Odo Marquard
AESTHETICA UND NAESTHETICA Philosophische Überlegungen
Ferdinand Schäningh
Odo Marquard, geb. 1928, aus...
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Odo Marquard
AESTHETICA UND NAESTHETICA Philosophische Überlegungen
Ferdinand Schäningh
Odo Marquard, geb. 1928, aus der hermeneutischen Schule kommender Skeptiker und Usualist, ist ordentlicher Professor für Philosophie an der Universität Gießen. Er erhielt 1984 den Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa. Wichtigste Veröffentlichungen: Skeptische Methode im Blick auf Kant, 1958 e1982); Schwierigkeiten mit der Geschichtsphilosophie, 1973 e1987); Abschied vom Prinzipiellen, 1981 (41987); Krise der Erwartung Stunde der Erfahrung 1982; Apologie des Zufälligen, 1986; Transzendentaler Idealismus, romantische Naturphilosophie, Psychoanalyse, 1987.
Der Band vereinigt die ästhetischen Überlegungen eines Denkers, der weithin als »der geistreichste philosophische Schriftsteller der Gegenwart« (Johannes Gross im FAZ-Magazin) bezeichnet wird. Was ist Kunst, daß sie Gegenstand einer Ästhetik werden kann? Warum wird sie das erst in der nachkantischen Moderne? Was war die Philosophie des Schönen und der Kunst, bevor sie zur Ästhetik wurde? Warum wurde sie zur Ästhetik erst in jenem Augenblick, wo »die Kunst nach der Seite ihrer höchsten Bestimmung für uns ein Vergangenes« (Hegel) zu werden scheint? Warum tritt die Ästhetik stets als »doppelte Ästhetik« auf? Wie verhält sie sich zur Geschichtsphilosophie? Was bedeutet der »Hang zum Gesamtkunstwerk«? Was kommt nach der Postmodernen? Odo Marquards Überlegungen erörtern grundlegende Fragen der Ästhetik. In ihrer Tendenz arbeiten sie an einer Kompensationstheorie des Ästhetischen. Marquards These: Das Ästhetische kompensiert den eschatologischen Weltverlust.
ISBN 3 506 76533 7
Odo Marquard
AESTHETICA UND ANAESTHETICA Philosophische Überlegungen
Wilhelm Fink Verlag
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http; Ildnb.ddb,de abrufbar.
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen W"ie-edcrgabe und der Übersetzung, vorbehalten. Dies betrifft auch die Vervielfähigung ~ und Übertragung einzelner Textabschnitte, Zeichnungen oder Bilder durch alle Vertahhren wie Speicherung und Übertragung auf Papier, Transparente, Filme, Bänder, P)aatten und andere Medien, soweit es nicht §§ 53 und 54 URG ausdrücklich gestatten.
ISBN 3-7705-3750-5 © 2003 Wilhelm Fink Verlag, München (Die 1. Auflage erschien 1989 im Verlag Ferdinand Schöningh)
Herstellung: Ferdinand Schöningh GmbH, Paderborn
Inhalt
Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . · . . · · · · · · . · ·
7
AesthetiC2 und Anaestheuca. Auch als Einleitung .............. ·
11
Kmt und die Wende zur Ästhetik ......................... · · ·
21
Zw Bedeutung der Theorie des Unbewußten für ~ine Theorie der meht mehr schönen Kunst ..................................
35
Exile der Heiterkeit ................................. · . · · · · ·
47
Kompensation. überlegungen zu einer Verlaufsfigur geschichtlicher Proze.5SC' .................................................
64
Kunst als Antiftktion. Venuch über den Weg der Wirklichkeit ins Fiktive ..............
82
Gesamtkunstwerk und Idcntitätssystem.
überlegungen im Anschluß an Hegels Schcllingkritik . . . . . . . . . . ..
100
Kunst als Kompensation ihres Endes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
113
Anmerkungen Aesthetica und Anaesthctica. Auch als Einleitung . . . . . . . . . .. Kant und die Wende zur Ästhetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Zur Bedeutung der Theorie des Unterbcwußten für eine Theorie der nicht mehr schönen Kunst .......................... Exile der Heiterkeit .......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Kompensation. Überlegungen zu einer Verlaufsfigur geschichtlicher Prozesse ........................................ Kunst als Antiflktion. Versuch über den Weg der Wirklichkeit ins Fiktive ..........
122 123
13 ~ 144 149 160
Gesamtkunstwerk und Identitätssystem.
überlegungen im Anschluß an Hegels ScheUingkritik . . . . . . . . Kunst als Kompensation ihres Endes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
162
Nachweise ...............................................
16~
l3iographisch-bibliographische Notiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
166
163
Vorbemerkung
Was kommt nach der Postmoderne? Ich meine: die Modeme. Die Formel •• Postmodeme" ist entweder eine antimodemistischc oder eine pluralistische Losung. Als antimodemistische Losung ist sie eine gefährliche Illusion; denn die Abschaffung der modemen Welt ist keineswegs wünschenswen. Als pluralistische Losung bejaht sie ein altes und respektables modemistisches Motiv; denn die modeme Welt: das war und ist Rationalisierung plus Pluralisierung. Aktueller als die Fragen nach der Postmoderne sind und bleiben darum gerade auch im Felde des Ästhetischen - die Fragen nach der Modeme, also etwa: was ist Kunst. daß sie Thema einer Ästhetik werden kann und muß? Warum wird sie das erst modem? Was war die Philosophie des Schönen und der Kunst, bevor sie zw Ästhetik wurde? Warum wurde die Kunst - die schöne und die nicht mehr schöne - zum Thema der Ästhetik justament angesichts des nEndes der Kunst"? Warum tritt die Ästhetik wesentlich als "doppelte Ästhetik .. auf? Wie verhält sich das Ästhetische zum modemen Prozess der Versachlichung und zur revolutionären Geschichtsphilosophie? Was bedeutet der "Hang zum GesamtkunstWerk"? Warum ist und bleibt für die modeme Welt das Ästhetische unverzichtbar, die modeme Welt also unausweichlich das Zeitalter des Ästhetischen? Diese und ähnliche Fragen werden in den Aufsätzen dieses Buches erönert. Es handelt sich hierbei um acht Aufsätze, die in den dreißig Jahrcn zwischen 1959 und 1989 zu verschiedenen Anlässen entstanden sind. Durch den 19~9/60 geschriebenen Vonrag .. Kant und die Wende zur Ästhetik" blieb ich an der Universität. Durch die 1966 für ihr drittes Kolloquium verfaßte Vorlage .,Zur Bedeutung der Theorie des Unbewußten für ein~ Theorie der nicht mehr schönen Kunst" kam ich zur Forschungsgruppc "Poetik und Hermen~utilcu. Diese bciden Arbeiten waren - im Felde der Ästhetik - Vorübungen: sie venreten Positionen, die ich inzwischen überwiegend kritisch sehe; doch waren sie nicht nur für mich selber wichtig, sondern auch wirksam: darum sind sie hier abgedruckt. Der 1974 für das siebte Kolloquium der nP~tik und Hermeneutik .. fonnuliene Beitnlg "Exile der Heiterkeit dommentien eine Kurskorrektur: er löste - zugun$len der Kunst - die Verbindung von Kunst und Revolution. Die zwischen 1975 und 1977 geschriebene und in der zweiten KoUoquiensequenz der Studiengruppc "Theorie der Geschichte" dislrutiene Abhandlung "Kompensation - Überlcgungen zu einer Verlaufsfigur geschichtlicher Prozcssc" U
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Vorbemerk:ung
untersucht begriffsgeschichdich die für meine weiteren Überlegungen wichtige Kategorie der "Kompensation" . Beiuäge zu einer Kompensationstheorie des Ästhetischen sind die 1979 für das zehnte Kolloquium der "Poetik und Hermeneutik" entstandene Arbeit "Kunst als AntifIktion - Versuch über den Weg der Wirklichkeit ins Fiktive" , der 1982 für den Katalog von Harald Szeemanns Ausstellungen "Der Hang zum Gesamtkunstwerk" ausgearbeitete Beitrag "Gesamtkunstwerk und Identitätssystem - überlegungen im Anschluß an Hegels Schellingkritik" und der 1980 für Willi Oelmüllers "Kolloquium Kunst und Philosophie I" geschriebene Text "Kunst als Kompensation ihres Endes", zu dem ich jetzt Anmerkungen hinzugefügt habe. Die Einleitung "Aesthetica und Anaesthetica" schließlich wurde von mir 1986 für dieses Buch geschrieben und - da ich eine Variante inzwischen zweckentfremdet hatte - 1989 überarbeitet und ergänzt. Drei Texte von mir zur Ästhetik konnten nicht in dieses Buch aufgenommen werden: erstens die überlegungen zur Ästhetik aus meinem 1960 -1962 geschriebenen und erst 1987 beiJürgen Dinter in Köln erschienenen Buch "Transzendentaler Idealismus, romantische Naturphilosophie, Psychoanalyse" (don vor allem 131- 209 und 3~~ -427); zweitens der 1%2 entstandene Text "Über einige Beziehungen zwischen Ästhetik und Therapeutik in der Philosophie des 19.Jahrhundens", der in meinem Buch "Schwierigkeiten mit der Geschichtsphilosophie" (Frankfun: Suhrkamp, 1973 bzw. - als stw 394 - 1982) 82 -106 und 185 - 208 abgedruckt ist; drittens mein 1981 bei der akademischen Feier des 60. Gebunstags von Hans RobenJauß in Konstanz gehaltener Vortrag "Krise der Erwanung - Stunde der Erfahrung. Zur ästhetischen Kompensation des modemen Erfahrungsverlustes " , der als N r. 139 der Konstanzer Universitätsreden 1982 im U niversitätsverlag Konstanz erschienen ist. All diese Arbeiten zur Ästhetik sind - wie gesagt und nun gezeigt Gelegenheitsarbeiten. Dennoch betreffen sie ein für mich philosophisch ungemein wichtiges Feld, weil ich - wie ich es in der autobiographischen Einleitung zu meinem Buch "Abschied vom Prinzipiellen" formulien habe - durch die Ästhetik zur Philosophie gekommen bin: "auf dem Weg über die Ersatzbegeisterung an der Kunst - dem Versuch, durch Töne, Bilder, Wone die Wirklichkeit aussehender zu machen als Verlockung zum .Lebenbleiben - und ihrer Verführung, sich gerade nicht zu verwirklichen, sondern zu vermöglichen: also über das Ästhetische." Dabei hat die ÄsthetikVorlesung, dieJoachim Ritter ab 1948 in Münster hielt, meine überlegungen zur Ästhetik entscheidend bestimmt, auch wenn ich schließlich zu Ergebnissen gekommen sein mag, die ich auf meine eigene Kappe zu nehmen habe. Nächst Joachim Ritter und seinem "Collegium Philosophicum " bin ich wohl am meisten den Anregungen verpflichtet, die ich durch die Gruppe "Poetik und Hermeneutik" erhielt, und also ihrem Schrittma-
Vorbemerkung
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cher Hans RobenJauß. auch wenn dieser für Kompensationstheorien - um es vorsichtig awzudrücken - nicht eben schwärmt. Die Ergebnisse der acht zu diesem Buch zusammengesteUten Tene aber konvergieren - denke ich - am meisten gerade in einer Kompensationsmesc: die ästhetische Kunst und die philosophische Ästhetik werden spezifisch modem nötig und wirklich als Chancen. den Realitätsverlwt. ohne den die modemen Versachlichungen nicht zu haben sind. und den Realitätsverlust. zu dem die modernen Utopisierungen führen. durch Realitätsgewinne wettzumachen (zu kompensieren). die jene merkende Vernunft erzielt. die die ästhetische Kunst und ihre Erfahrung ist. so daß gilt: je moderner die modeme Welt wird. desto unvermeidlicher wird das Ästhetische. Im übrigen muß ich es dem Leser überlassen. welchen Gebrauch er von den hier abgedruckten Tenen macht: ob er sie als Aesthetica nutzt. als Mer1chilfen. oder als Schlummermittel. als Anaesthetica.
Aesthetica und Anaesthetica Auch als Einleitung
George Bernard Shaw. als er in der Zeitung seine Todesnachricht las. telegC2phiene an die Redaktion: Nachricht von meinem Tod nark übertrieben. Ähnlich verhält es sich mit der Nachricht vom Tod des Ästhetischen: sie ist gleichfalls - ollndestens - nark übenrieben. Es stimmt einfach nicht. daß wir im nachästhetischen Zeitalter leben; und so ist denn dieses Buch - das Buch eines skeptischen Antieschatologen - eines mit Sicherheit ganz und gar nicht: eine Philosophie der nachästhetischen Kunst. Und es stimmt zugleich auch nicht. daß wir in der Postmoderne leben; und so ist denn dieses Buch - das Buch eines Moderrutätstraditionalisten - eines mit Sicherheit ganz und gar: die Behauptung der Resistenz der Modeme gegen die Postmoderne und die Veneidigung des ästhetischen Zeitalters gegen den Antimodemismus. speziell den futurisienen Antimodemismus. Im übrigen ist dieses Buch mancherlei; und einiges darüber muß - da man bei Büchern (schon. um sie nicht lesen zu müssen) stets eine Einleitung erwanet - hier einleitend gesagt werden. Das soU unverzüglich geschehen; und es beginnt naheliegenderweisc mit einigen Bemerkungen zur Überschrift. Die Ausdrücke .. Aesthetica" und .. Anaesthetica" sind hier zur Titelformulierung - zur Titelformulierung dieses Buches und zur Titelformulierung dieser seiner Einleitung - zusammengefügt. Damit will ich - insofern ist diese Titelformulierung durch den Doppelsinn des Alpha privativum bei den .. Anaesthetica" gewoUt doppeldeutig - auf zwei ganz verschiedene Dinge hinaus. Erstens: dieses Buch - darum enthält es neben Aesthetica Anaesthetica: neben Texten über die Kunst auch Texte über jene Wirklichkeit. die nicht Kunst ist - widersetzt sich der Ausschließlichkeit ästhetischer Immanenz. Ästhetische Immanenz ist wichtig; doch ebenso wichtig ist es. zu sehen. daß das. was nicht das Ästhetische ist. für das Ästhetische wichtig ist. Zwar ist Kunst - gerade modem. geC2de ästhetisch - stets Anrwon auf Kunst; doch zugleich ist Kunst - und das gilt in besonderem Maße für den modemen Prozeß ihrer Ästhetisierung: der Erringung ihrer Autonomie - Antwon auf das an der Wirklichkeit. das selber nicht Kunst und nicht ästhetisch und in diesem Sinne an-ästhetisch ist. Darum gehön zur philosophischen Ästhetik der nichtästhetische Blick auf die Wirklichkeit: zu den Aesthetica gehören ~ls notwendige Ergänzung und Fundierung - Anaesthetica.
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Aesthetica und Anacs:thetic:
Zweitens: dieses Buch - darum handelt es zugleich von Aesthetic:a une Anaesthetica - warnt vor der Gefahr des Umschlags des Ästhetischen in d~ Anästhetische: vor der Verwandlung von Sensibilität in Unempfmdlichkeit von Kunst in Betäubung. Vor allem dann, wenn die ästhetische Kunst kunstgrenzvergcsscn - die ganze Wirklichkeit in den Traum und Rausch dei Kunst hineinzieht und gewissermaßen die Wirklichkeit durch Kunst ersetzt dann ist das nicht mehr nur Ästhetisierung der Kunst, sondern Ästhetisie rung der Wirklichkeit selber. Das ist nicht gut, denn das ist - durch dies( Ästhetisierung der Wirklichkeit - die Anästhetisierung des Menschen. Au! Aesthetica werden - gefährlich - Anaesthetica. Zu all diesem formuliere ich in der Einleitung nur einleitende Bemerkun· gen, und zwar in folgenden drei Abschnitten: 1. Ästhetisierung der Kunst 2. Ästhetisierung der Wirklichkeit; 3. Nach der Postmoderne. 1. (Ästhetisierung der Kunst). - Nicht immer war die Kunst ästhetisch(
Kunst; und nicht immer brauchte und hatte die Philosophie eine Ästhetik um die Kunst - die schöne und die nicht mehr schöne - philosophisch ZUI Autonomie zu ermuntern. Ganz im Gegenteil: dies alles ist eine durchau! modeme Angelegenheit. Man kann das an den Initialdaten der Ästhetil ablesen: erst 1no erscheint Baumgarrens "Aesthetica" , die eme philO5Ophi. sche Ästhetik; und em 1790 - durch Kants "Kritik der Uneilskraft" stand fest, was 1781 in Kants "Kritik der reinen Vernunft" noch nicht fes1 stand: daß nicht jede "Sinnenlehre" , sondern nur die Philosophie dei schönen Kunst, Ästhetik heißt, die em ab 1800 - bei Schelling schließlich durch seine Vorlesungen zur "Philosophie der Kunst" (1802 - 1805) vorübergehend zur regierenden Hauptphilosophie wurde. Das ist die philo. sophische Bekräftigung jenes Vorgangs, den ich hier Ästhetisierung dei Kunst nenne: daß das Schöne zur Sache der Kunst wird; daß die Kunst ZUI Sache der Sinnlichkeit wird; daß also die schöne Kunst zugleich autonom und zur Sache des Genies wird. Aber warum geschah das alles em modem; Ich sympathisiere mit vier Thesen - die - miteinander kompatibel und möglicherweise konvergent - auf diese Frage zu antwonen versuchen. - D~ ist: These 1: die Ästhetisienmg rier Ku"st ilompensiert - als spezifIsch modeme Rettung der zauberhaften Züge der Wirklichkeit ins Ästhetische die motleme "E"l%IIuberu"g" der Welt (Max Weber); justament deswegel1 ist die Ästhetisierung der Kunst ein Phänomen gerade und nur der modernen Welt. In der Welt davor - insbesondere antik - war die schöne Kunst "Kunstreligion" (Hegei) bzw. Religionskunst: Element des Kults, der d~ Seiende rühmte. Vormodern war das Schöne vor allem das Seiende: d~ Gegebene, das vornehmlich die Vernunft vernahm. Vorästhetisch - insbesondere in der antiken Philosophie - war darum die Philosophie des Schö-
Auch als Einleitung
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nen keine Philosophie der Kunst und die Philosophie der Kunst keine Philosophie des Schönen; denn das Schöne - als das Seiende - konnte gerade nicht das - durch Kunst - Gemachte sein. Modem aber wird das anders: die Welt - indem sie zugunsten der alleinsakralen Unantastbarkeit des biblischen Alleingottes selber auf sakrale Unantastbarkeit verzichten mußte und dadurch zum Material für das menschliche Machen entzauben wurde - wird nun aus dem gegebenen Seienden zum menschlichen Anefaltt: zur wissenschaftlichen Experimentalwelt , zur technischen Produktionswelt, zur kommerziellen Geld- und Warenwelt, zur politischen Staats- und Reformwelt . Die Welt hön so auf. die seiende - die primär gegebene - und aus diesem Grund schöne Welt zu sein. Darum ist in der modemen Welt das Schöne entweder das Vergangene oder muß selber erst - und das gilt sogar für das "Naturschöne" - durch menschliches Machen. durch Kunst, in diese Welt hineingebracht werden und dabei - weil inzwischen die Vernunft zur experimentellen. technischen, kommerziellen und politischen Vernunft neutralisien wurde - durch eine Alternative zur Vernunft, darum sensibel durch Sinnlichkeit, gemerkt werden. So wird die schöne Kunst ästhetisch; sie emanzipien sich aus dem Kult und wird autonom; und die Philosophie des Schönen wird zur Philosophie der Kunst, die Philosophie der Kunst wird zur Philosophie des Schönen: zur Ästhetik. So kommt es gerade und nur modern - zur Ästhetisierung der Kunst. - Da ist: These 2: die kthetiJienmg der KII"st ~ompe1lSiert - als ästhetisches Festhalten der Kunst gegen ihr Ende - de" eschlllologische" freitflerillst; juswnent deswegen ist die Ästhetisierung der Kunst ein Phänomen post Christum natum, also grundsätzlich ein modemes Phänomen. Die gnostische Obenreibung der biblischen Eschatologie negien die Welt: sie betreibt - im Namen des Erlösergottes, der als Weltrichter die vorhandene Welt verwirft - das Ende der vorhandenen Welt, ihres Schöpfers und ihrer Kunst. Darum mußte die Kunst sich schließlich vom Religiösen freimachen, und es mußte - was niemals zuvor geschehen war - die Kunst die Bedingung der Autonomie auf sich nehmen. um Kunst zu bleiben und das Schöne der vorhandenen Welt gegen ihre Negation in die Kunst zu retten. Dieses Pensum wiederholt sich - zugespitzt - modem. Die modeme Form der erlösungseschatologischen Weltnegation ist die revolutionäre Geschichtsphilosophie: sie tribunalisien die vorhandene Welt, d. h. macht ihr - freilich jetzt nicht mehr gnädig wie einst der gnädige Gott - nunmehr gnadenlos das Gericht zugunsten einer ganz anderen - vermeintlich heilen - zukünftigen Welt. Aber diese Tribunalisierung - die modeme Radikalform des Weltgerichts - ist menschlich nicht lebbar: so provozien sie indirekt den Ausbruch der Menschen in die Unbelangbarkeit, dessen Form die ästhetische Kunst ist. Die Ästhetisierung der Kunst: sie ist Entlastung vom Weltgericht und insofern profan in etwa das. was christlich die göttliche Gnade war:
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Acsthetica und Anaesthetic
ein Gnadenstand unter Bedingungen der nicht mehr eschatologischen Welt - Da ist: These 3: die Ästhetisierung der Kunst gehört tJls Mome"t zum - spezi fISCh modemen - Prozeß der E"tiJbelu"g der Obef; justament auch deswe gen ist die Ästhetisierung der Kunst ein Phänomen gerade und nur de modernen Welt. nämlich ein Vorgang. der durch die modeme Theodizel beforden wurde. Gerade die Neuzeit muß - als "zweite Überwindung de Gnosis" (Hans Blumenberg1 ) - unter verschärften Bedingungen angesicht der Übel der Welt den Nachweis der Güte Gottes dwch Nachweis der Gütl der Welt führen; wo der klassische Optimismus der Leibniztheodizee dabe nicht mehr gelingt. wird zu einem entscheidenden Posten im philosophi schen Gottesveneidigungsctat dann das Argument. daß die Übel so übe nicht sind: die Übel werden - durch diesen modemen Zwang zur Theodizel - zu verkannten Bonitäten. die rehabilitien werden müssen und rehabili tien werden. Das gilt - in bedeutendem Umfang - für alle Sonen de Übels. So werden modern - unter Theodizeedruck - entübe1t: das gnoseo logische Übel (es macht - z. B. im Fiktionalismus - der Irnum modem einl steile Positivkarriere); das physische Übel (es promovien modem z. B. zun Kreativitätsstimulans); das moralische Übel (weil - z. B. für Rousscau une Nietzsche - die Kultur das Gute - das Natürliche und Starke - zum Bösel umlügt. wird es aus dieser Verbösung des Guten durch Entbösung des Bösel befreit); das metaphysische Übel (es kommt zur Positivkarriere der eigenau thentischen Endlichkeit: z. B. die Wandelbarkeit wird positivien zur Ge schichte). schließlich das ästhetische Übel: nicht nur verwandelt sich da Unschöne - das vormodem als metaphysisches Übel amtiene - moden rasant zum ästhetischen Positivwen; denn neben die Ästhetik des Schönel tritt zunehmend die Ästhetik des Nichtschönen: des Erhabenen. Sentimen talischen, Interessanten, Romantischen, Symbolischen, Abstrakten, Häßli ehen, Dionysischen, Fragmentarischen, Gebrochenen, Nichtidentischen Negativen; das Unschöne überflügelt das Schöne als ästhetischer Fundamen talwen. Aber diese Positivierung des ästhetischen Übels setzt ihrerseit voraus die Entübelung des Ästhetischen: das traditionell übel gestellte nämlich "inferiore" Vermögen der Aisthesis - Sinnlichkeit - avancier modern zur vermeintlich höchsten (nämlich künstlerischen) Potenz mensch licher Kreativität und Genialität eben durch die Entstehung der Ästhetik die - justament im Augenblick der Krise des Optimismus um 1no in Kontext dieser modernen Entübelung des Übels - auch als Hilfsorgan de Theodizee agien bis hin zum Satz von Nietzsche, "daß nur als ästhetische Phänomen das Dasein der Welt gerechtfenigt ist"), und jedenfalls durd Ästhetisierung der Kunst. - Da ist (besonders waghalsig): These 4: die Ästhetisieru"g der Ku"st isl die - speziftsch modeme Rettu"g der Werkgerechhgkeit u"ter Bedi"gu"ge" des (lutherischen) Prole
Auch als Einleitung
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justament deswegen - weil dies nur nachreformatorisch möglich war - ist die Ästhetisierung der Kunst ein Phänomen gerade und nur der modemen Welt. Wo die Heilsrelevanz .. guter Werke" dwch das reformatorische ..sola gratia" und .. sola fide" abgewiesen wird. bleibt den guten Werken. um Heilsrelevanz zu behalten. nur mehr die Flucht aus dem religiösen in den profanen Bereich: in das Ästhetische. das ebendarum nicht zufällig im Terrain des Protestantismus - philosophisch zum Thema wurde. und zwar vor allem im Raum des Luthenums. Im Gebiet des Katholizismus brauchte die Werkgerechtigkeit nicht gerettet zu werden; im protestantisch reformienen Gebiet - vor allem im Calvinismus - rettete sich die Werkgerechtigkeit auf kompliziene Weise in die .. innerweltliche Askese" des Kapitalismus (Max Weber·). Wo beide Wege zunächst nicht offenstanden - also im Terrain des lutherischen Protestantismus - mußte das Ästhetische ausdrück.lich erfunden werden, um die Heilsrelevanz der guten Werke zu bewahren; don zuerst - wo die Heilsbedeutung der guten Werke radikal bestritten wurde - mußten die guten Werke aus dem religiösen Territorium in das - ebendafür nun geschaffene - ästhetische Territorium emigrieren, um Heilsrelevanz zu behalten. Dabei wurden die guten Werke zu schönen Werken, eben zu Kunsrwerken: zu guten Werken der schönen und schließlich auch, in der weiteren Enrwick.lung. der ästhetisch .. nicht mehr schönen" - Künste. Durch die Ästhetisierung der Kunst wurden gerade und nur modem - die .. guten Werke" sälrularisien zu guten "schönen Werken": zu ästhetischen KunstWerken. Von diesen vier Thesen habe ich die erste von Joachim Ritter übernommen; die drei anderen - die eben deswegen in der Folge weniger ausgefühn sind - mögen halbwegs originell sein. Alle vier Thesen benennen spezifisch modeme Vorgänge; und diese vier Vorgänge sind - in meinen Augen: den Augen eines skeptischen Modernitätstraditionalisten - zustimmungsfähige Geschichten. Was dabei entstand, ist unverzichtbar; denn die Modeme zu der die ästhetisiene Kunst, also das Ästhetische, unabdingbar gehön ist die bewahrensweneste der uns geschichtlich erreichbaren Welten. sllmlis",IlS;
2. (Ästhetisierung der Wirklichkeit). - Problematisch - als Verkehrung
des Ästhetischen ins Anästhetische - ist nicht die Ästhetisierung der Kunst, sondern die Ästhetisierung der Wirklichkeit. Werkgerecbtigkeit: das meint die Ermunterung vieler Werke, die flankierend zur Erlösung - einige .. Gerechtigkeit" d. h. Erlösung bringen, sozusagen die kleine - die menschenmögliche - Erlösung. So ist auch die sälrularisiene Werkgerechtigkeit - die Fülle der ästhetischen Werke - das Gewimmel vieler Werke; und daß sie - die ästhetisienen guten Werke: die ästhetischen Kunstwerke - viele sind, ist gut: es dient der ästhetischen Gewaltenteilung, der Teilung der ästhetischen Gewalten. Indes: was ge-
16
Acsthetica und Anaesmetica
schieht modem - post Christum natum und nach dem vermeintlichen Tode Gottes - mit der großen Erlösung: jenem göttlich einen - absolut betrachtet: alleinguten - Werk, durch das der menschgewordene Gott Christus die Welt erlöst? Auch dieses absolute Werk - das alleinseligmachende Erlösungswerk des einen Alleingottes - fmdet nachchrisdich (also nach der Aufhebung des christlichen Verbots menschlicher Sdbsterlösung) einen profanen Ersatz; und dieser Ersatz - die menschliche Selbsterlösung durch ein einziges MenschheitsWerk - durchläuft, scheint es, während der üitstrecke der Neuzeit mindestens zwei Stadien: das Stadium der Revolutionierung der Wirklichkeit und das Stadium der Ästhetisierung der Wirklichkeit. Das erste Stadium dieser ersatzhaften Selbsterlösungsveranstaltung der Menschen, die Phase der RetlOlulionierung der Wirldi&h~eit, beginnt in der von Reinhan Koselleck so getauften "Sattelzeit'" um 17~O: es ist die Phase der modemen - der Tendenz nach revolutionären - Geschichtsphilosophie. Sie verbietet - durch "Singularisierung"6 der Geschichte - den Menschen, viele Geschichten zu haben, und erlaubt ihnen - jedem Menschen für sich und allen Menschen zusammen - nur noch, eine einzige Geschichte zu haben 7 : die Geschichte ihrer Selbsterlösung, eben "die" Geschichte, die eine einzige Gesamtgeschichte der Menschheit. Gegen die alten vielen Mythen setzt sie eine neue Mythologie: den Monomythos der Revolutionsgeschichte; und diese Alleingeschichte - meint die revolutionäre Geschichtsphilosophie - wird als menschliche Selbsterlösung von den Menschen nicht mehr schicksalhaft hingenommen, sondern von ihnen - als Menschenwerk - "gemacht". Dieser geschichtsphilosophische Monomythos ist neue Mythologie als Mythologie des Neuen. Sie ist Philosophie des Fortschritts, der gesteigen wird zur Revolution, weil die Geschichte sich am besten dadurch als Alleingeschichte behauptet, daß sie - alle anderen Geschichten als veraltet abhängend - die unüberbietbar neueste Geschichte des unüberbietbar Neuesten wird: die Geschichte des letzten Schritts der Geschichtsvollendung, der endgültig menschheitserlösenden Revolution. Diese Revolution tritt aus dem Aggregatzustand der geschichtsphilosophischen Erwanung und Verheißung erstmals in den Aggregatzustand der Realität durch die französische Revolution. Sie wird - durch diese Revolution und ihre Nachfolger - zum Gegenstand wirklicher Erfahrung, die zeigt: was diese Revolution bringen sollte, die Menschheitserlösung, das bringt sie nicht; sie bringt eher das Gegenteil. So kommt es - als Ende dieser ersten Phase - zur Enttäuschung der revolutionären Naherwanung. Das zweite Stadium dieser ersatzhaften Selbsterlösungsveranstaltung der Menschen, die Phase der Ästhetirierung der Wirldich~eit, beginnt justament unter dem Eindruck eben dieser Enttäuschung der revolutionären Naherwartung. Die Romantik - und ein Hauptgewährsmann dafür ist Schelling, der gleichzeitig, 17978 , frühgrün auf die Natur als Hilfsgeschichte
Auch als Einleitung
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blickte - rettet den politisch in der Realität gescheitenen Versuch der revolutionären Vollendung und Erlösung der Menschheit in ein ästhetisches Programm. Der Monomythos der revolutionären Gcschichtsvollendung soll sein politisches Scheitern als ästhetisches Kunstwerk überleben: als nelle Mythologie. Dabei bleibt die neue Mythologie Monomythos: Alleingeschichte als Gesamtgeschichte für alle Menschen. wenn auch jetzt ästhetisch. Nichts macht das deutlicher als die Wirkungsgeschichte des Programms der .. neuen Mythologie" von 17969 : sie mündet in die Idee des Gesllmlkllnslwerh. Diese beginnt mit Schellings Identitätssystem - das die gesamte Wirklichkeit zum Kunstwerk erldän - und setzt sich im 19. und 20.Jahrhunden fon meist in panidieren Versionen: im Versuch der Verbindung aller besonderen Kunstformen (Wagner) oder dem Versuch der Zcrstörung aller besonderen Kunstformen (Futurismus und Surrealismus). um - als Realisierung der neuen Mythologie - das Gesamtkunstwerk zur Gesamtwirklichkeit oder die Gesamtwirklichkeit zum Gesamtkunstwerk zu machen. Dabei triumphien die Monomythie: es gäbe - wo der .. Hang zum Gesamtkunstwerk" (Harald Szccmann) radikal würde - nicht allein nur noch eine einzige Alleingeschichte • sondern zugleich auch nur noch ein einziges Alleinkunstwerk. weil angesichts des absoluten Kunstwerks alle anderen Kunstwerke - auch die besonderen Mythen und besonderen Avantgarden - als ästhetische Häresien geächtet und verbannt werden müßten. Jeder Mensch für sich und alle Menschen zusammen dürften dann nur noch dieses eine einzige Kunstwerk haben und leben. und zwar so sehr. daß sie neben diesem absoluten Gesamtkunstwerk - indem es die Grenze von Kunst und Nichtkunst tilgt: eben durch diese Abgrenzungsverweigerung ist es Gesamtkunstwerk - auch keine weitere Wirklichkeit mehr haben dürften; denn dieses totale Gesamtkunstwerk - das (als die absolute Identität von Kunstwerk und Revolution) mit der Wirklichkeit zusammen auch alle Menschen ästhetisch gleichschaltet - wäre die totalitäre Erfüllung des monomythischen Programms der .. neuen Mythologie". Dubios - ich wiederhole es - ist nicht die Ästhetisierung der Kunst. sondern diese Ästhetisierung der Wirklichkeit. die - als die zum einen einzigen Menschenwerk gemachte Selbsterlösung des Menschen - die Revolutionierung der Wirklichkeit fonsetzt: als letzte Stufe dieser Stufenfolge der Ermächtigung der Illusion. bei der das Ästhetische - gefährlich nicht. weil es zu unwirklich. sondern weil es zu wirklich wird - statt zur .. ästhetischen Erfahrung" (Hans Roben Jauß IO ) zum anästhetischen Abschied von der Erfahrung fühn: zur Anästhetisierung des Menschen. Und das - meine ich - ist nicht gut. 3. (Nach der Postmoderne). - Diese anästhetische Ermächtigung der Illusion ist die Gegenneuzeit . Wo nämlich - in der skizzien totalen Weise -
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Aesthecica und Anacsthetica
das Gesamtkunstwerk und nur noch das Gesamtkunstwerk propagien wird, läuft das - alle modernen Avantgarden überbietend und verneinend hinaus auf die Forderung, die vorhandene Welt durch dieses absolute Kunstwerk zu ersetzen. Die vorhandene Welt aber ist die moderne Welt. Der Versuch, sie zu ersetzen - durch Ersetzung zu negieren - gehön in die Tradition des Versuchs, sich von der Modeme loszusagen und ihr feindlich entgegenzutreten: in die Tradition des Antimodemismlls. Sie berühn sich dadurch zugleich mit einer Losung, die heute als "Gespenst" "umgeht" (Hans Roben )auß ll ): mit der Losung der Postmodeme. Das mag auf den ersten Blick ein wenig paradox anmuten; diese Paradoxie aber - denke ich - milden sich, wenn man aufmerksam wird auf jenen Vorgang, in den schließlich auch die Losung der "Postmoderne" und - vom "posthistoire" über das "Ende der Neuzeit" bis zum "Poststrukturalismus" - aller "Postismen .. gehön, und den ich nenne: die Futllrisierung des Antimodemismlls 12 • Seit Beginn der modernen Welt durchläuft das für die öffentliche Intellektualität jeweils aktuelle Gegenwansverhältnis - grob gesprochen - drei Phasen. Da ist: a) die - promodernistische - Gegenwansbejahung auf Kosten der Vergangenheit. Das ist die Einstellung der klassischen Aufklärung: von Voltaire bis Hegel. Die Gegenwart ist aufgeklän; die Vergangenheit - das Mittelalter - war das noch nicht und also finster, doch das haben wir hinter uns: gut ist die Gegenwart; und die Zukunft ist einzig die Konsequentmachung der Gegenwart mit Hilfe gegenwäniger Mittel. So ist die Gegenwart - die Moderne - schlechthin zustimmungsfähig. Diese Zustimmung der klassischen Aufklärung zur Gegenwart stand am Anfang der Modeme; doch sie wurde wiederholt preisgegeben. Denn da ist: b) die - antimodernistische - Gegenwansvernemung im Namen der Vergangenheit: diese mag nun als vorkulturelle Natur oder als vorchristliche Antike oder als vormodemes Mittelalter bestimmt werden. Das - dieser regressive Antimodernismus - ist die Einstellung der Romantik: von Rousseau über Novalis und Nietzsche bis hin zur heutigen grünen Welle. Für sie ist die Vergangenheit - die vor der Neuzeit, die vor dem Christentum, die vor der Kultur, die vor dem Urknall - strahlendes Vorbild, von dem die Neuzeit abgefallen ist: die modeme Gegenwart entsteht durch Verfall; so muß - gegen diesen Verfall - die moderne Gegenwan negien werden, und die Zukunft kann nur dann gut sein, wenn sie die Wiederkehr dieser guten Vergangenheit ist. Das ist die Position des Antimodernismus von der Vergangenheit her. Aber dieser Antimodernismus ist wandlungsfähig. Denn da ist schließlich : c) die - antimodemistische - Gegenwansverneinung im Namen der Zukunft. Das ist die Einstellung des futurisienen Antimodernismw: ihr Protagonist war Fichte mit seiner Diagnose der Gegenwart als Zeit der
Auch als Einleitung
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"vollendeten Sündhaftigkeit"u. Die wirkungsvollste Gestalt dieses Bündnisses von Antimodernismus und Fonschrittstheorie ist die revolutionsphilosophische Entfremdungskritik an der bürgerlichen Gesellschaft durch Marx, deren Varianten das heutige Denken weithin beeindrucken: die modeme Gegenwan - als Zeitalter der vollendeten Sündhaftigkeit, als Ära der kapitalistischen Ausbeutung, als technokratische Entfremdungsepoche, als Periode der Krise durch Wachstum und der Kriegsgefahr durch Friedensvorsorge, als sonstwie zu beendende Neuzeit - wird nicht mehr durch eine heile Vergangenheit in Frage gestellt, sondern durch eine als heil verheißene Zukunft: die der klassenlosen Gesellschaft oder sonstwie alternativer Formen der Nachmodeme. Auch dieser geschichtsphilosophische Angriff auf die vorhandene Welt im Namen der Zukunft ist ein Antimodernismus 14 : der futurisiene Antimodernismus . Das Programm der "Postmoderne" gehön zu diesem futurisienen Antimodernismus, bei dem inzwischen die Modeme selbst dann nicht mehr gut wegkommt, wenn ihr keine erlösende Zukunft entgegengehalten werden kann. Man tritt jetzt gegen die Moderne nicht mehr im Namen einer bestimmten heilen Zukunft an, man tritt nur noch gegen die Modeme an, so daß der wichtigste Erfolg schon darin gesehen wird, die Moderne hinter sich zu haben oder sie hinter sich haben zu wollen: das Programm der Postmo-
derne ist die Schwundstufo des futurisierten AntimorJemismus. Aber - so scheint es mir - die Postmoderne IIIs Programm ist I4ngsl dementiert durch die Postmodeme IIIs rellie Kunstform; denn deren auffälligstes Kennzeichen - der Stilpluralismus - ist eine Angelegenheit ganz und gar nur der Modeme: nämlich die Wiederkehr des Historismus in jenem flO de si~cle, das zugleich flO de millenaire ist. Die tatsächliche Postmoderne IIIs rellle KUnJtgestlllt ist Neohistorismus und insofern das Ergreifen einer genuinen Möglichkeit gerade der Modeme. Daraus folgere ich als These: das, was nlUh der Postmoderne ~ommt und I4ngst wiedergdommen ist - ist die Modeme. Die Postmoderne lebt ästhetisch - wie jeder ästhetische Ansatz des Antimodernismus - allein durch ihre Inkonsequenz. Jeder Antimodernismus - der regressive, der revolutionäre, sogar der des total gemachten Gesamtkunstwerks - negien das Ästhetische d. h. häretisien die autonomen Kunstwerke. Wo man sie gegen die Grundtendenz des Antimodernismus - festhält, gilt das als modernistischer Verrat. Ich plädiere dafür, diesem Verrat das schlechte Gewissen zu nehmen, indem man die Zustimmung zur Modeme reaktivien. Das bedeutet außerästhetisch: moderat zurückzukommen auf die Tradition der ersten - der promodernistischen - Phase der Einstellung zur modemen Welt: auf die der bürgerlichen Auflclirung, und zwar durch etwas heute sehr Unpopuläres: durch Zustimmung zur eigenen Bürgerlichkeit, auch zur eigenen Bildungsbürgerlichkeit.
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Aesthetica und Anaesthetica
Das bedeutet zugleich ästhetisch: resistent zu werden gegen antiästhetische Affekte, denn sie sind antimodernistische Affekte. Das Ende der ästhetischen Kunst ist nicht die Definition, sondern das Gegenteil der Modeme: die Modeme - als ästhetisches Zeitalter - ist gegen das Ende der Kunst erbaut. Denn die modeme Welt braucht - als Kompensation ihrer Entzauberungen - das Ästhetische in der Form der autonomen Kunst. Freilich kommt es von Anfang an zum Streit zwischen der Ästhetik des Gelingens des vorhandenen Ästhetischen (des Schönen, Naiven, Klassischen, Apollinischen usf.) und der Ästhetik des Scheiterns des vorhandenen Ästhetischen (des Erhabenen, Sentimentalischen, Romantischen, Dionysischen usf.): von der "Querelle des anciens et des modemes" bis zur Opposition von Akademie und Avantgarde. Die spezifisch modeme Dauerschlichtung dieses Streits - Hans Roben Jauß hat das gezeigt" - ist der historische Sinn und der Historismus: modem hat eben nicht eine einzige Kunstform recht, sondern - relativ - recht haben viele oder gar alle Kunstformen . Das diese Pluralisierungen des Ästhetischen - ist jenes "postmoderne" Motiv, das nicht nlJ&h der Moderne, sondern von Anfang an in der Moderne wirksam war und ist. Dieses Motiv ästhetischer Pluralisierung gehön zu jenem Pluralisierungspotential, das in der modemen Welt den Prozeß ihrer Rationalisierung - die stets zur Universalisierung tendien - kompensien. Die moderne Welt: das ist Rationalisierung plus Pluralisierung. Nur beides zusammen macht sie zustimmungsfähig. Dabei betont der Skeptiker die Pluralisierung. Denn Skepsis ist der Sinn für Gewaltenteilung, für die Teilung jeglicher Alleingewalt in Gewalten: vom Zweifel - der Gewaltenteilung der Überzeugungen - über die politische Gewaltenteilung bis hin zur Teilung auch noch jener Gewalten, die die Geschichten sind. 16 Sie schützt jeden Menschen - durch die jeweils anderen Wirklichkeiten - vor dem Alleinzugriff einer einzigen Wirklichkeit und gibt ihn dadurch frei zur je eigenen Individualität. Dazu gehön auch die iislhe#sche GeUNIIlenleil,mg: die Möglichkeit, viele und bunte Kunstgestalten zu haben. Sie schützt vor dem absoluten Alleinkunstwerk durch die Teilung auch noch jener Gewalten, die die Kunstformen, Kunststile, Kunstwerke und ihre Deutungen sind, und ermöglicht so den modemen Menschen auch ästhetische Individualität. Das ist dann keine Abschaffung der Moderne, sondern justament ihr Gegenteil: die Veneidigung der modernen - bürgerlichen - Welt gegen den antimodernistischen Angriff auf sie. Es kommt darauf an, jene Postmoderne, die - antimodernistisch - die Moderne hinter sich haben will, hinter sich zu haben: nach der Postmoderne kommt die Modeme. Dafür braucht die modeme Welt - als Kompensation ihrer fonschreitenden Rationalisierung - auch und gerade und immer mehr die Pluralisierungskraft der ästhetischen Kunst: je moderner die modeme Welt wird, desto unvermeidlicher wird das Ästhetische.
Kant und die Wende zur Ästhetik l
1. Von Kam soll die Rede ~in, und zwar nicht vom Wissenschaftstheoretiker Kam (den die Marburger Schule am gründlichsten und vielleicht auch stimmigsten interpretien hat)2, nicht vom vermeintlichen Fundamentalontologen Kam (wie Heidegger ihn einse - und heute nicht mehr4 - zu ~hen versuchte). nicht vom sozialphilosophischen Revolutionär Kant (den vor nicht allzulanger Zeit Lucien Goldmann in einem eindrucksvollen Buch' im Anschluß an linkshegelsche Ansätze erneut analysien hat). und auch nicht von Kant. dem Bewahrer der metaphysischen Tradition (dem von Paul~n6 über Heimsoeth 7 bis zu Krüger' und darüber hinaus bedeutende Interpreten9 nachgegangen sind). sondern es soll die Rede ~in von dem Kam. der der Wende zur Ästhetik vorgearbeitet hat. 2. Di~ Wende zur Ästhetik ist ohnehin eine denkwürdige Angelegenheit.
Denn daß nach mehreren Anläufen - zu nennen sind etwa Gracian. Vico. Shaftesbury. Baumganen - vor allem seit der Mitte des 18.Jahrhunderu eine philosophische Ästhetik. eine Lehre vom Schönen. vom Künstler und der Kunst sich entwickelt. 'o bedeutet ja nicht nur. daß die Philosophie ein neues und reiches Spezialgebiet entdeckt hat und nun .. auch" mit der Kunst. dem Gefühl. der Phantasie, dem Geschmack. dem Genie. mit der Innerlichkeit schöner Seelen und erhabener. tragischer oder ironischer Gemüter. mit dem Erlebnis und dem Ausdruck. der Inspiration und den Formzwängen, mit dem Schöpferischen und ~inen Depressionen. mit der Langeweile. mit der Schwermut sich befaßt. Entscheidend ist ja vielmehr dies: die Philosophie solcher vermeintlich .. speziellen" Phänomene hat eine durchaus .. universelle" Absicht. Sie deutet die Kunst nicht. um die Kunst. sondern. um die Welt zu verstehen. Und sie deutet den Künstler nicht. um den Künstler. sondern. um den Menschen zu verstehen. Denn - das ist ihre Überzeugung - nicht mehr am Wei~n oder Heiligen. also im theologischen Blick auf Gott. aber auch nicht am Forscher. also wissenschafts-philosophisch. und auch nicht am Bürger. also geschichtsphilosophisch. sondern am künstlerischen .. Genie". d. h. ästhetisch sieht man. was der Mensch ist. Das Entstehen dieser Überzeugung ist gemeint. wenn von der Wende zur Ästhetik die Rede ist. also dies: daß die Äslhell'll seit Ende des 18.}flhrhunderls und dem Anspruch nllCh bis heUle zur dienslhflbenden Fundamenlfllphilosophie wird. Als Fundamentalphilosophie ist die Ästhetik verstanden worden von den großen Ästhetiken. von Schillers ästhetischen Schriften". von der Künstlerverklärung der Romantiker 12 • von der in mehreren Ansätzen vor
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sich hin resignierenden Ästhetik Friedrich Theodor Vischers lJ , vielleicht auch von der pessimistischen Erlösungsästhetik Schopenhauers '4 , sicher aber von der .. Anistenmetaphysik" des jungen Nietzsche U , und ebenso von der psychologisch-historischen Erlebnisästhetik Diltheys '6. Und als Fundamentalphilosophie wird die Ästhetik kritisien von den großen Romantik- und Ästhetik-Kritikern, von Hegd 17 , von Kierkegaard 11 , vom späteren Nietzsche '9 • Also davon ist hier die Rede, wenn von der Wende zur Ästhetik die Rede ist: daß die Ästhetilt seit Enrie ries 18.}llhrhunrierts und dem Anspruch
nll&h bis heute zur diensthllbenrien FundamenllJJphilosophie wird. Wie kommt es dazu? Wie kommt es zu dieser Wende? Diese Frage deren Formulierung und Erönerung hier an Untersuchungen J. Ritters 20 anschließt - diese Frage hat eine besondere Schärfe, denn die Wende zur Ästhetik bedeutet für die Philosophie einen Bruch mit mindestens einer ihrer stärksten Traditionen. Seit ihrer Frühzeit - zu denken ist nicht nur, aber vor allem an Platon 21 - neigt Philosophie zur Künstlerkritik. Sie kritisien Künstler und Dichter. Sie verklagt die Kunst als Euthanasie der Wahrheit und den Dichter als Menschen, der dichtet, anstatt zu sein. Und jetzt - scheinbar plötzlich - distanzien sich Philosophie von dieser Kritik. Jetzt verzichtet sie auf die traditionelle Künstlerkritik. Jetzt lobt sie den Menschen, der dichtet, um zu sein. Jetzt inthronisien sie die Kunst. Jetzt huldigt sie der Dichtung. Jetzt verklän sie das sogenannte .. Irrationale" und verleugnet ihre traditionelle Bindung an die Vernunft. Warum? Dazu kommt es nicht von ungefähr und aus Versehen. Dazu korDJnt es auch nicht durch eine Künstlerverschwörung, weil die Künstler die Philosophie unterwandern zwecks Herauflobung ihres Metiers. Das hat tiefere und realere Gründe, und danach muß gefragt werden. Warum dieser philosophische Vorrang der Ästhetik?ll Wie kommt es dazu? Wieso wird für den Menschen und seine Philosophie zu einer bestimmten Zeit die Ästhetik nötig? Wozu braucht er sie? Kurz: Wozu Ästhellll?~ 3. Das also ist die Frage, die hier zur Debatte steht. Wer an eine Philosophie diese Wozufrage richtet - wozu diese Philosophie? wozu Ästhetik? wozu Wissenschaftsphilosophie? wozu Geschichtsphilosophie? - wer eine Philosophie mit dieser Wozufrage quält, der sieht sie in besonderer Weise. Er nimmt sie nicht als Fundus immergültiger Aussagen - weder, daß er all das und vielleicht sogar nur das, was diese Philosophie sagt, für ein-für-allemal wahr hält, noch, daß er Zeitliches und Überzeitliches an ihr scheidee4 und jenes ins Kröpfchen der Historie, dieses ins Töpfchen der Systematik tut. Er nimmt sie anders. Wie? Eben durch Beantwonung der Wozufrage. Das .. Wozu?" - offenbar verweist es auf ein .. Dazu", auf einen Zweck; und die Wozufrage prüft das Befragte auf seine Beteiligung an der Erreichung dieses Zwecks. So scheint eine wozufragende Interpretation die befragte Philoso-
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phie als guten oder schlechten Schritt auf dem Weg zur Verwirklichung des Geschichtssinns. des Geschichtsziels zu verstehen. Freilich: wo sie das will, müßte der Interpret das Geschichtsziel kennen. Was aber, wenn das nicht der Fall ist? Was soU er tun, wenn er dieses Geschichtsziel nicht kennt ?2) Dann ist er gezwungen, eine noch andere, verbleibende Möglichkeit des wozufragenden Deutens zu suchen. Wer das Ziel nicht kennt, kennt doch vieUeicht einen Ausgangspunkt, also nicht das wohin die Geschichte will, sondern das, wovon sie weg will; und es ist möglich, eine Philosophie im Blick auf dieses "Wovonweg" , "Worausheraus" , auf diese relative Ausgangslage, der sie entgehen will. von der sie wegkommen will. zu interpretieren. Eine solche Deutung nimmt also die betreffende Philosophie als Ausweg. 26 Interpretieren lind Philosophieren wirdfür sie ZII einem GesprlJch über die Allswege. In den Zusammenhang dieses Gesprächs gehön die Wozufrage , die hier gemeint ist. Und wer durch diese Frage eine Philosophie in die RoUe eines Panners im Gespräch über die Auswege zwingt (wie ich das hier tun möchte), der nimmt sie also in der Tat in besonderer Weise - und das sollte zugleich bedeuten: er nimmt sie in besonderer Weise ernst. 4. Wo Philosophie und philosophische Interpretation das Gespräch über die Auswege ist. da muß sie sich für die Situation interessieren, die Auswege nötig macht. Und wenn Philosophie zugleich Rede übers "Allgemeine" ist und "jedermann notwendig interessieren" soll, 27 dann muß es sich dabei schon um eine sehr allgemeine Situation handeln. Solch eine allgemeine Situation ist die modeme Situation des Menschen. Einige Philosophen und Theologen haben - nicht ohne dabei Kritik zu erdulden - diese Situation als "Emanzipation", als Lösung des Menschen aus seinen überliefenen religiösen Bindungen gedeutet/8 und ich möchte ihnen darin hier folgen. obwohl man schwerlich wird bestreiten können, daß diese Deutung ihre Schwierigkeiten hat. Es sei hier eine kurze und grobe Skizze versucht. Ein wichtiger Emanzipationsschritt scheint der zu sein. daß im ausgehenden Mittelalter Theologie und Philosophie sich trennen. Theologie und Philosophie entfremden sich. Glaube und Vernunft leben sich auseinander. Und wenn anders Vernunft die vielleicht einzige Bedingung ist, unter der "die Welt" in einer positiven Weise ins theologische Denken eingebracht werden kann, dann bedeutet das: durch die Lösung der Vernunft aus dem theologischen Denken wird die Welt in gewisser Weise theologisch unbegreiflich. Ihr wird die Möglichkeit genommen, sich theologisch zu verstehen. So formien und formulien sie sich der Tendenz nach theologiefrei, d. h. profan. 29 Die. oder richtiger: eine wesentliche Folge davon ist das. was man die EntZllllherung des Interessendenkens nennen kann. und die ich als Grundzug dieser Situation hervorheben möchte. Die Welt wird offen die Welt der entzaubenen und enthemm-
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ten Bedürfnisse und Interessen. die .. sinnliche" Welt der rivalisierenden Individuen und Gruppen. des Dranges zur Macht. der Angst vor den anderen und der Sorge ums Überleben. Lobend gemeinte Kategorien für diese Lage wie die des Konkurrenzkampfs und ihre übersetzung ins Biologische - Kampf ums Dasein - können kaum verschleiern: der Gesellschaftszustand der extremen. vollendeten Emanzipation wäre identisch mit dem Kampf aller gegen alle. mit dem Naturzustand des Hobbe~. Das Unbehagen an diesem Zustand treibt in den .. Staat um jeden Preis" • das Unbehagen an diesem in die "Freiheit um jeden Preis": zur Entzauberung der Interessenwelt gehön die Wechselwinschaft zwischen Anarchie und Diktatur. Eine Lage. wird man sagen. eine Situation. die nicht ohne Schwierigkeiten ist: eine Sitllat;on der Hilfertlfe. Der Bedarf an Auswegen wird. scheint es. verständlich. Und er ist verständlich auch und gerade dann. wenn die skizziene Lage keine vollendete Wirklichkeit. sondern latente und stets bedrohliche Möglichkeit ist. Im Zusammenhang des hier verfolgten Themas interessieren zunächst vor allem diejenigen Auswege. die man die Auswege durch Vernunft nennen kann. Vernunft gehön offenbar nicht zu den Erregern der geschildenen Aporie. sondern zu den Versuchen ihrer Bewältigung: diese auswegfordernde Enthemmung des Interessendenkens krankt ja nicht an zuviel. sondern gerade an zuwenig Vernunft. Es ist angebracht. das gegenüber jeder An von .. misologischer" Zeitkritik J1 zu betonen. Auch und gerade die modeme Vernunft ist der Versuch. jener beschriebenen. bedrohlichen Lage zu entgehen. Das gilt bereits für die erste Form. in der die moderne Vernunft einen Rettungsanspruch erhebt. für die beobachtende. experimentierende. mathematisierende. prognostizierende. kurz: für die kontrollierende Vernunft der exakten Wissenschaften. die gemeint ist. wenn in der Folge - ohne daß damit die eigenanige Wissenschaftlichkeit anderer Vernunftformen bestritten wird - abkürzend von der wissenschaftlichen Vernllnft und dem wissenschaftlichen Denken die Rede ist. Und es gilt ebenso für die zweite Form. in der die moderne Vernunft einen Rettungsanspruch erhebt. für die geschichtliche Vernllnft. das geschichtliche Denken. H Der Übergang des Rettungsund Führungsanspruchs von jener ersten Form. der wissenschaftlichen Vernunft. an diese zweite Form. die geschichtliche Vernunft. ist eines der großen Themen und Ereignisse der modemen Philosophie. H Er bezeugt zugleich die Fähigkeit der Vernunft zur Auseinandersetzung um den besten Ausweg. d. h. um ihre eigene richtige Form. Und er ist jenes Ereignis - und darum interessien es hier - in dessen Zusammenhang die Wende zur Ästhetik gehön. Denn die Wende zlIr Ästhe#~ gehört ;n Jen ZlIsammenhang Jer Ab~ehr IIon der (eXiMten) Wissenschaft (l/s domi"ierender Mll&ht lind der ZlIwendllng ZlIr Geschichte (l/s dominierender Mll&ht. Sie gehön in diesen Zusammenhang als die Möglichkeit derer. denen jene Abkehr von der
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Wissenschaft gelingt und diese Zuwendung zur Geschichte nicht gelingt. Wozu Ästhetik? Wozu wird sie gebraucht? Ästhetik wird angesichts der Aporie des emanzipierten Menschen gebrallcht als Allsweg dort, wo das wissenschaftliche Denken nicht mehr lind das geschichtliche Denken noch nicht /rllgl. Das ist die These. Der ZlIg zlIr Äslhetik enlslehl alls der Hemmllng des Verlallft der Wende flon der Wissenschaftsphilosophie zlIr Geschichtsphilosophie. Die Voraussetzung dieses Zuges zur Ästhetik ist das Gären und Rumoren dieser Wende, dieses Übergangs vom wissenschaftlichen zum geschichtlichen Denken. 5. Und damit zu Kant. Denn Kant ist ein Philosoph dieses Übergangs. Kant isl ein Philosoph des Obergangs flom wissenschaftlichen zlIm geschichtlichen Denken. Er ist es geworden dadurch, daß er in seiner "Kritik der reinen Vernunft" an die exakte Wissenschaft, und d. h. für ihn: an die mathematische Naturwissenschaft die Frage richtete,~ ob sie ihren Führungsanspruch zu Recht erhebe. Und weil einen Führungs- und Renungsanspruch erheben wohl dies bedeutet: "alles" in Ordnung d. h. "alles" ins rechte Verhältnis bringen, und d. h. zunächst einmal: "alles" zu Won kommen lassen und d. h. das Ganze denken - darum ist Kants Frage an die exakte Wissenschaft auch die, ob sie wirklich das Ganze denken könne, d. h. ob sie iluen Totalitätsanspruch zu Recht erhebe. Vielleicht könnte man bezweifeln, daß das Kants Frage ist. Vielleicht könnte man einwenden, Kants Problem sei die Frage nach der Metaphysik gewesen. Die ,Kritik der reinen Vernunft' sage von sich selbst, sie wolle die "Entscheidung der Möglichkeit oder Unmöglichkeit einer Metaphysik überhaupt"n. Und nach dem Zeugnis der ,Prolegomena' habe Kant interessien, "ob auch so etwas, als Metaphysik, überall nur möglich sei"J6. Um diese Frage zu entscheiden, halx Kam das beruhmte Problem der Möglichkeit synthetischer Uneile apriori aufgeworfen und nach der Möglichkeit reiner Mathematik und reiner Naturwissenschaft gefragt.)7 Er habe die Reichweite ihrer Erkenntnis geprüft und sei zur Einsicht gekommen, daß sie begrenzt sei; Metaphysik aber wolle über die Grenze dieser Reichweite hinausdenken - das jedoch sei illegitim, und darum sei Metaphysik unmöglich. Ja Das sei die Frage Kants und das sei die These Kants. Gewiß, das ist sie. Aber steckt da nicht vielleicht doch noch ein Problem, dessen Beachtung diese Frage und These Kants in ein anderes, erhellenderes Licht rückt und ihren springenden Punkt, ihren Skopus, sozusagen den Witz der Sache allererst enthüllt? Es kommt, glaube ich, in der Philosophie fast mehr als auf alles andere darauf an, im richtigen Augenblick schwer von Begriff zu sein. Vielleicht ist man es hier im richtigen Augenblick, wenn man zunächst einmal nicht begreift, wieso - und das ist ja bei Kant der Fall wieso eigentlich das Schicksal der Metaphysik von der Reichweite mathema-
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tischer Naturwissenschaft abhängen soll. Was denn in aller Welt haben diese beiden menschlichen Möglichkeiten miteinander zu tun? Ist das nicht so ähnlich, als wolle man das Schicksal der Musik von der Hobelkunst der Tischler abhängig machen? Das Musizieren liegt außerhalb der Reichweite des Hobelns, also ist Musizieren unmöglich; die Metaphysik liegt außerhalb der Reichweite mathematischer Naturwissenschaft, also ist Metaphysik unmöglich. Gibt das einen brauchbaren Sinn? Offenbar nicht. J9 Also hat Kant schlecht gedacht? Keineswegs. Also hat die Verknüpfung des Schicksals der Metaphysik mit der Lösung des Problems der Reichweite mathematisch-naturwissenschaftlicher, d. h. exakter Erkenntnis doch einen guten Sinn? Durchaus. Und zwar genau dann, wenn das fragliche Schicksal der Metaphysik nicht das Schicksal der Metaphysik "schlechthin und überhaupt", sondern das Schicksal einer Metaphysik ist, die mit Denkmitteln mathematischer Naturwissenschaft operien - der Kant unmittelbar vorgegebenen, der Aufklärungsmetaphysik. 40 Auch diese Metaphysik will, was jede Metaphysik will: das Ganze denken. Aber sie will es mit Mitteln exakter Wissenschaft. Das Schicksal der Metaphysik hängt ab von der Reichweite mathematischer Naturwissenschaft also dann, wenn es sich um eine Metaphysik handelt, die mit Denkmitteln mathematischer Naturwissenschaft operien; also dann, wenn es sich bei der Metaphysik um einen Metaphysikversuch mathematischer Naturwissenschaft handelt, also dann, wenn diese Metaphysik den Versuch der exakten Wissenschaft aktualisien, das Ganze zu denken, d. h. wenn sie den Totalitätsanspruch dieser Wissenschaft aktualisien. Diese Metaphysik und keine andere stellt Kant in Frage. Und weil er das und nichts anderes tut, darum wird man sagen dürfen und sagen müssen, Kants Frage sei eine Frage an die exakte Wissenschaft, und zwar die, ob sie wirklich das Ganze denken könne, d. h. ob sie ihren Totalitätsanspruch - ihren Rettungs- und Führungsanspruch - zu Recht erhebe. Diese Frage und nur diese Frage kann Kant entsCheiden und entscheidet Kant durch Prüfung der Reichweite mathematisch-naturwissenschaftlicher Erkenntnis. Sein Ergebnis ist die Unterscheidung von "Erscheinungen" und "Dingen an sich" und die These: mit den Denkmitteln mathematischer Naturwissenschaft können nur Erscheinungen, nicht aber Dinge an sich erkannt werden. 41 Das bedeutet im wesentlichen: die mathematische Naturwissenschaft erkennt auf Grund einer Faktenzensur, eines numerus clausus für Tatbestände. Sie läßt nur Tatbestände zu, die sich experimentell erfahren lassen. Das Experiment (und entsprechend alles, was in ein Experiment an Voraussetzungen und Daten eingeht) ist Mittel fürs Zustandekommen einer Erkenntnis, die im strengsten Sinn nicht nur einem Individuum oder einer Gruppe, sondern lilien Wissenschaftsteilnehmem gehön. Es lebt zugunsten der Etablierung eines strikt venretbaren Erkenntnissubjekts. Dieses strikt venretbare Erkenntnissubjekt - Kant nennt es die "urspcünglich-syntheti-
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sche Einheit der Apperzeption ".2 (und demonstrien ihre .. Voraussetzungslosigkeit", und d. i. u. a. ihre Gleichgültigkeit gegenüber jeglicher Individualität dadurch, daß er sein Verhältnis zum Individuellen gar nicht zur Sprache bringt) - dieses strikt venretbare Erkenntnissubjekt so// sein·}: das ist das Prinzip dieser wissenschaftlichen Faktenzensur. Es läßt im Reiche der Wissenschaft nur das zu, d. h. nur das .. erscheinen" , was den Bestand dieses strikt venretbaren Erkenntnissubjekts unterstützt. Es läßt nicht zu, d. h. nicht "erscheinen", was ihn nicht unterstützt. Kantisch gesprochen: es läßt die Welt nur als "mögliche Erfahrung", nur als Welt der .. Erscheinungen" zu, und es läßt die "Dinge an sich" außer Betracht." Dieses Prinzip beherrscht und erschließt die Welt also als Reich der Mittel - nicht als "Reich der Zwecke" .•, Weil aber mathematische Naturwissenschaft, exakte Wissenschaft in diesem Sinne prinzipiell etwas außer Betracht läßt, denkt sie nicht das Ganze. Darum darf sie keinen metaphysischen, also keinen Totalitätsanspruch und d. h. keinen Führungs- und Rettungsanspruch erheben. Das ist die These von Kants ,Kritik der reinen Vernunft'. Sie implizien zweierlei. Erstens: Wissenschaft ist eX/J!lte Wissenschaft einzig und am besten dann, wenn sie !leinen Führungs- und Rellungsanspruch erhebt. Zweitens: Vernunft wird ihrem Führungs- und Rellungsanspruch einzig und am besten dann gerecht, wenn Jie sich nicht mit wissenschaftlicher Vernunft gleichsetzt, wenn sie zu einer neuen Form der Vernunft übergeht. Damit leitet Kant die Wende zum geschichtlichen Denken ein. 6. Es ist nicht überflüssig, die Bedeutung dieser Kantischen Wissenschaftskritik eigens hervorzuheben. Denn sie ist heute in einer merkwürdigen Lage: der gegenwänige Positivist versucht erst gar nicht, sie zu verstehen;46 und der gegenwänige Philosoph, der in den Provinzen der geschichtlichen Vernunft siedelt, hält sie für so selbstverständlich, daß man darüber nicht zu sprechen braucht - es gibt Philosophien, deren Lösungen so erfolgreich sind, daß unverständlich wird, warum ihre Probleme jemals Probleme waren. Nun, angesichts der Einstellung des Positivismus und angesichts auch der Einstellung der geschichtlichen Philosophie ist es durchaus nötig, die Bedeutung der Kantischen Wissenschaftskritik und ihrer Forderung an die exakte Wissenschaft nach Preisgabe ihres Führungs- und Rettungsanspruchs zu betonen. Die Bedeutung der Kantischen Forderung wird klar aus den schlimmen Folgen der möglichen Absage an diese Forderung. Kant hat diese Folgen zum Teil in der "transzendentalen Dialektik" der ,Kritik der reinen Vernunft' geschilden und untersucht.· 7 Eine solche Absage würde einschließen, daß die Wissenschaft, die das Ganze nicht erkennen kann, gleichwohl das Ganze erkennen will. Die Folge ist, daß sie den Aktionsradius ihrer Fähigkeiten fürs Ganze erklän, daß sie "Erscheinungen" zu "Dingen an sich"
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ernennt. Um das zu können, muß sie eine su bille und oft recht kompliziene Kunst des Ignorierens entwickeln. Es ist gar nicht auszudenken, was in dieser Kunst geleistet werden kann, und sei es in der Form, die gesamte Armee einer hochentwickelten Reflektienheit an einer Problemfront zusammenzuziehen, damit an einer anderen die Truppen der Naivität um so leichter zum Siege kommen. Gegen diese Kunst des Ignorierens, gegen das durch Ignorieren geprägte (im Sinne von Hegels Begriff des "Abstrakten")" abstrakte Denken wendet sich Kants Kritik. Die Absage an das Ignorieren ist die Grundfigur seines Denkens: KtJnts " Tr"nszendenllllphiJosophie" ist Protest gegens AbslraRte durch Erinnertlng "ns "erleugnete Zugehörige. 49 Diese Erinnerung und dieser Protest ist nötig, denn das abstrakte Denken ist gefährlich. Gefährlich ist es in jeder Form. Gefährlich ist es also auch und gerade als ein absuaktes Denken der wissenschaftlichen Vernunft. Als dieses Denken dieser Vernunft hat es die Form der These: außerhalb der exakten Wissenschaften gibt es keine vernünftigen und mit Vernunft zu besprechenden und zu lösenden Probleme.)() Diese These ist kein harmloser Irrtum, kein einfaches Vorbeisehen an dem, was vielleicht "sonst noch zu berücksichtigen" wäre, kein bloßes Übersehen dessen, was man "auch noch" sehen könnte und sollte. Denn diese These ist ein Treubruch. Sie bedeutet Auslieferung. Sie gibt die verleugnete Wirklichkeit ans Unvernünftige preis. Sie liefen die verleugnete Wirklichkeit aus ans enthemmte Interessendenken. Sie zwingt die verleugnete Wirklichkeit faktisch, die nur noch "sinnliche" Welt zu sein. Der Führungs- und Rettungsversuch der wissenschaftlichen Vernunft - statt die Gefahr zu bannen, förden er diese Gefahr.~l 7. Wen trifft diese Preisgabe? Wen gibt das abstrakte Denken ans Unvernünftige preis? Nach der Meinung Kants vor allem anderen das Problem der Zwecke, der leitenden Gesichtspunkte und Ziele der Lebensführung und genauer: das Problem des entscheidenden Ziels, des "Endzwecks"'l. Dieses Problem gilt es der Unvernunft zu entreißen. Aber es kann ihr entrissen werden dann und nur dann. wenn es eine Vernunft gibt. die diesem Problem gewachsen ist. Die wissenschaftliche Vernunft ist das nicht. Sie ist vorm Problem des Endzwecks ohnm4&hlig. Darum sucht Kant nach einer mächtigen. wirklich führenden und rettenden Vernunft. Diese Suche geht in Richtung auf die geschichtliche Vernunft. Aber sie geht nur in diese Richtung. Es gehön zum Schicksal und zur Eigenan der Kantischen Philosophie. daß sie bei ihrer Suche nicht auf die geschichtliche. sondern auf die moralische Vernunft stößt; daß sie - so könnte man das auch formulieren - nicht auf die Vernu"ft des "ermittelten Ziels, sondern auf die Vernunft des un"ermiJtelte" Ziels trifft. Freilich: auch die moralische Vernunft überläßt das Problem des Endzwecks und seine Lösung nicht dem .. eudämonistischen" Interessendenlcen. Auch sie verord-
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net einen vernünftigen Endzweck, und sie verschafft ihm Gehör durchs Gewissen. Sie erläßt den "kategorischen Imperativ", den Kam in seiner ,Grundlegung zur Metaphysik der Sitten' gefunden H und in seiner ,Kritik der praktischen Vernunft' aufgestellt~ und gerechtfertigt hae~, und dessen allbekannte Formel sich interpretierend etwa so übersetzen läßt)6: handle nicht als Interessenwesen, sondern als Mensch; behandle deine Mitmenschen nicht als Instrumente deiner Interessen, sondern als Menschen; also betrage dich, als ob du Glied eines "Reiches der Zwecke" WÜSt, d. h. als ob du in einer staatlichen Wirklichkeit lebtest, in der die Menschen als Menschen leben können und leben. Hier ist allerlei der Frage wen. Etwa - philosophisch - das Recht der traditionsreichen These "gutes Leben ist politisches d. h. staatsgebundenes Leben" .)7 Oder - theologisch - das Recht der ebenfalls uaditionsreichen These von der Menschlichkeit als Ziel. ,. Ich möchte an diesen Fragen hier vorbeigehen und statt dessen das Problem betonen, das sich an das "Als ob" knüpft.)9 Die moralische Vernunft verlangt vom Menschen, so zu leben, "als ob" er in einer staatlichen Wirklichkeit lebe, in der die Menschen als Menschen leben können und leben. Dieses "Als ob" demonstrien: die gute Wirklichkeit ist Forderung. Das "Reich der Zwecke" ist keine Realität. Der gute Staat soll sein. Aber er ist nicht. So verschafft die moralische Vernunft offenbar nur den Begriff, nicht die Wirklichkeit des guten Seins. Und da dieses gute Sein doch das Ziel ist. bedeutet das: Kants Philosophie der moralischen Vernunft gibt nur den bloßen Begriff des Endzwecks. des Ziels. Nun gibt es eine Lehre vom Begriff, die entscheidende Aussagen über den Begriff macht. Ich meine die ,Lehre vom Begriff' in HegeIs •Logik , . Eine ihrer fundamentalen Einsichten ist. daß zum Begriff die Bedingungen seiner Verwirklichung gehören. 60 So gehön zum Beispiel zum Begriff der Wohnung auch das Baugewerbe. die Lage am Wohnungsmarkt, das Kreditwesen für die Mietzuschüsse • das Vermieterinteresse • dann etwa die Heirat oder der Umzug. die zu ihrer Einrichtung drängen. die hergebrachten Gewohnheiten des behausten Lebens usf.: zum Begriff gehören die Bedingungen. die Mittel seiner Verwirklichung. So jedenfalls denkt den Begriff die geschichtliche Vernunft. die eben darum die Vernunft des vermittdten Ziels ist. Der Hinweis auf diesen Zug der geschichtlichen Vernunft soll zeigen, daß er der moralischen Vernunftjehll. Die moralische Vernunft denkt auch den Begriff des Ziels. den Begriff der guten Wirklichkeit. des menschenwürdigen Staates, aber sie denkt diesen Begriff abgesehen von den Bedingungen seiner Verwirklichung. Sie denkt ihn ohnmächtig - ohne Macht über die Mittel seiner Verwirklichung. Darum ist sie Vernunft des unvermittelten Ziels. Auch die mortJliJche Vernunft iJl tJlJO - freilich anders als die wissenschaftliche Vernunft - eine ohnmikhlige Vernunft. Vielleicht hängt es mit dieser fehlenden Macht der Verwirklichung zusammen. daß sie den Begriff des
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Endzwecks nur unbestimmt und formal denken kann und so den Kritikern Angriffsc.hancen bietet61 : der sogenannte "Formalismus" ist Ausdruck der Ohnmacht der moralischen Vernunft. Und ohnmächtig ist die moralische Vernunft. weil sie den Begriff des Ziels denkt ohne Macht über die Mittel seiner Verwirklichung und in einern entscheidenden Sinne absehend vom Problem seiner Verwirklichung. 62 Das heißt im übrigen nicht. daß Kam das Verwirklichungsproblem unbeachtet gelassen hätte. Im Gegenteil. Er hat es sogar recht ausführlich diskutien und hat mehrere Möglichkeiten erwogen. vornehmlich zwei. Vor allem in einer Gruppe kleinerer Schriften über die Geschichte und den Frieden entwickelt er die "Idee". daß der .. Antagonism" der Interessen und die Furcht vorm schlimmen Ende des unvernünftigen Treibens die Menschen zur Vernunft und die Vernunft zur Wirklichkeit bringen könnte. 6~ Und in der Postulatenlehre der .Kritik der praktischen Vernunft' und in der Religionsschrift posrulien er eine quasi heilsgeschichdiche Konzeption und Gott als Helfer beim Unternehmen. die Menschen zur Vernunft und die Vernunft zur Wirklichkeit zu bringen. 64 Beide Lösungen aber versieht Kant mit einern grundsätzlichen Fragezeichen: Kam prüft sie. aber die moralische Vernunft rechnet nicht mit ihnen. sie wagt es nicht. sich auf diese Verwirklichungschancen einzulassen. Darum erlaubt sie der menschlichen. vernünftigen. sittlichen Handlung nicht. sich als Vetwirklichungsbeitrag. sie nötigt sie. sich als Selbstzweck zu verstehen. 6) Das ist jener Zug der Kantischen Ethik. an dem man abzulesen pflegt. daß sie nicht zu den .. Erfolgs-" • sondern zu den "Gesinnungs-Ethiken" gehön. Dieser Zug ist ein wichtiges Indiz für die Ohnmacht der moralischen Vernunft. Offenbar also verhält es sich so: /(ant, enttlJuscht 1Ion der OhnfllllCht der
wissemchQftlichen Vernunft und Quf der Suche fUlCh einer reifenden und m4&htigen Vernunft, trifft Qufdie morlllische Vernunft und damit erneut Quf eine ohnm4&htige Vernunft. 8. Diese OhnfllllCht der morlllischen Vernunft ist es, die /(ant Qufden Weg der Wende zur Ästhetik zwingt. Dafür gibt es biographische Indizien. 66 Der
sachliche Zusammenhang sei hier wenigstens angedeutet. 67 Angesichts des ungelösten Verwirklichungsproblems - welche Möglichkeiten hat da eine ohnmächtige Vernunft? Sie hat keine Macht. Sie muß befürchten. daß ihre guten Vorsäue durch die Wirklichkeit der Interessenwelt zu Schaden kommen und ruinien werden. Gewissermaßen hilflos steht ihre Tugend vor dem Weltlauf. Was kann sie tun? Die machtlose Vernunft muß zur List greifen. 68 d. h. sie muß davon leben. daß irgendwie die sinnliche Welt der Interessen zum Sachverwalter der Vernunft und ihres Zwecks wird. Das nennt man heute - wo es gelingt - Sublimierung. es ist die Methode Kuckucksei: das. was die Vernunft selbst nicht auszubrüten ver-
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mag, soll im Nest der Triebe ausgebrütet werden. Das setzt nun freilich voraus, daß es Triebe gibt, die damit einverstanden sind, Interessen also, die ihrem Interessenziel entsagen. Kants dritte Kritik, die ,Kritik der Uneilskraft' ist die großangeiegte und mit subtilsten Mitteln arbeitende Fahndung nach solchen "interessenfreien Interessen" - nach einer über das Exakte hinaus "vernünftigen Natur" .69 Der erste Teil der ,Kritik der Uneilskraft', die ,Kritik der ästhetischen Uneilskraft'70 sucht und stellt und ergreift die gesuchte vernünftige Sinnlichkeit in der Gestalt des "Geschmacks"71, des Sinns für das Schöne 72 • Ich kann das hier nur andeuten und auch auf die Theorie des "Erhabenen" 7J nur hinweisen, die man als ein Fragezeichen lesen kann zur ästhetischen Lösung, als eine Ästhetik des Scheiterns der Ästhetik. Die hier wesentliche Frage ist nun die: ist der "Geschmack", ist der ästhetische Sinn wirklich das, was gesucht war? Gesucht war eine vernünftige Natürlichkeit, eine sinnliche Macht der Verwirklichung des Vernunftziels. Gefunden ist eine sinnliche Macht - aber sie ist keine Macht der VerwirlJi&hung, sondern nur eine Macht der Symbolisierung des Vernunftziels. 7. Kant hat das im berühmten § 59 der ,Kritik der Uneilskraft' dargelegt. n Dieser Paragraph darf als Kernstück der Kantischen Ästhetik gelten, und das zeigt sich nicht zuletzt daran, daß er in einem gewissen Sinn auch das älteste Stück der Ästhetik des sogenannten "kritischen Kant" ist; denn überspitzt formulien: dieser Paragraph ist die klärende Wiederholung eines Lehrstücks der ,Kritik der praktischen Vernunft', jener nicht eben häufig interpretienen ,Typik der reinen praktischen Uneilskraft' , die ein merkwürdiger und bemerkenswener Passus ist: halb durch Symmetriedenken erzwungenes Verlegenheits-Pendant zum Schematismuskapitel, halb vorweggenommene Kurzfassung der ,Kritik der Uneilskraft' . 76 Bereits in der ,Kritik der praktischen Vernunft' also hat Kant erwogen, der Realisierung des guten Seins durch seine Symbolisierung aufzuhelfen. Und der § 59 der ,Uneilskraftkritik' wiederholt es und verschärft es: sllllt RetJiisierung Symbolisierung des gulen Seins. Das hat zugleich etwas Zweideutiges an sich, man weiß nicht recht: wird da die Verwirklichung des menschenwürdigen Staates unterstützt, vorbereitet, eingeleitet, oder wird sie nur auf schöne Weise bestattet? Gehön die Ästhetik zur Vorhut oder zum Trauergefolge der geschichtlich-vernünftigen Aufgabe? Ist das Schöne als Symbol des Sittlichen Stimulans der Verwirklichung oder Sedativ angesichts ihrer Aussichtslosigkeit? Ist es - auf diese Formel darf man das wohl bringen - ist es Inslrrlmenl oder ErsIlIZ der politischen Verwirklichung, der geschichtlichen Vernunft? Das erste - Symbolisierung als Instrument - hat Kam erhofft; fürs zweite - Symbolisierung als Ersatz - hat er vorgesorgt. Denn das quälende Problem dieser zweiten MöglichJceit, das Problem einer ästhetischen Symbolisierung, die - wenigstens der Tendenz nach - im Grunde nichts mehr
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symbolisien. weil sie sich aus dem Zusammenhang des geschichtlichen Problems gelöst. weil sie ihrer politisch-sittlichen Rolle gekündigt hat. ist zwangsläufig das Bewußtsein ihrer eigenen Unwirklichkeit. 77 Und je weniger das Ästhetische und die Kunst durch die soziale Wirklichkeit des Sittlichen und der Geschichte sich definien. getragen. gcrcchtfenigt fühlt. um so stärker wird ihr Bedürfnis. sich durch den Anschluß an eine andere, eine außcrsoziale und außcrgeschichdiche Wirklichkeit zu rcchtfenigen. Solch eine außcrgeschichtliche Wirklichkeit ist die Natur. eine außersoziale: die nicht .. als Naturwissenschaft gegebene" Natur. Diese Natur wird jetzt akut. Es entsteht also - gerade durch den Anspruch der Ästhetik und die Fragwürdigkeit dieses Anspruchs - das entscheidenste Interesse an einer nicht gesellschaftlich-geschichtlich definienen. nicht als Naturwissenschaft präsenten Natur. 78 Darum widmet sich Kant im zweiten Teil seiner. Uneilskraftkritik' - und nicht zufällig damit im selben Problemzusammenhang mit der Ästhetik - der Philosophie dieser Natur - in der .Kritik der teleologischen Uneilskraftewußten. 1916. 61948. p. 54 sq. Adler hat bei Freud Nietzsche zweifellos ebensosehr geltend gemacht wie seine Rezeption blockien: Freuds Bruch mit Adler (1911) hat Freuds Bereitschaft. sich für Nietzsche ausführlicher zu interessieren oder gar sich zu ihm zu bekennen. ohne jeden Zweifel beeinträchtigt. Prä.sent war Nietzsche dann späterhin durch G. Groddeck und A. Zweig; vgl. Freuds Briefe an Zweig. Jones op. eit. Bd.3 p.488-490 und Freud. Bride 1873-1939. ed. E.L.Freud. Frankfun 1962. p. 414. Freilich: welcher Nietzsche im Freud-Kreis präsent war. wird näherhin nur sagen können. wer die in diesem Kreis gelesenen Nieusche-Werke und -Bücher aufspün und die Nietzsche-Zitierungen im c:ruvre dieses Kreises sichtet: eine Arbeit. die noch zu tun ist. 9 J. Breuer I S. Freud. Ober den psychischen Mechanismus hysterischer Phänomene. eingegangen in ihre Studien über Hysterie. 1895. 10 Vgl. Jones op. eit. Bd. 3 p. 489: sonst ungedruckter. don in eng I. Obers. vorgelegter Brief Freuds an A. Zweig vom 11. 5.1934: A Friend of mine. Dr. Paneth. had got to know him (sc. Nieusche) in the Engadine and he used to write me a lot about him. Ober das Verhältnis von Joscf Paneth (1857 - 1890) zu Frcud geben Briefe Frcuds an Martha Bernays und ihre Familie zwischen dem 22.8.1883 und 24.10.1887 Auskunft; vgl. Freud. Briefe von 1873 -1939, cd. cit .• bcs. p. 102 sq. 11 E. Förster-Niewche. Das Leben Friedrich Nieusche's. Bd. 2.2, 1902. p. 481 und p. 484; vgl. insgesamt p. 481 -493. 12 E. v. Hanmann. Philosophie des Unbewußten. 11 1923 p. IX. 13 C. G. Carus, Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. 1846 -1860. ed. L. Klagcs.Jena 1926. p. 1.9.39 u. iw.; es war - meint Carus - ein Imum. eine
Anmerkungen
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.. Scheidewand zwischen Unbewußtem und Bewußtem zu errichten, wodurch man bewogen wurde, vom Bereich der Seele abzutrennen, was ... außcrhaib des Bewußtseins lag .. , daß man nichts als Seele gelten lassen woUte, dem dieses Vermögen nicht zugesprochen werden konnte": p. 1; denn: .. AUes Seelenleben ... ruht auf dem Bewußtlosen"; es gilt, .. das unbewußte Seelenleben als 8asis des bewußten zu erkennen": 1. c., .. und unser Dasein geistig zu rekonstruieren von dem bewußten Sein ins Unbewußte zwück": p. 3. ScheUing, Sämtliche Werke, ed. K. F. A. Schelling, Stungan und Augsburg 18~6-61. Bd. 10 p. 93; wir haben .. die feste überzeugung von der Realität der Dinge außer uns ... weil wir uns des Vermögens ihrer Produktion nicht bewußt werden": 1. c. (Zur Geschichte der neueren Philosophie. 1821 sq.); das ist - dazu A. Gehlen. über die Geburt der Freiheit aus der Entfremdung. in: Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie Bd.40. 19~21H. p. 340 - zugleich die .. Fichtesehe Formel von der. verlorenen Freiheit' • von der Entfremdung und anscheinenden täuschenden Selbständigkeit und Übermacht des von uns Erzeugten. In psychologischer Anwendung ist diese Fichtesche Formel ... wdtpopulär geworden: in Freud. Denn was sind die Träume. die Ticks. die unüberwindlichen Zwänge und überhaupt das ganze neurotische Arsenal anders. als bewußtlose Produkte der Selbsttätigkeit des Ich. die sich ihm entfremden und als Übermacht gegenübertreten. und die nun die Analyse auflöst. indem sie sie •bewußtmacht , • in ihrer Genesis und Entstehungsgeschichte nachvollzieht. so die Freiheit und Verfügungsgewalt des Ich über seine eigenen Nachtgebunen wiederherstellend?" Kritik der reinen Vernunft 8. p. 103. Schdling. op. eit. p.93/95. Schelling, cd. eit. Bd. 8 p. 201 (Die Wdtalter. 1813). Ed. cit. Bd. 3 p. 391 (System des transzendentalen Idealismus, 1800). Op. eit. p. 34~. Op. eit. p. 3~1. Vgl. M. Dorer. Historische Grundlagen der Psychoanalyse. 1932; vgl. Verf.: über einige Beziehungen zwischen Ästhetik und Therapeutik in der Philosophie des 19.Jahrhunderts. in: Literatur und Gesellschaft (Fcstschr. 8. v. Wiese). 1963. p.22-~5.
22 Vgl. Th. Mann. Die Stellung Freuds in der modemen Geistesgeschichte. Gesammelte Werke. Bd. 10 p. 278: .. Es gibt eine selbständige Abhängigkeit; und von dieser An sind offenbar die höchst merkwürdigen Beziehungen Freuds zur deutschen Romantik - Beziehungen. deren Merkmale fast auffälliger sind als die seiner unbewußten Herkunft von Nieusehe, bisher aber wenig kritische Würdigung erfahren haben ... 23 Hegd, Ästhetik. ed. eit.. Bd. 1. p. 498 - ~84. 24 Op. eit. p. ~O~. 2~ Hegd, Sämtliche Werke. Jubiläumsausgabe. cd. H. Glockner, Stungan, 1927 sqq., Bd. 1 p. 2811282 (Glauben und Wissen. 1802). 26 Hegd, Ä.sthetik. ed. eit. Bd. 1 p. 192. 27 Op. eit. p. 256. 28 Op. eil. p. 2~~. 29 Op. eit. p. 508. 30 Hegd, Grundlinien der Philosophie des Rechts. 1821. cd. J. Hoffmeister. Harnburg. 419~~. p. 7. 31 Heget, Ästhetik, ed. eit. Bd. 1 p21; vgl. p.22: .. es ist unsere Gegenwan ihrem
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Anmerkungen
allgemeinen Zustande nach der Kunst nicht günstig. Selbst der ausübende Künstler ist nicht etwa nur durch die um ihn her laut werdende Reflexion ... verleitet und angesteckt. in seine Arbeiten selbst mehr Gedanken hineinzubringen; sondern die ganze geistige Bildung ist von der .Art. daß er selber innerhalb solcher reflektierenden Welt und ihrer Verhältnisse steht und nicht etwa durch Willen und EntschJuß davon abstrahieren oder dwch besondere Erziehung oder Entfernung von den Lebensverhiltni.ssen sich eine besondere. das Verlorene wieder erscuende Einsamkeit erkünsteln und zuwege bringen könnte . . . Was durch Kunstwerke jeut in uns erregt wird. ist außer dem unmittelbaren Genuß zugleich unser Unei! ... Die Wissenschaft der Kunst ist darum in unserer Zeit noch viel mehr Bedürfnis als zu den Zeiten. in welchen die Kunst für sich als Kunst schon volle Befriedigung gcwähne. Die Kunst ladet uns zu denkender Beuachtung ein. und zwar nicht zu dem Zwecke. Kunst wieder hervorzurufen. sondern. was die Kunst sei. wissenschaftlich zu erkennen." Kunst wird also für Hegel in der modernen Welt die Gelegenheit. sie zu reflektieren; mit dieser These ist zugleich die weiterführende - bei Hegel nicht ins Auge gefaßte - vorbereitet: daß Kunst sich selber wachsend die Gelegenheit wird. sich selber zu rdlektieren. 32 Op. eit. p. 506. 33 Op. eit. p. 581. 34 Op. eit. p. 508. 35 Op. eit. p. 85. 36 Op. cit. p. 498. 37 Op. eit. p. 110. 38 Vgl. op. cit. p. 21: "nur wenn man es (sc. anders als Hegel) liebt. sich in KlageIl und Tadel zu gefallen. so kann man diese Erscheinung (sc. die Bedeutungsein· buße der Kunst) für ein Verderbnis halten und sie dem Übergewicht von Leiden· schaften und eigennüuigen Interessen zuschreiben. welche den Ernst der Kuns wie ihre Heiterkeit verscheuchen; oder man kann die Not der Gegenwan. der vetwickehen Zustand des bürgerlichen und politischen Lebens anklagen. welche dem in kleinen Interessen befangenen Gemüt sich zu den höheren Zwecken de Kunst nicht zu befreien vergönne. indem die Intelligenz selbst dieser Not un< deren Interessen in Wissenschaften dienstbar sei. wekhe nur für solche Zweck~ Nüulichkeit haben. und sich verführen lasse. sich in diese Trockenheit festzuban nen. " Demgegenüber will Hegel was wirklich ist als vernünftig erkennen und de Kunst auch gegenwänig hohe Stellung geben: 1. c. 39 Op. cil. p. 110. 40 Op. cit. p. 87. 41 Eine ähnliche Weiterführung der Ästhetik Hegels ist Absicht von D. Henrich Poetik und Hermeneutik II. p. 11- 32; vgl. auch p.524sqq. Diesen Aufsat konnte ich erst nach Ausarbeitung meiner Vorlage lesen. Er kommt - mit ~ine These über "Rdlektienheit" und "panialen Charakter" moderner Kunst - ZI weitaus differenzieneren und zweifelsfrei fruchtbaren Ergebnissen. Wohl ir Gegensatz zur von mir verfolgten Intention der Infragestellung ästhetischer Im manenz scheint Henrich eine neue ästhetische Immanenz aufbauen und durc ein Bündnis mit Unvordenklichkeitstatbcständen absichern zu wollen. So sin, ~ine "überlegungen mit Rücksicht auf Hegel" Hegel gegenüber recht rücksicht! los. indem sie zur Philosophie einer "Vermittlung" werden. die "vollzoge werden muß. ohne daß man sich ihrer versichern kann" (p. 20). einer "unVOI denklichen Vermittlung" (p.20. 21. 23. 26). eines "unverfügbaren Grundes
Anmerkungen
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(p. 17. 20. 22. 23. 24. 25). eines .. ungreifbaren Grundes" (p.21) mit dem .. Charakter der Bedrohung" (p. 21. 22). usf. Henrichs Protest gegen die "Ausflucht in die Fixierung des Gemüts" (p. 22) und seine Philosophie .. unverfügbarer Autonomie" (p. 24) wiU Hegel gegenüber eine Korrekrur der "Defekte" (p. 17) und "Mängel seiner Theorie" (p. 27): es sind - meint er - .. alle Momente. die einer unvordenklichen Vermittlung zugehören. nicht Thema seines Denkens geworden" (p. 20). Das hatzuerst derspäte Schelling gegen Hegel eingewandt. So fällt es mir schwer. Henrichs These primär als Weiterführung Hegels. es fällt mir dagegen leicht. sie als - dessen Ästhetik freilich umwendende - Weiterführung von Denkmotiven des späten Schelling zu lesen; die prinzipieUe Auseinandersetzung mit HeDrich müßte offenbar als Auseinandersetzung mit diesen Motiven geführt werden und - versteht sich - mit dem pflichtschuldigen Bewußtsein. daß oftmals die Attacke nw ein Aggregatzustand der Desenion und der Angriff DW das vorletzte Stadium des Oberlaufens ist. Hegel. op. cit. p. 582. Schelling. ed. eit. Bd. 7 p. 295 (Ober das Verhältnis der bildenden Künste zu der Natur. 1807). Hegel. Phänomenologie des Geistes. 1807. ed. J. Hoffmeister. Hamburg '1949. p. 12 sqq .. 20.42 sqq .• bcs. jedoch 55 - H. SchelJing. op. eit. p. 326 und p. 327. Besonders deutlich wird das bei Schellings Versuch. Platon nicht nur in Dingen der Anarnnesislehre. sondern auch in Dingen der Kunstphilosophie als Ahnen anzuwerben: das gelingt nur durch Bagatellisierung der Dichterkritik; vgl. SchdJing. ed. cit. Bd. 5 p. 345 ~qq. (Vorlesungen über die Methode des akademischen Studiums. 1803). bcs. p. 346: .. was ist Platos Verwerfung der Dichtkunst. verglichen insbesondere mit dem. was er in anderen Werken zum Lob der enthusiastischen Poesie sagt. anders als Polemik gegen den poetischen Realismus ... ?" Zur Ortsbestimmung der romantischen Genieästhetik hier durchweg: J. Ritter. Philosophische Ästhetik. Milnstersche Vorlesungen 1947 sqq. Einschlägige Geniedefinitionen u. a. von Kant. Kritik der Uneilskraft. 1790. §46: .. Genie ist die angeborne Gemütslage (ingenium). durch welche die Natur der Kunst die Regel gibt". über Schiller. Sämtliche Werke. Säkular-Ausgabe. Bd. 12 p. 181: es .. ist die Natur ... die einzige Flamme. an der sich der Dichtergeist nähn; aus ihr schöpft er seine ganze Macht" (Ober naive und sentimentalische Dichtung. 1795). bis zu Schelling. ed. cit. Bd.3 p. 612 sqq. (System des transzendentalen Idealismus. 1800). bcs. p.617: Genie produzien dank der .. Gunst seiner Narur"; vgl. u. Anm. 50. Vgl. Kant. op. eit. § 47: .. daß Genie dem Nachahmungsgeiste gänzlich entgegen zu setzen sei"; so dann auch Kants romantische Schüler. Op. cit. § 46: .. daß es als Natur die Regel gebe ..... Schelling. ed. eit. Bd. 5 p. 349: .. daß die wahren Künstler ... sind ... wie die Natur" (Vorlesungen über die Methode des akademischen Studiums. 1803); vgl. im gleichen Bd. p. 460 (Philosophie der Kunst. 1802 - 05): .. dies wird auch in der Idee des Genies gedacht. daß es nach der einen Seite ebenso als natürliches wie von der andern als idecUes Prinzip gedacht wird ... Es ist ein und dasselbe Verhältnis. durch welches in dem ursprünglichen Erkenntnisakt die Welt an sich. und durch welches in dem Akt des Genies die Kunsrwelt ... produzien wird." Vgl. ed. cir. Bd.7 p. 301 (Ober das Verhältnis der bildenden Künste zu der Natur. 1807): der .. Künstler ... WoUte er sich ... dem Wirklichen ganz unterordnen. und das
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Anmerkungen
Vorhandenscin mit knechtischer Treue wiedergeben. so würde er wohJ Larven hervorbringen. aber keine Kunstwerke. Er muß sich also vom Produkt oder vom Geschöpf entfernen. aber nur um sich zu der schaffenden Kraft zu erheben und diese geistig zu ergreifen ... Jenem im Innern der Dinge wirksamen durch Form und Gestalt nw wie durch Sinnbilder redenden Narurgeist soll der Künstler allerdings nacheifern, und nw indem er diesen lebendig nachahmend ergreift. hat er selbst etwas Wahrhaftes geschaffen." Vgl. Schellings Selbstinterpretation p. 321 Anm. I: .. Diese ganze Abhandlung weist die Basis der Kunst und also auch der Schönheit in der Lebendigkeit der Narur nach. " Vgl. insgesamt auchJcan Paul. Vorschule der Ästhetik. 1812. § 3: .. Aber ist es denn einerlei. die oder der Natur nachzuahmen und ist Wiederholen Nachahmen?" (Hinweis von W. Preisendanz) ~I Dieses Problem stellt sich also offensichtlich noch nicht in den .narurwüchsigen' Kulturen. sondern erst in der ,aniflZiellen' Kultw der entwickelten geschichtlichen d. h. fortgeschrittenen modemen Welt. Damit erklärt sich, warum die: Antwon auf dieses Problem, also die Theorie des Unbcwußten, erst don nämlich in der Romantik - zum Zuge kommt. ~2 Schelling. op. eit. p. 300. 53 Schelling. ed. eit .. Bd. 3. p. 612 -629. ~4 Op. eit. p. 616 sqq. ~~ Op. eit. p. 613. ~6 Jean Paul. op. eit. § 13. 57 C. G. Carus. Psyche. cd. eit .• p. 1~8; vgl. p. 242. ~8 Schopcnhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung I, 1819. § ~2. ~9 Vgl. die Naturdiskussion in der frcihcitsphilosophischen Frühphase seiner Spät philosophie bei Schelling. ed. eit., Bd. 7, p. 3~7 sqq. (Philosophische Untersu chungen über das Wesen der menschlichen Freiheit und die damit zusammenhän genden Gegenstände. 1809): Natur ist das .. dunkle Prinzip" (p.362 u. ö.) "irrationale Prinzip" (p.374 u. ö.), .. finstere Prinzip" (p.377 u. ö.), .. Chaos' (p.374 u. ö.), sie sei .. bloße Sucht oder Begierde, d. h. blinder Wille" (p.363 und .. Möglichkeit des Bösen" (p. 364). usf. Dazu p. 3~9/360: .. immer liegt nocl im Grunde das Regellose. als könnte es einmal wieder durchbrechen. und nir gends scheint es, als wären Ordnung und Form das Ursprüngliche, sondern aJ wäre ein anfänglich Regelloses zur Ordnung gebracht worden. Dieses ist an dei Dingen die unergreifliche Basis der Realität. was sich mit der größten Anstren gung nicht in Verstand auflösen läßt, sondern ewig im Grunde bleibt ... Ohn dies vorawgehende Dunkel gibt es keine Realität der Krcatw; Finsternis ist ih notwendiges Erbteil." Vgl. dazu nicht nur die romantische Nachtsciten-Diskw sion. sondern auch die Rezeption dieser verdüstenen Willens-Lehre bei Schopcr1 hauer. Sämtliche Werke. ed. P. Dewscn, Bd. 4. p. BI: .. daß die natura naruraru oder das Ding an sich. der Wille ... ist" (Parerga und Paralipomena I. 18~1: dieser aber .. endloses Streben. zu dem Abwesenheit alles Zieles gehön UD grenzenloses Leiden. weil er durchgingig an sich selber zehn: so sehen wir in dc NaturüberaUSueit, KarnpfundWcchscl desSicgcs •... die dem Willen wesentlich Entzweiung mit sich selbst": Die Welt als Wille und Vorstellung I. 1819. §§ 2/ 29. ~6 sqq. Dazu gehön dann, daß nicht mehr der narurphilosophische un ästhetische. sondern - so repräsentativ beim späten Schelling - der theologisch und - so bei Schopcnhauer - der asketisch-quietistische Ausweg dominieren 60 Dabei wird - vgl. bereits Hegel. Ästhetik. cd. eit. p. 22 - in wachsendem Ma die ästhetische Leitwihrung des .. unmittelbaren Genwscs" erscut durch die d.
Anmerkungen
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.. UneiJs" und "denkender Betrachtung": Kunst ist fonan gedeckt nicht mehr durch Emotion. sondern durch Reflexion. Gerade das ermöglicht vieUeicht ein Emigrationsphänomen: wo die Kunst zur nicht mehr schönen wird. wird die Theorie dieser Kunst der Intention nach zur schönen; Entästhctisierung der Kunst erzwingt Ästhetisierung ihrer Theorie. Ob's stimmt. bleibe hier unentschieden. 61 Zum Gcsamrvorgang vgl. v. Verf.: Ober einige Beziehungen zwischen Ästhetik und Therapeutilc in der Philosophie des 19.Jahrhunderts (Fcstschr. B. v. Wiese). 1963. bes. p. 42 sqq.: don die entsprechenden Belege; m. E. klän einen Teilstrang dieses Gcsamrvorgangs C. Heselhaus in seiner Vorlage. 62 Die in ihren Thesen sicher problematische Medizinerästhetik spätestens von G. Lombroso bis W. Lange-Eichbaum hat also nicht nw Symptomwen; auch ihre Provokationsleistung ist beuächtlich; und kaum bestreitbar ist ja folgendes: daß zu den entscheidendsten Leistungen der Geistesgeschichte gehön die Produktion jener lmürDer. die zu dem provozicnen. was einige weitere Generationen dann als Wahrheitsfindung betrachtet haben. 63 Freud. cd. cit. Bd. 7. p. 214 und p. 222 (Der Dichter und das Phantasieren. 19(7): .. Der Dichter tut ... dasselbe wie das spielende Kind; er erschafft eine PhantasieweIt ... so ... daß die Dichtung wie der Tagtraum Fonseuung und Ersatz d~ einstigen kindlichen Spielens ist ... Dazu cd. eit. Bd. 8. p. 234 und p. 236 (Formulierungen über die zwei Prinzipien des psychischen Geschehens. 1911): .. Mit der Einsetzung des Rcalititsprinzips wurde eine An Denktätigkeit abgespalten. die von der Rcalititsprüfung freigehalten und allein dem Lwtprinzip unterworfen blieb ...... Die Kunst bringt auf einem eigentümlichen Weg eine Versöhnung der beiden Prinzipien zusta.,de ..... Vgl. vor allem die kunsttheorctisch erhebliche Phantasietheorie ed. eit. Bd.9. pp. 386 - 391. 00. p.387 (Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse. 1917): .. ln der Phantasietitigkeit genießt ... der Mensch die Freiheitvom äußeren Zwang weiter. auf die er in Wirklichkeit längst verzichtet hat ... Die Schöpfung des seelischen Reichs der Phantasie findet ein volles Gegenstück in der Einrichtung von .Schonungen' •• Naturschutzparks' don. wo die Anforderungen des Ackerbaw. des Verkehrs und der Industrie das ursprüngliche Gesicht der Erde rasch bis zur Unkenntlichkeit zu verändern drohen. Der Naturschutzpark erhält diesen alten Zustand. welchen man sonst überall mit Bedauern der Notwendigkeit geopfen hat. Alles darf darin wuchern und wachsen. wie es will. auch das Nutzlose. selbst das Schädliche. Eine solche dem Rcalititsprinzip entzogene Schonung ist auch das seelische Reich der Phantasie. " Derartige Äußerungen über die Kunst finden sich nur beim frühen Freud; nur er hat überhaupt eine ausführlichere Kunsttheorie; in seiner Spätphasc gibt es mit der einzigen Ausnahme cd. eil. Bd. 14. p. 439 - keine Theorie der Kunst; so ist bei Freud die ausdrückliche Ergänzung der These .Kunst ist Erossublimierung' durch die These .Kunst ist Todestriebsublimierung' ausgeblieben. Außer in den zit. Arbeiten finden sich Stellungnahmen Freuds zu Kunst und Künstler bcs. in: Der Wahn und die Träume in W.)ensrns Gradiva. 1907; Eine Kindheitscrinnerung des Lconardo da Vinci. 1910; Das Motiv der Kästchenwahl. 1913; Der Moscs des MKhdangclo. 1914. nebst Nachtrag zu dieser Arbeit. 1927; Eine Kindheitscrinnerung aus Dichtung und Wahrheit. 1917; rekapitulierend: SclbstdarsteUung. 1925; don 00. ed. cit. Bd. 14. p. 9Osqq.; Oostojewski und die Vatenötung. 1928. Wichtiger aber noch sind einschlägig die allgemein .. geisteswissenschaftlichen" Arbeiten über den Traum. die Fehlleistungen. den Witz. über Mythologisches.
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Anmerkungen
den Humor und dgl. Hinzuziehen sollte man O. Rank. Der Künstler. Ansätze zu einer Sexualpathologie (1907): allein schon. um don die Vergröberungen der Freud.schule zu studieren und allgemeine Reflexionen über Schülerschaft und Kariltatur anzuknüpfen. 64 Ab 1893 (ed. eil. Bd. 1. p. 89: über den psychischen Mechanismus hysterischer Phänomene. zus. mit J. Breuer) und trotz der Korrektur 1923 (ed. eit. Bd. 13. p. 243 - 24~: Das Ich und das Es). 6~ Freud. ed. eit. Bd. 13. p. 241 (Das Ich und das Es. 1923). 66 Hier sind die Ausdrücke des späten Freud benutzt. definitiv flXien in: ed. eit. Bd. 17. p. 70 sqq. (Abriß der Psychoanalyse. 1938). 67 Damit ist angedeutet. daß bei Freud einschlägig nicht der Begriff des Unbewußten der entscheidende Begriff ist. Es ist nur derjenige. an dem Freuds Zeitgenossen am meisten Anstoß genommen haben. und derjenige. den das Vorbereitungsgremium dieses Kolloquiums für den entscheidenden hielt. Der Verdrängungsbegriff ist bedeutsamer. Auf dem Umweg besonders über seine englische übersetzung .. repression" läßt er sich mit den Unterdcückungsbegriffen revolutionärer Theorien in Zusammenhang bringen. So könnte also aktueller sein als die hier am Leitfaden des durchs Thema vorgegebenen Begriffs des Unbewußten verfolgte Verbindung Freuds mit der Romantilt seine Verbindung mit Marx. vgl. etwa H.). Sandkühler. Freud und der Marxismus. Die Entdeckung der Zukunft im Vergangenen. in: Bogawus4 (196~). p. 7 sqq. - und mit Hegel: vgl.). Taubes. Psychoanalyse und Philosophie. Noten zu einer philosophischen Interpretatioll der psychoanalytischen Methode. Rdfk.-Mskpt. 1963. Vgl. überdies auch die nUl bedingte Treue Freuds gegenüber dem Begriff des Unbewußten. ed. eil. Bd. 13, p. 244 sq. (Das Ich und das Es. 1923): .. Wenn wir uns so vor der Nötigung sehen, ein ... nicht verdrängtes Ubw aufzustdlen. so müssen wir zugestehen. daß dei Charakter des Unbewußten für uns an Bedeutung verlien. " 68 Zuerst 1896. ed. eit. Bd. 1. p.387 (Weitere Bemerkungen über die Abwehr· Neuropsychosen): .. Wiederkehr der verdrängten Erinnerungen ... die wiederbe lebten Erinnerungen treten aber niemals unveränden ins Bewußtsein ein. sonden ... sind Kompromißbildungen zwischen den verdrängten und den verdrängen den Vorstellungen ... Wiederkehr des Verdrängten ... " Oder 1907. ed. eit. Bd. 7. p. 60 (Der Wahn und die Träume in W. )ensen .Gradiva'): .. Das Verdrängte kann zwar in der Regel sich nicht ohne weiteres aI Erinnerung durchsetzen. aber es bleibt leistungs- und wirkungsfähig. es läßt eine Tages unter dem Einfluß einer äußeren Einwirkung psychische Abfolgen entste hen. die man als Verwandlungsprodukte und Abkömmlinge der vergessenel Erinnerung auffassen kann. und die unverständlich bleiben. wenn man sie nich so auffaßt ... dann ... darf man eine deranige Wiederkehr des Verdrängtel erwanen ... " Oder 1911. ed. cit. Bd. 8. p. 304 sq. (über einen autobiographiscl beschriebenen Fall von Paranoia): .. Fassen wir das •Verdrängung' Benannte schäl fer ins Auge. so finden wir Anlaß. den Vorgang in drei Phasen zu zerlegen ... AI dritte. für die pathologischen Phänomene bedeutsamste Phase ist die des Mißlin gens der Verdrängung. des Durchbruchs. der Wiederkehr des Verdrängten anzu führen ... " Ausführlichste Diskussion 1937. ed. eit. Bd. 16. p. 233 - 236. bes p. 236 (Der Mann Moses und die monotheistische Religion): .. Alle Phänomen der Symptombildung können mit gutem Recht als •Wiederkehr des Verdrängtell beschrieben werden." Vgl. op. eil. p. 240 sqq. Freuds Theorie der Wiederkehr des Verdrängten ist Dich
Anmerkungen
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für die Kunsttheorie entwickelt worden, sondern für die Theorie der Symptombildung. Diese freilich ist die Mikrotheorie geschichtlicher Vorgänge; vgl. u. a. Fleuds Äußerung ed. eit. Bd. 13, p. 228 (,Psychoanalyse' und ,libidotheorie' , 1923): .. Die Würdigung der Psychoanalyse würde unvollständig sein, wenn man verslumte mitzuteilen, daß sie als die einzige unter den medizinischen Disziplinen die breitesten Beziehungen zu den Geisteswissenschaften hat und im Begriffe ist, für Religions- und Kulturgeschichte, Mythologie und literaturwissenschaft eine ähnliche Bedeutung zu gewinnen wie für die Psychiatrie. Dies könnte Wunder nehmen, wenn man erwägt, daß sie ursprünglich kein anderes Ziel hatte als das Verständnis und die Beeinflussung neurotischer Symptome. Allein es ist leicht anzugeben, an welcher Stelle die Brücke zu den Geisteswissenschaften geschlagen wurde. Als die Analyse der Träume ... zeigte, daß die Mechanismen, welche die pathologischen Symptome schaffen, auch im normalen Seelenleben tätig sind, wurde die Psychoanalyse ... der Anwendung auf die Geisteswissenschaften fähig ..... Die Gcschehensfigw der Wiederkehr des Verdrängten gehön in Freuds Katalog der Triebschicksale. Don - ed. eit. Bd. 10, p. 219 (Triebe und Triebschicksale, 191~) - wird von Trieben gesagt, was heute auch von Institutionen, Problemen, Antwonen und dgl. gesagt wird: .. Sie sind dadurch ausgezeichnet, daß sie in großem Ausmaß vikariierend für einander einueten und leicht ihre Objekte wechseln können. Infolge der letztgenannten Eigenschaften sind sie zu Leistungen befähigt, die weitab von ihren ursprünglichen Zielhandlungen liegen." Es wäre reizvoll, Stru1cturverwandtschaften zwischen Freuds Theorie der Triebschicksale und H. Blumenbergs Umbesetzungstheorie zu untersuchen, zumal u. a. der Ausdruck .. Besetzung" ja nicht nur im bildspendenden Feld der Personalpolitik, sondern auch im r:e-W~rf;aasgahe. Bd. 3, S. 28. IH u. i. w.; vgl. ScheUing. System des transzendentalen Idealismus (1800), in: Sämtliche Werke, hg. K. F. A. Schelling, Stuttgart u. Augsburg 18~6f., Bd. 3, S. 389. Der kritische Rationalismus hat u. a. gegen die dialektische Kritik, die Ernst machen will, den Immunisierungseinwand erhoben: vgl. H. Alben. Traktat über kritische Vernunft. Tübingen 1969, S. 30 u. i. w.; er hat geforden. die .. Immunisierung" als "Strategie". d. h. als Mittel. zu lassen. Metaphorologisch betrachtet bemüht dieser Einwand als bildspendendes Feld das medizinische des Impfwesens. Die kritische Dialektik aber denkt prozessual: da geht es in der Tat auch um Immunität, aber im juristischen Sinne der Unbelangbarkeit: diese Immunität aber ist - deswegen scheint mir der Einwand des kritischen Rationalismus zwar berechtigt, aber sehr zurückhaltend formulien zu sein - für die Kritik, die Ernst machen will, nicht etwa nur ein Minel. sondern der absolute Zweck: also nicht: Immunisierung ist nötig. um bestimmte Dogmen zu sichern; sondern: bestimmte Dogmen sind nötig, um den Status der absoluten Immunität zu haben. Vgl. C.Schmitt. Politische Romantik. München/Leipzig z192~, bes. S.22ff., 120ff. R. Barthes, Die Lust am Text, Paris 1973, dt. FranJcfun 1974. Also der Befund des Triebschicksals der Projektion.
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Anmerkungen
19 Der Unterschied zwischen der Dialektik Hegels und der Dialektik der Kritik. die Ernst machen will. liegt also darin. daß jene das. was war und ist. als die eigene Geschichte übernimmt und sich für sie haftbar weiß. während diese das gerade nicht tut: darum habe ich in Poetik und Hermeneutik V. S. 246. geäußert: .. Der eigentliche Ertrag der Kritik ist nicht die Kritik. sondern das Alibi". Verf. ist die Überlegung nicht fremd. daß seine eigenen Verrichtungen - wie man auch hier sieht - mit dieser Figur der Kritik als Alibi eine gewisse Ähnlichkeit haben (vgl. Verf.... Inkompetenzkompensationskompetenz ?" . in: Gießener Universitätsblätter 1974, 1. S.89ff.). Das ist halt so, wenn man die kritische Theorie auf die kritische Theorie anwendet: um Laster auf Laster anzuwenden, muß man sie haben. 20 Th. W. Adorno, Ästhetische Theorie, Frankfun 1970, hat die .. Hegelsche Perspektive eines möglichen Absterbens der Kunst ( ... ), ( ... ) daß ( ... ) Kunst ins Zeitalter ihres Untergangs ( ... ) eingeueten sein (könnte)" (S. Ilf.) so vemanden, daß .. die Stunde naiver Kunst, nach Hegels Einsicht. dahin" sei: S. S08. H. R.Jauß hat - nach seinen überlegungen zu .. Ursprung und Bedeutung der Fonschrittsidee in der .Querelle des Anciens et des Modemes' ", in: H. Kuhn I F. Wiedmann (Hgg.), Die Philosophie und die Frage nach dem Fonschritt, München 1964. S. SI -72 - in seiner Arbeit über .. Fr. Schlegels und Fr. Schillers Replik auf die .QuereUe des Anciens et des Modemes' ". in: H. Friedrich I F. Schalk (Hgg.). Europäische Aufklärung - Festschrift für H. Dieckmann. MilDchen 1966. S. 117 - 140. gleicherma.ßcn gezeigt. daß Schillers Opposition des .. Naiven" und .. Sentimentalischen" übereinstimmt mit der F. Schlegels .. Über das Studium der griechischen Poesie" behandelten Opposition zwischen griechisch- .. objektiver" und modem- .. interessanter" Poesie. und daß in beiden Oppositionen die im 17. Jahrhunden in Frankreich verhandelte •QuereUe' sich don repetien als die verspätete QuereUe einer schon damals verspiteten Nation. EI hat. soweit ich sehe. nicht behandelt. was ich bei P. Szondi ... Antike und Modeme in der Ästhetik der Goethezeit" , in: Poetik und Geschichtsphilosophie I. Frankfun 1974, S. 11- 266. bcs. S. 249. anvisienfmde: daß gerade diese Opposition wohl nicht ohne Einfluß SchiUers und Schlegels - mit erneutem leichten Wechsel der Terminologie die Kunstphilosophievorlesungen Schellings und die Ästhetik Hegels beherrschen: für diesen ist die klassische Kunst der Griechen. die Schillel die naive nannte. die VoUendung: .. Schöneres kann nicht sein und werden", Hegel. Ästhetik. Bd. 14. S. 128; die romantische - sentimentalische. interes· sante. reflektiene - Kunst ist der Abstieg und das Ende der Kunst. Hier ist Hegell genauer Schätzungsantipode Adomo. der - wie zitien - Hegels Ende der Kunst als Ende der naiven Kunst und als Anfang der modemen. authentischen, rdlek· tienen, avantgardistischen begrüßt. Wenn alsoJauß damit recht hat. daß Schiller. und Schlegels Schriften die QuereUe repetieren. und wenn ich damit recht habe. daß diese Repetition der QuereUe sich in den Ästhetiken der gesch.ichtsphiJosophischen Altkantianer foment: dann ist Adomos Ästhetische Theorie die einst· weilen letzte Repetition und Replik in bezug auf diese .Querelle des Anciens e1 des Modemes': als Theorie vom Ende der naiven Kunst. Was hat Naivitlt mil Heiterkeit zu tun? Was also die Heiterkeit und ihre Isthetische Anciennitlt mil ihrer QuereUe mit der Modemitlt der Kritik und der Kunst. die selber kritisd Ernst machen will? 21 Systematiker sind jene leidenschaftlichen Leser. die immer anderes lesen. Keir Tag ohne Buch. aber fast nie ist es das Buch. das man eigentlich zu lese,
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verpflichtet wäre. Darum gehön dazu ein Kompensationsphlnomen: in Analogie zum Quanalsäuferrum die QuanalJeserei in bezug auf Pilichdektüren, die anfallsweise im Zusammenhang vor allem mit Gutachterpflichten auftritt. 1m übrigen aber: wieviel üst ist - bei einer solchen Lage - nötig, um ein Scheinpensum an akribischer Lektürepflicht so plausibel aufzubauen, daß es einen anderen Text in jene beiläufige Randlage bringt, die einen ennuntcn, ihn zu lesen. Ein ,reader' , das ist da ein ganz hoffnungsloser Fall: reader - sozusagen Apparate in statu viatoris - trägt man herum, aber man liest sie nicht; was tut man nicht alles, um sich vor der Lektüre zu drüclten: am Ende schreibt man gar. J. Ritter, .. Ober das Lachen" (1940), in: Subjektivität, Frankfun 1974, S. 62 - 92. Ebd., S. 79. Ebd., S. 76. Ebd., S. 80. Ebd., S.88. H. Plessner, Lachen und Weinen (1941), in: Philosophische Anthropologie, Frankfurt 1970, S. 11 ff. Jean Paul, Vorschule der Ästhetik (1804), in: Werke, hg. N. MilIer, München 1963, Bd. 5, S. 104. J. Ritter, .. Ober das Lachen", S. 73 ff.; W. Preiscndanz, Ober den Witz, Konstanz 1970, S. 23 ff. W. Preiscndanz, ebd., S. 26f. Mir ist das Element der Unerreichbarkeitsgarantie wichtig, das in der Pointe liegt: sie ist eine sprachliche Hochstapelei mit der Geschwindigkeit Unendlich und der Erwischbarkeitswahrscheinlichkeit Null: jedenfalls idealiter. Freud, Der Witz und seine Beziehung zum Unbewußten (1905), in: Gesammelte Werke, Bd. 6, S. 133 ff. Plessner. Lachen und Weinen. S. 99. Ebd .• S. 138. 153 u.i.w. Ich stelle anheim. ob es sich - wenn man Unterscheidungen einteilt in solche. die man macht. nur um sie machen zu können. und solche. die interpretationskräftig sind - hier um eine Unterscheidung der ersten oder der zweiten An handelt. Mich intercssien u. a. die Frage. wie beide 1.achsonen kooperieren (koaJieren. opponieren) können. Eine Möglichkeit des Verständnisses eröffnet sich. wenn man - wie R. Warning ... Komik und Komödie als Positivierung von Negativität". in: Poetik und Hermeneutik VI. S. 341- 366. bei seiner Oberleitung der These Ritters in ein .. funktionales Modell komischer Positivierung von Negativität" (S. 348) vorschlägt - von der Annahme der Konvertibilität von Sprechen und Lachen abgeht (vgl. bes. S. 355 ff.) und dadurch eine linguistisch greifbare sprachliche und eine soziaJhistorisch greifbare vorsprach liehe Dimension koagiercn oder konteragieren lassen kann. R. Barmes. Die Lust am Text (Anm. 17). S. 34f. Man. Einleirung zur Kritik der HegeIschen Rechtsphilosophie (1843/44). in: Frühschriften, hg. Landshut. Stungan 1953. S. 208. Ich sehe hier vom Problem ab. das mit Divergenzen und Kongruenzen des Gottesbegriffs gem. Ex. 3.14 (vgl. C. H. Ratschow. Werden und Wirken - Eine Untersuchung des Wones hajah als Beitrag zur Wirklichkeitscrfassung des Alten Testamentes. Berlin 1941. S. 82 ff.) und des Gottesbegriffs in der Tradition von AristoteIes. Metaphysik A 1074 b 34 zwammenhängt und untemelle die wirkungsgcschiehtliche Prävalenz der Kongruenz: Gott ist sich selber total durchsich-
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Anmerkungen
tig: da ist nichts Überraschendes. nichts Verdrängtes. nichts Nichtiges ... Gesetzt den fall. Sie glauben an einen Gott: kennen Sie ein Anzeichen dafür. daß er Humor hat?" M. Frisch. Tagebuch 1966-1971. Frankfun 1972. 5.219. Kann Gott lachen? Monotheistisch wohl nicht. polytheistisch sicher: nicht nur lachen die Götter (ob nun Homer den Griechen die Götter gegeben oder genommen hat; aber vielleicht haben die Götter sich totgelacht?). sondern es gibt auch - auf den Hinweis bei Gellius. Noctes Atticae 124.3 macht A. Wlosok mich aufmerksam einen Gott Risus und ein Fest für ihn. 38 Das Bonmot ist das Volkslied der InteUektueUen: zuweilen ist es unmöglich. den Autor zu ermitteln. Die hier gebrauchte Formulierung stammt aus der hessischen Schulreformdislrussion: ich habe sie zuem von F. Weberling gehön. 39 Vgl. Verf.. Schwierigkeiten mit der Geschichtsphilosophie. Frankfun 1973.
S.IHf. 40 Vgl. H. G. G2damer zu .. Poetik und Hermeneutik m". in: Philosophische Rundschau Bd. 18 (1971). 5.62: er macht geltend. daß .. für die HegeIsche Theorie der romantischen Kunst ( ... ) der Vergangenheitscharakter der Kunst gegeben und mit HegeIs Parole vom Vergangenheitscharakter der Kunst das Ende der klassischen Kunrueligion gemeint" ist: .. Marquard (wie die meisten. die sich hier auf Hegel berufen) nimmt die grundsätzliche Bedeutung von Hegels Satz. der die gesamte nachklassische Kunst mitmeint. nicht ernst genug". Gadamer hat selbstverständlich schlichtweg recht. darum habe ich hier - auch unter dem Eindruck der Argumente von W. Bröcker... HegeIs Philosophie der Kunstgeschichte" in: Auseinanderscuungen mit Hegel. Frankfun 196~. S.33ff. - meine damalige Interpretation berichtigt. Die biblische Religion bringt das Ende der Kunst: der .. Inhalt" der .. romantischen Kunstform ( ... ) fällt mit dem zwamrnen. was das Christentum von Gott als Geist aussagt" • aber gerade deswegen ist die .. romantische Kunst das Hinausgehen der Kunst über sich selbst". also deren Ende: Hegel. Vorlesungen über die Ästhetik (1808ff.). in: Theorie-Werkausgabe. Bd.13. 5.111.113. 41 Unter der Voraussetzung einer sehr weitgehenden Simplifizierungslizenz könnte man - ohne damit den Theorien zu nahe treten zu wollen. die der Komödie und Satire die RoUe des Abschieds von der griechisch klassischen Kunst zusprechen eine An von Dreistadiengesetz beim Prozeß des Endes der Kunst erwägen: es gibt das religiöse. das ästhetische. das soziologische Stadium dieses Endes. Im ästhetischen Stadium ist die Kunst transitorisch ihrem Ende in die Autonomie entkommen. Dieses Stadium hat Konfinien: das Konfinium zum religiösen (christlichen) Stadium ist das Konfinium der relativ autonomen Kunst der modernen Komödie; das Konfinium zum soziologischen (kritischen) Stadium ist das Konfinium der philosophischen Theorie des Lachens. 42 Kant. Kritik derUneilskrah (1790)§~4. in: Werke. hg. Cassirer. Berlin 1912f.. Bd.~. 5.409. 43 Schelling. Philosophie der Kunst (1802ff.). in: Sämtliche Werke. hg. K. F. A. ScheUing. Bd. ~. 5.712. 44 F. Th. Vischer. Über das Erhabene und Komische (1837). Frankfun 1967. bcs. S. 1~8. 5. 16Off. 4~ K. Rosenkranz. Ästhetik des Häßlichen. Königsberg 18B. S. B. 46 H. Bergson. Das Lachen (1900). dt. Meisenheim/Glan 1948. S. 21. 47 Freud. Gesammelte Werke. Bd. 6. 48 H. Plessner. Lachen und Weinen. S. n.
Anmerkungen
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49 Vgl. Marx. Einleitung zur Kritik der HegeIschen Rechtsphilosophie. S. 21). )0 Kierkegaards Ironie der indirekten Mitteilung; vgl. Kierkegaard. Über den Begriff der lronie mit ständiger Rücksicht auf Sokrates (1841). in: Gesammelte Werke. hg. Hirsch. Düssddorf 19)0f.. 31. Abt. S.2)2: "Es ist die allergewöhnlichste Form der lronie. daß man mit ernster Miene etwas sagt. das doch nicht ernst gemeint ist. Die andre Form. daß man etwas zum Sehen. scherzend sagt. das ernst gemeint ist. kommt seltener vor" . ) I Vgl. Platon. Theaitet 174 A; dazu H. Blumenberg. "Contemplator cadi". in: D. Gerhardt I W. Weintraub I H. Winkel (Hgg.). Orbis ScriptUS - Festschrift für D. Tschizewskij. München 1966. S. ll3 -124. )2 Kant. Werke Bd. ). S.411. H Ebd .• S. 409.
Kompensation - Überlegungen zu einer Verlaufsfigur geschichtlicher Prozesse l 1 Eme Fassung: September 197); zweite Fassung: Januar 1976; dritte Fassung:
Februar I Män 1977. - Hinweis 1989: inzwischen ist einschlägig erschienen von - Gliederung: 1. Anfang. 2. Aktualität des Kompcnsationsbegriffs. 3. Übliche Genealogie: Adler. Jung. 4. Burckhardt. 5. AzaIs und Leibniz. 6. Tertullian. Qauberg. Kant: von der Heilsökonomie zur Theodizee. 7. Spekulativer Exkurs. 8. Von der Theodizee zur Geschichtsphilosophie. 9. Kompensation als Verlaufsfigur moderner Ge· schichtsprozesse. 10. Resultat. 2 Reinhan Kosellcck. Kritik und Krise. Ein Beitrag zur Pathogenese der bürgerli. chen Welt (19)9). Frdburg-München 2. Aufl. 1969. S. 1)6; vgl. S. 6 -8. SO. 81ff.. BOf.. 147-157.21) (Anm. 147). 3 Reinhan Kosellcck. Anikel.Geschichte' in: Geschichtliche Grundbegriffe. Hrsg. von O. Brunner. W. Conze und R. KoseUeck. Bd. 2. Stuttgan 197). S. 667; vgl. S. 666 - 668. Vgl. auch: Odo Marquard. Idealismus und Theodizee (1965). In: ders .. Schwierigkeiten mit der Geschichtsphilosophie. Frankfun a. M. 1973. bes. S.60f. 4 Friedrich Schiller. Resignation (1784). Vers. 8). ) So bereits innerhalb der Geschichtsphilosophie der menschlich machbaren einen Geschichte. und zwar nicht nur durch ihre verschiedenen Hilfstheorien über nichtrnenschliche Protagonistenvikare (Gott. Narur). Daß die Menschen ihre Geschichte selber - "aber ... unter ... gegebenen und überliefenen Umständen": Karl Man. Der 18. Brumaire des Louis Bonapane. MEW. Bd. 8. S. 11) machen: dieser Vortxhalt wird gerade auch innerhalb der revolutionären Ge· schichtsphilosophien wachsend bedeutsam. Wo diese "gegebenen und überliefere ten Umstände" selber zunehmend auf geschichtsphilosophisch-revolutionärer Onhopraxis beruhen. werden negative Gegebenheiten als Verratsresultate inter· pretien durch "polizistische Geschichtsauffassung": vgl. Man~ Sperber. Die Achillesferse. Frankfun a.M .. Hamburg 1969. S. 7H.: "Ohne den Verrat könnte die absolute Herrschaft den Betrug ihrer Vollkommenheit nicht aufrechterhalten ... ; die ausschließliche. die totale Macht muß sich der Verantwonung für alljene Geschehnisse entledigen. die weder Ruhm noch Erfolg bringen ... So stellt die
Jean Svagelski: L'idEe de compcnsation en France. Lyon 1981.
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Anmerkungen
Überzeugung, verraten worden zu sein ... eine An negativen Trost dar"; energischen Hinweis auf diese SteUe verdanke ich Christian Meier; vgl. auch Man~ Sperber, Der verbrannte Dornbusch. Bd. I, Frankfun-Berlin-Wicn 1971, S.322ff. 6 Eine dritte Möglichkeit deutet anJwgen Habermas, Zur Kritik an dcr Geschichtsphilosophic (R. KoseUcck, H. Kesting; 1960). In: den., Kultw und Kritik. Frankfun a.M. 1973, S. 364: "Machbarkeit ... wenn nicht der Geschichte selber, so doch der geschichtlichen Prozesse, die uns, wenn wir sie nicht mcistcrn, auf diese oder jene Weise aufreiben würden." - Andererseits ist an das Feld jener "Hilfsbegriffe" zu erinnern, die nicht nw "im Umkreis des Entwicklungsbegriffs" sich gebildet haben: "So beruft man sich gerne auf objektiv gegebene ,Trends', ,Triebkräfte', ,Suömungen' oder ,Tendenzen' ": Wolfgang Wieland, .Artikel Entwicklung in: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2, S. 225. 7 Siegfricd Kracauer, Geschichte - Vor den letzten Dingen (posth. 1969). Schriften, Bd. 4, Frankfun a.M. 1971, S. SO, 185, 195; S. 201: "Das ,Genuine', das in den Zwischenräumen der dogmatisienen Glaubensrichtungen der Welt verborgen liegt, in den Brennpunkt steUen und so eine Tradition verlorener Prozesse begründen." Vgl. die Reflexion über Tocqueville bei Carl Schmitt, Ex captivitate salus. Köln 1950, S. 25 - 3~. 8 Das heißt, in denen man Verantwonung wirklich zu übernehmen vermag; vgl. Roben Spaemann, Nebenwirkungen als moralisches Problem. Philosophisches Jahrbuch 82 (1915). Vgl. außerdem Niklas Luhmann, Status quo als Argument. In: Studenten in Opposition. Hrsg. von H. Baier, Bidefdd 1968. 9 Hegds geschichtshinsichdiche These des grundsätzlichen Zuspätkommens der Theorie: Grundlinien der Philosophie des Rechts (1821). Theorie WerItausgabe, Bd. 7, S.28; vgl. Anhur C. Danto, Analytische Philosophie der Geschichte (1965). Frankfun a.M. 1974, S.465. Ich neige dazu, hier auch die antizipatorischen Konzepte zu subsumieren: ein Futurologe ist ein vorwäns gekehner Antiquar. 10 Hans Michael Baumganner, Kontinuität und ~ichte. Frankfun a.M. 1972. 11 Analog zur alternativen Bestimmung des Menschen als "Zielstreber" und "Defektflüchter" könnte man zwischen "erfüllenden" und "endastenden" Ergänzungen unterscheiden: Kompensationen gehören - als Ergänzungen ohne Ganzes - zur zweiten Sone. Ebenso wie die Anregung zu dieser überlegung verdanke ich einigen Diskussionen des im folgenden entwickdten Gedankengangs den Hinweis darauf, daß sich die Verlaufsfigur der Kompensation als Spezialfall der Dynamik von "chaUenge" und "response" (Toynbee) deuten lißt. Hier kann man im übrigen eine ganze Reihe von Fragen zwanglos anschließen, die teilweise das Themenfdd dieser überlegungen überschreiten; etwa die folgende: Wie verhält sich zu der im folgenden untersuchten Verlaufsfigur die von Thomas S. Kuhn, The structure of scicntific revolutions. Chicago-London-Toronto 1962, analysienc Verlaufsform des "paradigm change": a) wenn dabei doch gilt: "a scientific theory is declared invalid only if an alternate candidate is available to take i~ placc" (S. 77) - ein eine Paradigmakrise kompensierendes Paradigma? -, so daß immer nur "an older paradigma is replaced ... by an incompatible new one" (S. 91); b) wenn es sich dabei handelt um einen .. proccss that moved steadily from primitive beginnings but toward no goal" (S. 171), so daß man muß "substitute: evolution-from-what-we-do-know for evolution-toward-what-we-wish-to-know"
Anmerkungen (S. 170). was .. tbe abolition of tbat telcological kind of evolution" bedeutet (S. 171) zugunsten von - wie ich sagen würde - Dcfektfluchtprozcsscn. 12 Compensatory education for cultwaUy deprived. Hag. von S. Bloom. A.Davis und R. Hcss. Ncw York 19~8; vgl. die Programme: Demonstration Guidance Projcct. 19H /62; Higher Horizons Program. 19S9/62; Hcad Stan. 1964ff.; vgl. B. Brüggemann u. a. (Red.). Sozialisation und Kompensatorische Erziehung. Berlin. Juni 1969. S. 176ft". - Literaturhinweise zw kompensatorischen Erziehung verdanke ich G. Wilkending. 13 Vgl. Gerd lben. Kompensatorische Erziehung. 3. Aufl. München 1974; don S. 14: .. Kompensatorische Erziehungsprogramme wollen Eingriffe in soziale Systeme sein ... Durch Kompensation von Funktionsmängeln wird ein Funktionszusammenhang verändert. Die von nun an kompensatorisch Erzogenen gelangen in ein anderes Verhältnis zw Gesellschaft. " 14 Vgl. u. a.: A.Jeosen. How much an we boost IQ and scholastic achievement? (1969). In: ders .• Genetics and education. london 1972; I. N. Sommerkom. Kompensatorische Erziehung. Deutsche Schule 61 (1969). S. 720: .. Kompensation zur Anpassung. zur Integration in das bestehende System"; lben. Kompensatorische Erziehung. bcs. S. ~8 ff.; Basil Bernstein. Der Unfug mit der .kompensatorischen Erziehung'. Beuifft Erziehung (1970). bcs. S.16. Beiseite bleiben muß auch. daß in dieser Diskussion der Kompensationsbcgriff inzwischen durch den Lcitbegriff des Komplementären ersetzt ist; innerhalb der Pädagogik wird dadurch der Kompcnsationsbegriff frei für die Verwendung in der speziellen Curriculardislrussion; vgl.: Bildungswcge in Hessen. Eine Schriftenreihe des Hessischen Kultusministeriums (0.).) Heft 7. S. 4 f.: die .Jahrgangsstufe 11 ... hat ... zu erfüllen: ... Die Aufgabe des Ausgleichs von unterschiedlichen Ausbildungsvoraussctzungen zur Herstellung gleicher Ausgangschancen (Kompensation) ... Deshalb soll das 1. Halbjahr der Jahrgangsstufe 11 (lI/I) vorrangig der Kompensation ... dienen. " Zum schulbezüglichen Gebrauch des Wortes in den zwanziger Jahren vgl. - steUvenrctend tUr ein betrichtliches BelegpotentiaJ Walter Schulz in: Philosophie in Selbstdarstellungen. Bd.2. Hamburg 1915. S.270: .. Ich war im Spon ein völliger Versager. daher mußte ich .kompensieren' und konzenuiene mich ganz ... auf die Fächer Deutsch. Geschichte und Religion." 1~ John Maynard Keynes. The general thcory of employment. intercst and moncy (1936). CoUccted writings. Bd. 7; Wongcbrauch donsclbst S. n4. Vgl. Roben Lckachman. John Maynard Kcynes (1966); deutsch: München 0.).. S. 148ft".; Lcltachman datien (vgl. S. 311 ff.) für die USA die Durchsctzung des Keynesianismus im nicht-akademischen Raum oberhalb der Beratungsbürokratie zur offiziellen ökonomischen Regierungsdoktrin auf die Kennedy-Ara; das ist zugleich die Zeit der Durchsctzung des Begriffs .. compensatory education": es darf also nicht ausgeschlossen werden. daß der Kompensationsbcgriff aus der ökonomischen in die pidagogischc Diskussion kam. 16 A. H. Hanscn. policy and busincsscycles. Ncw York 1941. bcs. S. 261- 300: .. tbc concept of compensation" (S.261) .. implies ... that public cxpcnditurcs may bc uscd to compensate for tbe dcdine in private invCSlment" (S. 263). 17 Jürgen Habermas. Lcgitirnationsproblcme im Spätkapitalismus. Frankfurt a.M. 1973. s. 97; vgl. S. 78ft". 18 Seit 1940. JCUt zusammcngcfa.ßt in: J.lüttcr. Subjdttivitft. Sechs Aufsitze.
ruca.l
Anmerkungen
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FranJcfun a. M. 1974; vgl. außerdem ders .• Metaphysik und Politik. Frankfun a.M. 1%9. bes. 5.319 - 3~4. Zum m. W. aktuellsten signifikanten Einsau des Kompensationsbegriffs kommt es in der philosophischen Diskussion der Beschleunigung des "sozialen Wandels" - bezogen auf Phänomene wie "WeUen der Nostalgie". "Historisierung und Muscalisierung unserer kultureUen Umwelt" (S. 7 f.). "Neoutopismus" • "Subkultur der Verweigetung" (S. 1~ f.) - bei Hermann Lübbe. Zukunft ohne Verheißung? Sozialer Wandel als Orientierungsproblem. Zürich (1976). S. 9: "Kompensation ist das entscheidende Stichwon. Wir haben es ... zu tun mit ... Kompensationen eines änderungstempobedingten Vertrautheitsschwunds"; angesichts der dadurch bedingten "Orientierungskrisen" ist "hilfreich ... nicht die Intensität progressiver Gesinnung. sondern der Pragmatismus der Politik der Kompensation kritischer Fonschrittsnebenfolgen" (5. 19). Lübbes Thesen sind. wenn ich das richtig sehe. Weiterentwicklungen derjenigen Ritters a. a. O. - Auch umgangssprachlich reüssien der Kompensationsbegriff. Beispiel: im SponteiJ der FAZ vom 1~. 11. 1976 heißt es über Borussia MönchengJadbach. "daß die Mannschaft in der Lage ist. den Ausfall einer kompletten Mittelfeldreihe (Stielilte. Wimmer. Danner) zu kompensieren" . Ausnahme: Historisches Wönerbuch der Philo~phie. Hrsg. von J. Ritter und K. Gründer. Bd. 4. Basel-Stuttgan 1976; aus der Arbeit des Verfassers am Kompensationsanikel dieses Lexikons ist diese Vorlage entstanden. Zur vorher üblichen Genealogie vgl. Odo Marquard. Skeptische Methode im Blick auf Kant. Freiburg-München 19~8. S. 20. Anm. 31. insbesondere aber D. L. Han. Der tiefenpsychologische Begriff der Kompensation. Zürich 19~6; den Hinweis auf diese Arbeit verdanke ich Niklas Luhmann. Alfred Adler. Studie über Minderwenigkeit von Organen. Wien-Berlin 1907. 2. Aufl. 1927. S.69: "alle Erscheinungen der Neurosen und Psychoneurosen (sind) zurückzuführen auf Organminderwertigkeit. den Grad und die An der nicht völlig gelungenen zentralen Kompensation und auf einuetende Kompensationsstörungen"; vgl. ders .. Ober den nervösen Charakter (1912).3. Aufl. München-Wiesbaden 1922. bes. S. 2~ ff.; ders .. Praxis und Theorie der Individualpsy. chologie (1920).2. Aufl. München-Wiesbaden 1924. 5.4. 10. 22ff. Vgl. Sigmund Freud. Selbstdarstellung (192~). Gesammelte Werke. Bd.14. S.79. Carl Gustav Jung. Psychologische Typen (1921). Gesammelte Werke. Bd.6. S. 484 f.; "Kompensation" bei Jung zuerst in: Ober die Psychologie der dementia praecox (1907). Ebd .. Bd. 3. S. 34. Vgl. außerdem: ders .• Ober die Psychologie des Unbewußten (1916).6. Aufl. Zürich 1948. S. 19~ ff.; ders .. Die Beziehungen zwischen dem Ich und dem Unbewußten (1928). ~. Aufl. Zürich 19~0. S.98: "daß die unbewußten Vorgänge in einer kompensatorischen Beziehung zum Bewußtsein stehen"; vgl. ff. - In der psychologischen Persönlichkeitstheorie haben das Konzept der Kompensation weitergefiihrt. modifizien. differenzien: Philipp Lersch. Aufbau der Person (1938). 9. Aufl. München 1%4; Gordon W. Allpon. Gestalt und Wachstum in der Persönlichkeit (1949). Meisenheirn 1973. S. 174ff.. 5.603; K. H. Seiffen. Grundformen und theoretische Perspekti· ven psychologischer Kompensation. Psychologia universalis 12 ( 1969). bes. S. 3~ . L. Luciani. Das Kleinhirn (1893);). R. Ewald. Ober die Beziehungen zwischen deI excitablen Zone des Großhirns und dem Ohrlabyrinth. Berliner klinische Wochenschrift 33 (18%); G. Anton. Ober den Wiederersau der Funktion bei Erkran·
Anmerkungen
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kungen des Gehirns. MonatsSChrift für die Psychiauische Neurologie 19 (1906). Kompensation ist dabei .. selbsterzeugter Kontrast". Den Hinweis auf diese Diskussion verdanke ich U. Schönpflug; vgl. Han. Der ticfenpsychologische Begriff. Jacob 8urckhardt. Weltgeschichtliche Betrachtungen (1868). Gesammelte Werke. 8asel-Stuttgan 19~ ~ ff.. Bd. 4. S. 192. Ebd .• S. 191. Ebd .• S. 193. Ebd .• S. 194. Ebd .• S. 19H. Vgl. Odo Marquard. Zur Bedeutung der Theorie des UnbcwuSten für eine Theorie der nicht mehr schönen Kunst. In: Die nicht mehr schönen Künste. Hrsg. von H.-R.Jauß. München 1968. S. 379. Pierre-H. Azals. Des compensations dans Ics destinm humaines. Paris 1. Aufl. 1808. 2. Aufl. 1818. 3. Aufl. 1818.4. Aufl. 182~. ~. Aufl. 1846. ab der 2. Aufl. vermehn um sechs Novellen von MIne. Azals; hier zit. nach der 3. Aufl. Paris 1818.3 Bde. Für Hilfe bei der Onung und Beschaffung danke ich H. Hudde und 8. Klosc. - Zur Philosophie von Azals vgl. J. Schwieger. Der Philosoph PierrcHywnthe Azals. Phil. Diss. Bonn 1913. DonS. 70undS. n der Hinweis. daß das Gesetz .. Tout cst compense ici bas" in dieser Formulietung als .. Ioi de compensation. loi de fer" sich bereits findet bei A. de Lasalle. La balance naturelle. Paris 1788. Bd. 1. S. 272. das Azals kannte. Azals. Des compcnsations. Bd. 1. S. XII. A. Cournot. Exposition de la throrie des chances et des probabilites. Paris 1843. eh. 9 § 103. Azals. Des compensations. Bd. 1. S. 29: .. u son de I·homme. considerc dans son ensemble. est I'ouvrage de la nature enti~re. et tow Ies hommes sont cgaux par leurson. C'est toutce que Dieu pouvait faire. et c'est toutce qu'a fait pournoussa bienveillance supreme. " 1m Sinne von Ludwig Wittgenstein. Philosophische Untersuchungen (19H). I. Nr.67. Hans-Roben JauS. Literaturgeschichte als Provokation. Frankfun a. M. 1970. ,t Aufl. 1974. S. nl. Anm. 17. Uopold von Ranke, Ober die Epochen der neueren Geschichte (18~4). HistorischKritische Awgabe. hrsg. von Th. Schiederund H. Berding, München-Wien 1971.
S. ~9f. 38 Azals. Des compcnsations. Bd. I, S. 1: .. On se plaint du malheur; et c'est Dieu qui, dans sa justice. I'a disuibue sur Ics hommes. 11 faut un caur genereux et un bon esprit pour r«onnaitre cette verite. " 39 Ebd., S. 332; Bd. 2. S. XIV; Bd. 1. S. BI. 40 Ebd., Bd. I, S. 6. 41 Vgl. ebd.; der rationale Kern ist die traditionelle Charakteristik des Weisen: er vermag awgeglichen zu leben. weil er ausgleichen d. h. kompensieren kann; vgl. Cicero, Oe natura deorum 1,23: .. quod ita multa sunt incommoda in vita. ut ca sapientes commodorum conpensatione leniant"; Tusculanae Disputationes ~, 9~: .. itaque hac wurum compensatione sapientem, (ut) et voluptatem fugiat. si ca maiorem dolorem eff«tura sit. et dolorem suscipiat maiorem efficientem voluptatern": den Hinweis auf diese Stellen verdanke ich P. Sittig. 42 H. Hudde weist mich hin auf eine ähnliche Vorstellung bei S. Marechal (anonym). Apologues modemes. a I'wage du Dauphin, premi~rcs I~ons du fils aine d'un
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Anmerkungen
Roi. Bruxelles 1788. Nachdruck Paris 1976. ~on XLV: "La Balance ... C'etoit une balance faite avec beaucoup de jwtessc. J' y pesai les biens &: les maux de la vie. Elle resta dans un equilibre a.ssez perfait. Elle m' apprit que tout est compense dans la vie" (S. 20f.). Untersucht werden muß m. E. außerdem sachliche Kongruenz und - zweifellos nur indirekter - historischer Zusammenhang der These von Azais mit den überlegungen von lmmanuel Kant. Versuch. den Begriff der negativen Größe in die Weltweisheit einzuführen (1763). insbes. AkademieAusgabe. Bd. 2. S. 197: "AUe Realgründe des Universum. wenn man diejenigen summien. welche einstimmig. und die voneinander abzieht. die einander entgegengesetzt sind. geben ein Fazit. das dem Zero gleich ist": man kann jene These von AzaJs als Spezialfall dieser Kantischen deuten. Azais folgt - wie Schwieger. Azais, S. 74 ff. plausibel macht - u. a. P. L. M. de Maupcnuis. Essai de cosmologie (1 nO). obwohl er dessen - im Essai de philosophie morale (1749). S.21 formuliene - Bilanz .. dans la Vie ordinaire Ia somme des Maux surpa.sse la somme des Biens" zugunsten seiner Ausgeglichenheitsthese zurückweist. jwt so wie Kant. a. a. 0 .. Bd.2. S. 181 f.: .. Der Calcul gab diesem gelehnen Manne ein negatives Facit. worin ich ihm gleichwohl nicht beistimme"; vgl. insgesamt S. 180 ff. Man muß hier sehen: a) daß Maupenuis Präsident der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften war. als sie 1753 (für 1755) die - indirekt gegen Leibniz aufporfene - Preisfrage einer Prüfung des "syst~me de I'optimisme" ( .. I·cxamen du syst~me de Pope. contenu dans la proposition: Tout est bien") stellte. deren Beantwonungsabsicht Kant u. a. auf die Thesen der Schrift über die "Negativen Größen" brachte; b) daß diese Schrift in einer bisher kaum voll gewürdigten Weise wirkungsreich war: nicht nur ist ihr Begriff der .. Realrepugnanz" (a.a.O .• Bd.2. S.I72 u. ff.) Vorläufer des Kantischen "Antagonism"Begriffs (vgl. Akademie-Ausgabe. Bd. 8. S. 20) und damit des daran anknüpfenden Konzepts der geschichtlichen Widersprüche der gcschichtsdialektischen Philosophien; auch das an Newton anknüpfende Theorem einander entgegengesetzter Kräfte - Repulsion und Attraktion -. die sich wechselseitig zu Produkten einschränken. kommt aus dieser Schrift einerseits über das Dynamikhauptstüd von Immanuel Kant. Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaf1 (1786). Akademie-Ausgabe. Bd.4. S.496ff.. bes. S.523. andererseits überJo. hann Gottlieb Fichte. Grundlage der gesammten Wisscnschaftslehre (1794). I § 3. Sämtliche Werke. hrsg. von I. H. Fichte. Bd. 1. S. 105 ff.• bes. S. 110 ("das Nicht· Ich ... dem eingeschränkten Ich entgegengesetzt ist es eine negative Größe") ir F. W.). Schelling.ldcen zu einer Philosophie der Natur (1797). Sämtliche Werke. hrsg. von K. F. A. Schelling. bes. Bd. 2. S. 231 ff.: hier muß einschlägig die Frag« interessieren. wieweit bei dieser Bewegung der Überlegung aw der These einel vorhandenen Zero-Bilanz die These einer werdenden Zero-Bilanz ( .. Identitit" geworden ist: der .. dynamische Prozc6" wird zum stindigen Versuch des Aw gleichs - der Kompensation? - eines Negations-. eines Einscluinkungs-. d. h eines Verendlichungsdefizits. Dies ist wichtig. weil - jedenfalls in dieser Zeit die Naturphilosophie kategorienhinsichtlich der Probevorlauf der Gcschlchtsphi losophie ist. Wo dieser Ansatz heute - psychologisch-biologisch uansfonnien in der .. genetischen Erkenntnistheorie" (uDter Opferung der idealistischen End zweckteleologie) rcaktualisien wird. reüssien der Terminus "Kompensation" vgl. Jean Piaget. Die Aquilibration der kognitiven Strukturen (1975). Stungar 1976; den Hinweis auf die Kompensationsterminologie dieses Buchs verdanke id W. Kretschmer. - Auch im Kontext "Ie plw grand bonheur du plw graDe
Anmerkungen nombre d'individw" gibt es ein Kompensationstheorem ( .. Ie bonheur se compeosc asscz"); vgl. Chastellux. Chevalier de (anonym). Oe la FElicitE publique ou ConsidErations sur le $On des hommes dans les diffErentes Epoques de I'histoire. Amsterdam 1772. 2. Auf). 1776; dem Hinweis darauf, den ich H. Hudde verdanke. habe ich bisher ebensowenig nachgehen können wie dem Hinweis von Jörn Rüsen auf Kompensationsterminologie bei David Hume. 43 .. utte Eternelle perspective. immense compensation spontanee de toutes les misCres quelconques": Augwte Comte, Discours sur I'esprit positif (1844). Nr.66. Hamburg 19~6 (Phil05. Bibl.). S.192. Den Hinweis auf diese Stelle verdanke ich Manfred Riedel. - Noch C. G.)ung formulien: .. Das allgemeine Problem des Übels ... erzeugt ... kollektive Kompensationen wie kein anderes": Die Beziehungen zwischen dem Ich und dem Unbewußten (1933). ~. Aufl. Zürich 19~O, S. 104. 44 .. L' auteur de la nature a compense ces maux et auues qui n' arrivant que rarement. par mille commodites ordinaires et continuelles": Gottfried Wilhelm Leibniz. Essais de ThEodicEe (1710). Philosophische Schriften. hrsg. von C.). Gerhardt. Bd. 6. S. 409. Reinhan Kosclleck verweist im Anikel Fortschritt in: Geschichtliche Grundbegriffe. Bd. 2. S. 401 aufLeibniz. Oe rerum originatione radicali (1667). Opera philosophica. hrsg. von J. E. Erdmann, S. 1~O: .. daß Schicksalsschläge in der Gegenwan von Übel, im Effekt aber gut seien, .rum sint viae compendiariae ad majorem perfectionem' ". H. Poscr hat mir hier mit Recht eingewandt. daß der Nachweis einer innerweltlichen Kompensation der Übel durch Güter nicht das uagende Argument der Theodizee von Leibniz ist. In der Tat: Wenn Gott schaffen und das Bemnögliche schaffen wollte. mußte er - nach Leibniz - die Übel ggf. auch unkompensien in Kauf nehmen: das ist - wenn ich richtig sehe - die kreationstheologische Anwendung des Satzes .. der Zweck heiligt die Mittel" (wobei diese Heiligung wiederum eine entfernte Ähnlichkeit mit einer Kompensation hat). Leibniz .. braucht" also nicht das Argument einer innerweltlichen .. Kompensation": dies erklärt. warum dieses Won bei Leibniz trotz allem nur selten vorkommt. 4 ~ .. Non Iicet compensos ... in festivitatibw Sanctorum facere": so noch mittelalterlicher Wongebrauch. vgl. Du Cange, Glossarium mediae et infunae latinitatis (,1937), Artikel Compensw. Compensum; vgl. Anikel Compensa, Compensatio. 46 .. Compensatio lucri cum damno": ein aw einem Schadensersatz sich ergebender Voneil muß bei der Festscuung der Ersauleistung awgleichend angerechnet werden; den Hinweis auf diesen Wongebrauch verdanke ich Th. Raiser. 47 Gajw. Institutiones 4, 66: .. inter conpensationem ... quae argentario opponitur et deductionem, quae obicitur bonorum emptori. illa differentia est. quod in conpensatione hoc solum vocatur. quod eiusdem generis et naturac est . .. in deductionem ... vocatur et quod non est eiusdem generis". Zur literatur über .. compensatio" im römischen Recht vgl. Artikel compensatio in: Der kleine Pauly. Lexikon der Antike. Bd. I, Stungan 1964, S. 1264f. 48 Encyclopedie ou dictionnaire raisonnE. Hag. v. Diderot und d' Alemben. Paris 1751 ff.. Neudruck 1%6: .. Compensation Ourisprud.) est la confusion qui sc fait d'une dette mobiliaire liquide. avec une auue dette de meme nature." 49 Johann Heinrich Zedler, Großes voUstindiges UniversaUexikon aller Wissenschaften und Künste. Halle-Leipzig 1732 ff. ~O H. Sieber, Kompensation und Aufrechnuog (1899). Vgl. auch StGB §§ 199, 233;
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Anmerkungen
einschlägig ist die unter Berufung auf Thomas von Aquin, Summa theologiac, 11 111, q. 89. von Franeisco Suirez, Commentaria in Sccundam Sceundae D. Thomac. im Tractatus V: Oe juramento et adjuratione, lib. 11, eap. 37 (Opera omnia, Bd. 14, S. 646 - 652) diskutiene Frage: .. an in juramcnto implendo liccat eompensatione uti?" Verwandte moraltheologischc Probleme im sog ... Kompensationssystem" bei D. M. PrümrDer, Manuale theologiac moralis (1915). - Beiseite bleiben muß hier eine Besprechung der Bedeutung von "eomperuatio" in der Rhetorik; vgl. Aquilae Romanae de figuris scntentiarum et docutionis liber, § 14. in: C. Halm. Rhctores Latini minores (1863). Neudruck 1964. S.26: .. dcvnLGq'(a)rTI. compensatio. Est autem huius modi. ubi aliquid difficile ct conuarium confitendum est. scd contra inducitur non minus fumum"; diese Bedeutung noch bei). Micraelius. Lcxicon philosophicum terminorum philosophis usitatorum. 2. Auf}. 1662. Neudruck 1966: don Verweis von .. compensatio" auf An. ~. don Hinweis auf ml\~. 51 .. eompensatione sanguinis sui": Tenullian. Apologcticum. 50. 15. Opera (Corpus Christianorum Scries Latina). Bd.l. S. 171; .. compensatione res acta est ... Compensatio autem rcvocabilis non cst. nisi dcnique rcvocabitur iteratione mac· chiae utique et sanguinis et idolatriac": ders., Oe pudicitia, 12.8. Opera. Bd. 2. S. 1303; vgl. ders .• Oe paenitentia, 6.4. Opera. Bd. 1. S. 330; Scorpiace. 6.8. Opera. Bd. 2. S. 1080. - Interessant wire die Frage nach Kongruenz und Inkon· gruenz dieses theologischen Kompensationsgedankens mit dem Gedanken dei SteUvertretung; vgl. - ohne daß don (was innerhalb der heideggerthcologischer Ansäue auch ganz unwahrscheinlich ist) das Won Kompensation gebraucht ist Dorothee SöUe. SteUvenrctung. Stuttgan-Berlin 1965. - Zum Wongebrauch be Augustinus vgl. Oe libero arbitrio 3. 23. 68: .. Quis ... novit. quid ipsis parvulis ir secreto iudiciorum suorum bonae compensationis reservet Deus?" 52 Vgl. Ansclm von Canterbury. Cur Deus homo? (um 1095). üb. 11. Cap. XVIII Christus hat durch das Opfer seines Lebens Gott etwas gegeben ... quod prl omnibus omnium hominum debitis recompensari potest"; vgl. üb. I. cap. XXIV 53 ). A. Quenstedt. Theologia didactico-polemica (1696). Bd.4. eap. IX. sect. 11 q.4: er betont in bezug auf die "quaestio ... an Ikus bona opera praemij temporalibus et aetemis eompensct". daß Gott durch .. gratuita compensatione' belohnt in einer .. compensatio ... qua propter unum non redditur aliud". DeI Hinweis auf diese Stelle verdanke ich C. H. Rauchow. 54 überschrift des leuten Kapitels (Kap. XXIV. §§ 350 - 356) von). Clauberg, On tosophia (1647). Opera omnia philosophiea. Amsterdam 1691. Neudruck 1968 Bd. 1. S. 398 f. Don die Definition: .. Compensationis nomine hie generalite intelligimus affumationis relationem. qua unum sumitur pro alio. ponitur locl alterius. viees ejus supplet. utpote simile vel acquivalens seu tantundem prae stans. Vocatur alias eommutatio. subrogatio. substitutio." Don auch § 356 ein Urformulierung des Prinzips kompensatorischer Erziehung: .. Causa universali compensat partieularem. uti rcspublica in educandis orphanis supplet vices paren tum." 55 .. Nam ea ipsa malorum ... eompensatio ... est proprie iUe finis. quem ob oculo habuit divinus anifcx": I. Kant. Principiorum primorum cognitionis metaphysi eae nova dilucidatio (1755). Akademie-Ausgabe. Bd. 1. S.405. In den Zusam menhang paßt. daß .. Kompensation" in einem kantinterpretiercnden Text auc. gegenwärtig genau don auftaucht. wo dieser in einem erwcitenen Thcodizeekol1 text steht; vgl. Hans Blumenbcrg. Die Genesis der kopernikanischen Weil
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Frankfuna. M. 1975. S.17: .. die nackte Frage •... was das Faktum des Lebens ... rechtfenigen könnte •... gehön in den philosophischen Untergrund und uitt spätestens zutage. wenn Kant aw der Unmöglichkeit. die Zwtimmung der ins Leben Tretenden zuvor einzuholen. die Folgerung der ihnen rechtlich durch ihre Erzeuger geschuldeten Kompensation zieht. sie nachträglich mit der ungewollten Existenz zu versöhnen und ihnen dadurch die eigene Zustimmung zu diesem Faktum zu ermöglichen." (Bezug: I. Kant. Metaphysik der Sitten: Rechtslehre. § 28). Vgl. u. a. Hermann Lübbe. Traditionsverlwt und Fon.schrittskrise. Sozialer Wandel als Orientierungsproblem. In: ders .. Fon.schritt als Orientierungsproblem. Freiburg i.Br. 1975. S. 32ff. Rudolf Carnap. Scheinprobleme der Philosophie. Das Fremdpsychische und der Rcalismusstreit. Nachwon von Günther Patzig. Franlcfun a. M. 1966. S.85. Johann Wolfgang Goethe. Erster Entwurf einer allgemeinen Einleitung in die vergleichende Anatomie. ausgehend aw der Osteologie (1795). Hamburger Awgabe. Bd. 13. S. 176f. Adolf Meyer-Abich. Naturphilosophie auf neuen Wegen (1948). S.268; vgl. ders .. Goethes Kompensations-Prinzip. das erste holistische Grundgesetz der modemen Biologie. In: Biologie der Goethezeit (1949). Vgl. Hermann Driesch. Philosophie des Organischen (1909).4. Aufl. 1928. S. 9Off.; K. Goldstein. Der Aufbau des Organismw (1934). Neudruck 1963. S. 71. 236f. Wilhelm Szilasi. 1954 gcsprichsweise. Stendhal. zit. bei Walter Mehring. Die verlorene Bibliothek. Autobiographie einer Kultur (1944). Münr.hen 1975. S. 15. Zum folgenden vgl. Odo Marquard. Idealismw und Theodizee (1965). In: ders .. Schwierigkeiten mit der Geschichtsphilosophie. FranJcfun a.M. 1973. S. 52 - 65; don auch S. 69ff. Vgl. Georg Wilhdm Friedrich HegeI. Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte (1822ff.). Theorie Werkausgabe. Bd. 12. S. 540 ( .. dies ist die wahrhafte Theodizee"); vgl. noch). G. Droysen. GrundriS der Historik (1858). Hrsg. von R. Hübner. 3. Aufl. 1958. S. 341. und im Vorwon zur Geschichte des Hellenismus. Bd.2. S.371: .. die höchste Aufgabe unserer Wissenschaft ist ja die Theodicee". Friedrich Hölderlin. Patmos (1803). Sämtliche Werke (Kl. Stuttganer Awgabe). Bd. 2, S. 173 bzw. 181 bzw. 187 bzw. 192. Wilhelm Busch. Die fromme Helene (1872). 16. Kap. Vers I. G. W. F. HegeI. u. a. Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte (1822 ff.). Theorie Werltausgabe. Bd. 12. S. 49. An Hegels Überlegungen zur Bewegungsan der Geschichte (Kreislauf: S. 74; Veränderung: S. 97; Verjüngung: S. 98; etc.) läßt sich die Frage nach der Bewegungsmetaphorik. hier die spezielle nach der Kompensationsmetaphorik anschließen: es wäre u. a. reizvoll. das Phänomen der Kompensation mit dem Bildfeld des .. Wiederwuchses" in Verbindung zu bringen; vgl. J. Trier. Renaissance (1950). In: ders .• Holz. Etymologien aw dem Niederwald. Münster-Köln 1952. Die erforderlichen Recherchen nach einem Gebrauch des Kompensationsbegriffs innerhalb der historischen Schule des 19. Jahrhunderu stehen noch aw. Plawibel wäre eine Verzögerung seines Einsatzes durch die Konjunktur verwandter Kategorien in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderu: z. B... Wiederherstellung"; vgl. Friedrich Schlegel. Philosophie der Geschichte (1828). Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 9. S. 3 u. i. w.; einschlägig literarhistorisch: C. Heselhaw. Wie-
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Anmerkungen
derhemellung. Rcstauratio - Restitutio - Regenerauo. Deutsche Vieneljahrsschrift für literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 2~ (19~1): .. diese Untersuchung will den Nachweis erbringen. daß im •wiederhetstellenden' Dichter auch der Künstler erwas vom Restaurator erhält" (S.78); dieser .. Poeta restaurator" (S. 79) operien im Terrain zwischen zwei Grenzen: der einen .. Grenze. wo die Wiederhemellung sich ins Utopische verlien. Die andere Grenze liegt in der bloßen Restauration. Zwischen diesen Grenzen möchte ich den Kern des Wiederherstellungsgedankens sehen" (S.77): diese Untersuchung zeigt literaturgeschichtlieh. daß zwischen 1809 und 1868 (Stifter) im Sinnbezirk der Wiederherstellung - zu dem dann schließlich auch die Kompensation als Wiederersatz gehön - andere Kategorien dominieren. - Der Kompensation sinnverwandte Wendungen finde ich bei I.copold von Ranke. Ober die Epochen der neueren Geschichte. S.439: .. indem alles sich rekorrigiene"; Johann Gustav Droysen. Vorwon zur Geschichte des Hellenismus (1843). Bd.2. S.384: .. Ist denn die Geschichte nicht reich genug. jeden Verlust. den sie bringt. mit vollen Händen zu ersetzen?" - Auch die gegenwänige Historiographie ist einschlägig ununtersucht; z. B. bei Reinhan Koselleck. Preußen zwischen Reform und Revolution. Stuttgan 1967. ist Kompensation kein Geschichtsverlaufsbegriff (vgl. S. 636: .. ein schroffes Gesetz. dessen soziale Bestimmungen von schärfster Konuolle kompensien werden"); einschlägig in etwa S. ~1: .. Diesem Schrumpfungsvorgang entsprach nun eine nicht minder wichtige Gegenbewegung". - Gleiches gilt von deI modemen Philologie; meine Frau macht mich aufmerksam auf Harald Weinrich, Tempus. Besprochene und erzählte Welt (1964). Stuttgart-Berlin-Köln-Maim 2. Auf). 1971. S. 274: .. in der modemen städtischen Gesellschaft ... (hat das) ... Besprechen ... vom Tagewerk her auch den Feierabend eroben und verdrängt die Erzählrunde. Das Geschichtenerzählen zieht sich auf den Raum der schöner Literatur zurück. wo es nun freilich in der Form des Romans nach wie VOI unangefochten herrscht und vielleicht stärker ist denn je - eine Kompensation?" - Weitere Desideratenanmerkung: Kompensation hat mit Ausgleich. Bilanz Balance. Gleichgewicht zu tun; es wäre also auch das Begriffsfeld des politischer - außenpolitischen. diplomatischen. völkerrechtlichen ClC. - Gleichgewichts. denkens nach dem Gebrauch des Wones Kompensation - in Hoffnung auf di. Ermittlung eines Phänomens .. kompensatorischer Diplomatie" - abzusucher (Kompensationen von Störungen dieses Gleichgewichts): dies war mir - de Anikel Gleichgewicht in Geschichtliche Grundbegriffe. Bd. 2. gibt keine ein schlägigen Belege - bisher nicht möglich. - Es gibt auch eine Balance (Ausgewo genheit) der im Sinne der Gewaltenteilung geteilten Gewalten: wo dieses Gleich gewicht gestön ist. mögen ebenfalls Kompensationen erforderlich sein. Jedenfall stand der - neben den in Anm. 39 zitienen Stellen - vonheologisch philosophi sche Emgebrauch des Kompensationsbegriffs im KontCJ:t einer Vorform de Gewaltenteilungslehre; vgl. M. Tullius Cicero. De re publica 2. H: "nisi aequabi lis haec in civitate conpensatio sit et iuris et officii et muneris. ut et potestatis sati in magisuatibw et auctoritatis in principum consilio et libenatis in populo sit non posse hunc incommutabilem rei publicae conservari statum": den Hinwei auf diese Stelle verdanke ich P. Sittig. dessen weitere Untersuchungsergebfliss. über den lateinischen Gebrauch des Wones .. compensatio" und griechisch, Äquivalenzwone ich ebenso wie andere Ergebnisse aus meinem Kompensations seminar im Sommerscmester 1976 und Winterscmester 1976/77 hier leider noel nicht berücltsichtigen kann.
Anmerkungen
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67 Amold Gehlen. Anthropologische Forschung. Hamburg 1961, S. 8 u. i. w.; ders., Der Mensch. Seine Natur und seine Stellung in der Welt (1940). 9. Aufl. Franktun a. M. 1971. S. 36; ..so die Mängel seiner organischen Ausstattung irgendwie erseuend" , S. 40. Die erstgenannte Stelle, auf die mich R. W. Schmidt hingewiesen hat. ist m. W. die einzige bei Gehlen, an der er den Kompensationsbegriff ausdrücklich vcnrendet; seinen sonstigen Nichtgebrauch bei Gehlen erkläre ich mir durch die bei ihm - durch deren Subsumtion unter den .. unwirklichen Geist" bedingte - vorherrschend negative Besetzung als psychoanalytisch geltender Vokabeln. Auch Herder, auf den Gehlen sich vor allem beruft (S. 82 ff.), benuut m. W. nicht das Wort .. Kompensation"; wohl aber hat er seine deutsche Oberseuung versucht: er will angesichts .. der allgemeinen thierischen Ökonomie" beim Menschen .. eben in der Mitte" seiner .. Mängel ... den Keim zum Ersaue" froden und .. diese Schadloshaltung" - was doch wohl Kompensation bedeutet - als .. seiDe Eigenheit", den .. Charakter seines Geschlechts" verstehen: Johann Gottlieb Herder, Abhandlung über den Ursprung der Sprache (1772). Werke, hrsg. von Suphan, Bd. 7, S. 27. Soweit Niklas Luhmann das Konzept des Entlastungsprinzips - unter Verwendung systemtheoreti.scher Mittel - foCtseut, ist zu erwarten, daß auch für ihn der Kompensationsbegriff interessant sein muß, und zwar nicht nur für Details; zu diesen vgl. die Analyse der .. Taktkompensationen" .. der Taktunfihigkeit des Routinehandelns" in: Niklas Luhmann, lob der Routine (1964). In: ders., Politische Planung. 2. Aufl. Opladen 1971, S.135, 136, vgl. 134ff.: .. Folgeprobleme und Kompensationen". Denn es ist doch so: Komplcxitiweduktion d. h. Verzicht an einer Stelle ermöglicht oder erzwingt Aufwand an einer anderen; in diesem Sinne ist z. B. ein Kompendium eine Kompensation, indem es dem Leser durch Detailersparung ObersichtsgcwinnC' verschafft; nach dem gleichen Kompensationsprinzip arbeiten - vgl. schon N. Ach, Das Kompensations- oder Produktionsprinzip der Identiftkation. Berichte des XII. Kongresses für experimentelle Psychologie (1931) - die menschlichen Sinnessysteme: just in dieser Form könnten wohl auch in Luhmanns Theorie Orientierungs-. Stabilisierungs-, Kontingenzbewältigungs- und Identitätseruäge durch .. Komplexitätsreduktion " als Kompensationen gedeutet werden. Erwa in diesem Sinn interpretiert er inzwischen .. Identität" als .. Kompensativ für Kontingenz": N. Luhmann, Identitätsgebrauch in selbstsubstitutiven Ordnungen, besonders Gesellschaften. Manuskript für das KolJoquium .. Poetik und Hermeneutik VIII" (1976), S. 11. 68 .. Le choa que je suis": Jean-Paul Same, L'~tre et le nhnt. Paris 1943, S.638. Durch .. neantisation" ist das .. pour-soi" .. defaut d'etre" (S. 128): .. c'eS( le manque. Ce manque n'appanient pas a la nature de I'en-soi, qui est tout positivite. II ne paralt dans le monde qu'avec le surgi.ssement de la rklite humaine ... La realite humaine ... doit hre elle-meme un manque" (S. 129 f.). Diese Mängelverfassung der puren Existenz muß kompensiert werden: dabei wird auch bei Sanre - soweit ich sehe - das Wort .. Kompensation" in eigener Sache nicht terminologisch verwendet, weil es - vgl. ebd .. S. 551 ff., 00. n2 - für den speziellen Zusammenhang der Auseinanderseuung mit Adler reserviert bleibt. So heißen bei Same die mängelkompensierenden Leistungen .. projet" , .. choa" etc. Indes: auch Sames Existenzphilosophie der kompensatorischen .. transcendance" des zur puren Existenz genichteten Mängelwesens Mensch ist grundsätzlich ein Kompensationstheorem . 69 Vgl. Wilhelm Wundt, Ethik. Bd.l, 1912, S. 2S4f.; Rainer Specht. Innovation
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Anmerkungen
und Folgelast. Stuttgan 1972: "Abstand zwischen Entschddungsintmtion und geschichtlichem Resultat": S. 227; vgl. insbes. S. 13 -18 und 225 - 229. 70 Vgl. die Interpretation bei Wilhelm Szilasi. Macht und Ohnmacht des Geistes. Frdburg i.Br. 1946. S. 216ff. 71 Hdmuth Plessner. Die verspätete Nation. Ober die politische Verführbarkdt bürgerlichen Geistes (1935). Frankfun a.M. 1974, S. 107. 167. Auch don der Kompensationsbegriff nicht apressis verbis; aber: "Ausgleich" S.96. 97. 101; der "in vielen geschichtlichen Vorgängen wirksame Mechanismus des Ersatzes irgendwie überlebter Dinge durch lebensfrische Äquivalente": S. 104; "ständig absinkende Ersauformen ": S. 119; usf. 72 Reinhan KoseUeck. Anikd Geschichte in: Geschichtliche Grundbegriffe. Bd. 2. S.702ff. 73 "Die mit der GcseUschaft beginnende Zukunft verhält sich diskontinuierlich zur Herkunft": Joachim Ritter. Subjektivität. Frankfun a. M. 1974. S. 27; vgi. ders .. Europäisierung als europiisches Problem (1956). In: ders .. Metaphysik und Politik. Frankfun a.M. 1969. bes. S. 329.335. 338ff.; ders .. Hegd und die französische Revolution (1957). Ebd .. S. 212 u. ff. 74 G. W. F. Hegd. Glauben und Wissen (1802). Theorie Werkausgabe. Bd.12. S.289f. n Joachim Ritter. Die Aufgabe der Geisteswissenschaften in der modemen Gesellschaft. In: ders .. Subjektivität. 76 Ebd .. S. 132; vgi. S. 131. Kompensation ist also nicht nur eine individualbiographische. sondern eine historische Kategorie; darum scheint es mir zwar legitim. aber keineswegs notwendig. den Kompensationsbegriff - wie R. Heinz. Geschichtsbegriff und Wissenschafucharakter der Musikwissenschaft in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhundens. Regensbwg 1968. dies in bezug auf die Genesis der autonomen. historisch sich wendenden Musiktheorie tut ("Theorie als Kompensation mangelnder kompositorischer Bdihigung": S. 81) - nur für die Interpretation "subjektiver Motive" einzusetzen: vgi. S. 81 ff. 77 Ritter. Aufgabe, S.132f. Man muß übrigens sehen. daß die hier von Ritter entwickelte Deutungsfigur im Prinzip dieselbe ist. mit der er in seinem Aufsatz Ober das Lachen ( 1940) die Funktion des Lachens charakterisien: Wiederhemdlung von offiziell negiener Zugehörigkeit unter Verwendung anderer Mittel; damit hängt "die seltsame Tatsache" zusammen. "daß in unserer Welt philosphisch in der Erscheinung des Humors dem Lachen eine Bedeutung zugefallen ist. durch die es gleichsam in den philosophischen Mittelpunkt der Welt selbst geruckt ... ist" als ein Kompensationsphänomen: Ritter. Subjektivität. S. 84. 78 Das Phänomen der - im Sinne von Touropa und Ben Brecht - Tui-Tui (Touristik Union International der Intellektuellen): vgl. Benolt Brecht. Der Tui-Roman. Fragmente. Fraokfun a.M. 1973. 79 Marquard. Skeptische Methode im Blick auf Kant. S. 11.
Kunst als Antifiktion - Versuch über den Weg der Wirklichkeit ins Fiktive Vgi. L. Oeing-Hanhoff. An. "Gedankending" . in: J. Ritter (Hg.). Historisches Wönerbuch der Philosophie. Bd. 3. BaseIlStuttgan 1974. Sp. 55 - 62.
Anmerkungen
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2 Oescanes, "Meditationcs" 3. 13, in <Euvrcs (Adam/Tannery), Bd. 7, S. 38. 3 A. G. Baumganen, Aesthetica (1750), Hildesheim 1961, § H 1, vgl. §§ 505 ff. 4 J. Burckhardt, "Weltgeschichtliche Betrachtungen" (1768), in: Gesammelte Werke, BascIJStuttgan 1955ff., Bd.4, S.2. 5 J. Habemw, "Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikati· ven Kompetenz", in: J. Habermas / N. Luhmann, Theorie der Gesellschaft oder Sozialtcchnologie - Was leistet die Systemforschung?, Frankfun 1971, S. 120. 6 Nietzsche, "Ober Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinn", in: Werke (Schlechta) Bd. 3, S. 309. 7 Nietzsche, "Aus dem Nachlass der Achtzigerjahre", in: Werke (Schlechta) Bd. 3, S.844. 8 Kant, Kritik der reinen Vernunft, B S. 799. 9 Kant, "Kritik der praktischen Vernunft", in: Akademieausgabe, Bd. 5, S. 122ff. 10 J. Harms, Jean Pauls Weltgedanken und Gedankenwelt unter theologie. und phiJ050phiegeschichtlichem Aspekt, Marbwg 1974. 11 In: Neue Zeitschrift für systematische Theologie, 20 (1978), S. 39 - 90. 12 H. Blumenberg, Die Legitimität der Neuzeit, Franlcfun 1966, S. 78. 13 Zit. bei C. Schmitt, Der Nomos der Erde im Völkerrecht des Jus Publicum Europaeum, Köln 1950, S. 96. 14 H. Grotius, Oe jure belli ac paris, 1625, Proleg, 11, 12; vgl. lib. l. cap. I, sectio 10,5. 15 M. ScheIer, "Mensch und Geschichte". in: Philosophische Weltanschauung. Bonn 1929. S.15 -46; er dachte dabei an Kam, Nietzsche, Nicolai Hartmann. 16 Oescanes. "Meditationes" 1.12, CEuvres (Adam/Tannery), Bd. 7, S. 21. 17 Ebd. 1.15. S. 22. 18 E. Husserl. "Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie". in: Husserliana 3, S. 114. 19 A. Comte. Discours sur L'Esprit Positif. Paris 1844. Abschnitte 3 ff., 9ff., 12 ff .• 12. 15. 20 Voltaire, Epitre a "auteur du nouveau livre des trois imposteurs, 1769, Vers 22. 21 Heidegger. Sein und Zeit, Halle 1927, S. 50 Anm. 1. 22 Kam, "Grundlegung zur Metaphysik der Sitten", in: Akademieausgabe Bd. 4, S.416f. 13 Vgl. Kant. Kritik der reinen Vernunft B S. 126: "Die tranSzendentale Deduktion aller Begriffe apriori hat also ein Principium. worauf die ganze Nachforschung gerichtet werden muß. nämlich dieses: daß sie als Bedingungen apriori der Möglichkeit der Erfahrung erkannt werden müssen ... Begriffe, die den objekti. ven Grund der Möglichkeit der Erfahrung abgeben, sind eben darum notwen· dig": die Kritik muß "dieser ihre Unentbehrlichkeit zur Möglichkeit der Erfah· rung ... dartun": B S. 5. 24 Ebd. B S. 349ff. 25 Kierkegaard, "Abschließende unwissenschaftliche Nachschrift zu den philoso· phischen Brockco", in: Gesammelte Werke. 16. Abt .• S. 200. 26 Vgl. A. Adler, Ober den nervösen Charakter. München/Wiesbaden '1922, S.3-64. 27 K. Mannheim, Ideologie und Utopie. Frankfun '1952, S. 6Off. 28 A. Gehlen. Urmensch und Spätkultur. Frankfun/Bonn ll964. S. 20Hf. 29 Vgl. F. H. Tenbruck, Zur Kritik der planenden Vernunft, Freiburg/München 1972.
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Anmerkungen
30 H. Schelsky. Die Hoffnung Blochs - Kritik der marxistischen Existenzphilosophie einesjugendbewegten. Stuttgart 1979. S. ~1. S. 230. 31 R. KoscUec.It ... Erfahrungsraum und Erwanungshorizont - zwei historische Kategorien". in: R. Kosellcck. Vergangene Zukunft - Zur Semantik geschichtlicher Zeiten. Frankfun 1979. S. 349- 3n. 32 Vgi. M. Merleau-Ponty. Die Abenteuer der Dialektik (19~~). dt. Frankfurt 19~8. 33 G. Lukacs. Geschichte und Kla.ssenbewußtsein. Berlin 1923. S. 57 ff.; vgi. S. Hf. und das Vorwort 1967 in der Ausgabe Neuwied/Berlin 1970. S. 18. 34 ). Habermas ... Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz". im Anm. ~ zit. Buch S. 140. 35 M. Horkheimer I Th. W. Adorno. Dialektik der Aufklärung (1944). Amsterdam 1947. S. 307. 36 Th. W. Adorno. Minima Moralia - Reflexionen aus dem beschädigten Leben. Frankfun 19~ 1. S. 480 - 481. 37 Freud ... Das Unbehagen in der Kultur". in: Gesammelte Werke. Bd. 14. S. 432. 38 Vgi. H. R.Jauß (Hg.). Nachahmung und IUusion (Poetik und Hermeneutik I). München 1964. 39 Vgi. Ven.... Identität: Schwundtelos und Mini-Essenz". in: O. Marquard I K. Stierle (Hg.). Identität (Poetik und Hermeneutik VIII). München 1979. S.36HI. 40 Fichte. Sämtliche Werke (hg. I. H. Fichte). Bd. 4. S. 3H. 41 Schelling ... System des uanszendentalen Idealismus" . in: Sämtliche Werke (hg. K. F. A. Schelling). Bd. 3. S. 629. 42 Ven.... Zur Bedeutung der Theorie des Unbcwußten für eine Theorie der nicht mehr schönen Kunst". in: H. R.Jauß (Hg.). Die nicht mehr schönen Künste (Poetik und Hermeneutik III). S. 387. 43 H. R.Jauß. Ästhetische Enahrung und literarische Hermeneutik I. München 1977. 44 Vgi. Ven.... Exile der Heiterkeit". in: W. Preisendanz I R. Warning (Hg.). Das Komische (Poetik und Hermeneutik VII). München 1976. S. 149 f.
Gesamtkunstwerk und Identitätssystem Folgende Autoren sind - durch Angabe von (römisch) Band- und (arabisch) Seitenzahl - nach folgenden Gesamtausgaben zitiert: Adorno. Theodor W.: Gesammelte Schriften. Frankfurt 1971 ff.; Benjamin. Walter: Gesammelte Schriften. Frankfurt 1972ff.; Fichte. )ohann Gottlieb: Sämtliche Werke. hg. I. H. Fichte. Berlin 1845/46; Hegel. Georg Wilhelm Friedrich: Theorie Werkausgabe. Frankfurt 1970ff.; Nietzsche. Friedrich: Werke in drei Bänden. hg. K. Schlechta. München 0.). (1954ff.); Schelling. Friedrich Wilhelm )oseph: Sämtliche Werke. hg. K. F. A. Schelling. Stuttgartl Augsburg 18~6 - 1861; Sehopenhauer. Arthur: Sämtliche Werke. hg. Löhneysen. Stuttgart/Frankfurt 1963; Wagner. Richard: Gesammelte Schriften und Dichtungen. 2. Auf) .. Leipzig 1887/88. - Außerdem sind folgende Autoren nach folgenden Einzelausgaben zitiert: Breton. Andre: Die Manifeste des Surrealismus. Reinbek bei Hamburg 1968; Dahrendon. Ralf: Homo sociologicus. Ein Versuch zur Geschichte. Bedeutung und Kritik der Kategorie der sozialen Rolle (19~8). Köln/Opladen '1965;
Anmerkungen
163
Gehlen. A.moJd: Zeit-Bilder. Zur Soziologie und Ästhetik der modemen Malerei (1960). Frankfurt/Bonn 1196~; GoU. Yvan: Die Unsterblichen. Zwei Oberdramen; vgJ. auch: Es gibt kein Drama mehr (S. 84); OberrcaJismw (S. 8~ f.) in: GoU. Yvan: Dichtungen. lyrik. Prosa. Dramen. hg. Qaire GoU. Darmstadtl Berlin/Neuwied 1960 (Dank an Barbara KJose); Kracauer. Siegfried: Das Ornament der Masse. Essays. Frankfun 1977; lenk. Elisabeth: Der springende Narziss. Andre Bretons poetischer Materialismw. München 1971; TocqucvilJe. Alexis de: Ober die Demokratie in Amerika (183~/40). München 1976; Wagner. Richard: Künstlenum der Zukunft. Zum Prinzip des Kommunismw (1849). in: Wagner. Richard: AusgcwähJteSchriften. hg. D. Mack. Franlcfun 1%6; Wapncwsk.i. Peter: Der uaurige Gott. Richard Wagner in seinen Helden (1978). München 1982.
Kunst als Kompensation ihres Endes I ehr. Enzensberger.literatur und Intercssc. Eine politische Ästhetik. 2 Bde. München 1977. 2 A.a.O .. Bd.I. IB. 3 VgJ. E. Bloch. Das Prinzip Hoffnung (19~4). Bd. 1. Franlcfun 19~9. 242ff. 4 J. Ritter. Subjektivität. Sechs Aufsätze. Franlcfun 1974. 62 - 92 und 93 -104. ~ VgJ. G. W. F. Hegel. Glauben und Wissen (1802). Theorie-Werkausgabe Bd. 2. 289f. 6 F. Nietl.Khe. Die Gebun der Tragödie. Versuch einer Selb$tkriLik (1886). Werke (hg. K. Schlechta) Bd. I, 17. 7 VgJ. F. W.). ScheUing, System des uanszendentalen Idealismus (1800). Sämtliche Werke Bd. 3. 3~1. 8 .. In allen diesen Beziehungen ist und bleibt die Kunst nach der Seite ihrer höchsten Bestimmung für uns ein Vergangenes": G. W. F. Hegel, Vorlesungen über die Ästhetik (1818ff.). Theorie-Werkawgabe. Bd. 13. 2~; vgJ. ff. 9 VgJ. ). Ritter. An. Ästhetik, in: ). Ritter (Hg.): Historisches Wönerbuch der Philosophie Bd.1. Basel/Stuttgart 1971, bes. Sp. ~24ff. VgJ. W.OdmüJJer. Hegels Satz vom Ende der Kunst und das Problem der Kunst nach Hegel. in: Philosophisches Jahrbuch 73 (196~) n - 94; vgl. W.OdmüUer, Die unbefriedigte Aufklärung. Frankfun 1979. 240ff. 10 VgJ. oben, Ober die Bedeutung der Theorie des Unbewußten für eine Theorie der nicht mehr schönen Kunst. 11 H.G.Gadamer, in: Philosophische Rundschau 18 (1971) bcs. 62; vgJ. oben O. Marquard. Exile der Heiterkeit. Anm. 40. 12 W. Bröcker. Hegels Philosophie der Kunstgeschichte. in: W. Bröcker. Auseinandersetzungen mit HegeJ. Franlcfun 196 ~. H ff. 13 Gegen die .. Kunsueligion" der griechischen Antike; in dieser .. tritt die absolute Kunst hervor; früher ist sie das instinktanige Arbeiten .... Später ist der Geist über die Kunst hinaw": G. W. F. Hegel. Phänomenologie des Geistes (1807). Theorie-Werkawgabe Bd. 3. ~ 14. 14 VgJ. oben Anm. 2. 1~ Zur .. Verdoppelung der Ästhetik" vgJ. o. Marquard. Transzendentaler Idcalismw. romantische Naturphilosophie. Psychoanalyse (1963). Köln 1987. 18~ff. 16 Der in der Sitzung der Academie Fran~aise vom 27. 1. 1687 durch Ch. Perraults
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Anmerkungen
.. Poeme sur le siede Louis le Grand" hervorgerufene Streit um die überzeitliche Vorbildlichkeit der Anme oder die sie überbietende Fon.schrittlichkeit der Modernen; vgl. H. R.Jauß, Literarische Tradition und gegenwäniges Ikwu&sein der Modernität (196~), in: H. R.Jauß, Literaturgeschichte als Provokation. Frankfun 1970,00. 29ff. 17 P. Szondi, Anme und Modeme in der Ästhetik der Goethezeit, in: P. Szondi, Poem und Geschichtsphilosophie I. Frankfun 1974, 11- 26~. 18 H. R.Jauß, Schlegels und Schillers Replik auf die .. QuereUe des Anciens et des Modernes", in: H. R.Jauß, Literaturgeschichte als Provokation. Frankfun 1970, 67 -106. 19 G. W. F. Hegd, Vorlesungen über die Ästhetik (1818ff.). Thwrie Werkausgabe Bd.n, 24 und Bd. 14, 127f. 20 Th. W. Adorno, Ästhetische Thwrie. Gesammdte Schriften Bd. 7. Frankfun 1970, ~OI, ~08. 21 H. R.Jauß, Ursprung und Bedeutung der Fon.schrittsidtt in der .. Querdie des Anciens et des Modernes", in: H. Kuhn I F. Wiedmann (Hgg.), Die Philosophie und die Frage nach dem Fon.schritt. München 1964, ~ 1 - 72. 22 A. Gehlen, Zeit-Bilder. Zur Soziologie und Ästhetik der modernen Malerei (1960). Frankfun/Bonn 2196~, 1~O: "Als nun die Sowjets die abstrakte Kunst ächteten, geschah etwas sehr Entscheidendes: Sie entpolitisienen damit die moderne westliche Malerei, denn es war jetzt unmöglich geworden, die jeweils neueste Richtung mit politischen VorsteUungen nach ünlcs hin glaubhaft zu verbinden. Damit wurde die Kunstrevolution von den politischen Nebengeräuschen befreit, d. h. in die bloße Kunstimmanenz hineingezwungen" , also zur .. entpolitisienen Revolution"; vgl. ff. 23 Vgl. O. Marquard, Der angeklagte und der entlastete Mensch in der Philosophie des 18.Jahrhunderts (1978 bzw. 1980), in: O. Marquard, Abschied vom PrinzipieUen. Stuttgan 1981, 39 - 66. 24 W. Preisendanz, Der FunktionsUbergang von Dichtung und Publizistik bei Heine, in: H. R.Jauß (Hg.), Die nicht mehr schönen Künste. Poetik und Hermeneutik 111. München 1968, 343 - 374, vgl. 629ff.; vgl. H. R.)auß. Das Ende der Kunstperiode - Aspekte der literarischen Revolution bei Heine, Hugo und Stendhal. in: H. R.Jauß. Literaturgeschichte als Provokation. Frankfun 1970. 107 -143. n Vgl. oben O. Marquard. Kunst als Antiftktion. Versuch über den Weg der Wirklichkeit ins Fiktive. 26 H. U. Gumbrecht, Lebenswelt als Fiktion - Sprachspide als Antiftlttion. Ober Funktionen des realistischen Romans in Frankreich und Spanien. in: D. Henrich I W.lser, Funktionen des Fiktiven. Poetik und Hermeneutik Bd. 10. München 1983.239 - 275.
Nachweise:
A~thetica
und Anaesthetica. Auch als Einleitung. Eine Vorfassung erschien unter dem Titel .. Nach der Postmoderne" in: P. Kosiowski I R. Spaemann I R. Löw (Hgg.): Modeme oder Postmoderne? Zur Signatw des gegenwinigen Zeitalters. Civiw Resultate Bd. 10. Weinheim (Acta Humaniora. VCH) 1986. Hier ergänzt und überarbeitet (1989).
Kant und die Wende zur Ästhetik. Zuerst in: Zeitschrift für Philosophische Forschung Bd. 16 (1962) 231- 243 und 363 - 374. Zur Bedeutung der Theorie des Unbewußten für eine Theorie der nicht mehr schönen Kunst. Zuerst in: H. R. JauB (Hg.): Die nicht mehr schönen Künste. Grenzphänomene des Ästhetischen. Poetik und Hermeneutik Bd. 3. München (Fink) 1%8. 375-392. Exile der Heiterkeit. Zuem in: W. Preisendanz I R. Warning (Hgg.): Das Komische. Poetik und Hermeneutik Bd. 7. München (Fink) 1976. 133 - i 51. Kompensation. überlegungen zu einer Verlaufsfigur geschichtlicher Prozesse. Zuerst in: K. G. Faber I Chr. Meier (Hgg.): Historische Prozesse. Theorie der Geschichte Bd. 2. München (Deutscher Taschenbuch Verlag) 1978. 330 - 362. Kunst als Antifiktion. Versuch über den Weg der Wirklichkeit ins Fiktive. Zuerst in: D. Henrich I W.lser (Hgg.): Funktionen des Fiktiven. Poetik und Hermeneutik Bd. 10. München (Fink) 1983. 35 - 54. Gesamtkunstwerk und Identitätssystem. überlegungen im Anschluß an Hegels Sehellingkritik. Zuerst in: H. Sz«mann (Hg.): Der Hang zum Gesamtkunstwerk. Europäische Utopien seit 1800. Aarau und Frankfun (Sauerländer) 1983.40 - 49. Kunst als Kompensation ihr~ Endes. Zuem in: W. Oelmüller (Hg.): Ästhetische Erfahrung. Kolloquium: Kunst und Philosophie Bd. 1. Paderbom usw. (Sehöningh-lJfB 1105) 1981. 159 -168. Auf dem Titel-Umschlag ist ein Tempera-Bild von mir aw dem Jahr 1960 reproduzien: das letzte Bild d~ sogenannten "frühen Marquard". zu dem es - auf dem Felde der Malerei und Graphik - einen späteren Marquard nicht mehr gegeben hat.
Biographisch-bibliographische Notiz Prof. Dr. Dr. h.c. Odo Marquard, geb. 1928, em. Professor für Philosophie am Zentrum für Philosophie und Grundlagen der Wissenschaft der Universität Gießen, Ehrendoktor der Universität Jena, Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. 1984 Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa, 1992 Erwin-SteinPreis, 1996 Ernst-Robert-Curtius-Preis für Essayistik, 1997 Hessischer Kulturpreis für Wissenschaft. Bücher: Skeptische Methode im Blick auf Kant, 1958; Schwierigkeiten mit der Geschichtsphilosophie, 1973; Abschied vom Prinzipiellen, 1981; Apologie des Zufälligen, 1986; Transzendentaler Idealismus, romantische Naturphilosophie, Psychoanalyse, 1987; Aesthetica und Anaesthetica, 1989; Skepsis und Zustimmung, 1994; Glück im Unglück, 1995; Philosophie des Stattdessen, 2000.