die Umerhahungen eine Atmosphäre der gege nsei tigen Sympathie geschaffen ist, das Mastschwein holen läßt. Auch hier bestätigt sich also die Funktion der Doppelgastmähler al s Ken nzeichen einer langsam wachsenden Vertrautheit . Auch in anderen Gastmahlszenen richten die Wirte gelegentli ch Aufforderungen an einzelne Ti schgenossen oder sonstige Anwesende. die bestimmte Dienstl eistungen fUr den Gast erbringen soll en. Achill läßt den Wei n von Patroklos mi schen (Horn. 11. 9.202-204), Menelaos trägt se inem Hero ld auf, die pferde des Telemach abschirren zu lassen (Horn . Od. 4 ,35f.) 85 Ausnahmen bilden gelegentliche zusätzliche Anweisungen an di e Bediensteten, zum Beispiel wenn Al kinoos 7..U ei ner neue rliche n Trankspende aufruft (Ho m. Qd. 7, 179f., vgl. Ho rn. Od. 7, 137f., wo scho n eine abschließende Libatio n erwähnt wird, bevor die Ankunft des Odysseus das offizie lle Ende der Mahlzeit hinausschiebi). Di e.~ gesondene Aufforderung erfolgl aber ers!. nac hde m die Diener ohne d irekten Be fehl des Alkinoos Speis und Trank rur Odysseus aufgetragen haben. Selbst indirekte Anweisungen sind selten: Vgl. dazu Ho m. Od. 3.427f. (Aufforderung Nestors an seine Söhne ): EinQTE &' Eice,.) / S~~ijOIV KOTO: SW~OT' aYOIc-XtfTO: SaLTa n EV!o6ol und in der Phaiakis die tadel nden Worte des Echeneos (Hom . Od. 7,163f. : cV SE KI1PUKEOCl KEAWOOV / oTvov EnIKpijOOl). S. dazu oben S. 76.
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und Alkinoos gebietet sei nem Sohn. dem verkleideten Odysseus Pl atz zu machen (Ho rn . Od. 7. 170f.). Stets hande lt es sich bei den Angeredeten um Personen, die dem Gastgeber eng verbu nden sind: Achill schätzt Patroklos über alles, Laodamas ist der Lieblingssohn des Alkinoos, und be i dem Herold Eteoneus handelt es sich um e inen engen Weggefahrten des Menelaos. der ihn ausdrücklich an ihre gemei nsamen Erlebni sse erinnert (Ho rn . Od. 4.33-35, man beachte d,ie Verwendung des Dual s). Die Aufforderungen können daher als Ze ichen des Wohlwollens gegenüber dem Gast aufgefaßt werden. Ähnlich verhält es sich bei dem Mahl in Eu maios' HÜHe. Da der Schweinehirt den Bettler eigentlich ni cht mit den schmackhaftesten. für die Freier reservierten Fleischstücken versorgen dürfte (Horn . Od. 14,105f.), ist ei ne eigene Anordnung erforderl ich, die, ähnlich wie am Hof des Menelaos und Alkinoos, nicht an den untergeordneten Mesaulios, sondern an die Hirten ergeht, in deren Kompetenz die Versorgung der Tiere fa llt und die Eumaios zugleich im Rang näherstehen. Der Sauhirt erteih ihnen zwar die Anweisung, dem Gast zu Ehren das beste Schwein herbeizubringen, beteiligt sich aber auch selbst an den Vorbereitungen. Daß diese Rollenverteilung vom Dichter bewußt gewählt ist. zeigt ein Blick auf das e igen tliche Mahl: Hier wartet der SkJave Mesauli os den Tischgenossen auf und räumt ansc hli eßend das Brot wieder fort, ohne daß Eumaios oder ein anderer Hirte ihn eigens dazu auffordert (V. 14,449 und 455). Das Prinzip, daß die Diener während ihrer Tätigkeit bei Ti sch in der epischen Darstellung weder sprechen noch angesprochen werden, ist also auch unter den einfachen Verhältnissen des Schweinehirten gewahrt. Der Hin weis. daß Mesaulios einst von Eumaios gekauft worde n sei (V. 14,449452), macht deutlich, daß er nicht denselben sozialen Rang bekleidet wie die von der Weide heimkehrenden Männer, bei denen eine solche Präzisierung feh lt. Der Auftrag des Eumaios an die Hirten einersei ts und die still sc hweigenden Dienste des Sklaven andererseits deuten ihre unterschiedlichen Beziehungen zu Eumaios an. Ein vergleichbares dichterisches Verfah ren läßt sich auch in anderen , der Adelswelt zugehörigen Gastmahlszenen gelegentlich nachweisen .86 Die von der Norm abwe ichenden bescheidenen 86 Vgl. den Empfang des Telemach bei Menelaos. wo der 8EPCnTWV Eleoneus. ein Vertrauter des Königs, direkt von ihm seine Anweisungen erhtUt (Horn. Qd. 4.35f.). während die Mägde ohne direkten Befehl die Speisen auftragen (Od. 4.52-58), ebenso die direkte Anrede an den "aipv~ Pontonoos. Horn. Qd. 7. 179- 181 , der dadurch von den
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Lebensumstände haben also in di ese m Punkt keinen Einfluß auf di e typi sche Struktur der Szene. Nachdem Eumaios die Hirten aufgefordert hat, das beste Schwein für das Abendessen herbeizubringen, spaltet er e igenhändig das Holz, das zum Braten des Fle isches benöti gt wird (Horn. Od. 14,4 18). Diese praktisc he Täti gkeit unterscheidet ihn von den vornehmen Gastgebern in der Odyssee. Zwar nicken diese gelegentlich dem Gast einen Stuhl zurecht (s. Hom. Od. 1.1 30f. ) oder reichen ihm das beste Slück des Festhratens (Ho rn . Od. 4.65 f.). wie es auch Eumaios später tut, doch handelt es sich dabei eher um symbolische Ehrenbezeugungen. Eumaios hin gegen verrichtet eine anstrengende körperl iche Arbeit, die sonst de m Dienstpersonal überlassen wird.87 In dieser Abweichung zeigt sich erneut der unprtitentiöse Charakter des Sauhi rten, der zwar die Oberaufsicht über das Landgut führt , sich aber deshalb ni cht dem Wohlleben ergeben haI. Auch in Abwesenheit seines Herrn nutzt er seine Stellung nicht zum persönli chen Vo rteil aus, indem er die übri gen Bewohner des Gehöfts für sich arbeiten läßt, sondern beteiligt sich selbst an den niederen Täti gkeiten des Alltags . Dieses Detail korrespondiert mit dem Beginn der Szene, als Odysseus den Sauhirten be i der Lederverarbeilung antrifft. Indem der Dichter den Arbeitsei fer. die Bescheidenheit und das handwerkliche Geschic k des Eumaios mehrfach hervorhebt. kennze ichnet er sie als feste Wesens merkmale. Verbunden mi t sei nem anderen ko nstanten Charakterzug, der Sehnsucht nac h Odysseus. bildet der Si nn für das Prakti sche eine Voraussetzung dafür. daß Eumaios di e Rache an den Freiern unterstüLZen kann. Herausgestell t werden gerade je ne Eigenschafte n. die rur den weiteren Verl auf der Handl ung bedeutsam si nd. Eine wichtige Funktio n von Gastmahlszenen - die Charakterisierung der Te i.lnehmer - läßt sich also auch hier nachweisen. Als das Holz gespalten und das Mastsc hwe in here ingebrac ht ist, beginnt die Zubereitung des Ti eres mit einem Opferritus, den Eumaios zu Ehren der vielen namenlosen Dienem abgehoben wird . Z ur tenninologischen Abstufung der Dienerklassen vgl. RAMMING ( 1973) 141f. 87 Vgl. Horn. Qd. 20. I60f. (Diener spal te n Holz rur die Freier. außerhalb einer geschlossenen Gastmahlszene) und in der hellen istischen Epik A.R. 3.272f., wo die Sklaven des Aietes das beim Bankett benötigte Feuerholz hacke n. Diese Tätigkeit wird hier ausdrücklich als KCr\10T05 im Dienste des Herrschers. a lso als anstrengende und niedere Arbeit bezeic hnet. ebd. A. R. 3.273 f. In der lIias kö nnen dagegen auch vorne hme Gastgeber stärker in die Vo rbereitungen eingebunden werden, wie Agamemno n und Ac hilI . d ie offenbar eigenhändig ein Tie r schlachten bzw. es zerlegen (Ho rn . 11 . 2,402f.. Ho rn. Il. 9.206-2 10. Horn. 11 . 24.62 I f.).
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Götter voll ziehl. Unter Gebeten wirft er die Borsten vom Kopf des Schweines ins Feuer und tötet sodann das Tier durch einen Hieb mit einem Holzscheit (Horn. 0S KT"T'}aOTO oTOS [... 1 v60IJHV
SEOlfO!lInS Kai I\Oi pTQO y ipoVTOS.
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der Personenbeschreibung gellen also drei nicht vorrangig Mesaul ios. sondern sei nem Besitzer. Eumaios erscheint hier erneut als selbstä ndig hande lnde Persönlichkei t, die in ihrem eigenen Wirkungskreis nicht auf Anweis ungen der Herre n angewiesen ist. Zugleich stellt der Dichter durch die umfäng liche Erl äuterung klar, daß Mesaulios bei Tisch als rechtmäßiger Diener des Eumaios aufwartet. Der Schwe inehirt nimmt folgl ich nur eine n ihm zustehenden Di enst in Anspruch. Wenn er dagegen die übrige n Hirten , di e nicht wie Mesauli os persönlich von ihm abhängig sind, zu Handre ichungen auffordert, so beteiligt er sich auch selbst an den Arbeiten. Der Kunstgriff, durch die Beschreibung des Sklaven zugleich ei ne indi rek te Charakterisierung seines Besitzers Eumaios zu geben. ents pricht der d ich terischen Ko nvention. Auch sonst ennöglicht die Darstellung des Gesindes Rückschl üsse auf das Wesen des Hausherm : Im Haus der Kirke arbeiten keine gewöhnlichen Dieneri nnen, sondern vier Nymphen, die die göttliche Natur ihrer Herrin unterstreichen (Horn. Od. 10,348-35 1), und im Haus des Odysseus haben die (außerhalb einer Gastmahlszene beschriebenen) schamlosen Mägde die Oberhand gewonnen. welche den rücksichtslosen Charakter der Freier ahnen lassen (z. B. Horn . Od. 19,65-69 u.ö.). Dasselbe Prinzip zeigt sich in der späteren Epik bei dem im vorigen Kapitel besproc henen Gastmahl der Kleopatra . Di e Diener werden dort nic ht nach ihrer Funktion beim Mahl , sondern nur nach ihrer äußeren Erscheinung klassifiziert. Das sich darin äußernde Sl.reben nach oberflächli chem Prunk stellt ein Wesens merkmal der Kl eopatra dar. llo Die vergleichbare er.lähltechni sche Funktion. die das Element »Dienerschaft « in der Eumaios- und der Kleopatraszene erfüllt, ist bemerkenswert , da sei ne äußere Stru ktur wenig Überei nstimmungen aufweist. Ein einzelner Diener stcht ei ne r sorgfäJtig gegl iederten Schar gegenüber, und während Luk an kurze Kola wählt, wie sie in der nach homerisc hen Epik weit verbreitet sind (Lucan. 10, 128132).] 1] finden w ir bei Ho mer ein über mehrere Hexameter reichendes Satzgefüge. Nach der Beschreibung der nur aus Mesauli os bestehenden »Dienerschaft « begi nnt der Verzehr von Speisen und Getränken . Wi e so 11 0 Zur Dars te llung der Dienen;chafl des unberechenbaren Aietes (A.R. 3.270-274) vgl. oben S . 77. 11I Z. B. A.R . 3.27 1-273 (Argonauten bei Aietes, vg!. auch außerhalb einer Gastmahlszene die Rast der Argonauten in Mysien. A. R. 1.11 82- 11 85): Verg. Aen. 1.701r. (Aeneas bei Dido); Si l. 11.275-277 (Hannibal in Capua); Sial. Theb. 1.5 17-524 (Tydeus und Polynei kes bei AdraSI); Val. Rac. 2.653r. (Argonauten bei Cyzicus) u.ö.
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häufi g im ho meri schen Epos beze ichnet der Di chter jedoch nur Anfang und Ende desselben, ohne näher auf den Essensvorgang einzugehen (Horn . Od. 14,453f.). Beide sind in Formel verse gefaßt, von denen der zweite mit einer Ausnahme in allen homerischen Gastmahlszenen verwendet wird (s. oben S. 84f.). Die Aussparung der Nahrungsaufnah me selbst ents pricht dem Streben des Di chters nach Raffung des Geschehens. Obwohl es sich beim Gaslgeber und seinen Gefahrten um sozial niedri ggestellte Persönlichkeiten handelt, agieren sie, wie der bisherige Verlauf des Mahles zeig t, im Rahmen ihrer Mög lichkeiten genauso formvollendet als die Vornehmen in anderen Gaslmahl szenen. So unterscheiden sich die Sprache des Eumai os und die Redewendu ngen, mit denen er seine Gäste begrüßt. qualitativ nicht von der Ausd rucksweise hochgestellter Gastgeber. ]]2 Der Dichter motiviert diese formale Nähe auch inhaltlich, indem er Eumaios gute Kenntni sse der adl igen LebensweIl zuschreibt, die er durch seine eigene köni gliche Herkunft und seinen Umgang mit Odysseus' Familie besilZt (Horn. Od. 15,4 13f. und 15,363-365). Wie sich zeigt, hat der Dichter viel Mühe darauf verwandt. Parallelen und Kontraste zum typi sche n Verlauf miteinander zu ei nem stimmi gen Ganzen zu verbinden: Wo er abweicht, begrundet er die Variatio n so, daß sie als Konsequenz aus den inhaltlichen Vorgaben erscheint. Dieses Verfahren setzl enge Vertrautheit und einen souveränen Umgang mit den epischen Konventionen voraus. Das zeigt sich auch in der SChlußpase der Bewirtung. Diese ruHt zwar in all en Gastmahlszenen im Vergleich zu den umfanglichen Vorbereitungen knapp au s, doch wirkt sie se lten so abrupt wie in diese m Fall.
Der Abscl/fliu//ach dem eigentlichen Mahl Nachdem die Hirten ihre Mahl zeit beendet haben , räu mt der Di ene r Mesauli os das Brol ab, worauf sich alle beei len, zur Ruhe zu gehen (Hom. Od. ) 4.455f.). Die Aufhebung der Tafel und die damit verbundenen Arbeiten der Sklaven werden im Epos se lten geschildert. Sie bezei chne n hi er das Ende des offi ziellen Beisammenseins, von dem di e fo lgende Unte rredu.ng 11 2 Diese einheitl ich epische Diklio n ist e in typisches Gauungsmerkmal. In ande ..en Gatt ungen wie der Satire und dem Ro man wird d ie Sprache hingege n auch aJs Mille l zur sozialen Differenzierung eingesetzt Man vergleiche im lateinischen Bereich das G::ast· mahl des Trimalchio. s. dazu schon ABHOlT ( 1907) 43·50 und DELL 'ERA ( 1970) 2 1-25 mi] e inem ForschungsUbcrblick.
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abgesetzt wird . Dense lben Kunstgriff hatte der Dichter schon be im Phäakenabenteuer angewandt (Ho rn . Od. 7,230-232) und wiederholt ihn später außerhalb einer Gastmahl szene bei der Begegnung zwischen Os erwachsen. Zu ihnen gehört die Attacke der Hunde. die ni cht aus dem typi schen Schema abgelei tet werden kann . Sie erklärt sich u.a. aus dem Gegensatz zur Begegnung des Odysseus mit Argos. Dem anhänglichen Hund und den aggressiven Freiem ei nerseits stehen der treue Schweinehirt und di e wütenden Hunde andererseits gegenü ber. Auf diese Weise tri tt die Zuverl ässigkeit des Eumaios deutl ich zutage. Dieser Charakterzug zeigt sich noch ausgeprägter in den zahl reichen Re den des Sa uh irten. Sie bilden die auffa lligste Eigenheit der Szene, beherrschen sie doch ni cht nur das »Gespräch zwi schen Gastgeber und Gast«, sondern auch die Phase der »Vorbereitung des Mahles« (Element Vlla) « und sogar die des »Genusses von Speisen und Getränken« (Element Vll b). Vor all em letzteres ist rur epi sche Mahlszenen ungewöhn lich. Di e Erzählungen des Eumaios drehen sich von Anfa ng an um den verschollenen Odysseus und die Sehn sucht, die der Schweinehirt nach ihm empfi ndet Der Dichter baut so eine dramatische Ironi e aur, wie sie gerade für die Heimehr des Odysseus typi sch ist, 119 aber auch in anderen Gastmahlszenen, vo r 119 VgL Ho m. Od. 19, 124- 136 (Penelope klag! de m Beuter ihr leid um den ver· schollenen Odysseus, ohne zu ahnen. daß es sich bei de m Fremden um Odysseus selbs! handel!}; Horn. Od. 20, 199·225 (Philoilios klag! um de n Verlust des Odysseus, an den e r
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allem in den »kommenti erenden« Gesangsdarbietungen, gelegentlich vorkomme 120 Die große Zahl der Reden verlangsamt zwar den gewöhnlichen Ablauf der Mahlszene, verhindert ihn aber ni cht. Vie lmehr sind die Erlählungen so zw ischen die einzelnen SLrukturelemente ei ngefUgt, daß sie keines von ihnen beeinträchtigen. Da Eumaios seine Pflichten als Gastgeber nicht vernachlässigt, erhält die ganze Szene trolz seiner im Rahmen des Schemas ungewöhnlichen Beredsamkeit eine positi ve Färbung. Ausschlaggebend ftir die Bewertung der Figuren ist also hier (w ie in den beiden oben besprochenen )normgetreuen< Szenen aus der Aeneis und der Pharsalia) der Grad, in dem das typische Schema unter den jeweilige n Umständen eingehalten wird . Allerdings läßt sich an der Eumaios-Szene auch eine wichtige Ausnahme von dieser Regel zeigen. Auch positiv besetzte Figuren können gelegentlich eine Konvention brechen, wenn es im Interesse ihres Gegenübers geschieht. So eröffnet hi er der Gast (Odysseus) im Gegensatz zu epi schen Gepflogenhei ten die Unterhaltung nach dem BegTÜßungsmahl (Horn . Od. 14,115- 120), ohne deshalb in negativem Licht zu erscheinen , während dieselbe Handlung bei Caesar in der Pharsalia (Lucan . 10.172-192) als Affront ausgelegt werden kann (s.o. S. 202f.). Der Unterschied liegt darin , daß Odysseus sich nach dem Herzensanliegen des Wirtes erkundigt, während Caesar eigennützige Interessen verfolgt. Daß die ungewöhnliche Frage des Odysseus den guten Beziehungen zwischen ihm und Eumaios keinen Abbruch lut, belegt das wiederholte Mahl , das der Odysseedi chter auch bei anderen Aufenthalten einsetzl, um den Prozeß wach sender Vertrautheit zu veranschaulichen. 121 Die bei den Mähler sich bei m Anblic k des Bettlers erinnert ruhII, ohne zu wissen, daß er den Vermißten selbst vor sich hat). 120 Vgl. z. B. den ersten Gesang des Demodokos (Horn. Od . 8,72-82), in dem der Sänger vom Streit zwische n Odysse us und AchitJ berichtet. o hne zu ahnen. daß sich Odysseus im Saal befindet. 12 1 S. die Bewirtung des Odysse us auf Sc heria: Während sei nes Aufenthalts, der insgesamt vier Mtlhler umfaßt (s.u. Anm. 122), gewinnt der Gast durch seinen Erfolg bei den Wettkämpfen und seine Erzählkunst den Respekt und die Zuneigung der Phäaken (vgl. bes. Horn. Od. 8,236-240: 8,387f.: 408-411 : 8.542-545 : 11 .363-369). Nachdem sie ihn anfangs zurUckhaltend aufgenommen haben, bringen sie ihn sc hließlich mit prächligen Geschenken auf eine m wundersamen Schiff in die Heimat (Hom. Qd. 13,64-77). S . auch den Aufenthalt auf der Kirkeinsel: Nachdem es der Göttin nicht gelungen ist, Odysseus während des ersten Mahles zu verwandeln, und er sie mil de m Schwert bedroht hat (Horn. Qd. 10.3 16-322). bewirtet sie ihn anschließend zuvorko mmend und bewegl ihn zu
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folge n dabei prinzipiell je dem typischen Schema, allerdings fa Ut das zweite - mit Ausnahme der Bewirtungen des Odysseus auf Scheria und bei Kirke - kürzer aus als das erste. 122 Dieses Phäno men zeigt sich in der Eumaiosszene deutli ch. War die erste Bewirtung vor allem durch lange Unterhaltungen geprägt, so konzentriert sich die zweite auf Handlungen, welche weni ger Raum beanspruchen al s Gespräche. t2) Die einzelnen Handgriffe sind dabei dem epischen Opfermahl entlehnt. das hier teilwei se die Gastmahl szene ilberlagert. Da es sich aber bei eiinem »Opfer« um ein positiv einem einjährigen Aufenthalt (Ho rn. Od. 10.348-406 und 456-468). Eumaios schlac htet beim z.weiten Mahl e inen ftlr die Freier bestimmten Masteber (Horn . Cd. 14.4 14-417), währe nd er dem Bettler zunächst Ferkelfleisch vorgesetzt hatte. das er selbst und die bei ihm wohnenden Hin en gewöhnlich ver/..ehren (Horn. Od. 14.8Of.). In der nachhomerisehen Epi k läßt sich die Ph ineusszene in den Argonautika des Apollo nios verg leic he n. wo beim zweiten Mah l neben der Freundschaft zwischen dem Seher und den Argonauten die Aktivität des Phine us im Vordergrund steh!, der nach der Venreibung der Harpyien erstmals als ordnender und leitender Gastgeber in Erscheinung tritt (s. A.R. 2,463f. : Befehl an Paraibios. das beste Schaf herbeizubringen: A.R. 2.49 1f. : Auffo rderung des Greises an Jason und die Boreaden. ein O pfer darzubringen). s. dazu unten S. 329. 122 Belege für ein kürzeres zweites Mahl nach der ersten Bewinung: Telemach bei Nestor. Ho rn. Cd. 3.3 1-403 (erstes Mahl) und Ho rn. Od. 3,430-485 (zweites Mahl mit vorhergehe nde m Opfcr und anschließendem Abschied): Telemach bei Menelaos (Horn. Qd. 4.20-305 (erstes Mahl) und Horn. Od. 4.621 -624 (Vorbereitung einer zweiten Mah lzeit. deren Verze hr nicht wiedergegeben wird) und Horn . Od. 15.133- 183 (drilles Mah l und Abschied von Menelaos); ArgonaUlen bei Phineus. A. R. 2.178-497 (davon 2.178448: erstes Mah l mit vorausgehende r Lockspeise fIlr die Harpyien und 2.449-497: zweites Mahl am fo lgenden Tag mit Erzählung über die Herkunft des Paraibios. Beide Mtihler sind hier zu ei ner geschlossenen Szene vereinigt. s.u. S. 336. Beim Aufenthalt des Odysseus bei Ki rke umfaßt die Darstellung der zwei ten Bewinung zwar einige Verse mehr als die erste. doch wird dabei das Mahl und seine Vorbereitung nur ku rz angedeutet. während die Gesprtiche beim Nachtlager und der Abschied von Kirke aus ftlhrlich wiedergegeben sind. vgl. Horn. Od. 10.308-405 (erstes Mahl) und Horn. Od. 10,469-574 (zwe ites, kurL angedeutetes Mahl mit Abschied und Aufbruch zur Unterwe lt). Beim Aufenthalt des Odysseus auf Scheria wechseln lange und kurze Mähler ab: Horn. Od. 7.8 1-347 (erstes Mahl zum Empfang des Gastes) und 8.57- 103 (zweiles Mahl am nächsten Tag) und 8.42 1· 13.17 (drittes Mahl. bei dem Odysseus seine Irrfahnen erzählt) und Hom. Od. 13.23-77 (vicn es Mahl mit Opfer und Abschied von den Phäaken). 123 Es handelt sic h um folgende Schri tte : Eumaios spaltet Holz (Horn. Od. 14,41 8). die !-Iinen bringen den Eber herbei (Hom. Od. 14.419). Eumaios bringt ei n Haaropfer dar (!-Iom. Od. 14.422-424). Eumaios löte t das Tier (Horn. Od. 14.425f.). die Hinen zerlegen das T ier und sengen die Borsten ab (Horn. Cd. 14.426f.). Eumaios wickelt R cischstUcke In Fetthaut, beslreut alles mit Gerste nmehl und wi rft die Gabe ins Feuer (Horn. Cd. 14,427-429). die GePJhnen zerschneiden das Heisch. stecken es auf d ie Bratspieße. gare n es. nehmen es wieder von den Spießen und schichten es auf (Horn. Od . 14.430-432). Eumaios teilt die Portionen c in (Hom. Od. 14.432-438). Eumaios bringt weitere Opfer dar und reicht Odysseus anschließend de n Becher mit We in (Ho rn. Od. 14,446448), Mesau lios ven eilt Brot (Hom. Od. 14.449).
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4.2. 1 Odysse us bei Eumaios
besetztes Detail handeh, tut diese Kreuzung der Szenemypen der poSiti ven Fä.rbung der Episode keinen Abbruch. (Dasselbe gill fUr die eine Rü· stungsszene imitierende »Wappnung« des Eu maios am Ende der Bewirtung. In ihr zeigen sich Wac hsamkeit und Pflichtbewußtsein - auch dies jeweils positi ve Bestandteile). Elemente aus anderen episc hen Sze nentypen können also ohne negative Wertung entlehnt werden. wenn sie dazu bei tragen, ei· ne n in der Bewirtung angelegten positi ven Zug zur Geltung zu bringen. Eine längere Konversation entfallt während der zweiten Mahlzeit. Statt dessen schildert der Dichter e in sehr sehenes »intimes« Gespräch, das nach de m offi ziellen Ende der Mahl zeit stattfindet und von dieser durch di e Er· wähnung eines »abräumenden Dieners« getrennt wird. Dabei trä.gt Odys· seus in ei ner Lügenerz.ählung seinen Wunsch nach e inem Mantel fur das Nachtlager vor. Eumaios gewährt ihm die Bitte mit Einschränkungen und macht sich sogleich an die Bereitung eines Nachtlagers. Dieser Vorgang wird zwar inhaltlich an die ei nfachen Verhältnisse angepaßt, folgt aber for mal de n konventionellen Strukturen. So find et die äußerlich von der Nonn abweiche nde Szene ei n dem typischen Sche ma en tsprechendes Ende. Wie sich gezeigt hat, kann das anhand der Gastmähler in vornehme n Häusern entwickelte Schema auch zur Analyse von Szenen herangezoge n werden, die in einem ärmlichen Mili eu spielen. In diesem Fall werde n die einzelnen Elemente zwar inhaltlich anders gefü llt. doch lassen sie sich aufgrund fo rmaler Analogien leicht identifiz ie ren. Eine wichti ge Orientierungshilfe bietet dabei unter anderem die Rollenverteilung. Der sozial niedri ggestellte Eumaios erfUlli bei der Bewi rtung die gle ichen Funktionen wie ei n ad li ger Gastgeber und Obernimmt sogar zusätzliche Tätigkeite n, die die· se r wegen seines hohen Ranges an Untergebene delegieren konnte. Wenn der soziale Rahmen des Mahl s sei nen typischen Ablauf ni cht grundSätzlich in Frage stellt , so bleibt zu untersuchen, welches Bild sich bietet, wenn der Gastgeber daran gehindert ist, seine konventionelle Rolle zu übernehmen . Ein Beispiel liefert der Aufenth alt der Argonaut en be i dem blinden Seher Phineus im zweiten Buch der Argonautika des Apoll on ios Rhod ios. Dieser wi rd vo n den Harpyien gepeinigt, die ihm bei jeder Mahl ze it die Nahrung en treißen oder sie ungenießbar machen. Durch die Angriffe und den Hunger geschwächt , kann Phineus - ohnehin behindert durch Alter, Blindheit und die von den Harpyien verwüstete Behausung - den typi schen Pflichten eines Gastgebers ni cht nachkommen. Auch ste ht er als
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4.2.2 Die Argonauten bei Phineus
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einze lner Wirt fünfzig Besuchern gegenü ber, so daß die Bewirtung an ihre G renzen stoßen muß. Läßt sich trOiz dieser exzeptionellen Vorgaben auch hier eine O rientie· ru ng an den Konventionen der Gastmahl szene nachweisen?
4.2.2 Der hilflose Wirt: Die Argollamen bei Phineus (A. R. 2, 178-536) Der A ufen thah der Argonauten bei Phineus (A. R. 2, 178-536) hat in der neueren Forschung, die sich verstärkt um di e helleni sti sche Dic htung bemüht. vermehrt Beachtung gefunden. Besonders gilt di es für di e lange Prophezei un g, mit der der Seher den Argonauten Hinweise auf den weiteren Ve rla uf ihrer Reise gibt (A. R. 2,3 11-407 und 420-425) sowie die damit zusammenhängenden Fragen, vor allem die Rolle der Göner l N und Besonderheiten der Erzähltechn ik. Während die Interpreten darin überein stimmen, daß d ie Weissagung des Phineus keine genaue Vorstellung der künfti gen Ereignisse vermittele. gehen die Ansichten über die Bedeutung seiner Rede und damit über den Tenor der Szene ausein ander. THEODORAKOPOULOS (1998) betrachtet die Gestalt des Phineus vorrangig als >Fol ie< für den Erzähler, dessen ästheti sche Ansichten er verkörpere,125 während PADUANQ (1997) 265 »i limi ti posti al conoscere umano e la misura tipica dell a religiosit3 apollinea« als Hauptthema ausmacht. CUYPERS (1997) und PLANTlNGA {I 999) betonen dagegen in Übereinstimmung mit OUCKWORTH (1966) 83 und 102 die spannungssteigemde Wirkung der Szene, d.h. einen er.tähltechnischen Aspekt. 126 Wie aber verh ält sich d ie Begegnung m it Phi neus zur Trad itio n der e pi schen Gastmah lszenen?
124 Diese wurde schon in den dreißiger Jahren von KLEIN (1931) untersucht und wird u.a. von CUYPERS ( 1997) in seinem Kommentar zum Anfang des zweiten Buchs wieder aufgegriffen. 125 TII EODORAKOPOULOS (1998) 19 1: ,. The seer clearly servcs as a foil [0 [he narrator. and both are preoccupied with setting boundaries to the narrati ve. with limiting its comprchensi'leness. but also its comprehcnsibili[y. I... J Ine'li tably Call imachean aes[he[ics must also play a pan in this rejectioll of continuity... Dazu auch FEENEY (1991 ) 60 und 94 und GOLDltlLL ( 199 1) 284. 126 PL\NTINGA ( 1999) 146: ,.Suspcnce is created and false anticipations are raised. ] ... J In fact , many importan! evcllls in Book Two. such as their stay with Lycu!> or the encounter with Apollo on the island of Thynias. are left out by the seer. .. CUYPERS (1997) 196: . Phineus· instructions gi'lc the reader a hold. but they also create suspcnse. We now know Ilt which point in the story sometlri"8 is going to happen. but do not know exactly whut ...
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4.2.2 Die Argonauten bei Phineus
Einen Tag. nachdem Polydeukes den aggressiven Bebrykerköni g Amykos im Faustkampf besiegt hat (A.R . 2. 1-1 63). landen Jason und seine Begleiter am Westufer des Meeres im Gebiet der Thyner (A.R. 2, 176f.), wo der greise Seher Ph ineus ein elendes Leben fristet: Weil er den Menschen zu freim ütig den Willen der Gölter geweissagt haue, war er zur Strafe mit Blindheit geschlagen und den Harpyien au sgeliefert worden, die ihm den größten Teil der Speisen, welche ihm Nachbarn zum Dank für seine Prophezeiungen bringen, vom Munde rauben . 127 Nur mit den übelriechenden und mit Unrat besude lten Resten hält sich Phineus am Leben. Erst die Boreassöhne sollen ihn nach einem Orakel des Zeus von seinen Peini gern befreien. Daher erwartet der Seher die Argonauten bereits sehnsüchtig, als sie ihr Schiff am Land vertäuen. Von diesen Umständen ahnen Jason und seine Mannschaft freilich nichts. bi s sie selbst mit Phineus zusammentreffen. Nur der Leser wird noch vor Beginn der e igentlichen Szene durch einen Kommentar des auktorialen Erzählers, der zwischen dem Landemanöver der Argonauten und ihrer Ankunft im Haus des Sehers eingeschoben ist, über die Hintergründe untemchtet. 128 Die Unwissenheit der Ankömmlinge ist für den Beginn einer episc hen Gastmahlszene ungewöhnlich. In der überwiegenden Zahl der Fälle besitzt der Fremde schon einige Kenntnisse über seinen Gastgeber, wenn er dessen Wohn sitz erreicht. Dies gilt nicht nur rur Besuche be i Freunden und Bekannten, wie die des Telemach bei Nestor (Ho rn . Od. 3,3 1-403) und Menelaos (Ho rn . Od. 4,1-305), sondern auch fUr Gastmähl er bei Fremden, wie das des Odysseus bei den Phäaken (Horn . Od. 7,8 1-347) oder bei Kirke (Od. 10,308-405). Hier begegnet dem Reisenden, noch ehe er das Haus se ines Wirtes erreicht, gelegentl ich e ine Person - meist eine junge Frau oder e in junger Mann - die ihn begrUßt, ihm den Weg weist und ihm ei nen ersten Eindruck von Land und Leuten vennittell. Diese Gespräche, die oft ei nige Zeit vor der Ankunft stattfinden, bereiten die eigenlli che Gaslm ahl szene
127 Zu den abweichenden Fassungen der Phineussage s. u. Anm. 238. 128 Apollonios verwe ndet den auktorialen Er.t1ihlerkommenlar noch mehrfac h. so in de r direkt vora usgehenden Episode. der Begegnung mit Amykos. die einen ähnl iche n Beginn aurweist. S. dazu CUYPERS ( 1997) 21 1. Z u inhaltliche n Verbindu ngen zwi schen beiden vg l. ROSE (1984) 115- 135 und DE FOREST ( 1994) 74 mil Anm . 10. Den Aufbau des Amykosabcmeuers bespricht KÖII NKEN ( 1965). s. v.a. 84 und 10 1.
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4.2.2 Die Argonauten bei Phineus
vor, indem sie den Ankömmling zum Beispiel auf einen potentiell en Wirt aufmerksam machen . l29 Diese Prinzipi en. die Apol.lonios beim Treffen zwischen Jason und Aietes im dritten Buch berücksichtigt (vgl. die Begegnung der Argonauten mit den Phrixossöhnen, von denen sie erste Informationen Uber Aietes erhalten, A.R. 2. 1200- 1215), sind in der Phineusszene offenbar außer Kraft gesetzt, da die Ankömmlinge - im Gegensatz zum Leser - bis zu ihrem Gespräch mit Phineus keine Hinwei se auf Identität und Schicksal ihres Gastgebers erhalten. Den Anknüpfungspunkt ftir den Erzählerkommentar bildet der Ort der Landung (A. R. 2,178 Ev6a). obwohl der Text selbst kaum Informationen i.lber die landschafliiche n Gegebenheiten enthält. Vielmehr konze ntriert sich die Beschreibung auf die Person des Phineus, sei ne prophetischen Fähigkeiten und seine gegenwärtigen Leiden. die als die erbarmenswUrdigsten von allen bezeichnet werden (V. 2. 178f.: lvevs, / OS lTepl mlvTwv oAowTaTa 1TT1l-!aT' aVETAI1). Die Größe seines Ungli.lcks tritt vor allem durch die gesuchten inhaltlichen Kontraste hervor: Gerade seine Sehergabe, Zeichen ei ner besonderen göttlichen Gnade, hat Anlaß fi.lr seine Bestrafung gegeben, und sei n hohes Alter - auch dies gewöhnlich ein Beweis fUr die Huld der Götter - wird vergällt durch die Blindheit und die Angriffe der Harpy ien, so daß es einen Teil der Strafe bildet. 130 Schließlich ist er unter den Nachbarn ein gefragter Ratgeber. doch muß er di e menschliche Gesellschaft meist entbehren, da niemand den scheußlichen Gestank der Harpyien
Sn
129 S. dazu oben S. 105f. In der lIias gilt dies fUr die Begegnung von Priamos und Hennes (Hom. 11 . 24.352-469) und in der Odyssee außer für das Zusammemreffen des Cdysseus mit Nausikaa (Hom. Od . 6, 108-315) auch rur seine Begegnung mit Athe ne (in Gestalt eines jungen Mädchens) vor der Stadt de r Phäaken (Horn. Cd. 7. 18-77), rur seine Unterredung mit Hennes auf dem Weg zu Kirke (Ho rn. Od. 10,277·308) und die Beratung mit Athene vor dem Besuch bei Eumaios (Horn . Od. 13,22 1-440). Vgl. außerhalb der 40 untersuchten Gastmahlszenen die Begegnung mit der Tochter des U!.strygonenkönigs (Horn. Cd. 10. 103- 11 ) und innerhalb der Enlihlu ngen des Eumaios die Begegnung der phönizischen Räuber mit einer Wäsche wasche nden Sklavin. die ihnen den Weg zum Palasl weist. aus de m sie später Eumaios entführen (Hom. Cd . 15.4 15-84). In der nachhomerischen Epik erscheint dieses Detail fast nur bei Vergil. s. die Ankunft des vom Sturm verschlagenen Aeneas in Karthago (Verg. Aen. 1,3 14-4(1) und seine Begegnung mit Andromaehe (Verg. Aen. 3.300(345). S. aber auch das erste Zusammentreffen zwischen Jason und Medea bei Valerius Aaccus. das sich, anders als in der Version des ApolIonios, auf dem Weg zum Tempel des Sonnengoues ereignet (Val. Aac. 5.350-398). Bedingt vergleichbar iSI die Begegnung der Argonauten mit den Phrixossöhnen bei Apollonios, die zu einer eigenen Gastmahlszene ausgebaut ist (A.R. 2.1 11 8-1227). 130 A.R. 2.178- 190. s. zum Greisenalter als Strafe fRÄNKEL ( 1968) 167.
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4.2.2 Die Argonauten bei Phineus
ertrage n kann (A. R. 2, 19 1- 193). Von dem allgeme inen Portrai t des Phineus leitet der Dichter zu dessen augenblickl icher Situatio n über: Der Seher vernimmt die Stimmen und den Länn e iner Gruppe von Menschen und erkennt aufgrund seiner We issagekunst augenblicklich, daß es sich um di e von Zeus verheißenen Retter hande lt (A.R. 2, I 94-1 96). An diesem Punkt der Handlung - der Ankunft der Gäste am Haus des Wirtes - setzt die eigentliche Gastmahl szene ein. Der Absc:Jmitt vor dem eigentlichen Mahl Nach den bisheri gen Ergebnissen wäre nun eine Schilderun g aus der Perspekti ve der Fremden zu erwarten. die nach der Anlage der Argonaulika auch zwanglos mögli ch wäre. Wie in den homeri schen Epen der Dichter seine Helden auf ihren Wegen begleitet, so folgt auch Apollonios in seiner Erzählung der Fahrt der Argo; und wie der homerische Di chter einen neuen Ort aus dem Blickwinkel des Ankö mmlin gs beschrei bt. so hätte auch Apollonios diese Darstellungstechnik wähl en können. Wie ve rtraut sie ihm war, zeigt die Ankunft des Jason bei Aietes, bei der das primäre homeri sche Vorbild (Odysseus bei den Phäaken) in vielen Detail s - ein schl ießlich der Palastbeschreibung aus der Perspekti ve des Gastes - geschickt rezipiert wird (A. R. 3,2 15-248. vgl. Horn . Od. 7.84- 132). In der Phineusszene hingegen stehen nicht die Ei ndrucke der eben ei ntreffenden Argonauten, sonde rn die des blinden )Gastgebers< Phineus an erster Ste lle. Dieser hört Stimmen und Lärm und erhebt sich von seinem Lager. um den Fremden entgegenzugehen (A. R. 2, 194- 198). Daß es es sich hier tatsäc hl ich um die Fi gurenperspekti ve handelt, zeigt di e Beschränku ng auf Hör- und Tastei ndrUcke, ent sprechend der begrenzten Wahmehmungsfahi gkeit des Phineus: Das Nahen der Argonauten kü ndigt sich allei n durch Geräusche an. o hne daß optisc he EindrOcke erwähnt wUrden. wie es seit Homer bei Gastmahl szenen Ubli ch ist,13I und wie es sic h bei Apolloni os selbst be i der Ankunft Jasons im Palast des Aietes nachweisen läßt. 132 Den Weg zur TUr bewälti gt Phineus. in 13 1 Die Dominanz der O pti k ist bei Horner durchgehend zu beobac hten und lebt auch in der lateinischen Epik fon . Sie gilt selbst rur die Ankun ft des Te le rnach bei Eumaios im 16. Buch, d ie sich zunächst nur d urch die Schrille des j unge n Mannes und das Schwanzwedeln der Hunde ankünd igt (Hom. Qd. 16.5f.: vO'lce BE DlOS OBvaaeus-. / a aiVOVTOS- TE KWOS- TTEpi Te KnfrrOS- ?jAee n o5oi'rv). Sobald er aber die Hütte betreten hat, lrill sein A nblick in de n Vordergrund (Ho m. Qd. 16 .23 f.: oti 0 ' lT' Eyw ye / ~. 060. tcpall'lV; 16.25f. : eioEAeE. cpiAOV TEKOS. 6WV 5' aVOPOUOE crußwTIlS). In der späteren Epik läßt sich der - vor der Gastmahlszene stattfindende - plötzliche Auftritt des bis dahin unsichtbaren Aeneas vergleichen, der Dido in Erstaunen versetzt (Verg. Acn. 1.613). s. auch den Schrecken des Euander und seiner Begleiter bei der Ankunft der rremden Gäste, Verg. Aen . 8. 109f.
4.2.2 Die Argonauten bei Phineus
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Wi rt auf eine unerwartete Situation ein stellen, während der Bes ucher schon vor der Ankunft Pläne für sein weiteres Vorgehen gefaßt hat. Daher gerät ein Gast gewöhnlich auch ni cht über di e Person des Wirtes, sonde rn allenfall s über Details seiner Wohnung in Erstaunen , welche durch die Kostbarkeit der Baumaterialien oder ihre sorgfaltige Ausgestaltung beslicht. In der Phineusszene, wo die Perspektive des Greises vorherrscht, wäre daher ei ne Umkehrung zu erwarten, bei der nicht Gäste die Behausung des Wirtes, sondern der Wirt das prächti ge Schiff und die Ausstattung der Gäste bewunderte. Eine solche Umkehrung verbietet jedoch die überlegene Seherkraft des Phineus, die der von Göttern ähnelt. Er kennt sei ne Gäste bereits und gerät daher über ihr Erscheinen nicht in Staunen. lJ8 Die Einleitung bietet also folgendes Bild: Die Ekphrasis des Gebäudes, die gewöhn lich aus der Perspekti ve des Gastes geschildert wird und zum Anfang der Szene gehört, fallt unter den besonderen Umständen dieser Erzählung aus. Das übliche Staune ns über einen plötzlich auftretenden Fremden ist zwar vorhanden, doch zeigt hier nicht wie sonst der Gastgeber, sondern die Gruppe der Ankömmlinge eine überraschte Reaktion , so daß die Ro llen von Wirt und Bew irtetem in markanten Punkten vertauscht erscheinen. In dieses Bild fü gt sich auch der ungewöhnliche Perspektiven wechsel zu Beginn der Szene ein: Während sonst die Ankunft beim Gastgeber aus der Sicht des Fremden dargestellt wird, wählt der Dichter hier den Standpunkt des Gastgebers Phi neus, den er mit Hilfe des auktorialen Erzählerkommentars geschickt ein führt . Der Wechsel der Rollen läßt sich al so nicht allein an inhaltlichen Modifikationen (»Staunen der Gäste«), sondern auch an der Erzählperspek ti ve ablesen. Zu kläre n bleibt nun, wie we it di ese Modifikationen durchgehalten werden. und wie sie den Verlauf der Mahl szene beeinflussen. Als der bi s auf die Knochen abgemagerte Phineu s 139 die Argonauten kommen hört. erhebt er sich mühsam von sei nem Lager und schleppt sich t 38 Dagegen ist die Blindhe it des Sehers allein kein zwingender Grund . auf das Staunen zu verzichten: Auch die du rc h Hör- und T astsinn e mpfangenen Reize (z.B. der Klang der Stimmen oder der Schritte. das Klirren von Waffen, das Knirschen des Schiffes etc.) könnten Phineus in Erstaunen versetzen. Freilich mUßte d ie ents prec hende Ekphras is dann anders gestaltet werden a ts ei ne auf optischen EindrUcken beruhende Schilderung . 139 Die Beschreibung des nur noch aus Haut und Knochen bestehenden Greises IlIßt die Darstellung des Erysichthon im 6. Hymnus des Kall imachos anktingen. vgl. A.R. 2,20 t: plvoi SE oW OoTEO lJOÜUOU lepy ou mit Call . hy. 6.93: pU/6s TE KO; OoTEO ~WUOU i:)"Eiql6.,. Parallelen zwischen dem Erysichlho nmYlhos bei Kall imachos und der Phineusszene zeigen s ic h auch an anderen Stellen. z. B. beim Hinweis des Sehers auf
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4.2.2 Die Argonauten bei Phineus
mit unsicherem Schritt zur Tür, indem er sich tastend an den Wänden fort· bewegt. Dem Fremden entgegenzueilen und ihn zu begrüßen gehört schon bei Homer zum typi schen Verhalten eines guten Gastgebers : je rascher er den Besucher empfangt, desto herLlicher ist seine Gastfreundschafc l40 Ra· sche Bewegungen sind dem blinden und geschwächten Phineus zwar nicht möglich , doch rafft er sich trotz seiner Gebrechen von seinem Bett auf. Erst an der Tür übermannt ihn die Schwäche, und er sinkt vor den Augen Jasons und seiner Begleiter auf der Schwelle zusammen (A.R. 2.202f. : Ka8€~ETO yovva ßapvv8eis I ovöov br' avAelolo). Die Hervorhebung der Tür· schwelle, die in betonter Stellung am Versanfang genannt wird. ist auffall ig, spielt es doch fUr den weiteren Handlungsverlauf keine Rolle, ob Phineus auf der Schwelle oder an einem anderen für die Argonauten sichtbaren Ort zusammenbricht. Das Detail ist aJso ni cht inhaltlich motiviert . Häufig findet sich e in Halt auf der Türschwelle in homerischen Gast· mahlszenen, besonders in der Odyssee. Allerdings ist es dort der Gast, der 141 am Eingang verharrt. bis er ins Haus gebeten wird. Dieses passive Ver· hahen, das dem Wirt die Handlungsi niti ative überläßt, zeigt die friedliche Gesinnung des Fremden. Hier aber sind es nicht die Gäste, sondern Phineus, der, von seiner Schwäche bezwungen, am Hau seingang haltmacht, was sei· ne Hilflosigkeit hervortrete n läßt. Es handelt sich hier um eine besondere seine unwide rrufliche Blindhe it und in der Darstellung des vom Vater des Paraibios begangene n Freve ls, dazu unten Anm. 261 und 275. Parallelen beste he n auch z ur Beschre ibung der Polyxo beim zuvor geschilden e n Besuch der Argonauten auf Lemnos. vgl. A.R. 2. 198 (Phine us): ßOKTP4l OKTJ1TT6 ~ E VOS ~)lKvoi') TToolv Qe avpa~e und A.R. 1.669f. (Polyxo): yi]pal' 511 iHKvoiolv E1TIOK6:~ouoo TTOOEOOI. I ßixKTP4l E pEi50~EvT) . mlp l M ~E vE a,v ' oyo peüool. dazu Pl..ANTINGA ( 1999) 122. 140 Tele mach bemerkt die als Mentes getarnte Athe ne " bei we item als e rster« (!-10m. Cd. 1. 113: TiJv SE TTOAV TTPWTO') i5e TT)AE\.lOXO') und springt auf. um sie zu begrußen. wä.hrend die frevelhafte n Freier de n Fremden am Hoftor nicht beachten. Vgl. als Kontrast die Ankunft der Argonauten im Köni gspalast von Kolchis. wo Aietes als letzter aus dem !-laus lriu . um die Gliste zu begrUßen. A.R. 3,268: AhiTTlS SE TTawoToTOI; WPTO evpa~E . GILLI ES (1928) zu A.R. 3.26 8 betrac htet dieses Detail al s bloße Variante der homerischen Fo rmulierung. doch liegt im diachro ne n Ve rgleic h de r Gastmahlszene n die Fo lgerung nahe. daß mit dem späte n Ersc he inen des Hausherm zug leich dessen Zurtlckhaltung angedeutet we rden soll. 14 1 Vg l. Nesto r und Cdysseus in Phthia (Horn . 11 . 11.777): Athene bei Telemach (Ho rn . Cd. 1.103f.); Te lemach bei Mene laos (Horn. Od . 4.20-22); Hermes bei Kalypso (Ho rn . Cd. 5 ,75); Odysseus bei den Phäake n (Ho rn . Od . 7.82f.); Gefährten des Odysseus bei Kirke (Horn. Od . 10,220); Odysseus bei Kirke (Ho rn. Od. 10.3 10-3 12). Odysseus bei Eumaios (Hom. Od. 14.30-32). Te lemach bei Eumaios (Hom. Qd. 16 . 12 ); vgl. auch Ho rn . Cd. 17.26 1 (Eumaios und de r ) Bettler( erreichen - außerhalb einer Gastmahlszene - das Haus des Odysseus): Jason bei Aietes (A.R. 3.2 15). S. oben S . 48ff.
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Fo rm der Modifikatio n: Wurden typi sche Elemente in den bi sher besprochenen Szenen immer nur als ganze abgewandelt, beispielsweise indem Eu mai05 be im ersten Mahl die gesamte Bewi rtung selbst übernimmt (Ho rn . Od. 14,49-78), oder di e Vorgänge bei der Sch lachtung eines Rindes insgesamt an die Zubereitung eines Schwei ns angepaßt wurden (Ho rn. Od. 14,41 9-438), so wird hier ein konventione lles Element abrupt abgebrochen: Phine us beginnt zwar, indem er aufsteht und zur Tür geht , mit den üblichen WiHko mmensgesten ei nes Wirtes, kann diese jedoch nicht bi s zum Händedruck und der Bereitung eines Sitzplatzes fortführen, da ihn vorher die Kräfte verlasse n und er, mag er woll en oder ni cht, seinen Besuchern die Initiati ve überlassen muß. Mit dieser unerwarteten Wendung hebt der Di chter den Unterschied zw ischen der herkömmlichen Gastgeberrolle und der eigenarti gen Stellung des Phineus hervor. Nach dem ersten gescheiterten Versuch, selbst aktiv zu werden , unternimmt der Greis vorerst keine weiteren An strengungen, seine Gäste formvollendet zu begrüßen, sondern bittet sie um Hilfe. 142 Damit aber nähert sich seine Rolle der eines Besuchers in herkömmlichen Gastmahl szenen. Der Dichter unterstreicht diesen »Rollenwechse l«, indem er Phineus wie e inen Gast »auf der Schwelle« haltmachen und die Argonauten verwundert auf den Anblick des besinnungslosen Greises reagieren läßt. Wie oben geze igt. entspri cht dies dem Staunen der homerischen Gastgeber, die plötzlic h einen Fremden in ihrer Mitte erblicken. Befi ndet sich ein Ankö mmling in einer Not lage, 50 wendet er sic h gelegentlich, noch ehe der Wirt auf sei n Ersche inen reagieren kann, mit einer Hikes ie (sIIpplica/io) an die Anwesenden. 1o So handelt Priamos, als er Achi ll um di e Freigabe von Hektors Leichnam bittet, und ebenso Odysseus. als er hilfesuchend im Königspalast der Phäaken erscheint. l44 In ähnlicher Weise richtet hier Phineus einen dringende n Appell an die Argonauten: Sie sollten nicht abfahren, bevor sie ihn von den Harpyien befreit häne n. Wi e in den homerischen, mi t einer wirk.lichen Hi kes ie verbundenen Gastm ahl sze142 Akti v wi rd der Seher erst am zwei ten Tag der Bewirtu ng . Zu diese m Wande l in seinem Verhalten S. U. S. 329. 143 Dies gill vor allem. wenn er durch äußere Umstände gezwungen isl. auf das übli che Warten an der T(irsc hwelle zu verL.ichle n und den Raum ohne Aufforde nmg zu betrelen. Beispiele in reguHlre n Gastmahlszenen bilden d ie Ankunft des Priamos bei Achill (Hom. 11. 24.477-479) und des Odysscus bei den Phäaken ( Horn. Od. 7. 139- 14 3). vgl. aber im Rahmen eines Antigastmahls den Besuch des Odysseus beim Kyklopen (Ho m. Dd. 9.2 16-2 18) $ . dazu auch oben S. 123 und unte n S. 405. 144 Horn. 11 . 24. 486-506: Horn . Gd. 7. 142- 152.
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nen steht hier der Flehende allein ei ner Gruppe von Personen gegenüber, von denen er eine oder mehrere besonders anspricht: Priamos wendet sich direkt an Achill,1 45 Odysseus an Arete (und Alkinoos), Ho rn . Od. 7, 146· 152. Auch Phineus leitet seine Rede mit einem all gemeinen Hilfegesuch an alle Argonauten ein (A.R. 2,217f.: AIOOOI-IOI (... ] xpalollETE 1101), appel . liert dann aber ausdrtickJich an die Boreassöhne Kalai s und Zeles, die ihm aufgrund seiner Seherkunst als seine eigentlichen Retter bekannt sind (A. R. 2,234f.: TOS IlEV 8EoqmTov EOTIV EprpiioQl Bopeao / uieas ). Der Auf· bau der Rede entspricht dem anderer Bittgesuche: Am Anfang steht eine achtungsvolJe Anrede, die den Rang der Angeflehten hervorhebt, und mit einer kur.len Andeutung des eigenen Unglücks verknüpft wird (A.R. 2,209214). Sodann fol gt unter Hinweis auf die Götter die eigentliche Bitte um Hilfe , die mit einer Darstellung des Leids einhergeht (A .R. 2,2 15_239).146 Den Inhalt seiner Rede slimmt der Flehende jeweils auf seine spezielle Situatio n ab. Der grei se Priamos beschwört Achill nicht nur bei den Göttern, sondern vor allem bei sei nem grei sen Vater, um ihn so zu Mitleid und der Erftillung seiner Bitte zu bewegen (Horn. 11. 24,486-492), und Odysseus verweist am Hof der götternahen Phäaken allgemein auf die Himmlischen , di e seinen Gönnern ein glückliches Leben. verbunden mit fortdauerndem Ruhm und Reichtum gewähren sollen (Horn. Od. 7, 148- 150). Auch Phineus kann dank seiner Sehergabe die Bittrede an die konkreten Verhältnisse anpassen. So spricht er di e Besucher, ohne daß diese sich zu· vor vorgestellt häueR, sogleich mit der ehrenden Anrede navEAAnVWV TTpOa elvaü. / vio v 6:va oTf)aa ') ayam 'wopa l\ a ooa~a vTa / Ö') oi TT AIlOIOV Tr;e. Eine Ausnahme bilden die Presbeia Ho rn. 11. 9.2 18f.. d ie Lösung Hektors (Ho rn . 11 . 24.597 f.), d ie Bewirtung des Odysseus durch Eumaios (Ho rn. Od . 14,79 ) und des Telemach durch Eumaios (Ho rn. Od. 16,53). in der nur die Posilion der Gastgeber näher beschrieben wi rd . Diese setzen sich den Besuchern gegenllber. S . eine ähnliche Geste (außerhalb e ine r Gastmahlszene) auch im 5. Buch der Odyssee. wo sich Kalypso Odysseus gegenllbersetzl. nachde m sie beschlossen hat, ihn z.iehen zu lassen (Horn. Od. 5. 198). Vgl. außerde m Hom . Od . 1,130- 133, wo der Gast Athene IMemes nicht in eine sc hon bestehe nde T ischge meinschaft aufgeno mmen wi rd. sondern Telemach ausdrUcklich ei gene Plätze getrennt von den Freiem herrichtet. Dabei sorgt er zuerst ru r de n Besucher. der auf e inem Lehnstuhl Platz nimmt. und anschließend rur sich selbst. indem er e inen bescheideneren KAIO~ O') an ihre Se ite rUckt, wodurch die ehrerbietige ZurUckhaltung des j ungen Telemach gegenüber de m älteren Mentes zum Ausdruck kommt. S. zum " Platz bei Tisch« oben $ . 67ff. 223 S. Anm. 222. »In de r Mine« sitzen sonst in den geschlossenen Gastmah lszene n nu r Dido bei de r Bewirtu ng des Aeneas (Verg. Aen. 1.6970. und Hypsipyle bei dem an der Aeneisstclle orientierten Gastmahl de r Argonauten auf Lemnos (Val. Flac. 2.346f.), wobei möglicherweise d ie röm ische Sitte e ines Tri kli niums angede utet werde n so ll. so daß die Szenen nicht di rekt mit dem hellenistischen Argonautenepos vergleichbar sind. 224 A.R. 2,4 11-418; vgl. Ho rn. Od. 1.1 58ff.: Horn. Od. 3,69ff. : Hom. Od. 4.78ff. ; Horn . Od. 5.87 ff. ; Hom. Od. 7. 186ff.; Horn . Od. 14.80ff. (hier beginnt d ie entsprechende Rede des Gastgebers Eumaios jedoch schon während des Mahles); A.R. 3.304 ff . und in der late inischen Epik Verg. Aen. I ,750ff. : Verg. Ac n. 8, 185 ff.
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der Si tzplatz am Herd und die fehlende Angabe der Relation zu Jason. Dies kann nicht darin begründet sein, daß Phineus, ähnlich wie der auf Scheria am Herd si tzende Odysseus, zu diesem Zeitpunkt als Bittsteller aufträte, denn sei n Hilfeersuchen an die Boreaden hat bereits Erfolg gehabt. wie das eben bee ndete, von den Harpyi en ungestörte Mahl beweist. Auch nimmt er nicht die von Odysseu s gewählte Position ;11 der Asche ein (Horn . Od. 7, 153: EV KovfTJOI), sondern sitzt !leben dem Herd (A.R. 2,309: lTOp' EoXaPTJ). Das Motiv kann also allenfalls aus der tl .a. in der Eumaiosszene erke nnbaren Bedeutung des Herdes als innerstem Punkt des Hauses abge~ leitet werden. Hier wie dort befindet sich eine besonders schutzwürdige Person direkt an der Feuerstelle . während sich die anderen um sie herum bzw. neben ihr niederlassen.225 Der hervorgehobene Platz des Phineus ent~ spricht also für sich genomme n der hervorgehobenen Position ei nes fre m ~ den Ankömmlings bei Ti sch, während die Lokali sierung direkt am Herd den Schutz kennzei chnet, den er durch die Argonauten erfahrt. Warum aber hat Apollonios den Ro llentausch, den er der Szene insgesamt zugrunde legt, in di esem Punkt ni cht in allen Einzelheiten durchgehalten und Phineus neben Jason angesiedelt ? Hier zeigt sich erneut ein Phänomen, das wir schon beim Begrußungsritual beobachtet haben. Di e Argonauten übernehme" zwar über weile Strecken di e Ro lle der Gastgeber, sie sind es aber in Wirkl ichkeit ni cht. Sie bereiten Phineus zwar ein Mahl, wie es sonst pfli cht bewußte Wirte für ihre Gäste tun, doch liegt der Akzent auf der konkreten Hilfel e i ~ stung für den hungernden Greis, und nicht wie in den typi schen Gastmahlszenen auf ei ner freundlichen Aufnahme und der damit verbundene n Ehre n.lr den Bewirtete n. FOlgerichtig ist dem Dichter nicht daran gelegen , Ph i ~ neus dadurch auszuzeichnen, daß er ihn an der Sei te ei ner ei nflußreichen Persön lichke it Platz nehmen läßt. 226 Statt dessen betont er die »Rückführung« des von den Harpyien zur Hilflosigkeil verurte ilten Sehers an den eigenen Herd.
225 A.R. 2.309 : a liTos: 5' EI.' UEOOOIOI Trap ' eoxO:plJ. vgl. Ho rn. Od. 14.5 18-524 : Tiefl 5' apo oi nvpOs EyyUS: / E\ivTiv [...j TOI 5t TTap' aliTov / äv5pES: , , KOIU!l00VTO V€!lVIOI. 226 Man beachte. daß Auszeichnungen. wie das Ehrenstück. des Bra tens. während des Aufenthalts nicht erscheinen. und daß auch keine Gaben lIberreicht .....erden. wie es sonst häufi g geschieht. Die Ehre. d ie mit dem Sitzplatz neben dem Gastgeber verbunden ist. wird besonders de utlich. wenn zugunsten des Gastes andere. bevorzugte Personen aufstehen müssen. vgl. den RUckzug des Königssohnes am Hof der Phäaken. Horn. Od. 7.170f.
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4.2.2 Die Argonauten bei
Ph im~us
Der Abschn if1nach dem eigentlichen Mahl Eine ähnliche leichte Abweichung vom Rollentausch zeigt sich am Beginn der wechselseitigen Gespräche nach dem Mahl , die in der Odyssee üblicherweise, angeregt durch eine Frage des Gastgebers. mit einer Selbstvorstellung oder einem Erlebnisbericht des Fremden beginnen. Eine solche Frage ist in der hier vorliegenden Situation jedoch überflüssig: Der traditi onsgemäß zu erwartende >Gastgeber< Phineu s kennt die Ankömmlinge aufgrund seiner Sehergabe bereits genau, und die Argonauten als faktische >Gastgeber< sind durch die Bittrede des Phineu s ausreichend über den Namen und die Vorgeschichte ihres Gegenübers unterrichtet. Der Greis be· ginnt seine propheti sche Rede, in der er den Argonauten Auskünfte über ihre weitere Fahrt bi s zur Ankunft in Kolchis erteilt, daher ohne Aufforde· rung, ähnlich wie Theoklymenos in der Odyssee (Horn. Od. 17, 151-1 6 1 ). Typisch ist ein solch un vermiuelter Beginn hingegen für die Darbietung von Sängern, welche die Tischgenossen nach dem Mahl unterhalten und ihr Thema meist frei , d.h . ohne Aufforderung durch die Zuhörer, auswählen ?27 Wie oben gezeigt, sind die Gesangsvorträge stets so angelegt, daß sie direkt oder indirekt einen Bezug zur weiteren Handlung des Epos aufwei sen: Ent· weder enthalten sie einen für alle oder einen Teil der Anwesenden erkenn· baren Bezug auf ihre augenblickliche Lage und beeinflussen so den weite· ren Verlauf des Epos, oder sie bilden einen hauptsächlich an de n leser/ Hörer gerichteten Kommentar, der gegenwärti ge und künftige Ereignis· 227 Die grundsätzliche Freiheit des nur den Musen verpflichteten Sängers hebt Homer gleich im ersten Buch der Odyssee hervor: Auf die Bitten der Pene lope. Phemios möge ei n weniger trauriges Lied anstimme n. antwortet Te lemae h mit e iner lebhaften Verteidigung der Sängers (Horn. Od. 1.346-350. vgl. Ho rn. Od. 7.73·82: Demodokos wird von der Muse. nicht von einem der Teilnehmer zum Gesang getrieben). Allenfalls wird dem KUnstler sein Instrument gereicht. so z.B. dem Phemios (Horn. Od. 1, 153f.) und dem blinden Dcmodokos (Horn . Od. 8.26If.). Eine indirekte Aufforderung. mit dem (selbstgewl1hlten) Gesang fortzufa hren. fi ndet sich Horn. Od. 8_90f. (Die Phäaken drän· gen Demodo kos zu singen). Auch bei m dritten Lied des Demodokos fo rdert Odysseus de n Sänger auf. de n (selbstgewählten) Stoff zu prl1.z.isieren. doch erscheint die Muse als ei ne treibende Kraft bei der Durchführung (Horn. Od. 8.487-499). Bei Apollonios ist das selbständige Hande ln des Sängers noch ausgeprägter. wie das Verhalte n des Orphe us 7.eigt. der beim Abschiedsmahl der Argonaute n ohne Aufforderung sei ne n fri edenstiften· den Gesang beginnt (A.R. 1.494-5 11 ). In der lateinische n Epik ist dieses Verhalten eben· faUs die Regel. vgl. z.B. Verg. Aen . 1.740-746; Sil. 11.288-297; Sil. 11.432f. Dies gilt auch rur den Gesang des AchilI in Chirons Höhle. bei dem der Kentauer seinem SchUle r die Lyra stimmt. aber kein Thema auswählt (Slat. Ach. 1.1 85·188 [Uber Chiron l: varia oblectamina nectells I elicil extremo chelYII et solanlia cllras I fila movet levituque expert051JOlIice chordas I dat pi/ero).
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4.2.2 Die Argonauten bei Phineus
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se e rläutert (s. dazu oben S. 99f.). Sein Wi ssen bezieht der Sänger traditione ll von e iner göttlichen Instanz, meist von den Musen ,228 auch wenn dieser Zusammenhang in Gastmahlszenen selten direkt ausgesprochen wird . Die göttlich inspirierte Ausrichtung auf die Zukunft stellt auch das auffälligste Merkmal der Rede des Phineus dar. Da es sich ausdrücklich um eine Weissagun g handelt,229 ist diese die kUnftigen Ereignisse >kommentierende< Funktion jedoch nicht nur fllr den Leser erkennbar, wie es bei entsprechenden Gesängen der Fall ist, sondern auch für die Gespräch spartner des Phine us selbst?30 Seine Rede vereint al so zwei Kennzeichen, die sonst für unterschi edliche Typen von Gesangsvorträgen charakteristi sch sind , und rückt damit inhaltlich in die Nähe der konventionellen musikalischen Darbietungen nach dem Mahl. 231 Der Eindruck wird noch durch die Blindheit des Phineus erhöht, die er nicht nur mit anderen Sehem,232 sondern auch mit 228 SCODEL ( 1998) 172: )HOrdinary . narrati ve derives its authority either from personal experie nce or from human report. whereas epic perfonners are infonned by lhe Muse. and do not depend on ordinary sources.« 229 A.R. 2.3 11f.: ou IJEV TTOVTO TTeAet 8EIJtS Vu ~.u Sai'jvat / (hp€)l:e~' öooa S'
öpC.lpe eeois i novrillEpOt E'Vt6wvTO u.ö.
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4.2.2 Die Argonauten bei Phineus
He ilung des Sehers geäußert und Phineus ihn über die Unabänderlichkeil dieses Schicksals aufgeklärt hat,261 folgt eine zusammenfassende Bemerkung, die inhaltlich den homerischen Formelversen zum Ende der Unter262 haltung nahesteht und genau wie diese eine n Hexameter umfaßt. Nach dem Ende des »Gesprächs zwischen Gastgeber und Gast« folgt in regulären epischen Gastmahl szenen oft die Bereitung eines Nachtlagers. Wie wir in den vorigen Kapiteln gesehen haben, kann dieses Element allerdings ausfallen, wenn der Dichter einen abrupten Wechsel zu einer Parallel263 handlung vornimmt, deren Gleichzeitigkeit er beto nen wil1. Umgekehrt kann das Nachtlager aber auch fehlen , um das Gastmahl als Auftakt eines längeren Aufenthalts zu kennzeichnen?64 In der Phineusszene liegt nun eine dritte. gleichsam natürliche Ursache flir das fehlende Nachtlager vor: Die Unterhaltung der Tischgenossen zieht sich so lange hin , daß schließlich die Mo rgenröte erscheint (V. 2.449f. ). Durchwachte Nächte schildert A)X>lIoni os in den Argonautika noch mehrfach. während sie in anderen Epen seltener vorkommen.265 Die erzähleri sche Wirkung kann dabei je nach Kontext verschieden ausfallen. So brechen die Argonauten nach ihrer Rast in Mysien - außerhalb einer Gastmahlszene - im Morgengrauen eili g auf, um den gün stigen Wind auszunutzen (A.R . 1,1273- 1275), wobei sie den nach Hylas suchenden Herakles am Ufer zurtickJasse n. Indem der Dic hter die durch ein 26 1 Die Wortwahl des Phineus nimmt die Darsle llung des bli nde n Sehers Tires ias aus dem Athenehymnus des Kallimachos auf. vgl. A. R. 2.259 o).,aov VEqK>S u. Call. hy. 5.98 T€KVo vl ... ] o ).,a o v. und A.R. 2.444 u. Cal!. hy. 5. 103. S. dazu BULLOCH (1985) zu Call . hy. 5,98 und 5,103. Während jedoch bei Tiresias in der Danllcll ung des Kallimachos ausdrtlcklich ei n göu liches Gesetz bzw. sein vom Schicksal zugeleiltes Los rur seine ewige Bl indheit vera ntwonlich sind. nennt Ph ineus medi zinische G ründe fU r sein unrettbar verlorenes Augenlicht. S. FRÄNKEL (1968) 188. Es 7.eigt sich hier einerseits das scho n beim plölzlichen Zusammenbruch des Phineus beobachtete Interesse des Apollonios an medizinischen Einzelheiten. zum anderen aber auch d ie schwache Ro lle der Götter. d ie nur noch indirekt fU r die Unheilbarke it des Leidens verantwon lich sind . 262 A. R. 2.448: " WS TW y ' on~).,OtCl TTa paß)"~STlv oyopevov. vgl. Horn. Od. 4.620: ~ W) oi !JEv TOla ÜTa TTpOs o).,M).,ovs oyopevov. u.ö. 263 S. de n Übergang von der Bewinung des Tele mach bei Menelaos zum T reiben der Freier au f Ithaka (Horn . Od. 4,624f.). Dazu oben S. 103 Anm. 234. 264 Vgl. Horn . 0 ichtigkeit des Publikums hervortreten: Wie der Applaus und die einhellige Trankspende zeige n, werden die für die Capuaner positi ven der Gründer Capuas dagegen kei n Verw:lIldter des Aeneas. sondern ei n Etrusker (O rig. 3 fr. 1 CHASStGNET). nach Livius handelt es sich um e inen Samniten (Li v. 4.37. 1). Dane· ben findet sich in der Königsdynaslie von Alba Longa ein Herrsc her namens Cap)'s. dazu HEURGON ( 1942) 145. 364 S . dazu V. ALBRECI-IT ( 1964) 55·86 . Vgl. auch die Rede de r vom Hi mmel aur Ca· pua herabbl ickenden perso nifi zierten FitJn kun; vor de r Einnahme und Zerstörung der Stadt durch die Rö mer, in der das Schicksal Capuas als exe mplarisch fUr alle Vcrrliter bezeichnet wird. Si l. 13.28 1·29 1, bes. 286-289: DlIbio qlli f ra"gere ren/Ir! I galldebit paeta ae tenllis spes finquet amid, 111011 jlJi domlls, allt eOlliux. 01// I'iw manebit 1 umqu· um expers luew s fae rimaeque. 365 Verg. Aen. 1,747: ingemi"ant IJfaus li Tyrii, Troesque seqlllintur. S. dazu als mögliches homerisches Vorbild Ho m. Cd. 8.367·369 (Freude des Cdysse us und der Phäaken nach dem zweilen Lied des Demodokos).
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4.2.3 H:annibal in Capua
ZUge der Capysgestalt zwar wahrgenommen (Sil. 11 ,296f.), die ebenfalls angesprochene Verwandtschaft zwischen Capuanern und Römern jedoch nicht in Rechnung gestellt. Dies ist um so bemerkenswerter. als die Frage von Vertragstreue oder Abfall von Rom durch das mutige Auftreten des Dec ius auch nach der offiziellen Übergabe Capuas an Hannibal die Ta· gespolitik in der Stadt bestimmt hatte, so daß der Sinn der Capuaner für dieses Thema geschärft sein müßte.366 Das Unrecht des Vertragsbruchs wird nur von einigen wenigen aufrechten Personen emstgenommen. zu denen außer Decius auch der Sohn des Pacuvius zählt, welcher unmittelbar nach der Trankspende erstmals eingeführt wird. Wir haben also einen in den epischen Gastmahlszenen seltenen Mischfall vor uns. bei dem der Gesang nach dem Mahl zwar einerseits der ersten Gruppe von Liedern (für das Publikum erkennbarer aktueller Bezug) zuge· ordnet ist. die mei sten Hörer den Sinn des Liedes jedoch trotzdem nur un· vollständig erfassen. Indem er die falsche Selbsteinschätzung der Capuaner und Karthager illustriert, nimmt der Gesang zugleich Züge eines an den Leser gerichteten Kommentars an , wie er für die zwe ite Klasse von Gesän· gen charakteristisch ist. Die Wendung concelebrallf plallsu pariter Sidollia pubes I Campallaeque manus (Sil. 1I ,298f.) greift auf ähnliche Formulierungen im Gastmahl der Dido zurück. in der Karthager und Trojaner dem lopas applaudieren (Verg. Aen. 1,747 : illgeminom plausu Tyrii, Troesque seqUlmfllr). Hier wie dort werden zuerst die Karthager genannt, obwohl sie im einen Fall die Gäs te, im anderen die Gastgeber stellen . Hier wie dort sind sie jedoch in besonde· rer Weise von dem Unglück betroffen, das der Gesang in verhüllter Form
366 Silo 11 .55-258. In der Darstellung des Silius gehl die entsprechende Diskussio n, die mit der Verhaftun g des ronllreuen Dccius endet, de m fe ierlichen Empfang rur Hannibai unmittelbar voraus. In seiner leidenschaftlichen Rede hatte sich Decius auf de n mit Jupiter verwandten Sladtgrtlnder Capys berufen. de m er verpnichtet sei. und um dessetwillen er nicht mit ei ne m Barbar Gemei nschaft haben könne . Silo 11 . 177- 182: Quos fu gilis sodos ? Qllosl'e (ulditiJ ? lIIe ego .fell/gllis f DardmzillS. cu; sacra pater, CI/i nomina linquit f ab love dllcta Cap}'s. magno cognalllS 111/0: I iIIe ego [... 1MlInnllrico Iw /zom fetz/orill mixtus atulllllo ? Die Darstellung weist BeZUge zum Lied des T eulhras auf. Um so deut licher tritt die Verblendung der Capuaner hervor, die gemeinsam mit Hannibal, den Decius unter Hinweis auf den von Jupiter abstammende n Stadt gründer als Barbaren geschmäht haue. eine Libation fUr eben diesen Grtlnderhe ros ausbringen. An der Darstellung seiner ehebrecherischen Herkunft. auf die Te uthras, anders al s Dec ius, e iniges Gewicht legt. nehmen sie ke inen Anstoß.
4.2.3 Han nibal in Capua
373
ankündigt. J67 Damit zeigen gerade diejenigen Hörer die erste Reaktion, denen das Lied ohne ihr Wi ssen in besonderer Weise gilt.368 Den Anstoß zur Libation gibt Hannibal (Sil. 11 ,299f.): Allte mun;s ductor honor; I 1Iomi1lis augusto libat ca rchesia riw . Trankspenden und andere reli giöse Handlungen ersc heinen häufi g in Gastmahlszenen, gehören aber nicht zu deren unabdingbaren Bestandteilen. Ebensowe nig läßt sich solchen Ritualen ein fester Platz innerhalb des typischen Schemas zuwei sen, da Fonn und Anlaß je nach Kontext beträchtlich differieren . Der Ausftihrende ist jedoch gewöhnlich der Hauptgastgeber oder ei n naher Angehöriger, der auch die Gäste in die Zeremonie einbi nden kann .J69 Si lius hat diese Konvention. die er auch in seiner epischen Hauptvorlage. dem Mahl der Dido. vorfand. nur mutatis mutmidis bewahrt: Da er während der gesamten Szene auf einen personifizierten Gastgeber verzichtet. und statt dessen den >Besucher< Hannibal als ei nzigen Protagonisten in den Vordergrund stelll.J7Q kann er nun. ohne den Eindruck einer epischen Szene zu stören. den karthagischen Feldherrn als Opfernden zeigen. Übertragungen typischer Hand lungen von einer Partei auf die andere haben wir bereits in der Ph ineusszene des AJX>lIo nios beobachtet. J71 Allerdi ngs handelte es sich dabei stets um Aktivitäten. die nicht in Widerspruch zum Gesamtcharakter der 367 Zur Deutung des Jo pasliedes vgl. oben S. I68ff. mit Anmerkungen. 368 Bei offenkundigen Bez.Ugen auf die eigene Lage ist eine solche Reaktion se lbst· versländlich. vgl. d ie he ftige Abneigung der Penelope gege n das traurige Lied des Phe· mios (Hom. Od. 1.336-344) und die unwillkürlichen Tränen des Odysseus bei den Trojaliedem des Demodokos (Horn. Od. 8.83-86 und 8.52 1-531 ). 369 S. z. B. Horn. Od. 3.40-50 (Pcisistratos reicht Athene/Mcntor den Becher zur Tmnkspende); Ho rn. Od. 7_ 179- 18 1 (Alkinoos forden zur Tmnkspende :101): Vcrg. Aen. 1.736-740 (Dido leitet die Trankspende ein); Verg. Ac n. 8.273-275 (Euander fo rden zur Trankspende rur Hcrcules aul). 370 Diese Konstellalion enl.'ipricht der Gesamtanlage der Pun ica: de m Feldhe rm Hann ibal triu auf römischer Sei te nicht ein e inzelner menschlicher He ld. sondern die person ifiziene f'ides Rom(1II0 entegegen. welche sich jeweils einen Helden als ihr beson· deres Werhe ug erwähll. s. dazu v. ALBRECI-IT ( 1964) 55: . Man kann das Werk geradezu als ein . Epos der Fides ( bezeichnen . Dieser Tatsache entspricht es. daß auf römischer Seite kein cin7.clner Ikld ausschließliche Geltung beansprucht. « 37 1 Zu den auffä lligsten ü bertragungen Iypischer Handlungen vom Gast auf den Gasigeber (und umgekehrt) gehört in dieser Szene das Niedersinken des Gastgebers Phineus auf der Schwelle - eigentlich e ine typische Biugeste des Fremden - und die Vorbereitung eines Bades rur Phineus sowie der erslen Mnhl 7.cit durch die eben gelandete n Argonauten. In der Phineusszene ist die übertragung konkreter Handlungen von ei ner Partei auf die andere mit Verschiebungen auf erztlhltcchni scher Ebene verknUpft. So wird das Zusammentreffen mit de n Argonauten nicht wie sonst aus der Sicht der Gtlste. sondcm vielmehr aus der des Gasigebers Phineus geschildert . S. daz.u oben S. 28Of.
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4.2.3 tlannibal in Capua
Figur stehen. Auch Caesar handelt in der Pharsalia gelegentlic h so selbstbewußt, als sei er selbst der Wirt . Allerdings verrichtet der von Lukan als geradezu dämonischer Charakter gezeichnete Römer nicht von Hilfsbereitschaft zeugende Aufgaben , sondern reißt selbstherrlich die Unterhaltung nach dem Mahl an sich. so daß er die eigentliche Gastgeberin Kleopatra in den Hintergrund drängt. 372 Auch hier stimmt das Verhalten mit seinem sonstigen Charakterbild tiberein . Nun haben die bisherigen Untersuchungen ergeben. daß religiöse Handlungen, so sie korrekt und in gegenseitigem Einverständnis durchgefUhrt werden , stets positiv besetzt sind. Es stellt sich daher die Frage, ob die Libation, die Hannibal als Reaktion auf den Gesang des Teuthras ausbringt, das sich zu Beginn der Szene abzeichnende negati ve Charakterbi ld korrigiert . Die Wortwahl des Silius bei der Darstellung des Rituals ist durch eine Reihe erhabener und se ltener Wörter geprägt (Vgl. Si!. 11 ,300: augusto; 11.300 carchesia; 11.301 : Bacchi (... ] liqllorem ; 11.302: irrora/, Lyaeo), die eine feierliche Atmosphäre anzudeuten scheinen.ln Dem Beispiel Hannibals fo lgend, sprengt auch die übri ge Menge der Sitte gemäß Wei n über die Ti sche: Si!. t 1,30 I f. : ce/era qllem sequilur Bacchique e more liquorem I irrorat mensis wrba). Diese Reihenfolge. bei der zunächst eine einzelne Person der Götter und Helden gedenkt, erscheint auch in anderen Gastmahl szenen .J14 Bei Silius wird die feierlich e Zeremonie jedoch durch die Beiordnung mit der berauschenden Wirkung des )Sorgenlösers < verknüpft (SiI. J 1,30If.: ce/era quem sequilur r...1 /urba ardescitque Lyaeo): Die Spendenden ergeben sich zugleich mit der Libation de m ungezüge lten Wci ngenuß und erhitzen sich unter der Wirkung des berauschenden Tranks. Oben haben wir gesehen. daß solche naturali stischen Züge in Gastmahlszenen mit einer Ausnahme {der Bewirtung des Bacchus durch Falemus im 372 Lucan. 10.1 73- 175. s. dazu oben S. 202(. 373 Bei dem von Hannibal verwendelen carcllesium (Kapxf!oloV) handelt es sich um ein griechi sches Gef:tß. das in der latei nischen Literatur außer von Martial (ep. 8.56 (551 15) nur von Epikern im Sinne e ines Trink- und besonders Libalionsgef:illes erwähm wird. s. Verg. Aen. 5.77 (Trankspeode am Grab des Anchises): Verg. Georg. 4.380 (Trankspende an den Oceanus). Nach Macrobius (sal. 5.2 1.2) war sein praktischer Ge· brauch ausschließlic h auf den griechischen KullUrraum beschränkt Vgl. dazu HILGERS (1969) 48 und 14Of. Die sehene Bezeichnung umerslreichl die erhabene Rlrbung des Abschnills. 374 S. z. B. in de r Odyssee das Gastmahl bei Nestor im drillen Buch der Odyssee. wo Alhene/Memor als ersle eine Trankspende ausbringl (Ho m. Od. 3.52-64). und in der Aeneis die Trankspende der Dido (Verg. Aen. 1.736-740).
4.2.3 Hannibal in Capua
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sechsten Buch der Punica) nur dann erwähnt werden, wenn es sich bei den beteiligten Personen um negati v besetzte Charaktere handelt. Daß das Mahl tatsächlich in ein Gelage umschlägt, belegen die folgenden Verse, mit denen der Dichter zu den Ereignissen arn Rande des Geschehens überleitet, Sil. 1I ,303f.: Tyrio resolula in gaudia coelu I con verso. Die ausgelassene Stimmung steht im Gegensatz zu der feierlichen Sprache, mit der die Vorgänge beschri eben werden. So tritt das der epischen Konvention widersprechende Verhalten der Teilnehmer deutlich hervor. Nur einer der Anwesenden bleibt von den Vorgängen unbeeindruckt : Der Sohn des karthagelfreundlichen Capuaners Pacuvius läßt sich nicht von der allgemeinen Freude über Hannibals Ein zug anstecken. Die Darstellung seiner nüchternen Gesinnung zeigt dabei ex negativo die Hemmungslosigkeit der übrigen . Der lIeue Römerfreund ist als einziger nicht vom Wein »befl eckt«, durch das Trinken »vergifte!« und »wehrlos gemacht«: Sil. 375 1I,307f. : mens uni, jnviolata mero nullisque vellenis I pOlando exannala. Der Umtrunk, und damit auch die Libation, die den Anstoß dazu gibt, stehen also nicht unter positiven Vorzeichen.376 Die Trankspende hebt daher 375 Die Nüchtemheit des jungen Mannes, die ihn vor allen anderen Gasten auszeich· net, hebt, wenn d ie Konjektur HEERWAGENs korrekt ist. schon Livius hervor: unus 'lee
lJomillorum invirarione nee ipsius interdllm Hallnibalis Clüal'ius filius per/iei ad vinum potuit (Liv. 23,8.7). Z u den textkritischen Schwierigke iten an dieser Ste lle s. oben Anm.
295. 376 Diese Beobachtungen stehe n in Einklang mit dem Hannibalbild. das sich aus an· deren Szenen de r Punica ableiten läßt. Nichts liegt Hannibal femer als wirkliche pierQS gegenüber den Göttern, vgl. Si!. 1.11 6f. (von Hamilcar eingegebener Schwur des jungen Hannibal : non .ntperi mihi, 11011 Martem eohibetltia pacflI. f non ce/stle obsriterinf AI!,es TU'1,eiaque sam ): S il. 12.627·629 (Hannibal. der vo r den Mauem Roms vo n Ju piters Blitz getroffen worden war. tul die Erscheinung als natürliches Ereignis ab: ambustis sed
eI/im ductor Sidonius am/i! I s;srebar socios er caecum e nlibibllS ignem I munnuraque a ventis misceri I'ana docebar): Si l. 12.699f. (Jupiter fordert luno auf, Han ni bal Einhalt zu
gebieten. da dieser sich bereilmache, den Blitz des höchsten Goues nachzuahmen und Ro m in Brand zu setzen: siste virum. lIamqlle, ut cenlis. iam jlagirar iglles leI parOl accellsis i",irari lu/mit/a jlammis): Als besonders aufschlußreich erweisl sich der Alpen. übergang des karthagischen Heeres Sil . 3.500-5 11, als Hannibal seine vor dem Zom der Gölle r zitternde n So ldaten anstachelt und sie auf die . WiUP.!.hrigkeit .. der Himmlischen gegenüber seinem Untemehmen verwe ist. Sil. 3.5Q6..508: non puder obsequio superum fessosque seclmdis. I post belJi decus atque aeies, dore terga nivosis I montibllS? Kurz zuvor hatte er die Überwindung der Alpen als e ine Tat bezeichne t. die sogar Hera, die He rcules seine Arbeiten auferlegte. in Staunen versetzt habe: Si l. 3,90-92: nos clausae
n;vibus rupes sUP/JOstaque caelo I saxa monem; 1105 Alcidae, mirQtlte 110verca, I sutllltUS labor el. belJis labor acrior, Alpes. Z ur Selbststilisierung des Hannibal als Hercules vg l. HEl 2 1 E ( 1995) 202-204 und zu allgemeinen Parallelen zwischen Hannibal und Hercu les BASSElT ( 1966) 268. der annimmt. daß nach Silius' Auffassung »Hannibal, despile cer·
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das sich abzeichnende negati ve Charakterbild nicht auf. sondern läßt es im Gegenteil stärker hervonreten . Als Pacuvius schließlich das Gaslmahl vorübergehend verläßt, folgt ihm sein Sohn, um die neue politische Lage zu besprechen. Seine Person wird anders als der beim Gastmahl dominierende Hannibal - mit einem Lobpreis des Dichters eingefUhn. 311 Die pathetische direkte Anrede an eine Figur ist innerhalb einer Gastmahlszene ungewöhnlich und unterstreicht den Rang, den Silius dem römerfreundlichen Sohn des Pacu vi us zuweist. 378 Ihm gilt di e Sympathie des Erzählers. der sogar die niemals umgesetzten Pläne des jungen Mannes rur ruhmwürdig hält (S il. 11.304-306). Sein geplanter Kampf gegen Hannibal und dessen Ermordung werden ausdrücklich als »Ehre« (S illtal. 11.308: decus) und »heiliges Begehren « (Si l. 11 ,3 10: S(lCf(l libido) bezeichnet , die um so höher einzustufen seien, als er sich damit sogar Uber den Willen seines eigenen Vaters hinwegzusetzen bereit sei (Sil. 11 ,3 1Of.). Die Auflehnung gegen den väterlichen Willen stellt gewöhnlich im römi 179 schen Denken einen schweren Verstoß gegen den mol' maiorum dar -es sei denn. der Vater selbst wiche mit seinem Verhalten von den altrömischen Tugenden ab. So ist Silius bestrebt, Pacuvius gleich zu Beginn des Treffens mit seinem Sohn in ei n zweifelhaftes Licht zu rucken: Der junge Mann folgl lain good lrails o f chamcler and cennin noble aclions . is not wonhy to be associl.lled with Hercules.« VESSEV (1982) 323 weist diese Ansicht als Vereinfachung zurilck : »11 is not so much any moral defecls in Hnnnibal' s character [... llhnl prevents his becoming a troe refleclion of Hercules os Ihc reality Ihal he is fighting whal must be an unequal banle agai nst Fate :md thai hc iso thcrefore. a dupe of thc gOO .... « 377 Sil. 11.304-306: neque enim. i/t\'en;s 'UNI dig/lt! si/er;. I tramillatn 'llil cOt!.pta fi· INns [amamqut!. lIegabo I qU{llI/qua'" impeifecr;s. m{lgll{le 'amen imJofis. OIuis. 378 Die Bemerkung BURCKS ( 19S4)b 18. Silius beginne diesen Abschnitt »epischer Tr.ldition folgend mit dem Preis des jungen Pacuvius« ist irreführend . Zwar gchön es zur epischen Kon vention. eine n Helden mit einer direkten Anrede zu ehre n. doch in Gnst· mahlszenen ist dieses Element sonst nicht zu finden . selbst dann nicht. wenn die Figur do n zum erste n Mal auftritt. So begegnet Aeneas dem Pallas zum ersten Mal auf dem Weg zum Festschmaus bei Euande r. doch erfolgt das Lob des Königssohnes nicht don. sondern später im Zusammenhang mit seiner Aristie und seinem Tode. s. den Vergleich des k!lmpfenden Pallas mit einem Hinen. welcher freudig die wütenden Flammen eines se lbst gelegten Waldbrondes verfolgt. bes. die Schlußfolgerung Verg. Aen. IO.4IOf.: /Ion alirer socium virlus coir omnis in ullwn I requt!. ;/II'ar. Pallo; s. auch die Anordnung des Aeneas fü r die Überführung des Gefallenen. Verg. Aen. 11.26·28: Eualldri priml/s ad urbem I mittatur Paflas. quetn 110 11 viril/fis egentem labstufi' arm dies . Silius ruhn a lso ein für GastmahlS7.enen ungewöhnliches Detail in seine Schilderungen ein . 379 Vgl. dagegen das Vorbild des pills AenellS. dns in der vorliegenden Szene. die deutliche Anklänge an das Gastmah l der Dido erkennen läßt. besonders präsent ist.
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se inem Vater, während dieser, den Magen belastet mit versc hiede nen Spei· sen, den Festsaal langsa men Schrittes verl äßt (Si!. 11,3 12f. : l s variis one· ral um epulis olque atrio w rdo / Iinquell/em gressll eom i/a/li S pOile poren· lem ... ). Hier wie bei Hannibal und seinen Begleitern liegt das Gewicht auf
den abstoßenden Folgen ei nes übennäßi gen Tafelluxus: Berauschen sich die Karthager am Wein , so setzen Pacuvius die verschiedenen Gerichte zu, die er in großen Mengen zu sich genommen hat. Eine tlbennäßige Zah l von Speisen, wie sie in Capua zur Verfügung steht, bedeutet jedoch in der epi. sehen Traditi on einen potentiellen Vorwurf gegen den Gastgeber, der sich dem Verdac ht der Prasserei aussetzt. 380 Falls der Wirt viele Gerichte auftra· gen läßt, werden di ese meist nur summari sch angedeutet und womöglich in einen positi ven Zusammenhang gerückt. Di e homeri schen Fonnelverse, in denen regelmäßig von Ei5aTa TToAAa die Rede ist, betonen nicht so sehr die Gerichte, als vielmehr die Freigebigkeit der Wirtschafterin , die bereit 38 1 ist, sämtliche Vorräte des Hauses fUr den Gast zu öffn en. Vor allem vermeide n es die Epiker. bei positi v besetzten Figuren die Wirkung ei nes opulenten Mahles zu schildern, ganz wie sie nonnalerwe ise auch die berausche nde Qual ität des Weines verschweigen: Mit Ausnahme des Falernu s (S i!. 7, 194-204) kommt diese nur bei zwei felhaften Charakteren ausdrücklich zur S prache. 382 Die abstoßenden Züge des mit geflilltem Magen und schwerem Schritt davongehenden Pacuvius treten daher für den Leser deutlich hervor. Der j unge Mann folgt seine m Vater von weitem und eröffnet das Gespräch erst, als sie e inen freien Pl atz erreicht haben, der Gelege nheit zu ungestörter Unterredu ng bietet, Si!. 11 .3 14-3 17: postquam posse darum mediraw operire lIovosque I pandere conatus, el fiber parte relicla I leel orum a tergo paluilfoeus, »Aceipe digrw I el Capuo el f/ob is«, i nquit, »COIIsuIIO«.
Gespräche nac h dem Mahl bilden ei nen üblichen Bestandtei l der Gast·
380 Das aufflllligstc Beispiel bietet das oben besprochene Gastm ahl der Kleopmra. bei dem der Dichte r neun Verse auf d ie Darstellung des Speisen luxus verwendet (Lucan. 10.155-163). S . bes. Lucan. 10. 155- 158: '''ludere epulaJ (Jura 1... 1 I quod fu..'CUJ inan; I
ambitione !llrellJ toto qllaeJivit ill orbe I /Ion nU/lu/mlle !allle.
38 1 Vgl. Horn . Od. 4.55 f. (Telemac h bei Menelaos): OiTOU S' oi50i'l TOI-II'l TTOpE9rll'::e lPEpouoa . / eißOTQ TTOAA' ETTl9Eioo . XOPL~OI-lE\I'l TTope6vTwu . ebenso Horn . Od. 7.175f. (Od)'sseus bei de n Phtlaken) u.ö. 382 Speziell das unmäßige Belasten des Magens wird in der rö mischen Literatur auch außerhalb des EJX>S getadel t. S. z.B. Sen. ep. 47,2.
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mahJszenen.J8J Allerdings entw ickeln sie sich sonst zwischen Gast und Gastgeber, nicht aber zw ischen Randfiguren der Szenerie. In der Odyssee und den nach homeri schen Epen eröffn et gewöhnlich der Wirt den Wortwechsel, indem er sich nach der Identität oder den Erlebnissen des Fremden erkundigt, worauf dieser die gewünschten Informationen in einer mehr oder weniger ausfUhrlichen Erzählung liefert . Solche Berichte verstärken die Geftihle der Parteien fUreinander: Entweder festigen sich die bestehenden freundschaftlichen Beziehungen - was rur die meisten berucksichtigten Gastmahlszenen zutri fft - oder es werden nun latente Spannungen offenkundig.J84 Wenn in einer GastmahJszene auch musikali sche oder andere kUnstlerisehe Darbietungen vorgeführt werden, so beginnen die Gespräche entweder direkt vorher oder direkt im Anschluß daran .J8S An di ese Reihe nfolge hält sich auch Silius, der zunächst das Lied des Teuthras und anschließend die Unterredung zwischen Vater und Sohn schildert. Allerdings trägt diese einen ungewöhnlichen Charakter, wie schon der einleitende Lobpreis auf den jungen Mann erkennen läßt. Es handeh sich hier nicht um die zentralen Gestalten des Gastmahls, sondern um zwei Persönlichkeiten, die in der Szene bisher noch nicht in Erscheinung getreten sind .J86 Auch können sie nicht gleichermaßen als >Stell vertreter< von Gast und Gastgeber betrachtet werden, di e üblicherweise die Unterhaltung nach dem Mahl bestreite n, da sich 383 Nur in fü nf Szenen (Gefll.hrten des Odysseus bei Kirke. Horn. Od. 10,2 10-243; Odysseus bei Autolykos. Ho rn. Cd. 19.41 3-427: Aeneas bei Helenus. Verg. Aen. 3,300355 ; Thetis bei C hiron. Stat. Ach. 1.95- 197: Hochzeit von Pluto und Proserpi na. Claud . rapt. Pros. 2,306-372); fehlt das Gespräch nach dem Mahl (vgl. dazu oben S . 93). 384 So verstärkt sich die anfltngli che Zuneigung Didos für Aeneas, die sich in ihre r freund lichen BegrUßungsrede an die Gäste 7.eigt (Verg. Aen. 1.6 13-630), währe nd des Gesprächs nach de m Mahl, bis sie sich in Liebe verwandel t (Verg . Aen. 1,749: in[efix DitJo fOllgum ( ... J bibebat amorem). Für eine zornige Reaktion vgl. die Unte rredu ng de r Argonauten mit Aietes. die sich in ihrer Heftigkeit steigert, bes. A.R. 3.367f. In der Versio n des Valerius Aaccus (Val. Aac. 5.57 1-6 14) verstärken die Gespräche beim Mah l. bei de m die seltsamen Gewohnheiten der Kolcher beschrieben werden, das Gefühl der Fremdheit, das sich schon im Widerwi lle n der Argonauten gegen die un verständlichen Bilder am Soltempel angedeutet hatte. 385 S. dazu oben S. 98f. Eine Ausnahme bildet die Bewirtung von Athe nelMentes d urc h Telemach. die parallel zu dem im gleichen Raum stattfindende n Ge lage de r Freier ablä uft. Während Phemius fü r d ie Verehrer der Pene!ope singt, e nts pinnt sic h g leichzei tig zwischen de m abseits sitzende n Telemach und der Göttin ein Gespräch (Horn. Od. 1. 153·327). 386 Bei Livius dagege n ist der Vater des Pacu vius scho n zuvor als Gastgeber erwä hnt worden. s. Liv. 23,8. 1.
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der jüngere Pacuvius weder den Capuanem noch den Karthagern zuordnen läßt. Während der Vater - der bei Livius ausdrucklieh als einer der Gastgeber erscheint (Liv. 23,8, 1) - die Partei Hannibals ergreift, macht sich der zum Mord entschlossene Sohn, der schon durch seine ZurUckhaltung beim Weingenuß eine innere Di stanz zu den Vorgängen hatte erkennen lassen, die Sache der Römer zu eigen. Mit der geheimen Unterredung wird also Rom als dritte Kraft in die Szene eingeführt, obwohl sie am Mahl selbst nicht direkt betei ligt ist. Dieser Vorgang hat in der Tradition der Gastmahlszenen keine Parallele. Der Sohn beginnt seine Rede unvermittelt mit einer Aufforderung, wie sie sonst in Reden nach dem Gastmahl nur ausnahmsweise vorkommt (S i!. I I ,316L Accipe diglla [ ...] cOllsul/a). Gewöhnlich geht längeren Ausfüh rungen einer Person eine Frage des Gesprächspartners voraus, die den lnhalt des Folgenden maßgeblich bestimml. m Eine Ausnahme bildet z.B. der oben besprochene Aufenthalt der Argonauten bei Phineus in den Argonautika des Apollonios Rhodios, wo der greise Seher nach dem Mahl aus eigenem Antrieb e ine Pro phezeiung äußert (A. R. 2,311: KAUTE vvv). Der unvermittelte Beginn sei ner Ratschläge fUhrt jedoch wegen der inhaltlichen und strukturellen Nähe zu den gewöhnlich spontan erfolgenden Sängervorträgen nicht zu einem merklichen Bruch innerhalb der Bewirtungsszene. Eine vergleichbare Erklärung läßt sich in dem hier besprochenen Gastmahl nicht anführen . Anders als in der Phineu sszene ist beim Gelage in Capua bereits ein genau abgegrenzter Gesangsvortrag vorausgegangen , und anders als die Rede des Sehers weisen die Ausführun gen des Sohnes weder inhaltliche noch strukturelle Parallelen zu den Liedern von Sängern auf. Da der un vermittelte Gesprächsbeginn folglich nicht aus den gewöhnlichen Strukturelementcn der Gastmah lszellc herge leitet werden kann , dUrfte es sich um eine Erfindung des Silius handel n. der sich in diesem Detai l von den epischen Vorbilde rn löst. Der Dichter hat den ungewöhnliche n Neuansatz, der di e Sonderste ll ung des Zwiegesprächs unterstreicht, gut vorbereitet, indem er die Un terredung ni cht nur räumlich vom Gastmahl e ntfernt stattfinden läßt, sondcrn sie auch strukturell durch den auffälligen Lobpreis des Sohnes von den Vorgänge n im Festsaal trennt. So ergibt sich eine Zäsur in der Darstellung. die nur dadurch abgemildert wird , daß die Unterhahung 387 S. oben S. 93 ff. Bei m Aufenthalt des Telemac h in Spana regt nicht eine direkte Auffo rderung, sondern die Bewunde rung. die die G!iste für seinen Palast !iußem . den Mene laos zu seiner Erlllhiung an (Horn. Od. 4.71-75).
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4.2.3 Hannibal in Capua
einen traditionellen Platz innerhalb des epi schen Gastmahls - nämlich di rekt nach dem Sängervortrag - ausfUllt. Der Leser wird somit durch verschiedene Anzeichen auf den ungewöhnlichen Charakter des Folgenden aufmerksam gemacht. Der junge Mann offenbart sei nem Vater einen unerhörten Plan: Er bereite sich vor, den Krieg zwischen Rom und Karthago mit seinem eigene n Schwert zu beenden, indem er Hannibaltöte und al s Sieger sein Haupt Jupiler darbringe (Si!. 11 ,3 18-320: Hoe ego bellum ' cmifieere etlse paro at qlle avulsllm Jerre TOIlami , reetoris Libyci vietor caput). Das Schwert werde das Bündnis zwisc hen Rom und Capua wieder heili gen, welches durch den verräteri schen Abfall der Stadt zu den Karthagern beDeckt worden sei (Si!. 1I ,320f.: Hie erit ille, ' qlli polluta dolis ;am Joedera sallciet, e'lsis). Dieses Vorhaben werde er auch dann ausführen, wenn der Vater, vom Alter erschöpft, vor einer akti ven Teilnahme zurUckschrecke (S i!. 11.322-325). Auf diese Weise stellt er ihm die gewagte Tat als einen Akt der p;etas vor Augen, mit dem der Makel des Vertragsbruchs (vgl. Si!. 11.32 1: pol/ula dolis iam Joedera) von Capua genommen werden solle. 388 Ein Mordan schlag auf Hannibal sei daher sowohl der Stadt als auch seiner selbst würdig (S i!. 1I ,3 16f.: digna ' et Capua et nobis [... ] cOllsulta ). Der junge Mann nimmt dabei Formulierungen und Gedanken auf, die schon der Dichter in seinem Lobpreis vorgebracht haue. s. Si!. 11 ,304: iu venis 110 11 diglle sileri : Si!. 11 ,307: melis [ ... ] ll/violala mero, vg!. Sil. 11 ,32 1: pofluta dolis iam Joedera ). Die sprachliche und gedankliche Nähe zwischen beiden Partien , wonach das Verhalten von Capuanem und Karthagern als morali sch beOekkend, der Mordplan dagegen al s ruhmwürdig zu betrachlen sei , läßt erkennen, daß die Rede des Sohnes den Ansichten des auktorialen Erzählers ent spricht. Dieser ergreift also - ein ungewöhnlicher Vorgang im Rahmen einer Gaslmahlszene - weder rur di e capuanischen Gastgeber, noch rur die ~ B es uc he r ( aus Karthago Partei, sondern schlägt sich auf die Seite der nicht direkt invol vierten Römer, deren Interesse n einzig von dem potenliellen Attentäter vertreten werden. 388 Die Orientierung des jungen Mannes an römischen Werten tritt u.a. in der pointiert an den Beginn der Rede gestellten AnkUndigung hervor. er werde als Sieger das abgeschlagene Haupt Hannibals dem Ju piter darbringen. Die Weihung an den höchsten Goll Roms und die Hervorhebung seiner kUnftigen Ro lle als Sieger (S il . 11.320 ,';cto r) lassen die Gepnogenheiten beim rö mischen Triumphzug anklingen. an dessen Ende die mitgefllhrten Kriegsgefan genen hingerichtet und Jupiter auf dem Kapi to l vom Sieger ei n Opfer dargebracht wurde.
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Dieser wirft seinem Vater nicht nur Vertragsbruch gegenüber Ro m vor, sondern schilt auch sein allgemeines Betragen gege nüber HannibaJ : Er halte den punischen Feldherm rur die größte Persönlichkeit und setze ihn gar den Göttern gle ich: Sil. 11 .325f.: S"mmum [... J credis el aequas / Hll1mibalem superis. Auch diese Anklage entspricht der Schilderung, die der Dichter kur.l zuvor vom allgemei nen Tenor des Gastmahl s gegeben hatte: Hannibal wird von den Capuanern wie ein übermenschliches Wesen an ihren Tischen aufge no mmen und mit göttlichen Ehren bedacht (Sil. 11.272-274: Ipse. dellm CIIII" et sacro digllatlls hOllore I...J accipitur sublime loris). Die negati ve Beurteilung der Capuaner. die sich zunächst nur aus dem Vergleich mit dem typischen Schema einer Gastmahlszene ablesen ließ, findet so ihre Bestäti gung: Aus römischer Perspektive, der der junge Pacuvius zuneigt, bedeutet die Verehrung des Hannibal einen Akt der Hybris. der das eidbruch ige Verhalten der Stadt um so abstoßender erscheinen IäßI. Der junge Mann gerät beim Gedanken an diese Vorgllnge in äußerste Erregung: Seine Augen sprühen, und im Geiste sieht er bereits die kommenden K!impfe gegen den Eindringling vor sich (Sil. 11 .327f.). Solche in ei nen Zornesausbruch mündende Anklagen sind im Rahmen einer Gastmahlszene ungewöhnlich. Nur au snahm sweise. und nur wenn es sich um einen zweifelhaft en Charakter hande lt , zeigt sonst ein Gespr!lchspartner eine aggressive Regung.389 Be i dem jungen Pacuvius jedoch handelt es sich um eine ausdrücklich positiv bewertete Persönlichkeit, deren emotionale Reaktion offenbar vom Leser nicht negati v ausge legt werden soll. In der Tat folgt seine leidenschaftl iche Rede dem Grundsatz, daß die Gespräche nach dem Mahl die bere its vorher bestehenden Stimmungen zwischen den Partnern aufnehme n und deutlich hervortreten lassen:J90 Die Span nungen zwischen Vater und Sohn sind bereits vor dem Gastmahl vorhanden und werden durch den Wo rt wechsel nur noc h einmal plastisch zum Ausdruck gcbracht. J9 1 Obwohl 389 S. z.B. die zornige Reaktion des Aieles nach der Rede des Argos. A.R. 3.367r.: äva ~ 5' hrEx~aTo UV6015 / Eloalwv. ~ 5E X6"c,l ~P E VE5 I)EpE60vTo. vgl. auch die Darstellung der Begegnung bei Valerius F1accus, wo allerdings nicht Argos, sondern Jason die entsprechende Rede hült. (Val. F1ac. 5.519-522 : TalibllS orantem "ultu grmü iIIe "';nl,ci 1 iomdudum I)remit et Juriis ignescit opertis . 1 ce.' turnet atque imo sub s urgile concipit Austros l utlda silens, trollil eX olto sic barborus iras). 390 S. dazu S. 97. 391 Der lil tere Pacuvius wird schon bei der Beratung der Capunner über ihre Forderu ngen on Rom als glUhender AnhUnger Hannibals geschilden, der du rc h seine Verbrechen berüc htigl sei (S il. t l ,55-60: lias as/u agresSlls. quo ,'erteret acrius oegras f ud Tyrios memeS ( ... 1- IJoclI I';O filiI IWIlt! obscumm crimine nomen -I lIortlllur summ;
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also ein aggressiver Gesprächsverlauf in Gastmahl szenen nur sehen erscheint. bewegt sich Silius dennoch mit sei ner Darstellung im Rahmen der epischen Tradition. Pacuvius reagiert auf die leidenschaftlichen Worte seines Sohnes mit einem Entsetzen, das ihm sogar das bloße Anhören des Mordplanes unterträglich scheinen läßt (S il. ll ,329f.). Z itternd rallt er seinem Sohn zu Füßen und bedeckt sie mit Küssen (S il. 1l ,330f.: tremebulldus ibidem I slem itur et pedibus crebro pavida oscula figells .. .). Die dramatische Geste des Fußfalls bildet innerhalb und außerhalb von Gastmahl szenen einen konstitutiven Bestandteil der supplicatio, des traditionellen Bittrituals, bei dem sich der Flehende zu Boden wirft und die Knie der angeflehten Person umschlingt. In dieser Haltung trägt er sein Anliegen vor, wobei er gewöhnlich die Götter zu Zeugen anruft. 392 Silius hat die überkommene Fonn des Ritual s gesteigert, indem er den Vater nicht nur vor dem Sohn niederfallen, sondern ihn darüber hinau s desse n Füße kü ssen läßt. Eine solche Geste der Selbsterniedrigung findet sich nirgends sonst in den epischen Gastmahlszenen: Selbst Priamos, der in seiner Verzweiflung vor Achill niederHUlt, um ihn zur Freigabe Hektors zu bewegen, küßt nur die Hände des Feindes. J9J Vor allem aber hebt sich die Stellung der Bittgeste innerhalb der Szene von den epi schen Gepflogenheiten ab: In den Gastmahlszenen , die eine vollständige supplicatio enthallen, wird diese gewöhnlich von e inem Fremden vorgebracht, der durch die Demutsgestc das Wohlwollen des Gastgebers und damit ei ne Bewirtung oder eine beso ndere Gunst zu erlangen hofft. 394 Das Ritual dient also typi scherweise der Ko ntaktaufnahme und steht daher am Beginn der jeweili gen Szene. Im Falle des Pacuvi us dagegen erscheint das Element von seiner speziellen Funktion im Rahmen von Bewi rtunge n gelöst. Ziel ist hier nicht der Aufbau ei ner Beziehung, sondern die Überleugung des Gesprächspartners. zu dem bereits enge Bindungen bestehen. Diese Fonn der supp/icatio kann also nicht aus der Tradition der Gastmahl szeparteIII deposcere iuris I a/que altenwtos Socillto consllle fasces. Umgekehrt scheint sein
Sohn schon länger seine karthagerfreundliche Haltu ng abzulehnen. wie das Plusquamperfekl Si l. 11 .3 11: Pacllvio genitlls plltrias (Jalll flal'erat ar1es nahe legt. 392 Das Berühre n des Kinns. das aus anderen Zusamenhängen und aus ikonographi. schen Zeugnissen gut bekannt ist, wird in den supplicmiones der epische n Gastmahlszenen nicht dargesiellI. Z um Bittrilual vgl. GOULD ( t 973) und FREYBURGER ( 1988). 393 Die Geste erhnh freilich eine besondere Dramatik dadurch . daß Achill mit eben diesen Händen alle Söhne des Priamos getölel hai (Ho rn. 11. 24.478f. und 24.504-5(6). 394 S. Horn. 11. 24.477-507 (Knie fall und Bittrede des Priamos vo r AchilI); Horn. Od. 7,142· 154 (Kniefall und Bittrede des Od)'sseus vor Arete).
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ne stammen, sondern entspricht vielmehr den im Epos häufig besc hriebenen Beschwichti gungsversuchen zwischen erklärtermaßen gegnerischen Parteien, besonders bei Kriegshandlungen. Der Unterlegene erbittet dabe i nicht wie in den Mahlszenen - ei ne gastliche Aufnahme, sondern fleht um sein Leben. das von dem Stärkeren unmittelbar bedroht wird. Dazu die nt neben der rituali sierten Unterwerfungsgeste ei ne eindringli che Biltrede, deren Einzelheiten an die spezifische Situation angepaßt werden. 395 Auch bei der supp/iea/io des Pacuvi us handelt es sich um eine Frage von Leben und Tod: Zwar ist nicht der Flehende selbst in Gefahr, doch wird in Hannibal e ine Person bedroht. die er verehrt, und, in der Fonnulierung seines Sohnes, sogar den Göttern gleichachtet. Info lgedessen hande lt es sich bei dem Fußfall um eine dem Ernst der Lage angemesse ne Geste. Sei ne Rede beginnt der Vater mit e inem eindri nglic hen Appell an die pleias des Sohnes : Bei se iner eigenen mög licherweise nur noch kurzen Lebensze it, bei den ihm als Vater zustehenden Rechten und schließlich beim Wohl ergehen des Angefl ehten sel bst, das ihm teurer sei als sein eigenes. beschwört er den Sohn. von seinem Vorhaben abzul assen, Sil. 11 ,332-334: Per si quid supereSI vitae. per fllra paremis I perque lila", IlOsl ra pOliorem, 'WIe, sa/ulem, I absiste illceptis. oro. Der Mordplan, den der Sohn als politi sches Attentat verstande n wissen will ,396 wird dadurch auf ei ne persönliche Ebene gehoben: Nicht d ie Verpfl ichtungen des StaatsbUrgers. sondern seine Bindungen als Sohn so llen den ju ngen Mann leiten und ihn von ei nem Angriff auf den von seinem Vater hochgeschälzten Feld herm abhalten. Das explizite Formulieren des Bilt vorgangs, das sich hier beobachten läßt (Sil. 11,334: oro) unterstreicht die emotionale Färbung der Rede. 397 Nach der eigentlichen Bitte fo lgl e ine nähere Begründung. deren erster Teil sich ebenfalls au f d ie persönliche Bindung zwisc hen den bei den Gesprächspartnern , daneben aber 395 S. Ho m. Od. 10.323-335 (Kirke neht Odysseus an, der sie mit de m Schwert bedroht): Hom. Od. 14.278-2S4 (LOgenerl ählung des Odysseus Ober seine Erreuung du rch de n ägyplischen König). vgL auch Hom. Od. 22,310-319 (Der Opferbeschauer Leiodes neht nac h de m Freiermord um sein Leben); HOIn. Od. 22.342-353 (Phemios neht um sein Leben). 396 VgL Silo 11.316f.: digna t!1 Capua e l nobis [... 1 consulta. sowie seine Beru fu ng auf die staatsrechtlic hen Begriffe bellum (Sil . 11.3 18) undfoedera (S il . 11.321). 397 Vgl. die Hikesie des Phemios. Od. 22.344. Es hande lt sich in der Tennino logie der modemen Linguistik um einen perfonnativen Sprechakt (.. perfonnative sentence ... ). Zur Definition s. AUSTIN (1994 [ 1962)) 6: ItTo utter (he sentence (in. of course. the approprime ci rc umslances) is not 10 describe my doing 1or 10 state that l am doing it. It is 10 do it. ...
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auch auf moralisch·rechtliche Traditionen stütz!: Der junge Mann möge von seinem Beginnen ablassen, damit sein Vater das Ga~trecht nicht durch Blut befleckt sehe (S il. 11.334f.: ne sallglli"e cemam I polhila hospilia). Die Wort wahl greift erneut den Gedanken der Befleckung auf. das sowohl der auktoriale Erzähler (indirekt) fUr das Gastmahl des Hannibal, als auch der junge Pacuvius für die gebrochenen Verträge mit Rom verwandt hatten (S il. 11 ,307: melis uni, inviolara mero, Sil. 11.321 : polluta dolis iam foedera). Durch die wörtlichen Anklänge wi rd der Ko nflikt zwischen zwei Prinzi pien, der Heil.igkeit des Gastrechts und den Pflichten als Bürger, betont: Weil Hannibal und die abtrünnigen Capuaner bereits durch Vertragsbrüchigkeir gefrevelt haben, müsse der Feldherr sterben, haue der junge Pacuvius argu · menLiert. Gegen diese Auffassung setzt nun der Vater das heilige hospilium, durch dessen Mißachtung sich ein Gewalttäter ebenfalls beflecke. Diese Auffassung läßt sich durch eine lange und ehrwürdige TradiLion stützen: Schon bei Ho mer gilL der Fremde als besonderer Schützling des Zeu s und damit als heilig und unantastbar, wobei diese privilegierte Ste llung sich un· terschiedslos auf alle Fremden erstreckt, selbst wenn sie sich eines (wirklichen oder venneintlichen) Verbrechens schuldig gemaCht haben .J98 Das Argument des Vaters ist daher durchaus emstzunehmen. Die ernsten Konsequenzen eines Mordes am Gastfreund stellt der ältere Pacuvius seinem Sohn in zwei drastischen Bildern vor Augen. Er möge es ihm ersparen, die bereits ge leerten Weinkelche mit Blut aufgefü llt und die Ti sche im Kampfgetümmel umgestürzt zu sehen: Sil. 11 ,334·336: ne I ... ] cemam I l ... J tabo repleta cm ellto I pocula et eversas pugllae certamine mensas. Beide Vorstellungen , die in regulären Gastrnahl szenen nicht auf· treten, gehören zu den konstanten Details einer separaten Gruppe von Be· wirtungen, die in dieser Arbeit als »Anti ·Gastmähler« bezeichnet werden. Ihre Eigenart besteht darin, daß sic h das Bankett an einem bestimmten Punkt - meist nach dem Genuß berauschender Getränke - in e ine blutige Sch lacht verkehrt, die durch bi zarre Einzelheiten geprägt ist, und in deren Verlauf der größte Teil der Anwesenden auf ungewö hnlic he Weise ums Leben kommt. Dabei legen die Dichter den Akzent auf den plötzli chen Wandel der Situation, auf den Kontrast zw ischen der intimen Atmosphäre 398 Als Proitos zu der Überzeugung kommt. daß Bellerophon seine Frau verfUhren wolle. scheut er sich, ihn zu tölen . und schic kt ihn stall dessen mit einem .. Uriasbrief« fort (Horn. 11 . 6, 166-170). Vermeintlich nuchbeladene Personen werden aber in der Tra· gödie nicht selten gemieden oder nur zögerlich bewincl,vgl. Soph. Oed. tyr. 236-243, Eur. (ph. T. 947-954. Dazu KORZENIEWSKI ( 1964) 62f.
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eines Mahls und der Brutalität des Kampfes sowie auf die seltsamen Todesarten der Unterlegenen. Di e ersten epischen Vorbilder fü r di ese Art von Mahlszenen find en sich in der Odyssee, wo die Kyklopen- und besonders di e FreiemlOrdszene zur Nachahmung reizten (Horn. Od. 9, 105-566 und Horn . Od., Buch 22). Während Apollonios auf bluti ge Gastmähler nur in Ansätzen hinweist, liefern Ovid, Statius und Valerius F1acc us ausführli che Schilderungen e iner aus einem Gastmahl erwachsenden Schlacht,399 so daß sich e in e igener Traditionsstrang entwickelt, der das rur »regulare« Gastmahlszenen entworfene Schema sprengt. Wenn Silius dem Pacuvius gerade den Gedanke n an umgestOrzte Ti sche und blutgefililte Wei nkelche als Inbegriff eines befl eckten Gastrechts in den Mund legt, so spielt er damit auf die Tradition der Ant.igastmähler an, die tatsächlich jede Achtung vor mensc hlichem und göttlichem Recht vernlissen lassen. 400 Diese Konstell ation schei nt zunächst die Deutung des Gesprächs zu erschweren: Einerseits wird Pacuvius vor Beginn der Unterredung als negativer Charakter gekennze ichnet, während sein Sohn einen ausdrUcklichen Lobpreis des Erzählers erhält, andererseits bringt er in seiner Argumentatio n sti chhaltige Gründe gegen e inen Mordanschl ag auf Hannibal vor. Wie läßt sich di eser Widerspruch auflösen? Nachdem er seine vom Gedanken an das Gastrecht ausgelösten moralischen Bedenke n gegen den Mordplan in drasti schen Bildern dargelegt hat, sc hli eßt der Vater einen auf di e Person Hannibal s ko nzentrierten Gedankengang an, in dem äußere Hindernisse rur das Vorhaben dargelegt werden: Wie solle ei ne e inzelne Person einen Feldherrn Uberwinden. dem weder 399 ßlutige Gastmahls:t.enen finden sich in dcr Ilachholllcrischen Epik im Zusamme nhang mit dem Mtlnnermord der lcnmischen Frauen (Stat. Theb. 5. 186-264 und Val. FIne. 2. 186-24 1. Die Schilderung des Gemetzels bei Apollonios Rhodios ist dagegen nicht mit e inem Gastmahl verbunden. s. A.R. 1.609-6 19); ebenso mit dem Sieg des Pe rseus Ober seinen Nebenbuh ler (Ov. met. 4,757-5.235) und der Schlacht zwischen Lapilhe n und Kentauren (Ov. met. 12.2 10-535 : Val. Flac. 1.140-148). Das Kyklopenabenteuer und der Fre iermord erscheinen dagegen nur in der Odyssee im Rahme n einer ausfUhrlie h geschilderten Antigastmahlszene (Horn. Od. 9 ,2 16-559 und Buch 22). 400 Die bewußte Anspielung wird besonders im Vergleich mit der Darste llung des Livius deutlich. der den Vater ausru fen läßt: flb IlOspirali mensa Jurgis. 1... 1 u/ eilm ipsam mensam cruentares hospitis sanguine (Li .... 23,9.4). Die Vorstell ung des blutbcneckten Tisches hat S il ius also nicht direkt übernommen. sondern sie durch Aufspahung (blutgefOl he Beche r · umgestürzte Tische) on die epische Trad ition der Antigastmllhle r angepaßt. Eine äh nl iche Anspielung fi ndet sich in den Argon~lUtica des Valerius Flaccus, wo einer de r ko lchischen Gefolgsleute den Eindruck erweckt ceu p,jgllOm paret et pos;· tlU cOllfim dere mensas (Val. Flac. 5.580). •
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4.2.3 Hann ibal in Capua
Heere, noch Mauem , noch Städte standhalten könnten? Einen Teil d ieser Unü berw indli chkeit schreibt der Vater der überwälligenden Wirkung von Hannibals Persönl ichkeit zu: Seinem feurigen Blick, dem Blitzen se iner Auge n und seiner furchlcrregenden, das Schl achtfeld beherrschenden Stimme könne der Attentäter unmög lich widerstehen. Auch beim Mahl sei Hannibal also keineswegs wehrlos, wie der Sohn Hil schlich glaube, da ihn sei ne ewige. in vielen Kriegen und Schl achten erprobte Hoheit schütze (S il. 11,337-344). Sobald er sich dem Punier in fe indlicher Absicht nähere, müßten ihm unweigerlich die Gespenster der rö mi schen Niederl agen bei Cannae, Trebi a und am Trasimeni schen See vor Augen treten. wo sogar der römi sche Fe ldherr Paulu s sein Leben verloren habe. (Si l. 11 ,344-346).401 Mit d iesem Gedankengang leitet der besorgte Vater von der überl egenen Persönl ichkeit Hannibals zu seinen nicht minder gefahrli chen militä.ri schen Q ualitäten über. Zudem sei der kriegsgewohnte Soldat nicht allein: WUrde er tatsächlich angegriffen, so dUrften seine Beg leiter und die neben ihm Speisenden kaum tatenlos zusehen, sondern wUrden ebenfall s zu den Waffen greifen. Selbst wenn der Sohn seinen Anschlag erfo lgreich ausfüh ren könne , werde er die Tat daher nicht überleben, ebensoweni g wie der rö merfreundl iche Dec ius den Fesse ln sei ner Gegner entkommen sei (Si l. 11 ,347350). Diese Überlegungen kleidet Pacuvius wi rkungsvoll in rhetori sche Fragen, die die Gefahrlichkeit des Mordpl ans unterstreichen. Die Erregung des Sprechers zeigt sich dabei in Anaphern und Interjekti onen (Sil. 11 ,337340: Tun e illum (... 1rune iIIa l ...Jfilfmilla perruleris? Sil. 11 ,343f.: rot bellis quaesila viro, 10 1 caedibus annar I maiesras. Si l. 11.347: Quid ?). Dennoch verfehlen di e beschwörenden Binen ihre Wirkung. da sic h der junge Mann , von der Begierde nach höherem Ruhm ergri ffe n, gegenüber den mahne nden Worten sei nes Vaters taub stellt . Dieser führt nun das äußerste Argument ein, um seinen Sohn vom Mordplan gege n Hannibal abzuhalten:402 Nicht die karthagischen Begleiter, die ihren Feldherr beim Mahl sc hütz ten, we rde er töten mUssen, sondern seinen eigenen Vater: Er sei entschl ossen. mil sei nem eigenen Leib den Schwerthi eb von Hannibal abzuwehre n. Diesem verzweifelten Appell verleiht der Erlähler Dramatik, indem er den angedrohten Vatennord in konkrete Bilder faßt (Sil 1 t ,356-358: hoc iugu/o dextram expfora. Namqlle "aee ribi fe rrum , I si Poem"" ill vasis40 1 Zur Darstellung römischer Niederlagen bei Sili us allgemein s. NIEMANN ( 1975). 402 Der leidenschaftliche NeuansalZ wird durch das nachgestellte Hauptverb hervorgehoben (Si!. 11.35 1-354: Talia commemorans. famae maioris amore I flagrante", ut vid it iuvenem slmJllmqlle timori: I Nil I/I/ra po.teo ( ... 11 ait).
4.2.3 Hannibat in Capua
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se paras, per viscera fe rrum I 1Iostra est ducelldum ). Der Anakoluth lIam IUlec tibi fe rrum ... und die Wi ederholung des entscheidenden Wortes (ferrum, Sil. 11 ,356 u. 11 ,357, dazu WILLS 11 996J 66f. ) verdeutlichen die Erregung, in der sich der Vater befindet Durch di e Metaphorik ersche int zugleich das nur mit Worten ausgetragene Streitgespräch zwi schen Pacuvius und seinem Sohn als erster Teil eines Kampfes auf Leben und Tod: Da sich der Sohn das Schwert nicht »entwinden« lasse, werde der Vater es ihm durch se inen Tod »entrei ßen« und sich darin auch von sei nem schwerfalligen Alter nicht beirren lassen: Sil. 11 ,358-360: Tardam ne sperne seneCfllm : I opponam membra atque ensem extorquere 'Iegarum I morte mea eripiam . Er greift damit di e spöttische Bemerkung se ines Sohnes auf, der ihm freigestellt hatte, sich vom Mordkomplott femzuhalten, »wenn das Gre ise naJter ein solches Schauspiel nicht ertragen könne« (S il. 11 ,322: Si perferre neqllit specfllcula f{lIIta sellectlls) und unterstreicht so den Ernst seiner Drohung. Die Struktur der Rede entspricht damit ei nem auch bei anderen Gesprächen nach dem Mahl zu beobachteten Ablauf. Wichtige Informationen erfolgen gegen Ende der Unterhaltung, nach einer Zäsur im Gespräc hsverl auf. Meist wird di ese durch eine Rückfrage des Zuhörers markiert , we lcher sich in direkter oder indirekter Rede nach weiteren Einzelheiten erkundi gl. 403 Silius dagegen verzichtet darauf, den Sohn mit einer Zwi schenfrage zu Wort ko mmen zu lassen, sondern bezeichnet den Einschnitt allein durc h dessen nonverbale Reaktionen. Diese werden nicht aus der Perspekti ve des aukto ria len Erzählers. sondern aus der des Vaters wiedergegebe n. so daß der Leser keine Distanz vom dramati schen Geschehen gewi nnt (S i!. : 11,35 J f. : Talia commemorans, famae maioris m ,iOre I fla grantem u! vid il iuvenem surdllmqlle limori). Viel mehr zeugt di e Aufmerksamkei t. mit der Pacuviu s die Wirkung se iner Rede verfolgt, von der ängstlichen Erregung, in der er sich befi ndet. Die dramati sche Gestaltung zeigt zugleich die Unterschiede zwischen der Wechselrede von Vater und Sohn und anderen Unterhaltungen nach dem Mahl. Gewöhnlich fi ndet sich die spannungsreichste Phase einer Bew irtung zu Beginn der Szene, wenn die erste Kontaktaufnahme zwischen de n Par-
403 Vgl. z.8 . Hom. Od. 7.3 15-328 (Alkinoos verspricht Odysseus die Heimkehr. nachde m der Tatenberieht durch die Diskussio n um Nausikaas Verhalten unterbrochen wurde): A.R. 2.41 1-424 (Auf Nachfrage Jasons macht Phine us de n Argonauten Mut): Verg. Aen. 1.753-756 (Auf Didos Fragen berichtet Aeneas von seinen Erlebnissen nach Troj as Untergang).
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4.2.3 Hannibal in Capua
teien erfolgt und eine gastli che Aufnahme noch nich t gesichert ist.* In der Mehrzahl der Fälle ergibt sich eine positive Beziehung zwischen beiden, so daß von der Unterhaltung nach dem Mahl, die ja vorhandene Empfindungen lediglich verstärkt, keine Konflikte zu erwarten sind. Um so überraschender erscheint die Wendung, die Silius das Mahl nehmen läßt. Er erreicht diesen Umschwung, indem er nicht eine Unterredung zwi schen Gast und Gastgeber in den Mittelpunkt stellt, die nach dem bi sher beobachteten Prinzip einell harmoni schen Verlauf erwarten ließe, sondern unter Ausblendung des Gastes Hannibal zwei neue Personen einfUhrt, deren Konflikte nun gemäß der Tradition im Rahmen einer Wechselrede ausgetragen werden. Die Warnun g des Pacuvius. sein Sohn müsse zuerst ihm das Schwert in die Brust stoßen, wenn er Hannibal angreifen wolle, löst einen Strom von Träne n aus, der den Wortwechsel beendet: Der Punier wird für die Hand Scipios aufgespart,405 womit der Mordplan erfolgreich abgewehrt ist Ob Vater, Sohn oder beide von Rührung übermannt werden, geht aus der Formulierung Jacrimae tune ore profusae (S il. 11 ,360) ni cht hervor. Statt sich auf eine Person festzulegen, stellt Silius die Gefühl sregung al s solche in den Mittelpunkt, wodurch die Pietät des jungen Attentäters unterstrichen wird: Sei es, daß er aus Rücksicht auf di e Tränen seines grei sen Vaters von seinem Plan Abstand nimmt, oder auf dessen Worte hin selbst in Weinen ausbric ht - in jedem Fall bringt ihn nicht plötzliche Furcht, sondern e in Gefühl echter pietas vom Mordplan gegen den Feind ab. Diese Motivation gilt im römi schen Denken als durchaus ehrenhaft. doch kann sie allein den Sohn nicht vom Vorwurf des Wankelmuts reinwaschen, 404 S. z.8 . die zögernde Aufnahme des Telemach durch den spartanischen Herold
(Ho m. Od. 4.22-36) und das Zögern der Phäaken beim Erschei nen des Odysseus (Horn . Od. 7.145- 166). Eine Ausnahme bildet der Besuch der Argonauten bei Aietes (A.R. 3.215-442): hier ist der Leser schon im Vo mus Uber die Unberechenbarkei t des Gastgebers infonnier1 (s. die Begegnung mit den Phrixossöhne n und die Warnungen des Argos, A.R. 2, 11 96-12 15. bes. 1202f.: otvws OAOijOLV cm nvellJoLv ÖPLlPEV I AiriTllS). SO daß er der Bille um das Golde ne Vlies. die sich traditionsgcmtlß aus der Unterhaltung nach dem Mahl ergibt. mit Spannung entgegensieht. Ungewöhnlich erscheint auc h das Abschied!tmahl der Argonauten in lo lkos, Der Gastgeber Jason hat hier bereits vor Beginn der Gastmahlszene freundschaftliche Bande mit den übrigen Teilnehmern geknüpft. so daß ih r Erscheinen in lolkos gerade ihre wohlwollende Gesinnung belegt. Der Streit mit Idas (A, R, 1.460-494) ste llt daher eine unerwar1elC Wendung dar. die auch durch die Form der Darste llung als ungewöhn licher Zwische nfall gekennzeic hne t wird. So handelt es sich um eine der wenigen Stellen. in denen bei unblutig endenden Gastmählern d ie Wirkung des Weines dargestel lt wird (A.R, 1.472-478). S. dazu oben S. 359. 405 Si l. 11 ,36 1-363 : magna silperum CLlra sen/atlls in amla I Sci'Jiadlle PoemlS; /lec ulIIlIImfata dederullf I extenw IJeragi dextra .
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da bei der Frage, ob die Staatsrai son hinter der Eltem- bzw. Kindesliebe zurückstehen mti sse, in Rom nicht selten das Wohl des Staates an die erste Stelle gesetzt wurde.4ö6 Daher rechtfertigt der Dichter die Ereigni sse in einem auktorialen Erzählerkommentar zusätzlich: In dem Sinneswande l des Sohnes offenbart sich nicht nur seine persönliche pieras, sondern zugleich der Wille der Götter, die nicht zulassen mochten, daß der Erzfeind Roms durch ei ne nichtrömische Hand falle (Si!. 11,361 -363: magna superum eura servatus ;11 anna I Seipiadae Poellus; " ee tanfum/ara dederullt I extema peragi dextra) .407 Die Hochachtung des Erzählers vor dem mutigen Plan zeigt sich in dem unmittelbar folgend en Ausruf: Pulc/ierrimus irae I et digllus jieri eompos me-
morabilis ausi, I amis;' quamam posito eOllam;'le laudem I eui talllum est voluisse deeus (Si!. I ) ,363-366): Wenn schon der Zorn und der nicht au sge-
fuhrte Plan allein dem jungen Mann solchen Ruhm einbrachten , wie groß sei dann erst der Ruhm einzuschätzen, den er durch die Aufgabe sei nes Versuchs verloren habe. Zugleich läßt dieser Lobprei s die Haltung des auktorialen Erzäh lers im Widerstreit zwi schen Staatsraiso n und Fam il ienbanden erkennen: Nicht sein aus pieras erfolgter Sinneswandel verschafft dem Attentäter Ruhm, sondern aJlein sei n tollktihner Wunsch, Hannibal zu beseitigen. Grö ßer hätte die Ehre allenfall s dadurch ausfallen können, daß er das Attentat tatsächli ch durchgeführt hälle. Der auktoriale Erzäh ler ergreift damit Partei fU r die Staatsraison, di e sogar über der Liebe zu de n eigenen Eltern stehe. Dies bedeutet zuglei ch, daß di e Argumentati on des Pacuvius, der unter anderem mit dem heili gen Gastrecht ein für sich genommen gewichtiges Argument gegen den Mordplan angefU hrt hatte, als untergeordnet eingestuft wird: Die RUcksicht auf das Gastrecht. die dieser anfan gs eingefordert hatte, wird im entscheidenden Augenbli ck nicht als bestimm end rur den Sinneswandel des Sohnes dargestellt und auch durch den Ertähl er selbst 406 Cicero nemu bei der Abwllgungjener Personen und Inslitutionen. de nen der recht handelnde Mensch verpflichtet sei. Valerland und Ehern in e ine m Atemzug an erster Ste lle, Cic. o ff. 1.58: Sed si cOllrem ;o qlloetlnm er COllllJarfltio flal quibus ,}{urimum Iri buemlulII sir ojJicii, IJrillcipes sillt patria er poremes, qllOru lll belleficiis maxi",; obligati SIlIllIlS. Von beiden steht das Vaterland voran: Cic. off. 1.57: Olllll illm societarll'" n"lIa esr g ravior. IIIl lfa corior qllal/l ea qllae cllm re fJllbfica eSI uni cuiqlle IIm·trum. Cori .nmt pflrentes, cari fiberi propinqlli /ami/iores, sed Oll/lies 0 11111;11111 carirates IJalria 11110 COII/ple:wesr. Vgl. daz u DVCK (1979).
407 Zum Verhältnis von Göllern und/ollllll bei S ilius s. KIIIEL (1979) 58-68. bes. 68: . Wie sich die fn Ul auf Erde n im Hande ln der Menschen konkretisieren und vollende n. so sind die Göller Motoren de r fllla auf der OberbUhne des O l )' mp.~
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4.2.3 HllnnibaJ in Capua
nicht mehr aufgegriffen. Die pietos gegenü ber dem Vater erschei nt dadurch als stärkeres Motiv fü r das (positi v bewertete) Nachgeben des Sohnes. als die Rücksicht auf das heilige hospitium. Die sich darin abze ichnende Auffassung, wonach die pietos gegenüber den Eltern in bestimmten Situationen höher zu bewerten sei als das Gastrecht, ist in der epischen Literatur einzigarti g. Sie wird in der vorl iegenden Szene jedoch dadurch gerechtfertigt, daß die gastfreundliche Bewirtung, mit der Capua das Bündnis mit Hannibal besiegelt, selbst einen frevelhaften Vertragsbruch gegenüber Rom darstellt, der gesühnt werden muß. Der Zusammenhang zwischen dem Makel des Eidbruchs einerseits und dem Makel des verletzten Gastrechts andererseits deutet der Dichter selbst durch sprachliche und sachliche BezUge an, noch ehe er seine eigenen Präferenzen erkennen läßt. 40S Nachdem die Unterredung mit dem Ein lenken des Sohnes beendet ist, begeben sich die Gesprächspartner rasch zum Mahl zurück und setzen eine zu der heiteren Stimmung passende Miene auf, bis die Zeit der Nachtruhe gekommen ist. mit der die Szene schließt. Si l. 11 ,366-368: Tum reddere sese I festi"olll epulis er rristia fronte serellOlIl , I do"ec laeta virum soiviI cOlfvivia SOlIllIllS. 409 Oie Form ul ieru ng tristia fronte serellant I dollee ... deutet einen in seiner zeit lichen Dauer nicht näher bestimmten Fortgang der Feierlichkeiten an, ehe die Männer sich zu Bett begeben. Eine verg leichbare Darstellungstechnik läßt sich auch in anderen Gastmahlszenen verfolgen. Dabei weisen die Dichter durch einen kurzen resümierenden Vers oder durch eine knappe. nicht näher beantwortete Bemerkung ei ner der beteil igten Figuren darauf hin. daß es sich bei den in wörtlicher Rede wiedergege408 Vgl. das sic h wiederholende Detai l der Besudelung im Lobpreis des jungen Pacuvius. Si1. 11 .307f.: /liens II I/ i. il/violma mero mdlisqlle venenis I poumdo exllnllala. und in der Rede des Pacuvius. Si l. 11.334f. : nt' sallgllirte cenwm I pol/ma IIOSIJ;'ÜI. 409 Für die Wendungfrome serenare aliquid vgL Verg. Aen. 4,477 (über Didos Emschluß zum Selbstmord): cOllsililim \'Idtu legil oe spemfrome strenot (und später Nemes. 4.17 : lJllid 1'//1111 metllem premis lIC spem frome serertas?). Es handelt sich um eine seltene Hypallage. Die identische Stellung des Ausdrucks im Vers und die inhaltliche Verwandtschaft des jeweiligen Kontextes (gastlicher Aufenthalt des römischen Ahnherrn Aeneas in Karthago bzw. gastlicher Aufenthalt von Karthagern in der von Rom abgefalle nen Stadt Capua) legen nahe, daß Silius die Aene isstelle vor Augen haue . Hie r wie dort ist e ine Beratung über die Tötung eines Menschen vorausgegangen. deren finsteren Inhalt die betreffenden Personen vor anderen durch eine heitere Mie ne zu verbergen trac hten. Doch während sich Dido in ihrer Raserei zum Selbstmord durchgerungen hat, konnte Pacuvius seinen Sohn von der geplanten Tötung Hannibals abbringen. Die gegenüber der Aeneis gewandelte. in einzelnen Punkten sogar spiegelbildliche Rolle der Karthager in den Punica trin auf diese Weise hervor.
4.2.3 Hannibal in Capull
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benen Gesprächen nur um Ausschniue der wechselseiligen Unterhahung handeIl ; die erzähhe Zeit al so länger ausfällt als die Erzähizeit410 Während sonst jedoch die Wechselreden der PrOlagonisten, selbst wenn sie nicht wörtlich wiedergegeben werden, in der Vorstellung des Lesers bi s zum Ende des Mahl s andauern, referi ert Silius hier das Gespräch der beiden Pacuvii vollständig und weist erst nach dessen Abschluß auf den nicht näher beschriebenen Fortgang der Festlichkeiten hin . Der Dichter ist also offenbar bemüht, einen mehrfach anzutreffenden Schluß der Gastmahlszene, bei dem die Fortsetzung der Gespräche nur angedeutet, aber nicht ausgeführt wird, beizubehalten, ohne zugleich auf einen pointierten Abschluß der Unterredung verzichten zu mUssen. Er legt damit besonderen Wert auf die Tatsache, daß das Gespräch zwi schen Vater und Sohn mit ihrer Rückkehr zum Festmahl definitiv beendet ist Da die Struktur der Szene ein »offenes« Ende der Unterhaltung ohne weiteres gestattet hätte, muß der Grund dafür auf inhaltlicher Ebene gesucht werden. In der Tat unterscheidet sich das Gespräch zwischen Vater und Sohn von aUen sonstigen »Gesprächen nach dem Mahl « durch seine unmiuelbare Brisanz: Von seinem Ausgang hängt ni cht nur allgemein das weitere Vorgehen und Verhallen der Beteiligten ab, sondern konkret das Leben des Gastfreunde s Hannibal und damit die Entwicklung des Punischen Krieges und schließli ch das Schicksal Roms und seiner Verbündeten . Um so bedeutsamer ist es für den Dichter, den Konflikt zwischen den widerstreitenden Parteien bis zum Äußersten zu stei gern . Diese dramatische Zuspitzung, nach der die Tötung Hannibal s zugleich den Mord am eigenen Vater bedeuten würde, verlangt nach einer plausi blen Auflösung - dies um so mehr, als das Publ ikum des Si liu s, das das hi storische Epos aus der Rückschau li est, den weiteren Verlauf der Ereignisse und den Tod Hannibals nach dem dritten puni schen Krieg kennt. Daher verzichtet Silius auf den in andere n Gastmahlszenen üblichen offenen Gesprächsschluß, der den Au sgang des Streits verwischen müßte, und hebt statt dessen das Scheitern des Mordpl ans durch den prägnanten Abschluß hervor. Auf diese Wei se unterstreicht er nicht nur die (nicht verwirklichte) Möglichkeit. den Erzfeind rasch zu beseiti gen, sondern auch das Wirken der Götter, die sich des Pacuvius be410 Horn . Od . 7,334 (Odysseus bei Alkinoos); Horn. Od. 14,409 (Odysseus bei Eumaios); Lucan. 1O.332 f.: Sie \'elw in tuta seeuri pace tralleballt I Tloctis iter mediae. Zuweilen erfolgt der entsprechende Hinweis nicht am Ende des Gesprächs. sondern schon zu einem (rOheren Zeitpunkt. vgl. Verg. Aen . 1,748f. : /l ee non et vario lIoc/ern sennolle trallebat I infelix Dido.
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4.2.3 Hannibal in Capua
dienen, um Hann ibal im letzten Moment für Sci pios Hand aufzusparen. Einmal mehr zeigt sich hi er, daß für die Gestaltung einer epi schen Gastmahl szene der Wissenshorizont des Publ ikums entscheidend ist, an das sich der Dichter wendet. Das sich anschließende Nachtlager wird , wie in der latein ischen Epi k üblich, nur mit knappen Worten angedeutet."l l Weder den Schl afpl atz noch die Beschaffenheit der Belten hat der Dichter näher spezifiert, so daß nur eine schemenhafte Vorstellung der Ereigni sse erweckt wird. Anders als bei den homeri schen Nachtlagern steht nicht so sehr die Fürsorge des Gastgebers für einen Fremden im Vordergrund, die sich in einem sicheren, sorgBillig hergerichteten Schlafpl atz äUßert,412 sondern vor allem di e durch das Nachtl ager angedeutete Zäsur in der epischen Handlung.413 Der Dichter wendet sich danach der Eskorte zu, die den gefangenen Decius von Capua nach Karthago überstellen soll. ehe er in einer Apollo nios und Vergil nac hgebildeten o lympischen Szene Venus selbst in das Geschehen eing reifen läßt: Im Interesse der von ihr bevorzugten Rö mer befiehlt sie ihren Söhnen , den Eroten. Hannibal immer mehr durch das Wohlleben zu verweichlichen und ihm so seine mil itärische Stärke zu nehmen." l" In der nun folgenden Schilderung der Zustände in Capua nimmt Silius zwar die in dem Gastmahl angesprochenen Detail s auf, kombiniert sie aber nicht zu einer neuen Bankettszene. sondern baut sie im Sinne eines traditionellen Tade ls der Verweichlichung von Soldaten aus. Solche Darstellungen finden sich in der lateini schen Li teratur nicht se lten." 15 Im Unterschied zu 4 11 Sil . 11.368.: laelll ,'inml sofvi/ convivia somllllS. 412 S. z. B. Hom. Od. 3.397-399 (Telcmach bei Nestor): Horn. Cd. 4.296-302 (Tclemach bei Menclaos): Horn. Cd. 7,335-345 (Cdysscus bei Alkinoos): Horn . Qd. 14.5 18-523 (Odysseus bei Eumaios). 4 13 Vgl. dazu oben S. 102f. 4 14 Sil . 11.385-409. bes. 11.397-400: Ampfexll multolJlle lIIeTO SOIl/f1OlJlfe I'irorum l
proJ1igalida acies, lJ/WIII 1I01llJerj"regerit ellsis. / 11011 ignes, 1I0n imlllissis Gradi" /4S habe"is. / Combibat iIIapsos duclor per "iscera luxus. Bei Apollo nios und Verg il dagegen
beSieht die Aufgabe dcs Eros/Cupido ausschließl ich darin, LiebesgefiJ hlc zu wecken. S. A.R. 3. 142-144 ; Verg. Aen. 1.683-688. 4 15 S. z. B. Liv. 38, 17, 18 (ilber d ie Gefahre n Asiens): Vobis mehercllle, Maniis viris.
cavenda ac fugie"dlj quam priml/m amoellitas est Asiae: tamum I/Oe IJeregri"ae volup/ares ad extinguelldw" vigore", animorum possum, ((111111111 cOlltagio disci'Jlil/ae 1110risq!le acc;olarum I·alet; SaH. Ca!. 11,5 (Ober das Hcer des Sulla): loca OIl/oel/a. \'oillptaria facile in otio ferocis miliwl1I lmimos Itlolliverant; Tac, hisl. 3.2.1f. (Rcde des Anlonius Primus ilbcr den negative n Einn uß des Wohllebens auf Soldatc n): quanto ferocills allfe se egerim, tallfo cupidius i" solif{ls I'oluptates Illlusisse. circo quoque ae theatris et lImoellitare Urbis emof/itos lIIl/ I'Gle ftulillibus f essos.
4.2.3 H3nnib.1I in Capu3
393
den Gastmahlszenen , in denen die Mißbilligung des Erzäh lers indirekt aus inhaltlichen und strukturellen Besonderheiten erschlossen werden kann , werden die Mißstände im Heer bei solchen tadelnden Darstellungen direkt angesprochen und gebUhrend beklagt. Dieses Verfahren finden wir auch bei Si lius. 4l6 Der Akzent liegt also in diesem Abschnitt nicht mehr auf dem widerrechtlichen Empfang HannibaJs in Capua, der den Abfall der Stadt von Rom besiege lt. sondern allein auf dem Verfall der karthagischen Sitten. Folgerichtig erscheinen auch keine Hinweise auf eine spezielle Bewirtung: hatten vorher die Gastgeber rur den Besucher gesorgt, so richten sich nun die Karthager selbst in Capua ein, wodurch sie gleichsam zu Hausherren 417 werden. Daß der Dichter sel bst diese Ereignisse al s ein zweites, von einer Gastmahl szene abgesetztes Stadium des Verfalls betrachtet, zeigt deutlich der mit dem Nachtlager und dem ansch ließenden Wechsel auf die olympische Ebene gegebene Neuansatz.
ZusammelljasslI',g
Bei der Bewirtung Hannibals in Capua finden wir im Gegensatz zu den bisher behandelten Szenen keinen ei nzel nen Wirt. An se ine Stell e treten die Einwohner Capuas insgesamt, deren Handlungen durch nicht näher spezifi erte Verbfonnen (verallgemeinernder Plural oder unbestimmtes Passiv) ausgedruckt werden . Dennoch bleibt der Eindruck einer epischen Gaslmahlszene erhahen. Der Dichter erreicht dies, indem er di e Strukturelemente in ihrer häufigsten Anordnung beibehält und nur auf der Seite des Wirtes den HandlungstrJger unbestimmt läßt. Auch hier gi lt also das Prinzip, nach dem in erster Linie die Stru ktur der Szene fUr den Eindnlck eines epi schen Gastmahls verantwort lich ist. Die konkrete inhaltl iche Au sgestaltung dagegen kann innerhalb des vorgegebenen Orienlierungsrahmens recht frei variiert werden. Besonders deutlich zeigt sic h dies in der Unterhaltung nach dem Mahl , die Silius im Verg leich 416 Si l. 11,415-419: Non (lcer lllJerto I desudlll Cll1f1l)() sonipes. 1I0n /lila per auras I
lallcea IIudatos exercet rorta lacerros. I mollirae jlammis Iymphae langt/ewia somno I membra /ovem. miserisqlle ho/lU perit horrido ,'irtlls.
41 7 So lriU Hannibal in dieser Phase des Verfalls nicht mehr nur al s Gast bei M!l.hlern auf. sondern ric hle l selbst Banke tte aus. die allerdings nicht ausfUhriic h geschildert werden: Sil. 11,420f.: Ipse etiam. af!1allls falleme Cupidine. dllctor I instaurat mensas dapi· bus. Capua wird den Kanhagem bereits zur zwei len Heimal : Sil . 11.424f. : Altera iam
parrill atqlle aeqllo sub hO/lOre \'Ol.'lIl11r I altera Carthllgo CllfJUa.
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4.2.3 Hannibal in Capua
zu früheren Gastmahlszenen sowohl ihrer Funktion als auch ihrem Inhalt nach stark modifi ziert. Da diese Unterredung nach dem Mahl gewöhnlich dem Austausch zwi schen Gastgeber und Gast und dabei nicht zuletzt der Selbstvorstellung des Fremden dient, wäre dem typischen Schema entsprechend eine Unterhahung zwischen Hannibal und einem capuanischen Wirt zu erwarten. Statt dessen geraten zwei Bürger Capuas, Pacuvius und sein Sohn. in einen heftigen Streit. der sich nicht im Festsaal, sondern auf freiem Feld abspielt. Trotz dieser Abweichung fü gt sich der erregte Wortwechsel in den Ablauf eines typischen Gastmahl s ein, da er nicht nur die typi sche Position des »Gesprächs zwischen Gastgeber und Gast« (Element IX) ausfüllt, sondern auch mit der Rückkehr von Vater und Sohn wieder in das Mahl und die Darstellung eines Nachtlagers einmündet, die dem Schluß vieler früherer Gastmahl szenen entspricht. Überdies ist das Prinzip gewahrt, nach dem die Unterhaltung nach dem Mahl keine Wende im Verhältnis zwischen den Gesprächspartnern bringt, sondern nur deren schon bestehende Sympathien und Antipathien deutlicher hervortreten läßt (s. o. S. 97). Entsprechend stellt Silius auch den Konflikt, den Pacuvius und sein Sohn 4 18 nach dem Mahl austragen, als schon länger schwelenden Zwist dar . Auf diese Weise gelingt es dem Dichter, die vom Schema abweichenden Elemente als Varianten des typi schen Szenenverlaufs zu kennzeichne n und den Leser damit zum Vergleich aufzufordern . Dieses Verfahren entspricht der bisher beobachteten Erzähltechnik griechischer und lateinischer Epiker. Neu ist dagegen die Anspielung auf einen zweiten Traditionsstrang von GastmahJszenen, bei denen die Bewirtung nicht mit Gespräch und ggf. NaChtlager beendet wird, sondern in einem blutigen Gemetzel endet. Silius evoziert diese Sondertradition durch eine geSChickte Abwandlung einer Li viusstelle. Statt von durch das Attentat blutbefleckten Tischen (Liv. 23,9,4) spricht der ähere Pacuvi us von umgestürzten Tischen und blutgefUllten Bechern (Si!. 11 ,334-336), die es um jeden Prei s zu vermeiden gelte. Diese Einzelheiten aber bilden einen festen Bestandteil der blutig endenden Bewirtungen, die sich nicht mit dem typi schen Schema ei ner epischen Gastmahl szene erfassen lassen.
41 8 S. oben S. 38 1 Anm. 39 1.
5. Exkurs: Antigastmähler 5.1 Vorbemerkung Außer dem bi sher untersuchten nannalen Typ von Gastmählern (bei einem wohlhabenden Wirt) sowie den davon abweichenden Banketten bei einem unvennögenden, hilflosen oder nicht genau bestimmbaren Gastgeber, denen trotz Varianten im Detail ein einheitliches Referenzmodell zugrundeliegt, erscheint in der Literatur eine weitere Klasse von Gastmahl szenen , di e sich ni cht in di esen Rahmen einfiigen. Sie sollen daher in einem Exkurs besprochen werden. Es handelt sich um Bewirtungen, die ni cht in mehr oder weni ger nonngetreuer Weise zu Ende gefUhn werden, sondern unvermittelt in einen blutigen Kampf umschlagen, bei dem die Mehrzahl der Betei li gten den Tod findet. Für die oben vorgestellten Analysen bieten die blutig endenden Bewirtungen eine si nnvolle Ergänzung, da während der Kampfhandlungen ni cht selten Elemente einer regulären Gastmahlszene 1 in verzerrter Weise verwendet und dabei gelegentlich auch vom Autor oder der Erzählerfigur direkt kommentiert werden. Diese Mähler können daher eine genauere Vorstellung von der Einstellung der Epiker zu einzelnen Elemen ten vermitteln , die wir bi sher aus dem Vergleich verschiedener Szenen und dem daraus entwickelten typi schen Schema erschlossen haben . Die im folgenden als »Anti gastmähleT« bezeichneten blutigen Gastmahlszenen erscheinen im Vergleich zu anderen Bewirtungen recht selten in der griechischen und römi schen Epik. Insgesamt fi nden sich nur sieben Beispiele,2 die flinf verschi edene Ereignisse beschreiben, angefangen von der Kyklopenszene J und dem Freiennord der Odyssee ( Ho rn . Od. 9,216I Der im Exkurs mehrfach verwendete Terminus )reguläre Gastmahlszene(( bezeichnet alle Szenen, die sich mil den Regeln des oben entw ickelten typischen Schemas erfassen lassen. Er ste llt also einen Gegenbegriffzum »Antigastmahl( dar. 2 Ku rze Anspielungen wie die des Antinoos auf die Lnpilhcn- und Kentaurensehlacht (Horn. Od. 21 ,295-304) oder die Vergleiche bei Statius (Theb. 2,263 f.; 5,261-264, s. a uc h die Ekphrasis 6,535-539) werden dabei nicht mitgerechnet. da sie keinen szenischen Charakter besitzen. Auch das Ustrygonenabenteuer im zehnten Buch der Odyssee, dessen Begi nn zunllchst eine Bewirtung erwarten lAßt (vgl. das Zusammentreffen mit der Königstochter, ~I om. Od. 10, 103-1 11, das anderen Begegnungen im Vorfeld eines Banketts IIhne h), stel lt ke ine Antigastmah lszene dar. da die Besucher gleich bei ihrer Ankunft getötet und verspeist werden. Anders als in der Kyklopenszene wird kein direkter Kontakt zwischen Gast und Gastgeber dargestellt. 3 Vergil nimmt das Kyklopenabcnteuer in der Rede des Aehaemen ides auf, ohne es zu
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5. Exkurs: AntigastmAhlcr
559 und Buch 22) über den Kampf des Perseus gegen Phineus (Ov. met. 4,757-5,235) bi s hin zu der bei Ovid und Va lerius Flaccus dargestellten Schlacht zwischen Lapithen und Kentauren (Ov. met. 12,2 10-535 und Va l. Flac. 1, 140- 148) und dem von Statius und Valerius Flaccus geschi ldenen Mord der lemnischen Frauen an ihren Männern (Stat. Theb. 5, 186-264 und Val. Flac. 2, 186_24 1).4 Von diesen nimmt der Fraß des Kyklopen in der Odyssee ei ne Sonderstellung ein: Während bei allen übrigen Szenen eine Trennung zw ischen dem eigent lichen Mah l und der sich anschließenden Schlachtschilderung gegeben ist, dienen die erschlagenen Gefahnen des Odysseus dem Kyklopen selbst als Speise, so daß hier )Mord< und )Mahl< nicht voneinander zu trennen sind . Formal steht die Szene den regulären Bewirtungsszenen näher als die o.g. Antigastmäh ler, weshalb sie getrennt von diesen behandelt werden soll . A nschließend werden die übrigen sechs Szenen gemei nsam untersucht.
5. J. J Die KykJopenszene der Odyssee
Das Kyklopenabenteuer, von dem Odysseus se lbst während des Aufenthalts bei den Phäaken berichtet, bi ldet seine dritte Station auf der Rückfahrt von Troja nach Ithaka. Im Gegensatz zu der vorhergehenden Plünderung der Kikonenstadt und der Niederlage gegen ein Entsatzheer ( Horn. Od. 9,39-6 1) sow ie dem beinahe katastrophal verlaufenen Besuch be i den Lotophagen (Horn . Od. 9,82- 104), die nur in wenigen Versen geschildert werden , nimmt es beträchtlichen Raum in den Apologoi ein, die seiner Bedeutung rur di e ep ische Handlung entspricht. Die Blendung des Kyklopen, die den Griechen die Flucht aus der Höhle ermöglicht, erregt den Zorn se ines Vaters Posei don und verzögert damit die Heimkehr des Odysseus auf Jahre. Anders a ls die Begegnung mit den Loto phagen wi rd das Kyk lope nabenteuer von Anfang an als eine Fornl der Gastmahl szene gekenn ze ichnet. Dazu dienen vor allem d ie Hinwe ise auf e in »Gastgeschenk«, die sich wie ein roter Faden durch die Szene ziehen. Odysseus bri cht nach e igenem Bekunden zur Höh le des Riesen auf, um dessen Gastfreundschaft zu erproben und womöglich Geschenke (~Ef v la) zu erhalten, wie sie ein homeri sc her Wirt seinen Gästen auch sonst überreicht. Doch das »Geschenk «, das Pol yphem einem vollen Gastmahl auszugestalten. weshalb die entsprechende Stelle im dritten Buch der Aeneis (Aen . 3.612-654) hier nicht mitgerechnet wird. 4 Deren unmittelbare Vorlage bilden die Argonautika des Apollonios Rhodios, de r das Gemetzel allerdings nicht ausdrücklic h mit einem Mahl verknüpfi (A. R. 1.609-626).
5. Exkurs: Antigastmllh ler
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bereithält, besteht ni cht in e iner regu lären Gabe, sondern in dem zynischen Angebot, Odysseus als letzten zu verspeisen. Als die Überlebenden dem Riesen entko mmen sind, bezeichnet Odysseus in einer Sc hmährede die Blendung des Kyklopen a ls Strafe rur dessen mange lnde Gastfreundsc haft . Neben den inhaltlichen Anspielungen finden sich auch Paralle len auf erzähltechnischer Ebene. Bevor die eigentli che Gastmah lszene mit der Ankunft in der Höhle einsetzt, schildert der Erzäh ler den Charakter des KyklopenJandes sowie der vorge lagerten ))Z iegeninsel «, auf der Odysseus zunächst rastet (Horn. Od. 9,106-124). Ei ne Beschreibung der weiteren Umgebung findet sich, allerdin gs deutlich kürzer, auch in anderen Gastmahl szenen, s. z. B. be im A ufenthalt des Odysseus bei den Phäaken (Horn. Od. 6,291 -294 und 7,4 3-45) und bei Eumaios (H orn . Od. 14, 1f.). Während sie sonst der Begegnung mit dem Gastgeber direkt vorausgeht, liegt zw ischen der Ankunft auf der Inse l und der Überfahrt zum Kyklopenreich ei n ganze r Tag.
Der Abschnill vor dem eigentlichen Mahl A ls di e Ge fahrten das Festland erreichen, erblicken sie die von Lorbeerbäumen beschattete Höhle des Kyklopen , zu der e ine aus Steinen, Eichen und Fichten erbaute Ho fmauer gehört und wo Schafe und Z iegen zu ruhen pflegen (V. 9, 18 1- 186). Informationen über die größeren Bestandteile der Behausun g gehören in regulären Gastmahlszenen zur Ekphrasis der Räumlichkeiten, die meist aus der Perspekti ve des (o ft auf der Schwelle wartenden) Ankömmlings geli efert wird. In der Kyklopen szene handelt es sich j edoch ni cht um den unm itte lbaren Eindruck der Besucher, sondern um ei ne aus der Retroperspekt ive gel ieferte In formation, deren nac hträg li cher Charakter durch di e Iterati va i avEOIm v (V. 9, 184) und TTo illaivEOKEv (V. 9, 188) in Eri nnerung gerufen w ird: Erst aus der späteren Erfahrung heraus kann Odysseus w issen, daß das Hüten der Schafe auf entl egenen Weiden zu den Gewohnheiten des Kykl open gehörl .s Dasselbe g ilt rur die Erwähnung des Kyk lopen se lbst: Dieser gleicht keinem ))brotessenden« Menschen , sondern einem einsam aufragenden Bergwald ( Hom. Od . 9, 190- 192) , so daß er menschliche Betrachter in Verwunderung versetzt. 6 Staunen ve rs püren auch Ankö mmlinge in regulären Gast5 Zu dieser Erzähl technik vgl. SUERßAUM (1968) 156f. 6 Vcrgil wendet ein äh nliches G leichnis in seiner Version des Abenleuers auf alle Ky-
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5. Exkurs: Anligastmllhlcr
mahl szenen kurz vor dem Erre ichen ihres Ziels, doch ri chtet es sich stets auf die Ausstattung der Behausung, nicht auf den Wirt, der gewöhnlich erst dann beschrieben wird , wenn der Fremde die Türschwelle erreicht oder überschrinen hat. Die ungewöhnliche Erwähnung des Kyklopen nicht nur vor der Begrüßung, sondern sogar vor der Ankunft am Haus erklärt sich aus der Erzählperspektive: Weil Odysseus aus der Erinnerung berichtet, kann er wichtige Eigenschaften des Kyklopen im voraus andeuten und so einen Spannungsbogen erzeugen. Das Ungeheuer unterscheidet sich nicht nur allgemein von menschl ichen Wesen, sondern speziell vorn avr,p OIT6<payos (V. 9, t 90f.) - eine Eigenschaft, die vor dem Hintergrund des folgenden blutigen Mahl s eine besondere Färbung erhält. 7 Zudem faßt der Vergleich mit dem einsam aufragenden Bergwald die Rauheit, abgesonderte Lebenswei se und den riesenhaften Wuchs des Kyklopen in ein kohärentes Bild. Schon di e vorgezogene Beschreibung der Wohnhöhle verweist auf die furcht erregende Größe des Ungeheuers: Sie hat so riesige Ausmaße , daß der Ankömmling nicht, wie sonst üblich, die Türschwelle erre ichen muß, um ei n Bild von ihr zu gewinnen. Dadurch hebt der Erzähl er Odysseus zugleich den Mut hervor, dessen es bedurfte, um ei nem solchen Ungeheuer einen Besuch abzustatten.' Damit stellt er Qualitäten unter Beweis, die er bei seiner Ankunft auf Scheria nic ht zeigen konnte: Statt a ls einsamer SchiflbrOchiger, der sich hilfeflehend der Köni gstoc hter Naus ikaa nähern muß, erscheint er im Kyklopenland al s selbsthcwußter Anfuhrer seiner Gefahrten . Anders als bei seinem Besuch im Hause des Alkinoos ist es hier klopen an, Verg. Aen. 3.679-68 1: qlla/es cum verrice ce/so I aeriae ql/erCI/S all! cOlliferae cyparissi I cO /lslirenmr. silvo alra 100'is Illcl/Sl'e Diallae. Auf diese Weise werden die Obrigen Riesen implizit auf eine Stufe mit Polyphem gestellt. Dies entspric ht dem Tenor de r Aeneisstelle: Die anderen Ungeheuer stehen Polyphem an Gefährlichkei t in nichts nach, so daß sie HiT Aeneas eine ebenso große Gefahr bilden wie ihr mittle rweile geblendcter Artgenossc ftlT Odysseus, vgl. Vcrg. Aen. 3.64 1-644 : /lwn qlltilis qllllnll/Sql/e ca\'O Polyphemus ill anlro [ ... } cenll/m alii cl/n ·a haec habifallt ad Jjtora vlllgo I inlandi CycJopes. 7 Vgl. V. 10,200 (die Überlebenden erinnem sich an Polyphem a ls einen KVICAW\V a v8p6<pay(1» . S. HEUBECK ( 1983) zu V. 9.19 1f. Be ide Adjektive sind ho merische lJapax legomena. 8 Dies zeigt sich vor allem im Vergleich zu gewöhnlichen Glisten, die stets mit gebührendem Respekt auftreten. obwohl keine bedrohlichcn Anzeichen sichtbar sind . Über konkrete Gefahren von sei ten ihres Wirtes ist in den untersuchten Mahlszenen nur Jason infomliert (s. z.B. A. R. 2, 1202-1206: Argos warnt die Agonauten vor de r Aietes; Val. Flac . 1,43-46: Pdias beschreibt den lenIS Aeeles als Mißachter des Gastrechts). Be im Bittgang des Priamos zu Achi ll hingegen fUrchten zwar seine Angehörigen um die Sicherheit des Königs (Horn. 11. 24.201 -208). doch hat Priamos selbst zuvor von Iris d ie Zusicherung erhalten. daß ihm nichts geschehen werde (Horn . 11. 24. 17 1-1 87).
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ausschließl ic h sein Wissensdurst und seine Abenteuerlust, di e ihn zu der Expediti on veranlassen.9 Seine Weitsicht hebt er hervor, indem er angibt, den aus Ismaros stammenden Wein nicht als Wegzehrung mitgenommen zu haben, sondern aus ei ner Vorahnung des frevelhaften Charakters des Kyklopen (V. 9,2 14f.: avöp ' [ ... ] ayp tov, OITrE ÖiKQ S EU Eiö<JTa OÜTE 8E I-.lIo Tas). 10 Dessen Eigenschaften werden in der eingeschobenen Erzählung über die Herkunft des Weins mit dem Verhalten des Odysseus und sei ner Gefahrten konfrontiert: Inmitten der bluti gen Eroberung der Ki konenstadt Jsmaros verschonen sie »aus Ehrfurcht« (V. 9,200: a ~6 ~ E VO t) den Apoll opriester Maron und erhalten zum Dank zwö lf Krüge des kostbaren Getränks, das später zu ihrer eigenen Rettung beitragen wird (V. 9,197211). 11 Schon in der Einl eitung der Geschichte wird so die Aussage vorbereitet, daß Achtung vor dem göttlichen Recht das Wohl ergehen der Betroffene n sichert, während rücksichtsloses Betragen ihren Untergang herbeifUhrt . Die sorgfältige Anl age dieses Deta ils weist auf die Bedeutung hin, die es flir die gesamte epische Hand lung besitzt: Für den vor den Phäaken auf Scheria sprechenden Fremdling Odysseus kommt alles darauf an, daß Arete und Alkinoos ihre Verpfl ic htungen als Gastgeber ernst nehmen und ihm Hilfe zukommen lassen. Die ungewöhn liche Ei nleitung des Kyklopenabenteuers ist also auch durch die konkrete Erzählsituation bed ingt, in der sie vom Sprecher funktional eingesetzt wird. Die eigent liche Gastmahl szene beginnt erst nach dieser Ein leitung: Odysseus und zwölf seiner Gefährten wandern zu der Höhle, treffen den Kyklopen jedoch nicht an. Diese Konstell ation erscheint in keiner anderen der berücksichtigten Szenen. Entsprechend fehlt auch das typische Verhalten des Ankömmlings, welcher sich oft auf der Türschwell e aufhält, bis er hereingebeten wird, und dabei die Ausstattung des Gebäudes bewundert (s. o. S. 51f. ). Odysseus und seine GeP.ihrten hingegen betreten die Behausung des Kyklopen, ohne sich um den Brauch zu kü mmern , obwohl der Hausherr
9 S. EISENBERGER ( 1973) 135. 10 Zum unterschiedlichen Gebrauch des Adjektivs aYPLOS in !lias und Odyssee vgl. NESTLE (1942) 6 5: In der Ilias besteht die )Wildheit( eines Menschen oder eines Gottes »in dem vergebl ichen Aufbäumen des 9v1J~ gegen das scheinbar Unerträgliche(!, in der Odyssee dagegen ist der aypLOS ) cin unpolitischer Barbar.« 11 NESTLE ( 1942) 63f. verweist auf den Kontrast zum Verhal ten des Agamemnon in der Ilias (V. 1.8-43), der dem Apollopriester Chryses seine Tochter nimmt und dafUr de n Zorn des Gottes heraufbeschwört. Vgl. die Forderung des C hryses, Hom. 11. 1,20f. : TTaiSa S'ElJoi AUaaTE qli)..rJV [... ] 6f;6IJEVOL .6.LOs vi6v b :nl'6Ao\l ·ATT6AAwva .
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5. Exkurs: Antigastmllhler
offenbar nur vorübergehend abwesend ist 12 und jederzeit zurückkehren kann. Eben dies befürchten die Gefahrten, die Odysseus vergeblich zum raschen Aufbruch bewegen wollen (V. 9,224-228). ° Das forsche Auftreten des Odysseus weist gew isse Parallelen zum Phäakenabenteuer auf, das die Rahmenhandlung rur die Erzählung bildet. Auch hier hat er - getarnt durch die schützende WoLke - den Festsaal ohne Einwilli gu ng der Hausherm betreten. 14 Sein Verhalten, dessen Analogie rur das Publikum nicht zu übersehen ist, motiviert Odysseus mit seinem Wunsch, die Gastfreundschaft des Kyklopen kennenzulernen .tS Aus der ungewöhnlichen Situation wird so eine Probe rur den Wirt. Dies bedeutet gleichzeitig e in indirektes Kompliment für die Phäaken, die sich trotz der anfangs zurückhaltenden Begrüßung zu einer korrekten Aufnahme entschlossen haben. t6 12 Daraur deuten vor allem die mit Milch und Käse gerullten GeflLße und die in prerchen ei ngesperrten Schare hin (Horn. Od. 9.2 19-223). 13 I hr Motiv ist rreilich. wie ihre gleichzeitige Aufforderung zum Diebstahl zeigt. weniger d ie Rucksicht aur das Gastrecht, sondern vielmehr ei ne allgemeine Furcht vor dem Ungeheuer. 14 Horn. Od. 7, 139- 145: airTap 6 ßii 5la 5W~a TToAUTAas 5ios '05vooEus / TTOAAiJV fiEp ' EXWV, fjv oi mpiXEV1::V 'A6fIVI1, / &pp' 'IKET' 'Apf)Tllv TE Kai 'AAKivoov ßaOIAiia . / a~qli 5' 6"p' 'Apf)Trls ßOAE youvam xeipas '05uooeus. / Kai
Sn
TOTE p' airToi'o mlAlv XUTO 6i ocpOTOS of)p . / oi 5' äVEW tyevovTo SO~OV KOTO Gast< mitteilt. Diese Selbstgerechti gkeit ist mit mangelnder Beherrverständnis hervorrufende Verballhomung des wahren Namens: Odysseus - Utis; vielleicht als Kosename gedacht.(( Dagegen HEUBECK zU V. 9,364-367. 54 Dem. Pen henn. 130: XPJiTOI SE OIiToiS [sc. TOIS XCaplOl1 " O~f"JPOS KO\ npOi;
SEiVWOIV eviOTE KO; l~epOO IV . KO\ TToi~wv epoßepwTEp6S tOTL, I... J womp TO €ni TOÜ aXapLOTOT(lTOU npoowTTou. Tb En i TOÜ KUKAwnos. Tb oliv' OriT/1l tYGJ mJl1GTOIl lOo,..JGI. TOUr 8/ AOmOOr rrpC:novr, Tb TOÜ KVKAc.mos ~EVlOV' cU yap OÜTWS aVTOv €VEIJI'lVE Selvov EK TC:W OAAWV. ÖTOV Mo SElTTvij haipous. ouS' ano TOÜ aupeov ii EK TOÜ ponCaAou, WS EK TOVTOU TOÜ 6:0TElO~ov. Der Einnuß dieses berühmten Dialogs zeigt sich u.a. in der Komödie, vgl. Cratinos fr. 145 K.-A. (Odysseus z.u Polyphem): ", vüv TOOE nleL AOßWV JiS'l. Kai TOÜVOU6: ~ . eu6Vs • • epwTa .
55 Auf e iner (geplanten) Verkehrung einer gastlichen Aufnahme in tödliche Bedrohung rur den Fremden beruht auch die Bel lerophongeschichtc de r lIias (Horn. 11 . 6.155197). Dort finden s ich jedoch weder Spottreden zwischen Gast und Gastgeber, noch zielt der Uriasbrief, den Bellerophon erhält. darauf, einzelne Elemente des traditionellen Empfangs sarkastisch zu verkehren . Vielmehr scheut Proitos, obwohl er Bellerophon als Nebenbuh ler verdächtigt. vor dem Mord am Gastfreund zurück. den er nun auf andere Weise zu besei tigen horn. Der Plan scheitert gerade aufgrund des untadeligen Betragens. das de r Iykische Wirt dem Fremden gegenüber zeigt. indem er sich erst nach beendetem Mahl nach seinem Anliegen erk undigt. 56 Seine venneintliche Autonomie hat der Kyk lop schon vorher zum Ausdruck gebracht. vgl. Hom. Od. 9.277f.: OVÖ' öv EYw [.. .1mepL50i~.,v I OÜTE OEÜ oü6' tT6pwv,
Ei
KEAEVOl . 57 Horn. Od. 9.369r.: Oirnv EYW nV~OTOV l50~OI ~eTa oto' h6:POLOI [... 1TC St TOL !;ELVnlOV fOT OI. Zugleich wendet der Dichter hier zum ersten Mal das Wortspiel mit dem Namen OOTlS (»Niemand(() an. das dem Kyklopen kurz darauf zum Verhäng nis ~r, au~6s ~[
werden soll.
5. Exkurs: Antigastm:Ihler
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sc hung verbunden , so daß das Ungeheuer, sobald di e Wirkung des Wein s eingesetzt hai, betrunken nieders inkt (Horn. Od. 9,37 1-373). Allerdings ist es ni cht nur die wundersame Stärke des Weins, die ihm zum Verhängni s wi rd, da es dreier Bec her bedarf, um den Kyklopen zu fällen. Dies wird im Vergleich mit der Speise der Lotophagen und dem Zaubenrank der Kirke deutli ch, die ihre Wirkung entfa lten, sobald di e Gefähnen nur davon gekostet haben.58 Der Kyklop hingegen wird erst vom Rausch übennannt, als er 59 seiner Gier nachgegeben hat. Die Frage des im Kyk lopenland wachsenden Weins hat den Kommentatoren Rätsel aufgegeben. WAGNER-HASEL (2000) nimmt an, daß Po lyphem keinen Wein kenne, weshalb er arglos in die von Odysseus gestellte Falle tappe.60 Tatsächlich sprich t die Tatsache, daß der Kyklop bei seinem Mahl nur »ungemischte« Milch zu sich nimmt und auch seine Vorräte offenbar nur aus Mi1chprodukten bestehen, fur diese Hypothese.6 1 Andererseits wird »Wein( (oll1os) zweimal ausdrückl ich erwähnt : In der allgemeinen Beschreibung des Ky-
klopenlandes heißt es, daß die Pflanzen dort oh ne Ackerbau wachsen, darunter auch aj..lTTEAOI, a '( TE cpi POUOIII / olvo v eploTocpVAOII, Kai OcplV Ll IOS ÖIJßpOS ai~E I (V. 9,1 10f.). Da diese Aussage sich an hand der Lebensgewohnheiten des milehlrinkenden Polyphem ni cht erhärten läßt, kommt WAGNER- HASEL zu dem Schluß, daß nur ihm allein der Wein als Getränk nicht vertraut sei.62 Diese Ver58 Horn. Od. 9,94f.: ÖS TIS ~wToio ~ayol ~EAI.,BEa lCapTTov. I OOKET' cmaYYE'iÄal TTa~lv TjeEAEv ovBt VEE0601 und Horn. Od. 1O,237f. (Verwandlung der Gefährten durch Kirke. wozu allerdings außer den q)(lp~alCa auch ihr Zauberstab notwendig ist): a VTop eTTEi BWICEV TE lCai llClTlOV. aVTilC' htEITa I paßB~ lTETTA.,yvio lCaTO cruepEololV Hpyw. 59 PRIVITERA (1993) 27 setzt eine dem Wein selbst innewohnende Kraft voraus. die den Kyk lopen zu mehrfachem Trinken veranlasse: ),Chi avveniva il suo profumo desiderava berne, chi ne beveva voleva dell'al tro, chi non [0 mesceva abbondantemente con acqua ne restava avvinto (IX 196-2 11).(( Diese Paraphrase gibt den Text jedoch nur ungenau wieder. Odysseus behauptet nicht, daß der Wein zu ungehemmtem Trinken verfUhre, sondern stellt ledigl ich fest. daß selbst von dem im Verhäl tnis I:20 mit Wasser verdünnten Getränk noch ein ))göttlicherc( Duft ausgehe, der die Enthaltsamkeit )Unangenehm« oV epl~ov (nicht: 6:MVOTOV) mache. Die Verse dienen also dazu, die ungewöhn liche Stärke des Weins zu demonstrieren, wobei sie. wie PRlvrTERA selbst einrtum!, zugleich voraussetzen, daß ein Zecher sehr wohl in der Lage ist, ein geeignetes Mischungsverhältn is herbeizufUhren. 60 S. WAGNER-HASEL (2000) 87 (s. u. Anm . 62). 61 Eindeutig ist die Si tuation im Cyclops des Euripides, wo sich Odysseus beim Si len nach den EmAhrungsgewohnheiten der Kyklopen erkundigt (Eur. eycl. 123f.: OB· Bpo~ iov Bt TTW~ ' lXOUOlV, 6:1-.tTTe~ou p06:S: / .'rl· nlCloTa ). 62 WAGNER-HASEL (2000) 87 »Polyphem trinkt das fUr ihn unbekannte Getränk, das
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5. Exkurs: Antigastm!lhlcr
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mutung widerspricht jedoch der Aussage Polyphems selbst, der Odysseus gegenüber behauptet, auch die Kyklopen besäßen Wein (olvoS), im Vergleich zu dem freilich der Trank des Maron einen Ausfluß von Nektar und Ambrosia darstelle.6J Die Aussage impliziert, daß der Kyklop selbst von dem heimischen »Wei n« gekostet hat, so daß er Vergleiche über dessen Q ualität anstetlen kann. Wenn es sic h so verhält, warum nimmt Polyphem dann aber ausdrücklich nur Milch zu sich, ein Getränk, das von den Gepflogenheiten in epischen Gastmahlszenen aufTallend abweicht, und warum befind en sich o fTenbar keine Weinvorräte in seiner Höhle? Wie läßt sich überdies die seltsame Fonnulierung erklären, daß »das Land« bzw . (»der Weinstock«) »We in trage«? Die zweimal wiederhohe Wendung hat in der Forschung für Di skussionen gesorgt. HEUBECK ( 1968) zu V. 9,IIOf. vertritt die Auffassung, daß olvos hier jedenfatls nicht »Traube« bedeuten könne 64 und daher tatsächlich Wein gemeint sein müsse. Atlerdings sei das in der allgemeinen Beschreibung der Vegetation verwendete 0 '( TE coming to Polyphemus' cave al all can [... ] be put down to curiosity, and self-interest: they want to stop hirn shouting and keeping Ihem awake; and if he is being allacked, there might be some threat to themse!ves, too.(( Er beruft sich dabei, wie auch SEGAL ( 1994) 202, auf die Wendung ouS' O:A)' ~ AwV OAEYOUOI (V . 9, 115) in der einleitenden Darstell ung der Lebensweise der Kyklopen (V. 9, 112- 115). Doch beachtet er zu wenig. daß in den fraglichen Versen nicht generell mangelnder Umgang der Kyklopen untereinander. sondern nur das Fehlen stastlicher Einrichtungen festgestellt wird : Die Riesen besitzen kei ne Ratsversammlungen, um Beschlüsse herbeizufUhren, und kennen auch keine festgesetzten Ordnungen (eElllons). sondem jeder richtet allein Ober seinen Famil ienverband, ohne sich dabei um andere zu kllmmern . Die Familien der Kyklopen sind demzufolge zwar nicht durch allgemein anerkannte Rechtsgrundsätze verbunden, pnegen aber durchaus Umgang miteinander, während die isolierte Lebensweise Polyphems al s Ausnahme gekennzeichnet wird: Nur er al lein weidet seine Tiere auf abgelegenen Plätzen und verkehn nicht mit den anderen, sondem bleibt abgesondert in einem noch gesetzloseren Zustand als die Obrigen (Horn. Od. 9, 188f.). Gegen eine Abkehr aus Gleichgültigkeit spricht auch die Betonung der List, mit der es Odysseus gelingt, die Riesen zu täuschen. Wäre es nur darum gegangen, die übrigen Kyklopen davon zu überzeugen, daß ihnen persön lich keine Gefahr drohe, hätte es kei nes ausgeklügelten Wortspiels bedurft: Odysseus und seine Beglei ter sind nicht in der Lage, auch nur einem einzigen Kyklopen im direkten Krnftemessen die Stirn zu bieten, wie der Tod der sechs Gefllh rten kurz zuvor bewiesen hat. Auch ein Auftritt unter einem gewöhnl ichen menschlichen Pseudonym, wie es sich Odysseus später mehrfach zulegt, häue den Ungeheuern daher wohl kaum Furcht eingejagt. Stall dessen zielt die List dar-
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5. Exkurs: Antigastmllhler
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rer Rede zeigt jedoch, daß die Riesen Polyphem nicht aus G leichgillti gkeit im Stich lassen. Vielmehr weisen sie ihn darauf hin, daß es unmöglich sei, einer von Zeus geschickten Krankheit auszuweichen und empfehlen ihm daher, sich an einen anderen Gott zu wenden. Die Resignati on, mit der sich die Riesen dem von den Göttern verhängten Schicksal fU gen, stimmt mit dem Charakterbild überei n, das Odysseus anfa ngs von ihnen entworfen hatte: selbst was Landwirtschaft und Weinbau, also Teile des Lebensunterhalts, angeht, nehmen d ie Kyklopen passiv die Gaben der Götter an. A ufschlußreich sind die Bezeichnungen IJEya S und ava~ (Horn . Od. 9,4 11 f.) fü r Zeus und Poseidon, während Po lyphem anfangs behauptet hatte, di e Kyklopen seien stärker als di e Himmli schen, die er daher weder zu fUrchten noch zu ehren habe. 84 Zunächst beherzigt der Riese den Rat, Hilfe beim Meeresgott zu suchen, ni cht, sondern entfe rnt den Ste in vorn Ein gang der Höhle, um seine niehenden Peiniger selbst zu fassen (Horn. Od. 9,4 1541 8). Die List, mit der Odysseus auch diese Gefahr meistert, ist bekannt: Verborgen unter jeweil s drei zusammengebundenen Widdern ge lingt es den Überlebenden zu entkommen,85 obwohl der Kyklop auf den langsamen Gang des sonst so ninken Leitti eres aufmerksam wird. Die Rede des Ungeheuers an den Leitbock, den er mit einem Kosewort anspricht ( Horn. Od. 9 ,447: Kp tE n en o v), wird von KIRK ( 1970) 169 als Anzeic hen ftlr seinen
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zivil isierten« C harakter gedeutet. Doch fä llt au f, daß der Kyk.lop,
obWOhl er das ungewöhnl iche Verhalten des Widders bemerkt, keinen Versuch unternimmt, dessen Ursachen zu ergründen, was zwei fe llos zur Entdeckung des Odysseus ge führt hätte. So gibt die Frage, d ie er an das T ier richtet (Horn . Od . 9,452: ~ cU y ' ä va KTos / ocp8a AIJOv n o8EEtS:) keinen plausiblen Grund ftl r den schleppenden Gang an, sondern leitet einen Bericht über se in e igenes Unglück ei n.86 Wie bei m übennäßigcn Weingenuß die egoisti sche Gier den Kyklopen ins
auf. den übrigen Ky klopen seine Anwesenheit lIberhaupt zu verheimlichen - ei ne Vorsichtsmaßnahme, d ie nur sinnvoll erscheint, wenn er ihr di rektes Eingreifen zu fUrchten haI. 84 Vgl. zu dieser Diskrepanz schon Schal. Dind. zu Horn. Od. 9,411 : OKETfTEOV Thn
neplE&."Ke TOUS (UPPO\lEOTEPOUS MyouS. SiiAOV SE ÖTI Tc:iJ n o}"ucpfn" ~, ÖS 0u)( OIJOyvwl-101i nv Tois 6:AAoIS ouSE EV Ti] nepi flEG:!v ~l] w~oMyel. 85 Dies ist nur mögl ich, weil der Ky klop diesmal. im Gegensatz zum vorhergehenden Tag, die gesamte Herde in die Höhle getrieben halle, s. HEUßECK ( 1983) zu Horn. Od.
9.338f.
86 S. dazu O'SULLIVAN ( 1990) 13: ))Polyphemus addresses the leader of his flock
S. Exkurs: Aßtigastmähler
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Unglück stürzt, so vereitelt hier sei ne Se lbstbczogenhei l den Racheplan. Die Rede an den Wi dder dient dazu, diesen Charakterzug zu veranschaul ichen. Außer in der Kyklopenszene, in der Odysseus die Schwe lle unverl etzt überwinden kann, sind Fluchtversuche in den Antigastmählem stets zum Scheitern verurteilt : Sowohl die Fre ier als auch die lemni schen Männer werde n von den auf der Schwelle wartenden Angreifern gestellt und getötet. Di e besonderen Umstände des Kampfes in der Kyklopenszene bedingen als weite res, späte r nicht wiederkehrendes Charakteri stikum das Überl eben beider Protagoni sten. Wegen des Steins vor dem Ausgang der Höhle darf Polyphem nicht getötet, sondern nur geblendet werden. Aus der Zeit, die rur die Planung des Anschlags erforderlich ist, ergibt sic h wiederum di e ungewöhnlich lange Dauer des Aufenthalts. Während die späteren Antigastmähler ei n allenfa ll s wenige Stunden dauerndes Gemetzel schildern, erstreckt sich der Aufenthah in der Höhle über mehr als zwei Tage. Wie in regulären Gastmahl szenen wird dabei der Wechsel von Tag und Nacht, der in späteren Antigastmählern nur eine untergeordnete Ro lle spielt, zur Bezeichnung von Zäsuren genutzt. Der Aufbruch zur Höhle nach der Rast am Strand fäll t mit dem Sonnenaufgang zusammen ( Horn . Od . 9, 170), und ebenso trennt der Sonnenaufgang d ie anfä ng liche Ratl osigkeit des Odysseus und das erneute Wüten des Riesen (Horn . Od . 9,307). Der fo lgende Abend und d ie Nacht fall en mit der Betäubung und Blendung des Kyklopen, der nächste Morgen mit der Flucht der Griechen zusammen (Horn . Od. 9,336; 9,404; 9,437). Es ze igt sich, daß die Kyklopenszene einerseits erzähltechni sche Eigenheiten späterer Antigastmähler vorwegnimmt, andererseits auch Züge aufwe ist, die sich nur in regulären Gastmahlszenen fin den. Zu den Detai ls, d ie in den späteren Antigastmählern nicht w ieder aufgenommen werden, ge hört auch der )Absc hi ed sd i alog~ zwischen dem Kyklopen und Odysseus, a ls dieser bereits das Schi ff bestiegen hat. Nach einer Schmähung Po lyphems, die seine Blendung a ls gött liche Strafe rur die Mißachtung des Gastrechts deutet.87 und einem Steinwu rf des Kyklopen gibt Odysseus schließlich se inen wahren Namen preis (V. 9,474-505) und with something approaching affection (44 7ff.). that is until the speech bccomes a savagc statement ofwhat would happen to )Nobody( if the Cyclops could catch him.« 87 Die Schmährede des Odysseus steht in der Tradition iliadischcr Triumphreden (EVxOS). die ein s iegreicher Krieger an den gefallenen Gegner richtct. wie z.B. AchilI an Lykaon, Horn. 11 . 21, 122-\35 U.ö. Vgl. auch die Rede des Eumaios an dcn gefa llencn Ktcsippos (Ho m. Od . 22,286-291). S. zu den Triumphreden SCHRÖTER ( 1950) 105- 107.
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s. Exkurs: Antigastmähler
erfahrt so, daß sein Kommen bereits vom Seher Telemos prophezeit wurde (Y. 9,507-516).83 Nachträglich bestätigt sich so der göttliche Schutz, unter dem Odysseus auch auf der Kyklopeninsel steht. 89 Entsprechende Dialoge erscheinen in den späteren Antigastmäh lern nicht, weil sie ein Überleben beider Protagonisten voraussetzen. Eine Para llele bi ldet hingegen der Abschied eines regulären homerischen Gastes, der auch lange nach dem Ende der Gastmah lszene stattfinden kann und in zwe i Fällen, dem Abschied des Telemach von Menelaos und dem Abschied des Odysseus von den Phäaken, von einem Segensspruch für den Gast begleitet ist. Nu r bei der Abreise des Telemach find et sich überdies ein Omen, das auf die Zukunft verweist. 90 Eine ähnliche Wirkung hat hier der Bericht Polyphems über die Wei ssagung. Erst jetzt wendet sich der Kyklop an se inen Vater Poseidon mit der Bitte, Odysseus spät oder gar nicht heimkehren zu lassen (Horn . Od. 9,528-535). Auch dieser Fluch, der aus demselben Grund wie das Omen in den späteren Antigastmählern nicht erscheint, hat ein Gegenstück beim Abschied gewöhnlicher homerischer Gäste. Diese werden vom Wirt gelegentlich mit einem Segen und einem Abschiedsgeschenk ent lassen, das ihre Freundschaft festigt. Analog stößt hier der unversöhnliche Polyphem eine Verwünschung aus, die er mit einem weiteren Steinwurf bekräftigt. In dense lben Rahmen läßt sich auch das viel di skutierte Opfer des Widders einordnen, das Odysseus nach der Landung auf der Ziegeninse l dem Zeus darbringt (Horn. Od. 9,55 1-553). Die Gabe entspricht einem ge legentlich anzutreffenden Opfer vor der Weiterreise eines Fremden. 91 Während sonst von einer zornigen Reaktion der Götter keine Rede ist, verschmäht Zeus hier in der Darstellung des Odysseus die Gabe und plant, alle SchifTe und Gefll.hrten zu vernichten. 88 Aristoteles Rhet. 1380 b 16 deutet die Nennung des Namens als Strafverscharfung rur Polyphem: opews mnolllTol ) ~6oeol 'Oövooi;o TTTOÄmOpeIOVI, WS ou TETII..IWPIlI..IEl/OCj:, ei
IJn Do6eTO KaI v~' Ö TOU Kai ave' ÖTOU.
89 In seiner Rede kon frontiert Polyphem das unscheinbare Auftreten des wahren Odysseus mit dem Bild, das er sich aufgrund der Prophezeiung von seinem konftigen Bezwinger gemacht hatte: Dieser, so hatte er angenommen, werde einen st3ulichen Körperbau und große Kräfte besitzen (Horn. Od . 9,513·516). Der Dichter stellt hier die Heldenideale von lIias und Odyssee in prägnanter Fonn nebeneinander, wobei das zweite den Vorzug erhält. S. dazu LANZA ( 1993) 13- 15. 90 S. REeCE (1993) 37-39. Dazu oben S. 118. 91 Horn. Od. 13,50-56 (Die Phäaken bringen Zeus eine Trankspende vor der Abreise des Odysseus); Horn. Od. 15, 147-150 (Menelaos bringt eine Trankspende vor der Abreise des Telemach); A.R. 2.531-533 (Schafopfer der Argonauten vor der Abfahrt vom Land des Phineus).
5. Exkuffi: Anligaslmllhler
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Der im Text nicht näher begründete Unwillen des Zeus ist als Folge eines von Odysseus begangenen Frevels gedeutet worden, weswegen ihm außer Poseidon, über dessen Zorn der Hörer bereits seit der Götterversammlung im ersten Buch (Horn. Od. 1,19-2 1 und bes. 68-79) unterrichtet ist, auch Zeus fe indlich gesonnen sei. Während e in Te il der Interpreten annimmt, daß das Vergehen des Odysseus in einem Bruch des Gastrechts li ege. als dessen Schützer l eus gilt,92 wertet FRI EDRI CH in Anlehnung an R EINHARDT die se lbstbewußte Behauptung des Odysseus, er habe Polyphem im Namen des Zeus und der anderen Götter rur se in ungastliches Verha lten gestraft, als Hybris, deretwegen Zeus das Opfer verschmähe.9J Läßt sich diese Ansicht, di e sich auch auf die Bewertung der Gastmahlszene auswirkt, durch den Tex t stützen? Eine Schlüsselrolle kommt den in diesem Zusammenhang oft ziti erten Worten des Zeus in der ersten Götterversammlung zu: Dort bezeichnet er den Zorn des Poseidon als Ursache rur die Irrfahrten des Odysseus und ste llt kl ar, daß er selbst und di e übri gen Götter dessen Grimm ni cht teilen (Horn . Od. 1,68-79):
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OAAO n O<JEtso:wv YOtTloxos OOKEAeS o iev KVKAWTTOS KExoAunOl, öv ixp9aAI-IOÜ OAO:WOEV a VTi9EOV n OAuqHlI-Iov
[... J n ooEISawv Se ~E9riOE I ÖV XOAOV· OU ~E V yo:p TI SvVriOETOl o VTia lTO:VTWV o 9av(lTwv a eK'lTI 9EWV EPISO IVEIJEV oTos. 92 S. z.B. NEWTON ( 1982) 139 : ).From the moment he selS foot inlo Po lyphemus' eave Odysseus bchaves in a manner that is far from pra isewol1hy. !-I e is the fi rs t 10 violale g uest hospils lily {... ]. He sets in defi anee ofthe Zcus-sanetio ned ritual.{( 93 FRIEDRICH ( 199 1) 26f.: »He rsc. Odysse us] aggrand izes his very perso nal triumph by elevsting his heroic lisis 10 a viclory o f Zeus' order. It mus! grcs tly irritale Zeus that such a claim should be made by a man w ho. by entcring the Cyclops' abodc in his absence r... ], was the fi rs t 10 violale thc very code he now boasts 10 have vind icated. Thc Odyssean hy bris springs from a turbid mixture of heroie ambilion and moral pretenlion.(( $ . REINIIAROT ( 1948) 85 : ).So gewiß Odysse us die Humanitäl vertri tt, so mischt sich doc h in die Urteilsvollstrcc kung etwas Menschliches, was vor der Gottheit nicht besteht: die Hybris. freilich in der fe insten Fonn : die Hybris a ls moralische Bcwußtheit.{( In d ie g leiche Richtu ng zieh IRMSCHER ( 1950) 57f. : »)Erst du rc h seine eigene Venncsscnheit ko mmt Odysseus zu Fall ; nur dadurch. daß er sich übcnn ütig vor Po lyphem zu erkennen gibt, versetzt er d iesen in die Möglichkeit. den Vater betend anzurufen . {... ] Der Gott frei lich kann ei ne solche A nmaßung {... ] nicht ungeahndet hinnehmen.((
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5. Exkurs: Antigastmllhler
Auf Athenes bekümmerte Frage, warum er Odysseus so sehr zürne (Horn. Od. 1,62), hatte Zeus zuvor mit ei ner rhetori schen Frage geantwortet: Wie könne er jemals Odysseus vergessen, der den Göttern mehr Opfer gebracht habe al s die übrigen Menschen?94 Sein Wohlwollen begründet er mit Odysseus' Opferbereitschaft, ohne Verdruß über sein Verhalten im Kyklopenland oder über die Schlachtung des Widders erkennen zu lassen. Der Text bietet daher keine Hinweise darauf, daß Zeus tatsächlich, wie Odysseus vemlUtet, das Opfer ablehne. Vielmehr ist das folgende Leid der Irrfahrten durch den Zorn Poseidons über di e Blendung seines Sohnes Pol yphem bedingt,95 dessen Rachestreben sich die übrigen Götter anfangs nicht widersetzen .% Der Fehl schluß des Odysseus ist jedoch nachvollziehbar, da es sich um die eingeschränkte Perspektive des Ich-Erzählers hande lt, der keinen Einblick in die olympische Sphäre besitzt, und daher )~die Einsicht, daß Zeus ihm ob seiner Hybris beim Polyphemabenteuer grollte, im Rückblick aus seinen leidvollen Erfahrungen gewinnen« konnte97 - zumal er sich unmittelbar nach der Flucht aus der Höhle und vor dem Beginn se iner Irrfahrten mit dem Opfer an Zeus gewandt hatte (Horn . Od. 9,55 1-553). Da sich in den aus der Perspektive des auktorialen Erzählers geschilderten Partien kein eindeutiger Hinweis darauf findet, daß Zeus wegen eines Bruchs des Gastrechts zürnt, dürfte Odysseus' unbefugtes Eindringen in die Höhle des Kyklopen mit den Maßstäben zu beurteilen sein, die wir bei ähnlichen Vorfallen in regulär endenden Gastmahl szenen festgestellt haben . Danach gehört es zwar zur Pnicht eines Gastes, sich zunächst auf der Tür94 Horn. Od. 1,65-67 : lTWS ÖV €lTELT' ' OSvon~ t yw 9EiolO Xa90illrtv / ös mpi lJEV vOev EOT\ ßPOTWV, mpi S' lpa 9EOLOLV / 6:BavoTOIOLV ~SWKE . 95 Ein Teil der Kommentatoren zeigt sich über die unversöhnliche Haltung Pose idons irritien, da Odysseus bei der Blendung Polyphems in Notwehr gchandelt und sich daher keines schweren Vergehens schuldig gemacht habe. Diese Ansicht entspricht rreilich nicht dem homerischen Menschen· und Götterbi ld : nDaß der Held den Unhold in Notwehr angegriITen hat, fällt bei der Zumessung der Strare nicht ins Gewicht (Prinzip der Erfolgshaf"tung). {... ] Verwirrung entsteht bei der Interpretation \ ... J, wenn man [ ... ) dem Handelnden Eigenverantwonung () responsibility() zuschreibt. Man stallet dann n1imlich das homerische Epos mit modemen Menschen aus, die zu seinen Voraussetzungen nicht passen, vor allem mit seinen Göllern nichts anzufangen wissen.« ERBSE (1986) 240f. 96 Sogar Athene. die treuste Verbündete des Odysseus, gesteht ihrem Liebling nach seiner Ankunft au r hhaka : EVt 6vI-lY / JjSE ' Ö VOOTI}CE1S r... ] 6:X).O; TOI oUK e9i X'loa TIOOElMWVL uaxm6a l / 1TaTpoKa clyv"T~, ÖS TOI KOTOV €V9ETO 6vlJ~, / Xc...>OlJEV~ ÖTt oi viov cpiXov E~ aXawoa s (Horn. Od. 13.339-343). Auch hier ist keine Rede davon, daß außer der Blendung des Kyklopen auch ein Bruch des Gastrechts die Haltung der Götter zu Odysseus bceinflußt hätte. 97 SUERBA UM ( 1968) 157.
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S. Exkurs: Anligaslmßhlcr
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schwe lle aufzuhalten, bis er hereingebeten wird, doch besitzen wir mit dem Besuch des Priamos bei AchiJl und der Ankunft des Odysseus bei den Phäaken zwei Beispiele, in denen der Gast aufgru nd äußerer Umstände den Raum ohne Einwi lli gung des Hausherm betritt: Der im feindlichen Lager be findli che Priamos überrascht seinen Gegner, und Odysseus befindet sich in ei ner Wolke, die ihn unsichtbar macht. In beiden Fällen gleichen die Ankömmlinge den Mangel an Respekt gleich beim Zusammentreffen mit dem Gastgeber durch eine Hikesie aus, wie sie ein Gast, der auf der Türschwelle wartet, niemals ausfüh rt. (Über die Hikesie [supplica/io] a ls Ersatz fllr die Begrüßung [Element V] bzw. ge legentlich auch das Warten auf der Türschwe lle [Element 11] s.o. S. 25.). Eine vergleichbare Bittrede richtet auch Odysseus an den heimkehrenden Kyklopen , soba ld er sich von se inem Schreck über dessen furchterregendes Äußeres erholt hat, Horn. Od. 9,26627 1, bes. 266-269: til-lEIS 0' aihE KIxaVOI-IEVOI Tel: 00: youva / iKoI-IEB', Ei TI n opolS ~EIVr)rov nE Kai äAAws / OOIT)S EiWTIVT)V, Tl TE ~EIVWV BEI-IIS EOTIV. / aAl..' aioElo, npous OOE XEiOETOt. Das Sitzen auf der TOrschwelle findet sich außerhalb einer Gastmahlszene auch bei der Rückkehr des Odysseus zum Palast des Aiolos. nachdem seine Gefllhrten versehentlich den Sack mit den Winden geOlTnet haben (Horn. Od. 10,60-63). Don handelt es sich um eine Bittgeste. nicht etwa um einen dauemaOen Aufenthalt auf der Schwelle. 116 S. z. B. Horn. Od. 18.310f. (Mägde des Odysseus kümmeOl sich unaufgeforden um die Fackeln im Megaron. doch werden sie, anders als die Tischsklaven in regu lären Gastmahlszenen. mit eigenen Geruhlsregungen dargestellt und erhalten im Fall der Melamho sogar eine Sprechrolle. Horn. Od. 18.320-339): Hom. Od. 19.60-64 (hauseigene Mägde räumen ab, wiederum läßt sich Melantho anschließend zu einer Schmährede hinreißen. die Tischsklaven in regulären Gastmahls-tenen niemals Jlußem. 1·lom. Od. 19.6569); 1·lom. Od. 20, l60f. (Diener der Freier spalten ~I olz); Horn. Od. 21.270-272 (KilpVkES gießen Wasser ober die Blinde. KOÜpot mllen die Weingefllße). Dagegen hält Euryk leia einmal die Mägde des Odysseus zur Arbeit an. da die Freier bald zum Mahl hereinkämen. Horn . Od. 20. 149- 156. 117 1·lom. Od . 20,253 -255 . Der Abschnitt wird von den AnalytikcOl ausgeschieden. EISENBERGER ( 1973) 278 spricht sich in Anlehnung an FOCKE ( 1943) 345 mit der Begründung rur die Echtheit aus. daß sich )~ie Hinen (... J als Dienende von Odysseus abhe-
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S. Exkurs: Antigastmlhler
die verkehrte Situation im Hause des Odysseus. in dem die Freier nach ihrem Gutdunken schalten und walten. Ihre Arroganz ze igt sich besonders im Vergleich mit Telemach: Hatte er anfangs auf den trcuen Eumaios zurückgegri rren~ um dem Bettler Odysseus Spe isen zukommen zu lassen, so bedient er ihn später sogar se lbst und verspricht ihm Schutz vor den Freiem ( Horn. Od. 20,257-267). EISENBERGER ( 1973) 278 betrachlet diese Geste als Signal, daß der >Bettler< nun in den Status eines Gastes aufgenommen sei. Sie geht jedoch noch über die gewöhnliche Gastfreundschaft hinaus und bildet einen ebenso singulären Gunsterweis wie das von Penelope offerierte Fußbad (dazu unten S. 444), 118 Schon hier zeigt sich d ie enge Bindung zwischen Odysseus, sei ner Frau und seinem Sohn , die das Band zwischen Gast und Gastgeber noch übertrifft. Während die aufwartenden Diener in der Vorgeschichte des Freiermords, ebenso wie in der Uberw iegenden Zah l regulärer Gastmähler, mehrfach dargestellt werden , fe hlen sie in den lateinischen Antigastmählem , obwohl es weder der Vater der Andromeda noch der Lapithenköni g Pirithous an Fürsorge fehlen lassen und die Ausstattung des Festsaals bei Cepheus durchaus Wohl stand verrät. ttll Auch in der Lcmnosszene, bei der sich das Gelage in verschiedenen Häusern zugleich abspie lt, wäre es ftir die Dichter, wenn sie die Diener hätten ei nfUhren wollen, ei n Leichtes gewe-
bentt sollen. Doch steht dagegen. daß auch Odysseus selbst einmal Kncchtsarbeit rur die Freier übernimmt, s. Horn . Od. 18,343-345. Vielmehr zeigt sich in dem Tischdienst. den die drei Viehhirten entgegen ihrem eigentlichen Zustandigkeitsbereich ausüben. das ordnungswidrige Regime der Freier. welche die Bediensteten des Odysseus unter Druck set7.cn. Da Eumaios und Philoitios unmittelbar zuvor gegenObcr dem >Bettler, ihre Sehnsucht nach Odysscus bekundet haben (1·lom. Od. 20,235-239). besteht keine Gefahr. daß ihr Dienst rur die Freier als Treuebruch gewertet werden könnte. 118 Im Zusammenhang mit regulären Gastmahlszenen erscheint sonst nur ein voll ständiges Bad, s. dazu oben S. l09f. 119 Ov. met. 4, 759-77 1. wo von den aurea atria des Königs sowie ihrer schö nen Ausstattung (pu/eher paratus) die Rede ist. Seinen Takt beweist Cepheus. indem er den Retter sciner Tochter nicht sofort, sondern erst nach dem Mahl Ober seine Abenteuer befragt. Auch Pirithous sorgt sich um seine Gäste. indem er ihnen sclbst die Plätze anweist: Hubigenas (... ) positis ex ordine mensis I arboribus tecto discumhere iu.sserat antro (Ov. met. 12,21If.). Die Feierlichkeiten finden hier zwar nicht in einem Palast, sondern in einer Waldhöhle staU, doch betont der Dichter, indern er die geregelte Sitzordnung hervorhebt. daß ein geordnetes Bankett angestrebt ist. Der Ort trllgt der rauhen Lebensweise von Gastgebern (die Lapithen gehen als thessalisches Bergvolk, das über seinen früheren König b:.ion mit den Kentauren verwandt ist) und Gästen (den in OV. met. 12.21 1 ausdrücklich alsferi bezeichneten Kentauren) Rechnung.
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5. Exkurs: Antigastmi hler
sen, ein wohlhabendes Haus beispielhaft herauszugreifen. Das Fehlen der Dienerschaft scheint daher nicht inhaltlich moti viert zu sein. Bisher haben wir in der ersten Phase der lateinischen Antigastmähler eine Tendenz zur Verknappung und Auslassung regulärer Elemente beobachtet. Dies ist möglich , wei l der mit dem typi schen Verlauf vertraute Leser die fehlenden Details leicht aus den Andeutungen ersch ließen kann , besonders wenn es sich, wie bei der »Dienerschaft«, um ein häufi ges Element handelt. Das der Szenentypik zuwiderlaufende Auftreten der Diener vor dem Freiermord, das sich wegen der besonderen Situation im Haus des Odysseus ni cht anhand des typi schen Verlaufs ergänzen läßt, wird dagegen eigens dargestellt. 12o Der Verolehr von Spe isen und Getränken nimmt in den Antigastmählem, ganz wie in regulären Banketten, sehr wenig Raum ei n. Die dargebotenen Gerichte werden in der nachhomeri sc hen Epik nur in Form von Sammelbegriffen wie dopes und epulae erwähnt und können gelegentlich ganz ausgelassen werden, wie in der Lapithen- und Kentaurenszene der Metamorphosen, wo nur di e fur die Gäste bereitgestellten Tische erscheinen (Ov. met. 12,211). Der Speisevorgang selbst, der schon in gewöhnlichen Mahlszenen nur angesprochen wird, wenn ihm e ine besondere Bedeutung zukommt, erscheint nirgends ausdrücklich . Die einzige Ausnahme bi ldet wiederum di e Heimkehr des Odysseus, wo sich der vermeintli che Bettler über Brot und Fleisch hermacht, die ihm Telemach hat bringen lassen. Seinen Anteil an den Speisen nimmt er parallel mit dem Gesang des Phemios ein,12I wodurch der improvisierte Charakter des Mahl s hervortritt; Der Bettler muß sich nicht nur mit der Türschwelle begnügen , sondern seinen Hunger zu einem Zeitpunkt stillen, da die ilbrigen Anwesenden bereits gespe ist und sich der musi kalischen Unterhaltung zugewandt haben. Auch hier handelt es sich um ein Erei gnis, das, da es nicht aus dem regul ären Gastmahl abgeleitet werden kann, vom Di chter eigens eingefUhrt werden muß. Auch darin zeigt sich die Sonderstellung der Heimkehr des Odysseus. 120 Zu den Details, die der Leser nicht aus regularen Szenen erschließen kann, gehört de r Einsatz eigener Diener durch die Freier. Horn. Od. 20,160 sowie die Tatsache, daß die Tischsklaven nicht a lle Anwesenden. sondern nur die Freier und ggf. die Hirten bedienen, 1.. 8 . Uom. Od. 17,334f. (Der Herold bedient zwar Eurnaios. nicht aber den gleich dara uf eintreffenden , Beuler< Odysscus); Horn. Od. 2 1,270-272 (Herolde und Jünglinge bedienen d ie Freier bei einer Trankspcnde). 12 1 Horn. Od . 17,356-359: oj,JrpoTi pl)OlV tSi~OTO Kai KOTi e.,ICEV / OWI TroSWV
npoTropOl8Ev, oeIKE),[rjS tTrI rn'lPrjS. / flOelE S·. ETos a OISbl) t vi / eW' 6 SESEITrVT'jICEIV. 6 S' tTravETo 6t:ios oOIS6s.
~.lEya pololv
lrEISEV.
00040Bewirtung( erneut bestätigt. 122 Anders als in regu lären Gastmahlszenen erweist hier jedoch nicht der Gastgeber, der in der Vorgeschichte des Freiemlords fehlt, m sondern der venneintliche Bettler Odysseus den Göttern die Ehre, nachdem ihm der Freier Amphinomos die Gele124 genheit dazu verschaffi hat. Oie Geste dient der Binnendifferenzierung unter den Freiem und deutet zugleich auf die endgültige Heimkehr des Odysseus voraus, der schon in der Tarnung als Bettler die regulären Aufgaben eines Hausherrn wieder zu übernehmen beginnt.125 Das Detail erflillt 122 Horn. Od. 18. 15 1: Der Freier Amphinomos trinkt dem ~ ßett le r( nach seinem Sieg Ober Iros zu. worauf ihm der verkleidete Odysse us in verhilllter Fonn seine Heimkehr ankOndigt. ehe er nach einer Trankspende dem Amphinomos den Becher zurückgibt. S. zu diesem Vorgang oben S. 162 Anm. 127. 123 Telemach reklamien zwar mehrfach die Stellung eines ~fIVOO6KQS rur sich ( Horn. Od. 18.64 : vgl. 21 .353. wo er d ie Macht im ~I aus beansprucht). kann diese RoHe aber angesichts der feindlichen Obert..ahl nicht ausruHen. So beschränkt er sich in Absprdche mit Odysseus (s. Horn . Od. 16.272-280) auf gelegentliche Emmhnungen der Freier. Sein Hauptgegenspicler ist Antinooos. der vom >Beulere Odysseus als kOnigsgleiche Gestalt angeredet wird. Horn . Od . 17.415f.: oll UEV UO\ oodELS 6 KOKIOTOIj: 'Axolwv I fUlJfVOI. oM' WPIOTQS. hn\ ßOO\AtiT fou6PlllYYI ' Ta yap T' ova9TillaTo San·os. 126 Die Schemelwürfe (Horn. Od. 17,462-465 und 18,394-398) werden durch Ktesippos OberbOlen, de r einen Kuhfuß schleuden (Horn . 0Bettlers
bolern ] seq/litllr Baccllique e more Iiqllorem I irrorar mensis II/rbo .
190 Vgl. die Erläulcrungen des Servius zu Vcrg. Acn. 3,624: m aspers3( {... ] id est inro rata.(( 191 Vgl. Ov. mct. 5, 120- 122 (der Getroffene stürzt wic ein Opfcrsticr zu Bodcn). vgl. auch oben (5. 454) die Zweckcntfrcmdung heil iger Gegenstände. 192 S. die Anrede du rch den Dichter, Ov. mct . 5, 111 r.: tu qlloque Lampetide (...] qui, pacis OPI/S, citharam cum ~'OCe mQ\'f! res. Dabei zeigt dcr später rolgcnde, nicht in gleicher Weise kritisierte Tod des (ebenralls unbetei ligten) Aphidas in der Lapithenschlachl (Ov. met. 12,316-326), daß nicht so sehr die Friedfertigkeit des Lampetides, als vielme hr seine Position als Sänger aus der Pers pektive des auktorialen Erzählers Schonung geboten hälto.
193 Ov. met. 5, 11 7r.: concidit et digitis morientibus ilIe retemprat I fila Iyrae, ClJSuqlle fuit miserabile carmen. Dasselbe Detail findct sich noch einmal bei Statius, der die Ermordung der nach einem Bankett betrunkenen thebanischen WAchter beschreibt, Sial. Theb. 10,308-3 10. 194 Horn. Od. 1, 155: ft TOL 6 q>Oplli~(.:)V OVE!3oXAETO KaAov OEiBELV - Horn. Od. 8,266. Apollonios beschreibt ebenfalls vorbereitende Handgriffe des zum Spiel ansetzenden Sängers, s. A.R. 1,494r.: ~ Av Bt KaI 'Opq>EUS / AaLij avacx6uevos KI6aplv TTEipa~Ev aOIBns. Vgl . auch d ie Erprobung des Instruments durch C hiron, den Lchnneister Achills, bei Statius, Ach. 1,186-188.
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d) Reduktion und Auslassung I) Reduktion der Beschreibung des Schauplatzes. Die Umgebung. die sonst zusammenhängend beschrieben wird, erscheint in der Kampfphase nur so weit, als sie für die Sch lacht von Belang ist. Die Reihenfolge dieser Anspielungen fo lgt, anders als in den regu lären Gastmahlszenen. keinem erkennbaren Ordnungsprinzip. Die Wände des Megarons, in dem die Freier tafeln , würden, da es sich um große Bauteile handelt, in einer regulären Raumbeschreibung zu Anfang erwähnt. In der Kampfdarstellung hingegen erscheinen sie erst, als die Freier nach dem Tod des Antinoos Schutz vor den Pfeilen des Odysseus suchen. ohne jedoch an den Wänden Schilde oder Lanzen zur Verteidigung finden zu können (Horn. Od. 22,22.25). Zu diesem Zeitpunkt hat der Di chter bereits im Zusammenhang mit der Ennordung des Antinoos kleinteilige Ausstattungsstücke erutähnt, die in einer zusammenhängenden Ekphrasis erst an zweiter Stelle zur Sprache kämen. Die einzelnen Erwähnungen ergeben sich al so aus der Funktion der Einze lteile rur den Kampf, z. B. wenn die Freier bei ihren Lanzenwürfen nicht Odysseus und seine Begleiter. sondern nur die Pfeiler, Türflügel und Wände tref· fen (vgl. z. B. Horn. Od. 22 ,255-259). Dasselbe gilt Hir die lateinischen Antigastmähler. Daß der Hochzeitssaal des Perseus und der Andromeda von Pfeilern getragen wird, erfährt der Leser nur, we il die Säulen als Rückendeckung fur den sc hwer bedrängten Perseus dienen (Ov. met. 5, 160·162). Ähn lich wie in der Odyssee die Lan zen der Freier an den Wänden abprallen , so wird auch hier ein fehlgegangen er Schwerthieb des Gegners von einer Säule aufgefangen, wobei die WatTe zerspringt. Doch während die Freier durch ihre vergeblichen Würfe nur die Lanzen verl ieren, bohrt sich hie r - eine bizarre Steigerung - die abgesprengte Sc hwertklinge in den Hals des eigenen Besi tzers, so daß di eser von Perseus leicht niedergestreckt werden kann (Ov. met. 5, 169- 176). Keine Ro lle spielen Hauswände und größere Gebäudeteile in der Lapithen· und Kentaurenschlacht: Bei dem von Ovid geschilderten Ambiente handelt es sich, wie der Dichter g le ich zu Beginn der Szene hervorhebt, nicht um einen geschlossenen Raum, sondern um eine Graue, die sich, wie auch die folge nde Schlachlbeschreibung zeigt, in waldigem und unebenem Gelände befindet. '95 Der an die Stelle des Hauses tretende Wald wiederum findet nach den in den Antigastmäh lem herrschenden Regeln nur so weit Erwähnung, als er rur die unm ittelbaren Kampfhandlungen Bedeutung besitzt: Er 195 Ov. met. 12,2 12: ArboribllJ recro diSC'lmbere i llsseror OllfTO.
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liefert Stämme und Aste, die seit Hes iod zu den Waffen der Kentauren zählen. l96 Als Konsequenz steht nicht der Wald als Ganzes im Vordergrund, sondern nur einze lne seiner Bestandteile, die die Kontrahenten beim Kampf verwenden. 197 Diese pauschale, vor allem in den römi schen Antigastmäh lern häufige Darstellungsform hindert den Leser daran, eine - und sei es noch so unvollkommene - Vorstellung von den räum lichen Gegebenheiten zu gewinnen. Während der Odysseedichter im Kyklopenabenteuer wie in den regulären Gastmah lsze nen durch den klaren Aufbau der Ekphrasis ein überschaubares Umfeld suggeriert (Horn. Od. 9,2 19-223) und selbst in der Freiennordszene durch Angaben tiber Lage und Größe von Türen, Treppen und Kammern den Eindruck erweckt, der Ort des Geschehens sei unschwer zu überblikken ,'98 sprechen die lateinischen Epiker nur allgeme in von regalia atria (Ov. met. 5,2f.), acumen mon/is (Ov. met. 12,337), monte (Ov. met. 12,341 ), solido dumo (Ov, met. 12,356), domos (Val. F1ac, 2,236), so daß der Leser keine Orientierung gewinnt. Tatsächlich finden die Kampfhandlungen in allen nachhomerischen Antigastmäh lern entweder unkoordiniert statt oder ereignen sich sogar gleichzeiti g an verschiedenen Schauplätzen,' 99 so daß sich eine zusammenhängende Beschreibung der Räumli chkeiten von se lbst verbietet. Oie verwirrende Anordnung der Elemente verdeutlicht die unübersichtli che Lage auf dem Schlachtfeld. Kleinere Gebäudeteile, wie sie in regulären Ekphraseis geschildert werden, kommen nur in der Kampfphase der Perseusszene vor, wo zwei Kämpfer Türpfosten aus t% S. Hes. scut. 184-188: KEVTOUPOL S' hepw6ev EvavTloL l']yepEeovTO
1. .. 1
Opy1.iPEOL, XPUOEOS E)..OTOS EV Xepo\v lXOVTES. 197 S. z. B. den Versuch des Kentauren Petraeus, eine Eiche aus dem Boden zu reißen (Ov. met. 12,327-329) sowie den AngriffaufCaeneus (Ov. met. 12,5 11 -5 13). Vgl. zur Reduktion der Umgebung auf Einzelteile FUltRMANN ( 1968) 42: »Der Raum, der vom Dichter mit absichtsvoller Ungenauigkeit als eine von Bäumen geschützte Höhle bezeichnet wird (v. 212), fungiert als bloße Dekoration, als Requi sitenkammer filr ungewöhnliche Waffen, fur Mischkrug, Kandelaber, Tischbein, Altar oder Schwelle.(( 198 Horn. Od. 22, 126-1 28; 22, 139- 143. 199 Weder die Gefährten des Phineus, noch die Lapithen und Kemauren lassen eine koordinierte Strategie erkennen, vielmehr kämpft jeder rur sich allein. Zu der erstmals von Ovid stringent praktizierten Technik der AuOösung einer Szene in >EinzeibildeT( , die später u.a. in der Pharsal ia Lukans und den Tragödien Senecas bedeutsam wird, s. FUHRMANN (1968) 42. An verschiedenen Orten fi ndet der Männermord der lemnischen Frauen stall, Stal. Theb. 5, I 86f.: domibliS Jus; er nemomm per opaco socromm I diriblls indlligenr eplIlis.
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der Verankerung reißen oder zu reißen versuchen, um sie als Schlagwaffe zu verwenden (Ov. met. 5, 120f. und 123f.). Während Lycormas Erfolg hat und seinen Gegner mit einem Hieb niederstrecken kann, wird Pelates, der seinem Beispiel folgen will , von einem Speer getroffen und an das Holz geheftet (Ov. met. 5,124f.). Wie schon bei den großen Bauteilen liegt der Nachdruck hier nicht auf der qualitätvollen Verarbeitung der Pfosten, sondern auf ihrer Funktion für den Kampf, in dem sie als Waffe dienen .2OO Zur räumlichen Ausstattung gehören in mehreren regulären Gastmahlszenen von Göttern verfertigte Kunstwerke, wie sie am Hof der Phäaken (Horn. Od. 7,91-94) und im Palast des Aietes (A. R. 3,221-229)201 zu finden sind. Eine singuläre Variante dieses Details verwendet Ovid in der Perseusszene: Die Besucher bestaunen hier keine Skulpturen, sondern werden beim Anblick des Gorgonenhaupts selbst zu Standbildern aus Marmor.202 Die Gleichsetzung mit wirklichen Skulpturen zeigt sich in der Ankündigung des Perseus, seinen versteinerten Ri valen im Haus des Schwiegervaters aufstellen zu wollen, damit sich seine Ehefrau mit dem Anblick trösten 203 könne. Während die von Göttern verfertigten Kunstwerke die enge Beziehung des Eigentümers zu den Himmli schen verdeutlichen ,204 verweist die Verwandlung der Kontrahenten in Stein nicht nur auf den göttlichen Schutz, unter dem Perseus steht , sondern auch auf seine eigene Kampfkraft, mit der er die Gorgo besiegen und schließlich auch die Angreifer ausschalten konnte. Zu dem in regulären Szenen stets präsenten Bezug zu überirdischen Mächten tritt hier die Leistungsfähigkeit des einzelnen, der sich mit selbsterworbenen Waffen den Sieg über seine Feinde erringt ?05 200 Vgl. derngegenUber die ausfuhrli che Beschreibung der prunkvollen Tür, die den
Festsaal der KleopaLra z iert, Luean. 10, I 19-121. 201 Es handel! sich um von Hephaist angelegte wundersame Quellen . Der Standort der von ihm geschmiedeten feuerschnaubcnden Stiere (A.R. 3.230-234) ist umstritten. dazu MANAKIOOU ( 1993) 160. 202 Ov. met. 5,208f.: bis celflllm reSlabanl corpora pllgnae, I Gorgolle bis centlllll rigllenml corpora visa. Zu de n einzelnen Verwandlungen s. Ov. met. 5, 183 (Thescelus), 186 (Ampy x), 193f. (N ileus), 199 ( Eryx), 202 (Aconteus. ein Gefähne des Perseus, der versehentl ich verwandelt wird), 205 f. (Astyages), 214 (Zusammenfassung: die Verbündeten des Phineus sind sämtlich zu Marmor erstam). 203 Ov. met. 5,226-229: 1111110 I,jolabereferro: I quin etiam mallsura dabo mOllimenta per aeVllm, I illqlle domo socer; semper spectabere lIos fri. I m mea se spol/si solefllr ima-
gille cOllilillr.
204 S. die ehernen Stiere im Palast des Aietes, die von Hephaist aus Dankbarkeit gegenüber dessen Vater, dem Sonnengott Helios, gefertigt wurden, welcher ihn nach der Schlacht von Phlegma auf seinen Wagen genommen halle (A.R. 3,233f.). 205 S. d ie auf seinen siegreichen Kampf gegen die Gorgo verweisende Ankündigung
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2) Auslassung der Dienerschaft. Während der beim Mahl auftretende Sänger, ebenso wie Gastgeber und Gast, in der Kampfphase der Antigaslmähl er wen igstens in Abwandlun gen erscheinen, sind die bei Tisch aufwartenden Diene r weder als akti ve Tei lnehmer, noch als Hel fer oder Augenzeugen der Schl acht vertreten.206 Die Beobac htung bestäti gt indirekt das flir regul äre Bewirtungsszenen gewonnene Ergebnis, wonach diese Diener keinen eigenständigen Charakter besitzen, sondern nur Rang und Wesen des Gastgebers hervorheben. Ihre untergeordnete Roll e fO rdert di e epische Konzentration auf die Hauptpersonen: In regul ären Gastmahlszenen erscheinen nur wenige Protagoni sten mit Namen, Beschreibung und Sprechrolle, während die übrigen Anwesenden summari sch erwähnt werden. Diese Beschränkung, die sich auch in der Bankeuphase der Antigastmähl er beobachten läßt, wird während der Schl acht aufgehoben: Nun erscheinen zahlreiche Beteiligte namentlich und mit Angabe ihrer Aktivität, j a gelegentl ich sogar mit einer kurzen Charakteri sierung oder Wertung ihrer Persönl ichkeit. Die große Zahl der Figuren, die zusammen mit der ungeordneten Raumbeschreibung das Getümmel der Schlacht andeutet, fUhrt dazu, daß Gast und Gastgeber ihre Vorrangstellung als Protagoni ste n einbüßen. Sie ersc heinen als Kämpfer unter vielen und werden nicht durch ihnen zugeordnete Diener hervorgehoben . Wenn sozial niedri ggestellte Indiv iduen beteil igt sind, so sind es keine Tischsklaven, j a, ihr Rang wird überhaupt nicht betont. Vi elmehr gelten sie als se lbständige Kämpfer, die sich durch persönl iche Tapferkei t a uszeichnen.207 Di e me hrfach beobachtete Tendenz des Perseus: allxilium [... ] ab haste petam (Gv. met . 5.178f.). mit der er das Medusenhaupt hervorhol!. Vgl. dagegen die u.a. in der Ilias und der Aeneis überlieferte Vorstellung einer von den Göllern verliehenen RQstung. welche große Kämpfer wie Achill und Aeneas vor der entscheidenden Sehlacht erhalten (Horn. 11. 19,3- 13; Verg. Aen. 8.6086 16). Obwohl an ihrer persönl iche n Tapferkeit kei n Zweifel besteh!. sind es doch die Götter. die eigenhändig rur ihre Schützlinge Panei ergrei fen. 206 Eumaios und Philoi tios, die in der Odyssee an der Seite ihres Herrn kämpfen, gehören ebenso wie der rur die Freier arbeitende Melamhios nicht zu den gewöhnlich bei Tisch aufwanenden Dienem . Alle drei sind zudem schon vor der Schlacht als eigenStändige Persönlichkeilen vorgestellt worden (s. die Bewinung des Odysscus bei Eumaios, seine Beschimpfung durch Melanthios. Horn. Od. 17,212-235. die Begegnung mit dem Rinderhinen, Horn. Od. 20. 185-240 und die Wiedererkennung mit Eumaios und Philoilios, Horn. Od. 2 1, 193 -225, bei der Odysseus ihnen verspricht, daß er sie nach e inem Sieg über die Fre ier nicht mehr a ls Diener, sondern als Brüder des Telemach betrachten werde, Horn. Od. 2 1,2 16). 207 S. Eumaios und den Rinderhin en Philoitios, die eigenhändig den Melanthios überwinden. Hom. Od. 22 .178- 193 und ihre Erfolge in der Konfrontation mit den Freiem, z.B. Horn. Od . 22.267-268.
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zur Individualisierung zeigt sich also ni cht nur in der Umgestaltung, sondern auch in der Eliminierung regulärer Elemente. Die Verzerrung von Elementen einer regulären Gastmahlszene wird von den Teilnehmern während des Kampfes nicht als solche wahrgenommen. Zwar kommentieren sowoh l die Freier in der Odyssee als auch der von Phineus bedrohte Cepheus und der gegen die Kentauren kämpfende Theseus in den Metamorphosen Ovids das Auftreten des Feindes, doch werfen sie ihm nur allgemein seine Agressivität, nicht aber spezie ll den Mißbrauch des Gastmahls vor.208 Ähnliches gilt ftlr die Kampfhandlungen selbst: Die Ermordung des Lamperides bzw. des Aphidas begleiten die Täter mit dem höhnischen Ausruf, er möge »den Rest (des Liedes) den stygischen Manen si ngen(( (Ov. met. 5, 1 1Sr.) bzw. er »werde den Wein zusammen mit der Styx trinken .« (Ov. met. 12,322). Die Pointe li egt in dem plötzlichen Abbruch des Mahles und dem nahtlosen Übergang von der Welt der Lebenden in die Welt der Toten, nicht aber in einer Verzerrung typi scher Elemente des Gastmahls, wie sie während des Kampfes auftritt. Die Zweckentfremdung von Gegenständen im Kampf wird zwar von den Beteiligten ge legentlich angesprochen, aber nur als Abwandlung einer regu lären Schlacht gedeutet, ohne daß die darin li egende Perversion des Gastmah ls zur Sprache käme. Dies gilt sowoh l für den Freier, der seine Gefährten auffordert, die Tische »a ls Schi lde«, d.h. als Ersatz rur eine reguläre Waffe zu benutzen, als auch rur den Kentauren , der beim Anblick des steinernen Altars ausruft: Cur non utimur istis? (d.h.: )warum benutzen wir nichl diesen ungewöhnlichen Gegenstand anstelle einer regulären WatTe?Bewirtungsphase
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denen das Nachtlager zwar nicht ausflillt, sei ne Funktion als Zäsur aber dadurch überdeckt wird, daß entweder nur ein Teil der Personen schläft, während die anderen in unruhiger Erwartung verharren (Das gilt fUr Dido, die im Gegensatz zu Aeneas vom Liebeskummer am Schlaf gehindert wird, Verg. Aen. 3,7 18 - 4,5 sowie fUr Thetis, die zu Chiron gekommen war, um Achill in e in sichereres Versteck zu bringen und nun vor Sorge keine Ruhe findet, während Achill und der Kentaur tief schlafen, Stat. Ach. 1, 195-200. S. auch Odysseus im ersten Buch der Achilleis, dem bei seinem Besuch auf Skyros die Nacht lang wird, Stal. Ach. 1,816-818), oder daß die Schlafenden durch Traumgesichte Anweisungen erhalten, die sie nach dem Erwachen unverzügl ich ausfuhren (S. die Traumerscheinung der Dido vor Anna, Sil. 8,164-186 und den Traum Jasons beim Abschiedsmahl der Argonauten, dem die Schutzgottheit der Argo, der sprechende dodoni sche Balken, ersC heint, Val. Flac. 1,300-3 10). Ein ähnliches Verfahren find et sich bei Homer nur einmal am Ende einer Gastmahlszene, s. o. S. 104. Trotz dieser Veränderung einze lner Elemente bleibt die Struktur der Gastmahl szene jedoch in allen Epochen gewahrt. Besonders aufschlußreich si nd dafUr die Szenen, in denen die Dichter von der Nonn eines wohlhabenden Wirts abweichen, indem sie einen in bescheidenen Verhältnissen lebenden, einen hilflosen oder einen unbestimmten Gastgeber einfUhren. Auch diese Szenen, bei denen die fonnvollendete Aufnahme eines Fremden durch die äußeren Bedingungen erschwert, wenn nicht unmög lich gemacht wird, sind so geslaltet, daß sie den Leser zum Vergleich mit dem aus den Epen der Vorgänger bekannten Verlauf auffordern, fUr den di e Dichter beim Leser offenbar ein Bewußtsein voraussetzen. So werden z.B. in der Eumaiosszene die Handlungen, die sonst cin wohlhabender Gastgebe r verrichtet, auf das Milieu eines Hirten übertragen , der dem Gast keinen Stuhl , sondern e in Fell als Si tzp latz anbietet, und der die Mahlvorbereitungen zum Teil se lbst übernimmt. Die Beschre ibung durch kurze, beigeordnete Kola ist jedoch so gehalten, daß sie die nonnale Darstellung eine r umfangreichen Dienerschaft ank lingen läßt, die bei der Bewirtung vie lfiiltige, ebenfalls in kurzen Sätzen wiedergegebene Arbeiten ausfUhrt (5. o. S. 228).
auf die Erdlh lung zur Haupthandlung zurückkehrt); Theoklyrnenos bei Telemac h, Horn. Od . 17. 166- 169 (Wechsel vom Inneren des Hauses in den Ho f, wo die Freier sich vergnügen. Hier wird das Mahl außerdem nicht bis zum Abend fortgefllhrt) .
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Während des Aufenthalts der Argonauten bei Phineus wiederum ist die Rolle des Wirts im ersten Teil der Szene auf die ankommenden Helden übertragen, die den geschwächten Seher pflegen. Die Reihenfolge der ein· zeinen Schritte folgt dabei dem typischen Schema, wobei einige wenige Details (vgl. die anfängliche Zurückhaltung, die die Boreaden bei der Bitte des Phineus zeigen) darauf hinweisen , daß die Argonauten zwar die Tätigkeiten eines Gastgebers übernehmen, dabei aber trotzdem landfremde Rei· sende bleiben (s. o. S. 296f.). Darauf verweist auch der Schmaus kurz vor der Abreise, bei dem der wiedererstarkte Phineus, soweit es seine Blindheit erlaubt, die flihrende Rolle einnimmt. Ganz ohne einen näher definierten Gastgeber verläuft die Bewirtung des Hannibal in Capua. Auch hier finden sich fast alle Strukturelemente in der üblichen Reihenfolge, doch sind sie dahingehend abgewandelt, daß die ein· zeinen Handlungen, die sonst der Wirt ausführt, mit unbestimmten Verb· formen oder ei nem unbestimmten Passiv ausgedrückt werden. An die Stelle der sonst übli chen Gespräche zwischen Wirt und Bewirtetem tritt hier die geheime Unterredung zweier Nebenfiguren (des Pacuvius und seines Sohnes), die abseits vom Gastmahl stattfindet, aber schließlich wieder in das Fest einmündet (s. S. 377f.). Durch die Art der Präsentation erscheint Han· nibal in dieser Szene als beherrschende Gestalt, ohne daß die Bindung an die Vorbilder und damit die Gattungstradition deshalb verlorenginge. Das Bewußtsein der Dichter für die lange Tradition epischer Gastmahlschilderungen und die Kunstfertigkeit, mit der sie sich diese zunutze machen, tritt auch in einer Vielzahl von Anspielungstechniken hervor, die das Publikum auf ein bestimmtes literarisches Vorbild verweisen. In den Mahlszenen lassen sich grob drei Möglichkeiten unterscheiden : 1) Sprachliche Anspielungen Gastmahlszenen aller Epochen enthalten Worte oder Wortgruppen, die in gleicher oder ähnlicher Form, zuweilen sogar an derselben Stelle im Hexa· meter, auch in mindestens einer anderen Gastmahlszene auftreten. Die Aus· sagekraft dieser wiederholten Wendungen ist jedoch im Einzelfall recht unterschied! ich. In den von der mündlichen Vortragstechnik geprägten homeri schen Dichtungen werden die mei sten Fonnelverse oder Versteile in mehr als zwei Szenen verwendet. Dadurch gewinnt die Gruppe der homeri schen
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Gastmahlszenen einerseits eine größere sprachl iche Geschlossenheit als entsprechende Mähler in späteren Epen, andererseits läßt sich jedoch auf rein sprachlicher Ebene nur schwer eine werkimmanente Anspielung auf eine andere Szene nachwei sen. Meist sind zusätzli ch inhaltli che Parallelen erforderlich, um den Bezug deutlich zu machen, z. B. wenn Telemach und Odysseus in einer sonst ni cht ersche inenden Geste den Mantel über den Kopf ziehen, um ihre Tränen vor den Gastgebern Menelaos und Alkinoos zu verbergen (s, oben S. 11 8 mit Anm. 15),9 Anders verhält es sich in der hellenistisch-römi schen Epik, di e die Formeltechnik Homers nicht ungebrochen fortführt. Apollon ios übern immt in den Gastmahlszenen der Argonautika keine vollständigen homerischen Verse, ahmt aber die in lIias und Odyssee erscheinenden feststehenden Wendungen mit eigenen Worten nach, so daß e inige der be i Homer vorgebildeten Ei nschnitte im Ablauf der Gastmahl szene auch im sprachlichen Ausdruck erkennbar bleiben. 1o Als Anspielungen auf eine bestimmte homerische Szene reichen auch solche Imitationen allein nicht aus, weil die zugrundeliegenden homeri schen Formel verse wegen ihrer häufigen Verwendung in lIias und Odyssee nur schwer einem konkreten Kontext zugeordnet werden können. Sprachliche Anspielungen auf eine einze lne lIi as- oder OdysseesteIle werden daher vor allem durch se lten gebrauchte Wörter hergestellt und mit anderen Formen der Anspiel ung kombiniert, so z,B. durch das Adverb a pnoAEW$, das im Phineusabenteuer der Argonautika vom gierigen Speisen des erlösten Sehers gesagt wird (A.R. 2,306) und an derselben Stell e im Hexameter erscheint wie in der Eumaiosszene, wo Odysseus ebenso begieri g das Fleisch verLehrt. welches Eumaios ihm vorsetzt (Horn . Od. 14, 11 0), s. dazu S. 308f. Zwischen beiden Szenen bestehen auch inhaltliche Parall elen: beide Ma le wi rd ei n notl eidener Gre is, dessen Alter 9 Hom, Od, 4, 113- 116 und Ho rn. Od. 8,83-86. Be i den Erzählungen des Nestor über Odysseus reagiert Telemach dagegen nicht mit Tränen, sondern wünscht sich die erforde rliche Stärke, um d ie Freier bestra fen zu können (Ho rn, Od. 3.202-209). Ebenso verfä llt Odysseus bei den Er/.1ihl ungen des Eu ma ios über seinen verschwundenen Herrn und das maßlose T reiben der Freier nicht in Rühru ng, sonde rn sinnt auf den Untergang de r Freier (Horn, Od. 14 ,80- 110), 10 Vgl. z. B. Horn. Od. 1, 103 : oTii S' ' 16' lIen ':) EU\ SrUlc,l h ,t TTpo9VpOIC ' 'OSuci'iO':) und A.R. 3 ,215 : °Ec Tau S'EU TfPOIJOAJ)CI, TEe., TTOTE,:) epKE' auaKTO':) (An ku nft des Gastes); Horn. 11. 2,430f. : Almip Em t TTa uco vTO TTOVOU TETVKOUTO TE Sa iTa . I SaivuvT' und A.R. 2,304f.: Almi p EllEt Ileya OOpTTOV EU\ IJEyapolclv lSevTO / Saivvue' t~O IJE UOI (Ende de r Mahl vorbereilungen); Horn. 11. 2,432 : oliTop ellE' n60IO':) Kat eS.,TVO':) EI; lpou eUTo und A,R. 2,30 7: °EvOo S', EllE! oopnOlo Kop ~ccallT ' riSE n OTiiTo,:) (Ende des eigentlichen Mah ls), Vg1. o ben S. 297 mit Anm. 177.
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ihm ausdriicklich von den Göttern verliehen wurde, von Helfern freund li ch bewirtet; hinter beiden verbirgt sich eine ehemals mächtige Persönlichkeit, und beide sind durch äußere Umstände (die Attacke der Hunde des Eumaios bzw. die körperliche Schwäche des Phineus) gezwungen , sich auf der Schwelle niederzukauern und auf fremde Hilfe zu warten. In der lateinischen Epik sind wört lichen Anspie lungen auf Homer und Apollonios schon durch die unterschiedliche Sprache Grenzen gesetzt. Trotzdem lassen sich auch hier ge legentlich sprachliche Parallelen nachweisen, z. B. wenn Vergil beim Gastmah l der Dido in An lehnung an das homerische KPTlTi'lpaS ElTEOTE\jJavTo TTOTOio (Horn. Od. 1, 148 u.ö.) die Wendung crateras magnos statuunt et vina coronant gebraucht (s. oben S. 159f.). Besonders häufig finden sich in hellenistischen und lateinischen Szenen Nachahmungen des homerischen Formelverses a\JTap brEI nomoS Kai ES.,-ruOS E~ EpOV EVTO, bei dem die temporale Konjunktion durch verschiedene Äquivalente wiedergegeben wird, ohne daß sich eine Version allgemein durchsetzt (s. oben S. 84f.). Zahlreicher sind sprachliche Anklänge zwischen zwei oder mehreren lateinischsprachigen Szenen. Da die römi sche Epik eine Formeltechnik im homeri schen Sinn nicht kennt, können hier fast alle sprachlichen Anspielungen auf ein bestimmtes Vorbild zurückgefUhrt werden. Meist handelt es sich, der beherrschenden Rolle der Aenei s gemäß, um das Gastmah l bei Oi11 do oder die Bewirtung durch Euander. 2) Inhaltliche Anspielungen Inhaltliche Anspielungen stellen Bezüge zwischen einzelnen Szenen her, ohne daß dabei gleiche oder ähnliche Formu li erungen verwendet werden müssen. Obwohl sie von der verwendeten Sprache unabhängig sind und e ine Anspie lung auf Homer fUr römi sche Epiker daher ebenso leicht möglich wäre wie auf einen lateinischsprachigen Vorgänger, lassen sich direkte Entlehnungen aus !lias oder Odyssee in den römischen Gastmahlszenen nur 11 Vgl. z.B. Sil . 11.259-261: Ex;n viClor ovallS sedalO peclOre landem / speCial/dis /Irbis feClil' lemplisque serenos / /aelus circumJert ocu/os el s ingu/a discil und Verg. Acn. 8.306f.: Exim se cuncl; [.. .] ad urbem (...J reJenml und 8,310-3 12: mir(l/ur Jaci/isque
oclllos Jerl omnia circum I Aeneas. capilUrque locis el s;ngu/a laelus I exquiritque audilque I'imm monimenia priontm; Si l. 11 .279f. Eripillnt jlammae "oelem, slrepifuqlle movenlilm I murmllral a/la domlls und Vcrg. Acn. 1,725f. : jil s lrepilus lecfis vocemque per ampla va/Ulanf / atria und Verg. Acn. 1.727: " oclemJlammis fimalia v;ncunt; Stat. Theb. 1.516f.: varia stl"ep;1 icla IlImll/11i / regia und Verg. Acn. 1,725f. jil slrepiflls leclis I'ocemque per ampla volulant l alria.
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se lten nachweisen. Die mei sten Bezüge auf die homerischen Epen finden sich in der Aeneis, während in den flavischen Szenen nur bei Statius direkte 12 An spielungen erkennbar sind . In den meisten Fällen scheinen übereinstimmende Details zwischen homeri scher und flavi scher Epik über Vergil verm ittelt zu sein. Einen besonderen Fall stellen die Argonautica des Valerius Flaccus dar, deren Primärquelle das Argonautenepos des Apollonios bildet. Inhaltliche Bezüge sind hier durch den identischen Stoff gegeben (heide schildern die Fahrt der Argonauten nach Kolchis und ihre Heimkehr in Begleitung Medeas) , während die von Valerius gewählten Formulierungen nicht selten auf Vergil verweisen. 13 In den berücksichtigten Szenen lassen sich zwei Formen von inhaltlichen An spielungen unterscheiden : a) Übernahme eines Details. Der Dichter greift eine Einzelheit aus einem früheren Epos auf, ohne sie grundlegend abzuwandeln. Wenn es sich um ein seltenes Detail handelt, kann dieses allein als Verweis auf ein Vorbild dienen; 14 erscheint es dagegen häufiger in Mahlbeschreibungen, so muß es mit anderen Anspielungen kombiniert werden, um als Bezugnahme auf einen bestimmten Vorläufer erkennbar zu sei n.'s 12 Vgl. z. B. das in der hellenistischen und lateinischen Epik seilene Aufstellen der Tische beim Gastmahl des Adrast (Sta\. Theb. 1,519: pars [sc. minislror1Jml lerelis levare ' 1/{I11/l ae disponere memas), das wohl den homerischen Bewir1ungen nachgebildet ist, vg1. z. B. Hom. Od. 1, 138: rrapa öe ~EOTTiv tTavvooe Tpane~av . 13 Vgl. z.B. Val. Flae. 1,295 : conticuere lor;s und Verg. Acn. 2.1: cOnlicllere oml/es (jeweils am Versanfang); Val. FIne. 2,346: iam medio Aesonides. iam se reg;"a locavil und Verg. Acn. 1,697r.: aulaeis ia", se reg;" a superbis I allrea composllil sponda mediamqu€ locm';/: Val. Flae. 2,347: posl al;i proceres und Verg. Aen. 1,740: POS I alii proceres (jeweils firn Versanfang). \4 VgJ. das Gastmahl bei Adrast, wo die Vorbereitung der Lampen durch die Diener mit den Worten le"dun! oural;s vineula lychnis (Sial. Theb. 1,521) beschrieben wird. Obwoh l die Beleuchtung des Festsaals auch sonst in epischen GastmahlS7..enen erscheint (s. z.B. Horn. Qd. 7, 100-102; Si l. 11 ,279), spricht außer Statius nur Vergil einmal (beim Mahl von Dido und Aeneas) konkret von Iychni (Verg. Aen . \ ,726: depende", Iychni ltlqueariblls aureis). Die Erwähnung der Iych"i beim Gastmahl des Adrast verweist den Leser somit auf das Bankett in Karthago. 15 S. z. B. das Festmahl der Lemnierinnen, wo purpurbedcckte Speise liegen bereitstehen (Val. Flac. 2,342 : Tyrio vibral ' OniS igneus oSlro). Ähnliche Stoffe werden in zah lreichen Gastmahlszenen erwähnt, s. z. B. Verg. Acn. 1,700 (Aencas bei Dido); Lucan . 10, 123-1 26 (Caesar bei Kleopatra); Sil. 11 , 273 (Hannibal in Capua); Stat. Theb. 1,517 (Tydeus und Polyneikes bei Adrasl). Erst die Kombination mit anderen Anspielungen zeigt, daß das Festmahl der Dido die Primärquelle bildet. Die Anspielungen si nd z.T.
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b) Umwertung eines Details. Auch wenn ein Dichter eine Einzelheit nahezu unverändert übernimmt, kann er sie anders werten als sein Vorgänger. Am deutlichsten ist dieses Prinzip in der von Lukan geschilderten Bewirtung Caesars durch Kleopatra zu erkennen, bei der der Dichter auf das Gastmahl der Dido zurückgreift . Details wie die kostbare Ausstattung des Festsaals, die große Zahl der Diener und die in der lateinischen Epik selten geschilderte Verwendung von Waschwasser sind hier im Gegensatz zur Darstellung in der Aeneis als Ausdruck orientalischer Dekadenz gekennzeichnet, die ein negatives Licht auf die Gastgeberin wirft (S. dazu S. I 85f.). Hinzu kommt eine Vielzahl von Anspielungen, die sich nur in der Kampfphase der Antigastmähler finden, wo Strukturelemente eines regulären Mahls in verzerrter Fonn verwendet werden. Durch Umkehrung, Zweckentfremdung, pervertierende Nachahmung und Auslassung typischer Details illustrieren die Dichter die groteske Situation des in einen blutigen Kampf verwandelten Gastmahls. 3) Anspielungen auf strukturelle Besonderheiten. Die in dem oben (S. 45) entworfenen Schema widergespiegelte typische Struktur, verstanden als geordnete Abfolge fester Elemente, bildet aus diachroner Perspektive das konstanteste Merkmal epi scher Gastmahlszenen . Sie wird nur in Ausnahmefallen verändert (vgl. z.B. das durch eine Götterszene von der Begrüßung getrennte Mahl bei Dido, s. o. S. 144ff., und die ungewöhnliche Stellung des Elements »Dienerschaft« beim Bankett der Kleopatra, s. oben S. I 87f.); wobei solche Abwandlungen von den späteren Epikern in der Regel ni cht übernommen werden . Obwohl besonders das Gastmahl der Dido auf fast alle Nachfo lger sowohl sprachlich als auch bei der Ausgestaltung der einzelnen Elemente eingewirkt hat, wird seine auffällige Struktur nirgends nachgeahmt. Strukturelle Anspielungen auf eine andere Szene sind aber oft mit Hilfe von Elementen nachzuweisen , deren Platz im typischen Schema nicht genau festge legt ist und die dem Dichter so die Möglichkeit geben, sich durch die En tscheidung für eine von mehreren Varianten an ein bestimmtes Vorbild anzuschließen. Dies gilt z.B. für die Libation, die nur in der Euandersprachlicher An, vgl. die indirekten Fragen bei den Gesprächen nach dem Mahl , Verg. Acn. 1.750-752 und Val. Flac. 2,35 1-353 (vgl. auch oben Anm. 13), schl ießen aber auch andere Parallelen ein. z.B. die Position der Königin nin der Mille!! der Feslgesellschaft, Verg . Acn . I .697f. und Val. Flac. 2 ,346.
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szene der Aeneis und der Bewirtung bei Adrast im unmittelbaren Zusammenhang mit einer aitiologischen Erzählung des Wirts und unter festlicher Bekränzung mit Laub erfolgt und so eine Parallele zwischen heiden Gastmählern herstellt (Verg. Aen. 8,273-279 und Stat. Theb. 1,552-556). In anderen Fällen lassen sich strukurelle Entsprechungen nur dann nachweisen , wenn außer dem Gastmahl selbst auch die vorhergehenden und die folgenden Erzählpartien berücksichtigt werden. Daß das Iopaslied in der Aeneis (Verg. Aen. 1,740-746) nicht nur dem Lied des Orpheus bei Apollonios Rhodios (A.R. 1,496-511), sondern strukturell auch dem zweiten Lied des Demodokos über Ares und Aphrodite entspricht (Horn. Od. 8,266366), zeigt sich erst, wenn man den Aufbau der ersten drei Bücher der Aeneis insgesamt heranzieht. Die Beschreibung der Bilder im Tempel von Karthago, auf denen Aeneas Ereignisse des Trojanischen Krieges erblickt (Verg. Aen. 1,453-493), korrespondiert mit dem ersten Vortrag des Demodokos, der den Streit zwischen Odysseus und Achill beschreibt (Horn. Od. 8,72-82). Der dritte Gesang des Demodokos, der auf den Bau des hölzernen Pferdes eingeht ( Ho rn . Od. 8,499-520), wird von Vergil durch die Fragen der Dido nach dem Mahl und die anschließende I1iupersi s aufgenommen (Verg. Aen. 1,750-2,804). Zwischen den bei den Trojaberichten steht in der Odyssee das auf der Götterebene angesiedelte Lied von Ares und Aphrodite, bzw. in der Aeneis der kosmologische Vortrag des Iopas, dessen unverfangliehe Thematik schon nach Meinung des Servius der >noch keuschen~ Gesinnung der Dido Rechnung trägt. 16 Die Tatsache, daß die Dichter bei der Gestaltung einer Gastmahlszene die Szenentypik im allgemeinen und die Werke ei nzel ner Vorgänger im besonderen sorgfaltig berucksichtigen und die entsprechenden Kenntni sse vom antiken Publikum erwarten, macht die Beschäftigung mit Entwick lung und Struktur einer Szene aus diachroner Perspektive lohnend. Dennoch ist in der Forschung bisher kein systematischer, eine große Zahl von Autoren einschließender Überblick über eine typische Szene erarbeitet worden. Dies fuhrt in der Deutung einzelner Details zu Ungenaui gkeiten . So zeigt sich erst beim Blick auf eine größere Gruppe von Epen, daß z.B. der Gebrauch von Blumenkränzen und wohlriechenden Salben beim Gastmahl der Kleopatra, der bisher als Anlehnung an typ isch römi sche Sitten gedeutet wurde, 16 Servoad. Acn. 1,742: )) HIC CANIT bene philosophica introducitur cantilena in convivio rcginae adhuc castae.{{
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einen Bruch der epischen Konvention darstellt, der zusammen mit anderen Einzelheiten dazu dient, ein negatives Bild der Königin und ihres Gastes Caesar zu ze ichnen (s. oben S. 198fT.). Darüber hinaus ergeben sich bei der Anwendung des diachronen Schemas Erklärungen für umstrittene Einzelheiten, wie z.B. das Niederkauern des Odysseus vor den Hunden des Eumaios (Horn. Od. 14,30f., s. oben S. 219f. mit Anm. 8), die erzähltechnische Funktion des Paraibios in der Phineusszene (A. R. 2,456-491, s. oben S. 327 mit Anm . 269), die Verwendung von mantelia beim Gastmahl der Dido (Verg. Aen. 1,702, s. oben S. ISlff.), die Implikationen der Palastekphrasis bei Luk.n (Lucan. 10, 111-126, s. oben S. 18Sff.) und die Bedeutung der Wendung capitolia celsa bei Silius (S i!. 11 ,265, s. oben S. 344f. mit Anm. 303). Die Analyse der Antigastmähler, die bisher nicht umfassend untersucht wurden, läßt neben Erklärungen für Besonderheiten, wie die ungewöhnlich lange Darstellung des Ge lages der Freier in den Büchern 17-21 der Odyssee (s. oben S. 470fT.) auch den Hintergrund bestimmter Einzelheiten in regulären Gastmahlszenen hervortreten . Dazu gehört in der Hannibalszene die Äußerung des Pacuvius, er wünsche die Becher des Gastmahls nicht blutgefliHt und die Ti sche nicht umgestürzt zu sehen (S iL 11 ,334-336, s. S. 384f. ), sowie während des Aufenthalts der Argonauten bei Aietes das seltsame Verhalten eines Kolchers, der mit Bogen und Köcher beim Gastmahl erscheint, al s bereite er sich darauf vor, eine Sch lacht zu schlagen und die Ti sche umzustoßen (VaL Flac. 5,578-580). Beide Aussagen stellen bisher nicht beachtete Anspie lungen auf die Tradition der Antigastmähler dar .
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Diachrone, mögli chst viele Autoren berücksichtigende Überbli cke über Struktur und Entwicklung der seit langem bekannten epi schen Szenentypen sind in der Forschung bisher ein Desiderat. Dabei hat sich gezeigt, daß sie sowohl bei der Interpretation einer Szene insgesamt als auch bei der Klärung von Ei nzelproblemen gute Dienste leisten können. Mit der Analyse der Gastmahlszenen soll di e vorliegende Arbeit einen Tei l di eser Lücke schließen.
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496
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496
493(. 430-48, 467·
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Argonauten bei Lykos (A.R. 2,752·811)
Argonauten und PhrixossOhne auf der Aresiosel (A.R. 2, 111 8-1227)
Situation: D ie Argonauten erreichen auf ihrer Fahrt das Gebiet des Königs Lykos, der sie freundlich aufnimmt und bewirtet.
S ituation : Auf der Aresinsel begegnen die Argonauten den Söhnen des Phrixos, denen sie mit Nahrung und Kleidun g helfen und die sie mit zur(lck nach Kolchi s nehmen.
Element: I) Ankunft des Gastes
Element:
Verse:
1I) Wanen 3.d. Schwelle
11) Wanen a.d. Schwelte
UO Beschreibung
V) BegrUßung
a) durch Gesten b) durch Reden VI) Platz bei Tisch V II) Das eig. Mahl a) Vorbereitung: Diener b) Genuß v. Speisen u. Geträ.nken e) Das Ende des eig. Mahles Vlln rel. Handlungen IX) Gespräc h I W. Gastgeber u. Gast [X) Vonrag des Sängers! XI) Nachtlager
Verse:
11 18-20
LU) Beschreibung
a) des Schauplatzes
b) der Anwesenden IV) supplicalio (Hikesie)
I) Ankunft des Gastes
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755-8 (nicht näher bestimmbar)
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806-11
a) des Schauplatzes b) der Anwesenden IV) suppl ic81io (Hikesie) V) Bcgrtlßung a) durch Gesten b) durch Rede n VO Platz bei Tisch VIl) Das eig. Mahl a) Vorbereitung: Diener b) Genuß v. Speisen u. Getränken c) Das Ende des eig. Mahles VIII) rel. Handlunge n IX) Gespräch zw. Gastgeber u. Gast fX) Vonrag des Sängers] X I) Nach tlager
11 22-68
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11 69-76 11 78-226 1227
Die Argonauten bei Aietes (A.R. 3,210-442)
Aeneas bei Dido(Verg. Acn. 1.695-3,718: Aufenthalt fortgeführt bis V. 4,583)
Situation: Die Argo nauten erreichen in Beglei tung der Phrixossöhne den Palast des A ietes und werden von diescm zunäc hst aufgenommen. Die Parteien trennen sich j edoch im Streit, weil Aietes nicht bereit ist, das Goldene Vließ herauszugeben.
Situation: Nach seinem Schiffbruch wird Aeneas von Dido aufgenommen und bewirtet. Die Beschreibung des Banketts setzt mit de r Ankunft des als lulus getarnten Liebesgottes cin, der Didos Liebe zu Aeneas entfac hen soll .
Element: 1) Ankunft des Gastes 11) Wane n a.d. Schwelle IU) Beschreibung a) des Schauplatzes b) der Anwesenden
Element: I) Ankunft des Gas tes 11) Wanen a.d. Schwelle 1II) Beschreibung a) des Schauplatzes b) der An wesenden IV) supplicatio (Hikesie) V) Begrüßung a) durch Gesten b) durc h Reden VI) Platz bei Tisch VII) Das eig. Mahl a) Vorbereitung: Diener b) Genuß v. S peisen u. Getränken c) Das Ende des eig. Mahles VIlI) rel. Handlungen IX) Gespräch zw. Gastgeber u. Gast {X) Vortrag des Sängers] XI) Nachtlager
Verse:
213f. 215
2 15-48 248-52.268-
71
IV) supplicatio (Hikesie) V) Begrüßung 256-9 a) durch Geste n b) durch Reden 253.259-68 VO Platz bei T isch VII) Das cig. Mahl a) Vorbereitung: Diener 271-4.299 b) Genuß v. Speisen u. Getränken 301 302 c) Das Ende des ei g. Mahles VIII) reL Handlu ngen IX) Gespräc h zw. Gastgeber u. Gast 302-439 IX) Vortrag des Sängersi XO Nachtlager
(275 f.: Eros)
Verse: 695·7
697-700, 707f.
697-700. 708 70 1·6 738-40 723f. 728-36 748-3,7 18
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740-7 3,7 18
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Aeneas bei Helenus (Verg. Aen, 3.300-355: Aufenthalt fortgemhrt bis V. 3,505)
Aeneas bei Euander (Verg. Aen . 8.97-369: Aufenthalt fortgefUhrt bis 8,584)
Situation: Erzählung des Aeneas: Auf seiner Irrfahrt triffi Aeneas auf Helenus und Andromache. die ein neues Troja errichtet haben und die FlOchtlinge freu ndlich bewirten.
Situation: Auf der Suche nach Verbündeten im Kampf gegen Turnus gelangt Aeneas zu Kön ig Euander. der ihn nach anfäng lichem Zögern freund lich aufnimmt.
Elemenl : I) Ankunft des Ga~ les 1I) Warten a.d. Schwelle 111) Beschreibung a) des Schauplatzes b) der Anwesenden IV) supplicatio (Hikesie) V) Begrtlßung a) durch Gesten b) durch Reden VI) Platz bei Tisch VII) Das eig. Mahl a) VorbereilUng: Diener b) GenuS v. Speisen u. Getr!lnken c) Das Ende des eig. Mahles VlII) reL Handlungen IX) Gespräch zw. Gastgeber u. Gast IX) Vortrag des Sängers] XI) Nachtlager
Element: I) Ankunft des Gastes 11) Warten a.d, Schwelle UI) Beschreibung
Verse: 345f. 349-53
347 348 355
354
a) des Schauplatzes b) der Anwesenden IV) supplicatio (Hikesie) V) Begrtlßung a) durch Gesten b) durch Reden VI) Platz bei Tisch VII) Das eig. Mahl a) Vorbereitung: Diener
Verse: 97-101
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359-62 3 10-2.337-58. 360-6
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102-6
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107-11 11 2-74 176-8
175f.. 179-8 1. 283 b) Genuß v. Speisen u. Getr!1nken 182f. c) Das Ende des eig. Mahles 184 VIII) reL Handlungen 192-6.273-9. 28 1-305 IX) Gespräch zw. Gastgeber u. Gast 185-272 IX) Vortrag des Sängers] XI) Nachtlager
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285-305 367-9
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309.3 13-36. 35 1-9.362-6
Caesar bei Kleopalra (Lucan 10, ! 07-333)
$erranus bei Marus (Sil. 6.62- 55 1)
Situation: Caesar zieht siegreich in Alexandria ein und wird, nachdem er zwischen Kleoplltr3 und ihrem Bruder vennittelt hat. von dieser mit orientalischem Prunk bewinet .
Situation: Der im Kampf gegen Hannibal verwundete Serranus, Sohn des Regulus, kann vorn Schlachtfeld fl iehen und sich in die Hülte eines Veteranen schleppen, der ihn pflegt und bewinet.
Element: I) Ankunft des Gastes 11) Warten 3.d. Schwelle UI) Beschreibung a) des Schauplatzes b) der Anwesenden IV) supplicatio (Hikesie) V) Begr1lßung a) durch Gesten b) durch Reden VI) Platz bei Tisch VII) Das eig. Mahl a) Vorbereitung: Diener
Element : I) Ankunft des Gastes 11) Wanen a.d. Schwelle 111) Beschreibung a) des Schauplatzes b) der Anwesenden IV) supplicalio (Hikesie) V) BegrUßung a) durch Gesten b) durch Reden VI) Platz bei Tisch VII) Das eig. Mahl a) Vorbereitung: Diener b) Genuß v. Speisen u. Getränken c) Das Ende des eig. Mahles VUI) tel. Handlungen IX) Gesprä.ch zw. Gastgeber u. Gast [X) Von Tag des Sängers) XI) Nachtlager
b) GenuS v. Speiscn u. Getranken c) Das Ende des eig. Mahles VIII) rel. Handlungen IX) Gespräch zw. Gastgeber u. Gast IX) Vonrag des Sängers i XI) Nachtlager
Verse:
111-26 109f.. 137-43
136f.
127-35. 144-6. 155-63 172f.
173·333
Verse: 69-7 1 72f.
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73-80
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8 1-9 89f, 94f. 96 137-9 101-55 1
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96f. (Hei lschlaf)
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Bacchus bei Falernus (Si!. 7. 171-205)
Anna bei Aeneas (Sil. 8,69-166)
Situation : Aition des Falernerweines. In menschlicher Gestalt wird der GOIt Bacchus von dem annen Bauern Falernus aufgenommen und nach Kranen bewirtet. Zum Dank schenkt er ihm die Gabe des nach ihm benannten Weines.
Situation: Aition der Verehrung der Anna Perenna. Anna, die Schwester der Dido. wird nach einem Schiflbruch in Latium angespOlt und von Aeneas freundlich bewirtet. Spliter verwandelt sie sich in die Nymphe Anna Perenna.
Verse: Element: I) Ankunft des Gastes 17 1f. 11) Warten a.d. Schwelle 173f. 111) Beschreibung a) des Schauplatzes 173·6 b) der Anwesende n IV) supplicatio (Hikesie) V) BegrOßung 11) durch Gesten b) durc h Reden 176 VI) Platz bei Tisch VU) Das eig. Mahl a) Vorbereitung: Diener 177· 184 b) Genuß v. Speisen u. GeUilnken c) Das Ende des eig. Mahles 184f. VIII) rel . Handlungen IX) Gespräch zw. Gastgeber u. Gast 192-4. 201 -3 IX) Vortrag des Sängers) XI) Nachtlager 204f.
Element: I) Ankunft des Gastes 11) Warten a.d. Schwelle 111) Beschreibung a) des Schauplatzes b) der Anwescnden IV) supplicatio (Hikesie) V) Begrtlßung a) durc h Gesten b) durc h Reden VI) Platz bei Tisch VII) Das eig. Mahl a) Vorbereitung: Diener b) Genuß v. Speiscn u. GelTllnken c) Das Ende des eig. Mahles VIU) reL Handlungen LX) Gespräch zw. Gastgeber u. Gast IX) Vonrag des Sängersi XI) Nachtlager
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Verse: 69f.
71f.
73-5
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76f. 77·159 164-6
Hannibal in Capua (Si!. 11.259-368)
Tydeus und Polyneikes bei Adrast (Stal. Theb. 1,386-720)
Situation: Capua ist nach der Schlacht vo n Cannac zu Hannibal Ubergegangen und empfängt den Feldherm mi t einem Freude nfest. Nu r de r junge Pacuvius wi ll gewaltsam gegen Han nibal vorgehen.
Situation: Tydeus und Po lynci kes e rreiche n während eines näc ht lichen Unwetters den Palast des Adras t, der s ie als seine verheißenen Schwiegersö hne erkennt und sie freundlich aufnimmt.
Eleme nt: Ankunft des Gastes 11) Wanen a.d. Schwelle 111) Beschreibung a) des Schauplatzes b) de r Anwesende n IV) supplicalio (Hikesie) V) BegrUßung a) du rc h Geste n b) durc h Reden VI) Platz bei Tisch VlI) Das eig. Mahl a) Vorbereitung: Die ne r b) Genuß v. Speisen u. Getränken c) Das Ende des eig. Mahles VIII) rel. Handlungen IX) Gespr:tch zw. Gastgeber u. Gast rX) Vortrag des Sängers] XI) Nachtlager
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Verse:
259·66,277·82 262. 264f.
272-4 27Of.. 274-7 283 285f. 299-302 3 16-363 288-99 368
Eleme nt : I) Ankunft des Gastes 11) Warten a.d. Schwelle 1If) Beschreibung a) des Sc hauplatzes b) de r An wesenden IV) s upplicatio (Hikes ie) V) Begrtlßung a) durch Geste n b) durc h Reden VI) Platz bei Tisch VII) Das eig. Mahl a) Vorbereitung: Diener b) GenuS v. Speisen u. Getränke n c) Das Ende des eig. Mahles VIII) rel. Handlungen IX) Gespräc h zw. Gastgeber u. Gast IX) Vortrag des Sängersl XI) NaChtlager
Ve rse: 386f.. 40 1-6 386-9. 406-30 437f. , 4g2·92. 533-9 5 10-2 438·73 525-8 5 14-24
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