Peter Apathy (Hrsg)
Bürgerliches Recht Springers Kurzlehrbücher der Rechtswissenschaft
Bernhard Eccher
Bürgerliches Recht Band VI Erbrecht 4., aktualisierte Auflage
2010
SpringerWienNewYork
Univ.-Prof. Dr. Bernhard Eccher Rechtswissenschaftliche Fakultät Universität Innsbruck Innsbruck, Österreich
Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdruckes, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf fotomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Buch berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Produkthaftung: Sämtliche Angaben in diesem Fachbuch/wissenschaftlichen Werk erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung und Kontrolle ohne Gewähr. Eine Haftung des Autors, des Herausgebers oder des Verlages aus dem Inhalt dieses Werkes ist ausgeschlossen. © 2000, 2002, 2008 und 2010 Springer-Verlag/Wien Printed in Austria SpringerWienNewYork ist ein Unternehmen von Springer Science + Business Media springer.at Satz: Jung Crossmedia Publishing GmbH, 35633 Lahnau, Deutschland Druck: Ferdinand Berger & Söhne Ges.m.b.H., 3580 Horn, Österreich Gedruckt auf säurefreiem, chlorfrei gebleichtem Papier SPIN 12718818 Mit 16 Abbildungen Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISSN 0723-5097 ISBN 978-3-211-73666-1 3. Auflage SpringerWienNewYork
ISBN 978-3-211-99438-2 4. Auflage SpringerWienNewYork
Geleitwort des Herausgebers Das Bürgerliche Recht zählt zu den zentralen Gebieten der Rechtswissenschaften und damit auch des rechtswissenschaftlichen Studiums, aber auch neuester Studienangebote für künftige Wirtschaftsjuristen. Es wird den Studierenden schon wegen seines Umfangs in mehreren Vorlesungen von verschiedenen Vortragenden vermittelt. Daran ist auch die Darstellung in dieser Lehrbuchreihe orientiert; sie verteilt sich auf sieben Bände: I. Allgemeiner Teil; II. Allgemeines Schuldrecht; III. Besonderes Schuldrecht; IV. Sachenrecht; V. Familienrecht; VI. Erbrecht; VII. Internationales Privatrecht. Ergänzt wird diese Lehrbuchreihe durch den Band VIII. Prüfungstraining. Fallrepetitorium mit Lösungen. Die Zielsetzung der – überaus freundlich aufgenommenen (vgl Schauer, JBl 2002, 676, JBl 2004, 672 und JBl 2010, 405) – Lehrbuchreihe ist eine pädagogische: Die Darstellung des Rechtsstoffs ist an den Bedürfnissen der Studierenden orientiert und auf eine systematische sowie anschauliche Behandlung der wesentlichen Rechtsprobleme ausgerichtet. Dabei werden im Sinne einer wissenschaftlichen Berufsvorbildung die Gründe für Entscheidungen des Gesetzgebers und wichtige Streitfragen besonders erörtert, um zum selbständigen, problemorientierten Nachdenken – auch in neu auftauchenden Zusammenhängen – anzuregen. Angesichts der ausufernden Gesetzgebung der letzten Jahre und Jahrzehnte kann und soll nicht jedes Detail des umfangreichen Rechtsgebiets behandelt, sondern vor allem das Verständnis der zentralen Rechtsinstitute und deren Zusammenwirken gefördert werden. Die Verwendung von Kleindruck möge den Studierenden helfen, bei der Wiederholung Grundlegendes und Details zu unterscheiden. Die ausführlichen Register erleichtern den raschen Zugang zu konkreten Fragestellungen. Verweise (mit Bezug auf die Randzahlen) innerhalb des einzelnen Bandes sowie Verweise auf die Darstellung in anderen Bänden sollen die Wechselbezüge zwischen verschiedenen Rechtsinstituten des Bürgerlichen Rechts deutlich machen. Dabei wird auf andere Bände durch Bezug auf die Bandzahl (römische Zahl) und die Randzahl verwiesen. V
Geleitwort des Herausgebers
Der didaktischen Ausrichtung entsprechend wird auf einen umfassenden Nachweis von Literatur und Judikatur verzichtet. Die exemplarischen Nachweise der Rechtsprechung sollen den Studierenden praxisorientierte Beispiele bieten. Die Literaturnachweise eröffnen – neben den Kommentaren von Klang, Rummel, Schwimann und Koziol/Bydlinski/Bollenberger – einen ersten Einstieg, wo eine weitere Vertiefung (etwa in Hinblick auf Hausarbeiten und Diplomarbeiten) erforderlich ist. Auch auf die wörtliche Wiedergabe der Gesetzesstellen wird weitgehend verzichtet; freilich ist es für das Studium unumgänglich, die im Lehrbuch zitierten Gesetzesbestimmungen in einer aktuellen Gesetzesausgabe auch wirklich nachzulesen. Linz, im Juli 2010
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Peter Apathy
Vorwort zur 4. Auflage Seit dem Erscheinen der 3. Auflage im Jahr 2008 haben sich im Bereich des Erbrechts nicht wenige wichtige normative Änderungen ergeben, uz durch das FamRÄG 2009 und vor allem das Eingetragene Partnerschaft-Gesetz – EPG. Beide Änderungskomplexe sind am 1.1.2010 in Kraft getreten. In der vorliegenden 4. Auflage werden diese Änderungen eingebaut und die neue Rechtsprechung und Lehre seit der 3. Auflage bis zum Juni 2010 berücksichtigt. Innsbruck, im August 2010
Bernhard Eccher
Anschrift des Autors: o. Univ.-Prof. Dr. Bernhard Eccher Rechtswissenschaftliche Fakultät Universität Innsbruck Christoph-Probst-Platz 1, Innrain 52 A-6020 Innsbruck
[email protected] VII
Inhaltsübersicht Erster Teil: Erbfolge § 1. Der Nachlass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
§ 2. Subjektives Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
14
§ 3. Gesetzliche Erbfolge und gesetzliche Sonderrechtsnachfolgen . . . . . . . . . .
30
§ 4. Testamentarische Erbfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
§ 5. Vertragliche Erbfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
91
§ 6. Erbschaftserwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
94
§ 7. Miterben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
113
§ 8. Haftung der Erben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
121
Zweiter Teil: Vermächtnis § 9. Begriff und Arten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 10. Vermächtniserwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
140
Dritter Teil: Pflichtteil § 11. Pflichtteilsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 12. Pflichtteilsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Paragraphenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis Rz Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeichenerklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Seite XIX XXIV
Erster Teil: Erbfolge § 1. Der Nachlass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Wesen des Nachlasses . . . . . . . . . II. Ruhender Nachlass . . . . . . . . . . . III. Nachlassspaltung . . . . . . . . . . . . . B. Öffentliche Rechte und Pflichten . . . . . . . C. Private Rechte und Pflichten . . . . . . . . . . I. Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unterhalt . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Pflichtteilsansprüche . . . . . . . . 3. Auftrag und Vollmacht . . . . . . 4. Schadenersatzansprüche . . . . . 5. Bestandverhältnisse . . . . . . . . . 6. Privatversicherungsverhältnisse 7. Arbeitsverhältnisse . . . . . . . . . 8. Unternehmen . . . . . . . . . . . . . 9. Gesellschaftsrechte . . . . . . . . . D. Totenfürsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1/1 1/1 1/1 1/5 1/10 1/11 1/12 1/12 1/13 1/13 1/16 1/17 1/18 1/19 1/20 1/21 1/23 1/25 1/32
1 1 1 2 4 5 5 5 6 6 7 7 8 8 9 9 10 10 12
§ 2. Subjektives Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Inhalt des Erbrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Berufungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Anfall des Erbrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Erbfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Absolute Erbunfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . III. Erbunwürdigkeit (relative Erbunfähigkeit) . . . 1. Strafbare Handlungen gegen den Erblasser 2. Verletzung familienrechtlicher Pflichten . .
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2/1 2/1 2/2 2/4 2/10 2/10 2/12 2/13 2/13 2/15
14 14 14 15 17 17 18 18 18 19
XI
Inhaltsverzeichnis
Rz 3. Eingriff in den letzten Willen 4. Verzeihung . . . . . . . . . . . . IV. Inkapazität . . . . . . . . . . . . . . . E. Transmission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Verzicht auf das Erbrecht . . . . . . . . . . . I. Erbverzicht . . . . . . . . . . . . . . . II. Erbausschlagung . . . . . . . . . . . G. Veräußerung des Erbrechts . . . . . . . . . H. Verpfändung des Erbrechts . . . . . . . . . I. Verjährung des Erbrechts . . . . . . . . . . .
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2/17 2/18 2/19 2/22 2/26 2/26 2/33 2/41 2/46 2/47
19 20 20 21 23 23 25 27 29 29
§ 3. Gesetzliche Erbfolge und gesetzliche Sonderrechtsnachfolgen . . A. Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Gesetzliches Erbrecht zwischen Verwandten . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verwandtschaft und Abstammung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die erbrechtlichen Linien (Parentelsystem) . . . . . . . . . . . . . III. Repräsentations- und Eintrittsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Anwachsung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Beurteilung des Parentelsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Gesetzliches Erbrecht bei Adoption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Gesetzliches Erbrecht des Ehegatten/eingetragenen Partners . . . . . . I. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Erbquoten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Weitere Ansprüche des Ehegatten/eingetragenen Partners . . . E. Gesetzliches Erbrecht der Legatare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Erbrecht nach Geistlichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Sonderrechtsnachfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anerbenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätze und Zielsetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Merkmale des Erbhofs (geschlossenen Hofs) . . . . . . . . . . 3. Anerbe (Übernehmer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Übernahmspreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Schutz der weichenden Erben und des überlebenden Ehegatten/eingetragenen Partners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Heimfallsrecht des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3/1 3/1 3/3 3/3 3/6 3/7 3/10 3/11 3/12 3/14 3/14 3/15 3/17 3/18 3/20 3/21 3/21 3/22 3/22 3/24 3/25 3/27
30 30 31 31 32 33 35 35 35 37 37 37 38 38 39 39 39 40 40 41 41 42
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3/28 3/30
43 43
§ 4. Testamentarische Erbfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Rechtsgeschäft von Todes wegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schenkung auf den Todesfall . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Übergabe auf den Todesfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auftrag auf den Todesfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Entgeltliche Verträge auf den Todesfall . . . . . . . . . . III. Arten und Inhalt der Rechtsgeschäfte von Todes wegen .
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4/1 4/1 4/1 4/2 4/2 4/6 4/7 4/8 4/9
45 45 45 45 45 47 47 48 48
XII
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Inhaltsverzeichnis
Rz IV. Testierwille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Testierfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Alter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Geistige Fähigkeiten und Bewusstseinsstörungen . . . . . . . . VI. Willensmängel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Irrtumsanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Irrtümliche Übergehung von Kindern . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Höchstpersönlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auslegungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Hypothetische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Formpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Testamentsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Private Testamente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Eigenhändiges Testament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fremdhändiges Testament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Nottestament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Öffentliche Testamente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gemeinschaftliches Testament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zeugen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Anerkennung formungültiger Verfügungen . . . . . . . . . . . . X. Verwahrung letztwilliger Verfügungen und Testamentsregister . XI. Widerruf und Aufhebung letztwilliger Verfügungen . . . . . . . . 1. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Errichtung einer neuen Verfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausdrücklicher Widerruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Stillschweigender Widerruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Widerruf des Widerrufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Erbeinsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Abgrenzung zur Vermächtnisanordnung . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bestimmung der Erbteile und Anwachsung . . . . . . . . . . . . . . 1. Bestimmung der Erbteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwachsung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Negatives Testament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Möglichkeit und Erlaubtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Nebenbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Befristung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Substitution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4/14 4/16 4/16 4/18 4/19 4/23 4/23 4/24 4/29 4/31 4/34 4/34 4/35 4/36 4/37 4/37 4/40 4/41 4/41 4/44 4/47 4/50 4/52 4/55 4/60 4/61 4/63 4/63 4/66 4/69 4/71 4/73 4/74 4/74 4/75 4/75 4/76 4/80 4/81 4/81 4/82 4/83 4/90 4/93 4/96 4/96
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Inhaltsverzeichnis
Rz II. Ersatzerbschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Nacherbschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsstellung von Vorerben und Nacherben a) Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vorerbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Nacherbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Erlöschen der Nacherbschaft . . . . . . . . . . . . E. Testamentsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4/100 4/106 4/106 4/112 4/112 4/114 4/117 4/119 4/120
81 83 83 85 85 86 87 88 88
§ 5. Vertragliche Erbfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5/1
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§ 6. Erbschaftserwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Verlassenschaftsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vorverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Todesfallaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sonstige Amtshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Übermittlung und Übernahme letztwilliger Verfügungen 4. Unterbleiben der Abhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Überlassung an Zahlungs statt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verlassenschaftsabhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erbantrittserklärung bzw Erbsausschlagung . . . . . . . . . 2. Entscheidung über das Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Inventar und Vermögenserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Benützung, Verwaltung und Vertretung des Nachlasses . 5. Schutz der Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zur Einantwortung erforderliche Nachweise . . . . . . . . . 7. Erb(teilungs)übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Einantwortung bzw Übergabe an den Staat . . . . . . . . . . IV. Verfahren außerhalb der Abhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Eintragungen in das Grundbuch und in das Firmenbuch . 2. Änderung der Abhandlungsgrundlagen . . . . . . . . . . . . C. Erbschaftsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsverhältnis zwischen siegreichem Erbschaftskläger und Scheinerben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Schutz gutgläubiger Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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6/1 6/1 6/3 6/3 6/6 6/6 6/7 6/8 6/9 6/10 6/11 6/11 6/12 6/13 6/15 6/16 6/17 6/18 6/19 6/22 6/22 6/23 6/24 6/24
94 94 95 95 96 96 97 98 98 99 100 100 101 102 103 104 105 105 106 107 107 108 108 108
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6/32 6/35
110 111
§ 7. Miterben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Miterbengemeinschaft . . . . . . . . . . . . . B. Erbteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Durch Anordnung des Erblassers II. Durch die Miterben . . . . . . . . . .
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7/1 7/1 7/5 7/5 7/8
113 113 114 114 115
XIV
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Inhaltsverzeichnis
Rz
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C. Anrechnung von Vorempfängen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Arten der Anrechnung auf den Erbteil . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gewillkürte Anrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesetzliche Anrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausstattung (§ 788 1. Fall) . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antritt eines Amtes oder Gewerbes (§ 788 2. Fall) . . c) Bezahlung von Schulden volljähriger Kinder (§ 788 3. Fall) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Vorschüsse (§ 789) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Erlass der Anrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Durchführung der Anrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anrechnungsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anrechnungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Bewertung der Vorempfänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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7/9 7/9 7/14 7/14 7/17 7/19 7/20
115 115 116 116 117 117 118
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7/21 7/22 7/23 7/25 7/25 7/26 7/28 7/29
118 118 118 119 119 119 119 120
§ 8. Haftung der Erben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Arten der Nachlassverbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Erblasserschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Erbfallsschulden und Erbgangsschulden . . . . . . . . . B. Beschränkte und unbeschränkte Haftung . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtswohltat des Inventars . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gläubigereinberufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Haftung mehrerer Erben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Schutzmittel der Nachlassgläubiger und der Erbengläubiger I. Schutzmittel der Nachlassgläubiger . . . . . . . . . . . . . II. Schutzmittel der Erbengläubiger . . . . . . . . . . . . . . .
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8/1 8/1 8/1 8/4 8/5 8/5 8/9 8/11 8/13 8/13 8/17
121 121 121 121 122 122 123 124 125 125 126
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9/1 9/1 9/1 9/3 9/4 9/11 9/11 9/13 9/16 9/20 9/22 9/22 9/22 9/23 9/24 9/25
127 127 127 127 128 129 129 130 131 132 133 133 133 133 133 134
Zweiter Teil: Vermächtnis § 9. Begriff und Arten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtserwerb von Todes wegen . . . . . . . . II. Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gegenstand des Vermächtnisses . . . . . . . . 1. Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gattungsvermächtnis . . . . . . . . . . . . . 3. Vermächtnis einer bestimmten Sache . . . 4. Forderungen als Vermächtnisgegenstand B. Arten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gewillkürte Vermächtnisse . . . . . . . . . . . . 1. Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vermächtnisnehmer . . . . . . . . . . . . . . 3. Mitvermächtnisnehmer . . . . . . . . . . . . 4. Substitutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
Rz II. Vorausvermächtnis des Ehegatten/eingetragenen Partners 1. Gesetzliches Vermächtnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verhältnis zu anderen erbrechtlichen Berechtigungen . 3. Anspruch und Erfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Wohnrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Bewegliche Haushaltsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . III. Erwerb des halben Mindestanteils des WE-Partners . . . .
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9/27 9/27 9/28 9/30 9/32 9/33 9/36 9/37
134 134 135 136 137 137 138 138
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10/1 10/1 10/1 10/4 10/4 10/5 10/9 10/12 10/14
140 140 140 140 140 141 142 143 143
§ 11. Pflichtteilsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Pflichtteilssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Pflichtteilsberechtigte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Abstrakte Pflichtteilsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Konkrete Pflichtteilsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzliches Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Enterbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Enterbungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Widerruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechte der Nachkommen eines weggefallenen Pflichtteilsberechtigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vorfahren weggefallener Pflichtteilsberechtigter . . . . . . . . C. Höhe und Abdeckung des Pflichtteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Höhe des Pflichtteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Pflichtteilsquoten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Pflichtteilsminderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Abdeckung des Pflichtteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorempfänge und Vorschüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erbteil und Vermächtnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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11/1 11/1 11/2 11/2 11/3 11/3 11/6 11/6 11/8 11/13
145 145 146 146 147 147 147 147 148 149
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11/14 11/19 11/21 11/21 11/21 11/22 11/26 11/26 11/30
150 151 152 152 152 152 153 153 155
§ 12. Pflichtteilsanspruch . . . . . . . A. Geldpflichtteil . . . . . . . . . . . . . I. Berechnung . . . . . . . . . . 1. Nachlasspflichtteil . . 2. Schenkungspflichtteil
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12/1 12/1 12/1 12/1 12/5
157 157 157 157 158
§ 10. Vermächtniserwerb . . . . . . . . . . . . . . A. Vermächtnisanspruch . . . . . . . . . . . . . . . I. Anfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verhältnis zu anderen Ansprüchen 1. Rangordnung . . . . . . . . . . . . . 2. Vermächtniskürzung . . . . . . . . 3. Beitrag zur Pflichtteilsdeckung . III. Fälligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Vermächtniserfüllung . . . . . . . . . . . . . . .
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Dritter Teil: Pflichtteil
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Inhaltsverzeichnis
Rz II. Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs . . . . . . . . . . . . 1. Anspruch auf Erfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anspruch auf Auskunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Anspruch auf Freistellung von den Bedingungen und Belastungen
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Paragraphenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
12/12 12/12 12/17 12/18
Seite 161 161 162 163 165 171
XVII
Abkürzungsverzeichnis aA ABGB abl Abs aE aF AG AGB AHG AktG aM AnfO AngG Anh Anm AnwBl AO ArbSlg arg Art ASVG AT ausl AußStrG AVB BG BGB BGBl BGH BGHZ BlgNR BMVG BRBG (1.) bsp BStFG BT
anderer Ansicht Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch ablehnend Absatz am Ende alte Fassung Aktiengesellschaft Allgemeine Geschäftsbedingungen Amtshaftungsgesetz Aktiengesetz anderer Meinung Anfechtungsordnung Angestelltengesetz Anhang Anmerkung Österreichisches Anwaltsblatt Ausgleichsordnung Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen argumento Artikel Allgemeines Sozialversicherungsgesetz Allgemeiner Teil ausländische(r) Außerstreitgesetz Allgemeine Versicherungsbedingungen Bundesgesetz (deutsches) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt (deutscher) Bundesgerichtshof Entscheidungen des (deutschen) Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates Betriebliches Mitarbeitervorsorgegesetz Erstes Bundesrechtsbereinigungsgesetz beispielsweise Bundes-Stiftungs- und Fondsgesetz Besonderer Teil
XIX
Abkürzungsverzeichnis
B-VG BVG BWG bzw d ders dh DHG DRdA DVEheG E EB Eccher, Erbfolge EFSlg EGG EheG EheRwG Ehrenzweig II/2 EKHG EKMR EO EPG ErbRÄG ErgBd Erk EStG EvBl f FamErbRÄG FamRZ FBG ff FinStrG FMedG FN FS G GBG GebG GedS gem GesRZ GewO GKoärG GlU
XX
Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 Bundesverfassungsgesetz Bankwesengesetz beziehungsweise deutsch derselbe das heißt Dienstnehmerhaftpflichtgesetz Das Recht der Arbeit Verordnung zur Durchführung und Ergänzung des Ehegesetzes Entscheidung Erläuternde Bemerkungen Eccher, Antizipierte Erbfolge, 1980 Ehe- und familienrechtliche Entscheidung Erwerbsgesellschaftengesetz Ehegesetz BG über die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe Ehrenzweig, System des österreichischen allgemeinen Privatrechts, 2. Auflage, II/2, 1937 Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz Europäische Kommission für Menschenrechte Exekutionsordnung Eingetragene Partnerschaft-Gesetz Erbrechtsänderungsgesetz Ergänzungsband Erkenntnis Einkommensteuergesetz Evidenzblatt der Rechtsmittelentscheidungen und der (die) folgende Familien- und Erbrechts-Änderungsgesetz (deutsche) Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Firmenbuchgesetz und die folgenden Finanzstrafgesetz Fortpflanzungsmedizingesetz Fußnote Festschrift Gesetz Allgemeines Grundbuchsgesetz Gebührengesetz Gedenkschrift gemäß Der Gesellschafter, Zeitschrift für das Gesellschaftsrecht Gewerbeordnung Gerichtskommissärsgesetz Sammlung von zivilrechtlichen Entscheidungen des kk Obersten Gerichtshofes
Abkürzungsverzeichnis
GlUNF
Sammlung von zivilrechtlichen Entscheidungen des kk Obersten Gerichtshofes, Neue Folge GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbHG Gesetz über die Gesellschaft mit beschränkter Haftung GP Gesetzgebungsperiode Gschnitzer, ErbR2 Gschnitzer/Faistenberger, Österreichisches Erbrecht, 2. Auflage, 1983 H Heft hA herrschende Ansicht HfD Hofdekret HHB Herrenhausbericht hL herrschende Lehre hM herrschende Meinung Hrsg Herausgeber HS Handelsrechtliche Entscheidungen IA Initiativantrag id(n)F in der (neuen) Fassung idR in der Regel idS in diesem Sinn ieS im engeren Sinn insb insbesondere IPRG BG über das internationale Privatrecht iVm in Verbindung mit iwS im weiteren Sinn JA Justizausschuss JAB Justizausschussbericht JAP Juristische Ausbildung und Praxisvorbereitung JB Judikatenbuch JBl Juristische Blätter JGS Justizgesetzsammlung Jh Jahrhundert JN Jurisdiktionsnorm Jud Judikatur B. Jud, Erbschaftskauf B. Jud, Der Erbschaftskauf, 1998 KAKuG Kranken- und Kuranstaltengesetz KBB3 Koziol/Bydlinski/Bollenberger (Hrsg), ABGB, Kommentar, 3. Auflage, 2010 (zitiert: Bearbeiter in KBB3 Paragraph Randziffer Kfz Kraftfahrzeug KG Kommanditgesellschaft, Kreisgericht Klang2 Klang (Hrsg), Kommentar zum Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch, 2. Auflage, 1948–1978 (zitiert: Bearbeiter in Klang2 Band Seite) Kletecˇ ka, NacherbKletecˇ ka, Ersatz- und Nacherbschaft, 1999 schaft KO Konkursordnung Koziol/Welser II13 Koziol/Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts, Bd II: Schuldrecht Allgemeiner Teil, Schuldrecht Besonderer Teil, Erbrecht, 13. Auflage, 2006, bearbeitet von Welser unter Mitarbeit von Jud und Rabl KP Kundmachungspatent
XXI
Abkürzungsverzeichnis
Kralik, ErbR
Kralik, Erbrecht (= 3. Auflage des Systems von Ehrenzweig, Familien- und Erbrecht), 1983 krit kritisch Krnt ErbhöfeG Kärntner Erbhöfegesetz KSchG Konsumentenschutzgesetz L Lehre lat lateinisch LBG Liegenschafsbewertungsgesetz leg cit legis citatae (des zitierten Gesetzes) LG Landesgericht; Landesgesetz LGZ Landesgericht für Zivilrechtssachen LiegTeilG Liegenschaftsteilungsgesetz Lit Literatur lit litera (Buchstabe) lS letzter Satz maW mit anderen Worten MietSlg Mietrechtliche Entscheidungen MRG Mietrechtsgesetz MRK Menschenrechtskonvention mwN mit weiteren Nachweisen NAktG Notariatsaktsgesetz nF neue Fassung NO Notariatsordnung NR Nationalrat Nr Nummer NZ Österreichische Notariats-Zeitung OEG Offene Erwerbsgesellschaft OGH Oberster Gerichtshof OG Offene Gesellschaft ÖJT Österreichischer Juristentag ÖJZ Österreichische Juristen-Zeitung OLG Oberlandesgericht österr österreichisch, -e, -er, -es PatVG Patientenverfügungsgesetz Prot Protokoll, -e PSG Privatstiftungsgesetz PStG Personenstandsgesetz Rechberger, AußStrG Rechberger (Hrsg), Außerstreitgesetz, 2006 RpflSlgA Sammelmappe für die Rechtspfleger-Besprechungen (Außerstreitsachen) Rsp Rechtsprechung Rummel3 Rummel (Hrsg), Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch, Bd I, 3. Auflage, 2000 (zitiert: Bearbeiter in Rummel3 Paragraph Randziffer), Bd II, 2. Auflage, 1992 RV Regierungsvorlage RV 224 bzw 471 EBzRV 224 bzw 471 BlgNR 22. GP Rz Randziffer RZ Österreichische Richterzeitung
XXII
Abkürzungsverzeichnis
S s sa Samek, Pflichtteilsrecht Schauer, Rechtsprobleme Schwimann2
Seite, Satz siehe siehe auch, siehe aber Samek, Das österreichische Pflichtteilsrecht, 2004
Schauer, Rechtsprobleme der erbrechtlichen Nachfolge bei Personenhandelsgesellschaften, 1999 Schwimann (Hrsg), Praxiskommentar zum Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch, 2. Auflage, 1997–1999 (zitiert: Bearbeiter in Schwimann2 Paragraph Randziffer) sog sogenannte, -r, -s StGB Strafgesetzbuch StPO Strafprozessordnung str strittig SZ Entscheidungen des österreichischen Obersten Gerichtshofes in Zivilsachen TEG Todeserklärungsgesetz Tir HöfeG Tiroler Höfegesetz TN Teilnovelle zum ABGB ua und andere(n), unter anderem uä und ähnliche(s) überwA überwiegende Ansicht UGB Unternehmensgesetzbuch Umlauft, Anrechnung Umlauft, Die Anrechnung von Schenkungen und Vorempfängen im Erb- und Pflichtteilsrecht, 2001 UrhG Urheberrechtsgesetz uz und zwar V Verordnung va vor allem VersVG Versicherungsvertragsgesetz VfGH Verfassungsgerichtshof VfSlg Sammlung der Erkenntnisse und wichtigsten Beschlüsse des Verfassungsgerichtshofes vgl vergleiche VStG Verwaltungsstrafgesetz VwGH Verwaltungsgerichtshof VwSlg Erkenntnisse und Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes WE Wohnungseigentum WEG Wohnungseigentumsgesetz WGG Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz WoBl Wohnrechtliche Blätter WRN Wohnrechtsnovelle Z Ziffer, Zahl Zankl, VorausverZankl, Das gesetzliche Vorausvermächtnis des Ehegatten, 1996 mächtnis zB zum Beispiel ZPO Zivilprozessordnung zT zum Teil
XXIII
Zeichenerklärung
AK AM AV B C E EG GM GV HB HS K LM LV
XXIV
Adoptivkind Adoptivmutter Adoptivvater Bruder Cousin, Cousine Enkel; Erbverzicht Ehegatte/eingetragener Partner Großmutter Großvater Halbbruder Halbschwester Kind Leibliche Mutter Leiblicher Vater
N O P S Schw T UE UM UV WB WM WV
Neffe/Nichte; notarielles Testament Onkel Privattestament Sohn Schwester Tochter, Tante Urenkel Urgroßmutter Urgroßvater Wahlbruder Wahlmutter Wahlvater
Erster Teil: Erbfolge § 1. Der Nachlass A. Allgemein I. Wesen des Nachlasses Der Nachlass (in § 531 auch „Verlassenschaft“ und in § 532 in Bezug auf 1/1 den Erben „Erbschaft“ genannt) wird als „Inbegriff der Rechte und Verbindlichkeiten eines Verstorbenen, insofern sie nicht in bloß persönlichen Verhältnissen gegründet sind“, definiert. Zum Nachlass gehören also nicht nur körperliche, sondern auch unkörperliche Sachen, eben sämtliche vererblichen Rechte (zB Forderungsrechte, Servitutsrechte, Immaterialgüterrechte) und Pflichten des Verstorbenen. Näheres s Rz 1/11 ff. Zum Unterschied von einer Gesamtsache (§ 302) liegt das einigende Kriterium nicht in dem von der Verkehrsübung geprägten gemeinsamen Namen, sondern der (früheren) Zugehörigkeit zu einer bestimmten Person. Nachlass und Gesamtsache können sich freilich überschneiden, zB, wenn sich im Nachlass ein Unternehmen befindet. In diesem Fall können sich auch einschlägige Vorschriften etwa des UGB mit den erbrechtlichen Normen überschneiden, so zB die Haftungsbestimmung des § 40 mit den erbrechtlichen Haftungsregeln (Rz 8/ 1 ff).
Der Nachlass ist aber nicht nur die Summe der vererblichen Rechtsposi- 1/2 tionen des Verstorbenen, sondern wird vom Gesetz auch als eine davon verschiedene eigene unkörperliche Sache verstanden, für die auch eigene Erwerbsregeln gelten. Nach dem auch hier geltenden Prinzip von Titel (§§ 533, 799) und Modus (dazu Rz IV/6/1) bildet das (subjektive) Erbrecht (Rz 2/1) sowie dessen Annahme den Titel und die Besitznehmung (§§ 532, 797) den Modus. Dieser erfolgt für den gesamten Nachlass durch einen einzigen Akt, nämlich grundsätzlich die gerichtliche Einantwortung (s Rz 6/8) (Gesamtrechtsnachfolge, Universalsukzession). Näheres s Rz 6/1, zum Nachlass als Rechtssubjekt Rz 1/5.
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Der Nachlass
1/3 Auch Besitz am Nachlass ist in diesem Sinn nicht auf seine einzelnen Bestandteile, sondern auf den Nachlass als solchen zu beziehen. Mit der Einantwortung wird dem Erben die Ausübung der vererblichen Rechtsposi tionen des Verstorbenen überlassen, auch wenn ein Besitz iS des § 309 im Einzelnen gar nicht gegeben wäre, so zB wenn der Erbe nun die Stellung eines Gläubigers oder Schuldners ausüben darf oder wenn der bestohlene Verstorbene den tatsächlichen Besitz verloren hatte1. Der tatsächliche Besitz (oder Mitbesitz) des Verstorbenen an einer bestimmten Sache iS des § 309 ist allerdings für die Frage bedeutsam, ob eine Sache in das Nachlassverfahren einzubeziehen ist oder nicht (§ 166 Abs 2 AußStrG, s weiter Rz 6/13). In materiellrechtlicher Hinsicht bestimmt sich hingegen der Umfang des Nachlasses nach der rechtlichen Zugehörigkeit und ist, ohne dass den Beschlüssen im außerstreitigen Verfahren präjudizielle Wirkung zukommt, ebenfalls im streitigen Verfahren zu entscheiden. Beispiel: Behauptet der Erbe, dass ein Sparbuch zum Nachlass gehört und wird die Herausgabe verweigert, so wird das Abhandlungsgericht dieses in das Abhandlungsverfahren einbeziehen, wenn sich zeigt, dass der Verstorbene mangels Besitzaufgabewillens, oft erkenntlich durch Nichtbekanntgabe des Losungswortes, Gläubiger der Sparbuchforderung geblieben ist2.
1/4 Der Nachlass entsteht mit dem wirklichen Tod eines Menschen (Erbfall; zum Anfall des Erbrechts vgl § 536; Rz 2/4). Todeserklärung und Beweis des Todes (§§ 13 ff; 21 ff TEG; sa Rz I/2/11 f) begründen nur die Vermutung des Todes und des Zeitpunkts seines Eintritts. Bei gelungenem Gegenbeweis ist eine darauf gegründete Einantwortung rückgängig zu machen bzw richtig zu stellen (§§ 23 ff TEG). Die Herausgabe der Nachlassgegenstände durch den vermeintlichen Erben an den wahren Erben erfolgt – analog der Herausgabe der Erbschaft nach erfolgreicher Erbschaftsklage (vgl § 824; Rz 6/35 ff) – nach den Vorschriften über den gut- oder schlechtgläubigen Besitzer einschließlich der Möglichkeit einer Ersitzung (§ 1460).
II. Ruhender Nachlass 1/5 Die Einrichtung des Verlassenschaftssverfahrens in Österreich (Rz 6/3 ff) führt dazu, dass der Erblasser in der Zeit zwischen Erbfall und Einantwortung nicht mehr und der Erbe noch nicht Träger des Nachlassvermögens ist. Will man nicht wenig ergiebige Fiktionen (§ 547) vertreten, kann daher in diesem Zeitraum der „ruhende“ Nachlass nur selbst (juristische) Person und Träger des Nachlassvermögens sein. Wie später der Erbe durch Einantwortung, übernimmt der ruhende Nachlass sofort mit Erbfall als Gesamtrechtsnachfolger die Rechtspositio1 Vgl Kralik, ErbR 21 f. 2 Vgl OGH NZ 2009, 339; sa Fall VIII/96.
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nen des Verstorbenen. Er tritt zB in Bestandverträge ein und genießt Besitzschutz. Zu Besonderheiten des Gesellschaftsrechts s Rz 1/25. Eine begonnene Verjährung läuft für oder gegen ihn weiter. Zu beachten ist jedoch, dass der OGH (JBl 1990, 115 mit krit Anm Eypeltauer; seither hA) § 1494 über die Hemmung der Verjährung auf den nicht vertretenen Nachlass analog anwendet; aA Graf, JBl 1997, 562.
Der ruhende Nachlass erscheint daher auch in bereits anhängigen oder 1/6 neuen Verfahren als Partei. So haben beispielsweise die Gläubiger des Erblassers, die Vermächtnisnehmer oder die Pflichtteilsberechtigten in dieser Zeit ihre Ansprüche gegen den Nachlass und umgekehrt der Nachlass Rechte des Erblassers, etwa auf Schmerzensgeld, geltend zu machen. Die irrtümlich (!) unrichtige Bezeichnung der Partei noch als Erblasser oder schon als Erbe kann – uU auch von Amts wegen – richtiggestellt werden, wenn sich aus dem tatsächlichen Vorbringen ergibt, dass die genannten Personen nicht im eigenen Namen klagen oder beklagt werden3.
Für die Vertretung und Verwaltung des Nachlasses kommen mehrere 1/7 Möglichkeiten in Betracht (sa Fall VIII/103): Hat der Erblasser vertraglich (vgl § 1022) oder letztwillig – im Rahmen einer Testamentsvollstreckung oder ohne eine solche (Rz 4/121) – einen Nachlassverwalter bestellt, steht zunächst diesem das Vertretungs- und Verwaltungsrecht zu. Der Erblasser kann weiters für den Fall, dass sich die Notwendigkeit der 1/8 Bestellung eines Verlassenschaftskurators ergibt, dafür eine Person namhaft machen, woran sich das Gericht „tunlichst“ halten sollte (§ 156 Abs 2 AußStrG). Zum Recht des bzw der Erben auf Benützung, Verwaltung und Vertretung des Nachlasses s Rz 6/15. Ein Verlassenschaftskurator ist vom Gericht zu bestellen, wenn für oder 1/9 gegen den ansonsten unvertretenen Nachlaß Rechtshandlungen zu setzen sind. Im Einzelnen kann dies bei unbekannten Erben, bei widersprechenden Erbantrittserklärungen (s Rz 6/12), bei Uneinigkeit der mehreren an sich nach § 810 befugten Erben4 (s Rz 6/15), bei Absonderung der Verlassenschaft (§ 175 AußStrG; s Rz 8/13 ff) oder bei Übergabe erbloser Nachlässe an den Staat (s Rz 6/21) der Fall sein. Der Verlassenschaftskurator ist von einem Kollisionskurator (§ 5 Abs 2 Z 1 lit a AußStrG) und einem Posteritätskurator für einen noch nicht vorhandenen Nacherben (§ 5 Abs 2 Z 2 lit a AußStrG) und generell von einem Erbenkurator, zB als Abwesenheitskurator (§ 5 Abs 2 Z 2 lit b AußStrG) zu unterscheiden. Zum Verlassenschaftsprovisorium für Unternehmen s Rz 1/23. 3 Vgl zuletzt Ziehensack, ÖJZ 1996, 726. 4 Vgl OGH NZ 2005, 182; EvBl 2008/85.
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Der Nachlass
III. Nachlassspaltung 1/10 Grundsätzlich bildet das vererbliche Vermögen einer Person einen einzigen Nachlass, der nach einheitlichen Regeln behandelt wird. Es kann jedoch ausnahmsweise zur Aufspaltung in zwei oder sogar mehrere Nachlässe kommen, wenn unterschiedliche Erbrechtsordnungen oder zumindest unterschiedliche Normenbereiche (zB hinsichtlich der Erbenbestimmung, des Pflichtteilsrechts, der Erbenhaftung oder des Erbschaftserwerbs) auf bestimmte Nachlassteile anzuwenden sind. (Zu einer anderen Art der Nachlassspaltung bei Adoption s Rz 3/13.) Solche Fälle ergeben sich etwa bei der fideikommissarischen Substitution aus § 612, wenn die Nacherbeneinsetzung nur mehr für das bewegliche Vermögen wirksam ist (Rz 4/111), vor allem aber im internationalen Erbrecht: Zwar soll die Maßgeblichkeit des Personalstatuts für alle das Erbrecht betreffenden Fragen (vgl für Österreich § 28 Abs 1 IPRG) Nachlassspaltungen möglichst verhindern, doch ist diese nicht zu vermeiden, wenn sie ein ausländisches Internationales Erbrecht zulässt5.
Abb. 1. Nachlassspaltung; Schottischer Erblasser mit Wohnsitz in Österreich6
Grundsätzlich sind Spaltnachlässe unabhängig voneinander nach den jeweils für sie geltenden Vorschriften zu behandeln. Rückwirkungen aus der Behandlung des einen (zB ausländischen) Spaltnachlasses auf den anderen können sich ausnahmsweise aus einer letztwilligen Verfügung des Erblas5 Weitere Fälle bei Kralik, ErbR 22. 6 Das schottische internationale Erbrecht, auf das das österreichische verweist (§ 28 Abs 1 IPRG), erklärt für unbewegliche Sachen das Recht der belegenen Sache (lex rei sitae), für bewegliche Sachen das Recht des Aufenthaltsortes (domicile) des Erblassers für anwendbar; vgl Anton/Beaumont, Private International Law2 (1990) 667.
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sers oder der Auslegung der anzuwendenden (zB ausländischen) Normen ergeben7.
B. Öffentliche Rechte und Pflichten Öffentliche Rechte und Pflichten sind zwar nicht grundsätzlich unvererb- 1/11 lich, doch sind sie meistens höchstpersönlich und können insofern nicht vererbt werden (zB Wahlrecht, Recht zur Führung eines akademischen Grades oder zur Ausübung eines Berufs, Verpflichtung zur Leistung von Strafen, und zwar entgegen § 548 S 2 auch rechtskräftig verhängter Geldstrafen gem §§ 14 Abs 2 VStG, 173 FinStrG, 411 StPO). Abgesehen von Sondervorschriften ist Vererblichkeit daher nur anzunehmen, wenn öffentliche Rechte und Pflichten Bestandteil des Vermögens einer Person darstellen. Dies gilt auf der aktiven Seite etwa für bereits angereifte Beamtenbezüge oder Ruhegenüsse8, auf der passiven Seite für Steuerschulden (§ 19 BAO) oder sozialversicherungsrechtliche Beitragsschulden9. Zur Gewerbeberechtigung s Rz 1/24. Sozialversicherungsrechtliche Geldleistungsansprüche gehen im Wege einer Sonderrechtsnachfolge (Rz 3/21) auf die nahen Angehörigen, die mit dem Verstorbenen in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben, und erst dann auf die Verlassenschaft bzw die Erben über (§ 107a ASVG und entsprechend in den anderen SozVersG; vgl OGH SZ 61/203).
C. Private Rechte und Pflichten I. Allgemein Private Rechte und Pflichten sind vererblich, soweit sie nicht höchstper- 1/12 sönlichen Charakter haben (§§ 1448, 548 S 1). Dabei ist für jedes Rechtsverhältnis getrennt zu prüfen, ob die Berechtigung (Aktivvererblichkeit) und/oder die Verpflichtung (Passivvererblichkeit) übergeht. Grundsätzlich sind meistens nichtvermögensrechtliche Rechtspositionen wie zB im Zusammenhang mit Persönlichkeitsrechten und Familienrechten unvererblich (zu Sonderrechtsnachfolgen vgl Rz 3/21), doch gibt es auch Ausnahmen (zB das Urheberrecht insb auch soweit es den persönlichkeitsbezogenen Schutz geistiger Interessen betrifft: § 23 Abs 1 iVm § 19 UrhG10;
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Kralik, ErbR 22 ff. VwGH JBl 1953, 667. OGH SZ 42/29. Vgl dazu Thiele/Waß, NZ 2002, 97.
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das Recht auf Feststellung der Abstammung oder deren Änderung oder auf Feststellung der Nichtabstammung des Kindes von Vater oder Mutter: § 138a Abs 2). Die vermögensrechtlichen Rechtspositionen sind dagegen vererblich, doch gibt es auch hier Ausnahmen: Kraft ausdrücklicher Anordnung ist das Veräußerungs- und Belastungsverbot (§ 364c) passiv (und nach überwA11 auch aktiv) unvererblich. Höchstpersönlich und somit unvererblich sind weiters das Wiederkaufs- und das Vorkaufsrecht (§§ 1070 f, 1074) sowie grundsätzlich die persönlichen Dienstbarkeiten (§§ 529). Zur Vererblichkeit des Erbrechts (Transmission) s Rz 2/22.
II. Einzelfälle 1. Unterhalt 1/13 Der Unterhaltsanspruch ist naturgemäß unvererblich. Soweit der Anspruch allerdings zu Lebzeiten des Berechtigten schon fällig geworden ist, geht er auch auf den Nachlass über (vgl § 77 Abs 1 EheG; § 23 Abs 3 EPG). Das muss auch für den Ausstattungsanspruch nach § 1220 gelten, wenn das Kind nach der Eheschließung bzw nach der Eintragung einer Partnerschaft (vgl § 1217 Abs 2) verstorben ist. 1/14 Auch die Unterhaltsschulden sind häufig unvererblich, doch gibt es heute wichtige Ausnahmen (gleich unten Rz 1/15). Jedenfalls können aber auch hier bereits fällig gewordene Unterhaltsansprüche gegen den Nachlass geltend gemacht werden12. Wenn nach dem Gesetz die Unterhaltspflicht nach dem Tod des bisherigen Verpflichteten nun eine andere Person trifft (zB § 141: Übergang auf die Großeltern), liegt ein Fall von Devolution vor. Diese unterscheidet sich von der Vererbung der Unterhaltspflicht, weil sie sich nach den Vermögensverhältnissen des nunmehr Verpflichteten richtet13.
1/15 Vererbliche Unterhaltsschulden: Die Unterhaltsansprüche der Kinder gegenüber den Eltern (§§ 142, 166), jene zwischen Ehegatten bzw eingetragenen Partnern (§ 796: allerdings nur bis zur Wiederverehelichung; zu den Voraussetzungen Rz 3/17) und jene zwischen geschiedenen Ehegatten (§ 78 EheG; beachte jedoch die Ausnahme für die Beitragspflicht gem § 68 in § 78 Abs 3 EheG) oder Partnern, deren Partnerschaft aufgelöst worden ist (§ 23 Abs 4 EPG), gehen auf den Nachlass und die Erben über. Nach überwA14 handelt es sich freilich um keine eigentliche Vererbung der 11 12 13 14
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Vgl OGH JBl 1994, 46. Vgl OGH SZ 27/247 (Ausstattungsanspruch). Gschnitzer, ErbR2 6 f. Vgl Welser in Rummel3 § 796 Rz 2.
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Schuld, also keine sog Erblasserschuld, sondern um eine Erbgangsschuld (vgl Rz 8/4), die mit dem Tod des Verpflichteten neu und bezogen auf die Verhältnisse des nunmehrigen Verpflichteten entsteht. Obergrenze ist jedenfalls – auch bei unbedingter Erbantrittserklärung (Rz 6/11) – der reine Nachlass15. Der Berechtigte muss sich alle vom Erblasser herrührenden vertraglichen und letztwilligen Zuwendungen, den gesetzlichen Erbteil, den Pflichtteil und die durch den Tod des Erblassers ausgelösten öffentlichrechtlichen oder privatrechtlichen Leistungen einrechnen lassen, der Ehegatte/eingetragene Partner überdies eigenes Vermögen sowie tatsächliche oder zumutbare Erwerbseinkünfte. Dies gilt analog für den geschiedenen Ehegatten16 bzw den eingetragenen Partner, dessen Partnerschaft aufgelöst wurde. Die – nicht ausdrücklich vorgesehene – Berücksichtigung eigener Einkünfte bei Kindern ergibt sich daraus, dass ihr Anspruch ohnehin nur bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit reicht. Die Einrechnungsvorschrift zeigt, dass die Pflichtteilsansprüche dem Unterhaltsanspruch vorgehen. Sie sind ohne Rücksicht auf den kapitalisierten Unterhaltsanspruch zu berechnen und zu begleichen. Unter den als Haftungsobergrenze (pro viribus, Rz 8/5) für die Unterhaltsschuld genannten Aktiven sind daher die Nachlassaktiven vermindert um die Erblasserschulden (= reiner Nachlass; Rz 8/8) und weiter vermindert um die Pflichtteile zu verstehen. Die Unterhaltsschuld erscheint sohin als eine dem Pflichtteil nachgehende, den Vermächtnissen jedoch vorgehende Erbgangsschuld (Rz 8/4). Beispiel: Der Testator hinterlässt ein versorgtes und ein unversorgtes Kind. Der Nachlass beträgt 50, die Erblasserschulden 10, der reine Nachlass 40 und die Pflichtteile jedes Kindes somit 10. Das unversorgte Kind muss sich auf seinen Unterhaltsanspruch den Pflichtteil von 10 anrechnen lassen und kann als Unterhalt höchstens noch 20 dazubekommen. Vermächtnisse werden bis auf 0 gekürzt (Rz 10/5 ff).
2. Pflichtteilsansprüche Nach Wegfall der Exekutionsbeschränkungen des § 291 EO besteht bezüg- 1/16 lich der Vererblichkeit der Pflichtteilsansprüche kein Zweifel mehr17. 3. Auftrag und Vollmacht Auftrag und Vollmacht sind grundsätzlich für Machtgeber und Machtha- 1/17 ber unvererblich, doch hat der Machthaber die Pflicht, das Geschäft nach dem Tod des Machtgebers zu vollenden, wenn sonst ein Nachteil für den Nachlass oder in der Folge für die Erben entstünde oder wenn der Auftrag/ die Vollmacht gerade auf den Todesfall erteilt wurde (§ 1022). In die15 ZB OGH SZ 73/191. 16 OGH SZ 55/54. 17 OGH SZ 2004/15.
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sem Fall wird der Beauftragte zunächst für den Nachlass und nach Einantwortung für die Erben tätig. Daher steht diesen auch ein Widerrufsrecht zu. Mit einem Auftrag auf den Todesfall könnte auch versucht werden, letztwillige Verfügungen abzuwickeln. Die Erben sind nach hA jedoch nur dann an solche Aufträge gebunden, wenn die Form letztwilliger Verfügungen eingehalten wurde. Näheres s Rz 4/7; zur Bestellung eines Nachlassverwalters s Rz 1/7. Siehe dazu auch Fall VIII/96. Die unternehmensrechtlichen Vollmachten, nämlich Prokura und Handlungsvollmacht (vgl §§ 52 Abs 3 und 58 Abs 3 UGB) sowie die Prozessvollmacht (§ 35 Abs 1 ZPO) erlöschen durch den Tod des Vollmachtgebers nicht.
4. Schadenersatzansprüche 1/18 Schadenersatzansprüche sind aktiv und passiv vererblich18. Dies gilt nunmehr uneingeschränkt auch für Schmerzengeldansprüche, nachdem der OGH unter dem Einfluss der hL19 und aufgrund der Aufhebung des § 291 EO aF die bisher vertretene, auf § 1325 gestützte Meinung („auf Verlangen“), diese müssten noch bei Lebzeiten des Erblassers vertraglich anerkannt oder gerichtlich geltend gemacht worden sein, aufgegeben hat20. Damit ist auch der Einklang mit Schadenersatzansprüchen hergestellt, die auf § 12 EKHG gestützt werden. Beachte: Von den vererblichen Schmerzensgeldansprüchen sind anerkannte eigene immaterielle Schäden von nahen Angehörigen, zB Schockschäden, zu unterscheiden21.
5. Bestandverhältnisse 1/19 Bestandverhältnisse erlöschen weder durch den Tod des Bestandgebers noch des Bestandnehmers (§ 1116a S 1; § 14 Abs 1 MRG). Beim Tod des Mieters einer Wohnung können die Erben des Mieters und des Vermieters jedoch unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist kündigen (§ 1116a S 2). Unterliegt ein Mietverhältnis dem MRG, steht den nahen Angehörigen – mit Ausnahme der Verwandten in absteigender Linie im Fall sog Seniorenwohnungen (§ 14 Abs 3 lS iVm § 12 Abs 3 MRG) – einschließlich des Lebensgefährten ein vom Erbrecht unabhängiges Eintrittsrecht zu (§ 14 Abs 2 und 3 MRG; zur Gleichstellung des eingetragenen
18 Ebenso nach OHG SZ 73/176 vermögensrechtlich bereits konkretisierte Beseitigungsansprüche; vgl Koziol/Welser II13 449. 19 Jelinek, JBl 1977, 19. 20 OGH SZ 69/217; sa Rz III/14/10. 21 Vgl OGH JBl 2001, 660: bei grober Fahrlässigkeit und Vorsatz.
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Partners vgl § 43 Abs 1 Z 10 EPG; zur Sonderrechtsnachfolge Rz 3/21). Kommt es nicht zum Eintritt, besteht ein Kündigungsrecht des Vermieters (§ 30 Abs 2 Z 5 MRG). Das Mietrecht scheidet jedenfalls aus dem Nachlass aus22. 6. Privatversicherungsverhältnisse Versicherungsrechtliche Ansprüche, die zu Lebzeiten des Versicherten be- 1/20 reits fällig geworden sind, sind selbstverständlich vererblich. Auch das Versicherungsverhältnis selbst geht auf Nachlass und Erben über, wenn auch die versicherte Gefahr übergeht (zB die Feuerversicherung für das im Nachlass befindliche Haus23). Nach verbreiteter Meinung fallen Ansprüche aus Lebens- und Unfallversicherungen, die durch das Ableben des Erblassers ausgelöst werden, nur dann in den Nachlass, wenn kein Begünstigter genannt und somit der Erblasser selbst Begünstigter ist. Der Drittbegünstigte soll den Anspruch unmittelbar aufgrund des Versicherungsverhältnisses (§§ 166, 167 VersVG) erwerben und nicht den Ansprüchen der Nachlassgläubiger und Pflichtteilsberechtigten ausgesetzt sein, auch wenn er keinerlei Gegenleistung für seine Begünstigung zu erbringen hat24. Zum Teil wird jedoch heute Anfechtung nach den §§ 1 AnfO und §§ 785, 951 (dazu Rz 12/6) befürwortet25 (sa Rz 4/7). Das aus einer Begünstigungsklausel entstehende Recht kann mE vom Bezugsberechtigten weiter vererbt werden, wenn es ihm zu Lebzeiten unwiderruflich und somit bindend eingeräumt wurde26.
7. Arbeitsverhältnisse Da der Dienstnehmer persönliche Arbeitsleistungen schuldet, endet das 1/21 Arbeitsverhältnis mit dem Tod des Dienstnehmers. Bereits erworbene Lohn- und Gehaltsansprüche fallen in den Nachlass (zB OGH SZ 25/ 231), ebenso die in Geld umgewandelten, nicht konsumierten Urlaubstage (§ 10 Abs 3 UrlaubsG27) sowie die bereits erworbenen Abfertigungsansprüche. Abfertigungsansprüche jedoch, die mit dem Tod des Dienstnehmers entstehen, gebühren im Wege einer Sonderrechtsnachfolge (dazu Rz 3/21) den gesetzlichen Erben, zu deren Erhaltung der Erblasser
22 OGH SZ 71/189. 23 Koziol/Welser II13 450. 24 AA Kralik, ErbR 19 f; skeptisch Koziol/Welser II13 450; Eccher in Schwimann3 § 531 Rz 32 bei widerruflicher Begünstigung für Behandlung als Vermächtnis. 25 ZB Koziol/Welser II13 450. 26 Eccher in Schwimann3 § 531 Rz 33; aA OGH SZ 49/41; Zankl, NZ 1985, 85 f. 27 Vgl OGH DRdA 1997/17 mit Anm M. Binder.
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verpflichtet war (für „Altabfertigungsansprüche“ vgl zB § 23 Abs 6 AngG; für Abfertigungsansprüche nach dem BMVG vgl dort § 14 Abs 5).
1/22 Im Fall des Todes des Dienstgebers endet das Dienstverhältnis nur, wenn die Leistungen ausschließlich auf seine Person abgestellt waren (zB Unterricht, Krankenpflege28), in allen anderen Fällen geht es kraft der erbrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge auf die Erben, insbesondere den Unternehmensnachfolger (vgl auch § 40 UGB) über. Nach hA steht dem Dienstnehmer eine Kündigungsmöglichkeit zu29. 8. Unternehmen 1/23 Das Unternehmen fällt in den Nachlass, soweit seine Bestandteile vererblich sind (zB Liegenschaften, Anlagen, Warenlager, Forderungen und Verbindlichkeiten, Immaterialgüterrechte, good will). Während des Verlassenschaftsverfahrens, also in der Zeit, in der das Unternehmen zum ruhenden Nachlass gehört, werden die Geschäfte vom Nachlassverwalter (Rz 1/7) oder je nach Bedarf von einem eigenen vorläufigen Verwalter (Verlassenschaftsprovisorium) geführt, der auch im Firmenbuch einzutragen ist (§ 32 Abs 2 UGB). Wird das Unternehmen fortgeführt, unterliegt es auch einer einheitlichen Schätzung (vgl auch Rz 7/30, 12/2), ansonsten sind seine Bestandteile zu schätzen. 1/24 Die gewerberechtliche Befugnis zur Führung des Unternehmens (Gewerbeberechtigung, Konzession) ist nicht vererblich (§ 38 GewO) und daher bei der Wertermittlung nicht mitzuberücksichtigen. Es können jedoch zunächst der Nachlass und nach Einantwortung der überlebende Ehegatte/ eingetragene Partner und die Kinder bis zum 24. Lebensjahr, auf die das Unternehmen ganz oder teilweise übergegangen ist (s im Einzelnen §§ 8, 41 ff GewO), das Unternehmen gewerberechtlich fortführen (Fortbetriebsrecht). 9. Gesellschaftsrechte 1/25 Bei der Frage der Vererblichkeit von Gesellschaftsrechten kommt es grundsätzlich darauf an, ob das persönliche Element der Mitarbeit oder jenes der Kapitalbeteiligung im Vordergrund steht. Dementsprechend sind die Mitgliedschaftsrechte an einer AG und GmbH (§ 76 Abs 1 GmbHG), aber auch die Rechte des Kommanditisten in einer KG (vgl
28 Koziol/Welser II13 449. 29 Vgl etwa Fenyves, Erbenhaftung und Dauerschuldverhältnis (1982) 300 ff.
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§ 177 UGB) und die des stillen Gesellschafters (vgl § 184 Abs 2 UGB) vererblich. Bei Genossenschaften mit unbeschränkter Haftung ist die Mitgliedschaft unvererblich, bei Formen mit beschränkter Haftung jedoch vererblich30. Davon abweichende Regelungen im Gesellschaftsvertrag sind je nach Art der Gesellschaft in unterschiedlichem Ausmaß zulässig: So kann die Teilung von Gesellschaftsanteilen der GmbH von der Zustimmung der Gesellschafter abhängig gemacht werden (§ 79 Abs 2 GmbHG). Die Vererblichkeit der Gesellschafterstellung des Kommanditisten und des stillen Gesellschafters (vgl § 184 Abs 2 UGB) kann ausgeschlossen werden.
Dagegen ist die Mitgliedschaft bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts 1/26 (§ 1206), der OG (vgl § 139 UGB), sowie des Komplementärs einer KG (§ 161 Abs 2 UGB) im Zweifel nicht vererblich. Die OG wird durch den Tod eines Gesellschafters und die KG durch den Tod eines Komplementärs sogar (wenig praxisnahe; vgl dagegen zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts § 1207) im Zweifel aufgelöst (§§ 131 Z 4, 161 Abs 2 UGB). Häufig finden sich daher abweichende Regelungen im Gesellschaftsvertrag31: Soll die Gesellschaft ohne Nachfolger für den verstorbenen Gesellschafter 1/27 fortgeführt werden (Fortsetzungsklausel; vgl für die OG § 141 UGB) wächst dessen Anteil am Gesellschaftsvermögen den übrigen Gesellschaftern zu. Anstelle der Mitgliedschaft fällt der Anspruch auf das sog Auseinandersetzungs- oder Abfindungsguthaben in den Nachlass des verstorbenen Gesellschafters (§ 137 UGB). Entsprechendes gilt für die sog Übernahmsklausel, wonach das Unternehmen von dem allein verbliebenen Gesellschafter fortgeführt werden kann (für die OG § 142 UGB). Das Auseinandersetzungsguthaben bestimmt sich grundsätzlich nach 1/28 dem Verkehrswert der Gesellschaftsbeteiligung. Nach hA sind gesellschaftsvertragliche Modifikationen (Abfindungsklauseln), zB die Beschränkung auf die Buchwerte bis hin zum vollständigen Ausschluss, grundsätzlich entgeltlicher Natur und daher von Gläubigern und Pflichtteilsberechtigten nicht angreifbar (s insb § 785; Rz 12/6), was auch Kritik hervorruft32. Das Problem der Belastung der Gesellschaft mit Abfindungsansprüchen 1/29 wird vermieden, wenn im Gesellschaftsvertrag vorgesehen ist, dass die Erben oder bestimmte Personen als Erben dem verstorbenen Gesellschafter nachfolgen sollen (Nachfolge- oder auch Vererbungsklauseln). Diese Nachfolge gelingt grundsätzlich nur dann, wenn Gesellschaftsrecht und 30 Vgl Koziol/Welser II13 452 mwA. 31 Vgl zuletzt ausführlich Schauer, Rechtsprobleme 70 ff. 32 Vgl die Darstellung bei Schauer, Rechtsprobleme 70 ff.
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Erbrecht zusammenstimmen. Dann treten automatisch zunächst der Nachlass und nach Einantwortung die Erben in die Gesellschaft ein (beachte § 139 UGB: Recht des Erben des OG-Gesellschafters auf Umwandlung seiner Beteiligung in die Stellung eines Kommanditisten). Ist der im Gesellschaftsvertrag vorgesehene Nachfolger zwar nicht Erbe, sondern Vermächtnisnehmer, lässt sich die Nachfolgeklausel häufig ausdehnend auslegen. Ansonsten scheitert die Nachfolge, wenn sich die Klausel nicht unabhängig von der Erbenstellung als Eintrittsklausel (unten Rz 1/31) deuten lässt.
Im Gesellschaftsvertrag kann für den Fall der Rechtsnachfolge durch mehrere Erben die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters (Repräsentanten) vorgesehen sein, der im Außenverhältnis als Gesellschafter auftritt. 1/30 Sind im Gesellschaftsvertrag von vorneherein nur bestimmte Erben nachfolgeberechtigt (sog qualifizierte Nachfolgeklausel), wachsen diesen nach überwA die Anteile der ausgeschlossenen Erben im Wege einer Sondererbfolge ipso iure mit der Verpflichtung zu einem Wertausgleich zu33. 1/31 Soll nach dem Tod eines Gesellschafters ein Dritter unabhängig von seiner Erbenstellung in die Gesellschaft eintreten können, bildet der Gesellschaftsvertrag hinsichtlich dieses Eintrittsrechts (Eintrittsklausel) einen Vertrag zugunsten Dritter (§ 881). Letztwillig oder allenfalls auch durch Schenkung auf den Todesfall kann dem Dritten auch das Auseinandersetzungsguthaben zugewendet werden, damit er die beim Eintritt zu leistende Einlage nicht aus eigenem Vermögen leisten muss. Die Pflichtteilsrechte gegenüber Vermächtnissen bzw Schenkungen bleiben gewahrt34.
D. Totenfürsorge 1/32 Der Leichnam ist nicht mehr Person, gilt aber aus Pietätsgründen nicht als verkehrsfähige35 Sache. Über die Totenfürsorge (Behandlung der Leiche; Art der Bestattung; Auswahl und Pflege der Grabstätte) entscheiden nicht die Erben, sondern in erster Linie der Verstorbene (ausdrücklich oder stillschweigend36) selbst und im Übrigen die nächsten Angehörigen, wobei der Vorrang grundsätzlich dem überlebenden Ehegatten und nunmehr wohl auch dem überlebenden eingetragenen Partner (vgl § 537a) gebührt. Das Benützungsrecht an einer Grabstätte geht vorbehaltlich einer (nicht formstrengen) anderen Verfügung des Verstorbenen und vorbehaltlich der je33 34 35 36
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Vgl Schauer, Rechtsprobleme 371 ff; Umlauft, Anrechnung 170 ff. Vgl Schauer, Rechtsprobleme 617 ff. Vgl Eccher in KBB3 § 285 Rz 2. Zur Beachtung des hypothetischen Willens vgl OGH JBl 2000, 110.
Totenfürsorge
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weiligen Friedhofsordnung auf die Erben über37. Zu den Begräbniskosten s Rz 8/2; 8/6. Im öffentlichen Recht sind zwingende Fälle der Obduktion (vgl zum Recht nach dem Tod in einer öffentlichen Krankenanstalt § 25 KAKuG und für Zwecke der Strafrechtspflege §§ 127 ff StGB) und nähere Regelungen zur Organentnahme und -transplantation zur Rettung anderer außer bei ausdrücklicher Ablehnung der Organspende vorgesehen (§ 62a KAKuG).
37 Vgl zB Eccher in Schwimann3 § 531 Rz 59.
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§ 2. Subjektives Erbrecht A. Inhalt des Erbrechts 2/1 Das subjektive Erbrecht ist das Recht (Titel; vgl §§ 533, 797), den Nachlass oder einen ideellen Teil hievon durch Besitzeinräumung (Modus; vgl §§ 532, 797) zu erwerben (Gesamtrechtsnachfolge; sa Rz 1/2; 9/12). Das Erbrecht selbst verleiht also noch kein Herrschaftsrecht über die einzelnen Nachlassgegenstände, ist daher nach heutigem Verständnis – entgegen der Diktion in §§ 308, 532 – kein dingliches Recht. Da das Erbrecht gegenüber jedermann wirkt (vgl §§ 823 f), ist es allerdings ein absolutes Recht. Ein Erbschaftsbesitzer ohne Erbrecht ist – ähnlich wie im Sachenrecht – ein titelloser Besitzer und wird Scheinerbe genannt. Er muss dem wahren Erben den Erbschaftsbesitz herausgeben. Näheres zur Erbschaftsklage s Rz 6/24 ff.
B. Berufungsgrund 2/2 Das subjektive Erbrecht (Rz 2/1) beruht auf sog Berufungsgründen. Bei der Berufung zur Erbfolge gibt das Gesetz der Privatautonomie des Verstorbenen den Vorrang und reiht daher den Erbvertrag (Rz 5/1 ff) und danach das Testament (Rz 4/1 ff) als Rechtsgeschäfte von Todes wegen vor der Berufung durch das Gesetz (§ 533). Man unterscheidet demnach gewillkürte (erbvertragliche oder testamentarische) und gesetzliche Erbfolge. Nach der Häufigkeit der Berufungsgründe gilt genau das Gegenteil. Der gesetzlichen Berufung folgen die testamentarische und die erbvertragliche1, doch lässt sich andererseits auch feststellen, dass Testamente um so häufiger vorkommen, je mehr zu vererben ist.
1 Vgl Fedynskyj, Rechtstatsachen auf dem Gebiete des Erbrechts im Gerichtsbezirk Innsbruck 1937–1941 (1968) 36 ff.
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Anfall des Erbrechts
§2
Der stärkere Berufungsgrund schließt den schwächeren insofern aus, als 2/3 der durch ihn berufene Erbe den Nachlass erlangt. Für den verbleibenden Nachlassteil wird der nächstgereihte Berufungsgrund herangezogen (gemischte Erbfolge; § 534). Zwangsläufig ergibt sich gemischte Erbfolge beim Erbvertrag durch das ausgenommene „freie Viertel“ (§ 1253; dazu Rz 5/7), ansonsten zB dann, wenn der Erblasser nur über einen Teil des Nachlasses durch Erbeinsetzung verfügt. Dabei spielt es rechtlich keine Rolle, wenn ein und dieselbe Person mehrfach berufen ist (weiteres Beispiel: Ein Ehegatte erscheint auch als Verwandter berufen). In diesen Fällen können die angefallenen Erbteile verschieden behandelt werden (etwa Annahme des einen und Ausschlagung des anderen2).
C. Anfall des Erbrechts Während der Nachlass mit dem Tod eines Menschen entsteht (Erbfall; 2/4 Rz 1/4), beginnt das subjektive Erbrecht einer Person mit dem Erbanfall. Dieser Zeitpunkt fällt normalerweise mit dem Erbfall zusammen (§§ 536, 545, 1252), doch kann der Erblasser durch eine aufschiebende Bedingung den Zeitpunkt des Erbanfalls hinausschieben (§ 703). Bei einer aufschiebenden Befristung nimmt man – weil der Zeitpunkt kommen muss – an, dass das Erbrecht sofort erworben wird und nur die Möglichkeit des Erbschaftserwerbs hinausgeschoben wurde (§ 705; nach dieser Differenzierung bestimmt sich auch der Zeitpunkt des Nacherbfalls bei der fideikommissarischen Substitution, Rz 4/108). Jedenfalls kann das Erbrecht nicht vor dem Erbfall entstehen. Daraus 2/5 ergibt sich, dass Erbe nur sein kann, wer den Verstorbenen überlebt (Überlebensbedingung) bzw den Eintritt der aufschiebenden Bedingung (Rz 2/4) erlebt hat. Zur Todeserklärung und zum Beweis des Todes s Rz 1/ 4 und I/2/11. Lässt sich nicht ermitteln, welche von mehreren gestorbenen oder für tot erklärten Personen eine andere überlebt hat, gelten sie als gleichzeitig verstorben (Kommorientenvermutung; § 11 TEG). Es kommt nicht darauf an, dass sie in derselben Gefahr umgekommen sind. Solange die Vermutung nicht entkräftet wird, kann daher niemand den anderen beerben.
Wer den Verstorbenen nicht überlebt hat, kann daher auch kein Erbrecht im Wege der Transmission (Rz 2/22) weiter übertragen. Beispiel: Die Ehegatten A und B verunglücken bei einem Verkehrsunfall tödlich. Der von B in die Ehe mitgebrachte (und nicht von A adoptierte) Sohn C beerbt den A in seiner Eigenschaft als Erbe der B nicht.
Rechtsgeschäfte, die den Zweck haben, die spätere erbrechtliche Position 2/6 des Empfängers (Erbrecht, Vermächtnis, Pflichtteilsrecht) vorzeitig zu er2 Koziol/Welser II13 454.
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§2
Subjektives Erbrecht
füllen (vorweggenommene, antizipierte Erbfolge; sa Rz 7/103), stellen keine Erbfolge im eigentlichen Sinn dar. Die Zwecksetzung der vorweggenommenen Erbfolge stellt mE jedoch eine im Rahmen der Vertragsfreiheit zulässige eigene rechtsgeschäftliche Causa dar, die beispielsweise auch vom Rechtsgrund der Schenkung abzugrenzen ist. Die wichtigste rechtliche Konsequenz der Vorwegnahme der Erbfolge ist die Anrechnungspflicht auf die spätere erbrechtliche Rechtsposition, soweit eine solche noch gegeben und nicht etwa durch einen Erb- oder Pflichtteilsverzicht (§ 551; zum Erbverzicht gegen Abfindung Rz 2/27) erloschen ist4. Nach einer geplanten Reform sollen allerdings Schenkungen (jedenfalls an Kinder) schlechthin und nicht bloß bestimmte Zuwendungen (vgl §§ 788 ff; Rz 7/17 ff; 11/26 ff) angerechnet werden, würden also im Zweifel eine vorweggenommene Erbfolge darstellen.
2/7 Vor dem Erbfall hat der künftige Erbe nur eine faktische Erbaussicht oder ein erhofftes Recht. Über diese kann er entgegen der allgemeinen Regel des § 1276 aus Pietätsgründen nicht verfügen (§ 879 Abs 2 Z 3), er kann darauf jedoch schon zu Lebzeiten des Erblassers verzichten (§ 551; Rz 2/26). 2/8 Aus § 536 ergibt sich aber auch, dass der Erbe beim Erbfall schon existieren muss. Für ein bereits gezeugtes bzw empfangenes, aber noch nicht geborenes Kind (Nasciturus) gilt § 22: Das Erbrecht fällt ihm unter der Bedingung der Lebendgeburt an. Zu Erben berufene juristische Personen müssen bereits gegründet sein oder sich zumindest im Gründungsstadium befinden5. Letztwillig errichtete Stiftungen gelten in diesem Sinn als mit dem Erbfall im Gründungsstadium befindlich, wobei die endgültige Entstehung bei Privatstiftungen von der Eintragung im Firmenbuch (§ 7 Abs 1 PSG) und bei gemeinnützigen Stiftungen von der behördlichen Genehmigung abhängt6. Mit der Verlassenschaftsabhandlung (Rz 6/3) ist in beiden Fällen zuzuwarten, bis nämlich feststeht, ob das Kind lebend geboren wird bzw die juristische Person endgültig entsteht.
2/9 Fortpflanzungsmedizin7: Bei der künstlichen Insemination wird eine Eizelle korporal mit der vom Ehemann bzw Lebensgefährten (homogen) oder von einem Dritten (heterogen) gespendeten Samenzelle befruchtet. Bei der In-vitro-Fertilisation findet die Befruchtung mit einer ebenfalls gespendeten Eizelle extrakorporal statt. Der so entstandene Embryo wird daraufhin der Eispenderin oder einer anderen Frau eingepflanzt. 3 Dazu Eccher, Erbfolge 98 ff; Beer, Die vorweggenommene Erbfolge, in Kalss/Schauer (Hrsg), Unternehmensnachfolge (2001) 35. 4 Vgl im Einzelnen Eccher, Erbfolge 1 ff. 5 So Kralik, ErbR 33 f. 6 OGH EvBl 1972/183. 7 Vgl dazu Bernat (Hrsg), Die Reproduktionsmedizin am Prüfstand von Recht und Ethik (2000).
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Erbfähigkeit
§2
Im ersten Fall kann der Samenspender, im zweiten Fall können sowohl Samenspender als auch Eispenderin oder sogar beide im Zeitpunkt der Befruchtung nicht mehr am Leben sein (vgl allerdings §§ 2 Abs 1; 17 Abs 1 FMedG), sodass streng genommen ein Nasciturus beim Erbfall nicht vorhanden ist. Trotzdem sollte man aus Billigkeitserwägungen das gesetzliche Erbrecht (zur letztwilligen Einsetzung Rz 4/1) des auf diese Weise gezeugten Menschen anerkennen (teleologische Interpretation des § 22)8. Da Samen, Eizellen sowie Hoden- und Eierstockgewebe höchstens bis zum Tod der Person, von der sie stammen, aufbewahrt werden dürfen (§ 17 Abs 1 FMedG; sa § 2 Abs 1 FMedG), kann mE auch hier in der Regel mit der Verlassenschaftsabhandlung zugewartet werden, bis feststeht, ob es zu einer Lebendgeburt kommt9. Zur Frage der Abstammung bei gesetzlicher Erbfolge s Rz 3/3.
D. Erbfähigkeit I. Allgemein Unter Erbfähigkeit versteht man die Fähigkeit zum Erwerb der Erbschaft 2/10 und überhaupt einer Zuwendung von Todes wegen, also auch von Vermächtnis und Pflichtteil. Die Erbfähigkeit ist ein Teilaspekt der allgemeinen Rechtsfähigkeit (Rz I/2/2) und muss grundsätzlich beim Erbanfall gegeben sein (§ 545; zu Ausnahmen Rz 2/13). Somit können natürliche und juristische Personen Erbe werden. Wer im konkreten Fall nicht erbfähig ist, ist vom Erbrecht kraft Gesetz ausgeschlossen und wird so behandelt, als ob er nicht vorhanden wäre (§ 767). Er kann also kein Erbrecht veräußern (Rz 2/41) oder im Weg der Transmission (Rz 2/22) weiterleiten. Er ist auch vom Pflichtteilsrecht (beachte jedoch § 795) und Vermächtnis ausgeschlossen. Zu den §§ 540–542 als Enterbungsgrund s Rz 11/10. Gemäß der verallgemeinerungsfähigen Norm des § 541 treten die Nach- 2/11 kommen des aus irgendeinem Grund Erbunfähigen in der gesetzlichen Erbfolge als Eintrittsberechtigte (Rz 3/7) an dessen Stelle. Sie erhalten damit kein zusätzliches gesetzliches Erbrecht, sondern müssen, würde man sich den Erbunfähigen wegdenken, schon gesetzliche Erben des Verstorbenen und daher auch ihm gegenüber selbst wieder erbfähig sein. 8 Vgl auch Koziol/Welser II13 455 mwA, einschränkend auf die Abstammung zum Samenspender bzw zur Eispenderin. 9 AA Koziol/Welser II13 456.
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§2
Subjektives Erbrecht
Beispiel: Nachkommen des erbunwürdigen Ehegatten aus einer anderen Verbindung beerben den verstorbenen Ehegatten nicht.
II. Absolute Erbunfähigkeit 2/12 Absolute Erbunfähigkeit bedeutet Erbunfähigkeit gegenüber jedem Erblasser. Sie kommt derzeit praktisch nicht vor: Ordenspersonen (vgl § 539) mit bloß einfachen (Armuts-)Gelübden sind erbfähig (OGH JBl 1961, 289) und diesen stehen aufgrund des Reskripts des Hl Stuhls vom 8.7.1974 (BGBl 1976/50) nach hA Ordenspersonen österr religiöser Orden10 mit feierlichen Gelübden gleich. Auch Beschränkungen der Erbfähigkeit kirchlicher juristischer Personen (vgl § 539) wurden durch das Konkordat 1855 (Patent RGBl 1855/195) aufgehoben und bestehen nicht mehr. Ebenso wenig bestehen derzeit Beschränkungen zu Lasten von Auswanderern und Fahnenflüchtigen (§ 544). Die Verweigerung der Erbfähigkeit eines Ausländers aufgrund fehlender Gegenseitigkeit (Retorsionsrecht) nach § 33 wird in der Praxis nicht gehandhabt11.
III. Erbunwürdigkeit (relative Erbunfähigkeit) 1. Strafbare Handlungen gegen den Erblasser 2/13 Nach § 540 Teil 1 ist gegenüber dem Verstorbenen erbunwürdig, wer gegen ihn und gegen seinen Willen12 eine gerichtlich strafbare Handlung begangen hat, die nur vorsätzlich begangen werden kann und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist. Die Tat muss zu Lebzeiten des Verstorbenen gesetzt worden sein13. Str ist, ob sie sich nur gegen die Person und die Rechtsgüter des Erblassers selbst oder auch gegenüber seine nahen Angehörigen oder überhaupt seine Gefühlssphäre richten kann. Beispiel: Nach der Rsp macht eine strafbare Handlung gegen den Vater des Erblassers nicht erbunwürdig (OGH SZ 24/21). Die überwL will auch Angriffe auf die Rechts- und teilweise sogar Gefühlssphäre des Erblassers einbeziehen14.
2/14 Kommt es zu keiner strafgerichtlichen Verurteilung, ist zu unterscheiden: Ist der subjektive Unwertgehalt nach strafrechtlichen Bestimmungen zu verneinen (zB Schuldausschließungsgründe, Rechtfertigungsgründe), entfällt auch die Erbunwürdigkeit, andernfalls bleibt sie bestehen (Verjährung; tätige Reue?).
10 Für die Erbfähigkeit auch von Ordenspersonen ausl Orden aus allgemeinen Erwägungen Kletecˇ ka, NZ 1999, 283. 11 Schwimann in Rummel3 § 33 Rz 2. 12 OGH JBl 2009, 129 mit Anm Bernat = Fall VIII/97. 13 OGH EvBl 2007/117. 14 Steinwenter, JBl 1955, 159; Koziol/Welser II13 458.
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Erbfähigkeit
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Im Fall der Unzurechnungsfähigkeit des Täters kommt es mE darauf an, ob nicht doch ein zivilrechtlich vorwerfbarer, natürlicher Vorsatz vorhanden war (stets für Erbwürdigkeit OGH JBl 1994, 536: Unzurechnungsfähiger tötet seine Ehefrau). Der Vorsatz müsste jedenfalls den Umstand, dass sich die Tat gegen den Erblasser richtet, umfassen.
2. Verletzung familienrechtlicher Pflichten Erbunwürdig ist weiters, wer seine aus dem Rechtsverhältnis zwischen El- 2/15 tern und Kindern sich ergebenden Pflichten dem Erblasser gegenüber gröblich vernachlässigt hat (§ 540 Teil 2). Die Bestimmung soll va die Ahndung von Pflichtverletzungen von Vätern gegenüber ihren (erbrechtlich gleichgestellten) ue Kindern ermöglichen, ohne dass diese eine Enterbung verfügen müssen, wozu sie häufig die Geschäftsfähigkeit noch nicht besitzen15. Siehe dazu auch Fälle VIII/ 97, 108. Betroffen sind Eltern und Kinder im weiten Verständnis des § 142, bezüglich vererblicher Pflichten sogar deren Erben. Beispiel: Wer die gemäß § 142 auf ihn als Erben des verstorbenen unterhaltspflichtigen Vaters übergegangene (Rz 1/14) Unterhaltspflicht verletzt (zB Bruder des Unterhaltsberechtigten), kann aus diesem Grund erbunwürdig sein.
Die Pflichtverletzung muss gröblich und wohl auch vorsätzlich erfolgen, 2/16 sodass Unmündige zB wegen Verletzung der allgemeinen Beistands- und Achtungspflicht den Eltern gegenüber (§ 137 Abs 2) kaum erbunwürdig sein können (allenfalls ausnahmsweise Verschuldensvorwurf nach § 1310 Fall 1 analog). 3. Eingriff in den letzten Willen Nach § 542 wird erbunwürdig, wer den Erblasser zur Erklärung des letz- 2/17 ten Willens gezwungen oder betrügerisch verleitet, an der Erklärung oder Abänderung verhindert oder einen bereits errichteten letzten Willen unterdrückt hat16. Dieser nicht-taxativen Aufzählung17 wird insb noch die Unterschiebung eines falschen letzten Willens und die Verfälschung eines echten hinzugefügt. Die angeführten Handlungen müssen mit dem Vorsatz erfolgen, den letzten Willen zu vereiteln. Wer hingegen, wenn auch mit ungehörigen Mitteln, darauf abzielt, den wahren Willen des Erblassers zum Durchbruch zu verhelfen, ist nicht erbunwürdig.
15 Zur Entstehungsgeschichte aus dem § 769 aF vgl Eccher in Schwimann3 § 540 Rz 12 f. 16 Nach OGH EvBl 2000/12 genügt schon der Versuch. 17 ZB OGH EvBl 2009/94.
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Beispiel18: Beharren auf Eintragung einer fideikommissarischen Substitution für den Fall der Heirat des Belasteten mit einer bestimmten Person, die wegen eines (später nicht gehaltenen) Versprechens, diese Person nicht heiraten zu wollen, ursprünglich gestrichen worden war, um den Belasteten nicht zu kränken.
Da die angeführten Handlungen zum Teil oft nach dem Erbfall gesetzt werden, wird hier vom Grundsatz des § 545 (Bewertung der Erbfähigkeit nach dem Zeitpunkt des Erbanfalls (s Rz 2/4) abgewichen. 4. Verzeihung 2/18 Die Wirkungen aller genannten Erbunwürdigkeitsgründe (also über § 540 hinaus) können grundsätzlich durch Verzeihung beseitigt werden19. Die Verzeihung ist ausdrücklich oder stillschweigend möglich, doch muss die stillschweigende Verzeihung zweifelsfrei sein (§ 863). ME ist nach richtiger Ansicht20 die Verzeihung nicht bloß Willensmitteilung sondern Rechtsgeschäft, mit dem die Folgen der Erbunwürdigkeit beseitigt werden sollen. Sie erfordert zwar nicht die Form einer letztwilligen Verfügung, jedoch Geschäftsfähigkeit für ein Rechtsgeschäft auf den Todesfall (Testierfähigkeit; Rz 4/16). Dies erscheint insofern angemessen, als die häufigste Art der stillschweigenden Verzeihung in der späteren letztwilligen Bedenkung des Erbunwürdigen in Kenntnis des Erbunwürdigkeitsgrundes liegt. Beispiel: Wurde der Erblasser iS des § 542 an der Abänderung seiner letzten Verfügung gehindert und hat er seinen letzten Willen nach Wiedererlangung der freien Dispositionsfähigkeit nicht geändert, bedeutet dies nicht zweifelsfrei Verzeihung (OGH SZ 11/42: Der Lebensgefährte hatte gedroht, sich bei Änderung des Testaments zu erschießen).
IV. Inkapazität 2/19
Die Inkapazität (Mangel der sog testamenti factio passiva) war ein besonderer Fall der Erbunwürdigkeit und hinderte nur die Bedenkung durch letztwillige oder erbvertragliche Verfügung, schloss aber nicht die gesetzliche Erbfolge oder das Pflichtteilsrecht des Betroffenen aus (§ 543). Betroffen waren Personen, die Blutschande (Geschlechtsverkehr mit Verwandten in auf- und absteigender Linie sowie zwischen Geschwistern: § 211 StGB) oder Ehebruch begangen hatten, wobei gleichgültig war, ob nur der Bedachte, nur der Erblasser oder beide verheiratet waren. Es kam auch nicht darauf an, ob die geschlechtliche Hingabe „materiell ausgenützt“21 worden ist.
2/20
Die in beiden Fällen gefordert22 gewesene gerichtliche Feststellung zu Lebzeiten (Geständnis oder Beweis) hatte den Zweck, eine Verunglimpfung des Andenkens des Erblassers 18 19 20 21 22
20
Aus OGH SZ 24/38. AA Kralik, ErbR 39 f zu 542, wo er tätige Reue verlangt. Kralik, ErbR 38 f; aA Koziol/Welser II13 458; Welser in Rummel3 § 540 Rz 3. Vgl OGH EvBl 1970/19. ZB Koziol/Welser II13 460 f; Welser in Rummel3 § 543 Rz 9.
Transmission
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zu vermeiden. Daher war eine Klage auf erstmalige Feststellung oder auf Feststellung der Unrichtigkeit des seinerzeitigen Geständnisses oder der seinerzeitigen Beweisführung nach dem Tod des Erblassers und eine Geltendmachung im Rahmen eines Erbunwürdigkeitsprozesses unzulässig. Für eine Klageführung vor dem Tod des Erblassers war das Vorliegen eines rechtlichen Interesses iS § 228 ZPO erforderlich23. Der rechtspolitische Sinn des § 543 wurde in einer Zeit geänderter Wertvorstellungen in der L zunehmend bezweifelt24. Im Hinblick auf die mit der – ohnehin nur ausnahmsweise erfolgten – Anwendung dieser Bestimmung verbundenen Wertungswidersprüche hat der Gesetzgeber des FamRÄG 2009 diese Bestimmung nunmehr mit Wirkung vom 1.1.2010 aufgehoben25.
2/21
E. Transmission Das subjektive Erbrecht ist selbst ein vererbliches Recht (§ 537). Hat der 2/22 Erbe (mit Erbanfall; Rz 2/4) ein Erbrecht erworben und ist es noch nicht durch Einantwortung oder aus einem sonstigen Grund erloschen, geht es im Fall seines Todes auf seine eigenen Erben über. Dabei spielt die Art des Berufungsgrundes keine Rolle. Die betroffenen Personen werden Erblasser, Transmittent und Transmissar genannt.
Abb. 2. Transmission Transmission darf nicht mit Ersatzerbschaft (Rz 4/99) und Eintrittsrecht (Rz 3/7) verwechselt werden. Während der Transmissar Erbeserbe ist und nur über sein Erbrecht gegenüber dem Transmittenten in den Genuss des Erbrechts gegenüber dem Erblasser kommt, tre-
23 Vgl OGH SZ 47/36; grundsätzlich abl Koziol/Welser II13 460. 24 ZB Koziol/Welser II13 460 f; Welser in Rummel3 § 543 Rz 9; zur früheren Rsp s etwa OGH SZ 42/144. 25 BGBl I 2009/75 Art 1 Z 5; vgl dazu EBzIA 673/A 24. GP 26; Welser, Die Reform des österreichischen Erbrechts, Gutachten 17. ÖJT II/1 (2009) 29 f.
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Subjektives Erbrecht
ten der Ersatzerbe oder der eintrittsberechtigte Erbe an die Stelle des ursprünglich berufenen Erben und sind genauso wie dieser unmittelbare Erben des Erblassers.
Der Transmittent muss daher gegenüber dem Erblasser, der Transmissar gegenüber dem Transmittenten erbfähig sein. Erbunfähigkeit des Transmissars gegenüber dem Erblasser schadet nach hA nicht, doch sind nach richtiger Ansicht Ausnahmen anzuerkennen: Beispiel26: Der Transmissar unterdrückt eine den Transmittenten belastende Vermächtnisanordnung, die nun auch ihn selbst belasten würde. Unverständlich wäre es, die Sanktion des § 542 nicht auf ihn anzuwenden.
2/23 Der Transmissar erwirbt das Erbrecht des Transmittenten gegenüber dem Erblasser nach allgemeinen Regeln durch Einantwortung des Transmittentennachlasses. Vorher befindet es sich im ruhenden Transmittentennachlass, sodass der Transmissar darüber nur in seiner allfälligen Eigenschaft als dessen Vertreter und Verwalter verfügen kann (Rz 1/7). Wenn daher, wie häufig in der Praxis, der Erblassernachlass dem Transmittentennachlass früher eingeantwortet wird als der Transmittentennachlass dem Transmissar, liegt eine eigentliche Transmission des Erbrechts gar nicht mehr vor. Die Transmissionsregeln sind jedoch analog anzuwenden27. Nur wenn der Erblassernachlass dem Transmittentennachlass noch nicht eingeantwortet ist, gelangt wirklich das Erbrecht des Erblassers durch Einantwortung des Transmittentennachlasses auf den Transmissar, worauf diesem auch der Nachlass des Erblassers einzuantworten sein wird.
2/24 Der Transmissar übernimmt das Erbrecht in dem Zustand, wie es beim Tod des Transmittenten beschaffen war: Hat der Transmittent das Erbrecht bereits angenommen, kann der Transmissar die Art der Erbantrittserklärung (Rz 6/11) nicht mehr abändern oder widerrufen (Transmission iwS), andernfalls liegt es an ihm, die Erbantrittserklärung abzugeben (Transmission ieS) oder allenfalls das Erbrecht auszuschlagen. Die Unterscheidung ist bedeutsam für das Verhältnis zu einem Ersatzerben (sa Rz 4/ 102): Dieser geht nämlich bei der Transmission ieS dem Transmissar (im Zweifel) vor, während sein Recht bei der Transmission iwS aufgrund der erfolgten Antretung der Erbschaft erlischt (arg § 604: „Für den Fall, dass der eingesetzte Erbe die Erbschaft nicht erlangt . . .“).
2/25 Umstritten ist die Frage, ob der Staat als Heimfallsberechtigter (Rz 3/30) Transmissar eines erblosen Transmittentennachlasses sein kann28. Trotz der Ähnlichkeit des Heimfallsrechts mit dem Erbrecht, was eine Transmission auch in diesem Fall nahelegen würde, überzeugt der Gedanke, dass das Heimfallsrecht nur letztes Mittel sein soll, und dass daher der Staat allfälligen weiteren Erben des Erblassers, die zunächst wegen des Vorhandenseins
26 Aus Kralik, ErbR 59; im Zweifel immer für Erfordernis der Erbwürdigkeit Koziol/Welser II13 462. 27 Kralik, ErbR 58 f. 28 Ablehnend OGH JB 138.
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Verzicht auf das Erbrecht
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des Transmittenten nicht zum Zuge gekommen waren, nicht vorgehen sollte29.
F. Verzicht auf das Erbrecht I. Erbverzicht Zu Lebzeiten des Erblassers kann nur durch einen Vertrag zwischen die- 2/26 sem und dem künftigen Erben auf ein Erbrecht verzichtet werden (§ 551). Eine diesbezügliche Vereinbarung mit einer anderen Person würde gegen § 879 Abs 2 Z 3 verstoßen. Zur Ausschlagung des Erbrechts nach dem Erbanfall s Rz 2/33 ff. Das künftige Erbrecht kann auf jedem Berufungsgrund beruhen. Da jedoch eine testamentarische Berufung einseitig widerrufen oder ersetzt werden kann, spielt in der Praxis der Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht, der im Zweifel auch ein allfälliges Pflichtteilsrecht des Verzichtenden umfasst (§ 767: umfassender Erb- und Pflichtteilsverzicht), die Hauptrolle. Ein reiner Erbverzicht hat die praktische Wirkung, dass der Verzichtende sich für den Fall der Bedenkung nicht zur Familie gehöriger Dritter das Pflichtteilsrecht sichert. Ein reiner Pflichtteilsverzicht vergrößert umgekehrt die Dispositionsmöglichkeit des Erblassers (vgl Beispiel 5 Rz 11/29). – Auch ein Vermächtnisverzicht ist denkbar (zB Verzicht des Ehegatten/eingetragenen Partners auf das Vorausvermächtnis; s Rz 2/30, 9/32).
Der Erbverzicht wird häufig gegen Abfindung abgeschlossen30 und stellt 2/27 insofern ein geeignetes Mittel für eine vorweggenommene, einverständliche Erbfolgeregelung dar. Dabei bietet der Verzicht weite Gestaltungsmöglichkeiten in Bezug auf seinen Umfang (zB Beschränkung auf bestimmte Berufungsgründe, Erbquoten oder Vermögensbestandteile wie etwa Unternehmen). Der Verzicht gegen Abfindung ist mE zwischen den Vertragspartnern ein entgeltliches31, glücksvertragliches Rechtsgeschäft mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Beachtlichkeit von Willensmängeln oder die Unbeachtlichkeit von Äquivalenzstörungen (vgl §§ 917 ff; 1267 ff). Gegenüber den Nachlassbeteiligten erscheint die Abfindung allerdings als Zuwendung im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge, bei der an die Stelle der Anrechnungspflicht eben der Verzicht zum Verlust der
29 Welser in Rummel3 § 537 Rz 8. 30 Vgl etwa OGH EvBl 2002/202. 31 Zuletzt etwa OGH 4 Ob 219/09y: sogar ohne Notariatsaktspflichtigkeit; aA Kralik, ErbR 45.
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§2
Subjektives Erbrecht
künftigen erbrechtlichen Stellung führt (vgl die Beispiele 4 und 5 Rz 11/ 2932). 2/28 Der Erbverzicht bedarf zu seiner Gültigkeit eines Notariatsaktes, an dessen Stelle uU auch gerichtliche Beurkundung treten kann33. Die Auflösung des Verzichtsvertrages ist nach hA jedoch formfrei34. 2/29 Bezüglich der Geschäftsfähigkeit gilt auf Seite des Verzichtenden allgemeines Vertragsrecht, auf Seite des Erblassers ist zu differenzieren: Beim Verzicht ohne Abfindung gilt Erbrecht, dh verlangt wird zumindest beschränkte Testierfähigkeit, Stellvertretung ist unzulässig (sa Rz 4/31). Beim Verzicht gegen Abfindung treten dazu die für Verträge geltenden Geschäftsfähigkeitsvoraussetzungen35. Bei gewünschter Stellvertretung ist im Ergebnis (vgl § 69 NO) aufseiten des Verzichtenden Spezialvollmacht, aufseiten des Erblassers zumindest Gattungsvollmacht erforderlich. 2/30 Der Erbverzicht beseitigt den vertragsgegenständlichen Berufungsgrund (§ 767), ohne den Verzichtenden jedoch erbunfähig zu machen. Dieser kann daher in einer nachfolgenden letztwilligen Verfügung wieder bedacht werden. Der Verzicht erfasst im Zweifel auch nicht ein zugedachtes Vermächtnis, nach Ansicht des OGH jedoch das gesetzliche Vorausvermächtnis des § 75836. Der Verzicht schafft aber auch keinen neuen Berufungsgrund, sodass ein sog „Verzicht zugunsten Dritter“ nur insofern zu verstehen ist, als durch den Ausfall des Verzichtenden eine andere berufene Person zum Zuge kommen soll. Ein Verzicht unter dieser Bedingung ist denkbar (anders bei Erbausschlagung Rz 2/35) und wird teilweise sogar vermutet, wenn der Verzicht ohne Abfindung geschlossen wurde und der Begünstigte darin genannt ist37. 2/31 Im Zweifel erstreckt sich die Verzichtswirkung auch auf die Nachkommen des Verzichtenden (§ 551 S 3). Diese sind dann nach dem Verzichtenden nicht eintrittsberechtigt (Fall eines materiellen Repräsentationsrechtes; Rz 3/7). Diese Wirkung tritt – unter teilweiser Missbilligung der L38 – unabhängig davon ein, ob der Verzicht gegen Abfindung geschlossen wurde oder nicht, wenngleich der Ausschluss der Kinder offensichtlich für diesen Fall gedacht ist.
32 33 34 35 36 37 38
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Eccher, Erbfolge 143 ff; ausführlich Umlauft, Anrechnung 288 ff. Näheres Kralik, ErbR 47. Krit Kralik, ErbR 48. So wohl Kralik, ErbR 47. OGH NZ 1997, 291. Vgl OGH JBl 1991, 726; Koziol/Welser II13 463. Vgl die Angaben bei Eccher in Schwimann3 § 551 Rz 10; Samek, Pflichtteilsrecht 16 f.
Verzicht auf das Erbrecht
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Werden die Nachkommen von der Verzichtswirkung ausgenommen, müssen sie sich aber immerhin die Abfindung als vorweggenommene Erbfolge (Rz 2/27) nach § 790 anrechnen lassen39. Was den möglichen Eingriff in Gläubigerrechte betrifft, so ist der Verzicht 2/32 nur dann Gegenstand der Gläubigeranfechtung, wenn der Erblasser nicht auch aus eigenem Recht dem Schuldner erbrechtliche Positionen entziehen hätte können. Dies ist grundsätzlich nur hinsichtlich des Pflichtteilsverzichts denkbar, aber selbst hier nicht der Fall, wenn die Voraussetzungen einer Enterbung nach §§ 768 ff einschließlich einer Enterbung aus guter Absicht (§ 773; s Rz 11/11) gegeben waren40. Entsprechendes muss für den Verzicht auf die Geltendmachung des Pflichtteils nach dem Tod des Erblassers gelten (s Rz 12/15). II. Erbausschlagung Die Erbausschlagung (Erbsentschlagung) ist zum Unterschied vom Erb- 2/33 verzicht die nach dem Erbfall abgegebene Erklärung, die Erbschaft nicht anzunehmen (§ 805). Sie ist eine an das Verlassenschaftsgericht gerichtete einseitige Verfahrenserklärung (§ 157 AußStrG). Sie wird mit Abgabe, zB Unterfertigung des Protokolls41, wirksam und mit Annahme durch das Gericht bzw durch den Gerichtskommissär (Rz 6/4) unwiderruflich (vgl § 806). Da zum Erbschaftserwerb die ausdrückliche Annahme der Erbschaft erforderlich ist (positive Erbantrittserklärung; Rz 6/11), liegt die Bedeutung der Ausschlagung (negative Erbserklärung) darin, den nachberufenen Erben und sonstigen Beteiligten Klarheit über die rechtliche Situation zu verschaffen. Bei bloßer Nichtabgabe einer Erbsantrittserklärung im Verlassenschaftsverfahren könnte der berufene Erbe nämlich seine Erbansprüche grundsätzlich42 immer noch über die Erbschaftsklage (Rz 6/24 ff) geltend machen.
Die materielle Wirkung der Ausschlagung besteht in der rückwirkenden 2/34 Beseitigung des Erbanfalls, wodurch die nachberufenen Erben an die Stelle des Ausschlagenden getreten erscheinen. Will der Ausschlagende einem Dritten, der aufgrund dessen Wegfalls nicht 2/35 ohnehin erbberechtigt ist, zu einem Erbrecht verhelfen („Ausschlagung zugunsten Dritter“; vgl zum analogen Problem beim Erbverzicht Rz 2/ 30), muss er sein Erbrecht weiterveräußern (Erbschaftskauf oder Erb-
39 40 41 42
Kralik, ErbR 46. ZB Eccher in Schwimann3 § 551 Rz 9; OGH SZ 68/40. Vgl OGH SZ 54/98 (zum AußStrG aF). Zur absichtlichen Nichtabgabe OGH NZ 1988, 42, mit krit Anm Findeis.
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Subjektives Erbrecht
schaftsschenkung; Rz 2/42). Ausschlagung unter der Bedingung des Erbschaftserwerbs des Dritten wird von der hA abgelehnt43. 2/36 Ob sich die Ausschlagung auf die Nachkommen des Ausschlagenden erstreckt, ist umstritten, hängt aber mE vom Willen des Ausschlagenden ab und ist nicht analog zu § 551 im Zweifel stets zu bejahen44. Wurde die Ausschlagung freilich gegen Abfindung erklärt, ist die Wirkung auf die Nachkommen anzunehmen. Auch wenn sich der Verzicht auf minderjährige Nachkommen erstreckt, gibt der Verzichtende den Verzicht stets im eigenen Namen ab. § 154 Abs 3 (Zustimmungspflicht des anderen Elternteils und Genehmigungspflicht durch das Gericht) ist daher nicht anwendbar45.
2/37 Grundsätzlich ist auch eine teilweise Ausschlagung anzuerkennen, sei es, dass nur auf den Erbanfall aus einem bestimmten Berufungsgrund oder auf eine Quote des angefallenen Erbteils verzichtet wird. Die Unsicherheit über die zulässige Reichweite von Teilausschlagungen in L und Rsp geht auf die viel diskutierte Interpretation des § 808 zurück. Das Verbot der Ausschlagung des Erbrechts aus testamentarischer Berufung unter gleichzeitiger Annahme des gesetzlichen Erbrechts wird jedoch heute überwiegend auf den Fall beschränkt, dass dadurch vom Erblasser getroffene Anordnungen unausgeführt bleiben. Das ist aber insbesondere wegen § 726 kaum der Fall, da auch die gesetzlichen Erben an die Verfügungen des Erblassers gebunden sind. Das Verbot greift also praktisch nur, wenn einerseits eine Anordnung nur vom Testamentserben persönlich erfüllt werden kann oder soll und andererseits der gesetzliche Erbteil des Testamentserben geringer als sein testamentarischer ist, sodass bei bedingter Erbantrittserklärung eine Legatskürzung nach § 692 f oder analog eine Kürzung der Auflage verlangt werden könnte. Will der Erbe die Anordnung also nicht erfüllen, bleibt ihm im geschilderten Fall nur die Totalausschlagung. Beispiel:46 Einer von zwei Söhnen ist zum Alleinerben eingesetzt und mit der Verpflichtung zur Pflege der Mutter belastet. Der Wert dieser Belastung übersteigt jedoch nicht den Wert seines gesetzlichen Erbteils. Er kann nun das testamentarische Erbrecht ausschlagen und die Erbschaft zur Hälfte (auch bedingt) neben seinem Bruder annehmen. Würde die Belastung jedoch den Wert des gesetzlichen Erbteils übersteigen, könnte er nur unbedingt annehmen und das Vermächtnis bzw die Auflage erfüllen oder aber, falls er dies nicht will, die Erbschaft zur Gänze ausschlagen.
2/38 Die Regelung über die Ausschlagung des Erbrechts unter Vorbehalt des Pflichtteils in § 808 S 3 ist im Zusammenhang mit § 774 (Rz 12/18 ff) zu verstehen: Ein testamentarisch eingesetzter pflichtteilsberechtigter Erbe muss sich diesen Erbteil zwar als Pflichtteilsdeckung gefallen lassen, doch kann er im Umfang seines Pflichtteils die Freistellung von allen Belastungen verlangen. Die Sonderregel des § 808 S 3 erlaubt ihm nun entgegen der
43 44 45 46
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AA Kralik, ErbR 48 f. Vgl OGH SZ 55/165; EvBl 2008/86. Vgl Eccher, NZ 1982, 20, 23. Aus Ehrenzweig II/2, 492.
Veräußerung des Erbrechts
§2
oben (Rz 2/37) beschriebenen grundsätzlichen Regelung des § 808, den die Pflichtteilsdeckung übersteigenden Erbteil unter Behalt der von Belastungen freien Pflichtteilsdeckung auch dann auszuschlagen, wenn dadurch der letzte Wille vereitelt wird. Ausschlagung unter Vorbehalt des Pflichtteilsanspruchs führt also nicht dazu, dass der Ausschlagende seinen Pflichtteil nun zur Gänze in Geld erhält. Etwas anderes gilt nur im Fall des Vorliegens einer sog Sozinischen Klausel (s Rz 4/89). Beachte: Eine Erbrechtsausschlagung (mit gleichzeitiger Geltendmachung des Pflichtteils) ist im Zweifel nicht auch als Vermächtnisausschlagung aufzufassen (OGH SZ 71/166).
Die Erbausschlagung unterliegt der Anfechtung wegen Willensmängeln 2/39 zB wegen Irrtums47. Die Ausschlagung kann weiters wie auch schon allein die Unterlassung der 2/40 Antretung der Erbschaft gemäß § 36 IO eine anfechtbare Rechtshandlung sein, wobei va eine Anfechtung wegen Unentgeltlichkeit infrage kommt48. Tritt im Nachlasskonkurs der Masseverwalter die dem Gemeinschuldner angefallene Erbschaft nicht an, steht das Annahmerecht wieder dem Gemeinschuldner selbst zu.
G. Veräußerung des Erbrechts Das Erbrecht ist ein veräußerliches Recht. Es kann ab dem Erbfall (davor 2/41 gilt das Verbot des § 879 Abs 2 Z 3) bis zur Einantwortung, mit der es erlischt (Rz 2/22), aufgrund eines gültigen Titels übertragen werden. Gleichgültig ist, auf welchem Berufungsgrund das Erbrecht beruht. Veräußert werden kann auch nur ein Bruchteil des Erbrechts oder etwa – bei Vorliegen einer fideikommissarischen Substitution – nur das Recht des Vorerben oder des Nacherben49.
Das ABGB erwähnt in den §§ 1278 ff nur den Erbschaftskauf (besser wäre 2/42 „Kauf des Erbrechts“) und reiht ihn unter die Glücksverträge ein. Es ist jedoch auch jeder andere Rechtsgrund, insbesondere eine Erbschaftsschenkung, also die schenkungsweise Veräußerung des Erbrechts denkbar50. Die §§ 1278 ff sind sinngemäß, allenfalls unter Beachtung der speziellen Regelungen für unentgeltliche Geschäfte anzuwenden (dazu auch Rz III/2/2
47 48 49 50
OGH JBl 1954, 174; aA Kralik, ErbR 49: Analogie zur Wiederaufnahme des Verfahrens. Vgl OGH SZ 34/57; zuletzt 1 Ob 25/06t. Ausführlich B. Jud, Erbschaftskauf. Kralik, ErbR 53.
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und Fall VIII/100). Der Vertrag erfordert jedenfalls die Einhaltung der Form des Notariatsaktes oder des gerichtlichen Protokolls51. Daher gilt § 1283 nur für die entgeltliche Veräußerung, während der Veräußerer bei Unentgeltlichkeit nur für wissentlich unrichtiges Inventar oder Erbrecht haftet52.
2/43 Die Verfügung über das Erbrecht besteht, ähnlich wie bei der Zession, in bloßer Willenseinigung und erfolgt meist gemeinsam mit dem Titelgeschäft. Zur Gültigkeit ist die Einhaltung der Form des Notariatsakts oder der gerichtlichen Beurkundung erforderlich (§ 1278 Abs 2). Befindet sich im Nachlass eine Liegenschaft, kann zusätzlich eine grundverkehrsrechtliche Genehmigung erforderlich sein53. 2/44 Der Erwerber übernimmt das Erbrecht in dem Zustand, in dem es sich beim Erwerb befindet (zB unter aufschiebender Bedingung, mit Belastungen durch Vermächtnisse oder Auflagen usw, jedoch ohne die den Veräußerer nur persönlich treffenden Verpflichtungen; § 1278 Abs 1). Wie ein Erbe kann er die Anrechnung von Vorempfängen verlangen. Wurde das Erbrecht vom Veräußerer schon angenommen, ist der Erwerber an die Erbantrittserklärung gebunden, ansonsten hat er sie selbst abzugeben. Ebenso tritt er in jenes Stadium des Verlassenschaftsverfahrens ein, in dem sich dieses befindet (zB Inventarerrichtung, Gläubigereinberufung, Unterbrechung wegen Erbrechtsklage). Ob der Erwerber selbst wirklich Erbe wird, ist umstritten, doch wird jedenfalls nicht Erbfähigkeit gegenüber dem Erblasser verlangt54. Der Rechtsstellung eines Erben entspricht aber sein Recht auf Gesamtrechtsnachfolge55 nach dem Erblasser durch Einantwortung.
2/45 Die Rechte Dritter (zB Gläubiger, Pflichtteilsberechtige, Vermächtnisnehmer) werden durch die Veräußerung des Erbrechts nicht beeinträchtigt, eher verbessert: Die Vertragspartner haften ihnen gegenüber solidarisch. Der Schutz des Vertrauens des Veräußerers erfordert es mE, dass der Erwerber die bedingt abgegebene Erbantrittserklärung des Veräußerers nicht mehr in eine unbedingte abändern kann (§ 806; sa Rz 6/11), sodass der Veräußerer wieder uneingeschränkt haften würde (str56). Ist noch kein Inventar errichtet worden, kann der Veräußerer dessen Errichtung beim Verlassenschaftsgericht verlangen, um seine Haftungsbeschränkung zu sichern.
51 Vgl OGH SZ 71/152 = NZ 1999, 124 mit Anm B. Jud: Protokollierung der Ausschlagungserkärung iVm der Erbanstrittserklärung des Dritten genügt nicht. 52 Kralik, ErbR 56; Rz III/2/7. 53 S B. Jud, Erbschaftskauf 27 f. 54 Gschnitzer, ErbR2 110. 55 OGH SZ 30/64. 56 Vgl zuletzt B. Jud, Erbschaftskauf 81 f.
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Verjährung des Erbrechts
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H. Verpfändung des Erbrechts Das Erbrecht kann trotz seiner Veräußerlichkeit (Rz 2/41) und Vererblich- 2/46 keit (Rz 2/22) nicht gepfändet57 und nicht rechtsgeschäftlich verpfändet werden58. Die Pfandverfangenheit würde nämlich den von Amts wegen abzuhandelnden Erbschaftserwerb hindern oder hinausschieben59. Zu den Sicherungsmitteln der Gläubiger des Erben s Rz 8/17 f.
I. Verjährung des Erbrechts Nach nunmehriger Rsp sind das Erbrecht und damit auch die Erbschafts- 2/47 klage als solche unverjährbar, weil sonst nach Ablauf der Verjährungsfrist entweder die ruhende Erbschaft bestehen bliebe oder jeder Nachlass heimfällig würde60. Zu beachten ist jedoch die dreijährige Verjährungsfrist des § 1487 für die Bekämpfung eines Testaments, etwa als Voraussetzung für die Geltendmachung des gesetzlichen Erbrechts. Soweit an einzelnen Nachlassgegenständen gutgläubiger Erwerb durch Dritte (s Rz 6/35 f) oder nach 30 bzw 40 Jahren Ersitzung eingetreten ist (vgl § 1477), kann natürlich die spätere Geltendmachung des Erbrechts keine Wirkung mehr entfalten.
57 58 59 60
HfD 3.6.1846, JGS 968; jedenfalls ab 31.12.2009 aufgehoben durch das 1. BRBG. AA B. Jud; Erbschaftskauf 32 ff. So die Begründung von Kralik, ErbR 57; aA B. Jud, Erbschaftskauf 32 ff. OGH NZ 1999, 167; Kralik, ErbR 61, 364 f; aA zB OGH SZ 72/19; Welser in Rummel3 §§ 823, 824 Rz 25 zur Erbschaftsklage; Koziol/Welser II13 584; differenzierend FerrariHofmann-Wellenhof, Die Erbschaftsklage (1991) 228 ff.
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§ 3. Gesetzliche Erbfolge und gesetzliche Sonderrechtsnachfolgen A. Allgemein 3/1 Die gesetzliche Erbfolge, dh die Bestimmung des (der) Erben nach gesetzlichen Kriterien, tritt dann und in dem Umfang ein, als es nicht zur gewillkürten Erbfolge (aus Erbvertrag oder Testament) kommt. Die gesetzliche Erbfolgeordnung weicht also dem Willen des Verstorbenen und ist nachgiebiges (dispositives) Recht (s schon Rz 2/2). Die gesetzliche Erbfolgeordnung sollte den Gerechtigkeitsvorstellungen der Mehrheit der Bevölkerung entsprechen (zB die Erbteile bei Zusammentreffen von überlebendem Ehegatten und Kindern), doch setzt der Gesetzgeber mitunter auch neue Impulse (zB Erbrecht bei unehelicher Verwandtschaft oder allenfalls künftig bei eingetragenen Partnerschaften). Jedenfalls ist das Erbrecht sicherlich nicht insofern vermutlicher Erblasserwille, als es durch den Nachweis eines anderen konkreten Erblasserwillens abgeändert werden könnte.
3/2 Im Einzelnen (§ 727) kommt es zur gesetzlichen Erbfolge, wenn der Erblasser nicht oder nicht über den ganzen Nachlass verfügt hat oder verfügen konnte (vgl zB § 1253: freies Viertel beim Erbvertrag), wenn Erbvertrag oder Testament ungültig sind oder erfolgreich angefochten wurden oder wenn die eingesetzten Erben nicht erben können (zB wegen Vorversterbens, Erbunfähigkeit) oder nicht erben wollen (zB wegen Erbverzicht, Ausschlagung). Wenn § 727 auch die unzureichende Bedenkung der Noterben (Pflichtteilsberechtigten) als Fall des Eintritts der gesetzlichen Erbfolge nennt, so ist dies spätestens seit der Klarstellung durch das HfD vom 31.1.1844, JGS 7811, deshalb unrichtig, weil den verkürzten Pflichtteilsberechtigten nur ein der Pflichtteilsquote entsprechender Geldbetrag zusteht, nicht aber ein gesetzlicher Erbteil (sa Rz 11/1).
1 Trotz der Aufhebung durch das 1. BRBG (Redaktionsversehen?) bleibt die Rechtslage unverändert, vgl OGH JBl 2001, 521 mwA.
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Gesetzliches Erbrecht zwischen Verwandten
§3
B. Gesetzliches Erbrecht zwischen Verwandten I. Verwandtschaft und Abstammung Verwandte in der gesetzlichen Erbfolge (§ 730 Abs 1) sind blutsverwandte 3/3 Personen. Blutsverwandtschaft liegt vor, wenn die betreffenden Personen von einem gemeinsamen Stammvater/einer gemeinsamen Stammmutter abstammen. Schwägerschaft und Pflegekindschaft begründen somit kein gesetzliches Erbrecht. Zur Adoption s Rz 3/12. Nach § 730 Abs 2 aF musste die Abstammung zu Lebzeiten des Erblassers 3/4 und der die Verwandtschaft vermittelnden Personen feststehen oder zumindest gerichtlich geltend gemacht worden sein. Die Vorschrift wurde va mit der naturwissenschaftlich weniger sicheren Vaterschaftsfeststellung nach dem Tod des Vaters und der dadurch entstehenden Missbrauchsgefahr begründet2. Bei Ungeborenen genügte es zwar, dass die Abstammung binnen Jahresfrist nach ihrer Geburt feststand oder gerichtlich geltend gemacht worden ist (§ 730 Abs 2 S 2 aF). Diese Einjahresfrist wurde von der Rsp3 analog auf alle ue Kinder, also auch auf beim Erbfall schon geborene angewendet, weil auch Kinder, die etwa nur knapp vor dem Tod des Vaters geboren worden sind, sonst faktisch kaum die Möglichkeit der für die Wahrung des Erbrechts notwendigen rechtzeitigen Geltendmachung der Vaterschaft hatten. Selbst die Einjahresfrist erschien jedoch für Minderjährige bedenklich, solange sie rechtlich und faktisch von ihrem gesetzlichen Vertreter abhängig waren4. Der Abs 2 des § 730 wurde inzwischen durch das FamErbRÄG 2004 mit Wirkung vom 1.1.2005 mit der hauptsächlichen Begründung der Möglichkeit eines zuverlässigen DNA-Abstammungsbeweises auch nach dem Tod des Elternteiles aufgehoben. Die Abstammung kann sohin unbegrenzt auch nach dem Tod des betreffenden Elternteiles gegenüber dessen Rechtnachfolgern (§ 138a) festgestellt werden5. Bezüglich der Abstammung von einer Frau gilt, dass die Mutter jene Frau 3/5 ist, die das Kind geboren hat (§ 137b). Hinsichtlich der Abstammung von einem Mann gelten die Bestimmungen der §§ 138, 156 ff und 163 ff. Die Frage der Ehelichkeit oder Unehelichkeit eines Kindes (vgl § 138c) spielt aufgrund der völligen Gleichstellung im Erbrecht seit dem ErbRÄG 1990 keine Rolle mehr. 2 JAB 1158 BlgNR 17. GP. 2 f. 3 OGH SZ 67/185. 4 Vgl VfGH 28.2.1991, JBl 1991, 712 zu § 754 Abs 2 aF; der OGH JBl 1995, 319 hält die Frist für unbedenklich. 5 Vgl krit Koziol/Welser II13 wegen der dadurch geschaffenen Unklarheit über den Beginn erbrechtlicher Verjährungsfristen.
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§3
Gesetzliche Erbfolge und gesetzliche Sonderrechtsnachfolgen
Zu beachten ist, dass die Abstammungsfeststellung stets nach den zum jeweiligen Zeitpunkt geltenden Bestimmungen zu beurteilen ist6. II. Die erbrechtlichen Linien (Parentelsystem) 3/6 Die Verwandten werden in Parentelen (nach dem ABGB „Linien“: §§ 730 ff) eingeteilt. Eine Parentel (von lat „parens“) besteht jeweils aus den Stammeltern oder dem Stammelternteil und deren/dessen Nachkommen (Deszendenten), also Kindern, Enkeln, Urenkeln usw. Die erste Parentel wird aus den Nachkommen des Erblassers selbst (§§ 731 ff), die zweite Parentel aus den Eltern und deren Nachkommen (§§ 735 ff), die dritte Parentel aus den Großeltern und deren Nachkommen (§§ 738 ff) und schließlich die vierte Parentel aus den Urgroßeltern, ohne jedoch auch deren Nachkommen (§ 741; Erbrechtsgrenze) gebildet. Die Parentelen kommen nacheinander zum Zug, sodass also ein Vertreter der zweiten Parentel nur erben kann, wenn niemand aus der ersten Parentel zur Erbschaft gelangt usw.
Abb. 3. Parentelsystem 6 Vgl Eccher in Schwimann3 § 730 Rz 13.
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Gesetzliches Erbrecht zwischen Verwandten
§3
III. Repräsentations- und Eintrittsrecht Die Vertreter einer Parentel sind nicht immer alle erbberechtigt und sie er- 3/7 ben auch nicht immer zu gleichen Teilen. Die Vorfahren innerhalb einer Parentel schließen nämlich jeweils ihre Nachkommen aus. Nur wenn ein Vorfahre ausfällt, treten seine Nachkommen an seine Stelle (Eintritt; Repräsentation)7. In der ersten Parentel fällt der Erblasser selbst als Vorfahre immer weg, sodass seine unmittelbaren Nachkommen (die Kinder) stets zu eigenem Recht berufen sind. In den Folgeparentelen sind jedoch jeweils die Stammeltern vorrangig berufen. Das Repräsentations- und Eintrittsrecht führt bei den entfernteren Deszendenten zu einem Erbrecht nach Stämmen, dh nicht die einzelnen Vertreter der Parentel, sondern nur die einzelnen Stämme erhalten einen gleich großen Erbteil. Bei Vorhandensein von Halbgeschwistern ist zu beachten, dass immer nur 3/8 die eigenen Nachkommen der weggefallenen Vorfahren eintrittsberechtigt sind.
Abb. 4. 1. Parentel; Repräsentations- und Eintrittsrecht
7 Zuletzt hiezu Ch. Rabl, JBl 2004, 356.
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§3
Gesetzliche Erbfolge und gesetzliche Sonderrechtsnachfolgen
3/9 Wegfall des Vorfahren heißt in erster Linie Vorversterben des Vorfahren. Ob auch in den anderen Fällen, in denen eine Person die Erbschaft nicht erlangt, deren Nachkommen ein Eintrittsrecht zusteht, hängt davon ab, ob im Einzelfall formelles oder materielles Eintrittsrecht (Repräsentationsrecht) gilt8, dh ob es nur um die Festlegung der Größe des Erbteils geht oder ob sich die Gründe, die zum Wegfall des Vorfahren geführt haben, auch auf die Nachkommen erstrecken.
Abb. 5. 2. Parentel, Halbgeschwister
Formelles Eintrittsrecht gilt bei Erbunwürdigkeit des Vorfahren (§ 541) und grundsätzlich auch bei Enterbung (Rz 11/6); materielles Eintrittsrecht im Zweifel bei Erbverzicht (§ 551) und Pflichtteilsminderung (§ 773a). Auch die Pflicht der Kinder zur Anrechnung der an die Vorfahren gemachten Zuwendungen (§ 790) könnte man als Verwirklichung des Gedankens des materiellen Repräsentationsprinzips ansehen9. Mittellösungen: Bei der Erbausschlagung kommt es mE auf den Willen des Ausschlagenden an (Rz 2/33); ebenso bei der Setzung eines pflichtteilsberechtigten Kindes auf den Pflichtteil10. Zur Rechtsstellung der Nachkommen übergangener Kinder s Rz 11/16 und der Nachkommen eingesetzter Kinder Rz 4/101; 11/17.
8 Unrichtig Zemen, Erbfolge 22 ff, der durchgängig formelles Eintrittsrecht vertritt. 9 Kralik, ErbR 296. 10 OGH SZ 21/147; aA SZ 13/239.
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Gesetzliches Erbrecht bei Adoption
§3
IV. Anwachsung Anwachsung (Zuwachs) in der gesetzlichen Erbfolge (zur Anwachsung 3/10 oder Akkreszenz bei testamentarischer Erbfolge s Rz 4/76) bedeutet, dass bei Ausfall eines Miterben ohne Hinterlassung eigener Nachkommen sein Erbteil dem oder den anderen Miterben zu gleichen Teilen anwächst. Beispiel: Ist in der ersten Parentel eines von drei Kindern des Erblassers kinderlos vorverstorben oder hat es mit Wirkung auf die Nachkommen verzichtet, erhalten die anderen beiden zu ihrem Drittel noch ein Sechstel hinzu, erben also je die Hälfte. Fällt in der zweiten Parentel ein Elternteil ohne eintrittsberechtigten Nachkommen aus, so fällt sein Anteil dem anderen Elternteil oder dessen eintrittsberechtigten Nachkommen zu (§ 737). In der dritten Parentel erfolgt die Anwachsung schrittweise zunächst zugunsten des anderen Großelternteils und dann erst zugunsten der anderen (väterlichen oder mütterlichen) Großelternseite (§ 740). Entsprechendes gilt für die vierte Parentel, wobei es auf das Vorhandensein von Nachkommen nicht mehr ankommt.
V. Beurteilung des Parentelsystems11 Die Zuordnung der Verwandten zu einer Parentel unterscheidet sich von 3/11 der Einteilung der Verwandten nach Verwandtschaft in gerader Linie oder Seitenlinie. ZB können in der zweiten Parentel die Eltern oder (über das Eintrittsrecht) die Geschwister berufen sein. Das Parentelsystem folgt auch nicht den Verwandtschaftsgraden, so ist beispielsweise ein erbberechtigter Enkel in der ersten Parentel zum Erblasser gradferner als ein Elternteil in der zweiten Parentel. Auch die Gegenseitigkeit der Erbberechtigung ist nicht in allen Fällen gesichert: So beerbt zwar der Großneffe den Großonkel (2. Parentel) nicht aber umgekehrt, weil der Großonkel ein nicht mehr erbberechtigter Nachkomme der Urgroßeltern des Erblassers (4. Parentel) ist. In der zweiten Parentel führt das Eintrittsrecht dazu, dass die Geschwister kein eigenes Erbrecht neben den Eltern haben (entsprechend für sonstige Seitenverwandte in den höheren Parentelen). Der Vorzug des Parentelsystems liegt in seiner Einfachheit und Klarheit.
C. Gesetzliches Erbrecht bei Adoption Gemäß § 182 entstehen durch die Adoption zwischen dem Annehmenden 3/12 und dessen Nachkommen einerseits und dem Wahlkind und dessen im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Annahme minderjährigen (oder natürlich auch erst später geborenen) Nachkommen andererseits die gleichen Rechte wie sie sonst durch Abstammung entstehen. Daher sind die von 11 Gschnitzer, ErbR2 14.
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Gesetzliche Erbfolge und gesetzliche Sonderrechtsnachfolgen
den Adoptionswirkungen betroffenen Personen untereinander erbberechtigt, die übrigen nicht12. Beispiel: Das Wahlkind beerbt den Vater seines vorverstorbenen Wahlvaters im Wege des Eintritts nicht, weil die Adoption nicht gegenüber den Vorfahren des Annehmenden wirkt. Es beerbt aber seinen „Wahlbruder“, also den leiblichen oder ebenfalls adoptierten Sohn seines Wahlvaters in der zweiten Parentel, wenn auch hier wieder der Wahlvater vorverstorben ist.
Durch die Adoption tritt grundsätzlich keine Änderung des gesetzlichen Erbrechts innerhalb der leiblichen Verwandtschaft des Wahlkindes ein (§ 182b Abs 1).
Abb. 6. Adoption. 2. Parentel. Leiblicher Vater und dessen Stamm fallen aus. Leibliche Mutter durch Wahlmutter und deren Stamm verdeckt.
3/13 Bei der Erbfolge nach dem Wahlkind in der zweiten Parentel genießen jedoch die Wahleltern und deren Nachkommen den Vorrang vor den leiblichen Eltern und deren Nachkommen, wobei auch Eintrittsrecht und Anwachsung nach allgemeinen Grundsätzen gelten. Bei Einzelannahme gilt dieser Vorrang nur für den Einzelannehmenden und seine Nachkommen, während die andere Hälfte des Nachlasses dem gegengeschlechtlichen (also nicht verdeckten) leiblichen Elternteil und dessen Nachkommen zufällt (Nachlassspaltung; § 182b Abs 2). Nicht einheitliche Meinungen werden vertreten, wenn die Parentel des Einzelannehmenden oder die Parentel des nicht verdeckten leiblichen Elternteils ausfällt. Nach wohl richtiger Auffassung13 ist aber Nachlassspaltung in diesen Fällen nicht mehr anzunehmen (arg „vorhanden“ in § 182b Abs 2 lS), sodass im ersten Fall der Nachlass auf die Parentel der leiblichen Eltern nach allgemeinen Grundsätzen fällt und im zweiten Fall der Nachlass zur Gänze auf die Parentel des Einzelannehmenden. 12 Ausführlich zu Adoption und Erbrecht Zemen, JBl 1975, 337. 13 Kralik, ErbR 77 ff; aA Zemen, Erbfolge 150 ff.
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Gesetzliches Erbrecht des Ehegatten/eingetragenen Partners
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D. Gesetzliches Erbrecht des Ehegatten/ eingetragenen Partners I. Voraussetzungen Der Ehegatte besitzt ein gesetzliches Erbrecht, wenn er mit dem Verstor- 3/14 benen im Zeitpunkt des Todes gültig verheiratet war (§ 757). Dem Ehegatten ist mit Wirkung ab dem 1.1.201014 gem § 537a der eingetragene Partner nach dem EPG vollständig gleichgestellt. Voraussetzung für das gesetzliche Erbrecht (und das gesetzliche Pflichtteilsrecht; dazu Rz 11/2) des eingetragenen Partners ist die formelle Begründung der Partnerschaft gem § 6 EPG. Dem Lebensgefährten und dem geschiedenen Ehegatten15 bzw dem Partner, dessen Partnerschaft aufgelöst wurde (§§ 13 ff EPG), steht also ein gesetzliches Erbrecht nicht zu. § 759 Abs 1 bezieht sich nur auf die sog Scheidung von Tisch und Bett nach früherem österreichischen Eherecht (keine Beseitigung des Ehebandes). Hat der Erblasser nach geltendem Ehegesetz noch vor seinem Tod die Klage auf Scheidung oder Aufhebung erhoben und wird in dem zur Klärung dieser Frage fortzusetzenden Verfahren der überlebende Ehegatte im hypothetischen Fall der Scheidung oder Aufhebung als schuldig angesehen, steht ihm ein gesetzliches Erbrecht gem § 759 Abs 2 ebenfalls nicht mehr zu. Die Bestimmung ist sinngemäß auf die Klage auf Auflösung der eingetragenen Partnerschaft (§§ 13 ff EPG) anzuwenden. II. Erbquoten Die Erbquote des Ehegatten/eingetragenen Partners beträgt bei Zusam- 3/15 mentreffen mit der ersten Parentel, also neben Nachkommen des Verstorbenen, ein Drittel. Bei Zusammentreffen mit der zweiten und dritten Parentel beträgt die Quote zwei Drittel, wobei der Ehegatte/eingetragene Partner jedoch gegenüber der dritten Parentel noch zusätzlich jene Erbquoten, die auf die Nachkommen der Großeltern entfallen würden, und seit dem FamErbRÄG 2004 gegenüber der zweiten Parentel noch zusätzlich jene Erbquoten erhält, die auf die Nachkommen der Geschwister entfallen würden. Trifft er also nur mit Nachkommen der Geschwister, der Großeltern oder mit Vertretern der vierten Parentel zusammen, ist die Erb14 Eingetragene Partnerschaft-Gesetz – EPG BGBl I 2009/135. 15 Vgl zur Zustellung des Scheidungsbeschlusses als maßgeblichem Zeipunkt OGH EFSlg 87.201; aA Böhm/Fuchs, ÖJZ 2002, 631; Spitzer, NZ 2003, 353.
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§3
Gesetzliche Erbfolge und gesetzliche Sonderrechtsnachfolgen
rechtsgrenze überschritten und erhält der Ehegatte/eingetragene Partner den gesamten Nachlass (§ 757 Abs 1). 3/16 Der Ehegatte/eingetragene Partner erhält stets einen fixen Anteil und der verbleibende Rest wird auf die konkurrierenden Verwandten nach den Grundsätzen des Parentelsystems (§§ 730 ff) verteilt. Auch beim Ehegatten/eingetragenen Partner gibt es Fälle der Anrechnung (Rz 7/22) und Einrechnung (Rz 7/13).
Der Ehegatte wird weiters nicht durch seine eigenen Nachkommen repräsentiert. Es kann daher beispielsweise nicht das Kind aus erster Ehe im Fall des Vorversterbens des Ehegatten an dessen Stelle treten.
Abb. 7. Ehegatte. Zusammentreffen mit der 2. Parantel
III. Weitere Ansprüche des Ehegatten/eingetragenen Partners 3/17 Unter den genannten Voraussetzungen (Rz 3/14) stehen dem Ehegatten/ eingetragenen Partner weitere wichtige Ansprüche zu: das Vorausvermächtnis nach § 758 (Rz 9/27) und der vererbliche Unterhaltsanspruch nach § 796 (Rz 1/15). Sondervorschriften bestehen für die Rechtsposition des überlebenden Ehegatten/eingetragenen Partners im Anerbenrecht (zB Ausgedinge) und bei den sonstigen Sonderrechtsnachfolgen (zB Mietrecht Rz 1/19, Sozialrecht Rz 1/11 und Arbeitsrecht Rz 1/21); zur Eigentümerpartnerschaft vgl Rz 9/37 ff.
E. Gesetzliches Erbrecht der Legatare 3/18 Kann oder will weder ein eingesetzter Erbe, einschließlich ausdrücklich oder stillschweigend berufener Ersatzerben, Anwachsungsberechtigter 38
Sonderrechtsnachfolgen
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oder Transmissaren noch ein gesetzlicher Erbe die Erbschaft erlangen, beruft das Gesetz subsidiär und noch vor dem Heimfallsrecht des Staates (Rz 3/30) die – gültig eingesetzten – Vermächtnisnehmer zu Erben (§ 726). Grund für diese Erbenberufung ist die Annahme, dass sie dem Erblasserwillen besser entspricht als die Zuweisung des Vermögens an den Staat. Es ist daher dieses Erbrecht auch auf die Begünstigten gewillkürter Vermächtniseinsetzungen zu beschränken und gilt nicht für gesetzliche Vermächtnisse16. Umgekehrt lässt sich die Bestimmung analog auch auf Erbeinsetzungen anwenden, wenn Erben nur auf einen Teil des Nachlasses eingesetzt und nicht anwachsungsberechtigt sind.
Die Vermächtnisnehmer sind als eingesetzte Erben anzusehen, uz im Ver- 3/19 hältnis des Wertes ihrer Zuwendung, und haben demzufolge eine Erbantrittserklärung abzugeben. Ist nur ein Vermächtnisnehmer vorhanden, kann er als Alleinerbe annehmen, ansonsten bestimmen sich die Erbquoten mehrerer Vermächtnisnehmer nach dem Verhältnis des Wertes ihrer Zuwendungen. Beispiele17: Die Erblasserin hinterlässt zwei Vermächtnisse, von denen jedoch eines wegen einer Substitutionsbindung wirkungslos ist. Nach Ansicht des OGH hat dieses Vermächtnis daher keinen Wert, sodass die andere Vermächtnisnehmerin allein berufen erscheint. – In der Begründung erwähnt der OGH („obiter dictum“), dass das Erbrecht des Legatars nicht ausgeschlossen werde, wenngleich das Vermächtnis wie zB bei Familienbildern und -andenken nur einen geringen materiellen Wert hat.
F. Erbrecht nach Geistlichen Das Vermögen katholischer Weltgeistlicher erbten nach verschiedenen HfD des 18. und 19. Jh iVm § 761 je zu einem Drittel die Kirche, die Armen und die Verwandten. Die Sonderregeln galten auch für griechisch unierte Geistliche, sofern sie nicht eine Ehegattin und/oder Kinder hinterließen. Die angesprochenen HfD wurden jedoch durch das 1. BRBG aufgehoben, wodurch die Sonderregelungen als entfallen gelten18.
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G. Sonderrechtsnachfolgen I. Allgemein Mit dem Begriff Sonderrechtsnachfolge iwS können sehr unterschiedliche 3/21 Phänomene des Rechtsübergangs von Todes wegen zusammengefasst werden. Manche Rechte erlöschen zwar mit dem Tod des Erblassers nicht,
16 Zankl, Vorausvermächtnis 146 f. 17 Aus OGH SZ 71/83. 18 Vgl Welser in Rummel3 § 761 Rz 3; Eccher in Schwimann3 § 761 Rz 3.
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gehen aber – wenn es sich um eine Universalsukzession handelt – nicht über den Nachlass auf die Erben über und sind – wenn es sich um Einzelrechtsnachfolge handelt – nicht gesetzliche Vermächtnisse iS der §§ 647 ff. In diesem Sinn ist das Heimfallsrecht des Staates als besondere Gesamtrechtsnachfolge anzusehen (Rz 3/31). Als besondere Einzelrechtsnachfolgen sind das Eintrittsrecht in das Mietverhältnis (Rz 1/19), die Ansprüche auf bestimmte arbeitsrechtliche (Rz 1/21), sozialversicherungsrechtliche (Rz 1/11), versicherungsrechtliche Leistungen und die gesellschaftsrechtlichen qualifizierten Nachfolgeklauseln (Rz 1/30) anzusehen. Die höferechtlichen Sonderbestimmungen (Rz 3/22) führen genaugenommen zu keiner Sondererbfolge, sondern stellen besondere Erbteilungsvorschriften dar. II. Anerbenrecht 1. Grundsätze und Zielsetzungen19 3/22 Nach altem bäuerlichen Gewohnheitsrecht sollen mittelgroße Bauernhöfe, die nur eine Familie erhalten können, ungeteilt auf einen einzigen Erben übergehen und die anderen (weichenden) Erben in Geld abgefunden werden, um die Zerstückelung des Erbhofs zu verhindern und einen wirtschaftlich gesunden und leistungsfähigen Bauernstand zu erhalten. Das ABGB veränderte diese Rechtslage nicht (§ 761). In der Folge fanden die genannten Grundsätze aufgrund reichsgesetzlicher Ermächtigungen aus dem Jahr 1889 zunächst ihren Niederschlag im Tir HöfeG 1900 und im Kärnt ErbhöfeG 1903. Nach der Geltung des deutschen Reichserbhofrechts in der Zeit von 1938–1945 (jedoch Weiterbestand des Tiroler Höferechts) führte das AnerbenG 1958 die bäuerlichen Erbteilungsbeschränkungen im übrigen Österreich mit Ausnahme Vorarlbergs ein. In einer umfassenden Reform des Jahres 1989 wurden ua die Diskriminierung der ue und adoptierten Kinder beseitigt, die Bestimmungen über die Hofgröße den geänderten wirtschaftlichen Verhältnissen angepasst, die Rechte der weichenden Erben und des überlebenden Ehegatten gestärkt und das Gesetz auch auf Vorarlberg ausgedehnt. Zu beachten ist, dass das Tir HöfeG nicht bloß Erbteilungsvorschriften, sondern von jeher auch grundverkehrsrechtliche Beschränkungen enthält. Die Eigenschaft als sog geschlossener Hof ergibt sich aus seiner Eintragung in die Höfeabteilung des Grundbuchs (Einlagezahlen um 90.000 erhöht). Teilungen und Abtrennungen sind grundsätzlich nur mit Zustimmung der Höfekommission zulässig.
19 Gschnitzer, ErbR2 21.
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Häufig werden landwirtschaftliche Anwesen noch zu Lebzeiten des Eigen- 3/23 tümers übergeben, wobei der Übernehmer gewöhnlich Abfindungsleistungen zugunsten der weichenden Geschwister und Ausgedingsleistungen zugunsten des Übergebers und dessen Ehegatten bzw seines eingetragenen Partners übernimmt (vorweggenommene Erbfolge; dazu Rz 2/6). Solche Übergabsverträge (Verträge eigener Art) entsprechen von der Zielsetzung her den Anerbenbestimmungen, die zwar hierauf nicht direkt, doch in manchen Punkten analog angewendet werden. Beispiel: Bei der Ermittlung des Wertes eines (lebenden) bäuerlichen Gutes ist zum Zweck der Ermittlung des neben den vereinbarten Gegenleistungen verbleibenden Schenkungsanteils im Zusammenhang mit einer Pflichtteilsklage (§§ 785, 951; Rz 12/12) auch vom niedrigeren anerbenrechtlichen Übernahmswert (Ertragswert; Rz 3/26) auszugehen (zB OGH SZ 59/6).
2. Merkmale des Erbhofs (geschlossenen Hofs) Nach § 1 Abs 1 AnerbenG20 ist ein Erbhof ein mit einer Hofstelle versehe- 3/24 ner landwirtschaftlicher Betrieb samt Zubehör, der mindestens zur Erhaltung von zwei, höchstens 40 Personen ausreicht. Dabei geht das Gesetz von der objektiven Eignung hiezu aus, sodass grundsätzlich auch der Durchschnittsertrag und der typische Bedarf in bäuerlichen Kreisen maßgebend sind21. Der Hof kann im Alleineigentum natürlicher Personen, von Ehegatten/eingetragenen Partnern oder von einem Elternteil und einem Kind stehen, zeitweise auch im Miteigentum von Geschwistern. Bei anderen Miteigentumsverhältnissen ist das Gesetz nicht mehr anwendbar22. Die Feststellung der Erbhofeigenschaft erfolgt im Abhandlungsverfahren23. 3. Anerbe (Übernehmer) Der Anerbe wird letztwillig (§§ 8, 9 AnerbenG) durch Vereinbarung der 3/25 Miterben oder sonst vom Gesetz bestimmt. Das Gesetz gibt hiebei zunächst dem Miteigentümer (§§ 4, 4a AnerbenG), bei gemischter Erbfolge im Zweifel dem oder den gesetzlichen Erben den Vorrang (§ 7 AnerbenG) und normiert im Fall mehrerer Miterben nach dem Alleineigentümer eines 20 Im Prinzip ähnlich auch in Tirol und Kärnten; auf Unterschiede in einzelnen Fragen kann im folgenden nur vereinzelt eingegangen werden; zu Tirol sa Rz 3/22. 21 Zur Ertragsfähigkeit vgl etwa OGH SZ 69/143; OGH EvBl 1997/77. 22 Vgl dazu Zemen, JBl 2005, 27. 23 In Tirol ergibt sich die Eigenschaft als geschlossener Hof aus der Eintragung in der Höfeabteilung des Grundbuchs (§ 1 TirHöfeG).
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Hofes Kriterien für die Auswahl des Anerben. Dabei gehen einerseits Abkömmlinge (uz auch ue und adoptierte), die auf dem Erbhof aufwachsen oder aufgewachsen sind, dem Ehegatten/eingetragenen Partner vor und dieser reiht vor den übrigen Verwandten. Andererseits haben Abkömmlinge, die zur Land- oder Forstwirtschaft erzogen wurden, den Vorrang vor anderen und untereinander genießen wieder diejenigen den Vorzug, die am Hof aufwachsen oder aufgewachsen sind. Zu anderen Berufen ausgebildete oder bereits versorgte Miterben gehen anderen Miterben nach. Erst wenn nach diesen und weiteren Regeln immer noch mehrere gleichrangige Erben übrig bleiben, entscheidet die Gradnähe und (je nach Brauch, aber im Zweifel) das Ältestenrecht (§ 3 AnerbenG). Ist der gesetzlich berufene Anerbe nicht zur Hofübernahme bereit, geht das Recht auf den Nächstberufenen über. Besitzt der Anerbe bereits einen Erbhof, steht ihm ein Wahlrecht zu (§ 6 AnerbenG).
Abb. 8. Anerbenrecht
Krankheit, Süchtigkeit und unbekannter Aufenthalt (vgl im Einzelnen § 5 AnerbenG) schließen negativ die Berufung zum Anerben aus. 3/26 Das Übernahmsrecht ist ein – unübertragbares – Recht, keine Pflicht. Will der berufene Erbe nicht Übernehmer werden, geht das Recht auf die jeweils Nächstberufenen über. Falls niemand übernehmen will, wird das Gesetz unanwendbar. In Tirol bleiben dann immerhin noch die grundverkehrsrechtlichen Beschränkungen aufrecht. 4. Übernahmspreis 3/27 Kernbereich des Anerbenrechts ist die Vorschrift, dass der Anerbe in der Verlassenschaftsabhandlung den Erbhof ungeteilt zugewiesen erhält und dafür einen Preis (Übernahmspreis) an die Verlassenschaft schuldet (§ 10 AnerbenG). Dieser Betrag wird also wie das allfällige sonstige Nachlass42
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vermögen nach dem zur Anwendung kommenden Erb- oder Pflichtteilsrecht auf die weichenden Erben aufgeteilt (Abfindungsansprüche24). Der Übernahmspreis ist in Ermangelung einer letztwilligen Bestimmung oder einer Einigung unter den Miterben bzw Pflichtteilsberechtigten25 vom Gericht so festzusetzen, dass der Anerbe „wohl bestehen kann“, was grundsätzlich auf den Ertragswert hinausläuft (§ 11 AnerbenG). Dem Anerben können uU Ratenzahlung mit angemessener Verzinsung oder sonst günstige Auszahlungsmodalitäten gewährt werden. Umgekehrt sind die Ansprüche der weichenden Erben hypothekarisch sicherzustellen (§ 12 AnerbenG). Auf diese Weise versucht das Gesetz, das Interesse an der Hoferhaltung mit den Interessen der Miterben und sonstigen Beteiligten zu vereinigen. 5. Schutz der weichenden Erben und des überlebenden Ehegatten/ eingetragenen Partners Das Gesetz regelt die Auszahlung (Aufschub, Verzinsung) und Sicher- 3/28 stellung der Abfindungsansprüche (§ 12 AnerbenG), billigt den minderjährigen Abkömmlingen des Erblassers zusätzliche Versorgungsansprüche zu (§ 13 AnerbenG), setzt eine angemessene Abgeltung der Mitarbeit der weichenden Erben fest (§ 10 Abs 3 AnerbenG) und räumt dem überlebenden Ehegatten/eingetragenen Partner, der nicht selbst Anerbe ist, einen Unterhaltsanspruch (Ausgedinge) und, solange er den Hof für den Anerben (höchstens bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres) bewirtschaftet, sogar ein Fruchtgenussrecht ein (§ 14 AnerbenG). Der Gefahr der Erlangung eines unangemessenen Vermögensvorteils 3/29 durch den Anerben infolge Veräußerung des Hofes oder von Teilen hievon innerhalb einer Frist von zehn Jahren begegnet das Gesetz mit der Verpflichtung zur Nachtragserbteilung des Unterschiedsbetrags zwischen dem Veräußerungspreis und dem seinerzeitigen Übernahmspreis (§ 18 AnerbenG). III. Heimfallsrecht des Staates Wenn weder ein erbvertraglich oder testamentarisch eingesetzter Erbe 3/30 noch ein gesetzlicher Erbe einschließlich der Legatare als gesetzliche Erben (Rz 3/1) die Erbschaft erlangt, fällt sie als „erbloses Gut“ dem Staat zu (Ka24 Vgl OGH SZ 2003/103. 25 So die hL u Rsp, vgl Eccher in Schwimann3 § 11 AnerbenG Rz 1.
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duzität § 760; zum Verfahren § 184 AußStrG; s Rz 6/11, 6/21). Als Staat ist die Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, zu verstehen26. Partielle Kaduzität könnte eintreten, wenn zB einer von mehreren eingesetzten Erben ausschlägt und keine weiteren Nachberufenen vorhanden sind, oder diese nicht annehmen können oder wollen.
Das Heimfallsrecht des Staates spielt eine geringe praktische Rolle. Bei den wenigen betroffenen Nachlässen unterbleibt in den weitaus meisten Fällen das Verlassenschaftsverfahren oder wird der Nachlass an Zahlungs statt überlassen27. 3/31 Das Heimfallsrecht des Staates ist in vielen Punkten der erbrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge ähnlich, mit ihr jedoch nach hA nicht identisch. Der Staat gibt keine Erbantrittserklärung ab, doch kann er den Heimfall auch ablehnen28. Auch eine Einantwortung ist nicht vorgesehen, vielmehr kommt es zu einer dieser gleichkommenden Übergabe an den Staat. Der Staat übernimmt stets mit Inventar (§ 165 Abs 1 Z 5 AußStrG), haftet daher wie ein bedingt erbserklärter Erbe für die Nachlassverbindlichkeiten. Zur Geltendmachung des Heimfallsrechts steht dem Staat eine der Erbschaftsklage nachgebildete Heimfälligkeitsklage zu29. Zur Einschränkung der Transmission s Rz 2/22. Muss umgekehrt der Staat einen ihm zu Unrecht überlassenen Nachlass dem siegreichen Erbschaftskläger herausgeben, haftet er analog dem Scheinerben (Rz 6/26, 6/35).
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Krit Gschnitzer, ErbR2 26. Fedynskyj, Rechtstatsachen 45. OGH SZ 27/201; zu Recht krit Kralik, ErbR 86 f. Vgl OGH SZ 37/30.
§ 4. Testamentarische Erbfolge A. Rechtsgeschäft von Todes wegen I. Allgemein Ein Rechtsgeschäft von Todes wegen ist eine Willenserklärung, deren Wir- 4/1 kung sich auf den späteren Nachlass oder jedenfalls auf die Zeit nach dem Tod des Erblassers bezieht und diesem die Verfügungsfreiheit hinsichtlich seines Vermögens zu Lebzeiten belässt. Entsteht hingegen durch ein Rechtsgeschäft bereits zu Lebzeiten eine solche rechtliche Bindung, handelt es sich um ein lebzeitiges Rechtsgeschäft, auch wenn der Eintritt seiner Wirkungen ganz oder teilweise mit dem Tod des Erblassers verknüpft wird. Zu Abgrenzungen s gleich unten Rz 4/2. Für Rechtsgeschäfte von Todes wegen oder auch nur für bestimmte Arten von ihnen (vgl Rz 5/3 ff) gelten zum Teil besondere Vorschriften, im Übrigen sind die allgemeinen Rechtsgeschäftsregeln anzuwenden. II. Abgrenzungen 1. Schenkung auf den Todesfall Nach § 956 ist eine „Schenkung, deren Erfüllung erst nach dem Tode des 4/2 Schenkenden erfolgen soll“, bei jederzeitiger Widerrufsmöglichkeit ein Vermächtnis (1. Fall) und wird in jeder Hinsicht dem Vermächtnisrecht unterstellt. Beispiel: Bei einem Vorbehalt, wonach der Schenker das zu übertragende Bankguthaben oder Sparbuch zu Lebzeiten noch dezimieren kann, liegt Widerruflichkeit, also der 1. Fall des § 956 vor1.
Bei ausdrücklicher vertraglicher Annahme und ausdrücklichem Widerrufsverzicht (zum Schenkungswiderruf allgemein Rz III/2/8) ist sie ein Ver1 Zankl, NZ 1997, 311; aA M. Binder in Schwimann2 § 956 Rz 22.
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trag (2. Fall). Zur Gültigkeit dieses auch als „echte“ Schenkung auf den Todesfall bezeichneten Vertrags ist über die im ABGB angeordnete Schriftlichkeit hinaus nach § 1 Abs 1 lit d NAktG die Errichtung eines Notariatsaktes erforderlich. Nach § 69 Abs 1a NO kann Vollmacht zum Abschluss einer Schenkung auf den Todesfall (als Einzelvollmacht oder zumindest Gattungsvollmacht) abgesehen von einem Notariatsakt auch durch eine öffentliche Urkunde oder eine beglaubigte Privaturkunde erteilt werden.
4/3 Die echte Schenkung auf den Todesfall ist eine aufschiebend befristete Schenkung unter Lebenden (§§ 938 ff), die Beifügung der Bedingung des Überlebens des Beschenkten (Überlebensbedingung) ist möglich, aber nicht wesentlich. Nach gemeinrechtlicher Diktion handelt es sich also um eine „donatio post mortem“ und nicht um eine „donatio mortis causa“.
4/4 Zu Lebzeiten des Schenkers besteht durch den Vertrag bereits die Verpflichtung, alles zu unterlassen, was die spätere Erfüllung der Schenkung beeinträchtigen könnte (Unterlassungsansprüche). Nach dem Tod des Schenkers kann der Beschenkte als Gläubiger Erfüllung der Schenkung und allenfalls Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Seine Ansprüche richten sich zunächst gegen den Nachlass, dann gegen die Erben. Der Gegenstand der Schenkung ist daher richtigerweise als Aktivum und der Anspruch des Beschenkten als Passivum im Inventar auszuweisen2. 4/5 Bei einer allfälligen Verletzung der Rechte der Pflichtteilsberechtigten sind die §§ 785, 951 anzuwenden, wobei für die Zweijahresfrist des § 785 Abs 3 wohl richtig nicht auf den Zeitpunkt des Schenkungsabschlusses, sondern auf jenen der Erfüllung abzustellen ist3. Nach teilweiser Auffassung in Rsp und L4 ist jedoch auch die echte Schenkung auf den Todesfall nach dem Tod des Schenkers (Erblassers) als Vermächtnis zu behandeln. Dies bedeutet insb für die Rechte der Pflichtteilsberechtigten, dass der Gegenstand der Schenkung stets bei der Berechnung der Pflichtteile Berücksichtigung findet (§ 784), dass die Pflichtteile jedenfalls Vorrang vor den Ansprüchen der Beschenkten haben (§ 783) und auch, dass der selbst pflichtteilsberechtigte Beschenkte sich die Schenkung auf seinen gesamten Pflichtteil, also auch auf den sog Nachlasspflichtteil anrechnen lassen muss (§ 787 Abs 1). Vgl zur Schenkungsanrechnung allgemein Rz 12/5 ff. ME ist aber an der in § 956 angeordneten strikten Unterscheidung zwischen Rechtsgeschäften von Todes wegen und Rechtsgeschäften 2 OGH NZ 1986, 210 mit Anm Czermak. 3 Kralik, ErbR 300, 168. 4 ZB OGH SZ 59/9 = NZ 1988, 42 mit Anm Findeis = NZ 1986, 2 10 mit Anm Czermak; Welser, NZ 1978, 165 f; Koziol/Welser II13 542; aA noch OGH SZ 44/137; möglicherweise wieder in diese Richtung gehend OGH NZ 2003, 147 mit Anm Mondel; aA auch Kralik, ErbR 168; Apathy in KBB3 § 785 Rz 2; zuletzt Ch. Rabl, NZ 2005, 129 ff; vgl auch Oberhumer, Die Schenkung auf den Todesfall – kein Zwitter, NZ 2008, 129; Längle, Schenkung auf denTodesfall (2009).
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unter Lebenden festzuhalten. Dies muss auch für die Zeit nach dem Tod des Schenkenden gelten.
2. Übergabe auf den Todesfall Von einer Übergabe auf den Todesfall spricht man, wenn dem späteren 4/6 Begünstigten die ihm zugedachte Sache schon zu Lebzeiten übergeben wird, etwa mit den Worten: „Wenn ich sterben sollte, soll die Sache dir gehören.“ Fraglich ist, ob die vorzeitige Übergabe der Sache die vorgesehene Einhaltung von Formvorschriften ersetzen kann. ME ist zunächst zu ermitteln, ob die Abmachung widerruflich oder unwiderruflich gedacht war: Bei ausdrücklicher Annahme und Widerrufsverzicht liegt echte Schenkung auf den Todesfall vor, die ähnlich wie bei einem Eigentumsvorbehalt erfüllt wird und daher aufgrund der wirklichen Übergabe im Sinne des § 1 Abs 1 lit d NAktG nicht formgebunden sein sollte. Anderenfalls ist bei Widerruflichkeit der Sache nach eine Vermächtnisanordnung anzunehmen. Auch ein Vermächtnis kann jedoch mE vor seiner Wirksamkeit vorzeitig erfüllt werden, wodurch nach § 1432 der Formmangel geheilt wird. Gegen die Auffassung der Formgebundenheit der Übergabe auf den Todesfall spricht von der praktischen Seite, dass andernfalls vom Begünstigten häufig die wohl schwer widerlegliche Behauptung einer formlos gültigen, sofort wirksamen Handschenkung aufgestellt würde, was gerade den Interessen der Pflichtteilsberechtigten schädlich sein kann5. Nach hA kann jedoch die vorzeitige Übergabe weder die Vermächtnis – noch die Schenkungsform ersetzen6. Bei formgültigem Vermächtnis befreit aber mE die lebzeitige Übergabe durch den Erblasser oder ein von ihm zu diesem Zweck abgeschlossener Auftrag auf den Todesfall (s Rz 4/7) den Erben von der Erfüllungspflicht7.
3. Auftrag auf den Todesfall Erteilt der Erblasser zu Lebzeiten jemandem den Auftrag, eine Sache nach 4/7 seinem Tod einem Begünstigten auszuhändigen, so hat der Beauftragte gemäß § 1022 das Recht und die Pflicht, das Geschäft auszuführen (sa Rz I/5/ 19). Beispiel: Der Erblasser beauftragt seinen Anwalt, nach seinem Tod den Betrag von € 150.000.– aus 2 vom Anwalt verwalteten Wertpapierkonten seiner Lebensgefährtin auszuzahlen.
Ob der Begünstigte jedoch die Sache behalten kann oder Rückforderungsansprüchen des Nachlasses bzw der Erben ausgesetzt ist, hängt von seinem Rechtsverhältnis zum Erblasser (Valutaverhältnis) ab. Hiefür kommt wieder je nach Unwiderruflichkeit oder Widerruflichkeit eine Schenkung auf den Todesfall oder ein Vermächtnis in Frage. In beiden Fällen 5 Eccher, Erbfolge 90. 6 Vgl OGH SZ 56/79; JBl 1986, 185 mit Anm Findeis; ecolex 2002/304, 809; Zankl, NZ 1999, 314; Ch. Rabl, NZ 1999, 129; dazu Fall VIII/96. 7 Dagegen aber Zankl, NZ 1999, 314 ff.
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wäre die Einhaltung einer Form zur Gültigkeit erforderlich, wobei hier – anders als bei der Übergabe auf den Todesfall (Rz 4/4) – Heilung nach § 1432 mangels einer Erfüllungshandlung durch den Erblasser gegenüber dem Begünstigten ausscheidet8. Siehe dazu auch Fall VIII/96. Nicht so leicht ist allerdings die Formpflicht im Valutaverhältnis argumentativ aufrechtzuerhalten, wenn zugleich mit dem Auftrag ein Vertrag zugunsten des Dritten abgeschlossen wird (§ 881). Tatsächlich ist ja etwa bei einer im Valutaverhältnis geplanten Schenkung der Abschluss eines Schenkungsvertrages und damit auch eines Notariatsakts9 bei fehlender wirklicher Übergabe nicht vorgesehen, sondern lediglich ein Zurückweisungsrecht des Begünstigten (§ 882). Es erscheint daher auch fraglich, ob nicht auch bei einer beabsichtigten Schenkung auf den Todesfall (bei unwiderruflicher Begünstigung) oder einem beabsichtigten Vermächtnis (widerrufliche Begünstigung) die Formpflicht entfällt10. Insofern könnte daher auch bei der Drittbegünstigung aus einer Lebens- oder Unfallversicherung je nach Widerruflichkeit oder Unwiderruflichkeit ohne Einhaltung einer Form zwischen Versprechensempfänger und Drittem Schenkung auf den Todesfall oder Vermächtnis vorliegen (vgl Rz 1/20).
4. Entgeltliche Verträge auf den Todesfall 4/8 Während die Schenkung auf den Todesfall in § 956 eine besondere Regelung gefunden hat (Rz 4/2 ff), ist dies für entgeltliche Verträge, deren Wirkungen durch Befristungen oder auch Bedingungen an den Tod eines Vertragspartners geknüpft sind, nicht der Fall. Sie sind als normale Rechtsgeschäfte unter Lebenden zu behandeln und die aus ihnen entstehenden Rechte und Pflichten führen zu keinen spezifischen erbrechtlichen Rechtsstellungen. Sie gehen wie andere Erblasserschulden oder -forderungen auf den Nachlass und sodann auf die Erben über. Beispiel: In einem Kaufvertrag über eine Liegenschaft wird vereinbart, dass das Eigentum an der verkauften Liegenschaft erst nach dem Ableben des Verkäufers auf den Käufer übergehen soll. – Das Recht des Käufers könnte man hier und in ähnlichen Fällen auch als (vertraglich begründetes) Aufgriffsrecht bezeichnen (zum letztwillig begründeten Aufgriffsrecht Rz 7/6).
III. Arten und Inhalt der Rechtsgeschäfte von Todes wegen 4/9 Die zweiseitigen, also vertraglichen Rechtsgeschäfte von Todes wegen sind der Erbvertrag (einschließlich des Vermächtnisvertrags; Rz 5/1) und der Erbverzichtsvertrag (Rz 2/26 ff). Aufgrund ihrer Doppelnatur als Vertrag einerseits und Rechtsgeschäft von Todes wegen andererseits sind für ihre 8 OGH JBl 1991, 244; RdW 2000/49, 83. 9 Krit Schauer, Rechtsprobleme 626. 10 Auch in diesen Fällen dagegen Apathy, JBl 1976, 393; Zankl, NZ 1998, 226 ff uz auch für den Fall, dass der Beauftragte als Treuhänder des Erblassers formell bereits Eigentümer der auszufolgenden Sachen ist.
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rechtliche Behandlung die entsprechenden Regeln miteinander zu kombinieren (dazu beim Erbvertrag Rz 5/3). Die im Anschluss behandelten einseitigen und daher auch widerruflichen Rechtsgeschäfte von Todes wegen werden „letztwillige Verfügungen“ oder „Erklärungen des letzten Willens“ genannt. Sie sind typischerweise nicht-zugangsbedürftige Willenserklärungen. Inhaltlich können in Rechtsgeschäften von Todes wegen vermögensrecht- 4/10 liche und nicht-vermögensrechtliche Regelungen getroffen werden. Zum vermögensrechtlichen Inhalt zählt insb die Erbeinsetzung einschließlich des Entzuges eines gesetzlichen Erbrechts (negatives Testament; Rz 4/80) oder des Pflichtteils (Enterbung, Rz 11/6 ff; Pflichtteilsminderung, Rz 11/ 22 ff), die Vermächtnisanordnung einschließlich Teilungsanordnungen und der letztwilligen Begründung von Aufgriffsrechten, die letztwillige Errichtung einer Stiftung (vgl §§ 8, 39 PSG) und zum Teil die Auflage (Rz 4/93 ff). Letztwillige Verfügungen unterteilt das Gesetz begrifflich weiter in Testa- 4/11 ment und Kodizill, je nachdem ob in ihnen eine Erbeinsetzung enthalten ist oder nicht (§ 553). Die Unterscheidung hat praktisch nur für den Widerruf in den §§ 713 und 714 Bedeutung (Rz 4/66), ansonsten werden Testament und Kodizill rechtlich gleich behandelt.
Nicht-vermögensrechtliche Regelungen sind etwa Anordnungen über die 4/12 Bestattung und Totenfürsorge (s Rz 1/32), Wünsche für die Auswahl einer anderen Person für die Obsorge (früher Vormund; § 188) oder die Anordnung eines Schiedsgerichts (§ 581 ZPO). Unter dem „Patiententestament“ nach dem PatVG versteht man eine Ver- 4/13 fügung für den Fall der allfälligen späteren Einsichts-, Urteils oder Äußerungsunfähigkeit (also nicht auf den Todesfall). Die verfügten Anordnungen können zB den Verzicht auf lebensverlängernde medizinische Maßnahmen oder die Anwendung aller Möglichkeiten der Schmerzlinderung ohne Rücksicht auf die allfällige Gefahr von Nebenwirkungen beinhalten. Das Gesetz unterscheidet die formstrengere verbindliche von der weniger formstrengen bloß beachtlichen Patientenverfügung. Vgl auch die – formal einer letztwilligen Verfügung nachgebildete – Vorsorgevollmacht nach § 284 f. Zur Ablehnung einer Organspende s Rz 1/3211.
11 Vgl Memmer/Kern (Hrsg), Patientenverfügungsgesetz (2006).
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IV. Testierwille 4/14 Für die Gültigkeit einer letztwilligen Verfügung ist wie für jedes Rechtsgeschäft als Willenserklärung das Vorhandensein eines durch die Erklärung zum Ausdruck gebrachten rechtsgeschäftlichen Willens erforderlich. Dieser wird Testierwille, auch Testierabsicht oder animus testandi genannt. Das Gesetz drückt dies so aus, dass der Wille des Erblassers mit „Überlegung und Ernst“ erklärt wird (§ 565). Siehe dazu Fall VIII/101. Bei der Prüfung des Vorhandenseins des Testierwillens kommt es weniger auf bestimmte Formulierungen und Ausdrücke als auf die Umstände des Einzelfalles an: Einzelfälle: Die Anbringung einer Überschrift wie zB „Mein letzter Wille“ oder die Verwendung von Floskeln wie: „. . . erkläre ich ernst und bestimmt und ohne Zwang und Furcht“ sind nicht vorgeschrieben (vgl OGH RZ 1984, 19). Eben sowenig vorgeschrieben ist der Gebrauch der Befehlsform, wobei bei einer Formulierung als Wunsch oder Rat zweifelsfrei Testierwille vorliegen muss (Beweislast). Ansonsten liegt bloß die Erklärung einer Absicht vor (§ 711!); vgl OGH RZ 1937, 178. Testierwille muss auch nicht fehlen, wenn der Erblasser die Erklärung bloß als Testamentsentwurf bezeichnet (vgl OGH GlU 13.887), eine spätere Änderung (OGH NZ 1986, 70) oder die spätere Errichtung eines „ordnungsgemäßen“ Testaments (OGH SZ 24/31) ankündigt.
4/15 Fehlt der Testierwille bewusst, liegt ein geheimer Vorbehalt (Mentalreservation) vor. Wenngleich mitunter von Scheintestament gesprochen wird, liegt doch ein Scheingeschäft im technischen Sinn nicht vor, weil die letztwillige Verfügung nicht empfangsbedürftig, also keine Willenserklärung ist, die „einem anderen gegenüber mit dessen Einverständnis zum Schein“ abgegeben werden könnte (§ 916). Der OGH hält den geheimen Vorbehalt unter Hinweis auf die an bestimmte Formen gebundenen Widerrufsmöglichkeiten (§ 717) für nicht relevant12, die L ist uneinheitlich. ME ist der Rsp zu folgen, weil der spätere Wegfall des Testierwillens nicht anders behandelt werden soll, als ein von Anfang an fehlender.
V. Testierfähigkeit 1. Allgemein 4/16 Für die Gültigkeit letztwilliger Verfügungen ist das Vorliegen einer besonderen, von den allgemeinen Vorschriften abweichenden Geschäftsfähigkeit erforderlich (Testierfähigkeit; §§ 565 ff). Sie fehlt (Testierunfähig12 ZB OGH SZ 27/74; nach Koziol/Welser II13 489 wäre dagegen Mentalreservation „an sich“ beachtlich.
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keit), wenn die Erklärung in einem die hiefür erforderliche Besonnenheit ausschließenden Zustand (zB wegen psychischer Krankheit, geistiger Behinderung oder Trunkenheit) abgegeben wird (§ 566). Die Testierfähigkeit muss im Zeitpunkt der letztwilligen Verfügung vorliegen, spätere Testierunfähigkeit lässt die Gültigkeit der getroffenen Verfügung aufrecht (§ 575) und spätere Erlangung der Testierfähigkeit führt nicht zur Gültigkeit der betroffenen Verfügung (§ 576). Abweichend von den allgemeinen Geschäftsfähigkeitsregeln gibt es keine 4/17 beschränkte Testierfähigkeit in dem Sinn, dass jemand bei Vorliegen bestimmter Umstände nur über einen Teil seines Vermögens verfügen könnte. Zur „partiellen“ Testierfähigkeit s Rz 4/2 1. Vorgesehen ist vielmehr nur eine Beschränkung der zulässigen Testamentsformen, uz können mündige Minderjährige, also 14- bis 18-Jährige (§ 569) und Personen, denen ein Sachwalter bestellt wurde, jedoch nur wenn dies auch im Sachwalterbestellungsbeschluß festgesetzt ist (568), nur in Form eines mündlichen gerichtlichen oder mündlichen notariellen Testaments (dazu Rz 4/ 50 f) ihren letzten Willen erklären. Ausgenommen von dieser Beschränkung ist das Nottestament gem § 597. Die Beschränkung soll sicherstellen, dass die das Testament aufnehmende Amtsperson eine allfällige Testierunfähigkeit oder das Vorliegen von Willensmängeln erkennen kann, wobei den Richter oder Notar eine – wenngleich nicht übertrieben aufwendige13 – Nachforschungspflicht dahin gehend trifft, ob die Erklärung des letzten Willens „frei und mit Überlegung“ geschehe (§§ 568, 569). Die entsprechende Protokollierung ist Gültigkeitserfordernis14. Beispiel15: Der Betroffene vermacht seiner Sachwalterin in einem mündlichen gerichtlichen Testament zwei Liegenschaften. Infolge der Unterlassung der Nachforschung bzw ihrer Protokollierung durch die Richterin erscheint das Testament ungültig und entstehen im Übrigen Amtshaftungsansprüche.
2. Alter Die Testierfähigkeit tritt frühestens mit Vollendung des 14. Lebensjahres 4/18 ein (§ 569). Danach hängt sie vom konkreten Vorliegen der erforderlichen geistigen Fähigkeiten (s Rz 4/19 ff) ab. Zur Einschränkung der zulässigen Testamentsformen bis zur Volljährigkeit s Rz 4/17.
13 OGH JBl 2006, 257. 14 Vgl OGH NZ 2008, 246; SZ 69/112: Protokollierung mit Schallträgern genügt. 15 Aus OGH NZ 1999, 25; ähnlich SZ 71/7.
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3. Geistige Fähigkeiten und Bewusstseinsstörungen 4/19 Grundsätzlich werden bei der Beurteilung der Testierfähigkeit geringere Anforderungen an den geistigen Zustand der jeweiligen Person als nach den allgemeinen Geschäftsfähigkeitsregeln gestellt, vor allem weil wegen des Grundsatzes der Höchstpersönlichkeit (Rz 4/31 ff) eine Stellvertretung und zwar auch eine solche durch einen gesetzlichen Stellvertreter ausgeschlossen ist. 4/20 Auch die Testierunfähigkeit kann auf einer ständigen geistigen Erkrankung oder Störung oder aber auf einer bloß vorübergehenden Bewusstseinsstörung (etwa ausgelöst durch Alkohol, Drogen oder Schock) beruhen. Es muss aber in Anlehnung an die in § 566 genannten Beispiele eine erhebliche Abschwächung der geistigen Fähigkeiten vorliegen, die einen Zustand der Sinnesverwirrung herbeiführen16 bzw die normale Freiheit der Willensentschließung aufheben17. Emotionale Umstände wie Kränkung, Verzweiflung, Trotz, Zorn oder Hass und auch Beeinflussung durch Dritte, wenn nicht krankhafte Hörigkeit vorliegt, müssen die Testierfähigkeit keineswegs aufheben18. § 565 darf also nicht in dem Sinn verstanden werden, dass bereits jede Beeinträchtigung der „vollen“ Besonnenheit schon zur Testierunfähigkeit führt. Es muss allerdings zumindest das Bewusstsein vorliegen, ein Testament zu errichten19. Im Hinblick auf die vollkommene Testierunfähigkeit unmündiger Minderjähriger (§ 569; s Rz 4/17) wird zum Teil allerdings die Meinung vertreten, dass Testierfähigkeit jedenfalls die durchschnittlichen geistigen Fähigkeiten eines 14jährigen20 voraussetzt.
4/21 Bei der Beurteilung im Einzelfall kommt es nicht auf die allgemeine Geistesverfassung an, sondern darauf, ob die Beeinträchtigung der geistigen Kräfte gerade den Inhalt der letztwilligen Verfügung beeinflusst. Dabei kann es nach einer in letzter Zeit entwickelten Theorie21 auch eine bloß partielle Testierfähigkeit geben (abzugrenzen von der nicht vorgesehenen beschränkten Testierfähigkeit Rz 4/17): Geistige Erkrankungen, die sich nur in einer bestimmten Richtung äußern, schließen demnach Verfügungen auch nur in dem von der Krankheit tangierten Bereich aus. 4/22 Das Vorliegen der Testierunfähigkeit ist von demjenigen zu beweisen, der sie behauptet (vgl § 566). Steht aber eine geistige Krankheit oder die Be16 17 18 19 20 21
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OGH JBl 1957, 239; EvBl 1968/191. ZB OGH SZ 56/180. Vgl zB OGH NZ 1969, 154; SZ 63/116. Vgl OGH JBl 2006, 257. Koziol/Welser II13 482; OGH SZ 64/111. Welser, NZ 1987, 169; OGH SZ 63/116; JBl 1989, 376 = NZ 1989, 212 mit Anm Graf.
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wusstseinsstörung im Allgemeinen fest und wird behauptet, der Erblasser habe in einem „lichten Augenblick“ (lucidum intervallum) testiert, besteht hiefür Beweispflicht (§ 567). Inwieweit sich die erfolgte Bestellung eines Sachwalters auf die Beweislastfrage auswirkt, bleibt umstritten. Über die Testierfähigkeit wird nach der Reform des AußStrG (s Rz 6/3) im Rahmen der Feststellung des Erbrechts entschieden (Rz 6/12). VI. Willensmängel 1. Allgemein Letztwillige Verfügungen können unter bestimmten Voraussetzungen 4/23 wegen Irrtums angefochten werden (§§ 570 ff; vgl auch §§ 558, 616 f sowie §§ 776 ff: dazu Rz 4/29 f). Wegen des Fehlens eines Erklärungsempfängers gilt hiefür die Willenstheorie und nicht wie bei Verträgen (§§ 871 ff) die Vertrauenstheorie (Rz I/6/42). Dies führt insgesamt zu erleichterten Anfechtungsvoraussetzungen, sodass es auch für die an sich schwerwiegenderen Willensmängel Zwang (gegründete Furcht) und Betrug (List) keinen weitergehenden Anwendungsspielraum (vgl § 565) mehr gibt. Auch die Verjährung beträgt einheitlich drei Jahre (§ 1487). 2. Irrtumsanfechtung Zunächst muss die letztwillige Verfügung durch den Irrtum beeinflusst 4/24 worden sein (Kausalität), uz so, dass sie ohne Irrtum gar nicht (wesentlicher Irrtum) oder nicht in dieser Weise (unwesentlicher Irrtum) erfolgt wäre. Dementsprechend führt wesentlicher Irrtum zur gänzlichen Anfechtung, unwesentlicher Irrtum zur Korrektur der letztwilligen Verfügung, worin man auch entsprechend dem Grundsatz der möglichsten Aufrechterhaltung der Verfügung (favor testamenti) eine Teilanfechtung erblicken kann. War der Irrtum nicht ursächlich, zB weil anzunehmen ist, dass die Aufrechterhaltung der Verfügung dem Willen des Testators eher entspricht als ihr Wegfall (unerheblicher Irrtum), bleibt die Verfügung bestehen. Dieses Kausalitätskonzept bringt das ABGB in § 570 – wenn auch nur kasuistisch – dadurch zum Ausdruck, dass ein wesentlicher Irrtum bei „Verfehlung“ der bedachten Person oder des vermachten Gegenstandes gegeben sei. Beispiele: Wesentlicher Irrtum wurde angenommen, wenn der Erblasser seine Geschwister für pflichtteilsberechtigt hielt und sie deshalb zu Erben einsetzte (OGH GlU 3940). – Hätte der Erblasser erwiesenermaßen bei Kenntnis der Vermögensverhältnisse des Begünstigten diesem nur die Hälfte einer Geldsumme vermacht, kann die Verfügung entsprechend eingeschränkt werden. Eine Erhöhung der Zuwendung im umgekehrten Fall wird von der
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hL abgelehnt, obwohl diese Vorgangsweise einer sonst grundsätzlich anerkannten hypothetischen Auslegung (s Rz 4/36) sehr nahe kommt. – Die Einsetzung der Lebenspartnerin bleibt trotz Unkenntnis der Ungültigkeit der Ehe aufrecht, wenn der Erblasser auch ohne diesen Irrtum gleich verfügt hätte (OGH GlU 15.173).
4/25 Der Irrtum kann ein Tatsachen- oder Rechtsirrtum sein. Beispiele: Tatsachenirrtum wäre etwa die irrige Erwartung, der Sohn werde das Goldschmiedehandwerk erlernen22. – Rechtsirrtum: irrige Annahme einer Erbunfähigkeit (OGH GlU 2734) oder irrige Vorstellungen über die Pflichtteilsberechtigung (OGH NZ 2001, 204; dazu Fall VIII/98).
4/26 Neben einem Geschäfts- oder Erklärungsirrtum (zur Falschbezeichnung unten Rz 4/27) kommt auch ein Motivirrtum bezüglich gegenwärtiger oder auch künftiger Gegebenheiten infrage. Die Rsp verlangt entsprechend dem Wortlaut des § 572 für die Relevanz des Motivirrtums den Nachweis der ausschließlichen Kausalität des angenommenen Beweggrundes. Beispiel23: Die (irrige) Annahme, dass die Klägerin die Erblasserin in psychiatrische Behandlung eingewiesen habe, macht die Verfügung nicht ungültig, wenn sie auch darin eine wesentliche und richtige Erklärung findet, dass sich nur der Beklagte bereit erklärte, die Erblasserin möglichst rasch aus dieser Behandlung zu befreien. Die überwA begnügt sich hier wie bei den anderen Irrtumsarten zurecht mit dem Erfordernis des einfachen Kausalzusammenhangs (s Rz 4/24).
Das für die Verfügung ursächliche Motiv muss in der letztwilligen Erklärung nicht genannt sein, es genügt wenn es nachgewiesen wird. Umgekehrt können nicht genannte Motive dem in der Verfügung genannten Motiv die Ursächlichkeit nehmen. 4/27 Die falsche Bezeichnung einer Person oder Sache (falsa demonstratio) schadet der Verfügung nicht und es gilt dasjenige als verfügt, was der Erblasser nachweislich erklären wollte (§ 571). Im Kernbereich des Anwendungsbereiches liegen die Fälle der bewusst gewählten falschen Erklärung, also Fälle, in denen der Verfügende nach seiner subjektiven Vorstellung das Gewollte richtig ausdrückt. Str ist hingegen die Anwendbarkeit des § 571, wenn der Testator „versehentlich“ nicht seinen wirklichen Willen erklärt, sei es aufgrund eines Erklärungsirrtums (Verschreiben, Versprechen usw) oder wegen eines Geschäfts- oder Motivirrtums. In den letztgenannten Fällen führt die falsa-demonstratio-Regel in die Nähe der hypothetischen Auslegung (s Rz 4/36). Beispiel24: Der Erblasser hinterlässt seinen beiden Töchtern „sein Haus“ je zur Hälfte, hatte aber vergessen, dass ihm nur noch eine Haushälfte gehörte, während die andere Hälfte aufgrund einer fideikommissarischen Substitution bereits einer seiner Töchter zugefallen
22 Kralik, ErbR 104. 23 Aus OGH SZ 52/173. 24 Aus OGH SZ 37/136; vgl auch Kerschner, Irrtumsanfechtung (1984).
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war. Die Verfügung bleibt sicherlich aufrecht, wenn erwiesen wird, dass der Erblasser die ihm verbleibende Hälfte bewusst als sein Haus bezeichnete (falsa demonstratio). Im konkreten Fall lag aber ein Irrtum über die Eigentumsverhältnisse vor, der bei Annahme der Wesentlichkeit dieses Irrtums zur Anfechtung der gesamten Verfügung führt. Zu dem offenbar befriedigerenden Ergebnis, nämlich Zuweisung der verbleibenden Haushälfte an die bisher noch nicht bedachte Tochter, gelangt man durch weite Auslegung des § 571, in dem man falsche Bezeichnung von Objekt und Person wegen eines Geschäftsirrtums annimmt.
Die Geltendmachung eines Irrtums erfolgt trotz der Formulierung „un- 4/28 gültig“ in § 570 durch Anfechtung im streitigen Verfahren und konstitutives Urteil25. 3. Irrtümliche Übergehung von Kindern Hat der Erblasser eine pflichtteilsberechtigte Person im Testament über- 4/29 gangen, dh nicht einmal erwähnt, kann diese bei absichtlicher Übergehung nur den Pflichtteil (§ 776) verlangen und erhält bei Vorliegen eines Enterbungsgrundes überhaupt nichts (Rz 11/16); siehe dazu Fall VIII/108. Bei irrtümlicher Übergehung gelten die Irrtumsregeln, wobei nun die §§ 777 und 778 für den Fall der Übergehung von Kindern Sonderregeln aufstellen: Handelt es sich um eines von mehreren Kindern, hat es das Recht auf einen Erbteil oder ein Vermächtnis, wie es dem am wenigsten Begünstigten entspricht (§ 777). Ist es das einzige Kind, erhält es als Testamentserbe den gesamten Nachlass mit Ausnahme der in § 778 genannten und auf ein Nachlassviertel beschränkten Vermächtnisse („testamentum ruptum“). Die Besonderheit der Irrtumsregeln der §§ 777 und 778 liegt in der Vermu- 4/30 tung, dass der Erblasser ohne den Irrtum anders, uz in dem genannten Ausmaß verfügt hätte (Beweiserleichterung). Zu beweisen ist lediglich der Irrtum selbst, nämlich die Unkenntnis über die Existenz des Kindes zur Zeit der Testamentserrichtung („Präteritionsfall“) oder die Tatsache, dass der Erblasser erst nach Testamentserrichtung ein Kind erhalten hat („Agnationsfall“; ausdrücklich erwähnt in § 778, analog für die Fälle des § 777)26. Dem Irrtum über das physische Dasein wird der Irrtum über die familien- oder pflichtteilsrechtliche Stellung des Kindes (zB irrtümliche Annahme, Enkel ist nicht leibliches Kind des vorverstorbenen Sohnes; OGH SZ 45/13) gleichgestellt, dem späteren Erhalt eines Kindes auch die spätere Legitimation, Adoption, Vaterschaftsfeststellung oder sogar die spätere Schaffung eines Pflichtteilsrechts durch den Gesetzgeber (zB im Zuge der Erbrechtsreform 1991 durch die Gleichstellung der ue mit den ehelichen Verwandten27). Je weniger allerdings nach allgemeiner Lebenserfahrung diese Umstände den Erblasser zu einer unterschiedlichen
25 Kralik, ErbR 108. 26 Vgl Kralik, JBl 1973, 544; Ch. Rabl, NZ 1996, 49. 27 Dazu OGH JBl 1975, 427 mit Anm Eccher; abl OGH SZ 63/110.
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Verfügung beeinflusst hätten, desto leichter wird der Gegenbeweis gelingen, dass der Erblasser auch bei Kenntnis dieser Umstände nicht anders verfügt hat. Beispiele28: Kausalität wurde verneint für spätere Schaffung des Pflichtteilsrechts. – Gleiches gilt bei späterer Feststellung der Vaterschaft zu einem Kind, dessen Existenz dem Erblasser bekannt war.
VII. Höchstpersönlichkeit 4/31 Letztwillige Verfügungen unterliegen dem Grundsatz der Höchstpersönlichkeit. In formeller Hinsicht wird damit jede Art von Stellvertretung ausgeschlossen (Vertretungsfeindlichkeit; sa zum Erbverzichtsvertrag Rz 2/29). Materielle Höchstpersönlichkeit bedeutet, dass die Anordnungen auf einem selbstständigen Entschluss des Testators beruhen müssen. Unzulässig ist daher die bloße Bejahung eines dem Testator gemachten Vorschlags (§ 565). Beispiel29: Erblasser bestätigt zwar nur die Richtigkeit einer Formulierung; diese ging jedoch ursprünglich auf seinen eigenen Willen zurück.
4/32 Weiters muss der Erblasser den Erben, insb auch den Nacherben (siehe Rz 4/107), selbst bestimmen (§ 564) oder zumindest die Kriterien festlegen, mit deren Hilfe der Begünstigte nach dem Erbfall – auch unter Heranziehung der Mittel der Auslegung – ermittelt werden kann30. Andernfalls ist die Erbeinsetzung ungültig. Insbesondere nach der Ansicht von Kralik31 ist die Bestimmung so zu verstehen, dass der selbst unentschlossene Erblasser seine Entscheidung nicht Dritten überlassen darf, sehr wohl aber seine Anordnung künftigen, noch unbekannten Umständen anpassen kann. So kann er etwa Bedingungen setzen (§§ 696 ff; dazu Rz 4/82) oder noch nicht existierende Personen einsetzen (§ 612; HfD vom 29.5.1845, JGS 88832; Rz 4/110). Im Vermächtnisrecht ist der Grundsatz der materiellen Höchstpersönlichkeit durch die Möglichkeit der Verteilungs- oder Auswahlvermächtnisse (§§ 651, 656, 659; s Rz 9/19; 9/23) abgeschwächt. In der Widmung von Vermögen zu wohltätigen Zwecken kann häufig durch großzügige Auslegung die Anordnung der Errichtung einer gemeinnützigen Stiftung und ihre gleichzeitige Bedenkung liegen.
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Aus OGH SZ 63/110 und SZ 56/64. Aus OGH SZ 56/180. Vgl OGH EvBl 1980/59. ErbR 91 ff; vgl auch Kletecˇ ka, JBl 1999, 277. Allerdings aufgehoben durch das 1. BRBG.
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Sind die Erben mit ausreichender Bestimmtheit eingesetzt, nicht aber die 4/33 Erbteile festgelegt, oder ist die Bestimmung der Erbteile unzulässigerweise der Entscheidung von Dritten überlassen, erben sie zu gleichen Teilen (§ 555). VIII. Auslegung 1. Grundsätze Bei der Auslegung von letztwilligen Verfügungen ist nach der allgemein 4/34 anwendbaren Auslegungsvorschrift des § 655 zwar von der gewöhnlichen Bedeutung der Worte auszugehen (vgl § 914), doch ist letztlich der subjektive Wille des Erblassers maßgeblich, weil es einen in seinem Vertrauen zu schützenden Erklärungsempfänger nicht gibt. Darüber hinaus kann § 655 der Grundsatz des „favor testamenti“ entnommen werden, wonach die Auslegung möglichst so erfolgen soll, dass das Testament keinen Widerspruch aufweist, der vom Erblasser erwünschte Erfolg eintritt oder das Testament wenigstens teilweise aufrecht bleibt. Siehe dazu Fall VIII/104. Beispiele33: Die Bedingung der Verehelichung ist durch kirchliche Trauung erfüllt. – Das Rentenvermächtnis ist jedenfalls soweit wirksam, als es ausreichend bestimmt angeordnet wurde.
2. Auslegungsregeln Das Gesetz enthält weiters eine Reihe von Auslegungsregeln und Begriffs- 4/35 bestimmungen für bestimmte Fragen (vgl §§ 554 ff; 560 ff; 614; 616 f; 649; 721 ff), insbesondere auch bei den Vermächtnissen (§§ 656 ff). Sie sind nach der verallgemeinerungsfähigen Bestimmung in § 683 (die Vermutung kann „durch entgegengesetzte stärkere Vermutungsgründe“ angefochten werden) durchwegs eines Gegenbeweises zugängliche widerlegliche Vermutungen, die übrigens heute durch die eingetretene sprachliche und gesellschaftliche Entwicklung dem regelmäßigen Erblasserwillen häufig gar nicht mehr entsprechen. Beispiel: § 680 enthält eine völlig selbstverständliche Aussage über die Zugehörigkeit des Papiergelds zum Begriff Bargeld. Heute wäre dagegen zB eine Auslegungsregel über die Eigenschaft von Buchgeld als Bargeld nützlich.
33 Aus OGH JBl 1971, 41 und NZ 1986, 85.
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3. Hypothetische Auslegung 4/36 Neben der einfachen Auslegung, bei der es um die Ermittlung des Sinns einer im Wortlaut der letztwilligen Verfügung wenigstens angedeuteten Erklärung geht (Andeutungstheorie), lässt die hA auch eine der ergänzenden Vertragsauslegung vergleichbare hypothetische Auslegung zu. Bei Veränderungen von Umständen nach Testamentserrichtung wird die Verfügung so ausgelegt, wie der Erblasser bei Kenntnis der Veränderung verfügt hätte. Zum Zusammenhang mit der Korrektur der Verfügung bei unwesentlichem Irrtum s Rz 4/24 und mit der bloßen Falschbezeichnung Rz 4/27. Beispiele34: Hat die Erblasserin die Versteigerung ihres Hauses nur angeordnet, weil dieses hypothekarisch belastet war, entfällt die Verpflichtung bei nach Testamentserrichtung eingetretener Lastenfreiheit. – Zuwendung eines Legats an die Lebensgefährtin, wenn sie den Erblasser immer pflegt. Dieser muss später doch in ein Spital eingewiesen werden.
IX. Form 1. Formpflicht 4/37 Die Einhaltung der für letztwillige Verfügungen vorgesehenen Form ist Gültigkeitsvoraussetzung (§ 601), es sei denn die Einhaltung eines bestimmten Formelements ist nur angeraten (zB Datum und Ort in § 578; sa § 580). Das Formgebot soll einerseits dem Testator die Bedeutung seiner Erklärung bewusst machen (Warnfunktion), andererseits ihren Inhalt für die Zeit nach seinem Tod sichern (Beweisfunktion). Am strikten erbrechtlichen Formzwang findet auch jede Auslegung ihre Grenze. Zur Andeutungstheorie und zur hypothetischen Auslegung s oben Rz 4/36. 4/38 Eine letztwillige Verfügung muss nur irgendeiner der möglichen Testamentsformen genügen (zur Einschränkung der zulässigen Testamentsformen für Minderjährige und Personen, die unter Sachwalterschaft stehen, s Rz 4/17). Die Form gehört zum „objektiven Tatbestand“ der Verfügung, muss also nicht vom Testierwillen erfasst sein. Daher kann ein nach der beabsichtigten Form ungültiges Testament in ein gültiges Testament, allenfalls sogar in ein formgültiges Rechtsgeschäft unter Lebenden35 umgedeutet werden (Konversion), wenn es die Voraussetzungen dieser anderen Testamentsform erfüllt. In der Praxis kam hauptsächlich die Umdeutung eines formungültigen schriftlichen in ein mündliches Testament vor (zB OGH SZ 26/244; SZ 56/180), wobei das ungültige schriftliche Testament auch als Aufsatz nach § 585 infrage kam (zB OGH SZ 22/210). Seitdem nach 34 Aus OGH RpflSlgA 6457 und NZ 1997, 190. 35 B. Jud, NZ 2001, 10.
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dem FamErbRÄG 2004 das mündliche Testament nur mehr als Nottestament gem § 597 vorgesehen ist (s Rz 4/47 ff), wird auch der Konversionsregel weniger praktische Bedeutung zukommen36. Beispiel37: Der schlüssige Widerruf eines schriftlichen Testaments (§ 721; s Rz 4/71) wirkt auch auf das allenfalls gleichzeitig vorliegende mündliche (Not)Testament.
Ein Formmangel führt zur Anfechtbarkeit (besser relativen Nichtigkeit) der letztwilligen Verfügung, er ist also nicht von Amts wegen im Verfahren zur Erbrechtsfeststellung (s Rz 6/12) wahrzunehmen. Für die Anfechtung gilt die kurze dreijährige Verjährungsfrist des § 1487, die im neu geregelten Verlassenschaftverfahren wohl mit der Übermittlung einer Abschrift an den Betroffenen (s Rz 6/8) zu laufen beginnt38. Die Beweislast für die Formrichtigkeit hat jedoch daraufhin derjenige zu erbringen, der Rechte daraus ableiten will39. Die Unterscheidung zwischen sog äußerer und innerer Form einer letztwilligen Verfügung40 ist seit der Einführung der Erbrechtsfeststellung im Verlassenschaftsverfahren selbst (s Rz 6/3; 6/12) obsolet geworden. Früher wurden schon äußerlich mangelhafte Verfügungen, die sicher zu keiner Einantwortung führen konnten, vom Verlassenschaftsgericht ohne weitere verfahrensrechtliche Behandlung zurückgewiesen.
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2. Testamentsformen Bezüglich der Form unterscheidet man nach unterschiedlichen Eintei- 4/40 lungskriterien, und zwar private und öffentliche (gerichtliche oder notarielle), schriftliche und mündliche, individuelle oder gemeinschaftliche (vgl § 1248) sowie ordentliche und außerordentliche (begünstigte) Testamente (vgl §§ 577 ff, 597; §§ 70 ff NO). Dieselben Formvorschriften wie für Testamente gelten für Kodizille (§§ 553, 647) und auch für den ausdrücklichen Widerruf letztwilliger Verfügungen (§ 719). Bei Auslandsberührung (zB Wohnsitz oder Aufenthalt im Ausland, sei es im Zeitpunkt der Testamentserrichtung oder des Todes) kommen aufgrund des Haager Testamentabkommens41 auch in anderen Rechtsordnungen vorgesehene Testamentsformen in Betracht. Siehe dazu Fall VIII/104.
36 Vgl Apathy in KBB3 § 577 Rz 3. 37 Aus OGH SZ 72/87. 38 Vgl zum Beginn des Fristenlaufes nach alter Rechtslage mit Annahme der Verfügung bei Gericht M. Bydlinski in Rummel3 § 1487 Rz 2. 39 OGH SZ 41/23, Leitsatz; vgl dazu Eccher in Schwimann3 § 601 Rz 3, 6; Welser in Rummel3 § 601 Rz 4. 40 Kralik, ErbR 130. 41 BGBl 1963/295; in Kraft seit 5.1.1964.
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3. Private Testamente a) Eigenhändiges Testament
4/41 Das eigenhändige (holographe) Testament (§ 578) ist wegen seiner Einfachheit und leichten Abänderbarkeit sehr beliebt und verbreitet. Strikt gefordert sind lediglich die eigenhändige Niederschrift und die eigenhändige Unterfertigung des Textes. Die Beisetzung von Ort und Datum (sa Rz 4/ 43) ist bloß empfohlen, va um die zeitliche Aufeinanderfolge mehrerer hinterlassener Verfügungen zu erkennen (vgl § 713).
Abb. 9. Testamentsformen
4/42 Das Erfordernis der Eigenhändigkeit von Text und Unterschrift soll Fälschungen oder Verfälschungen des Testaments verhindern und eine Beweisführung über die Identität des Verfassers ermöglichen. Es kommt somit auf die Eigenheit des persönlichen Schriftzuges an. Gefordert wird 60
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auch Leserlichkeit42. Herstellung des Textes durch eine andere Person oder mit Schreibmaschine, Computer oder Blindenschrift sind daher nicht ausreichend. Blockschrift kann genügen (siehe Fall VIII/104), ebenso Stenogramm. Befinden sich solche fremdhändige Bestandteile im Text eines eigenhändigen Testaments, kommt es darauf an, ob die eigenhändigen Textbestandteile für sich selbst einen Sinn ergeben. Umgekehrt spielen die Art der Schrift, des Textträgers, des Schreibgeräts und die verwendete Sprache keine Rolle. Das eigenhändige Testament kann auch zu verschiedenen Zeitpunkten angefertigt oder später korrigiert werden. Die Unterschrift muss (räumlich) am Schluss der Verfügung stehen, die 4/43 Anordnung also abschließen und decken43 (s dazu auch Fall VIII/99). Allfällige Zusätze sind nochmals zu unterfertigen. Dies gilt mE aber nicht auch für die „Beisetzung“ (§ 578; s Rz 4/41) von Ort und Datum. Bei Verwendung mehrerer loser Blätter muss nicht jedes Blatt gesondert unterfertigt werden, wenn sich zB durch fortlaufende Nummerierung oder auf andere Weise ein inhaltlicher Zusammenhang ergibt, sodass man von einem einheitlichen Schriftstück sprechen kann. Die Unterschrift besteht aus dem Namen des Testators (§ 578), es genügen aber alle Bezeichnungen, aus denen sich – auch aus bloß familiären Umständen – die Identität des Testators ergibt, zB der bloße Vorname, die Namensinitialen44 die familienrechtliche Stellung („Eure Mutter“), ein Spitzname, ein Pseudonym, Künstlername usw (siehe Fall VIII/104). Ein Handzeichen reicht hier aber nicht aus (vgl § 580). b) Fremdhändiges Testament
Es handelt sich um ein schriftliches Testament, bei dem im Unterschied 4/44 zum eigenhändigen Testament nur die Unterschrift, nicht aber der Text der Verfügung eigenhändig erfolgen muss, also maschinell hergestellt oder von einer anderen Person (Schreiber) geschrieben wird (§ 579; allographes Testament; zum gemeinschaftlichen Testament s Rz 4/53). Anstelle des damit verlorengehenden Echtheitsschutzes treten andere Formvorschriften, insbesondere die Beiziehung von drei (Akts-)Zeugen (s Rz 4/55; zum schriftlichen Nottestament s Rz 4/48), wobei einer auch der Testamentsschreiber sein kann. In ihrer Gegenwart muss der Testator ausdrücklich (nicht unbedingt verbal) erklären („bekräftigen“), dass das Schriftstück seinen letzten Willen enthalte (Testierwille; Rz 4/14). Daraufhin, jedenfalls in-
42 OGH Zak 2005/125, 74. 43 OGH EvBl 2004/163: Unterschrift am Umschlag, der einen Teil der Verfügung enthält. 44 OGH SZ 2004/172.
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nerhalb eines gewissen zeitlichen Rahmens, haben die Zeugen mit einem auf ihre Zeugeneigenschaft hinweisenden Zusatz (zB „als Testamentszeuge“) ihre Unterschrift auf die Urkunde selbst zu setzen. Bezüglich der Unterfertigung durch den Testator gilt dasselbe wie beim eigenhändigen Testament (Rz 4/43). Ebenso wie dort sind auch hier Ortsund Datumsangabe nur angeraten. Die Reihenfolge der Einhaltung der einzelnen Formelemente kann variieren, doch muss wenigstens zuerst die Bekräftigung durch den Erblasser und sodann – in beliebiger Reihenfolge – die Leistung der Unterschriften des Testators sowie der Zeugen erfolgen. Die Beiziehung eines der Zeugen erst zu einem späteren Zeitpunkt ist zulässig, sofern die Einheit des Testieraktes erhalten bleibt, also in der Zwischenzeit das Testament nicht verändert wird, und auch diesem Zeugen gegenüber die Bekräftigung erfolgt (arg § 579 „. . . drei fähiger Zeugen, wovon wenigstens zwei zugleich gegenwärtig sein müssen . . .“). Unklar ist, ob die Zeugen selbst die Bekräftigung durch den Erblasser wahrgenommen haben müssen oder ob es genügt, wenn sie von anderen Personen wahrgenommen wurde (vgl OGH SZ 30/66), was aber jedenfalls in beiden Fällen mit allen prozessualen Beweismitteln nachgewiesen werden kann. Weiters ist unklar, ob die Zeugen auch in Gegenwart des Erblassers oder zumindest noch vor seinem Tod ihre Unterschrift leisten müssen (dazu OGH SZ 72/16 = Fall VIII/99). Es gilt der Grundsatz der Einheit des Testieraktes in zeitlicher und örtlicher Hinsicht, der Erklärung und Beurkundung umfasst. Beispiel45: Formfehler, weil Erblasser während der Unterschriftsleistung des Zeugen schlief.
4/45 Nachträgliche Änderungen und Ergänzungen müssen entweder die Formvorschriften für fremdhändige oder für eigenhändige Verfügungen erfüllen. Lediglich eigenhändige Streichungen sind ohne neuerliche Unterschrift wirksam (arg § 721) und lassen die übrigen, für sich einen Sinn ergebenden Anordnungen aufrecht. 4/46 Erschwerte Formvorschriften gelten, wenn der Erblasser nicht schreiben oder nicht lesen kann. Im ersten Fall muss der Erblasser in Gegenwart aller Zeugen sein Handzeichen auf der Urkunde anbringen. Angeraten wird die Beisetzung seines Namens durch einen der Zeugen (§ 580). Unter Personen, die nicht schreiben können, sind auch Personen zu verstehen, die zwar schreiben gelernt haben, denen eine Unterschriftsleistung aber unzumutbare Anstrengung abverlangt. Bloße Bequemlichkeit reicht nicht aus (OGH SZ 2/139). 45 Aus OGH NZ 1995, 162.
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Im zweiten Fall muss einer der Zeugen in Gegenwart der anderen den – diesen in seinem wesentlichen Inhalt bekannten – Aufsatz dem leseunfähigen (dh blinden oder sehschwachen) Erblasser vorlesen, worauf dieser zu bekräftigen hat, dass der Aufsatz seinem letzten Willen entspricht (§ 581). Der Schreiber kann auch hier wie nach § 579 zugleich Zeuge sein, darf aber sinnvollerweise den Text nicht vorlesen. Der Testator muss der Verlesung folgen können, muss also die für den Text verwendete Sprache verstehen. c) Nottestament
Mit dem FamErbRÄG 2004 wurde das mündliche Testament (§ 585 aF) 4/47 auf Wunsch der Praxis wegen der Gefahr seines Missbrauchs als ordentliche Testamentsform abgeschafft46. Das mündliche Testament ist nunmehr nur noch als eine Form des Nottestaments des § 59747 verwendbar (Rz 4/ 49), das seinerseits an die Stelle der früheren Nottestamente, nämlich des See- und Seuchentestaments (§§ 597–599 aF) und des Militärtestaments (§ 600 aF) getreten ist. Die Notsituation besteht in der unmittelbaren Gefahr des Versterbens (Lebensgefahr) oder des Verlustes der Testierfähigkeit, wobei eine begründete subjektive Befürchtung ausreicht. Das Nottestament verliert drei Monate nach Wegfall der Gefahr seine Gültigkeit (zur Widerrufswirkung s Rz 4/66). Das schriftliche Nottestament entspricht dem fremdhändigen Testament 4/48 (Rz 4/44), wobei jedoch die Anwesenheit von zwei Zeugen, die gleichzeitig anwesend sein müssen, ausreicht. Beim mündlichen Nottestament erklärt der Erblasser – ohne Erfordernis 4/49 einer Niederschrift – seinen letzten Willen mündlich vor zwei Zeugen, die gleichzeitig anwesend und sich bewusst sein müssen, einem Testierakt beizuwohnen48 (zur Testierabsicht Rz 4/14). Diese haben wie bei den schriftlichen Testamenten den Testierakt, darüber hinaus aber auch die Identität des Erblassers sowie den Inhalt der letzten Verfügung zu bezeugen (Identitätszeugen; Inhaltszeugen). Der Beweis49 über die Person des Erblassers und vor allem den Inhalt der letztwilligen Verfügung wird durch (im Wesentlichen) übereinstimmende Aussagen der Zeugen erbracht. Die Vernehmung erfolgt im Verlassenschaftsverfahren im Rahmen der Erbrechtsfest46 47 48 49
Vgl EBzRV 471 BlgNR 22. GP 11. Dazu Spitzer, NZ 2006, 78 ff. ZB OGH NZ 1997, 368; 9 Ob 5/07m. Nach richtiger Ansicht insb von Kralik, ErbR 137 f, handelt es sich um spezielle Beweisvorschriften, nicht um Formvorschriften, von deren Einhaltung die Gültigkeit der letztwilligen Verfügung abhängt; anders die Rsp (zB OGH RpflSlgA 6393); auch Welser in Rummel3 §§ 584–586 Rz 8.
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stellung (s Rz 6/12), allenfalls auch in einem Beweissicherungsverfahren nach §§ 384 ff ZPO. Auf Verlangen eines jeden Interessierten haben die Zeugen unter Eid auszusagen. 4. Öffentliche Testamente 4/50 Den im ABGB geregelten gerichtlichen Testamenten (§§ 587–590) sind die notariellen (§§ 70–75 NO) Testamente50 gleichgestellt. Zur Einschränkung der Testamentsformen für minderjährige Personen und Personen unter Sachwalterschaft und die dabei vorgeschriebene besondere Nachforschungspflicht s Rz 4/17. 4/51 Beim mündlichen öffentlichen Testament wird die vom Erblasser vor Gericht oder Notar abgegebene Erklärung unter Beiziehung der in § 589 bzw § 70 NO genannten Personen abgegeben und protokolliert, sodann versiegelt und hinterlegt. Die Heranziehung öffentlicher Urkundspersonen (Richter, Notar) soll ganz allgemein die Gültigkeit von Testamenten insbesondere hinsichtlich der Testierfähigkeit, etwa bei Personen mit Gebrechen, sicherstellen, Zweifel über die Identität des Erblassers ausschalten und unklare Formulierungen verhindern (vgl § 71 NO). Beim schriftlichen öffentlichen Testament übergibt der Erblasser persönlich der Urkundsperson das seine Verfügung beinhaltende Schriftstück mit der Erklärung, dass es sich um seinen letzten Willen handelt. Die Amtsperson hat den Erblasser auf das Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift hinzuweisen. Über den Hinterlegungsakt ist ein Protokoll aufzunehmen und das Schriftstück wie beim mündlichen Testament zu versiegeln und zu hinterlegen. Nicht jede Verletzung der Formvorschriften für öffentliche Testamente hat die Nichtigkeit der Verfügung zur Folge: Gültigkeitserfordernis ist aber jedenfalls die Aufnahme des Protokolls (auch mittels Tonband51) und die Unterfertigung durch den Erblasser52, nicht hingegen die Einhaltung der Vorschriften über Datierung, Anmerkung des Namens des Testators, Ausstellung eines Empfangsscheines, Versiegelung, Verwahrung sowie auch die Unterfertigung der Zeugen mit dem Zusatz der Zeugeneigenschaft53.
50 51 52 53
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Vgl Schauer, FS Welser (2004) 919. OGH SZ 69/112. Welser in Rummel3 §§ 587–590 Rz 6. Eccher in Schwimann3 §§ 587–590 Rz 7.
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5. Gemeinschaftliches Testament Nach § 1248 können Ehegatten bzw eingetragene Partner (vgl § 1217 4/52 Abs 2) sich gegenseitig oder auch eine andere Person „in einem und dem nämlichen Testamente“ zum Erben einsetzen. Dies gilt in ausdehnender Auslegung des HfD vom 25.6.1817, JGS 134054 auch für Brautleute unter der Bedingung der Verehelichung55. Der praktische Grund für die Zulässigkeit solcher Testamente liegt darin, dass sich Ehegatten/eingetragene Partner, die einen Erbvertrag (dazu Rz 5/1 ff) abschließen, häufig gleichzeitig damit und in derselben Vertragsurkunde einander hinsichtlich des freien Viertels (§ 1253) zu Erben einsetzen. Im Übrigen sind gemeinschaftliche Testamente nicht vorgesehen (§ 583), weil Auslegungsschwierigkeiten und Unsicherheiten hinsichtlich der Widerruflichkeit befürchtet werden. Das Weiterbestehen der Ehe ist gem § 575 grundsätzlich nicht Bedingung der Gültigkeit eines gemeinschaftlichen Testaments, auch nicht eines wechselbezüglichen56. Ausgehend von der mE richtigen Ansicht von Kralik57, dass es um die Ge- 4/53 meinschaftlichkeit des Textes (arg § 583: „Aufsatz“; § 1248: „Testament“) und nicht um die Gemeinschaftlichkeit der Urkunde oder die Gleichzeitigkeit des Errichtungsaktes geht, kommen verschiedene Testamentsformen für ein gemeinschaftliches Testament von vornherein nicht infrage: Das eigenhändige Testament scheidet aus, weil jeder Erblasser den Text eigenhändig schreiben müsste, sodass also zwei Texte vorliegen, mögen sie sich auch auf demselben Blatt Papier befinden oder zur selben Zeit geschrieben worden sein. Das Gesetz denkt weiters wohl nur an einen schriftlichen Text (arg § 583: „Aufsatz“), sodass – ganz abgesehen von der geringen praktischen Bedeutung – auch ein mündliches gemeinschaftliches (Not)Testament (§ 597) ausscheidet. ME gilt dies auch für das mündliche öffentliche Testament (s Rz 4/51), mag auch die Protokollierung, die die Erklärung beider Ehegatten/eingetragenen Partner einschließt, zu den Formvorschriften zählen58. Es handelt sich somit um eine Art des fremdhändigen Testaments (s Rz 4/44). Das gemeinschaftliche Testament ist – auch wenn es im Zusammenhang 4/54 mit einem Erbvertrag errichtet wird – kein Vertrag, sondern für jeden Testator eine einseitige, jederzeit widerrufliche Verfügung. Die Gültigkeit 54 55 56 57 58
Allerdings aufgehoben durch das 1. BRBG. OGH SZ 55/143. Kralik, ErbR 141; als Auslegungsfrage behandelt bei Koziol/Welser II13 508. ErbR 141. Kralik, ErbR 141 f.
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der eigenen Verfügung kann allerdings durch die Gültigkeit und Aufrechterhaltung der anderen Verfügung bedingt sein (wechselbezügliches Testament), was allerdings nicht zu vermuten ist (§ 1248 S 2). Das gemeinschaftliche Testament kann alle Arten von Verfügungen auf den Todesfall zum Inhalt haben, also zB auch ein gemeinschaftliches Kodizill sein. Es kann bloß gegenseitige Begünstigungen (wechselseitiges Testament) oder – trotz des Wortlautes des § 1248 (beachte: „. . . auch andere Personen . . . “) – nur die gemeinsame Begünstigung dritter Personen (gemeinsames Testament) enthalten.
6. Zeugen 4/55 Fast für alle Testamentsformen (ausgenommen lediglich das eigenhändige Testament) sind Zeugen erforderlich. (Beachte, dass das Wort Testament von lat testis = Zeuge kommt!). Sie sind zum Unterschied von Zufallszeugen Geschäfts-(Akts-)Zeugen, dh sie müssen im Bewusstsein ihrer Zeugenschaft dem Rechtsgeschäft beiwohnen, wenn sie auch nicht eigens hiezu gerufen sein müssen. Der Umfang ihrer Zeugenschaft ist je nach der konkreten Testamentsform unterschiedlich, er umfasst bei mündlichen Testamenten insbesondere auch die Identität des Erblassers und den Inhalt seiner Anordnung (s Rz 4/48). 4/56 Die Zeugen müssen fähige Zeugen sein. Bei jedem Testament sind nach § 591 Personen unter 18 Jahren (absolut) unfähig (sa zum Nottestament Rz 4/47 ff). Unfähig sind ferner Personen, die aufgrund einer Behinderung den letzten Willen entsprechend der gewählten Testamentsform nicht bezeugen können oder die Sprache des Erblassers nicht verstehen (§ 591). 4/57 Relativ zeugenunfähig sind Personen, die das Gesetz in taxativer Aufzählung59 bei bestimmten Testamenten für befangen hält. Es handelt sich um die in derselben Verfügung selbst mit einem Erbteil oder einem Vermächtnis bedachten oder sonst wie (allenfalls zB auch ein zu entlohnender Testamentsvollstrecker) begünstigten Personen sowie die mit ihnen in dem im Gesetz genannten Verhältnis stehenden Personen (Ehegatte60/eingetragener Partner, Eltern und Vorfahren (§ 42), Kinder und Nachkommen (§ 42), Geschwister und im selben Grad Verschwägerte sowie die besoldeten Hausgenossen). Siehe dazu auch Fall VIII/99. „Besoldete Hausgenossen“ sind nach der Rsp nur Angestellte, die im selben Haushalt mit dem Begünstigten wohnen (vgl OGH SZ 52/148) und
59 Zeugenfähig sind daher zB die Organe der bedachten juristischen Person, vgl OGH SZ 52/148. 60 Gilt nach der Rsp nicht für den Lebensgefährten: OGH SZ 2003/46; krit Wilhelm, ecolex 2003, 569.
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grundsätzlich nicht die Angestellten des Erblassers, sondern eben des Begünstigten. Als befangen werden aber Angestellte des Erblassers angesehen, wenn der Erblasser und der Begünstigte miteinander verheiratet waren (vgl OGH SZ 42/101). Ist ein Zeuge in der beschriebenen Weise befangen, verliert das Testament 4/58 nur hinsichtlich der diesem zugedachten Begünstigungen seine Wirksamkeit (arg § 594: „. . . in Rücksicht des ihm zugedachte Nachlasses . . .“; Grundsatz der Teilunwirksamkeit). Bei der Beiziehung von vier Zeugen könnten somit jeweils drei die Zuwendung(en) an den vierten bezeugen. Die für Zeugen aufgestellten Befangenheitsgründe gelten in gleicher Weise 4/59 auch für den Schreiber des Testaments sowie für öffentliche Urkundspersonen (§ 595). 7. Anerkennung formungültiger Verfügungen Liegt eine formungültige letztwillige Verfügung vor, wird sie aber von al- 4/60 len, die im Fall der Ungültigkeit gesetzliche Erben wären, gerichtlich oder außergerichtlich anerkannt, ist die Verfügung nach Rsp und überwL wirksam und der Verlassenschaftsabhandlung zugrunde zu legen. Die Rechtsnatur einer solchen Anerkennung ist allerdings str. Str ist auch, ob durch ein solches „Anerkenntnis“ der Formmangel geheilt und die letztwillige Verfügung daher dem Verlassenschaftsverfahren zugrunde gelegt werden kann61 oder ob lediglich die Anerkennenden prozessrechtlich und/oder schuldrechtlich die Formpflicht nicht mehr geltend machen können. X. Verwahrung letztwilliger Verfügungen und Testamentsregister Notare haben auf Wunsch private schriftliche Testamente in Verwahrung 4/61 zu nehmen (§ 104 NO). Auch Rechtsanwälten steht diese Befugnis zu, nicht aber dem Gericht62, wobei aber ein dem Gericht übergebener Aufsatz für ein schriftliches gerichtliches Testament verwendet werden kann. Seit dem 1.1.1972 wird vom Delegiertentag der Österreichischen Notari- 4/62 atskammer gem §§ 140b f NO das automatationsunterstützte Österreichische Zentrale Testamentsregister über die bei einem Notar, Rechtsanwalt
61 Vgl OGH SZ 59/164: Geltung des Erbrechts des formnichtig eingesetzten Erben; krit zuletzt B. Jud, Erbschaftskauf 108 ff mit Darstellung der L. 62 OGH RZ 1960, 101.
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oder Gericht verwahrten letztwilligen – privaten oder öffentlichen – Anordnungen (sowie auch Erbverträge, Vermächtnisverträge und Erbund Pflichtteilsverzichtsverträge) geführt63. Die Unterlassung der Abfrage stellt als Verfahrensmangel, wenn er eine unrichtige Entscheidung zur Folge haben kann, einen Rekursgrund nach § 45 AußStrG dar (vgl OGH NZ 1991, 10 allerdings zum AußStrG aF).
Abb. 10. Abfrage Testamentsregister
XI. Widerruf und Aufhebung letztwilliger Verfügungen 1. Übersicht 4/63 Der Erblasser kann bis zum Erbfall jederzeit eine bereits errichtete letztwillige Verfügung wieder aufheben (Grundsatz der Testierfreiheit und Widerruflichkeit). Eine in der letztwilligen Verfügung enthaltene Erklärung, dass jede spätere Anordnung oder eine Anordnung, die nicht mit einem bestimmten Merkmal versehen ist, ungültig sein soll (Widerrufsverzicht; derogatorische Klausel), ist als nicht beigesetzt zu betrachten (§ 716). Dies schließt aber nach der L nicht die Verpflichtung zum Ersatz des (Vertrauens-)Schadens aus, wenn dem Bedachten die Zuwendung als absolut sicher hinge63 Hiezu und zu den entsprechenden Richtlinien vgl Wagner/Knechtel, Notariatsordnung6 (2006) MGA 3a, 529 f, 769 ff.
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stellt wurde und dieser im Hinblick auf die letztwillige Zuwendung eine Leistung erbracht hat64. Die Aufhebung kann dadurch erfolgen, dass der Erblasser eine neue Verfü- 4/64 gung trifft (§§ 713–716) oder dadurch, dass er – ohne gleichzeitig eine neue Verfügung zu treffen – die bereits errichtete Verfügung widerruft (§ 717), und zwar entweder ausdrücklich (§§ 719 f) oder stillschweigend (§§ 721– 723). Die §§ 724 und 725 enthalten spezielle Widerrufsvermutungen für Vermächtnisse (s Rz 9/22). Der Widerruf ist selbst gewissermaßen als (negative) letztwillige Verfü- 4/65 gung konstruiert, sodass grundsätzlich auch die hiefür erforderlichen Voraussetzungen gegeben sein müssen; so die Formvorschriften beim ausdrücklichen Widerruf und gem der ausdrücklichen Vorschrift des § 718 ganz allgemein die Testierfähigkeit. 2. Errichtung einer neuen Verfügung65 Das Gesetz unterscheidet bei Aufhebung durch eine neue Verfügung, zu 4/66 der auch ein Nottestament gem § 597 gehört66, in Verfügungen mit Erbeinsetzungen (Testamente) und solche ohne Erbeinsetzung (Kodizille). Im ersten Fall wird ein früheres Testament gänzlich aufgehoben, im zweiten Fall frühere Kodizille nur insofern, als sie mit dem neuen Kodizill im Widerspruch stehen (§§ 713 f). Folgt ein Kodizill auf ein früheres Testament, ist § 714 sicherlich analog anzuwenden. Folgt hingegen ein Testament einem Kodizill, werden die früheren Anordnungen nach der Rsp nur aufgehoben, wenn sie mit der neuen Verfügung in Widerspruch stehen oder sich daraus ein Aufhebungswille (sa Rz 4/67) ergibt67. Unvereinbarkeit liegt vor, wenn sich eine frühere Anordnung nicht durchführen lässt, ohne die neuere Anordnung zu verletzen, zB, wenn eine bestimmte Erbquote oder eine bestimmte Sache mehreren Personen zugedacht wird. Die Vorschriften der §§ 713 und 714 sind als Vermutungen hinsichtlich 4/67 des Aufhebungswillens zu verstehen und können widerlegt werden, also bsp in dem Sinn, dass der Erblasser das neue Testament nur als Ergänzung 64 65 66 67
Zankl, NZ 1995, 265. Vgl Ch. Rabl, Altes Testament – neues Testament (2001). Spitzer, NZ 2006, 80 ff. ZB OGH SZ 40/23; SZ 2006/57; die überwL verlangt hingegen einen Aufrechterhaltungswillen; zB Ch. Rabl, Altes Testament – neues Testament (2001) 46 f; sa Fall VIII/99.
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oder Nachtrag zum bisherigen Testament bezeichnet oder verstanden hat68. 4/68 Eine Sonderregel stellt § 715 für Fälle auf, in denen mehrere Verfügungen vorliegen, deren Errichtungszeitpunkt aber nicht mehr festgestellt werden kann. Dies kann auch der Fall sein, wenn eines der Testamente mit einem Datum versehen ist69 (vgl zur Datumsangabe im Testament Rz 4/42; 4/44; siehe dazu auch Fall VIII/102). Auch die an sich nicht miteinander vereinbaren Anordnungen sind in diesem Fall möglichst miteinander zu kombinieren, zB die je als Alleinerben eingesetzten Erben erben je zur Hälfte usw. 3. Ausdrücklicher Widerruf 4/69 Jede letztwillige Verfügung kann ohne Erfordernis des „contrarius actus“, dh in jeder beliebigen und nicht bloß in der Testamentsform, die der zu widerrufenden Verfügung entspricht, widerrufen werden. Es könnte daher bsp auch ein öffentliches Testament durch ein mündliches Nottestament (§ 597) widerrufen werden. Praktisch kommt ein ausdrücklicher Widerruf ohne Errichtung einer neuen Verfügung nur vor, wenn ein Widerruf durch Einwirkung auf die Urkunde (unten Rz 4/71) nicht möglich (zB bei Vorhandensein eines mündlichen Nottestaments) oder nicht ganz einfach ist (zB bei öffentlichen oder sonst hinterlegten Testamenten).
4/70 Die auch hier anzuwendenden Gültigkeitsvoraussetzungen für letztwillige Verfügungen bedeuten etwa für die Frage der Befangenheit der Zeugen (vgl Rz 4/57) einer Widerrufsverfügung, dass sie dann als befangen gelten, wenn sie als gesetzliche oder frühere testamentarische Erben oder Vermächtnisnehmer von der Aufhebung begünstigt werden. 4. Stillschweigender Widerruf 4/71 Schriftliche Testamente können durch Einwirkung auf die einzige oder alle vorhandenen Ausfertigungen der Verfügung stillschweigend – ganz oder teilweise – widerrufen werden. Erfolgt die Einwirkung nur auf eine mehrerer Ausfertigungen (Originale), wird ein Widerrufswille nicht vermutet, besteht also nur im Zweifel (s dazu Fall VIII/10170). Die in § 721 nicht taxativ genannten Einwirkungsmöglichkeiten erweitert die Praxis etwa durch 68 AA Kralik, ErbR 147 f, der diese Aufrechterhaltung nur über § 582 (Bezugnahme auf eine formgültige Erklärung) zulässt. 69 Vgl OGH SZ 72/179. 70 OGH SZ 2006/38.
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die Möglichkeit von Streichungen, das Anbringen des Vermerks „ungültig“ udgl, das Zerreißen und Verbrennen. Es handelt sich um konkludente Willenserklärungen, für die jedenfalls auch Testierfähigkeit vorliegen muss. Wird bewiesen (Beweislast!), dass die genannten Einwirkungen auf die Ur- 4/72 kunde nur zufällig oder von einer dritten Person geschehen sind, die ohne Auftrag71 oder nachträgliche Billigung (str) gehandelt hat, und wird auch der Inhalt dieser Verfügung bewiesen (zB durch Vorlage von Kopien = Abschriften, eines Entwurfs, durch Zeugen usw), bleibt die Verfügung wirksam. Die gleichen Beweispflichten werden bei behauptetem Verlust verlangt. 5. Widerruf des Widerrufs Grundsätzlich lebt durch einen Widerruf des Widerrufs die frühere letzt- 4/73 willige Verfügung wieder auf. § 723 regelt allerdings nur den Fall, dass der Erblasser eine spätere schriftliche Anordnung vernichtet, eine frühere schriftliche jedoch unversehrt lässt; s dazu auch Fall VIII/101. Über § 723 hinaus ist anerkannt, dass einerseits der zu widerrufende Widerruf nicht bloß in einer späteren Anordnung, sondern auch in einem ausdrücklichen Widerruf bestehen kann72. Verneint wird aber, dass durch einen ausdrücklichen Widerruf des Widerrufs die ursprüngliche Anordnung wieder Geltung erlangen kann73. Immer muss die ursprüngliche Verfügung eine schriftliche gewesen und unversehrt geblieben sein. Der zu widerrufende Widerruf kann also kein stillschweigender nach § 721 gewesen sein.
Abb. 11. Widerruf des Widerrufs
71 Vgl OGH JBl 2006, 647. 72 Vgl OGH JBl 1998, 507. 73 OGH SZ 62/11, JBl 2006, 647.
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B. Erbeinsetzung I. Abgrenzung zur Vermächtnisanordnung 4/74 Entsprechend der grundlegenden Einteilung in Gesamtrechtsnachfolge und Einzelrechtsnachfolge (s Rz 2/1; 9/2) ist zwischen Erbeinsetzung und Vermächtnisanordnung in der letzten Willenserklärung zu unterscheiden (§ 535). Dabei kommt es – schon weil der durchschnittliche Laie den Unterschied nicht kennt – nicht auf die verwendeten Worte (zB „vererben“, „vermachen“) an, sondern ist der Wille des Testators durch Auslegung (Rz 4/34 ff) zu ermitteln. Nach den von L und Rsp74 entwickelten Kriterien spricht etwa für Erbeinsetzung: · dass der Erblasser mit Aufzählung bestimmter Sachen und Rechte über sein gesamtes Vermögen verfügte oder dessen wesentliche Teile, bezogen auf den Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung75; · dass bei mehreren Begünstigten eine gewisse quotenmäßige Nachlassteilung zum Ausdruck kommt; · dass der Erblasser den Bedachten als Gesamtnachfolger haben wollte; · dass er ihm einen direkten Zugriff auf das Nachlassvermögen einräumen wollte; · dass der Erblasser dem Begünstigten die Entrichtung von Vermächtnissen oder die Übernahme von Erbschaftslasten auferlegen wollte. II. Bestimmung der Erbteile und Anwachsung 1. Bestimmung der Erbteile 4/75 Der Erblasser kann jemanden zum Alleinerben oder mehrere Erben zu bestimmten Erbquoten als Miterben einsetzen. Nach allgemeinen Grundsätzen genügt Bestimmbarkeit der Erbquoten, wobei das Gesetz in den §§ 554 ff zusätzliche Auslegungsregeln zur Bestimmung der Erbquoten enthält. Nach diesen Bestimmungen enthält bei fehlender Quotenbestimmung ein einziger eingesetzter Erbe den gesamten Nachlass (§ 554), mehrere eingesetzte Erben einen gleichen Anteil (§ 556; § 557 hinsichtlich der unbestimmt eingesetzten Erben). Sind nur bei einzelnen Erben bestimmte Quo74 ZB OGH SZ 72/179. 75 OGH 6 Ob 285/06i; vgl dazu Welser, Berufung zu Erbquoten und Zuweisung einzelner Sachen, FS Rechberger (2005) 709.
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ten festgesetzt und der Nachlass dadurch nicht erschöpft, so erhalten die gesetzlichen Erben den Rest (§ 556 1. Fall), es sei denn, der Erblasser wollte den ganzen Nachlass zuwenden (§ 556 2. Fall). § 559 verweist auf die Erbfolge nach Stämmen wie bei gesetzlicher Erbfolge und zählt Personengruppen (wohl über juristische Personen hinausgehend; vgl „Arme“) als eine Person. Bei Rechenfehlern ist § 558 anzuwenden. Zur Erbeinsetzung auf bestimmte Quoten und gleichzeitiger (im Wert nicht übereinstimmender) Zuwendung von einzelnen Sachen s bei Teilungsanordnungen Rz 7/6. 2. Anwachsung Das Gesetz stellt die widerlegliche76 Vermutung auf, dass der Erblasser die 4/76 Einsetzung auf eine bestimmte Quote als maximale Einsetzung wollte, während er bei Einsetzung ohne Bestimmung der Anteile und bei Einsetzung mehrerer Erben auf einen gleichen Anteil die Ausdehnung der Erbquoten auf einen freibleibenden Anteil wünscht. Eine unbestimmte Einsetzung bzw eine allgemeine Einsetzung zu gleichen Teilen liegt nach der richtigen Ansicht Kraliks, ErbR 178, auch vor, wenn die Nennung von Anteilen offensichtlich nur erklärende Bedeutung hat. Die zT in der Rsp vorzufindenden subtilen sprachlichen Unterscheidungen für eine Quotenbestimmung (zB „ein Drittel“; OGH EvBl 1985/ 26) oder einen gleichen Anteil („zu gleichen Teilen“; OGH GIUNF 361) sind wenig zielführend. Aus dieser gesetzlichen Wertung ergeben sich die Vorschriften über die 4/77 Anwachsung (Zuwachs, Akkreszenz) der §§ 560–563 bei Freiwerden einer Erbquote (unten Rz 4/78). Die Anwachsungsregeln gelten als Fall einer (widerleglichen) vermuteten Ersatzerbenbestimmung auf den Anteil eines anderen eingesetzten Erben (Rz 4/88). Dadurch kommen auch die diesbezüglichen Vorschriften etwa über die Übernahme der damit verbundenen (nicht höchstpersönlichen) Lasten auf die Anwachsungsberechtigten zur Anwendung (§ 606). Wie ein sonstiger Ersatzerbe muss auch der Anwachsungsberechtigte die Mehrzuwendung nicht annehmen, kann sie vielmehr auch ausschlagen (str).
76 OGH JBl 1992, 385.
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Abb. 12. Anwachsung. Die Nachkommen der vorverstorbenen Tochter haben Vorrang. Der auf sie entfallende Erbteil sowie die auf sie entfallende Anwachsungsquote aus dem Erbteil des vorverstorbenen Bruders fallen nicht an die lebenden Kinder des Erblassers, sondern an die Nachkommen der Tochter (§ 779 Abs 1)
4/78 Eine Erbquote wird in allen Fällen frei, in denen der eingesetzte Erbe nicht annehmen kann oder will, also bei Vorversterben, Erbunwürdigkeit, Erbverzicht, Erbausschlagung. Nicht freigeworden ist hingegen ein Anteil, über den gar nicht oder nicht wirksam (zB wegen Befangenheit eines Zeugen) verfügt wurde. Im Zweifel geht eine ausdrückliche Ersatzerbenbestimmung der Anwachsung vor, doch ist auch ein anderer Wille des Erblassers denkbar, etwa wenn für mehrere unbestimmt eingesetzte Erben ein und derselbe Ersatzerbe vorgesehen ist (OGH SZ 42/22: Stadtgemeinde nach und anstelle eines verschwenderischen Geschwisterpaares). Dies gilt auch für die gesetzliche Ersatzerbenbestimmung des § 779 Abs 177. Zur Rangordnung zwischen Transmission und Ersatzerbschaft s Rz 2/24; 4/102.
4/79 Kommt es nicht zur Anwachsung, fällt der frei gewordene Nachlassteil an die gesetzlichen Erben, wodurch auch ein im Testament auf einen bestimmten Teil eingesetzter Erbe als (gleichwertiger) gesetzlicher Erbe begünstigt sein kann78. III. Negatives Testament 4/80 In einem sog negativen Testament wird jemand, der an sich gesetzlicher Erbe wäre, von der Erbfolge in der letzten Willenserklärung ausgeschlossen. Es handelt sich jedenfalls um ein Testament, wenn gleichzeitig andere Erben berufen werden. Dabei ist durch Auslegung zu ermitteln, ob der 77 Vgl Kletecˇ ka, Nacherbschaft 75 ff. 78 Vgl OGH SZ 70/70 = Fall VIII/100.
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Ausschluss auch dann wirksam sein soll, wenn die Einsetzung eines anderen etwa wegen Vorversterbens oder Erbunwürdigkeit wirkungslos wird79 und gesetzliche Erbfolge eintritt. Siehe dazu Fall VIII/98. – ME handelt es sich aber auch dann iS des § 553 um ein Testament und nicht bloß ein Kodizill80, wenn es keine andere Erbeinsetzung enthält, weil der Erblasser dadurch ja implizit die übrigen gesetzlichen Erben beruft81. Durch Auslegung ist zu ermitteln, ob die Nachkommen eines ausgeschlossenen Erben ebenfalls ausgeschlossen sein sollen oder ob Eintritt stattfindet. Da mE im österreichischen Erbrecht kein Grundsatz des formellen Eintrittsrechts besteht (s Rz 3/9), ist auch hier nicht von vornherein Eintrittsrecht anzunehmen oder stets Analogie zu § 541 gerechtfertigt.
C. Möglichkeit und Erlaubtheit I. Allgemein Unmögliche und unerlaubte letztwillige Anordnungen sind grundsätzlich 4/81 nach den auch im Erbrecht anwendbaren Bestimmungen der §§ 878 und 879 nichtig. Unmöglichkeit soll hier schon vorliegen, wenn etwas objektiv Unmögliches angeordnet wird, während die Anwendbarkeit des § 878 auf Verträge bekanntlich die Vereinbarung von etwas „geradezu“ Unmöglichem, also Absurdem voraussetzt82. So wäre zB das Vermächtnis einer Sache, die nicht mehr produziert wird, objektiv unmöglich, aber nicht absurd. Im Sinne des § 879 sind Verfügungen sittenwidrig, „deren Motiv oder vom Erblasser vorhersehbarer Erfolg den sittlichen Werten unserer Rechtsordnung und Kulturtradition widerspricht“83. So werden etwa Verfügungen für sittenwidrig gehalten, die zur Belohnung oder zur Setzung eines sittenwidrigen oder strafbaren Verhaltens oder als Anreiz dazu getroffen werden. Zum früheren § 543s Rz 2/21. II. Nebenbestimmungen Im Zusammenhang mit letztwilligen Anordnungen werden häufig Neben- 4/82 bestimmungen getroffen (sog Einschränkungen des letzten Willens; vgl 79 80 81 82 83
OGH SZ 62/131. So Koziol/Welser II13 497. Kralik, ErbR 89; aA OGH SZ 62/131. Koziol/Welser II13 489; zur Unmöglichen einer Bedingung s Rz 4/83. Kralik, ErbR 115.
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Überschrift vor § 695), mit denen der Erblasser seine Verfügung den konkreten Umständen und seinem wahren Willen anpassen kann. Bedingung, Befristung und Auflage sind daher vom ABGB im Erbrecht geregelt (§§ 696 ff), haben aber ganz allgemein bei Rechtsgeschäften Bedeutung und werden daher auch dort behandelt (Rz I/10/13 ff; vgl auch den ausdrücklichen Verweis für Bedingungen in § 897), sodass hier nur auf erbrechtliche Besonderheiten eingegangen wird. Als weitere Nebenbestimmung kennt das Gesetz die unverbindliche Erklärung einer Absicht (§ 711; Rz 4/14). 1. Bedingung 4/83 Die Unmöglichkeit84 oder Unerlaubtheit einer aufschiebenden Bedingung macht die getroffene Anordnung unwirksam, eine auflösende unmögliche oder unerlaubte Bedingung gilt als nicht beigesetzt (§ 698). Da unmögliche und unerlaubte Bedingungen wegen der Nichtigkeitssanktion der §§ 878 und 879 eigentlich gar nicht „eintreten“ können, würde sich die Rechtsfolge des § 698 auch von selbst ergeben: Das aufschiebend bedingte Recht tritt nie ein, das auflösend bedingte Recht wird nie aufgelöst. Nach Kralik85 liegt die Bedeutung des § 698 darin, dass die Beschränkungen für (konstruktive) Vorerben bei aufschiebender Bedingung und dass die Sicherungsrechte der (konstruktiven) Nacherben bei auflösender Bedingung wegfallen. Zur konstruktiven Nacherbfolge s Rz 4/110.
4/84 Bei aufschiebenden unerlaubten Bedingungen ist allerdings die ganze Verfügung nur dann wirkungslos, wenn die Erfüllung der Bedingung unerlaubt ist. Ist die Erfüllung jedoch erlaubt und nur das Setzen der Bedingung unerlaubt, soll sich die Nichtigkeitssanktion nur gegen den Erblasser richten, sodass auch in diesem Fall die Bedingung als nicht beigesetzt gilt und die Verfügung selbst aufrecht bleibt86. Beispiele87: Bei der Bedingung, seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachzukommen, ist die Erfüllung unerlaubt, sodass die Sanktion des § 698 eintritt. Bei Bedingungen, die den Begünstigten lächerlich machen, ihn einer körperlichen oder seelischen Pein aussetzen oder eine Schikane für ihn bedeuten88, ist die dahinterstehende Absicht des Erblassers verwerflich, sodass die Verfügung jedenfalls wirksam bleibt, es sei denn, es lässt sich überhaupt fehlender Testierwille beweisen.
4/85 Eine von der Rechtsordnung nicht gebilligte Absicht sanktioniert das Gesetz insbesondere im Fall der Bedingung der Nichtverehelichung
84 Vgl OGH SZ 46/34: Es kommt auf die objektive Unmöglichkeit an; allenfalls auch bloß Teilunwirksamkeit. 85 ErbR 257. 86 Kralik, ErbR 258. 87 Aus OGH GlU 3626. 88 Beispiele bei Kralik, ErbR 258.
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(§ 700)89. Auch sie gilt daher in jedem Fall als nicht beigesetzt, sodass die Verfügung wirksam bleibt90. Ob die Ausnahme für verwitwete Personen mit mindestens einem Kind auf Geschiedene ausgedehnt werden kann, ist str91. Bei der Konkretisierung dieser Bestimmung ist deren allgemeiner Gedanke zu beachten, nämlich dass niemand durch die erbrechtliche Zuwendung oder den Verlust einer Zuwendung in seiner persönlichen Entscheidungsfreiheit gehindert werden soll. Es kommt somit auf dieses Motiv und nicht auf die Formulierung als „Eheverbot“ an. Verfolgt nämlich der Erblasser erlaubte Motive, ist die Anordnung der zeitlichen Ehelosigkeit, wie die in § 700 und im HfD vom 23.5.1844, JGS 80792, ausdrücklich geregelten Fälle der Versorgung des überlebenden Ehegatten selbst oder der Kinder während des Witwenstandes zeigen, zulässig. Analog kann der Grundsatz des § 700 dann angewendet werden, wenn der Erblasser jemanden mit einer vermögensrechtlichen Zuwendung zu einer persönlichen Entscheidung ähnlichen Gewichts (zB Eingehung einer Lebensgemeinschaft, Scheidung, Religionswechsel, Berufswahl oder politische Betätigung) bestimmen will93. Auch „ganz unverständliche“ Bedingungen (§ 697) gelten stets als nicht 4/86 beigesetzt. Dh also, unverständliche aufschiebende Bedingungen lassen sofortigen und definitiven Rechtserwerb entstehen, bei auflösenden bleibt das Recht bestehen. Aus der Bestimmung ergibt sich zudem, dass derjenige, der den Vorteil aus einer Bedingung ziehen will, ihren Inhalt beweisen muss (Beweislast). Besonders geregelt ist die Bedingung, dass der Begünstigte die Zuwendung 4/87 verlieren (auflösend) oder in irgendeiner Weise belastet werden (aufschiebend) soll, wenn er die letztwillige Verfügung bestreitet (§ 720; kassatorische, privatorische, Verwirkungs- oder Strafklausel)94. Bestreitung bedeutet, dass der Begünstigte durch Klage oder Einrede versucht, der letztwilligen Verfügung endgültig ihre Wirksamkeit zu nehmen. Nach der ausdrücklichen Anordnung des Gesetzes bleibt die Bestreitung 4/88 aber sanktionslos, wenn nur die Echtheit bestritten oder eine bestimmte 89 § 700 gilt nunmehr entsprechend auch für die Bedingung der Nichteingehung einer eingetragenen Partnerschaft; vgl § 537a. 90 Karollus, NZ 1988, 293. 91 Dafür Koziol/Welser II13 490; anders Karollus, NZ 1988, 301. 92 Allerdings aufgehoben durch das 1. BRBG. 93 Vgl Eccher in Schwimann3 § 700 Rz 2; Kralik, ErbR 117. 94 Dazu Welser, Die kassatorische Klausel, FS Demelius (1973) 491, 506 ff.
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Auslegung (Sinn der Erklärung) vertreten wird. Dadurch soll nämlich nur dem wahren Willen des Erblassers zum Durchbruch verholfen werden. Die L dehnt die Sanktionslosigkeit einer Bestreitung unter mehreren Aspekten auf weitere Fälle aus: So wird die Anfechtung wegen Willensmängeln – außer im Fall mutwilliger Prozessführung – ebenfalls als Versuch, den wahren Willen des Erblassers zu realisieren, verstanden. Daneben bleiben Bestreitungen aufgrund Nichteinhaltung zwingender Bestimmungen, zB der Form, der Erb- und Testierfähigkeit, ohne Sanktion. Gelingt es, durch Anfechtung die Klausel selbst zu Fall zu bringen, kann sie natürlich ebenfalls ihre Wirkung nicht entfalten.
4/89 Mit der Sozinischen Klausel (Unterfall der Strafklausel; Rz 4/87 f) will der Erblasser den Bedachten zur freiwilligen Übernahme von Einschränkungen der freien Verfügbarkeit („Bedingungen und Belastungen“ iS des § 774; dazu Rz 11/30 ff) der Pflichtteilsdeckung veranlassen. Der Begünstigte soll – je nach konkreter Formulierung – die über die Pflichtteilsdeckung hinausgehende Zuwendung oder überhaupt die gesamte Pflichtteilsdeckung verlieren (auflösende Bedingung), wenn er gem § 774 die Freistellung des Pflichtteils von allen Belastungen verlangt. Im ersten Fall erhält er dann lediglich die befreite Pflichtteilsdeckung, im zweiten Fall seinen Geldpflichtteil (§ 808; s Rz 2/38; 12/18 ff). Nimmt der Begünstigte umgekehrt die Erbschaft (oder das Vermächtnis) an, verliert er das Recht auf Bestreitung nach § 774. Siehe dazu Fall VIII/103. 2. Befristung 4/90 Wird ein Erbrecht (oder Vermächtnis; s Rz 9/22) aufschiebend oder auflösend an einen bestimmten Zeitpunkt geknüpft, der sicher eintreten wird, spricht man von Befristung. Nach § 705 wird bei aufschiebender Befristung das zugedachte Recht bereits mit Erbfall erworben und damit vererblich (vgl zur Nacherbschaft Rz 4/106 ff). Es wird jedoch erst mit Eintritt des festgesetzten Zeitpunktes fällig. Unmögliche Befristungen sind an sich undenkbar und stellen daher in Wahrheit eine unmögliche Bedingung dar, was zur Anwendbarkeit des § 698 führt (dazu Rz 4/83 f). Beispiele: 130. Geburtstages einer bestimmten Person (§ 704). – Hochzeitstag einer ledig verstorbenen Person (§ 706).
4/91 Bei der Kombination von Bedingung und Befristung ist zu fragen, ob das Ereignis sicher oder nicht sicher eintritt. Beispiel95: Es liegt also Bedingung vor, wenn A nach Beendigung seines Studiums, aber nicht vor seinem 25. Lebensjahr Erbe werden soll; hingegen Befristung, wenn A nach Beendigung seines Studiums, sonst aber am 1.1.2012 Erbe werden soll. 95 Beispiel aus Kralik, ErbR 254.
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Unerlaubt kann eine Befristung nur im Hinblick auf bestimmte Umstände 4/92 sein, etwa die aufschiebend befristete Zuwendung eines Unterhaltsvermächtnisses für eine existenziell darauf angewiesene Person. 3. Auflage Mit Auflagen in letztwilligen Verfügungen kann der Erblasser die Durch- 4/93 führung oder wenigstens eine möglichst seinen Wünschen nahekommende Durchführung (§ 710) seines Willens erreichen. Die Auflage verpflichtet daher den Erben (oder Vermächtnisnehmer) zu einem bestimmten Tun oder auch Unterlassen (daher in § 709 „Auftrag“ genannt). Vom Vermächtnis, ebenso vom Untervermächtnis (Rz 9/10) unterscheidet sich die Auflage dadurch, dass dort der Begünstigte selbst einen klagbaren Anspruch auf Erfüllung hat (Rz 9/5). Bei der Auflage gibt es hingegen oft überhaupt keinen Begünstigten, nämlich dann, wenn sie im Interesse des Erblassers selbst (zB Grabpflege; Betreuung eines Haustieres) auferlegt wurde oder den Verpflichteten nur belastet, ohne dass ein Dritter ein subjektives Forderungsrecht erhalten soll (zB Verwendungszweck einer Zuwendung; Veräußerungsverbot ohne Nennung eines konkret Verbotsberechtigten). Begünstigter einer Auflage kann also nur jemand sein, dem der Erblasser kein Vermächtnis zuwenden wollte oder konnte (zB Gemeindebürger; zum Verteilungsvermächtnis s Rz 9/23; zur Umdeutung einer zu unbestimmten Nacherbenbestimmung als Auflage Rz 4/10796). Die zur Durchsetzung der Auflagen berechtigten Personen (Auflagenbe- 4/94 rechtigte) sind in erster Linie ein allfälliger Testamentsvollstrecker (Rz 4/ 120)97, im Übrigen die Erben, soweit sie nicht selbst mit der Auflage belastet sind (vgl §§ 816, 817). Bei Auflagen im öffentlichen Interesse ist die Finanzprokuratur auflagenberechtigt98. Da der Erblasser in erster Linie an der Erfüllung der Auflage interessiert 4/95 ist, kann sie auch erzwungen werden99. Die auflagenberechtigten volljährigen Personen sind gem § 176 Abs 1 AußStrG von ihren Rechten vor Einantwortung zu verständigen. Die Durchsetzung erfolgt erforderlichenfalls im streitigen Verfahren. Sind die Auflagenberechtigten und mE auch die Auflagenbegünstigten Pflegebefohlene, dh minderjährig oder unter Sachwalterschaft stehend, sind die Auflagen vor Einantwortung zu erfüllen
96 97 98 99
Vgl Kralik, ErbR 268. ZB OGH SZ 69/263. ZB Apathy in KBB3 § 709 Rz 2. Vgl Kralik, ErbR 265 f; einschränkend zuletzt Ch. Rabl, NZ 1998, 97.
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oder sicherzustellen (§ 176 Abs). Auflagen, die Liegenschaften betreffen, sind gem § 182 Abs 3 AußStrG (analog zu Vermächtnissen) im Grundbuch einzutragen100. Der Verlust der Zuwendung bei Unmöglichkeit oder Nichterfüllung der Auflage (Wirkung wie eine auflösende Potestativbedingung, § 709; sa Rz 4/110) tritt nur bei Verschulden des Belasteten und nur im Zweifel ein101. Ergibt die Auslegung einen anderen Willen des Erblassers, nähert sich die Auflage einem unverbindlichen Wunsch. Ist die Auflage auf ein unerlaubtes oder ein (gänzlich; vgl § 710) unmögliches Verhalten gerichtet, ist sie selbst nichtig. Die Nichtigkeit erfasst allenfalls auch die für den Fall der Nichterfüllung vorgesehene Anordnung eines Strafvermächtnisses (§ 712).
D. Substitution I. Allgemein 4/96 Der Erblasser kann einerseits anstelle eines (erst)eingesetzten Erben einen Ersatzerben bestimmen (auch gemeine Substitution oder Vulgarsubstitution genannt) und andererseits nach einem Erben (Vorerben) einen oder mehrere weitere Erben (Nacherben; zur Beschränkung der Zahl der Nacherben Rz 4/111) einsetzen. Angesichts der – nicht mehr aktuellen – Überschrift vor § 604 handelt es sich um die Nacherbschaft ieS, auch fideikommissarische Substitution genannt.
4/97 Im Zweifel ist in Anwendung des Grundsatzes der möglichst geringen Einschränkung des (erst-)eingesetzten Erben (§ 614; vgl auch Rz 4/107; 4/115) eine Substitution nicht zu vermuten102 und weiters anzunehmen, dass eher eine gemeine als eine fideikommissarische Substitution vorliegt103. Die für den Erben beschwerlichere fideikommissarische Substitution schließt daher im Zweifel auch eine Ersatzerbschaft ein (§ 608 S 3). Möglich ist auch eine Kombination beider Rechtsinstitute miteinander. 4/98 In beiden Fällen ist der Substitut – anders als bei Transmission (Rz 2/22) – Erbe des Erblassers und muss daher diesem gegenüber erbfähig sein. Zur Frage des maßgeblichen Zeitpunkts bei Ersatzerbschaft s Rz 4/102, bei Nacherbschaft Rz 4/108.
100 101 102 103
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Eccher in Schwimann3 § 709 Rz 6. OGH SZ 72/197; SZ 2007/94 = Fall VIII/107; undifferenziert OGH SZ 69/263. VglVgl Welser/Rabl, Der Fall Klimt (2005) 39 f mwN. Vgl OGH RZ 1963, 14.
Substitution
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Beide Arten der Substitution können sich auf den gesamten Nachlass oder 4/99 nur auf einen bestimmten Erbteil beziehen104. Die Vorschriften über die Substitution gelten darüber hinaus auch für Vermächtnisse (§ 652; s Rz 9/ 25 f). Von einer „uneigentlichen Substitution“ spricht man, wenn dem Erben nur hinsichtlich einer bestimmten Sache oder eines bestimmten Rechts ein Ersatz- oder Nachvermächtnis angeordnet wird. Der Erbe hat im letzteren Fall die Stellung eines Vorlegatars105.
Abb. 13. Ersatzerbschaft und Nacherbschaft
II. Ersatzerbschaft Der Erblasser kann einen oder mehrere Ersatzerben (ohne Beschränkung: 4/100 § 604) bestimmen, die die Erbschaft annehmen können, wenn der ersteingesetzte Erbe diese nicht annehmen kann (zB wegen Vorversterbens, Erbunwürdigkeit, Erbverzicht) oder nicht annehmen will (zB wegen Erbausschlagung). Beispiel106: Der Erblasser kann selbstverständlich die Ersatzerbfälle einschränken oder spezifizieren, zB als Ersatzerbfall den Umstand festlegen, dass der Erbe bestimmte Bedingungen nicht erfüllt.
Die Bestimmung, dass die nicht ausdrücklich genannten Ersatzerbfälle ausscheiden (§ 605), wird als widerlegliche Vermutung und auch häufig als gar nicht dem durchschnittlichen Erblasserwillen entsprechend angesehen107. Neben den ausdrücklich eingesetzten gibt es auch Ersatzerben, deren Ein- 4/101 setzung auf gesetzlichen Vermutungen des Erblasserwillens einschließlich Auslegungsregeln beruht, die aber einen Gegenbeweis zulassen. Hierher 104 Koziol/Welser II13 515; zur Substitution bei Gesellschaftsanteilen vgl Schauer, Rechtsprobleme 424 ff. 105 OGH SZ 24/227. 106 Aus OGH SZ 44/12. 107 Welser in Rummel3 § 605 Rz 1; Kralik, ErbR 179.
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Testamentarische Erbfolge
zählen die Anwachsungsberechtigten (§ 560; Rz 4/76 ff), die Nacherben (§ 608) und die Nachkommen vorverstorbener, mit der Bezeichnung „Kinder“ eingesetzter Personen (§ 681). Ausdrückliche Ersatzerbschaft geht vor vermuteter. Zwischen den verschiedenen Arten vermuteter Ersatzerbenbestimmungen entscheidet der Erblasserwille, ansonsten kommen sie gemeinsam zum Zug108. Als gesetzliche (auch stillschweigende) Ersatzerbenberufung, die in der letztwilligen Verfügung keinerlei Anhaltspunkte haben muss (vgl zur sog Andeutungstheorie Rz 4/36), wird § 779 Abs 1 angesehen, wonach anstelle der eingesetzten vorverstorbenen Kinder deren Nachkommen berufen sind. Auch hier soll freilich ein abweichender Erblasserwille den Vorrang haben109. 4/102 Der Ersatzerbe muss den Erbfall erleben, uz nach neuerer Ansicht auch dann nur diesen, wenn der Ersteingesetzte erst nach dem Erbfall zB durch Ausschlagung oder Versterben vor der Erbantrittserklärung ausfällt. Dies bedeutet also, dass im letzten Fall Transmissare des Ersatzerben den Transmissaren des nicht erbserklärten ersteingesetzten Erben (Transmission ieS) vorgehen. Nach Erbantrittserklärung des eingesetzten Erben gehen dessen Nachlass bzw Erben (Transmission iwS) den Ersatzerben bzw dessen Nachlass und Erben vor (sa Rz 2/24; 4/105).
4/103 Die Anteile, mit denen mehrere Ersatzerben den Anteil des oder der ersteingesetzten Erben übernehmen können, bestimmen sich im Zweifel nach den §§ 555 f und 560 ff (s Rz 4/75; 4/76 ff). Nur wenn ausschließlich die Miterben untereinander berufen sind, gelten für sie auch als Ersatzerben die Anteile, zu denen sie als ersteingesetzte Miterben berufen sind (§ 607). 4/104 Die Ersatzerben haben grundsätzlich dieselbe Rechtsstellung wie die Erben, für die sie eintreten, haben also insbesondere die diesen auferlegten (nicht höchstpersönlichen) Lasten wie Vermächtnisse, Auflagen, Nacherbschaften oder Anrechnungspflichten zu tragen (§ 606). Bedingungen wie jene des § 702 sind nur dann als solche Lasten zu verstehen, wenn ihr Zweck darin besteht, einem Dritten einen Vorteil zu verschaffen110. 4/105 Die Ersatzerbschaft erlischt insb mit Annahme der Erbschaft durch den ersteingesetzten Erben (§ 615 Abs 1). Einen weiteren Erlöschungsgrund enthält § 617: Der für ein kinderloses Kind bestimmte Ersatzerbe weicht den dann doch vorhandenen Nachkommen (§ 779 Abs 1). Überhaupt muss natürlich auch der Ersatzerbe sämtliche allgemeine Voraussetzungen erfüllen, darf zB nicht erbunwürdig sein (s Rz 4/98). 108 Kralik, ErbR 180. 109 Vgl ausführlich Kletecˇ ka, Nacherbschaft 21 ff. 110 Weiß in Klang2 III 251; Kralik, ErbR 183; Welser in Rummel3 §§ 559–563 Rz 6.
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III. Nacherbschaft 1. Begründung Die Nacherbschaft (zum Begriff Rz 4/96) wird durch Einsetzung eines 4/106 Nacherben (zur Erbeinsetzung allgemein s Rz 4/74 ff) und die Festsetzung des Umstandes, der die Nacherbfolge auslösen soll (Nacherbfall), begründet. Im Einzelfall kann die Nacherbschaft von anderen Verfügungen abzugrenzen sein, so etwa von der Anordnung eines Fruchtgenussvermächtnisses, eines Veräußerungs- und Belastungsverbotes oder der Einsetzung von gleichzeitigen Miterben111. Zum Verlassenschaftsverfahren s Rz 6/11. Beachte: Ein lebzeitig vereinbartes „Besitznachfolgerecht“ wirkt nach hA wie eine fideikommissarische Substitution112.
Das Gesetz steht Nacherbschaften wegen der möglichen Gefährdung des 4/107 freien Güterverkehrs eher skeptisch gegenüber. Dies kommt va in den §§ 611 f (dazu Rz 4/111) und § 614 (dazu Rz 4/97; 4/115) zum Ausdruck113. In weiter Auslegung des § 614 muss eine Nacherbschaft daher verschärften Bestimmtheitsanforderungen genügen, dh „unzweifelhaft“ angeordnet sein114. Insbesondere darf gem § 564 (dazu Rz 4/32) dem Vorerben nicht die freie Auswahl des Nacherben überlassen werden. Fehlen ausreichende objektive Auswahlkriterien, ist nach der geltenden Rsp jedoch Umdeutung in eine Auflage (Rz 4/93) möglich115. Der Nacherbe kann aufschiebend befristet oder aufschiebend bedingt 4/108 berufen sein. So ist die Einsetzung des B nach A, beginnend mit einem bestimmten Datum oder nach Verstreichen einer bestimmten Frist oder nach dem Tod des A, Befristung, weil diese Ereignisse sicher eintreten werden. Um aufschiebende Bedingung handelt es sich aber, wenn der Nacherbe nach kinderlosem Vorversterben des Vorerben oder bei Erreichung eines bestimmten Alters des Nacherben (§ 704: Zeitpunkt als Bedingung) eintreten soll. Die Unterscheidung hat Bedeutung für die Frage, ob der Nacherbe bei Erbfall oder bei Nacherbfall erbfähig sein, also insb noch leben muss.
Nach den Bestimmungen der §§ 703 und 705 iVm § 615 Abs 2 genügt bei Befristung Erleben des Erbfalls, sodass also bei Vorversterben des Nacherben vor dem Nacherbfall Transmission durch den Nachlass bzw die Erben des Nacherben eintritt116. 111 Vgl Kletecˇ ka, Nacherbschaft 137 ff. 112 Vgl OGH NZ 2001, 190. 113 Vgl auch die Aufhebung der §§ 618 bis 645 (Familienfideikommisse) durch dRGBl I 1938/825. 114 Vgl Kletecˇ ka, Nacherbschaft 135 f. 115 Vgl OGH NZ 1994, 115; krit Kletecˇ ka, JBl 1999, 277; abl nun OGH SZ 2005/79. 116 OGH NZ 2002, 330: Nachkomme des Nacherben war allerdings damals noch nicht erbberechtigtes Kind.
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Bei Bedingung ist hingegen Erleben des Nacherbfalls erforderlich, sodass bei Vorversterben des Nacherben vor dem Nacherbfall die Substitution erlischt, der Vorerbe frei wird und das Substitutionsvermögen auf dessen Erben übergehen kann. Die praktische Bedeutung des § 615 Abs 2 ist somit auf die Klarstellung begrenzt, dass der im Vortod des Vorerben bestehende Nacherbfall nicht unter der Überlebensbedingung steht. Die Rsp betont zuletzt den Vorrang der konkreten Regelungsabsicht des Erblassers unter Einschluss einer hypothetischen Auslegung gegenüber der Regelung der §§ 615 Abs 2 und 703. Beispiel117: Der Erblasser, Eigentümer eines geschlossenen Tiroler Hofes, setzte für den Fall des kinderlosen Versterbens des ersteingesetzten Sohnes seine weiteren Söhne als Nacherben ein. Diese waren beim Ableben des Vorerben, der keine Nachkommen hinterließ, bereits verstorben. Der eine von ihnen hinterließ allerdings eheliche Kinder. Auf der Grundlage der gerichtlichen Feststellung, wonach der Erblasser mit seinen Anordnungen das Ziel verfolgte, den Hof in der eigenen Verwandtschaftslinie zu belassen, entschied der OGH, dass nach dem hypothetischen Willen des Erblassers der Nacherbe den Nacherbfall (Bedingung des kinderlosen Versterbens des Vorerben) nicht erleben musste, um sein Nacherbrecht auf seine eigenen Erben übertragen zu können.
4/109 Niemand kann einem anderen hinsichtlich dessen eigenen Vermögens einen Erben bestimmen (Verbot des Eingriffs in die Testierfreiheit), nicht einmal die Eltern gegenüber ihren testierunfähigen Kindern (Verbot der sog Pupillarsubstitution: § 609). Daher werden darauf abzielende Anordnungen häufig auf das Nachlassvermögen eingeschränkt und als Nacherbschaften ausgelegt („umgedeutet“), so im Fall eines Testierverbotes (§ 610; Nacherben sind die gesetzlichen Erben) oder eines Testiergebotes (Nacherben sind die Personen, zugunsten derer testiert werden soll). Ein Veräußerungsverbot wirkt im Zweifel118 nicht als Testierverbot (§ 610). Siehe auch Rz 9/10. 4/110 Hat der Erblasser einen Erben befristet oder bedingt eingesetzt, ohne zu bestimmen, wer bei auflösender Befristung/Bedingung Nacherbe oder bei aufschiebender Bedingung/Befristung Vorerbe sein soll oder wer allenfalls zwischen Vorerbe und Nacherbe Erbe sein soll, nehmen die gesetzlichen Erben (allenfalls die Ersatzerben) die Stellung der Vor- und Nacherben ein (konstruktive Vor- oder Nacherbfolge; §§ 707 f). Dementsprechend sind auch bei der (in den Grenzen des § 612 erlaubten) Einsetzung Ungeborener die gesetzlichen Erben zu Vorerben berufen (HfD vom 29.5.1845, JGS 888119). Konstruktive Nacherbschaft tritt auch bei einer Auflage ein,
117 Aus OGH SZ 63/15 = JBl 1990, 581 mit Anm Eccher. 118 Dazu Kletecˇ ka, Nacherbschaft 142 f. 119 Allerdings aufgehoben durch das 1. BRBG.
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wenn sie bei Nichterfüllung wie eine auflösende Bedingung wirkt (Rz 4/ 95). Zur Vermeidung allzu langer Vermögensbindungen beschränkt das Ge- 4/111 setz die Zahl der hintereinander berufenen (und tatsächlich zur Erbschaft gelangenden: § 612) Nacherben. Sofern diese bei Testamentserrichtung nicht Zeitgenossen120 des Erblassers, dh noch nicht einmal gezeugte Personen sind (§ 612 iVm § 22), ist die Nacherbenberufung bzgl des beweglichen Vermögens nur bis zum einschließlich zweiten nicht-zeitgenössischen Nacherben und hinsichtlich des unbeweglichen Vermögens – einschließlich Unternehmen und Gesellschaftsanteilen121 – nur bis zum nächsten nicht-zeitgenössischen Nacherben zulässig122. Die Erbquoten bei einer nur mehr hinsichtlich des beweglichen Vermögens wirksamen Nacherbenberufung (kein Vermächtnis!) bestimmen sich nach dem Wertverhältnis zum unbeweglichen Vermögen. Die spätere Veränderung des Substitutionsgutes hinsichtlich der beweglichen oder unbeweglichen Bestandteile (zum Surrogationsprinzip Rz 4/113) verlängert oder verkürzt die Bindungsdauer jedoch nicht mehr (OGH SZ 15/202).
2. Rechtsstellung von Vorerben und Nacherben a) Allgemein
Vorerbe und Nacherbe zusammen haben die Rechtsstellung eines Voll- 4/112 erben, ihre Berechtigungen ergänzen einander. Aus der – viel diskutierten – Bestimmung des § 613 ergibt sich jedenfalls, dass der Vorerbe mit Einantwortung Eigentümer (oder sonstiger Berechtigter) wird, sein Eigentumsrecht aber eingeschränkt ist123. Zum einen ist sein Recht durch den Nacherbfall auflösend befristet oder bedingt (Rz 4/108), zum anderen hat er nur die Rechte und Pflichten eines Fruchtgenussberechtigten und unterliegt daher insbesondere einem Veräußerungs- und Belastungsverbot. Die verbleibenden Eigentumsbefugnisse bzw Rechtszuständigkeiten und auch ein Anwartschaftsrecht stehen schon vor dem Nacherbfall dem Nacherben zu.
120 Nach herrschender, allerdings nicht ganz überzeugender Ansicht sind juristische Personen immer als Nicht-Zeitgenossen anzusehen; vgl OGH SZ 15/202; Welser in Rummel3 §§ 611 f Rz 3; krit in Bezug auf bei Erbfall bestehende juristische Personen auch Apathy in KBB3 §§ 611, 612 Rz 3. 121 Schauer, Rechtsprobleme 427 f; Kletecˇ ka, Nacherbschaft 184 f. 122 Kralik, ErbR 187 f: Generation statt Grad; Kletecˇ ka, Nacherbschaft 177 f. 123 Zum Verzicht auf das Nacherbrecht s OGH JBl 2009, 441 mit Anm Kletecˇ ka.
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Die L erklärt die Rechtsstellung zwischen Vor- und Nacherben entweder mit funktioneller Eigentumsteilung124 oder als Treuhandeigentum des Vorerben125. Bei Liegenschaften bewirkt die Grundbuchseintragung nach § 178 Abs 2 Z 1 AußStrG jedenfalls eine Art Grundbuchsperre. Wichtig ist der Theorienstreit für die Frage, inwieweit dem Nacherben dinglicher oder besser absoluter126 Schutz gegen unzulässige Verfügungen des Vorerben zusteht, und inwieweit ein gutgläubiger Dritterwerber geschützt ist127. Zu überlegen ist aber auch, ob das Anwartschaftsrecht dinglicher Natur ist und ob dem Nacherben die Rechte aus § 372 (publizianisches Eigentum) und Besitzschutz zukommen.
4/113 Das die Nacherbschaft bildende Vermögen (Substitutionsvermögen oder Substitutionsgut) ist zwar keine juristische Person, aber doch ein vom sonstigen Vermögen des Vorerben abgegrenztes Sondervermögen, für das der Grundsatz der dinglich wirkenden Surrogation gilt. Dies bedeutet, dass die aus Nachlassmitteln erworbenen Güter anstelle der ausgeschiedenen in den Nachlass fallen (OGH SZ 41/136). Soweit Zwangsvollstreckung überhaupt zulässig ist (Rz 4/114), fällt nur der nach Befriedigung der Gläubiger verbleibende Rest in die Substitutionsmasse (OGH JBl 1934, 433).
b) Vorerbe
4/114 Der Vorerbe hat das Vermögen ordentlich zu verwalten und dem Nacherben die Substanz zu erhalten. Die einen Fruchtnießer treffenden Aufwendungen hat er aus seinem eigenen Vermögen zu bestreiten, jene eines Eigentümers aus dem Substitutionsgut128. Ihm stehen die Früchte und Erträgnisse des Stammvermögens bis zum Nacherbfall zu. Verfügungen über das Substitutionsgut darf er nur mit Zustimmung des Nacherben treffen. Überhaupt haben Vor- und Nacherbe gemeinsam das freie Verfügungsrecht über den Nachlass, können also auch zB zugunsten des Vorerben eine Substitution auf den Überrest (Rz 4/115) vereinbaren129. Die Erfüllung von Nachlassverbindlichkeiten, uz Erblasser-, Erbfall- und Erbgangsschulden (s Rz 8/1 ff), denen sich der Nacherbe ja ohnehin nicht entziehen könnte, kann der Vorerbe freilich ohne dessen Zustimmung vornehmen, ebenso Verfügungen zum Schutz des Substitutionsguts130. Exekutionsführung gegen den Vorerben ist daher nur insofern zulässig, als auf ihm allein zustehende Vermögensteile, also die Früchte gegriffen wird (insb durch Zwangsverwaltung) oder der Vorerbe auch ohne Zustimmung des Nacherben über die Substanz verfügen kann (zB Durchsetzung einer Erblasserschuld). In diesen Fällen kann die Zustimmung
124 Koziol/Welser II13 519; Welser in Rummel2 § 613 Rz 3. 125 Gschnitzer, ErbR2 87. 126 Kralik, ErbR 189; dagegen ausführlich Apathy, GS Hofmeister (1996) 15. 124 Ausführlich Kletecˇ ka, Nacherbschaft 197 ff; ders, NZ 2001, 21. 127 Dafür zB Kletecˇ ka, Nacherbschaft 215; eingeschränkend Apathy, GedS Hofmeister (1996) 28 ff. 128 Koziol/Welser II13 519. 129 Zur Frage der Rechtsnatur solcher Vereinbarungen vgl Welser, NZ 2003, 65. 130 OGH RZ 1961, 182.
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Substitution
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des Nacherben gem § 9 EO im Prozessweg erzwungen werden (OGH SZ 46/28). Gegen eine unzulässige Exekutionsführung oder Einbeziehung in die Konkursmasse kann sich der Nacherbe mit Exszindierungsklage bzw Aussonderungsklage zur Wehr setzen.
Die sog befreite Vorerbschaft (Substitution auf den Überrest) ist zwar 4/115 im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen, aber allgemein anerkannt und nach § 614 (nur!) im Zweifel zu vermuten, ebenso in den erwähnten Fällen des Testiergebotes oder Testierverbotes (Rz 4/109). Der befreite Vorerbe kann über das Substitutionsvermögen zwar nicht von Todes wegen, aber unter Lebenden frei, entgeltlich oder unentgeltlich, verfügen und der Nacherbe erhält nur das, was beim Nacherbfall noch übrig ist (id quod supererit). Rechtsmissbräuchliche (Rz III/14/5) und daher sittenwidrige Verfügungen des Vorerben zum Nachteil des Nacherben führen allerdings zu Schadenersatzansprüchen131. Die amtswegige Inventarisierung und Schätzung sowie die grundbücherliche Anmerkung der Substitution (s Rz 4/117) sind nach hA auch bei der befreiten Vorerbschaft vorzunehmen, doch kommt gerade letzterer wegen der Verfügungsfreiheit des Vorerben nur geringe Bedeutung und Sinnhaftigkeit zu. Andere Sicherungsmaßnahmen werden nicht gesetzt.
Ist der Vorerbe pflichtteilsberechtigt, kann er gem § 774 im Umfang sei- 4/116 nes Pflichtteilsrechts die Freistellung von der Nacherbschaft verlangen. Näheres s Rz 12/18 ff. Nach wohl richtiger Ansicht ist allerdings – dem Prinzip des § 783 (dazu Rz 10/ 9 ff) entsprechend – bei Vorhandensein auch noch anderer Verfügungen (Erbeinsetzungen, Vermächtnisse) die Freistellung nur verhältnismäßig mit den Beiträgen der übrigen Begünstigten vorzunehmen132.
c) Nacherbe
Zur Sicherung des Nacherben ist der Nachlass auf dessen Kosten (§ 168 4/117 Abs 3 AußStrG) von Amts wegen zu inventarisieren (§ 165 Abs 1 Z 4 AußStrG). Die Nacherben sind in ausdehnender Auslegung des § 176 Abs 1 AußStrG von der Nacherbschaft zu verständigen. Sind sie pflegebefohlen, sind ihre Ansprüche überdies gem § 56 ZPO sicherzustellen (§ 176 Abs 2 AußStrG). Bei Gefährdung der Substanz steht dem Nacherben zusätzlich ein materieller, im ordentlichen Rechtsweg durchzusetzender Sicherstellungsanspruch zu (§ 520 iVm § 613). In den Beschluss über die Einantwortung ist die Beschränkung der (Vor)Erben durch eine fideikommissarische Substitution oder gleichgestellte Anordnungen aufzunehmen (§ 178 Abs Z 1 AußStrG). Trotz Fehlens einer dem § 158 AußStrG aF entsprechenden Bestimmung ist die Beschränkung durch die fideikommissari131 ZB OGH JBl 2009, 616 mit Anm Kletecˇ ka. 132 Kletecˇ ka, Nacherbschaft 190 ff.
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§4
Testamentarische Erbfolge
sche Substitution bei unbeweglichen Gütern grundbücherlich einzutragen133. Zum Verfahren sa Rz 6/11. 4/118 Für Nacherben, die beim Erbfall noch nicht geboren sind, ist von Amts wegen ein Substitutionskurator (Posteritätskurator) zu bestellen (§ 156 Abs 1 iVm § 5 Abs 2 lit a; zum Erbenkurator allgemein Rz 1/7). Dieser hat die Interessen des Nacherben bis zu dessen Geburt (dann Interessenwahrung durch den gesetzlichen Vertreter) wahrzunehmen, insbesondere Verfügungen über das Substitutionsvermögen zuzustimmen oder solche abzulehnen134. Eine vorzeitige Abberufung des Kurators kommt erst dann infrage, wenn zweifelsfrei etwa die Geburt eines substitutionsberechtigten Nacherben auszuschließen ist (hohes Alter des Vorerben, dem seine Kinder als Nacherben folgen sollen, genügt nicht135). 3. Erlöschen der Nacherbschaft 4/119 Die Nacherbschaft erlischt, wenn kein berufener Nacherbe mehr vorhanden ist oder wenn der Nacherbfall zB wegen Vereitelung der Bedingung nicht mehr eintreten kann (§ 615 Abs 1). Darüber hinaus kennt das Gesetz Sonderfälle: · Die Nacherbschaft zulasten eines Testierunfähigen erlischt durch den Beweis der tatsächlich nicht gegebenen Testierunfähigkeit oder der späteren Erlangung der Testierfähigkeit (§ 616). · Die Nacherbschaft zulasten eines kinderlosen Kindes erlischt, wenn dieses später Nachkommen erhält (§ 617). Dies ist allerdings nur eine gesetzliche Vermutung. Die Substitution bleibt daher aufrecht, wenn erwiesen wird, dass der Erblasser sie in jedem Fall anordnen wollte136. · Einverständliche Aufhebung durch Vor- und Nacherben.
E. Testamentsvollstreckung 4/120 Zur Überwachung der Durchführung seiner Anordnungen (insbesondere der Auflagen) und auch zu ihrer Betreibung kann der Erblasser letztwillig (oder auch in einem Erbvertrag) einen Testamentsvollstrecker (Testa133 Koziol/Welser II13 520; Bittner in Rechberger, AußStrG § 178 Rz 6 unter Berufung auf § 178 Abs 2 Z 1 AußStrG. 134 Vgl OGH JBl 2005, 43: Parteistellung. 135 OGH SZ 29/10. 136 OGH SZ 60/7; vgl auch §§ 777, 778; Rz 4/29 f.
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mentsvollzieher, Testamentsexekutor bzw Vollstrecker des Erbvertrags) benennen (§ 816). Nimmt dieser das Amt an, hat das Gericht ihn nach Prüfung der Bestellungsvoraussetzungen zu ernennen. Der Testamentsvollstrecker ist vor allem Auflagenberechtigter (Rz 4/94) und hat, soweit es seine Aufgaben erfordern, im Verlassenschaftsverfahren Parteistellung und somit auch Antrags- und Rekurslegitimation (s Rz 6/5). Ausdrücklich ist er zu einer mündlichen Verhandlung nach Einberufung der Gläubiger zu laden (§ 174 AußStrG; Rz 8/10 f) und wohl auch weiterhin zu einer Verhandlung über die Errichtung des Inventars137. Hinsichtlich der vollständigen oder weiteren Erfüllung von Auflagen ist er auf den Rechtsweg zu verweisen138. Er ist aber nicht „Abhandlungspfleger“ des Verlassenschaftsverfahrens, weil ein solches Amt neben dem Verlassenschaftsgericht bzw dem Gerichtskommissär nicht vorgesehen ist. Ebenso wenig kann er dem Erben als dessen Bevollmächtigtem aufgezwungen werden. Dieser kann vielmehr einen vom Erblasser bestellten Bevollmächtigten jederzeit abberufen (§ 1022).
Die Vertretung und Verwaltung des Nachlasses fällt an sich nicht in den 4/121 Aufgabenkreis des Testamentsvollstreckers, doch könnte der Erblasser ihm diese Funktion für den gesamten Nachlass oder für bestimmte Nachlassgegenstände zusätzlich übertragen. Str ist, ob der Erbe dem Testamentsvollstrecker eine solche Verwaltungsbefugnis jederzeit und grundlos entziehen und nur mittelbar durch Bedingungen und Auflagen zur Duldung der Vertretung und Verwaltung durch den Testamentsvollstrecker gezwungen werden kann139 oder ob die Erben an eine solche Anordnung gebunden sind, sofern nicht eine Pflichtteilsverletzung (§ 774; s Rz 12/17 ff) oder Sittenwidrigkeit vorliegt140. Die Bestellung zum Verwalter liegt jedenfalls letztlich beim Gericht141. Dazu siehe Fall VIII/103.
Bezüglich der Rechte und Pflichten des Testamentsvollstreckers gelten 4/122 grundsätzlich die Regeln über Vollmacht und Auftrag (§§ 1002 ff), wobei bei berufsmäßiger Testamentsvollstreckung (zB durch einen Rechtsanwalt oder Notar) Entgeltlichkeit anzunehmen ist. Mehrere Testamentsvollstrecker üben ihr Amt gemeinsam aus. Das Amt des Testamentsvollstreckers endet mit Ablauf der bestimmten 4/123 Zeit, mit Eintritt einer auflösenden Bedingung, durch Tod oder Verlust der Geschäftsfähigkeit und nach hA142 mit Abberufung durch das Verlassenschaftsgericht aus wichtigem Grund. Es endet aber nicht mit BeendiSailer in KBB3 § 816 Rz 4 wie nach § 95 AußStrG aF; vgl OGH EvBl 1990/20. Bittner in Rechberger, AußStrG § 181 Rz 2. So F. Bydlinski, JBl 1981, 72; folgend OGH JBl 1993, 310; NZ 1998, 79. Vgl etwa Zankl, JBl 1998, 293; ders, NZ 1998, 71; Sprung/Fink, JBl 1996, 205; offen lassend OGH JBl 2008, 587. 141 Vgl OGH SZ 70/40. 142 AA Kralik, ErbR 276. 137 138 139 140
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gung der Verlassenschaftsabhandlung, weil der Testamentsvollstrecker auch weiterhin über die Vollziehung des letzten Willens zu wachen hat143. Seine Aufgaben hat er dann nötigenfalls im ordentlichen Verfahren durchzusetzen.
143 Vgl OGH EvBl 1968/120.
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§ 5. Vertragliche Erbfolge Der Erbvertrag (§§ 1249 ff) ist ein zweiseitiges Rechtsgeschäft (Vertrag) auf 5/1 den Todesfall (s Rz 4/1). Damit setzt ein Vertragspartner den anderen oder setzen sich beide Vertragspartner wechselseitig zu Erben ein (Erbvertrag ieS; zu diesem stärksten Berufungsgrund s Rz 2/3). In gleicher Weise können sie auch ein Vermächtnis zuwenden (Vermächtnisvertrag). Verfügungen zugunsten Dritter können zwar in den Erbvertrag aufgenommen werden, gelten aber als einseitig widerrufliche letztwillige Verfügungen1. Vertragspartner können nur Ehegatten bzw eingetragene Partner (vgl 5/2 § 537a) oder Brautleute unter der Bedingung der Verehelichung2 sein. Der Erbvertrag hat eine Doppelnatur, er ist zugleich Vertrag und Rechts- 5/3 geschäft auf den Todesfall. Es ist daher bei der Lösung von Rechtsfragen zu differenzieren: Vertragsabschluss, Vereinbarung von Nebenbestimmungen (zB Bedingung, Befristung, Auflage; vgl § 1251), Auslegung, Behandlung von Willensmängeln (zB Irrtum3) folgen den Vertragsregeln. Andererseits muss der Begünstigte beim Erbfall erbfähig sein. Der Verfügende muss – wie bei letztwilligen Anordnungen – die Testierfähigkeit besitzen. Es gelten auch sonstige für die Erklärung des letzten Willens bestehende Vorschriften etwa hinsichtlich Höchstpersönlichkeit, Erbenbestimmung, Möglichkeit und Erlaubtheit. Hinsichtlich der Form sind die Vorschriften beider Rechtsbereiche zu be- 5/4 achten (doppelte Formstrenge): Als Vertrag, nämlich Ehepakt (vgl Überschrift vor § 12174), ist er notariatsaktpflichtig (§ 1 Abs 1 lit a NAktG), darüber hinaus muss er die Erfordernisse eines schriftlichen Testaments (§ 1249 S 2) erfüllen. Der Nota-
1 ZB OGH SZ 62/11; Koziol/Welser II13 522. 2 S das (allerdings durch das 1. BRBG aufgehobene) HfD vom 25.6.1817, JGS 1340; s auch zum gemeinschaftlichen Testament Rz 4/40. 3 OGH SZ 59/71 4 Kritisch Brauneder in Schwimann3 § 1249 Rz 4.
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riatsakt ist daher unter Beiziehung eines zweiten Notars oder zweier weiterer Zeugen aufzunehmen (§§ 56, 67 NO). 5/5 Eine Sonderbestimmung enthält § 1250 für beschränkt Geschäftsfähige, also mündige Minderjährige oder nicht gänzlich geschäftsunfähige, unter Sachwalterschaft stehende Personen. Wollen sie erbvertraglich verfügen, müssen sie wie nach den §§ 568, 569 testierfähig sein und es ist gem § 1250 – ähnlich § 865 – Genehmigung des Gerichtes erforderlich. 5/6 Durch den Erbvertrag wird die lebzeitige Verfügungsfreiheit des Erblassers – ausgenommen bei sittenwidriger Schädigung des Vertragspartners (§ 879) – nicht eingeschränkt. Der Vertragserbe hat nur Anspruch auf den Nachlass (§ 1252). 5/7 Die letztwillige Dispositionsfreiheit ist dagegen eingeschränkt und nur mehr hinsichtlich eines Viertels des Nachlasses („freies Viertel“; § 1253) möglich. Die Einschränkung gilt auch für einen Vermächtnisvertrag5. 5/8 Die Berechnung des freien Viertels ist im Hinblick auf den Wortlaut des § 1253 S 2, wonach hierauf weder ein Pflichtteil noch eine andere Schuld haften darf, umstritten. Dabei kommt es auf die Art der vorhandenen Nachlassverbindlichkeiten an: Berechnet man das freie Viertel von den vorhandenen Nachlassaktiven6, belasten sämtliche Nachlassverbindlichkeiten, also Erblasser-, Erbgangsund Erbfallsschulden (insbesondere Pflichtteilsschulden) nur den Vertragserben. Zieht man zunächst die Erblasser- und Erbgangsschulden ab7, berechnet man also das freie Viertel vom reinen Nachlass, treffen nur die Pflichtteilsansprüche den Vertragserben allein, während die übrigen Nachlassverbindlichkeiten verhältnismäßig von allen Begünstigten getragen werden. Wenn zum Zweck der Gleichstellung von Schulden und Pflichtteilsansprüchen in § 1253 auch die Pflichtteilslasten vor Berechnung des freien Viertels abgezogen werden, also verhältnismäßig auf alle Begünstigten verteilt werden, gelangt man zu einem Ergebnis, das sich auch ohne § 1253 S 2 nach allgemeinen Regeln (s Rz 8/1 ff) ergeben würde. Beispiel8: Der Erblasser hinterlässt seine Ehegattin (Erbvertrag) und seinen Vater. Die Nachlassaktiven betragen 10.000, die Erblasserschulden 1.000 und der Pflichtteil des Vaters ebenfalls 1.000 [1/3 ×1/3× (10.000 – 1.000 = 9.000)]. Nach der erste Variante beträgt das freie Viertel 2.500, der Vertragserbe muss von den verbleibenden 7.500 die Schulden und Pflichtteile von 1.000 + 1.000 tragen, sodass ihm 5.500 verbleiben. Nach der zweiten Variante be-
5 6 7 8
Vgl Zankl, NZ 1997, 311. Kralik, ErbR 158 ff. Zemen, NZ 1988, 29; B. Jud, NZ 1999, 268. Aus Koziol/Welser II13 524.
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trägt das freie Viertel 2.250, der Vertragserbe erhält 5.750, nach der dritten Variante beträgt das Verhältnis 2.000 zu 6.000. ME ist der zweiten Variante der Vorzug zu geben. Unter den „anderen Schulden“ in § 1253 sind nach Zemen (NZ 1988, 29) historisch nicht die sonstigen Nachlassverbindlichkeiten, sondern der Anspruch des Vertragserben gemeint. Um den § 1253 S 2 einen eigenständigen Sinn zu geben, ist aber das freie Viertel von den Pflichtteilsansprüchen freizuhalten.
Für die Vermächtnisse und Auflagen ist zu beachten, dass der Erbvertrag 5/9 die letztwillige Verfügungsfreiheit einschränkt. Der Erblasser kann also nur mehr über ein Viertel seines Vermögens letztwillig verfügen, dh dem Erbvertrag nachfolgende Anordnungen werden gekürzt, sodass Miteigentum (oder Anteilsberechtigung) im Verhältnis von 3:1 zwischen dem Vertragserben und den Begünstigten entsteht (dingliche Wirkung des Erbvertrags). Mangels einer dahin gehenden besonderen Anordnung des Erblassers haben die Erben des freien Viertels den Vermächtnisnehmern hiefür keinen Ersatz zu leisten (§ 662 S 4 analog). Beachte: Letztwillige Verfügungen, die vor oder gleichzeitig mit dem Erbvertrag angeordnet werden, binden auch den Vertragserben.
Hinsichtlich der Haftung der Erben im Außenverhältnis den Gläubigern 5/10 gegenüber ändert sich durch das freie Viertel nichts. Soweit überhaupt anteilige Haftung gilt (vgl Rz 8/12), haften Vertragserbe und Erbe(n) des freien Viertels anteilig. Die sich durch das geforderte Freibleiben des Viertels ergebenden Konsequenzen sind im Innenverhältnis zu berücksichtigen. Beispiel: Bei Zugrundelegung der Variante 2 (oben Rz 5/8) hat also der Vertragserbe 1.500 und der Erbe des freien Viertels 500 den Nachlassgläubigern insgesamt, also unter Einschluss des Pflichtteilsberechtigten, zu leisten. Da die Pflichtteile aber nur den Vertragserben belasten sollen, hat der Erbe des freien Viertels um 250 zu viel geleistet, wofür er den Vertragserben im Regressweg belangen kann. Im Ergebnis verbleiben ihm sohin 2.250 von den Nachlassaktiven.
Der Erbvertrag kann nicht einseitig widerrufen werden, sondern wird nur 5/11 nach Vertragsrecht aufgelöst, also entweder einvernehmlich oder durch Anfechtung aus einem gesetzlichen Grund (zB Irrtum). Im Fall der Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe erlischt der Erbvertrag, doch kann der schuldlose Partner die Rechte aus dem Erbvertrag wie beim Tod des anderen Vertragspartners geltend machen (§ 1266).
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§ 6. Erbschaftserwerb A. Allgemein 6/1 Wie schon ausgeführt (Rz 1/2), erfolgt der Erbschaftserwerb auf der Grundlage eines gültigen (subjektiven) Erbrechts (Titel) durch Besitzeinweisung (Modus). Damit gehen in einem sämtliche vererblichen Rechtspositionen des Verstorbenen auf den bzw die Erben über (Gesamtrechtsnachfolge; Universalsukzession). Zum Besitz an den einzelnen Nachlassbestandteilen s Rz 1/3; 6/13. Die Besitzeinweisung erfolgt durch die den Abschluss der Verlassenschaftsabhandlung bildende Einantwortung (Rz 6/19 ff), in § 797 daher „Übergabe in den rechtlichen Besitz“ genannt. Die Einantwortung führt nach dem Gesagten nur dann zum Rechtsübergang, wenn der Erbschaftsbesitzer auch der wirkliche (wahre) Erbe ist1. Zum Erwerb vom Scheinerben s Rz 6/32 f. Die Klärung des Erbrechts erfolgt erforderlichenfalls entweder innerhalb des Verlassenschaftsverfahrens selbst (Rz 6/12) oder nachher durch Erbschaftsklage (Rz 6/24 ff). 6/2 Neben der Einantwortung gibt es aber auch Sonderfälle des Erbschaftserwerbs: · Die Überlassung eines erblosen Nachlasses an den Staat (§ 184 AußStrG) steht in ihrer Wirkung der Einantwortung (s Rz 3/30 f) gleich. · Der siegreiche Erbschaftskläger erlangt durch das rechtskräftige Urteil (Leistungsurteil) den Anspruch auf Abtretung des Erbschaftsbesitzes, wobei die Abgabe einer solchen Willenserklärung durch das Urteil ersetzt wird (s Rz 6/28). 1 Anstelle der österreichischen Einantwortung nach Durchführung einesVerlassenschaftsverfahrens gibt es in manchen Rechtsordnungen wie zB in Deutschland ein Erbscheinverfahren. Vgl dazu auch die Initiative der Europäischen Kommission zur Einführung eines Internationalen Erbscheins, Grünbuch KOM (2005) 65 endg.
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· Im Fall des Unterbleibens der Abhandlung (Rz 6/9) bleibt trotz allfälliger Übernahme des Vermögens aufgrund einer entsprechenden Ermächtigung des Gerichts (§ 154 Abs 2 AußStrG) der Zustand der ruhenden Erbschaft bestehen (s Rz 6/9). · Dasselbe gilt bei der Überlassung an Zahlungs statt wegen Überschuldung des Nachlasses (§§ 154 f AußStrG; dazu Rz 6/10).
B. Verlassenschaftsverfahren I. Allgemein Nach § 797 darf niemand eine Erbschaft eigenmächtig in Besitz nehmen, 6/3 sondern muss vielmehr das Gericht das „Erbrecht verhandeln“ und den Nachlass dem Erben einantworten, dh ihm den Nachlassbesitz verschaffen. In Ausführung dieser Bestimmung regelt das AußStrG das Verlassenschaftsverfahren. Als Ergebnis der großen Außerstreitreform ist das (neue) AußStrG (BGBl I 2003/111) am 1.1.2005 in Kraft getreten und hat das 150 Jahre in Geltung gestandene alte AußStrG (KP RGBl 1854/208) abgelöst. Ziel der Reform war es insb, die Eigenständigkeit dieser Verfahrensordnung gegenüber dem streitigen Zivilverfahren zu verstärken, Regelungsdefizite va in den allgemeinen Verfahrensbestimmungen (I. Hauptstück) zu beseitigen und im Übrigen das Gesetz an die neuen Gegebenheiten anzupassen, wobei die Praxis hiefür bereits den Weg gewiesen hat. Nach wie vor ist das außerstreitige Verfahren nicht durch ein strenges Zweiparteiensystem gekennzeichnet und zeichnet sich durch größere Flexibilität, geringere Formstrenge und besondere Fürsorgeorientiertheit aus2. Das Verlassenschaftsverfahren ist – abgesehen von der Anwendbarkeit 6/4 der allgemeinen Verfahrensvorschriften des I. Hauptstückes (§§ 1–80) – im III. Hauptstück (§§ 143–185) geregelt. Das Verfahren ist grundsätzlich (Ausnahme: im Ausland befindliches bewegliches Vermögen; vgl § 106 JN; hier auch zur inländischen Gerichtsbarkeit) vom Bezirksgericht (§ 104a JN) des letzten Wohnortes des Verstorbenen (§ 105 JN) von Amts wegen einzuleiten (§ 143 iVm § 8 AußStrG). Es wird – abgesehen von der bei Zustimmung aller Parteien gem § 3 GKoärG zulässigen schriftlichen Abhandlungspflege – in weiten Bereichen vom Notar als Gerichtskommissär (vgl insb §§ 1, 2 GKoärG) durchgeführt. Dieser ist insofern auch der 2 Zur Reform s etwa Mayr/Fucik, Das neue Verfahren außer Streitsachen3 (2006); Rechberger, AußStrG.
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korrekte Adressat der Eingaben der Parteien (§ 144 AußStrG). Das Verfahren gliedert sich in das Vorverfahren, die Verlassenschaftsabhandlung und in Verfahren außerhalb der Abhandlung. 6/5 Große Bedeutung kommt in der Praxis der Parteistellung und damit auch der Rechtsmittellegitimation (Rekurs §§ 45 ff, Revisionsrekurs §§ 62 ff AußStrG) zu. Das Gesetz definiert nun – übereinstimmend mit der bisherigen Praxis – diejenigen Personen als Partei, deren rechtlich geschützte Stellung durch die begehrte oder vom Gericht in Aussicht genommene Entscheidung oder durch eine sonstige gerichtliche Tätigkeit unmittelbar beeinflusst würde (sog materieller Parteibegriff des § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG; die Z 1, 2 und 4 spielen eine geringere Rolle). Damit sind va die Erben (einschließlich der Nacherben) als Parteien erfasst, wobei bis zur Möglichkeit einer Erbantrittserklärung auch die bloß Antrittsberechtigten in Bezug auf bestimmte Amtshandlungen als Parteien anzusehen sind3. Weiters können Pflichtteilsberechtigte (über §§ 784, 804, 812), Vermächtnisnehmer, Auflagenberechtigte (insb Testamentsvollstrecker) und sonstige Gläubiger (vgl §§ 811 ff), nicht aber Auflagenbegünstigte (zur Terminologie s Rz 4/ 93 f) oder Nachlassschuldner Parteien sein. II. Vorverfahren 1. Todesfallaufnahme 6/6 Der Gerichtskommissär hat gem § 145 AußStrG die für die Durchführung der Verlassenschaftsabhandlung (und für allfällige pflegschaftsbehördliche Maßnahmen) erforderlichen Umstände zu erheben, insb: · die Personalien des/der Verstorbenen; · das hinterlassene Vermögen einschließlich einer kursorischen Wertfeststellung; · die Begräbniskosten; · die Urkunden über letztwillige Anordnungen und deren Widerruf, über Erb- und Pflichtteilsverträge sowie Erb- und Pflichtteilsverzichte und deren Aufhebung und die Personalien von Zeugen mündlicher letztwilliger Anordnungen; · die Personalien der mutmaßlichen gesetzlichen und gewillkürten Erben; · die Personalien jener Personen, die gesetzliche Vertreter des Verstorbenen waren.
3 RV 224, 100.
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Abb. 14. Verlassenschaftsverfahren
2. Sonstige Amtshandlungen Der Gerichtskommissär kann im Zuge seiner Erhebungen die Wohnung, 6/7 das Geschäftslokal und sonstige Räume (zB auch Kästen oder Tresore) in Anwesenheit von zwei Vertrauenspersonen schonend öffnen und hat unter Wahrung des Amts- und Berufsgeheimnisses bestimmte Sicherstellungs-, 97
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Übergabe- und Meldepflichten einzuhalten („Erhebungen“ § 146 AußStrG). Bei Gefahr hat der Gerichtskommissär die Verlassenschaft zu sichern und zwar entweder durch Versiegelung oder Verwahrung (§ 147 AußStrG). Dessen ungeachtet kann der Gerichtskommissär die zur Berichtigung der Kosten eines einfachen Begräbnisses erforderlichen Beträge ausfolgen oder freigeben und hat Dritten die Ausübung von unzweifelhaften Rechten an Verlassenschaftsgegenständen zu gewähren (§ 148 AußStrG). Vertraglich vorgesehene Kontosperren oder Sperren des Zutritts zu einem Schließfach kann der Gerichtskommissär freigeben (§ 149 AußStrG). In die gerichtliche Zuständigkeit fällt die Ausfolgung von im Inland gelegenen beweglichen Vermögen eines Ausländers, über den keine Abhandlung stattfindet (§ 150 AußStrG iVm § 106 JN). 3. Übermittlung und Übernahme letztwilliger Verfügungen 6/8 Bereits im Vorverfahren soll der Gerichtskommissär und auch die Beteiligten eine erste Kenntnis über vorhandene gewillkürte Erben, sonstige Anordnungen des Erblassers oder vertragliche Modifikationen der gesetzlichen Erbfolge erhalten. Dies bringt keine besondere Schwierigkeit mit sich, falls sich derartige Urkunden beim Gerichtskommissär selbst oder beim Verlassenschaftsgericht befinden und/oder sich ihr Vorhandensein aus dem Zentralen Testamentsregister (s Rz 4/61 f) ergibt. Im Übrigen besteht nunmehr nach den §§ 151, 152 die ausdrückliche Pflicht jeder Person, bei der sich derartige Urkunden befinden, diese – unabhängig von der eigenen Einschätzung ihrer rechtlichen Relevanz – dem Gerichtskommissär zu übermitteln. Der Gerichtskommissär hat seinerseits diese Urkunden zu übernehmen und in einem Übernahmeprotokoll anzuführen, in beglaubigter Abschrift zu verwahren und im Original in gerichtliche Verwahrung zu geben. Den Parteien und den mutmaßlichen gesetzlichen Erben sind unbeglaubigte Abschriften zu übermitteln. Der Vorgang tritt an die Stelle der früheren förmlichen Kundmachung, die sich in der Praxis inzwischen als obsolet herausgestellt hat4. 4. Unterbleiben der Abhandlung 6/9 Das neue AußStrG übernimmt in § 153 mit zeitgemäßerer Bezeichnung und in vereinfachter Form das Institut der „Abtuung armutshalber“. Unabhängig davon, ob überhaupt kein Verlassenschaftsvermögen vorhanden oder die Wertgrenze von 4.000 € nicht erreicht wird, und hier wieder 4 RV 224, 97 f.
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unabhängig davon, ob Pflegebefohlene (das sind minderjährige oder sonst unter Sachwalterschaft stehende Personen) vorhanden sind oder nicht, wird eine Abhandlung nur bei einem entsprechenden Antrag fortgesetzt. Das Gericht kann auf Antrag jenen Personen, deren Ansprüche bescheinigt sind, das Vermögen ganz oder teilweise überlassen, wobei korrespondierend mit der Wertgrenze des § 154 (Überlassung an Zahlungs statt, dazu Rz 6/10) keine besondere Verständigungspflicht im Sinne einer Wahrung des rechtlichen Gehörs einzuhalten ist5. Die Überlassung führt entsprechend der bisher schon überwA6 bloß zu Einzelrechtsnachfolge, der ruhende Nachlass bleibt bestehen, wobei freilich davon nur gesprochen werden kann, wenn wenigstens objektiv ein vererbliches Recht oder eine vererbliche Pflicht vorhanden ist (§ 531). 5. Überlassung an Zahlungs statt Das Rechtsinstitut der neuen Überlassung an Zahlungs statt (§§ 154 f 6/10 AußStrG) tritt an die Stelle der bisherigen Überlassung an Zahlungsstatt (§ 73 AußStrG alt), zugleich aber auch an die von der Praxis entwickelte sog kridamäßige Nachlassverteilung7. Das Gericht entscheidet auf Antrag (offenbar ausreichend: einer Partei) bei Überschuldung des Nachlasses (vgl § 67 IO) und wenn (negativ) keine unbedingte Erbantrittserklärung, kein Antrag der Republik Österreich auf Überlassung der Verlassenschaft wegen Erblosigkeit und kein Verlassenschaftskonkurs, der freilich in der Regel höhere Kosten verursacht8, eingeleitet wurde (dazu auch gleich unten). Die Überlassung an Zahlungs statt führt nur zur Einzelrechtsnachfolge an den überlassenen Sachen, der ruhende Nachlass bleibt wie bei Unterbleiben der Abhandlung hinsichtlich der im Überlassungsbeschluss nicht ausdrücklich genannten Gegenstände bestehen9. Das neue Verfahren sichert bei Überschreiten der Wertgrenze von E 4.000 eine verbesserte Gewährung des rechtlichen Gehörs durch die Pflicht zur Verständigung aller aktenkundigen Gläubiger und Erben mit Äußerungsmöglichkeit und bei Übersteigen von E 20.000 durch die Pflicht zur förmlichen Einberufung der Gläubiger (s Rz 8/9 ff). Im Beschluss auf Überlassung, der zugleich einen materiellrechtlichen Erwerbstitel darstellt (§ 798a neu; dazu oben A. V. 1.), sind die überlasse5 6 7 8 9
Missverständlich RV 224, 100. Vgl Eccher in Schwimann3 § 798 Rz 3 FN 5; aA Kralik, ErbR 326. S 2. Auflage Rz 6/11. Vgl RV 224, 100. RV 224, 99; ebenso Eccher in Schwimann3 § 798 Rz 5; Sailer in KBB3 § 798 Rz 1, unklar Wruhs in Rechberger, AußStrG § 154 Rz 2.
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nen Gegenstände, die Empfänger und die damit berichtigten Forderungen anzugeben und allenfalls die zur bücherlichen Durchführung erforderlichen Angaben zu machen. Daraus ergibt sich, dass das Vorhandensein von Liegenschaften im Nachlass kein grundsätzliches Hindernis für die Überlassung ist. Bei der Verteilung sind zunächst die hypothetisch als Masseforderungen iS der §§ 46 f IO anzusehenden Forderungen, sodann die Forderungen eines allfälligen Sachwalters für das letzte Jahr seiner Tätigkeit und schließlich alle übrigen Forderungen konkursmäßig dh im Verhältnis ihrer Höhe zu berichtigen. Bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Konkurseröffnung, was allein nach den Bestimmungen der IO zu beurteilen ist, können die Erben, die Gläubiger und auch der Verlassenschaftskurator10 die Einleitung eines Nachlasskonkurses beantragen (vgl § 67 IO). Gem § 164 IO kann mit Zustimmung aller Erben und bei Vorliegen der Ausgleichsvoraussetzungen auch ein Sanierungsplan geschlossen werden. Das Verlassenschaftsverfahren wird durch Konkurs- oder Ausgleichseröffnung nicht automatisch beendet, weil der Nachlassverwalter neben dem Masseverwalter einen eingeschränkten Funktionsbereich, zB hinsichtlich des konkursfreien Vermögens, behält. III. Verlassenschaftsabhandlung 1. Erbantrittserklärung bzw Erbsausschlagung 6/11 Der Gerichtskommissär hat die nach der Aktenlage infrage kommenden Erben aufzufordern, zu erklären (daher früher „Erbserklärung“), ob sie die Erbschaft antreten („Erbantrittserklärung“) oder ausschlagen (s Rz 2/33 ff) wollen. Hiefür ist eine Frist von vier Wochen, allenfalls auch eine längere Bedenkzeit bis maximal ein Jahr zu gewähren (§ 157 AußStrG). Sind die Erben unbekannt, gibt es aber Anhaltspunkte für das Vorhandensein von Erben oder auch Noterben, so hat der Gerichtskommissär ein Ediktalverfahren (öffentliche Bekanntmachung) einzuleiten (§ 158 AußStrG). Im Falle des Antritts hat der Erbansprecher ausdrücklich und schriftlich insb zu erklären, ob er unbedingt oder bedingt, dh mit der sog Rechtswohltat des Inventars (s Rz 8/5) annehmen will. Soweit möglich ist auch die in Aussicht genommene Erbquote anzugeben (§ 159 AußStrG). Wird die Erklärung erst später im Verfahren (möglich bis zur Bindung des Erst10 Zu seiner Verpflichtung zur Antragstellung bei Gefahr für die Gläubiger vgl Kralik, ErbR 348; Kropiunig, NZ 1993, 97, 100 f; OGH SZ 68/8.
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gerichts an den Einantwortungsbeschluss; vgl § 164 AußStrG) abgegeben, erlangt der Erbansprecher erst ab diesem Zeitpunkt Parteistellung (s aber oben Rz 6/5). Wird überhaupt keine Erbantrittserklärung abgegeben, spricht das Gericht die Erblosigkeit aus und bestellt spätestens nun einen Verlassenschaftskurator gem § 157 Abs 4 AußStrG (weiter Rz 6/21). Ein Nacherbe gibt die Erbantrittserklärung jedenfalls11 nach Eintritt des Nacherbfalls, der die Fortsetzung des mit dem Vorerben begonnenen Verlassenschaftsverfahrens bewirkt, ab. Ist der Nacherbfall der Tod des Vorerben, findet zusätzlich ein von der Nacherbschaft unabhängiges Verlassenschaftsverfahren hinsichtlich des freien Vermögens des Vorerben statt. 2. Entscheidung über das Erbrecht Der Kernpunkt der Reform des Außerstreitverfahrens im Bereiche des 6/12 Verlassenschaftsverfahrens (s Rz 6/3) liegt zweifellos in der Abschaffung des Verweises auf den Rechtsweg unter Bestimmung der Klägerrolle für die im streitigen Verfahren zu erhebende Erbrechtsklage. Stehen nämlich Erbantrittserklärungen untereinander (zB auch einschließlich solcher aus fideikommissarischer Substitution) oder mit einer Erklärung der Finanzprokuratur (bei behaupteter Erblosigkeit) im Widerspruch, entscheidet hierüber – nach erfolglosem Versuch des Gerichtskommissär auf gegenseitige Anerkennung des Erbrechts zwischen den Erbansprechern (§ 160 AußStrG) – das Verlassenschaftsgericht selbst im „Verfahren über das Erbrecht“, für das einige besondere Verfahrensvorschriften gelten (§§ 161 ff AußStrG). Zur Hinfälligkeit der vorausgehenden Annahme oder Nichtannahme von Erbserklärungen nach dem früheren AußStrG s Rz 4/39. Inhalt des Verfahrens ist die Entscheidung über das beste Erbrecht und die Abweisung der Ansprüche jenes Erbansprechers oder auch der mehreren Erbansprecher, der/die nur einen schlechteren oder nicht bestehenden Erbrechtstitel vorweisen kann/können. Da die Entscheidung Grundlage für die Einantwortung bildet, können Erbantrittserklärungen nur bis spätestens zum Zeitpunkt der Bindung des Erstgerichts an die Einantwortung abgegeben werden (zur Möglichkeit der späteren Erbschaftsklage s Rz 6/24 ff). Das Verfahren ist mündlich zu führen, es besteht relativer und bei Aktivnachlässen mit einem Wert von mehr als E 4.000 absoluter Anwaltszwang. Die Beweislast (vgl § 161 AußStrG) liegt nach allgemeinen Grund-
11 Zur Möglichkeit der früheren Abgabe vgl etwa Eccher in Schwimann3 § 613 Rz 21.
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sätzen jeweils bei jenem Erbansprecher, der Rechte aus behaupteten Umständen ableitet12. 3. Inventar und Vermögenserklärung 6/13 Das Inventar stellt ein vollständiges Verzeichnis aller körperlichen Sachen und vererblichen Rechte und Verbindlichkeiten des Verstorbenen (Verlassenschaft iS des § 531; s Rz 1/1 ff; ausnahmsweise nur Teilinventar ist bei Nacherbschaften, Privatstiftungen oder bei Inventarerrichtung auf Antrag denkbar, s gleich unten) und deren Wertes im Zeitpunkt des Todes dar (§ 166 AußStrG). Am Ende wird (nach Abzug der Erblasser- und Erbgangsschulden) der „reine Nachlass“ ausgewiesen (s Rz 8/8; 12/1). Für die Aufnahme in das Inventar ist grundsätzlich der bisherige Besitz des Verstorbenen maßgeblich (sa Rz 1/3), doch hat das Gericht Sachen auszuscheiden, deren Nichtzugehörigkeit zum Nachlass durch unbedenkliche Urkunden dargetan wird, oder auch ohne Besitz Sachen einzubeziehen, wenn sie dem Erblasser gehörten13 bzw wenn ähnlich starke Indizien wie der Besitz für die Nachlasszugehörigkeit sprechen14. Ist kein Inventar zu errichten, tritt die Vermögenserklärung, deren Richtigkeit und Vollständigkeit der Erbe unter Hinweis auf die allfälligen strafrechtlichen Folgen einer wahrheitswidrigen Erklärung mit seiner Unterschrift zu bekräftigen hat (früher „eidesstättiges Vermögensbekenntnis“), nach Umfang und Wirkung an die Stelle des Inventars (§ 170 AußStrG). Fälle der Inventarerrichtung (§ 165 AußStrG): · Vorliegen (zumindest einer) bedingten Erbantrittserklärung; · offensichtliches Vorhandensein von Noterben, die minderjährig sind oder sonst eines gesetzlichen Vertreters bedürfen; · Bewilligung der Absonderung der Verlassenschaft (§ 812; s Rz 8/13 ff); · Vorliegen einer Nacherbschaft oder Privatstiftung; · Annahme der Erblosigkeit des Nachlasses und daher zu erwartender Heimfall an den Staat (§ 760; s Rz 3/310); · auf Antrag eines hiezu Berechtigten oder des Verlassenschaftskurators. 6/14 Unbewegliche Sachen sind grundsätzlich mit dem dreifachen Einheitswert, auf Verlangen einer Partei oder im Interesse eines Pflegebefohlenen
12 Feil/Marent, Außerstreitverfahren 310; Mayr/Fucik, Das neue Vefahren außer Streitsachen3 (2006) Rz 607. 13 Vgl Ch. Rabl, NZ 1999, 133 ff. 14 RV 224, 107
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aber nach dem LBG zu bewerten. Für bewegliche Sachen ist der Verkehrswert maßgeblich, wobei bei Hausrat, Gebrauchsgegenständen und anderen Sachen offensichtlich geringen Wertes die Angaben der Parteien zugrunde gelegt werden können, sofern der Gerichtskommissär oder das Gericht dagegen keine Bedenken haben. Bei entsprechendem Antrag oder wenn es sonst erforderlich erscheint, ist eine Schätzung durch einen Sachverständigen (Schätzmeister) vorzunehmen15. Schulden sind anzuführen, wenn dies ohne großen Zeitaufwand und weitläufige Erhebungen möglich ist (§ 166 Abs 3 AußStrG). Dem Gerichtskommissär stehen zum Zweck der Inventarerrichtung und Schätzung die gleichen Befugnisse wie bei der Todesfallaufnahme zu (dazu oben Rz 6/6), wie zB die Möglichkeit des Zutritts zu Wohnung, Geschäftslokal und Schrankfächern bzw sonstigen Behältnissen (auch gegenüber Dritten: § 166 Abs 3 AußStrG). Allenfalls sind Vertrauensleute beizuziehen. Angehörige, Nachbarn und Mitbewohner haben uU Hilfestellung zu leisten. Die Kosten des Inventars trägt der Nachlass, soweit die Gebühren nicht direkt eingehoben werden (§ 168 AußStrG). 4. Benützung, Verwaltung und Vertretung des Nachlasses Die Formulierung des neuen § 810 Abs 1 stellt klar, dass dem ausgewiese- 6/15 nen Erben ex lege das Recht der Benützung, Verwaltung und Vertretung (auch prozessrechtlich) des Nachlasses zusteht, solange das Verlassenschaftsgericht nichts anderes anordnet (sa Rz 1/9). Diese Erbenrechte gehen allfälligen Anordnungen des Erblassers grundsätzlich vor16 (sa Rz 1/7 ff; 4/121). Mehrere berechtigte Erben bilden in Bezug auf diese Rechte eine Gemeinschaft, für deren Regelung im Zweifel die §§ 833 ff gelten (dazu s Rz IV/5/13 ff). Bei Nichteinigung oder im Fall einer Erbrechtsfeststellung (oben Rz 6/12) ist erforderlichenfalls ein Verlassenschaftskurator (s allgemein Rz 1/9) zu bestellen. Verwaltungs- und Vertretungshandlungen bedürfen mitunter der Genehmigung des Verlassenschaftsgerichts. Generell sind davon nach § 810 Abs 2 alle jene Maßnahmen ausgenommen, die zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehören. Der Genehmigung bedürfen hingegen alle außerordentlichen Verwaltungs- und Vertretungshandlungen17, solange nicht Erbantrittserklärungen zum gesamten Nachlass vorliegen, und danach alle
15 RV 224, 107. 16 OGH SZ 70/40. 17 ZB OGH SZ 23/172: Abschluss eines Gesellschaftsvertrags; OGH JBl 1968, 522: Aufgabe eines Bestandrechts.
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(nicht zur ordentlichen Verwaltung zählenden) Veräußerungen von Nachlassgegenständen18. Das Gericht hat dabei zu beurteilen, ob die Maßnahmen für den Nachlass nachteilig wären. Ist die Aufnahme eines Inventars zu erwarten (Rz 6/13), darf jedenfalls die Veräußerung erst nach der Aufnahme des betreffenden Gegenstandes in das Inventar erfolgen (§ 810 Abs 3). Damit soll die Haftungsgrenze des beschränkt haftenden Erben nach Einantwortung (Haftung pro viribus also bis zum Wert des Nachlasses) gesichert werden19. Im Fall minderjähriger oder pflegebefohlener Erbansprecher sind die Vertretungsregeln des § 154 zusätzlich zu beachten. Soweit dort eine Zustimmung des Pflegschaftsgerichts vorgesehen ist, führt dies hier allenfalls zu weiteren Genehmigungspflichten durch das Verlassenschaftsgericht20. Jede Änderung der Art der Vertretung ist dem Gerichtskommissär oder dem Gericht von allen Berechtigten anzuzeigen und wird ab diesem Zeitpunkt wirksam (§ 171 AußStrG). Über die Vertretungsbefugnisse kann auf Antrag eine Amtsbestätigung ausgestellt werden (§ 172 AußStrG), die bei späterer Änderung der Vertretungsbefugnisse während des Verfahrens vom Gerichtskommissär dem/den Berechtigten wieder abzufordern ist (§ 173 Abs 3 AußStrG). Gerichtliche Beschlüsse zur Genehmigung einzelner Verfügungen durch den/die Erben (sog Rotsiegelbeschlüsse) werden dadurch entbehrlich (sa Rz 6/19), wodurch aber gleichzeitig auch die Kenntnis des Nachlassvermögens für Pflichtteilsberechtigte und sonstige Gläubiger erschwert wird. Auch eine Teileinantwortung ist nicht mehr vorgesehen (s Rz 8/18). 5. Schutz der Gläubiger 6/16 Die Interessen der Gläubiger (zu den Nachlassverbindlichkeiten sowie zur Haftung des Nachlasses und der Erben allgemein s Rz 8/1 ff) werden in der Verlassenschaftsabhandlung (zum Verfahren bei Überschuldung des Nachlasses im Vorverfahren oben Rz 6/10) einerseits bei der Einberufung der Verlassenschaftsgläubiger (§§ 813 ff; s Rz 8/9 f) und andererseits bei der Absonderung der Verlassenschaft (§ 812; s Rz 8/13 ff) spezifisch beachtet. Im ersten Fall ist es Aufgabe des Gerichtskommissärs, eine allfällige mündliche Verhandlung öffentlich bekannt zu machen, die Betroffenen hiezu 18 Zur Auslegungsbedürftigkeit der Bestimmung vgl Bittner in Rechberger, AußStrG § 171 Rz 2; vgl als Beispiel OGH SZ 2007/195: Übertragung einer Nachlassliegenschaft zur Abdeckung eines Pflichtteils ist „Veräußerung“. 19 RV 471, 28; sa Rz 8/5 ff. 20 Dies ist offensichtlich der Sinn der diesbezüglich unklaren Ausführungen der RV 471, 28.
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zu laden und auf die Herstellung eines Einvernehmens über die angemeldeten Forderungen hinzuwirken (§ 144 AußStrG). Kommt es zu keiner Einigung, ist wohl wie nach § 136 AußStrG aF der Bestand der Forderung im ordentlichen Verfahren zu klären21. Über den Antrag auf Absonderung entscheidet das (Verlassenschafts-)Gericht, wobei es dem/den Erben die Verwaltung, Benützung und wohl auch Vertretung des Nachlasses schon vor Beschlussfassung entziehen kann. Der aus diesem Anlass oder schon früher bestellte Verlassenschaftskurator übt auch das Amt eines Separationskurators aus (§ 175 AußStrG; sa Rz 1/9). 6. Zur Einantwortung erforderliche Nachweise Alle Personen, denen aufgrund des Gesetzes (zB Pflichtteilsberechtigte) 6/17 oder einer Anordnung des Erblassers (zB im Testament oder Erbvertrag) andere als erbrechtliche Ansprüche zustehen (analog auch Nacherben; s Rz 4/117), sind jedenfalls hievon zu verständigen. Handelt es sich um Pflegebefohlene, ds Minderjährige und unter Sachwalterschaft stehende Personen, sind ihre Ansprüche überdies sicherzustellen (beachte den Verweis auf § 56 ZPO in § 176 AußStrG). Die erfolgte Verständigung und die allfällige Sicherstellung sind nachzuweisen; früher sog Pflichtteils- und Testamentsausweise (§ 178 AußStrG). 7. Erb(teilungs)übereinkommen Häufig schließen mehrere Miterben untereinander oder mit sonstigen erb- 6/18 rechtlich Begünstigten (zB Pflichtteilsberechtigten, Vermächtnisnehmer) noch während des Verlassenschaftsverfahrens unter Mitwirkung des Gerichtskommissärs oder nach Einantwortung ein Erb(teilungs)übereinkommen22, dass vornehmlich der Erbteilung dient, aber auch die Regelung sonstiger zwischen den Beteiligten auftretender Rechtsfragen wie zB die Berücksichtigung von Vorempfängen (s Rz 7/9 ff) enthalten kann (§ 181 AußStrG). Den vom Gerichtskommissär protokollierten Vereinbarungen kommt die Wirkung eines gerichtlichen Vergleichs und damit eines Exekutionstitels zu. Bei pflegebefohlenen Erben ist ein Erb(teilungs)übereinkommen zwar nicht (mehr) obligatorisch, aber weiterhin der Regelfall23, jedenfalls muss bei Beteiligung Pflegebefohlener die Genehmigung durch das Pflegschaftsgericht hinzutreten (§ 181 Abs 2 AußStrG). Für das Erb21 Vgl auch RV 224, 111. 22 Vgl dazu etwa Bruckner, Erbteilungsübereinkommen (2007). 23 Bittner in Rechberger, AußStrG § 181 Rz 4.
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übereinkommen gilt im Übrigen grundsätzlich privatautonome Abschluss- und Inhaltsfreiheit24. Zu beachten sind die Regelungen des WEG 2002, die für den Fall des Todes eines Wohnungseigentümers darauf abzielen, dass durch Vereinbarungen der Erben eine Versteigerung des Mindestanteils wegen dessen Unteilbarkeit verhindert wird (§ 12 WEG 2002; zum Tod des Partners eines WE-Mindestanteils s Rz 9/37 ff). Immer dann, wenn ein Erb(teilungs)übereinkommen vor Einantwortung geschlossen wird, sind dessen Ergebnisse der Einantwortung zugrunde zu legen (vgl § 178 Abs 1 Z 3 AußStrG). Für die Praxis ist wichtig, dass vor Einantwortung geschlossene Erb(teilungs)übereinkommen steuerlich begünstigt sind, weil Rechtsübrtragungen25 neben der Erbschaftssteuer nicht noch einmal steuerlich erfasst werden.
8. Einantwortung bzw Übergabe an den Staat 6/19 Stehen die Erben und ihre Quoten fest und ist die Erfüllung der übrigen Voraussetzungen nachgewiesen, hat das Gericht dem/den Erben die Verlassenschaft einzuantworten (§ 177 AußStrG iVm § 797: Übergabe in den rechtlichen Besitz; s Rz 1/2)26. Zur nicht mehr vorgesehenen Teileinantwortung s Rz 8/17. Der Beschluss über die Einantwortung hat daher die Verlassenschaft, die Personalien des Erblassers und der Erben, den Erbrechtstitel, die Erbquoten, ein allfälliges Erb(teilungs)übereinkommen und die Art der Erbantrittserklärung zu enthalten (zur fideikommissarischen Substitution bzw zu dieser gleichgestellten Anordnungen s Rz 4/117) und die für die Grundbuchseintragungen (dazu unten Rz 6/22) erforderlichen Angaben aufzunehmen. Gleichzeitig, aber bei befürchteter Verletzung der Privatsphäre des Erblassers zulässigerweise auch in einem gesonderten Beschluss (ähnlich dem früheren End- oder Mantelbeschluss27), werden die noch offenen Verfahrenshandlungen (zB Aufhebung von Sperren, Sicherstellungen, Gebührenbestimmungen) getroffen und das Verfahren somit beendet (§ 178 AußStrG). Dies reicht auch zur Überwindung aller Sperren aus (zB Bankkonten; also kein Erfordernis der früheren gesonderten Freigabebeschlüsse, genannt „Rotsiegelbeschlüsse“28; sa Rz 6/15).
24 Vgl OGH SZ 71/60: kein Vorkaufsfall. 25 Beachte die vorläufige Aufhebung des ErbStG in Folge VfGH 7.3.2007, G 54/06; dazu Tauber, NZ 2001, 257. 26 Ausführlich zum Einantwortungsbeschluss Bittner in Rechberger, AußStrG § 178 Rz 1. 27 Vgl RV 224, 112. 28 Dazu RV 224, 112 f.
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Die Einantwortungsurkunde ist den Parteien, bei Vorhandensein von Pflegebefohlenen auch dem Pflegschaftsgericht und auf Antrag auch an andere rechtlich interessierte Personen (zB Gläubiger) zuzustellen (§ 178 Abs 5 AußStrG). Die Begründung für eine im Zuge des Verfahrens getroffene Erbrechtsfeststellung (oben Rz 6/12) ist allerdings nur den Parteien des diesbezüglichen Feststellungsverfahren beizuschließen (§ 178 Abs 6 AußStrG). Mit der Einantwortung, genau mit dem Zeitpunkt der formellen Rechts- 6/20 kraft des Einantwortungsbeschlusses, tritt – sofern ein gültiges Erbrecht vorhanden ist (vgl Rz 6/1) – die erbrechtliche Gesamtrechtsnachfolge (Universalsukzession) ein29. Der Erbe bzw die Erben treten in sämtliche vererbliche Rechtspositionen des Verstorbenen sowie in allfällige Prozessrechtsverhältnisse der Verlassenschaft ein. Dies gilt auch für bücherliche Rechte, sodass der Grundbuchseintragung (s Rz 6/22) hier nur deklarative Wirkung zukommt30. Beachte: Das (außerstreitige) Verlassenschaftsverfahren kann keine definitive, materiellrechtliche Rechtslage schaffen, die Einantwortung verschafft aber den Schein der Erbenstellung (Legitimationswirkung). Eine spätere Erbschaftsklage wird – soweit dem nicht die Rechtskraft von Erbrechtsfeststellungen (Rz 6/12) hinsichtlich Parteien und geltend gemachten Erbrechtstiteln entgegensteht – dadurch nicht unzulässig.
Bleibt der Nachlass nach Ablauf der Vierwochenfrist für die Abgabe von 6/21 Erbantrittserklärungen (§ 157 Abs 2) erblos und ist ein Inventar als diesbezügliche Voraussetzung errichtet worden (s Rz 6/13), ist der Nachlass auf Antrag der Finanzprokuratur der Republik Österreich zu übergeben. Der Übergabebeschluss ist dem Einantwortungsbeschluss nachgebildet (s Rz 3/30 f). IV. Verfahren außerhalb der Abhandlung 1. Eintragungen in das Grundbuch und in das Firmenbuch Grundbuchseintragungen, die sich aus der Einantwortung ergeben (sa 6/22 Rz 6/20), erfolgen auf Antrag des Erben – oder bei dessen Säumigkeit über mehr als ein Jahr auf Veranlassung des Gerichtskommissärs (also nicht amtswegig) – durch das Grundbuchsgericht. Für die Eintragung von bücherlichen Rechten, die sich nicht aus der Einantwortung ergeben (zB aufgrund von Vermächtnissen oder Rechtsgeschäften) hat das Verlassen29 ZB OGH 4 Ob 242/08d. 30 Beachte jedoch, dass die Praxis Liegenschaftsexekutionen gegen den Erben vor Einantwortung inkonsequenterweise nicht zulässt; vgl OGH NZ 2005, 267 mit Anm Hoyer.
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schaftsgericht auf Antrag und mit Zustimmung der Erben eine entsprechende Bestätigung (Amtsbestätigung) auszustellen. Entsprechendes gilt auch für das Firmenbuch (§ 182 AußStrG)31. 2. Änderung der Abhandlungsgrundlagen 6/23 Treten nach der Einantwortung (genauer nach Eintritt der Bindung des Gerichts an den Einantwortungsbeschluss) neue Erbansprecher auf, so hat dies auf das Verlassenschaftsverfahren keinen Einfluss mehr. Erbantrittserklärungen können nicht mehr abgegeben werden, die Ansprüche sind mit Erbschaftsklage zu erheben (§ 164 AußStrG; zur Erbschaftsklage unten Rz 6/24 ff). Werden später bisher nicht vorgelegte letztwillige Verfügungen (bzw sonstige Urkunden iS des § 151 AußStrG, aus denen sich eine Erbenstellung ergibt; zB Erbvertrag) bekannt, so sind diese zwar nach § 152 AußStrG zu übernehmen (Näheres oben Rz 6/8), darauf gerichtete Ansprüche sind aber ebenfalls mit Erbschaftsklage geltend zu machen. Werden nachträglich Verlassenschaftsgegenstände bekannt, hat der Gerichtskommissär die Parteien zu verständigen. Je nach Sach- und Rechtslage ist entweder ohne Änderung des Einantwortungsbeschlusses das Inventar oder die Vermögensangabe (s Rz 6/13 ff) zu ergänzen oder aber bei ursprünglich nicht erfolgter Einleitung einer Verlassenschaftsabhandlung (oben Rz 6/9, 6/10) iS der §§ 153 ff neuerlich zu prüfen, ob auf der nunmehrigen Grundlage eine Verlassenschaftsabhandlung durchzuführen ist.
C. Erbschaftsklage I. Allgemein 6/24 Mit der Erbschaftsklage verfolgt der Kläger das Rechtsschutzziel, die Rechtsstellung als Universalsukzessor des Verstorbenen zu erlangen (daher auch „Universalklage“). Die Klage ist erst nach rechtskräftiger Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens, genauer nach Bindung des Gerichts an den Beschluss über die Einantwortung (§ 164 AußStrG), zulässig, also erst dann, wenn keine Möglichkeit mehr besteht, eine Erbsantrittserklärung im Verfahren abzugeben (zur Rechtskraft der Erbrechtsfeststellung im Verlassenschaftsverfahren s Rz 6/20). Die Erhebung der Erbschaftsklage bedeu31 Dazu im Einzelnen Bittner in Rechberger, AußStrG § 182.
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tet andererseits substanziell Abgabe einer Erbantrittserklärung32. Die Erbschaftsklage ist aber ausgeschlossen, soweit im Verlassenschaftsverfahren eine rechtskräftige Feststellung des Erbrechts erfolgte33. Der Kläger muss im Prozess sein besseres Erbrecht gegenüber dem Be- 6/25 klagten beweisen oder zumindest beweisen, dass ihm ebenfalls eine Erbquote zusteht. In diesem Sinn spricht § 823 entweder von der „Abtretung“ oder „Teilung“ der Erbschaft. Denkbar ist auch, dass der eingeantwortete Kläger nachträglich die Freiheit von Beschränkungen seines Erbrechts, zB von einer Nacherbschaft verlangt (sog negatorische Erbschaftsklage). · · · ·
Beispiele: Nachträglich aufgefundenes Testament oder nachträglich aufgefundene Widerrufserklärung; erfolgreiche Anfechtung oder Feststellung der Ungültigkeit der der Abhandlung zugrunde gelegten letztwilligen Verfügung; Auftauchen eines bisher unbekannten Erben; unrichtige Festsetzung des Todeszeitpunkts im Todeserklärungsverfahren und Einantwortung an eine Person, die beim wahren Todeszeitpunkt schon verstorben war.
Stellt sich nachträglich die Erblosigkeit heraus, zB weil der einzige vorhan- 6/26 dene Erbe erbunwürdig ist, steht dem Staat als Heimfallsberechtigtem (vgl § 760; Rz 3/30 f) die der Erbschaftsklage nachgebildete Heimfälligkeitsklage zu. Umgekehrt kann auch der Staat wie jeder andere Scheinerbe mit der Erbschaftsklage belangt werden (sa Rz 6/26). Mit der Erbschaftsklage kann der Kläger auch die Abgabe des Offenba- 6/27 rungseides nach Art XLII Abs 1 EGZPO 2. Fall auf Feststellung des Umfangs der Erbschaft stellen. Ihm steht auch das Recht der Streitanmerkung nach § 61 Abs 1 GBG zu, obwohl formal nicht er selbst, sondern der Erblasser im Grundbuch eingetragen war und streng genommen daher nicht in „seinem“ bücherlichen Recht verletzt worden sein kann. Die Erbschaftsklage ist nach hA auf ein Leistungsurteil gerichtet, nämlich 6/28 auf Verurteilung zur gänzlichen oder teilweisen Abtretung des Nachlassbesitzes. Das Urteil enthält im Fall des Obsiegens des Klägers als Vorfragenbeurteilung die Feststellung des besseren Erbrechts des Klägers und zerstört den durch die Einantwortung geschaffenen Rechtsschein (s Rz 6/ 20).
32 Vgl OGH NZ 1996, 193, mit Anm Kletecˇ ka. 33 Eccher in Schwimann3 § 799 Rz 15: Die Rechtskraft erstreckt sich subjektiv auf alle Parteien, die Erbantrittserklärungen abgegeben haben; anders nach alter Rechtslage; vgl zB OGH NZ 2001, 227.
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Die Abtretung des Erbschaftsbesitzes erfolgt durch Willenserklärung34 und wird durch das Urteil gem § 367 EO ersetzt. Die Wirkung des Urteils ist daher in der praktischen Wirkung einem Rechtsgestaltungsurteil ähnlich. 6/29 Mit Rechtskraft des Urteils tritt der siegreiche Erbschaftskläger rückwirkend35 als Universalnachfolger (wie bei Einantwortung) in die einzelnen vererblichen Rechtspositionen des Nachlasses ein und kann diese erforderlichenfalls mit den entsprechenden Singularklagen (zB Eigentumsklage, Schuldklage, Verwendungsklage usw) durchsetzen (vgl § 823 S 2)36. Er wird allerdings nur soweit berechtigt, als schon der Erblasser berechtigt war37. 6/30 Nach hA haftet der siegreiche Erbschaftskläger immer beschränkt wie nach bedingter Erbantrittserklärung38. 6/31 Die Erbschaftsklage ist nach einem Teil der nunmehriger Rsp unverjährbar (s Rz 2/47). II. Rechtsverhältnis zwischen siegreichem Erbschaftskläger und Scheinerben 6/32 Der Umfang der Rückstellungspflicht des Scheinerben richtet sich nach den §§ 329 ff iVm § 824 S 1. Bezüglich der Früchte und Erträgnisse sowie des Aufwandersatzes wird also auf die Rechtsstellung des redlichen und unredlichen Besitzers verwiesen. Gleich – und nicht als auflösend bedingter Eigentümer39 – ist der Staat zu behandeln, dem aufgrund angenommener Erblosigkeit der Nachlass nach § 760 (Rz 3/30 f) überlassen wurde40. 6/33 Der Scheinerbe gilt jedenfalls ab Zustellung der Erbschaftsklage als unredlich (§ 338). Vorher gilt er solange als redlich, als er guten Gewissens („aus wahrscheinlichen Gründen“) das Nichtbestehen eines Erbrechts des Klä-
Differenzierend Sailer in KBB3 §§ 823 f Rz 2. Vgl Bittner in Rechberger, AußStrG § 178 Rz 5 mwA. Vgl OGH SZ 2003/134; NZ 2007, 306. Vgl OGH NZ 1996, 244. Differenzierend Ferrari-Hofmann-Wellenhof, Die Erbschaftsklage (1991) 228 ff; aA Kralik, ErbR 364 f. 39 So OGH JBl 1997, 241, mit Anm Auckenthaler. 40 Vgl das durch das 1. BRBG allerdings aufgehobene HfD vom 12.10.1835, JGS 90; dazu Ch. Rabl, NZ 1997, 141. 34 35 36 37 38
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gers annehmen kann oder annehmen kann, dass der besser Berechtigte von seinem Erbrecht keinen Gebrauch machen werde41. Zu den vom Erbschaftsbesitzer zu ersetzenden Aufwendungen zählen zB 6/34 die Leistungen zur Befriedigung von Nachlassgläubigern, so auch Begräbniskosten, Steuern usw. Die Früchte und Erträgnisse sind lediglich ab Unredlichkeit herauszugeben, während der für einen Nachlassgegenstand erzielte Erlös nach dem Grundsatz der Surrogation stets herauszugeben ist42. III. Schutz gutgläubiger Dritter Dem eingeantworteten (Schein-)Erben kommt der Rechtsschein des Erb- 6/35 rechts zugute (Legitimationswirkung; s Rz 6/20). § 824 S 2 schützt daher folgerichtig den redlichen Erwerb vom Scheinerben. Dabei wird – anders als in § 367 – jeder Rechtserwerb (jede Begünstigung), also nicht bloß der Eigentumserwerb, geschützt, ferner auch unentgeltlicher Erwerb und es wird nicht zwischen beweglichen und unbeweglichen Sachen unterschieden. Nicht nach § 824 geschützt sind jedoch: · exekutiver Erwerb, es sei denn es liegen zugleich die Voraussetzungen des § 367 („in einer öffentlichen Versteigerung“) vor; · letztwilliger Erwerb, so zB das Vermächtnis vom Scheinerben. · Zu einem Rechtserwerb nach § 824 kann es auch dann nicht kommen, wenn der Erblasser selbst gar nicht berechtigt war, also auch der wahre Erbe das Recht nicht übertragen hätte können. · Str ist, ob § 824 nur den unmittelbaren Erwerb vom Scheinerben schützt oder bei einer entsprechenden Titelkette auch weitere Erwerber43. Nach hA ist Redlichkeit des Erwerbes eines Nachlassgegenstandes nur bei 6/36 Wissen um die fehlende Erbenstellung des Vormannes ausgeschlossen44. Dass jedoch fahrlässige Unkenntnis nicht schaden soll, wird von manchen bestritten45. ME kommt es auf die Umstände des Falles an:
41 Der OGH, zB in SZ 47/3, nimmt dagegen an, dass Unredlichkeit erst bei positiver Kenntnis des Nichtbestehens des Erbrechts gegeben ist. Die L begnügt sich mit Fahrlässigkeit, ist aber hinsichtlich des Fahrlässigkeitsgrades uneinheitlich; vgl Eccher in Schwimann3 § 824 Rz 2. 42 Vgl OGH SZ 33/60. 43 Gegen den Schutz auch mittelbarer Erwerber Koziol/Welser II13 586; aA Holzner, NZ 1994, 121 ff; Sailer in KBB3 §§ 823 f Rz 8. 44 So Koziol/Welser II13 585 f. 45 Vgl Ferrari-Hofmann-Wellenhof, Die Erbschaftsklage (1991) 323.
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Beispiel: Wer beim Erwerb eines PKW aus einem Nachlass weiß, dass es einen besseren Erben gibt, der weder verzichtet (§ 551) noch ausgeschlagen hat (§ 805), ist unredlich. Kann der Käufer aber annehmen, der bessere Erbe werde sein Recht nicht durchsetzen, gilt er als redlich.
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§ 7. Miterben A. Miterbengemeinschaft Häufig hinterlässt der Verstorbene aufgrund gewillkürter Erbfolge oder/ 7/1 und aufgrund des Gesetzes nicht nur einen Erben (Alleinerbe), sondern mehrere Miterben. Ihre Erbquoten ergeben sich dementsprechend aus dem Erbvertrag bzw Testament (zur Bestimmung der Erbteile s Rz 4/75) oder aus dem Gesetz. Die Miterben können unterschiedliche Berufungsgründe haben (gemischte Erbfolge; § 534; Rz 2/3). Der römisch-rechtliche Satz „nemo pro parte testatus, pro parte intestatus decedere potest“ gilt also nicht mehr. Die Miterben bilden eine (schlichte) Rechtsgemeinschaft, die sich vor Ein- 7/2 antwortung auf das Erbrecht (§ 550 S 1) bezieht. Danach entsteht eine Gemeinschaft (streng genommen keine Miterbengemeinschaft mehr) an den einzelnen Bestandteilen des Nachlasses bis zu einer allfälligen Teilung (Rz 7/5 ff). Die Rechte und Pflichten bestimmen sich grundsätzlich nach den §§ 825 ff, soweit sich aus dem Verlassenschaftsverfahren nicht Abweichungen ergeben (Aufsicht des Gerichts). Beachte: Das ABGB regelt die Gemeinschaft nicht zufällig im Anschluss an das Erbrecht (16. Hauptstück), sondern trägt dem Umstand Rechnung, dass der Erbgang wohl der praktisch wichtigste (gesetzliche) Entstehungsgrund der Gemeinschaft ist („comunio incidens“).
Zwischen Erben und Pflichtteilsberechtigten wird eine Gemeinschaft 7/3 nur zum Zweck der Pflichtteilsberechnung fingiert (§ 786 S 2; Näheres s Rz 12/4). Wie bei jeder Gemeinschaft stehen den Miterben Rechte am Ganzen und 7/4 an dem jeweiligen Anteil zu. Jeder Miterbe kann über seine Erbquote allein verfügen (§ 829 iVm § 1278; zur Veräußerung des Erbrechts s Rz 2/41 ff). Hinsichtlich des gesamten Nachlasses steht den Miterben das Recht auf Vertretung und Verwaltung zu (§ 810; Näheres s Rz 6/15; 1/7 ff).
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Miterben
B. Erbteilung I. Durch Anordnung des Erblassers 7/5 Es kann auf verschiedene Art und Weise und sowohl vor der Einantwortung als auch nachher (sa oben Rz 7/2) zur Erbteilung, also zur Aufhebung der Miterbengemeinschaft, kommen. Eine Erbteilung im Laufe des Verlassenschaftsverfahrens erlangt allerdings erst mit der Einantwortung dingliche Wirkung, weil die Miterben in diesem Stadium nur am Erbrecht beteiligt sind, nicht am Nachlass selbst. 7/6 Zunächst kann die Erbteilung vom Erblasser selbst in einer letztwilligen Verfügung angeordnet sein. Sie ist für die Erben – vorbehaltlich einer späteren einverständlichen Erbteilung (Rz 7/8) – bindend. Dabei behalten die Miterben nach hA ihre Erbenstellung und werden nicht hinsichtlich der ihnen zugewiesenen Nachlassgegenstände Vermächtnisnehmer iS eines sog „Hineinvermächtnisses“1 (sa Rz 7/8). Als Vermächtnis kann man hiebei nur das Recht des Miterben auf Zuteilung bzw Abtretung der in der Teilungsanordnung genannten Sachen betrachten. Insofern ist die Teilungsanordnung letztwilliges Aufgriffsrecht, also das Recht, eine bestimmte Sache aus dem Nachlass gegen ein bestimmtes Entgelt zu erwerben (jegatum venditionis“). Ein solches Aufgriffsrecht kann übrigens letztwillig auch einem Dritten eingeräumt werden, das mangels einer Erbquote des Dritten zu Recht auch von der hA zur Gänze als Vermächtnis angesehen und nach Vermächtnisrecht behandelt wird. – Das vertraglich eingeräumte Aufgriffsrecht folgt den Regeln über entgeltliche Verträge auf den Todesfall (Rz 4/8). – Als gesetzliches Aufgriffsrecht kann die Regelung der Erbteilung im Höferecht angesehen werden (dazu s Rz 3/22 ff). Hat der Erblasser dem Erben in der Teilungsanordnung mehr zugedacht als seiner Erbquote entspricht, liegt bei gewollter (Mehr)-Begünstigung zusätzlich ein echtes Vorausvermächtnis vor (Rz 9/6), andernfalls sind die Anordnungen nach2 Maßgabe des Wertes der Erbquoten zu korrigieren.
7/7 Ein letztwilliges Teilungsverbot bindet nach hA nur die ersten Erben des bisherigen Alleineigentümers, nicht die nachfolgenden (arg § 832). War der Erblasser selbst nur Miteigentümer, kann er durch eine solche Anordnung nicht in die Rechte der übrigen Miteigentümer eingreifen, wohl aber das Teilungsverbot auf seinen eigenen Anteil beschränken3.
1 So aber Kralik, ErbR 208; zuletzt auch Apathy, JBl 2006, 138 f. 2 Vgl dazu Apathy, JBl 2006, 137. 3 Vgl Gschnitzer SchRBT2 338.
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Anrechnung von Vorempfängen
§7
II. Durch die Miterben Die Miterben können selbstverständlich die Gemeinschaft einverständlich 7/8 aufheben und den Nachlass unter sich aufteilen. Häufig geschieht dies in einem Erb(teilungs)übereinkommen (dazu Rz 6/18; zur Berücksichtigung der Vorempfänge hiebei Rz 7/25). Jedem Miterben steht weiters nach Einantwortung grundsätzlich das Recht auf gerichtliche Teilung gem der allgemeinen Vorschrift des § 830 zu (Teilungsklage4).
C. Anrechnung von Vorempfängen I. Begriff Unter Anrechnung wird sehr Verschiedenes verstanden. Im weitesten Sinn 7/9 bedeutet Anrechnung, dass bei der Ermittlung des Umfangs einer erbrechtlichen Berechtigung des Anrechnungspflichtigen bestimmte Werte in Abzug gebracht werden, wodurch andere Personen (Anrechnungsberechtigte) begünstigt werden5. Das Anrechnungsrecht des ABGB ist insgesamt sehr komplex und wird als reformbedürftig angesehen6.
Die angesprochenen Werte resultieren normalerweise aus einer Zuwen- 7/10 dung, die der Anrechnungspflichtige unter Lebenden (Anrechnung ieS) oder von Todes wegen (auch Einrechnung genannt; unten Rz 7/13) erhalten hat. Sind lebzeitige Zuwendungen erbrechtlich anrechenbar, so erscheinen sie ganz allgemein als „antizipierte“ oder „vorweggenommene“ Erbfolge (sa Rz 2/6)7. Einer Ausgleichspflicht muss nicht unbedingt eine wirkliche Zuwen- 7/11 dung oder auch eine Zuwendung des Erblassers an den Anrechnungspflichtigen selbst zugrunde liegen. Bei gewillkürter Anrechnung (dazu Rz 7/14 ff) kann der Erblasser beliebig die Berücksichtigung von Werten anordnen und auch die Art der Bewertung festlegen. Im Übrigen geht die Anrechnungspflicht auch auf Eintrittsberechtigte, Ersatzerben und Anwachsungsberechtigte über (vgl §§ 790, 606). 4 Vgl etwa Egglmeier/Gruber/Sprohar in Schwimann3 § 830 Rz 12 ff. 5 Grundsätzlich Umlauft, Anrechnung. 6 Vgl Welser, NZ 1998, 40; ders, NZ 2001, 105; Umlauft, NZ 1998, 48; FischerCzermak, NZ 1998, 2; B. Jud, AnwBl 2000, 16. 7 Vgl Eccher, Erbfolge 1 ff.
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§7
Miterben
7/12 Die Anrechnung ist bei der Erbfolge (§ 790 ff) und beim Pflichtteil (§§ 788 ff; Näheres Rz 11/26 ff) ausdrücklich vorgesehen. Bei Vermächtnissen wäre allenfalls eine gewillkürte Anrechnung denkbar8. 7/13 Einrechnung bedeutet im Wesentlichen, dass bei Zusammentreffen zweier oder mehrerer Begünstigungen aus dem Nachlass diese dem Begünstigten nicht doppelt zukommen sollen. · · ·
Fälle: Alles was einem Pflichtteilsberechtigten durch Vermächtnisse oder andere Verfügungen des Erblassers aus dem Nachlass zukommen soll, wird bei der Bestimmung des Pflichtteils in Rechnung gebracht (dazu Rz 11/30 ff). In den (gesetzlichen oder testamentarischen) Erbteil des Ehegatten/eingetragenen Partners ist der erbvertragliche Erbteil einzurechnen (§ 757 Abs 2). In den vererblichen Unterhaltsanspruch sind grundsätzlich auch alle erbrechtlichen Zuwendungen einzurechnen (§§ 142, 796; sa Rz 1/15).
II. Arten der Anrechnung auf den Erbteil 1. Gewillkürte Anrechnung 7/14 Bei testamentarischer Erbfolge (§ 790 S 1) kann der Erblasser beliebig eine Anrechnung anordnen, sofern er nicht das Pflichtteilsrecht des Anrechnungspflichtigen verletzt. Nichts spricht weiters dagegen, dass der Erblasser bei gesetzlicher Erbfolge über die gesetzlichen Anrechnungsposten hinaus (s Rz 7/17 ff; 7/22) Anrechnungen vorschreibt (sa zum Pflichtteil Rz 11/26). 7/15 Die Anrechnungsanordnung muss ausdrücklich, dh deutlich9, in der Form einer letztwilligen Verfügung erfolgen. Die Anrechnungspflicht entsteht aber auch dadurch, dass der Erblasser anlässlich einer Zuwendung oder auch später die Anrechnungspflicht mit dem Empfänger vereinbart (analog § 789; zu diesen Vorschüssen Rz 7/22; 11/26), wobei nur die jeweilige Vertragsform einzuhalten ist10. 7/16 Nach einer neueren Ansicht11, der mE beizupflichten ist, soll die Anrechnungsanordnung im Zweifel allen (eingesetzten) Erben im Verhältnis ihrer Erbquoten und nicht bloß den Kindern (analog § 790, sa Rz 7/17, 7/26) zugute kommen. 8 Weiß in Klang2 III 938. 9 Vgl OGH ecolex 2005/306, 686. 10 Vgl Eccher in Schwimann3 §§ 790–792 Rz 5; Umlauft, Anrechnung 65 ff; aA Schauer, JBl 1980, 452. 11 Umlauft, Anrechnung 62 f; früher schon OGH GlUNF 7612.
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Anrechnung von Vorempfängen
§7
2. Gesetzliche Anrechnung Nach dem Gesetz haben die Kinder untereinander (§ 790 S 2) bei gesetz- 7/17 licher Erbfolge die Vorempfänge des § 788 anzurechnen. Die einzelnen, im Gesetz aufgezählten Vorempfänge (unten Rz 7/19 ff) sind durch den allgemeinen Gedanken der Versorgung gekennzeichnet, der sich auch konkludent aus der Art der Zuwendung ergeben kann12; siehe Fall VIII/109. Dazu kommen die Vorschüsse des § 789. Nach der Meinung von Umlauft13 gehört auch der überlebende Ehegatte (nunmehr auch der eingetragene Partner gem § 537a), soweit er mit Kindern in der Erbfolge zusammentrifft, zur Anrechnungsgemeinschaft (sa Rz 7/16). Er ist also hinsichtlich der Vorempfänge des § 788, die sinngemäß auch zu seinen Gunsten denkbar sind14 (vgl zB zum Zweck eines Berufsantritts), und der Vorschüsse des § 789 sowohl anrechnungsberechtigt als auch anrechnungsverpflichtet (zum Pflichtteil s Rz 11/26). Nach geltender Rechtslage sind nur die Vorempfänge, nicht hingegen Schenkungen anzurechnen, diese beiden Arten von Zuwendungen also voneinander abzugrenzen15 (dazu auch Rz 12/5). Entsprechend einem Reformprojekt könnten allerdings in Zukunft nicht nur die Vorempfänge, sondern im Zweifel alle unentgeltlichen Zuwendungen an Kinder, allenfalls auch an den Ehegatten/eingetragenen Partner anrechnungspflichtig sein.
Der überlebende Ehegatte/eingetragene Partner muss sich auf seinen ge- 7/18 setzlichen Erbteil weiters anrechnen lassen, was ihm beim Tod des anderen aus einem Ehepakt zukommt (§ 757 Abs 2; zum Erbvertrag oben Rz 7/13). Es soll damit eine vom Erblasser vermutlich nicht gewollte doppelte Versorgung verhindert werden16. a) Ausstattung (§ 788 1. Fall)
Nach hA werden darunter heute unabhängig vom Geschlecht des Empfän- 7/19 gers Zuwendungen verstanden, die aus Anlass der Eheschließung und im Hinblick auf die Gründung eines eigenen Hausstandes geleistet werden17. Nicht entscheidend ist, ob die Zuwendung in Form eines Ehepaktes (vgl §§ 1220, 1230) oder – wie heute üblich – direkt und formfrei als Ausstattung bzw Aussteuer gegeben wird. Zu überlegen ist die Einbeziehung auch von entsprechenden Zuwendungen an den Lebensgefährten18.
12 13 14 15 16 17 18
Vgl Umlauft, Anrechnung 21 ff. Anrechnung 79 ff; aA Koziol/Welser II13 528. Vgl Umlauft, Anrechnung 83 ff. Vgl OGH NZ 1998, 7. Dazu im einzelnen Umlauft, Anrechnung 114 ff. Vgl zuletzt B. Jud, NZ 1999, 37. Vgl Umlauft, Anrechnung 25 ff.
117
§7
Miterben
Die Anrechnungspflicht hängt von der genannten Zwecksetzung der Versorgung ab. Ob und inwieweit eine Rechtspflicht zu solchen Zuwendungen nach den §§ 1220, 1231 besteht, ist für die Anrechnung nicht entscheidend19. b) Antritt eines Amtes oder Gewerbes (§ 788 2. Fall)
7/20 Hier handelt es sich – wieder geschlechtsneutral – um alle Zuwendungen, die dem Antritt oder der späteren Ausübung eines Berufes dienen. Ausgenommen sind jedoch alle Erziehungs- und Ausbildungskosten (zum Ehegatten/eingetragenen Partner als Empfänger s Rz 7/17). c) Bezahlung von Schulden volljähriger Kinder (§ 788 3. Fall)
7/21 Ein erbrechtlicher Vorempfang liegt nach der Rsp20 nur vor, wenn den Kindern Leistungen unmittelbar zur Schuldentilgung erbracht werden, nicht aber bei sonstigen Zuwendungen zur Erleichterung der Rückzahlung von Schulden. Ferner muss die Schuld vom Kind selbst nach Erreichung der Volljährigkeit und Geschäftsfähigkeit begründet worden sein. d) Vorschüsse (§ 789)
7/22 Hier handelt es sich um eine vertragliche Zuwendung, bei deren Hingabe die Verrechnung auf dem Erbteil (oder Pflichtteil) ausdrücklich, uU auch schlüssig, vereinbart wird21. 3. Erlass der Anrechnung 7/23 Die im Gesetz vorgesehene Anrechnung auf den Erbteil bei Kindern oder beim Ehegatten/eingetragenen Partner ist nicht zwingend und kann vom Erblasser auch erlassen werden. Eine Einschränkung der Möglichkeit des Anrechnungserlasses könnte sich höchstens aus dem Pflichtteilsrecht ergeben. 7/24 Ähnlich wie die Anrechnungsanordnung erfolgt auch der Erlass entweder einseitig in Form einer letztwilligen Verfügung oder gleichzeitig mit der Vereinbarung über eine Zuwendung, die an sich Vorempfang (§ 788) wäre. Für die nachträgliche Vereinbarung der Anrechnungsfreiheit ist Schenkungsform einzuhalten22. 19 Vgl Eccher, Erbfolge 17; Kralik, ErbR 293 f. 20 ZB OGH SZ 15/196: Erlass einer Darlehensschuld; nur auf den Zweck der Schuldentilgung abstellend Umlauft, Anrechnung 28 f. 21 Vgl OGH SZ 59/146. 22 So auch Umlauft, Anrechnung 49 ff, 57 ff.
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Anrechnung von Vorempfängen
§7
III. Durchführung der Anrechnung 1. Allgemein Die Anrechnung auf den Erbteil verändert nicht die Erbquoten, sondern 7/25 nur deren reales Ausmaß. Praktisch relevant ist daher die Anrechnung vor allem bei der Erbteilung. Beispiel: Hat sich einer von drei jeweils zu einem Drittel berufenen Erben eine Zuwendung anzurechnen, so erhält er letztlich weniger aus dem Nachlass als seine Miterben. Er bleibt jedoch Drittelerbe, was für seine allfällige Haftung für Nachlassverbindlichkeiten Bedeutung haben kann (s Rz 8/12).
2. Anrechnungsberechtigung Da die gesetzliche Anrechnung nach den §§ 788, 789 zugunsten der Kinder 7/26 und des Ehegatten/eingetragenen Partners, die gewillkürte zugunsten der übrigen eingesetzten Erben im Verhältnis ihrer Erbquoten wirkt (s schon Rz 7/16 f), sind die jeweils begünstigten Personen daher auch anrechnungsberechtigt.
Abb. 15. Anrechnung von Vorempfängen
Die Anrechnung wirkt nicht automatisch, sondern muss wenigstens von 7/27 einem der begünstigten Miterben geltend gemacht werden. 3. Anrechnungsmethode Nach überwA23 wird die Anrechnung auf den Erbteil (ebenso auf den 7/28 Pflichtteil; Rz 11/26) – entgegen dem Wortlaut des § 793 – auf folgende Weise vorgenommen: Die Vorempfänge werden zunächst rechnerisch (fiktiv) dem reinen Nachlassvermögen hinzugerechnet, hieraus werden sodann die Werte der Erbteile (entsprechend den Erbquoten) ermittelt und schließlich wird der Vorempfang vom Erbteil des Anrechnungspflichtigen selbst abgezogen. 23 Zurückgehend auf OGH GlU 9872 = JB 114; aA Kralik, ErbR 344 f.
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§7
Miterben
Ist der Vorempfang übermäßig, dh kann er nicht aus dem Nachlass ausgeglichen werden, verringern sich die Erbteile der nicht vorausbedachten Erben. Zu einer Erstattung ist nämlich der Anrechnungspflichtige gem § 793 nicht verpflichtet. S aber zur Anfechtung von Schenkungen beim Pflichtteil Rz 12/5 ff. Der übermäßig bedachte Vorausempfänger erhält also uU aus dem Nachlass nichts mehr. Er wird daher häufig die Erbschaft gar nicht annehmen bzw ausschlagen, sodass sich die Erbquoten der übrigen vergrößern (§ 767). Dies ist zwar für die Nachlassverteilung belanglos, allenfalls aber für die Haftung bedeutsam (s Rz 8/12).
IV. Bewertung der Vorempfänge 7/29 § 794 bestimmt, dass bewegliche Sachen nach dem Zeitpunkt des Erbanfalls und unbewegliche Sachen nach dem Zeitpunkt des Empfanges zu bewerten sind. Für Vorempfänge, die in barem Geld bestehen, enthält das Gesetz überhaupt keine Regelung. Diese aus dem Urbestand des ABGB von 1811 stammende Vorschrift wird heute als verfehlt und unzureichend angesehen. Die Norm geht offenbar davon aus, dass Wertverluste durch ordentlichen Gebrauch nur bei beweglichen Sachen entstehen, und will diese dem Anrechnungspflichtigen nicht anlasten. Abgesehen von dieser heute nicht mehr zutreffenden Differenzierung zwischen beweglichen und unbeweglichen Sachen bleiben viele Fragen außer Betracht: So zB die Behandlung von Wertsteigerungen, die Zuordnung außerordentlicher Wertverluste bzw -steigerungen je nach der Sphäre, in der sie sich ereignen, die Bedeutung des Verlustes oder Untergangs der Sache.
7/30 Nach überw heutiger Ansicht24 werden bewegliche und unbewegliche Sachen gleich bewertet. Die Bewertung erfolgt mit dem Wert zum Zeitpunkt des Erbanfalls, aber nach dem Zustand der Sache zur Zeit des Empfanges. Von der ermittelten Summe wird ein Abzug für durchschnittliche Abnutzung vorgenommen. Wertveränderungen, die auf die Tätigkeit des Empfängers zurückgehen oder ihm zuzuordnen sind, bleiben unberücksichtigt. Bargeld wird nicht nach dem nominell gegebenen Betrag eingesetzt, sondern mit einem Index25 aufgewertet, wird er allerdings zur Anschaffung einer bestimmten Sache gegeben und tatsächlich verwendet, ist der Wert dieser Sache entscheidend. Bei Unternehmen tritt die L für eine einheitliche Bewertung ein26. Siehe auch Fall VIII/109.
24 Vgl die Angaben bei Welser in Rummel3 § 794; Eccher in Schwimann3 § 794; insb Ch. Rabl, NZ 1998, 7; Schauer, NZ 1998, 23; Umlauft, Anrechnung 241 ff; ders, NZ 2008, 33. 25 OGH JBl 1992, 709: Lebenshaltungskostenindex. 26 AA OGH JBl 1975, 208: Bewertung nach den einzelnen Bestandteilen; dies ist jedoch nur bei Nichtfortführung des Unternehmens zutreffend (Rz 1/23).
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§ 8. Haftung der Erben A. Arten der Nachlassverbindlichkeiten I. Erblasserschulden · Erblasserschulden sind Verbindlichkeiten, die der Erblasser rechtsge- 8/1 schäftlich begründet hat (zB Abschluss eines Kaufvertrags) oder die sonst noch zu seinen Lebzeiten entstanden sind (zB Schadenersatzforderungen). Die Begräbniskosten werden häufig noch zu den Erblasserschulden ge- 8/2 zählt, obwohl sie natürlich nicht vom Erblasser selbst begründet wurden1 (sa Rz 8/6). Sie werden gem § 549 dem Gläubiger (Besteller) nur ersetzt, wenn sie nach dem Ortsgebrauch und dem Vermögen des Verstorbenen als angemessen anzusehen sind. Zu ihnen zählt alles, was nach der Sitte mit der Bestattung eines Toten verbunden ist, so zB auch die Errichtung und erste Pflege der Grabstätte oder neu angeschaffte Trauerkleider, die nicht einen weiteren persönlichen Bedarf decken. Bei Dauerschuldverhältnissen gehören nur die sog Altschulden zu den 8/3 Erblasserschulden, während die ab dem Eintritt des Erben in das Schuldverhältnis entstehenden Neuschulden als Erbenschulden anzusehen sind, für die der Erbe stets unbeschränkt wie jeder andere Schuldner haftet (zB Mietzins)2. II. Erbfallsschulden und Erbgangsschulden Erbfallsschulden und Erbgangsschulden werden häufig synonym behan- 8/4 delt. Auch wenn diese beiden Arten von Nachlassverbindlichkeiten immer erst mit dem Tod des Erblassers entstehen können, sind sie jedoch sinnvollerweise auseinander zu halten3. 1 Keine eindeutige Zuordnung in OGH NZ 2000, 181. 2 Dazu ausführlich Fenyves, Erbenhaftung und Dauerschuldverhältnis (1982). 3 So Kralik, ErbR 346 f.
121
§8
Haftung der Erben
· Erbfallsschulden sind erbrechtliche und familienrechtliche Verbindlichkeiten, die durch den Erbfall ausgelöst werden. Dazu zählen die Pflichtteils(ergänzungs)ansprüche einschließlich des Unterhaltsanspruchs des Pflichtteilsberechtigten nach § 795, Vermächtnisansprüche, Auflagen und die vererblichen Unterhaltsansprüche der §§ 142, 166 und 796. · Erbgangsschulden umfassen alle Verbindlichkeiten, die für das Verlassenschaftsverfahren oder den Erbschaftserwerb entstehen und den gesamten Nachlass betreffen (zB Kosten des Inventars, einer Prozessführung des Nachlasses oder Kosten des Gerichtskommissärs).
B. Beschränkte und unbeschränkte Haftung I. Rechtswohltat des Inventars 8/5 Bis zur Einantwortung haftet der Nachlass mit seinem Vermögen für die Nachlassverbindlichkeiten, womit die Haftung auch beschränkt wird (cum viribus; vgl § 821). Kommt es im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens zu keiner Inventarerrichtung, haftet der Erbe nach Einantwortung unbeschränkt (§ 801), andernfalls (Rechtswohltat des Inventars; „beneficium inventarii“) haftet der Erbe nach Einantwortung nur betragsbeschränkt (pro viribus; § 802). Dabei ist jedoch nach der Art der einzelnen Nachlassverbindlichkeiten zu unterscheiden: 8/6 Erblasserschulden werden bis zur Höhe der Nachlassaktiven beglichen, wobei aber Wertveränderungen gegenüber dem Inventar bis zur Einantwortung noch berücksichtigt werden4. Bei Überschuldung erfolgt – unter der Voraussetzung der vorgenommenen Gläubigereinberufung (unten Rz 8/9 f) – Verteilung nach besonderen Verfahren, entweder durch Überlassung an Zahlungs statt oder allenfalls Nachlasskonkurs (s Rz 6/10). Beachte: Für Begräbniskosten (Rz 8/2) haften bei unzureichender Verlassenschaft subsidiär die Unterhaltspflichtigen (zB Ehegatte nach § 77 Abs 2 EheG, eingetragener Partner nach § 23 Abs 3 S 3 EPG, Kinder nach Billigkeitserwägungen5). Weiters ist zu beachten, dass bei der Erbfolge in ein Unternehmen die erbrechtlichen Haftungsregeln durch die besondere Haftungsbestimmung des § 40 UGB überlagert werden. Danach haftet der fortführende Erbe bzw haften die mehreren fortführenden Erben solidarisch für die unternehmensbezogenen Verbindlichkeiten unbegrenzt. Die Haftung tritt nicht ein bei Einstellung des Unternehmens innerhalb von drei Monaten ab Einantwortung sowie unter sinngemäßer Anwendung des § 38 Abs 4 UGB durch Erklärung, die ins Firmenbuch einzutragen und verkehrsüblich bekannt zu machen ist. 4 AA Kralik, ErbR 352 ff. 5 Vgl OGH NZ 2000, 181.
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Beschränkte und unbeschränkte Haftung
§8
Erbgangsschulden sind nach jüngerer Rsp6 nicht vom Haftungsprivileg 8/7 ausgenommen, eine bedingte Erbantrittserklärung wirkt sich danach auch hier haftungsbeschränkend aus. Für Erbfallsschulden ist zu beachten: Der (Nachlass-)Pflichtteil wird 8/8 schon gem § 784 vom „reinen Nachlass“ (Nachlassaktiva vermindert durch Erblasser- und Erbgangsschulden; sa Rz 6/13) berechnet, sodass auch eine unbedingte Erbantrittserklärung zu keiner größeren Haftung führen kann. Der um die Pflichtteile verminderte Wert des Nachlasses ist sodann Haftungsobergrenze für die – allen übrigen Verbindlichkeiten somit nachgereihte7 – Auflagen- und Vermächtniserfüllung (vgl §§ 690 ff; Rz 10/5 ff), wobei dem Erben die Haftungsbeschränkung hier allerdings wiederum nur bei Inventarerrichtung zugute kommt. II. Gläubigereinberufung Die Haftungsbegrenzung führt auch nach Einantwortung bei unzureichen- 8/9 dem Nachlass zur verhältnismäßigen Befriedigung der Gläubiger nach konkursrechtlichen Grundsätzen (§ 815), also zur Befriedigung nach Quoten8. Es sind daher etwa vorab Aussonderungs- und Absonderungsansprüche, sodann die Masseforderungen und erst dann die sonstigen Nachlassverbindlichkeiten, auf die sich die Haftungsbegrenzung auswirkt, zu begleichen. Zur Überlassung an Zahlungs statt und zum Nachlasskonkurs s Rz 6/10. Die Inventarisierung sichert die Haftungsbegrenzung allerdings nur 8/10 dann vollständig ab, wenn die Gläubiger, ausgenommen nach hA Pflichtteilsberechtigte und Vermächtnisnehmer, mit Edikt aufgefordert werden, ihre Forderungen innerhalb einer gesetzten Frist anzumelden (Gläubigereinberufung oder -konvokation; §§ 813 ff). Sie ist bei bedingter Erbantrittserklärung zwingend von Amts wegen vorzunehmen (§ 165 Abs 2 AußStrG9; zum Verlassenschaftsverfahren s Rz 6/16). Verspätete Forderungsanmeldung schadet dinglich gesicherten Gläubigern nicht10, ebenso
6 SZ 71/151 mwH. 7 Vgl OGH ÖBA 2009, 397. 8 Ansprüche darüber hinaus sind im streitigen Verfahren geltend zu machen; vgl OGH SZ 2006/80. 9 Nach Goriany, NZ 2004, 358, nur bei Inventarisierung aus diesem Grund; anders RV 224, 107. 10 ZB OGH ÖBA 2007, 404.
123
§8
Haftung der Erben
wenig Gläubigern, deren Forderungen dem Erben bzw Verlassenschaftskurator bekannt sind11. Bis zum Ende der Ediktalfrist kann der Erbe mit der Befriedigung der (wenn auch schon fälligen) Forderungen zuwarten. Eine Exekutionsführung wird dadurch zwar nicht gehindert, Aufschiebung der Exekution (§ 42 EO Abs 1 Z 6) ist aber möglich12. Befriedigt der Erbe Nachlassforderungen ohne Gläubigereinberufung oder vor Ablauf der Frist für die Forderungsanmeldung, haftet er über die Nachlassaktiven hinaus für die Forderungen der unbekannt gebliebenen Gläubiger, uz soweit, als diese bei deren Bekanntheit erhalten hätten (§ 814)13.
C. Haftung mehrerer Erben 8/11 Mehrere unbedingt erbserklärte Erben haften den Gläubigern gegenüber unbeschränkt, also auch mit ihrem Privatvermögen, und solidarisch. Untereinander steht ihnen der Regress gegen die übrigen im Verhältnis ihrer Erbquoten zu (§ 820). 8/12 Kommt es zu beschränkter Erbenhaftung (Hauptfall bedingte Erbantrittserklärung; s Rz 6/11), haften die mehreren Erben – vorausgesetzt die Forderung ist teilbar14 – nur anteilig. Für unteilbare Forderungen besteht allerdings auch hier Solidarhaftung. Herausgabeansprüche richten sich an denjenigen Miterben, der sich im Besitz der Sache befindet (§ 821 iVm § 802). Die Berechnung der Haftungshöchstgrenze ist umstritten15: Berechnet man sie nach der Erbquote, bedeutet dies uU (etwa bei der Berücksichtigung von Vorempfängen), dass ein Erbe mit seinem Privatvermögen über das hinaus haften kann, was er aus dem Nachlass tatsächlich erhalten hat. Es wird daher auch die Meinung vertreten, dass als Haftungsobergrenze der jeweils aus dem Nachlass erhaltene Wert zu gelten hat. ME ergibt sich aus der Textierung des § 821 noch am ehesten, dass jeder Miterbe nach Einantwortung zwar entsprechend seiner Erbquote haftet, aber maximal bis zur Gesamthöhe des Nachlasses.
11 12 13 14 15
ZB OGH ÖBA 2009, 397. Vgl OGH SZ 2006/80; Koziol/Welser II13 577. Vgl OGH NZ 2009, 299. Vgl OGH ZVR 2006/108 mit Anm Veiter: Beweispflichtig ist der Miterbe. So auch unentschieden OGH ZVR 2006/108 mit Anm Veiter.
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Schutzmittel der Nachlassgläubiger und der Erbengläubiger
§8
D. Schutzmittel der Nachlassgläubiger und der Erbengläubiger I. Schutzmittel der Nachlassgläubiger Befürchtet ein Nachlassgläubiger, dass sich seine Haftungsgrundlage durch 8/13 die Vermengung des Nachlasses mit dem Erbenvermögen oder bloß durch die tatsächliche Verfügungsmacht des Erben verschlechtert, kann er im Verlassenschaftsverfahren (ab Erbfall bis zur Einantwortung) die Absonderung (Separation) des Nachlassvermögens beantragen (§ 812)16. Die Absonderung kann durch Sicherheitsleistung abgewendet oder beendet (s Rz 8/16) werden. Das Gesetz spricht von Erbschaftsgläubigern, Noterben und Legataren, doch sind ohne weiteres sämtliche Nachlassgläubiger (s Rz 8/1 ff) zur Absonderung berechtigt.
Die Gläubiger haben ihre (obligatorischen) Forderungen zu bescheinigen, 8/14 also nicht zu beweisen, und solche konkreten Umstände anzuführen, die ihre subjektive Besorgnis als begründet erscheinen lassen. Der Erbe kann, muss aber hiezu nicht angehört werden. Er kann jedenfalls durch Leistung einer entsprechenden Sicherheit die Absonderung vermeiden. Beispiele17: Ein einkommensloser Erbe entfernt Fahrnisse von der Nachlassliegenschaft. – Es besteht die Möglichkeit des nachteiligen Betriebs eines zum Nachlass gehörigen Unternehmens.
Mit der Bewilligung der Nachlassabsonderung kommt es zu einem – von 8/15 einem Absonderungs-(Separations-)Kurator verwalteten – getrennten Sondervermögen. Das Vermögen ist allenfalls gem § 147 AußStrG sicherzustellen18 und jedenfalls zu inventarisieren (§ 165 Abs 1 Z 3 AußStrG), woraus sich die beschränkte Erbenhaftung, freilich hier cum viribus ergibt. Für das Vermögen selbst gilt der Grundsatz der Surrogation. Die Wirkungen der Separation bleiben auch nach Einantwortung erhal- 8/16 ten. Sie ist solange aufrechtzuerhalten, als die Gläubiger ihre Rechte mit der gebotenen Betriebsamkeit verfolgen und die Separation nicht sinnlos erscheint. Beachte: Die Separation muss trotz Überschuldung (zB Nachlasskonkurs19) nicht zwecklos sein; vgl OGH JBl 1957, 71: Separation dient im Zusammenhang mit der Gläubigereinberufung wenigstens der quotenmäßigen Befriedigung der Gläubiger.
16 Krit zum Rechtsinstitut an sich Bittner in Rechberger, AußStrG § 175 Rz 1. 17 Aus OGH RpflSlgA 7643 und LG Linz RpflSlgA 5683; weitere Fälle zB OGH SZ 61/ 131; SZ 65/113; NZ 2008, 107. 18 Vgl OGH NZ 2009, 339 unter Berufung auf §§ 43 f AußStrG aF. 19 Vgl OGH ecolex 2003/197, 512 mit Anm Hofmann.
125
§8
Haftung der Erben
Die Separation ist aufzuheben, wenn alle Gläubiger befriedigt oder sichergestellt sind. II. Schutzmittel der Erbengläubiger 8/17 An sich können sich die Gläubiger des Erben nicht davor schützen, dass dieser eine Erbschaft unbedingt annimmt und damit uU auch ihre bisherige Haftungsgrundlage verschlechtert. 8/18 § 379 Abs 5 EO (früher § 75 3. TN) eröffnet jedoch die Möglichkeit, bezüglich Nachlassgegenständen schon vor Einantwortung die Erlassung einstweilige Verfügungen (bei Liegenschaften einschließlich grundbücherlicher Eintragung) zu beantragen. Die Forderungen der Erben müssen bescheinigt werden. Im übrigen wird aber Exekutionsführung vor grundbücherlicher Einverleibung, uz auch nach Erlassung des Einantwortungsbeschlusses – trotz der bloß deklarativen Wirkung der darauffolgenden Grundbuchseintragung; s Rz 6/20 – nicht zugelassen. Eine Teileinantwortung ist nach Streichung des § 145 AußStrG aF ebenfalls nicht mehr vorgesehen20 (sa Rz 6/15).
20 Vgl Bittner in Rechberger, AußStrG § 171 Rz 3.
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Zweiter Teil: Vermächtnis § 9. Begriff und Arten A. Begriff I. Rechtserwerb von Todes wegen Das Vermächtnis lässt sich nur ganz allgemein als Rechtserwerb von Todes 9/1 wegen definieren. Unter dem Begriff Vermächtnis ist richtigerweise der Rechtsgrund eines solchen Erwerbes gemeint, wenngleich dessen Gegenstand ebenfalls häufig als Vermächtnis bezeichnet wird (so zB § 535). Es muss sich um keine Nachfolge in eine Rechtsposition des Verstorbenen 9/2 handeln (vgl etwa das Vermächtnis einer dem Erben gehörigen Sache oder das Verschaffungsvermächtnis; s Rz 9/17). Selbst wenn aber Rechte aus dem Nachlass vermacht sind, so liegt – anders als bei der Erbfolge – nicht Gesamtrechtsnachfolge (Universalsukzession) sondern Nachfolge eben in diese bestimmte Rechtsposition, somit Einzelrechtsnachfolge vor (zur Abgrenzung von der Erbeinsetzung s Rz 4/74). II. Entstehung Das Vermächtnis kann – wie bei den erbrechtlichen Berufungsgründen – 9/3 auf, letztwilliger Verfügung oder Gesetz beruhen (insofern zu eng § 647). Am häufigsten wird ein Vermächtnis in letztwilligen Verfügungen angeordnet und zwar entweder neben einer Erbeinsetzung oder auch ohne eine solche (zum Unterschied zwischen Testament und Kodizill s Rz 4/11). Vertraglich kann ein Vermächtnis zwischen Ehegatten/eingetragenen Partnern in einem Erbvertrag oder für sich allein in einem bloßem Vermächtnisvertrag vereinbart werden (s Rz 5/1). Gesetzliche Vermächtnisse sind zwar eher die Ausnahme, doch hat vor allem das Vorausvermächtnis des Ehegatten/eingetragenen Partners große Bedeutung (§ 758; Rz 9/27 ff; vgl 127
§9
Begriff und Arten
auch den Erwerb des halben Mindestanteiles beim Tod des Partners nach § 14 WEG 2002; dazu Rz 9/37 ff). III. Personen 9/4 · Das Vermächtnis führt (mindestens) zu einem dreipersonalen Rechtsverhältnis: Der Erblasser hinterlässt dem Begünstigten (Vermächtnisnehmer) das Recht auf eine Zuwendung oder zumindest irgendeinen Vorteil von Todes wegen. Wie in der Erbfolge kann der Erblasser nur eine natürliche Person und muss – jedenfalls bei gewillkürten Vermächtnissen – testierfähig sein (§ 647). 9/5 · Der Vermächtnisnehmer erwirbt ein Recht auf das Vermächtnis gegenüber dem Nachlass und nach Einantwortung gegenüber dem bzw den Erben oder auch einer anderen Person (§ 649). Beim sog „Damnationsvermächtnis“ erwirbt der Vermächtnisnehmer zunächst einen schuldrechtlichen Anspruch auf Vermächtniserfüllung gegenüber einem Vermächtnisschuldner (§ 684; genauer Rz 9/9), während er beim sog „Vindikationsvermächtnis“ unmittelbar und ohne Erfordernis einer Erfüllungshandlung den Vermächtnisgegenstand selbst erhält. Für den Vermächtnisnehmer gelten die Vorschriften über Erbfähigkeit und Erbwürdigkeit wie für den Erben. 9/6 Mit einem Vermächtnis kann auch ein Miterbe begünstigt werden (§ 649). Ein echtes Vorausvermächtnis (Prälegat) liegt hierbei vor, wenn es zum Erbteil hinzutritt, also vorweg zuzuteilen ist (sa Rz 7/6). Der Begünstigte erwirbt insoweit die Rechtsstellung eines Vermächtnisnehmers, kann also beispielsweise die Erbschaft ausschlagen und das Vermächtnis behalten. Es ist also durchaus auch ein Vermächtnis zugunsten eines jeden Miterben oder sogar ein Vermächtnis zugunsten des Alleinerben1 denkbar und mit besonderen Rechtsfolgen verknüpft.
9/7 Denkbar ist aber auch ein Vermächtnis, das zur Gänze auf den Erbteil des Begünstigten anzurechnen ist (unechtes Vorausvermächtnis; Hineinvermächtnis). Nach hA ist es kein echtes Vermächtnis, sondern bloße Teilungsanordnung (s Rz 7/6). Der Begünstigte bleibt Erbe (s Rz 7/6). 9/8 Ob im Zweifel echtes oder unechtes Vorausvermächtnis anzunehmen ist, bleibt umstritten2. ME spricht der Wortlaut des § 649 eher dafür, dass im Zweifel echtes Vorausvermächtnis vorliegt. 1 Zuletzt OGH SZ 70/102. 2 Vgl etwa die Angaben bei Eccher in Schwimann3 § 648 Rz 3.
128
Begriff
§9
Beispiel3: Den beiden Miterben, die mit einer fideikommissarischen Substitution belastet waren, wurden zusätzlich Liegenschaftsanteile „vermacht“. Der OGH erblickte darin ein echtes Vermächtnis und nicht bloß eine Teilungsanordnung, sodass die Liegenschaftsanteile nicht zum Substitutionsgut gehörten. Maßgeblich war, dass nach Ansicht des OGH eine bloße Teilungsanordnung nicht zu vermuten ist, ferner die Verwendung des Wortes „Vorausvermächtnis“ im Testament und der Umstand, dass sämtliche Miterben begünstigt waren.
· Der mit dem Vermächtnis Belastete ist zunächst bis zur Einantwortung 9/9 der Nachlass, danach sind es im Zweifel der Erbe oder die Miterben entsprechend ihren Erbquoten, wenn der Erblasser nichts anderes verfügt hat (§ 649). Beachte: Bei Damnationslegaten ist die mit dem Vermächtnis belastete Person nicht unbedingt mit dem Vermächtnisschuldner, der im Außenverhältnis die Erfüllung des Vermächtnisses schuldet (Passivlegitimation), identisch. Beispiel: Wird die einem Miterben gehörende Sache vermacht, ist dieser Vermächtnisschuldner, die Vermächtnislast trifft aber im Zweifel alle Erben (§ 649)4.
Mit einem Vermächtnis kann der Erblasser aber auch einen bestimmten Er- 9/10 ben oder sogar einen Vermächtnisnehmer belasten. Im letzten Fall entsteht ein sog Untervermächtnis (auch Sublegat) nach §§ 649 f. Beachte: Der Hauptvermächtnisnehmer kann sich nur durch Nichtannahme des Legats von der Last befreien. Er hat also nicht das Recht (facultas alternativa), dem Untervermächtnisnehmer das Hauptvermächtnis anstelle des Untervermächtnisses zu überlassen. Dieses Recht steht nur jenen Person zu, denen das Vermächtnis anstelle des Hauptvermächtnisnehmers zufällt (Ersatzvermächtnisnehmer oder Erben); vgl § 650 S 2.
Auch für die Gültigkeit des Untervermächtnisses gilt wie für das Vermächtnis (s Rz 9/17) die Bestimmung des § 662 (Rz 9/17), sodass insb auch Sachen des Hauptvermächtnisnehmers ohne besondere Verschaffungsanordnung gültig vermacht werden können. IV. Gegenstand des Vermächtnisses 1. Allgemein Der zulässige Gegenstand eines Vermächtnisses wird von der hA nicht nur 9/11 von der Verkehrsfähigkeit einer Sache aus beurteilt (vgl § 653), sondern allgemein von der Frage, ob die vermachte Sache oder das vermachte Recht Gegenstand einer Schuldforderung sein kann. Dies passt zwar streng genommen nur für das Damnationsvermächtnis, kann aber als Kriterium auch für das Vindikationsvermächtnis verwendet werden (vgl Rz 9/5). So 3 Aus OGH JBl 1953, 236. 4 Vgl hiezu va Kralik, ErbR 210 ff.
129
§9
Begriff und Arten
können insbesondere bewegliche und unbewegliche, vertretbare und unvertretbare, körperliche und unkörperliche Sachen (Rechte; zum Aufgriffsrecht Rz 7/6) Gegenstand eines Vermächtnisses sein (§§ 656 ff). Das Gesetz enthält hiezu eine Reihe allgemeiner und besonderer Auslegungsregeln (sa Rz 4/35). Sie sollen dem vermutlichen Erblasserwillen zum Durchbruch verhelfen, zB bei der Auslegung der Begriffe „Unterhalt“ (§ 672 f) oder „Behältnis“ (§§ 675 ff). Zum Teil sind diese Vorschriften nicht mehr aktuell, so etwa „Putz“ in § 678 oder „Equipage“ in § 679 usw.
9/12 Ist der Vermächtnisnehmer persönlich nicht zum Erwerb des ihm zugedachten Legates fähig, ist ihm grundsätzlich der Wert des Vermächtnisses auszubezahlen (§ 654). Beispiele können sich etwa aus grundverkehrsrechtlichen Beschränkungen des Erwerbs von Liegenschaften oder Liegenschaftsanteilen, auch in Verbindung mit Wohnungseigentum, ergeben. 2. Gattungsvermächtnis 9/13 Das Vermächtnis von vertretbaren Sachen ist – wenn nicht ein anderer Wille des Erblassers vorliegt – Gattungsvermächtnis. Dabei ist zu unterscheiden: Beim echten (reinen) Gattungsvermächtnis hat der Vermächtnisschuldner jedenfalls zu leisten, dh dem Begünstigten ist das Vermächtnis auch dann zu verschaffen, wenn sich die vermachten Sachen nicht oder nur teilweise im Nachlass befinden (Verschaffungspflicht). Das Geldvermächtnis gilt im Zweifel (vgl dazu Fall VIII/104) immer als echtes Gattungsvermächtnis (§ 658 lS; zum Vermächtnis des Pflichtteils Rz 11/30). Beim unechten Gattungsvermächtnis sind hingegen nur Sachen aus dem Nachlass zu leisten. Ob echtes oder unechtes Gattungsvermächtnis vorliegt, hängt zunächst von der Anordnung selbst ab. Im Zweifel liegt echtes Gattungsvermächtnis vor, wenn sich solche Sachen überhaupt nicht im Nachlass befinden, unechtes, wenn derartige Sachen in ausreichendem Maß im Nachlass vorhanden sind. Der Fall fehlender Anordnung und nur teilweisen Vorhandenseins im Nachlass ist nicht ausdrücklich geregelt und daher durch Auslegung zu lösen. 9/14 Das Wahlrecht beim Gattungsvermächtnis steht im Zweifel dem Erben zu, der aber für den Legatar brauchbare Sachen zu wählen hat. Überlässt der Erblasser das Wahlrecht dem Vermächtnisnehmer, kann dieser auch die besten Stücke wählen. Das Wahlrecht kann auch einem Dritten überlassen werden (Näheres § 659). 9/15 Bei mehrfacher Anordnung von Vermächtnissen einer bestimmten Gattung ist – nach Maßgabe der obigen Regeln – grundsätzlich auch mehrfach zu leisten (§ 660 S 2). 130
Begriff
§9
Beispiel: Der Erblasser vermacht seinem Neffen in jedem seiner beiden Kodizille einen Geldbetrag von € 1.000. Der Neffe erhält insgesamt € 2.000.
3. Vermächtnis einer bestimmten Sache Das Vermächtnis einer bestimmten Sache (Stück- oder Speziesvermächt- 9/16 nis) liegt vor, wenn der Erblasser eine individuell bestimmte Sache, das ist idR eine unvertretbare Sache, vermacht (zB Liegenschaft, gebrauchtes Fahrzeug oder Forderung). Das Vermächtnis einer fremden (bestimmten) Sache ist – zum Unterschied 9/17 vom Gattungsvermächtnis (oben Rz 9/13 ff) – im Zweifel unwirksam. Eine Verschaffungspflicht müsste hier ausdrücklich, dh deutlich angeordnet werden (§ 662 S 4; Verschaffungsvermächtnis). Ausreichend deutlich kann es etwa sein, wenn dem Erblasser die Rechtsverhältnisse bekannt waren5. Kann der Vermächtnisschuldner sich die Sache um den Schätzungspreis (Verkehrswert) nicht verschaffen, kann er diesen Betrag zahlen (gesetzliche Konversion). Beachte: Eine fremde Sache liegt nicht schon dann vor, wenn sie sich nicht im Vermögen des Erblassers befindet, sondern erst dann, wenn sie sich auch nicht im Vermögen des Vermächtnisschuldners (Erbe oder Legatar; s Rz 9/9, 10) befindet (§ 662 S 1). Für die Zugehörigkeit einer Sache zum Vermögen des Erblassers oder Vermächtnisschuldners kommt es sowohl auf den Zeitpunkt der Verfügung, als auch jenen des Erbfalls an. Erwirbt so der Erblasser (Vermächtnisschuldner) erst nach der Verfügung die vermachte Sache (zB Kauf der vermachten Wohnung), ist das Vermächtnis nach hL wirksam. Befindet sich die vermachte Sache beim Erbfall nicht mehr im Vermögen des Erblassers, kommen die Widerrufsvermutungen der §§ 724 f in Betracht (s Rz 9/22). Fremd ist ein Vermächtnisgegenstand aber auch dann, wenn dessen Erfüllung der Mitwirkung eines Dritten bedarf, zB die Schaffung von Wohnungseigentum6.
Das Vermächtnis einer idS fremden Sache ist mE auch dann ohne ausdrückliche Verschaffungspflicht gültig, wenn für seine Leistung eine gegenüber § 685 (Rz 10/12) andere Fälligkeit festgesetzt oder sogar nur ein Testiergebot hinsichtlich des Vermächtnisgegenstandes ausgesprochen wird. Die Testierfreiheit ist durch die Möglichkeit der Nichtannahme der Erbschaft bzw im Falle eines Sublegats (vgl Rz 9/10) durch die Ausschlagung des Hauptlegats gewahrt7. Siehe dazu Fall VIII/105.
5 OGH NZ 1999, 149. 6 Vgl OGH NZ 1999, 149. 7 So auch Apathy in KBB3 § 662 Rz 1; Krejci, Der Klimt-Streit (2005) 110 ff; vgl auch OGH SZ 70/102 = NZ 1998, 146 mit Anm B. Jud (= Fall VIII/102); OGH NZ 1999, 91 = NZ 1999, 61 mit Anm Kletecˇ ka; aA insb Welser, NZ 1994, 197; Welser/Rabl, Der Fall Klimt (2005) 48 ff; Ch. Rabl, NZ 2005, 261.
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§9
Begriff und Arten
9/18 Ist der Vermächtnisgegenstand nur teilweise fremd oder besteht nur ein dingliches oder obligatorisches Recht daran, tritt Reduktion des Vermächtnisses ein (§ 662 S 2). Beispiel: Der Erblasser vermacht jemandem ein nicht in seinem Eigentum stehendes, jedoch von ihm gemietetes Haus. Das Vermächtnis ist hinsichtlich des Mietrechtes wirksam (Ergebnis allenfalls auch durch Auslegung erzielbar; s Rz 4/34 ff).
9/19 Werden dem Vermächtnisnehmer wahlweise zwei oder mehrere Sachen zugewendet (Wahlvermächtnis), entsteht ein Wahlrecht, dessen Ausübung wie beim Gattungsvermächtnis (vgl oben Rz 9/13 ff) geregelt ist. Es können auch Spezies- und Gattungssachen zur Wahl stehen. Beispiel8: Möbel oder ca. € 3.500.
4. Forderungen als Vermächtnisgegenstand 9/20 Forderungen können in verschiedener Weise den Gegenstand eines Vermächtnisses bilden: Vermacht der Erblasser eine ihm gegen einen Dritten zustehende Forderung, erwirbt der Vermächtnisnehmer einen Anspruch auf Abtretung9 der Forderung durch den Vermächtnisschuldner (Forderungsvermächtnis, § 664; sa Fall VIII/104). Steht dem Erblasser die Forderung gegen den Legatar selbst zu, bedeutet das Vermächtnis Befreiung des Legatars von der Schuld (Befreiungsvermächtnis; § 663). 9/21 Ist der Erblasser Schuldner des Legatars, zB weil er diesem noch einen Kaufpreis schuldet (Schuldvermächtnis), so entsteht die Frage, ob die Leistung (Kaufpreis) nur einmal oder zweimal zu leisten ist. Das Gesetz entscheidet für einmalige Leistungspflicht (§ 665), wobei aber nach hA nicht eine gesetzliche Schuldänderung, sondern ein neuer Rechtsgrund entsteht, auf den sich der Begünstigte wahlweise berufen kann. Dies kann wegen der allfälligen für die Schuldforderung bestehenden Nebenbestimmungen (Befristungen oder Bedingungen) einen Unterschied bedeuten.
8 Aus OGH NZ 1969, 10. 9 Vgl OGH NZ 2002, 206.
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Arten
§9
B. Arten I. Gewillkürte Vermächtnisse 1. Allgemein Bei letztwilliger Vermächtnisanordnung sind viele Vorschriften der letzt- 9/22 willigen Erbeinsetzung, beim vertraglichen Vermächtnis viele Vorschriften des Erbvertrags anzuwenden. Danach sind etwa die allfällige (Erb)unwürdigkeit10, Möglichkeit und Erlaubtheit ihres Inhalts und die Wirkungen von Bedingungen, Befristungen und Auflagen, Formfragen (dazu Fall VIII/104), die Möglichkeit des Widerrufs oder Auslegungsfragen zu beurteilen. § 724 enthält für Vermächtnisse bestimmter Sachen besondere – widerlegliche – Widerrufsvermutungen, nämlich die freiwillige (vgl § 725!) Veräußerung oder Umwandlung der Sache. 2. Vermächtnisnehmer Der Vermächtnisnehmer ist nach denselben Bestimmtheitsanforderungen 9/23 wie der Erbe (Rz 4/32) zu bestimmen. Beachte: Beim sog Verteilungsvermächtnis des § 651 zugunsten von Verwandten, Dienstpersonen oder Armen (vgl § 564) sind die Bestimmtheitserfordernisse herabgesetzt. Das nicht näher bestimmten Armen zugedachte Vermächtnis ist übrigens nach dem – durch das 1. BRBG allerdings aufgehobene – HfD vom 3.6.1848, JGS 964, dem Lokalarmenfonds (heute Bezirksverwaltungsbehörde) zuzuweisen.
3. Mitvermächtnisnehmer Ein Vermächtnis kann zugunsten mehrerer Personen, zu gleichen oder ver- 9/24 schiedenen Anteilen (Quoten) angeordnet werden. Für die Bestimmung der Anteile und die Möglichkeit der Anwachsung bei Ausfall eines Begünstigten gelten die Bestimmungen der §§ 554 ff einerseits (Rz 4/75) und der §§ 560 ff andererseits (Rz 4/76 ff) sinngemäß. Mehrere Mitvermächtnisnehmer bilden zunächst – natürlich nur beim Damnationsvermächtnis (Rz 9/5) – eine Gemeinschaft (§§ 825 ff) bezüglich des Vermächtnisanspruchs und ab Erfüllung des Vermächtnisses eine Gemeinschaft hinsichtlich des Vermächtnisgegenstandes, solange es nicht zur Teilung (§ 830) kommt.
10 OGH SZ 2007/48.
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§9
Begriff und Arten
4. Substitutionen 9/25 Wie bei Erbeinsetzung kann der Erblasser Ersatzvermächtnisnehmer oder Nachvermächtnisnehmer einsetzen. Dabei gelten grundsätzlich die Bestimmungen der §§ 604 ff und 608 ff (§ 652), sowie die Bestimmungen der §§ 707 f, aus denen sich die Möglichkeit sog konstruktiver Vor- und Nachvermächtnisse (vgl Rz 4/110) ergeben. Beispiel11: Schlägt der Vorlegatar das Vermächtnis aus, gilt der Nachlegatar iS des § 608 auch als Ersatzlegatar. Vgl dazu Fall VIII/105. Es sind jedoch auch Unterschiede zu beachten: · Das Erlöschen des Ersatzvermächtnisses setzt – wegen des Fehlens des Annahmeerfordernisses im Vermächtnisrecht (Rz 10/3) – nur den Anfall des Rechts an den Hauptvermächtnisnehmer voraus. · Daher erwirbt der Nachvermächtnisnehmer mit Eintritt des Nachvermächtnisfalles auch ohne Erfordernis einer Annahmehandlung den Anspruch auf Erfüllung des Vermächtnisses bzw den Vermächtnisgegenstand. · Beim Nachvermächtnis einer bestimmten Sache ist das Surrogationsprinzip (vgl Rz 4/ 113) eingeschränkt. · Soweit der Gegenstand des Nachvermächtnisses in der letztwilligen Verfügung ausreichend bestimmt ist, ist eine Schätzung und Inventarisierung analog § 165 Abs 1 Z 4 AußStrG nicht erforderlich (anders allenfalls bei der Vermachung eines Unternehmens usw).
9/26 Eine sog uneigentliche Substitution liegt vor, wenn dem Erben nur hinsichtlich bestimmter Vermögensteile ein Nach- oder Ersatzvermächtnis bestimmt wird. In diesem Fall hat der Erbe gegenüber dem Nachlegatar die Stellung eines Vorlegatars. Beispiele: Die im Nachlass befindliche Bauerntruhe soll nach dem Tod des Erben dem X gehören. – Die im Nachlass befindlichen Liegenschaften sollen der „Nachkommenschaft“, uz zu gleichen Teilen nach Kinderstämmen, gehören12. – Die dem Erben gehörigen Bilder soll der Nachlegatar erhalten (vgl Klimt-Streit).
II. Vorausvermächtnis des Ehegatten/eingetragenen Partners 1. Gesetzliches Vermächtnis 9/27 Gem § 758 gebührt dem Ehegatten/eingetragenen Partner, sofern er nicht rechtmäßig enterbt worden ist, als gesetzliches Vorausvermächtnis (kurz Voraus) das Recht, in der Ehewohnung weiter zu wohnen (Wohnrecht; s Rz 9/33 ff) und das Eigentumsrecht an den beweglichen Sachen des ehelichen Haushalts, soweit sie zur Fortführung des Haushalts (Rz 9/36) nach den bisherigen Lebensverhältnissen erforderlich sind. 11 Aus OGH SZ 70/102 = Fall VIII/105. 12 Aus OGH SZ 70/41.
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Arten
§9
Mit der Bezeichnung des Rechts des Ehegatten/eingetragenen Partners als Vermächtnis will der Gesetzgeber auf die Vorschriften des Vermächtnisrechtes verweisen13. Davon bleiben jedoch sicherlich jene ausgenommen, die sich auf die gewillkürte Anordnung eines Vermächtnisses beziehen. – Der Voraus hat zudem Pflichtteilscharakter, dh der Wert des Wohnrechts (zur Schätzung unten 9/28) ist beim Pflichtteil des überlebenden Ehegatten/eingetragenen Partners zu berücksichtigen. Insoweit findet dadurch eine Pflichtteilsdeckung statt (s Rz 9/28, 11/32). – Der Unterhaltscharakter des Voraus kommt insb dadurch zum Ausdruck, dass das existenziell wichtige Wohnrecht dem Ehegatten/eingetragenen Partner nur zusteht, wenn es ihm nicht schon aus einem anderen Rechtsgrund gesichert ist. Zu dieser Subsidiarität s Rz 9/33. 2. Verhältnis zu anderen erbrechtlichen Berechtigungen Der Voraus ist (im Zweifel) echtes Vorausvermächtnis (s Rz 9/6 ff), tritt 9/28 also zum Erbrecht des Ehegatten/eingetragenen Partners hinzu14. In den Pflichtteil ist der Voraus hingegen einzurechnen (§ 789; sa Rz 9/27). Dabei ist das Wohnrecht nach der vermutlichen Lebensdauer unter Anwendung versicherungsmathematischer Grundsätze zu schätzen, sofern der Ehegatte/eingetragene Partner nicht schon vor dem in § 786 S 2 (Rz 12/4) genannten Zeitpunkt verstorben sein sollte15. Zur Erfüllung nicht oder nicht vollständig abgedeckter Pflichtteilsansprüche muss der Ehegatte/eingetragene Partner mit dem Voraus nicht beitragen (§ 783). Die Vorschrift wirft die Frage auf, ob der Ehegatte /eingetragene Partner überhaupt nicht beitragen muss (allgemein zur Beitragspflicht s Rz 10/9) oder bloß nicht verhältnismäßig mit anderen Vermächtnisnehmern. Zankl16 will das Problem so lösen, dass zwar der Ehegatte/ eingetragene Partner den Voraus gegenständlich ungeschmälert behalten kann, dafür aber dem Pflichtteilsberechtigten im verbleibenden Restausmaß eine Abfindung zu leisten hat.
Gegenüber Erblasser- und Erbgangsschulden geht der Voraus – wie an- 9/29 dere Vermächtnisse – nach, sodass sich der Ehegatte/eingetragene Partner bei beschränkter Erbenhaftung uU eine Kürzung gem §§ 690 ff gefallen lassen muss17. Anderen Vermächtnissen gegenüber genießt der Ehegatte/
13 Zankl, Vorausvermächtnis, insb 112, spricht nur von einem gesetzlichen Einzelrechtserwerb von Todes wegen, der fiktiv als Vermächtnis angesehen wird und gewisse Berührungspunkte mit dem Unterhalts- und Pflichtteilsrecht aufweist. 14 AA noch Eccher, WoBl 1991, 5; richtig Zankl, Vorausvermächtnis 134 ff. 15 Vgl OGH NZ 1999, 378. 16 Vorausvermächtnis 125 ff. 17 Allenfalls auch hier Lösung über Abfindungsmöglichkeit.
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Begriff und Arten
eingetragene Partner mit dem Voraus jedoch mE Vorrang, weil dem Voraus Unterhaltscharakter im Sinne des § 691 zuzubilligen ist (vgl Rz 10/6)18. 3. Anspruch und Erfüllung 9/30 Der Voraus des überlebenden Ehegatten/eingetragenen Partners belastet jene Personen, die mit einem Vermächtnis belastet sind, also zunächst den Nachlass, dann den oder die Erben (s Rz 9/9). Es gilt auch § 662 hinsichtlich der Gültigkeit von nicht-fremden Vermächtnisgegenständen (s Rz 9/ 17). · ·
·
Beispiele: Ein Dritter erhält als Hauptvermächtnisnehmer die Liegenschaft mit der Ehewohnung. Er hat das Wohnrecht zu dulden. Gehört die Liegenschaft bereits dem Dritten, ist der Vermächtnisgegenstand als fremd anzusehen und eine Verschaffungspflicht wie beim Speziesvermächtnis nicht gegeben (s Rz 9/17). Durch Zuwendung einer anderen Sache an den Eigentümer entsteht jedoch das Sublegat des Wohnrechts (s Rz 9/10). War der Erblasser Miteigentümer einer Liegenschaft, auf der sich die Ehewohnung aufgrund eines Benutzungsvereinbarung befand, kann die Witwe der Teilungsklage der Miteigentümer das Vorausvermächtnis wegen Unzeit entgegenhalten (OGH SZ 2004/179 = NZ 2005, 199 mit Anm Mondel; anders noch SZ 70/122).
9/31 Das Wohnrecht des § 758 ist mE als Vindikationslegat zu verstehen, dh es muss nicht erfüllt werden, sondern steht dem Ehegatten/eingetragenen Partner unmittelbar mit dem Tod des anderen ohne weitere Erfüllungshandlung zu19. Dies deshalb, weil nach der Absicht des Gesetzgebers dem Ehegatten/eingetragenen Partner die gewohnte Umgebung ohne Unterbrechung und ohne Erfordernis weiterer rechtlicher Schritte erhalten bleiben soll (arg § 758 „. . . weiter zu wohnen . . .“). Es hat familienrechtlichen Charakter. Es ist allerdings den Betroffenen unbenommen, dieses Wohnrecht einverständlich rechtlich neu zu gestalten, zB ein dingliches Wohnrecht zu begründen oder einen Mietvertrag abzuschließen.
Die beweglichen Haushaltsgegenstände (s Rz 9/36 ff) folgen zwar dem allgemeinen Grundsatz des Damnationslegats (s Rz 9/5), doch ist eine Übergabe wegen des regelmäßig bereits gegebenen Mitbesitzes des Ehegatten/eingetragenen Partners nicht erforderlich.
18 AA Zankl, Vorausvermächtnis 145. 19 AA Koziol/Welser II13 472 f; vgl auch OGH EvBl 2005/31: Frage offen lassend, aber jedenfalls sofortige Fälligkeit nach § 685.
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Arten
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4. Verzicht Zu Lebzeiten des Erblassers kann auf das Vorausvermächtnis aufgrund sei- 9/32 nes Pflichtteilscharakters nur in den Formen des § 551 verzichtet werden. Nach Erbfall ist Ausschlagung möglich (Fristsetzung nach § 14 Abs 1 Z 2 WEG 2002 analog). Ausschlagung des – das Wohnrecht abdeckenden – Erbrechts oder Vermächtnisses unter Vorbehalt des gesetzlichen Wohnrechts ist nach dem Grundsatz des § 774 zu verneinen. Der berechtigte Ehegatte/eingetragene Partner kann aber – wie in § 774 vorgesehen – die Befreiung der mit der Pflichtteilsdeckung verbundenen Lasten verlangen (vgl Rz 12/18 ff)20. – Aus § 774 ergibt sich weiters, dass Ausschlagung des Voraus überhaupt unter Vorbehalt des Geldpflichtteils grundsätzlich unzulässig wäre21. Ausnahmebeispiel22: Das Wohnrecht ist wegen der permanenten Pflegebedürftigkeit des überlebenden Ehegatten nicht mehr als für die Pflichtteilsdeckung geeignet (vgl Rz 11/ 31) anzusehen. Dem Ehegatten steht daher ausnahmsweise ein Geldpflichtteilsanspruch zu.
5. Wohnrecht Das Wohnrecht des § 758 hat Lücken füllenden, also subsidiären Charak- 9/33 ter. Das Recht besteht nicht, wenn der überlebende Ehegatte/eingetragene Partner die Wohnung aus eigenem Recht (zB Alleineigentum, Wohnungseigentum, dingliches Wohnrecht, Mietrecht) besitzt oder eine derartige Berechtigung mit dem Tod des bisher berechtigten Ehegatten/eingetragenen Partners erwirbt, zB durch Erbrecht, Vermächtnis, Ausgedinge im Höferecht, Schenkung auf den Todesfall, Anwachsung nach § 14 WEG 2002, Eintrittsrecht in das Mietverhältnis nach § 14 MRG oder § 20 WGG. Wegen des Unterhaltscharakters (s Rz 9/27) steht es nur bis zur allfälligen Wiederverheiratung zu23. Das Wohnrecht knüpft an die Ehewohnung bzw die partnerschaftliche 9/34 Wohnung an (vgl zum Begriff auch § 81 Abs 2 EheG bzw § 25 Abs 2 EPG). Diese muss grundsätzlich im Todeszeitpunkt tatsächlich gemeinsam benützt worden sein24. Der Umfang richtet sich nach den tatsächlichen Verhältnissen und soll dem persönlichen Wohnbedürfnis wie bei aufrechter Ehe dienen, wobei bei mehreren Wohnungen allerdings nur die Hauptwohnung berücksichtigt wird25. Das bisherige familienrechtliche Wohn20 21 22 23 24
Vgl Zankl, Vorausvermächtnis 165. Vgl Eccher in Schwimann3 § 758 Rz 9. Aus OGH SZ 70/47 = Fall VIII/106. Eccher in Schwimann3 § 758 Rz 14. Vgl OGH SZ 2004/5: Gemeinsame Benützung noch als Lebensgefährten und Eheschließung im Krankenhaus vor dem Tod des Partners reicht aus; OGH JBl 2007, 719: unfreiwilliger Auszug des Überlebenden wegen des Verhaltens desErblassers schadet nicht. 25 OGH NZ 1996, 304 mit Anm Zankl.
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§9
Begriff und Arten
recht des nicht selbst an der Wohnung berechtigten Ehegatten/eingetragenen Partners setzt sich somit fort. Der überlebende Ehegatte/eingetragene Partner hat daher auch einen Anspruch nach § 97 bzw § 9 EPG analog gegenüber dem mit dem Vermächtnis Belasteten. 9/35 Aus dem Vermächtnisrecht folgt auch die Unentgeltlichkeit des Wohnrechts. Der Ehegatte/eingetragene Partner hat entsprechend § 661 S 2 lediglich die mit dem Wohnrecht selbst verknüpften Lasten zu tragen (zB Betriebskosten). 6. Bewegliche Haushaltsgegenstände 9/36 Bei der Beurteilung, welche beweglichen Sachen (und allenfalls Rechte) zum Voraus zählen, ist vor allem auf die tatsächliche Haushaltsführung zum Zeitpunkt des Todes des Ehegatten/eingetragenen Partners abzustellen. Ob eine Sache zur „Fortführung des Haushalts entsprechend den bisherigen Lebensverhältnissen erforderlich“ ist, hängt von den bisherigen Lebensverhältnissen ab. Die Sache muss irgendwie Haushaltszwecken gedient und der Ehegatte/eingetragene Partner irgendeinen, wenn auch nur mittelbaren, Bezug zu dieser Sache gehabt haben. Beispiele: Zum Voraus zählen normalerweise Bilder, Teppiche, Möbel, Geschirr, Rundfunk- und Fernsehgeräte; nicht aber Bargeld, Gegenstände des ganz persönlichen oder zur Berufsausübung benötigten Bedarfs. Ganz von den Umständen des Einzelfalles hängt die Zugehörigkeit von Fahrzeugen ab.
III. Erwerb des halben Mindestanteils des WE-Partners 9/37 § 14 WEG 2002 (idF WRN BGBl I 2006/124; in Kraft seit 1.10.2006) begünstigt in Fortführung der Grundgedanken des früheren gemeinsamen Ehegatten-WE nach § 10 WEG 1975 den Erwerb des halben Mindestanteils des verstorbenen Partners26. Der Erwerb vollzieht sich – mit den im Folgenden angeführten ergänzenden Regelungen und Ausnahmen (Rz 9/ 38 ff) – ex-lege im Weg einer spezifischen wohnrechtlichen Anwachsung, also nicht mehr eines gesetzlichen Vindikationsvermächtnisses (s Rz 9/5)27. Enterbung oder Erbverzicht verhindert somit den Erwerb nicht28. – Ein sonstiger Erwerb von Todes wegen (zB Erbeinsetzung, Vermächtnis) ist ausdrücklich ausgeschlossen (§ 14 Abs 1 S 1 WEG 2002).
26 Dazu etwa Apathy in KBB3 § 758 Rz 8; Spitzer, ecolex 2006, 818; Kolmasch, Das Wohnugseigentumsgesetz2 (2006) zu § 14 WEG. 27 Vgl EBzRV 989 BlgNR 21. GP 48. 28 Vgl Kletecˇ ka, NZ 2004, 225.
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Arten
§9
Der angewachsene Anteil des verstorbenen Partners fällt nicht in den 9/38 Nachlass, sondern an seiner Stelle der vom Überlebenden zu zahlende Übernahmspreis (grundsätzlich die Hälfte des Verkehrswertes des Mindestanteils; § 14 Abs 2 WEG 2002). Begünstigungen bestehen, wenn der überlebende Partner ein Pflichtteilsberechtigter ist (zB Ehegatte/eingetragener Partner oder Kind) und die Wohnung seinem dringenden Wohnbedürfnis dient und mindestens noch ein anderer Pflichtteilsberechtigter vorhanden ist oder der Nachlass überschuldet ist (Zahlungspflicht nur im Ausmaß eines Viertels des Verkehrswertes mit Stundungsmöglichkeiten; § 14 Abs 3 WEG 2002). Die Zahlungspflicht kann auch letztwillig oder durch Schenkung auf den Todesfall erlassen werden (§ 14 Abs 4 WEG 2002). Keine Anwachsung tritt im Fall eines Verzichtes des überlebenden Part- 9/39 ners im Verlassenschaftsverfahren ein (vgl § 14 Abs 1 Z 2, 3 und 4 WEG 2002). Die Partner können aber auch vor einem Notar oder unter anwaltlicher Vertretung eine schriftliche Vereinbarung treffen, wonach der Anteil des Verstorbenen einer anderen natürlichen Person zukommen soll (§ 14 Abs 5 WEG 2002). Die Regelungen über die Pflicht zur Zahlung eines Übernahmspreises (s Rz 9/38) gelten in diesem Fall entsprechend. Der Begünstigte erwirbt durch die Vereinbarung nur einen Anspruch auf Übereignung, der vom Überleben des Begünstigten abhängt und im Verlassenschaftsverfahren bei sonstigem Verlust fristgerecht geltend zu machen ist. Bei dringendem Wohnbedürfnis steht dem Begünstigten allerdings im Fall eines Nachlasskonkurses ein Aussonderungsanspruch gem § 44 IO zu (§ 14 Abs 5 WEG 2002). Unter bestimmten Voraussetzungen werden die Begünstigungen für einen 9/40 pflichtteilsberechtigten überlebenden Partner mit dringendem Wohnbedürfnis auf einen gemeinsam benützten und im gemeinsamen Wohnungseigentum gestandenen Kfz-Abstellplatz ausgedehnt (§ 14 Abs 6 WEG 2002).
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§ 10. Vermächtniserwerb A. Vermächtnisanspruch I. Anfall 10/1 Mit dem Tod des Erblassers fällt dem Vermächtnisnehmer der obligatorische Vermächtnisanspruch an (Entstehung des Anspruchs; zur Fälligkeit Rz 10/12). Dies gilt natürlich nur für das Damnationsvermächnis (Rz 9/5), weil beim Vindikationsvermächtnis der Begünstigte den Vermächtnisgegenstand selbst mit dem Tod des Erblassers erwirbt.
10/2 Ein späterer Anfallstag ergibt sich bei aufschiebender Bedingung (vgl §§ 699, 703). Bei aufschiebender Befristung entsteht der Vermächtnisanspruch gem § 705 hingegen sofort. Bei wiederkehrenden Vermächtnissen (zB Rentenvermächtnis) muss der Begünstigte den Beginn des jeweiligen Zeitraums erleben, dies wird also als Bedingung verstanden (§ 687). 10/3 Annahme wie beim Erbrecht (s Rz 6/11) ist nicht erforderlich. (Einseitige) Ausschlagung, bei teilbaren Vermächtnissen auch Teilausschlagung, ist möglich (vgl § 689). Nach Ausschlagung fällt das Vermächtnis auf einen allfälligen Ersatzvermächtnisnehmer (vgl auch Rz 9/25) oder verbleibt sonst beim Vermächtnisschuldner. Siehe dazu auch Fall VIII/105. Beachte: Von der den Anfall des Vermächtnisanspruchs ex-tunc beseitigenden Ausschlagung ist der exnunc wirkende Verzicht (§ 1444) zu unterscheiden1.
II. Verhältnis zu anderen Ansprüchen 1. Rangordnung 10/4 Die Vermächtnisschuld zählt zu den Nachlassverbindlichkeiten, und zwar zu den Erbfallsschulden (s Rz 8/4). Sie geht den Erblasserschulden und 1 Vgl Kralik, ErbR 236 f.
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Vermächtnisanspruch
§ 10
Erbgangsschulden (einschließlich einer angemessenen Entlohnung des Erben für die Erfüllung der Vermächtnisse; vgl § 690) nach. Im übrigen haftet der Vermächtnisnehmer nicht für Nachlassverbindlichkeiten, außer für persönliche Schulden des Erblassers, die sich unmittelbar auf die vermachte Sache beziehen. Ist die vermachte Sache für sonstige Erblasserschulden hypothekarisch belastet, steht dem in Anspruch genommenen Vermächtnisnehmer ein Regressanspruch gegen den Nachlass bzw nach Einantwortung gegen die Erben zu (vgl § 662 S 3). Besteht das Vermächtnis aus einem Unternehmen, ergibt sich eine Haftung des Vermächtnisnehmers (= Unternehmenserwerbers) für unternehmensbezogene Rechtsverhältnisse und Verbindlichkeiten aus § 38 UGB.
2. Vermächtniskürzung Reicht der Nachlass nach Abzug der Erblasser- und Erbgangsschulden zur 10/5 Entrichtung aller Vermächtnisse nicht aus und haftet der Erbe nur beschränkt (s Rz 8/8), steht diesem ein Recht auf Kürzung der Vermächtnisse zu (§ 692; sa Rz 10/7). Das Ausmaß der Kürzung ergibt sich aus einer Gegenüberstellung der nach den genannten Abzügen verbleibenden Nachlassaktiven und des Wertes der gesamten Vermächtnisse, berechnet nach dem gemeinen Wert. Als Stichtag ist nach wohl richtiger Ansicht2 der Zeitpunkt des Todes des Erblassers anzunehmen. Grundsätzlich sind alle Vermächtnisnehmer verhältnismäßig zu kürzen, 10/6 doch kommt dem Unterhaltsvermächtnis oder nach wohl richtiger Ansicht jedem Vermächtnis mit Unterhaltscharakter im Zweifel der Vorrang zu (§ 691). Das aus dem Kürzungsanspruch resultierende Leistungsverweigerungs- 10/7 recht kann der Vermächtnisnehmer durch Leistung einer Sicherheit (§§ 1373 ff) abwenden. Daraufhin kann eine Amtsbestätigung nach § 182 Abs 3 AußStrG (s Rz 10/15) ausgestellt werden3. Beispiel4: Für eine vermachte Liegenschaft ist gemäß § 1373 nur eine Hypothek zu leisten, wenn nichts anderes vereinbart wird.
Bei Vermächtnissen, die (nach dem Gesagten) übermäßig ausbezahlt und 10/8 ganz generell bei Vindikationsvermächtnissen besteht ein entsprechender
2 Kralik, ErbR 241 f; aA etwa Welser in Rummel3 § 692 Rz 7. 3 Apathy in KBB3 § 692 Rz 2. 4 Aus OGH SZ 50/56.
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§ 10
Vermächtniserwerb
Rückforderungsanspruch (Kondiktionsanspruch), der auf dasjenige gerichtet ist, was der Erbe gem § 692 in Abzug hätte bringen können (§ 693): Bei der Berechnung dieses Rückforderungsanspruchs ist jedenfalls auf den Zeitpunkt der Vermächtniserfüllung abzustellen. Den Vermächtnisnehmern steht die facultas alternativa zu, den Vermächtnisgegenstand selbst zurückzustellen.
3. Beitrag zur Pflichtteilsdeckung 10/9 § 783 ordnet eine verhältnismäßige Beitragspflicht aller5 Erben und Vermächtnisnehmer6 (zum Vorausvermächtnis des § 758s gleich unten) zur Erfüllung der nicht oder nicht vollständig abgedeckten Pflichtteile an. Die Bestimmung kommt also nicht zur Anwendung, wenn der Pflichtteil durch einen Erbteil oder ein Vermächtnis abgedeckt ist (vgl § 774; zur Einsetzung des Pflichtteilsberechtigten als Vorerben Rz 4/116). Beispiel: Der Pflichtteilsberechtigte erhält als Vermächtnis eine Wohnung. Dieses Vermächtnis geht allein zulasten der Erben, genauer der Vermächtnisschuldner, und nicht auch der übrigen Vermächtnisnehmer. Beachte: Das gesetzliche Vorausvermächtnis des § 758 unterliegt nicht der Beitragspflicht, da es selbst Pflichtteilscharakter hat (sa Rz 9/28). Nach richtiger Ansicht von Zankl7 ist der Ehegatte (nunmehr auch der eingetragene Partner; vgl § 537a) aber nur von der verhältnismäßigen Beitragspflicht ausgenommen und kann die also nur subsidiäre Beitragspflicht auch nicht mit einem Herausgabe – sondern nur mit einem Ausgleichsanspruch geltend gemacht werden.
10/10 Will man mit der hA dieser Beitragspflicht nach § 783 gegenüber den Regeln der Legatsreduktion nach §§ 690 ff eine eigenständige Bedeutung zumessen8, so kann § 783 nur bedeuten, dass zur Berechnung des Beitrags gegenüberzustellen ist, was der Erbe und der Vermächtnisnehmer ohne Rücksicht auf die Pflichtteile tatsächlich erhalten würden. In dem sich ergebenden Verhältnis müssen sie zur Pflichtteilsdeckung beitragen. Die Pflichtteilslast trifft auf diese Weise Erben und Vermächtnisnehmer verhältnismäßig, die Vermächtnisnehmer gehen diesbezüglich den Erben nicht wie bei den §§ 692 f vor. § 783 führt auch dazu, dass bei vollkommener Erschöpfung des Nachlasses durch Vermächtnisse die Vermächtnisnehmer allein die Pflichtteilslast zu tragen haben.
5 Entgegen dem Wortlaut des § 783 nicht nur der testamentarisch Begünstigte; vgl Kralik, ErbR 315. 6 Die Ausdehnung der Beitragspflicht auf Beschenkte auf den Todesfall (OGH NZ 2002, 94) ist verfehlt, wenn man richtigerweise nicht Vermächtnisrecht anwendet (s Rz 4/5). 7 Vorausvermächtnis 125 ff. 8 AA Kralik, ErbR 315 ff.
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Vermächtniserfüllung
§ 10
Da der Vermächtnisnehmer nach richtiger Ansicht jedoch nicht direkt den 10/11 Pflichtteilsberechtigten im Außenverhältnis haftet (keine Passivlegitimation), kann der Erbe den vom Vermächtnisnehmer im Innenverhältnis geschuldeten Beitrag nach dem Verfahren des § 692 in Abzug bringen oder wie nach § 693 zurückfordern. Darin liegt mE der Zusammenhang zwischen § 783 einerseits und den §§ 692 f andererseits. Ein direkter Anspruch gegen den Vermächtnisnehmer ergibt sich allerdings dann, wenn der Pflichtteilsberechtigte zugleich Erbe ist9. III. Fälligkeit Das Vermächtnis ist grundsätzlich ein Jahr nach dem Tod des Erblassers zu 10/12 erfüllen, wenn der Erblasser die Fälligkeit nicht anders geregelt hat (§ 684 f). Einzelne Verlassenschaftsstücke, kleine Belohnungen der Bediensteten und fromme Vermächtnisse (§ 685), sowie das Unterhaltsvermächtnis (arg §§ 691, 1418), das Pflichtteilsvermächtnis10 (Rz 11/30) und das gesetzliche Vermächtnis des § 75811 sind sofort fällig. Siehe dazu auch Fall VIII/104. Bei der Qualifikation von „einzelnen Verlassenschaftsstücken“ ist die hA eher großzügig und beschränkt sie nicht unbedingt auf Speziesvermächtnisse. Geldvermächtnisse fallen aber sicher nicht darunter.
Fromme Vermächtnisse sind jedenfalls solche, die in Verbindung mit der 10/13 Religion stehen, wohl aber auch Vermächtnisse zu karitativen und gemeinnützigen Zwecken. Die konkrete Auslegung ist nicht immer einfach. So fällt mE das Vermächtnis eines Geldbetrags zur Förderung der Wissenschaft an der Medizinischen Fakultät nicht darunter, wohl aber ein solches für die Kranken an einer bestimmten Klinik.
B. Vermächtniserfüllung Im Verlassenschaftsverfahren sind die Vermächtnisnehmer grundsätzlich 10/14 nur zu verständigen, im Fall der Begünstigung von Pflegebefohlenen ist jedoch Sicherheit zu leisten (Nähers Rz 6/17). § 688 ist insofern einschränkend auszulegen. Der Vermächtnisgegenstand ist vom Vermächtnisschuldner, je nach der in 10/15 Betracht kommenden Übergabeform, zu übergeben, zB körperliche 9 Vgl OGH SZ 69/155. 10 So Welser in Rummel3 § 685 Rz 3. 11 OGH EvBl 2005/31.
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§ 10
Vermächtniserwerb
Übergabe, Zession usw. Zum Zweck der Grundbuchseintragung vermachter Liegenschaften oder bücherlicher Rechte kann der Legatar die Ausstellung einer Amtsbestätigung beim Abhandlungsgericht gem § 182 Abs 3 AußStrG beantragen. Die Erben müssen zustimmen, andernfalls ist der Anspruch im Rechtsweg durchzusetzen.
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Dritter Teil: Pflichtteil § 11. Pflichtteilsrecht A. Pflichtteilssystem Durch das Pflichtteilsrecht soll gewissen nahen Angehörigen ein Mindest- 11/1 anteil am Vermögen des Verstorbenen gesichert werden. Dieses Ziel verwirklicht das österreichische Erbrecht durch das System des Geldpflichtteils: Wenn und insoweit das Pflichtteilsrecht eines Berechtigten nicht mit einer geeigneten Zuwendung unter Lebenden oder von Todes wegen abgedeckt ist, hat der Berechtigte ein Forderungsrecht auf einen Wertanteil in Geld. Insofern ist zwischen dem Pflichtteilsrecht und dem im Fall der Verkürzung des Pflichtteilsrechts entstehenden Pflichtteilsanspruch bzw Pflichtteilsergänzungsanspruch zu unterscheiden (Rz 12/1 ff). Geänderte soziale und wirtschaftliche Lebensverhältnisse führen heute auch zu Überlegungen einer Reform des Pflichtteilsrechts1. In den romanischen, mittel- und südamerikanischen, den nordischen Ländern und auch in der Schweiz gilt – mit unterschiedlicher konkreter Ausprägung – das System der Reserve. Dh, den Pflichtteilsberechtigten steht zwingend eine bestimmte Erbquote und somit eine reale Nachlassbeteiligung zu. Bei Verletzung ihres Rechts haben sie Anspruch auf Herabsetzung der über die freie Verfügbarkeit hinausgegangenen Schenkungen und letztwilligen Verfügungen. Dass das ABGB in seiner Fassung von 1811 nicht ebenfalls ein solches Zwangserbrecht enthielt (vgl den Ausdruck „Noterbe“ in § 764 sowie in den §§ 727, 729, 786), wurde durch das HfD vom 31.1.1844, JGS 781, und nach dessen Aufhebung (Rz 3/2) durch den OGH2 bekräftigt. Das System des Unterhaltspflichtteils besteht darin, dass bestimmten Personen in Fortsetzung ihres familienrechtlichen Unterhaltsanspruchs ein solcher auch gegenüber dem Nachlass und den Erben gewährt wird. Die Höhe des Anspruchs richtet sich nach der Bedürftigkeit des Berechtigten. Das System war va in den kommunistischen Ländern beheimatet. Für Österreich gehen die vererblichen Unterhaltsansprüche des Ehegatten/eingetragenen Partners und des Kindes (Rz 1/15) und insbesondere der Unterhaltsanspruch des rechtmäßig enterbten Pflichtteilsberechtigten nach § 795 in diese Richtung3. 1 Vgl Schauer, NZ 2001, 70. 2 JBl 2001, 521. 3 Vgl hiezu va Gschnitzer, ErbR2 100 f.
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§ 11
Pflichtteilsrecht
B. Pflichtteilsberechtigte I. Abstrakte Pflichtteilsberechtigung 11/2 Als Pflichtteilsberechtigte kommen abstrakt, dh unabhängig davon, ob ihnen im konkreten Fall wirklich ein Pflichtteilsrecht zusteht, in Frage: die Kinder, die Eltern und der Ehegatte/eingetragene Partner (§ 762). Unter Kindern und Eltern sind gem § 42 alle Verwandten in absteigender Linie, also Kinder ieS, Enkel, Urenkel sowie in aufsteigender Linie, also Eltern ieS, Groß- und Urgroßeltern4 gemeint (§ 763). Ferner zählen hiezu die
Abb. 16. Abstrakt pflichtteilsberechtigte Personen
4 So mE trotz der bloßen Erwähnung der Großeltern in § 763; aA Apathy in KBB3 § 763 Rz 1.
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Pflichtteilsberechtigte
§ 11
Adoptivkinder und Adoptiveltern, allerdings nur soweit die Wirkungen der Adoption reichen (s Rz 3/12). Als Ehegatte/eingetragener Partner ist pflichtteilsberechtigt, wer mit dem Erblasser im Zeitpunkt des Todes gültig verheiratet war bzw in aufrechter eingetragener Partnerschaft gestanden ist (s genauer Rz 3/14). II. Konkrete Pflichtteilsberechtigung 1. Gesetzliches Erbrecht Ob jemandem im konkreten Fall ein Pflichtteilsrecht zusteht, hängt zu- 11/3 nächst davon ab, ob er hypothetisch ein gesetzliches Erbrecht hätte, dh ob ohne letztwillige Verfügung (bzw Erbvertrag) ein gesetzliches Erbrecht bestanden hätte (vgl §§ 765 f; zum Umfang s Rz 11/21; beachte auch Rz 11/ 19). Beachte: Das Gesetz denkt in § 765 nur an den Fall der Verkürzung des Pflichtteilsrechts durch letztwillige Verfügungen, durch die dem Pflichtteilsberechtigten sein gesetzliches Erbrecht entzogen wird (vgl OGH SZ 54/122). Durch die Vorschriften über die Berücksichtigung von Schenkungen bei der Berechnung und Erfüllung der Pflichtteilsansprüche (s Rz 12/5 ff) kann aber auch der Fall eintreten, dass einem gesetzlichen Erben Pflichtteilsansprüche zustehen.
Kinder schließen nach dem Parentelsystem die Eltern auch vom Pflicht- 11/4 teilsrecht aus (vgl § 762; sa Rz 3/6; 11/14, 19 f). Innerhalb der Parentelen gilt Repräsentations- und Eintrittsrecht (s Rz 3/7 ff). Die Kinder eines noch lebenden (und erbfähigen) Sohnes sind also nicht pflichtteilsberechtigt. Der Ehegatte/eingetragene Partner konkurriert mit den Nachkommen und den Vorfahren. Das Pflichtteilsrecht geht somit aus denselben Gründen wie das gesetzliche 11/5 Erbrecht durch mangelnde Erbfähigkeit (insbesondere Vorversterben), Erbunwürdigkeit, Erbverzicht oder Ausschlagung verloren. Beachte: Das Pflichtteilsrecht geht nur durch einen umfassenden Erb- und Pflichtteilsverzicht verloren, während es bei einem auf das Erbrecht beschränkten Verzicht erhalten bleibt (s Rz 2/26). Zur Ausschlagung unter Vorbehalt des Pflichtteils s Rz 2/38.
2. Enterbung a) Allgemein
Unter Enterbung versteht man die Entziehung des Pflichtteils durch eine 11/6 ausdrücklich darauf gerichtete letztwillige Verfügung oder stillschweigend durch Übergehung. Die Enterbung ist nur wirksam, wenn ein taxativ in den §§ 768 ff genannter Enterbungsgrund vorliegt, wobei allerdings nach 147
§ 11
Pflichtteilsrecht
heutiger A auch ausdehnende Auslegung zuzulassen ist5. Aber auch bei ausdrücklicher Enterbung muss der Enterbungsgrund nicht genannt werden, es genügt – wie bei stillschweigender Enterbung (s Rz 11/13) –, wenn der Enterbungsgrund vom Erben bewiesen wird (Beweislast; § 771). Enterbung im technischen Sinn ist also nicht – wie der Name zunächst vermuten lässt – die Entziehung des Erbrechts. Hiefür sind keine Gründe erforderlich. Im Zweifel ist aber ausdrückliche Enterbung ohne rechtmäßigen Enterbungsgrund als negatives Testament (dazu Rz 4/80) wirksam. Der Betroffene erhält, wie ein übergangener Noterbe, nur den Pflichtteil (vgl § 776; zur irrtümlichen Übergehung Rz 4/29 f). Siehe auch Fall VIII/98.
11/7 Ein unrichtiger Enterbungsgrund kann Grundlage für eine Anfechtung der Enterbung wegen Irrtums sein (s Rz 4/24 ff). Dabei kommt es immer auf den wirklich kausalen6 Enterbungsgrund an, sei dies der im Testament angegebene oder ein (zB aus Gründen der Diskretion) nicht genannter Grund. Der Enterbungsgrund muss grundsätzlich im Zeitpunkt der Enterbung vorliegen. Eine bedingte Enterbung für den Fall der späteren Verwirklichung des Enterbungsgrundes wird aber befürwortet, zB Enterbung des bereits angeklagten Noterben für den Fall der Verurteilung iS des § 768 Z 37. Siehe auch Fall VIII/108. Trotz Enterbung bleibt für den Betroffenen der Anspruch auf den notwendigen Unterhalt (§ 795) bestehen.
b) Enterbungsgründe
11/8 Nach § 768 kann ein Kind (iS des § 42 Nachkomme) enterbt werden, wenn es den Erblasser im Notstand hilflos gelassen hat (Z 2). Notstand ist einerseits finanzielle Notlage, aber nach einer gängigen Formulierung8 auch ein Zustand der Bedrängnis, der nach den Grundsätzen der Menschlichkeit zur Erwartung berechtigt, dass der Pflichtteilsberechtigte dem Erblasser helfen werde. Darüber hinaus kann ein Kind enterbt werden, wenn es wegen einer oder mehrerer vorsätzlich begangener strafbarer Handlungen zu lebenslanger oder zwanzigjähriger Freiheitsstrafe verurteilt worden ist (Z 3) oder wenn es eine gegen die öffentliche Sittlichkeit anstößige Lebensart beharrlich führt (Z 4). Beispiele: · Zu Z 2: Tochter unterlässt Besuch der lebensbedrohlich erkrankten Mutter im Krankenhaus (OGH EF 40.988;. dazu auch Fall VIII/108). Unverschuldete Unkenntnis der Hilflosigkeit des Erblassers berechtigt nicht zu Enterbung (NZ 1997, 243). · Zu Z 4: Unter besonderen Umständen die Aufrechterhaltung eines langdauernden ehebrecherischen Verhältnisses gegen den Willen des Erblassers (OGH EvBl 1968/377), nicht aber bloßes Eingehen einer Lebensgemeinschaft (vgl OGH RZ 1937, 179). Aber auch: Fortgesetzte strafbare Eigentumsdelikte, die zu verbüßten Haftstrafen führten (NZ 1998, 309).
5 6 7 8
Vgl Angaben bei Eccher in Schwimann3 § 768 Rz 4. Gegen das Erfordernis der Kausalität Kralik, ErbR 284 f. Vgl Welser in Rummel3 Vor § 768 Rz 3. Vgl etwa OGH NZ 1997, 243.
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Pflichtteilsberechtigte
§ 11
Beachte: Die frühere Z 1 des § 768 scheint nunmehr in allgemeinerer Form als Erbunwürdigkeitsgrund auf (dazu Rz 2/15).
Ein Ehegatte/eingetragener Partner und die Eltern (iS des § 42 Vorfah- 11/9 ren) können aus denselben Gründen wie ein Kind enterbt werden, ein Ehegatte/eingetragener Partner außerdem, wenn er seine Beistandspflicht (§ 90) gröblich verletzt hat (§ 769). Es muss sich hiebei zwar um eine schwere Pflichtverletzung handeln, ein Scheidungsgrund iS des § 49 EheG bzw ein Auflösungsgrund iS des § 15 Abs 1 EPG muss aber nicht vorliegen9. Eine Enterbung ist schließlich auch aufgrund jedes Erbunwürdigkeits- 11/10 grundes (§ 540 ff) möglich (§ 770). Da ein Erbunwürdigkeitsgrund aber schon automatisch auch zum Entfall des Pflichtteils führt, liegt die – praktisch geringe – Bedeutung dieser Enterbungsmöglichkeit darin, dass Verzeihung zur Rückgängigmachung nicht genügt10, sondern hiefür Widerruf gem § 772 erforderlich ist (unten Rz 11/13). Sog Enterbung aus guter Absicht (§ 773) ist wirksam, wenn aufgrund 11/11 starker Verschuldung oder Verschwendung die Besorgnis besteht, dass der Pflichtteil aufgebraucht und den Nachkommen des Noterben entgehen könnte. Aus anderen Gründen heraus kann eine Enterbung „aus guter Absicht“ jedoch nicht erfolgen11 (vgl aber Rz 11/7). Die Besorgnis der Verschwendung muss sich in der Regel aus dem gewöhnlichen Lebensstil des Pflichtteilsberechtigten ergeben, nicht aus einer singulären Handlung. Beispiel12: Der Versuch des Verkaufs einer goldenen Armbanduhr deutet eher auf eine momentane Geldknappheit als auf Verschwendungssucht hin.
Zur Wirksamkeit der Enterbung aus guter Absicht muss der für die 11/12 Noterben vorgesehene Pflichtteil anstelle des Noterben dessen pflichtteilsberechtigten Nachkommen anteilig zukommen (zB bei den Nachkommen eines Kindes durch § 780) oder diesen zugewendet werden (also etwa den Kindern des pflichtteilsberechtigten Ehegatten oder Vorfahren). c) Widerruf
Über den Wortlaut des § 772 hinaus kann die Enterbung nicht nur durch 11/13 ausdrücklichen Widerruf, sondern auch durch jede Form eines stillschweigenden Widerrufs einer letztwilligen Verfügung (vgl Rz 4/71 f) widerrufen werden. Verzeihung genügt nicht (Rz 11/10). 9 10 11 12
OGH EFSlg 81.331. OGH SZ 70/229. Vgl OGH EvBl 1958/218. Aus OGH EvBl 1958/218.
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§ 11
Pflichtteilsrecht
Beispiele: Vernichtung des Testaments, das die Enterbung enthält (§ 721), oder nachträgliche Bedenkung des vorher Enterbten (§ 713).
3. Rechte der Nachkommen eines weggefallenen Pflichtteilsberechtigten 11/14 Die Nachkommen vorverstorbener (hypothetisch pflichtteilsberechtigter) Kinder erwerben jedenfalls im Wege des Eintrittsrechts (Rz 3/7 ff) ein konkretes Pflichtteilsrecht. Ob die Nachkommen sonst ausgefallener Pflichtteilsberechtigter ebenfalls an deren Stelle ein Pflichtteilsrecht erhalten, hängt grundsätzlich davon ab, ob im konkreten Fall formelles oder materielles Repräsentationsrecht gilt (s Rz 3/9). Voraussetzung eines Pflichtteilsrechts des Eintretenden ist aber immer, dass er nicht selbst gegenüber dem Erblasser vom Erbrecht ausgeschlossen (zB erbunwürdig) ist. · ·
Beispiele: Die Nachkommen eines erbunwürdigen Nachkommens sind pflichtteilsberechtigt (analog § 541; sa Rz 3/7). Die Nachkommen eines Kindes, das auf das Pflichtteilsrecht verzichtet hat, sind im Zweifel vom Pflichtteilsrecht ausgeschlossen (§ 551; s Rz 2/31).
11/15 Mitunter ist die Pflichtteilsberechtigung der Nachkommen jedoch ausdrücklich geregelt: So sind die Nachkommen eines rechtmäßig enterbten Kindes im Zweifel13 bloß befugt, den Pflichtteil zu verlangen (§ 780). Nach hL14 ist die Bestimmung weiters einschränkend nur für den Fall anzuwenden, dass überhaupt gewillkürte Erbfolge eintritt oder dass bei Eintritt gesetzlicher Erbfolge anzunehmen ist, dass sich der Ausschluss des Kindes als negatives Testament auch auf dessen Nachkommen erstrecken soll. In den übrigen Fällen soll dem Nachkommen ein gesetzliches Erbrecht zustehen, genauso wie bei Eintritt gesetzlicher Erbfolge und Erbunwürdigkeit des unmittelbaren Nachkommen.
11/16 Die Nachkommen15 übergangener, vor dem Erblasser verstorbener Kinder können die ihren Vorfahren nach den §§ 776–778 zustehenden Rechte ausüben. Dies bedeutet, sie müssen sich bei irrtümlicher Übergehung ihres Vorfahren (aber auch von ihnen selbst!) nicht mit dem Pflichtteil begnügen (§ 779 Abs 1). 11/17 Aus § 779 wird zusätzlich abgeleitet, dass die Nachkommen der mit einem Erbteil eingesetzten oder mit einem Vermächtnis bedachten, vorverstorbenen oder sonst ausgefallenen Kinder in deren Rechte eintreten können (gesetzliche Ersatzerben oder Ersatzvermächtnisnehmer; Rz 4/ 13 Vgl Ch. Rabl, NZ 2003, 257; aA Zemen, JBl 2004, 358. 14 Anders die Rsp: OGH SZ 43/193. 15 Nach Kletecˇ ka, Nacherbschaft 30 gilt dies gem § 182 Abs 1 nur für leibliche, nicht für adoptierte Kinder.
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Pflichtteilsberechtigte
§ 11
109; 9/25). Das bedeutet aber auch, dass zB der Nachkomme eines auf den Pflichtteil gesetzten Noterben (s Rz 11/30) ebenfalls nur den Pflichtteil erhält. Die Nachkommen eines (vorverstorbenen oder sonst ausgefallenen) Kin- 11/18 des, dessen Pflichtteil gemindert wurde (s Rz 11/22 ff), erhalten nach der ausdrücklichen Vorschrift des § 779 Abs 2 nur den geminderten Pflichtteil. Der Gesetzgeber hat sich hier also nicht für eine Lösung wie bei Enterbung (oben Rz 11/ 15) entschieden und weist den Nachkommen eines pflichtteilsgeminderten Kindes nicht den vollen Pflichtteil zu, obwohl der Enterbte selbst überhaupt keinen Pflichtteil, das pflichtteilsgeminderte Kind wenigstens einen halben Pflichtteil erhalten hätte. Die Bestimmung kann aber immerhin als bloße Zweifels- und Auslegungsregel verstanden werden. Beispiel: Der Enkel kann also mit Erfolg zu beweisen versuchen, dass der Großvater bei Kenntnis des Vorversterbens des pflichtteilsgeminderten Kindes ihm den vollen Pflichtteil zukommen hätte lassen.
4. Vorfahren weggefallener Pflichtteilsberechtigter Entferntere Vorfahren können nur dann ein Pflichtteilsrecht erhalten, 11/19 wenn die ihnen vorgehende Parentel zur Gänze ausfällt, weil sie nur in einem solchen Fall auch ein gesetzliches Erbrecht hätten (§ 766). Beispiel: Hinterlassen die vorverstorbenen Eltern Deszendenten (zB Geschwister des Erblassers), so steht diesen kein Pflichtteilsrecht zu (arg § 762), ebenso wenig aber den Großeltern, weil sie in diesem Beispiel kein gesetzliches Erbrecht hätten, solange die zweite Parentel nicht gänzlich ausfällt.
Auch bei den Vorfahren sollte nach der überwL16 nicht nur bei Vorverster- 11/20 ben, sondern auch bei allen anderen Gründen, die zum Ausfall eines Pflichtteilsrechts führen (Erbunwürdigkeit, Enterbung, Pflichtteilsverzicht, Ausschlagung), der Übergang des Pflichtteilsrechts auf die Eltern bzw entfernteren Vorfahren stattfinden. Die Rsp lehnt allerdings ein Pflichtteilsrecht der Eltern ab, wenn Kinder zwar vorhanden sind, aber aus irgendeinem anderen Grund kein gesetzliches Erbrecht haben17. Fällt ein Vorfahre, dessen Pflichtteil gemindert wurde (s Rz 11/22), ohne Hinterlassung eigener Nachkommen aus, ist § 779 Abs 2 analog auf die entfernteren Vorfahren der nachfolgenden Parentel anzuwenden. Die Begründung hiefür wird darin gesehen, dass in solchen Fällen wohl auch zu den entfernteren Vorfahren das entsprechende Naheverhältnis fehlt. Diese Annahme liegt aber regelmäßig nicht vor, wenn ein pflichtteilsgemindertes Kind ohne Nachkommen ausfällt und nun die Eltern pflichtteilsberechtigt wären. Diese haben in einem solchen Fall Anspruch auf ihren vollen Pflichtteil.
16 Vgl die Angaben bei Eccher in Schwimann3 § 762 Rz 2. 17 ZB OGH SZ 13/114.
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Pflichtteilsrecht
C. Höhe und Abdeckung des Pflichtteils I. Höhe des Pflichtteils 1. Pflichtteilsquoten 11/21 Der Pflichtteil beträgt bei Kindern und beim Ehegatten/eingetragenen Partner die Hälfte (§ 765) und bei Vorfahren ein Drittel (§ 766) des Wertes der Erbquote, die diesen Personen jeweils als gesetzliche Erben zugefallen wäre. Diese noch der Urfassung des ABGB entstammende Vorschrift regelt heute – nach Einführung des Pflichtteilsschutzes gegenüber Schenkungen (Rz 12/5 ff) – allerdings nur mehr die Pflichtteilsquoten und den sich aus dem Nachlass zu berechnenden Pflichtteilswert (Nachlasspflichtteil). Dazu kann aus der Hinzurechnung von Schenkungen noch ein Schenkungspflichtteil treten (s Rz 12/5). 2. Pflichtteilsminderung 11/22 Der Erblasser hat die Möglichkeit, den Pflichtteil der Nachkommen und der Vorfahren (also nicht auch des Ehegatten/eingetragenen Partners) um die Hälfte zu mindern (§ 773a). Recht und Anspruch auf den verbleibenden geminderten Pflichtteil folgen im Übrigen dem allgemeinen Pflichtteilsrecht (zB bezüglich Abdeckung, Geldanspruch, Verjährung usw). Bezüglich des Widerrufs verweist § 773a auf § 772 (Enterbung). Hinsichtlich der entfernteren Nachkommen und Vorfahren s Rz 11/18; 11/20. 11/23 Voraussetzung für die Reduktion ist, dass der Erblasser und der Pflichtteilsberechtigte zu keiner Zeit in einem Naheverhältnis zueinander standen, wie es in der Familie zwischen solchen Personen gewöhnlich besteht (weiter Rz 11/24). 11/24 Das Institut der Pflichtteilsminderung hat praktisch besondere Bedeutung für die Beziehungen eines Vaters zu seinem ue Kind. Nach anfänglichem Schwanken in der L judizierte der OGH18, dass ein ausreichendes Naheverhältnis schon dann vorliegt, wenn der Vater über seine Rolle als Zahlvater hinaus die nach seinen Verhältnissen und den Lebensumständen des Kindes mögliche Anteilnahme an der Entwicklung und dem Wohlergehen des Nachkommen erkennen lässt. Dabei schadet es aber nicht, wenn der Vater nach Integrierung des Kindes in die neue Familie der Mutter in der Kontaktpflege auf eine bloße Rolle als Außenseiter beschränkt wird. Die 18 SZ 69/237; dazu auch Fall VIII/108.
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Höhe und Abdeckung des Pflichtteils
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jeweils geforderte Nahebeziehung muss allerdings eine „gewisse Zeit“ gegeben gewesen sein19. Jedenfalls besteht kein Recht auf Pflichtteilsminderung bei grundloser Ablehnung des persönlichen Verkehrs mit dem Pflichtteilsberechtigten (§ 773a Abs 3). Die Pflichtteilsminderung muss in einer gültigen letztwilligen Verfügung 11/25 angeordnet werden, aber doch nicht ausdrücklich erfolgen, sondern kann sich auch durch Auslegung ergeben20. Beweispflichtig für das fehlende Naheverhältnis ist gem dem Verweis des § 773a auf § 771 der Erbe, genauer der Pflichtteilsschuldner (s Rz 12/12 ff). Eine stillschweigende Pflichtteilsminderung liegt normalerweise in der Übergehung des Berechtigten, könnte allerdings auch aus einer unter dem hypothetischen vollen Pflichtteil bleibenden Bedenkung oder aus Enterbung (vgl Fall VIII/108) herausgelesen werden.
II. Abdeckung des Pflichtteils 1. Vorempfänge und Vorschüsse Bestimmte lebzeitige Zuwendungen sind auf den – gesamten (zur Schen- 11/26 kungsanrechnung s Rz 12/5) – Pflichtteil anzurechnen, bedeuten also eine Abdeckung des Pflichtteils (antizipierte, vorweggenommene Erbfolge; Rz 2/6). Es handelt sich um die Vorempfänge des § 788 und die Vorschüsse des § 789, die mit jedem Pflichtteilsberechtigten (also etwa auch mit dem Ehegatten/eingetragenen Partner) als solche vereinbart werden können. Siehe dazu Fall VIII/109. Für die Qualifizierung und Bewertung der Vorempfänge und Vorschüsse sowie für die Anrechnungsmethode ergeben sich keine Unterschiede gegenüber der Anrechnung auf den Erbteil (s Rz 7/17 ff; 7/28; 7/ 29; vgl auch Rz 11/29 Beispiel 2). Wie bei der gesetzlichen Erbfolge (s Rz 7/17) bilden auch hier die pflichtteilsberechtigten Kinder und der pflichtteilsberechtigte Ehegatte/eingetragene Partner eine Anrechnungsgemeinschaft. Sie sind daher gegenseitig anrechnungsberechtigt und anrechnungsverpflichtet21. Das Ziel der Anrechnung der Vorempfänge und Vorschüsse ist zunächst 11/27 die Gleichstellung bei Vorhandensein mehrerer Pflichtteilsberechtigter. Sie sind daher in erster Linie zur Anrechnung legitimiert. Die Anrechnung kann aber auch die Dispositionsmöglichkeit des Erblassers erhöhen, 19 Dazu OGH SZ 2005/136. 20 So die hL und zuletzt auch OGH JBl 1997, 663. 21 So Umlauft, Anrechnung 72 ff, auch zur Differenzierung gegenüber dem Fall des Zusammentreffens des Ehegatten mit Vorfahren.
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Pflichtteilsrecht
was besonders deutlich wird, wenn nur ein einziger Pflichtteilsberechtigter vorhanden ist. Die Anrechnung kann weiters über die Verminderung der Beitragspflicht nach § 783 (s Rz 10/9 ff) auch den Vermächtnisnehmern nützen. Testamentserben und allenfalls Vermächtnisnehmer sind daher ebenfalls anrechnugsberechtigt (sa die Beispiele Rz 11/29). 11/28 Die konkrete Wirkungsweise der Anrechnung hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie insbesondere davon, ob ein oder mehrere Pflichtteilsberechtigte vorhanden sind, ob der Vorempfang (Vorschuss) die Höhe des hypothetischen Pflichtteils über- oder unterschreitet und ob schließlich der Empfänger im Gegenzug auf sein Erbrecht oder sein Pflichtteilsrecht verzichtet. (Vgl zur geplanten Reform des Anrechnungsrechtes Rz 7/9.) Dies sei an einigen Beispielen gezeigt. 11/29 Bei den folgenden Beispielen wird jeweils angenommen, dass der Erblasser (E) eine Ehegattin (G) und zwei Kinder (A, B) hinterlässt und X zum Alleinerben einsetzt. Das Vermögen des Erblassers soll 600 betragen, sodass die hypothetischen Pflichtteile (P) jeweils 100 (1/2 ×1/3 = 1/6 von 600) betragen, die Pflichtteilslast insgesamt daher 300 und die Höhe der freien Dispositionsmöglichkeit ebenfalls 300. Beispiel 1: Der Vorempfang des A (V) beträgt: V 29 100, der Nachlass (N) daher 500 29 N 29 600. Aufgrund eines entsprechenden Begehrens der übrigen Pflichtteilsberechtigten oder des Testamentserben muss V dem Nachlass hinzugerechnet werden, woraus sich jeweils P = 100 ergibt. A hat sich den V auf seinen P anzurechnen, erhält also entsprechend weniger als 100 oder gar nichts mehr aus dem Nachlass. Die Pflichtteile der übrigen sind im Nachlass gedeckt und die Dispositionsmöglichkeit mit 300 bleibt erhalten. Beispiel 2: Erhält A 100 < V 29 100 + 300 (= freie Dispositionsmöglichkeit), erhält A selbst nichts mehr aus dem N, die P der übrigen Noterben können aus dem Nachlass abgedeckt werden. In dem Ausmaß, als A mehr als seinen hypothetischen P von 100 erhält, sinkt die freie Dispositionsmöglichkeit, bis der Fall eintritt, dass der Testamentserbe nichts mehr erhält. – Hier entsteht die Frage, ob die Pflichtteile der übrigen Noterben zulasten des Testamentserben voll aus dem Nachlass bis zu´dessen Erschöpfung zu bezahlen sind, oder ob Erbe und Pflichtteilsberechtigte die Belastung gemeinsam zu tragen haben22. Beispiel 3: Erhält A 100 + 300 < V