Nr. 412
Welt ohne Namen Atlan und Thalia unter Verformten von Hans Kneifel
Als Atlantis-Pthor, der durch die Dimensio...
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Nr. 412
Welt ohne Namen Atlan und Thalia unter Verformten von Hans Kneifel
Als Atlantis-Pthor, der durch die Dimensionen fliegende Kontinent, die Peripherie der Schwarzen Galaxis erreicht – also den Ausgangsort all der Schrecken, die der Dimensionsfahrstuhl in unbekanntem Auftrag über viele Sternenvölker gebracht hat –, ergreift Atlan, der neue Herrscher von Atlantis, die Flucht nach vorn. Nicht gewillt, untätig auf die Dinge zu warten, die nun zwangsläufig auf Pthor zu kommen werden, fliegt er zusammen mit Thalia, der Odinstochter, und einer Gruppe von ausgesuchten Dellos die Randbezirke der Schwarzen Galaxis an und erreicht das sogenannte Marantroner-Revier, das von Chirmor Flog, einem Neffen des Dunklen Oheims, beherrscht wird. Dort beginnt für Atlan und seine Gefährten eine Serie von Abenteuern, die beinahe tödlich ausgehen. Stationen des gefahrvollen Weges sind unter anderem Enderleins Tiegel, der Schrottplanet, Xudon, der Marktplanet, und Gooderspall, die Welt der In sektoiden. Nach der Vernichtung des Organschiffs SKEILAS, mit dem sie von der Welt des Meisterträumers flüchten konnten, gelangen Atlan und Thalia, die sich als Scudda moren maskieren, auf abenteuerlichen Wegen zum Planeten Kinster-Hayn. Nach erfolgter Demaskierung werden die beiden Pthorer weiterbefördert zur WELT OHNE NAMEN …
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Die Hautpersonen des Romans:
Atlan und Thalia - Die beiden Pthorer suchen das Geheimnis der Scuddamoren zu enträtseln.
Dorkan Moht - Steuermann der KNIEGEN.
Govana-Trek - Ein Camagur verwandelt sich.
Yärling und Säntho - Zwei leitende Scuddamoren.
1. Der nächste Schock wartete bereits auf die Gefangenen. Sämtliche Antriebsaggrega te der KNIEGEN arbeiteten mit schmerzhaft lauten Geräuschen. Atlan ging eilig durch Korridore, enterte Treppen und Rampen, entdeckte einen Antigravschacht und ver suchte, in die durchsichtige Kanzel des Or ganschiffs zu kommen. Innerhalb dieses Raumschiffs der Scuddamoren wirkte er plötzlich nicht mehr exotisch und fremd, trotz des Goldenen Anzugs mit den Stacheln an den Schultern. Die Insassen der KNIE GEN, soweit er sie überhaupt sah, schienen Gefangene aus allen Planetenvölkern des Marantroner-Reviers zu sein. Er sah einige Camagurs, etliche nervös umherspringende Tamater und mehrere Krejoden. Sonst schi en das Schiff nur von Robotern bevölkert zu sein. Niemand sprach ihn an. Die anderen Gefangenen warfen ihm scheue Blicke zu und wichen ihm aus. Atlan verzichtete ab jetzt auf den sinnlo sen Versuch, sich durch einen Scuddamo ren-Namen besser tarnen zu wollen und ver gaß seine Scheinidentität als Mänerg. Er kam in dem labyrinthischen Innern der Halbkugel höher und höher beziehungsweise in die Richtung, in der sich die durchsichtige Kuppel mit dem Unglücklichen befand, der lebendigen Leibes an das Schiff angeschlos sen war. Hoffentlich hilft auch hier die große Ple jade, sagte der Logiksektor. Nur kurze Zeit war seit dem abrupten Start des halbkugelig aussehenden Schiffes vom Eisplaneten Kinster-Hayn vergangen. Angeblich waren sie unterwegs nach Säg gallo, um dort eine Spezialausbildung als Spione des Beherrschers einer anderen Ster
neninsel zu erhalten. Weder Atlan noch Tha lia glaubten daran. Mehrere Möglichkeiten boten sich an. Eine war so wenig attraktiv wie die andere. Das Schiff konnte per Fern impuls ebenso vernichtet werden wie die SKEILAS mit der Galionsfigur Stiezy. Oder es konnte geradewegs in eine Sonne gesteu ert werden. Oder es landete auf einem völlig unbekannten Scuddamoren-Planeten, und al le Gefangenen wurden einem Zweck zuge führt, der keineswegs im Sinn Atlans und Thalias sein konnte. Mit Hilfe der großen Plejade und ihrer Ausstrahlung, des Wider scheins der Freiheit, wollte Atlan versuchen, die Galionsfigur zu beeinflussen. Atlans Schritte beschleunigten sich. Er lief an einer Gruppe von Robotern vor bei, die nebeneinander standen und ihn aus kalten Sensoren anstarrten. Sie rührten sich nicht und ließen ihn passieren. Atlan merkte jetzt deutlich, daß er sich im obersten Be reich des Schiffes befand. Nach kurzer Zeit, in der er völlig leere Räume und Rampen vor sich sah, kam er an ein durchsichtiges Schott. Dahinter sah er die Sterne, die verschiede nen Instrumente und Kabelverbindungen der Galionsfigur und den Steuermann der KNIEGEN selbst. Vorsichtig öffnete er die Riegel und stand nun in dem von den Lichtern der Geräte und Skalen nur schwach erhellten Raum. Ein massiger, im schwachen Gegenlicht hellgrün schimmernder Körper befand sich ihm gegenüber. Atlan fragte in Garva-Guva: »Du bist die Galionsfigur der KNIE GEN?« Nach einer Weile erfolgte die Antwort. Das Wesen, das einer Echse glich und eben so wie alle Galionsfiguren mit einer Vielzahl von Kabeln, Schläuchen und Sensoren mit der Steuerung des Schiffes verbunden war,
4 sagte mit dunkler, leicht zischender Stimme: »Ich bin Dorkan Moht. Ich bin die Gali onsfigur.« Atlan nestelte den Verschluß der Gürtelta sche auf und legte die große Plejade in eine Vertiefung der Schaltpulte. Die helle Mar morkugel gab im Sternenlicht einen schwa chen, aber deutlichen Schimmer von sich. »Ich bin Atlan, ein Fremder zwischen eu ren Sternen«, sagte der Arkonide. »Ich trage das Zeichen der Freiheit mit mir, die große Plejade. Blicke sie an, und du wirst merken, daß auch du bisher ein Sklave gewesen bist.« »Ich sehe die steinerne Kugel«, sagte die Galionsfigur, die Atlan entfernt an eine auf recht gehende Echse erinnerte. »Nimmst du auch die Ausstrahlung wahr? Die Kugel hilft denjenigen, die versklavt sind«, sagte der Arkonide vorsichtig. »Sie zeigt ihnen, daß auch ein Leben in Freiheit möglich und erstrebenswert ist.« »Ich spüre es!« zischte Dorkan Moht. »Gut. Du wirst ihren Einfluß mehr und mehr kennenlernen. Ich fürchte, daß unser Schiff mit einem Fernzündungsimpuls von Kinster-Hayn aus zerstört werden soll.« »Das ist unzutreffend«, sagte die Galions figur und fuhr fort, das Schiff dem unbe kannten Ziel entgegenzusteuern. »Ist keine Bombe an Bord?« »Mir ist nichts bekannt«, entgegnete Moht. Der Körper bewegte sich schwach in der halben Dunkelheit. Atlan sah, daß sich riesi ge Augen abwechselnd auf die große Plejade und auf ihn richteten. »Ferner sind viele Wesen an Bord sicher, daß du das Schiff in selbstzerstörerischer Absicht in eine Sonne steuern sollst. Wie verhält es sich damit?« Die Galionsfigur geriet mehr und mehr unter den befreienden Einfluß der großen Plejade. Atlan merkte es an den Antworten, die freier gegeben wurden. »Ich habe keineswegs den Auftrag, die KNIEGEN in eine Sonne zu lenken oder auf andere Weise zu zerstören«, sagte Moht.
Hans Kneifel »Wohin fliegt dann dieses Schiff?« fragte Atlan verwundert. »Ich kenne nur die Koordinaten der anzu steuernden Welt«, sagte Moht. »Nicht ihren Namen?« »Nein.« »Es ist also ein namenloser Planet?« woll te Atlan wissen. »Für mich ist es eine Welt ohne Namen. Ich soll nur alle Gefangenen dieses Schiffes dort absetzen.« »Zu welchem Zweck?« »Das weiß ich nicht. Wirst du mir erzäh len, wie es sich mit der Freiheit und deren Vorzügen verhält?« fragte Mäht. »Später«, vertröstete Atlan die Galionsfi gur. »Im Moment sind andere Dinge wichti ger.« »Wichtig für euch oder für mich?« »Sie sind gleich wichtig für alle Insassen des Schiffes. Was weißt du über die Mission des Schiffes?« »Ich kenne den Weg, lande an einer be stimmten Stelle und öffne die Luken. Die Roboter sind programmiert und werden die Gefangenen hinausbringen. Mehr weiß ich auch nicht. »Es sind also Gefangene, keine zukünfti gen Spione oder Spezialisten?« fragte Atlan, der diesen Umstand bereits während des Starts in Betracht gezogen hatte. Atlan sah das reflexhafte Funkeln der Marmorkugel und sagte: »Die Freiheit … es wird schwierig wer den, Dorkan Moht, eigene Gedanken und Auffassungen zu haben und den einst gege benen Befehlen zuwider zu handeln. Aber immer dann, wenn du Zweifel hast, werden dir die Gedanken das Richtige sagen. Chirmor Flog ist ein Herrscher der Grau samkeit. Er hat befohlen, Wesen wie dich unlösbar mit dem Schiff zu verbinden und damit deinen Tod beschlossen. Ich lasse das Symbol der Freiheit hier in deiner Kanzel. Richte deine Gedanken und Träume auf die Kugel. Du weißt, in welcher Kabine ich untergebracht bin?« Ruhiger geworden gab die Galionsfigur
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zurück: »An Bord des Schiffes, das mein Schick sal ist, weiß ich nahezu alles. Ich werde dich leicht finden, Fremder Atlan.« »Einverstanden.« Atlan winkte dem reptilartigen Wesen zu, das sich in seinem System von Drähten, Saugnäpfen, Bändern und organischen An kern schwach bewegte. Die großen Reptili enaugen sahen ihm starr nach, als er die durchsichtige Kanzel verließ.
2. Govana-Trek merkte, daß er unfähig war, seinen Verfall anzuhalten. Er wußte, daß et was in ihm vorging, daß eine unwiderstehli che Macht ihn auch körperlich umformte. Der Camagur hob seinen Kopf und starrte in das Blätterdach hinauf. »Ein düsterer Ort!« knurrte er haßerfüllt aus einer seiner Kehlen. Der Boden unter seinen Füßen war weich und federte. Schwarzes und bräunlich ge flecktes Moos wuchs in der Nässe. Jeder Schritt rief eine neue Wolke von Gestank und hochwirbelnden Sporen hervor. Bei jedem Fußeindruck gab der Boden ein zi schendes Geräusch von sich. »Nirgendwo ist Licht! Ich finde keine Sonne«, murmelte Govana-Trek. Er war nach der Landung des Schiffes geflüchtet. Seit dieser Zeit versuchte er, einen Fleck zu finden, an dem er wenigstens eine Spur bes ser leben konnte. Er ging weiter und wich einem Blatt aus, das so groß war wie sein Kopf und lautlos aus dem Pflanzendach fiel. Diese verdammten Pflanzen! Sie gabelten sich mehrmals und bildeten einige Ebenen, die von Ästen und ovalen Blättern ausgefüllt wurden. Es kam fast nie auch nur der dünnste Lichtstrahl der sterbenden Sonne durch diese Schichten aus Blatt werk. Unaufhörlich tropfte es aus dem Blät terdach, das klebrig und dunkel über Gova na-Trek hing. Der pflanzliche Saft brannte auf der Haut und verfärbte sie. Diese Fär bung ließ sich nicht entfernen.
Der Moorwald sickerte förmlich durch al le Poren. Die Düsternis beeinflußte den Ver stand, und alle anderen Lebensumstände be einflußten den Körper. Mit jedem Schritt wuchs die Verzweiflung des Camagurs. Auch das Zeitgefühl hatte Govana-Trek verloren. Er wußte nicht, ob er sieben Tage oder sieben Monde lang hier im triefenden Moordschungel des namenlosen Planeten verbracht hatte. Er wußte allerdings genau, daß er sich verändert hatte. Von seinem frü heren Selbst war nicht mehr viel übrig. Govana-Trek spürte deutlich, daß viele Eigenschaften, die er früher mit negativen Vorzeichen versehen hatte, sich stärker aus prägten: er wurde aggressiver und radikaler. Seine Augen, die nur ein begrenztes Blick feld in gerader Richtung erfaßten, entdeck ten nicht mehr das Schöne, sondern nur Wi derstände, Kampf und die Schwärze des lichtlosen Waldes. Was wußte er wirklich? »Nichts!« stieß er hervor und setzte mit schnellen Bewegungen seiner drei Beinpaare über einen kleinen, pechschwarzen Tümpel. Er lief, um endlich Licht zu finden, um end lich aus dem Dunkel herauszukommen und die seelenmordende Finsternis des Dschun gels zu verlassen.
* Der namenlose Planet hatte einen langen Tag. Das trübe, dunkelrote Licht einer großen Sonne erzeugte viel Wärme und wenig strahlendes Licht. Tage wechselten mit Nächten. Govana-Trek kroch, lief, stapfte und rannte in irgendeine Richtung. Jede Richtung war falsch oder so gut wie jede an dere. Er ernährte sich von Käfern, irgend welchen fetten Larven und den tronknußarti gen Früchten oder Blütenknollen der jungen Dschungelbäume. Er trank das Sumpfwasser an den Stellen, wo es weniger schlammig war. Er überlebte und veränderte sich weiter. Zuerst merkte er, wie sein Selbstwertge fühl von Tag zu Tag geringer wurde. Er ver
6 lor mit vielen seiner Erinnerungen auch die klare Einschätzung der großen, entscheiden den Werte. Dafür wuchsen seine Kraft und die Schnelligkeit der Reflexe. Aber er war leer, er fand keine Aufgabe mehr, er merkte mit einem letzten Rest seines intakten Ver standes, wie er sich mehr und mehr danach sehnte, von einer neuen Idee beseelt zu wer den. Seine schlanken, harten Beine wurden dicker, die Muskeln wuchsen unaufhörlich. Er wurde ganz einfach stärker. Die Gelenke verdickten sich zu Knoten. Die Haut, inzwi schen fleckig, verfärbt und schwammig ge worden, wurde straffer und mehr lederähn lich. Er bildete sich ein, daß seine Augen mehr sahen und schneller funktionierten. Die lappenartigen Reste ehemaliger Fle dermausflügel verhärteten sich und schwol len an. Selbst die Ohren zeigten mehr Mus kelansätze und ließen sich schneller einrol len und ausrollen. Abermals nach einiger Zeit hatte sich Govana-Trek dem Planeten noch mehr angeglichen. Er rannte jetzt und ging nicht mehr zö gernd wie vor einiger Zeit. Als vor ihm zu gleich mit einem helleren Lichtschimmer ein massiges, kleines Wesen mit schwarzem Pelz auftauchte, bewegten sich plötzlich sei ne drei Beinpaare schneller. »Beute«, röchelte der mißgestaltete Ca magur. »Fette Beute.« Er schleuderte mit einem seiner Arme einen scharfkantigen Stein, den er als Waffe schon einige Zeit mit sich herumschleppte. Das Wesen war zwischen Kopf und Schul tern getroffen, kreischte auf und raste wie ein schwarzer Ball über den weichen Boden davon. Sofort nahm Trek die Verfolgung auf. Er übersprang mehrere kleine Tümpel. Er sprang zwischen eng stehenden Baumstäm men hin und her und bemerkte vor sich die Spur des flüchtenden Beutetiers. Das kleine Wesen raste ebenso schnell wie er durch den Morast und über den jahrzehntealten Abfall der Gewächse. Mit jedem Dutzend Schritte wuchs seine Geschwindigkeit.
Hans Kneifel Govana-Trek schwang in einer seiner Hände einen Stock, in dessen auseinander gespreiztes Ende er einen Steinsplitter ge steckt und festgebunden hatte. Auch sein Tempo wurde größer, der Vorsprung des Tieres verringerte sich. Die Baumstämme standen jetzt weiter auseinander. Das Feld wurde freier, und zwischen den unendlich vielen Blättern zeigten sich winzige Flecken einer trüben roten Beleuchtung. Die Beinpaare des tiger fleckigen Camagurs bewegten sich jetzt in einem rasenden Wirbel. Mit einem einzigen Schwung holte er das Beutetier am Rand der sandigen Fläche ein, die von niedrigem Ge strüpp bestanden war. Govana-Trek warf sich über das Tier, das sich rasch umdrehte, senkrecht in die Höhe sprang und mit Zähnen und Klauen wehrte. Dabei stieß es schrille, pfeifende Schreie aus. Mit dreien seiner Hände packte der Ca magur das Tier und schlug mit der Keule zu. Das Schreien des Tieres riß ab. GovanaTrek ließ die Waffe und den Tierkörper fal len. Er griff mit seinen sechs Händen zu und begann, das Tier zu zerreißen. Er aß das dampfende, rohe Fleisch und wurde hungri ger und gieriger, je mehr er aß. Dies war das zweitemal in seinem Leben, daß er sich von rohem, blutigem Fleisch ernährte. Viel tiefer konnte er nicht mehr sinken, dachte er. Die se verdammte Welt hatte ihn zu der ekeler regenden Kreatur werden lassen, die er jetzt verkörperte. Er haßte sich. Er verfluchte seine unauf haltsame Veränderung und wußte gleichzei tig, daß sie niemals wieder rückgängig zu machen war. Der gesamte Planet mit allen seinen Teilen war zu nichts anderem da, als fremde Wesen zu verderben. Der Camagur, der nur noch in seinen Um rissen und in der Größe an ein Mitglied sei nes Volkes erinnerte, hörte nicht zu schlin gen und zu würgen auf, ehe nicht der letzte Rest Fleisch von seinen Fingern und Zähnen zerrissen worden war. Dann stand er auf und schaute schräg nach oben. Er sah den Himmel über der namenlosen
Welt ohne Namen Welt. Endlich! Aber der Anblick erleichterte ihn nicht. Die Luft vor ihm, über dem gräßli chen Blätterdach war staubigrot, und in ihrer Mitte schwamm wie ein toter Fisch eine hel le, rote Scheibe. Es gab keine Wolken am Himmel wie in seiner Heimat. Er sah keine Vögel und keine fliegenden Insekten. Die große Lichtung war nur von dem Knistern, Knacken und Sum men der kriechenden Käfer und schlangen ähnliche Insekten erfüllt. Wieder einmal funktionierte sein Verstand in jenen Bahnen und Kategorien, die er gewohnt war; sie schienen einer unendlich weit entfernten Vergangenheit anzugehören. Er entsann sich: Einst war er Spezialist für halbmechani sche Rechengeräte gewesen, die man in fast jede Art von Fahrzeug einbauen konnte. Dann, nachdem er sich vergesellschaftet hat te und drei Nachkommen zu versorgen wa ren, hatte er entdeckt, daß die Gesetze und Verordnungen, die im Namen von Chirmor Flog ausgesprochen wurden, fast völlige Versklavung darstellten. Er hatte auf seine unauffällige Weise ver sucht, möglichst viele dieser Einschränkun gen zu umgehen. Es war lange Zeit gutge gangen, und sein Betrieb wuchs und wurde reicher. Dann verhafteten ihn die Scuddamo ren, zählten ihm mit unbeteiligten und kalten Stimmen vor, welche Gebote er verletzt hat te – und dann nahmen sie ihn mit. Er wurde verhört. Man stellte seine Iden tität fest. Man brachte ihn in ein Organ schiff, entlud ihn irgendwo, trieb ihn in ein anderes Schiff und jagte ihn in die Richtung der kaum deutlich erkennbaren Gebäude – es war Nacht –, und bei dieser Gelegenheit hatte er sich das letztemal gegen sein Schicksal aufgebäumt. Er war geflohen. Im Augenblick erlebte er gerade das vor läufige Ende dieser Entwicklung. Noch im mer konnte er nicht sagen, ob er sechs Tage oder zehnmal so lange hier durch die Mora ste und zwischen den häßlichen Baumstäm men durch das abstoßende Land gekrochen
7 und gelaufen war. Die wehmütigen Erinnerungen ver schwanden wie in einem dunklen Schacht, als er das nächstemal in die Sonnenscheibe blickte. Sie schwebte in der dunstigen Luft wie ein glühender Ballon, der jeden Moment platzen und giftige Gase auf ihn schleudern würde. Die Gegenwart hatte ihn augenblicklich wieder eingeholt. »Ich habe überlebt«, sagte er leise und be gann, über die sandige Fläche zu laufen. Dort vorn, nur gering aus dem dunklen Buschwerk hervorragend, gab es einen Hü gel mit zwei einzeln stehenden, ebenso exo tischen Bäumen. Darauf hielt er zu und wuß te wieder, daß er ein Etwas geworden war, das mit seinem früheren Selbst nur noch ver schwommene Ähnlichkeit hatte. »Persönlich überlebt. Nicht mehr«, zisch te er wütend und merkte, daß er mehr ein be einflußbares Tier war als alles andere. Sein bisheriges Leben war vergessen und ausge löscht. »Verändert. Und bereit, etwas Neues zu werden!« Als er endlich auf dem Hügel stand und um sich herum die dunkle Mauer des gräßli chen Waldes sah, bemerkte er in der Ferne einige Lichter. Helle Lichter! Er lief leicht schaukelnd auf seinen neuen, veränderten Gliedmaßen auf die Lichter zu. Etwas in ihm hatte sich bereits entschieden. Das Schott zu seinem vergangenen Leben war zugefallen. Eine andere Existenz erwar tete ihn. Govana-Trek hatte nicht die minde ste Ahnung, wie die Zukunft aussah. Aber er wußte genau: Wo Licht war, gab es denkende Wesen. Dorthin lief er.
3. Etwa zweihundert Schritte, bevor Atlan sein Quartier an Bord der KNIEGEN er reichte, kam aus einem Querkorridor ein Ro boter heran und hielt vor ihm. Linsensyste me, die an die Augen von ins Riesenhafte vergrößerten Insekten erinnerten, richteten sich auf ihn.
8 Mit mißtönender Stimme fragte die Ma schine in Garva-Guva: »Wer bist du? Wie kommst du hierher? Wer hat dir gestattet, den dir zugewiesenen Raum zu verlassen?« Atlan blieb stehen und fragte zurück: »Wer hat dich ermächtigt, ausgerechnet mir solche Fragen zu stellen?« Die Maschine schien zu überlegen und sagte nach einer sekundenlangen Denkpau se: »Die Beantwortung ist deiner nicht ange messen. Geh zurück in deine Kabine. Die Landung der KNIEGEN erfolgt bald.« Atlan versuchte, die Maschine einem Test zu unterziehen. Er war sich der Gefahren voll bewußt, aber es juckte ihn in den Fin gern, einen Zwischenfall zu provozieren. Er ging auf die Maschine zu und sagte laut: »Aus dem Weg, Roboter!« Die Maschine bewegte knackend einige Stummelarme und richtete die glühenden Enden von Waffenprojektoren auf den Ptho rer. Atlan wußte, daß ihn der Anzug der Vernichtung selbst gegen mittelstarke Ener gieschüsse schützte und ging ungerührt wei ter. Übertreibe deine Risikobereitschaft nicht! mahnte der Logiksektor. »In deine Kabine. Du bist ein Gefangener meiner Herren, wie jeder andere an Bord.« »Ich bin kein Gefangener. Säntho wird mich als Spion einsetzen. Ich verlange«, wagte sich Atlan vor, »daß das Schiff im Zentrum von Säggallo landet.« »Du hast nichts zu verlangen!« schnarrte die Maschine. »In wenigen Sekunden ist meine Fähigkeit, Nachsicht zu üben, abge laufen.« »Meine Lust, mit einer unwürdigen Ma schine zu argumentieren, ist in diesem Mo ment zu Ende gegangen«, sagte Atlan und sprang nach vorn. Der Roboter reagierte mit gewohnt blitzartiger Geschwindigkeit. Zwei Glutstrahlen trafen den Arkoniden, ehe er zuschlagen konnte. Das Goldene Vlies erhitzte sich nicht ein mal.
Hans Kneifel Atlan packte die Maschine an einigen Gliedmaßen, stemmte sie hoch und drehte sich. Er spannte seine Muskeln und schleu derte den Robot den Korridor hinunter. Im selben Moment gab der Roboter blökende Signale von sich, während er sich in der Luft mehrmals überschlug und schwer auf den Boden des Ganges schlug. Mehrere Schotte glitten auf, und etwa ein Dutzend Maschinen rollte und schwebte heraus. Im gleichen Augenblick verbogen sich die metallenen Gliedmaßen der Maschine. Es zuckten krachende Blitze hin und her. Die anderen Roboter wußten für Sekunden bruchteile nicht, ob sie ihrem Artgenossen helfen sollten, oder ob sie die seltsame Ge stalt in dem schimmernden Anzug einkes seln mußten. Der kleine Roboter verging in einer Reihe von knatternden Blitzen und kleinen Explo sionen. Metallfetzen und glühende Trümmer flogen nach allen Seiten durch den Gang des Organschiffs. Die anderen Maschinen schal teten ihre Warngeräte an. Glühende Dreh lichter, verschiedene Summer und Sirenen ertönten und verwandelten den Korridor in nerhalb kürzester Zeit in ein Tollhaus. Atlan beugte sich nach vorn und rannte durch die Versammlung der Roboter hin durch. Aus mehreren Richtungen gaben die Maschinen auf ihn Lähmschüsse ab, die je doch nichts ausrichteten. Aber der Lärm machte die anderen Gefan genen aufmerksam. Sie kamen aus ihren Quartieren. Bisher waren sie den Korridoren, Gängen und Rampen ferngeblieben. Sie wußten nicht, daß nur sie und eine Serie von Robotern, weitaus weniger als sie, die KNIEGEN be völkerten. Atlan rammte einen Robot zur Seite. Aus den Schulterstacheln des Anzugs fuhren hellrote Strahlen, wenn die Endpunkte der rätselhaften Teile eine Maschine berührten. Die Gefangenen stürzten sich jetzt auf die Roboter. Die Maschinen wehrten sich, aber die Un menge von Leibern, die den Gang blockier
Welt ohne Namen te, verhinderte einen geregelten Kampf. Während ein Robot damit beschäftigt war, sich mit allen seinen Defensivsystemen ge gen zwei oder drei Krejoden zu wehren, hielten mehrere Tamater die Projektoren fest und richteten sie auf die anderen Roboter, die sich gegenseitig teilweise zerstörten. Dann erhob sich über das allgemeine Cha os eine laute Stimme. Irgend jemand schrie: »Hört auf, alle! Keine Gruppe kann die andere vernichten. Hört auf zu kämpfen. Die Maschinen gehor chen nur dem Programm der verdammten Scuddamoren.« Atlan erkannte die Stimme der Galionsfi gur Dorkan Moht. Das Echsenwesen ver suchte, an Bord wieder normale Zustände herbeizuführen, und brüllte schneidend: »Ich sperre den Korridor ab und flute ihn mit Lähmgas. Dann werden die Maschinen siegen. Aufhören!« Die erste Warnung hatte keinen sichtba ren Erfolg. Rund zweihundert Gefangene kämpften gegen etwa zwanzig Roboter. Die Wut und der Haß der verschiedenen Wesen aus dem Marantroner-Revier entluden sich und ließen die friedlichen Gefangenen zu Rasenden werden. Atlan hatte sich inzwischen eine Gasse durch Maschinen und die anderen Kämpfer gebahnt und hörte auf zu rennen. Er wirbelte herum, hob einen zerstörten Robotkörper hoch und schleuderte ihn in den dichtesten Haufen der wild agierenden Maschinen. Er löste eine weitere Kettenre aktion aus. Die nächste Warnung des Echsenwesens ließ einige Gruppen der Gefangenen inne halten. Sie wandten sich ab und rannten in ver schiedenen Richtungen davon. Dumpf schlugen die Schotte hinter ihnen zu. Die Angehörigen der verschiedenen Völker zo gen sich wieder in den fragwürdigen Schutz ihrer Behausungen zurück. »Stellt den sinnlosen Kampf ein!« dröhnte die Stimme Dorkan Mohts durch die Hallen und Korridore.
9 Wieder gehorchten einige Dutzende der Gefangenen. Atlan zuckte die Schultern und ging, langsamer als vorher, in die Richtung der Zelle, in der er und Thalia untergebracht waren. Er öffnete das Schott und sah, daß Thalia mit geöffnetem Raumanzug dalag und sch lief. Müde setzte sich der Arkonide auf den Rand seiner harten Liege. Der Logiksektor versuchte ihn aufzumun tern und erklärte: Warte auf die Landung, denn dann wer den sich die Verhältnisse ändern. »Vermutlich werden sie das tun«, flüsterte Atlan im Selbstgespräch. »Ob zum Guten oder Schlechten, werden wir an Ort und Stelle erfahren.« Wieder einmal warteten sie. Er legte sich, nachdem er das Goldene Vlies teilweise geöffnet hatte, auf den Rücken. Der Anzug behinderte ihn nicht; er saß wie eine zweite Haut. Atlan schlief ein paar Stunden, dann holte er sich aus der pri mitiven Anlage einen Becher voll hellrotem Nahrungsbrei, der seinen Hunger stillte. Als er das zweitemal wach wurde, hörte er in der Zelle eine leise Stimme. Die Gali onsfigur! »Atlan! Hörst du mich?« fragte das Ech senwesen über die Zellenlautsprecher. Tha lia schien nicht zu erwachen. »Ich höre dich, Dorkan«, erwiderte der Mann im Goldenen Vlies. »Was gibt es?« »Wir stehen kurz vor der Landung. Ich habe, während ich steuerte und das Schiff versorgte, tief und gründlich nachgedacht.« Die große Plejade hatte also auch bei die sem versklavten Geschöpf ihre Wirkung nicht verfehlt. »Worüber?« murmelte Atlan. »Darüber, daß ich bisher das Leben eines Sklaven geführt habe und es nicht wußte. Jetzt bin ich nach wie vor versklavt, aber ich weiß es und versuche, den Zustand zu än dern.« »Im Moment verstehe ich nicht recht, was ich dir raten soll«, antwortete Atlan. »Was soll ich tun?«
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»Lande das Schiff auf dem namenlosen Planeten und frage mich, wenn du andere Befehle erhältst, ob du sie sofort oder mit Verzögerung befolgen sollst. Das ist das ein zige, das ich dir jetzt sagen kann.« »Das ist mehr, als ich erwartet habe«, meinte das Wesen, das zum erstenmal in sei nem Leben einen freien Willen spürte. »Und weniger, als ich erhoffte.« Atlan tröstete ihn. »Der Flug hat nicht lange gedauert, aber ich bin sicher, daß wir noch oft miteinander reden werden.« »Ganz sicher. Ich habe unendlich viele Fragen.« Dorkan Moht schaltete sich wieder ab. Atlan erwartete die Landung. Er hatte nicht die geringsten Informationen über den Pla neten ohne Namen.
* »Das Schiff landet. In wenigen Minuten wird die KNIEGEN aufsetzen«, hallte die Ankündigung in der Verkehrssprache des Marantroner-Reviers durch sämtliche Räu me des Organtransporters. Die KNIEGEN drehte sich während des letzten Stückes des Landeanflugs, die Lan destützen fuhren aus wie ein Kranz stähler ner Spinnenbeine, und die obere Polkuppel wies nach oben. Senkrecht kam die halbku gelförmige Konstruktion mit der runzligen, lederartigen Außenhülle herunter und setzte auf. Keiner der Gefangenen sah etwas – au ßer Thalia und Atlan. Sie befanden sich unmittelbar neben der Galionsfigur. Zwischen ihnen lag die Mar morkugel und strahlte matt im Licht einer großen, mittelroten Sonne. Je tiefer das Schiff in die dunstige Lufthülle des unbe kannten Planeten sank, desto schwächer wurde das Licht. Unter dem Schiff erstreck ten sich riesige dunkle Flecken, die wie selt same Wälder aussahen. »Wo landest du, an welchem Platz dieser Welt?« wollte Thalia wissen. Dorkan Moht entgegnete:
»Auf einem einfachen Raumhafen, weit außerhalb einer Siedlung. Das ist die einzi ge, die ich kenne. Sie liegt dort, wo ihr die hellere Ausstrahlung sehen könnt.« Rund um das Schiff befand sich eine aus gedehnte Fläche, anscheinend aus Sand oder hellem Gestein. Ein Kranz schwacher Lich ter begrenzte das Landefeld. Durch die Mas se der dunklen Wälder zog sich ein breiter Streifen wie eine Lichtung bis zu der schwächlich beleuchteten Stadt. »Was geschieht jetzt?« erkundigte sich Atlan und fragte sich, ob er es riskieren konnte, die große Plejade nicht an sich zu nehmen. Für ihn war sie kostbarer als alles andere. »Ich öffne die Schleusen der KNIEGEN.« »Weiter?« »Die Roboter treiben die Gefangenen hin aus. Sie werden den Weg selbst finden müs sen.« »Den Weg zur Siedlung meinst du?« »Richtig.« Rampen schoben sich aus den Kanten zwischen der Wölbung und der ebenen Flä che der Halbkugel. Die Luken und Schleu senportale glitten auf. Dies alles steuerte das Echsenwesen mit seinen Gedankenbefehlen, die über den untrennbaren Verbund zwi schen organischer und anorganischer Mate rie an die Servomechanismen übermittelt wurden. Die Roboter der KNIEGEN schwärmten aus und öffneten die Schotte zu den unzähli gen Zellen. Sie trieben die Gefangenen hin aus auf die Korridore. Im Schiff begann es wieder unruhig zu werden. »Ich habe, wie schon berichtet«, meinte Dorkan Moht, »nur den Befehl, hier zu lan den, alle Insassen auszuschleusen und sofort wieder zu starten.« Atlan lehnte sich gegen einen säulenför migen Schaltschrank und sagte deutlich be tont: »Das solltest du nicht tun, Dorkan.« »Warum nicht?« wollte die Echse wissen. »Thalia und ich wollen versuchen, den Neffen davon abzubringen, daß er mit Ge
Welt ohne Namen walt und Terror über das Marantroner-Re vier herrscht. Aus diesem Grund müssen wir erfahren, was auf der namenlosen Welt vor sich geht, und warum diese Masse von Ge fangenen hierhergebracht wird.« »Du meinst«, unterbrach ihn die Galions figur aufgeregt, »daß auch andere Schiffe hier landen und Gefangene abladen?« Atlan nickte und sah über die Wölbung der Schiffshülle hinweg, daß bereits die er sten Insassen den Boden erreicht hatten. Diesmal befanden sich die Roboter in einer Position, die sie fast unangreifbar machte. »Die KNIEGEN ist mit Sicherheit weder das erste noch das letzte Schiff, das große Mengen von verschiedenen Individuen hier her bringt!« sagte Thalia mit Bestimmtheit. »Ihr seid so sicher?« »Es widerspräche völlig unserer Erfah rung und den Gesetzmäßigkeiten einer sol chen Terrorherrschaft«, sagte Atlan. »Der Planet scheint einen ganz bestimmten Zweck zu haben. Die Scuddamoren sind kei ne Verschwender, noch sind sie dumm. Sie wissen genau, was sie zu tun haben. Warum sollte plötzlich ein einzelnes Schiff hier lan den, viele Leute absetzen, dazu noch in der Nähe einer vereinzelt stehenden Stadt, aus gerechnet auf diesem trüben und düsteren Weltenkörper … sie verfolgen einen Zweck, den wir wissen müssen. Ich bitte dich des wegen dringend, noch nicht gleich zu star ten. Warte auf uns! Wir verlassen ebenso das Schiff und versuchen, herauszubekom men, was hier vor sich geht. Einverstan den?« »Ich bin ein wenig freier. Ich kann inzwi schen einem Befehl zuwiderhandeln, da ich für mich einen Sinn darin sehe«, sagte Dor kan Moht einfach. »Du versprichst uns, nicht eher zu starten, als bis wir wieder an Bord sind?« erkundigte sich Atlan noch einmal. »Ich verspreche es.« »Und du hältst dein Wort?« setzte Thalia hinzu. »Mit Sicherheit. Nehmt ihr die Kugel mit dem Widerschein der Freiheit mit euch?«
11 Atlan riskierte sehr viel, als er sich nach einigen Sekunden des Nachdenkens zu sa gen entschloß: »Vertrauen gegen Vertrauen. Wir verspre chen, bald wiederzukommen und die Kugel in deiner Kanzel zu lassen. Du versprichst uns, nicht zu starten und zu warten. Ohne unsere Anwesenheit verliert die große Pleja de ihre Wirkung, das nur nebenbei. Wir ge hen jetzt.« »Ihr könnt auf den festen Willen eines eben befreiten Sklaven rechnen«, sagte die Galionsfigur nicht ohne Feierlichkeit. »In Ordnung. Bis bald.« »Ich warte auf euch!« rief ihnen Dorkan Moht nach. Atlan und Thalia ergriffen sich bei den Händen und traten den langen Weg zu den Schleusen an. Sie blieben stehen, als sie die Schnittlinie zwischen Schiff und Boden er reichten. Vor ihnen erstreckte sich im düsterroten Licht eines planetaren Nachmittags ein an nähernd rundes Feld. Es war von kleinen Leuchtkörpern begrenzt. Eine Doppelreihe von Robotern hatte sich zwischen dem Schiff und dem Rand der Lichtung ausge richtet. Ihre starken Scheinwerfer beleuchte ten den Sand. Von den breitesten Rampen bis zum Rand des Waldes zog sich eine Spur hin. Sie stammte von Tausenden Fußab drücken der verschiedenartigen Wesen. Atlan und Thalia erkannten gerade noch die letzten Gefangenen, die in ungeordneter Formation dem fernen Licht zustrebten. »Ich kann mich irren, aber ich komme von meiner Meinung nicht los«, murmelte Atlan und zog Thalia mit sich die Rampe hinunter. Die Roboter verharrten regungslos. »Von deiner Meinung, daß der namenlose Planet von äußerster Wichtigkeit für Chirm or Flog ist?« fragte Thalia. Die fremde Son ne erzeugte eine deprimierende Stimmung; es war bereits jetzt, Stunden vor Sonnenun tergang, so dunkel wie in der letzten Däm merung. »Genau dies meine ich!« Sie betraten den Boden. Unter ihren Soh
12 len knirschte feuchter Sand. Langsam gin gen sie den anderen Gefangenen nach. Als ein rumpelndes Geräusch ertönte, drehten sie sich um. »Das Schiff!« stieß Thalia hervor. »Dorkan Moht hat uns betrogen. Er startet!« Eisiger Schrecken durchzuckte sie. Lang sam schlossen sich die großen Luken. Bis auf eine Rampe und eine große Schleuse schoben sich sämtliche sichtbaren Öffnungen zu. Aber das Geräusch der Schiffsmaschinen hatte sich nicht verändert. Atlan schüttelte den Kopf und sagte verwun dert: »Auch das muß einen Sinn haben. Ein Weg hinein und hinaus ist offen geblieben. Ich glaube nicht, daß Moht die KNIEGEN startet.« Ein Teil der Roboter formierte sich und marschierte in exakten Siebenergruppen über die einzige, letzte Rampe zurück ins Schiff. Atlan wußte nicht recht, was er da von zu halten hatte. »Sollen wir zurückrennen?« »Noch nicht«, meinte Atlan und schaute unverändert zum Schiff. Der Rest der Ma schinen, sicher nicht weniger als zweihun dert, bildeten um den unteren Teil der Ram pe einen Halbkreis und richteten ihre Scheinwerfer nach außen. Sie schienen ein Programm zu haben, das sie eine schlagkräf tige Überraschung erwarten ließ. »Nein. Es ist etwas anderes. Hörst du nichts?« meinte Atlan. Das Schiff stand ruhig da. Die Lan descheinwerfer beleuchteten eine Zone rund um den unteren Rand. Die Schleusen und Luken waren inzwischen geschlossen wor den. Nur diese breite Gangway und die ebenso breite Luke standen offen. Die Schleuse hinter den Portalen war greller aus geleuchtet als alles andere. Dorkan Moht schien irgendwelche Maßnahmen getroffen zu haben. »Irgend jemand kommt!« flüsterte Atlan und verließ den Bereich der Scheinwerfer. Thalia und er zogen sich mehr an den Rand der Lichtung zurück und gerieten
Hans Kneifel schon nach wenigen Dutzend Schritten in den Bereich der Düsternis. Aus dem Wald und dem dichten Gebüsch in der Nähe ertön ten tappende, schleifende und knackende Geräusche. Es war, als würde sich eine Ar mee unsichtbarer Gestalten heranschieben. »Tatsächlich!« staunte Thalia. »Wir kön nen nur hoffen, daß es keine rasenden Besti en sind.« »Dank meines Anzuges sind wir immer hin nicht ganz schutzlos«, versuchte Atlan sie zu beruhigen. Sie befanden sich noch immer auf der Straße zur Siedlung. Das Licht war nach ih rer Schätzung etwa fünfzehn Kilometer ent fernt. Aus der Finsternis kamen kleine, mit telgroße und große Gestalten heran. Sie wur den deutlicher sichtbar, je mehr sie sich in das Licht der Roboter-Scheinwerfer und in den diffusen Schimmer der Schiffslichter wagten. Ein schweigendes Heer von Kreaturen schien die KNIEGEN umringen zu wollen. Die nahezu völlige Lautlosigkeit dieses Vor gangs machte ihn gespenstisch. »Diese Wesen … wollen sie etwa das Schiff stürmen?« mutmaßte Thalia. »Keine Ahnung. Hier geht etwas sehr Merkwürdiges vor«, sagte Atlan. »Wir blei ben noch. Vielleicht erleben wir etwas, das uns Aufschluß über den namenlosen Plane ten gibt.« Sie beobachteten genau, was vor ihnen geschah. Riesige Mengen von Wesen quol len förmlich aus den Wäldern hervor. Als die ersten von ihnen in die Helligkeit kamen, zuckten Atlan und Thalia zusammen. Es waren Karikaturen von Krejoden, Tamater und Camagurs und von anderen Wesen, die die Pthorer bisher getroffen hat ten. Sie sahen auf schreckliche Weise verän dert aus. »Sie sind verformt. Man hat mit ihnen et was angestellt, man hat sie operiert oder so etwas Ähnliches«, murmelte Thalia fas sungslos. »Sieh nur!« »Man hat sie sicher nicht operiert. Ihre Anzahl ist dafür viel zu groß«, korrigierte
Welt ohne Namen Atlan. »Aber sie sind tatsächlich verändert.« Sie waren, kannte man die ursprüngliche Form, eindeutig deformiert. Ihre Gliedmaßen paßten nicht mehr zu den Körpern, und ihre Köpfe nicht mehr zu den Gliedern. Sie waren teilweise dicker ge worden, zum anderen Teil schien es, als ob sie muskulöser geworden wären. »Warum sind sie deformiert? Oder defor miert worden?« fragte sich Atlan laut. »Ich bin sicher, daß es hier auf der Welt ohne Namen geschehen ist«, meinte Thalia. »Ich hasse den Planeten schon jetzt.« »Ganz bestimmt ist er alles andere als ein angenehmer Aufenthaltsort. Nicht nur für uns«, brummte der Arkonide. Sieh dich genau um! mahnte der Extra sinn. Er gehorchte diesem Befehl, näherte sich dem Licht wieder und schaute die einzelnen Wesen an, die an ihm vorbeiliefen und sprangen, ohne ihn und Thalia zu beachten. »Ursprünglich waren sie alle Angehörige der verschiedenen Planetenvölker des Ma rantroner-Reviers«, stellte Atlan fest. Er war ganz sicher. »Hier hat vielleicht ein unbekannter na türlicher Effekt eingesetzt und hat sie so furchtbar verändert«, sagte Thalia. »Ich frage mich, ob dies etwas mit dem Metamorphose-Schlag zu tun hat?« Tausende der deformierten Wesen kamen heran und bewegten sich auf das Schiff zu. Bald hatte sich ein dichter Ring um die KNIEGEN gebildet. Die Roboter wichen nicht zurück, die Deformierten drangen nicht vor, und es gab keine Auseinanderset zungen. Die Sonne versank nun hinter den Wipfeln der Bäume, und aus der Düsternis wurde schwärzeste Nacht. Die Umgebung wirkte abstoßend und vol ler Gefahren. Das helle Licht aus dem Schiff und die Scheinwerfer der Maschinen waren wie eine warme Insel der Sicherheit. Ge waltsam riß sich Atlan von dem Bild los und sagte schaudernd: »Das also hat Säntho mit uns geplant. Je mehr ich von den Scuddamoren erfahre, de
13 sto unbegreiflicher werden sie mir.« »Und niemand weiß, wer oder was sie ei gentlich wirklich sind«, flüsterte Thalia, klammerte sich an Atlans Schulter fest und zog ihn weiter zurück. »Was können wir an dieser Stelle tun?« »Ich fürchte, nichts«, antwortete Atlan. Der Ring um das Schiff wurde noch dich ter. Die Anzahl der verformten Planetarier war nicht mehr abzuschätzen. Atlan und Thalia wandten sich in die Richtung der Siedlung und kamen auf dem sandigen, von kleinem Geröll durchsetzten Boden gut vor an. Zwischen der unbekannten Siedlung und dem Schiff schienen sich keine Hindernisse aufzutürmen. Atlan und Thalia sahen nur ei ne ebene Fläche und darauf die Gestalten der dahinwandernden Gefangenen. Niemand schien sie zu bewachen. Trieb sie plötzlich ein dunkler Drang in diese Richtung, oder unterlagen sie alle ebenfalls der Verlockung der Helligkeit dort vorn? Atlan und Thalia waren fest entschlos sen, dies herauszufinden. Nach etwa fünfhundert großen Schritten erreichten sie den Rand des Landefelds und passierten eine Art Straße zwischen zwei matt leuchtenden Begrenzungslichtern. Es war fast nichts mehr zu sehen; der Himmel ließ wenige Sterne erkennen und gab ein ganz schwaches rotes Glühen von sich. Langsam kamen die letzten Gefangenen vor ihnen in Sicht. Plötzlich sagte Thalia: »Vielleicht findet hier die natürliche Form derjenigen Metamorphose statt, die von den Scuddamoren auf Kinster-Hayn versucht wird?« »Das ist durchaus möglich. Aber der La borversuch in der Eis-Geheimstation kann nicht mehr sein als der schwache Versuch eines Nachvollzugs. Vermutlich simulieren sie in dem Tank die Verhältnisse auf dieser gräßlichen Welt.« »Die Gefangenen dort, die mit der KNIE GEN gebracht worden sind«, sagte der Ar konide nach einem weiteren Stück Marsch,
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»gehen also mit größter Sicherheit demsel ben Schicksal entgegen.« »Sie werden deformiert? Meinst du das wirklich?« »Ich kann sonst nichts erkennen, das den Flug hierher gerechtfertigt hätte. Und wenn ich unsere seltsamen Freunde Säntho und Yärling auch nur annähernd richtig einschät ze, dann haben sie uns dasselbe Schicksal zugedacht.« »Glücklicherweise haben wir die Galions figur auf unserer Seite«, antwortete Thalia. Das Licht vor ihnen wurde nur allmählich heller. Vor ihnen wanderten Tausende Ge fangene dem grausigen Schicksal entgegen. Es war schlimmer als nur Sklaverei. »Eigentlich könnten wir sofort wieder starten!« sagte Thalia nach einer Weile. Sie befanden sich offensichtlich am Rand eines Sumpfes. »Das wäre Flucht, und dafür besteht noch keine Notwendigkeit«, entgegnete Atlan. »Worauf warten die unglücklichen Wesen rund um die KNIEGEN eigentlich?« »Ich glaube, sie hoffen, von der namenlo sen Welt abgeholt zu werden. Ihre Hoffnung wird grausam enttäuscht werden.« Atlan und Thalia wollten das schreckliche Geheimnis, das diesen Planeten umgab, auf decken. Sie meinten, auf einem Weg zu sein, der sie, wenn auch im Zickzack, in das Zen trum der Macht führte.
* Rund eine Stunde, nachdem sie den Weg der Gefangenen gegangen waren, lag auf ei ner unbedeutenden Anhöhe die Siedlung vor ihnen. Das Licht war strahlender und ließ wei taus mehr Einzelheiten erkennen. Eine Mau er umgab das Areal in der Größe einer ptho rischen Stadt. Jenseits der Mauer befand sich ein freier Streifen, hinter dem die ersten Bäume eines unwirklich aussehenden Waldes hochragten. In der Mauer hatte sich ein Tor weit geöffnet. »Die Anlage wirkt wie ein Straflager«,
stellte Atlan fest. »Mit Sicherheit gehen wir beide nicht durch das Tor.« »Die Nacht in diesem Wald?« fragte Tha lia zurück. Die Aussicht darauf schien ihr weniger Schrecken einzujagen als sie anzue keln. »Sicher finden wir ein ruhiges und war mes Plätzchen«, murmelte Atlan und ver suchte ein Grinsen. »Du machst Scherze, bei denen es mir kalt über den Rücken läuft«, gab Thalia ge reizt zurück. »Auch diese Nacht überleben wir«, sagte er beschwichtigend, »nichts anderes wollte ich mit dieser Bemerkung sagen. Beruhige dich.« Sie sahen aus einer Entfernung von schät zungsweise zweihundert Metern zu, wie sich der Zug der Gefangenen durch das Tor wälzte. Auch hier herrschte fast völliges Schweigen. Die vielen Wesen sprachen höchstens flüsternd miteinander. »Und keiner wehrt sich. Keiner versucht zu fliehen«, knurrte Atlan und sah gebannt zu. Auf beiden Seiten des Tores, auf kleinen Türmen, befanden sich Roboter. Kein einzi ger Scuddamore hatte sich bisher sehen las sen. Die Maschinen richteten ihre Linsen auf die Gefangenen und schwenkten langsam geschützähnliche Projektoren hin und her. Aber sie hatten keinen Grund, die Waffen einzusetzen. Hinter dem letzten Ankömmling schloß sich das Tor. Aus dem Boden schob sich ei ne schwarze Platte hervor und immer höher. Atlan erhaschte noch einen letzten Blick auf die kleinen, trostlosen Plätze zwischen den kantigen Gebäuden. Alles wirkte ver schmutzt und verwahrlost. Dann hatte sich die Siedlung in eine Festung verwandelt. »Immerhin sind wir außerhalb der Mau er!« stellte Atlan sachlich fest. Sie zogen sich aus dem Bereich des diffu sen Lichtes zurück. Als sie den festen Unter grund der Straße verließen, befanden sie sich nach einigen Schritten auf morastigem Grund, der sich unter ihren Füßen bewegte
Welt ohne Namen und blubbernde Geräusche von sich gab. Hell schimmerte ein Baumstamm durch die Dunkelheit. Atlan zog Thalia darauf zu. Der Baumstamm wirkte auf sie wie ein Tier. Er bog sich hin und her und führte schlängelnde Bewegungen aus. Auch die an deren Stämme in der Nähe bewegten sich auf diese Art. Sie schienen nachts irgend welche rätselhaften Aktivitäten zu ent wickeln. Über ihren Köpfen rauschten und raschel ten Blätter von unbekannter Form. Aber es gab nicht das Knacken von Holz, das sie ei gentlich erwarteten. Nicht der geringste Wind war zu spüren. Es war, als ob in den Kronen der Bäume Tiere gegeneinander kämpften, ohne jeden Schrei und ohne Ge brüll. Oder als ob sich die Bäume gegensei tig angreifen würden. Ihre Bewegungen wurden immer heftiger und drängender. »Eine neue Version des Schreckens. Was geht dort vor?« Atlan zog sich wieder von den Baum stämmen zurück und sicherte nach allen Sei ten. Weit zwischen den Stämmen schimmer te schwach ein dunkelrotes Licht auf. Ein anderes Geräusch war zu hören; ein tiefes Summen und Knirschen kam näher. Das kann kein Tier sein, gab der Extra sinn zu bedenken. Regungslos blieben die Pthorer stehen. Etwas schob sich in langsamem Zickzack zwischen den Stämmen heran. Das Leuchten wurde stärker; dann und wann erkannten sie eine Art riesengroßen Scheinwerfer, dessen Licht nicht blendete, selbst wenn es sich in ihre Richtung erstreckte. »Wir werden verfolgt oder angegriffen!« meinte Thalia dicht an Atlans Ohr. Atlan nickte und wartete ab. Sie standen im fragwürdigen Schutz einiger kleiner Bü sche mit dornenartigen Blattenden, die ge geneinander schabten und kratzten. Das Ding kam auf sie zu, und jetzt erkannten sie es besser. Es schien eine Maschine zu sein. Eine Maschine, deren Systeme auf die Dunkelheit eingerichtet waren. Vermutlich
15 »sah« sie im infraroten Bereich und verwen dete Ortungsinstrumente. Sie sah wie ein überdimensionaler Wurm aus, mit einem spitzen Rüssel vorn und einer Art Gitterkä fig am anderen Ende. Breite Rollen drehten sich, auch sie vom rötlich schimmernden Licht angestrahlt. Zwischen den beiden letzten Stämmen, deren Bewegungen jetzt schwächer wurden, kam die Maschine heraus und wurde schnel ler. Sie glitt auf mindestens fünfzehn Rollen durch den Sumpf und sank nur unwesentlich ein. Das wenige Licht in seinem Rücken ge nügte dem Arkoniden, um zu sehen, daß ihn die Maschine angriff. Sie riß einen langen, spitzen Schnabel auf, der gewisse Ähnlich keit mit einem Krokodilsrachen hatte. »Zurück zum Schiff!« rief Thalia unter drückt. Atlan blieb hartnäckig stehen. Er hatte et was gesehen, das ihn faszinierte. Als die Sumpfmaschine den Fangrachen aufriß, schaltete sie gleichzeitig einen Satz greller Scheinwerfer ein und stieß einen dumpfen Summton aus. Atlan sah, daß das Gitter im Heck der Maschine wirklich ein Käfig war. Etwa ein Dutzend verschiedener Gestalten saß darin. Einige kannte er nicht – sie waren bis zur Unkenntlichkeit deformiert –, die an deren identifizierte er als ebenfalls stark ver änderte Exemplare der ihm bekannten Ma rantroner-Völker. »Das muß ich sehen«, sagte er, sprang vorwärts und versank bis zu den Schienbei nen im Sumpf. Die Maschine wurde langsa mer, bog ihren segmentierten Körper hin und her und glitt mit der Unterkante des me tallenen Rachens durch den Sumpf. Dann richtete sich die Spitze auf Atlan, tauchte in den Sumpf hinein und fischte ihn heraus. Er blinzelte im starken Licht und warf sich vor wärts. Hinter ihm klappte der riesige Rachen mit einem klirrenden Geräusch zu. Wieder summte die Maschine. Atlans Anzug reagierte wieder richtig. Als der rechte Schulterstachel das Metall streifte, ertönte ein lautes Krachen. Ein Blitz zuckte von der Spitze und traf rasend schnell
16 nacheinander verschiedene Ziele. Die Me tallstellen glühten auf, einige Verbindungen schmolzen, und entlang eines erst jetzt sicht baren Kabelstrangs fraß sich eine weißglü hende Bahn weiter. Aber die Sumpfmaschi ne rollte weiter, bog ihren Rumpf wie eine Wüstenschlange hin und her und griff mit kleinen Greifern nach Atlan. »Ich kann dir nicht helfen!« schrie Thalia von draußen. Atlans Fäuste in den Handschuhen des Anzugs trafen die künstlichen Finger und zerschmetterten und verbogen sie. Er befand sich in einem Gang, der groß genug war, ihn aufgerichtet passieren zu lassen. Aus den Schulterstacheln schossen wieder Blitze und suchten sich ihre Ziele selbst. An mehreren Stellen zerriß der Rumpf, und die Blitze fuh ren durch die Löcher hindurch in den aufko chenden Sumpf. Atlan stolperte geradeaus. Ihn blendeten die vernichtenden Strahlen des Goldenen Vlieses. Er befand sich sozusagen in der Speiseröhre dieser Maschine. Ihr Sinn war einigermaßen klar. Sie richtete sich nach Be wegungen und nach wärmeabstrahlenden Wesen aus, die sich von der Umgebung ab hoben. Die quallenhaft reagierenden Sumpf bäume hatten ihr den Standort von zwei le benden Wesen einer bestimmten Größe ge zeigt. Vor Atlan öffnete sich in der stellenweise brennenden Maschine ein Gitter aus Metall. Hinter ihm detonierte ein Teil des Geräts. Das Gitter wurde mit gewaltiger Kraft nach oben geklappt, er erhielt einen heftigen Stoß in den Rücken, und gleichzeitig kippte der Rost unter seinen Füßen nach vorn. Atlan krümmte seinen Körper zusammen, stieß sich mit letzter Kraft ab und landete in einem Haufen weicher Körper. Sekundenlang hatte er den Eindruck, in einem Berg von Gliedmaßen begraben zu sein, die sich allesamt heftig bewegten. »Gefangen«, schrie eine Stimme. Eine an dere knarrte in fast unkenntlichem GarvaGuva: »Zurückgebracht werden. Wir alle.« Atlan richtete sich mühsam auf. Er war im
Hans Kneifel Fangkäfig der Maschine gelandet. Das Gerät summte höher und höher und bewegte sich hastiger. Die Rollen warfen stinkende Fontä nen von Sumpfwasser und schlammartiger Substanz auf. Dann bohrte sich die Spitze der Schnauze mit einem donnernden Krach in einen Baumstamm. Abermals fielen die Körper der Gefange nen übereinander. »Ich bin ein Freund!« schrie Atlan. »Ich bringe euch hier heraus!« Er sprang auf, umklammerte zwei der Git terstäbe und drehte, während er auf die Wir kung des Anzugs wartete, den Kopf hin und her. Was er hier aus unmittelbarer Nähe sah, entsetzte ihn tief. Aus den Schulterwaffen lösten sich zwei leise summende Strahlen und zerschnitten jeweils drei Gitterstäbe an zwei Stellen. Das glühende und schmelzen de Metall fiel klatschend in den Sumpf. Einer der Gefangenen schnellte sich in ei nem Wirbel von Armen und Beinen – also war es einst ein Camagur mit seinen jeweils drei Bein und Armpaaren gewesen! – aus der Öffnung in das aufspritzende Wasser und verschwand blitzartig aus dem Bereich der Scheinwerfer. Atlan drehte sich herum. Auch ins Innere des Käfigs richtete sich ein paar mit Gittern geschützte Lampen. »Ihr seid wieder frei«, sagte er. Von einer Seite antwortete ihm ein sinnlo ses Stammeln und Murmeln. Ein Wesen, das er für einen Tamater hielt, antwortete aus ei nem seiner Münder, die wie Öffnungen von Trompeten aussahen: »Frei. Sinnlos. Wir alle – keine Ahnung.« Atlan blieb neben der Öffnung stehen. Er sah im Licht der roten und weißen Schein werfer, daß Thalia durch knietiefen Morast heranstapfte. Er winkte ihr, sie hob müde die Hand. »Seit wann ist Freiheit sinnlos?« fragte er und glaubte zu erkennen, daß zumindest ei nige der Gefangenen geistig verwirrt waren. Im Hintergrund des Käfigs rangen und kämpften zwei Deformierte miteinander. »Wohin gehen?« schrillte es aus einer an deren Ecke.
Welt ohne Namen »Besser hier im Dschungel und Morast le ben als im Straflager dort drüben«, sagte er mit Nachdruck. »Alles dasselbe. Kein Unterschied. Du Fremder?« Das Wesen, das hauptsächlich mit ihm sprach, schien wenigstens noch nicht bösar tig geworden zu sein. Vielleicht war die Flucht in die Sinnesverwirrung eine Reakti on auf die Lebensumstände hier. Maschinen dieser Art versuchten, flüchtige Gefangene aufzuspüren und in das Lager zurückzubrin gen. Ein Mosaikstein paßte zum anderen. »Ich bin ein Fremder. Ich versuche, mich in dieser Welt zurechtzufinden.« Der Deformierte sprang zur Seite, als die beiden Kämpfenden, ineinander verkrallt, an ihm vorbei durch das Loch nach draußen sprangen. Sie verschwanden in einer Flut von blasigem Sumpfwasser. »Planet böse. Wir Gefangene. Körper än dern sich, Geist wird krank. Verstand geht weg.« Zwei andere Wesen, die diese Sumpfma schine eingefangen hatte, machten sich da von und kletterten schweigend aus der Öff nung. Die Maschine brannte an drei Stellen, und der stickige Qualm legte sich wie ein Nebel dicht über den Sumpf. Thalia zog sich langsam an den Verstrebungen herauf. Atlan streckte eine Hand aus und zog seine Freun din ins Innere des Käfigs. »Hast du begriffen«, fragte er halblaut, »was hier vorgeht?« »Die Maschine jagt geflüchtete Gefange ne. Und du hast einige von ihnen befreit.« »So ungefähr. Einige von ihnen sind bös artig geworden. Die anderen scheinen unter der Rückbildung des Verstands zu leiden.« Der Verformte schrie aufgeregt: »Rückbildung! Richtig. Richtig. Wir … erleben … mit, … daß …. daß … unser Le ben verändert sich … dieser Planet ohne Na men. Furchtbar, Fremder.« Voll Entsetzen hörten sie zu. »Je länger ihr auf dieser Welt seid, desto mehr verändern sich Körper und Verstand?« fragte der Arkonide und war sicher, direkt
17 auf der Spur des Geheimnisses zu sein. »Richtig, richtig. Andere sind länger. Ich nicht lange. Alle … merken … es.« Für diesen Verformten, offensichtlich den noch am wenigsten beeinträchtigten der Gruppe, bildete der Versuch, einen einfa chen Satz auszusprechen, bereits größte Schwierigkeiten. Der Rest der Gruppe kauerte apathisch in dem geöffneten Käfig und machte nicht die geringsten Anstalten, das Gefängnis zu ver lassen. Eigentlich, dachte Atlan bitter, hatten sie recht: Was würde sich durch einen blo ßen Ortswechsel an ihrer Lage ändern? Frage ihn, wie lange der Prozeß der Ver formung dauert. Und welches das Endziel ist! sagte hinweisend der Logiksektor. Atlan atmete tief ein und aus. Auch die Luft stank nach Morast und giftigen Gasen. Aber sie war ohne Schaden atembar. Atlan fragte und zwang sich, langsam und besonders deutlich zu sprechen: »Wie lange bist du auf diesem Planeten?« »Ich weiß nicht.« Also ging auch das Zeitgefühl verloren. »War es eher länger oder kürzer?« bohrte Atlan weiter. »Es war nicht lang.« »Wann hat der Prozeß der Verformung angefangen?« Es war eine gespenstische Szene im Licht der zerstörten Sumpfmaschine. Atlan, Thalia und der ehemalige Tamater standen sich ge genüber und versuchten sich zu unterhalten. Je länger der Dialog dauerte, desto unsiche rer schien der Kleine zu werden. Jedenfalls nahmen seine Antworten an Unklarheit zu. »Wie?« fragte er. »Wann hast du gemerkt, daß sich dein Körper verändert?« »Schon bald«, keuchte der Bedauernswer te. »Wie ging es weiter?« fragte Atlan drän gend. »Wie … fragst du … nicht verstehen?« Oder war es eine Phase, in der jener Tamater-Nachfahre oder wie immer man ihn bezeichnen konnte, vorübergehend die letzte
18 Einsichtsfähigkeit verlor? Er bemühte sich angestrengt, eine Antwort zu formulieren. Schließlich brachte er hervor: »Tag und Nacht. Sie wechseln. Immer … ich merkte, daß ich anders werde. Innen und außen. Es geht weiter. Dort … andere sind schlimm geworden.« Also, schloß der Arkonide aus der Ant wort eines unmittelbar Betroffenen, war der Vorgang der Deformierung kontinuierlich und verlief noch immer weiter. Geist und Körper veränderten sich gleichermaßen. Er konnte von diesem Wesen keine klare, exak te Schilderung verlangen oder erwarten. Sie mußten sich abermals ihre Informationen mehr als mühsam zusammensuchen. »Was ist das Ende?« fragte Atlan und ahnte, daß er darauf keine verbindliche Ant wort bekommen würde. »Weiß nicht.« Thalia sagte plötzlich außerordentlich ru hig und gefaßt: »Auch wir müssen damit rechnen, daß der Planet auf uns einwirkt. Wenn wir lange ge nug hier bleiben, werden auch wir beein flußt. Die Aussicht, wie diese Unglücklichen verformt zu werden, erheitert mich nicht im geringsten. Noch immer wartet Dorkan Moht auf uns.« Mit langsamen Bewegungen stand einer der bisher völlig regungslosen Gefangenen auf und kroch an der Gruppe vorbei. Unter einer fleckigen Haut sahen sie mächtige Muskeln, die ein Krejode niemals besessen hätte. Jedes Gelenk war kugelförmig aufge dunsen. Der Verformte sah sie aus großen Augen an, schüttelte schweigend den Kopf und kletterte, schneller werdend, mit kraft vollen Bewegungen hinaus in den Sumpf. Die Maschine war inzwischen einen halben Meter tief eingesunken. »Gibt es viele Suchmaschinen?« fragte Thalia unruhig. »Viele suchen«, antwortete der Tamater. »Sie fangen euch also ein. Und wohin bringen sie euch dann?« Noch immer beleuchteten die wenigen unzerstörten Scheinwerfer der Sumpfma-
Hans Kneifel schine die Gefangenen und die nächste Um gebung. Aus der Dunkelheit heraus leuchte ten große Augenpaare und starrten herüber. Atlan versuchte, anhand der Größe die Ge fährlichkeit irgendwelcher Nachtraubtiere abzuschätzen, aber nicht einmal der Logik sektor warnte ihn. Und auch die Deformier ten schienen vor den Tieren dort draußen keine Furcht zu kennen. Plötzlich löste sich der Tamater zwischen ihnen aus seiner halben Erstarrung. Auch seine Stimme veränderte sich und wurde dem Klangbild, das Atlan und Thalia in ihrer Vorstellung hatten, ähnlicher. Er sagte: »Seit ich aus der großen Menge von Ge fangenen flüchten konnte, die mit einem Schiff gebracht und irgendwo dort«, sein Arm deutete zum Landeplatz hinüber, »abgesetzt wurden, befand ich mich im le benden Dschungelsumpf. Ich mußte merken, was mir dieser grausame, gräßliche Planet antat, von Tag zu Tag, von Nacht zu Nacht. Ich bin nicht mehr, was ich war. Ich weiß nicht, was ich bin. Ich bin völlig hohl und leer. Ich kenne auch das Ende dieses Zu stands nicht und weiß nicht, wohin er mich führt. Ab und zu gibt es helle Augenblicke, so wie jetzt. Dann erinnere ich mich an alles. Aber die Augenblicke gehen schnell vorbei und werden immer seltener, je länger ich mich hier befinde. Es geht allen Gefangenen so, nicht nur denen, die sich geflüchtet ha ben.« Er atmete röchelnd und schüttelte sich wie im Krampf. Dann sagte er, wieder mit nega tiv veränderter Stimme: »Wir sind alle hoffnungslos. Es graut uns vor … Zukunft. Bald kommt Schiff. Uns ho len und vernichten. Gehen jetzt.« Er stieß einen Laut aus, den keiner deuten konnte, und verschwand durch das von At lan erzeugte Loch im Käfig. Draußen im Morast stürzte er sich, bewaffnet mit einer irgendwo losgerissenen Strebe, auf eines der nachtjagenden Tiere. Außerhalb des Lichtes begann ein erbitterter Kampf. Atlan und
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Thalia sahen sich zutiefst erschrocken an. »Die geistige Deformierung geht also mit der körperlichen parallel«, bemerkte Atlan schließlich. »Warum verurteilen die Scudda moren ihre Gefangenen zu einem solch grausamen Schicksal? Und zu welchem Zweck?« »Wir werden es vielleicht wissen, wenn es uns endlich gelingt, diesen Planeten zu verlassen«, sagte Thalia ebenso berührt. »Das ist ein Stichwort«, meinte der Arko nide. »Sobald es hell wird, sollten wir zur KNIEGEN zurückgehen.« »Und auf dem Weg dorthin werden wir mit einiger Sicherheit auf weitere Opfer der Deformierung stoßen.« »Und auf Tote und fertig Deformierte, wie immer sie aussehen mögen«, pflichtete ihr Atlan bei. »Versuchen wir uns hier etwas auszuruhen – ich habe versprochen, daß wir einen ungefährlichen Platz finden.« »Eigentlich hast du von einem warmen und gemütlichen Plätzchen gesprochen, Lie bster«, meinte sie. »Aber es macht ange sichts der Umstände keinen großen Unter schied.« Sie setzten sich in eine dunkle Ecke. At lan zog Thalia an sich. Die Spuren der Er lebnisse hatten ihre Gesichter geprägt; sie waren über und über voller trocknendem Schlamm und stanken erbärmlich. Das Gol dene Vlies hüllte sie in eine Aura von Wär me ein und schien sie sogar gegen die leisen Geräusche der Umgebung abzuschirmen. Sie wurden schläfrig, denn sie waren ge wöhnt, sich auch in aussichtslos erscheinen den Situationen entspannen zu können.
* Atlan blinzelte und versuchte, sich so schnell wie möglich zu orientieren. Ein Ge räusch hatte ihn aufgeschreckt. »Verfluchter Sumpf!« murmelte er und löste seinen Arm von Thalias Schultern. Sie schlief erschöpft weiter, als er sie vorsichtig wieder gegen die Rückwand des Käfiggitters bettete.
Aus dem Sumpf war ein Tier aufgetaucht. Oder ein Gefangener, dessen Deformie rung beendet ist? wisperte der Extrasinn. Atlan kam lautlos auf die Füße. Er blickte durch die Öffnung hinaus. Ein schwarzer und schlammbedeckter Schlangenleib schob sich ruckweise heran. Vier große Augen, in Tausende von Facetten eingeteilt, blinzelte träge im helleren Licht. An beiden Seiten des pyramidenförmig zugespitzten Kopfes saßen lange, wie Tentakeln züngelnde Arme mit dornenförmigen Krallen an den Enden. Das Tier richtete sich jetzt halb auf und be wegte wie eine Kobra ihren Körper vor der Öffnung wiegend hin und her. Die Arme zo gen sich in spiraligen Windungen zurück und schnellten wie Peitschenschnüre vor wärts. Sie zielten eindeutig in seine Richtung. Während sie geschlafen hatten, waren die wenigen Deformierten aus dem Käfig ver schwunden. Atlan stand innen vor dem Loch und verfolgte mit gespannter Aufmerksam keit die Angriffsbewegungen des Tieres. Hinter der Biegung des Körpers, der etwa einen halben Meter Durchmesser aufwies, bewegte sich der Morast in unregelmäßigen Wellenlinien. Die Sumpfschlange war nicht weniger als dreißig Meter lang, fuhr es Atlan durch den Kopf. Er vertraute auf den Schutz des An zugs der Vernichtung und ging zwei Schritt näher an die Öffnung heran. Die Schlange richtete den Kopf auf ihn und riß den Ra chen auf. Breite Zähne, wie Sägeblätter ge formt, blitzten auf. Eine dolchartige Zunge schoß auf ihn zu und hätte seine Augen ge troffen, wenn er sich nicht blitzschnell zur Seite geworfen hätte. Sein Arm schnellte hoch und packte die Zunge. Aus dem Stachel des Anzugs fuhr ei ne schwache, knatternde Entladung und traf die Zunge, die glitschig aus Atlans Fingern rutschte und wieder im Rachen verschwand. Die Schlange stieß ein lautes Zischen aus. Thalia erwachte und sah Atlan im Kampf mit dem Ungeheuer. Die stachelbewehrten Tentakeln peitsch
20 ten vorwärts. Einer packte Atlan am linken Oberarm, der andere legte sich um seinen Hals. Beide rissen ihn vorwärts. Sein Körper befand sich sekundenlang in der Luft und wurde waag recht durch die Öffnung gerissen. Der Kör per der Schlange und die beiden Arme zo gen sich in einer gleitenden Bewegung zu rück und klammerten sich um Atlan, preßten ihn gegen den Hals der Schlange. Der Kopf bog sich herunter und traf Atlan mit großer Wucht an der Schulter. Ein furchtbares Ge räusch ertönte, als die Zähne auf dem golde nen Metall des Anzugs entlangschrammten. Wieder zischte die Schlange laut auf. Ihr Körper tauchte unter. Die Zähne waren von einer Entladung des Anzugs getroffen wor den. Der Schlangenleib geriet in heftige Be wegungen und tauchte teilweise in den Sumpf ein. Aus beiden Schulterwaffen des Goldenen Vlieses zuckten kurze Blitze auf, badeten die Umgebung in flackernde Hellig keit und trafen an vier Stellen den geschupp ten Körper. Sie brannten tiefe Löcher, aber das Tier kämpfte weiter. Atlan merkte, wie sich der Anzug am Arm und am Hals versteifte. Die kleinen Ar me zogen sich im Rücken zusammen, aber immer wieder glitten sie von dem Metall ab. Dann bäumte sich die Schlange hoch auf, wieder krachte der Kopf herunter, die Zunge schlug Atlan quer über das Gesicht und traf nur das durchsichtige Gebilde vor dem Rand des Kapuzenhelms. Dann tauchte die Schlange in den Sumpf ein. Hinter dem Heck der Sumpfmaschine befand sich ein Tümpel, und dort ver schwanden in einer Wolke aus Tropfen und den Resten faulender Blätter Atlan und der Vorderteil des Tieres. Atlan befand sich von einer Sekunde zur anderen in völliger Finsternis. Um ihn her um gluckerte und brodelte der Sumpf. Seine Arme suchten den Kopf und die Augen des Untiers. Seine Faust traf etwas Weiches, daraufhin verwandelten sich die drehenden und windenden Bewegungen des Schlangen leibes in wilde Zuckungen. Wieder traten
Hans Kneifel die Waffen in Tätigkeit. Der Kopf der Schlange hatte sich in Atlans Schulter ver bissen, und immer wieder griffen die Zähne an. Atlans linke Seite wurde in grelle Hellig keit getaucht, sofort verdampfte ein riesiges Stück Morast und explodierte förmlich. Das Goldene Vlies schützte ihn wie ein vollkommener Raumanzug. Der Schlangen körper versteifte sich, als Teile des Kopfes sich in der Explosion auflösten. Aber sie sanken weiter ab in die Tiefe des Sumpfes. Atlan begann sich zu fürchten. Der Kampf würde sicherlich zu seinen Gunsten vom Anzug entschieden werden. Aber das Goldene Vlies konnte ihn vermutlich nicht davor behüten, von dem schweren Körper tiefer und tiefer gezogen zu werden bis auf den Grund des Sumpflochs. Die kleinen Arme wurden von zwei wei teren Explosionen abgetrennt, als sie sich den Spitzen der Schulterstacheln näherten. Wieder spritzte an der Oberfläche das Sumpfloch in zwei krachenden Explosionen auseinander, die meterhohe Säulen aus stin kendem Schlamm in die Höhe warfen und die Maschine und Thalia mit einem Hagel von faustgroßen Schlammklumpen über schütteten. Atlan kämpfte mit Armen und Beinen ge gen den Versuch der Schlange, ihren ster benden Körper in spiraligen Windungen um ihn zu legen. Der Anzug der Vernichtung half ihm, aber rätselhafterweise setzte er nicht alle seine Möglichkeiten ein. Die Un terstützung schien dosiert abzulaufen. Noch immer wußte der Arkonide nicht, nach wel chen Kriterien dieser »mitdenkende« Anzug handelte. Im Lauf der nächsten Minuten spuckten die Schulterstacheln mehrmals kräftige Ent ladungen aus. Der Kopf der Schlange wurde zerrissen, aber der Körper kämpfte weiter. Atlan wurde abermals tiefer hinuntergezo gen, schlug wie rasend um sich und fühlte endlich, daß der Biß der riesigen Zähne an seinen Schultern, seinen Oberschenkeln und dem Brustkorb schwächer wurde und schließlich nachließ.
Welt ohne Namen Langsam öffneten sich auch die er drückenden Schlingen des Körpers. Aber nach wie vor spürte der Arkonide, wie er und der Leib des Tieres absanken. Das Sumpfloch schien unergründlich tief zu sein. Wieder reagierte das Goldene Vlies. Aus den Ausbuchtungen an der Hüfte und den beiden vibrierenden Schulterstacheln krachten Energiestrahlen. Woher bezog der Anzug diese Energie? Sie zerschnitten und zerfetzten andere Teile der Schlangenbestie. Die Körperwindungen wurden weiter und lösten sich an der Stelle von Atlans Knö cheln. Auch der Druck gegen seine Knie und Unterschenkel löste sich. Dich wird das Goldene Vlies schützen und retten, schrie aufgeregt in diesem Moment der Extrasinn. Atlan kämpfte schweigend und verbissen. Sein Ziel war es jetzt, sich vom Grund des Lochs abzustoßen und an die Oberfläche zu kommen. In unmittelbarer Nähe seines Kopfes gab es einige Lichtblitze, ebenso viele Detonationen ertönten. Wieder zerfetz ten die Abwehreinrichtungen des wunderba ren Anzuges Teile des Leibes der Schlange. Atlan war ganz plötzlich frei; er konnte sei ne Arme ungehindert bewegen. Einen Se kundenbruchteil lang dachte er an Thalia, die an der Oberfläche auf ihn wartete und sich um ihn sorgte. »Verfluchter, stinkender Sumpf! Ver dammter Planet ohne Namen!« fluchte er und fühlte im selben Moment, wie sein Kör per auf rätselhafte Weise leichter als das Sumpfwasser zu werden schien. Einige Bewegungen, die er weitestgehend instinktiv ausführte, brachten ihn einige Me ter höher. Es war, als habe sich um den An zug der Vernichtung eine riesige Luftblase gebildet, die ihn nach oben zog. Irgendwann merkte er, daß sein Körper sich völlig von der toten Sumpfschlange ge löst hatte und fast senkrecht stand. Er erin nerte sich an die in diesem Fall angebrach ten Verhaltensweisen und machte entspre chende Bewegungen. Überrascht registrierte er, daß er tatsächlich mehr und mehr Höhe
21 gewann und durch das schlammige Wasser schwamm wie ein Taucher, der die Oberflä che dicht über sich wußte. Du hast es fast geschafft! dröhnte die laut lose Stimme des Logiksektors durch seine Gedanken. Mit einem kraftvollen Schwung tauchte er aus der schwarzen Oberfläche des Sumpf lochs auf. Seine Arme und Hände schlugen klat schend auf das Wasser. Schlamm und Schlick perlten von der Kapuze und dem Energiegebilde vor seinen Augen ab. Er sah augenblicklich ganz klar die Umgebung vor sich. Thalia klammerte sich am Gitter des Kä figs fest und starrte ihn an. Einige Schein werfer leuchteten genau in seine Augen. Er blinzelte und erkannte, daß die Sumpfma schine zu einem Viertel versunken war. Er versuchte, an den Rand des Tümpels zu kommen und registrierte zufrieden, daß es ihm gelang. Er kam auf festeren Boden, richtete sich auf und schüttelte sich. Der energetische Schutzschild vor seinem Gesicht glitt zur Seite. Er rief: »Keine Sorge, Thalia. Ich bin unversehrt. Das Biest wurde vom Goldenen Vlies erle digt.« Er blieb stehen, atmete tief ein und ging dann mit schmerzenden Muskeln auf den Sumpfwagen zu. Thalia machte einige Schritte in seine Richtung und befand sich ebenfalls in schienbeintiefem Morast. »Halt!« rief Atlan. »Bleib stehen. Ich schaffe es allein.« Sie klammerte sich am letzten Ausläufer der Sumpfmaschine fest und hob den Arm. Schwankend wie ein Betrunkener stapfte Atlan auf sie zu. Er sah, daß das dunkle Me tall der Sumpfmaschine über und über von Schlamm bedeckt war. Es war eine Folge der Dampfexplosionen seines Anzugs bezie hungsweise der energetischen Entladungen. Er ergriff nach einigen Schritten die Hand seiner Gefährtin und keuchte: »Das war ein nicht vorhersehbarer Zwi
22 schenfall. Und inzwischen weiß ich auch, daß es das beste ist, diesen Planeten so schnell wie möglich zu verlassen.« Zu seinem nicht geringen Erstaunen sah er, daß sämtliche Spuren des Sumpfes vom goldenen Anzug abglitten und keine Reste hinterließen. Trotzdem fühlte er sich unsau ber und ekelte sich. Leise sagte die Tochter Odins: »Es kann bis zum ersten Tageslicht nicht mehr lange dauern.« »Du hast recht.« »Gehen wir dann zum Schiff zurück?« Atlan grinste böse. »Du kannst dich darauf verlassen. Ich fin de die namenlose Welt ebenso abstoßend wie du. Ich will nichts anderes als starten. Inzwischen mache ich mir ernsthafte Vor haltungen, daß wir die große Plejade an Bord der KNIEGEN zurückgelassen haben.« »Andererseits verschafft sie uns die Ga rantie, daß Dorkan Moht nicht ohne uns star tet.« »Du hast recht. Trotzdem dauert diese schreckliche Nacht noch ein paar Stunden.« »Dieses Tier … ist es tot?« fragte Thalia. »Ja. Es verfault jetzt am Grund dieses Tümpels. Ich hoffe, sein Bruder taucht nicht auch noch hier auf.« Atlan schüttelte sich und kroch mit Thalia zusammen zurück in den leeren Käfig der allmählich versinkenden Sumpfmaschine. »Es war bisher eine HorrorNacht!« mur melte Thalia. »Du hast recht. Erinnere dich an meine stehende Bemerkung«, sagte Atlan und zog sich mit ihr für den Rest der Dunkelheit in den schmalen Gang zwischen dem Schnabel und dem Käfig der Deformierten-Suchma schine zurück, »daß wir ein überaus hohes Überlebenspotential besitzen.« Er dachte an Terra, an den Freund Perry, seine Gedanken schweiften nach Arkon ab und in die Zeit, als er der einzige Wächter des Barbarenplaneten Larsaf Drei gewesen war, an seinen Zellschwingungsaktivator, der ihn tausendmal gerettet hatte, an Raza mon und alle die Frauen und Männer, die
Hans Kneifel seinen Weg durch den Kosmos und die Zeit begleitet hatten … er war sicher, daß er recht hatte, als er nach einer Weile weiter sprach: »Wir überleben auch diese Nacht. Trotz dem haben wir ein paar Rätsel dieses düste ren Planeten gelöst.« »Bist du sicher, daß wir alle seine Ge heimnisse kennen, wenn wir morgen star ten?« fragte Thalia zurück. »Keineswegs. Aber die Chancen stehen insgesamt nicht schlecht«, erwiderte er. Es gelang ihnen, noch drei Stunden unge stört zu schlafen, ehe sie der erste rote Schimmer des neuen Tages weckte. Sie fühlten sich schmutzig und waren hungrig und durstig. Beim ersten Licht verließen sie die Sumpfmaschine. Ihr Ziel war die KNIE GEN. Dort wartete die Galionsfigur auf sie. Sie ahnten nach einigen Dutzend Schritten, daß der vergleichsweise kurze Weg zum Raumschiff voller Überraschungen sein würde. Und sie sollten recht behalten …
4. Der Morgen verdiente seinen Namen nicht. Zwischen den Bäumen gab es fast gar kein Licht. Immer dann, wenn Thalia und Atlan die Sonne sahen, entpuppte sie sich als riesengroße, fast schwarzrote Scheibe am Horizont. Sie gingen am Rand der »Straße« auf das Schiff zu, rund hundert Meter vor der Grenze der Lichtung entfernt und wei testgehend auf befestigtem oder wenigstens nicht abgrundtief morastigem Gelände. Erst jetzt sahen sie die Bäume und deren Äste und Blätter. Sie bewegten sich kaum, im Gegensatz zur letzten Nacht. Die Stäm me wirkten wie Schlangen, die Äste wie dunkelgrün behaarte Arme. »Wir haben bisher noch keinen einzigen Toten gefunden«, sagte Atlan nach einer Weile. Hunger und Durst nahmen zu, aber sie befanden sich bereits auf dem Weg zur
Welt ohne Namen KNIEGEN, wo sie den übel schmeckenden Nahrungsbrei vorfinden würden. »Möglicherweise werden die toten Defor mierten von Tieren gefressen, die auch die Knochen wegschleppen.« »Und möglicherweise gibt es auch keine Toten, weil sie nach und nach alle von den robotischen Sumpfmaschinen eingefangen werden«, setzte Atlan hinzu. Vorsichtig um rundeten sie Stamm um Stamm und sahen sich bei jedem Schritt aufmerksam um. Aber bisher war kein Angriff auf sie erfolgt, ob wohl sie in sicherer Entfernung kleine, dun kel behaarte Tiere huschen sahen. »Keine Toten und keine Deformierten«, sagte Thalia und versuchte, die Brocken des langsam trocknenden Schlammes vom Raumanzug abzuklopfen. »Und keinen einzigen Scuddamoren!« murmelte Atlan. »Das ist es, was mir am meisten zu denken gibt.« »Verbergen sie sich etwa?« »Ich bin sicher, daß es keine gibt. Ver mutlich fürchten sie, daß auch sie deformiert werden.« Nach dem Erwachen hatten sie sich dar über unterhalten. Es war Zeit, daß sie den Boden des Planeten verließen. Die Gefahr, ebenfalls deformiert oder geistig beeinflußt zu werden, war groß – ob sie ihr unterlagen, blieb noch unklar. Davor fürchteten sie sich am meisten; es war einer der berüchtigten unsichtbaren Feinde, gegen die es keinen Schutz gab, und vor deren Angriff keine Warnung erfolgte. Sie folgten einem kaum sichtbaren Pfad, der offensichtlich von vielen Tieren benutzt wurde. In kurzen Abständen ragten aus dem fauligen Untergrund weiße, schimmelnde Knochen heraus. Auch in den Gabelungen der untersten Äste hingen kleine Gerippe, säuberlich abgenagt und mit einer dicken Schicht von schleimigen Schimmelpilzen bedeckt. »Das sind die Reste von Tieren«, sagte Thalia mit Bestimmtheit. »Keiner der uns bekannten Planetarier hat ein solches Ske lett.«
23 »Langsam fange ich an zu glauben, daß meine absonderliche Theorie gar nicht so abwegig ist«, erklärte Atlan. »Wir werden sehen, ob ich Recht habe.« Minuten später tauchten zwischen den weißen, gefleckten Stämmen zwei Gestalten auf. Sie hatten entfernte Ähnlichkeit mit Dorkan Moht, der Galionsfigur. Ihre schup pigen Reptilkörper waren schlammbedeckt, aber sie trugen in den Klauen kurze, speer ähnliche Waffen. Als die Deformierten – oder vielleicht waren sie noch nicht verän dert – Atlan und Thalia sahen, blieben sie stehen. Einer holte mit einem Schrei unterdrück ter Wut aus und schleuderte den krummen Speer auf den Arkoniden. Atlan prellte ihn mit einem Hieb des Un terarms zur Seite und tief ins Dickicht hin ein. Dann rief er: »Hört auf! Wir sind keine Scuddamoren, sondern Gefangene wie ihr.« Die Echsenwesen kamen näher. Die Ähn lichkeit mit der Galionsfigur war doch gerin ger als zuerst angenommen. »Ihr seid wirklich Gefangene?« fragte derjenige, der den Speer geschleudert hatte. »So ist es. Wir sind unbewaffnet und ver suchen, von hier zu flüchten.« »Seid ihr mit dem Schiff gekommen oder von der Ebene?« »Von welcher Ebene?« fragte Thalia so fort. Die andere der viergliedrigen Echsen bohrte mit der Steinspitze des mehr als pri mitiven Speeres im weichen Boden und grub eine handlange Schlange aus, die sich zi schend und in rasend schnellen, spiraligen Windungen entfernte. Thalia schüttelte sich. »Sie liegt irgendwo gegen Sonnenunter gang. Dort soll es riesige Mengen von Scud damoren-Bauwerken geben. Wir trafen einen, der von dort kam und jetzt das Schiff belagert.« »Ich verstehe«, sagte Atlan. Sie hatten zu mindest einen Gefangenen gefunden, der bei Sinnen war und noch nicht der schubweise erfolgenden Veränderung unterlag. »Was
24 wißt ihr noch über diese bebaute Ebene?« »Nicht viel. Es zieht die meisten Gefange nen, die den Transporten entkommen konn ten, dorthin. Dort werden sie eingefangen, aber sie gehen gern mit, weil es für sie die einzige Rettung ist. Der Moorwald ist fürch terlich.« »Da sagt ihr uns nichts Neues. Wir haben ihn erlebt«, sagte der Arkonide. »Und wie sehen eure Pläne aus?« »Wir wissen es nicht. Wir schlagen uns so durch. Mein Freund ist vor Schrecken stumm geworden. Vielleicht kommt seine Sprache wieder, vielleicht nicht. Schließlich werden wir wohl auch die Ebene suchen.« »Habt ihr viele andere Gefangene getrof fen?« »Ja. Keiner gleicht dem anderen. Sie sind alle verschiedenartig verändert worden. Es gibt Bösartige, Lethargische, große und klei ne, solche, die noch vernünftig sind wie wir und andere, die kaum mehr wissen, wie sie einst hießen.« Atlan hob die Schultern und ließ sie resi gnierend wieder fallen. »Niemand kann euch helfen. Auch ich vermag nichts zu tun. Ich wünsche euch jedes erdenkliche Glück.« Beide Echsenwesen starrten die Fremden aus riesigen, melancholisch wirkenden Au gen an. »Danke. Ihr geht zum Schiff?« »Wir versuchen«, sagte Atlan und wußte, daß er aus einem unergründlichen Gefühl heraus lügen mußte, »ins Schiff einzudrin gen.« »Es ist seltsam. Sonst landen die Schiffe und starten sofort wieder. Dieses einzelne Schiff steht schon länger als eine Nacht auf dem gleichen Fleck.« »Die Welt ohne Namen ist ein seltsamer Planet«, bemerkte Thalia düster, »und dies wird der Grund sein, weswegen solche rät selhafte Dinge geschehen.« »Das Seltsamste ist dabei, daß wir mer ken, wie der Namenlose uns packt und förm lich umdreht. Nicht wahr, Zilch?« Das andere Echsenwesen nickte. Atlan und Thalia hoben grüßend die Arme und sa-
Hans Kneifel hen den Gefangenen nach. Die Echsen hol ten den Speer aus dem Gebüsch und mar schierten auf dem Tierpfad in die Richtung des großen Gefangenenlagers davon. »Es ist erschütternd und von absoluter Sinnlosigkeit, was die Scuddamoren diesen Wesen antun«, sagte Thalia in dem Augen blick, an dem sie zum erstenmal über Bäu men und Büschen die obere Polkappe der KNIEGEN sahen. »Sinnlos ist es vermutlich nicht«, brumm te Atlan, der dasselbe Gefühl hatte, »denn sonst würden sie nicht alle diese Abscheu lichkeiten zulassen oder gar zum Bestandteil ihrer Politik oder was weiß ich machen.« »Sinnlos für die Gefangenen, sinnvoll für die Scuddamoren.« »So oder ähnlich müssen wir es wohl se hen.« »Pthor mag nicht der schönste und ange nehmste Platz im Universum sein«, klagte Thalia ein wenig später, »aber im Augen blick sehne ich mich förmlich danach. Verg lichen mit dem, was wir bisher erlebt haben, ist es das Paradies.« Atlan nickte heftig und rief: »Du hast hundertprozentig recht. Mir geht es nicht anders.« Der Pfad wand sich durch das Unterholz, endete vor einem Tümpel und ging auf des sen anderer Seite weiter. Immer wieder sa hen die beiden Fremden Skelette von Tieren. Große, im Halbdunkel zwischen den Stäm men phosphoreszierende Pilze wuchsen senkrecht auf dem Boden, von weißen Ma den bedeckt und lange, fadenziehende Trop fen absondernd. Dreißig Schritt später, sie sahen schon die Außenhülle der KNIEGEN in den Löchern der stinkenden Vegetation auftauchen, rich tete sich ein Wesen vor ihnen auf. Es hatte zwischen den Pilzen gesessen und irgend welche Früchte oder ein kleines Tier ver zehrt. Als es Thalia und Atlan kommen sah, warf es die Reste weg und sprang hoch. Es stieß einen blökenden Schrei aus. Atlan glaubte, einen wenig deformierten Krejoden
Welt ohne Namen zu erkennen. »Halt!« schrie er. »Keinen Angriff!« Der Gefangene glotzte sie an. Es war nicht zu erkennen, ob er sich im fortgeschrit tenen Stadium befand oder erst kürzlich hier abgesetzt worden war. Eines war jetzt jeden falls absolut sicher: Die Wälder wimmelten förmlich von entsprungenen Gefangenen. Der Pseudo-Krejode erwartete sie re gungslos. Sie blieben dicht vor ihm stehen. Er war waffenlos und schaukelte mit seinem Körper hin und her. »Gehen Station auf Ebene«, sagte er dann krächzend und pfeifend. »Alle gehen Stati on.« »Wir gehen nicht zu der Station«, brumm te Atlan. »Sollen gehen. Häuser dort. Licht und Wärme. Viele Krejoden wie wir.« Er identifizierte sie als seinesgleichen. »Keine Scuddamoren?« fragte Thalia knapp. Der Krejode warf die Arme in die Höhe und stieß einen hallenden Schrei aus. »Nein! Nur Maschinen … ohne Seele.« Also doch! Wenn selbst dieser Verformte im fortgeschrittenen Verfall bestätigte, daß es keine Scuddamoren gab, mußte es wohl stimmen. »Also fürchten sie sich tatsächlich vor der Deformierung und kommen nicht hierher«, erklärte Thalia. »Der Planet wird von Robo tern beherrscht. Oder zumindest die wenigen urbanisierten Gebiete.« »So wird es sein.« Sie wandten sich wortlos ab und gingen weiter. Der Krejode vergaß sie, sobald er sie aus den Augen verlor. Nach kurzer Zeit standen sie am Rand der freien Fläche, zu fällig direkt neben einer runden, jetzt abge schalteten Positionslampe. Die Situation um das Organraumschiff hatte sich nicht grundlegend geändert. Die Rampe war ausgefahren. Die Landes tützen hatten sich tiefer in den Untergrund gesenkt. Die Schleuse stand unverändert weit offen, und eine Doppelreihe der be
25 kannten Roboter sperrte den Zugang zum Schiff ab. Der Ring der Belagerer war in ständiger Bewegung. Gefangene kamen und gingen unaufhörlich. Die Individuen liefen zwi schen dem Dschungelrand und dem Raum unter den Landebeinen hin und her. In der schwülen, dampferfüllten Luft des frühen Vormittags breitete sich ein unaufhörliches Murmeln aus, das wie weit entferntes Moto rengeräusch wirkte. Atlan und Thalia sahen sich an, nickten sich wortlos zu und gingen in derselben Geschwindigkeit wie die ande ren Gefangenen auf die Stelle zu, an der die Rampe den Boden berührte. »Ein schwieriges Vorhaben«, flüsterte Thalia, als sie sich mitten in einer unruhigen Gruppe von Deformierte befanden. »Vertrauen wir wieder einmal auf die große Plejade und ihre Wirkung«, gab Atlan ebenso leise zurück und bahnte sich und ihr einen Weg. Er bemühte sich, nicht aufzufal len. Aber der helle Glanz des Goldenen Vlieses machte die anderen unruhig. Sie schoben sich hinter ihm, wie es schien, dro hend, wieder zusammen. Die Geräusche der Unterhaltungen wurden lauter und drängender. »Nur noch zwanzig Meter!« meinte Atlan und drängte sich durch einen Pulk von Tamatern, die aufgeregt umherhüpften und schnatternde Geräusche von sich gaben. Thalia faßte Atlans Hand fester und ließ sich mitziehen. Sie waren darauf gefaßt, angegriffen zu werden. »Wir haben es gleich geschafft!« sagte Atlan. Die Gefangenen standen am dichtesten dort, wo die Rampe anfing. Keiner wagte es, die Rampe selbst zu betreten. Die Doppelreihe regungsloser und schweigender Roboter befand sich etwa zwanzig Meter von der Kante der Rampe entfernt. Endlich befanden sich die zwei Pthorer an der Grenzlinie von Sand und Me tall. »Hoffentlich weiß Dorkan Moht, was er
26 zu tun hat«, brummte Atlan gespannt und schob sich schräg vor Thalia. Er ging einige Schritte weit die Schräge hinauf. Hinter ih nen wurden die Stimmen der Deformierten lauter und erregter. Noch einige Schritte weiter. Die Maschinen regten sich noch im mer nicht. Atlan ging auf die Mitte der Rei he zu. Riesige Linsensysteme starrten ihn an, keiner der verschiedenen Projektorarme rührte sich. Drei Meter vor dem vordersten Robot blieb Atlan stehen und sagte laut und betont deutlich: »Dorkan Moht. Hier sind wir. Befiehl den Maschinen, uns ungehindert durchzulassen.« Die Galionsfigur gab keine Antwort, aber in der doppelten Reihe der Roboter öffnete sich ein schmaler Durchgang. »Er hat uns gehört!« stieß Thalia hervor. Atlan atmete erleichtert aus und ging durch die schmale Öffnung. Er zog Thalia mit sich und sah, daß sich der Durchgang sofort wie der schloß. Das Gefühl, bereits auf der Schwelle zum Verlassen dieses Planeten mit all seinen Scheußlichkeiten zu sein, war beruhigend. Mit jedem weiteren Schritt wurden sie schneller. Endlich rannten sie, wie in Panik, in die Schleuse hinein. »Sofort zu Dorkan Moht!« ordnete Thalia an. »So schnell wie möglich.« »Wir sind bereits auf dem Weg dorthin«, gab Atlan zurück und erinnerte sich genau an jede Abzweigung und jeden Korridor. Das Schiff schien völlig ausgestorben zu sein. Die einzigen Geräusche waren das Summen der Luftumwälzanlage und die ha stigen Schritte der beiden. Die Stimme der Galionsfigur war nicht laut, aber in den leeren Gängen dröhnte sie auf. »Ich sehe euch. Ihr braucht nicht zu ren nen. Ihr seid in Sicherheit. Ich warte auf euch. Kommt in die Kanzel der KNIEGEN.« Atlan schrie erleichtert zurück: »Wir kommen.« Bei jedem Schritt wurde der unerträgliche Druck geringer. Sie legten die letzten hun-
Hans Kneifel dert Meter langsamer zurück. Schließlich traten sie in die transparente Kanzel ein und blieben vor der großen Plejade stehen. Das Echsenwesen sagte mit einer gegen über dem Vortag deutlich veränderten Stim me: »Ich freue mich, euch wieder zu sehen. Ich habe euch vermißt.« Atlan lachte heiser auf. »Wenn du wüßtest, was wir in der kurzen Zeit erlebt haben, würdest du uns glauben, daß wir dich und das Schiff ebenfalls außer ordentlich vermißt haben. Du hast in der Zwischenzeit erfahren, was Unabhängigkeit ist?« »Eure Kugel half mir. Sonst wäre ich oh ne euch längst gestartet, wie mein Befehl lautete.« »Wir sind auf einer teuflischen Welt ge landet. Hör zu, was wir erlebten und heraus fanden«, sagte Atlan und berichtete in gro ben Zügen, was seit der Landung vorgefal len war. Schweigend hörte das Echsenwesen zu. Als Atlan seinen Bericht beendet hatte, sagte Dorkan Moht laut: »Was ihr mir sagt, ist für mich neu. Ich hatte wirklich nur den Befehl, zu landen, den Abtransport der Gefangenen zu überwa chen und wieder zu starten. Was, meint ihr, sollten wir jetzt unternehmen?« Atlan hob die Arme. »Während wir uns erfrischen und etwas essen, womöglich eine Stunde ausruhen, solltest du starten und die Ebene voller Scuddamoren-Bauwerke suchen. Bist du so unabhängig, dies unternehmen zu können?« Die Galionsfigur entgegnete: »Ich habe jetzt erkannt, daß Chirmor Flog und seine Scuddamoren-Heerscharen Ver brecher sind. Allerdings rate ich, mich mit dem Schiff so bald wie möglich wieder zu rückfliegen zu lassen. Sonst schöpft Säntho Verdacht; und ihr wißt, wie leicht ich dazu gezwungen werden kann, die Wahrheit zu sagen. Noch ahnen sie nicht, daß ich von Stunde zu Stunde freier werde.« Atlan brauchte nicht darüber nachzuden ken. Er wußte genau, daß das Echsenwesen
Welt ohne Namen die Wahrheit sprach und recht hatte. Trotz dem sagte er: »Rufe die Robots zurück und starte. Su che die Ebene und die Bauwerke. In dieser gewaltigen Menge von schwarzgrünen Sumpfwäldern muß eine Lichtung dieser Größe leicht feststellbar sein.« »Und wo soll ich die KNIEGEN landen, wenn ich die Ebene entdeckt habe?« »In sicherer Entfernung und, wenn mög lich, in Deckung«, meinte Atlan. »Willst du, daß wir die Kugel mit dem Widerschein der Freiheit mit uns nehmen? Oder sollen wir die Plejade noch hier lassen?« Voller Melancholie und trotziger Hoff nung entgegnete Dorkan Moht: »Laßt sie hier, bitte. Es gehen beruhigen de und wohltuende Schwingungen von ihr aus.« »Einverstanden.« Sie winkten ihm flüchtig zu und suchten sich eine Kabine. Sie brauchten nicht weit zu gehen und nicht lange zu suchen. Zuerst stellte sich Thalia im Raumanzug unter die Dusche und spülte Schlamm, Dreck und die faulenden Pflanzenreste von den Anzugflä chen weg. Atlan öffnete den Anzug der Ver nichtung. Er zapfte zwei Becher eines grün lich irisierenden Nahrungsbreis aus den Hähnen und würgte den Inhalt eines Bechers hinunter. Der Hunger verging, und der Durst wurde mit kaltem Wasser gelöscht. Offensichtlich sind Scuddamoren und ihre Gefangenen äußerst anspruchslose Wesen, knurrte der Logiksektor. Während sie sich erholten und feststellten, daß die karge Einrichtung ihrer neuen Zelle geradezu luxuriös war im Gegensatz zu den Umständen der vergangenen Nacht, rief Moht die Roboter zurück, fuhr die Rampe ein und schloß die Schleuse. Die KNIEGEN startete und ging in eine Höhe von rund fünfzehntausend Metern. Dann begann ein niedriger Orbit, der nach Westen führte. Die Planetenoberfläche wurde von der Galionsfigur mit den empfindlichen Or tungsgeräten des Schiffes abgesucht. Dorkan Moht handelte noch immer völlig
27 selbständig. Diesmal richtete er sich nicht nach den Befehlen der Scuddamoren, son dern dachte und handelte, als sei er selbst für den Erfolg verantwortlich. Das, was Atlan und Thalia Freiheit nannten und was er nur verschwommen fühlte, füllte ihn mehr und mehr aus. Er wurde zu einem denkenden In dividuum, das sich selbst in die Lage ver setzte, moralische Kategorien zu erkennen und sich danach zu richten. Er stellte eine Verbindung zu der Kabine her, in der er seine beiden neuen – und einzi gen! – Freunde wußte, und sagte nach einer Weile: »Bis jetzt habe ich noch nichts gefunden. In den Speichern habe ich auch keine ent sprechenden Informationen.« »Aber du suchst weiter?« rief Thalia, die inzwischen den Raumanzug ausgezogen hat te und sich, aus der Dusche kommend, ab trocknete. »Natürlich. Aber ich weiß nicht, wann ich die gewünschte Ebene finde.« »Ich bin sicher«, warf Atlan ein, »daß wir sie finden. Wir versuchen, uns etwas auszu ruhen.« Mit unbewegter Miene aß Thalia den Be cher leer, dann schüttelte sie sich. Sie bekam am ganzen Körper Gänsehaut und füllte den Becher mit Wasser auf. Dann setzte sie sich neben Atlan auf die Liege. »Wir sind dem Schlimmsten offensicht lich entkommen«, sagte sie leise und lehnte ihren Kopf an seine Schulter. »Trotzdem müssen wir noch einmal lan den und den Rest des Geheimnisses heraus finden«, schränkte er ein. »Ich ahne bereits, wie alles zusammenhängt. Aber die Theorie ist so kühn, daß ich sie lieber noch für mich behalte.« »Ich bin kaum mehr zu überraschen«, sagte Thalia. »Und ich sehne mich nach Ru he.« Atlan fühlte wie sie, trotzdem sagte er: »Denke an Pthor. Alles, was wir unter nehmen, dient der Freiheit seiner Bewohner. Wir sind in gewissem Sinn dafür verant wortlich, für beides. Wir können es nicht än
28 dern. Außerdem können wir nicht, selbst wenn wir es wollten, plötzlich aufhören und uns zurückziehen.« »Leider hast du recht«, murmelte sie und legte sich auf den Rücken. Sie schloß die Augen und schlief ganz plötzlich ein. Eine Weile lang betrachtete Atlan ihr ru higes Gesicht, das sich im Einfluß des Schlafes mehr und mehr entspannte. Dann stand er auf, verließ die Zelle und ging zu rück zu Dorkan Moht. »Schon etwas zu sehen?« fragte er. Im Schiff war es warm. Die umgewälzte Luft stank nicht und war trocken. Es herrschten Ruhe und eine Form von ScheinGeborgenheit. Unter dem Organschiff zog die eintönige, flache und dunkel getönte Landschaft vorbei. Hier, fast außerhalb der Gashülle, war das Sonnenlicht heller und nicht derartig niederdrückend düster wie am Boden. Eine dunstige Schicht lag über der Planetenoberfläche. Gerade jetzt tauchte ein ausgedehntes Flußdelta auf, von hellrot glänzenden Wasserläufen durchzogen. Jeder Flußarm mäandrierte in unzähligen Kurven und Rundungen. Aus Vulkanlöchern stieg schmutziger Dampf auf. Drei Sterne standen vor Atlan unbeweglich im purpurnen Welt raum. »Das Gelände steigt gegen Westen zu an. Möglicherweise gibt es dort die Ebene, die du suchst. Auch habe ich die Kennlinien von Metall und dichten Strukturen auf den Or tungsschirmen«, war die Antwort des hell grün geschuppten Echsenwesens. »Das klingt vielversprechend«, brummte Atlan. »Obwohl die Aussicht, noch einmal dort unten herumzukriechen, mich er schreckt und mutlos macht.« »Wenn du, als unabhängiges Individuum, von Mutlosigkeit sprichst«, entgegnete die Galionsfigur und blickte wieder auf die große Plejade, »was sollte dann ich sagen?« »Du beschämst mich«, erklärte Atlan. Sumpf, Morast, Wasserläufe und Wälder traten zurück. Aus dem undurchdringbaren Dach des Dschungels wurden einzelne Waldgruppen, dann bildeten diese sich zu-
Hans Kneifel rück zu kleinen Inseln inmitten savannearti ger Steppen. Schließlich breitete sich unter der KNIEGEN eine große gelbe Fläche aus, die im Licht der Mittagssonne lag. Atlan sah einige Reflexe, die von Seen oder von großen glänzenden Flächen stammen konn ten. »Ist das die Ebene?« fragte er. »Es ist eine Ebene. Im Zentrum stehen Gebäude. Bauwerke kleineren Ausmaßes befinden sich auch an den Rändern zur Ve getationszone«, antwortete Moht. »Geh tiefer und fliege einen Kreis, damit wir mehr erkennen«, ordnete Atlan an. »Bin schon dabei.« Die Roboter gehorchten also den Weisun gen des Schiffssteuermanns. Wären sie un abhängig gewesen, würden Atlan und Thalia niemals ins Schiff zurückgekehrt sein. Man hätte ihnen den Weg versperrt und sie zu rückgewiesen, mit Sicherheit sogar mit Waf fengewalt. Es war wichtig, diesen Umstand genau zu kennen. Das Schiff ging auf eine Höhe unter zehn Kilometern und kreiste einmal entlang der erkennbaren Grenzen der Ebene. Sie lag in Wirklichkeit nur einige hundert Meter höher als die Umgebung; trotzdem machte sie einen vergleichsweise einladenden Ein druck. Atlan sah auf einem Bildschirm die Formen von Gebäuden, untereinander durch haarfeine Stege oder Tunnels verbunden. Auf dem Boden, gekennzeichnet durch schwarze Schatten und dünne Sandwolken, bewegten sich Fahrzeuge oder andere Defor mierte. Sie waren als einzelne Wesen nicht zu erkennbar, aber sie bildeten lange, schnurartige Züge mit vielen Windungen und Knoten. Aufgeregt sagte der Arkonide: »Das ist es, Moht! Das ist die Ebene mit den Scuddamoren-Gebäuden, von denen die Deformierten uns erzählten.« »Ich suche einen Platz, an dem wir nach deinen Vorstellungen landen und uns so gut wie möglich verstecken können«, erwiderte die Galionsfigur. »Wir haben keine große Eile. Du willst hinaus?« Atlan sagte wütend:
Welt ohne Namen »Ich will nicht. Thalia will noch viel we niger, aber ich denke, wir müssen das Ge heimnis endlich klären.« Das halbkugelförmige Schiff vollendete die Umkreisung, ging abermals tiefer und wurde langsamer. Angestrengt suchte die Galionsfigur nach einem günstigen Lande platz. Eine Schlucht oder eine Mulde von rund sechzig Meter Tiefe würde als Versteck oder Deckung genügen. Schließlich sagte Dorkan Moht: »Ich habe die beste Stelle gefunden. Dort, schräg rechts, hinter dem Wald und dem Hü gel.« »Geht in Ordnung. Lande dort und öffne das Schiff an einer Stelle. Ich gehe und wecke Thalia.« »Ich werde warten. Aber braucht nicht zu lange. Du weißt, was auf dem Spiel steht.« »Ich weiß es.« Die KNIEGEN glitt in einer weit ausge flogenen Kurve tiefer. Nichts, das am Boden vor sich ging, deutete darauf hin, daß man das Schiff gesehen hatte. Atlan warf einen letzten Blick durch die transparente Kanzel und sah, daß die näherkommenden Gebäude von demselben Typ waren, wie er sie auf Scuddamoren-Welten gesehen hatte. Das Schiff setzte sanft hinter dem Hügel auf und erzeugte eine Sandwolke, die sich in der fast unbeweglichen Luft nur träge setzte. Atlan weckte Thalia, half ihr in den Raumanzug und vermischte einen halben Becher des Nahrungsbreies mit Wasser. Er hielt sich die Nase zu und trank ihn leer. Thalia schüttelte wild den Kopf, als er ihr auffordernd den Becher entgegenhielt. Er zuckte die Schultern. Kurze Zeit später hat ten sie, ohne einen Robot getroffen zu ha ben, das Schiff verlassen. Die Ebene war kleiner, als sie aus der Hö he wirkte. Die Gebäude, obwohl mindestens fünf Ki lometer entfernt, waren hingegen groß und abstoßend einfach. Und die Linien, die sie beobachtet hatten, lösten sich in Tausende und aber Tausende von Deformierten auf, die in endlosen Pro
29 zessionen aus den Wäldern kamen und auf den Mittelpunkt der Ebene zustrebten.
5. Atlan und Thalia standen gut versteckt zwischen niedrigen Bäumen und blickten in die Ebene hinunter. Sie waren den Hügel hinaufgeklettert, hinter dem die KNIEGEN gelandet war. Vor ihnen lagen in weiter Ent fernung die Gebäude, auf deren glatten Flan ken die Reflexe des Sonnenlichts glühten. »Hier ist es heller und freier«, bemerkte Thalia und nahm das seltsame Panorama in sich auf. »Es entsteht der Eindruck, daß es eine ganz andere Sonne und eine reinere Luft gäbe.« »Es kann zu einer gefährlichen Impressi on werden«, schränkte Atlan ein. »Denn ich sehe bereits wieder zwei Gefahren.« Hinter ihnen marschierten, schwebten und rollten riesige Scharen von Robotern aus dem Schiff. Aber sie kamen nicht den winzi gen, bewachsenen Hügel herauf, sondern glitten um den Hügel herum und bewegten sich leise, nur wenig Staub aufwirbelnd, auf die Ebene hinaus. Sie bildeten ähnliche Zü ge wie die Gefangenen. Gleichzeitig sah At lan – er deutete darauf und zeigte es Thalia – andere Robotverbände. Die Maschinen wirkten auf seltsame Art entschlossener und gefährlicher. Vermutlich waren sie von den Scuddamoren zu größerer Unabhängigkeit programmiert. »Jetzt sehe ich sie auch. Die Schiffsrobo ter scheinen ihren Weg zu kennen und mar schieren in die Stadt«, sagte Thalia. »Aber die anderen Robot-Patrouillen kön nen uns gefährlich werden. Vielleicht war es ein besonderer Schachzug von Dorkan Moht, die Robots auszuschleusen?« »Ich denke nicht. Sie wurden ebenso auf der Ebene abgesetzt wie die Gefangenen in den Morastdschungeln.« »Wahrscheinlich.« Aufmerksam beobachteten sie weiter. Jetzt hatten sie die unumstößliche Sicher heit, daß die KNIEGEN ohne sie nicht star
30 ten würde. Und wenn die Galionsfigur das Schiff startete, dann nur, um einer Gefahr auszuweichen und die KNIEGEN an anderer Stelle aufzusetzen. Die große Plejade sorgte dafür. »Auch hier werden wir keine Scuddamo ren finden«, sagte Atlan, als sie sich auf hal bem Weg hügelabwärts zwischen den ver krüppelten, nadeltragenden Gewächsen be fanden. »Ich bin jetzt davon überzeugt!« stimmte Thalia zu. »Was mir auffällt und mich nach denklich macht, ist die gewaltige Menge von Gefangenen, die wir bisher gesehen haben.« »Es ist Nachschub. Eine riesige Masse Nachschub.« Wieder blieben sie stehen und versuchten, ihre Chancen abzuschätzen. Die langen Zü ge der Deformierten, die aus dem Dschungel ringsum kamen und auf das Zentrum zu strebten, rissen nicht ab. Die Menge war er schreckend groß. Überall waren Sand und feines Geröll, und die Gebäude schienen nicht einmal von Zäunen umgeben zu sein. Die Roboter bildeten Gruppen von je zehn oder zwölf Stück. Es waren kleine, gedrun gene Typen mit einer Unzahl verschieden langer Arme. Die meisten von ihnen schwebten auf einer Art Prallkissen, einige liefen auf breiten Raupenketten. Sie eskor tierten die Züge der Gefangenen, waren ein mal an der Spitze, dann wieder irgendwo an der Seite. Sie lasen zusammengebrochene Deformierte auf und verluden sie unsanft auf flachen Schwebeplattformen. Plötzlich sagte der Arkonide: »Wir machen einen Versuch. Keine der Maschinen kann damit rechnen, daß wir nicht absonderlich Deformierte sind. Dort vorn ist der nächste Zug.« »Deine Risikobereitschaft ist erstaunlich«, sagte Thalia. »Meinetwegen.« »Mir fehlen nur noch einige Steinchen in einem Mosaik, das ein sehr aufschlußreiches Bild ergibt«, brummte er zurück. Sie schoben sich durch die Pflanzen, er reichten den Fuß des Hügels und warteten, bis sich das nächste Robotkommando genü-
Hans Kneifel gend weit entfernt hatte. Dann rannten sie auf den traurigen Zug zu und reihten sich in die Linie ein. Sie paßten augenblicklich ihre Geschwindigkeit derjenigen der Verformten an und beobachteten weiter. Die Sonne strahlte hier viel heißer als in der Gegend der Morastwälder. Jeder Schritt der unzähligen Füße wirbelte eine kleine Staubwolke hoch. Es gab nur schwachen Wind. Die Geräusche der Marschierenden vereinigten sich zu einem trocken raschelnden Laut, der wie eine ferne Erschütterung des Bodens klang. Immer wieder fuhr das Summen der Roboter dazwischen, wenn sie sich zum Handeln veranlaßt fühlten. Die zwei Pthorer hatten etwa ein Fünftel der Entfernung zurückgelegt und konnte sich unter ihren Mitgefangenen umsehen. Nach einer Weile sagte Thalia schau dernd: »Sie sind fast gar nicht mehr zu erkennen. Es gibt eine Menge von Formen des Ausse hens, die vermutlich nicht mehr das gering ste mit der ursprünglichen Version zu tun haben.« Jeder Deformierte sah anders aus. Ver mutlich hatten sie die Anzahl der Glieder behalten, aber ihre Körper waren teilweise grotesk verändert. Kein Tamater beispiels weise sah aus wie der andere; eine individu ell unterschiedliche Metamorphose hatte sie in kleine Ungeheuer verwandelt. Die Haut war verändert, alle sahen sie krank und grau aus. Ihre Augen und Sehkränze blickten trü be drein; viele Körperteile waren als solche nicht mehr zu erkennen oder gänzlich ver schwunden. Das ist vermutlich das letzte Stadium der Metamorphose, sagte der Logiksektor. »Männer oder weibliche Exemplare«, sagte Atlan betreten, »wir können gar nichts mehr feststellen.« »Vielleicht erfolgt die eigentliche, ab schließende Veränderung erst in den Gebäuden dort vorn?« mutmaßte Thalia und ging mit künstlich schleppenden Schritten in der Reihe weiter. »Das ist sehr wahrscheinlich. Das ergäbe einen Sinn.«
Welt ohne Namen Bisher waren sie unbehelligt geblieben. Mindestens zwanzigmal waren einzelne Gruppen von Robots an ihnen vorbeigekom men und hatten sie ebenso intensiv gemu stert wie die anderen Leidensgenossen. »Merkst du etwas von einer eigenen Me tamorphose?« fragte Thalia und drehte sich kurz um. Die anderen Gefangenen schenkten ihnen keine Beachtung. Jeder war in seiner eigenen kranken Welt eingeschlossen. »Noch immer nichts«, antwortete Atlan. »Aber wir scheinen durch den Anzug der Vernichtung und deinen Raumanzug weitaus besser geschützt zu sein als die Unglückli chen hier.« In den vergangenen Stunden hatte er, so fern dies möglich war, seinen Körper auf merksam beobachtet und versucht, fremde Reaktionen zu entdecken. Glücklicherweise vergeblich! Immer wieder hatte er in sich hineinge horcht. Aber sowohl der Extrasinn als auch seine Erinnerungen funktionierten mit ge wohnter Zuverlässigkeit. Er konnte weder übersteigerte Furcht noch Resignation im Übermaß feststellen, und er war überzeugt, daß er nicht verändert wurde. »Nein«, wiederholte er etwas nachdrück licher und versuchte dadurch, den letzten Zweifel in sich selbst zu zerstreuen, »ich ha be nichts gemerkt. Und du?« »Ich auch nicht.« Nach einem längeren Schweigen hatten sie zwei Drittel der Distanz zurückgelegt. Wenn sie sich umdrehten, konnten sie gera de noch die durchsichtige Kanzel des hoch gerichteten Schiffsbugs erkennen. »Wir müssen vermeiden, daß sie uns wie die anderen in die Gebäude hineintreiben; dort haben wir nichts zu suchen«, knurrte Atlan schließlich. Der Marsch war eintönig und ermüdend. Sie sehnten sich nach seinem Ende oder einer Aufregung, die diese Mono tonie unterbrach. »Wenn wir recht haben, werden dort die Gefangenen irgendwie behandelt. Vielleicht oder ganz sicher erhalten sie den letzten Schliff. Ob wir den Robotern entkommen?«
31 »Wir werden es jedenfalls versuchen.« Als sie sich etwa hundert Meter vor der Kante des ersten Bauwerks in ihrer Richtung befanden, sahen sie das Tor in der Fassade. Eine winzige Rampe führte hinauf und ins Innere hinein. Die Gefangenen gingen frei willig weiter, die Rampe hinauf, auf der an deren Seite wieder hinunter und verschwan den dann zwischen dunklen Wänden. Roboter kamen heran. Hinter ihnen schwebte eine Plattform, auf der wie regungslose Bündel mehrere zusam mengebrochene Gefangene lagen. Atlan sah Thalia in die Augen, flüsterte ihr etwas zu und stolperte. Er kippte schräg aus der Reihe hinaus, versuchte sich wieder hochzustem men und fiel schwer in den aufstiebenden Sandstaub. Thalia machte noch ein halbes Dutzend schwerer Schritte, dann ließ sie sich aus der Reihe fallen und rollte über den Boden. Das Robotkommando reagierte in erwarteter Schnelligkeit. Je zwei Maschinen schwebten leise sum mend heran und schoben flache Arme mit langen Greifern unter die Körper. Die Schwebeplattform hielt zuerst vor Atlan, tauchte tiefer herunter und berührte fast den Boden. Dann schwebten die Robots über den Rand der Plattform und kippten Atlan auf den kleinen Haufen der weichen, bewe gungslosen Körper. Er rollte in die Vertie fung zwischen zwei Deformierte und zwang sich dazu, ruhig liegen zu bleiben. Er sah zu, wie die anderen Maschinen mit Thalia ebenso verfuhren. Die Plattform er hob sich und glitt über die Köpfe und Schul tern der Gefangenen hinweg, wurde ange halten, und dann schlug Thalia schwer ne ben Atlan auf den Boden des seltsamen Ge fährts. »Du willst also unbedingt in die Kranken station der Deformierten vordringen?« flü sterte sie und beobachtete, genau wie er, was mit ihnen und den Leidensgefährten passier te. »Nicht unbedingt. Aber vermutlich kön nen wir von dort aus uns selbständig machen
32 und die Gebäude und deren Einrichtungen inspizieren. Wir sind ganz nahe an dem Ge heimnis der Scuddamoren.« »Du hast mich überzeugt, Liebster«, gab sie zurück. In mäßiger Geschwindigkeit glitt die Schwebeplattform auf ein anderes Bau werk zu und flog durch eine weniger breite Lücke hinein. Schlagartig wurde es dunkel. Der Robottransporter summte durch einen pechschwarzen Korridor und hielt in einer riesigen Halle an. In langen Reihen lagen und kauerten hier auf weißen, würfelförmi gen Betten oder Lagern die Gefangenen. Ein Ächzen und Stöhnen, ein unausgesetztes Lallen und Schreien verwandelte das Innere der von stechendgelbem Licht gefluteten Halle in ein Tollhaus. Wieder kamen Spezi alrobots herangeschwebt und entluden in ge schäftiger Eile die Plattform. »Hier bleiben wir nicht lange«, murmelte der Arkonide erschrocken. »Das ist anders, als ich erwartet habe.« Auch sie wurden gepackt und zufällig ne beneinander auf zwei der harten Lager ge worfen. Sie entspannten sich und bewegten vorsichtig die Köpfe. Vor und neben ihnen lagen Deformierte in jeder Phase der Erho lung. Das Licht veränderte sich, von der Decke zischten kräftige Wasserstrahlen her unter und überschwemmten den Hallenbo den. Sie wuschen Dreck, Schlammreste und Staub von den Körpern der Gefangenen. Die Schreie erstarben in jener Ecke, dort wurden sie lauter. Zwei Gefangene stiegen in den reinigenden Regengüssen von den Liegen und sahen sich ratlos um. An der anderen Seite des Saales begann ein stechendes Licht zu blinken. Nach einigen Sekunden der Überlegung humpelten die beiden Deformierten in das Zentrum der Blitze hinein. »Das ist der Weg!« sagte Atlan. »Er führt natürlich in die anderen Gebäu de hinein, dorthin, wo die nicht zusammen gebrochenen Deformierten sind.« »Es gibt kaum einen einzigen Weg, der nur zwei Enden hat«, versicherte philoso phisch der Arkonide. »Bist du bereit?«
Hans Kneifel »Ja. Gehen wir.« Sie standen ebenfalls auf und folgten den Deformierten. Kein Roboter kümmerte sich um sie. Andere Gefangene hatten sich eben falls erholt und gingen hinter ihnen her. Ihr Ziel war eine rechteckige Öffnung. Die drei Teile des Rahmens flackerten und leuchte ten; ein unübersehbares Hinweiszeichen. Bis sie diesen Punkt erreichten, schwie gen sie. Ihre Spannung wuchs, und ihre Furcht, sich in ein unkontrollierbares Aben teuer zu stürzen, nahm zu. Aber so dicht vor der letzten Enthüllung wollten sie unter kei nen Umständen aufgeben.
* Yärling stand auf der Rampe des schnel len Kurierschiffs. Die Startfläche war ge räumt worden. Hinter den Schiffen erhob sich der Bandär, der riesige Berg mit den dicken Eisflanken. »Die Ärgetzos sind auf dem Weg. Ich ha be soeben eine Etappenbestätigung bekom men«, drang die Stimme aus dem mächtigen Scuddamoren-Schattenschild. »Auch unsere Freunde sind auf dem Weg«, erklärte Säntho kühl. »Sie sind dem alten Trugschluß unterlegen. Spione für Chirmor Flog … es wird sie überrascht ha ben, was wir darunter verstehen.« Säntho glitt vor der Rampe hin und her. Sein Schattenschild strahlte. Der Gleiter, der ihn hierhergebracht hatte, wartete im Schat ten der Raumschiffe. Auch der Tonfall des Verantwortlichen war verbindlich und opti mistisch. Zwei Flüchtlinge aus einer unbe kannten Zone des Weltalls galten nicht viel. Aber Atlan und Thalia alias Mänerg und Kärdyn hatten deutliche Gefahren heraufbe schworen. »Jetzt sind sie auf dem namenlosen Plane ten. Ich bin sicher, daß wir sie wiedersehen werden«, meinte Säntho. »Aber dann wer den sie keine Gefahr mehr für uns sein. Wenn ich daran denke …« Er beendete den Satz nicht. »Der Metamorphose-Schlag macht gute
Welt ohne Namen Fortschritte«, antwortete Säntho zuversicht lich. »Von den Parallel-Versuchen hört man das gleiche«, gab Yärling zurück. »Wir haben Bondergan untersucht und sein Raumschiff. Es ist unerklärlich, wie es geschehen konnte, daß er so viele von uns töten konnte.« »Das soll heißen, daß er ein ganz norma ler Camagur war?« »Ein Mann ohne besondere Eigenschaf ten. Trotzdem bleibt die Leistung der beiden Fremden, ihn getötet zu haben.« Yärling glitt weiter die Rampe hinauf. Die Zeit drängte. Er mußte zurück nach Breister kähl-Fehr. Dort war, wie immer, eine gewal tige Menge an Arbeit im Interesse Chirmor Flogs, des Neffen, zu leisten. »Falls das nicht eine geschickt angelegte Täuschung war und sie den Camagur bereits tot fanden.« »Glaube ich nicht«, sagte Säntho mit Si cherheit. »Sie machten einen entschlossenen und schlagkräftigen Eindruck. Dieser Ein druck bestätigte sich, als es hier zum Ein bruch in die Geheimstation kam.« »Vergiß diese deine Sorgen. Vermutlich werden sie bereits auf dem Weg durch die letzte Prägung sein. Oder die Sumpfschlan gen haben sie gefressen. Oder einer der Ver änderten hat sie erschlagen. Wir haben die ses Problem gelöst.« Abschiednehmend sagte Säntho: »So ist es. Ich hoffe, deine Galionsfigur macht dir einen guten Flug.« »Nötigenfalls werde ich dafür sorgen. Viel Erfolg weiterhin.« Yärlings Schattenschild glitt die Rampe hinauf. Die Schleuse schloß sich geräusch los. Säntho gab ein Zeichen, und sein Gleiter holte ihn ab und brachte ihn in die Nähe sei nes Büros im Bandär. Aber während ihn die administrativen Fragen wieder beschäftigten, ahnte er, daß er eine Winzigkeit zu vergessen haben schien. Die Fremden. Sie gingen ihm nicht aus dem Sinn. Hatte er etwas übersehen? Er hatte das dunkle Gefühl, daß, wenn sie noch lebten,
33 sie Chirmor Flog und den Scuddamoren noch immer gefährlich werden konnten. Er schaffte es nicht, diesen bohrenden Impuls zu vergessen oder zu verdrängen. Warum hatte er sie nicht töten lassen? Auch das wußte er nicht zu sagen.
* Als Thalia und Atlan die Öffnung mit den Signallichtern passierten, befanden sie sich bereits wieder in einer Gruppe von Defor mierten. Die Wesen, obwohl sie gerade erst wieder zu sich gekommen waren, schienen von ei ner dumpfen Besessenheit getrieben zu sein. Vor sich sahen sie einen kurzen Korridor. Er führte entweder in die Helligkeit hinaus oder stellte den Anfang eines überdachten Ganges in ein anderes Gebäude dar. Die un terste Ebene war eindeutig der Weg der Ge fangenen, aber in unregelmäßigen Abstän den gab es rampenartige Abzweigungen, die nach oben führten. Vermutlich waren sie für Roboter gedacht. Die Fremden marschierten einige Schritte in der Gruppe geradeaus, dann stieß Atlan hervor: »Dort hinauf, Thalia. Es sieht vielverspre chend aus.« »Gern. Ich tue alles, um hier wegzukom men.« Er lachte heiser und zog sie mit sich. Sie stiegen den schmalen Steg hinauf. Er führte durch einen Schacht weiter nach oben. Nie mand begegnete ihnen auf den ersten dreißig Metern. Atemlos kamen sie auf eine Art Kanzel, die sich an der Stelle befand, an der zwei Säle oder Hallen durch eine Wand ge teilt waren. Sie sahen ebenso leicht in den einen Saal wie in den anderen hinein. »Auch das war zu erwarten!« sagte Atlan nach einer Weile und zog sich die Helmka puze des Anzugs über den Hinterkopf hoch. Der rechts sichtbare Saal war derjenige, den sie soeben verlassen hatten. Unablässig fand dort ein langsamer Wechsel statt. Be wußtlose oder tote Gefangene wurden her eingebracht, auf die leeren Lager gekippt
34 und der grob angelegten »Erholungsapparatur« überlassen. Die Ro boter, die durch die Gänge glitten und die Liegenden untersuchten, stellten fest, daß ei nige von ihnen nie mehr aufstehen würden. Sie schleppten die Toten zu einer Art Laufband, das quer durch die eine Halle führte. In unregelmäßigen Abständen wurde ein regungsloser Körper auf dem Band durch die Öffnung in die angrenzende Halle gebracht. Atlan und Thalia sahen sich um, ob sie je mand beobachtete oder verfolgte. Noch wa ren sie nicht entdeckt worden. »Erstaunlich, daß so viele Deformierte diese gnadenlose Prozedur überstehen«, er klärte Atlan, nachdem er lange auf die Leichname geblickt hatte. »Ich war über zeugt, daß ein weitaus größerer Prozentsatz dabei stirbt. Nicht dazugerechnet diejenigen, die niemals wieder aus den Wäldern und Sümpfen auftauchen werden.« »Wir sehen jetzt die ersten Toten!« stellte Thalia fest. »Aber alles kann anders sein. Vielleicht sind sie gar nicht tot, sondern werden für einen anderen Zweck gebraucht. Immer mehr drängt sich mir der Vergleich mit den verschiedenen Funktionsgruppen in nerhalb eines Ameisenstaats auf.« Atlan antwortete nicht. Die toten oder er starrten Körper dort unten wurden von Ro botern gepackt und vom Band genommen. Dann kamen sie auf Tische und wurden dort in rasender, perfekt gesteuerter Eile in dun kelgraue Folienschläuche verpackt und an beiden Enden versiegelt. Die Bündel, nahezu identisch groß, ka men in würfelförmige Behälter und wurden dort hineingelegt. Gitterroste verhinderten einen zu dichten Kontakt der Körper mitein ander. Die Container wurden versiegelt und auf Schwebeplattformen aus der Halle ge bracht. »Weiter!« sagte Thalia drängend. »Vermutlich erwartet uns am Ende dieser Entwicklung eine neue Überraschung.« Sie verließen die Kanzel und bewegten sich in dem System, das für Robots gedacht
Hans Kneifel war, in irgendeine Richtung weiter. Hier war es still und ereignislos. Es gab auch keine Öffnung, aus der sie blicken konnten. Über all waren Kabel und Leitungen verlegt; ein Gebäude, das keinerlei Anspruch auf Schön heit erhob. Etwa zehn Minuten lang hasteten sie ununterbrochen um Ecken herum und durch ein System von Gitterrosten und ir gendeinem häßlich grauen Kunststoff, mit dem Wände und Decken verkleidet waren. Dann bogen sie rechts ab und standen ganz plötzlich außerhalb des riesigen, kastenför migen Gebäudes. Ohne es wirklich zu mer ken, waren sie immer höher geklettert. »Das ist der Steg, den wir von unten aus sahen«, sagte Thalia. »Er läuft um das ge samte Gebäude.« Der Ausblick war auf seine Art großartig. Sie blickten weit in die eintönige Land schaft der Ebene hinein. Die Sonne war hö her geklettert und leuchtete eine Spur heller, wie es ihnen schien. Und noch immer kamen diese entsetzlich trostlosen Züge der Defor mierten aus allen Richtungen auf die Gebäu dekomplexe zu. Die halb durchsichtigen Stege und Röhren in verschiedenen Durchmessern, die sich zwischen den Gebäuden spannten, ließen er kennen, daß irgendwelche Güter ununterbro chen hin und her transportiert wurden. Die Flächen zwischen den kantigen Häu sern waren mit staubverkrustetem Gitter werk bedeckt. Zwischen den Fronten waren nicht einmal Roboter zu sehen. Im Bestre ben, jede nur mögliche Information aufzu nehmen, blickten Thalia und Atlan sich um, registrierten jede winzige Einzelheit. Die Staubfahnen der Ebene, die Schwebeplatt formen, die Unebenheiten des Geländes und schließlich den winzigen Hügel, hinter dem sich das Organschiff verbarg. Thalia hörte, wie Atlan erschreckt die Luft einzog und dann hervorkrächzte: »Die KNIEGEN startet!« Es gab keinerlei Geräusch; die Entfernung war zu groß. Aber die funkelnde Kanzel stieg langsam höher, die narbige Haut des Schiffes wurde sichtbar, und ganz eindeutig
Welt ohne Namen war, daß das Schiff langsam zurück nach Osten startete. Sekunden später sahen sie die gesamte Halbkugel, deren Landestützen wegknickten und eingezogen wurden. Tat sächlich – Dorkan Moht hatte das Schiff ge startet und flog weg. Schweigend starrten sie dem Organschiff nach. »Es gibt einige verschiedene Erklärungen …«, begann Thalia. Atlan hörte seinen Lo giksektor sagen: Es ist undenkbar, daß er sich dem Ein fluß der großen Plejade entzogen hat. »Ist die Galionsfigur geflüchtet?« fragte sich Atlan. »Kann sein. Oder Moht hat das Schiff für uns und sich in Sicherheit gebracht«, warf Thalia ein. Sie zwinkerte verwirrt, als das Schiff endgültig im Dunst der Lufthülle ver schwand. »Das hieße, daß eine neue Gefahr droht. Wenn er das Schiff bewegt, können wir an nehmen, daß ein anderes Raumschiff lan det.« »Vielleicht kommt Säntho. Oder Yärling, um sich zu überzeugen, daß wir den Weg der Deformierten gegangen sind.« »Eine der vielen Möglichkeiten.« »Wenn wir zu lange warten müssen«, sag te Thalia nach einer bedeutungsschweren Pause, »dann bedeutet das ein vorläufiges Ende. Wir sind Gefangene dieses namenlo sen Planeten.« Atlan hob kämpferisch die Schultern hoch und hörte nicht damit auf, den Himmel ab zusuchen. Er sagte: »Noch habe ich keinen Grund, Dorkan Moht zu mißtrauen. Außerdem kann ich nicht glauben, daß wir die große Plejade ver loren haben könnten. Zugegeben: das ist ei ne ganze Menge Wunschdenken.« »Jedenfalls hat der Start einen wichtigen Grund«, meinte Thalia bekümmert. »Und die einzigen Leidtragenden sind wir.« »Warte ab!« versuchte Atlan sie zu beru higen. »Vermutlich hat unser Echsenfreund nur schneller reagiert, als wir es feststellen konnten. Ich vertraue ihm. Noch!« Die KNIEGEN war verschwunden. Einen
35 langen Moment waren sie ratlos. Dann han delten sie mit der gewohnten schnellen Ziel gerichtetheit. Sie rannten auf dem umlaufen den Steg geradeaus und bogen an der Ge bäudeecke ab. Der Steg ging in gleicher Hö he weiter, aber für robotische Wartungs mannschaften war eine schräg abfallende Rampe bis zum Boden angebaut worden. Diesen metallenen Pfad rannten sie abwärts und liefen mit hallenden Schritten auf die Wand des nächsten Gebäudes zu. Atlan sah sich zuerst um, dann blieb er stehen. »Ein Geräusch. Scheint tatsächlich ein Schiff zu sein!« brummte er aufgeregt und zog Thalia mit sich. Sie bogen zwischen ei nigen kleinen Würfeln, vermutlich energeti schen Zentralen, um die nächste Gebäude front. Die Robots sind auf Zwischenfälle dieser Art nicht vorbereitet, schaltete sich der Lo giksektor ein. Es war zweifelhaft, korrigierte Atlan, ob sein Extrasinn in diesem Fall die richtige Schlußfolgerung zog. Jedenfalls war die Zone zwischen den Ge bäuden frei von Maschinen dieser Art. Auf einem freien Platz blieben sie stehen. Atlan deutete zum Himmel. Ein annähernd ovales, spindelförmiges Schiff mit der cha rakteristischen funkelnden Kanzel einer Ga lionsfigur senkte sich dröhnend aus dem Ne bel und schien weit vor den Gebäuden, also im Süden, landen zu wollen. »Hoffentlich ist dies die Erklärung für Mohts Start«, rief Atlan, während sie in süd licher Richtung davonspurteten. Diese Landung hatte zweifellos etwas zu bedeuten, und sie mußten sehen, was dort vorging. Während sie im Schatten der hoch ragenden Wände auf den vermutlichen Lan deplatz zuliefen, verstärkte sich das Ge räusch. Die Laute der Schritte auf den Ro sten gingen in dem Lärmen unter. Sie er kannten eine Möglichkeit, in guter Deckung zu bleiben und hielten sich im Halbschatten einer mehrfachen Rohrleitung, die dorthin führte, wo das Schiff nun senkrecht herun terglitt und eine Staubwolke aufwirbelte.
36 Roboter stoppten in weitem Umkreis die Wanderung der Gefangenen und leiteten die monotonen Züge in weiten Kurven um. Aber der Strom der Ankommenden riß des wegen nicht eine Sekunde lang ab. Es war wie in einer gigantischen, elektronisch ge steuerten Fabrik. Es war ein riesiges Schiff, das jetzt die Landestützen ausfuhr und die vielen Schleu sen und Luken öffnete. Es setzte auf. Die Triebwerksgeräusche verstummten. Einen Augenblick lang hatte Atlan das Gefühl, einen Film zu sehen oder einer unwirklichen Szene beizuwohnen. Es lief alles automatisch ab. Kein lebendes We sen zeigte sich. Auch aus dem Organschiff kam niemand heraus, nicht einmal die Robo ter der Scuddamoren. Am Ende der dicken Röhren, die übergangslos im Boden ver schwanden, duckten sich Atlan und Thalia und warteten schweigend. Links von ihnen stand das Schiff mit ge öffneten Luken und ausgefahrenen Rampen. Zwischen den Enden der Gangways und der nächsten Hallenwand klaffte eine Distanz von rund zweihundertfünfzig Metern. Die Halle hatte dicht über dem Boden eine An zahl rechteckiger Schiebetore, die geschlos sen waren. Hinter der staubbedeckten Wand aus Bauelementen konnte sich alles nur Denkbare verbergen. Atlan ahnte ziemlich genau, was sie jetzt erleben würden. Er war nicht sicher. Aber die Wahrscheinlichkeit und alle bisher aufgefangenen und zu ver wertenden Informationen ließen diesen Schluß als zwingend erscheinen. »Das Schiff ist eindeutig ein Organtrans porter der Scuddamoren«, flüsterte die Tochter Odins und stützte sich schwer gegen Atlan. »Er hat wohl richtig reagiert.« »Wer?« »Dorkan Moht. Er hat sich mit der KNIE GEN vor der Entdeckung durch dieses Schiff geschützt. Andernfalls wäre er verra ten worden, und dadurch auch wir. Ich glau be, die KNIEGEN kommt bald nach dem Start dieser Spindel zurück.« Trotz alledem raste die Zeit vor ihnen her.
Hans Kneifel Sie mußten die KNIEGEN so schnell wie möglich zurückschicken. Andernfalls wür den Scuddamoren wie Yärling und Säntho richtige Vermutungen anstellen und reagie ren. Solange Thalia und Atlan als verschol len galten, waren sie in relativ größerer Si cherheit. Eines der Tore öffnete sich. Ein tafelför miges Element schob sich leise summend zurück. Dann das zweite, schließlich ergriff diese Bewegung alle übrigen Tore und ließ eine breite, offene Front entstehen. Die Pthorer konnten nicht erkennen, was dahin ter lag. Genau in dem Moment, als sich die ersten Bewegungen zeigten, donnerten abermals dröhnend die Triebwerke eines landenden Schiffes auf. Fünfzig Meter neben dem riesigen Organ transporter landete, weitaus schneller und geschickter, ein viel kleineres Schiff. Es war ebenfalls ein Organtransporter, aber vergli chen mit dem ersten Ankömmling stellte er sich unvergleichlich eleganter dar. Die Län ge des Raumschiffs betrug nicht mehr als fünfzig Meter, aber Sekunden nach dem Aufsetzen öffnete sich ebenfalls eine Schleuse, und eine Rampe schob sich in den Boden der Wüste. »Also ist Moht in Wirklichkeit vor zwei Raumschiffen geflohen«, stellte Thalia be unruhigt fest. »Ein Zeichen seiner Klugheit und des Umstands, daß er innerlich sehr frei gewor den ist«, stimmte der Arkonide zu. »Schwindet unser Mißtrauen?« fragte sich Thalia laut. »Oder hoffen wir nur, daß alles nach unseren Erwartungen verläuft?« Atlan sagte resignierend: »Das Leben ist hart, und die Wahrheit, die wir gleich erfahren werden, ist von verblüf fender Bösartigkeit! Schweige und sieh zu, Geliebte!« »Ja, Herr!« versuchte sie lächelnd zu ant worten. In der Dunkelheit hinter den geöffneten Toren gab es ruhige, geordnete Bewegung. Eine lange Reihe von Gestalten glitt aus der
Welt ohne Namen Halle in das Licht des Tages hinaus. Atlan erschrak nicht, trotzdem registrierte er voller Verblüffung, daß er wieder einmal Recht ge habt hatte. Etwa fünfzig Gestalten glitten in einer Reihe. Es waren Scuddamoren. Thalia keuchte erschreckt: »Hast du das vermutet?« »Mehr oder weniger ja«, gab er zu. »Je mehr wir erlebten und je länger unser Auf enthalt hier dauerte, desto sicherer wurde meine Erwartung.« Die Wesen trugen Schattenschilde. Sie glichen logischerweise den Scuddamoren, die Atlan und Thalia kannten, bis aufs Haar. Individuelle Unterschiede verbargen sich hinter den Schattenschilden. Atlan flüsterte heiser: »Das ist das absolute Endstadium der Me tamorphose. Aus den hierher gebrachten Ge fangenen wird in einem langen, natürlichen Prozeß das Ausgangsmaterial für die, wie du sie nennst, Kriegerameisen produziert.« Die erste Gruppe glitt, wie von einem Li neal gezogen, auf das Schiff zu. Eine zweite Reihe folgte unmittelbar. Die Schattenschil de hatten alle dieselbe Intensität und nahezu immer dieselbe Größe. Thalia sagte hart: »Hinter diesem Geheimnis war Bonder gan sein halbes Leben lang her. Er konnte es nicht lösen, weil er nicht dieselben Einsich ten haben konnte wie wir: Wir haben das Geheimnis gelöst. Scuddamoren sind, mit einem technischen Finish, das Ergebnis ei ner natürlich bedingten Metamorphose auf dem namenlosen Planeten.« »So und nicht anders ist es!« antwortete der Arkonide. »Mit diesem Wissen haben wir einen riesigen Schritt zurückgelegt. Ich weiß noch nicht, in welche Richtung, aber zweifellos zum Vorteil von uns und dadurch zum unbedingten Vorteil für Pthor, deine Heimat.« Sie fragte sofort zurück: »Auf welcher Welt bist du eigentlich kein Fremdling?«
37 Atlan schwieg. Sein Extrasinn erwiderte trocken: Auf Arkon … Eine dritte und vierte, fünfte und zehnte Reihe folgten. Die neuen Scuddamoren defi nierten die Schleusen des Organtransporters schweigend als ihr Ziel. Durch den Sand und den gelbgrauen Staub glitten sie hinter den alles gleichmachenden Schattenschirmen auf die Rampen zu, auf ihnen hinauf und hinein in den Transporter. Atlan wiederholte grim mig: »Es ist kaum zu fassen. Selbst meine skeptische Phantasie hat Schwierigkeiten, die Wahrheit zu akzeptieren: Auf der na menlosen Welt entstehen die Scuddamoren. Sie sind nichts anderes als Veränderungen und Deformierungen von Wesen aus allen bekannten Welten des Marantroner-Reviers. Die Schattenschilde haben eindeutig eine mehrfache Funktion. Erinnere dich, Thalia! Wir haben sie getragen und uns lange Zeit als Scuddamoren ausgeben können. Sie ver wischen also den letzten verbliebenen Rest der einstigen Persönlichkeit. Sie sind ein Zeichen, wie eine Uniform oder eine Waffe. Die Gefangenen, die wir trafen, sagten uns, daß sie förmlich auf einen neuen Sinngehalt ihres Lebens warten, nachdem man ihnen al le persönlichen Erinnerungen geraubt hat. Ich bezweifle, ob das in der Wirklichkeit so reibungslos funktioniert.« »Erinnerungen lassen sich überdecken und teilweise ausradieren, aber niemals ganz beseitigen«, stimmte Thalia zu. Die Wanderung der deformierten Gefan genen hierher war wie unter Zwang verlau fen. Die Deformierten besaßen scheinbar keinen eigenen Willen und keine eigene Identität mehr. Der makabre Rhythmus die ses verdammten Planeten bestimmte jede Sekunde lang ihre Handlungsweise. Nach der Beeinflussung – oder was im mer in dieser Anlage mit ihnen geschah – aber waren sie tatsächlich programmierte »Kriegerameisen« geworden. Vermutlich waren sie gar nicht mehr in der Lage, die Kontaktschalter ihrer Schattenschild-Gürtel
38 zu betätigen, selbst wenn sie es wollten. Sie waren zu einem Dasein unter anderer, aufge pfropfter Identität verdammt. Sicherlich hat ten sie auch andere Namen erhalten, nach Maßgabe der Dinge aus einem robotisch ent wickelten Reservoir von Bezeichnungen. »Synthetische Wesen!« sagte Atlan schroff. »Organische Roboter. Jetzt wundert mich keine einzige Reaktion von Wesen wie Yärling und Säntho mehr. Sie waren zu kei ner anderen Handlungsweise fähig.« Das war es, was Hehl Bondergan heraus zufinden versucht hatte. Er wollte diese schauerlichgroteske Wahrheit den Völkern des Marantroner-Reviers verkünden. Seine Absicht konnte eventuell von Thalia und At lan ausgeführt werden. Falls die KNIEGEN wieder landete … Schweigend sahen die beiden Pthorer zwanzig Minuten lang zu, wie sich ununter brochen ein Strom von Scuddamoren aus dem Hallengeviert ins Schiff ergoß. Es wa ren Tausende. Am Ende dieses Kreislaufs wurde jeder Gefangene, den man mit dem Schiff hier abgesetzt hatte, zu einem Scud damoren. Die in Plastikfolie verpackten Lei chen ausgenommen. »Krejoden, Tamater, Camagurs oder wie sie alle heißen mögen – am Ende sind sie al le gleichgeschaltet«, sagte Thalia bitter. »Welch ein Wahnsinn!« »Ein Bewußtseinszwang hat sie auch die letzten Spuren ihrer einstigen Identität ver gessen lassen. Sie sind treue Diener von Chirmor Flog. Gehorsam wie Maschinen. Denkst du dasselbe?« erkundigte sich Atlan bitter. »Ich bin absolut deiner Meinung«, stimm te Thalia zu. Zwischen der letzten Halle vor dem Lan deplatz und dem Schiff schwebten oder glit ten Tausende Scuddamoren einer neuen Ein satzplanung entgegen. In ihrer sprichwörtli chen Bedürfnislosigkeit würden sie das Schiff bis zum letzten Winkel ausfüllen. »Sieh dorthin!« mahnte Thalia nach einer Weile. Ihr Arm deutete in die Richtung des viel kleineren Schiffes.
Hans Kneifel »Ich sehe«, entgegnete Atlan. Ab und zu sonderten sich einzelne Scud damoren ab. Sie unterwarfen sich nicht dem starren Schema der anderen maschinenhaft handelnden Wesen. Sie gingen zur Seite, als hätten sie an anderer Stelle eine Verabre dung. Ihre Bewegungen waren deutlich selbstsicherer und irgendwie souveräner. Sie glitten auf das kleinere Raumschiff zu und blieben in einer immer größer werdenden Gruppe in der Nähe der einzigen Einstiegs rampe stehen. »Wir haben eine höchst brisante Wahrheit herausgefunden, Thalia!« sagte Atlan schließlich. »Im Augenblick aber kennen wir nieman den, dem wir diese Wahrheit erzählen könn ten«, antwortete sie betreten. »Und ich be zweifle, daß Dorkan Moht der richtige Part ner ist, um unsere Erkenntnisse weiterzuge ben.« »Auf jeden Fall ist er der erste«, berich tigte Atlan. Er wußte, daß ihnen im Augenblick trotz dem der entscheidende Beweis noch fehlte: Auf welche Weise verlieh man den entste henden Scuddamoren jenes neue Selbstver ständnis? Sie waren nämlich trotz aller Iden titätsverluste und der bestehenden Unifor miertheit durchaus bewußte Schergen des Neffen Chirmor Flog. Also fand irgendwo eine Schulung oder Übertragung von Hand lungskategorien statt, die den weiteren Ver lauf des zweiten Lebens bestimmten. Hier in diesen robotischen Anlagen? Oder an ande rer Stelle? Wahrscheinlich nicht hier, sagte der Ex trasinn. Die Anlagen wirken nicht so, als fände in ihnen ein pervertierter pädagogi scher Prozeß statt. Es dauerte vielleicht eine Stunde. Dann riß der Strom aus der Halle ab. Nacheinan der schlossen sich die Tore. Die Gruppe, die weiterhin vor dem kleineren Schiff wartete, bestand inzwischen aus etwa fünfzig Indivi duen. Atlan und Thalia verständigten sich schnell. Sie waren fast sicher, daß die Schat tenschirme dieser Scuddamoren eine weitaus
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höhere Intensität aufwiesen als die anderen. Führungspersönlichkeiten? Zukünftige Yärlings und Sänthos? Oder Wesen, die ei ner gänzlich anderen Bestimmung zugeführt werden sollen? Das einzelne kleine Schiff unterstrich diese Möglichkeit. Atlan murmelte, während er zusah, wie sich die Schleusen des wuchtigen Organ schiffs hinter den letzten Scuddamoren schlossen: »Zurück nach Kinster-Hayn. Wir sahen das Metamorphose-Experiment. Hier voll zieht es die pervertierte Natur. Dort versu chen es die Scuddamoren in bestimmten Rahmen für einen ähnlichen Zweck nach zuahmen. In weitaus kleinerem Rahmen na türlich.« Thalia nickte. Die Rampen des Organtransporters scho ben sich ins Schiff zurück. Einige Sekunden lang geschah nichts. Dann grollten die Triebwerke auf. Das Organschiff startete un verzüglich, schlug eine überraschend steile Flugbahn ein und verschwand schneller als die KNIEGEN im dunstigen Himmel. Ein letzter Nachhall der Antriebsge räusche fuhr donnernd über die Ebene hin und brach sich an den schwarzen Waldrän dern.
Odins. »Ein entsetzlicher Kreislauf.« »Den wir irgendwann zu unterbrechen hoffen«, fügte ihr Gefährte hinzu. »Wir wer den es jedenfalls versuchen.« »Was bedeuten würde, daß wir ein Podi um finden, von dem aus wir diese desillusio nierenden Erkenntnisse verkünden können. Dabei sollten uns alle Völker des Sternhau fens zuhören können!« Thalia war und blieb skeptisch. Atlan aber wußte, daß die Wahrheit ihre eigenen Gesetzmäßigkeiten hatte. Ebenso wie der Begriff der Freiheit, der sich auf die Dauer nicht unterdrücken ließ. Erkenntnisse dieser Art pflanzten sich fort wie Lawinen, Blizzards oder magnetische Stürme, oftmals schneller als die Geschwindigkeit des Lichts. Er hatte dies in seinem langen Leben mehrmals deutlich gezeigt bekommen und war immer wieder verblüfft gewesen. Auch in ihrem speziellen Fall rechnete er mehr oder weniger mit einer solchen Entwicklung, wenn auch unter größten Schwierigkeiten. »Wir schaffen es, keine Sorge. Ich habe nicht die geringste Ahnung, wie wir es schaffen, aber ich bin davon überzeugt. Zu mal jetzt in die Gruppe der ausgesonderten Scuddamoren Bewegung kommt.«
6. * Totenstille breitete sich aus. Atlan und Thalia blieben in der Deckung und warteten unruhig auf den Fortgang der Entwicklung. Zunächst sorgten die Roboterkommandos dafür, daß sich die Wanderung der Defor mierten wieder auf die vorher beobachtete Art fortsetzte. Die langen Züge bogen sich wieder gera de und tappten langsam auf das Zentrum zu, wie Schnüre, die man zwischen den Gebäuden und einzelnen, ausgesuchten Stellen der Umgebung gespannt hatte. Alles ging weiter seinen geordneten Gang. »Und so geht es weiter, Monat um Monat, Jahr um Jahr«, sagte erschüttert die Tochter
Die Scuddamoren bewegten sich plötz lich. Sie gingen oder glitten auf das kleine Schiff zu. Atlan und Thalia riskierten es, die Köpfe zu heben und sich aus ihrer Deckung hervorzuwagen. »Auf alle Fälle scheint man mit diesen neuen Scuddamoren etwas besonderes vor zuhaben!« meinte Atlan entschieden. »Sonst wären sie nicht so deutlich abgesondert wor den.« »Vielleicht versuchen die Scuddamoren, die natürliche Metamorphose in kleinerem Rahmen nachzuvollziehen und bewußt zu steuern. Hier auf diesem Planeten ohne Na men läuft sie unkontrollierbar ab.« Atlan gab zurück: »Im Bandär und, wie wir gehört haben,
40 auch an anderen Stellen, versuchen die Scuddamoren, die Entwicklung zu steuern und zu beeinflussen. Vermutlich haben sie alle feststellbaren Eigenschaften des Plane ten gesammelt und in diesem zylindrischen Gefäß simuliert.« »Sie versuchen ohne Zweifel, Wesen zu verändern. Ich glaube ihnen sogar, wenn Scuddies wie Säntho sagen, daß sie einen Spion gegen einen anderen Neffen aufzu bauen versuchen.« »Würden sie den Vorgang der Metamor phose gesteuert beherrschen, könnten sie je des nur vorstellbare Wesen herstellen.« Die große Gruppe der Scuddamoren glitt, unkenntlich hinter den Schattenschilden, über die Rampe in das Schiff hinein. Die KNIEGEN war noch nicht wieder aufge taucht. Atlan und Thalia wußten jetzt, daß der Start eine Vorsichtsmaßnahme der Gali onsfigur gewesen war. Dorkan Moht würde zurückkehren und auf die beiden Fremden warten. Nach kurzer Zeit waren die Scuddamoren im Schiff verschwunden. Das Schott schloß sich, die Rampe wurde eingezogen. »Wir müßten herausfinden«, sagte Atlan, »wohin dieses Schiff fliegt. Ich ahne, daß es den Planeten nicht verläßt.« »Woher hast du diese Sicherheit?« wollte Thalia wissen. Atlan erwiderte zögernd: »Es ist keine Sicherheit. Ich denke, daß es so sein muß. Die Wahrscheinlichkeit spricht dafür. Diese Welt ist eine Art Ausbildungs planet. Ich würde mich nicht wundern, wenn diese Gruppe zu einem anderen Trainings zentrum – oder wie immer wir es bezeich nen wollen – gebracht wird.« Einige Sekunden verstrichen. Dann startete das kleinere Schiff und schlug tatsächlich eine Bahn ein, die darauf hindeutete, daß es an einer anderen Stelle des Planeten wieder landen würde. In die Startgeräusche mischte sich nach kurzer Zeit ein weitaus lauteres Rumoren. Das kleine Schiff verschwand im Dunst des frühen Nachmittags, und aus demselben Nebel
Hans Kneifel tauchte die KNIEGEN auf und landete an derselben Stelle wie vorher. Thalia stieß At lan an und sagte: »Wir sollten an Bord der KNIEGEN ge hen.« »Es wird das beste sein«, sagte Atlan. Als sie aus der Deckung aufstanden und sich neu orientierten, packte sie beide zur gleichen Zeit eine Art Anfall … eigentlich hatten sie ihn bereits erwartet. Die beiden hatten niemals gemerkt, daß sie der Planet zu verändern begann, aber aus einem nicht erklärbaren Grund traf sie zur gleichen Zeit der Schock. Sie begannen zu taumeln. Atlan stieß hervor: »Es wird höchste Zeit, Thalia. Jetzt erken ne ich es: Auch uns verändert dieser ver dammte Planet.« Er packte sie an den Schultern und zog sie hoch. Ihre Körper schienen sich keineswegs verändert oder gar deformiert zu haben. Aber sie spürten beide in diesen Momenten in ihrem Verstand eine lähmende, furchter zeugende Leere. Es war, als würde jemand die Energie ihrer Gedanken abzapfen und aufsaugen. »Warum geschieht es in einem so auffälli gen Schub?« fragte sie und ging neben ihm die Gebäudewand entlang. »Vielleicht deswegen, weil wir bisher so hartnäckigen Widerstand geleistet haben. Schnell! Wir müssen zurück in die KNIE GEN.« Als sie losrannten und versuchten, so schnell wie möglich den Platz hinter dem niedrigen Hügel zu erreichen, spürten sie abermals die Wirkung dieser Welt. Die An griffe auf ihren Verstand kamen in Schüben. Die Kräfte der düsteren Welt griffen durch aus deutlich nach ihnen. Ausgerechnet jetzt! Nach so langer Zeit. Noch könnt ihr der Wirkung entkommen. Aber längeres Verweilen verstärkt die Ein flußnahme! wisperte der Logiksektor. Nach wenigen Minuten gelangten sie wie der hinaus in die staubige Ebene. Sie sahen rechts und links von dem Weg, den sie zu nehmen vorhatten, die entgegen
Welt ohne Namen kommenden Züge der Gefangenen. Die er sten hundert Meter hatten sie keinerlei Schwierigkeiten. Immerhin rannten sie ent gegen der allgemeinen Richtung. Die Defor mierten schlurften und stolperten rechts und links von ihnen auf die Gebäude zu, und es war nur eine Frage der Zeit, wann die Robo ter auf diese beiden Störenfriede aufmerk sam werden mußten. Atlan keuchte irgendwann: »Schneller, Thalia! Bisher hatten wir viel zu viel Glück!« Sie rannte neben ihm her. Sie hatten sich an den Händen gepackt und sahen vor sich nur ein Ziel: die blitzende Kuppel der KNIEGEN, in der Moht auf sie wartete. Wenn sie sich innerhalb des Schiffes befan den, so glaubten sie, dann waren sie abge schnitten von dem verderblichen Einfluß dieses Planeten. Ihre Furcht, geistig verän dert zu werden, war riesengroß und wuchs mit jeder Minute. Diesem Angriff konnten sie sich nicht entziehen, dagegen gab es kei ne Abwehrmöglichkeit. Eine vollbeladene Schwebeplattform raste an ihnen vorbei und jagte auf das Tor des bekannten Gebäudes zu. Sie war, wie anzunehmen, voller regungs loser Gestalten. Thalia und Atlan duckten sich unter dem Gerät hinweg und rannten weiter. Sie mußten jede Sekunde damit rech nen, angegriffen zu werden. Von rechts nä herten sich zwei schwebende Roboter und schienen die Fremden als Ziel erkannt zu ha ben. »Achtung!« zischte Atlan und lief dicht an dem Zug der Gefangenen entlang. »Sie kommen.« Er vertraute auf den Schutz des Goldenen Vlieses. Die Maschinen nahmen jetzt direk ten Kurs auf ihn und Thalia. Zweifellos defi nierten sie diesen Vorgang lediglich als Ab weichung von der Norm. Obwohl Atlan den Anzug schon so lange trug, hatte er noch im mer nicht herausgefunden, wie er ihn beein flussen konnte. Er dachte in diesen Sekun den nur, allerdings mit höchster Intensität, daß sie Hilfe brauchten. Die Maschinen
41 schlugen einen Haken und nahmen Atlan und Thalia genau von vorn und hinten an. Atlan rannte weiter und spürte, wie von den Schulterstacheln lange, glühende Strah len ausgingen. Die Energieblitze waren nur sehr kurz und dünn. Aber sie trafen gezielt die Roboter an einer empfindlichen Stelle. Ein Blitz schlug nach hinten, der andere voraus ein. Mit einem harten, schmetternden Doppelknall barsten die Maschinen und ver streuten ihre Trümmer in den Sand. Die Ge fangenen wurden teilweise von dem Druck der Explosion zur Seite geschleudert und stolperten in den puderartigen Staub, aber sie standen sofort wieder auf und gingen weiter, als sei nichts geschehen. Atlan packte wieder die Hand seiner Ge fährtin. Der Hügel lag nur noch zwei oder drei Ki lometer vor ihnen. Wieder griff eine fremde Kraft nach ihnen. Es geschah genau in dem Moment, als sie über den rauchenden Trüm mer des ersten Robots hinwegsprangen und weiterhin dicht entlang der Deformierten-Rei he flüchteten. »Der Planet will uns fassen und hierbehal ten!« rief Thalia voller Furcht. »Durchhalten! Es ist nur eine kurze Pha se«, gab Atlan zurück und keuchte. »Wir kommen in der nächsten Minute wieder zu unseren normalen Gedanken.« Diesmal war das erste Zeichen innerlicher Veränderung nachdrücklicher, fast schmerz haft gewesen. Der erste Eindruck war: Je mand oder etwas saugte Gedanken und Empfindungen massenhaft in sich ein und löschte sie aus den Köpfen. Sie waren nach dem ersten Angriff des namenlosen Planeten wiedergekehrt, aber eine mehrfache Bela stung dieser Art würde kein gesunder Ver stand ertragen können, ohne nachhaltig dar unter zu leiden. Als abschreckendes Beispiel hatten sie die vielen Gefangenen, deren Ver stand hohl und leer geworden war. »Eine teuflische Welt«, rief Atlan. Sie versuchten, ihre Kräfte nicht vorzeitig zu verbrauchen, und wurden etwas langsamer.
42 Immer wieder blickten sie sich um. Bisher hatte noch keine andere Robotergruppe die Verfolgung aufgenommen. Der Druck dieser seltsamen Welt ließ schlagartig nach, das aushöhlende Gefühl verschwand und war nach einigen Dutzenden Schritten nicht mehr als eine böse Erinnerung. »Spürst du es auch?« fragte Thalia schwitzend und atemlos. Der Raumanzug behinderte ihre Bewegungen. »Ja. Und ich bin erleichtert.« Das Stück der Landschaft, wo der Hügel in Form eines leichten Einschnitts in die Ebene überging, rückte näher. Dahinter sa hen sie die Rundung der KNIEGEN. Die Galionsfigur würde ihnen kaum helfen kön nen, denn sie war unlösbar mit dem Schiff verbunden. Aber wieder sahen sie hinter sich eine kleine Gruppe von Robots, die auf sie aufmerksam geworden waren. Sie kamen in mäßig schnellem Tempo näher. Atlan deutete kurz mit dem Daumen über seine Schulter und meinte: »Das Wettrennen werden wir verlieren.« »Wahrscheinlich hilft uns wieder das Gol dene Vlies«, gab Thalia stoßweise zurück und bemühte sich, sein Tempo zu halten. Noch immer flohen sie direkt neben dem Leidenszug der Deformierten, die in unun terbrochener Reihe ihnen entgegenkamen. Die fast endlose Reihe verschmolz genau mit der Einkerbung des Bodens neben dem Hügel. »Hoffentlich.« Das Geräusch ihrer hastigen Schritte war der einzige Laut, der wirklich deutlich an ih re Ohren drang. Die Gebäude hinter ihnen wurden immer kleiner und bedeutungsloser. Sie wußten, daß sie diesen Planeten niemals wieder betreten würden, und sie waren über zeugt, noch längst nicht alle seine Geheim nisse erfahren zu haben. Diesmal waren es fünf Roboter, die ihre Verfolgung aufgenommen hatten. Sie schwebten aus verschiedenen Richtungen heran und hatten eindeutig die zwei Flüch tenden zum Ziel. Atlan und Thalia beschleu nigten ihre Schritte und machten einen kurz-
Hans Kneifel en Zwischenspurt, der ihnen nicht einmal einen einzigen verwunderten Blick der De formierten einbrachte. Aber das Ziel, die Rampe in die KNIEGEN, wurde größer und näherte sich. Atlan hoffte, daß nicht aber mals ein Schub jener verderblichen Einwir kung gerade in diesem Moment stattfinden würde. Der Anzug der Vernichtung enttäuschte ihn nicht. Während sie versuchten, den Robotern zu entkommen, fuhr immer wieder ein langer, dünner Glutstrahl aus einer der beiden Schulterstacheln. Das Goldene Vlies zielte vorzüglich. Der erste Roboter, der sich ihnen genähert hatte, zerbarst in einer hellen Detonation. Seine Bruchstücke surrten durch die Luft und schlugen tief in den Sand ein. Dann rückte die nächste Maschine auf und wurde ebenso präzise getroffen. Woher der rätselhafte An zug wußte, welche Stelle getroffen werden mußte, blieb dem Arkoniden schleierhaft. Er registrierte mit grimmiger Zufriedenheit, daß nur noch drei Gegner übrig waren. Sie ließen sich nicht abschrecken und schweb ten, drei Handbreit über dem Boden, auf die Rennenden zu. Atlan wandte sich um und rief unter drückt: »Wir entkommen ihnen! Keine Sorge, Thalia! Gleich wird …« Seine nächsten Worte gingen im Krachen der nächsten Explosion unter. Wieder hatte ein Glutstrahl aus dem linken Schultersta chel sein Ziel gefunden. Ein Roboter löste sich mit einem donnernden Krachen auf. Weder Atlan noch Thalia verlangsamten ihr Tempo. »Je länger wir rennen, desto mehr Ma schinen verfolgen uns!« schrie Thalia zu rück. Noch immer hielt sie Atlans Hand im goldenen Handschuh umklammert. Der An zug erledigte auch die letzten maschinellen Gegner, die als Trümmerhaufen und als glü hende Stücke im Sand zurückblieben. »Das war's!« knurrte der Arkonide. Sie erreichten den Punkt, an dem sie von
Welt ohne Namen den Gebäuden und den Roboterpatrouillen nicht mehr eingesehen werden konnten. Nach einigen Minuten, in denen sie zwi schen den peitschenden Zweigen der niedri gen Büsche auf das Schiff zurannten, befan den sie sich am Fuß der einzigen ausgefah renen Rampe. Die Galionsfigur wartete zweifellos auf sie. Im Schiff beziehungswei se in der Schleuse zeigte sich nicht einmal ein Roboter. Atlan bremste und blickte um sich. Links von ihnen, fast direkt neben dem Schiff, kam der nächste Zug Deformierter aus den Wäldern. Aber die Abstände zwi schen den einzelnen Gefangenen des Plane ten waren größer geworden. Der ununterbro chene Nachschub schien abzunehmen, we nigstens zu dieser Zeit. Thalia hielt keu chend neben Atlan an und meinte: »Wir sind gerettet. Aber nur scheinbar … nach wie vor werden wir uns in einem Schiff der Scuddamoren befinden.« »Aber immerhin mit einer von uns beein flußbaren Galionsfigur. Los! Die letzten Me ter!« Sie faßte seine Hand und rannte die Schrägfläche aufwärts. Hinter ihnen schloß sich das Schott, sie hörten das tiefe Brum men, mit dem sich die Rampe ins Schiff zu rückzog. Sie fanden den Weg hinauf in die Steuerkanzel des Reptilwesens ohne Umwe ge. »Ich freue mich, daß ich euch unbeschä digt wiederfinde«, begrüßte Dorkan Moht die Pthorer. »Die Freude ist bei uns«, antwortete Atlan und registrierte mit einem Seitenblick, daß die große Plejade nach wie vor auf dem Schaltpult lag und den Widerschein der Frei heit ausstrahlte. »Wir waren mehrmals dar an, sehr beschädigt zu werden.« »Ich konnte euch nicht warnen«, sagte die Galionsfigur ehrlich. »Ich habe inzwischen nur wenige zusätzliche Informationen einho len können. Es muß eine furchtbare Welt sein.« »Wir berichten später«, meinte Thalia. Ihr war die Erleichterung deutlich anzusehen. »Bist du mit der KNIEGEN wegen der Lan
43 dung der beiden Schiffe gestartet?« »Ich dachte an euch und daran, daß nie mand merken darf, daß ich frei geworden bin«, erläuterte Moht. »Deswegen versteckte ich das Schiff in einem Orbit, bis sich die beiden Schiffe entfernt hatten.« Atlan knurrte finster: »Starte bitte die KNIEGEN. Du weißt nicht, daß der Planet jedes Lebewesen, das längere Zeit auf ihm verweilt, negativ verän dern kann. Wir müssen möglichst schnell von der namenlosen Welt verschwinden.« »Ich habe die Startvorbereitungen bereits eingeleitet. Es dauert nur Sekunden«, ant wortete die Galionsfigur. »Trotzdem schlage ich eine Alternative vor.« Die wenigen Geräusche, die bis in die durchsichtige Kuppel durchdrangen, bewie sen, daß die KNIEGEN gestartet wurde. Das Schiff schwebte vom Boden des Pla neten weg und glitt, leicht vibrierend, immer höher. »Welche Alternative?« fragte Atlan schnell. »Das kleine Schiff!« erinnerte ihn das hellgrüne geschuppte Echsenwesen. »Ihr habt es landen und starten sehen. Ich ver folgte seinen Kurs. Es landete unweit von der Startstelle wieder. Dort befindet sich ein merkwürdiger Ausschnitt der Planetenober fläche. Dort wurden auch die Scuddamoren aus geschleust, wie ich orten konnte. Wollt Ihr, daß ich dort lande?« Atlan nickte und schränkte gleichzeitig ein: »Der Aufenthalt muß kurz sein. Wir dür fen uns nicht lange der Einwirkung dieses Planeten aussetzen.« Die KNIEGEN kletterte höher. Atlan und Thalia sahen nach wenigen Sekunden die Ebene unter sich liegen. Die Gebäude wirk ten wie Spielzeugwürfel. Alles begann wie der in dem roten, staubigen Dunst zu ver schwimmen. Nach einem steilen Aufstieg bewegte die Galionsfigur das Schiff in einer flacher werdenden Kurve auf den Punkt zu, an dem das kleine Schiff wieder gelandet
44 war. Ein Kontinent lag zwischen den beiden Punkten. »Wir müssen nicht unbedingt landen, son dern können das Gebiet auch überfliegen«, sagte Dorkan Moht nach einer Weile. »Ihr könnt euch auch noch später entscheiden.« »Es ist so, daß wir jede Information brau chen«, erklärte Atlan nachdenklich. »Es ist nur die Frage, ob wir uns – und dich – nicht in eine weitere unkontrollierbare Gefahr bringen.« Atlan und Thalia schilderten kurz, was sie seit dem Verlassen des Organschiffs erlebt hatten. Schweigend und mit steigendem Er schrecken hörte die Galionsfigur zu und blickte immer wieder die Plejade an. Wäh rend dieser kurzen Schilderung beschrieb das Schiff einen weiten Bogen und senkte sich wieder über einem weniger dunklen, mehr grünlichblau gesprenkelten Kontinent. Unter dem Schiff schimmerten die Formen von Seen. Die KNIEGEN bewegte sich der Sonne nach, also änderten sich auch die Lichtverhältnisse vorteilhaft. Berge und Schluchten tauchten auf, ein Vulkan schick te seine Rauchtrombe in die wenig bewegte Luft. »Ist das kleine Schiff wieder gestartet, oder befindet es sich noch auf dem Plane ten?« wollte Thalia wissen. Sie hatte sich in zwischen beruhigt und begann, ihren Raum anzug zu öffnen. »Es ist nicht wieder gestartet«, gab Dor kan Moht zurück. »Wenn ich das, was ihr erzählt habt, mit meinen Informationen ver gleiche, dann werden die Scuddamoren dort einer besonderen Ausbildung oder abschlie ßenden Metamorphose unterworfen.« »Vielleicht bildet man dort die Führungs personen aus«, murmelte Atlan und öffnete erleichtert die Kapuze des Goldenen Vlieses. Die Galionsfigur fuhr fort: »Ihr habt eine furchtbare Wahrheit in eu rem Besitz. Natürlich werde ich versuchen, dieses Wissen weiterzugeben, aber meine Möglichkeiten sind stark eingeschränkt, wie ihr wißt.« Er schüttelte langsam, in einer resignie-
Hans Kneifel renden Bewegung, seinen mächtigen Ech senschädel. »Scuddamoren, die gefürchteten Krieger des Chirmor Flog, entstehen aus deformier ten Gefangenen aus allen Teilen des Maran troner-Reviers. Kein lebendes Wesen hätte jemals eine solche Möglichkeit ins Auge ge faßt.« Atlan hob die Hand und schränkte ein: »Wir haben noch längst nicht jede Einzel heit gesehen. Wir wissen nicht alles. Aber an dem, was wir dir erzählten, ist nicht zu rütteln.« »Ich glaube euch.« Das Land unter dem langsam und vorsich tig in flacher Flugbahn einschwebenden Schiff wurde deutlicher sichtbar. Mit ständig wachsendem Staunen blickten Thalia und Atlan durch das Material der Kuppel und hinunter. Entlang der Ufer kleiner Seen be fanden sich Wälder oder vielmehr kleine Wäldchen, die vergleichsweise idyllisch wirkten. Niedrige, in die Hügel eingebaute Häuser oder Hallen tauchten auf. Ein kleiner Raumlandeplatz schob sich zwischen den Abhängen und den Ausläufern der Wälder hervor. Das kleine Raumschiff lag ruhig an dessen Rand. »Denke daran, daß niemand je vermuten wird«, gab Atlan zu bedenken, »daß die KNIEGEN von einem Wesen gesteuert wird, das sich selbst und den Begriff seiner persönlichen Freiheit entdeckt hat. Wenn wir landen, und ich denke, wir sollten lan den, dann kannst du dich völlig sicher füh len.« »Im Gegensatz zu euch.« »Leider zutreffend«, murmelte Thalia und konnte es noch immer nicht fassen, daß es trotz der trüben roten Sonne und derselben Beschaffenheit der Lufthülle derartig große Unterschiede der Planetenoberfläche gab. Abermals stieg ihre Spannung; der Umstand, daß eine Handvoll der Prä-Scuddamoren hierher transportiert wurden, schien fast ebenso wichtig zu sein wie alle bisherigen Erfahrungen. Atlan sagte nachdenklich, während sich
Welt ohne Namen das Organschiff langsam dem hügeligen Ufer eines Sees näherte: »Ich bin noch immer nicht sicher, Liebste, ob wir aussteigen und uns umsehen sollen.« »Du befürchtest, daß uns der namenlose Planet noch ärger zusetzt?« »Nicht nur das. Ich befürchte auch, daß ir gendwann unsere Glückssträhne zu Ende geht und wir tatsächlich festgehalten wer den.« »Das ist ein stichhaltiges Argument«, meinte die Galionsfigur. »Übrigens, um euch zu beruhigen: In diesem Schiff gibt es keinen einzigen Roboter mehr und nur drei lebende Wesen, nämlich uns.« »Das wird die Phase des weiteren Fluges etwas weniger nervenaufreibend gestalten«, sagte Atlan zufrieden. »Thalia! Ich schlage einen Kompromiß vor. Vielleicht können uns die Schiffsgeräte von Dorkan helfen.« »Wahrscheinlich!« erwiderte die Galions figur freudig. »Ich helfe euch.« »Wir können diese Station auch von hier aus einer genauen Prüfung unterziehen«, un terbrach Thalia. »Wir sollten uns wirklich nicht wieder dieser lautlosen Gefahr ausset zen.« »Ich denke, ich riskiere es auch nicht, das Schiff zu verlassen«, sagte der Arkoni de. »Suche bitte einen Platz aus, Dorkan, von dem aus wir geschützt und sicher das Ganze beobachten können.« »Ist schon ge schehen.« Das Schiff landete hinter einem dicht mit Wald bestandenen Hügel. Die Ga lionsfigur schaltete die Ortungsgeräte und die vergrößernden Linsen auf die Monitoren der kleinen Kanzel. Atlan und Thalia lehn ten sich gegen die Wände und betrachteten die Bilder, die nacheinander auf den Schir men erschienen. Die Tatsache, daß dieses Lager hierher verlegt worden war, hatte unzweifelhaft et was zu bedeuten. Zwischen den einigermaßen gepflegt und irgendwie ästhetisch wirkenden Gebäuden gingen einzelne Scuddamoren oder kleine Gruppen hin und her. Hier waren weder Eile noch die mechanisch wirkende Kälte der vorhergehenden Anordnungen zu bemerken.
45 Es schien auch außerhalb der Gebäude kei nerlei technische Einrichtungen zu geben – alles sah ein wenig aus wie ein Park, in dem die Scuddamoren ohne Hast spazieren gin gen. In die Seen waren einige Stege hinausge baut worden. Allerdings sahen die Pthorer weder Boote noch schwimmende Scudda moren. Die Linsen des Organschiffs tasteten methodisch die Szenerie ab und zeigten un unterbrochen mehr solcher verblüffender Bilder. Durch große Fenster sahen sie in einen hallenartigen Raum hinein, in dem sich lan ge Reihen von Scuddamoren befanden. Sie schienen einzelnen Scuddamoren zuzuhören, die an der anderen Wand der Halle standen. Zweifellos erfolgt hier eine Ausbildung, sagte der Logiksektor. Ein anderes Bild fesselte ihre Aufmerk samkeit. Es war eine Art Arena. Auf dem hellen Boden des Ovals rannten gleitend die Besit zer der Schattenschilde hin und her und schienen ein höchst seltsames Ballett aufzu führen. Oder sie kämpften miteinander, spielten seltsame Spiele oder befaßten sich mit organisierter Bewegungstherapie. Für Atlan und Thalia und erst recht für Dorkan Moht lag in diesen abgezirkelt scheinenden Bewegungen kein erkennbarer Sinn. »Niemand weiß, was das alles soll«, meinte Thalia. »Trotzdem hat es eine wichtige Bedeu tung«, sagte Atlan verdrossen und löste sei ne Blicke nicht von den Bildschirmen. »Das Rätsel der Scuddamoren ist größer, als wir angenommen hatten.« Schulung oder Vorträge in einer Art Hör saal. Die merkwürdigen Reigen in einer Arena. Der Umstand, daß das Schiff noch immer wartete – alles waren Beweise, daß hier etwas Ungewöhnliches vorging. Es war ungewöhnlich, auch wenn sie die völlig ver änderten Maßstäbe ansetzten. Plötzlich sagte Dorkan Moht: »Achtung! Jetzt geschieht etwas!« Auf der dem gelandeten Schiff gegen
46 überliegenden Ecke des Landefelds stand ein flaches Gebäude inmitten zackig wirkender Baumgruppen. Dort schoben sich wieder einmal Tore auf. Kurz nachdem das Sonnen licht das Innere der flachen Halle fiel, er schien ein einzelner Scuddamore an der Schnittlinie zwischen Helle und Dunkelheit, zögerte etwas und ging dann auf das Schiff zu. Ein anderer folgte, schließlich wurden es mehr und mehr. Aber insgesamt überschritt ihre Anzahl kaum zweihundert der seltsa men Individuen. »Es ist dasselbe«, sagte Thalia. »Sie ver lassen die Gebäude und werden irgendwohin gebracht. Eine Gruppe wird ausgeladen, die andere marschiert ins Schiff. Ein ununter brochenes Kommen und Gehen, wie in die ser verdammten Ebene.« Ohne Eile und ohne Bewachung oder Kontrolle von Robotern marschierten diese Scuddamoren über den Landeplatz und in das Schiff hinein. Die Gegensätze waren frappierend. Es waren wohl tatsächlich ganz besondere Vertreter von Flogs Schergen, die sich hier ungehindert bewegen konnten, trotzdem ein klar definiertes Ziel zu haben schienen. »Wenn die KNIEGEN diesem schnellen, schlanken Schiff folgen würde«, schätzte Atlan ab, »dann würden wir vielleicht auf ei ner noch rätselvolleren Welt landen. Warten wir noch ein wenig, Moht?« Ununterbrochen zeigten die Bildschirme andere, aber einander ähnliche Szenen. Im Vergleich zu den Teilen des namenlosen Planeten, die sie kannten, befanden sie sich tatsächlich am Rand einer Idylle. Was bezweckten die Scuddamoren mit dieser An lage? War dies ein geheimer Stützpunkt von Chirmor Flog? »Das Schiff ist zu schnell für mich. Ich kann es verfolgen, aber es wird nichts daraus«, schränkte die Galionsfigur ein. »Außerdem könnt ihr euch keinen großen Umweg mehr leisten. Ich muß mei nen Flugauftrag rechtzeitig innerhalb be stimmter Grenzen erledigt haben. Andern falls sehe ich mich dem Mißtrauen von un zähligen Scuddamoren gegenüber, und ich
Hans Kneifel bin nicht sicher, ob ich dies durchstehen kann – auch nicht unter den nun veränderten Umständen.« »Wir teilen deine Besorgnis, und wir wer den alles tun, um unsere Situation zu ent schärfen«, versprach Atlan. Hinter den letzten Scuddamoren schlossen sich die Pforten. Die unbegreiflichen Wesen wanderten langsam über das Feld, stiegen ein und verschwanden im Schiff. Mehr als zweihundert waren es nicht, also etwa die selbe Anzahl, die vor Stunden beim Ein schiffen beobachtet worden war. Sekunden später startete das kleine Schiff. Die andere Galionsfigur beschleunigte es mit beträchtlichen Werten. Der schlanke Körper verschwand in der diesigen Atmo sphäre und hinterließ keinerlei Spuren. Atlan wandte sich an Dorkan Moht und sagte nachdenklich: »Wir sollten den Planeten und dieses Sy stem verlassen!« »Einverstanden. Ich habe Kinster-Hayn als Ziel des Fluges. Ich soll dorthin zurück.« Ohne daß sie eine Reaktion des Echsen körpers sehen konnten, startete auch die KNIEGEN wieder. Diesmal schlug Moht keine parabelhafte Bahn ein, sondern stieg mit dem halbkugeligen Schiff senkrecht auf und immer höher und höher. »Auf dem Flug kann uns alles nur Denk bare zustoßen. Kinster-Hayn muß nicht auch unser Ziel sein«, sagte Thalia. »Zumal dort Säntho auf euch wartet. Viel mehr wartet er nicht auf euch, denn er muß überzeugt davon sein, daß ihr dem verderbli chen Einfluß der namenlosen Welt erlegen seid. Er würde maßlos überrascht sein, gera de euch an Bord der KNIEGEN zu finden.« Atlan stieß ein heiseres Lachen aus und sagte: »Wir sind gestartet und schon fast im Weltraum. Warten wir ab, wohin uns die Reise führt. Ich habe die unbestimmte Ah nung, daß sie Thalia und mich nicht zurück zum Bandär führt.« Dorkan Moht sagte begierig: »Und während des Fluges können wir zu
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dritt den Begriff der individuellen Freiheit erläutern und uns einen Weg ausdenken, wie wir den Völkern des Marantroner-Reviers die Wahrheit über die Scuddamoren erklären können.« Die KNIEGEN wurde schneller. Der Pla net schrumpfte zusammen und glich immer mehr einer runzeligen kleinen Kugel, von mattrotem Licht angestrahlt. Wieder tauch ten die Sterne der Schwarzen Galaxis auf. Der Versuch, Pthor zu schützen, hatte sie hierhergebracht. Es war aber nicht abzuse hen, wie die nächste Station ihres Weges aussah, den sie nur reagierend zurücklegten,
keineswegs geplant oder überlegt. Abermals hatten sie die Schrecken einer exotischen Welt überlebt. Sie waren sicher, daß die nächste Überraschung und der nächste Schock bereits auf sie warteten. Aber sie be saßen eine unheimliche, außerordentlich ge fährliche Waffe. Sie kannten fast die volle Wahrheit über die Scuddamoren, die Solda tenameisen von Chirmor Flog, und sie wür den sie verbreiten, wo immer sie konnten.
ENDE
Weiter geht es in Atlan Band 413 von König von Atlantis mit: Insel des Neubeginns von H. G. Francis