Golo Mann Nachtphantasien Erzählte Geschichte
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Golo Mann Nachtphantasien Erzählte Geschichte
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Golo Mann
NACHTPHANTASIEN Erzählte Geschichte
S. Fischer Verlag
Für diese Ausgabe: 982 by S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main Umschlaggestaltung: Hannes Jahn Satz und Druck: Georg Wagner, Nördlingen Einband: G. Lachenmaier, Reutlingen Printed in Germany 982 isbn 3-0-047907-6
INHALT
Schloß Arenenberg . . . . . . . . . . . Napoleon und die Deutschen . . . . . Der letzte Markgraf von Ansbach . . Der letzte Großherzog . . . . . . . . . Der heilige Johannes von Nepomuk . Nachtphantasien . . . . . . . . . . . .
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7 30 43 79 98 6
SCHLOSS ARENENBERG
Schön ist der Blick durch die Spiegelfenster des Schlosses Arenenberg, am schönsten im Herbst: der weitgegliederte See mit seiner Insel, die Waldberge des deutschen Ufers, die Hegau-Kegel; Dörfer und Klostertümer; Fruchtbäume und Wein. Uralte, mit der Landschaft vermählte Zivilisation; nordisches Italien. Wenn schon Exil, habe ich mir, auf der Terrasse zwischen Schloß und Kapelle stehend, oft gedacht, dann würde ich mir Arenenberg als Exil gefallen lassen. Wie verschieden übrigens der Eindruck sein mag, den eine Landschaft auf verschiedene Augen macht, dafür gibt Chateaubriand ein Beispiel: er fand den Blick von Arenenberg »weit, aber traurig. Dieser Blick beherrscht den Konstanzer Untersee, der nichts ist als eine Erweiterung des Rheines auf überschwemmten Wiesen. Auf der anderen Seite des Sees erblickt man düstere Wälder, Überbleibsel des Schwarzwaldes, und weiße Vögel im Fluge unter grauem Himmel, von eisigen Winden getrieben.« Und das war Ende August, für Arenenberg die schönste Zeit! Die Entdeckung machte Hortense Beauharnais, Stieftochter, Adoptivtochter und Schwägerin Napoleons, von Konstanz aus, wo sie die ersten Jahre nach Waterloo verbrachte. »Le château d’Arenenberg, bien 7
petit, bien délabré, mais placé dans une position pittoresque, me plût.« Sie war eine Romantikerin, die Königin Hortense, sehr im Stile der Zeit; begabt zum Harfeschlagen, Klavierspielen, Komponieren, Dichten, Lesen; zu ernster Unterhaltung und zu geselligen Spielen. Die gute Stadt Konstanz beschreibt sie, als sei sie das verrottetste, verzaubertste Nest in der Provence, das Sturmheulen des Bodensees, als sei es der Ozean. Als sie einmal, geistlichen Zuspruches halber, das Kloster Einsiedeln besuchte, fand sie es »sur un des points le plus sauvages de la Suisse«. »Das Land, durch das wir den Zürich-See entlang fuhren, ist entzückend, und da die Bewegung, welche die Natur in ihrer Schönheit mich fühlen läßt, sich stets mit den Gedanken meiner Seele vermischt, so genoß ich während dieser Reise die Ruhe einer süßen Melancholie. Als aber die Berge sich zu erheben begannen, als sie an mich heranrückten, als Sturzbäche neben mir rauschten und die Vegetation dürr und wüst wurde, da packte mich Entsetzen bei dem Gedanken, auf das Interesse meines Lebens verzichten zu müssen, auf den einzigen Freund, der mir blieb.« … War es die Sihl, die so furchtbar neben ihr rauschte, waren es die ewigen Gletscher des Gottschalkenberges, welche die Fürstin erdrückten? – In der Arenenberger Bibliothek nimmt Rousseau einen bedeutenden Platz ein. Beide Beauharnais hatten 84 sich mit dem siegreichen Europa so gut gestellt, wie es ging, dem König Ludwig XVIII. ihre Aufwartung gemacht und beson8
ders den Zaren Alexander zum schützenden Freund gewonnen. Ihren neuen Namen einer Herzogin von Saint-Leu führte Hortense mit Erlaubnis des Königs von Frankreich. Bei seiner Rückkehr von Elba hatte Napoleon der Tochter einen entsprechend eisigen Empfang bereitet. Aber dann machte sie seine Sache entschieden zu der ihren und hielt bis zur zweiten tragischen Abreise bei ihm aus. »Nur mit Schmerz«, schreibt Zar Alexander im Juli 85 an Eugène Beauharnais, »spreche ich Ihnen von Ihrer Schwester. Es gibt nur eine Stimme über die Art, in der sie an den jüngsten unseligen Ereignissen teilgenommen hat … So geht es den bestmeinenden Frauen: wenn sie sich in die Politik mischen, wählen sie meistens das Falsche und kommen aus ihren Irrtümern nicht mehr heraus.« Also genoß Hortense nicht mehr die Vergünstigung des Vorjahres. Das Gesetz, das, zusammen mit den »Königsmördern«, alle Mitglieder ihrer Familie aus Frankreich verbannte, traf auch sie; aus Konstanz sah der Großherzog von Baden sich gezwungen, sie ausweisen zu lassen. Ungern nahm die Eidgenossenschaft, vertreten durch ihren Vorort Zürich, die »ränkevolle Frau« in ihr Gebiet auf. »Alle Äußerungen der löblichen Stände, die bereits in Vollständigkeit angelangt sind, gehen dahin, daß besagter Frau Gräfin, besonders mit ihrem zahlreichen Gefolge, der Aufenthalt in der Schweiz, einem an Frankreich angränzenden Lande, nicht gestattet werden könne …« Aber der Kanton Thurgau selber war dafür; und nachdem der König von Bayern der irrenden Dame in Augs9
burg Asyl gewährt hatte, durfte sie ihre Sommerwohnung auf Arenenberg dennoch beziehen. Eugène folgte nach und baute oberhalb von Arenenberg das Schlößchen, das er Eugensberg nannte. Bewohnt hat er es kaum; es war, wie seine Gattin es ausdrückte, als »eine Zufluchtsstätte, falls sich etwas ereignen sollte«, gedacht. Diese Niederlassung ließ der Kleine Rat des Kantons überaus glatt und ehrenvoll vonstatten gehen. Eugène war reich und stand sich weiterhin gut mit den Mächten, mindestens mit seinem Schwiegervater, dem König von Bayern, und mit dem Zaren. Ungleich nüchterner als seine Schwester, die er bewunderte, fester im Leben verankert, im Fett seines deutschen Fürstentums, gibt er das nicht ganz uninteressante Beispiel eines Menschen, der in schwierigster Situation eine simple Geradheit der Haltung mit ritterlichem Egoismus zu gutem Erfolg verband. Der Katastrophe der Hundert Tage ging er ganz aus dem Wege, loyal gegenüber seinem neuen Vaterland, loyal auch gegenüber dem alten, gegen das zu fechten er sich weigerte. Danach gab er einem in Paris zum Tod verurteilten, unter abenteuerlichen Umständen geflohenen Verwandten, La Valette, am Starnbergersee Unterschlupf, unterstützte andere Opfer mit Geld, schickte auch heimlich und regelmäßig Geld (nicht sehr viel) nach St. Helena, indes er gleichzeitig nicht aufhörte, auf das freundschaftlichste mit dem Zaren zu korrespondieren. Gelegentlich bat er ihn auch um eine mildere Behandlung dessen, »der der Gatte meiner Mutter war und mich die Kunst des 0
Krieges und der Verwaltung lehrte« – ein würdiges Minimum des Ausdrucks. Die Geschwister, verwöhnte Stiefkinder des Glücks, besuchten sich häufig, wobei Eugène, wie der österreichische Vertreter in München ärgerlich vermerkte, es so einrichtete, daß er auf seiner Reise nur bayerischen Boden berührte. Er fuhr nach Lindau und von da mit dem Schiff nach Ermatingen, »auf welche Weise er in längstens drei mal vier und zwanzig Stunden, den Aufenthalt mit eingerechnet, den Weg hin und her zurücklegen« könne und es »beinahe unmöglich« sei, »etwas von seinen Kursen zu erfahren und ihn in Augen zu behalten«. Auf einer Barke kam Hortense dem Bruder über die hüpfenden Wellen entgegen. Arenenberg wurde zu einem Treffpunkt und Zentrum der verbannten, halb revolutionären, halb monarchischen Familie, wie Rom einer war, Triest, zeitweise auch Wien oder die Umgegend von Wien. Die Familie blieb, was sie immer gewesen war, zugleich überaus zänkisch und überaus dicht zusammenhaltend in Korrespondenzen, Treffen, auch Heiraten untereinander. Die tapferste Pflegerin der gemeinsamen Interessen war eine, die von Geburt nichts weniger als eine Bonaparte war, Katharina von Württemberg, die Gattin Jérômes und treue Freundin der Hortense. Unentwegt schrieb sie an Mutter und Onkel, an Brüder und Schwestern des Kaisers, suchte sie Frieden zu stiften: »Ist unsere Lage, ist das Unglück, das wir
täglich erfahren, nicht danach gemacht, unsere verwandtschaftlichen Bande enger zu knüpfen, sollte es uns nicht zur Herzenspflicht machen, wenigstens die Öffentlichkeit von der Kälte, die zwischen uns herrscht, auszuschließen?« Den Ministerien, Botschaften, Polizeidirektionen gaben die Exilierten viel zu tun, vielleicht mangels besserer Sorgen, wie es der Polizei Brauch ist. Es grenzt ans Unglaubliche, was da Direktiven und Berichte geschrieben, was da beobachtet, spioniert und geplagt, erlaubt und verboten wurde: Einreisen und Ausreisen, Käufe, Umsiedlungen, Besuche. Es sollte, wenigstens nach dem Wunsch des Kaisers von Österreich, auf taktvolle Art geschehen: »4. Sind die Glieder der bonapartischen Familie einer eigenen strengen, jedoch in der Form so viel als thunlich schonenden Beobachtung zu unterordnen.« Die schonende Art mag damit zu erklären sein, daß die Versippung der Gefürchteten mit den europäischen Dynastien nicht wohl hatte rückgängig gemacht werden können. Die Kaiserin Marie Louise zählte freilich nicht mehr, so herzlos und hirnlos, wie sie mit ihrer Vergangenheit gebrochen hatte. Ihr in Wien heranwachsender Sohn aber, Bonaparte und Habsburger schon in seinem Namen, Napoléon Franz Joseph, dieser blasse Vorwurf, diese Peinlichkeit, diese Hoffnung, zählte. Dann waren die Söhne Jérômes Enkel, später Neffen des Königs von Württemberg und durften in der württembergischen Armee dienen. Königs-Enkel waren auch die Kinder Eugènes. »Eine 2
Tagesreise« von Arenenberg, nämlich in Sigmaringen, residierte die Fürstin von Hohenzollern, eine geborene Murat; wieder einen Tag weiter die Großherzogin von Baden, Stephanie Beauharnais, »die einzige von uns, die souverän geblieben war«, wie Hortense sie nicht ohne Neid charakterisierte. Schließlich gab es in Stockholm den Schwedenkönig, den Gründer der Dynastie Bernadotte, der mit ungleich großartigerem Erfolg operiert hatte als Eugène, aber doch seine Herkunft nicht ganz verleugnen konnte, wie er denn seinen Erben, wohl weil nichts Besseres zu finden war, mit einer Beauharnais vermählte. – »Madame Hortense« – so wird sie in den Polizeiberichten bezeichnet – war nicht ohne Beziehungen zu Mächten, welche die Polizei wohl oder übel respektieren mußte. Gleichzeitig kam sie von der Welt der Konspirationen nie ganz frei. Wer von einer Veränderung in Frankreich oder in Italien träumte, suchte sie auf, und es wurde dann das heitere Arenenberger Leben, Konzerte, Vorlesungen und Charaden, Volkssingen und Schützenfeste, Kahn- und Schlittenfahrten auf dem See, durch ernsteres Getuschel unterbrochen. Nach dem Tode Eugènes gab sie ihr Augsburger Haus auf und verbrachte von da ab den Winter in Italien. Hier gerieten ihre Söhne, Napoléon Louis und Louis Napoleon, in die revolutionären Wirren von 83. Der Ältere starb auf der Flucht an den Masern; den Jüngeren rettete Hortense, indem sie ihn als ihren Diener verkleidet bis zur französischen Grenze brach3
te. In Frankreich waren seit der Juli-Revolution die Exil-Gesetze nicht mehr in Geltung. Sind Louis Napoléons italienische Abenteuer aus seiner Biographie nicht wegzudenken, weil sie seine spätere verhängnisvolle italienische Politik bestimmten, so formten seine Bildungs- und Lebensgewohnheiten sich in den Arenenberger Jahren und auf der Artillerieschule zu Thun – Kommandeur Oberst Dufour –, deren Absolvierung ihn zum bernischen Offizier machte. »Mein Sohn«, schrieb Hortense nicht ohne Stolz im September 830, »ist noch bei den Schülern in Thun, mit militärischen Reconnaissancen in den Bergen beschäftigt. Sie legen zehn bis zwölf Meilen den Tag zu Fuß zurück, den Tornister auf dem Rücken. Geschlafen haben sie im Zelt, am Fuße eines Gletschers.« Chateaubriand, der Hortense im Sommer nach der schlimmen Italienzeit, 832, besuchte, beschreibt in den ›Mémoires d’Outre-Tombe‹ die Arenenberger Geselligkeit: »Die Begleiter und Begleiterinnen der Herzogin von Saint-Leu waren ihr Sohn, Madame Salvage, Madame ***, Von fremden Gästen waren anwesend Madame Récamier, Monsieur Vieillard und ich. Die Herzogin von Saint-Leu spielte ihre schwierige Rolle als Königin und Fräulein von Beauharnais vorzüglich. Nach dem Diner setzte sie sich ans Piano zusammen mit M. Cottrau, schönem, großem jungem Maler mit Schnurrbart, mit Strohhut, mit Bluse, mit offenem Kragen, in bizarrer Tracht, halb Mignon Heinrichs III., halb calabresischer Hirte, mit Manieren 4
ohne Manier, mit jenem schlechten Atelier-Ton zwischen dem Familiären, dem Drolligen, dem Genialischen, dem Affektierten. Er jagte, er malte, er sang, er liebte, er lachte, geistreich und lärmend. Prinz Louis bewohnte ein Pavillon für sich, wo ich Waffen, topographische und strategische Karten sah; kleine Handwerkssymbole, die, so wie zufällig, an die Rasse des Eroberers erinnerten, ohne ihn zu nennen; Prinz Louis ist ein kenntnisreicher junger Mann, voll von Ehrgefühl und ernst von Natur.« Louis Napoléon war arm in den Arenenberger Jahren. Und das ist ein Grund dafür, warum er so viel Zeit auf dem Schlößchen verbrachte. Übrigens wohnte er nicht in dem Zimmer, das heute gezeigt wird und das seine Bibliothek enthält – Militärisches, Geographisches, lateinische, französische, deutsche Historie –, sondern in einem Nebengebäude. Hier schrieb er seine ›Betrachtung der Schweizer Politik und des Militärwesens‹, hier sein ›Handbuch der Artillerie‹, von dort brach er auf zu Dienstperioden als Schweizer Offizier, zu kurzen Eskapaden. Prinz Louis war ein wackerer Sportsmann, Reiter, Schlittschuhläufer und Tänzer. Die Leute in der Umgegend hatten ihn gern, und mancher Ball in Konstanz wurde zu seinen Ehren gegeben, vielleicht in der Hoffnung, er würde sich eine der Thurgauer oder badischen Schönen erwählen. Auf die Dauer war die biedere Schweizer Soldaten-Existenz dem in großen Träumen Lebenden unerträglich. Eines Oktobertages im Jahre 836 brach er sie ab und ritt nach Straßburg, wo er seinen ersten, 5
kläglich scheiternden Staatsstreich versuchte. Eine Reise, welche die vielgeprüfte Hortense alsbald nach Paris unternahm, um den Gefangenen zu retten, erwies sich als nicht einmal notwendig; König LouisPhilippe, der selber die Härten des Exils so lange hatte studieren müssen, übte Gnade und schickte den jungen Brausekopf für ein Jahr nach New York. Schon nach einem halben kehrte Louis Napoléon mit dem amerikanischen Paß eines Mr. Robinson nach England zurück. Dem Präsidenten in Washington ließ er ausrichten, wie sehr er bedauerte, daß er ihn nicht mehr habe besuchen können, obgleich Präsident Polk ihn nicht eigentlich eingeladen hatte. Von London reiste er, die ihn überwachenden französischen Detektive täuschend, nach Rotterdam und auf dem Rhein bis Mannheim, von wo eine Postkutsche ihn nach Arenenberg brachte. Er traf noch eben zurecht ein, um Hortense in ihrem schweren Sterben zu trösten. Die Königin wurde neben ihrer Mutter Joséphine in Rueil bei Malmaison beigesetzt. In der Schloßkapelle von Arenenberg ließ Louis Napoléon 858 das marmorne Denkmal errichten, das heute noch dort zu sehen ist: »A la Reine Hortense, son Fils Napoléon III.« Die andere Inschrift, welche der Kaiser sich gönnte: »Fortuna, Infortuna, Fortuna«, mag wie eine Herausforderung an das Schicksal klingen: hatte es sich dreimal gedreht, warum sollte es nun bleiben, wo es stand? Das Jahr, das der Prinz noch in der Arenenberger 6
Gegend, nämlich in dem gleichfalls von der Mutter ererbten Schloß Gottlieben verbrachte, stand im Zeichen eines bedrohlichen Streites zwischen Frankreich und der Schweiz, der eben sein Leben und Treiben auf Schweizer Boden zum Gegenstand hatte, des sogenannten Napoleonhandels. Die französische Regierung verlangte die Auslieferung des Flüchtlings; sie wurde von der Tagsatzung und von dem Kantonsrat nach erregten Debatten verweigert, da der Prinz neben seiner französischen Bürgerschaft auch die thurgauische besaß, wozu kam, daß er als tätiger, zahlreiche Ehrenämter bekleidender Mitbürger sehr beliebt war. Die Sache geriet bis zu Teilmobilmachungen auf beiden Seiten; gewichtig nahmen die deutschen Mächte für Frankreich Partei. Da entschloß sich der Prinz zu dem unter diesen Umständen Gebotenen: um nicht zur Helena eines neuen trojanischen Krieges zu werden, verließ er den Thurgau freiwillig und begab sich nach London. Seither nannte er sich mitunter »Graf von Arenenberg«, und zwar zu einer Zeit, als das Schlößchen ihm gar nicht mehr gehörte; denn 843 sah er sich genötigt, es an einen sächsischen Geschäftsmann zu verkaufen. Graf von Arenenberg – unter den wunderlichen Namen, welche die Bonapartes sich beilegten, um den einen, welcher doch ihr Hauptbesitz war, zu vermeiden, de Saint-Leu, de Lipona, de Montfort, de Harz, ist dieser wohl der wunderlichste. In London hatte der zierliche Fremde die Gewohnheit, jedem, den er nach dem Weg fragte, gleich ein 7
Geldstück anzubieten: Dienste seiner Mitmenschen ohne Geld konnte er sich nicht vorstellen. Nun wurde es still auf Arenenberg; blieb still, auch als Louis Napoléon nach so vielen Abenteuern, galanten und politischen, nach so mannigfachen harten Erfahrungen, Staatsstreich, Verbannung, Gefängnis, Flucht, nach so langen, nie zu entmutigenden Geistes- und Willensanstrengungen endlich sein Ziel erreicht hatte und Präsident und Kaiser geworden war, und auch als er das Schlößchen zurückkaufte. Es wurde zu seinem vormaligen Zustand, so genau es ging, wieder hergestellt, aber blieb im Schlaf; die Pracht des Zweiten Kaiserreiches aufzunehmen, war es nicht geeignet. Einmal nur erschien der Kaiser an der Stätte seiner Jugendvergnügungen, Arbeiten, Träume und Leiden; inkognito, nach der schönen Fiktion, die aber natürlich weder hielt noch halten sollte. Es muß ein süßer Moment gewesen sein: so stattlich wiederzukehren, da er sich einst, vor nun achtundzwanzig Jahren, unter so melancholischen Umständen verabschiedet hatte. Napoléon III. übertrumpfte hier noch bei weitem jenen Bürger von Stein am Rhein, der als Minister des römischen Kaisers, von Vorreitern angekündigt und von Mohren bedient, in seiner Vaterstadt Einzug hielt und dessen feierliche Begrüßung und leutseliges Zurückgrüßen das Gemälde an einem der bunten Häuser des Städtchens verewigt. Nach drei Tagen, gefüllt mit Empfängen, Seefahrten, Ständchen und Feuerwerk wurde es auf Arenenberg wieder still. 8
Die in den zwanziger-, dreißiger Jahren auf Arenenberg gealtert hatten, die erste Bonaparte-Generation, waren nun tot, mit Ausnahme von Onkel Jérôme, der nach schuldengeplagter Verbannten-Existenz die Herrlichkeit des Zweiten Kaiserreichs noch erlebte und herzhaft genoß. Vom schönen Fett der Jugend, vom goldnen Königsornat, in dem er auf einem in Arenenberg hängenden Gemälde gleißt, zeigen seine späten Photographien freilich nichts mehr. Da wird sein Runzelgesicht von einem bürgerlichen Zylinder gekrönt, und er scheint Mühe zu haben, sich auf den Füßen zu halten. 84 hatte er sich bitter darüber beklagt, daß der große Bruder sich nicht das Leben nehmen wollte: »Der Kaiser, nachdem er uns alle ruiniert hat, überlebt sich selbst; er ist nicht mehr derselbe Mensch … Was für ein Schmerz, einen so großen Mann sich so überleben zu sehen!« … Wie lange war das her! Alternd waren jetzt jene, die auf dem Arenenberg Kinder und junge Leute gewesen waren. So Louis Napoléon selber, der Kränkelnde, früh Verbrauchte, mit den Augen, die als »erloschen« beschrieben wurden; ein Vetter, Jérômes Sohn Napoleon – Plon-Plon –, nannte ihn »Le Vieux« und sprach von ihm mit einer Mischung von herablassender Sympathie und Verachtung. Einst hatte Louis dem Jüngeren auf dem Untersee das Schlittschuhlaufen beigebracht. Prinz Napoléon, dessen gelbliches, gedunsenes Gesicht auf Arenenberger Porträts erscheint, war eine der merkwürdigsten Figuren des Zweiten Kaiserreiches. Von seinem Großvater, Fried9
rich von Württemberg, hatte er die Intelligenz, auch wohl die Neigung zur Brutalität und zu allerlei Lastern und die riesige Gestalt, auf der der Kopf Napoléons steckte. Der frappanten Ähnlichkeit mit dem großen Oheim war er sich wohl bewußt und liebte es, sie durch seine Haltung zu unterstreichen. Hatte er wieder einmal durch sein loses Treiben den Polizeiminister beunruhigt, und ließ der Kaiser ihn kommen, um ihn abzukanzeln, so geriet »Le Vieux« schnell aus dem Konzept seiner Strafpredigt; zu unheimlich erinnerte, der da vor ihm stand an den Gründer der Dynastie, von dem der Kaiser selber in Aussehen und Wesen so gar nichts hatte. Sohn einer deutschen, Gatte einer italienischen Prinzessin, Cousin des Zaren und der Königin von Holland, war Plon-Plon der Bonaparte, dessen illegitimes Fürstentum dem legitimen am nächsten kam, eine Stellung, von der man ihn auch vermittelnden Gebrauch machen ließ, wo es praktisch schien. Trotzdem gefiel er sich als Kritiker der kaiserlichen Regierung und jakobinischer Freidenker; über seinen Umgang schüttelten seine besten Freunde die Köpfe. Sein ganzer Haß galt der Kaiserin Eugénie, in deren der französischen Art fremdem, bigotten Wesen er eine Gefahr für das System erkannte. Dessen Ende sah er früh kommen und baute vor, indem er Geld aufhäufte und sich in Prangins am Genfersee das zweite Arenenberg schuf, das heute seinem Enkel gehört. Eine glänzende Rolle im Zweiten Kaiserreich spielte 20
auch seine Schwester Mathilde, die einst in Arenenberg ihre üppige Jungmädchengestalt nicht ohne Erfolg vor Louis Napoléon hatte spielen lassen. Grenzte die Existenz Plon-Plons an den Demi-Monde, so stand Mathilde im engen Bund mit der Pariser literarischen Welt, mit George Sand, Sainte-Beuve, Maxime du Camp und Gustave Flaubert, den auch Plon-Plon schätzte und der schließlich, trotz des Bovary-Prozesses, sogar zu Hof gebeten wurde. Der Spötter und Hasser der Macht ist auf diese Einladung nicht wenig stolz gewesen. Nie auf dem Arenenberg war, soviel wir wissen, ein anderer großer Herr des Zweiten Kaiserreichs: Charles Demorny, oder wie er jetzt genannt wurde, Duc de Morny, Sohn der Hortense von dem Grafen Flahaut; vorher nicht und nachher nicht, zumal er das Nachher nicht erlebte. Das Nachher kam. Zu einem Höfling, der ihm nach der Kaiserkrönung glückliche Fahrt wünschte, hatte Napoléon III. geantwortet: »Mais gâre aux accidents!« Wie gern hätte er alle Unfälle vermieden, um das Erworbene zu genießen und seine Dynastie zu sichern; aber ach, er, der dennoch immer etwas wagen und Großes tun zu müssen glaubte, vermied sie nicht, und schließlich brach sein morscher Thron unter ihnen zusammen. Der Kriegsgefangene von Wilhelmshöhe mußte sein Haus in Rom verkaufen, so wie der Strafgefangene von Ham einst Arenenberg verkauft hatte, das er diesmal unverkauft ließ, vielleicht, weil der Posten zu unbedeutend schien. Als die 2
Dinge sich beruhigt und geordnet hatten, stellte sich heraus, daß er gleichwohl ein reicher Mann war; reich blieb auch seine Witwe Eugénie, nachdem er 873, bis zuletzt sich verteidigend, bis zuletzt von neuer triumphaler, seine ermatteten Kräfte jammervoll übersteigender Rückkehr träumend, gestorben war. Zur furchtbaren Wut Plon-Plons, der sich nun für den Chef des Hauses und gegebenen Vormund des kaiserlichen Prinzen hielt, bediente die Kaiserin sich eines alten, für die veränderte Situation nicht gemeinten Testamentes des Verstorbenen und setzte, klug und energisch, ihre Sache durch. Schon im Sommer des Sterbejahres, 873, erschien sie zum erstenmal wieder auf Arenenberg, mit Lou-Lou, dem Sohn, mit Vorleserinnen und Sekretärinnen, mit Arzt, Kaplan, Hauslehrer, um neue An- und Umbauten zu veranlassen – Eugénie war überaus baufreudig. Von da ab gab es allsommerlich das eleganteste Leben auf dem Napoléon-Schlößchen am Untersee. Eine Wiederholung der zwanziger- und dreißigerjahre, so wie das Zweite Kaiserreich eine Wiederholung des Ersten gewesen war – und, so wie jenes die Zeit des großen Napoléon auch nicht wiederholte, dennoch ganz anders. Eugénie, die spanische Edelfrau, hatte nichts von den romantischen Talenten der Hortense, nichts von ihrem Geschmack am Illegitimen, Konspirativen. Auf eine bonapartische Restauration wurde freilich noch einmal gehofft; aber diese, kam sie, sollte ohne gefährliche und dunkle Mühen kommen, weil, so glaubte man, die Franzosen sie wollten, weil 22
Marschall Mac-Mahon Präsident war und keine Bourbonen das in seiner neuen Staatlichkeit völlig ungesicherte Frankreich bedrückten. Die Besucher, die sich im Arenenberger Gästehaus, im Ermatinger Gasthof »Zum Adler« drängten, waren keine Flüchtlinge und Verschwörer, sondern Herrschaften, die mit stattlichen Pässen und stattlicher Bedienung reisten. Die Bonapartes der siebzigerjahre waren nicht die der zwanziger, und das Europa, in dem sie lebten, war es nicht mehr. Damals hatte man es einem Großherzog von Baden glatt verboten, die verfemte Hortense zu besuchen. Der jetzige, Großherzog Friedrich, kam gern von seiner Mainau herüber. Es kamen der Botschafter Metternich, dessen Vater das Arenenberger Treiben der Beauharnais einst so scharf und mißtrauisch hatte beobachten lassen, die Königin von Holland, der Prinz von Asturien, die Herren von Talleyrand und von Montmorency, anderer Träger sehr wohlklingender Namen nicht zu gedenken; es kamen auch die Herren vom napoleonischen Adel, die Murats und Neys, und die uralten Kinder, Mathilde und Plon-Plon, jene Mischung von Zank und Zusammenhalt erneuernd, die wir kennen. Geld floß reichlicher als zu Hortenses Zeiten; nicht so romantisch und musikalisch und an die Bohème streifend dürften die Unterhaltungen gewesen sein. Eugénie besaß mehr Klugheit als Geist; ein stark auf Erhaltung des Bestehenden gerichtetes Urteil; gegen Ende ihres Lebens einen Schatz von Erfahrungen, den man sich kaum vorzustellen vermag. Die Freundin Stendhals war sie 23
gewesen und die Freundin Jean Cocteaus; hatte 859 gegen dies neue, falsche Kunstgebilde gewettert, das Königreich Italien, und 99 gegen dies neue, falsche Kunstgebilde, die Tschechoslowakei; hatte den Pariser Friedensvertrag von 856 studiert und den Versailler Friedensvertrag von 99 und ihn unbillig gefunden. »In jedem Artikel dieses Vertrages sehe ich eine Keimzelle neuer Kriege … Die Alliierten erlegen unmögliche Bedingungen auf. Damit nicht zufrieden, gehen sie daran, die deutsche Seefahrt, den deutschen Handel, alles zu vernichten. Wie kann Deutschland jemals das Geld aufbringen, um seine gerechten Schulden zu bezahlen? Narreteien! Wahnsinn!« … Kurz vor ihrem Tod, 920, nannte die ›Berliner Illustrirte Zeitung‹ sie einen »weiblichen Ahasver«, ohne zu wissen, daß sie selber sechzig Jahre früher geschrieben hatte: »Wir, die wir zur Ruhelosigkeit verurteilt sind, wie der Ewige Jude …« In den Arenenberger Tagen war so nicht ihr Gefühl, noch wollte sie leben, der verlorenen Herrlichkeit zum Trotz, und kämpfte um den Rest ihrer Schönheit. Einige sagen, mit Erfolg, Andere sind anderer Meinung. »Man sah«, so schildert sie Maxime du Camp, »daß sie schön gewesen war, aber jetzt, da sie es noch scheinen wollte, wurde sie häßlich. Ihre Korpulenz, die ungeheuren Dimensionen ihres Busens, von denen man die Augen wandte, um sie nicht zu bemerken zu scheinen, die übertrieben mageren Hände, die mehr heisere als verschleierte Stimme machten sie älter als ihre 52 Jahre; die gelbliche Farbe ihrer Haare, von 24
denen sie aus Koketterie eine weiße Locke über die Stirne flattern ließ, der Puder, der ihr Gesicht bedeckte und dessen Falten noch vertiefte, die schwarz untermalten, künstlich vergrößerten Augen, all dieser geborgte Glanz … gab ihr das Aussehen einer überalterten Schauspielerin, die noch immer die junge Liebhaberin spielen möchte …« Du Camp, ein Freund Plon-Plons, war keiner der Kaiserin. Dann gab es das neue Kind, das auch kein Kind mehr war, den kaiserlichen Prinzen, den armen Lou-Lou. Er spielte ein wenig die Rolle, die ehedem Louis Napoléon gespielt hatte. Er vergötterte des Vaters Andenken, wie dieser das des großen Oheims vergöttert hatte. Er diente in der englischen Armee, wie der Vater in der schweizerischen. Er war arm oder, bei 500 Franken Taschengeld, doch in seiner prinzlichen Existenz arg beschränkt, wie Louis Napoléon es gewesen war; freilich nicht wie dieser, weil die Mutter nicht mehr geben konnte, sondern weil sie ihn kontrollieren und von sich abhängig halten wollte. Er hatte des Vaters kurze Gestalt und feine, träumerische Züge, auch seinen Willen, sich durch allerlei ritterliche Übungen zu stählen, des Vaters Ernst und freundliche Heiterkeit. Aber er war wohl schlichteren Geistes, fühlte die Last einer großen Sendung, die er früher oder später würde übernehmen müssen, und glaubte an Tugend und Pflicht. Den lasterhaften alten PlonPlon soll er gehaßt haben, wie er ihn denn in seinem Testament ausdrücklich enterbte. »Es ist nichts als ein 25
Lebemann«, rief er aus, »etwas Gefährlicheres als einen prinzlichen Lebemann gibt es nicht!« Auf den Einwand, daß doch nicht jedermann tugendhaft sein könnte: »Dann darf man nicht Prinz und nicht Prätendent sein!« – Seine Freunde ahnten, daß Lou-Lou nicht glücklich war in seinem goldenen Käfig, daß die Mutter ihn bedrückte, und schließlich ahnte auch sie es und suchte ihn zu zerstreuen mit edlen Pferden und allerlei repräsentativen Scheinpflichten und Reisen an befreundete Höfe und bequemte sich am Ende sogar, ihr Vermögen mit ihm zu teilen, so daß er nun wie ein großer Herr hätte leben können. Aber da war es zu spät und Prinz Louis schon auf dem Weg, der ihn in seine frühe Gruft brachte. Er wollte, hatte er einmal gesagt, sich nicht zu Tode langweilen, wie der Herzog von Reichstatt, der Sohn des Gründers, sein Schicksalsbruder. Es gab andere Arten traurigen Sterbens ohne Sinn. Solange noch ein Offizier seiner Batterie nicht im Zululand war, folgte er den Beschwörungen seiner Mutter. Als Letzter mußte er gehen, bei seiner Offiziersehre, und kam nicht wieder. Eugénies Schmerz war von der Art, die Menschen nicht zugemutet werden sollte und es dennoch wird, und die auch, weil nichts anderes übrigbleibt, ertragen wird – und hier noch volle vier Jahrzehnte einer unstet irrenden, zum Schluß wie geisterhaften Existenz ertragen wurde. Mit den Träumen von Restauration, mit dem stattlichen Hof, der sie umgeben hatte, war es vorbei. Arenenberg sah sie, bis 890, noch ein paarmal, flüchtig, mit bitterer Wehmut. 906 schenk26
te sie das Schlößchen dem Kanton Thurgau; ein Lohn für die Tapferkeit, mit welcher der Stand einst die Sache seines Bürgers Louis Napoléon durchgefochten hatte, und ein Vermächtnis, das er bis zum heutigen Tag nobel verwaltet. Von der Familie Hugentobler, auch schon in der zweiten Generation, so gelehrt wie liebevoll behütet, breitet Schloß Arenenberg seine Erinnerungen vor uns aus. Es ist die Geschichte der Bonapartes, dieser für das 9. Jahrhundert so sehr charakteristischen und in ihm so einzigartigen Familie, zu unsolide und kurzfristig, um eine echte Dynastie zu sein, zu reich an Talenten und Käuzen, zeitweise zu gewaltig wirkend, um bloße Operette zu sein; Militärs und Politiker, Träumer, Menschenfreunde und Hasardeure, Salonlöwen, Ehebrecher, Schuldenmacher, Gestalten Balzacs, Gestalten Stendhals, Gestalten Zolas – Fortuna, Infortuna, Fortuna. Da hängen ihre Porträts an den Wänden, offizielle Prunkgemälde, private Skizzen, Selbstbildnisse, Photographien. Da stehen die Tische, an denen sie speisten, spielten, schrieben, die Fauteuils, in denen sie saßen, erekt und fein wie die Kaiserin, hingerekelt und Zigarren rauchend wie Plon-Plon, Möbel im Stil des Ersten Empire, in dem des Zweiten, im Viktorianischen. Da sieht man die Geschenke, welche die echten Gekrönten den falschen übersandten, die Bücher, in denen sie blätterten, beim Schein der Kerzen, dann der Petroleumlampen, Piano und Harfe, Malinstrumente und Stickrahmen der Hortense, Louis Napoléons bernischen Säbel, Lou27
Lous englische Schreibgarnitur. Der das Schloß nie sah, ohne den aber all die Herrlichkeit nie möglich gewesen wäre, dominiert in ihm, so wie er über Geschwister und Adoptivkinder, Neffen und Großneffen dominierte. Man sieht ihn in allen Phasen seines Lebens, als fahnenschwingenden, hager romantischen Revolutionsgeneral, im roten Staatskleid des Ersten Konsuls, im Kaiserschmuck, und die Totenmaske. Von da geht die Kette über die schönen, eitlen, pfauenhaft geschmückten Brüder und Schwestern zum jungen Louis Napoléon, wie er sein Pferd den winterlichen Arenenberg hinaufführt oder als Hauptmann seiner bernischen Kompanie voransprengt, zum alternden, bürgerlich dunkel gekleideten Kaiser am Arm seiner Frau, zum armen Lou-Lou als Kind, Knabe, Jüngling, auf den Photographien ein ernster spanischer Aristokrat aus der Zeit der Jahrhundertwende. Weil er so früh starb, so realisieren wir kaum, daß er der Generation Wilhelms II. angehörte. Wir haben Leute gekannt, die viel älter waren als er. Von Conrad Ferdinand Meyer gibt es das Gedicht über die »Alte Brücke«, die einst so buntes Treiben sah, Landsknechte und Kaiser auf ihren Romzügen und fahrende Schüler, und die nun, manch Jahrhundert außer Amt, vergessen, moosüberwachsen und wellenstaubumwoben, der Vergangenheit nachträumt, von welcher der Reisende auf dem neuen Bau nichts ahnen kann. Vorbei! Vorüber ohne Spur! Du fielest heim an die Natur … 28
Von Arenenberg gilt das genaue Gegenteil. Hier ist es, als hätte ein Dornröschenschloß sich aufgetan, so wie es war, als der böse Zauber es traf. Im intimsten, persönlichsten Rahmen wandelt man auf den Spuren vergangenen Lebens, mit einem Gefühl von Feierlichkeit und fast von Indiskretion. 963
NAPOLEON UND DIE DEUTSCHEN
Königsdramen, Kaiserdramen haben wir die Menge. Warum keines, ich meine, kein halbwegs adäquates, rings um Napoleon? Warum haben jene, die nach ihm kamen und allenfalls das Zeug dafür gehabt hätten, Hebbel, Grillparzer, Ibsen, sich nie an dem Stoffe versucht? Er war wohl zu komplett in sich selber. Man konnte ihn nicht anheben, nur ihn geringer machen, wie es in Komödien geschah. Es ist nicht nur, daß Geschichte selber hier großes Schauspiel arrangiert hat, mit einer beispiellosen Fülle von Szenen und Charakteren. Der Hauptcharakter hatte nicht umsonst Unterricht genommen bei Talma; er war sein eigener Regisseur. Daß der Rußlandfeldzug der vierte Akt war, ahnte er und bangte, ob er gut in ihm gespielt hätte – »Vom Erhabenen zum Lächerlichen ist nur ein Schritt«. Aus dem Nachspiel, Sankt Helena, hat er das Äußerste an Wirkung herauszuholen verstanden, wissend trotz aller Bitternis, daß er ein klassischeres Ende nicht hätte finden können. Sein letztes Gespräch mit Metternich, Juni 83, liest sich wie eine Szene von Schiller. Ein Dichter hätte da nichts anderes tun können, als abschreiben. Worauf Metternichs Überlegenheit beruhte: daß er im Grunde nicht mitspielte; daß er – »Nur kein Pathos!« – das Drama verneinte, den Dämon entdämonisierte 30
und in dem ganzen Grand Empire nur einen Unfug sah, welcher ganz gewiß nicht lange dauern würde. Darum auch ist das Napoleon-Porträt seiner Memoiren das feinste unter allen, die von Zeitgenossen stammen. Andere, William Pitt, Stein, Zar Alexander, Chateaubriand, Madame de Stael, Goethe, Hegel, Kleist, Gentz, Görres, spielten allerdings mit. Gentz, ziemlich spät; er habe einen Fehler gemacht, Europa habe einen Fehler gemacht, mitzuspielen; hätte man sich dessen heiter-gelassen geweigert, so wäre der Hauptakteur nie dermaßen weit gelangt. Nun, leider, müßte man »ganz Europa in Bewegung setzen, um einen einzigen Menschen auf seine Stellung zurückzuführen«; eine Schande nicht für ihn, sondern für Europa. Man könnte einwenden, das 9. Jahrhundert sei die Epoche des Romans, und dann der Geschichtsschreibung gewesen, nicht des Dramas. Gescheitert sind aber an Napoleon auch die großen Erzähler, solange sie ihn direkt auftreten ließen. Wenn Tolstoj es nicht vermochte, wenn er eine billige, allenfalls im Rahmen seiner Geschichtsphilosophie verzeihliche Karikatur lieferte, wer hätte es vermocht? Die gelungenste Napoleon-Prosa bleibt die, in der er als ein Licht aus der Ferne erscheint: Stendhals ›Rot und Schwarz‹ und die ›Kartause von Parma‹, ein paar Seiten von Balzac, von Heine. Übrigens hat Stendhal, der doch als gewesener kaiserlicher Kriegskommissar Bescheid wissen mußte, das Bild des italienischen Bonaparte stark verschönert; Bild des Befreiers, der er wohl war, 3
aber nicht des brutalen Ausbeuters, des Plünderers in ungeheuren Dimensionen, der er auch war, und zwar besonders in den frühen Italienjahren. Jede geschichtliche Leistung, formuliert Raymond Aron, ist vieldeutig und unausschöpfbar – équivoque et inépuisable. In neuen Zeiten gibt es keinen einprägsameren geschichtlichen Lehrgang. Alle Nationen sind von ihm berührt worden, alle haben von ihm gelernt. Jedoch sei die These gewagt, daß die Deutschen im Guten und Schlechten am nachhaltigsten von ihm beeinflußt wurden: von seiner Vieldeutigkeit, seiner Dialektik, vom Drama, welches des Helden kaltes Ich beisteuerte. Mit wenigen Ausnahmen fanden sie um 806 historisch berechtigt, was er tat. Ein Weimarer Gymnasialdirektor, nach Jena: »Beim Sternenklang wog Gott am 4. Oktober die alten und neuen Formen; des Nordens Schale stieg hoch! Nun müssen wir das Ordal verehren.« Es folgt ein »Hoch auf den Frieden und den, der ihn gab«, den »mit Feuer und Geist getauften Zertrümmerer der alten, wurmstichigen, morschen Formen«, das »erwählte Instrument Gottes«. Ähnlich hundert Gymnasialdirektoren: ähnlich hunderttausend gebildete Menschen. Auch die wenigen, die dem Erfolg nicht recht geben wollten, hielten seine Endgültigkeit mindestens für möglich. Stein: »Äußere Kriege werden alsdann nicht mehr entstehen, statt dessen wird … alle Nationalität zerstört oder verkrüppelt, und die Leitung aller großen Angelegenheiten des Menschengeschlechts einer Bürokra32
tie, die von einem entfernten, fremden Regenten die Richtung erhält, anvertraut werden. Ein solcher Zustand der Dinge kann lange andauern, wie uns die Geschichte des Römischen Reiches beweist.« Görres: »Jener alte französische Gartengeschmack, der aus Bäumen Menschen schnitt, schneidet jetzt Menschen zu Bäumen und Hecken. Alle, Inder und Perser, Türken und Neuseeländer, werden Präfekten und Unterpräfekten bekommen und den Code und die Zensur …« Der Publizist sah eine buchstäbliche Weltherrschaft voraus; womit es auch auf dem Höhepunkt des Empire gute Weile hatte. Dieselben, die 806 des Kaisers Triumph gut fanden, fanden acht Jahre später gut auch seinen Sturz. Sagt man, damals sei die Einheit von Ereignis, Wahrheit und Recht, die Idolisierung von Macht und Erfolg, sei der »Historismus« eigentlich geboren worden, so hat dies Verbum die Kraft der Analogie. Denn es fiel Hegel, dem Philosophen, furchtbar schwer, einzugestehen, daß der Kaiser mit historischer Notwendigkeit erlegen sei; der Untergang eines solchen Genius sei ein Tragikotaton. Aber: Er habe der Masse des Mittelmäßigen, die gnadenlos sich über ihn wälzte, ein Recht dazu geben müssen durch seine Schuld; das habe er getan; und so sei alles in tragisch großartiger Ordnung. In den späteren geschichtsphilosophischen Vorlesungen ist der Begriff von den »Geschäftsführern des Weltgeistes«, die tun, was ihre Zeit verlangt, und auf dem Kehrichthaufen der Geschichte landen, nachdem sie ihr Werk getan haben, dann noch verfei33
nert worden. – Man tut sehr falsch daran, Hegel den »preußischen Staatsphilosophen« zu nennen. Der Philosoph der Revolution und der napoleonischen Kriege war er, ungefähr wie Spengler der Philosoph des Ersten Weltkrieges. Als er für Preußen sich auch nur zu interessieren anfing, war seine Philosophie längst fix und fertig. Was Hegel im Universalen tat, tat Clausewitz als Spezialist. Sein Buch ›Vom Kriege‹ hätte ebensoviel »Von den Kriegen Napoleons« heißen können. Sie liefern dem Autor seine Parade-Beispiele; aus ihnen hat er seinen Begriff vom »absoluten Krieg« geschöpft, der den des »totalen« antizipierte. Aber Hegel und Clausewitz zusammen, das ist in Deutschlands intellektueller Geschichte ein Herzstück, und in seiner politischen auch. Kein anderes Land hat diese Erfahrung mit so prägend konsequentem Tiefsinn durchdacht; Frankreich selber gewiß nicht. Dagegen trat Nietzsche auf: Hasser der Gleichsetzung von Geschichte, Staat, Krieg, Kultur, Sittlichkeit, Recht, Vernunft und Erfolg; Hasser Hegels. Zwar, den Kaiser bewunderte er so sehr wie Hegel, aber in anderem Stil; als den, der Recht hatte gegen den Erfolg; und daran, daß er keinen dauernden gehabt hatte, waren, wieder einmal, die Deutschen schuld. »Die Deutschen haben endlich, als auf der Brücke zwischen zwei décadence-Jahrhunderten eine force majeure von Genie und Willen sichtbar wurde, stark genug, aus Europa eine Einheit, eine politische und 34
wirtschaftliche Einheit zum Zweck der Erdregierung zu schaffen, mit ihren Freiheitskriegen Europa um den Sinn, um das Wunder von Sinn in der Existenz Napoleons gebracht …« Streng historisch geurteilt ist das nicht einmal richtig, obgleich die Geographie es so erscheinen lassen mag. Leipzig liegt in Deutschland; in Deutschland aufgelöst, war das Empire in Illyrien, in Italien, in den Niederlanden nicht zu halten. Anders, wenn man nach Geist und Waffen fragt. Da, in der Reihe derer, die zum Fall des Tyrannen beitrugen, kam Preußen spät, lange nach England, Spanien, Rußland, ungefähr auf einer Linie mit Schweden; Süddeutschland noch später, als alles bereits entschieden war und, was Fürsten und Minister betraf, höchst ungern. Man muß den letzten Brief lesen, den Napoleon von dem dicken Württemberger empfing: »Ich sehe mich genötigt, Sie dringend zu bitten, mir meine Truppen zurückzuschicken; diese Handvoll Männer kann Eurer Majestät ohnehin nicht helfen … Möchten glückliche Umstände eine Ordnung herbeiführen, in deren Zeichen ich Eurer Majestät beweisen kann, daß meine Gefühle für Sie unveränderlich bleiben …« Die Deutschen waren die Docilsten gewesen, nicht die Rebellischsten. Görres, in einem Artikel seines ›Merkur‹, hat es ihnen mit furchtbarem Spott vorgeworfen. Eben darum war der Kaiser von dem Abfall Süddeutschlands am schmerzlichsten überrascht. »Alle Welt hat mich betrogen, ein Fieber hat sich Deutschlands bemächtigt, aber es wird ausbrau35
sen …« Auf die Nachricht vom Übergang Bayerns ins Lager der Alliierten: »Da sieht man, was die Menschen sind, da sieht man, wie man sich auf sie verlassen kann.« Für die Deutschen glaubte er am meisten getan zu haben, wenn auch nicht eigentlich auf seine Kosten; was er ihnen Leides antat, schlug er gering an. Seine dynastischen Heiraten verbanden die Bonapartes durchaus nur mit deutschen Familien: Bayern, Baden, Sigmaringen, Württemberg, zuletzt Habsburg. Sein Hof kopierte weniger den alten Versailler als die deutschen Höfe. Die Nation, so gab er auf St. Helena zu wissen, schätzte er besonders hoch. Da behauptete er auch, sie sei überreif zur nationalen Einheit: »Die Versammlung aller Deutschen in einem Staat forderte ein langsames Procedieren; so habe ich die ungeheure Verwirrung ihrer staatlichen Verhältnisse zunächst nur bedeutend vereinfacht. Und dies nicht, weil sie für vollständige Zentralisierung nicht reif gewesen wären; im Gegenteil, sie waren nur allzu bereit dazu und hätten so gegen uns reagieren können, ohne uns zu verstehen. Wie war es möglich, daß kein Deutscher die Bereitschaft seiner Nation erfaßte oder zu realisieren wußte? Hätte mich der Himmel zum deutschen Fürsten geschaffen, so hätte ich sicher im Laufe der großen Krise 30 Millionen Deutsche um mich geeint und regiert …« Das ist gut gesehen, aber der Verdacht drängt sich auf, daß es nachträglich gesehen ist. Im Exil mag er einiges von jener plötzlich laut gewordenen »Teutomanie« gehört haben, über die Talleyrand an Ludwig XVIII. 36
berichtete: »Wer kann die Folgen berechnen, wenn eine Masse wie die deutsche, zu einem Ganzen gemischt, aggressiv würde? Wer kann sagen, wo eine solche Bewegung haltmachen würde?« Wie denn zwischen dem Napoleon der Tuilerien und dem von St. Helena sorgfältigst zu unterscheiden ist. Er war der geriebenste Propagandist, den es je gab, seine persönliche Propaganda nie effektvoller als in der Spätzeit, da andere Mittel ihm nicht mehr zur Verfügung standen. Der gescheiterte Friedensbringer, der Philantrop, der selbstlose Europäer, der Freund der Völker und besonders der Nationen – das sind Phantasien von Longwood. Auf das 9. Jahrhundert haben sie so stark gewirkt wie des Kaisers schöpferische Leistungen: die Gleichheit vor dem Gesetz, der Code, das rational, zentralistisch, bürokratisch durchorganisierte Staatswesen. Er galt als Neuerer, er gab sich nachmals als solchen. Er war es nur zum Teil. Schüler Voltaires, Schüler Rousseaus, hatte er seinerseits zum Schüler den Fürsten Metternich; ein Netz von Beziehungen, das jeder politischen Ideenlehre Hohn spricht. Das macht, es fehlte ihm jede Transparenz auf die Ideen hin; dem Manne der harten Tatsachen, wie man sagte, dem Improvisator, dem Opportunisten. Ideologien können arge Verwirrung in die Welt bringen, er haßte sie darum; ein allzusehr entwickelter Tatsachensinn aber auch, wenn man heute dies tut, morgen das, und die Widersprüche sich anhäufen läßt, bis sie explodieren. Im Politischen autoritär, ein Ordnungsfanatiker, 37
skeptisch über die Menschen im allgemeinen und besonders über die »Massen«, die »classe ouvriere« denkend; im Moralischen ein strenger Hüter der Sittlichkeit; im Wirtschaftlichen Protektionist und Gralshüter der goldsichersten Währung – ein solcher konnte sich ebensowohl als Töter der revolutionären Hydra empfehlen wie als Revolutions-Vollender. Seine deutsche Politik basierte zuerst auf Freundschaft mit Preußen, was Bourbonentradition des frühen 8. Jahrhunderts war. Dann wurde sie antipreußisch, wahrend sie einstweilen antiösterreichisch blieb; an die Stelle Preußens trat Süddeutschland, Bayern vor allem. Von der Popularität, die er 806, noch 809 in München genoß, kann man sich im Lichte späterer Verfälschungen kaum noch den rechten Begriff machen. Das wieder war älteste französische Staatsräson: Richelieu und Maximilian I., Ludwig XIV. und Max Emanuel; der Name »Rheinbund« selber stammte aus dem Wortschatz des Kardinals Mazarin. 80 schlug er wieder um und wandte sich Österreich zu, während die Plagen der Kontinentalsperre die Freuden der neuen Ordnung in Süddeutschland zu überschatten begannen. Trotzdem war der »Befreiungskrieg« nahezu ausschließlich preußisch, insofern er überhaupt deutsch war und nicht ein europäischer Koalitionskrieg alten Stiles. Noch immer gab es erstaunlich wenig Haß gegen den Tyrannen in Bayern, Württemberg, Baden, Hessen; noch immer gab es sehr viele Menschen, sozial hochstehende zumal, die stolz darauf waren, 38
unter ihm oder doch in seinem Sinn gedient zu haben. So daß die Frohe Botschaft von St. Helena auf guten Boden fiel. Man denkt hier gemeinhin an ›Die beiden Grenadiere‹; Nationalgesinnte verstanden Heines Napoleonkult aus entwurzeltem Judentum. Tatsache ist aber, daß der Freiherr von Zedlitz, der Freiherr von Gaudy es viel bunter getrieben haben; so der biederste unter den Schwaben, Hauff; nicht zu reden von zahllosen Poeten, deren Name unterging. Ein gewisser Otto von Deppen beginnt sein Gedicht auf Napoleons Tod: Was steht das Volk so tief bewegt, Was fliegt von Mund zu Munde? Was hat so Weib, als Greis erregt, Was gibt’s für ernste Kunde? Er, neuer Zeiten Morgenrot, Napoleon! – ach! – er ist tot! Heine hätte das besser gemacht, enthusiastischer nicht machen können. Indem der Nationalismus neuen Generationen zum Religionsersatz wurde, wandten sie sich gegen den, der doch nun längst tot und harmlos war. Der erste Ausbruch – »Es braust ein Ruf wie Donnerhall« – geschah 840; der andre, mit böseren Folgen, in den letzten Jahren Napoleons III. Dieser hatte mit Napoleon nichts außer dem Namen gemein; er war der deutschfreundlichste Machthaber, der je über Frankreich regierte; er war zudem höchst ungeschickt von dem Evangelium von St. Helena behext und 39
glaubte daher, Europa in freie Nationalstaaten ordnen zu müssen, ein Programm, das vielen Völkern zugute kommen konnte, nur Frankreich nicht. Aber gerade er mußte mit sechzigjähriger Verspätung büßen. Leipzig war preußische Rache gewesen, Sedan war deutsche, nun auch süddeutsche; und zwar ausgesprochen Rache an Napoleon I. zumal ja der Dritte den Deutschen überhaupt nichts getan hatte. Noch weiter zurück ging Leopold von Ranke, als er, Winter 87, sich in Wien gegenüber dem alten Thiers erklärte: Deutschland führte jetzt Krieg gegen Ludwig XIV. … Allmählich detachierte höhere Intelligenz sich von der Glorie des Hohenzollernreiches, und so auch vom neuen Napoleonhaß. An die Stelle der nationalgeschichtlichen Interpretation trat die ästhetizistische, steile, die auf Stendhal zurückgreifen konnte, Nietzsche, Spengler, der George-Kreis; gefolgt von der psychologischen. In meiner Kindheit las man Emil Ludwig, wie man den spannendsten Roman liest. Heute? Heute ist wohl nicht mehr viel. Das hangt auf den ersten Blick mit dem Verblassen aller ferneren Vergangenheit zusammen. Die beiden Bonaparte – Vorläufer des Faschismus: der eine indirekt, der andere schon ziemlich nahe – darauf möchte die Durchschnittskenntnis hinauslaufen. Unvorstellbar, daß träumerische Jugend sich noch mit Napoleon identifizierte, wie sie es hundert Jahre lang tat. Romantiker und Rebellen suchen sich andere Vorbilder. Es kommt hinzu, daß wir unlängst so viele große 40
Männer hatten, meistens abscheulichen Charakters. Allen Volksführern, Cäsaren, Tyrannen ist aber von Berufs wegen unvermeidlich etwas gemeinsam. So mußte der Eindruck, den jene hinterließen, abfärben auf den frühesten. Man ist heute empfindlicher gegen das »Faites füsilier«, das in seinen Befehls schreiben so häßlich vorkommt; gegen die Tricks der Macht, Zensur, Geheimpolizei, Propaganda; gegen das Aufwiegeln, Fürchten und Verachten der Massen in einem; gegen das Sich-in-Szene-Setzen; gegen Maßlosigkeit, die sich selber schlägt. Die Parallele zwischen Napoleon und jenem, den man so ungern nennt, war nie völlig von der Hand zu weisen, am wenigsten 940, 94. Sie betraf die Machtmechanik, nicht die Personen; die improvisierte, erschwindelte »neue Ordnung« des Kontinents mit ihren »Collaborateuren«, der Pakt mit Rußland, die Unfähigkeit, den Kanal zu überqueren, welche zum Zug nach Moskau zwang, zuletzt die Große Koalition, »um einen einzigen Menschen auf seine Stellung zurückzuführen«. Außerhalb Deutschlands hat dieser Vergleich allerlei lesenswerte Bücher inspiriert, Ferreros ›Abenteurer Bonaparte in Italien‹, Harold Nicolsons ›Wiener Kongreß‹ und andere mehr. Diese Autoren waren dem Kaiser entschieden ungünstig gesinnt, weil sie in ihrer Gegenwart schrieben und den Vergleich im Kopf hatten. Es ist ja auch so, daß die machtlogische Situation von den Menschen, welche sie doch schufen, nicht völlig getrennt werden kann. George Kennan erzählt, wie er während der Juni-Juli-Wochen von 4
94 die Fortschritte der deutschen Heere mit den französischen von 82 täglich auf der Karte verglich; Churchill lebte in derselben Wiederholung, für die er, was ihre menschliche Seite betraf, sich ausdrücklich entschuldigte; und wenn es nicht scheint, daß Hitler sich viel mit Napoleon abgegeben hat – sein Held war ein anderer –, so ist doch seine Strategie während des ersten russischen Winters ganz ohne Zweifel von der Napoleonischen Erfahrung mitbestimmt gewesen; er hat auch darauf angespielt. Einer aus seinem Kreis, namens Bouhler, veröffentlichte 94 eine Napoleon-Biographie mit dem klingenden Untertitel »Kometenlaufbahn eines Genies «. Das Ding ist nicht einmal so ganz schlecht, wie man erwarten könnte, charakteristisch in seiner These: Napoleon scheiterte, weil er von seiner kümmerlichen französischen Basis aus sich anmaßte, mit Europa und für Europa zu tun, was nur den Deutschen zukam. Ein Jahr später geschah es dem Schreiber dieser Zeilen, daß er mit einer Gruppe amerikanischer Soldaten durch den Invalidendom geschleust wurde. Den Erklärer, der von den Taten des in seinem Prunksarkophag Ruhenden sprach, Schlachten, Eroberungen, wieder Eroberungen, unterbrach einer der Zuhörer: »What’s the difference between him and Hitler?« Kurze Pause der Verwirrung, sichtlicher Ärger, dann Fortsingen des Heldenliedes. – Die Antwort, die Umschreibung der Unterschiede, hätte wohl gegeben werden können; hätte jedoch ausführlich und schwierig sein müssen. 969
DER LETZTE MARKGRAF VON ANSBACH Seine Zeit, sein Land, seine Bank und er selber
Anno Domini 780, was für ein Jahr war das? Kein spektakuläres Schicksalsjahr wie 776 oder 789. Manches ging weiter, was schon früher begonnen hatte; der Krieg zwischen England und den Vereinigten Britischen Kolonien in Nordamerika; die Eroberung Indiens durch eine Handvoll Engländer; die englische Besiedelung Australiens in ihren Anfängen. 780 schrieb Friedrich der Große seinen Essay »De la Litérature Allemande«, welcher er nun, nach Jahrzehnten der Geringschätzung, betonter Geringschätzung auch von Goethes »Götz«, eine große Zukunft prophezeite. 780 starb die Kaiserin Maria Theresia und traf ihr Nachfolger, Joseph II. sich zu Mogilew mit der Zarin Katharina, um mit ihr ein Großprojekt zur Vertreibung der Türken aus Europa auszuhecken; der ganze westliche Balkan sollte dabei an Österreich fallen. Einer der Pläne für gewaltige Grenzverschiebungen, Flurbereinigungen, Aufteilungen, wie sie in jenen vorrevolutionären Zeiten umgingen und teils verwirklicht wurden, zum Beispiel die erste Teilung Polens, teils auch nicht. In Paris bemühte sich der protestantische Bankier Necker – aber Protestanten 43
durfte es in Frankreich theoretisch gar nicht geben – die Staatsfinanzen zu sanieren, welche durch Frankreichs Kriegshilfe für die amerikanischen Kolonien vollends ruiniert wurden. Der berühmteste, treueste Begleiter des 8. Jahrhunderts, Voltaire, war zwei Jahre vorher gestorben, 778, und im gleichen Jahr sein freundlich-feindlicher, verhängnisvollerer historischer Stiefbruder, Rousseau. Goethe hielt seit fünf Jahren sich in Weimar auf, gefeierter Autor des »Werther« und des »Götz«. Im Jahr danach, 78, erschien Kants »Kritik der Reinen Vernunft« und starb Lessing, und wieder im Jahr darauf floh Schiller von Stuttgart nach Mannheim. Die amerikanische Unabhängigkeitserklärung, der zufolge alle Menschen gleich geboren waren und das gleiche Recht hatten, ihr Glück auf ihre Weise sich zu erwerben, war vier Jahre alt und ebenso alt das große volkswirtschaftliche Werk des Adam Smith. Und so weiter. Kein ausgenommenes Jahr also, das Jahr 780, aber eines in einer Kette von Jahren, während derer allerlei Tiefgreifendes geschah und noch tiefer Greifendes sich vorbereitete, ohne daß die Menschen noch ahnten, wo das Zentrum der großen Veränderung sein würde. Das war ja nun in unserem alten Europa eigentlich immer so, aber doch nicht in dem Maße, mit der Intensität, wie im letzten Drittel des 8. Jahrhunderts. Des 8. Jahrhunderts. Man spricht von seinem Geist und tat es, als es noch andauerte. »Man muß unbedingt den Geist des 8. Jahrhunderts zerstören«, so schrieb einer, der ihm selber angehörte. Eine unmög44
liche Forderung. Übrigens ist ein Jahrhundert sehr lang, Ihr Redner hat es am eigenen Leib erfahren. Und da geschieht vieles und vielartiges; teils nacheinander, teils auch gleichzeitig und nebeneinander. Keine Epoche hört auf einen einzigen geistigen Nenner, und das ist gut so. Das 8. Jahrhundert war ein Jahrhundert großer Kriege, wie alle europäischen Jahrhunderte vorher und nachher; der Spanische Erbfolgekrieg am Anfang, der Siebenjährige, der eine Art von Weltkrieg war, in der Mitte, der Krieg zwischen dem neuen Frankreich und dem alten Europa am Ende, von geringeren Feldzügen zu schweigen. Es war aber auch, und zwar par excellence, das Jahrhundert des Pazifismus, der Träume vom Ewigen Frieden und der rationalen Entwürfe dafür: William Penn, Rousseau, Kant. Es war das Jahrhundert der »Aufklärung«, wofür es berühmt wurde, eben sie meint man, wenn man vom »Geist des 8. Jahrhunderts« spricht. Aufklärung: Heraustreten des Menschen aus seiner »selbstverschuldeten Unmündigkeit«, wie Kant sie definierte. Aufklärung als Verachtung aller Vergangenheit, zumal des dunklen, abergläubischen Mittelalters, einer »unbegreiflichen Verirrung des menschlichen Geistes«, wie Kant schrieb. Aufklärung als Prüfung alles aus der Vergangenheit, der Tradition Überkommenen durch freie, kritische Vernunft, ob es taugte oder nicht taugte; meistens taugte es nicht. Aufklärung als antihistorische Bewegung: alle Vergangenheit war schlecht, ungenügend auch noch die Gegenwart, aber voller Hoffnung; das endgültig 45
Gute, das Erwachen der Menschheit aus langem Schlaf, würde die Zukunft bringen, entweder mit einem einzigen Schlag, oder allmählich. Solches war nicht nur die Ansicht von Dichtern, Philosophen, Publizisten, wie es, als das Jahrhundert jung war, die Ansicht einiger weniger Kämpfer des Geistes gewesen war; es war, als nun das Jahrhundert alt wurde, in der Tat der öffentliche Geist geworden, an dem auch hohe und einflußreiche Staatsbeamte, auch Monarchen, eine erstaunlich große Zahl von ihnen, participierten, große und kleine; Friedrich von Preußen, der freilich nicht ohne Reserven, nicht ohne innere Widersprüche seines Regierungssystems, die Zarin Katharina, der Kaiser Joseph; und dann der Markgraf von Baden, die Landgräfin von Hessen und der Markgraf von Ansbach und andere mehr. Der später gebildete Begriff von »aufgeklärtem Absolutismus«, begrenzt nützlich wie alle geschichtlichen Allgemeinbegriffe, hat doch einen guten Sinn, wenn man über ihm die konkreten Unterschiede nicht vergißt. Die Fürsten selber, das war die Hoffnung, sollten ihre Allmacht gebrauchen, um aus Untertanen freie, gleichberechtigte Bürger zu machen. Es konnte ein Schweizer Republikaner an einen Kaiserlichen Minister in Wien schreiben: mit den Republiken gehe es offenbar bergab, die Kraft zum Fortschritt beruhe allein auf den Monarchien. Als Friedrich der Große 786 gestorben war, riet der Graf Mirabeau seinem Nachfolger: »Machen Sie aus den leibeigenen Bauern freie Bürger! Ersetzen Sie die Soldatensklaverei durch eine Bürgermiliz! Besetzen 46
Sie die Ministerien mit großen Kaufleuten; die wissen, wie man heutzutage regieren muß. Proklamieren Sie das Recht auf Arbeit, gründen Sie Nationalwerkstätten für Arbeitslose! Heben Sie alle Zölle und Monopole auf! Machen Sie ganz die Sache der Bürger und Bauern zu Ihrer eigenen – das Interesse des absolutesten Monarchen ist ein und dasselbe mit den wahren Interessen der Völker.« Was dann eigentlich übrig bleiben würde vom großen Reformer, wenn er alle diese Reformen vollbracht hätte, wurde nicht gefragt; nicht von den philosophischen Ratgebern, kaum auch nur von den so beratenen Monarchen selber. Der Absolutismus, was war er, oder zu was war er in den Zeiten des letzten Markgrafen von Ansbach geworden? Er war nie eine Theorie, viel weniger eine Ideologie gewesen. Das einzige philosophische Werk von Bedeutung, das es über ihn gibt, stammte aus der Mitte des 7. Jahrhunderts, verfaßt von einem furchtsamen englischen Sonderling; der »Leviathan« des Thomas Hobbes. Es hat äußerst geringen Einfluß gehabt. Nicht eine ausgedachte Regierungsform war der Absolutismus, sondern eine, die zusammen mit dem Staat sich aus erkennbaren historischen Notwendigkeiten heraus entwickelte und dabei nach Zeit und Ort ständigem Wandel unterworfen blieb. Die Zeit der Stände war nicht mehr, mit Ausnahmen, die Zeit der in einem Wurf erdachten Verfassung war noch nicht, viel weniger jene der vollendeten Demokratie. So war der Absolutismus ebenso sehr Lückenbüßer, faute de mieux, wie eine Form des Übergangs, 47
obgleich eines sehr langwierigen. Wie alle gewachsenen, nicht erfundenen Regierungsformen hatte er seine nützlichen Funktionen; wie alle Regierungsformen seine Licht- und Schattenseiten. Übrigens hat er sich nie völlig durchsetzen können in dem Sinn, daß der König, beraten von seinem geheimen Kabinett oder seinen Maitressen und Günstlingen, alles hätte tun können, was ihm beliebte. Das konnten sie nirgendwo. Nicht der König von Frankreich, der am allerwenigsten; nicht der von Preußen, nicht die Zarin Katharina, die einmal an ihren Freund Diderot schrieb: »Mit Ihren großen Prinzipien könnte man schöne Bücher schreiben, aber schlechte Geschäfte machen. Sie vergessen die Unterschiede zwischen unseren beiden Positionen. Sie arbeiten auf dem Papier, das Papier duldet alles; ich dagegen, die ich nur eine arme Kaiserin bin, muß auf der menschlichen Haut operieren, welche ganz anders irritierbar und kitzlig ist.« Klüger, witziger könnte man die Grenzen nicht beschreiben, die dem fürstlichen Absolutismus gesetzt waren; durch Rechtstraditionen, auch durch sie, weit mehr noch durch eine schon ungeheuer vielfältige Gesellschaft lebender, handelnder, widerborstiger, ihre eigensten Interessen auf das zäheste verteidigender Individuen, Vereinigungen und privilegierter Stände. Solche Grenzen beweisen nichts gegen den guten Willen des aufgeklärten Absolutismus und seine Leistungen; Leistungen auf dem Gebiet der Volks- oder Nationalerziehung, Begriff und Worte wurden erst 48
jetzt geprägt, der Justizreform, des Gesundheitswesens, der Armenfürsorge, der Wissenschaftsförderung. Es gilt für die großen Staaten und gilt auch für kleine und kleinste, was ein Argument für deren Existenz ist; für Toscana unter dem Erzherzog Leopold, derart, daß die Bürger des Landes später den eindringenden Soldaten der Französischen Revolution entgegenhalten konnten: »Ihr habt uns nichts zu bringen oder zu lehren. Was ihr euch jetzt gründet, das hatten wir längst«; für Bayern unter dem Kurfürsten Karl Theodor und seinem angloamerikanischen Berater Rumford; für Baden unter dem Markgrafen Karl Friedrich, einem echten Philosophen im damaligen französischen Sinn des Wortes; und andere Kleinstaaten mehr, Neapel, Portugal, ja und SachsenWeimar. Ein geistig und politisch überaus bewegtes Zeitalter, ein Zeitalter ohne Angst, die kam später; und kaum je vorher und nie nachher bis in unsere Zeiten selber nahm Deutschland so ganz und gar, beitragend und nehmend am gesamteuropäischen Wesen teil. Zur geistigen Bewegung gehörte gesteigerte Beweglichkeit im Raum, das Reisen im Weiten, Reisen nicht mehr nur zu Geschäfts- und diplomatischen oder militärischen Zwecken, sondern aus schierer Neugier, zu schierem Vergnügen, in der Equipage, zu Pferd oder zu Fuß, am liebsten nach Frankreich und nach Italien, auch schon nach England hinüber. Ein großer Reisender war der letzte Markgraf von Ansbach und Bayreuth, Alexander. Von seinen Fahrten nach Paris oder Italien pflegte er die 49
wichtigsten Neuerscheinungen des Büchermarktes mitzubringen, welche dann seiner stetig wachsenden, der Öffentlichkeit zugänglichen Hofbibliothek eingereiht wurden. Ein Mann auf der Höhe der Bildung seiner Zeit, der in Utrecht studiert hatte und französisch, englisch, italienisch so fließend sprach wie deutsch, wenn nicht besser; übrigens ein Fürst, der die Aufgaben des pater patriae ernst nahm, immer willig, mit den fortschrittlichsten Regierungen seiner Zeit nach Kräften Schritt zu halten. Eine Ballade Conrad Ferdinand Meyers beginnt mit diesen Versen: An dem kleinen Hofe von Navarra War das Leben eine lose Fabel Eine drohende oder heitre Maske Eine überraschende Novelle Ein phantastisch wahrheitsloses Schauspiel … Nun, so ganz romantisch, so ganz phantastisch und wahrheitslos ging es am Hof zu Ansbach doch nicht zu; etwas schon. Übrigens war es kein so ganz kleiner Hof, besonders nicht, wenn man weiß, daß das ganze Fürstentum noch ohne Bayreuth, bei Regierungsantritt Alexanders noch keine zweihunderttausend Einwohner zählte. Neun Jahre nach Gründung der Hofbank finden wir bei Hofe 33 Kammerherren und Kammerjunker, 20 Hofjunker, fünf Kammerpagen, fünf Leib- und Hofmedici, zwei Leib- und Hofchirurgen, zwei Hofapotheker, zwei Hofgeistliche; dem entsprach die Zahl der Kammer- und Garderobendiener, der Titularkammerdiener, der Küchenmeister, 50
Obermundköche, Mundköche und Beiköche, der Angestellten in den Fischmeistereien, Hofschlachtereien, Kellereien, Konditoreien, Silberkämmerei, Wäscherei, Gärtnerei, des Orchesters mit seinen 39 aktiven oder pensionierten Musikern, samt dem Kapellmeister, Musikdirektor und Konzertmeister; dann der Uhrmacher, Hofmaler, Hofjuweliere, KunstkabinettSteinschneider, Medailleure, Miniaturmaler, Goldund Silber-Arbeiter, Bildhauer, Buchbinder, Galanterie-Arbeiter, Orgelbauer, Operateure, Dentisten, Schwertfeger, Knopfmacher, Englischen Stuhlmacher, Kürschner, Schuhmacher, Huter, Drechsler, Schmiede, Klempner, Frotteure und so weiter und so weiter. Ein völlig autonomer Wirtschaftsbetrieb, wie man sieht, der im Jahr insgesamt etwa 200 000 Gulden kostete. Die Zahl sagt uns nichts, oder sagt uns nur etwas, wenn wir sie mit den einzelnen Gehältern und Löhnen, mit den Preisen der Lebensnotwendigkeiten in jenen Jahrzehnten vergleichen. Eine Übersetzung in das Geld unserer eigenen Zeit ist sinnlos und durchaus unmöglich, obgleich es immer wieder geschieht. Genüge es hier mitzuteilen, daß ein Jahresgehalt von 800 Gulden in Ansbach schon als ein sehr hohes galt. Was wir ungern lesen, ist, daß die markgräfliche Regierung für Wohltätigkeit oder Sozialfürsorge jährlich nur 50 000 Gulden auszugeben vermochte. Das sagt wieder nicht alles, denn in dem kleinen Land, wenn man es denn ein Land nennen kann, geschah manches, den Menschen gut Tuendes, was zur Fürsorge für die Armen und Alten, Witwen und Waisen 5
direkt nicht gerechnet werden kann. Wem diente denn dieser Hof? Im wesentlichen sich selber, soll heißen, allen, die ihm dienten, für ihn und von ihm lebten. Und dann dem Schönen in vielfältiger Gestalt, der Verfeinerung des Lebens auch. Endlich dem Markgrafen selber, zusamt seinen Freunden und Freundinnen. Ihm aber eigentlich zuletzt und nicht zuerst, denn er war viel auf Reisen und lebte, wenn er im Lande war, viel lieber im ländlich liebenswürdigen, bescheidenen Triesdorf als im Ansbacher Schlosse, das nur repräsentative Zwecke erfüllte, besonders, wenn hohe Gäste kamen. Verglichen mit anderen kleinen Fürsten seiner Zeit, etwa Karl Eugen von Württemberg, lebte Alexander bescheiden; die fürchterliche Verschuldung seines Gebietes, die er bei seinem Regierungsantritt vorfand, vermochte er in seiner dreiunddreißigjährigen Regierung auf ein entschieden erträgliches Maß zu reduzieren, genauer, um fünf Millionen 558 Tausend Gulden. So lesen wir in dem von seinem Minister Freiherrn von Gemmingen im Jahre 790 dem Souverän erstatteten Compte rendu. Gemmingen fügte hinzu: »Diese Ersparungen erhalten dadurch einen größeren Wert, daß sie ohne Erpressung, ohne Reduktion der Besoldungen, ohne irgend die Tränen der Notleidenden auf sich geladen zu haben, bewürket worden. Die im Verhältnis noch wenigen zahlbaren Schulden können beinahe ohne Mühe, wenn man es ratsam findet, unmerklich und successive abgetragen werden, und man ist nun weit über die sorgenvolle Aussicht erhaben, die die ver52
schwenderische Wirtschaft voriger Zeiten der dermaligen Regierung hinterlassen hat.« Nun, ganz ohne Tränen ging es doch nicht; darüber bald ein Wort. Entschieden aber war der letzte Markgraf mehr ein Wohltäter als ein Ausbeuter seiner Untertanen, wobei er stets das Vorbild seines bewunderten Oheims, Friedrich von Preußen, vor Augen hatte. Friedrich, dort, wo er den wirtschaftlichen Wiederaufbau Preußens, zumal der östlichen Provinzen nach den Verwüstungen des Siebenjährigen Krieges, nicht ohne Stolz beschreibt, erwähnt so nebenbei, der König selber habe gelebt wie ein Particulier und den Staat nichts gekostet. Nun, daß Preußens Particuliers im Durchschnitt so lebten wie der Herr von Sans-Souci, dazu kann ich mich nicht überreden; aber daß er knauserte und die verschwenderischen Großvergnügungen seiner Bruder-Monarchen oder Schwester-Monarchinnen verachtete, ist bekannt genug oder war es, solange man noch Geschichte kannte. Er also blieb das Vorbild des Ansbacher Neffen; zufällig auch darin – aber hier kann von Vorbild wohl nicht die Rede sein, vielleicht von Erbverwandtschaft –, daß seine Ehe, mit einer kränkelnden und melancholischen Prinzessin von Sachsen-Coburg, so irreal blieb wie die Ehe Friedrichs des Großen. Wenn aber der König zu seiner Unterhaltung französische Philosophen, Literaten, Gelehrte an seinen Hof lud, so zog Alexander platonische Freundschaften mit geistvollen Frauen vor. Sehen wir ab von den Damen des ansbachischen Adels, zum Beispiel der Gräfin Platen, Mutter des 53
Dichters, so waren es vor allem zwei aus fernem Ausland: die Pariser Schauspielerin Mlle. Clairon, die sehr lange in Ansbach blieb, volle siebzehn Jahre, bis sie 787 von einer jüngeren Rivalin, Lady Elisabeth Craven, geborene Lady Berkeley, verdrängt wurde. Beide Frauen schreiben in Briefen und Memoiren sehr böse übereinander und wie könnte es anders sein. Die Ansbacher gaben Mlle. Clairon entschieden den Vorzug und am Ende mußten sie es wissen. Auch spricht der Abschiedsbrief, den sie an ihren fürstlichen Freund schrieb, nachdem eine Co-Existenz der Damen sich als unmöglich erwiesen hatte, für ihre Selbstlosigkeit und Noblesse. Tatsache ist denn auch, daß während ihres Aufenthaltes in Ansbach der Markgraf an Abdankung oder Auswanderung nie gedacht hat; daß er aber bald nachdem Lady Craven sich dort niedergelassen hatte, mit diesem Gedanken zu spielen begann. Alexander, schreibt Lady Elisabeth Januar 789, »wird mit dem Adel seines Landes nie glücklich oder zufrieden sein. Ich habe diese Menschen jetzt genau studiert und kann Ihnen versichern, daß sie eines so guten Herren und Meisters ebenso unwürdig sind, wie er einer wirklich anhänglichen Umgebung würdig wäre.« Daß sie auch die Sitten der ansbachischen Frauen auf das schärfste tadelt – man könnte, schreibt sie, ebenso gut Damen vom STRAND einladen wie diese, und Sie erraten, welche Art von Damen man auf dem STRAND finden konnte – das klingt ein wenig ungereimt, insofern die Sitten der Britin selber nicht die lobenswertesten 54
gewesen zu sein scheinen. Als sie noch in London lebte, brachten die Zeitungen dort Ehebruchs-Skandalgeschichten über sie, zumal den französischen Botschafter betreffend, wie es unsere heutige Boulevardpresse besser nicht könnte. Sie führten zu einer Trennung, nicht Scheidung, mit einer Apanage von 500 Pfund; zu Reisen – in Versailles lernte sie den Markgrafen kennen –, Reisen von ungewöhnlicher Weite und Kühnheit, Warschau, Petersburg, Moskau, die Krim, Konstantinopel, Reisen, von denen sie die lebendigsten Briefe schrieb, wie sie denn überhaupt eine hochbegabte Frau war; als Dichterin von Komödien, Sonetten, Scharaden, Liedern oder Songs in englischer und französischer Sprache, als Übersetzerin, als Reisende, als überall anregende Dilettantin, als durch keine Unglücksfälle oder Niederlagen zu erschütternde, genialisch-praktische Organisatorin ihrer unsteten Existenz. Eine so ungewöhnliche Persönlichkeit provoziert Abneigung wie auch Bewunderung, je nach ihrer eigenen Laune oder Kalkulation wie nach dem Charakter ihrer Partner. Die Ansbacher mochten sie überwiegend gar nicht, und sie zahlte es ihnen heim, indem sie etwa eine Komödie verfaßte, »Le philosophe moderne«, in welcher ihre bedeutendsten Feinde, zum Beispiel der Minister von Seckendorff, als lächerliche Karikaturen auftraten. Auch am Berliner Hof stieß sie die Leute durch ihr hochmütig-muffiges Auftreten vor den Kopf, zumal, wenn sie irgendwo Feindschaft witterte. Andere, auch Deutsche darunter, 55
konnten in Lobpreisungen über sie sich nicht genug tun: ihre trotz sieben Kindern wohlerhaltenen Reize, die kastanienfarbenen Haare, die herrlichen Augen, die weiße Haut; dann ihre natürliche Heiterkeit, verbunden mit würdigstem Auftreten, aber ohne jede Pedanterie; ihr Gespräch, das an Witz jenem des Herrn von Voltaire gleichkam. Ihr Verhältnis zu Alexander beschreibt, ich denke treffend, ein britischer Landsmann in einem Brief des Jahres 79: »Der Markgraf ganz Güte, ganz Schwäche und Resignation, my Lady ganz Augen, ganz Nase, Feuer und Zorn, wütend gegen alle ihre Verwandten, die ihr nicht erlauben wollen, nach ihrem eigenen Wunsche zu leben, wütend besonders gegen die abscheulichen Deutschen – beastly Germans –, welche nun ihr Schuld daran geben, daß ihr geliebter Souverän um seinen Verstand und um seine Länder gekommen sei.« Nach Ansbach brachte sie ihren jüngsten Sohn mit, ein siebenjähriges Bübchen mit dem sonderbaren Namen Keppel, den Lord Craven als seinen nicht anerkennen wollte. Dieser Knabe durfte mitspielen, wenn nun in Triesdorf Theater gespielt wurde. Man spielte Stücke oder Übersetzungen von Lady Elisabeth wie auch Werke bekannterer Autoren, und wer bei Hof etwas gelten wollte, spielte mit. Die Lady selbst übernahm in einem Stück mehrere Rollen, so wie die Direktorin des Wandertheaters in einer Erzählung Ludwig Thomas, welche von der Aufführung von »Kabale und Liebe« in der Kleinstadt handelt. Die 56
in Triesdorf gespielten Stücke wurden in drei Bänden im Druck veröffentlicht; und wie harmlos-phantastisch-orientalisch, wie auch schon von fürstlicher Selbstverspottung angekränkelt waren die französischen Reimereien, die aus Lady Cravens Feder quollen. Um zu zitieren. Ali: »Die Souveräne lieben weder die Wahrheit noch die Offenheit und das ist um so schlimmer für uns Untertanen.« Aber nun verdunkelt sich das Theater, liebliche Musik ertönt, ein Genius, gespielt von Lady Craven, erscheint, und macht alles wieder gut. Zwischen Triesdorf und dem Kleinen Trianon der Königin Marie Antoinette lag viel Land, aber geistige Verwandtschaft auch; vorrevolutionäres Spätrokoko, wenn man es denn mit einem gelehrten Namen bezeichnen will. Ferner ließ die Lady in Triesdorf einen englischen Garten anlegen, und dann gründete sie einen literarischen Club, und dann gründete sie ein Erziehungsheim für Kinder, konnte aber keine geeignete deutsche Leiterin dafür finden; denn, so berichtet sie uns: »Die Frauen in Deutschland waren schon so revolutioniert und emanzipiert (equalized)«, daß sie für eine solche Verantwortung sich nicht eigneten. Insgesamt rühmt sie sich, etwas »elegante Heiterkeit« nach Ansbach gebracht zu haben, und das wird man ihr zugeben. Soviel über den Hof. Und das Land, das ihn trug, der Staat, aus dessen Einkünften er sich bezahlt machte? Kaum kann man hier von Land oder Staat sprechen. Ansbach hatte keine klar bezeichneten Grenzen, wie die Markgrafschaft Baden, die Landgrafschaft Hes57
sen-Darmstadt sie doch hatten. Eher war es ein schwindelnd kompliziertes System von Gerechtsamen, Forderungen, wechselseitigen Verpflichtungen, durchkreuzt von den Rechten und Pflichten solcher, die des Markgrafen Untertanen nicht waren, vielmehr selber welche hatten, obgleich sie oft, nämlich die Reichsritter, ärmer waren als die Fabrikanten und Handelsleute der Residenzstadt. Von den etwa 40 000 Einwohnern der seit 769 in einer Art von Personal-Union vereinigten Markgrafentümer Ansbach und Bayreuth – aber die Bayreuther Regierung unterstand der Ansbacher – waren 270 000 dem Markgrafen direkt Untertan, 40 000 waren es nicht, sie gehörten zu ganz, häufiger nur teilweise innerhalb des Gebietes eingesessenen Adelsherrschaften, teils bedeutenden, teils minimalen. Diese Wirrsal führte zu immerwährenden Prozessen vor den Reichsgerichten; sie erschwerte die Aufgaben gewaltig, die dem Markgrafen am Herzen lagen, Meliorationen in der Landwirtschaft, den Bau von Chausseen, sie machte indirekte Steuern unmöglich, Kaffee und Zucker konnten ja nicht teurer für die Einen sein als für die Anderen. Ein solches ungeplantes, irrationales Netz von Rechten und Gegenrechten hilft uns den Satz verstehen, der sich in dem geheimen Abdankungsvertrag zwischen Alexander und dem König von Preußen vom Januar 79 findet: Der Markgraf sei, ich zitiere, »müde der fortdauernden vielen Hinderungen, Chikanen und Prozesse, die er bei den besten Absichten, seine Lande und guten Untertanen glücklich zu 58
machen, während seiner dreiunddreißigjährigen Regierungszeit in zahlloser Menge habe erfahren müssen«. Es war dies nicht das einzige Motiv für seinen Rückzug ins Privatleben, aber eines gewiß. Haupteinnahme der Herrschaft war die Grundsteuer, was bedeutete, daß die Bauern ungleich mehr beitrugen als die Städter. Aber die Bauern galten als zufrieden und vergleichsweise wohlhabend; die Bürger auch und selbst die Beamten, trotz kümmerlicher Bezahlung. So gesteht selbst der Historiker ein, dem die eben gegebenen Informationen, unter anderen, zu verdanken sind; entschieden ein Schüler Heinrich von Treitschkes und gründlicher Verächter der Kleinstaaterei. Er spricht von einem »behaglichen Stilleben«. Was wäre, isoliert betrachtet, dagegen denn einzuwenden? Aber das Zeitalter wollte auf Zentralisierung, Rationalisierung und Macht hinaus und genau das ahnte der wenig kraftvolle, kluge und feinfühlige Markgraf. Ob aufgeklärter Absolutismus oder Französische Revolution oder dann Napoleon: In dieser großen Frage strebten sie alle dem gleichen Ende zu. Behagliches Stilleben gab es einstweilen auch in der guten Stadt Ansbach. Beamte, Bibliothekare und Hofgeistliche, Hofkammerräte und Justizratssekretäre mochten zugleich Philosophen sein, Dichter, Liebhaber des Horaz, den sie gemeinsam lasen, in der Originalsprache selbstverständlich, Liebhaber des Weines, aber mit Maßen, genossen im Freundeskreis. Einer solchen allwöchentlich sich treffenden Vereinigung gehörte der Dichter und markgräfliche Justizbe59
amte Johann Peter Uz an, der von seinen 76 Jahren volle siebzig in Ansbach verbrachte; wir kennen sein wohlverdientes Denkmal im Hofgarten. Ein trauernder Hasser des Krieges wie Matthias Claudius in Wandsbek; Autor eines langen und reizenden Lehrgedichtes »Versuch über die Kunst, stets fröhlich zu sein«, ein wenig im Stil Alexander Popes. 47 Jahre alt ließ er in Karlsruhe seine gesammelten Werke erscheinen, zu denen er in einem Vorwort bemerkte: »Es ist gewiß, daß, unter allen Schriftstellern, sonderlich die Dichter einen gewissen Zeitpunkt haben, wo sie zu schreiben aufhören sollen; es ist nur zu bedauern, daß sie unter allen am wenigsten diesen Zeitpunkt bemerken. Vielleicht habe ich schon zu lange geschrieben; und in diesem Falle wird man es gerne sehen, daß ich aufhöre.« Auch der vernunftliebende, Unvernunft betrauernde, zart-ironische, lebensfreundliche Geist Uzens gehört zum facettenreichen Geist dieser Zeit; durchaus verwandt jenem, der in Schloß Triesdorf die Stücke der Lady Craven aufführte, wenn auch um einige Stufen höher und ernster. Noch immer, wenn auch kurz vor dem Ende, war die Gesellschaft durchaus ständisch geordnet und fühlte sich so, viel mehr so, als jene in Bereichen von weiteren Dimensionen, etwa in Berlin, wo Adel, Bürgertum und Bohème schon eng beieinander, oft durcheinander lebten. Eine »Pinakothek oder Bildergalerie der beiden nunmehr Königlich preußischen Fürstentümer Ansbach und Bayreuth«, erschienen 793, enthält folgende Abschnitte: Erstens, Fürstlich60
keiten. Zweitens, Gräfliche und adelige Personen beiderlei Geschlechts. Drittens, Gelehrte bürgerlichen Standes, Rechtsgelehrte und Staatsmänner, Ärzte, Apotheker, Mathematiker, Dichter, Geschichtsschreiber, Philologen und Philosophen. Viertens, Künstler und Virtuosen, Kaufleute, Handwerksleute und andere unbekannte Personen, welche nicht füglich in eine der obigen Klassen haben können gebracht werden, auch Porträts der Hofnarren und anderer famoser Personen. Endlich, Frauenzimmer bürgerlichen Standes. – Bauern, obgleich sie die besten Steuerzahler waren, erscheinen gar nicht. In der Stadt Ansbach erschien eine Wochenzeitung, die »Onolzbachischen wöchentlichen Frag- und Anzeigungs-Nachrichten«, auch »Intelligenzblatt« genannt. Sie brachte auf der ersten Seite die »Avertissements« der Behörden, wenn es solche gab, auf der letzten regelmäßig eine Preisliste für alles, was der Bürger so zu seinem Stilleben brauchte, von Fleisch und Fisch über Gemüse und Mehl bis zu Wachslichtern. Dazwischen Mitteilungen über Gesuchtes und verloren Gegangenes, Vermietungen, gesuchte oder angebotene Capitalien, Taufen und Todesfälle und, das war wohl das Interessanteste, eine Aufzählung der Besucher von Distinktion, welche durch die unterschiedlichen Stadttore eingezogen waren und je nach Rang und Vermögen in den Gasthöfen der Stadt logierten; im Stern, in der Sonne, in der Krone, im Löwen oder Bären: Ihre Durchlaucht, die Erbprinzessin zu Hohenlohe-Ingelfingen, mit einer Suite von 6
acht Personen, wie auch Herr Geheimrat von Zwanziger aus Nürnberg im Stern, Herr Fabrikant Bierdimpfel aus Weyhenzell nur im Grauen Wolf. Diesem Bierdimpfel konnte ich, nicht ohne Mühe, auf die Spur kommen. Er besaß eine Papiermühle mit sieben Arbeitern, für Ansbach schon ein beträchtliches Unternehmen, und ließ im Jahr für 000 Gulden Materialien verarbeiten, hätte aber der Anlage seines Werkes nach, gut das Doppelte verarbeiten können, wenn er nur gewollt hätte. Von dem gefertigten Papier ging der vierte Teil ins Ausland … Wer Nachrichten aus dem weiten deutschen Reich, gar aus der noch weiteren Welt wünschte, aber das waren wohl nur die Wenigsten, der mußte sie sich aus Nürnberg oder Augsburg mit reichlicher Verspätung beschaffen. Ein dunkler Fleck im Gemälde des Stillebens ist der sogenannte Soldatenhandel, beruhend auf einem im Jahre 777 zwischen dem Markgrafen und seinem Vetter Georg III. von England geschlossenen Vertrag. Ich muß ihn aber erwähnen, der Ehrlichkeit halber und weil gerade er uns zu der Gründung führen wird, welcher unsere Feier gilt. In der Frage nach Bewertung oder Verurteilung von Taten und Praktiken in ferner Vergangenheit gab es längst zwei radikale Standpunkte. Der eine, der historische genannt: Wir müssen alle Vergangenheit aus sich selber heraus verstehen und haben kein Recht, ihr gegenüber die moralischen Maßstäbe unserer eigenen Zeit anzuwenden. Der andere: gut ist gut und schlecht 62
ist schlecht, zeitlos; darum ist alle Vergangenheit schlecht mit Ausnahme der Wenigen, die schon in der Antike, die schon im Mittelalter ungefähr so dachten, wie wir heute denken oder zu denken vorgeben. Es war dies der Standpunkt der »Aufklärung« im späten 8. Jahrhundert, der Standpunkt Immanuel Kants, und er wird auch heute wieder verfochten von Historikern, die Kantens Tiefsinn allerdings nicht haben. Ein nicht dogmatisch entschlossener oder verschlossener Historiker wird von beiden Ansichten Gebrauch machen, je nachdem; er wird zum Beispiel in den Hexenprozessen des 7. Jahrhunderts einen Schandfleck der deutschen Geschichte sehen, aber nicht in den Menschenopfern, die von archaischen Religionen guten Glaubens inspiriert waren. Soldat oder Matrose in fremdem Dienst zu sein war im 8. Jahrhundert das Schicksal von vielen in vielen Ländern. In der schweizerischen Eidgenossenschaft gab es keine Fürsten, die Soldatenhandel hätten betreiben können; und doch finden wir Schweizer, selbst in geschlossenen Einheiten, in zahlreichen Armeen Europas, denken wir nur an die Schweizer Garden des letzten Königs von Frankreich und ihre tragische Selbstaufopferung 792. Was Schweizer als Individuen taten, freiwillig, wenn man da von freiem Willen reden darf, wo Armut zu Hause der Grund war, das taten einige deutsche Fürsten von Obrigkeits wegen; besonders dann, wenn das Geld, was sie für das Ausleihen ihrer Regimenter erhielten, nicht dem eigenen Luxus diente, sondern dem Gemeinwesen. Dies war in Ansbach der Fall. 63
Alexander behielt keinen Pfennig für sich. Auch wurde den Soldaten nichts von der Löhnung abgezogen. Die englischen Subsidien dienten der Tilgung der Schulden, die auf dem Lande lasteten, dienten nebenher den Zahlungen an zurückgekehrte Invaliden oder Witwen von Gefallenen. Der größere Teil der Soldaten waren Wehrdienstpflichtige, die eingezogen und zur Einschiffung gezwungen wurden. Es gab aber auch eine ganze Menge Freiwillige, die Offiziere sowieso, dann Junge und Alte, die das große Abenteuer suchten, sogar sehr wohlhabende junge Leute, die in Amerika ihr Vermögen zu vergrößern hofften. Schließlich hatte das Unternehmen eine Folge, die zwar keineswegs eingeplant war, aber als positiv doch anzusehen ist. Es war auch eine Art von organisierter, billiger Auswanderung. Schon im Mai 776 hatte Benjamin Franklin erklärt: »Die deutschen Hilfstruppen kommen. Unser Ziel muß sein, ihre Rückkehr zu verhindern.« So geschehen. Eine geschickte, aber ausnahmsweise ehrliche psychologische Kriegführung der Amerikaner brachte es zuweg; in Flugblättern wurden Deserteuren und Kriegsgefangenen große Landgeschenke, 200 Hektar pro Person, zugesagt. Und so blieben von den 2 500 Ansbachern, die nach Amerika geschickt wurden, 700 für immer drüben; teils in den Colonien, teils auch in Nova Scotia. Die grausamen Härten, die mit eingingen, sollen keineswegs bestritten werden; wenigstens hatte der Markgraf die Todesstrafe für Desertion verboten. Was gegen das Ganze sprechen muß, ist, daß der europäi64
sche Geist an seiner Spitze schon darüber hinaus war; daher der Zorn der deutschen Dichter, Schiller, Schubart, Herder, auch unser guter Johann Peter Uz. Die Menschenrechte waren ja schon erdacht, zehn Jahre später erschienen sie, nicht alle, aber wesentliche, in der neuen amerikanischen Verfassung. Aber bis solche Ideen die Wirklichkeit ganz durchdringen, das dauert sehr, sehr lange; wir wissen es heute und hätten es immer wissen können. Die Gründung der Hofbank, 780, stand im Zusammenhang mit den aus London einfließenden Geldern. Ihre Einwechslung und der damit verbundene Gewinn sollte nicht Nürnberger Handelsleuten, sondern den Markgrafentümern selber zugute kommen. Als ich jung war, gab es ein Büchlein, »Weltgeschichte in einer Stunde«. So etwas zu schreiben war kühn genug; aber noch dreister, in wenigen Minuten eine Vor- oder Frühgeschichte des europäischen Bankenwesens zu bieten. Es ist die Rede von Banken ungefähr im heutigen Sinn des Begriffes, nicht von Großhändlern, die neben vielem Anderen auch mit Geld handelten, wie die Fugger oder Wallensteins Bankier de Witte schon Jahrhunderte früher getan hatten. Es ist eine stürmische Geschichte, voll von Enttäuschungen, Täuschungen auch und Katastrophen, besetzt von einer Skala menschlicher Typen, die von echten, ja genialen Könnern über allerlei spekulative Projektemacher reicht bis zu selbstsüchtigen Gauklern, die noch immer etwas von der Goldmacherei, Zettelmacherei an sich hatten. Sie alle aber wußten oder 65
ahnten, daß hier etwas unterwegs war, weil es gebraucht wurde, weil die europäische Ökonomie allmählich reif dafür geworden war. Dabei herrschte lange ein Vorurteil, über das noch Friedrich der Große in dem schon erwähnten Bericht sich lustig macht: Banken seien möglich in Republiken, Venedig, dann Amsterdam, Hamburg, in bescheideneren Dimensionen Nürnberg, aber nicht in Monarchien. Dies Vorurteil wurde zuerst gebrochen durch die Gründung der Bank von England, 694. Ihr folgte die Banque Generale, später Banque Royale in Paris, das Unternehmen des John Law, eines Finanz-Genies, wenn es je eines gegeben hat. Laws Erfolge waren vier Jahre lang wahrhaft erstaunlich und ebenso nützlich, ohne eigentlich unsolide zu sein; er scheiterte eben an der Größe des Erfolges, an dem unsinnigen Spekulationsfieber, das nicht so sehr die Bank wie die mit ihr verbundene Compagnie des Indes hervorrief und zuletzt zu einer Panik führte, viel schlimmer als jene des Schwarzen Freitag September 929 in Wallstreet; er scheiterte auch an seinen konservativen Feinden, die den allmächtig gewordenen Schotten haßten, die nicht an Papiergeld, nur an Gold und Silber glaubten und die Panik bewußt geschürt hatten. Es blieb die eine Folge, die radikale Inflationen später noch mehrfach haben sollten: der Staat war seine Schulden los und konnte nun wacker beginnen, neue zu machen. Übrigens wirkte das Experiment so entmutigend, daß es zu einer zweiten Banque de France unter einem noch größeren Könner in allen Bereichen, denen er 66
sich zuwandte, Napoleon, erst 80 Jahre später wieder kam. Es folgten die Königlichen Banken in Kopenhagen und Stockholm, deren Frühgeschichte gleichfalls eine stürmische war; dann, 765, die Gründung der »Königlichen Giro und Lehnbanco« in Berlin. Charakteristisch ist in den Gründungsakten der preußischen, wie später auch der Ansbacher Bank, abwechselnd von »Banco« und »Banque« die Rede; erst allmählich hat das deutsche Wort sich durchgesetzt. Die Ideen, die bisherigen Erfahrungen und durch sie erworbenen Kenntnisse kamen eben großenteils aus Italien und Frankreich, wie auch König Friedrich sich als Berater zunächst einen halbfranzösischen Italiener hielt, Calzabigi mit Namen, Freund des Abenteurers Casanova, von dessen gigantischen Projekten er sich zunächst überzeugen ließ. Eine ungeheure Aktiengesellschaft sollte es sein, zusammengebündelt in unterschiedlichen Abteilungen, was, ich möchte sagen, die noch nicht durchschauten biologischen Gesetze einer Bank nicht vertrugen: die Ausgabe von Noten, mittels derer man den Geldwert zu stabilisieren, den Preis des Goldes zugleich drücken und es im Lande zu behalten hoffte, dann das Versicherungsgeschäft, dann gewaltige Produktions- oder Handels-Monopole, wie auch die Bank John Laws das Tabakmonopol sich beigelegt hatte. Der Plan scheiterte daran, daß die hartköpfige preußische Kaufmannschaft von den Aktien, trotz der versprochenen höchst lukrativen Dividenden, nichts wissen wollte: von den erhofften 25 Millionen Talern wurde kaum eine einzige 67
gezeichnet, worauf der König sich von seinem fremden Fachmann trennte, um den Rat seiner bescheideneren, aber genaueren und selbstloseren preußischen Oberbeamten zu akzeptieren. Die Bank, wie sie dann unter ihrem ersten Präsidenten, Minister Graf von Reuss, gegründet wurde, beschränkte sich auf Geschäfte, die man auch heute noch als eigentliche Bankgeschäfte ansieht. Trotzdem mußte sie noch manche Tragödie oder Tragikomödie durchstehen, bis sie, zweimal reorganisiert, seit 768 auf einigermaßen festen Füßen stand; eine Zettel- und Depositenbank, mit dem Recht, Banknoten auszugeben, die als Zahlung im ganzen Königreich anzunehmen waren, ferner, Wechsel zu diskontieren und Anleihen zu gewähren, zumal Lombard-Anleihen, kurzum, eine Masse kleinerer Depositen in fruchtbringende Kapitalien zu verwandeln. Als eigentliche Staatsbank litt sie darunter, daß ihre Gewinne periodisch vom Fiscus abgeschöpft wurden, vor allem, um mit ihnen den Wiederaufbau der vom langen Krieg verwüsteten preußischen Ostprovinzen zu finanzieren, während sie mit unvermeidlichen Verlusten fertig werden mußte, wie sie konnte. Immerhin durfte sie im Jahre 780 als ein dem Land nützliches Institut gelten, wie dies auch der König in seinem Bericht unterstreicht, die Krisen und Enttäuschungen, zumal des Anfanges, mit Schweigen übergehend. Die Berliner Bank wurde zum Vorbild der Ansbachischen Hofbank. So wie Markgraf Alexander nach einem Besuch in Berlin die von seinem Vater über68
kommene, dank der Qualität ihrer Produkte entschieden erfolgreiche Fayence-Manufaktur verkaufte, um statt ihrer eine Manufaktur für weißes Porzellan, nach dem Beispiel der königlich-preußischen, zu gründen, so ließ er auch durch die Berliner Bank sich zur Gründung seiner eigenen anregen, wobei freilich die unvergleichlich engeren Dimensionen der Herrschaft die ebenso bescheideneren der Bank bestimmten. Auch verhielten die Ansbacher sich mißtrauisch gegenüber einem ihnen völlig fremden Unternehmen. Daß ein guter Kaufmann stets Schulden haben müsse, diese längst selbstverständliche Weisheit hatte bei ihnen sich noch nicht herumgesprochen; Schulden, meinten sie, schadeten dem Kredit, während man ihrem Festredner vor 35 Jahren in Californien genau das Gegenteil auseinandersetzte. Mußte man aber eine Anleihe aufnehmen, dann lieber bei zahlkräftigen Privaten als bei einer Bank, deren Operationen unmöglich geheim bleiben konnten. Im ersten Jahr belief der Reingewinn sich auf ganze 254 Gulden. Er erhöhte sich im nächsten, nachdem die Bank begonnen hatte, Noten auszugeben, die genaugenommen zu zweieinhalb Prozent verzinsbare Depositenscheine waren, jedoch an Geldes Statt, in Abschnitten von eintausend bis hinunter zu fünf Gulden, im Lande umlaufen sollten, so jedoch, daß sie jederzeit in bare Münze einlösbar blieben, weshalb die Leiter der Bank, vorsichtig wenigstens in dieser Beziehung, stets genügend Edelmetall auf Vorrat hielten. Auf die Dauer erwies es sich als leichter, Depositen zu erhalten, als 69
sie in Hypotheken, Beleihungen von Warenlagern und Ähnlichem lukrativ anzulegen. Fabriken gab es im Lande sehr wenige: die Tabakfabrik, die Puderquastenfabrik, die ehemals markgräfliche Fayencenfabrik, Herrn Bierdimpfels Papiermühle und noch ein paar andere; bei weitem die größte war die markgräfliche Porzellanmanufaktur mit dreißig Arbeitern. Diese Bedingung erlaubte nur geringfügige Transaktionen; das Motiv, durch Angebot mit sechs Prozent verzinslicher Kapitalien zu industriellen Erweiterungen oder Neugründungen anzuregen, fand in dem ungünstig abgelegenen Ländchen kaum Widerhall. Im Durchschnitt belief der Reingewinn sich in der Markgrafenzeit auf etwas über 0 ooo Gulden im Jahr, insgesamt auf 5 000; aber dieser Gewinn bestand zu einem guten Teil aus ungesicherten Forderungen. Man darf also nicht sagen, daß die Bank während dieser elf Jahre die auf sie gesetzten Hoffnungen ganz erfüllt hätte. Immerhin wurden Beziehungen zu Handelshäusern des Auslandes, Holland, Frankreich, angeknüpft, auch ein großes Handels-Adreßkonto angelegt, von dem Gebrauch machen mochte, wer es wünschte. Die Vereinigung der beiden Fürstentümer mit Preußen, 792, brachte dann, auf die Dauer, einen beträchtlichen Aufschwung, obgleich die Bank nun der Berliner unterstellt war und man die »PupillenDepositen«, die Gelder der Waisen, nach Berlin transferierte, weil man den Ansbachern die zuverlässige Verwaltung so vcrantwortungsschwcrcr Kapitalien nicht zutraute. Der Aufschwung wurde gefördert 70
durch die Verlegung der Bank nach Fürth, 795, wegen der ungleich schnelleren Postverbindungen dort und der Nähe Nürnbergs samt seiner industriereichen Nebenorte. 795, das ist das Jahr des Friedens von Basel, des ersten Friedensschlusses zwischen der französischen Republik und einer europäischen Monarchie, eben der preußischen, vertreten durch den Minister Karl August von Hardenberg, seit 79 leitender Minister in Ansbach und Bayreuth. Es mußte auch die ehemals Ansbachische Hofbank Hardenbergs kostspieligen Aufenthalt in Basel finanzieren. In diesem denkwürdigen Vertrag überließ Preußen der Republik alle deutschen Lande westlich des Rheins und erhielt dafür die dauernde Neutralisierung ganz Nord- und Mitteldeutschlands zugesichert. Das dauerte elf Jahre, Friedensjahre inmitten der einander jagenden großen europäischen Koalitionskriege, 792 bis 797, 798 bis 80, 805 bis 806, richtiger 807. Diese zuletzt trügerische, ja verräterische FriedensInsulierung trug Früchte, solange sie dauerte; ohne sie wäre das weimarische Dichter-Doppelidyll nicht möglich gewesen, nicht die große Zeit der Berliner Romantik und Bohème, und auch nicht der Aufschwung der Bank in Fürth. In der alten Zeit pflegten ja neutrale Staaten aus Kriegen oft Vorteile zu ziehen, nämlich zu ihrer Finanzierung gegen Gewinn beizutragen; da Ansbach und Bayreuth preußisch waren, so griff die preußische Neutralität hier über die Demarkationslinie tief nach Süddeutschland hinein. Englische Subsidien für das verbündete Österreich gingen 7
über Fürth; nach Fürth transferierten Wiener Bankhäuser große Summen zur Anschaffung von für die Kriegführung benötigten Dingen; südwestdeutsche, vom Krieg heimgesuchte Kapitalisten suchten das Ihre zu retten, indem sie, was noch zu retten war, der Fürther Bank anvertrauten; westdeutsche Fürstlichkeiten suchten in Ansbach Zuflucht samt ihren Damen und Ministern und soviel werthaltigem Hab und Gut, wie sie mit sich führen konnten. Insgesamt hatten die ehemaligen Markgrafentümer, damit auch Fürth und Erlangen, trotz gewisser später Heimsuchungen, die ich hier nicht erwähnen kann, wahrhaft erstaunliches Glück. Bis 806 stand sie unter dem Schutz der preußischen Neutralität. Als aber Preußen im Herbst 806 viel zu spät in den dritten Koalitionskrieg eintrat, in den es, wenn überhaupt, dann ein Jahr früher hätte eintreten sollen und nicht, nachdem Österreich längst schon wieder ausgeschieden war, als es nun intervenierte, und prompt auf das radikalste besiegt wurde, was zum Totalruin der Berliner Bank führte, da war Ansbach schon ein halbes Jahr bayerisch, da hatte Preußen, knapp ein paar Wochen, bevor es Napoleon den Krieg erklärte, die Fürther Bank schon an Bayern überlassen, da war nun Bayern mit dem französischen Sieger verbündet und die Verlegung der nun königlich bayerischen Bank in das nun gleichfalls bayerische Nürnberg konnte in einem, was die Grenzen des neuen Königreiches betraf, einstweilen gesicherten Frieden erfolgen. Weiter darf ich ihre Schicksale nicht verfolgen. 72
Bankgeschichte ist Fragment der Wirtschaftsgeschichte und diese von der politischen im Ernst nicht zu trennen. Napoleons Wort, »Die Politik ist das Schicksal«, galt damals, wie vorher, wie später auch. Wirtschaft bedeutet produktive Arbeit, also das Leben. Sie trägt es, sie machts möglich. Sie macht das Leben möglich und den guten Sinn der Politik, wenn Politik einen guten Sinn ergibt; sie macht aber auch, ob sie will oder nicht, den Unsinn und den Tod möglich, wenn die Politik Unsinn macht und zum Tode führt. Man gibt dann gern der Wirtschaft die Schuld an dem, was sie möglich machte. Das leuchtet ein auf den ersten Blick, ist aber ein Trugschluß. Die Frage, wer für den Gang der Geschichte Entscheidenderes beitrage, die Wirtschaft oder die Politik, könnte als »Henne oder Ei«-Frage erscheinen, aber sie ist es doch nicht. Viel öfter als nicht hat die im Vergleich mit der Wirtschaft parasitäre Macht, die Politik entschieden, zumal in den großen Krisen der Geschichte. Übten aber, was viel seltener geschah, als heute geglaubt wird, große Financiers oder Industrielle wirklichen Einfluß auf die Politik, dann wurden sie selber zu Politikern, oft zu dummen, und kein Wunder; denn die Wirtschaft, für sich genommen, muß rational sein, die Politik sollte es auch, aber ist es, und zwar ihrem eigensten Wesen nach, nur zu oft nicht, wie wir auch in unserem Jahrhundert überreichlich erfahren haben und weiterhin erfahren müssen. Zufällig war es so, daß die Politik in den siebzehnhundertneunziger Jahren, dann noch im ersten Jahrzehnt des 73
9. Jahrhunderts, unsere Bank überwiegend begünstigte. Über die Tätigkeit Karl August von Hardenbergs in Ansbach und Bayreuth wäre manches nicht Uninteressante zu sagen. Der ehemals braunschweigische, nun preußische Minister war 790 noch von Markgraf Alexander berufen worden, um die heimlich schon beschlossene Vereinigung mit Preußen vorzubereiten. Er blieb nach Alexanders Abdankung und schritt nun zu jener königlichen Revolution von oben, wie er sie später, als Nachfolger Steins, in Preußen betrieb. Mit dem behaglichen Ansbacher Stilleben nahm es schon damals ein Ende. Oberherr war nunmehr der König von Preußen, nicht mehr der Römische Kaiser, und alle Beziehungen zum »Fränkischen Kreis« wurden abgebrochen. Die Vermischung von »Hintersassen« und unmittelbaren Untertanen verschwand; die im Land eingesessenen Reichsritter, die dort possedierten Dynasten, die Grafen von Giech und Thurnau und Pappenheim, die Fürsten von Hohenlohe-Ingelfingen und Neuenstein und Bartenstein mußten auf wesentliche Privilegien, zum Beispiel jenes, Rekruten auszuheben, verzichten. Auch der Universität Erlangen ging es an den Kragen; Hardenberg und seine Berater hielten die Professoren für zur Selbstverwaltung eines solchen Instituts völlig ungeeignet, auch die alljährliche freie Wahl eines Rektors für lächerlich. Schule – »Volkserziehung« – und Kirche wurden völlig voneinander getrennt. War das Gymnasium Illustre Carolo-Alexandrinum schon in der Markgrafenzeit in 74
guter, ehrwürdiger Ordnung gewesen, so stand es, mit dem neuen Maßstabe gemessen, arg veraltet um die Volksschulen im Lande; unter der Aufsicht von Geistlichen lehrten da pensionierte Zöllner, Handwerker, oder wer sonst eines Nebenerwerbes bedurfte. Hardenberg entzog der Kirche jegliche Schulaufsicht und schuf ein Lehrerseminar. An Religion wenig interessiert, ließ er die Kirche nur insoweit gelten, wie sie dem Staat Untertan und ihm nützlich war. Gutes Reichsrecht waren die Mehrzahl seiner Reformen nicht. Aber das Reich lag nun in den letzten Zügen und Hardenberg wußte es. So tat er manches, was Alexander wohl auch gern getan hätte, aber, nur einer der Dynasten im buntscheckigen, erzkonservativen Franken, nicht hatte tun können. Am Ende darf ich zu dem zurückkehren, womit ich anfing: zu Alexander und seinem engsten Umkreis. Seine Abdankung wird manchmal einem Verkauf seines Landes an Preußen gleichgesetzt, was völlig falsch ist. Durch hohenzollernsche Familienverträge, zuletzt durch den Friedensvertrag von Teschen zwischen Preußen und Österreich, welcher dem bayerischen Erbfolgekrieg, dem »Kartoffelkrieg« ein Ende setzte und auch von den Großmächten, Rußland und Frankreich, garantiert wurde, war längst bestimmt, daß die Lande des kinderlosen Markgrafen nach seinem Tod an Preußen fallen sollten. Seine Abdankung kam in diesem Sinn seinem Tod gleich und der Rest ergab sich staatsrechtlich von selber. Sicher ist, daß er des Regierens müde war und sich den Lebensabend 75
eines kultivierten Epikuräers wünschte. Sicher, daß Lady Craven ihn in dieser Neigung bestärkte. Dazu kam nun, und es mag für die Wahl des Moments entscheidend gewesen sein, seine tiefe Erschütterung durch die Französische Revolution, deren weittragende Folgen, war sie auch noch in ihren vergleichsweise – ich sage vergleichsweise – harmlosen Anfängen, er wie wenige Andere voraussah. Mit des Reiches Herrlichkeit, und so auch mit seinen Fürsten, ganz sicher den kleineren und kleinsten, würde es demnächst ein Ende nehmen; allenfalls ein mächtiges Königreich wie Preußen würde seine Länder Ansbach-Bayreuth, und was er für sie getan hatte, noch beschützen können. Er fand es besser, freiwillig zu gehen, als demnächst sich schmählich vertreiben zu lassen, und zu gehen unter so günstigen Bedingungen, wie aus einer freiwilligen Abdankung herauszuholen waren. Die angenehmste war eine von Preußen ihm zu zahlende jährliche Leibrente von dreihunderttausend Thalern; genug um in Britannien, in der Hauptstadt und auf dem Land, nach seiner Gewohnheit Geselligkeit, Theaterspiel, Lektüren, Pferdezucht vergnüglich fortzusetzen. Lady Craven wurde nun seine angetraute Gemahlin, welche Heirat ein Glückszufall ermöglichte: Alexanders melancholische Gattin starb 79 in Schwaningen und Lord Craven ein halbes Jahr später. Was die Ansbacher betrifft, so erfuhren sie von der Abdankung ihres Herrn erst, nachdem er sich, allem Pathos, aller Tragödie abhold, zusamt seiner Freundin in aller Stille schon aus dem Staub gemacht hatte; die 76
feierliche Kundmachung, datiert aus Bordeaux, erschien in der Ansbacher-Intelligenz-Zeitung am 8. Februar 792: »… daß Wir aus eigenem Antrieb und nach reiflichsten Überlegungen, auch wichtigsten Bewegungsgründen längst den Vorsatz gefaßt, uns der Regierungsgeschäfte und der damit verknüpften Sorgen und Beschwerden gänzlich zu entledigen, um entfernt von denselben, Unsere übrigen Tage an einem, nach eigenem Gefallen zu erwählenden Orte in Ruhe zuzubringen.« Weiter in diesem Stil. In der gleichen Nummer der Zeitung offeriert Kommerzien-Rath Beissbarth ein großes Assortement erlesenster ausländischer Weine zum halben Preis. Man hat den Verdacht, es handle sich da um Bouteillen, die der hohe Ausreißer in seinen Kellern zurückgelassen hatte. Der Choc der markgräflichen Kundgebung ging tief, in Ansbach und weit darüber hinaus. Man suchte nach Vergleichen in den Historien und fand nur wenig: Kaiser Karl V., Victor Amadeus I. von Savoyen, Königin Christine von Schweden, Markgraf Friedrich der Ältere, welch letzterer aber wegen Blödsinnigkeit hatte resignieren müssen. Ein Gazettier fragte sich und seine Leser: »… wenn ein Fürst, wie Christian Friedrich Carl Alexander, von keiner Last des Alters und der Krankheit – wenigstens dem äußerlichen Anschein nach – bedrückt, geliebt von seinen Untertanen, von seinen Nachbarn geschätzt, verehrt von allen, die seine Herzensgüte kennen, Er, dem das Bewußtsein, seine Länder beglückt, sie von einer 77
drückenden Schuldenlast befreit, seinen Landeskindern manche Last vermindert, manche gute Anstalt getroffen oder gefördert und sich dadurch den Segen der Besseren seines Volkes erworben zu haben, zur Seite steht« – wenn ein solcher also ganz plötzlich von alldem Abschied nimmt, »dann staunt der Denker seines Zeitalters – die Welt fragt nach den möglichen Beweggründen zu solchem Schritte.« Die Antwort bleibt der anonyme Autor uns schuldig … Aber dann, noch im gleichen Jahr 92, hielt König Friedrich Wilhelm II. prunkvollen Einzug in Ansbach und blieb volle vier Tage; sein Statthalter Hardenberg, Verbindung aus Energie, Klugheit und Charme, vermochte sich durchzusetzen, und die Leute gewöhnten sich an die neuen Zustände, zumal etwas anderes ihnen ja auch nicht übrigblieb. Markgraf Alexander, Lebenskünstler und Glückskind, obgleich kein ganz unbelastetes, hatte Glück auch noch im Tod, denn er starb am 5. Januar 806, 50 Tage, bevor französische Truppen unter Bernadotte in Ansbach einzogen, das Napoleon schon für Bayern bestimmt hatte, dreiviertel Jahre vor der Schlacht bei Jena, nach welcher Preußen jene Leibrente keinesfalls hätte bezahlen können. Sein Glück hatte genauso lange gedauert wie er selber dauerte. Viel länger dauerte seine Bank, bei veränderten Orten und Dimensionen. 980
DER LETZTE GROSSHERZOG
Von den beiden übernationalen Großfamilien, die bis 98 sich in die europäische Monarchie teilten, war die protestantische die dichter gewebte, übrigens die einflußreichere, zumal zu ihr auch die Zaren von Rußland gehörten; protestantischen Fürstinnen war es möglich, zur orthodoxen Kirche hinüberzuwechseln, katholischen kaum. Die Zaren-Gemahlinnen des 9. Jahrhunderts kamen aus Württemberg, Baden, Hessen, Dänemark, noch einmal Hessen. Es versteht sich von selbst, daß ein von England über Skandinavien und Deutschland bis nach St. Petersburg reichendes Netz von Verwandtschaften Europa gut tat, Vertrauensverhältnisse, gemeinsame Sprache und Interessen schuf und feindliche Gegensätze der Staaten wenigstens milderte, solange es überhaupt wirken konnte. Zusehends geschwächt durch die neuen Mächte der Demokratie und des Nationalismus, hat es 94 zu wirken aufgehört. In den letzten Jahrzehnten des 9. Jahrhunderts war Königin Victoria von Großbritannien das allverehrte Haupt dieser merkwürdigen Verbindung. Unter ihren 40 Enkeln, gewiß ihren nicht-englischen, war ihr der liebste der Erbgroßherzog, seit 892 Großherzog von Hessen, Ernst Ludwig, Sohn ihrer Licblingstochter Alice. Oft, 882, 84, 87, 93, 95, kam die alte 79
Dame nach Darmstadt; noch häufiger, in Kindheit und Jugend fast jedes Jahr, besuchte der hessische Prinz seine zweite, englische Heimat. Die Mutter, die starb, als er zehn Jahre alt war, ersetzte ihm die königliche Großmutter nach liebevollen Kräften; wünschte regelmäßigen Bericht über seine Fortschritte; verriet ihm, als er reif dafür wurde, ihre geheimsten Urteile und Gefühle; ließ ihn ihre großen Minister kennen, Gladstone – du weißt, ich mochte ihn nie –, Salisbury, den alten Disraeli sogar. Dies Band ist für die Bildung, noch mehr die Herzensbildung Ernst Ludwigs mitentscheidend gewesen. Es blieb nach dem Tod der Königin erhalten dank der Freundschaft mit Onkel und Vetter, Eduard VII., Georg V. Es widerstand sogar dem Selbstmord Europas im Ersten Weltkrieg. 98, ganze zwei Tage nach Abschluß des Waffenstillstandes, erhielt Ernst Ludwig eine königliche Botschaft aus London: Man freue sich, den alten Kontakt wieder aufnehmen zu können, ihm trage man nichts nach. Es lag dies zum Teil daran, daß Hessen schuldlos und harmlos war, was man von Preußen-Deutschland nicht sagen konnte. Der Großherzog, sich erinnernd: Übrigens waren wir bei den englischen und russischen Verwandten so beliebt, weil wir die Kinder unseres Vaters, und weil wir keine Preußen waren, welches Letztere sie mir oft sagten. Zum größeren Teil lag es an Ernst Ludwigs ungewöhnlich liebenswürdiger und lebensfreudiger, talentreicher, schöpferischer, zugleich anschmiegsamer und charaktervoller Persönlichkeit. Künstler und 80
Dilettant, nämlich Liebhaber aller Künste, von Haus, leistete er auch das Kunstwerk, zugleich englischeuropäischer Gentleman und deutscher Patriot zu sein; ohne Krampf und Mühe, auf das allernatürlichste. Von Nationalismus kein Hauch. Daß aber einer »deutsch dachte«, rechnete er ihm zum Lob an. Sein eigenes Denken war ursprünglich geprägt von dem Jahrhundert, aus dem er kam – dem Jahrhundert der Achtundvierziger. Es gibt einen Entwurf von ihm, geschrieben irgendwann vor 94, in dem er sich ausdenkt, wie Deutschland einmal politisch geordnet sein sollte: als ein Bund von zehn freien Staaten, ihrerseits beruhend auf Volksstämmen; Preußen wäre dann nur noch das eigentliche, nämlich Ost- und Westpreußen, Westfalen aber, Brandenburg, Pommern, Schlesien, wären Staaten für sich, so wie Großhessen, Alemannien und andere mehr – was entschieden an die Vorstellungen der Radikalen von 848 erinnert. Genaueres fehlt. Die Auflösung des preußischen Königreichs hätte ja den Sturz der Dynastie bedeuten müssen, konsequenterweise den Sturz aller deutschen Dynastien. Dergleichen kann der Großherzog nicht eigentlich gewünscht haben. Immerhin spricht er von seinen Standesgenossen nicht mit übertriebenem Respekt. Indem er in seinen Erinnerungen sie alle Revue passieren läßt, den einen freundlich, den anderen spöttisch, alle höchst treffsicher und mit Humor charakterisiert, kommt er zu dem Schluß: Übrigens, wenn ich zu Kaisers Geburtstag in Berlin weilte, fand ich oft, daß viele von meinen sogenannten Kollegen noch so 8
rückständig in ihren Anschauungen waren, daß ich mich als reiner Sozialist fühlte. Sie begriffen so gar nicht die Frage, wie man mit der Zeit gehen muß, wenn man zuletzt nicht von ihr übergangen werden will. Leider bewies es die Zeit der Revolution: sie wurden weggefegt ohne irgend etwas zurückzulassen, weil sie doch zu große Nullen waren, wenn sie auch anständig dachten. Was keineswegs hieß, daß er seinen Beruf für anachronistisch hielt. Frei von Prinzendünkel, seiner eigenen Beobachtung nach, war er doch nicht ohne Stolz, immer Herr seiner selbst, von teils angeborener, teils anerzogener unfehlbarer Haltung. Was ihm früh deutlich wurde: Sein Amt konnte nicht mehr wie früher auf bloßem Glauben an ererbtes Recht, auf Gottesgnadentum beruhen. Es mußte sich täglich beweisen. Dann konnte es noch immer überaus nützlich, konnte der Fürst die Reichsperson des Staates sein. In einer Reihe von Aphorismen brachte er, zwischen 907 und 98, die Quintessenz seiner Gedanken und Erfahrungen für sich zu Papier; einen eigentlichen Fürstenspiegel im frühen 20. Jahrhundert. Er ist reich an klugen persönlichen Einsichten, an praktischen Lebensmaximen, auch an Zweifeln, die jedoch durch den Willen zum Positiven zuletzt immer überwogen werden. Mitunter frappiert die Schönheit der Formulierungen. Traditionen, schreibt er, seien schon recht, aber allzu zähe dürfe man nicht an ihnen hängen, denn das Gestern ist nur ein Schatten im Licht des Heute, das vom Morgen träumt. Vollkommen ist die Ehrlichkeit vor sich selber, ernst und dauernd die Arbeit an der eigenen Person. 82
Seine Kindheit hätte durchaus glücklich sein können, so wie die Eltern, die Geschwister, die Lebensbedingungen waren, hätte nicht Trauer sie beschattet: der Tod des kleinen Bruders zuerst durch einen kläglichen Unglücksfall – Nun war ich der einzige Sohn und meine Mutter und ich klammerten uns aneinander –, das Sterben einer Schwester, Maria, dann, und vier Wochen später der Mutter. Unheil, wie es seine Familie noch zweimal treffen sollte, 98, da erfuhr er nur allmählich davon, 937, das erlebte er gerade eben nicht mehr. Der Unglücksstern stand über seinem Haus, nicht über ihm selber, als ob er ihn zum Trauern über den Verlust auserwählt hätte. Zu trauern war schon der Fünfjährige fähig, und blieb es. Am Tag, ehe der kleine Bruder sich zu Tode stürzte, hatten sie Maiblumen gepflückt und Fritz, der mich besonders liebte, hatte welche in seiner kleinen Hand, die er mir geben wollte. Ich lief immer weiter und mit seinen kurzen Beinen trottete er hinter mir her und ich höre noch wie er mir immer nachrief: ›Ernie I wants ou, Ernie I wants ou so much!‹ Er wollte mir ja seine Maiblumen schenken. Dieser Ruf ging mir viele Monate, ja sogar Jahre nicht aus dem Kopf und zu Anfang hatte ich das Gefühl der Verzweiflung. Nächte durch weinte ich und alle glaubten es war die Trauer um den Verlust, die sprach ja auch mit, aber es war das Gewissen. Niemandem habe ich etwas darüber gesagt. Und wie er aufgebahrt in allen Frühlingsblumen dalag, da hob mich meine Mutter auf und ich tat die Maiblumen in seine kalten kleinen Hände. Ob wohl die Erwachsenen jemals realisieren können, was ein Kind schon leiden kann? 83
Sich freuen auch. Spannkraft, Willen, Phantasie zur Freude waren Ernst Ludwig so eigen wie, nach Aussage derer, die ihn am besten kannten, eine Neigung zu dunkleren Seelenstimmungen; das eine überwand das andere. Die Tagebücher des Vierzehnjährigen schreibt ein wohlgelaunter Junge, der neben den Studien Sport und Spiel treibt, Fußball, Fechten, Eislauf, der zeichnet und die eigenen Werke streng benotet – Sehr schlecht! EL –, der leidenschaftlich gern ins Theater geht, mitunter auch wegen eines Lachkrampfs aus dem Saal fliehen muß, der an den Verlobungen seiner schon erwachsenen Schwestern, den neuen Verwandten aus Rußland und England seinen Spaß hat. Der Student, in Leipzig auf seinen eigenen Wunsch, nimmt frei teil an allem Geselligen, welches die große Stadt in ihren unterschiedlichen Kreisen zu bieten hat: Hof, Professoren, Kaufmannschaft, Oper mit ihren berühmten Dirigenten und Sängern, Theater, Bohème. Er sucht sich seine Freunde selber; der Vertrauteste dort wird Rudolf Binding, Sohn eines großen Professors, Schriftsteller von Rang später. Dem Leutnant – das muß ein junger Prinz ja nun auch sein – gefällt der Dienst im Hessischen, die harten militärischen Anforderungen, die er mit gesellieen unermüdbar zu verbinden weiß (ich war nicht tot zu kriegen); nicht der in Potsdam »denn es war Kommiss«. Er sieht gut; er mag die Einseitigen, die Streber, die Intriganten nicht. Sehr gegen die Gewohnheit weigert der Student sich, einem Corps beizutreten. Solange er kann, will er sich nicht binden lassen, außer 84
durch selbstauferlegte Bindung. – Den Vierundzwanzigjährigen überrascht der Tod des Vaters, damit das frühe Ende der ersten, freien Jugend. Die Königin Großmutter kam nach Darmstadt, um dem jugendlichen Herrscher Ratschläge zu erteilen; fing auch bald an, ihm eine geeignete Gemahlin zu suchen. Leicht war sie gefunden; eine Enkelin Victorias auch sie, Tochter ihres Sohnes Alfred von Edinburgh, später von Coburg. Selber schrieb die Königin den Werbebrief, in sehr schmeichelhaften Tönen abgefaßt, was Ernst Ludwig betraf; sie besorgte auch ein Gutachten ihres Leibarztes, demzufolge die Heirat zwischen zwei so nahen Verwandten allerdings bedenklich war, aber so sehr bedenklich auch wieder nicht. 894 fand die Hochzeit statt und brachte kein Glück auf die Dauer; eine Scheidung erfolgte 90. Es blieb ein Kind. Meine kleine Elisabeth war der Sonnenschein in meinem Leben … Sie fühlte sich so ganz hessisch und nichts machte sie glücklicher, als wenn sie hörte, daß man sie »das Kind von Hessen« nannte. Das fühlte die Bevölkerung und brachte ihre ganze Liebe dem Kind entgegen. Unsere Scheidung verstand sie trotz ihrer jungen Jahre ganz genau und litt unsäglich unter ihr, denn sie wußte, wo sie hingehörte und ihre ganze Liebe war für mich. Einstens, wie sie zu ihrer Mutter zurückkehren mußte, erklärte ich ihr, wie ihre Mutter sie doch liebe. Da antwortete sie einfach: ›Mama sagt es, Du tust es.‹ Ich mußte schweigen … Acht Jahre alt starb das Kind von Hessen während einer Rußlandreise am Typhus. Im Park des Schlosses Wolfsgarten gibt es die liebens85
würdigste Erinnerung an die kleine Prinzessin: den Wirklichkeit gewordenen Kindertraum, ein Spielhäuschen, das der Vater durch seinen Architekten Olbrich für sie bauen ließ, in unverkennbarstem Jugendstil; der hier zeigt, wie lebendig er blieb, dort wo er gut war. 905 heiratete Ernst Ludwig zum zweiten Mal, nach eigenster Wahl, eine Dame aus dem eigenen Lande, Eleonore zu Solms-Lich. Diese Ehe half ihm, alle die späteren Aufgaben und Abenteuer seines Lebens zu bestehen: 0 Jahre, daß wir verheiratet sind … Nie werde ich dir danken können für das was du mir schenkst und was du aus mir gemacht hast. Gott, wie habe ich dies Glück verdient. (Im Tagebuch, 95) Bald gab es zwei wohlgeratene Söhne. Hier war einmal Glück und hielt, solange er lebte, wenn auch länger nicht. Die Tätigkeit des Großherzogs Ernst Ludwig während seiner Regierung durch 20 Jahre mag, wer die Teilung liebt, in zwei Wirkungsgebiete teilen: das der landesherrlichen Routine, wie jeder deutsche Fürst sie übte, mehr oder weniger, Ernennungen, gelegentlich auch Entscheidungen, vor allem Repräsentanz; und das ihm ganz eigene des Künstlers und zu allen Künsten Antreibenden, wenn nicht selbst sie Pflegenden, des Kultusministers, wie man heute sagen würde, in seinem Land. Daß hier seine schönsten Möglichkeiten und Aufgaben liegen würden, muß er gewußt haben, noch ehe er den Thron bestieg. Denn alsbald fing er an, sich mit dem Bau des neuen 86
Landesmuseums zu beschäftigen, verwarf die prämiierten Pläne, die vorlagen, als häßlich und ohne Bezug auf die Sammlungen, die in neuen Räumen zur Geltung gebracht werden sollten, mit welcher Kritik er den Staatsminister, den er vorfand, Jakob Finger, zu der von ihm selber überhörten Bemerkung anregte: Mit dem Großherzog ist es nichts, der steckt voller Utopien. Nun, diese Utopie war die erste, die er verwirklichte, stolz darauf, daß er sie durch einen hessischen Architekten verwirklichen ließ. Jedoch ist es mit Zweiteilungen so eine Sache, dort, wo es um eine einzige Persönlichkeit geht. Der gleiche Charakter prägte die Regierungsgeschäfte, die eben darum etwas Frischeres, Menschenfreundlicheres, Imaginativeres wurden, als sie es in anderen deutschen Bundesstaaten waren, und prägte die Arbeit des Protagonisten der Künste. Das Großherzogtum war eine konstitutionelle Monarchie, keine parlamentarische; die Minister, vom Monarchen ernannt, standen den Kammern als wohlmeinende, auf Zusammenarbeit mit der Volksvertretung angewiesene Fremdlinge gegenüber. Nach dem baldigen Abgang Jakob Fingers hat Ernst Ludwig in 26 Jahren nur zwei Staatsminister oder Regierungschefs gehabt, Rothe und Ewald; der eine ein erfahrener Administrator, der andere ein hervorragender Jurist, Richter am Reichsgericht in Leipzig; beide seine eigenste Wahl, beide so kernliberal, wie er selber; alle drei oft fortschrittlicher als die Mehrheit in den Kammern. Die Mitglieder seiner Regierung, 87
wollte er und bekam es, sollten Freunde unter sich sein und die seinen; die Zusammenarbeit auf völligem wechselseitigen Vertrauen beruhen. Nicht alles, was ihm vorschwebte, wurde erreicht; nicht das direkte Wahlrecht, viel weniger die Trennung von Staat und Kirche, welche der Großherzog wünschte, obgleich oder eben weil er es mit seiner Religion sehr ernst nahm, an die aber praktisch noch gar nicht zu denken war. Anderes wurde realisiert, und gerade solche Pläne, die des Fürsten eigenste Idee waren: staatliche Weinbaudomänen, um die Weinkultur höher zu führen, Erweiterung der staatlichen Forsten, einstweilen noch schlechter Wald für den Staat im Tausch mit gutem Ackerland für Hessens Bauern, die Zentrale für Mutter- und Säuglingsfürsorge und anderes mehr. Nichts, versichert Ernst Ludwigs letzter Hofmarschall, geschah in der Regierung, was nicht durch seine Hände gegangen, von ihm nicht irgendwie abgewandelt worden wäre. Arbeit vollauf. Als er, Dezember 902, sich auf eine mehrmonatliche Indienreise begeben durfte – ein Erlebnis, das seinen schönheitsfreudigen Geist stark und bleibend beeindruckte –, notierte er über die Abfahrt in seinem Tagebuch: Niemand kann denken, wie dankbar ich war, als sich der Zug endlich in Bewegung setzte, denn die letzte Zeit war ich so von Menschen überlaufen worden, daß ich schon gar nicht mehr konnte. Das erste, was ich tat, war mich hinzulegen und zu schlafen. Rührend zugleich und bedeutend, auf indirekten Wegen wohl auch nachwirkend, bleibt, was Ernst 88
Ludwig für die Künste in seinem Hessen geleistet hat. Die Mittel, seine eigenen, die der Hauptstadt, die des Landes waren so beschränkt; so erdrückend die Rivalitäten der reicheren Städte, des nahen Frankfurt, Berlins, Dresdens, Münchens. Seine Grenzen kannte er nur zu gut, aber er ließ sich nicht entmutigen. Geld war nicht alles; Initiative, Phantasie, Liebe vermochten auch etwas. Denkt man an den Großherzog als Mäzen der Künstler, an ihn selber als Künstler, so denkt man vor allem an die Künstlerkolonie, die er 899 gründete, an die Ausstellungen von 90, 908, 94, an diesen, nachdenkliche strebende Jugend wie erlösenden, kühnen Durchbruch, an die neue endlich zeitgemäße Verbindung des Schönen mit dem Praktischen, von Kunst mit zu Handwerk, Industrie, Commerz ausgreifender Sozialität. Es ist dabei für die Biographie so wichtig nicht, woher dem Fürsten seine Ideen kamen, aus England, aus Wien und anderswoher, natürlich lagen sie in der Luft, so wie die Menschen waren, die er, klug wählend und komponierend, nach Darmstadt berief. Waren die Ideen nicht originell, so war es die Tat, das dauernde Tun und Mittun, Klugheit und Pakt der Menschenbehandlung. Solches, er wußte es, ermöglichte ihm seine Stellung, er machte einen Gebrauch von ihr, der beispielgebend gewesen wäre, hätte nur ein Anderer irgendwo es ihm gleichgetan. Architektur, Gartenbau, dem er so sehr zugetan war, Kunstgewerbe, Handwerk bleiben nicht seine einzigen Interessen. Mit gleich freudiger Leidenschaft warf er sich auf Theater und Oper; Intendant, 89
Regisseur, Bühnenbildner, Kostümzeichner, alles in einem. Über seine Inszenierung des »Ring«: Ich probe viel und hart. Eine Probe vergesse ich nicht, die von 3 Uhr nachmittags bis 8 Uhr abends dauerte und dann ging es weiter von nachts 0 Uhr bis 5 Uhr früh und von 8 Uhr morgens bis 2 Uhr mittags. Es waren hauptsächlich Dekorationsfragen und die immer von neuem falsche Beleuchtung und Wolken. Ich ließ beständig einige Arbeiter sich ablösen und schlafen, die anderen bekamen Kaffee und Brötchen. Da ich selbst nicht einen Augenblick von der Bühne war, konnte keiner klagen. Die Leute waren einfach rührend in ihrer großen Arbeitswilligkeit. Konnte er die berühmtesten Sänger und Dirigenten auf die Dauer nicht bezahlen, so besorgte er doch die Zweitbesten, die Jungen, noch bescheideneren; die Unbezahlbaren lud er zu besonderen Festspielen ein. Der in der Jugend ein Freund der Münchner Malerfürsten gewesen war, Lenbach, Kaulbach, Stuck, war oder wurde auch der Freund und Protektor von Komponisten, Reger zuerst, dann Pfitzner. Nach Bayreuth ging er jeden Sommer. Er liebte Wagner – er liebte Offenbach auch. Und fast wie ein Renaissancefürst liebte er die Feste, schöne Dinge zu geselliger Freude angerichtet. Wohl könnte man denken, daß einerseits die Stellung, die er sich in seinem Lande gewonnen hatte, andererseits seine großartigen europäischen Verbindungen, seine häufigen Reisen nach England, nach Petersburg zu seinem ihm ergebenen Schwager Nikolaus II. und, unvermeidlicherweise, auch nach Berlin, es ihm hätte ermöglichen müssen, zu vermitteln zwischen diesen 90
Machtzentren und auf den Gang der deutschen Dinge wohltätigen Einfluß zu nehmen. Das taten sie trotzdem nicht. Im großen lief alles so, als ob es diesen welterfahrenen, weiblickenden Mann nicht gegeben hätte. Er erklärt es rückblickend: die deutschen Bundesfürsten hatten in Berlin rein gar nichts zu sagen; schon Bismarck hatte den jungen Erbgroßherzog mit höflicher Gleichgültigkeit behandelt, und so blieb es unter Wilhelm II. Ganz befriedigend ist diese Erklärung nicht, so wahr sie sein mag, und ist auch nicht die einzige in den Erinnerungen gebotene. Vergebens, berichtet Ernst Ludwig, denn man wollte ihn nicht, habe er dem Berliner Auswärtigen Amt einmal seine guten Dienste angeboten, eigentlich gegen meine innere Anschauung eines Fürsten … Da lag es. Es war nicht seine Aufgabe, große Politik zu treiben; folglich, zumal er sich für einen guten Fürsten hielt und halten durfte, überhaupt eines Fürsten Aufgabe nicht. Sein Instinkt, seine Begabungen waren zu sehr aufs Positive, Konkrete gerichtet, auf den eigenen Garten, auf mein Hessenland und alles, was dort zu schaffen war, als daß die dünne Luft der äußeren Politik mit ihren Intrigen, unnützen Aufregungen, schuldhaften Gefährdungen ihm hätte bekömmlich sein können. Er wußte einigermaßen Bescheid; er überließ es Anderen; es interessierte ihn nicht. Loyal akzeptierte er die schlimme Veränderung des August 94, die seine englischen, russischen Verwandten plötzlich zu abgetrennten Feinden machte; verhielt während des Krieges sich zu den hessischen 9
Soldaten wie den Daheimgebliebenen so, wie es einem Landesvater gebührte; fand dabei auch noch Zeit, sich um seine Oper zu kümmern; schwieg. Das Ende, Niederlage, innerer Umsturz scheinen ihn überrascht zu haben; in seinen Notizen vom Sommer 98 wird eine solche Möglichkeit noch nicht erwähnt. In Darmstadt ging es ungefähr so zu wie in den großen Hauptstädten, obgleich gedämpfter: Soldatenaufruhr, improvisierte Räte, mit denen die sozialdemokratischen Anführer sich notgedrungen identifizierten. Diese, Ulrich, Adelung, gediegene Leute, wollten dem Großherzog an sich nicht übel; er war freundlich interessiert mit ihnen umgegangen, als man sie in Berlin noch als vaterlandslose Gesellen verachtet hatte; unmöglich aber konnte Hessen sich von dem ausschließen, was überall im Deutschen Reich so gänzlich widerstandslos geschah. Nur Eines war anders und Ernst Ludwig stolz darauf. Notiz vom 25. November: Es ist geschehen … Alle alten Throne sind gestürzt. Der Kaiser geflohen, alle Fürsten sind in einsame Schlösser gezogen, nur ich allein mit den Meinen lebe in Darmstadt. Bald ging er wieder durch die Straßen, unbehelligt. Das wollte und durfte er; er kannte seine Untertanen, der Form nach neuerdings, was sie der Sache nach immer schon gewesen waren, seine Mitbürger, und sie ihn. Es existieren Entwürfe aus seiner Feder in diesen Wintermonaten, halb Betrachtungen, halb Proklamationen, welche zeigen, daß er bereit war, gutzuheißen, was einmal da war, und mitzumachen: bezeichnende Aussagen seiner 92
generösen, überströmenden, anpassungswilligen Natur. Er war doch immer ein Freund der Menschen gewesen und der Freiheit auch; der Unterschied zwischen Monarchie und Republik, war er so wichtig? Warum keine freien Volkswahlen? Ich bin nicht enttäuscht, und ich fühle die sog. Undankbarkeit des Volkes nicht so, wie viele andere, da ich die großen Fehler der früheren Zeit längst erfaßt hatte und vieles wegen der Verhältnisse im Deutschen Reich nicht ändern konnte. Dem Vergangenen nachweinen schwächt. Immer geradeaus sehen und mit der Zeit vorwärts schreiten. Ich lasse nicht vom Glauben an das Volk. Das deutsche Volk muß sich durchringen und das Hessenland wird wieder kraftvoll erstehen. Noch Mehreres in diesem Sinn. Aber die Weimarer Republik war nicht so und wurde nicht so. Das Land Hessen, für sich allein, wohl; die neuen Machthaber dort ließen ihn wissen, daß sie gegen ihn persönlich nichts hätten. Mehr wagten sie nicht. Die Republik als Ganzes, die zu gar nichts Mut hatte, nicht einmal zu sich selber, hatte auch in dieser Richtung keinen; ex officio durfte man mit einem gestürzten Monarchen nichts zu tun haben. Also blieb er für sich; ein heimlich oder auch gar nicht heimlich respektierter Mitbürger, nach außen vereinsamt. Aus dem Vertrag, der seine Vermögensverhältnisse regelte, strich er den Passus, welcher von seinem Thronverzicht handelte, die Weigerung wenigstens war er seiner Würde schuldig; man ließ sie ihm durchgehen. Das materielle Resultat war, daß er, wenn auch sparsam, was er immer hatte sein müssen, 93
weiterhin als Fürst leben konnte: Winters im Neuen Palais, sommers im Jagdschloß Wolfsgarten. Folgten lange 8 Jahre. Jahre des Ruhestandes mehr als des Exils; leider nur Ruhestands eines, der, als er ihn antrat, eben die Höhe des Lebens erreicht hatte, voller Drang, zu arbeiten und zu wirken. Nun bin ich 50 Jahre geworden und meine Hände sind mir gebunden. Traurig notierte er sich alle die noch unausgeführten Plane, die er jetzt wohl nie mehr würde ausführen können. Auf Haltung legte er Wert wie eh und je, vielleicht mehr als je. Der Tageslauf, vom frühen Morgen an, blieb ein geregelter. Nie erschien er zum Dinner anders als im Smoking, die Gardenie im Knopfloch, die Großherzogin im Abendkleid, beide gemeinsam das Speisezimmer betretend, wie zur Zeit der Zarenbesuche und Galatafeln. Nicht fehlten Hofmarschall, Adjutant, Haushofmeister, Repräsentanz, die nur noch sich selber galt, der Familie, den Gästen. Seine Angestellten dienten ihm gern, der liebenswürdigstes Interesse mit Distanz zu verbinden wußte. Schloß Wolfsgarten bewahrt eine Sonderbarkeit: zwei dicke Bände von Gemälden, hundert oder mehr, von Ernst Ludwigs Hand, lauter grauenvolle Ungetüme mit witzig-pseudowissenschaftlichen lateinischen und deutschen Namen; eine unerschöpfliche Fülle von Gestalten, jede ganz eigener Art, grotesk und bunt und abstoßend. Ein sehr begabter Mensch hat das gemacht, aber aus tief verbitterter Phantasie, in erzwungenem Müßiggang. Dem Satz, den er einmal 94
für sich niederschrieb: Das Schöne war immer in meinem Sinne – hier wurde ihm nicht die Treue gehalten. Daß die Scheusäler für seine jungen Söhne erdacht wurden, diente wohl mehr zur Ausrede; in ihnen machte er seinem Kummer, seinem erstickten Tatendrang Luft. Für seine Söhne auch; auf ihre Anregung hin, schrieb er zu Beginn der dreißiger Jahre seine Erinnerungen. Daß sie nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren – geschweige denn, daß irgendein Routinier ihm dabei geholfen hätte –, macht sie um so lebenswahrer; ganz anders als jene Greuelgestalten, zu einem reinen, kraftvollen Zeugnis seines Wesens. Dichtungen gingen nebenher. Ein Mysterienspiel, Ostern, wurde in Hamburg aufgeführt; da konnte er ein letztes Mal Regisseur spielen. Gedichte hat Ernst Ludwig zu jener Zeit gemacht. Seine Seele brauchte auch dies Ventil, diese Art der Gestaltung. Nicht, daß es sich um Höhepunkte der deutschen Lyrik handelte. Jedoch sind es zuchtvoll gemachte, Kenntnis größerer Meister verratende, menschlich ansprechende Dinge; naturnahe; zu dunkleren Gedanken neigend, als man von einem scheinbar so extravertierten Menschen erwarten würde. Seine Liebe galt dem Park des Schlosses Wolfsgarten. Über Vergangenes und Gegenwärtiges: Die Rosenhöhe verschönte ich, so daß der Garten eine Sehenswürdigkeit wurde. Tausende von Rosen deckten die Pergolas und den Dom. Hochstämme und Pyramiden waren überall und dazwischen ganze Felder von Rosen. Leider ist alles 95
vergangen durch den Krieg und später der Notwendigkeit folgend. Nur noch ist mir Wolfsgarten geblieben, das versuche ich zu erhalten und zu verschönem, soweit die Mittel es erlauben. Er entwarf nicht nur, arbeitete auch selber gern mit Baumschere und Hacke. Er zeichnete schmiedeeiserne Tore und trug sie zu den Schmieden der Umgebung, das könnten sie auch; was heute noch zu sehen ist, beweist, daß sie es konnten. Der früher sich der Verschönerung von Hessens Städten so freudig gewidmet hatte, zeichnete oder stickte nun Muster im engen Kreise: Möbel für das Haus, Toiletten für seine Frau, das Taufkleid für den ersten Enkel. Immer mußten sein Geist und seine Hände etwas zu tun haben. Zu Wolfsgarten kam Schloß Tarasp in Graubünden, in dessen Besitz noch während des Krieges ein höchst wunderlicher Erbfall, in sich eine Novelle, ihn gebracht hatte. Mit gewohnter Kennerschaft ging er an die Pflege und Vervollkommnung des unglaublich schön gelegenen alten Gebäus in der Mitte des Unterengadins. Die bündischen Republikaner erkannten ihn bald und mochten ihn und wählten den gestürzten deutschen Monarchen zu ihrem Ehrenbürger. Heute wird Schloß Tarasp jeden Sommer von Tausenden von Touristen besucht. Ernst Ludwig, kurz gesagt, gewann dem erzwungenen Ruhestand soviel ab, wie nur in ihm zu finden war; übernahm so viel Mitverantwortung, wie er konnte. Gunst und Hilfe, die er einem von dem philosophischen Schriftsteller Graf Hermann Keyserling in Darmstadt gegründeten Kreis 96
erwies, sind das bekannteste Beispiel dafür. Noch besaß er alte, dankbare Freunde unter dem Künstlervolk; neue kamen hinzu. So recht glücklich aber mag er während all der Jahre doch nicht gewesen sein. Dazu hatte er vom Leben, von sich selber allzuviel erhofft und verlangt; sieht man, nicht auf den Gang der Geschichte, sondern auf diese eine Individualität, ja auch mit gutem Recht erhofft und verlangt. Der Tod kam, ehe das eigentliche Alter einsetzte. Er gab den Bürgern der Stadt und der Nähe noch einmal Gelegenheit zu zeigen, was der letzte Großherzog für sie gewesen war. 973
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DER HEILIGE JOHANNES VON NEPOMUK
Ein Dorf in Mittelböhmen, unter dem Schloß gleichen Namens gelegen, Sternberg. Über den Fluß eine Brücke, wie man in unseren Tagen Brücken baut. Darunter, am Uferhang, eine verwitterte Figur in Stein. Man hat sie gnadenhalber dort hingesetzt, als die alte, enge Brücke abgerissen wurde, auf welcher der Heilige im Gewände des weltlichen Priesters, langer Rock, Schulterumhang, hoher Kragen mit herabhängenden Enden, der Heilige mit den fünf Sternen über dem Birett vorher stand. – Friedland in Nordostböhmen. Brücke über die Wittig, tief unter der waldumrauschten Burg. Da, in der Mitte, steht er noch, einsam. So in Münchengrätz bei Turnau, am Bach, hier einsam nicht, sondern flankiert von andern Betenden, Angebeteten rechts und links. So auf der Prager Karlsbrücke, hier wieder für sich allein, das Kruzifix gegen die Brust haltend, in himmlische Ferne schauend der Blick; so auf vielen, vielen Brücken in Böhmen, Franken, Bayern, Österreich, Tirol und weiter westwärts bis ins Elsaß. Ein Brücken-Heiliger also, ein Wasser-Heiliger? Genaugenommen wohl nicht, obgleich er als Schützer gilt gegen Schiffbruch und Wassersnot, und Brücke und Wasser seine Heiligkeit vollendeten. Mit Fug aber steht er auch an Wegen 98
und Straßen, auf Dorfplätzen und Stadtplätzen und Paßhöhen; steht er über Kirchenportalen und an Rathaustreppen; kniet er auf seinem von Engeln getragenen Sarg; und solch verschwenderisch-jubelnder Triumph über den Tod, solch silbernes Gewirr von Kerzen, Vasen, allegorischen Figuren, von Engeln, Engeln, die den Finger auf die Lippen drükken, Zeichen des Schweigens, Engeln, die auf die Attribute des Heiligen weisen, solch himmelanstrebenden Reichtum bis zum Manne mit den fünf Sternen über dem Haupt und dem Kruzifix in den Händen, dem Manne, der kniet, aber nur mit dem linken Knie, so daß er etwas wie ein Aufstehen oder Auferstehen zu vollziehen scheint – dergleichen sieht man im Prager Dom und sonst nirgendwo. Den Heiligen oft. Es ist immer derselbe. Johann von Nepomuk, Jan Nepomuczky, Joannes Nepomucensis, Ecclesiae Metropolitanae Pragensis S. Viti Canonicus, Presbyter et Martyr. Er scheint nicht immer derselbe. Als der Heilige des Schweigens kann er sehr in sich gekehrt wirken, sehend, was kein anderer sieht. Er kann auch stehen wie ein Redner, gestikulierend, die Engel anblickend, die urn ihn sind, oder die Menschen, die man unter ihm sich vorstellen muß. Denn ein großer Prediger war er auch, die Eloquentia ihm eigen wie die Taciturnitas. Was dann die Szenen betrifft, die sein Leben, Sterben und erhöhtes Leben darstellen, die Reliefs um den Marmorsockel des Sarkophages im Dom, und andere Reliefs am Fuße der Statuen, an Altären und Kirchentüren, die Kupferstiche, die 99
Bilder und Deckengemälde, so zeigen sie am häufigsten zwei Momente: die Beichte der Königin, deren Geheimnis der Priester bis in den Tod für sich behielt … nicht verkünden dürft er anvertraute Fehle … und den Sturz von der Brücke. Es gibt viele andere bis zum letzten, höchsten: Der heilige Johannes von Nepomuk in der Glorie, auf Wolken stehend, von Engeln umgeben, vor dem aufgetanen Himmel; auch etwa kniend vor der Jungfrau und ihr seine Zunge überreichend. Was es mit der Zunge für eine Bewandtnis hat, davon gleich. – Den meisten Figuren und Bildern, den meisten Kirchen und Kapellen, die dem Beichtiger geweiht sind, ist der barocke Stil gemeinsam. Johann von Nepomuk ist der Heilige des späteren 7. des früheren 8. Jahrhunderts; heilig gesprochen wurde er, als die Zeit dafür schon überreif war, 729. Was nicht heißt, daß er damals erst entdeckt und zu kirchlich-politischen Zwecken listig propagiert wurde. Diese Legende ist unwahr; unwahrer, scheint mir, als alle Legenden, die um den Heiligen sich spannen und für die Frage, richtig oder falsch, nicht taugen. Dem plötzlichen Aufschwung des Ruhmes ging langsames Wachsen vorher. Wenzel Hagecius von Libotschan, Böhmens Chronist, weiß um die Mitte des 6. Jahrhunderts: viele Lichter seien gesehen worden um den Körper des Ertrunkenen in der Moldau; danach und bald habe es Wunder gegeben an seinem Grab. Was die Bewahrung des Beichtgeheimnisses betrifft, um derentwillen der Heilige 00
zum Märtyrer wurde, so bestand diese Tradition schon 433 – vierzig Jahre nach seinem Tod. Nach wessen Tod? Darüber ist im 9. Jahrhundert unter den Böhmen gerätselt und gestritten worden. Johannes aus dem südböhmischen Städtchen Pomuk oder Nepomuk, daher so beibenannt, Doktor des Kirchenrechts, Pfarrer zuerst, zuletzt Generalvikar des Erzbischofs von Prag, ist eine historisch vielfach bezeugte Persönlichkeit. Seine Karriere hat etwas Nüchternes, die eines kirchlichen Verwaltungsbeamten mehr, denn eines Wundertäters. Sie brachte ihm Pfründen ein, er konnte in der Hauptstadt zwei Häuser kaufen. Daß er jedoch geachtet war unter den Menschen, unter jenen tschechischer und deutscher Zunge in gleichem Maß, und Gott zum Wohlgefallen lebte, »Deo acceptus et hominibus«, wird von den Zeitgenossen bestätigt. Über allem Zweifel erhaben ist sein grausames Ende; grausam nicht so sehr durch den Wassertod wie durch die Folterung, die unmittelbar vorherging. Kaum war er tot, so nannte sein Erzbischof, in einem Schreiben an den Papst, ihn einen »Sanctus Martir«. Sein Grab, zuerst und provisorisch in der Kirche zum Größeren Heiligen Kreuz, dann im Chorgang des Domes, blieb dort immer dasselbe, bis 736 jenes schwebende Monument aus Tonnen getriebenen Silbers vollendet war; obgleich zweimal verwüstet, durch die Hussiten und durch des Winterkönigs pfälzische Calviner. Die Überlieferung ist ununterbrochen. Daß sie gleich von Anfang, oder mittendrin plötzlich, einem anderen sollte gegolten 0
haben, der gleichfalls Johannes hieß, gleichfalls aus Nepomuk stammte, gleichfalls auf Befehl des Königs Wenzel in der Moldau ertränkt wurde, kommt mir ungereimt vor. Franz Palacky, Böhmens Nationalhistoriker, hält es für möglich. – Freilich aber ist der Heilige, so wie Frömmigkeit seine Gestalt formte, unterscheidbar von dem Menschen in seiner Zeit. Diese war so voller Wirren wie alle Zeiten, indem neues Denken sich gegen altes regte, neue Herrschaftsformen andrängten, alte noch fortbestanden, Nationalitäten sich ihres Daseins feindlich bewußt wurden, Städte kämpften gegen Fürsten, Fürsten gegen Städte und unter sich, Herren vom Adel gegen die Fürsten oder mit ihnen, neue Mönchsorden gegen die alten oder die weltliche Geistlichkeit, und was solcher Rivalitäten mehr sind. Gefährlich war die Zeit auch. Pest wütete in Osteuropa unter der Regierung Wenzels IV., Königs von Böhmen, Römischen Königs, Herzogs von Luxemburg. Von Erscheinungen, welche die Bewohner Böhmens ängstigten, Ungetümen und Gespenstern, weiß Hagecius zu berichten. Bayern fielen in Böhmen ein, sengend und brennend, warum weiß man nicht, die Böhmen machten einen Gegenbesuch. In Prag gab es eine gräßliche Judenverfolgung, angeführt von Priestern. König Wenzel stellte zwar den Frieden wieder her, aber nicht das Recht; das Gold, Tonnen davon, das die Plünderer von den Juden gewonnen, ließ er sich herausgeben, um es selber zu behalten. Aus Ungarn lesen wir, daß es dort zwei Königinnen gab, Elisabeth, 02
Witwe Ludwigs des Großen, und ihre Tochter Maria, angetraut dem Markgrafen Sigismund von Brandenburg, einem Bruder Wenzels von Böhmen. Diese beiden Damen hatten Streit mit ihrem Vetter, König Karl von Neapel, aus dem Hause Anjou, der Anspruch auf die Krone des Heiligen Stephan erhob, nach Ungarn kam mit seinen Bewaffneten, sich krönen ließ in Stuhlweißenburg, auch von den Fürstinnen mit arglistiger Freundschaft empfangen wurde; bei einem Fest aber ließen sie ihn erschlagen durch Blasius Forgačs. Die neapolitanische Partei, die es in Ungarn gab, nahm die Tat sehr übel. Ihr Anführer, namens Horwathy, überwältigte die Morddamen während einer Lustreise, schleppte sie nach der festen Burg Novigrad in Dalmatien. Markgraf Sigismund, der seiner Gemahlin bedurfte, um selber König von Ungarn zu werden, unternahm Gegenschritte; rief die Venezianer zu Hilfe, an sich keine Freunde der Neapolitaner; belagerte Novigrad. Horwathy, in übler Lage, ließ die alte Königin erdrosseln vor den Augen der jungen, den Leichnam über die Mauer werfen: so werde es auch der Tochter ergehen, wenn die Belagerer nicht aufgäben. Worüber Sigismund, um sein Erbe zu retten, sich in Unterhandlungen einlassen mußte. Das waren die Sitten, überall, und in Böhmen auch; wir könnten Beispiele geben. Kein Hindernis waren sie der Frömmigkeit, die Schönes gebar: Fein-Schönes, Hymnen, besinnliche Dialoge in lateinischer Sprache; Gewaltig-Schönes wie den Dom in Prag. 03
Schwer aber litt Frömmigkeit daran, daß es zu jener Zeit zwei Oberhirten der Seelen gab, zwei Päpste, einen in Avignon, Robert von Genf, der Clemens VII. zu nennen sich erkühnte, gestützt von Frankreich und von Neapel, einen in Rom, Urban VI. Das Schisma, Symptom mehr als Ursache für den Verfall der allund einen Christenheit, hatte Folgen für die Kirchen der einzelnen Länder. Beide Teilpäpste, anstatt daß noch das Größte von ihnen abgehangen hatte, waren selber abhängig und mußten haushälterisch umgehen mit ihrer ärger als nur zur Hälfte reduzierten Autorität. Die böhmische Kirche war Missionskirche von Anfang, weniger römisch daher als etwa die französische, beschützt und beherrscht von den alten Herzögen, dann Königen von Böhmen und dem Adel des Landes. »Ihr wißt«, sprach bei Gelegenheit Herzog Friedrich von Böhmen, »daß der Bischof von Prag mein Kaplan ist, daß seine Vorgänger die Kaplane waren meiner Ahnen. Urteilt selber, ob er Rechtsstreit führen kann gegen seinen Herrn, ob ich vor meinem Kaplan mich zu beugen habe.« Wohl hatte, seitdem dies stolze Wort gesprochen worden war, im Jahre 87, manches sich geändert. Reich war die Kirche dennoch geworden, es heißt, der dritte Teil Böhmens habe ihr nun gehört, und das war den Königen so unlieb nicht, denn die Erwerbungen gingen auf Kosten des Adels, und der Monarch betrachtete sie als Kronland, Bischöfen und Klöstern nur geliehen. Ferner residierte seit 344 in Prag ein 04
Metropolitan, ein Erzbischof, nur dem Papste verantwortlich; mit seiner eigenen Gerichtsbarkeit, welcher auch die junge, aufblühende Prager Universität unterstand, 30 000 Doktoren und Studenten; eine Art von geistlichem Gegenkönig, wenn der König kein solcher Staatsmann war wie Wenzels Vater, Karl IV. wenn der Erzbischof die Würde und Fülle der Macht, welche seinem Amt innewohnte, wahrnahm ohne Diskretion. So tat der dritte Erzbischof von Prag, Johann von Jenstein, Jenstejn, Jenzenstein. Er war Aristokrat von Haus, gebildet in Padua, Bologna, Montpellier und Paris; ein geistlicher Literat, der dichtete, Gespräche schrieb und Predigten, das hat sich alles erhalten, denn er sorgte dafür, daß es in einem reich illustrierten Codex gesammelt würde; herzlich fromm dabei, zumal bei vorgerücktem Alter, nach einem Erlebnis, welches man die conversio nannte, da wurde der ehedem den Freuden des Lebens zugewandte ein Asket; leidend unter der Zerrissenheit des Christentums, das er wieder ganz zu machen strebte durch schroffe Treue zu Rom; von seinem Recht die steilsten Vorstellungen nährend. War andererseits König Wenzel IV. nicht ganz der Nero und Herodes, als der er später verschrien wurde, so steht doch fest, daß er ein fauler, jähzorniger Trunkenbold war, den böhmischen, den innerluxemburgischen, den deutschen, den kirchlichen, den europäischen Wirrungen, die auch ein Besserer nicht hätte entwirren können, kläglich ungewachsen. Desto begieriger zeigte er sich, sein Königtum dort zu bewähren, wo es 05
vergleichsweise noch am bequemsten schien, dank der königlichen Gegenwart, in Böhmen. Leicht auch hier nicht. Denn ständig braute neuer Widerstand sich gegen den groben Gesalbten zusammen. Sein eigener Bruder, Markgraf Sigismund, demnächst König von Ungarn, war ihm feind; so waren seine Vettern, die Markgrafen Jost und Procop von Mähren, wenn sie nicht gerade gegeneinander schlugen; und diese Prinzen zettelten mit einer böhmischen Adelsfronde, den Rosenberg, Wartenberg, Choustnik. Weil nun das Verhältnis zwischen König und Erzbischof sich zusehends verdüsterte, so mußte einem mißtrauischen, schwachen, nur momentweise den Starken spielenden Menschen der Verdacht sich aufdrängen, daß hier alles eins sei, alle seine Gegner unter einer Decke steckten. Der Rest ist schnell erzählt. Wachsender Trotz, immer böser sich erhitzender Streit zwischen Könie und Erzbischof. Streit um Landbesitz, von dem Jenstein sich nichts abzwicken lassen wollte, auch da, wo seine Titel die eindeutigsten nicht waren. Streit um Jurisdiction: als des Königs Minister und Günstling zwei Prager Studenten hatte hinrichten lassen, schleuderte Jenstein seinen Bannstrahl gegen den Mann, Huler mit Namen. Streit um Kirchenpolitik. Die Kleinadeligen und Bürger im Rat des Königs hatten das Projekt ausgekocht, die reiche Benedictiner-Abtei im böhmischen Westen, Kladrau, in ein Bistum zu verwandeln, bei entsprechend listiger Besetzung. Dem kam Jenstein zuvor: die Mönche wählten einen neuen Abt, zur 06
Stunde, in welcher der alte tot war. Großangriff Jensteins: ein Dokument, dem König überreicht, alles Unrecht herzählend, welches der Kirche unlängst angetan worden war, alle Wiedergutmachung fordernd. Gegenangriff des Königs: »Du, Erzbischof, gib mir mein Schloß Raudnitz und meine anderen Schlösser zurück und geh fort von meinem Land Böhmen. Und wenn du noch weiter was tust gegen mich und meine Leute, so will ich dich ertränken und diesen Streit beenden. Komm nach Prag!« Der Brief war auf deutsch geschrieben, in vulgari Teutonico, wir haben ihn nur in der lateinischen Übersetzung, in der Jenstein ihn nachmals dem Papst, jetzt Bonifaz IX., anklagend kommunizierte. Des Erzbischofs oberste Gehilfen, der Generalvicar Johann von Nepomuk und ein gewisser Doktor Puchník, flohen aus der Hauptstadt nach Jensteins Schloß, Raudnitz. Alle drei aber, der Erzbischof und die Doktoren, kehrten nach Prag zurück, den 20. März 393, dem Befehl des Königs folgend; was sie besser nicht getan hätten. Denn die Begegnung von königlicher und geistlicher Macht, auf der Karlsbrücke, war fürchterlich, und beiden Gruppen nur zu bald bewußt, welche die stärkere war. Jenstein entkam – mag sein, daß der König die Hand an einen Erzbischof doch nicht zu legen wagte – und suchte Sicherheit in seiner festen Burg Geiersberg, Supí Hora, nahe der sächsischen Grenze. Die Doktoren aber ließ der König auf die Burg schleppen und der scharfen Befragung unterwerfen, »damit ich dort sehe, auf wessen Rat alles dies getan wurde«, quia 07
ibi videbo, de quorum consilio hoc est actum. Daß dabei auch der Königin, Sophie von Bayern, gedacht wurde, ist im Bereich des sinnvoll Möglichen. Warum sollte Wenzel, der seine Verwandtschaft des Schlimmsten für fähig hielt, nicht auch der eigenen Königin mißtraut haben? … Puchnik redete, bald ließ man von ihm ab. Johannes schwieg, trotz der Brandfolter. Es ist sicher, daß er schwieg. Hätte er geredet, so hätte man ihn leben lassen, damit er als Zeuge diente. TACUI, das Wort, das man den Sternen über seinem Haupt manchmal eingeschrieben findet, das auch die Fünfzahl der Sterne bedeuten soll, hat guten Grund. Der aber von der Moldaubrücke ins Wasser gestürzt wurde, in früher Nacht des 20. März, war schon ein Sterbender. Des ans Ufer geschwemmten Leichnams nahmen die Priester sich an und gaben ihm eine würdige Grabstätte. König Wenzel ließ es geschehen. So die Geschichte, im Sinn von Historie, wahrer, erforschter Geschichte. Die weiteren Schicksale Jensteins, der bald sein böhmisches Amt resignierte und in Rom starb, ein gescheiterter Mann, das interessiert hier nicht. Auch nicht, was dem König Wenzel fernerhin Ärgerliches widerfuhr. Höchstens dies. Als die deutschen Kurfürsten – genauer gesagt, die rheinischen Kurfürsten, denn Sachsen und Brandenburg fehlten, und der an sich beispiellose Vorgang war nicht so recht den Reichskonstitutionen gemäß – als die Kurfürsten ihn als Römischen König absetzten im Jahre 400 als »einen unnützen, versäumlichen, 08
unachtbaren Minderer und unwürdigen Handhaber des Heiligen Reiches«, da stand unter den sechs Anklagepunkten auch dieser: Wenzel habe, sogar mit eigenen Händen, »ehrwürdige und biedere Prälaten, Pfaffen und geistliche Leute, und auch viel andere ehrbare Leute, ermordet, ertränkt, verbrannt mit Fackeln, und sie jämmerlich und unmenschlich wider Recht getötet«. Die Anspielung ist deutlich. Daß der König selber die Folterwerkzeuge spielen ließ gegen den heiligen Johannes, erzählen einige; andere nur, daß er dabei war oder zum Fenster hereinschaute. Aus der Schreckenskammer, aus dem Wasser erhob sich, indem die Jahrhunderte kamen und gingen, langsam heilige Gestalt. Identität mit dem Generalvicar, dem höchsten Verwaltungsbeamten? Ja und nein. Immer meinte man ihn. Jedoch liegen die Tugenden, die nun das Erdendasein des Heiligen charakterisierten, liegen die wunderbaren Geschichten, in denen solche Tugenden artikuliert wurden, in einer anderen Sphäre. Er muß schon berühmt gewesen sein, als der Dreißigjährige Krieg begann; sonst hätten nicht die Calviner sein Grab so genüßlich zerstört, sonst hätte nicht der Römische Kaiser, als er Sieger war und wiederkam, die Missetat darstellen lassen, in einem der Reliefs im Dom, welche die Szenen der Rebellion und ihres jämmerlichen Ausgangs zeigen; den jämmerlichen Ausgang auch der Grabschänder, denn einer starb augenblicks, ein anderer nur Stunden später. 09
Mit Gottes Heiligen muß man nicht spielen, Sonst wird man ihre Macht gar leichtlich fühlen. In derselben Epoche, 62–630, wurde das neue Portal des Domes geschaffen und mit acht Heiligen geziert, von denen einer »Johannes der Beichtiger« ist. Fünfzig Jahre später ließ ein Edelmann die erste Brückenstatue errichten, eben die auf der Karlsbrükke, zum Dank für Errettung aus Lebensgefahr. Bohuslav Balbinus, ein Patensohn Wallensteins, schrieb ungefähr gleichzeitig des Beichtigers Geschichte. In der späteren Ausgabe, die vor mir liegt, erschienen 730 in Augsburg, ist sie geschmückt mit 33 Kupferstichen eines gewissen Johann Andreas Pfeffel; die führen uns alles fromme Tun, alle Mirakel aus dem Leben des Heiligen vor Augen, seither kam kaum noch etwas dazu. Die Mirakel: Wie er geboren wurde aus Eltern schon sehr vorgerückten Alters, ex grandaevis nascitur, und göttliches Licht die Stube der greisen Wöchnerin erhellte, coelesta flamma domum paternam ambiente; wie die Heilige Jungfrau den Knaben von schwerer Krankheit genesen ließ; wie er als junger Ministrant sich fleißig bewährte, dann lehrte als Doktor und predigte vor bärtigen Männern, verzückten Frauen, betenden Kindern; wie der König, stolz unter seiner gezackten Krone, ihm ein Bistum offerierte, der Mann im Strahlenkranz aber ein anderes als schlichter Priester nicht sein wollte; wie er oft schwierigen Streit unter den Gläubigen schlichtete durch gerechtes Urteil; wie die Königin kniend ihm beichtete, der König aber, zwei Kupfer weiter, ihn 0
versuchte mit köstlichen Schätzen, um das Geheimnis ihm zu entlocken; wie der grausame Wenzel seinen Koch braten ließ am Spieß, weil der einen Kapaun schlecht gebraten hatte, und kein anderer als Johannes dem tafelnden Wüterich sein Verbrechen vorhielt in strengen Worten; wie dann Wenzel überging von Versprechen zu Drohungen, denn der Königin Geheimnis wollte er erfahren; wie die Folterung begann mit Strecken und Brennen; wie der Heilige schwieg trotz der Qual und der Freiheit zurückgegeben wurde, das mußte sein, ein Interludium zwischen Folter und Tod, sonst hätte er sich nicht so herrlich auf ihn vorbereiten können; wie er in letzter gewaltiger Predigt den Böhmen großes Unheil verkündete, womit er gewiß die Hussitenheimsuchung meinte, wie auch jenen selbstverschuldeten Krieg der Dreißig Jahre; wie er am Stock nach Altbunzlau pilgerte, Boleslaviam veterem, zum Wunderbilde der Jungfrau, Böhmens Palladium; wie er wieder gefangen wurde auf des bösen Königs Befehl und von der Brücke gestürzt, da waren in dem Schein über seinem Haupt schon die fünf Sterne erkennbar: wie er von Himmelsflammen umlodert im Wasser lag, geborgen wurde, aufgebahrt und feierlich bestattet; wie es anging mit Wundern an seinem vergitterten Grab, König Wenzel aber von Thron und Land fliehen mußte und starb, gar bald nach dem Johannes, in frommer Reue; und so noch andere Szenen bis zur endlichen päpstlichen Bestätigung des nun schon seit undenkbar langen Zeiten blühenden Kultes, Imme
morialis cultus Servi Dei. Das Letztere traf zu. Die Jesuiten, Vorkämpfer der Rekatholisierung Böhmens nach 620, haben den heiligen Johann von Nepomuk nicht erfunden, er war vor ihnen da. Jene Ausgabe der Vita des Baibin bringt in einem Anhang die Geschichte der Seligsprechung, 72, dann der Kanonisation, 729, mit Auszügen aus den Prozessen. Schwierig war solch Unternehmen, wie der spätere Editor weiß, schwierig zumal seit der strengen Bulle Papst Urbans VIII. vom 5. Juli 634. Die Bemühungen, den Johann von Nepomuk zu dem zu machen, was er in Böhmen, nun auch in Deutschland, schon lange war, sind ein halbes Jahrhundert älter als die Erfüllung. Entscheidend trug zum Erfolg ein Fund bei, der im Sommer des Jahres 720 gemacht wurde. Damals nämlich ließ der Erzbischof von Prag den Sarg des Johannes öffnen. Fünf Ärzte, drei Doktoren der Medizin, zwei der Chirurgie, hatten zu prüfen, nachdem sie selber genauestens geprüft worden waren: Wer sie seien? Wo sie ihre Titel erworben? Ob sie auch Anatomie getrieben? Wo, wie oft? Ferner dann: was sie da vor sich sähen und ob irgend etwas Außergewöhnliches und Übernatürliches dabei sei, aliquid plane extraordinarium et supernaturale? Darauf sollten sie antworten nach ihrem Gewissen und bei heiligstem Eid. Sie antworteten alle dasselbe, die Doktoren Löw, Puchmann, Fuchs, Schutzbreth und Schober. Sie sahen ein Skelett, durchaus sine carne, der Schädel ein wenig geneigt, die Knochen fest ineinandergefügt, jedoch da und dort mit Spuren 2
eines harten Aufpralls, das erklärte sich durch den Sturz von der Brücke und war nichts Wunderbares daran. Die Zunge aber, die erkannten die Fünf, einer nach dem anderen, staunend als die eines Lebenden, so gänzlich intakt in Substanz und Farbe. Und dafür, wie streng auch der Erzbischof inquirierte, gab es keine natürliche Erklärung, da hatte Wunder sich ereignet. Blieb die Frage, ob jene Reliquien denn wirklich und sicher die des Johann von Nepomuk seien? Wo die gelehrten Männer nur Hörensagen zu bieten hatten, wußten die Maurer, die Ausgräber, besseren Trost: nie, vor diesem Augenblick, sei das Grab geöffnet worden, auf so etwas verständen sie sich doch, auch sei die Inschrift auf dem untersten Grabstein die älteste, ursprüngliche, charactere antiquissimo facta … Die Zunge, demnächst zur Schau gestellt und verehrt, ist seitdem ein Attribut des heiligen Johann von Nepomuk geblieben, und seines nur: Symbol der Rede, wie des Schweigens. Schon vor der Heiligsprechung waren dem Johannes einige Kirchen geweiht gewesen. Nun brach der lange gewachsene, lange aufgestaute Kult-Trieb sich rasche, breite, leuchtende Bahn: in Prag S. Johann auf dem Hradschin, S. Johann am Felsen, die S. Johannskapelle an der Georgskirche auf dem Hradschin, fünf Kirchen, drei Kapellen, 3 Statuen insgesamt; und Kirchen anderswo in Böhmen, in Rozmital, Pilsen, im Geburtsort Nepomuk in Südböhmen, in Saar, in Kuttenberg, Frauenberg, Budweis, Hohenmauth, Hohenelbe, in hundert Städten, Dörfern, Klöstern, 3
Schlössern. War ja diese Zeit die baufreudigste, bildund Freuden-freudigste, die es je gab; das Prager Fest zur Feier der Kanonisation, mit seinen Triumphbögen, Statuen, Dekorationen, Feuerkreuzen und »brennenden Felsen« die prunkvollste Kaiserkrönung überbietend, ist nach Stichen und Berichten noch zu erkennen. Man sagt, der Adel habe starken Teil an der Verehrung dieses Heiligen gehabt. Den Herren gefiel der Schweiger, der Verteidiger der Ehre; wie er den Jesuiten gefiel, sie wählten ihn zu ihrem zweiten Patron, und zwar als Beschützer gegen die Verleumdung, von welch letzterer gerade sie ein Lied zu singen hatten. Man sagt uns auch, die Internationalität des habsburgisch-böhmischen Adels habe den Ruhm verbreiten helfen. Dicht waren die Verbindungen dieser neuen Aristokratie, zu Österreich, Bayern, Italien, über Spanien-Portugal selbst nach Lateinamerika, nach Brasilien und Mexiko. Es ist dann auch in den Abbildungen des Johannes ein Wandel festzustellen: er wurde eleganter, moderner; einem Cavalier des 7. Jahrhunderts ähnlicher als einem Apostel oder Propheten der Urzeit. Für meinen Teil kann ich zwischen dem, was vom Adel und den Orden ausging und vom Volk nur angenommen wurde, was vom Volke angenommen wurde, weil es so begehrte, was vom Volke selber ausging, die Grenzen recht scharf nicht ziehen. Daß die Menschen einen neuen Heiligen brauchten, um alte Sehnsucht, alte Furcht und Gottesfurcht und Hilfsbedürftigkeit auf ihn zu konzentrieren, dies, glaube ich, konnte geschehen; es kam dann 4
das Angebot dem Wunsche entgegen. Der Verteidiger der Ehre war auch der Almosenspender, der ArmenAnwalt, der Patron der »guten Sterbestunde«, der Beschützer der Wassersleute, verehrt von den Flößern auf der Isar, den Schiffern auf der Donau und dem Inn. Die Kunstwerke der Brüder Asam, das Deckenfresco in der Schloßkapelle von Ettlingen, die Kirche in München, die Kapelle im Dom von Freising, sind Eines; so die prunkenden Kelche, die feinen Gruppen aus Porzellan; die schlichten Holzfiguren, gemalt und vergoldet, die Malereien auf Bauernmöbeln, Schränken und Kasten, die grob gehauenen steinernen Monumente die Flüsse entlang sind etwas anderes. Das Eine und Andere gehören zusammen. Die Gesellschaft des 8. Jahrhunderts, heißt es, war eine geteilte, der eine Teil herrschend und genießend, der andere beherrscht und betrogen. Das ist schon richtig. Nur, ein Ganzes war sie auch, nämlich zäh in sich zusammenhängend und verbunden. Ohne frommes Volk überall, für sich allein, hätte Priestern und Künstlern die schöpferische Phantasie gefehlt für ihre Schriften und Predigten, ihre Malwerke und Bauwerke. Der so rasch zu höchster Verehrung gelangt war, nahe Johannes dem Täufer, nahe Johannes dem Evangelisten, ja der Jungfrau und dem Erlöser nahe, er gehörte allen Gläubigen. 97
NACHTPHANTASIEN
Januar 630 Wo ist dies Dunkel? Welche Nacht ist das? Porca Maria! Nimm dich zusammen. Ja, so ist’s, gestern sind wir abgezogen von Halberstadt … Das Herz klopft noch, vom Schrecken des Erwachens. Klopft jetzt immer, wenn ich zu Bett liege. Wie schwer die Luft ist. Staub. Sie haben nicht recht gesäubert, ehe ich kam; mit denen muß ich eine Demonstration vornehmen. Dräuet man dem Pack nicht Tag für Tag, dann schafft es nichts … Was Widriges in meinem Kopf? Ich weiß nicht. Ich weiß es. Der Brief von dem de Witte. Kann er mich nicht in Ruh lassen? Soll ich selber nach Schlesien ziehen in der Sänften, und sehen, daß sie zahlen? Der Dohna behandelt sie mit zuviel Glimpf, weil er das Fürstentum in Breslau ambitioniert. Sie wollen’s mir alle nachmachen. Ich muß dem Dohna zuschreiben, daß die Schlesier, wenn sie die 300 000 nicht aufbringen, sollen bei dem alten Zierotin leihen. Hat ja das Seinige brav nach Breslau geflüchtet, ist eine Million Rheinisch wert, leiht gern gegen guten Zins und Sicherheit … Warum bin ich im Reich verhaßt? Aus der Ursach bloß, daß ich dem Kaiser gar zu wohl gedient hab wider vieler Willen, und hab keinen Dank dafür … Mit dem Kaiser werd 6
ich mich nicht abboccieren diesen Winter. Daß ich auf Wien komme, muß er nicht denken. Im Sommer zu Regensburg, wenn das wird. Ihn und den Sohn. Und den aus Bayern. Nein, den nicht. Wollen sie, daß ich in Italien kriege, kann ich nicht zu Regensburg Complimenta machen … Nun das Bein, die offene Stelle von gestern. Mir graust, wenn ich sie sehe. Kann ich nicht mehr reiten, so mag ich nicht mehr leben … Wenn ich nach Gitschin komme, sollen die Rosse da sein, so ich dem Piccolomini für mich zu kaufen anbefohlen in der Lombardei. Nur, daß die Pferde auch groß sind. Ein Hauptroß ist mir lieber als ein Dutzend kleine Katzeln; solche bekomme ich in Böhmen auch … Dem Nuntius muß ich Glück wünschen, daß er Kardinal ist worden. Ich werde es bleiben lassen. Der Kerl adressiert mich Excellenza und nicht Altezza, wie die anderen Kardinale tun Wird jetzt Zeit, daß ich so unschämliche Briefe refüsiere … Die alte Trčkin bietet mir Smidar an um 60 000 Thaler, schreibt, es sei aus Freundschaft. Hat sie vergessen, daß sie mir’s schon offeriert an die dreißig Mal? Und kauft es vom Kaiser für 00 000, wenns hoch kommt. Sie kann damit, wo’s ihr gefallen wird, betrügen. Zum Handel taugt sie. Wäre ich ihr begegnet anstatt der Lucretia, die hätte mir anders assistiert. Geht weg, Frau Lucretia. Ich brauch euer Geld nicht. Ich hab zwanzigmal mehr gewonnen, als ihr mir brachtet … Den Adam Trčka muß ich zum Obersten machen, nun er die acht Fähnle von meinem Regiment kommandiert. Des wird die Maximiliana 7
zufrieden sein und mein Weib … Isabella versteht ein lauter gar nichts vom Handel. Sie ist treu und lieb … Da ist es gleichsam wieder, wie als ich ein Kind war. Wie lang hat es gedauert, im Ganzen? Dreißig Jahr, fündunddreißig? Auf Koschumberg fing es an. Was es auf sich hatte, lehrte mich der Albrecht Slawata; dann noch der Prediger, mit geschämigen Worten, und ich tat, als wüßte ich nichts. Des Lebens Hauptstrecke; vorbei. Die vorher ist kurz, und die danach, die kennt man nicht und die Zähne fallen aus, die Füße schmerzen, die Leute müssen ihre Stimmen heben, daß man sie versteht, und dreht man sich um, dann deuten sie auf einen und lachen. Der Bethlehem soll ganz geschwollen gewesen sein wie eine Tonne zuletzt, und floß überall, ist gleichsam in seinem eigenen Wasser ersoffen. Ich gönn es ihm wohl, daß er verreckt ist. Schweig, so werden sie auch von dir sprechen einmal, und wenn sie’s laut nicht wagen, doch denken in der Nacht … Der Eggenberg hat noch gezeugt im neunundfünfzigsten. Meinen Respekt. Wer sich brav pflegt und nicht muß rackern wie ich, bei dem mag’s länger anhalten. Ich weiß, wie die Hurer fragen: was treibt denn der? Haltet’s Maul, oder ich will es euch stopfen. Brauche meine Zeit für andere Sachen. So fragen die Schwarzfärbergesellen: Was glaubt denn der? Die Räte, die kahlen Kerle: Wohin will der hinaus? Wollen mich alle kennen. Un poco di prudencia, signori. Den würde ich umbringen lassen, der mich kennte … Der Jaroslaw schnarcht. Das ist gegen die Artikel. Man sollte ihm die Hände 8
zerschmeißen. Laß sein, er hat mir treu gedient. Wachen ja genug, weiter draußen … Ziehe ich auf Regensburg und treff den König von Ungarn dort, muß ich vorher das wissen, was unsere Nativitäten betrifft. Wer hat mir gesagt, sie fügen sich nicht gar gut zusammen? Der Pieroni? Nein, Kepler. Dann hats der Pieroni kalkuliert, aber des Kepler Judicium ist berühmter. In Sagan mag er mir’s explicieren, aber nicht obscure, wie’s sein Brauch ist … Gitschin. Ich will jetzt, daß alles fertig wird. Die zwei Kapellen für mich und mein Weib. Die Altare in der Kirchen. Die Loggia, die muß mit lavor di stucco geziert werden. Vor der Loggia will ich eine großmächtige Fontana sehen. Alles Wasser muß hineinlaufen und von dannen wieder heraus und sich auf die Fontänen verteilen zur Rechten und Linken. Geschieht’s nicht dies Jahr, so wird der Taxis merken, daß ich kein gut’s Mandl bin. Nur, was hab ich von allen meinen Losamenten? Sie erlauben ja nicht, daß ich’s genieße. Sei ehrlich, erlauben täten sie’s. Da wäre mancher froh, wenn ich mich einschlösse in Gitschin und käme nimmer wieder herfür. Kann ich’s? Wo dann das Geld hernehmen für mich und den de Witte? Der Max ist der Eine, dem ich trauen kann. Hat eine Manier, der alles gelingt, freundlich zugleich und schlau. Was er von mir will, das weiß ich. Sei ruhig, du wirst es bekommen, wenn du lebst … Einen Sohn! Warum hab ich keinen Sohn? Wäre der gesund geblieben, so finge er an zu reden jetzt, deutsch und welsch, noch zwölf, fünfzehn Jahre und er würde mir helfen. Hat Gott mein Weib strafen 9
wollen? Nimmt mich wunder, für was. Mich? … Von Mecklenburg nun weiter fort mit jedem Tag. Wenn der Gustavus kommt, so werden die Herzoge einkehren in meinen Häusern und ruina machen aus allem, was ich angeschafft. Wie soll ich Mecklenburg halten und Pommern, und hab keine 30 000 dort unten? Der Conti hat schon Valor, aber nun der Collalto in Reggio krank liegt, so müßte ich ihn nach Italien schicken. Ich hab ja keinen anderen. Wen nach Pommern? Oder keinen nach Italien? Dann müßten’s Aldringen und Gallas zusammen machen. Das gibt Wäschereien. Der Aldringen, nicht, daß ich ihn mag, den Schneider. Schreibt wie ein Gazettier. Hat aber gewußt, wie er sich könnte unentbehrlich machen. Unerträglich und unentbehrlich … Nimm an, du tust ihnen den Gefallen, begehrst deine Lizenz, erhältst sie. Dann werden sie sehen, wie weit sie kommen, mit den Holländern, mit dem Schweden, dem Türken, mit ganz Italien und im Reich. Wer ist für mich im Reich, wer ist für uns? Die Katholischen nicht; wollen die Spanier weghaben vom Rhein, sind gegen den Krieg in Italien gewesen, haben Angst, der Kaiser wollte sie einer Monarchia unterwerfen. Die Evangelischen nicht, wegen des Edikts. Die Novi Christiani, die man durch die scharfe Reformation hat gezwungen, wie die im Herzen fühlen, mag ein jeder judizieren … Der Frankreich sieht häßlich aus zu Roß, gezeichnet von der Natur, ist dennoch ein großer Monarcha. Auf den muß man aufpassen, aber ihn nicht reizen. Sein Ober-Pfaff versteht’s Handwerk, 20
und wenn er sagt, das soll geschehen, so geschieht’s. Mit mir ist es anders. Wenn ich sage und schreibe mir die Finger wund, es soll geschehen, so geschieht’s nicht, und geschieht, was ich nicht will. Ich will werben, weil es sein muß. Man verlangt, ich soll noch mehr Truppen lizensieren. Wieviel stehen am Oberrhein, wieviel bei Metz? Vierzehn Fähnle Fußvolk, Cornette ebensoviel oder weniger, und sind unbesoldet. Aber da ist die Gefahr und nicht in Italien. Zurückholen müßten wir die in Italien sind, anstatt noch mehr hinunterzuschicken. Attackiert der Franzos in Lothringen, so werden die unsrigen auseinanderlaufen, wie Butter in der Sonnen. Ich kann das ja alles nicht praestieren. Wenn sie mir doch glaubten, wie ich’s überdrüssig bin … Der Pater sagt, ich sollte beten, wenn mich der Schlaf meidet. Ich kann nicht beten. Es kommt mir immer der Teufel, lacht, fragt: Glaubst du wirklich an den alten Esel? Ich fange von Neuem an, er kommt wieder … Ist manchmal die Hölle schon jetzt. Kann es aber doch nicht sein, denn in der Hölle ist kein Trost; ich habe ja aber Trost gehabt zu Zeiten. Ist es die Hölle, warum Freud und Stolz? Ist es nicht die Hölle, warum die Qual? Ist aber weder die Hölle, weder auch nicht die Hölle, das wäre der Höllen allerschlimmste … Ich kann das Gesicht des Harrant nicht vergessen, wie ich ihn gefänglich einzog auf Schloß Pecka, und später schlugen sie ihm den Kopf weg. Er könnt es nicht fassen. Daran war er selber schuld. Ich hab niemandem zur Rebellion geraten. Hätte ich’s den Böhmen, den Mähren gleich 2
getan, was wäre ich jetzt? Ein Oberstleutnant beim Schweden, mager bezahlt, verdächtigt als Fremder; oder ich moderte wie der Harrant. Dann hätte ich Ruh. Ruh? Kann mir nicht einbilden, wie das ist, und die Geistlichen reden Stroh darüber … Die Hölle, die kann ich mir vorstellen. Ich will es nicht denken, und muß doch. Als ob einer auf den Rad läge, die Knie, die Arme, die Brust gebrochen, offen der Mund wie ein Backofen, ganz allein, und müßte so liegen immer und immer, und die Zeit steht still. Das ist zu lang, da gilt kein Scherzen. Licht! Ký čert! Wo ist die Glocke! – Euer Fürstliche Gnaden? – »Leg er Holz im Ofen nach und zünd er Kerzen.« – Befehlen Euer Fürstliche Gnaden noch einen Becher Perlenmilch? – »Nein, laß sein. Hat der Erste nichts geholfen, so wird auch nichts helfen der Zweite. Die Füße schmerzen mich.« – Befehlen Euer Fürstliche Gnaden Herrn Doktor Stropherus? – »Den Arzt? Laß ihn schlafen. Morgen früh auf die sechs, zum Verbinden …« Das Licht des Mondes. Der Mond ist pur lauter Eis und Schnee … Der Schneekönig hatte hundertmal mehr Land als ich. Mußte er sich einmischen und mir das Spiel verderben? Wäre der Aldringen bei Lützen gewesen, ich hätte die Schlacht gewonnen und im Reich hiberniert. Der Bayer hat’s gehindert, der Bayer hat’s gehindert … O, das Brennen im Schlund … Wo ist der Holk? Tot. Hat nach einem Praedicanten geschrien und gejammert, aber keiner war zur Stelle; waren alle crepiert an der Pest, am Hunger, waren im 22
Wald versteckt aus Furcht vor ihm. Nun brauchte er sie und hatte keinen … Warum kommt der Arnim nicht? Nun brauchte er sie und hatte keinen … Sind alle weg, die ich brauchte. Holk. Der alte Harrach. Pappenheim. Collalto. Die schlechten Menschen sind alle noch da. Könnte ich dem Bayern an die Gurgel. Ihn abstechen wie den Kerl zu Olmütz. So viele Jahre seitdem. Vierzehn. Fünfzehn. Wie die Jahre rollen … Sei ruhig, du stichst keinen mehr. Kannst ja deinen Namen nicht mehr schreiben. Kannst ja deinen Löffel nicht mehr halten. Was hab’ ich ihm zuleid getan? Ging die Rede, ich wollte die Kurfürsten abschaffen. Verlogen. Schafft man das ab, was man selber will werden? Freilich doch, dessen Platz man nehmen will, den muß man schon abschaffen. Sie gaben mir keine Ruh. Sie wollten mich nicht haben, weil ich nicht geboren bin wie sie. Weil ich nicht geboren bin wie sie. Was hätt’ ich aus dem Reich machen können, damals. Sie wollten’s nicht dulden, weil ich nicht geboren bin wie sie. Keiner wollte es, und ich meinte es treu und ehrlich. Der Syndicus aus Lübeck; war ein stattlicher Mann, steif wie eine Stange, der Rock schwarz, die Münze am Hals, lächelte höfisch wie ein Graf. Sind politici, die von der Hanse, nicht wie die Deutschen; fast wie die Holländer. Er traute mir nicht. Warum traute mir niemand? – Als er sie brauchte, hatte er keinen … Ist’s bald Zeit zum Klistier? Wie sie mich ekeln. Der Arzt hat versprochen, sie müßten nicht mehr sein, wenn ich nur Aquam Sambuci fleißig nähme. Ich schlinge es herun23
ter jeden Morgen, jede Nacht, es hilft ja nichts. Das Geld, so ich den Ärzten zahle und der Apothekerin Wittib am Markt, ist gestohlen. Muß noch mein eigener Apotheker sein, das Letzte, was ich lerne; Unguentum altheae, Electuarium Hiera Picra, Tartarum Crudum. Es hilft ja nichts. Man lernt’s und vergißt’s. Man erwirbt’s und man verliert’s. Wie man mit den Schiffen umgeht, hab’ ich gelernt und wieder vergessen. Gar viele Inseln kannt’ ich mit Namen. Wo sind sie? Den Schweden wollt’ ich anbinden im Polnischen mit unsagbarer Mühe; er hat sich nicht wollen binden lassen. Was hab ich aus Mecklenburg gemacht in einem einzigen Jahr, wie hätt’ ich’s regiert! Weg, vorbei; sie sitzen wieder dort … Wrack, mit Tränklein aus der Apotheke beladen … Das Wrack bei Stralsund, das gestrandete Schiff. Alle Güter ließ ich den Kaufleuten zurückgeben, sie mußten’s herschwitzen, die’s geplündert hatten, bei Leibesstrafe. Vergebens. Sie trauten mir nicht … Den Brief an die Stralsunder unlängst, daß sie die Schweden sollten hinausschmeißen, daß ich sie zur Freien Reichsstadt machen würde und ihnen alles Gute tun, den hätt’ ich nicht schicken sollen. Bis heute haben sie mich keiner Antwort gewürdigt. Könige schickten mir ihre Ministri und caressierten mich, hündisch wie die Hunde. Der Pole, Danus, der aus Engelland, der Franzos, der Philipp. Wer ist noch da? Der Don Augustin. Ist ein Spion, dem ich sollte den Kopf weghauen lassen. Das hätte ich sollen zusagen, was der Franzos mir proponierte. Ich werde ihm zuschrei24
ben durch den Kinsky, daß ich es annehmen will. Er rnag’s schon getan haben. Ein großer Practico, der Kinsky. Man muß ihn nur anschauen, dann tut er, was man will. Was man nicht will. Ich kann nicht. Tue ich’s, so kommen die Franzosen über den Rhein, und alle Territoria, die da liegen, gehören ihnen, und es ist nie kein Friede. Das darf ein Fürst des Heiligen Reiches nicht. Der bin ich. Sie werden noch sehen, daß ich es bin. Ich muß nach Wien schreiben, daß sie den schlechten Menschen nicht glauben sollen. Sie haben mich nicht verstanden. Sie haben mich nie können leiden; ich sie auch nicht. Den Max will ich schicken mit dem Brief, der mag es ihnen elucidieren mit seiner Suada … Wenn der Arnim doch käme. Ich will den Frieden noch hinbringen, dann resignieren. Ich mache nicht Frieden ohne einen Recompens für Mecklenburg. Rechtens hab ich’s erworben, sollen sie mir’s ersetzen. Die Pfalz oder Württemberg, das gilt mir gleich. Sie sagen, daß Württemberg ein schönes Stück Land ist, der Wein, die Wälder. Mit der Pfalz, das kann nicht sein. Es ist kein Friede, ohne daß man sie dem jungen Pfalzgrafen restituiert … Regensburg, wessen Schuld ist es? Hab’ ich nicht gewarnt, immer und immer, der Aldringen sollte nicht an den Rhein? Wäre er in Bayern geblieben, wie ich’s wollte, der Weimar hätte nicht können herunterrücken. Ganz liederlich haben sie seine Schiffe vorbeigelassen bei Ingolstadt. Wozu ist solch starke Festung am Strom gut, wenn sie des Feindes Schiffen den Paß gewährt? Und nun bin ich’s, der dem Weimar hätte sollen den 25
Weg versperren. Ich hab’ mich nie verdient gemacht. Ich hab’ alles Böse verursacht. Das ist unerträglich. Die falschen Spinnen, die dem Kaiser was vorlügen, und der glaubt’s, der glaubt’s. Dann wollen wir tun, was er glaubt … Wie sie mir schrieben, wie sie zu mir redeten und bettelten. Das Handbriefel des Kaisers nach der Battaglia von Lützen. Wie hat das sich so schnell können umkehren? Die bösen, falschen Menschen sind’s gewesen … Der Arnim muß noch in Berlin sein. Bricht er auf morgen früh, von Berlin nach Pilsen wie lang? Sieben Tage, acht, wenn es sein kann. Und er wird noch einmal bei dem Vieh einkehren in Dresden. Und die Wege sind voller Schnee. Hier taut es, aber dort nicht. Wie die Füße schmerzen, beim Tauwetter. Solange der scharfe Frost war, konnte ich atmen und gelinder waren die Zangen in der Brust. Jetzt hab’ ich Angst, daß ich einschlafe, die Träume, die zeigen, wie es mit mir steht, wenn die Luft drückt. Es kommt der de Witte und klagt. Ich stoße in ihn hinein, jage ihn fort, dann löst er sich auf. Kepler kommt mit seinen Papieren, zeigt immer auf einen Tag im Kalender mit seinem langen Finger, murmelt etwas und zeigt und zeigt, aber ich kann es nicht lesen. Ich will ihn ausfragen, da ist er wieder weg. Der Kaiser Rudolf kommt und schnauft und wirft die Arme, wie ich ihn zuletzt sah in Prag, das gebrochene Männlein. Das war kein Spanischer, der Rudolf, mit dem hätte ich mich können vergleichen. Man sagte, er sei wie der blöde Smificky. Der Teufel quält’ ihn, wie er mich quält. Sauber ist es in meinen 26
Palatia, wie beim Kaiser nicht. Träumen tue ich Spinnweben und Angst und Kot. Der muß sein in der Seelen, sonst würde ich ihn nicht träumen. Gott schickt mir keine Träume, die sähen anders aus und ich wachte auf erquickt. Wie lang ist’s her, daß ich solche Träume hatte? Hatt ich sie je? Die Pfaffen lügen, daß man so träumt … Was der Prediger in Goldberg mir erzählte von der Lehre der Picarditen. Ist einer geboren als Böser, so kann er nicht dafür, und kann doch dafür, und Gott straft ihn ewig, und ist alles praedestiniert. Die Jesuiter erklärten’s mir anders. Stifte ich Klöster, geb’ ich den Armen Brot, dann bin ich fromm. Die Lehre gefiel mir, drum nahm ich sie an … Du lügst. Du nahmst sie an mit anderem Vorsatz und nahmst sie im Herzen nie an und bliebst immer bei der alten, und auch bei der alten nicht, und bei gar nichts, und wolltest von Gott nichts wissen aus Hochmut und Angst. Nicht so, wie der Holk, der um einen Praedicanten bettelte und sich wand in Reue, als man ihm sagte, es sei die Pest. Wie ein stolzer Knecht, der seinen Herrn verachtet und doch ihn fürchtet und sich vor ihm verbirgt … Ach, so allein zu sein. Gott im Himmel hilf mir. Gott im Himmel hilf mir. 97
BIBLIOGRAPHISCHER NACHWEIS
Schloß Arenenberg. Erstmals unter dem Titel ›Die Napoleoniden auf Schloß Arenenberg‹ in ›Du. Kulturelle Monatsschrift‹, Zürich, 24. Jg. August 964, Heft 82, S. 36 ff. Aufgenommen in Golo Mann, ›Zwölf Versuche‹, Frankfurt am Main, S. Fischer Verlag 973 Napoleon und die Deutschen. Erstmals in ›Frankfurter Allgemeine Zeitung‹, 6. August 969. Aufgenommen in Golo Mann, ›Zwölf Versuche‹, Frankfurt am Main, S. Fischer Verlag 973 Der letzte Markgraf von Ansbach. Seine Zeit, sein Land, seine Bank und er selber. Festvortrag gehalten am 0. Juli 980 in Ansbach anläßlich der 200. Wiederkehr der Gründung der Bayer. Staatsbank, heute vereinigt mit der Bayer. Vereinsbank München Der letzte Großherzog. In Groß herzog Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein, ›Grundideen eines konstitutionellen Fürsten‹, Darmstadt, Eduard Roether Verlag 973, S. 7 ff. Der heilige Johannes von Nepomuk. Erstmals in ›Du. Kulturelle Monatsschrift‹, Zürich, 3. Jg. Dezember 97, Heft 370. Aufgenommen in ›Zwölf Versuche‹, Frankfurt am Main, S. Fischer Verlag 973 Nachtphantasien. In Golo Mann, ›Wallenstein. Sein Leben erzählt von Golo Mann‹, Frankfurt am Main, S. Fischer Verlag 97, S. 665–669 und 052–055.
Golo Mann weiß, »daß, wer etwas erzählen will, es schön erzählen muß, und sein eigenes Ich mit einsetzen und Worte zu Rhythmen fügen und so den Chaosdrachen bannen für eine Zeit«.
isbn 3-0-047907-6