Aus technischen Gründen bleibt diese Seite leer
H. Mollet, A. Grubenmann
Formulierungstechnik
Aus technischen Grün...
34 downloads
2185 Views
23MB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Aus technischen Gründen bleibt diese Seite leer
H. Mollet, A. Grubenmann
Formulierungstechnik
Aus technischen Gründen bleibt diese Seite leer
Hans Mollet, Arnold Grubenmann
Formulierungstechnik Emulsionen, Suspensionen, Feste Formen
~WILEY-VCH Weinheim - New York - Chichester . Brisbane
0
-
Singapore Toronto
Dr. Arnold Gruhenmann (’hcniin dcs (‘OSSCtlC5 1 C‘H-I723 Marly
Das vorlicgende Wcrh wurde sorgfdltig crarbeitct. Dennoch iihernehmen Autoren und Verlap fur die Kichtigkeit v o n Angahen. Hinwei\en und Ratschliigcn sowie fur eventuelle Ilruckfehler keine Haftung.
Die Deutsche 13ihliotheh - (’IP~Eintieit\iiulnahme Einc 7’iteldalcn\atz fur diesc Publikation ist hei der Deutschen Hihliothck erhaltlich.
(1
1
WII.FY-V(‘H Verlap (iiiitiH. D-69460 Weinhriln (Federal Rcpuhlic of German)). 2000
(iedruckt
;it11 \aurefreiem
und chlorfrci pehlcichtem Papier.
Allc Rechte. in\hewndcrc die dcr Uhcrsetzung in andere Sprachcn. vorhehaltcn. Kcin Teil dieses Buchcs dart oliiie schriltliche (;enehmipung des Verlapes in irgendeiner Fomi - durch Photokopie. Mihrovcrfilmung odelirpendein iinderes Ver1;ihren reproduriert oder in cine von Maschinen. inshc\ondere von Ilatenverarhci~
tunpsiiia\ehincn. veruendhare Sprache iihertragen oder ubersetit wcrden. Die Wiedergahe von Warenhe/cichiiungen. ll;indelsnenieii oder sonstigcn Kcnnreichen in dieaem Buch txrcchtigt nicht IU dcr Annahme. daR diesc von jedermann frei henut/t werden durfcn. Viclniehr k a n n e~ sich such d a n n uiii cingetragene Warcnreichcn oder sonstipe pcsetrlich g C \ C h u t 7 1 C Kennicichen handeln. wenn sic nicht eigen\ iils solchc niarkicrt sind. All rights reserved (including those of triinslation in other languages) N o part of this hook m a y he reproduced i n any form - lib photoprinting, microfilm. o r any other means - nor 1r;rnsmitted or tr;inslated into machine law puage without written permission from the publishers. Kegistered names. trademark\. ctc. used in this hook. even when n o t specifically nitirhccl a s such. ;ire n o t to be considered unprotected hy law. Ilruck: Str:iuss Offsetdruck. ll-69SOO Morlcnhach I3indung: (irolhchhinderei J. Schaffcr. D-67260 Griin\txIt I’rinted i n the Federal Kepuhlic o f Cicrnian):
Vorwort Was verstehen wir unter dem Begriff ,,Formulierungstechnik"? Langst bekannt ist der Ausdruck ,,Formulierung", synonym zum Begriff ,,Rezeptur". Fur viele verbindet sich damit so etwas wie eine ,,schwarze Kunst" und weniger eine exakte wissenschaftliche Disziplin. Die altesten Formulierungen stammen wohl aus der Pharmazie, wo sich das Gebiet der Rezepturen und ihrer AusGhrung zu einer selbstandigen Disziplin, der Galenik entwickelt hat, mit entsprechenden Lehrbuchern. In den anderen Gebieten der Chemie, insbesondere der industriellen Chemie, gehoren Formulierungen wegen ihres oft bedeutenden wirtschaftlichen Wertes zum Fundus des streng gehuteten Firmen-Knowhows. Mit wenigen Ausnahmen, wie Pigmente, Nahrungsmittel, Kosmetik, Agrochemie, mangelt es hier an zusammenfassenden Darstellungen des Formulierungsgebietes, und der Formulierungschemiker ist auf eine zwar zahlreiche, jedoch weit verstreute Literatur in verschiedensten Fachzeitschriften angewiesen. Ein grofier Teil der chemischen Stoffe, sowohl anorganische als auch organische, naturliche wie synthetische, mussen vor ihrer Anwendung in Medizin, Industrie, Landwirtschaft, Nahrungsmitteln, Kosmetik usw. aufbereitet und formuliert werden. Oft besteht diese Aufgabe lediglich in einer Mahl- und Mischoperation. Die reinen Farbstoffe oder pharmazeutischen und agrochemischen Wirksubstanzen mussen mit geeigneten Hilfsstoffen vermischt (coupiert) werden, damit dem Anwender eine vernunftige Dosierung bei der Anwendung uberhaupt ermoglicht wird. Jedoch genugt es meistens nicht, einfach Rezepturen anzugeben. Es muss das Wissen uber ihre Zubereitung, die erforderlichen Rohstoffe und die Applikation dazukommen. In erster Linie aber ist die Verarbeitung der Formulierung zur optimalen Handels- resp. Darreichungsform wichtig. Dabei sind vor allem zu nennen: nichtstaubende, fliefifahige Pulver von optimaler Teilchengrofie, Agglomerate/Granulate, stabile konzentrierte Losungen und Suspensionen, Emulsionen, Mikroemulsionen, Instantprodukte, Slow-Release-Praparate, Mikrokapseln, Liposomen usw. Schon lange wurde erkannt, dass man die applikatorischen Effekte der zu formulierenden Stoffe durch geeignete Mafinahmen steigern kann. Durch Erhohung der Loslichkeit, Solubilisierung, Uberfiihrung in kolloide Verteilung der Feststoffe, Agglomeration der zu formulierenden Substanzen, sehr haufig durch Einsatz von effizienten Tensiden, eroffnen sich vielfaltige Effekte, Verbesserungen und neue Anwendungsmoglichkeiten auf dem Formulierungsgebiet. Oft ist eine bessere Handelsform entscheidend fiir die Konkurrenzfahigkeit eines an sich hervorragenden Syntheseproduktes, wie etwa Vitamine mit guter Fliefiahigkeit des formulierten Produktes oder nichtstaubende Farbstoffe auf dem Markt beweisen. Die Kunst des Formulierens wird somit zu einer wissenschaftlichen Disziplin, mit ausgepragt interdisziplinarem Charakter, mit den Schwerpunkten Physik, Physikalische Chemie, Kolloid- und Grenzflachenchemie, Analytik und nicht zuletzt Verfahrenstechnik. Die modernen Handelsformen resp. Darreichungsformen erfordern den Einsatz vielfaltiger verfahrenstechnischer Methoden und auch anspruchsvoller moderner Analytik. Damit erweitert sich das Gebiet der Formulierung resp. Rezeptierung zu einer wissen-
VI
schaftlich abgestutzten Formulierungstechnik, wobei die Empirie mehr und mehr durch wissenschaftliche Kriterien abgelost wird. Dies bedeutet nicht, dass Kreativitat und Erfindungsgeist beim Losen von Problemen der Schaffung neuer oder besserer Handelsformen ihre wichtige Bedeutung verlieren sollen. Der Formulierungschemiker verfiigt im Allgemeinen uber einen grof3en Schatz an empirischem Wissen. Das ist nutzlich, aber nicht ausreichend. Die Fahigkeit, bestehende Probleme zu diagnostizieren und sie auf Grund des angesammelten Know-hows mit fruher gefundenen Losungen in Beziehung zu bringen, fuhrt zwar weiter, ist aber nicht ausreichend fur eine rasche und sichere Losung des Formulierungsproblems. Ein wissenschaftlich anspruchsvollerer Weg besteht darin, zwischen der Zusammensetzung einer Formulierung und ihren Eigenschaften durch empirische Interpretation Beziehungen abzuleiten und in Gleichungen auszudrucken, welche mit den experimentellen Daten korrelieren. Dazu werden verschiedene computerunterstiitzte Techniken angewendet, wie sie fur Korrelationsanalysen ublich sind. Im Grunde handelt es sich dabei um ein empirisches ,,Querbeet-Experimentieren" nach statistischen Versuchsplanen und Regressionsmethoden. Diese Methodik ist sehr effizient, wenn alle Komponenten einer Formulierung bereits durch Versuche oder Anforderungen der Praxis gegeben oder festgelegt sind. Der wissenschaftlich hndierteste Weg jedoch besteht darin, die Beziehungen zwischen den Komponenten einer Formulierung und ihren Eigenschaften, z.B. die Stabilitat einer Emulsion oder Suspension, aufgrund der Molekulartheorie zu verstehen. Dies ist heute in einfachen Fallen moglich, jedoch noch nicht fur komplexe Systeme. Es miissen vereinfachende Annahmen gemacht werden, wobei der Bezug zur vorliegenden Theorie abgeschwacht wird. Man wird daher ohne Empirie vorerst nicht auskommen. Die Kenntnis der theoretischen Grundlagen der Kolloid- und Grenzflachenchemie, wie etwa der DLVO-Theorie im Falle der Stabilitat von Dispersionen, vermag uns jedoch vor falschen, von der Theorie aus verbotenen Losungswegen zu bewahren. Oh der Formulierungschemiker nun gewohnt ist, seine Probleme auf rein empirischem Wege anzugehen, oder ob er mit Hilfe statistischer Rechenmethoden Korrelationen zwischen den Formulierungskomponenten und den applikatorischen Eigenschaften sucht, in jedem Fall wird ihm die Kenntnis der physikalisch-chemischen und technischen Grundlagen, die fur die Formulierungstechnik relevant sind, nutzlich sein und weiter helfen. Die vorliegende Monographie sol1 eine Lucke im Gebiet der Herstellung von optimalen Formulierungen, Handelsformen und Darreichungsformen schlierjen. Das Ziel des Buches besteht in der ganzheitlichen Behandlung der einzelnen Disziplinen, welche bei der Formulierung eines Wirkstoffes zu einer Handelsform eine Rolle spielen, wie insbesondere Kolloid- und Grenzflachenchemie und Verfahrenstechnik, und Etablierung einer koharenten, interdisziplinaren Lehre, der Formulierungstechnik. Neben dieser allgemeinen, von den einzelnen Produkten und stoffspezifischen Formulierungsproblemen unabhangigen Darstellung, welche den Kernpunkt des Buches ausmachen. werden fur den Praktiker auch einzelne konkrete Sachgebiete kurz zusammengefasst, um ihm einen Uberblick uber die Formulierungs-Erkenntnisse und Probleme dieser ausgewahlten Cjebiete zu vermitteln, wie z.B. pharmazeutische Technologie, PigmenteiFarbstoffe, Kosmetika usw. Abschlieaend haben wir zahlreichen Fachkollegen, welche uns bei der Realisierung dieses Projektes ihre Hilfe gespendet haben, unseren Dank auszusprechen. In erster Linie
v11 muss hier Herr Prof. Dr. H. F. Eicke von der Universitat Base1 genannt werden, welcher uns mit vielen Hinweisen und Korrekturen eine fachkompetente Hilfe bot. Unter den Fachleuten aus der Industrie, die uns durch wertvolle Beitrage unterstiitzt haben, danken wir den Herren Dr. U. Glor von NOVARTIS, Dr. R. Jeanneret, Dr. E. Neuenschwander und Dr. U. Strahm von CIBA SC und Herm A. Schrenk von NESTLE. Dank gebuhrt auch den diversen Verlagen und Autoren f i r die Gewahrung der Abdruckerlaubnis von Abbildungen und Tabellen. Die dort angefihrten Literaturzitate geben Hinweise auf die entsprechenden Quellen resp. Copyright-Inhaber. Naheres ist in den Literaturverzeichnissen der einzelnen Kapitel nachzulesen.
Hans Mollet, Arnold Grubenmann
Aus technischen Gründen bleibt diese Seite leer
Inhaltsverzeichnis v
Vorwort 1 Kolloidc, Phasen, Grenzfliichen 1.1 Allgemeines
1.2 Physikalisches Verhalten von Atomen und Molekulen im Innern von Phasen und in Grenzflachen bzw. Oberflachen 1.3 Einige wichtige Begriffe der Koiloidchemie 1.4 Intermolekulare Bindungskrafte 1.5 Die Grenzflache Flussig-Gas und Fliissig-Fliissig 1.6 Kohasion, Adhasion und Spreitung 1.7 Die Grenzflache Fest-Fliissig 1.8 Assoziatinnskolloide, Basis- und Uberstrukturen
2 Emulsionen - Eigenschaften und Herstellung 2.1 Allgemeines 2.2 Formulierung von Emulsionen 2.3 Stabilisierung durch feste Partikel 2.4 Phanomenologie der Emulsionen 2.5 Stabilitat von Emulsionen 2.6 Geschwindigkeitsbestimmende Faktoren der Koaleszenz 2.7 Inversion von Emulsionen 2.8 Technik des Ernulgierens 2.9 Einige wichtige Erkenntnisse aus der Theorie der Stabilitat von Emulsionen
2 10
17 22 34 38 47
59 59 73
78 80 81 81 86 88 97
3 Mikroemulsionen, Vesikeln resp. Liposomen 3.1 Mikroemulsionen 3.2 Vesikeln resp. Liposomen
107 107 115
4 Schaum 4.1 Allgemeines 4.2 Schaumstabilisierung 4.3 Krafte in dunnen Filmen 4.4 Schaumbildner 4.5 Schaumstabilisalorcn 4.6 Antifoam-Additive
12.5
5 Herstellung und Eigenschaften von kolloiden Suspensionen resp. Dispersionen 5 . I Der Dispcrgiervorgang, Definition 5.2 Bcnctzung des Pulvers -1. Stufe im Dispergierprozess 5.3 Zerkleinerung und Verteilung der Partikel in der Flussigkeit - 2. Stufe im Dispergierprozess 5.4 Spezielle Dispergiermethaden 5.5 Stabilisierung dcr Dispcrsion 3. Stufe im Dispergierpruess
133 133 135
125
127 128 130 131
131
~
13.5 144 147
X
Inhaltsverzeichnis 5.6 Fur den Formulierer wichtigste Erkenntnisse aus der Theorie der Kolloidstabilitat 5.7 Flockung, Koagulation von Suspensionen 5.8 Formulierung stabiler Suspensionen resp. Dispersionen
156 i68 173
6 Feste Formen 6.1 Pulver und Pulvermischungen 6.2 Agglomerate, Granulate 6.3 Instantisierung, Instantpraparate 6.4 Mikroverkapselung
183 183 194 232 24 1
7 Rheologie 7. I Grundlagen 7.2 Viskositat von Dispersionen und Emulsionen 7.3 Viskositat von Polymcrschmclaen und -1iisungen 7.4 Viskosimeter
253 25 3 260 263 265
8 Liislichkeitsparameter, Log P , LSER, M-Zahlen 8.1 Hildebrand-Liislichkeitsparamctcr 8.2 Mehrkomponenten-Liislichkeitsparameter 8.3 Inkrementmethoden 8.4 Liisemittelmischungen 8.5 Polymerlosungen 8.6 Anwendung von Loslichkeitsparametern 8.7 QSAR, Octanol/Wasscr-Verteilungskoeffizient 8.8 LSER 8.9 M-Zahlcn
27 1 272 273 27 8 28 1 28 1 285 289 290 295
9 Liislichkeit, Kristallisation 9. I Liislichkcit 9.2 Kristallisation I0 Reinigung, Detergency 10.1 Allgemcincs, Grundlagen 10.2 Fundamcntale Phanomene bei Reinigungsprozessen 10.3 Spezielle Phanomene bei Reinigungsprozessen 10.4 Dctergent Additive, Builders 10.5 Waschmittel
30 I 30 1 31 I 323 323 323 328 329 330
I I Kosmetika 1 1. I Die Haut als Wirkungsort von Kosmetika 1 1.2 Tensideffekte bei der Haut 1 1.3 Kosmetische Praparate 1 1.4 Emulsionen im Kosmetiksektor 1 1 .5 Mikroemulsionen und Liposomen in der Kosmetik 1 1.6 Liisungen 11.7 Bade- und Duschbadezusatze 11.8 Gelees
333 333 335 337 337 343 344 345 346
Inhaltsverzeichnis
11.9 Stifte 11.10 Puder, Pudercremes 1 1.1 1 Mund- und Zahnpflegemittel 11.12 Rasierhilfsmittel 1 1.13 Haarkosmetika 11.14 Grund- und Hilfsstoffe
XI
347 347 348 350 35 1 356
12 Pharmazeutische Technologie 12.1 Wirkstoffabsorption 12.2 Allgemeines iiber Arznei- und Applikationsformen 12.3 Arzneiformen
359 359 364 366
13 Nahrungsmittelformulierungen
383 383 385 385 39 1 394
13.1 Einige wichtige Prinzipien der Formulierung von Nahrungsmitteln 13.2 Nahrungsmittelkolloide 13.3 Proteine 13.4. Lipide 13.5 Polysaccharide 14 Agroformulierungen 14.1 Wirkstoffformulierungen und Target 14.2 Formulierungsformen 14.3 Adjuvantien
397 397 400 405
15 Pigmente und Farbstoffe
407 407 409 422
15. 1 Loslichkeit von Pigmenten und Farbstoffen 15.2 Pigmente 15.3 Farbstoffe Sachregister
43 1
Aus technischen Gründen bleibt diese Seite leer
1 Kolloide, Phasen, Grenzflachen
1.1 Allgemeines Die Kolloidchemie befasst sich mit Systemen, die entweder groBe Molekule oder sehr kleine Partikel enthalten. Beziiglich TeilchengroRe nehmen sie eine Zwischenstellung zwischen Losungen und grobdispersen Stoffen ein. Der GroBenbereich liegt zwischen etwa 1-1000 nm bzw. zwischen 10 A und lpm. Dies entspricht etwa lo3und lo9 Atomen pro Molekul oder Teilchen. Die Grenzflachenchemie behandelt Phanomene und Prozesse von heterogenen Systemen, wobei Oberflachenphanomene eine wichtige Rolle spielen. Beispiele sind Adsorption und Desorption, Fallung, Kristallisation, Dispersion, Flockung, Koagulation, Benetzung, Bildung und Brechen von Emulsionen und Schaumen, Reinigung, Schmierung, Korrosion etc. Die dabei ausschlaggebenden spezifischen Charakteristika der Grenzflachen werden kontrolliert durch elektrochemische Eigenschaften (Ladungen) oder durch Verwendung von bestimmten organischen Verbindungen, den Tensiden (auch als Detergentien, Surfactants bezeichnet), die gekennzeichnet sind durch polare und nichtpolare Gruppen in jedem Molekul.
Tabelle 1.1. Beispiele von kolloiden Verteilungszustanden ( f fest; fl: flussig; g: gasformig).
f/f feste Pharmapraparate verstarkte Kunststoffe Magnetband
flfl
&2
Dispersionen Suspensionen, Kreideschlamme Latex
Aerosole Rauch
fl/f Gele GPC-Trenngele
tl/fl Emulsionen Cremes Milch
df
dfl
Schaumstoffe Aerogele Schaumbeton, Meerschaum
Schaum Schaumgummi Schlagrahm
u
Aerosole Nebel Spray
& __
Beispiele von kolloiden Verteilungszustanden bringt Tabelle 1.1. Im Gegensatz dazu ist das Gebiet der Chemie in homogener Phase zu sehen, das den Hauptteil der synthetischen Chemie betrifft. Die ubliche Ausbildung in Chemie konzentriert sich auf dieses
I Kolloide, Phmen, Grenzflachen
2
Gebiet in homogener Phase, wogegen die Chemie in heterogener Phase, die Grenzflachenchemie, trotz ihrer groBen technischen und biologischen Bedeutung nicht entsprechend berucksichtigt wird. Ausnahmen, die in der Hochschulausbildung behandelt werden, sind etwa Adsorptionsvorgange und die Oberflachenspannung. W. Ostwald beLeichnete vor 90 Jahren die Kolloide noch als ,,Welt der vernachlassigten Dimensionen". Daran hat sich his heute nicht vie1 geandert, Kolloid- und Grenzflachen stellen in dcr Ausbildung immer noch vernachlassigte Disziplinen dar. Dieses Buch soll dazu dienen, dieses Defizit etwas abzubauen. Damit soll sich die fruhere ,,Kunst" des Formulierens zu einer wissenschaftlich begriindcten Formulierungstechnik entwickeln, mit ausgepragt interdisziplinarem Charakter, mit den Schwerpunkten Chemic, physikalische Chemie, insbesondere Crenzflachenchemie, und Verfahrenstechnik. Pradip K. Mookerjee (ein fuhrender Grenzflachenchemiker) schrieb: ,,No school teaches about mixing things together, so that they do what you want and don't react with each other."
1.2 Physikalisches Verhalten von Atomen und Molekiilen im Innern von Phasen und in Grenzflachen bzw. Oberflachen Einen schcrnatischen Uberblick uber die drei Phasen Gas, Flussigkeit und Feststoff gibt Abb. 1.1.
1Q
6
0
0 6
0
6
Gas: Die Molekule sind voneinander getrennt; keine, oder nur geringe Attraktion. GroRe Beweglichkeit fiihri zu elastischen Kollisionen.
Flussigkeit: In Flussigkeiten sind die Molekule in standiger Bewegung. Zwischen den Molekulen existieren Kohasionskrafle, welche die Bewegungen beeinflussen. Nur in speziellen Fallen sind die Krafle genugend, um lokal geordnete Bereiche zu bilden.
Feststoff: Starke Krafle halten die Molekule in bestirnmten regularen Anordnungen.
Abb. 1.1. Die drei Phasen: Gas, Flussigkeit, Festkfirper,
Urn eine Substanz zusammenzuhalten, mussen starke Anziehungskrafte zwischen den Atomen eines Festkorpers oder einer Flussigkeit vorhanden sein. Ein Atom im Innern
3
1.2 Physikalisches Verhalten von Atomen und Molekulen
einer Phase ist vollstandig von anderen Atomen umgeben und befindet sich im dynamischen Gleichgewicht (Abb. 1.2).
Abb. 1.2. Oberflachenkrafte und Binnenkrafte bei einer Fliissigkeit.
Der Zustand der Oberflachenatome ist sehr verschieden davon. Infolge der ausgleichenden Krafte im AuBeren befinden sie sich in einem anderen Spannungszustand, genannt Oberjlachenspannung. Molekiile in der Oberflache haben weniger Nachbarn, d.h. weniger intermolekulare Wechselwirkungen (W.W.) verglichen mit Molekiilen in der Fliissigkeit. Dies fuhrt zu einer Anziehung der Oberflachenmolekiile in das Innere der Fliissigkeit, normal zur Oberflache gerichtet. Die Oberflachenspannung yist definiert als die Kraft, die notig ist, um die nach innen gerichtete Kraft gerade aufzuheben. Sie ist definiert als die Kraft in mN (milliNewton), friiher dyn, die in der Linie von 1 cm Lange parallel zur Oberflache wirkt, also mit der Dimension: (milliNewtodm).
Die freie Ober-dchenenergie einer Fliissigkeit 1st definiert als die Arbeit, die notig ist, die Fliissigkeitsoberflache um 1 cm2 zu vergroBern. Dimension oder Einheit: (milliJoule/m2)
[$1 [2 1 =
(dimensionsmaBig gleich mit:
(1.2)
(Beachte, dass m einerseits fiir milli, andererseits fir Meter steht). Die Einheiten von Oberflachenspannung und freier Oberflachenenergie sind also dimensionsmaiRig gleich! Die Oberflachenenergie ist gleich der Arbeit, die notig ist, die Atome resp. Molekiile aus dem Innern in die Oberflache zu bringen. Die Oberflache tendiert also dam, sich zusammenzuziehen, daher Bildung von Tropfen (kleinste Oberflache).
4
I Kolloide. Phasen, Grenzjlachen
Wenn zwei unmischbare Fliissigkeiten in Kontakt sind, wird die Anziehungskraft an einem Molekiil in der Grenzflache etwas anders sein als im Fall einer einfachen Oberflache. Es gibt Wechselwirkungen zwischen den unterschiedlichen Molekiilen in der Grenzflache (van der Wads Krafte; siehe spater). Oft liegt die Grenzflachenspannung y,,,, betragsmaoig zwischen den Oberflachenspannungen y,, und y, der einzelnen Flussigkeiten (Dispersionsanteil r, und Polaranteil y, liegen hingegen immer dazwischen; vergl. Abschnitt 1.7.2). Beispiel: Die Grenzfllchenspannung HexanPWasser (y,,,,) liegt zwischen den Oberflachenspannungen von Hexan ( y, = 18.43) und Wasser ( y,, = 72.79) + y,,,, = 5 1.10 mN/m.
Tabelle 1.2. Oberflachenspannung und Grenzflachenspannung gegen Wasser fur Flussigkeiten bei 20 "C [mN/m]; Wasser: X I ;(aus [ 1]. Fliissigkeit Wasser
y, 72.75 (y,,)
Benzol Aceton Essigsaure CCI,
28.88 27.6 23.7 26.8
YL~LZ --
5 .o __-
45.1
Fliissigkeit Ethanol
y,, 22.3
n-Octanol n-Hexan n-Octan Ouecksilber
27.5 18.4 21.8 485
YLILZ
__ 8.5 51.1 50.8 375
Die Anziehungskrafte zwischen Molekiilen im Innern werden als Binnendruck oder Kohusionsenergie AE, bezeichnet. Eine wichtige GroBe ist die Kohasionsenergiedichte AE, /V. Fur diese gilt: AEv - AHv - RT =6 V V
--
2
AHv:Verdampfungswarme [ J.mol-'] V: Molvolumen [m3~mol~'] R: Gaskonstante = 8.314 J.K-'.mol-' T: absolute Temperatur [K]
@
Eine praktisch sehr niitzliche GroBe ist der Loslichkeitsparameter 6 = (vergl. Kapitel 8). Zu seiner Berechnung lassen sich alle notigen GroRen AH und V aus iiblichen Handbuchern entnehmen. Aus den Werten von 6 kann die gegenseitige Loslichkeit zweier Kornponenten bestimmt werden. Je naher ihre &Werte zusammenliegen, umso groBer ist die gegenseitige Loslichkeit.
1.2 Physikalisches Verhalten von Atomen und Molekiilen
Beispiel:
Phenanthren Schwefelkohlenstoff n-Hexan
5
6= 20.0 MPa”’ [ 1 MPa’” = ( lo6 N.m‘2)’/2] 6= 20.5 MPa”’ 6= 14.9 MPa’”
Phenanthren lost sich also besser in Schwefelkohlenstoff als in n-Hexan. Diese Berechnungen gelten nur fur nichtpolare Stoffe. Fur polare Stoffe siehe z.B. [2, 31.
1.2.1 Disperse Systeme Einfache kolloide Dispersionen sind Zweiphasensysteme: eine disperse Phase (z.B. ein Pulver) ist in einem Dispersionsmedium fein verteilt. Sole und Emulsionen sind die wichtigsten kolloiden Dispersionen. Die feinen Verteilungen vom Feststoff in einer Flussigkeit, fruher als Sole bezeichnet (der Ausdruck Sol wurde verwendet um kolloide Suspensionen von makroskopischen Suspensionen zu unterscheiden), nennt man heute Suspension oder einfach Dispersion. Im Gegensatz dazu sind Emulsionen disperse Verteilungen von Flussigkeitstropfchen in einer unmischbaren Flussigkeit als Dispersionsmedium. Die vor uber 80 Jahren von W. 0. Ostwald aufgestellte KlassiJkation der Dispersionen hat auch heute noch Gultigkeit (Abb. 1.3). Prinzipiell hat man eine innere, disperse oder diskontinuierliche Phase, die mit einer BuBeren, kontinuierlichen oder homogenen Phase nicht mischbar ist.
% m
c
a a 2 a
a
fn
a
-’
I
1
.FLUSSI~ __... -...-_ . . . _ . Aerosol, Nebel ..._...._.
. . - - . . . . _ _ _
..-.....___ gasformig
flussig Kontinuierliche Phase
Abb. 1.3. Klassische Einteilung von dispersen Systemen nach W. 0. Ostwald.
6
I Kolloide, Phasen, Gremjlachen
Eine Auswahl von typischen kolloiden Systemen zeigt Tabclle 1.3, als Erganzung zu Abb. 1.3.
Tabelle 1.3. Einige typische kolloide Systeme (aus [4]). Beispiele
Klasse
Disperse Phase
Kontinuierliche Phase
Ncbel, Spruhregcn, Dampf, Tabakrauch, Aerosolsprays, Rauchgase
Flussige oder fcste Aerosole
Flussigkeit oder Feststoff
Gas
Milch, Butter, Mayonnaise, Asphalt, pharmazeut. Cremes
Emulsionen
Flussigkeit
Flussigkcit
Anorganische Kolloide (Gold, Silberiodid, Schwefel, metallische Hydroxide)
Sole oder kolloide Suspensionen
Feststoff
Flussigkeit
Lchm, Schlamm, Zahnpaste
Pasten
Feststoff
Flussigkei t
Opal, Perlen, farbiges Glas, pigmenticrte Kunststoffc
Feste Dispersionen
Feststoff
Feststoff
Schaum
Flussige Schaume Gas
Flussigkeit
Meerschaum, geschaumte Kunststoffe Mukromolekulure Kolloide:
Feste Schaume
Gas
Feststoff
Gelee, Leim Assoziationskolloide:
Gel
Makromolekule Liisemittel
SeiSenMiasser, Detergentienmasser Biokolloide:
-
Mizellen
Losemittel
Blut
-
Teilchen
Serum
Olhaltiges Gestein
Porose Gesteine
OI
Wasserl Gcstein
Mineralflotation
Mineral
Wasser
Luft
Dowelemulsionen
-
Wassriee Phase Wasser
Disperse Sjvteme:
Kolloide Dreiphasensysteme:
Tabellc 1.4 zcigt die Abgrenzung der Dimension des kolloiddispersen Zustandes von dcr Dimension kleinerer Molekule bis zu groben, heterogenen Systemen. Die in Tabelle
1.2 Physikalisches Verhalten uon Atomen und Molekulen
7
1.4 angegebenen Grenzen fur Kolloide sind nicht starr, denn in speziellen Fallen, wie bei Suspensionen und Emulsionen, sind im Allgemeinen Teilchen uber 1 pm vorhanden. Die Grenze, bei der das kolloide Verhalten in dasjenige von molekularen Losungen ubergeht, liegt bei 1 nm.
Tabelle 1.4. Abgrenzung der Dimensionen des kolloiden Zustandes von den Dimensionen kleinerer Molekule und grober Diskontinuitaten. Gebiet definierter GrbRenordnung:
Heterogene Systeme; grobe Diskontinuitaten
Kolloide 1-1000 nm
Homogene Systeme; kleine Molekule; lonen
Beispiele:
Makroemulsion; Dispersion
Metallsole; Biokolloide; Makromolekule; Mizellen; Mikroemulsionen
Wasser; Dodecan; Ca3'
mikroskop mikroskop
Es ist nicht notwendig, dass alle drei Dimensionen eines Kolloids unter 1 pm liegen. KoIloides Verhalten wird auch bei Fasern beobachtet, bei denen nur zwei Dimensionen im Kolloidgebiet liegen. Bei Filmen ist es nur eine Dimension. Die Unterteilung eines Wurfels gibt kolloide Systeme verschiedener Art; Abb. 1.4: laminare, fibrilltire und korpuskulare. Laminar
Abb. 1.4. Kolloid-Systeme (am [ 5 ] ) .
Fibrillar
Korpuskular
8
I Kolloide, Phasen, Grenqflachen
Die Zunahme der Oberflachenenergie nach Unterteilung erklart die einmaligen Eigenschaften dcs kolloiden Zustandes. Laminar: Fibrillar: Korpuskular:
1 cm3 zu Film von 10 nm gedehnt 1 em3 zu Fasern von 10 nm zerteilt 1 cm3 zu Wurfeln von 10 nm zerteilt
+ Gesamtoberflache 2 ~ 1 em2. 0 ~ + Gesarntoberflache 4x10' em'. -+ Gesamtoberflache 6x106 cm2.
1.2.2 Die Bedeutung der Oberflache resp. Grenzflache Beim Zerkleinern eines Festkorpers nimmt die freiwerdende Oberflache je nach Grad der Zerkleinerung stark zu. In der Moglichkeit der Erzeugung von feinteiligen Pulvern und Dispersionen mit sehr groljer Oberflache liegt die technische Bedeutung des Dispergiervorganges. Als Ma8 fur diese Oberflachenzunahme gilt die spezifische OberJlache Sw;
I$[= [$] =is]
Dimension: 7
L W
S,
oder
odcr
gcwichtshezogen
volumenbezogen [L] em '
Umrechnung aus dem Durchmesser fur kugelformige Teilchen:
s
6 -pd --
p : wahre Dichte cl: Durchmesser 1 pm]
Die Zunahmc der Oberflache zeigt folgendes Beispiel (Abb. 1 S):Ein Wiirfel von 1 cm Kantcnlangc wird in Wiirfel von 0.1 pm Kantenlange unterteilt. Man erhalt aus den
6 em2 Obcrflache eine solche von 60 m2, also eine Zunahme um den Faktor lo5. Dieses Pulver in 6 em' Wasser vcrteilt gibt eine verfiigbare Grenzflachc von 8.6 m2 pro cm'. Je kleiner man den Festkorper unterteilt, umso groJer wird die Grenzffiiche zwischen Jliissiger und fester Phase, und umm mehr hestimmen die Eigenschaften der Grenzflache dus Verhalten der entstandenen Suspension. Je starker ein Material zerkleinert wird und seine Oberflachc zunimmt, umso groDer wird auch der Anteil der in der Oberflache befindlichen Atome/Molekulc im Verhaltnis xu denjenigen im ,,Bulk". Fur einen Wiirfel von I ern Kantenlange sind pro 10 Millionen Molekiile nur 2-3 Molekiile in der Oberflache vorhanden. Bei I pm Kantenliinge sitzt pro 450 Molekiilc nur 1 Molekiil in der Oberflache, bei Teilung in 10 nm 1st pro 4 Molekiile 1 Oberfliichenmolekul vorhanden; siehe Tabelle 1.5. Unterhalb von 10 nm kann nicht mehr zwischen Oberflachen- und Bulk-Molekiilen unterschieden werden.
1.2 Physikalisches Verhalten von Atomen und Molekulen
9
Zerteilen in Wurfel von 0.1 prn Kantenliinge
Oberfliiche 6 crn2
600 000 crn2 oder 60 m2
Abb. 1.5. Oberflachenzunahmebeim Unterteilen eines Wiirfels. Pulver in 6 cm3 Wasser verteilt. Je
cm3 der Dispersion steht eine Grenzflache von 8.6 m2 zur Verfugung (60m2/7cm’) [6].
Tabelle 1.5. Verhaltnis der Molekiile in Oberflache und Bulk. Spezijkhe Oberflache: S, = OberflacheNolurnen (volurnenbezogen) S, = Oberflachehlasse = S,lp (massenbezogen); Kugeln: Wurfel:
Oberflache n-d2 Volurnen 71.816 Oberflache 6d2 Volurnen d3
Beispiel:
AgBr-Kristall Molekularvolurnen Schichtabstand
p = Dichte
-+
+
S, = 61d S., = 61d
0.05 nrn3 0.37 nm
In Abb. 1.6 ist die Variation der Oberflachenrnolekiile mit der TeilchengroBe fur dieses Beispiel als Kurve dargestellt. Man ersieht, dass bei Zerteilung von AgBr in Partikel von 10 nm Durchrnesser ca. 20 % der Ionenpaare sich in der Oberflache befinden, wahrend dies fur Partikel von 0.1 prn nur 2 % sind. Die chemische Zusarnmensetzung in der Oberflache unterscheidet sich oft von derjenigen irn Innern (Bulk). Atorn-Arrangements an der Oberflache und elektronische Strukturen differieren ebenfalls von denjenigen im Festkorper. Die groRe Bedeutung der Oberflache wurde durch die Miniaturisierung in der Mikroelektronik erkannt. Es wurde sogar postuliert, dass die Oberflachenregion eines feindispersen Feststoffes als eine neue Phase der Materie zu betrachten sei.
10
1 Kolloide, Phusen, Grenzjlachen
Abb. 1.6. AgBr-Kristalle: Anteil der Molekule in der Obertlache als Funktion der TeilchengroBe 141
1.3 Einige wichtige Begriffe der Kolloidchemie Monodispers oder isodispers: Systeme, in welchen alle Partikel annahernd gleich groB sind. Polydispers: Systcm mit verschiedenen PartikelgroBen. Lyophohe oder hydrophohe Kolloide: Die Partikel sind mit dem Dispersionsmedium unvcrtraglich. Dieses ist organisch bei lyophoben, wassrig bei hydrophoben Kolloiden. Sie erfordern speziellc Herstellungsmethoden, insbesondere eine Dispergierung, die von eincr Teilchenzerklcinerung begleitet ist. Ihre thermodynamischc Instabilitat auBert sich in einer Zusammenlagerung der Teilchen, Aggregation, Agglomeration und Flockung. Lyophile oder Hydrophile Kolloide: Die Partikel sind mit dem Medium vertraglich. Sie treten in Wechselwirkung rnit dem Dispersionsmedium. Sie bilden sich im Gegensatz zu den Lyophoben (Hydrophoben) spontan und sind thermodynumisch stabil. Beispiele: Makromolekiile, Polyelektrolyte, Assoziationskolloide. Amphiphile Kolloide oder Assoziationskolloide: Das Molekiil hat eine Affinitat SOwohl zu polaren als auch zu unpolaren Losemitteln. Sie bilden die groBe Klasse der oberflachenaktivcn Stoffe und deren Assoziaten wie z.B. Mizellen. Sie sind thermodynamisch stabil.
1.3.1 Aufbau und Terminologie der Teilchen Lange Zeit bestand iiber die Terminologie der Teilchcn keinc Einheitlichkeit. Mit der DIN 53206, die international Eingang gefunden hat, durfte sich dieser unbefriedigende Zustand nun bereinigt haben; Abb. 1.7.
1.3 Einige wichtige Begrge der Kolloidchemie
11
'rirnarteilchen lurch geeignete physikalische Verfahren (z.6. rnit Lichtrnikroskop, Elektronenrnikroskop)als lndividuum erkennbare Teilchen. lder iinzelteilchen hnerkung: Im speziellen Fall kann ein kristallines Primarteilchen sin Einkristallsein, oder aus mehreren, rnit geeigneter Strahlung :z.B. Rdntgenstrahlen) zu unterscheidenden, koharent streuenden Sitterbereichen (Kristalliten)bestehen. quaderformig kugelformig
%?
stabformig
unregelmaaig geformt
0
/
koharent streuende Gitterbereiche (Kristallite) Primarteilchen
,ggregat
Verwachsener Verband von flachig aneinandergelagerten Prirnarteilchen, dessen OberflPche kleiner ist als die Surnme der Oberflacher der Prirnarteilchen.
Aggregate rgglornerat
Nicht verwachsener Verband von z.B. an Ecken und Kanten aneinandergelagerten Primarteilchen undloder Aggregaten, dessen Gesarntoberflache von der Surnme der Einzelteilchen nicht wesentlich abweicht.
:lockulat
In Suspensionen (z. B. in Pigrnent-Bindemittel-Systemen)auftretendes Agglornerat, das durch geringe Scherkrafte zerteilt werden kann.
W
Flockulate
Abb. 1.7. Aufiau und Terminologie der Teilchen, nach DIN 53 206, erganzt durch Flockulat.
I Kollaide, Phusen, Grenzflachen
12
1.3.2 TeilchengroQen-Analyse Da sich die Kolloid-Dimensionen uber einen weiten Teilchengronebereich erstrecken, benotigt man zur GroBenanalyse zahlreiche Messmethoden. Fur den Bereich der Teilchengrofien von 0.001 bis 100 pm kommen die in Abb. 1.8 angegebenen Messmethoden in Betracht. Die wichtigsten dieser Methoden sind schematisch in Abb. 1.9 dargestellt. Dic Wahl der fur ein Teilchenkollektiv giiltigen Messmethode ist von entscheidender Bedeutung, will man vollkommen falsche Messresultate vermeiden. Abbildung 1.10 und I . 1 1 zcigen schematisch weitere Partikelmessmethoden.
0.001
0.01
0.1
1
10
I
I
I
I
I
100 um I
gemahlene Produkte emulsionen Mizellen
-
Mikronisierte Produkte
1
b Siebung-
-I
Coulter1
-1
Sedimentation1 -
-1
Lichtbeugung
-1
Lichtmikroskopie
Zentrifugation
- 1
1-
-
1-
Raster-EM
b
Spezifische OberfliichenA
-I
Rayleigh LS-{
0.001
0.01
0.1
1
10
I I
I
I
I
I
I
I
Abb. 1.8. Methoden der Tcilchengrofleanalyse und ihre Messbcrciche.
100 pm I
1.3 Einige wichtige Begr8e der Kolloidchemie I
inkremental
13
I
kumulativ
'
Transmission
Schema Luftstrahlsieb
- 'homogene Suspensioi
SedimentationsanalysenSuspensionsverfahren
Sedimentationszeit Messkurven
Absorption
Messbereiche: 2 14 bilden konnen und sehr viskos sind. Auch wenn laterale zwischenmolekulare Krafte wirken, besitzen die Molekiile in den Mesophasen noch eine grolje Beweglichkeit um ihre Langsachse.
54
I Kolloide, Phasen, Grenzflachen
Weiter existieren fliissige isotrope Phasen von ungeordnet verbundenen Doppelschichten, genannt ,,Sponge"-Phasen (Abb. 1.44) [27, 281; (Ubersicht iiber Phasen: 129-321 und koharente Beschreibung des Phasenverhaltens [33]). Nach neuerer Auffassung konnen diese Systeme eher als Phasen fluktuierender Oberflachen, denn als Phasen von Partikeln angesehen werden. So ist auch die Existenz von konzentrierten Mikroemulsionen auf die rasche thermische Fluktuation von Tensidfilmen zuriickzufiihren; (Zusammenfassungen uber Mikroemulsionen [ 33-40]).
Abb. 1.44. Schernatische Darstellung einer Sponge-Phase.
Wie ganzlich unterschiedliche Strukturen bei der Variation der Konzentrationen der Komponenten sich ausbilden konnen - auch mit einfachen Tensiden - zeigt das folgende Beispiel. In der Abbildung 1.45 ist das Phasendiagramm des ternaren Systems Wasser/Pentanol/Natriumdodecylsulfat dargestellt. Aul3er dem zweiphasigen Bereich LL' cxistieren vier Monophasen: die isotrope Phase L und die drei Mesophasen La (lamellar), Ha (hexagonal), R (kubisch). Wird diesem System 0 1 zugesetzt, so treten weitere Phasen auf: auRer diversen Multiphasenbereichen eine olreiche Sponge-Phase und Mikroemulsionsbereiche; (Abb. 1.46). SDS
Wasser
Pentanol
Abb. 1.45. Phasendiagramrn bei 25 "C des temaren Systems Wasser - Pentanol
- SDS (Natriurndodecylsulfat). L: isotrope Phase; H,: hexagonale Phase; R: kubische Phase; La: lamellare Phase; Mist ein azeotropiihnlicher Punkt; P, ist ein kritischer Punkt; aus [ 261 S. 184.
1.8 Assoziationskolloide Pentanol
WIS = 1.55
55
Pentanol
Dodecan
WIS = 5.25
Dodecan
Abb. 1.46. Zugabe von Dodecan: Phasendiagramme bei 21 "C des Systems Wasser-DodecanPentanol-SDS. WasserRensid-Verhaltnis 1.55 resp. 5.25 . Die schraffierten Flachen entsprechen Multiphasenregionen. L und L2 sind Mikroemulsionen; H , ist eine hexagonale Phase, La eine lamellare Phase und L3-oentspricht einer olreichen Sponge-Phase;aus [26] S. 194.
1.8.4 Lamellare La-Phasen Der Schichtabstand bei lamellaren Phasen ist nicht konstant, sondern kann durch Zugabe eines Losemittels kontinuierlich verandert werden, von molekularen Dimensionen bis zu 100 nm. Dies kann durch Wasser-, 01- oder Salzzugabe erfolgen. Wie auch bei Makroemulsionen liegt starke elektrostatische AbstoBung vor bei den durch Wasserzugabe aufgeweiteten Lamellenstrukturen. Dass lamellare Phasen auch bei Zugabe von vie1 0 1 stabil sind und nicht koaleszieren, wird der Flexibilitat der Doppelschichten zugeschrieben. In starker Verdiinnung fiihren sie wellenartige Schwingungen aus. Dies fiihrt zu einem abstoljenden Entropieeffekt, der Undutaiions-Wechsefwirkung, bei sich annahernden Lamellen. AuRerdem kann die Stabilitat der schwingenden Lamellen durch Zugabe eines geeigneten Co-Surfactants stark verbessert werden, ahnlich wie bei den Tensidhiillen von Makroemulsionen.
1.8.5 Sponge-Phasen und bikontinuierliche Mikroemulsionen Sponge-Phasen, wie auch bikontinuierliche, konzentrierte Mikroemulsionen, sind Beispiele von ungeordnet verbundenen, fluktuierenden Membranen. Dominierenden Einfluss spielt die thermische Fluktuation. Sponge-Phasen werden aus lamellaren Systemen durch Zugabe von Alkoholen erhalten. Die lamellaren Doppelschichten werden dabei iibergefiihrt in eine kontinuierliche Oberflache, welche das Volumen in zwei gleich grolje Bereiche unterteilt. Dies ist aus thermodynamischen Grunden deshalb so, weil in beiden Bereichen die gleich zusammengesetzte Fliissigkeit vorhanden ist, beispielsweise eine Ol/Alkohol-Mischung bei einem
56
1 Kolloide, Phasen, Grenzflachen
L3-"-Sponge. Die (in diesem Falle invertierte) Doppelschicht ist durch Wasser angeschwollen. Bei einem L3-w-Sponge ist Wasser die Fliissigkeit, und das 0 1 ist in der Tensid-Doppelschicht vorhanden. Bei bikontinuierlichen Mikroemulsionen sind die beiden Bereiche unterschiedlich groB; ein Bereich enthalt Wasser, der andere Bereich 0 1 .
1.8.6 Kugelformige lamellare Systeme Statt bikontinuierliche Phasen werden unilamellare und multilamellare kugelfiirmige resp. ellipsoidc Gebilde - Vesikeln - erzeugt, wenn die Elastizitatskonstanten k und k der Doppelschicht fur mittlere Krummung und Gauss-Kriimmung derart sind, daB die Energie zur Bildung einer Kugelhiille klein ist [41]. Besonders in der modernen Pharmazeutik und Kosmetik sind Vesikeln oder Liposomen von groBer Bedeutung. Sie ermoglichen den Einbau von organischen WirksubstanZen in diese kleinen Kompartimente (bei unilamellaren Vesikeln Durchmesser 0.010.1 pm,bei multilamellaren Liposomen einige pm), und konnen dadurch in biologische Systeme eingeschleust werden. Bei Zugabe von C5-Clo-Alkoholen (Pentanol bis Decanol) zum System Natriumdodecylsulfat/wassrige Salzlosung gehen die mizellaren Phasen in Vesikel-Phasen, und bei weiterer Alkoholzugabe in lamellare Phasen und Sponge-Phasen iiber. Man erhalt also bei Zugabe von Alkohol die Sequenz L4 + La + L3-w. Mit wenig Tensid entstehen verdunnte, polydisperse Vesikel-Dispersionen. Die Vesikeln sind unilamellar und variieren in der GroBe zwischen 150 A (Hexanol) und 1250 A (Decanol). Bei hoherer Tensid-Konzentration entstehen kleinere, mehrfach-lamellare Vesikeln, mit his zu vier Schichten. Diese Phasen sind hochviskos und stark viskoel asti sch. In allen bis jetzt untersuchten Systemen ist das Tensid/Alkohol-Verhaltniskritisch, (Gauss'sche Elastizitatskonstante; siehe auch Gauss'sche Kriimwas bedeutet, dass i? mung, Gleichung 3.6) entsprechend eingestellt werden muss, um stabile Vesikel-Phasen zu erhalten. Diesem stabilisierenden Elastizitatsbeitrag wirken entropische Beitrage zur freien Energie entgegen. Multilamellare Vesikeln konnen in lamellaren La-Phasen entstehen. Kleinere multilamellare Vesikeln, mit Durchmessern von 0.2-0.5 pm, konnen jedoch auch in der L4Phase eines Zweiphasensystcms L,/L4 vorhanden sein. Im iibrigen findet hier wegen der hohen Viskositat der L4-Phase keine Phasenentmischung statt. Abbildung 1.47 zeigt schematisch den Zusammenhang iiber die Bildung all dieser speziellen ,,Membran-Phasen" als Funktion von Tensidkonzentration $J und Gauss'scher Elastizitatskonstante K . Detaillierte Angaben iiber flussig-kristalline Phasen, speziell auch im Zusammenhang mit biologischen Membranen sind in [25,42,431 zu finden. Zu erwahnen ist in diesem Zusammenhang, dass die technisch relevanten Vesikelformulierengen nicht thermodynamisch stabil, sondern kinetisch metastabil sind und beispielsweise aus lamellaren Phasen durch Energiezufuhr gewonnen werden konnen.
1.8Assoziationskolloide
57
Q
t
o
i
Abb. 1.47. Schematisches Phasendiagramm des Systems Natriumdodecylsulfatlwassrige Salzlosung/Alkohol als Funktion von Tensidkonzentration 9 und Gauss'scher Elastizitatskonstante K . La:lamellare Phase; L3: Sponge-Phase;L4: Vesikel-Phase; (gemaB [44]).
Literatur zu Kapitel 1 : 111
131 [41
D. J. Shaw, Introduction to Colloid and Surface Chemistry, Butterworths, London, 1980. C. M. Hansen, A. Beerbower, Solubility Parameters, in Kirk-Othmer, Encyclopedia of Chemical Technology, Supp. Vol., 2"d ed., 1971, p. 889. A. F. M. Barton, CRC Handbook of Solubility Parameters and Other Cohesion Parameters, CRC Press, Bocca Raton, FL, 1983. D. H. Everett, Basic Principles of Colloid Science, Royal SOC.of Chemistry, London, 1988. E. Matijevic, Chem. Technol. 1973, p. 656. R. Menold, Chem.-1ng.-Techn. 58,533 (1986). R. Polke, Farbe + Lack 90 (6), 457 (1984). M. Glor, Dechema-Kurs Formulierungstechnik 1987. H. C. Hamaker, Physica 4 , 1058 (1937). A. Martin, J. Swarbrik, A. Camerata, Physikalische Pharmazie, Wiss. Verl. Ges., Stuttgart, 1980. M. J. Rosen, J. Am. Oil Chem. Assoc. 49, 295 (1972). M. J. Rosen, Chemtech 15,292 (1985). McCutcheon's Detergents and Emulsifiers Annual, Allured, Ridgewood N.Y. L. Carino, H. Mollet, Ber. VI. Int. Kongr. grenzflachenakt. Stoffe, Zurich, 1972, S. 563. D. G. Cooper, American Oil Chemists Society Monogr. 11, 281 (1984).
58
I Kolloide, Phasen, Crenzjluchen
U.S.-Pat. Nr. 4 395 353. W. D. Harkins, The Physical Chemistry of Surface Films, Reinhold Publ., New York, 19.52. H. W. Fox, W. A. Zisman, J. Colloid Sci. 7,428 (1952). W. C. Preston, J. Phys. Colloid Chem. 52, 84 (1948). H. Andrec, P. k i n g s , Chem. Ztg. 99, 168 (1975). K. A. Dill ct al., Nature, 309, 42 (1984). K. S. Birdi, T. Magonisson, Colloid Polym. Sci. 254, 1059 (1976). K. Shinoda, Principles of Solution and Solubility, Marcel Dekker, Inc., Basel, New York, 1978. 1241 J. N. Israelachvili, J. Michell, B. W. Ninharn, J. Chcm. Soc. Faraday Trans. I1 76, 1525 (1976). 12.51 P. Ekwall, in Advances in Liquid Crystals, Vol. 1 , (D. H. Brown, Ed.), Academic Press, New York, 1975. A.-M. Bcllocq, in Surfactant Sci. Ser., Vol. 61: Emulsions and Emulsion Stability, (J. Sjoblom, Ed.), Marcel Dekker, Inc., New York, 1996. G. Porte, J. Marignan, P. Bassereau, R. May, J. Phys. (Paris) 49, 5 I 1 ( 1 988). D. Gazcau, A. M. Bellocq, D. Roux, T. Zcmb, Europhys. Lett. 9 , 4 4 7 (1989). A. M. Belocq, D. Roux, in Microemulsions: Structure and Dynamics, (S. E. Fribcrg, P. Bothorel, Eds.), CRC Press, Boca Raton, FL, 1987. M. Kahlwcit, R. Strey, G. Busse, J. Phys. Chem. 94, 388 I ( 1 990). A. M. Bcllocq, D. Roux, in Progress in Microemulsions, (S. Martcllucci, A. N. Chester, Eds.), Plenum Press, New York, 1985. H. Kunieda, K. Nakarnura, A. Uemoto, J. Colloid Intcrface Sci. 150, 235 (1992). W. M. Gclbart, A. Ben-Shaul, D. Roux (Eds.), Micelles, Membranes, Microemulsions and Monolayers, Springer Verlag, New York, 1994. A. M. Bellocq, J. Biais, P. Bothorel, B. Clin, G. Fourchc, P. Lalanne, B. Lemaire, B. Lemanceau, D. Roux, Adv. Colloid Interface Sci. 20, 167 (1984). L. M. Princc (Ed.), Microemulsions. Theory and Practice, Academic Press, New York, 1976. I. D. Robb (Ed.), Microemulsions, Plenum Press, New York, 1982. K. L. Mittal (Ed.), Micellization, Solubilization and Microemulsions, Plenum Press, New York, 1977. S. Fribcrg, P. Bothorel (Eds.), Microemulsions: Structurc and Dynamics, CRC Press, Boca Raton, FL, 1987. H. L. Rosano, M. Claussc (Eds.), Microcmulsion Systems, Marcel Dckkcr, Inc., New York, 1987. M. Corti, V. Degiorgio (Eds.), Physics of Amphiphiles: Micelles, Vesicles and Microemulsions, North Holland, Amsterdam, 1987. (41 I B. D. Simons, M. E. Cates, J. Phys I1 (Paris) 2, 1439 (1992). 1421 V. Luzzati, in Biological Membranes, (D. Chapman, Ed.), Academic Press, New York, 1968. K. Fontcll, Prog. Chem. Fats Lipids 16, 14.5 (1978). D. Roux, S. Candaux, Images de la recherche: les systkmes molkculaircs , cd. CNRS, 1994, p. 29.
2 Emulsionen
-
Eigenschaften und Herstellung
2.1 Allgemeines Eine Emulsion ist eine thermodynamisch instabile Verteilung von zwei ineinander ,,unloslichen" Fliissigkeiten, z.3. Wasser und 01. Dabei liegt eine der Komponenten als mehr oder weniger feine Verteilung von kugelformigen Tropfchen in der kontinuierlichen zweiten Phase vor. Wenn 0 1 in Wasser dispergiert ist: 01-in-Wasser-Emulsion ( O N ) , umgekehrt eine Wasser-in-01-Emulsion (W/O). Abbildung. 2.1 zeigt die Dimensionen von solchen Fliissig-Fliissig-Dispersionen.
20
Grobe Makroernulsion
=E 0.5
Feine Makroemulsion
.-0
E
u
i 0.21
Mizellare Losung
10~J-10
'0
Abb. 2.1. Dimensionen der dispersen Phase von Flussig/Fliissig-Dispersionen.
2 Emulsionen - Eigenschaften und Herstellung
60
Die freie Energie solcher Systeme ist gegeniiber makroskopisch ausgedehnten Phasen um die Grenzflachenenergie erhoht. ZusammenstoBe zwischen den Tropfchen reiner Emulsionen fiihren daher zur Koaleszenz (ZusammenflieBen) und schlieRlich zur Abscheidung in separate Phasen, d.h. in energietiefere Zustande. Solche technische Emulsionen sind nur kurzzeitig haltbar. Als Koaleszenz der Emulsionstropfchen bezeichnet man die irreversible Vereinigung von zwei Tropfchen. Abbildung 2.2 stellt schematisch die einzelnen Phasen der Koaleszenz von zwei Oltropfchen in Wasser dar. Der individuelle Charakter der Tropfchen verschwindet durch das ZusammenflieRen der Oltropfchen. Eine Koaleszenz kann auch im Sediment bzw. in der Aufrahmung stattfinden. lsolierte Tropfchen
TropfchenBeginn der Annaherung Koaleszenz unter Bildung der Grenzschicht
Nach Zusammenfliessen
-
00- 00- c3 -0 -
2renzschicht
1
4
3
Abb. 2.2. Koaleszenz von ungeniigend stabilisierten Tropfchen.
Die Stabilitat einer Emulsion gegen Koaleszenz ist praktisch von groBerer Bedeutung als die Sedimentation, da die Tropfchen sehr lange aggregiert sein konnen, ohne zu koaleszieren. Die Aggregate sind durch eine stabile Barriere in Form einer diinnen Zwischenschicht der CuBeren Phase zwischen den einzelnen Tropfchen stabilisiert. Erst nach Zerstorung dieser Schicht kommt es zur Koaleszenz. Die Ursache der Koaleszenz liegt im Streben nach minimaler Oberflache bei groBtem Volumen. Der durch Koaleszenz gebildete Tropfen hat eine kleinere Oberllache als die zwei Einzeltropfen. Beispiel:
1 em3 ( IN6 m') Mineral61 wird in Wasser in Tropfchen vom Durchmesser d = 0.01 l m ( I 0.' m) dispergiert. Dadurch wird die Grenzflache zwischen 01 und Wasser von 6 cm2 auf 600 in' vergroaert, hei einer Tropfenzahl n von 1.9-10'* Tropfchenlcm' 0 1 (n berechnet gemaR Gleichung 2.1). Dic Grenzflachenspannung yo, betragt 57 mN/m.
Volumen Oberflache
O=n.d'.n
Grenzflachenenergie W = yo,w . AA
6V d
6. m3 = 600m' (2.2) 10-'m N = 57. lo-' -. 600 m 2 = 34.2 J = 8 cal m
=-
=
(2.3)
Der mit der Bildung von 600 m2 Oberflache verbundene Energiezuwachs von 8 cal reicht Bus, um das System instahil zu machen. Die Tropfchen flieBen zusammen.
2. I Allgemeines
61
Luft Wasser
0 0 O
0 00
Aggregation
Koaleszenz,
000 O O
@
Abb. 2.3. Schematische Darstellung der Vorgange in einer instabilen ON-Emulsion.
In einer instabilen Om-Emulsion kiinnen die in Abb. 2.3 angegebenen Vorgange ablaufen. Dabei bedeutet erst die Koaleszenz eine Zerstorung der Emulsion, die irreversibel ist (Brechen der Emulsion): Emulsionstropfchen konnen durch Diffusion oder Konvektion aggregieren, wenn die abstoBenden Krafte zu gering sind. Multiplets werden gebildet, deren Tropfen durch diinne fliissige Filme gegeneinander abgegrenzt sind. Jeweilige Tropfenformen im Verbund hangen ab von den Grenzflachenspannungen. Die Folgeprozesse, hinsichtlich Stabilitat, Koaleszenz, Inversion, haben mit den Eigenschaften der Grenzfilme zu tun. Zusatzlich zu Grenzschichteigenschaften sind Dichteunterschiede von Bedeutung; sie fiihren zu Aufrahmen oder Sedimentation; IUPAC-Definition einer Emulsion: [ 11.
0
Flockulierung
28
Abb. 2.4. Der Kontaktwinkel von flockulierten Tropfen hangt von der Verminderung der freien Energie im Aggregationsprozessab (nach [2]).
62
2 Emulsionen - Eigenschuften und Herstellung
Um hestundige technische Emulsionen herzustellen, henotigt man Pine dritte Komponente, sogenannte Emulgatoren. Der Emulgator muss sich an der Grenztlache anreichern und cine Schutzschicht in Form von zahen, elastischen Filmen hilden, die durch Kollisionen der Tr8pfchen nicht abgeschert werden. Um diese Eigenschaften optimal zu verknupfen, verwendet man in der Praxis hau$g Mischungen von Emulgatoren. Bei Zugabe von nur 2 % einer Sefe zur Emulsion von Mineralol in Wasser wird die Grenzflachenspannung von 57 uuf 2 mN/m erniedrigt, die Grenzflachenenergie im angegebenen Beispiel von 8 cal auf 0.3 cal. Die Bildung der Emulsion erfolgt also ohne groJen Energieaujivand, und die gcbildete Emulsion ist vor Koales~enzgcschutzt. Die Emulsion ist immer noch thermodynamisch instabil, jedoch durch den Emulgator kinetisch stabilisicrt. Die Emulgatoren sind entscheidend dafiir, oh eine O N - oder W/O-Emulsion entsteht. Niedermolekulare, hydrophile Emulgatoren induzieren eine O/W-Emulsion, lipophile Emulgatoren bevorzugen W/O-Emulsionen. Auch mit wasserloslichen makromolekularen Emulgatoren bildet sich cine Om-Emulsion. Diese sogenannte Regel von Bancroft kann auch so ausgedruckt werden: Diejenige Phase, in welcher der Ernulgator besser loslich ist, ist die auJere Phase. Da der Grenzflachenfilm zwei Oberflachenspannungen hat, gilt auch: der Film biegt sich auf die Seite der hoheren 7 Die disperse Phase liegt also auf der Seite der hoheren 7 Der Emulsionstyp lasst sich ferner durch die ,,Oriented Wedge Theory" (Keil-Theorie) begrundcn; Abb. 2.5. Derjenige Teil des Tensidmolekuls mil dem griiMeren Querschnitt ist gegen das Dispersionsmedium gerichtet. Dadurch kann die griiBte GrenzflC chendichte des Emulgators erreicht werden. Monovalente Seifen bilden ON-Eniulsionen, polyvalente Seifen W/O-Emulsionen. Diese Theorie gilt jedoch nicht fur monovalente Silbersalzc, die W/O-Emulsionen geben.
O N -Emu1sion Emulgator: Seife eines einwertigen Metalls Krummung der Grenzschicht gegen das 01.
+
Abb. 2.5. ,,Oriented Wedge Theory"; analog [3]
WIO-Emulsion Emulgator: Seife eines zweiwertigen Metalls Krummung der Grenzschicht gegen das Wasser.
+
2. I Allgemeines
63
2.1.1 Phasenvolumen und Emulsionstyp Kugeln von gleichem Radius konnen bei einer Raumerfiillung von 74 % eine dichteste Kugelpackung bilden, die restlichen 26 % sind leerer Raum resp. ist die aul3ere Phase; Abb. 2.6. Nach der Theorie von W. Ostwald wird bei einem Phasenverhaltnis 4 > 0.74 eine Emulsion zu dicht gepackt. Es tritt entweder Phaseninversion oder Brechen der Emulsion ein. Fur ein gegebenes System sind zwischen den Phasenvolumenanteilen 0.26 und 0.74 O W - und W/O-Emulsionen moglich; darunter und daruber kann mit homogenen Kugeln nur eine Art der Emulsion existieren. Wenn die Kugeln weniger homogen sind, kann eine hohere Packungsdichte als I4 % erreicht werden, da die kleineren Kugeln zwischen den groBen Platz finden (Abb. 2.7). Bei deformierbaren Tropfchen sind noch dichtere Packungen moglich. Abbildung 2.8 stellt eine dicht gepackte Emulsion von vielflachigen Tropfchen dar, analog einem Polyederschaum.
Abb. 2.6. Dichte Kugelpackung; Raumerfiillung 74 %; analog [3].
Abb. 2.7. Bei heterogener PartikelgroBeverteilung sind hohere Packungsdichten als 74 9% moglich; analog [3].
64
2 Emulsionen - Eigenschajien und Herstellung
Abb. 2.8. Polyederschaum mit Lamellen; analog [3].
2.1.2 Viskositat von Emulsionen Wenn die innere Phase einer Emulsion weniger als 30 % ihres Volumens einnimmt, storen sich die individuellen Tropfchen gegcnseitig nur wenig. Der Viskositatsvcrlauf als Funktion dcr Konzentration kann dann naherungsweise durch die Einstein-Formel beschrieben werden:
($ = Volumenverhaltnis innere/hBere Phase;
v,,
= Viskositat dcr auBeren Phase)
Um unter solchen Bedingungen eine Emulsion hoher Viskositat herzustellen, muss gemalJ Gleichung (2.4) die auBere Phase (wassrige Phase im Falle einer ON-Emulsion; ein mil Wasser nichtmischbares Losemittel im Falle einer W/O-Emulsion) bcreits eine hohe Viskositat aufweisen. Durch Verdickungsmittel, die in der auBeren Phase loslich sind, kann die Viskositat entsprechend angepasst werden. Speziell im Fallc von kosmetischen Emulsionen wird dicscm Aspekt Rechnung getragen. Bci mchr als 30 % der inneren Phasc qj kornmt es zur gegenseitigen Bccintlussung der Triipfchen, und die Viskositat steigt an his zu einem &-Wert (innere Phase) von 5052 %I. Bei hoherem qj-Wcrt steigt die Viskositat stark an, verbunden mit nicht-Newtonschcm Verhalten. Bei & F 68 % sind die Emulsionen ohne Zugabe cines speziellen Emulgators meist instahil und erreichen den fnversionspunkt. Bei noch heherem Volumenverhaltnis der inneren Phase reorganisieren sich die Kugeln entweder in cine noch dichtere Packung (Bienenwaben) oder flachen ah. Die maximale Raumerfullung wird bei & = 74 %J erreicht. Bei qj > 74 % wird die Emulsion polydispers. Wenn dazu Wasser gegeben wird, folgt die Viskositats-Konzentrationskurve nicht dem alten Verlauf, sondern bildet eine Hysteresis-Kuwe (Abb. 2.9).
... 2.1 Allgemeines
0
0.1
65
0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1.0 Phasenvolumen t)l
Abb. 2.9. Hysterese der Viskositat beim Verdiinnen einer konzentrierten Emulsion [ 31.
2.1.3 Emulgatoren
Korrelationen zwischen der chemischen Struktur von oberflachenaktiven Stoffen und ihrer Emulgierwirkung sind kompliziert, da 01- und Wasserphase von variabler Zusammensetzung sind. Da sowohl die Zusammensetzung der zwei Phasen als auch die Konzentration des Dispergators zu berucksichtigen sind, ist es nicht moglich, spezifische Tenside afs generelie Emuigatoren einzustufen. Trotzdem gibt es einige allgemeine Leitlinien, die bei der Selektion von ,,Surfactants" als Emulgatoren hilfreich sein konnen. Damit ein Tensid als Emulgator wirkt, muss es folgende Eigenschaften haben:
1. Eine gute Oberflachenaktivitat aufweisen und eine niedrige Oberflachenspannung erzeugen. Falls dies nicht zutrifft, kann man den Emulgator mit einem entsprechenden Tensid kombinieren. Es muss die Tendenz haben, in die Oberflache zu migrieren, anstatt in der Bulkphase gelost zu bleiben. Es muss also eine Balance von hydrophilen und hydrophoben Gruppen haben. Eine zu grofle Loslichkeit in einer der zwei Phasen beeintrachtigt die Wirksamkeit. 2. In der Grenzflache einen Film bilden, entweder alleine oder mit anderen dort vorhandenen adsorbierten Molekiilen, und zwar einen kondensierten Film. Das heifit, dass fur O/W-Emulsionen die hydrophoben Gruppen im Grenzfachenfilm starke laterale (benachbarte) Wechselwirkungen haben sollten; f i r W/O-Emulsionen solften die hydrophilen Gruppen starke W. W. ausbilden. 3. Es muss zur Grenzflache so schnell migrieren, dass die Grenzflachenspannung wahrend der Zeit der Herstellung der Emulsion geniigend erniedrigt wird.
66
2 Emulsionen - Eigenschaften und Herstellung
4. Emulgatorcn, die besser Blliislich sind, geben W/O-Emulsionen; niedermolekulare, hydrophile Emulgatoren, wie Seifen, induzieren ON-Emulsionen, wie auch wasserlosliche, rnakromolekulare Emulgatoren. 5. Eine Mischung eines bevorzugt olloslichen Tensids mit einem wasserloslichen ergibt stabilere Emulsionen als ein einzelnes Tensid. 6. Je polarer die Olphase, desto hydrophiler sollte der Emulgator sein, je unpolarer das zu emulgierende 01, desto lipophiler der Emulgator. Das adsorbierte Emulgatormolekul ist also zu der Phasengrenze so orientiert, dass sein hydrophober Teil im dl und sein hydrophiler Teil ins Wasser eintaucht. Die Erniedrigung der Grenzflachenspannung ist m a r fur die Zerteilung der Tropfchen verantwortlich bis zur spontan eintretenden Emulgierung bei sehr kleiner Grenzflachenspannung, ist aber fur die Stabilitat der Emulsion nicht von entscheidender Bedeutung. Es wurde gefunden, dass die wirksamen Emulgatoren einen niederen Platzbedarf in der Grenzschicht beniitigen. Die adsorbierte Menge des Emulgators lasst sich rnit der Gibbs'schen Gleichung ermitteln:
(c: Konzentration des Tensids im Innern der Flussigkeit [molll]; E uberschussige Menge Tensid pro Flacheneinheit in der Grenzflache im Vergleich zur Menge im Innern der Flussigkeit [ rnol/cm2]). Kennt man die uberschussige Konzentration an Tensid in der Grenzflache, lasst sich daraus die von jedem Molekul in der Grenzschicht eingenommene Flache berechnen.
Beispiel:
r=4.0.10 l o mol/cm2 = 24.09. Anzahl Molekule/cm2 = FNL = 4.0. I0 l o . 6.023. Fllche pro Molekul = l/(FNL) = 41.10~'"ern2 = 41 A (NL:Loschmidtsche Zahl).
2.1.3.1 Wirkungsmechanismus eines Emulgators
Die Bildung cincr Emulsion mit chcmischen Mittcln (Emulgatoren) vcrliiuft folgendermaRen: Der Emulgator muss zunachst an dcr Grenzflache dcr zu emulgierenden Phasen in so ausreichender Menge zur Verfugung stehen, dass durch eine schnelle Adsorption die Grenztlachenspannung so stark erniedrigt wird, dass ein Tropfchenzerfall ausgel6st wird. Die dadurch entstehenden Strornungen und Turbulenzen bewirken weitere Teilungen, die durch eine Sprcitung der Emulgatormolekule in der Grenzflache noch verstarkt werden. Die Spreitung selbst tragt zu einer schnellen Belegung der Grenzflache bei. Auch muss die Nachlieferung dcr Emulgator-Molekule zur Grenzflachc gesichert sein, d.h. die Diffusionsgeschwindigkeit aus der Losung zur Grenzflachc hin muss genugend groB sein.
2. I Allgemeines
67
Wenn die dem System zugefuhrte Energie nicht mehr ausreicht, die bereits gebildete Tropfenoberflache nochmals zu vergroBern, kommt die Teilung zum Stillstand. Die Adsorptionsschichten um die 01- bzw. Wassertropfen sollen die Koaleszenz zwischen den Tropfchen verhindern. Zwischen den angenaherten Tropfchen bildet sich eine dunne Grenzschicht (Abb. 2.2), in der sich die auBere Phase, d.h. das Dispersionsmittel, befindet. Diese Grenzschicht wird in ihren physikalischen Eigenschaften durch die Art des adsorbierten Emulgators bestimmt. Die Ernulgatormolekule diffundieren aus der kontinuierlichen Phase laufend in diese Zwischenschicht und setzen die Grenzflachenspannung herab. Durch Diffusion erfolgt die Zufuhr neuer Emulgatormolekule aus der kontinuierlichen Phase auBerhalb der Grenzschicht, was einen relativ langen Diffusionsweg bedeutet. Als Folge nimmt die Oberflachenspannung im Bereich der Zwischenschicht langsamer ab als an der ubrigen Grenzflache des Emulsionstropfens. Es kommt zu einer mechanischen Bewegung der Adsorptionsschicht Iangs der Grenzflache OlNasser in das Gebiet der Zwischenschicht hinein. Dabei wird eine diinne Schicht der angrenzenden Fliissigkeit mit in die Grenzschicht transportiert. Dadurch wird eine Abnahme der Dicke der Schicht, und damit der Koaleszenz verhindert. Dieser Vorgang wird Marangoni-Eflekt genannt, welcher auch in anderen Bereichen, 2.B. der Stabilitat von Schaumen eine wichtige Rolle spielt (siehe Kapitel4). Fur stabile Emulsionen wurde eine ziemlich rasche Dickenabnahme der Zwischenschicht bis zu einem Grenzwert von etwa 50 A bis 200 A beobachtet. Dass eine so diinne Flussigkeitsschicht sich einer weiteren Dickenabnahme widersetzt, zeigt, dass diese Schicht einen Uberschussdruck besitzt, der als ,,Spaltdruck" bezeichnet wird und die Teilchen vor Koaleszenz schutzt.
2.1.3.2 Ubersicht iiber gebrauchliche Emulgatoren Die nachstehend angegebene Liste zeigt, dass gebrauchliche Emulgatoren zu unterschiedlichsten chemischen Klassen gehoren. Einen guten Uberblick uber die vor allem im angelsachsischen Bereich erhaltlictien Markenprodukte gibt der jahrlich erscheinende ,,McCutcheon's Detergents and Emulsifiers" Internat. Edition [4]. Emulgatoren A. Niedermolekulare Emulgaforen mit vonviegend hydrophikn Eigenschaften. Bevorzugter
ON-Emulgator- Typ. I . Anionaktive Substanzen Seifen (Na-, K-, NH4-,Morpholinium-Salzevon Fettsauren), Na-Laurylsulfat,Na-Cetylsulfat,
Na-Mersolat, Na-2-Ethylhexylsulfat,Na-Xylolsulfonat,Na-Naphthalinsulfonat, Na-Sulfosuccinat, R-COOC2H4S03Na,R-CONHC2H4S03Na, (R = C17H33), Oleyllysalbinsaures Na, OleylprotalbinsauresNa, Tiirkischrotol, natiirliche sulfonierte Ole, Na-Salz von Sulfobernsteinsaure-dialkylester,gallensaure Salze, Harzseifen. 2. Kationaktive Substanzen
Laurylpyridiniurnchlorid,Lauryltrimethylarnmoniurnchlorid, Lauryl-colarnin-formyl-rnethyl-pyridiniumchlorid.
2 Emulsionen - Eigenschaften und Herstellung
68
3.Nichtionische Substanzen Polyoxyethylen-Fettalkoholethcr,Polyoxyethylen-Fettsaureester. B. Niedermolekulare Emulgatoren mit vonviegend lipophikn Eigenschaften. Bevorzugter W/O-Emulgatortyp Mg-Stearat, Mg-Oleat, Al-Stearat, Ca-Oleat, Ca-Stearat, Li-Stearat, Di-, Tri- usw. Ester von Fettsauren mi1 mehrwertigen Alkoholen, Cholesterin, Lanolin, oxidierte Fette und Ole.
C. Niedermolekulare Emulgatoren mit weniger ausgepragter Tendenz Fettsaureester von mehrwertigen Alkoholen und Polyoxyethylen, PolyoxypropylenFettalkoholether, Polyoxypropylen-Fettsaureester,Lecithin, Monoester von Fettsauren und mehrwertigen Alkoholen, Triethylcetylammonium-cetylsulfat,Laurylpyridinium-laurat, Chlornitroparafiine. D. Hochmolekulare Emulgatoren Albumin, Casein, Gelatine, Eiweifiabbauprodukte (Leim), Gummi arabicum, Tragant, Carraghen, Saponin, Celluloseether und Celluloseester, Polyvinylalkohol, Polyvinylacetat, Polyvinyl pyrrolidon.
In der folgenden Tabelle 2.1 sind weiterc bekannte Emulgatoren angegeben (Vcrgl. such 14-61),
Tabelle 2.1. Beispiele von Emulgatoren.
Nicht-ionischer Emulgator
u lipophil
hydrophil
C12H25+(-=-&S0p2Ca++
Anionischer Emulgator
0 hydrophiI
lipophil
Kationischer Emulgator n,m=1-40 lipophil
hydrophil
CH, R- C- NH-CH,-CH
II 0
I 0"
CH,
\-
lipophil
Amphoterer Emulgator Izwitterionisch)
-N -CH,-C00'
21
hydrophil
I
R = Alkyl C, - C,,
2. I Allgemeines
69
Hier sei noch auf AMP = 2-Amino-2-methyl- 1-propano1 verwiesen, das von zahlreichen Autoren als das wirksamste Emulgator-Kation (in protonierter Form) bezeichnet wird.
2.1.3.3 Auswahlsysteme fur Emulgatoren Am besten ausgearbeitet 1st das System von Griffin, unter Verwendung des HLB-Konzepts. Dabei wird jedem Emulgator eine dimensionslose Zahl zwischen 0 und 20 zugeordnet: Zahlen zwischen 0 und 9: ollosliche hydrophobe Emulgatoren Zahlen zwischen 11 und 20: wasserlosliche hydrophile Emulgatoren Beispiele sind in der folgenden Tabelle 2.2 angegeben.
Tabelle 2.2. HLB-Werte von Emulgatoren. Name Span 85 Tegin 0 Span 80 Brij 72 Catinex KB-10 Triton X-35 * Atlox 4861 B * Eumulgin RT20 * Tween 85 * Igepal CA-630 * Atlox 485 1B * Synperonic OPl 1 * Synperonic NP 15 * Renex 720
*
Myrj 59 Ethomeen TI25
Chemische Bezeichnung Sorbitantrioleat Glycerin-mono/dioleat Sorbitan-mono-oleat ethoxylierter Stearylalkohol (2 Mol ") ethoxyliertes Nonylphenol ethoxyliertes Octylphenol Alkylarylsulfonat ethoxyliertes techn. Rizinusol ethoxyliertes Sorbitantrioleat ethoxyliertes Nonylphenol (9 Mol ") Mischung nichtionisch und anionisch ethoxyliertes Octylphenol (1 1 Mol ") ethoxyliertes Nonylphenol (15 Mol ") ethoxylierter Cl3-CIS-Alkohol Na-Oleat Polyethoxyethanol (100)-stearat ethoxylierte Talgamine Na-Laurylsulfat (rein)
* Emulgatoren fur ON-Emulsionen; N nichtionisch A anionisch C kationisch ") Anzahl Mol Ethylenoxid pro Mol Tensid
Typ N N N N N N A N N N N/A N N N A N C A
HLB 1.8 3.3 4.3 4.9 6.6 7.8 8.6 9.6 11 12.8 13.2 14 15 16.2 IS 18.8 19.3 40
2 Emulsionen - Eigenschaften und Herstellung
70
Bei 10 liegt das hydrophile-hydrophobc Gleichgewicht. Der Emulgator 1st so orienticrt, dass sein hydrophober KW-Rest in die Olphase eintaucht, wahrcnd sich die hydrophilcn Gruppen im Wasser befinden. Wird das HLB-Konzept auf ionische Tensidc angewandt, konncn wegen dcr zusatzlichen DissoziationscSSckte auch HLB-Werte > 20 vorkommen, z.B. fur Natriunidodecylsulfat der Wert 40.
Das HLB-System ._
~~
~
HLB = Hydrophilic-Lipophilic Balance
In dcm von Griffin [7] eingeiiihrten System wird jedem Tensid aufgrund seines hydrophilen Anteils irn Molekul cin HLB-Wert (von 1-20) zugeordnct. Das HLB-System wurde von GriM'in vorerst nur fur nichtionogene Stoffc wie Fettsaurccster, Polyglykolcthcr von mchrwcrtigen Alkoholen, Fettsiiuren, Fettalkoholen usw. ausgearbeitct und spiitcr auch fur andere Tenside erweitert (Tabelle 2.3).
Tabelle 2.3. Tenside und HLB-Wert. lipophil
1
hydrophil
HLB-Wert 0 - 3 3 - 8 7 - 9 8 -18 I I - 1s 15 - 18
Anwendung Entschaumer W/O Emulsionen Netzmittel O N Emulsionen Waschmittel Solubilisierung
H L B- Wert-Bestimmung: -
Bcrechnung aus der theoretischen Zusammensetmng (bei nichtionischen Ethylcnoxid-Adduktcn):
HLB - Wert =
-
Molgcwicht des hydrophilen Antcils M . 2 0 =".20 M Molgcwicht des Eniulgators
(2.6)
Berechnung aus der Verscifungszahl S dcs Esters und dcr Saurezahl A der zuriickgewonnenen Siiure (bei Fettsaureestern):
2.1 Allgemeines
71
- mittels NMR (bei nichtionischen Ethoxylaten) - kalorimetrisch (Mischungsenthalpien) - mittels Testsubstanzen (Ole) von bekanntem HLB-Wert
GemaB Gleichung (2.6) gibt der HLB-Wert also an, welcher auf das Molgewicht bezogene Teil in die wassrige Phase eintaucht. Die HLB-Werte einer Emulgatormischung HL&i setzen sich additiv aus den Komponenten zusammen:
HLB,, = HLB, . g , + HLB, . g ,
+ ......
g,, g2, ... sind die Massenanteile der Komponenten. Fur Fettsaureester kann der HLB-Wert aus der Verseifungszahl des Esters ( V Z ) und der Saurezahl der Fettsaure berechnet werden; Gleichung (2.7). Fur ethoxylierte Fettsaureester und andere chemische Typen existieren weitere Formeln. Nach der Gleichung (2.6) liegen die HLB-Werte fur ionische Emulgatoren zu niedrig, d.h. der Emulgator ist hydrophiler als es der Idealverteilung entspricht. Daher wird die Gleichung durch ein Zusatzglied C (Tabelle 2.4) korrigiert, gemaf3 Gleichung (2.9). Bei positivem C ist der effektive HLB-Wert grol3er als es der Idealvorstellung entspricht. Dies bedeutet, dass die Tensidmolekel tiefer in die wassrige Phase als nach Annahme eintaucht. Die hydrophilen Molekulteile ziehen also ihre hydrophoben Nachbarteile etwas in die wassrige Phase hinein. 1st C negativ, wird der HLB-Wert kleiner, die Tensidmolekel ist hydrophober. Sie taucht weniger tief in die wassrige Phase als im Idealzustand. Die hydrophoben Teile ziehen die hydrophilen Nachbarn etwas in die Olphase.
Korrektur der HLB-Werte fur ionische Emulgatoren und Polyglykolether:
HLB = 2 0 . 5 + C M
(2.9)
Tabelle 2.4. Korrekturfaktoren C nach Griffin [ 7 ] .
Emulgatoren aliphatische Polyglykolether aromatische Polyglykolether mit einer Alkylgruppe aromatische Polyglykolether mit zwei Alkylgruppen .. Ethanolaminsalze der n-Dodecylbenzolsulfonsaure Natriumsalze von n-Alkylsulfonaten Natriumsalze von n-Alkvlsulfaten ~
C -1.2 -1.9 -4.4 +2. I +5.5
+6.0
72
2 Emulsionen - Eigenschaften und Herstellung
Da im Allgemeincn HLB-Werte vor allem fur nichtionogene Emulgatoren und nur wenige fur anionaktive Typen tabelliert sind, wurde fur die Verwendung von anionischen TensidedEmulgatoren dieser Aspekt etwas naher entwickelt. Fur solche Falle lasst sich der HLB-Wert nach einer lnkrementmethode abschatzen (Tabelle 2.5). Fur nichtionische Emulgatoren stimmen die so berechneten HLB-Werte im Allgemeinen mit den Werten nach Griffin uberein. Fur ionische Tenside erhalt man dagegen Werte, die weit uber 20 liegen, also uber denjenigen von Griffin. lnkrementmethode zur Berechnung von HLB- Werten: HLB = 7
+
C H
+
ZL
(2.10)
Tabelle 2.5. HLB-Inkremente fur hydrophile und hydrophobe Gruppen. Hydrophile Gruppen Gruppe NaS04KOOCNaOOCHOOCHO- (lrci) -0-OH (Sorbitan-Ring) N (tertiares Amin) Ester ( h i )
Beispicle: O l s h r c C17H33COOH Na-Olcat Sorbitol-rnonoolcat Na-Laurylsulfat Propylcngl ykol-monolaurat
H-Wert 38.7 21.1 19.1 2.1 1.9 1.3 0.5 9.4 2.4
Lipophile Gruppen Gruppe -CH< -CHZ-CHT-CFZ-CFT Ben~olring -(CH2CHCH?O)-
L-Wert 0.47 0.47 0.47 0.87 0.87 1.66 0.1 1
7 + 2 . 1 (17.0.47) = 1 . 1 7 + 19.1 - (17 ‘0.47) = 18.1 7 + ( 5 . 1.9) - (17 .0.47) = 8.5 7 + 39 - (12’0.47) = 4 0 7 + 1.9 (12’0.47) = 3.3 ~
~
Es cxistieren noch zahlreiche wcitcrc Methoden zur Ermittlung des HLB-Wertes, auf die hier nicht eingegangen werden kann. Erwahnt sci lcdiglich die Bcstimmung von HLB-Wcrten aus dcm Wert der Phuseninversionstemperutur PIT. Ubcr den PIT-Wcrt sichc spiiter. Zwischcn dcm PIT- und dcin HLB-Wert lassen sich bcslimmtc Beziehungcn au fstc I I en. Dcr Vorteil bei der Anwendung dcs PIT gegenuhcr dem HLB ist der, dass der PITWcrt cine unmittelbar messbare GriiRc darstellt, in dcr alle Bedingungcn, wie Art des
2.2 Formulierung von Emulsionen
73
Ols, Zusammensetzung der wassrigen Phase etc. berucksichtigt sind. Diese Methode eignet sich nur fur nichtionogene Emulgatoren. Das HLB-Konzept ist ein empirisches Prinzip. HLB-Werte sind physikalisch nicht begriindet: - sie erlauben keine Aussagen uber die tatsachliche stabilisierende Wirkung der grenz-
flachenaktiven Verbindungen. - die Struktur und Zusammensetzung der Olphase und die Zusammensetzung des wass-
rigen Mediums werden nicht berucksichtigt (z.B. Elektrolytzusatz). - wenn mehrere polare Gruppen im Molekiil enthalten sind, bleibt ihre Stellung zuei-
nander unberucksichtigt. - Mischungen von grenzflachenaktiven Stoffen konnen nicht additiv betrachtet werden.
Dagegen kann ein physikalisch begrundetes Model1 zur Charakterisierung von Emulgatoren hinsichtlich Emulsionstyp und Stabilitat aus den Wirkungsmechanismen von Adsorptionsschichten abgeleitet werden [ 81. Fur Alkylpolyglykolether konnte von C. M. Donnald [9] eine physikalische Beziehung zwischen HLB-Wert und Loslichkeitsparameter gefunden werden. R. G. Laughlin [ 101 behandelte den HLB-Wert aus thermodynamischer Sicht.
2.2 Formulierung von Emulsionen Die praktische Bedeutung des HLB-Konzeptes besteht darin, dass alle Stoffe, die emulgiert werden sollen, einen individuellen ,,erforderlichen HLB- Wert" haben. Um einen bestimmten Stoff zu emulgieren, muss also ein Emulgator oder eine Mischung von Emulgatoren mit gleichem HLB-Wert verwendet werden, was wie folgt bestimmt werden kann:
2.2.1 Bestimmung des ,,erforderlichen HLB-Wertes" eines Oles Mit einem zusammengehorigen Paar eines lipophilen und eines hydrophilen Emulgators derselben chemischen Klasse, z.B. Span 60 (Sorbitanmonostearat) und Tween 60 (Polyoxyethylen(20)-Sorbitanmonostearat) werden Mischungen hergestellt, deren HLBWerte den Bereich von etwa 5 his 14 abdecken. Der HLB-Wert einer Mischung wird dabei aus der Summe der einzelnen prozentualen Anteile der Komponenten berechnet (Tabelle 2.6). Mit diesen 10 Emulgatormischungen stellt man Testemulsionen her, welche jeweils folgende Zusammensetzung haben: 20% 0 1 4 % Emulgatorgemisch (20 % bezuglich 0 1 ) 76 % Wasser
74
2 Emulsionen - Eigenschajien und Herstellung
In einem graduierten Testzylinder aus Glas legt man das 0 1 vor und lost darin das Emulgatorgemisch. Zu dieser homogenen OlEmulgator-Mischung wird das Wasser xugegeben. Die Emulgierung erfolgt durch Ruhren, Homogcnisieren ctc. Es ist wichtig, dass jede dieser 10 Testemulsionen nach dem gleichen Verfahren und Procedere hcrgestcllt wird. Man vergleicht die Emulsionen nach einer j e nach Emulgierwirkung kurzeren odcr Iangeren Standzeit auf Transparenz, Aufrahmen, Sedimentation, Trubung. Der ganze Vorgang muss bei etwa konstanter Raumtemperatur erfolgen. Falls zwischen den einzelnen Emulsionen kein bemerkenswerter Unterschied fcstzustcllen ist, wiederholt man die Testreihe unter Verwendung einer geringeren Emulgatormenge. Andererscits, wenn alle Emulsionen schlecht sind und man keine groBen Unterschicde feststellen kann, wiederholt man den Test mit einem hoheren Emulgatorgehalt. Wenn man in der Testserie ein Optimum gefunden hat, z.B. bei einem HLB-Wert von 10.3, kann man zur genaueren Bestimniung des HLB-Wertes weitere Versuche mit Emulgatormischungen in cinem engen HLB-Bereich zwischen 9.5 und 1 1 durchfuhren.
Tabelle 2.6. HLB-Werte von Emulgator-Tcstmischungen Emulgatormischung TWEEN 60 SPAN 60 Muster Nr I 2 3 4 5 6 7 8 9 10
I%I
[%I
I 00 87 68 50 45 40 35 30 25 20
13 32 50 55 60 6.5 70 75 80
Bercchneter HLB-Wert 4.7 6.0 8.0 9.8 10.3 10.8 11.3 11.8 12.2 12.9
I n den Tahcllen 2.7 und 2.8 ist einc Anzahl von erforderlichcn HLB-Wcrtcn fur hiiufig emulgiertc Substanzcn zu finden (aus Broschiire ,,Spezialchemikalien" von Atlas, cnthaltend 7 Kapitcl uber das HLB-System; ohne Datum).
Tabelle 2.7. Erlordcrliche HLB-Werte (W/O) fur haufig cmulgierte Substanzen (kI ). Bcnzin Mincralol Petroleum
7 6 6
2.2 Formulierung von Emulsionen
75
Tabelle 2.8. Erforderliche HLB-Werte ( O m ) fur haufig emulgierte Substanzen (fI ) . Acetophenon Alkohol, Cetyl Alkohol, Decyl Alkohol, Hexadecyl Alkohol, Isodecyl Alkohol, Isohexadecyl Alkohol, Lauryl Alkohol, Oleyl Alkohol, Stearyl Alkohol, Tridecyl Arachidyl Propionat Arlamol E Baumwollsamenol Benzoesaureethylester Benzol Benzonitril Bienenwachs Brombenzol Butylstearat Carnaubawachs Ceresin Chlorbenzol Chlorparaffin Cyclohexan Decahydronaphthalin Decylacetat Diethy lanilin Di-iso-octyladipat Di-iso-octyl-phthalat Di-iso-propylbenzol Dimethylsilikon Erdnussol (hydriert) Ethylanilin Fenchon Glycerinmonostearat Isopropylmyristat Isopropyllanolat Isopropylpalmi tat Jojobaol Kiefernadelol (Pine oil) Kokosbutter Lanolin. wasserfrei
14 15-16 15
11- 12 14 11-12 14 13-14 15-16 14 7 7 5-6 13 15 14 9 13 11 15 8 13 12-14 15 15 11 14
9 13 15 9 6-7 13 12 13 11-12 14 11-12 6-7 16 6 9
Lanolin, flussig Laurylamin Maisol Menhaden01 Methylphenylsilikon Methylsilikon Mineralol, naphthenisch (leicht) Mineralol, paraffinbasisch Mineralol (leicht) Mineralol (mittel) " Nerzol Nitrobenzol Nonylphenol N,N-Di-ethyl-toluamid Orthodic hlorbenzol Palmol Petroleum Polyethylenwachs Polyoxypropylen(30)-cetylether Propylen, tetramer Rapsol Rinderfett Rizinusol Saure, Dimer Saure, Isostearin Saure, Laurin Saure, Linol Saure, Ol Saure, Rhizinol Schwerbenzin Silikonol (fluchtig) Soyaol Styrol Tafelparaffin Testbenzin Tetrachlorkohlenstoff Toluol Trichortrifluorethan Tricresylphosphat Vaseline Xylol "
9 12 10
12 11 11
11-12 10 10-1 1
9 5 13 14 7-8 13 10 14 15 10-1 1 14
6 5 14 14 15-16 16 16 17 16 14 7-8 6 15 10
14 16 15
14 17 7-8 14
76
2 Emulsionen - Eigenschaften und Herstellung
Wie schon fruher angedeutet, lasst sich der HLB-Wert einer Mischung von Emulgatoren leicht aus den einzelnen Anteilen berechnen: Bcispicl: HLB-Wert einer Mischung von 70 % TWEEN 80 (HLB = IS) und 30 % SPAN 80 (HLB = 4.3) 4 HLB = 0.7 15 + 0.3 . 4.3 = 11.8. Hier muss auf cin System von nichtionischen Emulgatorcn hingcwiesen werden, bei dem sich die Skala der HLB-Werte von 1.8 bis 16.7 erstreckt. Es handelt sich um das HLB-System von Atlas Chemie, welches aus den lipophilen Sorbitanestern (SPANS) rnit HLB-Werten von 1.8 his 8.6 und deren Polyoxycthylenderivaten, den hydrophilen TWEENS, mit hohen HLB-Werten zwischen 9.6 und 16.7 besteht. SPAN 20 und TWEEN 20 sind zwei Emulgatoren derselben chemischen Klasse, ein hydrophober und cin hydrophiler Laurat-Ester. Die Typen mit der %ah1 40 sind Palmitat-, diejenigen rnit 60 Stearat- und diejenigen mit 80 Oleat-Ester. Zwischen den HLB-Werten einer Mischung von zwei Emulgatoren und dcm erforderlichen HLB-Wert eines 01s besteht folgende Bczichung ( W,: 741Emulgator A; W,: ?hEmulgator B):
HLB,,, =
W, HLB,
+ W,
WA +
HLB,
(2.11)
w,
Urn die Menge eines Emulgators (A) zu bestimmen, den man rnit irgendeinem anderen Emulgator (B) mischen muss, um einen HLB-Wert von Xzu erhalten, kann man folgende Gleichung anwenden: %(A) =
IOO.(X-HLB,)
HLB,
-
wohei % ( B ) = I 0 0 - % ( A )
HLB,
(2.12)
Beispiel: Wicviel SPAN 80 (HLB = 4.3) und wieviel TWEEN 80 (HLB = 15) wcrden benotigt, um cinen HLB-Wcrt von 12 zu erhalten?
100 (1 2 - 4.3) IS - 4.3 '
% TWEEN 80 =
= 72 o/n
5% SPAN80= 100-72 % = 28 %
(2.13) (2.14)
Es ist auch moglich, dass bci den Vorversuchen eine ziemlich gute Emulsion bci cinem HLB-Wert von z.B. 4.7 und eine weitere bei einem HLB-Wert von I2 resulticrt. Die Emulsion mit dein nicdrigen HLB-Wert stellt eine W/O-Emulsion dar (nicht wasscrverdiinnbar), diejenigc mit hohem HLB-Wert eine Om-Emulsion (leicht wasserverdunnbar).
2.2 Formulierung von Emulsionen
77
2.2.2 Einfluss des chemischen Typs des Emulgators auf die Emulsion Ein erforderlicher HLB-Wert l a s t sich mit geeigneten Mischungen von Emulgatoren verschiedener chemischer Typen erhalten. Der ,,richtige" chemische Typ ist ebenso wichtig wie der ,,richtige" HLB-Wert. Hat man festgestellt, dass eine Mischung von SPAN 60 und TWEEN 60 (Stearate) mit einem HLB-Wert 12 eine bessere Emulsion ergibt als irgend ein HLB-Wert einer anderen Mischung dieser zwei Emulgatoren, wird dieser HLB-Wert auch fur jeden anderen chemischen Typ naherungsweise der geeignetste sein. Man muss nun prufen, ob nicht SPANmEEN-Mischungen rnit HLB-Wert 12 von anderen Typen, beispielsweise Laurate, Palmitate oder Oleate besser oder wirksamer sind als die Stearate, oder ob Emulgatoren aus anderen Klassen noch bessere Resultate ergeben. In Abb. 2.10 a) sehen wir einen Emulgator vom Typ eines POE-Sorbitanoleat-Esters mit seinen ungesattigten Oleatresten im 0 1 . Eine ungesattigte Kette dieser Art scheint ungesattigte Ole zu bevorzugen. In Abb. 2.10 b) ist ein ahnlicher Emulgator dargestellt, der jedoch einen Stearatrest anstelle des Oleates aufweist. Eine gesattigte Kette wie diese, oder ein Laurat bzw. Palmitat scheint dagegen gesattigte Ole zu bevorzugen. Obwohl beide Oltypen einen Emulgator rnit HLB-Wert 12 erfordern, ist der Emulgator, dessen chemische Struktur der des Oles naher steht, wesentlich wirksamer.
a)
b)
Oleat
Stearat
gesattigte Ole
ungesattigte Ole
/-vvdvw
6"
Q"
Wasser
POE'
\PO, Abb. 2.10. Auswahl von TWEEN-Typen, entsprechend dem Typ des zu emulgierenden 01s.
In Abb. 2.1 1 wird der Einfluss des chemischen Typs der Emulgatoren auf die Emulsionsstabilitat dargestellt. Dabei werden drei Mischungen von Emulgatoren mit jeweils unterschiedlichen chemischen Strukturen verwendet. Alle Emulgatorenmischungen haben einen HLB-Wert von 12, gemaR dem erforderlichen HLB-Wert des zu emulgieren-
I8
2 Emulsionen - Eigenschajien und Herstellung
den 0 1 s und werden in gleicher Konzentration eingesetzt. Man erkennt, dass alle drei Mischungen ,,A", ,,B", ,,C", die aus Emulgatoren unerschiedlicher chemischer Struktur bcstehen, eine gute Emulsionsstabilitat im HLB-Bereich von 12 ergeben. Mischung ,,A" ist jedoch weitaus die beste. Es ist jedoch moglich, bei Erhohung der Anwendungskonzcntration von ,,B" und ,,C" gleich gute Ergebnisse zu erhalten. Bei der Wahl des Emulgatorsystems sind wirtschaftliche und applikatorische Aspekte oft ausschlaggebend. Mischung ,,B" mag Mischung ,,A" vorzuziehen sein, wenn sie billiger ist, oder wenn eine mittelmaBige Emulsionsstabilitat in einem weiten HLB-Bereich vorteilhafter ist als eine ausgezeichnete Stabilitat in einem sehr engen Bereich. Man stellt vielleicht fest, dass besonders Oleate eine gute Geschmeidigkeit ergeben, Stearate sich dagegen besonders zur Einstellung der Konsistenz cignen. Im gleichen System ergeben die Laurate vielleicht eine ausgezeichnete Emulsionsstabilitat bei schr nicdriger Emulgatorkonzentration, erlauben also eine preisgunstige Formulierung.
Chemische Klasse
HLB-Wert der Emulgatoren Abb. 2.1 1. Stabilisierungsvermogen unterschiedlicher Emulgatorklassen als Funktion des HLBWertes der Emulgatoren.
2.3 Stabilisierung durch feste Partikel Schr fein verteilte Feststoffteilchen, die kleiner als die Eniulsionstropfchen sind und von der Wasser- bzw. Olphase gut benetzt werden, konnen eine Stabilisierung der Emulsion bewirken. Sie reichern sich an der Phasengrenze Wasser/Ol in Form einer festen Schicht an, die das ZusammenflieBen der inneren Phase verhindert (Abb. 2.12).
2.3 Stabilisierung durch feste Partikel
79
;chiicht
-______________-____------Abb. 2.12. Anlagerung von Feststoffteilchen an der ON-Grenzflache.
Wenn der Feststoff durch eine der zwei Phasen bevorzugt benetzt wird, kann er sich an der Grenzflache anlagern, wenn diese konvex gegen die Phase gekriimmt ist. Bentonite, welche bevorzugt durch Wasser benetzt werden, geben also ON-Emulsionen, im Gegensatz zu GasruB, der bevorzugt durch 0 1 benetzt wird und W/O-Emulsionen ergibt (Abb. 2.13).
--_ Wasser
0 0 -
Abb. 2.13. Emulsionsstabilisierung durch Adsorption von a) hydrophilen und b) hydrophoben Fests tofftei Ichen.
Durch die feinen Partikel in der Grenzflache wird eine Koaleszenz der Tropfen, und irn Fall von abstoBenden Kraften zwischen den Feststoffteilchen auch eine Aggregation der Tropfen verhindert. Festteilchen rnit dem Randwinkel 90" bilden die stabilsten Emulsionen (Abb. 2.14).
80
2 Emulsionen - Eigenschuften und Herstellung
Abb. 2.14. Adsorbierte Feststoffteilchen mit Randwinkel 90" ergeben stabilste Emulsionen.
Die Feststoffteilchen werden in Wirklichkeit uberwiegend von der BuBeren Phase benetzt. Dies fuhrt zur Bildung der minimalen GroBe der Grenzflache zwischen den 7wei Phasen und dadurch zu weiterer Stabilisierung der Emulsionstropfchen. Wenn zur Stabilisierung einer Emulsion nur anorganische Feststoffe und keine eigentlichen Emulgatoren eingesetzt werden, muss die zur Tropfenbildung erforderliche Energic durch intensives Mischen, z.B. mit einem hochtourigen Riihrwerk, in das System eingebracht, und der Feststoff langsam zugesetzt werden. Die Zugabe kann auch zusammen mit der inneren und auReren Phase erfolgen. BenzoUWasser-Emulsionen werden durch CaC03 stabilisiert, Toluol/Wasser durch Pyrit, Wasser/Benzol durch Holzkohlepulver. Die Anreicherung des Feststoffes in der Phasengrenze Ol/Wasser stellt einen Grenzflachen-,,Film" von hoher Stabilitat und Festigkeit dar, der die Stabilitat der Emulsion verstarkt. Tatsachlich wird eine mit Tensid stabilisierte Emulsion stabler, wenn die Grenzflacheneigenschaften der dispersen Tropfchen sich denjenigen eines Festkorpers annahern. Es ist auch moglich, dass durch die Pulverteilchen in der Grenzflache sich hohe Zetapotentiale aufbauen, die selbst einen stabilisierenden Effekt zur Folge haben.
2.4 Phanomenologie der Emulsionen Der Emulsionstyp O/W oder W/O kann durch verschiedene Methoden und Beobachtungen identifiziert werden:
2.5 Stabilitat von Emulsionen
81
1. ON-Emulsionen haben cremige Struktur, W/O-Emulsionen sind olig-schmierig (die Viskositat einer ON-Emulsion weicht oft nur geringfugig von einer echten wassrigen Losung ab; die W/O-Emulsionen zeigen dagegen sehr oft eine salben- oder butterformige Konsistenz, die meist durch fliissigkristalline Gelstrukturen verursacht ist); 2. eine Emulsion vermischt sich sofort mit einer Flussigkeit, die mit ihrem Dispersmedium mischbar ist; 3. eine Emulsion ist mit Farbstoffen anfarbbar, die im Dispersionsmedium loslich sind. Fur ON-Emulsionen, z.B. Methylenblau, fur W/O-Emulsionen Sudanblau; 4. ON-Emulsionen haben im Allgemeinen eine wesentliche elektrische Leitfahigkeit.
2.5 Stabilitat von Emulsionen Da Emulsionen thermodynamisch instabil sin4 bezieht sich der BegrifS ,,Stabilitat" auf die Lebensdauer der Emulsion. Irn Zusammenhang mit der Stabilitat sind drei wichtige Begriffe zu nennen (siehe Abb. 2.3): I . Aufrahmen und Sedimentation. Diese Erscheinungen erfolgen aufgrund von Dichteunterschieden. Das Aufsteigen oder Absetzen der dispergierten Tropfchen ist nicht unbedingt mit einer Aggregation verbunden und wird im Allgemeinen nicht als Instabilitat bezeichnet. Die Tropfchen lassen sich wieder redispergieren. 2. Flockung der Emulsion. Die Flockung oder Koagulation der dispergierten Teilchen ist eine Form der Instabilitat von Emulsionen. Solange jedoch der individuelle Charakter der Triipfchen erhalten bleibt, ist die Emulsion nicht ,,zerstort", sie Iasst sich wieder redispergieren. 3. Brechen der Emulsion, Koaleszenz. Erst das Zusammenflieljen der Tropfchen fuhrt zum Brechen der Emulsion, zur Phasenseparation und damit zur Zerstorung des emulgierten Systems. Daher wird allein die Geschwindigkeit der Koaleszenz der Tropfen als quantitatives Malj fur die Stabilitat einer Emulsion gewahlt.
2.6 GeschwindigkeitsbestimmendeFaktoren der Koaleszenz Die kinetische Instabilitat resp. das Brechen von Emulsionen hangt von verschiedenen Faktoren ab:
GeschwindigkeitsbestimmendeFaktoren der Koaleszenz 1. Natur des Grenzflachenfilms 2. Elektrische und sterische Barrieren 3. Viskositat des Dispersionsmittels 4. Volumenverhaltnis der dispersen Phase und des Dispersionsmittels 5 . TropfengroOeverteilung 6. Temperatur
82
2 Emulsionen - Eigenschajien und Herstellung
2.6.1 Natur des Grenzschichtfilms Fur dic Stabilitiit der Emulsion ist die mechunzsche Beanspruchburkeit der Grenzschich@lme wichtig. Die adsorbierten Tenside sollten durch starke laterale intermolekulare Krajie ,,kondensiert" sein, verbunden mit einer groJen Filmelastizitat. Dazu ist eine Kombination von wasser- und olloslichen Tensiden geeignet. Das ollosliche Tensid mit langen, geraden KW-Ketten und schwachpolaren Kopfgruppen reduziert durch seinen Einbau in den Film die elektrostatische AbstoBung zwischen den wasserloslichcn Tensidmolekulen und verdichtet den Film durch die Dispersionswechselwirkungen. Eine dichte Packung wird am besten durch einen komplexen Film gehildet:
Gemischte Grenzschicht-Filme und strukturelle Effekte. I . Hochgereinigte Emulgatoren crgeben nicht dicht gcpackte und somit nicht mechanisch stabile Grcnzschichtfilme. Gutc Emulgatoren bestchen daher gewohnlich aus ciner Mischung von zwei oder mehr Tensiden. Eine ubliche Kombination besteht aus eincm wasserliislichen und einem olloslichen Emulgator. Der olloslichc Typ, gewohnlich mit ciner langen, geraden KW-Kette und einer nur schwach polaren Kopfgruppe, verstarkt die latcralen Wechselwirkungen zwischen den oberflachenaktiven Molekulcn im Grcnzflachenfilm und verdichtet ihn zu einem mechanisch starkeren Film. Beispiel: Die Kombination von Laurylalkohol und Na-Laurylsulfat ergibt einen dichtgepackten monomolekularen Film und cine verbesserte Stabilitat im Vergleich zu einer Emulsion mit nur cinem Emulgator. Die elektrostatische AbstoBung zwischen den ionischen Kopfgruppen wird rcduziert und die hydrophoben KW-Ketten konnen sich einandcr niihern. Die stabilstcn OW-Emulsionen werden erhalten, wenn bcidc Komponenten des Emulgatorgemisches dieselbe Kettenliinge haben und in gleicher molarer Konzentration vorliegen. In Tabelle 2.9 sind weitere Beispiele von Emulgatorkombinationcn zusammengestellt. 2. Mit Makromolekulen geschutzte Emulsionen sind gegen Elektrolyt unempjindlich. Verschiedene Polymere spreiten auf der W a s s e r h f t - und der WasserlOl-Grenzflache unter Bildung vvn koharenten, jedoch meist viskosen Filmen und ergeben gute Emulsionsstabilitat. Solche Polymere haben eine flache molekulare Konfiguration. Erwahnt seien: Polyester, Polyvinylacetat, Polyvinylbenzoat, Polymethylmcthacrylat. Abbildung 2. I5 gibt Beispiele eines dichten Films (a), eines Films mit loser (b), cines Films mit ungenugender Packung (c), mit entsprechend unterschicdlichen Stabilitaten der Emulsionen. Tabelle 2.9, Weitere Beispiele fur Emulgatorkombinationen.
Na-Cetylsulfat / Cctylalkohol Na-Cetylsulfat / Oleylalkohol Na-Cctylsulfat / Cholesterin Cholesterin allcin Sorbitolester (Span) / POE-Sorbitolestcr (Tween)
Talliil-Fettsaurcn / Alkylarylsulfonatc (Petrolsulfonat)
gut schlecht gut schlecht spontane Bildung von O N Emulsionen mit mechanisch stabilen Grenzflachenfilmen do.
2.6 Geschwindigkeitsbestimmende Faktoren der Koaleszenz
83
-
Natriumcetylsulfat
o-- Cholesterin
a+-
Natriumcetylsulfat Oleylalkohol
o-- Cetylalkohol
a--
Natriumoleat
Abb. 2.15. Schematische Darstellung der Adsorption von Emulgatorgemischen an der O N Grenzflache [l I].
Eine haufig verwendete Emulgatormischung besteht aus olloslichen Sorbitolestern (SPAN) und wasserloslichen POE-Sorbitolestern (TWEEN). In Abb. 2.16 ist ein moglicher Aufbau des stabilisierenden Grenzschichtfilms aus diesen Molekiilen dargestellt. Wegen der grof3eren Wechselwirkungen des POE-Sorbitols mit der Wasserphase ragt dessen hydrophile Gruppe weiter in das Wasser als der nicht oxyethylenierte Ester, was es den hydrophoben Gruppen der zwei Verbindungen ermoglicht, sich im Grenzschichtfilm mehr zu nahern und miteinander zu ,,wechselwirken", als wenn nur jedes Tensid alleine anwesend ware.
84
2 Emulsionen - Eigenschupen und Herstellung
Abb. 2.16. lnteraktion von Span 80 und Tween 40 an der Grenzflache OVWasser [ 121.
Besonders wichtig ist ein dichter, sperriger Film bei WDEmulsionen. Da die Wassertropfchen im Allgemeinen elektrisch neutral sind (oder schwach negativ geladen), existiert keine elektrische Barriere, die der Koaleszenz entgegenwirkt. Die Stabilitat der Emulsion muss allein durch die mechanische Schutzschicht gewahrleistet sein. Die Dicke des Grenzflachenfilms betragt bei den meisten Emulsionen etwa 0.01 prn.
2.6.2 Elektrostatische und sterische Barrieren In ON-Emulsionen ist der geladene, hydrophile Tensidteil dem Wasser zugewandt und die elektrische Ladung der Tropfchen wirkt als Barriere gegen die Koaleszenz. Das Ladungsvorzeichen des Tropfchens entspricht bei ionischen Tensiden demjenigen des Tensids. In Emulsionen, die mit nichtionischen Tensiden stabilisiert sind, wird die disperse Phase entweder durch Adsorption von Ionen aus der wassrigen Phase aufgeladen, oder durch Bewegung (Reibung) der Tropfen im Dispersionsmediuin wcrden elektrische Doppelschichten getrennt. Dabei ist die Phase mit der hoheren Dielektrizitatskonstante positiv geladen. Bei den hochmolekularen Emulgatoren erfolgt die Stabilisierung vorwiegend durch sterische AbstoBung.
2.6 Geschwindigkeitsbestimmende Faktoren der Koaleszenz
85
2.6.3 Viskositat des Dispersionsmediums Dieser Aspekt wurde z.T. bereits unter Abschnitt 2.1.2 behandelt. Die Abhangigkeit der Emulsionsstabilitat von der Viskositat der kontinuierlichen Phase hangt mit der Beeinflussung der Diffusion der Tropfen zusammen. Eine kleine Diffusionskonstante reduziert die Zahl der ZusammenstoRe, die Koaleszenzgeschwindigkeit wird geringer. Konzentrierte Emulsionen sind daher oft stabiler als verdunnte, da die Viskositat der kontinuierlichen Phase mit der Zahl der Tropfen zunimmt und damit die Diffusion abnimmt. In der Praxis erhoht man die Viskositat und damit die Stabilitat der Emulsion durch Zugabe von ,,Verdickungsmitteln". Ubliche Verdickungsmittel sind: Cellulosederivate, Gelatine, Caseine, Starke, Dextrine, Johannisbrotkernmehl, PVA, PVP, Xanthangummi (Kelzan), Carbopole (Acrylsaurepolymere), Traganth, mikrokristalline Cellulose, Alginate. Bei bestimmter Zusammensetzung von Wasser, 0 1 und Tensid kijnnen sich fliissigkristalline Strukturen ausbilden, die das System stabilisieren.
2.6.4 Volumenverhaltnis der dispersen Phase und des Dispersionsmittels Die VergroBerung des Volumens der dispersen Phase im Verhaltnis zum Volumen der kontinuierlichen Phase fiihrt zur VergroBerung des Grenzschichtfilms und damit zur Erniedrigung der Stabilitat. Wenn das Volumen der dispergierten Phase dasjenige der kontinuierlichen Phase iibersteigt, wird der Emulsionstyp instabil gegeniiber der invertierten Emulsion. Die Tensidschicht, die die disperse Phase umhiillt, ware jetzt groBer als diejenige, die notig ware, um die kontinuierliche Phase zu umhiillen; daher wird diese instabil gegeniiber derjenigen mit der kleineren Emulgatorschicht (Abnahme der freien Oberflachenenergie). Konnen mit dem verwendeten Emulgator beide Emulsionstypen gebildet werden, kann eine Phaseninversion erfolgen.
-
Durchmesser Cm]
Abb. 2.1 7. GroBenverteilung einer stabilisierten Emulsion nach verschiedenen Zeiten (in Tagen); aus [13].
86
2 Emulsionen - Eigenschufien und Herstellung
2.6.5 Grolienverteilung der Tropfen Griikrc Tropfen sind thermodynamisch stabiler als kleinerc, da ihr Vcrhaltnis von Grenzflache (Oberflache) zu Volumen kleiner ist. Infolgedessen wachsen die grolJen Tropfen auf Kosten der kleineren, bis die Emulsion bricht. Eine Emulsion ist also umso stabiler. j e enger die Grojlenverteilung der Tropfen ist. In Abb. 2.17 ist der zeitliche Verlauf der GrbBenverteilung der Tropfchen einer Emulsion dargestellt.
2.6.6 Temperatur Die Koaleszenzgeschwindigkeit einer Emulsion ist stark temperaturuhhungig. Eine Temperaturanderung bringt eine Anderung der Grenzflachenspannung zwischen den Phasen. Fur die meisten Flussigkeiten nimmt ymit steigender Temperatur linear ab, z.B. nach der empirischen Formel von Ramsay und Shields resp. von Eotvos. Ferner andern sich die Viskositat des Grenzschiehtfilms und der homogenen Phasen, die Loslichkeit des Emulgators in beiden Phasen und die thermische Bewegung der Teilchen.
2.7 Inversion von Emulsionen Die Phaseninversion bietct eine Miiglichkeit zur Umwandlung einer O N - in eine W/OEmulsion oder umgekehrt. Der Emulsionstyp hangt z.B. von der Reihenfolge der Zugaben der Phasen, der Art des Tensides, dem Phasenverhaltnis, der Temperatur und der Zugabe von Elektrolyt oder anderen Additiven ah. Gibt man Wasser zu einer apolaren Tensidlosung, entstehen im Allgemeinen W/OEmulsionen, wiihrend die Zugabe von 0 1 zu einer wassrigen Tcnsidlosung ON-Emulsionen ergibt. Eine Anderung des Emulsionstyps mit dcr Tempcratur ist bedingt durch die Anderung der Hydrophobizitat der Tenside mit der Temperatur. Mit nichtionischen Tensiden tritt mit steigender Tempcratur Umwandlung vom O N - T y p in den W/O-Typ ein, mit ionischen findet beim Abkuhlen einer Losung eher eine Umwandlung vom W/O- in den O N - T y p statt. Interessant ist das Verhalten der Grenzjlachenspunnung hei der Phusenumkehr. In einem engen Trmperaturintervall geht yoM1gegen 0, und die Emulsionslropfen sind nicht mehr stabil. Auch durch Zusatz von Elektrolyt kann die Hydrophobizitat des Grenqjlachenfilms geandert und darnit eine Phuseninversion erzeugt werden. Starke Elektrolyte erniedrigen das elektrochemische Potential der Teilchen, und die Wechselwirkungen zwischen Tensidionen und Gegenionen werden verstarkt. ON-Emulsionen kijnnen damit instabiler werden (aussalzen). In Abb. 2.18 ist der Ablauf der Inversion ciner ON-Emulsion crsichtlich, welche init cinein Grenzfliichenfilm von Na-Cetylsulfat und Cholesterin stabilisiert 1st. Durch
2.7 Inversion von Emulsionen
87
Zugabe von starken Elektrolyten, d.h. polyvalenten Kationen werden die negativen Ladungen auf den Tropfchen neutralisiert (in Abb. 2.18 durch Zugabe von Ba2+oder Ca”). Kleine Mengen Wasser werden in den sich verklumpenden Oltropfchen eingeschlossen.
-0
-+
Natriumcetylsulfat Cholesterin
+ I
Koaleuenz der Olbopfen; Bildung von UnregelmBssig geforrnten Wassertropfen
Wasser
Abb. 2.18. Inversion einer mit Natriumcetylsulfat und Cholesterin stabilisierten ON-Emulsion bei Zugabe von mehrwertigen Kationen. Durch Adsorption der Kationen werden die negativen Oberflachenladungen neutralisiert, sodass die Oltropfchen koaleszieren konnen [ 141.
Die Molekiile des Grenzflachenfilms richten sich so aus, dass unregelmaaig geformte Wassertropfchen gebildet werden, welche durch einen starren, ungeladenen Film stabilisiert und im Ol dispergiert sind. Die Koaleszenz der Oltropfchen unter Bildung einer kontinuierlichen Phase vervollstandigt den Inversionsprozess. Das Phanomen der Koaleszenz ist wichtig als Beginn sowohl des Aufrahmens (creaming) als auch der Inversion.
2.7.1 Phaseninversionstemperatur Die Koaleszenzgeschwindigkeit nimmt mit steigender Temperatur zu, und damit nimmt die Stabilitat ab. Sie wird von mehreren Faktoren beeinflusst, wie Charakter und GroBe der hydrophilen und hydrophoben Gruppen des Emulgators, seiner Konzentration, der Lange der hydrophoben Kette usw.
88
2 Emulsionen - Eigenschaften und Herstellung
Wenn die Temperatur erhoht wird, nimmt die Hydratation der hydrophilen Gruppen in einem Tensid ah, und das Tensid wird weniger hydrophil. Sein HLB-Wert muss ahnehmen. Wenn also eine Emulsion bei niedriger Temperatur vom OW-Typ ist, kann sie bei Temperaturerhohung zum W/O-Typ invertieren. Umgekehrt invertiert eine bei hoher Temperatur gebildete W/O-Emulsion bei Erniedrigung der Temperatur zu einem O W Typ. Die Temperatur, bei der diese Inversion passiert, he& Phaseninversionstemperatur PIT. Bei dieser Temperatur sind die hydrophilen und lipophilen Eigenschajien des Ernulgators im Gleichgewicht. Der PIT-Wert lasst sich visuell bestimmen. Da im Bereich der PIT auch ein Minimum f i r die Grenzflachenspannung des Emulgators Iiegt, wird empfohlen, den Emulgiervorgang nahe der PIT durchzufuhren, da sich ohne groJeren Energieaufiand sehr kleine Tropfchen bilden konnen. Wie bereits unter Abschnitt 2.1.3.3 erwahnt, existiert zwischen dem PIT-Wert und dem HLB-Wert eine fast lineare Funktion.
2.7.2 Inversionspunkt einer Emulsion (EIY) Dieser gibt an, wann eine W/O-Emulsion durch Zugabe von Wasser zu einer ON-Emulsion iibergeht. Der EIP-Wert wird als die Menge an Wasser in em3 pro em3 0 1 angegeben, nach deren Zugabe die Phasenumkehr erfolgt. Dies setzt voraus, dass die Emulsion aus Wasser, dl und Emulgator besteht. Der EIP-Wert sinkt mit steigendem HLB-Wert eines Emulgators und erreicht ein Minimum. Der EIP-Wert in dem Minimum entspricht der optimalen Stabilitat einer OW-Emulsion. Die EIP-Methode ist eine schnelle Methode zur Ermittlung der physikalischen Stabilitat von Emulsionen. Bei der Herstellung von stabilsten O/W-Emulsionen geht man o$ vom W/O-Typ aus und invertiert zum O/WTYP.
2.8 Technik des Emulgierens 2.8.1 Verfahren und Apparate Die feine Verteilung einer dispersen fliissigen Phase in einer unloslichen Fliissigkeit kann prinzipiell auf zwei Arten erfolgen: a) durch Kondensation ausgehend von Keimen; b) durch Zerteilungsprozesse von grol3en Tropfen in kleinere. Die Kondensationsmethode beschrankt sich auf einige wenige spezifische Anwendungen (2.B. Einblasen von Dampf in Fliissigkeit mit Dampfkondensation). Die technisch iiblichen Verfahren beruhen auf dem Dispersionsprinzip mit Einsatz von mechanischer Energie. Die disperse Phase wird einem hohen Geschwindigkeitsgra-
2.8 Technik des Emulgierens
89
dienten ausgesetzt, sodass die Tropfen in mehrere Teile zerfallen. Der zerteilenden Tragheitskraft (-v2.d?.p) wirkt die Oberflachenkraft (- y 'dp)entgegen (dp:Partikeldurchmesser; p: Dichte). Das Scherfeld kann entweder durch ein Ruhrorgan (Stator-Rotor-Prinzip) oder in einer durch Druck bewirkten Stromung in einem engen Stromungsquerschnitt erzeugt werden. Dementsprechend unterteilt man die Emulsionsapparate in: a) ,,Kolloid-Muhlen" (Stator-Rotor-Prinzip) fiir breiten Viskositatsbereich; b) ,,Homogenisatoren" (durch Druck bewirktes Stromungsfeld) fur eher niedrige Viskositaten.
Als Emulgiermaschinen werden folgende Gerate verwendet: - Einfache Mischer - Mischturbinen - Kolloidmuhlen - Homogenisatoren - Kugelmuhlen - Ruhrwerkskugelmuhlen - Lochscheibenmuhlen - Hochdruckhomogenisatoren - Ultraschallgerate
m CIP-Reini un
Messen
I
t Entleeren Abb. 2.19. Labor-Emulgierapparat.
90
2 Emulsionen - Eigenschaften und Herstellung Stator
Rotor
I I I
Ultra Turrax
Kolloidmuhle
Homogenisatorventil
Abb. 2.20. Rcispiele von Emulgierapparatcn.
Fur die Auswahl der Emulgiermaschinen ist neben den produktespezifischen Eigenschaftcn und der Viskositat vor allem die damit erzeugte mittlere PartikclgroUe von Bedeutung. In Abb. 2.19 und 2.20 sind Beispiele einiger Emulgierapparate dargestcllt. In Tabellc 2.10 sind die Eigenschaften von drei Typen von Emulgiermaschinen: Kolloidmuhlc, Kugelmuhle und Homogenisator zusammengestellt.
Tabelle 2.10. Eigenschaften von verschiedenen Emulgiergeraten (aus [ 151). Kolloidmuhle 25ds 501ds Viskositatsbereich (mPa.s) 1 03- 1 o5 1-5000 optimale ViskositCt (mPa-s) 15 000 2000 2-100 1-100 PartikclgroBc (pm) 1-3 optimale PartikelgroRe (pm) 2 4 2-150 2-150 Leistungsbedarf (kW) Vormischung erforderlich ja ja Fur nicdrigsicdende ja ja Likemittel verwendbar
Kugclmuhle Homogenisator
300-8000 600-2400 0.5-1 00 1
ncin ja
1-20 000 1-200 0.5-20 0.1-2 2-220 ja ja
Die Ultraschallgeratc und der Hochdruckhomogenisator werden in Kapitcl 5 behandelt. Da der Zerteilungsvorgang von groRen Tropfcn in klcinere nicht nur durch Anwendung mechanischer Energie erfolgen kann, sondern auch durch Erniedrigung der Grenz-
2.8 Technik des Emulgierens
91
flachenspannung zwischen den zwei Phasen mit Hilfe von Tensiden erleichtert wird, und die feinen Tropfchen mit Emulgatoren vor Koaleszenz geschutzt werden miissen, spiel1 die optimale Formulierung mit Tensiden, Emulgatoren usw. eine mindeslens so wichtige Rolle wie die mechanische Zerkleinerung, Bei sehr kleinen Grenzflachenspannungen mN erhalt man sogar spontan oder selbstemulgierende Systeme (wenn r,,w< 1 -). m
2.8.2 Verfahrenstechnik: Art der Zugabe der Komponenten Einen entscheidenden Einfluss auf den Verlauf und die Durchfuhrung einer Emulgierung und ihrem Resultat hat die Art der Zugabe der Komponenten [16, 171. Von den vier ublichen Standardtechniken 1. 2. 3. 4.
,,Agent-in Wasser" ,,Agent-in-Ol" ,,Nascent Soap-Methode", in situ Seifenbildung ,,Alternierende Zugabe"
ist nur Nr. 1 mit grol3em Energieaufwand verbunden, die anderen benotigen dagegen nur einen kleinen Energieeinsatz. Methode Nr. 1 ist eine forcierte Emulgierung. Zu Methode 4: In der Kosmetik kennt man zwei allgemeine Methoden der Emulsionsherstellung: Die sogenannte ,,englische" und die ,,continentale" Methode. Die erstere entspricht der Methode der alternierenden Zugabe, die ,,Continentalmethode" der ,,agent-in-oil" -Methode. Diese sol1 etwas bessere Emulsionen geben, braucht jedoch hohere Konzentrationen an Emulgator.
Nahere Angaben zu den Standardtechniken: 1 . ,,AGENT-IN-WATER' Der Emulgator wird direkt in Wasser gelost, dann das 0 1 unter starkem Ruhren zugegeben (,,forcierte Emulgierung"). Es entstehen direkt O/W-Emuisionen. Wenn W/O-Emulsionen gewunscht sind, wird weiter 0 1 zugegeben, bis Inversion eintritt. Diese invertierten groben Emulsionen mussen in einer Kolloidmuhle weiter verfeinert werden. 2. ,,AGENT-IN-OIL". Der Emulgator wird in der Olphase gelost. Die Emulsion kann auf zwei Arten gebildet werden: a) Durch Zugabe der Mischung direkt zum Wasser, unter spontaner Bildung einer O/WEmulsion. Im Allgemeinen entstehen gleichmal3ige Tropfchen von ca. 0.5 ym. b) Zugabe von Wasser direkt zur Mischung, langsam in kleinen Portionen (zwecks ,,Anspringen der Emulsion"). Bei Zugabe von mehr Wasser unter langsamem Ruhren entsteht durch Inversion eine OW-Emulsion. 3. ,,NASCENT SOAP'-Methode. In situ Seifenbildung. Nur fur Emulsionen geeignet, die mit Seifen stabilisiert sind. Erlaubt die Herstellung von W/O- und O/W-Emulsionen. Die Fettsaure wird im 0 1 gelost, der alkalische Teil im Wasser. Die Seife bildet sich
92
2 Emulsionen - Eigenschajien und Herstellung
beim Zusammengeben der zwei Phasen in der Grenzflache. Spontane Bildung von stabilcn Emulsionen.
4. ALTERNIERENDE ZUGABE. Wasser und 0 1 werden alternierend in kleinen Portioncn zum Emulgator zugegeben. Speziell fur Nahrungsmittelemulsionen geeignet, z.B. Mayonnaise und andere Emulsionen, die vegetabile Ole enthalten. In Tabelle 2.1 I sind die Resultate der TeilchengroBenverteilung fur vier Emulsionen von je 10 9% Olivenol, 0.5 % Seife, 89.5 % Wasser, hergestellt nach vier verschiedenen Mcthoden, aufgetragen. Im Vergleich dazu ergibt die ,,Agent-in-Oil"-Methode gleichmaBigere Emulsionen mit guter Stabilitat (gleichmaOige TropfchengroRe).
Tabelle 2.1 1. TropfengroBeverteilungen fur verschiedene Zugabearten (aus [ 3 ] ) . TeichengroBebereic h Iuml 0- 1 1-2 2-3 3-4 4-5 5-6 9 - 10
Prozent Teilchen im TeilchengroBebereich Emulsion 1 Emulsion 2 Emulsion 3 Emulsion 4 47.5 71.8 68.5 80.7 41.1 26.4 28.4 17.1 I .4 2.0 2.0 7.4 2.1 0.3 0.5 0.2 0.7 0. I 0. I 0. I 0.3 0.2
Emulsion 1 : ,,Agent-in-Wasser". Dito, jedoch zusatzliche Homogenisierung nach Ruhren. Emulsion 2: ,,In situ"-Seifenbildung rnit einfachem Ruhren. Emulsion 3: Dito, jedoch rnit anschlieBendem Homogenisieren. Emulsion 4: Zusammensetzung der Emulsionen: 10 % Olivenol + 0.5 % Seife + 89.5 % Wasser.
2.8.3 Selbstemulgierende Systeme und spontane Emulgierung Selbstemulgierende Systeme sind konzentrierte Formulierungen, die beim EingieBen in Wasser bci eventuell leichter mechanischer Bcwegung eine Emulsion bilden. Ein ,,Vorlaufer" dazu ist die ,,in situ nascent soap"-Methode. Bekannt sind auch selbstemulgierende Ole, in welchen wasserlosliche Seifen mit Hilfe eines Phenols, Amylalkohols oder Benzylalkohols solubilisiert werden. Anstelle der Seifen konnen auch sulfonierte Fettsauren und sulfonierte aromatische und hydroaromatische KW dienen. Viele sulfonierte Ole sind genugend liislich in den zu emulgierenden Olen, sogar als Natriumsalze, vor allem aber die Triethanolaminsalze von Fettsauren. PEO-Tenside sind besonders geeignet fur die Verwendung in selbstemulgierbaren Olen, da verschiedene Typen sowohl in 0 1 als auch in Wasser loslich sind. Sie konnen auch mit dloslichen Sul-
2.8 Technik des Emulgierens
93
fonaten gemischt werden. Z.B. werden Na-Dodecylbenzolmonosulfonat und Octylphenol, kondensiert mit 1&12 Molen Ethylenoxid, dem zu emulgierenden 0 1 beigemischt. Neuere selbstemulgierende Systeme resp. Formulierungen enthalten Mischungen von Emulgatoren, welche Grenzflachenkomplexe bilden. Beispiel: Mischungen von SorbitanFettsaureestern mit ihren Ethylenoxid-Kondensationsprodukten. Selbstemulgierende Glycerinmonostearate sind z.B . Mischungen von lipophilem Glycerinmonostearat mit einem hydrophilen Emulgator wie z.B. Na-Stearat. Mit einzelnen speziellen Tensiden lassen sich aufierst niedrige x,w-Werte (< 1 mN/m) erreichen. Damit lassen sich spontan Emulsionen rnit extrem feinen Tropfchen erzeugen (< 0.1 pm). Diese Emulsionen besitzen in dieser Zusammensetzung jedoch eine ungenugende Stabilitat.
Beispiele fur solche Tenside:
- Petroleumsulfonate haben eine extrem niedrige Grenzflachenspannung zwischen O N : r,,dydcm. - Aerosol OT, Na-di(2-ethylhexyl)-sulfosuccinat,ergibt eine sehr niedrige
x,,,,.
Mit solchen Tensiden gelangt man in das Gebiet der mizellaren Emulsionen.
Beispiel einer spontanen Emulgierung (nach Bowcott und Schulman): Man startet mit einer groben Emulsion eines ON-Typs, z.B. Benzol in Wasser, stabilisiert mit einer Seife, z.B. Kaliumoleat. Dann gibt man einen langkettigzn Alkohol hinzu, z.B. Hexanol, worauf die TeilchengroBe der Emulsion abnimmt, bis die Emulsion transparent wird, d.h. die TeilchengroBen liegen dann zwischen 100-500 A. Es handelt sich dabei urn geschwollene Micellen. Aus verschiedenen Griinden, die hier nicht erlautert werden konnen, handelt es sich dabei urn Emulsionen und nicht um Mikroemulsionen. Sie sind also thermodynamisch nicht stabil (dagegen sind Mikroemulsionen thermodynamisch stabil). Es sind drei Mechanismen zur Erklarung der spontanen Emulgierung vorgeschlagen worden: a) Grenzjlachenturbulenz Wenn Losungen von Laurinsaure in 0 1 vorsichtig auf eine Losung von NaOH in Wasser gebracht werden, bildet sich in der wassrigen Phase eine Emulsion. Quincke nahm an, dass die spontane Emulgierung durch ortliche Erniedrigung der Grenzflachenspannung, bedingt durch ungleichmaBige Bildung von Seife an verschiedenen Stellen der Grenzflache, hervorgerufen wird. Durch anschlieBendes heftiges Spreiten werden Oltropfen von der Grenzflache weggerissen und darauf durch die Seife stabilisiert. b) Diffusionund ,,stranding" Eine spontane Emulgierung kann alleine durch Diffusion hervorgerufen werden, wenn z.B. eine Losung von Ethanol und Toluol vorsichtig mit Wasser in Kontakt gebracht wird. Wenn der Alkohol aus dem 0 1 ins Wasser diffundiert, reiBt er etwas 0 1 mit sich. Das 0 1 wird aus der Losung ,,ausgeworfen" und ,,strandet" im Wasser in Form kleiner Emulsionstropfchen.
94
2 Emulsionen - Eigenschujkn und Herstellung
c ) Negative Grenzfachenspannung Wenn die Grcnzllachcnspannung ortlich ncgativ wird, versucht die Grcnzflachc sich spontan zu vergrosern. Damit wird die Grenzflachenspannung weniger negativ. Allgemein kann als Erklarung fur die spontane Emulgierung gesagt werden, dass eine hydrodynamische Instabilitat der Phasengrenze bei niedriger Grenzflachenspannung m r spontanen Emulgierung fuhrt. Es entstehen dadurch Tropfchen von sehr kleiner TeilchengroBe im Bereich von 10-50 nm. Ihre kinetischc Energie licgt schon in der GriiBenordnung ihrer zwischenpartikularen Wechselwirkungsenergie. Derartigc Emulsionen weisen deshalb eine hohe Stabilitat auf. Eine grol3e Bedcutung hat spontanc Emulgicrung z.B. hci der Herstellung feinteiliger Latices.
2.8.4 Emulgierbare Konzentrate Fur cinige Anwendungszwecke ist es vortcilhaft, ON-Emulsionen erst unmittelbar vor der Anwendung aus einem moglichst in Wasser emulgierbaren Konzentrat herzustcllen. Solchc Praparate sind vor allem im Pflanzenschutz von Interessc, wo haufig hydrolyseempfindliche Wirkstoffe in wasserfreien Formulierungen in den Handel gelangen. Sie werden vom Anwender an Ort und Stelle durch einfaches Mischen in die crforderliche Mengc Wasser cingebracht. Ein anderes Anwendungsgcbiet fur cmulgicrbare Konzentrate sind die sogenannten Schneideole, respektive Kuhlschmierstoffe fur die Metallbearbeitung, wobei diese Konzcntrate zur Emulgierung in Wasser im Allgemeinen intensives Ruhren erfordern, also kcine spontane Emulgierung crlauben wie die emulgierharen Konzentrate im Pflanzenschutz. Da die emulgicrbaren Konzentrate fur den Pflanzenschutz einc spontanc Emulgierung in Wasser ohnc gofiere mechanische Energie erfordern, spielt die Zusammensetzung dcr Emulgatoren eine entscheidende Rolle. Dabei ist die Einstellung des zum Wirkstoff passendcn HLB-Wertes die Voraussetzung. Dancben mussen auch die iibrigen Anforderungen an das Produkt erfullt sein, wie Spontancitat der Emulgierung, gute Vcrtraglichkeit mit den anderen Komponenten in der Spritzbruhe, gute Lagerstabilitat. Dicsc Anforderungcn werden lange nicht von allen Emulgatorcn mit dem richtigen HLB-Wcrt bczuglich dcr Wirkstoffc crfullt. Fur einc gute Spontaneitat der Emulgicrung sind crlorderlich: - Erzcugung von Turbulcnz in dcr Grenzfliiche, was durch einc nicdrigc Viskositiit dcs cmulgierbarcn Konzentrates unterstutzt wird, - Liisevermittlcr, wclche die gegenseitige Loslichkcit der Phasen bcgunstigen (z.B. Alkohole), - Emulgatoranteilc, die infolge Konvektion rasch durch die Grenzflache transportiert wcrden. In dcr Praxis werden Mischungen von mindestens zwei, vortcilhafi drei his h n f Emulgatoi-en vcrwendet. Als ionische Komponenten dicncn mcist Calcium- odcr Aminsalze von Alkylarylsulfonaten als nichtionischc Emulgatoren Ethylenoxid-Adduktc von Fettalkoholen, Alkylphenolcn, Rizinusiil odcr Sorbitancstern mit unterschicdlichen HLBWertcn. Bei ausgcwogencr Mischung von nichtionischcn und ionischcn Emulgatoren
2.8 Technik des Emulgierens
95
genugen oft ca. 5 % Emulgator, in anderen Fallen werden 10-20 % benotigt. Die Emulsionsstabilitat hangt von der Temperatur und dem Salzgehalt des Wassers ah: wiirmeres und harteres Wasser erfordert eine hydrophilere Einstellung des HLBWertes durch Erhohung des Anteils an ionische Emulgatoren, fur kalteres und weicheres Wasser gilt das Umgekehrte. Zur Herstellung wird der feste oder flussige Wirkstoff zusammen mit den geeigneten Emulgatoren und weiteren Additiven, wie Stabilisatoren, in einem wasserunloslichen Losemittel oder Losemittelgemisch gelost. Es muss eine klare Losung resultieren, die in Wasser spontan emulgiert. Als Stabilisatoren werden im Allgemeinen Epoxide, z.B. epoxidiertes Sojaol verwendet. Wenn der Wirkstoff diinnflussig ist, kann auf das Losemittel verzichtet werden.
Beispiel eines emulgierbaren Insektizid-Konzentrates (aus [ 181): 264 g/l technischer Wirkstoff (95 %) 38 g/l Nonylphenol-polyethoxyethanol(10 Mol Ethylenoxid, HLB 13.5) 15 g/I Rizinusol-polyethoxylat (32 Mol Ethylenoxid, HLB 16) 25 g/1 Calcium-dodecylbenzolsulfonat (HLB 8.6) 250 g/l Xylol 388 g/1 aromatische Petroleumfraktion (Siedebereich 170-210 "C) Apparatur: Heiz- und kuhlbarer Ruhrkessel, ZulaufgefaBe mit Dosier- und Abfiilleinrichtungen.
2.8.5 Emulgierhilfsmittel Emulgierhilfsmittel dienen dazu, die gewunschte Emulsionsstabilitat zu erreichen und zu erhalten. Sie werden einer Emulsion vor oder wahrend des Emulgiervorgangs zugesetzt. Zu den wichtigsten Emulgierhilfsmitteln gehoren die folgenden Additive:
Emulsionsverdicker Emulsionsverdicker werden Emulsionen zugegeben, um die Viskositat der auReren Phase zu erhohen. Da sie auch z.T. als Emulgatoren wirken, wie z.B. Lecithin im Eigelb bei der Mayonnaiseherstellung, kann man sie auch als ,,Quasiemulgatoren" bezeichnen. Als Beispiele aus einer grooen Zahl von solchen Stoffen seien erwahnt: Methylcellulose, Na-Alginat, Wachse, EiweiBkorper wie z.B. Gelatine, Caseine, Gummiarten, Johannisbrotkernmehl; Polysaccharide wie z.B. Stiirke, Dextrine, Pektine. Eine hohe Viskositat allein stabilisiert noch keine Emulsion. Aber viskose Emulsionen konnen stabiler sein als dunnflussige. Hohe Viskositaten erschweren die Koaleszenz und die Flockenbildung. Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass die Viskositat bei ON-Emulsionen nur eine geringe Rolle spielt [ 191. Im Textildruck werden grol3e Mengen von Alginaten oder Johannisbrotkernmehl eingesetzt, um hochviskose Druckpasten herzustellen. Dazu dienen auch synthetische Polymere aus Styrol und Acrylsaurederivaten, oder Butadien und Acrylnitril. Zu erwahnen sind noch die Carbopol Resins von Goodrich und Lyoprint von Scott Bader.
96
2 Emulsionen - Eigenschaften und Herstellung
Auch die Erniedrigung der Viskositat eines Emulgatorsystems kann ein Problem sein. D a m dienen Plastifikatoren, wie sie z.B. der Margarine zugesetzt werden, um auch nach dem Abkuhlen im Kuhlschrank eine ausreichende Streichfahigkeit zu ermoglichen. Als Plastifikatoren sind zu erwahnen: Fettsaureglycerinester (HLB 2-4), Cholesterine, Umsetzungsprodukte von Fetten und Olen. Losevermittler Diese werden einer Emulsion zugemischt, um die Loslichkeit eines Emulgators in einer Phase zu erhohen. Als Beispiele seien erwahnt die Emulsionskonzentrate im Pflanzenschutz (Abschnitt 2.8.4), denen kleine Mengen eines aliphatischen Alkohols zugcsetzt werden, um die Spontanemulgierung zu erzielen. Als Losevermittler wirkt auch die Zugabe von Harnstoffen und deren Derivaten zu Textil- oder Farbehilfsmitteln, ebenso der Zusatz von kleinen Mengen Wasser zu den chlorierten Kohlenwasserstoffen in der chemischen Reinigung. Losevermittler dienen auch dazu, um Dichte und Viskositat in beiden Phasen anzupassen. Prinzipiell sind alle mit der auljeren Phase mischbaren Losemittel verwendbar. Eine entscheidende Rolle spielt oft der Preis. Schutzkolloide Sic werden der auljeren Phase zur Verhinderung der Koaleszenz von Emulsionstriipfchen zugesetzt, indem sie die gebildeten Tropfchen in Schwebe halten. Sie umhullen die gebildeten Tropfchen wie Emulgatoren, ohne jedoch in die innere Phase einzudringen. Haushaltswaschmittcl enthaltcn zu dicsem Zweck meist Carboxymethylcellulosc als Schutzkolloid. Diese halt die von der Faser abgelosten Schmutzteilchen in Losung und hindert sie am Wiederaufziehen auf das Substrat. Weitere Schutzkolloide sind: Lecithine, Cholesterin, Gelatine, Proteine, Casein, Gummiarten, Saponine, Ligninsulfonate. Konservierungsmittel Diesc sollen den Befall durch Pilze und Bakterien verhindern. Fur kationische Emulgatoren erubrigt sich ein solcher Zusatz, da diese im Allgemeinen selbst eine bakterizide oder bakteriostatische Wirkung besitzen. Normalerweise sind Konservierungsmittel in Olen bcsscr loslich als in Wasser, wie z.B. die p-Hydroxybenzoesaureester. Diese Verhiiltnisse sind bci der Dosierung des Konservierungsmittcls zu berucksichtigen. Als Konscrvierungsmittel fur Emulsionen cignen sich: Aldehydc, wie Formaldehyd und Chloralhydrat, Phenolderivate, wie o-Phenylphenol, p-Chlor-m-Kresol, Pentachlorphenol (nur fur physiologisch unbedenkliche Falle). Ferner wcrden angewandt: Heterocyclen wie o-Chloranilindichlortriazinund Derivate des 1,2-Benzisothiazolo-ions. Entschaumer Die im Handel befindlichen Entschaumer konnen groljtenteils auch in den Emulsionen eingcsetzt werden. Da heute der Einsatz schaumarmer Emulgatoren angcstrebt wird, sind spcziclle Zusatze von Antischaummittcln nur noch gelegcntlich notwendig. Bewahrtc Typen sind: nichtionische Polyalkylenglykolether mit gemischter Ethylenund Propylenkette. Zusutze gegen Verkrusten der Behalterdeckel D a m cigncn sich vor allem Glycerin und Sorbit.
2.9 Wichtige Erkenntnisse aus der Theorie der Stabilitat von Emulsionen
97
2.9 Einige wichtige Erkenntnisse aus der Theorie der Stabilitat von Emulsionen 2.9.1 Die elektrische Doppelschicht (el. D.S.) in Emulsionen Die wichtigste Differenz einer elektrischen Doppelschicht bei Emulsionen zur elektrischen Doppelschicht bei Dispersionen besteht darin, dass bei Emulsionstropfen auf beiden Seiten der Grenzflache je eine elektrische Doppelschicht existiert. In Abb. 2.21 ist die Struktur der elektrischen Doppelschicht der wassrigen Phase an der Phasengrenze W/O mit adsorbiertem Emulgator dargestellt. Das Bild ist fur ein System Ol/Wasser nicht ganz korrekt, es fehlt die elektrische Doppelschicht auf der Seite der Olphase.
Emulgator, negativ geladen
: Phasenpotential y~, : Sternpotential : Zetapotential y~,
25 k 7 ) verglichen mit der thermischen Energie kT, sollte dus kolloide System stubil sein. Anderenfulls tritt Flockung ein.
/
Partikelradius a = IO'5 cm
Abb. 5.31. Einfluss der Elektrolytkonzentration (dargestellt als
zwei sparischen Partikeln.
K)
auf das totale Potcntial von
5.6 Fur den Formulierer wichtigste Erkenntnisse uber Kolloidstabilitat
165
Die Anwesenheit von Elektrolyten hat einen groRen Einfluss auf die Stabilitat; Abb. 5.3 I , Durch Elektrobt wird die elektrische Doppelschicht komprimiert; das Potential fallr rascher ab. Dabei verhalten sich die Flockungskonzentrationenvon 1,2,3-wertigen Ionen wie 100 : 1.56 : 0.137 (vergl. Schulze-Hardy-Regel). A13' flockt also -64 ma1 starker als Ca2', und -729 ma1 starker als Na'. Die Flockung wird iiber den Flockungsschwellenwert in mmol/l Elektrolyt bestimmt. Dies ist fur den Formulierer eine der wichtigsten Folgerungen aus der Theorie der Dispersionsstabilitat. Sie Iasst sich aus der DLVO-Theorie ableiten. Schulze-Hardy Regel: - Flockungskonzentrationen fiir 1 -,2-,3-wertige Gegenionen gemaR 1/z6 [ 1 11: 1 : 1/26: 1/36 = 100: 1.56: 0.137 - Flockung im primken Minimum, wenn a . K > 1 Sekunddires Minimum: Wenn das Verhaltnis der TeilchengroBe zur Dicke der elektrischen Doppelschicht >> 1 ist, ergibt sich in groBem Abstand der Teilchen ein sekundares Energieminimum. Im Gegensatz zur Flockung im primaren Minimum erfolgt hier eine schwache Flockung, die reversibel ist und durch Ruhren wieder zerstort werden kann. Erst bei TeilchengroBen von etwa lpm und dariiber sowie bei asymmetrischen Teilchen, z.B. Nadeln, Blattchen erfolgt die Flockung. Dies ergibt eine thixotrope Struktur. Das sekundare Minimum kann dazu benutzt werden, durch sogenannte ,,Kontrollierte Flockung" gezielt thixotrope Strukturen in Dispersionen zu erzeugen, welche nicht sedimentieren und durch leichtes Schiitteln wieder in einen diinnfliissigen Zustand gebracht werden konnen; Abb. 5.32. Sedimentierende Dispersionen ohne ausgepragtes sekundares Minimum flocken im primaren Energieminimum. Solche Dispersionen lassen sich durch Riihren nicht mehr dispergieren.
Abb. 5.32. Thixotrope Strukturen.
I66
5 Herstellung und Eigenschajien von kolloiden Suspensionen, Dispersionen
5.6.4 Sterische Stabilisierung Sterische AbstoBung wird erreicht, wenn eine Teilchenoberflache durch Adsorption oder chemische Reaktion mit voluminosen Molekulen, gewohnlich solchen mit langen Ketten, bedeckt wird, welche den Partikeln eine ,,haarige" Oberflache verleihen. Dabei ist nur ein Teil des Polymers auf der Festkorperoberflache verankert, wahrend sich der andere Teil als Schwanze, Schlaufen, Ketten in das umgebende Dispersionsmedium erstreckt; Abb. 5.33.
Schlaufe
Oberflache Abb. 5.33. Adsorption von linearen Polymeren an Oberflachen
Wenn sich zwei Teilchen einander nahern, jedes mit einer Adsorptionsschicht der Dicke d, treten sie miteinander in Wechselwirkung bei einem Abstand von 2d oder weniger.
Entweder durchdringen sich die Adsorptionsschichten oder sie werden komprimiert oder beides tritt ein; Abb. 5.34. Diese Durchdringung oder Kompression fiihrt aus thermodynamischen Grunden (Anderung der freien Energie, resp. der Entropie), die hier nicht erlautert werden konnen, zu einer Abstohng zwischen den Partikeln; Abb. 5.35.
Abb. 5.34. Polymcrbcschichtete I'artikel.
5.6 Fur den Formulierer wichtigste Erkenntnisse uber Kolloidstubilitat
167
Polyyerschicht
Abb. 5.35. lnteraktion von polymerbeschichteten Partikeln: a) Kompression; b) Durchdringung.
In Abb. 5.36 ist die Kurve der W.W.-Energie fir 2 Teilchen mit sterischer Abstoljung dargestellt. Entscheidend fur die Gute der sterischen Stubilisation sind die Loslichkeitseigenschaften der Polymerketten im Dispersionsmedium.
Abb. 5.36. Sterische Stabilisierung.
168
5 Herstellung und Eigenschaften von kolloiden Suspensionen, Dispersionen
Sterisch stahilisierte Dispersionen konnen durch Elektrolyte nicht gejlockt werden, z.B. lasst sich eine wassrige Latexdispersion, die mit Polyethylenoxid stabilisiert ist, durch Zugabe von bis zu 10 mol Elektrolyt nicht koagulieren. Ferner konnen durch sterische Stabilisierung hoher konzentrierte wassrige Dispersionen hergestellt werden, die dennoch gut jliepen. Grund: kein elektroviskoser Effekt beim FlieRen wie bei elektrostatisch stabilisierten Dispersionen.
5.7 Flockung, Koagulation von Suspensionen Die starkste Beeinflussung der elektrostatischen Wechselwirkung zwischen den in einer wassrigen Suspension fein verteilten Partikeln erfolgt durch die Elektrolytkonzentration . Zugabe von Elektrolyt zu einer wassrigen Suspension uber die Debye-Lange 1 / ~ Durch wird die Dicke der elektrischen Doppelschicht und damit die Energiebarriere kleiner, bis eine Flockung resp. Koagulation eintritt. Nach der DLVO-Theorie sol1 die Energiebarriere der elektrostatischen AbstoDung mindestens eine GroBe von 25 kT haben. GemaR Abb. 5.26 gilt f i r K eines Salzes gleichwertiger Ionen in wassriger Losung bei 25 "C ( z : Wertigkeit; c: molare Konzentration): K =
O.329.lO8 . z . &
(5.12)
Die Debye-Lange I / K ist also umgekehrt proportional zur Wertigkeit der Ionen in der Losung und zur Quadratwurzel ihrer Konzentration. Fur zweiwertige Ionen wird die Dicke I / K der diffusen Schicht auf etwa die Halfie reduziert, f i r dreiwertige Ionen auf etwa einen Drittel. Da die Debye-Lange gemaR Abb. 5.26 proportional zur Dielektrizitatskonstanten der Losung ist, ist zu envarten, dass in Losungen mit hohem E, wie etwa in Wasser, die elektrischen Wechselwirkungen sich wesentlich weiter in die Losung erstrecken als in solchen mit niedrigem E, wie z.B. Kohlenwasserstoffen. Daraus ergibt sich die fur den Praktiker wichtige Folgerung, dass zur Stabilisierung von Dispersionen in organischen Losemitteln mit niedrigem E die Coulomb'sche AbstoRung gewohnlich unwirksam ist und statt dessen sterische Schutzschichten zur Stabilisierung erforderlich sind. Eine wichtige Konsequenz fir die Stabilitat von Dispersionen besteht ferner darin, dass in Gegenwart von Elektrolyten die Reichweite der Coulomb'schen Wechselwirkungen verkurzt wird. Durch Zusatz von Elektrolyten wird die Reichweite also komprimiert. Tabelle 5.1 enthalt einige Werte fir die Dicke der diffusen Schicht in Funktion der Elektrolytkonzentration von einwertigen Salzen bei 25 "C. Man ersieht, dass die Dicke der diffusen Doppelschicht, die fir die elektrostatische Stabilisierung von Dispersionen verantwortlich ist, bei 0.1 molaren Salzlosungen schon sehr klein ist. Welchen Einfluss die Elektrolytkonzentration auf die Potentialenergiekurve der Wechselwirkung von zwei kugelformigen Partikeln in wassriger Losung ausubt, ist aus Abb. 5.3 1 ersichtlich.
5.7 Flockung, Koagulation von Suspensionen
169
Tabelle 5.1. Debye-Langen f i r wassrige Elektrolytlosungen von einwertigen Salzen bei 25 "C. Konzentration (mol/l)
K
1o-6 I 0" 1o - ~ 1o - ~ 1o-*
3.29-104 1.04.lo5 3.29.105 1.04. O6 3.29. O6 1.04. o7 2.32. o7 3.29. o7 1.04.108
0.1
0.5 1.o 10
(cm-')
1/K
(A)
3040 962 304 96 30 10
4.3 3.O 1.o
Wie schon envahnt, kann durch Zugabe von Elektrolyten zu elektrostatisch stabilisierten Dispersionen Flockung eintreten, wobei die Wertigkeit der Ionen einen entscheidenden Einfluss ausiibt: Zweiwertige Ionen sind etwa 60 mal, dreiwertige Ionen etwa 770 ma1 wirksamere Flockungsmittel als einwertige Ionen. Diese GesetzmaRigkeit, die j a als Schulze-HardyRegel bezeichnet wird, kann aus der DLVO-Theorie abgeleitet werden [ l 11. Aus dieser geht hervor, dass sich die Flockungskonzentrationen von ein-, zwei- und dreiwertigen Gegenionen zueinander verhalten wie 1/z6, also 1 : 2-6 : 3-6 = 1 : 1.6 : 0.1. Diese Regel gilt aber nur, falls sich keine Gegenionen in der Stem-Schicht befinden, dass also y6 durch die verschiedenen Elektrolytzusatze nicht verandert wird (vergl. Abb. 5.28).
5.7.1 Bestimmung der Flockungskonzentration Der Ubergang zwischen Stabilitat und Flockung erfolgt gewohnlich in einem schmalen Bereich der Elektrolytkonzentration; eine kritische Flockungskonzentration Iasst sich deshalb scharf bestimmen. Sie wird auch als Flockungsschwellenwert und im englischen Schrifttum als critical coagulation concentration, abgekiirzt C.C.C. bezeichnet. Die kritische Flockungskonzentration C.C.C. kann als die minimale Elektrolytkonzentration definiert werden, die erforderlich ist, um die Ausflockung des betreffenden Kolloids hervorzurufen. Der Vorgang Iasst sich gut durch optische Methoden der Trubungsmessung verfolgen. Eine f i r den Praktiker brauchbare Methode, welche halbquantitative Ergebnisse liefert, besteht darin, die in Reagensgl2sem durchgefiihrten Flockungsversuche nach bestimmten Zeitintervallen ohne optische Hilfsmittel direkt zu beobachten.
170
5 Herstellung und Eigenschajien von kolloiden Suspensionen, Dispersionen
Die Messung erfolgt in der Weise, dass man ausprobiert, welche Elektrolytkonzentration in der kolloiden Probe zehn Minuten nach der Zugabe eine deutlich wahmehmbare Triibung hervonuft. Als Elektrolytlosung venvendet man z.B. 0.5 normale Losungen von KCI, CaCI2, AlC13 und Na2S04. Die Elektrolytkonzentration wird zunachst stark abgeschwacht. Zu diesem Zweck venvendet man j e finf Reagensglaser, gibt in das erste j e 10 ml der Elektrolytausgangslosungen und in die anderen je 9 ml Wasser. Aus dem ersten Reagensglas ubertragt man 1 ml in das zweite, schuttelt durch und gibt 1 ml der Mischung in das dritte, usw. Fur die einzelnen Salze erhalt man somit j e finf Losungen, deren Konzentrationen eine geometrische Reihe rnit dem Quotientenl / I 0 bilden. Zu jeder dieser Losungen figt man sodann 1 ml der zu prtifenden kolloiden Losung hinzu, schuttelt durch und beobachtet nach zehn Minuten, ob eine Ausflockung eingetreten ist oder nicht. Dann verfeinert man diese rohen auf eine Zehnerpotenz genauen Flockungswerte, indem man eine Reihe von Elektrolytlosungen herstellt, deren Konzentrationen im kritischen Bereich sich wie 4:3 verhalten (von 4 ml Losung j e 1 ml in das nachste Reagensglas transferieren und mit 3 mi Wasser mischen). Man gibt wieder die gleiche Menge Kolloidlosung zu (1 ml) und stellt fest, in welchen Mischungen eine gerade noch deutlich sichtbare Flockung auftritt. Die entsprechende Elektrolytkonzentration stellt den gesuchten Flockungswert dar. Wird die Beobachtung noch auf Iangere Zeiten ausgedehnt, so Iasst sich ein quantitatives Bild uber die Geschwindigkeit der Flockung durch die verschiedenen Elektrolytkonzentrationen erhalten. Wichtig ist bei diesem Vorgehen, dass nicht die vollstandige Ausflockung, sondern die ersten sicher wahrnehmbaren Anzeichen der Koagulation die wichtigsten Merkmale der Flockungswirkung eines Elektrolyten sind. Fur eine vergleichende Beobachtung innerhalb einer Untersuchungsreihe ist es notwendig, immer zum gleichen Zeitpunkt zu entscheiden. Dies kann 10 Minuten, aber auch 2, 18 oder 24 Stunden betragen. Die Flockungswerte sind von der Konzentration des Kolloids abhangig, wobei die Abhangigkeit sich selbst wieder nach der Wertigkeit des fallenden Gegenions richtet. Viele Systeme sollen dabei der Regel von Burton [I21 folgen. Nach dieser nehmen die Flockungsschwellenwerte bei Fallung mit einwertigen Ionen rnit zunehmender Konzentration des Sols (Dispersion) ab und rnit mehnvertigen lonen zu; siehe auch [ 131. Fur nichtabsorbierende kugelformige Partikel, wie z.B. Polystyrol-Latex-Kugelchen kann die C.C.C.durch eine Triibungsmessung mit Hilfe eines Spektrophotometers ermittelt werden [ 141. Dispersionen, welche rnit nichtionischen Dispergiermitteln, wie z.B. rnit Polyvinylalkohol oder rnit Blockcopolymeren von Polypropylenoxid und Polyethylenoxid stabilisiert sind, beginnen gewohnlich bei einer kritischen Temperatur (CFT) auszuflocken. Die Kenntnis dieser Temperatur ist f i r den Formulierungschemiker sehr wichtig, da Suspensionen nicht einer Temperatur ausgesetzt werden sollten (z.B. wahrend der Lagerung), welche die CFT ubersteigt. Es muss also ein Dispergiermittel venvendet werden, dessen CFT der formulierten Dispersion uber der maximalen Lagertemperatur liegt. Der Flockungsvorgang spielt in der Technik bei FestiFlussig-Trennprozessen, wie zum Beispiel bei der Wasseraufbereitung und der Erzgewinnung eine groBe Rolle. Fur die Auslegung von Anlagen der Wasser- oder Erzaufbereitung ist daher die Kenntnis des Flockungsgrades der Suspension erforderlich.
5.7 Flockung, Koagulation von Suspensionen
171
5.7.2 Kontrollierte Flockung In der Kolloidchemie ist der Begriff ,,stab#' f i r eine Dispersion synonym mit ,,entflockt". Dagegen wird eine geflockte Dispersion, welche rasch sedimentiert, als ,,instabil" bezeichnet. Vom Industriechemiker wird daher gewohnlich angenommen, dass Dispersionen bzw. Suspensionen im entflockten Zustand gehalten werden sollten. Dabei wird nicht beachtet, dass entflockte Systeme beim Lagern im Allgemeinen harte Sedimente bilden. Dieser Vorgang wird in der englischen Literatur als ,,caking" bezeichnet. Falls sich die gebildeten Sedimente jedoch leicht dispergieren lassen, kann man solche Dispersionen als ,,bedingt" lagerstabil bezeichnen, da sie vor Anwendung einer Homogenisierung bedurfen. Die Potentialkurven von elektrostatisch stabilisierten Dispersionen weisen bei groRen Abstanden (2.B. 1000-2000 A) ein sekundares Minimum auf (Abb. 5.30). Dieses Minimum entsteht dadurch, dass die Kurve f i r die Anziehung V ,nach einem Potentialgesetz, mit hyperbolischem Verlauf, diejenige f i r die AbstoRung V, hingegen exponentiell aballt. Die Existenz solcher sekundlrer Minima wurde bereits von E. J. Verwey und J. T. G. Overbeek beschrieben [ 151 (Abschnitt 5.6.3). Wenn dieses sekundare Minimum im Vergleich zur thermischen Energie kT des System genugend tief ist, tritt eine lockere Flockung auf. Solche sekundaen Minima sind im Allgemeinen nur einige Vielfache von kT tief. Die gebildeten Strukturen lassen sich daher leicht durch Schutteln oder Pumpen wieder zerstoren. Zu beachten gilt, dass elektrostatisch stabilisierte Dispersionen ohne geniigend tiefes sekundares Minimum beim Sedimentieren ein hartes, nicht redispergierbares Sediment ergeben. Dies ist deshalb so, weil die thermische Energie, verbunden mit der Schwerkrafi ausreicht, um das Potentialmaximum gems Abb. 5.30 zu uberwinden. Die Partikel flocken dann im tiefen primiren Minimum. Dies gilt, wenn das Verhaltnis der Teilchen) 1 ergibt groBe zur Dicke der elektrischen Doppelschicht a/(I / K ) > sich in groRem Abstand ein sekundares Energieminimum, gemM Abb. 5.30. Allerdings ist dieses Minimum f i r Teilchen C< (prim., sec.) al 0.098 (tert.. quart.) al 0.088 -Chi I( 0.491 PC(ChH5)j 1.485
rr'
a,
4.04 -0.04 -0.02 4.02
0.01 0.02 0.01 0.02
0 00 0.00 0.00 000
0.00 0.00 0.59 1.45
0.00 0.00 0.14 0.40
0.00 0.00 0.00
0 08 0.03 0.04 0.25 0.35 0 12 0.05 0.04 0.35
0.19 -0.05 0.09 4.25 0.15 4.04 -0.05 0 09 -0.15
0.06 0.08 0.00 0.15 0 06 0.00 0.00 0.00 0.15
Fragment V~iIOO Ungesattigte und Salze Olefin 4,026 Alkyn 4.036 -C-CCH? 0.315 lonenpaar(+,-) 0.000
a,
rr* 0.10 0.20 0.20 0.50
0.10 0.20 0.17 0.50
0.35 0.35 0.43 0.20 0.04 0.04 0.38 0.05
-0.10 -0.10 0.17 4.08 4.04 0.07 0 05 -0.05
0.05 0 13 0.13
0.00
0.00
IMogent.
-r: -CF1 -C I
-CCI,
al 0.030 ar 0.030 py 0.030 0.188 al 0.090 ar 0090 ar + as 0.090 py 0.090 al 0.368
-XI? -Br
-ClfzBr
ar0.368 py 0.368 al 0.131 arO 131 ar + as 0 131 py 0.131 al 0.257 ar 0.257
0.15 0 10 0.05 0 10
0.00 0.07 0 00 0.00
8.8LSER
293
(Fortsetzung der Tabelle 8.9) Fraernent -CBo
a,
a,"
Fraernent
0.40 0.40 0.40
4.10 -0.10 4.10
0.12 0.15 0.10
-I
0.40 0.45 0.13 0.41 0.27 0.54 0.10 0.28 0.81 0.67 0.30 0.76 0.39 0.69 0.65 0.33 0.33 0.65 0.55 0.62 0.55 0.60 0.15 0.55 0.61 0.55 0.55 0.68 0.17 0.50 0.56 0.65
0.47 0.51 0.23 0.36 0.45 0.51 0.22 0.34 0.65 0.48 0.35 0.52 0.39 0.43 0.41 0.33 0.42 0.38 0.25 0.37 0.30 0.45 0.30 0.25 0.34 0.45 0.49 0.51 0.29 0.30 0.34 0 55
0.33 0.31 0.60 0.40 0.00 0.00 0.06 0.00 0.00 0.00 0.00 0.00 0.06 0.00 0.00 0.00 0.00 0.65 0.05 0.00 0.00 0.55 0.59 0.05 0.62 0.12 0.12 0.12 0.12 0.00 0.12 0.00
4c(=o)ooC(=o)cr
0.35 0.35 0.36 0.58 1.00 1.00
0.16 0.02 0.28 0.10 0.78 0.62
0.95 0.35 0.85 0.72 0.30 0.95 0.91
0.74 0.65 0.74 0.70 0.65 0.65 0.67
v1/100 7P al 0.491
ar 0.491 py 0.491
Ow-,Carboxyderrvafe -OH al 0.045 a1 + an 0.045 ar 0.045 -0OH 0.080 -0a1 0.045 a1 + in 0.045 ar 0.045 -000.080 :c=o 0.098 al 0.098 -C(=Ot al + as 0.098 al + in 0.098 ar 0.098 HC(=O)H 0. I40 -C(=O)H a1 0.115 al+as 0.115 ar 0.115 HC(=O)OH 0.224 HC(=O)SH 0.294 -OC(=O)H 0.225 -SC(q)H 0.294 al 0.139 NC(=O)NH2 0.265 -HNC(=O)NH0.265 -HNC(=S)NH0.307 >NC(=O)NH0.265 >NC(=O)N< 0.265
0.46 0.66 0.45 0.55 0.45 0.45 0.42 0.35 0.35 0.45 0.35 0.48 0.52 0.78 0.50 0.76 0.76 0.56 0.50 0.53 0.76 0.48 0.75 0.48 0.90 0.89 0.88 0.87 0.67 0.85 0.83
0.30 0.44 0.38 0.48 0.60 0.35 0.30 0.38 0.45 0.38 0.33 0.78 0.65 0.82 0.63 0.62 0.57 0.42 0.63 0.40 0.84 0.62 0.65 0.60 0.74 0.75 0.77 0.77 0.55 0.78 0.74
0.12 0.00 0.12 0.55 0.65 0.15 0.14 0.50 0.10 0.05 0.00 0.55 0.38 0.70 0.23 0.36 0.36 0.36 0.19 0.39 0.60 0.05 0.00 0.00 0.76 0.65 0.38 0.38 0.38 0.19 0.00
0.03 0.23 0.00 0.00 0.00 0.00
-S(=0)20-
0.221 0.250 al 0.170 ar 0.174 0.270 0.266
0.85 0.70 1.00 1.00 0.70 1.00
0.55 1.02 0.48 0.42 0.72 0.76
0.00 0.00 0.00 0.00 0.00 0.75
0.56 0.49 0.25 0.28 0.30 0.49 0.25
C=NOH 0.197
0.65 0.65 0.76 0.74 0.35 0.30 0.55
0.52 0.48 0.66 0.80 0.65 0.75 0.45
0.31 0.44 0.00 0.00 0.00 0.00 0.32
Vd100 7P al 0.181
arO.181 ar+as 0.181
py 0.181
-OS(=O)0-S(=0)2-0S(=0)2Q-SO3H
294
8 Loslichkeitspararneter, Log P, LSER, M-Zahlen
(Fortsetzung der 'Tabelle 8.9) Fragment >NC( =O)H -C(=O)NHC(=Ot -C(=O)N(R)C(=O)-N=CH2 -N=CH-
VI/l00 0.185 0.430 0.430 0.152 0.152
rr* 0.80 0.70 0.65 0.45 0.35
,& 0.66 0.60 0.70 0.80 0.78
a, 0.00 0.33 0.00 0.15 0.10
Fragment -N=C=O -N=C=S -C=N
0.32 0.13 0.25 0.13 0.15 0.13 0.75 0.55 0.60 0.45 0.65 0.65 0.50 0.33 0.30 030 0.15 0.56 0.26
0.69 0.38 0.70 0.30 0.65 0.73 0.90 0.90 0.85 0.85 0.90 0.90 0.85 0.85 0.80 0.75 0.15 0.93 0.83
0.00 0.26 0.00 0.17 0.00 0.00 0 15 0.45 0.05 0.35 0.15 0.20 0.00 0.17 0.00 0.00 0.00 0.26 0.46
-NHG
0.30 0.30 0.90 0.90 0.45 045 0.75 0.75 0.65 0.65 0.00 0.00
0.65 0.75 1.05 0.92 0.72 0.50 0.75 0.55 0.77 0.62 0.00 0.00
0.00 0.00 0.00 0.00 0.00 0.00 0.00 0.00 0.00 0.00 0.00 0.00
V,/lOO 0.206 0.278 al 0.100 ar 0.099 py 0.099
0.75 0.63 0.65 0.20 0.20
0.35 0.22 0.44 0.37 0.37
a, 0.00 0.00 0 22 022 020
al 0.130 ar 0.120 al 0.128 ar 0.1 I6 al 0.130 ar 0.116 al 0.200 ar 0.188 al 0.200 ar 0.188 al 0.198 ar 0.178 al 0.198 ar 0.178 0.100 al 0.140 al + as 0.140 ar 0.140 ar+as0.140
0.52 0.35 0.35 0.35 0.35 0.35 0.65 0.55 0.60 0.45 0.45 0.40 0.45 0.45 0.50 0.79 0.35 0.42 0.10
0.90 0.80 0.90 0.70 0.90 0.70 0.80 0.60 0.75 0.55 0.85 0.45 0.70 0.50 0.15 0.25 0.20 0 20 0.25
0.05 0.22 0.05 0.05 0.14 0.14 0.10 0 25 0.00 0 17 0 00 0.00 0.05 0.05 0.00 0.12 0.00 0.16 0.16
0.237 al 0.387 ar 0.387 (-0)(-S)2P=O 0.459 0 459 (-0)2(-S)P=S (-O)(-S)2P=S 0.531 (-O)(R)(R')P=O 0.235 (-O),(HO),P=O 0.270 (>N)3P=O 0.420 (>N)3P=S 0.462 %Sn al 0.240 ar 0.220
0.75 0.60 0.60 0.55 0.55 0 50 0.85 0.85 095 1.40 0 10 0.10
0.47 0.38 0.92 0.90 1.02 1.07 0.70 0.60 1.87 2.55 0.05 0.05
0.00 0 00 0.00 0.00 0.00 0.00 0.00 0.75 0.00 0.00 0.00 0 00
ric
Amme. Hydrazme
-NH2
-NH-
-N< -N ti-NH2 -NI-I-NH>N-NH2 >N-NH>N-N
NG >NOH
-NHSH -NHS>NS>NSH -N=O -NO2
Anorganrsche Gruppen
RJ' R?P=O (-0)iP (-O)z(R)P=O (-O),P=O
RJSI
al ar al ar al ar al ar al ar al ar
0.160 0.160 0.195 0 195 0 295 0.295 0270 0.270 0.315 0 315 0 208 0 188
R P S (-O)3P=S
al: aliphatisch; ar: arornatisch; py: Pyridin; as: andere Substituenten; an: an einem Ring; in: in einem Ring; la: Lacton.
Zur Berechnung der LSER-Parameter denkt man sich das betreffende Molekiil in Fragmente zerlegt und summiert die Werte der einzelnen Fragmente. So ergibt sich z.B. der p,,,-Wert von 3-Trifluormethyl-5-cyano-phenolzu: 0.14 + 0.23 + 0.37 0.25 = 0.49 (Summierung der p,-Werte von Benzol, -OH, -CN, -CF3). Bei einigen Molekulen mit mehreren Substituenten konnen unrealistische Werte fur 9 ,p,, a;,anfallen. Fur Moglichkeiten zur Korrektur sei auf [57]venviesen. -
8.9. M-Zahlen
295
8.9 M-Zahlen Wer eher daran interessiert ist, rasch abzuschatzen, ob organische Fliissigkeiten miteinander mischbar sind, kann dies mittels M-Zahlen tun. Godfrey [58] wghlte eine Reihe von 3 1 Standard-Losemitteln aus und ordnete sie entsprechend ihrer ,,Lipophilie " oder Affinitat f i r ,,ol-ahnliche Substanzen". Ihre Ordnungszahlen 1-3 1 wurden als M-Zahlen (Mischbarkeitszahlen) bezeichnet, und hinsichtlich Mischbarkeit wurde folgendes festgestellt: - Alle Paare von Standard-Losemitteln, deren M-Zahlen um weniger als 16 Einheiten differieren, sind ineinander mischbar. - Jedes Paar mit einem Unterschied in den M-Zahlen von 16 zeigt eine kritische Entmischungstemperatur zwischen 25 "C und 75 "C. - Eine Differenz von 17 und mehr deutet auf Unmischbarkeit oder eine Entmischungstemperatur > 75 "C. Ordnet man die Losemittel in einem Diagramm gemal3 Abb. 8.8, so ergeben sich zwei klar abgegrenzte Bereiche f i r Mischbarkeit und Unmischbarkeit. Dabei entsprechen die Quadrate an der Hypothenuse des Dreieck-Bereiches den reinen Ldsemitteln, die Quadrate in den Schnittpunkten j e einer horizontalen und vertikalen Linie den Mischungen der entsprechenden Losemittel.
2-Dichlorethan 2-Tetrachlorethan
1 Glycerin
Abb. 8.8. M-Zahlen: Mischbarkeit der Standard-Losemittel [ 5 8 ] .
296
8 Loslichkeitspurumeter, Log P,LSER, M-Zuhlen
Mithilfe der definierten Standardlosemittel wurden viele organische Flussigkeiten auf ihre Mischbarkeit getestet und ihnen dementsprechend eine M-Zahl zugeordnet. Die Daten sind in Tabelle 8.10 zusammengestellt. Fur diese Flussigkeiten gilt ebenfalls, dass sie mischbar sind, wenn ihre M-Zahlen sich um weniger als 16 Einheiten unterscheiden. Bei einigen Flussigkeiten der Tabelle sind zwei Zahlen angegeben. Solche Flussigkeiten sind unmischbar mit Losemitteln an beiden Enden der Lipophilie-Skala. Die groaere Zahl definiert die Mischbarkeitsgrenze nach tieferen M-Zahlen, und umgekehrt. Diethylenglycoldiacetat (M-Zahlen 12, 19) ist dementsprechend mischbar mit Losemitteln des M-Wertes zwischen (19 - IS) und (12 + IS), also 4-27. Als Extremfall sei das Zahlenpaar (0, 32) envahnt. Eine solche Flussigkeit ware unmischbar mit allen Standardlosemitteln.
Tabelle 8.10. M-Zahlen von organischen Flussigkeiten; aus [ 5 8 ] . 15. 17 Aceton
12. 17 2,3-Butandion I -Butanol
I I . 17 Acetonitril
I5
15, 18 Acetophenon
16
II
16
N-Acetylmorpholin 14. 18 Acrylonitril 8, 19 Adiponitril 14 Allylalkohol Allylether 22 13 2-Allyloxyethanol Ameisenslure 3 2 2-Aminoethanol 5 Aminoethylethanolamin 2-(2-Aminoethoxy)ethanol 2 I -Amino-2-propanol 6 25 12 20 15, 19
21 15.1’) 13
15-21 29 6 15, 17
I I , I9 21 6 4 3
2-Butanol Butox yet hanol
15, 17 iso-Butoxyethanol 2-(2-Butoxyethoxy)ethanol 15 22 n-Butylacetat 21 iso-Butylacetat 22 sec-Butylacetat 15 iso-Butylalkohol 16 t-Butylalkohol iso-Butyl-iso-butyrat 23 26 n-Butylether 19 Butylformiat Hutylmethacrylat sec-Amy1benzol 23 Butyloleat Anilin 28 Anisol 26 Butylsulfid Buttersaure Benzaldehyd 16 10 Benzol Butyrolacton Benzonitril 14, 19 Butyronitril Chlorbenrol Benqlalkohol 21 Chloroform Benzyl benzoat 19 a-Chlortoluol Bicyclohexyl 20 Cyclohexan Bis(2-hydroxypropyl)maleat28 C yclohexancarbonslure Bis(2-methoxyethy1)ether 16 Cyclohexanol Bis(2-methoxyethy1)phthalat 16 Cyclohexanon Brombenzol 17 1.2-Rutandiol 26 Cyclohexen 1.3-Hutandiol 29 Cyclooctan Cycloocten 1.4-Butandiol 21
29
Decalin
29
Decan
18
1 -Decanol
29
1 -Decen Diacetonalkohol Diallyladipat 1,2-Dibutoxyethan N,N-Dibutylacetamid Di-iso-butylketon Dibutylmaleat Dibutylphthalat Dichloressigslurc o-Dichlorbenzol 1.2-Dichlorethan Dichlormethan 1,3-Dichlor-2-propanoI Dicyclopentadien Didecylphthalat
14
21 25 17 23 22 22 13 21 20 20 12 26 26 1 26 14 19
21
Diethanolamin Dimethoxydimethylsilan N.N-Diethylacetamid Diethyladipat Diethylcarbonat
Diethylenglycol 5 12, 19 Diethylenglycoldiacetat 9 I8 14, 20 13. 20
12, 21
Diethylentriamin Diethylketon Diethyloxalat Diethylphthalat Diethylsulfat
8.9. M-Zahlen
291
(Fortsetzung der Tabelle 8.10) 17 17 13
10
14 14, 19 12 12, 19 11, 19 12, 19 16 16 22 12, 17 9 24 17 15,19 26 23 25 11
23 12. 17 29 18 29 14, 19 IS, 19 14 12, 19 5
14 14 13 15, 19 19 13, 19 24 21 17 22 6, I7
2,s-Dihydrofuran 9 1,2-Dimethoxyethan 2 N,N-Dimethylacetamid 12, 19 N,N-Dimethylacetoacetamid8, 17 10, 19 2-Dimethylaminoethanol 23 Dimethylcarbonat 9 Dimethylformamid 15, 19 Dimethylmaleat 14, 17 Dimethylmalonat 17 Dimethylphthalat 23 1,4-Dimethylpiperazin 14 2,s-Dimethylpyrazin 16 Dimethylsebacat 23 2,4-Dimethylsulfolan 21 Dimethylsulfoxid 13 Dioctylphthalat 21 p-Dioxan 20 p-Dioxen 21 Dipenten 3 Diphenylmethan 10 Di-iso-propylbenzol 20 Dipropylenglycol I I , 17 Di-iso-propylketon II Dipropylsulfon 1 Dodecan 3 1-Dodecanol 13, 19 I -Dodecen 29 Epichlorhydrin 17 Epoxyethylbenzol 22 Essigsaure Essigsaureanhydrid 23 28 Ethansulfons aure 26 Ethanol 30 2-Ethoxyethanol 2-(2-Ethoxyethoxy)ethanol 29 2-Ethoxyethylacetat 15 Ethylacetat 29 Ethylacetoacetat 5 Ethylbenzol 12, 17 Ethylbenzoat 2 2-Ethyl butan01 17 Ethylbutyrat 21 Ethylencarbonat 2
Ethylendiamin Ethylenglycol Ethylenglycoldiacetat Ethylenglycoldiformiat Ethylenmonothiocarbonat Ethylether Ethylformamid Ethylformiat 2-Ethyl- 1,3-hexandiol 2-Ethylhexanol Ethylhexanoat Ethyllactat N-Ethylmorpholin Ethylorthoformat Ethylpropionat Ethylthioethanol 2-Ethyltrichloracetat Fluorbenzol 1-Fluomaphthalin Formamid N-Formylmorpholin Furan Furfural Furfurylalkohol Glycerin Glycerincarbonat Glycidylphenylether Heptan 1-Heptanol 3-Heptanon 4-Heptanon 1-Hepten Hexachlorbutadien Hexadecan 1-Hexadecen Hexamethylphosphoramid Hexan 2,s-Hexandiol 2,s-Hexandion 1,2,6-Hexantriol I -Hexanol I -Hexen 2-Hydroxyethylcarbamat
1
12 3 14, 17 22 22 21 18 25 30 29 14 9 24 18
15, 19
4 12 8 11, 19 14 13 12 14, 17 5
IS I I , 17
IS 10
15, 17 19 I1 19 27 26 19 13, 19 8, 17 29 27 28 17 14, 19
2-Hydroxyethylformamid 2-Hydroxyethylmethacrylat 2-Hydroxypropylcarbamat Hydroxypropylmethacrylat lodbenzol Iodethan lodmethan Isophoron lsopren Kerosin Kokosbl p-Kresol 2-Mercaptoethanol Mesitylen Mesityloxid Methacrylnitril Methansulfonsaure Methanol Methoxyessigsaure Methoxyacetonitril 3-Methoxybutanol 2-Methoxyethanol 2-(Methoxyethoxy)ethanol 2-Methoxyethylacetat 3-Methoxy-l,2-propandiol I -Methoxy-2-propanol 3-Methoxypropionitril 3-Methoxypropylamin 3-Methoxypropylformamid Methylacetat Methylal 2-Methylaminoethanol Methyl-iso-amylketon 2-Methyl-I-buten 2-Methyl-2-buten Methyl-iso-butylketon Methylchloracetat Methylcyanoacetat Methylcyclohexan 1-Methylcyclohexen Methylcyclopentan Methylethylketon Methvlformiat ,
298
8 Loslichkeitsparameter, Log P, LSER, M-Zahlen
(Fortsetzung der Tabelle 8.10) 8 20
2,2'-Methyliminodiethanol
17
1 -Pentanol
17
Methylmethacrylat
23
Pentylacetat
13
Tetrahydro furan Tetrahydrofurfurylal kohol 'Tetrahydrothiophen
13
Methylmethoxyacetat
16
t-Pentylalkohol
21
16
N-Methylmorpholin
26
Pentylether
24
Tetralin
22
1 -Methylnaphthalin
20
Phenetol
29
Tetramethylsilan
26
Methyloleat
Tetramethyl harnstoff
5-Methyloxazolidinon
2-Phenoxyethanol 12 13, 17 I -Phenoxy-2-propanol 12, 19 Phenylacetonitril 10 Phenylethanolamin 22 Phenylether 16 2-Picolin 14 PPG-400 14.23 PPG-I 000 II Propandiamin 3 I ,3-Propandiol 4 I ,2-Propandiol 7, 19 Propansulton IS 1 -Propano1 15 2-Propanol 19 iso-Propenylacetat 15 Propionsaure 13, 17 Propionitril 19 Propylacetat 19 iso-Propylacetat 24 iso-Propylbentol 9, 17 Propylencarbonat 17 Propylenoxid 26 iso-l'ropylether 16 Pyridin 10 Pyrrolidinon 25 Kizinusol 26 Schwefelkohlenstoff 22 Styrol 9, 17 Sulfolan 13. 19 I , l,Z,Z-Tetrahromoethan 19 I , 1.2,2-Tetrachlorethan 25 Tctrachlorethylen 24 Tetrachlorkohlenstoff 30 'letradecan 29 1-Tetradecen 7 Tetraethylenglycol 9 'tetraethylen pentamin 23 Tetraethvlorthosilikat
15
7 29 29
29 4
Tetrapropylen 2,2'-Thiodiethanol
14 17 28 27 13 26 23 10. 17 14 14.20 13.20 10.19 IS. 20 17
17 30 27 29 26 17 17 22 28 28 6 7 7 X 25 7 9 9 3 12. 18
2-methyl pentan 3-methyl pentan 2-Methyl-2,4-pentandiol 4-Methyl-2-pentanol 4-Methyl- I -penten cis-4-Methyl-2-penten I -Methyl-2-pyrrolidinon Methylstearat a-Methylstyrol 3-Methylsulfolan Morpholin Nitrobenzol Nitroethan Nitromethan 2-N itropropan I -Nonanol Nonylphenol I -0ctadecen 1.7-Octadien Octan I -0ctanthiol 1 -0ctanol 2-Octanol 2-Octanon 1 -0cten trans-2-Octen 3,3'-Oxydipropionitril PEG-200 PEG300 PEG600 I .3-Pentadien Pentaethylenglycol Pentaethylenhexamin Pentafluorethanol I ,S-Pentandiol 2.4-Pentandion
8 I , I'-Thiodi-2-propanol 6, 19 3,3'-Thiodipropionitril 20 'Thiophen 23 1 1 , I9
28 18 24 22 19 20 20 21 2 26 25 6 9 14
29 16 12 29 27 27 10
26 12 20 22 26 26 23 23 24
Toluol Triacetin Tributylamin Tributylphosphat I ,2,4-Trichlorbenzol I , I , 1 -Trichlorethan I , 1,2-Trichlorethan 'Trichlorethylen 1,2,3-Trichlorpropan 'l'ricresylphosphat Triethanolamin Triethylamin Triethylbenzol 'Triethylenglycol 'frieth ylentetramin Triethylphosphat Triisobutylen Trimethyl borat 'Trimethylnitrilotripropionat
2.2.4-Trimethylpentan 2,4,4-Trimethyl- I -penten 2,2,4-Trimethyl-2-penten Trimethylphosphat Tripropylamin Tripropylenglycol Vinylacetat Vinylbutyrat 4-Vinylcyclohexen Vinylidennorbornen m-Xylol 0-Xylol n-Xvlol
8.9. M-Zahlen
299
Literatur zu Kapitel 8: J. H. Hildebrand, R. L. Scott, The Solubility of Nonelectrolytes, 3rded., Dover Publications, Inc., New York, 1964. G. Scatchard, J. Am. Chem. SOC.56,995 (1934). E. B. Bagley, T. B. Nelson, J. M. Scigliano, J. Paint Technol. 43, 35 (1971); J. Phys. Chem. 77,2794 (1973). R. F. Blanks, J. M. Prausnitz, Ind. Eng. Chem. Fundam. 3, 1 (1 964). R. A. Keller, B. L. Karger, L. R. Snyder, Gas Chromatogr. Proc. Int. Symp. (Eur.) 8, 125 (1971). H. Burrell, Interchem. Rev. 14, 3, 31 (1955). J. D. Crowley, G. S. Teague, J. W. Lowe, J. Paint Technol. 38,269 (1 966). R. C. Nelson, R. W. Hemwall, G. D. Edwards, J. Paint Technol. 42, 636 ( 1 970). C. M. Hansen, J. Paint Technol. 39, 104, 505 (1967). C. M. Hansen, K. Skaarup, J. Paint Technol. 39,5 11 (1 967). A. F. M. Barton, CRC Handbook of Solubility Parameters and Other Cohesion Parameters, CRC Press, Bocca Raton FL, 1983. R. F. Fedors, Polym. Eng. Sci. 14, 147,472 (1974). 0. Exner, Collect. Czech. Chem. Commun. 32, 1 (1967). D. W. van Krevelen, P. J. Hoftyzer, Properties of Polymers: Their Estimation and Correlation with Chemical Structure, 2nded., Elsevier, Amsterdam, 1976. C. M. Hansen, A. Beerbower, Solubility Parameters, in Kirk-Othmer, Encyclopedia of Chemical Technology Supp. Vol., 2"d ed., Interscience, New York, 197 I . R. A. Orwoll, Rubber Chem. Technol. 50,45 1 (1977). P. J. Flory, J. Chem. Phys. 10, 51 (1942). P.J. Flory, Principles of Polymer Chemistry, Cornell University Press, Ithaca, NY, 1953. P. A. Small, J. Appl. Chem. 3,71 (1953). A. Beerbower, J. R. Dickey, Am. SOC.Lubric. Eng. Trans. 12, 1 (1969). G. Walz, G. Emrich, Kunstharz Nachr. (Hochst) 34(8), 19 (1 975). J. P. Teas, J. Paint Technol. 40, 19 (1968). J. L. Gardon, J. P. Teas, Treatise on Coatings, Vol. 2, Characterization of Coatings: Physical Techniques (R. R. Myers, J. S. Long, Eds.), Marcel Dekker, New York, 1976. H. Ahmad, M. Yaseen, Polym. Eng. Sci. 19, 858 (1979). R. F. Boyer, H. Keskkula, in Encyclopedia of Polymer Science and Technology, Vol. 13, John Wiley & Sons, New York, 1970. W. Sliwka, Angew. Chem. Int. Ed. 14,538 (1975). L. Broens, D. M. Koenhen, C. A. Smolders, Desalination 22, 205 ( 1 977). A. Beerbower, D. A. Pattison, G. D. Staffin, Am. SOC.Lubric. Eng. Trans. 6, 80 (1 963). 0. Olabisi, J. Appl. Polym. Sci. 22, 1021 (1978). D. J. David, T. F. Sincock, Polymer 33,4505 (1 992). J. Sevestre, Peint. Pigments Vernis. 42, 838 (1966). F. Higashide, K. Omata, Y. Nozowa, H. Yoshioka, J. Polym. Sci. Polym. Chem. 15,2019 (1977).
8 Loslichkeitsparameter, Log P, LSER, M-Zahlen
C. M. Hansen, J. Paint Technol. 39, 505 (1967). C. M. Blow, Polymer 14,309 (1973). H. T. Dellicolli, in Controlled Release Pesticides (Am. Chem. SOC.Symp. Ser. 53), (H. B. Scher, Ed.), American Chemical Society, Washington D.C., 1977. A. M. Thomas, Agric. Food Chem. 12,442 (1964). S. A. Simon, W. L. Stone, P. B. Bennett, Biochim. Biophys. Acta 550, 38 (1979). P. Schmid, Physiol. Chem. Phys. 5, 141 (1973). A. S. Michaels, P. S. L. Wong, R. Prather, R. M. Gale, Am. Inst. Chem. Eng. J. 21, 1073 (1975).
E. Squillante, T. E. Needham, H. Zia, Proc. Int. Symp. Controlled Release Bioact. Mater. 19Ih, 495 (J. Kopecek, Ed.), Controlled Release SOC.,Deerfield, Ill, 1992. D. H. Kaelble, J. Moacanin, Med. Biol. Eng. Comput. 17, 593 ( 1 979). M. J. Lever, K. W. Miller, W. D. M. Patton, E. B. Smith, Nature (London) 231, 368 (1971).
A. Cammarata, S. J. Yau, K. S. Rogers, Pure Appl. Chem. 35, 495 (1973). C. Hansch, in Structure-Activity Relationships (C. J. Cavallito, Ed.), Pergamon Press, Oxford, 1973. R. Osman, H . Weinstein, J. P. Green, in Computer-Assisted Drug Design (Am. Chem. SOC.Symp. Ser. 112), (E. C. Olson, R. E. Christoffersen, Eds.), American Chemical Society, Wahington D.C., 1972. W. M. Meylan, P. H. Howard, in Techniques in Aquatic Toxicology (G. K. Ostrander, Ed.) CRC Press, Inc., Boca Raton FL, 1996. W. M. Meylan, P. H. Howard, J . Pharm. Sci. 84, 83 (1995). C. Hansch, A. J. Leo, Substituent Constants for Correlation Analysis in Chemistry and Biology, John Wiley & Sons, New York, 1979. R. F. Rekker, H. M. de Kort, Eur. J . Med. Chem. 14,479 (1979). G. J. Niemi, S. C. Basak, G. D. Veith, G. Grunwald, Environ. Toxicol. Chem. 11, 893 (1992). G. Klopman, J. Y. Li, S. Wang, M. Dimayuga, J. Chem. Inf. Comput. Sci. 34,752 (1 994). T. Suzuki, Y. Kudo, J. Computer-Aided Mol. Design 4, 155 ( I 990). A. K. Ghose, A. Pritchett, G. M. Crippen, J. Computational Chem. 9, 80 (1 988). N. Bodor, M. J. Huang, J . Pharm. Sci. 81,272 (1992). P. Broto, G. Moreau, C. Vandycke, Eur. J. Med. Chem. 19, 71 ( 1 984). M. J. Kamlet, in Progress in Physical Organic Chemistry 19 (R. W. Taft, Ed.), John Wiley & Sons, Inc., New York, 1993.
J. P. Hickey, in Techniques in Aquatic Toxicology (G. K. Ostrander, Ed.), CRC Press, Inc., Boca Raton FL, 1996. N. B. Godfrev. Chemtech. June 1972.359.
9 Loslichkeit, Kristallisation
9.1 Loslichkeit Die Eigenschaften von Wirkstoffen in Formulierungen (Pharmazeutika, Kosmetika, Agrochemikalien, Farbstoffe, Nahrungs- und Genussmittel, usw.) hangen in erheblichem Malj von ihrem Aggregatszustand ab. Wenn eine formulierte Substanz mbglichst rasch durch Diffusion zu einem Target gelangen SOH,so muss der Wirkstoff am besten als niederviskose Lbsung vorliegen. In Mikroemulsionen, Emulsionen, oder Zubereitungen in Form von Vesikeln ist der Stofftransport jedoch langsamer. Noch ungunstigere Verhaltnisse liegen vor, wenn der Wirkstoff in Form von Kristallen vorliegt. Einerseits ist der gelbste Anteil kleiner, was zu vermindertem Massentransport fiihrt, andererseits kann der Loseprozess geschwindigkeitsbestimmendsein. Muss jedoch eine chemische Reaktion wie Hydrolyse, Bindungsumlagerung, Photolyse, radikalischer Angriff usw. verhindert oder verlangsamt werden, so wird man eher Formulierungen in Form von kristallinem Material bevorzugen, weil der geschwindigkeitsbestimmende Schritt meistens die Reaktion in Losung ist. An der KristalloberflZiche nehmen die Molekiile oft eine ungiinstige Konformation f i r den Angriff ein. Im Vergleich zum fliissigen Wirkstoff ist aderdem zusatzlich die Kristallisationsenergie resp. Schmelzenthalpie zu beriicksichtigen. Reaktionen an Festkbrperoberflachen verlaufen deshalb im Allgemeinen langsamer als in Lbsung. So beruht die aderordentliche Lichtechtheit von organischen Pigmenten in vielen Fallen in der hohen Schmelzenthalpie, verbunden mit hohem Schmelzpunkt. Diese sind verantwortlich f i r geringe Lbslichkeit in den Bindematerialien, sodass praktisch nur an den Kristalloberflachen (energetisch gehinderte) Zersetzung eintreten kann. Nicht immer muss man aus Stabilitiitsgriinden kristalline Wirkstoffe einsetzen. In vielen Fallen kbnnen auch gelbste Wirkstoffe durch Zusatz von Antioxidantien und Lichtschutzmitteln vor photochemischen und radikalischen Angriffen geschiitzt werden. Ob Wirkstoffe in gelbster Form, als Fliissigkeit oder als Feststoffe formuliert werden - immer spielt die Lbslichkeit eine wichtige Rolle. Kenntnisse iiber die Lbsemittel- und Temperaturabhangigkeit, ebenso wie die Strukturabhhgigkeit sind f i r den Formulierer von Vorteil.
9.1.1 Thermodynamik der Loslichkeit Die Lbslichkeit von Feststoffen kann dargestellt werden durch folgende Formel:
302
9 Loslichkeit. Kristallisation
oder: logx=---4AH
a:
f X:
AHF R:
T: TF :
Aktivitat des gelbsten Stoffes Aktivitatskoeffizient des gelosten Stoffes Loslichkeit der Festsubstanz (als Molenbruch) Schmelzenthalpie Gaskonstante Temperatur der Losung Schmelzpunkt
Der erste Term in Gleichung (9.2) ist die ideale Loslichkeit. Die darin vorkommenden Parameter Schmelzenthalpie AHF und Schmelzpunkt TFhangen nur vom Festkorper ab und konnen normalerweise leicht experimentell mittels DSC (,,Differential Scanning Calorimetry") bestimmt werden. Die Losernittelabhangigkeit der Loslichkeit steckt irn Aktivitatskoeffizientenf;der f i r jede Kombination Feststoff/Losemittel wieder anders ist. Schmelzenthalpie und Schmelzpunkt sind normalerweise messbar, sodass die Loslichkeit f i r jede Temperatur berechnet werden kann, wenn man den Aktivitatskoeffizienten fder entsprechenden Kombination Feststoff/Losemittel kennt. Es hat nicht an Versuchen gefehlt, thermodynamische Modelle zur Berechnung dieser Aktivitatskoeffizenten aus Struktur-Inkrementen f i r Losemittel und zu losenden Stoff zu berechnen. Erwahnt seien UNIFAC, SUPERFAC, NRTL, ASOG, MOSCED. Alle diese Modelle basieren auf der Mischung von Flussigkeiten. Denn statt eine Festsubstanz direkt zu losen, konnte man die Substanz zuerst schmelZen, dann abkuhlen zur Temperatur T als unterkuhlte Flussigkeit und schlussendlich mischen mit dem Losemittel. Beide Wege fuhrten zur gleichen Losung; Abb. 9. l . Gemalj diesem Gedankenexperiment beschreibt Gleichung (9.1) thermodynamisch das Mischen von zwei Flussigkeiten, namlich des hypothetisch geschmolzenen Feststoffes mit dem Losemittel. Referenzzustand f i r den Mischprozess ist also die Substanz, die beim Schmelpunkt TF geschmolzen und zur Mischtemperatur T abgekuhlt wurde. Eine solche hypothetische, gekiihlte Flussigkeit befande sich in einem energetisch hochangeregten Zustand und zeigte vollig andere Wechselwirkungen rnit den Mischungspartnern als ubliche Flussigkeiten. Dies ist auch der Grund, weshalb quantitative Loslichkeitsrnodelle nur fur Feststofle rnit kleiner Schrnelzenthalpie geeignet sind, wo also die hypothetisch unterkiihlten Flussigkeiten sich nicht wesentlich von normalen Fliissigkeiten unterscheiden. Schon niedermolekulare pharmazeutische Feststoffe zeigen weite Streubereiche in quantitativen Modellen [I], und noch extremere Abweichungen erhalt man rnit den schwerloslichen organischen Pigmenten, mit hohen Schmelzenthalpien und hohen Schmelzpunkten.
9. I Loslichkeit
Effektiver Loseproress: Loseproress: Effektiver
Pukr
303
Thermod hermodyna ynarn rniik: k: T ufteilung des Loseprozesses in Schrnelzen des Feststoffes und Mischen rnit Losemittel
Losemittel
\/ Unterkuhlte, hochenergetische Flussigkeit
Losung Abb. 9.1. Zwei Wege, urn einen Festkorper zu losen: a) Direktes Einriihren des Pulvers; b) Vor-
gtingiges Schmelzen des Pulvers, dann Mischen der beiden Flussigkeiten: Schmelze und Losemittel.
9.1.2 Temperaturabhangigkeit der Loslichkeit W2hrend es schwerlich gelingt, die Losemittelabhtingigkeit der Loslichkeit eines Feststoffes quantitativ mit einfachen Modellen zu erfassen, kann Gleichung (9.1) gut fiir die Temperaturabhangigkeit angewandt werden. Umgeformt erh2lt man, in exponentieller Form (C = Loslichkeit, z.B. in [g/l]):
oder logarithmiert:
9 Loslichkeit. Kristallisation
304
10gC = log K ,
K z
(9.4)
T
Gemal3 Gleichung (9.4) stellt log C als Funktion von I/T eine lineare Gleichung mit den Konstanten log K1 und K2 dar. Wie in Abb. 9.2 gezeigt, konnen die Konstanten aus der Geraden graphisch ermittelt werden, oder rechnerisch, mit zwei bei unterschiedlichen Temperaturen experimentell bestimmten Loslichkeitswerten C,( TI) und C,( Tz):
Loslichkeit in Chlorbenzol T [“CI
c [g/ll exp.
ber. mit
K, und K2 25 50 70
0.015 1.25 25.0
0.014 1.24 28.1
!
‘x 0.0029 0.0030 0.0031 0.0032 0.0033 0.01 34
0.01
1IT
[K-’1
Abb. 9.2. Loslichkeitsmessungen (Formel der Substanz in Abb. 9.4): Graphische Ermittlung der
Konstanten K2 aus der Steigung der Geraden. K,wurde durch Einsetzen von K , und T2 in Gleichung (9.3) berechnet.
Hat man die beiden Konstanten ermittelt, so kann die Loslichkeit f i r jede beliebige Temperatur nach Gleichung (9.3) berechnet werden. Allerdings wird man sich vorsichtigerweise zur Konstantenermittlung nicht nur auf zwei Loslichkeitsbestimmungen beschranken, sondern mit mindestens drei Werten in einem log C-I/T-Diagramm uberprii-
9.I Loslichkeit
305
fen, ob wirklich eine Gerade im interessierenden Bereich vorliegt. Protonierung, Assoziation, Komplexbildung usw. in Losung, aber auch Phasenubergange im Festkorper ktinnen Abweichungen von der Geraden verursachen. Noch einmal sei hier darauf hingewiesen, dass approximativ die Temperaturabhangigkeit in der Konstanten K2 und die L6semittelabhhgigkeit in der Konstanten K , der Gleichung (9.3) steckt; Abb. 9.3. Ob in Wasser, in einem 01, in Mizellen oder Vesikeln, oder in einem Polymeren gelbst, immer zeigt eine Substanz approximativ die gleiche relative Temperaturabhangigkeit, unabhangig vom Substrat, falls nicht eine chemische Vertinderung eintritt oder die gelbste Substanz im Gleichgewicht mit anderen gelasten Formen steht.
c = K, - lo-+\
/
Temperaturabhangigkeit
Losemittelabhangigkeit
Abb. 9.3. Liislichkeit: Trennung von Temperaturabhiingigkeit und Liisemittelabhagigkeit.
9.1.3 Festkorper-Phasenubergange Nicht selten kommt es vor, dass Festkorper sogenannte Phasenubergange eingehen. Beim Aufwarmen gehen solche festen Substanzen bei bestimmten Temperaturen in andere Ordnungszustande uber, wozu Energie zugefihrt werden muss. Abbildung 9.4zeigt einen solchen Fall. Dargestellt ist das kalorimetrische Verhalten eines Farbstoffes, der lange KW-Reste als Substituenten tragt. Im DSC-Diagramm sind auBer dem Schmelz-Peak bei 217.2 "C zwei Festkbrperphaseniibergtinge bei 106.2 "C und 168.8 "C feststellbar. Es ist ersichtlich, dass der erste Phaseniibergang vie1 mehr Energie benMigt als der eigentliche Schmelzvorgang. Beim vorgestellten Molekiil handelt es sich um partielles ,,Aufschmelzen" der KW-Ketten. Statt nur Gitterschwingungen auszuflken, rotieren die Ketten nun frei urn ihre Lhgsachsen im Kristallgitter. Im Allgemeinen Fall treten bei Festkorperphaseniibergtingen jedoch eher Gitterstrukturanderungen ein, statt partiellem Aufschmelzen von Molekiilresten. Nach erfolgtem FestkBrper-Phaseniibergang ist die Schmelzenthalpie AHF um den Betrag der Phasenilbergangsenthalpie AHHrr kleiner. Dementsprechend tindert sich gems Gleichung (9.1) die Loslichkeit sprunghaft. Im Beispiel wiirde die Loslichkeit beim ersten Phaseniibergang um das 15 000-fache ansteigen (falls moglich, j e nach Losemittel)!
9 Loslichkeit. Kristallisation
306
Versucht man eine solche Substanz durch Abkiihlen der ubersattigten Losung umzukristallisieren, mit dem Ziel, groBe Kristalle zu erzeugen, so gelingt dies nicht. Beim Unterschreiten der Phasenubergangstemperatur bilden sich sprunghaft viele kleine Kristalle. Es konnen aber auch weitere Anomalien aufh-eten: Kristallisation in anderen Modifikationen, anderer Kristallhabitus, andere Kristalldefekte, wie Verzwilligung, Einbau von Fremdmolekulen (Solid Solutions) etc.
T ["C] AH,,[kJ/Mol] 106.2 112.8 168.8 12.5 217.2 28.3
Phasenubergange 35.7 Aufschrnelzen der aliphatischen Kettei 3.4 .? 6.9 Schmelzpunkt
AS,JR
Schrnelz-
106.2"C I
1
100
I
150 Ternperatur ["C]
I
1
200
250
Abb. 9.4. DSC-Diagrarnrn einer kristallinen Substanz, die Festkorperphasenubergange aufweist. Beim ersten Phasenubergang bei 106.2 "C werden die KW-Ketten ,,aufgeschmolzen", die den groBten Anteil zur Gitterenergie beitragen. Die Loslichkeit wurde dabei urn das 15 000-fache ansteigen (falls rnoglich, je nach Losemittel; berechnet nach Gleichung 9. I). Die Transitionsentropie AST,/R ist von ahnlicher GroBenordnung wie bei entsprechenden Kohlenwasserstoffen [2].
9.1.4 Assoziatbildung in Losung Wie schon envahnt, sind allfallige, dem Auflosen nachgelagerte Gleichgewichtsprozesse zu berucksichtigen: Protonierung in protischen Losemitteln, Tautomerisierungen, Assoziatsbildung, usw. Alle diese Prozesse erhohen die Loslichkeit und zeigen j e nach Sub-
9.1 Loslichkeit
307
stanz unterschiedliche Temperaturabhiingigkeit.Dies kann sich in einer Kriimmung der log C-l/T-Kurve auswirken. Assoziate stehen untereinander im Gleichgewicht (MI Monomer, Mz Dimer, ...):
M , + M , e M,;
M,
+ MI e M 3 ;
..............
(9.7)
Die Konzentration an gelbster Substanz ist damit gegeben durch (C1: Monomerenkonzentration, ...., k2 Gleichgewichtskonstante fi,ir Dimere, ...): C=Cl+2C,+3C,+
....
= C , + 2 k , C ? + 3 k 3 C : + ....
(9.8)
Assoziate werden von einer zu Assoziation neigenden Substanz nicht in allen Losemitteln gebildet. Eine Substanz vermag beispielsweise vorzugsweise Assoziate in Alkoholen zu bilden, eine andere in aprotisch-polaren, wie Dimethylsulfoxid, eine dritte in apolaren Lbsemitteln. Abbildung 9.5 zeigt L6slichkeitsbestimmungenvon zwei Substanzen, bei denen die eine (a) in DMF stark assoziiert, wahrend die zweite (b) in nichtassoziierter Form vorliegt (Messmethode : siehe spgter).
Loslichkeitsmessungenin Dimethylformamid bei 25°C Loslichkeit: Monomer + Assoziate -10.5 mgll Losliche 0.6 Verunreinigungen
b)
0 c .-
Loslichkeit: 260 rngll
--
--.
,.
0.4 0.2
0 5 10 15, 20 Konzentration in Suspension [mgll]
<E 0
200 400 600 800 1000 Konzentration in Suspension [mg/l]
Abb. 9.5. LUslichkeitsbestimmungbei feinteiligen Pulvern: a) Substanz in Losung stark assoziiert; b) ohne feststellbare Assoziation.
9.1.5 Losemittelabhangigkeit der Loslichkeit; Substituenteneinfluss Wie bereits envahnt, basieren thermodynamische Modelle auf einem hypothetischen Schmelzen des Festkorpers, Abkilhlen auf die Losetemperatur und Mischen mit dem Lbsemittel. Wenn die Schmelzenthalpie klein ist, und der Schmelzpunkt tief liegt, so ist der
308
9 Loslichkeit. Kristallisation
hypothetisch geschmolzene Festkorper Iosemittelahnlich, und die envahnten diversen Inkrement-Modelle f i r Mischungen konnen mit gutem Erfolg angewandt werden. Ein einfaches Modell basiert auf Loslichkeitsparametem f i r Losemittel (siehe Kapitel 8). Basierend auf Gleichung (9.1) konnte Gleichung (9.9) abgeleitet werden [3]. In C, = VS + k, VL
+
(k,,
.(8;)"+ kp,,.(8,")" + k,,
.(8;)")
(9.9)
I,
(Cs: Loslichkeit; Vs: Molvolumen von Festkorper S, bzw. Losemittel L; d,", 6,". 6,": Loslichkeitsparameter des Losemittels L mit Index D: Dispersionsanteil, P: Polaranteil, H: Wasserstoffbriickenbindungsanteil; k,,, k,,,, kp,,, k,,: Konstanten).
Mittels 7 Konstanten (n = 2) und den Loslichkeitsparametem der Losemittel erhielten Richardson et al. [4] bei pharmazeutischen Produkten gute Ubereinstimmung von berechneten und experimentellen Loslichkeiten. Weniger gute Resultate werden f i r hochschmelzende Substanzen hoher Schmelzenthalpie erhalten. Eine Testsubstanz mit finffach hoherer Schmelzenthalpie und einem um 159 "C hoherliegendem Schmelzpunkt als die von Richardson venvendete Substanz gab auch mit 16 Konstanten ( n = 5 in Gleichung 9.9) noch betrachtliche Abweichungen, wie aus Abb. 9.6 ersichtlich ist. Das Modell f i r Losemitteleffekte von Kamlet et al. [5] beruht auf der Vorstellung, dass im Losemittel eine Kavitat geformt werden muss, in welche ein von der zu losenden Substanz abgetrenntes Molekul eingelagert wird und dort Anziehungskraften ausgesetzt ist. .Diverse Eigenschaften, die von den Wechselwirkungen zwischen gelostem Stoff und Losemittel abhangen, konnten so durch LSER-Gleichungen (Linear Solvation Energy Relationship) quantifiziert werden, beispielsweise die Loslichkeit:
logC, = k , + k , - ( 6 , " ) 2 . V ~ + k 3* . i ?* L . i ? S + k 4 . a L . ~ s + k i . P L . a S + k 6 . ( m p - T ) (9.10) (Cs: Loslichkeit; k , . _ _k,: Konstanten; 6," : Loslichkeitsparameter des Losemittels f i r HBriickenbindung; V,: Molekiilvolurnen der gelosten Substanz;
a, fl Solvatochrome Parameter
i~*,
fur dipolare Effekte, 1-1-Bindungs-Donor- und -Akzeptor-Eigenschafen fur Losemittel (..L) und gelosten Stoff (..& mp: Schmelzpunkt; T: Losungstemperatur).
Der Term fir die Umwandlung der Festsubstanz in die unterkuhlte Flussigkeit hangt nach Gleichung (9.2) von der Schmelzenthalpie, dem Schmelzpunkt und der Losungstemperatur ab. Yalkowsky et al. [6] fanden jedoch, dass fur Substanzen mit nicht allzu hohen Schmelzpunkten und Schmelzenthalpien dieser Beitrag vereinfacht werden kann (letzter Term in Gleichung 9.10). Fur die Konstante k, erhielt Yalkowsky den Wert 0.01 1 und Kamlet 0.0099 [7].
9. I Loslichkeit
309
Fur den Liisemitteleinfluss wird auch nach diesem Modell keine bessere Ubereinstimmung erzielt als mit Gleichung (9.9), wie aus Abb. 9.6 ersichtlich ist. Die IS’,a,/? Werte der Losemittel wurden [8] entnommen.
Y
2 z 0
.-
rn
:0
0.1-
/
0.001/
/
0.00001
’
/
/
/
/
/
/
/
, /
-
/
/
rt/V;asser I
I
I
I
I
I
I
1
I
00
Abb. 9.6. Losemittelabhhgigkeit der Loslichkeit eines Pigmentes. Vergleich von experimentellen rnit berechneten Loslichkeiten. Zwei Modelle: + nach Gleichung (9.9) mit n = 5 (Orientiemngshalber sind zu einigen Punkten die entsprechenden Lbsemittel angegeben); nach Gleichung (9.10) (fir diejenigen Losemittel, f i r welche solvatochrome Parameter bekannt sind).
Weitere semiempirische oder empirische Methoden stammen von Yalkowsky et al. [6], Yoshimoto et al. (Inkrement-Methode) [9], Klopman et al. (Inkrement-Methode) [ 101. Des Weiteren ist insbesondere die Verwendung von Log P-Werten (Logarithmus von OctanoVWasser-Verteilungskoefizienten) zur Abschatzung der Wasserloslichkeit von Pharma- und Ago-Wirkstoffen von Interesse. Log P-Werte kiinnen nach Inkrementmethoden berechnet werden [ 1 11. Keine der angefiihrten Methoden ist jedoch geeignet, um Loslichkeiten von Festkorpern aufgrund der Strukturformeln allein abzuschatzen. Zumindest braucht man zusltzlich eine Abschatzung des Schmelzpunktes, um den Einfluss der Umwandlung der Festsubstanz in die hypothetische unterkiihlte Fllissigkeit beriicksichtigen zu kiSnnen (letzter Term in Gleichung 9.10).
3 10
9 Loslichkeit, Kristallisation
9.1.6 Loslichkeitsbestimmung Die Losegeschwindigkeit eines Feststoffes in einem Losemittel kann gemaR Gleichung (9.11) dargestellt werden (C: Konzentration in Losung; C,: Loslichkeit; A : Oberflache der Festsubstanz; k: Losegeschwindigkeitskonstante): dC -=k.A.(Cs dt
-
-
-
-C)
(9.1 1)
Aus Gleichung 9.11 folgt: Je grofler die Festkorperoberflache (kleine Teilchen; grofle Feststoffinenge) umso rascher wird die Substanz aufgelost. Schwerlosliche Substanzen werden langsamer aufgelost als leichtlosliche. Gegen Ende des Loseprozesses, vor Erreichen der Loslichkeit, verlangsamt sich die Lbsegeschwindigkeit stark. In der Konstanten k steckt unter anderem die Viskositat der Losung: Je grol3er die Viskositat, umso kleiner die Losegeschwindigkeit.
Um die Loslichkeit eines Feststoffes in einem Losemittel zu bestimmen, kann man die Temperatur soweit erhohen, bis alle Substanz gelost ist. Man erhalt somit die Loslichkeit f i r diese Temperatur. Vor dem vollstandigen Auflosen muss jedoch die Temperatur verlangsamt hochgefahren werden, da dann die Losegeschwindigkeit sehr klein ist. Nach diesem Verfahren wird man im Allgemeinen zu kleine Loslichkeiten erhalten, weil der Endzustand wegen der Temperaturerhohungs-Geschwindigkeitdynamisch, jedoch nicht als Gleichgewicht erreicht wird. Insbesondere bei schwerloslichen Substanzen wird man betrachtliche Fehler machen. Fur leichtlosliche Substanzen eignet sich diese Methode jedoch gut, wenn nur orientierende, rasche Loslichkeitsbestimmungen verlangt sind. Sind genauere Werte gefiagt, so wird man Feststoff im Uberschuss im Losemittel vorlegen und diese Dispersion bei konstanter Temperatur in einem Thermostaten solange ruhren, bis der Gleichgewichtszustand erreicht ist ('je nach Substanz Stunden bis Tage). Um sicherzugehen kann man auch bei etwas hoherer Temperatur die Substanz im Uberschuss losen und anschlieBend den Uberschuss bei der gewunschten tieferen Temperatur auskristallisieren lassen. Die effektive Loslichkeit liegt dann zwischen den beiden Werten. Zur Bestimmung des Gelosten muss sodann der ungeloste Feststoff von der Losung separiert werden. Sedimentation eignet sich fur grobe Teilchen. Feinteilige Feststoffe miissen in einer thermostatisierten Filtriereinrichtung filtriert werden, vorzugsweise durch Ultrafiltration mit feinporigen Filtern. Auch so ist nicht auszuschlieflen, dass Festpartikel durch das Filter gehen und die Loslichkeitsbestimmungen verfalschen konnen. Insbesondere ist dies ein Problem bei feinteiligen, schwerloslichen Pulvern. Oft wird man irgendeine spektrometrische Methode, VIS, IR, NMR, oder auch eine GC-Methode beiziehen und mittels Eichkurve die Konzentration in der gesattigten Losung (resp. in Verdiinnung bei zu hoher Konzentration) bestimmen. Liegt die
9.2 Kristallisation
311
Ldsetemperatur iiber der Messtemperatur, so muss man die Losung in jedem Fall entsprechend verdiinnen, um ein Auskristallisieren zu verhindern. Wenn die gewahlte Methode spezifisch f i r die zu bestimmende Substanz ist, man also Verunreinigungen diskriminieren kann, konnen genaue Werte erzielt werden. Eine allgemeine Methode stellt die Gravimetrie dar, die f i r relativ leichtfliichtige Losemittel wie Wasser geeignet ist. Die Methode ist geeignet, wenn das Losemittel verdampft werden kann, ohne dass Zersetzung oder Verlust an Substanz eintritt. Falls Verunreinigungen vorhanden sind, fihrt man die Loslichkeitsbestimmung mit einer Reihe von Dispersionen steigender Feststoff-Einwaage durch. In einem Diagramm, wie es in Abb. 9.7 gezeigt ist, konnen sodann die Loslichkeiten von Substanz und Verunreinigung ermittelt werden.
Substanz + Verunreinigung I-
Substanz
C
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
Konzentration in Suspension [mglml] Abb. 9.7. Gravimetrische Loslichkeitsbestimrnung rnit einer Reihe von Suspensionen steigender Konzentration.
Bei sehr kleiner Loslichkeit muss f i r die Konzentrationsbestimung statt der Gravimetrie eine spektrometrische Methode angewandt werden. Wenn nicht zwischen Substanz und Verunreinigung unterschieden werden kann, so wird die Loslichkeitsbestimmung entsprechend ungenau, wie es in Abb. 9.5 a gezeigt ist. Um die dort gezeigte, durch Assoziate verursachte Kriimmung der Kurve zu vermeiden, empfiehlt es sich, die Messldsungen so stark zu verdiinnen, dass die Assoziatbildung vollig zuriickgedrangt wird.
9.2 Kristallisation Kristallisation ist ein wichtiger Prozess bei der Verarbeitung von chemischen Stoffen, sei es die Isolierung, Reinigung, oder die Gewinnung defmierter Pulver. Aber nicht nur
3 12
9 Loslichkeit, Kristallisation
Festkorper werden durch Kristallisation isoliert und gereinigt - am bekanntesten ist wohl die hohe Reinheit von raffiniertem Zucker im Vergleich zu Rohzucker - auch Flussigkeiten werden im groljen Maljstab durch Tiefiemperatur-Kristallisation statt durch Destillation von Nebenprodukten abgetrennt. Insbesondere bietet die Kristallisation Vorteile bei azeotropen Mischungen und bei geringem Unterschied der Siedepunkte. Aufkonzentrierung von Fruchtsaften durch Gefriertrocknung sowie Meenvasserentsalzung sind weitere Beispiele technisch wichtiger Kristallisationsprozesse bei Flussigkeiten. Um kristalline Pulver definierter Partikelgrolje und Groljenverteilung zu erhalten, mussen in der Industriellen Kristallisation Nukleierung, Kristallwachstum und PartikelAggregation gesteuert werden konnen. Diese Prozesse verlaufen simultan sowohl in Batch-Verfahren, als auch in kontinuierlichen Systemen. A. D. Randolph und M. A. Larson [I21 entwickelten die Theorie dazu. Von der Nukleierung abgesehen, kann der Kristallisationsvorgang in drei Schritte unterteilt werden: 1. Substanztransport zur Kristalloberflache. 2. Migration auf der Oberflache und Einbau ins Kristallgitter. 3. Abtransport der Kristallisationswarme. Jeder dieser Schritte kann geschwindigkeitsbestimmend sein. Die Kristallisationskinetik ist bestimmt durch den langsamsten dieser Vorgange.
9.2.1 Kristallisiermethoden Die vielen unterschiedlichen industriellen Kristallisatoren konnen in einzelne wenige Kategorien eingeteilt werden [ 131: Batch- oder kontinuierliche Kristallisatoren mib'ohne Agitation, oder mit kontrollierter oder unkontrollierter Ubersattigung; Abtrennung bestimmter PartikelgroRenbereiche in einer Wirbelbettstufe durch gehinderte Sedimentation (Klassifizierung); mit/ohne Zirkulierung von Mutterlauge oder Magma (Mutterlauge + Kristalle). Kristallisation durch Abkiihlung: Unkontrollierte Abkuhlung liefert zumeist nicht optimale Kristallisate. In der Anfangsphase, in der die Abkuhlrate sehr hoch ist, werden zuviele Keime gebildet. Von Vorteil wird der Temperaturverlauf so geregelt, dass zu Beginn eine wesentlich kleinere Abkuhlrate als am Ende eingestellt wird. Kristallisation unter Ruhren ergibt kleinere Kristalle, gleichmaljigere und auch reinere Produkte als die Kristallisation durch Abkiihlen ohne Ruhren, bei der das sedimentierte Magma betrachtliche Mengen Mutterlauge in den Agglomeraten enthalt. Abbildung 9.8 a zeigt einen Ruhrkristallisator mit erzwungener vertikaler Zirkulation. Zusatzlich besitzen diese Kristallisatoren oft Einrichtungen zum KuhledHeizen. In solchen Kristallisatoren kann sowohl im Batch-Verfahren als auch kontinuierlich kristallisiert werden. Im letzteren Fall wird die Temperatur im Kristallisator konstant gehalten. Kontinuierlich wird ubersattigte Losung eingespeist und Kristallisat abgezogen. Kristaflisation in Verdampfungs- und Vakuum-Kristalfisutoren: Mit Substanzen, bei denen die Loslichkeit beim Abkuhlen ihrer Losung nur wenig abnimmt, oder sogar vergroljert wird (z.B. gewisse Salze), muss die Ubersattigung durch Verdampfen des Lose-
9.2 Kristallisation
3 13
mittels ernvungen werden. Als Beispiel ist in Abb. 9.8 b der Verdampfhgskristallisator APV-Kestner angegeben, der vorwiegend f i r die Kristallisation aus wassriger Lbsung eingesetzt wird, z.B. f i r Salze, aber auch f i r Citronensaure etc. Bei Vakuumkristallisatoren wird die heil3e Lbsung mit hoherer Temperatur als es dem Siedepunkt beim gewahlten Vakuum entspricht in den Kristallisator eingespritzt. Dadurch wird die Lasung adiabatisch abgekuhlt und Losemittel verdampft. Fallung: Von der Kristallisation durch Abkthlen einer iibersattigten Lbsung oder durch Abdampfen des Lbsemittels unterscheidet sich die FLllung dadurch, dass ein Agens in Form einer zweiten Losung zugefiigt wird. Dies konnte ein schlechteres Losemittel sein, durch dessen Zumischung die Loslichkeit vermindert wird. Oder es konnte ein Stoff sein, der in rascher Reaktion das auszufallende Produkt erst bildet, z.B. das Ausfillen einer Saure durch Ansauern der Losung, oder die Bildung eines schwerlbslichen Salzes. Ein davon zu unterscheidender Kristallisationstyp ist das Ausfallen von Kristallen bei einer langsamen chemischen Reaktion aus homogener Losung. Wie bei der Abkuhlung einer ubersattigten Losung oder dem Verdampfen von Losemittel wird auch in diesem Fall kontinuierlich die Ubersattigung in einer einheitlichen Losung aufrechterhalten. Fur die FLllung von ausschlaggebender Bedeutung ist hingegen die Art des Vermischens der beiden Lasungen. Beim Mischen werden Wirbel in der Losung gebildet, deren Dimensionen von der Ruhrgeschwindigkeit abhangt. Jeder Mikrowirbel stellt einen Mikroreaktor dar, in dem die Nukleierung und das Kristallwachstum unabhangig von den umgebenden Wirbeln ablauft. Die Difision des Agens aus der Umgebung in diese Mikroreaktoren ist der geschwindigkeitsbestimmende Schritt, in Analogie zum Fall von raschen chemischen Reaktionen [141. Je intensiver geriihrt resp. durchmischt wird, umso kleiner sind die Mikrowirbel und umso grbBer ist deren OberflBche. Dadurch kann mehr Agens pro Zeiteinheit eindifhndieren. Es entsteht eine hbhere Ubersattigung, und als Folge werden kleinere Kristalle gebildet.
r q
a)
Separator bf
Darnpf
Einspeisung
sektor
Abb. 9.8. a) Prinzip des Riihr-Kristallisators mit erzwungener Zirkulation; b) APV-KestnerVerdampfungskristallisator(aus [ 131).
3 14
9 Loslichkeit. Kristallisation
9.2.2 Populationsbalance Beim Betreiben von kontinuierlichen Kristallisatoren ist es von Vorteil, Nukleierung und Kristallwachstum fir die zu kristallisierende Substanz untersuchen zu kbnnen. Das dynamische Gleichgewicht zwischen Nukleierung, Kristallwachstum, Zu- und Abfuhr auBert sich in einer Populutionsbalunce der Kristalle. Als Populationsdichte n wird die Anzahl der Kristalle pro Volumeneinheit rnit Kristalllangen zwischen L und L+dL bezeichnet.
dN
n=dL
(9.12)
Die Anzahl Kristalle pro Volumeneinheit mit Langen zwischen L , und L, ist damit: (9.13)
lm dynamischen Gleichgewicht ist AN konstant. Es ist die Populationsbalance zwischen den kleinen Kristallen, die in den GroBenbereich (L,-L,) wachsen, den Kristallen, die aus diesem Bereich hinauswachsen und den Teilchen dieses Bereiches, die durch Produktewegfihrung kontinuierlich aus dem Reaktor entfernt werden. Wird rnit Q die Einspeise-iwegfihrrate, mit V das Reaktorvolumen und rnit G die Wachstumsrate der Teilchen (= dLldt) und mit E die mittlere Populationsdichte in AL bezeichnet, so gilt fur das Zeitintervall At und den PartikelgroBebereich AL (= L,-L,): n, . C;. V . At
=
n2 . G . V .At
+ Q . E . AL.At
Definiert man die Residenzzeit der eingespeisten Losung als T Gleichung (9.14) fir M + O :
(9.14) =
VlQ, so folgt aus
(9.15)
Durch lntegration erhalt man die Populationsdichte n, die PartikelgroReverteilung pro Volumeneinheit zu (no ist die Populationsdichte der Keime):
(9.16)
Aus der experimentell bestimmten Populationsdichteverteilung, resp. der Partikelgrofieverteilung kann die Wachstumsrate G bestimmt werden. AuBerdem interessiert die Nukleierungsrate J , die berechnet werden kann gemaB:
9.2 Kristallisation
3 15
G und no konnen graphisch aus log(n) vs. L bestimmt werden, wie in Abb. 9.9 gezeigt.
Kristall-Lange L Abb. 9.9. Bestimmung der Wachstumsrate G und der Nukleierungsrate J aus dern Populationsplot f i r kontinuierliche Kristallisation.
Diese als MSMPR bezeichete Kristallisationsart ist der einfachste kontinuierliche Prozess (MSMPR = ,,mixed-suspension, mixed-product-removal"). Erweiterte Modelle beriicksichtigen zusltzliche Keimbildung durch Abrieb, Aggregation, komplexere Prozessparameter [ 151. Auch fiir Batch-Prozesse wurde das entsprechende Model1 entwickelt [ 161.
9.2.3 Partikelgrofieverteilung Die in Abb. 9.9 gezeigte PartikelgroReverteilungskurvestellt sich beim kontinuierlichen Prozess in einem MSMPR-Kristallisator ein. Bei batchweiser Kristallisation resp. bei Flllungen resultieren jedoch andere PartikelgroBeverteilungen. Meist wird die PartikelgroRe bei kristallinen Pulvern aus solchen Prozessen nur durch die LBnge charakterisiert. LangedBreiten- und LangedDicken-Verhlltnisse werden f i r die gesamte Population eines Pulvers als konstant angenommen. Die PartikelgroReverteilung kann dann durch eine eindimensionale Normalverteilung der charakteristischen GriSRe x ausgedriickt werden (iiber bivariate PartikelgroReverteilung siehe [ 171) ,
3 16
9 Loslichkeit, Kristallisation
(9.18)
Diese Funktion ist symmetrisch bezuglich X und ist derart normiert, dass: (9.19) Der Mittelwert X ist dabei definiert gemaf3: (9.20)
Die Breite der Verteilung ist gegeben durch die Standardabweichung a, die wie folgt definiert ist: m
o2=
I(. - q2. f(x)dx
(9.2 1)
-*
Wird als charakteristische GroRe die Partikellange L gewahlt (x = L), so werden tatsachliche PartikelgroReverteilungen nur schlecht wiedergegeben, auaerdem erstreckt sich die Formel entgegen der Realitat auch iiber negative Partikelhngen (Abb. 9.10). Eine bessere empirische Angleichung erhalt man, wenn der Logarithmus der Partikellange als charakteristische Grof3e gewahlt wird (x = 1o g L ) . Diese Log-Normal-Verteilung ist nun nicht mehr symmetrisch beziiglich Partikellange und beginnt bei L = 0 (lo& = *), wie aus Abb. 9.10 ersichtlich ist.
-0.4 0
0.4
0.8
"Partikelllnge L
1.2
1.6
2.0
2.4
i8
Abb. 9.10. Die Log-Normalverteilung eignet sich besser zur Darstellung von Partikelgrofieverteilungen als die Normalverteilung.
3 1I
9.2 Kristallisation
9.2.4 Wachstumsmechanismen Das in Abschnitt 9.2.2 dargestellte Modell gibt den numerischen Zusammenhang zwischen Nukleierung, Kristallwachstum, Lbsungs-Zu- und Abfuhr wieder. Uber die Mechanismen erhillt man so keine Informationen. Im Folgenden wird auf diese Mechanismen nlher eingegangen. Das AusmalJ der ijberslttigung ist sowohl f i r die Keimbildung als auch f i r das Kristaflwachstum von wesentlicher Bedeutung. Die Uberslttigung ist der Unterschied zwischen der Konzentration C in Losung und der Gleichgewichtskonzentration CE(in Gegenwart von Kristallen) bei der gleichen Temperatur. Die relative Ubersuttigung S bezieht diesen Unterschied auf die Gleichgewichtskonzentration. (9.22)
Erster Schritt der Kristallisation ist die Keimbildung. Treten Molekiile (oder Atome, oder Ionen) in einer iibersiittigten Lbsung zu einem Keim zusammen, so wird (Volumen)Energie frei. Zusltzlich wird aber auch die Keimoberfllche gebildet, wofilr (0berflilchen)-Energie aufgewendet werden muss. Dieser Oberflilchenterm uberwiegt bei kleinen Keimen iiber den Volumenterm. Kleine Keime sind deshalb instabil und miissen wieder zerfallen. Erst ab einem kritischen Radius rc nimmt die freie Enthalpie A G des Keimes beim Zutritt weiterer Molekiile ab. Keime mit grbBerm Radius als rc sind deshalb stabil und kbnnen wachsen; Abb. 9.1 1. 4 RT C AG = Volumenterm+ OberJlachenterm = - -. nr’ .-. In3 ‘M E‘ ( V,: Molvolumen; R: Gaskonstante; instabile Keime
0
T: Temperatur; y: Oberflkhenspannung;Y : Keimradius).
tabile Keim
7
2 4 .6 Keimradius [A]
+ 4 n r 2 . y (9.23)
8
10
12
14
Abb. 9.1 1. Anderung der freien Keimbildungsenthalpiemit dem Keimradius: Wasserkeime aus Gasphase; gemaD [ 181.
3 18
9 Liislichkeit. Kristallisation
Durch die Keimbildung sinkt die Ubersattigung derart, dass keine neuen stabilen Volumenkeime mehr gebildet werden konnen. Kleinere Kristalle losen sich sogar auf, auf Kosten der grofleren, die wachsen. Dieser Prozess heint Ostwald-Reifung. Oft ist die ijbersattigung derart, dass m a r keine Volumenkeime mehr, jedoch noch Flachenkeime auf Kristallflachen sidh formen konnen, die dann zu Kristallwachstum fiihren. Auf einer wachsenden Kristallflache kann ein auftreffendes Molekul, Atom, oder Ion nicht dort bleiben, sondern desorbiert entweder wieder oder difhndiert auf der Oberflache zu einer Kante, wo es an einer Kink (Fehlstelle) in die wachsende Schicht eingebaut wird; Abb. 9.12. Die Anzahl der Kinken hangt von der Temperatur ab. Wegen der thermischen Bewegung bilden sich laufend neue Kinken, an denen hinzudiffundierende Molekule andocken konnen. Der Unterschied in den Wachstumsraten hangt nun davon ab, wie die Kanten gebildet werden. \
/
Abb. 9.12. Kristallwachstum. Kanten und Kinken.
Ein solcher Mechanismus ist beispielsweise die zweidimensionale Nukleierung, wo die Wachstumsrate von der Bildungsrate der Flachenkeime auf den Kristallflachen abhangt. Das Wachstum der Keime geht dabei vie1 rascher vor sich als ihre Bildung. Diese lnseln wachsen, bis sie an die Grenzen von anderen wachsenden Inseln stoflen. Gleichzeitig werden schon bereits neue Flachenkeime auf den Inseln gebildet. Dieser Wachstumsmechanismus wird beschrieben durch das ,,Birth and Spread'-Modell (Abb. 9.13). In seltenen Fallen werden so viele Flachenkeime gebildet, dass sie nur wenig wachsen konnen, bis sie an andere wachsende FlBchenkeime stoRen (Polynukleare zweidimensionule Keimhildung). Das Gegenteil davon besteht in der Bildung eines neuen Flachenkeims erst, wenn die unterliegende Flache vervollstandigt ist (MononuklearesModell). Nach dem Birth and Spread-Modell ist die Wachstumsrate R naherungsweise gegeben durch:
(9.24)
9.2 Kristallisation
3 19
(R: Wachsturnsrate, senkrecht zur Oberflache; C: Konzentration in Losung; CE: Gleichgewichtskonzentration an Oberflache; S: Ubersattigung = (C - CE)/CE;yl Grenzflachenspannung; T: Temperatur).
Abb. 9.13. ,,Birth and Spread"-Modell. Bildung von wachsenden Flachenkeimen. Die Bildung neuer Keime ist langsamer als ihr Wachsturn (aus [ 191).
Reicht die UbersSittigung nicht mehr zur Bildung von Flachenkeimen, so besteht noch die Mbglichkeit zum Wachstum an Kristalldefekten. Schraubendislokationen bieten die Mbglichkeit zum Andocken von Molekulen an den Kanten der Spiralen. Die Spiralenspitze schraubt sich so mit konstanter Umdrehungsgeschwindigkeit von der Kristallflache weg und generiert so neue Kanten, an welche Molekiile solange angelagert werden konnen, bis sie auf andere Spiralen treffen (Abb. 9.14 a). Bei grol3eren Kristallen ist dies ein wichtiger Mechanismus. Abbildung 9.14 b zeigt verschiedene Formen von Schraubendislokationen bei einem NaCI-Kristall
'r Abb. 9.14. Kristallwachstum durch Schraubendislokationen. a) Anfang der Schraubendislokation
an einer Versetzung; b) Schraubendislokationen bei einer NaCI-Kristallflache; nach [20].
320
9 Loslichkeit, Kristallisation
Die Theorie fur diesen Mechanismus wurde von W. K. Burton et al. [21] entwickelt (BCF-Modell). Fur die Wachstumsrate gilt: (9.25)
9.2.5 Ostwald-Reifung Kleine Teilchen haben eine groRere Loslichkeit als groSe Teilchen; Gleichung (9.26). In einer heterodispersen Suspension findet dadurch ein Materietransport von den kleinen zu den groBen Teilchen statt; die kleinen Teilchen werden auf Kosten der groRen Teilchen aufgelost. Dieser oft unenviinschte Prozess findet z.B. in Pasten und Flussigformulierungen von Pulvern statt, wenn die betreffende Substanz zu gut loslich im flussigen Medium ist. lnsbesondere spielt dies eine Rolle, wenn jahrelange Stabilitat notig ist. Erwahnt seien Flowables im Agrobereich, mit verminderter Wirksamkeit zu grol3er Teilchen, oder pigmentierte Lacke mit geringerer Farbstarke gewachsener Kristalle. Aktiv wird dies gefordert bei der gezielten Rekristallisation von Pigmenten, um beispielsweise Pulver hoher Deckkraft zu erzeugen. Dieser als Ostwald-Reijiing bezeichnete Prozess, bei dem groSe Partikel auf Kosten von kleinen Teilchen wachsen, wurde theoretisch untersucht von Lifshitz, Slyozov [22] und Wagner [23]. Die Theorie ist bekannt als LSW-Theorie. In beiden Publikationen wird die Abhangigkeit der Loslichkeit von der PartikelgroSe durch die Gihhs-ThornsonGleichung oder entsprechende Vereinfachungen ausgedruckt. (9.26) ((‘R:
1,iislichkeit des Teilchens mit Radius K ; C,: 1,oslichkeit eines unendlich groBen Teilchcns: y.
GrcnLflachenspannung; v,: Volumen eines Molekiils; k : BoltLmannkonstante; T Temperdtur).
Die zeitabhangige PartikelgroSeverteilung f(R,t) wird durch Losen der Kontinuitatsgleichung erhalten; Gleichung (9.27). (9.27) Nach mehreren Umformungen wird eine Formel erhalten, welche die mittlere Teilchenist dimension als Funktion der Rekristallisationszeit aufzeigt; Gleichung (9.28). der anfangliche mittlere Teilchenradius und m ist eine Konstante, die vom geschwindigkeitsbestimmenden Schritt abhangt. K ist eine Konstante. Statt dem Radius R kann natiirlich auch die Partikellange L oder die Partikelbreite B betrachtet werden. Der Skalierungsexponent m ist 1 fir viskosen Fluss, 2 fur Grenzflachenkontrolle, 3 fur Volumendiffusion und 4 f i r Grenzflachendiffusion [24].
R,
9.2 Kristallisation
R m = R t -I-K .t
32 1 (9.28)
Im haufigsten Fall der Ostwaldreifung - durch Volumendifision - verlauft die mittlere Partikelvergrbljerung mit der 3. Wurzel der Zeit (m = 3). Sehr schwerlosliche Substanzen, z.B. gewisse Pigmente in entsprechenden Losemitteln, rekristallisieren jedoch mit wesentlich schwacherer Zeitabhagigkeit (hoherer m-Wert). So wurde fiir die in Abb. 9.6 vorgestellte Substanz bei der Rekristallisation in o-Dichlorbenzol bei 60 "C m-Werte von 5 f3r die LLnge und 8 fiir die Breite bestimmt. Fur das bessere Losemittel N-Methylpyrrolidon waren die entsprechenden Werte vergleichbar mit demjenigen f i r Kontrolle durch Volumendiffusion, 3 (m = 2.7 fiir L h g e ; 3.5 fiir Breite). Bei dem in Abb. 9.15 gezeigten Pigment, das sehr langsam rekristallisiert, waren die entsprechenden m-Werte sogar 11 (fir L a g e ) und 10 (fiir Breite), was tibliche Werte f i r sehr schwerlosliche Substanzen sind.
Abb. 9.15. Ostwaldreifung von N,N'-phenylenbis[4-[(2,5-dichlorphenylazo]-3-hydroxy-2-naphthalincarboxamid] in 0-Xylol bei 150 "C ( I 5 rnin; 1 h; 4 h; 24 h; 168 h).
In Gleichung (9.28) umfassen die Konstanten K und m unter anderem die Abhangigkeit der Rekristallisation von der Loslichkeit im jeweiligen Losemittel. In Abb. 9.16 ist diese AbhBngigkeit fir das in Abb. 9.6 vorgestellte Pigment in den gleichen Losemitteln gezeigt. Wie ersichtlich, besteht ein Zusammenhang zwischen mittlerer Partikelgrosse und Loslichkeit, praktisch unabhangig von weiteren Losemitteleigenscha~en. 3.5
11
-5
-215
b
2'5
log[tdsirchkeit/(rng/l)]
Abb. 9.16. Mittlere Partikellange L und Breite des Pigrnentes aus Abb. 9.6 bei der Rekristallisation (2h bei 60 "C) in verschiedenen Losemitteln als Funktion der Liislichkeit.
322
9 Loslichkeit, Krisrallisation
Schwerlosliche Substanzen rekristallisieren nur langsam. Da die Ostwaldreifung im Bulk in den meisten Fallen mit der dritten oder einer hoheren Wurzel der Zeit verlauft, ist es gunstiger, zur Erzielung groBer Kristalle die Temperatur zu erhohen, statt die Rekristallisationszeit zu verlangern.
Literatur zu Kapitel 9: [ I ] A. Martin, P. L. Wu, A. Adjei, A. Beerbower, J. M. Prausnitz, J. Pharm. Sci. 70, 1260 (1981). [2] A. A. Bondi, Physical Properties of Molecular Crystals, Liquids and Glasses, John Wiley & Sons, New York, 1968. [3] A. Grubenmann, Dyes and Pigments 21,273 ( 1 993). [4] P. J. Richardson, D. F. McCafferty, A. D. Woolfson, Int. J. Pharmaceut. 78, 189 ( 1 992). [5] M. J. Kamlet, R. M. Doherty, J.-L. M. Abboud, M. H. Abraham, R. W. Taft, Chemtech 16,566 (1 986). [6] S. H. Yalkowsky, S. C. Valvani, J. Pharm. Sci. 69, 912 (1980). [7] M. J. Kamlet, Progr. Phys. Org. Chem. 19,295 (1993). [8] M. J. Kamlet, J.-L. M. Abboud, M. H. Abraham, R . W. Taft, J. Org. Chem. 48, 2877 (1983). [9] Keiko Wakita, Masafumi Yoshimoto, Shuichi Miyamoto, Hidetoshi Watanabe, Chem. Pharm. Bull. 34,4663 (1986). [ I01 G. Klopman, Shaomeng Wang, D. M. Balthasar, J. Chem. Inf. Comput. Sci. 32,474 ( 1992). [ 1 I ] S. H. Yalkowsky, S. C. Valvani, J. Chem. Eng. Data 24, 127 (1979). [ 121 A. D. Randolph, M. A. Larson, Theory of Particulate Processes, Academic Press, New York London, I97 I . [ 131 J. W. Mullin, in Crystal Growth (B. R. Pamplin, Ed.), Pergamon Press, Oxford New York Toronto Sidney, 1975. [ 141 R. J. Ott, P. Rys, Helv. Chim. Acta 58,2074 ( 1 975). [ 151 M. J. Hounslow, AICHE Journal 36(1), 106 (1990). [ 161 M. J. Hounslow, R. L. Ryall, V. R. Marshall, AICHE Journal 34( I I), I82 1 ( 1 988). [ 171 A. Grubenmann, Part. Charact. 3, 179 ( 1 986). [IS] A. W. Adamson, Physical Chemistry of Surfaces, 3rded., John Wiley & Sons, New York, 1976. [ 191 M. Ohara, R. C. Reid, Modeling Crystal Growth Rates from Solution, Prentice-Hall, Inc., Englewood Cliffs NY, 1973. [20] M. Krohn, H. Bethge, in Current Topics in Material Science Volume 2 (I976 Crystal Growth and Materials) p. 147, (E. Kaldis, Ed.), North Holland Publishing Company, Amsterdam New York Oxford, 1977. [21] W. K. Burton, N . Cabrera, F. C. Frank, Phil. Trans. Roy. SOC.,4243, 299 (1951). [22] I. M. Lifshitz, V. V. Slyozov, J. Phys. Chem. Solids 19, 35 (1961). [23] C. Wagner, Z. Elektrochem. 65, 581 (1961). [24] H. Gleiter, in Physical Metallurgy, (R. W. Cahn, Ed.), P. Haasen-Verlag.
10 Reinigung, Detergency 10.1 Allgemeines, Grundlagen Das Gebiet der Reinigung, englisch ,,Detergency", ist das bei weitem groRte Anwendungsgebiet Rir oberflachenaktive Stoffe. Waschen oder Reinigen stellt einen sehr komplexen Prozess dar, wobei heute noch nicht alle Grundlagen aufgeklart sind. Da in der Art des Schmutzes und der Substrate eine groRe Zahl von Variationen existiert, gibt es keinen einheitlichen Mechanismus f i r den Vorgang der Reinigung, sondern j e nach Substrat - Textil, Glas, Metall, Porzellan etc. - verschiedene Mechanismen. Man kann einen Reinigungsprozess allgemein definieren als die Entfernung von flussigem oder festem Schmutz von einem Feststoff, dem Substrat, mit Hilfe einer Flussigkeit, dem Reinigungsbad. Als Schmutz wird in einer etwas einfachen Definition ,,Materie am falschen Platz" bezeichnet. Fruher war Seife das ubliche Reinigungsmittel bzw. Detergent, hat aber die bekannten Nachteile der Bildung von unloslichen, nicht waschaktiven Fettsauren in saurem Milieu und Bildung von unloslichen Niederschlagen mit Ca2' und Mg2+in hartem Wasser. Additive wie Na2C03, Phosphate etc. konnen diese negativen Effekte unschiidlich machen. In den letzten 50 Jahren wurde die Seife zum Teil durch synthetische Detergentien abgelost, welche die envahnten Nachteile nicht aufiveisen. Die wichtigsten darunter sind: Alkylsurfate, Alkylatylsurfonate und die nichtionischen Polyethylenoxid-Derivate.
10.2 Fundamentale Phanomene bei Reinigungsprozessen Wir beschranken uns hier auf Prozesse mit wassrigem Reinigungsmedium. Die Natur der Substrate kann kurz auf die im Folgenden angegebenen Beispiele konzentriert werden: a) Prozesse zur Schmutzentfernung (flussig und/oder fest) von ebenen Oberflkhen: z.B. Entfettung von Metall, Glas, Keramik (inkl. Geschinwaschen), Reinigung von bemalten Oberflachen. b) Prozesse zur Entfernung von Schmutz aus porosen oder faserigen Stoffen, z.B. Waschen von Rohwolle und Baumwolle, Entfernung von Spinnolen aus Spinnfasern, Entfettung von Leder, Haushaltswasche, Entschlichtung von Textilien. Jedes Beispiel dieser Reingungsoperationen ist ein komplexer Prozess. Es ist daher verstandlich, dass die einzelnen Prozesse sehr verschieden verlaufen, z.B. stellt die Emulgierung einen notwendigen Schritt zur Entfernung von Wollfett aus rohen Wollefasern dar, wahrend diese Methode sich uberhaupt nicht zur Entfernung eines Olfilms von einer polierten Oberflache eignet. Es ist deshalb notwendig, in erster Linie funda-
324
10 Reinigung, Detergency
mentale Reinigungsphanomene zu betrachten, die immer anwesend sind, und erst in zweiter Linie die untergeordneten Phanomene, welche nur in einzelnen, speziellen Reinigungsprozessen eine Rolle spielen.
10.2.1 Mechanismus der Reinigung Ein gutes Reinigungsmittel oder Detergent muss folgende Eigenschaften haben:
1. Gute Netzeigenschaften, damit das Mittel in engen Kontakt mit der zu reinigenden Oberflache kommt. 2. Die Fahigkeit, den Schmutz in die Hauptmenge (Bulk) der Flussigkeit zu entfernen oder diesen Vorgang zu unterstiitzen. 3. Die Fahigkeit, den entfernten Schmutz zu solubilisieren oder zu dispergieren und ihn zu hindern, sich wieder an der gereinigten Oberflache anzulagern und einen Ruckstand zu bilden (Redeposition).
10.2.1.1 Benetzung Die besten Netzmittel sind nicht unhedingt die hesten Detergentien und umgekehrt. Fur eine homologe Reihe von Detergentien wie Seifen, Alkylsulfate und Alkylarylsulfonate ist das Optimum der Benetzung bei den C8-Tensiden, obwohl die langerkettigen Verbindungen sturker oberfuchenakfiv sind. Der Grund d a f b liegt in der schnelleren Diffusion zu, und Adsorption an den betreffenden Oberflachen durch die kleineren Molekule. Trotzdem liegt die optimale Reinigungswirkung hei den C,,-Tensiden, und fur die beste Allroundleistung werden CH- Verbindungen empjohlen.
10.2.1.2 Schmutzentfernung Schmutz ist allgemein von oliger Natur mit Partikeln von Staub, RUB etc. Seine Entfernung beruht auf einem Umnetzungsprozess und kann aufgrund der Anderung der Oberflachenenergie betrachtet werden. Die Adhasionsarbeit zwischen einer Schmutzpartikel und einer festen Oberflache ist gegeben durch (siehe Abb. 10.1 a):
Die Aufgabe des Detergents besteht darin, yDwund ysw zu emiedrigen, wodurch auch die Adhasion Wso erniedrigt, und die Entfemung der Schmutzpartikel durch mechanische Bewegung erleichtert wird. ~ i c h t i ~ n i s c hDetergentien e sind im Allgemeinen weniger wirksam zur Entfernung von Schmutzpartikeln als anionische Tenside.
10.2 Fundamentale Phanomene bei Reinigungsprozessen
325
Abb. 10.1. a) Adhasionsarbeit zwischen Schmutzpartikel und Substrat. b) VergroRerung des Randwinkels von Oltropfen durch prtiferentielle Erniedrigung der Grenzflachenspannung Sub-
strat/Wasser ySw.;aus [I].
10.2.1.3 Fliissiger Schmutz Wenn der SchmutzJliissig ist (01 oder Fett) - Abb. 10.1 b - , stellt seine Entfernung ein Randwinkelproblem dar. Durch die Tensidlosung wird das Substrat bevorzugt benetzt. Der flUssige Schmutz, welcher ursprilnglich als dunner Film uber dem Substrat gespreitet ist, wird durch die Wirkung der Reinigungslbsung ,,aufgerollt" zu Tropfchen, die durch Stromungen im Bad oder auf mechanische Weise entfernt werden konnen. Durch die Zugabe des Detergents wird der Randwinkel an der Grenzflache Schmutz-SubstratWasser vergroljert (Abb. 10.1 und Abb. 10.2), sodass der Schmutz abrollt. Detergentien, die sowohl an der Grenzflache SubstraVWasser als auch an derjenigen SchmutdWasser adsorbieren, sind am wirksamsten. Wenn das Tensid nur an der SchmutdWasser- Grenzflache adsorbiert und die Grenzflachenspannung erniedrigt, oder wenn es sich im 0 1 (Schmutz flussig) lost und die Grenzflgchenspannung ys, des 01s gegen das Substrat reduziert, wird die Entfernung des Schmutzes vom Substrat behindert, da damit B verkleinert und das ,,Roll up" verhindert wird. Tenside, welche an der Grenzflache LufVWasser adsorbieren und die Oberflachenspannung des Wassers resp. Reinigungsbades erniedrigen und damit Schaum bilden, zeigen, dass Schaurnbildung nicht notwendigenveise ein Hinweis auf die Reinigungswirkung des Tensids ist! Zum Beispiel haben nichtionische Detergentien gewohnlich eine sehr gute Reinigungswirkung f i r Jiissigen Schmutz, sind aber nichtschaumend. Da die Verbraucher
326
10 Reinigung, Delergency
die psychologische Tendenz haben, diese zwei Eigenschaften miteinander zu korrelieren, erschwert Nichtschaumen gelegentlich die Akzeptanz eines Reingungsmittels.
120-
150"-
a
Abb. 10.2. Schmutzentfernung durch ,,Roll up". Der Randwinkel des Schmutzes wird auf 180" vergriilkrt, sodass die Schmutzkugeln abrollen konnen; aus [ 2 ] .
Uber den Einfuss von Schaum aufdie Waschwirkung von Detergentien sind zahlreiche Untersuchungen und Publikationen gemacht worden. Die meisten kommen zum Schluss, dass Schaum kein Hinweis fur die Waschwirkung eines Reinigungsmiffels M. Bekannt ist die nachteilige Bildung von Schaum in Waschmaschinen etc. Andererseits kann Schaum auch positive Wirkungen hahen, etwa als Schmutzsammler. Der Schaum
10.2 Fundamentale Phanomene bei Reinigungsprozessen
321
kann die Entfemung von 0 1 dadurch unterstutzen, indem dieses von den Oberflkhen in die ,,Plateau Border" der Lamellen gesaugt wird. Schaum kann die Beseitigung von Schmutz aus Fasem unterstutzen, indem er dem System eine gewisse Steifheit verleiht, sodass die Wirkung der mechanischen Bewegung verstarkt wird. Da Schhmen zu betrkhtlichen Schwierigkeiten in Flusslhfen und Abwasserkanllen fiihrt, ist die Verhiitung und Zerstorung von Schaum eine wichtige Aufgabe. Uber Schaumzerstorung siehe Abschnitt 4.6.
10.2.1.4 Verhinderung der Wiederanlagerung (Redeposition) des Schmutzes Den Ablauf der Reinigung zeigt Abb. 10.3. REINIGUNG, "DETERGENCY" Lufi
J
I
Zugabe von Tensid
Abb. 10.3. Verlaufder Schrnutzablosung [ I , 31.
328
10 Reinigung, Detergency
Damit sich die abgelosten Schmutzpartikel nicht wieder auf dem Substrat anlagern konnen, mussen sie kolloidchemisch im Reinigungsbad stabilisiert werden. Die Redeposition kann verhindert werden durch elektrische Ladungen und sterische Barrieren, welche von den Tensidmolekulen s t a m e n , die am gereinigten Material und auf den Schmutzteilchen aus dem Bad adsorbiert werden. Es sind Tenside oder anorganische lonen von gleicher Ladung (meistens negative), welche das elektrische Potential in der Stern-Schicht erhohen und damit eine Agglomeration der Teilchen verhindern. Die wirksamsten Detergentien dafiir sind jedoch die nichtionischen Tenside mit PolyethylenoxidKetten, welche stark hydratisiert und gegen die Wasserphase (Bad) ausgerichtet sind. Sie bilden eine sterische Barriere, welche eine mechanische und entropische Abstoljung (durch Abnahme der Entropie der POE-Ketten) erzeugen. Zugabe von speziellen Komponenten zum Bad, z.B. von Na-Carboxymethylcellulose und anderen polymeren Stoffen, welche an den Substraten oder am Schmutz adsorbieren, konnen ebenfalls durch elektrische oder sterische AbstoBung eine Agglomeration der Schmutzpartikel verhindern.
10.3 Spezielle Phanomene bei Reinigungsprozessen Im Gegensatz zu den fundamentalen Phanomenen unter Abschnitt 10.2 sind noch die folgenden Phanomene in speziellen Fallen zu beachten.
10.3.1 Solubilisierung in Mizellen Die Solubilisierung in Tensidmizellen ist wichtig bei der Entfernung von kleinen Mengen iiligen Schmutzes in Substraten. Die Entfernung von oligem Schmutz von harten und textilen Oberflachen wird fur nichtionische Tenside erst oberhalb der CMC signifikant, sogar fur einige anionische Tenside mit niedriger CMC. Das Maximum der Wirkung wird erst bei einem Mehrfachen der CMC erreicht. Das Ausmalj der Solubilisation von oligem Schmutz hangt von der chemischen Struktur des Tensids, seiner Konzentration im Bad und der Temperatur ab. Bei niedrigen Badkonzentrationen etjhlgt die Soluhilisation in mehr oder weniger sphurische Mizellen. Nur eine kleine Menge 01 l a s t sich so soluhilisieren, wahrend hei hohen Tensidkkonzentrationen (10-1 00 x CMC) die Soluhilisation eher der Bildung einer Mikroemulsion ahnlich ist. Die hohe Tensidkonzentration ermoglicht die Unterbringung von groljeren Mengen von oligem Schmutz. Mit ionischen Surfactants ist die Anwendungskonzentration nicht wesentlich grol3er als die CMC. Daher geniigt die Solubilisation meist nicht zur Entfernung von ullem iiligem Schmutz. Fur nichtionische Surfactants hangt die solubilisierte Menge vor allem von der Temperatur des Bades ab, und zwar relativ zum Trubungspunkt des Tensids. Die Soluhilisation von digem Material nimmt stark zu hei Annuherung an den Truhungspunkt.
10.3 Spezielle Phanomene bei Reinigungsprozessen
329
Zur Frage der Schmutzentfernung durch Mizellen gibt es gewisse unterschiedliche Auffassungen. Da die erfolgreichsten Detergentien Mizellen bilden, entstand die Auffassung, dass Mizellen direkt an der Reinigungsaktion beteiligt sind, wobei ihre Rolle in der Solubilisierung von oligem Material besteht. Jedoch gilt, dass die Reinigungsaktion von der Konzentration an nichtassoziiertem Tensid abhangig und praktisch unbeeinflusst von der Anwesenheit von Mizellen ist, da nur monomere Tensidmolekule an den GrenzJachen adsorbieren. Die Mizellen dienen darum hochstens als Reservoir zum Auffiillen von nichtassoziierten Tensiden, welche aus der Losung adsorbiert wurden. Man kann sagen, dass die molekularen Eigenschaften von Tensiden mit guter Reinigungswirkung auch zur Bildung von Mizellen beitragen, und zwar eher als Konkurrenz denn als ein unterstiitzender Prozess bei der Schmutzentfernung.
10.3.2 Emulgierung Damit eine Emulgierung erfolgen kann, muss die Grenzflachenspannung zwischen den Oltropfchen und dem Bad sehr klein sein, sodass ihre Emulgierung fast ohne mechanische Arbeit ablauft. Die Adsorption des Tensids an der SchmutdBad-Grenzfltiche spielt also eine groRe Rolle. Die Eignung des Bades zur Emulgierung des oligen Schmutzes ist ungenugend, um allen Schmutz an einer Wiederanlagerung am Substrat zu hindern. Wenn emulgierte Oltrbpfchen mit dem Substrat zusammenstoljen, werden einige daran haften und den Gleichgewichtsrandwinkel annehmen. Das ist im Gegensatz zur Solubilisation, bei welcher der olige Schmutz vollstandig vorn Substrat enflernt wird. Blofle Dispergierung von Schrnutzpartikeln im Bad ist ungenugend fur eine effektive Reinigung. Es gibt keine Korrelation zwischen Reinigung und Dispergiervermogen eines Bades. Tenside rnit ausgezeichneter Dispergienvirkung sind oft schlechte Detergents und umgekehrt. Andererseits korrelieren im Falle von anionischen und nichtionogenen Tensiden verstarkte Adsorption an Substrat und Schmutz, im Fall von nichtionischen Tensiden auljerdem die Solubilisation von fetthaltigem Schmutz mit dem Reinigungseffekt. Allgemein kann abschlieljend festgestellt werden, dass kationische Tenside eine geringe Reinigungswirkung haben, da die meisten Substrate und Schmutzpartikel eine negative Ladung in wassrigem Medium bei neutralem oder alkalischem pH aufieisen. Die Adsorption der positiv geladenen Tensidionen auf Substrat und Schmutz reduziert deren negative elektrische Potentiale, erschwert die Entfernung des Schmutzes und erleichtert seine Redeposition.
10.4 Detergent Additive, Builders Zustitzlich zu den Surfactants in formulierten Detergentien sind eine Anzahl von weiteren Stoffen vorhanden. Ihre Aufgabe besteht darin, die negativen Auswirkungen von mehrwertigen Kationen auf die Reinigung zu eliminieren, aber auch, um die Wirksamkeit der Tenside als Detergentien zu verstarken. Diese Materialien werden Builder genannt. Es
330
10 Reinigung, Detergency
sind vor allem anorganische Salze, eingesetzt in hoheren Konzentrationen. Auch einige organische Polymere werden zur Verhinderung der Schmutz-Redeposition in niederen Konzentrationen eingesetzt. Builder erfiillen vor allem folgende Funktionen: 1. Sequestrierung (Bildung von loslichen, nicht adsorbierenden Komplexen) von Ca2' und Mg2+-Ionen. D a e r werden venvendet: Na- und K-Polyphosphate, speziell NaTripolyphosphat Na5P3010.Na-Silikate, Carbonate und Hydroxide, welche mehnvertige Kationen als deren unlosliche Salze ausfallen, werden ebenfalls venvendet. 2. Entflockung und Dispergierung von Schmutzpartikeln durch Adsorption des Builders auf den Sctunutzpartikeln sowie Erhohung von deren negativem Potential und daher Verstarkung ihrer gegenseitigen AbstoRung. Dam sind vor allem Polyphosphationen geeignet, mit ihren multiplen negativen Ladungen. 3 . Einstellung eines alkalischen pH und Pufferung. Hoher pH erhoht die negativen Potentiale auf Schmutz und Substrat und verstarkt die Reinigung. Pufferung ist notig, um die Erniedrigung des pH vom Schmutz und Substrat und damit der Oberflachenpotentiale zu verhindern. In dieser Hinsicht ist Na2C03speziell wirksam. Einige Builder sind fiir spezielle Zwecke wichtig. Na-Silikate zur Vermeidung der Korrosion von Aluminiumteilen der Waschmaschinen und zur Vermeidung von Korrosion der Glasur auf Porzellan. Na-Carboxymethylcellulose verhindert bei niedrigen Konzentrationen (bis 2 %) die Redeposition von Schmutz auf Fasern. Builder helfen auch zur Erzeugung von milden, alkalischen Bedingungen, die vorteilhaft fiir die Reinigungsoperation sind.
10.5 Waschmittel Wie bereits envahnt, verlaufen Waschprozesse sehr komplex. Verschiedene physikalische und chemische Prozesse wirken zusammen. Sowohl wasserlosliche Ablagerungen, als auch beispielsweise Adsorbate von Pigmenten, Fetten, Kohlehydraten, Proteinen, naturlichen und synthetischen Farbstoffen mussen von den Oberflachen entfernt werden. Zur Entfernung von wasserunloslichen, partikularen Verschmutzungen muss im ersten Schritt des Waschprozesses vorerst mechanische Energie zugefuhrt werden, um die Adhasionsenergie zu ubenvinden, was durch Adsorption von Tensiden erleichtert wird. In diesem Stadium wird im Folgeschritt die vollstandige Ablosung der Schmutzpartikel durch die Zusammensetzung der Waschflotte bestimmt. Der Abloseprozess ist der umgekehrte Vorgang der Flockung und hangt stark von elektrostatischen Wechselwirkungen ab. Deshalb muss durch Adsorption von ionogenen Tensiden oder polyvalenten Ionen wie Alkaliphosphaten oder -silikaten (Builder) fur eine gleichsinnige Aufladung von Substrat und Schmutzteilchen gesorgt werden, damit die Abtrennung durch elektrostatische Krafte begiinstigt wird. Ublichenveise wird der Schmutz nach der Abtrennung in dispergierter Fonn vorliegen, wobei die adsorbierten Tensidschichten den Flockungsprozess von Feststoffpartikeln und die Koaleszenz von Emulsionstropfchen verzogern bzw. verhindern mussen.
10.5 Waschmittel
33 1
Ahnlich wirken auch makromolekulare Zusatze, wie Carboxymethylcellulose, die durchsterische Hinderung ebenfalls sowohl Flockung, als auch Koaleszenz verhindern sollen, was sonst zur Wiederanlagerung des Schmutzes und zur Vergrauung des Waschegutes fiihren kann. Die makromolekularen Zusatze wirken somit als Vergrauungsinhibitoren. Oft miissen Schmutzstoffe vor ihrer Entfernung chemisch umgewandelt werden, sei es durch Redoxprozesse mittels Bleichmitteln (in Kombination mit Bleichaktivatoren und Stabil isatoren), z.B. bei natiirlichen Farbstoffen aus Tee, Wein, Fruchtsaften, oder durch enzymatischen Abbau von denaturierten Proteinadsorbaten. Ebenfalls sind Komplexbildung und Ionentausch zusatzliche wichtige Prozesse. Fettige Anschmutzungen sind bei Waschtemperaturen oberhalb 40 "C meistens flussig und breiten sich in mehr oder weniger geschlossenen Deckschichten iiber die Substratoberflache aus. Diese bligen Schichten miissen beim Waschprozess emulgiert werden. Das schon envahnte ,,Roll up" ist hierbei ein wichtiger Prozess. Ebenfalls von Interesse als Waschmittelzusatze sind optische Aufheller, Korrosionsinhibitoren, Duftstoffe und Farbstoffe. Tabelle 10.1 zeigt eine Rahmenrezeptur eines Universaiwaschrnittels von welchem in der Applikation 6 bis 10 g/l Flotte benotigt wird. In den USA und Japan betragen die Anwendungskonzentrationenjedoch nur 1 bis 1.5 g/1 Flotte, bei entsprechend geanderter Waschmittelzusammensetzung.
Tabelle 10.1. Rahmenrezeptur eines Universalwaschmittels (aus [4]). Wirkstoffgruppe Aniontenside N ichtionische Tenside Schauminhibitoren Komplexbildner Ionentauscher Bleichmittel Bleichaktivatoren Stabilisatoren Vergrauungsinhibitoren Enzyme Optische Aufheller Korrosionsinhibitoren Dufistoffe Farbstoffe Stellmittel .~
Beispiel Anteil ["A] Alky 1benzolsulfonat 5-1 0 Fettalkoholpolyglykolether 1-5 Seifen, Silikonole 1-5 Na-Triphosphat 1040 Zeolith 4A 0-3 0 Na-Perborat 15-35 Tetraacetyl-ethylendiamin 0 4 Ethylendiamintetraacetat,Mg-Silikat 0.2-2.0 Carboxymethylcellulose, andere Celluloseether 0.5-2.0 0.3-1 .O Proteasen Stilben-disulfonsaure-, Bis-(styry1)-biphenyl-Derivate 0.1-0.3 Na-Si I ikat 2-7 0.05-0.3 0-0.00 I Na- Sulfat 2-20
Aus okologischen Griinden sind zahlreiche phosphatarme oder phosphatfreie Waschmittel auf dem Markt, mit weiterhin steigender Tendenz. Ebenfalls wird der biologischen Abbaubarkeit der Tenside Beachtung geschenkt.
332
I0 Reinigung, Detergency
Als Haushaltswaschmittel werden auRer Universalwaschmitteln auch 60"-Waschmittel, Spezialwaschmittel f i r die Feinwasche, Wolle und weiBe Gardinen, Zwischendurchwaschmittel f i r Hand- und Maschinenwasche, Vonvaschmittel angeboten [ 5 ] . Die des Weiteren angebotenen Flussigwaschmittel enthalten im Allgemeinen Losevermittler, wie Ethanol, Propylenglykol und u.U. avivierend wirkende Kationtenside, hingegen keine Bleichmittel wie Perborat und nur selten Builder. Ebenfalls kein Perborat ist in Zwischendurchwaschmitteln enthalten, die andererseits sehr tensidreich sind. Kationtenside, wie sie in gewissen Flussigwaschmitteln enthalten sind, finden sich ebenfalls in Wascheweichspulmitteln. Analog zu den Haarnachbehandlungsmitteln (vergl. in Kapitel 1 1) sollen diese auf dem Gewebe einen Belag bilden und so der Erzielung eines weichen Waschegriffes, der enviinschten Flauschigkeit und der Verhinderung elektrostatischer Aufladung dienen. Waschmittel f i r Waschereien sind anders aufgebaut als die Haushaltswaschmittel. Da mit bereits enthartetem Wasser gewaschen wird, konnen die Waschmittel weniger Phosphate enthalten. Seife wird hier noch in groRerem Umfang venvendet. Fur fettverschmutzte Textilien benutzt man oft sogenannte Fettloser-Waschmittel, die Losemittel enthalten. Waschpulver werden weitgehend durch Zerstaubungstrocknung hergestellt, so wie es in Kapitel 6 beschrieben ist. Die mit Wasser zu einem Slurry angeriihrten Komponenten werden am oberen Ende des Trockenturms bei Driicken bis zu 80 bar zerstaubt. HeiRluft bringt das Wasser in den Tropfchen zur Verdampfung, wobei ein aus Hohlkugeln bestehendes Pulver entsteht [4, 6, 71. Im Gleichstromverfahren tritt der Slurry in die heirjest, Zone des Turmes ein. Das Wasser wird unter starker Aufblahung der Teilchen schnell verdampft, unter Bildung eines lockeren Pulvers geringer Dichte. Wegen der kurzen Venveilzeit in der heiljen Zone eignet sich dieses Verfahren besonders f i r die schonende Tracknung von Feinwaschmitteln mit hohem Tensidgehalt. Das Hauptverfahren ist jedoch das Gegenstromverfahren. Da hier die Trocknung bei niedriger Temperatur und hoher Luftfeuchtigkeit beginnt, entstehen dickwandige Beads. Zusatzlich begunstigt die geringere Sinkgeschwindigkeit die Agglomerationsvorgange, wodurch kompaktere, grobere Pulver entstehen; siehe auch [8]. Literatur zu Kapitel 10: D. J. Shaw, Introduction to Colloid and Surface Chemistry, Buttenvorths, London, 1966. Ciba-Geigy Rundschaul97 112: N. Bigler, Die Tenside (Ciba-Geigy AG, Basel, Div. Farbstoffe, Ed.). L. M. Kushner, J. I. Hoffman, Synthetic Detergents, Sci. Amer., Oct. 195 1, p. 26. Ullmanns Encyklopadie der technischen Chemie, 4. Auflage, Bd. 24, S. 108, Verlag Chemie, Weinheim Deerfield Beach FL Basel. H. J. Lehmann, Chemie unserer Zeit 7, 82 (1 973). K. Henning, Chem. Lab. Betr. 27,46, 81 (1976). Winnaker-Kuchler 4. Auflage, Bd. 7, 84, Carl Hanser Verlag, Munchen. P. Berth, M. J. Schwuger, Chemische Aspekte beim Waschen und Reinigen, Tenside Detergents 16, 175 ( 1 979).
11 Kosmetika 11.1 Die Haut als Wirkungsort von Kosmetika Als kosmetische Mittel werden Stoffe oder Zubereitungen bezeichnet, die auflerlich am Menschen oder in seiner Mundhohle zur Reinigung, Pflege, zur Beeinflussung des Aussehens und des Kbrpergeruchs angewandt werden. Im Gegensatz zu kosmetischen Mitteln sind Arzneimittel dazu bestimmt, durch Anwendung am Korper Krankheiten, Leiden, Kbrperschaden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhiiten oder zu erkennen. Obschon viele Kosmetika im Sinne der Definition eindeutig nicht als Arzneimittel angesehen werden mussen, ist die Unterscheidung und Zuordnung in anderen Fallen oft schwierig, denkt man z.B. an Hautpflegemittel, welche die Talgsekretion beeinflussen, an Antitranspirantien mit schweiahemmenden Eigenschaften, oder an Sonnenschutzmittel, die Hautschaden praventiv verhindern. Man unterscheidet zwischen Wirkstoff und Grundlage. Bei Feuchtigkeitscremes besteht beispielsweise die Grundlage aus Wasser, Polyolen, Lipiden, Emulgatoren, Konsistennegulatoren, Feuchthaltemitteln, mit Zusatzen von Konservierungsmitteh und Parfiim6len. Als Wirkstoffe kommen in Frage Vitamine, Pflanzenextrakte, tierische Proteinextrakte und andere, spezifische Zusatze. Weil die Mechanismen im Stoffwechsel der Haut aber komplex verlaufen, kann je nach Hauttyp das Creme-Geriist einen entscheidenden Einfluss ausuben, im Vergleich zu den zugesetzten Wirkstoffen. Deshalb kommt in der Kosmetik der Kolloidchemie, mit der die Eigenschaften des Lipid/Wassersystems definiert werden, eine wichtige Bedeutung zu. Im Ubrigen kbnnen alle Materialien, die in Kontakt mit der Haut treten, Veranderungen bewirken; selbst Wasser beeinflusst die Hornschicht (Abb. 1 1.1) durch Quellung. Die Haut als 2ul3ere Grenzfltiche zur Umwelt hat vielfdltige Funktionen zu erfillen. Sie bildet eine Schranke gegen schadliche Einflusse und dient dem Stoffaustausch nach a d e n . Die Haut ist auch KontaktflSLche fiir Sinnesreize und hat auRerdem Signalfunktion (Hautrotung). Sie besteht aus zwei deutlich voneinander unterschiedenen Schichten, der Oberhaut und der Lederhaut (Abb. 11.1). Die Oberhaut stellt ein mehrschichtiges Epithel dar, dessen oberste Zellen verhornen und sich lockern, wiihrend in den unteren Schichten durch Zellvermehrung laufend Ersatz geschaffen wird. Der h e r g a n g von der Lederhaut zur Oberhaut wird durch unzahlige Zapfchen oder Papillen gebildet, die in die Oberhaut hineinragen und Blutgefae und Nerven enthalten. Sie sind reihenfdrmig angeordnet und zeichnen sich in der Oberhaut als charakteristische wellenformige Hautleistenstruktur ab, wie z.B. an den Fingerkuppen. Umgekehrt bildet die Epidermis auch viele Einsenkungen in die Lederhaut, die als Hautdriisen von Blutgemen der Lederhaut umsponnen werden und diverse Sekrete wie Talg oder Schweia absondern. Auch die Haare sind Bildungen der Oberhaut, die als Haarbalge (Follikel) in der Tiefe verankert sind. Andererseits bildet die Lederhaut Haarpapillen, von denen aus das junge Haar ern&rt wird. AuRerdem sind seitlich des Haarbalges Talgdriisen angeordnet, die das Haar einzufetten haben.
334
11 Kosmetika
Epidermis (Oberhaut)
Cutis (Lederhaut)
Subcutis Haarpapille
Nerven
Abb. 11.1. Querschnitt durch die Haut (aus [l]).
Durch die Driisensekretion bildet sich auf der Haut ein Hydro-Lipidfilm, der eine Schutzfbnktion besitzt. Wird er durch ein Losemittel wie z.B. Alkohol entfernt, also die Haut entfettet, so verdunstet das Wasser aus der gequellten Hornschicht, ,,die Haut trocknet aus". Aber auch beim Waschen mit Waschmittel wird der Hydro-Lipidmantel der Haut zusammen mit Schmutz abgelost - dies erfolgt unvollstandig sogar mit Wasser allein sodass die Haut durch Wasserverdunstung aus der ungeschutzten Hornschicht austrocknen kann. Obschon Tensid beim Waschprozess an der Hornschicht adsorbiert wird, reicht dieser Film aus dem Waschmittel nicht aus, um eine Barriere gegen Wasserverdunstung aufmbauen. Seifen allerdings fihren zu einer starkeren Quellung der Hornschicht, was solange anhalt, bis sich durch Talgsekretion der abgeloste Hydro-Lipidmantel regeneriert hat. Alkalische Waschmittel ftihren also zu geringerer Austrocknung der Haut als neutrale; sie sind deshalb gunstiger f i r die trockene Haut als neutrale Waschflussigkeiten. Die hautschonendste Reinigung lasst sich zweifelsohne mit Reinigungsemulsionen erzielen, bei denen das Lipid/Wasserverhaltnis stark zur Lipidseite verschoben ist; eine Lipidschicht kann sich dadurch auf der Haut bilden. Allerdings sind solche Emulsionen hinsichtlich Reinigungseffekt den reinen Tensidlosungen unterlegen, auch wenn der Emulgator in groBem Uberschuss vorliegt. Im Gegensatz zu Reinigungsmitteln sol1 durch Lipidemulsionen das Gegenteil angestrebt werden, die Bildung einer verdunstungsverhindernden Lipidschicht. So erzielt man eine weitgehend vollstandige Abdeckung durch ein wasserfreies Lipogel, das z.B. auf der Haut einen Vaselinfilm bildet. Durch Transpiration formen sich allerdings Kanale, durch
11.2 Tensideffektebei der Haut
335
die das Wasser der Hornschicht ungehindert verdunsten kann. Besser sind spezielle Emulsionen vom Typ W/O. Hierbei werden nicht nur Fett, sondern auch Emulgator und Wasser auf der Haut verteilt. Auch dadurch kommt es zu einer, wenn auch unvollstandigen, Abdeckung der Haut. Das von der Hornschicht abgegebene Wasser wird in der Olschicht emulgiert und steht noch im Gleichgewicht mit dieser. Diesen subtilen Wasserauhahme- und -abgabemechanismen mussen die Hautpflegemittel je nach Hauttyp Rechnung tragen. Pflegepraparate mussen also fiir die trockene Haut lipidreicher sein, und Reinigungsprodukte durfen die ohnehin zu starke Austrocknung nicht noch verst2rken [ 2 ] .
11.2 Tensideffekte bei der Haut Will man den Einfluss von Tensiden auf die Hautbarriere diskutieren, so muss man nicht nur die Lipide, sondern auch die Proteine der Epidermis beriicksichtigen, die von der Zelldifferenzierung s t a m e n . Die Basalzellen des Stratum germinativum differenzieren uber das Stratum Spinosum und Stratum granulosum zu den verhornten, abgeflachten Zellen des Stratum corneum. Abbildung 1 1.2 zeigt Einzelheiten des Ubergangs vom Stratum granulosum zum Stratum corneum.
Abb. 11.2. Schematische Darstellung des Stratum corneum und einer differenzierten Granularzelle
im Anfangsstadiurn der Transformation. Die Hornzellen sind mit Intermediatfilamenten (F) und einer arnorphen Matrix (M) gefillt. Die Hulle (E) besteht aus diinnen gul3eren (01) und rnittleren Lamellen (ml) sowie einer verdickten inneren Lamelle (il). Der interzelluliire Raum ist rnit 2 nrn dicken, parallel angeordneten Lamellen (L) gefillt, welche aus den Mernbran bedeckenden Granula (MCG) stamrnen. Die Granulazelle enthalt Intermediatfilament-Bundel(F), Keratohyalingranula (KH), Mitochondrien (M), Golgivesikel (G), rauhes endoplasmatisches Reticulum (ER) und freie Ribosornen (R). Die Granulazelle ist in einer dreischichtigen Plasmamembran (PM) eingepackt, die wiederum an die Hornzellen durch Desmosome (D) angeheftet ist [3].
Wahrend des 27 Tage dauernden Differenzierungszyklus fihren verschiedene interne autolytische Prozesse zur keratinisierten Matrix f i r Proteolipid-Komponenten, aber auch
336
I 1 Kosmetika
zu wasserloslichen, stickstoffhaltigen Substanzen im interzellularen Raum des Stratum corneum. Im Keratinisierungsprozess von den Basalzellen im Stratum germinativum zu den Zellen des Stratum corneum andert sich aber auch die Zusammensetzung der Lipidkomponenten. Von den polaren Lipiden wie Glycosphingolipiden und Phospholipiden in den tieferen Epidermisschichten fihrt der Differenzierungsprozess zu unpolareren Lipiden wie Sterinester, freie Fettsauren, Ceramide, Triglyceride in der keratinisierten Schicht des Stratum corneum (Tabelle 1 1.1). Aus anderer Quelle stammen die Lipide des Hydrolipidfilms. Sie kommen vonviegend aus Sekreten der Talgdriisen, und zwar in folgender Zusammensetzung: Squalen (10 %), Wachsester (22 %), Triglyceride (25 %), Di- und Monoglyceride (1 0 YO),Sterinester (2.5 YO),Sterine (1.5 %), u.a.m.
Tabelle 11.1. Lipidkomponenten in verschiedenen Schichten der Epidermis (in %) [4].
Lipide Phospholipide Glucosylceramide Ceramide Cholesterin Freie Fettsauren Diverse
Str. basalehpinosum 63 7 0 10
7 13
Str. granulosum 25 10 15 21 17 12
Str. corneum 0 0 50 25 15 10
Bezuglich Wechselwirkungen zwischen Tensiden, Lipiden und Keratin wurde Folgendes festgestellt [4]: Es werden keine Lipide extrahiert, wenn die Tensidkonzentration kleiner als die CMC ist. Oberhalb der CMC wird jedoch ein kleiner Anteil der Lipide aus dem Stratum corneum herausgelost, ca. 4-7 % des gesamten Lipids des Stratum corneum. Es handelt sich um freie Fettsauren, Cholesterin und Cholesterinester, nicht jedoch um den Hauptbestandteil, die Ceramide. Andererseits treten die Tenside mit der Lipidphase und dem Keratin in Wechselwirkung. Bei kurzer Einwirkungsdauer werden die Tenside nur von der Lipidphase aufgenommen. Bei Iangerer Einwirkung stellt sich jedoch ein Gleichgewicht zwischen dem Tensid im Wasser und in der Lipidphase und dem an das Keratin gebundenen Tensid ein. Im ubrigen kann sogar die Zusammensetzung der Lipide im Stratum corneum als Folge einer Storung der Lipidsynthese eintreten. Die Adsorption von Tensid ist am starksten bei Alkylkettenlangen von 12 C, auch im Falle von nichtionogenen Ethoxylaten, mit Ethoxylierungsgraden von 4-5. Wie schon envahnt, fiihrt die Adsorption von Aniontensiden zu starkerer Quellung des Stratum corneum, was mit spezifischen Interaktionen der Kopfgruppen erklart wird. Durch die Tenside kann die quartare Struktur des Keratins aber auch entfaltet werden (vergl. Kapitel 13). In ahnlicher Weise treten die Tensidmolekule in Wechselwirkung mit loslichen Proteinen des interzellularen Raums; sie werden in die Wasserphase extrahiert. Alle diese Interaktionen der reinen Tensidlosungen fiihren zu rissiger, schuppiger Haut, aber auch zu Hautirritationen. Vorteilhaft ist hingegen, dass aurjerdem die Permeabilitat der Haut fir Wirkstoffe erhoht wird.
11.3 Kosmetische Praparate
337
11.3 Kosmetische Praparate Wie in den Abschnitten 1 1.1 und 1 1.2 dargelegt wurde, konnen kosmetische Praparate die physiologischen Vorgange in der Haut beeinflussen. Sowohl enviinschte positive Wirkungen als auch Hautschadigungen konnen eintreten. Diesen Problemen muss bei der Ausarbeitung von Formulierungen spezielle Beachtung geschenkt werden. AuBerdem sind es jedoch diverse formulierungstechnische Aspekte, die wichtig sind. Emulsionen, Mikroemulsionen, Liposomen-Systeme, Dispersionen fester Stoffe, Losungen, Rheologie, Difkion, chemische Reaktvitat sind einige Stichworter; kolloidchemische Kenntnisse, wie sie in den einzelnen Kapiteln dieses Buches dargelegt werden, sind deshalb hilfieich bei der Entwicklung neuer Formulierungen. Insbesondere sind es Emulsionen, sei es vom Typ OVWasser oder Wasser/Ol, die wichtige Applikationsformen darstellen. Entsprechend der Vielzahl von Rohstoffen konnen viele Kombinationen zu optimierten Produkten fiir definierte Anwendungen fihren [ 5 ] wie: Hautkosmetika: Feuchtigkeitsemulsionen wie Tagescremes, Nachtcremes, Feuchtigkeitsmilch oder After-Sun-Lotion, Reinigungsemulsionen, Hand- und Bodylotionen, Hautschutzpraparate, Gesichtswasser und Gesichtslotionen, Sonnenschutzemulsionen und Solarienpraparationen, Hautole, Emulsionen zur FuRpflege, Babypflegemittel, Gesichts-Make-up-Emulsionen und Make-up-Stifte, Augen-Make-up-Praparate und EyeShadow-Stifte, Lippenstifte, Gesichtsmasken, Hautbleichcremes, Depilationsmittel, Puder, Pudercremes, Compacts, Aerosolpuder, Antitranspirant/Deodorantpraparate, Deodorantstifte, Repellentstifle, Badesalze, Badetabletten, Badeole und Schaumbadole, Zahnpasten, Zahnreinigungspulver, Mundwasser, Gebisspflegemittel. Haarkosmetika: Haarwasch- und Haarreinigungsmittel, Antischuppenshampoos, Kurspulungen, Haarfestiger, Haarfrisiercremes/Haarfixative,Haarole, Pomaden, Brillantinen, Haarwasser, Haarsprays, Haartkbemittel, Cremehaarfarben, Tonungsshampoos, Gelhaarfarben, Farbabziehmittel, Haarbleichmittel, Haardauerverformungsmittel, Haargl attungsmittel,. Nagelpflegemittel Nagelpoliermittel, Nagellacke, Nagellackentfemer, NagelhauterweicherRdageIhautentfemer, Nagelhmer, Nagelbleichspray, Nagellacktrockenspray, Nagelverlilngerer, Nagelcreme. Rasierhilfsmittel: Rasierseifen, Rasiercremes, Rasierschaumpraparate, Rasierwasser, Pre-Shaves, After-Shaves, Rasierpuder, Rasiersteine. Hinweise liber Aspekte der Anwendung, der Wirkung und viele Rezepte von solchen Kosmetika sind in [2] zu finden.
11.4 Emulsionen im Kosmetiksektor Die zur Entwicklung von Emulsionen notigen allgemeinen Informationen wurden bereits im Kapitel ,,Emulsionen" dargelegt. Hier sollen die speziell den Kosmetiksektor betreffenden Aspekte behandelt werden.
338
11 Kosmetika
11.4.1 Emulsionstypen Es gehort im Kosmetiksektor zu den schwierigsten Aufgaben, eine stabile W/O-Emulsion zu entwickeln, die hautvertraglich und in ihrer Konsistenz dem heutigen Trend entsprechend, namlich weich, glatt und gut verteilbar ist. AuRerdem ist die Entwicklung einer lagerstabilen Emulsion haufig ein Kompromiss. Emulsionen rnit guter Hautvertraglichkeit sind oft im hoheren Temperaturbereich eher instabil und sehr lagerstabile Emulsionen zeigen gelegentlich schlechte Hautrauhigkeitswerte. W/O-Emulsionen entsprechen weitgehend den physiologischen Bedingungen der Haut, weil das Hautfett praktisch ebenfalls in Form einer WiO-Emulsion vorliegt. Wie unter Abschnitt 1 1.1 envahnt, bilden solche Emulsionen einen dunnen Film auf der Oberflache, welcher die Entwasserung der Hornschicht unterbindet. Die Akzeptanz von O/W-Emulsionen ist allerdings groRer, dies deshalb, weil diese Emulsionen beim Auftragen aufgrund der Wasserverdunstung zunachst kuhlend wirken. Mit richtig eingestelltem pH, rnit ionogenen Tensiden im eher alkalischen Bereich, uben sie einen quellenden Einfluss aus und konnen einer anomalen Verhornung der Epidermis vorbeugen. AuRerdem werden die Lipide der Haut in feinster Verteilung angeboten, was besonders bei Tagescremes ausgenuta wird. Auch als Body Lotions, f i r groRflachige Verteilung auf der nassen Haut sind O/W-Emulsionen besser geeignet. Applizierte OiWEmulsionen neigen weniger zu Porenverstophng und ergeben auch geringeren Glanz, was die kosmetische Akzeptanz erhoht. In steigendem MaDe werden aber statt alkalisch gestellte Tensidlosungen neutrale nichtionogene Emulgatoren eingesetzt. Multiple Emulsionen sind Emulsionen, bei denen eine disperse Phase in einer weiteren dispersen Phase enthalten ist. Eine W/O/W-Emulsion enhalt somit dispergierte Wassertropfchen in Oltropfen, die ihrerseits in Wasser dispergiert sind. Es mussen zumindest zwei Emulgatoren venvendet werden, beispielsweise ein Sorbitanester rnit langen Kohlenwasserstoffresten und ein polyethoxylierter Sorbitanester. Produkte im Kosmetiksektor betreffen Erfrischungs- und Feuchtigkeitsemulsionen. Ihr Vorteil im Vergleich zu W/O-Emulsionen ist, dass sie wie OiW-Emulsionen angenehmer in der Anwendung sind und sich weniger olig anfihlen. Fur genugend lange Stabilitat mussen sie allerdings rnit Verdickungsmitteln versehen werden. Wie bei gewohnlichen Emulsionen sind Koaleszenz und Aufrahmen Instabilitaten, die verhindert werden mussen. Ein weiteres Problem ist jedoch auch die Wasserdifision aus den dispergierten Wassertropfchen in die auRere Wasserphase.
11.4.2 Hydrokolloide als Schutzkolloide und Konsistenzregler Gute Emulsionen brauchen zur Verfestigung der Emulgatorhulle Co-Tenside (vergl. Kapitel 2). Aber auch weitere Zusatze wie Schutzkolloide und Konsistenzregler sind notig, um Emulsionen zu optimieren, beispielsweise hinsichtlich ihrer rheologischen Eigenschaften. So wirkt sich die Gelbildung mit ihrem Einfluss auf FlieRgrenze und Thixotropie fur die Langzeitstabilitat von Emulsionen giinstig aus. ~
~
11.4 Emulsionen im Kosmetiksektor
339
Hydrokolloide sind als gelbildende Verdickungsmittel bemigt, mit den Emulsionstropfchen in Wechselwirkung zu treten, indem sie sich komplexartig an die Tropfchen anlagem und deren stabilisierende Schicht versmken. Die Stake der Interaktion ist nicht nur vom Emulgatorsystem und dem Hydrokolloid, sondem auch von den Verarbeitungsbedingungen abhangig. Man kennt anorganische und organische Produkte. Anorganische wie Bentonit, z.B. Veegum, bilden thixotrope Gele. Sie konnen bei schlechter Vertraglichkeit von Fett- und Kohlenwasserstoffgrundlage beigezogen werden und finden auch wegen ihrer wasserretinierenden Wirkung Verwendung in Feuchtigkeitsemulsionen. Organische Hydrogelbildner [6] wie die anionischen Polyelektrolyte Natriumalginat oder Carboxymethylcellulose trocknen auf der Haut zu schiitzenden Filmen. Auch Polyacrylsaure wie Carbopol oder Rohagit resp. ihre Salze gehoren zu dieser Gruppe. Nichtionogene Hydrogelbildner wie Methylcellulose, Hydroxpropylmethylcellulose haben den Vorteil, dass sie im Gegensatz zu den anionischen Polyelektrolyten auch zusammen mit kationischen Inhaltsstoffen verwendet werden konnen. Speziell zu erwahnen ist Hydroxyethylcellulose, die als Gelbildner fiir Antiperspirants und Deodorant-RollOns Bedeutung erlangt hat.
11.4.3 Phospholipide und Proteine In Kapitel 13 werden diese Stoffe eingehend behandelt. Zu erwahnen ist etwa das System LecithidWasser, Abb. 13.9, oder Abschnitt 13.2 uber Proteine. Lecithin gilt als lipophiler Emulgator f i r W/O-Emulsionen, kann aber auch f i r Liposomen venvendet werden (siehe Kapitel 3). Hydroxyliertes Lecithin eignet sich hingegen f i r Emulsionen vom O/W-Typ. Casein, das quell- und dispergierbar ist, und Ca-Ionen enthalt, wird durch Zusatz von Alkali wasserlbslich und nimmt in dieser Form eine lockere Struktur an. Es adsorbiert ahnlich wie Heteropolymere an Emulsionstrtipfchen, im Gegensatz m Lipoproteinen und Phosphoproteinen, die als granulare Partikel adsorbieren.
11.4.4 Grundaufbau von kosmetischen Emulsionen Entsprechend ihrer Konsistenz sind Cremes halbfeste, salbenartige Massen, im Gegensatz zu fliissigen Emulsionen, die eher milchig bis sahneartig sind. Auch die pharmazeutischen Salben sind z.T. Emulsionen, allerdings mit wesentlich geringerem Wassergehalt. Zum Teil bestehen sie aber auch nur aus Fettkomponenten mit Zusatzen von Wirkstoffen. In dieser Art sind sie den kosmetischen Hautblen und -fetten gleichzusetzen. In einer kosmetischen Emulsion sind folgende Bestandteile vereinigt: - die Olphase, zu der auBer den Olkomponenten das Emulgatorsystem, Konsistenzregler, ollosliche Konservierungsmittel und ollosliche Antioxidantien zahlen. - die Wasserphase, die 85-95 % betragen kann, enthaltend das wasserlosliche
340
-
11 Kosmetika
Konservierungsmittel und evtl. Feuchthalte- und Verdickungsmittel die ubrigen Bestandteile wie Wirkstoffe, Parfiimol, Farbmittel.
11.4.5 Hautpflegeemulsionen GemaB K. Schrader [2] konnen kosmetische Emulsionen wie folgt zusammengesetzt sein: Feuchtigkeitsemulsionen, welche die Hornschicht durchfeuchten und uber einen langeren Zeitraum feucht halten sollen, werden als Cremes sowohl vom Typ W/O als auch O/W angeboten (Cold Cream, Emollient Cream, Tagescreme, Nachtcreme, Vanishing Cream, u.a.m.). Daneben werden auch Feuchtigkeitslotionen mit hoherem Wassergehalt, Korpermilche venvendet. Die Grundlage konnte enthalten:
Tabelle 11.2. Grundlage von Feuchtigkeitsemulsionen [2]. Bestandteile Wasser Polyol Unterschiedliche Olkomponenten, Konsistennegulatoren und Fette Emulgatoren Feuchthaltemittel Konservierunesmittel und Parfimole
m0i 20-90 1-5 10-80 2-5 0-5 ie nach Bedarf
Es ist das Ziel, gut spreitende, nicht klebende Emulsionen zu entwickeln, die angenehm in der Anwendung sind, was insbesondere bei W/O-Emulsionen nicht einfach ist. In neueren Entwicklungen wird deshalb versucht, W/O-Emulsionen zu kreieren, die auf der Haut eher als O/W-Formulierungen wahrgenommen werden. Dadurch konnen die dermatologisch wertvolleren Eigenschaften von W/O-Formulierungen mit den kosmetischen Eigenschaften von O/W-Emulsionen vereinigt werden. Ein Punkt sind beispielsweise konsistenzgebende Wachse, die oft ein stumpfes, klebriges Gefihl auf der Haut hinterlassen und die deshalb sorgfaltig ausgewahlt werden miissen. Solchen Grundlagen gemaB Tabelle 1 1.2 werden diverse Wirkstoffe und weitere Substanzen beigefigt wie Collagen, tierische Proteinderivate, hydrolysiertes MilcheiweiB, diverse Aminosauren, Hamstoff, Sorbitol, Gelee Royale, u.a.m. Beziiglich einzelner Rezepte sei auf [2] venviesen. Reinigungsemulsionen enthalten mehr Emulgator und 01, vorzugsweise Paraffinol im Vergleich zu Pflegeprodukten. Wie schon in Abschnitt 1 1.1 envahnt, greift der Emulgator nicht nur den Schmutz, sondern auch den Hydrolipidmantel der Haut an. Da diese Beeintrachtigung moglichst unterbunden werden sol1 - die nach einer Reinigung applizierten Produkte wie Tages- oder Nachtcremes vermogen sonst diesen Eingriff nicht
11.4 Emulsionen im Kosmetiksektor
34 1
mehr auszugleichen - bietet sich die Verwendung milder Tenside, z.B. Proteinderivate zur Schmutzbenetzung (vergl. Abschnitt 10.2.I .2) als Zusatz zu den Emulgatoren an. Auch hohere Gehalte an Polyolen, z.B. Propylenglykol oder Butylenglykol finden in Reinigungspriiparaten Venvendung. Reinigungsmilche enthalten typischenveise 2-8 % Emulgator, 20-50 Yo 0 1 und 5-10 % Polyole, nebst Konservierungsmitteln und Wasser. Beim folgenden Beispiel (Tabelle 1 1.3) wird zur Emulgierung die Wasserphase bei 75 "C der Olphase zugemischt. Nach einer Nachriihrzeit von 5 min wird auf 40 "C abgekiihlt, dann parfimiert und schlussendlich bei 30 "C die Emulsion iiber einen Homogenisator ausgetragen. Tabelle 11.3. Beispiel einer Reinigungsmilch; Typ O/W [2].
Rohstoff Obhase: Glycerinstearat, HLB 1 1 Stearylheptanoat (PCL-Solid) Isopropy Imyristat Cetylalkohol Paraffin61 Methylsilikonol 100 Wasserphase: Chlorhexidindigluconat 20 %ig (Mikrobizid) Glycerin Allantoin (keratolytischer Wirkstoff f i r Hautregeneration) Wasser Parfiimuhase: Parfimbl
["/I 8.0 3.0
15.0 4.0 15.0 0.5 1.O 2.0 0.2 ad 100
0.2
Hand- und Bo@otionen sind ahnlich wie Gesichtsmilche aufgebaut. Insbesondere Bodylotionen werden auf die nasse Haut aufgetragen und mussen gut verteilbar sein. Deshalb haben sich O/W-Emulsionen b e w m . Aufgepasst werden muss, dass der Tensidgehalt nicht zu hoch anfallt, da sonst Ruckstande auf der Haut vom Handtuch aufgenommen werden. Auch bei Handlotionen bilden solche Ruckstande ein Problem. Das 0 1 sol1 moglichst rasch auf der Hand aufziehen, was jedoch zu einem stumpfen Hautgeflihl fihrt. Deshalb ist die Entwicklung guter Handemulsionen nicht leicht und nur durch Kombination verschiedener Hilfsstoffe zu erreichen. Gesichfsmasken werden mit einer Anwendungsdauer von 5-30 min eingesetzt und dienen zur Reinigung oder als Feuchtigkeits- oder Wirkstoffspender. Als Emulsionen sind sie den O/W-Tagescremes sehr ahnlich. Als Crememasken sind sie 2hnlich aufgebaut wie ein Make-up und als Peeling-Masken enthalten sie vorzugsweise Polyvinylalkohol als Gelbildner, Alkohol, Weichmacher, Netzmittel, Parfimol und Wasser. Emulsionen zur FuJpjlege sollen die Fuse erfrischen, schweiBhemmend wirken, die Homschicht enveichen, allfAlligen Juckreiz stillen, Feuchtigkeit absorbieren und prophylaktisch gegen F d p i l z wirken. Fur den Aufbau der Emulsionen empfiehlt es sich,
342
I I Kosmetika
Rohstoffe zu verwenden, die eine starkere Hautaustrocknung verursachen wie Triethanolaminlautylsulfat, Magnesiumlaurylsulfat, niedrigethoxylierte Fettalkohole. Als Antitranspirantien haben sich Aluminiumsalze bewahrt. Babypraparate mussen der besonderen Empfindlichkeit der Babyhaut Rechnung tragen. Babyhaut reagiert fast wie eine Schleimhaut. Durch ihre Auhahmefahigkeit ist die Gefahr der Resorption toxischer Stoffe groB, ebenfalls besteht eine groBere Anfalligkeit gegen Bakterien wie Staphylokokken und Streptokokken. Bakterielle Abspaltung von Ammoniak aus dem Urin (Bakterium ammoniagens), speziell bei neutralem pH, verbunden mit mechanischer Reibung, kann zu Windeldermatitis flihren, die besonders zwischen den Oberschenkeln ausgepragt ist. Babypjegemittel mussen mit einem dicken, festhaftenden Fettfilm vor Nasse schutZen und allenfalls austrocknend wirken, und auf der Haut sol1 sich eine schwachsaure Biosphare ausbilden. Um eine stabile dicke Schicht zu erhalten, werden den Pflegeemulsionen meist feinteilige Festoffe wie Zinkoxid zugesetzt. Lipophile Basis ist oft Lanolin, ein Lanolinderivat, Vaselin oder Parafinol. Abbildung 1 1.3 zeigt den typischen Viskositatsverlauf einer Baby Lotion.
v)
5 0. Schergefalle [s-’] Abb. 1.3. Viskositatsverlauf einer Baby Lotion [6].
11.4.6 Hautschutzemulsionen, Make up, Desodorantien Bei Sonnenschutzmitteln ist die Wahl und die Konzentration der Emulgatoren besonders wichtig. Unter dem Einfluss der Sonnenstrahlung konnen hautverandernde Vorgange induziert werden, wenn zu groBe Mengen und eventuell noch ungeeignete Emulgatoren venvendet werden. Es sollen die Haut wenig belastende Emulgatoren in moglichst niedriger Konzentration eingesetzt werden, wobei jedoch gute Lagerstabilitat angestrebt werden muss. Einfache Formulierungen ohne allzu heterogenen Aufbau scheinen im Allgemeinen besser von der Haut toleriert zu werden. AuBer UV-Absorbem konnen Sonnenschutzmittel noch Hautschutzstoffe wie Allantoin, Insektrepellents oder auch
11.5 Mikroemulsionen und Liposomen in der Kosmetik
343
Lokalanesthetika wie Lidocain enthalten. O/W-Emulsionen sind im Allgemeinen beliebter. Im Gegensatz dazu verlangt aber die intensive Bestrahlung in Solarien sehr fetthaltige W/O-Emulsionen. Antitranspirant- und Deodorantpraparate haben unterschiedliche Funktionen. Antitranspirationsmittel, so wie sie in den USA angeboten werden, konnen sowohl schweirjhemmend, als auch desodorierend wirken. Die in Europa vertriebenen Desodorantien wirken hingegen nur geruchshemmend. Zu beachten ist, dass der menschliche Schweirj nach dem Austreten aus den apokrinen Driisen praktisch geruchlos ist und erst durch bakterielle Zersetzung den schlechten Korpergeruch verursacht. Bei Desodorantien bestehen verschiedene Moglichkeiten zur Geruchsbeseitigung: Uberdeckung mit Parfiimolen; Oxidation der Geruchsstoffe mit Peroxiden; Adsorption an feinteiligen Ionentauschern; Hemmung der Bakterienflora der Haut (Basis der meisten Desodorantien); Einfluss von Tensiden, insbesondere entsprechender Ammoniumverbindungen. Antitranspirantien enthalten vonviegend adstringierend wirkende Substanzen, die mit Proteinen irreversible Fallungen ergeben und dadurch die Transpiration hemmen. Im allgemeinen Aufbau enthalten Antitranspirant-/Deodorantpraparate beispielsweise 60-80 % Wasser, 5 % Polyol, 5-15 % Lipide (Stearinsaure, Mineralol, Bienenwachs), 2-5 % Emulgatoren (Polysorbat 40, Sorbitanoleat), 10 % Antiperspirantsubstanz (Aluminiumchlorhydrat), 0.1 % antimikrobielle Substanz, 0.5 % Parfiimol. Als Gesichts-Make-up werden PrBparate fiir den Gesichts-, Hals-, DekolletCbereich sowie als Rouge eingesetzt. Cream Make-up oder auch Cream Rouge bestehen unter anderem aus 3 0 4 0 % Pigment und 40-60 % Cremebasis (klassische Emulsion). Im Gegensatz dazu sind Fluid Make-up und Fluid Rouge Thixotropie-Mittel enthaltende Pigmentdispersionen. Hautschutzpraparate werden je nach Schutzwirkung unterteilt: Schutzwirkung gegen chemische Einwirkungen wie Sauren, Laugen; Schutzwirkung gegen Schmutz und Staub, Teer und Schmierol; Schutzwirkung gegen physikalische Einwirkungen wie UV-Strahlung, Hitzestrahlung; Schutz gegen mechanische Verletzungen; Gleit- und Massagepraparate; lnsektenabwehrende Praparate (Repellents). Sie sollen in keiner Weise auf das Gewebe einwirken und nur als geschmeidiger Film auf der Haut aufliegen. Als aktives Hautschutzmittel gegen Staub und Schmutz enthalten sie beispielsweise ca. 20 % feste Fettsauresalze wie Zinkstearat. Gegen organische Losemittel werden als Schutzmittel Kombinationen von Seifen, Starke, Emulgatoren wie Natriunilaurylglutamat, Glycerinmonostearat, Stearinsaure den Schutzpraparaten zugesetzt, und gegen wassrige Losungen werden halbfeste Lipide, Silikonole beigefiigt.
11.5 Mikroemulsionen und Liposomen in der Kosmetik Allgemeine Aspekte sind im Kapitel 3 behandelt. Wie dort envahnt, bilden sich Mikroemulsionen spontan und sind thermodynamisch stabil, im Gegensatz zu Emulsio-
344
1 1 Kosmetika
nen. Mikroemulsionen rnit ionischen Tensiden benotigen erhebliche Mengen Tenside (1 5-20 %). Mit nichtionogenen Tensiden braucht man etwas geringere Konzentrationen, 2.B. 5 YOf i r gewisse Polyethylenglykolether. Nicht nur wegen ihrer thermodynamischen Stabilitat, sondern auch wegen der Transparenz sind Mikroemulsionen in der Kosmetik von Interesse. AuRerdem dringen Tropfchen wegen der kleinen PartikelgroRen (100-500 nm) besonders gut in die Haut ein. Sonnenschutzgele, P a r h g e l e , Hautreinigungs- und Pflegegele werden auf dieser Grundlage aufgebaut [7]. Wegen des hohen Tensidgehalts sind Hautunvertraglichkeiten nicht auszuschlieljen, was insbesondere noch durch die kleinen Partikelgroljen verstarkt werden kann. Um ein klares, transparentes Gel zu erhalten, ist es wichtig, bei der Herstellung die Temperatur uber 90 "C zu halten, bevor die Wasser- und Olphase gemischt werden. Einarbeiten von Luft muss vermieden werden, da sie nicht mehr entweichen kann. Zur Erzielung klarer Gele muss beispielsweise bei der Emulgierung eines Mineralols die Kettenlange des Mineralols kleiner sein als diejenige des Emulgators. Andererseits werden zur Erhohung der Viskositat langkettige Fettalkohole zugesetzt; Hydrokolloide sind dazu ungeeignet, sie beeintrachtigen die Stabilitat der Mikroemulsionen. Liposomen, deren Groljenbereich sich von 10 nm-100 pm erstreckt, besitzen Hullen, die aus einer oder mehreren Doppelschichten von amphiphilen Lipiden aufgebaut sind (vergl. Abb. 3.5). Solche Lipide sind beispielsweise die naturlich vorkommenden Phospholipide, Glycolipide, Spingolipide; aber auch synthetische Produkte. Gemalj den Erlauterungen in Abschnitt 1 1.2 ist nicht zu envarten, dass Liposomen in das Stratum corneum eindringen konnen. Vielmehr ist es moglich, damit die Feuchtigkeit des Hydrolipidmantels zu erhohen, unter Bildung von Mischphasen rnit Lipiden des Stratum corneum; sind doch die polaren Reste von Lecithin rnit bis zu 23 Wassermolekulen umgeben. Wirkstoffe wie Cortisol zeigen jedoch eine 5-1 0-fach hohere Anreicherung in der Epidermis und Dermis im Vergleich zu Emulsionen [S]. Man nimmt also an, dass die Wirkstoffpenetration der Haut durch Liposomen verbessert wird.
11.6 Losungen Hautole und -fette als Losemittel fur Wirkstoffe haben die Aufgabe, die Haut zu enveichen, zu glatten und zu schutzen und auch die entfettende Wirkung vorausgegangener Waschungen auszugleichen. Als mechanische Mittel dienen sie zudem der Massage. In Verbindung mit Emulgatoren werden sie benutzt, um Verunreinigungen wie Schminkenfarbstoffe abzulosen. Weitere Anwendungen betreffen den hydrophoben Schutz beim Schwimmen, Sonnenschutzole, Hautfunktionsole rnit Zusatzen von etherischen Olen, Armeipflanzenausziigen, Vitaminen. Auch Gesichtswasser werden durchwegs als Losungen hergestellt. Solche Produkte werden angewandt, um Ruckstande einer vorgangigen Hautreinigung, z.B. von einer Reinigungsmilch, zu entfernen und die Haut f i r die nachfolgende Hautpflege mit einem Tages- oder Nachtpflegemittel vorzubereiten. Die Fornulierungen mussen so konzipiert
11.7 Bade- und Duschbadezusatze
345
sein, dass sie die Haut nicht unnotig austrocknen, da sonst der urspriingliche Hautzustand durch die nachfolgende Pflegebehandlung nur schwer wieder erreicht werden kann. Korper-iktionen auf Basis von Alkoholen dienen als Erfiischung der Haut nach korperlicher Betatigung oder nach dem Bad. Sie enthalten riickfettende, gut spreitende Substanzen wie ethoxylierte Lanolinalkohole oder Polyolfettsiiureester, aber auch schwach desinfizierende Substanzen. AuDerdem werden oft Pflanzenextrakte oder andere Wirkstoffe zugemischt. Rasierwasser (Pre Shave und After Shave) unterscheiden sich von den Gesichtswassern und Friktionen durch einen hoheren Alkoholzusatz und durch spezielle Wirkstoffe. Wie Gesichtswkser werden auch die Rasierwasser schwach sauer auf einen pH von 5.56.5 eingestellt. AuDerdem werden adstringierend wirkende Aluminiumsalze zugesetzt und oft auch Bakterizide zur Vermeidung von Entziindungen.
11.7 Bade- und Duschbadezusatze Kosmetische Badeprgparate, die fiir die Pflege des gesunden Korpers bestimmt sind, sollen den Gesamtstoffivechsel anregen, das Allgemeinbefmden steigern und leichte Hauthnktionsstorungen lindern oder beseitigen. Sie sollen jedoch vor allem auch die reinigende Wirkung des Wassers unterstiitzen und durch die etherischen Ole ein Gefiihl des Wohlbefindens vermitteln. Die stofiechselanregende Wirkung geht hauptsachlich von den etherischen Olen, nicht aber von den Gerbstoffen aus. Gerbstoffhaltige Pflanzenextrakte werden jedoch als adstringierende Komponenten zugesetzt. Eine wichtige Aufgabe besteht auBerdem darin, die Bildung eines Badewannenschmutzrandes zu verhindern und das Saubern der Wanne zu erleichtern. Hochviskose Praparate envecken den Eindruck von hohem Substanzgehalt und sind deshalb psychologisch gunstiger als diinnflussige Formulierungen. Da als Tenside fast immer Fettalkoholethersulfate eingesetzt werden, kann die Viskositat durch Zugabe von NaCl gesteuert werden (Abb. I 1.4). Pro Vollbad rechnet man mit ca. 6 g waschaktiver Substanz, die in 10-30 g Formulierung enthalten ist. Detergentien adsorbieren aus verdiinnter Losung auf der Haut und verleihen ein Hautgefiihl, das z.B. im Falle von Alkylarylsulfonaten als unangenehm klebrig empfunden wird. Hautreizende Eigenschaften konnen durch geeignete Kombinationen vermindert werden. Bezuglich Schleimhautvertraglichkeit sind die Ethersulfate besser als die Alkylsulfate oder die Sulfonate. Losungen mit einem hbheren Gehalt an waschaktiven Substanzen als 20 % zeigen geringe Tendenz zu Bakterien- oder Schimmelbefall. Verdiinntere Lbsungen sollten konserviert werden. Grundstoffe fiir Badesalze sind diverse Salze wie Natriumsulfat, Natriumchlorid, Natriumtripolyphosphat, Natriumhexametaphosphat, Trinatriumphosphat, Natriummetaborat, Natriumthiosulfat, aber auch feste anionaktive Tenside. Die weiteren Zusatze wie Farbstoffe, Parflimol und Tenside werden als Losungen aufgespriiht, resp. in einer Mischtrommel mit den Grundstoffen vermischt. Fur Badetabletten andererseits wird als Basis Natriumhydrogencarbonat verwendet, das in saurer Losung z.B. mit Weinsaure
346
I I Kosmetika
oder Adipinsaure Kohlendioxid ii-eisetzt. Sauerstoff-Badetabletten enthalten Natriumperborat, das mit Katalysatoren wie Mangansalzen Sauerstoff entwickelt. Um ein Feuchtwerden der Tabletten zu unterbinden, wird Zusatz von Starkemehl, wasserfreiem Natriumsulfat oder Aerosil empfohlen. Badeole und Schaumbadole zeigen je nach Emulgator- resp. Tensidgehalt unterschiedliche Eigenschaften. Reine Ole, versetzt mit Duftstoffen, schwimmen auf dem Badewasser und uberziehen den Korper beim Aussteigen aus der Wanne mit einem Olfilm. Praparate mit geringem Emulgatorzusatz bilden milchige Triibungen und ergeben keinen, oder nur einen geringen Schmutzrand. Die Zugabe von waschaktiven Substanzen zur Schaumbildung vermindert den Pflegecharakter des Praparates. 601
Texapon MLS I Sulfopon 101 spez.
50 40 -
2
3
4
5
% NaCl
Abb. 11.4. Viskositatserhohung durch Salzzugabe bei Losungen von Alkylsulfaten + Arnphotensid (Dehyton K); Tensidverhaltnis 3: 1: Gesamtkonzentration I5 % (nach Henkel) [4].
11.8 Gelees Fettfreie Gelees dienen als Basis fur Pflanzendfte und Pflanzenextrakte wie Gurkensaft, Melonensaft, Tomatensaft, Apfelsatl, aber auch Honig oder Traubenzuckersirup. Sie enthalten neben Wasser und allenfalls Alkoholzusatzen groBe Mengen Glycerin (his 20 %) und unterschiedliche Gelbildner wie Gelatine, Agar-Agar, Alginate, Carragheen, Pectine, Tragant, Weizenstarke, Bentonit, Veegum, Kolloidkaolin, Methylcellulose, Polyvinylpyrrolidon, Carbopol, Polyvinylalkohol. Zu beachten gilt, dass Gele aus pflanzlichen Schleimbildnern einen Alkoholzusatz im Allgemeinen nicht vertragen. Eine Ausnahme machen Quittenschleim und Pectingelees, die mit Ethanolzusatz nicht flocken. Alle pflanzlichen Gelbildner reagieren leicht sauer, unterstiitzen also die Schutzwirkung des biologischen Schutzmantels der Haut. Von den diversen Gelen seien envahnt: Citronenhandgelee, Parfbmgel, Frisiergelee, Hautstraffungsgelee, antiseptisches Hand-
Ii.9Stifie
347
waschgel, Schaumbadgel, Sonnenschutzgel, Sonnenbrandgel, Hautschutzgel, Babyhautschutzgel.
11.9 Stifte Stiftformulierungen haben an Bedeutung zugenornmen, auf Kosten der Aerosole. Nicht nur Lippenstifte, Augenbrauenstifte, Make-up-Stifte, sondern auch Parfiimstifte, Insektenabwehrstifte, Deodorantstifte sind beliebt. Die Grundlage der Stifie besteht wie bei den dekorativen Produkten aus einer Wachs- oder Fettschmelze, oder aus formbestlndigen Gelen (z.B. fir Desodorantien und Parhstifte). Der Erweichungspunkt der Stifhassen sol1 uber 50 "C liegen, bei guter Abgabe auch bei dieser Temperatur. Basis f i r Deodorant-Stifte sind Seifen wie Na-Stearat, die mit 10-1 00-facher Menge Alkohol formbestlndige Gele bilden konnen. Alkoholfieie Stiftformulierungen enthalten hingegen Polyole statt Alkohol. Die kiihlende, erfiischende Wirkung der Stififormulierungen wird verst2rkt durch Zusatz von Menthol und etherischen Olen. Bei Lippenstiften zeigen die reinen Fettstifte hohen Glanz und grorje Deckkraft, besitzen aber nur geringes Haftvermogen. Haftfeste Lippenstifte enthalten zusltzlich hydrophile Losemittel wie Glykole oder Tetrahydrofurfurylalkohol.Als Rohstoffe f i r Lippenstift-Grundmassen werden eingesetzt: Ozokerit (gutes Olauhahmeverm6gen, Kristallisationsverhinderer), Ceresin (gutes Olaufhahmevermbgen, mikrokristallin), Vaselin (bildet wasser-impermeable Filme), Paraffin (Thixotropie-Mittel, oft kristallin), Bienenwachs (gute Hafifestigkeit, Erhohung der Bruchfestigkeit), Myristyl-Myristat (Verbesserung der Abgabeeigenschaften, Sofieffekte), Cetyllaktat und Myristyllaktat (nicht klebrig wirkend, bilden mit Feuchtigkeit auf den Lippen eine Emulsion), Carnaubawachs (Olbindevermogen, Erhohung von Schmelzpunkt und HWe Oberflachenglanz), Lanolinderivate (unterschiedliche Eigenschaften, klebrig oder nicht klebrig, hydrophil oder hydrophob), Oleylalkohol (Olkomponente), lsopropylmyristat (Verminderung der Klebrigkeit).
11.10 Puder, Pudercremes Puder bestehen aus Festteilchen mit TeilchengroDen von 100-200 pm. Teilchen unter I0 pm fiihren zu Porenverstopfung und zu entzundlichen Fremdkorperreaktionen. Zu grorje Teilchen hingegen rufen ein rauhes Gefihl hervor. Sie bilden die Grundlage fir verschiedene Wirkstoffe und konnen aurjerdem zur Austrocknung und Kuhlung der Haut und zu ihrem mechanischen Schutz eingesetzt werden. Kolloides Siliciumdioxid, Magnesiumcarbonat, Starke sind Zusatze zur Verbesserung der Austrocknung. Starke oder Stearate verstarken den Kuhleffekt. Puder mussen eine gute Haftfahigkeit auf der Haut aufiveisen, wozu Starken, aber auch fettende Komponenten beigefiigt werden.
348
I I Kosmetika
AuRerdem mussen sie physiologisch und chemisch indifferent sein. Die Gleitfahigkeit wird verbessert durch Talkzusatz. Zu den wichtigsten Pudergrundstoffen gehoren Silikate (Kaolin, Aerosil, Talkum), Carbonate (Magnesiumcarbonat, Calciumcarbonat), Oxide (Zinkoxid, Titandioxid), Stearate (Zinkstearat, Magnesiumstearat, Aluminiumstearat), Starke, EiweiRabbauprodukte. Kinderpuder bestehen aus sehr saugfihigen Bestandteilen und enthalten zusatzlich geringe Mengen Antiseptika. Die Puderkorner durfen nicht zu hart sein und keine scharfen Kanten oder Spitzen aufweisen. Die Venvendung konnte sonst zu Hautverletzungen fuhren. Die Pudergrundstoffe durfen sowohl in Wasser als auch Olen nur geringe Loslichkeit aufweisen. In Pudercremes, die in Tiegeln oder vergossen in Stift-Hulsen angeboten werden, ist der Puder in das Geriist einer Grundlage eingebaut. Bei wasserfreien Produkten besteht die Grundlage aus einer Ol/Fetb'Wachs-Schmelze mit stark thixotropem Verhalten. Durch den mechanischen Druck beim Aufh-agen werden die Festkorperteilchen freigesetzt und haften auf der Haut. Als Wachse dienen vorzugsweise Bienenwachs, Mikrowachse und in geringerem Umfang Carnaubawachs und Candelillawachs. AuBer den wasserfreien Formulierungen sind entsprechende Make-up-Emulsionen vom W/O-Typ und O/W-Typ im Handel, die Puder, Farbpigmente und Perlglanzpigmente enthalten.
11.1 1 Mund- und Zahnpflegemittel Obschon die Zahne sich anfihlen, als seien sie Knochen, sind sie wie die Nagel und Haare - Abkommlinge jener embrionalen Schicht, die auch die Haut hervorbringt. Im Querschnitt von innen nach auRen gesehen (Abb. 1 l S ) , besteht der menschliche Zahn aus der Pulpa, die vom Dentin umschlossen wird, und dem Zahnschmelz. Der Zahnschmelz ist vom Schmelzoberhautchen (Pellikel) iiberzogen. Die Pellikel, die beim Zahneputzen kaum abgescheuert wird, regeneriert sich innerhalb kiirzester Zeit durch Adsorption von Speichelproteinen auf der Hydroxyapatit-Oberflache des Zahnschmelzes. Sie besteht vonviegend aus Glycoproteinen und bildet die Oberflache zur bakteriellen Besiedlung, dem Ursprung der Plaque. Plaque ist der festhaftende Belag aus lebenden und abgestorbenen Mikroorganismen in einer polysaccaridund glykoproteinreichen Matrix. Sie besteht zu 80 YOaus Wasser und im Rest zu 60-70 % aus Bakterienrnasse. Durch Einbau von Calcium-Ionen geht die Plaque in Zahnstein uber, was durch Zusatz von Kristallisationshemmern zur Zahnpasta eingeschrankt werden kann. Van der Waals'sche und elekrostatische Wechselwirkungen (vergl. Kapitel 5) bilden den ersten Schritt bei der Ablagerung von Bakterien auf der Pellikel. In einer zweiten Phase bilden sich Bindungen zu Rezeptoren der Pellikel uber spezifische Hafistellen der Bakterien aus. Die Verstarkung und Vernetzung der Bindungen geschieht durch spezielle Polysaccharide, die durch Mundbakterien aus Saccharose produziert werden. In der frisch gebildeten Plaque dominieren Streptokokken neben anderen Bakterien wie Neisseria- und Actinomyces-Spezies. Im Alterungsprozess tritt eine Verschiebung der Bakteri~
11.I I Mund- und ZahnpJlegemittel
349
enpopulation von den gram-positiven Streptokkoken zu mehr filamentosen gram-negativen Spezies und Fusobakterien, spater zu Spirillen und Spyrochaten ein. In der Plaque enstehen durch bakteriellen Abbau Sauren, welche die Kristallstruktur des Zahnschmelzes angreifen und durch Demineralisation zu kariosen Lasionen fihren. In einem Folgeprozess kann Zerstorung des Dentins eintreten. Aul3erdem konnen die ebenfalls als Folge des bakteriellen Abbaus entstehenden Toxine zu Entziindungen des Zahnfleisches ftihren. Es liegt also nahe, durch intensive Zahn- und Mundpflege die Bildung von Zahnbelagen zu verhindern. Reinigung durch mechanisches Zghneputzen wird unterstutzt durch Zusatze von Wirkstoffen zu Zahn- und Mundpflegemitteln, welche die Bildung von Zahnbelagen verhindern sollen. Antimikrobielle Substanzen, welche die ftir die Plaqueentstehung verantwortlichen Bakterien inhibieren sollen, wie verschiedene Bisbiguanide, diverse Schwermetallionen, oder spezielle quaterniire Ammoniumverbindungen, kbnnen dazu eingesetzt werden. Auch der Einsatz von matrixzerstorenden Enzymen wird diskutiert. Die Pflegemittel diirfen jedoch keine unspezifische antiseptische Wirkung zeigen, da sonst auch notwendige Spezies der Mundflora zerstort werden.
Zahnschmelz Zahnbein
Wurzelhaut Nerven
-Blutgefa13 Abb. 11.5. Schnitt durch Backenzahn [2].
Die MundpJlegemittel konnen eingeteilt werden in desinfizierende, adstringierende und aromatisierende Mundwasser. Sie enthalten in wassriger Losung aul3er den entsprechenden Wirk- und Aromastoffen noch Alkohole. Zuhnreinigungspulver enthalten abrasive Korner aus Calciumcarbonat (Schlammkreide), Seifenpulver oder auch Fettalkoholsulfate. Sie werden aromatisiert und meist rosa eingearbt. Sie wirken starker abrasiv als Zahnpasten und konnen zu Defekten fihren. Flussige Zahnreinigungsmittel wie Pearl Drops sind flussig eingestellte Zahnpasten von meist hdherer Abrasivitat. Zuhnpusten unterstiitzen die mechanische Reinigung der Zahnburste und ergeben ein erfrischendes Mundgefihl. Sie enthalten im Mittel folgende Inhaltsstoffe (Tabelle 1 1.4):
350
I 1 Kosmetika
Tabelle 11.4. Zusammensetzung von Zahnpasten [2]. lnhaltsstoffe Putzkorper Feuchthaltemittel Bindemittel Konservierungsmittel Tensid Aromaol W irkstoffe Wasser
mi 15-55 10-30
0.5-2 bis 0.5 0.5-2 0.5-1 nach Bedarf ad 100
Als Putzkorper wird reines, gefalltes Calciumcarbonat eingesetzt, welches keine stark abrasive Verunreinigungen wie Silicium- oder Aluminiumoxide enthalt. Damit kann keine Schadigung des Zahnschmelzes auftreten. Im ubrigen erfolgt die Abrasion des Dentins 25x rascher, und die des Wurzelzementes 35x schneller, im Vergleich zum Zahnschmelz. Weiter venvendete Putzkorper sind Calciumphosphate und schwerlosliches Natriummetaphosphat in Verbindung mit fluoridhaltigen Wirkstoffen. Neuerdings werden auch synthetische Zeolithe und Aluminiumhydroxid eingesetzt. Zu den Feuchthaltemitteln gehoren Glycerin, Sorbit, Xylit, Polyethylenglykol, und als Bindemittel werden Hydrokolloide wie Carboxymethylcellulose, Methylcellulose, Hydroxyethylcellulose, Carragheen, Tragant, Alginate, Polyacrylsauresalze, Montmorillonite venvendet. Als Konservierungsmittel dienen vonviegend p-Hydroxybenzoesaurester sowie Natriumbenzoat. Das bevorzugte Tensid in Zahnpasten ist Natriumlaurylsulfat [ 9 ] . Es wird nicht nur als Schaummittel eingesetzt, sondern unterstutzt als Netzmittel das Eindringen der Paste in Ritzen und Spalten. Hinsichtlich Wirkstoffe nehmen Fluorverbindungen eine dominierende Rolle ein; zulassig ist maximal ein Gehalt von 0.15 % an aktiven Fluoridionen.
11.12 Rasierhilfsmittel Rasierhilfsmittel dienen zur Vorbereitung bzw. Nachbehandlung der Haut vor und nach der Trocken- und Nassrasur. Es betrifft dies Rasierseifen, Rasiercremes, Rasierschaume, Rasienvasser (After- und Pre-Shave), Produkte, bei denen vor allem die Duftnote sehr wichtig ist. Rasierseifen, angeboten in Stangenform, unterscheiden sich von Toilettenseifen durch einen besonders hohen Anteil an Kaliumseife, was bessere Anschaumung erlaubt. Haufig enthalten sie noch Feuchthaltemittel wie Glycerin oder Polyole und andere Additive wie Schaumstabilisatoren (z.B. Aminoxide, Alginate). Schaumende Rasiercremes, die in Tuben verkauft werden, durfen sich auch bei Iangerer Lagerung nicht entmischen oder zersetzen. Es sind ebenfalls Kaliseifen mit 5-25 YO Glycerinzusatz. Perlglanz wird erzielt durch Zugabe von 2 4 % Stearin.
I I . 13 Haarkosmetika
35 1
Nichtschaumende Rasiercremes sind besonders bei trockener, fettarmer Haut zu empfehlen. Sie werden ohne Rasierpinsel auf die Haut aufgetragen und wirken weniger entfettend. Vonviegend handelt es sich um iiberfettete O/W-Emulsionen, die beispielsweise Lanolin, Cetylalkohol, Vaselin, Paraffin als Uberfettungsmittel und Monoglycerinester, ethoxylierte Sorbitanester als Emulgatoren enthalten. Rasierschaumpraparate sind fliissige Rasierseifen, die mittels Treibgas als Schaumaerosole abgeflillt werden. Pre-Shaves wirken wegen ihres hohen Alkoholgehaltes entfettend und ermaglichen dadurch die bessere Erfassung der Barthaare durch den Rasierapparat. Sie enthalten auflerdem Gleitmittel, die eine gut spreitende Olschicht ergeben. Ajier-Shaves sollen die durch die Rasiermittel alkalisierte Epidermis neutralisieren, z.B mit Citronen- oder Weinsaure. Sie sollen auch den biologischen Puffermantel der Haut wiederherstellen, adstringierend und erfrischend wirken und helfen bei der Abheilung kleinerer Verletzungen, wozu entsprechende Wirkstoffe der wassrig-alkoholischen Lbsung zugesetzt werden.
11.13 Haarkosmetika 11.13.1 Kopfhaut und Haar Wirkungsorte der Haarbehandlung sind die Oberflache des Haarschaftes (Cuticula), das Innere des Haarschafles (Cortex) und vor allem bei dicken Haaren das Stratum comeum (Homschicht) der Haut, sowie deren Talgdriisen; vergl. Abb. 1 1.1. Von der Kopfhaut bis zur Spitze eines Haares bemerkt man grbljere Unterschiede bei den Cuticularandern, von nahezu glatt bis zackig und unregelmaflig, als Folge der Abnutzung. Der mittlere Durchmesser eines Haares betragt 70 pm und die mittlere Wachstumsrate in der Anagenphase 0.35 mm/Tag. Die Cuticufa (Dicke ca. 2.2 pm) besteht im Mittel aus 6 Schichten von Cuticulazellen, mit mittlerer Dicke von 0.37 pm. Diese Schichtung ist gut in Abb. 1 1.6 ersichtlich. Jede Cuticulazelle besteht aus zwej unterschiedlichen Schichten, welche die eigentliche Homsubstanz, das Keratin der Cuticula bilden. Die innere, endocuticulare Schicht enthalt alle nicht-keratinischen Zellbestandteile wie teil- oder nichtabgebaute Organellen- und Membranstrukturen, Mitochondrien, Sekretionskanale und Granula. Die einzelnen Schuppen der Cuticula sind durch eine Art mechanisch stabilen ,,Zement" verbunden; die einzelnen Schuppen bleiben auch in der zerrissenen Cuticula fest miteinander verkittet. Der Cortex, der Faserstamm bzw. die Faserschicht, besteht aus spindelfdrmigen Zellen, die ihrerseits ein Verbundsystem aus Mikrofibrillen und ,,Zement" darstellen. Dazwischen befinden sich die farbgebenden Pigmentgranula. Der Foffikef(Haarbalg; vergl. Abb. 1 1.1) ist ein Anhangsgebilde der Haut. Im zwiebelformig verdickten inneren Ende in der Umgebung der Haarpapille vermehren sich die Keratinocyten durch Zellteilung. Durch den entstehenden Wachstumsdruck gelangen
352
I I Kosmetika
Zellen nach oben, wo sie sich differenzieren und zum Wachstum des Haares beitragen. Die gewachsenen Haare fallen im normalen Phasenverlauf der Zykluswelle aus, wenn sich bereits ein neues Haar unterhalb im Follikel gebildet hat. Beim krankhaften Haarausfall entfallt jedoch diese Neubildung.
Abb. 11.6. Cuticula und Cortex beim menschlichen Haar [ l o ]
Die Haaroberflache ist hydrophob und somit durch Wasser nur schwer benetzbar. Hingegen ist das Haar selbst hygroskopisch und kann unter Quellung bis zu 27 % Wasser aufnehmen. Die Quellung ist jedoch vom pH des Mediums abhangig und am isoionischen Punkt am geringsten, wo am meisten Salzbriicken im Haar vorliegen. Ein Problem der Haarpflege ist die Talgproduktion, die in der Kopfhaarregion am starksten ist. Talgdriisen sind holokrine Driisen, deren Sekret durch Zerfall der Zellen selbst entsteht. Die Bildungsrate an Talg hangt deshalb von Anzahl und Grol3e der verfetteten Zellen ab. Der Folgeprozess, das Nachfetten des Haares, verlauft uber einen Abklatscheffekt von der Kopfhaut auf das Haar und bewirkt eine strahnige, fette Frisur, besonders bei langem Haar. Kopfhautschuppung ist als physiologischer Prozess die normale Abschilferung der Hornschicht und fuhrt ublichenveise zu nichtstorenden kleinen Partikeln. Anders ist es beim Schuppentrager, bei dem grorje Agglomerate von Corneocyten abgestorjen werden, die als kosmetisch storend empfunden werden.
11.13.2 Haarkosmetische Praparate Haanvaschmijtel, Shampoos, sind ausschliefllich fur Kopfhaar und Kopfhaut bestimmt. Hauptbestandteil aller Shampoos sind Tenside. Die Praparate sollen gutes Schaumverhalten und gute Reinigungswirkung hinsichtlich Entfettung und Schmutzentfernung auf-
11.13 Haarkosmetika
353
weisen. Gute KSimmbarkeit, Frisurhaltbarkeit mit optimaler Fiille, gute dermatologische, toxikologische, okologische und wirtschaftliche Eigenschaften sind weitere Kriterien. Nicht nur Schmutz, sondern auch Mikroorganismen wie Bakterien, Pike und Hefen werden beim Haarwaschen entfernt. Da Haare, aber auch die meisten Schmutzteilchen in Wasser negativ geladen sind - erst unterhalb pH 3 15idt sich das Haar positiv auf -, bietet sich die Venvendung von Aniontensiden als waschaktive Substanzen an. Aniontenside vermbgen des Weiteren SH-Gruppen fieizulegen (wichtig fiir Verformbarkeit), im Gegensatz zu nichtionogenen Tensiden. Wegen entgegengesetzter Ladung besitzen kationaktive Tenside keine gute Waschwirkung; sie werden bestenfalls als Konditioniermittel eingesetzt. Als Konditioniermittel, die eine Beschwerung des Haares bewirken, werden aber auch kationische Polyelektrolyte, und als Riickfettungsmittel, um extreme Entfettung beim Waschen auszugleichen, Fettalkohole und Fettshrederivate zugesetzt. Der allgemeine Aufbau von Shampoos [ 111 ist in Tabelle 1 1.5 zusammengestellt.
Tabelle 11.5 Allgemeiner Aufbau von Shampoos.
Inhaltsstoffe Wasser Tenside (vorzugsweise anionaktiv) Konsistenzregulatoren (nichtionogen) Schaumstabilisatoren (Aminoxide, amphotere Substanzen) Uberfettungsmittel (Fettstiure- bzw. Fettalkoholethoxylate) Aktive Verbindungen (2.B. kationaktive Konditioniermittel) Trtibungsmittel bzw. Perlglanzmittel (2.B. Ethylenglykoldistearat) Konservierungsmittel (2.B. p-Hydroxybenzoesaureester) Farbstoffe
[%l 50-70 7-1 5 0.5-2 3-5 0.5-1 ca. 2 ca. 1 ca. 0.2 ca. 0.005
Haarnachbehandlungsmittel, die nach der Haanvasche angewandt werden, sind wesentliche Pflegemittel der Neuzeit. Sie sollen der Frisur Haltbarkeit verleihen, den Glanz erhohen, den Griff verbessern, aber vor allem die Nass- und Trockenkammbarkeit erleichtern. Entsprechend ihrer Zusammensetzung konnen sie eingeteilt werden in Produkte, die aus dem Haar ausgespiilt werden und solche, die im Haar verbleiben. Marktanteile mit steigender Tendenz nehmen die Kurspiilungen, resp. Haarspulbader ein. Sie sind vorwiegend zur Verbesserung der Frisierbarkeit bestimmt und enthalten aul3er Wasser folgende Substanzen: kationaktive und hydrophobe Substanzen wie Fettalkohole, Emulgatoren, Sauren zur Einstellung des pH-Wertes, Verdickungsmittel, Wirkstoffe wie Proteinhydrolysate und Antischuppenmittel, Feuchthaltemittel, Farbstoffe, Parfimole. Haarkuren werden zur Behandlung des geschiidigten Haares und des Haarbodens angeboten. Hauptbestandteile der cremigen Mittel sind kationaktive Substanzen, die auf dem Haar einen Belag bilden. Oft sind die kationischen Belage shampoofest und ergeben verbesserte Kammbarkeit auch nach 3 4 Haanvaschen. Haarfestiger werden in verschiedensten Formen wie Lotionen, Fertigschaumen und Gelen angeboten. Polymere Filmbildner als wesentliche Bestandteile sollen die Frisur in
354
1I Kosmetika
Form halten bzw. dazu dienen, den Zeitraum zwischen den Haanvaschen zu verlangern. Dazu venvendet man Copolymerisate vom Typ Vinylpyrrolidon/Vinylacetat, VinylacetatiCrotonsaure, Methylvinylether/Maleinsaureanhydrid.Haarfestiger enthalten aber auch Weichmacher, welche die Flexibilitat der Polymere erhohen und damit deren Abschuppung herabsetzen. Spezielle Formen der Haarfestiger stellen die Haarsprays dar. Im Gegensatz zu den Haarfestigern ist die Bedeutung der Haarfisiercremes und Haar-xative gering. Sie sind durch Gel- und Schaumpraparationen substituiert worden. Haarole, Pomaden, Brillantinen sind zu vergleichen mit den Hautolen und Hautfetten. Wie diese stellen sie Losungen in Fetten und Olen dar. In die gleiche Kategorie gehoren auch Haarwasser, die als wassrige oder alkoholische Losungen Wirkstoffe, beispielsweise gegen Schuppenbildung oder Haarausfall, enthalten. Bei Haarfiirbemitteln gelten ahnliche Kriterien wie fiir Textilfarbstoffe. Wie beim Farben von Textilien (vergl. Kapitel 15) mussen auch beim Haarfarben fur permanente Farbungen auswaschresistente, lichtechte Farbstoffe im Medium gebildet werden. Daneben existieren Haarfarbemittel f i r temporare Farbungen, die schon nach einer einzigen Shampoowasche ausgewaschen werden und weitere Mittel f i r semipermamente Farbungen, die durch Waschen und Lichteinwirkung langsam verblassen. Zu beachten gilt, dass zwar das Haar angefarbt werden SOH, nicht jedoch die Kopfhaut. Direktziehende Farbstofle sind farbefertig. Sie lagern sich am Haar ab, konnen aber wegen der MolekulgroBe im Allgemeinen nicht ins Haar eindringen. Sie lassen sich deshalb auch leicht wieder entfernen und sind eher fur semipermanente Farbungen gedacht. Nitro- und Anthrachinonfarbstoffe, aber auch Azo- und Chinoniminverbindungen mit einer quaternaren azyklischen Ammoniumgruppe finden hier Anwendung.
Violett
mH3
H2
\
Entwickler
H
OH
Kuppler
Farbstoff
Abb. 11.7. Oxidative Kupplung beim Haarfarben; analog [ 121
Blau
I I . I3 Huurkosmetiku
355
Besonders haltbare und intensive Farbungen werden durch oxidative Entwicklung von im Haar absorbierten lbslichen Zwischenprodukten gewonnen. Diese Oxidutionsfurben Lhneln deshalb in der Anwendung den Kupenfarbstoffen der Textilfarberei, bei der die lbsliche Leukoform in das Gewebe difindiert und dort durch Oxidation in schwerlosliche Pigmente ubergefihrt wird, oder den Entwicklungsfarbstoffen, die erst in der Faser zur endgiiltigen farbgebenden Form umgesetzt werden. Abbildung 1 1.7 zeigt anhand von Beispielen das Prinzip der oxidativen Kupplung: Beim Farbevorgang werden Kuppler- und Entwicklungskomponente und das Oxidationsmittel in geeigneter Formulierungsform - Creme, Gel, Liquid - auf das Haar gebracht und wirken dort 20-30 min ein. Hierbei ist es wesentlich, dass die Diffusionsgeschwindigkeiten von Entwickler und Kuppler nicht stark voneinander abweichen, damit es nicht durch oxidative Selbstkupplung zu unenviinschten Farbtonen fihren kann. Der Aufbau eines Oxidationsfarbemittels ist in der folgenden Tabelle 1 1.6 beschrieben. Solchen Formulierungen wird vor dem Farben das Oxidationsmittel beigemischt, meist Wasserstoffperoxid. Dieses Oxidationsmittel hat die erwiinschte Eigenschaft, dass es das Melanin des Haares abbaut und bleicht; hierdurch sind gleichmaBige Farbungen moglich.
Tabelle 11.6. Aufbau eines Oxidationsfirbemittels, Inhaltsstoff Farbstoffzwischenprodukte StabilisatorerdReduktionsmittel Alkalisierungsmittel, z.B. Ethanolamin TrLgersubstanzen Komplexbildner Parfiims
Funktion Ergeben nach Reaktion die Farbstoffe Stabilisierung wahrend der Produktelagerung Quellung des Keratins; Oxidationsbeschleuniger Aufbau der Applikationsform Verhutung von Schwermetalleinfluss Uberdeckuna des Aminaeruchs
Weitere Produkte sind die Tonungsmittel wie Tonungsshampoos oder Gelhaarfarben, die in groBer Nuancenvielfalt zur Farbauffrischung und Zwischenfarbbehandlung, zum Farbausgleich und zum Nuancieren von ergrautem Haar usw. angeboten werden. Solche Tonungsmittel enthalten aul3er Haarfarben, j e nach Produkt, lhnlich wie die Haarbehandlungsmittel, Emulgatoren, Verdickungsmittel, kationische polymere Konditionierm itte I, organ i sche Sauren, Haarfarben . Die Verformung des Haars mit Duuerwellmitteln ist mit dem Haarfiirben insofern venvandt, als auch hierbei chemische Reaktionen im Haar vorgenommen werden. Wie in Kapitel 13 beschrieben, verleihen Wasserstoffbriicken, Salzbindungen und Disulfidbrucken als Verbindungen zwischen Polypeptidketten dem Verbund Stabilitat. Auf das Haar iibertragen bedeutet dies, dass vorerst diese Verbindungen gelost, und nach der Verformung zur permanenten Haarverformung wieder geschlossen werden mussen: Nach griindlicher Haarwasche wird das Haar gewickelt, durch Einwirkung von Alkali, vorzugsweise Ammoniak, erfolgt Quellung und Aufheben von Salzbindungen und Wasserstoffbriicken, und durch Reduktion mit Thioglykolsaure werden die Disulfidbriicken aufgespalten, sodass die Haarverformung stattfinden kann. AnschlieBend werden die Disulfidbriicken durch Oxidation mit Wasserstoffperoxid wieder geschlossen und durch Ansauern Wasserstoffbriicken und Salzbindungen wieder hergestellt.
356
I I Kosmetika
Die wassrige alkalische Losung des Thioglykols, die Kaltwelle, kann unter Umstanden noch Tensid und Olkomponenten enthalten. Die saure, das Oxidationsmittel enthaltende Fixierlosung oder -emulsion wird oft mit kationischen Polymeren als Konditioniermittel versetzt.
11.14 Grund- und Hilfsstoffe Eine Zusammenstellung von Emulgatoren ist in Kapitel 2 zu finden; weitere Angaben dazu eriibrigen sich deshalb an dieser Stelle. Hingegen sollen andere, speziell bei Kosmetika eingesetzte Grund- und Hilfsstoffe naher erlautert werden [ 131. Alkohole wie Ethanol, n-Propanol oder Isopropanol sind neben Wasser die Hauptlosemittel f i r flussige Praparate. Zusatzlich kommen sie zum Einsatz in Emulsionen, Aerosolen und Stiften. Nuturliche Fette und Ole, die Triglyceride von diversen Fettsauren stehen in chemischer Hinsicht dem menschlichen Korperfett sehr nahe und verursachen deshalb meistens keine Hautreizungen. Wegen ihrer Oxidationsempfindlichkeit, dem Ranzigwerden, erfordern die Emulsionen Zusatze von olloslichen Antioxidantien. Von den vielen naturlichen Fettstoffen seien envahnt: Sojad (Badeole mit gutem Aufziehvermogen), Erdnussiil (hochwertige biologische Haut- und Korperpflegemittel, Emulsionen, Haarole, Hautfunktionsole, Badeole), Olivenol (hochwertiges Ol in Hautpflegemitteln und Badeprodukten), Sonnenblumenol (Hautole und Emulsionen), Avocadool (hochwertige, biologisch wirksame Haut- und Korperpflegemittel; als Cremes, flussige Emulsionen, Haarole und Hautfunktionsole), Rizinusol (Lippenstifte, Augenwimperole, Uberfettungsmittel f i r alkoholische Haanvasser und Brillantinen), Schweinefett (pharmazeutische und kosmetische Salben und Cremes), Walrat (Salbengrundlage fiir Haut- und Korperpflege), Weizenkeimol (hochwertiges Ol fur Wundheilmittel und Praparate fiir Haut- und Korperpflege), Nuchtkerzenol (Hautpflege bei trockener, sproder, rauher Haut; wirkt zusatzlich antiinflammatorisch, durchblutungsfordernd), Jojohaol (hoherwertige Emulsionen und Hautole). Synthetische Ole nehmen wegen der begrenzten Haltbarkeit der naturlichen Ole an Bedeutung zu. Man venvendet mittelkettige Triglyceride, vonviegend der Caprin- und Caprylsaure, aul3erdem PCL-liquid (Gemisch dreier verzweigter Fettsaureester), Myristylmyristat, flussiges Lanolin, Isopropylfettsaureester (Palmitat, Myristat, Isostearat, Oleat), flussige Dicarbonsaureester und anderes mehr. Parafinole, die kaum in die Haut eindringen, im Gegensatz zu vielen naturlichen Lipiden, werden in Praparaten venvendet, die reine Oberflachenwirkung besitzen, wie Massageole, Babyole, Sonnenschutzpraparate. Sie werden auch in Kombination mit sogenannten Fettfilmauflockerern eingesetzt, vermogen gewisse Emulsionen zu verstarken und werden von der Haut gut toleriert. Vaseline sind Gemische aus festen und flussigen, geradkettigen, verzweigten und cyklischen, teilweise auch ungesattigten aliphatischen Kohlenwasserstoffen. Sie bilden dreidimensionale Netzwerke, in welche die flussigen Kohlenwasserstoffe eingelagert
11.14 Grund- und Hi@stofie
351
sind. Vaseline finden Venvendung f i r phannazeutische und kosmetische Salben, f i r Praparate mit Oberflachenwirkung und dekorative Kosmetika. Hart- und Weichparaflne werden zwar als Konsistenzregler empfohlen, geben aber ein ungutes Hautgefihl und konnen durch die niedriger schmelzenden Ozokerite (bzw. Ceresin) ersetzt werden. Mikrokristalline Wachse, bestehend aus einem Gemisch geradkettiger Paraffine und verzweigtkettiger Isoparaffine, besitzen einen Erstarmngsbereich von 60-70 "C und werden als Konsistenzregler in Emulsionen und Stifien venvendet. Wachse sind im Allgemeinen tiefschmelzende Produkte aus langkettigen Verbindungen, die je nach ihrer chemische Klasse als Kohlenwasserstoff-, Alkohol-, Keton-, Esteroder Amidwachse usw. bezeichnet werden. Von den pflanzlichen Wachsen seien erwahnt: Bienenwachs (oxidationsempfindlich; Konsistenzregler in Cremes und Salben, als Stabilisator von Kuhlsalben bzw. Cold-Cremes), Carnaubawachs (Pflanzenwachs der brasilianischen Wachspalme, f i r dekorative kosmetische Produkte), Candelillawachs (von einer mexikanischen Wolfsmilchart, Stififormulierungen wie f i r Lippenstifie, Sonnenschutzstifie, Repellentstifle). Als Erganzung zu den in Kapitel 2 gemachten Angaben iiber Hilfsstoffe f i r Emulsionen seien noch envahnt: Wollfett, als salbenartiges Gemisch verschiedener Ester hoherer Alkohole und geringer Mengen fieier Alkohole, Fettsauren und Kohlenwasserstoffe, wird als hautafine, stark wasseraufhehmende Cremegrundlage und als Stabilisator und Ruckfettungsmittel eingesetzt. Wegen der Oxidationsempfindlichkeit mussen Antioxidantien zugesetzt werden. Sterine wie Sterolan (aus Wollwachs hergestellt, als Emulgator fir hautvertragliche W/O-Emulsionen), oder Cholesterin (wichtigstes tierisches Sterin fir Pharmazeutik und Kosmetik), dienen als Co-Tenside in W/O-Emulsionen. Ceryl- und Stearylalkohol dienen als Co-Tenside und Konsistenzregulatoren. Seifen ein-, zwei- und dreiwertiger Kationen (Na, K, Ca, Mg, Al; aber auch Triethanolamin) konnen beispielsweise als Emulgatoren in Tagescremes, die mehnvertigen Seifen auch als Gelbildner in W/O-Emulsionen eingesetzt werden. Ester und Ether polyvalenter Alkohole werden heute in grorjem Umfang als nichtionogene W/O- und O/W-Emulgatoren in Cremes venvendet. Es sind beispielsweise Sorbitan-, oder Glycerinester und -ether, als Verbindungen mit Polyethylenglykol, Fettalkoholen und Fettsauren. Durch die grorje Anzahl von Kombinationsmoglichkeiten lassen sich marjgeschneiderte Emulgatoren jeden HLB-Wertes synthetisieren.
Literatur zu Kapitel 1 1 : [ 11 [2]
G. Czihak, H. Langer, H. Ziegler, Biologie, Springer-Verlag, Berlin Heidelberg New York, I98 1. K. Schrader, Grundlagen und Rezepturen der Kosmetika, 2. Auflage, Huthig Verlag, Heidelberg, 1989.
358
I I Kosmetika
A. G. Matoldsy, The Skin of Vertebrates, aus: R. I. C. Spearman, P. A. Riley (Eds.), Linnean Society Symposium Series, Number 9, Academic Press, Inc., London, 1980. [41 W. Abraham, in Surfactants in Cosmetics: 2"ded., Surface Sci. Ser. 68, (M. M. Rieger, L. D. Rhein, Eds.), Marcel Dekker, Inc., New York. F. Greiter, Moderne Kosmetik, Huthig Verlag, Heidelberg, 1985. D. Laba, in Rheological Properties of Cosmetics and Toiletries, p. 403 (D. Laba, Ed.), Marcel Dekker, Inc., New York, 1993. J . Chester, Soap. Parf. Cosmet. 40, 393 ( 1 967). W. Wohlrab, J . Lasch, R. Laub, C. M. Taube, K. Wellner, in Liposome Dermatics (0.Braun-Falco, H. C. Korting, H. I . Maibach, Eds.), Springer Verlag, Berlin, 1992. [91 K. Schrader, in F. Greiter, Aktuelle Technologien in der Kosmetik, Huthig Verlag, Heidelberg, 1987. Das Haar und seine Struktur, 2. Auflage, Wella AG, Darmstadt, 1991. A. L. L. Hunting, Encyclopedia of Shampoo Ingredients, Micelle Press Inc., 1983. N. Maak, In Between Congress Joint Conference (IFSCC. Deutsche Gesellschaft der Kosmetik-Chemiker e.V., Ed.), Verlag f i r chemische Industrie Ziolkowsky KG, Augsburg, 1987. H. P. Fiedler, Lexikon der Hilfsstoffe fur Pharmazie, Kosmetik und angrenzende Gebiete, Editio Contor, Aulendorf, 198 1. [31
12 Pharmazeutische Technologie Produktidentitat, Wirksamkeit, Reinheit sind wichtige Kriterien von Arzneimitteln. Arzneimittel benbtigen sorgfsiltiges Ermitteln der Produktequalitat, entsprechend den Spezifikationen: - Gleicher Wirkstoffgehalt aller Darreichungseinheiten. - Freiheit von nichtdeklarierten Substanzen. - Bleibende Wirksamkeit, therapeutische Eigenschaften, Aspekt bis zum bzw. uber das Ablaufdatum hinaus. Ausgangsformen der Wirkstoffe sind kristalline oder amorphe Pulver oder Fliissigkeiten. Therapeutische Wirksamkeit und Therapeutischer Index LD5&Dso (lethale Dosis bei 50 % Patienten / wirksame Dosis bei 50 % Patienten) hlngen aber nicht nur von der Wirksubstanz, sondern auch von der Darreichungsform ab. Deshalb kommt der Wirkstoff-Formulierung eine wichtige Bedeutung zu. Je nach Formulierung konnen sich die Eigenschaften eines Wirkstoffes in der Applikation, aber auch wlhrend der Lagerung drastisch andern. So muss beispielsweise ein slureempfindlicher Wirkstoff so formuliert werden, dass er mbglichst unzersetzt den Magen durchqueren kann.
12.1 Wirkstoffa bsorption Pharmazeutische Wirkstoffe werden wegen der leichten Anwendbarkeit zu einem groRen Teil oral eingenommen. Dabei kommt der dosierten Uberfihrung in den Blutkreislauf eine wichtige Bedeutung zu: - Normalerweise besteht ein Zusammenhang zwischen Wirkstoflkonzentration im Kbrper und therapeutischem Response, d.h. je grofler die Konzentration, um so starker ist die Reaktion. - Die therapeutisch wirksame Konzentration soll sich nach Verabreichung rasch am Zielort einstellen, damit die pharmakologische Wirkung einsetzen kann. - Je nach beabsichtigtem Effekt soll eine kurze oder lang anhaltende Wirkung erzielt werden. Faktoren, welche bei oraler Verabreichung eine Rolle spielen, sind: physikochemische und physiologische Variablen und auflerdem Variablen der Darreichungsform. Bei den in Betracht kommenden Wirkstoffen handelt es sich vonviegend um relativ kleine organische Molekule mit guter Membranpermeabilittit. Im Gegensatz dazu kommen die neuen Arzneimittel auf Polypeptidbasis, mit groljerem Molekulargewicht und starkerer Hydrolyseempfindlichkeit im Allgemeinen nicht f i r die orale Darreichung in Betracht. Anstrengungen werden jedoch unternommen, solche Molekule derart zu modifizieren, dass doch eine gewisse Absorption im gastrointestinalen Bereich, ohne enzymatischen Abbau, erfolgen kann.
360
I2 Pharmazeutische Technologie
12.1.1 Anatomie und Physiologie des gastrointestinalen Traktes Die primare Funktion des gastrointestinalen Traktes besteht in der Sekretion, Verdauung und Absorption. AuBerdem ubt er auch eine Schutz- und Reinigungsfbnktion bezuglich irritierender Materialien aus, verbunden mit Diarrhoe und Erbrechen. Stressfaktoren initiieren diese Mechanismen, beeinflussen aber gleichzeitig auch die Resorption im Gewebe. In den Anfangsteil, die Mundhohle, munden zahlreiche Drusen, wie Unterzungendruse, Unterkieferdriise, Ohrspeicheldruse. Die Speiserohre (Osophagus) leitet vom Rachenraum (Pharynx) durch das Zwerchfell zum Magen (Bereich um Magenmund = Cardia). Hauptteil des Magens ist der Magengrund (Fundus). Vom Magenausgang (Pfortner = Pilorus) auf der rechten Bauchseite geht der Magen in den Dunndarm, mit Zwolffmgerdarm (Duodenum) als erstem Abschnitt uber. In seinen absteigenden Teil mundet zunachst der Ausfihrungsgang der Leber, der die Gallenflussigkeit zufuhrt. In den Zwolffingerdarm mundet auch die Bauchspeicheldriise (Pankreas), der Hauptort f i r die Produktion von Verdauungsenzymen. Die folgenden Abschnitte des Dunndarms sind Leerdarm (Jejunum) und Krummdarm (Ileum). Im Unterbauch geht der Dunndarm sodann in den Dickdarm uber, mit Blinddarm (Caecum) und Blinddarmfortsatz (Appendix) als blindes Ende. Letzter Teil des Dickdarms ist der Mastdarm, der nach auRen durch den Ringmuskel des Afters verschlossen ist (Abb. 12. I).
9
Ohrspetcheldruse Zunge Speicheldrusen
)"t
Leber
Magen Pfortner (Pilorus) Bauchspeicheldruse(Pankreas) ZwbIffingerdarm(Duodenum) -Dtckdarm (Kolon)
Gallenblase
-Leerdam (Jejunum) Krummdarm (Ileum) Blinddarm
Rectum
~~
Li/
Abb. 12.1. Gastrointestinaler Trakt (gema8 [ I ] ) .
12.1 Wirhtoffabsorption
36 1
Die speziell geformte Oberflache des Dunndarms macht ihn besonders geeignet f i r den Stoffaustausch. Aufwolbung der Schleimhaut (Kerckring-Falte) und fmgerartige Ausstiilpungen (Darmzotten, Villi), deren Oberflachen als Mikrovilli, mit Langen von ca. 1 pm ausgebildet sind, vergroljern die Austauschflache gegen das Lumen um das 600fache. Die Schleimhaut des Dunndarms kann in drei unterschiedliche Schichten unterteilt werden. Die unterste Schicht (Muscularis mucosae) ist eine 3-10 Zellen dicke Muskelschicht, welche die Mucosa von der Submucosa abtrennt. Die Schicht zwischen Muscularis mucosae und dem Intestinalepithel wird als Lamina propria bezeichnet. Zusammen mit dem Oberflachenepithel bildet diese Schicht die Villistruktur. Die Lamina propria enthalt verschiedene Zelltypen, Blut- und Lypmphgefasse und Nervenfasem. Molekiile, die resorbiert werden sollen, miissen diese Schicht durchdringen (Abb. 12.2). Lamina Propria
Dunndarrnoberfllche
- Zentrales LymphgefaR -
Kapillaren
r Lteberkiihn-Krypte
Becherzellen
Muscularis Mucosae Arteriole Venule LyrnphgeflR
'
Abb. 12.2. Aufbau der Villi in der Schleimhaut des Dunndarms (nach [2]).
Der Darm ist der Ort, wo der chemische Aufschluss von Stoffen, wie Nahrungsmittel, und auch die Resorption ablaufen. Unter der katalytischen Wirkung von Enzymen, Hydrolasen, werden die N&stoffe hydrolytisch zerlegt. Diese Verdauungsenzyme werden nicht nur von den groBen Darmanhangdriisen, sondern auch von den Epithelzellen der Darmwand selbst und den in sie eingelagerten kleinen Driisen gebildet und abgesondert. Bei der intrazellularen Verdauung werden geloste Stoffe und feine Partikel in Zellen des Verdauungstraktes aufgenommen und dort zerlegt. GroBere Partikel und rasch abbaubare Molekule werden hingegen extrazellular im Lumen des Darmes oder der Mitteldarmdriisen verdaut, wobei die beteiligten Enzyme von Driisenzellen in dieses Lumen sezerniert werden. Entsprechend den Kategorien der Nahrstoffe sind unterschiedliche Enzyme am Abbau beteiligt: Proteine werden von den Proteasen an den Peptidbindungen aufgespalten. Endopeptidasen greifen bestimmte Aminosauren im Innem langer Ketten an. Diverse andere Peptidasen erfillen weitere, ganz spezifische Abbauhnktionen. Extrazellular im alkalischen Bereich wirken Trypsine. Diese Enzyme werden in der Bauchspeicheldriise als inaktive
362
12 Pharmazeutische Technologie
Trysinogene produziert, und durch ein von der Darmwand abgeschiedenes weiteres Enzym aktiviert. Im stark sauren Milieu des Magens ist das von den Fundusdriisen produzierte Pepsin am Abbau der Proteine beteiligt. Der Abbau von Kohlehydraten erfolgt an glykosidischen C-0-C-Bindungen durch Carbohydrasen. Polysaccharide mit a-glucosidisch verbundenen Hexosen (z.B. Starke, Glykogen) werden von den Amylasen abgebaut. Glykosidasen wirken haufig spezifisch bei einem bestimmten Typ der glykosidischen Bindung. Lipide werden durch die verschiedenen Esterasen abgebaut. Die beim Abbau der Esterbindungen langkettiger Glycerinester besonders wirksamen Esterasen werden als Lipasen bezeichnet. Andere Esterasen spalten bevorzugt Ester kurzkettiger Fettsauren. Phosphatide werden von spezifischen Phospholipasen, sowie weniger spezifisch von Phosphodiesterasen abgebaut. Erleichtert wird der Abbau der wasserunloslichen Lipide durch die Gallenflussigkeit, die als Emulgator wirkt. Ribonucleasen und Desoxyribonucleasen sind f i r die Aufspaltung von Nucleinsauren verantwortlich. Mononucleotide werden unspezifisch durch Phosphomonoesterasen in Nucleoside und Orthophosphat zerlegt.
12.1.2 Bioverfugbarkeit, Wirkstofftransport und Resorption Die Bioverfcigbarkeit ist der prozentuale Anteil der im Blut auftretenden Wirkstofhenge im Vergleich zur applizierten Dosis. Insbesondere bei peroraler Applikation kann sie durch verschiedenste Einflusse verandert werden. Die Darmflora, Enzyme, Nahrungsund Genussmittel und anderes konnen die chemische Bestandigkeit, die gastrointestinale Transportrate oder die Absorptionsrate beeinflussen. Perorale Arzneimittel, die nach dem Schlucken via Magen in den Darm gelangen, begegnen auf ihrem Weg einer grol3en Anderung der anatomischen und physiologischen Umgebung. So andert sich der pH-Wert von 1-3 beim Durchgang durch den Magen uber 5-7 im Duodenum bis 7-8 im Ileum. Auch die spezifische Oberflache, vom Magen bis Dunndarm, dort, wo die Wirkstoff-Absorption stattfindet, andert sich dramatisch. Vor Eintritt in den D a m sind die Wirkstoff-Formulierungen somit dem Einfluss einer hohen Protonenkonzentration ausgesetzt. Hydrolysevorgange, Flockungs- und Fallungsreaktionen konnen beim tiefen pH im Magen eintreten. Aber nicht nur die Saure, sondern der gesamte Mageninhalt ubt einen Einfluss aus. Zeitpunkt, Menge und Art der aufgenommenen Nahrungsmittel bestimmen Zustand und Geschwindigkeit, mit denen die Arzneimittel in den Darm, j a sogar aus dem Darm heraus gelangen. So ist es nicht verwunderlich, dass je nach Mageninhalt bei Einnahme von Medikamenten diese in ganz unterschiedlicher Konzentration im Blut zur Verfiigung stehen. Wie aus Abb. 12.3 zu ersehen ist, gelangen Wirkstoffe bei vollem Magen verzogert ins Blut, da der gesamte Inhalt Ianger im Magen venveilt. Entsprechend der langeren Aufenthaltsdauer konnen saureempfindliche Stoffe unter solchen Bedingungen zu einem grorjeren Teil degradiert werden als bei leerem Magen und stehen somit nur in geringerer Menge zur Resorption im Darm zur Verfcigung. Dies ist in Abb. 12.3 am Beispiel des saureempfindlichen, wasserloslichen Antibiotikums Erithromycin gezeigt.
12. I Wirkstoffabsorption
363
Nicht immer wird die Bioverfiigbarkeit des Wirkstoffes durch Nahrungsaufnahme gestort. Viele shreresistente Substanzen gelangen zwar rnit Verzogerung in den Dunndarm, konnen jedoch unzersetzt und vollstgndig resorbiert werden.
Zeit nach Einnahrne [h] Abb. 12.3. Wirkstofkonzentration irn Serum nach Einnahme von 500 rng Erythrornycinstearat mit 20 rnl Wasser A, rnit 250 rnl Wasser 0,rnit 250 rnl Wasser nach kohlenhydratreicher Nahrung m, rnit 250 rnl Wasser nach fettreicher Nahrung rnit 250 rnl Wasser nach proteinreicher Nahrung 0 (gernPI.3 [3]).
+,
Bei peroraler Applikation kommt also dem Zeitpunkt der Einnahme eine wichtige Bedeutung zu. Die Zeitspanne zwischen Medikamenteneinnahme und Mahlzeit vermag sowohl die Bioverfiigbarkeit, als auch den Blutspiegel eines Wirkstoffes stark zu beeinflussen.
12.1.3 Verteilung, Speicherung und Eliminierung von Anneimitteln im Korper Geloste Wirkstoffe in N&e des Darmepithels konnen durch die ,,Darmmembran" diffundieren, wenn sie nicht durch interferierende Substanzen daran gehindert werden. Wenn nicht ein Abbbau, Metabolisierung, in den Zellen der Darmwand geschieht, konnen die Wirkstoffe in den Blutkreislauf gelangen. Der Wirkstoff muss die aunerste Schicht der Schleimhaut uberwinden und gelangt in die Lamina propria, wo er entweder in die Blutkapillaren oder, zu einem wesentlich geringeren Ted, in die LymphgefaRe eindifindiert (Abb. 12.2). Ausnahmen machen lipophile Substanzen mit hohem O/W-Verteilungskoefizienten (>--lo 000), die vorwiegend in die LymphgefaRe gelangen. Phtinomenologisch gesehen sind es der OVWasser-Verteilungskoeffizient KON, der pK,-Wert und das Molekularvolumen, welche die passive Absorption eines Wirkstoffes
364
12 Phurmuzeutische Technologie
bestimmen. Insbesondere ist es die Verteilung zwischen wassriger Phase und lipophilen Membranen, die einen wichtigen Prozess darstellt [4]. Die Verteilung der Wirkstoffe im Korper erfolgt weitgehend mit dem Plasma in den BlutgefaRen, welches etwa 4 'YOdes Korpergewichts ausmacht. Nach Durchtritt aus den Blutkapillaren in die Zwischenzellflussigkeit des interstitiellen Raums (ca. 16-20 % des Korpergewichts) diffundieren die Wirkstoffe leicht zu den einzelnen Korperzellen. Eine Ausnahme besteht beim Raum der Gehirn-Ruckenmarkflussigkeit, welche das Zentralnervensystem umspult. Das luckenlose Epithel, das diesen Raum umgibt, die Blut-HirnSchrunke, Iasst nur bestimmte lipophile Substanzen durchtreten. Im Plasma kann eine Bindung der Wirkstoffe an Plasmaproteine erfolgen. Dies vermag das Austreten der Wirkstoffe aus der Blutbahn in die Zwischenzellflussigkeit zu verzogern oder sogar zu verhindern. Solche Komplexe stellen somit ein Wirkstoff-Depot im Blut dar, da sie im Gleichgewicht mit ungebundenem, gelostem Wirkstoff stehen, der wegdifindieren kann. Lipophile Wirkstoffe konnen aber auch in das Fett- und Muskelgewebe eingelagert werden und verlangern so die Dauer der Wirkstoff-Freisetzung, was u.U. ein Nachteil sein kann (Narkosemittel, Verkehrsuntuchtigkeit). Der Abbau der Wirkstoffe hat zum Ziel, diese wasserloslich zu machen, um die Ausscheidung durch die Nieren zu ermoglichen. Diese Metabolisierung (biologische Umwandlung) geschieht vonviegend durch Enzyme in der Leber. Vererbungsbedingte enzymatische Unterschiede konnen dam fiihren, dass bei einzelnen Bevolkerungsgruppen die Metabolisierung unterschiedlich rasch erfolgt, sodass auch unterschiedlich starke Wirkungen und Nebenwirkungen eintreten konnen. Ca. 90 % der Wirkstoffe bzw. ihrer Metaboliten werden durch die Nieren ausgeschieden. Daneben werden aber gewisse lipophile Molekule auch via Leber, Galle, Darm eliminiert. Hier ist die Ausscheidung von der Nierenfunktion unabhangig. Bei Gallenweginfektionen wird dieser Weg therapeutisch ausgenutzt. Nicht nur uber Niere und Leber, sondern auch uber Driisen, wie SchweiR- oder Milchdrusen, aber auch via Atem kann eine Ausscheidung von Substanzen in geringem MaRe erfolgen.
12.2 Allgemeines iiber Arznei- und Applikationsformen Wirkstofe, d.h. Substanzen, die im Organismus eine pharmakologische Wirkung erzeugen, konnen nutiirlichen Ursprungs sein, wie Pflanzenextrakte, tierische Driisenextrakte, Hormone, Seren, daneben auch Mineralstoffe. Halbsynthetische Wirkstoffe stammen ebenfalls aus naturlicher Quelle, im Gegensatz zu synthetischen Wirkstoffen; sie werden zusatzlich chemisch modifiziert. Hiljktofle dienen der Formgebung und Konservierung der Wirkstoffe oder der Regelung ihrer Wirkung. Sie durfen keine unenvunschten Nebenwirkungen verursachen, insbesondere die Vertraglichkeit und die Wirkung der Medikamente nicht nachteilig beeinflussen.
12.2 Allgemeines iiber Arznei- und Applikationsformen
365
Arzneiformen sind Formulierungen aus Wirkstoffen und Hilfsstoffen, wie Pulver, Tabletten, Suppositorien, Salben, Pflaster, Tinkturen. Sind sie speziell verpackt und mit entsprechendem Eigennamen versehen, so werden sie als pharmazeutische Spezialitaten bezeichnet. Eine wichtige Bedeutung kommt der Verpackung zu. Sie soll das Medikament gegen Feuchtigkeit, Licht, Staub und mikrobiellen Befall schutzen und als Hilfe der Dosierung dienen. Blisterpackungen f i r Tabletten, Suppositorien in fonnhaltende Folien eingeschweiDt, Fliissigkeiten in Flaschen mit Tropfvorrichtung, ohne nennenswerte Alkaliabgabe, sind Beispiele. Bezuglich Hultbarkeit sollen die pharmazeutischen Spezialitaten mit Ablaufdatum versehen sein. Fehlt dieser Hinweis, so wird eine einwandfreie Venvendung von 5 Jahren uber das Herstellungsdatum hinaus angenommen, trockene Lagerung bei tieferer Temperatur als 25 OC vorausgesetzt. Instabile Medikamente mussen im Kiihlschrank aufbewahrt werden. Je nach Applikationsart - Peroral, Sublingual, Rektal, Kutan, Perkutan, Parenteral soll eine systemische oder lokale Wirkung erzielt werden. Bei der systemischen Wirkung erreicht der Wirkstoff das Zielorgan nach der Resorption uber die Blutbahn. Bei der lokalen Wirkung sind Anwendungs- und Wirkungsort identisch; der Stofftransport entfillt. Arneimittel werden am haufigsten peroral verabreicht, d.h. sie miissen geschluckt werden. Ungeeignet ist diese Verabreichungsart, wenn der Wirkstoff durch die Verdauungsdfte des Pankreas zerstort wird, oder wenn eine sehr gleichmaflige Wirkstoftkonzentration im Blut erforderlich ist, ebenfalls bei schwer resorbierbaren Substanzen. Die Resorption der Wirkstoffe verlauft dabei rascher rnit leerem Magen als mit vollem. Ebenfalls verbessert wird die Resorption lipophiler Wirkstoffe durch fettreiche Speisen. Auch die Defilkation hat einen Einfluss. Durchfall vermindert die Kontaktdauer und in vielen Fallen auch das AusmaB der Resorption von Wirkstoffen, Verstopfung erhaht dies. Nicht zu vernachlassigen ist der First Pass Effekt: Die Resorption der Arzneistoffe erfolgt vorwiegend aus dem Dunndarm und fihrt uber die Pfortader zur Leber. Von dort gelangen die Wirkstoffe zu allen Organen. Gewisse Wirkstoffe werden aber in dieser ersten Leberpassage bereits stark abgebaut und erreichen nur in geringer Menge das Zielorgan. Bei sublingualer Applikation, bei der die Arzneimittel unter der Zunge belassen werden, erfolgt die Resorption rasch durch die Zungenschleimhaut. Der Einfluss der Verdauungssafte und der First Pass Effekt werden dadurch umgangen. Rektale Applikation ist angezeigt bei Erbrechen und Bewusstlosigkeit, ebenfalls bei Kleinkindern. Die Wirkung kann systemisch (2.B. Schmerzmittel) oder lokal (z.B. bei Hamorrhoiden) sein. Je nach Kotfillungsgrad des Mastdarmes erfolgt die Resorption in unterschiedlichem AusmaB. Der groDte Wirkstoffanteil(80 %) gelangt direkt in den Blutkreislauf, die restlichen 20 % iiber die Leber, d.h. ein allfalliger First Pass Effekt ist unbedeutend. Fur die kutane oder perkutane Applikation, bei der die Wirkstoffe auf Haut oder Schleimhaute aufgebracht werden, stellt die intakte Haut eine starke Schranke dar. Beachtet werden muss, dass bei gesch2digter Haut aber eine (meist) unbeabsichtigt starke Resorption auftreten kann. Diese Art Applikation ist geeignet f i r lipophile Wirkstoffe, wobei die Wirkung systemisch (bei perkutaner Applikation) oder lokal (bei kutaner Applikation) sein kann.
366
12 Pharmazeutische Technologie
Bei der parenteralen Applikation sind Injektionen und Infusionen von Wirkstofflosungen zu envahnen. Die Resorption und der Umweg uber die Leber fallen weg, weshalb eine rasche Verteilung des Wirkstoffes im Korper, ohne First Pass Effekt, stattfindet. Zur Vermeidung einer Schadigung der Venenwande sol1 bei intravenoser Applikation die Losung moglichst isotonisch sein (gleicher osmotischer Druck wie das Blut), mit ahnlichem pH wie das Blut. Langsamere, aber langer anhaltende Wirkung als bei intravenoser Applikation erfolgt bei intramuskularer und subkutaner Applikation. Hier diirfen auch Suspensionen und olige Losungen gespritzt werden, die als Medikamentendepots wirken und u.U. Wirkstoff wahrend Monaten freisetzen. Bei zu starker Abweichung von Isotonie und pH von den Blutwerten konnen Injektionen schmerzhaft sein und das Gewebe kann nekrosieren.
12.3 Arzneiformen Je nach Konsistenz konnen Armeiformen in feste, halbfeste und flussige Armeiformen unterteilt werden [ 5 ] . Zu den festen Arzneiformen gehoren Pulver, Granulate, Mikrokapseln, Kapseln, Tabletten, Dragees, Suppositorien, Teemischungen. Salben, Cremes, Gele, Pasten gehoren zu den halbfesten Darreichungsformen und Losungen, niederviskose Emulsionen und Suspensionen bilden die Klasse der flussigen Arzneiformen. Diejenigen Mittel, die auf die Haut aufgetragen werden, bilden den Ubergang zu den kosmetischen Mitteln, so wie sie in Kapitel 11 beschrieben sind.
12.3.1 Pulver Pulver-ormige Zubereitungen bestehen aus losen, trockenen Teilchen im Bereich von ca. 40-300 pm. Neben Wirkstoffen konnen sie zusatzlich Hilfsstoffe enthalten.
Pulver, die f i r peroralen Gebrauch bestimmt sind, werden entweder lose als Schachtelpulver, oder im Falle von stark wirksamen Substanzen in Portionen als abgeteilte Pulver abgegeben. Daneben existieren Pulver e r die parenterale Anwendung. Zum Gebrauch werden diese in steriler Flussigkeit gelost und ergeben so eine Injektionslosung. Puder sind Pulver, die zur auflerlichen Anwendung auf der Haut, den Schleimhauten oder auf verletztem Gewebe zur Wundbehandlung bestimmt sind. Sie vergrofiern die Hautoberflache und wirken daher kuhlend. AuBerdem besitzen sie trocknende und antiphlogistische Eigenschaften. Ihre KorngroBe sollte unter 100 pm liegen. Puder zur Anwendung auf offenen Wunden mussen auBerdem steril sein. Pudergrundlagen konnen einerseits aus anorganischen Stoffen wie Talkum, Zinkoxid oder Ton bestehen. Von geringerer Bedeutung sind Magnesiumoxid, Magnesiumcarbonat und Titandioxid. Da es sich urn korperfremde Substanzen handelt, kann ihre physiologische Vertraglichkeit j e nach Patient problematisch sein. Organische Pudergrundlagen andererseits sind wegen ihrer guten physiologischen Vertraglichkeit besonders f i r die Behandlung offener Wun-
12.3 Arzneformen
367
den geeignet. Im Gegensatz zu anorganischen Stoffen sind sie jedoch gute Nahrboden f i r Bakterien und ihre Sterilisation ist der geringen Hitzebestandigkeit wegen oft problematisch. Starke, wie Mais- oder Weizenstarke, seltener Kartoffelstarke, bieten sich als Pudergrundlagen an. Weil sie mit Wasser zur Verkleisterung neigen, gibt man oft nichtquellenden Starkederivaten den Vorzug. Physiologisch gut vertraglich und vollstandig resorbierbar ist Lactose, die allerdings unbefiiedigende Hafteigenschaften ergibt. Weitere Hilfsstoffe sollen im wesentlichen das Haft- und FlieBvermogen verbessem, das bei vielen Pudern ungenugend ist. Aerosil (hochdisperses Siliciumdioxid) in Zusatzen von 0.55 YOverbessert das Adsorptionsvermogen und gleichzeitig auch die Saugfahigkeit. Zusatz von Metallseifen (5 YO)verbessert FlieB- und Hafteigenschaften und erhoht die Kiihlwirkung des Puders.
12.3.2 Granulate Granulate und Agglomerate sind in Abschnitt 6.2 eingehend beschrieben. Hier sollen einige zusatzliche, speziell die pharmazeutische Technologie betreffende Aspekte behandelt werden. Granulate sind feste Agglomerate von Pulverpartikeln, die meist bessere FlieBeigenschaften als Pulver aufiveisen. Sie besitzen eine homogene Zusammensetzung und konnen sich nicht wie Pulvergemenge wegen unterschiedlicher Dichte der Bestandteile entmischen. Granuliert wird aus zwei Griinden: Granulate sind einerseits leichter einnehmbar als Pulver. Andererseits dienen sie wegen der homogenen Zusammensetzung als Vorstufe zur Tablettierung. Spezielle Eigenschaften haben Zubereitungen wie uberzogene Granulate, magensaftresistent-uberzogene Granulate und Granulate mit modifizierter Wirkstoff-Freisetzung oder Brausegranulate. Uberzogene Granulate sind rnit ein- oder mehrschichtigen Uberzugen versehen, die als Losung oder Suspension in fluchtigen Losemitteln aufgetragen werden. Magensajiresistent-iiberzogene Granulate sind mit Schutzschichten aus Celluloseacetatphthalat sowie anionischen Copolymeren der Methacrylsaure und deren Ester versehen. Damit wird erreicht, dass die Granulate erst im Darm zerfallen. Brausegranulate enthalten saure Substanzen und Hydrogencarbonate oder Carbonate die, in Wasser eingertihrt, Kohlendioxid freisetzen. Zur Granulierung werden diverse Verfahren angewandt, wie: - Feuchtgranulierung: Aufbaugranulierung, Abbaugranulierung -
Trockengranulierung.
Auflaugranulate entstehen durch kontinuierliches Zusammenkitten von Pulverteilchen, beispielsweise durch Wirbelschichtgranulierungoder Tellergranulierung. In diesen weitgehend automatisierten Verfahren entstehen die Granulate in einem Arbeitgang, rnit enger PartikelgriiRenverteilung. Bei der Wirbelschichtgranulierung werden die Teilchen im aufivarts gerichteten Luftstrom in der Schwebe gehalten und rnit Granulierflussigkeit bespriiht. Die aufeinanderprallenden Teilchen kleben zusammen und trocknen im Luftstrom. Genugend groBe
368
12 Pharmazeutische Technologie
Korner werden aus dem Prozess entfernt. KorngroDe und Granulateigenschaften lassen sich durch Einstellen der Prozessparameter leicht steuem. GleichmaDige runde Korner mit glatter Oberflache werden durch Tellergranulierung erhalten. In einen schragstehenden rotierenden Teller wird das Pulver kontinuierlich eingebracht und mit der GranulierflUssigkeit bespriiht. Durch die Rotation und das Trocknen mit eingeblasener Warmlufi entstehen die gleichmaDigen Pellets, die bei einer bestimmten MindestgroDe automatisch den Teller verlassen. Solche Granulate werden zur Darreichung haufig in Hartgelatinekapseln verpackt. Abbaugranulate entstehen durch Zerteilen einer feuchten Masse. Das Pulver wird vorerst feucht aggregiert, beispielsweise durch Erwarmen, falls eine Gemischkomponente einen tiefen Schmelzpunkt aufweist. Die geschmolzene Komponente wirkt dabei als Feuchtemittel. Es entsteht ein Sintergranulat, das sodann zur Vermeidung der Erstanung warm weiterverarbeitet werden muss. Wird zum Anfeuchten des Pulvers eine Fliissigkeit venvendet, in der sich einzelne Komponenten teilweise losen, z.B. Wasser, Zuckersirup oder Alkohol, so entstehen beim Trocknen durch Auskristallisieren der gelosten SubstanZen Krustengranulate. Bei Klebstoffgranulaten dienen zum Anfeuchten Gelatinelosungen, Starkekleister oder Losungen von anderen Polymeren, wie Polyvinylpyrrolidon oder Alginate. Diese Art Granulate sind stabiler als Krustengranulate, weil die venvendeten Polymere den Aggregaten eine gewisse Elastizitat verleihen. Die fliissige Phase muss derart bemessen werden, dass die Masse nicht zerflieot, aber auch nicht zerkriimelt. Zum Dispergieren wird der feuchte Teig durch ein Sieb geschiittelt oder gepresst. Die entstehenden Schiittelgranulate bestehen aus nahezu kugelformigen Kornem. Sie zeigen gutes FlieRvermogen und hohes Schuttgewicht, im Gegensatz zu den Pressgranulaten, die aus langlichen, stabchenformigen Kornem bestehen. Auch beim Pressen durch eine Lochscheibe entstehen stabchenfdrmige Granulate rnit relativ glatter Oberflache. Das Trocknen der Granulate erfolgt bei 3 0 4 0 "C, wobei darauf geachtet werden muss, dass je nach Venvendungszweck eine gewisse Restfeuchte erhalten bleibt, die f i r die Weiterverarbeitung benotigt wird. Pulveranteile und lockere Zusammenballungen von Granulatkornern mussen sodann durch Absieben entfemt resp. zerkleinert werden. Dieser Prozess heiBt Egalisieren. Die Trockengranulierung wird angewandt bei feuchtigkeits- oder temperaturempfindlichen Substanzen, sowie auch bei anderen Pulvern wegen des relativ geringen Arbeits- und Zeitaufwandes. Die Pulver werden unter Druck zu Briketts verpresst und anschlieaend gebrochen oder vermahlen und klassiert zur Erzielung der gewiinschten Komfeinheit. Die Bruchstucke weisen natiirlich unregelmaflige Formen auf. Die ausgeschiedenen zu grol3en Teilchen werden weiter zerkleinert, die zu kleinen Teilchen werden wieder der Brikettierung zugefihrt. Grundlagen: siehe Kapitel6.
12.3.3 Mikrokapseln, Nanopartikel, Liposomen Mikrokapseln sind rieself2hige Zubereitungen. Sie bestehen aus festen Partikeln oder fliissigen Tropfchen, die rnit einem Mantel von Gelatine oder anderen Polymeren umge-
12.3 Arzneformen
369
ben sind. Der GrbBenbereich reicht von Mikrometern bis Millimetern. Je nach GroRe kann das Hullenmaterial 2-30 % betragen. Durch Mikroverkapselung lassen sich Flussigkeiten in ,,Pulver" iiberfihren und in partikularer Form zusammen mit FestkiSrpern weiterverarbeiten. Das Hiillmaterial schiitzt vor Sauerstoff, Feuchtigkeit und anderen Einfliissen, fixiert fliichtige Stoffe und iiberdeckt unangenehmen Geschmack und Geruch. In Gemengen kann eine allfillige Wirkstoffiteraktion unterbunden werden. AuRerdem konnen durch entsprechende Wahl der Umhiillung Arzneiformen mit retardierender Wirkung erzielt werden. Mikrokapseln werden in Instant-Tee, Peroralsuspensionen und Gelatine-Steckkapseln venvendet. Das am meisten angewandte Verfahren ist die Kouzervution. Die zu verkapselnde Substanz wird mithilfe des als Dispersionsstabilisator wirkenden, in Wasser gelbsten Hiillmaterials (2.B. Gelatine) dispergiert bnv. emulgiert. Durch pH- oder Temperaturlnderung, Alkohol- oder Elektrolytzugabe wird die Loslichkeit des Hullmaterials soweit herabgesetzt, dass es sich in Form kleiner Tropfchen auf den dispergierten bzw. emulgierten Teilchen abscheidet. Nach dem Harten der vorerst noch flussigen Hiillen durch Abkuhlen oder chemische Vernetzung konnen die Mikrokapseln abfiltriert oder zentrihgiert, gewaschen und getrocknet werden. Weitere Verfahren sind das Wursterverfahren, das Zentrihgalverfahren und. die elektrostatische Mikroverkapselung. Nach dem Wursterverfuhren (Abschnitt 6.2.8.5) werden zu umhiillende Feststoffpartikel in der Wirbelschicht mit dem Hullmaterial bespriiht. Nach dem Zentrijiigulverfuhren konnen sowohl Feststoffe als auch Flussigkeiten mikroverkapselt werden. Die Substanz wird auf eine schnell rotierende Scheibe aufgebracht und durch die Zentrifbgalkraft nach auBen geschleudert, wobei sie eine Dusche von Hullsubstanz-Losung passiert. Bei der elektrostatischen Mikroverkapselung werden die Teilchen mit entgegengesetzt geladenen Aerosolteilchen aus Wandmaterial umhullt. Neuere Entwicklungen befassen sich mit der Erzeugung von Nunopurtikeln [6], rnit Durchmessern < I pm. Diese kleinen Teilchen lassen sich in dispersionsstabiler Form intravenbs applizieren und eignen sich fiir die kontrollierte Wirkstoff-Freisetzung. Zielorte sind beispielsweise Leber, Milz, Lungen [7, 81. Nanopartikel konnen nach verschiedenen Verfahren hergestellt werden. Am wichtigsten ist die Emulsionspolymerisation. Andere Verfahren beruhen auf der Grenzflachenpolymerisation, aber auch auf der Entwasserung naturlicher Proteine. Zahlreiche Tragerstoffe werden hergestellt bnv. venvendet. Erw&nt seien Polyalkylcyanoacrylate wie Polybutylcyanoacrylat, Polymethylmethacrylat, Albumin und Gelatine. Die Wirkstoffe konnen enkapsuliert, gelost, adsorbiert oder chemisch gebunden sein [9]. Wohin die Nanopartikel im Kbrper gelangen, hangt von der GroBe, der Zusammensetzung und der Oberflachenladung ab [ 101. So wurde eine Anreicherung von Nanopartikeln auf Basis von Polycyanoacrylaten in gewissen Tumoren gefbnden [l l]. Bis jetzt wurden Nanopartikel vonviegend zur Verkapselung von cytotoxischen Substanzen [12, 131, daneben aber auch fiir bioaktive Peptide und Proteine eingesetzt [ 141. Auch Liposomen werden im medizinischen Bereich eingesetzt. Bei den aus Phospholipid-Doppelschichten bestehenden Hohlkugeln befinden sich die Arneistoffe j e nach Eigenschaften im wlssrigen Innenraum oder in der lipophilen Hulle (vergl. Abb. 3.5). Beispiele von Anwendungen betreffen die parenterale Verabreichung [ 15, 161, Inhala-
370
I2 Pharmazeutische Technologie
tionstherapie [ 171, perkutane Applikation [ 18-20], Ophthalmika [2 I], Krebstherapie [22], Controlled-Release [23, 241.
12.3.4 Kapseln Kapseln sind feste einzeldosierte Arzneiformen rnit einer harten oder weichen Hulle unterschiedlicher Form und Grolje. Neben Peroralkapseln sind auch Rektal- und Vaginalkapseln gebrauchlich. Peroralkapseln konnen im Vergleich zu Pulvern leichter eingenommen werden, ein allfalliger unangenehmer Geschmack oder Geruch wird verdeckt, der Wirkstoff wird schon wenige Minuten nach Einnahme fi-eigegeben. Die WirkstoffFormulierung in Kapseln ist besonders schonend; es lassen sich so auch warme- und feuchtigkeitsempfindliche Stoffe verarbeiten. Perorale Kapseln werden eingeteilt in -
Hartkapseln
- Weichkapseln - magensaftresistente Kapseln -
Kapseln mit modifizierter Wirkstoff-Freisetzung.
Die !%her vie1 angewandten Starke- oder Oblatenkapseln sind wegen ihrer Empfindlichkeit gegeniiber Feuchtigkeit und mechanischer Beanspruchung und wegen unbefi-iedigenden Zerfallseigenschaften zunehmend von den Gelatinekapseln verdrangt worden. Demgegenuber besitzen Gelatinekapseln gute mechanische Stabilitat, gewahren besseren Schutz gegen Sauerstoff und Feuchtigkeit und sind leichter einzunehmen, da das Hiillmaterial durch die Benetzung rnit Speichel gut gleitfahjg wird. Gelatinekapseln lassen sich rnit wasserloslichen Farbstoffen oder Pigmenten transparent oder opak einfarben, was zur Medikamentenkennzeichnung aber auch als Lichtschutz dient. Uberziehen mit magensaftresistenten Schichten schutzt die Kapselinhaltsstoffe vor der aggresiven Magensaure und lasst das Auflosen der Kapseln erst im alkalischen Dunndarm zu. Auljerdem wird so auch der Magen vor schwer vertraglichen Wirkstoffen geschutzt. Verwendet wird, wie bei magensaftresistenten Granulaten, Celluloseacetatphthalat und Sauregruppen enthaltende Polymere. Hartgelatinekapseln oder Steckkapseln werden aus Gelatine ohne Zusatz von Weichmachern hergestellt. Sie werden durch Eintauchen von Matrizen in heilje Gelatinelosung und anschlieljendem Trocknen bei ca. 30 "C hergestellt und lassen sich leicht von der Form abziehen. Allerdings mussen die Formen vorgangig rnit einem Formentrennmittel behandelt sein. In der Coltonmaschine, die vor ca. SO Jahren entwickelt wurde, betragt die Eintauchzeit ca. 12 s. Nach dem Eintauchen in Gelatinelosung von SO "C werden die benetzten Formenkorper unter 2 li2-fachem Drehen um ihre Achse aufwarts gerichtet und zur Erstarmng rnit kalter Cufl angeblasen und anschlieljend getrocknet. Der gesamte Trocknungszyklus betragt ca. 4.5 min. Der Feuchtigkeitsgehalt nach dem Abstreifen betragt 15-1 8 YO.In anschlieljenden Schritten wird der Wassergehalt j e nach Anwendung weiter entsprechend eingestellt und defekte Kapseln, rnit Bruchspuren, Schlieren, Fettspuren, Luftblasen werden aussortiert. Anschlieljend werden die
12.3 Arzneiformen
311
fertigen Kapseln im Offset-Rotationsdruck bedruckt, mit Leistungen bis zu 314 Mio. Kapseln pro Stunde. Der Wassergehalt ist kritisch. Unter 12 YOwerden die Kapseln briichig; rnit mehr als 15 % Feuchtigkeit sind sie zu weich. Aufbewahrt werden die Kapseln am besten bei relativer Feuchte von 40-60 %. Gefiillte Kapseln konnen briichig werden, wenn das Fullgut dem Kapselmaterial Feuchtigkeit entzieht. Deshalb sollte das Fullgut bei entsprechender Feuchtigkeit vorkonditioniert werden. Sehr hohe Feuchtigkeit oder Spuren von Aldehyd W e n beim Lagern zu Quervernetzung der Gelatine. Solche Kapseln werden verzogert aufgelbst und entsprechen nicht mehr den Spezifikationen. Das Fullvermogen der Kapseln ist standardisiert; sie werden in den in Tabelle 12.1 angegebenen GroDen angeboten.
Tabelle 12.1. Bezeichnung und Fullvermbgen handelsiiblicher Gelatine-Steckkapseln. Nr.
0 0 0 0 0 0
Fassungsvermogen fcm31
1.37
1
2
0.95 0.68 0.50 0.37
3
4
0.30
0.21 0.13
5
Eine besondere Stabilitat wird mit Snap-Jit@-Kapseln erzielt. An Kapseloberteil und Unterteil befinden sich Rillen, die beim Verschluss einrasten (Abb. 12.4).
Oberteil
Unterteil eingerastet
Abb. 12.4. Sicherheitsverschluss-KapselnSnap-fit@(vereinfacht)und Weichgelatinekapseln.
Weichkapseln besitzen im Vergleich zu Hartgelatinekapseln eine dickere Hulle. Zusatz von Weichmachern, wie Glycerin oder Sorbit geben h e n elastische Eigenschaften. Weichkapseln werden bevorzugt mit flussigen oder halbfesten Zubereitungen gefiillt, mit Ausnahme von wassrigen Losungen oder Pasten, welche die Gelatinehiille losen bzw. quellen. Feste Stoffe mussen vorerst granuliert oder in nichtwassrigen Fliissigkeiten gelost oder dispergiert werden. Bei der industriellen Fertigung werden Weichgelatinekapseln meist nach einem Stanzverfahren hergestellt. Beim Scherer- Verfuhren werden zwei Endlos-Gelatinebander uber zwei gegenlaufige, mit Vertiefungen in Form von Kapselhalften versehenen Walzen gefiihrt, dort durch den rnit Filllduse versehenen Fullkeil an die Walzen gepresst und rnit dem Fullgut gefillt. Anschlienend erfolgt Verschweaen, Ausstanzen und AusstoDen der Kapseln und nach einem Waschgang werden sie bei 20 "C bei relativer Feuchtigkeit von
372
12 Phurmuzeutische Technologie
20 % getrocknet. (Abb. 12.5). Pro Stunde konnen in einem einzigen Arbeitsgang bis zu 100 000 Kapseln gefertigt werden. Nach diesem Verfahren werden nicht nur Peroralkapseln, sondem auch Rektal- und Vaginalkapseln hergestellt. Im Tropfierfuhren, einer weiteren Methode zur Herstellung von Weichgelatinekapseln, Iasst man aus einer doppelwandigen Tropfvorrichtung im Innenrohr das Fullgut und im umschlieljenden Mantelrohr die Gelatinelosung austreten. Die entstehenden umhullten Tropfen Iasst man in Paraffinol von 4 "C tropfen, wo sie zu nahtlosen, kugelformigen Kapseln erstarren, die keine Lufteinschlusse aufweisen. Das Tropfverfahren wird jedoch nur noch selten angewandt. Hart- und Weichgelatinekapseln mussen derart konzipiert werden, dass sie innerhalb von 30 min in Wasser von 37 "C zerfallen. Magensaftresistente Kapseln durfen in 0.1 n Salzsaure innerhalb von zwei Stunden nicht zerfallen; sie mussen jedoch innerhalb einer Stunde in Phosphatpufferlosung von pH 6.8 zerfallen.
Fertige Kapsel
T ~
+Gelatineband
rnit Stanzlochern
I Abb. 12.5. Kapselherstellung nach dem Schererverfahren; nach [25].
12.3.5 Tabletten, DragCes Tabletten sind feste, unterschiedlich geformte Arzneizubereitungen, die aus pulverformigen oder granulierten Arzneistoffen in der Regel unter Zusatz von Full-, Binde-, Sprengund Gleitmitteln oder anderen Hilfsstoffen durch Pressen hergestellt werden. Hierbei eignen sich zur Tablettierung Agglomerate besser als Pulver. Stabilisatoren, Farbstoffe oder Geschmackskorrigentien sind als Zusatze zulassig. Alle Zusatzstoffe mussen jedoch physiologisch unbedenklich sein und durfen die Inhaltsstoffe der Tabletten nicht nachteilig beeinflussen. Einfache kreisformige Tabletten, mit biplanem oder bikonvexem Querschnitt, und kugelfdrmige Tabletten haben sich aus Festigkeitsgrunden vonviegend durchgesetzt. Zur Erhohung der mechanischen StabiIitat werden zudem biplane Tabletten oft noch zusatzlich facettiert und bikonvexe Tabletten mit einem Steg versehen. Auch ovale, ei-, herzund ringformige sowie eckige Formen kommen vor (Abb. 12.6).
12.3 Arzneiformen
313
Die einfachen Peroraltabletten werden entweder zerkaut, unzerkaut, oder zerteilt in Flussigkeit geschluckt und gelangen, wie bereits beschrieben, nach Kontakt rnit dem stark sauren Magensaft in den Dam. Sie mussen eine Dosiergenauigkeit von 5 YOaufweisen und im Tablettenzerfallstest innerhalb 15 Minuten zerfallen. biplan einfach
facettiert
stark bikonvex ohne Steg mit Steg
schwach bikonvex rnit Steg und Bruchkante
Abb. 12.6. Tablettenformen rnit unterschiedlichem Querschnitt.
Als Hilfsstoffe f i r die Tablettierung wird beispielsweise Folgendes (Tabelle 12.2) verwendet: Tabelle 12.2. Hilfsstoffe fir die Tablettenherstellung.
Kategorie Fiillstoffe Bindemittel
Beispiele Lactose, Saccharose Stake, Gelatine, Zucker, Celluloseether, Polymere wie Polyvinylpyrrolidon Sprengmittel Stake, Stakeether Gleit- und Formentrennmittel Talkum, Stearate, Silicone FlieBreguliermittel Talkum, Aerosil
Pressdruck und Additive uben einen wesentlichen Einfluss auf die Auflosegeschwindigkeit von Tabletten aus. Je nachdem, ob die Partikel beim Pressen auDer dem Kompaktieren noch gebrochen oder zusatzlich gesintert werden, kann die AuflOsegeschwindigkeit ab- oder zunehmen. Auch Gleitmittel vermogen die Auflosegeschwindigkeit unterschiedlich zu beeinflussen. So werden Tabletten durch das hydrophile Na-Laurylsulfat rascher aufgelost, wlihrend das hydropliobe Gleitmittel Magnesiumstearat eine Verlangsamung bewirkt. Die Erhbhung der Konzentration an Sprengmittel wie St2rke beschleunigt das Auflosen. Solche Sprengmittel quellen in Wasser und bewirken deshalb eine rasche Desintegration. Nicht zu vergessen ist, dass auch Kristallmodifikation, -habitus und PartikelgroBe einen wesentlichen Einfluss auf die Losegeschwindigkeit und darnit auf die Wirksamkeit ausuben ktinnen [ 2 6 ] . Neben den einfachen Tabletten werden auch Tabletten rnit besonderen applikatorischen Eigenschaften hergestellt. Zur Vermeidung gr6Beren Kontaktes zwischen unvertrtiglichen Wirkstoffen wurden Mehrschichttabletten konzipiert. Bei Manteltabletten ist ein Kern von einem Mantel rnit anderen pharmakologischen Eigenschaften umgeben, mit einer anderen Wirksubstanz oder einer Initialdosis, wBhrend der spater zerfallende Kern die Folgedosis enthalt. Fur raschen Wirkungseintritt sind Brausetabletten gedacht. Sie enthalten neben Hydrogencarbonaten saure Substanzen wie Citronensaure oder WeinsSiure, durch deren Kombination beim Auflosen Kohlendioxid freigesetzt wird. Zur Vermeidung der COz-
374
12 Pharmazeutische Technologie
Bildung aus den Tabletten durch Luftfeuchtigkeit enthalten Packungen von Brausetabletten im Deckel eine Trockenpatrone. Retard-Tabletten rnit verlangerter Wirkungsdauer bestehen beispielsweise aus verschiedenen Granulaten rnit unterschiedlicher, zeitlich gestaffelter Freigabe der Wirkstoffe. Gewisse Formen erlauben ein 12-, andere ein 24-stiindiges Einnahmeintervall. Aurjer den Peroraltabletten existieren auch Tabletten f i r andere Applikationen. Es gehoren dazu die Lutsch- und Kautabletten mit lokaler Wirkung im Mund- und Rachenbereich oder Resorption durch die Mundschleimhaut. Fur diese letztere Anwendung sind auch die Buccal- (in der Backentasche) und Sublingualtabletten (unter der Zunge) konzipiert. Implantationstabletten sind kleine, sterile Tabletten, die ins Gewebe eingepflanzt werden; Augentabletten werden in den Bindehautsack appliziert. Die meist oval geformten Vaginaltabletten sind zum Einfihren in die Scheide bestimmt. Losungstabletten dienen der Herstellung von Losungen f i r innerliche, aurjerliche oder parenterale Anwendungen. Viele Tabletten sind rnit einem Uberzug versehen. Bei Dragkes besteht der Uberzug aus zahlreichen Schichten, vorzugsweise aus Zucker, die auf die stark bikonvexen Tabletten aufgebracht werden. Tabletten rnit sehr dunnem Uberzug werden als Filmtabletten oder Lacktabletten bezeichnet. Als Uberzugsmaterialien eignen sich hier schlecht oder langsam wasserlosliche Polymere wie Ethylcellulose, Schellack oder Polyvinylalkohol. Wie bei den umhullten Granulaten bewirkt der Uberzug einen Schutz vor Lufifeuchtigkeit, Sauerstoff, Licht, Magensaure und kaschiert unangenehmen Geruch oder Geschmack. Anders als die nichtumhullten Tabletten haben die uberzogenen Tabletten eine langere Zerfallszeit. Dragees weisen eine Zerfallszeit von 60 Minuten auf, Filmtabletten eine solche von 30 Minuten. Spezielle Residenzzeiten gelten f i r magensaftresistent uberzogene Tabletten. Sie mussen im Magensaft mindestens 2 Stunden bestandig sein und durfen den Wirkstoff erst im Darm innerhalb von 60 Minuten freisetzen. Zum Dragieren werden die einzelnen Uberzugsschichten in rotierenden Kesseln (Abb. 12.7) auf die Tabletten aufgetragen. Um Probleme beim Umhullen von Kanten zu vermeiden, verwendet man vorzugsweise stark bikonvexe Tabletten. Je nach Trocknungstemperatur unterscheidet man Kalt- und Warmdragierverfahren. Beim Dragieren, das mehrere Stunden bis Tage dauern kann, werden bis zu 50 Schichten aufgetragen. Man unterscheidet normalenveise finf verschiedene Vorgange: Andecken, Auftragen, Glatten, Farben und Polieren. Ublichenveise wird beim Andecken zuerst als Feuchtigkeitsbarriere ein dunner Film von Celluloseacetatphthalat (CAP), Polyvinylacetatphthalat (PVAP) oder Polyvinylpyrrolidon-stabilisiertem Schellack aufgetragen, gefolgt von 3-8 Schichten einer konzentrierten Zuckerlosung (50-65 %), die geringe Mengen von Gummi arabicum oder Gelatine enthalt. Um das Aneinanderkleben der Dragees zu verhindern, wird nach jedem Auftrag ein Andeckpuder, bestehend aus einem Gemisch verschiedener Feststoffe wie Talkum, Calciumcarbonat, Kaolin, Starke, Aerosil neben Gummi arabicum aufgestaubt. Beim eigentlichen Aufh-agen wird Auftragssirup und Puder oder auch eine Suspension des Puders so oft aufgetragen und dazwischen mit Infrarotlampen oder Warmlufi getrocknet, bis die Drageehulle 30-50 % der Kernmasse erreicht hat, wozu bis zu 30 Schichten oder mehr erforderlich sein konnen. Auf die Drageerohlinge, die haufig eine rauhe Oberflache aufweisen, muss anschlierjend ein besonderer Glattesirup ohne Fest-
12.3 Arzneiformen
375
stoffe aufgetragen werden. Gefarbt wird mit Dragiersirup, dem 1-5 YOFarbstoffe oder Pigmente zugesetzt wurden. Erst durch anschlieaendes Polieren im Polierkessel entsteht der gewiinschte Oberflachenglanz. Als Poliermittel finden Camaubawachs und Kombinationen von Bienenwachs, Paraffin, Walrat, Kakaofett u.a. Venvendung, entweder in Form der Feststoffe, oder als Losungen bzw. Emulsionen.
Abb. 12.7. Schematische Darstellung eines Dragierkessels.
12.3.6 Suppositorien Suppositorien (Zapfchen) sind feste, bei Korpertemperatur schmelzende oder sich 1osende, im Allgemeinen torpedofdrmige Arneizubereitungen zum Einfihren in den Mastdarm. Suppositorien f i r Erwachsene haben ein Gewicht von 2-3 g, f i r Kinder 1 g. Als Grundlage dienen synthetische Hartfette, die bei der Veresterung von Fettsauren mit Glycerin als Gemische von Mono-, Di- und Triglyceriden anfallen und ein Schmelzintervall von 32-35 OC aufweisen. Die vorhandenen Mono- und Di-Glyceride wirken als Emulgatoren und tragen zur Verbesserung der Wasserauhahmefihigkeit und der Wirkstoffabsorption bei. Die friiher oft venvendete Kakaobutter wird aufgrund ihres Anteils an ungesattigten Fettsauren leicht ranzig und wird deshalb praktisch nicht mehr verwendet. In geringem Umfang werden hingegen wasserlosliche Makrogole (Polyethylenglykole) und elastische Glycerin-Gelatine-Massen als Zapfchengrundlage venvendet. Da diese hydrophilen Produkte jedoch der Rektalschleimhaut Wasser entziehen, konnen sie unenviinschten Stuhldrang auslosen. Hiiufig ist es notwendig, zur Verbesserung der Zapfcheneigenschaften Hilfsstoffe zuzusetzen. Bei zu weichen Ziipfchen miissen konsistenzerhohende Zusatze wie Bienenwachs oder Cetylpalmitat, bei zu harten Zapfchen hingegen konsistenzerniedrigende Zusiitze wie flussiges Paraffin oder Rizinusol zugesetzt werden. Aerosil, Bentonit oder Glycerinmonostearat dienen als viskositatserhijhende Zusatze, um die Sedimentation und Flockung von Wirkstoffteilchen zu bremsen, insbesondere bei kleinen Wirkstoffionzentrationen. Auch Emulgatoren wie Lecithin konnen notig sein, beispielsweise fiir die Einarbeitung wassriger Losungen in die Fettgrundlage und allenfalls zur Erhohung der Bioverfigbarkeit. Auch bei der Einarbeitung von WirkstoQulvem in hydrophile Grundla-
376
12 Pharmazeutische Technologie
gen entstehen Dispergier- und Stabilisierprobleme, die, wie in anderen Kapiteln beschrieben, angegangen werden miissen. Als Emulgatoren bzw. Dispergatoren werden beispielsweise Polysorbate venvendet. Gleiche Grundmassen und Herstellungmethoden wie f i r Suppositorien gelten f i r Vaginalzapfchen. Je nach ihrer Form bezeichnet man sie als Vaginalkugeln, Globuli oder h u l a . Venvendet werden sie vonviegend f i r die lokale Therapie.
12.3.7 Salben, Cremes, Pasten, Gele Salben als halbfeste Armeizubereitungen sind bestimmt zur Anwendung auf der gesunden, kranken oder verletzten Haut. Decksalben sollen die gesunde Haut vor schadigenden Einfliissen schutzen oder auch die Haut aufiveichen. Wundsalben und kortikosteroidhaltige Salben, die in die oberen Hautschichten eindringen, sollen eine lokale Heilwirkung ergeben. Gewisse Salben ergeben auch eine Permeation von Wirkstoffen in tiefere Gewebeschichten. Ubertritt des Wirkstoffes in die systemische Zirkulation ist beispielsweise wichtig bei nitroglycerinhaltigen Salben, mit Wirkung am Herz. Nahere Angaben iiber Wechselwirkungen mit der Haut sind in Kapitel 11 zu ersehen. Im engeren Sinn sind Salben Zubereitungen, die nicht in die Kategorien Cremes, Pasten, Gele einzureihen sind, wie beispielsweise einphasige streichfahige Armeizubereitungen. Hydrophobe Salben basieren auf Paraffin, Vaselin, pflanzlichen Olen und Fetten sowie Wachsen als Salbengrundlage. Sie konnen nur geringe Mengen Wasser aufnehmen. Grundlage der hydrophilen Salben sind Makrogole (Polyethylenglykole), SubstanZen, die mit Wasser mischbar bnv. wasserloslich sind. Im Unterschied zu den einphasigen Salben sind Cremes O/W- oder W/O-Emulsionssalben. Der Ubergang von den pharmazeutischen zu den kosmetischen Salben und Cremes ist flieBend. Je nach Inhaltsstoffen der Zubereitungen miissen Schutzsalben, Lichtschutzsalben, Penetrationssalben, Resorptionssalben, Kuhlsalben der einen oder anderen Kategorie zugeordnet werden. Gele enthalten in fliissiger Phase einen Geriistbildner, der die rheologischen Eigenschaften regelt. Einzelne Aspeke iiber Rheologie und Gelbildner sind aus den Kapiteln Rheologie, Kosmetika, Nahrungsmittelformulierungen zu ersehen. Wirkstoffe konnen sowohl in geloster als auch dispergierter Form vorliegen. Auch hinsichtlich Pasten, die hochkonzentrierte Suspensionen mit Pulveranteilen bis zu 50 % darstellen, sei auf die entsprechenden anderen Kapitel venviesen. Grundlage kann eine Fliissigkeit wie Glycerin, eine Creme oder auch ein Gel sein.
12.3.8 Flussige Formulierungen Unter ,,Losung" versteht man im pharmazeutischen Bereich im Allgemeinen eine wassrige Losung. Als Losemittel venvendet man neben Wasser aber auch Ethanol oder Ole. Neben Losungen f i r den auflerlichen Gebrauch, wie Bonvasser, Kampfergeist, existieren
12.3 Arzneiformen
371
auch Losungen zum Einnehmen, die beispielsweise in Trinkampullen, wie bei Vitaminen der B-Gruppe angeboten werden. Tinkturen (,,gefarbte Flussigkeiten") und Extrakte sind Zubereitungen, die durch Extraktion von Drogen (pflanzliche oder seltener tierische Ausgangsprodukte fiir Arzneizubereitungen) hergestellt werden. Als Extraktionsmittel dient im Allgemeinen eine Alkohol/Wasser-Mischung. Extrakte konnen jedoch auljer in flussiger Form (Fluidextrakte) auch in eingedickter Form als Trockenextrakte eingesetzt werden. Andere flussige Darreichungsformen sind Spiritus, Suspensionen, Schleime. Ein Spiritus ist eine ethanolische Arzneizubereitung, die durch Destillation von Drogen mit Ethanol gewonnen wird. Flussige Suspensionen als Ersatz von festen Arzneiformen sind insbesondere in der Padiatrie von Bedeutung. Neben Dispersionsstabilisatorenenthalten sie oft Verdickungsmittel zur Verzogerung der Sedimentation. Schleime sind mehr oder weniger dickfliissige Ltlsungen, hergestellt unter Venvendung von Schleimdrogen oder synthetischen Quellstoffen. Envahnt seien appetithemmende Mittel oder milde Abflihrmittel. Bezuglich Hifsstoffe wie Fette, Wachse, Emulgatoren, Gelbildner, die f i r flussige aber auch halbfeste Arzneizubereitungen eingesetzt werden, sei auf die Kapitel 2, 1 1 und 13 venviesen.
12.3.9 Spezialformen, Steuerung der Invasion Von den verschiedenen Vorgangen, die maljgebend f i r die Zufuhr von Wirkstoffen vom Applikationsort zum Wirkort sind (Invasion), wie Wirkstofffreisetzung, Wirkstoffaufnahme, Wirkstoffverteilung, ist die Wirkstofffreisetzung durch technologische Maljnahmen am leichtesten zu beeinflussen. Mittels spezieller Maljnahmen geht es darum, die Freisetzung so zu optimieren, dass Wirkungseintritt und -dauer gesteuert werden konnen. Das Zusammenspiel von Invasion und Evasion (Vorggnge, die zu einer irreversiblen Konzentrationsabname des Wirkstoffes im Blut fiihren) ist maljgebend f i r den zeitlichen Verlauf der Konzentration im Blut (Blutspiegel), so wie sie f i r die perorale Applikation einer Einzeldosis in Abb. 12.8 dargestellt ist.
toxische Konzentration therapeutische Breite min. therapeutische Konzentration I_
Wirkungsdauer
_I
Zeit
*
Abb. 12.8. Wirkstoftkonzentration im Blut bei peroraler Applikation einer Einzeldosis.
378
I2 Pharmazeutische Technologie
Die Wirkstoffionzentration im Blut muss innerhalb der therapeutischen Breite gehalten werden: unterhalb der minimalen therapeutischen Konzentration wird die envunschte Wirkung nicht erzielt; oberhalb der toxischen Konzentration sind rnit unvertretbaren Nebenwirkungen zu rechnen. Bei Mehrfachdosierung hangt die Blutspiegelkurve nicht nur von der Dosis selbst, sondern auch vom Dosierungsintervall ab. Durch geeignete Wahl dieser beiden Parameter lasst sich der Blutspiegel im therapeutischen Bereich halten (Abb. 12.9).
C
.-0
c)
2
1
C
a, N C
0
Y
~
Dosis 1 alle 8 h __ __ __ .Dosis . 1 alle 4 h (Kumulation) Dosis 1/2 alle 4 h
Zeit
Abb. 12.9. Blutspiegelkurven bei Mehrfachdosierung (aus [27]).
Nicht nur Dosis und Dosisintervall sind maljgebend f i r den Verlauf des Blutspiegels einer Wirksubstanz, sondern auch die Invasionsgeschwindigkeit, die z.B. durch Beschleunigung oder Verzogerung der Wirkstofffreisetzung beeinflusst werden kann. Langsamere Invasion fuhrt zu einer flacheren Blutspiegelkurve rnit verlangerter Wirkungsdauer. Dies wird rnit Returdpruparaten venvirklicht. Eine spezielle Kapselart, die im Magen zu einer Gelmasse aufquillt und leichter als der Magensafi ist, wird als Hydrodynamically Balanced System (HBS) bezeichnet. Solche Kapseln schwimmen unabhangig vom Entleerungszustand auf der Magensafioberflache und setzen dort wahrend bis zu 6 Stunden Wirkstoffe frei. Beim Facilitated Absorption System (FAS), einer Tablette rnit spezieller Zusammensetzung, ist der Wirkstoff in einen ,,Losevermittler" z.B. einen Emulgator eingebettet, der auch f i r schlecht wasserlosliche Stoffe eine hohe Konzentration am Resorptionsort im Dunndarm erlaubt. Solche Tabletten mussen magensaftresistent konzipiert werden. Ein OROS (Orales osmotisches System) besteht aus einem Arzneistoffkern, der rnit einer semipermeablen Membran umgeben ist, die eine kleine lasergebohrte Austrittsoffnung aufiveist. Wasser gelangt durch die Membran, lost den Wirkstoff, der wegen des osmotischen Drucks resp. des unterschiedlichen chemischen Potentials konstant durch die Offnung freigesetzt wird. Wie beim OROS ist auch das Gastro-Intestinale Therapeutische System (GITS) rnit einer semipermeablen Membran mit einer kleinen lasergebohrten Offnung umgeben. Das lnnere des GITS besteht aus zwei Schichten, wobei die erste aus rnit Wasser aufquellenden Hilfsstoffen besteht und somit osmotisch aktiv ist. Die zweite Schicht besteht aus
12.4 Konservierungsmittel, Antioxidantien
3 79
dem in einem dickflussigen Gel suspendierten Wirkstoff, der somit eine groRe Oberflache aufweist. Der Freisetzungsvorgang verlauft analog wie beim OROS, aber mit hoherem osmotischem Druck und gr6Rerer Angriffsflache an den dispergierten Komern. Transdermale Therapeutische Systeme (TTS) gleichen aderlich Heftpflastem und werden wie diese auf die Haut geklebt. Sie ergeben eine kontinuierliche transdermale Wirkstoffzufuhr in die BlutgefaRe und den Blutkreislauf. Sie eignen sich besonders f i r Wirkstoffe, die bei peroraler Anwendung stark in der Leber abgebaut werden (First Pass Effekt). Wegen dieses wegfallenden Abbaus konnen die Wirkstoffe niedriger dosiert werden, mit entsprechend geringeren Nebenwirkungen. Solche TTS sind mehrschichtig aufgebaut (Abb. 12.10). Von auRen her betrachtet bestehen sie aus einer wasserundurchlassigen Deckschicht, einem Wirkstoffreservoir, einer optionalen Kontrollmembran zur Regulierung der Wirkstoff-Freisetzung, einer Klebschicht und einer vor dem Aufbringen zu entfemenden Abziehfolie. Eine in Entwicklung begriffene Methode, die Iontophorese [28], dient dam, grol3ere Molekule wie Proteine durch die Haut zu bringen. Hierbei werden die ionisierten Proteine durch Anlegen einer elektrischen Spannung unter Venvendung eines Ag/AgCIElektrodensystems aktiv durch die Haut resp. Poren in der Haut transportiert.
Deckschicht Kontrollmembran Klebeschicht Abziehfolie Abb. 12.10. Transdermales therapeutisches System (TTS).
12.4 Konservierungsmittel, Antioxidantien Die Konservierung von flussigen Formulierungen gegen mikrobiellen Angriff gestaltet sich oft schwierig. So sind beispielsweise Emulsionen besonders anfiillig gegen Pilze und Hefen. AuDer dem pathogenen Aspekt muss unter anderem auch die Verminderung der Emulsionsstabilitat als Folge des Befalls betrachtet werden. Inhaltsstoffe wie Polypeptide, Kohlenhydrate oder Lecithin stellen ideale Nahrboden f i r diverse Mikroorganismen dar. Abbauprodukte konnen in mannigfaltiger Weise Einfluss nehmen. Einen augenscheinlichen Einfluss ubt beispielsweise C 0 2 aus, das bei zu starker Entwicklung Flaschen zum Platzen bringen kann. Substanzen wie quaternare Ammoniumverbindungen, Benzoedure, Phenylmercurinitrat und andere werden als Antimikrobika eingesetzt. Tabelle 12.3 zeigt eine Zusammenstellung diverser Konservierungsmittel f i r Pharmazeutika und Kosmetika.
380
12 Pharmazeutische Technologie
Tabelle 12.3. Konservierungsmittel; Wirksamkeit gegen Bakterien, Hefen, Pilze [29]. Antimikrobikum
Konz.
[%I Phenol Kresol p-Chlor-m-kresol Phenylethylalkokol Chlorbutanol Benzy lalkohol PHB-Methylester PHB-Propylester PHB-Methyl + Propylester PHB-Methyl + Propylester + Benzylalkohol Sorbinsaure Benzoesaure Pheny lmercurinitrat Merthiolat'-Thiomersal Thiocid Cialit Benzalkoniumchlorid
0.3 0.3 0.02 1.o 0.5 1.o
0.18 0.02 0.2 0.2 + 0.5 0.2 0.1 0.001 0.02 0.01 0.01 0.0 1
Zeichenerklarung: x-y gut wirksam; (+) schwach wirksam; 0 unwirksam;
optimaler pH-Bereich 2 4 - ( 8) 2448) 2448) 2447) 2 4 2447) 2-749) 2-749) 2-7-( 9) 2-7 2-345) 2-3
+
+
+
+ +
+ +
(+I
(+>
(+I (+I (+I 0
+
(+> (+>
0 0
+ +
+
+ +
+ + + + +
+ + +
+
+ + + + +
10) +
+
+
+ +
+
Pilze (+>
+
(xEy und x g y ) schwach wirksam;
+
(+> (+>
(+>
+
+
+ +
+
+
+ +
+ +
+
+ + + + + + gut wirksam;
PHB: p-Hydroxybenzoesaure.
Oft ist es auch notig, Antioxidantien zuzusetzen, welche die Aufgabe haben, Radikale abzufangen und den Kreislauf der Oxidation via Hydroperoxide zu unterbrechen. So konnen Radikale leicht mit Sauerstoff reagieren unter Bildung von Peroxyradikalen, die durch H-Abstraktion aus organischen Materialien Hydroperoxide bilden. Durch thermischen Zerfall oder unter dem Einfluss von UV-Strahlung zerfallen solche Hydroperoxide weiter zu je zwei Radikalen, die in einer Kettenreaktion sich mit Sauerstoff vereinigen, und somit das ungeschutzte Gut weiter angreifen konnen. Antioxidantien unterbrechen diese Kettenreaktion, z.B. unter Bildung unreaktiver, stabiler Radikale. Ein Beispiel eines solchen Zyklus ist in Abb. 12.1 1 dargestellt. In geringem MaB kann die Kette jedoch auch durch Vereinigung zweier Radikale unterbrochen werden. In mehrphasigen Systemen wie Emulsionen ist es nicht gleichgultig, ob ein wasserlosliches oder ollosliches Antioxidans venvendet wird. Das Antioxidans muss sich in der gleichen Phase wie die zu schutzende Substanz befmden. In speziellen Fallen, wo zu schutzendes Gut sich sowohl im Wasser als auch in der Olphase befindet, muss sogar eine Kombination eines wasserloslichen mit einem olloslichen Antioxidans eingesetzt werden. Antioxidantien f i r wassrige Losungen sind beispielsweise die Salze der schwefligen Saure oder Dithionite. Da die entsprechenden Sauren unangenehm riechen, kommen sol-
12.4 Konservierungsmittel, Antioxidantien
38 1
che Verbindungen fiir perorale Anwendungen eher nicht in Betracht. Andere wasserlosliche Antioxidantien sind Ascorbinsiiure und Cysteinhydrochlorid. Zu den olloslichen Antioxidantien gehoren beispielsweise Propylgallat, Tocopherole, Ascorbylpalmitat, Di-tButylhydroxytoluol (BHT). Insbesondere bei fetthaltigen Zubereitungen muss zur Verhinderung des Ranzigwerdens ein Antioxidans zugesetzt werden. Es werden relativ geringe Mengen an Antioxidantien benotigt, z.B: Ascorbylpalmitat 0.01-0.2 %; Tocopherole 0.001-0.5 %; Propylgallat 0.001-0.02 %; BHT 0.0014.02 %; Natriumsulfit 0.05-0.3 %; Cysteinhydrochlorid 0.01-0.1 %; Ascorbinsiiure 0.0 1-0.1 YO.
Hydroperoxid-Kette: 1 Hydroperoxid verrnag nach Zerfall durch H-Abstraktion 2 R - zu bilden, die unter Sauerstoffaufnahrneund H-Abstraktion zu 2 Hydroperoxiden fuhren.
A RH
RH (+R-)
ROO-
-
(x2)
0" L
R-
( ~ +2ROH, H20)
Antioxidantien fangen Radikale aus dern Kreislauf der Oxidation von RH rnit Sauerstoff (mit Hydroperoxid als Zwischenprodukt) ab. Beispiel: (CH,), cH3+H
R. C(CH,), (BHT)
-
(CH,), CH3 -(=$o.
(+RH) C(CH,),
(sterisch gehindertes, stabiles Radikal)
Abb. 12.1 1. Oxidation von organischen Substanzen dargestellt am Hydroperoxidzyklus.
Literatur zu Kapitel 12:
[I] [2]
G. Czihak, H. Langer, H. Ziegler, Biologie, 3. Aufl., Springer-Verlag, Berlin Heidelberg New York, 198 1. J. W. Hole, Human Anatomy and Physiology, 2"d ed., Wm. C. Brown Co., Dubuque IA, 198 1.
382
12 Pharmazeutische Technologie
P. G. Welling, H. Huang, P. F. Hewitt, L. L. Lyons, J. Pharm. Sci. 67, 764 (1978). M. Mayersohn, in Modem Pharmaceutics, 3'd ed. (S. G. Banker, C. T. Rhodes, Eds.), Marcel Dekker, Inc., New York Basel Hong Kong, 1996. [51 H. Sucker, F. Fuchs, P. Speiser, Pharmazeutische Technologie, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 1978. J. H. Fendler, Nanoparticles and Nanostructured Films, Wiley-VCH, Weinheim, 1997. ~ 7 1 R. C. Oppenhem, in Drug Delivery Systems (R. L. Juliano, Ed.), Oxford University Press, New York, 1982. J. Kreuter, Pharm. Acta Helv. 58, 2 17 (1 983). J. Kreuter, W. Liehl, J. Pharm. Sci. 70, 367 (1981). S. D. Troster, U. Mueller, J. Kreuter, Int. J. Pharm. 61, 85 (1991). E. M. Gipps, R. Arhady, J. Kreuter, P. Groscurth, P. P. Speiser, J. Pharm. Sci. 75, 256 ( 1 986). J. Kreuter, H. R. Harmann, Oncology, 40, 363 (1983). J. Kreuter, in Drug Targeting (P. Buri, A. Gumma, Eds.), Elsevier, Amsterdam, 1985. J. C. Gautier, J. L. Grangier, A. Barbier, P. Dupont, D. Dussossoy, G. Pastor, P. Couvreur, J. Controlled Release 20, 67 (1992). H. Sasaki, T. Kakutani, M. Hashida et al., J. Pharm. Pharmacol. 37, 461 (1985). J. P. Sculier, A. Coune, C. Brassine et al., J. Clin. Oncol. 4, 789 (1 986). M. Ausborn, B. V. Wichert, M. T. Carvajal et al., Proc. Int. Symp. Control Rel. Bioact. Mater. 18, 371 (1991). M. Jacob, G. P. Martin, C. Mariott, J. Pharm. Pharmacol. 40, 829 (1 988). V. Masini, F. Bonte, A. Meybeck, J. Wepierre, J. Pharm. Sci. 82, 17 (1993). M. Mezei, V. Gulasekharam, J. Pharm. Pharmacol. 34,473 (1982). E. Hirnle, P. Hirnle, J. K. Wright, J. Microencapsulation 8, 391 (1991). Y. Watanabe, T. Osawa, Chem. Pharm. Bull. 35, 740 (1987). S. E. Tabibi, R. Mathur, D. F. H. Wallach, 831d Annual Meeting of AACR, San Diego CA, 1992. V. M. Knepp, R. S. Hinz, F. C. Szoka, R. H. Guy, J. Controlled Release 5, 21 1 (1988). Ullmanns Encyclopadie der technischen Chemie, 4. Auflage, Band 18, S. 15 1 (Pharmazeutische Technologie), Verlag Chemie, Weinheim, 1979. E. M. Rudnic, M. K. Kottke, in Modern Parmaceutics, 3'd ed. (S. G. Banker, C. T. Rhodes, Eds.), Marcel Dekker, Inc., New York Basel Hong Kong, 1996. J. Friedland, Arzneiformenlehre fir pharmazeutisch-technischeAssistenten, 3. Auflage, Georg Thieme Verlag, Stuttgart New York, 1992. D. Parasrampuria, J. Parasrampuria, J . Clin. Pharm. Ther. 16, 7 (1991). K. H. WallhauDer, Pharm. Ind. 36,716 (1974). [31 [41
13 Nahrungsmittelformulierungen
13.1 Einige wichtige Prinzipien der Formulierung von Nahrungsmitteln 1. Um eine Struktur im Gut zu bilden, konnen Starke in verkleisterter Form oder Zucker, manchmal auch Fett als Bindemittel verwendet werden. Als sehr geeigneter Strukturbildner ist der Weizenkleber zu erwahnen (Brotteig). Brot, Teigwaren, Geback u.a. verdanken ihm ihre mechanischen Eigenschafien, die wichtig sind fiir die Transportfihigkeit und die Empfindungen beim BeiBen, Kauen und Schlucken. Die mechanischen Eigenschaften wie Elastizitatsmodul und Biegefestigkeit von Weizenteig resp. Kleber sind vom Wassergehalt abh2ngig. So nimmt die Biegefestigkeit, die bei einem Wasseranteil von 20 % j e nach Material 60-1 10 kg/cm2 betragt, zu auf Werte bei 10 % Wasseranteil von 3 1 0 4 2 0 kg/cm2. 2. Zur Bindung von Dufi, Geruch, Geschmack, Aroma mussen Zucker, Maltodextrine und Fette in der Formulierung vorhanden sein. 3. Die Anwendung von Additiven erfolgt aus verschiedenen Griinden: Farbstofle zur Verbesserung des Aussehens; Antioxidantien zur Verhinderung des Ranzigwerdens von 0 1 und Fett und des Braunens von Frtichten und Gemusen; Konservierungsmittel zur Verhinderung von Befall durch Bakterien und Schimmelpilzen; Emulgatoren zum Binden von 0 1 und Wasser; Gelier- und Verdickungsmittel zur Stabilisierung (Viskositat, Samigkeit); Antiagglomerantien zur Verhinderung der Knollenbildung in Pulvern; Sauren, Basen und Salze zur Herstellung von Schmelzkiise und als Backpulver; Geschmacksverstarker (z.B. Glutamat); Enzymatische Praparate (z.B. Hefe); Oberflachenverbesserer wie Wachse, Ole, Parafine; SuJstofle (Saccharin etc.). 4. Benetzbarkeit und Loslichkeit von Pulvern k6nnen durch technische Verfahren wie Agglomeration, Gefriertrocknung den Anforderungen angepasst werden. 5 . Einige Produkte durfen u.U. nicht verwendet werden: Alkohole, Schweinefleisch aus religiosen Griinden, Kuhmilch (Lactose), welche bei vielen Menschen Verdauungsbeschwerden verursacht. Ein formuliertes Produkt muss stabilisiert werden. Dazu kommen in Frage: das Sterilisieren, das Pasteurisieren, das Trocknen, das Einfrieren. Zur Formgebung konnen verschiedene Verfahren herangezogen werden: Pressen von Massen (Bouillonwiirfel), Extrusion von Pasten (Teigwaren, Kunstreis), Verspriihen (Milch, Kaffee). Auch Garen, Backen und Kochen konnen der Formgebung dienen. Das Einfrieren dient dann zur Formgebung, wenn es von der Gefriertrocknung gefolgt wird. For das Trocknen existieren viele Arten von Trocknern, die zusatzliche Aufgaben zu erfiillen haben: Walzentrockner dienen zum Sterilisieren, Flocken formen, caramellisieren. Sie trocknen kontinuierlich auf sehr tiefe Endfeuchte in einem Arbeitsgang; Bandtrockner trocknen Schuttgut in groBen Mengen in Luft oder Vakuum kontinuierlich;
3 84
I3 NuhrungsmittelJbrmulierungen
Wirbelschichttrockner, in Kombination mit Vibrations- oder Schiittelrinnen werden eingesetzt zur kontinuierlichen Trocknung grorjer Mengen Pulver oder Granulate; Spriihtrockner sind bestimmt f i r die Verarbeitung sehr grorjer Mengen pumpbarer Flussigkeiten; Gefriertrockner werden venvendet f i r teure Produkte, welche die extremen Anlageund Betriebskosten rechtfertigen. Nicht zu vergessen sind Verpackungsmaschinen, die an die jeweiligen Bedurfnisse angepasst werden mussen. Mit diesem Maschinenpark kann eine Lebensmittelindustrie praktisch alles formulieren und zu Handelsprodukten verarbeiten, was gewunscht wird. Jedes Produkt verlangt jedoch Anpassungen der Maschinen an seine speziellen Eigenschaften. Hier sol1 noch auf eine neue Methode zur Agglomeration von sehr feinen, trockenen Pulverteilchen hingewiesen werden, die Agglomeration im Dampfstrahl (Abb. 13.1). Dabei werden die feinen, trockenen Pulverteilchen zu grofieren Gebilden (Trauben) zusammengeballt. Die vom Dampf angefeuchteten Partikel mussen durch Turbulenz zur Kollision gebracht werden. Zur Bildung von Losungsbriicken, unter Venvendung von Maltodextrin, Zucker und dergleichen als Bindemittel, ist eine Haltezeit erforderlich. Diese Briicken mussen nach der Trocknung eine genugende Festigkeit besitzen, um Siebung, Verpackung und Transport zu uberstehen. Das Verfahren besteht darin, dass man in einer speziellen Duse Dampf von ca. 2 ata expandiert auf 1 ata und dem Dampfstrahl (300 m/s) einen Luftstrom und einen Pulverstrom uberlagert. Die Turbulenz der Gemischstromung nach dem Austritt aus der Duse bewirkt das Zusammenballen der Partikel. Mit einer Strahlausweitung von 8" ist die Turbulenz etwa 3 m nach der Duse abgeklungen. Die laminaren unteren 17 m eines 20 m hohen Turmes dienen der Trocknung der feuchten Agglomerate. Eine spezielle Duse ist fir diesen Prozess erforderlich.
3
:!:
,
!
I
! !
17 m
! ! ! ! ! ! ! ! ! ! !
Trocknungsbereich
Abb. 13.1. Schema der Agglomeration im Dampfstrahl
13.2 Nahrungsmittelkolloide
385
13.2 Na h rungsmittelkolloide Nahrungsmittelformulierungen sind komplexe kolloide Systeme, die unter anderem Wasser und 01, Fettkristalle, Proteinaggregate, Salze, losliche Kohlenhydrate, Starkegranulate oder -Gele enthalten konnen. Die organoleptischen Eigenschaften werden durch strukturbildende Zusatze, durch Aromen und Farbstoffe den zeitlichen Trends angepasst. Spezielle Anforderungen stellen sich hinsichtlich Unbedenklichkeit der Emulgatoren und Haltbarkeit der Emulsionen. Als Emulgatoren werden unter anderem Mono- und Diglyceride, Sorbitanester von Fettsauren, Polyoxyethylen-Sorbitanesterund Phospholipide venvendet. Allerdings geht die Tendenz dahin, moglichst natiirliche Hilfsstoffe wie Proteine und Phospholipide einzusetzen. Diese Emulgatoren unterscheiden sich in ihrem Verhalten von den ublichen Emulgatortypen, die in anderen Industriesegmenten Venvendung fmden. So ist die Tendenz zur Bildung von lamellaren Phasen und Vesikeln vie1 ausgepragter als beispielsweise bei Alkylsulfonaten. Phospholipide bilden Mono- und Mehrfachschichten um neutrale Lipidtrbpfchen, oder treten auch in Wechselwirkung mit adsorbierten oder gelasten Proteinen. Oft sind in den zu formulierenden Nahrungsrohstoffen Inhaltsstoffe vorhanden, welche die Emulgatonvirkung beeintrachtigen und zu Instabilitaten wie Flockung oder Gelierung m e n konnen. Andererseits wirken viele der vorhandenen Proteine jedoch als gute Emulgatoren. Spezielle Beachtung verlangt die Temperaturbestandigkeit. Verschiedene Nahrungsmittel werden einer Warmebehandlung ausgesetzt wie der Pasteurisierung (15 s bei 72O), der Sterilisierung (10 min bei 120") oder einem UHT-Prozess (4 s bei 140°), was zu Denaturierung von Proteinen und Anderung von Textur und geschmacklichen Eigenschaften fiihren kann. Wichtige Hilfsstoffe sind die Polysaccharide, die eine breite Palette von makromolekularen Kohlenhydraten umfasst. Sie sind nicht wegzudenken als Hilfsmittel zur Veranderung der strukturellen Eigenschaften von verarbeiteten Nahrungsmitteln. Wie bei Proteinen darf das thermische Verhalten von Polysacchariden nicht unbeachtet sein. Hier ist es die Degradation zu kiirzeren Makromolekulen, welche die sterische Stabilisatonvirkung, die Rheologie und die Netzwerkbildung beeintrachtigen kann.
13.3 Proteine Proteine haben sehr unterschiedliche Grorjen von 50-2800 Aminosaureneinheiten. Sie besitzen eine charakteristische Struktur, die aber durch Denaturierung ver5ndert wird. Oft gelingt es erst dadurch, eiweirjhaltige Rohprodukte in grenzflachenaktive Hilfsmittel umzuwandeln. In Emulsionen sind es die Substituenten der Aminosauren, die in Wechselwirkung mit dem 01 treten konnen, wahrend die hydrophilen Peptidgruppen eher in der Wasserphase sind. Aus strukturellen Griinden sind die denaturierten, entfalteten Proteine als Adsorbate
3 86
13 Nahrungsmittelformulierungen
nicht dicht gepackt und erniedrigen die Grenzflachenspannung weniger als die niedermolekularen Emulgatoren (Tabelle 13. I).
Tabelle 13.1. Erniedrigung der Grenzflachenspannung an der O/W-Grenzfl2che (aus
[]I). Molekiil p-Casein P-Lactoglobulin Gelatine Phosvitin Lysozym Glycerin-monostearat CIzEz-Tenside
Yo - Y [mN/mI
Olphase
25 21
Tetradecan Tetradecan Tetradecan Tetradecan Toluol Sonnenblumenol Tetradecan
15 12 17 28 35
Tierische und pflanzliche Proteine, venvendet als Nahrungmittel oder Emulgatoren, besitzen in Losung sehr komplexe raumliche Strukturen [ 2 ] .Oft mussen beim Emulgierprozess diese Strukturen (Sekundar-, Tertiar-, Quartar-Struktur) durch Energiezufkhr, pH-Anderung usw., gestort werden, um die fiir Adsorption und Stabilisierung geeigneten Konformationen zu erhalten. Bekanntlich enthalten Proteine eine variable, aber f i r jedes Protein konstante Zahl von Aminosauren, die via Peptidbindungen miteinander verkettet sind. Ais Primijrstruktur wird die Reihenfolge (Sequenz) der Aminosauren in den Polypeptidketten bezeichnet. In Losung besitzen diese Polypeptidketten keine regellose Struktur, sondern die Aminosaureeinheiten sind in bestimmten Konformationen angeordnet, die als Sekundurstruktur bezeichnet wird und auf der freien Drehbarkeit von C-C- und C-N-Bindungen beruht. Die Drehbarkeit ist allerdings eingeschrankt durch den partiellen Doppelbindungscharakter der Peptidbindung. Welche Sekundarstruktur eine Polypeptidkette einnimmt, hangt von zusatzlich zur Peptidbindung vorhandenen Bindungen ab, insbesondere den Wasserstofflriickenbindungen zu benachbarten Polypeptidketten (Abb. 13.2 a). Diese WasserstoMbriickenbindungen zwischen benachbarten Carbonyl- und Amid-Gruppen sind nicht besonders stark ( 8 . 4 4 2 kJ/mol); sie konnen aber durch ihre grol3e Zahl die Kettenkonformation wesentlich beeinflussen. Zwei, oder auch mehrere Polypeptidketten bilden derart lokal eine Ebene, mit typischer Falthlatt-Struktur, genannt P-Blatt. Neben Peptidbindung und Wasserstoffbriickenbindung ist die Disu[lidbindung zwischen Cysteinresten die wichtigste zusatzliche Bindungsart. Sie entsteht durch Dehydrierung. Auch die heteropolare Ionenbindung zwischen sauren und basischen Gruppen im physiologischen pH-Bereich spielt eine wichtige Rolle, mit Bindungsenergien von 4284 kJ/mol. AuDer der Faltblattstruktur ist die Spirale eine haufige Kettenkonformation. Sie kommt zustande durch Ausbildung von Wasserstoffbrucken innerhalb einer Peptidkette und wird als a-Helix bezeichnet. Pro Umdrehung Iangs der Kette werden 3.7 Aminosaureeinheiten benotigt, bei einer Ganghohe von 5.44 8, (Abb. 13.2 b).
13.3 Proteine
387
Die a-Helices sind in den meisten Proteinen rechtsdrehend. Eine Ausnahme ist beispielsweise Kollagen, der Ausgangsstoff von Gelathe, wo die a-Helices linksdrehend sind.
I
_______________________ 0.54 nm Ganghohe (3.7 Aminoslureeinheiten)
R-dH
$=\
R-dH
$=\
I
Abb. 13.2. a) Wasserstoffbriickenbindungen zwischen benachbarten Peptidketten flihrt zu P-Faltblatt-Strukturen; b) Bildung einer a-Helix durch Wasserstoffbriickenbindungen innerhalb der
Peptidkette.
In Proteinen liegen ca. 3 1 YOder Aminosaureeinheiten in rechtddrehenden a-Helices vor und 28 % in Form von P-Faltblattstrukturen. Anders als man vermutet, sind die Langen der a-Helices und P-Faltblatter in den Proteinen relativ kurz. Sie sind beschrankt durch den Durchmesser der Proteinglobulen; a-Helices enthalten 10-1 5 Aminosaureeinheiten, P-Faltblatter 3-10 Einheiten. Schematisch ist die Abfolge von Helices und Faltblattern, die durch ungeordnete Kettenziige verbunden sind, dargestellt in Abb. 13.3. Die raumliche Form des Proteinmolekiils, so wie sie auch aus der Kontur der strukturierten Polypeptidkette in Abb. 13.3 ersichtlich ist, wird als Tertiurstruktur bezeichnet. Kugelformige Tertiarstrukturen kommen bei Lipoproteinen mit hohem Lipidanteil vor. Abweichungen von der Kugelform bestehen bei globularen Proteinen. Sie nehmen im gelosten Zustand die Form eines Rotationsellipsoids mit dem Achsenverhaltnis 2: 1 ein. Noch starkerere Abweichungen bestehen bei den jibrillaren Proteinen. Die sehr langgestreckten Ellipsoide haben ein Achsenverhaltnis von 30: 1. Mehrere Polypeptidketten konnen zusammen auch eine hnktionelle Protein-Einheit ohne kovalente Bindungen bilden. Dieser Verbund mit definierter Struktur, bestehend aus einer definierten Anzahl Polypeptidketten, den Untereinheiten, wird als Quurturstruktur bezeichnet. Eine Quartarstruktur liegt meistens vor, wenn die Molmasse eines Proteins iiber 100 000 liegt.
388
13 Nahrungsmittelformulierungen
Abb. 13.3. Schematische Darstellung einer Polypeptidkette rnit a-Helices und verdrehten p-Falt-
blattem, die durch unorganisierte Sequenzen verbunden sind (aus [2]).
Wie komplex die Strukturverhaltnisse sind, kann gut anhand von Kollagen ersehen werden. Kollagen, der Ausgangsstoff zur Gelatine-Herstellung, besteht zu 30 % aus Glycin und zu 15-30 % aus Prolin und Hydroxyprolin. Die Polypeptidketten weisen eine linksdrehende Helixstruktur auf und besitzen ein mittleres Molekulargewicht von 95 000. Je drei davon sind zu rechtsdrehenden Superhelices von 280 nm Lange verdrillt (Abb. 13.4), die ihrerseits zu grorjeren Fibrillen zusammengefasst sind. Beim Erwarmen des wasserloslichen Kollagens uber 40 "C geht die superhelikale Struktur verloren. Die Polypeptidketten liegen nun als freie a-Helices vor, stehen aber im Gleichgewicht mit der ungeordneten Knauelstruktur (Abb. 13.5). Es sind diese ungeordneten Knauel, die als grenzflachenaktive Stoffe wirken. Im Rohstoff Kollagen, gewonnen z.B. aus Knorpeln, Knochen, Bindegeweben usw., sind die Polypeptidketten normalerweise jedoch quervernetzt; das Kollagen muss mittels Sauren oder Basen aufgeschlossen werden, wobei Fraktionen mit M > 30000 als Gelatine bezeichnet werden. Beim Abkuhlen gelieren die Polypeptidknauel unter Wasserstoffbruckenbildung und lokaler Ruckfaltung.
Abb. 13.4. Kollagen: rechtsdrehende Superhelix (Quartarstruktur), bestehend aus drci linksdrehenden a-Helices gemal3 Abb. 13.2 b.
Die Ruckfaltung von ungeordneten Knaueln zu den gefalteten Tertiarstrukturen ist ein langsamer Prozess. Sie verlauft bei kleinen Proteinen innerhalb Sekunden, bei groljen Molekulen in Minuten. Wichtig ist dieser Prozess bei der Gelierung, z.B. bei Gelatine.
13.3 Proteine
389
Hier bilden sich zwischen den einzelnen Knaueln kollagen-artige Verknupfungen oder j e nach Protein, auch P-Blatt-Verknliphgen, was die freie Beweglichkeit einschrankt (Abb. 13.6).
)o a-Helix
Knauel
Abb. 13.5. Losliches Kollagen, Gelatine: In Losung besteht ein Gleichgewicht zwischen a-Helix und Kniiuelform.
Abb. 13.6. Gelstrukturbildung bei Gelatine.
Die gefalteten, strukturierten Proteine sind nicht nur im Kristallverbund, sondern auch in Losung sehr kompakt und enthalten Wasser nur als Einzelmolekule, die als integrale Bestandteile der Proteinstruktur dienen. Im Gegensatz dazu sind die denaturierten, entfalteten, ungeordneten Knauel locker aufgebaut. Dementsprechend unterschiedlich
390
13 Nahrungsmittelformulierungen
sind die Wassergehalte von Emulgatorschichten aus globularen Proteinen oder adsorbierten ungeordneten Knaueln. Adsorbierte Proteinknauel bilden Schichten in der GroBenordnung von 5 nm Dicke, was einer Menge von 1-3 mg/m’ entspricht. Abgeschatzt wurde, dass dies einer Wasserkonzentration in der Adsorbatschicht von 50 YOentspricht. Im Gegensatz dazu enthalten Adsorbatschichten aus gefalteten, globularen Proteinen praktisch kein Wasser. Vonviegend myofibrillare Proteine wirken als Stabilisatoren in Fleischprodukten, wobei aber meistens noch Milchproteine und nichttierische Proteine zugesetzt werden. Entflechtung der Fibrillen, Aufspaltung in Quartar- und Tertiarstrukturen, Emulgierung von Fett und Bildung von Gel- und neuen Membranstrukturen: all diese Prozesse laufen simultan, beispielsweise bei der Bratherstellung ab. Nicht zu vergessen sind die ProteinDenaturierungsprozesse, verbunden mit partieller Koaleszenz von Oltropfen, beim Sieden von Wursten. Eine Zusammenfassung einzelner Proteinklassen ist in der folgenden Tabelle 13.2 angegeben. Die meisten dieser Proteine betreffen jedoch eher Rohstoffe der Fleischverarbeitung, z.B. bei Wurstwaren, oder werden als EiweiBquellen industriell genutzt.
Tabelle 13.2. Klassifizierung von Proteinen. Molekiilform Globulare Proteine Fibrillare Proteine Albumine Kollagen Globuline Elastin Histone Keratin Protarnine Fibrinogen Prolamine Mvosin
Nicht-Protein-Anteil Glykoproteine Nucloproteine Chromoproteine Phospoproteine Lipoproteine
Ein wichtiger Faktor, der die Emulgatoreigenschaften von Proteinen betrifft, ist ihre Quartarstruktur. So existiert Casein in Milch in Aggregaten von uber 500 Protein-Molekiilen. Durch Homogenisierung wird diese Aggregationszahl geandert, und die Wirkung als Emulsionsstabilisator verbessert. Tabelle 13.3 zeigt einige Proteine, die als Emulgatoren eingesetzt werden. Flexible Proteine wie Caseine adsorbieren wegen ihrer hohen Flexibilitat wie Heteropolymere, anders als Phosphoproteine und Lipoproteine, die an der o/w-Grenzflache, z.B. in Mayonnaise, als granulare Partikel adsorbieren.
Tabelle 13.3. Proteine als Emulgatoren. Ouelle Milch Weizen
Protein as,-, aS2-,p-, K-Casein
a-Lactalbumin, P-Lactoglobulin
13.4 Lipide
391
Ein wichtiger Punkt bei makromolekularen Emulgatoren, den es zu beachten gilt, ist der zeitliche Verlauf der Adsorption. Oft mussen technische Prozesse diesem Aspekt angepasst werden. Es ist nicht nur die Difision, sondern auch die Ruckfaltung von adsorbierten Knlueln, die eine Rolle spielen. Beim Emulgierprozess diffbndieren die groBen Proteinmolekule nur langsam zur neu gebildeten Tropfenoberflache, in der Gr6Benordnung von Millisekunden. In Hochdruckhomogenisatoren, wo die Tropfenbildung sehr rasch erfolgt, werden deshalb die vielen gebildeten, aber nicht vollstandig polymerbedeckten Tropfen unter Briickenbildung flocken und so ungenugende Emulsionen bilden. Fur die Emulgierung mit Proteinen eignen sich besser die langsameren Emulgiermaschinen wie die Kolloidmuhlen oder Mischturbinen. Briickenbildung spielt ebenfalls eine Rolle bei der Butterherstellung: An den Grenzflachen der beim Schlagen des Rahmes eindispergierten Luftblasen adsorbieren Proteine, auf Kosten der dispergierten Fettkugelchen, sodass insgesamt zu wenig Stabilisator fur die Grenzflache Fett/Wasser + LuWWasser zur Verfiigung steht, was Koaleszenz zur Folge hat. Ein weiterer Aspekt betrifft die unterschiedliche Haftstarke von Adsorbaten. Hydrophile Proteine wie die Gelatine lassen sich durch geeignete niedermolekulare Emulgatoren oder durch hydrophobere Proteine von der Tropfenoberflache verdrangen, wie in der folgenden Tabelle 13.4 dargelegt wird. Die Emulsionstropfen sind nach der Emulgierung geflockt und koaleszieren durch Zugabe der kleinen Mengen Zusatz-Tensid zu groReren Tropfen.
Tabelle 13.4. Verdriingung von Gelatine von Sojaol-Emulsionstropfen. Emulsion: 40 Vol-% Sojaol in 0.4 % wiissriger Gelatinelosung. Verdrangung mit 0.04 % Zusatz-Tensid [5]. Zusatz-Tensid ohne Tween 60 Glycerin-monoester Na-caseinat Lecithin
Gelatine in Losung [%I 0.10 0.36 0.30 0.28 0.16
Gelatine auf TropfenOberflachen [mg/m’] 1.9 0.4 0.4 1.o 2.0
Tropfengrolje [pm] 2.5 3.6 3.6 3.4 3.3
13.4 Lipide Nicht die Proteine, sondern die Monoglyceride sind die am meisten venvendeten Emulgatoren der Nahrungsmittelindustrie. Ihr Anteil betragt 70 YO.Solche amphiphile LipidEmulgatoren sind bei Raumtemperatur oft kristallin oder teilkristallin. In Wasser, oberhalb des Krafft-Punktes (Temperatur, bei welcher die Monomerenloslichkeit genugend groB ist zur Bildung von Mizellen) konnen sie lamellare Mesophasen bilden (vergl.
392
13 Nahrungsmittelformulierungen
Abschnitt 1 . Q die dann beim Abkuhlen in Gele ubergehen (Abb. 13.7).
----_-----__-_----------------_---_-----
T>T T < T, Kristall A Lamellare Phase Wasser Abb. 13.7. Phasenubcrgbge beim Krafft-Punkt ‘1’‘ (nach [ 3 ] ) Palmitinmonoglycerid/Wasser 7:3 d, ElaidinmonoglyceridiWasser 7:3 d,
= 35.3
= 37.9
m m .
Gel-Phase
.$; dw 15.2 A. A; dw = 14.8 A.
AuBer der mizellaren Phase kommen auch die kubische Phase und die hexagonale (hexagonal I, 0 1 im Zylinderinnern) und inverse hexagonale (hexagonal 11, Wasser im Zylinderinneren. KW-Ketten nach auflen gerichtet) Phase vor. Bei technischen Prozessen kiinnen sie manchmal zu Schwierigkeiten Rihren, wenn sie zufalligenveise bei lokalen Konzentrationsschwankungen auftreten und wegen ihrer hohen Viskositat Leitungen verstopfen. GroBe technische Bedeutung haben lamellare Phasen von Monoglyceriden. Reim Verdunnen mit Wasser konnen sie Vesikeln bilden, z.R. im Verbund mit Amylose. Solche relativ niederviskose Vcsikcl-Systeme werden beispielsweise fur die Verarbeitung von Kartoffelprodukten benotigt.
Abb. 13.8. Phasendiagramm von Paltrritirr-I-monuglycerid(gcmaR [31)
13.4 Lipide
393
Bei technischen Verarbeitungsprozessen rnit Monoglyceriden spielt die Temperatur eine wichtige Rolle, um die gewiinschten, speziellen Emulgator-Eigenschaften auszuniitZen. Dies kann aus Abb. 13.8, dem Phasendiagramm von Palmitinmonoglycerid, ersehen werden. Dominanter Bereich ist die lamellare Phase, die jedoch bei weiterer Temperaturerh6hung in die kubische Phase iibergeht. Es hat sich eingebiirgert, den LiposomenBereich als Dispersion zu bezeichnen (fiir CI4Xla-Monoglyceride). In der lamellaren
Mesophase kbnnen die interlamellaren Wasserschichten bis zu 2 1 8, anschwellen, was einem Wassergehalt von 40 % entspricht. Weitere Angaben zu Phasendiagrammen von technischen Nahrungsmitteltensiden sind in [4] zu fmden. Wie bereits envtihnt, gehen lamellare Monoglyceridphasen beim Abkiihlen unter den Krafft-Punkt in Gelphasen uber. Solche Gele sind sehr empfindlich auf Elektrolytzusatz. Wegen verminderter elektrostatischer Stabilisierung kbnnen die interlamellaren Wasserschichten stark schrumpfen. Solche Gele, kombiniert mit weiteren Tensiden wie Propylenglykolmonostearat oder Polysorbat 60 werden z.B. als Beschaumungshilfsmittel in der Kuchenproduktion venvendet. Bereits bei Raumtemperatur bildet sich die lamellare Phase beim Phospholipid Lecithin. Besonders interessant ist der Dispersionsbereich, in dem Liposomen (im engeren Sinne: Vesikeln auf Basis biologischer Materialien als Kolloide) gebildet werden (Abb.13.9).
lsotrop
250
c
200.
O= .
t
-
?. 150. L
3
c
Ea,
Dispersion
g 100
E
50 Kristalle
.
L Lamellar
20 io % Wasser
Lecithin $0
do
1bo
Abb. 13.9. Phasendiagramm von Soja-Lecithin/Wasser (aus [3]).
Beispiel einer PhosphatidylcholinKomponente
394
13 Nahrungsmittelformulierungen
Da Nahrungsmittel selbstverstandlich nicht allzugroBe Mengen Emulgatoren enthalten durfen, nicht zuletzt aus geschmacklichen und diatetischen Griinden, ist es nur bei Produkten, die beim Verbrauch stark verdunnt oder in kleinen Mengen verzehrt werden, moglich, dass sie Hochkonzentrat-Phasen wie lamellare Phasen enthalten. Eher bestehen diese Produkte aus Makroemulsionen oder allenfalls Liposomen. Die folgende Tabelle 13.5 zeigt typische Konzentrationen, Teilchengronen und Oberflachenbedeckungsgrade. Tabelle 13.5. Typische Konzentrationen in Nahrungsmittelkolloiden und TropfengroBen + Anzahl Tensidschichten (nach [ 5 ] ) .
Produkt
Emulgatortyp
Margarine Eiscreme Salatsauce Mayonnaise
Monoglyceride Monoglyceride Tweens Phospholipide
Volumenanteil der dispersen Phase 0.2 0.1 0.4 0.8
TropfengroBe [pm]
EmulgatorKonzentration [gill
Anzahl Monoschichten
1.o
1 3 10 10
2 3 4 10
0.5 0.4 5.0
13.5 Polysaccharide Die im englischen Sprachgebrauch als ,,Gums" bezeichnete Produkteklasse umfasst eine breite Palette von langkettigen Polysacchariden. Geradkettige, verzweigte oder auch vernetzte Vertreter haben alle die Eigenschaft, entweder in Wasser Ioslich, oder zumindest quellbar zu sein. Auch chemisch modifizierte Polysaccharide werden dazugerechnet, wie aus Tabelle 13.6 ersichtlich ist.
Tabelle 13.6. Beispiele von kommerziellen Polysacchariden.
Quelle Saatgut Knollen, Wurzeln Seetangextrakte Pflanzenextrakte Harzabsonderung, Exsudate Mikrobielle Fermentation Modifizierte Polysaccharide
Beispiele Maisstarke, Guar, Johannisbrotkernmehl Kartoffelstarke, Tapioca-Starke Alginat, Carraghen, Agar Pektin Gummi arabicum Xanthan, Dextran Methylcellulose, Carboxymethylcellulose, Hydroxyalkylmethylcellulose,Starkeacetat, Starkephosphat, Hydroxyethylstarke, Hydroxypropylstarke, oxidierte Starke, dextrinierte Starke
13.5 Polysaccharide
395
Der Anwendungsbereich von solchen Polysacchariden umfasst z.B. die Verhinderung der Kristallisation von Wasser und Zucker, von Sedimentation und Aufrahmen, oder von Flockulation und Koaleszenz, oder auch von Formveranderungen bei Gelen. In Tabelle 13.7 sind einige weitere Anwendungen zusammengefasst.
Tabelle 13.7. Funktion von Polysacchariden in Nahrungsmitteln (nach [ 6 ] ) . Funktion Quellmittel Verdickungsmittel Geliermittel Binder Streckmittel Klebstoff Ku vert uren Emulgatoren Schutzkolloide Enkapsulierungsstoffe Filmbildner Schaumemittel Schaumstabilisatoren Suspensionsstabilisatoren Kristallisationsinhibitoren Klilrmittel Trtibungsmittel Flockulierungsmittel Synarese-Inhibitoren Entformungsmittel
Anwendung Diatetische Produkte Konfitiiren, Kuchenteig, Saucen Pudding, Sulze, Mousse Wurste Wurste Glasuren SuDigkeiten Salatdressings Aromaemulsionen Geschmacksverstarker Wursthaute Schlagrahm Toppings, Bier Schokomilch Eiscreme, Sirupe Bier, Wein Fruchtsafte Wein Kase, Tiefkuhlprodukte Gummidrops, Bonbons
Geruch, Geschmack, Farbe, Textur sind wichtige organoleptische Eigenschaften, die so optimiert werden mussen, dass die Produkte von den Konsumenten akzeptiert werden. Unter anderem sind es die Viskositat bei Flussigkeiten, die Zahigkeit und Elastizitat bei Gelen, die durch geeignete Wahl der Polysaccharide gesteuert werden konnen. Losliche Polysaccharide zeigen wie andere makromolekulare Stoffe die Eigenschaft, dass die spezifische Viskositat qsp(= q/qs-l)ab einer bestimmten Konzentration c* stark ansteigt, und bei vielen der Polymeren betragt die entsprechende Viskosittit 10 mPa.s. Der Viskositatsanstieg hat zu tun mit der gegenseitigen Durchdringung der Polymerknauel bei hbherer Konzentration. 1st die intrinsische Viskositat [ q] bekannt, die j a ein Man f i r das Volumen eines Makromolekuls in Losung darstellt, so gilt fiir c* naherungsweise c*.[q] = 4. Bei einigen Polysacchariden wie Guar oder Johannisbrotkernmehl liegt der entsprechende Wert jedoch tiefer, und er ist verbunden mit starkerem Viskositatsanstieg oberhalb c*. Ohne Gelierung variiert die Zero-shear-Viskositat qooberhalb c*
396
13 Nahrungsmitte[formulierungen
proportional zu (c'[#'). Dies bedeutet eine Viskositatsverdopplung bei Konzentrationserhohung von 1 % zu 1.23 %. Bei gelierenden Polymeren wie Galactomannan ist der Viskositatsanstieg wesentlich starker. Bei solchen Gelen sind Zonen geordneter Struktur miteinander verkniipft. Bekannt sind Doppelhelixstrukturen, beispielsweise bei Amylose, Agarose und Carraghen, Banderstrukturen bei Johannisbrotkernmehl, Cellulose, Galactomannan und ,,Kationen-Eierschachteln" bei Alginat und Pektin. Art und Anzahl von Verkniipfungen konnen gesteuert werden durch Salzzugabe, etwa bei der spezifischen Gelierung durch Calciumionen im Falle von Alginat oder durch einfache Erhohung der Ionenstarke bei Carraghen. Auch durch Dehydratisierung bei Zugabe von Zucker kann in gewissen Fallen die Gelierung gesteuert werden. Oft werden Gelstarke und Elastizitat durch Abmischung verschiedener Polysaccharide optimiert. Ein bekanntes Beispiel ist Johannisbrotkernmehl als Zumischung zu Carraghen, Pektin oder Agar. Polysaccharide konnen eine lineare Struktur aufiveisen wie z.B. Amylose, mit einem Polymerisationsgrad von 1000-16 000, die als Komponente 25 % der Starke ausmacht, oder eine verzweigte Struktur wie Amylopectin, der zweiten Komponente von Starke, mit Segmentlangen von 20-25 Glucoseeinheiten und einem Polymerisationsgrad von 1 051 06. Auch Alginate, mit variierendem Gehalt an Mannuronsaure- und Guluronsaureeinheiten, die in Blocken oder alternierend angeordnet sind, bestehen aus linearen Polymerketten. Nahere Angaben iiber Zusammensetzung, Struktur und Anwendung von Polysacchariden sind in [7] und [8] zu finden.
Literatur zu Kapitel 13: D. G. Dalgleish, Food Emulsions, in Surfactant Sci., Ser. Vol. 61, Emulsions and Emulsion Stability (J. Sjoblom, Ed.), Marcel Dekker, Inc., New York, 1996. T. E. Creighton, Proteins, Encyclopedia of Polymer Science and Engineering, Vol. 13, John Wiley & Sons, New York, 1988. N. J. Krog, T. H. Riisom, K. Larsson, in Encyclopedia of Emulsion Technology, Vol2, (Paul Becher, Ed.), Marcel Dekker, Inc., New York, 1985. N. Krog, J. Birk Lauridsen, in Food Emulsions (E. Friberg, Ed.), Marcel Dekker, Inc., New York, 1976. D. F. Darling, R. J. Birkett, in Food Emulsions and Foams (E. Dickinson, Ed.), Royal SOC.Chem., Cambridge, 1987. M. Glicksman, Gum Technology in the Food Industry, Academic Press, New York, 1969. J. M. BeMiller, Industrial Gums, in Encyclopedia of Polymer Science and Engineering, Vol. 13, John Wiley & Sons, New York, 1988. G. G. S. Dutton, Polysaccarides, in Encyclopedia of Polymer Science and Engineering,Vol. 13, John Wiley & Sons, New York, 1988.
14 Agroformulierungen
dkologische Aspekte bestimmen in vermehrtem Mal3 die Entwicklung und Anwendung von Pflanzenschutzmitteln. Sicherheitsaspekte beim Hantieren und Ausbringen von Spritzmitteln und dgl. mussen uberdacht werden. Formulierungen durfen nur toxikologisch unbedenkliche Inertstoffe enthalten. Trotz der einschrankenden Bedingungen, nicht zuletzt aus okonomischen Griinden, ist die Erfindertatigkeit bei Agroformulierungen, inkl. Verpackungen und Anwendungsgeraten recht rege. Wahrend &her Wirkstoffe in Mengen von kgha ausgebracht werden mussten, wurden neue Pestizide entwickelt rnit Anwendungskonzentrationen im Bereich von gha. Um die Dosierung zu erleichtern, mussen solche Wirkstoffe zur Formulierung mit Hilfsstoffen entsprechend verdiinnt werden, unter Beriicksichtigung guter Lagerstabilitat. Kompatibilitat beim Zumischen zusatzlicher Formulierungen zu Spritzbrlihen, allenfalls von Fremdmarken, ist ein weiterer Aspekt, der beim Entwickeln von Formulierungen beriicksichtigt werden muss.
14.1 Wirkstoffformulierungen und Target Abgesehen vom direkten Bespriihen von Insekten oder dem Ausbringen uber den Boden sind es ublichenveise Pflanzen, die mit Insektiziden, Herbiziden und Fungiziden bespriiht werden, sei es durch Boden- oder Flugzeugapplikation. In den meisten Fallen handelt es sich dabei um wassrige Spritzbriihen, die mit Emulsionskonzentraten, wasserverdunnbaren Suspensionskonzentraten, Spritzpulvern, wasserdispergierbaren Granulaten usw. angesetzt wurden. Um die Wirkung von Pestiziden zu verbessern, setzen die Anwender den Spritzbriihen oft weitere Substanzen, genannt Adjuvantien zu, welche insbesondere die Wechselwirkungen mit den Pflanzen beeinflussen. Es handelt sich dabei vielfach um spezielle Tenside, beispielsweise auf Silikonbasis oder Pyrrolidonabkbmmlinge, oder auch Polymere, modifizierte Pflanzenole oder Mineralble. Die Wichtigkeit von Adjuvantien wird dadurch erhellt, dass in einigen Fallen die biologische Aktivitat durch solche Zusatze um den Faktor 10 gesteigert werden konnte [l]. Allerdings k6nnen auch Schaden durch ungeeignete und inkompatible Zusatze eintreten wie erhohte Phytotoxizitat. Adjuvantien werden speziell bei Herbiziden eingesetzt. Im Falle von Herbiziden mussen die auf den Pflanzen deponierten Wirkstoffe zur Entfaltung ihrer Wirkung in lebende Zellen eingeschleust werden. Ein wichtiger Faktor ist dabei die Struktur der Targetpflanze zum Zeitpunkt optimaler Applikation. Diese Struktur, die je nach Entwicklungsstadium unterschiedlich ist, bestimmt den Transport der Bestandteile der applizierten Formulierung. Je nach Aufbau der einzelnen Pflanzen und physikochemischen Eigenschaften der Formulierungen sind dabei unterschiedliche, selektive Interaktionen zu envarten.
398
14 Agroformulierungen
Epidermis (Oberseite) Palisaden-parenchym Schwamm-parenchym Kristall- , druse Epidermis (Unterseite) Kristallzelle Leitbundel Spaltoffnung
Abb. 14.1. Querschnitt durch die Spreite eines Laubblattes [2].
Als Beispiel fur den anatomischen Bau von Blattern ist in Abb. 14.1 ein Querschnitt durch die Blattspreite eine Laubblattes dargestellt. Obere und untere Epidermis umschlienen das Mesophyll, das oberseitig zu einem ein- bis mehrschichtigen Palisadenparenchym enhvickelt ist. Die dicht aneinander schlienenden Zellen sind reich an Chloroplasten und dienen deshalb der Assimilation. Darunter ist ein lockeres interzellularreiches Durchliiftungsgewebe, das Schwammparenchym angeordnet, das weniger Chloroplasten enthalt. Das Interzellularsystem verzweigt sich zwischen den Palisadenzellen zu feineren Kanalen und steht uber die Spaltoffnungen mit der Atmospare in Verbindung. Die im Blatt verlaufende Nervatur (Leitbiindel) steht mit dem Zentralzylinder in Verbindung und dient dem Transport des im Wurzelbereich aufgenommenen Wassers, den Nahrstoffen und Salzen (im Xylem) und dem gegenlaufigen Transport von Photosyntheseprodukten aus den Blattern in andere Pflanzenbereiche (im Phloem, bestehend aus Siebrohren bzw. Siebzellen). Xylem und Phloem dienen dem Ferntransport von Substanzen in der Pflanze. Die Epidermis, ein meist einschichtiges Abschlussgewebe von luckenlos miteinander verbundenen Zellen (Abb. 14. l), ist bedeckt von einer hydrophoben Cuticula, welche von den Wirkstoffen durchdrungen werden muss, um zu den darunterliegenden Zellen zu gelangen. Die Cuticula selbst besteht vonviegend aus einer Cutinmatrix von hochmolekularen Polyestern und ist unterschiedlich ausgebildet f i r die verschiedenen Spezies. Ihre Durchlassigkeit variiert je nach Wachstumsbedingungen und Pflanzenalter. Eingebettet in die Cutinmatrix und darauf aufliegend sind Wachse, welche die Mikrotopographie der Pflanzenoberflachen bestimmen (Abb. 14.2). Sie bilden Blattchen, Fasern, Stabchen oder Dendriten. Ein Charakteristikum der Cuticula ist ihre chemische und physikalische Heterogenitat. Kohlenhydratfasern, welche in die Cuticula hineinragen und allenfalls die Cutinmatrix selbst sind mogliche Wege fir hydrophile Substanzen, wahrend lipophile Wirkstoffe direkt durch die Wachsschicht der Cuticula zu difhndieren vermogen. Auch durch geofhete Stomata (Spaltofhungen) konnen Wirkstoffe in Form von wassrigen Formulierungen gelangen. Es ist dies jedoch nur moglich, wenn die Oberflachenspannung der Formulierung kleiner als 30 mN.m-’ ist (Spreitungsproblem; Zugabe von Adjuvantien). In den unterliegenden Hohlraumen konnen dadurch Wirkstoffdepots gebildet werden, die bei geschlossenen Stomata durch Regen nicht abwaschbar sind [3].
14. I Wirkstoffformulierungen und Target
399
Abb. 14.2. Mikrotopographie der Cuticula auf Laubblattepidermis mit Spaltoffnung [ 2 ] .
Fur den Kurzstrecken-Transport im Gewebe, nach Durchdringung der Cuticula, stehen zwei Wege zur Verfigung (Abb. 14.3). Im Apoplasten difindieren die Wirkstoffe durch Zellwtinde und interzellulae Bereiche. Rascher ist jedoch der Transport durch das Parenchymgewebe des Symplasten, dem ublichen Weg organischer Molekule. Durch Difision Uber Zellmembranen konnen Wirkstoffe vom Symplasten in den Apoplasten und umgekehrt gelangen. Der Ubergang in den Phloemtransport scheint jedoch vom Apoplasten auszugehen. Dieser Ubergang ist ein limitierender Faktor der Translokation von systemischen Pestiziden in Pflanzen.
Plasmalemma Tonoplast Zellwand
Plasmodesmos
Abb. 14.3. Schematischer Querschnitt durch ein pflanzliches Gewebe. Benachbarte Zellen stehen
durch die Zellwand hindurch iiber Plasmakanale (Plasmodesmen von 60 nm Durchmesser) in Verbindung. Die Gesamtheit der lebenden Zellen bilden dadurch ein Kontinuum, den Symblast, der allseitig von der wassrigen LiSsung des Apoplast (wei8 dargestellter Bereich der Zellwhde) umspult wird [2].
400
14 Agroformulierungen
Bei verschiedenen Pestiziden findet der Transfer in das Phloem entgegen einem Konzentrationsgradienten statt. Dies ist nur moglich unter Mithilfe von Carrier-Substanzen. Ein anderer Mechanismus beruht in der pH-Differenz unterschiedlicher Pflanzenbereiche. Schwache Sauren werden in Zellen von hoherem pH angereichert. Dies gilt insbesondere auch f i r die Siebrohren des Phloems. Hier wird der Ubergang in das Phloem von schwach sauren Pestiziden, beispielsweise auf Basis von Chlorphenoxyessigsaure, Sulfonylharnstoff, Cyclohexandion, erleichtert [4]. Wie schon envahnt, kann die Auhahme von Pestiziden durch Zusatz von Adjuvantien, wie Tenside, verbessert werden. Wichtigster Effekt ist die Verbesserung der Benetzung. Dadurch werden auch mikrorauhe Blattbereiche erfasst (vergl. Abb. 14.2), was die Kontaktflache erhoht. Hinsichtlich Absorption uber die Cuticula erhohen nichtionische Tenside mit EO-Kettenlangen von 5-6 die Auhahme von lipophilen Wirkstoffen. EOKettenlangen von 15-20 sind besser f i r polare Wirkstoffe. Gewisse Tenside konnen auch selbst durch die Cuticula gelangen und dadurch in einzelnen Fallen die Wirkstoffdiffusion beeinflussen. Nicht nur uber die Blattmasse, sondern auch uber die Wurzeln konnen Pestizide in die Pflanzen gelangen. Insbesondere bei der Vorauflauf-Applikation und NachauflaufApplikation von Herbiziden ist dies ein wichtiger Prozess. Der Transport geschieht hier uber den Apoplast der Pflanze. Die Verfigbarkeit der applizierten Pestizide hangt stark von der Sorption, dem Transport und der Degradation im Boden ab. So konnen stark absorbierte Wirkstoffe nur schwer von den Wurzeln aufgenommen werden. Ein weiteres Problem ist die Grundwasserkontamination, die durch den Einsatz von Controlled Release-Formulierungen, beispielsweise unter Venvendung der komplexbildenden Cyclodextrine, geandert werden kann.
14.2 Formulierungsformen 14.2.1 Emulsionen, emulgierbare und wasserlosliche Konzentrate Haufig angewandte Formulierungen sind die in Wasser emulgierbaren Konzentrate auf der Basis von organischen Losemitteln und Emulgatoren (EC; ,,Emulsifiable Concentrate"). Beispielsweise konnte ein EC enthalten: 30-50 % Wirkstoff 40-60 % Losemittel oder Losemittelgemisch (z.B. hoher siedende Erdoldestillate) 5-1 0 % Emulgatorgemisch. Wirkstoffe, die mindestens bis zur hochsten Anwendungskonzentration in Wasser loslich sind, konnen als wasserlosliche Konzentrate (SL, ,,Soluble Liquid") formuliert werden. Dazu wird ein wassermischbares Losemittel gewahlt, in welchem der Wirkstoff hinreichend loslich ist. Tenside sind in der Regel nicht notwendig.
14.2 Formulierungsformen
401
Fliissige Wirkstoffe, die genugend hydrolysestabil und wasserunloslich sind, konnen in Wasser als Emulsionen (EW) formuliert werden. Weil die EW keine, oder nur kleine Mengen an organischen Losemitteln enthalten, stellen sie geringere okologische und toxikologische Probleme als die EC. Eine neue Formulierungsform stellen die Gele (GL) dar. Es sind EC, deren Viskositiit mit Verdickern b m . Gelbildnern erhoht wurde. Sie sind in wasserloslichen Verpackungen eingeschweiBt und bieten dadurch optimales Handling mit groBer Anwendersicherheit bei geringer Kontaminationsgefahr [S]. Eine Auswahl von Losemitteln und Tensiden, die zur Formulierung von EC venvendet werden, ist in Tabelle 14.1 zusammengestellt.
Tabelle 14.1. Hilfsstoffe f i r emulgierbare Konzentrate.
Hilfsstoffe Lbsemittel
Tenside
Beispiele Aliphatische KW (ohne bzw. mit Aromatengehalt), Cgx18Fettsauremethylester, vegetabile Ole, Alkohole, N-Alkylpyrrolidone, Tetrahydrofurfurylether, Ketone wie Cyclohexanon, y-Butyrolacton. nichtionogene: Polyethoxylierte Derivate von: Cg-CIs-Fettalkoholen, Alkylphenolen und Dialkylphenolen (CS, Cg,C I ~ - C I & Rizinusol, Alkylaminen, Tristyrylphenol, Sorbitanestern, (vergl. auch Abschnitt 2.1.3); EOPO-Blockpolymere und deren Alkylphenylether, SiliconComb-Surfactants, alkylierte Polyvinylpyrrolidone. anionische: Alkylsulfate (c& bevorzugt CI2),Alkylbenzolsulfonate 2.B. Ca-dodecylbenzolsulfonat,Naphthalinsulfonat, Dioctvlsulfosuccinat.
Toxizitiit, Phytotoxizitat, Ldsevermogen, Emulgatoren-Kompatibilitiit, Dampfdruck, Flammpunkt sind Eigenschaften, die den Einsatz von Losemitteln in EC, EW und GL bestimmen. So zeigen beispielsweise Aromaten hohere Phytotoxizitiit als aliphatische Losemittel [ 6 ] . Verdampfungsrate und Oberfliichenspannung sind ebenfalls Parameter, welche die Phytotoxizitiit beeinflussen konnen. Hinsichtlich Wirkstoffauhahme durch Pflanzenbliitter kann die Art des Lbsemittels einen groBen Einfluss haben. Mittels Loslichkeitsparametern wurde versucht, Systeme von Losemitteln, Emulgatoren und Wirksubstanzen zu optimieren [7]. Oft ist es dadurch moglich, durch Kombination zweier schlechter Losemittel die gleiche Loslichkeit zu erzielen wie mit einem toxischen Losemittel guten Losevermbgens (vergl. Kapitel8). Hinsichtlich Emulgatoren sei auf Kapitel 2 venviesen. Auch neuere Tenside werden in Agroformulierungen eingesetzt. So eignen sich speziell Comb-Surfactants auf Silikon-
402
14 Agroformulierungen
basis rnit hydrophilen EO/PO-Ketten als Netzmittel zur Verbesserung des Spreitens auf Blattern [S]. N-Alkylpyrrolidone (Octyl, Dodecyl), Verbindungen rnit dem stark polaren Pyrrolidonrest, bilden zusammen rnit geeigneten Co-Tensiden sehr stabile micellare Systeme. AuDer f i r EC werden sie auch f i r Mikroemulsionen und fur die Solubilisierung von Pestiziden eingesetzt [9, lo]. Die gut abbaubaren Alkylpolyglycoside verhalten sich ahnlich wie ethoxylierte Alkohole. Allerdings ist die Loslichkeit in Wasser, speziell auch in Gegenwart von Salzen, hoher und nimmt nicht ab mit steigender Temperatur (siehe ,,Cloudpoint") [ 1 11. Ebenfalls gut biodegradierbar sind PolyglyceridiZucker-Ester von Fettsauren, die als Gemische durch Umesterung gewonnen werden und die sehr geringe Toxizitat aufweisen [121.
14.2.2 Suspensionskonzentrate, Suspoemulsionen und Kapselsuspensionen Feste Wirkstoffe rnit geringer Wasserloslichkeit und genugender Hydrolysestabilitat konnen als Suspensionskonzentrate (SC; ,,Suspension Concentrate" oder ,,Flowable") in Wasser formuliert werden. Die wassrigen Formulierungen enthalten nur kleine Mengen von organischen Losemitteln wie Glykole, die als Frostschutzmittel dienen. Wichtig ist, dass die feindispersen Wirkstoffpartikel nicht nachreifen (,,Ostwaldreifung") und dass die Dispersionen beim Lagern keine nicht-redispergierbaren Sedimente bilden. Auch Kombinationen von EW rnit SC werden formuliert, die als ,,Suspoemulsionen" (SE) bezeichnet werden. Wie pharmazeutische Wirkstoffe konnen auch Agrowirkstoffe mikroverkapselt und in Form von wassrigen Suspensionen (CS; ,,Capsule Suspension") angewandt werden [ 131. Solche Formulierungen sind f i r den Anwender sicherer. Sie zeigen sehr vie1 geringere orale und dermale Toxizitaten als vergleichbare EC-Formulierungen wie aus Tabelle 14.2 ersichtlich ist [ 141. Zusatzlich wurde bei CS-Formulierungen auch eine verminderte Phytotoxizitat und eine um den Faktor 2-3 verlangsamte Photodegradation festgestellt [ 151. Vorteile zeigt die Mikroverkapselung auch bei fluchtigen Wirkstoffen. Tabelle 14.2. Vergleich der Toxizitaten von EC- und CS-Formulierungen.
Formulierung Furathiocarb 400 EC Furathiocarb 400 CS
LDso bei Ratten [mgkg] oral dermal 81 1805 > 3000 > 4000
Die wichtigste Mikroverkapselungsmethode fur Agrowirkstoffe ist die Grenzflachenpolymerisation [ 161. Dabei wird zuerst der flussige Wirkstoff, in welchem der erste Reaktand (polyfimktionelles Isocyanat oder Saurechlorid) gelost ist, in Wasser dispergiert und darauf der zweite Reaktand (polyfimktionelles Amin) zudosiert. Durch die in
14.2 Formulierungsformen
403
der Grenzflache zwischen Wirkstoff und wassriger Phase stattfindende Polymerisation werden die feinen Wirkstofftrbpfchen vollst2ndig mit einer diinnen Membran von Polyharnstoff bzw. Polyamid umhullt. Die Koazervationsmethode hat im Vergleich zur Grenzfl2chenpolymerisation den Nachteil, dass nur in verdunnter Dispersion umhullt werden kann. Auch entstehen meistens Aggregate, wenn nicht ein zusatzlicher, nichtreagierender Dispersionsstabilisator zugefigt wird. Zudem sind die Kapseln fiir Agroanwendungen zu grofi. Hingegen ist es von Vorteil, dass auBer Emulsionstropfchen auch Festpartikel umhullt werden konnen. Auch bei der In-Situ-Polymerisation ist die Aggregation der umhullten Partikel das Hauptproblem. Hierbei entstehen durch Polymerisation oder Polykondensation vorerst Nanopartikel in Losung, die sich sodann auf der Oberflache der dispergierten Festkorperteilchen oder Emulsionstropfchen abscheiden und dort eine Hulle bilden kbnnen.
14.2.3 Spritzpulver, wasserdispergierbare Granulate und wasserlosliche Pulver Wie emulgierbare Konzentrate werden Spritzpulver ( WP; ,,Wettable Powder") haufig angewandt. Die feingemahlenen, mit Dispergatoren versehenen Pulver konnen stauben und werden deshalb gelegentlich als dosierte Formen in wasserlosliche Beutel abgepackt. Beispielsweise konnte ein WP wie folgt zusammengesetzt sein: 20-50 YOWirkstoff 10-20 YODispergatorgemisch wie Ligninsulfonat + Ca-Alkylphenylsulfonat 30-70 % Fullstoffe wie Kaolin Im Gegensatz zu den WP sind wasserdispergierbare Granulate ( WG) praktisch nicht staubend [I41 wie aus Abb. 14.4 ersichtlich ist. Sie sind auch weniger voluminos. Der Trend zur Entwicklung von Formulierungen geht in diese Richtung, auf Kosten der WP. Die leicht fliefienden Produkte lassen sich gut volumetrisch dosieren; allerdings muss der langsameren Auflosung beim Ansetzen der Spritzbriihen Rechnung getragen werden. Verbleibende Ruckstande in der Verpackung sind minimal, in der GroRenordnung von 0.01 %, sodass ein nachtragliches Auswaschen zur Entsorgung entfallt. Es ist dies ein Vorteil gegenuber Suspensionskonzentraten, bei denen die Entfernung von eingetrockneten Krusten Schwierigkeiten bereiten kann. Die Granuliermethoden, wie sie analog f i r Pharmaprodukte eingesetzt werden, sind in Kapitel 12 beschrieben: - Tellergranulierung -
Spruhtrocknung
-
Wirbelschichtgranulierung
- Extrusion -
High Shear-Granulierung.
Abbildung 14.5 zeigt GroBe und Form von verschiedenen wasserdispergierbaren Granulaten.
14 Agroformulierungen
404
Folgende Stoffe werden zur Formulierung von wasserdispergierbaren Granulaten eingesetzt : Wirkstoffe Netmittel, z.B. Alkylnaphthalinsulfonate,Alkylsulfate Dispergatoren, z.B. Ligninsulfonate, Naphthalin-formaldehyd-Kondensate Antischaummittel, z.B. Silikonole Fiillstoffe, z.B. Kaolin - Bindemittel, z.B. Polyvinylpyrrolidon, Starkederivate - Desintegratoren, z.B. wasserlosliche Salze, vemetztes Polyvinylpyrrolidon [ 171 - Adjuvantien, z.B. Aktivitatsverstarker. -
80
-
80 -
WP
g
g
.- 40P
.-c 6 40P
$ 20-
$ 20-
E
E
-1
-I
_.
60-.
-
WG
60 -
8
8
.-0
.-0
Messdauer [s]
Messdauer [s]
Abb. 14.4. Vergleich des Stgubeverhaltens von Spritzpulver (WP) und wasserdispergierbarem Granulat (WG). Messungen mit dem Casella-Apparat (aus [ 141).
Spruhtrocknung
Pulveragglomeration
Extrusion
Abb. 14.5. Wasserdispergierbare Granulate (WG), hergestellt nach verschiedenen Methoden (aus ~41).
14.3 Adjuvantien
405
Die Benetzung der Granulate ist nur ein Problem bei sehr kleinen Granulatpartikeln. Zu beachten ist, dass iibliche Netzmittel zu Schaumen neigen, was durch Zusatz von Antischaummitteln verhindert werden muss. Dispergatoren iiben nicht nur einen stabilisierenden Effekt aus, sondern konnen auch die Wirkung von Bindemitteln und Auflosehilfsmitteln resp. Desintegratoren unterstiitZen. Hinsichtlich Dispergatoren sei auf Kapitel 5 und hinsichtlich Bindemittel und Desintegratoren resp. Sprengmittel auf die Abschnitte 12.3.2 und 12.3.5 in Kapitel 12 ,,Pharmazeutische Technologie'' venviesen. 1st ein fester Wirkstoff wasserloslich, wird er in der Regel mit einem wasserloslichen Salz vermischt oder gemahlen und als wasserlbsliches Pulver (SP;,,Soluble Powder") angewandt.
14.2.4 Unverdunnt angewandte Formulierungen Wahrend der Groljteil der Formulierungen in einer wassrigen Spritzbriihe in starker Verdiinnung gespritzt wird, gibt es auch Formulierungen, die unverdiinnt angewandt werden. Dazu gehoren vor allem die Granulate (GR), die maschinell oder von Hand gestreut werden. Der Wirkstoff wird auf einem Granulattrager rnit dem gewiinschten Kornspektrum aufgezogen; der Wirkstoffgehalt betragt meist nur wenige Prozente. Ultra Low Volume Formulierungen (UL) sind speziell konzipierte Losungen f i r direkte Flugzeug- und auch Bodenanwendungen. Sie werden rnit entsprechenden Atomizern zu 2uRerst feinen Tropfchen versprtiht. Die Hektardosierung betragt meist nur 0.5-2 Liter. Um groBere Verdampfungsverluste zu vermeiden, miissen UL-Formulierungen mit schwerfliichtigen Losemitteln hergestellt werden [ 181. Staubemittel (DP;,,Dustable Powders") sind feine Pulver rnit niedrigem Wirkstoffgehalt, die mit verschiedenen Geraten direkt verstaubt werden. Staubemittel werden heutzutage aber nur noch in wenigen Landern venvendet.
14.3 Adjuvantien Adjuvantien (unterstiitzende Bestandteile), die beispielsweise die Wirkstoffaktivitat verbessern, konnen in den Wirkstoffformulierungen bereits enthalten sein. Meist werden sie jedoch den fertigen Spritzbrtihen zugesetzt, um ihre Eigenschaften zu modifizieren. Beispiele von Adjuvantien sind: Antischaummittel, Netzmittel, Dispergatoren, Spreitmittel, Driftkontrollmittel, Verdampfungsverzogerer, Leachingverzogerer, Verdicker, Puffersubstanzen, Haftmittel, Aktivitatsverbesserer, Penetrationsverstarker, Phytotoxinhibitoren, Markersubstanzen, Diinger. Speziell im Herbizidsektor werden Adjuvantien eingesetzt. Das ideale Adjuvans sol1 die Unkrautkontrolle verbessern, hingegen die Nutzpflanzen nicht beeintrachtigen. Nichtionische Tenside und diverse Ole sind die am meisten angewandten Adjuvantien.
406
14 Agroformulierungen
Literatur zu Kapitel 14: J. W. van Valkenburg, in Adjuvants for Herbicides (R. D. Hodgson, Ed.), Monogr. 1, Weed Science Society of America, Champaign IL, 1982. G. Czihak, H. Langer, H. Ziegler, Biologie, Springer-Verlag, Berlin Heidelberg New York, 1981. R. J. Field, N. G. Bishop, Pestic. Sci. 24, 55 (1988). R. J. Field, F. Dastgheib, in Pesticide Formulation and Adjuvant Technology (C. L. Foy, D. W. Pritchard, Eds.), CRC Press, Boca Raton New York London Tokyo, 1996. B. Frei, P. Schmid, in Pesticide Formulation and Adjuvant Technology (C. L. Foy, D. W. Pritchard, Eds.), CRC Press, Boca Raton New York London Tokyo, 1996. F. A. Manthey, J. D. Nalewaja, in Adjuvants and Agrichemicals (C. L. Foy, Ed.), CRC Press, Boca Raton FL, 1992. K. E. Meusburger, in Advances in Pesticide Technology, ACS Symp. Ser. 254 (H. B. Scher, Ed.), American Chemical Society, Washington D.C., 1983. D. S. Murphy, G. A. Policello, E. D. Goddard, P. J. G. Stevens, in Pesticide Formulations and Application Systems, Vol. 12 (B. N. Devisetty, D. G. Chasin, P. D. Berger, Eds.), ASTM STP 1146, 45, American Society for Testing and Materials, Philadelphia, 1993. K. S. Narayanan, R. K. Chaudhuri, in Pesticide Formulations and Application Systems, Vol. 12, (B. N. Devisetty, D. G. Chasin, P. D. Berger, Eds.), ASTM 1 146, American Society for Testing and Materials, Piladelphia, 1993. Z. H. Zhu, D. Yang, M. J. Rosen, J. Am. Oil Chem. SOC.66,998 (1989). R. A. Aleksejczyk, in Pesticide Formulations and Application Systems, Vol. 12, (B. N. Devisetty, D. G. Chasin, P. D. Berger, Eds.), ASTM STP 1146, American Society for Testing and Materials, Piladelphia, 1993. J. F. Fiard, J. M. Mercier, M. L. Prevotat, in Pesticide Formulations and Application Systems, Vol. 12, (B. N. Devisetty, D. G. Chasin, P. D. Berger, Eds.), ASTM STP 1146, 33, American Society for Testing and Materials, Philadelphia, 1993. G. J. Marrs, H. B. Scher, in Controlled delivery of Crop-Protection Agents (R. M. Wilkins, Ed.), Taylor and Francis, Inc., Bristol Pa, 1990. E. Neuenschwander, L. Loosli, CIPAC Symposium, Athen, 1989. A. J. Stern, D. Z. Becher, in Pesticide Formulation and Adjuvant Technology (C. L. Foy, D. W. Pritchard, Eds.), CRC Press, Boca Raton New York London Tokyo, 1996. G. Japs, U. Nehen, H. J. Scholl, US-Pat. 4 847 152, 1989. L. S. Sandell, EP 501 798, 1992. A. Grubenmann, E. Neuenschwander, in Advances in Pesticide Science, Part 3, (H. Geissbiihler, Ed.), Pergamon Press, Oxford and New York, 1979.
15 Pigmente und Farbstoffe 15.1 Loslichkeit von Pigmenten und Farbstoffen Pigmente und Farbstoffe unterscheiden sich in ihrer Loslichkeit. Pigmente sind praktisch unltislich im Applikationsmedium und werden dort in Form von Festpartikeln - iiblicherweise mit PartikelgroRen