Nr. 352
Flucht in den Kerker Der Arkonide spielt gefährlich von Clark Darlton
Pthor, dessen Horden Terra überfallen s...
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Nr. 352
Flucht in den Kerker Der Arkonide spielt gefährlich von Clark Darlton
Pthor, dessen Horden Terra überfallen sollten, hat sich längst wieder in die unbe kannten Dimensionen zurückgezogen, aus denen der Kontinent des Schreckens ur plötzlich materialisiert war. Atlan und Razamon, die die Bedrohung von Terra nahmen, gelang es allerdings nicht, Pthor vor dem Start zu verlassen. Der ungebetene Besucher ging wieder auf eine Reise, von der niemand ahnt, wo sie eines Tages enden soll. Doch nicht für lange! Denn der überraschende Zusammenstoß im Nichts führte da zu, daß der »Dimensionsfahrstuhl« Pthor sich nicht länger im Hyperraum halten konnte, sondern zur Rückkehr in das normale Raum-Zeit-Kontinuum gezwungen wurde. Und so geschieht es, daß Pthor auf dem Planeten der Brangeln niedergeht, nach dem der Kontinent eine Bahn der Vernichtung über die »Ebene der Krieger« gezo gen hat. Natürlich ist dieses Ereignis nicht unbemerkt geblieben. Sperco, der Tyrann der Galaxis Wolcion, schickt seine Diener aus, die die Fremden ausschalten sollen. Dar auf widmet sich Atlan sofort dem Gegner. Um ihn näher kennenzulernen und seine Möglichkeiten auszuloten, begibt sich der Arkonide zu den Spercoiden. Nach einer Reihe gefährlicher Abenteuer im All und auf fremden Welten hält Atlan sich gegenwärtig in einem Spercoiden-Raumschiff auf, wo er sich relativ sicher füh len kann. Doch diese Sicherheit ist nicht von langer Dauer. Eine erneute Flucht be ginnt – es ist die FLUCHT IN DEN KERKER …
Flucht in den Kerker
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Die Hautpersonen des Romans:
Atlan alias Botosc - Der Arkonide in der Maske eines Spercoiden.
Koralbe - Herrscher der Tekrothen.
Camauke - Der Tekrothe soll mit Sperco einen Vertrag aushandeln.
Erytder - Camaukes Diener.
Slosc - Kommandant der BESCHEIDENHEIT.
1. Solange sich die Tekrothen zurückerin nern vermochten, hatten sie Ärger mit den Spercoiden gehabt. Zu einer Eroberung ihres Heimatplaneten Vallischor und der dazuge hörigen Kolonialwelten war es allerdings nie gekommen, was jedoch nicht dem guten Willen der Spercoiden zu verdanken war. Vielmehr befürchteten diese, bei den unver meidlichen schweren Kämpfen die Welten der Tekrothen zu vernichten. Beide Völker besaßen verheerende Waf fen. Der Planet Vallischor umkreiste die Son ne Vallisch, Zentrum eines relativ kleinen Sternenreichs, das nie die Absicht gehegt hatte, sich noch weiter auszudehnen. Zumal nicht zu diesem Zeitpunkt, in dem der Ty rann Sperco seine Macht in allen Teilen die ser Galaxis zu festigen suchte. Es gab kaum Völker, die ihm zu trotzen wagten. Bis zu einem gewissen Grad gehörte auch das Volk der Tekrothen dazu. Wenigstens bis vor kurzem. Immer wieder landeten die schwer be waffneten »Botschafterschiffe« Spercos auf Vallischor und forderten jedesmal drängender sogenannte Freundschaftsverhandlun gen. Das Sternenreich Vallischor sollte sich dem Imperium Spercos anschließen und da für in den Schutz seiner unermeßlichen Macht genommen werden. Der Abschluß des eigentlichen Vertrages war Jahr um Jahr hinausgezögert worden, aber eines Tages würde die Geduld des Ty rannen Sperco erschöpft sein. Dann würde er keine Rücksicht mehr darauf nehmen, daß ein Krieg die erhoffte Beute vernichten konnte.
Koralbe, der Herrscher von Vallischor, hatte seine Ratgeber entlassen. Die letzte Entscheidung lag nun bei ihm, und er wußte, daß er ihr nun nicht mehr ausweichen konn te. Draußen auf dem Raumfeld wartete das Schiff der Spercoiden unter Kommandant Slosc auf die Antwort. Eine abschlägige Antwort würde endgül tig den Krieg bedeuten, das war Koralbe klar. Aber er durfte diesen Krieg niemals ris kieren, ohne den sicheren Untergang seines Volkes in Kauf zu nehmen. Blieb also nur der Abschluß eines »Freundschaftsvertrags« mit Sperco. Koralbe erinnerte äußerlich an einen prall gefüllten Sack mit kurzen Armen und Bei nen. Auf dem kaum erkennbaren Halsansatz saß ein kugelrunder kahler Kopf mit fast humanoiden Sinnesorganen. Sein Körper war mit einem grünlichen Fell bedeckt, das in der Gesellschaft der Tekrothen eine beson dere Rolle spielte. Koralbe als oberster Herrscher gehörte zur Kaste der »Fünftfelle«. Dann gab es noch die Viertfelle, Drittfelle, Zweitfelle und schließlich die Erstfelle. Letztere hatten niedrigste Arbeiten zu verrichten, bis Glück und Fleiß sie zu Zweitfellen werden ließ. Als Abgesandter und Vertreter der Tekro then kam natürlich nur ein Viertfell in Frage. Koralbe ging die Reihe seiner engsten Bera ter durch, denn seine Wahl mußte auf den besten von ihnen fallen. Der Abgesandte würde mit Sperco selbst verhandeln müssen, da kam es auf viel Geschick und Diplomatie an, obwohl das am Endergebnis kaum etwas ändern würde. Camauke vielleicht …? Sehr sympathisch war er Koralbe gerade nicht, aber das Viertfell galt als raffiniert und hinterlistig. Genau das gehörte zu den
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Clark Darlton
hervorragenden Eigenschaften eines Diplo maten, nahm der Herrscher der Tekrothen an. Er befahl daher einem wartenden Erst fell, Camauke holen zu lassen.
* Camauke schreckte aus seiner Mittagsru he auf, die er gerade erst begonnen hatte. Unwillig fuhr er das erschrockene Erstfell an: »Was willst du hier, Dicksack? Wer schickt dich?« »Der Herrscher, Herr«, stotterte der Pa lastdiener verwirrt. »Er bittet dich, sofort zu ihm zu kommen.« Camauke wußte zwar nicht, was der Herr scher von ihm wollte, aber er witterte eine Chance. Vielleicht benötigte der Herrscher seinen klugen Rat in der schwierigen Ange legenheit, die sie am Vormittag besprochen hatten. Natürlich würde er seinen Rat benö tigen, war er – Camauke – doch sein klüg ster Ratgeber. »Ist gut, ich mache mich gleich auf den Weg«, entließ er den Diener. Diesen hatte er ganz zu Unrecht »Dicksack« getauft, denn er war selbst eine ganze Portion fetter. Wenn er es sich objek tiv überlegte, so wußte er selbst nicht, wie er zu einem Viertfell geworden war, denn im Grunde genommen war er nicht nur dick, sondern auch dumm. Immerhin jedoch war er schlau genug, diesen Geisteszustand ge schickt zu verbergen. Mühsam rollte er von seinem Lager und kam auf die kurzen Füße. Mit einem Klin gelzeichen rief er seinen Diener Erytder, der auch sofort erschien. »Bring mir meine besten Kleider!«, herrschte er das Erstfell an. »Ich muß wieder zum Oberfell. Zum Herrscher«, fügte er überflüssigerweise hinzu. »Sofort, Herr«, beeilte sich der Diener zu sagen und verschwand, um das Gewünschte herbeizubringen. »Ich hole den Wagen.« »Tu das, Erytder«, gestattete Camauke. Die beiden hatten ein merkwürdiges Ver-
hältnis zueinander. Zwar galt Erytder als Ca maukes Diener, aber dieser wußte die Schwächen seines Herren weidlich auszu nutzen. Indem er ihm schmeichelte, be herrschte er ihn. Er gehorchte ihm wider spruchslos, und doch tat er immer genau das, was er selbst tun wollte. So betrachtet, hätte er leicht ein Viertfell sein können – und er gedachte, es auch eines Tages zu sein. Camauke zwängte sich in seine viel zu enge Kleidung und betrachtete sich wohlge fällig vor dem Spiegel. Er machte – seiner Meinung nach – eine imposante Figur. Er wälzte seinen massigen Körper die Treppe hinab bis auf die Straße, wo Erytder ihn mit dem Prachtwagen erwartete. Schnau fend kletterte er auf den Hintersitz und gab den Befehl zur Abfahrt.
* Koralbes Geduld war halbwegs erschöpft, als Camauke endlich erschien. »Hat lange gedauert«, empfing er seinen Ratgeber. »Ging es nicht etwas schneller? Wir haben nur wenig Zeit.« Camauke stöhnte und ließ sich in die Pol ster fallen, nachdem ihm der Herrscher durch einen Wink die Erlaubnis dazu gege ben hatte. »Verzeih, Koralbe, ich beeilte mich sehr. Der Weg ist weit …« »Unsinn, gerade um zwei Hausecken! Aber lassen wir das. Du wirst in meinem Auftrag mit dem Schiff der Spercoiden zum Tyrannen reisen und mit ihm die Verhand lungen führen. Sieh zu, daß der Vertrag ge schlossen wird.« »Ach ja, ich habe dir ja geraten, den Freundschaftsvertrag …« Er verstummte plötzlich und starrte Koralbe an. »Was, ich soll … Warum gerade ich?« »Weil du der engagierteste Vertreter des Vertrags gewesen bist, aber nicht nur des halb. Wir alle schätzen dich als klug und ge schickt, ich wüßte also keinen besseren als dich. Aber bedenke: Du hast alle Vollmach
Flucht in den Kerker ten und mußt je nach Situation entscheiden. Und zwar immer in meinem Sinn. Das ist nicht einfach unter den gegebenen Umstän den.« »Nein, das ist nicht einfach«, sann Ca mauke verwirrt vor sich hin. »Und was soll ich tun, wenn sie völlige Unterwerfung ver langen?« »Natürlich ablehnen, das ist doch klar!« »Aber dann bringen sie mich um, diese gefühllosen Spercoiden!« »Wir werden deiner gedenken, denn du opferst dein Leben für unser Volk«, ver sprach Koralbe feierlich. »Aber soweit wird es nicht kommen. Du mußt den Vertrag so oder so abschließen, uns bleibt keine andere Wahl. Sieh nur zu, daß die Bedingungen äu ßerst günstig sind und wir die Oberhoheit über unser Reich behalten. Darum geht es mir in erster Linie. Du wirst es schon schaf fen. Wenn ich nicht davon überzeugt wäre, hätte ich einen anderen Viertpelz als Reprä sentanten unseres Reiches gewählt.« Das wiederum schmeichelte Camauke. »Ich werde mich ganz in den Dienst unse res Volkes stellen, Koralbe«, versprach er. »Wer wird mich begleiten?« »Niemand.« »Darf ich meinen Diener Erytder mitneh men?« »Warum?« »Ich … ich bin ihn eben gewohnt. Die kleinen Handreichungen … außerdem ist er besonders klug für ein Erstfell. Ich erhielt schon manchen guten Rat von ihm.« »Also gut, dann nimm ihn mit! Du wirst heute abend an Bord des Spercoidenschiffs erwartet. Man wird dich wie einen Herrscher behandeln, das wurde mir zugesagt. Viel Glück für die Reise und die Verhandlungen mit Sperco, Camauke.« Damit war das Viertfell verabschiedet. Camauke nahm sein Beglaubigungsschrei ben und verließ den Palast mit gemischten Gefühlen. Auf der einen Seite war er stolz, einen so wichtigen Auftrag erhalten zu ha ben, auf der anderen Seite mißtraute er den Spercoiden aus ganzem Herzen.
5 Und er fürchtete sich vor ihnen. Während der Fahrt nach Hause berichtete er Erytder von dem Auftrag und fragte ihn nach seiner Meinung. Das Erstfell schwieg eine Weile, dann meinte es: »Es gibt auf ganz Vallischor niemanden, der ihn ausführen könnte – außer dir. Jeder Tekrothe wird stolz auf dich sein, wenn du mit dem klug ausgehandelten Vertrag zu rückkehrst, Herr. Und ich selbst bin auch stolz, weil ich dich begleiten darf.« Das Schiff der Spercoiden hieß BE SCHEIDENHEIT, was natürlich eine unver schämte Heuchelei darstellte. Camauke ent sann sich, daß alle Schiffe des Tyrannen Sperco derart heuchlerische Namen hatten. Camauke hatte noch nie in seinem Leben einem Spercoiden von Angesicht zu Ange sicht gegenübergestanden, aber da war er nicht der einzige. Noch nie hatte jemand einen Spercoiden ohne den schwarzen Schutzanzug gesehen, der alles verhüllte. Selbst das Gesicht hinter der dunklen Seh scheibe blieb unsichtbar. Immerhin mußte der hohe Würdenträger der Tekrothen zugeben, daß der Empfang an Bord des Schiffes seinem verantwortungs vollen Amt in etwa entsprach. Mit stolz er hobenem Kugelkopf rollte er durch das Eh renspalier, gefolgt von seinem mit dem um fangreichen Gepäck belasteten Diener Eryt der. Sie bekamen eine regelrechte Suite in einem der zahlreichen Korridore zugewiesen und wurden davon unterrichtet, daß der Start noch in dieser Nacht erfolgen sollte. Unmit telbar danach war die erste Unterredung mit dem Kommandanten auf dem Programm. Camauke machte es sich bequem und ließ Erytder arbeiten. Dann, nach einem kleinen Imbiß, der drei Familien satt gemacht hätte, kamen zwei Spercoiden, um Camauke zum Kommandanten zu begleiten. Die BE SCHEIDENHEIT war inzwischen gestartet und hatte das System Vallisch längst hinter sich gelassen. Slosc saß hinter einem breiten und massi ven Tisch, der mit Nachrichtengeräten über sät war. Auch wenn sein Gesicht unsichtbar
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blieb, merkte man ihm eine gewisse Höf lichkeit dem Gast gegenüber an, wenn sie sich auch nur in Gesten ausdrückte. Camauke schöpfte neue Hoffnung und setzte sich in den angebotenen Sessel, des sen Konturpolster fast bis auf den Boden nachgaben, als sie sein beachtliches Gewicht aufnahmen. »Es freut uns, daß die Tekrothen endlich Vernunft angenommen haben«, sagte Slosc zur Einleitung. »Unser großer Herrscher Sperco wird sich als der Freund der Tekro then erweisen und sie gegen jeden Angriff beschützen, der sie bedrohen sollte.« Camauke verspürte keine große Lust, sich mit Slosc über Dinge zu unterhalten, die nur Sperco entscheiden würde, nicht einer seiner Kommandanten. Trotzdem sagte er: »Gemeinsam mit dem Imperium der Sper coiden werden wir diese Galaxis beherr schen. Wie lange wird die Reise dauern?« Slosc spürte die Abneigung des Tekro then, und er ließ sich das auch anmerken. »Bis wir am Ziel sind«, sagte er schroff. Sie wechselten noch einige Sätze, dann deutete Slosc zur Tür. »Ich habe zu tun.« Das war die ganze Verabschiedung. Camauke begann zu ahnen, daß seine Mission immer schwieriger wurde, je weiter sich das Schiff von Vallischor entfernte. Er stand auf und ging, ohne sich einmal umzu drehen.
* Drei Tage langweilte sich Camauke in seinen Kabinen und verschlang Unmengen von Speisen, die Erytder immer wieder an fordern mußte. Dann verrieten ihm die Ge räusche draußen in den Korridoren, daß die BESCHEIDENHEIT zur Landung ansetzte. Waren sie etwa schon am Ziel? Niemand hatte sie davon unterrichtet. Das wäre aller dings auch kaum verwunderlich gewesen, denn Camauke hatte in den vergangenen drei Tagen keine guten Erfahrungen mit den Spercoiden machen können.
Wenn sie die Mahlzeiten brachten, stell ten sie diese wortlos auf den Tisch und be antworteten keine Fragen. Von der anfängli chen Höflichkeit war keine Spur mehr ge blieben. Bei der letzten Unterredung hatte Kommandant Slosc sogar schlimme Folgen für Vallischor prophezeit, wenn es nicht zu einem Vertragsabschluß käme. Zwei Stunden lang war Camauke tief be eindruckt und eingeschüchtert, dann begann sich in ihm der Widerstand zu regen. Er er losch jedoch sofort wieder, als das Schiff landete. Stand die Entscheidung schon so kurz be vor? »Erytder!« rief er seinen Diener, der so fort erschien. »Erkundige, wo wir sind!« »Bin schon unterwegs …« Camauke blieb im ungewissen zurück, aber als er schon begann, die Geduld zu ver lieren, kehrte sein Diener zurück. »Es handelt sich lediglich um eine Zwi schenlandung. Wir befinden uns auf dem Stützpunkt Marsocc, um einige Güter an Bord zu nehmen.« »Was für Güter?« »Keine Ahnung, Herr. Auch soll eine Wartung vorgenommen werden. Vielleicht gab es einen leichten Defekt, der nun beho ben wird.« »Ein Defekt!« rief Camauke entsetzt aus. »Das sind schlimme Nachrichten.« »Ein behobener Defekt ist keiner mehr«, gab Erytder zu bedenken. Camauke sank in die Polster seines La gers zurück. »Na schön, mir soll es recht sein. Da habe ich noch etwas mehr Zeit, mich auf die Be gegnung mit Sperco vorzubereiten. Geh und hole Essen und Trinken, ich habe Hunger.« In den nächsten Stunden waren im ganzen Schiff die Wartungsgeräusche zu hören, bis Camauke sich so daran gewöhnt hatte, daß er einschlief. Der Gedanke, noch Zeit genug zu haben, bis er dem Tyrannen gegenüber treten mußte, wirkte ungemein beruhigend auf ihn. Als er wieder wach wurde, lag das Schiff
Flucht in den Kerker noch immer auf dem Stützpunkt. Aber es war ruhiger geworden. Wahrscheinlich hatte man die Wartungsarbeiten beendet und wür de bald starten. Camauke erhob sich mühsam und pro bierte einige Schritte. Er begann allmählich steif zu werden. Ein wenig Bewegung würde guttun. »Öffne die Tür, Erytder, ich unternehme einen Spaziergang.« Der Diener gehorchte. Der Botschafter der Tekrothen, nun wie der ausgeruht und guter Dinge, walzte durch den breiten Korridor und suchte neugierig nach einer geöffneten Sichtluke, um einen Blick nach draußen werfen zu können. Er hätte gern gewußt, wie es da aussah. Und abermals erlebte er eine herbe Ent täuschung. Als er um eine Biegung kam und von fern schon eine weit geöffnete Luke entdeckte, kamen ihm zwei Spercoiden entgegen. Er freut wollte er auf sie zu eilen, da wurde er grob an den Armen gepackt und in den ur sprünglichen Korridor zurückgezerrt. »Was soll denn das …?« wollte er prote stieren, erhielt aber sofort einen heftigen Schlag auf den Mund, der ihn schnell ver stummen ließ. Widerstandslos ließ er sich bis zu seinen Kabinen schleppen. Die Spercoiden klopften mit ihren Fäu sten gegen die Tür, bis Erytder diese öffnete. Sein Gesicht war in diesem Augenblick alles andere als geistreich zu nennen. »Herr …!« stammelte er, kam aber nicht weiter. Camauke wurde vorangeschubst und in die Kabine gestoßen. Mit einem lauten Knall schloß sich hinter ihm die Tür. Erytder wurde von dem Gewicht seines Herren zur Seite geschleudert und landete auf dem Boden. Camauke selbst unterlag dem Gesetz des Beharrungsvermögens und konnte nicht mehr rechtzeitig abbremsen. Mit voller Wucht prallte er gegen die Toilet tentür, durchbrach sie und fand sich auf den Fliesen des intimen Ortes wieder. Das war zuviel! Auf allen vieren kroch er zu seinem
7 Wohn- und Schlafraum, hob sich auf sein Lager und schloß die Augen. Seiner Brust entrang sich das Stöhnen eines gefolterten Märtyrers, so daß Erytder sich hastig vom Boden erhob und herbeigeeilt kam. »Haben Sie sich weh getan, Herr?« »Natürlich, du Esel!« fauchte Camauke wütend. »Diese ungehobelten Verbrecher! Behandelt man so den Abgesandten eines freien Volkes, das man zum Verbündeten haben möchte! Ha, denen werde ich es aber geben!« »Ja, denen werden wir es aber geben!« stimmte Erytder begeistert zu und schloß sich gleich mit ein. »Wie können die es wa gen, einen Viertpelz derart herabzusetzen? Ein unglaublicher Vorfall! Wie kam es ei gentlich dazu?« »Das spielt überhaupt keine Rolle! Ich werde mich beim Kommandanten beschwe ren.« Erytder machte sein schlaues Gesicht. »Das wäre vielleicht nicht ratsam, Herr. Es könnte sein, daß er selbst den Befehl da zu gegeben hat, dann wäre es unklug, ihn noch mehr herauszufordern. Sie sollten eine solche Beschwerde gleich bei Sperco vor bringen hatten Sie denn nicht gerade das im Sinn?« Camauke richtete sich ein wenig auf und sah Erytder an. »Du kannst wohl Gedanken lesen, was? Aber du hast recht: Ich wollte mich natürlich bei Sperco beschweren, nicht bei diesem lä cherlichen Kommandanten.« Er seufzte. »Besorge eine kräftige Mahlzeit, die habe ich jetzt nötig. Und einen Krug des sauren Weines. Aber schnell, ehe ich verhungere und verdurste.« Erytder verschwand, und kurz darauf wa ren Geräusch zu vernehmen, die auf den bal digen Start des Schiffes hindeuteten. Camauke ließ sich wieder in die Polster zurücksinken und überlegte, was er Sperco alles sagen würde.
*
8 Zwei Tage lang ging alles gut. Camauke verzichtete auf Spaziergänge. Daher war es auch unvermeidlich, daß er nun die doppel ten und dreifachen Portionen wie vorher an forderte und verschlang. Erytder begann al len Ernstes um die Gesundheit seines Herren zu bangen. Dann aber geschah es. Als Erstfell Erytder an diesem Tag zum vierten Mal die Kabinentür öffnete und über die auf dem Gang angebrachte Bordsprech verbindung Essen anforderte, wurde der Kontakt bereits nach dem ersten Satz jäh un terbrochen. Er versuchte es noch einmal, er hielt aber keine Verbindung mehr. Ratlos kehrte er zu Camauke zurück und berichtete. Der Würdenträger war eine Weile sprach los, dann entlud sich seine ganze aufgespei cherte Wut. »Diese Banditen, sie wollen mich verhun gern lassen! Das Maß ist endgültig voll! Ich lasse mir das nicht länger gefallen!« »Sehr richtig, Herr! Wir lassen uns das nicht länger gefallen. Was sollen wir tun?« »Umkehren!« entschied Camauke, ohne zu wissen, wie er den Kommandanten dazu bewegen sollte. »Einfach umkehren!« Erytder sah sich vor eine unlösbare Auf gabe gestellt. Außerdem war seinem Herrn – und natürlich auch ihm selbst – nicht damit gedient, wenn sie ohne Resultat nach Valli schor zurückkamen. »Ich weiß nicht, ob das richtig wäre, Herr. Ich finde, man würde diesen ungehobelten Kommandanten viel empfindlicher treffen, wenn Sperco von seinem Verhalten erführe. Vielleicht wird er dann degradiert oder gar verbannt. Oder sie bringen ihn einfach um.« Letzteres erschien Camauke eine ver lockende Aussicht. »Hm, kein schlechter Gedanke, der mir da gerade einfällt. Ich werde mich direkt bei Sperco beschweren, damit er einen Grund hat, Slosc zu bestrafen. Wirklich, eine gute Idee! Was meinst du, Erytder?« »Ja, eine fabelhafte Idee«, gab der Diener listig zu, der sich schon von der lästigen
Clark Darlton Aufgabe befreit sah, den Kommandanten aufsuchen zu müssen, um die Bitte seines Herrn vorzutragen. Aber er hatte sich zu früh gefreut. Ohne jede Ankündigung wurde die Tür geöffnet. Drei Spercoiden in ihren dunklen Rüstungen traten ein. Zwei blieben neben der Tür stehen, der dritte betrat ungeniert die Kabine und machte vor dem Lager halt. Erytder wurde unsanft zur Seite geschoben. Camauke sah hoch in das unsichtbare Ge sicht, das wie eine finstere Drohung über ihm schwebte. »Hör gut zu!« sagte der Spercoide, den Abzeichen nach ein Offizier. »Deine Mahl zeiten werden ab sofort rationiert, ebenfalls der Wein. Befehl des Kommandanten! Heu te gibt es nichts mehr!« Camauke versuchte, die ganze Tragweite dieser Information in sich aufzunehmen, und stöhnte bei dem Gedanken, von nun an hun gern zu müssen. Dann aber siegte seine Em pörung über die schimpfliche Behandlung. Er richtete sich auf, gestützt von seinen kurzen und fetten Armen. »Das ist eine Unverschämtheit, die ich mir nicht bieten lassen kann. Der Komman dant kann mich …« »Was kann er?« fragte der Spercoide dro hend. Camauke sank zurück. »Er kann mich so nicht behandeln, mich, den Botschafter eines freien Volkes! Nein, das kann er nicht!« »Frei?« Der Kopf des Spercoiden kam et was näher. »Ihr seid die längste Zeit frei ge wesen, Tekrothe! Sobald der Vertrag unter zeichnet ist, werdet ihr so leben wie wir – im Dienste Spercos! Ihr werdet mit uns gemein sam gegen unsere Feinde kämpfen. Das fau le Leben hat ein Ende! Hast du das endlich begriffen?« Und ob Camauke begriff, daß die Maske endgültig gefallen war! Aber er brachte kein Wort mehr hervor, die Erkenntnis der Wahrheit verschlug ihm die Sprache, obwohl er sie geahnt hatte. Zum Glück griff Erytder ein, der sich von
Flucht in den Kerker seinem ersten Schreck erholt hatte. »Mein Herr braucht Ruhe«, sagte er zu vorkommend und höflich. »Verzeiht ihm seine Unbesonnenheit, die lange Reise hat ihn erschöpft.« Eine Handbewegung des Spercoiden wischte ihn in die nächste Ecke, aber damit hatte der Gepanzerte gleichzeitig seinen Zorn abreagiert. »Ich werde dem Kommandanten berich ten«, sagte er nur noch und verließ mit sei nen Begleitern die Kabine. Dumpf knallte die Tür zu. Erytder rappelte sich auf und kam zu Ca maukes Lager gehumpelt. »Wir scheinen Gefangene geworden zu sein«, vermutete er düster. »Trotzdem war es gut, diesem Burschen die Meinung gesagt zu haben.« »Du hast mehr um Gnade gewinselt!« warf ihm sein Herr vor. »In Ihrem Sinne, denn sonst hätte er seine Wut an Ihnen ausgelassen. So traf mich sein ganzer Zorn.« Camauke nickte gnädig mit dem Kopf. »Gut gemacht, Erytder. Ich werde dafür sorgen, daß du bei unserer Rückkehr in die Kaste der Zweitfelle aufgenommen wirst.« Das war Erytder im Augenblick zwar ziemlich egal, aber er beeilte sich, Camauke seinen tiefempfundenen Dank für diese Be lohnung auszusprechen. Doch die kalte Du sche kam zwei Minuten später. »Ich habe es mir überlegt, Erytder. Wir werden den Kommandanten aufsuchen und ihn bitten, uns nach Vallischor zurückzu bringen. Unter den gegebenen Umständen ist es mir unmöglich, einen Vertrag mit Sperco abzuschließen. Nein, keine guten Ratschläge jetzt, mein Entschluß ist unabän derlich. Wir dürfen unser Volk nicht an die se Teufel verkaufen.« Innerlich mußte Erytder seinem Herren recht geben, obwohl ihm das gewaltig gegen den Strich ging. Auf der anderen Seite wür de es nicht leicht sein, bis zum Kommandan ten vorzudringen. »Hoffentlich ist Slosc für uns zu sprechen
9 …« »Du kennst den Weg zu ihm, denn einmal hast du mich schon begleitet.« Erytder starr te ihn an. »Ich soll allein gehen?« »Natürlich, Dummkopf! Es ist unter mei ner Würde, diese Kabine vor der Landung auf Vallischor zu verlassen. Du wirst dem Kommandanten unsere Forderung überbrin gen! Und zwar sofort!« Erytder suchte verzweifelt nach einer Ausrede, aber zum ersten Mal fiel ihm keine ein. Er begann, sich selbst leid zu tun, denn er konnte sich vorstellen, was sie mit ihm machten. Sich beim Kommandanten offiziell anzumelden, war so gut wie zwecklos. »Vielleicht haben sie die Türen unserer Kabinen verschlossen«, hoffte er. »Dann probiere sie aus!« knurrte Camau ke ungnädig. »Jedenfalls will ich dich in zwei Minuten hier nicht mehr sehen, ganz egal, wie du auf den Korridor gelangst.« Der faule und gefräßige Sack hat gut re den, dachte Erytder bei sich, als er zur Tür ging und dann verblüfft feststellen mußte, daß sich nicht verschlossen war. Seine letzte Hoffnung verflog. »Also gut, ich gehe«, verkündete er und sah hinaus auf den Gang. Er war leer, wie üblich. Leise schloß er die Tür und bewegte sich dann mit aller gebotenen Vorsicht in Rich tung der Offiziersquartiere, die auf gleicher Ebene lagen. Er war froh, nicht den Lift be nutzen zu müssen, das hätte eine Ent deckung wahrscheinlicher gemacht. Er hatte in der Tat mehr Glück als Ver stand, denn unangefochten erreichte er die Kabine des Kommandanten. Blieb nur zu hoffen, daß er sich gerade in der Komman dozentrale aufhielt, dann gab es eine Gal genfrist. Aber die Tür ließ sich öffnen. Der Kom mandant saß hinter seinem Tisch. Er blickte erstaunt auf, als er den unangemeldeten Be sucher bemerkte. Dann hieb er die geballte Faust auf die Tischplatte. »Was hat das zu bedeuten? Wo sind mei
10 ne Wachen?« Erytder näherte sich, nachdem er die Tür geschlossen hatte. »Mein Herr, der Botschafter des tekrothi schen Sternenreichs, fordert die sofortige Umkehr dieses Schiffes nach Vallischor. Er verzichtet auf jede Verhandlung mit Sperco, dem Tyrannen, und lehnt den Abschluß ei nes Vertrages ab.« Eine Weile blieb es unheimlich still in der nüchtern eingerichteten Kabine des Kom mandanten, dem es vor Überraschung glatt die Sprache verschlagen hatte. Dann fragte er: »Was war das?« Erytder wiederholte seinen Satz, den er auswendig gelernt zu haben schien. Er fügte diesmal noch hinzu: »Das ist sein unabänderlicher Entschluß!« Wieder schwieg Slosc für mindestens dreißig Sekunden, dann brüllte er nur ein einziges Wort: »Raus!« Erytder blieb stehen. »Du sollst verschwinden, oder soll ich dich in den Kerker werfen lassen?« Erytder hatte keine Lust, den Rest der Reise in einer Zelle verbringen zu müssen, auch wollte er seinen Herrn nicht allein und hilflos zurücklassen. Trotz aller Gegenstän de mochte er ihn, auf jeden Fall war er ihm lieber als die Spercoiden, von denen man nicht einmal wußte, wie sie wirklich aussa hen. Wortlos drehte er sich um und verließ den Kommandanten der BESCHEIDENHEIT. Draußen auf dem Korridor begann er mit seinen Überlegungen. Es stand fest, daß Ca maukes Forderung nicht erfüllt wurde. Das Schiff würde nicht Kurs auf Vallischor neh men, sondern sie zum Sitz Spercos beför dern. Aber es mußte trotzdem einen Ausweg aus der verfahrenen Situation geben. Da er so tief in Gedanken versunken war, achtete er nicht so genau darauf, wohin er ging, und ehe er sich's versah, hatte er sich verirrt. Er befand sich plötzlich in einem
Clark Darlton ganz unbekannten Teil des Schiffes, ohne daß er auch nur einem einzigen Spercoiden begegnet war. Das war immerhin interessant. Wahr scheinlich wurde dieser Teil nur selten be treten. Man sollte sich ein wenig umsehen. Die Türen bestanden jetzt aus Metall. Wahrscheinlich lagen dahinter Vorratsräume … Seine Phantasie machte einen jähen Sprung. Vorratsräume bedeuteten Vorräte. Essen! Die erste Tür, die er probierte, war ver schlossen, aber so schnell gab er nicht auf. Schließlich gab es hier Dutzende von Türen. Alle konnten sie nicht verschlossen sein, und da er meist vom Glück begünstigt war … Richtig! Die achte Tür war nur angelehnt. Schon wollte er sie aufstoßen, als er ein Geräusch zu hören glaubte. Aufmerksam lauschte er. Ja, das war das Atmen eines Le bewesens. Ein Spercoide? Aber warum verhielt er sich so verhältnis mäßig still, so als habe er nichts in diesem Raum zu suchen? Das erregte Erytders Neu gier. Er unterdrückte den ersten Impuls, so schnell wie möglich von hier zu verschwin den und drückte behutsam die Tür nach in nen auf, ohne ein Geräusch zu verursachen. Er sah nichts und trat in den Raum. Er fiel auf den ältesten Trick des Universums her ein. Kaum hatte er einen Schritt in das Halb dunkel getan, war hinter ihm eine Bewe gung. Die Tür wurde geschlossen. Vor ihm stand an die Wand gelehnt ein Spercoide, aber als Erytder genauer hinsah, mußte er feststellen, daß es sich nur um eine geöffnete schwarze Rüstung handelte. Sie war leer. Ihr Besitzer … Er fuhr herum, denn nun wußte er, wer die Tür geschlossen hatte. Er glaubte seinen Augen nicht zu trauen und wagte nicht mehr, sich zu rühren. Vor der Tür stand breitbeinig ein Lebewe
Flucht in den Kerker
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sen, wie er es noch nie gesehen hatte.
2. Nachdem Atlan die Flucht aus dem Strah lungslabor der Spercoiden gelungen war, trachtete er danach, den Stützpunktplaneten Marsocc so schnell wie möglich wieder zu verlassen. Nachdem er sich in den Besitz einer Rü stung gesetzt hatte, mischte er sich unter ei ne Gruppe Wartungspersonal, das dabei war, ein Schiff startklar zu machen. Eine schnelle Entdeckung war kaum zu befürchten, da die Gesichter unkenntlich blieben und die Mon teure fast die gleichen Rangabzeichen trugen wie das entsprechende Bordpersonal. So gelangte er in das Innere des Schiffes, das bald darauf startete. Das Fahrzeug hieß übrigens BESCHEIDENHEIT. Seine erste Sorge war, einen Raum zu fin den, in dem er sich verbergen konnte. Er durfte die Rüstung nicht allzu lange anbehal ten, da sie seine Mentalität immer stärker zu verändern begann. Seine Psyche begann der eines Spercoiden zu ähneln, je länger er die Rüstung trug. Er hatte diese Erfahrung schon früher gemacht. Seine Hoffnung, daß diese unheimliche Eigenschaft des schwarzen Panzers nachließ, traf nicht ein. Nur wenn er den An zug ablegte, war er wieder er selbst, doch kaum zog er ihn wieder an, setzte die negati ve Entwicklung genau dort ein, wo sie vor übergehend aufgehört hatte. Allerdings hatte das Tragen des Panzers auch noch eine gute Seite: Der Metabolis mus stoppte. Atlan benötigte keine Nahrung mehr, jedes Hungergefühl verschwand. Einen Stoffwechsel schien es nicht mehr zu geben. Niemand achtete auf ihn, als er mit dem Werkzeug, das er sich als Tarnung besorgt hatte, durch die Gänge eilte. Kurz nach dem Start war im Wohnsektor nur wenig Betrieb. Unangefochten erreichte er ihn, begegnete dort aber einem Spercoiden. »Was suchst du hier?« wurde er von die
sem angefahren. Wenn Atlan den Anzug anlegte, verstand er auch perfekt die Sprache der Spercoiden und konnte sich mühelos in ihr verständigen. »Ein Auftrag des Kommandanten.« »Ausgerechnet in der Suite des Würden trägers?« Einen Augenblick war Atlan verwirrt, dann reagierte er schnell. »Ja, ausgerechnet dort!« Er ging weiter. Das Schiff hatte also einen hohen Wür denträger an Bord? Das konnte nur bedeu ten, daß es sich auf dem Weg zum Sitz des Tyrannen befand. Atlan wußte nicht sofort, ob er sich dar über freuen sollte oder nicht. Doch schließ lich war es sein Ziel, Sperco zu begegnen, wenn er schon allein den Weg nach Pthor nicht fand. Doch im Augenblick gab es andere Sor gen. Er mußte ein sicheres Versteck finden, um den Anzug ablegen zu können. Ein Bordoffizier kam ihm auf einem Sei tengang entgegen. Atlan deutete einen Gruß an und ging weiter, wurde aber am Arm festgehalten. »Wohin willst du?« »In einer der Kabinen streikt die Belüf tung, sie muß defekt sein. Eine Sache von wenigen Augenblicken.« »In welcher Kabine?« Natürlich konnte Atlan mit der Sprache auch die Zahlen und Bezeichnungen lesen. Ein schneller Blick informierte ihn. »Im nächsten Quergang, Kabine 17.« Der Spercoide ließ den Arm los. »Eine der Gastkabinen«, plauderte er aus. »Aber sie ist zur Zeit nicht besetzt. Los, be eilen wir uns!« Atlan ging neben dem Spercoiden her und überlegte fieberhaft, wie er ihn schnell ge nug wieder los werden konnte. Das hatte ihm gerade noch gefehlt, denn er hatte keine Ahnung, wie die Belüftungsanlage auf ei nem Schiff der Spercoiden funktionierte. »Hier ist es«, sagte der Offizier und öffne
12 te die Kabinentür, auf der das Symbol für die Zahl 17 stand. »Nun fang schon an!« Atlan hatte den Gittergrill sofort entdeckt. Er befand sich dicht unter der Decke über dem spartanischen Ruhelager. Eine Tür führte in einen kleinen Nebenraum, der wahrscheinlich sanitäre Anlagen enthielt. Atlan angelte sich eine Art Stuhl heran, stieg darauf und untersuchte den Grill, um ihn dann nach Lösen dreier Schrauben her auszunehmen. Ein wenig ratlos blickte er dann in die dunkle Öffnung dahinter. Um Arbeit vorzutäuschen, griff er vorsichtig hin ein. Ewig konnte der Spercoide ja auch nicht herumstehen und zusehen. Sicher würde er es bald leid werden und gehen. Er mußte wichtigere Aufgaben zu erledigen haben, als einen Monteur zu überwachen. Aber der Kerl blieb. »Hast du den Fehler gefunden?« fragte er. Atlan fühlte in sich den Haß emporstei gen, was bewies, daß seine menschliche Mentalität noch die Oberhand behielt und die beginnende Emotionslosigkeit in Schach hielt. Trotzdem war er sich darüber im kla ren, daß die Beharrlichkeit dieses Offiziers alles verderben konnte. Wenn er nicht bald verschwand, mußte er ihn unschädlich ma chen. Draußen auf dem Gang ertönte ein pfei fendes Signal. »Aufhören! Runterkommen! Vollzählig keitsappell! Du kannst dich später um die Reparatur kümmern …« Nun wußte Atlan, daß er sich entscheiden mußte. Die Gesichtspanzerung der Spercoi denrüstung war ziemlich stark, aber sie war keineswegs unzerstörbar. Außerdem genügte das kleinste Leck, den Insassen der Rüstung vergehen zu lassen. »Bin schon fertig«, sagte er und nahm sein Werkzeug fest in die rechte Hand. Dann sprang er mit beiden Beinen zu gleich vom Stuhl, federte von den Polstern des Lagers ab und nutzte den so erhaltenen Schwung, um dem Spercoiden das schwere Metallwerkzeug mit aller Wucht in das ge-
Clark Darlton panzerte Gesicht zu schmettern. Der Offizier war von dem plötzlichen An griff so überrascht, daß er keine Bewegung der Abwehr mehr machen konnte. Es gab ein leises Zischen, als entwiche irgendwo Atemluft, dann stürzte die schwarze Rüstung steif um. Um ganz sicher zu gehen, öffnete Atlan den Brustverschluß. Das Innere der Rüstung war, wie erwartet, absolut leer. Mühsam schleppte er das schwere Ding in den kleinen Nebenraum und schloß dann die Tür. Wenn jemand flüchtig in die Kabine selbst blickte, würde er kaum darauf achten, was sich im Bad befand. Nun wurde es aber höchste Zeit, ein Ver steck zu finden. Vorsichtig sah er hinaus auf den Korridor und hörte eine Menge ver schiedener Geräusche. Jeden Augenblick konnten Spercoiden auftauchen. Er hatte sich die unterschiedlichen Abzei chen an den schwarzen Rüstungen gut ge merkt und wußte daher, daß eine kleine Ver änderung an ihnen auch seinen Status als Monteur veränderte. Er gehörte dann zum Reinigungs- und Überwachungspersonal. Immerhin garantierte diese Aufgabe eine re lativ große Bewegungsfreiheit innerhalb des Schiffes. Er zog die Kabinentür wieder zu und nahm die kleine Veränderung an seinem Panzer vor. Es war leichter, als er gedacht hatte. Nach einem letzten Blick auf die ge schlossene Badtür trat er endgültig auf den Gang hinaus.
* Die BESCHEIDENHEIT befand sich be reits tief im Weltraum, als Atlan zum zwei ten Mal in eine heikle Lage geriet. Bisher war es ihm stets gelungen, gele gentlich auftauchenden Spercoiden auszu weichen. Mehrmals hatte er einen Lift benutzt und gelangte so in die tieferen Regionen des Schiffes. Hier wurde es ruhiger. Vielleicht war es das, was ihn weniger vorsichtig wer
Flucht in den Kerker den ließ, jedenfalls sah er sich plötzlich drei Spercoiden gegenüber, als er eine der vielen Türen seitlich des Ganges öffnete. Ein Rückzug wäre in dieser Situation un klug gewesen und hätte sofort Verdacht er regt. Also vollendete er die begonnene Be wegung, trat ein und schloß die Tür hinter sich. In der Hand hielt er noch immer sein Metallwerkzeug. »Was willst du hier?« herrschte ihn einer der Spercoiden an, den das Abzeichen als zum Reinigungskommando gehörig bezeich nete. Er war somit ein ›Kollege‹ Atlans. »Wir haben Pause.« Atlan schätzte die Anzahl des Reini gungspersonals auf mindestens zwanzig Per sonen. »Wir haben unsere Arbeit beendet«, sagte er vorsichtig. »Wollte mal sehen, was ihr macht.« Spercoiden kannten keine Gefühlsregun gen. Sich um andere zu kümmern, war schon beinahe zuviel. »Geh zurück in dein Quartier!« wurde er aufgefordert. »Dies ist nicht das deine.« Aha, sie bewohnten also zu dritt eine Ka bine, und diese hier war voll besetzt. Gut zu wissen. Wortlos wandte Atlan sich um und verließ den Raum. Er atmete erleichtert auf, als er die Tür hinter sich schloß. In diesen wenigen Sekunden hatte er eine Menge Nützliches er fahren können. Die Gefahr einer Entdeckung wurde dadurch jedoch nicht wesentlich ver ringert. Ein wenig später fand er eine Art Abstell raum, in der sich allerlei Gerümpel stapelte. Er wurde höchste Zeit, den Anzug für einige Stunden abzulegen, um seine Wirkung aus zuschalten. Hastig öffnete er ihn und schlüpfte heraus. Das Gefühl einer plötzli chen Befreiung von einem Alpdruck setzte sofort ein, allerdings auch der Hunger und der Durst. Aber das mußte in Kauf genom men werden. Er versteckte den leeren Anzug unter eini gen Kisten und suchte sich ein passendes Versteck, wo man ihn von der Tür aus nicht
13 so leicht sehen konnte. Dann legte er sich hin, um zu schlafen.
* Er wußte nicht, wie lange er geschlafen hatte, als ihn ein Geräusch weckte. Er blieb ganz ruhig liegen und hielt fast den Atem an. Ohne die Panzerung war er wieder ganz der »alte Atlan«. Trotzdem blieb er fest ent schlossen, einen Gegner notfalls zu töten, denn sein eigenes Leben hing davon ab, nicht entlarvt zu werden. Ein Spercoide mit dem gleichen Abzei chen wie er kam in den Raum und blickte suchend um sich. Zum Glück schien sich das, was er hier vermutete und brauchte, auf der anderen Seite der Kammer zu befinden, aber als er es nicht fand, sagte er ein paar Worte zu sich selbst und verschwand wie der. Ohne seinen Anzug konnte Atlan nur ein paar wenige Brocken der Sprache der Sper coiden auffangen und verstehen. Das genüg te manchmal. Hastig kroch er aus seinem Versteck und legte die Panzerung an. Die Verwandlung seiner Psyche war ihm durchaus bewußt, aber zum Glück verschwand sofort das na gende Hungergefühl. Als er die Schritte hörte, begann er damit, die chaotisch herumstehenden Kisten neu zu ordnen. Zwei Spercoiden betraten den Raum. Sie blieben an der Tür stehen. »Wir wurden beauftragt, hier Ordnung zu schaf fen«, sagte der eine von ihnen, ebenfalls vom Reinigungskommando. »Unsere Gruppe auch«, gab Atlan kalt zu rück. »Kann sein, daß ich mich im Raum ge irrt habe.« »Hilf uns, es schadet nichts. Wer bist du?« »Botosc.« »Von welcher Gruppe?« Atlan blieb keine Zeit zum Überlegen. Wenn er die falsche Antwort gab, war die Entscheidung schon da. »Gruppe drei.« »Wir sind Gruppe sieben – also, an die
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Arbeit!« Atlan wußte, daß ihn nur ein Zufall geret tet hatte, und es konnte nicht dauernd Zufäl le geben. Wenn eben möglich mußte er den Kontakt mit Spercoiden vermeiden. Auf der anderen Seite war es gut, einige von ihnen zu »kennen«. Also knüpfte er geschickt ein Gespräch an und erfuhr wiederum wertvolle Kleinigkeiten, die sich später als lebens wichtig erweisen sollten. Als der Abstellraum wieder einen ordent lichen Eindruck machte, ging man grußlos auseinander. Für Sentimentalitäten war unter Spercoiden kein Platz. Atlan beschloß, sich nun ein besseres Versteck zu suchen, wo die Gefahr einer Entdeckung geringer war. Außerdem würde es Alarm an Bord geben, wenn man die lee re Rüstung in der Gastkabine fand. Erneut machte er sich auf den gefährli chen Weg.
* Mehrmals begegnete er Spercoiden, aber zu seiner eigenen Verwunderung fühlte er sich nun wesentlich sicherer als vorher. Grußlos ging er an ihnen vorbei, als habe er wichtige Aufgaben zu erledigen und könne sich keinen Aufenthalt erlauben. Sie beach teten ihn auch nicht. In den Wohnetagen war es am ruhigsten. Nur zur Zeit der Wachablösung ging es hier etwas lebhafter zu, was Atlan jedoch immer weniger Kopfschmerzen bereitete. In der Hand trug er noch immer das Werkzeug, denn auch gelegentliche Reparaturen muß ten von »seiner Gruppe« ausgeführt werden. Tiefer und tiefer drang er in das Innere des Schiffes ein, bis er Mühe hatte, sich noch zurechtzufinden. Und immer öfter traf er leere und unbenutzte Räume an. Bald sah es so aus, als sei noch nie je mand in diesen Teil der BESCHEIDEN HEIT vorgedrungen. Er mußte ziemlich ab gelegen sein, obwohl die Räume an beschei dene Kabinen erinnerten. Vielleicht war die Besatzung früher größer als heute gewesen,
so daß dieser Sektor jetzt nicht mehr benö tigt wurde. Atlan beschloß, hier zu bleiben. Einige der Türen waren verschlossen, trotzdem fand er ein kleines Lager haltbarer Lebensmittelvorräte, von denen er einiges mitnahm. Wenn er den Anzug ablegte, wür de der Hunger wieder einsetzen. Endlich entschloß er sich für einen größe ren Raum, der mit Sicherheit seit Monaten nicht mehr betreten worden war, wie die dünne Staubschicht auf dem Boden bewies. Allerdings bestand die ganze Einrichtung nur aus einem leeren Regal, das an der rech ten Wand stand. Die Tür war von innen nicht zu verschlie ßen. Atlan entledigte sich hastig seiner Rü stung und stellte sie einfach gegen die Wand. Wie ein hungriger Wolf machte er sich kurz darauf über die Vorräte her und aß sich satt. Um nicht überrascht werden zu können, legte er sich quer vor die Tür, die sich nur nach innen öffnen ließ. Wenn jemand kam, was so gut wie ausgeschlossen schien, wür de er rechtzeitig gewarnt werden und konnte sich auf die Begegnung vorbereiten. Das Werkzeug war eine gewichtige Waffe. Er mußte fast zwanzig Stunden geschla fen haben, denn er fühlte sich frisch und ge stärkt, als er wach wurde. Diesmal weckte ihn aber kein verdächtiges Geräusch, son dern nur Hunger und Durst. Er mußte sich bald etwas trinkbares besorgen oder den An zug wieder anlegen. Er aß und überlegte, ob er noch warten sollte. Seiner Schätzung nach befand er sich nun schon mindestens zwei Tage an Bord der BESCHEIDENHEIT, es konnte also nicht mehr sehr lange dauern, bis sie ihr Ziel erreichte. Dann hörte er die schleichenden Schritte, die sich seinem Versteck näherten. So ging kein Spercoide! Atlan blieb keine Zeit mehr, den schüt zenden Anzug anzulegen, denn die Schritte machten genau vor seiner Tür halt. Ihm
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blieb nichts weiter übrig, als sich gegen die Wand neben der Tür zu pressen und abzu warten. Sein Werkzeug lag einige Meter ent fernt neben dem Panzer. Die Tür öffnete sich einen Spalt, dann langsam weiter. Ein seltsames Wesen lugte vorsichtig in den Raum und betrat ihn dann nach einigem Zögern. Da es wie fasziniert auf den leeren Panzer starrte, bemerkte es Atlan nicht, der nun dicht hinter ihm stand. Doch dann wandte es sich plötzlich um, die Augen in dem runden Kugelkopf weit aufgerissen. Das Entsetzen war unverkennbar.
3. Das Äußere konnte täuschen, wußte At lan. Immerhin trug das Wesen keinen Schutzanzug, war also auch kein Spercoide. Der hätte sich ohne den Anzug längst in Nichts aufgelöst. Handelte es sich vielleicht um den sogenannten Würdenträger, der auf dem Weg zu Sperco war? Aber warum schlich er dann im Schiff umher? Es waren zuviel Fragen, und es blieb kei ne Zeit, sie sich selbst zu beantworten. Atlan wußte, daß die Initiative bei ihm lag. Ohne einen Laut von sich zu geben, stürz te er sich auf den unverhofften Eindringling und warf ihn mit einem harten Schwung zu Boden. Mit dem Fuß stieß er gleichzeitig die Tür zu. Der sackförmige Fremde wehrte sich kaum, gab aber einige entsetzt klingende Laute von sich. Atlan konnte ihn nicht ver stehen, da er seinen Anzug nicht trug, außer dem war er nicht sicher, ob der Unbekannte die Sprache der Spercoiden gebrauchte. Er brachte es nicht fertig, das hilflose We sen zu töten, aber er wußte auch, daß es eine Gefahr für ihn bedeutete. Sollte er einen Weg der Verständigung suchen? Das schien ihm die beste Lösung zu sein. Er zog den um sich strampelnden Sack
mit Gliedmaßen über den Boden des Raumes bis hin zum Panzeranzug und machte ihm durch Gesten klar, daß er sich ruhig verhal ten sollte. Dann erst ließ er ihn los. Der so plötzlich überrumpelte blieb reglos liegen, die Augen noch immer weit aufgeris sen vor Schreck. Atlan nahm den Anzug und ging zur Tür, damit sein Gefangener nicht entweichen konnte. Dort erst zog er sich den Anzug über und kämpfte gegen die einsetzende Emoti onslosigkeit an. Er blieb an der Tür stehen. »Wer bist du und was willst du hier?« fragte er, nun wieder der Sprache der Sper coiden mächtig. Erytder wußte nicht, woran er war. Zum ersten Mal in seinem Leben glaubte er einen Spercoiden ohne seinen Anzug gesehen zu haben. Wahrscheinlich bedeutete das den Tod für ihn. Aber warum hatte der Spercoi de ihn dann nicht gleich umgebracht? Er schöpfte bei diesem Gedanken sofort neue Hoffnung. »Ich bin Erytder, der Diener meines Her ren.« »Wer ist dein Herr?« »Camauke, der Botschafter der Tekro then.« Atlan konnte sich nun einiges zusammen reimen, wenn vorerst auch noch alles pure Vermutung blieb. »Berichte, Erytder! Hab keine Furcht! Ich bin kein Spercoide.« Erytder bestätigte, daß er sich das bereits gedacht habe und fügte gleich hinzu, daß er die Spercoiden wie die Pest hasse, sein Herr übrigens auch. »Wollte dein Volk keinen Vertrag mit Sperco abschließen?« fragte Atlan. Nun erst berichtete das Erstfell, wie alles gekommen war. Atlan unterbrach den Te krothen nicht mehr und wartete, bis er zum Schluß kam. Er war überzeugt, die Wahrheit gehört zu haben. »Ich muß dich warnen«, sagte er deshalb. »In diesem Anzug besitze ich die negativen Psycho-Eigenschaften eines Spercoiden. Ich
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wäre also in der Lage, dich beim geringsten Anzeichen des Verrats zu töten. Dein Herr, du und ich sind in der gleichen Lage. Ist dir das klar?« Erytder beeilte sich zu versichern, daß er das durchaus begriffen habe und fügte hin zu: »Mein Herr Camauke und ich brauchen Hilfe, denn allein können wir gegen die Spercoiden nichts ausrichten. Der Komman dant Slosc ist entschlossen, uns zu Sperco zu bringen, wie es ja auch ursprünglich verein bart war. Aber wir haben unseren Entschluß geändert. Wir wollen zurück nach Valli schor. Würdest du uns dabei helfen?« »So gut ich kann«, versprach Atlan, ob wohl er keinen Rat wußte. »Ich werde hier bleiben, du kehrst besser zu Camauke zu rück und erstattest ihm Bericht. Vorher er klärst du mir den Weg zu euren Kabinen, damit ich ihn notfalls auch allein finde. Man sollte uns nicht zusammen sehen.« »Ich werde zurückkehren.« »Gut, aber laß dich nicht erwischen. Und warte einen vollen Tag, damit ich Zeit genug habe, gewisse Vorbereitungen zu treffen. Es erscheint mir besser, wenn ich ganz offiziell als Angehöriger des Reinigungstrupps zu euch gelange, das erweckt weniger Ver dacht.« »Mein Herr wird überglücklich sein«, be hauptete Erytder, obwohl er davon nicht so sehr überzeugt war.
* Erytder gelang es in der Tat, unbemerkt den Weg zum Wohnsektor zurück zu finden und war froh, als er die Tür hinter sich schließen konnte. »Wo hast du denn so lange gesteckt?« fauchte Camauke ihn wütend an und wälzte sich auf die andere Seite. »Willst du mir das vielleicht erklären?« »Oh, Herr, laß mich zu Wort kommen«, bat das Erstfell geduldig. »Ich war beim Kommandanten, aber er hat deine Forderung nach Rückkehr energisch abgelehnt. Er hat
mich wie einen Gefangenen behandelt, und ich kann froh sein, daß er mich nicht gleich einsperrte. Ich habe geredet und geredet, aber es hat nichts geholfen. Er wird uns zu Sperco bringen, ob wir wollen oder nicht.« Camauke begann zu jammern und sich und seine Aufgabe zu verfluchen. Als er auch noch damit begann, sich selbst zu be mitleiden, unterbrach ihn sein Diener re spektlos: »Ich bin noch nicht fertig mit meinem Be richt, Herr! Als ich hierher zurückkehren wollte, begegnete ich einem Fremden, der sich an Bord versteckt hält. Er ist bereit, uns zu helfen.« »Ein Fremder?« Camauke richtete sich halb auf, und in seinen Augen begann es zu funkeln. »Ein Gefangener?« »Jedenfalls scheint er nicht freiwillig an Bord des Schiffes zu sein, und die Spercoi den dürfen nichts von seiner Gegenwart er fahren, sonst ist er verloren – das wenigstens sagte er mir.« Camauke faßte sofort einen schmutzigen Entschluß, egoistisch und feige wie er war. »Sehr gut, mein lieber Erytder. Du weißt, wo dieser Fremde sich aufhält?« »Ja, ich kenne sein Versteck. Er wartet dort auf mich.« »Sehr gut!« wiederholte Camauke. »Du wirst sofort zum Kommandanten gehen und ihm berichten, daß wir einen blinden Passa gier an Bord entdeckt haben. Sage ihm, daß wir ihm das Versteck aber nur dann verra ten, wenn er sofort Kurs auf Vallischor nimmt.« Erytder starrte seinen Herrn entsetzt an. So listig und selbstsüchtig er auch sein konnte, an diese Möglichkeit hätte er nicht einmal im Traum gedacht. Zum ersten Mal betrachtete er Camauke mit anderen Augen. »Aber Herr! Das wäre Verrat an einem Verbündeten!« »Na und? Wir wären gerettet!« Erytder setzte sich auf den erstbesten Stuhl. Er sah Camauke an. »Nein!« sagte er nur. »Was, nein?«
Flucht in den Kerker »Ich werde nicht zum Kommandanten ge hen, und ich werde niemandem verraten, wo sich der Fremde verborgen hält.« »Du hast zu tun, was ich dir befehle!« Ca mauke wurde richtig wütend und setzte sich aufrecht hin. »Du gehst sofort, weil ich es dir befehle!« »Nein, ich gehe nicht!« Nun war der Botschafter der Tekrothen doch sprachlos. Ein Erstfell, das einem Viertfell den Gehorsam verweigerte, das hatte es noch nie gegeben. »Bist du verrückt geworden?« erkundigte er sich langsam. »Im Gegenteil, ich dachte noch nie so klar wie jetzt, Camauke.« Nun vergaß Erytder sogar die gewohnte Höflichkeit einem Viert fell gegenüber und zeigte keine Spur von Respekt mehr. »Der Fremde hat uns seine Hilfe angeboten, obwohl er mich hätte töten können. Er ist stark und sehr klug, hundert mal klüger jedenfalls als du! Wenn du auch nur den geringsten Versuch unternimmst, ihn an die Spercoiden zu verraten, be kommst du eine Tracht Prügel, die du nie in deinem Leben vergessen wirst. Hast du das verstanden, Camauke?« Der hohe Würdenträger starrte seinen Diener fassungslos an. Was jetzt geschah, war einfach unfaßbar und unmöglich. Das Erstfell verpfuschte sich sein ganzes Leben, denn jedes Aufrücken in eine höhere Kaste war nun zur Illusion geworden. Er konnte froh sein, wenn er nicht zu einem Nullfell wurde. »Du … du …!« »Schon gut«, unterbrach ihn Erytder und drückte ihn auf das Lager zurück. »Du bleibst ganz ruhig hier liegen und rührst dich nicht vom Fleck. Leider kann ich jetzt nicht mehr gehen, um den Fremden zu holen, denn du bringst es in deiner Dummheit fer tig, die Spercoiden zu alarmieren, weil du einfach nicht begreifst, worum es geht. Glaubst du denn im Ernst, Kommandant Slosc würde uns nach Vallischor zurück bringen, wenn wir ihm den Fremden auslie fern? Niemals würde er das tun!«
17 Camauke ergab sich in sein Schicksal. »Aber er würde mir wenigstens mehr zu essen geben«, gab er zu bedenken. Erytder stieß einen tiefen Seufzer aus und schwieg.
* Atlan ahnte nichts von der Auseinander setzung zwischen Herr und Diener. Er blieb in seinem Versteck und wartete die verabre dete Zeit ab. Als Erytder nicht mehr erschi en, wußte er mit Sicherheit, daß er durch die Umstände daran gehindert wurde. Er mußte also versuchen, allein den Weg zur Suite des Würdenträgers zu finden. Noch einmal aß er sich satt, ohne seinen brennenden Durst stillen zu können, dann verließ er sein Versteck, nachdem er den Anzug angelegt hatte. Die Beschreibung des Tekrothen war dürftig und ungenau, das konnte er schon nach einigem Umherirren feststellen. Ihm wurde klar, daß er ohne Hilfe jenen Teil des Wohnsektors nicht finden würde, in dem sich seine neuen Verbündeten aufhielten. Aber wer sollte ihm schon helfen? Reinigungstrupp 7! Der Gedanke kam wie eine Erlösung. Nach einigem Suchen fand er die Quartie re des Kommandos und studierte die Sym bole an den Türen. Er fand die 7 sofort und drückte ent schlossen die Tür auf. Als er den Raum be trat, blickten ihm zwei Spercoiden mit dem Abzeichen des Reinigungskommandos ent gegen. Wenigstens wandten sich ihre un kennbaren Gesichter ihm zu. »Was willst du?« fragte der eine von ih nen. »Ich bin Botosc, ein Neuer an Bord und wurde euch jetzt zugeteilt.« »Gut, dann sind wir vollzählig. Dort ist dein Platz.« Er deutete auf eine unbenutzte Lagerstätte, von denen es drei in der geräu migen Kabine gab. »In zwei Stunden haben wir einen Auftrag.« Atlan setzte sich und wagte nicht zu fra
18 gen, um welchen Auftrag es sich handele. Die beiden Spercoiden kümmerten sich nicht mehr um ihn und gingen ihren eigenen privaten Beschäftigungen nach. Er streckte sich auf dem Lager aus. Es war gut, daß er die Gewohnheiten der Sper coiden einigermaßen kennengelernt hatte und ungefähr wußte, wie er sich verhalten mußte, um nicht sofort aufzufallen. Früher oder später würden sie aber bestimmt fra gen, ob er ohne Gepäck gekommen sei, ob wohl er sich nicht vorstellen konnte, was je mand mit Gepäck anfangen wollte, der sei nen Anzug nicht ablegen konnte. »Es ist soweit!« sagte einer der Spercoi den und rüttelte an seiner Schulter. Atlan mußte eingeschlafen sein. Er schrak hoch, erfaßte aber seine Situation sofort. Er stand auf und folgte seinen beiden Stubenge nossen auf den Gang. Sie sprachen kein Wort miteinander, ließen das Quartier und einige Gänge hinter sich und benutzten zweimal den Lift. Atlan zerbrach sich den Kopf, welchen Auftrag sie wohl hatten, aber er wollte sie auch nicht danach fragen. Woher sollst du es wissen? fragte sein Ex trasinn. Du bist neu! Natürlich, das war es! Er hatte sich ihnen doch selbst als neu zugeteilt vorgestellt. Wo her sollte er also wissen, welchen Auftrag sie erhalten hatten? »Wohin gehen wir?« fragte er, als sie in einen breiten Korridor einbogen, der ihm be kannt vorkam. »Gastkabinen müssen in Ordnung ge bracht werden«, lautete die knappe Antwort. »Unmittelbar neben der Suite für bevorzugte Passagiere.« Atlan fuhr der Schreck in die Glieder. Denn in einer der Gastkabinen lag der leere Anzug eines Spercoiden, dessen Gesichtsteil zerschmettert worden war. Aber bei der Sui te für bevorzugte Kabinen konnte es sich nur um das Quartier der Tekrothen handeln. Vielleicht konnte er sich während der bevor stehenden Arbeiten unauffällig entfernen und so den neuen Verbündeten Erytder und
Clark Darlton seinen Herren wiederfinden. Er achtete nun noch mehr auf den Weg als vorher, um sich im Notfall allein zurechtfin den zu können. Vorerst bestand jedoch noch keine Möglichkeit, sich legitim zu entfernen. Seine Begleiter würden sofort Verdacht schöpfen. Die Reinigung der Kabinen erfolgte mit Hilfe automatischer Geräte, die jedoch von Hand bedient werden mußten. Es war keine schwere Arbeit, und sie ließ Zeit zu Überle gungen. Da kaum gesprochen wurde, war das kein Problem. Wenn man nach Erytder das Volk der Te krothen beurteilen wollte, so mußte es sich um ein harmloses und friedliches handeln, das nur aus der Angst vor endgültiger Ver nichtung heraus beschlossen hatte, mit dem Tyrannen einen Pakt abzuschließen. Wahr scheinlich bedeutete dieser Pakt auch keinen Unterschied, aber dann fand die allmähliche Vernichtung legal statt. Sperco legte also doch noch Wert auf gewisse Legalität in der Politik. Das war interessant zu wissen. Aber auch allein aus diesem Grund würde es gut sein, den Pakt zu verhindern, wenn man den Tekrothen helfen wollte. Nur mit Mühe drängte Atlan bei seinen Überlegungen den negativen Psychoeinfluß zurück, der die Oberhand zu gewinnen trachtete. Als Spercoide würde er nicht im Traum daran denken, einem anderen Volk Hilfe zu gewähren. Er mußte unter allen Umständen Atlan bleiben. Nach der vierten Kabine sagte einer der Spercoiden: »Botosc, du kannst ins Quartier zurück kehren. Den Rest schaffen wir allein.« Atlan war zu überrascht, um Fragen zu stellen. Die beiden mochten ihre Gründe ha ben, den Rest der Arbeit allein zu erledigen. Jedenfalls befand sich jene Kabine, in der er den Spercoiden getötet hatte, in einem ande ren Sektor. So schnell würden sie ihn nicht entdecken. Grußlos ging er und schloß die Tür. Als er den breiten Korridor erreichte, der ihm schon beim Hinweg aufgefallen war,
Flucht in den Kerker sagte ihm ein einfaches Rechenexempel, daß hier die Suite sein mußte. Sie grenzte unmit telbar an die normalen Gastkabinen. Aber es gab mehrere Türen auf der linken Seite. Gegenüber war nur die glatte Wand. Aus einer Eingebung heraus – sie kam vom Extrasinn – wählte er die mittlere, die zugleich auch am breitesten war. Sie war die richtige. Als er sie öffnete, stand der sackförmige Erytder vor ihm. Aber Erytder hielt ihn natürlich für einen Spercoiden. »Mein Herr, der Botschafter von Valli schor, verspürt Hunger«, sagte er. »Und Durst!« fügte er mit Nachdruck hinzu. Atlan trat ein und zog die Tür hinter sich zu. »Ich auch«, sagte er. »Erschrick nicht, Erytder! Ich bin es, euer Freund. Ist das dort dein Herr?« »Ja, er ist es«, bestätigte der Tekrother. Atlan stellte bei sich fest, daß der Wür denträger fast doppelt so dick war wie sein Diener. Camauke richtete sich ein wenig auf, als Atlan an sein Lager trat. Sein Blick wander te zu Erytder. »Er trägt den Panzer eines Spercoiden«, jammerte er. Erytder bemühte sich, ruhig zu bleiben. »Das habe ich dir doch bereits erklärt, Ca mauke. Er trägt ihn nur, damit er nicht er kannt wird. Wann wirst du das endlich be greifen.« Er wandte sich an Atlan. »Du mußt wissen, daß er unter der jetzigen Situation ein wenig gelitten hat. Er vergißt alles, ist voller Furcht um sein Leben und vergeht fast vor Hunger. Er ist zu einem richtigen Nullfell geworden.« Camauke richtete sich protestierend auf, sank aber sofort wieder stöhnend in die Pol ster zurück. »Sehr richtig, ich bin halb verhungert«, murmelte er voller Selbstmitleid. Atlan konnte sich nicht vorstellen, daß dieser Tropf Vertreter eines Sternenreichs sein sollte, aber andere Völker haben nun
19 einmal andere Sitten. Er hätte sich Erytder viel eher als Repräsentant vorstellen können. »Ich bin bereit, euch zu helfen«, sagte er, um keine weitere Zeit zu verschwenden, »aber ich habe nicht die geringste Ahnung, wie. Vor allen Dingen müßt ihr mich hier verstecken, weil ich von Zeit zu Zeit den Anzug ablegen muß. Das hat bestimmte Gründe, die ich dir, Erytder, schon erklärte. Vor allen Dingen möchte ich verhindern, daß man euch zu Sperco bringt, denn das würde den endgültigen Untergang eures Volkes bedeuten.« »Ich will zurück nach Vallischor!« rief Camauke aus. »Mir wird ein Weg einfallen«, versprach Atlan und winkte Erytder zu sich. »Hat diese Suite einen Raum, in den ich mich zurück ziehen kann? Wir können uns auch ohne diesen Anzug unterhalten, wenn auch nicht so schnell und fließend.« »Die Suite hat fünf Räume, also Platz ge nug.« Die nun schon gewohnte Erleichterung trat sofort ein, als er den Anzug auszog. Im Bad der Suite gab es Wasser. Er trank sich regelrecht satt und kehrte dann zu Camauke und Erytder zurück. »Erzählt mir mehr von eurem Volk«, bat er. Camauke sprach nur wenig, aber Erytder berichtete nun ausführlich von den Verhält nissen auf Vallischor und den Drohungen der Spercoiden. Je mehr Atlan erfuhr, desto entschlossener wurde er, den beiden zu hel fen, obwohl er davon überzeugt war, nur ei ne Galgenfrist für die Tekrothen zu errei chen. Früher oder später würde Sperco ein neues Ultimatum stellen oder sogar das Ster nenreich angreifen lassen. An der Tür waren Geräusche. Jemand versuchte von außen, sie zu öffnen. Atlan sprang auf und rannte in den Ne benraum. Er sah sich nach einer Waffe um, konnte aber nichts Geeignetes finden. Die Zwischentür ließ er angelehnt. Erytder ließ sich Zeit. Erst als er Atlan in Sicherheit wußte, öffnete er die Tür zum
20 Korridor. Zwei Spercoiden schoben ihn bei seite und betraten den Hauptraum der Suite. Der eine von ihnen trug ein Tablett mit Spei sen, der andere einen Krug. »Nur noch eine Mahlzeit am Tag«, sagte der mit dem Krug und stellte ihn auf den Tisch. Der andere entledigte sich seines Ta bletts. »Der Kommandant läßt fragen, ob in zwischen ein Sinneswandel eingetreten ist.« »Wir wollen zurück nach Vallischor«, sagte Camauke von seinem Lager her. »Daran wird sich nichts ändern.« Der Spercoide ging überhaupt nicht dar auf ein. »Wir werden in drei Tagen das Haupt quartier Spercos erreichen«, teilte er ledig lich mit und ging zur Tür. Sein Begleiter folgte ihm, sehr zur Erleichterung Atlans, der das Gespräch belauschte. »Der Kom mandant hat angeordnet, daß ihr die Kabi nen bis dahin nicht mehr verlassen dürft.« Die Tür schloß sich hinter ihnen. Atlan kam aus dem Nebenraum. »Praktisch haben sie euch zu Gefangenen gemacht«, sagte er und setzte sich, während Erytder ohne Rücksicht auf den hohen Rang seines Herren die Speisen gerecht aufteilte und auch Atlan anbot, der jedoch dankend ablehnte. Er bat nur um einen Schluck Wein. »Damit ändert sich die Situation aber kei neswegs. Ihr wart von Anfang an Gefange ne.« Während Erytder und Atlan sich unter hielten, stopfte Camauke seine Ration in sich hinein. Als er damit fertig war, machte er ein verzweifeltes Gesicht und jammerte: »Davon soll ich satt werden und es bis morgen aushalten? Dieser Slosc ist ein Sa dist, und das werde ich Sperco auch sagen.« »Sperco? Ich dachte, du wolltest ihn nicht sehen«, wunderte sich Erytder. »Was willst du nun eigentlich?« »Zurück nach Vallischor …« Die Tekrothen, das wußte Atlan nun mit Sicherheit, waren rettungslos verloren, wenn Camauke den Vertrag mit Sperco unter schrieb. Er würde auf jede diktierte Bedin gung eingehen, wenn man ihm nur genug zu
Clark Darlton essen gab. Dafür würde er sein Volk beden kenlos verraten. Auf der anderen Seite tat ihm der Dicke leid. Darauf war jedoch nur in zweiter Linie Rücksicht zu nehmen. Die Hautsache war und blieb, daß die beiden Unterhändler Sperco niemals zu Gesicht bekamen. Um dieses Ziel zu erreichen, das war At lan klar, würde er ein großes Risiko einge hen müssen. Die Zeit drängte, denn in drei Tagen würde es zu spät sein. Nur eine er zwungene Zwischenlandung konnte die Ka tastrophe für die Tekrothen verhindern. Eine Notlandung vielleicht …? Atlan war in den Nebenraum zurückge kehrt und hatte sich auf dem einfachen La ger ausgestreckt. Er schloß die Augen, um besser nachdenken zu können. Der Plan mußte fertig sein, ehe er den Anzug wieder anlegte. Wie sollte er den Kommandanten dazu bewegen, eine Zwischenlandung vorzuneh men? Nein, dazu bewegen konnte er ihn nicht, aber vielleicht zwingen. Er mußte seine relative Freiheit an Bord der BESCHEIDENHEIT ausnützen und ver suchen, den Antrieb des Schiffes so zu be schädigen, daß eine Reparatur im Raum un möglich wurde. Die Beschädigung durfte dann allerdings wiederum nicht so stark sein, daß es zu einem Wrack wurde. Drei Tage waren nicht viel Zeit … Wäh rend er den Anzug überstreifte, sagte er zu Erytder: »Ich will versuchen, eine Lösung zu fin den, aber ich kann sie euch noch nicht ver sprechen. Verhaltet euch ruhig und verlaßt die Suite nicht. Achte darauf, daß dein Herr nicht die Dummheit begeht, den Komman danten sprechen zu wollen, das würde den Verdacht nur auf euch lenken.« »Welchen Verdacht?« Atlan lächelte. »Das weiß ich selbst noch nicht«, erwi derte er geheimnisvoll und bat ihn, einen Blick auf den Korridor zu werfen. Als Eryt der ihm mitteilte, daß niemand zu sehen sei,
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nickte er ihm zu und huschte hinaus auf den Gang. »Ich komme bald zurück«, flüsterte er ihm noch zu, ehe er davonging. Es fiel ihm nicht schwer, Quartier Nr. 7 wiederzufinden.
* Seine beiden »Kollegen« vom Reini gungskommando wollten natürlich wissen, wo er so lange gesteckt hatte. »Ein Offizier hielt mich an und befahl mir, in seiner Kabine die Klimaanlage zu überprüfen, was einige Zeit beanspruchte. In der Tat hatte sich eine der Lüftungsklappen verklemmt.« »Sie haben immer wieder Arbeit für uns«, sagte der eine Spercoide mürrisch. »In drei Stunden müssen wir 'runter in den Maschi nenteil. Schlaf dich ein wenig aus, kann nämlich lange dauern.« »Was sollen wir dort?« fragte Atlan, als er auf dem Bett lag. »Eine Reparatur, nehmen wir an. Wir ha ben zu wenig ausgebildetes Wartungsperso nal, da müssen wir öfter helfen. Kennst du dich mit dem Antrieb aus?« »Eigentlich nicht besonders«, gab Atlan wahrheitsgemäß zu. »Macht nichts, sie teilen bei solchen Ar beiten immer noch einen Spezialisten ein, der uns beaufsichtigt und anleitet.« »Dann kann ja nicht viel passieren«, meinte Atlan und schloß die Augen. Maschinenteil also! Das war vielleicht die Chance, auf die er wartete. Aber wenn er dort einen Sabotageakt verübte, durfte kein Verdacht auf ihn fallen, sonst war er verlo ren. Eine Bombe mit Zeitzünder an der rich tigen Stelle – das wäre die ideale Lösung. Wie aber sollte er zu einer Bombe kom men? In diesen drei Stunden schlief er kaum, dazu war er viel zu erregt. Er war froh, als es endlich soweit war. Zusammen mit seinen Kabinengenossen verließ er das Quartier und gelangte dann mit dem Lift in die tiefer
gelegenen Regionen des Schiffes. Spercoiden mit den Merkmalen der Offi ziere ließen sich hier unten nicht blicken, da für um so mehr Wartungspersonal. Einer der Truppführer wies ihnen den Weg. Seine beiden Begleiter schienen sich in diesem Teil des Schiffes ebensowenig aus zukennen wie er, das war beruhigend. So fiel seine Unkenntnis nicht weiter auf. Ein Spercoide vertrat ihnen den Weg. »Seid ihr vom Reinigungskommando?« Sie bejahten das. »Gut, dann kommt mit. Eine der Zuleitun gen ist undicht, sie muß ersetzt werden. Dreckige Arbeit, das Richtige für euch.« Er ging voran und führte sie durch ver schiedene Gänge. Aufmerksam studierte At lan die Inschriften auf den Türen, die rechts und links zu unbekannten Räumen führten. Die meisten Schilder deuteten auf Lager und Vorräte hin, einige auch auf Ersatzteile. Der ersehnte Hinweis auf ein Waffenlager fehlte. Durch die beschädigte Leitung wurde eine zähe Flüssigkeit gepumpt, die an Schmieröl erinnerte. Die Pumpe war abgestellt worden, aber man schien den Schaden zu spät be merkt zu haben. Der ganze Boden des Raums war glitschig und verschmutzt. Das etwa zwei Meter lange Ersatzrohr lag schon bereit. Ohne zu reden, machten sie sich an die Arbeit, die zum Glück keine besonderen Fachkenntnisse erforderte. Unter der Auf sicht des fremden Spercoiden lösten Atlan und seine beiden Begleiter die Verschrau bungen, nahmen das undichte Rohrteil her aus und bauten das Ersatzstück ein. Sie brauchten dafür knapp eine halbe Stunde. »Reinigen könnt ihr den Raum auch ohne mich«, sagte der Aufseher, nachdem er eine Inspektion vorgenommen hatte, die zu seiner Zufriedenheit ausfiel. »Holt euch, was ihr dazu benötigt.« Trotz der halbwegs funktionierenden Au tomation war das Saubermachen alles ande re als angenehm. Das ausgelaufene Öl war bis in die äußersten Ecken vorgedrungen und schwer zu beseitigen. Zum ersten Mal
22 konnte Atlan bei seinen »Kollegen« Unzu friedenheit feststellen. Endlich waren sie fertig. »Wir gehen zurück ins Quartier«, sagte einer von ihnen zu Atlan. »Du kannst inzwi schen dem Aufseher melden, daß der Raum gereinigt wurde. Jeder wird dir sagen, wo er wohnt.« Damit gingen sie, ohne eine Antwort ab zuwarten. Atlan konnte das nur recht sein. Der Zu fall half ihm abermals, denn er konnte sich keine bessere Gelegenheit wünschen, sich weiter in diesem Teil des Schiffes umzuse hen, ohne Verdacht zu erregen. Mit schnellen und sicheren Schritten, so als habe er ein bestimmtes Ziel, wanderte er die Gänge entlang und studierte erneut die Hinweisschilder. Sie waren dazu angetan, seinen Optimismus nicht einschlafen zu las sen. Ersatzteile für Handstrahlwaffen …! Damit ließ sich zwar nichts anfangen, aber es bestand die Hoffnung, daß er sich nun den waffentechnischen Lagerräumen näherte. Einmal begegnete ihm ein Spercoide, der eine Kiste schleppte. Es wurde kein Wort gewechselt. Seine Schritte verhallten im Korridor. Der Boden unter Atlans Füßen vibrierte und verriet die Nähe arbeitender Maschinen. Die Klimaanlage? Oder der Antrieb selbst? Sprengstoff! Die Aufschrift verriet es nur allzu deut lich, ein Irrtum war ausgeschlossen. Die Tür war offen, wie alle Türen an Bord der BESCHEIDENHEIT. Hastig trat Atlan in den halbdunklen Raum und zog die Tür hinter sich zu. Wenn er hier überrascht wurde, mußte er sich schnell eine glaubhafte Ausrede einfallen lassen. Oder er mußte den unbequemen Fra ger erledigen. Sein Leben hing davon ab. In Kisten und langen Regalen lag der Sprengstoff in verschiedensten Formen ge stapelt. Die Aufschriften verrieten den Zweck der einzelnen Ausführungen und ga-
Clark Darlton ben auch die Stärke der Sprengwirkung an. Atlan war auf eine Schätzung angewiesen, und natürlich auch auf die Größe. Der Sprengsatz mußte klein genug sein, um ihn im Anzug verstecken zu können. Kein Sper coide würde je auf die Idee kommen, den Anzug eines anderen zu öffnen. Nach längerem Suchen fand Atlan eine Kiste mit der Aufschrift: Zeitzünder. Die an gegebene Sprengwirkung entsprach etwa der, die er sich vorstellte. Günstig war auch die Plattenform der kleinen Bomben. Zwei davon ließen sich bequem innerhalb einer Rüstung unterbringen. Als er die Verschlüsse einschnappen ließ, wurde die Tür geöffnet. Ein Spercoide betrat den Raum und blieb mit einem Ruck stehen. Atlan überwand die Schrecksekunde er staunlich schnell. Ohne den Eindringling zu beachten, ging er an ihm vorbei zur Tür und wollte den Raum verlassen. Aber der Sper coide schien zu einer neugierigen Sorte zu gehören. Er hielt ihn am Arm fest. »Du bist vom Reinigungskommando! Was hast du hier zu suchen?« »Man sagte mir, Aufseher Karosc sei hier. Ich wollte ihm melden, daß wir die Repara turarbeiten durchgeführt haben.« »Karosc! Nie gehört! Wer hat dir die Aus kunft gegeben?« »Ich kenne seinen Namen nicht. Er schickte mich hierher, aber ich habe Karosc nicht gefunden.« Der andere schien unsicher zu werden und trat ein wenig zur Seite. Auch ließ er Atlans Arm endlich los. »Frage vorn bei den Liften nach ihm«, rief er schließlich. »Gut, das werde ich tun.« Atlan atmete erleichtert auf, als er auf dem Gang stand. Das hätte schiefgehen kön nen. Aber das, was er gesucht hatte, trug er nun bei sich. Die Frage allerdings, wo er die beiden Bomben anbringen sollte, blieb vor erst offen. Die wichtigen Antriebsräume la gen ein oder zwei Etagen tiefer. Bevor er den Lift erreichte, meldete er ei
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nem Angehörigen des Wartungspersonals die erfolgte Reinigung des Raumes, in dem die Leitung undicht gewesen war. Wenig später war er wieder in Quartier 7. Seine beiden »Kollegen« schliefen fest.
* Er legte sich hin und entspannte sich. Aber kaum ließ seine psychische Konzentra tion nach, meldete sich wieder der Spercoide in ihm: Warum gehst du dieser Tekrothen wegen ein so hohes Risiko ein und gefährdest deine eigene Aufgabe? Kümmere dich um deine ei genen Angelegenheiten, da hast du genug zu tun … Auf seiner Haut konnte er die beiden fla chen Sprengkörper spüren. Sie waren es, die ihm die Kraft gaben, der Spercoidenpsyche nicht zu erliegen. Außerdem war er müde genug, um einige Stunden schlafen zu kön nen. Bis ihn ein neuer Auftrag des Komman dos weckte. Leider war es wieder nicht der Antrieb, zu dem sie geschickt wurden, aber wenigstens bot sich danach die Möglichkeit, unauffällig zu verschwinden. Er nahm sich fest vor, nicht mehr ins Quartier Nr. 7 zurückzukeh ren. Er war sicher, nun allein zurechtzukom men. Auf allerlei Umwegen gelangte er schließlich doch in die unterste Etage und begegnete prompt einem dort herumlungernden Aufseher, der ihn anhielt. »Wer schickt dich?« wurde er barsch ge fragt. »Karosc.« »Wer ist das? Ein Waffenoffizier?« »Ja. Natürlich.« »Ich kenne ihn nicht. Was sollst du hier?« »Mit der Leitung zur Feuerleitzentrale stimmt etwas nicht. Karosc meint, daß sie an den Kontaktstellen verschmutzt ist. Ich soll das überprüfen.« »Was hat der Antriebssektor damit zu
tun?« erkundigte sich der Spercoide miß trauisch. »Es handelt sich um eine Direktleitung. Jene zur Kommandozentrale ist in Ord nung.« Atlan hoffte im stillen, daß so wich tige Verbindungen auch in den Schiffen der Spercoiden existierten. Wenn nicht, konnte die Sache mulmig werden. »Bei einem über raschenden Angriff muß die Feuerleitzentra le in der Lage sein, dem Antrieb direkte An weisungen zu geben.« »Als ob ich das nicht wüßte!« verbarg der Spercoide seine Unkenntnis. »Melde mir, wenn der Schaden behoben ist.« Atlan bestätigte und ging weiter. Er hatte Glück gehabt. Ungeniert drang er nun immer weiter in den Antriebssektor vor. Hier unten wimmel te es von Spercoiden, die den verschieden sten Tätigkeiten nachgingen. Niemand ach tete auf den anderen, und keiner von ihnen hielt Atlan an. »Überlichtantrieb« besagte ein Schild an einer metallenen Tür und ließ Atlan anhal ten. Ein Gedanke durchzuckte ihn. Wenn der Überlichtantrieb ausfiel, würde die BE SCHEIDENHEIT ihr Ziel nicht so schnell erreichen. Ein anderes Schiff mußte ihr zu Hilfe eilen, oder es mußte versucht werden, den Schaden im Raum oder auf einem Pla neten zu beheben. Wenn allerdings kein ge eignetes System in unmittelbarer Nähe war … Es hatte wenig Sinn, über die Konsequen zen nachzudenken. Die Sterne standen in diesem Sektor der unbekannten Galaxis ziemlich dicht, so daß die Chancen eines na hen Planeten recht groß waren. Atlan drückte gegen die Tür, die sich so fort öffnen ließ. In dem großen Raum standen mächtige Maschinenblöcke, die den Überlichtantrieb bargen. Die Frage war nur, ob die beiden re lativ kleinen Sprengkörper die dicke Panze rung durchbrechen konnten. Es war erstaunlich, daß sich kein Spercoi de hier aufhielt. Wahrscheinlich arbeitete die
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Anlage vollautomatisch und benötigte kaum eine Wartung. In aller Ruhe suchte Atlan eine empfindli che Stelle, die sich ihm in Form eines Ver teilers bot, der die einzelnen Maschinen mit einander verband. Wenn diese Querverbin dungen unterbrochen wurden, mußte der ge samte Überlichtantrieb ausfallen.
* Atlan besaß genügend technische Kennt nisse und das dazugehörige Einfühlungsver mögen, um auch mit dem Produkt einer ihm fremden Entwicklung fertig werden zu kön nen, zumal die Unterschiede nicht sonder lich groß waren. Da bei der zu erwartenden Explosion auch Teile des eigentlichen Antriebs beschädigt wurden, würde eine längere Reparatur not wendig sein. Wahrscheinlich konnte sie nur in einem Hangar ausgeführt werden, auf kei nen Fall aber im Raum selbst. Er holte die beiden flachen Pakete aus der Rüstung. Wenn man den aufgedruckten An gaben trauen konnte, würde die Detonation zwei Stunden nach dem Scharfmachen erfol gen. Eine Zeiteinstellung war nicht vorhan den. Zwei Stunden …? Das mußte genügen. In zwei Stunden war er längst wieder bei Erytder und Camauke. Dort würde man den Saboteur zuletzt ver muten, wenn überhaupt der Verdacht einer Sabotage auftauchte. Einen der Sprengkörper versteckte er mit ten im eigentlichen Verteiler, der mit Sicher heit total zerfetzt würde. Den anderen brach te er an der Wandung eines Maschinen blocks an, hinter dem das Summen und Vi brieren volle Leistung vermuten ließ. Dann drückte Atlan die beiden Feuerknöpfe fast gleichzeitig ein. Die Detonationen würden rasch hintereinander erfolgen. Vorsichtig öffnete er die Metalltür und blickte hinaus auf den Gang. Es war nie mand zu sehen. Es war von äußerster Wich tigkeit, hier unten keinem Spercoiden mehr
zu begegnen. Mit dem Lift erreichte er das gewünschte Stockwerk, in dem die Suite der Tekrothen lag. Er drückte die Tür auf und sah in das gespannte Gesicht Erytders, der sichtlich verwirrt schien. Erst als Atlan sich zu erken nen gab, glätteten sich die Falten. »Sie haben Camauke geholt, Slosc will mit ihm reden.« Atlan zog die Rüstung aus. »Das ist keine schlechte Nachricht, denn wer beim Kommandanten ist, kann nicht gleichzeitig woanders sein.« »Das verstehe ich nicht«, gab Erytder zu. »Bald wirst du es verstehen«, prophezeite Atlan und überlegte, ob er dem Tekrothen reinen Wein einschenken sollte. Die Gele genheit war insofern günstig, als Camauke nicht zuhören konnte. »Setz dich zu mir, ich habe dir einiges zu berichten ….«
4. »Und das soll nach Plan verlaufen?« Eryt der hatte mehrere Minuten geschwiegen, als Atlan ihm alles berichtet hatte. »Wenn nun nichts Lebenswichtiges zerstört und das Schiff nach dem Saboteur durchkämmt wird. Ich glaube nicht, daß sie unsere Kabinen da bei übersehen werden.« »Na, und wenn schon? Ich bin vom Reini gungsdienst, ihr habt mich angefordert.« »Du bist sehr zuversichtlich. Ich frage mich nur, was Camauke dazu sagt.« »Er muß es vorerst nicht erfahren. Warten wir ab, was Slosc von ihm gewollt hat.« Atlan legte sich auf sein Bett. Erytder war sichtlich beunruhigt. Die Un gewißheit machte ihm arg zu schaffen. Hin zu kam die Furcht, Camauke könnte dem Kommandanten etwas über Atlan verraten, um seine eigene Position zu verbessern. Bei dem labilen Charakter des Viertfells war mit dem Schlimmsten zu rechnen. Die zwei Stunden würden lang werden. Als Camauke endlich eintraf, war erst ei ne Stunde vergangen. Erytder begann ihn sofort auszufragen,
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aber der Dicke winkte ermattet ab. »Nichts Neues, Erytder. Er hat mir nur noch einmal eingeredet, wie günstig sich ein Vertrag mit Sperco für uns auswirken wür de. Ich war es leid, ihm zu widersprechen und brachte auch meinen Wunsch, nach Val lischor zurückgebracht zu werden, nicht noch einmal vor. Es wäre sinnlos gewesen. Außerdem bekommen wir ab sofort wieder zwei Mahlzeiten am Tag.« Erytder sah ihn forschend an. »Ohne Ge genleistung?« wunderte er sich gedehnt. »War es nicht Gegenleistung genug, ihm ständig zuzustimmen?« »Kein Wort über unseren Freund, der sich hier versteckt hält?« Das stritt Camauke energisch ab, und At lan, der das Gespräch mitanhörte (es wurde in der Sprache der Spercoiden geführt), glaubte sogar seinen Versicherungen. Au ßerdem wären die Spercoiden dann auch gleich mitgekommen, um ihn festzunehmen. Erytder wartete, bis sein Herr sich wieder niedergelegt hatte, dann kam er zu Atlan. »Er hat den bequemsten Weg gewählt«, flüsterte er ihm zu. »Ist das richtig?« »Ich glaube schon. Weiterer Widerstand wäre zwecklos gewesen. Ihr wart schon stör risch genug. Aber in einer knappen Stunde wird Slosc ganz andere Probleme haben – hoffe ich.« »Ich wollte, ich wäre auf Vallischor ge blieben«, gab Erytder offen zu und zog sich wieder zurück.
* Unter seiner Rüstungsmaske hatte der Kommandant für den scheidenden Camauke nur ein spöttisches Lächeln übrig. Mit dem würde Sperco leichtes Spiel haben, davon war er überzeugt. Der Vertrag würde wider standslos unterschrieben werden. Er widmete sich wieder seinen Aufgaben als Kommandant der BESCHEIDENHEIT und nahm Sichtkontakt zur Führungszentrale auf. Man näherte sich einem Sonnensystem, das man in geringer Entfernung streifen
würde. Slosc zog die Karten zu Rate. Aha, ein unbewohntes und unbedeutendes System mit einigen Planeten, von denen einer allerdings erste Spuren primitiven Lebens zeigte. Er würde sich gut als Siedlerwelt eignen. Oder als Strafplanet, dachte Slosc grim mig. Um den Antrieb nicht zu überlasten, hatte er die Geschwindigkeit auf zehnfach Licht zurücknehmen lassen. Ausgerechnet diese Vorsichtsmaßnahme verhinderte die Kata strophe, die dem größten Teil der Besatzung wahrscheinlich das Leben gekostet hätte, doch das stellte sich erst später heraus. Aber auch so war die Wirkung der beiden Spreng sätze verheerend genug. Slosc schrak zusammen, als die Explosion das Schiff bis in die letzten Fugen erschüt terte und auf dem Bildschirm der Rückfall unter Lichtgeschwindigkeit zu erkennen war. Für einige Augenblicke saß er starr in sei nem Sessel und versuchte, das schier Un glaubliche in sich aufzunehmen. Natürlich gab es immer wieder technische Unfälle auf den Schiffen des Imperiums, aber daß sich ausgerechnet auf dem seinen ein solcher er eignete, konnte und wollte er nicht so schnell begreifen. Die Alarmsirene weckte ihn aus seinen Gedanken. Mit wenigen Knopfdrücken stellte er die Verbindungen zu den wichtigsten Abtei lungsleitern her. »Explosion unbekannter Ursache im An triebsraum für LG«, meldete die Technik. »Der Normalantrieb ist unbeschädigt.« »Mit Unterlicht ist der nächste Planet in wenigen Stunden zu erreichen«, gab die Astronautik bekannt. »Die für die Reparatur benötigten Ersatz teile müssen angefordert werden«, schaltete sich die Abteilung Reparatur ein. »Alle Sektionen des Schiffes abgerie gelt«, teilte die Sicherheitsabteilung mit. Slosc nahm die einzelnen Meldungen mit steigender Nervosität entgegen. Für ihn war
26 klar, daß es sich nicht um einen technischen Fehler in der Antriebsanlage handeln konn te. Jemand an Bord der BESCHEIDENHEIT war ein Saboteur. Er konnte sich nicht vorstellen, daß es sich bei diesem um einen Spercoiden han delte. Blieb also nur ein Fremder. Und es gab nur zwei Fremde an Bord: die beiden Tekrothen! Aber die Reparatur ging vor. Er stellte abermals Kontakt zu der RAbteilung her. »Untersucht den Schaden, ich erwarte einen genauen Bericht. Vor allen Dingen muß ich die Ursache wissen, es ist wichtig!« »Wir sind schon bei der Arbeit, Komman dant«, kam es zurück. Dann nahm er Verbindung mit der Sicher heitsabteilung auf. »Der Repräsentant der Tekrothen wird ab sofort streng überwacht«, befahl er. »Die Kabinen sind zu durchsuchen, ob Spreng stoff vorhanden ist. Die beiden stehen ab so fort unter ständiger Beobachtung.« Er lehnte sich in seinen Sessel zurück. Die Explosion bedeutete keine Lebensge fahr, denn Notfunksprüche waren bereits un terwegs, die Hilfe herbeiholten. Aber unan genehm war der Zwischenfall trotzdem. Er bedeutete Aufenthalt und damit Zeitgewinn für die Tekrothen. Das war ein zweiter Grund, sie des Attentats zu verdächtigen. Aber sicher war sich Slosc seiner Sache trotzdem nicht. Camauke machte nicht den Eindruck, als sei er einer solchen Tat fähig. Er wirkte fei ge und labil, nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht. Aber Sabotage? Nein, das konnte Slosc nicht glauben. Trotzdem … Einer mußte es gewesen sein! Aber wer? Er wandte sich wieder dringenderen Pro blemen zu. Sperco erwartete die BESCHEI DENHEIT zu einem bestimmten Termin, der in drei Tagen verstrich. Der Vertrag mit Vallischor eilte. Er, Slosc, würde in Ungna de fallen, wenn er nicht pünktlich im Haupt-
Clark Darlton quartier eintraf. Und was Ungnade in den Augen Spercos bedeutete, wußte er nur zu genau. »Was ist los?« erkundigte er sich unge duldig bei der R-Abteilung. Die Antwort war wenig ermutigend. »Ganz offensichtlich eine absichtlich her beigeführte Explosion, also Sabotage. Der Verteiler ist total zerstört und nicht zu repa rieren. Die gelagerten Ersatzteile reichen nicht aus, sie sind nur für kleinere Schäden vorgesehen. Der Verteiler muß komplett er setzt werden. Eine solche Reparatur sollte in einem Hangar mit der entsprechenden Aus rüstung vorgenommen werden.« »Wir befinden uns in der Nähe eines Pla neten.« »Wenn er einen solchen Hangar nicht hat, nützt das nichts.« »Ich habe schon Hilfe angefordert. Der Ersatzverteiler wird bald eintreffen. Kann er dann ausgetauscht werden?« »Auf einem Planeten – ja. Nicht im Raum.« »Also gut, dann werden wir den Planeten anfliegen und landen. Ich werde die Koordi naten weiterleiten. Das Reparaturschiff wird in ein oder zwei Tagen eintreffen.« Damit unterbrach er die Verbindung und gab der Zentrale entsprechende Anweisun gen. Als alle Nachrichtengeräte abgeschaltet waren, lehnte er sich in seinem Sessel zu rück. Also doch! Sabotage! Er unterdrückte seinen Zorn und versuch te, die Angelegenheit nüchtern zu durchden ken. Wer – außer den beiden Tekrothen – konnte ein Interesse daran haben, sein Leben aufs Spiel zu setzen, um den Flug zum Hauptquartier zu verzögern? Außer den beiden gab es keinen Fremden an Bord. Oder doch? Erneut rief er den Sicherheitsdienst der BESCHEIDENHEIT. »Die Durchsuchung des Schiffes hat vor wenigen Minuten begonnen, Kommandant.
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Die gesamte Besatzung wird überprüft. Eine entsprechende Bekanntmachung wurde über den Bordfunk verbreitet.« »Dummköpfe!« unterbrach Slosc den Lei ter der Sicherheitsabteilung grob, weil er wütend war. »Damit ist der Saboteur ge warnt.« »Wo soll er denn hin?« hielt ihm der Offi zier entgegen. Slosc gab keine Antwort und schaltete ab. Ratlos brütete er vor sich hin, während das Schiff das unbekannte System ansteuer te.
* Als die Stimme aus den Lautsprechern auf dem Korridor nicht zu verstehen war, öffne te Erytder die Tür einen Spalt. Der Sicher heitsdienst der BESCHEIDENHEIT kündig te eine Kontrolle der Besatzung an. Jeder Spercoide wurde aufgefordert, sein Quartier nicht zu verlassen, bis die Überprüfung be endet war. Hastig schloß der Tekrothe wieder die Tür. »Und was jetzt?« fragte er verstört. »Du bist nicht in deinem Quartier, wie es befoh len wird. Wenn du der Anordnung keine Folge leistest, gerätst du sofort in Verdacht.« »Du hast recht«, gab Atlan beunruhigt zu. »Ich muß zurück in Quartier Nr. 7. Ihr selbst habt nichts zu befürchten, niemand wird auf den Gedanken kommen, ihr hättet Sabotage betrieben. Dafür sorgte schon Camauke durch seine … seine zurückhaltende Vor nehmheit.« Der Würdenträger grunzte zufrieden, aber Atlan kümmerte sich nicht darum. In aller Eile legte er die Rüstung an und gab Erytder letzte Anweisungen. »Was immer auch geschieht, verlaßt die Kabinen nicht, laßt jedoch immer eine der Türen unverschlossen. Es kann sein, daß ich sehr hastig und übereilt hier Zuflucht suchen muß. Mit höchster Wahrscheinlichkeit dann, wenn man eure Kabinen durchsucht hat. Zweimal wird das kaum geschehen.«
Er trat hinaus auf den Korridor und er reichte einen der Lifte ohne Zwischenfall. Wahrscheinlich erfolgte die Kontrolle nach einem ganz bestimmten System, das er aller dings nicht kannte. Wenn es ihm aber gelang, in einer der Etagen durchzuschlüpfen und wieder die Suite der Tekrothen zu erreichen, war die schlimmste Gefahr vorüber. Er glitt zehn Etagen in die Tiefe und ver ließ den Schacht. Spercoiden eilten an ihm vorbei, um ihre Quartiere aufzusuchen. Er schloß sich ihnen an. Einer nach dem ande ren verschwanden sie hinter den zahlreichen Türen, bis er allein war. Quartier Nr. 7 lag eine Etage höher. Ziellos wanderte er durch die Korridore, sich dabei stets in der Nähe eines Liftes hal tend. So wartete er, bis endlich die Spercoi den mit den Merkmalen des Sicherheits diensts erschienen. Kaum tauchten sie auf, da setzte er sich erneut in Bewegung, genau auf die sich ver teilenden Wachen zu. Prompt wurde er an gehalten. »Hast du nicht die Anordnung gehört? Je der hat sich in seinem Quartier aufzuhalten, bis die Genehmigung zum Verlassen erteilt wird.« »Ich habe erst meine Arbeit beendet.« »Zu welchem Trupp gehörst du?« »Quartier 7!« Der Spercoide war gut informiert. »Quartier 7 liegt eine Etage höher. Ab mit dir!« Atlan mußte noch seinen Namen – Botosc – angeben, der notiert wurde, dann stieg er in Begleitung eines anderen Spercoiden in den Lift. Zielsicher fand er »seine« Kabi nentür und drückte sie auf. Seine beiden »Kollegen« saßen auf ihren Betten. »Gehört der zu euch?« fragte der Sicher heitsmann. »Dann nennt mir seinen Na men.« »Botosc«, erwiderte einer von ihnen, ohne zu zögern. Das genügte. »Wo hast du denn gesteckt?« fragte der
28 andere, als sich die Tür hinter dem Schnüff ler geschlossen hatte. »Würde mich nicht wundern, wenn du dich verlaufen hattest.« Atlan nahm den Tip gern auf. »Stimmt, ich kenne mich noch zu wenig aus. Die meiste Zeit arbeite ich in Hangars und Werften. Was soll denn die Kontrolle bedeuten? Nur wegen einer kleinen Explosi on?« »Es war Sabotage«, wurde er informiert. »Jedenfalls werden wir in der nächsten Zeit viel Arbeit bekommen.« Atlan änderte seinen ursprünglichen Plan. Er hatte das Gefühl, in Quartier Nr. 7 in den folgenden Stunden am sichersten zu sein. Die Sicherheitsabteilung würde genug zu tun haben, alle eingehenden Informationen zu überprüfen. Wenn sie allerdings auf den Namen Boto sc stieß … Zwei Stunden hielt er es aus, dann wurde der Alarmzustand plötzlich aufgehoben. Hatte man jemand gefaßt? Eine Finte von Slosc, um den Saboteur in Sicherheit zu wiegen, teilte der Extrasinn mit. Die Gefahr ist noch nicht vorbei. Er stand auf und ging zur Tür. »Wohin willst du?« wurde er gefragt. »Zum Aufseher, ich hatte vergessen, ihm die Beendigung meiner letzten Arbeit zu melden. Das muß ich nachholen.« »Verlauf dich nicht wieder«, lautete der gutgemeinte Rat. »Keine Sorge, bald kenne ich mich aus.« Er hatte insofern Glück, als ihm auf dem Weg zur Suite niemand begegnete. Wie ver abredet fand er eine der Türen offen und zwängte sich schnell durch, da er in einiger Entfernung Schritte auf dem Korridor hörte. Erytder empfing ihn aufgeregt. »Sie ha ben alle Räume systematisch durchsucht. Du wärest unweigerlich entdeckt worden, wä rest du hier geblieben. Wie ist es dir ergan gen?« Atlan berichtete kurz, ohne auf Einzelhei ten einzugehen. Camauke ruhte auf seinem Lager wie im mer. Fast war es so, als ginge ihn die ganze
Clark Darlton Sache nichts an.
* Slosc ließ seinen Zorn und seine Enttäu schung über den Fehlschlag bei der Suche nach dem Saboteur an der Besatzung aus. Inzwischen hatte man sich dem System so weit genähert, daß die Landung eingeleitet werden konnte. Sie würde weiter keine Schwierigkeiten bereiten, da der Normalan trieb einwandfrei arbeitete. Mit düsterer Miene studierte der Kom mandant den Monitor, der ihm die Ein drücke aus der Zentrale überspielte. Das Schiff nahm direkten Kurs auf den dritten Planeten der gelbweißen Sonne. Die Ober fläche war reichlich mit Vegetation bedeckt, es gab große Ozeane und einige Kontinente. Die Landung sollte auf dem größten von ih nen erfolgen. Slosc sah nicht die Schönheit einer noch unberührten Welt, sie interessierte ihn nicht. Er konnte immer nur an den Zeitverlust den ken. Inzwischen würde auch Sperco unter richtet sein und einen seiner berüchtigten Wutanfälle hinter sich haben. Solche Anfälle endeten meist mit einer Verbannung einiger hoher Würdenträger und verantwortlicher Offiziere. Vielleicht war sein – Sloscs – Urteil auch schon gefällt. Wehe, wenn er diesen Saboteur doch noch erwischte! Nein, er würde ihn nicht töten lassen, son dern Sperco gefesselt vor die Füße legen. Vielleicht ließ sich damit der Zorn des Ty rannen besänftigen. Aber noch war es nicht soweit. Nach zwei Umkreisungen befahl Slosc die Landung auf dem größten der Kontinen te, möglichst in der Nähe eines Flusses, da die Wasservorräte bei dieser Gelegenheit er gänzt werden sollten – abgesehen von der Tatsache, daß Kühlwasser bei der Reparatur ohnehin benötigt würde. In einigen Kilometern Höhe trafen erste Störungen des bis dahin nicht defekten An
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triebs auf. Diesmal konnte es sich unmög lich wieder um Sabotage handeln, höchstens um eine Nachlässigkeit des Wartungsperso nals. Slosc fluchte und befahl die Notlan dung. Die BESCHEIDENHEIT kam ein wenig vom beabsichtigten Kurs ab. Das Schiff sank langsam und ziemlich kontrolliert in die Tiefe, genau auf den Fluß zu. Die Instru mente zeigten eine nur geringe Wassertiefe an. Eine radikale Kursänderung wurde da durch überflüssig. Trotzdem gab es eine heftige Erschütte rung, als die Standbeine Bodenberührung er hielten. Sie standen etwa in drei Meter tie fem Wasser auf Felsen. Die Ufer waren in beiden Richtungen mehrere hundert Meter entfernt. Slosc atmete auf, als der Antrieb abge schaltet wurde. Instinktiv hatte er mit einer neuerlichen Explosion gerechnet, vielleicht eine Folge der ersten beiden. Aber nichts ge schah. Die Zentrale meldete, daß erneut Kontakt mit der fliegenden Werft aufgenommen worden sei. Das Hilfsschiff konnte den Pla neten in zwei Tagen erreichen und brachte alle erforderlichen Ersatzteile und die ent sprechenden Spezialisten zum Einbau mit. Der Kommandant befahl, daß man mit dem Ausbau des zerfetzten Verteilers begin nen solle, um Zeit einzusparen. Außerdem verlangte er einen detaillierten Bericht der Wartungsabteilung und genaue Angaben über die Schäden. Als er seine Kabine verließ, beschloß er, die zwei folgenden Wartetage zu nutzen. Noch einmal würde ihm der Saboteur nicht entwischen.
5. Atlan erwachte, als das Schiff aufsetzte. Ohne lange zu überlegen, zog er die Rüstung wieder an und sagte zu Erytder, der ihn zur Tür begleitete: »Ich sehe mich draußen ein wenig um, au ßerdem möchte ich mit den beiden Spercoi
den des Reinigungskommandos weiterhin Kontakt halten.« »Und wenn sie Verdacht schöpfen?« »Die beiden bestimmt nicht, denn sie glauben, daß ich ihnen zugeteilt bin. Es kann höchstens sein, daß abermals eine Personal kontrolle durchgeführt wird, eine strengere als die erste. Dann wird es gefährlich.« »Nützt uns dieser Aufenthalt überhaupt etwas?« »Das weiß ich noch nicht. Jedenfalls ist Zeit gewonnen. Ich muß herausfinden, ob sich mit ihr etwas anfangen läßt. Wäre der Planet bewohnt, würde ich euch zur Flucht raten, denn ohne Camauke als Bevollmäch tigten kann Sperco keinen Vertrag abschlie ßen.« »Vielleicht ist er bewohnt …?« »Nein, soweit ich in Erfahrung bringen konnte. Es soll sich um eine Urwelt handeln. Gut, Erytder, ich gehe jetzt. Sollte ich nicht innerhalb von vierundzwanzig Stunden zu rück sein, so fordere Botosc vom Reini gungskommando, Quartier Nr. 7, an. Vergiß es nicht.« Unangefochten erreichte er Quartier Nr. 7 und schloß die Tür. »Zeit, daß du kommst«, wurde er von den »Kollegen« empfangen. »Es wird Arbeit ge ben. Wir müssen zerstörte und nutzlose Ge genstände aus dem Schiff transportieren. Wahrscheinlich aus dem Antriebsraum für Überlicht. Wenigstens bekommen wir dann frische Luft zu atmen.« Atlan beeilte sich zu versichern, daß er nichts dagegen habe, den Boden eines frem den Planeten zu betreten. Er folgte den bei den in den Antriebsteil der BESCHEIDEN HEIT. Mehrere Trupps hatten bereits mit der Arbeit begonnen. In dem Raum, in dem die Maschinen des Überlichtantriebs standen, sah es furchtbar aus. Die beiden Sprengkörper hatten mehr Schaden angerichtet, als Atlan vermutet hat te. Eine Maschinenwand war herausgerissen und quer durch den Saal geschleudert wor den, dabei hatte sie wichtige Leitungen un terbrochen und Kurzschlüsse verursacht.
30 Der Verteiler selbst war nur noch ein Haufen ineinander verkeilter Trümmer. Spercoiden waren damit beschäftigt, die ein zelnen Teile einzusammeln und in Behältern zu verstauen, die aus dem Schiff gebracht werden sollten. Atlan wunderte sich, daß man sie nicht zu einer gründlichen Untersuchung in ein La bor schaffte, um die Ursache der Explosion herauszufinden. Slosc schien so fest von Sa botage überzeugt zu sein, daß er eine solche Untersuchung für überflüssig hielt. Zusammen mit seinen Quartiergefährten übernahm er einen der gut transportablen Behälter und fuhr ihn zum nächsten Lasten lift. Ein Aufseher notierte sich die Fuhre und ihre Begleiter. Die Güterschleuse befand sich in der un tersten Etage. Durch das weitgeöffnete Luk strömte Atlan eine etwas stickige, aber trotz dem wohltuend frische Luft entgegen. Das Schiff mußte in der Nähe des Äquators nie dergegangen sein. Es roch nach Urwald und Sumpf. Vor allen Dingen roch es nach Wasser. Die breite und stabile Rampe war ausge fahren worden. Sie endete in dem schwach dahinströmenden Wasser des Flusses, der ei ne Menge von Schlamm und Baumstämmen mit sich führte. Atlan schob den Behälter, die beiden Spercoiden zogen. Dann aber, als die Nei gung der Rampe begann, mußte Atlan kräf tig zurückhalten, damit der schwere Behälter nicht abwärtsrollte. Der Befehl lautete, die Trümmer einfach ins Wasser zu schütten. Das war eine einfa che Lösung, aber sie hatte auch ihre Tücken. Einst, wenn sich auf dieser Welt intelligen tes Leben entwickelt hatte, konnte es ge schehen, daß man Teile des unvergänglichen Materials fand. Die Folgen würden Spekula tionen sein, die oft zu falschen Schlüssen führten. Atlan entsann sich, daß auf der Erde Ähnliches geschehen war. Während sie arbeiteten, sah er sich auf merksam um. Zu beiden Seiten des Ufers gab es nichts als undurchdringlichen Ur-
Clark Darlton wald, der nicht gerade zu einem Spaziergang verlockte. Ohne Waffen würde man in ihm hilflos eventuellen Raubtieren ausgeliefert sein. Aber vielleicht gab es noch keine …? Atlan dachte an Flucht aus dem Schiff. Zumindest wollte er die beiden Tekrothen dazu bewegen. Später würde sich schon eine Gelegenheit finden, den Herrscher auf Valli schor davon zu unterrichten, daß sein Reprä sentant sich hier aufhielt. Und wenn nicht, so entgingen Camauke und Erytder einem mehr als ungewissen Schicksal. Es ging jedoch in erster Linie um das ge samte Volk der Tekrothen. Das Schicksal von nur zwei seiner Angehörigen war be deutungslos, wenn man das ganze Volk in Erwägung zog. Leicht fiel es Atlan nicht, die Entschei dung zu fällen.
* Nach zehn Stunden Arbeit wurden die einzelnen Kommandos abgelöst. Atlan regi strierte die Tatsache, daß sie auch beim Be treten des Schiffes jedesmal kontrolliert wurden, mit einigem Unbehagen. Es würde also unmöglich sein, unbemerkt von Bord zu verschwinden. Die Zeit außerhalb des Schiffes hatte ihn einigermaßen mit den Verhältnissen des Pla neten vertraut gemacht. Der Tag dauerte et wa acht Stunden, die Gravitation war nor mal. Die mittags senkrecht stehende Sonne bestätigte seine Vermutung, daß man sich unmittelbar am Äquator aufhielt. Die Ruhepause verbrachte er vorsichtshal ber in Quartier Nr. 7, nachdem er Erytder vorher unterrichtet hatte. Das schien ihm si cherer. Inzwischen war auch bekannt gewor den, daß es noch anderthalb Tage dauern würde, bis das Hilfsschiff mit den notwendi gen Ersatzteilen eintraf. Immer konzentrierter mußte Atlan gegen die intensiver einsetzende Spercoidenmenta lität ankämpfen, wobei ihm sein Extrasinn tatkräftig half. Trotzdem ließ sich der Au genblick absehen, in dem er diesem Einfluß
Flucht in den Kerker unterliegen würde. Zwei Tage vielleicht noch, oder drei, wenn er den Anzug zwischendurch nicht längere Zeit ablegte. Aber es war einfach unmöglich, seinen beiden »Kollegen« lau fend plausible Gründe für seine Abwesen heit zu liefern. Sie würden allmählich Ver dacht schöpfen. Er war erleichtert, als es wieder hinaus zur Arbeit ging. Außerhalb des Schiffes fühlte er sich sicherer, obwohl dazu eigent lich keine Veranlassung vorlag. Dieser Pla net war unbewohnt, zumindest gab es auf ihm keine intelligenten Lebewesen, die ihm hätten weiterhelfen können. Die einzige Möglichkeit bestand darin, ein Beiboot der BESCHEIDENHEIT zu kapern und damit zu fliehen. Doch: wohin? Sein Ziel war der Sitz des Tyrannen Sperco. Die Tekrothen hatten alle seine Pläne durcheinandergebracht. Er konnte ihnen aus dem Schiff helfen und sich dann wieder einfangen lassen, dann wären zwei Probleme auf einmal gelöst. Die Tekrothen konnten den Vertrag mit Sperco nicht abschließen, und ihn würde man mit Sicherheit als Gefangenen zu Sperco brin gen. Während er seiner Arbeit nachging, stu dierte er noch einmal die nächste Umgebung des Landeplatzes. Auch hatte er bemerkt, daß zwei Gleiter ausgeschickt worden wa ren, um den Planeten zu erkunden. Vom Er gebnis dieser beiden Flüge erfuhr er nichts. Es fiel ihm schwer, sich auf sich selbst zu besinnen. Noch einen Tag würde er es viel leicht aushalten, aber besser wäre es, den Anzug wieder auszuziehen. Also entfernte er sich nach Beendigung der Arbeitsschicht nach der letzten Kontrolle mit einer Ausrede aus Quartier Nr. 7 und suchte die Tekrothen auf. Als er sich des Anzugs entledigt hatte, spürte er die wohltuende Wirkung des eige nen Ichs. Aber er wußte auch, daß es nur ein Aufschub war, denn sobald er den Anzug wieder anlegte, würde die negative Beein
31 flussung genau an dem Punkt einsetzen, an dem sie unterbrochen wurde. »Erytder, wir müssen jetzt etwas unter nehmen, denn wir haben nicht mehr viel Zeit. Camauke darf niemals mit Sperco zu sammentreffen, oder euer Volk ist für immer versklavt.« »Ich will zurück nach Vallischor!« jam merte Camauke vom Bett her. »Das wird nicht so einfach sein«, dämpfte Atlan seine Hoffnungen. »Wichtig ist, daß es euch gelingt, aus dem Schiff zu kommen. Der Planet ist bewohnbar, ein urweltliches Paradies. Ich selbst werde danach versu chen, zurück ins Schiff zu gelangen, denn ich muß zu Sperco. Irgendwann werde ich Gelegenheit bekommen, eine Nachricht nach Vallischor zu senden. Man wird euch ein Schiff schicken.« »Eine Urwelt?« stöhnte Camauke voller Entsetzen. »Was soll ich da denn zu essen bekommen?« »Halt endlich den Mund!« fuhr sein Die ner Erytder ihn wütend an. »Eine Fastenkur täte dir verdammt gut!« Camauke sank erschüttert in die Polster zurück und schwieg. »Eine Flucht aus dem Schiff ist natürlich mit Gefahr verbunden, aber ich habe mich inzwischen mit den Verhältnissen an Bord vertraut machen können. Die Güterluke in der untersten Etage wird nachts nicht be wacht. Ihr unbefugtes Öffnen würde aller dings einen Alarm auslösen, aber bis die Jagd auf uns beginnt, könnten wir schon weit sein. Nun ist aber zu bedenken, daß im Augenblick Tag und Nacht gearbeitet wird.« »Ich würde notfalls auch die Rüstung ei nes Spercoiden anlegen«, schlug Erytder vor. Atlan warf ihm einen Blick zu. »Du würdest eventuell hineinpassen, aber bei Camauke habe ich ernstliche Bedenken. Er ist zu dick.« Sie argumentierten noch eine ganze Stun de, ohne eine Lösung zu finden. Dann legte Atlan den Anzug wieder an, um in Quartier Nr. 7 zurückzukehren, versprach aber, sich
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in Kürze wieder zu melden. Auf dem Weg zu den Quartieren des Rei nigungskommandos erfuhr er über die Bord sprechanlage, daß die Aufräumungsarbeiten beendet seien und das Hilfsschiff WAHR HAFTIGKEIT im Verlauf des morgigen Ta ges eintreffen würde. Kurz entschlossen kehrte Atlan um. Die Zeit zum Handeln war gekommen.
* Kommandant Slosc konnte das Ergebnis der zweitägigen Kontrolle nicht befriedigen. Sicher, es hatte sich nur um eine Routine überwachung gehandelt, wie sie fast immer bei Außenarbeiten vorgenommen wurde, aber bei sich hatte er doch mit einem Erfolg gerechnet. Wenn es diesen mutmaßlichen Saboteur wirklich gab, mußte er sich früher oder später selbst verraten. Morgen kam die WAHRHAFTIGKEIT. Die Reparatur würde etwa einen Tag und ei ne Nacht dauern, dann konnte der Flug fort gesetzt werden. Notfalls mit dem ungefaßten Saboteur an Bord. Im Hauptquartier angekommen, wür de er mit Sicherheit entlarvt werden können, denn dort existierten die vollkommenen Li sten aller im Dienst Spercos befindlichen Spercoiden. Allmählich begann er darüber wütend zu werden, daß man ausgerechnet ihm den Auf trag gegeben hatte, die Tekrothen abzuholen und zu Sperco zu bringen. Und was war daraus geworden? Eine le bensgefährliche Angelegenheit, wenn es ihm nicht gelang, diesen Saboteur zu finden. Slosc verließ nach einigen Anordnungen an die Sicherheitsabteilung seine Dienstka bine und begab sich in seine Wohnräume, die direkt mit der eigentlichen Kommando zentrale in Verbindung standen. Er hatte we nig geschlafen in den letzten Nächten und war müde. Diese Nacht, das hoffte er, würde keine Überraschungen bringen. Seine Hoffnung erfüllte sich nicht. Mitternacht war gerade vorbei, als eine
Explosion den oberen Teil des Schiffes er schütterte und ein Großteil der Beleuchtung ausfiel. Slosc hatte einen guten Schlaf und wurde erst durch das Aufgellen der Alarmsi renen geweckt. Die Sicherheitsabteilung teilte ihm den Sachverhalt mit und bat um Anweisungen. Abermals erließ der Kommandant den Befehl, daß niemand seine Unterkunft ver lassen dürfe und ordnete die Durchsuchung des Schiffes an. Sie wurde dadurch er schwert, daß mit der Beleuchtung auch die Bildübertragung an Bord teilweise ausfiel, was die Beobachtung der vielen Korridore und Etagen arg behinderte. Die Explosion hatte den Energieverteiler beschädigt, aber zum Glück nicht völlig zer stört. Immerhin verriet die Anbringung des Sprengsatzes technisches Können, was den Verdacht auf Angehörige des Wartungs- und Reparaturpersonals lenkte. Die erste Überraschung erlebte Slosc, als ihm gemeldet wurde, daß die Kabinen der Tekrothen verlassen waren. Von dem Wür denträger und seinem Diener war keine Spur zu finden. Die beiden waren verschwunden. Gleichzeitig fast erfuhr er, daß man den leeren Anzug eines technischen Leiters in ei ner der unbenützten Gastkabinen aufgefun den hatte. Es handelte sich sogar um einen Offizier. Der Helm war mit einem schweren Gegenstand zersplittert worden und hatte den sofortigen Tod des in der Rüstung be findlichen Spercoiden herbeigeführt. Der Verräter an Bord der BESCHEIDEN HEIT war nicht nur ein Saboteur, er war auch ein Mörder. Er mußte unter allen Um ständen gefaßt werden, und zwar lebendig, damit man etwas über sein Motiv erfuhr. Eine weitere halbe Stunde verging, in der Slosc nichts anderes tun konnte, als auf ein treffende Meldungen zu warten. Er wartete nicht ganz umsonst, denn man teilte ihm mit, daß die untere Ladeluke unsachgemäß verschlossen sei. Es bestehe der begründete Verdacht, daß jemand heimlich das Schiff verlassen habe. War der Saboteur geflohen? Das erschien
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absurd, denn wohin wollte er sich auf dieser Urwelt wenden? Daß die Tekrothen die bei den Sabotageakte ausgeführt hatten, glaubte Slosc nicht. Sie schienen ihm jeder Eigenini tiative unfähig. Also mußten sie einen unbe kannten Helfer haben, eben den Saboteur, der sie aus dem Schiff gebracht hatte. Aber warum? Slosc gestand sich ein; weiter denn je von einer befriedigenden Antwort entfernt zu sein. Und morgen traf die WAHRHAFTIG KEIT ein, und mit ihr einige unbequeme Fragen. »Sobald es hell wird, sind Suchgleiter ein zusetzen. Die Umgebung des Landeplatzes muß intensiv nach Spuren abgesucht wer den.« Der Offizier der Sicherheitsabteilung, der ihm mündlichen Bericht erstattet hatte, salutierte und wollte gehen. Aber Slosc füg te noch hinzu: »Die beiden Tekrothen dürfen unter keinen Umständen verletzt werden, sie müssen Sperco vorgeführt werden. Das gilt auch für den Saboteur, der sich bei ihnen be finden muß.«
* Atlan wußte, daß er keine Minute mehr verlieren durfte. So schnell er konnte, suchte er die Munitionskammer auf und nahm eins der flachen Pakete mit. Da die Bombe erst zwei Stunden nach dem Scharfmachen ex plodierte, drückte er bereits jetzt den Feuer knopf ein. Ihm blieben etwas mehr als hundert Mi nuten, seinen Plan auszuführen. Die Explo sion im Oberteil des Schiffes würde die Auf merksamkeit von der unteren Region ablen ken. Ohne jemandem zu begegnen, erreichte er die Etage, auf der sich auch die Kommando zentrale befand. Wider Erwarten traf er hier ebenfalls keine Wache an. Der Kontrolleifer der Spercoiden schien nachgelassen zu ha ben. Atlan konnte das nur recht sein, denn seine Aufgabe wurde dadurch erleichtert. Nach einigem Suchen fand er das, was er suchte. Energieleiter wiesen ihm den Weg
zum Verteiler. In der Anlage selbst war es dann nicht schwer, den Sprengsatz so anzu bringen, daß er die gewünschte Wirkung er zielte. Atlan schätzte, daß noch achtzig Mi nuten bis zur Detonation blieben. Sorgfältig verschloß er den Raum wieder und suchte den nächsten Lift auf. Wortlos ging er an einem Wachtposten vorüber, der ihm begegnete. Reinigungspersonal trieb sich in allen Teilen des Schiffes herum, auch nachts. Wenn ein Offizier einen Mann dieser nicht besonders geachteten Truppe anforder te, so hatte dieser zu erscheinen. Erytder erwachte, als Atlan die Suite be trat. Camauke schnarchte auf seinem Lager und schlief weiter. »Es ist soweit, Erytder. Wecke deinen Herren auf. Wir müssen das Schiff verlas sen.« Erytder hatte sich bereits mit diesem Ge danken vertraut gemacht und zögerte nicht, Camauke einen derben Stoß zu versetzen. Der Dicke grunzte und wollte weiterschla fen, aber sein Diener kannte keinen Pardon. Er rollte ihn einfach von dem flachen Bett. Die harte Berührung mit dem Boden ließ den Würdenträger rasch munter werden. »Mitten in der Nacht?« begann er zu jam mern, wurde aber von Atlan unterbrochen: »Wir können uns die Zeit nicht aussu chen. In einer Stunde ist hier die Hölle los, Camauke. Wenn wir bis dahin nicht aus dem Schiff sind, werden wir es nie mehr verlas sen können.« Mit Hilfe von Erytder zog Camauke sich an und bedeckte sein grünes Fell mit den schwarzen Farbtupfern. Nun sah er noch mehr wie ein Sack aus als vorher. Atlan wußte, daß er mit diesem Verbündeten seine Mühe haben würde, aber ihm blieb keine an dere Wahl. Sie nahmen nur das Notwendigste mit, das dazu angetan war, das Überleben auf ei ner Urwelt zu sichern. Dazu gehörten Feuer zeuge und ein Messer, letzteres mehr eine Zierde als eine brauchbare Waffe. Atlan drängte zur Eile. Noch fünfzig Mi nuten bis zur Explosion.
34 Als sie endlich die Suite verließen, wußte er, daß sie von jetzt an niemandem mehr be gegnen durften, ohne ihn töten zu müssen. Aber sie hatten Glück. Unangefochten er reichten sie die untere Ladeluke. Nachdem die Arbeiten eingestellt worden waren, hatte man auch die Wachtposten hier abgezogen. Die Luke war geschlossen, aber nicht ge sichert. Das Öffnen bereitete keine Schwie rigkeiten und löste auch keinen Alarm aus, wie Atlan heimlich befürchtet hatte. Frische Nachtluft strömte ihnen entgegen. »Es ist aber sehr dunkel da draußen«, flü sterte Camauke ängstlich. »Und es rauscht so. Ist das Wasser?« »Das Schiff ist mitten in einem Fluß ge landet«, klärte ihn Atlan auf. »Wir werden schwimmen müssen.« »Aber ich kann nicht schwimmen …« »Bei deinem Fett wirst du ganz von allein oben bleiben«, fuhr Erytder ihn an. »Notfalls helfe ich dir. Ist ja nicht weit.« »Aber dunkel …!« Die Rampe war eingezogen worden. Von der Lukenschwelle bis zur Wasseroberfläche waren es schätzungsweise fünf bis sechs Meter, also kein Problem. »Wir müssen springen, Erytder. Du nimmst Camauke und sorgst dafür, daß er mit dir zusammen springt. Das Wasser ist et wa drei Meter tief. Wir halten uns flußab wärts, dann in Richtung rechtes Ufer. Ich habe dort eine Bucht bemerkt, die ruhiges Wasser verspricht. Versuche sie zu errei chen: Das Wasser wird dort seichter sein.« »Ich habe Angst«, gab Camauke zu. »Wir auch«, tröstete ihn Atlan. »Aber hier zu bleiben wäre der sichere Tod. Die Wild nis hingegen bietet uns eine Chance.« Erytder nahm Camauke beim Arm. »Also dann los! Wir springen zuerst.« Camauke hatte jenen Punkt erreicht, den jedes Lebewesen mindestens einmal in sei nem Leben erreicht. Es ist jener Punkt, der aus Feiglingen Helden macht, und im Grun de kann man jeden einen Feigling nennen, der sein Leben liebt. Dieser eine Augenblick läßt keine Zeit für Entscheidungen, denn sie
Clark Darlton werden einem aufgezwungen. Camauke war so ein unfreiwilliger Held, als er seinerseits auch Erytder an der Hand nahm und die Augen schloß, um dann den Schritt nach vorn zu machen. Sein Diener sprang gleichzeitig. Atlan hörte das Aufklatschen im Wasser und besann sich nicht mehr lange. Er zog die Luke zu, ohne sie ganz schließen zu können, dann sprang auch er. Er fühlte Grund unter den Füßen, dann einen harten Gegenstand – wahrscheinlich ein Trümmerstück, das man aus dem Schiff geworfen hatte – und stieß sich ab. Sein Kopf brach durch die Oberfläche, und als er die Augen wieder öffnete, hatten sie sich an die Finsternis gewöhnt. Ein Stück flußabwärts hörte er ein plat schendes Geräusch und ein Gurgeln. Er schwamm darauf zu und erreichte die beiden Tekrothen gerade noch rechtzeitig, um Ca mauke vor dem Ertrinken zu retten, weil es Erytder unmöglich wurde, den um sich Schlagenden noch länger festzuhalten. Atlan betäubte den unfreiwilligen Helden mit einem Faustschlag, legte sich auf den Rücken und nahm Kurs auf die Bucht auf der rechten Seite des Stroms, der nun tiefer wurde. Dafür floß er ruhiger. Erytder hielt sich tapfer an der Seite At lans. Er schwamm besser, als dieser vermu tet hatte. Aber auch Camauke wäre kaum untergegangen. Sein Fett trug ihn tatsäch lich, so daß er wie ein Kork auf der Oberflä che trieb. Als er das endlich begriff und auf hörte, sich wie ein Ertrinkender zu beneh men, konnte Atlan sich sogar an ihm festhal ten, ohne selbst unterzugehen. Sie trieben in die Bucht hinein und spür ten bald Boden unter den suchenden Füßen. Sie wateten an Land. Der Urwald begann nicht unmittelbar am Ufer, so daß ein breiter Streifen entstand, der zumeist aus felsigem Boden bestand. Angeschwemmte Baum stämme waren zwar hinderlich, brachten At lan jedoch auf einen guten Gedanken. Sch lingpflanzen gab es genug, so daß der Bau eines Floßes kein Problem darstellen würde.
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Bis zur Explosion waren es höchstens noch zehn Minuten. Camauke hatte sich lang auf den feuchten Felsen ausgestreckt und schien entschlossen, keinen Schritt mehr weiterzugehen. Atlan sagte zu Erytder: »Wir müssen Baumstämme zusammenle gen und zu einem Floß verbinden. Damit können wir flußabwärts treiben, bis wir au ßer Sichtweite der Spercoiden gelangen. Wir beide übernehmen die Schwerarbeit, wäh rend Camauke mit dem Messer Schling pflanzen abschneidet. Los, wir fangen gleich damit an. Viel Zeit bleibt uns nicht mehr, denn wenn es hell wird, müssen wir hier weg sein.« Camauke maulte zwar, aber die Angst vor der neuerlichen Gefangennahme machte ihn wieder munter. Er tastete sich in das Dickicht hinein und begann, die zähen Sch lingpflanzen abzusäbeln. Atlan und Erytder schleppten die Stämme herbei, soweit sie am Ufer lagen und noch schwimmfähig waren. Zum Glück fanden sich auch einige trockene, die mithalfen, die anderen zu tragen. Als der Morgen graute, schoben sie das Floß ins Wasser. Es trug sie.
* Längst mußte in der BESCHEIDENHEIT die Explosion erfolgt sein, denn Atlan hatte das plötzliche Verlöschen einer Reihe von Lukenlichter bemerkt. Jetzt begann an Bord die Suche nach dem Verbrecher, und früher oder später würde man das Fehlen der Te krothen feststellen. Das Floß trieb flußabwärts, und dann kam eine Biegung. Das Schiff verschwand aus dem Gesichtsfeld. Atlan hatte schon lange seine Spercoiden rüstung abgelegt und sie auf dem Floß fest gebunden. Er durfte sie unter keinen Um ständen verlieren. Jetzt aber genoß er trotz aller Gefahren seine zurückgekehrte Menschlichkeit, die nichts mit der harten
Spercoidenmentalität zu tun hatte. Der Fluß wurde reißender und nahm das Floß immer schneller mit sich. Die nun felsi gen Ufer traten enger zusammen, erste Stromschnellen erschwerten die rasende Fahrt, die sie immer weiter weg vom Lande platz führte. Bisher hatte Atlan noch nichts von Leben bemerken können, auch im Wasser nicht. Trotzdem mußte es zumindest Tiere auf die ser Welt geben, denn mehr als einmal waren große summende Insekten über das Floß hinweggeflogen. Gegen Mittag erschien stromaufwärts ein größeres Beiboot der Spercoiden. Zum Glück befand sich das Floß gerade nahe beim Ufer, das wieder flacher und bewach sener geworden war. Atlan steuerte es sofort unter die weit überhängenden Äste riesiger Urwaldriesen und befestigte es am Ufer, so daß es nicht mehr weitertreiben konnte. Das Beiboot flog langsam und ziemlich niedrig, aber nicht tief genug, um die Flücht linge zu entdecken. Einige Minuten später war es stromabwärts verschwunden, würde aber mit Sicherheit wieder zurückkehren. Der Fluß bot die einzige Fluchtmöglichkeit. »Wir bleiben solange hier«, sagte Atlan, der das Versteck für gut hielt. »Gib mir dein Messer, Camauke. Ich will versuchen, uns eine Mahlzeit zu besorgen. Meine Lebens mittel sind knapp geworden.« »Ich habe Hunger«, bemerkte Camauke und gab damit keine besondere Neuigkeit preis. Bereits eine Viertelstunde später kam das Beiboot wieder flußaufwärts geflogen und kehrte damit zum Schiff zurück. Atlan war ein wenig überrascht, daß die Spercoiden die Suche in dieser doch sehr wahrscheinlichen Fluchtrichtung so schnell aufgaben. Das mußte seinen besonderen Grund haben. »Wir müssen weiter«, sagte er, nachdem er alle Möglichkeiten in Betracht gezogen hatte. »Hier sind wir auf die Dauer nicht si cher. Trotzdem will ich versuchen, etwas zum Essen aufzutreiben. Bleibt auf dem Floß und verlaßt es unter keinen Umstän
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den.« Widerstrebend fast überließ Camauke dem Arkoniden sein Ziermesser, das immer hin eine scharfe Klinge aufwies und recht widerstandsfähig zu sein schien. Das Absä beln der Schlingpflanzen jedenfalls hatte keine Spuren hinterlassen. Der Boden war zu Atlans Erstaunen trockener, als er gehofft hatte. Auch das Un terholz war weniger dicht, als angenommen werden mußte. Er kam gut voran, merkte sich jedoch am Stand der Sonne die Rich tung, in der er in den Urwald eindrang. Ein Feuer zu machen und ein Stück Wild zu braten, schien ihm nicht ratsam zu sein, aber vielleicht fand er Früchte, die man roh essen konnte. Früchte gab es tatsächlich genug, aber sie hingen hoch in den Wipfeln der Bäume. Notfalls mußte er hinaufklettern, denn die wenigen, die herabgefallen waren, wirkten verfault. Aber sie rochen nicht schlecht. Je weiter Atlan in den Dschungel vor drang, desto niedriger wurden auch die Bäu me. Auch stieg das Gelände kaum merklich an. Einmal sah er einen Vogel mit buntem Gefieder, der krächzende Laute ausstieß und unbeholfen davonflatterte. Verhungern wür de man also nicht in dieser Wildnis, wenn man es wagen konnte, ein Feuer zu entzün den. Doch dann mußte man weiter vom Schiff entfernt sein. Endlich fand er einen jüngeren Baum am Rand einer Lichtung, dessen Äste fast bis zum Boden herabhingen. Er pflückte eine der birnenförmigen Früchte und probierte sie. Sie schmeckte süß und aromatisch und löschte zugleich mit dem Hunger auch den Durst. Eine Viertelstunde wartete er, aber es stellten sich keine Nebenwirkungen ein. At lan wußte, daß diese Frucht nahrhaft und be kömmlich war. Er sammelte einen gehörigen Vorrat und machte sich auf den Rückweg zum Floß.
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Inzwischen machte Camauke seinem Är ger Luft. »Dieser Botosc, oder wie er sich nennt, geht mir auf die Nerven. Immer müssen wir tun, was er will. Jetzt ist er auch noch mit meinem Messer auf und davon.« »Er kommt zurück und bringt Essen mit. Ohne ihn wären wir rettungslos verloren, das sollte dir doch klar sein.« »Aber im Schiff wären wir sicher gewe sen. Niemand hätte es gewagt, die Repräsen tanten eines Sternenreiches auch nur anzu rühren.« »Sicher, und du hättest einen Vertrag un terzeichnet, der unser Volk für alle Zeiten versklavt hätte. Findest du das richtig?« »Der Herrscher hat mich ausgesandt, die sen Vertrag zu unterzeichnen.« »Rede keinen Unsinn, Camauke! Du hast inzwischen am eigenen Leibe erfahren, wie gefährlich es ist, mit den Spercoiden zu pak tieren. Dieser Slosc hat sein wahres Gesicht zu früh gezeigt, das solltest auch du bemerkt haben. Flucht war die einzige Möglichkeit, die Unterzeichnung des Vertrags zu verhin dern.« Camauke schwieg verbittert. Seiner Mei nung nach war das ganze Universum unge recht ihm gegenüber. Selbst sein Diener, der ihm sonst stets nach dem Mund geredet hat te, war zur Gegenseite übergelaufen. »Ich habe Hunger«, lenkte er ab. »Dieser Botosc hat in seinem Beutel noch einen hüb schen Vorrat. Wir sollten ihm das Zeug wegnehmen.« Erytder rückte näher an ihn heran. »Wenn du es auch nur wagst, den Beutel anzusehen, werfe ich dich ins Wasser. Das ist Notverpflegung, verstanden? Unser Freund wird mit einer Mahlzeit zurückkeh ren, wie er es versprochen hat. Und bis jetzt hat er immer gehalten, was er versprochen hat.« »Wir kennen ihn überhaupt nicht«, wagte Camauke eingeschüchtert einzuwenden. »Warum machen wir uns eigentlich nicht selbständig?« Erytder beschloß in diesem Augenblick,
Flucht in den Kerker seinen bisherigen Herren auf der Stelle zu verlassen, sobald sie wieder auf Vallischor gelandet waren. Bei einem solchen Versager würde er niemals den Rang eines Zweitfells erreichen. »Ich rede nicht mehr mit dir«, sagte er nur verbittert. Von nun an schwieg auch Camauke be harrlich. Die Sonne stand schon ziemlich hoch, als Atlan zurückkehrte und die Früchte aufteilte. »Es gibt mehr als genug davon, wir wer den also nicht verhungern.« »Bleiben wir hier in diesem Versteck?« fragte Erytder kauend. »Nein, wir müssen weiter flußabwärts. Die Spercoiden werden die Suche nach uns bald fortsetzen. Je größer die Entfernung zum Schiff ist, desto besser für uns. Wenn sie die Gleiter einsetzen, wird es gefährlich für uns. Die können sogar zwischen den Bäumen hindurchfliegen.« »Ob das Hilfsschiff schon eingetroffen ist?« Atlan zuckte die Schultern und beobach tete Camauke, der seine Ration wie ein Ver hungernder in sich hineinstopfte. Als weder Beiboote noch Gleiter auf tauchten, stieß Atlan das Floß vom Ufer ab, hielt sich aber weiterhin in seiner Nähe, um jederzeit Schutz unter dem Blätterdach fin den zu können. Erytder suchte ständig den Himmel ab, soweit er sichtbar blieb. Camau ke lag auf dem Bauch und starrte in das Wasser, das zwischen den zusammengebun denen Stämmen gluckerte. Das Floß trieb schnell dahin. Die Strömung schien stärker geworden zu sein. Atlan lauschte und hoffte, daß er sich ge täuscht hatte, aber das ferne Rauschen und Brausen schien sich zu nähern. Plötzlich wußte er, warum das Beiboot der Spercoiden so überraschend schnell wie der zurückgeflogen war. Ein riesiger Wasserfall beendete den Fluchtweg zu Wasser …
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6. Es war reiner Zufall, daß Kommandant Slosc auf den Namen Botosc stieß. Zwar ging die Sicherheitsabteilung die Namensliste der Besatzung durch und kon trollierte deren Anwesenheit, aber dieser Li ste nach zu urteilen fehlte niemand. Dann aber meldete sich ein Mitglied der Reini gungstruppe und gab an, daß der erst kürz lich zugeteilte Botosc seit einiger Zeit nicht mehr in Quartier Nr. 7 erschienen sei. Eine neuerliche Überprüfung ergab, daß ein Spercoide Botosc niemals in die Besat zungsliste eingetragen worden war. Aufse her und Kontrolleure entsannen sich zwar, jemand mit diesem Namen öfter begegnet zu sein, wußten aber auch nicht mehr. Und nun war dieser geheimnisvolle Boto sc plötzlich spurlos verschwunden! Damit war für Slosc der Fall klar. Der Unbekannte mußte Saboteur und Mörder sein. Und er hielt sich mit Sicherheit nicht mehr an Bord der BESCHEIDENHEIT auf. Das war einer der Gründe, warum die Suche außerhalb des Schiffes intensiviert werden mußte. Der zweite Grund waren die entflo henen oder entführten Tekrothen. Zur Sicherheit ließ er die beiden Reini gungsleute von Quartier Nr. 7 einsperren, außerdem reagierte diese Maßnahme ein we nig seine Wut ab. Die Beiboote kehrten ohne Ergebnis zu rück. Zwar hatte eins von ihnen weiter fluß abwärts einen gewaltigen Wasserfall erkun det, der eine Flucht in dieser Richtung un wahrscheinlich werden ließ, aber das war auch schon alles. Die Flüchtlinge würden sich also landein wärts wenden müssen, und der unübersehba re Urwald bot Tausende von Verstecken. Obwohl damit die Suche so gut wie aus sichtslos wurde, befahl Slosc den Einsatz der wendigen Gleiter. Er mußte die Tekrothen finden, bevor die WAHRHAFTIGKEIT eintraf. Und erst recht mußte bis dahin auch der
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geheimnisvolle Botosc gefaßt worden sein. Slosc starrte blicklos vor sich hin, als die Flotte der Gleiter die Hangars verließ und sich nach Plan aufteilte. Seine Zukunft sah alles andere als rosig aus.
* Als das Brausen des Wasserfalls jede Ver ständigung unmöglich zu machen drohte und der Absturz an der leichten Stauung der Flußoberfläche bereits zu ahnen war, ent deckte Atlan auf der rechten Seite die Mün dung eines Nebenflusses. Vielleicht war es auch nur ein Nebenarm des Hauptstroms, aber das spielte keine Rolle. Auf jeden Fall bot er Schutz. Es war nicht so einfach, das schwerfällige Floß in die gewünschte Richtung zu bewe gen. Atlans Holzstange fand zum Glück sehr bald Grund und konnte die rasende Fahrt ab bremsen. Die beiden Tekrothen paddelten mit den Händen im wahrsten Sinne des Wortes um ihr Leben, denn wenn das Floß die rettende Einmündung nicht erreichte, würde es mit Sicherheit von den tobenden Wassermassen in die Tiefe gerissen werden. Sie schafften es praktisch im letzten Au genblick, indem sie sich und damit auch das Floß an den tief herabhängenden Ästen der Uferbäume festhielten und weiterhangelten. Das Wasser war plötzlich ganz ruhig, aber eine leichte Strömung war dennoch vorhan den. Gegen sie war anzukommen, wenn man paddelte. »Ich kann nicht mehr«, stöhnte Camauke erschöpft. »Wir suchen ein Versteck und ruhen uns aus, aber wir müssen damit rechnen, daß die Spercoiden klug genug sind, unseren Flucht weg zu rekonstruieren. Sobald wir an Land sind, stoßen wir das Floß in den Seitenarm zurück. Es wird in den Strom gelangen und dann mit dem Wasserfall in den Abgrund stürzen. Wenn die Spercoiden die zerfetzten Reste flußabwärts treiben sehen, werden sie ihre Schlüsse ziehen und die Suche nach uns
aufgeben, wenigstens hoffe ich das.« »Und dann?« fragte Erytder. Atlan lächelte. »Dann bauen wir uns ein neues Floß und fahren damit auf diesem Nebenarm weiter in den Urwald hinein.« »Du willst also ewig auf dieser Welt blei ben?« »Nein, natürlich nicht. Die Spercoiden werden noch einige Tage hier bleiben. Wenn es gelingt, eins ihrer Beiboote zu kapern, können wir diesen Planeten verlassen.« »Wie sollen wir ein Beiboot kapern?« »Das weiß ich auch noch nicht. Man müß te es zur Landung verführen und die Besat zung übertölpeln.« »Dann haben wir die ganze Meute auf dem Hals.« »Damit müssen wir rechnen, Erytder. Aber sind wir mit dem Boot durch die Licht mauer, dann finden sie uns nicht mehr. Viel leicht können wir sogar Vallischor anflie gen, wenn ihr die Koordinaten kennt.« »Keine Ahnung«, gab Erytder zu. »Was versteht ein Erstfell schon von Astronautik. Camauke müßte es wissen.« Aber Camauke verneinte und gab zu ver stehen, daß er hungrig sei. Atlan zog das Floß mit einem Ruck unter die überhängenden Zweige, als vom Haupt strom her der erste Gleiter sichtbar wurde.
* Er flog nur wenige Meter hoch über der Mitte des Nebenarms. Atlan war überzeugt, daß es Dutzende dieser ruhigen Nebenarme gab, nur waren die Einmündungen in den Strom nicht im mer zu erkennen gewesen. Sie mußten sie unbemerkt passiert haben. Das erschwerte natürlich auch die Sucharbeit der Spercoi den. »Die Zweige festhalten, damit sie ihre Stellung nicht verändern und uns decken«, warnte er seine beiden Gefährten. Durch die Lücken in der Blätterwand ließ er den na henden Gleiter nicht aus den Augen. »Wenn
Flucht in den Kerker sie nur oberflächlich suchen, werden sie uns hier nicht finden.« Jetzt war er auf gleicher Höhe mit dem Floß – und flog weiter. Wenig später folgte er einer Biegung des Nebenarms und ver schwand hinter dem Blätterdach des Waldes. Jetzt erst fand Atlan Zeit, sich der neuen Umgebung zu widmen. Der Ort war als Lan deplatz geeignet, wenn der Boden auch feucht war. Dünne, trockene Stämme ver sprachen ein leichtes und schnelles Floß. Sie banden das alte an den Zweigen fest und stiegen an Land. Das Ufer stieg bereits nach wenigen Metern steil an, der Grund wurde trockener und teilweise felsig. Da durch verringerte sich auch die Dichte der Vegetation. Atlan ließ die beiden Tekrothen zurück, nahm Camaukes Messer und unternahm einen Erkundungsgang. Das immer noch wahrnehmbare Rauschen des Wasserfalls er leichterte ihm die notwendige Orientierung. Mitten durch den Urwald zog sich zwi schen Nebenarm und Hauptstrom ein Hö henrücken dahin. In einer niedrigen Steil wand entdeckte Atlan sogar eine Höhle, die drei Personen gut Platz bot. Als er sie unter suchen wollte, traf er zu seiner Überra schung auf den Besitzer. Es war ein mit gelbem Fell bedeckter Vierbeiner, der an ein irdisches Schaf erin nerte, aber bei weitem nicht so friedlich war. Mit einem heiseren Knurren stürzte er sich auf den ungebetenen Gast, dem nichts ande res übrigblieb, als sich gegen den plötzli chen Angriff zur Wehr zu setzen. Camaukes Messer drang tief in die Brust des Tieres ein und tötete es auf der Stelle. Atlan zog es heraus und reinigte es von dem Blut, das hellrot aus der Wunde strömte. Dann untersuchte er die Höhle und be schloß, hier mit seinen Gefährten die Nacht abzuwarten. Camauke war zuerst nicht bereit, die Qual eines kurzen Fußmarsches auf sich zu neh men, aber als Atlan ihm einen nahrhaften Braten in Aussicht stellte, wurde er sehr le bendig.
39 Sie schoben das Floß hinaus in die Strö mung und sahen zu, wie es langsam davon trieb. In einer knappen Stunde würde es den Wasserfall erreichen. Blieb nur zu hoffen, daß es vorher nicht von den Spercoiden ge sichtet wurde. Atlan führte die kleine Gruppe an. Auf dem Land fühlten sie sich viel sicherer als auf dem Wasser. Der Wald bot Schutz gegen Sicht von oben, und die Höhle versprach Wärme in der kühlen Nacht. Als sie die Höhle erreichten, nahm Eryt der das getötete Tier aus und zerlegte es in appetitliche Teile. Atlan legte seinen Sper coidenanzug, den er nicht im Stich gelassen hatte, in die Ecke. Camauke ging widerwil lig, um trockenes Holz zu sammeln. Es war Atlan schon lange klar, daß er sich mit den beiden Tekrothen eine schöne Suppe eingebrockt hatte, aber er wollte sie in dieser Situation nicht verlassen. Wenn sie sich erst einmal an das Leben auf der Urwelt ge wöhnt hatten, würden sie es auf ihr auch oh ne seine Hilfe eine Zeitlang aushalten. Er selbst, so plante er, würde allein versu chen, ein Beiboot zur Landung zu bewegen. In einem sicheren Versteck würde er den Abflug der Spercoiden abwarten und dann mit den Tekrothen diesen Planeten verlas sen. Sie entfachten das kleine Feuer im Höh leneingang und sorgten dafür, daß es keine Rauchentwicklung gab. Erytder übernahm das Braten der saftigen Fleischstücke, bei deren Anblick Camauke das Wasser im Mund zusammenlief. Der Wald war hier oben lichter als unten am Fluß, aber die Bäume standen immer noch so dicht zusammen, daß der Durchflug eines Gleiters unmöglich wurde. Eine Ent deckung war nur dann zu befürchten, wenn Kommandant Slosc Suchmannschaften zu Fuß losschickte. Nachdem sie gegessen hatten, beschloß Atlan erneut einen Erkundungsgang. Was er suchte, war ein geeigneter Landeplatz für ein Beiboot, notfalls auch für einen Gleiter. Ein Gleiter eignete sich zwar nicht zur
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Flucht von dieser Welt, aber mit seiner Hilfe ließ sich vielleicht ein Beiboot kapern. Er wandte sich an Erytder: »Ich komme vor Einbruch der Dunkelheit zurück. Achte auf das Feuer, hier oben auf dem Höhenrücken ist es trocken.« Er warf einen Blick in die Höhle, verzichtete dann aber darauf, die Rüstung anzulegen. Heute wollte er nur erkunden, nicht handeln. »Am besten ihr löscht es aus.« Er wanderte nach Osten, weg vom Strom. Zuerst ging es noch ein wenig bergauf, dann wurde das Gelände flacher, blieb aber trocken. Die Bäume rückten weiter ausein ander und die ersten Lichtungen entstanden. Atlan schätzte, daß er sich hier etwa zwei Kilometer vom Nebenarm entfernt aufhielt. Das Gelände war für seine Absicht ideal, er hätte es kaum besser treffen können. Die Sicht nach oben war frei, jeder Suchgleiter würde ihn sofort entdecken. Er brauchte sich nur mitten auf eine der zahlreichen Lichtun gen zu stellen oder sich sonstwie bemerkbar zu machen. Es war damit zu rechnen, daß die Besatzung erst dann eine Erfolgsmel dung durchgab, wenn sie ihn sicher in ihrer Gewalt hatte. Daß es nicht dazu kam, dafür würde er schon sorgen. Er kehrte zur Höhle zurück. Erytder hatte die Abendmahlzeit schon zubereitet.
* In dieser Nacht beging Camauke den größten Fehler seines Lebens. Er lag in der Höhle dicht neben dem verglimmenden Feu er und erwachte, weil ihm der Magen knurr te. Seine beiden Gefährten schliefen tief und fest. Vorsichtig tastete er mit suchenden Hän den in der Dunkelheit umher, bis er das in Blätter eingewickelte Fleisch fand. Dann zog er einen noch glühenden Ast aus der Glut und kroch aus der Höhle. Die Sterne gaben nur wenig Licht, und er versuchte, seine Furcht vor eventuellen Raubtieren zu überwinden. Der Ast begann zu brennen, durch den Wind angefacht.
Camauke glaubte, sich nun weit genug von der Höhle entfernt zu haben. Mitten zwischen Bäumen und trockenem Gebüsch machte er sein Feuer und begann, die erbeu teten Fleischstücke zu braten. Er dachte an Atlans Warnung und legte sparsam Holz nach, um die Flammen nicht zu hoch lodern zu lassen. Aber er vergaß den Wind und den Fun kenflug. Camauke bemerkte es nicht, daß in seiner näheren Umgebung kleine, neue Feu erstellen entstanden, die sich rasch ausbrei teten. Seine ganze Aufmerksamkeit galt den Fleischbrocken an den Holzspießen, die sich langsam braun färbten und einen verführeri schen Duft verbreiteten. Seine Augen, an die Helligkeit der nahen Flammen gewöhnt, sahen den beginnenden Waldbrand ringsum nicht sofort. Zwar spür te er den wärmer gewordenen Wind auf sei nem Fell, aber er achtete nicht darauf. Seine ganze Sorge galt dem Braten. Dann jedoch, als er einmal aufblickte, stand die Flammenwand vor ihm, hinter ihm und an seinen Seiten. Mit rasender Ge schwindigkeit breitete es sich nach allen Sei ten aus. Vor Schreck ließ er die Spieße fallen und sprang auf. Zu seinem Glück erspähte er ei ne dunkle Lücke in dem grellen Vorhang, und ohne viel zu überlegen, rannte er darauf zu, durch sie hindurch und weiter in Wald und Nacht hinein. Sein einziger Gedanke war: weg von hier! An Erytder und Atlan dachte er nicht mehr, nur noch an die Rettung seines eige nen Lebens. Atlan erwachte durch ein ungewöhnliches Geräusch. Zuerst glaubte er, der Wind hatte sich ge dreht und trage das ferne Rauschen des Wasserfalls in die Höhle, aber dann fiel ihm der helle Schein auf, der in die Dunkelheit drang. Er wußte, daß er höchstens zwei Stunden geschlafen hatte, die Sonne konnte demnach noch nicht aufgegangen sein. Dann fegte der warme Wind in die Höhle. Hastig weckte er Erytder. »Aufstehen!
Flucht in den Kerker Ein Waldbrand! Wo ist Camauke?« Jetzt erst bemerkte er das Fehlen des Viertfells. Erytder taumelte schlaftrunken aus der Höhle. »Er ist weg, und mit ihm der halbe Fleischvorrat. Was hat das zu bedeuten?« Atlan ahnte es sofort, aber es blieb keine Zeit, länger darüber nachzudenken. Der Feu erring begann, die Höhle einzuschließen. »Wir müssen hier fort, sonst werden wir gebraten, Erytder. Los, nimm den Rest des Fleisches und dann hinab zum Nebenarm!« »Aber Camauke …« »Um den kümmern wir uns später.« Er zog den Spercoidenanzug an und such te nach einer Lücke in dem Feuer, das schon längst von den Verfolgern bemerkt worden sein mußte. Sie würden noch vor Morgen grauen hier sein, diesmal aber mit einer gan zen Flotte. Das vereitelte seinen ursprüngli chen Plan. Erytder folgte ihm nur zögernd. Immer wieder blieb er stehen und sah sich um, als hoffe er, Camauke würde ihnen folgen. Aber der Waldbrand hatte sich schon zu sehr aus gebreitet. Nur der Weg zum kleinen Fluß schien noch frei zu sein. Atlan hastete weiter. Wenn es überhaupt noch eine Rettung gab, dann unten beim Wasser. Er schimpfte sich einen Narren, das Floß abgestoßen zu haben. Jetzt konnten sie es gebrauchen, um sich auf die andere Fluß seite in Sicherheit zu bringen. Aber viel leicht wurde das Feuer rechtzeitig von der Feuchtigkeit in der Nähe des Wassers er stickt. Die überhastete Flucht hatte sie einen an deren Weg nehmen lassen, so daß sie den Nebenarm an einer ihnen unbekannten Stelle erreichten. Sie war einigermaßen trocken, und die angeschwemmten Baumstämme bil deten einen natürlichen Damm, der Land und Wasser trennte. Atlan sah zurück. Das Feuer schien langsamer voranzukommen, es mußte bereits die feuchten Regionen erreicht haben. Dahinter jedoch schien das ganze Land zu brennen, der Höhenrücken war ein
41 einziges Flammenmeer, dessen Schein Dut zende von Kilometern weit zu sehen sein mußte. »Ich muß mich um Camauke kümmern«, sagte Erytder. Atlan hielt ihn am Ärmel fest. »Nicht jetzt, es wäre sinnlos. Warte, bis es däm mert.« »Er kann sich selbst nicht helfen …« »Er ist heimlich aus der Höhle geschli chen, um sich Fleisch zu braten, dabei verur sachte er den Waldbrand. Er ist selbst schuld.« »Deshalb kannst du ihn nicht zum Tode verurteilen!« Atlan schüttelte den Kopf, nachdem er die Sichtscheibe der Rüstung geöffnet hatte, um sich besser verständigen zu können. »Im Gegenteil, eine sinnlose Suche jetzt wäre sein Todesurteil. Jetzt müssen wir die Zeit nutzen, um ein neues Floß zu bauen. Hier können wir nicht mehr bleiben, denn in wenigen Stunden sind die Spercoiden hier.« Ohne jede Begeisterung machte sich Eryt der an die Arbeit und schleppte Baumstäm me herbei. Atlan ging, um Schlingpflanzen zu holen. Als er mit einem Armvoll zurückkehrte, war Erytder verschwunden.
7. Als der Morgen graute, wurde Komman dant Slosc mit zwei Neuigkeiten geweckt. Die WAHRHAFTIGKEIT meldete ihre An kunft für die Mittagsstunde, und im Norden von der Landestelle war ein riesiger Wald brand beobachtet worden. Da es sich um die Fluchtrichtung der Entwichenen handelte, war der Zusammenhang sofort klar. Slosc befahl, die Suchflotte startklar zu machen. Der Verbrecher und Saboteur mußte noch vor dem Eintreffen des Hilfsschiffes gefaßt werden, sonst gab es Komplikationen. Offiziere der Sicherheitsabteilung beglei teten das Suchkommando. Sie sollten dafür sorgen, daß der Saboteur bei der Gefangen
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nahme nicht verletzt oder gar getötet wurde. Slosc wollte ihn unter allen Umständen le bendig haben. Vier Beiboote und zwei Dutzend Gleiter stiegen noch vor Sonnenaufgang auf und verteilten sich, um das verdächtige Gebiet einzukreisen. Diesmal würde es für die Flüchtlinge kein Entkommen geben. Weiter nach Norden und Osten brannte der Wald noch immer. Das Feuer fraß sich langsamer fort als in der Nacht, aber es er losch nicht. Nahrung gab es genug. Nur das Wasser setzte ihm eine natürliche Grenze. Beiboote und Gleiter begannen mit ihrer systematischen Suche. Wenn die Flüchtlinge noch lebten, waren sie nur außerhalb des verbrannten Gebiets oder auf dem Wasser zu finden. Das schränkte die Versteckmöglichkeiten gewal tig ein. Dort wo der Waldbrand gewütet hat te, war es noch viel zu heiß, um Schutz fin den zu können. In geringer Höhe flogen die Gleiter mit geringer Geschwindigkeit dahin, während die Beiboote in größerer Höhe die einzelnen Aktionen beobachteten, jederzeit zum Ein greifen bereit. Zwischen den Einheiten be stand eine ununterbrochene Funkverbin dung. Das war genau das, was Atlan befürchtet hatte.
* Im Dunkel der Nacht band Atlan das pri mitive Floß zusammen und schob es ins Wasser. Es schwamm sehr gut und trug ihn leicht. Aber er band es nur am Ufer fest und begann dann mit der Suche nach Erytder und Camauke. Schon nach einer halben Stunde wußte er, daß seine Suche nur mit Hilfe eines Zufalls erfolgreich sein konnte. Erytders Spuren verloren sich bald in der fußhohen Asche der verbrannten Bäume. Der Tekrothe war durch eine Lücke hindurch in das Zentrum des Waldbrands gelangt, um seinen Herren zu suchen. Atlan hätte ihm eine derartige
Anhänglichkeit nicht zugetraut, aber viel leicht kannte er auch die Mentalität des Te krothen zu wenig. Zwei Stunden irrte er ziellos durch das nun kaum noch Schutz bietende Gelände, dann gab er es auf. Außerdem war es längst hell geworden. Von den Spercoiden bemerk te er noch nichts. Er eilte zum Nebenarm zurück, löste das Floß vom Ufer und trieb in die Flußmitte hinaus. Mit einem breiten Paddel fiel es ihm nicht schwer, die leichte Strömung zu über winden. Er kam schnell voran. Es gab zwei Gründe, sich in Ufernähe zu halten. Erstens war hier die Strömung schwächer, und zweitens boten die weit über das Wasser hängenden Zweige Deckung. Sein Ziel war die weite Gras- und Busch steppe in südlicher Richtung, die er gestern vom Höhenzug aus gesehen hatte. Durch sie wandernd, konnte er einigermaßen unbe merkt wieder in die Nähe der BESCHEI DENHEIT gelangen und auf seine Gelegen heit warten, wenn es ihm nicht vorher schon gelang, einen Gleiter und seine Besatzung zu überlisten. Aber es kam anders, als er erwartet hatte. Die ersten Gleiter, die sehr niedrig flogen, störten ihn nur wenig, denn im Schutz der Uferbäume sahen die Besatzung ihn nicht. Er kam durch ihr ständiges Auftauchen nur langsamer voran. Wenn sie verschwunden waren, ruderte er weiter, und dabei verließ er über weite Strecken den sicheren Schutz des Blätterdaches. Die sehr hoch stehenden Beiboote beob achteten mit ihren stark vergrößernden Fern kameras das verdächtige Gebiet, und so ent deckten sie ihn, als er eine Bucht überquerte und sich der Flußbiegung näherte, die das Steppengebiet begrenzte. Die Meldung ging weiter an alle Suchein heiten. Die Gleiter begannen, ihr Opfer einzu kreisen. Atlan landete an einer unübersichtlichen Stelle und stieß das Floß zurück ins Wasser. Langsam trieb es mit dem Strom abwärts. Er
Flucht in den Kerker hegte die Hoffnung, daß es die Verfolger von seiner Spur ablenkte, aber auch in die sem Punkt irrte er sich. Die Spercoiden hatten nur deshalb noch nicht zugepackt, weil sie immer noch hoff ten, daß er sie zu den vermißten Tekrothen führte. Aber sie behielten ihn ständig im Au ge und verfolgten seinen Fluchtweg mit ih ren Instrumenten, ohne sich selbst zu verra ten. Atlan wandte sich sofort landeinwärts. Die vielen Büsche und das mannshohe Gras – so glaubte er – gaben ihm genügend Deckung. Oft genug sah er einen Gleiter, der das Gelände absuchte. Er duckte sich und wähnte sich in Sicherheit. Er richtete sich nach der Sonne und wuß te, daß er dem Landeplatz der BESCHEI DENHEIT näher kam. Dann, etwa gegen Mittag, erblickte er das Hilfsschiff. Die WAHRHAFTIGKEIT war ein ähnli cher Typ wie die BESCHEIDENHEIT. Um eine Übernahme der Ersatzteile zu erleich tern, landete es ebenfalls im flachen Wasser des Stromes, dicht neben dem havarierten Schiff. Die eigentliche Landung konnte Atlan al lerdings nicht mehr optisch verfolgen, dazu war er noch zu weit vom Strom entfernt. Aber er kam schnell voran. Dann sah er den Gleiter. Er kam vom Landeplatz der Schiffe her und flog sehr niedrig. Und er kam direkt auf ihn zu. War das die Chance, auf die er ge wartet hatte? Hastig blickte er sich nach al len Seiten um und stellte fest, daß kein wei terer Gleiter in Sicht war. Damit stand sein Entschluß fest. Er gab sich keine Mühe, unbemerkt zu bleiben. Absichtlich taumelnd bewegte er sich weiter, so als sei er am Ende seiner Kräfte. Das würde, so hoffte er, die Spercoi den unvorsichtig machen. Der Gleiter kam näher, die Besatzung hat te ihn bemerkt. Keine zwanzig Meter vor Atlan landete er im hohen Gras, das fast die kleine Luke ver deckte, die sich sofort geöffnet hatte. Zwei
43 Spercoiden erschienen und richteten dro hend ihre Waffen auf den Flüchtling, der auf sie zu wankte, scheinbar hilflos und ver zweifelt. Doch dann sah Atlan aus den Augenwin keln heraus einen zweiten Gleiter herbei schweben, der unmittelbar hinter ihm lande te, dann einen dritten und vierten. In diesem Augenblick erst wußte er, daß der Gegner ihm eine Falle gestellt hatte, aus der es kein Entrinnen mehr gab. Atlan blieb stehen. Seine Arme hingen schlaff am Körper herab, und in seinen Hän den waren keine Waffen, mit denen er sich hätte wehren können. Zur Flucht war es nun zu spät. Die Spercoiden kamen aus ihren Gleitern und näherten sich ihm vorsichtig mit schuß bereiten Waffen. Atlan hatte noch rechtzei tig das Helmvisier schließen können. Sollten sie ihn ruhig für einen Spercoiden halten – vorerst wenigstens. Wenn sie ihn töten woll ten, würden sie es tun, indem sie den Anzug öffneten. Vielleicht gelang es dann, ihre Überraschung erneut auszunutzen. »Deine Flucht ist zu Ende, Botosc«, sagte einer der Spercoiden. Aha, dachte Atlan, sie kennen schon dei nen Decknamen. »Du ergibst dich?« »Bringt mich zum Kommandanten«, for derte er kaltblütig. »Ich habe mit ihm zu re den.« »Wo sind die Tekrothen? Wo hast du sie versteckt?« »Ich suche sie selbst und weiß nicht, wo sie sind.« »Hast du den Waldbrand verursacht?« Atlan beschloß, die Sache kurz zu ma chen. »Bringt mich zum Kommandanten!« wie derholte er seine Forderung. »Ich werde nur ihm Auskunft geben.« Etwa ein Dutzend Spercoiden waren es die um ihn herumstanden und ihn mit ihren Waffen bedrohten. Er begann sich darüber zu wundern, daß sie ihn nicht gleich getötet hatten, aber wahrscheinlich hatten sie stren
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ge Anweisungen von Slosc erhalten. Der Kommandant benötigte ihn als Zeugen, um sich zu rechtfertigen. Das war vorerst so gut wie eine Lebensversicherung. Schweigend nahmen sie ihn in ihre Mitte und warteten, bis der schwarze Punkt am Himmel größer wurde und schließlich ein Beiboot in der Steppe landete. Ohne ihn zu fesseln, lieferten sie ihn bei dessen Besat zung ab. Wenig später erhob es sich und glitt in ge ringer Entfernung nach Süden, wo die bei den großen Schiffe im Strom bald sichtbar wurden. Atlans Gehirn arbeitete fieberhaft. Es mußte einen Ausweg geben …!
* Slosc war außer sich vor Freude, als er von der Gefangennahme des geflohenen Sa boteurs erfuhr. Vorher hatte er eine unange nehme Stunde erleben müssen. Der Kommandant der WAHRHAFTIG KEIT wies sich mit besonderen Vollmach ten des Tyrannen aus und forderte volle Aufklärung über die Geschehnisse an Bord der BESCHEIDENHEIT. Eine Aufklärung, die Slosc nicht geben konnte. Sperco, so teilte er mit, sei empört über das Verschwinden der tekrothischen Unter händler, aber noch mehr über die Tatsache, daß sich ein Saboteur unter der Besatzung der BESCHEIDENHEIT aufgehalten hatte, ohne daß man ihn entlarven konnte. Slosc müsse sich direkt vor dem Herr scher verantworten. Mitten in diese peinliche Unterredung platzte die Nachricht, daß man den Saboteur gefaßt habe. Slosc begann neuen Mut zu schöpfen. Er gab den Befehl, den Gefangenen sofort zu ihm zu führen. Draußen hatten inzwischen die Reparatur arbeiten und die Übernahme der Ersatzteile begonnen. Große Schwebeplatten beförder ten die schweren Apparaturen von einem Schiff zum anderen, wo sie von den Mon-
teuren in Empfang genommen wurden. Der rege Betrieb war die Ursache dafür, daß die Gleiter und das Beiboot mit dem Gefange nen fast unbemerkt landen konnten. Atlan wurde sofort zu Slosc geführt. Der Kommandant saß hinter seinem Tisch. Bis auf einen zweiten Spercoiden, der sich im Hintergrund hielt und während der ersten Zeit der Unterredung stumm blieb, war Slosc allein mit dem Gefangenen. Als die Wachen gegangen waren, fragte er: »Du bist Botosc?« »So nenne ich mich«, gab Atlan zu. »Du hast die Tekrothen entführt?« »Nein, sie kamen freiwillig mit. Du hast ihnen den Rückflug nach Vallischor verwei gert, deshalb wollten sie fliehen.« »Wo sind sie jetzt?« »Keine Ahnung!« »Du wirst es uns sagen!« Er beugte sich vor. »Oder wir werden deinen Anzug öff nen!« Atlan hob die Hand und öffnete das Visier seiner Rüstung. Der Spercoide fuhr erschrocken zurück, als er in das fremde Gesicht starrte, das sich nicht auflöste. Auch der Spercoide im Hin tergrund machte eine überraschte Bewe gung, blieb aber auch weiterhin stumm. In aller Ruhe entledigte sich Atlan seiner Rüstung und schob sie mit dem Fuß beiseite. Die Erleichterung, die ihn sofort befiel, war wie ein erlösender Schock. »Du bist …« »… kein Spercoide, ganz richtig«, bestä tigte Atlan, der nun nichts mehr verlieren, aber alles gewinnen konnte. »Mehr wirst du nicht aus mir herausbekommen, Slosc. Nur Sperco werde ich Rechenschaft geben, kei nem anderen. Du mußt wissen, daß ich in geheimer Mission hier bin, über die ich nichts verraten darf.« Zum ersten Mal gab der Spercoide im Hintergrund etwas von sich. »Er lügt!« sagte er nur. »Natürlich lügst du!« hieb Slosc in die Kerbe. »Um welche geheime Mission könn
Flucht in den Kerker te es sich da handeln, die dir das Recht gibt, unser Schiff halb zu zerstören? Sperco weiß nichts von dieser Mission, sonst hätte er nicht den Befehl gegeben, dich zu verhaften und zu ihm zu bringen. Raus mit der Wahr heit, oder …« »Oder …?« erkundigte sich Atlan. Er fühlte, daß Slosc unsicher geworden war, eine logische Folge der vorsichtig und umständlich operierenden Bürokratie eines weitverzweigten Imperiums. Der eine wußte nicht mehr, was der andere tat oder tun soll te, Befehle passierten zu viele Dienststellen. Bis sie ihr Ziel erreichten, konnten sie schon wieder aufgehoben sein. Slosc durfte keine Maßnahmen ergreifen, die nicht von Sperco angeordnet worden wa ren. »Gut, lassen wir das vorerst«, gab der Kommandant sich zufrieden. »Aber ich muß wissen, was aus den Tekrothen geworden ist.« »Das kann ich nicht sagen, weil ich es nicht weiß«, sagte Atlan und berichtete wahrheitsgemäß, was sich zugetragen hatte. »Dieser Camauke hat in seiner Dummheit den Wald angezündet und ist dann in das Feuer hineingerannt, wenigstens deutet alles darauf hin. Sein Diener folgte ihm, ehe ich es verhindern konnte. Das ist alles.« »Sie sollten einen Freundschaftsvertrag mit Sperco unterzeichnen …« »Dazu wird es nun leider nicht kommen können«, versicherte Atlan ohne Spott. »Ganz allein deine Schuld!« fuhr der Kommandant ihn wütend an. »Du wirst da für büßen.« »Das kann nur Sperco bestimmen«, gab Atlan ruhig zurück. »Der Gefangene hat in diesem Punkt recht«, mischte sich der Unbekannte im Hin tergrund wieder ein. »Ein Urteil über ihn kann erst dann gefällt werden, wenn die Gründe seines Handelns erforscht worden sind. Bis dahin, so lautet Spercos Befehl, ist er streng zu bewachen, aber nicht zu miß handeln. Eine Zelle in der WAHRHAFTIG KEIT wurde für ihn vorbereitet.«
45 »Ich bin froh, wenn ich nicht mehr die Verantwortung für ihn tragen muß«, sagte Slosc. »Dann sorge dafür, daß man ihn ins ande re Schiff bringt, ohne daß er abermals ent flieht«, ordnete der Unbekannte an. Die Wachen kamen herein und führten Atlan hinaus auf den Korridor. Seine Rü stung blieb zurück. Eine Schwebeplatte brachte ihn und seine Wächter hinüber zu der WAHRHAFTIG KEIT, wo er bereits von anderen Spercoiden erwartet wurde, die ihn in Empfang nahmen. Die Schwebeplatte kehrte zur BESCHEI DENHEIT zurück. Die Spercoiden nahmen Atlan in ihre Mit te und brachten ihn zu einer metallenen Tür, die keine Fluchtmöglichkeit mehr versprach. Dahinter lag ein wohnlich eingerichteter Raum ohne Sichtluken oder Bildscheiben. Zwei Betten standen in dem Raum, daneben war der Teil einer sanitären Anlage zu er kennen. Die schwere Tür schlug dumpf hinter At lan zu. Warum nur zwei Betten? dachte er. Ei gentlich hätten sie ja mit drei Gefangenen rechnen müssen. Er begann, daß Gefängnis zu untersuchen, aber sehr schnell wurde ihm klar, daß sein erster Eindruck richtig war: Vor hier gab es keine Fluchtmöglichkeit.
* Erytder hastete durch die beginnende Dämmerung auf seiner Suche nach Camau ke. Die Asche war noch heiß, und wenn er stehenblieb, verbrannte er sich die Füße. Vielleicht wäre es doch besser gewesen, bei Atlan zu bleiben. Natürlich fand er keine Spuren seines Herren, denn ständig wehte der Wind die Asche wieder auf und deckte alles erneut zu, was sie vielleicht offenbart hätte. Trotzdem gab Erytder nicht auf. Sicher, sein Herr war ein Dummkopf und
46 Freßsack, aber er war auch ein Viertfell. Und nur ein Vierfell konnte dafür sorgen, daß ein Erstfell zu einem Zweitfell wurde. Das Feuer selbst war nordwärts und auch nach Osten, weitergewandert, wo es genü gend Nahrung fand. Einzelne Stellen, wo der Boden felsig und nur wenig bewachsen war, hatten die Flammen verschont. Sie zogen sich wie Schneisen durch das Aschenfeld. Wenn Camauke entkommen war, dann nur durch eine dieser Schneisen. Und dann fand Erytder die erste Spur. Camauke hatte bei der überhasteten Flucht vor dem Feuer ein Stück seiner Be kleidung verloren und es anscheinend nicht bemerkt. Nun wurde es für Erytder leichter, da er wußte, auf dem richtigen Weg zu sein. In dem manchmal weichen Boden ent deckte er hin und wieder einen Fußabdruck, der zweifellos von seinem Herren stammte. Unbeirrt folgte er diesen untrüglichen Zei chen. Einmal mußte er sich in stehengebliebe nen Büschen verstecken, als ein Gleiter der Spercoiden über ihm dahinstrich. Auch im Süden waren dunkle Punkte dicht über dem Horizont zu sehen. Das war die Richtung, in die Atlan fliehen wollte. Ob sie ihn gefun den hatten? Erytder wartete, bis der Gleiter davonge zogen war, dann erst setzte er seine Suche fort. Die Spuren wurden frischer, Camauke kam nur langsam voran. Sicher knurrte sein Magen bereits vor Hunger. Das Gelände fiel ein wenig ab, Erytder ging schneller. Bald würde er Camauke eingeholt haben, hoffte er. Er sah ihn gegen Mittag in einiger Entfer nung auf einem Felsbrocken sitzen, er schöpft und in sich zusammengesunken, aber mit Sicherheit lebendig und gesund. »Camauke!« rief er erfreut und begann zu laufen. Der Würdenträger schrak bei dem Ruf zu sammen und richtete sich auf. Es sah so aus, als wolle er aufspringen und davonrennen, aber dann erkannte er seinen Diener. Er
Clark Darlton blieb also sitzen und wartete, bis ihn dieser erreichte. Statt sich jedoch über die unver hoffte Gesellschaft erfreut zu zeigen, grunz te er unwillig: »Jetzt erst kommst du? Wo hast du so lan ge gesteckt?« Erytder mußte sich setzen. Er war ganz außer Atem. »Ich habe dich gesucht«, brachte er schließlich hervor. »War höchste Zeit, daß du mich fandest. Bist du allein?« »Atlan ist allein weiter, aber ich wollte dich nicht im Stich lassen.« »Das wäre dir auch schlecht bekommen, Erstfell.« Erytder verkniff sich eine entsprechende Bemerkung und blieb höflich, wie es sich für ihn geziemte. »Sollen wir zu den Spercoiden zurück kehren, Camauke?« Camauke machte eine verneinende Bewe gung. »Nein, nur das nicht! Atlan wird uns schon helfen.« »Als Gefangener? Ich bin sicher, die Spercoiden schnappen ihn wieder, dann kann er uns nicht helfen.« Camauke ging nicht darauf ein. Er sah sich um. »Wo kriegen wir etwas zum Essen her, ich habe Hunger …?« »Du hast den halben Wald abgebrannt, al so auch die Bäume mit den Früchten. Wir werden ein Stück weiterwandern müssen, ehe wir etwas Brauchbares finden. Bist du müde?« »Nicht, wenn ich ans Essen denke.« »Gut, dann komm!« Mühsam erhob sich Camauke und stapfte brummend hinter Erytder her, der voran ging. Im Osten brannte der Wald nicht mehr und versprach Sicherheit. Im Süden waren die Gleiter verschwun den und tauchten auch nicht wieder auf. Hat ten sie ihre Mission erfüllt, oder war Atlan ihnen entkommen? Aber auch wenn es so war, so mußte das
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noch lange kein Grund sein, die Hoffnung aufzugeben. Auch als Gefangener würde der kluge Fremdling eine Möglichkeit finden, eine Information nach Vallischor zu schicken. Am späten Nachmittag erreichten die bei den Tekrothen einen kleinen Wald mit Fruchtbäumen, durch dessen Mitte ein klarer Bach floß. Camauke stürzte sich wie ein Verhungernder darauf und hatte binnen ei ner halben Stunde einen der Bäume regel recht kahlgefressen, während Erytder sich damit begnügte, den unverhofften Reichtum in aller Ruhe zu genießen. Vor Hunger jedenfalls würden sie hier nicht sterben, und verdursten schon gar nicht. Und schließlich hatte diese fremde Urwelt noch einen weiteren nicht zu unterschätzen den Vorteil: Hier war es wirklich völlig egal, ob man ein Erst- oder Viertfell war. Er beschloß, sich für einen längeren Auf enthalt einzurichten, und dazu gehörte auch, daß die Kluft zwischen ihm und Camauke erneut abgebaut wurde. »Hör endlich auf mit dem Geschmatze, du Freßsack«, fiel er in den rüden Ton zurück, den er schon einmal mit Erfolg angewendet hatte. »Es geht mir auf die Nerven.« Camaukes Sackkörper schlaffte zusam men. Er sagte nichts, aber er stopfte von nun an die Früchte langsamer in seinen großen Mund. Erytder aber gab ein paar fröhliche Pfeif töne von sich und begann damit, sich nach einem geeigneten Nachtquartier umzusehen. Camauke sah ihm mit undefinierbarem Gesichtsausdruck nach. Er begann zu ahnen, daß sie nun beide zu Nullfellen geworden waren … Aber es begann ihm auch gleichzeitig zu gefallen.
* Atlan hatte sich auf eines der Betten ge legt und versuchte zu schlafen. Er begann
Hunger zu verspüren, aber seine Vorräte hatte er auf der Urwelt zurücklassen müssen. Doch die Spercoiden würden ihn schon nicht verhungern lassen, dazu war er zu wertvoll. Ob sie die Tekrothen wieder eingefangen hatten? Dann würden sie bald seine Zelle teilen. Er war halb eingeschlafen, als ihn ein Ge räusch weckte. Die Metalltür wurde aufgestoßen, ein Spercoide kam herein. Hinter ihm schloß sich die Tür wieder. Der Spercoide brachte nicht die erhoffte Mahlzeit, er kam mit leeren Händen. Auch die übliche Waffe im Gürtel der Rüstung fehlte. Er blieb an der Tür stehen und musterte Atlan. Atlan gab den Blick zurück und wartete auf eine Erklärung. Als sie kam, richtete Atlan sich überrascht hoch. »Das alles habe ich nur dir zu verdan ken!« »Slosc …!« Der Spercoide setzte sich auf das freie Bett. »Ja, der Kommandant der BESCHEI DENHEIT! Ich soll mit dir zusammen zu Sperco gebracht werden, nachdem es nicht gelungen ist, die beiden Tekrothen einzufan gen. Die WAHRHAFTIGKEIT wird in we nigen Stunden starten.« Atlan fühlte eine Spur von Mitleid mit dem Kommandanten, der arg in der Klemme saß. Mit seiner Karriere würde es nun wohl zu Ende sein, falls er überhaupt mit dem Le ben davonkam. »Es ist nicht deine Schuld, Slosc. Mir aber blieb auch keine andere Wahl, wenn ich mein Ziel erreichen wollte. Es tut mir leid.« »Dein Mitleid nützt mir nichts, ganz ab gesehen davon, daß diese Gefühlswandlung überflüssiger Ballast ist. Ich sollte dich tö ten.« Atlan rutschte mit dem Rücken zur Wand. »Töten? Die Strafe Spercos würde dich um so härter treffen.«
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»Sie trifft mich so oder so! Ob ich dich töte oder nicht!« »Rede keinen Unsinn! Vielleicht will er dich nur verhören, um mehr zu erfahren.« »Ich kenne Sperco besser als du, Fremder. Ich kenne seine Urteile, mit denen er die Disziplin aufrechterhält. Mein Todesurteil ist bereits gefällt.« »Deine Bemerkung grenzt an Meuterei«, machte Atlan ihn aufmerksam, um ihn zu beruhigen, aber er erreichte damit nur das Gegenteil. »So, Meuterei nennst du es, wenn ich einen Saboteur und Mörder unschädlich ma che? Du bist kein Spercoide, sonst wärest du schon tot. Du bist ein Fremder, ein Feind!« »Nicht jeder Fremde muß auch ein Feind sein, Slosc!« »Aber du bist es! Ich will mich rächen an dir …!« Er stand auf und kam auf Atlan zu. »Bleib stehen!« Atlan rutschte vom Bett und stellte sich abwehrbereit davor. »Ich kann mich wehren, und ein Spercoide ist sehr leicht zu töten. Leichter jedenfalls als ich.« »Du hast keine Waffe bei dir.« »Du auch nicht!« Slosc ließ sich auf kein Argument mehr ein. Mit einem haßerfüllten Aufschrei stürz te er sich auf Atlan, der auf den Angriff vor bereitet war und beide Fäuste gegen das dunkle Visier der Rüstung vorschnellen ließ.
* Vielleicht, so überlegte der bevollmäch tigte Kommandant der WAHRHAFTIG KEIT, läßt sich der Gefangene Fremde zu offenherzigeren Bemerkungen hinreißen, wenn er mit Slosc allein ist. Da auch dieser ein Gefangener ist, muß zwischen den bei den eine Art Gemeinsamkeit entstehen. Eine Gemeinsamkeit, die zur Kumpanei führen könnte … Die Zelle war entsprechend präpariert worden. Es gab verborgene Kameras und Mikrophone. Man hatte sie so geschickt ver-
steckt, daß selbst Atlan sie nicht entdeckte. Der Kommandant hatte für Slosc einen Vertreter bestimmt und war dann an Bord seines eigenen Schiffes zurückgekehrt. In al ler Eile suchte er seine private Kabine auf, in der alle Verbindungen zusammenliefen, auch jene zur Gefängniszelle. Jetzt erst wurde auf seinen Befehl hin Slosc eingeliefert. Gespannt verfolgte er dann die Begeg nung zwischen Slosc und dem gefangenen Fremden, der so selbstsicher auftrat und po sitive Gefühle verriet – schon allein das galt als Verbrechen. Der Anfang des Gesprächs zwischen den beiden war enttäuschend, der Fremde verriet nichts. Erst als sich die Diskussion zu einem Streit erweiterte, schöpfte der Lauscher und Zuschauer neue Hoffnungen. Dann jedoch erfolgte der Angriff Sloscs. Atlan traf das Visier des ehemaligen Kommandanten mit voller Wucht, aber seine Fäuste konnten das starke Gesichtsteil der Rüstung nicht entscheidend beschädigen, was ihrem Träger das sofortige Ende bereitet hätte. Slosc wich zurück und sah sich nach einer geeigneten Waffe um, fand aber keine. Dem Fremden erging es ähnlich. Somit waren die beiden Gegner auf ihre eigene Kraft und Ge schicklichkeit angewiesen. Slosc hielt sich in gebührender Entfer nung, nahm jedoch eine lauernde Stellung ein, die auf neue Angriffe schließen ließ. Der Fremde hingegen wirkte ruhig und ge lassen. Er wechselte lediglich seine Stellung und stand nun mit dem Rücken zur Wand und wartete. Der Kommandant der WAHRHAFTIG KEIT wußte, daß er seine Kompetenzen überschritt, wenn er nicht sofort eingriff. Keiner der Gefangenen durfte verletzt oder gar getötet werden. Aber er hoffte noch im mer, etwas in Erfahrung bringen zu können. Dann jedoch ging alles blitzschnell, so schnell, daß sich seine sonst so emotionslose Stimme fast überschlug, als er seine Befehle in die Bordsprechanlage brüllte.
Flucht in den Kerker
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Slosc griff urplötzlich an und hätte den Fremden fast überrumpelt, doch dann rea gierte dieser mit einer Schnelligkeit, die selbst den Bevollmächtigten überraschte. Er atmete erleichtert auf, als er auf dem Bildschirm sah, wie sich die Metalltür öffne te und drei Spercoiden in das Gefängnis ein drangen, um das Schlimmste zu verhüten. Oder war es schon zu spät …?
* Zwar erwartete Atlan den Angriff seines Todfeinds, aber dann erfolgte er doch so überraschend, daß er beinahe unterlegen wä re. Slosc sprang vor wie ein Raubtier, das sich seiner Beute sicher ist. Seine beiden von der Rüstung bedeckten Hände griffen blitzartig zu und umklammerten Atlans Hals. Der Arkonide packte wiederum die beiden Handgelenke des Spercoiden und versuchte, sich so aus dem Würgegriff zu befreien. Als das nicht auf Anhieb gelang, nahm er den rechten Fuß zu Hilfe. Mit aller Wucht stieß er ihn gegen den Leib seines Gegners, der sofort losließ und zurücktaumelte. Dies mal nahm Atlan jedoch keine Rücksicht mehr. Er stürzte sich auf den Gegner und riß an der Schließvorrichtung seines Anzuges, um ihn zu öffnen. Das war der Augenblick, in dem der heimliche Zuschauer der Vorstellung ein griff. Die Tür wurde aufgestoßen, drei Spercoi den stürmten herein und trennten die Geg ner. »Ich werde dich schon noch kriegen!« drohte Slosc, als er aus der Zelle geschleppt wurde. »Warte nur, bis wir vor Sperco ste hen! Ich werde ihm sagen, daß du auch mich töten wolltest!« Atlan ignorierte den Wutausbruch und kehrte zu seinem Bett zurück. Er setzte sich. Slosc begann sich gegen die drei Spercoi den zu wehren, hatte aber nur wenig Erfolg.
Da kam aus irgendeiner Ecke des Raumes die Stimme des Bevollmächtigten: »Slosc! Das bedeutet Widerstand gegen die Staatsgewalt, wenn du dich wehrst. Der Fremde hat sich lediglich verteidigt, nicht mehr und nicht weniger. Wenn du Sperco mit einer Lüge entgegentrittst, sind deine Tage gezählt, sei also vorsichtig. Ich war Zeuge eurer Auseinandersetzung, und Sper co will auch mich hören.« Das gab Slosc den Rest. »Du hältst zu diesem Verräter – das wer de ich Sperco sagen!« »Führt ihn in die Einzelzelle!« war alles, was der andere dazu sagte, dann verriet ein Knacken, daß er die Verbindung unterbro chen hatte. Slosc begann zu toben, aber die drei Sper coiden packten ihn mit aller Macht und schleppten ihn hinaus auf den Korridor. Selbst als sich die schwere Tür geschlossen hatte, konnte er das Schreien des Enttäusch ten noch eine Weile vernehmen. Im Augenblick war er außer Gefahr, aber das Schlimmste stand ihm noch bevor. Es bestand nun nicht mehr der geringste Zweifel daran, daß die WAHRHAFTIG KEIT auf dem schnellsten Weg zu jenem Planeten fliegen würde, auf dem der Tyrann Sperco sein Hauptquartier hatte. Das bedeutete Lebensgefahr oder ewige Gefangenschaft. Auf der anderen Seite war Sperco der ein zige Schlüssel, der das Tor in die Freiheit öffnen konnte – auf welche Art und Weise auch immer. Freiheit hieß in diesem Fall: Rückkehr nach Pthor und damit später zur Erde. Atlan wußte, daß der Weg, der vor ihm lag, schwer sein würde, aber ihm blieb keine andere Wahl. Freiwillig hatte er sich diesen Weg nicht ausgesucht, aber er hatte keinen anderen gesehen. Noch einmal kehrten seine Gedanken zu Camauke und Erytder zurück. Wenn die Flammen des Waldbrands sie verschont hat ten, lag ein beschwerliches und entbehrungs reiches Leben vor ihnen, aber sie würden
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frei sein. Früher oder später würde Sperco sein »Freundschaftsangebot« an die Tekro then zwar wiederholen, aber bis dahin ver ging Zeit. Die eigenen Probleme überlagerten seine Sorge um die ehemaligen Verbündeten, für die er sein Leben gewagt hatte. Tyrannen und Diktatoren galten zwar allgemein als mächtig und auch grausam, aber sie besaßen auch ihre Schwächen, die es auszunutzen galt. Ihre größte Schwäche war der stets vor handene Wunsch, den eigenen Machtbereich immer weiter auszudehnen, und Atlan wuß te, daß dies der Punkt war, an dem er anset-
zen mußte. Er mußte Spercos Neugier wecken. Vielleicht kam alles ganz anders, als er sich das dachte, aber er war sicher, im richti gen Augenblick den richtigen Weg zu wäh len. Die WAHRHAFTIGKEIT startete … Er streckte sich auf dem Bett aus, schloß die Augen und versuchte zu schlafen.
E N D E
ENDE