Institut f¨ ur Mathematik Johannes Gutenberg-Universit¨at Mainz
¨ Definitionen, S¨atze und Ubungen zu den Vorlesungen
Differentialgeometrie I & II Marc A. Nieper-Wißkirchen∗ Wintersemester 2005/06 – Sommersemester 2006
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1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten 1.1 Die Kategorie der differenzierbaren Mannigfaltigkeiten . . . 1.1.1 Topologische Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . 1.1.2 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten . . . . . . . . . . 1.1.3 Differenzierbare Abbildungen . . . . . . . . . . . . . 1.2 Differenzierbare Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.1 Differenzierbare Funktionen . . . . . . . . . . . . . . 1.2.2 Die Garbe der differenzierbaren Funktionen . . . . . 1.2.3 Mannigfaltigkeiten als lokal geringte R¨aume . . . . . 1.2.4 Die Zerlegung der Eins . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Vektorfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.1 Kurvenscharen und Vektorfelder . . . . . . . . . . . 1.3.2 Vektorfelder in affinen R¨aumen . . . . . . . . . . . . 1.3.3 Die Garbe der Vektorfelder . . . . . . . . . . . . . . 1.3.4 Vektorfelder und Derivationen . . . . . . . . . . . . 1.4 Lokale Eigenschaften differenzierbarer Abbildungen . . . . . 1.4.1 Das Differential von Abbildungen . . . . . . . . . . . 1.4.2 Immersionen und Submersionen . . . . . . . . . . . . 1.4.3 Der Rangsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5 Untermannigfaltigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5.1 Differenzierbarkeitstest . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5.2 Injektive Immersionen und Untermannigfaltigkeiten 1.5.3 Ein Einbettungssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5.4 Faserprodukte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.6 Faserr¨aume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.6.1 Faserb¨ undel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.6.2 Vektorb¨ undel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.6.3 Eigentliche Gruppenoperationen . . . . . . . . . . . 1.6.4 Hauptfaserb¨ undel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.6.5 Assoziierte Faserb¨ undel . . . . . . . . . . . . . . . . 1.6.6 Jetb¨ undel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
1.7
1.8 1.9
1.6.7 Schnitte in Faserr¨aumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vektorfelder und Fl¨ usse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.7.1 Fl¨ usse von Vektorfeldern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.7.2 Integralkurven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.7.3 Vektorfeldern angepaßte Karten . . . . . . . . . . . . . . . 1.7.4 Gew¨ohnliche Differentialgleichungen auf Mannigfaltigkeiten 1.7.5 Die Lieklammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.7.6 Liesche Algebren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tensoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2 Zusammenh¨ ange und Metriken
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1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten 1.1 Die Kategorie der differenzierbaren Mannigfaltigkeiten Die mathematischen Objekte, die in der Differentialgeometrie studiert werden, sind die differenzierbaren Mannigfaltigkeiten, topologische R¨aume, die lokal wie offene Teilmengen eines euklidischen Raumes aussehen. Dem einen oder anderen d¨ urften sie in Form von Untermannigfaltigkeiten eines euklidischen Raumes aus der Analysis bekannt sein.
1.1.1 Topologische Grundbegriffe Um in aller Allgemeinheit den Begriff einer differenzierbaren Mannigfaltigkeit definieren zu k¨onnen, wiederholen wir einige Begriffe aus der mengentheoretischen Topologie: Definition 1. Sei X ein topologischer Raum. Wir schreiben U ⊂◦ X, wenn U eine offene Teilmenge von X ist. Mit U◦ (X) := {U ⊂◦ X} bezeichnen wir den Verband der offenen Mengen von X. F¨ ur x ∈ X bezeichnen wir mit U◦ (X, x) := {U ∈ U◦ (X) | x ∈ U } den Umgebungsfilter der offenen Mengen um x in X. Definition 2. Ein topologischer Raum X heißt hausdorffsch oder ein Hausdorffraum, falls ∀p, q ∈ X, p 6= q : ∃U ∈ U◦ (X, p), V ∈ U◦ (X, q) : U ∩ V = ∅. Ein Hausdorffraum besitzt insbesondere also gen¨ ugend viele offene Teilmengen, damit seine Topologie punktetrennend ist. Beispiel 1. Metrische R¨aume sind Hausdorffr¨aume. Insbesondere sind die eukldischen R¨aume hausdorffsch. Man beachte, daß die Eigenschaft, hausdorffsch zu sein, keine lokale Eigenschaft eines topologischen Raumes ist, d.h. es existieren nicht hausdorffsche topologische R¨aume X, ¨ welche eine Uberdeckung aus offenen hausdorffschen Teilr¨aumen besitzen. Weitere globale Eigenschaften topologischer R¨aume sind die der Kompaktheit und Parakompaktheit:
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1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten ¨ Definition 3. Sei X ein topologischer Raum. Eine offene Uberdeckung U von X ist ein ◦ System U ⊂ U (X) offener Teilmengen von X mit [ [ U = X. U= U ∈U
¨ ¨ Sei U eine offene Uberdeckung von X. Die offene Uberdeckung heißt endlich, falls #U < ∞ und lokal endlich, falls ∀p ∈ X : ∃U ∈ U◦ (X, p) : #{V ∈ U | V ∩ U 6= ∅} < ∞. ¨ Eine offene Uberdeckung V von X heißt Teil¨ uberdeckung von U, falls V⊂U und Verfeinerung von U, falls ∀V ∈ V : ∃U ∈ U : V ⊂ U. ¨ Definition 4. Ein Hausdorffraum X heißt kompakt, wenn jede offene Uberdeckung von ¨ X eine endliche Teil¨ uberdeckung besitzt, und parakompakt, wenn jede offene Uberdeckung von X eine lokal endliche Verfeinerung besitzt. Weiter heißt X σ-kompakt, wenn eine Folge (Kn )n∈N0 kompakter Teilr¨aume von X mit [ Kn = X n∈N0
existiert. Bemerkung 1. In der Regel spricht man von quasikompakten topologischen R¨ aumen, ¨ wenn nicht hausdorffsche R¨aume die Uberdeckungseigenschaft kompakter R¨aume haben. ¨ Beispiel 2. Nach dem Heine–Borelschen Uberdeckungssatz der Analysis bilden die kompakten Teilr¨aume der (endlichdimensionalen!) euklidischen R¨aume genau die beschr¨ankten, abgeschlossenen Teilmengen. Beispiel 3. Triviale Beispiele f¨ ur parakompakte R¨aume liefern die kompakten Hausdorffr¨aume. Beispiele f¨ ur Parakompaktheit wird der weiter unten stehende Satz liefern. W¨ahrend Kompaktheit“ etwas u ¨ber die topologische Endlichkeit oder Kleinheit eines Raumes ” sagt und viele f¨ ur uns interessante Beispiele topologischer R¨aume wie zum Beispiel R nicht kompakt sind, werden alle f¨ ur uns interessanten, nicht pathologischen“ Beispie” le topologischer R¨aume parakompakt sein. (Beispiele f¨ ur nicht parakompakte R¨ aume sind in der Literatur unter den Namen u ufersche Fl¨ache“ zu ¨berlange Gerade“ und Pr¨ ” ” finden.) Die Lokalisierung des Kompaktheitsbegriff f¨ uhrt auf folgende Definition:
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1.1 Die Kategorie der differenzierbaren Mannigfaltigkeiten
Definition 5. Ein Hausdorffraum X heißt lokal kompakt, falls ∀p ∈ X : ∃K ⊂ X, K kompakt : p ∈ K ◦ . Satz 1. Ein lokal kompakter Hausdorffraum X ist genau dann parakompakt, falls X die disjunkte Vereinigung σ-kompakter offener Teilr¨ aume ist. In der Regel werden wir diesen Satz benutzen, um zu zeigen, daß die R¨aume, welche uns interessieren, parakompakt sind. Die Parakompaktheit ist wichtig f¨ ur die Existenz einer “Zerlegung der Eins”, welche uns erlauben wird, lokale Objekte zu globalisieren. Bemerkung 2. Um anzudeuten, daß Parakompaktheit“ keine exotische Eigenschaft ist, ” sei noch angemerkt, daß man zeigen kann, daß sogar jeder metrische Raum parakompakt ist. Der Beweis dieser Tatsache ist allerdings nicht ganz einfach.
1.1.2 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten Damit haben wir gen¨ ugend viele topologische Grundbegriffe behandelt und wiederholt, um schließlich zum eigentlichen Gegenstand dieses Abschnittes zu kommen. Definition 6. Sei X ein topologischer Raum und n ∈ N0 . Eine n-dimensionale Karte x : U → Rn von X ist ein Hom¨oomorphismus x = (x1 , . . . , xn ) : U → Rn von einer offenen Teilmenge U von X auf eine offene Teilmenge x(U ) von Rn . Zwei Karten x : U → Rn und y : V → Rn heißen (C∞ -)vertr¨ aglich, falls (x|U ∩V )−1
y|U ∩V
y ◦ x−1 : x(U ∩ V ) −−−−−−→ U ∩ V −−−−→ y(U ∩ V ) und analog x ◦ y −1 : y(U ∩ V ) → x(U ∩ V ) (C∞ -)differenzierbare Abbildungen sind. Ein n-dimensionaler (C∞ -)Atlas von X ist eine Familie (xi : Ui → Rn )i∈I paarweise vertr¨aglicher n-dimensionaler Karten von X mit [ Ui = X. Er heißt maximal, wenn er in keinem echt gr¨oßeren Atlas enthalten ist. ¨ Bemerkung 3. Es ist Vertr¨aglichkeit von Karten“ eine Aquivalenzrelation. ” Jeder Atlas ist in genau einem maximalen Atlas enthalten. Beispiel 4. Auf R2 ist (x, y) = idR2 : R2 → R2 eine (globale) Karte, das kartesische Koordinatensystem. Durch (r, φ) : R2 \ (R≤0 × {0}) → R>0 × (−π, π) mit x = r cos φ und y = r sin φ wird auf R2 eine weitere (nicht globale) Karte definiert, das Polarkoordinatensystem. Diese Karte ist mit der ersten vertr¨aglich.
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1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten Beispiel 5. Offene Teilr¨aume U von Rn besitzen einen ausgezeichneten Atlas mit einer Karte und damit auch einen ausgezeichneten maximalen Atlas A. Es ist (x : U → Rn ) ∈ A ⇐⇒ x ist (C∞ -)differenzierbar. Definition 7. Eine (differenzierbare C∞ -)Mannigfaltigkeit X ist ein parakompakter Hausdorffraum zusammen mit einem maximalen Atlas auf X. In Zukunft werden wir den zugrunde liegenden Hausdorffraum einer Mannigfaltigkeit X auch mit X bezeichnen. Im Atlas von X enthaltene Karten werden wir auch als Karten von oder auf X bezeichnen. Bei der Definition von Mannigfaltigkeiten reicht es, nicht notwendigerweise maximale Atlanten anzugeben, da jeder Atlas eindeutig in einem maximalen enthalten ist. ¨ Bemerkung 4. Jede n-dimensionale Mannigfaltigkeit X besitzt eine Uberdeckung U, so n daß f¨ ur alle U ∈ U der Teilraum U zu einem offenen Teilraum von R hom¨oomorph ist. Damit u ¨bertragen sich alle lokalen topologischen Eigenschaft von Rn auf X. Insbesondere ist X lokal kompakt, und es l¨aßt sich Satz 1 anwenden. Weiter ist X lokal zusammenh¨angend, womit die Zusammenhangskomponenten von X offen sind. Die Zusammenhangskomponenten von X haben abz¨ahlbare Topologie. Sp¨ater werden wir sehen, daß auf jeder Mannigfaltigkeit eine Metrik, die die Topologie auf X induziert. Insbesondere haben Mannigfaltigkeiten dieselben topologischen Eigenschaften wie metrische R¨aume. Beispiel 6. Jede offene Teilmenge von Rn ist in kanonischer Weise eine n-dimensionale Mannigfaltigkeit. Insbesondere ist R, die reelle Gerade, eine 1-dimensionale Mannigfaltigkeit. Allgemeiner sind offene Teilmengen einer n-dimensionalen Mannigfaltigkeit X wieder n-dimensionale Mannigfaltigkeiten, welche wir auch als offene Untermannigfaltigkeiten von X bezeichnen. Ein weitere Beispielsklasse bilden die endlichdimensionalen affinen R¨aume: Definition 8. Sei V ein (R-)Vektorraum. Ein affiner Raum A u ¨ber V ist eine Menge A, auf der V einfach-transitiv operiert, das heißt, es gibt eine Abbildung A × V → A, (p, v) 7→ p + v mit p+0=p und p + (v + w) = (p + v) + w f¨ ur alle p ∈ A und v, w ∈ V , so daß f¨ ur alle p, q ∈ A genau ein v = q − p mit p+v =q
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1.1 Die Kategorie der differenzierbaren Mannigfaltigkeiten
existiert. Es heißt V der Verbindungsvektorraum von A, und die Dimension von A ist die Dimension von V . Ein affiner Raum mit ausgezeichnetem Basis“-Punkt ist damit kanonisch bijektiv zu ” seinem Verbindungsvektorraum. Insbesondere sind Vektorr¨aume in kanonischer Weise affine R¨aume u ¨ber sich selbst. Beispiel 7. Jeder n-dimensionale affine Raum A ist in kanonischer Weise eine n-dimensionale Mannigfaltigkeit, f¨ ur die f¨ ur alle p ∈ A und alle Vektorraumisomorphismen x : V → Rn (d.h. Basen!) die Abbildung A → Rn , q 7→ x(q − p) eine (globale) Karte ist. Beispiel 8. Unter Benutzung der stereographischen Projektion lassen sich in kanonischer Weise Karten auf der n-dimensionalen Sph¨are Sn definieren, so daß diese zu einer (kompakten) n-dimensionalen Mannigfaltigkeit wird. Viele physikalische Probleme werden u ¨ber Mannigfaltigkeiten modelliert. So wird die Zeitachse der Newtonschen Physik eine 1-dimensionale Mannigfaltigkeit, ihr Ortsraum eine 3-dimensionale Mannigfaltigkeit. Der Einsteinsche Relativit¨atstheorie liegt die Raumzeit, eine 4-dimensionale Mannigfaltigkeit zugrunde. Der Ortsraum einer Kreiselachse mit festem Mittelpunkt bildet eine 2-dimensionale Mannigfaltigkeit. Weitere Beispiele von Mannigfaltigkeiten k¨onnen durch die beiden folgenden Konstruktionsprinzipien gewonnen werden: Beispiel 9. Sei X eine n-dimensionale und Y eine m-dimensionale Mannigfaltigkeit. Dann wird der parakompakte Hausdorffraum X × Y in kanonischer Weise zu einer (n + m)-dimensionalen Mannigfaltigkeit, f¨ ur die x × y = (x1 , . . . , xn , y 1 , . . . , y m ) : U × V → Rn+m f¨ ur jede Karte x : U → Rn und jede Karte y : V → Rm eine Karte ist. Beispiel 10. Damit ist der n-dimensionale Torus Tn := (S1 )n in kanonischer Weise eine n-dimensionale Mannigfaltigkeit. Beispiel 11. Sei (Xi )i∈I eine Familie` n-dimensionaler Mannigfaltigkeiten. Dann wird der parakompakte Hausdorffraum X := i∈I Xi in kanonischer Weise zu einer n-dimensionalen Mannigfaltigkeit, so daß die Xi offene Untermannigfaltigkeiten von X werden. Bemerkung 5. Indem wir in den Definitionen f¨ ur Karte und Mannigfaltigkeit “C∞ ” k ω durch C mit k < ∞ oder durch C (reell analytisch) ersetzen, erhalten wir passende
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1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten Definitionen f¨ ur Ck - und Cω -Mannigfaltigkeiten. Es heißen C0 -Mannigfaltigkeiten auch topologische Mannigfaltigkeiten. Jede Ck -Mannigfaltigkeit ist in kanonischer Weise eine Cl -Mannigfaltigkeit, falls l < k, wobei wir ∞ < ω setzen. Bemerkung 6. Unter Benutzung der relativen Homologie der algebraischen Topologie l¨aßt sich zeigen, daß ein nicht-leerer topologische Raum X nicht gleichzeitig eine ndimensionale und eine m-dimensionale topologische Mannigfaltigkeit mit n 6= m sein kann.
1.1.3 Differenzierbare Abbildungen Die Theorie der Mannigfaltigkeiten ist ohne die Definition ausgezeicheter Abbildungen zwischen ihnen nicht vollst¨andig, was wir jetzt nachholen werden: Definition 9. Seien X und Y zwei Mannigfaltigkeiten. Eine stetige Abbildung f : X → Y heißt (C∞ -)differenzierbar oder ein Morphismus von X nach Y , falls (x|U ∩f −1 (V ) )−1
f |U ∩f −1 (V )
y
y ◦ f ◦ x−1 : x(U ∩ f −1 (V )) −−−−−−−−−−→ U ∩ f −1 (V ) −−−−−−−→ V − → y(V ) eine (C∞ -)differenzierbare Abbildung f¨ ur alle Karten x : U → Rn von X und alle Karten m y : V → R von Y ist. Sei f : X → Y ein Morphismus. Es heißt f ein Diffeomorphismus, falls ein Morphismus g : Y → X mit g ◦ f = idX und f ◦ g = idY existiert. In diesem Fall heißen X und Y diffeomorph. ¨ Weiter heißt f ein lokaler Diffeomorphismus, falls eine offene Uberdeckung U von X existiert, so daß f¨ ur alle U ∈ U die Abbildung f |U : U → f (U ) ein Diffeomorphismus auf eine offene Untermannigfaltigkeit f (U ) von Y ist. Bemerkung 7. Die Komposition differenzierbarer Abbildungen ist wieder differenzierbar. Die Identit¨atsabbildungen von Mannigfaltigkeiten sind differenzierbar. Damit bilden die differenzierbaren Mannigfaltigkeiten die Kategorie DIFF der differenzierbaren Mannigfaltigkeiten, deren Objekte Mannigfaltigkeiten und deren Morphismen Morphismen differenzierbarer Abbildungen sind. Beispiel 12. Seien U ⊂◦ Rn und V ⊂◦ Rm . Dann ist eine stetige Abbildung f : U → V genau dann ein Morphismus differenzierbarer Mannigfaltigkeiten, wenn f eine (C∞ -)differenzierbare Abbildung im Sinne der Analysis ist. Beispiel 13. Seien X und Y zwei Mannigfaltigkeiten. Die Projektionen p : X × Y → X und q : X × Y → Y sind differenzierbar. Ist Z eine weitere Mannigfaltigkeit zusammen mit differenzierbaren Abbildungen r : Z → X und s : Z → Y , so ist auch (r, s) : Z → X × Y, z 7→ (r(z), s(z)) differenzierbar.
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1.1 Die Kategorie der differenzierbaren Mannigfaltigkeiten Bemerkung 8. Daraus folgt, daß X × Y das kategorielle Produkt von X und Y ist. Insbesondere existieren alle endlichen Produkte in DIFF. Dabei ist die null-dimensionale Mannigfaltigkeit {0} = R0 ein terminales Objekt, das heißt ein leeres Produkt. Sp¨ater werden wir unter dem Stichwort “gleichungsdefinierte Untermannigfaltigkeiten” sehen, daß unter gewissen Voraussetzungen auch Faserprodukte existieren. Beispiel 14. Sei (Xi )i∈I eine Familie n-dimensionaler Mannigfaltigkeiten. Dann sind die Injektionen a Xi → Xi i∈I
differenzierbar. Ist Z eine weitere Mannigfaltigkeit und (fi : Xi → Z)i∈I eine Familie differenzierbarer Abbildungen, so ist auch die Abbildung X a f := fi : Xi → Z, ∀i ∈ I : f |Xi = fi i∈I
i∈I
differenzierbar. ` Bemerkung 9. Daraus folgt, daß i∈I Xi die kategorielle Summe u ¨ber die Familie (Xi )i∈I ist. Insbesondere ist die leere Summe ∅ eine n-dimensionale Mannigfaltigkeit f¨ ur jedes n ∈ N0 . Jetzt k¨onnen wir auch eine weitere wichtige Beispielklasse von Mannigfaltigkeiten definieren, die Gruppenobjekte in DIFF. Definition 10. Eine differenzierbare Mannigfaltigkeit G zusammen mit einer Gruppenstruktur auf der G zugrunde liegenden Menge heißt eine Liesche Gruppe, falls die Multiplikationsabbildung · : G × G → G, (g, h) 7→ g · h differenzierbar ist. Bemerkung 10. Wir werden sp¨ater sehen, daß daraus folgt, daß auch die Inversenbildung G → G, g 7→ g −1 differenzierbar ist. Beispiel 15. Die additive Gruppe eines n-dimensionalen Vektorraumes ist in kanonischer Weise eine n-dimensionale Liesche Gruppe. Beispiel 16. Die offene Untermannigfaltigkeit GL(V ) ⊂◦ End(V ) ist bez¨ uglich der Komposition invertierbarer Endomorphismen eine n2 -dimensionale Liesche Gruppe. Beispiel 17. Auf dem Kreis S1 ⊂ R2 = C existiert eine eindeutige Gruppenstruktur, so der lokale Diffeomorphismus exp : R → S1 , x 7→ eix ein Gruppenhomomorphismus wird. Bez¨ uglich dieser Gruppenstruktur wird S1 eine Liesche Gruppe.
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1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
Aufgaben Aufgabe 1. Zeigen Sie, daß auf dem topologischen Raum R durch √ x := 3 · : R → R eine (globale) Karte definiert wird. Geben Sie einen Diffeomorphismus von der dadurch definierten Mannigfaltigkeit, deren zugrundeliegender topologischer Raum R ist, auf die reelle Gerade an. Aufgabe 2. Sei n ∈ N0 und X eine S Menge. Sei U eine Familie von Teilmengen von X, welche X u ur jedes U ∈ U sei eine Abbildung xU : U → Rn ¨berdecken, d.h. X = U. F¨ gegeben. Welche Voraussetzungen m¨ ussen erf¨ ullt sein, damit auf X eine topologische Struktur existiert, so daß X ein parakompakter Hausdorffraum und (xU )U ∈U ein n-dimensionaler Atlas auf X wird. Ist die so definierte topologische Struktur auf X eindeutig? Aufgabe 3. Sei V ein dreidimensionaler euklidischer Vektorraum und S := {v ∈ V | kvk = 1} die Einheitssph¨ are in V . Sei B := (e1 , e2 , e3 ) eine orthonormale Basis von V und
Z := {v ∈ S | v, e1 ≤ 0, v, e2 = 0}. Zeigen Sie, daß genau ein Hom¨oomorphismus, das Kugelkoordinatensystem zu B, (φ, θ) : S \ Z → (−π, π) × (−π/2, π/2) mit ∀v ∈ S : cos φ(v) cos θ(v) e1 + sin φ(v) cos θ(v) e2 + sin θ(v) e3 = v existiert. Zeigen Sie, daß die Familie aller Kugelkoordinatensysteme einen Atlas von S bilden. Ist die so definierte Mannigfaltigkeitsstruktur auf S dieselbe wie die mit der stereographischen Projektion nach Beispiel 8 definierte? Aufgabe 4. Sei V ein (n + 1)-dimensionaler Vektorraum. Der projektive Raum u ¨ber V ist der Raum P(V ) := {` = R · v | v ∈ V \ {0}} der Ursprungsgeraden in V . Auf V w¨ahlen wir ein euklidisches Skalarprodukt. F¨ ur jeden Einheitsvektor v ∈ V (d.h. kvk = 1) definieren wir die Menge Uv := {R · w ∈ P(V ) | hv, wi = 6 0}
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1.2 Differenzierbare Funktionen
und die (wohldefinierte?) Abbildung xv : Uv → {v}⊥ , R · w 7→
w − v. hv, wi
Zeigen Sie, daß es auf P(V ) genau eine Struktur einer n-dimensionalen differenzierbaren Mannigfaltigkeit gibt, so daß die xv Diffeomorphismen werden. Zeigen Sie, daß die so definierte Struktur unabh¨angig von der Wahl des Skalarproduktes ist. Zeigen Sie, daß die Abbildung π : V \ {0} → P(V ), v 7→ R · v eine differenzierbare Abbildung ist. Geben Sie f¨ ur V = Rn+1 und das Standardskalarprodukt die Abbildungen xei : Uei → {ei }⊥ ' Rn f¨ ur die Standardbasisvektoren e0 , . . . , en vom Rn+1 an.
1.2 Differenzierbare Funktionen Auf einer Mannigfaltigkeit k¨onnen wir die (R-)Algebra der stetigen Funktionen (nach R) betrachten. Allerdings ist diese Algebra nicht besonders an die differenzierbare Strukur angepaßt, sondern existiert u ¨ber jeden topologischen Raum. In diesem Abschitt werden wir einen Differenzierbarkeitsbegriff f¨ ur Funktionen auf einer Mannigfaltigkeit definieren, so daß wir eine angepaßte Algebra differenzierbarer Funktionen erhalten, an der wir dann die differenzierbare Struktur ablesen k¨onnen.
1.2.1 Differenzierbare Funktionen Definition 11. Sei X eine Mannigfaltigkeit und U ⊂◦ X. Eine differenzierbare Funktion φu ¨ber U ist eine differenzierbare Abbildung φ : U → R von der offenen Untermannigfaltigkeit U in die reelle Gerade. Die Menge der differenzierbaren Funktionen auf X u ¨ber U wird mit C∞ X (U ) := {φ : U → R | φ ist differenzierbar} ∞ ber U . bezeichnet. Elemente von C∞ ¨ X (U ) heißen auch Schitte von CX u
Ist X der Konfigurationsraum“ eines physikalischen Systems, d.h. eine Mannigfaltig” keit, deren Punkte die verschiedenen Zust¨ ande dieses Systems parametrisieren, so heißen differenzierbare Funktionen auf X auch Observablen“ des Systems. Jede Observable ” mißt einen durch sie definierten Parameter eines Zustandes in ihrem Definitionsbereich.
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1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten Bemerkung 11. Eine stetige Abbildung φ : U → R ist genau dann differenzierbar, wenn (x|U ∩V )−1
φ|U ∩V
φ ◦ x−1 : x(U ∩ V ) −−−−−−→ U ∩ V −−−−→ R f¨ ur alle Karten x : V → Rn eine beliebig oft differenzierbare Funktion ist. Die Menge C∞ ¨ber X (U ) bildet eine Unteralgebra der Algebra der stetigen Funktionen u U . Das heißt insbesondere, Summe und Produkt differenzbarer Funktionen sind wieder differenzierbar. Ist V ⊂◦ U , so ist die Einschr¨ankungsabbildung ∞ C∞ X (U ) → CX (V ), φ 7→ φ|V
ein wohldefinierter Homomorphismus von Algebren. Beispiel 18. Sei U ⊂◦ Rn . Dann ist eine Funktion φ : U → R genau dann differenzierbar, wenn sie eine C∞ -Funktion im Sinne der Analysis ist. Beispiel 19. Sei x : U → Rn eine Karte. Jede Koordinatenfunktion xi : U → R ist eine differenzierbare Funktion u ¨ber U . Beispiel 20. Seien V ein euklischer Vektorraum und r, R ∈ R mit 0 < r < R. Dann existiert eine differenzierbare Funktion φ : V → R mit ( 1 f¨ ur kvk ≤ r φ(v) = 0 f¨ ur kvk ≥ R und φ(v) ∈ [0, 1] f¨ ur alle v ∈ V . Eine solche H¨ockerfunktion“ φ l¨aßt sich wie folgt konstruieren: Wir betrachten die ” differenzierbare Funktion λ : R → R aus Aufgabe 5. F¨ ur diese Funktion gilt λ(x) ≥ 0 f¨ ur alle x ∈ R und λ(x) > 0 f¨ ur x > 0. Außerdem bemerken wir, daß die Funktion monoton steigend ist. Dann setzen wir φ : V → R, v 7→
λ(R − kvk) . λ(R − kvk) + λ(kvk − r)
Es ist φ wohldefiniert und außerhalb von v = 0 eine differenzierbare Funktion. In der N¨ ahe von v = 0 ist sie konstant Eins und damit auch differenzierbar. Weiterhin erf¨ ullt φ alle geforderten Eigenschaften. Wir k¨onnen differenzierbare Funktionen verwenden, um zu untersuchen, ob eine gegebene stetige Abbildungen zwischen Mannigfaltigkeiten differenzierbar ist. Genauer gilt: Bemerkung 12. Eine stetige Abbildung f : X → Y zwischen zwei Mannigfaltigkeiten ist genau dann differenzierbar, falls f ∗ φ := φ ◦ f |f −1 (V ) : f −1 (V ) → R f¨ ur alle differenzierbaren Funktionen φ : V → R und V ⊂◦ Y differenzierbar ist.
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1.2 Differenzierbare Funktionen
F¨ ur differenzierbare Funktionen gilt ein Lokal-Global-Prinzip: Bemerkung 13. Die Einschr¨ankungsbildung ist assoziativ“, d.h. ” ∀W ⊂◦ V ⊂◦ U ⊂◦ X, φ ∈ C∞ X (U ) : φ|W = (φ|V )|W . ∞ Weiter gilt f¨ ur alle Familien (φi ∈ C∞ X (Ui ))i∈I von Schnitten von CX , daß
∀i, j ∈ I : φi |Ui ∩Uj = φj |Ui ∩Uj =⇒ ∃!φ ∈ C∞ X(
[
Ui ) : ∀i ∈ I : φ|Ui = φi .
i∈I
1.2.2 Die Garbe der differenzierbaren Funktionen Wir erinnern an die Definition einer Garbe (von Algebren) u ¨ber einem topologischen Raum: Definition 12. Sei X ein topologischer Raum. Eine Garbe F von Algebren u ¨ber X ist eine Zuordnung, welche allen U ⊂◦ X eine Algebra von Schnitten“ F(U ) u ¨ber U ” ◦ ◦ zuordnet und allen Inklusionen V ⊂ U ⊂ X einen Einschr¨ankungshomomorphismus“ ” F(U ) → F(V ), φ 7→ φ|V , so daß ∀W ⊂◦ V ⊂◦ U ⊂◦ X, φ ∈ F(U ) : φ|W = (φ|V )|W und f¨ ur alle Familien (φi ∈ F(Ui ))i∈I von Schnitten von F gilt, ∀i, j ∈ I : φi |Ui ∩Uj = φj |Ui ∩Uj =⇒ ∃!φ ∈ F(
[
Ui ) : ∀i ∈ I : φ|Ui = φi .
i∈I
Seien F und G zwei Garben von Algebren auf X. Dann ist ein Morphismus η : F → G von Garben eine mit den Einschr¨ankungshomomorphismen vertr¨agliche Familie von Algebrenhomomorphismen η(U ) : F(U ) → G(U ) u ¨ber allen U ⊂◦ X. Ist f : X → Y eine stetige Abbildung topologischer R¨aume und F eine Garbe auf X, so ist f∗ F die Garbe auf Y mit f∗ F(V ) = F(f −1 (V )) f¨ ur alle V ⊂◦ Y und deren Einschr¨ankungsmorphismen die offensichtlichen sind. Diese Garbe heißt das direkte Bild von F unter f . Ein geringter Raum (X, OX ) (¨ uber R) ist ein topologischer Raum X zusammen mit einer Garbe OX von Algebren auf X. Seien (X, OX ) und (Y, OY ) zwei geringte R¨aume. Ein Morphismus (f, f # ) : (X, OX ) → (Y, OY ) geringter R¨ aume ist eine stetige Abbildung f : X → Y zusammen mit einem # Morphismus f : OY → f∗ OX von Garben auf Y .
15
1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten Beispiel 21. Ist (X, OX ) ein geringter Raum und U ⊂◦ X, so definiert dies kanonisch die Einschr¨ ankung (U, OU ) mit OU (V ) = (OX |U )(V ) = OX (V ) f¨ ur alle V ⊂◦ U . Bemerkung 14. Damit bilden die differenzierbaren Funktionen eine Garbe von Algebren u ¨ber X, die Garbe C∞ X der differenzierbaren Funktionen auf X, und jede Mannigfaltigkeit X ist kanonisch ein geringter Raum (X, C∞ X ). Bemerkung 15. Allgemeiner k¨onnen wir auf einer Ck -Mannigfaltigkeit X die Garbe CkX von Algebren der Ck -differenzierbaren Funktionen definieren. Weiter k¨onnen wir auf jeder Ck -Mannigfaltigkeit auch die Garbe ClX mit l ≤ k betrachten. Es gibt viele weitere kanonische Garben von Algebren auf Mannigfaltigkeiten, so zum Beispiel die Garbe Lloc ∞ der (nicht notwendigerweise stetigen) Funktionen, die lokal wesentlich beschr¨ankt sind. Hierbei nutzen wir, daß Diffeomorphismen Lebesguesche Nullmengen im Rn respektieren. Wir brauchen weitere Definitionen aus der Garbensprache. Definition 13. Sei F eine Garbe u ur jeden Punkt ¨ber einem topologischen Raum. F¨ p ∈ X sei Fp := lim F(U ) −◦→ U ∈U (X,p)
¨ der Halm der Garbe F an p, d.h. Elemente von Fp sind Aquivalenzklassen von Schnitten ◦ φ ∈ F(U ) mit U ∈ U (X, p), wobei zwei Schitte φ ∈ F(U ) und ψ ∈ F(V ) ¨aquivalent sind, wenn ein W ∈ U◦ (U ∩ V, p) mit φ|W = ψ|W existiert. Das Bild eines Schnittes unter der kanonischen Abbildung F(U ) → Fp f¨ ur U ∈ U◦ (X, p) heißt sein Keim an p. Ein geringter Raum (X, OX ) heißt lokal geringt, falls alle Halme OX,p lokale Ringe sind, das heißt, ∀p ∈ X : mp := OX,p \ O× X,p ist ein (das maximale!) Ideal in OX,p . Seien (X, OX ) und (Y, OY ) zwei lokal geringte R¨aume. Ein Morphismus (f, f # ) : (X, OX ) → (Y, OY ) lokal geringter R¨ aume ist ein Morphismus geringter R¨aume, so daß f¨ ur alle p ∈ X gilt (fp# )−1 (mp ) = mf (p) (d.h. fp# ist ein lokaler Morphismus lokaler Ringe), wobei fp# : OY,f (p) → OX,p , [φ] 7→ [f # (φ)] der kanonisch definierte Homomorphismus ist.
16
1.2 Differenzierbare Funktionen Bemerkung 16. Ist A ⊂ X eine beliebige Teilmenge eines topologischen Raums X mit Garbe F von Algebren auf X, so k¨onnen wir ganz allgemein F(A) :=
lim −→
F(U )
U ∈U◦ (X),A⊂U
¨ definieren, das heißt, Elemente von F(A) sind Aquivalenzklassen von Schnitten φ ∈ F(U ) ◦ mit A ⊂ U ⊂ X, wobei zwei Schnitte φ ∈ F(U ) und ψ ∈ F(V ) ¨aquivalent sind, wenn φ|W = ψ|W mit A ⊂ W ⊂◦ U ∩ V . F¨ ur p ∈ X gilt F({p}) = Fp und f¨ ur U ⊂◦ X stimmen diese und die eigentliche Bedeutung von F(U ) u ¨berein. Beispiel 22. Ist A eine abgeschlossene Teilmenge von X, so k¨onnen wir also eine differenzierbare Funktion f : A → R als ein Element f von C∞ X (A) auffassen. Diese Sprechweise l¨aßt sich auch auf differenzierbare Abbildungen von beliebigen Teilmengen in beliebige Mannigfaltigkeiten (und nicht nur R) ausweiten, das heißt ist Y eine weitere Mannigfaltigkeit, so heißen die Elemente f von map(A, Y ) :=
lim −→
map(U, Y ),
U ∈U◦ (X),A⊂U
wobei map(U, Y ) f¨ ur ein U ⊂◦ X die Menge der differenzierbaren Funktionen von U nach Y sei, differenzierbare Funktionen f : A → Y .
1.2.3 Mannigfaltigkeiten als lokal geringte R¨ aume Lemma 1. Sei (f, f # ) : (X, OX ) → (Y, OY ) ein Morphismus lokal geringter R¨ aume, wobei die OX eine Untergarbe der Garbe C0X der stetigen Funktionen (nach R) auf X und OY eine Untergarbe von C0Y ist. Dann gilt f # (φ) = φ ◦ f f¨ ur jeden Schnitt φ von OY . Beweis. Sei φ ∈ OY (V ) f¨ ur ein V ⊂◦ Y . Sei p ∈ f −1 (V ) beliebig. Dann gilt aufgrund der Lokalit¨at notwendigerweise, daß f # (φ)(p) = fp# (φ − φ(f (p)))(p) + φ(f (p)) = (φ ◦ f )(p). | {z } ∈mf (p)
|
{z
∈mp
}
17
1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten Aussage 1. F¨ ur jede Mannigfaltigkeit X ist (X, C∞ X ) ein lokal geringter Raum. Ist f : X → Y eine differenzierbare Abbildung differenzierbarer Mannigfaltigkeiten, so existiert genau ein Morphismus ∞ (f, f # ) : (X, C∞ X ) → (Y, CY )
lokal geringter R¨ aume. Beweis. F¨ ur eine Mannigfaltigkeit X sind die Elemente von mp f¨ ur ein p ∈ X genau die Keime von in einer Umgebung U von p definierten differenzierbaren Funktionen φ : U → R mit φ(p) = 0. Das zeigt den ersten Teil der Aussage, da diese Keime ein Ideal bilden. ∞ F¨ ur den zweiten Teil ist ein Morphismus f # : C∞ Y → f∗ CX zu konstuieren, welcher auf den Halmen lokal ist. Die Eindeutigkeit folgt aus Lemma 1, und die Konstruktion ist schnell erledigt: Wir k¨onnen ∞ ∞ −1 (U )), φ 7→ φ ◦ f f # (U ) : C∞ Y (U ) → (f∗ CX )(U ) = C (f
setzen und dieser Morphismus ist nach der obigen Beschreibung der maximalen Ideale in den Halmen lokal. Bemerkung 17. Die Aussage liefert uns einen Funktor von der Kategorie DIFF in die Kategorie der lokal geringten R¨aume SPCR u ¨ber R, indem jeder Mannigfaltigkeit X ∞ der lokal geringte Raum (X, CX ) und jeder differenzierbaren Abbildung f : X → Y der ∞ Morphismus (f, f # ) : (X, C∞ aume zugeordnet wird. X ) → (Y, CY ) lokal geringter R¨ Definition 14. Mit SPC∞ R bezeichnen wir die volle Unterkategorie von SPCR , deren Objekte lokal geringte R¨aume (X, OX ) sind, f¨ ur die X ein parakompakter Hausdorffraum ist und jeweils ein n ∈ N0 existiert, so daß (X, OX ) u ¨ber (Rn , C∞ Rn ) modelliert ist, das ¨ heißt, daß eine offene Uberdeckung U von X und Isomorphismen lokal geringter R¨ aume ◦ Rn f¨ ) mit V ⊂ u r alle U ∈ U existieren. (U, OU ) → (V, C∞ V Bemerkung 18. Ist U eine Kartenumgebung einer Mannigfaltigkeit X, das heißt, es existiert eine Karte x : U → Rn , die auf U definiert ist, so induziert diese Karte einen Isomorphismus lokal geringter R¨aume ∞ (x, x# ) : (U, C∞ U ) → (x(U ), Cx(U ) ).
Damit faktorisiert der Funktor DIFF → SPCR u ¨ber die volle Unterkategorie SPC∞ R . Und damit k¨onnen wir den folgenden Satz formulieren: Satz 2. Der Funktor DIFF → SPC∞ R ¨ ist eine Aquivalenz von Kategorien.
18
1.2 Differenzierbare Funktionen
Beweis. Zun¨achst zeigen wir, daß der Funktor wesentlich surjektiv ist, d.h. gegeben ein lokal geringter Raum (X, OX ) in SPC∞ R , versehen wir X mit der Struktur einer Mannigfaltigkeit, so daß ein Isomorphismus (X, C∞ X ) ' (X, OX ) existiert: ¨ Sei U eine offene Uberdeckung von X, so daß Isomorphismen ∞ (xU , x# U ) : (U, OU ) → (x(U ), Cx(U ) )
f¨ ur alle U ∈ U existieren, wobei x(U ) ⊂◦ Rn f¨ ur ein gewisses n ∈ N0 . Wir m¨ ussen zeigen, daß (xU )U ∈U ein Atlas auf X ist, also die Kompatibilit¨at von xU und xV f¨ ur # −1 # ∞ ∞ U, V ∈ U. Nun ist f¨ ur alle Schnitte φ in CxV (V ) der Schnitt ((xU ) ◦ xV )(φ) in CxU (U ) −1 nach Lemma 1 gerade durch φ ◦ xV ◦ x−1 U gegeben. Nach Bemerkung 12 ist xV ◦ xU damit differenzierbar. Es bleibt, die Volltreuheit zu zeigen, daß heißt, das differenzierbaren Abbildungen zwi∞ schen zwei Mannigfaltigkeiten X und Y eineindeutig Morphismen (X, C∞ X ) → (Y, CY ) lokal geringter R¨aume entsprechen. Die Injektivit¨at dieser Zuordnung folgt aus Aussage 1. Um die Surjektivit¨at zu zeigen, m¨ ussen wir nachweisen, daß jede stetige Abbildung ∞ f : X → Y , f¨ ur die ein Morphismus (f, f # ) : (X, C∞ aume X ) → (Y, CY ) lokal geringter R¨ existiert, differenzierbar ist. Dies geschieht analog zum Nachweis, den wir im vorstehenuhrt haben. den Absatz f¨ ur xV ◦ x−1 U gef¨
Damit k¨onnen wir also differenzierbare Mannigfaltigkeiten mit lokal geringten R¨aumen gleichsetzen, welche u ¨ber einem (Rn , C∞ Rn ) modelliert sind. Dieser Satz ist wichtig, soll die Kategorie der Mannigfaltigkeiten erweitert werden, zum Beipsiel zur Kategorie der Supermannigfaltigkeiten“. Dies ist in der Sprache der ” lokal geringten R¨aume h¨aufig einfacher. Es ist dort lediglich das gew¨ahlte Modell, u ¨ber dem die interessierenden R¨aume modelliert sind, zu ver¨andern oder zu erweitern. Auch ist der Begriff des lokal geringten Raumes universeller, so wird er zum Beispiel auch in der algebraischen und komplexen Geometrie verwendet.
1.2.4 Die Zerlegung der Eins Im folgenden soll es um die Existenz einer Zerlegung der Eins geben. Diese wird es uns unter anderem erlauben, differenzierbare Funktionen u ¨ber offenen Teilmengen einer Mannigfaltigkeit in geeigneter Weise zu globalen Funktionen auf der ganzen Mannigfaltigkeit auszudehnen. Dazu formulieren wir zun¨achst mehrere Lemmata: Lemma 2. Sei K ⊂ X eine kompakte Teilmenge einer Mannigfaltigkeit X. Sei weiter ein G ∈ U◦ (X) mit K ⊂ G gegeben. Dann existiert eine differenzierbare Funktion φ : X → R mit ∀p ∈ X : φ(p) ≥ 0,
∀p ∈ K : φ(p) > 0
und
∀p ∈ X \ G : φ(p) = 0.
19
1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten Beweis. Zun¨achst zeigen wir die Aussage f¨ ur K = {p} mit p ∈ X. Dazu w¨ahlen wir eine Karte x : U → Rn von X mit U ∈ U◦ (G, p) und x(U ) = U3 (0) ⊂ Rn . Nach Beispiel 20 existiert eine Funktion ψ : Rn → R mit ψ(v) ≥ 0 f¨ ur alle v ∈ Rn , ψ(v) = 1 f¨ ur v ∈ U1 (0) und ψ(v) = 0 f¨ ur v ∈ Rn \ U2 (0). Damit ist ( ψ(x(p)) f¨ ur p ∈ U φ : X → R, p 7→ 0 sonst eine gesuchte L¨osung f¨ ur das Konstruktionsproblem. Insbesondere ist φ differenzierbar, da φ|U und φ|X\x−1 (U2 (0)) differenzierbar sind. Die so gewonnene Funktion wollen wir mit φp bezeichnen. Jetzt kehren wir zum allgemeinen Fall einer beliebigen kompakten Teilmenge K zur¨ uck. Wir setzen Up := φ−1 p (R>0 ) f¨ ur alle p ∈ K. Aufgrund der Kompaktheit von K existieren p1 , . . . , pm ∈ K mit K⊂
m [
Upi .
i=1
Schließlich ist φ :=
m X
φpi
i=1
eine L¨osung unseres Problems. Bemerkung 19. Damit ist die Algebra C∞ X (X) der differenzierbaren Funktionen auf X punktetrennend, das heißt ∀p, q ∈ X, p 6= q : ∃φ ∈ C∞ X (X) : φ(p) 6= φ(q). Um das zu zeigen, m¨ ussen wir die Hausdorffeigenschaft von X ausnutzen: Es existiert ein G ∈ U◦ (X, p) mit q ∈ / G. Dann wenden wir das Lemma auf K = {p} und G an. Wir k¨onnen dieses Resultat auch so formulieren: Auf einem Konfigurationsraum X existieren gen¨ ugend viele (globale) Observablen, um verschiedene Zust¨ande unterscheiden zu k¨onnen. Die folgenden beiden Lemma aus der mengentheoretischen Topologie geben wir ohne Beweis an. Wir verweisen auf die Literatur. Den Beweis der beiden Lemmata empfehlen ¨ wir allerdings auch als Ubungsaufgabe.
20
1.2 Differenzierbare Funktionen
Lemma 3. Sei X ein topologischer Raum und A eine lokal endliche Familie abgeschlossener Teilmengen von X, das heißt ∀p ∈ X : ∃U ∈ U◦ (X, p) : #{A ∈ A | A ∩ U 6= ∅} < ∞. Dann ist [
A=
[
A
A∈A
eine abgeschlossene Teilmenge von X. Definition 15. Sei X ein topologischer Raum und G ⊂◦ X. Wir schreiben U b G, falls U ⊂◦ X, U ⊂ G und U kompakt ist, das heißt also, daß U offen und relativ kompakt in G ist. Unter Verwendung der Normalit¨ at parakompakter Hausdorffr¨aume l¨aßt sich folgendes Lemma zeigen: Lemma 4. Sei X ein parakompakter Hausdorffraum. Dann existieren zu jeder offenen ¨ Uberdeckung von X lokal endliche Verfeinerungen (Vi )i∈I , (Vi0 )i∈I und (Vi00 )i∈I mit ∀i ∈ I : Vi00 b Vi0 b Vi b X.
¨ Satz 3. Zu jeder offenen Uberdeckung (Ui )i∈I einer Mannigfaltigkeit X existiert eine ∞ (CX −)Zerlegung (λi )i∈I der Eins, das ist eine Familie differenzierbarer Funktionen λi : X → R mit ∀i ∈ I, p ∈ X : λi (p) ∈ [0, 1], ∀i ∈ I : supp λi = {p ∈ X | λi (p) 6= 0} ⊂ Ui , ∀p ∈ X : ∃U ∈ U◦ (X, p) : #{i ∈ I | supp λi ∩ U 6= ∅} < ∞ und ∀p ∈ X :
X i∈I
λi (p) =
X
λi (p) = 1.
i∈I,λi (p)6=0
Beweis. Nach Lemma 4 w¨ahlen wir lokal endliche Verfeinerungen (Vj )j∈J , (Vj0 )j∈J und (Vj00 )j∈J von (Ui )i∈I mit Vj00 b Vj0 b Vj b X f¨ ur alle i ∈ I. Nach Lemma 2 existieren differenzierbare Funktionen φj : X → R mit ∀p ∈ X : φj (p) ≥ 0,
21
1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten ∀p ∈ Vj00 : φj (p) > 0 und ∀p ∈ X \ Vj0 : φj (p) = 0 f¨ ur alle j ∈ J. Aufgrund der lokalen Endlichkeit von (Vj )j∈J ist die Familie (supp φj )j∈J lokal endlich. Damit ist X X φj (p) φ : X → R, p 7→ φj (p) = j∈J
j∈J,φj (p)6=0
¨ eine differenzierbare Funktion. Da (Vj00 )j∈J eine offene Uberdeckung von X ist, gilt ∀p ∈ X : φ(p) > 0. Da (Vj )j∈J eine Verfeinerung von (Ui )i∈I ist, existiert eine Abbildung k : J → I von Mengen mit ∀j ∈ J : Vj ⊂◦ Uk(j) . Damit definieren wir λi : X → R, p 7→
X
φj (p)/φ(p)
j∈J,k(j)=i
f¨ ur jedes i ∈ I. Es bleibt zu zeigen, daß die λi alle gew¨ unschten Eigenschaften haben. Setzen wir [ Gi := Vj j∈J,k(j)=i
f¨ ur alle i ∈ I, so gelten nach Lemma 3 die Inklusionen [ [ supp λi ⊂ supp φj = supp φj ⊂ j∈J,k(j)=i
j∈J,k(j)=i
[
Vj = Gi ⊂ Ui
j∈J,k(j)=i
f¨ ur alle i ∈ I, womit die erste geforderte Eigenschaft u ¨ber die Tr¨ager der λi nachgewiesen ist. F¨ ur die zweite reicht es nachzuweisen, daß die Familie (Gi )i∈I lokal endlich ist. Sei dazu p ∈ X. Dann existiert wegen der lokalen Endlichkeit von (Vj )j∈J ein U ∈ U◦ (X, p) mit #{j ∈ J | Vj ∩ U 6= ∅} < ∞. F¨ ur jedes i ∈ I mit Gi ∩ U 6= ∅ muß ein j ∈ J mit k(j) = i, insbesondere also auch Vj ∩ U 6= ∅, existieren. Damit k¨onnen h¨ochstens endlich viele solcher i ∈ I existieren, also ist (Gi )i∈I lokal endlich. Die beiden u ¨brigen geforderten Eigenschaften der λi folgen aus der Konstruktion. F¨ ur die Folgerung weiter unter ben¨otigen wir die folgende topologische Aussage, welche nichts anderes aussagt, als daß jeder parakompakte topologische Raum normal ist.
22
1.2 Differenzierbare Funktionen Lemma 5. Seien X ein parakompakter Hausdorffraum und A ⊂ G ⊂◦ X mit A abgeschlossen. Dann existiert ein U ⊂◦ X mit A ⊂ U ⊂◦ U ⊂ G ⊂◦ X.
Folgerung 1. Sei A ⊂ X eine abgeschlossene Teilmenge einer Mannigfaltigkeit X und φ : A → R eine differenzierbare Funktion. Dann existiert eine Fortsetzung φˆ : X → R, das heißt eine differenzierbare Funktion φˆ mit ˆ A = φ. φ| Beweis. Nach dem Lemma w¨ahlen wir A ⊂ U ⊂◦ U ⊂ G ⊂◦ X, so daß eine differenzier˜ A = φ existiert. Wir w¨ahlen eine Zerlegung (λ, µ) der bare Funktion φ˜ : G → R mit φ| ¨ Eins zur offenen Uberdeckung (G, X \ U ). Dann definieren wir ( ˜ λ(p) · φ(p) f¨ ur p ∈ G ˆ ˜ φ(p) := λ(p) · φ(p) = 0 sonst f¨ ur alle p ∈ X.
Aufgaben Aufgabe 5. Sei λ : R → R die durch ( 0 λ : x 7→ 1 e− x
f¨ ur x ≤ 0 f¨ ur x > 0
definierte Funktion. Zeigen Sie, daß λ eine beliebig h¨aufig differenzierbare Funktion ist. Aufgabe 6. Sei X eine Mannigfaltigkeit. Zeigen Sie die Existenz eines Isomorphismus’ C∞ X,p /mp ' R von Algebren f¨ ur alle p ∈ X. Aufgabe 7. Sei V ein euklidischer Vektorraum. Sei γ : V → R eine gleichm¨aßig stetige Funktion. Zeigen Sie ∀ ∈ R>0 : ∃φ ∈ C∞ V (V ) : kγ − φk∞ = sup |γ(p) − φ(p)| < . p∈V
Tip: F¨ ur jedes δ ∈ R>0 sei λδ : V → R>0 eine differenzierbare Funktion mit ∀v ∈ V : λδ (v) ≥ 0,
23
1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten ∀v ∈ V, kvk ≥ δ : λδ (v) = 0 und
Z λδ (v) dv = 1. V
Betrachten Sie dann die Faltung Z γ ∗ λδ , v 7→
λδ (v − w)γ(w) dw. V
Aufgabe 8. Sei X eine Mannigfaltigkeit und γ : X → R eine stetige Funktion auf X. Zeigen Sie ∀ ∈ R>0 : ∃φ ∈ C∞ X (X) : kγ − φk∞ < . Tip: Verwenden Sie eine Zerlegung der Eins, um die Aufgabe auf Aufgabe 7 zur¨ uckzuf¨ uhren. Aufgabe 9. Eine Garbe F von Vektorr¨aumen auf einem parakompakten Hausdorffraum X heißt fein, falls f¨ ur je zwei disjunkte abgeschlossene Teilmengen A und B von X ein Endomorphismus η : F → F und U, V ∈ U◦ (X) mit A ⊂ U , B ⊂ V und U ∩ V = ∅ existieren, so daß η|U = idF|U und η|V = 0F|V . Zeigen Sie, daß f¨ ur jede Mannigfaltigkeit X die Garbe C∞ X (aufgefaßt als Garbe von Vektorr¨aumen) fein ist. Aufgabe 10. Sei X eine zusammenh¨angende Mannigfaltigkeit. Zeigen Sie, daß f¨ ur je zwei ∞ Punkte p, q ∈ X eine (C -)Kurve α : [0, 1] → X existiert, das ist eine differenzierbare Abbildung α : [0, 1] → X mit α(0) = p und α(1) = q. Punkte auf Mannigfaltigkeiten sind also durch Kurven verbindbar. Tip: Sie k¨onnen die Punkte zun¨achst durch einen st¨ uckweise differenzierbaren Weg verbinden und dann versuchen, diesen durch Umparametrisierung differenzierbar zu machen.
1.3 Vektorfelder In den letzten beiden Abschnitten haben wir definiert, was wir unter differenzierbaren Abbildungen und differenzierbaren Funktionen verstehen wollen. Im folgenden soll es darum gehen, diese Abbildungen und Funktionen abzuleiten“. Sei etwa f : X → Y eine ” Abbildung. Dann sollte die Ableitung von f etwa an einer Stelle p ∈ X Richtungen“ ” in X an p auf Richtungen in Y an f (p) abbilden. Ist etwa X ein affiner Raum u ¨ber einem Vektorraum V und Y ein affiner Raum u ¨ber einem Vektorraum W , so sollte die Ableitung von f an p eine lineare Abbildung von V nach W werden. Das stimmt mit dem aus der Analysis bekannten Fall u ¨berein, in dem X und Y Vektorr¨aume der Form Rn sind.
24
1.3 Vektorfelder
1.3.1 Kurvenscharen und Vektorfelder Der Raum der Richtungen an einem Punkt wird der Tangentialraum werden. Die uns leitende Idee wird die folgende sein: Eine gegebene Funktion ordnet jedem Punkt einen ¨ Funktionswert zu, jeder Richtung eine Anderung von Funktionswerten. Definition 16. Sei f : A → X eine differenzierbare Abbildung zwischen Mannigfaltigkeiten ( eine durch A parametrisierte Familie von Punkten in X“). ” Eine Kurvenschar γ l¨ angs f ist eine differenzierbare Abbildung γ : A × {0} ⊂◦ A × R → X mit ∀a ∈ A : γ(a, 0) = f (a). Beispiel 23. Im Falle von A = {a} einelementig und p := f (a) ist eine Kurvenschar γ l¨angs f gerade eine differenzierbare Abbildung γ : {0} ⊂◦ R → X mit γ(0) = p und heißt dann auch Kurve in X an p. Beispiel 24. Sei x : U → Rn eine Karte auf der Mannigfaltigkeit X. Dann ist f¨ ur jedes i ∈ {1, . . . , n} eine Kurvenschar ξi : U × {0} ⊂◦ U × R → X, (p, t) 7→ x−1 (x1 (p), . . . , xi (p) + t, . . . , xn (p)) l¨angs der Inklusionsabbildung U → X gegeben. Bemerkung 20. Ist γ eine Kurvenschar l¨angs f , so ist f¨ ur jeden Schnitt φ ∈ C∞ X (U ) mit ◦ −1 U ⊂ X und alle a ∈ f (U ) die Funktion (γ ∗ φ)(a, ·) : {0} ⊂ R → R, t 7→ φ(γ(a, t)) an t = 0 (im Sinne der Analysis) differenzierbar. Die Ableitung bezeichnen wir mit ∂ ∗ . (γ φ) (a) := (φ(γ(a, t))). ∂t t=0 Die Funktion
. . γ˙ ∗ φ := (γ ∗ φ) : f −1 (U ) → R, a 7→ (γ ∗ φ) (a)
ist wiederum differenzierbar, d.h. ein Schnitt in −1 C∞ (U )) = (f∗ (C∞ A (f A ))(U ).
(Im Falle einer CkX -Mannigfaltigkeit mit 1 ≤ k < ∞ sinkt die Differenzierbarkeit im allgemeinen um eine Ordnung.) Die Kurvenschar γ induziert uns also einen Morphismus ∞ γ˙ ∗ : C∞ ˙ ∗φ X → f∗ (CA ), φ 7→ γ
von Garben auf X.
25
1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten ¨ Ist φ eine Funktion auf X, so k¨onnen wir uns unter γ˙ ∗ φ die Anderungsrate“ von φ ” l¨angs der Kurvenschar γ vorstellen. Definition 17. Sei f : A → X eine differenzierbare Abbildung zwischen zwei Mannigfaltigkeiten. Ist γ eine Kurvenschar l¨angs f und φ ein Schnitt von C∞ ˙ ∗ φ die X , so heißt γ Ableitung von φ l¨ angs γ. Seien γ1 und γ2 zwei Kurvenscharen l¨angs f . Dann ber¨ uhren sich γ1 und γ2 l¨ angs f , falls ∀U ⊂◦ X, φ ∈ C∞ ˙ 1∗ φ = γ˙ 2∗ φ. X (U ) : γ ¨ Die Aquivalenzklasse einer Kurvenschar γ l¨angs f bez¨ uglich der Ber¨ uhrrelation l¨ angs f heißt das durch γ definierte Vektorfeld γ˙ l¨ angs f . Die Menge der Vektorfelder l¨angs f wird mit ΘX (f ) (in vielen Texten auch mit Xf (X)) bezeichnet. Ist φ ein Schnitt von C∞ angs f , so heißt X und ξ ein Vektorfeld l¨ ξ · φ := γ˙ ∗ φ die Ableitung von φ nach ξ, wobei γ irgendeine Kurvenschar l¨angs f ist, welche ξ darstellt. Beispiel 25. Ist p ∈ X ein Punkt auf der Mannigfaltigkeit X, γ eine Kurve an p und φ ∈ C∞ X,p , so gilt gerade γ˙ ∗ φ = (φ ◦ γ)0 (0). Zwei Kurven γ1 und γ2 ber¨ uhren sich also genau dann an p, wenn 0 0 ∀φ ∈ C∞ X,p : (φ ◦ γ1 ) (0) = (φ ◦ γ2 ) (0).
Das durch γ an p definierte Vektorfeld“ γ˙ heißt auch der durch γ definierte Tangen” tialvektor γ˙ an p. Die Menge der Tangentialvektoren an p heißt Tangentialraum Tp X := ΘX (p) von X an p, wobei p hier auch f¨ ur die Inklusionsabbildung {p} → X steht. Beispiel 26. Ist ξ ein Vektorfeld l¨angs f : A → X und g : X → Y eine differenzierbare Abbildung in eine weitere Mannigfaltigkeit Y , so definiert . g∗ ξ := (g ◦ γ) ein Vektorfeld l¨angs g ◦ f , wobei γ eine beliebige Kurvenschar l¨angs f mit ξ = γ˙ ist. Ist speziell ξ ∈ Tp X ein Tangentialvektor von X an p, so heißt Tp g(ξ) := g∗ ξ die Ableitung von g nach ξ und die induzierte Abbildung Tp g : Tp X → Tg(p) Y
26
1.3 Vektorfelder
die Ableitung (oder Tangentialabbildung) von g an p. Ist h : B → A eine differenzierbare Abbildung, so definiert . h∗ ξ := (γ ◦ (h × idR )) ein Vektorfeld l¨angs f ◦h. Ist h : {a} → A die Inklusion eines Punktes a ∈ A, so schreiben wir auch ξ(a) := h∗ ξ ∈ Tf (a) X. Ist h : U → A die Inklusion einer offenen Untermannigfaltigkeit U ⊂◦ A, so schreiben wir auch ξ|U := h∗ ξ ∈ ΘX (f |U ). Beispiel 27. Es ist γ : R × {0} ⊂ R × R → R, (s, t) 7→ s + t eine Kurvenschar l¨angs idR , welche ein Vektorfeld ∂ := γ˙ auf R (l¨angs idR ) definiert. Ist U ⊂◦ R und δ : U → R eine (globale) Kurve, so wird durch δ˙ := δ∗ ∂ ein Vektorfeld l¨angs δ definiert. Beispiel 28. Ist x : U → Rn eine Karte auf X, so heißen die Vektorfelder ∂ := ξ˙i ∂xi l¨angs der Inklusionsabbildung U → X f¨ ur i ∈ {1, . . . , n} die Gaußschen Basisvektorfelder zur Karte x. Weiter gilt ∂ ∀V ⊂◦ X, φ ∈ C∞ · φ := (∂i (φ ◦ x−1 )) ◦ x, X (V ) : ∂xi ∞ ur die Ableitung nach der i-ten Variable steht, woher auch die wobei ∂i : C∞ Rn → CRn f¨ Notation f¨ ur die Gaußschen Basisvektorfelder kommt.
1.3.2 Vektorfelder in affinen R¨ aumen Das vorangegangene Beispiel k¨onnen wir noch im folgenden Sinne verallgemeinern, in dem wir den Rn durch einen beliebigen affinen Raum ersetzen:
27
1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
Beispiel 29. Sei X ein affiner Raum u ¨ber dem endlichdimensionalen Vektorraum V , den wir als differenzierbare Mannigfaltigkeit betrachten. Sei f : A → X eine differenzierbare Abbildung von einer beliebigen Mannigfaltigkeit A. Sei ξ : A → V eine differenzierbare Abbildung. Dann definiert die Kurvenschar γ : A × R → X, (a, t) 7→ f (a) + t ξ(a) ← − l¨angs f das Vektorfeld ξ := γ˙ ∈ ΘX (f ) l¨angs f . Dieses Beispiel ist aus folgendem Grunde sehr wichtig: Lemma 6. Sei f : A → X eine differenzierbare Abbildung von einer Mannigfaltigkeit A in einen affinen Raum X u ¨ber einem endlichdimensionalen Vektorraum V . Dann definiert ← − map(A, V ) → ΘX (f ), ξ 7→ ξ eine Bijektion, deren Umkehrung mit → − ΘX (f ) → map(A, V ), ξ 7→ ξ bezeichnet wird. (Mit map bezeichnen wir die Menge der differenzierbaren Abbildungen zwischen zwei Mannigfaltigkeiten.) Ist Y ein weiterer affiner Raum u ¨ber einem weiteren endlichdimensionalen Vektorraum W und g : X → Y eine differenzierbare Abbildung, so gilt −−← → − ∀ξ ∈ map(A, V ), a ∈ A : g∗ ξ (a) = Df (a) g(ξ(a)), insbesondere ist also −−−← − → − map(A, V ) → map(A, W ), ξ 7→ g∗ ( ξ ) eine lineare Abbildung. Beweis. Sei (e1 , . . . , en ) eine Basis von V , sei (θ1 , . . . , θn ) die zugeh¨orige Dualbasis und p ∈ X ein beliebiger Punkt. F¨ ur alle i ∈ {1, . . . , n} sei die differenzierbare Funktion ψ i : X → R, v 7→ θi (v − p) definiert. Dann ist f¨ ur jedes ξ ∈ ΘX (f ) die Abbildung n
X − → ξ : A → V, a 7→ (ξ · ψ i )(a) ei i=1
differenzierbar.
28
1.3 Vektorfelder ← − → − Wir wollen ξ = ξ zeigen. Dazu sei ein φ ein Schnitt in C∞ ˙ f¨ ur eine X und ξ = γ Kurvenschar γ l¨angs f . Dann gilt ← − − → → − → − ∂ φ(f (a) + t ξ (a)) = Df (a) φ( ξ (a)) ( ξ · φ)(a) = ∂t t=0 ! n X ∂ θi (γ(a, t) − p) ei = Df (a) φ ∂t t=0 i=1 ! n X ∂ i = Df (a) φ θ γ(a, t) ei ∂t t=0 i=1 ∂ ∂ = Df (a) φ γ(a, t) = φ(γ(a, t)) = (ξ · φ)(a) ∂t t=0 ∂t t=0 f¨ ur alle a ∈ A, f¨ ur die die linke Seite definiert ist.
−−← → − Sei umgekehrt ξ : A → V differenzierbar. Wir berechnen g∗ ξ . Dazu sei (f1 , . . . , fm ) eine Basis von W und (ρ1 , . . . , ρm ) die zugeh¨orige Dualbasis und q ∈ Y ein beliebiger Punkt. Wir setzen χi : W → R, w 7→ ρi (w − q) f¨ ur i ∈ {1, . . . , m}. F¨ ur a ∈ A gilt damit m m −−← → X X − ← − ∂ i g∗ ξ (a) = ρi (g(f (a) + t ξ(a)) − q) fi ( ξ · (χ ◦ g)) fi = ∂t t=0 =
i=1 n X
i=1
ρi (Df (a) g(ξ(a))) fi = Df (a) g(ξ(a)).
i=1
→ − ← − f¨ ur alle a ∈ A. Daraus folgt (f¨ ur g = idX ) nicht nur ξ = ξ, sondern auch die Behauptung u ¨ber die Linearit¨at. Aussage 2. Sei p ∈ X ein Punkt auf einer Mannigfaltigkeit. Dann existiert auf Tp X genau eine Struktur eines (R-)Vektorraumes, so daß f¨ ur alle Karten x : U → Rn mit ◦ U ∈ U (X, p) die Abbildung −→ dp x : Tp X → Rn , ξ 7→ x∗ ξ ein Vektorraumisomorphismus ist. Beweis. Eine Umkehrung der Abbildung dp x ist durch ← − Rn → Tp X, v 7→ x−1 ∗ v
29
1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
gegeben, womit dp x eine Bijektion ist. Damit existiert auf Tp X genau eine Struktur eines Vektorraumes, so daß dp x zu einem Vektorraumisomorphismus wird. Jede andere Karte y : V → Rn mit V ∈ U◦ (X, p) induziert dieselbe Vektorraumstruktur auf Tp X, denn −−−−−−−−→ − (dp y) ◦ (dp x)−1 : Rn → Rn , v 7→ (y ◦ x−1 )∗ ← v ist nach Lemma 6 linear.
1.3.3 Die Garbe der Vektorfelder Vektorfelder lassen sich aneinanderkleben“. Um das schließlich zeigen zu k¨onnen, brau” chen wir das Lemma: Lemma 7. Sei V ⊂◦ U ⊂◦ A offene Teilmengen einer differenzierbaren Mannigfaltigkeit A mit V ⊂ U und f : A → Rn eine differenzierbare Abbildung. Seien weiter eine Kurvenschar γ l¨ angs f |U und eine Kurvenschar δ l¨ angs f gegeben, so daß γ und δ sich l¨ angs f |U ber¨ uhren. Dann existiert eine Kurvenschar γˆ l¨ angs f , die δ l¨ angs f ber¨ uhrt, und so daß γˆ |V ×R = γ. ¨ Beweis. Sei (λ, µ) eine Zerlegung der Eins von A zur Uberdeckung (U, A \ V ). Dann setzen wir → − γˆ : A × {0} ⊂ A × R → Rn , (a, t) 7→ f (a) + λ(a) (γ(a, t) − f (a)) + µ(a) t δ˙ (a).
Bemerkung 21. Sei f : A → X eine differenzierbare Abbildung. Sei ( ) a ˜ ∈ Tf (a) X . ˜ X (f ) := ξ˜: A → Θ Tf (a) X | ∀a ∈ A : ξ(a) a∈A
Die Abbildung ˜ X (f ), ξ 7→ (A → I : ΘX (f ) → Θ
a
Tf (a) X, a 7→ xi(a))
a∈A
˜ X (f ) genau dann im Bild von I, wenn f¨ ist injektiv, und es ist ξ˜ ∈ Θ ur alle Karten x : U → X die Abbildung ˜ f −1 (U ) → Rn , a 7→ df (p) x(ξ(a)) differenzierbar ist.
30
1.3 Vektorfelder
Die letzte Bemerkung folgt aus der untenstehenden Folgerung, denn sie erlaubt es uns, alles auf den affinen Fall zur¨ uckzuziehen. Folgerung 2. Sei f : A → X eine differenzierbare Abbildung. Sei weiter U eine offene ¨ Uberdeckung von A und (ξU ∈ ΘX (f |U ))U ∈U eine Familie von Vektorfeldern. Dann gilt ∀U, V ∈ U : ξU |U ∩V = ξV |U ∩V =⇒ ∃!ξ ∈ ΘX (f ) : ∀U ∈ U : ξ|U = ξ. Beweis. Die Eindeutigkeit im Falle der Existenz von ξ ist relativ leicht einzusehen. Um die Existenz zu zeigen, bemerken wir, daß wir ohne Einschr¨ankung annehmen k¨onnen, daß alle f (U ) offene Teilmengen von Definitionsbereichen von Karten der Mannigfaltigkeit X sind. Weiter k¨onnen wir annehmen, daß A und X zusammenh¨angend sind. Dann d¨ urfen wir aufgrund der Charakterisierung der Parakompaktheit weiter annehmen, daß U abz¨ahlbar ist, etwa U = (Ui )i∈N , ¨ (Vi )i∈I mit und lokal endlich ist und daß eine weitere Uberdeckung Vi b Ui existiert. Wir konstruieren jetzt rekursiv W1 , W2 , . . . ⊂◦ A mit Vˆn :=
n [
Vi b Wn
i=1
und Kurvenscharen γ1 , γ2 , . . . jeweils l¨angs f |Wn mit γn+1 |Vˆn ×R = γn |Vˆn ×R , so daß f¨ ur alle U ∈ U die Kurvenschar γn auf U ∩ Wn das Vektorfeld ξU definiert. Seien W1 , . . . , Wn und γ1 , . . . , γn schon konstruiert. Dann w¨ahlen wir Wn+1 ⊂◦ X mit Vˆn+1 b Wn+1 b Wn ∪ Un+1 . Nach dem vorgehenden Lemma und der Tatsache, daß f (Un+1 ) in einer Kartenumgebung liegt (so daß sich das Problem in den Rn transferieren l¨aßt), k¨onnen wir aus der Kurvenschar γn l¨angs f |Wn und einer Kurvenschar δ l¨angs f |Un+1 , welche ξUn+1 definiert, eine Kurvenschar γn+1 l¨angs Wn+1 mit den gew¨ unschten Eigenschaften konstruieren. Schließlich definiert die Kurvenschar γ l¨angs f mit ∀n ∈ N : γ|Vˆn ×R = γn |Vˆn ×R das gesuchte Vektorfeld ξ.
31
1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
Bemerkung 22. Mithilfe der letzten Aussage und der Bemerkung k¨onnen wir auf dieser Menge punktweise“ eine Modulstruktur als C∞ A (A)-Modul definieren, und ΘX (f ) wird ” so ein Untermodul, tr¨agt insbesondere also selbst eine kanonische Struktur als C∞ A (A)Modul. Bemerkung 23. Die Vektorraumstruktur auf ΘX (f ) ist mit den bisher betrachteten Operationen vertr¨aglich. Ist etwa g : X → Y eine differenzierbare Abbildung in eine weitere Mannigfaltigkeit, so ist g∗ : ΘX (f ) → ΘY (g ◦ f ) eine lineare Abbildung. Analog ist h∗ : ΘX (f ) → ΘX (f ◦ h) f¨ ur eine differenzierbare Abbildung h : B → A linear. Beispiel 30. Sei x : U → Rn eine Karte auf X und p ∈ U . Dann bildet ∂ ∂ (p), . . . , n (p) ∂x1 ∂x eine Basis von Tp X, die Gaußsche Basis von an p zur Karte x. Definition 18. Sei X eine Mannigfaltigkeit. Die Garbe ΘX der Vektorfelder auf X (oder die Tangentialgarbe von X ist durch ΘX (U ) := ΘX (iU ) definiert, wobei iU : U → X die Inklusionsabbildung f¨ ur jede offene Menge U ⊂◦ X ◦ ◦ bezeichnet. Die Restriktionsabbildung f¨ ur V ⊂ U ⊂ X ist durch ΘX (U ) → ΘX (V ), ξ 7→ i∗ ξ gegeben, wobei i : V → U die Inklusionsabbildung ist. F¨ ur das Garbenaxiom haben wir offensichtlich von Folgerung 2 Gebrauch gemacht. Zus¨atzlich tr¨agt ΘX eine Modulstruktur. Um dies pr¨azisieren zu k¨onnen, brauchen wir eine weitere Definition aus der Garbensprache. Definition 19. Sei (X, OX ) ein geringter Raum. Ein OX -Modul F ist eine Garbe F (von Mengen) zusammen mit der Struktur eines OX (U )-Moduls auf F(U ) f¨ ur alle U ⊂◦ X, ◦ ◦ so daß f¨ ur alle V ⊂ U ⊂ X die Einschr¨ankungsabbildungen F(U ) → F(V ) Homomorphismen von OX (U )-Moduln werden. (Hier machen wir uns die Tatsache zunutze, daß jeder OX (V )-Modul verm¨oge des Einschr¨ankungshomomorphismus OX (U ) → OX (V ) in kanonischer Weise die Struktur eines OX (U )-Moduls besitzt.
32
1.3 Vektorfelder Ein Morphismus von OX -Moduln ist ein Morphismus von Garben (von Mengen), welche u ¨ber jeder offenen Menge U ⊂◦ X ein Homomorphismus von OX (U )-Moduln ist. F¨ ur das folgende bemerken wir, daß in kanonischer Weise die direkte Summe einer Familie von OX -Moduln definiert werden kann. Ein OX -Modul heißt f¨ ur ein r ∈ N0 lokal ¨ frei vom Rang r, falls eine offene Uberdeckung U von X und Isomorphismen, die lokalen ” Trivialisierungen“, F|U → O⊕r U von OU -Moduln f¨ ur alle U ∈ U existieren. Bemerkung 24. Es ist ΘX in kanonischer Weise ein C∞ X -Modul. Aussage 3. Sei X eine n-dimensionale Mannigfaltigkeit. Dann ist ΘX lokal frei vom Rang n. Beweis. Da die Aussage lokal auf X ist und X einen Atlas besitzt, d¨ urfen wir X = Rn annehmen. Dann ist ⊕n η : ΘRn → (C∞ Rn ) mit
→ − ⊕n η(U ) : ΘRn (U ) → (C∞ , ξ 7→ ξ Rn (U ))
f¨ ur alle U ⊂◦ Rn ein Isomorphismus von C∞ Rn -Moduln. Allgemeiner l¨aßt sich ΘX (f ) f¨ ur eine differenzierbare Abbildung f : A → X mit der Struktur eines C∞ -Moduls versehen, n¨amlich durch die Setzung ΘX (f )(U ) := ΘX (f |U ) A f¨ ur U ⊂◦ A. Wir k¨onnen diese Modulgarbe auch anders beschreiben. Dazu erinnern wir an die Definition der Urbildgarbe. Aussage 4. Sei f = (f, f # ) : (A, OA ) → (X, OX ) ein Morphismus geringter R¨ aume und ∗ F ein OX -Modul. Dann gibt es bis auf Isomorphie genau einen OA -Modul f F zusammen mit einem Morphismus F → f∗ f ∗ F von OX -Moduln, so daß f¨ ur alle OA -Moduln G die nat¨ urliche Abbildung hom(f ∗ F, G) → hom(f∗ f ∗ F, f∗ G) → hom(F, f∗ G) ein Isomorphismus von Vektorr¨ aumen ist, wobei hom jeweils f¨ ur den Vektorraum der Modulgarbenhomomorphismen steht. Die Garbe f ∗ F heißt das Urbild von F unter (f, f # ). Ist s ∈ F(U ) mit U ⊂◦ X ein Schnitt in F, so bezeichnen wir mit f ∗ s ∈ (f ∗ F)(f −1 (U )) das Bild von s unter dem Morphismus F → f∗ f ∗ F. Beispiel 31. Es gilt f ∗ OX = OA . Daraus folgt, daß Urbilder lokal freier Garben F wieder lokal frei vom selben Rang sind. Lokale Trivialisierungen der Urbildgarbe werden durch die lokalen Trivialisierungen von F induziert.
33
1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten Beispiel 32. Sei X eine Mannigfaltigkeit und F ein C∞ X -Modul. Ist p ∈ X ein Punkt und i : {p} → X die Inklusionsabbildung, so ist die Garbe i∗ F u ¨ber {p} eindeutig durch den Vektorraum F(p) := (i∗ F)({p}) bestimmt (als Garbe u ¨ber einem Punkt!). Aus der Charakterisierung der Urbildgarbe folgt F(p) = Fp /mp Fp . Wir nennen F(p) die Faser von F u ¨ber p. Ist s ∈ F(U ) ein Schnitt mit U ∈ U◦ (X, p), so setzen wir s(p) := i∗ (s). Beispiel 33. Sei f : A → X eine differenzierbare Abbildung. Dann gilt f ∗ ΘX = ΘX (f ). Dies folgt aus der Beschreibung von ΘX als lokal freie Garbe. Aufgrund dieser Tatsache werden wir ab sofort f ∗ ΘX f¨ ur die Modulgarbe ΘX (f ) schreiben. Beispiel 34. F¨ ur jede Mannigfaltigkeit X und alle p ∈ X gilt Tp X = ΘX (p).
1.3.4 Vektorfelder und Derivationen Im Falle von C∞ -differenzierbaren Mannigfaltigkeiten (im Gegensatz zum Ck -Fall mit 1 ≤ k < ∞) gibt es auch eine weitere, mehr algebraische M¨oglichkeit, Vektorfelder zu definieren, n¨amlich als solche Operationen ξ·“ auf Funktionen, die die R-linear sind und ” die Produktregel erf¨ ullen. Wir erinnern dazu an folgende Definition aus der kommutativen Algebra. Definition 20. Sei A eine Algebra und M ein A-Modul. Dann heißt eine R-lineare Abbildung d : A → M eine Derivation von A nach M , falls die Leibnizregel“ gilt: ” ∀a, a0 ∈ A : d(a a0 ) = a0 d(a) + a d(a0 ). Beispiel 35. Die gew¨ohnliche Ableitung an einer Stelle, zum Beispiel 0 C∞ R (R) → R, φ 7→ φ (0)
ist eine Derivation der Algebra C∞ oge des AlR (R) in den Vektorraum R, den wir verm¨ gebrenhomomorphismus C∞ R (R) → R, φ 7→ φ(0) als C∞ R (R)-Modul auffassen.
34
1.3 Vektorfelder
Bemerkung 25. Wir bemerken, daß die Derivationen von A nach M einen A-Modul bilden. Bemerkung 26. Wir k¨onnen die vorstehende Definition globalisieren“, damit ist folgen” des gemeint. Sei (X, OX ) ein geringter Raum und F ein OX -Modul. Dann ist die Garbe DerOX (F) der Derivationen von OX nach F diejenige Garbe von OX -Moduln mit ∀U ∈ U◦ (X) : DerOX (F)(U ) = {d : OX (U ) → F(U ) | d ist Derivation} und den offensichtlich definierten Einschr¨ankungsabbildungen. Aussage 5. Ist f : A → X eine differenzierbare Abbildung zwischen Mannigfaltigkeiten und ξ ∈ ΘX (f ) ein Vektorfeld l¨ angs f , so ist ∞ −1 ξ· : C∞ (U )), φ 7→ ξ · φ X (U ) → CA (f −1 (U )) als C∞ (U )-Modul verm¨ f¨ ur alle U ∈ U◦ (X) eine Derivation, wobei wir C∞ oge A (f X # ∞ ∞ −1 f (U ) : CX (U ) → CA (f (U )) auffassen.
˙ f¨ ur eine Kurvenschar γ l¨angs f . F¨ ur a ∈ Beweis. Seien φ, ψ ∈ C∞ X (U ), und sei ξ = γ −1 f (U ) gilt dann nach der Produktregel ∂ (φ ψ)(γ(a, t)) = ψ(f (a)) (ξ · φ)(a) + φ(f (a)) (ξ · ψ)(a). (ξ · (φ ψ))(a) = ∂t t=0
Bemerkung 27. Globalisieren“ der Aussage definiert einen wohldefinierten Morphismus ” (f∗ C∞ ι : f∗ f ∗ ΘX → DerC∞ A) X von C∞ X -Moduln mit ι(U ) : (f ∗ ΘX )(f −1 (U )) → DerC∞ (f∗ C∞ A )(U ), ξ 7→ (φ 7→ ξ · φ) X f¨ ur alle U ∈ U◦ (X). Beispiel 36. Ist x : U → Rn eine Karte auf der Mannigfaltigkeit X, so ist ∂ ∞ −1 ι(V ) : C∞ X (V ) → CX (V ), φ 7→ (∂i (φ ◦ x )) ◦ x ∂xi f¨ ur V ⊂◦ U und i ∈ {1, . . . , n}. Das folgende sagt aus, daß ein Vektorfeld vollst¨andig durch seine Wirkung auf den Funktionen beschrieben wird:
35
1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten Aussage 6. Sei f : A → X eine differenzierbare Abbildung. Dann ist verm¨ oge des Morphismus’ ι aus der vorstehenden Bemerkung die Garbe f∗ f ∗ ΘX ein OX -Untermodul von DerC∞ (f∗ C∞ A ). X Beweis. Wir m¨ ussen zeigen, daß f¨ ur jedes U ⊂◦ X die Abbildung ι(U ) : (f ∗ ΘX )(f −1 (U )) → DerC∞ (f∗ C∞ A )(U ) X injektiv ist, also f¨ ur ξ, ξ 0 ∈ (f ∗ ΘX )(f −1 (U )) gilt, daß 0 0 ∀φ ∈ C∞ X (U ) : ξ · φ = ξ · φ =⇒ ξ = ξ . Diese Aussage ist aufgrund der Garbenstruktur von f∗ Θf lokal“, so daß wir annehmen ” → − k¨ onnen, daß X ein affiner Raum ist. In diesem Fall werden ξ und ξ 0 durch ξ bezie→ − hungsweise ξ 0 eindeutig beschrieben. Ein Blick in den Beweis von Lemma 6 zeigt, daß → − − →0 → − → − ξ = ξ sein muß, da ξ und ξ 0 beide durch die Wirkung von ξ beziehungsweise ξ 0 auf Funktionen definiert sind. Wir wollen im folgenden zeigen, daß f¨ ur jede C∞ -differenzierbare Mannigfaltigkeit der Morphismus ι ein Isomorphismus ist, Vektorfelder also nichts anderes als Derivationen sind. Dazu brauchen wir ein Lemma zur Vorbereitung des Beweises: Lemma 8. Sei p ∈ X ein Punkt auf Mannigfaltigkeit, x : U → Rn eine Karte von X ∞ mit p ∈ U und φ ∈ C∞ X,p . Dann existieren ψ1 , . . . , ψn ∈ CX,p mit φ = φ(p) +
n X
(xip − xi (p)) ψi ,
i=1
wobei wir xip f¨ ur den Keim von xi : U → R an p bezeichnen. Beweis. Wir setzen Z ψi : {0} ⊂ U → R, q 7→
1
∂i (φ ◦ x−1 )(t (x(q) − x(p)) + x(p)) dt.
0
F¨ ur alle q in einer kleinen Umgebung um p gilt dann φ(p) +
n X
= φ(p) +
(xi (q) − xi (p)) ψi (q)
i=1 Z 1X n 0
|i=1
(xi (q) − xi (p)) ∂i (φ ◦ x−1 )(t (x(q) − x(p)) + x(p)) dt {z
(t7→(φ◦x−1 )(t (x(q)−x(p))+x(p)))0
1 = φ(p) + (φ ◦ x−1 )(t (x(q) − x(p)) + x(p)) t=0 = φ(q).
36
}
1.3 Vektorfelder Satz 4. F¨ ur jede differenzierbare Abbildung f : A → X zwischen (C∞ X -)differenzierbaren Mannigfaltigkeiten ist der Homomorphismus ι : f∗ f ∗ ΘX → DerC∞ (f∗ C∞ A) X ein Isomorphismus von Garben. Beweis. Es reicht zu zeigen, daß ι auf den Halmen einen Isomorphismus induziert (das gilt allgemein f¨ ur Morphismen zwischen Garben). Sei dazu eine Derivation d : C∞ X,f (a) → ∞ CA,a f¨ ur a ∈ A gegeben. Wir m¨ ussen zeigen, daß diese Derivation von einem Vektorfeld herkommt, also d = ι(ξ) f¨ ur ein ξ ∈ (f ∗ ΘX )a . Wir w¨ahlen dazu eine Karte x : U → Rn von X mit f (a) ∈ U . Wir setzen ξ :=
n X
d(xif (a) )
i=1
∂ . ∂xi
0 Dann gilt f¨ ur ein φ ∈ C∞ X,f (a) und einem a aus einer kleinen Umgebung von a mit p := φ(a) und den Bezeichnungen aus dem Lemma, daß
0
d(φ)(a ) = d φ(p) +
n X i=1
! (xip
i
− x (p)) ψi
(a0 ) =
n X
d(xif (a) )(a0 ) ψi (f (a0 )) = (ξ · φ)(a0 )
i=1
Warum funktioniert der Beweis nicht f¨ ur Ck -differenzierbare Mannigfaltigkeiten mit 1 ≤ k < ∞? Bemerkung 28. Ist f : A → X eine differenzierbare Abbildung zwischen Ck -differenzierbaren Mannigfaltigkeiten mit 1 ≤ k < ∞, so ist es nicht so, daß der Morphismus ι von ΘX (f ) in die Derivationen CkX → f∗ Ck−1 A ein Isomorphismus ist. Das wollen wir an dem Spezialfall sehen, daß X = R und f die Inklusion des Punktes 0 von X in X ist. In diesem Fall ist ΘX (f ) = Tp X ' R, also ein 1-dimensionaler Vektorraum. Der Aufgabe 17 entnehmen wir, daß die Derivationen von CkR,0 nach R gerade durch (m0 /m20 )∨ 1
gegeben sind. Dieser Vektorraum ist aber von gr¨oßerer Dimension als 1, denn |x|k+ 2 ∈ m0 ist genau k-mal differenzierbar und ist linear unabh¨angig von x ∈ m0 modulo m20 , denn Elemente in m20 sind mindestens (k + 1)-mal differenzierbar.
37
1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
Aufgaben Aufgabe 11. Zeigen Sie explizit die in Bemerkung 20 gemachten Behauptungen u ¨ber die Differenzierbarkeit. Aufgabe 12. Sei f : X → Y eine differenzierbare Abbildung. Seien x : U → Rn eine Karte von X und y : V → Rm eine Karte von Y mit f (U ) ⊂ V . Zeigen Sie m
∀p ∈ U : f∗
X ∂ ∂ (p) = ∂i (y j ◦ f ◦ x−1 )(x(p)) j (f (p)) i ∂x ∂y j=1
f¨ ur alle i ∈ {1, . . . , n}. Aufgabe 13. Sei X eine Mannigfaltigkeit und f : X → R eine differenzierbare Funktion auf X. Zeigen Sie: 1. Ist X zusammenh¨angend und ∀p ∈ X : Tp f = 0, so ist f konstant. 2. Hat f bei p ∈ X ein lokales Extremum, so gilt Tp f = 0. Aufgabe 14. Sei X ein parakompakter topologischer Raum. Eine Garbe F von Vektorr¨aumen auf X heißt weich, falls f¨ ur alle abgeschlossenen Teilmengen A von X die kanonische Abbildung F(X) → F(A) surjektiv ist. Zeigen Sie: 1. Feine Garben sind weich. 2. Ist OX eine weiche Garbe, so ist auch jeder OX -Modul weich. Aufgabe 15. Seien f : A → X, g : X → Y und h : Y → Z differenzierbare Abbildungen zwischen differenzierbaren Mannigfaltigkeiten. Zeigen Sie, die Kettenregel“, das heißt ” h∗ ◦ g∗ = (h ◦ g)∗ : ΘX (f ) → ΘZ (h ◦ g ◦ f ). Aufgabe 16. Sei X eine Mannigfaltigkeit, p ∈ X ein Punkt und F ein C∞ X -Modul. Zeigen Sie, daß es eine surjektive lineare Abbildung Fp → F(p) gibt, die im allgemeinen kein Isomorphismus ist. Tip: Zeigen Sie, daß F(p) = Fp /mp Fp .
38
1.4 Lokale Eigenschaften differenzierbarer Abbildungen
Aufgabe 17. Sei A eine lokale Algebra mit maximalen Ideal m, so daß der kanonische Algebrenhomomorphismus R → A → A/m, r 7→ [r] ein Isomorphismus ist, dessen Umkehrung wir mit e : A/m → R bezeichnen wollen. Sei T die Menge der Derivationen von A nach R. Zeigen Sie, daß (m/m2 )∨ → T, λ 7→ (φ 7→ λ([φ − e(φ)])) ein Isomorphismus von Vektorr¨aumen ist. Aufgabe 18. Sei A eine Algebra und X, Y : A → A zwei Derivationen. Zeigen Sie, daß [X, Y ] : A → A, a 7→ X(Y (a)) − Y (X(a)) wieder eine Derivation ist.
1.4 Lokale Eigenschaften differenzierbarer Abbildungen In diesem Abschnitt geht es um das Studium der lokalen Eigenschaften differenzierbarer Abbildungen und Funktionen, die an der Tangentialabbildung abgelesen werden k¨onnen.
1.4.1 Das Differential von Abbildungen ◦ Definition 21. Sei X eine differenzierbare Mannigfaltigkeit und φ ∈ C∞ X (U ) mit U ⊂ X eine differenzierbare Funktion auf X. Wir nennen die lineare Abbildung
dφ : ΘX (U ) → C∞ X (U ), ξ 7→ ξ · φ das Differential von φ. Bemerkung 29. Bezeichnen wir mit ΩX := Θ∨ X die duale Garbe zu ΘX , das heißt ∞ ΩX (U ) := {η : ΘX |U → C∞ X |U | η ist Morphismus von CX |U -Moduln}
f¨ ur U ⊂◦ X mit den offensichtlichen Einschr¨ankungsabbildungen, so induziert das Differential eine Derivation d : C∞ X → ΩX . Die Garbe ΩX heißt die Kotangentialgarbe von X. Sie ist lokal frei vom Rang dim X. Ist p ∈ U ⊂◦ X und φ ∈ C∞ X (U ), so setzen wir dp φ := (dφ)(p) ∈ ΩX (p).
39
1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten Beispiel 37. Ist f : A → X eine differenzierbare Abbildung, so ist f ∗ ΩX = (f ∗ ΘX )∨ . Insbesondere gilt f¨ ur alle p ∈ X, daß Tp∨ X := ΩX (p) = ΘX (p)∨ = (Tp X)∨ . Der Vektorraum Tp∨ X heißt der Kotangentialraum von X an p. Aussage 7. Sei X eine Mannigfaltigkeit und p ∈ X ein Punkt. F¨ ur jede Karte x : U → Rn mit p ∈ U gilt dann, daß (dp x1 , . . . , dp xn ) die duale Basis zur Gaußschen Basis ( ∂x∂ 1 (p), . . . , ∂x∂n (p)) ist. Beweis. Seien i, j ∈ {1, . . . , n}. Dann gilt ∂ ∂ i i dp x (p) = · x (p) = (∂j (xi ◦ x−1 ))(x(p)) = δji . ∂xj ∂xj
Beispiel 38. Sind x : U → Rn und y : V → Rn zwei Karten auf X, so heißt i i i ∂y ∂ −1 i J(y ◦ x )(p) := (p) := dp y (p) ∂xj ∂xj j j die Jacobi-Matrix eines Kartenwechsels an einem p ∈ U ∩ V . Es gilt dann n
X ∂ ∂ = J(y ◦ x−1 )ij i j ∂x ∂y i=1
f¨ ur alle j ∈ {1, . . . , n}. Die Jakobimatrix ist also die Basiswechselmatrix von der Gaußschen Basis von y in die Gaußsche Basis von x. Basiswechsel dieser Art kommen in der Thermodynamik h¨aufig vor. Dort werden Zustandsr¨aume X betrachtet, die wir uns als Mannigfaltigkeit vorstellen. In einfachen F¨ allen (wenn X zum Beispiel den Zustand einer homogenen Gasmenge angibt) gibt es auf X drei Funktionen, n¨amlich die Temperatur“ T : X → R“, das Volumen“ V : X → R ” ” und den Druck“ p : X → R, welche wir als differenzierbar annehmen. Weiterhin ist ” die dritte Observable durch die ersten beiden bestimmt, das heißt, wir nehmen an, daß x := (T, V ) : X → R2 , y := (T, p) : X → R2 und z := (V, p) : X → R2 drei vertr¨agliche Karten von X bilden. Obwohl zum Beispiel x1 = y 1 , folgt nicht, daß ∂x∂ 1 = ∂y∂ 1 , denn unter Benutzung der Jacobi-Matrix folgt unter anderem ∂ ∂ ∂y 2 ∂ = + . ∂x1 ∂y 1 ∂x1 ∂y 2
40
1.4 Lokale Eigenschaften differenzierbarer Abbildungen ∂ Daher ist der Ausdruck ∂T mehrdeutig. In der Physik hat sich daher die Bezeichnung ∂ ∂ ( ∂T )V f¨ ur ∂x1 etabliert, das heißt die weiteren Koordinaten werden als Index geschrieben.
Aussage 8. Sei X eine Mannigfaltigkeit und p ∈ X. Sei φ ∈ C∞ ahe von X,p eine in der N¨ p definierte differenzierbare Funktion. Weiter sei r ∈ N0 , so daß ∀1 ≤ l ≤ r − 1, ξ1 , . . . , ξl ∈ ΘX,p : (ξ1 · · · · · ξl · φ)(p) = 0. Dann existiert genau eine symmetrische multilineare Abbildung d(r) p : Tp M × · · · × Tp M → R {z } | r
mit ∀ξ1 , . . . , ξr ∈ ΘX,p : d(r) p φ(ξ1 (p), . . . , ξr (p)) = (ξ1 · · · · · ξr · φ)(p). Beweis. Die Eindeutigkeit im Falle der Existenz ist offensichtlich. Damit bleibt, die Existenz zu zeigen. Sei dazu x : U → R eine Karte mit U ∈ U◦ (X, p). Dann setzen wir ∂ ∂rφ ∂ ∂ ∂ (r) dp φ := , . . . , · · · · · ·φ = i i i i i ∂x 1 ∂x r ∂x 1 . . . ∂x r ∂x 1 ∂xir (r)
f¨ ur i1 , . . . , ir ∈ {1, . . . , n} und definieren dp φ durch multilineare Fortsetzung. Sind jetzt ξ1 , . . . , ξr ∈ ΘX,p in der N¨ahe von p definierte Vektorfelder, etwa ξj =
n X
φij
i=1
∂ ∂xi
mit φij ∈ C∞ X,p , so gilt (ξ1 · · · · · ξr · φ)(p) = =
n X i1 ,...,ir =1 n X
φi11
∂ ir ∂ · · · · · φr · φ (p) ∂xi1 ∂xir
φi11 (p) . . . φirr (p)
i1 ,...,ir =1
∂rφ (p) ∂xi1 . . . ∂xir
= d(r) p φ(ξ1 (p), . . . , ξr (p)), wobei die vorletzte Gleichheit aus der Voraussetzung folgt. Bemerkung 30. Im Falle von r = 2 bedeutet die Voraussetzung der Aussage gerade, daß dp φ = 0, daß also p ein kritischer Punkt von φ ist. In diesem Fall heißt die symmetrische bilineare Abbildung d(2) p φ : Tp X × Tp X → R
41
1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
die Hesseform von φ am kritischen Punkt p. Man beachte, daß die Hesseform nur an kritischen Punkten definiert ist, im Gegensatz zur mehrdimensionalen Analysis. Auf allgemeinen Mannigfaltigkeiten werden weitere Strukturen ben¨otigt, um die Hesseform (in Abh¨angigkeit von dieser weiteren Struktur) an nicht kritischen Punkten definieren zu k¨onnen.
1.4.2 Immersionen und Submersionen Definition 22. Sei f : X → Y eine differenzierbare Abbildung zwischen Mannigfaltigkeiten X und Y . F¨ ur p ∈ X heißt rk f (p) := rk(Tp f : Tp X → Tp Y ) der Rang von f an p. Die Abbildung f heißt immersiv in p, wenn rk f (p) = dim X, wenn also Tp f injektiv ist, und submersiv in p, wenn rk f (p) = dim Y , wenn also Tp f surjektiv ist. Die Abbildung f heißt eine Immersion, wenn f u ¨berall immersiv ist und eine Submersion, wenn f u ¨berall submersiv ist. Eine injektive Immersion f : X → Y , die einen Hom¨oomorphismus auf ihr Bild f (X) (aufgefaßt als Teilraum von Y ) induziert, heißt Einbettung. Eine surjektive Submersion f : X → Y heißt Faserraum. In diesem Falle heißt X der Totalraum von f und Y die Basis. Beispiel 39. Ist f : U → X die Inklusionsabbildung einer offenen Teilmenge U ∈ U◦ (X), so ist f eine Einbettung. In diesem Fall heißt f eine offene Einbettung. (Es ist f im u ¨brigen auch submersiv.) Beispiel 40. Seinen X, Y zwei Mannigfaltigkeiten. Sind p ∈ X und q ∈ Y und x : U → Rn , y : V → Rm Karten von X beziehungsweise Y mit U ∈ U◦ (X, p) und V ∈ U◦ (Y, q), so ist bekanntlich z := (x1 , . . . , xn , y 1 , . . . , y m ) : U × V → Rn+m eine Karte von X × Y . F¨ ur die Abbildungen i : X → X × Y, a 7→ (a, q) und j : Y → X × Y, b 7→ (p, b) gilt ∀k ∈ {1, . . . , n} : Tp i und
∀k ∈ {1, . . . , m} : Tq j
∂ ∂ (p) = k (p, q) k ∂x ∂z
∂ ∂ (q) = k+n (p, q). k ∂y ∂z
Sind r : X → X × Y, (a, b) 7→ a und s : Y → X × Y, (a, b) 7→ b
42
1.4 Lokale Eigenschaften differenzierbarer Abbildungen
die Projektionen, so gilt ∀k ∈ {1, . . . , n + m} : Tp r
∂ ∂z k
(
=
∂ ∂xk
0
f¨ ur 1 ≤ k ≤ n f¨ ur n + 1 ≤ k ≤ n + m
und ∀k ∈ {1, . . . , n + m} : Tp s
∂ ∂z k
(
=
∂ ∂y k−n
f¨ ur n + 1 ≤ k ≤ n + m
0
f¨ ur 1 ≤ k ≤ n.
Daraus folgt insbesondere, daß Tp i + Tq j : Tp X ⊕ Tp Y → T(p,q) (X × Y ) ein Isomorphismus ist. Wir identifizieren verm¨oge dieses Isomorphismus ab sofort die Tangentialr¨aume einer Produktmannigfaltigkeit mit der direkten Summe der Tangentialr¨aume der einzelnen Faktoren. Wir folgern, daß i und j Einbettungen und p und q Faserr¨aume sind (zumindest f¨ ur X, Y 6= ∅). (Wir werden sp¨ater sehen, daß dieses die Prototypen“ f¨ ur Immersionen und ” Submersionen sind.) Aussage 9. Sei f : X → Y eine differenzierbare Abbildung zwischen Mannigfaltigkeiten X und Y mit dim X = dim Y . Dann sind ¨ aquivalent: 1. Die Abbildung f ist eine Immersion. 2. Die Abbildung f ist eine Submersion. 3. Die Abbildung f ist ein lokaler Diffeomorphismus. ¨ Beweis. Die Aquivalenz von 1. und 2. und die Implikation von 1. oder 2. aus 3. folgt aus der Tatsache, daß die Tangentialr¨aume der beiden Mannigfaltigkeiten dieselbe Dimension haben. Die einzig nicht-triviale Implikation ist die von 1. oder 2. nach 3. Da die Aussage lokal ist, k¨onnen wir ohne Einschr¨ankung annehmen, daß X = Rn und Y = Rm . Dann ist die Implikation aber gerade der lokale Umkehrsatz der Analysis. Aussage 10. Sei f : X → Y eine differenzierbare Abbildung zwischen Mannigfaltigkeiten. Die Funktion rk f : X → N0 ist nach unten halbstetig, das heißt ∀p ∈ X ∃U ∈ U◦ (X, p) ∀q ∈ U : rk f (q) ≥ rk f (p). Beweis. Da die Aussage lokal ist, k¨onnen wir davon ausgehen, daß X = Rn und Y = Rm . Die Aussage folgt dann aus folgender Behauptung:
43
1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten m Ist A : X → Rm n eine stetige Abbildung (hier ist Rn der Vektorraum der Matrizen mit m Zeilen und n Spalten), so ist rk A : X → Rm n
nach unten halbstetig. Die Behauptung ist wahr, denn es gilt f¨ ur ein B ∈ Rm n , daß rk B < r ⇐⇒ Λr (B) = 0, wenn also alle r-Minoren von B verschwinden, die stetig von den Eintr¨agen von B abh¨angen. Unter Ausnutzung der Tatsache, daß immersive und submersive Abbildungen maximalen Rang haben, folgern wir: Folgerung 3. Sei f : X → Y eine differenzierbare Abbildung zwischen Mannigfaltigkeiten. Dann sind {p ∈ X | f ist in p immersiv} und {p ∈ X | f ist in p submersiv} offene Teilmengen von X. Der aus der Analysis bekannte Satz von Sard nimmt f¨ ur Mannigfaltigkeiten folgende Gestalt an: Satz 5. Sei f : X → Y eine Ck -differenzierbare Abbildung zwischen Mannigfaltigkeiten mit k > max{0, dim X − dim Y }. Habe X abz¨ ahlbare Topologie. Sei C := {p ∈ X | f ist in p nicht submersiv.} Dann ist f (C) eine Nullmenge von Y , das heißt f¨ ur jede Karte y : U → Rn von Y ist x(f (C) ∩ U ) eine Lebesguesche Nullmenge. Beweis. Zun¨achst halten wir fest, daß nach dem Transformationssatz C1 -Abbildungen Nullmengen respektieren. Da eine abz¨ahlbare Vereinigung von Nullmengen wieder eine Nullmenge ist, k¨onnen wir damit ohne Einschr¨ankung davon ausgehen, daß X = Rm und Y = Rn . Dann ist die Aussage aber gleichbedeutend mit dem klassischen Satz von Sard f¨ ur euklidische Vektorr¨ aume. Beispiel 41. Sei dim X < dim Y und habe X abz¨ahlbare Topologie. Dann ist f¨ ur jede 1 C -differenzierbare Abbildung f : X → Y das Bild f (X) eine Nullmenge in Y . (Insbesondere gibt es also keine differenzierbaren Peano-Wege“.) ” Die folgende Definition f¨ ugen wir hier schon an, um eine weitere Anwendung des Satzes von Sard formulieren zu k¨onnen.
44
1.4 Lokale Eigenschaften differenzierbarer Abbildungen
Definition 23. Sei G eine Liesche Gruppe. Ein G-Raum X ist eine Mannigfaltigkeit X zusammen mit einer differenzierbaren Abbildung G × X → X, (g, x) 7→ g · x, welche eine (Links-)Operation von G auf X ist, das heißt ∀p ∈ X : e · p = p, wobei e ∈ G das neutrale Element von G ist, und ∀g, h ∈ G, p ∈ X : g · (h · p) = (g h) · p. Der G-Raum heißt homogen, wenn G transitiv auf X operiert, das heißt ∀p, q ∈ X ∃g ∈ G : g · p = q. Seien f : X → Y eine (differenzierbare) Abbildung zwischen G-R¨aumen. Dann heißt f ¨ aquivariant, falls ∀g ∈ G, p ∈ X : f (g · p) = g · f (p). Beispiel 42. Sei X ein affiner Raum u ¨ber einem (endlichdimensionalen) Vektorraum V , aufgefaßt als abelsche Liesche Gruppe. Dann ist X in kanonischer Weise ein homogener V -Raum. Beispiel 43. Sei G eine Liesche Gruppe mit abz¨ahlbarer Topologie und X ein homogener G-Raum. Dann ist f¨ ur jedes p ∈ X die differenzierbare Abbildung h : G → X, g 7→ g · p ein Faserraum. Das kann folgendermaßen eingesehen werden: Aufgrund der Homogenit¨at von X ist h zun¨achst eine Surjektion. Wegen ∀g ∈ G : Tg h = (lg )∗ ◦ (Te h) ◦ (lg−1 )∗ : Tg G → Tg·p X, wobei lg f¨ ur die Linksmultiplikation mit g ∈ G auf G beziehungsweise X steht, folgt, daß h konstanten Rang hat. Nehmen wir daher an, daß h keine Submersion ist, so ist h daher nirgends submersiv. Daraus folgt nach dem Satz (von Sard), daß h(G) eine Nullmenge in X ist, ein Widerspruch zu h(G) = X.
45
1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
1.4.3 Der Rangsatz In diesem Unterabschnitt werden wir beweisen, daß lokal jede differenzierbare Abbildung, die lokal von konstantem Rang ist, als Komposition einer Immersion gefolgt von einer Submersion geschrieben werden kann. Beispiel 44. Konstante Abbildungen sind vom konstanten Rang 0. Immersionen und Submersionen sind Abbildungen von konstantem Rang (und zwar von maximalem Rang). Lemma 9. Sei X eine Mannigfaltigkeit und p ∈ X. Sei (ξ1 , . . . , ξr ) ein linear unabh¨ angiges System in Tp X. Dann existiert eine Karte x : U → Rn von X mit U ∈ ◦ U (X, p), x(p) = 0 und ∂ ∀1 ≤ i ≤ r : (p) = ξi . ∂xi Beweis. Sei y : U → Rn eine Karte von X mit p ∈ U . Mit e1 , . . . , en bezeichnen wir die Standardbasisvektoren von Rn . Es existiert ein Diffeomorphismus f : Rn → R n mit f (y(p)) = 0 und ∀1 ≤ i ≤ r : Dy(p) f (dp y(ξi )) = ei . Dann ist x := f ◦ y : U → Rn eine gew¨ unschte Karte. Die folgende Aussage liefert uns Karten, welche g¨ unstig an differenzierbare Abbildungen angepaßt sind. Aussage 11. Sei f : X → Y eine differenzierbare Abbildung zwischen Mannigfaltigkeiten. Sei p ∈ X und q := f (p). Sei weiter y : V → Rn ein Karte von Y mit q ∈ V , und sei d ∈ {1, . . . , n}, so daß gilt Tq Y = f∗ (Tp X) +
n X i=d+1
R·
∂ (q). ∂y i
Dann existiert eine Karte x : U → Rm von X mit U ∈ U◦ (f −1 (V ), p) und ∀1 ≤ i ≤ d : xi = y i ◦ f |U und ∀d + 1 ≤ i ≤ m : xi (p) = 0.
46
1.4 Lokale Eigenschaften differenzierbarer Abbildungen Beweis. Wir halten zun¨achst fest, daß rk f (p) ≥ d gilt. Sei R :=
n X i=d+1
R·
∂ (q). ∂y i
Dann existieren nach Voraussetzung Vektoren ξ1 , . . . , ξd ∈ Tp X und η1 , . . . , ηd ∈ R mit ∀1 ≤ i ≤ d :
∂ (q) = f∗ ξi + ηi . ∂y i
Das System (ξ1 , . . . , ξd ) muß linear unabh¨angig sein. Nach dem Lemma existiert also eine Karte z : U → Rm von X mit U ∈ U◦ (f −1 (V ), p), so daß z(p) = 0 und ∀1 ≤ i ≤ d :
∂ (p) = ξi . ∂z i
Wir definieren differenzierbare Funktionen xi : U → R durch ( y i ◦ f |U f¨ ur 1 ≤ i ≤ d, xi := i z f¨ ur d + 1 ≤ i ≤ m. Wir halten fest ∀d + 1 ≤ i ≤ m : xi (p) = 0 und ∀d + 1 ≤ i ≤ m, 1 ≤ k ≤ m :
∂xi = δki . ∂z k
Weiter berechnen wir f¨ ur 1 ≤ i, k ≤ d, daß ∂xi = ξk · (y i ◦ f ) = (f∗ ξk )(q) · y i = ∂z k
∂ (q) − ηk ∂y k
· y i = δki .
Damit hat die Funktionalmatrix von g := x ◦ z −1 : z(U ) → Rn in 0 die Gestalt Id ∗ ∈ Rm m, 0 Im−d ist also insbesondere invertierbar. Nach dem lokalen Umkehrsatz aus der Analysis k¨onnen wir damit U als so klein annehmen, daß g ein Diffeomorphismus in den Rm ist. Damit ist x = g ◦ z : U → Rm eine Karte und zwar genau eine, die gesucht war. Folgerung 4. Sei f : X → Y eine differenzierbare Abbildung zwischen differenzierbaren Mannigfaltigkeiten und sei f in p ∈ X submersiv. Dann existiert zu jeder Karte y : V → Rn von Y mit q := f (p) ∈ V eine Karte x : U → Rm mit U ∈ U◦ (f −1 (V ), p) und ∀1 ≤ i ≤ n : xi = y i ◦ f |U
47
1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
und ∀n + 1 ≤ i ≤ m : xi (p) = 0. Insbesondere ist y ◦ f ◦ x−1 : x(U ) → Rn , (u1 , . . . , um ) 7→ (u1 , . . . , un ), die kanonische Projektion. Eine solche Karte x heißt auch Faserraumkarte zu y. Bemerkung 31. Es folgt, daß Submersionen offene Abbildungen sind, d.h. Bilder offener Mengen unter Submersionen sind wieder offen. Definition 24. Ist π : Y → X ein Faserraum (also eine surjektive Submersion), so heißt eine differenzierbare Abbildung s : U → Y mit U ⊂◦ X und π ◦ s = idU ein Schnitt von πu ¨ber U . Wir nennen die Garbe Γπ von Mengen auf X, die durch Γπ (U ) := {s : U → Y | s ist Schnitt von π u ¨ber U } f¨ ur U ⊂◦ X mit den offensichtlichen Einschr¨ankungsabbildungen definiert ist, die Garbe der Schnitte von π. Bemerkung 32. Wir bemerken, daß wir f¨ ur Garben von Mengen nicht den Begriff der Urbildgarbe und damit der Faser definiert haben. Wir definieren daher an dieser Stelle ad hoc: F¨ ur jedes p ∈ X heißt Y (p) := Γπ (p) := π −1 ({p}) die Faser von π u ¨ber p. Man beachte, daß es wieder eine kanonische Abbildung Γπ,p → Γπ (p), sp 7→ sp (p) vom Halm in die Faser gibt. Schließlich k¨onnen wir damit den sogenannten Rangsatz beweisen: Satz 6. Sei f : X → Y eine differenzierbare Abbildung konstanten Ranges r zwischen Mannigfaltigkeiten. Dann existieren zu jedem p ∈ X Karten x : U → Rm und y : V → Rn von X beziehungsweise von Y mit p ∈ U , q := f (p) ∈ V , f (U ) ⊂ V , x(p) = y(q) = 0 und ( xi f¨ ur 1 ≤ i ≤ r, i y ◦ f |U = 0 f¨ ur r + 1 ≤ i ≤ n. Insbesondere ist y ◦ f ◦ x−1 : x(U ) → Rn , (u1 , . . . , um ) 7→ (u1 , . . . , ur , 0, . . . , 0), Abbildungen konstanten Ranges werden damit auch Subimmersionen genannt.
48
1.4 Lokale Eigenschaften differenzierbarer Abbildungen Beweis. Nach dem Lemma existiert eine Karte z : W → Rn von Y mit q ∈ W mit z(q) = 0 und r X ∂ R · i (q) = f∗ (Tp X). ∂z i=1
Damit sind die Voraussetzung der Aussage f¨ ur d = r erf¨ ullt. Also existiert eine Karte x : U → Rm von X mit U ∈ U◦ (f −1 (W ), p), x(p) = 0 und ∀1 ≤ i ≤ r : xi = z i ◦ f |U . Ohne Einschr¨ankung d¨ urfen wir annehmen, daß z(W ) = W 0 ×W 00 und x(U ) = U 0 ×U 00 0 ◦ r 00 mit W ∈ U (R , 0), W ∈ U◦ (Rn−r , 0), U 0 ∈ U◦ (Rr , 0) und U 00 ∈ U◦ (Rm−r , 0). Weiter d¨ urfen wir annehmen, daß U 00 zusammenh¨angend ist. Damit gilt ∀(u0 , u00 ) ∈ U 0 × U 00 : (z ◦ f ◦ x−1 )(u0 , u00 ) = (u0 , g(u0 , u00 )) f¨ ur die differenzierbare Abbildung g := (z r+1 , . . . , z n ) ◦ f ◦ x−1 : U 0 × U 00 → W 00 . Wir zeigen als n¨achstes, daß g(u0 , ·) : U 00 → W 00 f¨ ur alle u0 ∈ U 0 eine konstante Abbildung ist. Nun hat die Funktionalmatrix von z ◦ f ◦ x−1 : U → W in u = (u0 , u00 ) ∈ U 0 × U 00 die Gestalt Ir 0 ∈ Rnm , ∗ A(u) 0 00 wobei A(u) ∈ Rn−r m−r die Funktionalmatrix der Abbildung g(u , ·) in u ist. Nach Voraussetzung hat f und damit auch z ◦ f ◦ x−1 konstanten Rang r, also muß A(u) = 0 f¨ ur alle u ∈ U gelten. Aufgrund des Zusammenhangs von U 00 ist damit g(u0 , ·) f¨ ur alle u0 ∈ U 0 eine konstante Abbildung. Damit existiert eine differenzierbare Abbildung h : U 0 → W 00 mit
∀(u0 , u00 ) ∈ U 0 × U 00 : (z ◦ f ◦ x−1 )(u0 , u00 ) = (u0 , h(u0 )). (W¨are h = 0, so w¨aren wir fertig.) Wir setzen k : U 0 × Rn−r → U 0 × Rn−r , (u0 , w00 ) 7→ (u0 , w00 − h(u0 )).
49
1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten Dies ist ein Diffeomorphismus. Weiter setzen wir V := z −1 (U 0 × W 00 ). Damit ist y := k ◦ z|V : V → Rn eine Karte von Y mit q ∈ V , und es gilt ∀(u0 , u00 ) ∈ U 0 × U 00 : (y ◦ f ◦ x−1 )(u0 , u00 ) = (u0 , 0). Außerdem ist y(q) = 0, und damit ist der Rangsatz bewiesen. Folgerung 5. Sei f : X → Y eine in p ∈ X immersive differenzierbare Abbildung zwischen Mannigfaltigkeiten. Dann existieren Karten x : U → Rm und y : V → Rn von X beziehungsweise Y mit p ∈ U◦ (f −1 (V ), p) und q := f (p) ∈ V , so daß ( xi f¨ ur 1 ≤ i ≤ m i y ◦ f |U = 0 f¨ ur m + 1 ≤ i ≤ n f¨ ur 1 ≤ i ≤ n. Insbesondere ist y ◦ f ◦ x−1 : x(U ) → Rn , (u1 , . . . , um ) 7→ (u1 , . . . , un , 0, . . . , 0), die kanonische Einbettung. Bemerkung 33. Es folgt, daß Immersionen lokal injektiv sind.
Aufgaben Aufgabe 19. Bestimmen Sie die Jacobi-Matrix eines Koordinatensystemwechsels zweier Standardkarten auf dem projektiven Raum P(V ). Aufgabe 20. Sei X ein thermodynamisches System wie im Haupttext beschrieben. Zeigen Sie ∂V ∂p ∂V =− . ∂T p ∂T V ∂p T Die physikalische Bedeutung dieser Gleichung ist die folgende: Die Volumen¨anderung durch Temperatur¨anderung bei konstantem Druck berechnet sich als Produkt der negativen Druck¨anderung durch Temperatur¨anderung bei konstantem Volumen und der Volumen¨anderung durch Druck¨anderung bei konstanter Temperatur. Aufgabe 21. Sei X eine Mannigfaltigkeit und φ : X → R eine differenzierbare Funktion auf X. Zeigen Sie, daß X ein strenges lokales Minimum an einem Punkt p ∈ X hat, wenn ein r ∈ {2, 4, 6, . . . } existiert, so daß r d(r) p φ : (Tp X) → R
definiert und positiv definit ist, das heißt ∀ξ ∈ Tp X \ {0} : d(r) p φ(ξ, . . . , ξ) > 0.
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1.5 Untermannigfaltigkeiten Aufgabe 22. Seien X und Y zwei Mannigfaltigkeiten und p : X ×Y → X und q : X ×Y → Y die Projektionen. Geben Sie einen kanonischen Isomorphismus p∗ ΘX ⊕ q ∗ ΘY → ΘX×Y von C∞ X×Y -Moduln an. Aufgabe 23. Sei π : Y → X ein Faserraum. Zeigen Sie, daß f¨ ur alle p ∈ X die kanonische Abbildung Γπ,p → Γπ (p) surjektiv ist. Warum stimmt die Aussage nicht, wenn π keine Submersion ist? Aufgabe 24. Sei f : X → Y eine immersive Abbildung zwischen Mannigfaltigkeiten, p ∈ X und y : V → Rn mit q := f (p) ∈ V eine Karte von Y . Sei m := dim X. Dann existieren 1 ≤ i1 < · · · < im ≤ n und ein U ∈ U◦ (f −1 (V ), p), so daß x := (y i1 ◦ f |U , . . . , y im ◦ f |U ) : U → Rm eine Karte von X ist. Zeigen Sie dies, ohne den Rangsatz zu benutzen.
1.5 Untermannigfaltigkeiten 1.5.1 Differenzierbarkeitstest Wenn wir im folgenden die verschiedenen Typen von Untermannigfaltigkeiten besprechen, werden wir es mit Existenz von Differenzierbarkeitsstrukturen auf topologischen R¨aumen und mit der Frage nach der Differenzierbarkeit von Abbildungen zu tun haben. Die wichtigsten Aussagen in dieser Richtung sind in diesem Abschnitt zusammengefaßt. Aussage 12. Sei f : X → Y eine Immersion zwischen differenzierbaren Mannigfaltigkeiten. Sei Z eine weitere Mannigfaltigkeit und g : Z → X eine stetige Abbildung. Dann ist g differenzierbar, wenn f ◦ g differenzierbar ist. Beweis. Sei r ∈ Z, p := g(r) und q := f (p). Wir zeigen, daß g in der N¨ahe von r differenzierbar ist. Dazu w¨ahlen wir Karten x : U → Rm und y : V → Rn von X beziehungsweise Y mit U ∈ U◦ (f −1 (V ), p) und ∀1 ≤ i ≤ m : xi = y i ◦ f |U . Damit ist g|g−1 (U ) differenzierbar, denn es sind xi ◦ g|g−1 (U ) = y i ◦ f ◦ g|g−1 (U ) f¨ ur 1 ≤ i ≤ m nach Voraussetzung differenzierbare Funktionen.
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1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten Aussage 13. Sei f : X → Y ein Faserraum. Dann tr¨ agt Y die Quotiententopologie bez¨ uglich f , das heißt ∀V ⊂ Y : (V ∈ U◦ (Y ) ⇐⇒ f −1 (V ) ∈ U◦ (X)). Sei Z eine weitere Mannigfaltigkeit und g : Y → Z eine beliebige Abbildung. Dann ist g differenzierbar, wenn g ◦ f differenzierbar ist. Beweis. Zun¨achst ist f als Submersion eine offene Abbildung. Da f eine Surjektion ist, gilt f¨ ur jede Teilmenge V von Y , daß V = f (f −1 (V )), das heißt V , ist offen, wenn f −1 (V ) offen ist. Um den zweiten Teil der Aussage zu zeigen, zeigen wir, daß g differenzierbar in der N¨ ahe von q ∈ Y ist. Wir w¨ahlen ein p ∈ X mit f (p) = q. Da f ein Faserraum ist, existiert nach Aufgabe 23 ein lokaler Schnitt s ∈ Γf,q mit s(q) = p. Es gilt f¨ ur die Keime, daß gp = gp ◦ fp ◦ s, aber die rechte Seite ist nach Voraussetzung differenzierbar. Folgerung 6. Sei G eine Liesche Gruppe mit abz¨ ahlbarer Topologie. Sei f : X → Y eine beliebige ¨ aquivariante Abbildung zwischen G-R¨ aumen, und sei X homogen als G-Raum. Dann ist f differenzierbar. Beweis. Sei p ∈ X beliebig. Dann ist h : G → X, g 7→ g · p eine surjektive Submersion. Damit ist f differenzierbar, denn f ◦ h : g 7→ g · f (p) ist differenzierbar. Aus den beiden voranstehenden Aussagen lassen sich mit allgemeinen Argumenten ¨ leicht Eindeutigkeitsaussagen differenzierbarer Stukturen folgern (Ubung!): Folgerung 7. Sei f : X → Y eine stetige Abbildung zwischen topologischen Mannigfaltigkeiten. Ist Y sogar eine differenzierbare Mannigfaltigkeit, so existiert auf X h¨ ochstens eine differenzierbare Struktur, so daß f eine Immersion wird. Ist X sogar eine differenzierbare Mannigfaltigkeit und ist f surjektiv, so existiert auf Y h¨ ochstens eine differenzierbare Struktur, so daß f eine Submersion wird.
52
1.5 Untermannigfaltigkeiten
1.5.2 Injektive Immersionen und Untermannigfaltigkeiten Injektive Immersionen werden unsere Modelle f¨ ur Untermannigfaltigkeiten sein. Die eventuell aus der Analysis bekannten Untermannigfaltigkeiten euklidischer R¨aume werden in unserer Sprache regul¨ are Untermannigfaltigkeiten (euklidischer R¨aume) sein. Definition 25. Sei X eine Mannigfaltigkeit. Eine Untermannigfaltigkeit A von X ist eine injektive Immersion i : A → X. (H¨aufig wird noch verlangt, daß i die Inklusion einer Teilmenge A von X ist.) Sei i : A → X eine Untermannigfaltigkeit von X. Die Untermannigfaltigkeit A heißt regul¨ ar, wenn i(A) die Teilraumtopologie als Teilmenge von X tr¨agt, das heißt, regul¨are Untermannigfaltigkeiten sind genau die Einbettungen. Die Untermannigfaltigkeit A heißt quasiregul¨ ar, wenn jede differenzierbare Abbildung f : Z → X zwischen Mannigfaltigkeiten mit f (Z) ⊂ i(A) u ¨ber i faktorisiert, das heißt eine differenzierbare Abbildung g : Z → A mit f = i ◦ g existiert. Die Untermannigfaltigkeit A heißt offen beziehungsweise abgeschlossen, wenn sie regul¨ar ist und i(A) offener beziehungsweise abgeschlossener Teilraum von X ist. Bemerkung 34. Die direkte Anwendung von Folgerung 7 ergibt: Sei A ein topologischer Raum und i : A → X eine stetige injektive Abbildung. Dann existiert auf A h¨ochstens eine Struktur einer Mannigfaltigkeit, so daß A Untermannigfaltigkeit von X wird. Ist i : A → X eine beliebige injektive Abbildung, so existiert auf A h¨ochstens eine Struktur einer Mannigfaltigkeit, so daß A regul¨are Untermannigfaltigkeit von X wird. Bemerkung 35. Ist i : A → X eine Untermannigfaltigkeit von X, so ist die Topologie von A feiner oder gleich der initialen Topologie bez¨ uglich i. (Die initiale Topologie ist die gr¨obste Topologie auf A, so daß i stetig ist.) Bemerkung 36. Ist i : A → X eine Untermannigfaltigkeit, so ist die induzierte Abbildung i∗ : ΘA → i∗ ΘX eine injektive Abbildung von Garben. Daher wollen wir ab sofort in dieser Situation die Garbe ΘA mit ihrem Bild in i∗ ΘX identifizieren. Insbesondere identifizieren f¨ ur alle a ∈ A den Tangentialraum Ta A mit seinem Bild i∗ (Ta A) ⊂ Ti(a) X unter der Tangentialabbildung Ta i. Es folgt eine Reihe von Beispielen zu Untermannigfaltigkeiten. Beispiel 45. Ist G eine offene Teilmenge der Mannigfaltigkeit X, so ist G eine offene Untermannigfaltigkeit von X. Beispiel 46. Die Sph¨are Sn ist eine abgeschlossene Untermannigfaltigkeit von Rn+1 . Beispiel 47. Ist i : A → X eine Immersion zwischen Mannigfaltigkeiten, so gilt aufgrund der lokalen Injektivit¨at von Immersionen, daß ∀a ∈ A ∃U ∈ U◦ (A, a) : i|U ist Untermannigfaltigkeit.
53
1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
Unter das folgende Beispiel fallen insbesondere affine Teilr¨aume affiner R¨aume. Beispiel 48. Sei x : U → Rn eine Karte der Mannigfaltigkeit X. F¨ ur alle 0 ≤ m ≤ n ist die Scheibe A := {p ∈ U | ∀m + 1 ≤ i ≤ n : xi (p) = 0} eine m-dimensionale regul¨are Untermannigfaltigkeit von X mit der (globalen) Karte x : A → Rm , p 7→ (x1 (p), . . . , xm (p)). Es ist ΘA =
m M i=1
C∞ A ·
∂ . ∂xi
Beispiel 49. Sei G eine Liesche Gruppe. Eine Liesche Untergruppe H von G ist eine abstrakte“ Untergruppe H von G zusammen mit einer Mannigfaltigkeitsstruktur, so ” daß H eine Untermannigfaltigkeit von G und H eine Liesche Gruppe wird. Ein Beispiel einer (regul¨aren) Lieschen Untergruppe ist zum Beispiel die Inklusion U (1) = S1 ⊂ C× . Beispiel 50. Wir erinnern an die Definition des zweidimensionalen Torus, T := S1 × S1 , den wir als zweidimensionale Liesche Gruppe betrachten k¨onnen. Seien α, β ∈ R mit α2 + β 2 > 0. Dann ist die Kurve γ : R → T, t 7→ (exp(2πiα t), exp(2πiβ t)) ein Homomorphismus Liescher Gruppen, also ein differenzierbarer Gruppenhomomorphismus. Genauer ist γ eine Immersion. Ist das Verh¨altnis α : β rational, so ist das Bild von γ kompakt und γ eine unendliche ” ¨ Uberlagerung“. In diesem Fall heißt das Bild von γ ein Torusknoten und ist eine regul¨ are Untermannigfaltigkeit von T . Ist das Verh¨altnis dagegen irrational, so ist γ injektiv, also eine Untermannigfaltigkeit von R. Das Bild von γ liegt dicht in T . Es ist γ keine regul¨are Untermannigfaltigkeit von T . (Wir werden aber sehen, daß γ ein Beispiel f¨ ur eine quasiregul¨are Untermannigfaltigkeit ist.) Beispiel 51. Sei X die Mannigfaltigkeit R, allerdings versehen mit der diskreten Topologie. Dann ist die Inklusion X → R eine 0-dimensionale, nicht regul¨are Untermannigfaltigkeit der eindimensionalen Mannigfaltigkeit R, ein einfaches Beispiel einer sogenannten Bl¨ atterung. Wichtige Beispiele f¨ ur quasiregul¨are Untermannigfaltigkeiten sind die Bahnen von Gruppenoperationen. Dazu werden wir aber erst bei der Behandlung von Quotientenmannigfaltigkeiten kommen. Wie die Bezeichnung nahelegt, sind quasiregul¨are Untermannigfaltigkeiten eine Verallgemeinerung des Begriffes regul¨are Untermannigfaltigkeit, das heißt wir haben:
54
1.5 Untermannigfaltigkeiten Aussage 14. Eine regul¨ are Untermannigfaltigkeit i : A → X ist quasiregul¨ ar. Beweis. Sei f : Z → X eine differenzierbare Abbildung von einer weiteren Mannigfaltigkeit Z mit f (Z) ⊂ i(A). Wir m¨ ussen zeigen, daß f u ¨ber i faktorisiert. Da i(A) die Teilraumtopologie von X tr¨agt, A also die initiale Topologie bez¨ uglich i existiert ein zun¨achst stetiges g : Z → A mit f = i ◦ g. Wir m¨ ussen zeigen, daß g sogar differenzierbar ist. Dies folgt aus Aussage 12. F¨ ur den Rest dieses Unterabschnittes besch¨aftigen wir uns noch eingehender mit den regul¨aren Untermannigfaltigkeiten. Lemma 10. Sei A eine Mannigfaltigkeit, f¨ ur die wir allerdings die Parakompaktheitsvoraussetzung fallen lassen, und i : A → X eine injektive Immersion in eine andere Mannigfaltigkeit. Dann ist A notwendigerweise parakompakt. Beweis. Wir k¨ onnen ohne Einschr¨ankung davon ausgehen, daß A und X zusammenh¨angend sind. Sei A ein abz¨ahlbarer Atlas von X. F¨ ur jede Karte x : U → Rn von X in A und jeden Multiindex ν = (1 ≤ ν1 < · · · < νm ≤ n) sei A(x, ν) := {p ∈ i−1 (U ) | (xν1 , . . . , xνm ) ◦ i hat Rang m}. Die abz¨ahlbar vielen offenen Teilmengen A(x, ν) u ¨berdecken A und haben als Teilraum abz¨ahlbare Topologie. Aussage 15. Sei X eine Mannigfaltigkeit und i : A → X eine injektive Abbildung von einem topologischen Raum A. Wir nehmen an, daß f¨ ur alle a ∈ A ein U (a) ∈ U◦ (A, a) existiert, so daß i|U (a) eine m-dimensionale regul¨ are Untermannigfaltigkeit von X ist. Dann existiert auf A genau eine Struktur einer differenzierbaren Mannigfaltigkeit, so daß A eine (nicht notwendigerweise regul¨ are) d-dimensionale Untermannigfaltigkeit von X wird. Beweis. Zun¨achst ist i stetig, denn die i|U (a) : U (a) → i(U (a)) sind Hom¨oomorphismen. Da das Bild von i ein Hausdorffraum ist, muß A auch ein Hausdorffraum sein. Die Parakompaktheit wird am Ende aus dem vorherigen Lemma folgen. Wir k¨onnen auf den offenen Teilr¨aumen i−1 (U (a)) jeweils die Struktur einer m-dimensionalen Mannigfaltigkeit definieren, so daß die i|U (a) Diffeomorphismen auf ihr Bild werden. Diese Strukturen sind miteinander vertr¨aglich, verkleben“ also. Damit wird die ” gew¨ unschte Mannigfaltigkeitsstruktur auf A definiert. Die Eigenschaft, regul¨are Untermannigfaltigkeit einer Mannigfaltigkeit X zu sein, ist lokal in X. Damit ist folgendes gemeint:
55
1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten Folgerung 8. Sei X eine Mannigfaltigkeit und A ⊂ X eine Teilmenge von X, so daß f¨ ur alle p ∈ A ein U ∈ U◦ (X, p) existiert, so daß A ∩ U eine n-dimensionale regul¨ are Untermannigfaltigkeit von X ist. Dann ist A eine n-dimensionale regul¨ are Untermannigfaltigkeit von X. Regul¨are Untermannigfaltigkeiten sind lokal planierbar, das heißt die Scheiben aus dem Beispiel oben sind die lokalen Modelle regul¨arer Untermannigfaltigkeiten: Aussage 16. Sei A eine Teilmenge einer Mannigfaltigkeit X. Dann ist A genau dann eine n-dimensionale regul¨ are Untermannigfaltigkeit von X, wenn f¨ ur alle a ∈ A eine Karte x : U → Rm von X mit a ∈ U und x(a) = 0 existiert, so daß A ∩ U = {p ∈ U | ∀n + 1 ≤ i ≤ m : xi (p) = 0}. Beweis. Die R¨ uckrichtung folgt aus Beispiel 48 und der Folgerung. F¨ ur die Hinrichtung wenden wir auf die Inklusion i : A → X die Folgerung 5 an, das heißt f¨ ur p ∈ A haben wir Karten y : V → Rn von A und z : W → Rm von X mit V ∈ U◦ (A ∩ W, p), so daß z(p) = y(p) = 0 und z k |W
( yk = 0
f¨ ur 1 ≤ k ≤ n f¨ ur n + 1 ≤ k ≤ m.
Insbesondere bildet i die offene Untermannigfaltigkeit V ⊂◦ A in die Scheibe S := {q ∈ W | ∀n + 1 ≤ i ≤ m : xi (q) = 0} ab. Es ist S eine regul¨are Untermannigfaltigkeit von X und damit induziert i eine injektive Immersion von V nach S, welche aus Dimensionsgr¨ unden auch eine Submersion, also eine offene Abbildung sein muß. Damit ist V = i(V ) ∈ U◦ (S). Es existiert also ein G1 ⊂◦ X mit V = G1 ∩ S nach Definition der Teilraumtopologie von S. Nun ist A eine regul¨are Untermannigfaltigkeit, also existiert analog ein G2 ⊂◦ X mit V = G2 ∩ A. Schließlich setzen wir U := V ∩ G1 ∩ G2 . Dann gilt mit x := z|U , daß A ∩ U = {p ∈ U | ∀n + 1 ≤ i ≤ m : xi (p) = 0}.
Folgerung 9. Ist A ⊂ X eine regul¨ are Untermannigfaltigkeit, so ist A lokal abgeschlossen in X, das heißt der Schnitt einer offenen mit einer abgeschlossenen Teilmenge von X.
56
1.5 Untermannigfaltigkeiten
1.5.3 Ein Einbettungssatz Schließlich zeigen wir, daß sich sich jede Mannigfaltigkeit als regul¨are Untermannigfaltigkeit eines RN realisieren l¨aßt. Lemma 11. Sei X eine n-dimensionale Mannigfaltigkeit, U ⊂◦ X und K eine kompakte Teilmenge von X mit U b K ◦ . Dann existiert eine differenzierbare Abbildung g : X → R2 n+1 mit ∀p ∈ X \ K : g(p) = 0, so daß g|U eine Einbettung ist. ¨ Beweis. Sei (Ui )1≤i≤k eine endliche offene Uberdeckung von K, so daß Karten xi : Ui → n ¨ R existieren. Dann existiert eine offene Uberdeckung (Vi )1≤i≤k mit Vi b Ui . Wir w¨ahlen differenzierbare Funktionen λi : Ui → R mit ∀1 ≤ i ≤ k : supp λi ⊂ Ui und ∀1 ≤ i ≤ k, p ∈ Vi : λi (p) = 1. Wir w¨ahlen außerdem eine differenzierbare Funktion µ : X → R mit supp µ ⊂ K ◦ und ∀p ∈ U : µ(p) = 1. Dann ist i : X → (Rn )k × Rk , p 7→ µ(p) ((λ1 (p) x1 (p), . . . , λk (p) xk (p)), λ1 (p), . . . , λk (p)) eine differenzierbare Abbildung. Da die Karten auf ihren Definitionsbereichen Immersionen sind, folgt, daß i|U eine Immersion ist. Weiter ist i|U injektiv, denn gilt i(p) = i(q) f¨ ur p, q ∈ U , so ist zun¨achst λi (p) = λi (q) f¨ ur 1 ≤ i ≤ k. Da die Vi ganz U u ¨berdecken, existiert ein 1 ≤ i ≤ k mit λi (p) = λi (q) = 1. Daraus folgt xi (p) = xi (q) und damit p = q, denn die Karten sind auf ihrem Definitionsbereich injektiv. Es ist i|U also eine injektive Immersion, die außerhalb von K verschwindet. Es ist i|U sogar eine Einbettung (also ein Hom¨ oomorphismus auf sein Bild), denn iU¯ ist eine Injektion von einem (quasi-)kompakten Raum in einen Hausdorffraum. Wir haben damit eine Einbettung i|U : U → RN f¨ ur ein N 0 produziert. Es bleibt zu zeigen, daß wir N = 2 n + 1 w¨ahlen k¨onnen. Dazu zeigen wir, daß f¨ ur N > 2 n + 1 ein Vektor w ∈ RN existiert, der nirgends eine Tangente oder Sekante von i(U ) ⊂ RN aufspannt. Haben wir n¨amlich einen solchen Vektor gefunden, so hat p ◦ i : U → RN −1 immer noch dieselben Eigenschaften wie i, wobei p : RN → {w}⊥ ' RN −1 die orthogonale Projektion auf {w}⊥ ist.
57
1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
Die Abbildungen n X ∂ (p) si : (Ui ∩ U ) × (Rn \ {0}) → PN −1 , (p, (u1 , . . . , un )) 7→ R · uj i∗ ∂xi j j=1
f¨ ur 1 ≤ i ≤ k und d : U × U \ {(p, p) | p ∈ U } → PN −1 , (p, q) 7→ R · (i(p) − i(q)) sind differenzierbare Abbildungen von Mannigfaltigkeiten mit abz¨ahlbarer Topologie und einer Dimension 2 n, welche echt kleiner als 2 n ist. Nach Beispiel 41 ist die Vereinigung der Bilder aller dieser Abbildungen damit eine Nullmenge. Also existiert ein w ∈ RN , so daß R · w ∈ PN −1 nicht in dieser Vereinigung liegt. (Ein solches Argument heißt Argument der allgemeinen Lage“.) ” Satz 7. Sei X eine n-dimensionale Mannigfaltigkeit mit abz¨ ahlbarer Topologie (zum Beispiel eine zusammenh¨ angende Mannigfaltigkeit). Dann existiert eine Einbettung i : X → R2 n+1 , welche X als abgeschlossene Untermannigfaltigkeit eines euklidischen Raumes realisiert. ˜i )i∈N eine offene Uberdeckung ¨ Beweis. Sei (U von X mit ˜i b X, ∀i ∈ N : U zu der eine Zerlegung der Eins (λi : X → R)i∈N existiert. Wir setzen ∞ X k λk : X → [1, ∞) ⊂ R. h := k=1
Dies ist eine differenzierbare eigentliche Abbildung, das heißt, Urbilder kompakter Mengen sind kompakt. Dann definieren wir 1 5 Ui := h−1 ((i − , i + )) 4 4
1 4 und Ki := h−1 ([i − , i + ]) 3 3
f¨ ur i ∈ N. Wir halten fest, daß die Ui offen, die Ki kompakt und Ui b Ki◦ . Weiter sind die Ki mit geradem Index paarweise disjunkt. Analog sind die Ki mit ungeradem Index paarweise disjunkt. Nach dem Lemma existiert eine differenzierbare Abbildung gi : X → R2 n+1 mit ∀p ∈ X \ Ki : gi (p) = 0, welche eine Einbettung auf Ui ist. In dem wir gi eventuell mit einem Diffeomorphismus R2 n+1 → U1 (0) ⊂ R2 n+1 komponieren, k¨onnen annehmen, daß das Bild von gi im Einheitsball liegt, insbesondere also beschr¨ankt ist.
58
1.5 Untermannigfaltigkeiten
Wir setzen f :=
∞ X
g2 i− : X → R2 n+1
i=1
f¨ ur ∈ {0, 1}. Sowohl f0 und f1 haben beschr¨anktes Bild. Daher gilt, daß das Bild von i := (f0 , f1 , h) : X → R2 n+1 × R2 n+1 × R in einer Teilmenge der Form K × R liegt, wobei K ⊂ R2 n+1 × R2 n+1 ein kompakter Teilraum ist. Aus der Eigentlichkeit von h folgt dann die Eigentlichkeit von i, insbesondere hat i abgeschlossenes Bild. ¨ Außerdem ist i eine Einbettung. Das folgt aus folgender Uberlegung: Sind p, q ∈ X mit i(p) = i(q), so folgt h(p) = h(q), das heißt, daß p, q ∈ Ui f¨ ur ein gewisses i ∈ N. F¨ ur i ungerade ist f1 eine Einbettung auf Ui , f¨ ur i gerade ist f0 eine Einbettung auf Ui . Es folgt also p = q, also ist i injektiv. Aus der Immersivit¨at von (f0 , f1 ) folgt schließlich die Immersivit¨at von i. Nach einem Argument allgemeiner Lage existiert wie im Beweis des Lemmas eine Projektion p : R2 n+1 × R2 n+1 × R → H auf einen (2 n + 1)-dimensionalen linearen Unterraum H ⊂ R2 n+1 × R2 n+1 × R, so daß p ◦ i : X → H ' R2 n+1 weiterhin eine Einbettung ist. Wir k¨onnen diese Projektion weiter so w¨ahlen, daß ker p ∩ ker q = 0. Dabei ist q : R2 n+1 × R2 n+1 × R → R2 n+1 × R2 n+1 , (u, v, w) 7→ (u, v). Es folgt, daß (p, q) eine Einbettung und damit eine eigentliche Abbildung ist. F¨ ur kom˜ paktes K ⊂ H folgt damit, daß ˜ = (p × q)−1 (K ˜ × K) (K × R) ∩ p−1 (K) kompakt ist. Damit ist p|i(X) eigentlich wegen i(X) ⊂ K × R. Damit ist das Bild von X unter p ◦ i abgeschlossen. Bemerkung 37. Es existiert sogar eine Einbettung i : X → R2n . Dies ist die Aussage des Whitneyschen Einbettungssatzes“. Diese Aussage l¨aßt sich nicht weiter versch¨arfen. ” So l¨aßt sich mittels charakteristischer Klassen zeigen, daß sich der Pn nicht im R2n−1 einbetten l¨aßt.
59
1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
1.5.4 Faserprodukte Sei f : X → Y eine differenzierbare Abbildung und A ⊂ Y eine (regul¨are) Untermannigfaltigkeit von Y , so wollen wir in diesem Abschnitt kl¨aren, unter welchen Umst¨ anden −1 f (A) zu einer Untermannigfaltigkeit von X wird. Dabei werden gleichungsdefinierte Untermannigfaltigkeiten und Faserprodukte in der Kategorie der differenzierbaren Mannigfaltigkeiten unter unsere Untersuchungen fallen. Wir beginnen mit den gleichungsdefinierten Untermannigfaltigkeiten. Satz 8. Seien f : X → Y eine differenzierbare Abbildung zwischen Mannigfaltigkeiten von konstantem Rang r. Dann ist f¨ ur alle q ∈ Y die Urbildmenge A := f −1 ({q}) eine (dim X − r)-dimensionale regul¨ are Untermannigfaltigkeit von X mit ΘA = ker(f∗ : ΘX → f ∗ ΘY )|A , insbesondere also ∀p ∈ A : Tp A = ker Tp f. Beweis. Sei p ∈ A. Wir zeigen, daß A in der N¨ahe von p wie eine regul¨are Untermannigfaltigkeit der richtigen Dimension aussieht. Dazu w¨ahlen wir nach dem Rangsatz Karten x : U → Rm von X und y : V → Rn von Y mit U ∈ U◦ (f −1 (V ), p), x(p) = y(q) = 0 und ( xi f¨ ur 1 ≤ i ≤ r i y ◦ f |U = 0 f¨ ur r + 1 ≤ i ≤ n. Dann ist U ∩ A = {a ∈ U | ∀1 ≤ i ≤ r : xi (a) = 0} als Scheibe eine (m − r)-dimensionale regul¨are Untermannigfaltigkeit. Damit ist A eine regul¨are Untermannigfaltigkeit. Aus der Beschreibung der Tangentialgarbe einer Scheibe folgt schließlich die Beschreibung von ΘA . Folgerung 10. Sei f : X → Y eine differenzierbare Abbildung zwischen Mannigfaltigkeiten. Sei q ∈ Y , so daß f¨ ur alle p ∈ A := f −1 ({q}) die Abbildung f an p submersiv ist. Dann ist A eine (dim X − dim Y )-dimensionale regul¨ are Untermannigfaltigkeit von X. Beweis. Es existiert eine offene Umgebung G ∈ U◦ (X) mit A ⊂ G, so daß f |G submersiv ist, da Submersivit¨at eine offene Eigenschaft“ ist. Da Submersionen offene Abbildungen ” sind, ist f (G) wieder offen. Damit k¨onnen wir den Satz auf f |G : G → f (G) anstelle von f : X → Y anwenden. Beispiel 52. Ist f : X → Y ein Faserraum, so sind die Fasern regul¨are Untermannigfaltigkeiten von X.
60
1.5 Untermannigfaltigkeiten
Beispiel 53. Sei X eine Mannigfaltigkeit. Dann ist die Diagonale ∆X := {(p, p) ∈ X × X | p ∈ X} eine regul¨are Mannigfaltigkeit (diffeomorph zu X) von X × X. Bemerkung 38. Ist f : X → Y eine differenzierbare Abbildung, f¨ ur die f (X) keine Nullmenge in Y ist, so besitzt sie nach dem Satz von Sard Fasern, welche regul¨are Untermannigfaltigkeiten von X sind. (Das Analogon in der algebraischen Geometrie in Charakteristik Null ist der Satz von Bertini.) Unser Repertoire an Mannigfaltigkeiten ist immer noch sehr beschr¨ankt. Bisher haben wir an nicht-trivialen Beispielen lediglich die Sph¨aren und den projektiven Raum betrachtet. Der letzte Satz liefert uns dagegen sofort viele neue Mannigfaltigkeiten als Untermannigfaltigkeiten schon gegebener Mannigfaltigkeiten wie den Rn . So finden wir die Sph¨aren wieder. Wichtig ist, daß wir auch unsere Auswahl an Lieschen Gruppen vergr¨oßern k¨onnen: Beispiel 54. Sei V ein Vektorraum mit n := dim V ∈ N. Dann ist die spezielle lineare Gruppe von V , n¨amlich SL(V ) := {g ∈ GL(V ) | det g = 1}, eine (n2 −1)-dimensionale regul¨are Liesche Untergruppe von GL(V ). Denn det : GL(V ) → R× ist als ¨aquivariante Abbildung zwischen homogenen GL(V )-R¨aumen von konstantem Rang, und es gilt DidV det = tr : End(V ) → R. Damit ist sl(V ) := Te SL(V ) = {A ∈ End(V ) | tr A = 0}. Beispiel 55. Sei V ein Vektorraum mit nicht-ausgearteter symmetrischer Bilinearform β : V × V → R. Dann ist die spezielle orthogonale Gruppe von (V, β), n¨amlich SO(V, β) := {g ∈ SL(V ) | ∀v, w ∈ V : β(g(v), g(w)) = β(v, w)}, eine
n 2
-dimensionale regul¨are Liesche Untergruppe von SL(V ), denn es ist f : SL(V ) → SL(V ), g 7→ g · g ∗ ,
wobei g ∗ die bez¨ uglich β zu g adjungierte Abbildung ist, eine differenzierbare Abbildung mit konstantem Rang n2 . Weiter folgt, daß so(V, β) := Te SO(V ) = {A ∈ End(V ) | A + A∗ = 0}.
61
1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten Daß zum Beispiel die SO(3) = SO(R3 , h·, ·i) eine Liesche Gruppe, also insbesondere eine differenzierbare Mannigfaltigkeit ist, ist zum Beispiel in der differentialgeometrischen Behandlung der Mechanik starrer K¨orper wichtig. Die Position eines starren K¨orpers ist n¨amlich ein Paar aus einem Ortspunkt und einem Element aus der SO(3), einer Drehung. F¨ ur das Folgende erinnern wir zun¨achst an die Definition des mengentheoretischen Faserprodukts: Definition 26. Seien f : X → Z und g : Y → Z zwei Abbildungen zwischen Mengen. Dann heißt X ×Z Y := {(x, y) ∈ X × Y | f (x) = g(y)} zusammen mit den beiden induzierten Projektionsabbildungen p : X ×Z Y → X, (x, y) 7→ x und q : X ×Z Y → Y, (x, y) 7→ y das Faserprodukt von X und Y (bez¨ uglich f und g) u ¨ber Z. Beispiel 56. Ist Z einelementig, so ist X ×Z Y = X × Y . Bemerkung 39. Das Faserprodukt ist X ×Z Y ist in der Tat ein Faserprodukt (im kategoriellen Sinne), das heißt, f¨ ur je zwei Abbildungen p0 : W → X und q 0 : W → Y mit 0 0 f ◦p = g ◦q existiert genau eine Abbildung r : W → X ×Z Y mit p0 = p◦r und q 0 = q ◦r. F¨ ur die weiteren Betrachtungen in diesem Unterabschnitt ist außerdem der Begriff der Transversalit¨at wichtig. Vielleicht ist er schon aus der Linearen Algebra bekannt. Definition 27. Seien f : X → Z und g : Y → Z zwei differenzierbare Abbildungen zwischen Mannigfaltigkeiten. Dann heißen f und g zueinander transversal, falls ∀r ∈ Z, (p, q) ∈ X ×Z Y, f (p) = r = g(q) : Tr Z = f∗ (Tp X) + g∗ (Tq Y ). Da f¨ ur uns Untermannigfaltigkeiten durch differenzierbare Abbildungen (n¨amlich injektive Immersionen) gegeben sind, haben wir damit auch Transversalit¨at einer differenzierbaren Abbildung und einer Untermannigfaltigkeit und Transversalit¨at zweier Untermannigfaltigkeiten definiert. Beispiel 57. Sei f : X → Z eine Submersion. Dann ist jede differenzierbare Abbildung g : Y → Z zu f transversal. Die Aussage des folgenden Lemmas ist, daß Urbilder regul¨arer Untermannigfaltigkeiten unter transversalen Abbildungen wieder regul¨are Untermannigfaltigkeiten sind. Sp¨ater wird diese Aussage zu einer u ¨ber alle Untermannigfaltigkeiten verallgemeinert werden.
62
1.5 Untermannigfaltigkeiten Lemma 12. Sei f : X → Y eine differenzierbare Abbildung und B ⊂ Y eine zu f transversale regul¨ are Untermannigfaltigkeit von Y . Dann ist A := f −1 (B) eine regul¨ are Untermannigfaltigkeit von X mit dim X − dim A = dim Y − dim B und ΘA = (f∗ |A )−1 ((f |A )∗ ΘB ), insbesondere also ∀p ∈ A : Tp A = (Tp f )−1 (Tf (p) B). Die induzierte Abbildung f |A : A → B ist differenzierbar. Beweis. Wir zeigen zun¨achst, daß A lokal planierbar ist. Dazu sei p ∈ A, q := f (p) ∈ B. Da B regul¨are Untermannigfaltigkeit ist, ist B in der N¨ahe von q planierbar, das heißt, es existiert eine Karte y : V → Rn von Y mit q ∈ V , y(q) = 0 und B ∩ V = {q 0 ∈ V | ∀1 ≤ i ≤ d : y i (q 0 ) = 0}, wobei d := codimY B = dim Y − dim B. Dann gilt Tq B =
n X i=d+1
R·
∂ (q). ∂y i
An dieser Stelle k¨onnen wir unsere Transversalit¨atsbedingung anwenden, das heißt, wir erhalten: n X ∂ Tq Y = f∗ (Tp X) + Tq B = f∗ (Tp X) + R · i (q). ∂y i=d+1
Damit k¨onnen wir Aussage 11 anwenden. Es existiert also eine Karte x : U → Rm von X mit U ∈ U◦ (f −1 (V ), p) und ∀1 ≤ i ≤ d : xi = y i ◦ f |U
und ∀d + 1 ≤ i ≤ m : xi (p) = 0.
Es folgt, daß A ∩ U = {p0 ∈ U | ∀1 ≤ i ≤ d : xi (p0 ) = 0}, das heißt A ist lokal planierbar und damit eine Untermannigfaltigkeit. Außerdem folgt die Dimensionsaussage des Lemmas. Da B zudem quasiregul¨ar ist, ist außerdem f |A : A → B differenzierbar. Um die Beschreibung von ΘA herzuleiten, beachten wir zun¨achst, daß (f∗ |A )(ΘA ) ⊂ (f |A )∗ ΘB ,
also
ΘA ⊂ (f∗ |A )−1 ((f |A )∗ ΘB ).
63
1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
Wir zeigen Gleichheit, indem wir dim Tp A = dim(Tp f )−1 (Tf (p) B) f¨ ur alle p ∈ A zeigen. Dies ist reine Lineare Algebra und folgt aus der Transversalit¨ at von f und B. Wir k¨onnen aber genauso gut den schon bewiesen Teil des Lemmas auf diese linearisierte Version anwenden und erhalten dim Tp X − dim(Tp f )−1 (Tf (p) B) = dim Tq Y − dim Tq B = dim Tp X − dim Tp A.
Satz 9. Seien f : X → Z und g : Y → Z zwei zueinander transversale Abbildungen zwischen differenzierbaren Mannigfaltigkeiten. Dann ist (das mengentheoretische) Faserprodukt X ×Z Y eine regul¨ are Untermannigfaltigkeit von X × Y der Kodimension dim Z. Bez¨ uglich dieser Differenzierbarkeitsstruktur wird X ×Z Y das Faserprodukt in der Kategorie DIFF. Seien p : X ×Z Y → X und q : X ×Z Y → Y die beiden kanonischen Projektionen mit h := f ◦ p = g ◦ q. Dann gilt ΘX×Z Y = p∗ ΘX ×h∗ ΘZ q ∗ ΘY , wobei das hier auftretende Faserprodukt von Garben von C∞ X×Z Y -Moduln wie im Falle von Moduln definiert wird. Insbesondere gilt ∀(u, v) ∈ X ×Z Y : T(u,v) (X ×Z Y ) = {(ξ, η) ∈ T(p,q) (X × Y ) | (Tp f )(ξ) = (Tq g)(η)}. Beweis. Zun¨achst bemerken wir, daß aus der Transversalit¨at von f und g zueinander die Transversalit¨at von f × g : X × Y → Z × Z zur regul¨aren Untermannigfaltigkeit ∆Z ⊂ Z × Z folgt: Um dies zu zeigen, seien (u, v) ∈ X × Y mit w := f (u) = g(v) und (ζ1 , ζ2 ) ∈ T(w,w) (Z × Z). Da f und g transversal sind, existiert ein ξ ∈ Tu X und ein η ∈ Tv Y mit f∗ ξ − g∗ η = ζ1 − ζ2 . Es folgt (ζ1 , ζ2 ) =
(f∗ ξ, g∗ η) | {z }
∈(f ×g)∗ (Tu,v (X×Y ))
+ (ζ2 − g∗ η, ζ2 − g∗ η) . | {z } ∈T(w,w) (∆Z )
Damit k¨onnen wir das Lemma anwenden, und wir erhalten, daß X ×Z Y = (f × g)−1 (∆Z ) ⊂ X × Y eine regul¨are Untermannigfaltigkeit ist. Die Aussagen u ¨ber die Tangentialgarbe folgen ebenso aus dem Lemma. Die Aussage u ¨ber die universelle Eigenschaft von X ×Z Y in der Kategorie DIFF folgt aus der Tatsache, daß X ×Z Y ein kategorielles Faserprodukt von Mengen ist und daß X ×Z Y eine quasiregul¨are Untermannigfaltigkeit von X × Y ist.
64
1.5 Untermannigfaltigkeiten Aussage 17. Seien f : X → Z und g : Y → Z zwei differenzierbare Abbildungen und fˆ: X×Z Y → Y und gˆ : X×Z Y → X die zwei induzierten Abbildungen vom Faserprodukt. Dann gilt: Ist f injektiv (surjektiv, immersiv, submersiv), so ist auch fˆ injektiv (surjektiv, immersiv, submersiv). (Die analoge Aussage gilt nat¨ urlich auch f¨ ur das Paar aus g und gˆ.) Beweis. Die Aussage u ¨ber die Injektivit¨at beziehungsweise die Surjektivit¨at ist eine reine mengentheoretische Aussage u ¨ber das Faserprodukt in der Kategorie der Mengen und sei dem Leser als Aufgabe u ¨berlassen. Die Aussage u ¨ber die Immersivit¨at und Submersivit¨at folgt aus dieser mengentheoretischen Aussage dann aus der Tatsache, daß T(p,q) (X ×Z Y ) = (Tp X) ×Tr Z (Tq Y ) ein mengentheoretisches Faserprodukt ist. Beispiel 58. Sei f : X → Y ein Faserraum und g : Y 0 → Y eine differenzierbare Abbildung zwischen Mannigfaltigkeiten. Dann ist die kanonische Abbildung g ∗ f : X ×Y Y 0 → Y 0 wieder ein Faserraum, das Urbild des Faserraumes f unter g. Außerdem erhalten wir aus dem Satz eine Aussage u ¨ber Urbilder beliebiger (nicht notwendigerweise regul¨arer wie im Lemma) Untermannigfaltigkeiten. Folgerung 11. Sei f : X → Y eine differenzierbare Abbildung und i : B → Y eine zu f transversale Untermannigfaltigkeit von Y . Wir setzen A := {a ∈ X | f (a) ∈ i(B)} ' B ×Y X ⊂ B × X. Dann ist die kanonische injektive Immersion f ∗ i : A → X eine Untermannigfaltigkeit von X mit dim X − dim A = dim Y − dim B. Die Topologie auf A ist die gr¨ obste, so daß die kanonischen Abbildungen f ∗ i und A → B stetig werden. Beweis. Der Satz ist auf das Paar f : X → Y und die injektive Immersion i : B → Y anzuwenden. Dann nutzen wir noch daß sich Injektivit¨at und Immersivit¨at auf f ∗ i vererbt. Die Aussage u ¨ber die Topologie von A ergibt sich aus der Tatsache, daß A aufgefaßt als Teilmenge von X × Y die Teilraumtopologie tr¨agt.
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1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
Aufgaben Aufgabe 25. Sei G eine Liesche Gruppe und H gleichzeitig eine abstrakte Untergruppe von G und eine regul¨are Untermannigfaltigkeit. Zeigen Sie, daß H eine Liesche Untergruppe von G ist. Aufgabe 26. Sei U ∈ U◦ (Rn , 0) und X := U × Pn−1 mit Pn−1 := P(Rn ). Wir definieren A := {(p, `) ∈ X | p ∈ `} und f : A → U, (p, `) 7→ p. Zeigen Sie, daß A eine abgeschlossene regul¨are Untermannigfaltigkeit von X, f eigentlich (das heißt, Urbilder kompakter Mengen unter f sind kompakt), Z := f −1 ({0}) eine zum Pn−1 kanonisch diffeomorphe Untermannigfaltigkeit von A und f |A\Z : A \ Z → U \ {0} ein Diffeomorphismus ist. Die Mannigfaltigkeit A heißt die Aufblasung von U im Ursprung. Aufgabe 27. Konstruieren Sie explizit eine abgeschlossene Einbettung des zweidimensionalen Torus T in den R3 . Tip: Lassen Sie sich vom anschaulichen Bild des Torus als Fahrradschlauch“ leiten. ” Aufgabe 28. Sei V ein hermitescher Vektorraum, das heißt ein endlichdimensionaler komplexer Vektorraum zusammen mit einem hermiteschen Skalarprodukt h·, ·i : V ×V → C. Zeigen Sie, daß U(V ) := {g ∈ GL(V ) | ∀v, w ∈ V : hg(v), g(w)i = hv, wi} eine (reell!) n2 -dimensionale regul¨are Liesche Untergruppe von GL(V ) ist. Zeigen Sie weiter, daß u(V ) := Te U(V ) = {A ∈ End(V ) | A + A∗ = 0}, wobei A∗ die bez¨ uglich des hermiteschen Skalarproduktes zu A adjungierte Abbildung ( die konjugiert transponierte Abbildung“) bezeichnet. ” Aufgabe 29. Sei X := {(z 1 , z 2 , z 3 ) ∈ C3 \ {0, 0, 0} | (z 1 )2 + (z 2 )2 + (z 3 )2 = 0}. Sei weiter
2 2 2 S := S5 = {(z 1 , z 2 , z 3 ) ∈ C3 | z 1 + z 2 + z 3 = 1}.
Zeigen Sie, daß X eine nicht abgeschlossene regul¨are Untermannigfaltigkeit von C3 ist und X und S sich transversal schneiden. Welche Dimension hat dann die resultierende Mannigfaltigkeit X ∩ S? (Diese Mannigfaltigkeit ist ein sogenannter Linsenraum“.) ”
66
1.6 Faserr¨aume Aufgabe 30. Es sei f : X → Y eine Submersion zwischen Mannigfaltigkeiten und A eine saturierte regul¨are Untermannigfaltigkeit von X, das heißt, f −1 (f (A)) = A. Zeigen Sie, daß dann f (A) eine regul¨are Untermannigfaltigkeit von Y ist. Tip: Lokale Schnitte von f sind zu den Fasern von f transversal.
1.6 Faserr¨ aume In diesem Abschnitt geht es um die insbesondere in der mathematischen Physik wichtigen Faserr¨aume. Wichtige Beispiele f¨ ur die Faserr¨aume sind die Faserb¨ undel, das sind Faserr¨aume, welche lokal wie ein Produkt aussehen. Das wichtigste Beispiel f¨ ur ein Faserb¨ undel wird das Tangentialb¨ undel sein. Um den Umgang mit Faserr¨aumen zu vereinfachen, wollen wir an dieser Stelle ein, zwei Notationen wiederholen beziehungsweise einf¨ uhren: Ist f : X → Y ein Faserraum, so schreiben wir h¨aufig nur X f¨ ur den Faserraum, das heißt wir unterdr¨ ucken die Angabe der Abbildung f ganz ¨ahnlich wie wir bei Untermannigfaltigkeiten h¨aufig die Angabe der Injektion unterdr¨ ucken. Ist q ∈ Y ein Punkt in der Basis des Faserraumes, so schreiben wir X(q) := {p ∈ X | f (p) = q} f¨ ur die Fasern des Faserraumes. Die zugeh¨orige Garbe der Schnitte des Faserraumes X bezeichnen wir mit dem Skript-Buchstaben X.
1.6.1 Faserb¨ undel Definition 28. Seien f : X → Y und f 0 : X 0 → Y zwei Faserr¨aume u ¨ber der Mannigfaltigkeit Y . Ein Morphismus g von Faserr¨ aumen u ¨ber Y von f nach f 0 ist eine differenzierbare Abbildung g : X → X 0 mit f 0 ◦ g = f. F¨ ur einen solchen Morphismus schreiben wir auch g : X →Y X 0 . Ein Morphismus g von Faserr¨aumen induziert also insbesondere differenzierbare Abbildungen zwischen den Fasern, welche ja bekanntlich quasiregul¨are Untermannigfaltigkeiten sind. Die induzierte Abbildung zwischen X(q) und X 0 (q) f¨ ur q ∈ Y wollen wir mit g(q) bezeichnen. Bemerkung 40. Mit dieser Definition bilden die Faserr¨aume u ¨ber Y eine Kategorie, die Kategorie DIFFY der Faserr¨ aume u ¨ber Y . Definition 29. Sei f : X → Y eine differenzierbare Abbildung zwischen Mannigfaltigkeiten. Sei F eine weitere Mannigfaltigkeit. Eine Trivialisierung von f u ¨ber einer offenen Menge V ⊂◦ Y ist ein Diffeomorphismus −1 φ : f (V ) → V × F , der mit der Projektion p : V × F → V, (v, u) 7→ v vertr¨aglich ist, d.h. p ◦ φ = f |f −1 (V ) .
67
1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
Mit anderen Worten ist also φ ein Isomorphismus von Faserr¨aumen. ¨ Die Abbildung f heißt ein Faserb¨ undel mit typischer Faser F , falls eine offene Uberdeckung (Vi )i∈I von Y und Trivialisierungen von f u ¨ber allen Vi existieren. Besitzt f eine globale Trivialisierung, ist f also u ¨ber Y trivial, so heißt f ein triviales Faserb¨ undel. Ist dim F = 0, F also ein diskreter topologischer Raum, so heißt ein Faserb¨ undel f ¨ mit typischer Faser F auch eine Uberlagerung (von Y ). Die M¨achtigkeit #F heißt die Bl¨ atterzahl von f . Beispiel 59. Triviale Faserb¨ undel sind gerade die von der Form p : Y × F → Y, (v, u) 7→ v. Beispiel 60. Es ist R → S1 , t 7→ exp(2πi t) ¨ eine unendlich-bl¨attrige Uberlagerung. Diese ist nicht trivial. Beispiel 61. F¨ ur alle n ∈ N ist C× → C× , z 7→ z n ¨ eine n-bl¨attige Uberlagerung. Diese ist f¨ ur n > 1 nicht trivial. Bemerkung 41. Ist f ein Faserb¨ undel mit typischer Faser F , so gilt: Die Fasern von f sind diffeomorph zu F , die Abbildung f ist submersiv. Es ist f ein Faserraum, wenn F 6= ∅. Beispiel 62. Sind f : X → Y und f 0 : X 0 → Y zwei Faserr¨aume, so heißt der Faserraum f ×Y f 0 : X ×Y X 0 → Y, (p, p0 ) 7→ f (p) = f 0 (p0 ) das Produkt der Faserr¨ aume f und f 0 . (Es handelt sich hier sogar um das kategorielle Produkt.) Ist (φ1 , φ2 ) : f −1 (V ) → V × F eine lokale Trivialisierung von f und (φ01 , φ02 ) : f 0−1 (V 0 ) → V 0 × F 0 eine lokale Trivialisierung von f 0 , so ist ψ : (f ×Y f 0 )−1 (V ∩ V 0 ) → (V ∩ V 0 ) × (F × F 0 ), (p, p0 ) 7→ (f (p) = f (p0 ), (φ2 (p), φ02 (p))) eine lokale Trivialisierung von f ×Y f 0 . Insbesondere folgt, daß das Produkt eines Faserb¨ undels mit typischer Faser F mit einem Faserb¨ undel mit typischer Faser F 0 ein Faserb¨ undel mit typischer Faser F × F 0 ist.
68
1.6 Faserr¨aume
Definition 30. Sei F eine Mannigfaltigkeit. Mit Diff(F ) bezeichnen wir die Gruppe der Diffeomorphismen von F . (Dies ist keine Liesche Gruppe in unserem Sinne.) Ist Z eine weitere Mannigfaltigkeit, so wollen wir eine Abbildung f : Z → Diff(F ) differenzierbar nennen, wenn die induzierte Abbildung Z × F → F, (r, u) 7→ f (r)(u) differenzierbar ist. Beispiel 63. Sei f : X → Y ein Faserb¨ undel mit typischer Faser F . Seien φ : f −1 (U ) → ¨ U × F und ψ : f −1 (V ) → V × F lokale Trivialisierungen von f . Dann ist die Ubergangsoder Verklebeabbildung ψ ◦ φ−1 : U ∩ V → Diff(F ), q 7→ (v 7→ p(ψ(φ−1 (q, v))) eine differenzierbare Abbildung. Hierbei ist p : V × F → F, (q, v) 7→ v wieder die kanonische Projektion. ¨ Bemerkung 42. Sei (Vi )i∈I eine offene Uberdeckung von Y , und seien φi : f −1 (Vi ) → Vi × F lokale Trivialisierungen von f . Dann erf¨ ullt die Familie (gij )i,j∈I mit gij = φi ◦ φ−1 j : Vi ∩ Vj → Diff(F ) die Kozykelbedingung, das heißt ∀i, j, k ∈ I : gij ◦ gjk = gik |Vi ∩Vj ∩Vk und ∀i ∈ I, q ∈ Vi : gii (q) = idF . Es stellt sich heraus, daß aus einem solchen Kozykel das Faserb¨ undel bis auf Isomorphie wieder rekonstruiert werden kann. Und zwar gilt: Aussage 18. Seien Y und F zwei Mannigfaltigkeiten. Sei (gij )i,j∈I ein Kozykel mit ¨ Werten in Diff(F ) u (Vi )i∈I von Y , das heißt die Familie ¨ber der offenen Uberdeckung der Abbildungen gij : Vi ∩ Vj → Diff(F ) erf¨ ullt die Kozykelbedingung. Dann existiert bis auf Isomorphie genau ein Faserb¨ undel f : X → Y mit typischer Faser F , welches ¨ (gij )i,j∈I als Kozykel von Ubergangsabbildungen hat. Die dann zu diesem Kozykel geh¨ orenden lokalen Trivialisierungen heißen die kanonischen.
69
1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
Beweis. Wir zeigen die Existenz des Faserb¨ undels. Sei a Z := Vi × F i∈I
mit den kanonischen Inklusionen ki : Vi × F → Z f¨ ur alle i ∈ I. Dann wird durch ∀i, j ∈ I, q ∈ Vi ∩ Vj , vj ∈ F : ki (q, gij (q)(vj )) :∼ kj (q, vj ) ¨ eine Aquivalenzrelation auf Z definiert. Auf dem Quotienten X := Z/ ∼ existiert genau eine Struktur als differenzierbare Mannigfaltigkeit, so daß die Projektionsabbildung Z → X, r 7→ [r] eine surjektive Submersion wird. Es wird f : X → Y, [ki (q, vi )] 7→ q f¨ ur i ∈ I schließlich ein Faserb¨ undel mit den gesuchten Eigenschaften definiert. Die kanonischen lokalen Trivialisierungen dieses Faserb¨ undels sind φi : f −1 (Vi ) → Vi × F, [ki (q, vi )] 7→ (q, vi ). Den (einfachen) Nachweis der Eindeutigkeit dieser Konstruktion u ¨berlassen wir dem Leser. Bemerkung 43. Sind (gij )i,j∈I und (hij )i,j∈I zwei Kozykel mit Werten in Diff(F ) u ¨ber ¨ der offenen Uberdeckung (Vi )i∈I , so definieren sie bis auf Isomorphie genau dann dasselbe Faserb¨ undel mit typischer Faser F , wenn eine Familie (ki )i∈I von differenzierbaren Abbildungen ki : Vi → Diff(F ) mit ∀i, j ∈ I, q ∈ Vi ∩ Vj : hij (q) = ki (q) gij (q) kj−1 (q) existiert. Sind die beiden Kozykel (gij )i,j∈I und (hij )i,j∈I u ¨ber zwei verschiedenen offenen ¨ Uberdeckungen von Y definiert, so gilt ein entsprechendes Result, wenn erst zu einer ¨ gemeinsamen Verfeinerung beider Uberdeckungen u ¨bergegangen wird.
1.6.2 Vektorb¨ undel Sei f : X → Y ein Faserb¨ undel mit typischer Faser F . Jede Eigenschaft oder Datum auf F , welches invariant unter der Gruppe Diff(F ) ist, induziert eine entsprechende Eigenschaft oder ein entsprechendes Datum auf den Fasern des Faserb¨ undels. Wird f durch einen Kozykel definiert, der Werte in einer Untergruppe G von Diff(F ) annimmt, so werden Eigenschaften und Daten auf F , welche nur invariant unter G zu sein brauchen, auf die einzelnen Fasern transferiert. In diesem Unterabschnitt geht es dabei um F = Rn und G = GL(n) = GL(Rn ).
70
1.6 Faserr¨aume
Definition 31. Sei Y eine Mannigfaltigkeit. Ein Vektorb¨ undel vom Rang r u ¨ber Y ist ein Faserb¨ undel f : X → Y mit typischer Faser Rr zusammen mit differenzierbaren Abbildungen X ×Y X →Y X, (p, p0 ) 7→ p + p0 und R × X →Y X, (λ, p) 7→ λ · p, welche auf den Fasern von f jeweils die Struktur eines r-dimensionalen Vektorraumes induzieren. Ein Morphismus von Vektorb¨ undeln ist ein faserweise linearer Morphismus von Faserr¨aumen, also ein solcher, der die beiden Strukturabbildungen erh¨alt. Ein Vektorb¨ undel u ¨ber Y ist also eine Familie von Vektorr¨aumen jeweils derselben Dimension u ¨ber Y , deren Vektorraumstruktur differenzierbar vom Basispunkt, dem Fuß” punkt“, abh¨angt. Bemerkung 44. Damit k¨onnen wir die Kategorie VECTY der Vektorb¨ undel u ¨ber Y definieren. ¨ Beispiel 64. Sei (gij )i,j∈I ein Kozykel u (Vi )i∈I von Y mit ¨ber der offenen Uberdeckung Werten in der Gruppe GL(n). Dann existiert auf dem durch den Kozykel definiertem Faserb¨ undel f : X → Y mit typischer Faser Rn genau eine Struktur als Vektorb¨ undel vom Rang n, so daß die durch die kanonischen Trivialisierungsabbildungen induzierten Diffeomorphismen X(q) → Rn f¨ ur alle q ∈ Y Isomorphismen von R-Vektorr¨aumen werden. Lemma 13. Ist f : X → Y ein Vektorb¨ undel vom Rang r u ¨ber Y , so existieren lokal sogenannte Vektorb¨ undeltrivialisierungen, das heißt zu jedem Punkt in q ∈ Y existiert eine Umgebung V ∈ U◦ (Y, q), f¨ ur die eine lokale Trivialisierung φ : f −1 (V ) → V × Rr existiert, welche faserweise linear ist. Beweis. Wir w¨ahlen eine lokale (Faserb¨ undel-)Trivialisierung ψ : f −1 (V ) → V × Rr von ¨ f . Uber q ∈ Y induziert uns diese Trivialisierung einen Diffeomorphismus ψ(q) : X(q) → r R . Ohne Einschr¨ankung k¨onnen wir davon ausgehen, daß dies ein Isomorphismus von Vektorr¨aumen ist. Dann betrachten wir die Schnitte si : V → f −1 (V ), q 0 7→ ψ −1 (q 0 , ei ), wobei (e1 , . . . , er ) die Standardbasis des Rr bezeichne. Diese Schnitte bilden in der Faser u ¨ber q eine Basis. Dann betrachten wir φˇ : V × Rr → f −1 (V ), (q 0 , (u1 , . . . , ur )) 7→
r X
ui si (q 0 )
i=1
71
1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
Leiten wir diese Abbildung in geeigneten Faserb¨ undelkarten ab, so erkennen wir, daß dieser Faserraummorphismus u ¨ber q ein Diffeomorphismus ist. Damit ist die Abbildung auch in der N¨ahe von q ein Diffeomorphismus. In den Fasern in der N¨ahe von q m¨ ussen die Schnitte damit auch eine Basis bilden. Ohne Einschr¨ankung k¨onnen wir annehmen, daß V so klein ist, daß die Schnitte in allen Fasern eine Basis bilden. (Ein solches Tupel (s1 , . . . , sr ) von Schnitten wollen wir ein lokales Basisfeld nennen.) Damit ist die Umkehrung von φˇ eine lokale Vektorb¨ undeltrivialisierung von f u ¨ber V . Bemerkung 45. Sei f : E → Y ein Vektorb¨ undel u ¨ber Y . Dann ist die Garbe E der Schnitte von E in kanonischer Weise ein C∞ -Modul. Und zwar definieren wir Addition X und Skalarmultiplikation punktweise wie folgt: Sei V ⊂◦ Y . Sind s, s0 ∈ E(V ), so setzen wir s + s0 : V → f −1 (V ), q 7→ s(q) + s0 (q) und ist weiter λ ∈ C∞ X (V ), so setzen wir λ · s : V → f −1 (V ), q 7→ λ(q) · s(q). Der folgende Satz liefert uns sofort unz¨ahlige weitere Beispiele f¨ ur Vektorb¨ undel liefert. Satz 10. Sei Y eine Mannigfaltigkeit. Die Kategorie der lokal freien C∞ ¨ber Y -Moduln u Y (endlichen Ranges) ist ¨ aquivalent zur Kategorie der Vektorb¨ undel (endlichen Ran¨ ges) auf Y . Unter dieser Aquivalenz wird jedem Vektorb¨ undel die Garbe seiner Schnitte zugewiesen. Beweis. Nach der letzten Bemerkung ist die Garbe der Schnitte eines Vektorb¨ undels f : X → Y in kanonischer Weise mit der Struktur eines C∞ -Moduls versehen. Ist f X trivial als Vektorb¨ undel von einem Rang n, das heißt, die Projektion X = Y × Rn → Y mit der kanonischen Struktur als Vektorb¨ undel, so wird die Garbe der Schnitte Γf ∞ offensichtlich zu einer freien CY -Modulgarbe vom Rang n. Da Vektorb¨ undel nach dem Lemma lokal aber immer so aussehen, folgt, daß beliebige Vektorb¨ undel f lokal freie Garben Γf induzieren. Schließlich geben wir die umgekehrte Konstruktion eines Vektorb¨ undels aus einer lokal -Modul vom Rang n. Sei (Vi )i∈I eine offene freien Garbe an. Dazu sei F ein lokal freier C∞ Y ¨ Uberdeckung von Y , so daß Isomorphismen ⊕n φi : FVi → C∞ Y |Vi
von freien Garben vom Rang n existieren. Dann versehen wir X :=
a q∈Y
72
F(q),
1.6 Faserr¨aume welches zusammen mit einer Fußpunktabbildung“ f : X → Y kommt, derart mit der ” Struktur einer differenzierbaren Mannigfaltigkeit, daß die Abbildungen ψi : f −1 (Vi ) → Vi × Rn , (p ∈ F(q)) 7→ φi (q)(p) Diffeomorphismen werden. Damit wird f zu einem Faserraum, der eine nat¨ urliche Struktur als Vektorb¨ undel tr¨agt. Dies ist das gew¨ unschte Vektorb¨ undel. Wir u ¨berlassen dem Leser den Nachweis, daß beide Konstruktionen bis auf Isomorphie kompatibel sind und die Morphismenmengen beider Kategorien bijektiv aufeinander abbilden. Ist E eine lokal freie Garbe, so bezeichnen wir in Zukunft mit E den Totalraum des zugeh¨origen Vektorb¨ undels. Bemerkung 46. Die im Satz angegebene Konstruktion ist mit dem Begriff der Faser und dem Rang einer Modulgarbe beziehungsweise eines Vektorb¨ undels vertr¨aglich. Beispiel 65. F¨ ur jede Mannigfaltigkeit X der Dimension n definiert die Tangentialgarbe ΘX ein Vektorb¨ undel πX : T X → X vom Rang n, das Tangentialb¨ undel von X. Die Fasern dieses B¨ undels sind kanonisch isomorph zu den Tangentialr¨aumen. Ist x : U → Rn eine Karte von X, so wird durch −1 (U ) → R2n (q 1 , . . . , q n , q˙1 , . . . , q˙n ) : πX
mit q i = xi ◦ πX |π−1 (U ) X
und q˙i |Tp X : ξ 7→ dxi (ξ)
f¨ ur alle 1 ≤ i ≤ n und p ∈ U eine B¨ undelkarte von T X definiert. ¨ Ist (Ui )i∈I eine offene Uberdeckung von X, f¨ ur die Karten xi : Ui → Rn existieren, so wird ein das Tangentialb¨ undel definierender Kozykel durch gij : Ui ∩ Uj → GL(n), p 7→ J(y ◦ x−1 )(p) definiert. H¨aufig kann der Zustandsraum eines physikalischen Systems durch den Totalraum des Tangentialb¨ undel einer Mannigfaltigkeit beschrieben werden. Betrachten wir zum Beispiel ein Teilchen, welches sich auf einer Mannigfaltigkeit X bewegen kann, so ist in der Newtonschen Mechanik der Zustand des Teilchens durch ein Element des Tangentialb¨ undels T X gegeben. In der Lagrangschen Formulierung der klassischen Mechanik ist die Lagrangefunktion damit auch u undel einer Mannigfaltigkeit definiert. ¨ber dem Tangentialb¨ Beispiel 66. F¨ ur jede Mannigfaltigkeit X der Dimension n definiert die Kotangentialgar∨ : T ∨ X → X vom Rang n, das Kotangentialb¨ be ΩX ein Vektorb¨ undel πX undel von X. Die Fasern dieses B¨ undels sind kanonisch isomorph zu den Kotangentialr¨aumen.
73
1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten Ist x : U → Rn eine Karte von X, so wird durch ∨ −1 (q 1 , . . . , q n , q1 , . . . , qn ) : (πX ) (U ) → R2n
mit
∂ (p)) ∂xi f¨ ur alle 1 ≤ i ≤ n und p ∈ U eine B¨ undelkarte von T ∨ X definiert. ¨ Ist (Ui )i∈I eine offene Uberdeckung von X, f¨ ur die Karten xi : Ui → Rn existieren, so wird ein das Kotangentialb¨ undel definierender Kozykel durch ∨ ∨ )−1 (U ) q i = xi ◦ πX |(πX
und qi |Tp∨ X : α 7→ α(
gij : Ui ∩ Uj → GL(n), p 7→ J(y ◦ x−1 )∨ (p) definiert, wobei das Dualzeichen hier f¨ ur die Anwendung des Transponierens und Inversenbildens steht. Ist X wie oben der Konfigurationsraum eines physikalischen Systems, so heißt T ∨ X der Phasenraum des Systems. Auf dem Phasenraum spielt sich die Hamiltonsche Mechanik ab. Wir verweisen in diesem Zusammenhang auch auf Aufgabe 33 Bemerkung 47. Der letzte Satz erlaubt es uns, Konstruktionen von lokal freien Garben auf Vektorb¨ undel zu u ¨bertragen. Sind etwa E und F zwei lokal freie Garben u ¨ber einer ¨ Mannigfaltigkeit Y , so ist ihre direkte Summe E⊕F wieder eine lokal freie Garbe. Uber die ¨ Aquivalenz zwischen lokal freien Garben und Vektorb¨ undeln ist damit auch die direkte Summe von Vektorb¨ undeln definiert. (Die direkte Summe schreiben wir in der Form E ⊕Y F .) Analog l¨aßt sich zu jedem Vektorb¨ undel E → Y sein duales B¨ undel E ∨ → Y definieren. In diesem Sinne entsteht das Kotangential- aus dem Tangentialb¨ undel (und umgekehrt). Da die Garbe Hom(E, F) f¨ ur die lokal freien Garben E und F wieder lokal frei ist, ist damit das Vektorb¨ undel HomY (E, F ) definiert, dessen Faser u ¨ber p ∈ Y gerade die linearen Abbildungen von E(p) nach F (p) sind. Ist g : Y 0 → Y eine differenzierbare Abbildung, so ist bekanntlicherweise g ∗ E wieder eine lokal freie Garbe auf Y 0 . Damit ist auch das Urbild eines Vektorb¨ undels als Vektorb¨ undel definiert. Als Faserb¨ undel stimmt es mit dem Faserb¨ undelurbild u ¨berein. Beispiel 67. Ist f : X → Y eine differenzierbare Abbildung, so ist bekanntlicherweise die Tangentialabbildung f∗ : ΘX → f ∗ ΘY ein Morphismus von C∞ X -Modulgarben. Damit ∗ induziert f∗ auch eine Abbildung f∗ : T X → f (T Y ) zwischen Vektorb¨ undeln auf X. Um die letzte Bemerkung auf die Konstruktion des Kerns anzuwenden, m¨ ussen wir etwas weiter ausholen, da nicht jeder Morphismus von Vektorb¨ undeln einen Vektorb¨ undelkern hat: Definition 32. Sei X eine Mannigfaltigkeit und E und F zwei lokal freie Garben auf X. Sei r ∈ N0 . Ein Morphismus f : E → F von C∞ X -Moduln (oder alternativ von Vektorb¨ undeln) ist vom konstanten Rang r, falls er faserweise lineare Abbildungen vom Rang r induziert.
74
1.6 Faserr¨aume
Wir wollen zeigen, daß der Kern dieser Morphismen konstanten Ranges in der Kategorie der Vektorb¨ undel beziehungsweise lokal freien Garben existiert: Aussage 19. Sei f : E → F ein Morphismus vom konstanten Rang r zwischen lokal freien Garben auf der Mannigfaltigkeit X. Dann ist der Garbenkern ker f , welcher durch (ker f )(U ) := ker(f (U )) f¨ ur alle U ⊂◦ X mit den offensichtlichen Einschr¨ ankungsabbildungen definiert ist, eine lokal freie Untergarbe vom Korang r in E. (Warnung: Die Definition der Bildgarbe“ im f ist komplizierter.) ” Beweis. Da die Frage lokal in X ist, k¨onnen wir ohne Einschr¨ankung davon ausgehen, ⊕m und F = (C∞ )⊕n . Dann ist der Morphismus f durch eine Matrix daß E = (C∞ X) X n f = (φij )ij ∈ (C∞ X (X))m
gegeben. Sei p ∈ X. Wir wollen zeigen, daß ker f in der N¨ahe von p lokal frei ist. Da f (p) ∈ Rnm Rang r hat, k¨ onnen wir (nach eventueller Umindizierung der Basen) davon ausgehen, daß der obere linke (r × r)-Untermatrix A(p) von f (p) eine invertierbare Matrix ist, also invertierbare Determinante hat. Da die Determinante stetig von p abh¨angt, k¨onnen wir weiter davon ausgehen, daß die obere linke (r × r)-Untermatrix A(q) von f (q) f¨ ur alle q ∈ U f¨ ur ein U ∈ U◦ (X, p) invertierbar ist. Schreiben wir f |U in Blockmatrixform A B f |U = , C D so ist, da die untere Zeile aus Ranggr¨ unden linear abh¨angig von der oberen ist, ker f (U ) =
m M
C∞ X (U ) · si
i=r+1
mit
si =
−A−1 B yi yi ,
mit yi = (0, . . . , 1, . . . , 0) ∈ Rm−r und der Eins an der (i − r). Stelle. Bemerkung 48. Damit ist insbesondere der Kern von Vektorb¨ undelmorphismen f : E →X F mit konstantem Rang als Vektorb¨ undel definiert, und zwar als Untervektorb¨ undel von E. Dabei ist ein Untervektorb¨ undel eines Vektorb¨ undels E u undel ¨ber X ein Vektorb¨ E0 u ¨ber X zusammen mit einem injektiven Morphismus E 0 →X E von konstantem (maximalen) Rang.
75
1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten Beispiel 68. Sei E ein Vektorb¨ undel auf X. Sei s ∈ E(X) ein globaler Schnitt des B¨ undels, der nirgends eine Nullstelle hat. Dann wird durch R · s := {λ · s(p) | λ ∈ R, p ∈ X} ⊂ E in kanonischer Weise ein Untervektorb¨ undel vom Rang 1 von E definiert. (Vektorb¨ undel vom Rang 1 heißen auch Geradenb¨ undel.) Beispiel 69. Sei f : X → Y ein Faserraum. Dann hat der Morphismus f∗ : T X → f ∗ (T Y ) u ¨berall Maximalrang, hat also insbesondere konstanten Rang. Damit existiert das Untervektorb¨ undel V f := ker f∗ ⊂ T X, das vertikale Untervektorb¨ undel von f . Es gilt ∀p ∈ X : V (f )(p) = Tp (X(f (p))).
1.6.3 Eigentliche Gruppenoperationen Insbesondere zur Vorbereitung auf den n¨achsten Abschnitt besch¨aftigen wir uns im folgenden ein wenig mehr mit dem Begriff der Gruppenoperation. Unter anderem interessiert uns die Antwort auf die Frage, wann die Abbildung von einem Raum mit einer Operation auf den Bahnenraum ein Faserraum wird. Zun¨achst wiederholen wir den Begriff der eigentlichen Abbildung. (Es sei bemerkt, daß es noch andere Definition f¨ ur Eigentlichkeit gibt — alle diese fallen aber bei den f¨ ur uns interessanten lokal kompakten Hausdorffr¨aumen zusammen.) Definition 33. Eine stetige Abbildung f : X → Y zwischen topologischen R¨aumen heißt eigentlich, falls sie abgeschlossen ist (d.h. Bilder abgeschlossener Mengen sind abgeschlossen) und quasikompakte Fasern besitzt (d.h. Urbilder einpunktiger Teilmengen von Y sind kompakt). Beispiel 70. Ist f die Einbettung eines abgeschlossenen Teilraums X in Y , so ist f eigentlich. Insbesondere sind regul¨are Untermannigfaltigkeiten f eigentlich. Beispiel 71. Sind X kompakt (also quasikompakt und hausdorffsch) und Y hausdorffsch, so ist f eigentlich. Die folgende Aussage charakterisiert eigentliche Abbildungen zwischen Hausdorffr¨ aumen. Aussage 20. Sei f : X → Y eine stetige Abbildung zwischen den topologischen R¨ aumen X und Y . Dann gilt: f eigentlich =⇒ ∀K ⊂ X, K quasikompakt : f −1 (K) quasikompakt. Ist Y sogar lokal kompakter Hausdorffraum, so gilt auch die R¨ uckrichtung. Folgerung 12. Seien f : X → Y und g : Y → Z eigentliche Abbildungen zwischen topologischen R¨ aumen. Dann ist die Komposition g ◦ f eigentlich.
76
1.6 Faserr¨aume Aussage 21. Sei f : X → Y eine stetige Injektion zwischen topologischen R¨ aumen X und Y . Dann sind folgende Aussagen ¨ aquivalent: 1. Die Abbildung f ist eigentlich. 2. Die Abbildung f ist abgeschlossen. 3. Die Abbildung f hat abgeschlossenes Bild R := f (X) und induziert einen Hom¨ oomorphismus X → R. Aussage 22. Ist f : X → Y eigentliche Abbildung zwischen den topologischen R¨ aumen X und Y und B ⊂ Y , so ist auch fB : f −1 (B) → B, p 7→ f (p) eigentlich. Den Begriff der eigentlichen Abbildung werden wir nutzen, um besonders sch¨one Gruppenoperationen auszuzeichnen: Definition 34. Operiere die topologische Gruppe G (das ist ein topologischer Raum mit einer Gruppenstruktur, so daß Multiplikation und Inversenbildung stetig sind) auf dem topologischen Raum X (insbesondere sei die Operation stetig). Dann heißt die Operation eigentlich, falls die induzierte Abbildung θ : G × X → X × X, (g, p) 7→ (g p, p) eigentlich ist. Beispiel 72. Ist H eine abgeschlossene Untergruppe von G und operiert G eigentlich auf X, so ist die induzierte Abbildung von H auf X wieder eigentlich. Um Beispiele eigentlicher Gruppenoperationen zu gewinnen, ist folgende Definition wichtig: Definition 35. Operiere die topologische Gruppe G auf dem topologischen Raum X. Die Operation hat kompakte Wiederkehr, falls f¨ ur alle (p, q) ∈ X ×X offene Umgebungen ◦ ◦ U ∈ U (X, p) und V ∈ U (X, q) existieren, so daß {g ∈ G | g U ∩ V 6= ∅} in einem quasikompakten Teilraum von G enthalten ist. Beispiel 73. Operationen quasikompakter Gruppen haben kompakte Wiederkehr. Aussage 23. Eine Operation einer topologischen Gruppe auf einem Hausdorffraum mit kompakter Wiederkehr ist eigentlich.
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1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
Beispiel 74. Operationen quasikompakter Gruppen auf Hausdorffr¨aumen sind eigentlich. Aussage 24. Operiere die topologische Gruppe frei auf dem topologischen Raum X, das heißt ∀g ∈ G, p ∈ X : g p = p =⇒ g = e, wobei e wie auch im folgenden f¨ ur das neutrale Element von G steht. Dann sind folgende Aussagen ¨ aquivalent: 1. G operiert eigentlich. 2. Die Menge R := θ(G ×X) ist in X ×X abgeschlossen und die induzierte Abbildung G × X → R ist ein Hom¨ oomorphismus. 3. R ist in X × X abgeschlossen und die wohldefinierte (!) Abbildung R → G, (g p, p) 7→ g ist stetig. Beispiel 75. Sei H eine abgeschlossene Untergruppe von G. Dann operiert H durch Linksmultiplikation frei und eigentlich auf G. Beispiel 76. Operiere G (von rechts) frei und eigentlich auf dem topologischen Raum P und (von links) beliebig auf dem Hausdorffraum F . Dann ist die assoziierte Operation (P × F ) × G → P × F, ((p, v), g) 7→ (p g, g −1 v) eine freie und eigentliche Operation. Der wesentliche Grund, weswegen es sich lohnt, eigentliche Gruppenoperationen anzuschauen, ist die folgende Aussage: Aussage 25. Sei ρ : G × X → X eine eigentliche Operation der topologischen Gruppe auf dem topologischen Raum X. Sei p ∈ X. Dann gelten folgende Aussagen: 1. Der Orbitraum X/G ist hausdorffsch. 2. Ist G hausdorffsch, so auch X. 3. Es ist ρp : G → X, g 7→ gp eigentlich. 4. Die Standgruppe Gp := {g ∈ G | g p = p} ist kompakt.
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1.6 Faserr¨aume
5. Der Orbit G p = {g p | g ∈ G} ist in X abgeschlossen. 6. Es ist ρp : G/Gp → G p, g Gp 7→ g p ein Hom¨ oomorphismus. Hierbei wird G/Gp mit der Quotiententopologie versehen. Definition 36. Ein nicht leerer topologischer Raum X ein ein schwach-Bairescher ¨ Raum, falls f¨ ur jede abz¨ahlbare Uberdeckung (Ai )i∈N von X durch abgeschlossene Men◦ gen ein i ∈ N mit Ai 6= ∅ existiert. Beispiel 77. Lokal kompakte Hausdorffr¨aume (z.B. Mannigfaltigkeiten) sind schwachBairesch (sogar Bairesch). Satz 11. Sei ρ : G × X → X eine transitive Operation der lokal kompakten, hausdorffschen, topologischen Gruppe G mit abz¨ ahlbarer Basis der Topologie auf dem schwachBaireschen Raum X, d.h. ∀p, q ∈ G : ∃g ∈ G : g p = q. F¨ ur p ∈ X gilt dann 1. Die stetige Abbildung ρp : G → X ist offen. 2. Die stetige Abbildung ρp : G/Gp → X ist ein Hom¨ oomorphismus. Nachdem wir inzwischen genug Aussagen u ¨ber eigentliche Gruppenoperationen im topologischen Fall gesammelt haben, k¨onnen wir schließlich einen Satz f¨ ur den uns interessierenden Fall Liescher Gruppen beweisen: Satz 12. Sei G eine Liesche Gruppe mit abz¨ ahlbarer Basis. Operiere G eigentlich auf der Mannigfaltigkeit X. Dann gilt f¨ ur alle p ∈ X: 1. Die Standgruppe Gp ist eine abgeschlossene Liesche Untergruppe von G. 2. Der Orbit G p ist eine abgeschlossene regul¨ are Untermannigfaltigkeit der Dimension dim G − dim Gp von X. 3. Es existiert auf G/Gp genau eine Struktur einer Mannigfaltigkeit, so daß π p : G → G/Gp , g 7→ g Gp zu einem Faserraum wird. Weiter wird dadurch die Abbildung G/Gp → G p, g Gp → g p
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1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
zu einem Diffeomorphismus und G × (G/Gp ) → G/Gp , (g, h Gp ) 7→ gh Gp zu einer (differenzierbaren!) Operation von G auf G/Gp . Beweis. Zun¨achst ist die Abbildung ρp : G → X, g 7→ g p eine Abbildung eines konstanten Ranges r, da sie bez¨ uglich der Linksmultiplikation von G ¨aquivariant ist. Damit ist p −1 Gp = (ρ ) ({p}) nach dem Satz u ¨ber gleichungsdefinierte Untermannigfaltigkeiten eine abgeschlossene (insbesondere also regul¨are) Untermannigfaltigkeit von G der Dimension dim G − r. Weiterhin folgt aus dem Rangsatz f¨ ur diese Abbildung ρp , daß eine offene Umgebung ◦ p Up ∈ U (G, e) existiert, so daß ρ (Up ) eine regul¨are Untermannigfaltigkeit der Dimension r von X ist. Aus der Eigentlichkeit der Operation folgt, daß G p abgeschlossene Teilmenge von X ist und damit selbst lokal kompakt, also schwach-Bairesch. Damit folgt aus dem letzten Satz, daß die Abbildung G → G p, g 7→ g p eine offene ist. Insbesondere existiert damit eine offene Umgebung Wp ∈ U◦ (X, p) mit ρp (Up ) = Wp ∩ G p nach Definition der Teilraumtopologie. Es ist also Wp ∩ G p eine regul¨are Untermannigfaltigkeit der Dimension r von X. F¨ ur alle q ∈ G p existieren wegen G p = G q analog Wq ∈ U◦ (X, q), so daß Wq ∩ G p regul¨are Untermannigfaltigkeit der Dimension r von X ist. Nach der lokalen Charakterisierung regul¨arer Untermannigfaltigkeiten ist damit G p eine regul¨ are Untermannigfaltigkeit der Dimension r = dim G − dim Gp von X. Wir halten weiter fest, daß die Abbildung G → G p als surjektive Abbildung konstanten Ranges nach dem Satz von Sard damit auch submersiv sein muß. Schließlich betrachten wir die Abbildung G/Gp → G p. Wir wissen nach dem letzten Satz schon, daß diese Abbildung eine Hom¨oomorphismus ist. Damit existiert auf G/Gp genau eine Struktur einer Mannigfaltigkeit, so daß diese Abbildung ein Diffeomorphismus wird. Bez¨ uglich dieser Struktur ist π p eine surjektive Submersion (denn π p faktorisiert u ¨ber G p), also ein Faserraum (woraus die Eindeutigkeit der Differenzierbarkeitsstruktur bez¨ uglich π p folgt). Außerdem ist G × G → G × (G/Gp ), (g, h) 7→ (g, π p (h)) ein Faserraum und damit folgt die Differenzierbarkeit von G × (G/Gp ) → G/Gp aus der Differenzierbarkeit von G × G → G/Gp , (g, h) 7→ π p (g h).
1.6.4 Hauptfaserb¨ undel Definition 37. Sei G eine Gruppe. Ein G-Hauptraum X ist eine G-Menge, das ist eine Menge, auf der G operiert, so daß die Operation einfach transitiv ist, das heißt ∀p, q ∈ X : ∃!g ∈ G : g p = q.
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1.6 Faserr¨aume
Bemerkung 49. Ein G-Hauptraum X induziert also eine kanonische Abbildung, geschrieben X × X → G, (p, q) 7→ q p−1 , mit ∀p, q ∈ X : (q p−1 ) p = q. Wir wollen diese Abbildung die Verbindungsabbildung nennen. Beispiel 78. Operiere eine Gruppe G durch Linksmultiplikation auf sich selbst. Dann ist G ein G-Hauptraum. In diesem Fall ist die Verbindungsabbildung gerade G × G → G, (g, h) 7→ h g −1 . Beispiel 79. Ist A ein affiner Raum u ¨ber dem Vektorraum V , so ist A in kanonischer Weise ein V -Hauptraum. Im Falle differenzierbarer Operationen Liescher Gruppen ist die Verbindungsabbildung wieder differenzierbar. Dies zeigen wir mit folgendem Lemma: Lemma 14. Seien ξ : E → B, ξ 0 : E 0 → B und η : F → B drei Faserr¨ aume u ¨ber eine Mannigfaltigkeit B. Seien weiter g : E ×B E 0 →B F und h : E →B F zwei Faserraummorphismen u ¨ber B. Es gelte ∀b ∈ B, p ∈ E(b) : g(b)(p, ·) : E 0 (b) → F (b) ist ein lokaler Diffeomorphismus. Existiert dann genau eine Abbildung f : E → E 0 (von Mengen) mit ξ 0 ◦ f = ξ und ∀p ∈ E : g(p, f (p)) = h(p), so ist f schon ein Faserraummorphismus von E nach E 0 , insbesondere also differenzierbar. Beweis. Es ist lediglich zu zeigen, daß f differenzierbar ist. Dies ist eine lokale Frage, wir k¨onnen daher aufgrund der Existenz kompatibler Faserraumkarten davon ausgehen, 0 daß B = Rb und die Faserr¨aume durch Projektionen ξ : Rb+e → Rb , ξ 0 : Rb+e → Rb und η : Rb+f → Rb auf die jeweils ersten b Koordinaten gegeben sind. Die Faserraummor0 phismen g und h werden damit durch differenzierbare Abbildungen g : Rb+e+e → Rf und h : Rb+e → Rf gegeben. Die Abbildung f entspricht einer eindeutigen Abbildung 0 f : Rb+e → Re mit ∀u ∈ Rb , v ∈ Re : g(u, v, f (u, v)) = h(u, v). Wir wollen den aus der Analysis bekannten Satz u ¨ber implizit definierte Funktionen anwenden, um zu zeigen, daß f differenzierbar ist. Dazu m¨ ussen wir zeigen, daß f¨ ur alle (u, v) ∈ Rb+e die Abbildung 0 g(u, v, ·) : Re → Rf ein lokaler Diffeomorphismus ist. Das ist aber gerade die Voraussetzung an g gewesen.
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1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
Aussage 26. Seien G eine Liesche Gruppe und X ein G-Hauptraum. (Da es sich hier um eine Liesche Gruppe handelt, wollen wir ab sofort implizit voraussetzen, daß X eine Mannigfaltigkeit und die Operation differenzierbar ist.) Dann ist der Verbindungmorphismus X × X → G differenzierbar. Beweis. Wir wenden das Lemma auf die Situation einer einpunktigen Basis B und Faserr¨aumen E = X × X, E 0 = G, F = X und die Abbildungen g : X × X × G → X, (p, q, g) 7→ g p und h : X × X → X, (p, q) 7→ q an. Dann existiert zun¨achst genau eine Abbildung (von Mengen) f : X × X → G mit ∀p, q ∈ X : g(p, q, f (p, q)) = h(p), n¨amlich der Verbindungsmorphismus. Wir k¨onnen das Lemma anwenden, da f¨ ur alle p, q ∈ X die Abbildung g(p, q, ·) : G → X g 7→ g p ein lokaler Diffeomorphismus ist. Dies folgt aus dem Rangsatz, denn die Abbildung hat konstanten Rang und ist bijektiv. Folgerung 13. Sei G eine Liesche Gruppe. Dann ist die Inversenbildung G → G, g 7→ g −1 differenzierbar. F¨ ur die folgende Definition bemerken wir, daß wir Hauptr¨aume auch f¨ ur Operationen von rechts definieren k¨onnen. Definition 38. Sei G eine Liesche Gruppe und B eine Mannigfaltigkeit. Ein G-Hauptfaserb¨ undel f : P → B ist ein Faserraum f zusammen mit einem Faserraummorphismus ρ : P × G →B P, welcher auf den Fasern von f die Struktur von G-Hauptr¨aumen induziert. Ein Morphismus von G-Hauptfaserb¨ undeln ist ein Faserraummorphismus, der faserweise G-¨aquivariante Abbildungen induziert. Ein anderer Name f¨ ur Hauptfaserb¨ undel ist Prinzipal(faser-)b¨ undel. Bemerkung 50. Da G-¨aquivariante Abbildungen zwischen G-Hauptr¨aumen immer Diffeomorphismen sind (warum?), folgt, daß Morphismen zwischen G-Hauptfaserb¨ undeln immer Isomorphismen sind.
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1.6 Faserr¨aume
Beispiel 80. Jeder G-Hauptraum X ist ein G-Hauptfaserb¨ undel u ¨ber der einpunktigen Mannigfaltigkeit. Sei B die Zeitachse. Dann ist die Energie eines mechanischen Systems ein Schnitt in einem (trivialen) R-Hauptfaserb¨ undel. Aus der Physik stammt auch die Terminologie, einen Schnitt in einem Hauptfaserb¨ undel eine Eichung zu nennen. Bemerkung 51. Durch Zusammensetzen der Verbindungsmorphismen der Fasern erhalten wir f¨ ur das G-Hauptfaserb¨ undel f : P → B einen Verbindungsmorphismus P ×B P → G. Mit Hilfe des letzten Lemmas k¨onnen wir wieder beweisen, daß dieser Verbindungsmorphismus differenzierbar ist. Lemma 15. Ist f : P → B ein G-Hauptfaserb¨ undel, so existieren sogenannte Hauptfaserb¨ undeltrivialisierungen, das heißt zu jedem Punkt b ∈ B existiert eine Umgebung U ∈ U◦ (B, b), f¨ ur die eine lokale Trivialisierung φ : f −1 (U ) → U × G existiert, welche faserweise G-¨ aquivariant ist (wobei wir auf der rechten Seite die G-Struktur durch Rechtsmultiplikation definieren). Damit sind G-Hauptfaserb¨ undel insbesondere Faserb¨ undel (mit typischer Faser G), welches den f¨ ur diese Objekte gew¨ ahlten Namen nachtr¨ aglich rechtfertigt. Beweis. Sei s : U → P ein in der N¨ahe von b definierter Schnitt, also eine Eichung von f . Dann ist φ : f −1 (U ) → U × G, p 7→ (f (p), f (p) s(b)−1 ) eine gew¨ unschte lokale Trivialisierung mit differenzierbarer Umkehrung φˇ : U × G → f −1 (U ), (b, g) 7→ g s(b).
Beispiel 81. Zu jedem Vektorb¨ undel ξ : E → B vom Rang r u ¨ber B l¨aßt sich ein GL(r)Hauptfaserb¨ undel konstruieren. Dies geschieht u ber folgende Konstruktion. Zun¨achst ¨ sei a Lξ := Iso(Rr , E(b)) b∈B
die Menge alle Basen aller Fasern von E. Dabei steht Iso(V, W ) f¨ ur zwei Vektorr¨aume V und W f¨ ur die Menge der Vektorraumisomorphismen von V nach W — Vektorraumisomorphismen von Rdim W nach W entsprechen dann offensichtlich Basen von B. Sei f : Lξ → B die offensichtliche Fußpunktabbildung. Jede lokale Vektorb¨ undeltrivialisierung φ : ξ −1 (U ) → U × Rr von ξ induziert eine Abbildung f −1 (U ) → U × GL(r), p 7→ (f (p), φ(f (p)) ◦ p).
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1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
Auf Lξ gibt es genau eine Struktur als differenzierbare Mannigfaltigkeit, so daß f ein Faserraum und diese Abbildungen differenzierbar werden. Schließlich ist die Abbildung Lξ × GL(r) →B Lξ, p 7→ p ◦ g differenzierbar und macht jede Faser zu einem GL(r)-Hauptraum. Damit ist Lξ ein GL(r)-Hauptfaserb¨ undel, das zu ξ assoziierte Basisb¨ undel. Beispiel 82. Das Rahmen- oder Basisb¨ undel einer Mannigfaltigkeit B ist das zu πB : T B → B assoziierte Basisb¨ undel LπB . Beispiel 83. Ist f : P → B ein G-Hauptfaserb¨ undel und g : B 0 → B eine differenzier∗ ∗ bare Abbildung, so ist das Urbild g f : g P → B 0 in kanonischer Weise wieder ein G-Hauptfaserb¨ undel. Beispiel 84. Ist f : P → B ein G-Hauptfaserb¨ undel und f 0 : P 0 → B ein G0 -Hauptfaserb¨ undel, so ist das Faserprodukt f ×B f 0 : P ×B P 0 → B in kanonischer Weise ein G × G0 -Hauptfaserb¨ undel. In diesem Zusammenhang wollen wir das Faserprodukt das ¨ außere Produkt nennen. Hauptfaserb¨ undel haben eine ganz spezielle globale Struktur, n¨amlich die als Gruppenquotient einer freien und eigentlichen Operation. Dies besagt der folgende Satz, zu dessen Beweis wir allerdings noch ein Lemma ben¨otigen. Lemma 16. Seien G eine Lieschen Gruppe, P eine Mannigfaltigkeit und operiere G von rechts auf frei durch ρ : P × G → P auf P . Sei p ∈ P . Wir setzen voraus, daß p G eine abgeschlossene Untermannigfaltigkeit von P ist (welche dann automatisch zu G diffeomorph ist). F¨ ur eine regul¨ are Untermannigfaltigkeit N von P mit p ∈ N und Tp P = Tp N ⊕ Tp (p G) gilt dann: Es existieren V ∈ U◦ (N, p) und U ∈ U◦ (G, e), so daß V U ∈ U◦ (P, p) und ρ|V ×U ein Diffeomorphismus auf V U ist. Liegen alle Punkte von V sogar in verschiedenen Bahnen (ist also ρ|V ×G injektiv), so ist V G eine offene Teilmenge von P und ρ|V ×G ein Diffeomorphismus auf V G. Beweis. Sei ρ˜ := ρ|N ×G : N × G → P. Nach Voraussetzung ist ρ˜ an der Stelle (p, e) ∈ N ×G submersiv. Aus Dimensionsgr¨ unden (dim G = dim p G) ist ρ˜ damit an der Stelle (p, e) ein lokaler Diffeomorphismus. Dies gilt damit auch in einer Umgebund von (p, e). Damit k¨onnen wir U und V so w¨ahlen, daß die erste Behauptung des Lemmas erf¨ ullt ist. Gehen wir jetzt zus¨atzlich davon aus, daß alle Punkte von V in verschiedenen Bahnen ¨ liegen. Zun¨achst bemerken wir, daß aus Aquivarianzgr¨ unden die Abbildung ρ˜ an allen (q, g) ∈ V × G ein lokaler Diffeomorphismus ist. Da G frei operiert, ist ρ˜|V ×G sogar injektiv, also ein Diffeomorphismus auf sein Bild V G.
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1.6 Faserr¨aume
Satz 13. Seien G eine Lieschen Gruppe, P eine Mannigfaltigkeit und operiere G von rechts auf frei auf P . Sei weiter B := P/G die Menge der Bahnen und seien die Abbildungen θ : P × G → P × P, (p, g) 7→ (p, p g) und f : P → B, p 7→ p G definiert. Folgende Aussagen sind ¨ aquivalent: 1. G operiert eigentlich auf P . 2. Es ist θ(P × G) in P × P abgeschlossen, und zu jedem p ∈ P existiert eine regul¨ are Untermannigfaltigkeit Np von P mit p ∈ Np , so daß Tp P = Tp Np ⊕ Tp (p G) und f |Np injektiv ist. 3. Auf B existiert genau eine Differenzierbarkeitstruktur, so daß f zu einem GHauptfaserb¨ undel wird. Beweis. Wir zeigen zun¨achst, daß aus 1. 2. folgt: Aufgrund der Eigentlichkeit der Operation ist R := θ(P × G) in P × P abgeschlossen. Sei p ∈ P . Nach dem letzten Satz ist p G eine regul¨are Untermannigfaltigkeit (diffeomorph zu G) von P , sieht also lokal wie eine Scheibe aus. Damit finden wir eine weitere regul¨are Untermannigfaltigkeit N von P mit p ∈ N und Tp P = Tp N ⊕ Tp (p G). Wir k¨onnen damit den ersten Teil des Lemmas anwenden und erhalten Mengen U ∈ U◦ (G, e) und V ∈ U◦ (N, p), so daß U × V → V U ein Diffeomorphismus auf die offene Teilmenge V U ⊂ P ist. Wir nehmen an, daß wir keine offene Umgebung V 0 ∈ U◦ (N, p) finden, so daß f |V 0 injektiv ist (verschiedene Punkte von V 0 also nicht in derselben Bahn liegen). Dann existieren Folgen (pn )n∈N und (p0n )n∈N mit lim pn = p =
n→∞
lim
n→∞p0n
und ∀n ∈ N : pn 6= p0n , f (pn ) = f (p0n ).
Damit existiert eine eindeutige Folge (gn )n∈N in G mit ∀n ∈ N : p0n = gn pn . Aufgrund der Eigentlichkeit der Operation induziert θ einen Hom¨oomorphismus θ˜: P × G → R
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1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
auf sein Bild, es folgt, daß lim gn = lim (θ˜−1 )2 (pn , p0n ) = e,
n→N
n→N
wobei die 2 als Index f¨ ur die Projektion auf die zweite Komponente steht. Damit existiert ein k ∈ N mit gk ∈ U . Da aber ρ|V ×U injektiv ist und ρ(pk , gk ) = ρ(p0k , e), folgt, daß gk = e, also pk = p0k , ein Widerspruch. Also existiert ein V 0 mit f |V 0 ist injektiv. Schließlich setzen wir Np := V 0 . Wir zeigen im n¨achsten Schritt, daß aus 2. die Aussage 3. folgt. Dazu bemerken wir, daß h¨ochstens eine Differenzierbarkeitsstruktur auf B existieren kann, damit f zu einer surjektiven Submersion, also einem Faserraum wird. Zun¨achst versehen wir B mit der Quotiententopologie. Aus der Abgeschlossenheit von R folgt, daß B ein Hausdorffraum ist, denn R = f −1 (∆B ). Weiter ist B parakompakt. Zu jedem p ∈ P sei Np nach Voraussetzung eine regul¨are Untermannigfaltigkeit mit p ∈ Np , so daß ρp := ρ|Np ×G ein Diffeomorphismus auf die offene Umgebung Np G von p ∈ P wird (dabei wenden wir den zweiten Teil des Lemmas an). Es ist f |Np eine stetige offene Bijektion auf die offene Teilmenge Up := f (Np ) von B um f (p) = p G. Damit k¨onnen wir Up auf genau eine Weise mit einer Differenzierbarkeitsstruktur versehen, so daß f einen Diffeomorphismus von Np auf Up induziert und damit eine surjektive Submersion von f −1 (Up ) = Np G auf Up . Sind p, p0 ∈ P so stimmen die gew¨ahlten Differenzierbarkeitsstrukturen auf Up und Up0 auf dem Schnitt u ¨berein. Dies liegt an der Eindeutigkeit der Differenzierbarkeitsstruktur der Basis eines Faserraumes. Damit verkleben diese Differenzierbarkeitsstrukturen, und wir erhalten, daß f : P → B ein Faserraum wird. Damit ist f insbesondere ein GHauptfaserb¨ undel, denn die Operation ist ein Faserraummorphismus P × G →B P . Schließlich zeigen wir, wie aus 3. 1. folgt. Da f eine surjektive Submersion ist, muß B die Quotiententopologie tragen. Da B als Mannigfaltigkeit ein Hausdorffraum ist, folgt, daß R abgeschlossen in P × P ist (denn R = f −1 (∆B )). Es bleibt, die Stetigkeit von φ : R → G, (p, p g) 7→ g zu zeigen. Dies folgt aber aus der Stetigkeit des Verbindungsmorphismus des Faserb¨ undels.
Bemerkung 52. Jedes G-Hauptfaserb¨ undel f : P → B ist also von der Form P → P/G. Beispiel 85. Seien G eine Liesche Gruppe und H eine abgeschlossene Untergruppe von G. Die Liesche Gruppe H operiert auf G durch Rechtsmultiplikation. Dann wird G → G/H zu einem H-Hauptfaserb¨ undel. Mannigfaltigkeiten der Form G/H heißen homogene R¨ aume.
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1.6 Faserr¨aume
Beispiel 86. Seien G eine Liesche Gruppe und H eine abgeschlossene Untergruppe von G. Sei f : P → B ein G-Hauptfaserb¨ undel. Durch Einschr¨ankung der Operation von G auf H wird P zu einem Raum, auf dem H eigentlich und frei operiert und damit P → P/H zu einem H-Hauptfaserb¨ undel. Die induzierte Abbildung P/H → B ist ein Faserraum. Ist H ein Normalteiler in G, so daß also G/H eine Gruppe ist, so ist P/H → B ein G/H Hauptfaserb¨ undel. ¨ (Die Theorie der Uberlagerungen u ¨ber einer zusammenh¨angenden Mannigfaltigkeit ¨ B f¨allt unter dieses Beispiel, denn die universelle Uberlagerung von B ist ein π1 (B, b)Hauptfaserb¨ undel, wobei b ∈ B irgendein Basispunkt ist.) Beispiel 87. Auf der Mannigfaltigkeit S2n+1 ⊂ Cn+1 operiert die U (1) frei durch komponentenweise Rechtsmultiplikation. Der glatte Quotient CP n := S2n+1 /U (1) heißt der komplex projektive Raum. Aussage 27. Seien G eine Liesche Gruppe und X eine Menge. Operiere G auf X transitiv (nat¨ urlich ohne Differenzierbarkeitsvoraussetzung). Seien die Standgruppen der Operation jeweils abgeschlossene Untergruppen von G. Dann existiert auf X genau eine Differenzierbarkeitsstruktur, so daß die Operation differenzierbar wird. Mit g := Te G und gp := Te Gp f¨ ur p ∈ X wird dann durch die Abbildung G/Gp → X, g 7→ g p ein Vektorraumisomorphismus g/gp → Tp X induziert. Beweis. Sei p ∈ X beliebig. Dann ist G/Gp → X, g Gp 7→ g p eine Bijektion. Weiter ist G → G/Gp ein Gp -Hauptfaserb¨ undel, insbesondere also G/Gp eine differenzierbare Mannigfaltigkeit. Damit k¨onnen wir X auf genau eine Weise mit der Struktur einer differenzierbaren Mannigfaltigkeit versehen, so daß G/Gp → X einem G-¨aquivarianten Diffeomorphismus wird. Bez¨ uglich dieser Struktur ist die Operation von G auf X differenzierbar. Die Eindeutigkeit der Differenzierbarkeitsstruktur folgt aus der Tatsache, daß G → X, g 7→ g p in jedem Falle eine surjektive Submersion ist und die Linksmultiplikationen auf G Diffeomorphismen sind. Es bleibt, den Tangentialraum von G/Gp an der Rechtsnebenklasse Gp zu bestimmen. Da die kanonische Projektion f : G → G/Gp ein Faserraum ist, die induzierte Abbildung g → TGp (G/Gp ) also surjektiv (mit Kern gp ist), folgt nach dem Homomorphiesatz, daß TGp (G/Gp ) = g/gp .
87
1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
Die letzte Aussage wollen wir anwenden, um weitere wichtige Beispiele von Mannigfaltigkeiten zu konstruieren: Beispiel 88. Seien W ein n-dimensionaler Vektorraum und k ∈ {0, . . . , n}. Es sei Vk (W ) := {(v1 , . . . , vk ) ∈ W k | (v1 , . . . , vk ) ist linear unabh¨angig} die Menge der k-Beine von W . Durch GL(W ) × Vk (W ) → Vk (W ), (A, (v1 , . . . , vk )) 7→ (A(v1 ), . . . , A(vk )) operiert GL(W ) transitiv auf Vk (W ). Die Standgruppen sind abgeschlossene Untergruppen der GL(W ). Damit existiert auf Vk (W ) genau eine Differenzierbarkeitsstruktur, bez¨ uglich der die Operation von GL(W ) differenzierbar wird. Die Mannigfaltigkeit Vk (W ) heißt die Stiefelsche Mannigfaltigkeit der k-Beine von W . (Die Differenzierbarkeitsstruktur auf Vk (W ) ist dieselbe, die Vk (W ) als offene (warum?) Untermannigfaltigkeit von W k bekommt.) Beispiel 89. Seien wie oben W ein n-dimensionaler Vektorraum und k ∈ {0, . . . , n}. Es sei Gk (W ) := {U ⊂ W | U ist k-dimensionaler Untervektorraum von W } die Menge der k-dimensionalen Unterr¨aume von W . Durch GL(W ) × Gk (W ) → Gk (W ), (A, U ) 7→ A(U ) operiert GL(W ) transitiv auf Gk (W ). Die Standgruppen dieser Operation sind abgeschlossene Untermannigfaltigkeiten von GL(W ). Damit existiert auf Gk (W ) genau eine Differenzierbarkeitsstruktur, so daß die Operation von GL(W ) differenzierbar wird. Die Mannigfaltigkeit Gk (W ) heißt die Graßmannsche Mannigfaltigkeit der k-dimensionalen Untervektorr¨ aume von W . Wir wollen den Tangentialraum von Gk (W ) an U ∈ Gk (W ) bestimmen. Dazu nutzen wir wieder die letzte Aussage, nach der TU Gk (W ) = End(W )/Te GL(W )U , wobei wir ausgenutzt haben, daß die Pfeilabbildung Te End(W ) → End(W ) einen nat¨ urlichen Isomorphismus gl(W ) := Te GL(W ) → End(W ) induziert. Es bleibt, GL(W )U zu bestimmen. Nach dem Satz u ¨ber gleichungsdefinierte Untermannigfaltigkeiten (angewandt auf GL(W )U ⊂ GL(W )) ist Te GL(W )U = {A ∈ End(W ) : A|U = 0 Damit ist schließlich TU Gk (W ) = Hom(U, W/U ).
88
mod U }.
1.6 Faserr¨aume
1.6.5 Assoziierte Faserb¨ undel Hauptfaserb¨ undel k¨onnen dazu dienen, abgeleitete Faserb¨ undel zu konstruieren. Die globale Struktur wird dabei durch das Hauptfaserb¨ undel vorgegeben. F¨ ur die folgende Definition erinnern wir noch einmal daran, daß f¨ ur jede Liesche Gruppe G und jedes G-Hauptfaserb¨ undel f : P → B die Gruppe G frei und eigentlich (von rechts) auf P operiert. F¨ ur jede Mannigfaltigkeit F , auf der G (beliebig) von links operiert, ist daher die assoziierte Operation (P × F ) × G → P × F, ((p, v), g) 7→ (p g, g −1 v) wieder frei und eigentlich. Daher existiert das G-Hauptfaserb¨ undel P × G → P ×G F := (P × F )/G. Aussage 28. Seien G eine Liesche Gruppe und f : P → B ein G-Hauptfaserb¨ undel und F eine Mannigfaltigkeit, auf der G von links operiert. Dann ist die Abbildung fGF : (P × F )/G → B, [p, v] 7→ f (p) ein Faserb¨ undel mit typischer Faser F . Beweis. Sei s : U → P mit U ⊂◦ B eine Eichung von f . Dann ist φ : (fGF )−1 (U ) → U × F, [p, v] 7→ (s(f (p))−1 p) v eine differenzierbare Abbildung mit differenzierbarer Umkehrung φˆ : U × F → (fGF )−1 (U ), (b, v) 7→ [s(b), v].
Bemerkung 53. Die im Beweis benutzte differenzierbare (?) Abbildung P ×B (P ×G F ) → F, (p, [q, v]) 7→ (p−1 q) v bezeichen wir in Zukunft als Koordinatenabbildung von F . Definition 39. Seien G eine Liesche Gruppe und f : P → B ein G-Hauptfaserb¨ undel. Sei F eine weitere Mannigfaltigkeit, auf der G von links operiert. Sei ξ : E → B ein Faserb¨ undel mit typischer Faser F . Dann ist eine f -Struktur auf ξ ein Isomorphismus P ×G F →B E von Faserb¨ undeln u ¨ber B. Im Falle der Existenz einer f -Struktur auf ξ heißt ξ an f assoziiert.
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1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
Viele Feldtheorien in der Physik lassen sich in Termen von Hauptfaserb¨ undeln und Faserb¨ undeln beschreiben. Einer solchen Feldtheorie wird zun¨achst eine Strukturgruppe G, welche eine Liesche Gruppe ist, zugeordnet. Beispielsweise geh¨ort zur allgemeinen Relativit¨atstheorie die O(n), zur Elektrodynamik die U (1) und zur elektoschwachen Theorie die SU (2). Topologische Daten sind dann die Basismannigfaltigkeit B (in der Regel die Raumzeit) und ein G-Hauptfaserb¨ undel P → B. Jedem Teilchentyp, welcher durch die Theorie beschrieben werden soll, wird eine lineare Operation G × Rn → Rn zugeordnet (die Art der Operation wird physikalisch durch die Ladung ausgedr¨ uckt). n Mit Hilfe dieser Operation l¨aßt sich ein Faserb¨ undel mit typischer Faser R an P → B assoziieren und ein dem Teilchentyp zugeh¨origes Feld ist dann ein Schnitt in dem assoziierten B¨ undel. Bemerkung 54. Die f -Struktur auf ξ induziert eine Koordinatenabbildung P ×B E →B F . Jede (lokale) Eichung des Hauptfaserb¨ undels liefert also (lokal) Isomorphismen von den Fasern von ξ nach F . Bemerkung 55. Besitzt ξ eine f -Struktur, so existiert ein ξ definierender Kozykel (gij )ij in Diff(F ), welcher u ¨ber die Abbildung G → Diff(F ) faktorisiert, welche durch die Operation von G auf F gegeben ist. Beispiel 90. Sei ξ : E → B ein Vektorb¨ undel vom Rang r u ¨ber der Mannigfaltigkeit B. Wir betrachten sein Basisb¨ undel f : Lξ → B. Die typische Faser von ξ ist der Rr , auf der die GL(r) kanonisch von links operiert. Das Vektorb¨ undel besitzt eine kanonische f -Struktur, welche durch Lξ ×G Rr → E [φ, v] 7→ φ(v) gegeben ist. Bemerkung 56. Besitzt umgekehrt ein Faserb¨ undel ξ : E → B mit typischer Faser Rr eine f -Struktur, wobei f : P → B ein GL(r)-Hauptfaserb¨ undel ist, so wird ξ in kanonischer Weise (abh¨angig von der f -Struktur) zu einem Vektorb¨ undel vom Rang r u ¨ber B, denn P ×GL(r) Rr → B besitzt in kanonischer Weise eine Struktur als Vektorb¨ undel vom Rang ru ¨ber B. Die Konstruktion assoziierter Faserb¨ undel erlaubt es uns, Konstruktionen wie zum Beispiel die Graßmannsche Mannigfaltigkeit relativ u ¨ber einer Basis zu vollziehen: Beispiel 91. Sei ξ : E → B ein Vektorb¨ undel vom Rang r u ¨ber einer Mannigfaltigkeit B. Sei 0 ≤ k ≤ r. Dann k¨onnen wir Menge a Gk (ξ) := Gk (E(b)) b∈B
der Graßmannschen der Fasern von ξ betrachten. Wir wollen Gk (ξ) zu einer Mannigfaltigkeit machen, der Graßmannschen Mannigfaltigkeit der k-dimensionalen Untervektorb¨ undel von ξ, und zwar zu einen zu Lξ assoziierten Faserb¨ undel mit typischer Faser
90
1.6 Faserr¨aume Gk (Rr ). Dazu beachten wir zun¨achst, daß Gk (ξ) eine nat¨ urliche Abbildung nach B besitzt. Weiter operiert die GL(n) in nat¨ urlicher Weise von links auf der Menge Gk (Rr ) der k-dimensionalen Untervektorr¨aume von Rr . Schließlich ist Lξ ×GL(n) ×Gk (Rr ) →B Gk (ξ), [φ, U ] 7→ φ(U ) eine Bijektion, verm¨oge der wir Gk (ξ) mit der Struktur eines Faserb¨ undels versehen. Beispiel 92. Sei λ : G → G0 ein Homomorphismus Liescher Gruppen. Dann operiert G verm¨oge der Abbildung λ durch Linksmultiplikation von links auf G0 . Ist f : P → B 0 ein G-Hauptfaserb¨ undel, so ist fGG : P ×G G0 → B ein G0 -Hauptfaserb¨ undel, die λ0 Erweiterung von f : P → B. Die G -Hauptfaserb¨ undelstruktur ist hierbei durch Rechtsmultiplikation P ×G G0 × G0 → ([p, g 0 ], h0 ) 7→ [p, g 0 h0 ] gegeben. Ist G eine Liesche Untergruppe von G0 , so wird im folgenden λ in der Regel die Inklusionsabbildung sein. 0
Bemerkung 57. Sei ξ : E → B ein Faserb¨ undel mit typischer Faser F , welches eine fGG 0 Struktur E →B (P ×G G ) ×G0 F besitzt. Dann wird durch (P ×G G0 ) ×G0 F →B P ×G F, [[p, g 0 ], v] 7→ [p, g 0 v], wobei G verm¨ oge λ auf F operiert, in kanonischer Weise auf ξ eine f -Struktur definiert. Damit f¨ uhrt die Erweiterung von G-Hauptfaserb¨ undeln nicht auf neue Faserb¨ undel. Allerdings ist der Begriff f¨ ur den folgenden wichtig: Definition 40. Sei λ : G → G0 ein Homomorphismus Liescher Gruppen. Eine λ-Reduktion eines G0 -Hauptfaserb¨ undels f 0 : P 0 → B ist G-Hauptfaserb¨ undel f : P → B und ein Iso0 morphismus P ×G G →B P 0 von G0 -Hauptfaserb¨ undeln. Beispiel 93. Ein G-Hauptfaserb¨ undel f : P → B ist genau dann trivial (d.h., es besitzt eine globale Eichung), wenn sich seine Strukturgruppe auf die triviale Gruppe {e} reduzieren l¨aßt, das heißt eine ({e} → G)-Reduktion zul¨aßt. Das l¨aßt sich wie folgt einsehen: Ist s : B → P eine globale Eichung von P , so ist B × G = B ×{e} G →B P, (b, g) 7→ s(b) g eine Reduktion von f auf das {e}-Hauptfaserb¨ undel idB : B → B. Existiert umgekehrt eine solche Reduktion B × G →B P , so trivialisiert diese offensichtlich das G-Hauptfaserb¨ undel.
91
1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
Die Moral der Geschichte ist also, daß das Faserb¨ undel umso kompliziert ist, je weniger die Strukturgruppe auf eventuelle Untergruppen reduziert werden kann. Sp¨ater werden wir sehen, daß ein G-Hauptfaserb¨ undel auf ein H-Hauptfaserb¨ undel reduziert werden kann, wenn H eine Liesche Untergruppe von G ist, so daß G/H ein zusammenziehbarer topologischer Raum ist. Zum Beispiel ist GL(r)/O(r) zusammenziehbar (der Quotient l¨aßt sich aufgrund der Polarzerlegung mit den positiv definiten symmetrischen Matrizen identifizieren), so daß sich jedes GL(r)-Hauptfaserb¨ undel auf ein O(r)-Hauptfaserb¨ undel reduzieren l¨aßt. Damit besitzt jedes Vektorb¨ undel eine Strukturabbildung zu einem O(r)Hauptfaserb¨ undel. Beispiel 94. Seien G eine Liesche Gruppe und f : P → B ein G-Hauptfaserb¨ undel. Dann ist f eine Reduktion des G × G-Hauptfaserb¨ undels P ×B P → B bez¨ uglich des Gruppenhomomorphismus G → G × G g 7→ (g, g), denn P ×G (G × G) →B P ×B P, [p, (g, h)] 7→ (p g, p h) ist ein Isomorphismus von (G × G)-Hauptfaserb¨ undeln u ¨ber B. Bemerkung 58. Das Urbild eines zu einem Hauptfaserb¨ undel assoziierten Faserb¨ undels ist kanonisch zum Urbild des Hauptfaserb¨ undels assoziiert. Eine ¨ahnliche Aussage gilt f¨ ur Produkte von assoziierten Faserb¨ undeln in bezug auf ¨außere Produkte von Hauptfaserb¨ undeln.
1.6.6 Jetb¨ undel Seien f : E → B ein Faserraum und E die Garbe der Schnitte von f auf B. Wir erin¨ nern daran, daß f¨ ur b ∈ B Elemente von Eb Aquivalenzklassen von in der N¨ahe von b definierten Schnitten sind. Im folgenden wollen wir eine Folge von Relationen auf diesen ¨ Aquivalenzklassen definieren. Definition 41. Sei f : E → B ein Faserraum und b ∈ B. Mit E bezeichnen wir die Garbe der Schnitte von f . F¨ ur k ∈ N0 heißen zwei Keime s1 , s2 ∈ Eb mit e := s1 (b) = s2 (b) k-¨ aquivalent, falls ∗ ∗ ∀0 ≤ r ≤ k, ξ1 , . . . , ξr ∈ ΘB,b , φ ∈ C∞ E,e : (ξ1 · · · · · ξr · s1 φ)(b) = (ξ1 · · · · · ξr · s2 φ)(b).
¨ Die k-Aquivalenzklasse eines Keimes s ∈ Eb heißt der k-Jet s(k) (b) von s. Beispiel 95. Zwei Keime s1 , s2 ∈ Eb sind 0-¨aquivalent, wenn s1 (b) = s2 (b). Beispiel 96. Sei X eine Mannigfaltigkeit, und sei f : X × R → R der triviale Faserraum mit Faser X. Wir k¨onnen dann zwei Abbildungen γ1 , γ2 : {0} ⊂ R → X auch als Keime von Schnitten von f auffassen. Dann sind γ1 und γ2 genau dann 1-¨aquivalent, wenn p := γ1 (0) = γ2 (0) und γ˙ 1 (p) = γ˙ 2 (p) ∈ Tp X. In diesem Sinne sind k-Jets Verallgemeinerungen von Tangentialvektoren.
92
1.6 Faserr¨aume Lemma 17. Sei f : E → B ein Faserraum. Wir setzen J k (f ) := {s(k) (b) | b ∈ B, s ∈ Eb }. und f0k : J k (f ) → E, s(k) (b) 7→ s(b). F¨ ur eine Faserraumkarte (x1 ◦ f, . . . , xm ◦ f, y 1 , . . . , y n ) : U → Rm+n , U ⊂◦ E, von f seien die (wohldefinierten!) Funktionen xi : (f0k )−1 (U ) → R, s(k) (b) 7→ xi (b) und
∂ |I| y j ∂ |I| y j ◦ s k −1 (k) : (f ) (U ) → R, s (b) → 7 (b) 0 ∂xI ∂xI mit 1 ≤ i ≤ m und 1 ≤ j ≤ n und I = (i1 , . . . , im ) ∈ Nm 0 ein Multiindex mit |I| :=
m X
i` ≤ k
`=1
definiert. Dann ist
x1 , . . . , xm ,
∂ |I| y j ∂xI
!j m+k : (f0k )−1 (U ) → Rm+n ( k ) I
eine Bijektion auf die offene Teilmenge m+k k
(x1 ◦ f, . . . , xm ◦, y 1 , . . . , y n )(U ) × Rn (
)−n .
Beweis. Zun¨achst ist die fragliche Abbildung eine Injektion, denn jedes Vektorfeld auf X l¨aßt sich in Termen der Gaußschen Basis ∂x∂ 1 , . . . , ∂x∂m ausdr¨ ucken, so daß es f¨ ur den Test der Gleichheit zweier k-Jets ausreicht, Gaußsche Basisvektorfelder zu verwenden. ur 1 ≤ j ≤ n und Es bleibt, die Surjektivit¨at zu zeigen. Seien p ∈ U und ujI ∈ R f¨ 1 ≤ |I| ≤ n gegeben. Dann w¨ahlen wir einen Keim s ∈ Eb mit b := f (p) f¨ ur den y j ◦ s ◦ x−1 : {x(b)} ⊂ Rm → R, (t1 , . . . , tm ) 7→
X 1≤|I|≤k
1 j u (t − x(b))I + y j (p) I! I
f¨ ur 1 ≤ j ≤ n gilt. Dann folgen xi (s(k) (b)) = xi (b), y j (s(k) (b)) = y j (p) und ujI .
∂ |I| y j (k) (s (b)) ∂xI
=
Dieses Lemma nutzen wir in der folgenden Bemerkung aus:
93
1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten Bemerkung 59. Wir k¨onnen J k (f ) zu einer Mannigfaltigkeit machen, indem wir f¨ ur jede Faserraumkarte (x1 ◦ f, . . . , xm ◦ f, y 1 , . . . , y n ) : U → Rm+n von f durch 1
m
(x , . . . , x ,
∂ |I| y j ∂xI
!
m+k k
) : (f0k )−1 (U ) → Rm+n·(
)
1≤j≤n,|I|≤k
eine Karte von J k (f ) definieren wird. Es ist lediglich explizit nachzurechnen, daß der Kartenwechsel differenzierbar ist. Mit dieser Definition wird f0k : J k (f ) → E zu einem Faserb¨ undel, dem k-ten Jetb¨ undel von f . Die Mannigfaltigkeit J k f ist der geeignete Raum, auf dem Langrangefunktionen von Feldtheorien (mit mehrdimensionaler Basis) definiert werden. Beispiel 97. Wir setzen f (k) := f ◦ f0k : J k (f ) → B, dies ist ein Faserraum, der k-te Jetraum von f . Jeder Schnitt s ∈ Γf (U ) mit U ⊂◦ B von f definiert einen kanonischen Schnitt s(k) ∈ Γf (k) (U ) durch s(k) : U → J k (f ), b 7→ s(k) (b). Dieser Schnitt heißt die k-Prolongation von s. Dies induziert einen Morphismus von Garben auf B. Bemerkung 60. Wir k¨onnen das Beispiel ein wenig erweitern. Und zwar ist f¨ ur 0 ≤ ` ≤ k die Abbildung flk : J k (f ) → J l (f ), s(k) (b) 7→ s(l) (b) ein Faserraum, ein h¨ oheres Jetb¨ undel. Wir zeigen jetzt teilweise, welche weitere Struktur f0k : J k (f ) → E hat. Dazu brauchen wir noch eine weitere Definition. Definition 42. Sei g : F → B ein Vektorb¨ undel u ¨ber einer Mannigfaltigkeit B. Ein affines B¨ undel f : E → B u ¨ber g ist ein Faserraum f : E → B zusammen mit einem Morphismus E ×B F →B E, (p, v) 7→ p + v von Faserr¨aumen, der f¨ ur jedes b ∈ B auf E(b) die Struktur eines affinen Raumes u ¨ber F (b) induziert. Ein Morphismus affiner B¨ undeln u ¨ber einem g ist ein Morphismus von Faserr¨aumen, der mit den Strukturmorphismen vertr¨aglich ist.
94
1.6 Faserr¨aume
Bemerkung 61. Damit geh¨ort zu einem affinen B¨ undel g auch wieder ein Verbindungsmorphismus E ×B E →B F, (p, q) 7→ q − p. Bemerkung 62. Jede Schnitt s ∈ Γf (U ) mit U ⊂◦ B induziert einen Isomorphismus f −1 (U ) →U g −1 (U ), p 7→ p − s(f (p)) von Faserr¨aumen u undel u undel ¨ber U . Damit ist jedes affines B¨ ¨ber g in der Tat ein Faserb¨ mit typischer Faser Rr mit r := rk g. Beispiel 98. Sei g : B × Rr → B das triviale Vektorb¨ undel vom Rang r u ¨ber B. Dann sind die affinen B¨ undel u undel u ¨ber g genau die Rr -Hauptfaserb¨ ¨ber B. Bemerkung 63. Sei f : E → B ein Faserraum. Dann wird f01 : J 1 (f ) → E zu einem affinen B¨ undel u ¨ber g : HomE (f ∗ (T B), V (f )) → E durch den Verbindungsmorphismus J 1 (f ) ×E J 1 (f ) → HomE (f ∗ (T B), V f ), (s(1) (b), t(1) (b)) 7→ t(1) (b) − s(1) (b) := Tb t − Tb s. Eine entsprechende Aussage gilt auch f¨ ur die h¨oheren Jetb¨ undel flk , wir werden darauf zur¨ uckkommen.
1.6.7 Schnitte in Faserr¨ aumen In diesem kurzen Abschnitt wollen wir unter anderem zeigen, daß jeder Faserraum, welcher einen stetigen Schnitt zul¨aßt, auch einen differenzierbaren besitzt. Außerdem zeigen wir, daß sich stetige Homotopien durch differenzierbare ersetzen lassen. (Dies ist zum Beispiel n¨ utzlich, um S¨atze aus der algebraischen Topologie mit Methoden der Differentialtopologie beweisen zu k¨onnen.) Satz 14. Seien ξ : E → B ein Faserraum, σ : B → E eine stetiger Schnitt von ξ, das heißt eine stetige Abbildung mit ξ ◦ σ = idB , A eine abgeschlossene und G eine offene Teilmenge von B mit A ⊂ G, so daß σ|G differenzierbar ist, Dann existiert ein (C∞ -)Schnitt sˆ : B → E mit σ ˆ |A = σ|A . Beweis. Ohne Einschr¨ankung k¨onnen wir davon ausgehen, daß B zusammenh¨angend ist, die Topologie also eine abz¨ahlbare Basis besitzt. Wir k¨onnen damit eine offene ¯n kompakt und (U ¯n )n∈N lokal endlich, so ¨ Uberdeckung (Un )n∈N von B w¨ahlen mit U daß f¨ ur alle n ∈ N Faserraumkarten (xn ◦ ξ, yn ) : Zn → Rb × Rr ¯n ) ⊂ Zn w¨ahlen. Weiter von ξ mit b := dim B, r := dim E − dim B, Zn ⊂◦ B und s(U ¨ existiert eine offene Uberdeckung (Vn )n∈N mit ∀n ∈ N : Vn b Un .
95
1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
Weiter setzen wir Z :=
[
\
Zn .
¯n p∈B n∈N,p∈U
¯n ) ist dies eine Vereinigung offener MenAufgrund der lokalen Endlichkeit der Familie (U gen und damit selbst offen. Wir definieren jetzt eine Folge sˆ0 , . . . , s1 , . . . : B → Z ⊂ E stetiger Schnitte induktiv wie folgt: Zun¨achst sei s0 := s. Seien sˆ1 , . . . , sˆn−1 schon definiert. Dann w¨ahlen wir (zum Beispiel nach Aufgabe 8) einen differenzierbaren Schnitt s˜n : Un : E, der sˆn−1 |Un so gut approximiert, daß ∀b ∈ Un , t ∈ [0, 1] : t yn (˜ sn (b)) + (1 − t) yn (ˆ sn−1 ) ∈ yn (Z ∩ E(b)). ¯n kompakt ist.) (Dies geht (?), da U ¨ Weiter sei (λ, µ) eine Zerlegung der Eins zur Uberdeckung (Un \ (A ∩ Un ), (X \ V¯n ) ∪ G). Dann definieren wir den Schnitt sˆn : B → Z so, daß yn ◦ sˆn := λ yn ◦ s˜n + µ yn ◦ sn−1 . Aufgrund der lokalen Endlichkeit der Familie (V¯n ) wird damit durch sˆ : B → E, b 7→ sn (b), n 0 ein Schnitt von ξ definiert. Dieser hat nach Konstruktion (?) die gew¨ unschten Eigenschaften. In einer speziellen Version f¨ ur Faserb¨ undel heißt dieser Satz der Steenrodsche Appro” ximationssatz“. Der Grund ist der folgende: Beispiel 99. Sei ξ : E → B ein Faserraum und s : B → E ein stetiger Schnitt von ξ. Sei d : E ×B E → R eine stetige Funktion, welche auf jeder Faser E(b) eine Metrik (kompatibel mit der Topologie) induziert. Dann ist ξ˜: U (s) := {e ∈ E | d(e, s(ξ(p))) < } → B, p 7→ ξ(p) wieder ein Faserraum. Die Abbildung s k¨onnen wir auch als stetigen Schnitt von ξ˜ auffassen, so daß nach dem vorangegangenen Satz (mit G = ∅) ein (differenzierbarer) Schnitt s˜ : B → E von ξ˜ existiert. Diesen Schnitt, aufgefaßt als Schnitt von ξ k¨onnen wir als -Approximation von s in ξ auffassen.
96
1.6 Faserr¨aume
Lemma 18. Seien X eine Mannigfaltigkeit und A eine regul¨ are Untermannigfaltigkeit von X. Dann existieren eine offene Teilmenge G ⊂◦ X mit A ⊂ G und eine differenzierbare Abbildung Φ : X × I ⊂ X × R → X mit ∀t ∈ I, a ∈ A : Φ(a, t) = a und
1 ∀t ≤ , p ∈ X : Φ(p, t) = p 3
und
2 ∀t ≥ , p ∈ G : Φ(p, t) ∈ A, 3 wobei I := [0, 1] ⊂ R das Einheitsintervall ist. Beweis. Ohne Einschr¨ankung sei X zusammenh¨angend. Sei k := dim X − dim A und ¨ r := dim X. Es existieren eine lokal endliche abz¨ahlbare Uberdeckung (Un )n∈N von A r durch offene Mengen von X und Karten xn : Un → R , so daß ∀n ∈ N : A ∩ Un = {p ∈ X | x1n (p) = . . . xkn (p) = 0}. ¨ Wir k¨onnen weiter davon ausgehen, daß wir (Un )n∈N zu einer Uberdeckung (Vn )n∈N von X schrumpfen k¨onnen mit ∀n ∈ N : Vn b Un . Außerdem sei das Bild der xn der ganze Rn . Dann konstruieren wir lokal f¨ ur jedes n ∈ N eine Abbildung ˜ n : Un × I → Un Φ ˜ n die gesuchten Eigenund eine offene Teilmenge Gn ⊂◦ Un mit A ∩ Un ⊂ Gn , so daß Φ schaften von Φ in bezug auf Gn und A ∩ Un erf¨ ullt. Eine solche Konstruktion sei dem Leser u uhrt ¨berlassen. Diese kann aufgrund der Existenz von xn einfach im Rr ausgef¨ werden und sei dem Leser u ¨berlassen. Mit Hilfe einer Zerlegung der Eins sei als n¨achstes ein Φn : X × I → X konstruiert mit ˜ n |Vn ×I und ∀p ∈ Un \ V¯n , t ∈ I : Φ(p, t) = p. Dann ist aufgrund der lokalen Φn |Vn ×I = Φ Endlichkeit der Familie (Un )n∈N die Funktion Φ : X × I → X mit ∀p ∈ X, t ∈ I : Φ(·, t) = · · · ◦ Φ2 (·, t) ◦ Φ1 (·, t) wohldefiniert. Dann finden wir zu jedem p ∈ A ein Hp ∈ U◦ (X, p) und ein n ∈ N mit p ∈ Vn , so daß ∀q ∈ Hp , t ∈ I : Φn−1 (·, t) ◦ · · · ◦ Φ1 (·, t)(q) ∈ Gn ∩ Vn . S Schließlich setzen wir G := p∈A Hp .
97
1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
Satz 15. Seien X und Y Mannigfaltigkeiten und A eine regul¨ are Untermannigfaltigkeit von X. Seien weiter f, g : X → Y zwei (differenzierbare) Abbildungen, f¨ ur die eine stetige (!) Homotopie H: X ×I → Y relativ zu A existiert, das ist eine stetige Abbildung mit ∀t ∈ I, a ∈ A : H(a, t) = a und ∀p ∈ X : H(p, 0) = f (p) und H(p, 1) = g(p). Dann existiert auch eine differenzierbare Homotopie zwischen f und g relativ zu A. Beweis. Wir nutzen den letzten Satz und das Lemma zum Beweis. Sei Φ wie im Lemma. Wir k¨onnen zun¨achst ohne Einschr¨ankung davon ausgehen, daß H(p, t) f¨ ur t < 31 oder t > 23 differenzierbar ist. Dann sei eine differenzierbare Funktion λ : I → I mit λ(t) < 13 ˜ : X × I → Y, (p, t) 7→ f¨ ur t < 51 oder t > 45 und λ(t) > 23 f¨ ur 41 < t < 34 . Damit ist H H(Φ(p, λ(t)), t) wohldefiniert und auf B := X × {0, 1} ∪ A × I ⊂ X × I differenzierbar. ˜ B differenzierbar fort. Schließlich setzen wir H| Beispiel 100. Seien α, β : I → X zwei Kurven (d.h. differenzierbare Abbildungen) in der Mannigfaltigkeit X. Sind dann α und β unter Festhaltung des Anfangs- und Endpunktes stetig homotop, so sind sie auch differenzierbar homotop.
Aufgaben Aufgabe 31. Seien f : X → Y und f 0 : X 0 → Y zwei Faserr¨aume u ¨ber einer Mannigfal0 tigkeit Y und g : X →Y X ein Morphismus zwischen ihnen. Zeigen Sie, daß g genau dann ein Diffeomorphismus ist, wenn f¨ ur alle q ∈ Y die induzierte Abbildung g(q) : X(q) → X 0 (q) ein Diffeomorphismus ist. Aufgabe 32. Zeigen Sie die in Bemerkung 43 gemachte Behauptung. Aufgabe 33. Sei Q der Konfigurationsraum eines physikalischen Systems (f¨ ur unsere Zwecke eine beliebige Mannigfaltigkeit).In der Lagrangeschen Mechanik werden die physikalischen Eigenschaften des Systems in einer Funktion L : T Q × R → R, der LagrangeFunktion zusammengefaßt. Sei ξ ∈ Tq Q, q ∈ Q ein Zustand des Systems zur Zeit t ∈ R. Dann heißt F L(ξ, t) := Dξ (L|Tq Q×{t} ) der Impuls von ξ zur Zeit t.
98
1.6 Faserr¨aume
Zeigen Sie, daß diese Konstruktion eine differenzierbare Abbildung F L : T Q × R →Q T ∨ Q von Faserr¨aumen u ur alle ¨ber Q induziert. (Ist die Abbildung F L(·, t) : T Q → T ∨ Q f¨ t ∈ R ein Diffeomorphismus, so heißt sie Legendretransformation.) Sei weiter x : U → Rn eine Karte von Q und (q 1 , . . . , q n , q˙1 , . . . , q˙n )
und
(q 1 , . . . , q n , q1 , . . . , qn )
die assoziierten B¨ undelkarten vom Tangential- und Kotangentialb¨ undel. Zeigen Sie, daß ∀t ∈ R, q ∈ U, ξ ∈ Tq Q : qi (F L(ξ, t)) =
∂L (ξ, t). ∂ q˙i
(Was hat das Ganze mit dem (verallgemeinerten) Impuls der Lagrangeschen Mechanik zu tun?) Aufgabe 34. Sei f : E → X ein Vektorb¨ undel. Zeigen Sie, daß die Abbildung → − V f →E E ×X E, ξ 7→ (πE (ξ), ξ ) ein wohldefinierter Vektorb¨ undelisomorphismus u ¨ber E ist. Tip: Da die Fasern von E Vektorr¨aume sind, ist dort insbesondere die Pfeilabbildung definiert. Aufgabe 35. Seien f : E →X F ein injektiver Morphismus von Vektorb¨ undeln u ¨ber einer Mannigfaltigkeit X. Zeigen Sie, daß ein Morphismus g : F →X E mit g◦f = idE existiert. Tip: Reduzieren Sie das Problem mit Hilfe einer Zerlegung der Eins auf ein lokales. Aufgabe 36. Sei f : E →X F ein Morphismus von Vektorb¨ undeln vom konstanten Rang ru ¨ber einer Mannigfaltigkeit X. Zeigen Sie, daß das Bild f (E) in kanonischer Weise ein Untervektorb¨ undel vom Rang r von F ist. Aufgabe 37. Zeigen Sie, daß die Operation R × (S1 × S1 ) → S1 × S1 , (t, (z, w)) 7→ (exp(2πi t) z, exp(2πiα t) w) f¨ ur α ∈ R \ Q nicht eigentlich ist. Aufgabe 38. Sei V ein endlichdimensionaler Vektorraum. Zeigen Sie, daß die Operation R× × (V \ {0}) → V \ {0}, (t, v) 7→ t v eine eigentliche Operation ist. Folgern Sie, daß (V \ {0})/R× in kanonischer Weise eine differenzierbare Mannigfaltigkeit ist. Um welche Mannigfaltigkeit handelt es sich hier?
99
1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
Aufgabe 39. Sei W ein n-dimensionaler euklidischer Vektorraum und V ein Vektorraum der Kodimension k in W . Zeigen Sie, daß ein Diffeomorphismus O(W )/O(V ) → Vk (W ) existiert. Aufgabe 40. Zeigen Sie, daß das U (1)-Hauptfaserb¨ undel S2n+1 → CP n nicht trivial ist, das heißt, keinen Schnitt besitzt. ¨ Tip: Uberlegen Sie sich zun¨achst, daß es reicht, die Behauptung f¨ ur n = 1 zu zeigen. Aufgabe 41. Seien ξ : E → B und η : F → B zwei Vektorb¨ undel vom Rang r beziehungsweise s u undel HomB (E, F ) in ¨ber einer Mannigfaltigkeit B. Zeigen Sie, daß das B¨ kanonischer Weise an das (GL(r) × GL(s))-Hauptfaserb¨ undel Lξ ×B Lη assoziiert ist. Aufgabe 42. Sei W ein Vektorraum der Dimension n und d := (d0 , . . . , dk ) ∈ Nk0 mit 0 = d0 < d1 < · · · < dk−1 < dk = n. Eine Fahne F der Signatur d in W ist ein Tupel F = (F0 , . . . , Fk ) von Untervektorr¨aumen von W mit ∀0 ≤ i ≤ k : dim Fi = di . Zeigen Sie, daß die Menge Gd (W ) der Fahnen der Signatur d in W in nat¨ urlicher Weise eine Mannigfaltigkeit ist, die Fahnenmannigfaltigkeit von W zur Signatur d. Berechnen Sie den Tangentialraum von Gd (W ) an einer Fahne F und bestimmen Sie die Dimension von Gd (W ). Tip: Verallgemeinern Sie die Konstruktion der Graßmannschen Mannigfaltigkeit, die ein Spezialfall (?) der Fahnenmannigfaltigkeit f¨ ur k = 2 ist. Aufgabe 43. Beweisen Sie die in Bemerkung 55 gemachte Behauptung. Aufgabe 44. Sei X eine differenzierbare Mannigfaltigkeit und f : X × R → R das triviale Faserb¨ undel u ¨ber R mit typischer Faser X. Zeigen Sie, daß es einen kanonischen Isomorphismus J 1 (f ) →R T X × R von Faserr¨aumen u ¨ber R gibt. Aufgabe 45. Sei f : E → B ein Faserraum und (x ◦ f, y) und (x0 ◦ f, y 0 ) zwei Faserraumkarten von f . Beide Faserraumkarten definieren bekanntlich jeweils eine Karte der Mannigfaltigkeit J 1 (f ). Berechnen Sie den Koordinatenwechsel bez¨ uglich dieser beiden Karten von J 1 (f ). Aufgabe 46. Sei f : E → B ein Faserraum. Zeigen Sie, daß im allgemeinen nicht jeder Schnitt von f (1) die Prolongation eines Schnittes von f ist. K¨onnen Sie ein Kriterium daf¨ ur angeben, wann dies der Fall ist?
100
1.7 Vektorfelder und Fl¨ usse Aufgabe 47. Sei f : E → B ein Faserraum. Zeigen Sie, daß J 1 (f ) → HomE (f ∗ (T B), T E), s(1) (b) 7→ Tb s eine wohldefinierte Einbettung ist. Was ist das Bild dieser Einbettung? Aufgabe 48. Sei f : E → B ein Faserb¨ undel. Zeigen Sie, daß V (f (n) ) ' (V (f ) → B)(n) . Tip: Ein vertikaler Vektor im Jetb¨ undel entspricht der faserweisen Ableitung einer u ber R parametrisierten Familie von Jets. .. ¨ Aufgabe 49. Sei f : E → B ein Faserraum mit zusammenh¨angender Basis B und zusammenh¨angenden Fasern. Zeigen Sie, daß E zusammenh¨angend ist.
1.7 Vektorfelder und Fl¨ usse 1.7.1 Fl¨ usse von Vektorfeldern Sei ξ ∈ ΘX (X) ein Vektorfeld auf einer Mannigfaltigkeit X. Wir wissen schon, daß eine Kurve γ : X × {0} ⊂ X × R → X l¨angs idX mit ∀p ∈ X :
∂ (0) γ(p, t) = X(p) ∂t
existiert. Wir machen hier nur eine Aussage u ¨ber die zeitliche Ableitung“ an der Stelle ” t = 0. Jetzt f¨ uhren wir den Fluß eines Vektorfeldes ein, welcher auch Werte in der N¨ahe von t = 0 einschließt. Bemerkung 64. Seien A eine Mannigfaltigkeit und U eine offene Teilmenge von A × R. In dieser Situation schreiben wir in Zukunft ∂ := γ˙ ∈ ΘU (U ) mit γ : U × R → U, (a, s, t) 7→ (a, s + t) bezeichen, das heißt es gilt insbesondere ∀(a, s) ∈ U, φ ∈ C∞ U,(a,s) : ∂ · φ =
∂ φ(a, s). ∂s
Definition 43. Seien ξ ∈ ΘX (X) ein Vektorfeld auf einer Mannigfaltigkeit X. Ist f : A → X eine differenzierbare Abbildung, so heißt eine auf einer offenen Menge U ∈ U◦ (X, A × {0}) definierte differenzierbare Abbildung Φ : U → X mit ∂ · Φ = Φ∗ ξ ∈ (Φ∗ ΘX )(U )
101
1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten (also ∀(a, t) ∈ U : Ta,t Φ(a, ∂) = ΘX (Φ(a, t))) und ∀a ∈ A : Φ(a, 0) = f (a) ein Fluß von ξ mit der Anfangsbedingung f . Beispiel 101. Sei ξ = 0 das Nullvektorfeld. Dann wird durch Φ : A × R → X, (a, t) 7→ f (a) ein Fluß von ξ mit der Anfangsbedingung f definiert. Beispiel 102. Eine Kurve α : I ⊂ R → X mit I ∈ U◦ (R, 0) heißt eine Integralkurve von ξ zur Anfangsbedingung p ∈ X wenn α einem Fluß von ξ zur Anfangsbedingung f : {∗} → X, ∗ 7→ a entspricht, die Mannigfaltigkeit A von oben also einpunktig ist. Das ist gleichbedeutend mit ∀t ∈ I : α(t) ˙ = ξ(α(t)) und α(0) = p. Ist A beliebig und Φ ein Fluß von ξ zur Anfangsbedingung f : A → X, so ist f¨ ur alle a ∈ A die Kurve Φ(a, ·) eine Integralkurve von ξ zur Anfangsbedingung f (a). Beispiel 103. Sei g : R → R eine differenzierbare Funktion. Auf der Mannigfaltigkeit R betrachten wir das Vektorfeld g · ∂ ∈ ΘX (X). Dann ist eine Integralkurve α : R → R von ΘX (X) zum Anfangswert p ∈ R gerade eine L¨osung der gew¨ohnlichen Differentialgleichung α0 = g(α) mit α(0) = p und umgekehrt. Beispiel 104. Sei Φ : U → X ein Fluß von ξ zur Anfangsbedingung f . F¨ ur alle ∆ ∈ R mit A × {0} ⊂ U − ∆ := {(a, t) ∈ A × R | (a, t + ∆) ∈ U } ist Φ∆ : U − ∆ → X, (a, t) 7→ Φ(a, t + ∆) ein Fluß von ξ zur Anfangsbedingung f ∆ : A → X, p 7→ Φ(a, ∆). Mit anderen Worten sind Fl¨ usse im geeigneten Sinne invariant unter Zeitverschie” bungen“.
102
1.7 Vektorfelder und Fl¨ usse Beispiel 105. Sei g : B → A eine differenzierbare Abbildung von einer weiteren Mannigfaltigkeit B. Sei weiter Φ : U → X ein Fluß von ξ zur Anfangsbedingung f . Dann ist g ∗ Φ : g −1 (U ) := (g × idR )−1 (U ) → X, (b, t) 7→ Φ(f (b), t) ein Fluß von ξ zur Anfangsbedingung g ∗ ◦ f = f ◦ g. Aussage 29. Seien ξ ∈ ΘX (X) ein Vektorfeld auf einer Mannigfaltigkeit X und f : A → X eine differenzierbare Abbildung von einer weiteren Mannigfaltigkeit A. Sei U ∈ U◦ (X× R, A × {0}) ein u ¨ber A zusammenh¨angender Raum, das heißt, die Abbildung U → A, (a, t) 7→ a hat (wegweise) zusammenh¨ angende Fasern. Dann existiert h¨ ochstens ein Fluß Φ : U → X von ξ zur Anfangsbedingung f . ˜ : U → X zwei Fl¨ Beweis. Seien Φ, Φ usse von ξ zur Anfangsbedingung f . Sei a ∈ A und ˜ t)}. Z := {t ∈ R | Φ(a, t) = Φ(a, Wegen 0 ∈ Z reicht es zu zeigen, daß Z offen und abgeschlossen in R ist. Da Φ und ˜ stetig sind und X hausdorffsch, folgt die Abgeschlossenenheit von Z aus der GleiΦ chungsdefiniertheit von Z. Um die Offenheit von Z zu zeigen, zeigen wir, daß um alle z ∈ Z noch eine ganze Umgebung um z in Z liegt. Diese Frage ist lokal in X, so daß wir ohne Einschr¨ankung davon ausgehen k¨onnen, daß X = Rn . Dann sind Φ(a, ·) und ˜ ·) zwei Kurven in Rn , die beide dieselbe gew¨ohnliche Differentialgleichung erf¨ Φ(a, ullen und denselben Wert bei z haben. Aus dem Eindeutigkeitssatz f¨ ur gew¨ohnliche Diffe˜ ·) auch in einer Umgebung um z rentialgleichungen folgt damit, daß Φ(a, ·) und Φ(a, u ussen. ¨bereinstimmen m¨ Lemma 19. Seien ξ ∈ ΘX (X) ein Vektorfeld auf einer Mannigfaltigkeit X und f : A → X eine differenzierbare Abbildung von einer weiteren Mannigfaltigkeit A. Dann existiert ein Fluß Φ : U → X (ohne Einschr¨ ankung mit u angendem Definitions¨ber A zusammenh¨ bereich) von ξ zur Anfangsbedingung f . Beweis. Aufgrund der letzten Aussage reicht es, das Problem lokal zu l¨osen, da die lokalen L¨osungen der Eindeutigkeit wegen verkleben m¨ ussen. Wir k¨onnen also davon m n ausgehen, daß A = R und X = R . Sei a ∈ A. Wir m¨ ussen zeigen, daß es eine offene Umgebung U ∈ U◦ (Rm × R, (a, 0)) und eine differenzierbare Abbildung Φ : U → Rn mit ∀(a, t) ∈ U :
→ − ∂ Φ(a, t) = ξ (Φ(a, t)) ∂t
und ∀(a, 0) ∈ U : Φ(a, 0) = f (a) existieren.
103
1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
Dies folgt aus dem lokalen Fluß-Box-Satz“ f¨ ur gew¨ohnliche (zeitunabh¨angige) Diffe” rentialgleichungssystem: Dieses sagt aus, daß die L¨osung einer gew¨ohnlichen Differentialgleichung differenzierbar vom Anfangswert abh¨angt und der Definitionsbereich nicht abrupt schrumpfen kann, genauer in dieser Situation: es existiert eine offene Umgebung V ∈ U◦ (Rn × R, (f (a), 0)) und eine differenzierbare Funktion Ψ : V → Rn mit ∀(p, t) ∈ V :
→ − ∂ Ψ(p, t) = ξ (Φ(p, t)) ∂t
und ∀(p, 0) ∈ V : Ψ(p, 0) = p. Wir k¨onnen jetzt n¨amlich einfach U := (f × idR )−1 (V ) und P hi := Ψ ◦ (f × idR ) setzen. Satz 16. Seien ξ ∈ ΘX (X) ein Vektorfeld auf einer Mannigfaltigkeit X und f : A → X eine differenzierbare Abbildung von einer weiteren Mannigfaltigkeit A. Dann existiert genau ein maximaler Fluß von Φ zur Anfangsbedingung f , das heißt ein Fluß Φ : U → X von ξ zur Anfangsbedingung f , so daß U maximal zusammenh¨ angend u ¨ber A ist. Beweis. Sei (Φi : Ui → X)i∈I die Familie aller Fl¨ usse von Φ zur Anfangsbedingung f mit zusammenh¨angenden Defintionsbereichen u ¨ber A. Aufgrund des Lemmas ist diese Familie nicht leer, d.h. I 6= ∅, so wird aufgrund der Eindeutigkeit nach der letzten Aussagen durch [ Φ: Ui → X, (a, t) ∈ Ui 7→ Φi (a, t) i∈I
ein maximaler Fluß von Φ zur Anfangsbedingung f definiert. (Die Eindeutigkeit des maximalen Flusses folgt dann wieder aus der letzten Aussage.)
Aussage 30. Seien ξ ∈ ΘX (X) ein Vektorfeld auf einer Mannigfaltigkeit X und f : A → X und g : B → A weitere differenzierbare Abbildungen zwischen Mannigfaltigkeiten. Sei Φ : U → X der maximale Fluß von ξ zur Anfangsbedingung f . Dann ist g ∗ Φ der maximale Fluß von ξ zur Anfangsbedingung g ∗ f = f ◦ g. Beweis. Zun¨achst k¨onnen wir ohne Einschr¨ankung davon ausgehen, daß f¨ ur die Anfangs∗ bedingung f = idX gilt. Wir nehmen an, daß g Φ nicht der maximale Fluß von ξ zur Anfangsbedingung g ist. Dann existiert ein b ∈ B, ein offenes Intervall 0 ∈ I ⊂◦ R und eine Kurve γ : I → X mit γ(0) = f (g(b)) und γ˙ = ξ ◦ γ, so daß g({b} × I) 6⊂ U .
104
1.7 Vektorfelder und Fl¨ usse Sei t := sup{τ ∈ I | g(b, τ ) ∈ U }. Ohne Einschr¨ankung ist nach Annahme t ∈ I (ansonsten m¨ ussen wir das Infimum nehmen). Außerdem ist (g(t), b) ∈ / U . Wir zeigen, daß dies nicht sein kann. Dazu w¨ahlen wir Z ∈ U◦ (X, γ(t)) und ∈ R>0 mit (g(b), t−) ∈ U , so daß Z × U2 (0) ⊂ U . Da die Φ(·, t) Diffeomorphismen sind, existiert ein (ohne Einschr¨ankung relativ kompaktes) Y ∈ U◦ (X, g(b)) mit Φ(Y × {t − }) ⊂ Z. Damit k¨onnen wir auch ein δ ∈ R>0 mit Φ(Y × Uδ (t − )) ⊂ Z finden. Schließlich k¨onnen wir Y ohne Einschr¨ankung als so klein annehmen, daß U ∪ Y × Uδ (t − ) immer noch u ¨ber X zusammenh¨angend ist. Und damit wird durch ( Φ(Φ(a, s − ), ) f¨ ur (a, s) ∈ Y × Uδ (t) Y × Uδ (t) ∪ U → X, (a, s) 7→ Φ(a, s) sonst ein Fluß von ξ zur Anfangsbedingung idX und u ¨ber einer u ¨ber X zusammenh¨angenden Menge definiert, so daß dies ein Widerspruch zur Maximalit¨at von Φ ist. Bemerkung 65. Nach der letzten Aussage k¨onnen wir den Fluß von ξ zur Anfangsbedingung idX den universellen maximalen Fluß von ξ nennen, denn jeder andere maximale Fluß entsteht durch Zur¨ uckziehen. H¨aufig werden wir im folgenden das Attribut uni” versell“ weglassen und einfach vom maximalen Fluß von ξ sprechen. Beispiel 106. Ist Φ : U → X der universelle maximale Fluß von ξ, so ist f¨ ur p ∈ X insbesondere Φ(p, ·) : U (p) → X mit U (p) := {t ∈ R : (p, t) ∈ U } die maximale Integralkurve von ξ zum Anfangswert p ∈ X.
1.7.2 Integralkurven Definition 44. Seien X ein Hausdorffraum, −∞ ≤ δ− < δ+ ≤ ∞ und α : ]δ− , δ+ [→ X ein Weg, das heißt eine stetige Abbildung. Dann heißt A(α) :=
\
α(]δ− , t[)
t∈J
die Menge der α-Grenzpunkte und Ω(α) :=
\
α(]t, δ+ [)
t∈J
die Menge der ω-Grenzpunkte von α.
105
1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten Bemerkung 66. Besitzt X abz¨ ahlbare Umgebungsbasen, d.h. existiert f¨ ur alle p ∈ X eine Folge (Un )n∈N offener Umgebungen von p, so daß ∀U ∈ U◦ (X, p) : ∃n ∈ N : Un ⊂ U (wobei wir ohne Einschr¨ankung ∀n ∈ N : Un+1 ⊂◦ Un annehmen k¨onnen), so gilt f¨ ur p ∈ X, daß p ∈ Ω(α) genau dann wenn eine Folge (tn )n∈N in I mit limn→∞ tn = δ+ und p = limn→∞ α(tn ) existiert. Eine entsprechende Aussage gilt nat¨ urlich auch f¨ ur A(α). Aussage 31. Seien X ein Hausdorffraum , −∞ ≤ δ− < δ+ ≤ ∞ und α : ]δ− , δ+ [→ X ein Weg. Dann sind folgende Aussagen zueinander ¨ aquivalent: 1. Die Menge der ω-Grenzpunkte von α ist leer: Ω(α) = ∅. 2. Der Weg α l¨auft gegen den Rand von X, das heißt f¨ ur alle kompakten Teilmengen K ⊂ X gilt ∃tK ∈ R : t > tK =⇒ α(t) ∈ / K. 3. F¨ ur alle kompakten Teilmengen K ⊂ X gilt sup α−1 (K) < δ+ . Entsprechende Aussagen gelten nat¨ urlich auch f¨ ur A(α). Beweis. Um aus der ersten die zweite Aussage zu folgern, sei K eine kompakte Teilmenge. Angenommen es gibt kein tK mit der geforderten Eigenschaft. Dann existiert eine Folge (tn )n∈N in I mit limn→∞ tn = δ+ und ∀n ∈ N : α(tn ) ∈ K. Aufgrund der Folgenkompaktheit von K k¨onnen wir annehmen, daß p := limn→∞ α(tn ) ∈ K ⊂ X existiert. Es folgt p ∈ Ω(α), ein Widerspruch. Die Folgerung der dritten Aussage aus der zweiten ist trivial. Um die erste aus der dritten zu folgern, nehmen wir an Ω(α) 6= ∅, das heißt es existiert eine Folge (tn )n∈N in I mit limn→∞ tn = δ+ und p := limn→∞ α(tn ) ∈ X. Dann ist K := {α(tn ) | n ∈ N} ∪ {p} kompakter Teilraum von X und es gilt sup α−1 (K) = δ+ , ein Widerspruch. Aussage 32. Sei ξ ∈ ΘX (X) ein Vektorfeld auf einer Mannigfaltigkeit X. Ist α : I → X eine maximale Integralkurve von ξ mit sup I < ∞, so folgt Ω(α) = ∅. Ist inf I > −∞, so folgt A(α) = ∅. Beweis. Sei δ+ := sup I. Sei weiter K ⊂ X ein kompakter Teilraum von X. Wir wollen zeigen ein ∈ R>0 existiert mit ∀t ∈ I : t > δ+ − =⇒ α(t) ∈ / K. Dazu sei Φ : U → X der universelle maximale Fluß von ξ und ∈ R>0 so gew¨ahlt, daß noch K × U (0) ⊂ U gilt (was immer geht, daß K kompakt ist). Jetzt nehmen wir an,
106
1.7 Vektorfelder und Fl¨ usse dieses hat nicht die gew¨ unschte Eigenschaft. Dann existiert ein t ∈ I mit t > δ+ − und p := α(t) ∈ K. Insbesondere ist {p} × U (0) ⊂ U und damit wird durch ( α(s) α ˆ : I∪]t − , t + [→ X, s 7→ Φ(p, s − t)
f¨ ur s ∈ I f¨ ur s ∈]t − , t + [
eine echte Fortsetzung von α definiert, was der Maximalit¨at von α widerspricht. Folgerung 14. Ist α(I) relativ kompakt in X, so ist I = R. Definition 45. Ein Vektorfeld ξ auf einer Mannigfaltigkeit X heißt vollst¨ andig, falls der universelle maximale Fluß Φ : U → X auf ganz U = X × R definiert ist. Bemerkung 67. Dies ist gleichbedeutend damit, daß alle maximalen Integralkurven auf ganz R definiert sind. Beispiel 107. Das Vektorfeld ξ ist vollst¨andig, wenn ξ einen kompakten Tr¨ager {p ∈ X | ξ(p) 6= 0} hat. Beispiel 108. Das Vektorfeld ξ ist vollst¨andig, wenn ein ∈ R+ mit X × U (0) ⊂ U existiert, wobei U der Definitionsbereich des maximalen Flusses von X ist.
1.7.3 Vektorfeldern angepaßte Karten Mit der Existenz von Fl¨ ussen k¨onnen wir beweisen, daß Vektorfelder immer auch Gaußsche Basisvektorfelder auftreten k¨onnen. Aussage 33. Seien X eine Manigfaltigkeit, p ∈ X und ξ ∈ ΘX (X) ein Vektorfeld mit ξ(p) 6= 0. Dann existiert eine Karte x : U → Rn mit U ∈ U◦ (X, p) und ξ|U = ∂x∂n . Beweis. Zun¨achst w¨ahlen wir eine Immersion f : G → X mit G ∈ U◦ (Rn−1 , 0), so daß f (0) = p und ξ(p) ∈ / f∗ (T0 G). Diese k¨onnen wir immer aus einer geeigneten Karte um p von X konstruieren. Sei Φ : W → X ein Fluß von ξ zur Anfangsbedingung f . Dann ist T0 Φ : T0 Rn → Tp X ein Vektorraumisomorphismus, nach dem lokalen Umkehrsatz k¨onnen wir also (nach eventueller Einschr¨ankung von W ) davon ausgehen, daß Φ ein Diffeomorphismus auf sein Bild ist. Schließlich setzen wir x := Φ−1 . Folgerung 15. Seien X eine zweidimensionale Mannigfaltigkeit, p ∈ X und ξ, η ∈ ΘX (X) zwei Vektorfelder, so daß (ξ(p), η(p)) eine Basis von Tp X ist. Dann existieren eine Karte x : U → R2 mit U ∈ U◦ (X, p) von X und differenzierbare Funktionen λ, µ ∈ C∞ X (U ). so daß ∂ ∂ ξ|U = λ 1 und η|V = µ 2 . ∂x ∂x
107
1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten Beweis. Wir wenden den vorherigen Satz zweimal an und erhalten Karten y : U → R2 und z : U → R2 mit U ∈ U◦ (X, p), so daß ξ|U = ∂y∂ 1 und η|U = ∂z∂ 2 . Dann setzen wir x := (z 1 , y 2 ) : U → R2 . Es ist Tp x : Tp X → T0 R2 ein Vektorraumisomorphismus, so daß wir ohne Einschr¨ankung 1 2 davon ausgehen k¨onnen, daß x eine Karte ist. Mit λ := ∂x und µ := ∂x erhalten wir ∂y 1 ∂z 2 schließlich die zu beweisende Aussage. Um λ = µ = 1 in der Folgerung erreichen zu k¨onnen muß insbesondere (?) die Lieklammer [ξ, η] der beiden Vektorfelder verschwinden. Wir werden bald sehen, daß dies auch eine hinreichende Voraussetzung ist.
1.7.4 Gew¨ ohnliche Differentialgleichungen auf Mannigfaltigkeiten Wir werden in diesem kurzen Abschnitt zeigen, daß die Theorie der Vektorfelder auch die Theorie der zeit- und parameterabh¨angigen gew¨ohnlichen Differentialgleichungen enth¨alt. Bemerkung 68. Wir wollen im folgenden ein Vektorfeld auf einer Mannigfaltigkeit X l¨angs einer Abbildung der Form f : G → X, (p, t) 7→ p mit G ∈ U◦ (X × R, X × {0}) ein ein zeitabh¨ angiges Vektorfeld ξ ∈ ΘX (f ) auf X nennen. Beispiel 109. Sei ξ ∈ ΘX (f ), f wie oben, ein zeitabh¨angiges Vektorfeld auf X. Dann existiert genau ein Vektorfeld ξ˜ ∈ θX×R (G) mit f∗ ξ˜ = ξ und g∗ ξ˜ = δ, wobei g : G → ˜ : U → G ein Fluß R, (p, t) 7→ t. Sei weiter h : A → X eine weitere Abbildung. Ist dann Φ von ξ˜ zur Anfangsbedingung ˜ : A˜ := (h × idR )−1 (G) → G, (p, t) 7→ (h(p), t), h so gilt immer ˜ : U → R, (p, t) 7→ t g◦Φ ˜ : U → X gilt und f¨ ur Φ := f ◦ Φ ∀(a, t) ∈ U : (∂Φ)(a, t) = ξ(Φ(a, t), t) und ∀a ∈ A˜ : Φ(a, 0) = h(a). Wir erhalten also einen Fluß des zeitabh¨angigen Vektorfeldes“. ” Bemerkung 69. Seien P eine weitere Mannigfaltigkeit und f : P × X → X, (p, q) 7→ q die Projektion auf den zweiten Faktor. Dann heißt ein Vektorfeld ξ ∈ ΘX (f ) auch eine u ¨ber P parametrisierte Familie von Vektorfeldern auf X.
108
1.7 Vektorfelder und Fl¨ usse Beispiel 110. Sei ξ wie in der letzten Bemerkung. Sei g : P ×A → X eine differenzierbare Abbildung. Mit ξ˜ ∈ ΘP ×X (P × X) bezeichnen wir das Vektorfeld auf P × X mit f∗ ξ˜ = ξ und e∗ ξ˜ = 0, wobei e : P × X, (p, q) 7→ p die Projektion auf die erste Koordinate ist. Sei weiter g˜ : P × A → P × X, (p, a) 7→ (p, g(a)). ˜ : U → P × X, U ∈ U◦ (P × X × R, P × X × {0}) der universelle maximale Fluß Sei Φ von ξ˜ zur Anfangsbedingung g. Dann gilt ˜ 1 (p, q, t) = p ∀(p, q, t) ∈ U : Φ und f¨ ur alle p ∈ P ist Φ(p) : U (p) → X, (q, t) 7→ Φ2 (q, t) der universelle maximale Fluß von ξ(p) := ξ(p, ·) ∈ ΘX (X). Dabei stehen die Indizes f¨ ur die Projektionen auf die erste beziehungsweise zweite Koordinate und U (p) := {(q, t) ∈ X × R | (p, q, t) ∈ U }. Insbesondere h¨angen die Fl¨ usse Φ(p) von ξ(p) differenzierbar vom ˜ differenzierbar ist. Parameter p ∈ P ab, da Φ Bemerkung 70. F¨ ur eine Mannigfaltigkeit X und ein G ⊂◦ T X sagen wir, ein Vektorfeld ξ ∈ ΘT X (G) beschreibe eine (zeitunabh¨ angige) gew¨ ohnliche Differentialgleichung zweiter Ordnung auf X, wenn (πX )∗ ξ = idG . (Dabei bezeichnet wie u ¨blich πX : T X → X die B¨ undelprojektion.) Beispiel 111. Sei ξ ∈ ΘT X (G) wie in der Bemerkung. Sei weiter f : A → T X eine Anfangsbedingung“. ” ˜ : U → T X mit U ∈ U◦ (A × R, A × {0}) der maximale Fluß von ξ zur Ist dann Φ ˜ : U → X, daß Anfangsbedingung f , so gilt f¨ ur Φ := πX ◦ Φ ∀(a, t) ∈ U : (∂Φ)(a, t) ∈ G
und
(∂ 2 Φ)(a, t) ∈ ξ(∂Φ(a, t)),
und ∀a ∈ A : (∂Φ)(a, 0) = f (a).
1.7.5 Die Lieklammer Definition 46. Eine lokale Liesche Gruppe Ge ist der Keim Ge einer Mannigfaltigkeit G zusammen mit Keimen differenzierbarer Abbildungen µ : Ge × Ge ' (G × G)(e,e) → Ge und ι : G e → Ge , so daß µ und ι die Axiome der Multiplikation und Inversenbildung bez¨ uglich der Eins e ∈ Ge einer abstrakten Gruppe erf¨ ullen.
109
1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
Ein Homomorphismus lokaler Gruppen wird auf die offensichtliche Art und Weise definiert. Eine Operation einer lokalen Lieschen Gruppe Ge auf einer Mannifaltigkeit X ist der Keim einer differenzierbaren Abbildung (G × X){e}×X → X, so daß die induzierte Abbildung Ge → Diff(X) ein Homomorphismus (lokaler) Gruppen ist. Beispiel 112. Sei G eine Liesche Gruppe mit neutralem Element e ∈ G. Dann ist Ge in kanonischer Weise eine lokale Liesche Gruppe. Operiert G auf einer Mannigfaltigkeit X, so operiert Ge in kanonischer Weise auch auf X. Beispiel 113. Die Addition macht R bekanntlich zu einer Lieschen Gruppe mit neutralem Element 0. Damit wird also R0 zu einer lokalen Lieschen Gruppe. Darstellungen von R0 auf einer Mannigfaltigkeit X heißen auch lokale 1-Parametergruppen auf X. Beispiel 114. Sei ξ ∈ ΘX (X) ein Vektorfeld auf einer Mannigfaltigkeit X. Dann entspricht ξ in kanonischer Weise der 1-Parametergruppe R0 → Diff(X), t 7→ Φ(·, t) auf X, wobei Φ : U → X der maximale Fluß von ξ ist. Ist umgekehrt ein g : R0 → Diff(X) eine lokale 1-Parametergruppe auf X, so wird durch ξ := g˙ ein Vektorfeld definiert, dess zugeh¨orige 1-Parametergruppe gerade ξ ist. Es entsprechen 1-Parametergruppen also genau den Vektorfeldern. Sind g, h : R0 → Diff(X) zwei 1-Parametergruppen (das heißt Vektorfelder) auf der Mannigfaltigkeit X gegeben, so k¨onnen nat¨ urlich fragen, ob g und h kommutieren, das heißt, ob ∀s, t ∈ R0 : h(g(s), t) = g(h(t), s). Dieses wird im allgemeinen nicht der Fall sein und wir werden das Konzept der Lieklammer brauchen, um die Abweichung von der Kommutativit¨at zu messen. Daher geht es im folgenden um diesen Begriff: Aussage 34. Seien ξ, η ∈ ΘX (U ) zwei Vektorfelder u ¨ber einer offenen Teilmenge U einer Mannigfaltigkeit X. Dann gibt es genau ein Vektorfeld [ξ, η] ∈ ΘX (U ), so daß ∀φ ∈ C∞ X (U ) : [ξ, η] φ = ξ η φ − η ξ φ.
110
1.7 Vektorfelder und Fl¨ usse Beweis. Die Aussage ist lokal, so daß wir ohne Einschr¨ankung X = U = Rn mit der kanonischen Karte x = idRn voraussetzen k¨onnen. Dann existieren differenzierbare Funktionen ξ 1 , . . . , ξ n , η 1 , . . . , η n : Rn → R mit ξ=
n X
ξi
i=1
∂ ∂xi
und η =
n X
ηi
∂ . ∂xi
∂ ∂xi
i=1
Nach der Produktregel gilt damit ξ η φ − η, ξ φ =
i ∂η i j ∂ξ ξ − η ∂xj ∂xj j
φ,
es folgt also [ξ, η] =
i ∂η i j ∂ξ ξ − η ∂xj ∂xj j
∂ . ∂xi
Bemerkung 71. Ist X eine Ck -Mannigfaltigkeit und sind ξ und η Vektorfelder der Differenzierbarkeitsordnung Cl , l ≤ k, so ist [ξ, η] im allgemeinen nur noch von der Ordnung l − 1. Definition 47. Sei X eine differenzierbare Mannigfaltigkeit. Wir nennen [ξ, η] ∈ ΘX (U ) f¨ ur zwei Vektorfelder ξ, η ∈ ΘX (U ) mit U ⊂◦ X die Lieklammer oder den Kommutator der Vektorfelder ξ und η. Bemerkung 72. Das Bilden der Lieklammer ist ein lokaler Prozeß, insbesondere wird ein Morphismus von Garben von R-Vektorr¨aumen [·, ·] : ΘX × ΘX → ΘX induziert. Bemerkung 73. Aus dem obigen Beweis k¨onnen wir also insbesondere die Darstellung der Lieklammer in Koordinaten bez¨ uglich Gaußscher Basisvektorfelder ziehen. Beispiel 115. Es gilt
∂ ∂ ∀1 ≤ i, j ≤ n : , ∂xi ∂xj
=0
f¨ ur alle Karten x : U → Rn . Beispiel 116. F¨ ur φ, ψ ∈ C∞ X (U ) gilt [φ · ξ, ψ · η] = (φ ψ) · [ξ, η] + (φ (ξ ψ)) · η − (ψ (η φ)) · ξ. Dieses l¨aßt sich nachrechnen, in dem man zum Beispiel sowohl die linke als auch die rechte Seite auf eine weitere Funktion in C∞ X (U ) anwendet.
111
1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
Kommen wir zur¨ uck zu unserem Problem, die Abweichung von der Kommutativit¨ at zwei 1-Parametergruppen g, h : R0 → Diff(X) zu messen. Wir m¨ ussen also h(t, g(s)) : R20 → Diff(X) und g(s, h(t)) : R20 → Diff(X) miteinander vergleichen. Dies machen wir, indem ¨ wir die Anderung einer Funktion bez¨ uglich der durch beide Abbildungen gegeben Familien von Diffeomorphismen bestimmen. Dazu erinnern wir daran, daß f¨ ur eine Funktion φ : X → R die Hessesche an p ∈ X wohldefiniert ist, wenn dp φ = 0. Lemma 20. Seien g, h : R0 × Xp → Xp zwei 1-Parametergruppen eines Keims Xp einer Mannigfaltigkeit. Sei φ ∈ C∞ X,p . Wir setzen φ˜ := [g, h]∗ φ : R20 → R, s, t 7→ φ(h(t, g(s))) − φ(g(s, h(t))). F¨ ur diese Funktion ist 0 = (0, 0) ein kritischer Punkt, das heißt d0 [g, h]∗ φ = 0. Beweis. An der Stelle (s, t) = (0, 0) gilt ∂ ˜ ∂ ∂ φ(s, t) = φ(h(t, g(s))) − φ(g(s, h(t))) = (φ ◦ g)0 (0) − (φ ◦ g)0 (0) = 0, ∂s ∂s ∂s wegen h(0) = idXp und analog f¨ ur die partielle Ableitung nach t. Aussage 35. Seien g, h : R0 ×Xp → Xp zwei 1-Parametergruppen eines Keims Xp einer Mannigfaltigkeit. Seien weiter ξ := g˙ ∈ ΘX,p und η := h˙ ∈ ΘX,p gegeben. Sei φ ∈ C∞ X,p . ∗ Dann ist die Hessesche von φ˜ := [g, h] φ durch 1 2˜ (d φ)(∂, ∂) = [ξ, η](p)φ 2 0 gegeben. Beweis. Es ist zu zeigen, daß 1 ∂ 2 (φ(h(t, g(t, p))) − g(t, h(t, p))) 2 ∂t2 t=0 ∂ 2 = [ξ, η](p)φ = (φ(h(t, g(s, p))) − φ(g(s, h(t, p)))) . ∂t∂s s,t=0 Dies ist eine lokale Rechnung (und kann daher im Rn im Sinne der Analysis ausgef¨ uhrt werden), welche ich daher hier nicht aufschreiben m¨ochte. Zwei Vektorfelder kommutieren also genau dann, wenn ihre Lieklammer u ¨berall verschwindet.
112
1.7 Vektorfelder und Fl¨ usse Folgerung 16. Seien X eine Mannigfaltigkeit und ξ1 , . . . , ξk ∈ ΘX,p mit p ∈ X an p linear unabh¨ angige Vektorfelder auf X mit ∀1 ≤ i, j ≤ k : [ξi , ξj ] = 0. Dann existiert eine Karte x : U → Rn mit U ∈ U◦ (X, p) und ∀1 ≤ i ≤ k : ξi =
∂ ∂xi
. p
Beweis. Seien ξk+1 , . . . , ξn beliebige weitere Vektorfelder, welche zusammen mit ξ1 , . . . , ξk eine Basis von ΘX (p) bilden. Seien g1 , . . . , gn : R0 ×Xp → Xp die durch die Vektorfelder definierten 1-Parametergruppen. Dann wird durch f : Rn0 → X, (t1 , . . . , tn ) 7→ (g1 (t1 , ·) ◦ · · · ◦ gn (tn , ·))(p) eine differenzierbare Abbildung gegeben, f¨ ur die schnell δ1 f = ξ1 ◦ f nachgerechnet ist. Aufgrund der Kommutativit¨at der ersten k 1-Parameteruntergruppen, gilt dann offensichtlich auch δi f = ξi ◦ f f¨ ur alle 1 ≤ i ≤ k. Nach Voraussetzung ist f an 0 ein lokaler Diffeomorphismus, insgesamt ein Diffeomorphismus. Durch x := f −1 wird eine gesuchte Karte definiert.
1.7.6 Liesche Algebren Definition 48. Sei G eine Liesche Gruppe. Ein Vektorfeld ξ ∈ ΘX (X) heißt linksinvariant, falls ∀g ∈ G : (Lg )∗ ξ = ξ ◦ Lg . Dabei bezeichnet Lg : G → G, h 7→ g h f¨ ur ein g ∈ G die Linksmultiplikation mit g auf G. Bemerkung 74. Ein Vektorfeld ξ ist genau dann linksinvariant, wenn f¨ ur alle φ ∈ C∞ G (G) gilt, daß ∀g ∈ G : ξ(g) · φ = ξ(e) · (φ ◦ Lg ).
113
1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
Beispiel 117. Sei V ein endlich-dimensionaler Vektorraum. Die linksinvarianten Vektorfelder ξ auf der abelschen Lieschen Gruppe V sind gerade die konstanten, das heißt diejenigen f¨ ur die ein v ∈ V mit → − ∀p ∈ V : ξ = v existiert. Beispiel 118. Auf der Lieschen Gruppe U (1) ⊂ C wird durch → − ∀z ∈ U (1) : ξ (z) = i z ein linksinvariantes Vektorfeld beschrieben. Beispiel 119. Summe und skalare Vielfache von linksinvarianten Vektorfeldern sind wieder linksinvariant. Damit bilden die linksinvarianten Vektorfelder einer Lieschen Gruppe offensichtlich einen Vektorraum. Aussage 36. Sei G eine Liesche Gruppe. Der Vektorraum g der linksinvarianten Vektorfelder auf G ist abgeschlossenen unter der Lieklammer von Vektorfeldern und damit eine Liesche Unteralgebra von ΘG (G), die sogenannte Liealgebra zu G. Weiter ist die Abbildung g → Te G, ξ 7→ ξ(e) ein Isomorphismus von Vektorr¨ aumen. Insbesondere ist also g endlich-dimensional der Dimension dim G. Beweis. Zun¨achst ist zu zeigen, daß [ξ, η] f¨ ur ξ, η ∈ g wieder linksinvariant ist. F¨ ur g ∈ G ∞ und φ ∈ CG (G) gilt nun ((Lg )∗ [ξ, η]) φ = [ξ, η] (φ ◦ Lg ) = (ξη − ηξ) φ ◦ Lg = ξ ((Lg )∗ η) φ − . . . = ξ ((ηφ) ◦ Lg ) − · · · = ((Lg )∗ ξ)ηφ − · · · = (ξηφ) ◦ Lg − · · · = ([ξ, η] ◦ Lg )φ. Es bleibt nachzurechnen, daß die oben angegebene Abbildung ξ 7→ ξ(e) ein Isomorphismus ist. Dazu geben wir die Umkehrung einfach an. Diese ist n¨amlich durch A : Te G → g, ξ 7→ A(ξ) mit A(ξ) · φ : G → R, g 7→ ξ · (φ ◦ Lg ) gegeben. Bemerkung 75. Aufgrund der letzten Aussage k¨onnen und werden wir ab sofort g und Te G miteinander identifizieren. Bemerkung 76. Liesche Gruppen sind damit parallelisierbare Mannigfaltigkeiten X, das heißt es existieren endlich viele Vektorfelder ξ1 , . . . , ξn ∈ ΘX (X), die an jedem Punkt p ∈ X eine Basis des Tangentialraums von X am Punkt bilden.
114
1.7 Vektorfelder und Fl¨ usse
Satz 17. Sei G eine Liesche Gruppe und g ihre Liealgebra. Dann ist jedes linksinvariante Vektorfeld ξ ∈ g vollst¨ andig. Ist γξ : R → G die maximale Integralkurve zu ξ zum Anfangswert γξ (0) = e, so ist γξ eine 1-Parameteruntergruppe von G, das heißt ein Gruppenhomomorphismus. F¨ ur den universellen maximalen Fluß Φ : G × R → G gilt ∀(g, t) ∈ G × R : Φ(g, t) = g · γξ (t). ˜ : U ×U (0) → G von ξ bez¨ Beweis. Sei U ∈ U◦ (G, e) und ∈ R>0 , so daß ein Fluß Φ uglich der Inklusion U → X als Anfangsbedingung definiert ist. Dann ist wird durch ˆ : X × U(0) → G, (p, t) 7→ g Φ(g −1 p, t) Φ
f¨ ur g −1 p ∈ U
ein Fluß von ξ zur Anfangsbedingung idX definiert. Damit ist der universelle maximale Fluß aber auf X × R definiert. Weiter gilt f¨ ur s, t ∈ R, daß γξ (t + s) = γξ (s) γξ (t), dazu halten wir s ∈ R fest und stellen fest, daß beide Seiten in t eine maximale Integralkurve von ξ zum Anfangswert γ(s) bilden. Damit m¨ ussen sie also auch f¨ ur alle t ∈ R gleich sein. Damit ist γξ ein Gruppenhomomorphismus. F¨ ur die letzte Behauptung reicht es aufgrund der Eindeutigkeit des maximalen Flusses zu zeigen, daß G × R → G, (g, t) 7→ g · γξ (t) ein Fluß von ξ zur Anfangsbedingung idG ist. Die Anfangsbedingung ist offensichtich erf¨ ullt. Außerdem gilt ∂(g · γξ (t)) = (Lg )∗ ξ(γξ (t)) = ξ(g · γξ (t)).
Aufgaben Aufgabe 50. Sei ξ das (globale) Vektorfeld auf R2 mit −−−→ −v 2 − . ∀(u, v) ∈ R : ξ(u, v) = u Bestimmen Sie den universellen maximalen Fluß von ξ. Aufgabe 51. Sei ξ ∈ ΘX (X) ein Vektorfeld auf X und α : I → X eine maximale Integralkurve von X mit p := α(0). Zeigen Sie: 1. Die Abbildung α : I → X ist genau dann konstant p ∈ X, wenn ξ(p) = 0. In diesem Fall ist I = R.
115
1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten 2. Ist ξ(p) 6= 0, so ist α eine Immersion. In diesem Falle ist α entweder injektiv oder periodisch, wobei letzteres heißt, daß I = R und daß ein d ∈ R>0 mit ∀t ∈ R : α(t + d) = α(t) existiert. (Unter welcher Bedingung kann man d die Periode nennen?) 3. Das Bild α(I) ist in jedem Falle in kanonischer Weise eine Untermannigfaltigkeit von X. Zeigen Sie weiter, daß diese abgeschlossen ist, falls α konstant, α periodisch oder I beschr¨ankt ist. Aufgabe 52. Seien X eine Mannigfaltigkeit, U ∈ U◦ (X ×R, X ×{0}) undi Φ : U → X eine differenzierbare Abbildung. Unter welchen Umst¨anden ist Φ der Fluß eines (eindeutig bestimmten?) Vektorfeldes auf X? Aufgabe 53. Sei X eine zusammenh¨angende Mannigfaltigkeit. Die Aufgabe ist es zu zeigen, daß Diff(X) transitiv auf X operiert. Dies soll in folgenden Schritten passieren: 1. Sei A ein affiner Raum u ¨ber einem Vektorraum V und v ∈ V . Sei weiter ξ ∈ ΘA (A) das Vektorfeld mit −−−→ ∀a ∈ A : xi(a) = v. Dann gilt f¨ ur den maximalen Fluß Φ : A × R → A und ∀(a, t) ∈ R : Φ(a, t) = a + t v. 2. Seien p ∈ X, x : U → X eine Karte mit U ∈ U◦ (X, p) und W b U mit W ∈ U◦ (X, p), so daß x(W ) sternf¨ormig ist. Dann ist W eine Teilmenge der Bahn Diff(X) p. 3. F¨ ur p ∈ X beliebig ist die Bahn Diff(X) p in X offen. Warum folgt daraus Diff(X) p = X und die zu beweisende Aussage? Aufgabe 54. Durch welche Daten werden zeitabh¨angige Differentialgleichungen zweiter Ordnung auf einer Mannigfaltigkeit beschrieben? Wie l¨aßt sich dies auf die Theorie der Fl¨ usse von Vektorfeldern zur¨ uckgef¨ uhrt? Aufgabe 55. Sei X eine Untermannigfaltigkeit des affinen Raumes A. Seien ξ, η ∈ ΘX (X). Zeigen Sie, daß −−→ → − → [ξ, η] = d− η (ξ) − d ξ (η). Aufgabe 56. Sei f : X → Y eine differenzierbare Abbildung zwischen Mannigfaltigkeiten. Sei n := dim Y . Beweisen Sie folgende Behauptungen: 1. Ist f die Inklusion einer Untermannigfaltigkeit X in Y , so gilt f¨ ur alle ξ, η ∈ ΘY (Y ), daß ξ|X , η|X ∈ ΘX (X) =⇒ [ξ, η]|X ∈ ΘX (X).
116
1.8 Tensoren 2. Zu p ∈ X existieren Vektorfelder ζ1 , . . . , ζn ∈ ΘY (Y ) und eine Umgebung U ∈ U◦ (X, p), so daß es f¨ ur jedes Vektorfeld ξ ∈ ΘY (f ) differenzierbare Funktionen φ1 , . . . , φn ∈ C∞ (X) gibt mit X ξ|U =
n X
φi · (ζi ◦ f )|U .
i=1
3. Es seien ξ, η ∈ ΘX (X), ζ1 , . . . , ζn ∈ ΘY (Y ) und φ1 , . . . , φn , ψ 1 , . . . , ψ n ∈ C∞ X (X) mit n n X X i f∗ ξ = φ · (ζi ◦ f )|U und f∗ η = ψ i · (ζi ◦ f )|U . i=1
i=1
Dann gilt f∗ [ξ, η] =
n X i=1
(ξ ψ i − η φi ) · ζi ◦ f +
X
(φi ψj − ψi φj ) · [ζi , ζj ] ◦ f.
1≤i<j≤n
1.8 Tensoren 1.9 Integration
117
1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
118
2 Zusammenh¨ ange und Metriken
119