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.c.p4, tritt in der Quantentheorie der selbstwechselwirkenden Mesonen auf. Der Parameter m beschreibt die Masse des Meson und c.p4 bestimmt den nichtlinearen Anteil der Wechselwirkung. 1st >. = 0, so erhalten wir die Klein-
Gordon-Gleichung (3.13) Technische Erganzungen. Eine geeignete Wahl des Funktionenraumes fur die Wellengleichung ist Z = H I (JR3) x Lbcn(JR3 ), wobei HI (JR3) die HI_ Funktionen auf dem JR3 bezeichnet, also Funktionen, die zusammen mit ihren Ableitungen quadratintegrabel sind, und Lben(JR3 ) den Raum der Dichten 1f = 1f' d 3 x, wobei die Funktion 1f' auf dem JR'.3 quadratintegrabel ist. Beachte, daB das Hamiltonsche Vektorfeld
nur auf dem dichten Unterraum H2(JR'.3) x H6en(JR 3 ) von Z definiert ist. Dies tritt bei der Untersuchung von Hamiltonschen partiellen Differentialgleichungen hiiufig auf. In §3.3 kommen wir hierauf zuruck. In dem vorigen Beispiel war n durch die kanonische Form gegeben, mit der Konsequenz, daB die Bewegungsgleichungen die Standardform (3.5) hatten. Zudem war die Hamiltonfunktion durch die Energie des betrachteten Systems gegeben. Wir werden nun Beispiele anfuhren, fur die diese Aussagen uminterpretiert werden mussen, die aber dennoch in die von uns entwickelte allgemeine Theorie passen. Beispiel 3.2.2 (Die Schrodingergleichung). Sei 1i ein komplexer Hilbertraum, z.B. der Raum der komplexwertigen Funktionen 7/J auf dem JR3 mit dem hermiteschen inneren Produkt
3.2 Beispiele: Die Hamiltonschen Gleichungen
115
wobei der Querstrich die komplexe Konjugation bedeutet. Fur einen selbstadjungierten komplexlinearen Operator Hop: 1i -+ 1i lautet die Schrodingergleichung
in ~~ = Hop1/; mit dem Planckschen Wirkungsquantum
n.
(3.14)
Definiere
i
A = --nHop, womit die Schrodingergleichung die Gestalt
a1/; = A1/;
at
(3.15)
bekommt. Die symplektische Form auf 1i ist durch Q(1/;1 , 1/;2) = -2n· 1m (1/;1, 1/;2) gegeben. Die Selbstadjungiertheit von Hop ist eine starkere Bedingung als die Symmetrie und maBgeblich fur den Nachweis der Korrektheit des Anfangswertproblems fur (3.14). Eine Darstellung findet man z.B. in Abraham, Marsden und Ratiu [1988]. Historisch war es Kato [1950], der die Selbstadjungiertheit fUr wichtige Probleme wie z.B. das Wasserstoffatom betrachtete. Wir wissen seit §2.5, daB A, weil Hop symmetrisch ist, Hamiltonsch ist. Die Hamiltonfunktion lautet
H(1/;) = n (iA1/;, 1/;) = (Hop1/;,1/;).
(3.16)
Dies ist der Erwartungswert von Hop bei 1/;, definiert durch (Hop) (1/;)
=
(Hop 1/;, 1/;). Beispiel 3.2.3 (Die Korteweg-de Vries (KdV) Gleichung). Man bezeichne mit Z den Untervektorraum F(~), der aus denjenigen Funktionen u besteht, fur die lu(x)1 fur x -+ ±oo hinreichend schnell abfallt, damit die von uns verwendeten Integrale definiert sind und partielles Integrieren moglich ist. Die Poissonklammern fUr die KdV-Gleichung sind, wie wir spater sehen werden, recht einfach und wurden noch vor der symplektischen Struktur entdeckt (vgl. Gardner [1971] und Zakharov [1971, 1974]). Urn mit unserer Darstellung konsistent zu bleiben, beginnen wir mit der etwas komplizierteren symplektischen Struktur. Betrachte die Paarung von Z mit sich mittels des inneren Produktes des L2. Die symplektische Struktur der KdV-Gleichung Q sei durch (3.17) definiert, wobei
u eine Stammfunktion von u ist, also ist (3.18)
116
3. Eine Einftihrung in unendlichdimensionale Systeme
In §8.5 werden wir eine M6glichkeit kennenlernen, diese Form zu konstruieren. Die Form fl ist offensichtlich schiefsymmetrisch. Falls Ul = av / ax fur ein v E Z ist, so gilt
(3.19) 1st also u1 (x)
= av (x ) / ax, dann kann fl in der Form
geschrieben werden. Urn nachzuweisen, daB fl schwach nichtausgeartet ist, uberprUfen wir, daB fur v =1= 0 ein w existiert, so daB fl( w, v) =1= 0 ist. 1st v =1= 0 und sei w = av / ax, so ist tatsachlich w =1= 0, da v(x) -t 0 fur Ixl -t 00. Also folgt mit (3.20)
fl(w, v) = fl
(~~,v)
=
1:
(v(x))2dx
=1=
O.
Angenommen H : Z -t lR sei eine gegebene Hamiltonfunktion. Wir behaupten, daB das zugeh6rige Hamiltonsche Vektorfeld X H durch
XH(U) = -a ax
(8H) 8u
(3.21 )
gegeben ist. In der Tat ist mit (3.20)
fl(XH(V), w) =
1 8H 00
-00
Tv(x)w(x) dx = dH(v) . w.
(3.22)
Aus (3.21) folgt die Form der zugeh6rigen Hamiltonschen Gleichungen: (3.23)
3.2 Beispiele: Die Hamiltonschen Gleichungen
117
In (3.23) und folgend bezeichnen die unteren Indizes Ableitungen nach den Indexvariablen. Betrachte als Spezialfall die Funktion H1(u)
Dann ist
11
= --
6
[) oH1
--- =
00
u 3 dx.
-00
-uU x
[)x Ou und somit wird (3.23) zur eindimensionalen Transportgleichung Ut
+ UU x = O.
(3.24)
Als nachstes sei (3.25)
dann wird (3.23) zu Ut
+ 6uu x + U xxx = O.
(3.26)
Dies ist die Korteweg-de Vries (KdV) Gleichung. Sie beschreibt Flachwasserwellen. Fur eine kurze Darstellung ihres beruhmten vollstandigen Satzes von Integralen sei auf Abraham und Marsden [1978], §6.5 und hinsichtlich weiterer Informationen auf Newell [1985] verwiesen. Die ersten Integrale sind in Ubung 3.3.1 gegeben. Auf dieses Beispiel werden wir von Zeit zu Zeit zuruckkommen, nun wollen wir aber sich fortpflanzende Wellen als Lasungen der KdV-Gleichung finden.
Sich fortpflanzende Wellen. Bei der Suche nach sich fortpflanzenden Wellen als Lasung von (3.26), also bei der Suche nach einer Funktion u(x, t) = 0 und eine positive Funktion 0 definiert, die komplexe Differentialgleichung zweiter Ordnung erfullt, die zu dem Hamiltonschen System im ]R4 bzgl. der nichtkanonischen symplektischen Form, deren Matrix durch
oc0 01 10] -c -1 0 00 o -100
r
gegeben ist, aquivalent ist, vgl. Ubung 2.4.l. (b) U ntersuche die G leichgewichtspunkte des resultierenden Hamiltonschen Systems im ]R4 und bestimme das Stabilitatsverhalten des linearisierten Systems. (c) Sei 'ljJ(s) = eics / 2 a(s) fur eine reelle Funktion a(s). Bestimme eine Gleichung zweiter Ordnung fUr a(s). Zeige, daB die entstehende Gleichung Hamiltonsch ist und fur f3 < 0 heterokline Orbits hat. Finde diese. (d) Finde "Solitonenlasungen" fUr die komplexe nichtlineare Schradingergleichung.
3.3 Beispiele: Poissonklammern und ErhaltungsgroBen Es ist nutzlich, einige grundlegende Tatsachen zum Drehimpuls der Teilchen im ]R3 zu wiederholen, bevor wir mit Beispielen zu unendlichdimensionalen Systemen fortfahren. (Analog dazu soUte sich der Leser um eine Diskussion zum 1mpuls bemuhen.) Betrachte ein Teilchen, das sich unter dem EinfluB eines Potentials V im ]R3 bewegt. Sei die Ortskoordinate mit q bezeichnet, so daB das zweite Newtonsche Axiom
mq = -\lV(q) lautet. Sei p
= mq der 1mpuls und J = q x p der Drehimpuls. Dann ist
!J
=
q x p + q x i> =
-q x \lV(q).
1st V radialsymmetrisch, dann ist es nur ein Funktion von es ist
Ilqll. Angenommen
122
wobei
3. Eine Einfiihrung in unendlichdimensionale Systeme
f eine glatte Funktion ist (ausgenommen q = 0, falls notig). Dann ist
und somit q x \7V (q) = 0. Foiglich ist in diesem Fall dJ / dt = 0, also ist J eine ErhaltungsgroBe. Alternativ kann man mit H(q,p) =
1
2mllpl12 + V(q)
°
direkt nachweisen, daB {H, Jz} = ist fUr l = 1,2,3 und J = (h, J2 , J3 ). Dies zeigt auch, daB jede Komponente Jz unter der von H bestimmten Hamiltonschen Dynamik erhalten bleibt. Weitere Einsichten gewinnt man, indem man die Komponenten von J genauer betrachtet. Betrachte z.B. die skalare Funktion F(q, p)
= J(q, p) . wk,
wobei w eine Konstante und k = (0,0,1) ist. Wir erhalten
Das Hamiltonsche Vektorfeld von Fist
Xp(q,p) =
=
oF of of of of OF) ( ~'~'~'--;::;--f'-~'-~ UPI UP2 UP3 uq uq uq (_wq2, wql, 0, -WP2, WPI,
0).
Beachte, daB X p gerade das zugehOrige Vektorfeld zum FluB in der (ql, q2)_ und (PI,P2)-Ebene ist, der aus Rotationen um den Ursprung mit Winkelgeschwindigkeit w besteht. Allgemeiner hat das Hamiltonsche Vektorfeld, das mit einer durch Jw := J . W definierten skalaren Funktion assoziiert ist, wobei w ein Vektor im ]R3 ist, einen FluB, der aus Rotationen um die Achse w besteht. Wie wir in Kap. 11 und 12 sehen werden, ist dies der Ausgangspunkt, um den Zusammenhang zwischen Erhalungssatzen und Symmetrien allgemeiner zu verstehen. Noch eine weitere Beziehung ist bemerkenswert. Fur zwei Vektoren WI und W2 gilt namlich Dies ist, wie wir spater sehen werden, ein wichtiger Zusammenhang zwischen der Poissonklammerstruktur und der Struktur der Liealgebra der Drehgruppe. Beispiel 3.3.1 (Die Schrodingerklammer). In Beispiel 3.2.2 aus §3.2 sahen wir, daB fur einen selbstadjungierten, komplex linearen Operator Hop auf einem Hilbertraum H der Operator A = Hop/(ifi,) Hamiltonsch und die
3.3 Beispiele: Poissonklammern und ErhaltungsgroBen
123
zugehOrige Energiefunktion HA der Erwartungswert (Hop) von Hop ist. Seien Hop und Kop zwei solche Operatoren und wenden wir den Zusammenhang (2.72) zwischen Poissonklammer und Kommutator an oder fuhren eine direkte Berechnung durch, so erhalten wir (3.40)
Mit anderen Worten: Der Erwartungswert des Kommutators ist die Poissonklammer der Erwartungswerte. Resultate dieser Art fuhren zu Aussagen wie "Kommutatoren in der Quantenmechanik sind nicht nur analog zu Poissonklammern, sie sind Poissonklammern." Man kann sogar soweit gehen, zu sagen: Die Quantenmechanik ist ein SpezialJall der klassischen Mechanik, nicht aber die Quantenmechanik richtig und die klassische Mechanik Jalsch. " Wahlen wir Kop'ljJ = 'ljJ, den Identitatsoperator, so ist die zugehOrige Hamiltonfunktion p('ljJ) = 11'ljJ112 und mit (3.40) sehen wir, daB p fUr jede Wahl von Hop eine ErhaltungsgroBe ist, eine Tatsache, die fur die Wahrscheinlichkeitsinterpretation der Quantenmechanik von zentraler Bedeutung ist. Spater werden wir erkennen, daB p die zu der Phasensymmetrie 'ljJ H ei8 'ljJ zugehOrige ErhaltungsgroBe ist. Allgemeiner gilt: Sind Fund G zwei Funktionen auf 1i mit of/ o'ljJ = \.7 F, den Gradienten von F bzgl. des reellen inneren Produktes Re (,) auf H, so ist (3.41) und
1
{F, G} = - 2n 1m (\.7 F, \.7G) . Beachte, daB (3.41), (3.42) und Imz ben:
(3.42)
= -Re(iz) wie erwartet folgendes erge-
1 dF . Xc = Re (\.7 F, Xc) = 2n Re (\.7 F, -i\.7G) =
1
.
2nRe (z\.7F, \.7G) 1
= - 2nlm (\.7 F, \.7G) = {F,G}. Beispiel 3.3.2 (Die KdV-Klammer). Mit der Definition der Klammer (2.63), der symplektischen Struktur und der Formel fUr das Hamiltonsche Vektorfeld aus dem Beispiel 3.2.3 aus §3.2 findet man fur Funktionen F, G von u, deren Funktionalableitungen bei ±oo verschwinden, {F, G} =
J
OO
-00
of a 5u ax
(OG) 5u dx.
(3.43)
124
3. Eine EinfUhrung in unendlichdimensionale Systeme
Beispiel 3.3.3 (Der Impuls und der Drehimpuls fiir die Wellengleichung). Die in dem Beispiel 3.2.1 aus §3.2 diskutierte Wellengleichung im ]R.3 hat die Hamiltonfunktion
H(cp,Jr) =
r [~(Jr')2 + ~IIVcpI12 + U(cp)] d x.
JWl.3
2
(3.44)
3
2
Definiere den Impuls in x-Richtung durch
( ) J,
Px cp,Jr = Aus (3.45) folgt 8Px /8Jr ten wir aus (3.10)
{H,Px}(cp,Jr) =
= =
acp 3 Jr ax d x.
(3.45)
= acp/ax und 8Px /8cp = (-aJr' lax) d3 x, also erhal-
r
JWl.3
(8Px 8H _ 8H 8Px ) 8Jr 8cp 8Jr 8cp
13 [~~ (13 ~~ !
V2 cp + U' (cp )) + Jr' ~~] d3 X
[_V 2cp
+
(U(cp) +
= 0,
~(Jr')2)]
d3 x (3.46)
unter der Annahme, daB die Felder und U im Unendlichen hinreichend schnell verschwinden. (Der erste Term verschwindet, weil er bei partieller Integration das Vorzeichen wechselt.) Foiglich ist Px eine ErhaltungsgroBe. Die Erhaltung von P x steht im Zusammenhang mit der Invarianz von Hunter Translation in x-Richtung. Tiefere Einsichten in diesen Zusammenhang werden spater gewahrt. Naturlich gelten ahnliche Erhaltungssatze fur die y- und z-Richtung. Die Drehimpulse J = (Jx, J y , Jz) sind ebenfalls ErhaltungsgroBen. Hierbei ist z.B. (3.47) Dies wird in analoger Weise gezeigt (fur geeignete Funktionenraume, in denen diese Operationen erklart werden konnen, vgl. Chernoff und Marsden [1974]). Beispiel 3.3.4 (Impuls und Drehimpuls: Die Schrodingergleichung).
Der Impuls. Betrachte das Beispiel 3.2.2 aus §3.2. Wir nehmen an, daB H der Raum der komplexwertigen L2-Funktionen auf dem ]R.3 ist und daB der selbstadjungierte line are Operator Hop: H -+ H mit infinitesimalen Translationen des Arguments vertauscht, die durch einen fest en Vektor ~ E ]R.3 beschrieben werden, d.h., daB Hop(D'lj;O . ~) = D(Hop'lj;O) . ~ fUr jedes 'lj; gilt, des sen Ableitung in H ist. Mit (3.40) zeigt man, daB
P~ ('lj;) = \ ~ D'lj; . ~, 'lj; )
(3.48)
3.3 Beispiele: Poissonklammern und ErhaltungsgroBen
125
mit (Hop) Poisson-kommutiert. 1st ( der Einheitsvektor entlang der x-Achse, so lautet die zugehOrige ErhaltungsgroBe
Drehimpuls. Wir nehmen an, daB Hop: H -+ H mit infinitesimalen Rotationen vertauscht, die durch eine feste (3 x 3)-Matrix w beschrieben werden, d.h., Hop(D'IjJ(x) . wx) = D((Hop'IjJ) (x)) . wx (3.49) flir jedes 'IjJ, des sen Ableitung in H ist, wobei Hop auf der linken Seite als auf die Funktion x f--t D'IjJ(x) . wx wirkend verstanden wird. Dann Poissonkommutiert die Drehimpulsfunktion
J(w) : x
f--t
(iD'IjJ(x) . w(x)jn, 'IjJ(x))
(3.50)
mit H, ist also eine ErhaltungsgroBe. Wahlen wir w = (0,0,1), d.h,
w=
[0 -1 0] 1 0 0 000
,
dann korrespondiert dies zu einer infinitesimalen Rotation urn die z-Achse. Der Drehimpuls urn die xl-Achse ist explizit durch
gegeben, wobei (j, k, l) eine zyklische Permutation von (1,2,3) ist. Beispiel 3.3.5 (Impuls und Drehimpuls in der linearen Elastodynamik). Betrachte wieder die Gleichungen der linearen Elastodynamik, vgl. Beispiel 3.2.6 aus §3.2. Beachte, daB die Hamiltonfunktion invariant unter Translationen ist, falls der Elastizitatstensor c homogen (unabhangig von (x, y, z)) ist. Der zugehOrige erhaltene 1mpuls in x-Richtung ist
Px =
1 . -aaU JR(3
pu·
x
d3
(3.51)
x.
Entsprechend ist die Hamiltonfunktion invariant unter Rotationen, falls c isotrop ist, d.h., 1nvarianz unter Rotationen ist aquivalent dazu, daB c von der Gestalt C ijkl
=
J.L( Oik ojl
+ oilojk) + )"Oij Okl
ist, wobei J.L und ).. Konstanten sind (siehe Marsden und Hughes [1983, Abschnitt 4.3] flir den Beweis). Der erhaltene Drehimpuls urn die z-Achse ist J =
1 . (auay au) ax pu·
JR(3
x- - y-
d3 x.
126
3. Eine Einfiihrung in unendlichdimensionale Systeme
In Kapitel 11 werden wir eine tiefere Einsicht in die Bedeutung und die Konstruktionsweise dieser ErhaltungsgroBen gewinnen. Beispiel 3.3.6 (Einige technische Einzelheiten zu unendlichdimensionalen Systemen). 1m allgemeinen ist das Hamiltonsche Vektorfeld X H , sofern die symplektische Form auf dem Banachraum Z nicht stark ist, nicht auf ganz Z, sondern nur auf einem dichten Teilraum definiert. Zum Beispiel ist im Falle einer Wellengleichung 2cp / 2 = \7 2cp - U' (cp), HI (JR 3) X L2(JR3 ) eine mogliche Wahl eines Phasenraumes. X H ist aber nur auf dem dichten Teilraum H2(JR 3) x HI (JR3) definiert. Es kann auch passieren, daB nicht einmal die Hamiltonfunktion H auf ganz Z definiert ist. 1st z.E. Hop = \7 2 + V fur die Schrodingergleichung auf L2(JR3), so kann Heinen Definitionsbereich haben, der H2(JR 3) enthiilt und dem Definitionsbereich des Hamiltonschen Vektorfeldes iHop entspricht. 1st V singular, so muB der Definitionsbereich nicht genau H2(JR 3) sein. Als eine quadratische Form ist H moglicherweise auf HI (JR3) fortsetzbar. Details findet man in Reed und Simon [1974, Band 2] oder Kato [1984]. Das Problem der Existenz und sogar der Eindeutigkeit von Losungen kann recht heikel sein. 1m Falle linearer Systeme verwendet man fur die Schrodinger- und Wellengleichungen den Satz von Stone und fur allgemeinere lineare Systeme den Satz von Hille-Yosida. Fur die Theorie und Beispiele verweisen wir auf Marsden und Hughes [1983, Kap. 6]. 1m Falle nichtlinearer Hamiltonscher Systeme sind die Satze von Segal [1962]' Kato [1975] und Hughes, Kato und Marsden [1977] relevant. Fur unendlichdimensionale, nichtlineare Hamiltonsche Systeme benotigt man technische Differenzierbarkeitsbedingungen fur ihre Flusse CPt, urn zu garantieren, daB jede Abbildung CPt symplektisch ist, vgl. Chernoff und Marsden [1974] und insbesondere Marsden und Hughes [1983, Kap. 6]. Diese technischen Einzelheiten werden in vielen interessanten Beispielen benotigt.
a at
Ubungen Ubung 3.3.1. Zeige {Fi' Fj } = 0 fur i, j = 0, 1,2,3, wobei die Poissonklammer die KdV-Klammer ist und die Integrale Fo(u)
=
FI(U) =
I: I: (
udx,
00
/
-00
F2(U) =
sind.
1 -u2 dx, 2
_u 3 +
~(ux)2) dx
(die KdV-Hamiltonfunktion),
4. Mannigfaltigkeiten, Vektorfelder und Differentialformen
Als Vorbereitung auf spatere Kapitel ist es notwendig, etwas uber die Theorie der Mannigfaltigkeiten zu lemen. Wir erinnem hier an einige grundlegende Tatsachen, beginnend mit dem endlichdimensionalen Fall. (Fur eine umfangreiche Darstellung siehe Abraham, Marsden und Ratiu [1988]). Es ist an dieser Stelle noch nicht notwendig, den gesamten Stoff zu bewaltigen, sondem es genugt, sich einen allgemeinen Uberblick zu verschaffen und bei der Weiterentwicklung der Mechanik wiederholt darauf zuruckzugreifen.
4.1 Mannigfaltigkeiten Zuerst beabsichtigen wir, den Begriff der Mannigfaltigkeit zu definieren. Mannigfaltigkeiten sind grob formuliert abstrakte Flachen, die lokal wie lineare Raume aussehen. Wir gehen zunachst davon aus, daB die linearen Raume dem ]Rn mit einer fest en naturlichen Zahl n entsprechen, die die Dimenision der Mannigfaltigkeit sein wird.
Karten.
Zu einer Menge Mist eine Karte auf Meine Teilmenge U von M zusammen mit einer bijektiven Abbildung cp : U --+ cp(U) C ]Rn. Gewi:ihnlich geben wir cp(m) durch (Xl, ... , xn) an und bezeichnen die xi als Koordinaten des Punktes m E U eM. Die Karten (U, cp) und (U', cp') mit U n U' -=I=- 0 werden vertraglich genannt, falls cp(U n U') und cp' (U' n U) offene Teilmengen des ]Rn sind und die Abbildungen
cp' 0 cp-Ilcp(U n U') : cp(U n U') ----+ cp' (U und
n U')
cp 0 (cp,)-llcp'(U n U') : cp'(U n U') ----+ cp(U n U')
glatt sind. Hier bezeichnet cp' 0 cp-1Icp(U n U') die Einschrankung der Abbildung cp' 0 cp-l auf die Menge cp(U n U'). Siehe Abbildung 4.l. Wir nennen Meine differenzierbare n-Mannigfaltigkeit, falls folgendes gilt:
Ml. Die Menge M wird durch eine Menge von Karten iiberdeckt, d.h., jeder Punkte wird in zumindest einer Karte dargestellt. J. E. Marsden et al., Einführung in die Mechanik und Symmetrie © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2001
128
4. Mannigfaltigkeiten, Vektorfelder und Differentialformen
x" M
, - -__ o ist. Beachte, daB die Volumenformen, die dieselbe Orientierung definieren, einen konvexen Kegel in [2n(M) bilden, d.h., ist a > 0 und JL eine Volumenform, so ist aJL wieder eine Volumenform, und falls t E [0,1] ist und JLI, JL2 zwei Volumenformen sind, die dieselbe Orientierung definieren, so ist tJLI + (1-t)JL2 ebenfalls eine Volumenform, die dieselbe Orientierung definiert wie JLl oder JL2. Die erste Eigenschaft ist offensichtlich. Urn die zweite zu zeigen, sei m E M und {VI, ... , V n } eine positiv orientierte Basis von T mM bzgl. der durch JLI oder aquivalent (laut Hypothese) durch JL2 definierten Orientierung. Dann gilt JLl(m)(vl,.'" v n ) > 0 und JL2(m)(vI, .. " v n ) > 0, so daB ihre Konvexkombination wiederum strikt positiv ist. 1st JL E [2n(M) eine Volumenform, dann gibt es, da £XJL E [2n(M) ist, eine Funktion, die Divergenz von X bzgl. JL genannt und mit div fL(X) oder einfach mit div(X) bezeichnet wird, fur die (4.24)
gilt. Aus dem dynamischen Zugang zu Lieableitungen folgt, daB genau dann divfL(X) = 0 ist, wenn FtJk = Jk gilt, wobei Ft der FluB von X ist. Diese Bedingung besagt, daB F t volumenerhaltend ist. 1st tp : M -+ M, dann gibt es wegen tp* JL E [2n(M) eine Funktion, die wir die Jacobideterminante von tp nennen und mit JfL(tp) oder einfach J(tp) bezeichnen, so daB (4.25)
ist. Folglich ist tp genau dann volumenerhaltend, wenn JfL( tp) = 1 ist. Aus dem Satz fiber die Umkehrabbildung folgt, daft tp genau dann ein lokaler Diffeomorphismus ist, wenn JfL(tp) i- 0 auf M gilt. Der Satz von Frobenius. Wir wollen auch als grundlegendes Resultat den Satz von Frobenius erwahnen. 1st E c TM ein Untervektorbundel, so nennen wir es involutiv, falls fUr zwei beliebige Vektorfelder auf X, Y auf M mit Werten in E die Jacobi-Lieklammer [X, Y] ebenfalls ein Vektorfeld mit Werten in E ist. Man sagt, das Unterbundel E sei integrabel, wenn es fur jeden Punkt m E Meine m enthaltende lokale Untermannigfaltigkeit von M gibt, so daB ihr Tangentialbundel E die Einschrankung auf diese Untermannigfaltigkeit ist. 1st E integrabel, so konnen die lokalen Integralmannigfaltigkeiten fortgesetzt werden, urn durch jeden Punkt m E M eine zusammenhangende maximale Integralmannigfaltigkeit zu bekommen,
4.4 Der Satz von Stokes
147
die eindeutig und eine regular immersierte Untermannigfaltigkeit von Mist. Die Menge aller maximaler Integralmannigfaltigkeiten durch aIle Punkte von M bildet eine sogenannte Bliitterung. Der Satz von Frobenius besagt, daB die Involutivitiit von E iiquivalent zur Integmbilitiit von E ist. Ubungen Ubung 4.3.1. Seien Meine n-Mannigfaltigkeit, tL E [In(M) eine Volumenform, X, Y E X(M) und f, 9 : M ---+ ~ glatte Funktionen, so daB fur aIle m die Bedingung f(m) i- 0 gilt. Beweise die folgenden Beziehungen:
(a) div!/L(X)
= div/L(X) +X[f]lf
(b) div/L(gX)
= gdiv/L(X) + X[g] und
(c) div/L([X, Y])
= X[div/L(Y)]- Y[div/L(X)],
Ubung 4.3.2. Zeige, daB die partielle Differentialgleichung
mit der Anfangsbedingung f(x, 0) = g(x) die Lasung f(x, t) = g(Ft(x)) hat, wobei Ft der FluB des Vektorfeldes (Xl, ... , xn) im ~n ist, der fUr aIle t definiert sei. Zeige, daB die Lasung eindeutig ist. Verallgemeinere diese Ubung zu der Gleichung
of =X[f]
ot
fUr ein Vektorfeld X auf einer Mannigfaltigkeit M. Ubung 4.3.3. Zeige, daB auch M x N orientierbar ist, wenn M und N orientierbare Mannigfaltigkeiten sind.
4.4 Der Satz von Stokes Die der Definition des Integrals einer n-Form f.L auf einer orientierten nMannigfaltigkeit M zugrundeliegende Idee ist, anhand der Karten eine Uberdeckung zu wahlen und die gewahnlichen Integrale von f(xl, ... , xn) dx 1 " ' dxn zu summieren, wobei
eine lokale Darstellung von tL ist und man darauf zu achten hat, Schnitte der Kartengebiete nicht doppelt zu zahlen. Die Formel fUr den Koordinatenwechsel stellt sicher, daB das durch JM tL bezeichnete Ergebnis wohldefiniert ist.
148
4. Mannigfaltigkeiten, Vektorfelder und Differentialformen
Hat man eine berandete orientierte Mannigfaltigkeit, dann hat der Rand
8M eine vertragliche Orientierung. Dies fuhrt zu einer Verallgemeinerung der Beziehung zwischen der Orientierung einer Flache und ihres Randes aus dem klassischen Satz von Stokes fur den 1R3. Satz 4.4.1 (von Stokes). Sei Meine kompakte, orientierte k-dimensionale Mannigfaltigkeit mit Rand 8M. Sei a eine glatte (k -I)-Form auf M. Dann ist da = a. (4.26)
r
JM
r
JaM
Es folgen spezielle FaIle des Satzes von Stokes. Die Integralsatze der Analysis. Der Satz von Stokes verallgemeinert und verbindet die klassischen Satze der Analysis: (a) Der Hauptsatz der Differential- und Integralrechung.
lb
(b) Der Satz von Green.
f'(x) dx = f(b) - f(a).
(4.27)
Fur ein Gebiet f? C 1R2 gilt
(4.28) (c) Der Satz von GauB.
Fur ein Gebiet f? C 1R3 gilt
JJIn
div F dV =
(d) Der klassische Satz von Stokes.
11 {( s
=
JIs
-8R - -8Q) dy /\ dz 8y 8z
Jfan
n
(4.29)
F . dA.
Fur eine Flache S
c
1R3 gilt
+ (8F - - -8R) dz /\ dx 8z
8x
+ (8 Q _ 8F) dx /\ dY } 8x 8y
n·rotFdA=
las Fdx+Qdy+Rdz,
(4.30)
wobei F = (F, Q, R) ist. Beachte, daB das Poincarelemma die Satze der Vektoranalysis im 1R3 verallgemeinert, indem man sagt, aus rot F = 0 folge F = V fund aus div F = 0 folge F = V x G. Zur Erinnerung: Die Aussage des Poincarelemmas war, daB eine geschlossene Differentialform a lokal exakt ist, d.h., ist da = 0, dann gilt lokal a = d/3 fur ein geeignetes /3. Fur kontrahierbare Mannigfaltigkeiten gilt diese Aussage global.
4.4 Der Satz von Stokes
149
Kohomologie. DaB geschlossene Formen nicht global exakt sein mussen, fUhrt zur Untersuchung einer sehr wichtigen Invarianten von M, der de Rham-Kohomologie. Die k-te de Rham-Kohomologiegruppe Hk(M) ist durch Hk(M) '= ker (d : f2k(M) --+ f2k+l(M)) . im (d : f2k-l(M) --+ f2k(M)) definiert. Der Satz von de Rham besagt, daB diese abelschen Gruppen zu den sogenannten singularen Kohomologiegruppen, die mithilfe von Simplizes in der algebraischen Topologie definiert werden und nur von der topologischen Struktur von M und nicht von ihrer differenzierbaren Struktur abhangen, isomorph sind. Den Isomorphismus erhalt man durch Integration. Die Integration laBt sich auf den Quotientenraum ubertragen, wie der Satz von Stokes sicher stellt. Ein nutzlicher Spezialfall dieses Satzes ist folgender: 1st M eine orientierbare, kompakte, randlose n-Mannigfaltigkeit, dann gilt iM f.l = 0 genau dann, wenn die n-Form f.l exakt ist. Diese Aussage ist zu Hn(M) = IR aquivalent, falls M kompakt und orientierbar ist. Variablensubstitution. Ein weiteres grundlegendes Resultat der Integrationstheorie ist die Formel fUr die globale Variablensubstitution. Satz 4.4.2 (Variablensubstitution). Seien M und N orientierte n-Mannigfaltigkeiten und sei
'''''1 2 ( 0
L
e
=
{v
E
TQlllvl1 = e}
das Pseudospharenbundel auf TQ vom Radius y'e. Dann ist Le eine glatte Untermannigfaltigkeit von TQ und invariant unter dem geodatischen FluB. Tatsachlich folgt die Invarianz unter dem geodatischen FluB, d.h. unter dem FluB von Z, aus der Energieerhaltung, wenn wir zeigen, daB Le eine glatte Untermannigfaltigkeit ist. Um zu zeigen, daB Le eine glatte Untermannigfaltigkeit ist, beweisen wir, daB e > 0 ein regularer Wert von List. Dies geschieht lokal durch (7.43):
=
+ D2L(u, v) . W2 "2Du(v,v)u. WI + (V,W2)u
=
(V,W2)u,
DL(u, v) . (WI, W2) = DIL(u, v) . WI 1
(7.55)
da (v, v) = 2e also konstant ist. Weil die Pseudometrik (,) schwach nichtausgeartet ist, zeigt dies, daB DL( u, v) : E x E -+ 1R. eine surjektive lineare Abbildung und e somit ein reguHirer Wert von List. Konvexe U mgebungen und konjugierte Punkte. Wir haben im letzten Abschnitt bewiesen, daB kurze Kurvenbogen von Losungen der EulerLagrange-Gleichungen nichtkonjugiert sind. 1m SpezialfaIl der Geodaten ist eine starkere Aussage moglich, wenn man die Tatsache ausnutzt, daB fur a > 0 mit q(t) auch q(at) eine Losung ist, was aus der quadratischen Eigenschaft von (7.53) folgt. Also kann man Losungen einfach "reskalieren", indem man den Wert der Anfangsgeschwindigkeit andert. Man stellt fest, daB es lokalkonvexe Umgebungen gibt, d.h., Umgebungen U, so daB es fur aIle qI, q2 E U eine (bis auf Skalierung) eindeutige Geodate gibt, die qi und q2 verbindet und in U liegt. In der Riemannschen Geometrie gibt es ein weiteres wichtiges Resultat: Den Satz von Hopf-Rinow, der besagt, daB je zwei Punkte (in derselben Zusammenhangskomponente) durch eine Geodate verbunden werden konnen.
7.5 Geodaten
207
Folgt man einer Geodaten von einem gegebenen Punkt aus, so gibt es einen erst en Punkt, ab dem nahegelegene Geodaten nicht mehr eindeutig sind. Diese hei£en konjugierte Punkte. Sie sind die N ullstellen der schon diskutierten Jacobi-Gleichung. Zum Beispiel sind auf den GroBkreisen einer Sphare gegenuberliegende Punkte konjugiert. Unter gewissen Umstanden kann man das Euler-Lagrange-Problem auf eines fur Geodaten "reduzieren": Siehe dazu die Diskussion der Jacobi-Metrik in §7.7. Kovariante Ableitungen. Wir beziehen nun die obige Methode, Geodaten anhand von Lagrangesystemen zu untersuchen, auf die ublichen Methoden aus der Differentialgeometrie. Definiere die kovariante Ableitung \7:X(Q) xX(Q)-+X(Q),
(X,Y)r+\7xY
lokal durch (\7xY)(u)
= -}'(u)(X(u), Y(u)) + DY(u)· X(u),
(7.56)
wobei X, Y die lokalen Reprasentanten von X und Y sind und }'( u) : Ex E -+ E die durch die Polarisierung von }'(u, v) definierte symmetrische Bilinearform bezeichnet, die eine quadratische Form in v ist. In lokalen Koordinaten geschrieben lautet die letzte Gleichung (7.57) Es ist direkt nachzuprufen, daB diese Definition kartenunabhangig ist und daB \7 die folgenden Bedingungen erfullt: (i) \7 ist IK-bilinear, (ii) fur
f : Q -+ lR gilt \7fxY
= f\7xY und \7xfY = f\7xY +X[j]Y und
(iii) fur Vektorfelder X und Y gilt (\7xY - \7yX)(u) = DY(u)· X(u) - DX(u). Y(u)
= [X, Y](u).
(7.58)
Tatsachlich charakterisieren diese drei Eigenschaften kovariante Ableitungsoperatoren. Die durch (7.51) bestimmte kovariante Ableitung wird LeviCivita-Ableitung genannt 1 . Wenn c(t) eine Kurve in Q und X E X(Q) ist, dann definiert man die kovariante Ableitung von X entlang c durch 1
Der Begriff Levi-Civita-Zusammenhang ist ebenfalls gebrauchlich (Anm. des Ubersetzers) .
208
7. Lagrangesche Mechanik
DX Dt = \luX,
(7.59)
wobei u ein bei c(t) mit c(t) ubereinstimmendes Vektorfeld ist. Dies ist moglich, weil laut (7.56) oder (7.57) \l x Y nur von den Wert en von X in einem Punkt abhangt. Explizit gilt in einer lokalen Karte
DX d Dt (c(t)) = -l'c(t)(u(c(t)),X(c(t))) + dtX(c(t)),
(7.60)
was zeigt, daB DX/ Dt nur von c(t) abhangt und nicht davon, wie c(t) zu einem Vektorfeld erweitert wurde. 1m Endlichdimensionalen gilt
. k d· ( DX)i. Dt = r;k(C(t))C' (t)X (c(t)) + dtX'(c(t)).
(7.61 )
Das Vektorfeld X wird entlang c autoparallel oder parallel transportiert genannt, falls DX/ Dt = 0 gilt. Somit ist c genau dann autoparallel entlang c, wenn c(t) -I'(t)(c(t), c(t)) = 0, also c(t) eine Geodate ist. 1m Endlichdimensionalen bedeutet dies c··i
+ rijkc-;.7·k C
-
0•
Ubungen Ubung 7.5.1. Betrachte die Lagrangefunktion
L€(x, y, z, x, y, z) =
~(X2 + y2 + Z2) 2
21 [1 - (x 2 + y2 f
+ z2)]2
fur ein Teilchen im ~3. Sei I'€(t) die Kurve im ~3, die man durch Losen der Euler-Lagrange-Gleichungen fur L€ erhalt, wobei die Anfangsbedingungen Xo, Vo = 'Y€(O) seien. Zeige, daB lim I'€( t)
€-+o
ein GroBkreis auf der Sphare S2 ist, wenn Xo normiert und Xo . Vo
=
0 ist.
Ubung 7.5.2. Schreibe die Geodatengleichungen ausgedruckt durch qi und Pi und uberprufe, ob die Hamiltonschen Gleichungen erfullt sind.
7.6 Das Kaluza-Klein-Verfahren fiir geladene Teilchen In §6.7 untersuchten wir die Bewegung eines geladenen Teilchens in einem Magnetfeld als Hamiltonsches System. Hier zeigen wir, daB diese Beschreibung Teil eines groBeren und in gewissem Sinne einfacheren Systems, des
7.6 Das Kaluza-Klein-Verfahren fUr geladene Teilchen
209
Kaluza-Klein-Systems ist. 2 Die physikalische Motivation ist die folgende: Da die Ladung eine fundament ale ErhaltungsgroBe ist, wollen wir eine neue zyklische Variable einfuhren, deren konjugierter Impuls die Ladung ist. 3 Fur ein geladenes Teilchen ist das resultierende System tatsachlich in geodatischer Bewegung! In §6.7 zeigten wir, daB zu einem gegebenen Magnetfeld B = V' x A im ~3 die Hamiltonfunktion bezuglich der kanonischen Variablen (q, p) folgendermaBen lautet: (7.62) Zuerst bemerken wir, daB wir (7.62) mittels einer Legendretransformation erhalten konnen, indem wir
L(q,q)
= ~mllql12 + ~A. q
(7.63)
wahlen. Tatsachlich ergibt sich in diesem Fall
8L . eA. p= -. =mq+q 8q c
(7.64)
und
H(q,p) = p.
q-
L(q,q)
= (mq+~A) .q-~mllqI12_~A.q c
2
1 . 2 = 2m 1 II p = 2mllqll
c
e 112 ~A
(7.65)
Somit liefem die Euler-Lagrange-Gleichungen fUr (7.63) wieder die Gleichungen fur ein Teilchen im Magnetfeld. 4 Der Konfigurationsraum sei (7.66) mit den Variablen (q, 8). Definiere eine I-Form A = AP auf dem ~3 und betrachte die folgende als Zusammenhangsform bezeichnete 1-Form auf
QK: 2
3
4
Nachdem der Leser die Reduktionstheorie erlernt hat (siehe Abraham und Marsden [1978] oder Marsden [1992]) ist er in der Lage, diese Konstruktion von einem anderen Gesichtspunkt aus zu betrachten, hier jedoch wird alles auf direktem Wege konstruiert. Dieser ProzeB ist ebensogut auf andere Situationen anwendbar. Zum Beispiel kann man in der Hydrodynamik eine konjugierte Variable zur Massendichte oder Entropie, die ebenfalls ErhaltungsgroBen sind, einfUhren, siehe dazu Marsden, Ratiu und Weinstein [1984a, 1984b]. Wenn auch ein elektrisches Feld E = -\lip vorhanden ist, subtrahiert man einfach eip von Lund behandelt eip wie im nachsten Abschnitt wie eine potentielle Energie.
210
7. Lagrangesche Mechanik
w = A+dB. Definiere die Kaluza-Klein-Lagrangefunktion durch LK(q, q, e, 0)
(7.67)
=
~mllql12 + ~ II \W, (q, q, e, 0)) 112
=
~mllql12 + ~(A. q + 0)2.
(7.68)
Die zugehOrigen Impulse lauten
p = mq + (A . q + O)A und p=
(7.69)
A.q+O.
(7.70)
Da LK quadratisch und positiv definit in q und 0 ist, sind die Euler-LagrangeGleichungen die Geodatengleichungen auf]R3 x S1 fur die Metrik, die LK als kinetische Energie hat. Und weil p zeitunabhangig ist, wie aus den EulerLagrange-Gleichungen fur (e,O) ersichtlich, konnen wir die Ladung e definieren, indem wir e p= (7.71) c setzen. Dann stimmt (7.69) mit (7.64) uberein. Die zugehOrige Hamiltonfunktion auf T*QK, versehen mit der kanonischen symplektischen Form, lautet
Hdq,p,e,p) =
1
2
1
2
2mllp - pAil +"2 P
.
(7.72)
Mit (7.71) unterscheidet sich (7.72) von (7.62) nur durch die Konstante p2/2. Diese Konstruktionen konnen auf den Fall eines Teilchens in einem YangMills-Feld verallgemeinert werden, wo w zum Zusammenhang des YangMills-Feldes wird und die zugehOrige Kriimmung die Feldstarke miBt, welche im Falle eines elektromagnetischen Feldes zu der Beziehung B = V' x A fuhrt. Die Moglichkeit, die Wechselwirkung entweder in die Hamiltonfunktion oder mithilfe eines Impulsshifts in die symplektische Struktur aufzunehmen, fuhrt zu weiteren Verallgemeinerungen. Fur zusatzliche Literaturhinweise und Einzelheiten verweisen wir auf Wong [1970], Sternberg [1977], Weinstein [1978a] und Montgomery [1984]. AbschlieBend wollen wir noch bemerken, daB der relativistische Kontext der naturlichste ist, urn das vollstandige elektromagnetische Feld einzufiigen. Die Konstruktion, die wir fur das Magnetfeld angegeben haben, wird in diesem Zusammenhang sowohl die elektrischen als auch die magnetischen Effekte einschlieBen. Siehe Misner, Thorne und Wheeler [1973] fur zusatzliche Informationen.
Ubungen Ubung 7.6.1. Der Schwingkorper eines spharischen Pendels trage dIe Ladung e, habe die Masse m und bewege sich unter dem EinfluB eines Magnetfeldes B und eines konstanten Gravitationsfeldes mit der Schwerebeschleunigung g. Stelle die Lagrangefunktion, die Euler-Lagrange-Gleichungen und
7.7 Bewegung in einem Potentialfeld
211
das Variationsprinzip fur dieses System auf. Transformiere das System auf Hamiltonsche Form. Finde eine ErhaltungsgroBe unter der Bedingung, daB B symmetrisch bezuglich der Gravitationsachse ist.
7.7 Bewegung in einem Potentialfeld Wir verallgemeinern nun die geodatische Bewegung, indem wir Potentiale V : Q -+ IR berucksichtigen. Wir erinnern daran, daB der Gradient von V das Vektorfeld grad V = V'V ist, das fur aIle v E TqQ durch die Gleichung (grad V(q), v)q = dV(q) . v
(7.73)
definiert ist. 1m Endlichdimensionalen wird diese Definition zu
.
··oV
(grad V)' = g'J~.
(7.74)
uqJ
Betrachte die (schwach regulare) Lagrangefunktion L(v) = ~ (v,V)q - V(q). Eine zu §7.5 ahnliche Berechnung zeigt, daB die Euler-Lagrange-Gleichungen ij
= 'Y(q, q) - grad V(q)
(7.75)
lauten oder im Endlichdimensionalen
OV q··i + r ijkq·j·k q + 9il oql -- 0 .
(7.76)
Die Wirkung von List durch
A(v) = (v, v)q
(7.77)
gegeben, die Energie also durch 1
E(v) = A(v) - L(v) = 2(v, v)q
+ V(q).
(7.78)
Schreiben wir (7.75) als
q = v,
V = 'Y(q,v) - grad V(q),
(7.79)
so erhalten wir also die Hamiltonschen Gleichungen mit der Hamiltonfunktion E bezuglich der symplektischen Form [h. Invariante Form. Es gibt mehrere Moglichkeiten, die Gleichungen (7.79) in invarianter Form zu schreiben. Die vielleicht einfachste ist, die Sprache der kovarianten Ableitungen aus dem letzten Abschnitt zu benutzen und
Dc Dt
=
-V'V
(7.80)
212
7. Lagrangesche Mechanik
zu schreiben, oder, was vielleicht besser ist, b Dc = -dV 9 Dt '
(7.81 )
wobei l : TQ ---+ T*Q die zur Riemannschen Metrik zugehOrige Abbildung ist. Diese letzte Gleichung ist die geometrische Form von rna = F. Eine andere Methode benutzt die folgende Terminologie:
Definition 7.7.1. Seien v, w E TqQ. Der vertikale Lift von w bezuglich v ist durch ver(w, v) = dd
t
I
(v
+ tw)
E Tv(TQ)
t=O
definiert. Der Horizontalanteil eines Vektors U E Tv(TQ) ist TqTQ(U) E TqQ. Ein Vektorfeld wird vertikal genannt, falls sein Horizontalanteil verschwindet.
In Karten besagt diese Definition, daB wenn v = (u, e), w = (u, I) und
U
= ((u, e), (el' e2)) ist,
ver(w, v) = ((u, e), (0, I))
und
TvTQ(U)
= (u, el)
gilt, weshalb U genau dann vertikal ist, wenn el = 0 gilt. Damit folgt: Jeder vertikale Vektor U E Tv(TQ) ist der vertikale Lift eines Vektors w bezuglich v {wobei w in einer natUrlichen lokalen Karte durch (u, e2) gegeben ist). Bezeichnet S den geodatischen Spray einer Metrik \,) auf TQ, so besagen die Gleichungen (7.79), daB das Lagrangesche Vektorfeld Z zu L(v) = (~)\v, v)q - V(q) mit v E TqQ durch
gegeben ist, d.h.,
Z = S - ver(\i'V)
(7.82)
Z(v) = S(v) - ver((\i'V)(q), v).
(7.83)
Bemerkungen. 1m allgemeinen gibt es keinen kanonischen Weg, den Vertikalanteil eines Vektors U E Tv(TQ) ohne eine zusatzliche Struktur zu ermitteln. Eine solehe Struktur ist ein Zusammenhang. 1st Q pseudoRiemannsch, dann kann soleh eine Projektion auf die folgende Art und Weise konstruiert werden: Nehme an, daB in natiirlichen Karten U = (( u, e), (el' e2)) gilt. Definiere wobei ,( u) die zu der quadratischen Form ,( u, e) in e gehOrige symmetrische Bilinearform ist. Wir schlieBen mit verschiedenen Bemerkungen, die die Bewegung in einem Potentialfeld mit der geodatischen Bewegung verbinden. Wir beschranken uns der Einfachheit halber auf den endlichdimensionalen Fall.
7.7 Bewegung in einem Potentialfeld
213
Definition 7.7.2. Sei 9 = (,) eine pseudo-Riemannsche Metrik auf Q und V : Q -+ lR nach oben beschriinkt. Falls fur alle q E Q die Ungleichung e > V(q) erfullt ist, definiert man die Jacobimetrikg e durchg e = (e- V)g, so dafJ ge(v,w) = (e - V(q))(v,w)
fur alle v, w E TqQ gilt. Satz 7.7.1. Sei Q endlichdimensional. Die Losungskurven der Lagrangefunktion L( v) = ~ (v, v) - V(q) mit Energie e sind bis auf Umparametrisierung dieselben wie die Geodiiten der Jacobimetrik mit Energie 1. Der Beweis basiert auf der folgenden Proposition, die auch fUr sich genommen interessant ist:
Proposition 7.7.1. Sei (P, D) eine (endlichdimensionale) symplektische Mannigfaltigkeit und seien H,K E F(P). Es gelte E = H-1(h) = K-1(k) fur reguliire Werte h, k E lR von H und K. Dann stimmen die Losungskurven von XH und X K auf der invarianten Untermannigfaltigkeit Evon X H und X K bis auf Umparametrisierung uberein. Beweis. Aus der Beziehung D(XH(Z), v)
= dH(z) . v erkennen wir, daB
das symplektische orthogonale Komplement von TzE ist. Da
ist (s. §2.3) und TzE die Kodimension eins hat, hat auch (TzE)f2 die Dimension eins. Folglich sind die vom NuIlvektor verschiedenen Vektoren XH(z) und XK(Z) an jedem Punkt Z E E ein Vielfaches voneinander. Es existiert also eine glatte, nirgends verschwindende Funktion .\ : E -+ lR mit der die Gleichung XH(z) = .\(Z)XK(Z) fUr aIle Z E E erfullt ist. Sei c(t) die Losungskurve von X K mit der Anfangsbedingung c(O) = Zo E E. Die Funktion
i.pf--t
1
dt o (.\ 0 c)(t) 'P
ist eine glatte monotone Funktion und besitzt deshalb eine Inverse t Fur d( t) = (c 0 i.p) (t) ist d(O) = Zo und es gilt
f--t
i.p(t).
d'(t) = i.p'(t)c'(i.p(t)) = t,ti.p) XK(C(i.p(t))) = (.\ 0 c) (i.p)Xk (d(t))
= .\(d(t))XK(d(t)) = XH(d(t)), also erhiilt man die Losungskurve von X H durch Zo durch Umparametrisierung der Losungskurve von X K durch Zoo •
214
7. Lagrangesche Mechanik
Beweis (von Satz 7.7.1). Sei H die Hamiltonfunktion zu L, es gelte also
H(q,p) =
1
211pW + V(q),
und sei HE die Hamiltonfunktion zur Jacobimetrik:
Der Faktor (e - V(q))-l tritt auf, da die inverse Metrik fUr die Impulse verwandt wird. Naturlich bestimmt H = e dieselbe Menge wie HE = I, also folgt das Ergebnis aus Proposition 7.7.1, falls wir zeigen konnen, daB e ein regularer Wert von H und 1 ein regularer Wert von HE ist. Man beachte, daB p -=f. 0 gilt fur (q,p) E H-l(e), denn fUr aIle q E Q ist e > V(q). Deshalb ist FH(q, P) -=f. 0 fur aIle (q,p) E H-l(e) und somit folgt dH(q,p) -=f. 0, was bedeutet, daB e ein regularer Wert von H ist. Und wegen
zeigt dies auch, daB
und folglich daB 1 ein regularer Wert von He ist.
•
7.8 Das Lagrange-d' Alembertsche Prinzip In diesem Abschnitt untersuchen wir eine Verallgemeinerung der Lagrangegleichungen fur mechanische Systeme mit auBeren Kraften. Eine spezielle Klasse solcher Krafte sind die dissipativen Krafte, die am Ende dieses Abschnitts untersucht werden. Kraftfelder. Sei L : TQ --+ lR eine Lagrangefunktion, Z das zu L gehOrige Lagrangesche Vektorfeld, das eine Gleichung zweiter Ordnung sei, und TQ : TQ --+ Q bezeichne die kanonische Projektion. Ein Vektorfeld Y auf TQ wurde fur TTQ 0 Y = 0 vertikal genannt. Solch ein Vektorfeld Y definiert durch Kontraktion mit [h eine I-Form L\Y auf TQ: L\Y
= -iySh = Y -.J fh.
Proposition 7.8.1. Wenn Y vertikal ist, so ist L\Y eine horizontale 1Form, es ist also L\ Y (U) = 0 fur jedes vertikale Vektorfeld U auf TQ. 1st umgekehrt eine horizon tale I-Form L\ auf TQ gegeben und L regular, so ist das durch L\ = -iySh definierte Vektorfeld Y vertikal.
7.8 Das Lagrange-d'Alembertsche Prinzip
215
Beweis. Die Aussage folgt durch direktes Ausrechnen in lokalen Koordinaten. Wir verwenden einerseits, daB ein Vektorfeld Y (u, e) = (Yi (u, e), Y 2 (u, e)) genau dann vertikal ist, wenn die erste Komponente Y l verschwindet, und andererseits die fruher hergeleitete Formel fur fh:
fh(u, e)((Yl' Y2 ), (Ul, U2 )) = Dl(D2L(u,e)· Y l )· Ul - Dl(D2L(u, e) . Ud· Y l +D2D2L(u, e) . Yi . U2 - D2D2L(u, e) . Ul Dies zeigt, daB (iySh)(U)
= 0 fUr
,12·
(7.84)
aIle vertikalen U zu
aquivalent ist. Falls Y vertikal ist, so ist dies sicher richtig. 1st umgekehrt L regular und die letzte Gleichung erfullt, so ist Y l = 0 also Y vertikal. • Proposition 7.8.2. Jede fasererhaltende Abbildung F : TQ ---t T*Q uber der Jdentitiit induziert eine horizontale I-Form P auf TQ durch (7.85) wobei v E TQ und Vv E Tv(TQ) ist. Umgekehrt definiert die Gleichung (7.85) fur jede horizontale I-Form Peine fasererhaltende Abbildung F uber der Jdentitiit. Ein solches F wird Kraftfeld genannt und demzufolge wird im reguliiren Fall jedes vertikale Vektorfeld Y durch ein K mftfeld induziert. Beweis. Zu einem gegebenen F definiert die Gleichung (7.85) eine I-Form P auf TQ. Wenn Vv vertikal ist, verschwindet die rechte Seite von (7.85), also ist Peine horizontale I-Form. Seien umgekehrt eine I-Form P auf TQ und auch v, W E TqQ gegeben, dann sei Vv E Tv(TQ) mit TvTQ(Vv) = w. Definiere nun F durch die Gleichung (7.85). Also ist (F(v),w) = p(v) . Vv ' Da P horizontal ist, ist F wohldefiniert und die Darstellung in einer Karte zeigt, daB F stetig ist. • Wir werden nun L1Y als die I-Form der auBeren Kraft, die auf ein mechanisches System mit Lagrangefunktion L wirkt, behandeln und die Bewegungsgleichungen aufstellen. Zunachst wiederholen wir die Das Lagrange-d' Alembertsche Prinzip. Definition von Vershik und Faddeev [1981] und Wang und Krishnaprasad [1992]. Definition 7.8.1. Die zu einer Lagmngefunktion Lund einem gegebenen Vektorfeld zweiter Ordnung X (den Bewegungsgleichungen) gehorige Lagrangesche Kraft ist die durch
(h(X)
=
ixfh - dE
(7.86)
216
7. Lagrangesche Mechanik
definierte horizon tale I-Form auf TQ. ZU einer gegebenen I-Form w (mit 1Form der iiuflerern Kraft bezeichnet) besagt das dem Vektorfeld zweiter Ordnung X auf TQ zugeordnete lokale Lagrange-d'Alembertsche Prinzip, dajJ (h(X)+w=O (7.87) ist.
Man pruft leicht nach, daB "''P(x))
(8.36)
definiert.
Satz 8.3.1 (iiber die Lagrangeschen Multiplikatoren fUr lineare Raume). Die folgenden Bedingungen an Xo E e sind aquivalent:
(i) Xo ist ein kritischer Punkt von hie und (ii) es existiert ein >"0 E A*, fur das (xo, >"0) ein kritischer Punkt von h ist.
Beweis (Skizze). Wegen
Dh(xo, >"0) . (x, >..) = Dh(xo) . x - (>"0, D'P(xo) . x) - (>.., '"0 Eigenwerte derselben Vielfachheit k. Sind ±1 Eigenwerte, so haben sie geradzahlige Vielfachheit. Beweis. Da A eine reelle Matrix ist, besagt ein Standardresultat der linearen Algebra, daB zu einem Eigenwert AO von A der Vielfachheit k auch >'"0 ein solcher ist. Zeigen wir also, daB auch 1/ AO ein Eigenwert von A ist. 1st p(A) = det(AAI) das charakteristische Polynom von A, gilt aufgrund von
]A]-1 = (A-l)T, det] = 1, ]-1 = -] =]T und detA = 1 (nach Prop. 9.2.7) dann auch
p(A)
=
det(A - AI)
= det
[](A - AI)r1]
= det(]Ar 1 - AI) = det ((A- 1 - AI)T)
= det ( A -1
-
AI) = det (A -1 (1 - AA))
= det (1 - AA) = det ( A (~1 - A ) ) = A2n det
(~1
-A)
9.2 Einige der klassischen Liegruppen
= ,\2n(_1) 2n det
= ,\2np (~)
309
(A- ~I) (9.21)
.
Da 0 kein Eigenwert von A ist, ist p(,\) = 0 aquivalent zu p (1/ ,\) = 0 und somit ist auch '\0 genau dann ein Eigenwert von A, wenn 1/,\0 einer ist. Nehmen wir nun an, '\0 habe die Vielfachheit k, es sei also
p('\) = (,\ - '\o)k q(,\) mit einem Polynom q(,\) vom Grad 2n - k, fur das q(,\o) ,\2np(1/'\) schlieBen wir
p(,\) = p
(
:x1 ) ,\2n = (,\ -
Doch
k
'\0) q('\) = ('\'\0)
k ( 1 '\0
"# 0 ist.
-:x1 )
Aus p(,\)
=
k
q('\).
,\~ ,\2n-k q('\)
ist ein Polynom in 1/,\, denn der Grad von q(,\) ist 2n- k mit k ::::; 2n. Also ist 1/,\0 eine Wurzel von p(,\) der Vielfachheit l 2': k. Vertauschen wir die Rollen von '\0 und 1/'\0, konnen wir analog schlieBen, daB k 2': list und somit k = l sein muB. Bemerken wir zum SchluB noch, daB '\0 = 1/,\0 aquivalent ist zu '\0 = ±l. Da alle Eigenwerte von A in Paaren auftreten, deren Produkt 1 ist und da A eine (2n x 2n)-Matrix ist, ist die Anzahl, wie oft +1 und -1 als Eigenwerte auftreten, gerade. Da aber nach Lemma 9.2.3 det A = 1 ist, kann der Eigenwert -1 nur eine gerade Vielfachheit besitzen (falls er uberhaupt auftritt). Also ist die Vielfachheit von 1 als Eigenwert von A ebenfalls gerade (wenn 1 als Eigenwert auftritt). • Abbildung 9.4 zeigt alle moglichen Konfigurationen der Eigenwerte von
A
E Sp(4,lR).
Als nachstes untersuchen wir die Eigenwerte von Matrizen in .sp(2n, lR). Der folgende Satz ist hilfreich fur Stabilitatsuntersuchungen von Gleichgewichtszustanden. Fur A E .sp(2n,lR) ist AT] +]A = 0, so daB fur das charakteristische Polynom p('\) = det(A - '\I) von A gilt:
p('\) = det(A - '\I) = det(](A - '\I)]) = det(]A] + '\I) = det( _AT]2 +'\I)
= det(A T +'\I) = det(A +'\I) =p(-,\). Insbesondere gilt Sp (A) dieser Gleichung:
=
o. Auf die gleiche Art wie vorhin schlieBt man mit
310
9. Liegruppen
y
y
•
x
• Sattelzentrum y
komplexer Sattel
y
x
reeller Sattel
y
generisches Zentrum
y
y
x
degenerierter Sattel
Identitaet degeneriertes Zentrum
Abb. 9.4. Zum Satz tiber symplektische Eigenwerte auf ]R4.
Proposition 9.2.9 (infinitesimale symplektische Eigenwerte). 1st AD E C ein Eigenwert von A E sp(2n, IR) mit Vielfachheit k, so sind auch -AD, );"0 und -);"0 Eigenwerte derselben Vielfachheit k von A. 1st daruber hinaus 0 ein Eigenwert, hat er gerade Vielfachheit. Abbildung 9.5 zeigt die moglichen Konfigurationen der infinitesimalen symplektischen Eigenwerte fUr A E sp( 4, IR). Die symplektische Gruppe in der Mechanik. Betrachte ein Teilchen der Masse m in einem Potential V (q) mit q = (ql, q2, q3) E 1R3. Das zweite Newtonsche Axiom besagt, daB sich das Teilchen entlang einer Kurve q(t) im 1R3 bewegt, fiir die mq = -grad V(q) gilt. Definieren wir nun den Impuls Pi = mii, i = 1,2,3 und die Energie
Dann gilt
9.2 Einige der klassischen Liegruppen
y
311
y
• • x
x
• • komplexer Sattel y
Sattelzentrum y
x
reeller Sattel y
x
generisches Zentrum y
y (2)
_~_+-..._+.x
(2)
_ _~e-_ _+.x _ _ _+--_ _~x
(4)
(2)
degenerierter Sattel
Identitaet
(2) degeneriertes Zentrum
Abb. 9.5. Zum Satz tiber infinitesimale symplektische Eigenwerte auf ]R4.
8H
-
8Pi
=
1 .i -Pi =q.
rn
Das Newtonsche Axiom F = rna ist also aquivalent zu den Hamiltonschen Gleichungen .i
q Setzen wir z
=
8H
= -;::;--, UPi
i
= 1,2,3.
(q, p), so ist
und die Hamiltonschen Gleichungen werden zu i =]". gradH(z). Sei nun
und setze w = J(z). Erflillt z(t) die Hamiltonschen Gleichungen
312
9. Liegruppen
i =.Jr. gradH(z), so erfullt w(t) = f(z(t)) die Gleichung 'Ii; = AT i mit der Jacobimatrix AT [awi/az j ] von f. Nach der Kettenregel ist dann 'Ii;
=
= AT.Jr grad z H(z) = AT.JrAgradw H(z(w)).
Demzufolge haben die Gleichungen fur w(t) genau dann die Form der Hamiltonschen Gleichungen mit der Energie K(w) = H(z(w)), wenn AT.JrA = .Jr, d.h. A symplektisch ist. Eine nichtlineare Transformation f heiBt kanonisch, wenn ihre Jacobimatrix symplektisch ist. Betrachten wir als einen Spezialfall die lineare Abbildung A E Sp(2n, JR.) und setzen w = Az. Sei H quadratisch, d.h. von der Form H(z) = (z, Bz) /2 mit einer symmetrischen (2n x 2n)-Matrix B. Dann gilt grad H(z) . Oz =
2'1 (oz, Bz) + (z, Boz) 1
= 2' «(oz, Bz) + (Bz, oz)) = (oz, Bz) , also grad H (z) = B z und die Bewegungsgleichungen werden zu den linearen Gleichungen i = .JrBz. Weiter ist 'Ii;
= Ai = A.JrBz = .Jr(AT)-l Bz = .Jr(AT)-l BA- 1Az = .JrB'w,
wobei B' = (AT)-l BA -1 symmetrisch ist. Als neue Hamiltonfunktion erhalten wir
H'(w) =
~ (w, (AT)-l BA- 1 w) = ~ (A-1w, BA- 1 w)
= H(A- 1 w) = H(z). Also ist Sp(2n, JR.) die lineare Invarianzgruppe der klassischen Mechanik. Die komplexe allgemeine lineare Gruppe GL(n, C). Viele wicht ige Liegruppen bestehen aus komplexen Matrizen. Wie im reellen Fall ist die Menge GL(n, C) der komplexen, invertierbaren (n x n)-Matrizen eine offene Menge in der Menge L( C n , C n ) der komplexen (n x n)- Matrizen }. Offensichtlich ist GL(n, q eine Gruppe bezuglich der Matrizenmultiplikation. Also ist GL(n, q eine Liegruppe und hat die Liealgebra gt(n, q = {komplexe (n x n)-Matrizen} = L(C n , cn). Also hat GL(n, q die komplexe Dimension n 2 , d.h. die reelle Dimension 2n 2 . Wir zeigen weiter unten, daB GL(n, q zusammenhangend ist (1m Gegensatz zu GL(n, JR.), die zwei Zusammenhangskomponenten besitzt). Wie im reellen Fall werden wir dafUr eine Polarzerlegung benotigen. Eine Matrix U E GL(n, q heiBt unitiir, wenn UU t = UtU = I mit Ut := UT gilt. Eine Matrix P E gt(n, q heiBt hermitesch, wenn pt = P ist. Eine hermitesche Matrix P heiBt positiv definit, kurz P > 0, wenn (Pz, z) > 0 fUr aIle z E Cn , z i- 0 ist, wobei (,) das innere Produkt auf Cn bezeichnet. Beachte, daB aus P > 0 folgt, daB P invertierbar ist.
9.2 Einige der klassischen Liegruppen
313
Proposition 9.2.10 (Komplexe Polarzerlegung). Zu jeder Matrix A E GL(n, CC) existieren eine eindeutige unWire Matrix U und positiv definite hermitesche Matrizen PI, P2 mit
Der Beweis ist identisch mit dem der Proposition 9.2.1 mit den notigen Anpassungen. Die einzige zusatzlich verwendete Eigenschaft ist, daB die Eigenwerte hermitescher Matrizen reell sind. Wie im Beweis fUr den reellen Fall benotigt man, daB der Raum der unitaren Matrizen zusammenhangend ist (was in §9.3 bewiesen wird), urn insgesamt folgende Proposition zu beweisen: Proposition 9.2.11. Die Gruppe GL(n, CC) ist eine komplexe, nichtkompakte, zusammenhiingende Liegruppe der komplexen Dimension n 2 und der reellen Dimension 2n 2 . Ihre Liealgebra 9 [( n, CC) besteht aus allen komplexen (n x n) -M atrizen mit der K ommutatorklammer.
Auf g[(n, CC) wird das innere Produkt durch (A, B)
= Sp (ABt)
definiert (vgl. (9.11)). Die komplexe spezielle line are Gruppe. Diese Gruppe ist definiert durch SL(n, CC) := {A E GL(n, CC) I det A = I}
und wird wie im reellen Fall abgehandelt. Urn zu beweisen, daB sie zusammenhangend ist, benutzt man die komplexe Polarzerlegung und die Tatsache, daB jede hermitesche Matrix durch Konjugation mit einer geeigneten unitaren Matrix diagonalisiert werden kann. Proposition 9.2.12. Die Gruppe SL(n, CC) ist eine komplexe, nichkompakte Liegruppe der komplexen Dimension n 2 -1 und der reellen Dimension 2 (n 2 1). Ihre Liealgebra $[( n, CC) besteht aus allen spurfreien komplexen (n x n)Matrizen mit der Kommutatorklammer.
Wir verwenden auf en das hermitesche in-
Die unWire Gruppe U(n). nere Produkt
n
(x, y) =
L xifi i=O
mit x = (xl, ... ,xn) E konjugierten fi. Sei
en,
y
= (yl, ... ,yn)
E
en
und den dazu komplex
U(n) = {A E GL(n, CC) I (Ax, Ay) = (x, y) }. Die Orthogonalitatsrelation (Ax, Ay) = (x, y) ist aquivalent zu AAt = AtA = I mit At = .iF, d.h. (Ax,y) = (x,At y ). Also ist IdetAI = 1 und
314
9. Liegruppen
det wird zu einer Abbildung von U(n) in den Einheitskreis Sl = {z E C I Izl = I}. Wie zu erwarten, ist U(n) eine abgeschlossene Unterliegruppe von GL( n, C) mit der Liealgebra u(n)
= {A = {A
E L(cn,cn ) E gt(n,C)
I (Ax,y) = -
I At = -A}.
(x,Ay)}
Der Beweis verlauft genauso wie der fiir O(n). Die Elemente von u(n) heiBen schiefhermitesche Matrizen. Da die Norm von A E U(n) durch
gegeben ist, ist U(n) abgeschlossen und beschrankt, also kompakt in GL(n, C). Aus der Definition von u(n) folgt direkt, daB die reelle Dimension von U(n) gleich n 2 ist. Obwohl die Eintrage der Elemente von U(n) komplex sind, ist U(n) eine reelle Liegruppe. 1m Fall n = 1 ist eine komplexe lineare Abbildung cp : C --+ C die Multiplikation mit einer komplexen Zahl z und cp ist genau dann eine Isometrie, wenn Izi = 1. Auf diese Weise konnen wir U(l) mit dem Einheitskreis Sl identifizieren. Die spezielle unitiire Gruppe SU(n)
= {A E U(n) I detA = I} = U(n) n SL(n,C)
ist eine abgeschlossene Unterliegruppe von U(n) mit Liealgebra su(n)
= {A
E L(C n, cn)
I (Ax,y) = -
(x, Ay) und SpA = O}.
Also ist SU(n) kompakt und hat die (reelle) Dimension n 2 - 1. Wir werden spater zeigen, daB U (n) und SU (n) zusammenhangend sind. Proposition 9.2.13. Die Gruppe U(n) ist eine kompakte, reelle Unterliegruppe von GL( n, C) der (reellen) Dimension n 2 . Ihre Liealgebra u( n) ist der Raum aller schiefhermiteschen (n x n)-Matrizen mit der Kommutatorklammer. SU(n) ist eine abgeschlossene reelle Unterliegruppe von U(n) der Dimension n 2 - 1, deren Liealgebra su(n) aus allen spurfreien schiefhermiteschen (n x n)-Matrizen besteht. In der Interneterganzung zu diesem Kapitel beweisen wir Sp(2n,lR)
n O(2n,lR) = U(n).
Wir besprechen auch einige interessante Verallgemeinerungen dieser Beziehung.
9.2 Einige der klassischen Liegruppen
315
Die Gruppe SU(2). Diese Gruppe verdient besondere Beachtung, da sie in zahlreichen physikalischen Anwendungen auftritt, wie z.B. bei den Cayley-Klein-Parametern des freien starren Korpers und in der Konstruktion einer (nichtabelschen) Eichgruppe fur die Yang-Mills-Gleichungen in der Elementarteilchenphysik. Aus der allgemeinen Formel fur die Dimension von SU(n) erhalten wir dim SU(2) = 3. Die Gruppe SU(2) ist diffeomorph zur 3-Sphare S3 = {x E ]R4 I Ilxll = 1 }, wobei der Diffeomorphismus explizit durch x
o
1
2
3
3
4
= (x ,x ,x ,x ) ESC]R
M
[XX02 -- zxzx.. 31 - xx 20 +- zxzx.. 31] E SU(2)
(9.22)
gegeben ist. Also ist SU(2) zusammenhangend und einfach zusammenhangend. Nach dem Satz von Euler 9.2.1 ist jedes Element von SO(3) (auBer das neutrale Element) durch Angabe eines Vektors v als Drehachse und eines Drehwinkels () eindeutig festgelegt. Hierbei konnen wir v als Einheitsvektor wahlen. Allerdings reprasentieren die Paare (v, ()) und (-v, -()) dieselbe Drehung und es gibt keine konsistente Moglichkeit, eines dieser beiden Paare stetig fUr die ganze Gruppe SO(3) auszuwahlen. Eine solche Wahl heiBt in der Physik die Wahl eines Spins. Dies laBt einen sofort an eine doppelte Uberlagerung von SO(3) denken, die hoffentlich wieder eine Liegruppe ist. Wir werden nun zeigen, daB SU(2) diese Forderungen erfUllt.3 Die Grundlage hierfur bildet die folgende Konstruktion. Bezeichne mit aI, a2, a3 die durch
a1
[01]
= 1 0 ' a2 =
[0i -i] 0
definierten Pauli-Spinmatrizen und sei ( j = (aI, a2, a3). Man rechnet einfach nach, daB sie die Vertauschungsrelationen
[aI, a2] = 2ia3
(plus zyklische Vertauschungen)
erfullen, weswegen die Abbildung
mit X· ( j = x 1a1 + x 2a2 + x3a3 ein Liealgebrenisomorphismus zwischen ]R3 und den schiefhermiteschen, spurfreien (2 x 2)-Matrizen (der Liealgebra von SU(2)) ist, d.h. es gilt [x, y] = (x x yf Beachte - det(x. 3
(j)
= IIxl1 2 und Sp (xy) = -~x. y.
Anm.d.Ubers.: Jede SO(n) besitzt eine einfach zusammenhangende doppelte Uberlagerung, die sogenannte Spingruppe Spin(n).
316
9. Liegruppen
Definiere den Liegruppenhomomorphismus 7r : 8U(2) -+ GL(3, lR) durch (9.23) Eine direkte Rechnung zeigt unter Verwendung von (9.22), daB ker7r ist. Also ist genau dann 7r(A) = 7r(B), wenn A = ±B ist. Aus 117r(A)xI1 2 =
= {±I}
- det((7r(A)x) . IT)
= -det(A(x'lT)A- 1 ) = - det(x. IT) = IIxl12 folgt 7r(8U(2))
c
0(3).
Als stetiges Bild eines zusammenhiingenden Raumes ist 7r(8U(2)) jedoch zusammenhangend und somit gilt 7r(8U(2))
c
80(3).
Zeigen wir nun, daB 7r : 8U(2) -+ 80(3) ein lokaler Diffeomorphismus ist. 1st namlich a E .5u(2) , so gilt
(Te 7r(a)x) . IT = (x· IT)a t + a(x· IT) = [a, x . lTl = 2i[a, xl = 2i(a x xf = (a x x) . IT
= (ax) . IT, d.h., Te 7r(a)
=
a. Demzufolge ist T e 7r : .5u(2) ----+ .50(3)
ein Liealgebrenisomorphismus und 7r somit ein lokaler Diffeomorphismus in einer Umgebung des neutralen Elementes. Als Liegruppenhomomorphismus ist 7r dann auch ein lokaler Diffeomorphismus urn jeden Punkt. Insbesondere ist dann 7r(8U(2)) offen und damit auch abgeschlossen (das Komplement ist eine Vereinigung von offenen Nebenklassen in 80(3)). Da es nichtleer und 80(3) zusammenhiingend ist, folgt 7r(8U(2)) = 80(3). Also ist 7r : 8U(2) -+ 80(3) eine zweifache Uberlagerung. Wir fassen die 8ituation in dem kommutativen Diagramm in Abb. 9.6 zusammen. Proposition 9.2.14. Die Liegruppe 8U(2) ist eine einJach zusammenhiingende zweiJache Uberlagerung von 80(3).
9.2 Einige der klassischen Liegruppen
317
8U(2)
j
2 1
80(3)
Abb. 9.6. Der Zusammenhang zwischen 8U(2) und 80(3). Quaternionen. Der Divisionsring (oder in leichtem SprachmiBbrauch der nichtkommutative Korper) IHI der Quaternionen wird tiber den reellen Zahlen durch die drei Elemente i, j, k mit den Relationen
i 2 =j2=k2 =_1, ij = -ji = k, jk = -kj = i, ki = -ik =j erzeugt. Die Multiplikation von Quaternionen erfolgt auf gewohnliche Art und Weise (wie die von Polynomen) unter Berticksichtigung dieser Relationen. Wir zerlegen a E IHI durch
in einen skalaren und einen vektoriellen Anteil der Quaternion mit as, a;, a~, a~ E R Quaternionen mit verschwindendem skalaren Anteil werden auch reine Quaternionen genannt. Mit diesen Bezeichnungen erhalt die Multiplikation von Quaternionen die Form
Zusatzlich definieren wir zu jeder Quaternion a = (as, a v ) die konjugierte (as, -av ), d.h. die reellen Zahlen bleiben bei der Konjugation erhalten und I = -i,3 = -j, sowie k = -k. Beachte, daB ab = ba gilt. Jede Quaternion a =I- 0 besitzt ein durch a-I = allal 2 gegebenes Inverses, wobei die Norm durch
a :=
gegeben ist. Insbesondere bilden die Einheitsquaternionen, die als Menge gleich der Einheitssphare S3 in JR4 sind, eine Gruppe unter der quaternionischen Multiplikation. Proposition 9.2.15. Die Einheitsquaternionen S3 = {a E IHI I lal = I} bilden eine zu SU(2) tiber den Isomorphismus (9.22) isomorphe Liegruppe.
318
9. Liegruppen
Beweis. Wir haben schon darauf hingewiesen, daB (9.22) ein Diffeomorphismus von S3 nach 8U(2) ist, es verbleibt also nur noch zu zeigen, daB er auch ein Gruppenhomomorphismus ist, was man jedoch direkt nachrechnet. • Die Liealgebra von S3 ist der Tangentialraum an die 1 und somit isomorph zu den reinen Quaternionen ]K3. Wir wollen zunachst die adjungierte Wirkung von S3 auf ihre Liealgebra bestimmen. 1st a E S3 und b v eine reine Quaternion, ergibt sich das Differential der Konjugation zu
1st also a(t) = (1, tav ), so gilt a(O) = 1, a'(O) = a v und die Lieklammer auf den reinen Quaternionen ]K3 ergibt sich zu
Also ist die Liealgebra von S3 der ]K3 mit [x, y] = 2 x x y als Lieklammer. Das Differential des Liegruppenisomorphismus (9.22) ist
x E]K
3
f-t
[-zx-zx.+3x -zx. zx1-3 x 2] = 2x_ E su(2) . 1
2
.
und ist demzufolge ein Liealgebrenisomorphismus von]K3 mit dem Zweifachen des Kreuzproduktes als Klammer nach su(2), d.h. nach (]K3, x). Kehren wir nun zu dem kommutativen Diagramm in Abb. 9.6 zuriick und bestimmen explizit die zweifache Uberlagerung S3 --+ 80(3) die einer Quaternion a E S3 C 1HI die Drehmatrix A E 80(3) zuordnet. Zu a E S3 sei
mit a = (as, a v ) = (as, a;, a~, a~). Nach (9.23) ist die Drehmatrix dann durch A = Jr(U) gegeben, also durch
(Ax) . (T
9.2 Einige der klassischen Liegruppen
319
as + ia~ a~ + ia~ ] x [ -a 2+·za 1 as - za . 3 v v v [(a; + (a~)2 - (a~)2 - (a~)2) Xl + 2(a~a~ - asa~)x2 +2(asa~
+ a~a~)x3] 0'1
+ [2 (a~a~ + asa~) Xl + (a; - (a~)2 + (a~)2 - (a~)2) x 2
+2 (a;a~ - asa~) x 3] 0'2 + [2 (a~a~ - asa;) xl + 2 (asa~ + a~a~) x 2
+ (a; - (a~)2 - (a~)2 + (a~)2) x 3] 0'3. Beachtet man a; + (a~)2 + (a~)2 + (a~)2 den Ausdruck
=
1, erhalt man fUr die Matrix A
2(asa~+a~a~) 1 [ 2a;+2(a~)2-12(-asa~+a~a~) 2(asa~ + a~a~) 2a; + 2(a~)2 - 1 2( -asa~ + a~a~) 2( -asa~ + a~a~) 2(asa~ + a~a~)
2a; + (a~)2 - 1
= (2a; - 1)1 + 2a sav + 2av IS! a v,
(9.24)
wobei av IS! a v die symmetrische Matrix mit den Eintragen ata~ ist. Die Abbildung a E S3 r--+ (2a; - 1)1 + 2a sav + 2av IS! a v heiBt Euler-Rodrigues-Parametrisierung. Gegeniiber der Parametrisierung durch die Eulerschen Winkel, die eine Singularitat besitzt, hat diese den Vorteil, global definiert zu sein. Dies ist von entscheidender Bedeutung fiir numerische Berechnungen (vgl. z.B. Marsden und Wendlandt [1997]). Wir wollen zuletzt die Formel von Rodrigues (9.15) mit Hilfe der Einheitsquaternionen ausdriicken. Sei
a = (as, a v ) = (cos ~, (sin ~) n) mit einem Winkel w > 0 und einem Einheitsvektor n. Wegen :il2 = n IS! n - 1 erhalten wir aus (9.15) exp(wn) = 1 + (sinw):il + 2 (sin 2 ~) (n IS! n - 1)
= (1- 2sin2 *) 1 +2cos*sin*:il+2 (sin2 *) nlS!n
= (2a; - 1) 1 + 2a s av + 2av IS! avo Dieser Ausdruck ordnet dann jeder Einheitsquaternion a eine Drehung zu. Dariiber hinaus hat Rodrigues durch diese Parametrisierung 1840 eine schOne Methode gefunden, urn das Produkt zweier Rotationen exp(wlnd ·exp(w2n2) durch diese Angaben auszudriicken. Dies war eine friihe Entdeckung der Spingruppe! Wir verweisen hierfiir auf Whittaker [1927, Abschnitt 7], Altmann [1986], Enos [1993], Lewis und Simo [1995] und die dort angegebenen Referenzen fUr weitere Informationen.
320
9. Liegruppen
Konjugationsklassen der SU(2) und die Hopffaserung. Als nachstes bestimmen wir aIle Konjugationsklassen von 8 3 ~ SU(2). Zu a E 8 3 ist a-I = a und eine direkte Rechnung liefert aba- 1
= (b s , 2(av . bv)av + 2a s (a v x b v ) + (2a; - l)b v )
fUr beliebiges b E 8 3 . 1st bs = ±1, d.h. b v = 0, so folgt aus obiger Beziehung aba- 1 = b fUr aIle a E 8 3 , d.h. die Klassen von 1 und -1 mit 1 = (1,0) bestehen beide aus nur einem Element und das Zentrum von SU(2) ~ 8 3 ist
{±I}.
1m folgenden set zen wir bs "I- ±1 bzw. b v "I- 0 voraus, und £lxieren dieses b E 8 3 fur den ganzen nachsten Abschnitt. Wir werden zeigen, daB wir zu gegebenem x E IR3 mit Ilxll = IlbvI ein a E 8 3 £lnden, fur das 2(a v . bv)av + 2a s (a v x b v ) + (2a; - l)b v = x
(9.25)
gilt. 1st x = cb v fur ein c "I- 0, erfuIlen a v = 0 und 2a; = 1 + c die Beziehung (9.25). Nehmen wir nun an, x und b v sind nicht kollinear. Fur das Skalarprodukt von (9.25) mit b v erhalten wir
°
°
1st IlbvI1 2 +x· b v = 0, folgt aus b v "I- 0, daB a v' b v = und as = ist. Kehren wir zuruck zu (9.25), folgt -bv = x, was ausgeschlossen war. Demzufolge ist x·bv+llb vI1 2 "I- 0, und wir erhalten auf der Suche nach a v E IR3 mit av·bv =
°
°
Bilden wir nun des Kreuzprodukt von (9.25) mit b v , erhalten wir mit der Annahme a v . b v = und somit
bv x x a = 2a s llb v l1 2 ' v
°
was wegen b v "I- 0 und as "I- wohlde£lniert ist. Beachte, daB fur das so bestimmte a = (as, a v) die Annahme a v. b v = erfullt ist und wegen Ilxll = Ilbvll dann
°
gilt. Proposition 9.2.16. Die Konjugationsklassen von 8 3 Zweisphiiren {b v E IR3 IIIbvl1 2 = 1- b;}
C:o'
SU(2) sind die
zu bs E [-1,1], die am Nord- und 8udpol (±1,0,0,0) zu einem Punkt degenerieren. Diese Pole bilden das Zentrum von SU(2).
9.2 Einige der klassischen Liegruppen
321
Der obige Beweis zeigt, daB jede Einheitsquaternion in 8 3 zu einem Quaternion der Form as + a~k mit as, a~ E lR konjugiert ist, was in Matrizen und dem Isomorphismus (9.22) ausgedriickt besagt, daB jede Matrix in SU(2) zu einer Diagonalmatrix konjugiert ist. Die Konjugationsklasse von kist die Einheitssphare 8 2 und die Abbildung
ist die sogenannte Hopffaserung. Die Untergruppe
ist eine abgeschlossene, eindimensionale, abelsche U nterliegruppe von 8 3 , durch (9.22) isomorph zur Menge der Diagonalmatrizen in SU(2) und daher der Einheitskreis 8 1 . Beachte, daB der Stabilisator von k in 8 3 gerade H ist, wie man mit (9.25) leicht zeigt. Da der Orbit von k diffeomorph zu 8 3 / H ist, sind somit die Fasern der Hopffaserung die linken Nebenklassen aH flir a E 83 . Zuletzt wollen wir noch einen Ausdruck der Hopffaserung durch komplexe Variablen angeben. Setze in der Darstellung (9.22)
und beachte, daB im Fall
zu aka die Matrix X O -iX 3 -X 2 -iX 1 ]
[-iO]
[X O +iX 3
X 2 +iX 1 ]
ix 1 xO + ix3 0 i _x 2 + ix 1 xO - ix3 = [-i(lxO+iX312_lx2+iXlI2) -2i(x 2 +ix 1) (xO-ix 3) ] -2i(x 2 - ix 1 )(x O+ ix 3) i (lx O+ ix 3 12 -lx 2 + ixll2) [
x2
-
gehort. Betrachten wir dann den Diffeomorphismus
so nimmt demzufolge die obige Wirkung auf dem Orbit, also die Hopffaserung, die folgende Form an
322
9. Liegruppen
Ubungen Ubung 9.2.1. Beschreibe die Menge der symmetrischen Matrizen in SO(3). Ubung 9.2.2. Zeige, daB zu A E Sp(2n, lR) auch AT E Sp(2n, lR) liegt. Ubung 9.2.3. Zeige, daB sp(2n, lR) als Liealgebra isomorph zum Raum der homogenen quadratischen Funktionen auf lR 2n mit der Poissonklammer ist. Ubung 9.2.4. Eine Abbildung f : lRn -+ lRn , die den Abstand zwischen zwei Punkten erhiiJt, fur die also Ilf(x) - f(y) I = Ilx - yll fur aIle x, y E lRn gilt, heiBt eine Isometrie. Zeige, daB f genau dann eine den Ursprung erhaltende Isometrie ist, wenn f E O(n) ist.
9.3 Wirkungen von Liegruppen In diesem Abschnitt entwickeln wir einige grundlegenden Tatsachen uber Wirkungen von Liegruppen auf Mannigfaltigkeiten. Eine der wichtigsten Anwendungen wird spater die Beschreibung von Hamiltonschen Systemen mit Symmetriegruppen sein.
Grundlegende Definitionen. Wir beginnen mit der Definition der Wirkung einer Liegruppe G auf eine Mannigfaltigkeit M. Definition 9.3.1. Sei Meine Mannigfaltigkeit und G eine Liegruppe. Eine (Links-) Wirkung der Liegruppe G auf Mist eine glatte Abbildung P : G x M -+ M mit:
(i) p(e, x) = x fur alle x (ii) 9 : M -+ M und auf N durch lfig : N -+ N wirkt. Eine glatte Abbildung f : M -+ N heijJt iiquivariant bzgl. dieser Wirkungen, wenn fur alle 9 E G (9.29) f 0 9 = 1jtg 0 f gilt, d.h., wenn das Diagramm in Abb. 9.8 kommutativ ist. erhiilt man durch Differentiation von (9.29) nach t bei 0 ~M = ~N 0 f, ~M und ~N sind also f-verwandt. Insbesondere ist fur einen aquivarianten Diffeomorphismus f dann f* ~N = Mit 9 =
exp(t~)
t = 0 die Beziehung Tf ~M'
Beachte auch, daB eine aquivariante Abbildung f : M -+ N eine glatte Abbildung fe : M/G -+ N/G induziert, wenn M/G und N/G beide glatte Mannigfaltigkeiten und die kanonischen Projektionen glatte Submersionen sind.
Mittelung iiber die Gruppe. Ein niitzliches Werkzeug zur Konstruktion von invariant en GraBen ist die Mittelung. Es wirke z.B. eine kompakte Gruppe G auf eine Mannigfaltigkeit M und 0: sei eine Differentialform auf M. Dann bilden wir
330
9. Liegruppen
wobei JL das Haarsche Mal3 auf Gist. Man pruft nach, dal3 a invariant unter der Wirkung von Gist. Dieselbe Konstruktion lal3t sich fur andere Tensoren wie z.B. Riemannsche Metriken auf M durchfuhren, urn aus ihnen invariante GraBen zu erhalten.
Die Klammer von Erzeugern. Wir kommen nun zu einer wichtigen Formel, die die Jacobi-Lieklammer zweier infinitesimaler Erzeuger mit deren Liealgebraklammer in Verbindung setzt. Proposition 9.3.3. Die Liegruppe G wirke von links auf die Mannigfaltigkeit M. Dann ist die Abbildung ~ f--t ~M des infinitesimal en Erzeugers von der Liealgebra 9 von G in die Liealgebra :reM) der Vektorfelder von M ein Liealgebrenantihomomorphismus, d.h., fur alle ~,ry E 9 und a, bE IR gilt
und Urn dies zu beweisen, benatigen wir das folgende Lemma:
Lemma 9.3.1. ist
(i) Sei c(t) eine Kurve in G, c(O) = e, C'(O) = ~
~M(X) =
dd I
t t=O
E
g. Dann
.,~, 77, ( E 9 gilt. Hierbei sind \7 F(~), \7 H(~) E 9 die Gradienten von Fund H bei ~ E 9 bezuglich K,. Folgere wie in (b), daB diese Beziehung gilt, wenn !If(>.) = a>. + X fur ein a E lR und ein X E gist.
10.2 Hamiltonsche Vektorfelder und Casimirfunktionen
347
(d) Sei in (c) I]f (A) = V 1jJ (A) fur eine glatte Funktion 1jJ : 9 -+ lEt Zeige, daB { , }I/i genau dann eine Poissonklammer ist, wenn
D 21jJ(A)([V1jJ(A), (], [1], W- D21jJ(A) (V1jJ(A) , [(, [1],~]]) +D21jJ(A)([V1jJ(A), 1]], [~, (]) - D21jJ(A) (V1jJ(A) , [1], [~, (]]) +D21jJ(A) ([V1jJ(A), ~], [(,1]]) - D21jJ(A)(V1jJ(A), [~, [(,1]]]) = 0 fur alle >.,~, 1], ( E 9 gilt. Insbesondere gilt diese Beziehung, falls D21jJ(A) fUr alle A eine unter der adjungierten Wirkung von G auf 9 invariante Bilinearform ist. Fur 9 = $0(3) und 1jJ beliebig ist diese Bedingung ebenfalls erfullt (vgl. Ubung 1.3.2).
10.2 Hamiltonsche Vektorfelder und Casimirfunktionen Hamiltonsche Vektorfelder. Zunachst wollen wir den Begriff des Hamiltonschen Vektorfeldes auf einer symplektischen Mannigfaltigkeit auf Poissonmannigfaltigkeiten ubertragen. Proposition 10.2.1. Sei Peine Poissonmannigfaltigkeit. 1st HE F(P), so gibt es ein eindeutiges Vektorfeld X H auf P mit (10.18)
fur alle G E F(P). Wir nennen X H das Hamiltonsche Vektorfeld zu H.
Beweis. Dies ist eine Folgerung aus der Tatsache, daB jede Derivation auf F(P) durch ein Vektorfeld dargestellt werden kann. Fur festes H ist die Abbildung G f-7 {G, H} eine Derivation und bestimmt somit ein eindeutiges X H , fur das (10.18) gilt. (1m Unendlichdimensionalen braucht man einige zusatzliche technische Bedingungen fur diesen Beweis, die wir hier der Kurze wegen iibergehen, vgl. Abraham, Marsden und Ratiu [1988, Abschnitt 4.2].)
•
Beachte, daB (10.18) mit unserer Definition von Poissonklammern im symplektischen Fall ubereinstimmt, ist also die Poissonmannigfaltigkeit P symplektisch, ist das hier definierte X H mit dem in §5.5 definierten identisch.
Proposition 10.2.2. Die Abbildung H f-7 X H von F(P) nach X(P) ist ein Liealgebrenantihomomorphismus, d.h., es gilt
[XH,XK] = -X{H,K}' Beweis. Unter Verwendung der Jacobiidentitat erhalten wir
[XH' XK][F] = XH[XK[F]]- XK[XH[F]] = {{F,K} , H} - {{F,H} ,K} - {F,{H,K}}
= - X{H,K} [F].
(10.19)
•
348
10. Poissonmannigfaltigkeiten
Die Bewegungsgleichungen in Poissonklammerschreibweise. Ais nachstes stellen wir die Gleichung P = {F, H} fur Poissonstrukturen auf. Proposition 10.2.3. Sei 'Pt ein FlufJ auf einer Poissonmannigfaltigkeit P und H : P -+ lR eine glatte Funktion auf P. Dann gilt:
(i) Fur jedes F
E
F(U) mit U offen in P ist
oder kurz
P = {F, H}
fur jedes F E F(U), U offen in P,
genau dann, wenn 'Pt der FlufJ von X H ist. (ii) 1st 'Pt der FlufJ von X H , dann gilt H
Beweis. (i)
0
'Pt
=
H.
Sei z E P. Dann ist
und Die zwei Ausdrucke sind nach dem Satz von Hahn-Banach genau dann fur jedes F E F(U) mit U offen in P gleich, wenn gilt
Dies ist aquivalent dazu, daB t f-t 'Pt(z) die Integralkurve von X H zur Anfangsbedingung z ist, 'Pt ist also der FluB von X H . 1st umgekehrt 'Pt der FluB von X H , so gilt
so daB nach der Kettenregel folgt d
dt F( 'Pt(z))
= dF('Pt(z))
. X H ('Pt(z))
= dF('Pt(z)) . Tz'Pt(XH(z)) = d(F 0 'Pt)(z) . XH(z) = {F 0 'Pt, H}(z). (ii)
Fur den Beweis von (ii) setze H
= F in (i).
•
10.2 Hamiltonsche Vektorfelder und Casimirfunktionen
349
Korollar 10.2.1. Sei G, H E F(P). Dann ist G genau dann entlang der Integralkurven von X H konstant, wenn {G, H} = 0 gilt. Beide Aussagen sind dazu aquivalent, dafJ H entlang der Integralkurven von Xc konstant ist. Unter den Elementen von F(P) gibt es Funktionen C, fur die {C,F} = 0 fur aIle F E F(P) ist, C also entlang des Flusses eines jeden Hamiltonschen Vektorfeldes konstant ist. Dies ist aquivalent zu Xc = 0, d.h. dazu, daB C die triviale Dynamik erzeugt. Solche Funktionen heiBen Casimirfunktionen der Poissonstruktur. Sie bilden das Zentrum der Poissonalgebra. 3 Diese Terminologie wird z.B. in Sudarshan und Mukunda [1974] verwendet. H. B. G. Casimir war ein bekannter Physiker, der seine Dissertation (Casimir [1931]) bei Paul Ehrenfest uber die Quantenmechanik des starren Korpers schrieb. Ehrenfest wiederum war es, der in seiner Dissertation an der Variationsstruktur von idealen Flussen in Lagrangescher oder materieller Darstellung gearbeitet hat. Beispiele Beispiel 10.2.1 (Symplektischer Fall). Auf einer symplektischen Mannigfaltigkeit P ist jede Casimirfunktion konstant auf den Zusammenhangskomponenten von P. Dies gilt, da im symplektischen Fall mit Xc = 0 auch dC = 0 gilt und somit C lokal konstant ist. Beispiel 10.2.2 (Casimirfunktionen des starren Korpers). Setze in Bsp. 10.1.3 C(II) = IIIII1 2/2. Dann ist VC(II) = II und nach den Eigenschaften des Spatprodukts gilt fur jedes F E F(JR3)
{C,F} (II) = -II· (VC x VF) = - II· (II x VF) = - V F . (II x II) = o. Dies zeigt, daB C(ll) = Argument zeigt, daB auch
111l11 2 /2
eine Casimirfunktion ist. Ein ahnliches
(10.20)
eine Casimirfunktion ist, wobei Peine beliebige (differenzierbare) Funktion einer Variable ist. Dies zeigt man mit
VCp(II) = p'
(~IIIII12) II.
(10.21)
Beispiel 10.2.3 (Helizitat). In Beispiel 10.1.4 ist die Helizitiit
C(v) = Lv. (V x v) d3 x eine Casimirfunktion, falls 3
aD = 0
(10.22)
ist.
Das Zentrum einer Gruppe (oder Algebra) ist die Menge der Elemente, die mit allen anderen Elementen der Gruppe (oder Algebra) kommutieren.
350
10. Poissonmannigfaltigkeiten
Beispiel 10.2.4 (Poisson-Vlasov-Casimirfunktionen). In Beispiel 10.1.5 ist zu einer gegebenen differenzierbaren Funktion : ~ --+ ~ die durch C(f)
=
J
(f(q,p)) dq dp
(10.23)
definierte Abbildung C : F(P) --+ ~ eine Casimirfunktion. Hierbei wahlen wir Pals eine symplektische Mannigfaltigkeit und kiirzen das LiouvillemaB mit dq dp = dz ab, was wir dann verwenden, urn Funktionen und Dichten zu identifizieren.
Ein wenig zur Geschichte der Poissonstrukturen. 4 Das allgemeine Konzept einer Poissonmannigfaltigkeit basiert auf den am Ende von §8.1 beschriebenen Arbeiten von Lagrange und Poisson und sollte Sophus Lie im Kapitel iiber "Funktionengruppen" seiner Abhandlung zu Transformationsgruppen zugeschrieben werden, die er urn 1880 verfaBte. Lie verwendet das Wort "Gruppe" sowohl fUr Gruppen als auch fiir Algebren, insbesondere sollte man hier wohl eher "Funktionenalgebren" statt "Funktionengruppen" iibersetzen. Auf Seite 237 definiert Lie, was wir heute eine Poissonstruktur nennen. Der Titel von Kap. 19 ist "Die koadjungierte Gruppe", die auf S. 334 eingefiihrt wird. In Kapitel 17 wird auf den Seiten 294-298 eine lineare Poissonstruktur auf dem Dualraum einer Liealgebra definiert, welche heute LiePoisson-Struktur genannt wird und "Lies drittes Theorem" fiir die Menge der regularen Elemente bewiesen. Auf Seite 349 wird unter Verwendung einer Bemerkung auf S. 367 gezeigt, daB die Lie-Poisson-Struktur auf natiirliche Weise auf jedem koadjungierten Orbit eine symplektische Struktur induziert. Wie wir in §11.2 nochmals hervorheben werden, findet man bei Lie auch schon viele der Grundideen der Impulsabbildungen, die wir dort definieren. Diese Arbeiten scheinen fUr viele Jahre vergessen gewesen zu sein. Aufgrund des oben skizzierten geschichtlichen Hintergrundes pragten Marsden und Weinstein [1983] die heute allgemein iibliche Bezeichnung der "Lie-Poisson-Klammer". Nicht klar ist jedoch, ob Lie schon verstanden hat, daB die Lie-Poisson-Klammer durch einen einfachen ReduktionsprozeB entsteht, namlich von der kanonischen Poissonklammer auf dem Kotangentialbiindel T*G durch den Ubergang zu g* aufgefaBt als Quotient T*G/G induziert wird, wie wir in Kap. 13 ausfUhrlich erklaren werden. Die Verbindung zwischen der Geschlossenheit der symplektischen Form und der Jacobiidentitat ist ein wenig schwieriger direkt nachzuvollziehen, einige Bemerkungen dazu findet man in Souriau [1970], der sie Maxwell zuschreibt. Lies Arbeit beginnt mit der Betrachtung von Funktionen F 1 , ... ,Fr auf einer symplektischen Mannigfaltigkeit M mit der Eigenschaft, daB Funktionen Gij von r Variablen existieren, fUr die 4
Wir danken Hans Duistermaat und Alan Weinstein fUr ihre Hilfe zu diesem Abschnitt. Der interessierte Leser beachte auch die Arbeit von Weinstein [1983a].
10.2 Hamiltonsche Vektorfelder und Casimirfunktionen
351
ist. Zu Lies Zeiten wurden aIle betrachteten Funktionen stillschweigend als analytisch angenommen. Die Ansammlung aller Funktionen ep von F 1 , ... , Fr bildet die "Funktionengruppe", die mit der Klammer
[ep, ¢J
=
L Gijepi¢j
(10.24)
ij
mit
o¢
und ¢j = of. J
ausgestattet ist. FaBt man F = (Fl."" Fr) als eine Abbildung von M in einen rdimensionalen Raum P und ep und ¢ als Funktionen auf P auf, kann man sagen, daB [ep, ¢J eine Poissonstruktur auf P mit der Eigenschaft
F*[ep,¢J = {F*ep,F*¢} ist. Lie berechnet die aus der Antisymmetrie und der Jacobiidentitat fur die Klammer {,} auf M folgenden Gleichungen fur die Gij . Dann stellt er die Frage, ob ein gegebenes System von Funktionen Gij in r Variablen wie oben von einer Funktionengruppe von Funktionen von 2n Variablen erzeugt wird, wenn es diese Gleichungen erfiillt und zeigt, daB dies unter geeigneten Bedingungen an den Rang der Matrix Gij tatsachlich der Fall ist. Wie wir weiter unten sehen werden, ist dies ein Vorlaufer vieler der fundamentalen Ergebnisse uber die Geometrie von Poissonmannigfaltigkeiten. Offensichtlich ist (10.24) eine Poissonstruktur in einem r-dimensionalen Raum, wenn das System Gij die von Lie formulierten Gleichungen erfullt. Umgekehrt erfullen fur jede Poissonstruktur [ep, ¢J die Funktionen
Gij = [Fi' FjJ diese Gleichungen. Lie fahrt dann mit einigen nicht immer ganz ausformulierten Bemerkungen uber lokale Normalformen von Funktionengruppen (d.h. von Poissonstrukturen) mit geeigneten Rangbedingungen fort. Diese ergeben zusammen, daB eine Poissonstruktur von konstantem Rang das gleiche wie eine Blatterung mit symplektischen Blattern ist. Gerade diese Charakterisierung verwendet Lie, um die symplektische Form auf den koadjungierten Orbits zu erhalten. Andererseits wendet er sie nicht auf die Darstellungstheorie an. Die Untersuchung der Darstellungstheorie von Liegruppen wurde erst spater von Schur fur GL(n) begonnen und von Elie Cartan fur halbeinfache Liealgebren und in den dreiBiger Jahren von Weyl fur kompakte Liegruppen fortgesetzt. In den Arbeiten von Kirillov und Kostant wurde die symplektische Struktur auf koadjungierten Orbits dann mit der Darstellungstheorie in
352
10. Poissonmannigfaltigkeiten
Verbindung gebracht. Immerhin hat Lie die Poissonstruktur auf dem Dualraum eincr Liealgebra verwendet, urn zu beweisen, daB jede abstrakte Liealgebra als eine Liealgebra von Hamiltonschen Vektorfeldern oder als Unterliealgebra der Poissonalgebra der Funktionen auf einer symplektischen Mannigfaltigkeit realisiert werden kann. Dies ist "Lies drittes Fundamentaltheorem" in seiner ursprunglicher Formulierung. In der Geometrie befassten sich z.B. Engel, Study und insbesondere Elie Cartan intensiv mit den Arbeiten von Lie und sorgten fur ihre Verbreitung. Dennoch erscheint im Ruckblick Lies Beitrag zu Poissonstrukturen in der Mechanik nicht gebuhrend beachtet geworden zu sein. Obwohl Cartan selbst sehr wichtige Arbeiten zur Mechanik verfasst hat (z.B. Cart an [1923, 1928a, 1928b]), scheint ihm z.B. nicht klar geworden zu sein, daB die Lie-PoissonKlammer ein zentrales Objekt zur Hamiltonschen Beschreibung einiger der von ihm untersuchten rotierenden fiussigen Systeme ist. Andere wie z.B. Hamel [1904, 1949] beschaftigten sich mit den Arbeiten von Lie und verwendeten diese auch, urn wesentliche Beitrage und Erweiterungen zu liefern (wie fur die Untersuchung von nichtholonomen Systcmen, einschlief31ich den Zwangsbedingungen bei Rollbewegungen), viele andere aktive Arbeitsgruppen schienen sie jedoch zm ubergehen. Umso erstaunlicher ist der Beitrag von Poincare [1901b, 1910] zum Lagrangeschen Aspekt des Themas, zu dem wir in Kapitel 13 kommen. Ubungen Ubung 10.2.1. Prufe explizit die Beziehung [XH,XK Klammer des starren K()rpers. Ubung 10.2.2. Zeige, daB
C(f)
=
]
=
-X{H,K} fur die
J
tJ>(f(q,p)) dqdp
eine Casimirfunktion der Poisson-Vlasov-Klammer ist. Ubung 10.2.3. Sei Peine Poissonmannigfaltigkeit und sei M c Peine zusammenhangende Untermannigfaltigkeit mit der Eigenschaft, daB fUr jedes v E TxM ein Hamiltonsches Vektorfeld X H auf P existiert, so daB v = XH(x) gilt, TxM also durch die Hamiltonschen Vektorfelder aufgespannt wird. Zeige, daB jede Casimirfunktion auf M konstant ist.
10.3 Eigenschaften von Hamiltonschen Fliissen Hamiltonsche Fliisse sind Poissonsch. In §5.4 hatten wir gesehen, daB der FluB cines Hamiltonschen Vektorfeldes auf einer symplektischen Mannigfaltigkeit aus symplektischen Transformationen besteht. Wir beweisen nun die analoge Aussage fur den Poissonfall.
10.3 Eigenschaften von Hamiltonschen Fliissen
353
Proposition 10.3.1. lst!.pt der FlujJ von XH, so gilt
es ist also {F, G}
0
!.pt = {F
0
!.pt, G 0 !.pd .
DemzuJolge erhiilt der FlujJ eines Hamiltonschen VektorJeldes die Poissonstruktur. Beweis. Dies ist sogar fiir zeitabhangige Hamiltonsches Systeme richtig, wie wir spater sehen werden, hier werden wir die Aussage jedoch nur fiir den zeitunabhiingigen Fall beweisen. Seien F, K E F(P) und sei !.pt der FluB von X H . Sei u = {F 0 !.pt, K 0 !.pt} - {F, K} 0 !.pt.
Aufgrund der Bilinearitat der Poissonklammer gilt dann
du d } + { FO!.pt, dtKo!.pt d } - dt d {F,K} dt = { dtFo!.pt,Ko!.pt
0
!.pt.
Mit Proposition 10.2.3 wird daraus
du dt = {{ F
0
!.pt, H} , K
0
!.pd + {F
0
!.pt, {K
0
!.pt, H}} - {{F, K}
0
!.pt, H} ,
woraus sich mit der Jacobiidentitat dann
du dt = {u,H} = XH[U] ergibt. Ut = Uo 0 !.pt ist die eindeutige Lasung dieser Gleichung. Aus erhalten wir u = 0, was zu zeigen war.
Uo
=0 •
Wie im symplektischen Fall, mit dem das hier gesagte natiirlich konsistent ist, erkennt man an dies em Argument die Bedeutung der Jacobiidentitat. Poissonabbildungen. Eine glatte Abbildung J : PI --+ P2 zwischen zwei Poissonmannigfaltigkeiten (PI, {, L) und (P2 , {, }2) nennt man kanonisch oder eine Poissonabbildung, falls fiir aIle F, G E F(P2 )
j* {F, G}2 = {f* F, j*GL gilt. Proposition 10.3.1 zeigt, daB der FluB eines Hamiltonschen Vektorfeldes aus kanonischen Abbildungen besteht. Wir haben bereits in Kapitel 5 gesehen, daB fiir zwei symplektische Mannigfaltigkeiten PI und P2 eine Abbildung J : PI --+ P2 genau dann kanonisch ist, wenn sie symplektisch ist.
354
10. Poissonmannigfaltigkeiten
Eigenschaften von Poissonabbildungen. Die nachste Proposition zeigt, daB Poissonabbildungungen Hamiltonsche Flusse in Hamiltonsche Fliisse uberfuhren. Proposition 10.3.2. Sei f : P l -+ P2 eine Poissonabbildung und H E F(P2 ). 1st !.pt der FlufJ von X H und '!f;t der FlufJ von XHof, so gilt
!.pt
° f = f ° '!f;t
und Tf
° XHof = X H ° f.
1st umgekehrt f eine Abbildung von Pl nach P2 und sind fur aUe H E F(P2 ) die Hamiltonschen Vektorfelder X Hof E X(Pd und X H E X(P2 ) f-verwandt, gilt also Tf ° XHof = X H ° f, so ist f kanonisch. Beweis. Fur jedes C E F(P2 ) und z E Pl folgt aus Proposition 10.2.3 (i) und der Definition einer Poissonabbildung, daB
d
d
dt C ((f ° '!f;t)( z )) = dt (C 0 f) ('!f;t (z ))
= {C ° f,H ° f}('!f;t(z)) = {C,H} (f ° '!f;t)(z) gilt. (f ° '!f;t)(z) ist also eine Integralkurve von X H auf P2 durch den Punkt f(z). Da (!.pt O f)(z) ebenfalls eine solche Kurve ist, folgt aus der Eindeutigkeit von Integralkurven (f ° '!f;t)( z) = (!.pt ° f) (z ) . Die Beziehung T f ° XHoj = XH 0 f folgt aus f ° 'lj;t = !.pt ° f durch Ableiten nach der Zeit. Sei umgekehrt Tf ° XHof = X H ° f fUr jedes H E F(P2 ). Nach der Kettenregel gilt dann
XHof [F ° f] (z) = dF(f(z)) . Tzf(XHof(Z)) = dF(f(z)) . XH(f(z)) = X H [F] (f(z)) und somit X Hof [f* F]
{C, H}
°f =
und fist kanonisch.
= f*(X H [Fl). Also folgt fur C
E F(P2 )
f*(XH [C]) = X Hof [f*C] = {C ° f, H
° f},
•
Ubungen Ubung 10.3.1. Weise direkt nach, daB eine Rotation R : ~3 -+ ~3 eine Poissonabbildung fUr die Klammer des starren K6rpers ist. Ubung 10.3.2. Zeige, daB fUr Poissonmannigfaltigkeiten Pl und P2 die Projektion 1fl : Pl X P2 -+ Pl eine Poissonabbildung ist. Gilt die entsprechende Behauptung fur symplektische Abbildungen?
10.4 Der Poissontensor
355
10.4 Der Poissontensor Definition des Poissontensors. Die Poissonklammer ist eine Derivation und der Wert der Klammer {F,G} bei z E P (und somit genauso XF(z)) hangt von F nur tiber dF(z) ab (vgl. Theorem 4.2.16 in Abraham, Marsden und Ratiu [1988] fUr derartige Argumente). Also gibt es einen kontravarianten antisymmetrischen 2- Tensor B : T* P x T* P -+ lR,
so daB mit dF(z) = OOz und dG(z) = {3z E T; P. Diesen Tensor B nennt man eine kosymplekiische oder auch eine Poissonsirukiur. In lokalen Koordinaten (zl, ... , zn) ist B durch seine Matrixelemente {zl, zJ} = B lJ (z) gegeben und die Klammer wird zu IJ 8F 8G {F,G}=B (z)8z l 8 z J"
(10.25)
Sei BU : T* P -+ T P die zu B assoziierte Vektorbtindelabbildung
1m Einklang mit unseren frtiheren Bezeichnungen P = {F, H} ist das Hamiltonsche Vektorfeld durch XH(z) = B~ . dH(z) gegeben, denn p(z) = dF(z) . XH(Z) und es ist
{F,H} (z) = B(z)(dF(z),dH(z)) = (dF(z),BU(z)(dH(z))). Ein Vergleich dieser beiden Ausdrticke liefert die Behauptung.
Koordinatendarstellung. Die Darstellung {zl, zJ} = B lJ (z) ist eine ntitzliche Art, eine Klammer im Endlichdimensionalen anzugeben. Die Jacobiidentitat folgt dann aus den Spezialfallen
die zu den folgenden Differentialgleichungen aquivalent sind:
BLI8BJK + BLJ8BKl + BLK8BlJ = 0 8z L 8z L 8z L (die Terme sind zyklisch in I, J, K). Schreiben wir XH[F] dinaten aus, erhalten wir
(10.26)
= {F, H} in Koor-
356
10. Poissonmannigfaltigkeiten
und somit XI
H
= B IJOH ozJ·
(10.27)
Nach diesem Ausdruck sollten wir uns B IJ als die negative Inverse der symplektischen Matrix denken, was im nichtausgearteten Fall auch v6llig richtig ist. Schreiben wir namlich
in Koordinaten aus, erhalten wir d.h., Bezeichnet [flIJ] das Inverse von [flIJ], ergibt dies
(10.28) Ein Vergleich von (10.27) und (10.28) liefert B IJ
=
_flIJ.
Denken wir daran, daB die Matrix von fl~ die Inverse von der von flb und die Matrix von flb die negative von der von fl ist, erhalten wir B~ = fl~. Beweisen wir dies abstrakt. Der grundlegende Zusammenhang zwischen dem Poissontensor B und der symplektischen Form fl ist die Tatsache, daB sie auf dieselbe Poissonklammer {F,H}
= B(dF,dH) = fl(Xp,X H )
fUhren, d.h., daB gilt. Doch wegen gilt weiter
XH
=
fl~dH.
Also ist B~dH = fl~dH fUr alle H und demzufolge
10.4 Der Poissontensor
357
Koordinatendarstellung von Poissonabbildungen. Wir haben gesehen, daB die Matrix [BI J] des Poissontensors B das Differential dH
8H
= 8zIdz
I
einer Funktion in das zugehorige Hamiltonsche Vektorfeld uberfuhrt, wie auch schon in Kap. 1 skizziert. Es macht ebenfaIls Sinn, das grundlegende Konzept der Poissonabbildung in Koordinaten auszudrucken. Sei J : P 1 ---+ P 2 eine Poissonabbildung, d.h. {F 0 J, G 0 JL = {F, G}2 0 f. Schreiben wir in Koordinaten zI auf P1 und w K auf P2 die Abbildung J als w K = w K (zI), wird diese Gleichung zu
N ach der Kettenregel ist dies aquivalent zu
Da Fund G beliebig waren, ist
J genau dann eine Poissonabbildung,
wenn
L B IJ( )8wK 8w = BKL( ) 1 z 8zI 8z J 2 w gilt. Fassen wir Bl (z) als eine Abbildung Bl (z) : T; P1 x T; P1 ---+ lR auf, heiBt dies koordinatenfrei ausgedruckt (10.29)
mit a w , (3w E T~P2 und J(z) = w. In Analogie mit dem Begriff fur Vektorfelder nennen wir Bl und B2 J-verwandt, kurz Bl "'1 B 2, wenn (10.29) gilt. Somit ist J genau dann eine Poissonabbildung, wenn (10.30)
Die Lieableitung des Poissontensors. Die nachste Proposition ist aquivalent zu der Aussage, daB der FluB von Hamiltonschen Vektorfeldern aus Poissonabbildungen besteht. Proposition 10.4.1. Fur jede Funktion H E F(P) gilt £xHB Beweis.
Nach der Definition des Poissontensors gilt B(dF,dG) = {F,G} = Xc[F]
fUr aIle lokal definierten Funktionen Fund G auf P. Also ist £XH
(B(dF, dG))
=
£XH
{F, G}
= {{F, G}, H}.
=
O.
358
10. Poissonmannigfaltigkeiten
Da die Lieableitung eine Derivation ist, gilt mit der Jacobiidentitat
£xH(B(dF, dG)) = (£xHB)(dF, dG) + B(£XHdF, dG) + B(dF, £xHdG) = (£xHB)(dF, dG) + B(d {F, H}, dG) + B(dF, d {G, H}) = (£xHB)(dF, dG) + {{F,H} ,G} + {F, {G,H}} = (£xHB)(dF, dG) + {{F, G}, H}. Somit folgt (£xHB)(dF, dG) = 0 fUr alle lokal definierten Funktionen F, G E F(U). Da jedes Element von T; Pals dF(z) fUr ein F E F(U) mit U offen • in P dargestellt werden kann, folgt £xHB = O.
Der Satz von Pauli-Jost. 1st der Poissontensor B stark nichtausgeartet, definiert er fur alle z E P einen Isomorphismus Brt : dF(z) f-t Xp(z) von T; P auf TzP. Dann ist P symplektisch und die symplektische Form D ist fur lokal definierte Hamiltonsche Vektorfelder X p und Xc durch D(Xp , Xc) = {F, G} gegeben. Aus der Jacobiidentitat erhiilt man dD = 0, vgl. Ubung 5.5.1. Dies ist der Satz von Pauli-Jost, nach Pauli [1953] und Jost [1964]. Man ist versucht, die obige Bedingung der Nichtausgeartetheit in einer etwas schwacheren Form zu formulieren, die sich nur auf die Poissonklammer bezieht: Sei V eine offene Teilmenge von P. Fur FE F(V) gelte dF = 0 auf V, F sei also konstant auf den Zusammenhangskomponenten von V, wenn {F, G} = 0 fur aUe G E F(U) und aUe offen en Teilmengen U von V ist. Aus dieser Bedingung folgt jedoch noch nicht, daB P symplektisch ist, wie das folgende Gegenbeispiel zeigt: Sei P = ]R2 mit der Poissonklammer
OFOG OFOG) { F, G} (x, y) = y ( ox oy - oy ox . 1st {F, G} = 0 fUr aIle G, dann muB F auf der oberen wie auf der unteren Halbebene und wegen der Stetigkeit dann auch auf ganz ]R2 konstant sein. ]R2 mit dieser Poissonstruktur ist jedoch offensichtlich nicht symplektisch.
Die charakteristische Distribution. Die Teilmenge Brt (T* P) von T P nennt man die charakteristische Distribution der Poissonstruktur. 1m allgemeinen muB es kein Unterbundel von T P sein. Beachte, daB die Schiefsymmetrie des Tensors B aquivalent zu (Brt)* = - Brt ist, wobei (Brt)* : T* P --+ T P die duale Abbildung zu Brt ist. 1st P endlichdimensional, definiert man den Rang der Poissonstruktur in einem Punkt z E Pals den Rang von Brt(z) : T; P --+ TzP. In lokalen Koordinate ist dies der Rang der Matrix [BI J (z)]. Da der FluB eines Hamiltonschen Vektorfeldes die Poissonstruktur erhiilt, ist der Rang entlang eines solchen konstant. Eine Poissonstruktur, deren Rang uberall gleich der Dimension der Mannigfaltigkeit ist, ist nichtausgeartet und somit symplektisch.
10.4 Der Poissontensor
359
Poissonsche Immersionen und U nterpoissonmannigfaltigkeiten. Eine injekiv immersierte Untermannigfaltigkeit i : S ---+ P nennt man eine Poissonsche Immersion, wenn jedes auf einer offenen, i(S) enthaltenden Teilmenge von P definierte Hamiltonsche Vektorfeld in jedem Punkt i(z) fUr z E S im Bild von Tzi liegt. Dies ist aquivalent zu der folgenden Behauptung: Proposition 10.4.2. Eine Immersion i : S ---+ P ist genau dann Poissonsch, wenn die folgende Bedingung erfullt ist. Sind F, G : V C S ---+ lR, wobei V offen in S ist, und sind F, G : U ---+ lR Fortsetzungen von F 0 i-I, G 0 i-I: i(V) ---+ lR auf eine offene Umgebung U von i(V) in P, dann ist {F, G}li(V) wohldefiniert und von der Fortsetzung unabhiingig. Die immersierte Untermannigfaltigkeit S ist somit mit einer induzierten Poissonstruktur ausgestattet, und i : S ---+ P wird zu einer Poissonabbildung. Beweis. so gilt
1st i : S ---+ Peine injektiv immersierte Poissonmannigfaltigkeit, {F, G}(i(z))
= dF(i(z)) . Xc(i(z)) = dF(i(z)) = d(F 0 i)(z) . v = dF(z) . v,
. Tzi(v)
wobei v E TzS der eindeutig bestimmte Vektor ist, der Xc(i(z)) = Tzi(v) erfiillt. Also ist {F, G}(i(z)) von der Fortsetzung F von F 0 i-I unabhiingig. Aufgrund der Schiefsymmetrie der Klammer ist diese ebenfalls von der Fortsetzung G von Go i-I unabhangig. Man kann also eine Poissonstruktur auf S definieren, indem man fur jede offene Teilmenge V von S
{F, G} = {F, G}li(V) setzt. Auf diese Weise wird i : S ---+ P zu einer Poissonabbildung, da nach der obigen Rechnung Xc(i(z)) = Tzi(Xa) ist. ErfUllt die Klammer umgekehrt die oben formulierte Bedingung und ist H : U ---+ Peine auf einer offenen, i(S) schneidenden Teilmenge U von P definierte Hamiltonfunktion, so ist S nach dem schon bewiesenen eine Poissonmannigfaltigkeit und i : S ---+ Peine Poissonabbildung. Da i Poissonsch ist, gilt fur z E S mit i(z) E U
und demzufolge liegt XH(i(z)) im Bild von Tzi, wodurch gezeigt ist, daB i : S ---+ Peine Poissonsche Immersion ist. • 1st S c Peine Untermannigfaltigkeit von P und die Inklusion i Poissonsch, nennen wir Seine Unterpoissonmannigfaltigkeit von P. Beachte, daB die einzigen immersierten Unterpoissonmannigfaltigkeiten einer symplektischen Mannigfaltigkeit solche sind, deren Bild offen in P ist, denn fur jede (schwach) symplektische Mannigfaltigkeit P gilt
360
10. Poissonmannigfaltigkeiten
TzP = {XH(z) I HE F(U), U offen in P}. Beachte ferner, daB jedes Hamiltonsche Vektorfeld zu einer Unterpoissonmannigfaltigkeit tangential sein muB und daB die einzigen Unterpoissonmannigfaltigkeiten einer symplektischen Mannigfaltigkeit P deren offene Teilmengen sind.
Symplektische Stratifizierungen. Wir kommen nun zu einem wicht igen Ergebnis, das besagt, daB jede Poissonmannigfaltigkeit eine Vereinigung von symplektischen Mannigfaltigkeiten ist, von denen jede eine Unterpoissonmannigfaltigkeit ist. Definition 10.4.1. Sei Peine Poissonmannigfaltigkeit. Zwei Punkte Zl, Z2 E P befinden sich auf demselben symplektischen Blatt von P, wenn es eine stuckweise glatte K urve in P gibt, die Zl und Z2 verbindet und deren Abschnitte Trajektorien von lokal definierten Hamiltonschen Vektorfeldern sind. Dies ist offensichtlich eine Aquivalenzrelation. Die zugehOrigen Aquivalenzklassen heifJen symplektische Blatter. Das symplektische Blatt, das den Punkt z enthalt, wird mit Ez bezeichnet. Satz 10.4.1 (Symplektische Stratifizierung). Sei Peine endlichdimensionale Poissonmannigfaltigkeit. Dann ist P die disjunkte Vereinigung seiner symplektischen Blatter. Jedes symplektische Blatt in P ist eine injektiv immersiene Unterpoissonmannigfaltigkeit und die auf dem Blatt induzierte Poissonstruktur ist symplektisch. Die Dimension des Blattes durch einen Punkt z ist gleich dem Rang der Poissonstruktur in diesem Punkt, und der Tangentialraum an das Blatt im Punkt z ist die Menge
B#(z)(T; P)
= {XH(z) I HE F(U), U offen in P}.
Wir zeigen in Abb. 10.1 das Bild, das man sich von den symplektischen Blattern machen sollte. Man beachte insbesondere, daB die Dimension der symplektischen Blatter durch einen Punkt nicht konstant sein muB. Die Poissonklammer auf P kann man dann auch folgendermaBen beschreiben.
Um die Poissonklammer von Fund G in z E P zu berechnen, schrankt man Fund G auf das symplektische Blatt E z durch z ein und berechnet dann deren Klammer in z auf E z (im Sinne der Klammer auf einer symplektischen Mannigfaltigkeit). Beachte auch, daB Casimirfunktionen auf symplektischen Blattern konstant sind, da die charakteristische Distribution im Kern ihres Differentials liegt. Urn ein Gefiihl fiir den geometrischen Inhalt des Satzes iiber die symplektische Stratifizierung zu erhalten, wollen wir ihn zunachst unter der zusatzlichen Voraussetzung beweisen, daB die charakteristische Distribution ein glattes Untervektorbiindel von T P ist. Dies ist der urspriinglich von Lie [1890] untersuchte Fall. 1m Endlichdimensionalen ist dies z.B. erfiillt, wenn der Rang
10.4 Der Poissontensor
361
Spann der Hamiltonschen Vektorfelder XH (z) ein zweidimensionales symplektisches Blatt L: p
~ nulldimensionale symplektische Blaetter (Punkte) Abb. 10.1. Die symplektischen Bliitter einer Poissonmannigfaltigkeit.
der Poissonstruktur konstant ist. Nach der Jacobiidentitat ist die charakteristische Distribution involutiv und nach dem Satz von Frobenius somit integrabel. Also ist Pin injektiv immersierte Untermannigfaltigkeiten geblattert, deren Tangentialraum in jedem Punkt mit dem von allen in z ausgewerteten Hamiltonschen Vektorfeldern aufgespannten Raum ubereinstimmt. Also ist jedes solche Blatt E eine immersierte Unterpoissonmannigfaltigkeit von P. Definiere auf E durch
n(z)(XF(z), Xc(z)) = {F, G} (z) eine 2-Form n fur Funktionen F, G, die auf einer Umgebung von z in P definiert sind. Beachte, daB [2 wegen der Jacobiidentitiit geschlossen ist (Ubung 5.5.1). 1st
0= n(Z)(XF(Z),XC(z))
=
dF(z)· Xc(z)
fur aIle lokal definierten G, so gilt nach dem Satz von Hahn-Banach
dF(z)ITzE = d(F 0 i)(z) = O. Demzufolge ist
0= XFoi(Z) = Tzi(XF(z)) = XF(z) ,
denn E ist eine Unterpoissonmannigfaltigkeit von P und die Inklusion i E -+ P ist eine Poissonabbildung, was zeigt, daB n schwach nichtausgeartet ist und den Satz fur diesen Fall konstanten Ranges somit beweist. Der allgemeine Fall wurde von Kirillov [1976a] bewiesen und ist wesentlich schwieriger, da fur differenzierbare Distributionen, die keine Unterbundel sind, Integrabilitat und Involutivitat nicht aquivalent sind. Wir beweisen diesen Fall in den Interneterganzungen.
362
10. Poissonmannigfaltigkeiten
Proposition 10.4.3. 1st Peine Poissonmannigfaltigkeit, E C P ein symplektisches Blatt und C eine Casimirfunktion, so ist C auf E konstant. Beweis. Ware C nicht lokal konstant auf E, so musste ein Punkt z E Emit i= 0 fur ein v E TzE existieren. TzE wird jedoch von den Xk(z) mit k E F(P) aufgespannt und somit ist dC(z)· Xk(Z) = {C, K}(z) = 0, woraus dC(z) . v = 0 folgt, was ein Widerspruch ist. Also ist C lokal konstant auf E und somit auch global, da die Blatter zusammenhangend sind. •
dC(z)· v
Beispiele Beispiel 10.4.1. Sei P = ]R3 mit der Klammer des starren Korpers. Dann sind die symplektischen Blatter Spharen urn den Ursprung. Der Ursprung selbst ist ein singulares Blatt in dem Sinne, daB die Poissonstruktur dort den Rang Null hat. Wie wir spater sehen werden, gilt allgemein, daB die symplektischen Blatter in g* mit der Lie-Poisson-Klammer die koadjungierten Orbits sind. Beispiel 10.4.2. Symplektische Blatter mussen keine Untermannigfaltigkeiten sein, und man kann auch nicht schlieBen, daB die Poissonstruktur nichtausgeartet ist, wenn alle Casimirfunktionen Konstanten sind. Betrachte z.B. den 3-Torus ']['3 mit einer Blatterung der Kodimension 1 mit dichten Blattern, wie man sie erhalt, wenn man die Blatter als das Produkt von ']['1 mit einem Blatt des irrationalen Flusses auf ']['2 wahlt. Das gewohnliche Flachenelement definiert eine symplektische Form auf diesen Blattern und somit eine Poissonstruktur auf ,][,3, indem man diese Blatter als die symplektischen definiert. Dann ist jede Casimirfunktion konstant, obwohl die Poissonstruktur ausgeartet ist. Der Satz von Poisson-Darboux. 1m Zusammenhang mit dem Satz von der symplektischen Stratifizierung gibt es ein Analogon des Satzes von Darboux. Urn dieses zu formulieren, erinnern wir zunachst an Ubung 10.3.2, in der wir auf dem Produkt PI x P2 zweier Poissonmannigfaltigkeiten PI und P2 eine Poissonstruktur definierten, indem wir forderten, daB die Projektionen 1f1 : PI x P 2 -t P und 1f2 : PI x P2 -t P2 Poissonabbildungen und 1fr(F(Pd) und 1f2(F(P2 » kommutierende Unteralgebren von F(PI x P2 ) sind. Gelten in Koordinaten die Relationen {zI, zJ} = BI J (z) und {wI, w J } = C IJ (w) auf PI bzw. P2 , so definieren diese eine Klammer auf den Funktionen von ZI und w J , wenn wir zusatzlich die Relation {ZI, w J } = 0 fordern. Satz 10.4.2 (Lie-Weinstein). Sei Zo ein Punkt einer Poissonmannigfaltigkeit P. Dann gibt es eine Umgebung U von Zo in P und einen Isomorphismus 'P = 'Ps X 'PN : U -t S x N, wobei S symplektisch und N Poissonsch ist und der Rang von N in 'PN(ZO) verschwindet. Die Faktoren S und N sind bis auf lokale Isomorphismen eindeutig. 1st daruber hinaus der Rang der Poissonmannigfaltigkeit um Zo konstant, so gibt es Koordinaten
10.4 Der Poissontensor
363
(ql, ... , qk, Pl, ... ,Pk, yl, ... , yl) um zo, die die kanonischen Vertauschungsrelationen
erfiillen. 1m Beweis dieses Satzes kann man die Mannigfaltigkeit S als das symplektische Blatt von P durch Zo und N lokal als eine beliebige Untermannigfaltigkeit von P wahlen, die transversal zu S liegt und fur die S n N = {zo} gilt. In vielen Fallen ist die transversale Struktur auf N eine Lie-Poisson-Struktur. V gl. Weinstein [1983b] fUr den Beweis dieses Satzes und verwandte Ergebnisse. Der zweite Teil des Satzes geht auf Lie [1890] zuruck. In den wichtigsten Beispielen in dies em Buch benotigen wir keine genauere lokale Untersuchung ihrer Poissonstruktur, weshalb wir auf eine vertiefte Betrachtung der lokalen Struktur von Poissonmannigfaltigkeiten verzichten.
Ubungen Ubung 10.4.1. Sei Peine Poissonmannigfaltigkeit und H E F(P). Zeige, daB der FluB i.pt von X H die symplektischen Blatter von P erhalt. Ubung 10.4.2. Sei (P, { , }) eine Poissonmannigfaltigkeit mit Poissontensor BE [h(P). Sei B~ : T* P -+ TP, B~(dH) = X H die induzierte Bundelabbildung. Wir bezeichnen die auf den Schnitten induzierte Abbildung mit demselben Symbol B~ : [21(p) -+ X(P). Per Definition ist B(dF,dH) = (dF,B~(dH)) = {F,H}. Definiere a~ := B~(a) und fUr a, (3 E [21(p)
(a) Zeige, daB gilt, wenn die Poissonklammer auf P durch eine symplektische Form induziert ist, d.h. falls B~ = [2~ ist. (b) Zeige, daB fur alle F,G E F(P)
{Fa, G(3} = FG {a, (3} - Fa~ [G](3 + G(3~ [F]a gilt.
[2
364
10. Poissonmannigfaltigkeiten
(c) Zeige, daB fur aIle F, G
E
F(P)
d{F,G} = {dF,dG}
gilt. (d) Zeige, daB {a,,8} = d(B(a,,8)) ist, wenn a,,8 E ftl(p) geschlossen sind. (e) Verwende £xHB
= 0, urn zu zeigen, daB {a,,8}U = -[a#,,8#]
ist.
(f) Zeige, daB (ftl(p), { , }) eine Liealgebra ist, also die Giiltigkeit der Jacobiidentitat. Ubung 10.4.3 (Weinstein [1983b]). Sei Peine Mannigfaltigkeit und X, Y zwei linear unabhangige kommutierende Vektorfelder. Zeige, daB {F, K} = X[F]Y[K]- Y[F]X[K]
eine Poissonklammer auf P definiert. Zeige weiter, daB X H = Y[H]X - X[H]Y
gilt. Zeige, da:B die symplektischen Blatter zweidimensional sind und ihre Tangentialraume durch X und Y aufgespannt werden. Zeige, wie man durch diese Konstruktion Beispiel 10.4.2 erhiilt.
10.5 Quotienten von Poissonmannigfaltigkeiten Wir steIlen in diesem Abschnitt die einfachste Version einer allgemeinen Konstruktion von Poissonmannigfaltigkeiten auf Grundlage vorhandener Symmetrien vor, die die ersten Schritte des Verfahrens der Reduktion bildet. Der Satz zur Poissonreduktion. Sei G eine Liegruppe, die auf eine Poissonmannigfaltigkeit durch Poissonabbildungen wirkt, d.h. jede Abbildung qJg : P --+ P sei Poissonsch. Die Wirkung sei weiterhin als frei und eigentlich angenommen, so daB der Quotientenraum PIG eine glatte Mannigfaltigkeit und die Projektion 7r : P --+ PIG eine Submersion ist (vgl. die Diskussion zu diesen Punkten in §9.3). Satz 10.5.1. Unter obigen Annahmen gibt es eine eindeutige Poissonstruktur auf PIG, so dafl7r eine Poissonabbildung ist. (Vgl. Abb. 10.2.) Beweis. Nehmen wir zunachst an, daB auf PIG eine Poissonklammer existiert und zeigen die Eindeutigkeit. DaB 7r Poissonsch ist, bedeutet, daB fur zwei Funktionen f, k : PIG --+ ffi.
10.5 Quotienten von Poissonmannigfaltigkeiten
365
jx
Abb. 10.2. Der Quotient einer Poissonmannigfaltigkeit nach einer Gruppenwirkung ist auf natiirliche Weise eine Poissonmannigfaltigkeit.
(10.31 ) gilt, wobei die Klammer jeweils die auf PIG und P ist. Die Funktion 1 = J07r ist diejenige eindeutige G-invariante Funktion, die auf J projiziert wird. 1st [z] E PIG eine Aquivalenzklasse, wobei g1 . Z und g2 . z aquivalent sind, set zen wir also 1(g . z) = J([ z]) fur aIle 9 E G. Offensichtlich ist dadurch 1 eindeutig definiert und 1 = J 0 7r. Anders ausgedruckt heiBt dies, daB 1 dem ganzen Orbit G· z den Wert J([z]) zuordnet. Wir konnen (10.31) umschreiben zu
{J, k}
07r
= {1, k}.
7r surjektiv ist, bestimmt dies {f, k} eindeutig. Wir konnen (10.31) auch verwenden, urn {f, k} zu definieren. if>g ist Poissonsch und 1 und k sind auf den Orbits der Wirkung konstant, also gilt
Da
{1, k}(g . z) = ({1, k} 0 if> g) (z) = {1o if>g, k 0 if>g}(z)
=
0, k}(z).
Also ist 0 ,k} ebenfalls auf den Orbits konstant und definiert somit {f, k} eindeutig. Es verbleibt zu zeigen, daB das so definierte {f, k} die Eigenschaften einer Poissonstruktur erfullt. Diese folgen jedoch aIle direkt aus den analogen Eigenschaften auf P. So erhalten wir z.B. aus der Jacobiidentitat auf P
0= {{1, k}, I}
+ {{I, i}, k} + {{k, I}, f}
366
10. Poissonmannigfaltigkeiten
direkt nach der Konstruktion der Klammer auf PIG 0= {{j, k} 071", l 071"} + {{l, f} 071", k 0 71"} + {{k, l} 071", f 0 71"} = {{j, k}, l} 071"+ {{l, f}, k} 071"+ {{k, l}, f} 071", und somit gilt die Jacobiidentitiit aufgrund der Surjektivitiit von 71" auch auf PIG. • Diese Konstruktion ist nur eine von vielen, urn neue symplektische und Poissonmannigfaltigkeiten aus gegebenen zu erhalten. Fur Verallgemeinerungen verweisen wir auf Marsden und Ratiu [1986] und Vaisman [1996].
Reduktion der Dynamik. 1st Heine G-invariante Hamiltonfunktion auf P, definiert sie eine zugehOrige Funktion h auf PIG mit H = h071". Da 71" eine Poissonabbildung ist, bildet sie X H auf P auf X h auf PIG ab, es gilt also T71" 0 X H = X h 071". Anders ausgedruckt, X H und X h sind 71"-verwandt. Man sagt, daB das Hamiltonsche System X H auf P zu dem auf PIG reduziert wird. Wie wir im niichsten Kapitel sehen werden, kann die G-Invarianz von H mit einer ErhaltungsgroBe J : P -+ ~ assoziiert werden. 1st diese ebenfalls G-invariant, ist die zugehOrige Funktion j auf PIG eine ErhaltungsgroBe fur X h , da {h,j} 071"= {H, J} = 0 und somit {h, j} = 0 gilt.
Beispiel 10.5.1. Betrachte die folgenden Differentialgleichungen auf C 2 :
ZI = -iWIZl + iEPZ2 + iz1(snlzl12 + SI2Iz212), Z2 = -iW2Z2 + iEqZl - iZ2(S211z112 + S22Iz212).
(10.32)
Verwende die gewohnliche Hamiltonsche Struktur, die man erhiilt, indem man Real- und Imaginiirteil von Zi als konjugierte Variablen verwendet. Wir schreiben z.B. zl = ql + iPl und fordern ql = aHlapl und PI = -aHlaQl. In Kapitel 5 haben wir die in diesem Zusammenhang nutzliche Darstellung Zk = -2i8Hlazk der Hamiltonschen Gleichungen in komplexer Schreibweise besprochen. Damit findet man (siehe Ubung 5.4.3), daB das System (10.32) genau dann Hamiltonsch ist, wenn S12 = -s21 und P = q ist. In diesem Fall konnen wir folgende Hamiltonfunktion wiihlen:
Beachte, daB in (10.32) mit E = 0 zwei Kopien von SI auf ZI und Z2 unabhiingig wirken. Die zugehOrigen ErhaltungsgroBen sind IZ112 und IZ212. Fur E =J 0 ist die Symmetriewirkung
10.5 Quotienten von Poissonmannigfaltigkeiten
367 (10.34)
mit der ErhaltungsgroBe CUbung 5.5.4) (10.35)
Sei r/J = (7f/2) - B1 - B2 mit Zl = T1exp(iB1) und Z2 = T2exp(iB2). Wir wissen, daB die durch (10.32) gegebene Hamiltonsche Struktur auf ((:2 eine Hamiltonsche Struktur auf ((:2 I Sl induziert (auBer in Punkten, in denen T1 oder T2 verschwindet), und daB die zwei Integrale der Bewegung (die Hamiltonfunktion H und die oben genannte ErhaltungsgroBe J) wie auch die Poissonklammer auf den Quotientenraum iibertragen werden konnen. ((:2 I Sl kann durch (T1,T2,r/J) parametrisiert werden. Dadurch kann der ProzeB der Ubertragung auf den Quotientenraum sehr einfach konkret angegeben werden. 1st F(Zl, Z2) = F(T1, B1, T2, B2) ni:i.mlich Sl-invariant, so kann es (eindeutig) als eine Funktion f von (T1, T2, r/J) geschrieben werden. Die Poissonklammer kann nach Satz 10.5.1 auf den Quotienten iibertragen werden. Demzufolge konnen die Gleichungen in den Variablen (T1,T2,r/J) beziiglich der induzierten Poissonklammer in Hamiltonsche Form j = {f, h} gebracht werden. Diese Klammer erhi:i.lt man durch Anwendung der Kettenregel, urn von den komplexen Variablen auf Polarkoordinaten iiberzugehen. Es ergibt sich
(10.36) Die (nichtkanonische) Poissonklammer (10.36) ist natiirlich die Reduktion der urspriinglichen kanonischen Poissonklammer auf dem q-p-Raum, ausgedriickt in den neuen Variablen der Polarkoordinaten. Satz 10.5.1 zeigt, daB die reduzierte Klammer automatisch die Jacobiidentiti:i.t erfiillt. (Vgl. Knobloch, Mahalov und Marsden [1994] fiir weitere Beispiele dieses Typs.) In Kap. 13 werden wir sehen, daB ein entscheidendes Beispiel fiir die durch Satz 10.5.1 gegebene Poissonreduktion das ist, in dem P = T*G ist und G auf sich selbst durch Linkstranslation wirkt. Dann ist PIG ~ g* und die reduzierte Poissonklammer ist nichts anderes als die Lie-Poisson-Klammer!!
Ubungen Ubung 10.5.1. Betrachte]H.3 mit der Klammer des starren Korpers und die Wirkung von G = Sl auf P = ]H.3 \ {(a, 0, z)T} durch Rotationen urn die z-Achse. Berechne die induzierte Klammer auf PIG.
368
10. Poissonmannigfaltigkeiten
Ubung 10.5.2. Berechne fiir das im Text beschriebene Beispiel explizit die reduzierte Hamiltonfunktion h und iiberpriife direkt, daB die Gleichungen fUr 1'1,1'2, ¢ die Hamiltongleichungen auf C 2 beziiglich der Hamiltonfunktion h sind. Zeige ferner, daB die durch J induzierte Funktion j eine Konstante der Bewegung ist.
10.6 Die Schoutenklammer Das Ziel dieses Abschnitts ist es, den geometrischen Inhalt der Jacobiidentitiit fiir eine Poissonstruktur in Analogie zu dD = 0 fiir symplektische Strukturen auszudriicken. Dazu werden wir eine auf den kontravarianten, antisymmetrischen Tensoren definierte Klammer verwenden, die die Lieklammer von Vektorfeldern verallgemeinert (vgl. z.B. Schouten [1940]'Nijenhuis [1953], Lichnerowicz [1978], Olver[1984, 1986], Koszul [1985], Libermann und Marle [1987], Bhaskara und Viswanath [1988], Kosmann-Schwarzbach und Magri [1990], Vaisman [1994] und die dort angegebenen Verweise). Multivektoren. Ein kontravarianter, antisymmetrischer q- Tensor auf einem endlichdimensionalen Vektorraum V ist eine q-lineare Abbildung
A: V* x V* x ... x V* (q Faktoren) ---+ JR., die in jedem Paar von Eingiingen antisymmetrisch ist. Den Raum aller solcher Tensoren bezeichnen wir mit I\q(V). Jedes Element von I\q(V) ist also eine endliche Linearkombination von Termen der Form VI 1\ ... 1\ Vq mit VI, ... ,Vq E V und wird ein q- Vektor genannt. Ist Vein unendlichdimensionaler Banachraum, definieren wir I\q (V) als den Spann aller Elemente der Form VI 1\ ... 1\ Vq mit VI, ... , Vq E V, wobei das auBere Produkt wie ublich bezuglich einer schwach nichtausgearteten Paarung ( ,) : V* X V ---+ JR. definiert ist. Also ist l\o(V) = JR. und 1\1 (V) = v. Ist Peine glatte Mannigfaltigkeit, so ist
/\ (P) = q
U/\ (TzP)
zEP q
ein glattes Vektorbiindel, wobei die Faser iiber z E P gleich I\q(TzP) ist. Seien Dq(P) die glatten Schnitte von I\q(P), die Elemente von Dq(P) also glatte kontravariante antisymmetrische q-Tensorfelder auf P. Sei D*(P) die direkte Summe der Riiume Dq(P) mit Do(P) = F(P). Beachte
Dq(P) = 0 fiir q > dim(P) und Ist Xl"'" Xq E X(P), so nennen wir Xl ein Multivektorfeld.
1\ ... 1\
Xq ein q- Vektorfeld oder
10.6 Die Schoutenklammer
369
Betrachte eine (q + p)- Form n und einen kontravarianten, antisymmetrischen q- Tensor A auf einer Mannigfaltigkeit P. Das innere Produkt iAn von A mit n ist folgendermaBen definiert. 1st q = 0, also A E ffi., sei iAn = An. 1st q ~ 1 und A = VI/\···/\ Vq mit Vi E TzP, i = 1, ... , q, definiere iAn E DP(P) durch (10.37) fiir beliebige Vq+I, ... , v q+p E TzP. Man priift nach, daB die Definition nicht von der DarsteIlung von A als q-Vektor abhangt, also ist iAn durch lineare Fortsetzung auf I\q(P) wohldefiniert. In lokalen Koordinaten erhalten wir fUr endlichdimensionales P
(10.38) wobei die Indizes ungeordnet sind. 1st P endlichdimensional und p = 0, definiert (10.37) einen Isomorphismus von Dq(P) mit Dq(P). 1st Peine Banachmannigfaltigkeit, dann definiert (10.37) eine schwach nichtausgeartete Paarung von Dq(P) mit Dq(P). 1st A E Dq(P), so wird q der Grad von A genannt und mit deg A bezeichnet. Man priift nach, daB
(10.39) gilt. Die Lieableitung £x ist eine Derivation beziiglich /\, d.h., es ist
=
£x(A /\ B)
(£xA) /\ B
+A
/\ (£xB)
fiir aIle A,B E D*(P). Die Schoutenklammer. mer fiir Multivektoren.
Der nachste Satz liefert eine interessante Klam-
Satz 10.6.1 (Satz zur Schoutenklammer). Es gibt eine eindeutige lokale (im Sinne von Proposition 4.2.4 (v)) bilineare Operation [,] : [2* (P) x [2*(P) --+ [2*(P), genannt die Schoutenklammer, die die folgenden Eigenschaften besitzt:
(i) Sie ist eine Biderivation vom Grad -1, also bilinear, es gilt deg[A, B] = degA + degB -1,
(10.40)
und fur A, B, C E D*(P) [A, B /\ C]
=
[A, B]/\ C + (_l)(de g A+1)deg B B /\ [A, C].
(ii) Auf F(P) und X(P) ist sie bestimmt durch (a) [F,G] = 0 fur alle F,G E F(P),
(10.41)
(b) [X, F] = X[F] fur alle F E F(P), X E X(P), (c) [X, Y] fur alle X, Y E X(P) ist die gewohnliche Jacobi-Lieklammer von Vektorfeldern.
370
10. Poissonmannigfaltigkeiten
(iii) [A,B] = (_l)de g Ade g B[B,A]. Zusiitzlich erfullt die Schoutenklammer die graduierte Jacobiidentitiit
(_l)de g AdegC [[A, BJ, 0] + (_l)de g Bde g A[[B, OJ, A]
+ (_l)de g Cde g B[[O,AJ,B] = O.
(10.42)
Beweis. Der Beweis verlauft in der ublichen Art und Weise und ahnelt dem der Charakterisierung der auBeren oder der Lieableitung durch ihre Eigenschaften (vgl. Abraham, Marsden und Ratiu [1988]): Auf Funktionen und Vektorfeldern ist die Klammer durch (ii) gegeben. Dann ist sie durch (i) und die Linearitat auf allen schiefsymmetrischen, kontravarianten Tensoren im zweiten Eingang und Funktionen und Vektorfeldern im ersten definiert. GemaB Punkt (iii) k6nnen die Eingange vertauscht werden und mit (i) folgt die Definition auf beliebigen Paaren schiefsymmetrischer, kontravarianter Tensoren. Die so definierte Klammer erfullt dann nach Konstruktion (i), (ii) und (iii). Die Eindeutigkeit erhalt man aus der Tatsache, daB die auBere Algebra der schiefsymmetrischen, kontravarianten Tensoren lokal durch die Funktionen und Vektorfelder erzeugt wird, und auf diesen ist die Klammer durch (ii) eindeutig festgelegt. Die graduierte Jacobiidentitat pruft man fur beliebige q-, p-, und r-Vektoren unter Verwendung von (i), (ii) und (iii) und der Trilinearitat der 1dentitat. • Eigenschaften der Schoutenklammer. Wenn man mit der Schoutenklammer explizit rechnet, sind die folgenden Formeln hilfreich. 1st X E X(P) und A E r2p(P), zeigt man durch 1nduktion uber den Grad von A und unter Verwendung der Eigenschaft (i) [X,A]
=
£xA.
(10.43)
Eine direkte Konsequenz dieser Beziehung und der graduierten Jacobiidentitat ist, daB die Lieableitung eine Derivation bezuglich der Schoutenklammer ist, d.h. (10.44) £x[A,B] = [£xA,B] + [A,£xB] fUr A E r2p(P), B E r2q (P) und X E X(P) gilt. Durch 1nduktion uber die Zahl der Vektorfelder kann man mit (10.43) und den Eigenschaften in Satz 10.6.1 zeigen, daB r
gilt, wobei Xl,'" ,Xr E X(P) sind und Xi bedeutet, daB Xi ausgelassen ist. Die letzte Formel kann man zusammen mit der Linearitat als Definition der Schoutenklammer verwenden und daraus Satz 10.6.1 herleiten, vgl. Vaisman [1994] fur diesen Zugang. 1st A = YI /\ ... /\ Ys mit YI , ... , Y,. E X(P), ergibt die obige Formel zusammen mit der Derivationseigenschaft der Lieableitung
10.6 Die Schoutenklammer
r
371
s
(10.46) i=l j=l
/\X r
/\
Y1
/\ ... /\
lj /\ ... /\ Ys '
Sind schlie£lich A E Dp(P), B E Dq(P) und Formel
0:
E
DP+q-l(p), kann man die (10.47)
(die eine direkte Konsequenz von (10.46) und Cartans Formel fiir do: ist) als Definition von [A, B] E Dp +q - 1 (P) verwenden. Dies ist der urspriinglich in Nijenhuis [1955] beschriebene Weg.
Formeln in Koordinaten. Mit 0/ OZi = Oi folgt aus den Gleichungen (10.45) und (10.46) in lokalen Koordinaten:
(i) Fiir jede Funktion fist
wobei das Symbol - iiber einem Term bedeutet, daB dieser ausgelassen ist, und (ii) [Oil /\ ... /\ Oi p' Oh /\ ... /\ OjJ
= O.
1st A=Ait ... i pO'1· /\"'/\0'p
und
B=Bj1 .. ·jq O·J1 /\"'/\0Jq'
erhalten wir demzufolge [A, B]
=
ARi1 ... i£-li£+1 ... ipo£Bjl .. ·jqOil /\ ... /\ Oi£_l /\ Oi£+l /\Ojl /\ ... /\ Ojq
+(-l)P B£jl ... j£-rJ£+1 .. ·jqooAir ... ipO·'1..1 /\ ... /\ o·'l.p .{. /\Ojl /\ ... /\ OJ£_l /\ OJ£+l /\ ... /\ Ojq
(10.48)
oder etwas kiirzer
(10.49) wobei die Indizes ungeordnet sind. Hierbei ist
372
10. Poissonmannigfaltigkeiten
das K roneckersymbol: Dieses verschwindet fur (iI, ... , ip+q) #- (j1, ... ,jp+q) und ist 1 (bzw. -1), wenn j1, ... ,jp+q eine gerade (bzw. ungerade) Permutation von iI, ... ,ip +q ist. Nach §10.6 erfuIlt der Poissontensor B E [h(P) zu einer Poissonklammer {,} auf P die Beziehung B( dF, dG) = {F, G} fur aIle F, G E F(P). Daraus erhalten wir mit (10.38)
{F, G} = iB(dF /\ dG)
(10.50)
oder in lokalen Koordinaten
{ F G} = BI J of oG ,
ozI ozJ·
Drucken wir B lokal als Summe von Termen der Form X /\ Y fur X, Y E X(P) aus und ist Z E X(P) beliebig, erhalten wir mit (10.37) fur aIle F, G, HE F(P)
iB(dF /\ dG /\ dH)(Z) = (dF /\ dG /\ dH)(X, Y, Z) dF(X) dF(Y) dF(Z)J
= det [dG(X) dG(Y) dG(Z)
dH(X) dH(Y) dH(Z) fdF(X) dF(Y)l
fdH(X) dH(Y)l
= det ldG(X) dG(Y)J dH(Z) + det ldF(X) dF(Y)J dG(Z) fdG(X) dG(Y)l
+det ldH(X) dH(Y)J dF(Z)
= iB(dF /\ dG)dH(Z) + iB(dH /\ dF)dG(Z) + iB(dG /\ dH)dF(Z), d.h.,
iB(dF /\ dG /\ dH)
= iB(dF /\ dG)dH + iB(dH /\ dF)dG + iB(dG /\ dH)dF. (10.51) Die Jacobi-Schouten-Identitat. (10.51) folgt
Aus den Gleichungen (10.50) und
{{F,G} , H} + {{H,F}, G} + {{G,H}, F} = iB(d {F, G} /\ dH) + iB(d {H, F} /\ dG) + iB(d {G, H} /\ dF) = iBd(iB(dF /\ dG)dH + iB(dH /\ dF)dG + iB(dG /\ dH)dF) = iBdiB(dF /\ dG /\ dH)
=
~i[B,Bl(dF /\ dG /\ dH),
wobei die letzte Gleichung eine Konsequenz von (10.47) ist. Wir fassen zusammen, was wir bewiesen haben.
10.6 Die Schoutenklammer
373
Satz 10.6.2. Es gilt: {{F,G} ,H} + {{H,F} ,G} + {{G,H} ,F}
~i[B,B](dF 1\ dG 1\ dH).
=
(10.52)
Dieses Ergebnis zeigt, daB die Jacobiidentitat fur {, } aquivalent zu = 0 ist. Demzufolge ist eine Poissonstruktur eindeutig durch einen kontravarianten, antisymmetrischen 2-Tensor definiert, dessen Schoutenklammer mit sich selbst verschwindet. Die lokale Formel (10.49) wird zu
[B, B]
[B B]IJK ,
= ~ (BLKOBIJ L...J
ozL
L=1
+
BLIOBJK ozL
+
BLJOBKI) ozL'
was mit dem friiher hergeleiteten Ausdruck (10.26) iibereinstimmt.
Die Lie-Schouten-Identitat. Es gibt eine andere interessante Identitat, die die Lieableitung des Poissontensors entlang eines Hamiltonschen Vektorfeldes angibt. Satz 10.6.3. Es gilt: (10.53) Beweis. In Koordinaten ist (£xB)IJ = XKoBIJ _ BIKOXJ _ BKJOXI, ozK ozK ozK
mit X I = BI J (oH / ozJ) erhalten wir also (£x B)IJ = BKLOBIJ oH H ozK ozL
_BIK~ ozK
(BJL OH ) ozL
+BJK ~ (BIL OH) ozK ozL =
(BKLOBIJ _ BIKOBJL _ BKJOBIL) oH ozK ozK ozK ozL
= [B,B]
LIJ oH ozL
=
(. )IJ i[B,B]dH ,
•
woraus (10.53) folgt.
Diese Identitat zeigt, wie die Jacobiidentitat [B, B] = 0 direkt verwendet werden kann, um zu zeigen, daB der FluB CPt eines Hamiltonschen Vektorfeldes aus Poissonabbildungen besteht. Die obige Herleitung zeigt, daB auch der FluB eines zeitabhangigen Hamiltonschen Vektorfeldes aus Poissonabbildungen besteht, denn in diesem Fall gilt
!
(cp;B)
= cP; (£xHB) = cp; (i[B,B]dH) = O.
374
10. Poissonmannigfaltigkeiten
Ubungen Ubung 10.6.1. Beweise nach der im Text gezeigten Methode folgende Formeln: (a) Fur A E ilq(P) und X E X(P) gilt [X, A]
=
txA.
(b) Fur A E ilq(P) und Xl"'" Xr E X(P) gilt r
i=l
(c) Sind Xl"'" Xn Y I ,··., Ys E X(P), so gilt [Xl /\ ... /\ Xn YI r
/\ ... /\
Ys ]
s
i=l j=l
/\ ... /\ Xr /\ YI (d) 1st A E ilp(P), BE ilq(P) und i[A,BjO:
/\ ... /\ 0:
E
lj /\ ... /\ Ys '
ilp+q-1(P), so gilt
= (-l)q(PH)iAd iBo: + (-l)PiBd iAO: - iBiAdo:.
Ubung 10.6.2. Sei Meine endlichdimensionale Mannigfaltigkeit. Ein kVektorfeld ist ein schiefsymmetrisches, kontravariantes Tensorfeld A(x) : T;M x ... x T;M -+ ITt (k Faktoren). Sei Xo EM ein Punkt mit A(xo) = O. (a) Zeige, daB fUr X E X(M) die Lieableitung (txA)(xo) nur von X(xo) abhangt und somit eine Abbildung dxoA : TxoM -+ TxoM /\ ... /\ TxoM (k Faktoren) definiert, die koordinatenfreie Ableitung von A bei Xo genannt wird.
eine nichtausgeartete Paarung zwischen T; M /\ ... /\ T; M und TxM /\ ... /\ TxM definiert. SchlieBe daraus, daB diese zwei Raume dual zueinander sind, daB der Raum ilk(M) der k-Formen dual zu dem der kkontravarianten, schiefsymmetrischen Tensorfelder ilk (M) ist und daB die Basen und
/\ ... /\ ~ I i < ... < ik } {~ aX'l aX'k 1
dual zueinander sind.
10.7 Allgemeine Eigcnschaften von Lie-Poisson-Strukturen
375
(c) Zeige, daB die duale Abbildung
durch
(d xo A)*(a1/\"'/\ ak) = d(A(a1"'" ak))(xO) gegeben ist, wobei aI, ... ,ak E .0 1(M) beliebige 1-Formen sind, deren Werte bei Xo gleich aI, ... ,ak sind. Ubung 10.6.3 (Weinstein [1983b]). Sei (P, { , }) eine endlichdimensionale Poissonmannigfaltigkeit mit Poissontensor B E D2 (P). Sei Zo E P mit B(zo) = O. Definiere zu a, (3 E T;oP die Klammer
wobei d zo B die koordinatenfreie Ableitung von B und a, ~ E .0 1 (P) so gewiihlt sind, daB a(zo) = a und ~(zo) = (3. (Vgl. Ubung 10.6.2.) Zeige, daB (a, (3) f-+ [a, (31B eine bilineare, schiefsymmetrische Abbildung T;oP x T;oP -+ T;oP definiert. Zeige, daB aus der Jacobiidentitiit fur die Poissonklammer folgt, daB [ , lB eine Lieklammer auf T;oP ist. Da (T;oP, [ , lB) eine Liealgebra ist, triigt ihr Dualraum TzoP auf naturliche Weise die induzierte LiePoisson-Struktur, die sogenannte Linearisierung der Poissonklammer bei zoo Zeige, daB die Linearisierung in lokalen Koordinaten die Form { F G} ( ) ,
V
= aBij (zo) aF aG az k
a'a'v v' vJ
k
fUr F, G : TzoP -+ lR und v E TzoP annimmt. Ubung 10.6.4 (Magri-Weinstein). Auf einer endlichdimensionalen Mannigfaltigkeit P seien eine symplektische Form .0 und eine Poissonstruktur B gegeben. Definiere K = B~ 0 DO : TP -+ TP. Zeige, daB (Do)-l + B~ : T* P -+ T P genau dann eine neue Poissonstruktur auf P definiert, wenn D° 0 Kn fur aIle n E N auf Peine geschlossene 2-Form ist (eine sogenannte priisymplektische Form).
10.7 Allgemeine Eigenschaften von Lie-Poisson-Strukturen Die Lie-Poisson-Gleichungen. Wir beginnen mit der Formulierung der Hamiltonschen Gleichungen fur die Lie-Poisson-Klammer. Proposition 10.7.1. Sei G eine Liegruppe. Dann Lauten die Bewegungsgleichungen zu einer Hamiltonfunktion H bezuglich der (±)-Lie-PoissonKlammem auf g* (10.54)
376
10. Poissonmannigfaltigkeitcn
Beweis. Sei F E F(g*) eine beliebige Funktion. Nach der Kettenregel gilt dann dF / 6F) (10.55) ill = DF(ft) . it = \it, 6ft mit
(10.56) Da die Paarung nichtausgeartet ist und F beliebig war, folgt daraus die Behauptung. • Eine Warnung. 1m Unendlichdimensionalen ist mit g* nicht unbedingt der Dualraum von 9 im funktionalanalytischen Sinn gemeint, sondern vielmehr ein Raum, der uber eine (nichtausgeartete) Paarung dual zu gist. Auch bei der Definition von 6F /6 ft treten in diesem Fall eventuell technische Schwierigkeiten auf. Nach (10.54) ist das Hamiltonsche Vektorfeld auf g"l: zu H : g*
--t
lR durch
(10.57) . gegeben. Fur G
= SO(3) z.B. liefert (10.4) fur die Lie-Poisson-Klammer (10.58)
Eine geschichtliche Bemerkung. In Band 2 der Mecanique Analytique widmet Lagrange der Untersuchung von rotierenden mechanischen Systemen einige Aufmerksamkeit. In Gleichung A auf Seite 212 gibt er die reduzierten Lie-Poisson-Gleichungen auf SO(3) fur eine ziemlich allgemeine Lagrangefunktion an. Diese Gleichung stimmt im wesentlichen mit (10.58) uberein. Seine Herleitung verHiuft genau so, wie man sie heute fuhren wurde, durch Reduktion von der Materialdarstellung zur raumlichen Darstellung. In Formel (10.58) wird 9 mit g* identifiziert und deren Unterscheidung wird dadurch umgangen. Lagrange hat die Gleichungen jedoch so formuliert, daB sie eher wie ihr Gegenstuck auf 9 aussehen, die sogenannten Euler-PoincareGleichungen. Wir werden auf diese in Kap. 13 zu sprechen kommen und dort weitere historische Informationen angeben. Formeln in Koordinaten. 1m Endlichdimensionalen definieren wir die Strukturkonstanten C~b bezuglich einer Basis ~a, a = 1,2, ... ,l fUr gals (10.59) wobei uber d summiert wird. Die Lie-Poisson-Klammer wird dann zu
10.7 Allgemeine Eigenschaften von Lie-Poisson-Strukturen
of oK
d
{F, K}± (J.L) = ±J.Ld-;;-~Cab' UJ.La UJ.Lb
377
(10.60)
wobei J.L = J.La~a, {~a} die zu {~a} duale Basis von g* ist und tiber alle doppelt auftretenden Indizes summiert wird. Sind Fund K Komponenten von J.L, wird (10.60) zu (10.61 ) {J.La, J.Lb} ± = ±C~bJ.Ld. Die Bewegungsgleichungen zu einer Hamiltonfunktion H werden zu
. J.La =
~J.Ld
Cd
oH
(10.62)
ab~·
UJ.Lb
Po is so nab bildungen. In dem Satz zur Lie-Poisson-Reduktion in Kap. 13 werden wir zeigen, daB die durch a g f--ct T: Lg . a g (bzw. a g f--ct T: Rg . a g) definierten Abbildungen von T*G nach g~ (bzw. g'jJ Poissonabbildungen sind. 1m nachsten Kapitel werden wir zeigen, daB dies eine allgemeine Eigenschaft von Impulsabbildungen (siehe Kap, 11) ist. Nun kommen wir zu einer anderen Klasse von Poissonabbildungen, die sich ebenfalls als Impulsabbildungen herausstellen werden. Proposition 10.7.2. Seien G und H Liegruppen und g und ~ die zugehOrigen Liealgebren. Sei a : g -+ ~ eine lineare Abbildung. Die Abbildung a ist genau dann ein Homomorphismus von Liealgebren, wenn die duale Abbildung a* : ~± -+ g± eine (lineare) Poissonabbildung ist. Beweis. Seien F,K E F(g*). Urn 6(Foa*)j6J.L zu berechnen, set zen wir v = a* (J.L) und erhalten unter Verwendung der Definition der Funktionalableitung und der Kettenregel
\8:
(F 0 a*), 6J.L) = D(F 0 a*)(J.L) . 6J.L = DF(a*(J.L)) . a*(6J.L)
= (a*(6J.L),
~~) = (6J.L,
a·
~~).
(10.63)
Demzufolge gilt
~ (F 0 a*) = a . 6F. 6J.L
(10.64)
6v
Weiter ist
{Foa*,Koa*}+(J.L) = \J.L, [L(Foa*), 6:(K o a*)])
= \J.L, [a.
:~,
a·
~~]).
(10.65)
Der Ausdruck (10.65) ist aber genau dann fUr alle Fund K gleich (10.66) wenn a ein Liealgebrenhomomorphismus ist.
•
378
10. Poissonmannigfaltigkeiten
Dieser Satz kann auf den Fall a = TeO" fUr einen Liegruppenhomomorphismus 0" : G -+ H angewandt werden, wie man sieht, wenn man das Reduktionsdiagramm in Abb. 10.3 betrachtet (und sich klarmacht, daB 0" kein Diffeomorphismus sein muB).
T*O"
T;C ...- - - - - - T;(g)H
Rechtstranslationj in das neutrale Element
j Rechtstranslation in das neutrale Element
9't ...- - - - - -
~'t
Abb. 10.3. Liegruppenhomomorphismen induzieren Poissonabbildungen.
Beispiele Beispiel 10.7.1 (Die Poissonabbildung von den Impulsvariablen eines Plasmas auf die einer Fliissigkeit). Sei G die Diffeomorphismengruppe einer Mannigfaltigkeit Q und sei H die Gruppe der kanonischen Transformationen von P = T*Q. Die Topologie von Q sei derart, daB jedes lokal Hamiltonsche Vektorfeld auf T*Q global Hamiltonsch ist. 5 Die Liealgebra ~ besteht dann aus den Funktionen auf T*Q (modulo Konstanten). Ihren Dualraum identifizieren wir uber das durch das Integral bezuglich des LiouvillemaBes dq dp auf T* Q definierte L 2 -Skalarprodukt mit ihr selbst. Sei 0" : G -+ H der Gruppenhomomorphismus 7] f-7 T*7]-l und sei a = TeO" : 9 -+ ~. Wir behaupten, daB a* : F(T*Q)/JR -+ g* durch
a*(F) =
J
pf(q,p) dp
(10.67)
gegeben ist, wobei wir g* als den Raum der 1-Form-Dichten auf Q auffassen und das Integral die Integration tiber die Faser fur ein festes q E Q bezeichnet. a hebt ein auf Q gegebenes Vektorfeld X auf das auf T*Q definierte Vektorfeld XP(X). Also ist a als Abbildung von X(Q) nach F(T*Q)/TR durch X f-7 P(X) gegeben. Die dazu duale Abbildung ist durch
(a*(f),X) = (f,a(X)) = LfP(X)dqdP
= L f(q,p)p· X(q) dqdp 5
Dies gilt z.B., wenn die erste Kohomologie Hl (Q) trivial ist.
(10.68)
10.7 Allgemeine Eigenschaften von Lie-Poisson-Strukturen
379
gegeben und somit a*(F) wie behauptet durch (10.67). Beispiel 10.7.2 (Die Abbildung von den Dichten eines Plasmas auf die einer Fliissigkeit). Fasse G = F(Q) als abelsche Gruppe auf und sei (J" : G -t Diffkan(T*Q) die Abbildung, die einem cp die 'Translation entlang einer Faser durch dcp zuordnet. Eine ahnliche Rechnung wie oben liefert die Poissonabbildung
a*(f)(q) =
J
f(q,p) dp
(10.69)
von F(T*Q) nach Den(Q) = F(Q)*. Das Integral in (10.69) bezeichnet die Integration von f (q, p) entlang einer Faser zu fest em q E Q. Lineare Poissonstrukturen sind Lie-Poissonsch. Ais nachstes zeigen wir, daB die Lie-Poisson-Klammern gerade auf die linearen Poissonstrukturen fuhren. 8eien also V* und V Banachraume und sei (,) : V* x V -t lR eine schwach nichtausgeartete Paarung von V* mit V. Wir fassen Elemente von V als lineare Funktionale auf V* auf. Eine Poissonklammer auf V* wird linear genannt, wenn die Klammer zweier linearer Funktionale auf V* wieder linear ist. Diese Bedingung ist aquivalent dazu, daB der zugehorige Poissontensor B(J.L) : V -t V* linear in J.L E V* ist. Proposition 10.7.3. Sei ( ,) : V* X V -t lR eine (schwach) nichtausgeartete Paarung der Banachriiume V* und V und auf V* eine lineare Poissonklammer gegeben. Die Klammer von zwei linearen Funktionalen auf V* liege fur alle J.L E V* im Bild von (J.L, . ) (diese Bedingung ist automatisch erfullt, wenn V endlichdimensional ist). Dann ist V eine Liealgebra und die Poissonklammer auf V* die zugehOrige Lie-Poisson-Klammer.
Beweis. Zu x E V sei das Funktional x' auf V* durch x'(J.L) = (J.L,x) definiert. Nach den Voraussetzungen des 8atzes ist die Poissonklammer {x', y'} wieder ein lineares Funktional auf V* und wird durch ein Element in V reprasentiert, das wir mit [x,y], bezeichnen. Es ist also {x',y'} = [x,y]'. (Das Element [x, y] ist eindeutig, da (,) schwach nichtausgeartet ist.) Nun pruft man direkt nach, daB die so definierte Klammer [,] auf V eine Lieklammer ist. Also ist V eine Liealgebra und man rechnet dann leicht nach, daB die Poissonklammer die Lie-Poisson-Klammer fur diese Algebra ist. • Ubungen Ubung 10.7.1. 8ei (J" : 80(3) -t GL(3) die Inklusionsabbildung. Identifiziere 50(3)* = lR 3 mit der Klammer des starren Korpers und gt(3)* mit gt(3) durch (A, B) = 8p (AB T ). Berechne die induzierte Abbildung a* : gt(3) -t lR3 und zeige durch direktes Nachrechnen, daB sie eine Poissonabbildung ist.
11. Impulsabbildungen
In diesem Kapitel zeigen wir, wie man aus Symmetrien von Lagrangeschen und Hamiltonschen Systemen ErhaltungsgroBen gewinnt. Dies erfolgt nach dem Konzept der Impulsabbildung, die eine geometrische Verallgemeinerung des klassischen Impulses und Drehimpulses darstellt. Es handelt sich hierbei nicht einfach urn eine mathematische Umformulierung der Idee des allseits bekannten Noethertheorems, sondern stellt eine eigenstiindige, in der modernen geometrischen Mechanik fast iiberall auftretende Konstruktion dar, die in vielen Bereichen der Mechanik und Geometrie zu iiberraschenden Einsichten gefiihrt hat.
11.1 Kanonische Wirkungen und ihre infinitesimalen Erzeuger Kanonische Wirkungen. Sei Peine Poissonmannigfaltigkeit, G eine Liegruppe und P : G x P -+ Peine glatte Linkswirkung von G auf P durch kanonische 'Ifansformationen. Schreiben wir die Wirkung als g. Z = Pg(z), ist also P g : P -+ P, so nennen wir die Wirkung kanonisch, wenn fiir alle H,F2 E F(P) und g E G
P; {F1 ,F2 }
= {P;Fl,P;Fd
(11.1)
gilt. 1st Peine symplektische Mannigfaltigkeit mit der symplektischen Form D, so ist die Wirkung genau dann kanonisch, wenn sie symplektisch ist, also p;D = D fiir alle g E Gist. Infinitesimale Erzeuger. In Kapitel 9 iiber Liegruppen haben wir den infinitesimalen Erzeuger der Wirkung zu einem Element ~ E 9 der Liealgebra als das Vektorfeld ~p auf P definiert, das man erhiilt, wenn man die Wirkung im neutralen Element nach g in Richtung von ~ differenziert. Nach der Kettenregel folgt
~p(Z) =
dd
t
[exp(t~)· zl!
t=O
.
(11.2)
1m folgenden benotigen wir zwei allgemein giiltige Beziehungen, die beide in Kap. 9 bewiesen wurden. Die erste besagt, daB der FluB des Vektorfeldes ~p durch J. E. Marsden et al., Einführung in die Mechanik und Symmetrie © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2001
382
11. Impulsabbildungen 'Pt =
(11.3)
([> exp ti;
gegeben ist. Die zweite ist (11.4) bzw. in differentieller Form (11.5) Die Drehgruppe. Urn diese Beziehungen zu veranschaulichen, betrachten wir die Wirkung von 80(3) auf den JR.3 durch Drehungen. Wie in Kap. 9 erklart, kann die Liealgebra so(3) von 80(3) mit dem JR.3 identifiziert werden, wobei die Lieklammer in das Kreuzprodukt ubergeht. Der infinitesimale Erzeuger von w E JR.3 ist dann WjR3
(x) = W x x = w(x).
(11.6)
Gleichung (11.4) wird somit zu
(Aw x x) = A(w x A-Ix)
(11. 7)
mit A E 80(3), wahrend (11.5) die Jacobiidentitat fUr das Vektorprodukt darstellt. Poissonsche Automorphismen. Kehren wir zum allgemeinen Fall zuruck, so erhalten wir aus (11.1) durch Differentiation nach g in Richtung von ~ (11.8) ~P[{FI' F2}] = {~P[FI], F2} + {F1' ~p[F2]}. 1m symplektischen Fall ergibt die Differentiation von £i;p[2
([>;[2
= 0,
=
[2
(11.9)
~p ist also lokal Hamiltonsch. Fur Poissonmannigfaltigkeiten nennen wir ein Vektorfeld, das (11.8) erfullt, einen infinitesimalen Poissonschen Automorphismus. 80leh ein Vektorfeld muB nicht unbedingt lokal Hamiltonsch (d.h. lokal von der Form X H ) sein. Betrachte z.B. die Poissonstruktur
{F H} = x (OF oH _ oH OF)
,
ax oy
ax oy
(11.10)
auf dem JR.2 und X = %y in einer Umgebung eines Punktes der y-Achse. Wir sind an dem Fall interessiert, in dem ~p global Hamiltonsch ist, was eine starkere Bedingung als (11.8) darstellt. Es gelte also (11.11) fur ein J(~) E F(P). 1st J(~) durch diese Gleichung schon eindeutig festgelegt? Augenscheinlich ist dies nicht der Fall, denn wenn J 1 (~) und h(~) beide (11.11) erfullen, so folgt daraus nur
11.2 Impulsabbildungen
383
wobei wir mit C(P) den Raum der Casimirfunktionen auf P bezeichnen. 1st P symplektisch und zusammenhangend, so ist J(~) durch (11.11) bis auf eine Konstante festgelegt. Ubungen Ubung 11.1.1. Uberprufe die Giiltigkeit von (11.4), also P;-l~P = (Ad g ~)p und ihrer differentiellen Form (11.5) [~p, 7]p] = - [~, 7]]p fur die Wirkung von GL( n) auf sich selbst durch Konjugation. Ubung 11.1.2. Es wirke Sl auf S2 durch Drehungen urn die z-Achse. Berechne J(~).
11.2 Impulsabbildungen Da die rechte Seite von (11.11) linear in ~ ist, konnen wir im endlichdimensionalen Fall unter Verwendung einer Basis e1, ... , er von 9 immer durch ](~) = ~a J( ea ) ein ](0 konstruieren, das linear in ~ ist und ebenfalls die Bedingung (11.11) erfullt. In der folgenden Definition der Impulsabbildung konnen wir die Linkswirkung einer Liegruppe durch eine kanonische Linkswirkung ihrer Liealgebra ~ f--t ~p ersetzen. "Kanonisch" bedeutet in diesem Zusammenhang im Fall einer Poissonmannigfaltigkeit, daB (11.8) und im Fall einer symplektischen Mannigfaltigkeit, daB (11.9) erfullt ist. (Man erinnere sich, daB fur eine Linkswirkung einer Liealgebra die Abbildung ~ E g f--t ~p E X(P) ein Liealgebrenantihomomorphismus ist.) Wir definieren also: Definition 11.2.1. Eine Liealgebra 9 wirke kanonisch (von links) auf die Poissonmannigfaltigkeit P. Es existiere eine lineare Abbildung J : 9 -+ F(P), so dajJ fur alle ~ E 9
(11.12) ist. Die durch (J(z),~)
fur alle
~ E 9
=
J(~)(z)
(11.13)
und z E P definierte Abbildung J : P -+ g* heijJt Impulsab-
bildung der Wirkung. Der Drehimpuls. Betrachte den Drehimpuls eines Teilchens im dreidimensionalen Euklidischen Raum als Funktion J (z) = q x p mit z = (q, p). Sei ~ E ]R3 und betrachte die Komponente von J in Richtung von (, also (J (z),~) = ~ . (q x p). Man pruft leicht nach, daB die Hamiltonschen G leichungen zu dieser Funktion von q und p infinitesimale Drehungen urn die ~-Achse beschreiben. Die definierende Bedingung (11.12) ist eine Verallgemeinerung dieser elementaren Eigenschaft des Drehimpulses.
384
11. Impulsabbildungen
Impulsabbildungen und Poissonklammern. Unter Verwendung der Beziehung X H [F] = {F, H} k6nnen wir (11.12) auch folgendermai3en durch die Poissonklammer ausdrucken: Fur jede Funktion F auf P und jedes ~ E g gilt
{F, J(~)} = ~p [F].
(11.14)
Gleichung (11.13) definiert einen Isomorphismus zwischen dem Raum der glatten Abbildungen J von P nach g* und dem Raum der linearen Abbildungen J von g nach F(P). Wir fassen die Menge der Funktionen J(~) als Komponenten von J auf, wobei ~ die Liealgebra g durchlauft. Wir bezeichnen mit (11.15) 1-l(P) = {Xp E X(P) I F E F(P) } die Liealgebra der Hamiltonschen Vektorfelder auf P und mit
die Liealgebra der infinitesimalen Poissonschen Automorphismen von P. Nach (11.8) gilt ~p E P(P) fUr beliebiges ~ E g. Die Angabe einer Impulsabbildung Jist demzufolge aquivalent zur Wahl einer linearen Abbildung J : g ---+ F(P), fUr die das Diagramm in Abb. 11.1 kommutativ wird.
F(P)
F f--+ XF
P(P)
~ ~'P 9
Abb. 11.1. Das kommutative Diagramm zur Definition einer Impulsabbildung.
Da sowohl ~ f--t ~p als auch F sind, erhalten wir fur ~,1] E g
f--t
Xp Liealgebrenantihomomorphismen
es gilt also die grundlegende Beziehung (11.18) Bis zu diesem Punkt haben wir uns nur mit der Definition der Impulsabbildung beschaftigt, nicht jedoch damit, wie man diese in konkreten Fallen berechnet. Wir werden diese Frage in Kap. 12 ausfuhrlich behandeln.
11.2 Impulsabbildungen
385
Auf dem obenstehenden kommutativen Diagramm aufbauend werden wir in Abschnitt §11.3 noch einen alternativen Zugang zur Definition einer Impulsabbildung besprechen, der jedoch im weiteren nicht verwendet wird. Wir werden stattdessen die fUr spatere Anwendungen wichtigsten Beziehungen herleiten. Den interessierten Leser verweisen wir auf Souriau [1970], Weinstein [1977], Abraham und Marsden [1978], Guillemin und Sternberg [1984] und Libermann und Marle [1987] fUr weitere Informationen. Einiges zur Geschichte der Impulsabbildungen. Man kann Impulsabbildungen schon im zweiten Band von Lie [1890] finden, bei dem sie im Zusammenhang mit homogenen kanonischen Transformationen auftreten und als Kontraktion der kanonischen I-Form mit dem infinitesimalen Erzeuger der Wirkung ausgedrlickt werden. Auf Seite 300 wird gezeigt, daB Impulsabbildungen kanonisch sind und auf S. 329, daB sie aquivariant bzgl. einer linearen Wirkung sind, deren Erzeuger auf S. 331 angegeben sind. Auf Seite 338 wird bewiesen, daB das Bild einer Impulsabbildung Ad* -invariant ist, wenn sie konstanten Rang hat (eine Bedingung, die in allen Arbeiten von Lie auf diesem Gebiet implizit vorausgesetzt zu sein scheint), und auf S. 343 klassifiziert er Wirkungen durch Ad* -invariante Untermannigfaltigkeiten. Wir geben nun einen Oberblick liber die moderne Entwicklung der Theorie der Impulsabbildungen auf Grundlage der Informationen und Literaturverweise, die wir von B. Kostant und J.-M. Souriau erhalten haben, fUr deren groBe Hilfe wir uns an dieser Stelle bedanken wollen. In seinen 1965 in Haverford gehaltenen Phillips-Vorlesungen (die Mitschrift wurde von Dale Husemoller angefertigt) und auf dem amerikanischjapanischen Seminar im gleichen Jahr (vgl. Kostant [1966]) fUhrte Kostant die Impulsabbildungen ein, urn einen Satz von Wang zu verallgemeinern und klassifizierte mit ihnen alle homogenen symplektischen Mannigfaltigkeiten. Dies wird heutzutage als "Satz von Kostant liber die Oberlagerung von koadjungierten Orbits" bezeichnet. Diese Vorlesungen enthielten auch schon die Schllisselidee der geometrischen Quantisierung. Souriau flihrte die Impulsabbildung 1965 in den Skripten seiner Marseille-Vorlesung ein und in veroffentlichter Form in Souriau [1966]. AbschlieBend erhielt die Impulsabbildung ihre formale Definition und die auf der physikalischen Interpretation beruhende Bezeichnung in Souriau [1967]. Souriau untersuchte ebenfalls ihre Aquivarianzeigenschaften und formulierte den Satz liber die koadjungierten Orbits. Kostant verwendete die Impulsabbildung als wesentliches Hilfsmittel in seinen Vorlesungen liber Quantisierung (vgl. z.B. Theorem 5.4.1 in Kostant [1970]) und Souriau [1970]liefert eine umfassende Darstellung in seinem Buch. Kostant und Souriau erkannten ihre Wichtigkeit im Zusammenhang mit linearen Darstellungen, was von Lie scheinbar libersehen wurde (Weinstein [1983a]). Unabhangig davon arbeitete auch A. Kirillov liber Impulsabbildungen und den Satz liber die Oberlagerung von koadjungierten Orbits, vgl. Kirillov [1976b]. Dieses Buch wurde zuerst 1972 veroffentlicht und auf S. 301 wird erwahnt, daB seine Arbeiten zum Klassifikationssatz schon flinf
386
11. Impulsabbildungen
Jahre zuruckliegen. Die moderne Formulierung der Theorie der Impulsabbildungen wurde im Zusammenhang mit der klassischen Mechanik von Smale [1970] entwickelt, der sie ausgiebig in seiner topologischen Behandlung des ebenen N-Korper-Problems anwendet. Marsden und Weinstein [1974] und andere Autoren nutzten bald die Fulle der moglichen Anwendungen dieser Ideen.
Ubungen Ubung 11.2.1. Zeige, daB die Hamiltonschen Gleichungen zu der Funktion (J (z),~) = ~ . (q x p) die infinitesimalen Erzeuger von Drehungen urn die ~-Achse beschreiben. Ubung 11.2.2. Zeige, daB fur den Drehimpuls J([~, 1]]) = {J(~), J(1])} gilt. Ubung 11.2.3. (a) Sei Peine symplektische Mannigfaltigkeit, G eine Liegruppe, die kanonisch auf P wirkt, J : P ---+ g* die zugehOrige Impulsabbildung und Seine symplektische Untermannigfaltigkeit von P, die invariant unter der Wirkung von Gist. Zeige, daB die Wirkung von G auf Seine durch Jis gegebene Impulsabbildung besitzt. (b) Finde eine Verallgemeinerung von (a) fUr den Fall, daB Peine allgemeine Poissonmannigfaltigkeit und Seine immersierte G-invariante Unterpoissonmannigfaltigkeit ist.
11.3 Eine algebraische Definition der Impulsabbildung Dieser Abschnitt stellt einen alternativen Zugang zu den Impulsabbi1dungen vor und kann beim erst en Lesen ubersprungen werden. 1 Ausgangspunkt ist das kommutative Diagramm in Abb. 11.1 und die Beobachtung, daB die fo1gende Sequenz exakt ist, (d.h., daB das Bi1d einer jeden Abbildung der Kern der folgenden ist):
o ---+
C(P) ~ F(P) ~ P(P) ~ P(P)/1i(P) ---+ O.
Hierbei ist i die Inklusionsabbildung,
7r
die Projektion, H(F)
= X F , und
H(P) bezeichnet die Liealgebra der global Hamiltonschen Vektorfelder auf P. Wir wollen nun Bedingungen finden, unter denen eine Linkswirkung einer Liealgebra, also ein Antihomomorphismus p : 9 ---+ P(P), durch H von einer 1inearen Abbi1dung J : 9 ---+ F(P) herruhrt. Wie wir schon gesehen haben ist 1
Wir set zen in diesem Abschnitt einige Kenntnisse in Topologie und ein wenig mehr Lietheorie voraus, als wir behandelt haben. Nichts davon wird im weiteren benotigt werden.
11.3 Eine algebraische Definition der Impulsabbildung
387
dies aquivalent dazu, daB J eine Impulsabbildung ist. (Die Forderung, daB J ein Liealgebrenhomomorphismus ist, wird spater erlautert werden.) 1st H 0 J = p, so folgt 7r 0 P = 7r 0 H 0 J = O. 1st umgekehrt 7r 0 P = 0, so gilt p(g) c H(P), also gibt es eine lineare Abbildung J : 9 -+ F(P), so daB H 0 J = P ist. Also ist es die Eigenschaft 7r 0 P = 0, die der Existenz von J im Weg steht. Wenn P symplektisch ist, so stimmt P(P) mit der Liealgebra der lokal Hamiltonschen Vektorfelder uberein und P(P)/H(P) ist demzufolge isomorph zur erst en Kohomologie H l (P), aufgefaBt als abelsche Gruppe. 1m symplektischen Fall ist also genau dann 7r 0 P = 0, wenn die induzierte Abbildung p' : g/ [g, g] -+ Hi (P) verschwindet. Hier ist eine Liste von Fallen, in denen 7r 0 P = 0 ist: (i) P ist symplektisch und g/[g, g] = O. Nach dem erst en Lemma von Whitehead ist dies erfullt, wenn 9 halbeinfach ist (vgl. Jacobson [1962] und Guillemin und Sternberg [1984]). (ii) P(P)/H(P) = O. Wenn P symplektisch ist, ist dies aquivalent dazu, daB die erste Kohomologie Hi (P) verschwindet. (iii) P ist exakt symplektisch, es gilt also unter der Wirkung von g, es gilt also
[l
= -d8, und 8 ist invariant (11.19)
Fall 3 tritt zum Beispiel auf, wenn P = T*Q und die Wirkung ein Lift ist. In diesem Fall gibt es eine explizite Formel fur die Impulsabbildung. Aus (11.20)
folgt (11.21)
das innere Produkt von ~p mit 8 erfiillt also (11.12), und die 1mpulsabbildung J : P -+ g* ist so mit durch (J(z),~)
= (il;p8) (z)
(11.22)
gegeben. Schreiben wir in Koordinaten 8 = Pi dqi und definieren Aja und Baj durch (11.23)
wird (11.22) zu (11.24)
Das folgende Beispiel zeigt, daB p' nicht immer verschwindet. Betrachte den Phasenraum P = 8 1 X 8 1 mit der symplektischen Form [l = d(h /\ d(h, die Liealgebra 9 = ]R2 und die Wirkung
388
11. Impulsabbildungen {)
P(XI' X2)
{)
= Xl 8fh + X2 {)()2 .
(11.25)
In diesem Fall ist [g, g] = 0 und p' : ffi.2 -+ HI (8 1 X 8 1 ) ein Isomorphismus, wie man leicht nachpruft.
11.4 Impulsabbildungen als ErhaltungsgroBen Ein Grund fur die Bedeutung der Impulsabbildungen in der Mechanik ist die Tatsache, daB sie ErhaltungsgroBen sind:
Satz 11.4.1. [Hamiltonsche Version des NoethertheoremsJ 8ei J : P -+ g* eine Impulsabbildung fur eine kanonische Wirkung der Liealgebra 9 auf die Poissonmannigfaltigkeit P und H E F(P) eine g-invariante Hamiltonfunktion, es gelte also ~p [H] = 0 fur alle ~ E g. Dann ist J eine Konstante der Bewegung zu H, d.h., es gilt
J
0
CPt = J,
wobei CPt der FlufJ von X H ist. Ruhrt die Liealgebrenwirkung von der kanonischen Linkswirkung
eine Casimirfunktion. Fur den zweiten Teil beachte zunachst, daB aufgrund der A.quivarianz von J und der Invarianz von tJ>
tJ>(J (g . z)) = tJ>(Ad;-l J (z)) = tJ>(J (z)) gilt. Also ist tJ> 0 J G-invariant. Fur den dritten Teil schlieBlich verwenden wir den Satz uber die kollektive Hamiltonfunktion 12.4.2 und folgern fUr IL = J(z)
Also gilt T z 7r . XpoJ(z) = 0, da infinitesimale Erzeuger tangential zu den Orbits liegen und daher unter 7r auf Null projiziert werden. 7r ist aber eine Poissonabbildung und es folgt
434
12. Berechnung und Eigenschaften von Impulsabbildungen
Also ist C eine Casimirfunktion auf PIG.
•
Korollar 12.6.1. 1st G abelsch und <J> : g* ---+ IR eine beliebige glatte Funktion, so definiert <J> 0 J = C 0 7r eine Casimirfunktion C auf PIG.
Dies folgt daraus, daB fur abelsche Gruppen die Ad* -Wirkung trivial ist und somit jede Funktion auf g* Ad* -invariant ist.
Ubungen Ubung 12.6.1. Zeige, daB <J>(II) 50(3)* ist.
IIIII12
eme invariante Funktion auf
Ubung 12.6.2. Finde unter Verwendung von Korollar 12.6.1 die Casimirfunktionen fUr die Klammer (10.36). Ubung 12.6.3. Zeige, daB eine linksinvariante Hamiltonfunktion H : T*G ---+ IR bezuglich der Impulsabbildung fur eine Rechtswirkung kollektiv ist, dies jedoch fUr die Impulsabbildung eine Linkswirkung nicht der Fall sein muB.
13. Lie-Poisson- und Euler-Poincare-Reduktion
Neben der Poissonstruktur auf einer symplektischen Mannigfaltigkeit ist die Lie-Poisson-Klammer auf dem Dualraum g* einer Liealgebra das vielleicht wichtigste Beispiel einer Poissonstruktur. Sie wird folgendermaBen konstruiert. Sind zwei glatte Funktionen F, H E F(g*) gegeben, definieren wir zunachst ihre Fortsetzungen F L , HL (bzw. F R , H R ) durch Links- (bzw. Rechts- )translation auf ganz T* G. Dann bildet man die Klammer {FL, H d (bzw. {FR' H R}) in der kanonischen symplektischen Struktur n auf T*G und schrankt abschlieBend das Ergebnis wieder auf g* (als Kotangentialraum an das neutrale Element aufgefaBt) ein. Wir werden zeigen, daB die so definierte Klammer {F, H} tatsachlich die Lie-Poisson-Klammer ist. Den hier vollzogenen ProzeB nennt man Lie-Poisson-Reduktion. In §14.6 zeigen wir, daB die symplektischen Blatter dieser Klammer gerade die koadjungierten Orbits in g* sind. Wir werden auch einen anderen Zugang behandeln, in dem nicht Poissonklammern, sondern Variationsprinzipien die Objekte der Reduktion sind, die sich dann auf 9 statt auf g* abspielt. Der Ubergang von einem Variationsprinzip auf TG zu einem auf 9 wird als Euler-Poincare-Reduktion bezeichnet.
13.1 Der Satz zur Lie-Poisson-Reduktion Wir wollen als erstes den Zusammenhang zwischen der kanonischen Poissonklammer auf T*G und der Lie-Poisson-Klammer auf g* untersuchen. Satz 13.1.1 (zur Lie-Poisson-Reduktion). lndem wir die Menge der Funktionen auf g* mit der Menge der links- (bzw. rechts- )invarianten Funktionen auf T*G identifizieren, definieren wir auf g* die Poissonstrukturen (13.1)
Wir bezeichnen den Raum g* mit dieser Poissonstruktur mit g~ (bzw. g't-). 1st die Wahl zwischen Links- oder Rechtsinvarianz aus dem Zusammenhang klar, lassen wir den Index + bzw. - an {F, H} _ und {F, H} + aus. J. E. Marsden et al., Einführung in die Mechanik und Symmetrie © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2001
436
13. Lie-Poisson- und Euler-Poincare-Reduktion
In der von Marsden und Weinstein [1983] eingefUhrten Bezeichnung nennt man diese Klammer auf g* die Lie-Poisson-Klammer. Sie ist schon in Lie [1890, S. 204] explizit angegeben. Siehe Weinstein [1983a] und §13.7 unten fur weitere historische Informationen. Es gibt sogar bei Jacobi [1866, S. 7] erste Hinweise auf diese Struktur. Sie wurde spater vielfach wiederentdeckt, findet sich z.B. explizit in Berezin [1967] und steht in engem Zusammenhang mit den Ergebnissen von Arnold, Kirillov, Kostant und Souriau in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Die Aussage des Satzes. Bevor wir den Satz beweisen, wollen wir einige in seiner Aussage verwendete Begriffe erklaren. Zunachst wollen wir noch einmal aus Kap. 9 wiederholen, wie die Liealgebra einer Liegruppe G gebildet wurde. Wir definieren 9 = TeG, den Tangentialraum im neutralen Element. Zu ~ E 9 definieren wir ein linksinvariantes Vektorfeld ~L = Xe auf G durch (13.2) wobei Lg : G -+ G die Linkstranslation mit g E G bezeichnet, die durch Lgh = gh definiert ist. Zu ~,'f) E 9 definieren wir weiter (13.3) wobei die Klammer auf der rechten Seite die Jacobi-Lieklammer fUr Vektorfelder ist. Durch die Klammer (13.3) wird 9 eine Liealgebra, d.h., [,] ist bilinear, antisymmetrisch und erfUllt die Jacobiidentitat. 1st G z.B. eine Untergruppe von GL(n), der Gruppe der invertierbaren (n x n)-Matrizen, identifizieren wir 9 = TeG mit einem Vektorraum von Matrizen und wie in Kap. 9 berechnet ist (13.4) [~,'f)] = ~T) - 'f)~ der gewohnliche Kommutator zweier Matrizen. Eine Funktion FL : T*G -+ lK heiBt linksinvariant, wenn fur alle g E G (13.5) gilt, wobei T* Lg den Kotangentiallift von Lg bezeichnet, T* Lg also der punktweise gebildete zu T Lg adjungierte Operator ist. Den Raum aller glatten linksinvarianten Funktionen auf T*G bezeichnen wir mit :FdT*G). Analog definiert man rechtsinvariante Funktionen auf T*G und den Raum :FR(T*G). Zu F : g* -+ lK und CY g E T*G sei (13.6) wobei J R : T*G -+ g*, J R(CY g) = T; Lg . CY g die Impulsabbildung des Lifts der Rechtstranslation auf Gist (siehe (12.29). Die Funktion FL = F 0 J R heiBt linksinvariante Fortsetzung von F von g* auf T*G. Analog definiert man die rechtsinvariante Fortsetzung durch
13.1 Der Satz zur Lie-Poisson-Reduktion
437
wobei J L : T*G --+ g*, JL(a g ) = T; R g · a g die Impulsabbildung des Lifts der Linkstranslation auf Gist (siehe (12,28)). Die Komposition mit J R (bzw. J L) von rechts definiert somit einen Isomorphismus F(g*) --+ FL(T*G) (bzw. F(g*) --+ FR(T*G)), dessen Umkehrung die Einschrankung auf die Faser T;G = g* ist. Da T* Lg und T* Rg symplektische Abbildungen auf T*G sind, sind FL(T*G) und FR(T*G) abgeschlossen unter der kanonischen Poissonklammer auf T*G. Eine mogliche Formulierung der Aussage des Satzes zur LiePoisson-Reduktion ist daher die, daB die obigen Isomorphismen von F(g*) mit FL(T*G) bzw. FR(T*G) auch Isomorphismen von Liealgebren sind, also (13.8) und (13.9) gilt, wobei {,}± die Lie-Poisson-Klammer auf g* und {,} die kanonische Klammer auf T*G ist. Eine andere Moglichkeit werden wir in §13.3 behandeln.
Beweis (des Satzes zur Lie-Poisson-Reduktion). Die Abbildung J R : T*G
--+ g~
ist nach Satz 12.4.1 eine Poissonabbildung, es gilt also
Schranken wir diese Gleichung auf g* ein, so erhalten wir (13.8). Auf ahnliche Weise zeigt man (13.9), wobei man verwendet, daB die Abbildung J L : T*G --+ 9+ Poissonsch ist. • Dieser Beweis setzt voraus, daB wir die Formel fur die Lie-PoissonKlammer bereits kannten. In §13.3 werden wir einen zweiten Beweis liefern, der Impulsfunktionen und die Faktorisierung nach G verwendet (siehe §1O.7). In diesem wird dann auch die Formel fUr die Lie-Poisson-Klammer als Teil des Beweises mit hergeleitet. In den nachsten zwei Abschnitten fUhren wir weitere konstruktive Beweise dieses Satzes fur einige Spezialfalle, urn ihn so besser zu verstehen.
Ubungen Ubung 13.1.1. Definiere zu u, v E ]R3 die Funktion F U : $0(3)* ~ ]R3 --+ ]R durch Fu(x) = (x, u) und analog die Funktion FV. Sei FE: T*SO(3) --+]R die linksinvariante Fortsetzung von F U , analog FL' Berechne die Poissonklammer
{FE,FL}.
438
13. Lie-Poisson- und Euler-Poincare-Reduktion
13.2 Der Beweis des Satzes zur Lie-Poisson-Reduktion fur GL(n) Wir beweisen den Satz zur Lie-Poisson-Reduktion nun fiir den Spezialfall der Liegruppe G = GL(n) der reellen invertierbaren (n x n)-Matrizen. Dies stellt zwar eine rein padagogische Ubung dar, da wir den Satz ja schon allgemein bewiesen haben, der Verlauf des Beweises fiir Spezialfalle kann jedoch neue Einsichten in die Struktur des Satzes liefern. In den Interneterganzungen beweisen wir den Satz auch noch fUr den Fall der Gruppe der volumenerhaltenden Diffeomorphismen und fiir die Gruppe der symplektischen Diffeomorphismen. Die Linkstranslation mit U E Gist durch die Matrizenmultiplikation gegeben: Lu A = U A. Identifizieren wir den Tangentialraum an G im Punkt A mit dem Vektorraum aller (n x n)-Matrizen, so gilt fiir BE TAG ebenfalls
da Lu A linear in A ist. Der Kotangentialraum kann iiber die Paarung (13.10) mit dem Tangentialraum identifiziert werden. JrT ist hierbei die Transponierte von Jr. Der Kotangentiallift von Lu ist somit durch (T*LuJr,B)
gegeben, es gilt also
=
(Jr,TLu' B)
= Sp(JrTUB)
T* LUJr = UT Jr.
(13.11)
Zu zwei gegebenen Funktionen F, G : g* -+ lR seien (13.12) ihre linksinvarianten Fortsetzungen. Nach der Kettenregel gilt mit f-l = AT Jr
(13.13) Die kanonische Klammer ist demzufolge
(13.14) 1m neutralen Element A = Id ist JFL/JJr = JF/Jf-l mit Jr = f-l. Also wird die Poissonklammer (13.14) mit (13.13) zu der (- )-Lie-Poisson-Klammer:
13.3 Lie-Poisson-Reduktion uber Impulsfunktionen
439
Diese Herleitung kann auch auf den Fall anderer Matrixgruppen ubertragen werden, z.B. der Drehgruppe SO(3). In diesem Fall muB man jedoch sehr genau auf die richtige Behandlung der Orthogonalitatsbedingung achten.
Ubungen Ubung 13.2.1. FL und GL seien von der Form (13.12), so daB man FL und G L auf T*SO(3) einschranken kann. 1st die Klammer dieser Einschrankungen durch die Einschrankung von (13.14) gegeben?
13.3 Lie-Poisson-Reduktion iiber Impulsfunktionen T* G / Gist diffeomorph zu g*. In diesem Abschnitt flihren wir einen konstruktiven Beweis des Satzes zur Lie-Poisson-Reduktion unter Verwendung von Impulsfunktionen. Zunachst zeigen wir, daB T*GjG diffeomorph zu g* ist. Beachte dafUr, daB die durch
gegebene Trivialisierung von T*G durch Linkstranslationen den liblichen Kotangentiallift der Linkstranslationen auf G in die fur g, h E G und p, E g* durch (13.16) g. (h, p,) = (gh, p,) gegebene Wirkung von G auf G x g* transformiert. Also ist T*GjG difIeomorph zu (G x g*)jG, was wiederum gleich g* ist, da G nicht auf g* wirkt (siehe (13.16)). Also konnen wir JR : T*G -+ g* als die kanonische Projektion T*G -+ T*GjG auffassen, und als eine Folgerung aus dem Satz zur Poissonreduktion (siehe Kap. 10) ist auf g* eine Poissonklammer gegeben, die wir vorlibergehend mit { , }_ bezeichnen wollen und die eindeutig durch die Bezichung (13.17) fUr Funktionen F, H E F(g*) definiert ist. Ziel dieses Abschnitts ist eine explizite Berechnung der Klammer {, } _, aus der dann folgen wird, daB es sich urn die (- )-Lie-Poisson-Klammer handelt.
440
13. Lie-Poisson- und Euler-Poincare-Reduktion
Bevor wir mit dem Beweis beginnen, wollen wir noch darauf hinweisen, daB die Poissonklammer {F, H} _ fUr F, H E F(g*) nur von den Differentialen von Fund H in jedem Punkt fUr sich abhangt. Also k6nnen wir fUr die Bestimmung der Klammer {, } _ auf g* oBdA annehmen, daB Fund H lineare Funktionen auf g* sind. Beweis (des Satzes zur Lie-Poisson-Reduktion). Der Raum FdT*G) der linksinvarianten Funktionen auf T*G ist (als Vektorraum) isomorph zu F(g*), dem Raum aller Funktionen auf dem Dualraum g* der Liealgebra 9 von G. Ein 1somorphismus ist explizit durch F E F(g*) +-t FL E FdT*G) mit (13.18) gegeben. Da FdT*G) abgeschlossen unter der Klammerbildung ist (was daraus folgt, daB T* Lg eine symplektische Abbildung ist), ist F(g*) mit einer eindeutigen Poissonstruktur ausgestattet. Wie wir kurz zuvor angemerkt haben, k6nnen wir F durch seine Linearisierung in einem gegebenen Punkt ersetzen, ohne die Klammer zu iindern. Dies bedeutet, daB es gentigt, den Satz zur Lie-Poisson-Reduktion fUr lineare Funktionen auf g* zu beweisen. 1st F linear, k6nnen wir F(J-i) = (J-i,8F/8J-i) schreiben, wobei 8F/8J-i auf 9 konstant ist. Mit J-i = T; Lg . a g erhalten wir also
Fdag) = F(T;Lg· a g) = \ T;Lg· ag, ~:)
= \ ag,TeLg·
~:) = p (( ~:t) (a g),
(13.19)
wobei ~dg) = TeLg(~) dasjenige linksinvariante Vektorfeld auf Gist, des sen Wert im neutralen Element ~ E gist. Also folgt aus (12.3), (13.19) und der Definition der Lieklammer wie gefordert
(13.20) Wegen
F 0 J R = FL
und
H 0 J R = HL
ergibt sich mit den Beziehungen (13.17) und (13.20)
{F,H}_(J-i) = {FL,Hd(J-i) = - \J-i,
[~:, ~~]),
13.4 Reduktion und Rekonstruktion der Dynamik
441
die Klammer {, }_, die wir durch die Identifizierung von T*CjC mit g* eingefUhrt haben, ist also die (- )-Lie-Poisson-Klammer. Der Beweis fur die (+ )-Struktur folgt analog, wobei man die rechtsinvariante Fortsetzung von linearen Funktionen verwendet, da die Lieklammer zweier rechtsinvarianter Vektorfelder gleich dem Negativen der Lieklammer ihrer Erzeuger ist. •
13.4 Reduktion und Rekonstruktion der Dynamik Reduktion der Dynamik. In den letzten Abschnitten haben wir uns auf die Reduktion der Poissonstruktur von T*C nach g* konzentriert. Genauso stellt sich aber die Frage nach der Reduktion der Dynamik einer gegebenen Hamiltonfunktion, die im nachsten Satz behandelt wird und besonders in Beispielen wichtig ist. Satz 13.4.1 (zur Lie-Poisson-Reduktion der Dynamik). Sei G eine Liegruppe und H : T* C ---+ lR eine links- (bzw. rechts-) invariante Funktion. Dann erjullt die Funktion H- := Hlg* (bzw. H+ := Hlg*) auj g* die Gleichung H = H- 0 J R , es gilt also jur alle a g E T;C, wobei J R : T*C ---+ H+ oJ L und
g"-
durch JR(a g)
=
(13.21 )
T*Lg' a g gegeben ist (bzw. H = jur alle a g E T;C,
(13.22)
9+
wobei J L : T* G ---+ durch J d a g) = T* Rg . a g gegeben ist). Der FlufJ Ft von X H auj T* G und der FlufJ Ft- (bzw. Ft) (bzw. X H +) auj g"- (bzw. g+) erjullen
JR(Ft(a g )) = Ft-(JR(a g )),
(13.23)
h(Ft(a g )) = Ft(h(a g )).
(13.24)
Eine linksinvariante Hamiltonfunktion auf T*G induziert also eine LiePoisson-Dynamik auf g"-, wahrend eine rechtsinvariante eine Lie-Poisson Dynamik auf g+ induziert. Dieser Satz folgt direkt aus dem Satz zur Lie-PoissonReduktion und der Tatsache, daB eine Poissonabbildung Hamiltonsche Systerne und ihre Integralkurven in Hamiltonsche Systeme uberfuhrt. Links- und Rechtsreduktion. Wir hat ten oben gesehen, daB eine Linksreduktion durch eine Rechtsimpulsabbildung umgesetzt wird, daB also H und H- und auch X H und X H - miteinander JR-verwandt sind, wenn H linksinvariant ist. Wir ki:innen weitere Informationen erhalten, wenn wir ausnutzen, daB J L eine Erhaltungsgri:iBe ist.
442
13. Lie-Poisson- und Euler-Poincare-Reduktion
Proposition 13.4.1. Sei H : T*G -+ lR linksinvariant und H- wie oben die Einschriinkung auf g*. Sei a(t) E T;(t)G eine Integralkurve von X H , p(t) = JR(a(t)) und v(t) = h(a(t)), so dafJ v zeitlich konstant ist. Dann gilt (13.25) Beweis. Dies folgt aus v = T; Rg(t)a(t), p(t) = T; Lg(t)a(t), der Definition der koadjungierten Wirkung und dem Umstand, daB JL eine ErhaltungsgroBe .. ist.
v und p(t) legen g(t) durch (13.25) schon bis zu einem gewissen Grade fest. Filr 80(3) folgt z.B., daB g(t) den Vektor p(t) in den fest en Vektor v rotiert. Die Rekonstruktionsgleichung. Differenzieren wir (13.25) nach t und verwenden die Formeln zur Differentiation von Kurven aus §9.3, erhalten wir
0= g(t) . {~(t) . p(t) mit ~(t)
= g(t)-l!J(t) und ~. f.l = -
+
dt}
ad~p.
Mt) erfilllt aber die Lie-Poisson-Gleichungen
und somit folgt also ad(_W)+OH- jo!')p(t)
Eine hinreichende Bedingung hierfilr ist, daB nannte Rekonstruktionsgleichung
=
o.
~(t)
= bH- /bp, also die soge-
(13.26)
gilt. Daher ist anschaulich klar, daB wir a(t) aus p(t) rekonstruieren konnen, indem wir zuniichst (13.26) mit geeigneten Anfangsbedingungen lOs en und dann (13.27) setzen. Dies liefert eine Umkehrung der Reduktion von T*G nach g*, wie in Abb. 13.1 dargestellt. Wir betrachten als niichstes den Vorgang der Rekonstruktion noch ein wenig genauer und von einem leicht anderen Blickwinkel aus.
13.4 Reduktion und Rekonstruktion der Dynamik
443
Lie-Poisson-Reduktion g*
T*G
Lie-Poisson-Rekonstruktion Abb. 13.1. Lie-Poisson-Reduktion und -Rekonstruktion.
Linkstrivialisierung der Dynamik. Die nachste Proposition beschreibt das Vektorfeld X H in der Linkstrivialisierung von T*G als G x g*. Sei A : T*G ---+ G x g* der durch (13.28)
definierte Diffeomorphismus. Man zeigt leicht, daB A aquivariant bezuglich des KotangentiaBifts der Linkstranslationen auf G und der fUr g, h E G und f.1 E g* durch (13.29) gegebenen Wirkung von G auf G x g* ist. Sei PI : G x g* --t G die Projektion auf den erst en Faktor. Beachte, daB PI 0 A = 7r gilt, wobei 7r : T*G --t G die kanonische Projektion des Kotangentialbundels ist.
Proposition 13.4.2. Fur 9 E G und f.1 E g* ist der Pushforward von X H durch A auf G x g* das durch (13.30) mit H-
= Hlg* gegebene Vektorfeld.
Beweis. Wie wir bereits gezeigt haben, kann die Abbildung J R : T*G ---+ g* als die Standardprojektion auf den Quotientenraum T*G ---+ T*GjG fur die Linkswirkung angesehen werden, so daB die zweite Komponente von A*X H die Lie-Poisson-Reduktion von X H und somit gleich dem Hamiltonschen Vektorfeld X H - auf g*- ist. Nach Proposition 10.7.1 ki:innen wir schlieBen, daB (13.31 )
gilt, wobei X/1 E X( G) ein Vektorfeld auf Gist, das glatt von dem Parameter f.1 E g* abhangt. Mit H ist auch X H linksinvariant und aufgrund der Aquivarianz des Diffeomorphismus A gilt noch A;A*XH = A*X H fur jedes 9 E G. Dies ist wiede rum aquivalent zu TghLg-IX/1(gh) = X/1(h) fUr aBe g, h E G und f.1 E g*, also folgt (13.32)
444
13. Lie-Poisson- und Euler-Poincare-Reduktion
In Anbetracht von (13.31) und (13.32) ist die Proposition bewiesen, wenn wir zeigen, daB (13.33) ist. Beachte dafiir zunachst XJl(e)
= T(e,Jl)Pl(A*XH(p,)) = (T(e,Jl)Pl 0 TJlA)XH(p,) = TJl(Pl 0 A)XH(p,) = TJl7r(XH(p,)).
(13.34)
Fiir ein festes v E g* definieren wir den FluB (13.35) der die Fasern von T*G invariant laBt und somit ein durch VV(oo g ) = dd I (OO g t t=o
+ tT; L g
-1
(v))
(13.36)
gegebenes vertikales Vektorfeld Vv auf T*G definiert (d.h. eines, fUr das T7r 0 Vv = 0 ist). Die Bestimmungsgleichung ixwf? = dH von XH ergibt im Punkt p, in Richtung Vv (p,)
(13.37) so daB wir unter Verwendung von
[l
= -d8 (13.38)
erhalten. Wir berechnen die Terme auf der linken Seite von (13.38) einzeln. Da Vv vertikal ist, gilt T7r 0 Vv = 0 und mit der definierenden Gleichung fiir die kanonische I-Form 8(Vv ) = 0, der erste Term verschwindet also. Fiir den zweiten erhalten wir mit der Definition von 8 und (13.34) Vv[8(XH )](p,)
=
~ It=o 8(XH )(p, + tv)
= dd I
t t=O
(p, + tv, TJlHv7r (XH(p, + tv)))
=!il \p,+ tv,XJlHV(e)) dt t=o = (v, XJl(e)) + (p"
:t
It=o XJlHV(e)).
(13.39)
Zur Berechnung des dritten Terms benutzen wir erneut die Definition von 8, vertauschen die Reihenfolge von TJl7r und d/ dt, was wegen der Linearitat von
13.4 Reduktion und Rekonstruktion def Dynamik
TJ.L'if moglich ist, verwenden dann die Beziehung erhalten
'if 0
F[ =
'if
445
und (13.34) und
8([XH' Vv])(JL) = (JL,TJ.L'if. [XH' Vv](JL)) - (JL,TJ.L'if. - (JL'
! It=o
- (JL' :t - (JL'
:tlt=o ((F[)*XH)(JL)) TJ.L'if.
TJ.LHvF~t(XH(JL + tv)))
It=o TJ.LHV('if F~t)(XH(JL + tV)))
! It=o
0
TJ.L+tv'if· XH(JL
+ tV))
- / JL, ~I XJ.LHV(e)). \ dt t=O
(13.40)
Die Addition von (13.39) und (13.40) liefert mit (13.38)
/ ----r;;6H-) (v, XJ.L(e)) = \v,
.
•
Es folgt (13.33) und die Proposition ist bewiesen.
Der Rekonstruktionssatz. eben bewiesenen Proposition.
Der folgende Satz ist eine Konsequenz der
Satz 13.4.2 (zur Lie-Poisson-Rekonstruktion der Dynamik). Sei G eine Liegruppe und H : T*G --+ lK eine linksinvariante Hamiltonfunktion. Sei H- = Hlg* und JL(t) die Integralkurve der Lie-Poisson-Gleichung
dJL
*
dt = ad 15H - /15J.LJL
(13.41 )
zu der Anfangsbedingung JL(O) = T: LgO (ago). Dann ist die Integralkurve a(t) E T;(t)G von X H zur Anfangsbedingung a(O) = agO durch (13.42)
gegeben, wobei g(t) die Losung der Gleichung g-lg = 6H- 16JL ist, also (13.43)
mit der Anfangsbedingung g(O) = go gilt. Beweis. Die Kurve a(t) ist genau dann die durch die Anfangsbedingung a(O) = agO eindeutig bestimmte Integralkurve von XH, wenn
446
13. Lie-Poisson- und Euler-Poincare-Reduktion
A(CX(t))
= (g(t),T;Lg(t)cx(t)) = (g(t),JR(cx(t))) =: (g(t), f-L(t))
die Integralkurve von A*X H zu der Anfangsbedingung
ist, was wegen (13.30) aquivalent zu der Aussage des Satzes ist. Fur rechtsinvariante Hamiltonfunktionen H : T*G Die Lie-Poisson-Gleichung lautet
--t
df-L dt
lR ist H+
•
= Hlg*.
(13.44)
die Rekonstruktionsgleichung
a(t) = T;(t)Rg(t)-lf-L(t),
(13.45)
und die Gleichung fUr g(t) ist gg-l = oH+ /Of-L bzw. (13.46)
mit unveranderten Anfangsbedingungen.
Lie-Poisson-Rekonstruktion und Lagrangefunktionen. Oftmals ist eine Hamiltonfunktion H auf T*G aus einer Lagrangefunktion L : TG --t ~ durch eine Legendretransformation IF L erhalten worden. Viele der Konstruktionen und Beweise sind in solchen Fallen im Lagrangeschen Formalismus einfacher. Sei z.B. L linksinvariant (bzw. rechtsinvariant), es gelte also fUr aile 9 E G und v E ThG L(TL g . v) = L(v) (13.47) bzw.
L(TRg · v)
= L(v).
(13.48)
Differenzieren wir (13.47) und (13.48), so erhalten wir
lFL(TL g . v) . (TL g . w)
= lFL(v) . w
(13.49)
lFL(TRg . v) . (TR g . w)
= lFL(v) . w
(13.50)
IF LoTLg
= IF L
(13.51 )
IF LoTRg
= IF L.
(13.52)
bzw. fUr aile v, wE nG und 9 E G. Es gilt also
T* Lg
0
bzw.
T*Rg
0
13.4 Reduktion und Rekonstruktion der Dynamik
447
Beachte, daB die Wirkung von L ebenfalls links- (bzw. rechts-)invariant ist, also A(TLg . v) = A(v) (13.53) bzw.
A(TRg . v) = A(v)
(13.54)
gilt, denn (13.49) zufolge ist
A(TLg . v) = FL(TLg . v) . (TLg . v). = FL(v) . v = A(v). Damit ist aber die Energie E = A - L auf TG links- (bzw. rechts-)invariant. 1st L hyperregular, so ist FL : TG -+ T*G ein Diffeomorphismus und H = Eo (FL)-l ist auf T*G links- (bzw. rechts-)invariant.
Satz 13.4.3 (zur Lie-Poisson-Rekonstruktion, zweite Form). Sei L : TG -+ IR eine hyperreguliire Lagrangefunktion, die aufTG links- (bzw. rechts)invariant ist. Sei H : T*G -+ IR die zugehOrige Hamiltonfunktion und H- : g"'- -+ IR (bzw. H+ : g+ -+ IR) die induzierle Hamiltonfunktion auf g*. Sei f.L(t) E g* eine Integralkurve zu H- (bzw. H+) mit der Anfangsbedingung f.L(0) = T;Lgo· agO (bzw. f.L(0) = T;Rgo· ago) und sei ~(t) = FL-1f.L(t) E g. Setze Vo = TeLgo . ~(O) E TgoG. Dann ist die Integralkurve des Lagrangeschen Vektorfeldes zu L mit der Anfangsbedingung (go, vo) durch (13.55)
bzw.
VR(t) = TeRg(t) . ~(t)
(13.56)
gegeben, wobei g(t) die Gleichung g-lg = ~ erfiillt, also dg dt = TeLg(t) . ~(t), gilt bzw. g-lg
= ~
g(O) = go
(13.57)
g(O) = go·
(13.58)
und damit dg dt = TeRg(t) . ~(t),
Die zugehOrige Integralkurve von X H aufT*G mit der Anfangsbedingung agO' die f.L( t) iiberdeckt, ist (13.59)
bzw. (13.60)
448
13. Lie-Poisson- und Euler-Poincare-Reduktion
Beweis. Dies folgt aus Satz 13.4.2 durch Anwendung von lFL- 1 auf (13.42) bzw. (13.45). Da das Lagrangesche Vektorfeld X E eine Gleichung zweiter Ordnung darstellt, gilt
bzw.
• Zu gegebenem ~(t) lost man zunachst (13.57) fur g(t) und konstruiert dann Vdt) oder a(t) aus (13.55) und (13.59). Wie wir in den Beispielen sehen werden, gibt es hierfUr eine naturliche physikalische Interpretation. Der letzte Satz besitzt die folgende Verallgemeinerung fUr allgemeine Lagrangesche Systeme. Satz 13.4.3 ist dann ein Korollar des folgenden Satzes: Satz 13.4.4 (zur Lagrangeschen Lie-Poisson-Rekonstruktion). Sei
L : TG
-t
lR.
eine linksinvariante Lagrangefunktion, deren Lagrangesches Vektorfeld Z E 1:. (TG) eine Gleichung zweiter Ordnung darstellt und gleichfalls linksinvariant ist. Sei Zo E 1:.(g) das auf (TG)/G ~ 9 induzierte Vektorfeld und ~(t) eine lntegralkurve von Zo. 1st get) E G die Losung der nichtautonomen gewohnlichen Differentialgleichung get) = TeLg(t)~(t), so ist
V(t) =
g(O) = e,
9 E G,
TeLg(t)~(t)
die lntegralkurve von Z mit V(O) = TeLg~(O) und die Projektion von V(t) ist ~ (t ), es gilt als 0 TLr(V(t))-l V(t) = ~(t), wobei T : TG
-t
G die Tangentialbiindelprojektion ist.
Beweis. Sei V(t) die 1ntegralkurve von Z mit V(O) = TeLg~(O) fur ein gegebenes Element ~(O) E g. Da ~(t) die 1ntegralkurve von Zo ist, deren FluB zu dem FluB von Zuber Linkstranslation konjugiert ist, gilt
TLr(V(t))-l V(t) = ~(t). 1st h(t)
= T(V(t)), so ist V(t) = h(t) = TeLh(t)~(t)
und
h(O) = T(V(O)) = g,
13.4 Reduktion und Rekonstruktion der Dynamik
da Z eine Gleichung zweiter Ordnung ist. Set zen wir also g(t) erhalten wir g(O) = e und
Damit ist g(t) eindeutig durch
~(t)
=
449
g-lh(t),
bestimmt und es gilt (13.61 )
•
Diese Berechnungen legen nahe, daB man eher den Lagrangeschen (als den Hamiltonschen) Aspekt auch fiir sich allein betrachten sollte, was wir auch in Kiirze tun wollen.
Die Lie-Poisson-Hamilton-Jacobi-Gleichung. Da sich Poissonklammem und die Hamiltonschen Gleichungen auf natiirliche Weise von T*G auf g* iibertragen lassen, liegt die Frage auf der Hand, ob dies auch mit anderen Strukturen moglich ist, wie z.B. denen der Hamilton-Jacobi-Theorie. Wir untersuchen diese Frage nun, wobei wir fiir die Beweise und weiterfiihrende Bemerkungen auf die 1ntemetergiinzungen verweisen. Sei Heine G-invariante Funktion auf T*G und sei H- die zugehOrige linksreduzierte Hamiltonfunktion auf g*. (wir gehen hier natiirlich wieder von Linkswirkungen aus, man kann iihnliche Aussagen fiir rechtsreduzierte Hamiltonfunktionen formulieren.) 1st S invariant, so gibt es eine eindeutige Funktion S- mit S(g,go) = S-(g-lgO). (Man erhiilt eine leicht andere Darstellung fiir S, wenn man g-lgo durch golg ersetzt.) Proposition 13.4.3 (Ge und Marsden [1988]). Die linksreduzierte Hamilton-Jacobi-Gleichung zu einer Funktion S- : G -+ lR lautet (13.62) und wird Lie-Poisson-Hamilton-Jacobi-Gleichung genannt. Der LiePoissonsche FlujJ der Hamiltonfunktion H- wird durch die Losung S- von (13.62) in dem Sinne erzeugt, dajJ der FlujJ d'urch die folgendermajJen definierte Poissontmnsformation fIo f---t fI von g* gegeben ist: Lose die Gleichung
(13.63) nach g E G auf und setze dann fI
= g . fIo = Ad;-l fI o.
(13.64)
Die Wirkung in (13.64) ist die koadjungierte Wirkung. Beachte, daB (13.64) und (13.63) zusammen fI = - T R; . dS- (g) ergeben.
450
13. Lie-Poisson- und Euler-Poincare-Reduktion
Ubungen Ubung 13.4.1. Stelle die Rekonstruktionsgleichungen fur die Gruppe G SO(3) auf.
=
Ubung 13.4.2. Stelle die Rekonstruktionsgleichung fur G = Diffvol(f?) auf. Ubung 13.4.3. Stellee die Lie-Poisson-Hamilton-Jacobi-Gleichung fur SO(3) auf.
13.5 Die Euler-Poincare-Gleichungen Ein wenig zur Geschichte der Lie-Poisson- und Euler-PoincareGleichungen. Wir schlieBen nun an die geschichtlichen Bemerkungen uber Poissonstrukturen an, die wir in §1O.3 begonnen hatten. Wir hat ten dort schon darauf hingewiesen, daB man in den Arbeiten von Lie uber Funktionengruppen vor 1890 schon viele der wesentlichen Ideen allgemeiner Poissonmannigfaltigkeiten findet und er insbesondere explizit die Lie-Poisson-Klammer auf dem Dualraum einer Liealgebra untersucht hat. Die bis zu diesem Punkt in diesem Kapitel entwickelte Theorie stellt die Ubertragung der Strukturen der Hamiltonschen Mechanik auf den Dualraum einer Liealgebra dar. Diese Theorie hatte ohne weiteres kurz nach Lies Arbeiten entstehen konnen, wurde hingegen erst von Pauli [1953], Martin [1959], Arnold [1966a], Ebin und Marsden [1970], Nambu [1973] und Sudarshan und Mukunda [1974] auf den starren Korper oder ideale Flussigkeiten angewandt. All diese und scheinbar selbst Elie Cartan kannten interessanterweise Lies Arbeit uber die Lie-Poisson-Klammer nicht. 1m Fall von Cartan sollte man jedoch nicht vergessen, auf wie vielen Gebieten er zu dieser Zeit arbeitete. Nichtsdestotrotz ist das AusmaB der Wiederentdeckungen und Verwirrung bezuglich dieses Themas verbluffend. Auf diese Situation trifft man aber in der Mechanik noch an mehreren Stellen. Wie Arnold [1988] und Chetaev [1989] inzwischen bemerkten, kann man die Gleichungen auch direkt auf der Liealgebra formulieren, indem man die Lie-Poisson-Gleichungen auf dem Dualraum betrachtet. Die resultierenden Gleichungen wurden fur eine allgemeine Liealgebra zuerst von Poincare [1901b] ausgeschrieben und werden bei uns die Euler-Poincare-Gleichungen genannt. Wir werden sie im nachsten Abschnitt in der heutigen Sichtweise entwickeln. Poincare [1910] untersuchte dann den EinftuB der Deformation der Erde auf ihre Prazession und erkannte die entstehenden Gleichungen als Eulersche Gleichungen auf einer Liealgebra, die ein semidirektes Produkt ist. Uberhaupt ist der EinfluB von Poincare auf dieses Gebiet hochst beeindruckend und wird in seiner Zeit von niemand anderem auBer vielleicht noch von Riemann [1860, 1861] und Routh [1877, 1884] erreicht. Es ist auch bemerkenswert, daB es in Poincare [1901b] keine Literaturverweise gibt, so daB
13.5 Die
Euler-Poincan~-Gleichungen
451
es schwer ist, seine Gedankengange und Quellen zu verfolgen. Man vergleiche dies mit dem Stil von Hamel [1904]! Vor allem gibt uns Poincare keinerlei Hinweis darauf, daB er die Arbeiten von Lie zur Lie-Poisson-Struktur verstanden hat, aber ohne Zweifel hat Poincare den Umgang mit Liegruppen und -algebren meisterhaft beherrscht. Unsere Herleitung der Euler-Poincare-Gleichungen im nachsten Abschnitt basiert auf der Reduktion eines Variationsprinzips, nicht auf der einer symplektischen oder einer Poissonstruktur, wie fUr einen Dualraum ublich. Wir zeigen auch, daB die Lie-Poisson-Gleichungen uber die "Faserableitung" mit den Euler-Poincare-Gleichungen im Zusammenhang stehen, genau wie man von den gewohnlichen Euler-Lagrange-Gleichungen auf die Hamiltonschen Gleichungen kommt. Auch wenn dies ziemlich trivial erscheint, ist es bis jetzt noch nicht explizit ausgeschrieben worden. In der Dynamik idealer Flussigkeiten gibt es eine Verbindung zwischen dem resultierenden Variationsprinzip und den sogenannten "Lin-Zwangsbedingungungen" (vgl. auch Newcomb [1962] und Bretherton [1970]). Diese haben auch fUr sich alleine wieder eine interessante Geschichte, die auf Ehrenfest, Boltzmann und Clebsch zuruchgeht, doch wieder hatte das Erbe von Lie und Poincare (wenn iiberhaupt) nur einen geringen EinfluB auf dieses Gebiet. Einer der wenigen, der die Arbeiten von Lie und Poincare gut kannte, war Hamel. Welche Rolle spielt nun Lagrange? In Mecanique Analytique, Band 2, Gl. A auf S. 212 sind die Euler-Poincare-Gleichungen fur die Rotationsgruppe und eine ziemlich allgemeine Lagrangefunktion explizit aufgestellt. Lagrange schrankt sie zwar letztlich auf die Gleichungen des starren Korpers ein, wir soIl ten aber nicht vergessen, daB Lagrange genauso das entscheidende Konzept der Lagrangeschen Darstellung der Bewegung einer Flussigkeit entwickelt hat. Es ist allerdings ungewiB, ob er auch verstanden hat, daB beide Systeme Spezialfalle einer einzigen Theorie sind. Lagrange benotigt einen guten Teil des ganzen zweiten Bandes fur seine Herleitung der Euler-PoincareGleichungen fur SO(3). Sie ist nicht so durchsichtig wie wir sie heute aufschreiben wiirden, aber immerhin im Einklang mit der Grundidee der Reduktion, denn er versucht, die Gleichungen aus den Euler-Lagrange-Gleichungen auf TSO(3) durch den Ubergang auf die Liealgebra zu erhalten. 1m Hinblick auf die oben geschilderte historische Situation scheint die Bezeichnung "Euler-Lagrange-Poincare-Gleichungen" angemessen zu sein. Da Poincare die Verallgemeinerung auf beliebige Liealgebren ausgearbeitet und auf interessante Probleme fUr Flussigkeiten angewandt hat, ist klar, daB sie nach ihm benannt wurden, in Anbetracht der anderen Verwendungen des Begriffes "Euler-Lagrange" scheint jedoch "Euler-Poincare" eine vernunftige Wahl. Marsden und Scheurle [1993a, 1993b] und Weinstein [1996] untersuchten eine allgemeinere Version der Lagrangeschen Reduktion, bei der man die Euler-Lagrange-Gleichungen von TQ aufTQ/G iibertragt. Dies ist eine nichtabelsche Verallgemeinerung der klassischen Methode von Routh und fUhrt
452
13. Lie-Poisson- und Euler-Poincare-Reduktion
auf einen sehr interessanten Zusammenhang zwischen den Euler-Lagrangeund den Euler-Poincan~-Gleichungen, den wir im nachsten Abschnitt kurz skizzieren werden. Dieses Problem wurde auch von Hamel [1904] im Zuge seiner Arbeit tiber nichtholonome Systeme untersucht (vgl. Koiller [1992] und Bloch, Krishnaprasad, Marsden und Murray [1996] ftir weitere Informationen). Die gegenwartige Aktualitat der Mechanik und der Untersuchung ihrer Grundlagen ist bei ihrer langen Geschichte und Entwicklung ziemlich bemerkenswert. Sie resultiert aus einer intensiven Wechselwirkung mit der reinen Mathematik (von Topologie und Geometrie bis zur Darstellungstheorie) und durch neue und und unerwartete Anwendungen in Gebieten wie der Kontrolltheorie. Es ist vielleicht noch bemerkenswerter, daB einige absolut fundamentale Punkte fast ein Jahrhundert fUr ihre Vollendung benotigten, wie z.B. eine klare und unzweideutige Ausarbeitung des Zusammenhangs von Lies Arbeit tiber die Lie-Poisson-Klammer auf dem Dualraum einer Liealgebra und Poincares Arbeit tiber die Euler-Poincare-Gleichungen auf der Liealgebra selbst mit den grundlegendsten Beispielen in der Mechanik wie dem starren Korper und der Bewegung von idealen Fltissigkeiten. Die Lehre, die man daraus tiber die Kommunikation zwischen reiner Mathematik und den anderen mathematischen Wissenschaften ziehen kann, ist hoffentlich offensichtlich. Die Dynamik des starren Korpers. Urn diesen Abschnitt zu verstehen, wird es hilfreich sein, die Grundlagen der Dynamik des starren Korpers aus der Einleitung etwas zu vertiefen (weitere Details werden in Kap. 15 gegeben). Wir betrachten ein Element R E SO(3), das die Konfiguration des Korpers als eine Abbildung von einer Referenzkonfiguration B C ]R3 auf die aktuelIe Konfiguration R(B) angibt. Die Abbildung R verschiebt einen Referenzoder Markierungspunkt X E B auf den aktuellen Punkt x = RX E R(B). Vergleiche Abb. 13.2.
",.-
R
~------::o
momentane Konfiguration Abb. 13.2. Die Drehung R bildet die Referenzkonfiguration auf die aktuelle Konfiguration abo
13.5 Die Euler-Poincare-Gleichungen
453
1st ein starrer Korper in Bewegung, so ist die Matrix R zeitabhiingig und die Geschwindigkeit eines Punktes des Korpers durch x = RX = RR-1x gegeben. Da Reine orthogonale Matrix ist, sind R- 1R und RR- 1 schiefsymmetrische Matrizen und es gilt (13.65) wodurch der Vektor der riiumlichen Winkelgeschwindigkeit w definiert wird. wist durch Rechtstranslation von R in die Identitiit gegeben. Die zugehOrige korpereigene Winkelgeschwindigkeit ist durch (13.66) definiert, so daB n die Winkelgeschwindigkeit in Bezug auf ein korpereigenes Bezugssystem ist. Beachte, daB
R- 1RX = R- 1RR-1x = R- 1(w X x) = R-1w X R-1x = n x X
(13.67)
gilt, so daB n durch Linkstranslation von R in die Identitiit gegeben ist. Die kinetische Energie erhiilt man durch Aufsummation von mllxl1 2 /2 tiber den ganzen Korper: (13.68) wobei peine gegebene Massendichte in der Referenzkonfiguration ist. Wegen IIRXII = Ilw x xii = IIR-1(w x x)11 = lin x xII, ist K eine quadratische Funktion von
n. Durch (13.69)
wird der Triigheitstensor IT definiert, der eine positiv definite (3 x 3)-Matrix oder besser gesagt eine quadratische Form ist, wenn der Korper nicht zu einer Geraden degeneriert ist, Diese quadratische Form kann diagonalisiert werden und dies definiert die Haupttriigheitsachsen und -momente. In dieser Basis schreiben wir IT = diag( h,I2, h). Die Funktion K wird als Lagrangefunktion des Systems auf TSO(3) verwandt (und tiber die Legendretransformation erhalten wir die zugehOrige Hamiltonsche Beschreibung auf T*SO(3)). Beachte, daB man in (13.68) direkt sieht, daB K links- (nicht rechts- )invariant auf TSO(3) ist. Es folgt, daB die zugehOrige Hamiltonfunktion ebenfalls links invariant ist. Dynamik auf der Gruppe und Dynamik auf der Algebra. Vom Lagrangeschen Standpunkt sieht die Beziehung zwischen der Bewegung im R-Raum und der im Raum der Winkelgeschwindigkeit des Korpers (bzw. n-Raum) folgendermaBen aus:
454
13. Lie-Poisson- und Euler-Poincare-Reduktion
Satz 13.5.1. Die Kurve R(t) E SO(3) erfullt genau dann die Euler-LagrangeGleichungen fur die Lagrangefunktion des starren Korpers L(R, R) = wenn das durch R- 1 Rv schen Gleichungen
=
~
2
JrB p(X)IIRXI1
fl x v fur aile v E
2
]R3
d3 X,
(13.70)
definierte fl(t) die Euler-
[n = [fl x fl.
(13.71)
erfullt. Ein indirekter, aber instruktiver Beweis dieses Satzes besteht darin, zum Hamiltonschen Formalismus uberzugehen und die Lie-Poisson-Reduktion durchzufuhren. Ein direkter Weg ist die Verwendung eines Variationsprinzips. Nach dem Hamiltonschen Prinzip erfullt R(t) genau dann die EulerLagrange-Gleichungen, wenn 5
J
Ldt = 0
ist. Sei l(fl) = ~([fl). fl, so daBl(fl) = L(R, R) ist, wenn R und fl wie oben zusammenhangen. Urn zu sehen, wie wir das Hamiltonsche Prinzip transnach R und formieren sollen, differenzieren wir die Beziehung R- 1 R = erhalten -R- 1 (5R)R- 1 R + R- 1 (5R) = W. (13.72)
n
Definiere die schiefsymmetrische Matrix
E durch (13.73)
und den zugehOrigen Vektor E wie ublich durch
Ev = E x v. Beachte, daB
(13.74)
E = _R- 1 RR- 1 5R + R- 1 5R und somit (13.75)
gilt. Setzen wir (13.75) und (13.73) in (13.72) ein, so ergibt sich hE = W und somit
-Eh+E+
W = E + [h, E].
(13.76)
Er ist wegen der Jacobiidentitat fUr das Kreuz-
Die Gleichung [h, E] = (fl x produkt erfUllt und somit gilt
5fl =
E+
fl x E.
Durch diese Berechnung haben wir den folgenden Satz bewiesen:
(13.77)
13.5 Die Euler-Poincare-Gleichungcn
455
Satz 13.5.2. Das Hamiltonsche Variationsprinzip b 8i Ldt
=0
(13.78)
auf TSO(3) ist iiquivalent zu dem reduzierten Variationsprinzip b 8i ldt
=0
(13.79)
auflR. 3 , wobei die Variationen Ml von der Form (13.77) mit 17( a) sind.
= 17(b) = 0
Beweis (von Satz 13.5.1). Es gentigt, die zum reduzierten Variationsprinzip (13.79) aquivalenten Gleichungen auszuarbeiten. Da l(n) = (lIn, n)/2 und 1I symmetrisch ist, erhalten wir 8ibldt= i
b b (lIn,8n)dt= i (lIn,i;+nx17)dt
= ib [( - :tlIn,17) = ib (-
+ (lIn,n x
.E)] dt
~lIn+lIn x n,17)dt,
wobei wir partiell integriert und die Randbedingungen 17(b) = 17(a) = 0 verwandt haben. Da 17 ansonsten beliebig war, ist (13.79) aquivalent zu den Eulerschen Gleichungen d - dt (lIn) + lIn x
n = o.
•
Euler-Poincare-Reduktion. Wir verallgemeinern diese Prozedur nun auf den Fall einer beliebigen Liegruppe und werden spater einen direkten Zusammenhang zu den Lie-Poisson-Gleichungen herstellen.
Satz 13.5.3. Sei G eine Liegruppe, L : TG -+ lR. eine linksinvariante Lagrangefunktionund l : 9 -+ lR. ihre Einschriinkung auf das neutrale Element. Fur eine Kurve g(t) E G sei ~(t) = g(t)-l . g(t), also ~(t) = Tg(t)Lg(t)-lg(t). Dann sind die folgenden A ussagen iiquivalent:
(i) g(t) erfullt die Euler-Lagrange-Gleichungen fur L auf G. (ii) Fur Variationen mit festen Endpunkten gilt das Variationsprinzip
8
J
L(g(t),g(t))dt=O.
(13.80)
456
13. Lie-Poisson- und Euler-Poincare-Reduktion
(iii) Es gelten die Euler-Poincare-Gleichungen d 6l dt 6~
(iv) Das Variationsprinzip
6
* 6l
(13.81 )
= ad( 6(
Jl(~(t))
dt = 0
(13.82)
gilt auf g fur Variationen der Form
(13.83) wobei rJ an den Endpunkten verschwindet.
Beweis. Die Aquivalenz von (i) und (ii) gilt auf dem Tangentialbundel einer beliebigen Konfigurationsmannigfaltigkeit Q, wie wir aus Kap. 8 wissen. Urn die Aquivalenz von (ii) und (iv) zu zeigen, muJ3 man die Variation 6~ von ~ = g-lg = TLg-lg berechnen, die durch eine Variation von 9 induziert wird. Wir werden dies fUr Matrixgruppen tun, siehe Bloch, Krishnaprasad, Marsden und Ratiu [1996] fur den allgemeinen Fall. Fur diese Berechnung differenzieren wir g-lg in Richtung einer Variation 6g. Gilt 6g = dg/dE bei E = 0, wobei 9 zu einer Kurve g, erweitert ist, dann ist
6~ = :E
(g-l !g)
1,=0 =
-
(g-1 6gg -1)
9 + g-l
~2:E 1,=0'
wahrend im Fall rJ = g-16g
.
rJ
d g) = dtd ( 9 -1 "d E
iJ
1
E=O
ist. Die Differenz 6~ - ist somit der Kommutator [~, rJ]. Urn den Beweis zu vollenden, zeigen wir die Aquivalenz von (iii) und (iv). Unter Verwendung der Definitionen und durch partielle Integration erhalten wir 6
Jl(~)dt= J \:~,6~) dt= J \:~,(iJ+ad(rJ)) dt =
J\[- :t (:~) + ad~ :~] 'rJ)
dt,
woraus die Behauptung folgt. Es gibt naturlich eine rechtsinvariante Version dieses Satzes, in dem gg-l ist und (13.81) und (13.83) durch einen Vorzeichenwechsel zu d 6l _ d* 6l dt 6~ - -a (6~
un
d 6c : ~ -+ ~ eine Casimirfunktion. Die symplektischen Blatter sind die 8chalen des Hyperboloids
Co(a, b, c)
:=
~ (ab + ~C2)
= konstant
i= 0,
(14.78)
die zwei Halften (ohne die 8pitze) des Kegels
und der Koordinatenursprung. Man kann dies direkt uberprufen, indem man von Ad;-la = gag- 1 ausgeht. Die koadjungierte symplektische 8truktur auf diesen Hyperboloiden ist durch
w-(a, b, c) (ad(x,y,z) (a, b, c), ad(x',y',z') (a, b, c)) = -a(2zx' - 2xz') - b(2yz' - 2zy') - c(xy/ - yx/) 1
IIV'Co(a, b, c) I
(Flachenelement des Hyperboloids) (14.79)
14.6 Die Euklidische Gruppe der Ebene
489
gegeben. Urn die letzte Gleichung in (14.79) zu beweisen, verwendet man die Gleichungen
b, c) = (2az - cy, ex - 2bz, 2by - 2zx), adCx,y,z) (a, b, c) x ad(xf,yf,zf) (a, b, c) = (2bc(xy' - yx') + 4b 2(yz' - zy') + 4ab(zx' - xz'), 2ac(xy' - yx') + 4ab(yz' - zy') + 4a 2(zx' - xz'), c2 (xy' - yx') + 2bc(yz' - zy') + 2ac(zx' - xz'))
ad{x,y,z) (a,
und die Tatsache, daB \7(ab + ~c2) = (b, a, ~c) ein Normalenfeld auf dem Hyperboloid ist, und erhiilt wie in (14.56)
dA(a, b, c) (ad(x,y,z) (a, b, c), ad(xf,yf,zf) (a, b, c))
(b,a,~c)
*
*
II(b, a, ~c)11 . (ad(x,y,z) (a, b, c) x ad(xf,yf,zf) (a, b, c)) =
-II\7Co(a, b, c)ll· w-(a, b, c) (ad(x,y,z) (a, b, c), ad(xf,yf,zf) (a, b, c)).
Ubungen Ubung 14.5.1. Verwende die Spur, urn eine Casimirfunktion fur sr(3,~)* zu finden.
14.6 Die Euklidische Gruppe der Ebene Wir verwenden die Bezeichnungen und Notationen aus Ubung 11.4.3. Die dort definierte Gruppe SE(2) besteht aus den Matrizen der Form
a]
(Re,a):= [ Re 0 1 '
(14.80)
wobei a E ~2 und Re die Drehmatrix
R = [cos e- sin e] e sine cos e
(14.81)
ist. Das neutrale Element ist die (3 x 3)-Einheitsmatrix und das inverse ist
a]
[ Re o1
-1
= [R-e -R_ea] 0
1
.
(14.82)
Die Liealgebra sc(2) von SE(2) besteht aus (3 x 3)-Blockmatrizen der Form (14.83)
490
14. Koadjungierte Orbits
mit
1]
Jf=[O
(14.84)
-10
(beachte, daB wie tiblich JfT = Jf- 1 = -Jf ist) und dem Kommutator als Lieklammer. Identifizieren wir .5e(2) tiber den Isomorphismus
v]
[ -wJf o 0 E .5e(2)
r--t
(w, v) E ~ 3
(14.85)
mit dem ~3, wird der Ausdruck fUr die Lieklammer
[(w, VI, V2), ((, WI, W2)] = (0, (V2 - WW2, WWl - (vd = (0, wJfTW - (JfT v),
(14.86)
wobei v = (Vl,V2) und w = (Wl,W2) ist. Die adjungierte Wirkung von
a]
(Re, a) = [ Re 0 1
auf
v]
-wJf (w, v) = [ 0 0
ist durch die Konjugation (14.87)
oder in Koordinaten durch Ad(Re,a)(W,v) = (w,wJfa+Rev )
(14.88)
gegeben. In der Rechnung haben wir die Beziehung ReJf = JfRe verwendet. Identifizieren wir .5e(2)* tiber die nichtausgeartetete Paarung, die durch die Spur des Produktes zweier Matrizen gegeben ist, mit den Matrizen der Form
[ pa
0]0 '
(14.89)
so ist .5e(2)* tiber (14.90)
isomorph zum ~3, so daB in diesen Koordinaten die Paarung zwischen .5c(2)* und .5e(2) zu ((f.L, a), (w, v)) = f.LW + a· v, (14.91) also dem gewohnlichen Skalarprodukt im ~3 wird. Die koadjungierte Wirkung ist somit (14.92)
14.6 Die Eukliclische Gruppe cler Ebene
491
Mit (14.82), (14.84), (14.88), (14.91) und (14.92) erhalten wir namlich (Ad(Re,a)-l (J-l, a), (w, v))
= (J-l, a), Ad(R_e,-R_ea)(w, v)) = (J-l, a), (w, -w]R-ea + R-ev)) = J-lw - wa . ]R-ea + a . R-ev = (J-l - a . R-e]a) w + Rea· v = (J-l- Rea· ]a, Rea), (w, v)).
Koadjungierte Orbits in se(2)*. Gleichung (14.92) zeigt, daB die koadjungierten Orbits die Zylinder T* S~ = {(J-l, a) Illall = konstant} fUr a =I- 0 und die Punkte auf der J-l-Achse sind. Die kanonische Kotangentialbundelprojektion, die wir mit 1f : T* S~ ---+ S~ bezeichnen, ist durch 1f(J-l, a) = a definiert. Da SE(2) zusammenhangend ist, folgt aus Korollar 14.4.1 (iii), daB die Casimirfunktionen mit den unter der koadjungierten Wirkung (14.92) invarianten Funktionen zusammenfallen, also alle Casimirfunktionen von der Form (14.93) mit einer glatten Funktion
if> :
[0, (0) ---+ JR. sind.
Die Lie-Poisson-Klammer auf se(2)*. Als nachstes bestimmen wir die (±)-Lie-Poisson-Klammer auf se(2)*. Fur F : se(2)* ~ JR. x JR.2 ---+ JR. ist die Funktionalableitung (14.94) wobei (J-l, a) E se(2)* ~ JR. x JR.2 ist und 'VaF den Gradienten von F bzgl. a bezeichnet. Die (±)-Lie-Poisson-Struktur auf se(2)* ist dann durch (14.95) gegeben. Es kann nun direkt nachgewiesen werden, daB die durch (14.93) gegebenen Funktionen tatsachlich Casimirfunktionen fUr die Klammer (14.95) sind.
Die symplektische Form auf den Orbits. von se(2) auf se(2)* ist durch
Die koadjungierte Wirkung (14.96)
gegeben. Auf dem koadjungierten Orbit, der einen Zylinder um die J-l-Achse darstellt, ist die koadjungierte symplektische Struktur
492
14. Koadjungierte Orbits
W(fL, a) (adce,u)(fL, a), ad C7l ,v)(fL, a))
= ±(Oa . v - 1]]a . u) = ±(Flachenelement dA auf dem Zylinder)/llall.
(14.97)
Die letzte Gleichung beweist man folgendermaBen: Da die auBere Einheitsnormale an den Zylinder (0, a)/llall ist, ergibt sich mit (14.96) fur das Flachenelement dA dA(fL, a)(( -]a· u, ~]a), (-]a . v, 1]]a))
.
= M' [((-]a· u,Oa) x (-]a· u,Oa)] ~,a)
=
Ilall(~]a·
v -1]]a' u).
Wir zeigen nun, daB die symplektische Form Iiallw~ auf dem Orbit durch (fL, a) die kanonische symplektische Form des Kotangentialbundels T* 5; ist. Wegen 7r(fL,a) = a folgt aus (14.96), daB T(IL,a)7r (
adC~,u) (fL, a)) = Oa
ist (aufgefaBt als Tangentialvektoren an 51 in a). Die Lange dieses Vektors ist 1~lllall, so daB wir ihn mit dem Paar Wlall, a) E Ta5; identifizieren. Die kanonische I-Form ist durch
8(fL, a) . ad(~,u) (fL, a) = (fL, a) . T(IL,a)7r
(ad(~,u) (fL, a))
= (fL, a) . (~llall, a) =
fL~llall·
(14.98)
gegeben. Urn die kanonische symplektische Form D auf T* 51 in dieser Notation zu berechnen, erweitern wir die Tangentialvektoren adce,u)(fL,a)
und
ad C7l ,v)(fL,a) E
T(IL,a)
(T*5;)
zu Vektorfeldern
und erhalten adC~,u)(fL, a) .
[8(Y)](fL, a) = d8(Y)(fL, a) . ad(~,u)(fL, a) =
! It=o
8(Y)(fL(t), a(t)),
wobei (fL(t),a(t)) eine Kurve in T*5; ist, fur die
(fL(O), a(O)) = (fL, a)
und
(11'(0), a'(O)) = adCe,u)(fL, a)
14.6 Die Eukliclische Gruppe cler Ebene
gilt. Wegen 1100(t)11
=
493
110:11 folgern wir, daB dies gleich
:t It=o
/L(t)1)llo:ll
= JL'(0)1)110:11 =
(14.99)
-]0:. U1)llo:ll
ist. Analog ist ad(T/,v)(/L, 0:) . (8(X))(/L, 0:) = -]0:. v(llo:ll. Aus X
= ((, U)se(2)*
und Y
=
(1), V)se(2)* folgt
[X, Y](/L, 0:) = -[((, u), (1), V)]se(2)* (/L, 0:) = -(0, OT V -
=
(14.100)
1)]T U)se(2)*
(/L, 0:)
-ad(o,t;Fv-T/Fu) (/L, 0:)
und mit (14.98)
8([X, Y])(/L, 0:) = O.
(14.101)
Wir erinnern auch an die allgemeine Beziehung
d8(X, Y) = X [8(Y)] - Y [8(X)] - 8([X, Y])
(14.102)
aus Kap. 4. Damit und mit (14.100) und (14.101) erhalten wir
[l(/L, 0:) (ad(t; ,u) (JL, 0:), ad(T/,v) (/L, 0:) )
= -d8(X, Y)(/L, 0:) =
-ad(t;,u)(/L,o:)· [8(Y)](/L,0:) +ad(T/,v)(/L, 0:) . [8(X)](/L, 0:) + 8([X, Y])(/L, 0:)
=
-110:11 (00: . v - 1)]0:. u),
was zeigt, daB
[l = 110011w- = -(Flachenelement auf dem Zylinder mit Radius 110:11) ist. Deformationen einer Liealgebra. Die Poissonstrukturen von so(3)*, s[(2, lH.)* und sc(2)* lassen sich in einer groBeren Poissonmannigfaltigkeit zusammenfassen. Weinstein [1983b] betrachtet fur jedes c E lH. die Liealgebra 9" mit der abstrakten Basis Xl, X 2, X3 und den Vertauschungsrelationen (14.103) Fur c
> 0 definiert
Xl H JE(I, 0,
die Abbildung
Or,
X 2 H JE(O, 1,
or
und
X3 H (0,0,
lr
(14.104)
einen Isomorphismus von 9" mit so(3), wahrend fur c = 0 die Abbildung
494
14. Koadjungierte Orbits Xl N
(0,0,-1),
X2N
(0,-1,0) und
X3 N
(-1,0,0)
(14.105)
einen Isomorphismus von go mit sc(2) und fUr c < 0, die Abbildung Xl N
F [10] -20 -1 '
X2
N
F2
[01] 10
und
1[0 -1]
X3 N"2
1 0
einen Isomorphismus von gc mit s((2, ffi.) definiert. Die (+ )-Lie-Poisson-Struktur von g; ist durch die Vertauschungsrelationen
(14.106) der Koordinatenfunktionen Xi E g; = ffi.3, (Xi, Xj) = Oij gegeben. Betrachte im ffi.4 mit den Koordinatenfunktionen (Xl, X2, X3, c) die obigen Vertauschungsrelationen zusammen mit {c,xd = {c,X2} = {C,X3} = O. Dies definiert eine Poissonstruktur auf ffi.4, die keine Lie-Poisson-Struktur ist. Die Blatter dieser Poissonstruktur sind aIle zweidimensional im Raum (Xl, X2, X3) und die Casimirfunktionen sind aIle Funktionen von xi + x~ + cx~ und c. Die Inklusion von g; in ffi.4 mit der obigen Poissonstruktur ist eine kanonische Abbildung. Die Blatter von ffi.4 mit der obigen Poissonstruktur sind fur die verschiedenen Bereiche von c in Abb. 14.1 dargesteIlt. fL
",
c=O jI
a-b
/---
-----
Abb. 14.1. Die koadjungierte Struktur fUr .50(3)*, .5e(2)* und .51(2, JR)*.
14.7 Die Euklidische Gruppe im dreidimensionalen Raum
495
14.7 Die Euklidische Gruppe im dreidimensionalen Raum Die Euklidische Gruppe, ihre Liealgebra und deren Dualraum. Ein Element von SE(3) ist ein Paar (A, a) einer Matrix A E SO(3) und eines Vektors a E JR.3. Die Wirkung von SE(3) auf JR.3 ist eine Drehung A, gefolgt von einer Translation durch den Vektor a und somit durch (A, a) . x
= Ax + a
(14.107)
gegeben. Unter Verwendung dieser Beziehung sieht man, daB die Multiplikation und die Inversion in SE(3) durch (A, a)(B, b) = (AB, Ab + a)
(A, a)-l = (A-I, -A-1a)
und
(14.108)
fUr A, B E SO(3) und a, b E JR3 gegeben sind. Das neutrale Element ist (Id, 0). Beachte, daB SE(3) durch die Abbildung
(A, a)
~ [ ~ ~]
(14.109)
in SL( 4; JR.) eingebettet werden kann und man somit durch diese Einbettung SE(3) als eine Matrixgruppe behandeln kann. Insbesondere ist die Liealgebra .se(3) von SE(3) isomorph zu einer Unterliealgebra von .s(( 4; JR) mit Elementen der Form (14.110) und dem Kommutator von Matrizen als Lieklammer. Dies zeigt, daB die Lieklammer auf .se(3) durch [(x,y), (x',y')] = (x
X
x',x
X
y' - x' x y)
(14.111)
gegeben ist. Wegen
und
ist die adjungierte Wirkung von SE(3) auf .se(3) durch Ad(A,a)(x,y) = (Ax,Ay - Ax x a)
(14.112)
gegeben. Die (6 x 6)-Matrix von Ad(A,a) ist durch (14.113)
496
14. Koadjungierte Orbits
gegeben. Identifizieren wir den Dualraum von se(3) uber das Skalarprodukt in jedem Eingang mit ]R.3 x ]R.3, so ist die Matrix von Ad(A,a)-l durch die Inverse der Transponierten der (6 x 6)-Matrix (14.113) gegeben, also gleich
aA] [A oA .
(14.114)
Also hat die koadjungierte Wirkung von SE(3) auf se(3)* = ]R.3 x ]R.3 den Ausdruck (14.115) Ad(A,a)-l (u, v) = (Au + a x Av, Av). (Diese Liealgebra ist ein semidirektes Produkt und aIle hier speziell hergeleiteten Gleichungen sind Spezialfalle von allgemeineren Gleichungen, die man in Arbeiten uber semidirekte Produkte findet. Siehe z.B. Marsden, Ratiu und Weinstein [1984a, 1984b]. ) Koadjungierte Orbits in sc(3)*. Sei {e1,e2,e3,f1,f2,fJ} eine Orthonormalbasis von se(3) =]R.3 x]R.3 mit ei = fi' i = 1,2,3. Die dazu bzgl. des Skalarproduktes duale Basis von se(3)* ist wieder {el' e2, e3, f1' f2, f3}. Seien e und f zwei beliebige Vektoren mit e E span{e1, e2, e3} und f E span {f1' f2' f3}. Fur die koadjungierte Wirkung ist der einzige nulldimensionale Orbit der Koordinatenursprung. Da se(3) sechsdimensional ist, kann es auch zwei- und vierdimensionale koadjungierte Orbits geben. Diese treten tatsachlich auf und lassen sich in drei Klassen einteilen. Typ I:
Der Orbit durch
(e,O)
ist die 2-Sphiire vom Radius
Ilell
SE(3) . (e, 0) = { (Ae, 0) I A E SO(3) } = S~ell'
(14.116)
Typ II: Der Orbit durch (0, f) ist das Tangentialbundel der 2-Sphiire mit Radius Ilfll
SE(3) . (0, f) = { (a X Af, Af) I A E SO(3), a E ]R.3 }
= {(u,Af) I A E SO(3), u 1. Af} = TS~fll' (14.117) Beachte, daB der Vektoranteil im ersten Eintrag steht. Typ III:
Der Orbit durch (e, f) mit e, f
=/=-
0 ist
SE(3) . (e, f) = {(Ae + a x Af, Af) I A E SO(3), a E]R.3}.
(14.118)
Wir werden weiter unten zeigen, daB dieser Orbit zu T S~fll diffeomorph ist. Betrachte die glatte Abbildung e . f ) E TS 2 , c.p: (A,a) E SE(3) r-+ ( Ae+a x Af - TIf1j2Af,Af 11fll
(14.119)
14.7 Die Euklidische Gruppe im dreidimensionalen Raum
497
die rechtsinvariant unter der Wirkung des Stabilisators SE(3)(e,f) = {(B, b) I Be + b x f = e, Bf = f}
(14.120)
ist (vgl. (14.115)), so daB rp((A,a)(B, b)) = rp(A,a) fUr alle (A, a) E SE(3) und (B, b) E SE(3)(e,f) gilt. Daher induziert rp eine glatte Abbildung rp : SE(3)/SE(3)(e,f) --+ TS~fll' Die Abbildung rp ist injektiv, denn aus rp(A, a) = rp(A', a') folgt
(A, a)-l(A', a') = (A- 1 A', A-1(a' - a)) E SE(3)(e,f), wie man leicht sieht. Urn zu sehen, daB rp (und somit auch rp) surjektiv ist, sei (u, v) E TS~fll' d.h. Ilvll = Ilfll und U· v = O. Wahle dann ein A E SO(3) mit Af = v und setze a = [v x (u - Ae)l/llfI12. Man zeigt dann mit (14.119) direkt, daB rp(A, a) = (u, v) ist. Also ist rp eine bijektive Abbildung. Da die Ableitung von rp in (A, a) in Richtung von T(I,O)L(A,a) (x, y) = (Ax, Ay) gleich
T(A,a)rp(Ax,Ay) = dd I t
=
rp(Aetx,a+tAy)
t=O
(A(x x e + y x f) + a x A(x x f) e·f -llfl1 2 A(x x f), A(x x f))
(14.121)
ist, besteht ihr Kern aus den Elementen, die durch Linkstranslation von
{ (x, y) E se(3) I x x e + y x f = 0, x x f = O}
(14.122)
mit (A, a) entstehen. Bilden wir jedoch die Ableitungen der definierenden Relationen in (14.120) in (B, b) = (Id, 0), sehen wir, daB (14.122) mit se(3)(e,f) ubereinstimmt. Dies zeigt, daB <j5 eine Immersion ist und somit wegen dim(SE(3)/SE(3)(e,f)) = dimTS~fll = 4 folgt, daB <j5 ein lokaler Diffeomorphismus ist. Also ist <j5 ein Diffeomorphismus. Urn den Tangentialraum an diese Orbits zu bestimmen, verwenden wir Proposition 14.2.1, nach der T!-,O der Annihilator der koadjungierten Stabilisatorunteralgebra bei f.L ist. Die koadjungierte Wirkung der Liealgebra se(3) auf ihren Dualraum se(3)* berechnet sich zu
ad(x,y)(u, v) = (u x x
+v
x y, v x x).
(14.123)
Also ist die Stabilisatorunteralgebra se(3)(u,v) wieder durch (14.122) gegeben, d.h. die Menge { (x, y) E se(3) I u x x + v x y = 0, v x x = O}. Sei o ein nichttrivialer koadjungierter Orbit in se(3)*. Dann kann man den Tangentialraum an einen Punkt in 0 fur die einzelnen der drei Typen von Orbits folgendermaBen charakterisieren:
498
14. Koadjungierte Orbits
Typ I:
Wegen
ge(3)(e,O) = {(x,y) E ge(3) I e
X X
= O} = span(e)
X
lli.3
(14.124)
ist der Tangentialraum an 0 in (e, 0) der Tangentialraum an die Sphare mit Radius Ilell an den Punkt e im erst en Faktor. Typ II:
Wegen
ge(3)(O,f) = {(x, y) E ge(3) I f x y = 0, f x x = O} = span(f) x span(f) (14.125)
ist der Tangentialraum an 0 in (0, f) gleich f1- x f1-, wobei f1- die zu f senkrechte Ebene bezeichnet. Typ III:
Wegen
ge(3)(e,f) = {(x, y) E ge(3) I e x x + f x y = 0 und f x x = O}
= {(clf, cle + c2f) I Cl, C2
E lli.}
(14.126)
ist der Tangentialraum in (e, f) an 0 das orthogonale Komplement des Raumes, der von (f, e) und (0, f) aufgespannt wird, also gleich { (u, v) I u . f + v . e = 0 und v . f = 0 }. Die koadjungierte symplektische Form auf den Orbits. Sei 0 ein nichttrivialer Orbit von ge(3)*. Wir betrachten die verschiedenen Typen von Orbits wie oben getrennt. Typ I: Enthalt 0 einen Punkt der Form (e, 0), so ist der Orbit 0 gleich S~ell x {O}. Die (- )-koadjungierte symplektische Form ist
w-(e, O)(adCx,y)(e, 0), adCXf,yf)(e, 0))
-e· (x x x').
=
(14.127)
Also ist die symplektische Form auf 0 in (e, 0) das Flachenelement der Sphare mit Radius Ilell multipliziert mit -l/llell (vgl. (14.54) und (14.56)). Typ II: Enthalt 0 einen Punkt der Form (O,f), so ist 0 gleich T S~fll. Sei (u, v) EO, also Ilvll = Ilfll und u 1- v. Die symplektische Form ist in diesem Fall
w- (u, v) (adCx,y) (u, v), adCxf,yf) (u, v))
= -u· (x
X
x') -
V·
(x
X
y' - x'
X
y).
(14.128)
Wir zeigen, daB diese Form exakt, d.h. w- = -de gilt mit
e(u, v) . adCx,y)(u, v) =
U·
x.
(14.129)
14.7 Die Euklidische Gruppe im dreidimensionalen Raum
499
Beachte zunachst, daB 8 tatsachlich wohldefiniert ist, denn aus ad(x,y)(U, v) = ad(x/,y/)(U, v) folgt mit (14.123) (x - x') x v = 0, also x - x' = cv fUr eine Konstante c E ffi. und wegen u.l v folgt daraus, daB U· x = U· x' ist. Urn nun d8 zu berechnen, verwenden wir die Beziehung d8(X, Y) = X[8(Y)] - Y[8(X)] - 8([X, Y]) fUr Vektorfelder X, Y auf O. In dieser wahlen wir X und Y als X(U,v) = (x,Y)se(3)*(U,V) = -ad(x,y)(U,v),
Y(u, v) = (x', y')se(3)* (u, v) = -ad(x/,y/)(U, v) fur feste x, y, x', y' E ffi.3. Zur Berechnung von X[8(Y)](u, v) betrachten wir den Weg (U(E), V(E)) = (eEXu - E(V x y), eEXv), fur den (u(O), v(O)) = (u, v) und (U'(O), v'(O)) = -(u x x + v x y, v x x) = -ad(x,y)(u, v) = X(u, v) gilt. Dann ist
X[8(Y)](u, v) = :E IE=o 8(Y)(U(E), V(E)) =
~I dE
E=O
-U(E)·X'=(uxx+vxy)·x'.
Analog folgt Y[8(X)](u, v) = (u x x' + v x y') . x. SchlieBlich ist
[X, Y](u, v) = [(x,Y)se(3)*,(X',y')se(3)*](U,v) = -[(x, y), (x', y')]se(3)* (u, v) = -(x x x',x x y' -x' x y)se(3)*(U,V) = ad(xxx/,xXy/_X/XY)(u, v). Demzufolge gilt -d8(u, v)(ad(x,y)(u, v), ad(x/,y/)(U, v)) = -X[8(Y)](u, v) + Y[8(X)](u, v) + 8([X, Y])(u, v) = -(u x x + v x y) . x' + (u x x' + v x y') . x + U· (x x x') = -u· (x x x') - V· (x x y' - x' x y), was mit (14.128) ubereinstimmt. Die durch (14.129) gegebene Form 8 ist die kanonische symplektische Struktur, wenn wir TS~fll uber die Euklidische Metrik mit T* S~fll identifizieren.
500
14. Koadjungierte Orbits
Typ III: Enthalt 0 den Punkt (e, f) mit e -=f. 0 und f -=f. 0, so ist 0 folgendermaBen diffeomorph zu T*SITfll: Die durch (14.119) gegebene Abbildung r.p : SE(3) --t T* SITfll induziert einen Diffeomorphismus "q? : SE(3) /SE(3)(e,f) --t T* SITfli. Auf jeden Fall ist der Orbit 0 durch (e, f) diffeomorph zu SE(3)/SE(3)(e,f), wobei ein Diffeomorphismus durch
(A, a)
1-7
Ad(A,a)-l (e, f)
(14.130)
gegeben ist. Demzufolge ist der Diffeomorphismus P : 0 --t T* SITfl1 durch p(Ad(A,a)-l (e, f)) = P(Ae + a x Af, Af) =
e·f (Ae + a x Af - 11£11 2 Af, Af)
(14.131)
gegeben. Ist (IT, v) EO, so ist die koadjungierte symplektische Struktur durch (14.128) gegeben, wobei IT = Ae+a x Af, v = Af fUr ein A E SO(3) und ein a E ]R3 ist. Sei
e· f e· f U = Ae + a x Af - IIfl12Af = IT - IIfl12 v, v=Af=v
(14.132)
das Paar von Vektoren (u, v), das ein Element von TSITfl1 reprasentiert. Beachte Ilvll = Ilfll und u . v = O. Dann kann ein Tangentialvektor an TSITfll in (u, v) als ad(x,y)(U, v) = (u x x + v x y, v x x) dargestellt werden, so daB mit (14.131) T(u,v)p-l(ad(x,y)(u, v)) = :E IE=O p-l(e-EXu + E(V x y), eEXv) d
I
= dE E=O
(-EX ( e U+ E V
= (U x x + v x y + = (IT
X
Y
)+
e . f -EX -EX) 11/112 e v, e v
~f·ll~ (v x x), v x x)
x x + V x y, V x x)
= ad(x,y) (IT, v) gilt. Damit ist der Pushforward der koadjungierten symplektischen Form wauf TSITfl1 (P*w-)(u, v)(ad(x,y)(u, v), ad(x',y') (u, v)) = w-(IT, v) (T(u,v)p-l (ad(x,y)(u, v)), T(U,V)p-l (ad(x',y') (u, v))
w-(IT, v) (ad(x,y) (IT, v), ad(x',y') (IT, v)) = -IT· (x x x') - V· (x X y' - x' X y)
=
= -u· ( x x x ') -
V·
(
. f V· (X x x y I - x I x y ) - eIIfl12
X
') (14.133 ) x.
14.7 Die Euklidische Gruppe im dreidimensionalen Raum
501
Die erst en zwei Terme stellen die kanonische symplektische Struktur auf TS~fll dar (uber die Euklidische Metrik mit T*S~fll identifiziert), wie wir in der Untersuchung der Orbits vom Typ II gesehen haben. Der dritte ist die folgende 2-Form auf TS~fll:
,6(u, v)
(ad(x,y) (u, v), ad(xf,yf) (u, v)) = - ~f·ll~ v . (x X x').
(14.134)
e
Wie im Fall von fur die Orbits vom Typ II sieht man schnell, daB durch (14.133) eine wohldefinierte 2-Form auf TS~fll gegeben ist. Sie ist abgeschlossen, da sie die Differenz von P*w- und der kanonischen 2-Form auf TS~fll ist. Die 2-Form ,6 ist ein magnetischer Term im Sinne von §6.6. Es sei noch angemerkt, daB die Theorie der semidirekten Produkte von Marsden, Ratiu und Weinstein [1984a, 1984b] in Verbindung mit der Reduktionstheorie auf Kotangentialbundeln (siehe z.B. Marsden [1992]) einen alternativen Zugang zu der Berechnung der koadjungierten symplektischen Formen liefert. Wir verweisen auf Marsden, Misiolek, Perlmutter und Ratiu [1998] fUr Details.
Ubungen Ubung 14.7.1. Sei K eine quadratische Form auf ~3 und K die zugehOrige symmetrische (3 x 3)-Matrix. Sei weiter {F,L}K = -\lK· (\IF x \lL).
Zeige, daB dies die Lie-Poisson-Klammer fur die Liealgebrenstruktur
[u, VlK = K(u x v) ist. Was ist die zugrundeliegende Liegruppe?
Ubung 14.7.2. Bestimme die koadjungierten Orbits fUr die Liealgebra in der vorhergehenden Ubung und berechne die koadjungierte symplektische Struktur. Spezialisiere dies auf den Fall SO(2, 1). Ubung 14.7.3. Klassifiziere die koadjungierten Orbits von SU(I,I), der Gruppe der komplexen (2 x 2)-Matrizen mit Determinante 1 der Form
Ubung 14.7.4. Die Heisenberggruppe ist wie folgt definiert: Gehe von der abelschen Gruppe ~2 mit der symplektischen Standardform w aus, die durch
502
14. Koadjungierte Orbits
die gewohnliche Volumenform auf der Ebene gegeben ist. Bilde die Gruppe H = ]R2 E8 ]R mit der Multiplikation
(u,o:)(v,,8) = (u+v,o:+,8+w(u,v)). Beachte, daB das neutrale Element (0,0) und das Inverse von (u, 0:) durch (u,0:)-1 = (-u, -0:) gegeben ist. Berechne die koadjungierten Orbits dieser Gruppe.
15. Der freie starre Korper
Als eine Anwendung der von uns entwickelten Theorie wollen wir nun die Bewegung eines freien starren Karpers urn einen festen Punkt behandeln. Wir beginnen mit der Kinematik der Bewegung des starren Karpers. Unsere Beschreibung der Kinematik starrer Karper verwendet einige Begriffe und Konventionen der Kontinuumsmechanik, wie sie in Marsden und Hughes [1983] vorgestellt werden.
15.1 Materielle, raumliche und korpereigene Koordinaten Betrachte einen starren Karper, der sich frei im 1Il3 bewegt. Eine Referenzkonfiguration 13 des Karpers ist der AbschluB einer offenen Menge im 1Il 3 mit einem stuckweise glatten Rand. Die Punkte in 13 bezeichnen wir mit X = (X l ,X 2 ,X 3 ) E 13 bzgl. einer Orthonormalbasis (E l ,E 2 ,E3 ) und nennen sie materielle Punkte und die Koordinaten Xi, i = 1,2,3 materielle Koordinaten. Eine Konfiguration von 13 ist eine Abbildung cP : 13 -+ 1Il3 die (in unserem Rahmen) stetig differenzierbar, orientierungserhaltend und auf ihrem Bild umkehrbar ist. Punkte im Bild von cP nennen wir riiumliche Punkte und bezeichnen sie mit kleinen Buchstaben. Sei nun (el' e2, e3) eine rechtshandige Orthonormal basis des 1Il3. Die Koordinaten fur raumliche Punkte wie x = (xl, x 2 , x 3 ) E 1Il3 , i = 1,2,3, bzgl. der Basis (el,e2,e3) hei£en riiumliche Koordinaten, vgl. Abb. 15.1. Dazu dual kann man materielle GroBen wie auf 13 definierte Abbildungen betrachten, z.B. Z : 13 -+ R Aus diesen kann man durch Komposition raumliche GraBen bilden: Zt = Zt 0 CPt l . Raumliche GraBen werden auch Eulersche Grofien und materielle GraBen werden auch Lagrangesche Grofien genannt. Eine Bewegung von 13 ist eine zeitabhangige Familie von Konfigurationen, die wir als x = cp(X, t) = CPt(X) oder kurz als x(X, t) oder Xt(X) schreiben. Raumliche GraBen sind Funktionen von x und werden meist mit Kleinbuchstaben bezeichnet. Durch Komposition mit CPt, werden aus raumlichen GraBen Funktionen der materiellen Punkte X. Ein staTTer Korper ist dadurch gekennzeichnet, daB der Abstand zwischen je zwei Punkten des Karpers bei der Bewegung des Karpers unverandert J. E. Marsden et al., Einführung in die Mechanik und Symmetrie © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2001
504
15. Der freie starre Korper
Abb. 15.1. Konfigurationen, diumliche und materielle Punkte.
bleibt. Wir nehmen an, daB keine auBeren Krafte auf den Korper wirken und der Schwerpunkt immer im Koordinatenursprung ruht (vgl. Ubung 15.1.1). Da jede Isometrie des ]R3, die den Koordinatenursprung fest laBt, eine Drehung ist (ein Satz aus dem Jahre 1932 von Mazur und Ulam), ergibt sich
x(X, t) = R(t)X,
d.h.,
Xi
= R}(t)xj,
i,j
= 1,2,3, Summation uber j,
wobei Xi die Komponenten von X bzgl. der im Raum festen Basis ell e2 , e3 sind und [R) 1die Matrix von R bzgl. der Basen (E l , E 2, E 3) und (ell e2, e3) ist. Die Bewegung wird als stetig angenommen und R(O) ist die Identitat, so daB det(R(t)) = 1 gilt und somit auch R(t) E SO(3), der speziellen orthogonalen Gruppe. Demnach kann der Konfigurationsraum fur die Drehbewegung eines starren Korpers mit SO(3) identifiziert werden. Der Geschwindigkeitsphasenraum des freien starren Korpers ist also TSO(3) und der Impulsphasenraum das Kotangentialbundel T*SO(3). Meistens parametrisiert man SO(3) durch die Eulerschen Winkel, die wir in §15.6 einfuhren werden. Zusatzlich zu den materiellen und den raumlichen Koordinaten gibt es noch ein drittes besonders ausgezeichnetes Koordinatensystem, die mitgefiihrten oder korpereigenen K oordinaten. Diese Koordinaten beziehen sich auf eine bewegte Basis, und die Beschreibung der Bewegung des starren Korpers wird in dies en von Euler eingefiihrten Koordinaten besonders einfach. Sei wie zuvor E l , E 2, E3 eine in der Referenzkonfiguration feste Orthonormalbasis. Definiere die zeitabhangige Basis ~ l' ~2' ~3 durch ~i = R( t )Ei' i = 1,2,3, so daB sich ~l' ~2' ~3 mit dem Korper mitbewegt. Die korpereigenen Koordinaten eines Vektors im ]R3 sind seine Komponenten bzgl. ~i. Fur einen im Ursprung verankerten rotierenden starren Korper stellen wir uns (el,e2,e3) als eine im Raum feste Basis vor, wahrend (~l'~2'~3) eine am Korper feste und mit ihm mitbewegte Basis ist. Daher bezeichnen wir (el,e2,e3) als riiumliches Koordinatensystem und (~l'~2'~3) als korpereigenes Koordinatensystem, vgl. Abb. 15.2.
15.2 Die Lagrangefunktion des freien starren Korpers
505
~3
- 7 1 L - - - - -- E 2 \ el Ein raeumlich festes Bezugssystem Ein koerpereigenes Bezugssystem
Abb. 15.2. Raumliche und korpereigene Koordinatensysteme.
Ubungen Ubung 15.1.1. Leite den Konfigurationsraum 80(3) des starren K6rpers aus dem Konfigurationsraum 8E(3) durch "Ausreduzieren" (siehe §10.7, und die 8atze zur Euler-Poincare- und Lie-Poisson-Reduktion) der Translationen her.
15.2 Die Lagrangefunktion des freien starren Korpers Die Trajektorie eines materiellen Punktes X E B des K6rpers im Raum ist x(t) = R(t)X mit R(t) E 80(3). Die materielle oder Lagrangesche Geschwindigkeit V(X, t) ist durch
V(X, t) =
ax~, t) = R(t)X
(15.1)
definiert, die riiumliche oder Eulersche Geschwindigkeit v(x, t) hingegen durch
v(x, t) = V(X, t) = R(t)R(t)-lx.
(15.2)
Die korpereigene oder mitgefiihrte Geschwindigkeit V(X, t) resultiert daraus, daB wir die X als zeitabhangig und die x als fest betrachten, also X(x, t) = R(t)-lx schreiben und dann
V(X, t) = -
aX(x t) . at' = R(t)-l R(t)R(t)-lX
= R(t)-l R(t)X = R(t)-l V(X, t) = R(t)-lv(x, t)
(15.3)
506
15. Der freie starre Korper
V(X. t) = R(t)-lv(x. t)
V(X. t) = v(x. t)
Abb. 15.3. Die materielle Geschwindigkeit V, raumliche Geschwindigkeit v und korpereigene Geschwindigkeit V.
definieren, siehe Abb. 15.3. Die Massenvertei1ung des K6rpers sei in der Referenzkonfiguration durch ein DichtemaB POd3 X mit kompaktem Trager gegeben, welches in Punkten auBerha1b des K6rpers verschwindet. Dann ge1ten fUr die durch die kinetische Energie definierte Lagrangefunktion die fo1genden Ausdriicke, die durch Variab1entransformation und die Beziehung IIVII = IIVII = Ilvll auseinander fo1gen:
L=
~ { Po(X)IIV(X, t)112 d3 X 2
JB
= ~ {
2 JR(t)B
(materielle Darstellung)
po(R(t)-lx)llv(x, t)112 d3 x
(raum1iche Dstg.)
= ~ (po(X)IIV(X,t)11 2 d3 X (k6rpereigeneDstg.). 2
JB
(15.4) (15.5) (15.6)
Durch Differenzieren von R(tf R(t) = Id und R(t)R(t)T = Id nach t sieht man, daB sowoh1 R(t)-l R(t) a1s auch R(t)R(t) - l schiefsymmetrisch sind. Weiter fo1gt mit (15.2), (15.3) und der k1assischen Definition
v = w x r = wr der Winkelgeschwindigkeit, daB die durch
und
wet) = R(t)R(t)-l
(15.7)
net) = R(t)-l R(t)
(15.8)
definierten Vektoren wet) und net) in IR3 die riiumliche und die mitgefuhrte Winkelgeschwindigkeit des K6rpers darstellen. Beachte, daB wet) = R(t)n(t) gilt, bzw. in Matrixschreibweise
15.3 Lagrange- und Hamiltonfunktion in korpereigener Darstellung
507
Wir wollen zeigen, daB L : TSO(3) -+ ~ aus (15.4) linksinvariant ist. Ist niimlich B E SO(3), so ist die Linkstranslation mit B
also gilt
L(TLB(R, R)) =
=
~
2
isrPo(X)IIBRXI1
2
d3 X
~ lpo(X)IIRXI1 2 d3 X
= L(R,R),
(15.9)
da R orthogonal ist. Durch eine Lie-Poisson-Reduktion der Dynamik (siehe Kap. 13) induziert das zugehorige Hamiltonsche System auf T*SO(3), welches ebenfalls linksinvariant ist, ein Lie-Poisson-System auf 50(3)* und dieses System liiBt die durch 111I11 = konstant gegebenen koadjungierten Orbits invariant. Durch den alternativen Zugang der Euler-Poincare-Reduktion der Dynamik erhalten wir ein System von Gleichungen fUr die korpereigene Winkelgeschwindigkeit auf 50(3). Die Rekonstruktion der Dynamik auf TSO(3) besteht einfach darin, R(t) E SO(3) zu einem gegebenen n(t) aus
R(t) = R(t)n(t),
(15.10)
also (15.8), zu bestimmen, was eine zeitabhangige line are Differentialgleichung fur R(t) ist.
15.3 Die Lagrangefunktion und die Hamiltonfunktion des starren Korpers in der korpereigenen Darstellung Mit (15.6), (15.3) und (15.8) aus dem vorhergehenden Abschnitt ergibt sich die Lagrangefunktion des starren Korpers zu (15.11) Fuhren wir ein neues Skalarprodukt
((a, b))
:=
l
po(X)(a x X) . (b x X) d3 X
ein, in welches die Dichteverteilung po(X) des Korpers eingeht, wird (15.11) zu (15.12) L(il) = ~((il, il)).
508
15. Der freie starre Korper 1m weiteren benotigen wir die folgende Beziehung fur Vektoren (a x X) . (b x X) = (a· b)IIXI1 2
(a· X)(b· X).
-
Definiere durch I a . b = ((a, b)) fiir a, b E ]R.3 einen linearen 1somorphismus I : ]R.3 -+ ]R.3. Dies ist moglich und bestimmt I eindeutig, da sowohl das Skalarprodukt als auch ((,)) nichtausgeartete Bilinearformen sind (wenn der starre Korper nicht auf einer Geraden liegt). Es ist offensichtlich, daB I symmetrisch bzgl. des Skalarproduktes und positiv definit ist. Sei (El' E 2 , E 3 ) eine Orthonormalbasis fiir materielle Koordinaten. Die Matrix von I ist dann i
=I j,
i =j,
was der klassische Ausdruck fur die Matrix des Triigheitstensors ist. 1st c ein normierter Vektor, so ist ((c, c)) das (klassische) Triigheitsmoment urn die Achse c. Da der Tragheitstensor I symmetrisch ist, kann er diagonalisiert werden. Eine Orthonormalbasis, in der er diagonal wird, bilden die H aupttriigheitsachsen des Korpers. Die Diagonalelemente h, h, h nennt man die Haupttriigheitsmomente des starren Korpers. 1m folgenden arbeiten wir mit einer Basis (Eb E 2 , E 3 ) aus Haupttragheitsachsen in der Referenzkonfiguration und in den korpereigenen Koordinaten. Da 50(3)* und ]R.3 iiber das Skalarprodukt (nicht iiber ((,))) identifiziert werden, wird das lineare Funktional ((n, .)) auf 50(3) ~ ]R.3, das die Legendretransformierte von n ist, mit In := II E 50(3)* ~ ]R.3 identifiziert, denn es gilt II· a = ((n, a)) fiir aIle a E ]R.3. Mit I = diag(h, h h) definiert (15.12) eine Funktion
K(II) =
! (II; IIi II§ ) 2
h
+
12
+
13
(15.13)
'
die den Ausdruck fur die kinetische Energie auf 50(3)* darstellt. Beachte, daB II = gIn der korpereigene Drehimpuls ist. Fiir jedes a E ]R.3 ergeben namlich die Beziehung (X x (n x X)) . a = (n x X) . (a x X) und der klassische Ausdruck des Drehimpulses im korpereigenen Bezugssystem
l
(X x V)Po(X) d3 X
die Gleichung
(l
(X x V)po(X) d3 X) . a
=
=
l
l
(15.14)
(X x (n x X)) . apo(X) d3 X (n x X) . (a x X)po(X) d3 X
= (( n, a)) =
In· a
=
II . a,
15.3 Lagrange- und Hamiltonfunktion in korpereigener Darstellung
509
also stimmt (15.14) mit fl uberein. Der riiumliche Drehimpuls besitzt den Ausdruck 7r
=
r
(x x v)p(x) d3 x,
JR(B)
(15.15)
wobei p(x) = Po(X) die riiumliche Massendichte und v = w x x die raumliche Geschwindigkeit ist (siehe (15.2) und (15.7)). Fur jedes a E ]R3 gilt 7r .
a=
r r
(x x (w x x)) . ap(x) d3 X
JR(B)
= Substitutieren wir x
JR(B)
(w x x)· (a x x)p(x)d3 X.
(15.16)
= RX, wird (15.16) zu
is (w x RX) . (a x RX)po(X) d3 X
= is(RTw
X
X)· (RTa x X)po(X)d 3 X
= (( n, RT a)) = 7r . RT a = Rfl . a, d.h., es gilt 7r
= Rfl.
(15.17)
Da das durch (15.12) gegebene L auf TSO(3) linksinvariant ist, definiert die auf so(3)* durch (15.13) gegebene Funktion K die Lie-PoissonGleichungen der Bewegung auf so(3)* bzgl. der Klammer des starren Korpers
{F,H}(fl) = -fl· (\IF(fl) x \lH(fl)). Wegen \l K(II) Korpers
=
(15.18)
I-I fl erhalten wir aus (15.18) die Gleichungen des starren
iI = -\lK(II) x II = II x rl II,
(15.19)
also die klassischen Eulerschen Gleichungen
. h -13 Ih = hh II2 Ih,
iI2 --
13 - h II II
hh 1 3 . h-h II3 = hh II 1 II2 ·
und
(15.20)
DaB diese Gleichungen die koadjungierten Orbits erhalten, lauft in dies em Fall auf die leicht nachzupriifende Tatsache hinaus, daB
(15.21 )
510
15. Der freie starre Karper
eine Konstante der Bewegung ist. In der Sprache der koadjungierten Orbits sind diese Gleichungen Hamiltonsch auf jeder Sphare in lR 3 mit der Hamiltonfunktion K. Die Funktionen (15.22) sind fUr alle tjj : lR --7 lR Casimirfunktionen. Die aus der Linksinvarianz resultierende ErhaltungsgroBe ist der riiumliche Drehimpuls (15.23) 7r = RII. Unter Verwendung der Linksinvarianz oder durch eine direkte Berechnung zeigt man, daB 7r zeitlich konstant ist: ir
= (RII)" = RII + RiI = w x RII + RiI = Rfl x RII + RiI = R( -II x rl II + iI) = o.
Die FluBlinien sind durch die Schnittmengen des durch K = konstant gegebenen Ellipsoids mit den koadjungierten Orbits gegeben, welche die 2-Spharen sind. Fur verschiedene Tragheitsmomente h > h > 13 oder h < h < h besitzt der FluB auf der Sphare in (0, ±II, 0) Sattelpunkte und in (±II, 0, 0), (0,0, ±II) Zentren. Die Sattelpunkte sind wie in Abb. 15.4 skizziert durch vier heterokline Orbits verbunden. In §15.10 beweisen wir den
Abb. 15.4. Der FluB fUr den starren Karper auf den Drehimpulssphiiren fUr den Fall II < h < h.
folgenden Satz:
15.4 Kinematik auf Liegruppen
511
Satz 15.3.1 (Stabilitatssatz fUr den starren Korper). In der Bewegung eines freien starren K orpers sind Rotationen um die lange und die kurze Achse (Ljapunov-)stabil, Rotationen um die mittlere Achse jedoch instabil. Obwohl wir die Gleichungen des starren Korpers im korpereigenen Bezugssystems vollstandig gelost haben, kennen wir noch immer nicht seine aktuelle Konfiguration, also seine Lage im Raum. Diese werden wir in §15.8 bestimmen. Man muB auch sehr genau zwischen der Bedeutung von Stabilitat in der raumlichen, der materiellen bzw. der korpereigenen Darstellung unterscheiden. Die Eulerschen Gleichungen konnen auf sehr allgemeine Probleme angewandt werden. Der n-dimensionale Fall wurde von Mishchenko und Fomenko [1976, 1978a], Adler und van Moerbeke [1980a, 1980b] und Ratiu [1980, 1981, 1982] im Zusammenhang mit Liealgebren und algebraischer Geometrie untersucht. Die russische Schule hat diese Gleichungen auf eine groBe Klasse von Liealgebren verallgemeinert und in einer 1978 begonnenen, langen Reihe von Veroffentlichungen gezeigt, daB es sich urn vollstandig integrable Systeme handelt. Siehe die Abhandlung von Fomenko und Trofimov [1989] und die dortigen Verweise.
15.4 Kinematik auf Liegruppen Wir verallgemeinern nun die fur den starrer Korper entwickelten Begriffe auf den Fall einer beliebigen Liegruppe. Diese Abstraktion vereinigt 1deen aus der Theorie des starren Korpers, der Hydro- und Plasmadynamik in einer gemeinsamen Sprache. 1st G eine Liegruppe und H : T* G ---+ lR eine Hamiltonfunktion eines mechanischen Systems, so nennen wir die Beschreibung des Systems materiell. Fur a E T;G ist des sen riiumliche Darstellung durch as = T; Rg(a)
(15.24)
definiert, wahrend seine korpereigene Darstellung durch a B = T;Lg(a}
(15.25)
gegeben ist. Eine ahnliche Bezeichnung wird auch fUr TG verwendet. Fur V E TgG ergibt sich (15.26) und (15.27) Damit erhalten wir folgendermaBen 1somorphismen zwischen der raumlichen und der korpereigenen Darstellung: kiirpereigene Darstellung
Links-
G x g* (
Rechts-
T*G - - - - - » G x g* translation
translation
riiumliche Darstellung
512
15. Der freie starre K6rper
Demzufolge gilt (15.28) und (15.29) Aus einem Teil der allgemeinen Theorie von Kap. 13 folgt, daB eine links(bzw. rechts-)invariante Hamiltonfunktion H aufT*G ein Lie-Poisson-System auf g":. (bzw. g'i-) induziert. Ubungen Ubung 15.4.1 (Cayley-Klein-Parameter). Wir erinnern daran, daB die Liealgebren von SO(3) und SU(2) identisch sind und daB SU(2) durch (komplexe) Matrixmultiplikation symplektisch auf ((:2 wirkt. Leite damit eine Impulsabbildung J : ((:2 -+ su(2)* ~ ]R3 her. (a) Stelle J explizit auf. (b) Uberprufe direkt, daB J eine Poissonabbildung ist. (c) Berechne HCK
= H 0 J fur die Hamiltonfunktion des starren K6rpers.
(d) Formuliere die Hamiltonschen Gleichungen fur HCK und diskutiere den Satz uber die kollektive Hamiltonfunktion in diesem Zusammenhang. (e) Vergleiche die Behandlung dieses Themas in den Standardwerken (Whittaker, Pars, Hamel oder Goldstein z.B.) mit unserer Formulierung.
15.5 Der Satz von Poinsot In §15.3 wurde gezeigt, daB der Vektor 7r des raumlichen Drehimpulses unter dem FluB fur den freien starren K6rper konstant ist. 1st also w die raumliche Winkelgeschwindigkeit, so ist
w . 7r =
n . II = 2K
(15.30)
eine Konstante. Daraus folgt, daB sich win einer auf dem Vektor 7r senkrecht stehenden (affinen) Ebene bewegt, der sogenannten invarianten Ebene. Der Abstand des Ursprungs zu dieser Ebene betragt 2K/II7rII. Also ist diese Ebene durch die Gleichung u . 7r = 2K gegeben, vgl. Abb. 15.5. Das Triigheitsellipsoid in der korpereigenen Darstellung ist durch
definiert. Das Triigheitsellipsoid in riiumlicher Darstellung ist
15.5 Der Satz von Poinsot
513
invariante
Ebene
Abb. 15.5. Die invariante Ebene ist orthogonal zu
R(f:)
= {u E lR.3
1
U·
RIR-1u
7r.
= 2K},
wobei R = R(t) E 80(3) die Konfiguration des Korpers zur Zeit t bezeichnet.
Satz 15.5.1 (von Poinsot). Das Triigheitsellipsoid in riiumlicher Darstellung roZZt schlupffrei auf der invarianten Ebene.
Beweis. Beachte zunachst, daB w E R(f:) gilt, wenn w die Energie Khat. Als niichstes bestimmen wir die Ebenen, die senkrecht zu einem festen Vektor 7r und tangential zu R(f:) sind, vgl. Abb. 15.6. Beachte dafiir, daB R(f:) die Niveaumenge der Funktion
ist, so daB in w
V'lP(w) = RIR-1w = RID = RII
= 7r
gilt. Demzufolge ist die zu R(f:) in w tangentiale Ebene die invariante Ebene. Da der Bertihrpunkt die momentane Drehachse wist, ist seine Geschwindigkeit Null, so daB das Tragheitsellipsoid schlupffrei auf der invariant en Ebene rollt. •
514
15. Der freie starre Karper invariante Ebene
Traegheitsellipsoid
Abb. 15.6. Zur Geometrie des Satzes von Poinsot.
Ubungen Ubung 15.5.1. Beweise die folgende Verallgemeinerung des Satzes von Poinsot auf eine beliebige Liealgebra g. Sei I : g --7 IR eine quadratische Lagrangefunktion, d.h. eine Abbildung der Form
l(~) = ~ (~, A~) mit einem (symmetrischen) 1somorphismus A : g --7 g*. Definiere das Energieellipsoid zum Wert Eo als
So = {~ 1st
~(t)
E
g Il(~) = Eo }.
eine Lasung der Euler-Poincan§-Gleichungen und
mit g(O)
= e, so ist
St = g(t)(So)
das Energieellipsoid zur Zeit t. Sei p, = A~ der 1mpuls in karpereigener Darstellung und p,S = Ad;-lp, der raumliche 1mpuls. Definiere die invariante Ebene als die affine Ebene
15.6 Die Eulerschen Winkel
T = ~(O)
wobei
~(O)
515
+ {~ E g I (p,S,~) = O},
die Anfangsbedingung ist.
(a) Zeige, daB die raumliche Geschwindigkeit e(t) in T liegt, T also invariant ist.
=
Adg(t)~(t) fUr aIle t
(b) Zeige, daB ~s (t) E Ct ist und daB die Flache Ct in diesem Punkt tangential zu T verlauft. (c) Zeige, daB Ct schlupffrei auf der invariant en Ebene roIlt. Achte dabei auf eine genaue Definition hiervon.
15.6 Die Eulerschen Winkel 1m folgenden verwenden wir die Bezeichnungen von Arnold [1989], Cabannes [1962]' Goldstein [1980] und Hamel [1949]. Diese weichen von denen der britischen Schule (Whittaker [1927] und Pars [1965]) abo Seien (xl, x 2, x 3) und (xl, X2, X3) die Komponenten eines Vektors in den Basen (eI, e2, e3) bzw. (el' e2' 3)· Wir betrachten nun einen Basiswechsel von der Basis (el,e2,e3) zu der Basis (el,e2,e3) durch drei aufeinanderfolgende Drehungen gegen den Uhrzeigersinn (vgl. Abbildung. 15.7). Zuerst rotieren wir (eI, e2, e3) urn den Winkel 'P urn e3 und bezeichnen die entstehende Basis und Koordinaten durch (e~,e~,e~) bzw. (x~,x~,x~). Die neuen Koordinaten (x ll , X'2, x '3 ) werden durch die alten Koordinaten (xl, x 2, x 3) desselben Punkts gemaB
e
(15.31)
ausgedriickt. Dann drehen wir (e~, e~, e~) urn den Winkel () urn e~ und bezeichnen die entstehende Basis und das Koordinatensystem mit (e~, e~, e~) bzw. (x"l,x,,2,x,,3). Die neuen Koordinaten (x"l,x,,2,x,,3) werden durch die alten Koordinaten (x ll , X '2 , X '3 ) gemaB X"l [ x"2
x,,3
1= [1 cos0 ()
0 () 0 sin 0 - sin () cos ()
1
(15.32)
ausgedriickt. Die e~-Achse, d.h. der Schnitt der (el,e2)-Ebene mit der (e~, e~)-Ebene, heiBt Knotenlinie und wird mit ON bezeichnet. Zum SchluB rotieren wir urn den Winkel 7jJ urn e~. Die dann resultierende Basis ist (el' e2, e3) und die neuen Koordinaten (xl, X2, X3) werden durch die alten Koordinaten (X"I, X,,2, x,,3) durch
516
15. Der freie starre Korper
z 3
".............
Abb. 15.7. Die Eulerschen Winkel.
(15.33) ausgedriickt. Bezeichne die Matrizen in (15.31), (15.32) und (15.33) mit R 1 , R2 und R 3. Die Rotation R, die (xl, x 2, x 3) auf (xl, X2, X3) abbildet, wird dann durch die Matrix P = R3R2Rl beschrieben, die durch cos'lji cos
12 > a > 13 oder iiquivalent 0: < (3 ergibt die Substitution der elliptischen Funktion Ih = 0: sn u vom Modul k=o:/(3=
[(h- I 2)(a- h )]1/2 (h - a)(h - 13 )
in (15.53) it,2 = ab 2(h - a)(h - I 3)/(hhI3) = J-l2. Wir benotigen noch die folgenden Beziehungen, die die Funktionen cn u und dn u definieren: und
d dx sn u = cn u dn u.
Mit der Anfangsbedingung II2 (0) = 0 ergibt dies
II2 =
0:
sn (J-lt).
(15.56)
Also bewegt sich II2 zwischen 0: und -0:. Durch geeignete Wahl der Zeitrichtung konnen wir oBdA ll2(0) > 0 annehmen. Beachte, daB nach (15.49) III fur II2 = ±o: verschwindet, III hingegen nach (15.50) seinen maximalen Wert
h(h - h) ((32 _ 0: 2) = I 3 (I2 - a)ab 2 I 2 (h - h) (h - h) annimmt. Der minimale Wert von III tritt fUr II2 nach (15.50)
(15.57)
= 0 auf. Er betriigt wieder (15.58)
Das Vorzeichen von II3 bleibt also wiihrend der Bewegung konstant, sagen wir positiv. Unter dieser Annahme ergibt sich mit iI2(0) > 0 und a2 < 0, daB III (0) < 0 ist. Losen wir (15.47) und (15.48) nach III und II3 auf und beachten III (0) < 0, so ergibt sich III(t) -"/cn(J-lt) und II3(t) = Sdn(J-lt), wobei S durch (15.58) gegeben und (15.59)
ist. Beachte, daB (3 > 0: > "/ ist und wie ublich die Werte von "/ und S positiv gewiihlt sind. Die Losung der Eulerschen Gleichungen ist dann (15.60)
wobei 0:, ,,/, S durch (15.51), (15.58) und (15.59) gegeben sind. Bezeichnet K, die Periodeninvariante der Jacobischen elliptischen Funktionen, so haben III und II2 die Periode 4K,/ J-l und II3 die Periode 2K,/ J-l. Ubungen Ubung 15.8.1. Setze dies en IntegrationsprozeB fort und finde explizite Formeln fur die Stellungsmatrix A(t) als Funktion der Zeit mit A(O) = Id und zu gegebenem korpereigenen Drehimpuls (oder Geschwindigkeit).
15.9 Die Stabilitat des starren Korpers
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15.9 Die Stabilitat des starren Korpers Wenn wir Schritt fur Schritt der Energie-Casimir-Methode (siehe Einleitung) folgen, mussen wir zunachst die Gleichungen
.
dII dt
II=-=IIxn
(15.61 )
betrachten, in denen n E ~3 die Winkelgeschwindigkeit und II E ~3 der Drehimpuls des K6rpers ist, beide im k6rpereigenen Koordinatensystem. Der Zusammenhang zwischen II und n ist durch JIj = I j [2j, j = 1,2,3 gegeben, wobei I = (h,!2,!3) die positiven Eigenwerte des Tragheitstensors sind. Dieses System ist in der Lie-Poisson-Struktur (15.18) von ~3 Hamiltonsch mit der kinetischen Energie
1 2
H(II) = -II·
1 3 JI2 n = _2~ ~ L
_t
i=l
(15.62)
t
als Hamiltonfunktion. GemaB (15.22) ist dann (15.63) fur jede glatte Funktion .:p : ~ --+
~
eine Casimirfunktion.
1. Die erste Variation. Wir suchen nun eine Casimirfunktion Ccp, fUr die H c ", := H + Ccp in einem gegebenen Gleichgewichtspunkt von (15.61) einen kritischen Punkt besitzt. Solche Punkte treten auf, wenn II parallel zu n ist. Wir k6nnen oBdA annehmen, daB II und n in Ox-Richtung zeigen. Nach einer eventuell notigen Normalisierung konnen wir weiter annehmen, daB die Gleichgewichtslosung II e = (1,0,0) ist. Die Ableitung von
ist
DHc", (II) . 8II = ( n + .:pI Diese verschwindet in
II e =
(~IIIII12 ) II) ·8II.
(15.64)
(1, 0, 0), wenn (15.65)
ist.
526
15. Der freie starre Korper
2. Die zweite Variation. Mit (15.64) ergibt sich die zweite Ableitung von Hcq, in dem Gleichgewichtspunkt II e = (1,0,0) zu
D2Hcq,(lle)· (t5ll,t5ll) = =
Ml·t5ll+p'
t
(t5Ili )2 _
i=l
Ii
(~lllleI12) lIt5ll11 2+ (lle· t5ll )2 p ll (~lllleI12) IIt5ll11 2 + pll (~) (t5Ill? h
2
2+ ( h1 - h1) (t5Il3) 2+ p
1 - h1) (t5Il2) = ( 12
3. Definitheit. wenn
II
(1) 2 (15.66) "2 (t5Ild·
Diese quadratische Form ist genau dann positiv definit,
pll
(~)
>0
(15.67)
und (15.68) gilt. Dann erfiillt
p(x)
=
1 ( 1)2
--x + x - h 2
die Gleichung (15.65) und macht die zweite Ableitung von Hcq, in (1,0,0) positiv definit. Es gilt also: Eine stationiire Drehung um die kurzeste Achse ist (Ljapunov-) stabil. Die quadratische Form ist negativ definit, wenn
pll
(~)
(x) = --x + x - h 2 gewahlt, ware (15.65) erftillt, nicht aber (15.69). Nur durch die Wahl von zwei verschiedenen Casimirfunktionen konnen wir die zwei Stabilitatsaussagen beweisen, auch wenn die Niveauflachen dieser beiden Casimirfunktionen tibereinstimmen. Bemerkungen 1. Wie wir gesehen haben, sind Drehungen urn die mittlere Achse instabil und dies sogar fUr die linearisierten Gleichungen. Die instabilen homoklinen Orbits, die die zwei instabilen Punkte verbinden, haben interessante Eigenschaften. Sie sind nicht nur wegen der chaotischen Losungen durch die Poincare-Melnikov-Methode interessant, die in verschiedenen gestorten Systemen auftreten (siehe Holmes und Marsden [1983], Wiggins [1988] und die dortigen Verweise), sondern auch der Orbit selbst ist bemerkenswert, denn ein urn seine mittlere Achse angedrehter starrer Korper wird eine interessante halbe Drehung ausftihren, wenn der entgegengesetzte Sattelpunkt erreicht ist, obwohl die Drehachse wieder die ursprtingliche ist. Der Leser kann dieses unterhaltsame Experiment leicht selbst durchftihren. Siehe Ashbaugh, Chicone und Cushman [1990] und Montgomery [1991a] fUr mehr Informationen.
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15. Der freie starre Ki:irper
2. Denselben Stabilitatssatz kann man auch tiber die zweite Ableitung entlang der koadjungierten Orbits in ~3, also der 2-Sphare beweisen, siehe Arnold [1966a]. Bei dieser Methode wird die Instabilitat der Drehungen urn die mittlere Achse auch plausibel, aber nicht bewiesen 3. Wir haben nun die dynamische Stabilitat auf der ll-Sphare dargestellt. Wie steht es aber mit der Stabilitat der Dynamik des starren Korpers, die wir sehen? Man kann sie aus dem herleiten, was wir gezeigt haben. Der vielleicht beste Weg daftir verwendet den Zusammenhang zwischen der reduzierten und der unreduzierten Dynamik. Vgl. Simo, Lewis und Marsden [1991] und Lewis [1992] fUr weitere Informationen. 4. Vollftihrt der korpereigene Drehimpuls eine periodische Bewegung, so ist die wirkliche Bewegung des starren Korpers im Raum nicht periodisch. In der Einleitung haben wir die zugehOrige geometrische Phase beschrieben. 5. Siehe auch Lewis und Simo [1990] und Simo, Lewis und Marsden [1991] ftir ahnliche Untersuchungen von deformierbaren elastischen Korpern (pseudo-starren Korpern). Ubungen Ubung 15.9.1. Sei B ein gegebener fester Vektor in ~3 und die Zeitentwicklung von M durch M = M x B gegeben. Zeige, daB dies eine Hamiltonsche Bewegung ist. Bestimme die Gleichgewichtspunkte und ihre Stabilitatseigenschaften. Ubung 15.9.2 (Doppelklammerreibung). Betrachte die folgende Modifikation der Eulerschen Gleichungen:
iI = II x n + all x (ll x n), wobei a eine positive Konstante ist. Zeige, daB: (a) Die Spharen IIlll12 invariant bleiben, (b) die Energie auBer in Gleichgewichtspunkten stets abnimmt und (c) die Gleichungen in der Form
P = {F,H}sk + {F,H}sym geschrieben werden konnen, wobei die erste Klammer die gewohnliche Klammer des starren Korpers und die zweite die symmetrische Klammer
{F,K}sym = a(ll x "VF)· (ll x "VK) ist.
15.10 Die Stabilitat des schweren Kreisels
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15.10 Die Stabilitat des schweren Kreisels Die Gleichungen des schweren Kreisels lauten
dII
dt = II x
n+Mglr x X,
(15.73)
dr
n
(15.74)
dt
=
r
x
mit II,r,X E ~3. Hierbei sind II und n der Drehimpuls und die Winkelgeschwindigkeit in der k6rpereigenen Darstellung. Diese sind tiber den Tragheitstensor I = (h, h, h), Ii > 0, i = 1,2,3 durch IIi = IJ2i miteinander verkntipft. Der Vektor r beschreibt die Bewegung des Einheitsvektors in Richtung der 0 z- Achse wie sie vom K6rper aus gesehen wird, und der konstante Vektor X ist der Einheitsvektor entlang der Strecke der Lange l, die den Aufpunkt des Kreisels mit seinem Schwerpunkt verbindet. Mist die Gesamtmasse des K6rpers und 9 der Betrag der Schwerebeschleunigung, welche in Richtung von Oz abwarts wirkt. Dies ist ein Hamiltonsches System bzgl. der in der Einleitung definierten Lie-Poisson-Struktur von ~3 X ~3, wobei die Hamiltonfunktion des schweren Kreisels 1 (15.75) H(II, r) = "ill. n + Mglr· X ist. Die Poissonstruktur laBt (mit
IIIIII = 1) schon die von
T*SO(3)/8 l
durchscheinen, wobei 8 1 durch Drehungen urn die Achse der Schwerkraft wirkt. DaB man hier die Lie-Poisson-Klammer eines semidirekten Produktes von Liealgebren erhalt, ist ein Spezialfall der allgemeinen Theorie der Reduktion und der semidirekten Produkte (Marsden, Ratiu und Weinstein [1984a, 1984b]). Die Funktionen II· r und IIrl12 sind Casimirfunktionen und somit auch jedes (15.76) C(II, r) =