Gruselspannung pur!
Der Werwolf von Eisenach
von C.W. Bach Dämonenjäger
Mark Hellmann Den Sozialismus in seinem Lauf...
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Gruselspannung pur!
Der Werwolf von Eisenach
von C.W. Bach Dämonenjäger
Mark Hellmann Den Sozialismus in seinem Lauf halten weder Ochs noch Esel auf. Dieses geflügelte Honecker-Wort fiel mir ein, als ich die Zentrale der Gauck-Behörde in Berlin betrat. Ich war herbestellt worden. Weshalb, wußte ich nicht. Was hatte ich, Mark Nikolaus Hellmann, Träger des Rings und passionierter Kämpfer gegen die Mächte der Finsternis, mit dieser Behörde zu schaffen? Ich sollte es bald erfahren. Mark Hellmann - die Gruselserie, die Maßstäbe setzt! In der folgenden Stunde sollte ich eine der größten Überraschungen erleben, seit ich am 1. Mai 1980 nackt und ohne Erinnerung in der Weimarer Bachgasse aufgegriffen worden war.
Bis heute wußte ich nicht, wie ich wirklich hieß und wer meine Eltern waren. Ich war adoptiert worden; meinen Nachnamen hatte ich von meinen Adoptiveltern erhalten. Meine Vornamen waren von den Buchstaben des magischen Rings abgeleitet worden, den ich als einziges Besitztum bei mir getragen hatte. Ich meldete mich an diesem schönen Tag beim Portier hinter der schußsicheren Rezeption an. Sie war aus gutem Grund so eingerichtet. Die Gauck-Behörde, nach ihrem Leiter benannt, mochte nicht jeder. Eigentlich hieß das Amt >Bundesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik. Den Zungenbrecher wollte sich jedoch keiner zumuten. Die Gauck-Behörde hatte die umfangreichen Akten und Schriftstücke des ehemaligen ostdeutschen MfS (Ministerium für Staatssicherheit) und seines Ablegers, kurz Stasi genannt, aufzuarbeiten. Dabei wurde viel Dreck aufgewühlt, der zahlreichen, angeblich sauberen Bürgern an der Weste klebte. Es war ein sehr schwieriges Kapitel deutscher Geschichte, das zu bewältigen ich niemanden beneidete. Ein Portier avisierte mich. Ich wurde bereits erwartet und durchschritt eine Kontrollschleuse, wurde elektronisch gecheckt und fuhr dann hinab in den Keller. Dabei fielen mir meine sämtlichen Sünden aus der DDR-Zeit ein, obwohl ich zur Zeit der Wende erst neunzehn gewesen war. Ich war bei der Wende sehr engagiert gewesen. In Leipzig hatten wir im Dezember '89, gleich nach dem Fall der Mauer, die >Runde Ecke< am Dittrichring besetzt, die dortige Zentrale des Staatssicherheitsdienstes mit über zweitausend Mitarbeitern. Für mich waren es große Tage gewesen, besonders die in Berlin, als im November 1989 die Mauer geöffnet wurde, ein Jahrhundertereignis. Das würde ich nie vergessen! Jetzt war das schon alles Geschichte. Doch ich bin dabeigewesen. Was ich mit dem Begrüßungsgeld der BRD anfing und wie ich den Westberliner Mädchen nachstellte, sei hier nicht weiter erwähnt. Auch die größten geschichtlichen Ereignisse haben ihre persönlichen und intimen Seiten. Zurück zu meinem Besuch in der Gauck-Behörde. In einen Keller gebeten oder befördert zu werden, erweckte bei mir als ehemaligem DDR-Bürger sehr unangenehme Erinnerungen. Meine
Kopfhaut prickelte unter dem blonden Haar. In den Stasi-Kellern hatte sich allerhand abgespielt, und manch einer war mit Zähnen hineingegangen, aber ohne wieder herausgekommen. Heutzutage gab es das nicht mehr, jedenfalls nicht in Deutschland. Eine schwere Eisentür wurde geöffnet. Ich schaute auf meinen Ring. Keine Gefahr. Also lag kein dämonischer Einfluß vor. Mephisto, von Goethe im Faust treffend beschrieben, traute ich nicht über den Weg. Der Megadämon und Oberteufel konnte sich auch zu Behördenräumen Zutritt verschaffen, wie ich vor nicht allzu langer Zeit im Berliner Polizeipräsidium am Treptower Damm leidvoll erfahren hatte. Jetzt begrüßte mich ein Mitarbeiter der Gauck-Behörde, ein jüngerer, agiler Mann. Er führte mich in einen modern eingerichteten Arbeitsraum, wo ein weiterer Mitarbeiter der Behörde saß und mich mit Handschlag begrüßte. »Herr Hellmann«, sagte dieser etwas konservativ gekleidete Mann mittleren Alters, »vielen Dank, daß Sie unserer Einladung unverzüglich gefolgt sind. - Hatten Sie eine gute Fahrt von Weimar herüber?« »Ja, danke. Können wir gleich zur Sache kommen? Sie werden mir doch hoffentlich nicht unterstellen, ein Stasi-Spitzel gewesen zu sein?« »Nein. Wir wissen um ihre demokratische Gesinnung. Und sind auch informiert über ihre Einsätze zur Erlangung der Freiheit. Doch nehmen Sie erst einmal Platz. An dem runden Tisch dort.« Ich setzte mich und schaute mich in dem nüchternen und zweckmäßig eingerichteten, fensterlosen Raum um. Was wollen die hier von mir? überlegte ich. »Wollen Sie mir einen Orden verleihen?« fragte ich die beiden gutgekleideten Männer mir gegenüber. »Was soll die Geheimniskrämerei?« »Das hat nichts zu bedeuten. Hier ist das Archiv. Wir bitten um Ihre Mithilfe, um eine Besonderheit aus der DDR-Zeit aufzuklären. Wir hätten Sie auch in einem der oberen Büros empfangen können. Doch wir sind die Stelle, in der die kuriosesten und geheimnisvollsten Akten des MfS aufgearbeitet werden. Die XAkten des MfS, möchte ich sagen. Vorfälle der höchsten Geheimhaltungsstufe, die über den Bereich des Normalen
hinausgehen.« »Wollen Sie damit sagen, in der DDR hätte es Spuk und Geister gegeben?« fragte ich die beiden Herren. Sie hatten mir ihre Namen genannt: Kuhn und Lewzewski. Kuhn war der Ältere, verbindlich, mit scharfen Augen. Ein Mann, dem man nichts vormachen konnte. »Paranormales? Am Ende noch Meldungen über fliegende Untertassen? Derlei Dinge wurden immer als Ausgeburten kapitalistischer Phantasten abgetan. Laut DDRPropaganda hatten Hexen, Werwölfe, Vampire und anderes Gelichter im Sozialismus keinen Platz. Vermutlich weil man sie nicht systemkonform einschwören konnte. Sie paßten jedenfalls nicht ins sozialistische Weltbild, in keinen Fünf-Jahres-Plan, und sie wären als Systemabweichler zudem schlecht zu kontrollieren gewesen.« Der Gauck-Mitarbeiter Kuhn seufzte, was ich von ihm nicht erwartet hätte. »Leider ist dergleichen aber doch vorgekommen«, sagte er. »Hier haben wir nämlich die Akte >WerwolfMondscheinsonateReise< aus dem Futhark-Alphabet auf den Boden. In dem Moment näherte sich der Polizist, der Verdacht geschöpft hatte. »Wer ist da?« fragte er. Der Beamte sah einen splitternackten hochgewachsenen, blonden Mann, der durchsichtig wurde und im nächsten Moment verschwunden war. Der Polizist rieb sich die Augen und schüttelte heftig den Kopf. »Das gibt es nicht«, stieß er hervor. Er überlegte eine Weile und beschloß dann, lieber keine Meldung zu erstatten. Sonst untersuchte man ihn noch auf seinen Geisteszustand, und die nächste Beförderung war im Eimer.
* Der Ring an meiner Hand brannte wie Feuer. Ich hörte seltsame, verworrene Laute. Licht explodierte in meinem Kopf. Ich vernahm Sphärenklänge und sah einen hellen, pulsierenden
Schacht, in den ich hineinfiel. Spektralfarben wirbelten. Ich schwebte über einem finsteren, gräßlichen Abgrund, und über mir war ein strahlendes Licht. Plötzlich erlosch es. Ich fiel auf den Boden. Diesmal hatte ich Glück. Ich erkannte das Haus und das Grundstück, obwohl sich einiges verändert hatte, wieder. Ich war an derselben Stelle gelandet, von wo ich im Jahr 1998 die Zeitreise angetreten hatte. Bei anderen Gelegenheiten war es mir schon anders ergangen. Mein ganzer Körper schmerzte, und ich war ein paar Minuten benommen. Mühsam kroch ich in die zu der Zeit, in der ich jetzt war, noch sehr gepflegten Büsche. Es war spät in der Nacht, was mir recht war. Im Haus, auf dessen Grundstück ich lag, brannte kein Licht. Sobald ich dazu in der Lage war, stand ich auf und schaute mich um. In einem Geräteschuppen fand ich alte Klamotten für die Gartenarbeit und zog sie erst einmal an. Darin stieg ich dann über die Mauer, wanderte mitten in der Nacht durch die Stadt Eisenach im Jahr 1975 und suchte Rudi Oertzner. Die Adresse hatte ich im Kopf. Es mußte zwei oder drei Uhr sein, so genau wußte ich es nicht. Sehr wenige Autos, für westliche Verhältnisse, standen am Straßenrand: Wartburgs, die hier gebaut wurden, Trabis und ein paar Tatras. Westautos sah ich überhaupt nicht. Plötzlich hielt ein Wartburg neben mir. Zwei Volkspolizisten stiegen aus. »Zeigen Sie mal Ihre Papiere«, verlangte der eine und leuchtete mir mit der Taschenlampe ins Gesicht. »Was haben Sie um die Zeit auf der Straße zu suchen?« »Ich bin mit Walter Ulbricht verabredet. Haben Sie einen Herrn mit einem Spitzbart gesehen?« Der Spruch kam mir wie von selbst über die Lippen. »Was?« rief der Vopo. »Frech werden wollen Sie auch noch? Der ehrwürdige Staatsratsvorsitzende ist 1973 im Alter von achtzig Jahren gestorben.« »Ah, dann kann er ja nicht kommen.« Die Vopos packten mich und wollten mir Handschellen anlegen. Ich nutzte die Chance. Die Straße war menschenleer. Mit schnellen, gezielten Hieben streckte ich die beiden Vopos nieder und schleifte sie in eine Einfahrt. Den Wartburg, in dem der Schlüssel noch steckte, fuhr ich an den Straßenrand. Dann zog
ich die Uniform des größeren Volkspolizisten an und beeilte mich, wegzukommen. Bald würde es Alarm geben. Ein paar Straßen weiter betrat ich das Mietshaus, in dem Rudi Oertzner wohnte. Das Haus war nicht abgeschlossen, viele Wohnungen ebenfalls nicht. Es war sicher auf den Straßen, die Kriminalitätsrate minimal, was allerdings eine Kehrseite hatte. Nämlich die der allgegenwärtigen Partei, Bespitzelung und ihrer Kontrolle. Ich pochte an Oertzners Tür. »Aufmachen!« »Volkspolizei!«
rief
ich,
als
er
sich
verschlafen
meldete.
So schnell hatte mir selten einer geöffnet. Hinter Rudi Oertzner, dreiundzwanzig Jahre jünger, als ich ihn aus dem Jahr 1998 kannte, stand eine bildschöne Blondine im Morgenmantel. Sie hatte hellblaue Augen, in denen jetzt Angst zu erkennen war. Der Besuch der Volkspolizei um diese Zeit bedeutete nie etwas Gutes. Ich erkannte die Blondine durch das Foto, das ich bei der Gauck-Behörde in Berlin in der Akte gesehen hatte. Es war Margot Oertzner, Rudis Schwester, anderthalb Jahre älter als er. Sie hatte die Haare in der Mode der Siebziger Jahre frisiert, also halblang, leicht toupiert und am Ende gekräuselt. »Ich recherchiere wegen dem Werwolf Kagunin«, sagte ich eingedenk der Worte, die mir Rudi Oertzner bei unserem Zusammentreffen im Zeitungsarchiv dreiundzwanzig Jahre in der Zukunft genannt hatte. »Lassen Sie mich herein!« Die beiden gehorchten. Wir setzten uns an den Küchentisch. Ich zog die Pistole und legte sie auf den Tisch. »Sie werden jetzt eine unglaubliche Geschichte hören«, sagte ich. »Wenn Sie danach wollen, können Sie mich der Volkspolizei übergeben. Ich bin kein Vopo, die Uniform habe ich einem abgenommen, den ich niederschlug.« Die beiden staunten. Ich erzählte, daß ich ein Spezialist aus dem Westen sei, der auf den Werwolf Kagunin angesetzt wäre. Mein einziges Bestreben wäre, den Werwolf zur Strecke zu bringen. Danach würde ich die DDR sofort wieder verlassen. Als ich geendet hatte, griff Rudi nach der Pistole. »Hände hoch!« sagte er. »Wenn Sie mich fragen, gehören Sie ins Irrenhaus.« Margot legte ihm die Hand auf den Arm.
»Leg das Schießeisen weg, Rudi«, sagte sie. »Ich glaube ihm. Mark Hellmann ist nicht verrückt, das spüre ich. Du hast mir von den Untaten des Werwolfs erzählt, der die Grenze unsicher macht, der einen DDR-Grenzer tötete, einen Flüchtling zerriß und zwei anderen wider Willen mit seinem Auftauchen zur Flucht über die Grenze verhalf. In der Zeitung dürft ihr nichts davon berichten.« »Ja«, sagte Rudi, damals achtundzwanzig. »Ich finde, daß du ihm helfen solltest. - Wie wollen Sie denn den Werwolf zur Strecke bringen, Herr Hellmann?« »Ich muß sein Versteck finden, in dem er sich tagsüber verborgen hält, dort eindringen und ihn mit einer Silberkugel oder mit einem silbernen Messer töten.« Die beiden schauten sich an. »Na hören Sie mal, Sie machen mir Laune, Sie Kapitalist«, sagte Rudi. »Silbernes Tafelgeschirr ist bei uns nicht gerade häufig. Und Silberkugeln, also wissen Sie? Dafür braucht man eine Sondergenehmigung.« »Was ist mit dem schwarzen Markt?« fragte ich. Rudi rieb Daumen und Zeigefinger gegeneinander. »Wie sieht es denn mit Devisen aus? D-Mark oder Dollar?« »Schlecht. Ich habe keinen Pfennig. Ich bin mit dem Fallschirm abgesprungen, aus einem Sportflugzeug, das im Tiefflug die Radarkontrollen unterflog. Leider habe ich meine gesamte Ausrüstung verloren. Grenzer jagten mich, ich mußte alles zurücklassen und entkam ihnen mit knapper Not.« Rudi zögerte. Meine Geschichte klang wirklich unglaublich. Aber die Wahrheit wäre noch unwahrscheinlicher gewesen. Irgendwie gelang es mir doch, die beiden zu überzeugen. Vielleicht lag es an meinem beschwörenden Ton, vielleicht an meinen treuherzigen blauen Augen. Viel spielte mit, daß sie die Republikflüchtlinge, wie sie sie nannten, vor dem Werwolf retten wollten. Rudi Oertzner war in seinem Herzen kein überzeugter Sozialist. Seine Devise lautete >Leben und leben lassenReise