STUDIEN ZU JUDENTUM UND CHRISTENTUM HERAUSGEGEBEN VON JOSEF WOHLMUTH
Sonderforschungsbereich 534 .Judentum- Christentu...
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STUDIEN ZU JUDENTUM UND CHRISTENTUM HERAUSGEGEBEN VON JOSEF WOHLMUTH
Sonderforschungsbereich 534 .Judentum- Christentum" an der Universität Bonn
2002
Ferdinand Schöningh Paderbom · München · Wien · Zürich
MATIHIAS KONRADT I ULRIKE STEINERT (Hg.)
Ethos und Identität Einheit und Vielfalt des Judentums in hellenistisch-römischer Zeit
2002
Ferdinand Schöningh Paderbom · München · Wien · Zürich
Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft Umschlagabb.: Mosaik, Synagoge Hammath-Tiberias, 4. Jh. n. Chr (Israel Exploration Society)
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Ein Titeldatensatz für diese Publikation ist bei der Deutschen Bibliothek erhältlich.
Einbandgestaltung: Anna Braungart, Regensburg Gedruckt auf umweltfreundlichem, chlorfrei gebleichtem und alterungsbeständigem Papier@) ISO 9706
© 2002 Ferdinand Schöningh, Paderbom (Verlag Ferdinand Schöningh GmbH, lOhenplatz I. D-33098 Paderbom) Internet: www.schoeningh.de Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk sowie einzelne Teile desselben sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen ist ohne vomenge schriftliche Zustimmung des Verlages nicht zulässig. Printed in Germany. Herstellung: Ferdinand Schöningh. Paderbom ISBN 3-506-72361-8
Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis
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Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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lohn M. G. Barclay Using and Refusing. Jewish ldentity Strategies under the Hegemony of Hellenism
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Kar/- Wilhelm Niebuhr Hellenistisch-jüdisches Ethos im Spannungsfeld von Weisheit und Tora . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
lohn 1. Collins Ethos and ldentity in Jewish Apocalyptic Literature
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lohann Maier Systeme ritueller Reinheit im Rahmen sozialer Bindungen und Gruppenbildungen im Judentum des Zweiten Tempels . . . . . . . . . . .
67
Heinz-losef Fabry Qumran und die Essener. Vom Beginn frühjüdischer Gruppenbildung bis zur Vielfalt der "Häresien"
123
Catherine Hezser Einheit und Vielfalt in der rabbinischen Halakhah
149
Daniel R. Schwartz Should Josephus Have lgnored the Christians? . . . . . . . . . . . . . . . . .
165
Michel Bollag Einheit und Vielfalt des Judentums an der Schwelle zum 21. Jahrhundert
179
Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
191
Abkürzungsverzeichnis Die Abkürzungen von Lexika-, Reihen- und Zeitschriftentiteln folgen S.M. Schwertner, IATG2• Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete. Zeitschriften, Serien, Lexika, Quellenwerke mit bibliographischen Angaben, Berlin!New York 21992. Zudem sind folgende Abkürzungen verwendet: ABO AJSt.R BBR CI
DSD JH JSJ.S JSQ NEB.E SAPERE StPhilo.MS VWGTh
Anchor Bible Dictionary Annual of Jewish Studies. Review Bulletin for Biblical Research Critical Inquiry. A Voice for Reasoned Inquiry into Significant Creations of the Human Spirit Dead Sea Discoveries. A Journal of Current Research on the Scrolls and Related Literature Jewish History Journal for the Study of Judaism in the Persian, Hellenistic and Roman Period. Supplements Jewish Studies Quarterly Neue Echter Bibel. Ergänzungsband Scripta Antiquitatis Posterloris ad Ethicam Religionemque Pertinentia Studia Philonica. Monograph Series Veröffentlichungen der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie
Vorwort Vor allem dies hat die wunderbare Einheit unter uns geschaffen. Denn ein und dieselbe Auffassung von Gott zu haben sowie in der Lebensführung und im Verhalten sich nicht voneinander zu unterscheiden. das bringt die allerbeste Übereinstimmung in den Wesensmerkmalen der Menschen zustande. Wir sind die einzigen, unter denen man keine Ansichten von Gott zu hören bekommt. die einander widersprechen ... Auch in der Lebensführung gibt es bei uns keine Differenzen.
Nach dieser Auskunft des jüdischen Historikers Flavius Josephus (C. Ap. 2,179-181) müßte sich die Frage nach Einheit und Vielfalt des Judentums in hellenistisch-römischer Zeit schnell erübrigen. Eine mögliche Vielfalt verschwindet hinter dem dominierenden Postulat der Einheit. In der neutestamentlichen Forschung war über lange Zeit hinweg eine ähnliche Sicht wirksam; das Judentum wurde weithin als ein monolithischer Block behandelt. Demgegenüber ist in den vergangeneo Jahrzehnten das Pendel in die Gegenrichtung ausgeschlagen - bis dahin, dass sich die plurale Rede von ,Judentümem" zunehmender Beliebtheit erfreut. Dieser Perspektivenwechsel, der neben den Qumranfunden wesentlich durch das gewachsene wissenschaftliche Interesse an den sog. Pseudepigraphen des Alten Testaments gegenüber der zuvorigen Dominanz der rabbinischen Literatur gefördert wurde, hat unmittelbare Konsequenzen ftir das Verständnis des Verhältnisses von frühem Judentum und frühem Christentum. Denn mit ihm verbindet sich die Erkenntnis, dass das Christentum in seinen Anfängen zunächst nichts anderes als eine von mehreren möglichen Spielarten des frühen Judentums war. Die komplexen jüdisch-christlichen Trennungsprozesse zeigen sich als in einen innerjüdischen Differenzierungsprozess eingebettet. Die Konstituierungs- und Differenzierungsprozesse von Judentum und Christentum im neutestamentlichen Zeitalter unter dem Blickwinkel der funktionalen Korrelation von Ethos und Identität als wissenschaftlicher Leitperspektive zu untersuchen, ist Aufgabe und Ziel des neutestamentlichen Teilprojekts des Sonderforschungsbereichs 534 "Judentum - Christentum. Konstituierung und Differenzierung in Antike und Gegenwart'., der zum l. Juli 1999 an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn eingerichtet wurde und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wird. Das von Michael Woher (Bonn) und Michael Mach (Tel Aviv) geleitete Teilprojekt geht dabei von der These aus, dass die genannte Leitperspektive einen Verslehenshorizont zu eröffnen vermag, warum in neutestamentlicher Zeit ein ursprünglich innerjüdischer Differenzierungsprozess in einen Trennungsprozess mündete bzw. warum die Inkulturations- und Institutionalisierungsprozesse, die sich für die frühen christlichen Gemeinden rekon-
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Vorwort
struieren lassen, mit den bekannten Prozessen der Trennung vom Judentum einhergingen. Sucht man das Umschlagen des innerjüdischen Differenzierungsprozesses in einen Trennungsprozess zu verstehen, so ist es notwendig, zugleich das Verhältnis von Einheit und Vielfalt im Frühjudentum zu reflektieren: was war als Spielart des Judentums (langfristig) möglich und inwiefern lässt sich ein die ,Judentümer" tragender Basiskonsens herausfiltern? Als Teil dieses Reflexionsprozesses veranstaltete der Sonderforschungsbereich 534 am 6.-8. Dezember 2000 ein Symposium zum Thema ,,Ethos und Identität. Einheit und Vielfalt des Judentums in hellenistisch-römischer Zeit", aus dem die in diesem Band gesammelten Beiträge hervorgegangen sind. Dabei wird- dem breiten Spektrum frühjüdischer Literatur entsprechend ein Bogen von der hellenistisch-jüdischen Diasporaliteratur über die Qumranschriften bis hin zum rabbinischen Schrifttum gespannt. John Barclay stellt in seinem Beitrag Using and Refusing. Jewish ldentity Strategies under the Hegemony of Hellenism das Modell der "cultural negotiators" als ein Modell vor, mit dem sich die Interaktion von Diasporajuden mit der hellenistischen Kultur adäquat beschreiben lässt. Gegenüber der bloßen Identifizierung hellenistischer Elemente in jüdischen Schriften rückt mit diesem Modell die analytische Frage nach ihrer Funktion, nach dem "Warum" ihrer Rezeption und Adaptation ins Zentrum. Barclay erläutert dieses Modell anband des alexandrinischen Judentums und zeigt das komplexe Identitätsmanagement von hellenistischen Diasporajuden als "cultural negotiators" zwischen der überkommenen jüdischen Tradition und der Akkulturation an den Hellenismus in seinen vielfältigen Varianten auf. Am Aristeasbrief zeigt er, wie zur gesellschaftlichen Elite gehörende Juden sich einerseits in der hellenistischen Kultur bewegen konnten, andererseits aber an spezifisch jüdischen Praktiken wie den Speisegeboten festhielten und damit- im Unterschied zu den Allegoristen bei Philo, Migr. Abr. 89-93 und später den Christen - eine grundsätzliche Solidarität mit den "einfachen Leuten" im Volk übten, worin ein bedeutsames einheitstiftendes Band zum Vorschein kommt. Mit der Frage nach einem unterscheidbaren Ethos der jüdisch-hellenistischen Diaspora als Mittel zur Identitätsfindung, -stärkung und -bewahrung, die Karl-Wilhelm Niebuhr in seinem Beitrag Hellenistisches Ethos im Spannungsfeld von Weisheit und Tora aufwirft, tritt die grundlegende Bedeutung der Tora als Kristallisationskern jüdischer Identität ins Blickfeld. In einem Durchgang durch eine Vielzahl frühjüdischer Texte wird deutlich, dass die Tora als grundlegende Bezugsgröße selbst dort präsent blieb. wo die aktuellen Anforderungen jüdischen Lebens in der Diaspora mit ihrem Wortlaut kaum noch in Einklang zu bringen waren. Dabei geriet auch die Weisheitstradition unter das Vorzeichen der Tora. Ein signifikanter Bedeutungszuwachs der Tora lässt sich ähnlich in der apokalyptischen Literatur beobachten, die John Collins in seinem Beitrag Ethos and ldentity in Jewish Apocalypticism thematisiert. Der Anspruch apokalyptischer Literatur, auf spezieller höherer Offenbarung zu beruhen, sowie die Ausrichtung auf die himmlische Welt können im Blick auf das Verhältnis von Ethos und Identität unterschiedlich
Vmwort
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ausformuliert sein. Während die frühen Henochtraditionen auf das Naturgesetz fokussieren, die Mose-Tora dagegen in den Hintergrund tritt, begegnen seit der Makkabäerzeit (z.B. im Jubiläenbuch und in den Qumranschriften) Spielarten einer torazentrierten Apokalyptik, in denen die höhere Offenbarung auf das Verständnis und die Auslegung der Tora bezogen ist. Die apokalyptische Literatur insgesamt betrachtet ergibt sich ein komplexes Bild von Variationen des Verhältnisses von Ethos und Identität und der Bedeutung der Tora, was Collins dazu führt, der generellen Subsumierung apokalyptischer Literatur unter E.P. Sanders' Modell des (rabbinischen) Bundesnomismus zu widersprechen. Johann Maier fragt in seinem Beitrag Systeme ritueller Reinheit im Rahmen sozialer Bindungen und Gruppenbildungen im Judentum des Zweiten Tempels nach den sozialen Funktionen von Reinheitsvorstellungen und -praktiken, hebt die in ihnen wirksamen Grundmotive sowohl im Blick auf den Bereich der kultischen Institution als auch im Blick auf den Bereich allgemein-menschlicher Erfahrungen hervor, weist ihre integrierenden wie desintegrierenden Wirkungen auf und zeigt so, wie sich die innerjüdischen Ausdifferenzierungsprozesse im Lichte des Umgangs mit Reinheitsvorstellungen darstellen. Unter der Überschrift Qumran und die Essener. Vom Beginn frühjüdischer Gruppenbildung bis zur Vielfalt der "Häresien" analysiert Heinz-Josef Fabry - nach einem Durchgang durch die noch erkennbaren Gruppenbildungen in alttestamentlicher Zeit - die im Zusammenhang der Reaktion auf den Inkulturationsdruck des Hellenismus stehenden jüdischen Differenzierungsprozesse des 2. Jahrhunderts v. Chr., wobei dem Verhältnis von Essenem, der "Gemeinde des Neuen Bundes im Lande Damaskus" und dem ya~ad in Qumran besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird. Ein Blick auf das Spektrum der Qumranbibliothek und auf die Vielfalt der dort bezeugten Texttraditionen alttestamentlicher Schriften macht deutlich, dass mit einer wesentlich stärkeren Ausdifferenzierung des Frühjudentums zu rechnen ist, als die - häufig als Zugang zum Thema frühjüdische Gruppenbildung gewählte -Erwähnung der drei "Häresien" Pharisäer, Sadduzäer und Essener bei Flavius Josephus annehmen lässt. Die rabbinische Literatur rückt mit dem Beitrag von Catherine Hezser ins Blickfeld. Ausgehend von der neueren Kritik an der traditionellen Vorstellung. dass es bereits in den ersten Jahrzehnten nach der Tempelzerstörung eine rabbinische Orthodoxie gegeben hat, die verbindliche halakhische Regelungen zu erlassen und ihre Befolgung autoritativ durchzusetzen vennochte, fragt sie nach Einheit und Vielfalt in der rabbinischen Halakhah. Im Rahmen der Reflexion dieser Thematik sei der unsystematische Charakter antiken Rechtsdenkens ebenso zu berücksichtigen wie die Differenz zwischen dem mündlichen Stadium der Überlieferung und der Verschriftlichung. Ist für das mündliche Stadium die Vielfalt und Unausgeglichenheit der Lehnneinungen charakteristisch, so bedeutet die Verschriftlichung immer auch eine Auswahl von Traditionen, wobei es in der rabbinischen Bewegung auch hier nicht zu einer völligen Systematisierung und Vereinheitlichung der Halakhah gekommen ist. Daniel Schwartz beleuchtet unter der Überschrift Should Josephus
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Vorwort
Have Jgnored the Christians? einen spezifischen Ausschnitt der Trennungsprozesse zwischen frühem Christentum und Judentum: Josephus schweige deshalb weithin über die Christen, weil sie zu seiner Zeit in Rom nicht mehr Juden waren und somit ihre Geschichte bereits außerhalb des Aufgabenbereichs eines Historikers des Judentums lag. Einen Exkurs in die Gegenwart unternimmt schließlich der Beitrag von Michel Bollag über Einheit und Vielfalt des Judentums an der Schwelle zum 21. Jahrhundert. Bollag verweist dabei auf die grundlegende Bedeutung, die den unterschiedlichen Mustern der Reaktion auf die durch die Aufklärung ausgelösten gesellschaftlichen Modemisierungsprozesse für das Verstehen der Ausdifferenzierung des Judentums in ,Judentümer" in der Modeme zukommt. Angesichts der damit verbundenen Desintegrations- und Polarisierungsphänomene rekurriert Bollag auf das Moment der selbstlosen Verantwortung für andere als eine Identität stiftende Brücke zwischen den einzelnen Judentümem. Schlägt man von hier den Bogen zurück zu dem ersten Beitrag dieses Sammelbandes von John Barclay, so ergibt sich von selbst die Frage, inwiefern sich zwischen Antike und Modeme in phänomenologischer Hinsicht im Blick auf die jeweiligen Inkulturations- und Interaktionsprozesse verwandte Strukturmuster der Identitätsproblematik ausmachen lassen.
Bonn, Frühjahr 2002
Matthias Konradt, Ulrike Steinert
JOHN
M.G.
BARCLAY
U sing and Refusing Jewish Identity Strategies under the Hegemony of Hellenism In the course of demonstrating the antiquity of Jews, Josephus, in his treatise Contra Apionem, cites a story about a meeting between Aristotle and an anonymous Jew. Let me quote some portions of this tale, which Josephus derived from Clearchus: That they [the Greeks] not only knew about the Jews but also admired any they encountered - I am not talking about the worthless Greeks, but those who are most admired for their wisdom - is easily seen. Clearchus, a disciple of Aristotle and second to none among peripatetic philosophers, says in the first book of his work "On Sleep" that his teacher Aristotle told this tale about a certain Jewish man ... 'The man was a Jew by race, from Coele-Syria. These people are descendants of the philosophers in lndia. It is said that among the Indians the philosophers are called Calanoi, and among the Syrians Jews/Judaeans, taking their name from their location; for the place they inhabit is called Judaea ... Now, this figure was welcomed as a guest by many people and was on his way down from the interior to the coast; he was Greek not only in his speech but also in his soul. ... ' (C. Ap. 1.175-180)
Our assessment of this story will indicate how we construe the position of Jews during the Hellenistic era. This Greek-souled Jew, however fictional, may stand for those elite Jews whose paideia equipped them not only to speak but alsotothink in categories which we consider characteristically "Greek". Was this a disaster? Did such Jews thereby lose their "authentic" Jewish identity and sell their birthrights for the benefits of assimilation? Or was this, to the contrary, an enonnous achievement, representing the Jewish ability to find common ground with the majority Hellenistic culture, to create a cultural synthesis in which they became "Greek" without ceasing to be authentically "Jewish"? Or again, is there such a thing as an "original", "authentic" Jewish identity which can be more or less corrupted, or more or less supplemented, or more or less reinterpreted, in Hellenistic terms? Did these Greek-souled Jews discover, through their Hellenism, new ways tobe Jewish? How we answer such questions depends on our models of cultural and ethnic identity, and on whether we operate with some notion of the "essence" of Judaism. It will also reflect our understanding of the power-dynamics involved in this cultural interaction between Jews and Greeks. Clearchus' telling of this story, and Josephus' reaction, could evoke several responses. Following Josephus himself, scholars have cited this story as evidence that in the
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John M.G. Barclay
early Hellenistic period Jews were regarded favourably, admired for their "wisdom", and treated, with the Calanoi, as bearers of a respectable philosophical tradition. Louis Feldman thus cites this story, with some pride, as a sample of "pro-Jewish" or "philo-Semitic" sentiment: is it not good that people of such unimpeachable rationality as Aristotle should see Jews as a race with something to contribute to high culture? 1 Or is this reading of the story somewhat naive? lf Clearchus admires Jews, it is only on his tenns, and to the degree to which they fit his notion of an ideal gentleman. The people whose evaluation counts in Clearchus' story are Aristotle and bis circle of scholars, and if they admire this Jew's "endurance" (xaQtEQLa) and "moderation" (oW4
Text nach Burchard, Vorläufiger griechischer Text. Vgl. Delling. Kunst, 285f.; Burchard, Joseph und Aseneth, 611ff. JosAs 7,1: 'Joxril
Vgl. auch Cook, /nnerbiblica//nrerpretalion.
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Johann Maier
und 4Q284 vor, zumindest Partien ähnlichen Inhalts enthielten 4Q265 = 4QSD bzw. 4QMiscellaneous Rules5 7 und 4Q284a. In 4Q414, 4Q415 und 4Q5125B sind rituelle Reinigungsvorschriften sogar mit den dazugehörigen liturgischen Texten (Benediktionen) überliefert5 9 , so dass sich ein neues Bild von dem ergibt, was im 3./2. Jh. v. Chr. diesbezüglich vorhanden und umstritten war, und dies speziell in priesterlichen Kreisen. 60 Themenbezogene Sammlungen sind zu unterschiedlichen Zwecken und auch für unterschiedliche Personengruppen niedergeschrieben worden, und die meisten Qumrantexte gehören offensichtlich zur professionellen Priesterliteratur. In Bezug auf die autoritative Wertigkeit bedeutet dies, dass man Texten für den internen priesterlichen Gebrauch schwerlich ein geringeres Gewicht beigemessen hat als den für eine breitere Öffentlichkeit publizierten Schriften und dass es darum nicht viel Sinn macht, sie exegetisch von biblischen ableiten zu wollen. Ein Beispiel dafür ist die Aussatztorah Lev 13f., ein relativ massiver Traditionskomplex.61 Neben der Totenunreinheit galt der Aussatz als schwerste Beeinträchtigung der menschlich-gesellschaftlichen Sphäre, und darum nahmen Regelungen zur Erkennung dieser Plage und ihrer Beurteilung einen entsprechenden Raum ein, führte doch eine positive Diagnose zu einer totalen Ausgrenzung aus der menschlichen Gesellschaft, also nicht bloß aus dem Heiligtum und der Stadt des Heiligtums. Manchmal kam es aber vor, dass die Diagnose zu voreilig war oder dass eine unverhoffte Heilung eintrat, so dass die zuständigen Priester erneut über den Befund entscheiden mussten. Dass es für Fragen des Aussatzes priesterliche Handbücher gegeben hat, deren Inhalte nicht von der biblischen Aussatztorah in Lev 13f. abgeleitet sein mussten oder gar konnten, ist eigentlich selbstverständlich. 4QD Fragmente62 enthalten z.B. größere Reste eines solchen Textes, in dem die Symptome, nach denen der Priester die Diagnose zu stellen hatte, genauer beschrieben werden als im biblischen Text. Wie üblich hat man sich auch dafür um den Nachweis einer Ableitung aus der angeblichen biblischen Vorlage Lev 13f. bemüht, aber wahrscheinlicher ist eine kompliziertere Vorgeschichte beider Dokumente bzw. Traditionen. Auch andere Qumrantexte 63 enthalten zu diesem Thema noch Hinweise. 64 Selbst Josephus bot seinen Lesern gegen 100 n. Chr. in Ant. 3,261-268 noch Besonderheiten, die nicht exegetisch aus
Baumgarten. Halakhic Texts (DJD XXXV). 57-78. Schiffman, Serekh-Damascus. Dazu s. auch Regev, Yose Ben Yoezer. w Baumgarten. Purification Liturgies. 1>11 Doering. Purity Regulations. fll Seidl, Tora. fl2 4Q266 Frgm. 6 i I 4Q269 Frgm. 7 I 4Q272 Frgm. I i I 4Q273 Frgm. 4 ii; dazu s. auch die Rekonstruktion von J.M. Baumgarten in Charlesworth (Hg.). Dead Sea Scrolls II. 64-75 sowie in Baumgarten. Damascus Document (DJD XVIII). 129-130.188-190.196-197. flJ 4QMMT (4Q394 Frgm. 8 iv,l4ff. + 4Q396 Frgm. I ii,4-6) und in der Tempelrolle ( IIQ19 45.17f.; IIQ19 46,1-3.17f.; IIQ19 48.14-17). 1>4 CD 13.3-7; 4Q266 Frgm. 9 i; 4Q266 Frgm. 9 i; 4Q269 Frgm. 7f.; 4Q272 Frgm. I; 4Q273 Frgm. I ii; s. dazu Baumgarten.lildokite Fragments. 57 5R
Systeme ritueller Reinheit
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Lev 13f. abgeleitet werden können (vgl. auch Bell. 5,227; C. Ap. 1,28lf.). Und selbstverständlich ist die Situation im Traktat ~gll 'im der Mischna, Tosefta und des Talmuds sowie im Midrasch Sifra trotzder massiven biblischexegetischen Komponente noch komplizierter. Die Frage nach den Quellen dieser Überlieferungen ist mit dem bloßen Hinweis auf Lev 13f. nicht abgetan. In älterer Zeit sind wahrscheinlich nur kultisch-rituell relevante Bestimmungen als toriih bezeichnet worden. Aber es hat von früh an Überschneidungen mit dem staatlichen, königlichen Recht gegeben, so wie auch kultische und staatliche Abgabenordnung miteinander verzahnt waren und auch später weithin blieben. Demgemäß herrschte auch eine gewisse Konkurrenz zwischen den Interessen und Ansprüchen höfischer Instanzen und Instanzen des Kultapparats. Dabei hatte die Priesterschaft den Vorteil, mit dem Heiligtum über den Ort der Gottesgegenwart und der Offenbarung, und damit in jedem Fall auch über eine oberste, offenbarende Instanz zu verfügen, wenn es galt, etwas als Gottesrecht oder Gottesurteil zu deklarieren. Der Untergang der Monarchie, das Scheitern der politischen Restauration in der persischen Zeit und die Etablierung der hierokratischen Herrschaftsform mit ihrer hochprivilegierten Kultdienerschaft begünstigten die levitisch-priesterliche Seite. Die kultische Institution erwies sich als die kontinuierlichere, und noch dazu war das Kultpersonal nicht bloß fest organisiert, es hat sich als soziale Gruppe auch mittels Genealogien abstammungsmäßig definiert und damit eindeutig vom Rest des Volkes abgehoben. Im rituellen Bereich blieb die priesterlich-levitische Kompetenz trotz des Exils sowieso ungebrochen und wurde nur durch interne Zwistigkeiten und durch die Ansprüche der Samaritaner in Frage gestellt. Weitreichende Kompetenz-Ansprüche in Richtung auf ein allumfassendes Gottesrecht unter priesterlicher Kontrolle sind zwar wohl schon früher programmatisch formuliert worden, konnten im Exil, fern von den Zwängen Jerusalemer Verhältnisse, auch ungehindert systematisch ausgebaut werden, aber unter der persischen Oberherrschaft konnten sie nach und nach mit wachsenden AutonomieRechten unter hierokratischer Ägide durchgesetzt werden. Kein Wunder also, dass in der persischen Zeit das Konzept einer allumfassenden Torah als Inbegriff aller Ordnung und des gesamten Gotteswillens zu mehr als nur einer Utopie ausgebaut werden konnte. Es entstand die Vorstellung einer nie voll verftigbaren Idealtorah als Inbegriff des Gotteswillens, deren offenbarte Teile mit Mose und/oder Aaron in Verbindung gebracht wurden und deren Funktion mit dem Heiligtum verbunden erscheint. Torah-Offenbarung und Torah-Administration waren ein Ievitisch-priesterliches Monopol. Im Pentateuch wurde das Monopol auf solche Offenbarungen mit dem Etikett ..Mose", in rein rituellen Belangen mit dem Etikett "Aaron", und in rituellen Belangen, die auch die Laienschaft betreffen, mit dem Etikett "Aaron und Mose" zur Geltung gebracht. Die Torah-Erteilung bzw. die Etikettierung von Gesetzen als Torah des Mose war sicher nicht beliebig möglich, sondern als levitisch-priesterliches Monopol natürlich an eine entsprechende Institution gebunden. Die deutero-
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Johann Maier
nomische Tradition schließt jedwede normale Prophetenfunktion in Fragen des Rechts aus und monopolisiert die Befugnis zur höchsten judikativen und legislativen Entscheidung in der Funktion des "Propheten wie Mose", und zwar im Rahmen einer obersten, unanfechtbaren Instanz am Heiligtum. 65 Solange es diese Institution gab, kam laufend neue Torah zustande, wie es in den Mosegeschichten des Pentateuchs illustriert wird: Tritt ein unlösbares Problem auf, geht Mose ins Heiligtum und empfangt eine direkte Offenbarung. Normalerweise also von Fall zu Fall, wie ja auch Gesetzgebung in alter Zeit als Rechtsprechung von Fall zu Fall erfolgte, aber im Laufe der Zeit wurden auch ganze Gesetzeskomplexe als Mose-Torah niedergeschrieben und damit als offenbart und absolut verbindlich etikettiert, und auch das stand sicher nicht im Belieben irgendwelcher Schreiber, sondern war wohl Aufgabe der Torah-Höchstinstanz. Dieser levitisch-priesterliche Anspruch auf das Torah-Monopol und damit auf die höchste legislative und judikative Instanz blieb so lange grundsätzlich wirksam, als die priesterliche Autorität selbst intakt blieb. Das musste sich ändern, sobald kein Konsens mehr darüber bestand, was aktuell als Torah und somit verbindliche Offenbarung und als korrekte Praxis gelten soll. Es sieht so aus, als sei im frühen 2. Jh. v. Chr. dieser Konsens nach längeren Querelen zerbrochen und damit auch die Torah-Kompetenz der Höchstinstanz in Frage gestellt worden. Die sogenannte Damaskusschrift (CD, Kol. 1-2; 6) und Hinweise in anderen Qumrantexten setzen voraus, dass es in nachexilischer Zeit schon früh zu tiefreichenden Differenzen unter der Priesterschaft gekommen war und dass 390 Jahre nach der Eroberung Jerusalems durch Nebukadnezar, also mit dem Übergang von der ptolemäischen zur seleukidischen Herrschaft 198 v. Chr., wieder eine strengere Richtung zum Zug kam. Diese trieb zwanzig Jahre später, also gegen 178 v. Chr., mit dem Amtsantritt eines besonders ambitiösen Moreh $~d~q (,,Lehrers der Gerechtigkeit", besser: "Torah-Anweisers"), den Konflikt auf die Spitze und beschwor eine Konfrontation herauf, die dann nach 175 v. Chr. unter Antiochus IV. Epiphanes außer Kontrolle geriet. Dieser nicht näher bezeichnete Moreh ~~d~q der Damaskusschrift war wohl der Moreh ha-$lEd~q in anderen Qumrantexten und möglicherweise der letzte Inhaber jenes Amtes, das im Deuteronomium als das eines "Propheten wie Mose" bezeichnet wird und das noch Flavius Josephus in Ant. 4,218 zu Dtn 17,8-13 expressis verbis als Bestandteil der hierokratischen Mose-Verfassung erwähnt hat. Mit der Infragestellung und Ablehnung der Autorität dieses letzten Amtsinhabers durch eine stärkere Priesterfraktion schlitterte das Kultpersonal aber insgesamt geschwächt in die Krise unter Antiochus IV. Epiphanes und sah sich danach den militärisch-politisch siegreichen Hasmonäem konfrontiert. Diese waren zwar ebenfalls Priester, erkannten aber weder die Autorität des "Lehrers der Gerechtigkeit" als des Torah-Propheten jener Zeit an, noch ersetzten sie ihn durch einen anderen, genehmeren Priester, weil sie offenbar überhaupt keinerlei Interesse daran hatten, dieses polit>5
Ctiisemann, Tora. bes. 76-131.280-283.
Systeme ritueller Reinheit
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tisch prestige- und konfliktträchtige Amt weiter beizubehalten. Zudem verbündeten sie sich zunächst mit Kräften, die im Volk über einen größeren Anhang verfügten, vor allem mit den später als ,,Pharisäer" bezeichneten Gruppen. Unter Johannes Hyrkan (ab 135 v. Chr.) und vollends unter dem König Alexander Jannaj ab 104/103 v. Chr. vollzogen die Hasmonäer zwar eine innenpolitische Kehrtwendung und unterstützten jene später Sadduzäer genannte Priesterfraktion, die sich mit den neuen Herrschaftsverhältnissen abgefunden hatte und so trotz weitreichender gemeinsamer Positionen automatisch in einen Gegensatz zum "Lehrer der Gerechtigkeit" und dessen Anhang geraten war. Als der Lehrer der Gerechtigkeit bald nach 141 v. Chr. verstarb66 , erlosch mit seinem Leben auch sein Amt, die Funktion eines Torah-Propheten a Ia Mose, und nicht zufällig wurde mit dem Übergang zur monarchischen Herrschaftsform laut Josephus (Ant. 3,218) auch das UrimTummim-Orakel abgeschafft. Es ist bemerkenswert, dass der Priester Josephus in dieser Verfassungsänderung eine historisch-chronographisch entscheidende Epochenzäsur gesehen hat. Die Institution des Königtums gab Anlass zu Bedenken, nicht die Verbindung zwischen Hohepriesteramt und politischer Herrschaft, denn dies entsprach ja durchaus dem Konzept der mamltEkat koh 0 nim mit dem goy qlidos bzw. (LXX) ßao(A.twv LEQ{xttu~ xat revoc; äywv von Ex 19,6 (vgl. 2 Makk 2, 17), eines ,,Priester(tums)-Herrschaftsbereiches", in dem Israel zu einem "heiligen Volk" wird. 67 Im Zusatz der LXX in Ex 23,22 wird dies nochmals hervorgehoben und somit einleitend wie abschließend die mosaische Autorität dessen herausgestrichen, was im Rahmen der entsprechend kompetenten Institution offenbart wurde. Wer die Autorität des ,,Lehrers der Gerechtigkeit" ablehnte, aber für ihn auch keinen Ersatz schaffen wollte, unterband die Möglichkeit, neue Torah allgemeinverbindlich proklamieren zu lassen. Die praktizierte, angewandte Torah war unter den Priestern zudem bereits selbst einige Zeit strittig gewesen, wie der Qumrantext 4QMMT mit der Auflistung von etwa zwei Dutzend Diskrepanzen bestätigt, die vor allem kultisch-rituelle Details betreffen.68 Dieser innerpriesterliche Dissens diskreditierte die herkömmliche Torah-Autorität insgesamt, und so kam es zu divergierenden gruppengebundenen Positionen und Praktiken. Aber selbst innnerhalb der Anhängerschaft des "Lehrers der Gerechtigkeit" konnte man nach seinem Tod nicht mehr im alten Sinne legislativ verfahren, weil man die 40 Jahre bis zum Anbruch der ersten Endzeitperiode um ca. 98 v. Chr. auf der Basis der geltenden Torahniederschriften überbrücken wollte. Danach sollte es nämlich ohnedies zur WieM
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t.x
Laut CD 20,13-15 starb er 40 Jahre vor dem Beginn der ersten Endzeitperiode. die entsprechend dem Geschichtsperiodenschema der Jubiläen-Wehchronologie 490 Jahre nach der 'Urstörung des ersten Tempels (586 v. Chr.) beginnen sollte. Zu dieser institutionellen Bedeutungs. v.a. 2 Makle 2,17. Die Literatur zu dem christlich-theologisch gewichtigen Belegvers ist über die Kommentare hinaus recht umfangreich. Vgl. zur Übersicht Moran, Kingdom; van der Walle, Administrative Body; Camponovo. Königtum. 81 ff.384ff.411: Cazelles. Autour, 289-294: darüber hinaus zum gesamten Komplex: Oswald, Israel. Regev. Temple lmpurity.
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derherstellungder alten Verfassung mit einem gesalbten Hohepriester, einem gesalbten Herrscher und einem Propheten kommen. Auch in dieser Gruppe fehlte also ab ca. 141 v. Chr. die institutionelle Voraussetzung für neue Torah-Proklamationen. In dieser Situation füllten zwei Faktoren das entstandene autoritative Vakuum auf: Im gesamtjüdischen Rahmen machte eine aufstrebende LaienGelehrsamkeit der priesterlichen Autorität Konkurrenz, und ein nach außen hin bereits offiziell bekanntes schriftliches Dokument, der Pentateuch, rückte an die Stelle der höchsten Torah-Instanz. Und im selben Maß gewannen auch exegetische Vorgänge an Gewicht, auch innerhalb der Qumrangruppierung. Der so zur Geltung gelangte biblische Pentateuch hatte zunächst wahrscheinlich eine vorrangig politisch-staatsrechtliche Funktion gehabt; er diente mit seinen Gesetzessammlungen im Rahmen einer Geschichtsdarstellung von der Schöpfung an vor allem dem Nachweis, dass das Judentum über altehrwürdige und somit Respekt erheischende Traditionen verfügt. Er war also nicht als Gesetzbuch konzipiert worden, wozu die literarische Form sowieso nicht passt, sondern als Basis-Dokument für den Nachweis von verbindlichen Traditionen hohen Alters überhaupt. Wieweit die politische Funktion schon für die persische Zeit vorauszusetzen ist, sei hier dahingestellt, die Ansätze sind wohl da zu vermuten. Nachweislich begann die zur späteren ,,kanonischen" Geltung führende Karriere des biblischen Pentateuchs aber erst als Folge seiner Übersetzung ins Griechische unter der ptolemäischen Herrschaft im frühen 3. Jh. v. Chr., denn dadurch wurde dieses Dokument in den Augen der Umwelt und der politischen Oberherrschaft zum Inbegriff des jüdischen u6f.loc;. Für die jüdische Seite stellte das aber nur die dokumentarische Grundlage für all das dar, was darüber hinaus noch Inhalt und Umfang der jüdischen Autonomie ausmachte und jeweils als verbindliche Tradition "der Väter" galt. Das inhaltlich nicht klar definierte Verhältnis zwischen Basisdokument und tatsächlich beanspruchten Privilegien hatte mehr Vorteile als Nachteile, gewährleistete einen Freiraum, den es diplomatisch optimal auszunutzen galt. Dieses Modell wurde in den Vereinbarungen mit den Seleukiden um 200 v. Chr. festgeschrieben, und von da an blieb es das Grundschema für die jüdische Autonomie bzw. für die Gewährung jüdischer Privilegien in der hellenistisch-römischen Periode. 69 Die innerjüdische Karriere des Pentateuchs als autoritativer Torah-Niederschrift ergab sich auf der Basis dieser seiner öffentlich-staatsrechtlichen Bedeutung in demselben Maß, wie die herkömmliche interne Rechtsordnung an Autorität und Effizienz verlor. In einer solchen Situation machte es Sinn, auf Texte zu verweisen, die offiziell als jüdisch wichtige Dokumente bekannt und allgemeinjüdisch unumstritten waren. Der publizierte Teil der Tradition gewann daher gegenüber den strittig gewordenen und widersprüchlichen internen Traditionen ein weit größeres Gewicht. In der Tat lässt sich belegen, dass es im Zuge interner Diskussionen und Divergenzen bezüglich gesetzli"'1
Barclay. Jews; Linder, Roman Imperial LeKislation; Pucci Ben Zeev, Jewish Rights.
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eher Praktiken nach und nach auch in Qumrantraditionen immer häufiger zu Rekursen auf Inhalte des Pentateuchs als eines gemeinjüdischen Basistextes gekommen ist. Und die chronologische Statistik der Qumrankopien von Pentateuchtexten entspricht dieser zunehmenden Bedeutung, obschon in dieser betont priesterlichen Tradition weiterhin alternative Pentateuch- und Torahniederschriften vorhanden waren und benutzt wurden. Diese neue Funktion und Wertung ist in den einzelnen jüdischen Richtungen nicht synchron zum Zug gekommen. In der priesterlich orientierten Tradition hinter den Qumrantexten, in der die alte Torahkonzeption am längsten fortlebte, setzte dieser Prozess entsprechend später ein. Im Rahmen der laien-orientierten Tradition, die in den pharisäischen Kreisen zum Tragen gekommen ist, geschah dies früher. Dafür gab es zwei Gründe: Einmal stand den Laien Torah sowieso nur mit dem Pentateuch, also in der publizierten Form zur Verfügung. Zum andern konnte man mit der Einschränkung der geschriebenen Torah auf Pentateuchinhalte die Autorität anderer Torahtraditionen unterlaufen. Und zugleich ergab sich damit ein Freiraum für den Ausbau der eigenen Gruppentraditionen, ohne die ein Gemeinwesen nicht zu regulieren war, weil die Pentateuchgesetze ja keineswegs alle Bereiche abdecken. Auch für die Sadduzäer konnte die Begrenzung der verbindlichen schriftlichen Offenbarung auf den Pentateuch zur Abwehr anderer Autoritätsansprüche dienen, sowohl von Seiten der Verfechter der Qumrantorah als auch von Seiten der Pharisäer mit ihren angeblich verbindlichen väterlichen Überlieferungen. Dem Interesse der Hasmonäer, sich einen möglichst weiten legislativen Spielraum zu erhalten, kam es nur zugute, wenn als Torah unbestritten nur mehr das galt, was im Pentateuch festgeschrieben vorlag, ergab sich doch im Rahmen des eigenen Staatswesens ein erheblicher Gesetzgebungsbedarf. In der Diaspora spielte die levitisch-priesterliche Rechts-und Kultordnung fernab vom Tempel und außerhalb des Kultbereichs (Land Israel) nicht die gewichtige Rolle wie im Mutterland. Hier war die Gemeinde-Praxis und Gemeinde-Rechtsprechung entscheidend. Man konnte zwar in sehr schwierigen Fällen eine Anfrage nach Jerusalem richten, aber im Normalfall war als höhere Autorität doch in erster Linie jenes Dokument zur Hand, das auch die Basis der jüdischen Rechtsautonomie war, nämlich der biblische Pentateuch. Und nach diesem richtete man sich daher auch automatisch in strittigen Fragen der rituellen Reinheit, soweit es dafür Anhaltspunkte gab. Wie man es in der Diaspora darüber hinaus hielt, ist unbekannt. Die Rabbinen haben jedenfalls im Rahmen des relativ geschlossenen Systems der Mischna möglichst alle Lebensbereiche abgedeckt, auch wenn dies z. T. zunächst nur programmatisch-theoretische Bedeutung hatte, und sie haben die jeweils erforderlichen Regelungen auf dieser Basis festgelegt und ständig aktualisiert - und dies aus einer ökonomischen Sicht, die sich vorrangig am Laien als Produzenten und Konsumenten orientierte, ohne die kultische Systematik prinzipiell preiszugeben. Sie korrigierten jedoch diese kultische Systematik auch, und zwar nicht zuletzt mit Hilfe exegetischer Rückgriffe auf die einschlägigen biblischen Texte.
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5. Die institutionelle Verankerung des Systems der Heiligkeits-und Reinheitsvorstellungen 5.1. Das Heerlager Eine relativ kontinuierliche Tradition darf man von der Königszeit ausgehend bis in das zweite christliche Jahrhundert (Bar-Kochba-Krieg) für die Institution des Heerlagers voraussetzen. Die Organisation des militärischen Aufgebots war von früh an allgemein auch mit bestimmten Reinheitspraktiken verbunden 70, und dasselbe gilt natürlich für die Beendigung von Kriegsunternehmen. 71 Die Kriegsdiensttauglichen wurden durch solche Riten auch von der übrigen Bevölkerung abgehoben, und zwar mindestens in dem Maß wie durch die Kultfähigkeit Nicht zufällig haben militärische und kultische Organisation allerlei gemein, auch in der Fachterminologie. Die zur Zeit des Zweiten Tempels lange Zeit fehlende Eigenstaatlichkeil hat in der Forschung zu einer Unterbewertung der politischen und militärischen Aspekte geführt, wie überhaupt eine Neigung zu beobachten ist, entweder das Anliegen des Friedens oder das Thema .,Heiliger Krieg" jeweils für sich überzubetonen. Das Militärwesen hatte auch noch späterhin in der jüdischen Geschichte durchaus seinen Platz, und auch für die Geschichte der jüdischen Religion, und da insbesondere für ihre Zukunftserwartungen, ist der militärische Aspekt durchwegs von Bedeutung gebliebenJ2 So dürften auch die jüdischen Militärkolonien in der persischen und dann seleukidischen wie ptolemäischen Periode einen größeren religionsgeschichtlichen Einfluss gehabt haben, als gemeinhin angenommen wird. In der Regel fanden freilich nur die jüdischen Militärkolonien in Ägypten Beachtung. 73 Die kleinasiatisch-syrischen Militärkolonien, die im Rahmen der seleukidischen Politik der Gründung von Städten und Militärstützpunkten entstanden sind74 , haben aber möglicherweise die Struktur der dortigen Diasporagemeinden entscheidend vorgeprägt Außerdem haben sie im jüdischen Bewusstsein einen so nachhaltigen Eindruck hinterlassen, dass die syrischkleinasiatische Region im kultisch zentrierten ethno-geographischen Denken des frühen Judentums nicht nur als Sem-Gebiet, sondern auch als Teil des salomonischen Reiches _galt, während Ägypten als Harn-Gebiet feststand. Wurde die Bevölkerung Agyptens dementsprechend negativ eingeschätzt 75 , so schnitten die Japhetiten (d.h. speziell die Griechen in Kleinasien) relativ günstig ab. Anders steht es mit dem Land .. Kanaan", das als .,Land Israel" von
° Kupper. Recensement; Masson, Rituel hittite.
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Vgl. Jdt 16,19: nachdem sich das Volk gereinigt hatte, wurden Brandopfer dargebracht. Vgl. ferner IQM XIV, 2ff. 12 Maier, Kriegsrecht. 73 Kasher, Jewish Military Units. 74 Für jüdische Militärkolonisten unter Antiochus 111. um ca. 210 v. Chr. s. Josephus, Ant. 12,148-153 und dazu Schalit, Letter; Tcherikover, Hellenistic Civilization, 287f. 1 ~ Maier, Ethnographisch-geographische Überlieferung; Frey. Weltbild.
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den hamitischen Kanaanäern widerrechtlich besiedelt worden ist und nach der deuteronomistischen Norm aus ihrer Gewalt befreit werden muss. Im deuteronornischen Kriegsrecht (Dtn 20) und in seiner kultisch akzentuierten Fassung in der Tempelrolle ( 11 Q19 Kol. 58 und Kol. 61,12- 63, ?), aber auch später in seinen rabbinischen Ausarbeitungen wird eine Art Vorwärtsverteidigung gefordert, um den heiligen Bereich des Landes bereits im Vorfeld abzuschirmen und möglichst zu erweitern. Die deuteronornisehe Fassung der Lagerordnung in Dtn 23, 10-15 weist zwei rin1ell begriindete Regelungen auf, die in V. 15 ziemlich unbekümmert massiv mit der Gegenwart Gottes begründet werden. Die erste betrifft Personen mit Sperma-Pollution, und die zweite soll gewährleisten, dass das Lager nicht durch menschliche Exkremente verunreinigt wird. Die Lagerordnung der P-Tradition setzt zwar organisatorische Strukturelemente des Heerlagers voraus, das theologische Interesse gilt aber nicht militärischen, sondern kulttheologischen Aspekten, nämlich der Position und Bedeutung des Heiligtums und seines Kultpersonals im Rahmen der Stämme Israels. Dieses Heiligtum ist allerdings ein vorläufiges, die Gottesgegenwart keine ständige; daher ergänzt hier das Motiv der Theophaniewolke das Konzept der Gottesgegenwart. Num 5,1-4 erwähnt als ausgeschlossene Personen speziell Aussätzige, Ausflussbehaftete und Totenunreine, und es wird hier natürlich auch die Anwesenheit von rituell reinen Männern und Frauen im Lager vorausgesetzt, da es sich nicht um ein reines Militärlager handelt. Alle Unreinen sollen das Lager für die Zeit ihrer Unreinheit verlassen, "damit sie nicht ihr Lager verunreinigen, da ich unter ihnen einwohne (soken lrtokiim)", womit eine kultische Gottesgegenwart angezeigt wird. Die LXX setzt hier bemerkenswerterweise anstelle des kultischen Terminus technicus soken mit xatay(vo~m einen Ausdruck voraus, der dem Sinn nach eher Dtn 23,15 und wahrscheinlich einer älteren militärischen Tradition entspricht: Gott zieht im Lager mit den Israeliten, und zwar mitten unter ihnen mit. Die Gottesgegenwart im Heiligtum wurde von jener im Lager abgesetzt: Eine Einwohnung findet nur im Heiligtum selbst statt, aber Gott zieht dennoch wie im Heerlager mit. Indem die LXX damit das Wüstenlager Israels als Heerlager darstellte, wollte sie wohl das Militärlager gegenüber dem Tempel kultisch abwerten. Militärlager hatten offenbar ihre besonderen, in Militärkolonien wie auf Elephantine und in Heliopolis sogar örtlich festen kultischen Einrichtungen mit entsprechendem KultpersonaL Das musste nicht als Verstoß gegen das Jerusalemer Kultmonopol gesehen werden, das im vollen Sinne wahrscheinlich nur für den Bereich des Landes Israel galt. Aber wegen solch ortsfester kultischer Einrichtungen in ständigen Militärkolonien bestand wahrscheinlich ein Bedürfnis zu Präzisierungen in der Frage der Gottesgegenwart, wofür es auch sonst Hinweise gibt. Die LXX lässt nämlich in Bezug auf HeiligkeilSbereiche auch sonst gelegentlich besondere Anliegen erkennen. Ez 43,7 setzt nicht wie der MT eine Polemik gegen Königsgräber in Tempelnähe voraus, sondern verallgemeinert das Vergehen zu Bluttaten der Könige im ganzen Land; man las statt biimotiim ("wenn sie gestorben
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sind") im Stil der Aussagen über Gottesgegenwart betokiim ("in ihrer Mitte").76 Die Kriegsrolle aus Qumran formuliert 1QM VII ,5-8 detaillierter als Dtn 23,1~15, aber nicht einfach im Sinn einer Exegese bzw. Erweiterung dieser Deuteronomiumspassage, wie gern vorausgesetzt wird. 1QM schließt alle rituell unrein gewordenen Personen aus, auch Frauen und Minderjährige sowie Personen mit einer physischen oder psychisch-geistigen Behinderung, und kommt mit dieser Aufzählung dem Personenkreis nahe, der von der Volksversammlung (1Q28a 11,3-6) und vom Heiligtumsbesuch ausgeschlossen ist. 77 Aber als Grund wird nicht mehr die Gottesgegenwart angegeben, und zwar weder im Sinne der militärischen noch der kultischen, sondern die Gegenwart heiliger Engel als Mitstreiter der Israeliten (vgl. auch I QM Xll,6f). In verarbeiteten Einzelstücken, die aus älterer Militärtradition stammen, kommt jedoch noch die alte Vorstellung vom Kriegsgott ungebrochen zum Ausdruck. So etwa IQM X,1f.: "[ ... ] unsere Lager, um sich zu hüten vor allem Schändlich-Argen. Und da er uns verkündet hat, dass Du in unserer Mitte bist, der große und furchtbare Gott, um zu vertreiben alle (2) unsere Feinde v[or u]ns, und er uns von einst her für alle Generationen folgendermaßen belehrt hat (Dtn 7 .2~24 ): Wenn ihr zum Kampf herangerückt seid, trete der Priester hin und rede zum Volk ... ". Dasselbe gilt für eine ganze Reihe hymnischer Stücke, die offenbar älteren Datums sind (lQM Xlf.; XIV,4-18; XV,9-15). Man hat schwerlich einen Widerspruch zur Vorstellung von den Engelkriegern empfunden, die unter Michaels Führung (I QM XVI,4-8) mit den Israeliten als ,,Lichtsöhne" die Feinde Israels und die Heere Belials als "Finsternissöhne" vernichten sollen (vgl. 1QM XIX, 1-5). Ungeachtet der traditionellen poetischen Rhetorik gilt im übrigen hier als Motivation für die Reinheit des Heerlagers eben die Engelgegenwart. Bemerkenswert ist die dualistische Färbung, die automatisch auch das Verhältnis zwischen ,,rein" und "unrein" betraf, sobald man voraussetzte, dass im eigenen - "reinen" - Lager Gott mit seinen Engelmächten gegenwärtig ist und auf der Gegenseite, im "unreinen Bereich", Belial mit seinen Geistern wirkt. Das Heerlager ist also nicht als solches heilig, denn die Reinheitsverpflichtung gilt den Kriegern wegen ihrer überirdischen Mitstreiter, also letzten Endes für die Kampfsituation. Nach 4Q491 Frgm. 1-3,10 darf darum niemand im Zustand ritueller Unreinheit in den Kampf ziehen. Die Qumrantexte belegen beide Bereiche, den militärischen und den kultischen Bereich, auf sehr eindrucksvolle Weise. Sie sind aber nach wie vor sehr wohl unterschieden worden. Man kann also den militärischen Bereich nicht allein als maßgebliche Vorgabe für die spezielle Ausformung der Qumran-Reinheitspraxis in Anspruch nehmen. Im Gegenteil, die Vorstellung von der Heiligkeit des Heerlagers und von den .,heiligen" Kriegern 76
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Weitere Beobachtungen bei Büchner. Inside and Outside rhe Camp; Trebilco, Jewish Communities. 5ff. Shemesh. Holy Angel.~.
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dürfte für das Bewusstsein der Laienschaft viel stärkere Auswirkungen gehabt haben. Die priesterliche Seite war sich dieser Konstellation wohl bewusst und hat ihren Vorrang zu behaupten gewusst. Eine gewisse Relativierung der Heerlager-Gottesgegenwart war mit der Hervorhebung der Gegenwart von Engeln in jedem Fall gegeben. Die P-Lagerordnung wurde als eine Mischung aus alten Heerlagervorstellungen und einem bestimmten Heiligtumskonzept konstruiert, das letztlich nicht bloß das Heiligtum, sondern auch die Stadt des Heiligtums als "Lager" im Sinne hatte und überdies außerhalb des Heiligtums keine kultische Gottesgegenwart mehr anerkannte. Heiligkeit und Reinheit des Heerlagers wurden also im Lauf der Zeit entsprechend den in der Jerusalemer Priesterschaft vorherrschenden Ansichten jeweils neu definiert, doch bedeutete die festgestellte Abwertung durchaus nicht eine gleichzeitige Reduzierung der Reinheits-Bedingungen. Im Gegenteil, diese wurden ausgebaut, weil sie im kultischen System der nachexilischen Hierokratie als Instrument priesterlicher Kontrolle fungieren konnten, denn die Entscheidung über rein und unrein lag bei den Priestern.
5.2. Das kultzentrierte System Das Numinose und Heilige gilt als Bedrohung, soweit die Bedingungen für den Zugang und Umgang damit nicht feststehen oder nicht beachtet werden. Das Hauptanliegen ist dabei jedoch nicht die Definition des Unreinen, sondern die Definition des Reinen bzw. Heiligen und seiner Handhabung bzw. Bewahrung vor Verunreinigung. Es geht also in erster Linie um die Reglementierung des Zugangs zu und des Umgangs mit institutionalisierten Formen des Numinosen, also um Kultsysteme, um heilige Bereiche und heilige Objekte, heilige Zeiten und ein funktionsgemäß entsprechend reines bzw. heiliges Kultpersonal.7 8 Und schließlich geht es in einem weiteren Schritt darum, im Rahmen der Definition Israels als der Gemeinschaft der Kultberechtigten, diese als "heilig" von anderen Völkern mit ihren fremden Kulten abzugrenzen. Somit gilt es in erster Linie, nach den Institutionen und Interessen zu fragen, denen solche Vorstellungen und Praktiken dienlich waren. Im Zusammenhang mit den Institutionen des Heiligtums zu Jerusalem hatte von der Königszeit her eine systematisierende kulttheologische und erwählungstheologische Deutung der Einzelvorstellungen stattgefunden, verstärkt durch die Situation im Exil und die dort erforderliche Abgrenzung "Israels" von der Umwelt. Was immer einzelne Verhaltensweisen und Vorstellungen in früher Zeit bedeutet haben mögen, entscheidend für ihre spätere Bedeutung war von da an ihre Funktion im institutionellen und sozialen Kontext der Periode des Zweiten Tempels. Aber selbst innerhalb der kultischen Orientierung gab es von früh an differierende Auffassungen, die in den
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Van der Toom, Pureil rituelle; Endres, Bib/icallnterpretation, 233-236.
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biblischen Traditionen zutage treten, nur ist deren Einordnung in den Lauf der historisch nachweisbaren Ereignisse sehr schwierig. Man darf aber annehmen, dass zwischen den frühen Differenzen und den Konflikten in der hellenistisch-römischen Periode ein gewisser Sachzusammenhang besteht, vielleicht auch ein Traditionszusammenhang, sofern bestimmte Priesterfamilien sich traditionell mit solchen Positionen identifiziert haben. Für die Reinheitsvorstellungen der jüdischen Antike sind auf der kultischen Basis zwei Systemvarianten feststellbar. Auf Grund ihrer institutionellen Verankerung waren die beiden zwar zu einem großen Teil kongruent, aber infolge konträrer Blickwinkel und Interessen ergaben sich doch sowohl qualitativ wie quantitativ kennzeichnende Unterschiede. Der erste Blickwinkel ergab einen vorrangig kultisch, ganz am Heiligtum und an den Bedürfnissen des Kultpersonals orientierten Systemtyp, der in einschlägigen Qumrantexten am massivsten bezeugt ist. Der zweite ist ein vorrangig aus der Laienpraxis entwickelter Systemtyp, und dieser begegnet voll ausgefülut in den rabbinischen Überlieferungen. Abwandlungen beider Ansätze finden sich mit besonderen, vor allem symbolistischen und apologetischen Akzenten, in der hellenistisch-jüdischen Literatur. Alle oben erwähnten einzelnen Unreinheilserscheinungen bekommen durch ihren Bezug auf das Heiligtum einen zusätzlichen, letztlich entscheidenden Sinn; daher ergaben sich dadurch teilweise auch strengere Gesichtspunkte. Das gilt nicht zuletzt für die Beurteilung von Ausflussbehafteten und durch Sperma-Austritt verunreinigte Personen unter dem Gesichtspunkt einer Gefährdung der heiligen Bereiche und Dinge, in erster Linie wohl im Kreis des Kultpersonals selbst und erst sekundär im Kreis der zu kultischen Abgaben verpflichteten Laienschaft Während der Zeit bis zur Zerstörung des Zweiten Tempels gab es eine kontinuierliche Kultpraxis auf der Basis eines festen Konzeptes von den heiligen Bereichen und ihren Erfordernissen bezüglich ritueller Reinheit. Auch wenn in Details Differenzen aufkamen, und zwar schon so früh, dass sie sich in der priesterschriftlichen Tradition selber bereits niedergeschlagen haben7 9 , und offensichtlich konkurrierende Auffassungen in Details immer wieder akut geworden sind110, hat das Gesamtkonzept jedoch später selbst die laienorientierte pharisäisch-rabbinische Tradition prinzipiell nicht in Frage gestellt, sondern nur aus einem anderen Gesichtswinkel beschrieben und in Details anders akzentuiert. In jedem Fall erfüllten die rituellen Verhaltensweisen eine Identität stiftende Funktion. Entscheidend war für die weitere Entwicklung allerdings die grundsätzliche Einstellung zum Heiligtum. Generell kann vorausgesetzt werden, dass alle, die auf die Teilnahme am Kult Wert legten, sich auch an die entsprechenden rituellen Regelungen zu halten suchten. Wir wissen zu wenig über die Kontrollmöglichkeiten in diesen Zusammenhängen, sie waren
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S.o. Anm. 54. Dazu vgl. auch lsaacs. Sacred Space; Hourman/Poorthuis/Schwartz (Hg.). Sanctity.
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aber sicher eng mit der Organisation des Abgabenwesens verbunden und unterstanden daher vor allem levitischer Aufsicht. Eine Demonstration der Kultzugehörigkeit war natürlich der Besuch der großen Feste bzw. die Wallfahrt, die offensichtlich gerade auch für Diasporajuden eine gewichtige Bedeutung hatte. Die Wallfahrer hatten eine Reihe von rituellen Vorschriften zu beachten, um zur Wallfahrt und in das Heiligtum zugelassen zu werden und um dort die vorgeschriebenen rituellen Pflichten erfüllen zu können. 81 In der Qumranliteratur ist eine besonders strenge priesterliche Auffassung dokumentiert. Es handelt sich weithin um professionelle, levitisch-priesterliche Texte zu rituellen und kultischen Fragen. In der Regel wurde versucht, möglichst alles davon auf biblische Texte und deren Auslegung zurückzuführen. 82 Das setzt aber voraus, dass eine entsprechende Wertung und Behandlung biblischer Texte damals bereits selbstverständlich war. Hier ist festzuhalten, dass es sich vor allem um den literarischen Niederschlag langwieriger Kontroversen über Details des kultischen Systems handelt, das voll und ganz auf das Heiligtum und seine Bedürfnisse hin ausgerichtet war und in dem alles vom Blickwinkel des Heiligtums aus betrachtet und bewertet wurde83 - und darüber hinaus auch um Zeugnisse für die Annahme, dass der Jerusalemer Kult aus diesen Gründen seine Sühnefunktion nicht mehr zu erfüllen vermag und dass diese Sühnefunktion ersetzt werden muss, bis der korrekte Zustand wiederhergestellt ist. Aber gerade als Folge der Anwendung dieses Systems ergaben sich so schwierige praktische Probleme und Interessenkonflikte, dass im Lauf des 2. Jh. v. Chr. die Mehrheit der Priester Kompromisslösungen akzeptierte, die in den Augen der strengen Verfechter des Systems eine Abirrung darstellten, durch die ihnen sogar die Sühnefunktion des Tempelkultes in Frage gestellt erschien. Von zentraler Bedeutung ist dabei die Tempelrolle, weil sie in ihrem literarischen Autbau und mit ihrer sachlichen Ordnung die Systematik der kultischen Konzeption eindrucksvoll vor Augen führt. 84 Vom Allerheiligsten als Brennpunkt der Heiligkeit ausgehend nach außen hin bis zu den Grenzen des Landes fortschreitend wurde alles in konzentrisch abgestufte Heiligkeilsbereiche mit entsprechend abgestuften Reinheitsbedingungen eingeteilt. Was außerhalb des Tempels und der Stadt des Heiligtums liegt und lebt, wurde in Relation dazu gesehen. ss Der Schwerpunkt liegt demgemäß auf dem Zentrum der Heiligkeit, dem Tempelhaus, den Tempelhöfen und der Stadt des Heiligtums. Reinheitsvorschriften galten hier selbstverständlich vorrangig dem Kultpersonal, vor allem in Verbindung mit den diversen rituellen Aufgaben in den einzelnen Hei-
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Safrai, Wallfahrt. Milgrom, Scriprural Foundnticms; Harrington, lmpurity Systems, 47-110.283-291; dies .• Nature. Maier. Purity. Jucci. Ordine sacro; Maier. Tempelrolle. Siehe dazu auch Newton. Concept.
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ligkeitsbereichen. In diesem Rahmen war darauf zu achten, dass die einzelnen Opferarten, auch nach ihrer Zweckbestimmung für Priester oder für das Volk, sorgfältig voneinander getrennt werden. Ferner, dass Opferanteile und rituelle Abgaben je nach ihrem Heiligkeilsgrad auch in entsprechend heiligen Bereichen behandelt und konsumiert wurden und dass heilige Geräte und Dienstkleider nicht in minder heilige Bereiche gerieten. Anzahl und Abgrenzung der Heiligkeilsbereiche waren teilweise umstritten, aber es bestand ein weitreichender Grundkonsens. Maßgebliche Grundlage ist das Konzept einer konzentrischen Anordnung von heiligen Bereichen, deren Heiligkeilsgrad mit den entsprechenden Reinheitsbedingungen von innen nach außen abnimmt. Zu vergleichen sind dazu vor allem die Tempelrolle (11Q19, Kol. 2-13 und 30-48) und die Angaben des Josephus in Bell. 1,25f.; 5,227; C. Ap. 2,102-104. Die Aufzählung von elf Bereichen in mKelim I,6ff. und den dazu gehörenden Paralleltexten zeigt, dass das Grundkonzept bis auf geringe Varianten unstrittige jüdische Tradition war. Und kennzeichnend ist, dass diese rabbinische Tradition die Bereiche nicht von innen nach außen auflistet, sondern aus der Sicht des Laien von außen nach innen: 1. Land Israel, 2. befestigte Städte, 3. Jerusalem innerhalb der Mauer, 4. Tempelberg, 5. IJ.el und heiliges Quadrat von 500 x 500 Ellen, 6. Israelitenhof bzw. Frauenvorhof, 7. Männerhof, 8. Priesterhofllnnerer Hof, 9. Äußerer Kultbereich mit Altar und Vorhalle; schließlich die Inneren Kultbereiche, 10. Tempelhalle und 11. Allerheiligstes. Ein besonderes Merkmal der strengen Richtung hinter der Tempelrolle ist eine strenge, auch architektonisch massive Abgrenzung der priesterlichen Kultbereiche und der Laienbereiche. Der Priesterhof ist für Laien überhaupt unbetretbar. Der Hof der kultfähigen Männer, der mittlere Hof, deckt sich im Ausmaß mit dem traditionellen heiligen Bereich von 500 x 500 Ellen des Jerusalemer Heiligtums. Darüber hinaus konzipiert die Tempelrolle - sozusagen programmatisch - einen riesigen Israelhof, den Nichtjuden nicht betreten dürfen. Reinheitsvorschriften für Laien regeln im Kontext dieses Systems in erster Linie den Zutritt zum Heiligtum, aber auch zur Stadt des Heiligtums. Extrem streng sind in der Sicht nämlich auch die Reinheitsbedingungen für die Stadt des Heiligtums. Eine entsprechende Auffassung spiegelt sich bereits in der priesterschriftlichen Lager-Konzeption, in Jes 52, I und in II Q 19 4 7,3-7. Um 200 v. Chr. hat sie für die jüdischen Privilegien unter Antiochus 111. eine Rolle gespielt, und einige Details wurden noch gegen I00 n. Chr. vom priesterlichen Historiker Josephus vertreten. Diese strenge Linie lief auf einen weitgehenden Ausschluss normalen Alltagslebens in der Tempelstadt hinaus, widersprach vitalen sozialen und ökonomischen Interessen und konnte daher auf längere Zeit auch nicht durchgehalten werden. Kein Wunder also, dass es nach der Reform unter Antiochus 111. alsbald zu einer energischen Gegenbewegung kam und diese strenge Linie scheiterte. Nach Num 5,1-4 müssen Aussätzige, Unreine durch Totenunreinheit und Ausflussbehaftete das Lager verlassen. Noch Josephus (ein Priester!) sprach in seiner Wiedergabe dieser Passage in Ant. 3,261 von der "Stadt'\ und in
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Bell. 5,227 tat er dies (,.aus der ganzen Stadt") speziell in Bezug auf Aussätzige und Ausflussbehaftete, die nach späterer rabbinischer Halakah bis an den Tempelberg heran dürfen (vgl. Mischna und Tosefta Kelim 1,8); Menstruierende und Wöchnerinnen waren nach Josephus aber nur aus dem Heiligtum ausgeschlossen. Dies zeigt, dass noch bis zur Zerstörung des Tempels innerhalb der Priesterschaft unterschiedlich strenge Positionen in Bezug auf die ,.Stadt des Heiligtums" vertreten wurden, es also bei den Qumranzeugnissen nicht nur um ,.sektiererische" Positionen einer von Jerusalem separierten Priestergruppe geht. Ausdrücklich aus der ,,Stadt des Heiligtums" sind nach der Tempelrolle ausgeschlossen: 1. Sperma-Verunreinigte (11Q19 45,7b-12a), 2. Blinde (11Q19 45,12b-14), 3. Ausflussbehaftete (11Q19 45,15-17a), 4. Totenunreine (11Q19 45,17b), 5. Aussätzige bzw. Hautkranke (11Q19 45,17f.; vgl. Josephus, C. Ap. 1,282). Für Hautkranke, Ausflussbehaftete und Spermaverunreinigte sieht 11 Q 19 46,13-16 wie für jede umwallte Stadt abgesonderte Aufenthaltsplätze außerhalb der Stadt vor. Dem Verbot des Geschlechtsverkehrs in CD 12, 1f. in der Stadt entspricht, dass laut 11 Q 19 45,11 f. nach einem Geschlechtsverkehr außerhalb der ,,Stadt des Heiligtums" ihr Betreten für drei Tage (vgl. auch Ex 19) verboten ist. Aber auch Personen mit körperlichen oder geistigen Gebrechen, also Kultunfähige, sollten nach strenger Auffassung die Stadt des Heiligtums nicht betreten, also Blinde (11Q19 45,12f.) und Lahme (vgl. 2 Sam 5,8). Und zwar Taube und Blinde laut 4QMMT (4Q394 Frgm. 8 iv,8f. = 4Q396 Frgm. 1 ii) deshalb, weil sie die einschlägigen Reinheitsvorschriften nicht hören bzw. lesen können und diese daher unwissentlich verletzen könnten; also nicht etwa, weil ihr Zustand als unrein und verunreinigend galt. Die strenge Tradition forderte auch die Vermeidung einer Verunreinigung der Stadt des Heiligtums (wie des Heerlagers) durch Exkremente 86 , was die Einrichtung von Latrinen 3000 Ellen außerhalb im Nordwesten der Stadt erfordert (11Q19 46,13-16) und auch die Hühnerhaltung ausschließt (11Q19 48,1-5). Private Profanschlachtung opfertauglicher Tiere ist ausgeschlossen, diese müssen im Heiligtum geschächtet werden; der Import von Fleisch ist daher verboten (11Q19 52,19-21). Unreine Tiere oder Gegenstände und Transportmittel (z.B. Behälter aus Leder), die von unreinen Tieren stammen, dürfen nicht in die Stadt gebracht werden, eine Regelung, die um 200 v. Chr. im Zug des Wechsels von der ptolemäischen zur seleukidischen Oberherrschaft unter Antiochus 111. als Privileg ausdrücklich ausgehandelt worden war. Die Tempelrolle bezeugt diese strenge Tendenz im Rahmen einer systematischen Darstellung und schließt für Jerusalem auch ausdrücklich Produkte und Häute von Tieren aus Profanschlachtungen aus (11 Q 19 4 7, 7b-Ende ). Selbstverständlich sind (wie im Privileg Antiochus 111.) Aufzucht und Haltung unreiner Tiere untersagt (so laut Josephus, Ant. 12, 146 ), dazu speziell noch die Hundehaltung (4Q394 Frgm. 8 iv,8f. = 4Q396 Frgm. I ii). ~t.
Baumgarten, Temple Sero//.
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Eine mildere und laienfreundlichere Tradition bezog solche Bestimmungen auf den Tempelberg oder auf seine unmittelbare Umgebung. Infolge der herodianischen Einfassungsbauten ergab sich um das eigentliche Heiligtumsareal ein "Heidenhof' mit gut kontrollierbaren Zugängen, und damit verlagerten sich gewisse Abgrenzungsfunktionen auf diese, und auch Bedingungen für die "Stadt des Heiligtums" wurden räumlich auf sie zurückgestuft, das Leben in der Stadt selbst dadurch rituell entlastet. Die so eingefassten freien Hofflächen waren auch für Nichtjuden ohne rituelle Defekte zugänglich, nicht für menstruierende Frauen (Josephus, Bell. 5,227; C. Ap. 2,103; mKelim 1,8 nennt auch Ausflussbehaftete), laut Mt 21,14 erstaunlicherweise wohl aber für Lahme und Blinde.s 7 Entscheidend für die Durchsetzung der milderen Position waren handfeste, praktische und ökonomische Gesichtspunkte, aber auch Fragen der Macht. Die strenge Linie unterband letzten Endes ja ein normales Alltagsleben in der Hauptstadt Judäas und unterwarf sie einer rigorosen priesterlichlevitischen Kontrotle. Die Umgebung der Stadt des Heiligtums wird in der Tempelrolle in zwei Zonen eingeteilt, wofür die Erreichbarkeil des Heiligtums das maßgebliche Kriterium darstellte. In erreichbarer Nähe ist die Profanschlachtung rituell reiner Tiere untersagt8!S, diese mussten am Tempel geschlachtet werden. Ein ökonomischer Vorteil, der durch das Verbot des Transports von Gütern in Behältern aus der Haut von nicht am Tempel geschlachteten Tieren noch vermehrt wurde. Für die umwallten Städte, eine eigene Reinheitsstufe, galten besondere rituelle Bedingungen. 11 Q 19 48,11-14 schreibt für je vier Städte einen Friedhof vor, und II Q 19 48,14-17 fordert für Aussätzige (vgl. Lev 13,46 ), Ausflussbehaftete und Menstruierende bzw. Wöchnerinnen abgesonderte Aufenthaltsorte außerhalb der Stadt. Den Ausschluss der Aussätzigen und die Anlage von Friedhöfen außerhalb der Stadtmauer kennt später auch das rabbinische Recht. 89 Rituelle Verunreinigungen bedingen rituelle Reinigungspraktiken, und zwar abgestuft nach dem Grad der Verunreinigung (vgl. 4Q274 Frgm. I i). Seit der Publikation der Textreste aus 4Q liegen diesbezüglich einschlägige Zeugnisse vor, deren literarischer Charakter als liturgische Formulare bzw. Agenden die Annahme untermauert, dass der gesamte Komplex rein/unrein, so wie er durch die Qurnrantexte belegt wird, aus der kultischen Praxis des Jerusalemer Tempels bzw. seines Kultpersonals stammt und die Anwendung auf weitere Personenkreise von nachgeordneter Bedeutung ist. Auch die Reste von Reinigungsritualen90, vor allem in 4Q512 und in 4Q414, sowie besonders deutlich in 4Q284, deuten auf einen engen Heiligtumsbezug. Weder die konkreten Zeremonien noch die hier erstmals im Wortlaut erwähnten da87 1111 89 90
Gewalt, Heilung. Möglicherweise nur die Schlachlung makelbehafteler reiner Tiere; so Shemesh, Nt!l\' Reading. mKell,7; vgl. mBB 11,9 über Friedhöfe und Gerbereien. Baumgarten. Purification Liturgies.
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93
zugehörigen liturgischen Texte (Benediktionen) lassen eine "sektenhafte" Tendenz erkennen. Soweit dabei Abgrenzungsfunktionen hervorgekehrt werden, betrifft es vor allem den Schutz der reinen Bereiche/Dinge und Personen. Dabei kam der Teilhabe an der reinen Nahrung ("Brot") offensichtlich ein besonderes Gewicht zu.91 Die betreffenden Formulierungen entsprechen jenen, die den Zutritt zum Heiligtum regeln, da es sich offensichtlich um Nahrungsmittel für eine entsprechend hohe Heiligkeitsstufe handelt. 5.3. Das Kultpersonal Über das Kultpersonal, die Priester und Leviten, enthält die Bibel eine Fülle von Informationen, aber die Vorexilische Geschichte dieser Gruppen ist keineswegs klar durchschaubar, weil die überlieferten Quellen vorrangig durch die Vorgänge und Verhältnisse während der Zeit des Zweiten Tempels geprägt sind. Aber selbst für die persisch-frühhellenistische Periode ist vieles offen, eine Geschichte der Priester und Leviten in dieser Periode ist daher in hohem Maß auf Rekonstruktionen angewiesen, die ihrerseits auf Quellenwertungen fußen, die auf Ermessensurteilen beruhen. 92 Im Folgenden gilt es nur, einige Gesichtspunkte zu skizzieren, die für die spätere Geschichte des Kultpersonals und für das System der Reinheitsvorstellungen von Bedeutung sind. 93 Denn Reinheitspraktiken haben bereits in vorexilischer Zeit zur Abgrenzung des Kultpersonals gedient94 und von ihnen aus hat man das spätere System entfaltet. Die Rolle der Priester in den Qumrantexten konnte freilich nicht einhellig bestimmt werden, weil das jeweils vorgefasste Bild von der "Qumrangemeinde" die Urteile entscheidend vorgeprägt hat. 95 Die Bücher Esra und Nehemia setzen voraus, dass in nachexilischer Zeit eine intensive Auseinandersetzung über den Kreis der Kultberechtigten ausgetragen wurde. Die Exilsheimkehrer setzten mit Unterstützung der in Babylonien verbliebenen und am persischen Hof über Einfluss verfügenden Freunde ihre Auffassung durch. Demnach galt die Erlaubnis zum Tempelautbau nur den Heimkehrern, die in der Folge auch jede Beteiligung anderer abwiesen, sofern diese sich nicht den Vorstellungen der Exilierten fügten, die sich nicht bloß als .Judah" und "Benjamin" verstanden, sondern als "Israel", und "Israel" blieb auch fortan die eigentliche Selbstbezeichnung. In diesem eingeschränkten und exklusiven Sinne war der Zweite Tempel das nunmehr einzige Heiligtum des erwählten Volkes "Israels" im Lande Israel. Als erwähltes und insofern "heiliges" Volk Gottes war "Israel" freilich ebensowenig eine qualitativ homogene Einheit wie der räumliche GesamtbeVgl. 4Q514 (4Q0rd) Frgm. I i,5-IO. Gunneweg, Leviten; Haran, Temples, 58-131. •n Büchler, Priester: Jeremias. Jerusalem II B. 3-159.167ff.; Maier, Self-definition; Kugler, Priests. ~ Siehe Wright, Speerrum (Tabelle S. 153 ). '~ 5 Kugler. Priesthood: ders .• Priesthood. Evidence. 11 1
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reich des Landes Israel. Der räumlichen Gliederung in konzentrische Heiligkeitsbereiche entsprach eine soziologische Verdichtung der personalen Erwählungsheiligkeit. Die Gesamtheit Israels besteht bis heute aus drei sehr unterschiedlich großen Gruppen. Die größte Gruppe sind die Laien, gemeinhin ebenfalls "Israel'' genannt. Die zweite Gruppe sind die Leviten. In der Tradition sind dies Nachkommen des Jakobsohnes Levi, der zum Kultdienst erwählt worden ist. Was immer sie in älterer Zeit gewesen sein mögen%, in nachexilischer Zeit stellt diese Gruppe am Heiligtum Türhüter, Sänger bzw. Musikanten und Verwaltungsfachleute97 ; andere Leviten waren im Rechtswesen tätig. Insgesamt handelte es sich um eine soziale Schicht, die als verlängerter Arm der kultischen und staatlichen Apparate innerhalb der Gesellschaft einen enormen Einfluss auszuüben imstande war und auch in den einzelnen Richtungen des Judentums entsprechend mitwirken konnte. Innerhalb des Stammes Levi bilden die Priester die dritte und kleinste Gruppe. Die Diskussionen um die Gestaltung der heiligen Bereiche und ihrer rituellen Anforderungen waren engstens mit dieser sozialen Makrostruktur Israels und mit dem Selbstverständnis des Kultpersonals und seiner Rolle gegenüber den "Laien" verbunden.9s In dieser Hinsicht ist eine augenfallige Besonderheit der Abgrenzung zu vermerken. In Israel hat sich das Kultpersonal nach dem Exil von einer nicht exakt bestimmbaren Zeit an abstammungsmäßig, nämlich als Nachkommenschaft Aarons definiert. Und zwar patrilinear, was die gesamte hierarchische Struktur der Gruppe mit der Hohenpriesterposition bestimmt hat99, während in derselben Periode sich für die Zugehörigkeit zu "Israel" die matrilineare Definition (Jude ist, wer eine jüdische Mutter hat) durchsetzte. Demgemäß war die Frage der legitimen Abstammung im Blick auf das Kultpersonal und insbesondere die Priester ein heikles Thema, das immer wieder einmal auch zu polemischen Zwecken angeschnitten wurde, wenn es galt, jemandem die Befahigung zum Kultdienst abzusprechen, und zwar nicht nur in Fällen zweifelhafter Vaterschaft. Offensichtlich war auch strittig, ob ein Priester eine Frau aus nichtpriesterlicher Familie heiraten darf.1°0 Nach Auffassung der Qurnran-Richtung war dies unzulässig. Auch andere Quellen deuten auf einen solchen Standpunkt. Auffallig ist die Rolle prominenter Repräsentanten der Gruppe als zelotische Wahrer der "Reinheit" (Levi in Gen 34, Leviten in Ex 32,25-29; Pinchas in Num 25). Auch die Darstellungen der Geschichte vom Fall der Wächter-Engel (Hen 1-36; Buch der Giganten), die ihre himmlische Stufe verlassen und sich mit Menschentöchtern eingelassen haben, dürfte eine diesbezügliche polemische Spitze enthalten. 101 Denn Priester im Dienst verstanden sich funktional den Engeln als himmlischem Kultpersonal Nunnela. Levites. Wennan. Levi. 117
Shemesh, Origins. Baumbach, a/oten. Dazu s. Burchard, Essener. Adam, Antike Berichte. Bergmeier. Essener-Berichte. Lupieri, PuritiJ impura. Auf diesen gewichtigen Umstand verwies z.B. Feldman, Josephu.r, 588-590. Mendels, Hellenistic Utopia. Bardtke, Rechtsstel/ung; Weinfeld, Organi:.ational Pattern.
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und chronologisch plausible Geschichte all dessen ist jedenfalls trotz aller Bemühungen nicht rekonstruierbar und somit bleibt vieles offen.tts Auch das Verhältnis zum Jerusalemer Kult darf - wie im Falle der Damaskusschrift nicht zu einfach bestimmt werdentt9, denn abgesehen von der Berücksichtigung der Differenz zwischen lehrmäßiger Festlegung und polemischer und programmatischer Rhetorik muss auch mit einem gelegentlichen, situationsbedingten Wechsel der Einstellung gerechnet werden. Konkret ergibt sich eigentlich nur, dass diese Richtung mit der Herrschaft des Herades vergleichsweise gut zurechtkam. Selbst dank der Qumranfunde ist es also nur begrenzt möglich, Entwicklungen aufzuweisen, die durch die Streitigkeiten des 3.-2. Jh. v. Chr. verursacht wurden und aus dem umstrittenen, aber eben noch gemeinsamen Kultsystem in konventikelhafte Abkapselungen oder zu neuen Bewegungen führen konnten. Die im Folgenden erwähnten Richtungen repräsentieren sicher nur einen Ausschnitt aus der damaligen Vielfalt, die am Rande des Judentums noch größer gewesen sein dürfte. Schließlich gab es ein altisraelitisches Erbe, dessen Träger in der Kultgemeinschaft des Zweiten Tempels nicht Fuß fassen konnten, wie die Samaritaner, und abgesehen von diesen wohl noch andere, die im synkretistisch und schließlich auch gnostisch geprägten, aramäischsprachigen Umfeld des Judentums aufgegangen waren. Es handelt sich um einen Bereich, der religionsgeschichtlich nur wenig ins Gesichtsfeld kommt, weil das Interesse sich vorzugsweise auf "Hellenismus" und ..Judentum" richtete, was zur Folge hatte, dass man auch möglichst alles von diesen beiden Größen her erklären wollte. In diesen wenig durchsichtigen Bereich gehörten auch Taufsekten, deren ausgeprägte Reinheitspraktiken teilweise Entsprechungen zu jüdischen Bräuchen aufweisen, aber auch sehr markante Unterschiede und Eigentümlichkeiten. Jedenfalls handelte es sich um Gruppen, deren Abgrenzungsbedürfnis sehr groß war und die deshalb auf rigorose Weise Reinheitsregeln angewandt und entwickelt haben.12o Die häufig geäußerte Vermutung, die Qumrangemeinschaft sei selbst eine derartige Taufsekte gewesen oder habe für sie vor allem in Reinheitsbelangen als Modell gedient, insbesondere für Johannes den Täufert2t, lässt sich nicht halten. Die Qumranpraxis blieb im kultischen System verankert und begründet, zielte auf eine Wiederherstellung der "korrekten" Kultpraxis am Tempel zu Jerusalem ab und kannte auch keine ..Taufe" in dem Sinn, wie sie für Johannes den Täufer und das Christentum bezeugt ist.I22 Vorsicht ist auch in Bezug auf Vergleiche der Mahlpraxis der Essener bzw. der Qumranleute am Platz, die speziell im Blick auf das letzte Abendmahl Jesu so häufig angestellt werden. Lange Zeit wurde der Qumranbefund von llll
'1'1
'~ 0 1~1
~~~
Goodman, Note; Baumgarten, Essene; Huu. Qumran. Baumgarten. Josephus. Thomas, Mouvement Baptiste; Lupieri. Giovanni Ballista; Backhaus. Jüngerkreise. Davies. lohn. Zur Diskussions. zuletzt wieder Charlesworth. Qumran Barriers; ders .• Jesus.
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den Essenerberichten her gedeutet 123, aber dank der Tempelrolle und der durch sie möglichen Klärung des Charakters sogenannter kultischer Mahlzeiten im Zusammenhang mit dem rituellen Verzehr kultischer Abgaben hat sich gezeigt, wie gewichtig auch dabei die kultische Komponente war und dass man unterschiedliche Mahltypen unterscheiden muss.12 4 Auch die viel behandelte Gütergemeinschaft 125 war nach den Qumrantexten engstens mit der kultisch motivierten Reinheitspraxis verbunden. Und zuletzt ist auch die angebliche Ehelosigkeit der Essener zu erwähnen, die man allzu rasch auf die Qumranleute übertragen hat. Denn kein Qumrantext belegt ein solches Verhalten, wohl aber ist sexuelle Enthaltung im kultischen System ebenso wie das Vermeiden berauschender Getränke von alters her ganz selbstverständlich eine Voraussetzung für den Reinheitsstatus, der für diensthabende Priester vorausgesetzt wurde. Aufs Ganze gesehen haben die Reinheitsvorstellungen und Reinheitspraktiken sowohl integrierende als auch desintegrierende Wirkungen gezeitigt. Die integrierende Wirkung ging zur Zeit des Tempels vorrangig vom Kultsystem aus; selbst die Abgrenzung Israels nach außen erfolgt im Wesentlichen unter kultischem Vorzeichen, als Abwehr des Fremdkults. Innerhalb des Systems haben jedoch zwei Faktoren zu Akzentverschiebungen, Kontroversen und letztlich desintegrierenden Folgen geführt: innerpriesterliche Auseinandersetzungen, wobei mit komplexen Motivationen zu rechnen ist, und der Antagonismus zwischen priesterlich-kultischer Sicht und Laieninteressen. Solange die Auseinandersetzungen im Rahmen des kultisch zentrierten Systems verblieben, war die integrative Kraft des Systems in der Regel stärker als die desintegrierende Wirkung einer entstehenden Vielfalt in Vorstellungen und Praxis. Noch in der Art der Argumentation von 4QMMT und auch im Epistelteil dieser Schrift wird die Auseinandersetzung auf dem Boden des Systems geführt und eine Korrektur des vorherrschenden Kurses für möglich gehalten. Anders steht es, sobald die Überzeugung Platz greift, dass der vorherrschende Kurs die Funktion des Systems, die Erwirkung von Sühne, in Frage stellt, denn dann verkehrt sich die rituelle Werteskala völlig: Das Heilige gilt als entweiht, das Reine verunreinigt, der Kult bewirkt für das Land das Gegenteil dessen, was man ihm an heilsamer Wirkung zuschrieb. Es ist jedoch nicht möglich, die Konsequenzen dieser extremen Umwertung in ihren praktischen Auswirkungen zeitlich eindeutig zu fixieren. Die Niederschrift solcher polemischer Passagen bezeugt noch nicht ihre praktische Anwendung; außerdem ist mit einer durch die Endzeiterwartung überhöhten Rhetorik zu rechnen. Zugleich verschärfte diese Endzeiterwartung allerdings auch die reale Konfrontation, weil man mit einer relativ kurzen Krisen- und Übergangszeit rechnete, in der es zu handeln gilt. Die Richtung hinter den m Dekor, Repas cultuels; Beall, Description, 52--M. Erslaunlicherweise zu wenig berücksichligl bei Smilh, Mea/s. Die riluelle Bedeulung von tiros ("Neuwein") (parallel zu yi~hiir ["Frischöl")) für solche kuhisch bedinglen Mähler wird hier völlig verkannl und auf den möglichen Alkoholgehall reduziert. 11~ Klauck, Gütef"Remeinschaft.
114
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Qumrantexten scheint im Lauf ihrer Geschichte tatsächlich die Konfrontation, die zunächst unter priesterlichen Richtungen ausgetragen worden war, über ihren Laienanhang zu einem ganz Israel betreffenden und involvierenden Konflikt gemacht zu haben, wahrscheinlich nicht zuletzt deshalb, weil es sich zugleich um Orientierungen politischer Natur handelte und gegensätzliche außenpolitische Orientierungen im Spiel waren, also eine Verbindung zwischen internen und äußeren Feinden nahelag. Die Folge war selbstverständlich, dass die internen Gegner, die nach Ps 139,21f. als Feinde Gones gelten konnten, mit den äußeren Feinden Israels Ül einer Front gesehen wurden und die polemischen Etikettierungen auf äußere wie innere Feindes Israels und Gottes gleichermaßen angewendet werden konnten. Die dualistische Note dieser Konfrontation hat auch den Unterschied zwischen rituell Reinem/Reinen und Unreinem/Unreinen in einem ontologischen Sinne verschärft. 7.2. Die Gemeinschaft von Qumran Unser geläufiges Bild von der sogenannten "Qumrangemeinde" beruht vor allem auf den Befunden der Texte aus der Höhle 1 und ist inzwischen in manchen Punkten fragwürdig geworden.l26 Man darf aber mit einiger - aber keineswegs voller - Sicherheit voraussetzen, dass die Anlage von Qumran während des 1. Jh. v. Chr. und bis zum Krieg von 66-70 n. Chr. mit einer Gruppe verbunden war, die unter der Ägide von Priestern der beschriebenen extrem kultischen Orientierung mehr und mehr in Isolierung geriet und zumindest einen, aber möglicherweise nicht einzigen Anlass für die einschlägigen antiken Essenerberichte gegeben hat. Die große Bedeutung der rituellen Reinheitspraxis für die essenischen Gemeinschaften weisen in diese Richtung, obwohl man damit rechnen muss, dass es noch mehr Gruppen gegeben hat, als uns derzeit durch Qumrantexte, Josephus und das Neue Testament bekannt sind. Manche Qumrantexte setzen eine besondere Art des Gemeinschaftslebens voraus, die hebräisch als ya}Jad bezeichnet wird, ein sonst nicht geläufiges Substantiv von der Wortwurzel mit der Bedeutung "einen, vereinen". Lange schien es so, als handle es sich um ein "sektenhaftes" Merkmal der "Qumrangemeinde", aber inzwischen hat sich gezeigt, dass dieser Terminus technicus älter ist als die Qumran-Anlage. also schon zuvor für eine bestimmte Gemeinschaftsform üblich gewesen sein muss. Das passt zu der einst schon von L. Rost geäußerten Vermutung eines priesterlichen Organisationsmodells 127, und wahrscheinlich handelte es sich um die Gemeinschaftsform der diensthabenden Priesterschaft am Tempel, weil die Heiligkeilsgrade der Örtlichkeiten, der Verrichtungen und der Priesteranteile eine angemessen rituell orientierte Organisation erforderten. Die aus Jerusalem verdrängten Priester 116
Maier, Stand der Qumranforschung.
in
Rost, Qumranprobleme.
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haben dieses Modell weiterhin verwendet, und zwar zu eben dem Zweck, den nach ihrem Urteil die Jerusalemer Priesterschaft nicht mehr zu erfüllen vermochte, nämlich Sühne zu erwirken. Es ist daher anzunehmen, dass auch die entsprechenden Reinheitsvorstellungen und Reinheitspraktiken bereits mehr oder minder vorgegeben waren, und nicht erst im Rahmen einer sektenhaften Sonderentwicklung zustande gekommen sind, wie gern angenommen wird. 128 Die Ersatzfunktion für die kultische Sühne-Erwirkungscheint Aufgabe eines engeren Kreises gewesen zu sein, dessen Personal vielleicht wie die diensthabenden Priester am Tempel turnusmäßig wechselte. Jedenfalls wird eine Mindestanzahl von ,,Männern der Heiligkeit" mit höchsten Reinheitsanforderungen als Voraussetzung genannt. Im Falle einer rituellen Verunreinigung oder auch als Folge einer Disziplinarstrafe wurden einzelne Mitglieder zeitweilig aus der ,,Reinheit" der Gruppe ausgeschlossen, in die man stufenweise, also über mehrere Reinheitsstufen, aufgenommen werden konnte. Die Reinheitsstufe der Gesamtheit der Mitglieder, der rabbim (der ,,Vielen"), wies allem Anschein nach zwei bis drei Grade auf, weil manchmal vom Wasser die Rede ist, in das jemand (noch) nicht darf, und auch ein zeitweiliger Ausschluss vom masqah ("Getränk") der rabbim möglich war.129 Da allgemein galt, dass Flüssigkeiten besonders verunreinigungsanfällig sindi30, könnte der Ausschluss vom "Getränk" den Ausschluss aus der Gemeinschaft derer bedeuten, die berechtigt waren, Speisen höchsten Heiligkeilsgrades zu essen. In den Ordnungen für städtische Siedlungen und Lager, die in der Damaskusschrift enthalten sind, fehlt eine derartige Differenzierung, doch in 4Q284a taucht das "Getränk der rabbim" im Zusammenhang mit Ernte-Vorgängen und auch der Ölproduktion auf, bezieht sich also nicht auf die priesterlichen Konsumenten allein.D 1 Wie diese Gruppierungen mit ihren Funktionen sich zueinander verhielten, ist also nicht eindeutig bestimmbar, und die geläufige Rede von einer "Qumrangemeinde" verstellt manchmal eher den Blick für die sozialen Verhältnisse. Man muss annehmen, dass die Leute in Qumran nicht ohne ein gewisses Hinterland existieren konnten und dass dieses Hinterland etwas mit dem zu tun hatte, was in den Essenerberichten und in der Damaskusschrift beschrieben wird. Ein Unsicherheitsfaktor ist, dass die einzelnen Überlieferungskomplexe nicht genauer datierbar sind und somit offen bleibt. was wann und wo m Conway, Toward a Weii·Formed Subject. 11 9
~' 0 l.ll
Avemarie, Tohorat ha-Rabbim. Baumganen, Halakhic Texts (DJD XXXV), 89ff. 4Q284a Frgm. I: (2) [ ... )Kor[b ... und ni)cht hebe er sie )auf [ - ) (3) [dass] er nicht berührt das Getränk der Vollmitglieder, denn diese[ -] (4) [den ]Korb, und die Feigen und die Granatäpfel(?). [wenn) (5) ihr (trinkbarer) [S]aft herauskommt. wenn [er) sie alle [ze)rdrückt. und es sammelt sie ein (6) [ein Mann. ) der nicht hineingebracht worde[n ist in den B)und. Und presst Ul man [Oliven,] (7) [in einer Pre )sse, soll man sie nicht rituell besudeln. nach al[l) seinem [Verm)ögen. um sie zu zerstoßen, bevor er [sie in die Presse) schüttet. (8) [so dao;s) sie in Reinheit [gep]resst werden. Und ist vo[llend)et ihre Arbeit. dann ess[en sie- ).
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tatsächlich in Geltung war und durch wen es praktiziert worden ist. Diese Unsicherheit betrifft auch die "heiligen Männer" innerhalb der rabbtm, deren Vorhandensein in 1QS VIII, 1-14 und IX,3-6 als Mindestvoraussetzung für den Vollzug der Ersatz-Sühnung erwähnt wird. In jedem Fall war die ya~ad-Organisation nach priesterlichen Normen geregelt und geführt, und die Mitglieder hatten diese Normen zu respektieren. Wer dazu nicht bereit war, für den galt laut 1QS VI,S-11: Jeder. der in die Gemeinschaft der Einung eintritt, (8) trete in Gottes Bund ein vor den Augen aller Willigen. und er nehme es auf sich durch eine eidliche Verpflichtung, umzukehren zur Torah des Mose gemäß allem, was Er befohlen, mit ganzem (9) Herzen und mit ganzer Seele. zu allem. das von ihr offenbar wird den Söhnen Zadoks. den Priestern, den Wahrem des Bundes und Erteilern Seines Willens, und der Mehrheit der Männer ihres Bundes (10), die sich gemeinschaftlich als willig erweisen für Seine Wahrheit und für einen Wandel in seinem Wohlgefallen. Und er soll es durch den Bundesschluss auf sich nehmen, sich abzusondern von allen Männem des Unrechts, die da wandeln ( II) auf Wegen des Frevels.
Und weiter 1QS V,13-20: Er komme nicht ins Wasser. um die Reinheit der Männer der [He ]iligkeit zu berühren, denn man wird nicht gereinigt. ( 14) es sei denn, man kehrt um von seiner Bosheit, denn Unreines (haftet) an allen Übertretern Seines Wortes. Und so vereine man sich nicht mit ihm in Bezug auf seine Arbeit und in Bezug auf seinen Besitz. damit er einem nicht (15) Sündenschuld aufbürde 132, vielmehr halte man sich fern von ihm in jeglicher Sache. denn so steht geschrieben (Ex 23.7): Von jeder Betrugssache bleibe fern! Und so antworte keiner von den Männem (16) der Einung auf ihre Veranlassung hin irgendetwas in Bezug auf Torah und Recht. Und so esse man nicht von ihrem Besitz und trinke nicht und nehme aus ihrer Hand nichts. auch nicht das Geringste, ( 17) das nicht um einen Kaufpreis (erworben wurde), wie geschrieben steht (Jes 2.22): Lasst doch ab von dem Menschen, in dessen Nase (nur) Hauch! Wofiir ist er auch zu achten? Denn ( 18) alle. die nicht in Seinem Bund mitgezählt werden, es sind abzusondern, sie und alles, was ihnen (gehört). Und kein Mann der Heiligkeit stütze sich auf irgendwelche Werke ( 19) von Nichtigkeit, denn nichtig sind alle, die Seinen Bund nicht erkannt haben. Doch wird er alle Verächter Seines Wortes vertilgen aus der Welt, alle ihre Taten (gelten als) Menstruationsunreinheit (20) vor Ihm und Unreines (haftet) an all ihrem Besitz.
Über die Zulassungsbedingungen heißt es 1QS VI, 13-23: Und jeder. der sich als willig erweist aus Israel, ( 14) sich dem Rat der Einung anzuschließen. den soll der Mann untersuchen, der an die Spitze der Vollmitglieder gesetzt ist, (und zwar) in Bezug auf seinen Verstand und auf seine Taten. und wenn er Zucht erlangt. bringe er ihn (15) in den Bund. um umzukehren zur Wahrheit und um von allem Unrecht zu weichen. Er unterweise ihn in allen Gesetzen der Einung. und danach, wenn er vor die Vollmitglieder kommt. werden sie befragt (16), sie alle. über seine Angelegenheiten. Und so wie das Los (die 11 ~
Vgl. Lev 22.16: Die Teilhabe an rituell frdgwürdigem Gut bringt Schuld mit sich.
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Entscheidung) in Richtung des Rates der Vollmitglieder (aus)fällt, komme er näher oder entferne er sich. Und kommt er dem Rat der Vollmitglieder näher, berühre er (noch) nicht die Reinheit ( 17) der Vollmitglieder, bis dass man ihn untersucht hat in Bezug auf seinen Geist und (auO seine Taten, bis er ein volles Jahr vollendet hat, und er darf auch nicht Teilhaber sein am (rituell reinen) Besitz der Vollmitglieder. ( 18) Hat sich vollendet für ihn ein Jahr innerhalb der Einung, fragen die Vollmitglieder nach seinen Worten, seinem Verstand und seinen Taten in der Torah, und wenn ihm das Los dahin fällt, (19) der Gemeinschaft der Einung nahe zu kommen gemäß der Weisung der Priester und der Mehrheit der Männer ihres Bundes, dann bringe er auch seinen Besitz und seine Arbeit(serträge) darin ein, zu Händen des (20) Aufsehers über die Arbeit der Vollmitglieder. Und der schreibe es ihm gut auf ein Konto zu seiner Verfügung, aber er gebe es nicht für die Vollmitglieder aus. Er darf das Getränk der Vollmitglieder nicht anrühren, bis (21) er ein zweites Jahr voll gedient hat innerhalb der Männer der Einung. Und hat er das zweite Jahr voll abgedient, soll man ihn nach Weisung der Vollmitglieder mustern. Fällt das Los zu seinen Gunsten (22) aus, um der Einung näher zu kommen, schreibe man ihn ein in seine Rangfolge innerhalb der Ordnung (sarak) mitten unter seine Brüder, für Torah, für Recht, für Reinheit und für das Einbringen seines Besitzes; und sein Rat (23) sei (zugelassen) für die Einung und (so auch) sein RechtsurteiL
In 1QS VIf. wurden Regelungen zusammengefasst, die vor allem die Gruppendisziplin betreffen, wobei die Ahndung der Verstöße auch abgestufte Konsequenzen für den Reinheits-Status der Betroffenen enthält. JQS V/,24f: Falls sich unter ihnen ein Mann befindet, welcher in Bezug aufVermögenssachen lügt 133, und zwar wissentlich 134, dann sondern sie ihn von der Reinheit der Vollmitglieder ein Jahr ab und er wird bestraft mit einem Viertel seines Brotes. JQS V/1,/-3: (1) Und wenn einer geflucht hat, sei es erschrocken aus Bedrängnis oder was immer er habe [und] er liest (gerade) in einer Buchrolle oder erbenedeit, dann sondere man ihn ab (2) und er kehre nicht wieder zurück zum Rat der Einung. Und wenn er gegen einen von den Priestern. die im Buch eingeschrieben sind, im Zorn geredet hat, wird er bestraft für ein (3) Jahr und abgesondert für sich von der Reinheit von Vollmitgliedern. JQS V/1,/5-27: Und der Mann, der seinen Nächsten verleumdet, (16) den sondert man ab (für) ein Jahr von der Reinheit der Vollmitglieder, und er wird bestraft. ... ( 18) ... Und der Mann, dessen Geist abrückt von der Grundlage der Einung, um treulos zu werden gegenüber der Wahrheit ( 19) und um zu wandeln in der Verstocktheit seines Herzens, der wird, wenn er nicht umkehrt, bestraft (für) zwei Jahre; im ersten rühre er nicht an die Reinheit der Vollmitglieder, (20) und im zweiten rühre er nicht an das Getränk der Vollmitglieder, und hinter allen Männem der Einung sitze er.... (22) Und jedermann, der im Rat der Einung ist. bis sich ihm zehn Jahre vollendet haben, (23) und sein Geist kehrt sich ab. um treulos zu werden gegenüber der Einung, so dass er weggeht vor (24) den Vollmitgliedern, um in der Verstocktheit seines Herzens zu wandeln, kehre nicht wieder zum Rat der Einung zurück. Und ein Mann von den Männern der Ein[ung:
1H
1:w
IQS: hön, 4Q261: mämön. CD 14.20; vgl. Apg 5,1-11.
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dass er sich nicht]135 einlasse (25) mit ihm hinsichtlich seiner Reinheit oder seines Besitzes. JQS V/JJ,/6-19: Undjedermann von den Männem der Einung, des Bundes (17) der Einung, der irgendetwas von einem Gebot auf vorsätzliche Weise entfemt 136, berühre nicht die Reinheit der heiligen Männer ( 18) und darf nichts wissen von all ihrem Rat. bis seine Taten von allem Unrecht geläutert sind, so dass er vollkommen wandelt, und man ihn (wieder) nahebringt (19) im Rat auf Anweisung der Vollrnitglieder; darnach werde er in seine (neue) Rangposition eingeschrieben. JQS Vl/1,20f.: Das sind die Vorschriften, nach denen die Männer der vollkommenen Heiligkeit verfahren sollen, ein jeder mit seinem Nächsten, (21) jeder, der eintritt in den Rat der Heiligkeit derer, die auf vollkommenem Weg wandeln, wie Er es befohlen.
Darauf folgen in 1QS bis IX,2 noch konkrete Regelungen hinsichtlich der Verfahrensweisen mit schwersten Vergehen, das heißt wissentlichen TorahVerstößen, die zum Ausschluss aus dem ya~ad führen und damit verbunden eben auch zum endgültigen Ausschluss aus diesem Reinheitsbereich überhaupt.t37 Im Rahmen der Ordnung für das endzeitliche Israel, wie sie in 1Q28a ( 1QSa) vorliegt, ist eine Abgrenzung auf der Basis von rituellen Reinheitskriterien bezeugt, die über das hinausgeht, was ansonsten als Bedingung für den Zutritt zur Volksversammlung angegeben erscheint. 138 Der Grund dafür liegt offenbar darin, dass die Situation des Heerlagers (s.o. Abschn. 5.1.) mit vorausgesetzt ist, weshalb auch die Gegenwart von heiligen Engeln als Grund genannt wird. Doch scheint auch die Vorstellung einer heiligen Gemeinschaft eine Rolle gespielt zu haben, die ihr Vorbild in der ya~ad-Ge meinschaft hatte. Darüber hinaus kam es im Rahmen der Dämonisierung der Konfrontation mit der jüdischen und nichtjüdischen feindlichen Umwelt zu einer Überhöhung des Gegensatzes zwischen rein und unrein, wodurch die im kultischen Denken vorgegebenen ontologischen Gesichtspunkte zu dualistischen zugespitzt wurden. Der Bereich des Unreinen wird dabei zum Bereich des Gottfeindlichen überhaupt, schließt kosmische und überirdische Gegebenheiten mit ein. Daher ist auch die Aufhebung dieses Gegensatzes nicht mehr durch die kultischen Reinigungszeremonien zu erreichen, sondern durch eschatologische Reinigungsakte Gottes. Solche Vorstellungen begegnen zwar vor allem im Rahmen spekulativer oder poetischer Kontexte, sie hatten aber infolge der akuten Naherwartung in diesen Kreisen wohl auch einen aktuellen Stellenwert.'3 9
m Ergänzt nach 4Q259. nt. Andere: .,der abweicht von irgendeinem Gebot"; aber dieses Vergehen wird Z. 21-23 behandelt. Hier geht es also offenbar um ein Delikt im Sinne von Dtn 4,2 und 13.1. ll 7 Schiffman. Purity. Lll! Schiffman, Eschatological Community, 38-52. LN Janowski/Lichtenberger, Enderwartung.
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7.3. Die Gruppenpraxis der Gemeinde des neuen Bundes im Lande Damaskus Eine der Schriften aus Qumran handelt auch etwas eingehender von Lebensbereichen, in denen das Laienelement stärker in den Vordergrund tritt: die sogenannte Damaskusschrift mit ihren Parallelfassungen in 4Q (4Q266-4Q273). 140 Allerdings handelt es sich weniger um die Individuen und ihre häusliche Praxis als um Gruppen in ,,Lagern" oder in Städten. Aber auch in diesen spielen Priester eine maßgebliche Rolle, es handelt sich nicht um eine Laienbewegung, sondern um den Laienanhang einer priesterlichen, nämlich der in den anderen Qumrantexten bezeugten Richtung. Demgemäß stark vertreten ist das priesterliche Element auch in der Rechtsprechung (CD 10,4-6): Und das ist eine Ordnung für die Richter der Gemeinde: Bis zehn Männer, ausgelesen (5) aus der Gemeinde gemäß der Zeit, vier vom Stamm Levi und Aaron und aus Israel (6) sechs, beschlagen im Buch HHGJ und in den Grundlagen des Bundes.
Einige Vorschriften setzen noch die Beteiligung am Jerusalemer Kult voraus. CD 12, I ff. betrifft z.B. die Stadt des Heiligtums, wie in der Tempelrolle ein besonderer heiliger Bereich in engem Zusammenhang mit dem Heiligtum. CD 15,15-17 bietet eine Liste von Personen, die von der Gruppe ausgeschlossen sind, in Analogie zu den Listen, die die Zugehörigkeit zur Versammlung Israels überhaupt regeln. Ausgeschlossen sind: Unzurechnungsfähige, Blinde, Lahme und Hinkende, Taube und Minderjährige. Als Grund für ihren Ausschluss wird die Anwesenheit von Engeln angegeben, wie sie auch für das Militärlager und für die endzeitliche Versammlung Israels (I Q28a = I QS 3 ) vorausgesetzt wird. Die Gruppe sah sich nicht als Sekte, sondern als Repräsentantin Israels insgesamt, allerdings in einer Ausnahmesituation, vergleichbar jener in der Wüste zwischen Exodus aus Ägypten und Landnahme. Das Modell für dieses Lager-Konzept dürfte weniger das normale Militärlager auf Kriegszügen gewesen sein als die ständige Militärkolonie (vgl. Abschn. 5.1.). Die Gruppe war zu dem Schluss gekommen, dass das Jerusalemer Heiligtum rituell verunreinigt (CD 6,17) und daher zur Zeit nicht mehr in der Lage sei. die Sühnefunktion zu erfüllen. Im Rahmen des kultischen Denkens bedeutete dies einen Zustand mit desaströsen Folgen für Land und Volk. Umso mehr legte man darauf Gewicht, von den Strukturen des Kultapparats möglichst viel im eigenen, provisorischen Rahmen intakt zu erhalten. CD 6,11-21 formuliert das so: Und alle, die hineingebracht worden sind in den Bund: ( 12) dass sie nicht zum Heiligtum kommen, um Seinen Altar umsonst zu entzünden, sondern , Verschließer (13) der Tür' werden, da Gott gesagt hat (Mal 1,10): Wer von euch verschließt meine Tür, dass ihr nicht entzündet meinen Altar (I 4) für nichts! Wenn 1411
Zum Verhältnis der 4Q-Fragmcnte zu CD s. nun Stegcmann. Physica/ Reconstructions.
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sie nicht darauf achten. zu handeln nach der ausführlichen Darlegung der Torah ftir die Zeit des Frevels, um sich abzusondern ( 15) von den Söhnen des Verderbens und sich zurückzuhalten vom Frevelbesitz und vom Verunreinigten durch Gelübde und durch Bann (16) und vom Besitz des Heiligtums und vom Berauben der Armen Seines Volkes, so dass Witwen ihnen zur Beute fallen ( 17) und sie Waisen hinmorden. Um zu trennen zwischen dem Unreinen und Reinen und kundzutun, was ( 18) heilig ist und was profan, und den Sabbattag zu halten nach seiner ausführlichen Darlegung und die Festzeiten ( 19) und den Fasttag nach den Geboten der Mitglieder des neuen Bundes im Lande Damaskus. (20) Zu erheben die heiligen (Abgaben) nach ihrer vollen Darlegung, zu lieben ein jeder seiner. Bruder (21) wie sich selber, und zu unterstützen einen Elenden und Armen und Beisassen, und zu erstreben ein jeder das Wohlergehen.
Die Aufgabe, die es für die Übergangszeit des ,Frevels' zu erfüllen gilt, definiert CD 12, 19f. ausdrücklich im Blick auf Reinheitspraxis: ( 19) Sitzungs-Ordnung der Städte Israels nach diesen Gesetzen, um zu trennen zwischen (20) dem Reinen und dem Unreinen, und um kundzutun (den Unterschied) zwischen dem Heiligen und dem Profanen.
Die Entscheidung in Reinheitsfragen steht den Priestern zu, formal sogar im Fall eines in der Sache unbewanderten Priesters, wie CD 13,2-7 (4Q267 Frgm. 9,ii,14-19) feststellt: (2) Und an einem Ort von zehn soll nicht fehlen ein priesterlicher Mann, beschlagen im Buch HHGJ, nach (3) seiner Weisung sollen sie alle sich richten. Und ist der nicht erfahren in alldiesen und einer von den Leviten ist erfahren (4)
in ihnen, dann ergehe die Entscheidung für Ein- und Ausgang auf sein Geheiß hinsichtlich aller Mitglieder des Lagers. Doch wenn ein (5) Urteil nach der Aussatz-Torah in Bezug auf jemanden ansteht, dann kommt der Priester und stellt sich im Lager hin und es unterweist ihn (6) der Aufseher (m~baqqer) im genauen Wortlaut der Torah. Und selbst wenn er (der Priester) einfciltig ist, soll er ihn (den Aussätzigen) ausschließen, denn ihnen (den Priestern) steht (7) das Urteil zu.
Das Verhältnis zu den Reinheitsregeln in anderen Qumranschriften ist ein sehr enges. Dabei fallen zwei Umstände ins Auge. Zum einen erweist sich auf Grund von Vergleichen mit der Tempelrolle und mit 4QMMT, dass das gesetzliche Material dieser Schriften auf einer älteren Tradition fußt und nicht als spätes Sektenprodukt anzusehen ist.1 4 1 Zum anderen besteht im Vergleich zu 1QS und verwandten Texten ein Unterschied im Personenkreis. In 1QS geht es nicht um ,.heilige Männer" und deren Reinheit im Zusammenhang mit einer Ersatz-Sühnefunktion, sondern um Familien, die in Gruppen zusammenleben. Auch hier wird für die Gemeinschaft ein Reinheitsbereich vorausgesetzt, aus dem man für einige Zeit strafweise ausgeschlossen werden kann (CD 9,21 ), eine weitergehende Spezifizierung, wie sie für den Genuss ,.heiliger" Nahrung (aus kultischen Abgaben) erforderlich ist, fehlt in diesem für Laien bestimmten Kontext. Die meisten konkreten Reinheitsvor1-' 1
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schriften gelten der Existenz unter normalen täglichen Lebensbedingungen, bei denen auch die Beziehungen zur Umwelt und die Abgrenzung davon eine Rolle spielen. So etwa nach CD 12,8-18: Keiner verkaufe Vieh (9) und reine Vögel an Nichtjuden, damit die sie nicht als Opfer schlachten. Und von seiner Tenne ( 10) und aus seiner Kelter verkaufe man ihnen nichts, um keinen Preis. Und seinen Sklaven und seine Sklavin verkaufe man nicht ( 11) an sie, sofern sie bei einem in den Abrahamsbund eingetreten sind. Niemand besudle sich rituell (12) an irgendeinem Tier und Kriechtier, um davon zu essen, von den Bienenlarven an bis zu jeglichem Lebe- (13) wesen, das im Wasser wimmelt. Und die Fische esse man nicht, es sei denn, sie wurden zerlegt. (14) als (noch) lebendige. und ihr Blut wurde weggegossen. Und alle Heuschrecken nach ihren Arten sollen (zur Zubereitung) in Feuer oder in Wasser kommen, (15) solange sie lebendig sind, denn das ist das Gesetz ihrer Schöpfung. [(leer)] Und alle die Hölzer und die Steine (16) und das Erdreich, die durch die Unreinheit des Menschen so befleckt werden. dass an ihnen schmierige Befleckungen haften: entsprechend ( 17) deren Unreinheit verunreinigt sich, der sie ber[üh]rt. Alle Geräte, ein Nagel oder ein Haken in der Wand. ( 18) wenn sie mit dem Toten im Haus sind, werden sie verunreinigt mit der Unreinheit eines der Arbeitsgeräte.
Weitere einschlägige Regelungen enthalten 4Q269 Frgm. 8 ii par. 4Q270 Frgm. 3 ii-iii und 4Q271 Frgm. 2.
7.4. Zur pharisäischen Richtung
Die schon mehrmals erwähnten laienorientierten Tendenzen haben sich spätestens unter dem Hasmonäerkönig Alexander Jannai (104/3-76 v. Chr.) in den pharisäischen Zirkeln zu einer politisch einflussreichen Richtung verdichtet. Als solche vermochte sie unter Salome Alexandra (76-67 v. Chr.) und unter ihrem romfreundlichen Sohn Hyrkan II. ihre Ziele weitgehend durchzusetzen, doch blieb die sadduzäische Konkurrenz bis zum Regierungsantritt des römischen Vasallenkönigs Herodes im Jahr 37 v. Chr. im Bund mit den innerhasmonäischen Rivalen Hyrkans II. eine ernste Bedrohung. Auch späterhin, in der letzten Zeit des Zweiten Tempels und in der Folgezeit, haben für die pharisäischen Gruppen nicht so sehr die Qumranleute bzw. Essener als maßgebliche Gegner gegolten. sondern die Sadduzäer. die sich vom Heiligtum in Jerusalem nicht getrennt und somit im Ringen um die Macht ihren Platz nicht geräumt hatten. Auf der anderen Seite bemühten sich die Pharisäer mehr als diese beiden gegnerischen Richtungen darum, ihren Einfluss im Volk durchzusetzen. Und zwar mittels einer innerjüdischen Missionstätigkeit durch Ausweitung ihrer Schulen und durch intensives Engagement ihrer Gelehrten im örtlichen Rechtswesen. Sie standen also zwei Fronten gegenüber: auf der einen Seite den Repräsentanten der priesterlichkultisch orientierten Richtungen wie Qumran-Zadokiden und Sadduzäern. auf der anderen Seite dieser breiten, sachlich unbeteiligten und deshalb meist
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desinteressierten, manchmal aber auch feindselig abwehrbereiten Masse, die von den Rabbinen später als 'am hä'ärre~bezeichnet wurde.1 42 Das Verhältnis zu diesen beiden Fronten war ein nuanciertes. Politisch gesehen waren die Sadduzäer die Hauptgegner, aber ihre Positionen waren Teil des gemeinsamen kultischen Systems, die Auseinandersetzung um heilig/rein und unrein vollzog sich also im Rahmen des Systems. Gegenüber der indifferenten breiten Masse hingegen sahen sich die Pharisäer genötigt, diesbezüglich mehr auf Abgrenzungen zu achten, um das System zu schützen. Insofern hatten Reinheitsregeln als Abgrenzungs- und Schutzmechanismus innerjüdisch teilweise einen ähnlichen Stellenwert wie für das Verhältnis nach außen. Andrerseits bot sich eben diese breitere Bevölkerungsschicht als ein Terrain an, das gewonnen werden und als Machtbasis genutzt werden konnte; die Abgrenzung konnte also trotz aller Strenge nur eine bedingte sein. Ein Phänomen verdient noch besonders hervorgehoben zu werden, weil seine Erklärung umstritten ist, nämlich die Tendenz zu einer Reinheitspraxis in Bezug auf Objekte, die an sich nicht als heilig gelten. Konkret geht es um die pharisäisch-rabbinische Praxis, auch für das Essen kultisch nicht qualifizierter (also "profaner") Nahrungsmittel einen gewissen rituellen Reinheitszustand vorauszusetzen und daher vor dem Mahl eine Händewaschung vorzunehmen, was auch im Neuen Testament als Markierung der pharisäischen Gruppenzugehörigkeit bezeugt ist (Mk 7,2-5 par. Mt 15, 1-3 ). A. Büchler und andere nach ihm haben dies im Rahmen der "levitischen Reinheit" kultisch zu begründen versucht, im Sinne einer Ausweitung der Praxis bezüglich "heiliger" Dinge.1 43 Demgegenüber wurde hervorgehoben, dass die Praktiken in diesem Zusammenhang zu wenig konsistent sind, um plausibel auf diese Weise erklärt werden zu können. 144 Man kann also nicht voraussetzen, dass das Essen von Profanem "in levitischer Reinheit" die pharisäische Praxis überhaupt gewesen und als eine Ausweitung der Praxis des Kultpersonals zu erklären sei.I4S Die Speisegebote regulierten nicht in erster Linie die Zugehörigkeit zur Gesamtrichtung der pharisäischen Gruppen, die als solche schwerlich organisatorisch in Erscheinung trat, sie markierten vor Ort die Grenzen zwischen pharisäischen Zirkeln und ihrer Umgebung, vor allem gegenüber den breiteren Bevölkerungsschichten. Für die Forderung, Profanes in "levitischer Heiligkeit" zu essen, beruft man sich gern auf die lflbur6t.l46 Soweit solche in der Zeit vor 70 n. Chr. bereits vorhanden waren, was in irgendeiner Form wahrscheinlich ist1 47 und dem frühen Ursprung vieler rabbinischer Reinheits-Traditionen entspricht1 48, handelte es 142 14 ·'
144 14 ~
14fl 147 14M
Oppenheimer. "Am Ha-Aretz. Büchler, Am-ho 'are; 69-138, bes. 119-126. Siehe Alon, Studies /, 158-169 (engl.: Jews, 1~234). Anders wieder Harrington, lmpurity Systetru, 267-281 (Appendix A: Did the Phorisees Eat Ordinary Food in a Stare of Ritual Purity?, selbständig publizien unter demselben Titel) gegen Sanders, Jewish Law, 197f.209. Oppenheimer, Haberim. Neusner, Fellowship. Neusner, Mishnah.
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sich um Personen, die einander kannten und sich in rituellen Dingen als zuverlässig betrachteten, wobei bei der Organisation der Mitgliedschaft strukturell gesehen Parallelen zu der Gruppenmitgliedschaft der Damaskusschrift und des yal}ad auftauchen. Die Jtberim grenzen sich in erster Linie gegenüber der breiten Masse und gegenüber Unzuverlässigen ab, bilden insofern Reinheits- und Heiligkeitsbereiche, die aber mit den Reinheits- und Heiligkeitsbereichen identisch sind, die im kultischen System den Priestern vorbehalten waren. Es gilt aber noch einen weiteren soziologisch bedingten Umstand zu bedenken, der innerhalb der Laienbewegung gruppenmäßige Abgrenzungen veranlasst hat und Ievitische Kriterien ins Spiel brachte. Manche Regelungen waren zunächst vielleicht Sonderanliegen bestimmter Kreise, die sich als Leviten verstanden und sich auch als solche markierten. Es ist wiederholt darauf verwiesen worden, dass Ievitische Kreise auch im außerkultischen Bereich tätig waren, also im Rahmen der Administration und der Rechtspflege, und eine entscheidende Rolle bei der Ausbildung eines Laien-Gelehrtenstandes gespielt haben. Auf diese Weise konnten Ievitische Reinheitspraktiken auch als Abgrenzungsinstrumente dieses Gelehrtenstandes gedient und dann in die pharisäisch-rabbinische Praxis mehr oder minder umfangreich Eingang gefunden haben, wo sie jedenfalls in Gelehrtenkreisen und Familien levitischer Herkunft auch unabhängig vom primär kultischen Bereich weitergepflegt worden sind. 149 Sie hätten also innerhalb der Laienbewegung einen bestimmten Personenkreis markiert, der sich wahrscheinlich auch durch das Tragen gewisser Kleidungsstücke kenntlich gemacht hat. Dabei handelte es sich allerdings nicht um die Nachahmung priesterlich-levitischer Praktiken, und insofern ist im Gegensatz zu einer geläufigen Meinung eben auch keine wirkliche Sachparallele zu der priesterlich orientierten Qumranrichtung gegeben. Dem entspricht auch die Besonderheit der rituellen Händewaschung, die wahrscheinlich als eine Maßnahme in den Auseinandersetzungen mit priesterlichen Ansprüchen eingeführt worden ist, zumal sie auch im Konkurrenzkampf um die Verfügung über die "Heiligen Schriften" eine prominente Rolle spielte. 150 Es ist auch möglich, dass die aufHillige Debatte über die Reinheit oder Unreinheit von Öl letzten Endes solche Rivalitäten um Kompetenz und Sachautorität spiegeln.l5l So ist abgesehen von innerpriesterlichen Differenzen in der Spätzeit auch dieser Aspekt für gewisse zentrifugale Tendenzen innerhalb des kultisch zentrierten Gesamtsystems verantwortlich gewesen. Diese dreifache Frontstellung, gegen priesterliche Ansprüche, im Bemühen um den 'am hä'ära'~ und in der Abgrenzung nach außen, hat auf der pharisäisch-rabbinischen Linie den Gesichtspunkten ritueller Reinheit letztlich eine solche Bedeutung verliehen, dass sie von außen gesehen als 149
1 ~0
1~1
Siehe dazu v.a. Meyer, Tradition, bes. 141. Maier, Jüdische Auseinandersetzung. I0-114 (1.ur Händewaschung bes. 16-18). Bar llan, Reasons.
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kennzeichnend erscheinen mussten.l52 Und weil das Alltagsleben davon so stark betroffen war, erfolgte natürlich auch die Auseinandersetzung des frühen Christentums mit den Pharisäern in erster Linie auf diesem Gebiet, freilich bald überlagert und verschärft durch die Auseinandersetzungen über die Folgen der christlichen Heidenmission einerseits und durch die zunehmende Konfrontation mit der römischen Weltmacht andrerseits, in der gerade auch rituelle Aspekte (konzentriert auf den Tempel und das Land Israel) eine besondere Rolle gespielt haben.l53 Die nach 70 n. Chr. aufstrebende rabbinische Richtung konnte trotz der Zerstörung des Tempels ihre Linie konsequent weiter verfolgen, da die Regelung des Alltagsbereichs praktisch ohnedies schon Vorrang gehabt hatte. Der Anspruch auf kultische Fachkompetenz für das Heiligtum war angesichts der sadduzäischen Widerstände bisher sowieso zu einem guten Teil nur Programm gewesen. Jetzt konnte das Programm auf den künftigen, dritten Tempel und dessen erwünschte Praxis ausgerichtet werden, um auch für die Zukunft den rabbinischen Vorrang gegenüber einer eventuell restaurierten priesterlich-institutionellen Kompetenz zu wahren.l54 Auch die Auseinandersetzungen über sadduzäische Positionenl5 5, die weithin mit der zadokidischen Tendenz in den Qumrantexten übereinstimmten, wurden nicht zuletzt unter diesem Gesichtspunkt weitergeführt, denn die sadduzäischen Priesterfamilien versuchten natürlich, ihre Berufstradition aufrechtzuerhalten. Die rabbinische Systematisierung und Adaptierung der Reinheitstraditionen, die offiziell erstmals in der Mischna niedergelegt worden ist 156, erfolgte nach den Anforderungen der Zeit und angesichts neuer Frontstellungen, in zunehmendem Maß aber im Rahmen der Konfrontationen mit der heidnischen Umwelt, bedingt durch das Gewicht der Diaspora und speziell der babylonischen Schulen. 157 Das sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die rabbinische Tradition auch auf diesem Gebiet weder in der Sache völlig einheitlich ausfiel noch ausschließlich auf biblischen Vorgaben fußt. Divergenzen in Bezug auf rein und unrein hat es innerhalb der pharisäisch-rabbinischen Zirkel selber sowohl damals wie auch späterhin immer wieder gegeben. Die älteren Diskrepanzen wurden später vor allem zu Differenzen zwischen den Schulen Schammais und Hilieis schematisiert. Aber sie begründeten keineswegs eine Verweigerung des Konnubiums (mJebamot 1,4 ). Anders verhielt man sich gegenüber radikalen antirabbinischen Juden, den sogenannten mfnfm. Über sie wurden Urteile gefällt, die der Qumran-Menta~~~
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Für die ältere Forschungs. Brandt, Jüdische Reinheits/ehre; für neuere Studien s. Booth, Jesus; Deines, Jüdische Steingefäße. Die letztgenannte Publikation illustriert die weitreichenden ökonomisch-gesellschaftlichen lmplikationen. Zu diesem historischen Kontexts. Wander, Trennungsprozesse. Vgl. auch Fraade, Priestly Authority. Baumgarten, Pharisaic-Sadducean Contmversies. Neusner, History of the Mishnaic Law I-XXII. Der abschließende Bd. XXII (The Mishnaic System of Uncleanness) ist in diesem Zusammenhang wegen seines systematischen Charakters von besonderer Bedeutung. Neusner. Puriry.
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lität gar nicht so femstanden, wobei ebenfalls zur inneren Konfrontation die äußere in einer dämonisierten Form hinzutrat, da man diesenminimein Nahverhältnis zur gottfeindlichen Weltmacht Rom nachsagte, als deren Völkerengel schließlich die Satansfigur Samael galt.
7.5. Christen Die Christen gingen diesbezüglich einen Weg, der aus christologisch-soteriologischen Gründen aus dem kultischen System des frühen Judentums hinausführte, aber eine theologische Verwertung nicht ausschloss. 15 8 Die abgrenzende Haltung wurde durch eine offensiv-missionierende ersetzt und dadurch wurden die Grenzen "Israels" zur Peripherie hin erweitert. Die kultisch rituelle Reinheitspraxis verlor dabei ihre systembedingte Funktion, obwohl die Konfrontation mit dem Heidentum nach wie vor als eine dämonisch und eschatologisch akzentuierte Kampfsituation verstanden wurde. Das frühe Christentum hat in der Konfrontation mit den paganen Kulten nicht viel anders reagiert als jüdische Gemeinden; der Horror vor Götzenopferfleisch z.B. war tief verankert und gab zu intensiven Disputen Anlass. 159 Die stärkste gemeinsame Basis für Juden und Christen bildete nicht die Heilige Schrift des Alten Testaments, sondern die gemeinsame profunde Verachtung des "Götzendienstes". Im organisierten Christentum, in der Kirche, ist alsbald ein Bedürfnis nach Abgrenzungsmechanismen spürbar geworden, um den eigenen Bereich als einen "heiligen" abzuschirmen. So entstand ein Ersatzsystem mit vergleichbaren Verhaltensweisen gegen außen hin. Trotz der prinzipiellen Überzeugung, dass der Ritus durch Christus überholt worden sei, hat man dafür auch auf die Bibel des "Alten Bundes" zurückgegriffen, und zwar nicht nur auf Einzelelemente, denn das aaronidische Priestertum wurde in der Alten Kirche bewusst als Modell für Struktur und Selbstverständnis des kirchlichen Klerus verwertet. Das ist um so auffälliger, als in der gleichzeitigen "Synagoge" und im rabbinisch geprägten Judentum insgesamt die Bedeutung der (nach wie vor genealogisch definierten) Priesterschaft auf einige Ehrenfunktionen beschränkt und die maßgeblichen Kompetenzen ganz und gar auf die rabbinische Gelehrtenschicht übertragen wurden. Rituelle und sakramentale Gesichtspunkte haben in der Folge in den Kirchen mehr und mehr auch das Verhältnis zu den "Ungläubigen" bestimmt. Die Anwendung der Kategorien "heilig/rein" und "unrein" hat mit zunehmender Dämonisierung der Ungläubigen und Dissidenten unter anderem auch für das Verhältnis zum Judentum verheerende Folgen nach sich gezogen.' 60 Galt die Taufe für die Christen ähnlich wie die Proselytentaufe für die Juden als ein Akt der Reinigung im Übergang von der unreinen Götzendienst-Sphäre in den Bereich des wahren 1ss Faßbeck. Tempel. 15~ 111u
Cheung. Idol Food. Siehe dazu die immer noch lesenswerten Feststellungen von Maurer. Kirrhe.
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Gottesdienstes, so sahen die Juden in der voll entfalteten Konfrontation mit dem Christentum im Taufwasser ein "Wasser der Unreinheit". Die jüdische Apologetik und Polemik konterte also auf derselben rituell-sakramentalen Ebene und sah im Christentum noch lange eine Art von Götzendienst mit entsprechend "verunreinigenden" Implikationen, gegenüber dem es für das Bekenntnis des Einen Gottes einzustehen gilt, und zwar selbst um den Preis des Martyriums.
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Qumran und die Essener
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Schriften des zwischentestamentliehen Judentums beachtet und sich keineswegs der Apokalyptik verschlossen. Sie hat keinerlei Setzung eines Inspirationszeitraumes anerkannt, vielmehr in ihren Reihen neue Schriften (Hodajot, Pescharim u.a.) entstehen lassen, die sehr wohl für sich in Anspruch nahmen, inspiriert zu sein. Sie hat mit den biblischen Texten weiter gearbeitet, sie z.T. neu geschrieben (Pentateuch-Paraphrasen) oder neu komponiert (Psalmenrolle). Eins hat Qurnran jedenfalls nicht mitgemacht: sich die Zwangsjacke einer allmählichen Einengung der Texttraditionen auf die protomasoretische Textlinie anziehen zu lassen. Die Gemeinde von Qurnran hat die Vielheit der Strömungen im Frühjudentum respektiert. Sie hat ihre unterschiedlichen Traditionen gesammelt. Aus der Bestandsaufnahme dieser Sammlung geht hervor, dass diese Vielheit weit umfanglicher war, als uns aus den bisherigen Quellen erkennbar war. Das möge aus der Retrospektive heraus den wissenschaftlichen Forscherdrang intensivieren, sich erneut den biblischen Texten zuzuwenden und diese auf Indizien neu durchzusehen. Der Forscher muss sich nicht durch Kanones und ihre Abgrenzungen hindem lassen. Die Gemeinde von Qurnran vermag zu zeigen, dass die Schätzung auch divergierender Traditionen der Redlichkeit im Glauben und Wissen dienen kann, eine Gemeinde zwar strapaziert, sie aber nicht zerreißt. Bibliographie Albertz, R., Die sozial- und religionsgeschichtlichen Folgen der Exilszeit, BiKi 55 (2000) 127-131. -,Religionsgeschichte Israels in alttestamentlicher Zeit, 2 Bde., Göttingen 1992 (GAT 8.1-2). Ballhom, E., ,,Zum Telos des Psalters". Der Textzusammenhang des vierten und fünften Psalmenbuches, Diss. Theol. Bonn 2000. Bammel, E., Sadduzäer und Sadokiden, EThL 55 ( 1979) 107-115. Bergmeier, R., Die Essener-Berichte des Flavius Josephus. Quellenstudien zu den Essenertexten im Werk des jüdischen Historiographen, Kampen 1993. Boccaccini, G .. Beyond the Essene Hypothesis. The Parting of the Ways Between Qumran and Enochic Judaism. Grand Rapids 1998. Böhl. F., Art. Pharisäer, NBL 3 (2001) 134-136. -. Art. Sadduzäer. NBL 3 (2001) 399f. Broschi. M., Visionary Architecture and Town Planning in the Dead Sea Scrolls. in: D. Dimant/L.H. Schiffman (Hg.). Time to Prepare the Way in the Wildemess. Papers on the Qumran Scrolls by Fellows of the Institute for Advanced Studies of the Hebrew University. Jerusalem, 1989-1990, Leiden u.a. 1995 (StTDJ 16). 9-22. Buss, M.J .• The Psalms of Asaph and Korach. JBL 82 (1963) 382-392. Dahmen, U .• Leviten und Priester im Deuteronomium. Literark.ritische und redaktionsgeschichtliche Studien. Bodenheim 1996 (BBB 11 0). Fabry. H.-J., Art. Qumran, NBL 3 (2001) 230--259. -.Der Begriff ..Tora" in der Tempelrolle. RdQ 18 (1997/98) 63-72. -. Die Qumrantexte und das biblische Kanonproblem, in: S. Beyerle/G. Mayer/ H. Strauß (Hg.), Recht und Ethos im Alten Testament - Gestalt und Wirkung. FS H. Seebass. Neukirchen-Vluyn 1999, 251-271.
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CATHERINE HEZSER
Einheit und Vielfalt in der rabbinischen Halakhah In der Vergangenheit wurde die in den verschiedenen rabbinischen Sammelwerken überlieferte rabbinische Halakhah meist als homogene Einheit verstanden, die die Meinung aller Rabbinen jener Zeit widerspiegelte. Durch die Zusammenstellung rabbinischer Texte zu einem bestimmten Sachverhalt glaubte man feststellen zu können, welche Ansicht die Rabbinen schlechthin vertraten. Unterschiede zwischen Palästina und Babylonien, zwischen frühen und späten Traditionen und zwischen verschiedenen literarischen Gattungen wurden nicht weiter berücksichtigt. Ebenso wurden individuelle Meinungsverschiedenheiten und Widersprüche mit Hinweis auf die angeblich immer vorhanden gewesene Mehrheitsmeinung für unwichtig oder nur vorläufig erachtet. Dass dieser Ansatz auch in neueren Lehrbüchern noch vertreten wird, zeigt Shmuel Safrais Beitrag zum Thema "Halakha" im dritten Band der Compendia Rerum ludaicarum ad Novum Testamentum, der 1987 erschien. Dort definiert Safrai Halakhah als "the sum total of rules and laws - derived from the Bible, from religious thought and teaching, from jurisprudence and custom - that govem all aspects of Jewish life" 1• Als solche umfasse die Halakhah sowohl die durch die Rabbinen festgelegten Regeln als auch lokale Bräuche, "the ways of life of the Jewish people" 2• Als ein das gesamte Leben regelndes System war die Halahkah, Safrai zufolge, eine organische Einheit und ermöglichte es den Rabbinen, sie auf verschiedene Lebenssituationen anzuwenden.J Der Sanhedrin und die ihm unterstehenden rabbinischen Akademien waren angeblich für konkrete Entscheidungen und Innovationen zuständig.4 Allerdings wurden zuweilen auch lokale Sitten und Gebräuche respektiert.:'\ Widersprüche und Meinungsverschiedenheiten werden von Safrai der Entstehungsphase der Halakhah, d.h. der Zeit vor ihrer endgültigen Festlegung, zugeschrieben. 6 Sobald eine halakhische Frage durch Mehrheitsentscheidung entschieden worden war, hatten die von dieser Meinung abweichenden Meinungen angeblich bloße antiquarische Bedeutung. Die einmal festgelegte Halakhah wird diesem Modell zufolge als von allen damaligen Juden akzeptiertes und befolgtes Gesetz verstanden. I
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Safrai, Halakhah, 121. Ebd. Siehe Safrai, Halakhah, 127. Siehe Safrdi, Halakhah. 128. Ebd. Siehe Safrai, Halakhah, 171-174.
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Carherine Hezser
Die Betonung der Vorläufigkeit und rein theoretischen Relevanz von Disputen und Widersprüchen, ihre Ansiedlung in der Vorbereitungsphase, die letztendlich zu autoritativen Mehrheitsentscheidungen führte, ist auch in anderen traditionell ausgerichteten Abhandlungen zum rabbinischen Recht anzutreffen. So schreibt z.B. Mendell Lewittes: "Disputation is the means; the goal is decision"7 • Die theoretische Diskussion verschiedener Lehrmeinungen wurde zwar gefördert, da nur auf diese Weise die "korrekte" und allgemein akzeptierte Lösung gefunden werden konnte. Aber das Ziel war die endgültige halakhische Entscheidung, über die es dann keine Diskussionen mehr geben konnte, die vielmehr in der Praxis von allen befolgt werden musste. Sonst würde es notwendigerweise zu Zwietracht und Streitereien kommen. Wie Safrai glaubt auch Lewittes, dass der Sanhedrin für die Festsetzung der Halakhah verantwortlich war. s Es könnten in diesem Zusammenhang noch zahlreiche weitere Beispiele angeführt werden. In Fortführung dieses Ansatzes glaubt Ze'ev Falk, dass die von den Rabbinen festgelegte Halakhah dem Volk öffentlich bekannt gegeben werden musste, um rechtskräftig zu sein. 9 Er verweist auf eine Stelle im Babylonischen Talmud (b.Ket. 7b), derzufolge der babylonische Amoräer Samuel das Volk versammelte, um halakhische Regeln zu verkündigen. 10 Wie Falk weisen auch die anderen bereits genannten Gelehrten stets auf Stellen des Babylonischen Talmuds hin. Dass es große Unterschiede zwischen der Stellung und Funktion der Rabbinen in Palästina und Babylonien gegeben hat, wie zuletzt Richard Kalmin in seinem Buch The Sage in Jewish Society of Late Antiquity gezeigt hat 11 , wird dabei gar nicht erst vermutet, sondern es wird von einem überall einheitlichen und einmütigen Rabbinat ausgegangen, welches an die Orthodoxie der Moderne erinnert, in der Antike aber keineswegs vorhanden gewesen zu sein scheint. Alle diese Darstellungen des jüdischen Rechts gehen davon aus, dass es bereits in den ersten Jahrhunderten nach der Tempelzerstörung eine rabbinische Orthodoxie gegeben hat, die sich in Jamnia unter Yochanan b. Zakkai neu konstituierte und als Fortsetzung des Sanhedrins der Zeit vor 70 zu verstehen ist. Der jüdische Patriarch wird als Vorsitzender eines rabbinischen Gerichtshofs gesehen, der verbindliche halakhische Rechtsregeln erlassen und ihre Befolgung autoritativ durchsetzen konnte. Man stellte sich vor, dass die Rabbinen als Gemeindeleiter die Einhaltung der Halakhah überwachten und denjenigen, die ihr zuwiderhandelten, bestimmte Strafen auferlegten, ja sie sogar mit dem Bann belegen und aus der jüdischen Gemeinschaft ausschließen konnten. Diese historische Basis der traditionellen Sicht der Halakhah ist aber durch neuere Untersuchungen zum Sanhedrin, zum Patriarchen und zu den Rabbi7 K 4
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Lewittes, Jewish Law, 68. Siehe ebd. Siehe Falk, lntroduction I. 18f. Siehe Falk. lntroduction I. 19. Siehe Kalmin, Sage, 110.
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nen erschüttert worden. So hat unlängst David Goodblatt die Existenz eines Sanhedrins oder obersten Gerichtshofs nach 70 bestritten. 12 Es scheint stattdessen neben den lokalen, öffentlichen Gerichtshöfen einerseits und der informellen Rechtsprechung durch einzelne Rabbinen andererseits einige private Gerichtshöfe kleineren Formats, die mit Rabbi Yehuda ha-Nasi und ein paar anderen Rabbinen assoziiert werden, gegeben zu haben. Diese kleinen privaten Gerichte dienten aber nicht der regelmäßigen Zusammenkunft aller in Palästina lebenden Rabbinen zum Zweck der Festlegung der Halakhah. Für die Annahme solcher Treffen eines obersten rabbinischen Gerichtshofs fehlt also jegliche institutionelle Basis. Einen jüdischen Patriarchen scheint es außerdem erst mit R. Yehudah haNasi am Ende des zweiten Jahrhunderts gegeben zu haben. 13 Seine Autorität war auf innerjüdische Angelegenheiten beschränkt und auch in dieser Hinsicht keineswegs unangefochten. 14 Der Patriarch war kaum in der Lage, alle Rabbinen auf seine Lehrmeinung zu verpflichten, geschweige denn das ganze Volk. Er mag zwar den Anspruch erhoben haben, die einzig gültige Meinung zu vertreten, aber einen ähnlichen Anspruch vertraten zahlreiche Rabbinen. Da der Patriarch weder vom Volk noch von Rom eingesetzt worden zu sein scheint, sondern seine Position in erster Linie auf seiner Herkunft, seinem Reichtum und seinen guten Beziehungen beruhte 15, kann er keine offizielle Autorität zur Durchsetzung seiner Ansichten besessen haben. Seine Autorität beruhte vielmehr - wie auch diejenige der Rabbinen - auf seinem Ansehen innerhalb der jüdischen Gemeinschaft. In dieser Hinsicht mag er, Seth Schwartz zufolge, in der Diaspora einflussreicher als in Palästina gewesen sein.lfl Eine rabbinische Orthodoxie, die auf einer hierarchisch organisierten rabbinischen Bewegung mit dem Patriarchen an der Spitze beruhte, scheint es in römisch-byzantinischer Zeit nicht gegeben zu haben. Die Rabbinen sind vielmehr als locker zusammenhängendes und über ganz Palästina verstreutes Netzwerk gleichgesinnter Torahgelehrter zu verstehen, die in vielen An~elegenheiten ganz unterschiedliche Meinungen vertraten.l 7 Gelegentliche Ubereinkünfte scheinen auf natürlichem Wege, durch Torahstudium und ähnlichen Lebensstil, zustande gekommen zu sein. Die Hauptfrage, die man sich stellen muss, ist, wo solche Übereinkünfte liegen könnten. Und was könnten die Gründe für die Entwicklung halakhischer Einheit und Vielfalt gewesen sein? Bei der Beantwortung dieser Fragen sind eine Reihe von Aspekten zu berücksichtigen, die im folgenden Teil näher analysiert werden sollen.
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Siehe Goodblatt, Monarchie Principle, 232ff. Siehe Jacobs. Institution, 115. Siehe Jacobs. Institution. 344f. Siehe Hezser. Social Structure. 411. Siehe Schwartz. Patriarch. Siehe Hezser, Social Structure, 228-239.
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Catherine Hezser
1. Der unsystematische Charakter antiken Rechtsdenkens 18 Das antike Rechtsdenken war nicht an der Herstellung eines einheitlichen, überall anwendbaren Rechtssystems interessiert. Insofern ist es unangemessen, unsere am modernen Rechtssystem orientierten Vorstellungen von Einheitlichkeit und Kohärenz auf die Antike zu übertragen. Wenn man sich römische Rechtssammlungen ansieht, fällt auf, dass auch in ihnen, ähnlich wie in der rabbinischen Literatur, unterschiedliche Meinungen oft unausgeglichen nebeneinanderstehen. Das Traditionsmaterial ist nicht systematisch, nach Themen oder Fragestellungen, eingeteilt. Diese Unausgeglichenheit wurde aber nicht als Mangel angesehen, sondern entsprach dem antiken Rechtsdenken, für welches der einzelne Fall ausschlaggebend war. So schreibt Mario Bretone: Die sich nicht selten widersprechenden Normen haben eine topische Funktion ftir ein im Grunde ,,rhetorisches" Ziel. Stets steht das Urteil über den Einzelfall im Mittelpunkt, nicht das Recht als Ganzes. Man verzichtet auf eine konzeptionelle Arbeit und auf die Dogmatik; die Stabilität der Entscheidungen und die Gleichheit der juristischen Behandlung sind (wenn sie es sind) ein schwer erreichbares Ideal.l9
Das kasuistisch ausgerichtete römische Recht orientierte sich an Einzelfällen und ganz spezifischen Fragestellungen. Allgemein gültige Regeln und Prinzipien wurden selten aufgestellt. Falls es sie gab, waren sie aus konkreten Fall- entscheidungen entwickelt. Diese Art von Rechtsdenken herrschte in der gesamten Antike vor und reichte bis in die byzantinische Zeit hinein. Man nahm Abstand von jeglicher Dogmatik und versuchte, so flexibel wie möglich zu bleiben. Dies bedeutete aber auch, dass nur Rechtsgelehrte in der Lage waren, rechtliche Entscheidungen zu treffen. Nur sie waren imstande, aus dem Wirrwarr früherer Rechtsentscheide und Beispielfälle die für die jeweils neue Situation geeigneten Anhaltspunkte zu finden und auf dieser Basis neue Entscheidungen zu treffen. Der Nachteil dieser Art von Rechtsdenken war also seine Unübersichtlichkeit und schwierige Anwendbarkeit. Das rabbinische Rechtsdenken ist ebenfalls als kasuistisches Denken zu bezeichnen. Ausgangspunkt waren der konkrete Streitfall oder das theoretische halakhische Problem, für das verschiedene Lösungen angeboten wurden. Die Widersprüchlichkeil und Unausgeglichenheit der Lösungsansätze scheint die Rabbinen genauso wenig gestört zu haben wie die römischen Juristen. Im Gegenteil: Sie erlaubte es den Rabbinen, individuell auf unterschiedliche Situationen einzugehen und sich ihre eigene Autonomie und Unabhängigkeit zu bewahren. In der theoretischen Diskussion praktischer Fälle im Kreis rabbinischer und juristischer Kollegen werden die Einzelheiten des Falls variiert und alIR '9
Siehe hierzu auch Hezser, Codification. 629--631. Brelone, Geschichte, 261.
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ternative Lösungen vorgeschlagen worden sein. Manchmal mögen auch aus Fallentscheidungen abgeleitete Regeln formuliert worden sein. Die Gültigkeit dieser Regeln war aber wohl beschränkt. So schreibt Söllner im Hinblick auf das römische Recht: Solche Regeln, Grundsätze und Prinzipien werden mit äußerster Vorsicht formuliert. Sie betrafen immer nur abgegrenzte Fallgruppen. Die römische Jurisprudenz befasste sich mit Einzelfallen und deren sachgerechter Lösung. Gegen eine allzu abstrakte Begrifflichkeil und gegen das Argumentieren mit allgemeinen Rechtsgrundsätzen bestand eine starke Abneigung.2°
So scheinen auch die Rabbinen nur ansatzweise Regeln formuliert zu haben, und diese Regeln hatten keine allgemeine Gültigkeit. Befreundete Rabbinen, die sich regelmäßig zu halakhischen Diskussionen trafen, mögen in der einen oder anderen Frage ähnliche Meinungen entwickelt und die ihnen vorgetragenen Fälle im Laufe der Zeit auf ähnliche Art und Weise entschieden haben. 21 Aber sie hatten keine Möglichkeit, ihre Fallentscheidungen und davon abstrahierten halakhischen Regeln für alle in Palästina lebenden Rabbinen verbindlich zu machen.22
2. Der Übergang von der mündlichen zur schriftlichen Überlieferung 23 Die Vielfalt und Unausgeglichenheit der Lehrmeinungen ist ein Charakteristikum des mündlichen Stadiums von Traditionen. So hat bereits Werner Kelber auf die Heterogenität der mündlichen Jesus-Traditionen hingewiesen. In der mündlichen Überlieferungsphase ist mit einer unbegrenzten Anzahl von differierenden Versionen, Kombinationen von Motiven und Themenvarianten zu rechnen. Die Traditionen werden ständi~. verändert und der jeweiligen Aussagesituation angepasst. Das mündliche Oberlieferungsmaterial ist also äußerst flexibel and variabel. Erst mit der Verschriftlichung tritt eine diesbezügliche Änderung ein: Unattached to material surfaces, words flow freely, are repeated and adjusted, spoken one next to another, and yes, even set against each other ... It is, we shall see. a function of the written gospel to "implode" this oral heterogeneity and to linearize oral randomness. 24
Auch hinter den synoptischen Evangelien steht also, Kelber zufolge, eine Vielfalt von sich teilweise widersprechenden Jesus-Traditionen. Das Bedürfnis, diese heterogenen Traditionen zu vereinheitlichen, gab es im mündlichen
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Söllner, Einführung. 106. Siehe Hezser. Social Structure, 245-254. Zur Frage der Autorität der Rabbinen s. Hezser. Social Structure. 450-466. Eine ausfilhrlichere Behandlung dieses Themas findet sich in Hezser. Jewish Literacy.
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Kelber, Oral Go.fpel. 31.
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Stadium noch nicht. Es ist anzunehmen, dass Unterschiede und Widersprüche selten bemerkt wurden und Bestrebungen, allgemeinverbindliche Anschauungen und Normen durchzusetzen - falls es solche Bestrebungen überhaupt gab -, erfolglos blieben: No universally binding norm can assert itself in speaking actuality, for oral life escapes ownership by any single authority. In orality, one must allow for pluralism, as weil as for a certain randornness.25
So werden auch die Rabbinen nur durch Hörensagen von abweichenden oder gar widersprüchlichen Meinungen ihrer Kollegen erfahren haben. Wenn diese Kollegen in entfernten Gebieten, außerhalb ihrer Einflusssphäre, lebten, mag sie dies nicht weiter bekümmert haben. Da anzunehmen ist, dass die rabbinische Bewegung auch im dritten und vierten Jahrhundert noch relativ klein und geographisch weit verstreut war2 6 , wird an vielen Orten selten mehr als ein Rabbi angesiedelt gewesen sein. In Städten mit einer größeren rabbinischen Bevölkerung wie Sepphoris, Tiberias und Caesarea war die Sache allerdings anders. Die hier lebenden Rabbinen werden eher mit den abweichenden Meinungen ihrer Kollegen konfrontiert worden sein. Andererseits hatten sie auch die Gelegenheit, ihre Kollegen öfter zu treffen und Lehrmeinungen mit ihnen zu diskutieren. Bei dieser Gelegenheit werden Meinungsverschiedenheiten ausgeglichen worden sein. Das Phänomen, dass Menschen, die sich häufig treffen, ähnliche Ansichten entwickeln, wird in der Soziologie "opinion clusters" genannt: Diese "opinion clusters" entwickeln sich dort, wo "social clusters" entstehen.27 So ist es nicht verwunderlich, wenn Rabbinen außerhalb Caesareas bestimmte halakhische Meinungen im Namen der "Rabbinen von Caesarea" (Rabbanan de-Qisrin), also als Kollektivmeinungen, überlieferten. Unter den in kleineren Städten und Dörfern verstreut lebenden Rabbinen konnten sich solche Kollektivmeinungen dagegen kaum entwickeln. Nur ein kleiner Teil der damals zirkulierenden mündlichen Traditionen wird jemals verschriftlicht worden sein. Die Verschriftlichung ist also immer schon als eine Auswahl von Traditionen aus einer Vielzahl von Möglichkeiten zu verstehen. Die nicht-verschriftlichten Traditionen werden im Laufe der Zeit verloren gegangen sein. Erst bei der Verschriftlichung wird man sich der Meinungsvielfalt und Widersprüchlichkeit des Traditionsmaterials wirklich bewusst geworden sein. Man konnte dieses heterogene Material nun entweder einfach unausgeglichen nebeneinander stehen lassen oder es völlig verändern und systematisieren. Die rabbinischen Redaktoren der Sammelwerke schlugen auf je unterschiedliche Art und Weise einen Mittelweg ein.
Kelber. Oral Gospel, 80. Siehe Hezser. Social Structure. 157ff. n Siehe He1ser. Social Structure. 183. mit bibliographischen Angaben. !5
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3. Die literarische Form der Kontroverse Die literarische Form der halakhischen Kontroverse ist sowohl in Mischnah und Tosefta als auch im Talmud zu finden. Dabei werden zwei oder mehr alternative und zum Teil widersprüchliche rabbinische Meinungen einander gegenübergestellt. Am bekanntesten sind die tannaitischen Kontroversen zwischen den Schulen Hilieis und Schammais. So heißt es z.B. in M. Shab. 1,6: Die Schule Schammais .sagt: "Man spannt [am Freitag Nachmittag, vor Beginn des Sabbaths] keine Netze aus für wilde Tiere, Vögel oder Fische, es sei denn, [die Zeit reicht aus], um sie noch während des Tages zu fangen [d.h. bevor der Sabbathangefangen hat]." Aber die Schule Hilieis erlaubt es [.solche Netze vor Sabbathbeginn auszubreiten].
Der Gegensatz der Lehrmeinungen wird hier unausgeglichen stehen gelassen, wie es auch sonst für die Mischnah üblich ist. Widersprüchliche Meinungen werden nicht nur Hillel und Schammai zugeschrieben, sondern auch späteren Rabbinen. So wird in M. Ber. 1,1 gefragt: Von welcher Zeit an darf man das Shema am Abend rezitieren? Von der Stunde an. in der die Priester [in ihre Häuser] eintreten, um ihre Hebe zu essen, bis zum Ende der ersten Nachtwache [d.h. des ersten Drittels der Nacht], die Worte R. Eliezers. Aber Weise sagen: Bis Mitternacht. Rahban Gamliel sagt: Bis zum Morgengrauen.
In den drei hier repräsentierten Meinungen wird also die Zeitgrenze, bis zu der das Rezitieren des Shema erlaubt ist, kontinuierlich ausgeweitet. Derjenige, der R. Gamliels Meinung Folge leistet und das Shema des Abends am frühen Morgen, kurz vor Aufgang der Morgenröte, rezitiert, würde der Ansicht R. EHezers und anderer Rabbinen zuwiderhandeln. Nichtdestoweniger wird diese Kontroverse von den Redaktoren der Mischnah nicht eindeutig entschieden. Selbst Rabbi Yehudah ha-Nasi, dem angeblichen Redaktor der Mischnah, wird nicht automatisch Recht gegeben. In M. Shab. 6,5 geht es um die Dinge, mit denen man am Sabbath auf die Straße gehen darf, ohne damit das Verbot des Tragens von Gegenständen am Sabbath zu übertreten: Ein falscher Zahn und ein Goldzahn, Rabbi erlaubt es, [damit am Sabbath das Haus zu verlassen.) aber Weise verbieten es.
Die den Weisen (IJakiimfm) zugeschriebene Meinung sowie anonym überlieferte Lehrsätze werden oft als Mehrheitsmeinung aller damaligen Rabbinen angesehen. Es ist aber unwahrscheinlich, dass es sich bei diesen Meinungen wirklich um Mehrheitsmeinungen handelte. Denn erstens werden auch diesen Meinungen oft andere, bestimmten Rabbinen zugeschriebene Meinungen gegenübergestellt, d.h. sie bleiben nicht immer unwidersprochen. Zweitens sind die Meinungen nicht ausdrücklich als Mehrheitsmeinungen gekennzeichnet. sondern lediglich als Meinung "vieler" Rabbinen (Gegen-
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Überstellung von dibre hayii~fd und dibre hariibbfm). Drittens ist es aus den bereits erwähnten Gründen historisch unwahrscheinlich, dass alle Rabbinen einer Generation sich trafen und halakhische Meinungen festlegten. Wenn es wirklich Mehrheitsmeinungen zu halakhischen Detailfragen gegeben hat, ist unerklärlich, warum die Mischnah eine so große Anzahl von nicht geschlichteten Kontroversen überliefert, statt halakhische Regeln in der Form eines Schulchan Arukh mitzuteilen. Die halakhischen Kontroversen sind als literarische Konstruktionen anzusehen. Die Redaktoren der Mischnah werden die ihnen überlieferten Einzelmeinungen einander gegenübergestellt haben. 28 Im Falle der anonymen oder kollektiv den "Weisen" zugeschriebenen Meinungen mag es sich um Ansichten handeln, deren Tradenten den Redaktoren nicht bekannt waren oder die sie selbst vertraten. Diese Meinungen werden aber nicht benutzt, um andere Ansichten zu unterdrücken, obwohl sie manchmal am Ende einer Diskussion stehen und damit die den Redaktoren einleuchtende Lösung eines Problems andeuten mögen. Die Meinung dieses Redaktorenkreises wird manchmal auch mit der Formel "die Halahkah entspricht der Meinung von Rabbi X." ausgedrückt. Die Form der Kontroverse lässt sich am besten als "written speech" verstehen, womit wir wieder zum Aspekt der Verschriftlichung von ursprünglich mündlichen Überlieferungen zurückkehren. Die formale Struktur der Mischnah weist auf eine ursprünglich mündliche Komposition der Textabschnitte hin. Peter Denny zufolge ist der Gebrauch von sogenannten "networks of binary opposites" im Unterschied zu einer hierarchischen Strukturierung des Traditionsmaterials als "Aspekt der Kontextualisierung" anzusehen, der typisch für mündliche Kompositionen ist.2 9 Kontextualisierung bedeutet, dass Beziehungen zu anderen Gedankeneinheiten bzw. zwischen den Traditionen untereinander hergestellt werden. Die Argumente werden miteinander konfrontiert und stellen füreinander einen Kontext dar, ohne dass die in ihnen thematisierte Fragestellung letztendlich entschieden wird. So ist es möglich, viele voneinander abweichende Lehrmeinungen zu kombinieren. Dieses integrative Denken scheint der sozialen Integration gedient zu haben und ist nach Denny besonders in Agrargesellschaften mittlerer Komplexität anzutreffen. Das Verständnis der Mischnah als "written speech", "geschriebener Rede", ist auch noch in anderer Hinsicht aufschlussreich. Es ist nämlich nicht nur anzunehmen, dass die Mischnah mündlich kompiliert wurde und auf mündlichem Überlieferungsmaterial beruht, sie wird auch als schriftlich vorliegender Text weiter mündlich überliefert worden sein.-~0 Die dialogische Redeform des mischnaischen Diskurses weist also in beide Richtungen auf mündliche Überlieferung hin. Auch in der griechisch-römischen Literatur sind Texte, die die Form von verschriftlichter Kommunikation haben, des öfSiehe dazu z.B. Neusner. Formative Judaism. 109ff. (..The Mishnah As Literature""). Denny. Rational Thought. '«> Siehe Hezser, Jewish literacy. 427-432.
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teren anzutreffen. Platons Dialoge haben zum Beispiel die Form eines Lehrer-Schüler-Gesprächs. Da Bücher in der Antike gewöhnlich laut gelesen oder vorgetragen wurden3 1, ist diese mündliche Redeform besonders angemessen. Im Falle der Mischnah wird der tanna die Texte aus seinem Gedächtnis rezitiert haben. Die vorgetragenen Texte dienten als Basis für die weitere Diskussion der halakhischen Fragen innerhalb der Lehrer- und Schülerkreise. Die Dialogform und prinzipielle Unabgeschlossenheit des Diskurses wird seine Fortsetzung in späteren Gelehrtengenerationen gefördert haben.
4. Redaktionelle Hannonisierung Erst im Talmud kommt es ansatzweise zu redaktionellen Harmonisierungen widersprüchlicher Traditionen. Im späteren Babylonischen Talmud ist diese redaktionelle Arbeit viel weiter fortgeschritten als im Talmud Yerushalmi. Dies weist darauf hin, dass die Entwicklung von der unausgeglichenen Gegenüberstellung divergenter Lehrmeinungen, die noch am besten in der Mischna zu erkennen ist, über die ansatzweise Harmonisierung im Yerushalmi bis zur vereinheitlichenden Überarbeitung im Bavli verläuft. Aber auch im Babylonischen Talmud kommt es nicht zu einer völligen Systematisierung und Vereinheitlichung der Halakhah. Die Unterschiede zwischen den traditionellen Ansichten werden nicht völlig unterdrückt. In dieser Hinsicht bleibt man weiter dem Vorbild des Palästinischen Talmud verpflichtet, der wie die römischen Rechtscodices am kasuistischen Rechtsdenken ausgerichtet ist (s.o.). Ein Beispiel für die talmudische Harmonisierungstendenz findet sich in y. Peah 1,1 [ 15d]: (A] R. Yonathan und R. Yannai saßen [einmal] zusammen. Da kam ein Mann und küsste die Füße von R. Yonathan. R. Yannai sagte zu ihm: Welche gute Tat vergilt er dir heute? Er [d.h. R. Yonathan] sagte zu ihm: Er kam einmal [zu mir] und klagte über seinen Sohn, dass er ihn ernähren solle. Da habe ich zu ihm gesagt: Geh, versammele die Gemeinde gegen ihn und beschäme ihn. Er [d.h. R. Yannai] sagte zu ihm (d.h. zuR. Yonathan]: Und warum hast du ihn nicht [durch einen Gerichtsbeschluss] zur Ernährung des Sohnes gezwungen? Er sagte zu ihm: Aber kann man ihn denn zwingen? Er (d.h. R. Yannai] sagte zu ihm: Aber ist dir das noch fraglich? [B] Da änderte R. Yonathan [seine Meinung] und setzte die Halakhah in seinem (d.h. R. Yannais] Namen fest.
In der von den Redaktoren übernommenen amoräischen Geschichte wird eine Meinungsverschiedenheit zwischen R. Yannai und R. Yonathan überliefert. Bei den beiden handelt es sich um Amoräer der ersten Generation, d.h. um rabbinische Kollegen. Sie vertraten angeblich unterschiedliche Meinun" Siehe Hezser. Jewish Lireracy. 451-473.
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genhinsichtlich der Frage, ob man einen Sohn rechtlich zwingen kann, seinen alten Vater zu ernähren. R. Yonathan zufolge war dies nicht möglich. Deshalb versuchte er, den Sohn auf andere Art und Weise dazu zu motivieren. Er ließ ihn durch die Gemeinde beschämen. Aus Scham angesichs der schlechten öffentlichen Meinung über ihn entschied sich der Sohn dann, seinem Vater zu helfen. Deshalb küsste der Vater R. Yonathan aus Dank für seine nicht rechtliche, sondern rein menschliche Unterstützung die Füße. R. Yannai ist andererseits der Ansicht, dass der Sohn rechtlich zum Unterhalt des Vaters gezwungen werden kann. Man hätte ihn also durch einen Gerichtsbeschluss dazu verpflichten können. Am Ende der Geschichte stehen die beiden Meinungen nebeneinander, obwohl bereits dadurch, dass R. Yannai das letzte Wort hat, seiner Meinung der Vorzug gegeben zu sein scheint. Der sich an die Geschichte anschließende Satz "Da änderte R. Yonathan [seine Meinung] und setzte die Halakhah in seinem [d.h. R. Yannais] Namen fest" (IJiizar beh R. Yoniitan uqbe'ah se'mu' ah min se'meh) wird von den Redaktoren des Yerushalmi an die Geschichte angefügt worden sein. Diese Formel findet sich auch in anderen Zusammenhängen in verschiedenen Traktaten des Yerushalmi, ist also eine wiederkehrende redaktionelle Formulierung, die dem Zweck der Vereinheitlichung und Harmonisierung von Widersprüchen dient. 32 Sie ist nicht die einzige Art und Weise, in der die Redaktoren versuchen, halakhische Übereinstimmungen herzustellen. Eine andere aramäische Formel lautet sera' mfniih ("Er widerrief seine Meinung"), die einem der Kontrabenden attestiert wird, so dass am Ende nur noch eine der widersprüchlichen Meinungen erhalten bleibt. Oder eine Meinung wird mit käl 'ama' mode ("alle stimmen überein") oder dibre hakol hu' ("Die Meinung von allen ist es ... ") eingeleitet.33 Nicht immer ist der Vorzug dieser Meinung bereits in der überlieferten Tradition angedeutet wie in der zitierten Geschichte. Immer scheint es sich dabei jedoch um die Meinung zu handeln, die die Redaktoren selbst bevorzugten und deren Überzeugungskraft sie mit besagten Formeln unterstützen wollten. So schreibt auch John Rayner, dass die Entwicklung der Halahkah von der ursprünglichen Vielfalt und Uneinheitlichkeit zur immer größeren Vereinheitlichung und Verfestigung verlief, die ihren Abschluss im Schulchan Arukh fand. 34 Außer der zeitlichen Komponente ist aber auch der bereits erwähnte Übergang von der mündlichen Überlieferung zur Verschriftlichung in rabbinischen Sammelwerken zu berücksichtigen. Nicht nur in tannaitischer, sondern auch in amoräischer Zeit, d.h. in der gesamten Spätantike scheint es eine Vielfalt rabbinischer Meinungen zu allen nur erdenklichen halakhischen Fragen gegeben zu haben. In den literarischen Werken, in denen eine Auswahl dieser Meinungen ihren Niederschlag fand, gab es ansatzweise Tendenzen zur Harmonisierung und Vereinheitlichung. Aber zu einer wirklichen Systematisierung und Festlegung der Halakhah kam es wohl erst in gaonäin Siehe Hezser, Social Structure, 246. ~3 '14
Siehe dazu Hezser, Social Structure. 247f. Siehe Rayner. Jewish Relixious l.aw. 38.
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scher Zeit, d.h. im Mittelalter, wohl unter islamischem Einfluss und auf der Basis einer hierarchischen Gemeindeorganisation.
5. Grenzen der Pluralität Lassen sich in der rabbinischen Literatur auch abgesehen von redaktionellen Harmonisierungen Grenzen der halak.hischen Meinungsvielfalt erkennen, d.h. gab es bestimmte Regeln und Praktiken, von denen man annehmen kann, dass alle Rabbinen sie akzeptierten und einhielten? Was könnten die Gründe für diese Übereinstimmungen sein, wenn man regelmäßig stattfindende Treffen aller Rabbinen zur Festsetzung der Halak.hah in tannaitischer und amoräischer Zeit für historisch unwahrscheinlich hält? Als erstes wird man in diesem Zusammenhang auf die Torah als Basis rabbinischer Rechtsfindung hinweisen. So ist bereits in der Diskussion um die sogenannte Indeterminiertheil des rabbinischen Midrasch wiederholt auf die Torabtreue aller Rabbinen hingewiesen worden. Die Rabbinen würden keine Regeln aufstellen, die der Torah widersprächen. So hat David Stern betont, dass die von den Rabbinen als göttliche Offenbarung angesehene Torah kein offener Text war, der eine unbegrenzte Anzahl von Interpretationen erlaubte.J5 Exegetische Regeln, die angeblich von allen Rabbinen eingehalten wurden, führten zu einer einheitlichen Auslegungsweise der Bibel. Es sei deshalb unter den auf den ersten Blick different erscheinenden Auslegungen eine gemeinsame Tiefenstruktur ("underlying deep structure") zu erkennen.36 William Scott Green geht sogar noch weiter und behauptet, dass in rabbinischer Zeit ein geschlossenes halak.hisches System existierte, welches über die ,.korrekte" Schriftauslegung wachte.37 Allerdings handelte es sich dabei um ein innerrabbinisches System, welches erst nachträglich auf die Schrift bezogen wurde.3s D.h. die Torah wurde benutzt, um das von den Rabbinen entwickelte halak.hische System zu unterstützen. Grundsätzlich haben Stern und Green sicher recht. Die Hauptbeschäftigung aller Rabbinen war das Studium der Torah, für deren Auslegung und Anwendung in praktischen Fragen des täglichen Lebens sie eine Monopolstellung einnahmen. So waren wohl alle Rabbinen in bestimmten grundsätzlichen, bereits in der Torah thematisierten Fragen einer Meinung. Alle Rabbinen werden zum Beispiel der Ansicht gewesen sein, dass es am Sabbat verboten ist, Arbeit zu verrichten, oder dass Frauen bestimmte rituelle Reinheitsvorschriften einhalten müssen. Für die alltägliche Praxis eigentlich wichtig war aber die Frage, welche Tätigkeiten am Sabbat als Arbeit angesehen wurden und welche Reinheitsvorschriften Frauen in welchem Alter zu welcher Zeit einzuhalten hatten, und zu diesen Detailfragen gab es un~~
Siehe Srem, Midrash, 137. Srem. Midrash, 147 . .n Siehe Green, Romancing the Tome, 160. ' 11 Green. Romancing the Tome, 162. 1 ~>
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zählige Antwortmöglichkeiten, was schon bei einem kurzen Blick auf die Traktate Shabbat und Niddah, in denen diese Probleme diskutiert werden, deutlich wird. In den halakhischen Auslegungen konnte die biblische Grundlage auch so weit gedehnt werden, dass sie kaum wiederzuerkennen ist. Dies wird z.B. in rabbinischen Sabbatregeln deutlich, die gerade dazu dienten, Tätigkeiten am Sabbat zu ermöglichen. So heißt es in Ex 16,29 ausdrücklich, dass man am Sabbat seine Wohnung nicht verlassen darf. Die rabbinische Diskussion um die Definition des privaten und öffentlichen Bereichs und das Konzept des sogenannten Erubs zeigen, das die Rabbinen die strenge biblische Regelung für unanwendbar hielten. 39 Sie schlugen deshalb eine Vielzahl von Möglichkeiten vor, um sie teilweise beizubehalten und teilweise zu umgehen. Dies betraf z.B. auch das Verbot des Anzündens von Feuer am Sabbat. Alle Rabbinen würden dieses Verbot grundsätzlich akzeptieren. Im täglichen Leben ergaben sich daraus aber zahlreiche Probleme, die etwa die Verwendung von Licht, die Erhitzung von Lebensmitteln und die Beibehaltung der Temperatur eines Bades betrafen. Und was die Lösungsmöglichkeiten für diese alltäglichen Probleme betraf, waren die Rabbinen keineswegs einer Meinung. So muss man also mit William Scott Green die eigentliche Bedeutung der Torabgrundlage für die Entwicklung der rabbinischen Halakhah als begrenzt ansehen. Bei der Entstehung rabbinischer Lehrmeinungen spielte die Torah nur eine untergeordnete Rolle. Sie gab weder die aktuellen Fragestellungen vor noch lieferte sie einheitlich anwendbare Lösungen. Die bereits erwähnte Orientierung der Rabbinen am spezifischen Einzelfall spielt in dieser Hinsicht eine wichtige Rolle. Die biblischen Regeln waren viel zu allgemein und antiquiert, um in aktuellen Problemlagen Antworten zu bieten. Sie dienten lediglich der allgemeinen Orientierung. Nur die vielfältigen, auf die jeweiligen Probleme Bezug nehmenden rabbinischen Entscheidungen und Lehrmeinungen konnten konkrete und zeitgemäße Antworten geben. Die Pluralität und Flexibilität der rabbinischen Halakhah war durch ihre kasuistische Orientierung, den aktuellen Problembezug bedingt. Dieser Problembezug forderte immer wieder neue, alternative Lösungsvorschläge. Abgesehen vom grundsätzlichen, aber nur beschränkt relevanten Torahbezug werden sich rabbinische Übereinstimmungen in halakhischer Theorie und Praxis auf ganz natürliche Art und Weise ergeben haben. Befreundete Rabbinen, die sich regelmäßig trafen, um halakhische Fragen zu diskutieren, werden im Laufe der Zeit ähnliche Ansichten entwickelt haben. 40 In seiner Untersuchung zur Entwicklung der Halakhah unterscheidet Moshe Koppel zwischen einem "pattemed part" und einem .,seemingly random part" menschlicher Verhaltensweisen. 4 ' Ähnlich werden sich unter den Rabbinen der Antike bestimmte Verhaltensmuster gebildet haben, denen einige Rabbinen entsprachen, nicht weil sie sich bewusst dazu entschlossen hätten, sonw Siehe hierzu He1.ser• . Privat' und .öffentlich'. Siehe Hezser. Social Structurr. 251 f. 41 Koppel. Meta·Halakhah. l6f.
40
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dem rein zufallig oder weil sie einen ähnlichen Lebensstil pflegten. Diese hier und dort sicher vorhandenen Übereinstimmungen in halakhischer Theorie und Praxis sollten aber nicht als Ausdruck rabbinischer Orthodoxie oder als Konsequenz autoritativer Lehrfestsetzung verstanden werden.
6. Soziologische Erklärungen Einheit und Vielfalt, Übereinstimmung und Meinungsverschiedenheit sind Bestandteile aller sozialen Gruppenbildungen. Im Hinblick auf die rabbinische Halakhah schreibt Moshe Koppel: "By its very nature, autonomy combines coherence with unpredictability. Coherence suggests a guiding principle; unpredictability suggests the absence of any such principle"42. Diese scheinbar widersprüchlichen Sätze werden verständlich, wenn man sie auf dem Hintergrund von Edward Shils' soziologischen Überlegungen zum Verhältnis von Konsens und Dissens sieht. 43 Shils zufolge gibt es in allen Gesellschaften eine Mischung von Übereinstimmung und Meinungsverschiedenheit.44 Soziale Gruppen unterscheiden sich allerdings voneinander im Hinblick auf die Angelegenheiten, in denen sie einer Meinung sind oder differieren, das jeweilige proportionale Verhältnis dieser beiden Aspekte zueinander und die Bewertung von Übereinstimmungen und Meinungsverschiedenheiten.45 Dabei werden auch kleine Personengruppen, z.B. Verwandte, Freunde und Kollegen untereinander in einigen Punkten übereinstimmen, in anderen aber unterschiedlicher Meinung sein. Für wie wichtig man die Einheit der Meinungen und Praktiken hält und inwieweit Differenz und Vielfalt toleriert werden, auch darin gibt es Unterschiede. Wie bereits erwähnt schließt das Fehlen eines normativen halakhischen Systems nicht aus, dass die einen oder anderen Rabbinen in bestimmten Punkten übereinstimmten und dass es bestimmte grundlegende Übereinstimmungen aller Rabbinen gab. Pierre Bourdieus Rede vom "Habitus" und Niklas Luhmanns Theorie der ,,regulierten Konflikte" mögen in diesem Zusammenhang aufschlussreich sein. Der "Habitus" ist nach Pierre Bourdieu nicht als Folge eines tatsächlichen Übereinkommens anzusehen, sondern entwickelt sich im Laufe der Zeit automatisch aufgrund einer ähnlich verlaufenden Sozialisation und Lebenspraxis. 46 Gerade die Abweichung vom Habitus, "das Universum konkurrierender Diskurse", weist hin auf "die komplementäre Klasse dessen, was als selbstverständlich hingenommen wird" 47 • Konflikte entwickeln sich auf der Basis desjenigen, welches als selbstverständlich hingenommen wird. Niklas Luhmann 41 4'
44 4~
4 ~>
47
Koppel. Meta·Halakhah, 15. Siehe Shils, Center. Siehe Shils, Center, 168. Siehe ebd. Siehe Bourdieu, Entwuif, 178-186. Bourdieu, Entwuif, 331.
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zufolge muss jede Gesellschaft oder soziale Gruppe in der Lage sein, solche ,.regulierten Konflikte" zu tolerieren.48 Gerade darin zeigt sich ihre Stabilität und Flexibilität: "Regulierte Konflikte haben eine latente Funktion für die Festigung einer gemeinsamen Ordnung. Alle Gegensätze sind so strukturiert, daß nicht gegen das System, sondern um Einfluß im System gekämpft wird."49 Shaye Cohen hat die rabbinische Gesellschaft im Unterschied zu den vor der Tempelzerstörung existierenden Sekten als "große Koalition" bezeichnet, die Auseinandersetzungen und Meinungsverschiedenheiten tolerierte. 50 Das ist sicher grundsätzlich richtig. Dieses Aushalten von Unterschieden förderte die grundsätzliche halakhische Autonomie jedes einzelnen Rabbinen und erlaubte es ihm, auf konkrete Problemfälle einzugehen. Die Gefahr einer solchen äußerst flexiblen Ordnung war die soziale Desintegration. Um diese Gefahr zu vermeiden, gab es ansatzweise Versuche, Harmonie und Einheit zu stiften, die in den rabbinischen Quellen ihren literarischen Niederschlag gefunden haben. Dass solche einheitstiftenden Versuche nur sporadisch begegnen, zeigt gerade, wie stabil die rabbinische Gesellschaft auch ohne sie war. Bibliographie Bourdieu, P., Entwurf einer Theorie der Praxis auf der ethnologischen Grundlage der kabylischen Gesellschaft, Frankfurt a.M. 1976. Bretone, M .• Geschichte des römischen Rechts. Von den AnHingen bis zu Justinian, aus dem ltal. übers. v. 8. Galsterer, München 1992. Cohen, S.J.D .• The Significance ofYavneh: Pharisees, Rabbis, and the End of Jewish Sectarianism, HUCA 55 (1984) 27-53. Denny, P.J., Rational Thought in Oral Culture and Literale Decontextualization, in: D.R. Olsen/N. Torrance (Hg.). Literacy and Orality, Cambridge u.a. 1991,66-86. Falk, Z. W.• Introduction to Jewish Law of the Second Commonwealth I. Leiden 1972 (AGJU I 1.1). Goodblatt, D .• The Monarchie Principle. Studies in Jewish Self-Government in Antiquity, Tübingen 1994 (TSAJ 38). Green. W.S., Romancing the Tome: Rabbinie Henneneulies and the Theory of Literalure, Semeia 40 (1987) 147-168. Hezser, C., The Codification of Legal Knowledge in Late Antiquity. The Talmud Yerushalmi and Roman Law Codes, in: P. Schäfer (Hg.). The Talmud Yerushalmi and Graeco-Roman Culture I, Tübingen 1998 (TSAJ 71), 581-641. -. Jewish Literacy in Roman Palestine, Tübingen 2001 (TSAJ 81 ). -. The Social Structure of the Rabbinie Movement in Roman Palestine, Tübingen 1997 (TSAJ 66). -. ,Privat' und ,öffentlich' im Talmud Yerushalmi und in der griechisch-römischen Antike. in: P. Schäfer (Hg.). The Talmud Yerushalmi and Graeco-Roman Culture I, Tübingen 1998 (TSAJ 71 ). 438-451. 4M
49
50
Luhmann, Funlctionen, 239. Luhmann. Funktionen, 240. Siehe Cohen, Significance.
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DANIEL
R.
SCHWARTZ
Should Josephus Have lgnored the Christians? This paper has two points of departure. The first is the recent appearance of Etienne Nodet's monograph on the Slavonic version of Josephus' Bellum Judaicum. 1 Although the scholarly consensus has for seventy years been that that version is not authentically Josephan, 2 Nodet now urges us to reconsider the possibility that it is. Since that version contains various passages about John the Baptist, Jesus and their followers, not found in the usual Greek version, the question of Josephus' allusions to the early Christians is now back on the table. 3 The second issue is, at flrst glance, a much more restricted one: the proper translation of the Greek term qrüA.ov, which Josephus uses here and there for the Jewish entity, just as he uses ciA.A.6qmA.m to denote non-Jews. As I shall indicate, I am not at all satisfied by the usual translation of cpiiA.ov; and given the fact that Josephus uses it here and there of the Jews, just as he uses ciA.A.6cpuA.m to denote non-Jews, it is obvious that its proper translation will have everything to do with our understanding of Josephus' understanding of the Jews, and of the distinction between them and others. The two points of departure are linked together by the most famous passage in Josephus: the Testimonium Flavianum to Jesus, found in Ant. 18.63f. For that text about Jesus concludes with the Statement that "even until now the CJlUAov of the Christians, named after him, has not ceased to exist". So any discussion of Josephus' view of Christians must perforce deal with the meaning of CJlUAOV. Let us stipulate, at the outset, that whatever we think about the muchvexed question of the authenticity of the Testimonium in general, the last line, which refers to the continued existence of the qJ\li..ov of Christians, is probably to be accepted as authentic; it usually is. As Kurt Lincke once wrote, breathing easily after working bis way at length through all the difficulties in the preceding lines: "Haec verba nihil habent difficultatis". 4 This is generally admitted, even by those who are skeptical about other parts of the Testimonium and view them as Christian interpolations. The usual reason given
I
1
4
Nodet, Version slavone, 129-247. See, e.g .• such handbooks as Schürer, History I, 60f.; Bilde, Flavius Josephus, 64. Several detailed studies which created the consensus by the I930s are mentioned in my Review of E. Nodet. For English translations of twenty-two main "plusses" of the Slavonic version, see H.St.J. Thackeray's appendix at the end of LCL-Josephus, vol. lß (Additional Passages); for French see Nodet, Version slavone. 168-247. Ofthese. nos. 2. 9, 11-13.20-22 are ofthe most direct Christian interest. Lincke, De antiquissimis testimoniis, 29.
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Daniel R. Schwanz
for this is that examination of early Christian Iiterature shows that Christians did not, and would not, term themselves a