Albrecht Lüter Die Kommentarlage
Albrecht Lüter
Die Kommentarlage Profilbildung und Polyphonie in medienöffentlichen...
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Albrecht Lüter Die Kommentarlage
Albrecht Lüter
Die Kommentarlage Profilbildung und Polyphonie in medienöffentlichen Diskursen
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Zugl.: Dissertation an der Freien Universität Berlin, 2007
1. Auflage 2008 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008 Lektorat: Katrin Emmerich / Tanja Köhler VS Verlag für Sozialwissenschaften ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: Krips b.v., Meppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-531-15906-5
„Erkenne die Lage.“ Gottfried Benn
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Inhalt
Inhalt Inhalt
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Einleitung .............................................................................................. 11 1.1 1.2
Kontext und Fragestellung ............................................................... 11 Aufbau der Untersuchung ................................................................ 21
Teil I: Probleme, Strukturen und Akteure ........................................................ politischer Medienöffentlichkeit ....................................................... 27 2
Medialisierung des Politischen und die politische Öffentlichkeit ..... 29 2.1 2.2 2.3 2.4
3
Demokratie und Öffentlichkeit ........................................................ Normative Theorien und sozialwissenschaftliche Analyse .............. Drei Schwerpunkte der Öffentlichkeitsforschung ............................ Medialisierung der Politik als „Herausforderung der Demokratie“ .
29 30 36 38
Strukturen und Akteure moderner Öffentlichkeit ............................ 43 3.1 Anforderungen an eine Theorie moderner Öffentlichkeit ................ 43 3.2 Soziale Differenzierung und Medienautonomie .............................. 45 3.2.1 Varianten sozialer Differenzierung bei .......................................... Bourdieu und Luhmann ........................................................... 50 3.3 Politische Öffentlichkeit als Arena .................................................. 54 3.3.1 Konzeptuelle Integration von Strukturen und Akteuren .......... 55 3.3.2 Multiple Ebenen und divergente Logiken ................................ 57 3.3.3 Sprecher und Rollendifferenzierungen .................................... 60 3.3.4 Prominenz und Prestige: ................................................................ Zwei Seiten öffentlicher Reputation ........................................ 66 3.3.5 Politische und soziale Funktionen von Öffentlichkeit ............. 68 3.3.6 Die Stimmen des Publikums .................................................... 70
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Inhalt
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Die Medien der Öffentlichkeit ............................................................. 75 4.1 Öffentlichkeitssoziologie und Medienforschung ............................. 75 4.2 Dimensionen von Medienhandeln ................................................... 77 4.2.1 Journalistische Auswahlkriterien: Nachrichtenwerte ............... 78 4.2.2 Bias, redaktionelle Linien und opportune Zeugen ................... 79 4.2.3 Agenda-Setting, Framing, Priming und Agenda-Building ....... 81 4.2.4 Medieneffekte durch Fokussierung und Konsonanz? .............. 85 4.3 Die Beziehungen von Medien und Politik ....................................... 89 4.3.1 Press-Party-Parallelismus, politischer Parallelismus, .................... Indexing: Die Ökologie von Medien und Politik ..................... 90 4.3.2 Das Parallelismus-Konzept angewandt: ......................................... Die „Vielfalt moderner Öffentlichkeiten“ ................................ 93 4.3.3 Demokratisch-korporatistische Beziehungen von .......................... Medien und Politik in der Bundesrepublik ............................ 101
Teil II: Empirische Befunde zur politischen Strukturierung ........................... der öffentlichen Kommentaragenda ............................................. 107 5
Methodische Vorgehensweise ............................................................ 109 5.1 Analytische Dimensionen und Untersuchungsfragen .................... 5.1.1 Politische Codierung des Mediendiskurses? .......................... 5.1.2 Parteibindungen der Medien? ................................................ 5.1.3 Überlagerung politischer Muster durch Personalisierung? .... 5.1.4 Journalistische Stilisierung als politischer Faktor? ................ 5.2 Inhaltsanalytisches Vorgehen ........................................................ 5.2.1 Zeitungsauswahl und Stichprobe ........................................... 5.2.2 Inhaltsanalytische Kategorien ................................................ 5.3 Codierungsprozess und Datenqualität ............................................
109 110 111 113 114 115 116 121 125
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Inhalt
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Medienprofile und politische Parallelstrukturen: ................................... Ergebnisse des Zeitungsvergleiches .................................................. 129 6.1 6.2
Operationalisierung und Untersuchungsstrategie ........................... 129 Jenseits von Links und Rechts? Zur Relevanz einer .............................. politischen Grundunterscheidung .................................................. 133 6.2.1 Die Positionen der Zeitungen auf der Links-Rechts-Achse ... 137 6.2.2 Abweichende Stellungnahmen? Die Positionierung der ................ Zeitungen in politischen Grundkonflikten ............................. 146 6.2.3 Die Mobilisierung von politischen Grundkonflikten ............. 154 6.2.4 Redaktionelle Linien und journalistische Vielfalt. ......................... Zur Frage des Binnenpluralismus .......................................... 159 6.3 Politische Parallelstrukturen - Parteien und Parteilichkeiten ......... 166 6.3.1 Politische Parteien und Medienaufmerksamkeit: Standing .... 168 6.3.2 Redaktionelle Linien und die Bewertung der Parteien ........... 171 6.4 Kandidatenorientierungen und Kommentarlinien .......................... 177 6.4.1 Personen und Policies. Zum Stellenwert ........................................ personalisierender Kommentierung ....................................... 178 6.4.2 Kandidatenpräferenzen und mediale Politikpositionen .......... 183 6.4.2.1 Kanzlerkandidaten und Medienaufmerksamkeit .......... 186 6.4.2.2 Die Bewertung der Kanzlerkandidaten ......................... 190 6.5 Macht „politischer Stil” einen Unterschied? .................................. 195 6.5.1 Verlautbarungsjournalismus? Pseudoereignisse ............................ und PR-Einflüsse ................................................................... 197 6.5.2 Stilfragen: Kritikalität und Meinungsdramatisierung ............. 202 6.5.2.1 Themenbehandlung ...................................................... 202 6.5.2.2 Prinzipialisierung .......................................................... 205 6.5.2.3 Positionierung ............................................................... 206 6.5.2.4 Kritikalität und „Politik des Lobs“ ............................... 207 7
Schluss ................................................................................................. 213 Danksagung .......................................................................................... Literaturverzeichnis .............................................................................. Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen ......................................... Methodenanhang ..................................................................................
225 227 257 259
1.1 Kontext und Fragestellung
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1 Einleitung
„Und täglich, ich betone es noch einmal, wird die Öffentlichkeit durch irgendeine von der Presse in Umlauf gebrachte Ansicht in zwei Lager gespalten: Die einen ‚sind dieser Meinung’, die anderen ‚sind dagegen’. Weder diese noch jene lassen jedoch zu, dass man sich im Moment mit etwas anderem als mit der ihnen so gestellten und auferlegten Frage beschäftigen könnte.“ (Gabriel de Tarde)1
1.1 Kontext und Fragestellung Sozialwissenschaftliche Diagnosen zur Entwicklung einer „Mediengesellschaft“ oder „Mediendemokratie“ postulieren in jüngerer Zeit verstärkt eine veränderte Rolle der Massenmedien. Wo derartige Arbeiten ihre Thesen und Argumente analytisch öffnen und in empirische Studien übersetzen, werden die Leistungen und Effekte der Medien jedoch in der Regel nur mit Blick auf die Nachrichtenberichterstattung in Presse und Fernsehen untersucht. Die Rolle von Medien als aktiven Sprechern und politischen Akteuren im öffentlichen Meinungsbildungsprozess ist demgegenüber bisher massiv vernachlässigt worden und rückt erst allmählich in den Fokus der Forschung. Die vorliegende Studie setzt an diesem Punkt an und beleuchtet die Medien als eigenständige Sprecher in öffentlichen Diskursen. In den Fokus kommt dabei eine spezifische Teilgruppe des Journalismus - der politische Kommentator - und ein spezifisches journalistisches Genre: der politische Kommentar.2 1
Das Zitat ist de Tardes „Die Gesetze der Nachahmung“ entnommen (Tarde 1890/2003: 14). Unterstützt wird diese Gegenstandswahl auch von einigen Untersuchungen im internationalen Forschungsfeld, die auf den nicht unerheblichen Einfluss journalistischer Kommentatoren auf die Themen und Strukturen der öffentlichen Meinungsbildung hingewiesen haben. Diese Studien liefern zwar klare Belege für die Relevanz des vernachlässigten Genres des politischen Kommentars, verhandeln Kommentare jedoch in einem weiter gefassten thematischen Kontext (Page, Shapiro und Dempsey 1987) und (Dalton, Beck und Huckfeldt 1998; Jordan 1993). Besonders hervorzuheben ist daher eine neuere Studie eines Forschers und „editorial writers“, der Kommentare nicht im Rahmen einer anders akzentuierten Medien- oder Politikanalyse thematisiert, sondern sie - wenn auch nur auf lokaler Ebene - als eigenständigen Gegenstand untersucht. Er spricht dabei in prägnanter Form auch das „Problem der Relevanz“ (Schütz 1982) an: „Because of the importance that editors and many publishers lend to editorials and opinion, because editorials do represent bias and political ideology, because editorials try to exert leadership and to apply pressure to public decision-making, because
2
12
1 Einleitung
Im deutenden Meinungsjournalismus fallen schon auf den ersten Blick „große Journalisten“ auf, die als „Institutionen in einer Person“ im Grenzbereich zum öffentlichen Intellektuellen auch politisch einflussreich werden. Beispielhaft für den bundesdeutschen Journalismus kann der Spiegel-Herausgeber Rudolf Augstein stehen, der sein Nachrichtenmagazin früh als „Sturmgeschütz der Demokratie“ profilierte.3 Der Streit um eine unabhängige und auch politisch wirksame, „zeitkritische“ Presse in der frühen Bundesrepublik besitzt in der SpiegelAffäre von 1962 einen symbolischen Kulminationspunkt, an dem sich die Autonomieansprüche des politischen Journalismus gegenüber dem Misstrauen der Bundesregierung unter Adenauer behauptet haben (Hodenberg 2006). Jenseits der bekannten journalistischen „Personen des Zeitgeschehens“ lässt sich aber in den politischen Kommentarspalten der Qualitätspresse auch eine weder anonyme, noch vollkommen an Einzelpersonen gebundene Institutionalisierung der meinungsbildenden und meinungsprägenden Dimension des Journalismus ausmachen. Sicherlich finden sich auch in diesem Segment zahlreiche herausragende Autoren. Auch angesichts des Bedeutungsverlustes der älteren Gesinnungspresse haben die Massenmedien hier aber vor allem ein Instrument der täglichen Bewertung und evaluierenden Beobachtung der Politik mit anhaltender Bedeutung institutionalisiert, also eine mediale und auch: politische Institution hervorgebracht (Cook 1998, 2006; Sparrow 1999). Es kann davon ausgegangen werden, dass die tagtäglich vorliegende „Kommentarlage“ eine relevante Größe innerhalb des politischen Prozesses darstellt.4 those in the community who decide whom to tax and what roads to build and what classes to offer students pay attention to the editorials of their local newspaper – for all these reasons, I have chosen the newspaper editorial to explore what this nation has lost and is losing in a diminishing marketplace of ideas” (Hallock 2007: xxiv). Diese Verlustanzeige kann für den bundesdeutschen Fall zumindest auf nationaler Ebene jedoch relativiert werden - die Bundesrepublik würde in einem internationalen bench-marking zum Thema Pressevielfalt recht gut abschneiden. 3 Für den politischen Journalismus in der „Berliner Republik“ lässt sich möglicherweise eine größere Streuung derjenigen Akteure verzeichnen, bei denen Prominenz und Prestige sich auf besonders erfolgreiche Weise verbinden. Erste Analysen zeichnen sich durch einen stark personalisierenden Zugang aus. Weichert und Zabel präsentieren in einer Annäherung an die „Alpha-Journalisten“ etwa 30 Personenportraits, von denen im Folgenden eine willkürliche Auswahl genannt werden soll: Stefan Aust, Henryk M. Broder, Giovanni di Lorenzo, Bettina Gaus, Josef Joffe, Roger Köppel, Hans Leyendecker, Helmut Markwort, Heribert Prantl, Gabor Steingart (Weichert und Zabel 2007). Höfers methodisch diskutables, ausschließlich auf der Nennung in Internet-Suchmaschinen basierendes Ranking von deutschen „Meinungsführern“ weist im Bereich der Publizisten einen gewissen Feuilleton-Bias auf. Die ersten fünf Plätze werden von Marcel Reich-Ranicki, Alice Schwarzer, Joachim Kaiser, Hellmuth Karasek und Ulrich Wickert besetzt (Höfer 2005). 4 Als „Kommentarlage“ kann die öffentliche Meinung in ihrem komplexen Aufbau bezeichnet werden, soweit sie sich in den Kommentaren der Medien abbildet. Fassbar wird diese Größe etwa in Form des Pressespiegels in politischen und anderen Institutionen. Wie die durch Umfragen erhobene Bevölkerungsmeinung ist auch die öffentliche Meinung eine Orientierungsgröße, die dem politischen System die Möglichkeit eröffnet, eine jenseits des politischen Selbstbezugs angesiedelte politische
1.1 Kontext und Fragestellung
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Was im Fall der Spiegel-Affäre oder journalistisch skandalisierter Sachverhalte5 als leicht zu durchschauender Umstand erscheinen könnte, wirft auf den zweiten Blick allerdings verschiedene Fragen auf: Worin besteht überhaupt „die Kommentarlage“? Was sind hier die Äquivalente zu Temperaturen, Niederschlägen, Luftdruck und Windgeschwindigkeit, die die aktuelle „Wetterlage“ charakterisieren? Es geht an dieser Stelle also um ein begriffliches Vokabular, mit dem die sich in der „Kommentarlage“ Ausdruck verschaffende öffentliche Meinung beschrieben, dimensioniert und theoretisch erschlossen werden kann. Weitere Fragen stellen sich in Bezug auf Effekte und Wirkungen der journalistischen Dauerbewertung der Politik und ihrer Akteure - sei es auf die politischen Akteure selbst, sei es auf das allgemeine Publikum aus „Laien“ und Bürgern. Die Analyse der Meinungsdimension des politischen Journalismus und der Medien als politischen Akteuren kann auf verschiedenen Vorarbeiten aus der politischen Öffentlichkeitsforschung aufbauen: einem theoretischen Bezugsrahmen zu moderner Öffentlichkeit (Gerhards und Neidhardt 1990; Gerhards, Neidhardt und Rucht 1998; Neidhardt 1994c) und Forschungen zum Kommentardiskurs am Wissenschaftszentrum Berlin (Eilders und Lüter 1998; Eilders, Neidhardt und Pfetsch 2004; Lüter 2004; Neidhardt, Eilders und Pfetsch 1998). Der gewählte öffentlichkeitstheoretische Bezugsrahmen verknüpft system- und akteurstheoretische Überlegungen. Öffentlichkeit wird als Arena und Forum konzeptualisiert, das spezifische Regeln und Rationalitäten etabliert, die wiederum die Handlungsstrategien und Praktiken der - unter Beobachtung durch das Publikum stehenden - Akteure im Sinne einer Ermutigung und Begrenzung („opportunities“ und „constraints”) beeinflusst (Gerhards 1994; Schimank 1985, 1996).6 Realität aus Stimmungen und Einschätzungen zu erschließen. Solche Rückkoppelungsschleifen sind einerseits unter normativ-demokratietheoretischen Gesichtspunkten von Bedeutung, weil sie Voraussetzungen für eine gewisse Responsivität des politischen Entscheidens darstellen. Andererseits ist diese externe Referenz für an Wiederwahl orientierte Akteure auch unter Machtgesichtspunkten überlebensnotwendig. Umgekehrt kann die öffentliche Meinung auch als Bezugsgröße für die Orientierungsprozesse der Bürger aufgefasst werden und wird so als eine vermittelnde, intermediäre Größe erkennbar. Den erheblichen Stellenwert der veröffentlichten Meinung im politischen System haben auch Fuchs und Pfetsch unterstrichen (Fuchs und Pfetsch 1996a, 1996b). Vgl. zu neueren Einschätzungen der Medien durch Bundestagsabgeordnete auch Weßels (Weßels 2005a, 2005b). 5 Skandale und Skandalisierungen umfassen in der Regel einen Ebenenwechsel von verdeckten hin zu öffentlichen Sachverhalten und Tatbeständen. Zur neueren Forschung zu Skandalen vgl. etwa Ebbighausen und Neckel, Esser und Hartung sowie Trenz (Ebbighausen und Neckel 1989; Esser und Hartung 2004; Trenz 2000). 6 Zurecht unterstreichen auch Altmeppen und Löffelholz die Bedeutung der Komplementarität von theoretischen Ansätzen und das Gebot ihrer Integration: „Innovative Einsichten in das Verhältnis von Journalismus und Politik sind vor allem dann erwartbar, wenn System- und Akteurszusammenhang komplementär betrachtet werden“ (Altmeppen und Löffelholz 1998: 100). Die hier verfolgte öffentlichkeitssoziologische Perspektive lässt sich in ihrem Bemühen einer Perspektivenintegration bei
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1 Einleitung
Mit der Verknüpfung von akteurs- und strukturtheoretischen Perspektiven lässt sich auch eine Typologie der Rollendifferenzierung in der modernen Öffentlichkeit verbinden (Peters 1994a) auf deren Grundlage sich Sprecher wie Politiker, Experten (Neidhardt 1994b), Intellektuelle, Interessenvertreter und Advokaten unterscheiden lassen. Auch die Gruppe der Prominenten als einer „Medienelite“ besonderer Art ist hier in Rechnung zu stellen (Peters 1996). Zu einigen dieser Sprechertypen liegen bereits mehr oder minder eingehende Analysen vor. Die Rolle des Journalisten als eigenständiger Sprecher ist im konzeptionellen Bezugsrahmen durchaus vorgesehen, wurde bisher aber kaum vertiefend untersucht.7 Obwohl der massenmediale Journalismus seinem Selbstverständnis nach zwar nicht in erster Linie eine besondere Sprechergruppe konstituiert, sondern sich auf die Vermittlung der Äußerungen anderer Sprecher konzentriert (Chronistenfunktion), wäre der Ausschluss des Journalismus aus einer öffentlichkeitstheoretischen Sprecheranalyse offensichtlich nicht gerechtfertigt. Das Selbstverständnis des neutralen und objektiven Chronisten ist in seiner Realisierung nicht nur ohnehin alles andere als unumstritten. Auch liegt mit dem Kommentator ein Rollenset vor, das von der Verpflichtung auf „Objektivität“ ausdrücklich ausgenommen ist und mit dem wachsenden Stellenwert der Medien im politischen Prozess durchaus auch stellvertretend für in anderen Genres eher implizit verbleibende Dimension zu verstehen ist. Für den Gegenstand der Kommentarlage ist also durchgehend in Rechnung zu stellen, dass gewisse professionsethische Orientierungen für die genuine Meinungs- und Bewertungsdimension des Journalismus nicht oder nur eingeschränkt gelten. Die Erwartung einer ausgewogenen, unparteiischen und objektiv-professionellen Haltung verliert im Feld der Meinungsproduktion ihre spontane Evidenz. Das Mandat journalistischer Kommentatoren besteht gerade darin, klare Positionen und unterscheidbare Stellungnahmen zu entwickeln. Im Kommentar macht der Journalist um einen Satz Max Webers aus einem anderen, wissenschaftstheoretischen Kontext aufzunehmen - „aus seiner persönlichen Stellungnahme kein Hehl: gerade das: deutlich erkennbar Partei zu nehmen, ist da die verdammte Pflicht und Schuldigkeit“ (Weber 1922/1988: 601).8 allen Unterschieden mit „neofunktionalistischen“ Arbeiten aus den USA (Alexander u.a.), mit Giddens Strukturationstheorie oder auch Bourdieus Habitus-Feld-Theorie vergleichen. 7 Neidhardt unterstreicht daher den systematischen Stellenwert von Kommentatoren für eine Theorie der politischen Öffentlichkeit: „Besondere Aufmerksamkeit verdienen (haben aber bisher noch nicht gefunden) jene Journalisten, die als Kommentatoren in Leitartikeln, Editorials und Hintergrundberichten selber zu Sprechern werden und ihre eigenen Feststellungen, Begründungen, Bewertungen und Folgerungen zu den Beiträgen anderer Sprecher öffentlich machen“ (Neidhardt 1994c: 23). 8 Weber setzt in einer, die Annahme unversöhnlicher Werte und „Götter“ auch rhetorisch ausdrückenden Formulierung fort: „Die Worte, die man braucht, sind dann nicht Mittel wissenschaftlicher Analyse, sondern politischen Werbens um die Stellungnahme der Anderen. Sie sind nicht Pflugscha-
1.1 Kontext und Fragestellung
15
Die vorliegende Untersuchung erschließt die aktive Rolle der Medien in Form der politischen Kommentare und greift dabei inhaltsanalytische Daten auf, die im Rahmen des WZB-Forschungsprojekts zur „Stimme der Medien im politischen Prozess“ (Eilders und Lüter 1998; Eilders et al. 2004) erhoben worden sind. Damit wird eine auch von Benjamin Page angemahnte Forschungsperspektive auf empirisch gehaltvoller Grundlage aufgeschlossen: „The concept of ‚political actor’ applied to the media or anyone else, implies observable action that is purposive (though perhaps functional rather than consciously intented) and sufficiently unified so that it makes sense to speak of a single actor. A critical question therefore, concerns whether – or to what extent – media outlets do in fact use their publications and broadcasts in a purposive and unified fashion to pursue policy objectives” (Page 1996a: 20).9
Mit der akteursorientierten Diskursanalyse werden die Strukturen der öffentlichen Meinung im Kommentardiskurs sowie methodisch tragfähige Wege zur Analyse von dessen Wirkungen interessant. Nun zeigt bereits ein oberflächlicher Blick auf die Geschichte des Begriffs der „öffentlichen Meinung“, dass er vor allem im neuzeitlichen politischen Denken omnipräsent ist, jedoch oft in hohem Maße dunkel und verschwommen, für manche Autoren geradezu magisch und mysteriös bleibt. Der Berliner Politikwissenschaftler Ernst Fraenkel war der Auffassung, dass über „wenige Begriffe der Sozial- und speziell der Politikwissenschaft (…) eine ähnliche Verwirrung [herrscht] wie über den der öffentlichen Meinung. Er scheint sich einer exakten Definition zu entziehen“ (Fraenkel 1973: 173). Neidhardt folgend gehört er „seit Jahrzehnten zu den mysteriösesten Begriffen der Sozialwissenschaften“ (Neidhardt 1994c: 25).10 Schon John Locke ren zur Lockerung des Erdreiches des kontemplativen Denkens, sondern Schwerter gegen die Gegner: Kampfmittel“ (Weber 1922/1988: 601). 9 Bourdieu formuliert: „Eine der wichtigsten Veränderungen der Politik in den letzten zwanzig Jahren ist darauf zurückzuführen, dass Akteure, die sich als Zuschauer des Feldes betrachteten oder als solche betrachtet worden sind, zu Akteuren im eigentlichen Sinn geworden sind. Ich spreche von Journalisten (…)“ (Bourdieu 2001a: 49). Einführend zu Medien als politischen Akteuren auch (McNair 2003: 74-91) und Patterson (Patterson 1997, 1998). Page’ Ansatz gewinnt ein besonders Profil mit der Aufnahme von Konzepten deliberativer Demokratie und öffentlicher Deliberation. Er unterstreicht, dass öffentliche Deliberation in modernen Gesellschaften in der Regel stellvertretend und repräsentativ durch in Medienorganisationen eingebundene Journalisten vorgenommen wird und artikuliert in diesem Kontext eine klassische politiktheoretische Fragestellung nach der Verselbständigung der repräsentativen Sprecher gegenüber den von Ihnen repräsentierten Bürgern (Page 1996b: 1-16). Zur Weiterführung der Akteursperspektive auch Pfetsch und Adam (Pfetsch und Adam 2008). 10 Der Hegel der Rechtsphilosophie hat die öffentliche Meinung im Unterschied zur Verfassung als „unorganische Weise, wie sich das, was das Volk will und meint, zu erkennen gibt“ (§ 316) aufgefasst, die verdiene, „ebenso geachtet als verachtet zu werden“ (RPh §318) (Hegel 1986). Auch Hegel, der in seiner Frühzeit selbst journalistisch tätig war, hat im Übrigen gewisse Reserven gege-
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1 Einleitung
hat mit dem „Law of Opinion and Reputation“ deren Stellenwert entdeckt. Und David Hume hat unterstrichen, dass „die Regierenden durch nichts anderes gestützt werden als durch Meinung“ („It is therefore, on opinion only that government is founded“) (Hume 1741-42/1988: 25). Auch in den für die politische Geschichte der USA grundlegenden Federalist Papers heißt es: „All government rests on opinion“ (Madison). Das in der Medienwirkungsforschung entwickelte Begriffspaar „Fokussierung“ und „Konsonanz“ führt hier analytisch weiter, weil es Bedingungen der Wirkung öffentlicher Meinung spezifiziert und eine Operationalisierung für Forschungszwecke erlaubt (Eilders 2000b, 2004a; Noelle-Neumann und Mathes 1987).11 Schon in Tocquevilles Studie über die „Demokratie in Amerika“ findet sich dessen Kerngehalt vorgedacht: „Gelingt es einer großen Zahl von Presseorganen, in gleicher Richtung zu gehen, wird ihr Einfluß auf die Dauer unwiderstehlich und die öffentliche Meinung, auf die
nüber der Presse nicht geteilt. Zitationsnotorisch ist der überlieferte Aphorismus: "Das Zeitungslesen des Morgens ist eine Art von realistischem Morgensegen. Man orientiert seine Haltung gegen die Welt an Gott oder an dem, was die Welt ist. Jenes gibt dieselbe Sicherheit, wie hier, dass man wisse, wie man daran sei" (Hoffmeister 1974: 360). Niklas Luhmann hat die öffentliche Meinung gelegentlich - wie vor ihm schon V. O. Key - auch als „Heilige[n] Geist des Systems“ bezeichnet (Luhmann 2000: 286). Es wäre aufgrund der zentralen Bedeutung von öffentlicher Meinung und Öffentlichkeit allerdings unbefriedigend, sie angesichts ihrer schwierigen Greifbarkeit aus dem Werkzeugkasten sozialwissenschaftlicher Begriffe auszumustern. Die von Luhmann aufgeworfene „offene Frage“, ob die „mit Wort und Begriff der öffentlichen Meinung unterstellte Einheit nicht trügt“ und seine Erwartung von Antworten durch „Untersuchungen, die empirisch ermitteln, wie in verschieden[en] komplexen gesellschaftlichen und politischen Systemen die angedeuteten Prozesse sachlicher, zeitlicher und sozialer Artikulation von Themen und Meinungen im öffentlichen Kommunikationsprozess kompatibel bleiben und sich verknüpfen lassen“ (Luhmann 1970: 28) erscheint hier fruchtbarer und trifft sich mit Intentionen der Analyse der „Kommentarlage“. Zur Ideengeschichte der Öffentlichkeit und öffentlicher Meinung liegen jenseits der einschlägigen Passagen von Habermas’ maßstabsetzendem „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ (Habermas 1990) mittlerweile einige Überblicksdarstellungen vor (Beierwaltes 1999; Hohendahl 2000; Hölscher 1979, 1978; Münkler und Llanque 1998). 11 In der deutschsprachigen Literatur wird der Konsonanzbegriff in der Regel auf die Forschung von Noelle-Neumann et al. (Noelle-Neumann 1973; Noelle-Neumann und Mathes 1987) zurückgeführt. Top unterstreicht in ihrer auch für die Methodenentwicklung interessanten Arbeit (Top 2006: 104 ff.) Vorläufer - etwa Galtung/Ruge (Galtung und Ruge 1965) und Halloran et al. (Halloran, Elliot und Murdock 1970). Eine begriffliche Unschärfe von „öffentlicher Meinung“ wird gerade im Blick auf die Umfrageforschung deutlich. Im strengen Sinn öffentlich, also durch ein Publikum einsehbar, ist die durch die Aggregation von Umfragedaten gewonnene öffentliche Meinung nur sehr bedingt. Charakteristika der durch Umfrageforschung erhobenen Meinung sind im klaren Gegensatz zu öffentlichen Meinungen gerade die Nicht-Reaktivität der Erhebung und die Gleichwertigkeit jeder Stimme, die insofern eher mit dem Akt der geheimen Wahl zu vergleichen ist. Daher bietet sich begrifflich die Unterscheidung von „öffentlicher Meinung“ und „Bevölkerungsmeinung“ an (vgl. dazu Neidhardt 1994c: 26).
1.1 Kontext und Fragestellung
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immer an der gleichen Stelle eingehämmert wird, gibt schließlich ihren Schlägen nach“ (Tocqueville 1959: 213).12
Fokussierung meint dabei die Orientierung verschiedener Medien in pluralistischen Systemen auf gleiche Themen. Es geht also um die Frage, inwiefern unterschiedliche Medien tatsächlich über gleiche Gegenstände sprechen und insofern nicht einfach aneinander vorbeireden. Konsonanz bezeichnet weitergehend auch eine gleichsinnige Stellungnahme und Bewertung dieser Gegenstände. Konsonanz liegt also vor, wenn Medien nicht nur über gleiche Gegenstände und Themen berichten, sondern diese auch ähnlich oder gleich bewerten. Im Fall hoher Fokussierung und starker Konsonanz - so die zentrale Wirkungshypothese wachse der Druck auf die politischen Akteure und das Publikum, dieser synthetisierten öffentlichen Meinung auch Rechnung zu tragen. Aus einer zunächst allenfalls irritierenden medialen Kakophonie - so die Annahme - werde dann eine einflussreiche öffentliche Meinung, die „Throne stürzen“ kann. Verschiedene Umstände lassen jedoch annehmen, dass eine hoch fokussierte und konsonante öffentliche Meinung allenfalls einen Grenzfall darstellt, der in pluralistischen Systemen zwar vorkommen mag, per definitionem aber eine seltene Ausnahme bleibt. Um ein differenziertes und pluralistisches und daher dissonantes oder nur schwach konsonantes Meinungsbild nicht a priori als unstrukturiert und tendenziell anomisch erscheinen und aus der Beschreibung herausfallen zu lassen, drängt sich also die Gegenprobe zur Annahme hoch fokussierter und konsonanter öffentlicher Meinungen auf: Sind die Strukturbedingungen moderner Medienöffentlichkeiten mit ihrer Vielfalt von im Wettbewerb stehenden Medienorganisationen nämlich nicht geradezu systematisch darauf geeicht, weniger synthetisierte öffentliche Meinungen zu entwickeln, als vielmehr differenzierte Publikumswünsche aufzunehmen, zu befriedigen und auch zu verändern und damit permanent Differenzen und Unterschiede zu reproduzieren, die gewährleisten, dass die spezifischen Medien unterscheidbar und für ihr Publikum „unique“ sind oder zumindest: erscheinen? Ist nicht die distinkte Meinung im Feld des Kommentars ein Äquivalent für den Informationsvorsprung und die Exklusivgeschichte im Nachrichtenjournalismus - also gera12
Auch Napoleon I. wird ganz in diesem Sinn die Aussage zugeschrieben: „Vier feindselige Zeitungen sind mehr zu fürchten als tausend Bajonette.“ Ohne beckmesserisch zu werden, ist zu unterstreichen, dass weder Tocqueville („große Zahl“) noch Napoleon mit seiner wohl eher als metaphorisch zu verstehenden Quantifizierung („vier Zeitungen“) von „allen“ Zeitungen sprechen. Begrifflich ist hier impliziert, dass Fokussierung und Konsonanz allenfalls relativ und graduell aufzufassen sind, möglicherweise sogar Begriffe aus der Policy-Forschung (Diskurskoalitionen, Advocacy-coalitions) den angezielten Wirkungsmechanismus einer Kumulation von Stimmen noch präziser beschreiben, weil sie jeder und sei es: impliziten Gleichsetzung starker Medienwirkungen mit einem Kollabieren von Vielfalt und auch Wettbewerb vorbeugen.
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1 Einleitung
dezu Credo und zentraler Anreiz? Und lassen sich Effekte und Wirkungen bzw. lässt sich ein Strukturbegriff der Medienstimmen auch dann konzeptualisieren, wenn eine relative Vielstimmigkeit die Regel wäre - und wenn ja, wie? An die Stelle von Einheitserwartungen im Blick auf öffentliche Meinungen soll aber nicht deren einfaches Gegenteil gesetzt werden: die Vielfalt der Unterschiede und Differenzen und ihre permanente dynamische Reproduktion. Vielmehr haben Fragen danach, ob und wie ein differenziertes, pluralistisches und durch Konfliktlinien strukturiertes Mediensystem zu einer wie auch immer relativen Einheit gelangt, die vorliegende Analyse animiert.13 Wenn jedes einzelne Medium nicht jede Position zur Sprache kommen lässt und so strukturierte Selektivitäten verkörpert, dann kann auf der Makroebene daraus die Artikulation politischer Alternativen resultieren, zu denen sich die Bürger verhalten und an denen sie sich orientieren können. Unsere Befunde und deren theoriegerichtete Interpretation sollen an dieser Stelle nicht schon einleitend vorweggenommen werden. Die Kernthese und die öffentlichkeitstheoretische Relevanz der Studie können aber kurz skizziert werden. Die vorliegende Studie kann die Leistungsfähigkeit und das politische Potenzial von massenmedial hergestellter Öffentlichkeit bezogen auf das bundesdeutsche überregionale Pressewesen spezifizieren: Das auch normativ zu verstehende Kriterium der Vielfalt in der Repräsentation politischer Positionen und ideologischer Richtungen ist in der bundesdeutschen Kommentaröffentlichkeit der Pressemedien in einem nicht unerheblichen Ausmaß realisiert.14 Es findet sich eine beachtliche Streubreite von redaktionellen Linien. Angesichts des Umstandes, dass die politischen Profile der Medien überdies eine gewisse Stabilität aufweisen, muss eine geringe intermediale Konsonanz der Meinungsbeiträge im Aggregat nicht gleichbedeutend mit einem struktur- und regellosen „Geräusch“ sein. Es finden sich Strukturen, die den zentralen Rezipienten der überregionalen Tagespresse, also den „aktiven Öffentlichkeiten“ (Dahrendorf 1986) beziehungs-
13 Forschungen zum Agenda-Setting der Massenmedien und zu Nachrichtenwerten, die sich auf für alle Medien gleichermaßen geltende und sich auf diese gleichermaßen auswirkende Faktoren konzentrieren, können an dieser Stelle durch Konzepte zu „redaktionellen Linien“ und medialem „Bias“ (Tönung, Färbung, Verzerrung) ergänzt werden (Hackett 1984; Hagen 1992; Kepplinger 1989), die sich mit ideologischen Richtungen sowie organisatorischen Zwängen und Prozessen im Medienbereich (Esser 1998a, 1998b) als Faktoren beschäftigen, die die Auswahl und Präsentation von Nachrichten und Meinungen beeinflussen. Sie rücken also Unterschiede zwischen Medien in den Fokus, die auch im Zentrum des Interesses der vorliegenden Studie liegen. Ein umfassender Überblick über kommunikationswissenschaftliche Theorien der Nachrichten- und Informationsauswahl findet sich bei Schenk (Schenk 2007) und Schulz (Schulz 1997). Zur Nachrichtenwerttheorie vgl. auch Staab (Staab 1990) und Eilders (Eilders 1997). 14 Zur empirischen Messung der Vielfalt von Mediensystemen („Structures of diversity“) entwickelt Voltmer weiterführende Perspektiven (Voltmer 1998/99, 2000).
1.1 Kontext und Fragestellung
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weise deren Segmenten und Teilgruppen eine Orientierung über die Pluralität möglicher Stellungnahmen zum politischen Prozess erlauben.15 Die Differenzierung von drei unterschiedlich voraussetzungsvollen Funktionen der politischen Öffentlichkeit ist an dieser Stelle weiterführend: der Transparenz-, der Validierungs- und der Orientierungsfunktion (Neidhardt 1994c: 8 f.). Das zentrale theoretische Argument für die Bewertung der Leistungsfähigkeit der bundesdeutschen Medienöffentlichkeit im Pressekommentar bezieht sich hier vor allem auf die letztgenannten Funktionen: die Validierung und die Orientierung. Die empirischen Befunde bestätigen hier die eingangs formulierten Zweifel an der Tragfähigkeit einer zu eindimensional konzeptionalisierten Einheit der Öffentlichkeit, die die Wahrnehmung der Orientierungsfunktion mit der Ausbildung von Konsonanzen und klar dominanten Mehrheitsmeinungen gleichsetzt. Die Gleichsetzung von Orientierung mit „herrschenden Meinungen“ im Sinne autoritativer Mehrheitsmeinung mag zwar auf manche Phänomene zutreffen – etwa außenpolitische Orientierungen oder übergreifende Hegemonien, Zeitgeiste und Stimmungslagen (Gerhards und Schäfer 2006). Sie verstellt aber den Blick auf die pluralistische Realität der öffentlichen Meinungsbildung, in der Orientierung auch und gerade durch den Abgleich von Alternativen stattfindet. Selbst dauerhafte Konflikte können einen erheblichen Orientierungswert auch da besitzen, wo sie einem substanzialistisch gefassten Einverständnis geradezu konträr gegenüberstehen. Es ist bemerkenswert, dass Anzeichen der programmatischen Konvergenz bei traditionellen politischen Akteuren (Parteien) häufig als problematisch interpretiert werden, analoge Phänomene im Medienbereich aber unter einen Pauschalverdacht gestellt werden (Fragmentierung der Öffentlichkeit, Irritation statt Orientierung etc.). Dabei ist übrigens die Vielfaltsnorm ja bereits im Spiegel-Urteil durch das Bundesverfassungsgericht formuliert worden:
15 Dass das in den Blick gerückte Segment der Kommentatoren überregionaler Qualitätszeitungen vor allem von einem Publikum (Journalisten, Politiker, „Laienpublikum“) rezipiert wird, das in Hinsicht auf sozialen Status, Bildungshintergrund und Einflusspotenziale einem Elitesegment zugerechnet werden kann, betrifft die demokratiepolitische Reichweite derartiger Öffentlichkeit. Die interne Qualität der hier untersuchten öffentlichen Diskurse wird davon zwar nicht berührt. Es wäre aber im Zuge einer sog. Inter-media-agenda-Setting-Analyse genauer zu zeigen, wie die Bewertungs- und Strukturierungsleistungen der Journalisten des „unterschätzten Mediums“ (Eurich 2000) Tageszeitung über verschiedene Vermittlungsstufen auch für Medien mit anderen Zielgruppen und Reichweiten relevant werden. Zudem muss unterstrichen werden, dass in der Dimension der politischen Ausrichtung der Unterschied bspw. zwischen Qualitätspresse und Boulevardpresse keineswegs so ausgeprägt sein muss wie in Hinsicht auf Präsentationsform und Diskursniveau. Instruktiv wäre etwa ein Vergleich zwischen den politischen Profilen der Tageszeitungen Die Welt und der Bild, die beide vom Springer-Verlag herausgegeben werden.
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1 Einleitung
„Soll der Bürger politische Entscheidungen treffen, muß er umfassend informiert sein, aber auch Meinungen kennen und gegeneinander abwägen können, die andere sich gebildet haben. Die Presse hält diese ständige Diskussion in Gang; sie beschafft Informationen, nimmt selbst dazu Stellung und wirkt damit als orientierende Kraft in der öffentlichen Auseinandersetzung. In ihr artikuliert sich die öffentliche Meinung; die Argumente klären sich in Rede und Gegenrede, gewinnen deutliche Konturen und erleichtern so dem Bürger Urteil und Entscheidung“ („Spiegel-Urteil“ des Bundesverfassungsgerichts, BVerfGE 20: 174 f., zit. nach Schulz (Schulz 1997: 91)).
Eine differenzblinde Konzeption der Orientierungsfunktion wäre demgegenüber problematisch, wenn sie aufgrund einseitiger Vorannahmen diese zentrale Leistung der Medienöffentlichkeit unterschätzen würde und die Relevanz der Öffentlichkeitsbeteiligung im politischen Prozess dann nicht zureichend erschließen könnte. Die Öffentlichkeitstheorie sollte sich also den Blick auf die Orientierungsleistungen nicht durch eindimensionale Einheitserwartungen verstellen. Die journalistische polyphone Strukturierung der komplexen Realität eines zunehmend schnelllebigen politischen Prozesses in Echtzeit ist pluralistisch und „kennt Parteien“. Sie sollte dennoch nicht als leere „Irritation“ durch „Pressefritzen“ banalisiert werden. Weniger „Irritation aufgrund von Kakophonie“ als vielmehr „Orientierung durch strukturierte Polyphonie“ ist eine angemessene Kurzformel zur Beschreibung der Potenziale öffentlicher Meinungsbildung im Kommentardiskurs der Qualitätspresse.16 16 Der Begriff der Polyphonie ist durch Bachtin in die Literaturtheorie eingeführt worden. Er bezeichnet das Struktur- und Kompositionsprinzip der dialogischen Romane Dostoevskijs im Unterschied zur monologischen Tradition. „Die Vielfalt selbständiger und unvermischter Stimmen und Bewußtseine, die echte Polyphonie vollwertiger Stimmen ist tatsächlich die Haupteigenart der Romane Dostoevskijs“ (Bachtin 1971: 10). Bachtin beschreibt damit die Anordnung von Stimme des Autors und Stimme der Protagonisten auf gleicher Ebene, wobei „Koexistenz und Wechselwirkung“ (ebd.: 34) zu Hauptkategorien der „künstlerischen Sehweise“ werden. Es ist bemerkenswert, dass Bachtin selbst die Affinität dieser Position zum Journalismus zumindest andeutet. Bachtin zeigt, „dass die Leidenschaft Dostoevskijs für die Journalistik und seine Vorliebe für die Zeitung, die Tatsache, dass er mit seinem durchdringenden Verstand die Zeitungsseite als lebendiges Abbild der zeitgenössischen sozialen Gegensätze im Schnittpunkt eines Tages begreift, wo vielfältiges und widersprüchliches Material neben- und gegeneinander entfaltet wird, sich gerade aus der grundlegenden Besonderheit seiner Sehweise erklären“ (ebd.: 36). Die literarische Polyphonie bleibt aber an die einzelne Autorschaft gebunden, während im Fall der politischen Öffentlichkeit und der öffentlichen Meinung von einer realen Vielfalt der Autoren und Kommentatoren ausgegangen werden muss. Die Wertschätzung von Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Meinungen findet sich nicht zuletzt auch in der Tradition des westlichen Liberalismus etwa bei John Stuart Mill, der „das Abweichen der Meinungen voneinander vorteilhaft“ findet (Mill 1988: 63) und meint, dass „Einheit der Meinungen, wenn sie nicht auf dem vollsten und freisten Austausch gegensätzlicher Ansichten beruht, gar nicht wünschenswert ist und Meinungsverschiedenheit also nicht ein Übel, sondern etwas Gutes darstellt“ (ebd.: 78). Mill unterstreicht, dass „bei der Unvollkommenheit des Menschengeistes die Belange der Wahrheit eine Mannigfaltigkeit der Meinungen erfordern“ (ebd.: 71). Allerdings sieht er auch, dass das „Aufhören ernsthaften Meinungsstreits über eine Frage nach der anderen (…) ein notwendiges
1.2 Aufbau der Untersuchung
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1.2 Aufbau der Untersuchung Die Studie ist in zwei Teile gegliedert. Im ersten Teil wird ein konzeptioneller Bezugsrahmen zur Analyse der bundesdeutschen Medienöffentlichkeit entwickelt und systematisch die Frage der politischen Autonomie der Massenmedien diskutiert. Im zweiten Teil werden die gewonnenen theoretischen und konzeptionellen Perspektiven in einer, auf der Grundlage inhaltsanalytischer Daten vorgenommene empirische Analyse der politischen Strukturierung des bundesdeutschen Kommentardiskurses angewandt. Das vorliegende erste Kapitel führt einleitend in die Fragestellung der Studie ein und skizziert ihren Aufbau. Der anschließende theoretische erste Hauptteil widmet sich der konzeptionellen Verknüpfung von öffentlichkeitstheoretischen und medienanalytischen Perspektiven in Hinblick auf ein differenzierungstheoretisches Verständnis der Medialisierung des Politischen. Das zweite Kapitel verortet das Phänomen der Medialisierung des Politischen zunächst innerhalb des Kontextes verschiedener Herausforderungen der repräsentativen Demokratie. Die Erfahrungen mit der italienischen „Mediocrazia“ sind hier nur ein Extrembeispiel. Verbreitete Diagnosen sind die Ausbreitung eines medieninduzierten Negativismus, die Inszenierung des politischen Wettbewerbs und der politischen Willensbildung nach Mustern der Medienunterhaltung oder die Formatierung gesellschaftlicher Entwicklungsprobleme in verengte, personalisierte „horse race“ - Kategorien, die den Relevanzstrukturen der Medienberichterstattung angepasst sind. Um die demokratietheoretische Relevanz der Medienentwicklung erschließen zu können, bietet sich ein öffentlichkeitstheoretischer Rahmen an. An drei Beispielen - der Transnationalisierung von Öffentlichkeit, der Medialisierung des politischen Prozesses sowie der demokratischen Leistungsfähigkeit diskursiver Verfahren - wird kurz die politikwissenschaftliche und soziologische Relevanz von Fragen der politischen Kommunikation und der Medien erläutert. Welche normativen Erwartungen an politische Öffentlichkeit in der Diskussion einflussreich sind und welchen Stellenwert und Grenzen normative Überlegungen für empirische Analysen besitzen, wird ebenfalls in Grundzügen dargestellt. Das dritte Kapitel formuliert zunächst die Frage nach Autonomie und Differenzierung der Medien aus politischen Kontexten sowie der Entkopplung der Medien in der bundesdeutschen Öffentlichkeit von den Vorgaben und Logiken des politischen Prozesses (3.2). Mit differenzierungstheoretischen Konzepten lassen sich Thesen zur Medialisierung des politischen Prozesses begrifflich einholen. Dazu wird weitergehend das sog. Arena-Modell der politischen ÖffentBeiprodukt der Festigung der öffentlichen Meinung [ist] – die im Fall richtiger Ansichten ebenso heilsam ist, wie sie im entgegengesetzten Falle gefährlich und schädlich ist“ (ebd.: 61).
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1 Einleitung
lichkeit eingeführt (3.3). Die Aufnahme von differenzierungstheoretischen Überlegungen und eine Integration von struktur- oder systemtheoretischen und akteurstheoretischen Perspektiven sind wichtige Merkmale des Modells. Es unterscheidet überdies verschiedene Formen von Öffentlichkeit auf der Interaktionsebene, der Organisationsebene und der Gesellschaftsebene. Weil insbesondere die massenmediale Öffentlichkeit wesentlich durch die Eigenwerte der Medien selbst gesteuert wird, muss sie von überkommenen Formen direkter Interaktionsöffentlichkeit unterschieden werden. Zugleich lässt sich die massenmediale Arena als Akteursfeld beschreiben, innerhalb dessen spezifische Sprecher um Aufmerksamkeit und Zustimmung konkurrieren. Die Typologisierung von Sprecherrollen öffnet das Arenamodells auch für eine Analyse der Medien als politischen Akteuren: In der Rolle des Journalisten als Kommentators artikuliert sich die Stimme der Medien in den Medien. Die Begriffe von "Prominenz" und "Prestige", die sich in empirischer Hinsicht als "Standing" und "Framing" operationalisieren lassen, erlauben auch eine Annäherung an die Schichtungsstrukturen der Sprecherensembles in der öffentlichen Arena. Solche Schichtungen werden wichtig, um die Einflusspotenziale öffentlicher Sprecher zu bestimmen. Wird diese innere Struktur von Öffentlichkeit auf ihren Beitrag zum demokratischen Prozess befragt, rückt neben den öffentlichen "Spielern" auch die demokratietheoretische Schlüsselgröße des Publikums in den Blick. Es sind die Akteure auf der "Galerie", es ist also das Publikum, das letztlich über den Erfolg der Akteure in der Arena entscheidet. Nach den Annahmen des Arena-Modells bemisst sich die Zustimmung des Publikums auch aufgrund des Maßes, in dem Öffentlichkeit drei zentrale Funktionen erfüllt: die Erzeugung von Transparenz, die Validierung und die Bereitstellung von Orientierung. Im vierten Kapitel werden in Ergänzung der öffentlichkeitstheoretischen Grundlegung verschiedene Ansätze der Medienforschung eingeführt, um schärfer auf die medienspezifischen Operationsweisen fokussieren und die zentralen Dimensionen politischen Medienhandelns bestimmen zu können. Konzeptionell ist interessant, an welchen Stellen die Kommentatoren Selektionsentscheidungen treffen können, die sich auch in den Strukturen der Medieninhalte ausdrücken (Kapitel 4.2). Analysen von redaktionellen Linien, opportunen Zeugen oder der instrumentellen Aktualisierung sind hier weniger auf verallgemeinerbare Selektionskriterien als auf die politischen Unterschiede zwischen den Medien und die Persistenz politischer Auswahlkriterien gerichtet. Konzepte zu Nachrichtenwerten und Teile des Agenda-Setting-Ansatzes konzentrieren sich demgegenüber auf die ideologisch weniger aufgeladene, aber politisch enorm folgenreiche Dimension der Themenstrukturierung und -auswahl. Jenseits der Themenauswahl ist im vorliegenden Rahmen vor allem die Auswahl berichtenswerter Akteure von zentraler Bedeutung. Konzepte des „Framings“ und „Primings“ beziehen sich weiterge-
1.2 Aufbau der Untersuchung
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hend auf Bedeutungszuschreibungen und -gewichtungen, die erhebliche politisch-ideologische Implikationen haben. Eine kritische Diskussion des wirkungsanalytischen Konzeptes „Fokussierung und Konsonanz“ eröffnet die Perspektive auf Modelle zur Ökologie von Medien und Politik im Sinne struktureller Relationen auch jenseits von Ursache-Wirkungsmodellen. Besonders interessant sind unter differenzierungstheoretischen Vorzeichen Konzepte wie „politischer Parallelismus“ oder „Indexing“, die die Beziehungen von Medien und Politik systematisch ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken (Kapitel 4.3). Unter Rückgriff auf das Parallelismuskonzept bietet auch die komparative Medienforschung Ansatzpunkte, um das spezifisch bundesdeutsche Modell der politischen Öffentlichkeit und des Verhältnisses von Medien und Politik genauer zu fassen. Angelehnt vor allem an Hallin und Mancini (Hallin und Mancini 2004) können Varianten der Beziehungen von Medien und Politik unterschieden und der bundesdeutsche Fall als Ausprägung eines "demokratischkorporatischen Modells" der Beziehungen von Medien und Politik im Unterschied zum nordatlantischen, liberalen Modell sowie dem südeuropäischen, polarisiert-pluralistischen Modell verstanden werden. Der zweite, empirische Teil übersetzt die in der theoretisch-konzeptionellen Diskussion gewonnenen Gesichtspunkte in verschiedene Teilfragen und stellt die Ergebnisse der empirischen Analysen vor. Im fünften Kapitel zur methodischen Vorgehensweise wird zunächst die Leitfrage nach Medien als politischen Akteuren und der Medialisierung des Politischen in verschiedene Einzeldimensionen gegliedert, die auch empirisch weitergehend beleuchtet werden können. Es handelt sich um die Fragen, welche Rolle genuin politische Kriterien, insbesondere der politische Links-Rechts-Code im Kommentardiskurs spielen, welche Bindungen der Medien zu politischen Akteuren, insbesondere den politischen Parteien, sich finden lassen und inwiefern politische Diskursmuster durch die Personalisierung des politischen Wettbewerbs überlagert und neutralisiert werden. Außerdem wird die Frage entwickelt, inwiefern journalistische Stilisierungsmerkmale auch politische Bedeutung besitzen. Eine detaillierte Darstellung des inhaltsanalytischen Vorgehens (Stichprobe und inhaltsanalytische Kategorien), des Codierungsprozesses und der Datenlage ergänzt diese methodischen Ausführungen. Im sechsten Kapitel wird zunächst geprüft, inwiefern das in seiner Aktualität immer wieder umstrittene Klassifikationsschema der Links-Rechts- bzw. Liberal-Konservativ-Unterscheidung ein relevantes Ordnungsmuster des bundesdeutschen Kommentardiskurses darstellt (6.1). Weil statistische Durchschnittswerte eine erhebliche Streuung innerhalb von einzelnen Medien nicht ausschließen, wird weitergehend das Ausmaß innerredaktioneller Vereinheitlichung bzw. das Verhältnis von redaktioneller Linienführung und innerredaktionellem Plura-
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1 Einleitung
lismus analysiert. Auch die „selektive Aktualisierung“ von kontroversen Fragen und politischen Grundkonflikten, die überhaupt erst generalisierte und ideologisch zurechenbare Äußerungen stimulieren, wird in diesem Zusammenhang im Zeitungsvergleich überprüft. In Kapitel 6.2 wird untersucht, inwiefern sich die Profilierungen der Medien auf mehr oder minder allgemeine politische Orientierungen beschränken oder aber manifeste Nähelagen zu politischen Akteuren und Organisationen indizieren. Angesichts der in politischen Kontroversen wirkenden Aufladung kleiner Unterschiede mit weit reichender Bedeutung ist es nicht selbstverständlich, eine jeweilige politische Ausrichtung mit einer wie immer gebrochenen Unterstützung spezifischer politischer Akteure (Parteien), die direkt in politische Verhandlungs- und Entscheidungsprozesse eingebunden sind, gleichzusetzen. Wo von Medien als politischen Akteuren die Rede ist, stellt sich also die Frage, inwiefern die Medien sich den policies der politischen Parteien zuordnen lassen oder aber „autonom“ agieren und kommentieren. In Kapitel 6.3 wird in einem weiteren Schritt gezeigt, wie derartige Medienprofile sich auf die Bewertung von „Kandidaten“ auswirken. Nach einer Analyse des Personalisierungsgrades der Kommentare wird vor allem anhand der Kanzlerkandidaten der Bundestageswahl von 1998 dargestellt, inwiefern die Rollenperformanz von repräsentativen Spitzenpolitikern auch die politischen Orientierungen der Presse verändern kann. Auch das Einflussverhältnis von medial enorm präsenten Spitzenpolitikern und der verfassungsrechtlich verankerten Rolle der Parteien steht hier zur Debatte. Insbesondere angesichts der medialen Performanz des sozialdemokratischen Kanzlers Schröder ist verstärkt nach den Konsequenzen mediengestützter Selbstinszenierungen auf politische Abläufe und Konflikte gefragt worden.17 Der Bundestagswahlkampf 1998 galt als Medienwahlkampf par excellence und als Meilenstein auf dem Weg in eine „amerikanisierte“ Mediendemokratie (Müller 1999). Dass an Personen und bekannten Gesichtern aufgehängte Berichten im Mediensystem leichter verarbeitet werden als abstrakte und komplexe gesellschaftliche Strukturen und Entwicklungen, bildet hier eine besondere Facette des Phänomens der Medialisierung des Politischen. Mit der Positionierung und Profilierung der Medien auf der Links-RechtsAchse, der Parteibindung und den Kandidatenbewertungen sind zentrale Dimensionen der politischen Differenz- und Sinnbildung der Medien aufgezeigt. Jenseits dieser traditionellen Dimensionen des politischen Wettbewerbs, die auch im Medienbereich ihre Bedeutung haben, werden in Kapitel 6.4 dazu quer liegende 17 Hier wird unter mediengesellschaftlichen Bedingungen das Stichwort der Präsidentialisierung der politischen Kommunikation aktuell (Kernell 1997). Im bundesdeutschen Fall verweist dieser Umstand auf das Phänomen der „Kanzlerdemokratie“ (Niclauß 2004).
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Faktoren zum Thema, die im Kontext der Medialisierungsdiskussion verstärkt wahrgenommen werden. So ist im Gefolge der Dualisierung des Mediensystems in der Bundesrepublik und der Entstehung des Privatfernsehens verstärkt das spezifische „Format“ der Politikberichterstattung auch unabhängig von der politischen Ausrichtung der jeweiligen Sendeanstalten in das Blickfeld der Forschung gerückt. Eine kritische Frage ist hier, inwieweit durch die Inszenierung von Konflikten und Problemlagen nach medieneigenen Kriterien eine quasi mediale Realitätsebene entsteht, die sich von den Sachfragen der politischen Verfahren entfernt. Jenseits der so oder so gerichteten Stellungnahmen der Medien werden dann Veränderungen der Modalitäten politischer Prozesse interessant. Analytisch kann also nach den besonderen politischen Effekten und Bedingungen des Handelns auf der Medienbühne gefragt werden.18 Es geht in Kapitel 6.4 also um den „Stil“ des Kommentars, der nicht als bloßes Oberflächen- oder Randphänomen verstanden wird, sondern als zentrales, qualitatives Formmerkmal des öffentlichen Diskurses mit wichtigen Folgen für den politischen Prozess.19 Im siebten Kapitel werden im Rahmen einer Schlussbetrachtung die Befunde und der theoretische Bezugsrahmen zusammengefasst und bewertet. In Hinsicht auf Diagnosen einer Medialisierung des Politischen und die Frage der Autonomie der massenmedialen Öffentlichkeit lassen sich klare Schlussfolgerungen ziehen. Der Diskurs der bundesdeutschen Pressekommentatoren ist erkennbar durch politische Kriterien strukturiert und das Links-Rechts-Schema ist ein rele18 Die nicht immer ganz eindeutigen Verwendungen des Begriffs der „Medialisierung“ weitergehend zu systematisieren und in analytischer Perspektive zu spezifizieren, wäre eine eigene Aufgabe. Vor allem ist zu unterstreichen, dass jedes politische Handeln symbolische Dimensionen hat, die nicht erst durch die Medienexpansion in die Welt gekommen sind (Edelman 1990). Schon der RhetorikUnterricht in der griechischen oder römischen Antike trägt letztlich den spezifischen Bedingungen öffentlichen und sprachlichen Handels Rechnung. Offenkundig sind Inszenierung und Dramatisierung ein konstitutives Element des Politischen und kein Spezifikum von Mediendemokratien (Vgl. auch Soeffner und Tänzler 2002). 19 Schon Max Weber hat diese Dimension von Medieninhalten avant la lettre in Umrissen benannt. In seiner berühmten Rede auf dem ersten Soziologentag im Jahre 1910 hat er in einer Skizze zu einer Soziologie des Zeitungswesen eine vielzitierte Würdigung der Inhaltsanalyse gegeben: „Das Material sind ja die Zeitungen selbst, und wir werden nun, deutlich gesprochen, ganz banausisch damit anzufangen haben damit, zu messen, mit der Schere und dem Zirkel, wie sich der Inhalt der Zeitungen in quantitativer Hinsicht verschoben hat im Lauf der letzten Generation (…) zwischen Leitartikel und Nachricht, zwischen dem, was überhaupt an Nachrichten gebracht wird, und was heute nicht mehr gebracht wird.“ Weber geht in dem - weniger häufig zitierten - direkt anschließenden Abschnitt von diesen Fragen weiter zu Fragen der „Stilisierung der Zeitung“: „Und von diesen quantitativen Bestimmungen aus werden wird dann zu den qualitativen übergehen. Wir werden die Art der Stilisierung der Zeitung, die Art, wie die gleichen Probleme innerhalb und außerhalb der Zeitungen erörtert werden, die scheinbare Zurückdrängung des Emotionalen in der Zeitung, welches doch immer wieder die Grundlage ihrer eigenen Existenz bildet, und ähnliche Dinge zu verfolgen haben (…)“ (Weber 1924/1988: 441).
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vantes Unterscheidungskriterium. In der Bewertung der politischen Akteure zeigen sich klare Parallelstrukturen zu den politischen Parteien - wobei sich die erreichte Autonomie des Journalismus jedoch in einer durchgehend kritischen Tendenz der Kommentierung ausdrückt. In Hinblick auf den Bundestagswahlkampf 1998 und die konkurrierenden Kandidaten der Parteien lassen sich Anzeichen dafür finden, dass die stabile politische Strukturierung in gewissen Grenzen “auftauen“ kann - und zwar nicht nur aufgrund einer Anpassung an die Darstellungsweisen der Massenmedien. Bei der Darstellung des sog. "Medienkanzlers" Schröder zeigt sich eine Annäherung der publizistischen Profile tradierte Konfliktlinien sind hier teilweise außer Kraft gesetzt und die Auseinandersetzungen in die Mitte des politischen Spektrums verrückt worden. Auch in Hinsicht auf den "politischen Stil" der Kommentierung unterscheiden sich die untersuchten Medien: Die links-liberalen Medien kennzeichnet ein deutlich kritischeres und offensiveres Vorgehen. Durchgehend zeigt sich beim Blick auf die Spaltungsstrukturen innerhalb des Pressespektrums, dass die pluralistische Anordnung der Medien die Chancen auf eine intermediale Fokussierung und Konsonanz erheblich begrenzt und eine fokussierte und strukturierte Dissonanz zum Regelfall macht. Die Bindung der Kommentaragenda an politische Strukturierungsprinzipien führt also zu einem relativ stabilen und mit großen thematischen Schnittmengen versehenen, fokussierten Pluralismus. Eine einseitig auf die Formatierung der politischen Realität durch mediale Eigenwerte abhebende Medialisierungsthese kann für die überregionale Qualitätspresse allgemein und deren politischen Meinungsbeiträge im Besonderen nicht einschränkungslos bestätigt werden. Die Befunde sprechen gegen die Exklusivität von generalisierten, rein medienspezifischen Codes in der Politikkommentierung und für eine moderate Kopplung, einen Parallelismus zwischen (Partei-)Politik und Mediendiskurs. Bei dem untersuchten Genre handelt es sich also im Wortsinn um politische Kommentare, die auch auf politische Codes und Kriterien zurückgreifen, die im eigentlichen politischen Diskurs verbreitet sind. Der Beitrag der politischen Kommentatoren besteht weniger in der repräsentativen Erarbeitung von richtungsgebenden und konsensfähigen, also „konsonanten“ Meinungslagen, als vielmehr in der normativ reflektierten, polyphonen Strukturierung eines Mediendiskurses, der tagtäglich neue Ereignisse und Informationen prozessiert. Nicht zuletzt sind die öffentlichen Kommentatoren also dafür verantwortlich, dass der nicht abreißende Strom von Nachrichten, Ereignissen und Informationen durch relativ stabile politisch-ideologische Muster strukturiert wird und zugleich auf den politischen Diskurs über die Politik bezogen bleibt.
Teil I: Probleme, Strukturen und Akteure politischer Medienöffentlichkeit
2 Medialisierung des Politischen und die politische Öffentlichkeit
2.1 Demokratie und Öffentlichkeit Jede politische Analyse und Strategie, die unter zeitgenössischen Bedingungen die politische Rolle der Medien ausspart, leidet unter empfindlichen Beschränkungen. Als politischer Akteur und zentrales intermediäres System zwischen politischen Eliten und Publikum spielen Medien „in politicis“ nämlich eine mittlerweile unentbehrliche Rolle.20 Inwieweit die ausschließliche Fokussierung auf einen Begriff der Medien diesen politischen und sozialen Stellenwert auch wirklich befriedigend erschließt, ist fraglich. Schon im Ansatz bietet jedoch der Begriff der politischen Öffentlichkeit eine Verknüpfung zwischen kommunikativen und medialen sowie politischen und demokratietheoretischen Perspektiven. Mit seiner Hilfe lassen sich Fragen des Medienwandels konzeptionell einbetten und auf Querverbindungen zu anderen Gegenstandsbereichen hin ausloten. Bezüge zu Fragen von Demokratie und Politik müssen dann nicht erst nachträglich hergestellt und „aufgesattelt“ werden, da sie in der begrifflichen Anlage schon enthalten sind. 20
Peter A. Halls Policy-Analyse zeigt bspw. die zentrale Bedeutung des medienöffentlichen Diskurses für den wirtschaftspolitischen Dominanzwechsels vom Keynesianismus zu monetaristischen Konzepten im Vorreiterland Großbritannien auf. „Economic commentators and public figures alike began to search for alternatives to the Keynesian doctrine” (Hall 1993: 286). Er folgert daraus ein entschiedenes Votum für eine Integration von öffentlichkeitstheoretisch relevanten Perspektiven in Politikanalysen und die Entwicklung von Theorien der „State-Society-Relations“, zu denen an erster Stelle auch eine Theorie der Press-State-Relations (Bennett 1990) zu rechnen ist. „However, this case indicates that we need an even more expansive concept of state-society relations than such traditional conceptions of the political system provide. Political parties and interest intermediaries are not the only ‘transmission belts’ between state and society. There were three other mechanisms through which significant pressure from society was placed on the British government to shift modes of economic policymaking. The most obvious of these mechanisms was the media. Although we habitually acknowledge its presence, we rarely incorporate an adequate appreciation of the importance of the media in our analysis. In this case, the British press did not simply transmit the range of views to be found among economists about the direction of economic policy; it magnified the prominence given to monetarist doctrine and catapulted monetarist thinking onto the public agenda. The press is both a mirror of public opinion and a magnifying glass for the issues that it takes up” (Hall 1993: 288).
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2 Medialisierung des Politischen und die politische Öffentlichkeit
Zwar lassen sich Begriffe von Öffentlichkeit oder öffentlicher Meinung auch ideengeschichtlich weit zurückverfolgen (Beierwaltes 1999; Hölscher 1979). Eine sozialwissenschaftliche Öffentlichkeitsforschung, die in der von Max Weber projektierten Presse-Enquête einen Vorläufer findet, ist ungeachtet einiger Einzelleistungen aber lange Zeit kaum in größerem Ausmaß zu verzeichnen gewesen. In der Bundesrepublik haben die 50er und 60er Jahre eine erste Hochkonjunktur der Öffentlichkeitstheorie gesehen, die die politische Durchsetzung liberaler Grundprinzipien in der Bundesrepublik intellektuell vorbereitetet und begleitete.21 In jüngerer Zeit hat sich an der Schnittstelle von Politikwissenschaft, Soziologie und Kommunikationsforschung ein Forschungsfeld entwickelt, das zunehmend auch auf weitere Bereiche ausstrahlt. Im Folgenden soll der zeitgenössische Kontext der vorliegenden Arbeit skizziert werden. Auch eine spezifische Paradoxie in der zeitgenössischen Konstitution von Öffentlichkeit kann dabei gekennzeichnet werden: Wo Öffentlichkeit als Gegenbegriff zu autoritären Herrschaftsformen nämlich eine spontane Plausibilität besitzt, weisen konstituierte repräsentativ-demokratische Systeme eine innere Ambiguität auf, die sich mit der Dominanz der medialen Herstellung von Öffentlichkeit noch vertieft. Die reale Medienöffentlichkeit erzeugt selbst neuartige politische Herausforderungen; sie schafft spezifische Probleme, auf die sich alle politische Akteure einstellen müssen.22
2.2 Normative Theorien und sozialwissenschaftliche Analyse „Öffentlichkeit“ ist im Kern immer auch ein Wertbegriff, der seinen vollen Stellenwert im Zuge von Aufklärungs- und Demokratisierungsbewegungen gewonnen hat (Neidhardt 2006: 46). Als Wertbegriff bleibt er an normative Konzepte von Demokratie gebunden und markiert eine Grenze gegenüber der Ausklammerung normativer Fragen aus der fachwissenschaftlichen Analyse. Es kann daher nicht überraschen, dass auch angesichts der Konsolidierung einer sozialwissenschaftlichen Öffentlichkeitsforschung der Öffentlichkeitsbegriff nicht nur 21 Hodenberg stellt verschiedene „intellektuelle Konzepte von Öffentlichkeit“ (Hodenberg 2006: 31) in der frühen Bundesrepublik als einen formativen Faktor für die Entwicklung des „journalistischen Feldes“ selbst dar (ebd.: 31-86). Der „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ ist nur ein besonders bekannter Beitrag aus einem ganzen Reigen einschlägiger Arbeiten aus dieser Zeit. 22 Saxer sieht Medien funktionalistisch als „problemlösende und -schaffende Systeme“ (Saxer 1998: 56): „Jegliche soziale Erfindung - und so auch die Medien - löst zwar Probleme; sie schafft wiederum aber auch Folgeprobleme bzw. muss als Sozialsystem auch ihre Abstimmung auf die Umwelt, die Integration ihrer Elemente, ihre Zielverwirklichung und Strukturerhaltung bewältigen. Probleme ihrerseits können als Abweichungen von Sollzuständen verstanden werden, die von irgendwelchen Instanzen definiert werden und daher keineswegs selbstverständlich sind“ (Saxer 1998: 56).
2.2 Normative Theorien und sozialwissenschaftliche Analyse
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einen operativen Terminus, sondern ein Feld normativer Kontroversen darstellt. Neben die Begründung normativer Ansprüche an und auf politische Öffentlichkeit tritt dabei auch eine Analyse der Grenzen und Nebeneffekte des politischen Ideals. In einer Systematisierung verschiedener Konzepte kommen Ferree et al. allein zu insgesamt vier alternativen normativen Modellen der Öffentlichkeit (Ferree et al. 2002a, 2002b). Diese Systematisierung ist im Zuge des Versuches entwickelt worden, die Einlösung normativer Ansprüche empirisch zu überprüfen und unterlegt ihnen idealtypisierend eine besondere Klarheit und Trennschärfe. Die Autoren unterscheiden im Einzelnen 1. 2. 3. 4.
das repräsentativ-liberale, das partizipatorische, das diskursive und das konstruktivistische oder konstruktionistische Modell.
Diese Modelle lassen sich zusammenfassend jeweils in den Dimensionen des „Wer“ (Sprecherbeteiligung, Inklusionsmuster), des „Was“ und des „Wie“ (Diskursmodalitäten und -stile) und des „Wozu“ (Verfahrens- und Diskursziele) weiter qualifizieren. Das repräsentativ-liberale Modell zeichnet sich in der Teilnehmerdimension durch Akzeptanz eines Elitenbias aus, der allerdings analog zu Modalitäten des Verhältniswahlrechtes allen Interessengruppen eine faire Repräsentationschance garantieren soll. Ziel der öffentliche Diskurse ist in erster Linie die Erzeugung von Transparenz über die jeweils vorhandenen Interessenlagen und im strengen Gegensatz zu jeder „romantischen“ Idealisierung eines von zeitlichen Restriktionen entlasteten ewigen Diskurses die ergebnisorientierte Schließung von Debatten. Ein sachlicher und expertenorientierter Austausch wird in diesem Modell bevorzugt. Das partizipatorisch-liberale Modell legt demgegenüber erheblich größeren Wert auf eine weitergehende Einbeziehung von Sprechern auch über Elitengruppen und Repräsentanten hinaus. Auch Bürger und Betroffene gelten diesem Modell als wichtige Teilnehmergruppen, zu deren Aktivierung und Mobilisierung öffentliche Debatten ein Forum bereitstellen sollen. Zugleich ist hiermit eine größere Toleranz gegenüber der Vielstimmigkeit und Vielförmigkeit von diskursiven Stilen verbunden, deren Legitimität nicht ausschließlich am Maßstab rationaler Argumentation bemessen wird. Das diskursive Modell zeichnet sich demgegenüber zwar ebenfalls durch eine implizite Orientierung an Beteiligung und Einbeziehung verschiedener Sprechergruppen und eines aktiven Publikums aus, legt aber einen stärkeren Akzent auf einen rationalitätsorientierten Kommunikationsstil und den Aus-
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2 Medialisierung des Politischen und die politische Öffentlichkeit
tausch von Argumenten. Der Intention nach ist damit aber weniger eine Begrenzung von Beteiligung verbunden, als die Suche nach einer gemeinsamen Grundlage der Sprecher, an der sich diskursexterne Interessen, Ressourcen und Machtpotenziale relativieren. Die Zieldimension von Diskursen ist hier auf das prozedurale Kriterium des Konsenses und der Verständigung der Teilnehmer orientiert und geht in diesem Sinn über ein “clearing“ von Interessen hinaus. Das konstruktivistische Modell gewinnt sein Profil in weiten Teilen aus einer kritischen Bestandsaufnahme der realen Öffentlichkeiten. Einen hohen Stellenwert hat hier nicht nur die allgemeine Beteiligung, sondern darüber hinaus im Sinne der „affirmative action“ die Beteiligung von Minderheiten oder im weiteren Sinn „unterdrückten“ und „schwacher“ Gruppen. Aus diesem fördernden und aktivierenden Anspruch folgt eine hohe Toleranzschwelle gegenüber nichtdiskursiven und „subjektiven“ Beiträgen. Wie im partizipatorischen Modell folgen aus der herrschafts- und elitenkritischen Stoßrichtung eine gewisse Skepsis gegenüber der zügigen Beendigung und Schließung von Diskursen und ein hoher Stellenwert des Eigenwertes von öffentlichen Diskursen. Normative Ansätze begründen ihren Stellenwert nicht zuletzt dadurch, dass erst mit der Entwicklung konsistenter Maßstäbe öffentlicher Kommunikation eine qualifizierte Analyse und Einschätzung von - auch „pathologischen“ - Veränderungen der politischen Öffentlichkeit denkbar wird (Habermas 2006b). Gerade mit der Expansion medialer Kommunikation wird damit die Frage aufgeworfen, ob die Medienöffentlichkeit selbst nicht nur eine Antwort auf die Herausforderungen der Demokratie, sondern auch eine Problemquelle eigener Art darstellt. Eine Maximierung der Öffentlichkeitsbeteiligung und der Beobachtbarkeit von Politik durch Öffentlichkeit (Transparenz) in politischen Prozessen muss aber nicht gleichbedeutend mit einem demokratischen Zugewinn sein, sondern kann auf einen seinerseits widersprüchlichen sozialen Wandel verweisen.23 Mit der Ausdifferenzierung massenmedial getragener Öffentlichkeit verändert sich also die gesellschaftliche Ausgangslage - mit Folgen auch für die Analyse. Mit einer medial institutionalisierten Dauerbeobachtung von Politik und dem „Regieren unter den Bedingungen medialer Allgegenwart“ (Pfetsch 1998) gewinnt auch jenseits normativer Grundlegungen des Anspruchs an und auf 23
Neben feministischen Kritiken (Fraser 2001; Young 1995) folgen auch Autoren aus dem Umkreis der Kritischen Theorie unter Berufung auf Gramscis Hegemonietheorie der Auffassung von Öffentlichkeit als einer Art rationaler Gegenmacht nicht uneingeschränkt (Demirovic 1997a, 1994, 1997b). Im Kontext der Protest- und Bewegungsforschung wird wahrgenommen, dass die dominanten massenmedialen Öffentlichkeiten für Protestakteure zwar ein unverzichtbarer Mobilisierungsfaktor sind, ihnen aber nicht in jedem Fall entgegenkommen. Aus diesem Umstand kann ein Bedarf an sog. „autonome Öffentlichkeiten“ abgeleitet werden. Vgl. dazu Stamm (Stamm 1988) und Rucht (Rucht 1994c).
2.2 Normative Theorien und sozialwissenschaftliche Analyse
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Öffentlichkeit die Analyse der Dynamiken und Strukturen der öffentlichen Meinungsbildung an Bedeutung. Jenseits der klassischen Umfrage- und Meinungsforschung zeigt diese Analyse und Beobachtung von Öffentlichkeit und öffentlicher Meinungsbildung gewisse Ansätze der Institutionalisierung und Expansion. Das sozialwissenschaftliche Wissen wird von politischen Akteuren aufgenommen und geht in deren „Öffentlichkeitsstrategien“ ein. Öffentliche Kommunikation gewinnt dabei Züge eines professionalisierten bzw. professionell beratenen Handlungsfeldes (Kreyher 2004).24 Sozialwissenschaftliches Wissen und die Erkenntnisse der Medienforschung bieten eine wichtige Grundlage für Versuche, die Dynamiken öffentlicher Willensbildung zu steuern.25 Verwissenschaftlichung und Professionalisierung der öffentlichen Kommunikation verändern hier auch die Eintrittsbedingungen und Spielregeln für die politischen Diskursakteure; sie legen die Anspruchsschwellen für wirksame Kommunikation höher und führen zu einer Verfeinerung der kommunikativen Techniken. Professionelle Kommunikations- und Vermittlungstechniken werden vor allem von ressourcenstarken Akteuren in Journalismus (Journalistenausbildung), Beratung (Spin, Politikvermittlungsexperten) und Politik eingesetzt, verstärkt auch in der Wirtschaft. Aber auch für Akteure der Zivilgesellschaft, die nicht über ausgebaute Stäbe und Ressourcen für Vermittlung und Kommunikation verfügen, sind Kenntnisse der Mechanismen öffentlicher Kommunikation eine zunehmend elementare Handlungsvoraussetzung, die umso wichtiger wird, wie Sie nicht über Einflussmöglichkeiten jenseits der Vorderbühne der Öffentlichkeit verfügen. Nun ist auch in deliberativ-diskursiven Öffentlichkeitstheorien der Wert einer breiten Beteiligung und Partizpation der Bürger und der „Zivilgesellschaft“ keineswegs unumstritten. Auf die reale Präsenz spezifischer Akteursgruppen 24 Es ist in diesem Zusammenhang bemerkenswert, dass sich mit Blick auf die Konstitution einer europäischen Öffentlichkeit die Ausgangslage des aufklärerischen Appells an Öffentlichkeit gleichsam auf höherer Ebene wiederholt, obwohl auf nationaler Ebene Stimmen laut werden, die in der etablierten Medienöffentlichkeit nicht nur produktive Aufgaben der Machtkontrolle verkörpert sehen, sondern vor allem Effekte, gegenüber denen die politisch-adminstrativen Bereiche wiederum als Horte der Rationalität und des Gemeinwohls erscheinen können. 25 Die Literatur zu Public Relations und strategischer Kommunikation füllt mittlerweile Bibliotheken. Die Herausgeber eines Bandes zur Strategiefähigkeit politischer Parteien, Nullmeier und Saretzki, haben einige Statements zu diesem Themengebiet unter dem bezeichnenden Stichwort der „Öffentlichkeitssteuerung“ versammelt (Kuhn 2002; Schmidt-Deguelle 2002; Schmitt-Beck 2002). Ohne an dieser Stelle die in Politikwissenschaft und Soziologie nicht zuletzt mit Scharpf (Scharpf 1989) und Luhmann (Luhmann 1989) verbundene Diskussion um die Möglichkeiten und strukturellen Grenzen politischer Steuerung aufgreifen zu wollen (vgl. auch Mayntz 2004, 2005, 1996), dürfte unbestreitbar sein, dass die Frage der „Öffentlichkeitssteuerung“ im Sinne der Intervention in Prozesse der öffentliche Meinungsbildung wie auch der „Media-Governance“ im Sinne einer politischen Regulierung des Medienmarktes für ein steuerungstheoretisch ambitioniertes Politikkonzept auch jenseits jeder Instrumentalisierung von herausgehobener Bedeutung ist (vgl. dazu Manheim 1997).
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2 Medialisierung des Politischen und die politische Öffentlichkeit
könnte hypothetisch bei einer Berücksichtigung aller wesentlichen Argumente in Diskursen auch verzichtet werden, oder es kann die Beteiligung der „Peripherie“ auch normativ auf nichtalltägliche Krisensituationen jenseits des politischen Routinemodus eingeschränkt werden. Vor dem Hintergrund dieser in einer aufklärerisch-demokratischen Perspektive zentralen Fragen wird deutlich, dass selbst ein inklusives Öffentlichkeitsmodell zwar die moralische Selbstlegitimation bürgerschaftlicher Akteure stärken und damit im Zuge der Selbstkonstitutionsprozesse kollektiver Akteure eine conditio sine qua non werden kann. Ein normatives Konzept eröffnet aus sich heraus aber offensichtlich weder symbolisch noch instrumentell wirksame Handlungsoptionen und Resonanzchancen - muss ja auch diesen Anspruch gar nicht erheben.26 Kommunikative Kompetenzen sowie spezifisches und vermehrt auch wissenschaftsförmiges Wissen über die Dynamiken öffentlicher Meinungsbildung sind aber die zunehmend entscheidende Voraussetzung für aktive Mitwirkung und diskursive Intervention von Sprechern in der öffentlichen Arena.27 Aus diesem Umstand kann allerdings nicht gefolgert werden, normative Fragen schlechterdings auszuklammern. Sie bieten nicht nur Ansatzpunkte für weiterführende analytische Fragen. Sie sind in „verfassten“ Öffentlichkeiten vielmehr auch in die institutionelle Aufbauordnung dieser Sphäre eingeschrieben und besitzen daher eine ganz eigene Wirklichkeit und Tatsächlichkeit. Öffentlichkeit als Wertbegriff ist nämlich - wie gesagt - ein zentrales Element der Verfassung liberaler Demokratien (Peters 1994a).28 26 In der stark auch auf kommunikative Politikdimensionen ausgerichteten politikwissenschaftlichen Debatte zum Strategiebegriff wird dem Konzept des „kommunikativen Handelns“ attestiert, dass es Strategiewissen als normative Negativfolie weniger analytisch klärt als diskreditiert (Raschke und Tils 2007: 20). 27 Anschließend an Wolfsfeld (Wolfsfeld 1999) lässt sich also die normative Frage der Beteiligung mit Kriesi für die Bedingungen der Mediengesellschaft analytisch reformulieren: „Herausforderer, die es schaffen, Ereignisse zu produzieren, welche in der professionellen und politischen Kultur von wichtigen Nachrichtenmedien Resonanz erzielen, können mit mächtigeren Gegner konkurrieren“ (Kriesi 2001: 24). Kriesi ergänzt allerdings gegen deliberative Diskurstheorien das gängige Argument, dass gerade die Argumentationen bzw. Beiträge solcher Akteure kaum den Anforderungen der normativen Theorien entsprechen. Die Akteurskategorie der „Herausforderer“ von Seiten der Peripherie hat im Übrigen in der Protestforschung auch in Hinsicht auf ihre Ziele längst nicht nur da ihre Unschuld verloren, wo Gewalttaten der extremen Rechten zu verzeichnen sind (Koopmans und Olzak 2004), sondern auch da, wo sie sich wie im Fall der sog. „Neuen Rechten“ enorm argumentationshaltiger und „salonfähiger“ „Öffentlichkeitsstrategien“ bedient (Benthin 2004). 28 Bernhard Peters, dessen Arbeiten eine gewisse Nähe und produktive Spannung zum deliberativen Öffentlichkeitsmodell aufweisen und dessen Kernideen auch in Habermas modifiziertes Öffentlichkeitsmodell eingegangen sind (Habermas 1998: 399-467), hat Vorschläge zu den Kontroversen der öffentlichkeitssoziologischen Forschung in Hinblick auf normative Gehalte und auch einen Vorbehalt gegenüber den empirisch argumentierenden Kritikern des deliberativ-diskursiven Modells formuliert (Gerhards et al. 1998): „Ihre Untersuchung findet eine deutlich höhere ‚Realitätsnähe’ des ‚liberalen’ Modells. Das ist nun insofern nicht arg überraschend, als sich die Merkmalsdimensionen der beiden
2.2 Normative Theorien und sozialwissenschaftliche Analyse
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Auch Normen und Moralen der Öffentlichkeit (Ethos, „Sittlichkeit“) sind also in analytischer Perspektive zu berücksichtigen.29 Dennoch wird insbesondere die umfängliche Kontroverse zwischen deliberativen und liberalen Öffentlichkeitsmodellen im vorliegenden Kontext nicht weitergehend verhandelt.30 Mit Offe soll vielmehr die Notwendigkeit unterstrichen werden, „nicht nur juristische und philosophische Wert- und Begründungsdiskurse zu betreiben, sondern zusätzlich in empirisch-sozialwissenschaftlicher Perspektive die Beiträge zu bestimmen und zu evaluieren, die einzelne institutionelle Komponenten der demokratischen Verfassungswirklichkeit zur Bewältigung der genannten Beweislasten [bei der Verteidigung der liberalen Demokratie; d.Verf.] beitragen und durch institutionellen Umbau gegebenenfalls auch besser beitragen können; eine komparative Funktionsanalyse demokratischer Institutionen und ihrer vorfindlichen wie vorstellbaren Varianten ist das Desiderat“ (Offe 2003a: 149 f.).31
Unter Voraussetzung institutionalisierter Öffentlichkeiten in modernen Demokratien wird die analytische Durchdringung einer Sphäre entscheidend, die längst Modelle - in der Art eine Gutmann-Skala verhalten - das heißt, das ‚diskursive’ Modell umfasst neben den Merkmalen des ‚liberalen’ noch weitere, in gewissem Sinn anspruchsvollere. Wenn wir davon ausgehen, dass öffentliche Deliberation per se ein anspruchsvolles Segment öffentlicher Kommunikation darstellt, also umgeben ist von einer Menge weniger voraussetzungsreicher Kommunikationsformen, darf es nicht überraschen, wenn das schwächere Modell eine größere Menge realer Kommunikationen abdeckt als das stärkere“ (Peters 2002: 25). Eine alternative empirische Forschungsstrategie würde für Peters demgegenüber in der Analyse der „variablen empirischen Bedingungen [liegen], welche für die Öffnung oder Schließung von Diskursmöglichkeiten in heutigen Öffentlichkeiten und für Variationen des Rationalitätsniveaus und der Leistungsfähigkeit öffentlicher Diskurse verantwortlich sind“ (Peters 2001: 664). Vgl. mit ähnlichen Vorbehalten bezüglich der kategorialen Präjudizierung der empirischen Ergebnisse von Gerhards (Gerhards 1994) auch Eder (Eder 2003: 85) und Habermas, der argumentiert, dass Gerhards, Neidhardt und Rucht “offer a misleading description of the deliberative model of public opinion formation; they fail to specify the functional contribution of the public sphere to deliberative politics at large” (Habermas 2006b: 9). 29 Deren Wirksamkeit zeigt sich etwa in der Sanktionierung und Skandalisierung „abweichenden“ Kommunikationsverhaltens oder Ansätzen zur Selbstregulierung des Journalismus. Zu „impliziten Öffentlichkeitsmodellen“ von Journalisten auch (Gerhards et al. 1998). 30 Wissenssoziologisch kann die Untersuchung eines anspruchsvollen Meinungsdiskurses und einer journalistischen Sprechergruppe mit gewissen Parallelitäten zu intellektuellen Sprechern als Ansatz an Träger vergleichsweise anspruchsvoller öffentlicher Diskurse betrachtet werden. An die Stelle der Begründung normativer Kriterien würde so die Suche nach spezifischen Akteursgruppen und Diskurskonstellationen treten, die die Chancen für argumentationsorientierte Diskurse erhöhen. 31 Im Kontext der vergleichenden Analyse von Mediensystemen kommen auch Hallin und Mancini zu ähnlichen Schlüssen. „We are interested here not in measuring media systems against a normative ideal, but in analyzing their historical development as institutions within particular social settings. We want to understand why they developed in the particular ways they did; what roles they actually play in political, social, and economic life; and what patterns of relationship they have with other social institutions. Our models of journalism are intended as empirical, not normative models” (Hallin und Mancini 2004: 14).
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2 Medialisierung des Politischen und die politische Öffentlichkeit
nicht mehr nur das geläuterte Gegengewicht zu den Arkanbereichen politischer Herrschaft darstellt. Empirisch gesättigte Theorien mittlerer Reichweite, die Mechanismen der Strukturbildung und Entwicklung von öffentlichen Diskursen bestimmen, erscheinen an dieser Stelle als ein vielversprechender Ansatz.32 Der Fokus richtet sich daher auf Strukturen von Öffentlichkeit und Mechanismen der öffentlichen Kommunikation, die auf einer mittleren Abstraktionshöhe ansiedelt sind. Der kritische und wenn man will: normative Sinn einer derartigen Forschung ergibt sich in partizipationsorientierter Perspektive aus der einfachen Überlegung, dass in der medienöffentlichen Meinungsbildung sich nur bewegen kann, wer deren Regelsysteme und Strukturen kennt. Wo das nicht der Fall ist und die Mechanismen der Meinungsbildung mysteriös bleiben, kann davon jedoch kaum die Rede sein. Nicht anders als wissenschaftliche Analytiker benötigen auch politisch ambitionierte Akteure ganz unterschiedlicher Art ausnahmslos öffentlichkeitsrelevante Deutungs- und Analyseinstrumente. Nicht die Begründung von Maßstäben, sondern die Distribution von Wissen wird hier zur kritischen Größe (vgl. auch Stehr 2000, 2003).
2.3 Drei Schwerpunkte der Öffentlichkeitsforschung Betrachtet man nun jenseits der normativen Kontroversen zum Begriff der Öffentlichkeit die Themen und Gegenstände der zeitgenössischen sozialwissenschaftlichen Öffentlichkeitsforschung, dann lassen sich, mit aller unvermeidlichen Selektivität, vor allem drei Schwerpunkte unterscheiden. Zum Ersten richtet sich unter dem Vorzeichen von Globalisierung, Transnationalisierung und Europäisierung verstärktes Interesse auf die Konstitution von politischer Öffentlichkeit jenseits des Nationalstaates. Es liegt auf der Hand, dass mit der Auslagerung vor allem ökonomischer Einflussgrößen aus dem Verfügungshorizont des Nationalstaates auch die Frage nach einem Nachwachsen demokratischer Institutionen wie der Öffentlichkeit sich verstärkt stellt. Vor allem im Rahmen der Europaforschung haben sich eine Debatte und eine umfassende Forschung entwickelt, die Reichweiten und Spezifika einer europäischen Öffentlichkeit bzw. der Europäisierung der politischen Kommunikation untersuchen. Die Schwäche europäischer Öffentlichkeit kann einerseits aus demokratietheoretischen Gründen zum Problem werden. In evolutionärer Perspektive wird sie aber auch zum Hoffnungsträger auf dem Weg zu einem weltbürgerlichen Zustand und einer wirklich universellen Verkörperung von Vernunft32 Einen wissenschaftshistorisch fundierten Überblick über Theorien mittlerer Reichweite und soziale Mechanismen gibt Mackert (Mackert 2006: 61 ff.).
2.3 Drei Schwerpunkte der Öffentlichkeitsforschung
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prinzipien erklärt. Zugleich gewinnt im Zuge der Transnationalisierung und der Entstehung einer kommunikativen „Weltgesellschaft“ auch der internationale Vergleich von Entwicklungen der Medien und der politischen Kommunikation an Interesse. Spezifische nationale Entwicklungspfade von Mediensystemen, eine verstärkte transnationale Vernetzung und die Unterschiedlichkeit spezifischer politischer Öffentlichkeiten werden hier sichtbar (Eder und Kantner 2000; Ferree et al. 2002b; Gerhards 2000; Langenbucher und Latzer 2006; Neidhardt 2006; Peters 1999; Peters und Sifft 2003; Risse 2004). Ein zweiter, genuin öffentlichkeitstheoretischer Schwerpunkt der Forschung liegt in der demokratietheoretisch gesteuerten Analyse von unterschiedlichen Formen und Typen öffentlicher Kommunikation. Hier ist ein eigener Forschungszweig entstanden, der sich mit Chancen und Voraussetzungen deliberativer Verfahren beschäftigt. In dieser Dimension sind auch klare demokratiepolitische Implikationen enthalten, geht es doch letztlich um eine Weiterentwicklung des demokratischen Institutionensystems selbst. Neue Formen der politischen Deliberation in öffentlichen Foren in und jenseits der Medien werden hier auf ihr Potenzial hin befragt, funktional und normativ zu einer verbesserten Leistungsfähigkeit demokratischer Systeme beizutragen. (Daele und Neidhardt 1996; Gerhards 1997; Habermas 1998, 2006b; Imhof 2003; Peters 2001; Schmalz-Bruns 1995; Steiner, Bächtiger und Spörndli 2005). Ein dritter Schwerpunkt der Diskussion lässt sich schließlich in der Frage der Medialisierung der politischen Öffentlichkeit und der Rolle von Medien und politischer Kommunikation im politischen Prozess lokalisieren. Hier stehen vor allem die rapiden Veränderungen der politischen Kommunikation im Mittelpunkt des Interesses, die sich im Zusammenspiel der Expansion der Medienangebote und der Veränderungen des Mediensystems auf der einen Seite und politischer Strukturveränderungen (sozialstrukturelle Veränderungen, Individualisierungsprozesse, volatile Elektorate und Bindungsprobleme klassischer Kollektivorganisationen, Auszehrung von Politikvertrauen etc.) auf der anderen Seite ergeben. Diese Debatten stehen damit unter dem Eindruck des sozialen Wandels auf nationaler Ebene und werden unter dem Stichwort der Modernisierung und Autonomisierung des Mediensystems sowie - mit Verweis auf die internationale Dimension und zugleich mit wachsenden Vorbehalten - der Amerikanisierung untersucht. Mit dem Begriff der Medialisierung ist ein Prozess sozialen Wandels angesprochen, in dessen Zuge die Medien neue Formen entwickeln und sich selbst verändern, an Umfang und Bedeutung - auch an Tempo gewinnen und die gesellschaftlichen Bereiche zunehmend durchdringen. Dieser Wandlungsprozess beschränkt sich im politischen Raum nicht auf Medien und Journalismus im engeren Sinn, sondern beinhaltet die Aufwertung der gesamten kommunikativen Dimension von Politik. Politische Kampagnen und Beratung,
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Öffentlichkeitsarbeit und Public Relations und damit Politikvermittlung und politische Kommunikation insgesamt sind Gegenstand und Triebkraft von Medialisierung (Bennett und Entman 2001; Imhof 2006; Jarren 2001; Kaase 1998; Meyer 2001; Sarcinelli 1997; Schulz 2004; Weisbrod 2003a). Die genannten Dimensionen lassen sich selbstredend nur analytisch voneinander unterscheiden – in der aktuellen Forschung finden sich mannigfaltige Überschneidungen und Überlagerungen (Eriksen und Fossum 2000; Schultz 2001; Wessler 2005). Die konkrete Ausformung der Debatte um eine europäische Öffentlichkeit ist unter Aussparung der Kontroversen um die konzeptionelle Grundlegung der Öffentlichkeitstheorie bspw. kaum zu erschließen. Mit anderen Worten reproduzieren sich in den verschiedenen Forschungsbereichen bestimmte normative Vorverständnisse über die Aufgaben und Leistungen politischer Öffentlichkeit. Dennoch ist es selbstverständlich möglich, bestimmte Teildimensionen des Themenfeldes der medialen Öffentlichkeit analytisch zu separieren und bspw. Medialisierungsprozesse allein auf nationaler Ebene zu analysieren.
2.4 Medialisierung der Politik als „Herausforderung der Demokratie“ Bezieht man zur demokratiepolitisch gehaltvollen Fassung des Phänomens der Medialisierung auch den zeitgeschichtlichen Kontext der vorliegenden Untersuchung ein, dann lassen sich für die 1990er Jahre zahlreiche Diagnosen eines Triumphzuges der liberalen Demokratie konstatieren. Im Anschluss an Huntington wurde von der dritten bzw. vierten „Welle der Demokratisierung“ gesprochen. Das geflügelte Wort vom „Ende der Geschichte“ (Fukuyama) deutete das Ende des Kalten Krieges in geschichtsphilosophischer Perspektive als abschließende Durchsetzung des westlichen Modells liberaler Repräsentation. Im Kontrast zu gescheiterten autoritären Herrschaftsformen traten vor allem die Stärken und die Überlebensfähigkeit westlicher Demokratiemodelle in den Vordergrund der Wahrnehmung. Als eine Mindestanforderung an demokratisch-repräsentative Systeme kann dabei in schumpeterianischer Tradition die periodische Abhaltung von freien Wahlen und damit die Möglichkeit zu Zirkulation und Wechsel der politischen Eliten betrachtet werden (Schumpeter 1987). Eine notwendige Ergänzung der Etablierung des Wahlmechanismus ist dabei auch die Presse-, Versammlungsund Meinungsfreiheit, die erst diejenige öffentliche politische Willensbildung ermöglicht, die sich in Wahlen Ausdruck verschaffen soll.33 33 Für eine umfassende Diskussion des Zusammenhanges der Rolle der Medien und verschiedener Demokratietypen auch jenseits eines demokratietheoretischen Minimalismus vgl. Baker (Baker 2002:
2.4 Medialisierung der Politik als „Herausforderung der Demokratie“
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Nach der Euphorie der frühen 1990er Jahre wurden im globalen Maßstab jedoch verstärkt auch „defekte“ und „gescheiterte“ Demokratien, ja geradezu der Zerfall von Staaten sichtbar. Auch in Europa und der westlichen Hemisphäre zeichneten sich Ermüdungserscheinungen der Systeme der gesellschaftlichen Kompromissbildung ab - etwa die Erosion wohlfahrtsstaatlicher Arrangements und der Vertrauensverlust politischer Institutionen. Auf die störanfälligen Verhältnisse von Medien und Politik auch in einer konsolidierten Demokratie hat die italienische „Mediocrazia“ besonders eindrücklich aufmerksam gemacht (Rusconi 2004; Statham 1996). Im Anschluss an die Beschwörung einer neuen Demokratisierungswelle und des Triumphes der liberalen Demokratie verstärkte sich also der Eindruck ernstzunehmender „Herausforderungen der Demokratie“ (Offe 2003b).34 Die Bundesrepublik Deutschland war in den 1990er Jahren im Gefolge der deutschen Vereinigung im Übrigen mit besonderen Herausforderungen konfrontiert. Das historisch präzedenzlose Experiment einer Staaten- und Systemfusion erzeugte besondere Belastungen und Spannungslagen. Schon Mitte der 1990er Jahre wurde die Politik des „Einheitskanzler“ Helmut Kohl öffentlich vielfach unter dem Vorzeichen der Auszehrung und Stagnation wahrgenommen. Nichtintendierte Effekte der deutschen Vereinigung und ihres spezifischen Modus verschafften sich Geltung. Die Sozialdemokratie konnte sich angesichts eines vielbeschworenen „Reformstaus“ nach verbreiteter Wahrnehmung als handlungsfähige Kraft profilieren. Sie sah sich im internationalen Rahmen - in den USA mit Clinton, in Großbritannien mit Blair und in abgeschwächter Form in 129-153). Angesichts verbreiteter (und selbst für Autoren mit anderen Einschätzungen oft impulsgebenden) Diagnosen einer politischen Medien-Malaise soll nicht unterschlagen werden, dass auch Annahmen über eine politische Beteiligung fördernde und stützende Rolle der medialen politischen Kommunikation auf breiter empirischer Basis formuliert werden können. Vgl. für einen derartigen Ansatz zum amerikanischen Kontext die These eines „virtuous circle“ - einer wechselseitigen Verstärkung von politischer Beteiligung und Medienrezeption - bei Norris (Norris 2000) und für Europa auch Newton (Newton 1999). 34 Es kann nicht verwundern, dass die politikwissenschaftliche und soziologische Analyse sich in weiten Teilen an Problemwahrnehmungen entzündet. Gegenüber einem primär auf „Pathologien“ orientierten Blick kann jedoch auch unterstrichen werden, dass sich einige dieser Herausforderungen der Demokratie auch als Resultate und Nebeneffekte von sozialen Wandlungsprozessen ergeben, die sich stringent als positive Einlösungen von grundlegenden Versprechungen der politischen Moderne verstehen lassen. Stichworte wie Bildungsexpansion, „partizipatorische Revolution“, soziale Mobilität und Wohlstandsgewinne sowie Tendenzen des Wertewandels - um nur einige besonders einschlägige Aspekte zu nennen - lassen sich ihrer Grundrichtung nach einem konventionellen Verständnis von politischer Modernisierung und Staatsbürgerschaft zuordnen und können den jeweils institutionalisierten demokratischen Verfahren und politischen Akteure dennoch gewichtige Probleme bereiten. Insbesondere gewisse Unzufriedenheiten der Bürger, etwa mit den politischen Parteien, lassen sich also auch auf gewachsene bzw. veränderte Ansprüche und Kompetenzen zurückführen. Zu Modernisierungstheorien heute vgl. Zapf (Zapf 1991).
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2 Medialisierung des Politischen und die politische Öffentlichkeit
Frankreich mit Jospin - auf einem „dritten Weg“ „jenseits von rechts und links“ (Giddens 1997) und konnte in Europa und den USA auch an den Wahlurnen Erfolge verbuchen. Auch wenn die mit dem Regierungsantritt der rot-grünen Koalition im Jahr 1998 und vor allem nach deren Bestätigung in 2002 eingeleitete Politik als Anpassung des bundesdeutschen Modells an die neuen Bedingungen der globalen Welt dargestellt wurde, konnte sie das nicht vor scharfer Kritik und dann auch vor verheerenden Wahlniederlagen bewahren. Die Herausforderungen der Demokratie - und das ist in diesem Zusammenhang entscheidend - beschränken sich allerdings nicht nur auf die Ebene materialer Sachpolitiken, obwohl diese naturgemäß große Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Gerade die Repräsentanten des „dritten Weges“ der Sozialdemokratie etablierten zugleich einen spezifischen politischen Stil, der zentral auch durch eine Modernisierung der politischen Kommunikation und eine intensivierte Nutzung der Techniken der Öffentlichkeitsarbeit gekennzeichnet war (vgl. allgemein zu "recursive governance": Crozier 2007).35 Spätestens der Bundestagswahlkampf 1998 machte daher auch in der Bundesrepublik die Annahme plausibel, dass sich in der „Berliner Republik“ die Koordinaten des Wechselspiels von Medien und Politik verändert haben könnten. Hochprofessionalisierte Wahlkampfstrategien mit großem Stellenwert der Medienpräsenz haben das Stichwort „Medienkanzler“ (Meng 2002) und „Mediendemokratie“ (vgl. hierzu u.a. Alemann und Marschall 2002; Bürklin 1997; Grande 2000a; Hoffmann-Riem 2003; Meyer 2001; Müller 1999; Pfetsch 1997; Sarcinelli 1997) in die Diskussion gebracht. Dabei handelt es sich sicher nicht nur um eine Eigentümlichkeit des Kandidaten Schröders oder ausschließlich der Wahlkampfführung. Es geht auch nicht nur immanent um die Expansion und Beschleunigung des Medienbereichs. Vielmehr werden verstärkt politische Leistungen von Medien übernommen, die bisher vor allem politische Akteure im herkömmlichen Sinn - wie Parteien, Verbände und Bewegungen (Rucht 1991) erbrachten. Selbst in Hinblick auf die Willensbildung in Parteien haben sich die Massenmedien als ein unverzichtbarer Kanal der Interessenvermittlung etabliert. Gerade im Blick auf die Sozialdemokratie als klassischer Mitgliederpartei wird der Stellenwert der massenmedialen Kanäle für die Ansprache und Mobilisierung von Parteimitgliedern deutlich (Jun 2004). Auch in diesem Sinn stellen 35
Einige Jahre nach der Ära der sozialdemokratischen Politiker vom Schlage Clinton, Blair und Schröder und quer zu der italienischen Sondersituation verkörpert der französische Präsident Sarkozy eine neue, mediengestützte Regierungstechnik in nahezu perfekter Ausprägung. Einen Überblick über die amerikanische Diskussion geben Bennett und Entmann (Bennett und Entman 2001). Zum Phänomen der Medialisierung liegen mittlerweile einige Studien vor (Altheide und Snow 1988; Bennett und Entman 2001; Dörner 2001; Herbst 2003; Imhof 2006; Jachtenfuchs 1995; Jarren 1996; Jarren 1998, 2001; Kaase 1998; Maresch 1995; Mazzoleni und Schulz 1999; Meyer 2002, 2001; Sarcinelli 1998, 1997; Schulz 2004; Weisbrod 2003b; Zolo 1997).
2.4 Medialisierung der Politik als „Herausforderung der Demokratie“
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„Medien als Akteure und institutionalisierter Handlungskontext“ (Jarren 1996) eine nicht mehr wegzudenkende Einflussgröße in modernen Demokratien dar.36 Diese endemischen Wandlungsprozesse werden nicht selten unter dem Vorzeichen einer einfachen Modernisierung („Amerikanisierung“) gedeutet. Insbesondere mit der Dualisierung des Mediensystems in der Bundesrepublik und dem Bedeutungszuwachs privater Medien im elektronischen Bereich ist dieses Interpretationsmuster auch dann zu einer populären Deutungsfolie geworden, wenn es immer wieder kritisiert und differenziert wird (Pfetsch 2001, 1991). Die vermehrte Forderung von Vergleichen nationaler Mediensysteme (Esser und Pfetsch 2003; Hallin und Mancini 2004) lässt sich insofern auch als Effekt einer wachsenden Sensibilität für signifikante Unterschiede jenseits und innerhalb des dominanten Entwicklungspfades interpretieren. Die mit dem Stichwort der „Mediendemokratie“ postulierten Veränderungen können dennoch im Einklang mit einigen Grundannahmen soziologischer Theorien der Moderne als Veränderungen im Verhältnis zweier gesellschaftlicher Teilbereiche konzeptualisiert werden. Eine Schlüsselgröße stellt hier der Grad der Ausdifferenzierung oder Autonomisierung der Massenmedien dar. Dabei geht es nie nur um die Medien allein, sondern immer um die komplexe „Ökologie“ von Medien und Politik (Bennett 1990; Jarren, Grothe und Rybarczyk 1993; Molotch, Protess und Gordon 1987). Auch angesichts vieler noch ungeklärter Fragen über Ausmaß, Reichweite und Gehalt der skizziertenVeränderungen liegt es also nahe, die Medialisierung des Politischen als eine genuine „Herausforderung der Demokratie“ aufzufassen (Kaase 1998; Mazzoleni und Schulz 1999).37 Nimmt man allerdings die theoretischen Konzepte und die vorliegenden Studien zur politischen Öffentlichkeit in den Blick, dann fällt auf, dass die aktive Rolle der Medien trotz des verbreiteten 36 Eine demokratietheoretisch reflektierte Analyse dieser Prozesse liefert Bernard Manin. Während die Prinzipien der Repräsentation (Wahl, Unabhängigkeit der Abgeordneten, Freiheit der öffentlichen Meinung, Prüfung durch Diskussion) auf den liberalen Parlamentarismus zurückgehen, seien mit dem Wandel zur Parteiendemokratie gewisse, tief greifende Umstellungen zu verzeichnen gewesen, die die Grundprinzipien der Repräsentation aber nicht angetastet haben. Mit dem Wandel zur „Publikumsdemokratie“ bahnt sich für Manin nun erneut eine Metamorphose repräsentativen Regierens an (Manin 2007, 1997). Vgl. dazu auch Lüter (Lüter 2007). 37 Die demokratischen Institutionen werden im Prozess des sozialen Wandels jedoch nicht nur herausgefordert. Sie selbst können auch für die Bürger eine Herausforderung besonderer Art darstellen. Zehren sie doch - wie man in Anlehnung an die Böckenförde-Formel formulieren kann - auch von deren nicht einfach vorauszusetzender politischen Kompetenz, Partizipation und Bürgertugend. Die medienöffentlichen Diskurse lassen sich auch vor dem Hintergrund dieser Herausforderung plausibel daraufhin befragen, inwiefern sie die „deliberative Kompetenz“ der Bürger, von der gerade anspruchsvolle Öffentlichkeitstheorien ausgehen, befördern und unterstützen. Die meinungsbildenden Kommentatoren der überregionalen Presse sind auch unter dieser Perspektive eine in ihrer Bedeutung nicht zu unterschätzende Sprechergruppe. Allgemein zu derartigen Fragen der Präferenzbildung und des Präferenzwandels der Bürger und deren institutionellen Stützung vgl. Offe (Offe 2003c).
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2 Medialisierung des Politischen und die politische Öffentlichkeit
Problembewusstseins eigentümlich unterbelichtet ist. Das im angloamerikanischen Kontext artikulierte Postulat „Bringing the Sociology of Media back in“ (Benson 2004) gilt daher uneingeschränkt auch für die deutsche Öffentlichkeitstheorie (Lüter 2006).38
38
Trotz verschiedener Anläufe schon bei Weber, Tönnies, Park, Lasswell, Lippmann, Lazarsfeld bis hin zu und nicht endend bei Innis oder McLuhan sieht Wenzel in der immer noch dramatisch hinter deren sozialen Stellenwert zurückbleibenden Integration der Medien in die Kernbereiche der Sozialtheorie sogar einen „ausgewachsenen Skandal“ (Wenzel 2001a: 26). Zu einer Einschätzung des im Folgenden maßgebenden Arena-Modells der politischen Öffentlichkeit aus medientheoretischer Perspektive vgl. auch Wenzel (Wenzel 2001b: 141). Eine Zusammenstellung wichtiger „klassischer“ Texte zu einer Soziologie der Medien und der politischen Öffentlichkeit bietet Pöttker (Pöttker 2001).
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Strukturen und Akteure moderner Öffentlichkeit
3.1 Anforderungen an eine Theorie moderner Öffentlichkeit Eine analytische Bearbeitung von Diagnosen der Medialisierung des Politischen hat im Begriff der politischen Öffentlichkeit einen zentralen Ansatzpunkt. Dieser umkämpfte Begriff („essentially contested concept“) ist bisher auf drei thematische Schwerpunkte der jüngeren Diskussion bezogen worden. Zugleich wurde argumentiert, dass die in den Begriff gleichsam immer schon eingebauten normativen Kontroversen von sozialtheoretischen Fragen zu unterscheiden sind. Auch wenn theoretische Konzeptionen häufig Affinitäten zu spezifischen normativen Orientierungen aufweisen, sind diese Dimensionen nicht zwingend miteinander verbunden, normativer Dissens geht daher nicht zwingend mit analytischem Dissens einher. Die kontroversen normativen Ansätze lassen sich in einer pragmatischen Wendung insofern aussichtsreich als Impulsgeber für Forschungsstrategien aufgreifen (Neidhardt 1994c: 38). Aus der Perspektive jeweiliger normativer Ansätze lassen sich ausgehend von Soll-Ist-Diskrepanzen Anschlussfragen formulieren, die zu einem vertieften Verständnis „real existierender Öffentlichkeiten“ führen können. Zum Teil sind in normativen Kontroversen ohnehin unterschiedliche Zieldimensionen im Spiel. Öffentlichkeit und öffentliche Diskurse können bspw. auf die Eignung ihrer Ergebnisse für die Umsetzung in politische Entscheidungen, auf die Qualität ihrer Verfahren und ihre interne Rationalität oder auf ihre sozialen Grenzziehungen im Sinne der Zulassung bzw. Ausgrenzung bestimmter Sprecher und Sprechergruppen befragt werden. Es ist nicht unumstritten, dass sich diese normativ relevanten Dimensionen theoretisch gleichzeitig steigern lassen, ohne dass Zielkonflikte und „trade-offs“ entstehen würden.39 Aus
39
Vor diesem Hintergrund wird ambitionierten Demokratiekonzepten und Öffentlichkeitsmodellen nicht nur normative Überladung attestiert, sondern auch die pragmatische Überlegenheit in Hinsicht auf gute Verfahrensergebnisse bestritten, so dass der Eigenwert demokratischer Beteiligung zunehmend mit output-Gesichtspunkten rational-effizienter Verwaltung und Problemlösung verrechnet wird (Buchstein und Jörke 2003).
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3 Strukturen und Akteure moderner Öffentlichkeit
der Kluft zwischen normativen Theorien und „realen Öffentlichkeiten“ allerdings eine Umgehung des Öffentlichkeitsbegriffs abzuleiten, ist nicht zwingend.40 Im Folgenden werden jedoch weniger normative als vielmehr analytische Fragen verhandelt. Das sog. „Arena-Modell“ unterliegt der vorliegenden Analyse also nicht, weil es abschließende Antworten auf normativen Streitfragen zu politischer Öffentlichkeit, sondern weil es ein hohes Maß an sozialtheoretisch-analytischer Strukturierung des Gegenstandsbereichs bietet. Generell lassen sich Diagnosen der Medialisierung des Politischen mit dessen Verbindung von differenzierungs- und akteurstheoretischen Überlegungen theoretisch reflektiert reformulieren und analytisch öffnen. Die konzeptionelle Integration von Medien als politischen Akteuren erfordert letztlich eine synchrone Betrachtung von Medien und Politik: Medienöffentlichkeit sollte also nicht als selbstgenügsames Forum, sondern in Hinsicht auf ihr Verhältnis zur Politik und letztlich sogar auf politische Entscheidungen aufgefasst werden (Bennett 1990; Beyme und Wessler 1998; Gerhards 1991a).41 Die Leitfrage nach den Konturen der politischen Akteursrolle der Medien lässt sich dann in zweierlei Hinsicht spezifizieren. Erstens erfordert die Analyse von Medien als politischen Akteuren einen Bezugsrahmen zur Relationierung von Medienöffentlichkeit und Politik. Hier sind Fragen der Differenzierung zweier Handlungsbereiche angesprochen und entsprechend bieten sich differenzierungstheoretische Überlegungen zu einer konzeptionellen Rahmung an (Alexander 1990; Hallin 2005; Neidhardt 2000; Schimank 2005). Zugleich werden zweitens die Medien jedoch als politische Akteure relevant. Hier ist mit anderen Worten eine akteurs- und handlungstheoretische Rahmung erforderlich.42 Im Kern einer sozialtheoretischen Reformulierung der Rolle der Medien als politischen Akteuren steht somit die Frage von Differenzierung und Autonomie der Medien im Verhältnis zur Politik. Das „Arena-Modell“ der politischen Öffentlichkeit bzw. das „public arena“-Modell wird diesen Anforderungen gerecht und
40 Die bundesdeutsche Öffentlichkeitsforschung hat Luhmanns Arbeiten zur öffentlichen Meinung verarbeitet, obwohl dieser selbst sich kaum systematisch zu politischer Öffentlichkeit senso strictu geäußert hat. Bourdieu hat zwar Ansätze zu einer Analyse des journalistischen Feldes vorgelegt, die soziale Existenz einer Öffentlichkeit insbesondere im Habermaschen Sinn aber unmissverständlich in Abrede gestellt. Auch die sozialtheoretischen Ansätze von Alexander oder Castells (media space) sind sachlich in hohem Maße einschlägig, ohne begrifflich von Öffentlichkeit zu sprechen. 41 Auch wo die Relevanz öffentlicher Diskurse eher auf „weiche“ Größen wie kulturelle Selbstverständnisse, kulturelle Mentalitäten und kollektive Identitäten bezogen wird, ist diese Referenz auf politische Entscheidung zu berücksichtigen. Die Kausalreihen und Einflussketten sind dann allerdings längerfristig und durch intervenierende Größe vermittelt anzusetzen. 42 Zu einer journalismusspezifischen Verbindung dieser Analyseperspektiven auch Neuberger (Neuberger 2000).
3.2 Soziale Differenzierung und Medienautonomie
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lässt sich aus sozialtheoretischer Perspektive als Grundgerüst für die Untersuchung der Rolle von Medien als politischen Akteuren nutzen.43 Weil das Arenamodell in einer durch die „Konfundierung normativer und empirischer Elemente“ (Gerhards und Neidhardt 1990: 5) gekennzeichneten Diskussionslage Öffentlichkeit als „soziale Tatsache“ profiliert und damit zur Stiftung einer soziologischen Forschungslinie beigetragen hat, deren Relevanz schon von Max Weber beschworen wurde, hat es sich als feste Größe neben dem nachgrade klassischen Ansatz von Habermas etabliert und zu einer inneren Pluralisierung des Feldes beigetragen. Auch diskurstheoretische und deliberative Konzepte bemühen sich mittlerweile um soziologischen Realismus und den Anschluss an die ausgeprägte Forschungs- und Empirieorientierung des Arenamodells. In Hinsicht auf systematische, theoretisch gesteuerte empirische Forschung markiert das Arena-Modell offenkundig einen fruchtbaren Impulsgeber (Heming 1997: 187 ff.). Im internationalen Rahmen ist es vor allem im Kontext der Bewegungs- und Protestforschung (Ferree et al. 2002b) sowie in den Analysen zu deliberativer Politik aufgegriffen worden. Eine „Soziologisierung“ einschlägiger medienwissenschaftlicher und öffentlichkeitstheoretischer Fragestellungen wird im Übrigen in der neueren angloamerikanischen Diskussion auch durch neoinstitutionalistische Konzepte (Cook 1998, 2006; Donges 2006; Sparrow 2006, 1999) oder die von Bourdieu entwickelte Theorie des journalistischen Feldes (Bastin 2003; Benson 2004, 2006; Benson und Neveu 2005; Couldry 2007; Hallin 2005) vorangetrieben. Wo in spezifischen Theoriesprachen Problemstellungen verfolgt werden, die auch für das Arena-Modell konstitutiv sind (Gamson 2004), bieten sich jenseits jeder Konfessionalisierung analytischer Konzepte Anknüpfungspunkte und hermeneutische Brücken (Donges 2006).
3.2 Soziale Differenzierung und Medienautonomie Vor der Entfaltung der tragenden Strukturen des arenatheoretischen Öffentlichkeitsmodells soll auf etwas höherem Generalisierungsniveau zunächst die Frage 43 Zu unterstreichen ist allerdings, dass das umfassende Öffentlichkeitsmodell vor allem die Funktion der Kontextualisierung der Analyse hat. Vor allem kommunikationswissenschaftliche Analysen, die programmatisch einen Schwerpunkt auf die Medien selbst legen, operieren traditionell mit einem mikrosozialen Fokus, der etwa Medienwirkungen auf die Rezipienten in den Vordergrund rückt. Eine öffentlichkeitssoziologische Rahmung bezieht sich demgegenüber immer schon auf makrosoziale Dimensionen. In Rechnung zu stellen ist allerdings, dass der hier zugrunde gelegte Bezugsrahmen den Status eines umfassenden Forschungsprogramms hat und damit eine gewisse Breite an Themen abdeckt. Es soll hier der Nachweis versucht werden, dass diese Breite mit einer ausgeprägten Tiefenschärfe zu verbinden ist.
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der Medienautonomie als differenzierungstheoretisches Problem ausformuliert werden. Sie bietet eine begriffliche Folie, die eine systematische Beschreibung der Interaktionen zwischen Politik und Medien strukturieren kann und damit auch eine Konturierung von Medialisierung als politischem Phänomen ermöglicht. Lässt man die inneren Kontroversen der differenzierungstheoretischen Traditionslinie einmal beiseite, dann wird vor allem das modernitätstheoretische Argument relevant, dass Moderne sich als Gefüge unabhängiger gesellschaftlicher Teilbereiche verstehen lässt. Diese Teilbereiche oder „Wertsphären“ (Weber) spezialisieren sich auf jeweils eigene Leistungsgesichtspunkte, deren Erfüllung durch die Ausgrenzung anderweitiger Anforderungen gesteigert werden kann. Bei Durkheim zielt der Begriff der Arbeitsteilung auf diesen Umstand (Durkheim 1996). Max Weber rückt den Polytheismus der Moderne und die Ausdifferenzierung von spezifischen „Wertsphären“ in den Vordergrund seiner tragisch-heroisch grundierten Soziologie. Simmel spricht sogar explizit und leitmotivisch von „socialer Differenzierung“ (Simmel 1989).44 Der modernitätstheoretische Kern zeitgenössischen differenzierungstheoretischen Argumentierens besteht vor dem Hintergrund der Unterscheidung verschiedener, gesellschaftsspezifischer Typen der Differenzierung (stratifikatorische, segmentäre und funktionale Differenzierung) in der Behauptung eines evolutionären Primats der „funktionalen Differenzierung“. Die differenzierungstheoretische Perspektive ist allerdings selbst alles andere als einheitlich und wird von einer ganzen Reihe von Autoren mehr oder weniger systematisch verwendet (Alexander und Colomy 1990; Schimank 1996; Tyrell 1998). In der soziologischen Grundlagendiskussion wird sie vor allem gegenüber ungleichheitssoziologischen Ansätzen profiliert, die auf fortbestehende vertikale Schichtungen und Herrschaftsstrukturen verweisen (Schwinn 2004). Es lassen sich in jüngerer Zeit jedoch verstärkte Versuche verzeichnen, beide Perspektiven miteinander zu verknüpfen (Gerhards und Anheier 1997; Schimank 1998). Ebenso wenig überzeugend wie eine Ausblendung des analytischen und realitätserschließenden Potenzials der differenzierungstheoretischen Perspektive kann auch deren Verabsolutierung sein, die Fragen von Macht und Herrschaft, Interessen und sozialer Ungleichheit marginalisiert. Die aktuelle Suche nach Verknüpfungsstrategien bietet also weiterführende Perspektiven, solange sie Grenzen der differenzierungstheoretischen Konzepte im Blick behält. Jenseits einer häufig zum Ansatzpunkt theoriekritischer Analysen gewordenen Verabsolutierung funktionaler Differenzierung kann bezüglich medientheoretischer Fragestellungen weitergehend argumentiert werden, dass eine zentrale Aufgabe in der Einlö44
Eine ausgezeichnete Gesamtdarstellung der differenzierungstheoretischen Ideen der soziologischen Klassiker gibt Schimank (Schimank 1996: 26-79).
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sung des Potenzials einer unverkürzten und alle Differenzierungsdimensionen berücksichtigenden Theorie liegt (Imhof 2006).45 Bezüglich der öffentlichkeitstheoretischen Analyse der Zusammenhänge von Medien und Politik erweist sich im Einklang mit den differenzierungstheoretischen Grundgedanken die wechselseitige Autonomie dieser Teilbereiche als zentraler theoretischer Gesichtspunkt. Konkret heißt das, dass die moderne Medienöffentlichkeit sich aus dem Zugriff externer Instanzen wie der Religion oder der politischen Herrschaftsträger weitgehend gelöst hat. Die unter dem Begriff der Medialisierung diskutierten Phänomene sind aus dieser Perspektive als Folgen eines weiteren Autonomisierungsschubs der modernen Massenmedien zu verstehen. Im Kern geht es um die Annahme, dass im Zuge der Expansion der Massenmedien sich das Mediensystem zunehmend zu einer unabhängigen Größe entwickelt und mehr und mehr nach eigenen Kriterien operiert. Die Freisetzung der Medien aus politischen Kontexten im Zuge ihrer fortschreitenden Kommerzialisierung hat demnach zu einer Umstellung ihrer Operationen auf systemspezifische Kriterien geführt.46 Die Effekte dieser Veränderungen des Mediensystems auf die Politik können dann als Folgeprobleme funktionaler Differenzierung konzeptualisiert werden. Genau die Herausbildung und Verselbständigung einer sog. „Medienlogik“ wird in normativer Perspektive als problematisch für den demokratischen Prozess gekennzeichnet. Es wird argumentiert, dass die „Medienlogik“ mit der „politischen Logik“ oder der „Parteienlogik“ in ein span45 Einen öffentlichkeitstheoretischen Vorschlag, den Ansatz an funktionaler Differenzierung mit einer als „pluraler Differenzierung“ gefassten Zergliederung der Öffentlichkeit in verschiedene, nicht durch funktionale Aspekte, sondern durch kollektive Identitäten begründete Gruppen (ethnische Gruppen, Lebensstile etc.) in Richtung eines Konzepts der „multiplen Differenzierung und kommunikativen Integration“ zu übersteigen, formuliert Weßler (Weßler 2002). Gegen die, im Gefolge von Luhmann zu einem Gemeinplatz gewordene Engführung auf einen gesellschaftstheoretischen „Primat funktionaler Differenzierung“ fordert Imhof eine unverkürzte Ausschöpfung des Potenzials einer differenzierungstheoretischen Perspektive ein (Imhof 2006). 46 Der Fokus der vorliegenden Analyse liegt auf den Beziehungen von Medien und Politik bzw. der politischen Rolle der Medien. Die differenzierungstheoretische Begriffsfolie legt unter diesem Aspekt eine verstärkte Autonomisierung der Medien nahe, die in der Bundesrepublik zentral durch die partielle Freisetzung von Rundfunk und Fernsehen aus dem Bereich politischer Kontrolle angestoßen wurde. Die Entwicklung dieser elektronischen Medien verändert auch die Wettbewerbsbedingungen für die klassischen Printmedien, die damit Teil einer übergreifenden Dynamik sind, obzwar sie im engeren Sinn nicht durch politisch gesteuerte Strukturveränderungen gekennzeichnet sind, die mit denen der elektronischen Medien vergleichbar sind. Zu unterstreichen ist dennoch, dass bei einer Fokussierung auf das Verhältnis von Medien und Wirtschaft sich andere Fragen stellen würden. Es ist in diesem Sinn kennzeichnend, dass in jüngerer Zeit Phänomene der Kommerzialisierung und Ökonomisierung des Mediensystems in der Forschung wieder verstärkt an Bedeutung gewinnen (Meier und Jarren 2001). Analog zu den hier formulierten Fragen der Autonomie des Mediensystems könnte unter dieser Perspektive der Begriff der Entdifferenzierung („De-Differentiation“) relevant werden (Gerhards 1991b; Hallin 2005; Tiryakian 1992).
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nungsreiches Verhältnis gerät.47 Diese Diagnose wird insbesondere durch das Übergreifen oder Eindringen der Medienlogik in die Kernbereiche des politischen Prozesses verschärft (Kepplinger 1998). In diesem Sinn wird in Anlehnung an Habermas’ „Kolonialisierung der Lebenswelt“ sogar von der „Kolonialisierung der Politik durch die Medien“ gesprochen (Meyer 2001) und damit nicht nur eine gewachsene Autonomie der Medien unterstellt, sondern weitergehend ein Autonomieverlust und eine gewachsene Medienabhängigkeit der Politik angenommen. Gerade die Spezifikation der Operationen eines Systems erzeugt also Effekte in anderen Systemen bzw. der Umwelt des jeweiligen Systems, weil Schließungs- und Autonomisierungsprozesse von Externalisierungen und dem Absehen von Anforderungen systemexterner Referenzen begleitet werden. Die Kehrseite von Differenzierungsprozessen bleibt somit die Abhängigkeit der Systeme auf Leistungen aus anderen Systemen. Medialisierung bezeichnet dann eine Veränderung der Austausch- und Leistungsbeziehungen von Mediensystem und Politik. Zwar handelt es sich bei dieser begrifflichen Folie um eine hochabstrakte Terminologie, was bei jeder Anwendung auf konkrete, raumzeitlich situierte Gegenstände zu beachten ist. Zugleich enthält das hier skizzierte differenzierungstheoretische Kernargument gewisse Implikationen für die Entwicklungstrends des Mediensystems. Für die vorliegende Studie ist vor allem von Bedeutung, dass der Differenzierungsprozess von Medien und Politik durch eine Veränderung der Leistungsrollen des Journalismus charakterisiert ist. Zu betonen ist hier die Veränderung der normativen Strukturen des Mediensystems weg von explizit politischen Journalismuskonzeptionen im Sinne eines Advokaten und Interessenvertreters hin zu einem Modell des neutralen Professionalismus. Die 47
Zu den Begrifflichkeiten „Medienlogik“ und „politische Logik“ bzw. „Parteienlogik“ vgl. auch Mazzoleni (Mazzoleni 1987). Selbst wenn die Verwendung des voraussetzungsvollen Begriffs der „Logik“ für die spezifischen Operationsweisen von Medien oder Parteien in einem teilweise nur metaphorischen Sinn akzeptiert wird, obwohl insbesondere im Blick auf die Medienlogik behauptet wird, dass sie kaum Ähnlichkeiten mit der Logik im analytischen oder wissenschaftstheoretischen Sinn aufweist, lässt die sich in journalistischen Produkten manifestierende „Medienlogik“ selbst noch als Kompromiss zweier Handlungsorientierungen aufschlüsseln. Deren Unterschied liegt mit McManus mikroökonomischer Analyse zwar ausdrücklich nicht in der Orientierung an der Erzielung von Aufmerksamkeit von Seiten eines Publikums. „But given the actual news market and the peculiar nature of news as a commodity, the logic of maximizing returns often conflicts with the logic of maximizing public understanding“ (McManus 1994, 1992: 802). Die Kostenseite von Medienaktivitäten wird in der rein journalistischen Perspektive leicht unterschätzt und eingeklammert. Der journalistische Meilenstein bspw. der Watergate-Recherchen ist aus der Perspektive der Medienorganisation zunächst einmal vor allem eines: extrem teuer, zum anderen womöglich noch schädlich für die Attraktivität der Zeitung als Anzeigenraum - und auch deshalb wohl ein Ausnahmefall. Auch die hier in den Vordergrund gerückte Relation von Medien und Politik enthält offenkundig eine ökonomische Dimension. Parteizeitungen sind nicht nur inhaltlich auf Parteilinie, sondern sind auch wirtschaftlich der Parteiorganisation zuzurechnen.
3.2 Soziale Differenzierung und Medienautonomie
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Kopplung von Medienorganisationen und politischen Organisationen (Parteien) beinhaltet unter differenzierungstheoretischer Perspektive nämlich eine limitierte Leistungsfähigkeit des Mediensystems als eines informationsverarbeitenden Systems. Die in westlichen Mediensystemen zentralen Normen der Unparteilichkeit, der Unabhängigkeit und der Neutralität garantieren daher vor allem eine Informationsverarbeitung und Berichterstattung, die sich idealtypisch an journalistischen Relevanzkriterien orientiert und deren Entfaltung und Durchsetzung nicht durch politische Interventionen eingeschränkt wird. Sie sichern also die Leistungserbringung des Mediensystems. Gegenüber dieser auf die Gewinne und Antriebsmechanismen von Differenzierungsprozessen gerichteten Perspektive stellt sich allerdings die Frage nach Folgeproblemen und Nebenwirkungen. Komplementär zum Begriff der Differenzierung heißt das, die Frage nach der Integration der Systeme und Handlungsbereiche zu formulieren. Die Anwendung politischer Codes in den journalistischen Operationen und deren Steuerung durch politische Organisationen sicherte nämlich immerhin die Kompatibilität der beiden Bereiche. Unter Bedingungen der Autonomisierung des Mediensystems und der Orientierung an Nachrichtenfaktoren und Neuigkeiten ergeben sich aber systematische Abweichungen und Diskrepanzen zwischen den Spezialsprachen der Bereiche. Die Formatierung politischer Prozesse in Form von Personalisierung, kurzfristigen Aufmerksamkeits- und Thematisierungszyklen oder des Machtkonflikts („horse race“) anstelle der Problemlösung kann so als Indikator für die Entstehung einer medialen Realitätsebene und einer spezifisch medialen Form der Politikdarstellung interpretiert werden (Grande 2000b; Schelsky 1983). An die Stelle der typischen Probleme in der Frühphase der Entstehung von modernem Journalismus und demokratischer Öffentlichkeit, wie staatlichen und politischen Eingriffen bis hin zur Zensur, treten nun neue Zwänge, häufig auch ökonomischer Art, die die Bewegungsspielräume des Journalismus berühren. Auch verändern sich die Abstimmungs- und Koordinationsmechanismen zwischen Medien und Politik. Eine der auffälligsten Entwicklungen ist in diesem Zusammenhang der Ausbau der Öffentlichkeitsarbeit und der Public Relations von Seiten der politischen Akteure. Die Inszenierungslogiken der Politik verändern sich und passen sich den veränderten medialen Aufmerksamkeitsregeln an. Die publizistische Kontrolle solcher Inszenierungs- und Öffentlichkeitsstrategien erzeugt besondere Anforderungen für die unter ökonomischen Knappheitsbedingungen operierenden Journalisten. Gegenüber einer begrifflichen Orientierung an Differenzierungsprozessen im Zuge der Entstehung einer „ersten Moderne“ erscheint die Fokussierung auf Folgeprobleme und Nebenwirkungen von Differenzierungsprozessen als fruchtbar (dazu auch Gerhards 1994). Der Differenzierungsprozess von Medien und
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Politik lässt sich schwerlich als eindimensionales Positivsummenspiel qualifizieren zumal auch auch unter dem Vorzeichen einer Entkopplung von Medien und Politik die Medien von der Seite der Politik nicht einfach sich selbst überlassen bleiben. Insgesamt besteht auch im differenzierungstheoretischen Bezugsrahmen heute wenig Anlass, soziale Entwicklung unter den Prämissen eines modernen Fortschrittsglaubens linear mit einer Höherentwicklung gleichzusetzen. Hallin/Mancini haben gezeigt, dass damit Modelle der Beziehungen zwischen Medien und Politik unterschätzt werden, die nicht dem liberalen Verständnis der Differenzierungstheorie entsprechen, aber nicht lediglich als zurückgeblieben, „undifferenziert“ oder unterprofessionalisiert beschrieben werden können. Auch unter Anlegung einer differenzierungstheoretischen Perspektive stellen sich also weiterführende Fragen zu Formen und Folgen sozialer Differenzierung. Inwieweit „passt“ die idealisierende Annahme einer realisierten Medienautonomie zu den bundesrepublikanischen Strukturen? Welche anderen Variablen und Dimensionen sind zur Charakterisierung des bundesdeutschen Falls vonnöten?
3.2.1 Varianten sozialer Differenzierung bei Bourdieu und Luhmann Im zuvor entwickelten differenzierungstheoretischen Konzept der Medialisierung des Politischen sind auch systemtheoretische Argumentationsfiguren herangezogen worden. Differenzierungs- und Systemtheorien sind allerdings nicht gleichbedeutend. Für die Analyse zeitgenössischer Medien und der politischen Kommunikation ist eine Differenz in der Aufnahme differenzierungstheoretischer Argumente instruktiv, die sich im Vergleich der Sozialtheorien von Luhmann und Bourdieu zeigt, die jeweils in Deutschland und Frankreich einen gewissen Einfluss erlangt haben (Colliot-Thélène, Francois und Gebauer 2005; Hellmann, Fischer und Bluhm 2003; Hellmann und Schmalz-Bruns 2002; Hillebrandt 2006; Nassehi und Nollmann 2004).48 An dieser Stelle sollen deren 48 Janning nimmt Bourdieusche Konzeptionen umfassend auf und verknüpft sie zugleich mit politikwissenschaftlichen und soziologischen Konzepten und Diskussionen. Vgl. zum Abgleich des Feldbegriffs mit Differenzierungstheorien insbesondere Janning (Janning 1998: 220 ff.) und zum journalistischen Feld Bourdieu (Bourdieu 1998) sowie Benson und Neveu (Benson und Neveu 2005). Bourdieu hat gelegentlich die schlichte Existenz eines sozialen Phänomens vom Typus insbesondere der Habermasschen Öffentlichkeit rundum bestritten (Bourdieu 2001b: 84 ff.). Sintomer hat demgegenüber eingewandt, dass das Konzept „Öffentlichkeit“ spezifische Ambivalenzen von Bourdieus Konzept „soziologischer Kritik“ zu Tage bringe (Sintomer 2005). Zu Luhmanns Theorie der öffentlichen Meinung und der Medien kann neben dem wegweisenden Aufsatz zu öffentlicher Meinung (Luhmann 1970) auf kleinere Beiträge (Luhmann 1994, 1990, 1999, 1981b), seine „Realität der Massenmedien“ (Luhmann 1996) und Abschnitte aus Monographien (Luhmann 1997: 1096-1109, 2000: 274-318) verwiesen werden.
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ausgefeilte Sozialtheorien nicht einmal ansatzweise umfassend aufgegriffen werden, sondern der Fokus auf die aus den spezifischen theoretischen Anlagen folgenden Diagnosen der Medienentwicklung gelegt werden. Die soziologische Systemtheorie wird im deutschen Sprachraum fast ausschließlich mit Luhmanns Arbeiten identifiziert. Niklas Luhmanns Theorie autopoietischer Systeme untersucht im Selbstbezug operierende Systeme, die alle Systemelemente aus sich erzeugen und sich durch scharfe Sinngrenzen von ihrer Umwelt abheben. Der Autonomiegesichtspunkt resultiert hier in funktionalistischer Manier aus den Leistungssteigerungen von Systemen bzw. aus einem einmal erreichten gesellschaftlichen Differenzierungsniveau, das nur noch regressiv oder gar katastrophisch grundlegend verändert werden könnte. Diese ausschließliche Fokussierung auf spezifische Leistungsgesichtspunkte und Funktionen ist orientiert an zweiwertigen Codes und Programmen, die diese Codes in Operationen übersetzen - für das Mediensystem ist vor allem der Code Aufmerksamkeit / Nicht-Aufmerksamkeit ein vieldiskutierter Vorschlag. Zentral bleibt aber die funktionale Ableitung der Systemautonomie, die als Autopoiesis noch radikalisiert und als theoretischer Gesichtspunkt kanonisiert wird. Der spezifische Sach- oder Funktionsbezug sozialer Felder steht in Bourdieus differenzierungstheoretischen Konzeptionen demgegenüber im Hintergrund. Diese werden vielmehr als Kampf- und Konfliktfelder modelliert, in denen um die Aneignung von spezifischen Kapitalsorten konkurriert wird. Die Autonomisierung von Feldern erhöht die Eintrittsbarrieren für Akteure und etabliert positive und negative Sanktionen im Kontext des Kampfes um verschiedene, symbolische und materielle Kapitalien (Bourdieu 1999). Zwar sind Akteure in spezifischen sozialen Feldern auf bestimmte Kriterien der Legitimität hin orientiert. Für Bourdieu nimmt aber gerade der Aspekt der Ungleichheit und der Reproduktion sozialer Positionen gegenüber funktionalistischen Theorie einen deutlich höheren Stellenwert ein. Aus ihrer von Systemtheorien abweichenden Argumentationsstrategie gewinnt Bourdieus Feldtheorie hier eine besondere Pointe. Der Gedanke der Differenzierung stellte in der soziologischen Denktradition immer auch ein Gegengewicht gegenüber ökonomistischen Sozialtheorien dar, nicht zuletzt in bestimmten Varianten des Marxismus. Von spezifischen Wertsphären, Systemen oder Handlungsfeldern zu sprechen, bedeutet dann immer auch, Grenzen oder feldspezifische Brechungen des Einflusses der Ökonomie zu behaupten. In der Bourdieuschen Theorie ergibt sich aus der Relationierung der genuin soziologischen und der ökonomischen Theorieperspektiven nun jedoch zugleich eine Differenzierung und eine Generalisierung des ökonomischen Interessenparadigmas. In allen Feldern, also auch jenseits des ökonomischen Feldes, findet sich demgemäß eine spezifische Ökonomie der Praxisformen, die allerdings von einer
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spezifischen nicht-ökonomischen Ökonomie reguliert wird. Auch wenn in den verschiedenen Feldern Konkurrenzen und Kämpfe um spezifische Kapitalsorten ausgetragen werden, heben diese sich doch von einer rein auf ökonomisches Kapital orientierten Praxis ab. Die Autonomisierung sozialer Felder meint bei Bourdieu daher zentral einen Autonomiegewinn gegenüber der ökonomischen Ökonomie im Sinne der Etablierung bereichsspezifischer Ökonomien und spezifischer, d.h. nicht ausschließlich auf die Maximierung ökonomischen Kapitals orientierter, aber dennoch strategischer und interessengeleiteter Handlungsformen. Entscheidend ist dieses Argument vor allem in Hinsicht auf die Felder kultureller Produktion, die in Bourdieus Forschungen einen erheblichen Stellenwert einnehmen und von denen er nachweisen will, dass der Anschein der Interesselosigkeit (etwa im Kantischen Verständnis des Schönen) eine spezifische kulturelle Ökonomie der Praxisformen verdeckt, die soziologisch zu dechiffrieren ist. Dennoch besteht er auf der These, dass zwar die Absetzung von ökonomischer Ökonomie die Interessengebundenheit von Handlungen nicht außer Kraft setze, aber dennoch spezifische, auch „kulturelle“ Interessen erzeuge. Bewertungskriterien und Legitimitätsstandards etwa im Feld der Mathematik lassen sich nicht erschöpfend über ökonomisches Kapital erschließen. In einem autonomen journalistischen Feld sind die legitimsten Produkte und Erzeugnisse nicht unbedingt jene mit der größten Reichweite. Differenzierungsgewinne hängen somit an der Fähigkeit der Akteure in sozialen Feldern, den Eigensinn von Handlungsformen ihrer spezifischen Felder und also besondere Ökonomien zu verteidigen. Von daher gewinnt ihre Autonomie auch einen normativen Stellenwert. Wo diese jeweiligen grundlagentheoretischen Perspektiven auf die zeitgenössische Medienöffentlichkeit angewendet werden, ergeben sich somit instruktive Unterschiede. Ausgehend von Luhmanns systemtheoretischer Perspektive können die Folgeprobleme einer radikalisierten Systemdifferenzierung in den Blick genommen werden. Das Mediensystem, das sich an seinen Eigenwerten orientiert, produziert in dieser Perspektive zugleich Folgeprobleme nicht zuletzt im politischen System. Aufgrund der Abhängigkeit demokratischer politischer Systeme von der Zustimmung der Bürger und der zentralen Bedeutung der Medien bei der Herstellung gesamtgesellschaftlicher Aufmerksamkeit wird das Mediensystem auch für die Operationen des politischen Systems unentbehrlich, führt aber zugleich gewissermaßen sachfremde Kriterien in den politischen Prozess ein. Die zeitgenössischen Veränderungen der Rolle der Medien ergeben sich also aus einer vorangetriebenen Differenzierung und massiven Systembildungen
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im Mediensystem, das sich gegenüber externen Einflüssen weitgehend autonomisiert hat und umgekehrt dazu tendiert, in andere Systeme einzugreifen.49 Aus feldtheoretischer Perspektive ergeben sich sozialwissenschaftlich relevante Probleme demgegenüber gerade aus der „Entdifferenzierung“ des Mediensystems und einem signifikanten Autonomieverlust. Dieser manifestiert sich in dem gestiegenen Einfluss der „ökonomischen Ökonomie“ im journalistischen Feld, die zu einer Begrenzung spezifisch journalistischer Handlungskriterien führt. Deprofessionalisierung und die weitgehende Unterordnung der journalistischen Praxisformen unter Kriterien der ökonomischen Rentabilität stehen hier im Mittelpunkt der Diagnose. Im Unterschied zur Entstehungsphase des modernen Journalismus erscheint dieser heute aber weniger durch Übergriffe der Politik gefährdet - im Gegenteil könnten staatlich-politische Interventionen die Autonomie des journalistischen Feldes zu einem gewissen Grad stabilisieren (öffentlich-rechtliche Systeme) - als vielmehr durch einen praktischen gewordenen Ökonomismus: Die „Herrschaft der Quote“ ist eine immer wieder herangezogene Illustration für diesen Zusammenhang. Schon ein erster Blick auf wenige Konturen des Autonomiebegriffs in prominenten zeitgenössischen Sozialtheorien legt insofern implizite Kontroversen frei. Die unterschiedlichen Einschätzungen des Standes der Differenzierung lassen sich aber auch als zwei Seiten eines Problems verstehen. Autonomisierungs- und Differenzierungsprozesse gesellschaftlicher Teilbereiche müssen balanciert werden, damit sie den Zusammenhalt mit ihrer Umwelt nicht verlieren, also ein Grundbestand sozialer Integration gewahrt bleibt. „Zuviel“ oder zu schnelle Differenzierung kann Gesellschaften vor erhebliche Folgeprobleme stellen, wenn Systeme sich rücksichtslos gegenüber ihrer Umwelt verhalten und dort negative Externalitäten anhäufen – ökologische Flurschäden können auch in sozialen Kontexten vorkommen. Die Ambiguitäten der Begriffsverwendung verweisen jedoch auf ein weitergehendes Problem. Systemtheorien verweisen darauf, dass Entdifferenzierung Leistungseinbußen der gesellschaftlichen Teilbereiche bedeuten und Modernitätsgewinne preisgeben würde. Desintegration würde wiederum gesellschaftliche Abstimmungsprobleme anzeigen und eine Steigerung der Rationalitäten einzelner Teilsysteme - zumeist der Ökonomie auf Kosten der Gesellschaft anzeigen. In der Akteursrolle der politischen Kommentatoren lassen sich - ohne deren gesellschaftlichen Stellenwert überschätzen zu wollen - systematisch relevante Antworten auf die Probleme der Differenzierung und Integration finden. Diese Sprechergruppe stellt eine Grenzrolle oder einen Kopplungsmechanismus zwischen den ausdifferenzierten Bereichen dar und verknüpft also die zwei systemi49 Eine eigenwillige Zuspitzung gewisser Luhmannscher Überlegungen für den Zusammenhang von Medienkommunikation und Demokratie findet sich bei Zolo (Zolo 1997).
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schen Logiken von Politik und Medien. Im Rückgriff auf das akteurs- und strukturtheoretische Perspektiven verknüpfende öffentlichkeitstheoretische Arenamodell kann diese Überlegung weiter ausgeführt werden.
3.3 Politische Öffentlichkeit als Arena Nachdem der Problembezug der öffentlichkeitstheoretischen Überlegungen über differenzierungstheoretische Annäherungen an die Medienentwicklung entfaltet wurde, kann die weitere Entfaltung des konzeptionellen Bezugsrahmen in media res gehen. Im Folgenden wird ein analytisches Grundkonzept des strukturellen Aufbaus politischer Öffentlichkeit entfaltet, innerhalb dessen sich die Bedeutung der nachfolgenden, zwangsläufig selektiver ansetzenden empirischen Analyse erschließt. Gerade die Profilierung politischer Öffentlichkeit als „sozialer Tatsache“ stellt - wie bereits unterstrichen wurde - eine konzeptionelle Stärke des Arena-Modells dar, das dezidiert empirische Forschungen angeregt, dabei eine gewisse Überbrückung und Integration theoretischer Perspektiven befördert hat (Gerhards und Neidhardt 1990; Gerhards et al. 1998; Neidhardt 1994c; Rucht 1994b) und im Kontext komparativer Forschungen (Ferree et al. 2002b) sowie einer konstruktivistisch beeinflussten Soziologie sozialer Probleme zum Einsatz gekommen ist (Gamson 1988; Gamson und Modigliani 1989). Theoretisch-analytische Grundlegung und normative Orientierung sind auch im Fall des Wertbegriffs „Öffentlichkeit“ nicht zwingend miteinander verbunden (vgl. Abschnitt 2.4). Daher stehen Kurzschließungen des arenatheoretischen Konzeptes mit einem „liberalen“ Verständnis öffentlicher Meinungsbildung (Gerhards 1997) neben Überlegungen, auf seiner Grundlage diskursiv orientierte Konzepte mit Elementen der Kompromissbildung anzureichern (Neidhardt 1996) und Analysen, die im US-amerikanischen Fall sogar die normativen Anforderungen des Diskursmodells bereits in hohem Maße verwirklicht sehen (Gamson 1999).50 Dass normative Kontroversen hier offen gelassen oder überbrückt werden können, ist auch in der Rezeption vermerkt worden (Eder 2005: 23). Kurzum: Nachfolgend steht das theoretische Angebot zur Strukturierung des Gegenstandsbereichs im Fokus und nicht die Einschätzung politischer Öffentlichkeit im Hinblick auf normative Größen. Unter Maßgabe der Leitfrage nach „Medien als politischen Akteuren“ und der „Medialisierung des Politi-
50 Unterschiede in spezifischen Auffassungen der das Arenamodell vertretenden Autoren bzw. von Studien die dessen Grundgedanken aufgreifen, werden im Folgenden nicht vertiefend verhandelt.
3.3 Politische Öffentlichkeit als Arena
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schen“ verdient zunächst die Integration akteurs- und strukturtheoretischer Perspektiven Aufmerksamkeit.51
3.3.1 Konzeptuelle Integration von Strukturen und Akteuren Im Begriff der Arena klingt nicht nur der Verweis auf antike Vorläufer moderner Öffentlichkeiten52 und auf das Theater an, sondern mehr noch eine ganze räumlich-architektonische Topographie der öffentlichen Sphäre. Eine Arena oder ein Forum umfasst Ein- und Ausgänge, Publikumsränge und Hinterbühnen sowie die Spielfläche der aktiven Teilnehmer, die keineswegs einem idealen englischen Rasen, sondern eher einem rohen Acker mit Löchern, Fallstricken und Unebenheiten entspricht.53 Neben diesem Kontext sei es räumlich-architektonischer, sei es sozialer Art, bevölkern Akteure und Publikum, Sponsoren, Einlasskontrolleure und Hintermänner mitsamt von Einfluss- und Kompetenzdifferenzen, Hierarchien, Ressourcenausstattungen und unterschiedlicher Zugangs- und Teilnahmechance die Arena. Im gesamtgesellschaftlichen Maßstab verlieren Arena und Forum zwar die handgreifliche Anschaulichkeit des leeren Feldes oder des umbauten Raumes. Sie behalten aber ihre Eigenschaft eines die Akteure beeinflus51
Schimank hat den Ansatz in die Nähe des akteurszentrierten Institutionalismus gerückt, der unter anderem von Mayntz und Scharpf am Kölner Max-Planck-Institut entwickelt wurde (Scharpf 2000; Schimank 1996: 242). Aufgrund dieser theoretischen Vorentscheidungen bieten sich m. E. verschiedene Analogien zu ähnlichen Integrationsversuchen an, wie sie in den 1990er Jahren etwa durch die Arbeiten von Giddens und mehr noch Bourdieu zu einem gewissen Einfluss gekommen sind. Sehr instruktive Anschlüsse finden sich mit Blick auf Korrespondenzen zur französischen Feldtheorie in verschiedenen Arbeiten von Gerhards und Anheier zu Fragen der Kultursoziologie und der öffentlichen Kommunikation (Gerhards 1996; Gerhards und Anheier 1997). 52 Bezüglich der „Entstehung des Politischen bei den Griechen“ vermerkt Christian Meier: „In der neuen Öffentlichkeit der Bürger griff erstmals eine allgemeine Zugehörigkeit Platz, wo bis dahin (im Adel, der das Terrain beherrschte), eher Geschlechterzugehörigkeit und persönliche Freund-FeindOrientierungen vorgewaltet hatten“ (Meier 1983: 87). 53 Verweise auf antike Vorläufer und eine soziale Topographie finden sich gleichermaßen im Begriff der “Arena“ wie auch in dem des „Forum“ und zwar nicht nur im deutschen Sprachraum, sondern etwa in Hilgartner und Bosks Rede von einer „public arena“ (Hilgartner und Bosk 1988) oder in Jon Elsters Diskussion von Forum und Markt (Elster 1989). Das Forum kann zur Abgrenzung als umfassendere Größe angesetzt werden, die zusätzlich zur Arena im Sinne des Spielfeldes auch noch die Publikumsränge und eine Hinterbühne umfasst. Zugleich liegen aber historische Vorbilder wie etwa das Forum Romanum vor, die Züge eines offenen Versammlungsplatzes ohne ausgeprägte räumliche Manifestationen von Sprecher-Publikumsdifferenzierungen aufweisen - im Unterschied etwa zum römischen Kolosseum. Auch im zeitgenössischen Kontext findet der Begriff der Arena für Sportstadien Verwendung. Ohne damit weiterreichender Implikationen zu verbinden, wird Forum in diesem Rahmen als die umfassendere Einheit inklusive des Publikums begriffen, als Arena das Terrain der aktiven Sprecher. Da die empirische Analyse sich ausschließlich auf die medialen Sprecherbeiträge orientiert, ist der Arenabegriff in diesem Sinn spezifischer.
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3 Strukturen und Akteure moderner Öffentlichkeit
senden und dirigierenden Kontextes auch da, wo sie nicht direkt sichtbar sind. Zudem fokussiert der Bedeutungshorizont des Arenabegriffs auf auch konflikthafte Auseinandersetzungen zwischen Akteuren, die nicht immer den Regeln der argumentativen Auseinandersetzung folgen müssen: Die öffentliche Arena ist von einer Institution mit ebenfalls antiken Wurzeln oder Vorläufern zu unterscheiden: Der Akademie mitsamt des Seminars. Der Begriff der Arena beinhaltet also eine Verknüpfung von Akteurs- und Institutionenperspektive. Öffentlichkeit umfasst ein Arena (oder ein Forum) im Sinne institutioneller Infrastrukturen und Organisationen wie auch Akteure und Sprecher. In dieser Verknüpfung zweier grundlagentheoretischer Optionen besteht eine für die vorliegende Analyse durchgehend relevante Dimension. Diese Doppelseitigkeit lässt sich auch jenseits des genuin öffentlichkeitstheoretischen Kontextes (Gerhards 1994) zurückführen auf theoretische Debatten, die sich an das ausschließlich systemtheoretische Angebot von Luhmann geknüpft haben und sich in Richtung einer primär akteurstheoretischen Betrachtungsweise mit erklärenden Ansprüchen bewegt haben („akteurszentrierter Institutionalismus“). Die Diagnose von komplementären Erklärungsdefiziten von Systemtheorien und Beschreibungsdefiziten von Akteurstheorien ist in diesem Zusammenhang einschlägig (Mayntz et al. 1988; Schimank 1985, 1988). Im Kontext der genuinen Öffentlichkeitstheorie finden sich Integrationsbestrebungen auch in einer diskurstheoretischen, an Habermas anknüpfenden Linie, die auf eine stärker soziologische Grundierung des normativen Modells jenseits der ausschließlich sprachlichen Ebene zielen. Vor allem die Arbeiten von Bernhard Peters zum sog. „Schleusenmodell“ (Peters 2001, 1994a, 2007, 1993) haben hier wesentliche Impulse gegeben und sind in ihrer allgemeintheoretischen Stoßrichtung unter den Oberbegriff des „rekonstruktiven Funktionalismus“ (Peters 1993: 396 ff.) gebracht worden. Wenn die allgemein-soziologischen Grundlagen des Arenamodells also im Bestehen auf Perspektivenintegration zu ihrem Entstehungszeitpunkt eine dritte Position in einer mit der Habermas-Luhmann-Debatte seit den 1970er Jahren reproduzierten Konstellation gestiftet haben, steht das Modell damit nicht allein, sondern neben komplementären und zum Teil sachlich konvergenten Bewegungen der jeweiligen Traditionslinien. Zudem haben nach der forschungslogischen Erschließung des Gegenstandsbereichs Öffentlichkeit auch Modelle aus anderen Traditionen an Tiefenschärfe und soziologischem Gehalt gewonnen. Gegenüber dem Entstehungszeitpunkt des Arena-Modells hat sich die öffentlichkeitstheoretische Diskussionslage zwar nicht unerheblich verändert. Anschließend an die theoretische Grundlegung des Modells hat sich eine vielfältige Forschungstätigkeit entwickelt, die auch zu einer konzeptuellen Anreicherung geführt hat. Es ergeben sich durch neue Problemstellungen (vgl. Abschnitt 2.2),
3.3 Politische Öffentlichkeit als Arena
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den Einfluss fruchtbarer Teiltheorien und Ansätze (Framing) und die vergleichende Forschung Ergänzungen und Weiterentwicklungen.54 Die pragmatische Perspektive, den Weg für eine theoriegeleitete Öffentlichkeitsforschung zu öffnen, ist somit zum Teil eingelöst. Zentrale Überlegungen des Modells bieten aber auch weiterhin fruchtbare Anschlusspunkte für die Forschung. So ist die Medialisierung des Politischen zwar erst in jüngerer Zeit verstärkt in den Fokus getreten. Es finden sich im arenatheoretischen Bezugsrahmen zur politischen Öffentlichkeit aber bereits zentrale Bausteine zu einer begrifflichen Rahmung. Neben den bereits angesprochenen differenzierungstheoretischen Konzepten zum Verhältnis von Medien und Politik sowie der Unterscheidung und Integration von Medien als Kontextstruktur sowie als Akteuren ist hier auch das Konzept einer Mehrebenenstruktur politischer Öffentlichkeit von besonderer Bedeutung. Jenseits von Konzeptionen öffentlicher Kommunikation, die sich an direkter Interaktion oder der Versammlung von Anwesenden orientieren, ist es nämlich vor allem die massenmediale Öffentlichkeitsebene, von der Medialisierungsprozesse ausgehen.
3.3.2 Multiple Ebenen und divergente Logiken Das Arena-Modell ist als Mehrebenenmodell konzipiert und strukturiert damit den Gegenstandsbereich politischer Öffentlichkeit in vertikaler Perspektive. Die massenmediale Öffentlichkeit lässt sich damit als nur ein, wenn auch für die Untersuchung von Medien als politischen Akteuren systematisch zentrales Element moderner Öffentlichkeit beschreiben. Ihr Stellenwert für die Konstitution einer gesellschaftsweiten Öffentlichkeit lässt sich im Durchgang durch einige elementare Merkmale der verschiedenen Ebenen fassen. Im lockeren Anschluss an Luhmanns Unterscheidung von Interaktion, Organisation und Gesellschaft können drei Ebenen der politischen Öffentlichkeit unterschieden werden. Es handelt sich hier 1. 2. 3.
um Präsenzöffentlichkeiten und „Encounters“, um veranstaltete Versammlungsöffentlichkeiten und um die massenmediale Öffentlichkeit.
54 Weiterentwicklung und empirische Umsetzungen des Ansatzes lassen sich sehr anschaulich im Vergleich einer grundlegenden theoretischen Dimensionierung (Gerhards und Neidhardt 1990) und der Ergebnisse einer ein gutes Jahrzehnt später publizierten deutsch-amerikanischen Forschungskooperation nachvollziehen (Ferree et al. 2002a, 2002b).
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3 Strukturen und Akteure moderner Öffentlichkeit
Die in liberalen Verfassungsstaaten kodifizierten und auf politische Öffentlichkeit bezogenen Bürgerrechte setzen jeweils an diesen Ebenen an: Rede- und Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit und Demonstrationsfreiheit für die veranstaltete Versammlungsöffentlichkeit sowie Pressefreiheit für die massenmediale Öffentlichkeit garantieren die Voraussetzungen der öffentlichen Willensbildung gewissermaßen „ebenenspezifisch“. Die Öffentlichkeitsebenen unterscheiden sich im Hinblick auf ihre Reichweite und ihre Kommunikationsstrukturen. Präsenzöffentlichkeiten sind flüchtig und kaum institutionalisiert, es ist „für den Öffentlichkeitstypus der Encounters (…) Zerbrechlichkeit und relative Strukturlosigkeit typisch. Die Themen fluktuieren, und mit dem Wechsel der Teilnehmer verändert sich der Meinungsstand.“ (Gerhards und Neidhardt 1990: 20) Präsenzöffentlichkeiten bilden sich mehr oder weniger temporär befristet und sie beruhen auf der Kopräsenz von Sprecher und Zuhörer, die ihre Rollen in der Regel im Wechseltakt tauschen können. Die Reichweite dieser Öffentlichkeiten ist im Kern auf die Anwesenden und Teilnehmenden beschränkt - Bündelungen und Verknüpfungen von Präsenzöffentlichkeiten sind damit nur durch einen „Sprung“ auf eine höhere Ebene zu realisieren. Umgekehrt ist aber auch der Durchgriff „von oben“, insbesondere von der Seite politischer Instanzen, auf diese fluiden und sprunghaften Öffentlichkeiten enorm schwierig: „Unter repressiven Herrschaftsbedingungen wird sich Öffentlichkeit allein auf der Ebene von Interaktionsepisoden konstituieren (...). Letzte Bastionen öffentlicher Kommunikation sind unter Bedingungen staatlicher Repression z.B. die Kneipen (…)“ (Gerhards und Neidhardt 1990: 21). Gegenüber Encounters zeichnen sich Veranstaltungsöffentlichkeiten55 durch eine erheblich ausgeprägtere Strukturierung aus - nicht zuletzt sind sie stärker thematisch zentriert. Veranstaltete Öffentlichkeiten verfügen überdies in der Regel über eine größere Reichweite (Teilnehmerzahl) und sind sozial voraussetzungsvoller. „Das drückt sich auch darin aus, dass sich hier in Gestalt von Referenten und Diskussionsleitern Leistungsrollen innerhalb des Öffentlichkeitssystems ausdifferenzieren“ (ebd.: 22). Die Kehrseite dieser Ausbildung von Leistungsrollen ist die Konstitution des Publikums, das sich hier als soziale Größe gewissermaßen verfestigt, dessen Äußerungen als Publikum - also jenseits des Wechsels in die Sprecherrolle - sich in der Regel zwar auf rudimentäre (Klatschen, Zischen usw.), aber dennoch wirkungsvolle Möglichkeiten beschränken. Beide Öffentlichkeitsebenen sind jedoch im Maßstab der Gesellschaft relativ nachgeordnet - sie sind zwar für die Ausbildung öffentlicher Meinungen und deren Anreicherung unverzichtbar, aber zugleich nicht hinreichend. „Öffentliche Meinungen entstehen im Kreislauf über alle Ebenen hinweg. In komplexen Ge55 Zum Typ der Veranstaltungsöffentlichkeit liegen nur vereinzelte empirische Studien vor. Besonders hervorzuheben sind Blattert (Blattert 1992) und Gerhards (Gerhards 1992).
3.3 Politische Öffentlichkeit als Arena
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sellschaften ließe sich aber Öffentlichkeit ohne eine massenmediale Öffentlichkeit nicht herstellen“ (ebd.: 24). Nur sie ist tatsächlich zumindest im Prinzip für alle Gesellschaftsmitglieder zugänglich und in diesem Sinn potenziell universell. Die Massenmedien haben eine tendenziell gesamtgesellschaftliche Reichweite und operieren auf der Grundlage einer sehr scharfen Trennung von Sprecher- und Publikumsrollen. Ihre Operationen sind nicht an die direkte Anwesenheit und körperliche Kopräsenz der Akteure gebunden. Mit der Institutionalisierung dieser Öffentlichkeitsebene wird auch die Professionalisierung von Öffentlichkeitsakteuren (Journalisten) möglich und wahrscheinlich.56 Ein durchgehendes Unterscheidungsmerkmal der verschiedenen Öffentlichkeitsebenen besteht im Grad der Differenzierung von Leistungs- und Publikumsrollen. Gerade die massenmediale Öffentlichkeitsebene ist durch eine weit fortgeschrittene Trennung dieser Rollen und eine entwickelte Konturierung auch der Leistungsrollen gekennzeichnet. Diese Leistungsrollen sollen als „Sprecher“ bezeichnet und im Folgenden etwas genauer betrachtet werden. Schließlich gewinnt unsere Untersuchung eine Pointe aus dem Umstand, dass die Massenmedien in Gestalt der Leistungsrolle journalistischer Kommentatoren innerhalb der massenmedialen Öffentlichkeitsebene selbst zu Sprechern werden können. Lässt man zunächst die spezifische Rolle des Publikums beiseite und konzentriert sich auf die aktiven öffentlichen Sprecher, so lassen sich Anforderungen an das Kommunikationsverhalten der Sprecher bestimmen, die sich aus der spezifischen, strukturell erzeugten gegebenen Sinnrationalität von Öffentlichkeit ergeben (allgemeine Verständlichkeit, Zustimmung, Aufmerksamkeit etc.) und für die Akteure als Imperative und Erwartungen geltend machen. „Offen bleibt, ob sich die Akteure an diese Erwartungen halten. Das wird nicht nur durch die Eigenlogik öffentlicher Kommunikation, sondern auch durch die Art der Akteure und die Formen und Bedingungen ihres Zusammenhanges bestimmt. Die sozialwissenschaftliche Analyse muss also, um vollständig zu werden, Handlungsanalysen einbeziehen. So wichtig es für Analysen auf gesamtgesellschaftlicher Ebene erscheint, eine systemtheoretische durch eine akteurstheoretische Perspektive zu ergänzen (vgl. Schimank 1988), so wichtig ist dies auch für den Bereich der Öffentlichkeit“ (Gerhards und Neidhardt 1990: 26).
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Eine theoriesystematische Dimension gewinnt die vorgestellte Ebenendifferenzierung auch deshalb, weil sich anhand der begrifflichen Unterscheidung Gegenstandsbezüge sozialtheoretischer Öffentlichkeitsmodelle zumindest tentativ formulieren lassen. Gerhards/Neidhardt ordnen in diesem Sinn das „Episodenmodell“ Luhmanns der Ebene der Präsenzöffentlichkeit und das „Seminarmodell“ von Habermas der Veranstaltungsöffentlichkeit zu (ebd.: 23).
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3 Strukturen und Akteure moderner Öffentlichkeit
3.3.3 Sprecher und Rollendifferenzierungen Mit der Emergenz und Konsolidierung einer massenmedialen Öffentlichkeitsebene verfestigt sich die Ausdifferenzierung von Leistungs- und Publikumsrollen, von Sprechern und Zuhörern. Rückkopplungen und wechselseitige Abhängigkeiten zwischen diesen beiden Gruppen sind allerdings durchweg anzunehmen. So wird der „Erfolg der Arenenakteure (…) letztlich auf der Galerie entschieden“ (Gerhards und Neidhardt 1990: 27) - mithin im Publikum. Zudem bedeutet die Publikumsrolle auch angesichts der Restriktionen aktiver Äußerungsmöglichkeiten nicht konstitutiv eine Beschränkung auf bloßes Hinnehmen und passives Zuschauen. Die Rezeption von Medieninhalten ist nicht erst da, wo sich das Publikum aufgrund systematischer Diskrepanzen von öffentlicher Meinung und Bevölkerungsmeinung bspw. in Form politischen Protestes organisiert und mobilisiert auch ein aktiver Akt. Rezipienten entziffern durch eigensinnige Interpretationspraxen auch latente Bedeutung von Medieninhalten und können gegen den Strich der kommunizierten Botschaften gewissermaßen die Unterseite der von den Sprechern gesendeten Beiträge aufspüren - zumindest solange eine Grundbestand kommunikativer Kompetenzen vorausgesetzt werden kann. Der Erfolg von Sprechern im Publikum bleibt in diesem Sinn kontingent und fluide auch der Einsatz kommunikativer Ressourcen und Kompetenzen erhöht zwar die Chancen auf Aufmerksamkeit und Zustimmung, bietet dafür aber keine Garantie. Die öffentliche Konkurrenz der Sprecher um Aufmerksamkeit und Zustimmung ist immer auch eine Konkurrenz um die Gunst des Publikums. Der öffentliche Wettbewerb von Sprechern lässt sich aufgrund der besonderen Eigenschaften der öffentlichen Arena von anderen Typen des Wettbewerbs abheben. Als Ergebnisse solcher öffentlicher Konkurrenzen lassen sich soziale Strukturierungen quer zur Ebenendifferenzierung der Öffentlichkeit festhalten also etwa mehr oder weniger einflussreiche Sprecher. In sachlicher Hinsicht und dies soll zunächst Thema sein - lassen sich die Sprecher aber auch typologisch danach unterscheiden, „was bzw. wen sie vertreten“ (Neidhardt 1994c: 14). Die Unterscheidung von Sprechern und Publikum lässt sich in diesem Sinn weiter in Richtung auf bestimmte Sprechergruppen und Publikumssegmente auffächern. Interessant ist eine derartige Typologie, weil sie Hinweise darauf gibt, dass sich die Handlungen und Strategien der verschiedenen Sprecher in der öffentlichen Arena auf jeweils unterschiedliche Bezugsgruppen und „constituencies“ beziehen und sie daher auch jeweils unterschiedliche rhetorische und argumentative Mittel einsetzen. Peters hat in Form einer heuristischen Typologie einen hilfreichen Vorschlag zur Unterscheidung solcher Sprecherkategorien formuliert (Peters 1994a). Er unterscheidet die Sprecherrollen des Experten, des Intellektuellen, des Advokaten und des Repräsentanten. Die jeweilige öffentlich-
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keitsexterne Rolle eines Sprechers bspw. die Zugehörigkeit zu einer Profession wird dessen öffentliche Performanz zwar in bestimmte Richtungen neigen, diese aber nicht zwingend bestimmen. Ein Arzt mag, um ein Beispiel zu geben, in der öffentlichen Arena etwa als Verbandsvertreter für die Interessen seiner Berufsgruppe streiten, als Experte Hintergründe zur Einschätzung gesundheits- und medizinbezogener Tatbestände liefern, als Intellektueller gesellschaftspolitische Missstände bspw. in der Psychiatrie skandalisieren und wissenschaftliche Entwicklungen bewerten (Gentechnologie) oder sich als Advokat bestimmter Gruppen bspw. von Medikamentengeschädigten profilieren - die Zuordnung zu einem der spezifisch öffentlichen Sprechertypen wird in diesen Fällen allein durch den spezifischen Stil seines öffentlichen Auftretens bestimmt (Peters, Schultz und Wimmel 2004: 65 f.). Im Blick auf Rationalitätserwartungen an öffentliche Diskurse ist insbesondere die Gruppe der Experten von Bedeutung, deren Wortmeldungen sich durch spezifisches, wissenschaftliches Sonderwissen qualifizieren (Daele 1996; Neidhardt 1994b; Schudson 2006). Experten können dabei auf Wissensbestände und Reputation rekurrieren, die außerhalb der Öffentlichkeit in spezifischen wissenschaftlichen Netzwerken erzeugt werden (vgl. auch Singer 1993). In der Regel sind sie bei einem Wechsel in die öffentliche Arena also Problemen der Popularisierung unterworfen, da sie hoch spezialisiertes Sonderwissen einem allgemeinen Publikum zumindest soweit verständlich vermitteln müssen, dass ihnen ein allgemeiner Vertrauenskredit eingeräumt wird.57 Dabei ergeben sich in modernen Gesellschaften zunehmend auch Sonderprobleme in Bezug auf die Bestreitbarkeit von wissenschaftlicher Expertise und der Falibilität wissenschaftlichen Wissens - Experten sehen sich dann in Auseinandersetzungen mit Gegenexperten verwickelt (Barlösius und Köhler 1999; Rucht 1988). Die Deckung von Expertenäußerungen in Form wissenschaftlicher Beweisführung kann in öffentlichen Diskursen allerdings nur sehr bedingt realisiert werden. Insofern ist nicht ausgeschlossen, dass auch Experten zwar als Experten auftreten und ihre spezifische Legitimation aus dieser Rolle beziehen, in den konkreten Beiträgen aber auf adhoc-Deutungen angewiesen sind, die sich von „Laienwissen“ oder verbreiteten Mediendeutungen kaum unterscheiden (Brewer und Sigelman 2002). Wegen der Gefahr der Inflationierung und des Reputationsverlustes wird so die Öffentlichkeitsbereitschaft von Experten trotz verschiedener Anreize begrenzt (zu einigen Fragen im Grenzverkehr von Wissenschaft und Öffentlichkeit (Bourdieu 2005; Rucht 1988; Weingart 2001, 2005). Angesichts eingeschränkter Pools von Wissensanbietern bei ausgeprägter Nachfrage nach Wissen lassen sich allerdings auch Expertisen mit fast enttäuschungssicherer Reputation finden: Wirtschafts57 Maasen skizziert Tendenzen zu einer Intellektualisierung von Expertise, die auf die spezifischen Rede- und Darstellungsbedingungen öffentlicher Foren zurückgeht (Maasen 2007).
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und Konjunkturgutachten werden auch dann nicht unbedingt diskreditiert, wenn ihre Prognosen mit hohen Fehlerquoten versehen sind. Die Rolle des öffentlichen Intellektuellen ist ähnlich wie die des Experten ebenfalls keine hauptamtliche Position (Brint 1994; Kadushin 1974). Auch der Intellektuelle zehrt - sieht man von einem verstärkt diskutierten Sondertypus des „Medienintellektuellen“ ab - von einer Reputation und einem symbolischen Kapital, das er außerhalb der Öffentlichkeit erworben hat. Die Rolle des Intellektuellen ist dabei alles andere als trennscharf, gerade unter Intellektuellen in hohem Maße kontrovers (Posner 2001; Wenzel 2002) und in Deutschland in weiten Strecken eher ein Antitypus und ein „Schimpfwort“ (Bering 1978).58 Anders als der Experte tritt er aber weniger unter Bezug auf ein Sonderwissen und eine Sonderkompetenz auf, sondern in seiner Eigenschaft als Bürger und im Verweis auf im Prinzip universelle Kriterien (Habermas 2003; Sintomer 2005).59 Dem Intellektuellen ist häufig ein kritizistischer Habitus eigen, er entzündet sich weniger an Wissensproblemen und Wahrheitsfragen als an Normverletzungen und Wertfragen. Schon mit der Entstehung des modernen, öffentlichen Intellektuellen ist damit die Klage („klagende Klasse“), die Anklage („J’accuse“) und die Kritik eine Art Markenzeichen dieses Typus (Müller-Dohm und NeumannBraun 2006). Wenn der Experte seine öffentliche Glaubwürdigkeit im Rekurs auf „Wahrheit“ und Wissen gewinnt, der Intellektuelle - bei allen zeitbedingten Veränderungen seiner Rolle - im Rekurs auf Werte, so gewinnt der Repräsentant seinen öffentlichen Status aus der Beziehung auf die von ihm vertretene Gruppe, von der er ein mehr oder minder explizites Mandat zugewiesen bekommt. Besonders einschlägig in der politischen Öffentlichkeit und auch quantitativ weitaus exponierter als Experten und Intellektuelle sind hier sicherlich Politiker. Darüber hinaus werden zur Gruppe der Repräsentanten aber auch Verbandsvertreter ganz unterschiedlicher Couleur gerechnet - von Industrievertretern über Gewerkschaftssprecher bis zu den Öffentlichkeitsarbeitern von Umweltverbänden. Soweit Repräsentanten in der Öffentlichkeit und nicht exklusiv im Kreis ihrer 58 Die Literatur zur Rolle des Intellektuellen ist daher durch eine Schlagseite in Richtung von Selbstverständnistexten mit hoher Redundanz gekennzeichnet. Entgegen den Abgesängen auf die Intellektuellenrolle finden sich aber gerade in jüngerer Zeit verschiedene informative soziologischhistorische Studien. Vgl. etwa jeweils für Frankreich, Deutschland und Großbritannien Winock, Müller und Collini (Collini 2006; Müller 2000; Winock 2003). 59 In vielerlei Hinsicht sind der Intellektuelle und die Öffentlichkeit geradezu wahlverwandt. Neidhardt und Gerhards gehen soweit, einen allgemeinen „Intellektuellenbias öffentlicher Kommunikationen“ (Gerhards und Neidhardt 1990: 35) zu diagnostizieren. Habermas hat die Frage nach einem erneuten „Strukturwandel der Öffentlichkeit, der der klassischen Gestalt des Intellektuellen schlecht bekommt“, aufgeworfen und die Gründe dafür in der „Entformalisierung der Öffentlichkeit und in einer Entdifferenzierung entsprechender Rollen“ vermutet (Habermas 2006a: 554).
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Klientel auftreten und überzeugen wollen, müssen auch sie zumindest in bestimmten Maß plausibilisieren, warum das allgemeine Publikum gerade diesem Vertreter Vertrauen spenden und dessen Anliegen als besonders beachtenswert qualifizieren soll. Auch sie unterliegen also bestimmten Universalisierungszwängen öffentlicher Kommunikation. Die Referenz auf bestimmte Partikularinteressen wird in der Regel dennoch sichtbar bleiben und jenseits der eigenen Klientel einen Glaubwürdigkeitsvorbehalt stiften können. Neidhardt hat in Auseinandersetzung mit Überlegungen von Jon Elster zu „arguing and bargaining“ (Elster 1989) jedoch auf Selbstbindungen durch öffentliche Rhetorik hingewiesen: Die dauerhafte Verletzung von zumindest rhetorischen Konzessionen an öffentliche Stimmungen zugunsten partikularer Interessen kann zu Vertrauensentzug führen (Neidhardt 2004a: 231, 249). Auch „unwahrhaftige“ und „unaufrichtige“ Sprechakte („Heuchelei“) besitzen daher spezifische Realitätseffekte. Als weitere Kategorie nennt Peters den Advokaten. Auch dieser spricht „im Namen von“ bestimmten Gruppen - er kann jedoch in der Regel auf kein explizites Mandat verweisen, weil er sich auf die Vertretung von latenten Gruppen spezialisiert, die keine eigene Stimme haben, dafür aber durch besondere Problemlagen charakterisiert sind. Vermutlich wird eine halbwegs kontinuierliche Repräsentanz solcher Advokaten aber über kurz oder lang eine gewisse Institutionalisierung erzeugen und dann einen Rollenwechsel zum Repräsentanten zur Folge haben. Die von Peters genannte Klientel des Advokaten (Kinder, „Problemgruppen“) verfügen jedenfalls in der Regel über, wenn auch nicht selten selbsternannte, zuständige Verbände und Vereine.60 Die verschiedenen Sprecherkategorien bilden die Vielfalt von Leistungsrollen in der politischen Öffentlichkeit ab. Sie sind an dieser Stelle aus systematischen Gründen eingeführt worden. Jeder dieser Sprecher wird auf mehr oder weniger spezifische Weise im Feld öffentlicher Diskurse agieren, auch wenn alle Sprecher sich an gewissen Regeln orientieren müssen, die mit der Ausdifferenzierung einer Medienöffentlichkeit verbindlich werden. Auffällig in der genannten Typologie von Sprechern ist aber, dass eine der größten Gruppen an „Öffentlichkeitsarbeitern“ hier nicht aufgenommen ist. Das hat Gründe: „Je konsequenter sich die Massenmedien an ihre „Chronistenpflicht“ halten und vor allem als Nachrichtenträger verstehen, um so eigenständiger und deutlicher wird der 60 Querbezüge ergeben sich zu dem von Giesen beschriebenen „moralischen Unternehmer“, womit kein menschenfreundlicher Wirtschaftsmagnat (etwa ein Sponsor, Stifter oder Mäzen) gemeint ist, sondern ein Unternehmer in Sachen Moral. Das Aufspüren von „troubled persons“ gewinnt zumindest vor dem Hintergrund einer Altruismus-Annahme einen pikanten Doppelsinn, wenn die Probleme der Betroffenen gegenüber den Eigeninteressen des Unternehmers an florierender Moralkommunikation in den Hintergrund rücken (Giesen 1983).
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öffentliche Kommunikationsbeitrag der Akteure, deren Stimme sie weitertragen“ (Neidhardt 1994c: 14).
Je mehr sich also mit der Institutionalisierung von Öffentlichkeit „Journalismus als Beruf“ etablieren kann, desto mehr erscheinen Journalisten nicht als aktive Träger von Öffentlichkeit, sondern als deren neutrale Vermittler, eben als Chronisten - so jedenfalls lautet eine „doxa“ des Berufs, ein konstitutives Ethos.61 Selbst wenn man von der Durchsetzung der Rollentrennung ausgeht und die Frage ausklammert, inwieweit Journalisten latent sehr wohl aktive Sprecher darstellen, verweist dieser Zusammenhang jedoch zugleich auf eine systematisch wichtige Erweiterung der Sprechertypologie. In ihrer Rolle als Kommentatoren sind Journalisten nämlich explizit von ihrer Chronistenpflicht entbunden und zu eigenständigen Beiträgen im eigenen Namen legitimiert und aufgerufen. Die Rolle der Kommentatoren verdient also auch deshalb systematische Aufmerksamkeit, weil hier die mediale Arena eine eigene Stimme und der Journalismus ein zweites Gesicht erhält. Neidhardt hat in diesem Sinn die Petersche Sprechertypologie um Journalisten in ihrer Rolle als Kommentatoren ergänzt, „wenn sie sich sowohl zu öffentlichen Angelegenheiten als auch zu deren Behandlung durch andere Sprecher nicht nur berichterstattend, sondern mit eigenen Meinungen zu Wort melden“ (Neidhardt 1994c: 14).
Die Konturen der Rolle des Kommentatoren lässt sich weitergehend insoweit kennzeichnen, dass „das etablierte Genre der journalistischen Kommentare regelmäßig die Gelegenheit zu validierender Metakommunikation [bietet]. Kommentare stellen die Institutionalisierung von kritischer Dauerreflexion in den Medien selber dar“ (Neidhardt 1994c: 23).62 61
Wo dieses Berufsethos eingelöst ist, bedeutet das jedoch sicher nicht, dass Journalisten als solche nicht bekannt und prominent werden können. Die Enthüller des Watergate-Skandals sind zwar weltbekannte und in einem Hollywood-Epos („Die Unbestechlichen“) verewigte Ikonen des investigativen Journalismus geworden, aber dies eben nicht in erster Linie als eigenständige Sprecher, sondern als „objektive“ Rechercheure. In historischer Perspektive ließe sich leicht zeigen, dass tief sitzende Affekte gegen die Orientierung an angelsächsischen Journalismusmodellen sich zwar auch gegen Fehlentwicklungen der „Kommerz- und Geschäftspresse“ richteten, ganz zentral aber auch aus der als Statusverlust interpretierten Degradierung des Journalisten zur ebenso geist- wie gesinnungslosen Registriermaschine bloßer „facts“ resultierten. Erst mit investigativem Journalismus und glanzvollen Reportageleistungen konnte der „rasende Reporter“ oder der „Beruf: Reporter“ den Beigeschmack des Mediokren abstreifen und geradezu eine Ikone von Aufklärung und unerschrockener Modernität werden. 62 Peters et al. haben die Einbeziehung des Journalisten als Kommentator in die Typologie öffentlicher Sprecher aufgegriffen und eine Modifikation vorgenommen. Sie unterscheiden die journalisti-
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In Kommentaren haben Journalisten also nicht die primäre Aufgabe, zu informieren. Im Zuge der Expansion des massenmedial zugänglichen Informationsangebotes kommt ihnen vielmehr die Aufgabe zu, Stellenwert und Relevanz von Informationen zu prüfen und zu bewerten sowie dem Publikum Angebote zur Einordnung und Interpretation des Nachrichtenangebotes zu vermitteln. Wie das geschieht und welche Effekte auf die Struktur öffentlicher Diskurse damit verbunden sind, soll an dieser Stelle nur als Frage formuliert werden. Verschiedene Anzeichen sprechen aber dafür, dass im Zuge der massenmedialen Produktion und Verbreitung mehr oder minder relevanter Nachrichten der Bewertung, Gewichtung und Kontextualisierung von Informationen ein hoher Stellenwert zukommt und auch dem Journalismus der klassischen Printmedien neue Aufgaben zuwachsen könnten. Jenseits der sachlichen und sozialen Differenzierungen der Öffentlichkeitsakteure bleibt festzuhalten, dass der Zugang zu öffentlicher Kommunikation zumindest im Prinzip für alle offen steht. Während etwa die Zugehörigkeit zu Berufsgruppen geschützt und sanktionsbewährt ist, bezieht die politische Öffentlichkeit auch angesichts ihrer sozialen Strukturierung eine besondere Dynamik aus dem Umstand, dass der Zugang zu ihr prinzipiell nicht abgeschlossen ist. Zumindest im Prinzip kann sich jeder aktiv oder passiv an öffentlicher Kommunikation beteiligen. Auch wenn sich de facto scharfe Exklusivitäten und Zugangsvoraussetzungen sprachlicher und kultureller Art vor allem für die Wahrnehmung aktiver Sprecherrollen finden, bleibt dieser Umstand bedeutungsvoll. „Öffentlichkeit entsteht dort, wo ein Sprecher vor einem Publikum kommuniziert, dessen Grenzen er nicht bestimmen kann. Konstitutiv ist die ‚prinzipielle Unabgeschlossenheit des Publikums’ (Habermas). Die Galerie ist frei zugänglich und man kann nicht wissen, wer und wie viele mit von der Partie sein werden“ (Neidhardt 1994c: 10).
Diese konstitutive Offenheit von Öffentlichkeit hat auch Folgen für die dominanten Kommunikationsmuster. Die genannten Sprecher bewegen sich innerhalb eines „Laienpublikums“ und öffentliche Kommunikation richtet sich daher zentral auf Allgemeinheit und Verallgemeinerbarkeit. Insofern sie die Erfolgs- und Einflusschancen ihrer Beiträge betreffen, sind diese Struktureigentümlichkeiten insbesondere massenmedial vermittelter Kommunikation für alle Akteure relevant und folgenreich. Die mehr oder minder kompetente Berücksichtigung der sche Rollen des Analysten, des Reporters, des Enthüllers, des Feuilletonisten und in Übereinstimmung mit der hier exponierten Rolle: des Kommentators (Peters et al. 2004: 66). Aufbauend auf der WZB-Kommentarstudie hat Statham die Kategorie des Kommentators auch im Rahmen europäischer Öffentlichkeit untersucht und dabei verschiedene Rollenverständnisse unterschieden (Statham 2007).
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Strukturbedingungen öffentlichen Sprechens und der Eigenschaften des Publikums erklärt in Teilen auch die quer zu den sachlichen Differenzierungen der Sprecherrollen angesiedelten Ungleichheiten, Hierarchien und Herrschaftsverhältnisse symbolischer Art zwischen den Sprechern. Auch weil sich über sie die soziale Differenzierung der Sprecher abbilden und dimensionieren lässt, sind die Begriffe von Prominenz und Prestige als „Steuerungsmedien“ öffentlicher Kommunikation in der öffentlichkeitstheoretischen Diskussion einschlägig geworden.63
3.3.4 Prominenz und Prestige: Zwei Seiten öffentlicher Reputation Öffentliche Kommunikation im Forum der Massenmedien bezieht sich in zweierlei Hinsicht auf Allgemeinheit: auf allgemeine Aufmerksamkeit und auf allgemeine Zustimmung. Sprecher beanspruchen und stimulieren die Aufmerksamkeit des Publikums. Finden sie mit ihren Beiträgen kein Gehör und stoßen sie auf Desinteresse, so werden sie über kurz oder lang aus dem Ensemble der öffentlich relevanten Akteure ausscheiden. Das Gesamtvolumen öffentlicher Aufmerksamkeit ist zwar - etwa im Zuge der Medienexpansion - in gewissen Grenzen durchaus steigerbar. Letztlich bleibt Aufmerksamkeit jedoch ein knappes Gut, Medienöffentlichkeiten zeichnen sich durch eine begrenzte „carrying capacity“ (Hilgartner und Bosk 1988) aus. Die Steuerung öffentlicher Kommunikation über solche Aufmerksamkeitswerte verweist auf die Prominenz der Sprecher. Und diese Prominenz ist per definitionem ungleich verteilt. Bloße Bekanntheit erhöht - wiederum in gewissen Grenzen und zunächst unter Absehung von inflationären Effekten etc. - die Chancen auf Wahrnehmung und Beachtung. Der Matthäus-Effekt: „Wer hat, dem wird gegeben“ (Merton 1985: 147-171) gilt auch für die öffentliche Kommunikation. Prominenz und Bekanntheit wecken die Erwartung der Zuhörer und des Publikums, dass auch andere an die Beiträge des Sprechers anschließen und daher die Relevanz des Beitrages angenommen werden kann. Jenseits der Rollendifferenzierung ergeben sich aus der Verteilung von Bekanntheitswerten also Schichtungen, Stratifikationen und Hierarchien in der politischen Öffentlichkeit. Insbesondere im Hinblick auf den Faktor Prominenz und die Gruppe der Prominenten lässt sich in mancher Hinsicht sogar von einer genuin medienerzeugten „Elite“ sprechen. Zwar ist die Zulassung zu der Gruppe der Medienprominenz immer noch überwiegend an 63 Der Begriff des Mediums (oder Steuerungsmediums) bezeichnet in der soziologischen Theorie selbstverständlich nicht nur technische Übertragungsmedien des Typs Buch, Zeitung, Radio, Fernsehen, Internet etc., sondern in der funktionalistischen Tradition systemspezifische Kommunikationsreferenzen wie Geld, Macht oder Aufmerksamkeit (Künzler 1989).
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außermediale Leistungen in Wirtschaft, Sport, Kultur usw. gebunden, wodurch diese Handlungsbereiche Einfluss auf die Rekrutierung einer weithin sichtbaren und meinungsprägenden Medienprominenz ausüben (Peters 1994b). Vermehrt lassen sich jedoch auch fast ausschließlich mediale Prozesse zumindest temporärer Prominenzierung erkennen. Es sind dann eben nicht besondere Leistungen in spezifischen Handlungsbereichen dafür ausschlaggebend, sekundär auch medial prominenziert zu werden, sondern es entsteht eine eigene celebrity-Kultur, die ihre eigenen Kriterien zur Geltung bringt. Dieser Zusammenhang verweist aber zugleich auf eine gewisse Grenze des Steuerungsmediums Prominenz. Zwar wird auch Prominenz häufig mit positiv konnotierten Faktoren wie moralischer Integrität und Vorbildhaftigkeit verbunden. Analytisch muss dennoch zwischen bloßer Prominenz im Sinne einer Aufmerksamkeitsattraktion und einem weiterem wichtigen Faktor unterschieden werden: dem Prestige als Zustimmung aufgrund zugerechneter Kompetenz (Reputation) oder anderer positiver Merkmale. Während Prominenz auch durch Skandalisierung, durch Normverletzungen und Abweichung etc. aufgebaut werden kann, die gerade gesellschaftliche Ablehnung hervorrufen, sind mit Prestige Faktoren wie Vertrauenswürdigkeit und Glaubwürdigkeit verbunden. Erst durch die Anreicherung von Prominenz mit Prestige wird also aus allgemeiner Bekanntheit auch Zubilligung von Glaubwürdigkeit und positive Ausstrahlungsfähigkeit.64 Insbesondere hinsichtlich der Orientierung der Medienöffentlichkeit an Spektakulärem und Aufsehenerregendem ist diese Unterscheidung wichtig, um tatsächlich substantiell einflussreiche Sprecher, deren Themen und Meinungen sich im Prozess der öffentlichen Meinungsbildung durchsetzen und letztlich auch entscheidungsrelevant werden, von primär unterhaltenden und irritierenden Akteuren zu unterscheiden. Zwar ist eine aseptische Unterscheidung eines vermeintlich sachorientierten politischen Prozesses und einer medial induzierten Unterhaltungsfunktion nicht haltbar. Dennoch ist es vor dem Hintergrund allgemeiner Überlegungen zur genuin politischen Öffentlichkeit ratsam, die Unterscheidung von Unterhaltung auf der einen und Information und Orientierung auf der anderen Seite analytisch beizubehalten und also nicht ausschließlich auf die Unterhaltungsdimension mitsamt den damit verbundenen häufig kulturkritischen 64 Prestige und Prominenz sind als spezifische „Währungen“ der öffentlichen Kommunikation also nicht umstandslos ineinander zu übersetzen und insofern voneinander unabhängige Variablen. Gerade der Prominenzbegriff ist im Rahmen einer „Ökonomie der Aufmerksamkeit“ in jüngerer Zeit verstärkt thematisiert worden (Franck 1998, 2000; Schneider 2004). Erst mit der begrifflichen Unterscheidung Prestige-Prominenz lässt sich aber der Frage nachgehen, inwiefern öffentliche Sprecher eben nicht nur Blicke bündeln, sondern auch Orientierung geben können (Neidhardt 1995), Zu „Einfluss“ allgemein Parsons (Parsons 1963). Vgl. mit Blick auf das Verhältnis von Wissenschaft und Politik auch Weingart und Pansegrau (Weingart und Pansegrau 1998) und grundlegend zu Reputation Eisenegger (Eisenegger 2005).
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Themen und Topoi (Spektakel, Inszenierungspolitik, Show, „game frame“) zu fokussieren. Auch angesichts des veränderten Stellenwerts einer genuin medialen Aufmerksamkeitsökonomie liefert politische Öffentlichkeit allgemein und das sachlich und sozial differenzierte Sprecherensemble im Besonderen spezifische Beiträge zum politischen Prozess.
3.3.5 Politische und soziale Funktionen von Öffentlichkeit Die öffentliche Wahrnehmung von Themen ist ein elementarer Bestandteil des sog. „policy-cycle“. Öffentlichkeit kann als „intermediäres System“ zwischen Bürgern und (administrativ und institutionell verfasster und geronnener) Politik (Institutionen, Staat etc.) verstanden werden. Interessen, Ansprüche, Themen, Probleme werden durch öffentliche Bearbeitung und Verhandlung wahrgenommen und vorbearbeitet und können dann vom politischen System aufgenommen und ggf. in politischen Entscheidungen kodifiziert werden. Umgekehrt setzen sich in einer Art „Gegenkreislauf der Macht“ (Luhmann 1981a) auch die institutionalisierte Politik und die Inhaber von Herrschaftspositionen durch ihr öffentliches Auftreten der Beobachtung und Beurteilung aus. Die Dauerbeobachtung der Politik eröffnet also auf der Seite der Bürger zumindest die Chance zu einer qualifizierten Meinungs- und Willensbildung. Neidhardt hat über ein dreistufiges Modell des politischen Prozesses in Anlehnung an den frühen Etzioni die Funktionen politischer Öffentlichkeit systematisiert (Neidhardt 1994c: 8 ff.): In der Inputdimension erzeuge Öffentlichkeit idealiter Transparenz, in der throughput-Dimension zeichne sie sich durch die Validierung von Themen und Meinungen aus und produziere in der outputDimension im Erfolgsfall Orientierungen. Dass die Rede von Funktionen politischer Öffentlichkeit Anleihen bei funktionalistischen Argumentationen macht, liegt auf der Hand. Im vorliegenden Kontext ist damit im Kern gesagt, dass öffentliche Kommunikation essentielle Beiträge zu sie übergreifenden und umfassenden Strukturen und Prozessen leistet. Zugleich ist zu unterstreichen, dass die Befragung von politischer Öffentlichkeit nach ihrem Beitrag zu politischen Prozessen insgesamt nicht mit der Annahme einhergeht, dass dieser Beitrag immer und in jedem Fall auch tatsächlich geleistet würde und nicht umgekehrt auch quasi negative Beiträge der Medienöffentlichkeit denkbar seien. Idealisierte Funktionen der politischen Öffentlichkeit anzugeben, bedeutet also keinesfalls, ihnen schon a priori eine reale Einlösung zu unterstellen. Auch hier lassen sich vielmehr defizitäre Funktionserfüllungen kennzeichnen, die dann zu Spannungslagen und Mobilisierungen des Publikums in Form sozialer Bewegungen und Proteste führen können. Obwohl eine funktionale Analyse von bestehenden poli-
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tisch-institutionellen Strukturen ausgeht und genetische Fragen nicht automatisch beinhaltet, kann vom evolutionären Aufwind der massenmedialen Öffentlichkeitsebene auf spezifische Problemlagen und Strukturmuster moderner Gesellschaften zurückgeschlossen werden. Die Erzeugung von Transparenz im Sinne einer Beobachtbarkeit des politischen Prozesses und der gesellschaftlichen Interessenlagen und Problembestände manifestiert einen elementaren und wenig voraussetzungsvollen Beitrag der Öffentlichkeit. Indem politische Akteure ins Forum der politischen Öffentlichkeit treten und so Prozesse der Interessenvermittlung, der politischen Auseinandersetzung und der Problemlösung zumindest partiell auch in den Fokus der Medienöffentlichkeit geraten, eröffnet sich dem Publikum, das auch als Elektorat einflussreich werden kann, die Möglichkeit des Nachvollzugs von Entscheidungsprozessen. Die Erzeugung von wie auch immer relativer und begrenzter Transparenz, die an die Stelle der Kabinetts- und Arkanpolitik vordemokratischer Zeiten tritt, bildet zugleich einen Mechanismus der politischen Legitimation. Politische Entscheidungen, die für die Betroffenen in ihren wesentlichen Faktoren und Einflussgrößen transparent und durchsichtig sind, können einen gewissen Vertrauens- und Legitimitätsvorsprung für sich reklamieren, während umgekehrt Geheimniskrämerei und Verdunkelung diffuses Misstrauen erregen müssen. Als intermediäres System zwischen Bürgern und Politik fungiert die politische Öffentlichkeit aber nicht als bloßes Transportmedium im Sinne eines Lautsprechers. Ihre Struktur erhält sie nicht zuletzt durch das handelnde Aufeinandereinwirken der Akteure. In diesem Prozess treten nicht nur die Politik im Sinne des Institutionensystems und der Administration in den Fokus der öffentlichen Kontrolle, sondern auch einzelne Sprecher, deren Realitätskonstruktionen und Diagnosen sich dem Säurebad der öffentlichen Kontroverse stellen müssen. Massenmediale Öffentlichkeit wird dadurch nicht zu einem wissenschaftlichen Diskurs, in dem Wahrheitsfragen methodisch bearbeitet werden. Dennoch übt die Öffentlichkeit im Idealfall auch hier einen gewissen Selektionsdruck aus, in dem sie schlechte von guten Gründen und harte Tatsachen von wüsten Spekulationen unterscheidet. Diese Leistung lässt sich somit als Funktion der Validierung bezeichnen. Eine anspruchsvolle Öffentlichkeit geht aber auch in dieser Rolle einer neutralen „black box“ des Informationsaustausches nicht auf. Gerade die Einbeziehung des Publikums qua aktiver Beteiligung oder passiver Beobachtung verändert den politischen Prozess und macht ihn offener für Irritationen und Stellungnahmen. Eng mit der Einsehbarkeit und Transparenz des politischen Prozesses via Öffentlichkeit sowie mit der Orientierung des Publikums verbunden, kann Öffentlichkeit Kritik- und Kontrollfunktionen wahrnehmen. In der
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über besonders ausgeprägte Presserechte verfügenden US-amerikanischen Tradition werden die Medien gern als „fourth branch of government“ bezeichnet und damit den drei klassischen Institutionen der Gewaltenteilungslehre zur Seite gestellt. Als „watchdog“ kann die Öffentlichkeit in diesem Sinn argusäugig auf die Regelkonformität der politischen Akteure achten und kollektive Normen mit einer gewissen Form von Sanktionsmacht durch Publikation ausstatten. Die Orientierungsfunktion bildet den letzten Schritt innerhalb eines typisierten Politikprozesses. Im einsehbaren Forum der politischen Öffentlichkeit begegnen sich Repräsentanten relevanter Gruppen und Interessenlagen, zentraler Werte und drängender Probleme. Im Prozess des Austausches und der Interaktion der Sprecher werden Positionen herausgearbeitet und Themen gewichtet. Damit entsteht in Form der „öffentlichen Meinung“ eine sehr komplexe Größe, die in den Handlungsorientierungen der Bürger eine Rolle spielt und als Bezugspunkt fungieren kann. In normativer Perspektive kann diese Orientierungsfunktion öffentlicher Meinung auf die Überzeugungskraft argumentativ erschlossener Meinungen bezogen werden. Damit ist aber nicht gesagt, dass eine öffentliche Meinung, die sich als auf kollektiven Irrtümern beruhend erweist, nicht ebenfalls eine besondere Beachtung auf sich zu vereinen und damit in einem wertneutralen Sinn zu orientieren vermag. Nutznießer und Adressat des Orientierungsangebotes der politischen Öffentlichkeit ist nicht zuletzt das Publikum.
3.3.6 Die Stimmen des Publikums Die Binnenbetrachtung der Strukturen der Öffentlichkeit nach Ebenen, Sprechern und Funktionen ist solange wesentlich unvollständig, wie die Rolle des Publikums nicht berücksichtigt wird. Es wäre als passiver und mehr oder weniger folgenloser Hintergrund der öffentlichen Kommunikation gänzlich missverstanden. Neidhardt schreibt der Öffentlichkeitstheorie daher ins Stammbuch: „The decisive reference group of public communication is the audience“ (Neidhardt 1993: 340).
Öffentlichkeit meint per definitionem allgemeine Zugänglichkeit. Politische Prozesse sind dann öffentlich, wenn nicht nur die direkt Beteiligten involviert sind, sondern auch ein prinzipiell unabgeschlossenes und für die Sprecher und Akteure nie restlos übersehbares Publikum.65 65 Neben verschiedenen Sprecherrollen lässt sich mit Neidhardt daher auch die „Rolle des Publikums“ öffentlichkeitssoziologisch fassen (Neidhardt 1994a). Vgl. mit etwas anderer Perspektive und Betonung auf der Relevanz von Netzwerken im Publikum bei der Meinungsbildung gegenüber dem
3.3 Politische Öffentlichkeit als Arena
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Dieses Publikum ist in seiner sozialen Struktur wesentlich Laienpublikum, d.h. im Unterschied zu den an Kontroversen aktiv beteiligten Akteuren verfügt es im Durchschnitt nur über begrenzte Kenntnisse der jeweiligen Themen und Materien und es ist nicht unbedingt interessensmäßig direkt in die verhandelten Kontroversen involviert. Das bedeutet nicht, die Rolle des Publikums an Rationalitätskriterien von und für Eliten oder Experten zu relativieren - zumal erst die Inklusion des Publikums Öffentlichkeiten ihren demokratischen Sinn verleiht. Es ergeben sich aus der Inklusion des Publikums allerdings verschiedene Folgen für Kommunikationsstrategien der Akteure und Sprecher. Öffentliche Kommunikation darf gewisse Schwellenwerte an Komplexität und Differenziertheit nur in Ausnahmefällen überschreiten. In der Regel kommen einfache und wohl auch: vereinfachte Beiträge besser an und haben höhere Chancen auf erfolgreiche Karrieren, weil sie den kleinsten gemeinsamen Nenner des Publikums erreichen.66 Lernprozesse des Publikums sind aber dennoch nicht ausgeschlossen. Gerade öffentliche Deliberationsverfahren im Vorfeld von politischen Entscheidungen oder Referenden zeigen immer wieder, dass das Niveau an Wissen und Interesse im Publikum durchaus wandelbar und entwicklungsfähig ist – und zwar auch weit vor jenem Punkt, an dem Rollendifferenzierungen zwischen Laien und Experten zum Thema werden. Dass von der Zentralität der Referenzgruppe Publikum nicht auf die immer schon gegebene Deckung von Publikumsinteressen und Medienangebot geschlossen werden kann, sondern vielmehr auch temporäre Balancen und dynamische Spannungen bis hin zu Inkongruenzen und massiven Diskrepanzen angenommen werden können67, zeigen diejenigen Situationen, in denen das Publikum weder „loyal“ unter den durch das gegebene Medienangebot vorgegebenen Alternativen wählt, noch sich unbefriedigt von ihm abwendet („exit“): Mobilisierungen des Publikums als kollektivem Akteur in Form von Protest und sozialen Bewegungen („voice“) sind zwar real an sehr komplexe Voraussetzungen ge-
direkten Durchgriff der Medien auf Einstellungen der Bürger auch Schenk und Rössler (Schenk und Rössler 1994). 66 Diese Aussage gilt allerdings in erster Linie für die massenmediale Öffentlichkeit. In Teilöffentlichkeiten von Wissenschaft, Kunst oder Wirtschaft mag die Asymmetrie der Rollen geringer ausfallen. Zudem lässt sich zeigen, dass gerade die Beteiligung an Diskursen auch die Kompetenzen des Publikums erhöhen und über kritische Schwellenwerte heben kann. Das gilt nicht nur bspw. für die Öffentlichkeit des Sports, in der Großereignisse von der Art der Weltmeisterschaft selbst relative Laien zu Semi-Experten heranwachsen lassen, sondern auch für politische Prozesse – etwa für öffentliche Diskurse im Vorfeld von Volksentscheiden (Kriesi 1994). 67 Die Rede vom Publikum als „Referenzgruppe“ verweist auf Mertons Konzept des „reference group behaviour“ (Merton 1995a, 1995c). Merton hat in der Auseinandersetzung mit dem Parsonschen Strukturfunktionalismus immer wieder die Bedeutung von Spannungen und Dysfunktionen und auch produktive Funktionen der Abweichung unterstrichen.
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3 Strukturen und Akteure moderner Öffentlichkeit
knüpft, aber prinzipiell nie ausgeschlossen (vgl. zur voice-Option allgemein auch Hirschman 1970). Soziale Proteste und Bewegungen können unter bestimmten Voraussetzungen da entstehen, wo bestimmte Themen oder Interessen im öffentlichen Diskurs nicht hinreichend repräsentiert sind (Rucht 1994a).68 Hier entstehen Anreize und Gelegenheiten für das Publikum und seine Advokaten, das Spektrum des öffentlich Sagbaren zu erweitern und zu ergänzen und aktiv - durch eigene Teilnahme und Partizipation - die „voice of the people“ hörbar zu machen.69 Auch wo solche öffentlichen Mobilisierungen des Publikums in Form sozialer Bewegungen auf Defizite und Limitierungen der Mediendiskurse reagieren, sind sie ihrerseits wieder auf die massenmediale Öffentlichkeitsebene zurückverwiesen. Öffentliche Aufmerksamkeit ist nämlich eine der zentralen Ressourcen, die das in der Regel schwach organisierte und über geringe Organisationsmacht verfügende Publikum in politische Auseinandersetzungen einbringen kann. Sie bringt politischen Protest erst zu sozialer Existenz und verstärkt dessen Reichweite – im Prisma medialer Beachtung können soziale Bewegungen den Anschein erwecken, mit stärkeren Gegnern al pari zu stehen. Zum Teil reagiert das Mediensystem auch durch Institutionalisierung neuer Medienangebote auf wahrgenommene Spannungen und findet dann wieder zu einem partiellen Gleichgewichtszustand zurück: Nicht nur die Entstehung sog. alternativer Medien lässt sich als Anpassungs- und Ausgleichsprozess innerhalb des Mediensystems auf Repräsentationslücken in Hinsicht auf Wertorientierungen,
68 Die Voraussetzungen solcher Mobilisierungen des Publikums in Form von Protesten und sozialen Bewegungen sind komplex, und Erklärungen erfordern hier eine Kombination verschiedener Ansätze wie politische Gelegenheitsstrukturen, die Ressourcenmobilisierung, die kollektive Identität, strukturelle Spannungen oder das framing (Rucht 1998, 1994a). Eine Art Repräsentationslücke zwischen Bevölkerungsmeinung und öffentlicher Meinung mag hier erst eine Problemsituation erzeugen, auf die Protest als Agenda-Setter dann einzuwirken versucht. Sicher reicht hier aber ein „constraint“ oder ein Mangel nicht hin, positive Verstärkungen sind ebenso vonnöten. Der Begriff der „diskursiven Gelegenheitsstruktur“ (discursive opportunity structure) beinhaltet genau diesen Umstand, dass erfolgreiche Mobilisierungen auch „Anspielstationen“ im Mediensystem und der politischen Öffentlichkeit benötigen (Ferree et al. 2002b; Koopmans und Olzak 2004). So wird verständlich, dass sich Protestakteure zugleich über erdrückende und feindliche Medien beschweren und zugleich gerade durch deren Multiplikationseffekte erst Einfluss entfalten. Schon die schlichte Thematisierung weit vor der Übersetzung der Anliegen in politische Entscheidungsprogramme kann vor diesem Hintergrund als Mobilisierungserfolg wahrgenommen werden. 69 Die Folgewirkungen solcher verstärkter und mit Lernprozessen und Kompetenzanreicherungen verbundenen Partizipationen und Diskurse sind nicht zuletzt demokratietheoretisch von Bedeutung. Unter diesen Voraussetzungen können aktive „Laien“-Gruppen qualifizierte „öffentliche Meinungen“ herausbilden, die aufgrund von Informationsvorsprüngen dann sachlich zu Konsequenzen führen, die jenseits von statistischen Repräsentativitätskriterien der Umfrageforschung liegen (Vgl. als ein locus classicus dazu auch Fishkin 1995).
3.3 Politische Öffentlichkeit als Arena
73
Interessen und neue Konfliktlinien innerhalb des Publikums deuten (Oy 2001; Wimmer 2007). Publikumspräferenzen werden von Medienorganisationen durch Leser-, Markt- und Meinungsforschung systematisch beobachtet und haben in den Leserbriefspalten eine direkte, niedrig schwellige Ausdrucksmöglichkeit gefunden.70 Diese Publikumspräferenzen werden nicht nur in strengen rational-choiceAnsätzen als eine Art Universalschlüssel verstanden, über den sich spezifische Medieninhalte und -strukturen im Sinne eines Marktmechanismus erklären ließen. Differenzierungen im Publikum (nach politischer Orientierung, Geschlecht, Alter, Status und Einkommensklassen, Themeninteressen etc.), die von Öffentlichkeitsakteuren bedient, repräsentiert und kapitalisiert werden, wären dann ursächlich für beobachtbare Unterschiede von Medienangeboten. Komplementär zur Unterschätzung kann das aber auch zu einer Überschätzung der Rolle des Publikums führen.71 Das journalistische Angebot mag zwar heute in hohem Maße permanent durch Publikumsforschung evaluiert werden und an Marktkriterien orientiert sein, es lässt sich aber durch diese nicht selbst erzeugen: Neben dem Publikumsbezug sind daher u.a. auch bestimmte professionssoziologische Faktoren, Eigeninteressen der Medienorganisationen und auch der Eigner von Medienorganisationen sowie interne Mechanismen und Logiken von Diskursen von erheblicher Bedeutung für Gestalt und Form konkreter Medieninhalte und Diskurse. Mit den genannten Bausteinen der Öffentlichkeitstheorie liegt eine Dimensionierung des Gegenstandsbereiches der Untersuchung vor. Der Ansatz an Strukturen und Funktionen moderner Öffentlichkeit zeigt in verschiedenen Hinsichten einen klar makrosozialen Zuschnitt. Tatsächlich zielt Öffentlichkeitsforschung auf Aussagen über Thematisierungen und Problemverarbeitungen auf der Ebene der Gesamtgesellschaft. Jenseits disziplinärer Vorentscheidungen ergeben sich jedoch zahlreiche Überschneidungen zwischen Öffentlichkeitsforschung und der Analyse politischer Kommunikation und damit Anschlussmöglichkeiten der vorgestellten Konzepte an die Ansätze der Kommunikations70 Weit über solche eher rudimentären Formen eines direkten Publikumsfeedbacks gehen jene Formen medialer Interaktivität hinaus, die durch die revolutionären Sprünge der Informationstechnologien und des Internets ermöglicht wurden: Kommentarfunktionen in Online-Medien, sog. Blogs und niedrig schwellige Medienplattformen aber auch neue Formen des „public journalism“ im Dienst althergebrachter Anbieter. 71 Eine andere Dimension der Frage nach dem Publikum ist angesprochen, wo in unterschiedlichen theoretischen Kontexten (aktives Publikum in Kulturtheorie und „cultural studies“, „kognitive Autonomie“ im Konstruktivismus) der Eigenbeitrag oder auch die kritisch-subversive Rolle der Rezipienten in der Interpretation und Bedeutungsproduktion kultureller und medialer Erzeugnisse unterstrichen wird. Auch hier wird der richtige Hinweis auf die Rolle der Rezeption im Decodierungsprozess von Medieninhalten überzogen, wenn arbeitsteilige Strukturen und Kompetenzdifferentiale zwischen Sender und Empfänger ignoriert werden, als ob die Brechtsche Radioutopie Realität wäre.
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3 Strukturen und Akteure moderner Öffentlichkeit
forschung und Medienwirkungsanalyse. Insbesondere weil argumentiert wurde, dass die Medien als eigenständige Akteure bisher vernachlässigt wurden, erscheint es unumgänglich, den öffentlichkeitstheoretischen Bezugsrahmen um einige Elemente der empirischen Kommunikationsforschung zu ergänzen. Diese Ansätze nähern sich dem Phänomen der Medienwirkungen im Hinblick auf mikrosoziale Fragestellungen und bezogen auf die Rezipienten. Mit einem verstärktem politischen Bedeutungszuwachs der Medien ist die Ebene der massenmedialen Öffentlichkeit, die wir bisher als führende, aber nur als eine unter anderen Ebenen eingeführt haben, als der spezifische Gegenstand der Öffentlichkeitsforschung bestimmt worden. Neidhardt hat schon früh darauf verwiesen, dass Öffentlichkeitsforschung zu guten Teilen Massenmedienforschung sein muss. Wessler hat explizit von einem „medientheoretischen Defizit“ sowohl des diskursiven wie des liberalen Öffentlichkeitsmodells gesprochen (Weßler 1999: 231 ff.). Zunächst war hier angesichts eines verstärkten Interesses an einer Medialisierung der politischen Kommunikation der analytische Gehalt einer Ebenendifferenzierung politischer Öffentlichkeit zu unterstreichen. Dennoch ist auch im Zuge unseres Modells eine kurze Darstellung des Forschungsstandes und der zentralen Ansätze zur Erklärung von Medienwirkungen geboten. Die von der Medien- und Kommunikationsforschung unterschiedenen Dimensionen von Medieninhalten lassen sich zugleich als Dimensionen von Medienhandeln auffassen. Wo Medien als politische Akteure auftreten, muss sich das also in systematischen Unterschieden der Berichterstattung und Kommentierung zeigen. Im Zug der Einführung des Konzeptes des „politischen Parallelismus“, das die Beziehungen von Medien und Politik in den Blick nimmt, werden auch Befunde der vergleichenden Medienforschung eingespielt, die es ermöglichen, die Frage der Medienautonomie fallbezogen für die Bundesrepublik zu konkretisieren.
4 Die Medien der Öffentlichkeit
4.1 Öffentlichkeitssoziologie und Medienforschung Im vorangegangenen Abschnitt wurde ein theoretisches Modell politischer Öffentlichkeit entfaltet sowie eine Reihe von öffentlichen Sprechern und Akteuren einschließlich der Medien und der Journalisten als Kommentatoren eingeführt. Wenn im Folgenden in selektiver Form einige Konzepte und Erklärungsansätze aus der empirischen Medien- und Kommunikationsforschung eingeführt werden, begründet sich dies aus der Zielstellung, die operative Erschließungskraft des konzeptuellen Rahmens zu erhöhen und die Analyse einen Schritt näher an das empirische Material sowie die Mechanismen und Strukturen der öffentlichen Meinungsbildung heranzuführen. „Unser Material“ - um noch einmal Max Weber zu zitieren - „unser Material sind ja die Zeitungen selbst“ (Weber 1924/1988: 443). Ansätze der empirischen Medienforschung bieten eine Dimensionierung von Medieninhalten und erlauben es damit, die komplexere öffentlichkeitstheoretische Frage nach Medien als politischen Akteuren analytisch zu übersetzen. Darüber hinaus kann von einer Integration von Konzepten der Medienund der Medienwirkungsforschung eine Anreicherung des begrifflichen Vokabulars erwartet werden. Es ist bereits angemerkt worden, dass Öffentlichkeitsforschung unter den Bedingungen der Dominanz massenmedialer Öffentlichkeit ganz wesentlich auch Medienforschung ist. Erforderlich wird neben der Integration von Journalisten in die Typologie öffentlicher Sprecher auch die Analyse, in welchen Hinsichten überhaupt Aktivitätsspielräume für Journalisten bestehen, an welchen Stellen also die Berichterstattung und Kommentierung nicht durch Normen und Regulationen schon festgelegt sind. „Handeln beginnt erst dort, wo der noch nicht rationalisierte Spielraum anfängt, wo nicht regulierte Situationen zur Entscheidung zwingen“ (Mannheim 1929/1995: 100).
Damit ist die Ausbildung distinktiver politischer Profile der meinungsführenden Medien thematisiert, durch die sie sich in öffentlichen Diskursen als wieder erkennbare Akteure bewegen, sich über die Ausbildung spezifischer organisatori-
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4 Die Medien der Öffentlichkeit
scher Identitäten von ihren Wettbewerbern abgrenzen und damit schließlich zu einer polyphonen Strukturierung der öffentlichen Diskurse beitragen. Dabei ist durchgehend zu unterstreichen, dass bezüglich des Genres des Kommentars professionelle Objektivitäts- und Unparteilichkeitsnormen des Journalismus nur eingeschränkt gelten. Folglich greift auch ein spezifischer Aspekt insbesondere von Medienbias-Analysen nicht: nämlich implizite Neutralitäts- und Objektivitätsstandards vorauszusetzen, anhand derer Abweichungen und Verzerrungen diagnostiziert werden können. Stattdessen erscheinen redaktionelle Linien im Kommentar in Hinblick sowohl auf das einzelne Medium (Mesoebene) wie auch auf die Makroebene öffentlicher Diskurse als zentrale Strukturierungsmechanismen: Die einzelnen Medienorganisationen erzeugen damit völlig legitim ihre spezifische Identität, die sie für ihre Zielgruppen und Leser interessant macht; auf makrosozialer Ebene wird der tagesaktuelle Strom der Nachrichten in Hinsicht auf gesellschaftliche Präferenzen und Vielfaltsstrukturen geordnet und damit die Sinnstruktur öffentlicher Diskurse konstruiert. Jenseits dieser besonderen Rolle der redaktionellen Linien im Kommentar hat die Fokussierung auf organisations- und medienspezifische Handlungsspielräume des Journalismus auch Implikationen für die modernetheoretische Dimension des öffentlichkeitstheoretischen Bezugsrahmens. Um den Besonderheiten moderner Mediensysteme gerecht werden zu können, wird in der Forschung die Fokussierung auf redaktionelle Linien und überhaupt auf ideologische Faktoren als Erklärungsprinzip für journalistische Auswahlprozesse zurückgenommen auf weiten Strecken und insbesondere im Blick auf die Nachrichtenproduktion auch sicher zurecht (Gerhards 1994: 91 f.). Weithin anerkannt ist die Annahme, dass Selektionsentscheidungen zu großen Teilen durch Nachrichtenwerte gesteuert werden, die sich im professionalisierten Journalismus durchgehend und auch unabhängig von ideologischen Präferenzen der Akteure geltend machen.72 Auf der Rollenebene bildet sich dieser Umstand im Bedeutungsverlust von „missionarischen“, advokatorischen und agitatorischen zugunsten von reportage- und informationsorientierten Selbstverständnissen ab. Diese Tendenzen im Journalismus lassen sich differenzierungstheoretisch als Resultat der Autonomisierung der Massenmedien und ihrer Freisetzung aus politischen Abhängigkeiten deuten. Dennoch ist zu berücksichtigen, dass auch auf der Ebene der einzelnen Medienorganisationen weiterhin eine Spannung zwischen der medienspezifischen Orientierung an Nachrichtenwerten und der jeweiligen politisch-ideologischen 72
Der amerikanische Neo-Institutionalismus setzt daher eine vereinheitlichte und im Ganzen als politische Institution betrachtete Medienlandschaft voraus, womit Unterschiede zwischen verschiedenen Medienorganisationen nur nachgeordnet betrachtet werden. Bemerkenswert ist aber zugleich, dass sich nach einer weitgehenden Diskreditierung von Konzepten persuasiver und ideologischer Medien in jüngerer Zeit wieder verstärktes Interesse auf Medienpersuasion richtet.
4.2 Dimensionen von Medienhandeln
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Profilierung besteht, und zwar aus strukturellen Gründen und nicht nur im Sinne eines abschmelzenden historischen Residuums. Als Bezugs- und Erklärungsproblem stellt sich sowohl für politisch eher indifferente Medienforschungskonzepte wie auch für die Analyse von Bias und redaktionellen Linien die Frage der journalistischen Auswahl und Selektion, die sich aus dem Umstand beschränkter Ressourcen und Kapazitäten für Publikationen ergibt: Journalistische Akteure sind angesichts der Komplexität des politischen Nachrichtenstroms (in schwächerem Maße auch in „nachrichtenarmen“ Zeiten) auf Kriterien der Unterscheidung des Wichtigen vom Unwichtigen angewiesen. Aus diesem gemeinsamen Bezugspunkt der kommunikationswissenschaftlichen Ansätze zu Nachrichtenwerten und redaktionellen Linien ergibt sich eine sachliche Komplementarität. Sowohl die Auswahl und die Strukturen des Angebotes entlang von Nachrichtenfaktoren wie auch gemäß der Kompatibilität mit der „redaktionellen Linie“ geben Antworten und handlungspraktische Orientierungen für das Problem der journalistischen Selektion (Maurer und Reinemann 2006: 101 ff.).73
4.2 Dimensionen von Medienhandeln Nachfolgend werden kommunikationswissenschaftliche Ansätze zur Rolle der Medien eingeführt, die es ermöglichen, Medien als Kontext und Akteur (Jarren 1996) in die Konzepte der Öffentlichkeitstheorie zu integrieren.74 Eine durchgehende Gemeinsamkeit dieser Ansätze besteht in dem Ziel, Medienwirkungen und Strukturen von Medieninhalten zu erklären. Sie setzen dabei in der Regel an den individuellen Rezipienten an und bewegen sich insofern mit kausal erklärenden Ansprüchen auf der Mikroebene. Ein klassisches Design für empirische Studien zur Überprüfung von Einflussrichtungen und Wirkungspotenzialen besteht in der Verknüpfung von Befragungsdaten mit Medieninhaltsanalysen. 73 Gegen eine Betrachtung von Nachrichtenwerten als quasi anthropologischen und kognitionspsychologischen Fixpunkten muss in Rechnung gestellt werden, dass unterschiedliche Mediengattungen und Einzelmedien diese Nachrichtenfaktoren unterschiedlich gewichten und mit unterschiedlicher Stärke in ihre Selektionsentscheidungen eingehen lassen. Andernfalls müssten bis auf Zufallsabweichungen alle Medien gleich berichten. Auffällig ist aber bspw. die ganz unterschiedliche Gewichtung des Nachrichtenfaktors Prominenz in Boulevardmedien und den im Folgenden untersuchten Qualitätszeitungen. 74 Neben der konzeptuellen Berücksichtigung der Medien im öffentlichkeitstheoretischen Kontext ist damit auch eine Hinführung auf die Empirie der Kommentaranalyse verbunden. Die im Folgenden in ihren Kerngedanken kurz vorgestellten Ansätze der Medienforschung beziehen sich in ihren empirischen Operationalisierungen durchgehend auf die Ebene von Medieninhalten und werden unterschiedlich explizit in den empirischen Analysen in Teil II der vorliegenden Studie aufgegriffen.
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4 Die Medien der Öffentlichkeit
Ansätze wie die Agenda-Setting-Forschung blicken mittlerweile auf eine nicht unbeträchtliche Lebensdauer und Entwicklungszeit zurück und haben sich in ihren Grundannahmen als weitgehend verlässlich erwiesen, sind diesen Grundannahmen zum Teil aber auch weitgehend verhaftet geblieben (Brosius 1994). Mit der Validierung und Etablierung der Kerngedanken und -befunde geht im internationalen Rahmen ein hoher Grad der Spezialisierung der Forschung einher, deren Verzweigungen und Kontroversen in unserem Rahmen weitgehend vernachlässigt werden können.75 Von der mikrosozialen Ebene lassen sich nämlich Brücken zu makrosozialen Dimensionen schlagen. Es verschieben sich durch diese Kontextualisierung in einem anderen Bezugsrahmen aber Relevanzkriterien und Gesichtspunkte. Daher geht es weniger um die immanente Verfeinerung der relevanten Ansätze, sondern um die Entfaltung ihrer Kernthesen und derjenigen der von ihnen fokussierten Realitätsausschnitte, die auch für die Analyse der Kommentaragenda von Bedeutung sind. So lassen sich bei Orientierung auf unterschiedliche Ebenen des Sozialen deutliche Parallelen bspw. zwischen Agenda-Setting und Agenda-Building-Ansätzen nachweisen.
4.2.1 Journalistische Auswahlkriterien: Nachrichtenwerte In einem ersten Schritt richtet sich das Interesse auf die Entstehung von spezifischen Medieninhalten, von bestimmten Themenstrukturen und Agenden. Hier handelt es sich um Fragen nach den Kriterien, anhand derer Journalisten aus dem täglichen Strom an Ereignissen und Geschehnissen bestimmte „news“ als berichtenswert auswählen und dem Publikum nahe bringen. Dieser Prozess lässt sich in konstruktivistischer Perspektive als ein durch eigene Regeln gesteuerter Prozess betrachten, der dazu führt, dass die Medienrealität nicht nur eine verdichtete Version der außermedialen Realität ist, sondern ein, wenn auch auf die außermediale Realität verweisendes, durch Selektions- und Filterprozesse erzeugtes Kunstprodukt. In der kommunikationswissenschaftlichen Forschung ist hier insbesondere die Nachrichtenwert-Theorie zu einem einschlägigen Bezugspunkt geworden (Eilders 1997; Staab 1990). Sie beschäftigt sich mit spezifischen Merkmalen von Ereignissen und Nachrichten, die als Nachrichtenfaktoren bezeichnet werden. Es handelt sich dabei um Merkmale wie Kontroverse und Konflikt, geographische Nähe, Schaden und Negativität, hoher Status und Elitezugehörigkeit, aber auch um die Bekanntheit und Eingeführtheit bzw. Neuigkeit 75 Überblicke zur politischen Kommunikationsforschung bieten mit starkem Akzent auf solchen mikrosozialen Wirkungstheorien Schenk (Schenk 2007), Schulz (Schulz 1997) sowie McQuail (McQuail 1992).
4.2 Dimensionen von Medienhandeln
79
von Ereignissen. Diese im Einzelnen auch unterschiedlich systematisierten Nachrichtenfaktoren erzeugen im Zusammenspiel mit kognitiven Mustern bei gehäuftem Auftreten einen hohen Nachrichtenwert von Ereignissen und erhöhen damit die Wahrscheinlichkeit der Medienberichterstattung. Die Erklärung von Medieninhalten über Nachrichtenfaktoren kann weitergehend durch dynamische Gesichtspunkte zur Entwicklung von Themenkarrieren und Aufmerksamkeitszyklen ergänzt werden. In dieser Perspektive lassen sich berichtsrelevante Ereignisse oder Probleme dynamisch nach bestimmten Phasen des Aufschwungs und des Niedergangs qualifizieren. Auch prinzipiell relevante Themen durchlaufen also gewisse Inkubationsphasen, in denen sie auf der Medienagenda etabliert werden, und sie unterliegen bei dauerhafter Berichterstattung gewissen Abnutzungserscheinungen, weshalb sie durch andere Themen wiederum von der Agenda verdrängt werden können. Veränderungen der Medienagenda ergeben sich in dynamischer Perspektive also nicht nur aus den intrinsischen Nachrichtenwerten, sondern auch aus den Verlaufsmustern solcher Themenkarrieren. In der Literatur ist dieser Gesichtspunkt eng mit dem Begriff des „issue-attention-cycle“ verbunden (Downs 1972; Hilgartner und Bosk 1988; Koopmans 1996; Pfetsch 1994; Ruß-Mohl 1993). Allerdings werden Auswahlprozesse der Medien nicht nur von der Seite der Themen und Ereignisse gesteuert, sondern auch durch journalismusseitige Faktoren. Es ergeben sich gewisse Veränderungen in der journalistischen Perzeption von Nachrichtenfaktoren je nach Position im sozialen und ideologischen Raum. Vor allem für die Analyse von Schlagseiten und „Verzerrungen“ der Medienberichterstattung sind hier „ideologische“ Faktoren und „redaktionelle Linien“ der Medien relevant.76
4.2.2
Bias, redaktionelle Linien und opportune Zeugen
Schon die spezifische Strukturierung der Themenauswahl ist kein vollkommen professionell-neutraler Vorgang. Gerade in der spezifischen Anwendung des durch Nachrichtenwerte gegebenen Auswahlmusters liegt eine brisantes Politikum, das über Zugang zum und Ausschluss vom politischen Prozess entscheidet. Mit dem Begriff der redaktionelle Linie werden aber nicht nur in den Grenzen professioneller Zuverlässigkeit vorgenommene Akzentsetzungen gemäß der Identität des jeweiligen Mediums und auch der Interessen seines Publikums 76 Erklärungsansätze qua Nachrichtenfaktoren und redaktionellen Linien werden hier weniger als Alternativen denn als komplementäre Perspektiven verstanden. Redaktionelle Linie und ideologische Faktoren bzw. politische Interessen gelten daher auch nicht als eine Art Residuum aus der Frühzeit des modernen Journalismus.
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4 Die Medien der Öffentlichkeit
verbunden, sondern auch erhebliche Verletzungen von Kriterien „guten Journalismus“ durch Tendenziosität, kampagnenartige Missachtung der Berichterstattungspflichten und massive ideologische Voreingenommenheit. Vor allem Medien, die sich als Organe des politischen Kampfes verstehen, verkörpern einen derartigen redaktionellen Bias. In modernen Mediensystemen treten solche Rollenauffassungen und Selbstverständnisse aber bis auf Ausnahmen immer mehr zurück oder sind zumindest nicht unangefochten.77 Die Forschung hat aber auch Mechanismen der Konstruktion von Bias entdeckt, die mit einer Achtung der Objektivitätsnorm im Einklang stehen. Die sog. „instrumentelle Aktualisierung“ (Kepplinger 1989) oder die Mobilisierung von „opportunen Zeugen“ (Hagen 1992, 1993) sind einschlägige Konzepte zur Beschreibung indirekter und subtiler Formen der Tendenziosität und der Konstruktion von Bias. Sie weisen nach, dass durch selektive Thematisierungen anhand von politisch-ideologischen Vorlieben auch bei Achtung der Objektivitätsstandards ein Bias der Berichterstattung erzeugt wird, der offenen Formen der Parteilichkeit in seiner Wirkungskraft und seinen Folgen nicht nachstehen muss. Er wird aber nicht durch die Verletzung von Ansprüchen auf adäquate Darstellung politischer Akteure erzeugt und beachtet auf der manifesten Textebene die Normen der Trennung von Nachricht und Meinung.78 Die Heranziehung von Experten zu umstrittenen Sachfragen, die mit der redaktionellen Linie in Einklang stehen bei gleichzeitiger Unterrepräsentation von Gegenexperten mit abweichenden Stellungnahmen, ist eine Variante dieses Mechanismus. Die Berichterstattung kann in solchen Fällen vollkommen konform mit den Stellungnahmen der medienexternen Akteure verlaufen und den Sinn von deren Aussagen mit mathematischer Präzision wiedergeben, aber im Aggregat dennoch sig77
Die Veränderungen der professionellen Selbstverständnisse müssen dabei selbstverständlich nicht unbedingt mit einer politischen Neutralität auch der publizistischen Beiträge korrespondieren. Neben einer Differenz zwischen Norm und Praxis sind auch Gesichtspunkte wie die Auffassungen der journalistischen Arbeitgeber (Herausgeber, Medieneigner), der Anzeigenkunden und Inserenten oder auch der Zielgruppen und des Publikums von Bedeutung für die Ausgestaltung der gedruckten oder gesendeten Beiträge. Bemerkenswert in den zeitgenössischen Kontroversen ist der Streit über die Richtung des dominanten Bias der Medien. Für den US-amerikanischen Fall findet sich die Diagnose eines linkstendenziösen Journalismus etwa bei Lichter, Rothman und Lichter (Lichter, Rothman und Lichter 1986), während Alterman die „liberal media“-These zum Mythos erklärt und komplementär vor allem einen konservativen Bias ausmacht (Alterman 2003). Als „hostile media“-Phänomen wird allgemein die Annahme und der Befund bezeichnet, Medien als tendenziös und überdies als jeweils eigenen Präferenzen entgegengesetzt wahrzunehmen (Vgl. Arpan und Raney 2003; Gunther 1992; Vallone, Ross und Lepper 1985). 78 Mit Funkhouser lassen sich auch Mechanismen der medialen Selektion als Bias ausmachen, der weder auf Meinungstendenzen noch auf eine vermeidbare Verletzung von Objektivitätsstandards zurückzuführen ist. „At any given time, the ‘big issue’ in the news was not necessarily really the big issue. Apparently news bias does not have to involve opinions and viewpoints, but can occur as a sort of sampling bias – that is, as systematic deviations from reality” (Funkhouser 1973: 74).
4.2 Dimensionen von Medienhandeln
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nifikante Schlagseiten erzeugen, die dem Rezipienten eine ausgewogene Perspektive auf beide Seiten eines „publizistischen Konflikts“ (Kepplinger, Hachenberg und Frühauf 1977) erschweren.79 Professionelle journalistische Normen und Kriterien formen die Gestalt von Medieninhalten, schließen aber eine politische Tendenz und Stellungnahme nicht aus. Schließlich ist die politische Öffentlichkeit von Konflikten und Kontroversen durchzogen, denen sich auch journalistische Akteure nicht vollkommen entziehen können. Die in der Literatur begrifflich wenig spezifizierte „redaktionelle Linie“ lässt sich im Sinne der Bourdieuschen Feldtheorie (vgl. 3.2.1) als Manifestationen von Kraftlinien in sozialen Feldern fassen. Diskursive Felder sind als Machtfelder wie Magnetfelder von Anziehungen und Abstoßungen, von Unter- und Überordnungen durchzogen, die in den Handlungen der Akteure sichtbar und manifest werden. Wie Eisenspäne sich in einem Magnetfeld zu bestimmten Gestalten ordnen und dabei Kraftlinien sichtbar machen, so richten sich die einzelnen Medien in den Kraftlinien medienöffentlicher Diskursfelder aus und gewinnen ein Profil, das sich als redaktionelle Linie beschreiben lässt. Nachrichtenwerte, Themenkarrieren und redaktionelle Linien sind Elemente zur Erklärung von Medieninhalten. Welche Wirkungen der Medieninhalt auf das Publikum und dessen Einstellungen - aber auch auf die Politik und deren Themen und Entscheidungen - hat, ist eine darüber hinaus weisende, kanonische Fragestellung. Jenseits der Annahme starker Medienwirkungen in Form direkter Einstellungsänderungen ist auch in diesem Feld vor allem die Setzung und Strukturierung von Themen in den Blick der Forschung gekommen.80
4.2.3 Agenda-Setting, Framing, Priming und Agenda-Building Der in der Medienwirkungsforschung sehr einflussreiche Agenda-Setting-Ansatz (Cohen 1963; Luhmann 1970; McCombs und Shaw 1972) profilierte sich nicht zuletzt gegen Konzepte der Persuasionsforschung, die einen direkten Einfluss der Medien auf die Einstellungen der Rezipienten unterstellten. Seine zentrale These postuliert, dass die Medien respektive die Presse, weniger beeinflussen, wie die Rezipienten über bestimmte Dinge denken, als vielmehr, worüber sich die Bürger Gedanken machen, dass also die Presse 79 Kaum thematisiert wird in dieser gängige Perspektive der Medienforschung allerdings eine Form von Bias, die auf die Vermeidung von Abweichung und damit von sozialem (oder persönlichem Wandel) zielt. In der ökonomischen Entscheidungstheorie ist demgegenüber der Begriff des „StatusQuo-Bias“ durchaus eingeführt (Samuelson/Zeckhauser, Kahneman/Knetsch). 80 Methodisch müssen neben Medieninhalten zur Wirkungsanalysen offensichtlich auch Einstellungen der Bürger und des Publikums untersucht werden und dies idealerweise in dynamischer und longitudinaler Perspektive.
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4 Die Medien der Öffentlichkeit
„may not be successful much of the time in telling the people what to think, but it is stunningly successful to tell its readers what to think about“ (Cohen 1963: 13).
Sie beeinflusst also - so der Kerngedanke - weniger spezifische Einstellungen, vielmehr setzt sie „Themen“ und steuert die Aufmerksamkeit und die Relevanzwahrnehmungen der Bürger. In einer partiellen Abkehr von Annahmen einer ideologischen „Allmacht“ der Medien im Sinne einer simplen Vorstellung von „Manipulation“ haben die zahlreichen Studien zum Agenda-Setting sich also auf einen weniger spektakulären, dafür aber spezifischeren und dabei keineswegs trivialen Aspekt der Medienwirkung konzentriert.81 Eine gewisse Wiederaufnahme der stärker auf persuasive Medienwirkungen konzentrierten Tradition verfolgt ein Ansatz, der Medieneffekte auch in der Bedeutungsgebung durch Medien ansiedelt. Es handelt sich hier um die „zweite Ebene“ des Agenda-Settings, das sog. “attribute agenda setting“ oder “secondlevel-agenda-setting” (Benton und Frazier 1976; McCombs 2005). Hier werden zwei Ebenen von Medieneinfluss unterschieden: „The agenda-setting influence of the press operates at two sequential levels in the communication-process: attention and comprehension” (McCombs 2005).
Es wird davon ausgegangen, dass die Medien qua Themenstrukturierung auch die Wahrnehmung bestimmter Merkmale und Eigenschaften von Themen beeinflussen, weil Themen immer schon mit werthaltigen Bedeutungen verknüpft sind, die wiederum auch folgenreich für das Verständnis und die Einstellungen des Publikums sind („salience“). Die Zuweisung unterschiedlicher Wichtigkeiten und bestimmter Rangplätze zu Eigenschaften und Gegenstandsdimensionen durch die Medien wird als „Priming“ bezeichnet. Das Priming-Konzept unterstreicht, dass durch die Aufwertung bestimmter Gegenstandsdimensionen zugleich die Bewertungsdimensionen des Publikums bspw. in Anbetracht bestimmter Akteure verändert werden. So kann es ein Medieneffekt sein, ob ein Präsident vor allem in Hinblick auf seine außenpolitischen Leistungen oder seine sozialpolitischen Erfolge beurteilt wird. Auch mit dieser Wirkrichtung wird den Medien kein „manipulativer“ Durchgriff auf das Bewusstsein von Rezipienten 81
Das Konzept des Agenda-Settings hat eine Vielzahl von empirischen Analysen stimuliert und eine ganze Forschungsindustrie in die Welt gesetzt (Vgl. zum Überblick McCombs 1981, 2005; McCombs und Shaw 1972; Rogers, Dearing und Bregman 1993; Rössler 1997). Die Masse der einschlägigen Studien erklärt sich nicht zuletzt durch die Übersichtlichkeit und gute Replizierbarkeit des Vergleichs von Mediendaten mit Bevölkerungsdaten. Ohne den produktiven und gesicherten Grundgedanken dieser Forschungen in Frage zu stellen, werden die theoretischen Fortschritte einer sich über mehrere Jahrzehnte erstreckenden Forschung mitunter auf den Prüfstand gestellt (Brosius 1994). Vgl. als Impulsgeber für die bundesdeutsche Rezeption auch Luhmann (Luhmann 1970).
4.2 Dimensionen von Medienhandeln
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unterstellt. Es wird aber davon ausgegangen, dass die Bewertung des Publikums von der thematischen Fokussierung der Medien nicht völlig unabhängig ist. Ähnliche Dimensionen werden auch mit dem Framing-Ansatz untersucht, der unter anderem in Anschluss an Goffman (Goffman 1980) auch jenseits der Medienforschung Einfluss errungen hat (Donati 2001). Mit Goffman lassen sich Frames verstehen als “schemata of interpretation that enable individuals to locate, perceive, identify, and label occurrences within their life space and the world at large” (Snow et al. 1986: 464). „To frame is to select some aspects of a perceived reality and make them more salient in a communicating text, in such a way as to promote a particular problem definition, causal interpretation, moral evaluation and / or treatment recommendation for the item described” (Entman 1993: 52).
Medien „rahmen“ also die berichteten Themen und Ereignisse, indem sie bestimmte Bedeutungsstrukturen der Interpretation mobilisieren und damit ein gewisses Verständnis der Informationen begünstigen. Weil bestimmte Themen je nach Kontext und Zusammenhang einen ganz unterschiedlichen Stellenwert haben können, sind solche Rahmungsstrategien auch in Hinsicht auf Medienwirkungen nicht zu vernachlässigen.82 Die bisher genannten Variationen der Grundargumente des Agenda-SettingAnsatzes rücken vor allem das Interdependenz- bzw. Kausalverhältnis zwischen Medienagenda und Bevölkerungsagenda in den Mittelpunkt. Der Grundmechanismus der Themensetzung lässt sich aber auch innerhalb des Mediensystems selbst beobachten. Einer der Faktoren und Wirkungsmechanismen, die einer Fragmentierung und Desintegration der Medienagenda entgegenwirken, wird im Anschluss an das Konzept des Agenda-Setting als Inter-Media-AgendaSetting bezeichnet. Während die Rede von „der“ Medienagenda im Singular eine gewisse Homogenität zu unterstellen scheint, verweist dieser Inter-MediaAgenda-Setting schon im Ansatz auf Prozesse der Koorientierung im Mediensystem und die Beeinflussung der Medien durch die Medien selbst. 82 Diese Weiterentwicklungen des Agenda-Setting-Ansatzes beinhalten auch methodische Implikationen und reagieren auf ein gewisses Unbehagen an stark abstrahierenden, selektiven und standardisierten Formen der Inhaltsanalyse im Sinne des „counting words“ (Dahinden 2006; Donati 2001; Eilders und Lüter 2000; Ferree 2003; Gerhards und Rucht 1998; Scheufele 2003; Scheufele 1999). Mit dem Framingkonzept, das nicht nur Themensetzungen, sondern Bedeutungsstrukturen und kognitive Rahmungen in den Blick nimmt, integriert die Kommunikationsforschung qualitative und interpretative Methoden. Solche auf Verstehensdimensionen rekurrierenden Bedeutungsanalysen sind methodisch anspruchsvoll und haben zunächst zu einer gewisse Inflationierung von Frame-Begriffen („fractured paradigm“) geführt (Entman 1993).
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4 Die Medien der Öffentlichkeit
Es kann von Konvergenzen ausgegangen werden, die bspw. durch gemeinsame professionelle Normen wie auch durch den Bezug von Nachrichten durch Agenturen induziert werden. Auf der anderen Seite finden sich aber gerade in modernen, sozial hochkomplex strukturierten Gesellschaften verschiedene Publikumsgruppen, „Sponsoren“ für bestimmte Themen und Tendenzen usw., so dass immer auch mit entgegenwirkenden, zentripetalen Faktoren zu rechnen ist, die für Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Agenden der verschiedenen Medien sorgen. Inter-Media-Agenda-Setting beinhaltet auch, dass die Medienlandschaft nicht nur regellos fragmentiert, sondern auch nach bestimmten sozialen Kriterien strukturiert ist. Es ergibt sich ein Gefüge der wechselseitigen Beobachtung der Journalisten und der kontinuierlichen Koorientierung, wobei sich bestimmte Medien als Leitmedien in der Gunst ihrer Kollegen und Konkurrenten auszeichnen. Sie verfügen über besonders relevante Quellen, bringen besonders häufig wichtige oder neuartige Beiträge oder sind einfach deshalb interessant, weil sie viele Leser erreichen und damit ein Agenda-Setting betreiben, dessen Effekte auch andere Medien nicht vollkommen ignorieren können. Hier spielen Kriterien wie Prestige und Vorbildlichkeit, wirtschaftliche Potenz und Reichweite der jeweiligen Medienorganisationen eine Rolle. Inter-Media-Agenda-Setting beschreibt solche Prozesse der Formung der Medienagenda durch exponierte Leitmedien. Es geht um die Beeinflussung von Journalisten durch Journalisten, um die Wirkungen von Medien auf Medien. Die kommunikationswissenschaftlichen Ansätze zu Medieninhalten und Medienwirkungen sind im Rahmen der policy-Analyse auch von politikwissenschaftlichen Autoren (Ruß-Mohl 1993; Schneider und Janning 2006; WindhoffHéritier 1987) aufgenommen und weiterentwickelt worden. Hier ist vor allem der Ansatz des Agenda-Buildings zu erwähnen, der sich weniger für die Wirkungen auf Rezipienten interessiert, als vielmehr auf die Startphase des „policycycles“ fokussiert und die Entstehung einer politischen Tagesordnung untersucht, die weitergehend zur Politikformulierung, zur Implementation und Evaluation führt (Cobb, Ross und Ross 1976; Cobb und Elder 1981, 1971; Kingdon 1995, 1993; Nelson 1991, 1984; Pfetsch 1986; Windhoff-Héritier 1987). Systematisch lässt sich Agenda-Building dem Agenda-Setting vorordnen, wobei selbstverständlich auch von dynamischen Rückwirkungen und zirkulären Prozessen auszugehen ist. Agenda-Building beschreibt die Strategien und Effekte der politischen Akteure zum Aufbau und zur Beeinflussung einer Medienagenda. Gelingt dieser Prozess der Setzung von Themen und Bewertungen, dann schließt sich die von Agenda-Setting-Analysen fokussierte Dimension der Beeinflussung der Bevölkerungsmeinung an.
4.2 Dimensionen von Medienhandeln
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Agenda-Setting-Untersuchungen beziehen sich also auf das Verhältnis von Medien und Publikum (Bevölkerungsmeinung), während Agenda-BuildingStudien den Aufbau einer Agenda, einer Tagesordnung des zu Tuenden, durch gesellschaftliche und politische Akteuren untersuchen. Die unterschiedlichen Ansatzhöhen dieser Agenda-Theorien, einmal auf der Mikroebene von Individuen mit stark sozialpsychologischem Einschlag und einmal auf der Makroebene mit Bezug auf den politischen Prozess und politische Institutionen, schließen dabei konzeptionelle Integrationsversuche nicht aus. Bezogen auf das Aggregat der Medienakteure - gewissermaßen die medienöffentlichen Diskurse als Ganzes - ist in der bundesdeutschen Diskussion mit dem Konzept der Medienkonsonanz ein Vorschlag formuliert worden, der mit erklärendem Anspruch sowohl die Dimensionen, wie auch die Bedingungen und Voraussetzungen der Effekte von Medienhandeln zu beschreiben versucht.
4.2.4 Medieneffekte durch Fokussierung und Konsonanz? Die Variablen Fokussierung und Konsonanz lassen sich anschließend an NoelleNeumann als entscheidende Stellgrößen dafür begreifen, ob und wie ein Medienund „Meinungsklima“ sozial und politisch Folgen und Effekte erzeugt (Eilders 2002, 2000b; Noelle-Neumann 1973; Noelle-Neumann und Mathes 1987). Fokussierung meint hier, dass die Medien einen gemeinsamen thematischen Fokus ausbilden, zur gleichen Zeit also über gleiche Themen berichten. Damit sind Zuweisungen von Wichtigkeit verbunden, die auch außerhalb des Mediensystems selbst Anschlusszwänge auslösen. Themen, die in der Medienöffentlichkeit einheitlich verhandelt und als wichtig betrachtet werden, lassen sich weniger leicht ignorieren und beschweigen als solche, über deren exponierten Stellenwert Dissens besteht. Die Dimension der Konsonanz geht noch einen Schritt weiter. Konsonanz meint, dass die Medien nicht nur über gleiche Themen sprechen, sondern ihre Kommunikation auch in gleichgerichtete oder ähnliche Richtung weist. Konsonanz ist „schwächer“ als Konsens, zeigt aber an, dass sich gewisse Meinungssynthesen herausgebildet haben, die Abweichungen mit negativer Sanktion bedrohen. Im Fall starker Konsonanzen entsteht Druck auf extra-mediale Akteure, auf Themensetzung politisch auch in einer bestimmten Richtung zu reagieren. Hier sind Problemlösungsoptionen avisiert, die wiederum nur unter Gefahr des Zustimmungs- und Prestigeverlustes ignoriert werden können. Schon auf konzeptioneller Ebene stellt sich allerdings die Frage, inwieweit die Konzepte von Fokussierung und Konsonanz einen strukturell angelegten Meinungspluralismus mit der Begründung von Medieneffekten verbinden kön-
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4 Die Medien der Öffentlichkeit
nen. Moderne Gesellschaften verfügen über eine ausgeprägte innere Differenzierung und Vielschichtigkeit, die zwar nicht ausschließt, dass weitgehende Einigkeit über relevante Themen und das Terrain sozialer Auseinandersetzungen herrscht, es aber schon hypothetisch als unwahrscheinlich erscheinen lässt, dass tatsächlich dauerhaft und als Regelfall ausgeprägte Konsonanzen entstehen. Das Konzept von Fokussierung und Konsonanz hält an diesen Größen fest, obschon Vielfalt und Pluralität auch geschützte Güter darstellen und im Zentrum eines demokratischen Öffentlichkeitsverständnisses stehen. Sind Medienwirkungen also nur um den Preis der Einschränkung von Pluralismus und Vielfalt zu haben? Sind Pluralismus und Medieneffekte nur als Nullsummenspiel denk- und modellierbar? Ein graduelles Verständnis von Fokussierung und Konsonanz vermeidet schon gewisse konzeptuelle Probleme. Abweichende Stimmen und Akteure, die sich nicht in eine Meinungsmehrheit einfügen, sind wichtige, konzeptuell zu berücksichtigende Elemente liberaler Demokratie. Eine Begrenzung von Fokussierung und insbesondere von Konsonanz auf die Mesoebene einzelner Medien anstelle der Makroebene der Medienöffentlichkeit eröffnet Perspektiven einer weniger kontrafaktischen Nutzung. Es kann dann gefragt werden, inwiefern spezifische Medien, die im Gesamtspektrum über unterschiedliches Gewicht verfügen (Reichweiten, Prestige, Status der Leserschaft), Konsonanzen ihrer Kommentarlinien herausbilden, die sie in die Nähe strategiefähiger Akteure rücken (Raschke 2002; Raschke und Tils 2007). Inwieweit wählen Medien also bestimmte Themen aus, die zu Schwerpunkten der Berichterstattung und Kommentierung werden und damit einen dauerhaften Agenda-Setting-Effekt ermöglichen? Inwieweit sind Medien in der Lage, im Strom täglicher Nachrichten und Ereignisse relativ stabile und geschlossene Meinungen zu artikulieren und durchzuhalten? Und vor allem: Inwiefern profilieren sie sich durch eine solche, trotz täglichen Aktualitätsdrucks durchgehaltene Akzentsetzung im Wettbewerb mit anderen Stimmen und Medienorganisationen? Diese Analyseperspektive beinhaltet auch eine Modifikation einiger Elemente der „Kommentarstudie“ am Wissenschaftszentrum Berlin (vgl. Eilders 2004a). Die Orientierung an der von Noelle-Neumann vorgezeichneten Medienwirkungsforschung kann nämlich zu einer verkürzten Interpretation von „Medien als politischen Akteuren“ führen. Die Differenzierung von Organisations- und Gesellschaftsebene, also von Meso- und Makroebene wird unterschlagen, wenn behauptet wird, dass die „Zeitungen nur dann als kollektiver Akteur wahrgenommen werden, wenn sie ‚mit einer Stimme sprechen’“ (ebd.: 221). Schon ein Blick auf die eingangs angesprochene, symbolträchtige Spiegel-Affäre genügt, um diese Annahme in Frage zu stellen. Eilders sieht aber in der „Homogenität der Medienstimme“ die „zentrale[r] Größe“ (ebd.: 197) und konstatiert, dass
4.2 Dimensionen von Medienhandeln
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„Medienkonsens (…) auf die Unabhängigkeit eines Anliegens von strategischen und parteipolitischen Kalkülen und damit auf seine unbestrittene Dringlichkeit“ (ebd.: 204) verweise. Es soll daher auf „Effektpotenziale des Mediensystems als kollektivem Akteur“ (ebd.: 196) und den „Handlungsdruck der Zeitungen als ein [!] kollektiver Akteur“ (ebd.: 221) fokussiert werden. Selbstverständlich ist die Suche nach einer Vereinheitlichung des gesamten Mediensystems eine legitime und auch wirkungsanalytisch wichtige Forschungsfrage. Die vorliegenden empirischen Ergebnisse der Berliner Kommentarstudie zeigen aber ein nur schwaches realitätserschließendes Potenzial dieser Perspektive. Überdies ist die Bewertung des empirischen Phänomens alles andere als eindeutig („loss of diversity“), weshalb auch in normativen Öffentlichkeitstheorien von öffentlichen Meinungen verstärkt im Plural gesprochen wird. Im Blick auf die von Page exponierte Fragestellung nach „Medien als politischen Akteuren“ (Page 1996a: 20), muss jedoch unterstrichen werden, dass mit der Bindung einer medialen Akteursrolle an eine gesellschaftsweite Vereinheitlichung schon in die konzeptuelle Anlage fragwürdige Vorannahmen eingehen würden und das Potenzial der steuernden Fragestellung unausgeschöpft bliebe. Deshalb untersucht Page auch in erster Linie spezifische Medienorganisationen und fragt, inwiefern diese vereinheitlicht und „intentional“ gerichtet als politische Akteure und damit unter Umständen auch als Mandatare bestimmter Interessen und Orientierungen auftreten. In materialen Arbeiten zum Thema setzt er an Zeitungen wie der New York Times an (Page 1996b: 17-42). Zu Recht bindet Page die Akteursrolle von Medienorganisationen aber nicht an die Voraussetzung einer „Gleichschaltung“ der Linien aller Zeitungen oder der gesamten Medienöffentlichkeit. Zwar ist unstrittig, dass Journalisten berufskulturell einheitlichen Einflüssen (redaktionelle Organisationsformen, professionelle Sozialisation usw.) unterliegen und geteilte Wahrnehmungsmuster herausbilden. Die Gleichsetzung von Medienvereinheitlichung mit unvoreingenommener Problemwahrnehmung, Sicherung gegenüber gesellschaftlicher Desintegration und Fragmentierung etc. bleiben jedoch fragwürdig und auch in ihren normativen Implikationen problematisch.83 In der vorliegenden Studie wird als Vorausset83 Auch Page formuliert: „On the other hand, however, if most or all influential media promoted the same policy views, and if those views were badly out of touch with the values and interests of ordinary citizens, public deliberation might be stifled and the citizenry misled” (Page 1996a: 23). Eine neuere US-amerikanische Studie zu “Editorial and Opinion” sieht vor allem in der Größe „Diversity“ einen zentralen Faktor der demokratischen Funktionalität der Medien. Kritische Einschätzungen beziehen sich hier auf Verluste der Perspektiven- und Meinungsvielfalt vor allem auf lokaler Ebene, (Hallock 2007). „The dissapearance of (…) diversity is a symptom of a changing American economic and political climate that threatens the maintenance of a democracy that depends on pluralism and multiculturalism. It is a system of government that even those who have opposed each other on the brench of the nation’s highest court have recognized requires an availability of opposing and differ-
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4 Die Medien der Öffentlichkeit
zung des Akteursstatus der Medien daher nicht die gesellschaftsweite Übereinstimmung (Mediensystem = kollektiver Akteur), sondern die Profilbildung einzelner Zeitungen (Medienorganisation = kollektiver Akteur) angesetzt. Erst die Übersetzung der Konzepte von Fokussierung und Konsonanz auf die Meso-Ebene von Zeitungen und Redaktionen ermöglicht, das Konzept von „Medien als politischen Akteuren“ empirisch zu öffnen und in Analysen der Strategiefähigkeit politischer Akteure von politikwissenschaftlicher Seite zu integrieren (Raschke 2002; Raschke und Tils 2007).84 Noch einmal: Unter den Bedingungen pluralistischer Öffentlichkeiten sind Fokussierung und Konsonanz in empirischer Perspektive nicht oder nur in Ausnahmefällen auf der Makroebene zu erwarten, sondern vielmehr auf der Meso-Ebene der Redaktionen und der einzelnen Medien oder Mediengruppen. Mit den historischen Parteimedien liegt der expliziteste Fall einer derartigen „Meso-Konsonanz“ zur Gewinnung politischer Strategiefähigkeit vor. Mit dem Ansatz an redaktionellen Linien und Zeitungsunterschieden eröffnet sich daher ein konzeptueller Zugang zur „Binnendifferenzierung“ des Mediensystems entlang politischer Spaltungslinien und „cleavages“ (dazu schon Gerhards 1993; grundlegend zum Konzept der Konfliktlinien auch Rokkan 2000).85 Es ist vor diesem Hintergrund davon auszugehen, dass auch und gerade die politische Öffentlichkeit sich als „Institutionalisierung des Widerspruchs“ (Rucht 1988) fassen lässt, wobei sich gegenüber nicht-öffentlichem Dissens allerdings die Bearbeitungsmodalitäten erheblich verändern. Die Stimmen der Medien werden sozial also nicht als nur „Konsensmaschinen“ wichtig, sondern auch als Transformatoren der Konfliktaustragung. Daher lässt sich schon theoretisch annehmen, dass deren strategische Profilierung sich von denjenigen der politischen Akteure in mancher Hinsicht unterscheidet. Anzumerken ist allerent thoughts, ideas, and ideals in the public forum” (ebd.: 125). Mutz zeigt im Blick auf Rezipienten, dass gerade Diskurse, die „two-sided arguments“ und „dissimilar views“ enthalten, zu einer verbesserten Problemwahrnehmung führen können (Mutz und Martin 2001) und auch die Beteiligung und Partizipation der Bürger anregen können (Mutz 2002). 84 Berücksichtigt ist diese Analyseperspektive in eigenen Framing-Analysen am Fallbeispiel Kosovokrieg und des „strategischen Framings“ der Medien in diesem Konflikt (Eilders und Lüter 2000). Auf der Makroebene des öffentlichen Diskurses zeigen sich in diesem Fall die für außenpolitische Fragen insgesamt typischerweise hohen Ähnlichkeiten zwischen den Medien („sphere of consensus“), die sich von umstrittenen Konfliktgegenständen („sphere of conflict“) absetzen lassen. 85 Die Binnendifferenzierung des Mediensystems bzw. der politischen Öffentlichkeit ist in der Literatur gelegentlich als Desiderat angemahnt worden. So hat bspw. Calhoun auf deren Vernachlässigung im deliberativen Öffentlichkeitsmodell hingewiesen (Calhoun 1992). Aber auch in eher strukturtheoretischen Modellen findet sich zwar die von uns aufgenommene Differenzierung verschiedener Sprechertypen. Die Sprechertypen selbst werden jedoch häufig als Letztelement und als homogen angenommen. Einen weiterführenden Ansatz zur Sprechergruppe der Experten bietet demgegenüber die Unterscheidung von Experten und Gegenexperten (Vgl. Daele 1996; Rucht 1988).
4.3 Die Beziehungen von Medien und Politik
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dings noch, dass die Voraussetzung gewisser Grade von Fokussierung und Konsonanz auf der Ebene von Medienorganisationen zu Spannungen mit dem Kriterien der Binnenpluralität führen kann. Vor dem Hintergrund theoretischer Überlegungen zu redaktionellen Auswahl- und Sozialisationsprozessen ist davon auszugehen, dass die innerredaktionelle Vielfalt relativ klare Grenzen hat. Spezifische Medien ziehen in Prozessen der Selbstselektion bestimmte Journalisten stärker an als andere. Redaktionelle Routinen und explizite Koordinierung, auch Prozesse einer vorbewussten Koorientierung im Sozialsystem „Redaktion“ verstärken die damit gegebenen Affinitäten und lassen ein hohes Maß an innerredaktioneller Konsonanz wahrscheinlich erscheinen (zu „reference group behaviour“ Merton 1995b: 217-366; Rühl 1989).86 Auch aufgrund berufskultureller und professionsübergreifender Mechanismen der Selektion und Sozialisation, die zu distinktiven Orientierung des Journalismus im Vergleich zur Gesamtbevölkerung oder zu bestimmten Berufsgruppen führen können, ist eine redaktionsinterne Konsonanz sehr viel wahrscheinlicher als eine auf der Makroebene der Medienöffentlichkeit angesiedelte Meinungskonsonanz. Mit den skeptischen Nachfragen zum Konzept von Fokussierung und Konsonanz muss allerdings die Suche nach fassbaren Brücken- und Vermittlungskonzept von Medien und Politik nicht ad acta gelegt werden. Jenseits der traditionellen kommunikationswissenschaftlichen Wirkungsforschung finden sich nicht zuletzt auch im Umkreis der international vergleichenden Medienforschung weiterführende Konzepte, die sog. Parallelstrukturen zwischen Medien und Politik herausarbeiten. Sie nehmen Abstand von einem auf Individuen beschränkten Wirkungskonzept und beziehen sich mit komparativ geschärfter Perspektive auf die Makroebene von Gesellschaften.
4.3 Die Beziehungen von Medien und Politik Im Vergleich zu den bisher genannten Konzepten und der primär kommunikationswissenschaftlichen Medienforschung sind Konzepte des politischen Parallelismus und des Indexing zwar noch wenig verbreitet. Sie bieten aber gerade in Hinsicht auf politikwissenschaftliche und makrosoziale Fragen der Beziehung 86 Im Zuge einer zunehmenden Vermarktlichung und Ökonomisierung journalistischer Arbeit und auch der innerredaktionellen Arbeitsabläufe zeichnen sich Veränderungen der Sozialisations- und Selektionsfunktion von Redaktionen ab. Altmeppen et al. sprechen im Rahmen einer Analyse von Hörfunkredaktionen von einer „Entdifferenzierung der Organisationen“ (Altmeppen, Donges und Engels 2000). Zum gewachsenen Stellenwert freier Mitarbeit im Journalismus vgl. auch Gottschall (Gottschall 1999).
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4 Die Medien der Öffentlichkeit
von Medien und Politik fruchtbare Perspektiven. Insbesondere im Rahmen des internationalen Vergleichs wird deutlich, dass sich jenseits ereignisabhängiger und situativer Entwicklungen auch relativ stabile und historisch überkommene Muster finden lassen. Ausgehend von einer Differenzierung des Begriffs der Moderne im Sinne der Eisenstadtschen „multiple modernities“ soll eine „Vielfalt moderner Öffentlichkeit“ gekennzeichnet und abschließend auch die bereits in theoretisch abstrahierter Perspektive eingeführte Frage der Medienautonomie für den bundesdeutschen Fall materialgestützt voranalysiert werden. Der deutsche Fall lässt sich im Rahmen einer dreigliedrigen Typologie der Medien-PolitikBeziehungen nämlich einem demokratisch-korporatistisch Typ zuordnen.
4.3.1 Press-Party-Parallelismus, politischer Parallelismus, Indexing: Die Ökologie von Medien und Politik Das Konzept des Press-Party-Parallelismus, das von Colin Seymour-Ure in die Diskussion eingeführt wurde (Seymour-Ure 1974), beschäftigt sich mit Abhängigkeiten von Medien und Politik jenseits der mikrosozialen Wirkungsforschung und auch der prozessorientierten Policy-Analyse. Seymour-Ure hat mit diesem Begriff auf bestimmte Homologien in der Ausrichtung von Parteien und Medien verwiesen, die charakteristisch für nationale Mediensysteme sind - in seinem Fall für Großbritannien. Hier handelt es sich um Makrostrukturen, die lange historische Traditionen haben und in jeweils variablen und verschiedenen Formen die politische Presse und die Parteien aneinander gekoppelt haben.87 Ein prototypisches Beispiel für solche, insbesondere in südeuropäischen Ländern auch heute noch relevanten direkten Kopplungen ist die Parteipresse als Mediengattung, die direkt bestimmte politische Zielsetzungen verfolgt. „A newspaper was defined (…) as ‚paralleling’ a party if it was closely linked to that party by organisation, loyality to party goals and the partisanship of its readers. A press system can be defined as paralleling a party system when such links exist between each newspaper and a party. (…) Complete parallelism would exist if every newspaper was linked extremely closely to one or another party on the three dimensions (…)” (Seymour-Ure 1974: 173 f.). 87 Unter dem Oberbegriff der Vielfaltsstrukturen hat Voltmer das Thema des Politischen Parallelismus aufgegriffen und empirisch eingesetzt (Voltmer 1997, 1998/99, 2000). Berkel hat das Konzept von Hallin und Mancini in der vergleichende Analyse europäischer Qualitätszeitungen zum HaiderKonflikt verwendet (Berkel 2006). Van Kempen spricht von einem „Media-Party Parallelism“ und untersucht diesen empirisch im Rahmen eines Vergleichs von fünfzehn europäischen Ländern. Van Kempens Medienauswahl zeigt dabei im deutschen Fall einen bemerkenswert schwach ausgeprägten Parallelismus (Kempen 2007).
4.3 Die Beziehungen von Medien und Politik
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Anschließend an Seymour-Ure lassen sich auf makrostruktureller Ebene auch formelle und informelle Press-Party-Parallelismen unterscheiden. Während die formellen Parallelstrukturen tatsächlich auf direkte Abhängigkeiten und Einflussstrukturen verweisen, zielt der Begriff des informellen Parallelismus auf Homologien zwischen Presse und Parteien, die sich auch nach dem Bedeutungsverlust der Parteipresse in Form von Tendenzen, Richtungen und politischen Profilen erhalten haben. Mit der „instrumentellen Aktualisierung“ und den „opportunen Zeugen“ ist bereits auf Ansätze zur Analyse von redaktionellen Linien und Bias aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive verwiesen worden, die sich mit dem Konzept des informellen Parallelismus verbinden lassen. Hallin und Mancini, die in ihrer Studie „Comparing Media Systems“ das Parallelismuskonzept aufgreifen (Hallin und Mancini 2004: 26 ff.), führen zugleich eine begriffliche Umstellung ein, die es aus seiner starken Bindung an die historische Parteipresse löst. Hallin/Mancini sprechen statt von Presse-ParteienParallelismus von politischem Parallelismus und „korrellieren“ nicht nur spezifische politische Akteure und deren Programme mit den Medienprofilen und redaktionellen Linien, sondern beziehen sich in erster Linie auf „weltanschauliche“ und ideologische Richtungen und Strömungen, die auch jenseits von Parteiakteuren von Bedeutung sind. „This kind of one-to-one connection between media and political parties is increasingly uncommon today, and where media are still differentiated politically, they more often are associated not with political parties, but with general political tendencies: the Frankfurter Allgemeine is a paper of right-center, not narrowly of the Christian Democratic party; the Süddeutsche Zeitung of the left center, not narrowly of the Social Democrats, etc.. (…) We will therefore use the more general term of political parallelism, while recognizing that press-party-parallelism in the stricter sense does in some cases persist” (Hallin und Mancini 2004: 27).
Politischer Parallelismus im Sinne von Hallin und Mancini ist auch nicht gleichbedeutend mit dem Konzept des informellen Parallelismus von Seymour-Ure, das ja ebenfalls den Bedeutungsverlust der Parteipresse verarbeitet. Dieser Begriff registriert zwar den Bedeutungsverlust von direkt durch Parteien gesteuerten Medien, hält jedoch an Parteien als Bezugspunkten fest. Neben der grundlegenden und auch in der vorliegenden Studie zentralen Größe des Medieninhaltes als dem Ausmaß, „to which the different media reflect distinct political orientations in their news and current affairs reporting, and sometimes also their entertainment content“ (Hallin und Mancini 2004: 28),
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4 Die Medien der Öffentlichkeit
sind demgegenüber nach Hallin und Mancini auch noch einige weitere Größen wichtige Dimensionen des politischen Parallelismus. Relevant sind etwa die organisationalen Verbindungen zwischen Medien und Parteien oder anderen politischen Organisationen, die Tendenz zu politischer Aktivität von Medienvertretern, die Anfälligkeit von Medienkarrieren für eine Beeinflussung durch Verbindungen und Orientierungen der Akteure, die Parteilichkeit des Medienpublikums sowie journalistische Rollenorientierungen und Praktiken (ebd.). Wiederum näher an konkreten Medieninhaltsanalysen angesiedelt, in seiner Stoßrichtung aber mit dem Konzept der Parallelstrukturen verwandt, ist auch die sog. Indexing-These, die in der Kriegsberichterstattungsforschung entwickelt wurde. Die Indexing–These bezieht sich in ihrem Entstehungskontext direkt auf die politische Erklärung des US-amerikanisches Rückzugs im Vietnamkrieg und damit auf ein politisches Trauma der US-amerikanischen Geschichte des 20. Jahrhunderts: auf präzedenzlose Glaubwürdigkeitsverluste, Kriegsverbrechen und die Verletzlichkeit durch einen als weitaus schwächer wahrgenommenen Gegner und die daran anknüpfenden Deutungen, Erklärungsversuche und wohl auch „Rationalisierungen“ (Bennett, Lawrence und Livingston 2006; Bennett 1990; Greiner 2007; Hallin 1994, 1986; Mermin 1996, 1999). Im kritischen Fokus des Indexing-Ansatzes steht die These, dass der Verlust an öffentlicher Zustimmung zur amerikanischen Kriegsführung in Vietnam wesentlich durch die Berichterstattung der Medien zu erklären sei, die nahezu in Echtzeit und mit Bildern eine umfassende Kriegsberichterstattung betrieben und die Gräuel des Krieges in die Wohnzimmer gebracht haben. Es handelt sich hier nicht nur um eine sehr starke Wirkungsthese, sondern auch um eine politisch und gesellschaftlich relevante Ursachenattribution, die im kritischen und oppositionellen Journalismus eine Art „Schwachstelle“ oder „Achillesferse“ und eben gerade nicht: ein „Immunsystem“ und einen Selbstkontrollmechanismus ausmacht.88 Die Indexing-These widerspricht nun dezidiert der Einschätzung, dass die amerikanische Niederlage in Vietnam vor allem an der „Medienfront“ verursacht wurde. Sie richtet sich dabei wiederum auf das Verhältnis von Medien und politischem System und die kritische Größe der Medienautonomie (Bennett 1990). Im Kern argumentiert sie, dass die These von „oppositionellen Medien“ die Freiräume der Berichterstattung eklatant überschätzen würde. Insofern die Medien 88
Diese Konstellation erinnert an die sog. „Dolchstoßlegende“ nach der deutschen Niederlage im ersten Weltkrieg. Eine materialreiche Darstellung der amerikanischen Kriegspropaganda im 20.Jahrhundert gibt Elter (Elter 2005). Zu Kriegsberichterstattung als kommunikationswissenschaftlichem Thema auch die Beiträge in Eilders und Hagen (Eilders und Hagen 2005). Allgemein zu Prozessen der öffentlichen Verantwortungsattribution auch Gerhards, Offerhaus und Roose (Gerhards, Offerhaus und Roose 2007).
4.3 Die Beziehungen von Medien und Politik
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auf Ereignisse und Nachrichten aus dem politischen System und dem parlamentarischen Komplex bezogen und auf deren Quellen angewiesen seien, würden sie sich auch in ihrer mehr oder minder kritischen Einschätzung des Krieges und des amerikanischen Engagements an den im parlamentarischen Raum definierten Positionen orientieren. Solange daher die politischen Repräsentanten geschlossen hinter dem einmal eingeschlagenen Kurs stünden, würden auch die Medien selbst wenn man wie immer gefasste kritische oder oppositionelle Tendenzen unterstellen wollte - allenfalls in Form einer Erfolgskontrolle der Umsetzung politisch definierter Ziele tätig werden. Eine wie immer oppositionelle Rolle der Medien sei daher als Effekt von Konflikten im parlamentarisch-politischen Raum selbst zu verstehen, die von den Medien nicht erzeugt, sondern in erster Linie publiziert und reproduziert würden. Den Medien kommt in diesem Zusammenhang also eine wesentlich abhängigere Rolle zu, weil sie selbst dann, wenn man ihnen eine Art notorische macht- und politikkritische Intention unterstellt, auf „Gelegenheitsstrukturen“ im politischen System angewiesen sind. Die Indexing-These argumentiert also in Richtung eines starken Einflusses der Politik und des Kontextes auf die Medien - und nicht umgekehrt. Mittlerweile hat sich die Indexing-These weitgehend aus dem Entstehungskontext der Analyse des Medienbildes des Vietnam-Krieges gelöst, ist theoretisch generalisiert und in Analysen von außenpolitischen Konflikten fruchtbar gemacht, geprüft und weiterentwickelt worden (Althaus 2003; Bennett et al. 2006; Eilders und Lüter 2000; Livingston und Bennett 2003; Pohr 2005).89 Auch das Indexing-Konzept lässt sich als instruktive Heuristik verstehen und enthält darüber hinaus Kausalannahmen zum Zusammenhang von Medien und Politik. Vor allem zum Konzept des politischen Parallelismus liegen jedoch nicht nur konzeptuelle Verfeinerungen und vereinzelte Studien vor, sondern dank Hallin und Mancini auch eine maßstabssetzende und umfassende Analyse, die nachfolgend beleuchtet und für den Untersuchungszusammenhang der vorliegenden Studie aufgeschlossen werden soll.
4.3.2 Das Parallelismus-Konzept angewandt: Die „Vielfalt moderner Öffentlichkeiten“ Die Studie „Comparing Media Systems“ von Hallin und Mancini muss als ein Meilenstein der neueren vergleichenden Forschung zu Medien und Politik gelten (Hallin und Mancini 2004). Sie lässt sich als materialreich entwickelter Einwand 89 Vgl. mit anderer Konzeptualisierung, aber ähnlicher Argumentationsrichtung zur Presse auch Zaller (Zaller 1992: 315 ff.). Für ein an das Indexing-Konzept anschließendes, weiterführendes Modell vgl. auch Entmans „cascading activation“-Konzept (Entman 2003).
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4 Die Medien der Öffentlichkeit
gegen einen älteren Stand der vergleichenden Forschung90 lesen, der in der Studie „Four Theories of the Press“ (Siebert, Peterson und Schramm 1956) dokumentiert ist, welche mitten im Kalten Krieg autoritäre, liberale, „sozial-verantwortliche“ und kommunistische Mediensysteme unterscheidet. Ein zentrales Ziel von „Comparing Media Systems“ ist die Korrektur „ethnozentrischer“ Fehlschlüsse, die sich aus der in den „Four Theories“ vorherrschenden Dominanz des „liberalen“ amerikanischen Mediensystems ergeben. Hallin und Mancinis Entwurf ist auch ein synoptischer „Zwischenbericht“ der vergleichenden Medienforschung, der an manchen Stellen auch noch vorhandene Forschungslücken zugestehen muss, in seiner konzeptuellen Anlage und seinen leitenden Fragestellungen von solchen Schwächen jedoch nicht berührt wird.91 „Comparing Media Systems“ zeichnet sich auch durch die Verbindung der komparativen Medienanalyse mit differenzierungstheoretischen Überlegungen aus.92 Mit Hallin und Mancini lassen sich drei Modelle der westlichen Mediensysteme unterscheiden (Tabelle 1). Jedes dieser Modelle muss insofern als „Idealtypus“ verstanden werden, als es gewisse prägende Züge und Merkmale in einer reinen Form verkörpert, die in der sozialen Realität in dieser Klarheit kaum vorkommen. Auch findet sich innerhalb der einzelnen Modelle eine gewisse Bandbreite und Varianz. Der spezifische Ort der realen Nationalstaaten und ihrer Mediensysteme lässt sich daher durch die Positionierung in einer Triangel be90 Die international vergleichende Medienforschung ist im Vergleich bspw. zur Parteienforschung bisher nur schwach entwickelt. In jüngerer Zeit zeigen sich jedoch verstärkt Bemühungen zu einer substanziellen Weiterentwicklung der vorliegenden Konzepte und zu einer Erarbeitung einer belastbaren Wissensgrundlage (Gurevitch und Blumler 2003). Überblicke und weiterführende Perspektiven bieten u.a. Esser/Pfetsch, Hallin/Mancini und Gunther/Mughan. (Chalaby 1996; Esser und Pfetsch 2003; Ferree et al. 2002b; Gunther und Mughan 2000; Hallin und Mancini 2004; Kaase 2000; Pfetsch 2003). 91 Auch andere Studien, die sich mit spezifischen öffentlichen Diskursen befassen, sind auf den hohen Stellenwert historischer Traditionen gestoßen. In diesem Sinn lassen sich die Ergebnisse einer Studie zur Abtreibungsdebatte in Deutschland und den USA interpretieren, die konzeptuell das Arena-Modell der politischen Öffentlichkeit aufgreift und für die Zwecke des internationalen Vergleichs zurechtschneidet. (Ferree et al. 2002b). Art und Form öffentlicher Argumentationen, die Gruppen der öffentlich sprechenden Akteure und die Problemdefinitionen unterscheiden sich in den USA und der Bundesrepublik so erheblich, dass die starke Annahme globaler Konvergenzen unter erheblichen Begründungsdruck gerät. Auch eine Studie zu den spezifischen Interaktionsmustern der Akteure in Politik und Medien in den USA und Deutschland hat starke Annahmen einer Konvergenz nicht bestätigen können (Pfetsch 2000a, 2000b, 2003). Die Beziehungen von Medien und Politik und damit nationale, politische Kommunikationskulturen werden durch die institutionellen Kontexte des politischen Systems geformt. Relativierend ließe sich ergänzen, dass die institutionalistischen Argumente die Globalisierungsthese eher einschränken als widerlegen können. 92 Hallin und Mancini unterscheiden hier zwischen dem Strukturfunktionalismus und dessen Weiterentwicklungen bei Luhmann und Alexander auf der einen Seite und den Ansätzen von Bourdieu zum journalistischen Feld und Habermas zur politischen Öffentlichkeit auf der anderen Seite (66 ff.), die als Kritiker der Differenzierungstheorie aufgenommen werden (vgl. auch Hallin 2005).
4.3 Die Beziehungen von Medien und Politik
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stimmen, deren Eckpunkte durch die gefundenen Modelle bezeichnet werden (Hallin und Mancini 2004:70).93 Dabei handelt es sich um 1. 2. 3.
das nordatlantische, liberale Modell das nordeuropäische, demokratisch-korporatistische Modell und das südeuropäische, polarisiert-pluralistische Modell.
Zu den für die Typologisierung relevanten mediensystem-internen Faktoren lassen sich die Entstehung und Reichweite einer Massenpresse sowie das Ausmaß der Pressevielfalt, das Niveau und die Form der Professionalisierung des Journalismus sowie die vorherrschenden journalistischen Selbstverständnisse, die Beziehung zu politischen Akteuren (politischer Parallelismus) sowie Ausmaß und Form staatlicher Intervention und Regulierung des Mediensektors rechnen (Hallin und Giles 2005: 6). Zu den externen politischen Kontextfaktoren können etwa der spezifische Demokratietypus94, die Strukturen des Systems der Interessenvermittlung (liberal, korporatistisch) und des Parteiensystems, die gesellschaftliche und politische Konfliktlinienstruktur sowie ökonomische Faktoren und Arten der staatlichen Intervention gerechnet werden. Wesentlichen Einfluss auf den Grad der inneren Unabhängigkeit des Mediensystems hat somit auch der politische und soziale Kontext. Staatliche Interventionen haben die Herausbildung spezifischer Pressesysteme wesentlich beeinflusst. Historische Entwicklungspfade bleiben auch für die Untersuchung der gegenwärtigen Mediensysteme, die stark von audiovisuellen elektronischen Massenmedien geprägt sind, ein wichtiger Schlüssel. Der bundesdeutsche Fall stellt einen Sonderfall des zweiten, demokratischkorporatistischen Modells dar. Der einschneidende, von außen induzierte Strukturwandel nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft markiert eine auffällige Diskontinuität. Politische Faktoren waren direkt ausschlaggebend für die Herausbildung eines neuen Journalismusmodells, das sich im Zuge interner Konflikte und Auseinandersetzungen dann zunehmend eigenständig in „westlicher“ Richtung entwickelt hat. An die Stelle einer Nähe zum polarisiertpluralistischen Typus in der Weimarer Republik tritt in der Bundesrepublik die Zuordnung zum zweiten Typus. 93
Die Konstruktion eines in diesem Sinn zweidimensionalen Raums beinhaltet anders als eine ebenfalls idealisierende bipolare Kontrastierung von vormodernen und modernen Mediensystemen keine klare dynamische Richtungsangabe der Entwicklung dieser Modelle. Mit dieser triadischen und nicht ohne analytische Einbußen in die Form eines Zeitpfeils zu übersetzenden Konzeptualisierung wollen sich Hallin/Mancini auch von älteren Modernisierungstheorien absetzen. 94 Parlamentarische und präsidentielle Demokratie, „Consociational democracy“ und Konkordanzdemokratie oder Mehrheits- und Konkurrenzdemokratie nach Lehmbruch und Lijphart (Lehmbruch 1991).
96
4 Die Medien der Öffentlichkeit
Tabelle 1: Medien und Politik: Drei Modelle (nach Hallin/Mancini 2004: 67 f.)
Drei Modelle Mediterranes, polarisiert-pluralistisches Modell
Nordeuropäisches, demokratisch-korporatistisches Modell
Nordatlantisches oder liberales Modell
Frankreich, Griechenland, Italien, Portugal, Spanien
Österreich, Belgien, Dänemark, Finnland, Deutschland, Niederlande, Norwegen, Schweden, Schweiz
Großbritannien, USA, Kanada, Irland
Merkmale der Mediensysteme Zeitungsindustrie und Pressewesen
Geringe Zeitungsreichweite, politisch orientierte Elitepresse
Große Zeitungsreichweite, frühe Entwicklung einer Massenpresse
Mittlere Zeitungsreichweite, frühe Entwicklung einer kommerziell orientierten Massenpresse
Politischer Parallelismus
Hoher politischer Parallelismus, Außenpluralismus, kommentarorientierter Journalismus Parlamentarisches oder Regierungs-Modell der Mediengovernance
Außenpluralismus insbesondere in der überregionalen Presse, historisch starke Parteipresse, Verschiebung zu neutraler, kommerzieller Presse, „politics-inbroadcasting system“ mit substanzieller Unabhängigkeit
Neutrale kommerzielle Presse, informationsorientierter Journalismus, Binnenpluralismus (aber Außenpluralismus in GB), professionelles Modell der Mediengovernance, formell unabhängiges System
Professionalisierung
Schwache Professionalisierung, Instrumentalisierung
Starke Professionalisierung, Institutionalisierte Selbststeuerung
Starke Professionalisierung, nichtinstitutionalisierte Selbstregulierung
Rolle des Staates im Mediensystem
Starke Staatsintervention, Presseunterstützung in Frankreich und Italien, Phasen der Zensur, „Wilde“ Deregulierung (außer Frankreich)
Starke Staatsintervention jedoch mit Schutz der Pressefreiheit, Presseunterstützung besonders stark in Skandinavien, starker öffentlichrechtlicher Mediensektor
Marktdominiertes System, (aber starke öff. Medien in GB und Irland)
97
4.3 Die Beziehungen von Medien und Politik
Merkmale der politischen Systeme Politische Geschichte
Späte Demokratisierung
Frühe Demokratisierung
Frühe Demokratisierung
Muster von Konsens und Konflikt
Polarisierter Pluralismus
moderater Pluralismus (außer Deutschland & Österreich vor 1945)
Moderater Pluralismus
Konsensus oder MehrheitsDemokratie
Beides
Dominant Konsensus
Dominant Mehrheit
Individueller oder Organisierter Pluralismus
Organisierter Pluralismus, starke Rolle politischer Parteien
Eher individuelle Repräsentation als organisierter Pluralismus, besonders in USA
Rolle des Staates
Dirigismus, starke Intervention von Staat und Parteien in die Ökonomie, Phasen des Autoritarismus, starker Wohlfahrtsstaat in Frankreich, Italien
Organisierter Pluralismus, Tradition des segmentierten Pluralismus, demokratischer K ti Starker Wohlfahrtsstaat, relevante Intervention des Staates in die Wirtschaft
Liberalismus, schwacher Wohlfahrtsstaat, besonders in den USA
Rationallegale Herrschaft
Schwache Entwicklung rational-legaler Herrschaft (außer Frankreich), Klientelismus
Starke Entwicklung rational-legaler Herrschaft
Starke Entwicklung rational-legaler Herrschaft
Auch gegenwärtig ist der bundesdeutsche Fall für Hallin und Mancini durch eine relativ ausgeprägte Abweichung vom reinen Typus gekennzeichnet.95 Er liegt innerhalb der Triangel der drei Modelle in der Nähe der Mitte des Dreiecks, enthält also ausgeprägte Elemente des polarisiert-pluralistischen wie auch des liberalen Modells. Die Entwicklungsgeschichte des Pressewesens wird bei Hallin und Mancini somit als eine zentrale Dimension der vergleichenden Typologisierung geführt. Die Entstehung und die Reichweite der Presse im 19. Jahrhundert sowie die Alphabetisierungsquote in diesem Zeitraum stellen Schlüsselvariablen dar. Eine große Reichweite der Presse in der Gegenwart liegt nur in den Fällen vor, in denen sie sich auch relativ früh entwickelt hat. Die Startbedingungen der nationalen Pressemodelle sind im internationalen Vergleich weiterhin greifbar. 95
Van Kempens Test des Parallelismuskonzepts findet für die Bundesrepublik ebenfalls einen im Rahmen des demokratisch-korporatistischen Typus schwach ausgeprägten Parallelismus (Kempen 2007).
98
4 Die Medien der Öffentlichkeit
Darüber hinaus lässt sich als weiteres Unterscheidungsmerkmal auch die Zielgruppenorientierung der Presse nennen. Mit der frühen Entstehung des Pressewesens richten sich die Medien, die zumindest innerhalb des angloamerikanischen Modells schon früh kommerziell orientiert waren, tatsächlich an ein Massenpublikum. Die beschränkte Reichweite in den mediterranen Ländern erklärt sich demgegenüber aus einer auch sozial höheren Exklusivität. Die Presse ist in diesem Fall weniger stark kommerziell ausgerichtet und orientiert sich daher an den Bedürfnissen der politischen Elite. Diese Ausrichtung an unterschiedlichen Zielgruppen ist folgenreich für den journalistischen Stil. Das angloamerikanische Pressewesen, das sich an kommerziellen Interessen und einem Massenpublikum orientieren musste, hat Normen der Neutralität und Objektivität ausgebildet und einen starken Binnenpluralismus entwickelt. Die Norm der Trennung von Nachricht und Kommentar ist stark ausgeprägt; der Recherchejournalismus weitaus charakteristischer als ein interpretierender und orientierender Meinungsjournalismus. Auch das demokratischkorporatistische Modell ist durch starke Trends in diese Richtung gekennzeichnet, verfügt aber nicht zuletzt aufgrund einer historisch starken Rolle der Parteipresse immer noch über eine deutliche Parteiorientierung der Presse, die im mediterranen System wiederum noch stärker ausgeprägt ist. Im letztgenannten Modell findet sich ein literarisch-interpretierender Journalismus traditionell in der reinsten Form. Für die im Fokus unseres Interesses stehenden Kommentare ist das zu unterstreichen: Kommentare stellen insbesondere in diesem System die journalistische Königsdiziplin dar. Journalismus ist historisch in diesem Fall mit Informationen angereicherte Kommentierung, die sich auf die Diskurse politischer Eliten bezieht. Demgegenüber nimmt der Kommentar insbesondere im angloamerikanischen System einen zwar wichtigen, aber klar gegenüber der Informationslieferung nachgeordneten Stellenwert ein - die moderne Trennungsnorm von Nachrichten und Meinung ist in diesem Kontext entstanden (Kaplan 2006, 2002).96 Die Strukturen des Mediensystems sind aufgrund der starken 96 Von dieser Mehrheitsmeinung abweichend, rekonstruiert Schönhagen frühe deutsche Traditionen und Vorläufer der Norm der journalistischen Unparteilichkeit (Schönhagen 1998). Ein Blick auf die frühe Soziologie des Zeitungswesens bei Max Weber zeigt auch an dieser Stelle wieder beachtliche Hinweise auf die Persistenz historischer Traditionen - Webers zeitgenössische Wahrnehmung liegt bemerkenswert nah an manchen, von der heutigen Forschung unterstrichenen Merkmalen des Pressewesens. „Ist das bei uns stetige Wachstum der Bedeutung des reinen T a t s a c h e n referats eine allgemeine Erscheinung? Auf englischem, amerikanischem und deutschem Boden ist es der Fall, dagegen nicht so ganz auf französischem: - der Franzose will in erster Linie ein Tendenzblatt. Warum aber? Denn z. B. der Amerikaner will von seinem Blatt nichts als Fakta. Was an Ansichten über diese Fakta in der Presse publiziert wird, das hält er überhaupt nicht der Mühe für wert zu lesen, denn als Demokrat ist er überzeugt, daß er im Prinzip das ebensogut, wenn nicht besser versteht, als derjenige, der die Zeitung schreibt. Aber der Franzose will doch auch ein Demokrat sein“ (Weber 1924/1988: 441). Eine ausgezeichnete historische Analyse des deutschen Falls im 19. Jahrhundert
4.3 Die Beziehungen von Medien und Politik
99
Orientierung am politischen System im mediterranen System stark polarisiert. Die Dimension des Professionalismus lässt sich im Systemvergleich wiederum in Form eines Spektrums anordnen. Extreme Professionalisierung und weitgehende Autonomie der Medien gegenüber dem Staat zeichnen das angloamerikanische Modell aus. Gerade in den USA ist das First Amendment der Verfassung eine Art dogmatischer Kern dieses Modells, das der Freiheit der Medien viel, der Intervention des Staates wenig zutraut (Sanford und Kirtley 2005). Demgegenüber ist das mediterrane Modell durch eine sehr schwache Ausbildung des Journalistenberufs gekennzeichnet und gegen Instrumentalisierungen durch Politik oder Wirtschaft kaum geschützt. Diese Systematisierung legitimiert nicht ohne weiteres eine Qualifizierung der Mediensysteme im Sinne eines unilinearen Entwicklungsschemas. Hallin und Mancini siedeln die drei Typen nicht in einer Achse, sondern in einem Dreieck an. Trotz des weltweit prägenden Einflusses des angloamerikanischen, liberalen Modells verfügen die drei Typen über je eigene Entwicklungsoptionen.97 Die vergleichende Forschung ist daher auch aufgrund ihres Beitrags zu einer theoretisch-konzeptuellen Dimensionierung unserer auf den bundesdeutschen Fall bezogenen Fragestellung von Bedeutung. Gerade der Vergleich unterschiedlicher Medienstrukturen innerhalb des Kontextes „westlicher Demokratien“ lässt Besonderheiten und Merkmale des bundesdeutschen Falls hervortreten, die in einer zeitlich-räumlich unspezifischen Theorieperspektive allenfalls vage in den Blick kommen. Wird das öffentlichkeitstheoretische Arena-Modell also um Perspektiven des internationalen Vergleichs ergänzt, lässt sich von verallgemeinerten modernitätsspezifischen Kriterien näher zur bundesdeutschen Modernität kommen. Es zeigen sich hier nationale oder räumlich eingegrenzte Varianten gesellschaftlicher Strukturbildung innerhalb des Rahmens der westlichen Moderne und eine „Vielfalt der Moderne“ (Eisenstadt 2000). Damit werden Rahmenkonzepte interessant, die an Stelle von hochabstrakten „evolutionären Universalien“ des sozialen Wandels explizit historische Perspektiven anmahnen und die Besonderheiten räumlicher Ausprägungen der Moderne in den Blick nehmen. Denn auch angesichts seiner erheblichen systemischen Attraktivität und der erreichten „Westbindung“ der Bundesrepublik mit einer durchgehenden Berücksichtigung von vergleichenden Perspektiven zum angelsächsischen Raum und zu Frankreich bietet Requate in einer grundlegenden Studie zu „Journalismus als Beruf“ (Requate 1995). 97 Die starken Subventionen und staatlichen Unterstützungen des Pressewesens etwa in Frankreich garantieren - wenn auch auf diskutablem Weg - eine hohe Pressevielfalt und damit eine institutionalisierte Responsivität des Pressewesens gegenüber den Interessen und Werten sehr unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen. Damit wird ein zentrales Kriterium des liberalen Medienmodells eingelöst. Auch im US-amerikanischen Fall finden sich jenseits eines reinen Marktliberalismus verschiedene direkte Unterstützungen des Staates (Cook 2005).
100
4 Die Medien der Öffentlichkeit
bleibt das US-amerikanische und nordatlantische Modell der politischen Kommunikation ein besonderer Fall. Auch Gegentrends zur Autonomisierung der Medien (Bürgerjournalismus etc.), häretische Bewegungen gegen den dominanten Trend der sozialen Entwicklung und die Prägekraft historischer Traditionen („Gegenöffentlichkeiten“), die Entwicklungsprozesse formen und umleiten oder auch nur signifikant verzögern sowie kulturelle Einbettungen und Brechungen (Colomy 1990; Eisenstadt 2005; Tiryakian 1992; Tyrell 1978, 1998) spielen in der Ausformung von spezifischen modernen Ordnungen und deren jeweils besonderen Spannungslagen und Paradoxien eine wichtige Rolle.98 Empirisch und theoretisch geht es um das besondere Maß der Autonomisierung der Medienöffentlichkeit und ihrer Grenzen: Welche Re-Integrationsmechanismen liegen vor, welche Bremsmechanismus gegenüber einer einseitigen Differenzierung, welche Brücken und Kopplungen zwischen Medien und Politik? Obschon sich schon innerhalb des Referenzrahmens des nordamerikanischeuropäischen „Westens“ erhebliche Unterschiede ausmachen lassen, entsteht selbstverständlich ein noch komplexeres und facettenreicheres Bild, wo unter dem Motto des „De-Westernizing media studies“ (Curran 2000) die ganze Welt und also auch Länder in den Blick genommen werden, die aus dem Raster eines anglo-europäischen Ethnozentrismus fallen.99 Wir bleiben jedoch vorerst im bundesdeutschen Kontext und können zum Abschluss der konzeptionellen Rahmung unserer Analyse nun einige Kernmerkmale des bundesdeutschen Mediensystems bestimmen. 98 Alexander hat funktionalistische Ansätze mit stark kulturtheoretischem Akzent weiterentwickelt. Seine Unterscheidung systemischer, historischer und komparativer Perspektiven markiert Integrationsgesichtspunkte für eine tragfähige Theorie des Mediensystems (Alexander 2006, 1990; Lüter 2008). Aus der Perspektive der Bewegungsforschung, die im Kontext von Mobilisierungen des Publikums auch öffentlichkeitssoziologisch von Bedeutung ist, haben Neidhardt und Rucht eine differenzierungstheoretische Folie vorgelegt, die in ihrer Orientierung auf aus Differenzierungsprozessen folgende „strukturellen Spannungen“ eine verbesserte Verknüpfung mit Theorien mittlerer Reichweite beinhaltet (Neidhardt und Rucht 1993: 311 ff.). Einen Überblick über die neuere differenzierungstheoretische Diskussion und einen eigenen, sich in weberianischer Tradition verstehenden Ansatz mit besonderer Berücksichtigung von politischer Öffentlichkeit und öffentlichen Diskursen bietet Schwinn (Schwinn 2001: 331 ff.). 99 Hallin und Mancini stellen die Reichweite ihres konzeptuellen Bezugsrahmens hier zur Diskussion, legen aber nahe, dass sich einige Fälle durch nur geringfügige Modifikationen ihrer Typen erschließen lassen. So spricht einiges dafür, lateinamerikanische Länder in der Nähe eines polarisiertpluralistischen Modells zu verorten. Im (süd-saharischen) Afrika müsste der Stellenwert der Printmedien und der Zeitungen wohl ganz erheblich niedriger und die Rolle des Radios sehr hoch angesetzt werden. Auch in solchen Ländern, die aus modernisierungstheoretischer Perspektive als „schwach entwickelt“ gelten, lässt sich aber Stellenwert von Medien in politischen Prozessen und der sozialen Integration als Grundgesichtspunkt aufrechterhalten. Der indische Subkontinent oder China stellen in der Medienforschung wirkliche Zukunftsfelder dar (die Zeitschrift Gazette ist als wichtige Quelle zu nennen). Zu einer „globalen“ Perspektive mit besonderer Beachtung Indiens und der globalen Expansion angelsächsischer Medienkonzerne (CNN, BBC, Vox) vgl. Thussu (Thussu 2000).
4.3 Die Beziehungen von Medien und Politik
101
4.3.3 Demokratisch-korporatistische Beziehungen von Medien und Politik in der Bundesrepublik Mit Blick auf die Leitfrage der Autonomie der massenmedialen Akteure ist im bundesdeutschen Fall zunächst zu berücksichtigen, dass es sich um ein duales Mediensystem mit einem starken und prägenden öffentlich-rechtlichen Segment im Bereich der elektronischen Medien handelt. Gerade in diesem Segment greifen die korporatistischen Merkmale der Beziehungen von Medien und Politik besonders deutlich und auf institutionalisierter Grundlage. Die Dualisierung in diesem Medienbereich ist erst jüngeren Datums, und die elektronischen Medien waren in der Bundesrepublik lange Zeit ausschließlich öffentlich-rechtlich verfasst. Damit ist gerade dieses Segment stark von parteipolitischen Einflussnahmen (Proporz) und staatlicher Leitlinienkompetenz gekennzeichnet. Die Versuche zum Aufbau eines regelrechten Staatsfunks bzw. eines Staatsfernsehen in der frühen Bundesrepublik sind allerdings gescheitert und nicht weiter verfolgt worden. Das bundesdeutsche Modell des öffentlich-rechtlichen Rundfunks repräsentiert damit eine Mittelposition zwischen politisch gesteuerten und marktgesteuerten Systemen. Selbst angesichts der Mitspracherechte von Parteien und gesellschaftlichen Gruppen bleiben professionelle Normen des Journalismus in Kraft. Auch der öffentlich-rechtliche Bereich operiert also nicht als „Lautsprecher“ und Multiplikator des politischen Systems, sondern verarbeitet Mitspracherechte und Steuerungsimpulse gesellschaftlicher Gruppen im Rahmen journalistischer Berufsnormen. Auf einer anderen Ebene lassen sich dennoch Effekte dieser Verfasstheit festmachen: Die institutionelle Ordnung wirkt sich weniger in Form einer Aufweichung des journalistischen Professionalismus aus als vielmehr durch eine ausgeprägte Orientierung an den Normen des offiziellen politischen Diskurses und der Diskursstandards der politischen Entscheidungseliten. Insbesondere mit der Dualisierung des Mediensystems und der Freigabe der elektronischen Medien zur erwerbswirtschaftlichen Nutzung hat sich daher ein deutlich geringerer Anteil an genuin politischer Berichterstattung und Analyse abgezeichnet. Die Marktorientierung begünstigt hier statt der Orientierung an den politischen Eliten die Orientierung an einem Massenpublikum (Pfetsch 2003: 246) und führt daher zu einem schwindenden Stellenwert „seriöser“ Politik und einer Aufweichung der politischen Formate in Richtung Unterhaltung (Boulevardisierung, Tabloidisierung etc.).100 Dennoch zeigt sich im internationa100 Es ist jedenfalls bemerkenswert, dass auch von konservativer Seite, welche sich von der Dualisierung und Teilprivatisierung des Fernsehens ein Gegengewicht gegen den vermeintlich linkslastigen „Rotfunk“ versprochen hat, mittlerweile verstärkt die negativen Effekte für die politische Kultur und journalistische Qualität wahrgenommmen werden. Eine eigenes Thema wären hier offenkundig
102
4 Die Medien der Öffentlichkeit
len Vergleich, wie prägend die öffentlich-rechtliche Verfassung des Rundfunkbereichs für die bundesdeutschen Kommunikationskultur tatsächlich ist: Es muss daher von Ausstrahlungswirkungen auf den Bereich der privaten Medien in TV, Funk und Presse ausgegangen werden, die durch Prozesse der Koorientierung, eine durch die elektronischen Medien geprägte politische Kommunikationskultur, durch Wechsel von Journalisten zwischen den Medien und die Journalistenausbildung vermittelt sind. Der Pressebereich zeichnet sich in der Bundesrepublik zunächst durch große Reichweiten und eine vergleichsweise ausgeprägte Vielfalt aus.101 Auch im Segment der überregional relevanten Qualitätspresse siedelt sich eine zwar kleine, aber immer noch beachtliche Zahl von Medien an. Im Unterschied zur Weimarer Republik ist allerdings die Rolle der „weltanschaulich“ und parteipolitisch festgelegten Medien verschwindend gering - die Parteipresse hat ihren exponierten Stellenwert in der politischen Öffentlichkeit weitgehend eingebüßt.102 In dieser Hinsicht markiert die Bundesrepublik einen mittleren Typus, insofern die geringe Rolle offener politischer Richtungspresse durch einen vergleichsweise schwachen Binnenpluralismus ersetzt wird. Auch Journalistenbefragungen zeigen, dass die bundesdeutschen Medien sich auch da, wo sie moderne Journalissolche Formen angemessener Politikdarstellung, die quer zu der problematischen Alternative elitenorientierter Sachrationalität und populärer Unterhaltung liegen. Genau dies sind wohl auch die Herausforderungen für den zeitgenössischen Journalismus: Unter Bedingungen der Angebotsexpansion Politikvermittlung zu betreiben, die informiert ohne einzuschläfern oder auch im Sinne von Verlautbarungsprogrammen nur herablassend zu belehren. 101 Gewiss haben auch Klagen über den Schwund publizistischer Vielfalt, eine gewachsene Konzentration und nur scheinbare Vielfalt nicht zuletzt auf lokaler und regionaler Ebene ihre Berechtigung. Maßstab für die hier vorgenommene Charakteristik sind aber nicht Perioden größerer Vielfalt und auch keine gut begründbaren Maximalkritierien, sondern die Position der bundesdeutschen Presse im internationalen Maßstab. 102 Jenseits soziologischer Aspekte des Bedeutungsverlustes der Parteipresse im Kontext von Veränderungen des demokratischen Prozesses und sozialer Strukturen, die als ein Effekt der Autonomiegewinnung des Mediensystems interpretiert werden können, hat die Parteipresse aber auch erhebliche verfassungsrechtliche Implikationen, die in der bundesdeutschen Geschichte insbesondere da wichtig geworden sind, wo nach § 21 Abs. 2 GG [Parteien, Parteienprivileg] durch das Bundesverfassungsgericht Parteienverbote ausgesprochen wurden. Das war 1952 gegen die Sozialistische Reichspartei (SRP) und 1956 gegen die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) der Fall. Im Fall eines formellen Presse-Parteien-Parallelismus (parteigebundene Presse) wurden Folgewirkungen in Hinsicht auf § 5 GG [Freiheit der Meinung, Zensur] gesehen, wenn die Parteipresse als Teilorganisation der verfassungsfeindlichen Organisation gelten kann und daher ebenfalls unter das Verbot fällt (Beschlagnahmung von Druckereien etc.). Der Staats- und Verfassungsrechtler Helmut Ridder (vgl. allg. Ridder 1975, insb.: 85 ff.) hat gegen diese Verknüpfung argumentiert. Gegen dessen Rechtsauffassung argumentiert wiederum in einer umfassenden Stellungnahme zum Thema Parteipresse und im Sinne der herrschenden Meinung Dagtoglou (Dagtoglou 1967). Das Verbotsverfahren gegen die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD), die im Monatsrhythmus die Parteizeitung „Deutsche Stimme“ herausgibt, wurde 2003 eingestellt.
4.3 Die Beziehungen von Medien und Politik
103
musnormen verkörpern, recht zuverlässig politisch klassifizieren lassen (Donsbach, Wolling und Blomberg 1996). Keine Parteipresse, wohl aber redaktionelle Linien und politische Affinitäten in Verbindung mit einem ausgeprägten Professionalismus sind Merkmale des bundesdeutschen Mediensystems.103 Als Merkmal der „politischen Kommunikationskultur“ als des umfassenden Verhältnisses medialer und politischer Akteure hat wiederum Pfetsch herausgearbeitet, dass die Bundesrepublik durch ein vergleichsweise vertrauensvolles, kooperatives und konsensorientiertes Verhältnis gekennzeichnet ist (Pfetsch 2000a, 2003). Auch die vielfach thematisierten Veränderungen in der neuen Berliner „Medienrepublik“ bauen noch auf einer eher konsensorientierten Kommunikationskultur auf, die sich von den stärker an professioneller Distanz orientierten US-amerikanischen Verhältnissen unterscheidet. Mit der Kennzeichnung einiger Besonderheiten der bundesdeutschen Medienlandschaft ist sicher nicht ausgeschlossen, dass das bundesdeutsche Mediensystem seit einiger Zeit Wandlungsprozessen unterliegt (Kaase 2000). Diese Veränderungen lassen sich - wie im Exkurs zu Varianten der Differenzierungstheorie bei Luhmann und Bourdieu (Kap. 3.2.1) skizziert wurde - je nach theoretischer Perspektive als Entdifferenzierung von Journalismus und Ökonomie oder als Autonomisierungsschub der Medien gegenüber der Politik konzeptualisieren. Entscheidend ist, dass sich Entwicklungstrends abzeichnen, deren Endpunkte noch nicht absehbar sind und von denen insofern nur schwer einzuschätzen ist, inwieweit sie zu einer Abschleifung der Besonderheiten des bundesdeutschen Modells der Beziehungen von Medien und Politik führen wird. Angesichts von Entwicklungstendenzen mit globaler Reichweite kann davon ausgegangen werden, dass historische Traditionen nicht jeglichen Einfluss verlieren werden. Wird aber der spezifische bundesdeutsche Pfad und die Ausgestaltung der institutionellen Medienordnung in den Blick genommen, dann erweist sich das bundesdeutsche Medienmodell mit Hallin/Mancini weiterhin als ein spezifischer Typus des demokratischen Korporatismus. Die Rolle der Medien als öffentliche Sprecher und politische Akteure hat in diesem System zwei Seiten. 103
Hachmeister betont ein Abschmelzen politisch signifikanter Unterschiede innerhalb der meinungsführenden journalistischen Eliten der „Berliner Republik“ (Hachmeister 2007). Es würden „hergebrachte politische Pointierungen und Loyalitäten im alten Links-Rechts-Schema nicht mehr funktionieren“ (ebd.: 86). Wenn sich aber zugleich „der meinungsführende Journalismus (…) in der Berliner Republik nach rechts bewegt“ (ebd.: 85) hat, wäre die Geltung des Schemas und die Konturierung redaktioneller Linien in anderer Hinsicht durchaus bestätigt. Es zeigt sich hier die zentrale Relevanz der Unterscheidung von Profilbildung und Polarisierung. Selbst angesichts scharfer Kontroversen zwischen linksliberalen und konservativen Medien in der „Bonner Republik“ ist schon in der unmittelbaren Nachkriegszeit mit dem Übergang zu einem demokratisch-korporatistischen System im Sinne von Hallin und Mancini eine scharfe Polarisierung wie zu Weimarer Zeiten oder in manchen südeuropäischen Ländern nur noch ein blasse Erinnerung. Das heißt aber nicht, dass politische Kriterien und Differenzierungen ihre Prägekraft für das Mediensystem verloren hätten.
104
4 Die Medien der Öffentlichkeit
Zum einen kann von einem hohen Maß des journalistischen Professionalismus ausgegangen werden, der für eine Abgrenzung der journalistischen Praxis gegenüber externen Einflüssen aus Politik und Gesellschaft steht. Im bundesdeutschen Verfassungsstaat ist der Zugang zur öffentlichen Sphäre und auch dem Journalistenberuf konstitutiv offen. Daraus ergeben sich im Vergleich zu klassischen, geschützten Berufen Grenzen für jede Professionalisierung im Sinne einer ständischen Schließung. Die kritische Befragung der tatsächlichen Einlösung dieser Verfassungsnormen und Konventionen stellt dennoch gerade im Zuge eines permanenten und dynamischen Medienwandels eine Beobachtungs- und Forschungsaufgabe von hohem Rang dar. Auf der anderen Seite lässt sich für die Bundesrepublik aus mindestens zwei Gründen doch ein relativer politischer Parallelismus von Medien und Politik feststellen. Zum einen erklärt sich dieser Umstand aus der leitenden Rolle und der Monopolstellung, die der öffentlich-rechtlich verfasste Mediensektor in der Bundesrepublik lange Zeit eingenommen hat. Im Verbund mit spezifischen Eigentümlichkeiten der politischen Kultur und des politischen Systems ergeben sich hieraus besondere Koordinationsmechanismen von Medien und Politik, die sich wiederum von eher distanzierten Mustern US-amerikanischer Provenienz unterscheiden lassen. Zugleich bleibt die Vorgeschichte der Bundesrepublik mit ihrer bedeutenden Rolle der Parteipresse bis heute ein prägender Einflussfaktor, dessen Spezifika besonders im Vergleich mit den USA und deren fast ausschließlich von kommerziell orientierten Medien geprägten Geschichte eine Besonderheit markieren. Nicht zuletzt deshalb bieten sich Konzepte des „politischen Parallelismus“ für eine Erschließung der zeitgenössischen Beziehungen von Medien und Politik und der Rolle von Medien als politischen Akteuren an. Auf der Darstellung eines öffentlichkeitstheoretischen Bezugsrahmen und einigen vergleichenden Perspektiven zum bundesdeutschen Fall aufbauend, sind in diesem Abschnitt einige Ansätze der Medien- und Kommunikationsforschung vorgestellt worden. Es wurde gezeigt, dass diese Ansätze, die starke Bezüge zu Fragen der Medienwirkungsforschung besitzen, auch für die Bearbeitung der Frage nach Medien als politischen Akteuren plausible und empirisch fruchtbare Ansatzpunkte aufweisen. Die Muster der Nachrichtenauswahl, der Themenstrukturierung und des Framings, die Konstruktion von Bias und die Profilierung von redaktionellen Linien sowie das Verhältnis von Abhängigkeit und Autonomie von Presse und Medien sowie Politik und Parteien (politischer Parallelismus, Indexing) geben empirienahe Gesichtspunkte und Konzepte an die Hand, die eine Analyse von öffentlichkeitstheoretisch zentralen Fragen auf der Ebene von Medieninhalten ermöglichen. Mit dieser Hinführung der eingangs entfalteten Fragen nach einer Medialisierung des politischen Prozesses und der Profilierung der Medien als politischen Akteuren auf inhaltsanalytisch greifbare Dimensionen
4.3 Die Beziehungen von Medien und Politik
105
ist die theoretisch-konzeptionelle Rahmung abgeschlossen. Es liegen wichtige konzeptionelle Werkzeuge bereit, die eine tragfähige Grundlage für die Analyse des bundesdeutschen Kommentardiskurses bieten. Im zweiten Teil werden Aufbau und zentrale Ergebnisse der Inhaltsanalyse der politischen Kommentare überregionaler Tageszeitungen vorgestellt. Die Konstruktion politischer Profile und redaktioneller Linien wird dabei in Dimensionen untersucht, die sich in das Suchraster zu Presseautonomie und dem Verhältnis von Journalismus und Politik fügen. Neben dem prägenden Einfluss des Links-Rechts-Schemas geht es dabei vor allem um das Verhältnis von Medien und Parteien sowie die Einflüsse von personalisierter und auf Spitzenpolitiker zugeschnittener Politikdarstellung auf die Strukturierungsmuster des politischen Diskurses.
Teil II: Empirische Befunde zur politischen Strukturierung der öffentlichen Kommentaragenda
5 Methodische Vorgehensweise
Die in den folgenden Abschnitten geschilderte empirische Analyse geht von der Frage nach strukturierten und stabilen Medienunterschieden aus. Im Fokus der empirischen Analysen steht durchgehend die Unterscheidbarkeit von redaktionellen Linien und Organisationsidentitäten der verschiedenen Medien. Zur Übersetzung dieser Leitfrage werden zunächst Teildimensionen und Unterfragen sowie die damit verbundenen Erwartungen und Vorannahmen vorgestellt. Anschließend soll in mehreren Schritten auch die im engeren Sinn methodische Vorgehensweise der standardisierten Kommentaranalyse transparent gemacht werden. Es werden zunächst Materialauswahl und Stichprobenziehung dargestellt, Grundzüge des inhaltsanalytischen Kategoriensystems entwickelt und dann der konkrete Codierungsprozess sowie die Zuverlässigkeit der erhobenen Daten beschrieben. Wir gehen dabei, wie bereits theoretisch entwickelt wurde, von der Annahme aus, dass der politische Kommentar ein besonders geeigneter Indikator für den politischen Stellenwert und die aktive Rolle der Medien ist.104
5.1 Analytische Dimensionen und Untersuchungsfragen Zunächst soll vor dem Hintergrund der vorausgegangenen theoretischen und konzeptionellen Überlegungen zur politischen Öffentlichkeit und zur Rolle der Medien als politischen Akteuren die übergreifende Fragestellung nach der politischen Autonomie der Massenmedien in empirischer Perspektive dimensioniert werden. Grundlagentheoretisch geht es an dieser Stelle um die Reichweiten und auch die Grenzen einer Übertragung von Theorien sozialer Differenzierung auf den Bereich der politischen Öffentlichkeit. Es gilt zu klären, inwieweit die Me104 Neben dem inhaltlichen Gesichtspunkt, dass vor allem in Kommentaren politische Meinungen und Bewertungen der Journalisten als Öffentlichkeitsakteuren transparent werden, ist die besondere Indikatorqualität von Kommentaren auch einer forschungsökonomischen Überlegung geschuldet: Kommentare bieten eine gut zu greifende und im Vergleich zu Nachrichten quantitativ überschaubare Grundgesamtheit, von der angenommen werden kann, dass sie einen hohen Grad an Repräsentativität für die öffentlichen Schlüsselthemen bietet. Vgl. zur Eignung von Medieninhalten mit Blick auf Debatten zu „Sozialindikatoren“ auch Beniger (Beniger 1978). Ein Beispiel für den Einsatz von Neujahrsleitartikeln als empirischer Grundlage der Analyse sozialen Wandels in langer Perspektive (1840 bis 1987) bietet Eisner (Eisner 1991).
110
5 Methodische Vorgehensweise
dienöffentlichkeit sich als ein eigenständiges und auch von der Politik unabhängiges Funktionssystem oder soziales Feld beschreiben lässt. Damit ist die Frage verbunden, ob und inwiefern sich die Medien aufgrund fortgeschrittener Systembildungsprozesse von den Relevanzstrukturen der Politik abgekoppelt haben und mit ihrem spezifisch medialen Bild von der Realität der Politik auch die Politik zu Anpassungen und Umstellungen nötigen. Eine empirisch fruchtbare Analyseperspektive, die durch eine konzeptuelle Integration von strukturund akteurstheoretischen Perspektiven möglich wird, besteht hierbei in der Analyse von Medien als politischen Akteuren innerhalb von spezifischen Kontexten. Diese theoretisch steuernden Überlegungen sind bereits in den Grundzügen entfaltet worden. Eine empirisch fruchtbare Analysestrategie kann sie nur dann sinnvoll bearbeiten, wenn sie auf beobachtbare Phänomene bezogen werden. Die Leitfrage nach der massenmedialen Autonomie wird daher in verschiedene Dimensionen aufgeschlüsselt, die sich auf der Grundlage von inhaltsanalytischen Daten untersuchen lassen. Die vier Teilfragen bauen zum Teil aufeinander auf und stehen in einer logischen Folge, beleuchten aber auch unterschiedliche Facetten eines komplexen Phänomens. Diese vier Dimensionen sind: 1. 2.
3.
4.
Der Stellenwert des politisch-ideologischen Links-Rechts-Schemas für die Strukturierung der Kommentaragenda. Das Verhältnis der Medien zu den politischen Parteien als Indikatoren für die gegenwärtige Ausprägung des „Press-Party-Parallelismus“ (SeymourUre) auch nach dem Ende der Parteipresse. Der Stellenwert, den eine medienspezifische Personalisierung für die Strukturierung der Kommentaragenda besitzt und deren Effekte für die in den Abschnitten 1 und 2 analysierte politisch-ideologische Strukturierung. Die Relevanz des spezifischen „politischen Stils“ der Medien für ihre Profilierung und wechselseitige Unterscheidung voneinander und die Bestimmung der Gehalte dieses politischen Stils zwischen medienspezifischer Darstellungsweise (Negativismus, Dramatisierung usw.) und genuin öffentlichkeitspolitischem Handlungstypus.
5.1.1 Politische Codierung des Mediendiskurses? Das Links-Rechts-Schema bleibt auch angesichts kontroverser Einschätzungen weiterhin ein grundlegendes Strukturierungsprinzip politisch-ideologischer Dimensionen des politischen Wettbewerbs. Operationalisierungen dieses Schemas aus der empirisch vergleichenden Parteienforschung lassen sich auf die Analyse
5.1 Analytische Dimensionen und Untersuchungsfragen
111
der Medien als politischen Akteuren übertragen. Dieser Analyseschritt gewinnt seinen systematischen Stellenwert vor dem Hintergrund der These, dass das Links-Rechts-Schema einen „politischen Code“ (Fuchs und Klingemann 1989) darstellt. Der Nachweis von dessen Geltung und strukturbildendendem Effekt in der bundesdeutschen Kommentaröffentlichkeit kann so als Hinweis auf die Wirksamkeit genuin politischer Kriterien im Mediensystem interpretiert werden. Vor dem Hintergrund bereits vorliegender Studien zur politischen Strukturierung des bundesdeutschen Pressespektrums lassen sich unsere Analysen auch als Prüfung des Sachverhaltes verstehen, inwiefern gängige Annahmen der Medienforschung auf den Meinungsjournalismus übertragbar sind. Auch verschiedene Verfeinerungen des vergleichsweise eindimensionalen Links-Rechts-Schemas lassen sich in diesem Zug entwickeln. Es handelt sich hier um die Frage der Varianz der politisch-ideologischen Stellungnahmen in Abhängigkeit von spezifischen thematischen Kontexten und „Issue-Feldern“. Des Weiteren geht es um den Stellenwert, den eine aktive „Ideologisierung“ von politischen Themen im Kommentardiskurs im Vergleich zu eher analytisch-beschreibenden Stellungnahmen einnimmt sowie um die insbesondere in Hinsicht auf die Besonderheiten des bundesdeutschen Falls wichtige Frage des „Binnenpluralismus“ und der Streuung von Positionierungen innerhalb des Links-RechtsSchemas innerhalb von spezifischen Medienorganisationen. Der erste empirische Argumentationsschritt zielt zusammenfassend auf den Nachweis des hohen Stellenwerts eines „politischen Codes“ für die Strukturbildung des Kommentardiskurses. Es soll gezeigt werden, dass die Medien sich analog etwa den Kriterien der Parteienforschung als politische Akteure begreifen lassen und sich ihr diskursiver Beitrag nicht allein aus medienspezifischen, sondern aus einem komplexen Zusammenspiel medialer und genuin politischer Faktoren ergibt.
5.1.2 Parteibindungen der Medien? Die Analyse der Bindungen von Medien an politische Parteien steht im Zentrum des bereits eingeführten Konzeptes des „Press-Party-Parallelismus“. Mit dem offensichtlichen Bedeutungsschwund der Parteipresse hat allerdings die Analyse der Beziehung der Medien zu breiter gefassten politisch-ideologischen Richtungen anstelle von Parteien an Bedeutung gewonnen hat: Statt von „Press-PartyParallelismus“ wird von „politischem Parallelismus“ gesprochen. Mithilfe dieses Konzeptes lassen sich auch die im vorangegangenen Abschnitt dargestellten politischen Links-Rechts-Codierungen der Medienagenda theoretisch erschließen.
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5 Methodische Vorgehensweise
Die theoretische Weiterentwicklung hat freilich ihren Preis. Mit dem Übergang zum Konzept des politischen Parallelismus wird nämlich der Bezug auf diejenigen Akteure aufgegeben, die im politischen Entscheidungsprozess letztlich um die Besetzung von Ämtern und Machtpositionen konkurrieren und für die Formulierung kollektiv verbindlicher politischer Entscheidungen zuständig sind. Es sind nicht „weltanschauliche Richtungen“, die im Politikprozess Entscheidungen treffen, sondern spezifische Akteure und Akteurskoalitionen. Auch nach dem Bedeutungsverlust der Parteipresse behält die analytische Dimension der Medien-Parteien-Beziehungen also ihre Bedeutung. Es ist daher interessant, inwieweit die Medien im Rahmen eines informalisierten Press-Party-Parallelismus bestimmte Parteien stützen oder schwächen. Die öffentlichkeitssoziologische und kommunikationswissenschaftliche Rahmung ermöglicht hier die Unterscheidung von zwei Dimensionen: Zum einen ist die Aufmerksamkeitszuweisung der Medien und die Thematisierung der Parteien von Interesse („Prominenz“, „standing“). Sie entscheidet wesentlich über Sichtbarkeit und Wahrnehmbarkeit, die für Parteien von erheblicher Bedeutung sind, weil sie über den Wahlmechanismus an die Aufmerksamkeit des Publikums gebunden sind. Zum anderen ist aber auch die Bewertung und Evaluation der Parteien, allgemeiner gesprochen: das Framing der Parteien von Bedeutung. Denn Zustimmung und Legitimität, auf die Parteien angewiesen sind, sind nicht gleichbedeutend mit Sichtbarkeit und Wahrnehmbarkeit. Auf der Grundlage dieser Dimensionierung ergeben sich wiederum zwei zentrale Argumentationsziele und Befunde. Zum einen kann gezeigt werden, dass sich hinsichtlich der Aufmerksamkeitszuweisung kaum Hinweise auf ein Durchschlagen von politischen Tendenzen in der politischen Kommentierung finden. Im Blick auf die gesamte Kommentaragenda manifestiert sich eine mögliche Affinität zwischen Medien und Parteien nicht durch gezieltes Verschweigen oder Sichtbarmachen – der Faktor Prominenzierung ist an dieser Stelle zu relativieren. Zum anderen kann im Fall der Bewertungen sehr deutlich gezeigt werden, dass die bundesdeutsche Kommentaragenda durch komplexe Muster des Press-Party-Parallelismus strukturiert ist. Es ergeben sich zwar erwartungsgemäß keine Punkt-zu-Punkt-Entsprechungen zwischen den analysierten Medien und politischen Parteien, aber doch sehr deutliche „Wahlverwandschaften“. Dennoch sind die Kommentatoren alles andere als „Pressesprecher“ der Parteien: Ihre Affinitäten drücken sich weniger in unkritischer Loyalität als in einer nach politisch-ideologischer Nähe graduierten, mehr oder weniger konzilianten Ausübung ihrer journalistischen Rolle aus. Dennoch lässt sich die Transformation des generalisierten politischen Codes in spezifische Muster der Parteiendistanz der Medienakteure in Richtung einer allerdings eingeschränkten und kontrollierten Wirksamkeit genuin politischer Kriterien im Mediendiskurs interpretieren.
5.1 Analytische Dimensionen und Untersuchungsfragen
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5.1.3 Überlagerung politischer Muster durch Personalisierung? Mit der Mobilisierung des Links-Rechts-Schemas und der Parteienbewertung stehen zwei im engeren Sinn politische Strukturierungsmuster des Kommentardiskurses im Fokus der empirischen Analyse. Eine Gegenprobe zur These der Persistenz politisch-ideologischer Kriterien bietet nun die Analyse des Stellenwertes personalisierender und auf politische Spitzenkandidaten konzentrierter Kommentierung. „Personalisierung“ auch im eher kritischen Sinne einer Reduktion komplexer politischer Sachfragen auf die Performanz der handelnden Akteure und die Positionskämpfe von politischen Konkurrenten (politics, „horserace“) gilt als mit medialen Präsentationsformaten in besonderem Maße kompatible Darstellungsform. Daher bietet sich diese Dimension an, um das Verhältnis sach- oder richtungspolitischer Einlassungen und medienspezifischer Darstellungsweisen zu bestimmen. In einem ersten Schritt wird zunächst der Stellenwert von personalisierender Kommentierung im Kommentardiskurs der Qualitätsmedien untersucht und belegt, dass der Kommentardiskurs im Untersuchungszeitraum keine klare Trendentwicklung in Richtung einer verstärkten Personalisierung erkennen lässt. Die Journalisten der Qualitätsmedien üben gegenüber der eher boulevardesken Orientierung auf Personen und deren Eigenschaften einen aufhaltenden und bremsenden Effekt aus und unterstützen die Geltung politischer Kriterien und Bewertungsmuster im öffentlichen Diskurs. In einem vertiefenden Schritt wird analysiert, inwiefern die Darstellung und Kommentierung der Kanzlerkandidaten und Exponenten der großen Parteien im Untersuchungszeitraum (Kohl, Schröder, Lafontaine) die Muster der politischideologischen Diskursstrukturierung verstärken und stabilisieren bzw. verändern und überlagern. Dieser Analyseschritt gewinnt seine Bedeutung neben seinem systematischen Stellenwert auch durch den Umstand, dass der sozialdemokratische Kanzlerkandidat Gerhard Schröder im öffentlichen und auch im wissenschaftlichen Diskurs immer wieder als eine Art Medienvirtouse (Medienkanzler) dargestellt wurde, der durch geschickte Selbstinszenierungen und eine Ankopplung an die Aufmerksamkeitslogiken der Massenmedien die öffentliche Meinung zu seinen Gunsten gesteuert habe. Mit der medienorientierten und auf seine Person zugeschnittenen Wahlkampfführung Schröders wurden daher weitreichende Annahmen über den Wandel der politischen Kommunikationskultur verbunden, die weit über die triviale Beobachtung hinausgehen, dass Kanzler immer auch Öffentlichkeitsarbeit betreiben.105 105
In einer journalistischen Annäherung hat Meng die These eines mediengestützten „Systems Schröder“ in die Debatte gebracht (Meng 2002). Rosumek vertritt in einer Querschnittsuntersuchung
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5 Methodische Vorgehensweise
Die mediale Induzierung von Zustimmung kann etwa in Konkurrenz zu Legitimationsmechanismen durch die politischen Parteien selbst treten und daher einer „Präsidentialisierung“ der Parteiendemokratie Vorschub leisten (dazu Kernell 1997). Auf der Grundlage der eingehenden Analyse des Kommentardiskurses lässt sich jedoch zeigen, dass der Erfolg Schröders in der massenmedialen Arena nicht nur auf der Attraktivität eines „politischen Performers“ für den Journalismus beruhte. Auch die Darstellung und Bewertung Schröders im Kommentardiskurs hat das Rollenmodell des kritischen Professionalismus innerhalb der Medien keineswegs unterlaufen. Im Gegenteil: Es kann gezeigt werden, dass andere Kandidaten von der Seite ihres jeweiligen Klientels weit positivere Einschätzungen erhalten haben. Schröders Darstellung in den Kommentaren war allerdings mit einer deutlichen Abschwächung des Unterschiedes zwischen den politisch-ideologischen Richtungen verbunden. Im Vergleich zu Politikern wie Kohl oder Lafontaine, mit denen stark polarisierende Effekte verbunden waren, näherten sich die Kommentatoren in Hinblick auf Schröder tatsächlich aneinander an. Ohne die Relevanz inszenatorischer Diskurssteuerung schaupolitischer Art in Abrede zu stellen, beruht der „Schröder-Effekt“ doch auf der Formulierung eines politischen Angebotes, das inhaltlich auf die Mitte des politischen Spektrums zugeschnitten war und daher die überkommene, an politisch-ideologischen Konfliktlinien ausgerichtete Diskursstruktur unterlief. Der Selbstbeschreibung dieses Angebotes als „Neuer Mitte“ korrespondiert eine empirisch beobachtbare Veränderung der medialen Diskursstrukturen.
5.1.4 Journalistische Stilisierung als politischer Faktor? Die Profilierung der Medien als unterscheidbarer politische Akteure muss sich nicht ausschließlich auf die politisch-ideologischen Orientierungen beziehen. Auch die relative Annäherung der verschiedenen Zeitungen im Verhältnis zu spezifischen Politikern muss daher nicht der These widersprechen, dass sich die Medien im Diskurs als distinktive Akteure profilieren. Die Zeitungen können sich nämlich nicht nur im Hinblick auf die artikulierten Präferenzen und Bewertungen unterscheiden, sondern auch in ihrem „politischen Stil“ (Richardson). Es handelt sich dabei unter anderem um die Frage, ob die Kommentatoren überhaupt auf die grundsätzliche Ebene der Artikulation politisch-ideologischer Richtungskonflikte gehen, wie stark sie zur Formulierung eigener, pointierter Stellungnahmen neigen und in welchem Maße sie ihr Mandat der Öffentlichkeitsarbeit verschiedener Bundeskanzler demgegenüber eine gegenüber sozialem Wandel im Medienbereich eher skeptische Kontinuitätsthese (Rosumek 2007).
5.2 Inhaltsanalytisches Vorgehen
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zur Formulierung expliziter Meinungen als Aufforderung zur Artikulation kritischer und negativer Stellungnahmen verstehen. Es kann gezeigt werden, dass vor allem das Ausmaß an Kritik ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal „linker“ bzw. liberaler und „rechter“ bzw. konservativer Zeitungen ist. Damit stellt sich die Frage, ob die politische Profilbildung zureichend als Wettbewerb innerhalb einer durch Konkurrenzen gekennzeichneten Arena zu verstehen ist und inwieweit darüber hinaus auch die Modalitäten des Diskurses und die Rolle der Medien selbst implizit Gegenstand öffentlicher Diskurse sind. Die stärkere Orientierung der links-liberalen Medien an kritischer Kommentierung ließe sich dann als Hinweis auf ein implizites Öffentlichkeitsmodell verstehen, das in höherem Maße eine journalistische Autonomie gegenüber den politischen Akteuren verkörpert und damit konstitutionell auf „Machtkritik“ gepolt ist. Demgegenüber liegt der Einwand nahe, dass dieser Befund ein Artefakt aufgrund des Untersuchungsdesigns sein könnte. Denn im untersuchten Zeitraum wird die Bundesrepublik von einer konservativ-liberalen Bundesregierung regiert. Wenn die linksliberalen Medien in diesem Zeitraum kritischer kommentieren, muss dass keineswegs auf ein spezifisches Rollenmodell, sondern kann auf die politische Konstellation zugerechnet werden. Unsere Analysen lassen dennoch deutlich werden, dass auch politischer Stil oder „öffentliche Kultur“ ein Politikum eigener Art sind und daher jenseits der reinen Präferenzen und Bewertungen besondere Beachtung verdienen.
5.2 Inhaltsanalytisches Vorgehen Nachdem die verschiedenen Einzelfragen zur politischen Rolle der Medien vorgestellt sind, kann nun das methodische Prozedere transparent gemacht werden.106 Die Darstellung ist ausschließlich auf die Erhebung und Struktur derjeni106 Die Integration von Medienakteuren in sozialwissenschaftliche Politikanalysen setzt schließlich nicht nur eine theoretische und konzeptionelle Wahrnehmung der Relevanz von symbolischen und interpretativen, kommunikativen und diskursiven Politikdimensionen voraus, sondern auch praktikable methodische und forschungstechnische Konzepte. Die Darstellung beschränkt sich an dieser Stelle auf die wichtigsten Grunddimensionen des methodischen Vorgehens und kann auf an anderer Stelle bereits publizierte, eher technisch-methodische Publikationen, verweisen. Besonders ist der umfangreiche Methodenbericht hervorzuheben, in dem auch das inhaltsanalytische Klassifikationssystem detailliert dargestellt wird (Eilders und Lüter 1998). Dieser Bericht steht auch digitalisiert als online-Publikation zur Verfügung. Eine kürzere Darstellung des methodischen Vorgehens des Kommentarprojektes mit Überschneidungen zum Methodenbericht sowie mit Angaben zu verschiedenen Recodierungen und anschließend an die Datenerhebung konstruierten Variablen gibt Eilders (Eilders 2004b). Das Kommentarprojekt konnte überdies auf methodischen Arbeiten zur Messung von „policy-Positionen“ (Voltmer 1994) sowie aus dem sog. „Party-Manifesto-Projekt“ (Volkens und Voltmer 1992) aufbauen. Darüber hinaus bieten verschiedene Publikation aus dem ehemaligen Forschungs-
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5 Methodische Vorgehensweise
gen Daten beschränkt, die tatsächlich in die empirische Analyse eingegangen sind. Zu beachten bleibt dennoch, dass für eine breiter angelegte Untersuchung von Medienakteuren auch zusätzliche Dimensionen relevant werden können. Unsere begleitenden Analysen mit inhaltsanalytisch gewonnen Daten zu x x x
politischen Positionen von Parteiprogrammen, den Themen von Vorgängen im Bundestag (Anfragen, aktuelle Stunden u.ä.) sowie mit Umfragedaten zu Parteien- und Kanzlerpräferenzen und Themenprioritäten der Bürger,
werden an dieser Stelle nicht aufbereitet, bieten aber prinzipiell sinnvolle Weiterungen. Dass im Unterschied zu ad-hoc-Diagnosen und Ein-ThemenUntersuchungen im vorliegenden Rahmen auf eine für Inhaltsanalysen überdurchschnittlich hohe Fallzahl von mehreren Tausend Kommentaren zurückgegriffen werden kann, erklärt sich nicht zuletzt auch durch die Institutionalisierung der Öffentlichkeitsforschung am Wissenschaftszentrum Berlin.107
5.2.1 Zeitungsauswahl und Stichprobe Der empirische Untersuchungsfokus der vorliegenden Studie richtet sich auf politische Kommentare. Die Auswahl der Tageszeitungen, denen diese Kommentare entnommen wurden, geht auf zwei zentrale Argumente zurück, die die Rolle dieser Zeitungen als politische Leitmedien betreffen. Zunächst bieten sich diese Zeitungen an, weil sie in einem besonders hohen Maße von politischen Entscheidungsträgern wahrgenommen werden und damit für mögliche Effekte der öffentlichen Meinung der Medien auf das politische System von Bedeutung sind. Die Wahrnehmung der Medienstimme stellt schließlich eine der trivialen Voraussetzungen für deren Wirkung und die Entfaltung ihres Einflusspotenzials da. Zum anderen sind die ausgewählten Medien aber auch insofern von Bedeutung, als sie im Mediensystem selbst und von Jourschwerpunkt III „Sozialer Wandel, Institutionen und Vermittlungsprozesse“ des Wissenschaftszentrums Berlin operativ verwendbare Methodendarstellungen. 107 Im deutschsprachigen Raum liegt nach der Einstellung der WZB-Abteilung „Öffentlichkeit und soziale Bewegungen“ eine thematisch ähnlich gerichtete Forschungsinstitution mit dem „Forschungsbereich Öffentlichkeit und Gesellschaft“ (fög) in Anbindung an die Universität Zürich vor. Die im Rahmen des WZB-Projektes durchgeführten aufwändigen Codierungen der Pressekommentare wurden in weiten Teilen von studentischen Mitarbeitern übernommen, denen an anderer Stelle bereits gedankt wurde (Eilders et al. 2004: 9).
5.2 Inhaltsanalytisches Vorgehen
117
nalisten jenseits der überregionalen Qualitätszeitungen besonders intensiv wahrgenommen und beobachtet werden und damit Multiplikatoreffekte auslösen können. Das Inter-media-agenda-setting bezeichnet einen weiteren Wirkungsmechanismus der Qualitätszeitungen und unterstützt die Annahme einer mit einigen besonderen Akzenten versehenen Repräsentativität der in diesen Blättern kommunizierten Themen und Meinungen für die gesamte bundesdeutsche Medienöffentlichkeit. Entgegen mancher Annahmen über extrem starke Wirkungen des Fernsehens gehen die Kommentare der Qualitätspresse auch an den Journalisten der elektronischen Bildmedien nicht spurlos vorbei, werden im Gegenteil dort weiterhin stark beachtet. Konkret bilden die politischen Kommentare aus den überregionalen deutschen Qualitätszeitungen Die Welt (DW), Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), Süddeutsche Zeitung (SZ), Frankfurter Rundschau (FR) und tageszeitung (taz) die Quellengrundlage unserer Analyse. Damit ist das politische Spektrum der überregionalen Zeitungen umfassend abgedeckt und bis auf die Einbeziehung der taz auch an bestehende Forschungskonventionen angeschlossen worden.108 Die Aufnahme der taz in Medieninhaltsanalysen mit Anspruch auf Repräsentativität ist nicht immer selbstverständlich gewesen. Trotz einer im Vergleich zu den großen Tageszeitungen geringeren Reichweite ist die taz analytisch interessant, weil sie auch sog. „postmaterialistische“ Konfliktlinien und Themenpräferenzen abbildet, die gesamtgesellschaftlich von Bedeutung sind. Die taz wird überdies auch von Journalisten stark wahrgenommen. Ein Defizit der Auswahl besteht in der Nichtrepräsentation einer ostdeutschen Tageszeitung, das sich allerdings nicht konsistent mit den anderen Auswahlkriterien aufheben lässt. Geeignete Kandidaten wären hier das „Neue Deutschland“ und die „Leipziger Volkszeitung“ (LVZ). Das Neue Deutschland versteht sich zwar als überregionale Tageszeitung, bewegt sich als ehemalige Parteizeitung aber noch jenseits des rein professionalistischen Journalismus. Die LVZ ist vom Anspruch her eine regionale Zeitung und kann daher der Struktur des Samples nicht gleichrangig zugeordnet werden. Insofern reproduziert sich auch in der methodischen Anlage der Studie 108
In einer der seltenen umfassenden Journalistenbefragungen hat sich die Annahme einer Leitrolle der überregionalen Tagespresse auch nach der um die Jahrtausendwende auf ihren Höhepunkt zusteuernden Zeitungskrise bestätigt. Alle der ins Sample aufgenommenen Zeitungen finden sich auch zu diesem Zeitpunkt erneut unter den einflussreichsten und von Journalisten am intensivsten wahrgenommenen Medien (Weischenberg, Malik und Scholl 2006: 134). Weiterungen im Spektrum der Qualitätszeitungen etwa in das Feld der Wochenzeitungen und Magazine (Zeit, Spiegel) und mehr noch des Boulevard (Bild) sollen dabei in Abhängigkeit von der Untersuchungsfrage nicht ausgeschlossen werden. Es entstehen hier allerdings Probleme der Vergleichbarkeit und der Methodenkombination. Eine große methodische Herausforderung liegt auch in der Einbeziehung von OnlineMedien. Entgegen jedem „Novitismus“ ist aber festzuhalten, dass bis auf weiteres die Tageszeitung ein ebenso chronisch unterschätztes wie relevantes Medium bleibt.
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5 Methodische Vorgehensweise
die Struktureigentümlichkeit der Medienöffentlichkeit der vereinigten Bundesrepublik, dass es eine genuin ostdeutsche Stimme mit überregionaler Ausstrahlung im Spektrum der Qualitätszeitungen nicht oder noch nicht gibt.109 Für die fünf ausgewählten Zeitungen ist mit einer Einschränkung eine Vollerhebung aller Kommentare vorgenommen worden. Aufgrund des konzeptionellen Ziels einer Datenhebung, die prinzipiell auch eine Überprüfung von Medienwirkungen auf den politischen Prozess ermöglichen soll, sind nur solche Kommentare in die Stichprobe aufgenommen worden, die einen inhaltlichen Deutschlandbezug aufweisen und damit für die bundesdeutsche Politik von direkter Relevanz sind. Außenpolitische Kommentare sind immer dann eingeschlossen worden, wenn sie einen Deutschlandbezug aufwiesen. Internationale Vorgänge, die diesen Bezug nicht mindestens in marginaler Art - etwa in Form von Kommentaren und Stellungnahmen deutscher Politiker - aufwiesen, sind auch in die Stichprobe nicht aufgenommen worden. Tabelle 2: Zeitliche Stichprobenstruktur Jan
Feb
Mrz
1994 1995 1996 1997 1998
Apr
Mai
Jul
Jun
Aug
Sep
Apr./Mai/Jun. Jan./Feb./Mrz.
Okt
Nov
Dez
Okt./Nov./Dez. Jul./Aug./Sep.
Apr./Mai/Jun. Jan./Feb./Mrz.
Jul./Aug./Sep. Sep./Okt./Nov.
Mit den fünf Jahren von 1994 bis 1998 ist ein vergleichsweise langer Zeitraum untersucht worden. Dabei wurden allerdings mit Ausnahme der FAZ die natürlichen Kalenderjahre nicht vollständig erhoben und codiert. Nur die Kommentare der FAZ sind zu Kontroll- und Vergleichszwecken für den gesamten Untersuchungszeitraum inhaltsanalytisch codiert worden. Für die anderen vier Zeitungen wurden Stichproben gezogen, sodass jeweils zwei dreimonatige Blöcke pro Jahr in die Untersuchung eingehen. Die Position dieser Untersuchungsfenster rotiert im Jahresturnus. Im ersten Untersuchungsjahr 1994 sind also die Monate April bis Juli und Oktober bis November erhoben worden, im darauf folgenden Jahr 1995 dagegen die Monate Januar bis März und Juni bis September. Jeweils im Wechseltakt setzt sich dieses Muster bis ins Jahr 1998 fort. Weil im Jahr 1998 eine Bundestagswahl stattfand, mit der zudem noch die 16-jährige Kanzlerschaft Kohls beendet und ein Regierungswechsel eingeleitet wurde, ist der Wahlmonat 109 Studien, die sich mit diesem Defizit nicht abfinden wollen, greifen in der Regel auf die LVZ zurück.
5.2 Inhaltsanalytisches Vorgehen
119
September in die Stichprobe aufgenommen worden. Daher ist der Dreimonatsblock am Ende des Untersuchungszeitraums einen Monat vorgerückt und endet schon einen Monat früher mit dem November. Bei der Stichprobenziehung wurden nur solche Beiträge berücksichtigt, die eindeutig dem Genre des Kommentars zuzuordnen waren, nicht aber Hintergrundberichte, Analysen und Features oder Mischformen. Das Genre des ‘Kommentars’ ist in der Regel durch grafische Gestaltungsmerkmale vom Rest des redaktionellen Teils optisch abgegrenzt oder explizit in der Kopfzeile als solches ausgewiesen.110 Codiereinheit war der einzelne Kommentar. Ausgeschlossen wurden außerdem alle nicht-politischen Kommentare, was zunächst alle Kommentare im Wirtschafts- oder Kulturteil betraf. Dagegen wurden alle Kommentare des Politikteils der ausgewählten Zeitungen im Prinzip in die Untersuchung einbezogen. Nur in seltenen Fällen kam es zu Ausschlüssen etwa bei Kommentaren ohne ersichtlichen politischen Bezug (etwa zu Naturkatastrophen ohne Adressierungen an politische Akteure oder bei ‚Besinnungskommentaren‘ zu Feiertagen). Kommentare zu Einzelpersonen (etwa Preisverleihungen und Ehrungen) wurden dann berücksichtigt, wenn sie politische Bezüge aufwiesen, wovon in der weit überwiegenden Zahl der Fälle schon aufgrund der Platzierung im Politikteil ausgegangen werden kann. Kommentare zu rein wirtschaftlichen Themen, zu rein kulturellen Themen oder reinen Unterhaltungsthemen werden in den jeweiligen Fachressorts der analysierten Zeitungen abgedruckt, es sei denn die Redaktion sieht einen politischen Bezug. Die rückwirkende Beschaffung der Zeitungen wurde je nach Verfügbarkeit variabel gehandhabt. Es wurde dabei partiell auf Mikrofilme der Zeitungen zurückgegriffen, die am Wissenschaftszentrum Berlin bereits zur Verfügung standen. Auch CD-Roms mit dem Volltext der Druckausgaben (FAZ, taz) kamen bei dieser Recherche zum Einsatz. Die Identifikation der Kommentare kann bei mikroverfilmten Zeitungen über die offene Klassifikation der Redaktion vorgenommen werden (Kommentarspalten, Meinungsseite). Die Kommentare sind also durchgehend explizit ausgewiesen und müssen nach Auswahl nur durch den Ausschluss von Texten ohne Deutschlandbezug gefiltert werden. Bei der Verwendung von CD-Roms stellen sich demgegenüber bei der validen Bestimmung von Suchworten für die Datenbankrecherche ähnliche Aufgaben wie bei der Arbeit mit Zeitungsdatenbanken im Internet oder Lexis-Nexis und Faktiva. Um eine zuverlässige Textauswahl zu gewährleisten, können hier vergleichende 110
Bei der Verwendung von CD-Roms wurde der dortigen Genreklassifizierung gefolgt. Gastkommentare wurden grundsätzlich nicht codiert. Diese sind in der Regel als solche ausgewiesen, teilweise aber auch nur dadurch zu erkennen, dass Informationen über den jeweils Kommentierenden mit abgedruckt werden, sodass klar wird, dass es sich hier nicht um ein Redaktionsmitglied handelt. In der taz wurden auch Kommentare von freien Mitarbeitern des Blattes codiert.
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5 Methodische Vorgehensweise
Probeläufe mit Druckausgaben empfehlenswert sein. Bei der genrespezifischen Suche nach Kommentaren muss bspw. „Kommentar“ nicht in jedem Fall das relevante Suchwort sein. Andere redaktionelle Kennzeichnungen können vorkommen (bspw. Glosse). Im Unterschied zu Suchläufen nach thematisch fokussierten Artikeln lässt sich die Validität der Suche nach bestimmten Genres jedoch recht einfach durch den Abgleich mit den durchgehend nach dem Gebot der Trennung von Nachricht und Meinung explizit gekennzeichneten und daher leicht erkennbaren Kommentarspalten garantieren. Es ergibt sich für unseren Untersuchungszeitraum unter diesen Voraussetzungen eine Stichprobe von insgesamt 11024 Kommentaren aus insgesamt fünf Jahren. Aufgrund der unterschiedlichen Zahl der in den untersuchten Zeitungen täglich publizierten Kommentare finden sich leichte Unterschiede der Fallzahlen für die einzelnen Zeitungen auch in der Stichprobe. Tabelle 3: Fallzahlen und Verteilung der Stichprobe über die Zeitungen
DW FAZ SZ FR taz
Fallzahl 1872 2160 1764 1685 1465
Prozente 20,9 24,1 19,7 18,8 16,4
Bezieht man die Kommentare der FAZ aus den Zeiträumen, in denen die anderen Zeitungen nicht erhoben wurden, nicht in die Stichprobe ein, so ergibt sich eine Fallzahl von 8946 Kommentaren. Davon entfallen 1872 Kommentare (17%) auf die DW, 2160 Kommentare (24,1%) auf die FAZ, 1764 Kommentare (19,7%) auf die SZ, 1685 Kommentare (18,8%) auf die FR und 1465 Kommentare (13,3%) auf die taz. Weitere Erläuterungen werden im Folgenden zu dem für die Erhebung der verwendeten inhaltsanalytischen Daten entwickelten Kategoriensystem gegeben.
5.2 Inhaltsanalytisches Vorgehen
121
5.2.2 Inhaltsanalytische Kategorien111 Mit der Methode der standardisierten quantitativen Inhaltsanalyse werden Textbestandteile und Bedeutungselemente vordefinierten Kategorien zugeordnet, die mit Nummern versehen sind und daher statistisch verarbeitet werden können.112 Der Prozess der Datenerhebung lässt sich somit als Übersetzungsprozess einer natürlichen Sprache in die numerische Sprache von Codes und Zahlen verstehen. Jeder relevanten Bedeutungsdimension, deren Häufigkeit bestimmt werden soll, wird trennscharf ein und nur ein Code zugeordnet. Der Codierungsprozess geht so mit einer bewussten Selektivität und Abstraktion einher. Die Übersetzung in eine Formalsprache aus Codes beinhaltet also nicht nur eine Aufbereitung des Untersuchungsmaterials, sondern zugleich auch eine Reduktion auf analytisch relevante Dimensionen. Entscheidend für die Qualität und die analytische Fruchtbarkeit der numerischen Übersetzung des analysierten Sprachmaterials ist das „Wörterbuch“ der Inhaltsanalyse: das Kategoriensystem. Es bildet das methodische Herzstück und soll deshalb in den Grundzügen dargestellt werden. Die Darstellung bezieht sich ausschließlich auf die direkt erhobenen Variablen. Ausführungen zu Variablen, die durch Transformationen und Recodierungen sekundär aus den Rohdaten erzeugt wurden, sind der Darstellung der empirischen Auswertung vorbehalten. Die einbezogenen politischen Kommentare in den Jahren 1994 bis 1998 sind zunächst durch verschiedene, formale Variablen erschlossen worden, die sich nicht auf die Inhaltsebene des Textes beziehen (Zeitung, Datum, Autor, Titel). Sie bieten in analytischer Perspektive die Möglichkeit, spezifische Schnitte in den Datenkorpus zu legen und Teilmengen zu bilden. Eine durchgehend ebenso elementare wie zentrale Variable besteht in der jeweiligen Zeitung. Ausgehend vom bestehenden Wissensstand über die zentralen Themensetzer im überregionalen Pressemarkt sind hier die DW, die FAZ, die SZ, die FR und die taz analysiert und codiert worden. Die Codierung der Zei111 Die Darstellung kann an dieser Stelle schlank gehalten werden und auf zahlreiche „Trockendarstellungen“ zur Methode der Inhaltsanalyse verweisen. Vgl. für viele: Merten (Merten 1995), Früh (Früh 1991), Maurer und Reinemann (Maurer und Reinemann 2006) und für qualitative Inhaltsanalyse Mayring (Mayring 1983), für Diskursanalysen allgemein Keller (Keller et al. 2004, 2001). 112 Auch ein stärker auf die ergebnisoffene Identifikation relevanter Textelemente zielendes induktives Vorgehen kann natürlich inhaltsanalytisch betrieben werden (offene Codierung). Möglich sind auch Kombinationen der Art, in Probeläufen anhand eingegrenzter Textkörper die spezifischen Relevanzstrukturen eines Textsamples herauszuarbeiten und - auf der Grundlage größerer Textmengen - diese Textdimensionen in einem zweiten Schritt quantitativ auszuzählen. In einer themenbezogenen Untersuchung des öffentlichen Diskurses zum Kosovokrieg konnte die Kommentaranalyse mit sehr guten Ergebnissen um stärker induktive und qualitative Dimensionen angereichert werden (Eilders und Lüter 2002, 2000). Rucht und Teune verknüpfen am Beispiel der Protestdarstellung quantitative und qualitative Kommentaranalysen (Rucht und Teune 2008 i.E.).
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5 Methodische Vorgehensweise
tungsvariable bietet zugleich eine Annäherung an die Positionsverteilung auf der Links-Rechts-Achse. Für spezifische Teilfragen ist überdies der Autor des Kommentars in Form einer Namensvariable codiert worden. Damit lassen sich Zurechnungen der publizierten Kommentare unterhalb der Organisationsebene rekonstruieren, Fragen nach personellen Anwaltschaften für bestimmte Themen beantworten und Hinweise auf die Struktur der redaktionellen Arbeitsteilung gewinnen. Für den hier gewählten Ansatz sind dabei weniger die handelnden Personen von Interesse als vielmehr die Muster der redaktionellen Arbeit und Fragen der Art, ob bestimmte Themenbereiche durch Journalisten monopolisiert sind und wie dicht die Personaldecke zur Beobachtung und Kommentierung bestimmter Konfliktbereiche ist. Auch das Datum des Artikels ist eine formale Variable. Obzwar bei der strukturellen Analyse des Themen- und Meinungshaushalts von eher nachgeordneter Bedeutung, eröffnet erst sie eine Rekonstruktion dynamischer Themenkarrieren und –konjunkturen sowie die analytische Aufteilung bestimmter Phasen innerhalb des Untersuchungszeitraums. Hervorzuheben ist auch die Vergleichsmöglichkeit zwischen den Phasen des manifesten Bundestagswahlkampfes und den stärker entscheidungsorientierten Abschnitten der Legislaturperiode. Noch jenseits einer verstehenden, „hermeneutisch-klassifikatorischen“ Codierung konnten auch Umfang und Platzierung des Kommentars erhoben werden. Der Umfang wird in der Anzahl der Zeilen je Kommentar gemessen. Spezifische Umrechnungsschlüssel ermöglichen in der Aufbereitung der Daten die Vergleichbarkeit der zeitungsspezifischen Zeilenlänge in Hinsicht auf die Zeichen- und Wörterzahl. Die Artikellänge bietet sich als Indikator für die Relevanzzuweisung bezüglich verschiedener Themen an, obwohl das Format der täglichen Kommentare umfangmäßig weitgehend standardisiert ist. Die Variable Platzierung beinhaltet die Information, ob der jeweilige Kommentar als Leitartikel exponiert und insofern mit Bedeutung aufgeladen wurde oder als konventioneller Kommentar zwar immer noch gegenüber anderen Artikel und Themen als besonders relevant ausgewählt wurde, ohne aber als tagesaktuelles Aushängeschild des Mediums qualifiziert worden zu sein. Die Variablen Anlass, Fokus und Themenbehandlung bieten jenseits formaler Fragen schon eingehendere Informationen über Sinn und Bedeutung des Kommentars. Die Kategorie Anlass bezieht sich auf die konkreten und ereignishaften Auslöser des Kommentars. Als Anlässe gelten nicht strukturelle Probleme oder lang anhaltende Missstände, sondern zeit-räumlich lokalisierbare Vorkommnisse, die allerdings ganz unterschiedlicher Art sein können. Relevante Anlässe können etwa innerparlamentarische Vorgänge (Anträge, Anfragen, Regierungserklärungen etc.) oder auch Entscheidungen verschiedener Art (Personal- und Sachentscheidungen, Gesetzesverabschiedungen, Gerichtsurteile, Wah-
5.2 Inhaltsanalytisches Vorgehen
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len etc.) sein. Obwohl die Berichtsanlässe immer kommunikativ und sprachlich vermittelt sind, finden sich auch Anlässe, die weitergehend per definitionem die Öffentlichkeit und die Medien im Visier haben: Vor allem Reden, Stellungnahmen oder Pressekonferenzen sind hier zu nennen. Für die Frage nach einer Partizipation des Publikums am politischen Prozess ist schließlich auch von Bedeutung, welchen Raum die Medien dem Protest von Bürgern einräumen. Aufgrund der gewachsenen Bedeutung von PR und strategischer Kommunikation ist des Weiteren der Stellenwert von Anlässen relevant, die an den Schnittstellen von Politik und Medien als „Pseudoereignisse“ (Boorstin) nur für die Medienberichterstattung produziert werden. Die Variable Fokus bezieht sich demgegenüber auf Zuschnitt und Akzentsetzung der Kommentare. Inhaltsanalytisch differenziert wurde weniger nach medienexternem Ereignisbezug als vielmehr bezüglich der Aufbereitung von Ereignissen in sachpolitischer oder akteursorientierter Form. Hier kommen auch Fragen der Personalisierung des Mediendiskurses ins Spiel. Die Variable Themenbehandlung rückt ebenfalls die journalistische Form des Kommentars in den Fokus. Grundlegend ist hier die Unterscheidung eher diagnostisch-analytischer oder problematisierender und normativ aufgeladener Kommentare. Zu dem ersten Typus wären die Artikulation und Benennung offener Fragen, die Erklärung und Erläuterung, der Vergleich oder auch die Folgenabschätzung zu rechnen. Zum zweiten Typus zählen Kritik und Tadel ebenso wie Unterstützung und Lob oder auch Forderungen und Appelle sowie Warnungen. Einen zentralen Stellenwert in der empirischen Analyse nimmt das Thema des Kommentars ein. Analytisch ist dabei interessant, welche Themen jeweils in den Vordergrund gerückt werden, wie lange sie sich in der öffentlichen Aufmerksamkeit halten können und inwiefern sich die Aufmerksamkeitszuweisung der Zeitungen unterscheidet. Relevant sind darüber hinaus strukturelle Fragen danach, wie viele Themen die politische Öffentlichkeit zu einem bestimmten Zeitpunkt sinnvoll exponieren und bearbeiten kann, und danach, wie groß also das Fassungsvermögen („carrying capacity“) der öffentlichen Agenda und damit auch die Verdrängungseffekte von Themen aufeinander sind. Für jeden Kommentar konnten insgesamt bis zu drei Themen codiert werden. Dabei wurde zugleich eine Gewichtung eingeführt, insofern für jeden Kommentar jeweils nur ein Hauptthema vorgesehen ist. Überdies wurden maximal zwei Nebenthemen erhoben. Das Kategoriensystem ist thematisch in drei Ebenen gestaffelt. Die Oberkategorien oder Oberthemen decken große Politikbereiche wie Innenpolitik, Finanzpolitik, Bildungspolitik usw. ab. Diese Themenbereiche sind weiter in Themengruppen gegliedert, die eine präzisere Eingrenzung erlauben. So enthält der Themenbereich „Infrastrukturpolitik“ bspw. „Infrastrukturpolitik allgemein“, „Verkehrspolitik“, „Energiepolitik“, „Umwelt-
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5 Methodische Vorgehensweise
politik“, „Wohnungsbau“, „Städtebau und Raumordnung“ und „Post- und Fernmeldewesen“. Unterhalb dieser Ebene finden sich dann hunderte von einzelnen Themenkategorien, die so fein gegliedert und differenziert sind, dass eine sehr trennscharfe Übersetzung der Kommentare in numerische Codes möglich wird. Die Variablen Frame bzw. Grundkonflikt und Position sind eng mit der Themenerhebung verknüpft, gehen aber analytisch deutlich über sie hinaus. In Bezug auf jede Thematisierungsleistung des Kommentars wurde erschlossen, inwiefern die Thematisierung durch den Kommentator mit einer Artikulation von politischen Grundkonflikten und Bewertungsdimensionen verbunden war. In den Fällen, in denen der Kommentator auch eine eigene Position und Stellungnahmen in solchen meinungshaltigen Grundkonflikten formuliert hat, wurde auch diese Position inhaltsanalytisch erschlossen. Die insgesamt sechzehn Grundkonflikte und politischen Positionen sind jeweils inhaltlich spezifisch formuliert. Insbesondere die jeweiligen Positionen lassen sich aber auf höherem Abstraktionsniveau auch wieder auf den generalisierten Links-Rechts-Gegensatz rückbeziehen und erlauben die Rekonstruktion der Konfliktlinienstrukturen der medienöffentlichen Agenda. Um ein Beispiel zu geben: Zu wirtschaftspolitischen Themen kann ein Kommentator entweder keinen Grundkonflikt ansprechen oder unter den einschlägigen Grundkonflikten etwa denjenigen zur „Konjunkturpolitik“ mobilisieren. Bezieht er über den Verweis auf die Grundsatzdimension eines Themas hinaus auch noch politisch Stellung, dann kann das Kategoriensystem dies im Fall der „Konjunkturpolitik“ mit der Alternative „Nachfrageförderung vs. Angebotsförderung“ abbilden, wobei die Nachfrageförderung den „linken“ Wert und die Angebotsförderung den „rechten“ Wert darstellt. Das zugrunde gelegte Modell der politischen Öffentlichkeit fasst Prozesse der Thematisierung und kommunikativen Konstruktion massenmedialer Realität allerdings nicht ausschließlich als Ergebnisse kommunikativer Eigenwerte von Themen und Ereignissen, sondern auch als Effekt des Agenda-Buildings politischer und sozialer Akteure. Für jeden Kommentar wurden gesondert bis zu vier, nicht weiter nach Wichtigkeit unterschiedene Akteure erfasst. Hierbei wurde im Fall natürlicher Personen auch der Akteursname erhoben. In jedem Fall wurden aber auch die Akteursklasse (Einzelpersonen mit oder ohne Amtsfunktion, institutionalisiert oder nicht institutionalisierte kollektive Akteure – „secondary citizens” im Sinne Schmitters), der geografische Bezug (Herkunft der Akteure) sowie als am stärksten differenzierte Dimension: die Akteursrolle erhoben. Als Akteursrollen wurden internationale und nationale politische Institutionen, Parteien, Bewegungen, Verbände, verschiedene Bevölkerungsgruppen und zivilgesellschaftliche Organisationen und auch die Medien selbst gefasst. Zu jedem Akteur wurde überdies auch die Beurteilung durch den Kommentator erfasst. Um Konfigurationen und Konstellationen von Akteuren zu erschließen, wurden
5.3 Codierungsprozess und Datenqualität
125
außerdem auch die Beziehungen der erhobenen Akteure als allianzhaft oder konfliktuell klassifiziert. Mit Themen, Meinungen und Akteuren als Kernvariablen und verschiedenen Sondervariablen als ergänzenden Perspektiven sind die wesentlichen Dimensionierung des Untersuchungsobjektes Kommentarsdiskurs genannt. Die Struktur des erhobenen und im Folgenden ausgewerteten Datensatzes enthält darüber hinaus verschiedene Variablen und Maße, die aus diesem Rohstoff durch Umcodierungen generiert wurden. Sie werden an dieser Stelle nicht weitergehend entwickelt, sondern im Lauf der empirischen Darstellung eingespielt.
5.3 Codierungsprozess und Datenqualität Nach Abschluss der Schulungs- und Einarbeitungsphase der Codierer mit dem entwickelten Kategoriensystem wurde auf der Grundlage von zehn ausgewählten Kommentaren ein vergleichender Reliabilitätstest vorgenommen. Dabei konnten Reliabilitätskoeffizienten für jede der erhobenen Variablen und für spezifische Aggregationsniveaus berechnet werden. Angesichts des vergleichsweise frühen Zeitpunkts dieses Tests kann davon ausgegangen werden, dass sich mit fortgeschrittener Einarbeitung der Codierer während des eigentlichen Erhebungsprozesses und aufgrund der begleitenden Supervision die Verlässlichkeit der Codierung noch erhöhte. Dennoch ergab die Überprüfung schon zu Beginn der eigentlichen Datenerhebung und angesichts eines komplexen und sehr fein differenzierten Kategorienschemas zum Teil hervorragende und durchgehend gute und verlässliche Reliabilitätswerte. Zur Kontrolle der Datenqualität wurden mehrere Gesamtkoeffizienten berechnet, denen aufsteigend jeweils strengere Kriterien für eine reliable Codierung zugrunde lagen (für eine detailliertere Erläuterung des Vorgehens siehe Eilders und Lüter 1998).113 Es wurde neben Koeffizienten, die sich auf die quantitativ erheblichen und in der Datenanalyse vorrangigen Variablen und Differenzierungsniveaus beziehen, weitere Koeffizienten berechnet, die auf jede Aggregation oder den Ausschluss bestimmter Subvariablen verzichtet. Hier wurde streng auf der ursprünglichen Ausprägungsebene und ohne Gewichtungen geprüft. Die formalen Variablen wurden mit 100 Prozent Übereinstimmung codiert. Bei den inhaltlichen Variablen variierte die Reliabilität zwischen den einzelnen Variablen erheblich. Die Variablen aus dem Themenumfeld (also Anlass, Themenfokus, Hauptthema und Nebenthemen sowie Themenbehandlung) wurden mit 70 bis 80 Prozent Übereinstimmung - je nach Strenge des Kriteriums (Ag113 Die folgende, vom Verfasser erstellte Erläuterung der Reliabilität der erhobenen Daten ist dem unveröffentlichten Endbericht des DFG-Projektes „Die Stimme der Medien“ entnommen.
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5 Methodische Vorgehensweise
gregationsniveau und Berücksichtigung von Nebenthemen) - codiert, was angesichts der sehr differenzierten Themenausprägungen ein gutes Ergebnis darstellt. Die ebenfalls stark ausdifferenzierten Akteursvariablen erzielten zwar ebenfalls Koeffizienten bis zu 80 Prozent. Die Reliabilität nahm jedoch mit der Strenge der Vergleichskriterien (vor allem bei Berücksichtigung auch der letztgenannten Akteure) schnell ab und erreichte im schlechtesten Fall 50 Prozent (vollständige Übereinstimmung der Akteursvariablen Akteursklasse, geografischer Bezug und Akteursrolle für alle vier Akteure). Die Frame- und Positionsvariablen erreichten zwischen 50 und 60 Prozent Übereinstimmung und schnitten damit am schlechtesten von allen Variablenblöcken ab. Dieses Ergebnis wird allerdings durch den Umstand relativiert, dass die Unsicherheiten hier weniger darin bestehen, welcher Frame bzw. Grundkonflikt codiert werden sollte, sondern vielmehr, ob überhaupt einer der 16 Grundkonflikte vorlag, ob durch den Kommentator also eine „Prinzipialisierung“ vorgenommen wurde. Insgesamt ergab sich über alle Variablen (unter Ausschluss der 100 Prozent Übereinstimmung bei den Formalia) ein Reliabilitätskoeffizient zwischen .6 und .7, was angesichts des auch auf höchstem Aggregationsniveau noch beträchtlichen Differenzierungsgrades des Kategoriensystems auf eine belastbare Codiererübereinstimmung hinweist. Dieses Ergebnis wurde durch eine nach Abschluss der Datenerhebung durchgeführte Überprüfung der Unterschiede zwischen den Codierungen erhärtet. Anhand der vorliegenden Daten wurde überprüft, ob die einzelnen Codierer durch ihre persönlichen Codier-Stile die Ergebnisse systematisch beeinflussten. Es zeigten sich zwar leichte Differenzen. Diese Unterschiede führten aber bis auf wenige Ausnahmen nie zu unterscheidbaren und systematisch diskrepanten Mustern der Codierung. Die Vercodung der analytisch zentralen Themenund Framevariablen war in hohem Maße übereinstimmend. Etwas ausgeprägtere Unterschiede kamen bei Variablen vor, deren Vercodung eine spezifische Beurteilungsleistung erforderte. Hier zeigte sich eine unterschiedliche Affinität der Coder für die Nutzung der neutralen Codes oder Nichtentscheidungscodes, ohne dass es jedoch zu wirklichen Umgewichtungen gekommen wäre. Die Abweichungen bewegten sich in tolerierbaren Grenzen und wurden durch Aggregation auf höherem Niveau weiter reduziert. Alles in allem war die Übereinstimmung mehr als zufriedenstellend, zumal die geringfügigen Codereinflüsse durch die Verteilung des Untersuchungsmaterials ausgeglichen wurden. Die Codierungen sind auf Codesheets in Papierform vorgenommen worden. Rohprodukt der Datenerhebung waren also nicht elektronisch verarbeitbare Daten selbst, sondern zahlreiche Ordner mit ausgefüllten Codesheets zu jeweils genau einem Kommentar. Dieser Rohstoff wurde mit Hilfe eines Datenerfassungsbüros in sog. ASCII-Datensätze umgewandelt, die anschließend in das Statistikprogramm SPSS eingelesen wurden. Mithilfe verschiedener Suchproze-
5.3 Codierungsprozess und Datenqualität
127
duren in den erstellten SPSS-Datensätzen konnten Eingabefehler identifiziert und im Abgleich mit den Originalen der Codesheets auch korrigiert werden. Im Zuge der Datenbereinigung konnten vor allem nicht zulässige Codes - also Nummern, denen im Kategoriensystem kein Wert entsprach - als Fehleingaben identifiziert werden. Jenseits solcher Eingabefehler entschied sich die Sicherstellung einer hohen Datenqualität aber vor allem an einer eingehenden Schulung der Codierer und einer permanenten Supervision des Datenerhebungsprozesses. Die Schulung führte die Codierer in die Grundlagen und Fragestellungen des Forschungsprojektes ein und machte sie detailliert mit dem inhaltsanalytischen Kategoriensystem vertraut. Hierbei wurde auf eine eingehende Diskussion von Unklarheiten Wert gelegt, um mögliche Unschärfen und Verständnisprobleme der Kategorien frühzeitig, also vor Beginn des eigentlichen Datenerhebungsprozesses zu erkennen und ihnen mit einem schriftlich fixierten Regelwerk begegnen. Schon in der Schulungsphase konnte damit ein System von Regeln und eine Sammlung von Präzedenzfällen für die Codierung anspruchsvoller Kommentare erstellt werden, die in späteren Schritten des Prozesses der Datenerhebung zur Klärung von Entscheidungsfragen zur Verfügung standen und eine höchstmögliche Konsistenz der Codierentscheidung gewährleisteten. Um eine Koordination und Abstimmung der Codierer zu erleichtern, war die Codierung im WZB angesiedelt und wurde über den direkten Austausch während der Codierung auch von Teamtreffen in regelmäßigen zeitlichen Abständen (zunächst einwöchig, dann zweiwöchig) begleitet, die der Klärung von anstehenden Fragen oder auch von zurückgestellten Codierungen dienten. Eine weitere vorbeugende Maßnahme zur Qualitätssicherung der Codierung bestand in der nach Untersuchungswochen strukturierten Ausgabe des zu codierenden Textmaterials. Es wurde also sichergestellt, dass die Codierer jeweils zeitungsübergreifend spezifische Untersuchungswochen codierten. Damit war zum Ersten gewährleistet, dass keine „Gewöhnung“ an Kommentarstil, Tendenz und Rhetorik von nur einer oder wenigen Zeitung stattfinden konnte, sondern im Codierungsprozess immer wieder der Vergleich mit anderen Blättern möglich wurde. Zum Zweiten gewährleistete die Ausgabe entlang zeitlicher markierter Untersuchungsräume, dass die Codierer ein Wissen über die Ereignisbezüge der Kommentare aufbauen konnten, das eine informierte Codierung ermöglichte, ohne dabei das methodische Gebot der Vermeidung einer inflationären Hinzuziehung von Kontextwissen bei der Codierung zu verletzen. Um dennoch „Übertragungseffekte“ von der Codierung einer Zeitung auf die Codierung einer anderen Zeitung soweit wie möglich zu minimieren, wurden je Untersuchungswoche die verschiedenen Zeitungen jeweils blockweise nacheinander ausgegeben.
6 Medienprofile und politische Parallelstrukturen: Ergebnisse des Zeitungsvergleiches
Nachdem die empirische Analyseperspektive abgegrenzt und einige Informationen zu den inhaltsanalytischen Daten und Variablen gegeben wurden, sollen die empirischen Befunde zur Medienprofilierung vorgestellt werden. Zunächst wird noch einmal kurz die Konzeption des empirischen Analyseplans schrittweise dargestellt und erläutert.
6.1 Operationalisierung und Untersuchungsstrategie Die Binnendifferenzierung des Mediensystems und die Konstitution von dessen Einfluss und Bedeutung durch ein strukturiertes System von Unterschieden stehen im Mittelpunkt der Untersuchung. Schon seit der französischen Revolution stellt die Differenz von links und rechts, von liberal und konservativ im politischen Raum eine der elementarsten Dimension einer derartigen Differenzbildung dar. Anhand der erhobenen Positionsvariablen lässt sich diese für die neuzeitliche Politik grundlegende Dimension in einem ersten Schritt empirisch differenziert auch innerhalb des Mediendiskurses erfassen (6.2.1). Analytisch entscheidend ist dabei der Umstand, dass das Links-Rechts-Schema eine genuin politische Differenz verkörpert, die nicht in besonderer Weise auf das Mediensystem und die politische Öffentlichkeit zurückgeht. Der Nachweis, dass dieses Schema dennoch grundlegend für die Profilbildung der Zeitungen im Genre des Kommentars ist, stellt einen theoretisch folgenreichen Befund dar. Dass in einem vom Politikbetrieb im engeren Sinn unabhängigen gesellschaftlichen Bereich dennoch politische Kriterien für die Sinnbildung zentral sind, verweist auf die politische Relevanz von Medien und insbesondere des Meinungsjournalismus im Kommentar. Entgegen seinem modernen Selbstverständnis geht Journalismus hier nicht in neutraler Informationsvermittlung und Beobachtung oder der Regulierung von Aufmerksamkeit auf, sondern ist in seinen Operationen direkt mit der Politik verkoppelt. Moderne Gesellschaften sind aber nur in Ausnahmefällen anhand einer zentralen Konfliktlinie strukturiert, auf die sich alle Materien und politischen
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6 Medienprofile und politische Parallelstrukturen: Ergebnisse des Zeitungsvergleiches
Issues restlos beziehen lassen. Die Herausforderung an Parteien wie auch an Medienorganisationen liegt vielmehr darin, unterschiedliche Präferenzen und diverse soziale Gruppen in tragfähige Balancen zu bringen. Auch für Medienorganisationen kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich partiell auch Durchkreuzungen der generellen Anordnungen auf der Links-Rechts-Achse ergeben („cross cut cleavages“), die dann auch politisch-ideologisch nahestehende Medien zueinander in Spannung bringen. Ein in der politischen Soziologie eingeführtes Beispiel ist die Kontroverse um eine Spaltung der klassischen Linken durch eine Konfliktlinie zwischen materialistischen und postmaterialistischen Fragen, die sich auf Themen wie die gesellschaftliche Natur, das Zusammenleben der Geschlechter oder bestimmte Partizipations- und Individualitätsansprüche der Bürger beziehen. Bei ideologischen Codierungen handelt es sich somit um „Leerformeln“114 (Degenkolbe 1965), „leere Signifikanten“ (Stäheli 1996) oder eine „politische Metapher“ (Demirovic 1996), die inhaltlich-definitorisch nicht in jeder Hinsicht spezifiziert und festgelegt, sondern historisch stabil und zugleich bedeutungsmäßig variabel sind. Angesichts programmatisch konvergierender Großparteien übernehmen die Medien ihre besondere Rolle in der inhaltlichen Bedeutungsgebung von links und rechts und der „Füllung“ der „leeren Signifikanten“ des politischen Diskurses. Konkret muss die Stellung der Zeitungen auf der LinksRechts-Achse also je nach Grundkonflikt und Themenbereich differenziert werden. Weil die Links-Rechts-Positionierung in unserem Forschungsdesign immer in Bezug auf spezifische politische Grundkonflikte erhoben wurde, lässt sich dieses Postulat empirisch problemlos umsetzen (6.2.2). In einem weiteren Schritt wird die inhaltliche Bedeutung des Links-RechtsSchemas demgegenüber wieder eingeklammert. Gefragt wird nun, ob sich die Zeitungen im Ausmaß der Mobilisierung von Grundkonflikten unterscheiden. Es geht hier um die Frage, inwiefern die Kommentatoren spezifische Grundkonflikte überhaupt politisieren, inwiefern sie also Ereignisse und Themen der Tagesaktualität als Manifestationen oder Aktualisierungen genereller Konfliktstrukturen thematisieren. Diese „selektive Aktualisierung“ und differenzielle Politisierung von Grundkonflikten steht damit nicht für die Richtung, sondern für den Intensitätsgrad der Wahrnehmung eines politischen Mandates durch die Zeitungen. Hier spielt eine Rolle, inwiefern die Medien Themen überhaupt politisieren und aus pragmatischen business-as-usual-Vorgängen in mit Alternativen versehene Entscheidungsoptionen transformieren (6.2.3).
114
In jüngeren Debatten zum Stellenwert des Leitwerts Gemeinwohl ist ebenfalls verschiedentlich auf Degenkolbes Topos der Leerformel zurückgegriffen worden. Titelgebend etwa bei Schuppert und Neidhardt (Schuppert und Neidhardt 2002).
6.1 Operationalisierung und Untersuchungsstrategie
131
Die Links-Rechts-Dimension der Zeitungsunterscheidung fokussiert auf den sog. Außenpluralismus als Merkmal von Mediensystemen. Ergänzend muss noch die innerredaktionelle Vielfalt (Binnenpluralismus) betrachtet werden. Denn quer zu den von den Kommentatoren bevorzugten politischen Richtungen ist auch das Ausmaß innerredaktioneller Liberalität und Offenheit für unterschiedliche Positionen ein potenzielles Unterscheidungsmerkmal. Richtungsblätter, die an der Schärfung politischer Alternativen arbeiten, unterscheiden sich von Forumsblättern, die eher für Dialog und Austausch eintreten. Auch wenn sich die Kommentarlinien der untersuchten Medien im Aggregat gut voneinander unterscheiden lassen, muss dies nicht bedeuten, dass die Spannbreite der innerredaktionellen Positionen dabei immer nahe am Durchschnittswert der Zeitung liegt. Geprüft werden muss daher, inwiefern die Kommentarlinie einen Korridor des Sagbaren mit einer gewissen Streubreite darstellt und ob sich Schnittmengen zwischen den Blättern als Ganzen bzw. einzelnen Kommentatoren in verschiedenen Zeitungen ergeben, die den Eindruck klar geschnittener Profile relativieren (6.2.4). Systematisch schließt sich hier ein weiterer Schritt an. Angesichts der Positionen der Zeitungen auf der Links-Rechts-Achse sowie in den gesellschaftlichen Grundkonflikten bleibt festzuhalten, dass Medien im politischen Prozess zwar Einfluss, aber keine formellen Entscheidungsbefugnisse haben. Ein entscheidendes Vermittlungsstück des Medieneinflusses bildet daher die Stellung der Medien zu denjenigen politischen Akteuren, die die Besetzung von politischen Herrschaftspositionen wesentlich kontrollieren – in erster Linie den politischen Parteien (6.3). Dass die politisch-ideologische Positionierung der Zeitungen aber denjenigen Parteien zugute kommt, die auf der Links-Rechts-Achse des Parteiensystems jeweils ähnliche Positionen einnehmen, versteht sich nicht von selbst. Links-liberale Medien sind nicht nur links-liberal und liberal-konserative Medien nicht nur liberal-konservativ, sondern auch und vielleicht in erster Linie: Medien. Dieser Umstand leistet Thesen Vorschub, die davon ausgehen, dass die Stimme der Medien weniger durch selektive Unterstützung bestimmter politischer Fraktionen Einfluss entfaltet, sondern vielmehr auch unabhängig von politisch-ideologischen Faktoren durch inflationären Negativismus und die Auflösung des Vertrauenskredits der Politik wirksam wird (bspw. „Videomalaise“These). Auch wird von Verschiebungen des Medien- und des Parteienspektrums gegeneinander ausgegangen. Die Medien werden dann weniger als Reproduktionsmechanismen von Spaltungsstrukturen und Unterschieden aufgefasst, sondern als Verstärker jeweils einer Seite des politischen Links-Rechts-Codes: Aus sozialstruktureller Lagerung und Einstellungssyndromen der Journalisten kann ein Links-Bias geschlossen werden, aus Eigentümerinteressen oder Rücksichtsnahmen auf Anzeigenkunden kann ein Status-Quo-Bias und die systematische
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6 Medienprofile und politische Parallelstrukturen: Ergebnisse des Zeitungsvergleiches
Bevorzugung etablierter Akteure und Positionen bspw. gegenüber demokratischen Partizipationsansprüchen gefolgert werden. Gefragt wird also nach der Konvertierung der politisch-ideologischen Profile der Medien in generalisierte Unterstützung für die politischen Akteure und Parteien. Unterstützung lässt sich dabei systematisch in mindestens zwei Hinsichten mobilisieren. Zum ersten müssen die politischen Akteure überhaupt zur Sprache gebracht werden. „Totschweigen“ und Indifferenz kann für die Akteure folgenschwerer als eine negative Bewertung sein. Unbekanntheit ist in einem auf die Mobilisierung von Wählerstimmen angewiesenen Feld eine veritable Gefahr. Umstritten zu sein dagegen gehört für politische Akteure zum alltäglichen Geschäft. Es geht hier um das Standing der verschiedenen Parteien und die Aufmerksamkeitszuweisung der Medien (6.3.1). Zum zweiten werden die Parteien durch die Kommentatoren explizit und manifest bewertet. An den „Noten“ der Parteien in der Medienöffentlichkeit lässt sich prüfen, inwiefern die politischideologischen Positionen der Kommentatoren ihrem Verhältnis zu den Parteien entsprechen und in diesem Sinn von klaren und stabilen „Wechselkursen“ zwischen Medienpositionen und politischer Unterstützung auszugehen ist (6.3.2). Wenn der analytische Fokus auf die Schnittstellen zwischen Medien und Politik gerichtet wird, eröffnet sich eine weitere Dimension zur Bestimmung der differenziellen Profile der Medien. In stark personalisierten Wahlkämpfen in sog. Mediendemokratien ist die Parteipräferenz nicht das allein ausschlaggebende Kriterium. So wird in der Wahl- und Parteienforschung jenseits von Parteibindungen und -loyalitäten auch die Kandidatenorientierung als ein Bestimmungsfaktor des Wählerverhaltens betont (6.4). Daher wird zunächst die Frage untersucht, wie viel Raum stark akteursorientierte und personalisierte gegenüber eher sachorientierten Kommentaren einnehmen und ob sich Trends in Richtung auf eine verstärkte Personalisierung ausmachen lassen (6.4.1). Nach der einführenden Gewichtung des Personalisierungsphänomens lässt sich in einem weiteren Schritt die bereits auf die Parteien angewandte Untersuchungsstrategie auf die Spitzenkandidaten der Parteien auf Bundesebene übertragen. Dabei geht es um die Unterschiede zwischen den Zeitungen in der Bewertung der Kanzlerkandidaten und das Verhältnis ihrer Bewertungsmuster zu denjenigen der Parteien (6.4.2). Einige interessante Befunde verweisen auf auffällige und interpretationsbedüftige systematische Diskrepanzen. Die von Max Weber so genannte Dimension der „Stilisierung der Zeitungen“ wird abschließend in den Blick genommen (6.5). Es wird gefragt, inwieweit nicht die Richtung, sondern die Art und Weise, also die „Form“ der Kommentierung eine belastbare Dimension der Profilbildung darstellt. Zunächst wird die „Eindringtiefe“ der medialen Politikbeobachtung in die realen Verhand-
6.2 Jenseits von Links und Rechts? Zur Relevanz einer politischen Grundunterscheidung
133
lungsprozesse untersucht, indem die Kommentaranlässe daraufhin überprüft werden, inwiefern sie tatsächlich auf medienunabhängige Ereignisse oder aber auf extra für die Medienbeobachtung konstruierte Ereignisse zurückgehen (6.5.1). Die anschließende Untersuchung der medialen Meinungsdramatisierung und „Kritikalität“ setzt an der Kontroll- und Kritikfunktion der Öffentlichkeit an (6.5.2). Gefragt wird, inwieweit von den verschiedenen Segmenten des Spektrums der Qualitätszeitungen spezifische Konzepte oder implizite Theorien von Öffentlichkeit verkörpert werden, die sich nicht zuletzt in der Dimension der „Unabhängigkeit“ von der institutionalisierten Politik und den Parteien unterscheiden - also mit Blick auf die bereits konzeptionell betonte Medienautonomie.
6.2 Jenseits von Links und Rechts? Zur Relevanz einer politischen Grundunterscheidung Die empirische Analyse beginnt im ersten von insgesamt vier Abschnitten mit einer systematisch zentralen Schlüsselfrage zum Verhältnis von Medien und Politik. Es wird gezeigt, dass der Diskurs der Kommentatoren erheblich durch genuin politische Kriterien und Unterscheidungen geformt und strukturiert wird. Es handelt sich dabei um die Geltung des Links-Rechts-Schemas als „politischem Code“ (Fuchs und Klingemann 1989). Die Analyse der Kommentarlinien und der Binnendifferenzierung im Mediensystem fügt sich damit in den breiteren Rahmen der Bestimmung von „politischen Parallelstrukturen“ zwischen Medien und Politik ein. Das Links-Rechts-Schema verweist entstehungsgeschichtlich sehr direkt auf politische Strukturbildungen. Es hat seinen Entstehungsort in der Sitzordnung politischer Versammlungen im Umfeld der französischen Revolution und es gewinnt hier auch seine inhaltliche Bedeutung. Seine Durchsetzung ist allerdings nicht durch Dekret erfolgt, sondern als evolutionärer Prozess, in dem es sich auch gegen alternative Strukturmuster bis auf den heutigen Tag behauptet hat. Die Entwicklung komplexerer und mehrdimensionaler Schemata bleibt insofern analytisch interessant und unverzichtbar.115 Es hat dennoch verschiedene Grün-
115
An erster Stelle sind hier Konfliktlinien und Binarismen zu nennen, die quer zu den eher verteilungspolitischen und „materialistischen“ Gehalten des Links-Rechts-Schemas liegen und gerade im Kontext von Prozessen des Wertewandels („Postmaterialismus“) zumindest temporär eine hohe Bedeutung hatten (Inglehart 1989). Als Erweiterungen bieten sich hier die Gegensatzpaare „liberal vs. konservativ“ oder auch „libertär/liberal vs. autoritär“ an. Öffentlichkeitssoziologisch hat Gerhards die Bedingungen der Institutionalisierung einer Materialismus-Postmaterialismus-Konfliktlinie untersucht (Gerhards 1993). Bobbio argumentiert vor dem Hintergrund der Verteidigung des LinksRechts-Schemas für dessen Ergänzung. Links-Rechts beziehe sich demzufolge auf die Dimension
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6 Medienprofile und politische Parallelstrukturen: Ergebnisse des Zeitungsvergleiches
de, dass die realen Alternativen zum Links-Rechts-Schema keineswegs komplexere Muster waren, sondern nur farbliche (Rote, Weiße, Schwarze, Trikolore) oder vertikale (Oben-Unten, Berg-Ebene) Unterscheidungen. „Zu den Stärken von Links/Rechts gehören: Verbindung von Anschaulichkeit und Abstraktion (anschaulich-abstrakt); Ordnungsfunktion durch gemeinsame Orientierungen über ideologische Gegensätze hinweg; Differenzierungsmöglichkeiten innerhalb des Schemas (radikale Linke etc.); Doppelverwendungen zwischen Dualismus und Kontinuum; Anpassungsfähigkeit an wechselnde Inhalte“ (Raschke 1998: 203).116
Das in der politischen Arena (Parlament) entstandene Schema konnte sich umgehend auch in der Presse etablieren und blieb selbst angesichts von temporären Veränderungen der tatsächlichen, abwertend als „Hosenbodengeografie“ bezeichneten Sitzordnungen in den turbulenten Revolutionszeiten stabil.117 Die Aktivisten der politischen Clubs gehörten zu den Ersten, die sich der abstrahierenden Richtungsbegrifflichkeit bedienten. Aber nicht nur „nach außen“ zu einem Publikum hin, auch „nach innen“ brauchten die Politik-Akteure, die sich in einem neuen ideologischen Raum orientieren wollten, ein abstrahierendes Hilfsmittel. Das Links-Rechts-Schema half, ideologisch komplex und veränderlich gewordene Beziehungen zu strukturieren. „Das Schema war also lange vor Beginn der Massengesellschaft mit ihren verstärkten Orientierungsbedarfen „gegenleistungsfähig“ (Mayntz 1988: 18), innerhalb der Gleichheit-Ungleichheit und umfasse nicht selbstverständlich auch die Dimension FreiheitAutoritarismus (Bobbio 1996, 1994). 116 Die Durchsetzung des Links-Rechts-Schemas als politisches Klassifikationsprinzip in der wissenschaftlichen Analyse wie im politischen Diskurs ist selbstverständlich nicht unwidersprochen geblieben. Dessen Vorteil der Verknüpfung von Abstraktion und Anschaulichkeit kann von der Seite der technischen Problemlösung auch als Nachteil verstanden werden. In diesem Sinn argumentieren Backes und Jesse: „Was Helmut Schmidt zu Anfang der sechziger Jahre mit Blick auf die problematisch gewordene Links-Rechts-Unterscheidung und die politischen Auseinandersetzungen gesagt hat, gilt auch für die wissenschaftliche Diskussion von heute noch: „’Lasst uns in der politischen Auseinandersetzung nicht mit verschwommenen, diffus gewordenen Begriffen und Begriffsnamen arbeiten, sondern konkret und greifbar sagen, was wir wollen, wie, wann, unter welchen Bedingungen, warum wir es wollen, zu wessen Nutzen, auf wessen Kosten, unter Inkaufnahme welcher Nebeneffekte oder Nachteile. Und ebenso umgekehrt: was wir nicht wollen’“ (Backes und Jesse 1997: 37 f.). Gegenüber dem Links-Rechts-Schema wird häufig auch eine Affinität zur Mitte und zur Moderation („juste milieu“) ins Spiel gebracht. Jenseits einer aristotelischen Ausrichtung am „Maß“ hat dieses Argument zumeist extremismustheoretische Implikationen, gegenüber denen Narr den Stellenwert des von Seymour M. Lipset in die Diskussion gebrachten und gerade zur Erklärung des Nationalsozialismus wichtigen Begriffs des „Extremismus der Mitte“ unterstreicht (Narr 1993). 117 Den symbolischen Stellenwert solcher parlamentarischer Sitzordnungen untersucht auch Manow (Manow 2008).
6.2 Jenseits von Links und Rechts? Zur Relevanz einer politischen Grundunterscheidung
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großen, komplexen Versammlungen sowie für eine Öffentlichkeit, in der Journalisten eine schwierige Vermittlungsaufgabe zu erfüllen hatten“ (Raschke 1998: 199).
Auch angesichts der erheblichen Beharrungskraft ist selbstverständlich zu beachten, dass der inhaltliche Gehalt des Schemas jenseits von sehr generellen Wertorientierungen dem historischen Wandel unterliegt. Der relationale Charakter des Schemas beinhaltet dabei sogar die Möglichkeit von partiellen Umwertungen spezifischer politischer Orientierungen bei Erhaltung des Schemas selbst.118 Wo an dieser Stelle von links und rechts als politischen Richtungsbegriffen gesprochen wird, ist damit sachlich auf Konzepte der empirischen Politikforschung verwiesen, in deren Instrumente selbstverständlich die politiktheoretische und philosophische Ladung der Links-Rechts-Semantik eingeht, die aber zugleich auch sozialwissenschaftliche Konzepte übergreifender Art (etwa zu Kognitions- und Konstruktionsprozessen) und nicht zuletzt auch eher technische Anforderungen der Forschungspraxis (etwa die Trennschärfe und Eindeutigkeit der verwendeten Kategorien auch angesichts hochkomplexer und möglicherweise ambivalenter Gegenstandsdimensionen) berücksichtigen.119 Vorausgesetzt wird dabei, dass öffentliche Diskurse sich durch die Systematisierung von Themenhaushalten nicht zureichend erschließen lassen und daher auch Richtungspräferenzen berücksichtigt werden müssen. Daran anschließend kann in einem weiteren Schritt nach methodisch geeigneten Umsetzungen gefragt werden. Das hier angewandete inhaltsanalytische Erhebungsschema (Eilders und Lüter 1998) hat jedem der fein differenziert erhobenen politischen Themen und Ereignissen weitergehend auch einen von sechzehn politischen Grundkonflikten zugeordnet, die die ideologische Tiefenstruktur des politischen Diskurses erschließen. Diese Grundkonflikte sind binär konstruiert, sie beinhalten also jeweils zwei Alternativen oder Entscheidungsoptionen, von denen jeweils eine als links, die andere als rechts markiert ist. Die Bedeutung von links und rechts lässt sich somit bis auf eine überschaubare Zahl sachlich spezifizierte Konfliktfelder zurückführen. Es versteht sich von selbst, dass ein derartiger Versuch, in hoch verdich118 Manche Werte und Orientierungen, die auch die Einführung des Postmaterialismus-Konzeptes angeregt haben, beerben eher konservative Vorstellungen und Ideen, die jedoch aufgrund gewandelter zeitgeschichtlicher und sozialer Kontexte als links erscheinen können (Ökologie, Wachstums- und Industrialismuskritik etc.). Umgekehrt kann Innovations- und Technikförderung zumindest unter spezifischen Bedingungen als konservativer oder rechter Wert gelten. Zur Diskussion des Stellenwerts des Schemas in der Bundesrepublik am Beginn des 21. Jahrhunderts vgl. Nullmeier (Nullmeier 2006). 119 Eine Begründung dieses Vorgehens und des entsprechenden inhaltsanalytischen Instrumentariums gibt Voltmer (Voltmer 1994). Die hier beschriebene Vorgehensweise ist im Kern eine leicht modifizierte und angepasste Aufnahme ihrer Überlegungen und Kategorien.
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6 Medienprofile und politische Parallelstrukturen: Ergebnisse des Zeitungsvergleiches
teter Form sehr komplexe politisch-semantische Bedeutungszusammenhänge zu erheben, weitaus anspruchsvoller ist als die einfache Themenerhebung - zumal die Bedeutungen der Links-Rechts-Unterscheidung im Wandel und vor allem in Politikfeldern jenseits von Verteilungs- oder Beteiligungsfragen umstritten ist.120 Tabelle 4: Bedeutungsdifferenzierung der Links-Rechts-Unterscheidung 1
Grundkonflikt Internationales Bündnis
Linke Position Partnerschaft
Rechte Position Abgrenzung
2
Supranationalisierung Marktwirtschaft Subsidiarität Konjunkturpolitik Steuerung Staatsfinanzierung Föderalismus Deutsche Vereinigung Regionaler Ausgleich Liberalismus Law and Order Partizipation Universalismus Kulturelle Integration Nachhaltigkeit
Supranationalität Staatswirtschaft Kollektiv-/Staatsverantwort. Nachfrageförderung Regelsetzung Steuerbelastung Zentralismus Autonomie Bedarf Freiheit Prävention Beteiligung Kosmopolitismus Kulturelle Identität Technologiefolgenkontrolle
Souveränität
3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16
Marktwirtschaft Eigenverantwortung Angebotsförderung Anreize Steuerentlastung Selbststeuerung Einheit Bedingung Bindung Strafe Repräsentation Ethnozentrismus Assimilation Risikoakzeptanz
Als Bestätigung für die Validität des Erhebungsinstruments lässt sich bei allen Paradoxien und Dynamiken jedoch zeigen, dass auf dem obersten Aggre120
Auch bei der Entscheidung für die Verwendung der folgenden Grundkonflikte in der Datenerhebung sind diese Probleme gesehen worden – in einem Fall ist daher nach Vorerhebungen mit dem Kategoriensystem ein weiterer Grundkonflikt aufgenommen worden, der jene Kommentare abdeckt, in denen Fragen von Technikentwicklung, Umwelt und Ökologie angesprochen sind. Es ist nicht auszuschließen, dass in anderen Kontexten wiederum Anpassungen des Klassifikationssystems oder seiner Bedeutungen nötig wären. Einige Jahre nach unserer Untersuchung werden etwa die als „Universalismus“ und als „kulturelle Integration“ bezeichneten Grundkonflikte verstärkt diskutiert und damit auch einer Neubewertung unterworfen. So wird auch auf der moderaten politischen Rechten das Verständnis von Anpassung oder Unterordnung an eine dominante Leitkultur etwas differenzierter und „dialektischer“ gesehen. Auf der Linken lassen sich zugleich Problematisierungen eines Multikulturalismus verzeichnen, der nicht nur Respekt vor dem Fremden ausdrücken, sondern auch ein kultureller Distanzierungs- oder gar Ausschlussmechanismus werden kann.
6.2 Jenseits von Links und Rechts? Zur Relevanz einer politischen Grundunterscheidung
137
gationsniveau die Sortierung der analysierten Zeitungen auf der Links-RechtsAchse durchaus im Rahmen dessen liegen, was in Kenntnis anderer Untersuchung zu erwarten war. Damit lassen sich die in Tabelle 4 aufgelisteten sechzehn Grundkonflikte als zuverlässige Grundlage einer Links-Rechs-Dimensionierung verstehen.121 Zunächst soll jedoch die Streuung der Zeitungen auf dem abstrakten Schema selbst und noch nicht die konkrete inhaltliche Bedeutung der Stellungnahmen der Kommentatoren untersucht werden. Der analytische Gewinn ergibt sich dabei auch jenseits der jeweiligen inhaltlichen medialen Konfliktpositionen in den öffentlichen Streitfragen aus dem unstrittigen Umstand, dass es sich hier um ein genuin politisches und auch angesichts von Extensionen und Diffusionen in andere Bereiche nicht primär um ein wirtschaftliches, wissenschaftliches oder mediales Unterscheidungsschema handelt. Die entscheidende Pointe ist also, dass die Strukturierungskraft des Links-Rechts-Schemas im medialen Diskurs als Indikator für eine politische Codierung jenseits rein medienspezifischer Profilierungen interpretiert werden kann. Akteure, die mit diesem Schema arbeiten, lassen sich - wenn auch in einem noch näher zu untersuchenden Sinn - begründet als politische Akteure auffassen.
6.2.1 Die Positionen der Zeitungen auf der Links-Rechts-Achse In Hinsicht auf das Gesamtspektrum der journalistischen Kommentatoren und unter vorläufiger Ausklammerung der Unterschiede zwischen einzelnen Zeitungen kann für den bundesdeutschen Fall zunächst eine in hohem Maß ausgewogene Meinungslage konstatiert werden. Fasst man alle artikulierten Meinungen zusammen und errechnet den statistischen Durchschnittswert, zeigt sich eine nur schwache Abweichung vom idealen Mittelwert auf der Links-Rechts-Achse. Abbildung 1:
Position des Kommentariats auf der Links-Rechts-Achse (N = Positionsnennungen) 1 2 3
1,94 1
2
Links Mitte Rechts
3
121 Sehr viel ausführlichere inhaltliche Erläuterungen finden sich wiederum bei Voltmer (Voltmer 1994) und Eilders/Lüter (Eilders und Lüter 1998: 47-53).
138
6 Medienprofile und politische Parallelstrukturen: Ergebnisse des Zeitungsvergleiches
Auf einer Skala mit den Extremwerten 1 (linke Position) und 3 (rechte Position) liegt dieser Mittelwert des gesamten Kommentardiskurses bei dem Wert 1,94 (Abbildung 1). Es findet sich mit anderen Worten ein nur schwacher Links-Bias, also eine leichte Verschiebung des statistischen Mittelwerts aller Positionierungen der Kommentatoren zum linken Pol des politischen Spektrums. Darüber hinaus zeigt sich auch im Zeitverlauf nur eine geringe Schwankungsbreite des Durchschnittswertes der politischen Positionierungen. Gegen Ende der Legislaturperiode der konservativ-liberalen Koalition unter Bundeskanzler Kohl verschiebt sich auch der Medientenor etwas nach links - allerdings keineswegs in dramatischem Ausmaß. In dynamischer Perspektive wird also ein Meinungskorridor erkennbar, dessen Durchschnitt auch zu isolierten Zeitpunkten nicht weit vom statistischen Mittel entfernt liegt und insofern keine erhebliche Amplitude aufweist (Abbildung 2). Abbildung 2:
Positionierung der Kommentatoren im Zeitverlauf (N = Positionsnennungen)
3 2,5 2 1,5
Apr 94 Mai 94 Jun 94 Okt 94 Nov 94 Dez 94 Jan 95 Feb 95 Mrz 95 Jul 95 Aug 95 Sep 95 Apr 96 Mai 96 Jun 96 Okt 96 Nov 96 Dez 96 Jan 97 Feb 97 Mrz 97 Jul 97 Aug 97 Sep 97 Apr 98 Mai 98 Jun 98 Sep 98 Okt 98 Nov 98
1
1 = links, 2 = ambivalent, 3 = rechts
Für die aggregierte Ebene des Mediendiskurses erscheinen damit alle Annahmen zu einem strukturellen politischen Medien-Bias weitgehend gegenstandslos. Der inhaltsanalytische Befund stützt weder eine pauschale Einschätzung der Kommentatoren als konservative „Prätorianergarde“ des status quo noch als linkstendenziöse „Weltverbesserer“. Eine Gewichtung, die dem Einfluss der verschiedenen Zeitungen bezüglich Reichweiten, Auflagenhöhe und Reputation Rechnung trägt, würde diesen Befund eventuell noch etwas verändern. So ist die Position der in die Stichprobe aufgenommenen taz im Medienmarkt in dieser Hinsicht kaum mit den beiden großen Zeitungen in der bürgerlichen Mitte (FAZ, SZ) des
6.2 Jenseits von Links und Rechts? Zur Relevanz einer politischen Grundunterscheidung
139
Zeitungsspektrums gleichzustellen. Sie rückt aber den statistischen Mittelwert der Befunde nicht unwesentlich nach links. Die jeweilige Auswahl der untersuchten Medien ist eine entscheidende Größe für jede Messung des Meinungstenors mit Repräsentativitätsansspruch für die „öffentliche Meinung“ auch jenseits der leitmedialen Presse. Die statistischen Mittelwerte für die politische Positionierung des gesamten Kommentardiskurses ergeben sich aus insgesamt drei erhobenen Positionierungen. Neben rechten und linken Positionierungen finden sich auch ambivalente Positionen, die sich keiner Richtung eindeutig zuordnen lassen. Die Aufschlüsselung der durchschnittlichen Positionierungen der Kommentatoren zeigt erwartbar ein leichtes Übergewicht der linken (45,5%) gegenüber den rechten Stellungnahmen (39,9%). Unentschiedene Positionen machen mit 14,6 Prozent der Nennungen dabei den kleinsten Anteil aus (Tabelle 5). Tabelle 5: Anteile politischer Positionen im Kommentardiskurs (N = Positionsnennungen)
Häufigkeit
Prozent
Linke Position
4001
45,5 %
Ambivalent
1283
14,6 %
Rechte Position
3514
39,9 %
Gesamt
8789
100,0 %
Der um 5,6 Prozent höhere Anteil der linken gegenüber den rechten Stellungnahmen demonstriert in anderer Form erneut den leicht links-liberalen Einschlag des bundesdeutschen Kommentardiskurses. Pauschalisierende Annahmen über ausgeprägte berufsbedingte und medienübergreifende ideologische Tendenzen im Journalismus werden durch die Befunde zur Positionierung der gesamten Kommentaragenda auf der Links-Rechts-Achse zusammengenommen jedoch nicht gestützt. Betrachtet man die Kommentatoren als Gesamtgruppe, siedelt sich diese nahe am idealen Mittelpunkt des ideologischen Spektrums an und verkörpert zumindest in dieser Hinsicht eine publizistische Ausgewogenheit fast perfekt.122 122
Dieser Befund bezieht sich auf den manifesten Textinhalt der politischen Kommentare und nicht auf die Einstellungen der Kommentatoren als natürliche Personen. Die Entstehung des journalistischen outputs, der für die öffentlichen Meinungsbildungsprozesse letztlich allein relevant ist, muss als Interaktionsprozess mehrerer Faktoren verstanden werden. Neben den Präferenzen der Journalisten gehen hier auch redaktionell institutionalisierte Normen ein.
140
6 Medienprofile und politische Parallelstrukturen: Ergebnisse des Zeitungsvergleiches
Der moderate Gesamtwert der ideologisch-politischen Positionierungen der Journalisten spricht zwar gegen die Annahme einer einseitig nach links oder nach rechts tendierenden Berufsgruppe. Es könnte sich dabei aber auch um ein statistisches Artefakt handelnd. Nicht ausgeschlossen ist nämlich eine ideologische Polarisierung des Pressepektrums mit starken rechten und linken Polen, die sich nur im Durchschnitt wechselseitig neutralisieren. Es stellt sich daher die Frage, zu welchen Ergebnissen die Anlegung des Links-Rechts-Schemas führt, wenn die Positionen der einzelnen Zeitungen gesondert ausgewiesen werden. Erst dann lässt sich die Streuung der Zeitungen kontrollieren und das Ausmaß an politischer Polarisierung des Pressespektrums bestimmen. Betrachtet man also die Positionen der einzelnen Zeitungen auf der Grundkoordinate des politischen Wettbewerbs, dann lässt die Anlegung des LinksRechts-Schemas sehr klare Unterscheidungen und Profilierungen sichtbar werden. Die dem politischen Zentrum am nächsten stehende Position nimmt die SZ ein. Polarisierungen des Spektrums zeigen sich jedoch für die auf der rechten Seite des Spektrums angesiedelte FAZ und die DW wie auch der auf der linken Seite des Spektrums angesiedelten FR und der taz. Tabelle 6: Mittelwerte der Positionen im Zeitungsvergleich (N = Positionsnennungen, 1 = linke Pos., 3 = rechte Pos.)
Zeitung taz FR SZ FAZ DW
N 1642 1723 1765 1853 1815
Position MW 1,54 1,58 1,81 2,32 2,40
Die Zeitungen sind auf der Links-Rechts-Achse in der Reihenfolge taz (1,54), FR (1,58), SZ (1,81), FAZ (2,32) und DW (2,40) angeordnet. taz und FR bilden damit einen klar links-liberalen Pol, FAZ und DW einen konservativen Pol und die SZ siedelt sich mit leicht links-liberalem Akzent der politischen Kommentare in der Mitte des Spektrums an (Tabelle 6 und Abbildung 3).123 123
Eine von Eilders vorgelegte Auswertung kommt zu einer noch stärkeren Spreizung des LinksRechts-Spektrums (taz: 1.5, FR: 1,6, SZ: 1,9, FAZ: 2,5, DW: 2,7) Die Differenz erklärt sich aus dem Umstand, dass an dieser Stelle alle Kommentare in die Analyse eingehen, während Eilders die eher linkslastigen, auf die internationale Politik bezogenen Positionen sowie eine Reihe anderer Themengebiete aus der Analyse ausklammert (Eilders 2004c). Die Ergebnisse einer Analyse der redaktionellen Linien in Kommentaren durch Kepplinger aus den 1980er Jahren werden von Gerhards referiert. Bei einer etwas abweichenden Skalierung und bei Auslassung der taz ergibt sich ein strukturell mit unseren Befunden vereinbares Ergebnis. Die FR liegt hier als am weitesten links verortete Zeitung
6.2 Jenseits von Links und Rechts? Zur Relevanz einer politischen Grundunterscheidung
Abbildung 3:
141
Die Positionierungen der Zeitungen auf der Links-Rechts-Achse (N = Positionsnennungen, 1 = linke Pos., 3 = rechte Pos.)
taz (1,54)
1
FR (1,58) SZ (1,81)
2
FAZ (2,32)
DW (2,4)
3
Auch für das unter dem Gesichtspunkt der Ausbildung redaktioneller Linien bisher nicht systematisch untersuchte Genre des Kommentars zeigt sich somit ein ausgeprägter Außenpluralismus des bundesdeutschen Pressewesens und eine explizite Artikulation sowohl konservativer wie auch links-liberaler Positionen durch einzelne Medien.124 Dieser Befund lässt sich vor dem Hintergrund systemtheoretisch ausgerichteter Begriffe zur Links-Rechts-Unterscheidung als „politischem Code“ (Fuchs und Klingemann 1989; Wimmer 2000) dahingehend interpretieren, dass auch in der Medienöffentlichkeit jenseits medienspezifischer Orientierungen auch genuin politische Strukturierungsmuster einen erheblichen Einfluss auf die Profilierung der Medien haben, wo diese als eigenständige Sprecher ihre Stimme in der öffentlichen Arena erheben. Mit anderen Worten machen sich hier nicht nur im engen Sinn journalistische Kriterien der Aufmerksamkeitsökonomie bemerkbar, sondern Bedeutungsstrukturen, die ihren primären Ort im politischen System haben. Allerdings gilt es zu differenzieren: Wie schon in den Gesamtmittelwert für die Kommentare aller Zeitungen geht auch in die Messung der Positionierung der einzelnen Medien eine statistische Abstraktion ein. Bei weiterer Aufschlüsselung der Werte für die einzelnen Zeitungen lässt sich insofern deutlich machen, dass auch die distinktiven Positionen innerhalb des Gesamtspektrums lediglich Durchschnittsprodukte sind, weil in sie sowohl linke wie auch rechte Positionen aus den einzelnen Kommentaren eingehen. Sehr klar lässt sich dieser Sachverhalt zeigen, wenn die drei erhobenen Ausprägungen der Positionsvariablen (links, rechts, ambivalent) für jede Zeitung gesondert ausgewiesen werden. bei „-38“, die SZ bei „-18“, die FAZ bei „+36“ und die DW als am weitesten rechts verortete Zeitung bei „+52“. Gegenüber den redaktionellen Linien der Berichterstattung ist das Spektrum der Kommentierung erheblich gespreizt (Gerhards 1991a: 51 ff.). 124 Der Typus des außenpluralistischen Mediensystems lässt sich gegenüber dem Typus des binnenpluralistischen Mediensystems abgrenzen. In binnenpluralistischen Systemen ist die Vielfalt von politisch-ideologischen Positionen innerhalb einzelner Medien repräsentiert, die sich entsprechend eher als Forums- denn als Richtungsmedien verstehen. In außenpluralistischen Medien kommt es demgegenüber bei vergleichsweise ausgeprägter innerredaktioneller Homogenität zu einer politischen Differenzierung konkurrierender Medien.
142
6 Medienprofile und politische Parallelstrukturen: Ergebnisse des Zeitungsvergleiches
Abbildung 4:
Die Links-Rechts-Positionierung der Zeitungen im Vergleich (N = Positionsnennungen)
1200 1000 800
Rechte Position
600
Ambivalent
400
Linke Position
200 0 taz
FR
SZ
FAZ
DW
Es ergibt sich dann eine wiederum nahezu symmetrische Verteilung der Werte innerhalb der einzelnen Zeitungen. Einem deutlichen Übergewicht rechter Positionierungen auf der einen Seite steht auf der anderen Seite ein nicht minder klares Übergewicht linker Positionierungen gegenüber. Die SZ besetzt dabei die ausgewogenste Position in der Mitte des politischen Spektrums; das Übergewicht linker Positionen ist hier vergleichsweise schwach ausgeprägt. In den anderen Zeitungen lassen sich demgegenüber deutliche Schwerpunkte auf der rechten (DW, FAZ) oder der linken Seite (FR, taz) ausmachen. Diese Aufschlüsselung zeigt damit an, dass auch die Klassifikation des bundesdeutschen Pressespektrums als außenpluralistischer Typus einen gewissen Grad innerer, auf das einzelne Medium bezogener Pressevielfalt beinhaltet. Auch in linksliberalen Zeitungen lassen sich mitunter liberalkonservative und in liberalkonservativen Zeitungen linksliberale Stimmen vernehmen. Die SZ verkörpert dieses Merkmal eines binnenpluralistischen Systems am weitgehendsten.125
125 Der Stellenwert binnenpluralistischer Orientierungen der Pressemedien wird in Kapitel 6.2.4 vertiefend aufgegriffen.
6.2 Jenseits von Links und Rechts? Zur Relevanz einer politischen Grundunterscheidung
143
Tabelle 7: Anteile politischer Positionen im Zeitungsvergleich (N = Positionsnennungen)
Zeitung taz FR SZ FAZ DW Gesamt
N % N % N % N % N % N
Position Linke Position 1094 66,6% 1111 64,5% 887 50,3% 488 26,3% 421 23,2% 4001
Gesamt Ambivalent 205 12,5% 223 12,9% 326 18,5% 276 14,9% 253 13,9% 1283
Rechte Position 343 20,9% 389 22,6% 552 31,3% 1089 58,8% 1141 62,9% 3514
1642 100,0% 1723 100,0% 1765 100,0% 1853 100,0% 1815 100,0% 8798
Die Darstellung dieser Verteilungen in relativen Größen zeigt noch einmal deutlich eine sich fast idealtypisch in das Links-Rechts-Schema einfügende Verteilung, die aber innere Komplexität gewinnt und Spannung verliert, weil es nicht zu absoluten Ausschließlichkeiten der Positionierungen kommt. Auch in rechten Zeitungen finden sich - wie gesagt - linke und auch in linken Zeitungen rechte Positionen. Der Anteil linker Positionen reicht von 23,2 Prozent bei der Welt bis zu 66,6 Prozent bei der taz als Extrempunkten einer gleitenden Skala, die leichte Sprünge zwischen der FAZ (26,3%) und der SZ (50,3%) sowie der SZ und der FR (64,5%) aufweist. Die Werte für rechte Positionen setzen in der taz mit 20,9 Prozent auf etwas niedrigerem Niveau als die linken in der DW ein, welche dort bis zu 62,9 Prozent ansteigen. Sprünge sind auch hier zwischen der FR (22,6%) und der SZ (31,3%) sowie der SZ und der FAZ (58,8%) zu verzeichnen. Hinsichtlich der politisch-ideologischen Positionen der Zeitungen ist also zu berücksichtigen, dass ein Fünftel bis ein Viertel der Stellungnahmen sich der Rubrizierung der jeweiligen Medien als konservative oder liberale Zeitungen entzieht. Politische Klassifikationen gelten nur im Durchschnitt und daher nicht für jeden Kommentar zu jedem Themenbereich. Dieser Umstand verweist zugleich darauf, dass es sich bei den untersuchten Qualitätszeitungen nicht um Richtungs- oder Weltanschauungszeitungen klassischer Art handelt. Folgende Folgerungen zum Stellenwert dieser Befunde lassen sich festhalten: Der Forschungsstand zu den redaktionellen Linien der überregionalen Qualitätspresse kann auch für das Genre des Kommentars bestätigt werden. Die überregionalen Tageszeitungen unterscheiden sich in Hinblick auf ihre politische Ausrichtung auch in ihren Meinungsbeiträgen sehr deutlich. Die Links-RechtsAchse stellt ein valides Instrument zur Klassifikation dieser Unterschiede bereit.
144
6 Medienprofile und politische Parallelstrukturen: Ergebnisse des Zeitungsvergleiches
Zwar lassen sich Erwartungen bezüglich einer professionsspezifischen und medienübergreifenden Tendenz des „Kommentariats“ nicht bestätigen, auf der Ebene der einzelnen Zeitungsredaktionen üben politisch-ideologische Orientierungsmuster jedoch einen erheblichen Einfluss aus. Das bundesdeutsche Pressespektrum ist „außenpluralistisch“ strukturiert. Die Extrempunkte des Spektrums sind allerdings nicht besetzt, so dass die politische Polarisierung vergleichsweise moderat bleibt. Zugleich lassen sich innerredaktionell auch begrenzte Toleranzspielräume gegenüber den von der dominanten redaktionellen Linie abweichenden Stellungnahmen und damit auch ein gewisser Grad binnenpluralistischer Vielfalt nachweisen. Diese Ergebnisse stützen die theoretische These insofern, als sie zeigen, dass die Binnendifferenzierung des Medienspektrums im Genre des Kommentars auch über genuin politische Kriterien, über einen „politischen Code“ gesteuert wird. Aus der Perspektive der einzelnen Medienorganisationen verweisen die distinkten Positionen zudem auf eine relative Vereinheitlichung der Redaktionen, die die Geltung der These von Medien als politischen Akteuren vor allem auf der Mesoebene ansiedelt. Methodisch lassen sich diese Befunde, die bereits vorliegende Analysen zur politischen Positionierung von Pressemedien auf der Grundlage der Nachrichtenberichterstattung weitgehend untermauern (Donsbach et al. 1996; Voltmer 1997, 1998/99), auch dahingehend interpretieren, dass der politische Kommentar in der Tat einen validen Indikator für Prozesse der öffentlichen Meinungsbildung darstellt. Inhaltsanalytische Forschungen lassen sich im Rückgriff auf dieses Genre verschlanken, weil die Kommentare im Vergleich zu der Nachrichtenberichterstattung über einen sehr viel übersichtlichen Textkorpus verfügen. Der inhaltsanalytische Zugriff auf politische Kommentare erscheint also nicht nur aus öffentlichkeitstheoretischer Perspektive instruktiv, sondern auch in forschungspragmatischer Hinsicht als fruchtbar. Zu beachten sind allerdings Spezifika des Genres, die auch zu einer Überzeichnung mancher Strukturen führen können.126 Jenseits der ganz grundlegenden Frage nach der methodischen Fruchtbarkeit der Messung politischer Medienprofile auf der Grundlage journalistischer Kommentare bietet das verwendete inhaltsanalytische Instrumentarium zusätzliche Untersuchungsdimensionen. Denn die bisher vorgestellten Befunde zur Positionierung der Zeitungen auf der Links-Rechts-Achse sind sachlich noch undiffe126 Ob der geringere Umfang der täglichen Kommentare gegenüber der Nachrichtenberichterstattung nicht nur eine Verschärfung, sondern auch ein Änderung der Selektionskriterien beinhaltet, ist die systematische Frage, die sich hier stellt. Es gibt Hinweise darauf, dass konflikthafte Themen und Ereignisse für Kommentare überproportional ausgewählt werden und in diesem Sinn auch die Repräsentativität der Kommentarthemen für die gesamte Medienagenda gewichtet werden muss. Die präzise Messung von „Kommentarfaktoren“ bleibt ein Thema für weitere Forschung.
6.2 Jenseits von Links und Rechts? Zur Relevanz einer politischen Grundunterscheidung
145
renziert, obwohl die jeweiligen Positionen der Zeitungen in Anbindung an 16 binär strukturierte politische Grundkonflikte erhoben wurden. Das inhaltsanalytische Vorgehen hat also die ideologischen Positionen immer mit sachlich spezifischen Entscheidungsfragen verknüpft, für die jeweils eine Lösungsoption als links und eine andere als rechts vercodet wurde. In der bisherigen Darstellung der politischen Strukturierung des Diskurses sind diese Einzeldimensionen zusammengefasst worden. Mit der Einführung dieser sachlichen Differenzierungen lassen sich die Positionierungen der Zeitungen nun inhaltlich spezifizieren und auch jenseits hochgeneralisierter Wertorientierungen bestimmen. Zudem kann erst auf dieser Ebene bestimmt werden, inwiefern die durch generalisierte Wertorientierungen konstruierte redaktionelle Linie sich auch auf der Ebene einzelner policy-Bereiche und Entscheidungsfragen als konsistent herausstellt. Dieser Schritt hat einen systematischen Stellenwert, weil auf diesem Weg überprüft werden kann, ob die politischen Strukturierungsprinzipien des Kommentardiskurses tatsächlich erschöpfend über die Links-Rechts-Achse erschlossen werden können. Solange diese issuespezifische Analyse nicht vorgenommen wird, kann also nicht ausgeschlossen werden, dass die Positionierung der Zeitungen ja nach Typus des Politikfeldes variiert. Das kann aber bedeuten, dass quer zur politischideologischen Links-Rechts-Achse auch andere Gliederungsprinzipien von Bedeutung sind und daher erst zwei- oder mehrdimensionale Modelle die Profilierung der Medien als politische Akteure zureichend repräsentieren können.127 Im folgenden Abschnitt steht daher die Frage im Mittelpunkt, welche Bedeutung die bisher dargestellten Links-Rechts-Stellungnahmen der Kommentatoren jenseits hochabstrakter und problemunspezifischer Wertorientierungen haben. Damit wird die Analyse näher an die Probleme und Gegenstände des politischen Prozesses herangeführt. Erst so lässt sich dem Einwand gegenüber der analytischen Verwendung des Links-Rechts-Schema begegnen, dass ideologische Identifikationen angesichts der Komplexitäten realer Entscheidungsfragen politischer Akteure letztlich nichtssagend bleiben und weniger den Problemlagen moderner Demokratien entsprechen als eine Art Überhang der „Hosenbodengeografie“ des 18. und 19. Jahrhunderts darstellen.
127
Die Parteienforschung kennt in diesem Sinne eine zur sozioökonomischen Links-Rechts-Achse quer liegende Liberal-Konservativ-Achse für soziopolitische Fragen und Probleme.
146
6 Medienprofile und politische Parallelstrukturen: Ergebnisse des Zeitungsvergleiches
6.2.2 Abweichende Stellungnahmen? Die Positionierung der Zeitungen in politischen Grundkonflikten Es wurde schon auf der Ebene der einzelnen Zeitungen erkennbar, dass die Strukturierung entlang der Links-Rechts-Achse ein relatives und graduelles Phänomen ist. In jedem Blatt finden sich auch solche Stellungnahmen und Positionierungen, die bei einem puristischen Verständnis der politischen Profilierung als deutlich von der jeweiligen redaktionellen Linie abweichend und durch sie ausgeschlossen erscheinen müssen. Es lassen sich also spezifische Mischungsverhältnisse von linken und rechten Positionen in allen Zeitungen finden, die erst auf einer höheren Aggregationsebene zu dann allerdings auch recht eindeutigen Befunden liberaler und konservativer redaktioneller Linie führen.128 Die bis hierher dargestellten Befunde bewegten sich auf dieser relativ hoch aggregierten Ebene des Pressespektrums insgesamt und der einzelnen Zeitungen als geschlossenen Einheiten. Durch eine weitere analytische Auflösung werden nun die sachlichen Bedeutungen der politischen Positionierung genauer gekennzeichnet und zum andern auch Anomalien in der Positionierung der Zeitungen bestimmt, die konfliktund themenspezifisch quer zur Links-Rechts-Achse angesiedelt sind. Zum einen geht es also um die gehaltvollere und vertiefende Beschreibung der LinksRechts-Semantik, zum anderen aber auch um ein komplexeres Verständnis der Vielfaltsstrukturen und der Profilierungsmuster der einzelnen Zeitungen. Zunächst wird die Positionierung der Zeitungen auf der tatsächlichen Erhebungsebene ausgewiesen, d.h. in direkter Anbindung an inhaltlich trennscharfe politische Grundkonflikte und Richtungsalternativen. Es können hier mehrere der bereits oben eingeführten Links-Rechts-Skalierungen erzeugt werden, die jeweils auf eine spezifische politische Fragestellung bezogen sind. In Tabelle 8 sind neben den durch die verschiedenen Grundkonflikte aufgespannten Entscheidungs- und Richtungsalternativen auch die entsprechenden Werte übersichtlich zusammengestellt.
128
Politische Positionierung in der realen Öffentlichkeit ist immer ein Stück weit hybrid. Sie vermischt sich mit politisch-ideologischen Positionen jeweils „anderer“ politischer Milieus, die durch die Umschmelzung und Rekontextualisierung aber die allgemeine Tendenz der Kommentarspalten gar nicht in Frage stellen müssen. Diese relativen Überschneidungen sind auch ein Integrationsmechanismus, der die bundesdeutsche Öffentlichkeit vor einer scharfen politischen Polarisierung oder Fragmentierung bewahrt. Die selektive Zulassung heterogener Positionen muss also kein Anzeichen für eine Aufweichung publizistischer Profile darstellen, solange die Inkorporation abweichender Voten mit dem Profil verbindbar und durch sie verkraftbar ist.
6.2 Jenseits von Links und Rechts? Zur Relevanz einer politischen Grundunterscheidung
147
Tabelle 8: Positionierung der Zeitungen in Grundkonflikten (N = Positionsnennungen, 1 = linke Pos., 3 = rechte Pos.)
Typ Frame 2/4 4 5 3 5 3 5 2 3 3 3 1 3 3 3 3
Mittelwerte Partnerschaft / Abgrenzung Supranationalität / Souveränität Staatswirtschaft / Marktwirtschaft Staatsverantwortung / Eigenverantwortung Nachfrageförderung / Angebotsförderung Regelsetzung / Anreize Steuerbelastung / Steuerentlastung Zentralismus / Selbststeuerung Autonomie / Einheit Bedarf / Bedingung Freiheit / Bindung Prävention / Strafe Beteiligung / Repräsentation Kosmopolitismus / Ethnozentrismus Kulturelle Identität / Integration Technologiefolgenkontrolle / Risikoakzeptanz Tabellen-Gesamtwert
Zeitung taz FR 1,90 1,94
SZ 1,62
FAZ 1,71
Ges. DW 1,73 1,77
1,33
1,25
1,48
1,52
1,43 1,41
1,63
1,45
2,32
2,62
2,70 2,23
1,23
1,19
1,41
2,34
2,41 1,68
1,31
1,25
2,23
2,90
2,82 2,18
1,88
1,80
1,97
2,45
2,46 2,07
1,98
2,01
2,41
2,89
2,86 2,56
2,30 2,00 1,57 1,50 1,78 1,13
2,34 2,19 1,37 1,86 1,94 1,24
2,20 2,21 1,67 1,86 2,06 1,36
1,95 2,91 2,19 2,44 2,65 2,54
2,12 2,88 2,29 2,38 2,77 2,25
1,09
1,02
1,11
2,52
2,72 1,47
1,38
1,50
1,25
2,77
2,25 1,70
1,16
1,20
1,35
2,27
2,09 1,43
1,54
1,58
1,81
2,32
2,40 1,94
2,14 2,60 1,87 2,09 2,30 1,72
Für die Auswertung ist zu unterstreichen, dass an dieser Stelle nicht die inhaltliche Ebene einer vertiefenden Beschreibung der jeweils problemspezifischen Stellungnahmen der Zeitungen, sondern die strukturellen Varianten in deren politischen Positionierung in thematischen Kontexten von Bedeutung sind. Welche auffälligen Befunde lassen sich entlang dieser Maßgabe erkennen? An welchen Stellen muss die im ersten Abschnitt dargestellte Streuung der Zeitungen und ihrer Kommentarlinien eingeschränkt oder revidiert werden? Tatsächlich lassen sich aufschlussreiche Abweichungen gegenüber dem bisher dargestellten, inhaltlich noch unspezifischen politischen Spektrum nachweisen. Diese Abweichungen können in fünf verschiedenen Typen zusammenge-
148
6 Medienprofile und politische Parallelstrukturen: Ergebnisse des Zeitungsvergleiches
fasst werden, die jeweils besondere Sortierungen der Zeitungen auf der LinksRechts-Achse anzeigen. Im Einzelnen handelt es sich dabei um die folgenden Varianten: 1.
2.
3.
4. 5.
Typ 1: Der Typ einer gleitenden und kontinuierlichen Verteilung der Zeitungen auf der Links-Rechts-Achse findet sich wie auf der aggregierten Ebene auch auf der Ebene einzelner Grundkonflikte - allerdings nur in einem Fall. Typ 2: In zwei Fällen zeigt sich eine Umkehrung dieser idealtypischen Verteilung: Die liberalen Zeitungen nehmen klassisch konservative Positionen ein und die konservativen Zeitungen klassisch liberale Positionen. Dieser überraschende Befund lässt sich nur im genaueren Blick auf den Inhalt der betreffenden Grundkonflikte erklären.129 Typ 3: In der Mehrzahl der Fälle (9 von 16) zeichnet sich eine Verteilung entlang liberaler und konservativer Lager ab, wobei die FAZ und die DW innerhalb des konservativen Lagers stehen, die SZ, die FR und die taz innerhalb des liberalen Lagers. Dabei zeigen sich jedoch auch ‚Führungswechsel’ und wechselnde Positionierungen der Zeitungen innerhalb der Lager je nach Grundkonflikt. Typ 4: In zwei Fällen findet sich eine Verteilung, in der alle Zeitungen deutlich auf der liberalen Seite stehen. Typ 5: Die Stellung der SZ, die in den meisten Fällen deutlich auf Seiten der liberalen Positionen steht, verändert sich in drei Fällen deutlich zugunsten der konservativen Positionen. Dies sind diejenigen Grundkonflikte, in denen wirtschaftspolitische Fragen angesprochen sind. Die SZ steht hier der FAZ und der DW deutlich näher als der FR und der taz.
Wie lassen sich nun diese strukturell konstruierten Typen sachlich beschreiben? Besonders auffällig ist der Sachverhalt, dass sich innerhalb der Grundkonflikte um Partnerschaft vs. Abgrenzung sowie um Zentralismus vs. Selbststeuerung ein gegenüber der im Abschnitt 6.1.1 dargestellten Links-Rechts-Verteilung umgekehrtes Muster zeigt (Typ 2). Die liberalen Zeitungen nehmen in diesen politischen Grundkonflikten, gemessen an unserer Klassifikation, deutlich konservativere Positionen ein als die eigentlich konservativen Zeitungen.130 129
Es stellt sich die Frage, ob hier tatsächlich die politischen Verhältnisse gleichsam auf den Kopf gestellt sind oder ob es sich um einen Bedeutungswandel der Begriffe links und rechts handelt, der von unserem Erhebungsinstrument noch nicht berücksichtigt wurde. 130 Im vor allem auf Fragen der internationalen Politik bezogenen Grundkonflikt Partnerschaft vs. Abgrenzung ist Partnerschaft als linke und Abgrenzung als rechte Position klassifiziert worden. Im eher auf ordnungspolitische Fragen bezogenen Grundkonflikt Zentralismus vs. Selbststeuerung markiert Zentralismus die linke Alternative und Selbststeuerung die rechte Alternative. Detaillierte
6.2 Jenseits von Links und Rechts? Zur Relevanz einer politischen Grundunterscheidung
149
Bemerkenswert ist weiterhin, dass nur in einem von 16 Fällen die Positionierung der Zeitungen sich bruchlos in das Schema einer gleitenden LinksRechts-Verteilung nach dem Muster taz-FR-SZ-FAZ-DW einfügt (Typ 1). Nur der Grundkonflikt Prävention vs. Strafe repräsentiert auf einer sachlich spezifischen Ebene damit die Strukturierung des Pressespektrums als Ganzem gewissermaßen im Kleinformat. In allen anderen Grundkonflikten zeigen sich auch da Unregelmäßigkeiten, wo sie nicht die Form einer vollkommenen Umkehrung der aggregierten Muster einnehmen. Die SZ steht außerdem sehr deutlich in allen wichtigen, genuin wirtschaftspolitischen Grundkonflikten (Staatswirtschaft vs. Marktwirtschaft, Nachfrageförderung vs. Angebotsförderung, Steuerbelastung vs. Steuerentlastung) im Lager der konservativen Zeitungen – nicht immer mit deren Entschiedenheit, in der Tendenz aber doch sehr klar (Typ 5). In neun der 16 erhobenen Grundkonflikte ergibt sich die bekannte Ausbildung von linken (FR, taz) und rechten (DW, FAZ) „Lagern“ mit der SZ als links-liberalem Mittelpunkt - mit allerdings innerhalb der jeweiligen Gruppen vertauschten Rollen (Typ 3). Es handelt sich dabei unter anderem um die Grundkonflikte Kollektiv- und Staats- vs. Eigenverantwortung, Regelsetzung vs. Anreize, Autonomie vs. Einheit, Bedarf vs. Bedingung, Freiheit vs. Bindung, Beteiligung vs. Repräsentation, Kosmopolitismus vs. Ethnozentrismus, Kulturelle Identität vs. Integration sowie Technologiefolgenkontrolle vs. Risikoakzeptanz. Eine durchgehend linke, die Bereitschaft zu einer Stärkung supranationaler Institutionen und einer Verlagerung nationalstaatlicher Befugnisse auf internationale Organisationen betonende Positionierung aller Zeitungen findet sich in den Grundkonflikten Supranationalität vs. Souveränität sowie Partnerschaft vs. Abgrenzung (Typ 4). Die außenpolitischen Grundkonflikte sind damit sowohl durch eine vergleichsweise geringe Polarisierung des Spektrums als auch durch eine hohe Nähe der verschiedenen Zeitungen zueinander gekennzeichnet. In diesem Bereich zeigen die bundesdeutschen Kommentatoren kaum gravierende Differenzen und orientieren sich am Konzept einer in internationale Institutionen verlässlich eingebundenen Bundesrepublik. Die sich auf einer pragmatischen Ebene ergebenden Kontroversen scheinen sich hier nicht aus fundamentalen Wertdifferenzen zu speisen, wobei die weitgehende Abschwächung der Bedeutung von Politikalternativen allerdings ausschließlich auf den Bereich der internationalen Politik beschränkt bleibt. Auf dieses Feld bezieht sich auch einer derjenigen Grundkonflikte, in denen die konservativen Zeitungen gegenüber den links-liberalen Zeitungen gemessen an der verwendeten Klassifikation etwas weiter links positio-
Erläuterungen finden sich wieder bei Eilders und Lüter sowie Voltmer (Eilders und Lüter 1998; Voltmer 1994).
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6 Medienprofile und politische Parallelstrukturen: Ergebnisse des Zeitungsvergleiches
niert sind. Wird die Besonderheit des außenpolitischen Politikfeldes in Rechnung gestellt, verliert dieser Umstand insofern seinen überraschenden Stellenwert. Im Grundkonflikt Zentralismus vs. Selbststeuerung findet sich demgegenüber eine klare Verschiebung aller Zeitungen auf die – nach der verwendeten Klassifikation – rechte Seite des Konfliktes, also der Unterstützung der Selbststeuerung kleinerer Einheiten gegenüber zentralstaatlicher Intervention. Es kann an dieser Stelle auf eine weitergehende thematische Aufschlüsselung dieses Grundkonfliktes verzichtet werden; festzuhalten ist allerdings, dass sich die Anomalie einer Umkehrung der Verteilung auf der Links-Rechts-Achse mit einer insgesamt nur schwachen Polarisierung dieses Grundkonfliktes verbindet.131 Wenn die partiellen Abweichungen des Typs 3 (klare Links-RechtsPolarisierung bei abweichenden Führungswechseln der Zeitungen) gegenüber dem konventionellen Typ 1 an dieser Stelle ausgeklammert werden, dann zeigt sich vor allem anhand des fünften Typs eine sehr deutliche Veränderung der Gewichtsverteilung innerhalb des Pressespektrums in Abhängigkeit vom thematischen Kontext. Die SZ, die in der Regel die links-liberale Mitte repräsentiert, zeigt in diesen wirtschaftspolitischen Kontexten eine erhebliche Distanz zum links-liberalen Meinungspol. Insbesondere diese veränderte Position der SZ lässt sich somit als Hinweis für eine Überlagerung von zwei inhaltlich distinkten Gliederungsprinzipien in der Links-Rechts-Achse interpretieren. Die Verteilung der Zeitungen auf der Links-Rechts-Achse verändert sich in wirtschaftspolitischen gegenüber eher gesellschaftspolitischen Grundfragen. Im Folgenden sollen die Ergebnisse zu den Varianten der Positionierung in einem anderen Kontext noch einmal kurz überprüft werden. Dazu ist anzumerken werden, dass die politischen Grundkonflikte zwar keine thematischen Bezüge festlegen, aufgrund ihrer inhaltlichen Konkretionen aber doch lose an bestimmte Themenfelder gekoppelt sind. So liegt die Annahme nahe, dass bspw. die Grundkonflikte Abgrenzung vs. Partnerschaft oder Supranationalität vs. Souveränität ganz überwiegend vor allem in solchen Themenbereichen aktualisiert werden, in denen außenpolitische Probleme verhandelt werden. Im Blick auf andere Grundkonflikte mag eine solche thematische Zuordnung sachlich weniger zwingend erscheinen. Dennoch liegen auch hier stark strukturierte Wahrscheinlichkeiten bezüglich des Auftretens von Grundkonflikten in Themenbereichen vor. Wir haben nun die Positionierungen anstatt jeweils für die Grundkonflikte noch einmal für verschiedene Themenbereiche aufgefächert. 131
Ein föderalistisches Selbstverständnis auf bundesstaatlicher Ebene gehört ebenso wie die Orientierung an einer Einbindung in internationale Organisationen zu den weitgehend unumstrittenen Grundlagen der bundesrepublikanischen Institutionenordnung. Wie auch die außenpolitische Staatsräson erklärt sich diese Orientierung nicht zuletzt aus der Vorgeschichte der Bundesrepublik. Die spezifische ideologische Codierung wird damit vor allem in längerer historischer Perspektive pointiert.
6.2 Jenseits von Links und Rechts? Zur Relevanz einer politischen Grundunterscheidung
151
Deren Anzahl liegt mit insgesamt elf Themenbereichen gegenüber den 16 erhobenen Grundkonflikten etwas niedriger (Tabelle 9). Bemerkenswert ist hier vor allem, dass der Inversionstypus (Typ 2) der Umkehrung der Links-Rechts-Achse nicht zu finden ist. Der Themenbereich Bildungs- und Kulturpolitik zeigt als einziger das idealtypische Muster einer gleitenden Links-Rechts-Verteilung (Typ 1), die bereits für den Grundkonflikt Prävention vs. Strafe gefunden wurde. Vier Fälle im ordnungs- und sozialpolitischen Bereich zeigen eine „Lagerverteilung“ mit intern variablen Reihungen (Typ 3). Zwei Fälle entsprechen dem Typus einer Annäherung aller Zeitungen an eher „linke“ Positionen (Typ 4). Es handelt sich hier um Außenpolitik und um Verteidigungspolitik. Den Typus der konservativen Mitte (Typ 5) findet sich wiederum in den wirtschafts- und finanzpolitischen Themenbereichen. Tabelle 9: Positionierung der Zeitungen in Themenbereichen (N = Positionsnennungen, 1 = linke Pos., 3 = rechte Pos.)
Typ Blockthema Zeitung Gesamt Mittelwerte taz FR SZ FAZ DW 3 Rechtsextremismus / Migration 1,39 1,48 1,46 2,41 2,67 1,77 4 Außenpolitik 1,77 1,72 1,63 1,76 1,77 1,72 4 Verteidigungspolitik 1,60 1,59 1,59 1,76 1,77 1,67 3 Infrastrukturpolitik 1,35 1,44 1,60 2,41 2,27 1,65 1 Bildungs- und Kulturpolitik 1,57 1,70 1,82 2,03 2,19 1,88 3 Rechtspolitik 1,46 1,73 1,81 2,58 2,61 2,13 Gesellschaftliche und politische 1,61 1,66 1,80 2,44 2,48 2,06 3 Ordnung 3 Sozialpolitik 1,20 1,28 1,43 2,40 2,32 1,76 5 Arbeitspolitik 1,58 1,59 2,20 2,71 2,72 2,19 5 Wirtschaftspolitik 1,52 1,45 2,24 2,62 2,67 2,16 5 Finanzpolitik 2,01 1,87 2,27 2,82 2,75 2,42 Tabellen-Gesamtwert 1,54 1,58 1,81 2,32 2,40 1,94 Es ergeben sich zusammenfassend drei unterschiedliche Varianten: a. b. c.
Außenpolitik ohne Richtungskontroverse mit liberaler Präferenz Soziales mit Richtungskontroversen und liberaler Mitte Wirtschaft mit Richtungskontroversen und konservativer Mitte
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6 Medienprofile und politische Parallelstrukturen: Ergebnisse des Zeitungsvergleiches
Je nach Grundkonflikt und Themenbereich zeigt sich somit eine Varianz der Positionen der einzelnen Zeitungen. Diese Veränderungen erschließen sich - die Validität unseres Klassifikationsschemas vorausgesetzt - vor allem aus den relationalen Beziehungen zwischen den Zeitungen und damit aus der Struktur des Pressespektrums insgesamt. Denn die Positionierungen der anderen Zeitungen definieren den jeweiligen relationalen Ort im Spektrum. Wo sich die anderen Zeitungen bewegen, muss also eine Zeitung nicht selbst nach rechts oder links rücken, um ihren Ort im Spektrum zu verändern. Dieser Umstand ist insbesondere im Blick auf Veränderungen einer öffentlichen Hegemonie und des kollektiven „Meinungsklimas“ zu unterstreichen. Ein Medium kann also in Außenseiterposition geraten oder auch zum idealtypischen Repräsentanten eines politischen Zeitgeistes werden, obwohl dessen Positionierung vollkommen konstant bleibt. Erst die vergleichende Perspektive auf das gesamte Pressespektrum öffnet den Blick auf solche Gewichtsverschiebungen der öffentlichen Meinungsbildung. Im direkten Zugriff auf ein isoliertes Medium lassen sich solche Dynamiken und Varianzen der Vielfaltstrukturen dagegen kaum erschließen. Tabelle 10: Positionierung der Zeitungen in innenpolitischen Issue-Feldern (N = Positionsnennungen, 1 = linke Pos., 3 = rechte Pos.)
Typ 1 (3) 3 (3,5) 1 3 3 1 5 1
Issue-Felder Mittelwerte innere Sicherheit deutsche Einheit 'Ausländer'-Frage Steuerfrage Bildung Umwelt Energie Arbeitslosigkeit Löhne Sonstige Gesamtwert
Zeitung taz 1,64 2,07 1,39 2,00 1,69 1,39 1,26 1,35 1,75 1,57 1,54
Gesamtwert FR 1,77 1,68 1,48 2,01 1,79 1,44 1,33 1,46 1,51 1,58 1,58
SZ 2,09 2,12 1,46 2,23 1,94 1,46 1,50 2,04 2,45 1,78 1,81
FAZ 2,70 2,85 2,41 2,82 2,05 2,33 2,54 2,79 2,92 2,21 2,32
DW 2,77 2,75 2,67 2,79 2,21 2,08 2,36 2,86 2,69 2,25 2,40
2,28 2,46 1,77 2,45 1,98 1,55 1,59 2,13 2,31 1,89 1,94
Welche systematischen Folgerungen lassen sich aus der auf Grundkonflikte und politische Themen bezogenen Aufschlüsselung der politischen Strukturierung ziehen? Ergibt sich gegenüber dem oben formulierten Argument einer zentralen Rolle des politischen Codes für die Strukturierung des Pressespektrums Revisionsbedarfs? Es zeigt sich, dass neben den kontroversen Sektoren des Kommentardiskurses auch manche Bereiche liegen, in denen die Kommentatoren in ihren Stellungnahmen recht nahe beieinander liegen und daher auch die Spaltung über
6.2 Jenseits von Links und Rechts? Zur Relevanz einer politischen Grundunterscheidung
153
einen politischen Code nicht zum Tragen kommt. Dabei handelt es sich sachlich um außenpolitische Probleme und um Grundlagen der institutionellen Ordnung, die medienübergreifend ähnlich eingeschätzt und bewertet werden.132 Dieser Umstand begründet angesichts der Prägekraft des politischen Codes in der Mehrheit der Problembereiche keine weiterreichende, von den bisher formulierten Überlegungen abweichende systematische Schlussfolgerung. Auch die je nach Themenbereich variierende Positionierung der Zeitungen jeweils auf der linken bzw. der rechten Seite des Spektrums kann nur vor dem Hintergrund unrealistischer Erwartungen auf vollkommene Konsistenz der Positionierungen als überraschend erscheinen. Für eine eingehende Beschreibung der politischen Profile der einzelnen Zeitungen sind diese Abweichungen zwar interessant, in Bezug auf das systematische Argument der Strukturierungskraft des politischen Codes auch innerhalb des Mediensystems bieten sie allerdings keine belastbaren Einwände, da die Spaltung des Gesamtspektrums durch sie nicht verändert wird. Die Veränderung der Gleichgewichte des Pressespektrums in Abhängigkeit von jeweils eher wirtschafts- und verteilungspolitischen bzw. eher gesellschaftspolitischen Themen- und Problembereichen bleibt daher der zentrale Informationsgewinn. Besonders deutlich zeigt sich dieser Umstand in der wechselnden Stellung der SZ. Das Links-Rechts-Schema führt an dieser Stelle zu unterschiedlichen Einstufungen je nach Politikfeld. Über die Einbeziehung der sachlichen Politikfelder werden aber doch Regelmäßigkeiten erkennbar. In wirtschaftspolitischen Bereichen liegt die SZ moderat rechts, in gesellschaftspolitischen Bereichen moderat links.133 Dieser Befund deutet zwar nicht auf eine Revision der oben (6.2.1) entwickelten Aspekte hin, unterstreicht jedoch das Desiderat einer empirischen Analyse weiterer Gliederungsprinzipien des Mediendiskurses. Während die Links-Rechts-Unterscheidung vor diesem Hintergrund vor allem bezüglich wirtschafts- und verteilungspolitischer Aspekte relevant ist, repräsentiert die Unterscheidung liberal-konservativ einen politischen Code, der vor allem für die Strukturierung gesellschaftspolitischer Probleme von Bedeutung ist. Die empirische Messung politischer Strukturen des Mediendiskurses gewinnt damit an 132 Fraenkel hat in seinen demokratietheoretischen Entwürfen zu pluralistischen Ordnungen auf die Koexistenz von kontroversen und nicht-kontroversen Sektoren hingewiesen. Die außenpolitischen und föderalistischen Grundorientierungen lassen sich in seinem Sinn einem unkontroversen Sektor zuordnen, der auch eine Stabilitätsvoraussetzung in Wettbewerbsdemokratien darstellen mag (Fraenkel 1973). 133 Detaillierte Analysen müssten prüfen, inwieweit die Unterscheidung von gesellschaftspolitischen und wirtschaftspolitischen Dimensionen auch zur Erklärung der wechselnden Positionierungen der Zeitungen innerhalb der richtungsmäßig einheitlichen Lager herangezogen werden könnte. Als ein wesentlicher Erklärungsfaktor könnte hier das jeweilige Publikumssegment in Frage kommen, auf das sich die Zeitungen orientieren. Dazu auch Volkmann (Volkmann 2006).
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6 Medienprofile und politische Parallelstrukturen: Ergebnisse des Zeitungsvergleiches
Komplexität und sachlichem Gehalt, relativiert aber nicht die These der Strukturierungswirkung politischer Kriterien für die Profilierung der Medien. Vergleichbare Dimensionen des politischen Wettbewerbes lassen sich ohne Einschränkungen auch für die Parteienkonkurrenz nachweisen - sie repräsentieren keine medienspezifischen Orientierungen und Dimensionen der Berichterstattung.134 Die Thesen einer Wirksamkeit des politischen Codes im Mediendiskurs und der politischen Profilierung der Medien als Voraussetzungen der Wahrnehmung des politischen Mandats werden durch die thematische Kontextabhängigkeit nicht widerlegt. Es bieten sich jedoch Möglichkeiten für eine komplexere Analyse mehrerdimensionaler Strukturmuster.135 Die Wahrnehmung eines politischen Mandats der Kommentatoren variiert jedoch nicht nur in sachlicher Hinsicht, sondern auch mit Blick auf dessen Intensität. Im folgenden Abschnitt wird daher untersucht, inwiefern die politische Profilierung der Medien sich auch in Hinsicht auf eine mehr oder weniger aktive und offensive Mobilisierung politisch-ideologischer Grunddimensionen der täglichen Meinungsproduktion unterscheidet. Die Fragestellung lautet also, ob sich die Zeitungen in Hinsicht auf ihre Positionen nicht nur als links oder rechts, sondern auch als mehr oder weniger ideologisch-grundsätzlich bzw. latent oder manifest ideologisch klassifizieren lassen.
6.2.3 Die Mobilisierung von politischen Grundkonflikten Die eigene Stellungnahme in manifesten politischen Grundkonflikten und die damit verbundene politische Profilierung markieren eine zentrale Dimension aktiven Medienhandelns. Unterschiede in der Profilierung der Zeitungen ergeben sich aber nicht nur aus der inhaltlichen Festlegung der Medien in den bereits sichtbaren politischen Koordinatensystemen öffentlicher Diskurse. Auch die Intensität, in der Zeitungen solche Tiefenstrukturen öffentlicher Meinungsbildung überhaupt mobilisieren und artikulieren, bildet eine relevante Dimension. Der Grad, in dem die öffentlich verhandelten Streitfragen weniger als pragmatisch lösbare Probleme, sondern als Verkörperungen sehr grundlegender Kontro134 Dieser Zusammenhang kann an dieser Stelle nur kurz illustriert werden. Die FDP der 1970er Jahre bietet ein gutes Beispiel für eine Kombination wirtschaftspolitisch eher rechter mit gesellschaftspolitisch eher liberalen Orientierungen. Die Grünen vertreten traditionell, etwas verallgemeinert gesprochen, wirtschafts- und verteilungspolitisch moderat linke Positionen, zeichnen sich aber vor allem auch durch eine ausgeprägte gesellschaftspolitische Liberalität aus. Die klassische Sozialdemokratie wird vergleichsweise partiell etwas weniger liberal, aber wirtschafts- und verteilungspolitisch linker positioniert sein. 135 Wie bereits mehrfach erwähnt, bietet sich dabei methodisch eine Orientierung an Klassifikationssystemen der Parteienforschung an.
6.2 Jenseits von Links und Rechts? Zur Relevanz einer politischen Grundunterscheidung
155
versen und politischer Richtungen wahrgenommen werden, hängt wesentlich auch von deren medialer Darstellung ab. Immer wieder zeigt sich in öffentlichen Diskursen und politischen Debatten, dass die Dringlichkeit von Problemen wachsen, ihre Lösung aber auch schwieriger werden kann, wenn mit ihnen fundamentale Wertfragen verknüpft werden. Nimmt man den Stellenwert der Medien in der Konstruktion politischer Streitfragen ernst, dann erscheint es als kurzsichtig, diese normativen Ladungen von politischen Themen lediglich auf deren sachlichen Gehalt zurückzuführen. Denn in Prozessen der Problemkonstruktion wird ihr Gehalt zugerechnet und diskursiv konstruiert. In diesem Kontext können die Medien nun wiederum unterschiedliche Rollen spielen. Eine Dramatisierung und Skandalisierung von Themen und Problemen ist dabei ebenso möglich wie deren Entdramatisierung und Normalisierung. Aktives Medienhandeln kann also die Mobilisierung von politischen Grundkonflikten ebenso wie deren Dethematisierung und Neutralisierung beinhalten. Diese selektive Mobilisierung von Grundkonflikten durch die medialen Kommentatoren soll wiederum in Hinblick auf auffällige Unterschiede zwischen den Zeitungen untersucht werden. Es stellt sich also die Frage, ob die Intensität der Mobilisierung von Grundkonflikten ein Merkmal darstellt, über das die Zeitungen jeweils Profil und Identität gewinnen. Eine erste Antwort auf diese Frage lässt sich formulieren, wenn der relative Anteil der einzelnen Zeitungen am Gesamtaufkommen von Grundkonflikten im Diskurs verglichen wird. Bei einer gleichmäßigen Verteilung der Aktualisierung von Grundkonflikten würde jede Zeitung genau 20 Prozent des jeweiligen Grundkonfliktes ansprechen.136 Tatsächlich spricht die DW in 20,1 Prozent aller Kommentare Grundkonflikte an, die FAZ in 21,8 Prozent, die SZ in 20,6 Prozent, die FR in 19,4 Prozent und die taz in 18,1 Prozent (Tabelle 11 & Abbildung 5). Es finden sich damit nur leichte Abweichungen von einer Normalverteilung. Sachlich lässt sich dieser Befund dahingehend interpretieren, dass die Affinität der Zeitungen zu konfliktstarken Kommentarstilen keine erhebliche Profilierungsdimension darstellt. Profilierung wird also nicht in dem Sinn vorgenommen, dass einige Medien eher Grundsatzfragen ansprechen, während andere eher auf die Vermeidung der offensiven Ansprache von Grundkonflikten bedacht sind. Offenkundig führt die Zugehörigkeit zum Segment der Qualitätszeitungen hier zu einer Angleichung der Kommentarstile. Zugleich kann auf dieser Grundlage die 20-Prozent-Marge einer Normalverteilung methodisch als Bezugspunkt verwendet werden, von dem sich diejenigen Abweichungen und Schwankungen abtragen lassen, die sich bei einer Betrachtung nicht der Zeitungen insgesamt, sondern einzelner sachlicher Grundkonflikte 136 Der Umstand, dass die Zeitungen mit etwas unterschiedlichen Kommentarzahlen in der Stichprobe vertreten sind, führt zu einer geringfügigen Verschiebung dieser idealen Gleichverteilung.
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6 Medienprofile und politische Parallelstrukturen: Ergebnisse des Zeitungsvergleiches
und Streitfragen ergeben. Welche Unterschiede zeigen sich also, wenn die selektive Aktualisierung von Grundkonflikten inhaltlich betrachtet wird? Ergeben sich jenseits pauschaler Ähnlichkeiten auf den ersten Blick bei einer detaillierteren Analyse möglicherweise sachlich profilierte Unterschiede? Tatsächlich zeigen sich gegenüber dieser Normalverteilung erhebliche Schwankungen, wenn der Fokus auf die einzelnen Grundkonflikte gerichtet wird. Tabelle 11: Selektive Aktualisierung von Grundkonflikten (N = Grundkonflikte)
Frame
Partnerschaft / Abgrenzung Supranationalität / Souveränität Staats- / Marktwirtschaft Kollektiv- / Eigenverantwortung Nachfrage- / Angebotsförderung Regelsetzung / Anreize Steuerbelastung / Steuerentlastung Zentralismus / Selbststeuerung Autonomie / Einheit Bedarf / Bedingung Freiheit / Bindung Prävention / Strafe Beteiligung / Repräsentation Kosmopolitismus / Ethnozentrismus Kulturelle Identität / Integration Technologiefolgenkontrolle / Risikoakzeptanz Tabellen-Gesamtwert
Zeitung taz
FR
SZ
DW
FAZ
0,9
0,1
2,3
-1
-2,3
-2,0
0,4
4,0
-4,4
2,0
-2,4
-2,4
6,5
2,4
-5,2
-2,0
4,2
-1,5
-0,5
-0,1
-4,7
2,8
2,3
8,1
-8,4
3,8
1,9
1,3
-0,7
-6,3
-6,2
-1,6
-2,4
11,8
-1,6
-5,8
-1,7
-2,4
-0,9
10,7
-3,0 -0,5 -2,0 -0,2
-6,9 -6,0 -3,4 -3,1
-6,3 3,9 -4,7 0,0
-0,6 -1,1 1,8 -0,4
16,8 3,7 7,2 2,8
0,1
0,7
1,9
-7,5
4,6
11,2
4,0
-4,4
-8,1
-2,8
15,5
-7,1
-3,4
-2,1
-1,9
13,3
6,0
-3,2
-8,4
-7,8
0,0%
0,0%
0,0%
0,0%
0,0%
18,1%
19,4%
20,6%
20,1%
21,8%
6.2 Jenseits von Links und Rechts? Zur Relevanz einer politischen Grundunterscheidung
157
Die Verteilung liegt hier zwischen einem Minimum von 11,7 Prozent und einem Maximum von 38,6 Prozent. Als „positive Selektivität“ können nun solche Thematisierungsspitzen bezeichnet werden, die oberhalb eines Anteil von 30 Prozent am gesamten Auftreten des Grundkonfliktes liegen und damit bezogen auf den „natürlichen“ Anteil der Zeitungen eine Überschreitung um mehr als 50 Prozent darstellen. Zwei Zeitungen fallen hier durch solche positiven Selektivitäten auf. Zum einen ist die FAZ sehr stark engagiert im gesamten ordnungspolitischen Konfliktbereich mit den Einzelkonflikten Zentralismus vs. Selbststeuerung, Autonomie vs. Einheit, Bedarf vs. Bedingung, Freiheit vs. Bindung sowie Prävention vs. Strafe. Dieser Umstand erklärt sich durch entsprechend proportionale Zurückhaltung vor allem der links-liberalen Medien. Eine im oben angegebenen Sinn signifikante positive Selektivität ergibt sich dabei für die Grundkonflikte Zentralismus vs. Selbststeuerung und Autonomie vs. Einheit. Die Akzentsetzungen der FAZ bei der Mobilisierung von Grundkonflikten beziehen sich also nicht auf spezifische Sachpolitiken („policy“), sondern auf Fragen der staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung („polity“). Die DW thematisiert Grundkonflikte demgegenüber überproportional im Bereich Nachfrage vs. Angebotsorientierung und überschreitet den Schwellenwert von 30 Prozent im Konflikt um eine angemessene Steuerpolitik. Sie akzentuiert also insbesondere Konflikte um wirtschaftspolitische Fragen. Die taz als dritte Zeitung, deren Kommentatoren die kritische Schwelle in der Politisierung von Konflikten überschreiten, nimmt Spitzenpositionen ein in den Konflikten zu Kosmopolitismus vs. Ethnozentrismus, kultureller Identität vs. Integration sowie Technologiefolgenkontrolle vs. Risikoakzeptanz. In den beiden letztgenannten Konflikten überschreitet auch sie die kritische Schwelle einer positiven Selektivität. Weder die SZ noch die FR sind im Feld der selektiven Aktualisierung von Grundkonflikten vergleichbar stark profiliert. Sie weisen damit insgesamt ein relativ ausgewogenes Profil auf und sind in allen Konfliktbereichen relativ gleichmäßig vertreten: Leicht positive Selektivitäten unterhalb des kritischen Schwellenwertes zeigt die SZ in den Grundkonflikten Staatswirtschaft vs. Marktwirtschaft sowie Bedarf vs. Bedingung. Die FR akzentuiert demgegenüber die Grundkonflikte Kollektiv- vs. Eigenverantwortung und Nachfrage- vs. Angebotsförderung sowie Kosmopolitismus vs. Ethnozentrismus und Technikfolgenkontrolle vs. Risikoakzeptanz. Angesichts der politischen Nähe der FR zur taz fällt allerdings auch eine erhebliche Thematisierungslücke der FR im Grundkonflikt Kulturelle Identität vs. Integration auf. Da auch der Grundkonflikt Autonomie vs. Einheit in der FR kaum angesprochen und mobilisiert wurde, wird erkennbar, dass die FR während unseres Untersuchungszeitraums gegenüber der
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6 Medienprofile und politische Parallelstrukturen: Ergebnisse des Zeitungsvergleiches
vor allem von der FAZ betriebenen Einführung und Mobilisierung des Themas der nationalen Identität eine bremsende und moderierende Rolle gespielt hat. Abbildung 5:
Selektive Aktualisierung von Grundkonflikten (Abweichungen)(N = Grundkonflikte)
20
10 taz FR SZ FAZ
0
DW
-10 ng tät aft ng ng ize ng ng eit ng ng afe on us ion nz nzu äni sch ortu eru nre stu eru inh ngu ndu Str tati ism rat epta greouvekrtwirrtantwtsförudng/Aerentlaststeumie/E/Bedieit/Bintionp/räseonzenttr/Integoakz b k A f b o aft/ ität/S/Mar enve geb lsetz Steu /Sel tonoedar FreihPrävneg/Rse/Ethnentitäe/Risi u mu le Id troll rscthionalchaft -/Eige- /AnRegestungi/smus Au B g e i l n s i s l t v l n e ti e Paurprantaswirtllektcihfrag erbelaentra Betopoli ulturgenko Z u S Staa Ko Na sm Kiefol Ste o K log hno T ec
Wird also die Dimension der einzelnen Grundkonflikte zum Vergleich herangezogen, dann fallen zusammenfassend vor allem zwei Zeitungen auf, die in der Mobilisierung von sachlich spezifischen Grundkonflikten aktiv und profiliert auftreten: die FAZ und die taz. Beide Zeitungen agieren als Agenda-Setter bestimmter Problemkonstruktionen und Konfliktdeutungen und nehmen dabei auch Führungsrollen innerhalb der jeweiligen politischen Lager auf der Links-RechtsAchse ein. Sachlich ist dabei sehr auffällig, dass es für den untersuchten Zeitraum aber weniger die hinter der Links-Rechts-Differenzierung stehenden klassische verteilungspolitischen Fragestellungen sind, zu denen sich diese Zeitungen zu starken Deutungen herausgefordert sehen und die sie aktiv mobilisieren. Vielmehr handelt es sich hier um Grundkonflikte, die auf jeweils spezifische Art und Weise mit der kollektiven Identität der Bundesrepublik und der „nationalen Frage“ zu tun haben. Die FAZ fokussiert ihre Aufmerksamkeit stark auf die
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innerstaatliche Ordnung und Fragen im Zusammenhang der deutschen Vereinigung. Die taz mobilisiert komplementär politische Grundkonflikte vor allem in Hinsicht auf die kulturelle Pluralisierung der Bundesrepublik im Gefolge von Zuwanderung und Migration. Systematisch verweist dieser Befund darauf, dass der publizistische Medienwettbewerb um Problemdeutungen und Realitätskonstruktionen sich nicht nur in der eher linken oder eher rechten Stellungnahme innerhalb der jeweiligen politischen Grundkonflikte manifestiert. In besonders brisanten Bereichen stellt vielmehr schon die Festlegung des Bereichs, innerhalb dessen politische Richtungsalternativen definiert werden, eine strategisch relevante Dimension dar. So lassen sich Problemdefinition und Konfliktmobilisierung tatsächlich als eine relevante Dimension des Medienhandelns bestimmen, auch wenn sich die Erwartungen, dass manche Zeitungen die Mobilisierung von Konflikten eher expansiv und andere eher restriktiv handhaben, angesichts der relativen Ähnlichkeit der untersuchten Qualitätszeitungen nicht bestätigen.137 Politisches Medienhandeln bedeutet also auch, die redaktionellen Ressourcen deutungspolitischer Art auf spezifische Grundkonflikte zu fokussieren und deren besondere Relevanz durch dauerhafte Thematisierung und Aktualisierung zu unterstreichen. Es bezieht sich nicht nur auf die Stellungnahme in gleichsam vorkonstruierten politischen Konflikten, sondern auf die Definition dieser Konflikte selbst.138
6.2.4 Redaktionelle Linien und journalistische Vielfalt. Zur Frage des Binnenpluralismus Bisher ist die Profilierung der untersuchten Zeitungen als distinkten politischen Akteuren in Bezug auf deren Stellung innerhalb des politischen Spektrums, deren Veränderung in Abhängigkeit von thematischen Kontexten sowie die Intensi137
Damit verliert die Untersuchungsdimension nicht ihre Relevanz. Erst wenn gezeigt würde, dass die Intensität der Mobilisierung von Grundkonflikten sich auch über verschiedene Mediengattungen (Boulevard vs. Qualitätspresse, öffentlich-rechtliches vs. privates Fernsehen, Print vs. TV) hinweg nicht wesentlich unterscheidet, ließe sich diese Analysedimension als wenig aussagefähig betrachten. 138 Hier könnte die Folgefrage anschließen, inwieweit die Auswahl der jeweils als relevant betrachteten Grundkonflikte einer Logik der Opportunität insofern folgt, dass sich die Zeitungen in diesen Bereichen jeweils besonders hohe Chancen auf eine erfolgreiche Durchsetzung ihrer politischen Richtung ausrechnen können. Strategisches Handeln in dieser Dimension würde also unter den zum eigenen Wertprofil passenden Grundkonflikten diejenigen identifizieren und mobilisieren, in denen hohe Zustimmungspotenziale oder gar Mehrheiten für die eigene Seite zu vermuten sind. Erfolgskalküle sind aber auch an dieser Stelle wohl nur eine Seite der Medaille. Kategorial könnte eine Aufnahme der von Bachrach und Baratz geprägten und in machttheoretischen Diskussionen einflussreich gewordenen Unterscheidung von Decisions und Nondecisions interessant sein (Bachrach und Baratz 1963, 1962).
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6 Medienprofile und politische Parallelstrukturen: Ergebnisse des Zeitungsvergleiches
tät ihrer Mobilisierung politischer Grundkonflikte untersucht worden. Die analytische Fruchtbarkeit des Links-Rechts-Schemas für die Bestimmung von Zeitungsunterschieden hat sich hier bestätigt. Zugleich zeichnete sich bereits ab, dass die politische Profilierung der bundesdeutschen Medien von einem stark polarisierten Mediensystem abzugrenzen ist, weil auch innerhalb redaktioneller Linien ein gewisser Grad an innerem Pluralismus und an innerer Pressefreiheit zu verzeichnen ist. Der Zusammenhang von äußerer Profilierung der Medien gegen ihre Wettbewerber (Außenpluralismus) und innerer Vielfalt (Binnenpluralismus) wird im Folgenden erneut und vertiefend aufgegriffen. Zum Abschluss der Analysen zur Strukturierungskraft des Links-RechtsSchemas wird gezeigt, dass die Redaktion als sozialer Zusammenhang eine Größe darstellt, die auch die Äußerungen und die Tendenz der Beiträge der einzelnen Journalisten über weite Bereiche steuert und ausrichtet (Rühl 1989; Schönbach 1977). Weil der Status der Medien als politischen Akteuren von einer zumindest relativen Einheitlichkeit der artikulierten Positionen abhängt, ist dieser Umstand auch systematisch von besonderer Bedeutung. Er darf allerdings nicht kurzschlüssig so verstanden werden, dass die Autonomie der einzelnen Journalisten damit gegenstandslos und die Abstimmung der jeweiligen Beiträge immer schon gegeben wäre. Diejenigen Prozesse, die der aktuellen Produktion von Kommentaren vorgeschaltet sind (Personalauswahl, Sozialisation und Enkulturation neuer Redaktionsmitglieder sowie ausgeprägte Koorientierung), strukturieren zwar die Wahrnehmung neuer Themen und begrenzen die Freiheitsgrade und Kontingenzen der journalistischen Deutungen, legen sie aber nicht im Detail fest. Je nach Themengebiet kann daher der Grad der innerredaktionellen Homogenität bzw. des Binnenpluralismus variieren. Das Thema des Binnenpluralismus und der inneren Pressefreiheit hat dabei zwei Seiten. Einmal kann es als ein makrosoziologisches Unterscheidungskriterium von ganzen Mediensystemen fungieren. Außenpluralismus oder Binnenpluralismus sind dann jeweils Chiffren für bestimmte Grundmerkmale eines ganzen Mediensystems. Zum anderen kann es aber auch zur weiteren Auffächerung von dominant außenpluralistischen Systemen dienen. Hier lassen sich unterhalb der Makroebene die einzelnen Medien nach ihrer inneren Vielfalt unterscheiden. Es stellt sich also die Frage, ob sich die politisch profilierten Blätter in Hinsicht auf ihre innere Liberalität voneinander unterscheiden lassen. Herrscht in manchen Zeitungen ein stärkerer Meinungsdruck und eine ausgeprägtere „innerredaktionelle Schweigespirale“, oder positiv formuliert: ein umfassender Konsensbestand? Ist in manchen Redaktionen ein gegenüber „Abweichungen“ von der Kommentarlinie offeneres oder auch indifferenteres Klima zu finden, so dass sich die Linie zu einem Korridor mit verschiedenen zulässigen Pfaden erweitert? Und wie verhält sich die Dimension des redaktionellen Binnenpluralismus zur
6.2 Jenseits von Links und Rechts? Zur Relevanz einer politischen Grundunterscheidung
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Positionierung der Zeitungen auf der Links-Rechts-Achse? Sind die Anwälte eines inklusiven Öffentlichkeitsverständnisses auf der Linken möglicherweise auch innerredaktionell mit einer höheren Dissonanztoleranz ausgestattet als die konservativen Blätter? Oder kann umgekehrt davon ausgegangen werden, dass sich auf der Linken unter dem Vorzeichen eines kritischen Journalismus stärkere Formierungszwänge entfalten, die zur Linientreue ermahnen?139 Zunächst werden die Zeitungen themenübergreifend als Einheit untersucht, und anschließend werden kontroverse „Issues” in den Blick genommen. Bei solchen Issues kann mit einer besonders hohen Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass sich gesamtgesellschaftliche Kontroversen auch in den Redaktionen und in der Gruppe der Kommentatoren abbilden. Auch kann die Frage formuliert werden, inwieweit solche innerredaktionellen Replikationen gesellschaftlichen Dissenses innerhalb von Organisationen in makrosozialer Perspektive einen Brückeneffekt zur Folge haben und unversöhnliche Gegenüberstellungen von „Lagern“ begrenzen. Schon ein Überblick über die themenunabhängigen Links-Rechts-Voten in den verschiedenen Zeitungen zeigt deutlich die Beweglichkeiten und die Abschottungen, die sich bei der Anlegung eines dichotomen Links-Rechts-Schemas auf die Prozesse der öffentlichen Meinungsbildung ergeben. Ein nicht zu vernachlässigender Teil der Äußerungen lässt sich ohnehin nicht einem der politischen Lager zurechnen und wurde daher als ambivalent klassifiziert (insgesamt: 14,6%) (Tabelle 12). Tabelle 12: Verteilung linker und rechter Positionen nach Zeitung (N = Positionsnennungen)
Linke Pos. Ambivalent Rechte Pos. Gesamt
N % N % N % N %
Zeitung taz 1094 66,6% 205 12,5% 343 20,9% 1642 100%
FR 1111 64,5% 223 12,9% 389 22,6% 1723 100%
SZ 887 50,3% 326 18,5% 552 31,3% 1765 100%
FAZ 488 26,3% 276 14,9% 1089 58,8% 1853 100%
DW 421 23,2% 253 13,9% 1141 62,9% 1815 100%
Gesamt 4001 45,5% 1283 14,6% 3514 39,9% 8798 100%
139 Zur Darstellung wird auf Datenauswertungen und Tabellen zurückgegriffen, die zum Teil in ähnlicher Form bereits weiter oben präsentiert wurden.
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6 Medienprofile und politische Parallelstrukturen: Ergebnisse des Zeitungsvergleiches
Abbildung 6:
Positionen im Zeitungsvergleich (N = Positionsnennungen)
1200 1000 800 600 400 200 0 taz linke Position
FR
SZ ambivalente Position
FAZ
DW
rechte Position
Es findet sich darüber hinaus aber auch ein erheblicher Anteil an Äußerungen im Umfang von einem Fünftel bis einem Viertel, der selbst bei den Zeitungen an den Polen des publizistischen Spektrums nicht der dominanten Richtung des Blattes zugerechnet werden kann. Die Kommentarlinie steuert nicht jeden einzelnen Kommentar. Sie ist eine relative Größe, die Wahrscheinlichkeiten der Positionierung und Mehrheitsverhältnisse der Äußerungen bezeichnet. Abbildung 6 visualisiert das Verhältnis von einerseits klarer Spektrumsdifferenzierung und andererseits abweichenden „Minderheitsvoten“ in den einzelnen Zeitungen. Das Aufkommen eher linker Meinungen in rechten Zeitungen und eher rechter Meinungen in linken Zeitungen veranschaulicht den graduellen Charakter der politischen Ausrichtung der Blätter. Dieser Umstand und seine Grenzen lassen sich noch deutlicher ausweisen, wenn die Stellungnahmen der Blätter nach IssueFeldern unterschieden werden. Werden die Positionen der Zeitungen differenziert nach Issue-Feldern betrachtet, dann zeigt sich bei insgesamt relativ stabilen Verteilungen der Zeitungen auf der Links-Rechts-Achse eine gewisse Beweglichkeit des issuespezifischen „Meinungsklimas“. In jeder Zeitung finden sich Issue-Felder mit jeweils etwas linkeren und etwas rechteren Positionierungen. Die DW steht etwa zum Thema Steuern und Arbeitslosigkeit besonders rechts, zum Thema Verteidigung und Bündnis besonders links. Die FAZ positioniert sich zum Thema Löhne und Arbeitslosigkeit besonders weit rechts, zum Thema Verteidigung und Bündnis, aber auch zu Renten und bemerkenswerterweise auch zu Bildung nach unserer Erhebung vergleichsweise links. Die SZ steht vor allem in Sachen Lohnpolitik weit rechts, in Umwelt-, Ausländer- und Familienpolitik relativ weit links. Die
163
6.2 Jenseits von Links und Rechts? Zur Relevanz einer politischen Grundunterscheidung
FR steht für ihre Verhältnisse steuerpolitisch relativ weit rechts, energie- und rentenpolitisch demgegenüber aber weiter links. Die taz steht zur Frage der deutschen Einheit und steuerpolitisch relativ weit rechts. Besonders deutlich links positioniert ist sie demgegenüber in der Energie-, Renten- und Familienpolitik. Bei einem Vergleich der Issue-Felder über alle Zeitungen hinweg zeigt sich überdies deutlich, dass sich auch in der gesamten Kommentaragenda eher rechts besetzte Felder (Löhne, Steuern, innere Sicherheit, dt. Einheit) und eher links besetzte Felder („Ausländerfrage“, Umwelt, Energie) finden. Offenkundig ergeben sich also Spielräume gegenüber den allgemeinen Positionierungen der Zeitungen. Tabelle 13: Positionierungen der Zeitungen nach Issue-Feldern (N = Positionsnennungen, 1 = linke Pos., 3 = rechte Pos, Mittelwerte und Standardabweichungen) taz
FR
SZ
FAZ
DW
Gesamt
MW
StA
MW
StA
MW
StA
MW
StA
MW
StA
MW
StA
1,64
,85
1,77
,93
2,09
,89
2,70
,63
2,77
,57
2,28
,89
2,00
,95
1,58
,72
1,97
,85
2,76
,60
2,68
,70
2,35
,86
1,39
,77
1,48
,84
1,46
,78
2,41
,84
2,67
,63
1,77
,93
Steuerfrage
2,00
,90
2,01
,84
2,23
,86
2,82
,52
2,79
,57
2,45
,81
Bildung
1,69
,95
1,79
,87
1,94
,88
2,05
,92
2,21
,88
1,98
,90
Umwelt
1,39
,76
1,44
,81
1,46
,78
2,33
,88
2,08
,92
1,55
,85
Energie
1,26
,65
1,33
,72
1,50
,73
2,54
,74
2,36
,87
1,59
,86
Arbeitslosigkeit
1,35
,65
1,46
,80
2,04
,95
2,79
,56
2,86
,39
2,13
,94
Löhne
1,75
,80
1,51
,78
2,45
,87
2,92
,28
2,69
,68
2,31
,88
Familie
1,24
,56
1,52
,87
1,48
,85
2,34
,87
2,10
,93
1,85
,93
1,78
,85
1,74
,86
1,75
,89
1,81
,85
1,84
,91
1,79
,87
1,08
,28
1,37
,76
1,61
,92
2,03
,87
2,43
,68
1,80
,88
Sonstige
1,55
,82
1,57
,83
1,79
,87
2,24
,88
2,30
,87
1,90
,91
Gruppen Gesamtwert
1,54
,82
1,58
,83
1,81
,88
2,32
,86
2,40
,84
1,94
,92
Innere Sicherheit Neue Länder und deutsche Einheit 'Ausländer’Frage
Verteidigung, Frieden Rentenpolitik
164
6 Medienprofile und politische Parallelstrukturen: Ergebnisse des Zeitungsvergleiches
Weitergehend soll an dieser Stelle gefragt werden, ob sich im Zeitungsvergleich bemerkenswerte Unterschiede bezüglich des inneren Pluralismus der Kommentatoren nachweisen lassen. Die statistischen Mittelwerte der Positionsmessungen können sich sowohl aus einer geschlossenen Linie als auch aus einer sehr hohen inneren Pluralität ergeben. Den bisherigen Befunden entspricht, dass die SZ, die insgesamt für eher moderierende Positionen steht, auch in Hinsicht auf ihren Binnenpluralismus besonders liberal ist und divergierende Positionen in ihren Spalten zulässt. Eine etwas stärkere Geschlossenheit der Stellungnahmen findet sich demgegenüber auf der linken Seite des Spektrums bei der taz und der FR. Es zeigt sich jedoch auch, dass die Unterschiede der Streubreite von Positionen zwischen den Zeitungen (max. Differenz: 0,06) deutlich geringer ausfallen als zwischen den verschiedenen Themenbereichen (max. Differenz: 0,13). Das kann als Hinweis darauf verstanden werden, dass der Grad der Kontroversität von Themengebieten weniger durch eine generalisierte innerredaktionelle Liberalität beeinflusst als durch den Gehalt des Themenfeldes selbst. Insofern lässt sich eine je nach Themengebiet unterschiedlich schwache oder starke innerredaktionelle Kontroversität nachweisen:
In der DW sind besonders die Themenfelder Umwelt, Familie und Verteidigung kontrovers. Besonders einvernehmlich beurteilen die Kommentatoren der DW Fragen der inneren Sicherheit, der Steuerpolitik und der Arbeitslosigkeit. In der FAZ sind besonders kontrovers die Themen Bildung, Umwelt und Rente. Besonders einvernehmlich äußern sich die Kommentatoren über Löhne, Steuern und Arbeitslosigkeit. In der SZ herrscht eine starke Kontroverse in den Bereichen Rentenpolitik und Arbeitslosigkeit. Besondere Einvernehmlichkeit findet sich in der SZ demgegenüber in den Bereich Umwelt, Energie und Ausländerpolitik. In der FR herrscht eine starke Kontroverse in den Bereichen innere Sicherheit, Familie und Bildung. Geschlossenheit findet sich hier in den Feldern Neue Länder/deutsche Einheit sowie der Energiepolitik. Bei der taz findet sich Meinungsvielfalt vor allem in den Bereichen Neue Länder/deutsche Einheit und Bildung. Eine extrem hohe Geschlossenheit findet sich vor allem im Bereich Rente – bei einer allerdings besonders niedrigen Fallzahl. Eine mittlere Geschlossenheit zeigen die Felder Familie, Energie und Arbeitslosigkeit.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich die bundesdeutschen Qualitätszeitungen ungeachtet einer gewissen inneren Vielfalt kaum als Forumszeitungen bezeichnen lassen. Die Indikatoren für einen etwas höheren innerredaktionellen
6.2 Jenseits von Links und Rechts? Zur Relevanz einer politischen Grundunterscheidung
165
Pluralismus auf der rechten Seite des politischen Spektrums sind dabei zu schwach ausgeprägt, um eine stabile Unterscheidungsdimension der Medien zu konstituieren. Die Dimension der „inneren Pressefreiheit“ stellt insofern auch kein belastbares Unterscheidungsmerkmal der einzelnen Zeitungen dar. Auffällig bleibt allerdings die Position der SZ. Ihre mittlere Position im publizistischen Spektrum ergibt sich nicht aus einer hohen Zahl unentschiedener und ambivalenter Kommentare, auch wenn diese in den Spalten der SZ häufig zu finden sind. Vielmehr erklärt sich die besondere Stellung der SZ durch eine gleichmäßige Repräsentation linker und rechter Stellungnahmen in einem Medium. Die SZ kommt daher dem angloamerikanischen Modell einer Forumszeitung mit ausgeprägtem Binnenpluralismus zumindest nahe. Es ist also vor allem die SZ, an die die Erwartung adressiert werden könnte, dass sie im öffentlichen Diskurs eine Art Brückenfunktion übernimmt und für die Ansichten und Meinungen verschiedener Lager offen ist. Mit anderen Worten: Ohne die SZ würde sich die Links-Rechts-Polarisierung der Meinungsagenda erheblich schärfer herausbilden und reproduzieren.140 Jenseits der relativen Sonderrolle der SZ lässt sich jedoch festhalten, dass die Organisationskontexte der Redaktion für alle Zeitungen einen in hohem Maße homogenisierenden Effekt haben, der sich inhaltsanalytisch zwar nur bedingt in seiner Genese rekonstruieren, dafür aber umso eindrücklicher anhand der Beiträge zum öffentlichen Diskurs demonstrieren lässt. Es ist nun genau dieser Umstand, der die These einer relativen binnenredaktionellen Vereinheitlichung als Voraussetzung der Konstitution einer politischen Akteursrolle unterstützt. Dieser Befund betrifft die Selbstkonstitution der Medien als politischen Akteuren eigener Art. Die bisher vorgelegten Analysen steuern also Informationen zu Selbstverständnis und Unterschieden der Zeitungen bei. Aber auch wenn man die Medien und allgemeiner: die institutionell verfasste Öffentlichkeit getreu der Leitthese zu den intermediären Systemen politischer Interessen- und Informationsvermittlung (Parteien, Bewegungen und Verbände) rechnet (Rucht 1991; Schmidt 2000)141, bleibt zu unterstreichen, dass die Medien politische Akteure sehr besonderer Art darstellen. Auf den eigentlichen politischen Entscheidungsprozess und die Besetzung politischer Ämter haben sie immer nur einen indirekten und vermittelnden Einfluss. Umso wichtiger wird daher die Frage, wie sich 140
Der Umstand, dass die SZ die FAZ als auflagenstärkste und auch unter Journalisten als am wichtigsten eingeschätzte überregionale Tageszeitung abgelöst hat, legt die Annahme von Veränderungen der Publikumspräferenzen zugunsten dieses Journalismusmodells nahe. 141 Eine derartige Klassifikation und Zuordnung dient nicht nur als eine wissenschaftlich-analytische Operation. Sie lässt sich vielmehr auch in den Politikwahrnehmungen der Bürger selbst nachweisen. Die Massenmedien werden nach den Ergebnissen von Fuchs, Roller et al. dabei primär mit demokratisch-prozeduralen Zielen verbunden, die anderen Akteure im System der Interessenvermittlung mit eher substantiellen Zielen und Interessen (Fuchs et al. 1996: 17, 27).
166
6 Medienprofile und politische Parallelstrukturen: Ergebnisse des Zeitungsvergleiches
die politische Profilierung der Medien auf die Bewertung, die Unterstützung oder auch Kritik derjenigen Organisationen und Akteure auswirkt, die diesen formellen Entscheidungsprozess quasi monopolisiert haben: die politischen Parteien.
6.3 Politische Parallelstrukturen - Parteien und Parteilichkeiten Mit der Autonomisierung und Professionalisierung des Journalismus, der Durchsetzung seiner kommerziellen Orientierung auf Publikumsmärkte und aufgrund von Strukturveränderungen des Publikums ist die klassische Parteipresse unter erheblichen evolutionären Anpassungsdruck gestellt worden. Während für frühe Phasen der Entwicklung von Mediensystemen das Konzept des Presse-ParteienParallelismus noch eine sehr hohe Plausibilität besitzt, bietet sich für zeitgenössische Mediensysteme selbst in den mediterranen Ländern mit weiterhin ausgeprägter Parteipresse das Konzept des politischen Parallelismus an, das PressePolitik-Beziehungen auch jenseits der Engführung auf Parteien untersucht (Vgl. dazu die Ausführungen in Kapitel 4.3). Das Konzept des politischen Parallelismus trägt modernisierungsinduzierten Veränderungen Rechnung, ohne die Frage nach der Verknüpfung von Medien und Politik preiszugeben. Auch jenseits der klassischen Parteipresse bleibt das Verhältnis von Medien und Parteien ein zentrales Element der politischen Parallelstrukturen. Erst wo die Parteibeziehungen der Medien nicht mehr durch organisatorische Zugehörigkeiten und qua Direktive immer schon festgestellt sind, werden sie auch zu einer überraschungsfähigen analytischen Dimension. Es entstehen Kontingenzen, deren Rückbindungen und Limitierungen analytisch interessant sind. Zur Konturierung politischer Parallelstrukturen bietet sich der Vergleich der vorgestellten Medienprofile mit den Positionierungen der Parteien an. Hier lassen sich prinzipiell zwei Vorgehensweisen wählen. Medien-Parteien-Vergleiche können einmal durch Abgleich von Mediendaten mit Parteiprogrammen, Presseerklärungen oder Anträgen vorgenommen werden (Laver 2001).142 An dieser Stelle sollen demgegenüber die politischen Parallelstrukturen jedoch ohne Ausweitung der Datengrundlage ausschließlich anhand der Kommentardaten unter142 Einen Überblick zu den Strukturen des deutschen Parteiensystems einschließlich einer Diskussion von Entwicklungen in Richtung eines stärker „polarisierten Pluralismus“ (Sartori) bietet Schmidt. Anschließend an Analysen von Laver und Hunt zur Messung von policy-Positionen der Parteien resümiert Schmidt: „Fasst man alle Politikfelder zusammen, ergeben sich die folgenden durchschnittlichen Platzierungen der Parteien auf einer im weiteren Sinn definierten Links-Rechts-Achse: Erneut sind die Differenzen sehr groß. Am linken Rand des politisch-ideologischen Spektrums liegt die PDS, die heutige Linkspartei (Position 4). Am rechten Rand ist die NPD platziert (20). Links von der Mitte befinden sich die Grünen (7) und dicht daneben die SPD (8). Rechts von der Mitte liegt auf gleicher Höhe die FDP und die CDU/CSU (Position 13)“ (Schmidt 2007: 108).
6.3 Politische Parallelstrukturen - Parteien und Parteilichkeiten
167
sucht werden. Dieser Weg ist empirisch deshalb gangbar, weil neben den politischen Positionen der Medien auch die Nennung von Akteuren erhoben worden sind - unter anderem auch Parteien sowie deren Beurteilung durch die Kommentatoren. Aus ihrer Kommentierung lassen sich damit die „Außenbeziehungen“ der Presse ablesen. Generell zeigt sich hier eine analytische Stärke der Kommentaranalyse: Die Erhebung der Nachrichtenberichterstattung hätte die Erschließung solcher Außenbeziehungen der Medien zu den politischen Akteuren nur unter sehr eingeschränktem Vorzeichen erlaubt, da explizite Bewertungen zwar auch in Nachrichten vorkommen mögen, dort aber nur ein genrefremdes Element darstellen. Nur in den Kommentaren sind die Journalisten demgegenüber dazu aufgerufen, in der Rolle von „Punktrichtern“ und Gutachtern die politischen Akteure öffentlich zu beurteilen. Dabei ist im vorliegenden Rahmen gar nicht in erster Linie instruktiv, wie triftig die Beurteilungen der Parteien durch die Kommentatoren tatsächlich sind. Denn gerade im Zeitungsvergleich wird deutlich, dass das „Image“ der Parteien in den Medien nur bedingt Auskunft über deren „objektiven“ Zustand gibt, zumal sich zumeist mehrere Versionen dieser Medienrealität finden. Die Urteile sagen mindestens ebensoviel über die keineswegs durchgehend unverbindlichen und instabilen Loyalitäten und Identifikationen der Kommentatoren selbst aus. Da gerade im Segment der überregionalen Qualitätszeitungen ein journalistisches Selbstverständnis als urteilsstarker Individualist und unabhängiger Rechercheur verbreitet ist (Schönbach, Stürzebecher und Schneider 1994), das sympathetische Annäherungen an Politik und Parteien als eher unangebracht erscheinen lassen müsste, gewinnen die folgenden Analysen noch einen zusätzlichen, quasi „ideologiekritischen“ Stellenwert. Sie geben Hinweise darauf, was an diesem Selbstverständnis professionelle Realität und was Public Relation in eigener Sache ist.143 Konkret richtet sich die Analyse an den in der konzeptionellen Rahmung in Kapitel 3.3.4 gewonnenen Differenzierungen von Prominenz und Prestige (Standing, Framing) aus. In einem ersten Schritt wird es also noch nicht um eine Erschließung der manifesten Beurteilungen gehen, sondern um das Standing der Parteien in den verschiedenen Zeitungen. Das Standing eines Akteurs wird hier an der Häufigkeit seines Auftretens in der Öffentlichkeit gemessen. Dabei kann es sich im Prinzip um dessen Rede in erster Person, aber auch um Erwähnungen durch andere handeln. Theoretisch relevant ist dieses Standing vor dem Hin143
In einem Kommentar zu ersten Ergebnissen der WZB-Kommentarstudie legt Rudolph aus journalistischer Perspektive nahe, dass auch das journalistische Milieu gegenüber derartigen Verkennungen nicht immun ist. „Keiner wird eine solche Linie „präsentieren“ wollen, jeder wird für sich in Anspruch nehmen, seine Sicht, sein Urteil zu artikulieren. Eine der Selbstüberschätzungen, an denen das Metier so reich ist?“ (Rudolph 2005).
168
6 Medienprofile und politische Parallelstrukturen: Ergebnisse des Zeitungsvergleiches
tergrund der Annahme, dass sich der öffentliche Diskurs auch als eine „Ökonomie der Aufmerksamkeit“ (Franck 1998) erfassen lässt, wobei Aufmerksamkeit und daraus abgeleitete Größen wie Bekanntheit und Prominenz eine zentrale Ressource in der öffentlichen Auseinandersetzung darstellen. Analytisch lassen sich weitergehend allerdings positive und negative Aufmerksamkeit unterscheiden. Loyalität und Zustimmung ist mit Standing nicht gleichbedeutend. So wichtig also ein ausgeprägtes Standing ist, können es auch sehr umstrittene oder durchgehend negativ beurteilte Akteure gewinnen. In einem zweiten Schritt untersuchen wir daher neben dem Aufkommen auch die Evaluation der Parteien durch die Medien. Erst unter Einbeziehung dieser zweiten Dimension lassen sich Aussagen darüber formulieren, inwieweit das Auftauchen der Parteien in den Medien auch Zustimmung zu deren Anliegen bedeutet. 6.3.1 Politische Parteien und Medienaufmerksamkeit: Standing144 Die Medien sind in Kommentaren vom Gebot der Neutralität und Objektivität der Nachrichtenberichterstattung freigestellt. Auch in Bezug auf ihre Aufmerksamkeitsverteilung besteht daher keine strikte Bindung an die Themen und Akteure der tagesaktuellen Top-Ereignisse. Es bestehen legitime Freiheitsgrade der Akzentsetzung und Fokussierung. Für das Genre des Kommentars und insbesondere die Darstellung von Akteuren ist daher auch die von Hagen untersuchte Mobilisierung „opportuner Zeugen“ eine legitime Möglichkeit der politischideologischen Profilierung (vgl. dazu auch Kap. 4.2.2). Hagens Analyse unterstreicht, dass Nachrichtenjournalisten in politischen Streitfragen auch durch den selektiven und asymmetrischen Rekurs auf glaubwürdige Sprecher Tendenzen der Berichterstattung erzeugen können, ohne dabei Abstriche an der Zuverlässigkeit der vermittelten Information zu machen und gewissermaßen Fehldarstellungen verbreiten zu müssen (Hagen 1992, 1993). Über die nicht zu der redaktionellen Linie des Mediums „passenden“ Zeugen wird nach Hagen zwar weniger häufig und weniger intensiv, aber eben nicht unzutreffend und falsch berichtet. Obzwar auf einer manifesten Ebene professionelle Berichterstattungsnormen nicht grob verletzt werden, handelt es sich hier also um eine Konstruktionstechnik von Bias und politischer Tendenz. Während in der Nachrichtenberichterstattung darin dennoch ein problematischer Umstand gesehen werden kann, wäre eine derartige Dramaturgie für die offene Meinungsäußerung einerseits weniger brisant, andererseits auch weniger adäquat, da ja Stoßrichtung und Tendenz von Kommentaren ganz offen artiku144 Die Darstellungen in Kapitel 6.3.1 und 6.3.2 wurden gegenüber einer früheren Präsentation der Befunde überarbeitet und modifiziert (Lüter 2004: 175-183).
6.3 Politische Parallelstrukturen - Parteien und Parteilichkeiten
169
liert werden können und sollen. Um zu prüfen, ob auch in Kommentaren dennoch zu solchen Mustern der Aufmerksamkeitszuweisung gegriffen wird, soll im Folgenden eine Frequenzanalyse der Nennungen der Parteien vorgenommen werden. Im positiven Fall müsste also die Erwartung lauten, dass die konservativen Zeitungen die konservativen Parteien besonders hervorheben und die linken Blätter die linken Parteien besonders ins Licht rücken. Bezüglich der Frage nach dem Stellenwert der Parteien in der Kommentierung der Qualitätszeitungen zeigt Tabelle 14, dass Parteien nur ein Viertel aller Akteursnennungen ausmachen. Das bedeutet jedoch nicht, dass in Dreiviertel aller Kommentare politische Parteien keine Rolle spielen würden, da für jeden Kommentar bis zu vier Akteure erhoben wurden. Rein rechnerisch reicht daher schon die Besetzung eines Viertels der Akteursnennungen mit Parteien, um Parteien in allen Kommentaren eine Rolle spielen zu lassen. Tatsächlich werden in 43,7 Prozent (3907 von 8946) aller Kommentare Parteien genannt (ohne Tabelle). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Verschlüsselung der Parteizugehörigkeit eines Akteurs nur in solchen Fällen vorgenommen wurde, in denen diese explizit erwähnt wurde. Der Umfang der Parteinennungen erlaubt daher nur bedingt Rückschlüsse auf die Relevanz der Parteien in der Rekrutierung des öffentlichen Sprecherensembles. Diese Zahl wäre vielmehr deutlich nach oben zu korrigieren, wenn alle jene Fälle einbezogen würden, in denen Amtsinhaber erwähnt wurden, ohne dass deren Parteizugehörigkeit explizit erwähnt wurde. Angesichts des methodischen Gebotes einer Codierung manifester Textinhalte wurde auf eine derartige Einbeziehung von Kontextwissen jedoch verzichtet. Von einem erheblichen Gewicht der Parteien in der Aufmerksamkeit der Kommentatoren der Qualitätszeitungen kann dennoch insofern ausgegangen werden, als trotz dieser methodischen Einschränkungen der inhaltsanalytischen Verschlüsselung fast die Hälfte aller Kommentare Bezüge auf Parteien aufweisen. Die Stimme der Parteien muss sich allerdings auch Gehör gegenüber anderen gesellschaftlichen Akteuren und Institutionen der Interessenvermittlung verschaffen. Erwartungen einer exklusiven Stellung der Parteien in der politischen Kommunikation erweisen sich insofern als empirisch nicht gedeckt. Dennoch ist der Anteil der Kommentare mit Parteibezügen hinreichend groß, um die politische Profilierung der Zeitungen auf dieser Grundlage zu prüfen. Aus Tabelle 14 lässt sich ablesen, dass die Repräsentanten der SPD in den Kommentaren aller Zeitungen am häufigsten und relativ gleichmäßig verteilt auftreten. Auffällig ist zunächst, dass die FAZ, der man an dieser Stelle nicht unbedingt Parteinähe unterstellen muss, die SPD am häufigsten in den Kommentaren anspricht. Die FR und auch die links-liberalen Zeitungen liegen in Bezug auf die Aufmerksamkeitszuweisung an die SPD hinter den konservativen Zeitungen. Die allgemein hohe Frequenz der Nennung von SPD-Akteuren in
170
6 Medienprofile und politische Parallelstrukturen: Ergebnisse des Zeitungsvergleiches
allen Medien kann gleichwohl nicht prima facie als Beleg dafür gewertet werden, dass die CDU im Untersuchungszeitraum unter einem Aufmerksamkeitsdefizit in den Pressekommentaren zu leiden gehabt hätte. Vielmehr muss bei der Interpretation der Befunde berücksichtigt werden, dass die CDU, die CSU und die FDP in den Jahren 1994 bis 1998 in der Regierungsverantwortung standen und deren Repräsentanten, sofern sie in entsprechenden Positionen agierten, in der Inhaltsanalyse als Amtsinhaber erfasst und verschlüsselt wurden. Die stärkere Berücksichtigung der SPD in den Pressekommentaren ist möglicherweise ein Ausdruck dafür, dass alle Zeitungen den Regierungsbonus der konservativ-liberalen Akteure in der öffentlichen Wahrnehmung jedenfalls partiell auszugleichen versuchen. Im Hinblick auf die hier aufgeworfene Frage nach politischen Profilierungen, die in den Mustern selektiver Aufmerksamkeitszuweisung erkennbar sind, interessiert an dieser Stelle aber nicht so sehr das absolute Niveau, sondern die Varianzen zwischen den Zeitungen. Hier zeigt Tabelle 14, dass sich die fünf überregionalen Qualitätszeitungen in ihren Aufmerksamkeitszuweisungen auffällig ähnlich sind. Tabelle 14: Nennungen der Parteien im Zeitungsvergleich (N = Anzahl der Akteursbezüge)
taz FR SZ FAZ DW Ges
N % N % N % N % N % N %
CDU
CSU
FDP
SPD
Grüne
PDS
249 4,4 288 4,6 320 4,8 407 5,1 316 4,6 1580 4,7
45 0,8 67 1,1 108 1,6 91 1,1 66 1,0 377 1,1
100 1,8 201 3,2 185 2,8 323 4,1 249 3,6 1058 3,2
441 7,9 452 7,2 553 8,3 839 10,5 588 8,5 2873 8,6
231 4,1 149 2,4 163 2,4 258 3,2 148 2,1 949 2,8
142 2,5 85 1,4 105 1,6 1,93 2,4 112 1,6 637 1,9
Koal. &. And. 126 2,2 212 3,4 146 2,2 201 2,5 183 2,7 868 2,6
Keine Partei 4270 76,2 4812 76,8 5077 76,3 5644 70,9 5237 75,9 25040 75,0
Gesamt 5604 100 6266 100 6657 100 7956 100 6899 100 33382 100
Daher kann nach den vorliegenden Daten nicht von einer Überrepräsentation der linken oder rechten Parteien in rechten bzw. linken Zeitungen die Rede sein. Dafür sprechen auch solche Einzelbefunde wie die überdurchschnittliche Beachtung der Grünen durch die FAZ. Strukturelle Ähnlichkeiten quer zur Konfliktlinie zwischen liberalen und konservativen Zeitungen finden sich auch hinsichtlich der PDS, die etwa genauso häufig angesprochen wird wie die CSU. Die
6.3 Politische Parallelstrukturen - Parteien und Parteilichkeiten
171
PDS ist damit deutlich stärker vertreten als erwartet werden müsste, wenn politische Affinität mit Aufmerksamkeit positiv verknüpft wäre. Sie wird darüber hinaus vor allem von der FAZ und der taz beachtet, die politisch-ideologisch deutliche Differenzen aufweisen und auch in der Bewertung der PDS erhebliche Unterschiede zeigen. Sieht man von der durch den Faktor regionale Nähe gut zu erklärenden überdurchschnittlichen Repräsentation der CSU in der bayerischen SZ ab, findet sich bezüglich der CDU und der CSU eine erstaunliche Ähnlichkeit der Kommentierungsfrequenz. Auch die leicht positive Selektivität der konservativen Zeitungen FAZ und DW zugunsten der FDP revidieren den Befund einer von ideologisch-politischen Parteipräferenzen der Zeitungen unabhängigen Aufmerksamkeitszuweisung daher nicht. In Hinsicht auf die Presse-Parteibindung zeigt sich also, dass die Frequenzen der Nennung und insofern die Aufmerksamkeitszuweisung offenbar kein starkes Kriterium der politischen Profilierung darstellt. Die hier untersuchten parteipolitischen Akteure sind offensichtlich an sich so wichtig, dass keine Zeitung es sich leisten kann, Abstriche an deren Beachtung in politischen Kommentaren zu machen. Diesen Befund kann man auch als Hinweis auf die Grenzen einer Bezugnahme auf opportune Zeugen in Kommentaren bewerten. Während das Konzept der opportunen Zeugen für die Nachrichtenberichterstattung von der Mobilisierung von Bias durch abweichende Selektivitäten in der Beachtung von Akteuren ausgeht, zeigen unsere Daten, dass dieser Mechanismus für die Kommentare nicht greift. Dies ist insofern plausibel, als die Medien in ihrer Kommentierung nicht auf indirekte Mechanismen der Meinungsäußerung zurückgreifen müssen, um sich politisch zu profilieren. So ist zu erwarten, dass sich die Presse gerade in diesem Genre ganz offen und legitim für spezifische politische Akteure bzw. deren Positionen ausspricht. Sollte dieses Muster der parteiabhängigen Akteursbewertungen durch linke und rechte Zeitungen hingegen in Bezug auf die Bewertungen nicht deutlich werden, so wäre dies ein starkes Argument gegen die konzeptionelle Orientierung an politischen Parallelstrukturen zwischen Medien und Politik.
6.3.2 Redaktionelle Linien und die Bewertung der Parteien Im Anschluss an die Befunde zum Standing der Parteien soll nun deren explizite Bewertung untersucht werden. Beide Dimensionen beziehen sich zwar auf systematisch miteinander verknüpfte, aber unterschiedliche Sachverhalte. Aus dem Umstand, dass sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den Medien in Hinsicht auf die Beachtung der Parteien zeigen, darf daher nicht geschlossen werden, dass sich die politischen Parallelstrukturen auf der Seite der Medien
172
6 Medienprofile und politische Parallelstrukturen: Ergebnisse des Zeitungsvergleiches
quasi zu einem Punkt vereint haben und sich eben nicht mehr pluralistisch differenziert und aufgefächert darstellen. Denn die Option der expliziten Bewertung wird in den Kommentaren tatsächlich in empirisch fassbarer Form wahrgenommen. Indirekte Mechanismen der Konstruktion von Bias wie die Dethematisierung und das Beschweigen politischer Akteure oder die Mobilisierung opportuner Zeugen werden durch das vergleichsweise direkt artikulierte Urteil überlagert, wodurch sich sich wiederum klare Unterschiede und Trennlinien zwischen den Medien ergeben. Bei der Datenerhebung wurde zwischen positiven, negativen und ambivalenten Bewertungen unterschieden. Der Anteil der Bewertungen von Parteien an allen Akteursbewertungen entspricht mit 24,99 Prozent (ohne Tabelle) fast genau dem Anteil der Parteien am gesamten Akteursaufkommen. Daraus kann geschlossen werden, dass Parteien weder im Positiven noch im Negativen die Kommentatoren stärker zu expliziten Bewertungen provozieren als dies andere Akteure tun. Allerdings unterscheiden sich die Tendenzen der vergebenen Bewertungen. Mit einem Mittelwert von 2,46 ziehen die Parteien im Vergleich mit den anderen Akteuren (2,23) eine etwas kritischere Bewertung auf sich.145 Tabelle 15 bietet Angaben zu den Bewertungen der Parteien durch die Zeitungen. Die Daten zeigen in allen Zeitungen einen insgesamt eher negativen Tenor der Bewertung. Der Anteil der negativen Bewertungen liegt mit Ausnahme der DW mindestens doppelt so hoch wie derjenige der positiven Bewertungen. Am größten ist der Anteil negativer Bewertungen bei den linksliberalen Zeitungen taz und FR, gefolgt von der FAZ, der SZ und der DW. Diese insgesamt kritische und leicht negative Kommentierung entspricht den Befunden der Nachrichtenwertforschung, die Negativismus zu den wichtigen Nachrichtenfaktoren zählt. Dieser Faktor der Aufmerksamkeitssteuerung gilt nach unseren Befunden auch für die Kommentierung. Ein kritischer Duktus, der sich im Überhang negativer Urteile niederschlägt, ist auch aufgrund der normativen Anforderungen an Pressekommentare zu erwarten. Denn wenn es die Aufgabe der Presse ist, den politischen Prozess zu kritisieren und zu kontrollieren, dann wird man kaum eine Kommentierung erwarten können, in der Lob und Unterstützung dominieren. Bezüglich der These eines „Dealignments“ der Presse und der Abschwächung von Parallelstrukturen ist daher eine wichtige Frage, wie sich die negativen Einschätzungen der einzelnen Zeitungen auf die politischen Akteure verteilen. In einem enttraditionalisierten Mediensystem jenseits des direkten und formellen Press-Party-Parallelismus wäre ein Kritikverzicht in Bezug auf die der jeweiligen Zeitung nahestehende Partei nicht zu erwarten. Vielmehr müssten die 145 Der Mittelwert ist auf der Grundlage einer Skala mit dem Wert „1“ bei einer positiven Bewertung und „3“ bei einer negativen Bewertung berechnet worden.
6.3 Politische Parallelstrukturen - Parteien und Parteilichkeiten
173
politischen Akteure auch mit negativen Beurteilungen durch ihnen nahestehende Medien rechnen. Zunächst fällt an den in Tabelle 15 dokumentierten Befunden auf, dass sich in der Bewertung der Parteien die Anordnung der Zeitungen auf der LinksRechts-Achse bestätigt. Wir finden eindeutige Bewertungsmuster, nach denen die konservativen Zeitungen jeweils deutlich höhere Anteile der positiven Bewertung für die konservativen Parteien aufweisen und die links-liberalen Zeitungen die umgekehrte Verteilung zeigen. Sie bewerten die eher linken Parteien positiver und zeigen höhere Anteile negativer Beurteilungen bei konservativen Parteien.
174
6 Medienprofile und politische Parallelstrukturen: Ergebnisse des Zeitungsvergleiches
Darüber hinaus finden sich Bewertungsmuster der kleinen Parteien, nach denen es Medien-Favoriten und Anti-Helden gibt. Zu ersteren zählen die Grünen, die im gesamten links-liberalen Zeitungsspektrum - von der SZ über die FR bis hin zur taz - einen herausragenden Anteil von positiven Bewertungen erhalten. Mit deutlichem Abstand folgen die SPD - in der SZ auf niedrigem und in der FR auf höherem Niveau - und die PDS auf mittlerem Niveau in der taz. Die FDP erhält eine vergleichbar positive Bewertung durch die DW, die CDU durch die FAZ. Die Daten zeigen auch, dass die PDS das „schwarze Schaf“ in allen Zeitungen ist: Untersucht man die negativen Bewertungen der Zeitungen, so wird keine Partei auch nur ansatzweise so schlecht beurteilt wie die PDS in den konservativen Zeitungen. Während sich in der Regel die Parteipräferenzen vor allem durch unterschiedliche Akzentuierungen auszeichnen, die nicht ausschließen, dass auch die einer Zeitung jeweils nahestehende Partei schlechte, die weiter entfernte Partei gute Noten bekommen kann, ist in diesem Fall mit einer beinahe 95prozentigen negativen Bewertung eine extrem scharfe Abwertung der PDS durch FAZ und DW zu verzeichnen. Die DW, in der die FDP an erster Stelle der positiven Bewertungen rangiert, führt die CSU als diejenige Partei, die am wenigsten negativ kommentiert wird. In der FAZ nimmt diese Stellung die CDU ein, in den links-liberalen Zeitungen von SZ bis taz sind es wieder die Grünen, die in erheblich geringerem Maße als die anderen Parteien mit negativen Bewertungen gewürdigt werden. Auffällig ist allerdings auch, dass sich insgesamt doch recht klare „Feindbilder“ abzeichnen. Wo die PDS der Wunschgegner für das eher konservative Pressespektrum ist, fällt die Abgrenzung gegenüber der CSU im linksliberalen Spektrum nur wenig moderater aus (Tabelle 16). Vor dem Hintergrund von Postulaten eines linkskritizistischen Bias im Journalismus und der Zurechnung des sozialdemokratischen Wahlerfolges am Ende unseres Untersuchungszeitraums auf ein förderliches Medienklima fällt besonders auf, dass im Gegenteil die SPD in den Prestigemedien bei der Mobilisierung von Unterstützung einen vergleichsweise schwereren Stand hat: Abgesehen von der PDS lassen sich für alle Parteien mindestens zwei Zeitungen finden, in denen weniger als die Hälfte aller vergebenen Bewertungen negativ sind - nur die FR bewertet die SPD mehrheitlich nicht negativ, ohne dass die SPD hier von Kritik so verschont würde wie einige andere Parteien in den ihnen jeweils nahestehenden Zeitungen. In keiner der untersuchten Zeitungen steht die SPD auf Platz 1 des Parteien-Rankings. Ihre positivste Bewertung, die sie von der FR erhält, liegt immer noch erkennbar hinter den positiven Spitzenwerten, die die anderen Parteien jeweils von den ihnen nahestehenden Zeitungen erhalten (Tabelle 16).
175
6.3 Politische Parallelstrukturen - Parteien und Parteilichkeiten
Tabelle 16: Ranking der politischen Parteien nach Zeitungen (Mittelwerte) (N = bewertete Akteursnennungen*, nur Parteien dargestellt)
Rang
taz
FR
SZ
FAZ
DW
1
Grüne (1.93)
Grüne (1.93)
Grüne (2.07)
CDU (1.99)
FDP (2.02)
2
PDS (2.39)
SPD (2.18)
SPD (2.36)
CSU (2.15)
CSU (2.03)
3
SPD (2.47)
PDS (2.29)
CDU (2.49)
FDP (2.24)
CDU (2.14)
4
CDU (2.66)
CDU (2.68)
FDP (2.55)
Grüne (2.64)
SPD (2.55)
5
FDP (2.68)
FDP (2.69)
PDS (2.58)
SPD (2.70)
Grüne (2.61)
6
CSU (2.79)
CSU (2.79)
CSU (2.74)
PDS (2.95)
PDS (2.93)
*(Mittelwerte der Bewertung, „1“ = positiv, „3“ = negativ)
Insgesamt lässt sich als Bewertung zusammenfassen, dass die Affinitäten der Zeitungen zu bestimmten politischen Parteien - mit Ausnahme der PDS - eindeutig für die Wirksamkeit von (auch parteipolitisch nicht indifferenten) Parallelstrukturen und damit gegen eine generelle „Dealignment“-These im Verhältnis von Presse und Politik sprechen. Es findet sich ein klares Muster, in dem die konservativen Zeitungen die konservativen Parteien positiv bewerten und die linken Zeitungen sich für die eher linken Parteien aussprechen. Es finden sich allerdings vereinzelt auch in konservativen Zeitungen abwägende oder auch positive Stimmen zu links-liberalen Parteien und umgekehrt. Will man diese Befunde konzeptionell bilanzieren, dann ist zunächst zu unterstreichen, dass sich hinsichtlich der Aufmerksamkeitszuweisung kaum Unterschiede zwischen den fünf überregionalen Zeitungen finden. Die ähnliche Aufmerksamkeitszuweisung in politischen Kommentaren erlaubt daher auch kaum Rückschlüsse auf eine implizite Bewertung der politischen Akteure. Dagegen finden sich in der expliziten Bewertung der Parteien deutliche Unterschiede, die eine klare politische Profilierung der Medien indizieren. Auf den ersten Blick scheint angesichts dieses Befundes das Deutungsmuster eines Formwandels von einem formellen zu einem informellen Press-Party-Parallelismus nahezuliegen also klaren politischen Bindungen jenseits von organisatorischen Kopplungen. Diese Interpretation ist bei einem zweiten Blick aber wieder einzuschränken bzw. zu ergänzen. Denn ebenso auffällig wie die Affinitäten einzelner Medien zu ihnen nahe stehenden Parteien sind die hohen Anteile von Kommentaren mit Negativbewertungen dieser Parteien. D.h. die Medien mobilisieren auch erhebli-
176
6 Medienprofile und politische Parallelstrukturen: Ergebnisse des Zeitungsvergleiches
che Vorbehalte gegen die Parteien ihres „eigenen“ Lagers. Angesichts dieses Verbreitungsgrads von Negativurteilen über die den Kommentatoren jeweils politisch noch vergleichsweise nahe stehenden Parteien, ist die Annahme einer einfachen Stabilisierung und Reproduktion traditionalistischer Loyalitäten an dieser Stelle eher unwahrscheinlich und die Annahme von positiven Parteibindungen recht gewagt. Vielmehr erscheint hier der Schluss angemessen, dass die untersuchten Medien in der Kommentierung des politischen Geschehens hinsichtlich der Aufmerksamkeitsverteilung, aber auch hinsichtlich des kritischen Blicks auf alle Parteien Grundsätze der politischen Unabhängigkeit beachten und so auch Aufgaben als Kritiker und Kontrolleur wahrnehmen. Nichtsdestotrotz würde es zu weit gehen, pauschal von einer Unabhängigkeit der Medien gegenüber den politischen Parteien und damit einer durchgehenden Entstrukturierung des politischen Parallelismus auszugehen. Mit Blick auf die Wahrnehmung der an die politische Unabhängigkeit gebundenen Medienfunktionen der Kritik und Kontrolle ergäben sich erhebliche Einbussen, wenn das Spektrum der meinungsführenden überregionalen Qualitätszeitungen schrumpfen würde. Der genuin kritische und kontrollierende Beitrag der Medienöffentlichkeit, der den entscheidenden Mehrwert gegenüber einem politisch dirigierten Mediensystem darstellt, ergibt sich im bundesdeutschen Fall erst aus der Perspektivenvielfalt und den sich wechselseitig ergänzenden und korrigierenden Selektivitäten der Akteure des Mediensystems - anders formuliert: aus seiner „strukturierten Polyphonie“.146 Systematisch lässt sich die ausgeprägte Pressevielfalt als eine Art funktionales Äquivalent zu einer größeren Unabhängigkeit von Politik und Medien auffassen, weshalb die fortbestehenden Parallelstrukturen auch nicht als Modernitätsdefizit qualifiziert werden können.
146 Der vergleichende Blick in den angelsächsischen Raum und insbesondere in die USA würde eine noch stärkere Betonung der Medienunabhängigkeit ergeben, die auch eine besondere Schärfe in die Medienberichterstattung bringen kann. Allerdings ist die amerikanische Presselandschaft auf nationaler Ebene auch durch eine geringere Vielfalt gekennzeichnet.
6.4 Kandidatenorientierungen und Kommentarlinien
177
6.4 Kandidatenorientierungen und Kommentarlinien Mit der Herausarbeitung der Positionen im Links-Rechts-Spektrum und deren Konvertierung in Unterstützung und Kritik von politischen Parteien liegen verschiedene Befunde zur Bestimmung der redaktionellen Linien vor. Für die Strukturierung des Pressespektrums sind offenkundig auch klassische Dimensionen der politischen Analyse wie die politisch-ideologischen Orientierungen und die Parteibindungen relevant. Diagnosen eines erneuten Struktur- und Funktionswandel der Medienöffentlichkeit (Medialisierung) müssen also nicht implizieren, dass klassische Strukturvariablen ihre Bedeutung völlig einbüßen - vor allem nicht bezüglich des Gegenstandes der sog. „Qualitätsmedien“ und ihrer Kommentare. Auch Persistenzen und Kontinuitäten wahrzunehmen, darf aber nicht bedeuten, deutliche Veränderungen und Flexibilisierungen an anderen Stellen zu verkennen. Gegenüber der Konzentration der Analyse des politischen Parallelismus auf die Links-Rechts-Achse und die Parteibeziehungen muss hier vor allem die Frage nach der Personalisierung des politischen Wettbewerbs und damit auch nach dem veränderten Stellenwert von Parteien und Kollektivorganisationen ins Spiel gebracht werden. Denn gegenüber überkommenen parteiendemokratischen Strukturen ist die veränderte Rolle von medial exponierten Personen und Kandidaten, die Programme und Positionen erst in visualisierte, dramatisierte und emotionalisierte Stories umsetzen, ein wichtiges Merkmal von mediendemokratischen Strukturen. Es geht hier also um die Rolle der Repräsentanten der Parteien, ihrer Kandidaten und politischer Spitzenvertreter. Nicht zuletzt im Entscheidungsverhalten der Bürger nimmt deren persönliche Medienperformanz neben den politischen Sachfragen einen erheblichen Stellenwert ein (Kepplinger, Brosius und Dahlem 1994). Kandidatenorientierungen und Parteienorientierungen müssen dabei nicht gleichsinnig und deckungsgleich sein. Wo die Analyse der politischen Parallelstrukturen in Richtung von Personalisierung und Kandidatenorientierungen vorangetrieben werden soll, stellt sich zunächst die Frage nach Stellenwert und Ausmaß des Personalisierungsphänomens und nach der Validität der These einer wachsenden Personalisierung von Medieninhalten. Zur Klärung dieser Frage wird die Variable „Themenfokus“ untersucht, mit der Sach- und Akteursthemen voneinander abgegrenzt und im Zeitverlauf verglichen werden können. In einem zweiten Schritt wird dann die Darstellung der Kanzlerkandidaten der großen Volksparteien CDU und SPD untersucht. Hier wird analog zum Vorgehen bei der Analyse der Parteien am Standing und an der Bewertung der Kandidaten angesetzt. In einer Überblendung der bisherigen Untersuchungsschritte kann die Frage beleuchtet werden, inwieweit die Strukturen der Kandidatenbewertung dem politischen Links-Rechts-
178
6 Medienprofile und politische Parallelstrukturen: Ergebnisse des Zeitungsvergleiches
Spektrum und den parteipolitischen Konfliktlinien entsprechen oder auch eine quer liegende, intervenierende Variable darstellen. Konkret wird die Kommentierung des im überwiegenden Teil unseres Untersuchungszeitraums amtierenden Bundeskanzlers Kohl mit derjenigen zweier sozialdemokratischer Herausforderer verglichen: mit Lafontaine und Schröder. 6.4.1 Personen und Policies. Zum Stellenwert personalisierender Kommentierung Aus sympathetischer Perspektive kann Personalisierung als journalistische Tugend begriffen werden, die verständlich werden lässt, dass hinter scheinbaren Sachzwängen oder hehren Zielen auch einfach menschlich-allzumenschliche Ursachen stehen können. In eher skeptischer Einstellung wird die Personalisierung der Politikdarstellung in der sozialwissenschaftlichen Diskussion jedoch zumeist als Reduktion politischer Komplexität durch die Fokussierung auf Personen statt auf Programme und auf Individuen statt auf Strukturen beschrieben. Solche als problematisch wahrgenommenen und in die Nähe des Infotainments gerückten Tendenzen stehen wiederum in Zusammenhang mit veränderten Arbeitsroutinen im Journalismus, aufgrund derer Ressourcen für auf Zusammenhänge und Hintergründe eingehende Recherchen fehlen und sich leichter fassbare Personendarstellung durchsetzen. Wie immer Personalisierung aber bewertet wird, ist es wohl unstrittig, dass Personen nicht nur als Amtsinhaber durchaus einen Unterschied machen können, sondern auch persönliche Merkmale eine wichtige Dimension für die Erklärung der politischen Wahlentscheidungen der Bürger darstellen. Mediengerechte Personen lassen sich leichter beurteilen als „gesichtslose“ Kollektivorganisationen. Und die Darstellungsformate der elektronischen Bildmedien gewichten die Performanz des Auftrittes vor Kameras stärker als dies in den schriftbasierten Printmedien der Fall ist. In seinen Typen der Legitimität hat aber schon Weber die charismatische Herrschaft bzw. die „Legitimitätsgeltung charismatischer Art“ als Begriff der politischen Soziologie eingeführt (Grande 2000b; Hitzler 1996; Romano 1996; Sheafer 2001; Weber 1921/1980: 122-176, 140 ff.) und damit genau diese Dimension der besonderen, jenseits zweckrationaler Kalkulation oder traditionaler Gewöhnung angesiedelte Faszinations- und Anziehungskraft bestimmter Akteure angesprochen: „die Heiligkeit oder die Heldenkraft oder die Vorbildlichkeit einer Person und der durch sie offenbarten oder geschaffenen Ordnung“ (Weber 1921/1980: 124).
6.4 Kandidatenorientierungen und Kommentarlinien
179
Nun stellt sich die Frage, welche Bedeutung diese Dimension des Politischen für die strategische Profilbildung der Medien hat. Lassen sich die Zeitungen auf einen in Zeiten der Politikvermittlung durch das Fernsehen möglicherweise unvermeidlichen Wettbewerb um veränderte Präsentations- und Kommentarformate ein und versuchen sich in dieser Richtung von ihren Konkurrenten am Medienmarkt zu unterscheiden? Oder setzen die Journalisten der überregionalen Tageszeitungen doch eher auf das relative Alleinstellungsmerkmal des PrintJournalismus, Hintergründe aufzeigen und Orientierungen anbieten zu können? Um mögliche Trendentwicklung überblicken zu können, ist der Personalisierungsgrad als Mittelwert aller Themenfokussierungen innerhalb von einmonatigen Untersuchungsabschnitten berechnet und im Zeitverlauf dargestellt worden. Die Analyse der politischen Kommentierung über alle Themen und auch alle Zeitungen hinweg zeigt hier deutlich, dass an dieser Stelle nicht von einer sehr starken Personalisierung die Rede sein kann (Abbildung 7). Abbildung 7:
Personalisierung der Kommentaragenda im Zeitverlauf (N = Kommentare mit Fokusangabe)
5
4
3
2
Apr 94 Mai 94 Jun 94 Jul 94 Aug 94 Sep 94 Okt 94 Nov 94 Dez 94 Jan 95 Feb 95 Mrz 95 Apr 95 Mai 95 Jun 95 Jul 95 Aug 95 Sep 95 Okt 95 Nov 95 Dez 95 Jan 96 Feb 96 Mrz 96 Apr 96 Mai 96 Jun 96 Jul 96 Aug 96 Sep 96 Okt 96 Nov 96 Dez 96 Jan 97 Feb 97 Mrz 97 Apr 97 Mai 97 Jun 97 Jul 97 Aug 97 Sep 97 Okt 97 Nov 97 Dez 97 Jan 98 Feb 98 Mrz 98 Apr 98 Mai 98 Jun 98 Jul 98 Aug 98 Sep 98 Okt 98 Nov 98
1
Fokussierungsgrad 1 = Sachthema: geringe Personalisierung, 3 = Sach- und Akteursthema gleichermaßen, 5 = Akteursthema: sehr starke Personalisierung
Es zeigt sich der deutliche Befund, dass der Personalisierungsgrad um den Wert „2“ („überwiegend Sachthema, geringe Personalisierung“) schwankt. Die Aufschlüsselung der Personalisierungswerte auf Monatsbasis über den gesamten Untersuchungszeitraum macht allerdings deutlich, dass die Trendentwicklung eine leichte Verstärkung der Personalisierung im Kommentar erkennen lässt.
180
6 Medienprofile und politische Parallelstrukturen: Ergebnisse des Zeitungsvergleiches
Dieser Trend ergibt sich aus zwei unterschiedlichen Faktoren. Zum einen findet sich tatsächlich ein schwacher genereller Trend zur verstärkten Personalisierung. Zum anderen ergibt sich aber aus der Struktur unseres Untersuchungszeitraumes mit Bundestagswahlen jeweils am Anfang und am Ende auch ein leichtes Abfallen der Personalisierung in der Mitte des Untersuchungszeitraums. Gegen Ende des Untersuchungszeitraums finden sich in der Wahlauseinandersetzung mit den Spitzenkandidaten Kohl und Schröder nun die Spitzenwerte des gesamten Untersuchungszeitraums, die das leichte Ansteigen des Werts an erster Stelle erklären. Dass Bundestagswahlkämpfe zu einer verstärkten Beachtung insbesondere der Spitzenkandidaten führen und so zu einer Verstärkung der Personalisierung beitragen, ist nicht überraschend. Daher ist zu unterstreichen, dass weder absolutes Niveau noch die Trendentwicklung der Personalisierung im spezifischen Genre des Kommentars der deutschen Qualitätsmedien nun weitreichende Thesen bezüglich eines Wandels der Meinungsdarstellung rechtfertigen. Insgesamt ist die Kommentierung durch eine ausgewogene Mischung von Sach- und Personenorientierung gekennzeichnet. Angesichts des Umstandes, dass eine reine Sachorientierung kein eindeutiges Qualitätsmerkmal der Kommentierung darstellt, weil persönliche Dimensionen und Personalfragen auch politisch keine unerhebliche Rolle spielen, kann also keine Rede von einer wie auch immer massiven Personalisierung sein. Dieser Umstand belegt noch einmal die Bedeutung der Differenzierung zwischen verschiedenen Medientypen: Diagnosen, die für die Boulevardpresse oder das Fernsehen eine gewisse Evidenz aufweisen mögen, müssen nicht gleichermaßen für die Qualitätspresse zutreffen. An dieser Stelle sollen aber nicht die Unterschiede von Medientypen interessieren, sondern die der unterschiedlichen Anbieter eines Typus, nämlich der Qualitätszeitung. Welche Unterschiede lassen sich hier mit Blick auf die Personalisierungsgrade der Kommentierung finden? Und machen diese Unterschiede tatsächlich einen Unterschied? Sind sie so ausgeprägt, dass an dieser Stelle eine relevante Strukturierungsdimension des Zeitungsspektrums zu veranschlagen ist? Der Blick auf die Mittelwerte und Durchschnitte der Kommentare zeigt hier eher schwach ausgeprägte Unterschiede (Tabelle 17). Es zeichnet sich eine etwas stärkere, aber absolut betrachtet keinesfalls massive Personalisierung auf der linken Seite des Pressespektrums ab. Tatsächlich ist vor allem die taz diejenige Zeitung, die am stärksten personalisiert. Ihr folgt die SZ, dann die FR, die FAZ und zuletzt die DW als - nach unseren Kategorien - am schwächsten personalisierende Zeitung. Es handelt sich an dieser Stelle um feine Unterschiede, die kaum weit reichende Interpretationen erlauben. Klar ist aber, dass die erhobene Personalisierung keinen Rändereffekt darstellt, demgegenüber die Mitte des Spektrums den Pol der größeren Sachlichkeit darstellen würde.
181
6.4 Kandidatenorientierungen und Kommentarlinien
Tabelle 17: Personalisierungsgrad im Zeitungsvergleich (N = Kommentare mit Fokusangabe, 1 = geringe Pers., 3 = hohe Pers.)
taz FR SZ FAZ DW Gesamt
MW 2,05 1,98 2,01 1,96 1,89 1,97
N 1464 1684 1763 2159 1871 8941
Stdabw. 1.174 1,171 1,191 1,193 1,162 1,180
Betrachtet man die verschiedenen Ausprägungen der Variable Themenfokus dann zeigen sich deutlichere Unterschiede zwischen den verglichenen Zeitungen, die sich relativ klar in das bekannte Links-Rechts-Spektrum einfügen. In allen Zeitungen nehmen zunächst die vollkommen sachlichen Kommentare ohne erkennbare Personalisierung den größten Raum ein. Durchgehend gilt, dass je größer der Personalisierungsgrad einer Kommentarkategorie ist, desto kleiner ihr Anteil ausfällt. Abbildung 8:
Personalisierung im Zeitungsvergleich (N = Kommentare mit Fokusangabe)
60 50
46,7
25,8
23,7
24,1
22,8
22,3
16,3
15,9
15,9
14,4
13,1
44
40
52,6
49,7
47,7
30 20 10 0 taz
FR
SZ
FAZ
DW
Klares Sachthema - keine Personalisierung Überwiegend Sachthema - geringe Personalisierung Sach- und Akteursthema gleichermaßen Überwiegend Akteursthema - starke Personalisierung Ausschließliches Akteursthema - sehr starke Personalisierung
Nicht unerhebliche Unterschiede lassen sich nun aber finden, wenn die Besetzung der einzelnen Kategorien verglichen wird (Abbildung 8). Vor allem die klar
182
6 Medienprofile und politische Parallelstrukturen: Ergebnisse des Zeitungsvergleiches
sachorientierten Kommentare sind in der FAZ und vor allem der DW deutlich öfter zu finden als in der FR und mehr noch in der taz. Akzentsetzungen dieser linksliberalen Zeitungen finden sich nun aber weniger bei den stark oder sehr stark personalisierenden Kommentaren als vielmehr in den mittleren Lagen. Eine geringe Personalisierung oder eine mittlere Personalisierung finden sich in den Kommentaren dieser Blätter öfter. Bezieht man diesen Zeitungsvergleich nun noch einmal auf die Zeitdimension, so zeigen sich keine strukturellen Unterschiede bezüglich der Trendentwicklungen (Abbildung 9). Es wurde bereits angemerkt, dass insbesondere das Jahr 1998 mit dem Wahlkampf zwischen Schröder und Kohl eine Hochzeit der Personalisierung auch des politischen Wettbewerbs darstellte. Der Wahlkampfeffekt zeigt sich auch in den Kommentaragenden aller einzelnen untersuchten Zeitungen. Es fällt dabei allerdings auf, dass es insbesondere die FAZ und die SZ sind, die in diesem Zeitraum besonders stark personalisiert kommentieren, während die FR in diesem Zeitraum nur wenig personalisiert. Abbildung 9:
Personalisierung im Zeitverlauf (Zeitungsvergleich) (N = Kommentare mit Fokus, 1 = geringe Pers., 3 = hohe Pers.)
3
2,5 taz 2
FR SZ
1,5
FAZ DW
8
7
98 Se p
Ap r9
Ju l9
97 Ja n
t9 6 Ok
95 Ju l9 5 Ap r9 6
Ja n
kt O
Ap r9
4
94
1
Insgesamt zeigt sich eine nur sehr schwache Entwicklung der Qualitätszeitungen in Richtung von personalisierten Formaten, allerdings auch eine etwas ausgeprägtere Neigung zu einer leichten Personalisierung bzw. zu einer personell angereicherten Sachkommentierung auf der links-liberalen Seite des Zeitungsspektrums. Der relativ sachlich orientierte Einschlag der Kommentare aller Zei-
6.4 Kandidatenorientierungen und Kommentarlinien
183
tungen unterstreicht noch einmal die Rolle und die Funktion des Kommentars im öffentlichen Diskurs - es geht hier zentral um Einordnung und Orientierung. Eine spannende Frage ist freilich, ob die Kommentatorenelite mit dem Beharren auf anspruchsvoller Orientierung jenseits von personalisierenden Vereinfachungen auch tatsächlich ein Publikum erreicht oder sich mittelfristig Konvergenzen mit anderen Medientypen durchsetzen werden, wenn sich die Nachfragestrukturen des Publikums verändern.147 Im Folgenden wird beleuchtet, wie sich die publizistische Personalisierung darstellt, wo es nicht um Politik im Allgemeinen, sondern eben ausschließlich um Akteure und Kandidaten geht. Die vorliegenden Daten erlauben es, den in dieser Hinsicht geradezu prototypischen Wettbewerb zwischen Kohl und Schröder, der den Diagnosen einer Medialisierung in der Bundesrepublik massiven Auftrieb gegeben hat, genauer in das Blickfeld zu nehmen (Kepplinger und Maurer 2003; Meng 2002). Bevor die empirischen Befunde dargestellt werden, wird noch einmal kurz der theoretische Hintergrund aufgegriffen.
6.4.2 Kandidatenpräferenzen und mediale Politikpositionen Der analytische Zugriff auf die politische Rolle der Medien über die Analyse von Parteibindungen hat auch deshalb eine hohe Plausibilität, weil insbesondere die deutsche Form des repräsentativen Parlamentarismus häufig als Parteiendemokratie oder Parteienstaat bezeichnet wird. Den Parteien ist grundgesetzlich ihr Status in der gesellschaftlichen Willensbildung zugesichert, und sie haben sich in vielen gesellschaftlichen Bereichen als wichtige Einflussgröße etablieren können - auch gegen Ideale eines klassisch-liberalen und individuumsbezogenen Prinzips der Repräsentation. Ein Ende der Bedeutung der Parteien ist auch in der modernen „Mediengesellschaft“ oder Mediendemokratie nicht absehbar. Veränderungen der Gesellschaftsstruktur wirken sich allerdings auch auf deren Status aus (Jun 2004). Wie andere Kollektivakteure und Großorganisationen unterliegen auch die Parteien einem schleichenden Erosionsprozess, der sich in sinkenden Mitgliederzahlen, einer höheren Anziehungskraft thematisch fokussierten und zeitlich überschaubaren politischen Engagements gegenüber dauerhaft festgelegter oder gar lebenslanger Mitgliedschaft, in instabileren Loyalitätsbindungen und einem volatilen Elektorat niederschlägt. Wo es um die Mobilisierung von Loyalitäten und die Beschaffung von Legitimität und Wählerstimmen geht, treten daher neben die Parteienorganisationen 147 Nach Ende des mit den erhobenen Daten abgebildeten Untersuchungszeitraums haben sich jedenfalls sehr deutlich Tendenzen in Richtung einer Veränderung des Qualitätsjournalismus als Reaktion auf die Zeitungskrise abgezeichnet.
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6 Medienprofile und politische Parallelstrukturen: Ergebnisse des Zeitungsvergleiches
verstärkt die Kandidaten und das Spitzenpersonal der Organisationen. Bekannte Medienpersönlichkeiten und politische Prominenz übernehmen in der medial vermittelten Kommunikation Aufgaben, die bisher stärker von lebensweltlichen Netzwerken und lokalen Organisationen der Parteien ausgefüllt wurden. Bezogen auf das politische System als Ganzes wird auch von einer „Präsidentialisierung“ der politischen Kommunikation gesprochen (Kernell 1997).148 Dieser Vorgang hat zwiespältige Effekte und Folgen, auch wenn er unter zeitgenössischen Bedingungen alternativlos sein mag. So sehr die Repräsentanten der Parteien nämlich als Zugpferde und Aufmerksamkeitsgeneratoren operieren und in diesem Sinn positive Effekte für die Parteien entwickeln können, kann Medienprominenz und öffentliche Attraktivität aufgrund ihrer hohen Relevanz im politischen Wettbewerb in der Mediengesellschaft auch als Druckund Disziplinarmittel gegenüber der Parteimitgliedschaft eingesetzt werden. Medienprominenz wird so zur strategischen Ressource in politischen Konflikten: Sie beeinflusst die Kräfteverhältnisse zwischen Mitgliedern und Organisationsführung. Vor allem in Wahlkampfphasen und auch aufgrund der Stellung des Kanzlers im bundesdeutschen Institutionensystem kann das mediale Standing von Mitgliederorganisationen durch einzelne Personen und Ämter aufgrund der Multiplikationseffekte der Medienwahrnehmung überproportional beeinflusst werden. Solche Akteure können partiell unabhängig vom Image ihrer Parteien operieren, auch gegenüber der Mitgliederbasis abweichende politische Positionen repräsentieren und durch ihre hohe Sichtbarkeit den medialen Öffentlichkeitsprozess erheblich bestimmen. Mediengesellschaften bieten neue Gelegenheitsstrukturen für politische Akteure. Das politische Kapital medialer Prominenz und Reputation steht allerdings unter einem hohen Inflationsrisiko, wenn es nicht durch innerorganisatorische Netzwerkkapitalien gestützt wird. Innerhalb unseres Untersuchungszeitraums werden diese Zusammenhänge auch deshalb wichtiger und verstärkt wahrgenommen, weil sich hier - folgt man journalistischen und politikwissenschaftlichen Einschätzungen - Ansätze eines Systemwandels der bundesdeutschen Demokratie beobachten lassen (Vgl. etwa Sarcinelli 2005: 260 f., 277 ff.). Der Regierungsstil des Bundeskanzlers Kohl als eines prototypischen Exponenten der Parteiendemokratie wurzelte nicht zuletzt in einem bis in lokale Gliederungen der Union reichenden Netzwerk der persönlichen Bekanntschaft, in dem Loyalität generiert wurde, die als Ressource in 148 Die Präsidentialisierungsthese lässt sich wie auch die in der Literatur überwiegend skeptisch behandelten Diagnosen zur Amerikanisierung der politischen Kommunikation als Adaption USamerikanischer Vorbilder interpretieren. Im politischen System der USA ist das Amt des direkt gewählten Präsidenten sicherlich noch exponierter als das des bundesdeutschen Kanzlers. In diesem Zusammenhang kommt auch den Parteien in weiten Teilen vor allem die Funktion von Wahlkampfmaschinen für den Präsidentschaftswahlkampf zu.
6.4 Kandidatenorientierungen und Kommentarlinien
185
politischen Entscheidungsprozessen oder Machtkonflikten zu mobilisieren und einzusetzen war (Niclauß 2004: 229-300; Rosumek 2007: 157-183, 162f.). Dieser parteiendemokratische Stil der Machtsicherung und Regierung „per Telefon“ bedeutet nun sicher nicht, dass das „System Kohl“ in Sachen politischer Kommunikation keinerlei aktive Politik betrieben hätte.149 Die Gewichte sind hier allerdings im Vergleich zum stärker mediendemokratischen, auf „Bild, BamS und Glotze“ gestützten „System Schröder“ (Meng 2002) deutlich anders verteilt. Schröder setzte tatsächlich und nicht ohne Erfolg auf hoch personalisierte Legitimation durch Medienkommunikation und nahm dabei auch Spannungen mit Teilen seiner Partei in Kauf. Diese Betonung der professionalisierten Medienperformanz der Kanzlerschaft Schröders muss dabei die gesellschaftspolitischen Impulse am Ausgang der Kohl-Ära und am Beginn der rot-grünen Regierung übrigens keineswegs als substanzlose Konstruktionen von politischem Marketing auffassen und damit ihrer sachlichen Relevanz entkleiden. Es stellt sich allerdings die Frage, wie die Bedeutungs- und Einflussverschiebungen zwischen Parteiorganisation und telegenen, medienwirksamen natürlichen Personen sich auf den politischen Parallelismus und die Stellungnahmen der Medien auswirken. Wird im Wettbewerb der Kandidaten doch nur der Wettbewerb der durch die Parteien repräsentierten Personaldecke und Programmorientierung in verdichteter und vereinfachter, in trivialisierter und „humanisierter“ Form reproduziert? Oder kommt mit Blick auf die Strukturmuster des Medienspektrums durch Personalisierungsprozesse möglicherweise Neues ins Spiel? Verändern Spitzenkandidaten die mediale Repräsentation des politischen Wettbewerbs unter Umständen also strukturell, indem sie Konfliktlinien umstrukturieren und anders artikulieren? In den folgenden Abschnitten wird dazu ein selektiver Vergleich des „Parteienkanzlers“ Kohl mit dem „Medienkanzler“ Schröder vorgenommen. Wie beeinflussen diese prototypischen Akteure die politischen Parallelstrukturen des Pressewesens? Welche Veränderungen ergeben sich mit anderen Worten gegenüber den bereits dargestellten Parteibindungen? Analog zu der Analyse der Parteibindungen der Medien wird zunächst das Standing der Akteure und dann deren Beurteilung bestimmt.
149 Unter den Bedingungen einer erst schwach entwickelten Mediendemokratie bot das „Aussitzen“ von Skandalisierungen seitens links-liberaler Medien allerdings solange eine strategische Option, wie angenommen werden konnte, dass letzteren der Resonanzboden in der Bevölkerung fehlte. Thesenförmig kann an dieser Stelle eingeführt werden, dass die Kohlsche Regierungsweise einen, auch durch die Ergebnisse der Umfrageforschung partiell unterstützten „Gap“ zwischen Bevölkerungsmeinung und (medien-)öffentlicher Meinung ausnutzte.
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6 Medienprofile und politische Parallelstrukturen: Ergebnisse des Zeitungsvergleiches
6.4.2.1 Kanzlerkandidaten und Medienaufmerksamkeit Das Standing der politischen Wettbewerber Kohl und Schröder soll in einem ersten Schritt untersucht werden. Als Standing wird auch an dieser Stelle wieder die Aufmerksamkeit gefasst, die Akteuren zugewiesen wird. (Ferree et al. 2002b: 86 ff.; Gerhards et al. 1998). Mediale Aufmerksamkeit ist auch unabhängig von dem mit ihr verbundenen und durch sie generierten Bewertungen ein wichtiger Faktor im politischen Wettbewerb; sie gibt Hinweise auf Einfluss und Stellenwert eines Akteurs. Denn wo ein politischer Akteur dauerhaft im Blickpunkt der Öffentlichkeit steht, ist er auch da Mitspieler im politischen Wettbewerb, wo es nicht gelingt, größere Sympathien oder Unterstützung zu mobilisieren. Eine „schlechte“ Presse ist immer noch „besser“ als gar keine und damit die schlichte Abwesenheit von der Medienbühne. Im Blick auf Gerhard Schröder, der sich zum Ende des Untersuchungszeitraums als Kanzlerkandidat durchsetzen konnte, findet sich in den konservativen Blättern gegenüber den liberalen Zeitungen ein leichtes Übergewicht des Standings. Von allen Nennungen Schröders vereinen die links-liberalen Zeitungen jeweils zwischen 16 und 18 Prozent auf sich. Die FR liegt bei 16 Prozent, die taz bei 17,8 Prozent. Demgegenüber nennen die konservativen Blätter Schröder etwas häufiger: Die DW verzeichnet 21 Prozent und die FAZ sogar 27,9 Prozent der Schröder-Nennungen. Der im Untersuchungszeitraum amtierende Kanzler Kohl zeigt demgegenüber ein anderes Muster. Hier lassen sich zwar keine gravierenden Ungleichgewichte zwischen den Zeitungen beobachten. Es fällt jedoch auf, dass das Standing des Kanzlers Kohls in den Zeitungen der liberalen Mitte (FR, SZ) stärker ist als in denen des konservativen Spektrums. Die FR verbucht 21,9 Prozent aller Nennungen Kohls, die SZ sogar 22,2 Prozent. Demgegenüber finden sich in der Welt nur 20,3 Prozent aller Kommentare über Kohl und in der FAZ sogar nur 18,3 Prozent. Tabelle 18: Standing Schröder und Standing Kohl (N = Akteure, jeweils nur Schröder nur Kohl)
taz FR SZ FAZ DW Gesamt
Schröder N % 100 17,8 90 16,0 98 17,4 157 27,9 118 21,0 563 100
Kohl N 162 211 214 182 196 965
% 16,8 21,9 22,2 18,9 20,3 100,0
187
6.4 Kandidatenorientierungen und Kommentarlinien
Abbildung 10: Standing Schröder und Standing Kohl (N = Akteure, jeweils nur Schröder und nur Kohl)
250 200 150
Standing Schröder
100
Standing Kohl
50 0 taz
FR
SZ
FAZ
DW
Es bestätigt sich hier sehr deutlich die öffentlichkeitstheoretische Annahme, dass exponiertes Standing und politische Unterstützung, Prominenz und Prestige zwei unterschiedliche Dimensionen darstellen. Denn der konservative Kanzler und Kanzlerkandidat Kohl wird bemerkenswerter Weise in den eher liberalen Zeitungen vergleichsweise stärker beachtet, während der Kandidat der SPD in den konservativen Blättern erheblich mehr Aufmerksamkeit auf sich zieht. Die Variable Standing fügt sich bezüglich der politischen Führungspersonen der großen Volksparteien - bei allerdings nur geringfügigen Unterschieden - zwar durchaus in die politischen Parallelstrukturen ein - aber eben mit gleichsam umgekehrten Vorzeichen und entgegen der Annahme einer Mobilisierung opportuner Zeugen. Die Prominenzierung der Kanzlerkandidaten stellt damit ein empirisch zwar nur schwach diskriminierendes, theoretisch jedoch sehr instruktives Unterscheidungsmerkmal der Kommentarlinien dar. Dass sich der gegenläufige Zusammenhang zwischen Zustimmung und Prominenz empirisch nur schwach abzeichnet, lässt sich auf den insgesamt hohen Nachrichtenwert des amtierenden Kanzlers wie auch von dessen Herausforderer insbesondere in Wahlkampfzeiten zurückführen. Solche exponierten Akteure nur nach gusto und Kommentarlinie in die Kommentarspalten zu rücken, kann sich keine Zeitung erlauben. An den Rändern des politischen Akteursspektrums, also bspw. bei der Kommentierung rechtsradikaler oder linksradikaler Akteure, dürften demgegenüber größere Spielräume und Freiheitsgrade der Kommentierung bestehen. Der Aufmerksamkeitszuweisung an den politischen Gegner kann in solchen Fällen eben gerade nicht eine ausgeprägte Zu-
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6 Medienprofile und politische Parallelstrukturen: Ergebnisse des Zeitungsvergleiches
stimmung, sondern umgekehrt eine besonders eklatante Gefahrenwahrnehmung (Nachrichtenfaktor „Schadenswahrnehmung“) zugrunde liegen.150 Im Zeitverlauf zeigen die Thematisierungen der verglichenen Akteure Kohl und Schröder deutlich die Bedeutung von personalisierten Wahlkämpfen für die öffentliche Wahrnehmung. Während Kohl mit Einbrüchen vor allem in der zweiten Jahreshälfte 1994 und der ersten Jahreshälfte 1995 als amtierender Kanzler auf der Agenda der Kommentatoren durchgehend wichtiger ist als sein späterer Nachfolger im Amt, erreicht Schröder die Aufmerksamkeitswerte Kohls vor allem in der Wahlauseinandersetzung des Jahres 1998. Mit Wahlerfolg und Amtsübernahme steigt dann auch sein Standing erheblich an und lässt dasjenige Kohls deutlich hinter sich (Abbildung 11). Abbildung 11: Standing Kohl und Schröder im Zeitverlauf (N = Akteursnennungen, Kohl und Schröder)
100 80 60 Kohl 40
Schröder
20
Apr 94 Mai 94 Jun 94 Okt 94 Nov 94 Dez 94 Jan 95 Feb 95 Mrz 95 Jul 95 Aug 95 Sep 95 Apr 96 Mai 96 Jun 96 Okt 96 Nov 96 Dez 96 Jan 97 Feb 97 Mrz 97 Jul 97 Aug 97 Sep 97 Apr 98 Mai 98 Jun 98 Sep 98 Okt 98 Nov 98
0
Bemerkenswerte Unterschiede der „attention cycles“ in der Zeitdimension zeigen sich zwischen den Zeitungen dabei nicht (Abbildung 12). 150
In der Feinanalyse von Kommentaren zu den Themen Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit zeigt Neidhardt, dass je nach politischer Richtung des Mediums jeweils solche Themen besondere Aufmerksamkeit erhalten, die im Sinne einer Schadenswahrnehmung eine besonders hohe Diskrepanz zu den Präferenzen der jeweiligen Kommentatoren aufweisen - wo für die einen sich eine „Ausländer-Frage“ stellt, sehen andere einen bedrohlichen Rechtsextremismus am Werk (Neidhardt 2004b). Für den Fall der Kanzlerkandidaten lassen sich an besonders umstrittenen Kandidaten solche Muster ebenfalls finden - man denke etwa an Franz Josef Strauß als Kanzlerkandidat der Unionsparteien und die Reaktionen des Linksliberalismus.
189
6.4 Kandidatenorientierungen und Kommentarlinien
Abbildung 12: Standing Schröder im Zeitverlauf (nach Zeitungen differenziert) (N = Akteursnennungen, nur Schröder)
25 20 taz FR SZ FAZ DW
15 10 5
Apr 94 Mai 94 Jun 94 Okt 94 Nov 94 Jan 95 Feb 95 Mrz 95 Jul 95 Aug 95 Sep 95 Apr 96 Mai 96 Jun 96 Okt 96 Nov 96 Dez 96 Jan 97 Feb 97 Mrz 97 Jul 97 Aug 97 Sep 97 Apr 98 Mai 98 Jun 98 Sep 98 Okt 98 Nov 98
0
Für eine Veränderung der Parallelstrukturen zwischen Parteien und Medien durch Personalisierung des öffentlichen Diskurses und die Kandidatenfrage ergibt die Analyse des Standings der exponiertesten Akteure nur geringe Anzeichen. Konzepte wie die „instrumentelle Aktualisierung“ und die „opportunen Zeugen“ bleiben für die Beschreibung von Kommentarlinien daher von nachgeordneter Bedeutung. Wollte man jedoch eine detailliertere Prüfung vornehmen, könnte nicht zuletzt eine genauere Untersuchung der inversen Thematisierungsstrukturen interessant sein. Während sich diese Konzepte allerdings ohnehin im Kern auf die Nachrichtenberichterstattung beziehen und insofern nicht speziell auf die Analyse expliziter Meinungsproduktion geeicht sind, stellt sich in der Kommentaranalyse die weitergehende Frage nach expliziten Bewertungen und politischen Urteilen. Die Analyse des Standings politischer Akteure ist zwar auch für die Kommentaragenda eine relevante Dimension. Sie erreicht jedoch nicht den spezifischen „Sinn“ des Kommentars, der in der Artikulation von Meinungen und der Formulierungen von Bewertungen und nicht lediglich der Thematisierung von Inhalten, Problemen oder eben auch: Akteuren liegt. Um diesem Umstand abzuhelfen wird nun die für Kommentare und die Ausbildung von Kommentarlinien spezifischere Dimension der Beurteilung und Bewertung bezüglich der genannten Akteure Kohl und Schröder genauer untersucht. Und in dieser Dimension zeigt sich tatsächlich deutlich, dass eine Personalisierung des politischen Wettbewerbs auch
190
6 Medienprofile und politische Parallelstrukturen: Ergebnisse des Zeitungsvergleiches
Tendenzen in Richtung der Auflösung oder Abschwächung politischer Parallelstrukturen generieren kann. Auch in einem politischen System, das nicht schon per definitionem präsidial strukturiert ist und den Kandidaten direkt zur Wahl stellt, verfügen Kandidaten oder Repräsentanten von politischen Richtungen gegenüber parteipolitischer Programmatik offenkundig immer auch über eine gewisse Autonomie, die sich in der medialen Wahrnehmung niederschlagen kann. 6.4.2.2 Die Bewertung der Kanzlerkandidaten Der Vergleich der Beurteilungen der Kanzlerkandidaten in den unterschiedlichen Zeitungen fördert ein bemerkenswertes Muster zu Tage (Abbildung 13). Sehr deutlich erkennbar ist der politische Parallelismus im Falle des Kanzler Kohls. Kohl polarisiert erheblich. Es zeigt sich hier eine gespaltene Zeitungslandschaft, die exakt diejenigen Strukturen reproduziert, die bereits in der Beurteilung der Parteien nachgewiesen werden konnten. Zwischen dem rechten und dem linken Lager finden sich erhebliche Unterschiede, wobei die SZ eine allerdings ins Negative verschobene Mitte markiert. Insgesamt sortieren sich die Zeitungen in der Bewertung Kohls also auf eine bereits bekannte Art und Weise. Die taz und die FR beurteilen ihn stark negativ, wobei die taz noch kritischer ist als die FR. FAZ und Welt beurteilen Kohl eher positiv, wobei die DW noch unterstützender kommentiert als die FAZ. Die SZ steht, wie gesagt, zwischen den Lagern und hält Distanz sowohl gegenüber den Kohlbefürwortern wie auch gegenüber den Kohlkritikern. Die Streuung der Zeitungen entspricht hierbei annähernd perfekt den bereits dargestellten Vielfaltsstrukturen auf der Links-Rechts-Achse. Wenn der Kanzlerkandidat Schröder in den Blick genommen wird, zeigen sich jedoch bemerkenswerte Veränderungen dieser Strukturierung (Abbildung 13). Sieht man einmal von allen Veränderungen und Schwankungen im Zeitverlauf ab, dann fällt zunächst eine extreme Schrumpfung des Spektrums der Bewertungen auf. Im Vergleich zur Kommentierung Kohls liegen alle Zeitungen insgesamt sehr dicht beieinander. Eine deutliche Polarisierung lässt sich aus diesen Ergebnissen nicht ableiten. Die Parallelstrukturen, die sich gegenüber dem CDU-Kandidaten Kohl in geradezu idealtypischer Art abbilden, finden sich hier nur verwaschen und wenig konturiert. Zudem fällt auf, dass sich auch einige Veränderungen in der Sortierung der Zeitungen und der Struktur des Spektrums ergeben. Die erwartbare Umkehrung der positiven und negativen Bewertungen Schröders gegenüber denjenigen Kohls findet sich nämlich nicht. Schröder steht hier also mitnichten einfach für einen moderat linken „Stimulus“ gegenüber dem rechten Kohls. Die prononciert konservative DW zeigt auch gegenüber dem SPD-Kandidaten von allen Zeitungen die positivsten Kommentierungen, die taz die kritischsten und in diesem Sinn negativsten. Eine Umkehrung der Rollen des
191
6.4 Kandidatenorientierungen und Kommentarlinien
kritischen bzw. unterstützenden Kommentars findet hier ungeachtet des veränderten Kandidaten nicht statt. Auch der Rollentausch von FR und FAZ entspricht kaum einem Muster, wie es sich aus politischen Parallelstrukturen ergeben würde. Beide Zeitungen liegen, jeweils ins Negative verschoben, quasi gleichauf. Die SZ wiederum ist deutlich unterstützender als die FR und die taz, die beide unter Voraussetzung eines starken Parallelismus und den von uns nachgewiesenen Parteiorientierungen doch eigentlich prädestinierte Unterstützer der von Schröder angestrebten rot-grünen Koalition sein sollten. Zusammenfassend zeigt sich eine erhebliche Verwischung der Parallelstrukturen der Kommentarlinien in Hinsicht auf den Kanzlerkandidaten Schröder. Die Reaktionen auf Schröder lassen sich in unserem Untersuchungszeitraum also nicht bruchlos auf die Koordinaten der bundesrepublikanischen Parteiendemokratie und das Muster eines ausgeprägten Parallelismus von (Partei-)Politik und Medienlandschaft beziehen. Wie lässt sich dieser Befund interpretieren? Abbildung 13: Beurteilungen von Kohl (CDU) und Schröder (SPD) (N = Akteursnennungen, nur Kohl und Schröder, 1 = positiv, 3 = negativ)
3 2,8 2,6
taz
2,4
FR
2,2
SZ
2
FAZ
1,8
DW
1,6 1,4
Kohl
Schröder
Zunächst ist zu unterstreichen, dass dieser Befund keine einfache Bestätigung der vielfach geäußerten These über einen „Medienkanzler“ Schröder im Sinne eines Medienlieblings darstellt. Schröder steht in der letzten Legislaturperiode Kohls gegenüber dem Amtsinhaber keineswegs als „everybody’s darling“ auf der politischen Bühne. Die Kommentare über ihn sind aufs Ganze negativer und kritischer als die über den amtierenden Kanzler Kohl. In den Daten findet sich
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6 Medienprofile und politische Parallelstrukturen: Ergebnisse des Zeitungsvergleiches
keinerlei Beleg für eine wie auch immer geartete einfache Symbiose zwischen Schröder und den Medien bzw. der Medienelite des Kommentariats.151 Sehr auffällig ist ein „Schröder-Effekt“ jedoch in anderer Hinsicht. Die strategische Reklamation einer neuen Mitte „jenseits von rechts und links“ (Giddens 1997) scheint mit Blick auf die Kommentardaten durchaus gewisse Evidenzen für sich zu haben.152 Schröder profiliert sich im Blick der Pressekommentatoren nicht als Kandidat der Linken gegenüber einem konservativen Amtsinhaber. Er zieht keine klare „Begeisterung“ seitens der eher linken Kommentatoren auf sich. Diese bleiben ihrer strukturellen Rolle als insistente Kritiker nämlich auch gegenüber dem Proponenten einer rot-grünen Koalition treu. Allerdings durchkreuzt Schröder die Kommentarroutinen eines parteiendemokratischen Parallelismus, denn alle meinungsführenden Pressemedien sind sich in seiner Beurteilung insgesamt doch relativ ähnlich. Politisch-ideologische Koordinatensysteme sind in der Beurteilung des Akteurs Schröder in diesem Sinn, wenn nicht außer Kraft gesetzt, so doch erheblich geschwächt. Die Beurteilungen politischer Akteure wurden zwar nicht in Hinsicht auf sachliche und persönliche Bewertungen differenziert. Dennoch kann die These formuliert werden, dass diese politische Neutralisierung etablierter Spaltungslinien und nicht lediglich dessen besondere Beliebtheit den Eindruck der besonderen Performanz Schröders als Medienvirtuose erklärt. Wo die Beurteilung der Person nicht nach den tradierten Kriterien der parteienstaatlichen Konfliktlinienstrukturen vorgenommen werden kann oder wird, da rückt die Person und die persönliche Performanz des Kandidaten jenseits seiner inhaltlichen Position in den politischen Konfliktlinienstrukturen in den Vordergrund. Der Kandidat ist mit anderen Worten in der Lage, ein partiell durch politische Kriterien strukturiertes Meinungsfeld auf andere Kriterien umzustellen und damit auch nichtpolitische, medienspezifische Kriterien in den Vordergrund zu stellen. Um diesen Befund zu kontrollieren und dessen Besonderheit noch deutlicher herauszuarbeiten, eignet sich ein Abgleich mit den Kommentarlinien gegenüber dem Amtsinhaber Kohl und einem weiteren „Zugpferd“ des sozialdemokratischen Bundestagswahlkampfs 1998: Oskar Lafontaine, der im Windschatten der deutschen Vereinigung bereits 1990 als Bewerber um die Kanzlerschaft gegen Kohl angetreten war. In der letzten Legislaturperiode Kohls, zu deren Ende 151 Es liegt auf der Hand, dass unsere Darstellung von einer Dehnung des Untersuchungszeitraums profitieren würde, so dass Schröder nicht nur als Gegenkandidat zu Kohl, sondern auch als amtierender Kanzler in seinen Legislaturperioden verglichen werden könnte. 152 Der Verweis auf einen Buchtitel des britischen Soziologen Anthony Giddens ist an dieser Stelle kein Zufall. Die von der britischen Labour-Party als „New Labour“ ausgearbeiteten politischen Orientierungen sind auch eine Anregung für die deutsche Sozialdemokratie geworden. Im sog. Schröder-Blair-Papier ist dieser Brückenschlag auch öffentlich dokumentiert worden.
193
6.4 Kandidatenorientierungen und Kommentarlinien
Schröder und Lafontaine im Gespann auftraten, zeigt sich eine von Schröders Profil erheblich abweichende Kommentierung Lafontaines (Abbildung 14). Im Vergleich Kohl-Lafontaine findet sich in den Kommentarlinien eine annähernd idealtypische Reproduktion der bereits zu den Parteiaffinitäten nachgewiesenen politischen Parallelstrukturen. Es zeigt sich eine Überkreuzstruktur der redaktionellen Linien. Zwar wird Lafontaine von den eher linken Zeitungen nicht ganz so positiv kommentiert wie Kohl von den eher konservativen Blättern. Auch Lafontaines Profil ist in den linken Blättern leicht ins Kritische und Negative verschoben. Entscheidend ist jedoch, dass sich im Kandidatenvergleich eine symmetrische Umkehrung der Rollenverteilung der Kommentatoren ergibt. Die eher liberalen Medien beurteilen Kohl deutlich negativer als die eher konservativen Medien, die konservativen Medien wiederum kommentieren Lafontaine erkennbar negativer. Die SZ markiert dabei sowohl bezüglich Kohls wie auch bezüglich Lafontaines eine Mittelposition - ihre Kommentarlinie bewegt sich bezüglich der verglichenen Kanzlerkandidaten Schröder, Kohl und Lafontaine jeweils bei einem identischen Wert. Abbildung 14: Beurteilungen von Kohl (CDU) und Lafontaine (SPD) (N = Akteursnennungen, nur Kohl und Lafontaine, 1 = positiv, 3 = negativ)
3 2,8 2,6
taz
2,4
FR
2,2
SZ
2
FAZ
1,8
DW
1,6 1,4 Kohl
Lafontaine
Der Vergleich der unterschiedlichen SPD-Spitzenakteure mit dem im Untersuchungszeitraum amtierenden Kanzler Kohl bestätigt also eindeutig, dass die politischen Parallelstrukturen von Parteien und Medien sich von den Kommentarlinien bezüglich der exponierten Spitzenkandidaten erheblich unterscheiden. Die Personalisierung des politischen Wettbewerbs, die auch als Effekt der Me-
194
6 Medienprofile und politische Parallelstrukturen: Ergebnisse des Zeitungsvergleiches
dialisierung politischer Auseinandersetzungen verstanden werden kann, kann die politische Strukturierung des „Kommentariats“ empfindlich berühren - geeignete Kandidaten vorausgesetzt. Diese Diskrepanzen und Abschwächungen eines politischen Lagerjournalismus stellen einen bemerkenswerten Befund der Kommentaranalyse in diesem Abschnitt dar. Während sich im Blick auf die Beziehungen von Parteien und Medien deutliche Strukturen abzeichneten, die in das Muster eines in Deutschland immer noch erheblichen politischen Parallelismus im Spektrum der meinungsführenden Pressemedien passten und ein System des Außenpluralismus indizierten, steht der Analyse der Spitzenkandidaten der Parteien auf Bundesebene ein anderes Muster gegenüber. Unter der Voraussetzung bestimmter Kontextbedingungen und auch medial geeigneter Kandidaten (der Vergleich mit Lafontaine hat gezeigt, dass die Abschwächung der Parallelstrukturen nicht allgemein gilt), kann eine von den Medien wesentlich geförderte Personalisierung der politischen Auseinandersetzung Flexibilitäten in das Gefüge politischer Affinitäten bringen. Das illustriert den theoretisch und empirisch relevanten Gehalt der von Seymour-Ure eingeführten Unterscheidung zwischen „formellen“ und „informellen“ Parallelstrukturen. Die Mechanismen der Kopplung zwischen Medien und Politik verändern sich der Form nach und dieser Formwandel hat auch wichtige inhaltliche Effekte, die sich inhaltsanalytisch bestimmen lassen. Die Analyse der Personalisierung von Kommentaren und der Kandidatenorientierungen der Medien hat zusammengefasst gezeigt, dass die politisch-inhaltliche Dimension für den Untersuchungsgegenstand Qualitätszeitung weitaus trennschärferer Ergebnisse als die Stilvariable „Personalisierung“ erbringt. Die Befürchtung, dass qua Medienlogik zunehmend weniger sachorientierte politische Inhalte thematisiert werden - etwa im Sinne der Boulevardisierungsthese -, hat sich für das vorliegende Untersuchungsmaterial der Pressekommentare insofern nicht bestätigt. Auch untereinander weisen die Kommentatoren der untersuchten Zeitungen in dieser Dimension nur schwache Unterschiede auf. Es ergibt sich damit ein Bild von Kommentatoren als einer in ihren professionellen Orientierungen und journalistischen Stilen relativ homogenen Sprechergruppe, die sich vor allem über ihre politischen Präferenzen und manche Themenakzente unterscheidet. Angesichts der Homogenität der ausgewählten Tageszeitungen ist dieser Befund auch nicht übermäßig überraschend. Dennoch lohnt sich vor dem Hintergrund der durch den „Schröder-Effekt“ manifest gewordenen markanten Beweglichkeiten im Pressespektrum die genauere Nachfrage, ob lediglich „politische“ Kriterien und Codes zur Profilierung der Medien beitragen oder nicht doch redaktionelle Faktoren und genuin journalistische Eigenschaften eine Rolle spielen. Würde man diese Dimension als „Politischen Stil“ bezeichnen, wäre damit nicht nur eine äußerliche Verpackung politi-
6.5 Macht „politischer Stil” einen Unterschied?
195
scher Inhalte gemeint, sondern bestimmte Verfahrensweisen, Prozeduren und Regeln des Journalismus, die mit politischen Inhalten und politischer Macht in einem direkten Zusammenhang stehen. „Politische Stilfragen sind Machtfragen, und der instrumentelle Gebrauch unterschiedlicher Stile in der Politik ist ein Machtmittel. Ob es sich um einen TalkshowAuftritt oder ein Exklusivinterview, um ein Hintergrundgespräch oder die demonstrative Geste im Rahmen eines Staatsbesuches handelt, stets geht es nicht nur um die Generierung von Aufmerksamkeit, sondern auch um die Durchsetzung einer bestimmten Politik“ (Sarcinelli 2005: 93).
Auch der folgende Untersuchungsschritt zu politischen Stilvariablen richtet sich wieder an der Leitfrage aus, ob sich signifikante und öffentlichkeitstheoretisch instruktive Unterschiede zwischen den Zeitungen finden lassen, die möglicherweise wiederum quer zu parteipolitischen und politisch-ideologischen Verortungen der Medienlandschaft liegen. Es geht dabei sozusagen um den „modus operandi“ der Redaktionen und Kommentatoren. Lassen sich also möglicherweise „unterhalb“ der politischen Richtungspräferenzen charakteristische Unterschiede aufzeigen, die auch für jeweils spezifische Konzepte der Wahrnehmung der medialen Öffentlichkeitsfunktion stehen?
6.5 Macht „politischer Stil” einen Unterschied? Auch an den nachfolgend untersuchten Stilfragen interessiert primär, inwiefern sie Profilierungschancen der Medien eröffnen und was sich aus ihnen über das Verhältnis der Medien zum politischen System erfahren lässt. Dabei ergibt sich auch ein die bisherigen Analysen systematisch ergänzender Gesichtspunkt: so stellt sich die Frage, inwiefern sich im System des demokratischen Korporatismus der Medien-Politik-Beziehungen (Hallin/Mancini) auch Varianzen der „Kopplung“ zwischen Medien und Politik nachweisen lassen, inwiefern sich also nicht nur ganze Mediensysteme im internationalen Maßstab, sondern die einzelnen bundesdeutschen Medien voneinander in Hinblick auf ihre Autonomie gegenüber dem Politikbetrieb unterscheiden. Es sollte nicht von vorneherein ausgeschlossen werden, dass Unterschiede, die sich etwa zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk und Fernsehen abzeichnen, in der einen oder anderen Form auch im Pressebereich wirksam sind. Schließlich sind auch ideologisch relativ klar profilierte Medien denkbar, die dennoch auf klaren Abstand zu solchen Akteuren Wert legen, die ihnen inhaltlich durchaus nahe stehen. Auch fragt sich, ob der Autonomiegrad der Medien sich in Abhängigkeit von der Richtung der politisch-ideologischen
196
6 Medienprofile und politische Parallelstrukturen: Ergebnisse des Zeitungsvergleiches
Orientierungen verändert, ob sich also sagen lässt, dass entweder linksliberale oder liberalkonservative Zeitungen generell jeweils unabhängiger sind. Im ersten Teil werden über die Untersuchung der Anlässe und Aufhänger für Kommentare Annäherungen an einen Problemkreis unternommen, der im Kontext der Expansion von PR und professionellem Management der Mediendarstellung verstärkt in das wissenschaftliche Blickfeld geraten ist. Im Wechselspiel der Expansion professionell betriebener Darstellungspolitik und veränderter Arbeitsbedingungen des Journalismus wird die Ausgestaltung der journalistischen Kontrollfunktion berührt, die sich in einem ins Extrem getriebenen Negativszenario auf das Gate-Keeping und die Selektion des von den „Objekten“ der Berichterstattung vorproduzierten Nachrichtenmaterials beschränken würde. Es liegt auf der Hand, dass solche Tendenzen eine empfindliche Rücknahme der Autonomie der Medien in einem auch nur mäßig anspruchsvollen Sinn bedeuten können (Neidhardt 2003). Anschließend wird an der oft postulierten Affinität der Medien zu einer ausgeprägt kritischen Berichterstattung angesetzt, die sowohl als normativ ausgezeichnete Erfüllung einer ihrer zentralen demokratischen Funktionen wie auch unter dem Vorzeichen von „Negativismus“ wahrgenommen wird. Wo sie zu einem von den jeweiligen Themen und Akteuren unabhängigen und stabilen Merkmal der Kommentierung wird, kann auch die „Kritikalität“ von Zeitungen als ein Element zur Bestimmung der Autonomie der Medien verstanden werden, das auf das Wechselspiel von Differenzierung und Reintegration verweist. Auch wenn eine ausgeprägte Kritikalität der Kommentierung nicht delegitimierend unter das Vorzeichen des Negativismus gestellt wird, kann nämlich gefragt werden, wie Politik und Gesellschaft für eine Reintegration der Handlungslogiken von Medien und Politik sorgen. Es zeichnen sich Reaktionsstrategien der medienexternen Akteure und Institutionen auf die gewachsene Medienautonomie ab, die zu einer Ausdifferenzierung spezifischer Leistungsrollen an den Grenzen der Systemgrenzen führen: Es handelt sich bspw. um PR-Rollen (Baerns 1985; Neidhardt 2003), Politikvermittlungsexperten (Tenscher 2003), Medienberater und insgesamt um eine gewachsene Aufmerksamkeit für Politikinszenierungen und symbolische Politik (Gerhards 1994: 100 ff., 102). Während solche Ansätze zu einer zweckgerichteten Steuerung der Mechanismen und Gesetzmäßigkeiten eines autonomisierten Mediensystems gegen dessen kritizistischen Einschlag sehr verbreitet sind, bleiben Interventionen, die die Strukturen des Mediensystems selbst zum Gegenstand politischer Steuerung und rechtlicher Intervention machen, demgegenüber aus verschiedenen Gründen bisher seltene Ausnahmen.
6.5 Macht „politischer Stil” einen Unterschied?
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6.5.1 Verlautbarungsjournalismus? Pseudoereignisse und PR-Einflüsse Jenseits der im engeren Sinn politischen Profilbildungen und der Abgrenzungen zwischen den Zeitungen sind wiederholt die spezifischen Formatierungsleistungen der Medien eingeführt worden. Damit ist der Umstand angesprochen, dass die mediale Darstellung der politischen Realität eigenen Gesetzmäßigkeiten und Regelsystemen folgt, die mit denen der Politik selbst nicht immer deckungsgleich sind (Mazzoleni 1987). „Medien als politischen Akteuren“ müssen daher konzeptuell von konventionellen politischen Akteuren abgesetzt werden. Die Selektion nach Nachrichtenwerten und die Darstellungszwänge, die der Aktualität geschuldet sind -, auch die Bevorzugung von Kontroverse und Konflikt führen dazu, dass Medien bestimmte Realitätsdimensionen überproportional repräsentieren, andere aus dem Fokus ihres Interesses ausschließen. Dieser Zusammenhang lässt sich auch als Ausdifferenzierung zweier Realitätsebenen des Politischen beschreiben (Grande 2000b; Schelsky 1983). Im politischen System steht neben der oft unspektakulären Verhandlungslogik die auf die Medien gerichtete Darstellungsdimension. Beide Ebenen weisen Interdependenzen und wechselseitige Beeinflussungen auf, die Medienlogik wirkt auch auf die Verhandlungslogik verändernd ein. Die Medieneinflüsse reichen hier von der Personalselektion bis hin zu manchen Gesetzgebungsvorgängen. Dabei richtet sich also das Interesse der Medien nicht nur auf eine möglich sachgemäße und realistische Darstellung politischer Prozesse, sondern auf gute „Stories“ und „Breaking news“ (Fallows). Es lässt sich aber auch noch ein weiterer Grund dafür anführen, dass die Komplexitäten des politischen Routineprozesses nicht immer im Mittelpunkt des medialen Aufmerksamkeitsfokus stehen. Die Ressourcendecke des zeitgenössischen Journalismus setzt vertiefender Recherche enge Grenzen. Die aufmerksamkeitsträchtigen „soft news“ sind günstiger zu erstellen als aufwendig recherchierte, von den Medien selbst produzierte News. Der Großteil der berichteten Nachrichten und der kommentierten Themen geht also keineswegs auf eigenständige Recherchen zurück, sondern wird von Agenturen übernommen. Zum anderen produzieren aber auch die politischen Akteure selbst Nachrichten und Informationen. Presseerklärungen und Pressekonferenzen sind Bestandteile der Informationsbeschaffung des Journalismus und nehmen auch einen großen Stellenwert als Anlässe für Kommentare ein. Solche Anlässe sind aber immer schon für die mediale Nutzung angefertigt und bieten keinen „direkten Zugriff“ auf die politische Realität. Deutlichste Beispiele finden sich in jüngerer Zeit bei den nach allen Regeln der Inszenierungskunst vorbereiteten Parteitagen, in denen politische Konflikte und Kontroversen nur in einer nach ihrer Medienund Darstellungskompatibilität gefilterten Form auftauchen.
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6 Medienprofile und politische Parallelstrukturen: Ergebnisse des Zeitungsvergleiches
Auch empirisch lässt sich fragen, inwieweit die Kommentatoren also an ‚natürlichen’ Ereignissen oder aber an medienkompatiblen Ereignissen wie Pressekonferenzen ansetzen (Gerhards et al. 1998: 90 ff.)? Es sind zur Beantwortung dieser Frage geringfügige Umcodierungen an den zunächst erhobenen Variablenausprägungen vorgenommen worden. Dabei wurden die insgesamt 23 zum Teil nur sehr geringfügig besetzten Anlasskategorien zu fünf Kategorien zusammengefasst (Tabelle 19).153 Tabelle 19: Übersicht über Recodierungen Codierung zur Datenerhebung Gesetzentwurf, Große Anfrage, Kleine Anfrage, Mündl./schriftl. Anfrage, Sach-/Änderungs-/Entschließungsanträge, Beschlüsse über Anträge, Ausschussempfehlung, Regierungserklärung Personalentscheidung, Sachentscheidung, Gerichtsurteil, -verhandlung, Klage, Wahl, Beschlüsse über Gesetzentwürfe Verhandlung, Vermittlung, Beratung, Sitzung, Tagung, Parteitag, Parlamentsdebatte, Besuch, Untersuchung Stellungnahme, Rede, Veröffentlichung Protest nonverbal/Unterstützung nonverbal Sonstiges politisches Ereignis, Sonstiges nicht-politisches Ereignis, Anlass nicht bestimmbar, Kein Anlass
Recodierung Parlamentarische Anfragen, Anträge, Empfehlungen, Erklärungen Beschlüsse, Urteile, Entscheidungen Sitzungen, Tagungen, Versammlungen Öffentliche Stellungnahmen Protest Sonstige, nicht bestimmbar, Kein Anlass
Die Anlässe der politischen Kommentare sind mit Ausnahme der Kategorie „Sonstiges“ in Tabelle 20 nach Zeitungen differenziert dargestellt. Welche Muster und Strukturen lassen sich erkennen? Auffällig ist zunächst, dass keine Zeitung der Kommentierung von internen „parlamentarischen Prozessen“ einen herausragenden Stellenwert einräumt. Diese „backstage“ der verhandlungsdemokratischen Routinepolitik findet mit nur geringen Varianzen nicht den Weg in die Beiträge der Kommentatoren. Die FAZ (1,5%) und die taz (1,5%) liegen hier unterhalb des Aufmerksamkeitsniveaus der DW (2,5%), der FR (2,5%) und der SZ (2,7%). Die Führung der SZ (2,7%) in der Beobachtung der parlamentarischen Prozesse ist deutlich zu schwach ausgeprägt, um ihr eine Sonderrolle zuzumessen. Dieser Befund muss nicht bedeuten, dass sich die backstage-Politik völlig jenseits des medialen Wahrnehmungshorizonts abspielt. Insgesamt lässt sich in dieser Dimension aber die spezifische mediale Formatierung der Politik, die auf Anlässe mit hohem Nachrichtenwert anspringt und für die die wenig spektakulären politischen Verhandlungsprozesse kaum Berichtsanlässe bieten, plastisch ablesen. 153 Jenseits der Textanalyse könnten Untersuchungen über Befragungen und Beobachtungen Entstehungshintergründe von Kommentaren bestimmen, die im Text nicht manifest werden (Quellen etc.).
199
6.5 Macht „politischer Stil” einen Unterschied?
Tabelle 20: Anlassklassen im Zeitungsvergleich (N = Themen ohne sonstige Anlässe)
Anlassklassen Parl. Anträge, Anfragen, Empfehlung, Erklärung Beschlüsse, Urteile, Entscheidungen Sitzungen, Tagungen, Versammlungen Öffentliche Stellungnahmen Protest Gesamt
Zeitung taz N 43 % 1,5 N 1096 % 37,3 N 671 % 22,8 N 1005
FR 89 2,5 1334 38,1 834 23,8 1140
SZ 101 2,7 1224 32,4 1052 27,9 1300
FAZ 68 1,5 1582 35,9 944 21,4 1686
DW 95 2,5 1235 32,9 1063 28,3 1253
Ges. 396 2,2 6471 35,2 4564 24,8 6384
%
34,2
32,6
34,4
38,3
33,4
34,7
N % N %
124 4,2 2939 100
102 2,9 3499 100
100 2,6 3777 100
124 2,8 4404 100
108 2,9 3754 100
558 3,0 18373 100
Für „Beschlüsse, Urteile und Entscheidungen“ findet sich demgegenüber ein Unterschied, der ansatzweise auch die Polarisierung des Pressespektrums in politische ‚Lager’ abbildet. Die links-liberalen Kommentatoren zeigen eine deutlich höhere Aufmerksamkeit für diese Output-Dimension des politischen Prozesses. Der FR (38,1%) und auch der taz (37,3%) folgt in gemessenem Abstand die FAZ (35,9%), die DW (32,9%) sowie die SZ (32,4%). Dieser Befund mag auch durch die Besetzung der Regierungsrolle durch die konservativ-liberalen Parteien zu erklären sein, die insbesondere den links-liberalen Medien eine besonders exponierte Wahrnehmung ihrer Kontrollfunktion nahe legte. Gerade die inklusiven und partizipationsorientierten Zeitungen fokussieren nicht nur auf Verfahren und Prozeduren, sondern auch auf politische Entscheidungen und Ergebnisse. Die Kategorie „Sitzungen, Tagungen, Versammlungen“ beschreibt demgegenüber stärker den Throughput des politischen Prozesses. Hier sind vor allem die DW (28,3%) und die SZ (27,9%) führend, gefolgt von der FR (23,8%), der taz (22,8%) und der FAZ (21,4%). Die Kategorie der „öffentlichen Stellungnahmen“ kommt zumindest insofern einer Ereigniskategorie nahe, die Boorstin zugespitzt als „Pseudo-Events“ bezeichnet hat, als dass es sich um Ereignisse der Politikdarstellung handelt, die ohne Medienbeobachtung nicht oder doch in signifikant niedrigerem Ausmaß zu erwarten wären - sie sind für die Medien und deren Ansprüche und Erwartungen produziert. Es ist bemerkenswert, dass die FAZ (38,3%) hier klar führend ist und in dieser Dimension die meisten Kommentaranlässe findet. Die Anteile der DW (33,4%) und der SZ (34,4%) sind
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6 Medienprofile und politische Parallelstrukturen: Ergebnisse des Zeitungsvergleiches
deutlich niedriger, sie stellen aber auch für diese Zeitungen immer noch die am stärksten vertretenen Anlässe. Die FR (32,6%) und die taz (34,2%) liegen hier, vor allem im Vergleich mit der FAZ, erkennbar zurück und wenden der OutputDimension der Politik mehr Aufmerksamkeit zu, so dass die Schau- und Präsentationsseite des politischen Prozesses weniger Raum beansprucht und im Ranking der Kommentaranlässe nur den zweiten Platz einnimmt. Die verstärkte Aufmerksamkeit, die die taz politischem Protest zukommen lässt, entspricht dem Profil dieses Mediums als Erbe einer alternativen „Gegenöffentlichkeit“ (Eilders und Lüter 2002; Flieger 1992; Stamm 1988; Wimmer 2007), sie ist auch im Zeitungsvergleich relativ erheblich, absolut jedoch auch in der taz als Kommentaranlass nur marginal. Abbildung 15: Anlassklassen im Zeitungsvergleich (N = Kommentare ohne sonstige Anlässe)
50 37,4
39,1
38,7 34,5
32,6
33,2 34,2
35,6
33,8 33,4 27,8
27,6 23,6
22,4
4,2
1,5
21,2
2,7 2,6
2,4
2,6 2,3
2,5 1,4
2,6
0 taz
FR
Parlamentarische Vorgänge Sitzungen, Tagungen, Versammlungen Protest
SZ
FAZ
DW
Beschlüsse und Entscheidungen Öffentliche Stellungnahmen
Alle Zeitungen sind zusammenfassend gegenüber der „backstage“ des politischen Prozesses relativ unsensibel und wenig responsiv. Nur in sehr seltenen Ausnahmefällen werden Binnenereignisse des Parlaments zu Kommentaranlässen. Die demokratietheoretische „Zwei-Reiche-These“, die eine Dopplung des politischen Prozesses in exponierte mediendemokratische und öffentlich weitgehend unsichtbare Prozesse der Verhandlungsdemokratie konstatiert (Grande 2000b; Schelsky 1983), ist an dieser Stelle nicht ohne Plausibilität. Zwar reagieren die Kommentatoren dauernd auf „von außen“ vorgegebene Ereignisse, greifen sie auf, gewichten sie nach ihrer Relevanz, entscheiden über
6.5 Macht „politischer Stil” einen Unterschied?
201
deren „Kommentierfähigkeit“. Und zugleich benötigt das politische System in vielerlei Hinsicht mediale Aufmerksamkeit: Sei es für Reputationsstrategien einzelner Politiker oder zur Gewinnung von Zustimmung des Publikums zu politischen Entscheidungen. Die Kommentaranalyse zeigt dennoch eine erhebliche und strukturelle Intransparenz der Politik für die Medien und wenig Anzeichen für eine Beziehung des Mediendiskurses auf die Binnenprozesse des politischen Raums. In der Kommentierung der Medien sind die Prozesse und Verfahren des Parlaments eine fast zu vernachlässigende Größe. Die Vorgänge der bundesdeutschen Verhandlungsdemokratie bleiben nahezu vollständig außerhalb des journalistischen Fokus. Anders formuliert arbeitet das politische System in seinen inneren Prozessen weitgehend unter Ausschluss der Medienöffentlichkeit. Angefacht wird das Medieninteresse vor allem durch Entscheidungen, Bekanntgaben (Pressekonferenzen u.ä.) sowie Tagungen, Konferenzen usw.. Sieht man von den Entscheidungen ab, die sowohl innerhalb des politischen Systems wie auch außerhalb in Form von Verkündigungen thematisiert werden können, beziehen sich die Medien vor allem auf die „Grenzbereiche“ der Politik. Für diesen Umstand bietet die Theorie der Nachrichtenfaktoren eine plausible Erklärung. Aus der Perspektive der journalistischen Aufmerksamkeitsregeln müssen die internen parlamentarischen Prozesse der Abstimmung und Kompromissbildung solange als irrelevant erscheinen, wie keine dramatischen Zuspitzungen, Involvierungen wichtiger und prominenter Personen, greifbare Schadenswahrnehmungen o.ä. zu verzeichnen sind. Das legt den Schluss nahe, dass die öffentliche Kommentierung die Ebene einer „Legitimation durch Verfahren“ (Luhmann 1983) gar nicht erreicht, sondern in erster Linie „OutputLegitimation“ (Scharpf 1999) erzeugt bzw. verbraucht. Aufgrund der Dominanz einer medienspezifischen Orientierung an der „Schauseite“ der Politik und einer interessierten Abschottung der Verhandlungsbereiche ergibt sich eine Intransparenz der Verfahrensmodalitäten des politischen Prozesses für das Publikum. Insgesamt fällt im Zeitungsvergleich auch die stärkere Fokussierung der links-liberalen Zeitungen auf den politischen Output und die der konservativen Zeitungen und der SZ auf die Politikdarstellung und die genuinen Medienereignisse auf. Die Output-Seite kollektiv verbindlicher Beschlüsse, Entscheidungen und Urteile wird von den links-liberalen Zeitungen (FR, taz) etwas stärker beachtet. Der politische Throughput von Tagungen, Sitzungen und Versammlungen wird vor allem von der DW und der SZ fokussiert. Politikdarstellungen und offizielle Verlautbarungen sind in der FAZ sehr stark vertreten. Auch in der DW und in der SZ bilden sie die umfangreichste Gruppe von Anlässen. Wollte man auf der Grundlage der schwachen Unterschiede der Kommentaranlässe also Proponenten einer medialen Orientierung an symbolischer Politik ausmachen, dann wären diese eindeutig im konservativen Pressespektrum anzusiedeln.
202
6 Medienprofile und politische Parallelstrukturen: Ergebnisse des Zeitungsvergleiches
Mit der Dimension der „Kritikalität“ wird auch im folgenden Abschnitt eine zu „Gesinnungsfragen“ quer liegende Dimension angeschnitten. Vor dem Hintergrund der normativen Grundannahme, dass die Aufgabe der Medienöffentlichkeit nicht nur in der Informationsvermittlung und der Verlautbarung politischer Entscheidungen liegt, sondern ihr institutionelles Eigenrecht in der Kontrolle und Kritik („fourth branch of government“) neben den ersten drei politischen Gewalten begründet ist, wird nach Ausmaß und Unterschieden gefragt, in dem die einzelnen Zeitungen diesem normativen Ideal nachkommen.
6.5.2
Stilfragen: Kritikalität und Meinungsdramatisierung154
Schon die Analysen der medialen Parteibindungen (Kap. 6.3) haben jenseits politisch gerichteter Affinitäten ein durchgehend hohes Maß an journalistischer Kritik der politischen Akteure gezeigt. Diese kritische Grundhaltung wird im Folgenden vor dem Hintergrund der These eines „Dealignments“ der Qualitätspresse (Schmitt-Beck und Schrott 1994) untersucht. Die Frage ist, ob nicht nur die Gegenstände, sondern auch das Ausmaß an Kritik ein Unterscheidungs155 merkmal der Zeitungen darstellt.
6.5.2.1 Themenbehandlung Die Art der Themenbehandlung in Form von Meinungsfreudigkeit oder Entschiedenheit eines Kommentars ist prinzipiell unabhängig von den Inhalten und Richtungen der jeweils artikulierten Präferenzen. Im vorliegenden Rahmen wurden die Kommentare zunächst danach unterschieden, ob sie eher diagnostischanalytisch, d.h. dominant erklärend und erläuternd oder aber stark meinungshaltig auftraten, d.h. stärker evaluativ und unverblümt in ihren positiven wie negativen Wertungen.
154 Die folgenden Abschnitte 6.5.2.1, -2, und -3 stellen überarbeitete Fassungen auch andernorts publizierter Analysen dar (Lüter 2004: 183-186). 155 Dieser Analyseschritt arbeitet mit Variablen und Indikatoren wie Themenbehandlung, Prinzipialisierung, Positionierung und Kritikalität. Sie zielen auf eher formale Merkmale der Wahrnehmung des Sprechermandats der Journalisten. Angesichts der normativen Implikationen, die mit den Effekten einer Medialisierung von öffentlichen Diskursen verbunden sind, soll unterstrichen werden, dass weder eine hohe noch eine niedrige Dramatisierung normativ ausgezeichnet wird (etwa im Sinne einer Präferenz für „deutliche“ oder „wohltemperierte“ Kommentare) und damit kein Maß für die Güte von Meinungen angesprochen ist.
203
6.5 Macht „politischer Stil” einen Unterschied?
Tabelle 21: Themenbehandlung im Zeitungsvergleich (in Prozent) (N = Anzahl der Kommentare)
Themenbehandlung Diagnostisch-analytisch Stark meinungshaltig Gesamt N *)
taz 18,5 81,4 100 1465
FR 19,1 80,8 100 1685
SZ 28,7 71,3 100 1764
FAZ 29,2 70,8 100 2160
DW 24,9 74,9 100 1872
Gesamt* 24,6 75,4 100 8946
Als diagnostisch-analytische Kommentierung sind zusammengefasst worden: Diagnose, Frage, Erklärung, Vergleich, Ursachenattribution, Prognose. Als stark meinungshaltig wurden Problematisierung, Kritik, Unterstützung, Forderung, Warnung aggregiert. Die Spaltenprozente summieren sich zum Teil nicht genau auf 100 Prozent, weil „nicht entscheidbare“ Themenbehandlungen (5 Fälle) nicht gesondert ausgewiesen wurden.
Die Befunde in Tabelle 21 zeigen für alle Zeitungen eine ähnliche Akzentsetzung der Themenbehandlung. Es zeichnet sich ein sehr deutliches Übergewicht der stark meinungshaltigen Kommentare ab, was den Erwartungen an das Genre des Kommentars voll entspricht. In allen Zeitungen zusammengenommen sind gut drei Viertel der Kommentare stark meinungshaltig, nur ein Viertel ist diagnostisch-analytisch. Keine Zeitung kommentiert mehrheitlich diagnostisch-analytisch. Es ist also nicht der Fall, dass einige Zeitungen den Schwerpunkt ihrer Kommentarpolitik in der deutlichen Bewertung, andere Zeitungen Schwerpunkte in der wenig meinungshaltigen Diagnose sehen. Die Zeitungen lassen sich gleichwohl danach sortieren, wie sie Diagnosen und meinungshaltigere Kommentare gewichten. Tabelle 21 zeigt, dass die konservativen Zeitungen sich durch ein relatives Übergewicht der Diagnosen auszeichnen, während die linken Zeitungen durch deutlichere Bewertungen hervortreten. In Hinsicht auf die Bereitschaft zu stärkerer Problematisierung und direkter Evaluation kommt allerdings die DW den linken Blättern noch verhältnismäßig nahe. Die Zeitungen lassen sich hier also klar zwei „Lagern“ zuordnen. Die links-liberalen Zeitungen (FR, taz) wählen eine überdurchschnittlich bewertende Themenbehandlung, während die DW, die FAZ und die SZ deutlicher auf diagnostische Themenbehandlung setzen. Die SZ verhält sich in ihrer Meinungsfreudigkeit ähnlich wie das konservative Lager. Ein zwar nicht extremer, aber doch auffälliger „Rändereffekt“ deutet sich jedoch insofern an, als sich an den jeweiligen Polen des Spektrums innerhalb der beiden Lager (DW und taz) eine größere Deutlichkeit der Stellungnahmen zeigt, in den Mittellagen dagegen weniger „opinionated“ aufgetreten wird.
204
6 Medienprofile und politische Parallelstrukturen: Ergebnisse des Zeitungsvergleiches
Abbildung 16: Themenbehandlung im Zeitungsvergleich (% von Zeitung) (N = Anzahl der Kommentare)
60
DIA GNOSTISCHA NA LYTISCH Diagno se
50
Frage Erklärung
40 Vergleich Ursachenattributio n
30
P ro gno se
20
STA RK M EINUNGSHA LTIG P ro blematisierung
10
Kritik Unterstützung
0 taz
FR
SZ
FAZ
DW
Fo rderung
Löst man die Unterscheidung diagnostisch-analytischer und stark meinungshaltiger Kommentare noch weiter auf und analysiert auf der Ebene differenzierter Einzelkategorien, erscheinen die Unterschiede der Themenbehandlung zwischen den rechten und den linken Zeitungen noch ausgeprägter. Abbildung 16 illustriert sehr anschaulich, dass sich konservative und links-liberale Blätter vor allem in Hinblick auf zwei Punkte unterscheiden: dem Ausmaß von „Kritik“ als der quantitativ bedeutsamsten Ausprägung stark meinungshaltiger Kommentare vor Unterstützung, Forderung und Warnung und dem Ausmaß von „Erklärungen“ als der quantitativ bedeutsamsten Ausprägung diagnostisch-analytischer Kommentare vor Diagnose, Frage, Vergleich, Ursachenattribution und Prognose. Die taz (54,1%) und die FR (51,9%) räumen explizit kritischen Kommentaren mehr als die Hälfte ihrer Kommentare ein. Sowohl die SZ (41,5%) wie auch die FAZ (42,6%) und vor allem die DW (36,1%) halten sich hier erkennbar zurück. Umgekehrt verhalten sich diese Zeitungen bei der stärker neutralen Erklärung und Erläuterung. Hier stechen vor allem die FAZ (20,8%) und die SZ (19,6%) aber auch die DW (16,8%) hervor, während die FR (14,1%) und die taz (11,8%) deutlich abfallen. Es profilieren sich die linken Zeitungen also durch ihre ganz überwiegend kritische Themenbehandlung, während die konservativen Zeitungen einen deutlich höheren Anteil an erklärenden Beiträgen aufweisen.
205
6.5 Macht „politischer Stil” einen Unterschied?
6.5.2.2 Prinzipialisierung Eine Möglichkeit zur Dramatisierung der politischen Meinungen in Kommentaren besteht darin, den behandelten Themen einen Dreh ins Grundsätzliche zu verleihen.156 Bezüge auf einen Grundkonflikt können als Hinweise auf die Hervorhebung der Konfliktstruktur eines Kommentarthemas verstanden werden und tragen damit zur Dramatisierung der politischen Haltungen der Kommentatoren bei. Die Verknüpfung mit einem politischen Grundkonflikt bestimmt die Perspektive auf den Gegenstand und bildet insofern eine Vorstufe der Meinungsbildung. Auch wenn sie die Meinungsbildung strukturiert, determiniert sie aber nicht bereits eine Position. Als „Prinzipialisierung“ soll daher das Ausmaß bezeichnet werden, in dem die Kommentatoren Themen auf politische Grundkonflikte beziehen. Die Parteinahme der Kommentatoren in den angesprochenen Grundkonflikten dagegen - und die damit einhergehende Konstruktion einer guten und einer schlechten Lösung in diesen Konflikten - wird als „Positionierung“ bezeichnet. Manifestieren sich die bisher festgestellten Unterschiede zwischen rechten und linken Zeitungen auch in Bezug auf politische Grundkonflikte und in einer Tendenz zur Meinungsdramatisierung? Tabelle 22: Prinzipialisierung und Positionierung des Hauptthemas (N = Themennennungen)
taz FR SZ FAZ DW Gesamt
Gesamt N 1465 1685 1764 2160 1872 8946
Prinzipialisierung N (1) % (1) 836 57,1 903 53,6 934 52,9 992 45,9 947 50,6 4612 51,6
Positionierung N (2) % (2) 604 72,2 631 69,9 604 64,7 676 68,1 667 70,4 3180 69,0
Es zeigt sich zunächst, dass das Verhältnis zwischen Kommentaren mit und ohne Prinzipialisierung ungefähr ausgewogen ist. 51,6 Prozent aller Kommentare beziehen sich auf grundlegende Streitfragen, 48,4 Prozent verzichten auf diese 156
Der Begriff der „Meinungsdramatisierung“ erschließt eine Dimension, die nicht in Inhalten und rationalen Präferenzen aufgeht. Soziologische Hinweise zu dramatologischen Handlungsmodellen gibt Hitzler (Hitzler 1996, 1991). Dramatisierung als Praxis der Protestmobilisierung untersucht Kliment (Kliment 1998). Zu Medien und Dramatisierung bzw. Theatralisierung auch Reichertz (Reichertz 2007).
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6 Medienprofile und politische Parallelstrukturen: Ergebnisse des Zeitungsvergleiches
prinzipielle Dimension (Tabelle 22). Der Vergleich zwischen den Zeitungen zeigt auch hier, dass sich rechte und linke Zeitungen unterscheiden. So neigen die eher linken Zeitungen stärker dazu, politische Themen in Verbindung mit Grundsatzkonflikten anzusprechen, während die konservativen Zeitungen hier eine weniger prinzipialisierende Haltung erkennen lassen. Die SZ wie die FR und besonders deutlich die taz heben überdurchschnittlich häufig die Konfliktstruktur eines Themas hervor, unterdurchschnittlich kommentieren die DW und besonders die FAZ mit prinzipialisierendem Impetus. Bemerkenswert ist zugleich, dass der Anteil der nicht auf Grundkonflikte bezogenen Kommentare nur in der FAZ größer ist als derjenige der prinzipialisierenden Kommentare. Jenseits der Nähe zwischen DW und FAZ in ihrem stärkeren Akzent zuungunsten von Prinizipienfragen zeigt sich hier ein Spezifikum des FAZ-Profils.
6.5.2.3 Positionierung Die Verbindung von Themen mit politischen Grundkonflikten bedeutet aber nicht immer automatisch, dass die Kommentatoren sich ihrerseits genötigt sehen, in diesen fundamentaleren Konflikten nun auch Stellung zu beziehen. Es ist daher zu prüfen, ob sich auch bezüglich der expliziten Positionierungen in Grundsatzfragen Unterschiede zwischen rechten und linken Zeitungen abzeichnen. Positionierung bedeutet hier, dass die Kommentatoren nun selbst als „Kombattanten“ in Erscheinung treten. Ausschlaggebend ist im vorliegenden Zusammenhang nicht, in welche Richtung sie kommentieren, sondern dass sie überhaupt erkennbar gerichtet kommentieren. Die Rolle als politischer Sprecher, die Stellung beziehen, wird von den Kommentatoren aller Zeitungen in den Fällen, in denen Grundkonflikte angesprochen werden, ganz überwiegend auch angenommen. In 69,0 Prozent der Grundkonflikte wird auch eine Position formuliert. Tabelle 22 zeigt die Verteilung zwischen den Zeitungen. Die Positionierungen streuen sehr ähnlich über alle untersuchten Zeitungen und geben hier „differentialistischen“ Interpretationen wenig Rückhalt. Allenfalls wird deutlich, dass die taz und die DW am meinungsfreudigsten sind und die Positionierungen bei FAZ und noch deutlicher bei der SZ unter dem Durchschnitt aller Blätter liegen. Wie bei der Themenbehandlung zeigen die Ränder des Spektrums eine deutlichere Profilierung. Fasst man die Befunde zu den einzelnen Dimensionen der Meinungsdramatisierung vor dem Hintergrund der These des „Dealignment“ und der Auflösung der Presse-Politik-Parallelstrukturen zusammen, so kommt man zu Einschätzungen, die eher gegen eine Enttraditionalisierung sprechen. Vielmehr scheint die schon in den Parteibewertungen manifest gewordene Links-Rechts-
6.5 Macht „politischer Stil” einen Unterschied?
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Konfliktlinie sich auch in der Meinungsdramatisierung fortzusetzen. Jedenfalls finden sich in Bezug auf die Themenbehandlung und die Grundkonfliktsbezüge klare Unterschiede zwischen den linken und rechten Zeitungen: So kommentieren die links-liberalen Zeitungen taz und FR eindeutig kritischer und mit einem deutlicheren Impetus ins Grundsätzliche als die FAZ und die DW. Die SZ weist das gleiche Kritikniveau auf wie die konservativen Zeitungen, stellt aber ähnlich viele Grundkonfliktsbezüge her wie die links-liberalen Zeitungen. Die Befunde zeigen aber auch, dass in Kommentaren, in denen politische Grundsatzkonflikte angesprochen werden, in allen Zeitungen eine hohe und gleichmäßig verteilte Neigung besteht, eine politische Position zu beziehen. Zum Abschluss der empirischen Analyse stellt sich daher noch Frage, ob die deutlich stärker ausgeprägte Kritikalität des linksliberalen Pressespektrums ein stabiles Strukturmerkmal oder nur einen von den Machtverhältnissen auf bundspolitischer Ebene abhängigen konjunkturellen Effekt darstellt. Damit wird auch überprüft, ob die journalistische Kritikalität gegenüber der Messung von politischen Parallelstrukturen einen neuen Aspekt ins Spiel bringt, insofern es nicht nur um die politischen Richtungspräferenz, sondern um die Frage der journalistischen Autonomie insgesamt geht (Schudson 2005).
6.5.2.4 Kritikalität und „Politik des Lobs“ Die Reichweite der journalistischen Kritik wird abschließend noch einmal auf die politischen Parteien bezogen, um zu prüfen, ob die Befunde zu den Zeitungsunterschieden entlang der Verpflichtung auf das Prinzip kritischer Kommentierung ein den spezifischen bundespolitischen Kräfteverhältnissen während des Untersuchungszeitraums geschuldetes, konjunkturelles Phänomen oder doch ein Strukturprinzip der politischen Öffentlichkeit indizieren. Dabei geht es allerdings weniger um die positiven Affinitäten der Medien, als um die strukturellen Distanzen zu Parteien und zwar auch zu denjenigen, denen die entsprechenden Zeitungen sachlich und ideologisch eigentlich nahe stehen. Die Anteile kritischer Kommentare sind in Abbildung 17 nach Zeitungen und Parteien aufgeschlüsselt. Damit kann präziser bestimmt werden, inwiefern sich die stärkere Kritikalität der links-liberalen Zeitungen lediglich aus deren „Oppositionsrolle“ im Untersuchungszeitraum und auf eine besonders kritische Kommentierung der Regierungsparteien auf Bundesebene zurückgeht oder doch ein Formatmerkmal der Kommentierung auf der links-liberalen Seite des Spektrums darstellt. Erwartungen einer Links-Rechts-Strukturierung des Spektrums bestätigen sich in Hinsicht auf die Regierungsparteien auf Bundesebene deutlich. Diese
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6 Medienprofile und politische Parallelstrukturen: Ergebnisse des Zeitungsvergleiches
werden auf der konservativen Seite des Spektrums erheblich seltener kritisch kommentiert als auf der linken Seite des Spektrums. Umgekehrt werden Grüne und PDS auf der linken Seite des Spektrums etwas weniger oft kritisch kommentiert. Für die SPD liegen die Verhältnisse hier weniger klar: Am geringsten ist der Anteil kritischer Kommentare für die SPD in der DW und der SZ. FAZ und taz liegen hier nahezu gleichauf. Die Prägekraft der Links-Rechts-Strukturierung bestätigt sich nur eingeschränkt, wenn die SPD als eher linke Partei gewertet wird. Über diese im Ganzen erwartungsgemäße Reproduktion der politischen Grundstrukturen des Diskurses hinaus wird auch die Annahme gestützt, dass die ausgeprägte Kritikalität des linksliberalen Pressespektrums nicht nur ein konjunkturbedingter und in Abhängigkeit von den Kräfteverhältnissen im Bundestag stehender Effekt ist. Vielmehr lassen sich am links-liberalen Pol des Spektrums strukturell kritischere, stärker die Unabhängigkeit des Journalismus gegenüber den Institutionalisierungen des Politischen jedweder Couleur betonende Kommentarstile und damit eine Triebkraft journalistischer Unabhängigkeit ausmachen. Kritikalität und die Orientierung an „Zeitkritik“ sind hier Artikulationsformen eines modernen journalistischen Selbstverständnisses.157 Abbildung 17: Journalistische Kritikalität und politische Parteien (N = Anzahl der Nennungen parteipolitischer Akteure: Prozentangaben beziehen sich auf den Anteil kritischer Kommentare pro genannter Partei)
70 60
CDU
50
CSU FDP
40
SPD
30
Grüne
20
PDS
10 0 taz
FR
SZ
FAZ
DW
Die Rücknahme von Kritik gegenüber strukturell nahe stehenden Parteien erreicht am konservativen Pol des Spektrums ein so niedriges Niveau, dass Negativismusthesen völlig gegenstandslos erscheinen müssen. In der DW artikulieren 157 Zu dieser Deutung auch das historisch entwickelte Argument zur Entwicklung der bundesdeutschen Medienöffentlichkeit bei Hodenberg (Hodenberg 2006).
6.5 Macht „politischer Stil” einen Unterschied?
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bspw. bezüglich der CDU nur 26,3 Prozent der Kommentare Kritik und gegenüber der CSU sogar nur 19,7 Prozent. Auch in der FAZ sind gegenüber der CDU nur 31,7 Prozent und gegenüber der CSU nur 29,7 Prozent der Kommentare kritisch. Die FDP wird mit einem Anteil von 33,3 Prozent in der DW und 37, 8 Prozent in der FAZ zwar etwas kritischer kommentiert. Das Ausmaß kritischer Kommentare ist - mit Ausnahme nur der Grünen in der FR - auf der linken Seite des Spektrums jedoch erheblich höher. So ist in der taz der Anteil der Kritik an den Grünen erwartungsgemäß zwar am niedrigsten. Er liegt aber immer noch bei 40,7 Prozent. Die PDS erhält hier 45,8 Prozent und die SPD 48,5 Prozent Kritik. Auch in der FR liegt die Kritik insbesondere gegenüber den Grünen mit einem Anteil von nur 30,2 Prozent Kritik sehr niedrig. Gegenüber der SPD finden sich aber 44 Prozent kritischer Kommentare und gegenüber der PDS 44,7 Prozent. Zusammenfassend führt dieser Befund nicht zu dem Schluss, dass die jeweiligen Pole des Spektrums zwei Welten ausmachen, die jeweils konstitutionell unterschiedliche Selbstverständnisse verkörpern. Dennoch handelt es sich um auffällige Unterschiede, die gegen die Annahme einer einfachen Reproduktion der Parteienkonkurrenz durch die Struktur des Pressespektrums sprechen. Am linken Pol des Spektrums zeigen sich mit einem ausgeprägteren Kritizismus gegenüber nahe stehenden oder „politisch parallelen“ Parteien stärkere Anzeichen für eine Autonomisierung der Stimme des Journalismus gegenüber den Regeln des politischen Wettbewerbes. Dieser Befund wird auch durch einen Blick auf lobende und manifest unterstützende Kommentare in der Tendenz gestützt. Explizites Lob ist aufgrund medienspezifischer Faktoren innerhalb politischer Kommentare eher die Ausnahme. Der Zeitungsvergleich der Kommentierung der Parteien zeigt aber auch an dieser Stelle wieder, dass die gering ausgeprägte Kritikalität auf der konservativen Seite des Feldes nicht gleichbedeutend mit einer Zurückhaltung jedweder wertender Urteile ist. Vor allem in Hinsicht auf die Kommentierung der Unionsparteien und insbesondere der CSU zeigt sich, dass im konservativen Pressespektrum die Kategorie des Lobes und der manifesten Unterstützung, die üblicherweise eine Residualkategorie im einstelligen Prozentbereich darstellt, einen nicht unerheblichen Anteil auf sich vereint. 18,2 Prozent aller CSU-Nennungen der DW und 12,1 Prozent aller CSU-Nennungen der FAZ finden sich in einem klar lobenden und unterstützenden Kontext. Die Zeitungen am links-liberalen Pol und insbesondere die SZ verhalten sich auch hier wieder erheblich zurückhaltender. Der Annahme, dass sich am linksliberalen Pol des Spektrums ganz abseits von der inhaltlichen Ausrichtung Kommentarstile ausgebildet haben, die etwas stärker einem auf Unabhängigkeit und Autonomie verpflichteten Journalismuskonzept folgen, widerspricht dieser Befund demnach nicht.
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6 Medienprofile und politische Parallelstrukturen: Ergebnisse des Zeitungsvergleiches
Abbildung 18: Manifeste Unterstützung politischer Parteien (N = Anzahl der Akteursnennungen)*
20
15 CDU CSU
10
FDP SPD
5
Grüne PDS
0 taz
FR
SZ
FAZ
DW
*Prozentangaben bezogen auf Anteil lobender Kommentare pro Partei
Das politische Spektrum der meinungsführenden deutschen Tageszeitungen lässt sich also einerseits als ein System der Differenzen und der Unterschiede beschreiben. Die Medien und die politischen Kommentatoren profilieren sich gegeneinander und bilden dabei persistente politische Profile aus. Diese Profile weisen gewisse Affinitäten und Homologien zu den Strukturen des Parteiensystems auf; sie sind jedoch anderseits - das hat sich noch einmal deutlich gezeigt - nicht auf diese zu reduzieren. Wo im Kontext marktorientierter und auf Objektivität und Neutralität verpflichteter Mediensysteme solche Parallelstrukturen fortbestehen, verweist das nicht zuletzt auf die spezifische „Trägheit“ moderner Öffentlichkeiten.158 Es ist jedenfalls auffällig, dass sich manche Ergebnisse dieser zeitgenössischen Momentaufnahme des Mediendiskurses in hohem Maß mit Befunden der historischen und zeitgeschichtlichen Forschung berühren. Auch die Konturen eines stärker medialisierten Typus der politischen Repräsentation in der Bundesrepublik erweisen sich als in vielfacher Hinsicht von älteren Traditionen geprägt, die dem Neuen seine spezifische Gestalt verleihen. Die anhaltenden und durch die einzelnen Medienorganisationen reproduzierten Unterschiede und Konfliktlinien lassen sich auch in das der Analyse zu Grunde liegende Arenamodell der politischen Öffentlichkeit konzeptionell integ158
Im Rahmen der Debatte zur Entstehung einer europäischen Öffentlichkeit hat Gerhards den Topos der „Trägheit“ aufgegriffen (Gerhards 2000). Eine derartige soziale Trägheit mag eine Restriktion für das Nachwachsen nationaler Öffentlichkeiten auf transnationale Ebenen darstellen. Sie begründet aus anderer Perspektive zugleich die Stabilität und Persistenz einmal etablierter Mediensysteme auch innerhalb von turbulenten sozialen Umwelten.
6.5 Macht „politischer Stil” einen Unterschied?
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rieren. Gerade der Begriff der „öffentlichen Arena“ rechnet von vorneherein mit einer Mehrzahl von Sprechern und Fraktionen, die in Allianzen oder Konflikten die spezifische Gestalt öffentlicher Diskurse formen und beeinflussen. Es muss daher nicht irritieren, dass Anzeichen für Konsensformierungen nur schwach ausgebildet sind. Der Kommentardiskurs stellt sich in erster Linie als eine tagtägliche Reproduktion eines symbolischen Systems von Unterscheidungen dar, die an immer neuen Ereignissen durchgespielt werden. Wenn die Ausbildung kollektiver Selbstverständnisse nicht als Nullsummenspiel auf Kosten sozialer Vielfalt und Pluralität verstanden wird, ist dieser Befund auch mit einer normativen Perspektive verbindbar, die von politischer Öffentlichkeit und öffentlichen Diskursen die Ausbildung von kollektiven Selbstverständnissen erwartet. Die sich aus der Analyse von Kommentarlinien und der Bedeutungsproduktion qua Unterscheidung ergebenden Befunde stellen auch kein Symptom sozialer Fragmentierung dar, wenn die Repräsentation von Alternativen und die polyphone Strukturierung von Diskursen sich als ein spezifischer Integrationsmodus jenseits autoritärer Stillstellungen von Interessenkonflikten verstehen lässt. Die Differenzierungen der Medien voneinander operieren schließlich auf der Folie eines Grundbestandes von Gemeinsamkeiten. Wo aus tagesaktueller Perspektive bezogen auf Interessenkonflikte und Entscheidungsfragen permanent Dissens kommuniziert wird, kann für die Bundesrepublik als demokratisch-korporatistischem System davon ausgegangen werden, dass die Grundregeln der Konfliktaustragung konsensuell sind. Beispiele dafür finden sich nicht zuletzt auch in den immer wieder geschlossenen Reaktionen des Journalismus auf Einschränkungen seiner Autonomie. Zu der grundsätzlich anmutenden Frage, wie viel Konsens und wie viel Dissens denn überhaupt vonnöten ist, um die genannten Orientierungsfunktionen politischer Öffentlichkeit zu erfüllen, zeichnet sich ein nur auf den ersten Blick paradox erscheinender Zusammenhang ab: Wenn Öffentlichkeit „rationalisierende“ Funktionen in Bezug auf den politischen Prozess übernehmen und als Problemseismograf auch spürbare Wirkungen auf politische Entscheidungsprozesse ausüben soll, dann könnte es als der Erfüllung dieser Aufgaben eher abträglich erscheinen, wenn die Stimme der Medien nur als Konzert sich gegenseitig widersprechender Stimmen hörbar wird. Der Output öffentlicher Kommunikation - so könnte angenommen werden - wird dann kaum Orientierungsleistungen erbringen können. Ein zentrales Ergebnis der vorliegenden Studie ist aber, dass in modernen, pluralistischen Gesellschaften Einheit nicht durch die Auflösung von Unterschieden zu haben ist. Der öffentliche Diskurs erbringt seine Orientierungsleistungen in dieser Perspektive gerade dadurch, dass er die soziale Pluralität zwar interpretativ aufbereitet und rationalisiert, sie aber dennoch nicht annulliert, sondern darstellt und in der Unverborgenheit sichtbar
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6 Medienprofile und politische Parallelstrukturen: Ergebnisse des Zeitungsvergleiches
macht. Es geht dabei um die Entwicklung spezifischer Balancen, die bereits der Pluralismustheoretiker Fraenkel mit den Worten von Pascal formuliert hat: „La multitude qui ne se réduit pas à l’unité c’est confusion; l’unité qui n’est pas multitude est tyrannie“ (Pascal, zit. nach Fraenkel 1973: 221).
Weil die Erzeugung orientierungsfähiger öffentlicher Diskurse ein sozial voraussetzungsreiches Phänomen ist, bleibt es auch ein ordnungspolitisches Gebot ersten Ranges, Medienvielfalt zu sichern und aufrechtzuerhalten.159
159
Wegweisend für eine umfassende Berücksichtigung medienökonomischer Sachverhalte sind die Arbeiten von Edwin C. Baker (Baker 2007, 2002). Ein vieldiskutiertes bundesdeutsches Beispiel für politische Interventionen in das Mediensystem ist die Übernahme von Bürgschaften für die linksliberale FR durch die konservative Landesregierung unter Roland Koch (CDU). Aufgrund eingebrochener Anzeigeneinnahmen und auch verschiedener unternehmerischer Entscheidungen zu Zeiten der pressewirtschaftlichen Hochkonjunktur ist das hier untersuchte Spektrum der Qualitätszeitungen anschließend an unseren Untersuchungszeitraum temporär fast ausnahmslos an den Rand der Existenzbedrohung gerückt. Stellenstreichungen sowie Veränderung und Einschränkungen des redaktionellen Angebots waren die Konsequenzen. Folgt man der an dieser Stelle herausgearbeiteten Annahme einer demokratiepolitischen Relevanz gerade der Polyphonie und Vielfalt des anspruchsvollen, meinungsbildenden politischen Journalismus sowie dem Argument, dass Medien einen politischen Akteur oder sogar eine politische Institution eigener Art darstellen, dann verlieren auch angesichts begründbarer Vorbehalte gegenüber politischer Intervention in einen grundrechtlich geschützten Bereich Überlegung zu einer entsprechenden Medienpolitik die Züge eines illiberalen Schreckgespenstes. Es ist vor diesem Hintergrund bezeichnend und ein Beispiel sowohl für eine gewisse Selbstimplikation von Öffentlichkeitstheorien in ihren Gegenstand wie auch für dynamische und turbulente Entwicklungen des Feldes, dass Habermas als Advokat deliberativer Öffentlichkeiten die Frage nach Strukturen der Medienlandschaft und deren politischer Gestaltung über die Sphären des Fachdiskurses zu Media-Governance (Jarren 2007) hinaus mittlerweile auch als Intellektueller in den öffentlichen Diskurs eingespeist hat. Im Kontext von Diskussionen über einen Eigentümerwechsel der SZ unterstreicht Habermas, dass „die öffentliche Kommunikation für die Meinungsbildung der Bürger eine stimulierende und zugleich orientierende Kraft [entfaltet], während sie das politische System gleichzeitig zu Transparenz und Anpassung nötigt. Ohne die Impulse einer meinungsbildenden Presse, die zuverlässig informiert und kommentiert, kann die Öffentlichkeit diese Energie nicht mehr aufbringen. (…) Es ist kein ‚Systemfehler’, wenn der Staat versucht, das öffentliche Gut der Qualitätspresse im Einzelfall zu schützen. Es ist nur eine pragmatische Frage, wie er das am besten erreicht“ (Habermas 2007b). In international vergleichender Perspektive findet sich ein Spektrum solcher staatlicher Interventionen, das von speziellen, ermäßigten Posttarifen in den USA bis hin zu direkten und dauerhaften Subventionen von Tageszeitungen in Frankreich reicht (Benson und Hallin 2007; Cook 2005). Ein Plädoyer „für eine neue Medienpolitik“ formulieren auch Silverstone (Silverstone 2007: 273-293) sowie Cook (Cook 1998: 164) und Sparrow (Sparrow 1999: 180-204).
7 Schluss
„Die Kommentarlage“ hat zeitdiagnostisch pointierte Deutungen zur Medialisierung des Politischen und der gewachsenen Bedeutung von Medien als politischen Akteuren aufgegriffen und mit Blick auf ihren öffentlichkeitstheoretischen Stellenwert empirisch untersucht. Politische Öffentlichkeit ist als soziale Arena verstanden worden, womit struktur- und akteurstheoretische Perspektiven, also die Analyse von Medien als strukturierendem Kontext (massenmediale Öffentlichkeitsebene) und als spezifischem Akteur (Kommentator), miteinander verbunden werden konnten. Um Phänomene der Medialisierung der Politik auch begrifflich fassen zu können, sind differenzierungstheoretische Überlegungen aufgenommen worden. Ansätze der Medieninhalts- und Medienwirkungsforschung konnten zudem die Erschließung der relevanten Dimensionen von Medienaktivitäten unterstützen. Das nicht zuletzt in der vergleichenden Forschung fruchtbare Konzept des „Politischen Parallelismus“ hat dabei sein noch zuwenig ausgeschöpftes Potenzial zur analytischen Erfassung der Ökologie von Medien und Politik unter Beweis gestellt. Abschließend sollen nun die Ergebnisse der Analysen bewertet und auf ihre theoretischen Implikationen hin interpretiert werden. Der vierstufige Untersuchungsgang lässt sich ausgehend von einer Auffächerung der Frage nach Medien als politischen Akteuren und der Medialisierung des politischen Prozesses bündig rekapitulieren. Zum einen stellte sich die Frage, inwiefern die Kommentatoren tatsächlich politische Orientierungen vertreten und die untersuchten Zeitungen als kollektive Akteure begriffen werden können, die über eine gewisse Kohärenz und Einheitlichkeit in ihren publizistischen Stellungnahmen verfügen. Zum anderen stellte sich die Frage, wie sich eine mögliche politische Akteursrolle der Medien im Verhältnis zu klassischen Akteuren - etwa den Parteien - verhält. In beiden Dimensionen lassen sich auf der Grundlage der empirischen Analysen Antworten formulieren. Die journalistischen Kommentatoren artikulieren tatsächlich auf täglicher Ebene eine in verschiedenen Hinsichten „politisierte“ Deutungsmatrix für das politische Geschehen. Sie aktualisieren das Links-Rechts-Schema im tagespolitischen Diskurs und erzeugen damit eine gleichsam tiefenstrukturelle Ordnung des politischen Diskurses und der öffentlichen Sprechergruppierungen über die wechselnden Themen und Ereignisse hinweg. In einem ersten Schritt konnte
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7 Schluss
damit der hohe Stellenwert nachgewiesen werden, den genuin politische Unterscheidungen für die Profilbildung der Medien im öffentlichen Diskurs besitzen. Wenn die Anpassung der politischen Akteure an die Regeln der Medienberichterstattung ein Kernstück der Medialisierungsthese darstellt, dann kann umgekehrt davon ausgegangen werden, dass auch die journalistischen Akteure sich in ihren Beiträgen zum öffentlichen Diskurs in hohem Maße an politischen Kriterien und Unterscheidungen orientieren. Darüber hinaus konnten in einem zweiten Schritt in Hinsicht auf die Beziehungen der Qualitätspresse zu den politischen Parteien gewisse idealisieende Aspekte in der Rede von der Überparteilichkeit der Medien nachgewiesen werden. Obwohl die großen überregionalen Qualitätszeitungen offenkundig von Parteien unabhängig sind, machen sich deren politische Profile auch in der Dimension der Parteiorientierungen geltend und zwar insbesondere dann, wenn das Presse- und das Parteienspektrum in ein eher konservatives und ein eher linksliberales Lager differenziert werden. Nicht nur sehr grundlegende, tiefenstrukturelle politische Links-Rechts-Codes tragen also zur Strukturierung des Kommentardiskurses bei, sondern auch Parteiaffinitäten. Einschränkend ist allerdings festzuhalten, dass es sich nur um relative Affinitäten handelt, die die Unabhängigkeit der Zeitungen nicht in Frage stellen. Das zeigt sich vor allem in dem Umstand, dass auch diejenigen politischen Parteien, die als einem Medium nahe stehend betrachtet werden können, mit erheblichen Anteilen an kritischer Berichterstattung rechnen müssen. Die Kritik- und Kontrollfunktion einer unabhängigen Presse bleibt also auch im Rahmen eines parteipolitischen Parallelismus im bundesdeutschen Fall im Grundsatz gewahrt. Die Links-Rechts-Strukturierung sowie der parteipolitische Parallelismus der Presse geben auf den ersten Blick wenig Hinweise für eine, wenn auch nur eingeschränkte Geltung der Annahme einer Auflösung oder ausgeprägten Relativierung genuin politischer Ordnungskriterien im Rahmen eines zunehmend medialisierten politischen Prozesses. Zur Erklärung sind hier auch die Besonderheiten der untersuchten Medien zu beachten, die durchgehend zur Qualitätspresse gehören. Es muss sehr deutlich unterstrichen werden, dass die empirische Grundlage der vorliegenden Studie in doppelter Hinsicht ein sehr besonderes Segment der Medienöffentlichkeit darstellt: Zum einen handelt es sich um die überregionale Qualitätspresse, also weder um Boulevard-Zeitungen, noch das Fernsehen, und zum anderen um politische Kommentatoren - also um eine journalistische Elitegruppe und eine sehr besondere Leistungsrolle der politischen Öffentlichkeit. In einem dritten Schritt ließen sich mit Blick auf die Bewertungen der Kanzlerkandidaten der großen Parteien durch die Kommentatoren Auffälligkeiten nachweisen, die den politischen Parallelismus in einem differenzierten Licht
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escheinen lassen. Weil im Zeichen einer Medialisierung der Politikvermittlung exponierte und prominente Parteienvertreter für die Urteilsbildung der Bürger an Bedeutung gewinnen und Personen die medial besonders sichtbaren „Gesichter“ der anonymen Kollektivinstitutionen und politischen Parteien darstellen, besitzt die Kandidatenorientierung neben der Parteiorientierung auch systematische Relevanz. Die Untersuchung der Kandidatenorientierungen hat dabei ein zwiespältiges Ergebnis zutage gebracht. Im Fall des Bundeskanzlers Helmut Kohl und des sozialdemokratischen Politikers Oskar Lafontaine findet sich eine geradezu idealtypische Spaltung der Affinitäten der Pressemedien. Hier bestätigen sich Thesen zum parteipolitischen Parallelismus auch in Hinblick auf Kandidatenorientierungen nahezu idealtypisch. Die These eines ausgeprägten Parallelismus kann jedoch bezüglich der Darstellung des sozialdemokratischen Herausforderers Gerhard Schröder als nicht bestätigt gelten, weil sich die Konfliktlinienstruktur in seinem Fall erheblich verändert ausnimmt. Im untersuchten Zeitraum kann Schröder auch keineswegs schlicht als „Medienliebling“ gelten. Sowohl Kohl wie auch Lafontaine haben jeweils in denjenigen Medien, die sie politisch unterstützt haben, gleich gute oder sogar bessere Bewertungen erzielen können. Systematisch interessant an der Darstellung Gerhard Schröders ist eine erhebliche Abschwächung der Spaltungsund Konfliktlinienstruktur zwischen konservativen und links-liberalen Zeitungen. Bemerkenswert ist, dass der häufig als Medienkanzler titulierte Schröder innerhalb unseres Untersuchungszeitraums noch nicht in erster Linie durch die in absoluten Werten zu messende positive Unterstützung seitens der Kommentatoren auffällig wird, sondern durch eine Umkonfiguration der etablierten Strukturen der Meinungsbildung. Die Strukturierungsroutinen der journalistischen Kommentatoren erzeugen hier im Vergleich zu den anderen untersuchten Kommentatoren sowie auch zu den für den bundesdeutschen Mediendiskurs allgemein kennzeichnenden Diskursstrukturen deutlich abweichende Ergebnisse. Selbst wenn einschränkend in Rechnung gestellt wird, dass bestimmte kommunikative Merkmale im schriftbasierten Diskurs der Tageszeitungen weniger deutlich sichtbar werden als in den elektronischen Massenmedien und dem Fernsehen, lässt sich folgern, dass zumindest eine zentrale Dimension des öffentlichen Erfolges des Kandidaten und späteren Kanzlers einer rot-grünen Koalition nicht die ungebrochene Unterstützung von Seiten eines vermeintlich berufsbedingt mit linksliberalen Affinitäten und Präferenzen ausgestatteten Journalismus darstellt. Es kommt hier nicht nur eine einfache Anpassung an die „Medienlogik“ der öffentlichen Diskurse zum Tragen, sondern vielmehr eine Positionierung in der Mitte des politischen Spektrums. Sie generiert zwar Einbußen im links-liberalen Spektrum, verringert jedoch zugleich das Ausmaß an negativen Einschätzungen des konservativen Journalismus erheblich.
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Auch wenn der sozialdemokratische Diskurs zur „Neuen Mitte“ häufig kritisch befragt wurde - für die diskursive Positionierung Schröders in der Mitte des politischen Pressespektrums hat er Realität gewonnen. Eine derartige programmatische Orientierung muss aber von einer mediencharismatischen Inszenierungspolitik deutlich unterschieden werden: Sie stellt eine zunächst ebenso erfolgreiche wie mittelfristig folgenreiche „Umpositionierung“ innerhalb des politischen Spektrums dar und nicht dessen Auflösung zugunsten inhaltlich indifferenter Politikdarstellung. Unter dem einschränkenden Vorbehalt, dass zur weiteren Prüfung eine Ausdehnung des Untersuchungszeitraums geboten ist, kann vor diesem Hintergrund auch gefragt werden, inwieweit weniger bestimmte kommunikationspolitisch stilbildende Dimensionen als vielmehr die Öffnung des linken Randes des politischen Spektrums für konkurrierende Akteure als zentraler Effekt dieser Positionierung anzunehmen ist. Für diese Annahme und damit auch gegen eine zu weitgehende Relativierung des Stellenwerts klassischer politischer Codes zugunsten rein inszenatorischer Kommunikationspolitik in der Mediendemokratie spricht jedenfalls die Langzeitwirkung der Etablierung der „Linkspartei“ als fester Größe im bundespolitischen Parteienspektrum. Deren manifeste Medienperformanz war zwar im Untersuchungszeitraum sehr schlecht (Eilders 2000a); sie konnte aber die Neupositionierung der Sozialdemokratie als politisch-diskursive Gelegenheit zur eigenen Etablierung nutzen (Nachtwey und Spier 2007). In einem vierten Untersuchungsschritt zeigte sich auch in Hinsicht auf Dimensionen des „politischen Stils“, also auf Aspekte der Dramatisierung, der Prinzipialisierung, der Positionierung und der Kritikalität, dass die politische Strukturierungsleistung der Journalisten keine Auflösung der Rollendifferenz von Presse und Politik beinhaltet. Alle Zuordnungen und Parallelstrukturen sind durch den Umstand gebrochen, dass alle Zeitungen eine kritische Distanz und eine ausgeprägte Reserve gegenüber „Jubelberichterstattung“ miteinander teilen. Dieser „kritizistische Zug“ ist im linksliberalen Spektrum ausgeprägter als in der konservativen Tagespublizistik und lässt sich in Verbindung mit den aufgewiesenen Parallelstrukturen als Indikator für die in der Bundesrepublik gewonnene Autonomie des Journalismus verstehen. So sehr systematische Überlegungen für eine konstitutiv unabhängigere und stark auf kulturelle Eigenwerte orientierte journalistische Orientierung im eher linksliberalen Spektrum sprechen, lässt sich diese Annahme auf der Grundlage der untersuchten Daten nicht abschließend beurteilen. Zur Kontrolle wäre eine diskursive Konstellation zu untersuchen, in der die linksliberale Presse nicht einer konservativen, sondern einer linksliberalen Bundesregierung gegenübersteht. Für den tatsächlich untersuchten Zeitraum kann festgehalten werden, dass die ausgeprägtere Autonomie jenseits professionsethischer Weihen auch auf den schlichten Mangel an Gele-
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genheiten und eine nicht unbedingt gewollte Macht- und Entscheidungsferne verweisen kann. Die Befunde der empirischen Analyse lassen sich insgesamt und in generalisierender Perspektive als Indikatoren für die erhebliche Strukturierungskraft politischer Kriterien im journalistischen Kommentardiskurs wie auch für die Strukturierungsleistung der Kommentatoren selbst interpretieren. Für den Diskurs der Qualitätspresse gilt in diesem Sinn eine klare Relationierung zum politischen Diskurs. Die Journalisten der Qualitätspresse lassen sich als Diskurswächter verstehen, die für die Aufrechterhaltung von Deutungs- und Beurteilungskriterien Sorge tragen. Ihre Deutungs-, Interpretations- und Bewertungsleistungen führen jedenfalls zu einem öffentlichen Diskurs, in dem die Repräsentation der Vielfalt politischer Richtungen, die öffentliche „Polyphonie“ aufs Ganze betrachtet in einem hohen Maße gewährleistet ist. Dass sie jedoch auch ihre Unabhängigkeit vom politischen Diskurs über die Politik wahren, zeigt sich in Dimensionen, die quer zu den richtungspolitisch zurechenbaren Bewertungen und Kommentaren angesiedelt sind. Die Leistungsrolle der öffentlichen Kommentatoren gewinnt damit präzisere Konturen. Einerseits können sie als politische Akteure eigener Art begriffen werden, die wesentlich zur Profilierung der redaktionellen Linien der meinungsbildenden Tageszeitungen beitragen. Ihre Rolle mag in dieser Funktion nicht aufgehen und die Zukunft der politischen Konfliktlinienstrukturen in der Bundesrepublik mag ungeschrieben sein: Im untersuchten Zeitraum lässt sich aber der englischsprachige aktivistische Terminus „Shaping Public Discourse“ mit gutem Grund und belastbaren empirischen Belegen gerade auch auf diese Sprechergruppe beziehen. Journalistische Kommentatoren formen den öffentlichen Diskurs, indem sie politische Deutungsmuster und Wahrnehmungskriterien artikulieren und auf die tagesaktuellen Geschehnisse beziehen, und sie fungieren damit gewollt oder ungewollt auch als politische Akteure. Jenseits der richtungspolitischen Zurechenbarkeit repräsentieren die Kommentatoren aber zugleich das spezifische Genre des einordnenden und bewertenden Journalismus. Aus dieser Perspektive erschließt sich die Relevanz der Leistungsrolle nicht allein aus der inhaltsanalytischen Rekonstruktion der Diskursstrukturen. Grade vor dem Hintergrund einer Expansion des Angebots von Medien und Nachrichten mehr oder weniger ausgezeichneter Qualität zeichnet sich vielmehr ab, dass Kommentatoren von Qualitätszeitungen auch eine Art Metapräferenz der politischen Öffentlichkeit einlösen und sichern, die von ihrer politischen Akteursrolle „erster Ordnung“ noch zu unterscheiden ist. Die Qualitätszeitungen bilden nach Richard Münch
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„das wichtigste Bollwerk gegen die inflationären, deflationären und rezessiven Tendenzen der unkontrollierten Kommunikationsflut. Eine analysierende, Zusammenhänge aufzeigende, erklärende und reflektierende Berichterstattung und Kommentierung wirkt auf den Kommunikationskreislauf wie die Kontrolle der Geldmenge durch die Zinspolitik der Notenbanken auf den Wirtschaftskreislauf“ (Münch 1995: 136).
Jenseits ihrer jeweiligen politischen Präferenz tragen Kommentatoren mit dazu bei, dass politische Urteilskriterien, auch politische „Urteilskraft“, deren Bedeutung nicht zuletzt Hannah Arendt (Arendt 1985) anschließend an Kants „Kritik der Urteilskraft“ unterstrichen hat, überhaupt im Kurs bleiben.160 „Shaping Public Discourse“ bedeutet so nicht ausschließlich die Formung und Beeinflussung öffentlicher Diskurse im Interesse der jeweiligen Zeitungen oder ihrer constituencies, sondern auch eine Strukturierung und Konturierung, die das diskursive Gewimmel expansiver und turbulenter Medienumwelten überhaupt erst zu sinnhaft erschließbaren öffentlichen Meinungen und Stimmen organisiert, ohne dessen Perspektivenvielfalt monokulturell zu beschneiden. Auf den Kommentator lassen sich auch Überlegungen beziehen, die Stichweh zur intermediären Rolle des „Kritikers“ entwickelt hat, der „eine intermediäre Rolle ein[nimmt], weil er einerseits Partner (oder Gegner) des Leistungsrollenträgers ist, dem er eine geschärfte Beobachtungsfähigkeit bieten kann, die dieser - auf Handlungen verpflichtet - nicht gleichzeitig mitzuentwickeln imstande ist, für den er im übrigen das abstrakt gewordene Publikum vertritt; andererseits gibt es eine Dienstleistungsfunktion des Kritikers für das Publikum, dem der Kritiker die Hervorbringungen des Leistungsrollenträgers erläutert und das im günstigen Fall auf Urteilsbildung hinführt“ (Stichweh 1988/2005: 39).
Wie stellen sich also die Eingangsfragen nach einem Durchgang durch theoretische Bestände und umfassende inhaltsanalytischen Daten dar? Lassen sich abschließende Antworten geben? Die Leitfrage nach Medien als politischen Akteuren lässt sich für den bundesdeutschen Fall und die untersuchten Qualitätsmedien überwiegend positiv beantworten. Die im Vergleich über das gesamte politische Spektrum untersuchten Medien verfügen über zureichend klare publizistische Profile, weshalb von ihnen bis zu einem gewissen Grad als einheitlichen Akteuren gesprochen werden kann. Mit Blick auf die theoretische Orientierung an der Frage der Autonomie der Medienöffentlichkeit lässt sich festhalten, dass politische Codes und Kriterien einen erheblichen Beitrag leisten, um diese Unterscheidbarkeit der 160 Eine ausgebaute Soziologie der Rechtfertigung und der Urteilskraft sowie der verschiedenen, sie steuernden Prinzipien, die auch öffentlichkeitstheoretisch interessant ist, haben Boltanski und Thévenot vorgelegt (Boltanski und Thévenot 2006, 2007).
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Medien zu garantieren und zu reproduzieren. Insofern muss von ausgeprägten Parallelstrukturen von Medien und Politik ausgegangen werden. Die Zeiten eines formellen Parallelismus im Sinne einer Direktsteuerung von Parteimedien durch politische Akteure sind vermutlich unwiderruflich vorbei. Auf informeller und indirekter Ebene reproduzieren sich dennoch sehr klare Differenzen, die sich im bundesdeutschen Fall zu einem außenpluralistischen System mit immer noch erheblicher Bedeutung der politischen Parteien zusammenfügen. Die Analyse gewinnt an dieser Stelle Erkenntnismöglichkeiten, wenn sie das Mediensystem nicht nur als funktional spezifiziertes Subsystem fasst, das sich der Allokation von Themen und der Strukturierung von Aufmerksamkeiten widmet: Medien sind über spezifische Akteurskategorien mehr oder minder direkt mit dem politischen Diskurs bzw. dem politischen System gekoppelt. An dieser Stelle liegen verschiedene, auch theoretisch relevante Fragestellungen nach einer befriedigenden begrifflichen Formulierung der doppelgesichtigen Position der Medien im Blick auf die Politik, die weiter verfolgt werden sollten. In öffentlichkeitstheoretischer Perspektive haben die Ergebnisse zugleich eine doppelseitige Abgrenzung zur Folge, deren positiver Kern sich im Begriff der polyphonen Strukturierung medienöffentlicher Diskurse durch journalistische Akteure verdichten lässt. Es wurde argumentiert, dass ein erheblicher Beitrag der journalistischen Kommentatoren darin besteht, einen unendlichen Strom von Nachrichten, Ereignissen und Themen immer wieder in Hinsicht auf tiefliegende politische Deutungsstrukturen zu systematisieren und zu ordnen. Die Journalisten fungieren daher tatsächlich als Sinngeber, indem sie zur Reproduktion bedeutungsvoller Unterschiede beitragen.161 Wo parteipolitische Akteure in pragmatischen Kontexten an einer Zurücknahme solcher bedeutungsvollen Unterschiede arbeiten, die letztlich immer auf politische Handlungsalternativen und damit auf ein Grundmerkmal des Politischen selbst verweisen, können solche Differenzmarkierungen wichtiger werden. Polyphone Strukturierung ist dabei als ein spezifischer Handlungs- und Praxismodus zu begreifen, der Deutungstraditionen und Konfliktstrukturen aufnimmt, deren Kontinuierung alles andere als selbstverständlich ist. Dies ist festzuhalten: Journalistische Kommentatoren artikulieren bedeutungsvolle Unterscheidungen nicht nur, sie bringen sie tatsächlich zu guten Teilen erst in die die Welt - auch deshalb sind sie für den öffentlichen Diskurs von erheblicher Bedeutung. 161
Es ist zugleich verschiedentlich angemerkt worden, dass diese Leistung der Konflikt- und Dissensstrukturierung und der Reproduktion von Konfliktlinien keinen Gegensatz zu Prozessen des Präferenzwandels und der Verlagerung von Konfliktlinien in Richtung von Kompromissen oder Einverständnissen zwischen verschiedenen Sprechergruppen und -fraktionen darstellt. Das hier entwickelte Argument zielt vielmehr auf die vorgelagerte Ebene der Arrondierung des diskursiven Terrains.
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Die doppelseitige Abgrenzung der theoretischen Schlussfolgerung kann somit konkretisiert und auf Leistungserwartungen an öffentliche Diskurse und politische Öffentlichkeit bezogen werden. Hier lassen sich typisierend auf der einen Seite solche Ansätze finden, die zumindest im Sinne einer normativen Anforderung an einer säkularen Form eines allgemeinen Willens und einer realisierten Einheit der öffentlichen Diskurse festhalten.162 Auf der anderen Seite lassen sich vor allem im systemtheoretischen Kontext Annahmen auffinden, die die geringen Synthesierungsleistungen öffentlicher Diskurse unterstreichen, diesen daher auch vor allem Irritationseffekte und weniger gerichtete Wirkung zumessen würden - darin aber wiederum auch normativ betrachtet keine Probleme sehen. Die Ergebnisse unserer Analyse siedeln sich zwischen einer radikalisierten Konsens- und Einheitserwartung einerseits und einer radikalisierten Differenzerwartung andererseits an. Die dauerhaften und institutionalisierten Unterschiede führen zu einer persistenten Konfliktlinienstruktur, von der nicht abzusehen ist, dass sie sich - abgesehen von Sonderfällen - zu konsonanten öffentlichen Meinungen auflösen würde. Konsonanz - so der theoretische Schluss - hat ihren primären sozialen Referenzpunkt nicht auf der gesellschaftlichen Makroebene, sondern auf der Meso-Ebene von Organisationen und kollektiven Akteuren. Die Alternative wäre daher auch falsch gestellt, wenn sich als Gegenpol zu einer starken Konsensorientierung allein ein regelloser Impressionismus der Deutungen, eine sozial ungerichtete Kakophonie vorstellen lassen würde. Die Strukturierungsleistungen der journalistischen Akteure wirken einem derartigen Befund entgegen. Die journalistischen Akteure formulieren allerdings Strukturen und Deutungsmuster nur bedingt „für alle“, sondern vielmehr für spezifische Gruppen und Teilpublika in einer komplexen und sozial differenzierten Gesellschaft. Sie erarbeiten einen intern pluralisierten Konsens und Kollektivwillen. Bezieht man diese Kernthesen nun auf die Typologie von Funktionen politischer Öffentlichkeit, dann zeigt sich, dass die Frage nach der Orientierungsleistung der Öffentlichkeit in Hinsicht auf das von uns untersuchte Segment der Qualitätszeitungen keineswegs abschlägig beantwortet werden muss. Die poly162
In Noelle-Neumanns Konsonanzkonzept und der sozialpsychologischen Theorie der Schweigespirale wird einer derartige Vereinheitlichung allerdings nicht auf die Rationalität ihrer Genese hin befragt und vor allem als sozialer Kontrollmechanismus verstanden. Mögliche rousseauianische Anklänge in Habermas Konsensmodell sind mittlerweile so weitgehend pluralisiert, dass von konkurrierenden öffentlichen Meinungen in der Mehrzahl gesprochen werden kann. Habermas betont in begrifflicher Nähe zum hier eingeführten Begriff der polyphonen Strukturierung „einen funktionalen Grund dafür, dass wir die polyphone Komplexität der öffentlichen Stimmenvielfalt nicht vorschnell reduzieren sollten. Der demokratische Staat sollte weder Individuen noch Gemeinschaften davon abhalten, sich spontan zu äußern, weil er nicht wissen kann, ob sich die Gesellschaft andernfalls von Ressourcen der Sinn- und Identitätsstiftung abschneidet“ (Habermas 2007a: 1444).
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phone Strukturierung darf nicht als eine Art homogener Volkswillen betrachtet werden, der gleichsam von den politischen Akteuren nur noch umzusetzen wäre. Sie folgt auch nicht nur einem gewissermaßen pneumatischen Modell von Druck und Stoß, wobei sich der Druck mit der Zahl von sich auf spezifische Themen und Meinungen konzentrierenden Sprecher erhöhen würde. Die polyphone Strukturierung durch den Journalismus orientiert auf andere Art und Weise: Indem sie politische Alternativen herausarbeitet und die Tagesaktualität interpretatorisch und bedeutungshaft auflädt, gibt sie dem Publikum gewissermaßen eine „diskursive Landkarte“ an die Hand. Sie operiert hierbei aber nicht im Sinne eines stellvertretenden täglichen Plebiszits. Ihrer Orientierungsleistungen können und sollen politische Entscheidungsprozesse nur sehr bedingt präjudizieren, sie sehr wohl aber vorstrukturieren und über deren sozial und diskursiv relevanten Voraussetzungen informieren. Diese Form der Orientierung bleibt konstitutiv mit Formen des Wettbewerbs und der Agonalität, der Konkurrenz von Deutungen und Meinungen verbunden. Die Polyphonie des Kommentardiskurses ist also nur bedingt mit einer Art vielstimmigen Chor zu vergleichen, der ein gemeinsames Lied aufführt. Die Profilierung der Stimmen vollzieht sich vielmehr im Rahmen einer Konstellation wechselseitiger Beobachtung und scharfen Wettbewerbs. Es handelt sich also nicht um eine harmonistische Polyphonie, sondern um einen polyphonen „Sängerwettstreit“, innerhalb dessen durchaus auch Suprematie und Deutungshoheit für die von einer Zeitung jeweils vertretene Linie gesucht wird. Begrifflich hat sich zugleich die Frage gestellt, in welchem Sinn die Medien und gewisse Veränderungen der Strukturen politischer Kommunikation zu einer Medialisierung der Demokratie oder gar zu einem Strukturwandel der politischen Repräsentation von der „Parteiendemokratie“ in Richtung der „Mediendemokratie“ beitragen. Eines der Elemente einer Diagnose der Medialisierung besteht in dem Argument, dass spezifische Selektionsmuster und Darstellungsformen, Regelsysteme und Erwartungslagen der Medien sich auf den Bereich der Politik ausdehnen, ihn gar „kolonialisieren“ und in diesem Sinn zu einer Strukturveränderung politischer Willensbildung führen. In diesem Argument ist impliziert, dass sich Medien tatsächlich aus politischen Kontexten weitgehend ausdifferenziert hätten und sich unabhängig von diesen begreifen ließen. Unsere Analyse hat daher gefragt, ob und inwiefern die Bedeutungs- und Vielfaltsstrukturen im Mediendiskurs entlang genuin politischer Kriterien (dem Links-RechtsSchema, der Orientierung an Parteien und Kandidaten) strukturiert sind. Es konnte gezeigt werden, dass dies in den von uns untersuchten Qualitätsmedien in einem beträchtlichen Ausmaß der Fall ist. Medienöffentlichkeit im Kommentar der Qualitätspresse ist in diesem Sinn durchgehend politische Medienöffentlichkeit - sie ist nicht nur durch die „Eigenwerte“ der Medien, sondern durch politische Kontextstrukturen und durch die Operation mit politischen Co-
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des bestimmt und charakterisiert. Mit dieser Konturierung der Rolle der Medien als politischen Akteuren lässt sich der noch gar nicht zureichend erforschte Stellenwert der Medien als politischen Foren und Faktoren genauer fassen. Der Begriff der Medialisierung des Politischen kann daher für den bundesdeutschen Fall und das von uns untersuchte Journalismussegment erheblich präzisiert werden. Nicht die Kolonialisierung der Politik im Sinne des Überhangs von Showpolitik und Inszenierung ist hier an erster Stelle hervorzuheben, sondern die Position der Medien im Prozess der Interessenvermittlung selbst - also die „Politisierung“ der Medien durch die partielle Übernahme von Funktionen, die klassisch eher bei den politischen Kollektivakteuren angesiedelt waren. Mit der Auszehrung solcher Kollektivorganisationen nimmt die mediale Realitätsund Vermittlungsebene enorm an Bedeutung zu und mit ihr die Strukturierungsleistung der journalistischen Akteure. Zugleich bleiben aber auch die Medien in ihren inhaltlichen Beiträgen zum öffentlichen Diskurs in hohem Ausmaß an politische Kriterien und Bewertungsmuster gebunden. Mit Blick auf die aus international vergleichender Perspektive gewonnenen Konturen des bundesdeutschen Modells der Beziehungen von Medien und Politik lässt sich dieser Befund durch die anhaltend starke Rolle parteipolitischer Faktoren in der Bundesrepublik plausibel erklären. Gerade der gegebene Grad des „politischen Parallelismus“ garantiert aber auch, dass die Beiträge des Meinungsjournalismus nicht quer zu den Fragen und Problemen des politischen Systems liegen und einfach eine spezifisch mediale Realitätsdeutung etablieren – Brücken und Affinitäten zwischen Politik und Qualitätsjournalismus sind gegeben und begründen wiederum die Schlüsselrolle dieser Form des anspruchsvollen, interpretierenden Journalismus im demokratischen Prozess. Auch angesichts der demokratiepolitischen Relevanz der meinungsbildenden Kommentatoren sollte aber bezüglich der Frage der Medialisierung des politischen Prozesses weitergehend berücksichtigt werden, dass diese Strukturierungsleistung zwar unter der funktionalen Perspektive der Problemverarbeitung und Problemlösung thematisiert und mit guten Gründen auch normativ gewürdigt werden kann. Zugleich beinhaltet sie jedoch macht- und einflusspolitische Dimensionen. Hier lassen sich die Annahmen zur Strukturierungsleistung der Massenmedien nicht nur auf thematischer, sondern auch auf politischer Ebene als Hinweise auf eigentümliche Einflusspotenziale interpretieren, die in der Forschung und der theoretischen Diskussion in anderen Kontexten durchaus gesehen wurden. Die Leistung der Strukturierung und der Ordnungsbildung operiert vor kontingenten Hintergründen. Die jeweilige Strukturierungsleistung sortiert und limitiert diese Kontingenzen und entfaltet genau deshalb gewisse Einflusseffekte. Mit Schattschneider lässt sich diese Dimension als „definition of the alternati-
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ves“ bezeichnen, in der Schattschneider „the supreme instrument of power“ (Schattschneider 1960: 68) lokalisierte.163 Einflusspotenziale der deutenden Massenmedien ergeben sich hier nicht lediglich im Sinne eines kausalen Einflusses einmal gegebener oder produzierter öffentlicher Meinungen, wie ihn die Medienwirkungsforschung untersucht, sondern in Form einer vorgelagerten, weniger sichtbaren Realitätsdefinition, in der sich im Zuge eines interdependenten Prozesses verschiedener Medien entscheidet, welche Themen und Issues verbunden mit welchen Deutungsrahmen überhaupt den Rang eines würdigen und zugleich weiterhin umstrittenen politischen Gegenstandes erhalten. Selektions- und Deutungsentscheidungen der Massenmedien und der Journalisten sind in diesem Sinn Elemente eines kognitiv-symbolischen Prozesses, in dem Grenzen des politischen Diskurses festgelegt und bestimmt sowie politische Konflikte reguliert werden. Neuere Konzepte sozialer Macht, wie sie etwa von Lukes vorgelegt wurden (Lukes 1984), rücken genau derartige schwer sichtbare, weil selten direkt wirkende Machtformen in den Vordergrund. Eingebettet in und auch selbst kontrolliert durch soziale und politische Kontextstrukturen nehmen die Medien als sozialer Teilbereich und als Organisation wesentlich Einfluss auf diese Strukturierung und Definition von politischen Alternativen. Sie legen mit anderen Worten auch die als legitim und relevant betrachteten politischen Alternativen fest und grenzen damit bei allem hohen internen Pluralismus des bundesdeutschen Mediensystems immer auch bestimmte politische Alternativen und Konflikte aus dem Diskurs aus. Solche Grenzziehungen stehen schließlich auch im Mittelpunkt einer Diskursanalyse, wie sie etwa von Foucault entworfen wurde, der „eine stumme Angst vor jenen Ereignissen“ konstatiert hat, „vor jener Masse an ungesagten Dingen, vor dem Auftauchen all jener Aussagen, vor allem, was es da Gewalttätiges, Plötzliches, Kämpferisches, Ordnungsloses und Gefährliches gibt, vor jenem unaufhöhrlichen und ordnungslosen Rauschen des Diskurses“ (Foucault 1972/1991: 33).164
Gerade die ordnenden und strukturierenden Leistungen der Diskursregulierung sind daher auch in dem Sinn ein Politikum, dass sie über den Eintritt von Themen und Problemen in die öffentliche Arena mitbestimmen aus. In anderer Perspektive kann dieser Umstand allerdings auch zu Ergebnissen führen, die weitge163
Page kommt in einer neueren Bilanz der Forschung ebenfalls auf Schattschneider zurück und spricht von einem „Semi-Sovereign Public“ (Page 2002). Machttheoretische Untersuchungen der Rolle der Medien können von einer Diskussion profitieren, die unter dem Stichwort der „non decision“ bereits von Bachrach und Baratz angestoßen wurde und in Richtung symbolischer oder kommunikativer Macht in avancierteren zeitgenössischen Ansätzen fortgesetzt worden ist. 164 Auch Foucault hat übrigens, wenn auch nicht bezogen auf das besondere Genre des Pressekommentars, den „Kommentar“ explizit als eine interne Prozedur der Diskursregulierung ausgemacht (Foucault 1972/1991: 17 ff.).
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hend geteilten Übereinstimmungen durchaus ähneln. Gewisse Gegenstände und Themen spielen dann in der kompetitiven Profilierung der Medien keine Rolle mehr, geben also noch nicht oder nicht mehr Stoff für die Entwicklung distinkter Identitäten ab. Zwar werden die Medien und die Deutungsakteure an anderen Stellen ihren Streit fortsetzen - an diesen Stellen wird es aber zu einer Beruhigung, wenn man so will: zu einem Einverständnis kommen. Die nur in seltenen Fällen medienübergreifenden Fokussierungen und Konsonanzen legen zwar den Schluss eines in sachpolitischer Hinsicht schwachen und ungerichteten Medieneinflusses nahe. Unter Beachtung der einflusssoziologischen Überlegungen muss dennoch als wichtige Dimension von Medieneinfluss die vorgelagerte und indirekte Strukturierungsleistung in Rechnung gestellt werden. Jenseits direkter Kopplungen an politische Organisationen und Parteien stellt womöglich dieser indirekte und schwer sichtbare strukturelle Bias der Medienöffentlichkeit diejenige Dimension dar, die mit einem steigenden Einfluss der Medienagenda im politischen Prozess sehr viel nachhaltigere, weil weniger leicht sichtbare Effekte ausübt als diejenigen Schlagseiten, die sich aus politisch-ideologischen Traditionen und Richtungspräferenzen ergeben mögen. Veränderungen und Kontinuitäten der Rolle der Medien im politischen Prozess verweisen insgesamt auf das Desiderat einer auch empirisch gehaltvollen Theorie der Medien-Politik-Beziehungen. Der hier exponierte Mechanismus der polyphonen Strukturierung des Diskurses durch die journalistische Elite der Pressekommentatoren ist ein Baustein eines komplexen und dynamischen Verhältnisses. Er macht deutlich, dass eine sozialwissenschaftliche Analyse der Veränderung der Systeme der politischen Repräsentation durch die Medialisierung des Politischen vor allem die Interaktionsmuster und Beziehungen zwischen Politik und Medien oder allgemeiner: zwischen Medien und anderen sozialen Bereichen in den Fokus nehmen und dabei auch unterschiedliche disziplinäre Perspektiven und Wissensbestände synthetisieren muss. Die Diskurs- und Inhaltsanalyse von Pressekommentaren bietet dazu einen methodisch gangbaren Weg, auf dem hier einige Schritte gegangen worden sind. Eine Empfehlung Dostoevskijs, des Paten der Theorie der literarischen Polyphonie, kann daher auch an die zeitgenössische Sozialforschung und -theorie adressiert werden: „’Lesen Sie irgendwelche Zeitungen?’ – fragte er 1867 eine seiner Korrespondentinnen. ‚Lesen Sie, um Gottes willen, es ist heute unerlässlich, nicht der Mode wegen, sondern damit der sichtbare Zusammenhang aller privaten und öffentlichen Angelegenheiten immer stärker und deutlicher wird…’“ (Bachtin 1971: 308).
Danksagung
Die vorliegende Arbeit ist die überarbeitete Fassung einer am Institut für Soziologie der Freien Universität Berlin eingereichten und am 15.11.2007 verteidigten Dissertation. Ohne die Unterstützung von Familie, Freunden und Kollegen hätte ich sie nicht verfassen können. Herzlich danken möchte ich Friedhelm Neidhardt für seine umsichtige Betreuung auch über Stolperschwellen hinweg. Dieter Rucht danke ich neben ersten Gelegenheiten zur Mitwirkung in der Forschung für die Zweitbegutachtung. Die Studie geht auf meine Mitarbeit am Wissenschaftszentrum Berlin in der Abteilung „Öffentlichkeit und soziale Bewegungen“ und insbesondere im DFGProjekt zur „Stimme der Medien im politischen Prozess“ zurück. Christiane Eilders und Barbara Pfetsch haben neben Friedhelm Neidhardt zahlreiche Anregungen und kritische Stellungnahmen zu meiner Studie beigesteuert. Hartmut Wessler (International University Bremen) und Bernhard Peters (Universität Bremen - SFB „Staatlichkeit im Wandel“) haben mir auch nach der Zeit am WZB die Möglichkeit geboten, mein Projekt weiter zu verfolgen. Mit kritischer Ermunterung hat mir wiederholt auch Wolf-Dieter Narr zur Seite gestanden. Ausdrücklich danken möchte ich Rainer Benthin für viele ebenso anregende wie klärende Gespräche zu politischer Öffentlichkeit, Burkhart Brückner für einen Austausch über disziplinäre Grenzen hinweg sowie Stefanie Gronau für manchen freundlichen Zuspruch. Für intellektuelle und persönliche Unterstützung in der entscheidenden Abschlussphase danke ich schließlich herzlich Pirkko Husemann und nicht zuletzt meinen Eltern Gisela Lüter und Ludwig Lüter, denen ich dieses Buch widmen möchte.
Literaturverzeichnis
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257Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen
257
Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen
Abbildungen (A 1) (A 2) (A 3) (A 4) (A 5) (A 6) (A 7) (A 8) (A 9) (A 10) (A 11) (A 12) (A 13) (A 14) (A 15) (A 16) (A 17) (A 18)
Position des Kommentariats auf der Links-Rechts-Achse …….. 137 Positionierung der Kommentatoren im Zeitverlauf ……………. 138 Positionierungen der Zeitungen auf der Links-Rechts-Achse …. 141 Die Links-Rechts-Positionierung der Zeitungen im Vergleich ... 142 Selektive Aktualisierung von Grundkonflikten ………………... 158 Positionen im Zeitungsvergleich ………………………………. 162 Personalisierung der Kommentaragenda im Zeitverlauf ……….. 179 Personalisierung im Zeitungsvergleich ………………………… 181 Personalisierung im Zeitverlauf ………………………………... 182 Standing von Schröder und Standing Kohl …………………….. 187 Standing von Kohl und Schröder im Zeitverlauf ………………. 188 Standing von Schröder im Zeitverlauf …………………………. 189 Beurteilungen Kohl (CDU) und Schröder (SPD) ………………. 191 Beurteilungen Kohl (CDU) und Lafontaine (SPD) …………….. 193 Anlassklassen im Zeitungsvergleich …………………………… 200 Themenbehandlung im Zeitungsvergleich ……………………... 204 Journalistische Kritikalität und politische Parteien …………….. 208 Manifeste Unterstützung politischer Parteien ………………….. 210
Tabellen (T 1) (T 2) (T 3) (T 4) (T 5) (T 6) (T 7) (T 8)
Medien und Politik: Drei Modelle …………………………… 96-97 Zeitliche Stichprobenstruktur …………………………………... 118 Fallzahlen und Verteilung der Stichprobe über die Zeitungen … 120 Bedeutungsdifferenzierung der Links-Rechts-Unterscheidung ... 136 Anteile politischer Positionen im Kommentardiskurs …………. 139 Mittelwerte der Positionen im Zeitungsvergleich ……………… 140 Anteile politischer Positionen im Zeitungsvergleich …………... 143 Positionierung der Zeitungen in Grundkonflikten ……………... 147
258 (T 9) (T 10) (T 11) (T 12) (T 13) (T 14) (T 15) (T 16) (T 17) (T 18) (T 19) (T 20) (T 21) (T 22)
Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen
Positionierung der Zeitungen in Themenbereichen ……………. 151 Positionierung der Zeitungen in Issue-Feldern ………………… 152 Selektive Aktualisierung von Grundkonflikten ………………... 156 Verteilung linker und rechter Positionen nach Zeitung ………... 161 Positionierungen der Zeitungen nach Issue-Feldern …………… 163 Nennungen der Parteien im Zeitungsvergleich ………………… 170 Bewertung der politischen Parteien im Zeitungsvergleich …….. 173 Ranking der politischen Parteien nach Zeitungen …………….... 175 Personalisierungsgrad im Zeitungsvergleich …………………... 181 Standing Schröder und Standing Kohl …………………………. 186 Übersicht über Recodierungen …………………………………. 198 Anlassklassen im Zeitungsvergleich …………………………… 199 Themenbehandlung im Zeitungsvergleich ……………………... 203 Prinzipialisierung und Positionierung des Hauptthemas ……….. 205
Methodenanhang
Der methodische Anhang beinhaltet eine nach dem Kriterium der tatsächlichen Verwendung der erhobenen Variablen in der vorliegenden Analyse gekürzte Fassung der umfassenderen Darstellung der inhaltsanalytischen Vorgehensweise im WZB-Projekt zur „Stimme der Medien“ (Eilders 2004b; Eilders und Lüter 1998). Der gesamte Methodenbericht zum Projekt ist als online-Publikation frei verfügbar unter http://skylla.wzb.eu/pdf/1998/iii98-106.pdf (Stand: 19.04.2008).
Anlass Der Konzeption dieser Variable liegt die Annahme zugrunde, dass eine Kommentierung in der Regel auf ein konkretes Ereignis zurückzuführen ist. Dieses Ereignis wurde hier nach Möglichkeit codiert. Codierung: Der Variablen konnten 25 Werte zugeordnet werden. Die Codierung für Bundestagsereignisse erfolgte nur, wenn es sich nicht um Stellungnahmen oder Diskussionen über die Handlungsformen, sondern um diese selbst handelte. Für Fälle, in denen kein Anlass erkennbar oder bestimmbar war, konnten entsprechende Codes vergeben werden. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16
Gesetzentwurf Regierungserklärung Große Anfrage Kleine Anfrage mündl./schriftl. Anfrage Antworten auf Anfragen Sach-/Änderungs-/Entschließungsanträge Beschlüsse über Anträge Ausschussempfehlungen Beschlüsse über Gesetzentwürfe Wahl Personalentscheidung Sachentscheidung Gerichtsurteil, -verhandlung, Klage Parlamentsdebatte Verhandlung, Vermittlung, Beratung, Sitzung, Tagung
260 17 18 19 20 21 22 23 88 99
Methodenanhang
Stellungnahme, Rede, Veröffentlichung Untersuchung Protest nonverbal/Unterstützung nonverbal Besuch Parteitag sonstiges politisches Ereignis sonstiges nicht-politisches Ereignis Anlass nicht bestimmbar kein Anlass
Fokus Erfasst wurde, zu welchem Grad sich der Kommentar vorwiegend mit Akteuren oder ihren Beziehungen befasste oder ein Sachthema behandelte. Codierung: Unterschieden wurden auf einer Skala 5 Ausprägungen, bei denen „1“ klares Sachthema und „5“ ausschließliches Akteursthema bedeutet. Eine weitere Option war „nicht entscheidbar“. 1 2 3 4 5 8
klares Sachthema überwiegend Sachthema Sach- und Akteursthema gleichermaßen überwiegend Akteursthema ausschließlich Akteursthema nicht entscheidbar
Themenbehandlung Die Kommentare wurden danach unterschieden, ob sie wertenden oder neutralen Charakter besitzen. Diese Variable bezieht sich nicht auf eines der Themen, sondern auf den Artikel als Ganzes und wird dementsprechend nur einmal erfasst. Codierung: Zunächst wurde unterschieden, ob die Kommentierung dem Muster einer neutralen Analyse (10-15) oder einer Bewertung (20-24) folgt. Diese grobe Unterscheidung wurde weiter nach der Art der Stellungnahme differenziert. Für unklare Fälle konnte „nicht entscheidbar“ codiert werden. 10 11 12 13 14 15
Diagnose/Analyse Frage Erklärung/Erläuterung/Konkretisierung Vergleich andere Länder/Geschichtliche Parallelen Ursachenattribution (ohne Schuldzuweisung) Folgeabschätzung/Prognose
261
Methodenanhang
20 21 22 23 24 88
Problematisierung Kritik/Tadel/Schuldzuweisung Unterstützung/Lob Forderung/Appell Warnung nicht entscheidbar
Recodierte Themenbehandlung Die Einzelkategorien der Ursprungsvariable Themenbehandlung wurden zu den beiden Oberkategorien „Neutrale Analyse“ und „Bewertende Stellungnahme“ zusammengefasst. Recodierung: Hier wurden die neutralen Aussagentypen und die bewertenden Aussagentypen jeweils zusammengefasst. 10 20
neutrale Analyse (Alte Werte: 10-15) Bewertende Stellungnahme (Alte Werte: 20-24)
Themen 001 Rechtsextremismus/Ausländer/Migration 01 Einwanderung allgemein (ohne spezifischen Gruppenbezug) 02 Aussiedler-Einwanderung 03 Asylbewerber-Einwanderung, Flüchtlingspolitik 05 legal in Deutschland lebende Ausländer allgemein 07 Rechtsextremismus und Haltung dazu AUSSENPOLITIK 010 Außenpolitik 01 Außenpolitik allgemein 02 Gesamteuropäisches Gebiet 03 Beziehungen BRD/andere Staaten 04 Militärische Konflikte in anderen Staaten 05 Politische und gesellschaftliche Probleme in anderen Staaten
06 Westintegration/Westpolitik 20 Kriegsfolgen Westen 25 Deutschlandbild im Ausland 30 Mitarbeit in internationalen Organisationen 40 humanitäre Hilfe 99 Sonstiges 020 Deutschlandpolitik 01 Deutschlandpolitik allgemein 02 Deutschland im Ost-West-Konflikt 03 Deutsche Teilung 04 Deutsch-deutsches Verhältnis 05 Milderung der Folgen der Teilung 06 Verschiedene Gebiete der Zusammenarbeit 10 Wiedervereinigung/Vereinigung 11 Nationale Zusammengehörigkeit 12 Alleinvertretungsanspruch 20 Politisches System der DDR 80 Kosten der Vereinigung 99 Sonstiges
262 030 Berlinpolitik 01 Berlinpolitik allgemein 02 Berlin im Ost/West-Konflikt 03 Berlinstatus 04 Funktionsprobleme Berlins 05 Berlinförderung 06 Hauptstadtfunktion 99 Sonstiges 040 Ostpolitik 01 Ostpolitik allgemein 02 Beziehungen BRD/Ostblockstaaten 03 Verschiedene Gebiete der Zusammenarbeit 05 Gesellschaftliche Probleme in Ostblockstaaten 06 Politische Probleme in Ostblockstaaten 07 Ost/West-Konflikt, Verhältnis USA/UdSSR 08 Politisches System der Ostblockstaaten 20 Kriegsfolgen Osten 21 Deutsche in/aus Ostgebieten 30 Reformpolitik in Osteuropa 40 humanitäre Hilfe 99 Sonstiges 050 EG/EU-Politik 01 EG/EU-Politik allgemein 02 Verschiedene Gebiete der Zusammenarbeit 03 Funktionsprobleme der EG/EU 04 EG/EU-Institutionen 05 EG/EU-Erweiterungen 10 Finanzbeziehungen zur und innerhalb EG/EU 20 EG/EU-Agrarpolitik 21 Überschussproduktion des EG-Marktes 50 Verschiedene europäische Zusammenschlüsse, auch Vorläuferorganisationen der EG/EU 51 Europäische Integration 99 Sonstiges
Methodenanhang
060 Entwicklungsländerpolitik 01 Entwicklungsländerpolitik allgemein 02 Nord/Süd-Konflikt 03 Beurteilung der EW-Politik anderer Staaten 04 Verschiedene Gebiete der Zusammenarbeit 05 Entwicklungshilfe 06 Probleme in Entwicklungsländern 07 Politisches System in Entwicklungsländern 10 Nichtstaatliche Entwicklungshilfe 99 Sonstiges VERTEIDIGUNGSPOLITIK 110 Verteidigungspolitik 01 Verteidigungspolitik allgemein 02 Kritik an UdSSR und/oder Warschauer Pakt 03 Bundeswehr allgemein 04 Bundeswehr: Wehrpflicht 05 Bundeswehr: Ausstattung, Struktur 06 Bundeswehr: Soldaten 07 Kriegsdienstverweigerung 08 Zivile Verteidigung 09 Verteidigungspolitik und Öffentlichkeit 10 Verwaltung Verteidigung 12 Kosten der Verteidigung 15 Militärische Forschung 16 SDI 20 Militärische Kriegsfolgen 21 Soldaten des 2. Weltkrieges 30 Alternative Verteidigungskonzepte 80 NVA 99 Sonstiges 120 Bündnispolitik 01 Bündnispolitik allgemein 02 NATO-Doppelbeschluss 03 Rolle der USA im Bündnis 04 Ausstattung und Struktur der NATO 05 Ausländische Streitkräfte in der BRD
Methodenanhang
20 Neutralität 30 Osterweiterung der NATO 99 Sonstiges 130 Friedens- und Entspannungspolitik 01 Friedenspolitik allgemein 02 Entspannungspolitik 03 Ost/West-Konflikt 04 Frieden in Europa 05 Friedensforschung, Friedenserziehung 06 Friedenspolitik in anderen Ländern und allgemein 07 Abrüstung, Rüstungskontrolle in anderen Ländern und allgemein 08 Atomwaffen 09 Konventionelle Rüstung 10 B- und C-Waffen 11 Rüstungsexport und Rüstungsproduktion 99 Sonstiges INFRASTRUKTURPOLITIK 210 Infrastrukturpolitik allgemein 01 Infrastrukturpolitik allgemein 02 Regionalpolitik 03 Lebensqualität 10 Kommunale Gemeinschaftsdienste 20 Wiederaufbau 30 Bürgerbeteiligung 80 Infrastruktur in den neuen Bundesländern 99 Sonstiges 220 Verkehrspolitik 01 Verkehrspolitik allgemein 02 Verkehrsnetz allgemein 03 Umweltschutz, Energieeinsparung in der Verkehrspolitik 04 Öffentlicher Nahverkehr 05 Wirtschaftlichkeit der Verkehrsbetriebe allgemein 06 Verkehrssicherheit
263 07 Verkehrstechnologien 10 Straßennetz, Straßenbau 11 Straßenverkehrsunternehmen 20 Schienennetz 21 Schienenverkehrsunternehmen (ohne DB) 22 Deutsche Bahn 23 Wirtschaftslage der DB 24 Schienenverkehr 25 Bahnhöfe 30 Schifffahrt 31 Wasserstraßen, Häfen 40 Luftfahrt 41 Flugsicherung 42 Flughäfen 43 Lufthansa 50 Koordination verschiedener Verkehrsträger 80 Verkehr in den neuen Bundesländern 99 Sonstiges 230 Energiepolitik 01 Energiepolitik allgemein 02 Zusammenarbeit mit anderen Staaten 03 Öl 04 Kohle 05 Andere Energiequellen 06 Energiesparen, bessere Ausnutzung vorhandener Energiequellen 07 Alternative und umweltfreundliche Energien 08 Kraftwerke (außer AKW) 09 Energieversorgungsunternehmen 10 Abhängigkeit der BRD in der Energieversorgung 20 Rohstoffversorgung 21 Sorgsamer Umgang mit Rohstoffen 22 Rohstoffmärkte 30 Kernenergie allgemein 31 Bürgerbeteiligung AKW 32 Internat. Zusammenarbeit AKW 33 Genehmigungsverfahren AKW 34 Entsorgung, Wiederaufbereitung AKW
264 35 Technische Sicherheit, Schutz der Bevölkerung vor AKW 36 Gefahren der Kernenergie 37 Ausstieg aus der Kernenergie 50 Energieforschung 99 Sonstiges 240 Umweltpolitik 01 Umweltpolitik allgemein 02 Politische Bedeutung des Umweltschutzes 03 Rechtliche Verankerung 04 Bürgerbeteiligung 05 Ökonomie und Ökologie 06 Internationale Zusammenarbeit 07 Natur-, Arten- und Landschaftsschutz 08 Gewässerschutz 09 Schutz der Wälder, Waldsterben 10 Abfall 11 Chemikalien, Schadstoffe 12 Lebensmittelschutz 13 Lärmschutz 14 Luftreinhaltung 15 Ökologisches Gleichgewicht 18 Vorsorgeprinzip 19 Verursacherprinzip 20 Umweltforschung 25 Recycling 30 Küstenschutz 31 Bodenschutz 70 Private Initiativen im Umweltschutz 99 Sonstiges 250 Wohnungsbau 01 Wohnungsbau allgemein 02 Wohnungsbedarf und -versorgung 03 Wohnungseigentum 04 Sozialer und öffentlich geförderter Wohnungsbau 05 Gestaltung der Wohnungen 06 Mieterschutz, Mietrecht 07 Wohngeld 08 Miethöhe 10 Wohnungen für bestimmte Gruppen
Methodenanhang
80 Enteignungen 81 Eigentumsverhältnisse 99 Sonstiges 260 Städtebau und Raumordnung 01 Städtebau allgemein 02 Infrastruktur 03 Stadtplanung 05 Lebensqualität in Städten 06 Stadtsanierung und Stadterneuerung 07 Neubaugebiete 10 Umweltschutz in Städtebau und Raumordnung 15 Spekulantentum 20 Raumordnung allgemein 21 Planung von Großanlagen 22 Baulanderschließung 30 Erholungsgebiete 88 Siedlungspolitik 99 Sonstiges 270 Post- und Fernmeldewesen 01 Post- und Fernmeldewesen allgemein 02 Deutsche Bundespost 03 Wirtschaftslage der DP 20 Aufteilung der Bundespost in drei Unternehmensbereiche 30 Wetterdienst 99 Sonstiges BILDUNGS- UND KULTURPOLITIK 310 Kulturpolitik 01 Kulturpolitik allgemein 02 Kulturförderung 03 Auswärtige Kulturpolitik 04 Film 05 Theater 06 Musik 20 Literatur 30 Bildende Kunst 08 Spezielle Projekte 10 Freiheit von Kunst und Kultur
265
Methodenanhang
15 Urheberschutz 80 Kulturelles Schaffen 99 Sonstiges 320 Bildungspolitik 01 Bildungspolitik allgemein 02 Bildungschancen 03 Föderalismus im Bildungswesen 04 Zusammenspiel beruflicher und allgemeiner Bildung 05 Bildungsreform 06 Ausbildungsförderung 15 Vorschulerziehung 16 Zweiter Bildungsweg 20 Berufliche Bildung, Ausbildung allgemein 21 Berufliche Bildung spezieller Gruppen 22 Fortbildung, berufliche Weiterqualifikation 23 Erwachsenenbildung 24 Überbetriebliche Ausbildungsstätten 25 Zusätzliche Ausbildungskapazitäten 40 Schulpolitik allgemein 41 Schulsystem, Schulabschlüsse 42 Lehrpläne, Lerninhalte 43 Schulprobleme spezieller Gruppen 44 Lehrer 45 Lernsituation 50 Hochschulpolitik allgemein 51 Demokratie an Hochschulen und Schulen (Schülerselbst verwaltung) 52 Hochschulsystem 53 Studieninhalte 54 Forschung an Hochschulen 55 Bau von Bildungseinrichtungen 60 Rechtschreibreform 80 Ideologiefreiheit 81 Demokratische Strukturen 99 Sonstiges 330 Forschungspolitik 01 Forschungspolitik allgemein 02 Forschungsförderung
03 Grundlagenforschung 10 Technikentwicklung allgemein 11 Folgen der Technikentwicklung (negative) 12 Positive Nutzung der Technik 13 EDV, elektronische Kommunikationssysteme 14 Gentechnologie 15 Medizinische Forschung (z.B.: AIDS-Forschung) 20 Weltraumforschung und -technik 21 Boden- und Meeresforschung 30 Forschungseinrichtungen 31 Internationale Forschungsvorhaben 80 Ideologiefreiheit 99 Sonstiges 340 Medienpolitik 01 Medienpolitik allgemein 02 Neue Medien 03 Presse 04 Funk und Fernsehen 05 Rechtsform (öffentlich-rechtlich/privat) 10 Meinungsfreiheit 15 Medieninhalte: allgemein und Gewalt, Krieg etc. 16 Medieninhalte: speziell Pornographie und Sexismus 80 Rechte und Maßnahmen zur Gewährleistung freier Berichterstattung 81 Gesellschaftliche Rolle der Medien 82 Medienmonopole 99 Sonstiges 350 Sport und Freizeit 01 Sport 02 Freizeitangebote 03 Tourismus, Fremdenverkehr 99 Sonstiges
266 RECHTSPOLITIK 410 Rechtspolitik 01 Rechtspolitik allgemein 02 Gesetzgebung 03 Verfahrensordnung, Verfahrensdauer 04 Strafrecht 05 Strafvollzug 06 Kriminalität 07 Resozialisierung 08 Waffenbesitz 10 Datenschutz 11 Bürger und Justiz 15 Rechtsanwalts- und Notarordnung, Gerichts- und Richterordnung 20 NS- und Kriegsverbrecher 80 Politische Justiz 99 Sonstiges 420 Rechtsordnung 01 Rechtsordnung allgemein 02 Grundrechte 04 Gleichberechtigung von Mann und Frau 07 Gewalt 08 Widerstandsrecht, ziviler Ungehorsam 09 Stellung, Funktion und Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 80 Angleichung der Rechtsordnung der neuen Bundesländer 99 Sonstiges GESELLSCHAFTLICHE UND POLITISCHE ORDNUNG 510 Ordnungspolitik allgemein 01 Ordnungspolitik allgemein 10 Bürgeraktivitäten, -beteiligung 20 Kommunalpolitik allgemein 21 Kommunale Selbstverwaltung 22 Kommunale Haushalte 30 Öffentlicher Dienst allgemein
Methodenanhang
31 Effizienz der Verwaltung 32 Bürger und Verwaltung 33 Bürokratisierung des gesellschaftlichen Lebens 34 Privatisierung öffentlicher Aufgaben 35 Verfassungstreue im öffentlichen Dienst 40 Demographische Entwicklung 41 Volkszählung 45 Personalausweis 99 Sonstiges 520 Gesellschaftsordnung 01 Gesellschaftsordnung allgemein 02 Solidarität, Mitmenschlichkeit 03 Religion 04 Verhältnis Staat/Gesellschaft 05 Gerechtigkeit, Chancengleichheit 06 Selbstverwirklichung des Einzelnen 07 Überschaubarkeit / Anonymität der Gesellschaft 08 Deutsche Geschichte, Vergangenheitsbewältigung 09 Pluralismus, Toleranz 11 Zusammenleben mit gesellschaftlichen Minderheiten 12 Traditionspflege 15 Leistungsorientierung 16 Gemeinwohl 20 Rolle der Frauen in der Gesellschaft 80 Umbau der sozialistischen Gesellschaft 81 Zusammenwachsen von Ost und West und Angleichung der Lebensverhältnisse 99 Sonstiges 530 Politische Ordnung und politische Führung 01 Politische Ordnung allgemein 02 Grundsätze politischen Handelns 03 Politisches Handeln/ Politik möglichkeiten 08 Politische Kultur 09 Antikommunismus
267
Methodenanhang
10 Nationalgefühl, Nationalismus 11 Demokratie 12 Freiheit 15 Außerparlamentarische Bewegungen 16 Demokratischer Sozialismus, soziale Demokratie, Sozialismus 20 Stellung und Funktion von Wahlen 21 Stellung, Funktion und Strukturen von Parteien 22 Radikale Parteien, Sperrklausel 25 Koalitionen 50 Funktion und Aufgaben der Regierung 51 Funktion der Opposition 52 Funktion von Parlamenten und Abgeordneten 53 Effektivierung des Regierungshandelns 54 Staatlicher Planungs- und Entscheidungsprozeß 55 Rolle und Aufgaben des Staates 56 Ausstattung der Abgeordneten 57 Öffentlichkeitsarbeit 60 Organisatorische Struktur der Regierung 80 Besatzungsstatut 81 Politischer Status der BRD 82 Politisches System der BRD 83 Politisches System der DDR 85 Politisches System Gesamtdeutschland 86 Vorherrschaft einer Partei 99 Sonstiges 540 Innere Sicherheit 01 Innere Sicherheit allgemein 02 Terrorismus 03 Politischer Extremismus 04 Verfassungsschutz, Nachrichten dienste: Ausstattung, Struktur und Vorgehen, demokratische Legi timation und Transparenz 06 Linksradikalismus 10 Zivilschutz 15 Polizei und Sicherheitsbehörden:
Ausstattung und Struktur, Vorgehen, demokratische Legitimation und Transparenz 20 Sicherheitsgesetze, Notstandsgesetze 80 Stasi 99 Sonstiges 550 Föderalismus 01 Föderalismus allgemein 02 Einheitlichkeit der Rechtsprechung in den Bundesländern 03 Zuständigkeitsbereich des Bundes 04 Aufgabenverteilung von Bund/Ländern/Gemeinden 05 Gemeinschaftsaufgaben von Bund/Ländern/Gemeinden 10 Finanzausgleich Bund/ Länder/Gemeinden 99 Sonstiges SOZIALPOLITIK 610 Sozialpolitik 01 Sozialpolitik allgemein 02 Finanzierung des Sozialversiche rungssystems 03 Sozialversicherungssystem 04 Sozialhilfe 05 Soziale Einrichtungen 06 Soziale Probleme, soziale Sicherung spezieller Gruppen 07 Behinderte 08 Alte Menschen 09 Kriegsopferversorgung 10 Wiedergutmachung 15 Nichtstaatliche Sozialarbeit 99 Sonstiges 620 Familienpolitik 01 Familienpolitik allgemein 02 Problemfamilien 03 Eheähnliche Gemeinschaften 04 Kinder, Erziehung 05 Familienförderung 06 Familienplanung
268 07 Schwangerschaftsabbruch 08 Kindergärten, Kindergartenplätze, Spielplätze, Kindertagesstätten 09 Hausfrauen, Mütter 10 Zusammenleben der Generationen 15 Ehe- und Familienrecht 16 Scheidung 99 Sonstiges 630 Rentenpolitik 01 Rentenpolitik allgemein 02 Rentenversicherungssystem 04 Rentenhöhe 05 Auswirkungen demographischer Entwicklung 06 Hinterbliebenenversorgung, Frauen im Rentenrecht 07 Versicherungsbeiträge der Rentner 08 Alterssicherung spezieller Gruppen 80 Rentenstrafrecht 81 Vorruhestand, Rentenalter 99 Sonstiges 640 Jugendpolitik 01 Jugendpolitik allgemein 02 Beteiligung in Politik und Gesellschaft 03 Sozialpolitik für Jugendliche 99 Sonstiges 660 Gesundheitspolitik 01 Gesundheitspolitik allgemein 02 Vorsorge, spezielle Krankheiten 03 Suchtkranke 04 Psychisch Kranke 05 Stationäre Gesundheitsversorgung 06 Finanzierung des Gesundheitssystems 07 Krankenversicherungssystem 08 Ambulante Gesundheitsversorgung 09 Rehabilitation 10 Rauschgift 11 Arzneimittelwesen 12 Medizinisches Personal 15 Strahlenschutz
Methodenanhang
20 Pflegenotstand, Pflegeversicherung 99 Sonstiges 670 Sozialordnung 01 Sozialordnung allgemein 02 Sozialstaat 03 Sozialer Friede, Stabilität 04 Struktur sozialer Einrichtungen 05 Struktur sozialer Leistungen 06 Soziale Gerechtigkeit 07 Soziale Gegensätze 08 Selbst- und Nachbarschaftshilfe, ehrenamtliche Tätigkeit 21 Kriegsfolgen allgemein 80 Sozialunion, Angleichung der Sozialsysteme 99 Sonstiges ARBEITSPOLITIK 710 Arbeitspolitik 01 Arbeitspolitik allgemein 02 Arbeitslosigkeit, Schaffung von Arbeitsplätzen 03 Problemgruppen des Arbeitsmarktes 04 Familie und Arbeit 06 Soziale Sicherung in der Arbeitswelt 07 Frauen in der Arbeitswelt 08 Beschäftigte im öffentlichen Dienst 09 Mutterschutz 10 Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen 11 Leitende Arbeitnehmergruppen 15 Berufliche Aufstiegsmöglichkeiten 16 Umstrukturierung der Beschäftigungsbereiche 17 Teilzeitarbeit 20 Arbeitskräftemangel 80 Recht auf Arbeit 99 Sonstiges 720 Einkommens- und Vermögenspolitik 01 Einkommenspolitik allgemein 02 Gewinnbeteiligung der Arbeitnehmer
269
Methodenanhang
05 Vermögenspolitik allgemein 06 Eigentum für breite Schichten 07 Sparförderung 10 Lastenausgleich 99 Sonstiges 730 Tarif- und Lohnpolitik 01 Tarif- und Lohnpolitik allgemein 02 Tarifautonomie 03 Arbeitskampf 05 Löhne 06 Arbeitszeit 10 Gesellschaftliche Rolle der Gewerkschaften 11 Verhältnis der Sozialpartner 12 Korporatismus 99 Sonstiges 740 Arbeitsrecht 01 Arbeitsrecht allgemein 02 Arbeitsgesetzbuch 03 Arbeitsverträge 10 Mitbestimmung 20 Kündigungsschutz 99 Sonstiges 750 Arbeitsschutz, Humanisierung der Arbeitswelt 01 Arbeitsschutz allgemein 02 Humane Arbeitsbedingungen 03 Gesundheitsschutz in der Arbeitswelt 99 Sonstiges WIRTSCHAFTSPOLITIK 810 Wirtschaftspolitik 01 Wirtschaftspolitik allgemein 02 Krise der Wirtschaft 03 Unternehmertum 04 Kapitalbildung und Investitionen 05 Wirtschaft im Strukturwandel 07 Wirtschaftswachstum, Aufschwung 08 Konjunkturpolitik 09 Sektorale Wirtschaftspolitik
10 Regionale Wirtschaftspolitik 11 Mittelstandspolitik 15 Staatliche Wirtschaftstätigkeit 20 Verbraucherschutz 21 Werbung 22 Nachfrageorientierung der Wirtschaft 50 Demontage, Reparationen 80 Treuhandanstalt, Aufgaben, Tätigkeit 81 Wirtschaftlicher Aufbau (bzw. Schwierigkeiten) in den neuen Bundesländern 99 Sonstiges 820 Wirtschaftsordnung 01 Wirtschaftsordnung allgemein 02 (Soziale) Marktwirtschaft 03 Wettbewerb 04 Verhältnis Staat/Wirtschaft 05 Verhältnis Klein- und Großbetriebe 06 Wirtschaftskonzentration 07 Verhältnis Produktion/Distribution 08 Besitzverteilung 09 Privatisierung staatlicher Betriebe 15 Leistungselite 20 Planwirtschaft 21 Gemeinwirtschaft 22 Sozialisierung 25 Alternative Wirtschaftsmodelle 80 Eigentumsrechte 81 Rückgabe/ Entschädigung von Alteigentümern in den neuen Bundesländern 99 Sonstiges 830 Wirtschaftsrecht 01 Wirtschaftsrecht allgemein 02 Kartellgesetz 03 Wettbewerbsrecht 04 Aktienrecht 05 Geschäftspraktiken 10 Wirtschaftskriminalität 99 Sonstiges
270 850 Außenwirtschaft 01 Außenwirtschaft allgemein 02 Internationale Verflechtung, Weltwirtschaftsprobleme 03 Außenhandel mit bestimmten Ländern 04 Internationaler Wettbewerb 05 Leistungsbilanz 06 Weltwährungssystem 10 Ausländisches Kapital in der BRD 80 Staatliches Außenhandelsmonopol 99 Sonstiges 860 Agrar- und Forstwirtschaft 01 Agrarpolitik allgemein 02 Landwirtschaftliche Produkte 03 Umweltschutz in der Landwirtschaft 04 Wirtschaftslage landwirtschaftlicher Betriebe 05 Sozialpolitik für Landwirte 06 Modernisierung, Rationalisierung 10 Forstwirtschaft 20 Raumordnung in landwirtschaftlichen Gebieten 30 Agrarmarkt 50 Wasserwirtschaft 80 Eigentumsverhältnisse, Genossenschaften 81 LPG, Dekonzentration 82 LPG, Strukturen 83 Landwirtschaft in den neuen Bundesländern 99 Sonstiges FINANZPOLITIK 910 Finanzpolitik 01 Finanzpolitik allgemein 02 Kreditwesen, Zinsen 03 Aktien- und Kapitalmarkt 80 Finanzierung der deutschen Einheit 99 Sonstiges 920 Haushaltspolitik 01 Haushaltspolitik allgemein
Methodenanhang
02 Verhältnis Staatsquote/ Bruttosozi alprodukt 03 Finanzmittel für bestimmte Bereiche 10 Staatseinnahmen allgemein 11 Kreditfinanzierung, -aufnahme 12 Steueraufkommen 13 Steuer-, Zoll- und Vermögensverwaltung 14 Allgemeines Staatsvermögen 20 Staatsausgaben allgemein 21 Staatsverschuldung 22 Rückführung der Staatsverschuldung 80 Haushaltsdefizit in Folge der Deutschen Einheit 99 Sonstiges 930 Steuerpolitik 01 Steuerpolitik allgemein 02 Steuerhöhe (Be- und Entlastung) 03 Steuersystem 04 Spezielle Steuern 05 Steuerrecht 10 Steuerkriminalität 80 Solidaritätsbeitrag 99 Sonstiges 940 Wirtschaftsförderung 01 Wirtschaftsförderung allgemein 02 Subventionen 03 Öffentliche Investitionen 04 Private Konsumnachfragesteuerung 99 Sonstiges 950 Geld- und Währungspolitik, Preispolitik 01 Geldpolitik 02 Währungspolitik 05 Geldinstitute 11 Preispolitik allgemein 12 Inflation 13 Deflation 20 Währungsstabilität 80 Währungsunion 81 Konvertierbarkeit der DDR-Mark 99 Sonstiges
Methodenanhang
271
Blockthemen (recodierteThemen I) Auf der höchsten Aggregationsstufe wurden 11 Themenblöcke gebildet. Die Variablentransformation erfolgte sowohl für die Haupt-, als auch für die beiden Nebenthemen. Daher wurden 3 neue Variablen erzeugt. Recodierung: Den ursprünglichen Themendaten wurden entsprechende neue Werte zugewiesen. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
Rechtsextremismus (Alte Werte: 100-199) Außenpolitik (Alte Werte: 1000-6099) Verteidigungspolitik (Alte Werte: 11000-13099) Infrastrukturpolitik (Alte Werte: 21000-27099) Bildungs- und Kulturpolitik (Alte Werte: 31000-35099) Rechtspolitik (Alte Werte: 41000-42099) Gesellschaftliche und politische Ordnung (Alte Werte: 51000-55099) Sozialpolitik (Alte Werte: 61000-67099) Arbeitspolitik (Alte Werte: 71000-75099) Wirtschaftspolitik (Alte Werte: 81000-86099) Finanzpolitik (Alte Werte: 91000-95099)
Issue-Felder 1-3 Diese Variable dient der Auswahl der wichtigsten 9 innenpolitischen PolicyBereiche, die einer vertieften Analyse unterzogen wurden. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 99
innere Sicherheit (Alte Werte: 41006, 42007, 93010, 54002, 54000, 54001, 41004, 41005, 54025, 54004, 54010, 54015, 83010) deutsche Einheit (Alte Werte: 2000-2004, 2010, 2011, 2020, 11080, 52080, 52081, 53083, 53085, 54080, 93080, 86081-86083) Ausländerfrage (Alte Werte: 100-103, 105, 107) Steuerfrage (Alte Werte: 93000-93005) Bildung (Alte Werte: 32000-32006, 32015, 32016, 32020-32025, 32040-32045, 32050-32053, 32055, 32060, 32080, 32081, 32099) Umwelt (Alte Werte: 22003, 23006, 23007, 23021, 24000-24015, 24018-24020, 24025, 24030, 24031, 24070, 24099, 86003) Energie (Alte Werte: 23000-23005, 23008-23010, 23020, 23022, 23030-23037, 23050, 23099) Arbeitslosigkeit (Alte Werte: 71000-71003, 71010, 71017, 71080) Löhne (Alte Werte: 73000, 73001, 73003, 73005) Sonstige
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Methodenanhang
Grundkonflikt 1-3 Für jedes Thema konnte ein Grundkonflikt codiert werden, sofern eine der aufgeführten Konfliktdimensionen vom Kommentator angesprochen wurde. Dadurch sollten Deutungsrahmen (Frames) erfasst werden, die der Beurteilung eines Themas zugrunde liegen. Die Grundkonflikte sind als Gegensatzpaare formuliert, die jeweils Pole eines Rechts-Links-Meinungsspektrums zu einer Grundsatzentscheidung symbolisieren. Codierung: Pro Kommentar konnten bis zu 3 Grundkonflikte erfasst werden. Mit diesen Variablen wurde zunächst erfasst, ob sich überhaupt ein Bezug zu einem oder mehreren Grundkonflikten feststellen ließ. 99 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16
Kein Bezug auf grundsätzlichen Grundkonflikt/Frame Internationales Bündnis (Partnerschaft/Abgrenzung) Supranationalisierung (Supranationalität/Souveränität) Marktwirtschaft (Staatswirtschaft/Marktwirtschaft) Subsidiarität (Kollektiv-/Staatsverantwortung/Eigenverantwortung) Konjunkturpolitik (Nachfrageförderung/Angebotsförderung) Steuerung (Regelsetzung/Anreize) Staatsfinanzierung (Steuerbelastung/Steuerentlastung) Föderalismus (Zentralismus/Selbststeuerung) Deutsche Vereinigung (Autonomie/Einheit) Regionaler Ausgleich (Bedarf/Bedingung) Liberalismus (Freiheit/Bindung) Law and Order (Prävention/Strafe) Partizipation (Beteiligung/Repräsentation) Universalismus (Kosmopolitismus/Ethnozentrismus) Kulturelle Integration (Kulturelle Identität/Assimilation) Nachhaltigkeit (Technologiefolgenkontrolle/Risikoakzeptanz)
Position In diesen Variablen wurde erfasst, welche Handlungsoptionen in Bezug auf einen Grundkonflikt (Variable FRAME) bevorzugt wurden, welche Positionen also vertreten wurden. Diese Position wurde für jeden vorliegenden Frame getrennt, also bis zu 3 mal erhoben. Codierung: In den Variablen wurde codiert, ob eine rechte (Politikalternative auf der rechten Seite der Optionen) oder linke Position (Politikalternative auf der linken Seite der Optionen) unterstützt oder abgelehnt wurde, oder die Bewertung ambivalent ausfiel. Für den Fall, dass der Kommentator keine erkennbare Position vertrat, oder keine der vorliegenden Ausprägungen zutraf, konnten entsprechende Optionen gewählt werden.
Methodenanhang
1 2 3 4 5 8 9
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Unterstützung linke Position Ablehnung linke Position Unterstützung rechte Position Ablehnung rechte Position Ambivalent Kommentator bezieht nicht Stellung, sondern spricht nur die Frage an Trifft nicht zu
Links/Rechts (recodierte Positionen) Um die Analyse der Positionen zu vereinfachen, wurden in diesen Variablen jeweils die Ablehnungen einer Richtung und die Zustimmungen zur gegenteiligen Richtung zusammengefasst. Während in der Ursprungsvariablen sieben Werte erfasst wurden, standen hier nur fünf Kategorien zur Verfügung. Fälle mit „Keine Stellungnahme“ und „trifft nicht zu“ blieben erhalten. Recodierung: Jeweils 2 Fälle wurden zusammengefasst. Die neuen Gruppierungen erhielten einen Wert, der der neuen Variable zugeteilt wurde. Die Ausprägungen „ambivalent“, „keine Stellungnahme“ und „trifft nicht zu“ blieben bestehen. 1 2 3 4 5
Linke Position (Alte Werte: 1, 4) Rechte Position (Alter Wert: 2, 3) Ambivalent (Alter Wert: 5) Keine Stellungnahme (Alter Wert: 8) Trifft nicht zu (Alter Wert: 9)
Links/Rechts (mittelwertfähige Positionen) [mw_POS1-mw_POS3] Um die Mittelwertberechnung der Positionsnahme zu vereinfachen, wurde die ambivalente Position auf 2 gesetzt. 1 2 3 4 5
Linke Position (Alte Werte: 1, 4) Ambivalent (Alter Wert: 5) Rechte Position (Alter Wert: 2, 3) Keine Stellungnahme (Alter Wert: 8) Trifft nicht zu (Alter Wert: 9)
Akteursrolle Durch diese Variable wird erfasst, welche Funktion die erwähnten Akteure besitzen, bzw. in welchem Amt sie kommentiert werden. Dabei wurden zunächst grob die überstaatliche und internationale, die Bundes-, Länder- und die Kom-
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Methodenanhang
munalebene unterschieden. Daneben standen Globalkategorien, die abstrakte Rollenverständnisse umfassen, bestimmte Bevölkerungs- und Berufsgruppen sowie nicht-staatliche Institutionen und Gruppen zur Auswahl. Codierung: Bei Akteuren mit mehreren Amtsfunktionen wurde die erste im Kommentar genannte codiert. Personen außer Dienst wurden bei der erwähnten Amtsfunktion eingeordnet. Bei Akteuren mit politischen Funktionen außerhalb der BRD wurde das entsprechende Rollenäquivalent in der BRD codiert.
Überstaatliche und internationale Ebene 1100 Internationale Organisationen allgemein 1200 UNO und Tochterorganisationen (z.B. UNESCO, FAO) 1300 NATO 1400 EG, EU, EWG, WEU 1410 Europäisches Parlament 1420 Ministerrat 1430 Kommission 1440 Europäischer Gerichtshof 1450 andere europäische Institutionen, Zusammenschlüsse 1500 Andere Ländergruppen und Zusammenschlüsse Bundesebene 2100 (Bundes-) Präsident, (Bundes-) Präsidialamt 2200 (Bundes-) Regierung allgemein 2210 Kanzler, Regierungschef 2220 (Bundes-) Ministerien, (Bundes-) Minister 2221 Staatssekretäre 2222 Untergeordnete Regierungsmitglieder 2300 Bundestag, Parlament 23100 Bundestagspräsident 23200 Opposition 23300 Fraktionen allgemein/ Parlamentarische Gruppen 23301 CDU 23302 Vorstand/Vorsitzender CDU 23303 Abgeordnete CDU
23304 CSU 23305 Vorstand/Vorsitzender 23306 Abgeordnete CSU 23307 FDP 23308 Vorstand/Vorsitzender FDP 23309 Abgeordnete FDP 23310 SPD 23311 Vorstand/Vorsitzender SPD 23312 Abgeordnete SPD 23313 Grüne 23314 Vorstand/Vorsitzender Grüne 23315 Abgeordnete Grüne 23316 PDS 23317 Vorstand/Vorsitzender PDS 23318 Abgeordnete PDS 23319 CDU/CSU 23320 Vorstand/Vorsitzender CDU/CSU 23321 Abgeordnete CDU/CSU 23322 CDU/CSU/FDP 23323 Vorstand/Vorsitzender CDU/CSU/FDP 23324 Abgeordnete CDU/CSU/FDP 23325 SPD/Grüne 23326 Vorstand/Vorsitzender SPD/ Grüne 23327 Abgeordnete SPD/Grüne 23328 große Koalition 23400 Ausschüsse 24000 Bundesrat 25000 Bundesversammlung 25100 Vermittlungsausschuss 26000 Gremien der Länder 26100 Konferenzen der Ministerpräsidenten
Methodenanhang
26200 Konferenzen der Landesminister 27000 Parteien allgemein 27100 CDU 27110 Vorstand/Vorsitzender CDU 27120 Mitglieder CDU 27160 FDP 27170 Vorstand/Vorsitzender FDP 27180 Mitglieder FDP 27190 SPD 27200 Vorstand/Vorsitzender SPD 27210 Mitglieder SPD 27220 Grüne 27230 Vorstand/Vorsitzender Grüne 27240 Mitglieder Grüne 27250 PDS 27260 Vorstand/Vorsitzender PDS 27270 Mitglieder PDS 27280 rechtsradikale Parteien 27290 Vorstand/Vorsitzender rechtsradikale Parteien 27300 Mitglieder rechtsradikale Parteien 27310 andere Parteien 28000 Bundesjustiz 29000 Bundesverfassungsgericht 29100 Oberste Gerichtshöfe 29200 Bundesanstalt für Arbeit 29300 Bundesrechnungshof 29400 Statistisches Bundesamt 29500 Bundesbank 29600 Bundeskriminalamt 29700 Bundeswehr 29800 Bundesgrenzschutz 29900 Polizei 29910 andere Bundesbehörden und Verwaltung (z.B. BND) 29920 Post 29940 Deutsche Bundesbahn 29950 Andere politische Institutio nen/Akteure auf Bundesebene Länderebene 31000 Landesregierung und Land 31100 Ministerpräsident, Oberbürgermeister
275 31200 Landesministerien, Landesminis ter, Senatoren (bei Stadtstaaten) 31210 Untergeordnete Regierungsmitglieder 31300 Landtag, Senat 31400 Landtagspräsident, Senatspräsident 31500 Opposition 31600 Fraktionen allgemein 31610 CDU 31611 Vorstand/Vorsitzender CDU 31612 Abgeordneten CDU 31613 CSU 31614 Vorstand/Vorsitzender 31615 Abgeordnete CSU 31616 FDP 31617 Vorstand/Vorsitzender FDP 31618 Abgeordnete FDP 31619 SPD 31620 Vorstand/Vorsitzender SPD 31621 Abgeordnete SPD 31622 Grüne 31623 Vorstand/Vorsitzender Grüne 31624 Abgeordnete Grüne 31625 PDS 31626 Vorstand/Vorsitzender PDS 31627 Abgeordnete PDS 31628 CDU/CSU 31629 Vorstand/Vorsitzender CDU/CSU 31630 Abgeordnete CDU/CSU 31631 CDU/CSU/FDP 31632 Vorstand/Vorsitzender CDU/CSU/FDP 31633 Abgeordnete CDU/CSU/FDP 31634 SPD/Grüne 31635 Vorstand/Vorsitzender SPD/Grüne 31636 Abgeordnete SPD/Grüne 31637 große Koalition 31700 Ausschüsse 32000 Parteien allgemein 32100 CDU 32110 Vorstand/Vorsitzender CDU 32120 Mitglieder CDU
276 32130 CSU 32140 Vorstand/Vorsitzender CSU 32150 Mitglieder CSU 32160 FDP 32170 Vorstand/Vorsitzender FDP 32180 Mitglieder FDP 32190 SPD 32200 Vorstand/Vorsitzender SPD 32210 Mitglieder SPD 32220 Grüne 32230 Vorstand/Vorsitzender Grüne 32240 Mitglieder Grüne 32250 PDS 32260 Vorstand/Vorsitzender PDS 32270 Mitglieder PDS 32280 rechtsradikale Parteien 32290 Vorstand/Vorsitzender rechtsradikale Parteien 32300 Mitglieder rechtsradikale Parteien 32310 andere Parteien 33000 Landesjustiz 34000 Länderbehörden und Verwaltung 35000 Polizei 36000 Andere politische Institutionen/ Akteure auf Länderebene 37000 Kultur-Institutionen 38000 Schulen, Hochschulen, Bildungseinrichtungen, wissen schaftliche Einrichtungen Kommunale Ebene 41000 Städte, Kommunen 42000 Stadträte, untergeordnete Regierungsmitglieder 43000 Kommunale Behörden, Verwaltung, Parteien 44000 Andere kommunale Institutionen/Akteure (z.B. Stadt theater, städt. Jugendzentrum) Globalkategorien 51000 Der Staat 52000 Die Politiker 53000 Die Bürger, Wähler,
Methodenanhang
Bevölkerung 54000 Ein Land, mehrere Länder 55000 Ein „Volk“, eine Ethnie Bestimmte Bevölkerungs- bzw. Berufsgruppen (pauschal) 60000 Prominente 60500 Eliten 61000 Ostdeutsche 62000 Arbeitslose 62500 Arbeitnehmer 63000 Rentner 64000 Beamte 65000 Ausländer 66000 Studenten und Schüler 66500 Kinder 67000 Wissenschaftler/Experten 68000 Frauen 69000 Andere Nicht-staatliche Institutionen, Gruppen 71000 Politische Bewegungen, Verbände, Gruppen, Vereine allgemein 71010 Vertriebenenverbände 71020 Ausländerverbände 71030 Behindertenverbände 71040 Verbraucherverbände 71050 Menschenrechtsbewegung und -gruppen 71060 Dritte-Welt-Bewegung und -Gruppen 71070 Umweltschützer 71080 Friedensbewegung 71090 Frauenbewegung 71100 Sonstige links-orientierte Bewegungen, Gruppierungen 71110 Sonstige rechts-orientierte Bewegungen 71120 Andere 72000 Wirtschaft, Industrie, Handel allgemein, öffentlicher Dienst 72100 Unternehmen 72310 Arbeitnehmer-Organisationen,
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Methodenanhang
Gewerkschaften (auch Beamtenbund) 72320 Arbeitgeberverbände 72400 Banken 72500 Treuhandgesellschaft 72600 Versicherungen, Krankenkassen 72700 Berufsständische Organisationen, Gruppen 72800 Andere 73000 Religion, Religions gemeinschaften allgemein 73100 Evangelische Kirche 73200 Katholische Kirche 73300 Jüdische Religions gemeinschaften 73400 Islam 73500 Sekten 73600 Christliche Kirchen allgemein
73700 Andere 74000 Medien allgemein 74100 Presse 74200 Hörfunk 74300 Fernsehen 74400 Journalisten allgemein 74500 Buch und Presseverlage 74600 öffentliche Anstalten 74700 private Anstalten 74900 Andere 75000 Freizeitvereine 76000 Kriminelle Organisationen und einzelne Straftäter / Kriminelle 77000 Hilfsorganisationen, Rettungsdienste 78000 Andere nichtstaatliche Institutionen, Gruppen 99999 Akteur nicht bestimmbar
Parteizugehörigkeit (recodierte Akteursrolle IV) Die Akteure wurden nach Parteizugehörigkeit aggregiert. Zusammengefasst wurde in dreizehn Kategorien. Zusätzlich zu einer Erfassung der einzelnen Parteinamen, standen Kategorien von Parteikombinationen, -gruppen oder – koalitionen zur Verfügung. Recodierung: Die Zuweisung der recodierten Werte an die neuen Variablen berücksichtigte lediglich die Parteizugehörigkeit und umfasste alle Ebenen der Parteihierarchie. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13
CDU (Alte Werte: 23301-23303; 27100-27120; 31610-31612; 32100-32120) CSU (Alte Werte: 23304-23306; 31613-31615; 32130-32150) FDP (Alte Werte: 23307-23309; 27160-27180; 31616-31618; 32160-32180) SPD (Alte Werte: 23310-23312; 27190-27210; 31619-31612; 32190-32210) Grüne (Alte Werte: 23313-23315; 27220-27240; 31622-31642; 32220-32240) PDS (Alte Werte: 23316-23318; 27250-27270; 31625-31627; 32250-32270) CDU/CSU (Alte Werte: 23319-23321; 31628-31630) CDU/CSU/FDP (Alte Werte: 23322-23324; 31631-31633) SPD/Grüne (Alte Werte: 23325-23327; 31634-31636) Gr. Koalition (Alte Werte: 23328; 31637) Rechtsrad. Parteien (Alte Werte: 27280-27300; 32280-32300) Andere Parteien (Alte Werte: 27310; 32310) Nicht-Partei-Akteure (Übrige Werte)
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Methodenanhang
Beurteilung der Akteure Diese Variablen enthalten die Bewertungen der Akteure durch die Kommentatoren. Die Beurteilung wurde für jeden Akteur getrennt erfasst. Codierung: Unterschieden wurde, ob für oder gegen den Akteur Partei genommen wurde. Ambivalente Parteinahme bezeichnet eine tatsächliche Ausgewogenheit der Bewertung. Wurde keine Beurteilung vorgenommen, stand hierfür eine entsprechende Option zur Verfügung. 1 2 3 9
Positive Parteinahme Ambivalente Parteinahme Negative Parteinahme Keine Parteinahme