GG17 - Der verlorene Krieg Die Prupper wollten die Natur überlisten - und ernteten ihren Untergang! von W. A. Travers
ISBN: 3-8328-1241-5
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Einführung
21. März 2453 = Durch einen Terroranschlag verschwinden 7 Menschen mittels eines GG (= GAARSON-GATE, eine besondere Art von Materietransporter) - und geraten in ein fremdes GG-Netz, das schon lange existiert (Bände 7 und 8). 22. März 2453 = Den Verschollenen gelingt es, kurzzeitig PSI-Kontakt mit Clarks-Planet aufzunehmen und mitzuteilen, daß sie sich möglicherweise Tausende von Lichtjahre vom irdischen Machtbereich entfernt aufhalten, auf einer Dschungelwelt namens Vetusta (Band 9). Die Verbindung reißt jedoch ab, denn sie werden überwältigt und gefangengenommen vom Stationscomputer auf Vetusta. Dieser schickt 3 von ihnen (Bände 10 bis 12) in das GG-Netz des sogenannten Prupper-Imperiums, um herauszufinden, was in den letzten Jahrhunderten seit einem interstellaren Krieg geschah. Denn er wurde in jenem Krieg stark beschädigt, verlor dabei den größten Teil seiner Erinnerungsspeicher und hat keinerlei Kontakt mehr mit dem Imperium. Die drei Verbannten sind: John Millory, Petro Galinksi und Cora Stajnfeld! 2. April 2453 (Bände 12 bis 14) = Auf der Erde erfolgt der »Aufstand der Puppen« (Puppen = Androiden als Kinderersatz). 3. April 2453 (Band 15 - mit Rückblende November 2452) = Vor der bevorstehenden Katastrophe flohen die Mächtigsten und Reichsten von der Erde. Die »Wichtigsten« etablieren sich nun auf dem Kolonial-Planeten PULSAR-7. Ihr Ziel: Die Macht über die Erde wieder zurückgewinnen! Die Verbannten in der Zwischenzeit (ab Band 15) = Sie stellen fest, daß die Prupper haargenauso aussehen und auch so leben wie Menschen auf der Erde. Das einzige, was sie von Menschen unterscheidet, ist ihre Sprache. Aber auch die Namen wirken großenteils wie dem Englischen entliehen: Ein besonderes Mysterium, das sich die drei nicht erklären können. Dabei wirken die drei auf einer der Welten wie Katalysatoren in einer Situation, die aufgrund genetischer Superexperimente total eskaliert...
* Ein verdächtiges Pfeifen lag in der Luft. Die vier (die drei Verbannten und ihr derzeitiger "einheimischer" Begleiter Tommy Gregg), noch immer halbtaub, wurden viel zu spät darauf aufmerksam. Erschrocken hoben sie den Blick zum Himmel. Wieder näherte sich ihnen ein Flugobjekt. Ihre bittere Erfahrung mit dem Riesenschmetterling ließ sie die Waffen fester ergreifen. Sie standen auf der Piste. Von der Unglücksstelle hatten sie sich bereits über einen Kilometer entfernt. Es war ihnen letztlich nichts anderes übriggeblieben, als ihr Glück auf Schusters Rappen zu versuchen, egal, wie weit es bis zum Camp war. »Mein Gott, ein Fluggleiter!« rief Tommy Gregg aus. Der Unterton in seiner Stimme ließ unwillkürlich an ein staunendes Kind unter dem Christbaum denken. Den drei Gatereisenden erging es nicht anders. Stocksteif standen sie da. Dann begannen sie, zu winken wie verrückt. Es mußte ihnen gelingen, den Piloten des Fluggleiters auf sich aufmerksam zu machen. Bis Tommy Gregg auffiel, daß sich der Gleiter in der falschen Richtung bewegte. Copyright 2001 by readersplanet
Er kam nicht vom Camp, sondern flog im Gegenteil hin! Und dann sahen sie das Emblem, und Gregg ächzte: »Das Regierungsemblem!« Zu spät, ihren Fehler rückgängig zu machen! Der Pilot des Gleiters hatte sie entdeckt und setzte zur Landung an. Wie ein Stein kam der Gleiter herunter. Knapp über dem Boden wurde er abgefangen. Die Triebwerke orgelten. Petro Galinksi widerstand dem Impuls, sich in die Felder zu schlagen. Weit wäre er ohnedies nicht gekommen, Stattdessen steckte er blitzschnell seinen Paralyser weg. Die brauchten nicht zu sehen, daß er bewaffnet war. John und Cora Stajnfeld reagierten in gleicher Weise. Wenn es drauf ankam, handelten sie wie ein Mann. Es bedurfte keines erläuternden Wortes mehr. Nur Tommy Gregg behielt den Strahler in der Hand. Die anderen Waffen trug er sichtbar am Körper. Der Gleiter landete nach einem gewagten Manöver direkt vor ihrer Nase. Eine Lautsprecherstimme ertönte: »Wir haben Sie im Visier. Werfen Sie die Waffen weg!« »Was soll das?« maulte Tommy Gregg. »Erst müssen wir um unser Leben bangen, und dann kommt ihr und behandelt uns wie Schwerverbrecher.« Doch er kam der Aufforderung gehorsam nach. Die drei Gatereisenden verschränkten die Arme vor der Brust. Die Paralyser behielten sie. Sie waren sicher, daß die Gleiterbesatzung nichts von den Betäubungswaffen wußte. Als sich Tommy seiner Strahler entledigt hatte, fragte die Lautsprecherstimme: »Was ist mit euch dreien? Wo sind eure Waffen?« Cora deutete auf die Strahler, die am Boden lagen. »So was besitzen wir nicht!« Damit hatte sie noch nicht einmal gelogen. Zögernd öffnete sich eine Luke. Ein Uniformierter sprang auf die Piste. Er hatte eine Art Tropenanzug an. Der Helm glänzte schwarz. Der Anzug war fast transparent und sehr enganliegend. Der Mann hielt einen Strahler in der Rechten. Wenigstens ein Strahler, den wir schon vom Eisplaneten her kennen, dachte John in einem Anflug von Galgenhumor. Der Strahler sah aus wie ein Bügel. Geformt zu einer Art Hufeisen, waren beide Pole mit einer vierkantigen Metallschiene verbunden. Cora Stajnfeld hielt es nicht für ausgeschlossen, daß diese Waffen auf dem gleichen Prinzip aufgebaut waren wie die Lampen, die sie selber benutzten: Daß sie die Energie aus der Wärme des Körpers bezogen. Selbst wenn Cora Stajnfeld davon ausging, daß die vergleichsweise geringe Wärmeabstrahlung des Körpers eine derartige Energiekonzentration kaum zuließ, wie sie nötig war, einen größeren Gegenstand aufzulösen, bis nur noch ein kleines Aschenhäufchen übrigblieb, konnte sie diese Überlegung nicht ganz ausklammern. Leider war es ihr bisher nicht geglückt, einen der Strahler lange genug in ihren Besitz zu bringen, bis sie seine Funktionsweise überprüft hatte. Immerhin mußte sie berücksichtigen, daß diese Wesen, die wie Menschen aussahen, mindestens schon Jahrhunderte, wenn nicht schon seit Jahrtausenden, den Gaarson-Effekt kannten. Auch wenn ihre Zivilisation durch den überstandenen Krieg um einiges zurückgeworfen worden war und sich vielleicht erst in den letzten Jahrhunderten begonnen hatte, von den Folgen zu erholen. Vieles mutete jedenfalls so an wie auf der Erde und nicht gerade, als wäre man im Imperium wirklich um Jahrtausende in der Entwicklung voraus. Copyright 2001 by readersplanet
Oder irrten sie sich, wenn sie das annahmen? Schließlich war das erst die zweite Welt, die sie besuchten, und beim ersten Mal hatten sie über das eigentliche Gate-Imperium so gut wie gar nichts erfahren, außer, daß sich der Eisplanet vom Imperium erfolgreich abschottete. Und wie das Verhältnis zum Gate-Imperium hier war, konnten sie nach wie vor in keiner Weise beurteilen. Wie hätten sie es auch in Erfahrung bringen können? Erstens einmal wäre Gregg sicher nicht der geeignete Gesprächspartner gewesen - einmal ganz abgesehen davon, daß sie bei ihm unnötig Mißtrauen hervorgerufen hätten - und zweitens war nun wirklich überhaupt keine Zeit dafür gewesen... Der Uniformierte stapfte auf sie zu und richtete den Strahler auf sie. »Wo sind eure Identifikationsmarken?« bellte er. Den Gatereisenden wurde heiß. Tommy Gregg hatte seine Marke an der linken Brustseite. Sie waren weniger glücklich dran. Deshalb verhielten sie sich zunächst einmal abwartend. Tommy Gregg gönnte ihnen einen mitleidigen Blick. Mit der Rechten deutete er auf seine Marke. »Dich meine ich nicht!« knurrte der Uniformierte. Petro Galinksi verwünschte die Tatsache, daß sich die Kameraden des Uniformierten im Hintergrund hielten. So hatte er keine Möglichkeit, mit dem Paralyser eine ihm genehme Entscheidung herbeizuführen. Er blickte auf seine Brust und tat überrascht. »Verdammt, ich scheine das Ding verloren zu haben!« Cora und John versuchten den gleichen Trick. »Das ist doch nicht möglich!« ächzte Cora verzweifelt. Es klang täuschend echt, aber wohl nicht echt genug, um den Uniformierten hinters Licht zu führen. Er drohte mit der Waffe. »Los, einsteigen!« befahl er und deutete auf den Gleiter. »Soll das heißen, daß Sie uns festnehmen?« erkundigte sich Tommy Gregg. »Genau!« antwortete der Uniformierte knapp. »Aber wieso denn?« protestierte Tommy Gregg lautstark. »Wir gehören zum landwirtschaftlichen Camp und machten Jagd auf die Riesenameisen. Wir vier sind die einzigen Überlebenden.« »Riesenameisen, eh?« Der Uniformierte lachte belustigt. »Hören Sie auf mit dem Unsinn! Das ganze Camp scheint aus Verrückten zu bestehen. Vielleicht ist eine neue Seuche ausgebrochen, die eure Gehirne zersetzt.« »Und warum befinden Sie sich auf dem Weg zum Camp?« »Weil die Verbindungen abgerissen sind. Es steht zu befürchten, daß die jetzt völlig durchdrehen. Aber falls da eine Schweinerei im Gange sein sollte, sind wir die richtigen Leute!« Gar nicht eingebildet, was? dachte Petro im stillen. Aber er behielt diese Worte lieber bei sich, um den Mann nicht unnötig zu provozieren. »Sie glauben also nicht an die Rieseninsekten?« »Schluß jetzt!« knurrte der Uniformierte. »Genug geplaudert. Es wird Zeit, daß gehandelt wird!« Er winkte energisch mit dem Strahler. Petro Galinksi spielte noch mit dem Gedanken, ob er den Paralyser nicht doch einsetzen sollte. Was sie da in der Gefangenschaft erwartete, erschien ihm alles andere als verlockend. Die Uniformierten würden offenen Auges in ihr Verderben fliegen. Ein weiteres Ereignis enthob Petro einer Entscheidung. Copyright 2001 by readersplanet
Wieder pfiff es hoch in den Lüften. Zwei Gleiter, die ihre Geschwindigkeit herabsetzten und eine Warteschleife einnahmen. Standen sie mit dem gelandeten in Funkverbindung? Das Ganze roch nach einer geplanten Polizeiaktion. Wollte man die aufmüpfigen Landwirte endlich wieder zur Vernunft bringen? Die werden sich wundern! dachte Petro zähneknirschend. Er kam endlich dem Befehl des Uniformierten nach und marschierte auf den offenen Einstieg des Gleiters zu. Die anderen folgten seinem Beispiel. Der Uniformierte bildete das Schlußlicht. Halbdunkel herrschte im Innern des Gleiters. Es war angenehm kühl gegenüber der Tageshitze draußen. Etwa zehn Personen fanden an Bord des Fluggeräts bequem Platz. Die Gefangenen wurden in den Hintergrund gedrängt. Noch drei Uniformierte waren anwesend. »Da haben wir Schwein gehabt«, sagte der eine. »Die sind uns gewissermaßen freiwillig in die Arme gelaufen.« Der zweite sagte zu dem, der sie draußen empfangen hatte: »Besser, du sammelst die Waffen von dem einen ein. Wir nehmen sie mit.« »Was ist eigentlich mit den drei anderen?« »Wir konnten keine orten. Sie sind unbewaffnet.« Petro Galinksi hätte sie jetzt über die Möglichkeit informieren können, daß Paralyser vielleicht nicht als Waffen im üblichen Sinn identifiziert wurden. Allein, er hielt seinen Mund und zwinkerte seinen Freunden zu. Greggs Gesicht zeigte ein flüchtiges Grinsen. Dann trug er wieder eine gleichmütige Miene zur Schau. Auf ihn war Verlaß. Er hielt zu den Gatereisenden, obwohl er sie nicht kannte. Aber sein Instinkt sagte ihm längst, daß die drei in Ordnung waren. Und auf seinen Instinkt konnte sich ein Mann wie Tommy Gregg gut verlassen. Der Uniformierte kehrte mit den erbeuteten Strahlern zurück und verstaute sie irgendwo weiter vorn. Dann hob der Gleiter ab. Er stand tatsächlich mit den anderen in Funkverbindung. Allerdings wurden die Gespräche von den Gefangenen abgeschirmt. Sie bekamen nicht mit, was gesprochen wurde. In Dreierformation ging die Reise weiter - in Richtung Camp. Ein Gutes hat es, überlegte John Millory: Wir brauchen diese mörderische Strecke wenigstens nicht zu Fuß zurückzulegen. Und Cora dachte: Ausgerechnet jetzt hat sich keines der monströsen Insekten gezeigt. Zum Auswachsen ist das!
* Der Flug beanspruchte relativ wenig Zeit. Die Gleiterformation näherte sich dem Camp. Die Gefangenen blickten aus dem Seitenfenster. Das Glas konnte beliebig verändert werden. Es hielt die grellen Sonnenstrahlen zum größten Teil ab. Trotzdem ließ es genügend erkennen.
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Das Camp entpuppte sich als eine Kleinstadt. Ein paar Gebäude erhoben sich in schwindelnde Höhe. Die Anlage wurde von grünenden und blühenden Feldern umgeben. Inmitten des Camps gab es einen Landeplatz für Großraumgleiter und normale Fluggeräte. Am Rande dieses Platzes befanden sich die Einstiege in die unterirdischen Verkehrssysteme. Mittels Rohrbahnen konnte man wohl fast jeden Punkt der Welt erreichen. Alles sprach jedenfalls dafür, wenn die Freunde das Gesehene richtig interpretierten. Warum hatten die Uniformierten dann lieber den Luftweg gewählt? Funktionierten die Rohrsysteme in diesem Bereich nicht mehr? Es blieb zu vermuten, nachdem die vier Gefangenen am eigenen Leibe das Versagen des Verkehrscomputers erlebt hatten. Der Gleiter, in dem sie saßen, landete nicht sofort. Er drehte gewissermaßen eine Ehrenrunde. Die Uniformierten waren sehr aufmerksam. Einer nur widmete sich den Gefangenen. Die anderen konzentrierten sich auf ihre Kontrollen und die Beobachtung des Camps. Alles wirkte leer und ausgestorben. Als gäbe es keine Menschenseele mehr. Da entdeckten sie zwei Menschen, eine Frau und einen Mann. Sie liefen vor irgend etwas davon und gebärdeten sich dabei so kopflos, daß sie nicht einmal den Gleiter bemerkten. Keuchend und mit verzerrten Gesichtern rannten sie über die aus Kunststoffplatten bestehende Straße. Der Gleiter sank bis knapp drei Meter über den Boden. Mit stark verminderter Geschwindigkeit schwebte er dahin. Er folgte den beiden Leuten. »Also liegen wir mit unserer Vermutung richtig!« sagte einer der Uniformierten. »Die sind allesamt durchgedreht!« Sein Kollege neben ihm erschrak heftig. »Und wenn es sich doch um eine Seuche handelt?« Er schnappte nach Luft. »Verdammt, vielleicht haben die da hinten uns schon angesteckt?« Der Pilot lachte gekünstelt. »Quatsch, von einer solchen Krankheit habe ich noch nicht gehört, bei der alle Angesteckten den Verstand verlieren!« »Das hat nichts zu bedeuten. Ich...« Die Worte blieben dem Sprecher im Halse stecken. Die beiden Flüchtenden wollten einen Durchgang zwischen zwei Gebäuden benutzen. Noch immer hatten sie sich nicht nach dem Gleiter umgeschaut. Sie mußten ihn gehört haben, dachten aber bei dem Fluggeräusch aber wahrscheinlich an etwas anderes. Vielleicht an Insekten? vermutete Petro Galinksi grimmig. Er behielt diesen Gedanken bei sich, denn auch er sah jetzt, was die Uniformierten entdeckt hatten. In dem Durchgang zwischen den Gebäuden war ein riesiges Spinnennetz gespannt. Von rechts ragte ein Teil einer monströsen Spinne, groß wie ein Pferd, ins Bild. Die beiden Flüchtenden blieben stehen, als wären sie gegen eine Mauer gerannt. Sie waren zu Tode erschrocken über den Anblick des Tieres in seinem Netz. Doch das nutzte ihnen nichts. Die Spinne hatte sie schon entdeckt. Sie hatte nicht vor, bewegungslos zu verharren und auf die beiden zu warten. Sie setzte sich in Bewegung und hangelte an ihrem Netz herunter. Unbeholfen wirkte es. Sie hatte Schwierigkeiten mit ihrer Größe und dem damit verbundenen Gewicht. Die dicken Fäden des Netzes waren elastisch. Das Gebilde schwang hin und her. Die Spinne hatte fast den Boden erreicht. Copyright 2001 by readersplanet
Erstarrt hatte der Pilot des Fluggleiters die Szene betrachtet. Er vergaß, daß er das Fluggerät auch steuern mußte. So sauste der Gleiter über die Köpfe des Pärchens hinweg auf das Spinnennetz zu. Die Riesenspinne hielt inne. Sie war offenbar über den dicken Brocken verwirrt, der ihr hier in die Falle gehen wollte. »Jetzt fangen wir schon an zu phantasieren!« ächzte der Uniformierte, der vorhin von einer möglichen Seuche gesprochen hatte. »Es - es hat uns bereits erwischt.« Das brachte den Piloten in die Wirklichkeit zurück. Seine Hände schnellten vor. Die Finger tanzten über die Kontrollen. Aber es war zu spät. Die Kollision mit dem Netz war nicht zu vermeiden. Der Gleiter ging zwar steil empor, berührte dabei aber das obere Netzdrittel. Es genügte. Die dicken Fäden waren klebrig. Nur die Spinne selbst war gegen den Kleber immun. Die Fäden hingen fest an der Außenhaut des Fluggleiters und hielten ihn auf. Wie Gummi zogen sie sich, ohne jedoch zu zerreißen. Schweißperlen entstanden auf der Stirn des Piloten. Er gab mehr Schub. Damit machte er alles nur noch schlimmer. Zwei Fäden zerrissen. Es peitschte so laut, daß es durch die Wandungen zu hören war. Die Fäden krachten gegen die Kunststoffzelle, aus der der Gleiter bestand. Eine furchtbare Wirkung. Der Gleiter wurde aus der Bahn geschleudert. Vergeblich versuchte der Pilot, zu stabilisieren. Die Triebwerke heulten auf, als er erneut den Schub erhöhte. Aber jetzt strebte der Gleiter nicht mehr dem Himmel zu, sondern vollführte in voller Fahrt einen Bogen und raste zur Erde. Erschrocken gab der Pilot Gegenschub. Auch diese Handlung kam zur falschen Zeit. Die stabilen Fäden des Netzes verhinderten den Absturz. Glück im Unglück. Sie gaben dem Gleiter erneut eine andere Richtung. Er sauste in die Mitte des Netzes hinein. Ein Teil des einen Gebäudes hielt der Beanspruchung nicht mehr stand. Mauerwerk platzte ab. Das Netz verlor an Halt. Die Fäden hüllten den Gleiter ein. Die Spinne sah, was geschah, und schickte sich an, die Flucht zu ergreifen. Das Pärchen stand noch immer an seinem Platz - unfähig, sich von der Stelle zu rühren. Weit kam die Spinne nicht. Der Gleiter fiel genau auf sie. Als hätte ein Gigant seinen Absatz auf sie gesetzt, zerbarst der widerstandsfähige Chitinpanzer. Für die Insassen des Gleiters zum zweitenmal Glück im Unglück. Der mörderische Aufprall wurde von der Spinne gebremst. Sie wurde zermalmt, aber damit wurde eine Menge Bewegungsenergie vernichtet. Die Männer wurden tief in die Polster gepreßt. Cora hatte das Gefühl, ihr Magen würde ihr in die Hosen sacken. Den anderen erging es nicht besser als ihr. Der Gleiter machte Anstalten, weiterzukugeln. Das aber verhinderte das Netz. Sie kamen zur Ruhe. Der Pessimist unter den Uniformierten stöhnte: »Wir sind von der Seuche ergriffen! Wir sind verrückt wie alle hier. Merkt denn eigentlich niemand, daß wir uns das alles nur einbilden? Wir sind geistig umnachtet, total übergeschnappt.« Copyright 2001 by readersplanet
Mit diesen Worten riß er seinen Strahler hoch und wandte sich gegen die Gefangenen. Als Petro Galinksi seine Augen sah, zweifelte er nicht mehr daran, daß der Mann den Verstand verloren hatte. Allerdings kam das von keiner Seuche. Es änderte nichts an der Tatsache, daß sie der Uniformierte töten wollte!
* Beim Absturz des Gleiters war im Innern alles drunter und drüber gegangen. Die Insassen hatten alle Hände voll zu tun, nicht den Halt zu verlieren. Dabei machten sie schmerzhaft Bekanntschaft mit den Wänden und der Decke. Nur der Pilot war angeschnallt gewesen. Der Uniformierte, der die Gefangenen die ganze Zeit über hatte im Auge halten müssen, vernachlässigte nun seine Aufgabe in sträflicher Art und Weise. Das war die Chance, auf die Petro Galinksi und seine beiden Begleiter die ganze Zeit gewartet hatten. Er brauchte den Paralyser nicht zum Vorschein zu bringen, sondern schoß durch die Tasche. Der gebündelte Strahl Defektelektronen traf genau ins Ziel. Der Mann, der eben noch hatte auf sie schießen wollen, ließ den tödlichen Strahler fallen. Lautlos kippte er nach vorn. Seine Kollegen stierten verständnislos auf ihn. Sie waren davon überzeugt, daß keiner der Gefangenen eine Waffe besaß. Bei denen vermuteten sie auch nicht die Ursache für das seltsame Benehmen ihres Kollegen. Bevor sie näher darüber nachdenken konnten, setzten auch Cora Stajnfeld und John Millory ihre Betäubungsstrahler in Tätigkeit. Alle Uniformierten wurden getroffen. Übergangslos landeten sie im Land der Träume. John warf einen Blick nach draußen. Wie durch ein Wunder waren die Scheiben heil geblieben, obwohl die Wandungen recht lädiert waren. Es mochte daran liegen, daß sie wesentlich stabiler waren als die Fenster des Bodengleiters. Auch die hatten nicht aus reinem Glas bestanden, sondern aus einer Speziallegierung, bei der die Eigenschaften von Glas und durchsichtigem Kunststoff in wunderbarer Weise miteinander vereint waren. Die beiden Menschen, die zuerst mit dem Spinnennetz und dem riesigen Monster konfrontiert worden waren, hockten am Boden und starrten blicklos herüber. Es gab offenbar nichts mehr, was sie noch erschüttern konnte. John fühlte mit den beiden. Was mußten sie alles schon erlebt haben? Kein Mensch zeigte sich, als gäbe es außer diesen beiden überhaupt niemand mehr. »Wie ausgestorben!« sagte Tommy Gregg. Petro Galinksi rief von der Luke her: »Das Ding klemmt. Es will uns nicht hinauslassen.« Bei den Armaturen summte es. Versuchte eine der anderen Gleiterbesatzungen, mit ihnen in Verbindung zu treten? Cora ging hinüber. Der Gleiter hing schief. Cora Stajnfeld stieg über die Bewußtlosen hinweg. »Vielleicht sollten wir den Öffnungskontakt betätigen?« sagte sie über die Schulter.
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Petro brummelte etwas, was Cora Stajnfeld gottlob nicht verstand. Was John mitbekam, war alles andere als fein. Der hünenhafte Sicherheitsexperte und Ingenieur ließ von der Luke ab und begab sich zu Cora. Das Summen im Armaturenbrett wurde eindringlicher. »Einfach ignorieren!« schlug Tommy Gregg vor. Auch er stieg ins Cockpit, dicht gefolgt von John. »Laßt mich doch mal ran. Ich bin ein solches Ding zwar noch nicht geflogen, aber vielleicht finde ich den rechten Knopf?« »Nicht notwendig«, knurrte Petro Galinksi. Ehe es jemand verhindern konnte, betätigte er eine Reihe von Schaltern. Mehrere Dinge geschahen fast gleichzeitig: Die Triebwerke dröhnten auf, verstummten aber sofort wieder. An der Luke krachte es, als hämmere jemand mit dem Vorschlaghammer dagegen. Das aggressive Summen brach von einer Sekunde zur anderen ab. »So, das hätten wir«, sagte Petro Galinksi zufrieden. Er stapfte zum Ausstieg hinüber. Cora raufte sich die Haare. »Dieser Mensch jagt uns eines Tages noch in die Luft!« schimpfte sie erbost. John grinste. Er wußte, daß es Cora Stajnfeld nicht ganz so ernst meinte, wie sie tat. Der Öffnungsmechanismus hatte es nur geschafft, die Luke einen schmalen Spalt weit aufzuschieben. Es reichte gerade, um einen Menschen hindurchzulassen, wenn er sich ein wenig dünn machte. Petro Galinksi und Tommy Gregg hatten die größeren Schwierigkeiten. Doch sie schafften es. Bemüht, nicht mit den klebrigen Fäden in Berührung zu kommen, verließen sie das Fluggefährt. Um die Bewußtlosen brauchten sie sich nicht zu kümmern. Bald würde Hilfe für sie auftauchen. Bis dahin mußten sie von hier verschwunden sein. Die vier liefen zu dem Pärchen hinüber, das noch immer apathisch am Boden hockte. Tommy Gregg beugte sich zu ihnen hinab. »He, ihr beiden, was ist los? Reißt euch zusammen, die Sonne scheint wieder!« Sie blickten ihn nur verständnislos an. Er griff nach dem Mann, wollte ihn auf die Beine ziehen. Es gelang ihm auch, aber da rief Cora warnend: »Achtung, sie kommen!« Sie meinte die beiden anderen Fluggleiter. Der Wind trieb ihnen ihr Triebwerkgeräusch zu. Sie mußten sich beeilen. Tommy Gregg sah ein, daß es sinnlos war, sich weiter dem Pärchen zu widmen - sinnlos und für sie gefährlich. , Sollten die Gleiterbesatzungen versuchen, sie in die Wirklichkeit zurückzuführen. Er ließ von ihnen ab und lief mit den anderen zum nächsten Gebäude hinüber. »Weiter nach links!« dirigierte er. Die anderen ließen ihn vor. Er kannte sich hier besser aus. Gemeinsam mit Tommy Gregg bildeten sie längst eine verschworene Gemeinschaft. Es bedurfte keiner bekräftigenden Worte. Es wußte auch so jeder, was er vom anderen zu halten hatte. Tommy Gregg war kein Fremder mehr für sie. Irgendwie gehörte er dazu. Und sie wußten, daß sie ohne ihn viel schlechter aussehen würden. Das Camp war sein Zuhause. Niemand wußte hier so Bescheid wie er. Ein Umstand, der ihnen sehr zunutze war. Copyright 2001 by readersplanet
Vor allem, da sie mit zwei recht verschiedenen Gegnern rechnen mußten. Die Uniformierten würden ihnen ihre Flucht so schnell nicht verzeihen, und da waren noch die Insektenmonstren. Wo waren sie? Es mußten doch wesentlich mehr sein als nur diese einzelne Spinne, die sich zwischen den beiden Gebäuden häuslich niedergelassen hatte... Tommy Gregg führte sie zum Haupteingang. Es war geschlossen. Mit seiner Individualmarke bahnte er ihnen den Weg. Der Eingang öffnete sich und verschlang sie. Hinter ihnen schwang er zu. Gerade rechtzeitig. Die Polizeigleiter waren heran. Sie hatten das havarierte Fluggerät entdeckt und setzten zur Landung an. Für die Freunde gab es keine Pause. »Die Gebäude sind unterirdisch miteinander verbunden«, erläuterte Tommy Gregg. Sie rannten einen schmalen Gang entlang und stoppten vor einer Tür. Ein Lift! Alles blieb tot, als Tommy den Rufknopf drückte. Es hatte keinen Sinn. Energieausfall im ganzen Haus, wahrscheinlich sogar im ganzen Camp. Kein Wunder, wenn der Verkehrscomputer nicht mehr funktionierte. »Verdammt, was ist nun tatsächlich hier passiert, bevor wir kamen?« rief Petro Galinksi unterwegs. Sie liefen weiter den Gang entlang. »Die können doch nicht alle von Insekten gefressen worden sein!« fügte John hinzu. »Ihr irrt euch, wenn ihr glaubt, daß das Camp vorher viel bevölkerter ausgesehen hat. Es wurde vor hundert Jahren errichtet. Damals befand sich alles in den Kinderschuhen. Es wurden wesentlich mehr Arbeitskräfte benötigt. Deshalb die großzügige Bauweise. Das Gebäude hier ist total vergammelt. Aber es steht immer noch - gewissermaßen errichtet für die Ewigkeit.« Noch eine Tür, vor der sie stoppten. Sie führte in ein enges Treppenhaus. Die Freunde fragten sich, warum man dieses nicht direkt neben den Lift gebaut hatte. Manche Architekten brillierten mit in der Theorie genialen, wenn auch unpraktischen Einfällen. Meistens stellte sich erst in der Praxis heraus, was manche Ideen wert waren. Das war hier offensichtlich auch nicht anders als auf ihrer guten, alten Erde... Sie hasteten die Stufen hinunter. Die Gatereisenden fanden, daß das Gebäude ganz und gar keinen vergammelten Eindruck machte. »Die automatischen Reinigungskommandos bedienen die Gebäude, als wären diese noch voll genutzt.« »Aber warum reißt man sie nicht einfach ab?« warf Cora ein. Tommy Gregg zuckte die Achseln. »Warum denn? Hier kann man es sich leisten, verschwenderisch mit dem Platzangebot umzugehen. Ihr dürft das nicht mit den Verhältnissen in den Städten vergleichen. Außerdem könnte das alles eines Tages einmal wieder gebraucht werden. Das Camp ist eine autarke Einheit - eigene Energieversorgung, eigene Reparatureinheiten, eine ausreichende Fabrikation von Ersatzteilen für alle Bedürfnisse. Das Konzept ist hundert Jahre alt, doch es hat sich bewährt. Mit anderen Worten, beim Bau scheute man keine Kosten, und das zahlt sich jetzt aus. Für die Regierung bedeutet das Ganze kein Problem. Sie zahlt unsere Gehälter und vergibt Prämien für besonders gute Ernten. Das System funktioniert, und die Anlage trägt, verwaltet und wartet sich selbst. Warum etwas verändern, was allen Anforderungen optimal gerecht wird?« Die Freunde mußten ihm recht geben. Sie erreichten den untersten Absatz der Treppe. »Daß das eine oder andere leider veraltet ist, damit haben wir uns längst abgefunden. Ist eine Sache der Gewöhnung. Hauptsache, die Dinge, auf die es ankommt, sind auf dem Copyright 2001 by readersplanet
neuesten Stand der Technik.« Tommy Gregg unterbrach seine Erklärungen. Er entfernte die Verriegelung einer sehr stabil aussehenden Tür. Die Gatereisenden hatten keine Ahnung, wohin sie führte. Tommy Gregg öffnete. In diesem Augenblick schnellte etwas heraus. Es bewegte sich wieselflink und hatte auch eine solche Größe. Sie erkannten nicht sofort, um was es sich handelte. Es ging zum Angriff über. Dabei nahm es Petro Galinksi aufs Korn. Aber es hatte nicht mit dessen Reaktionsschnelligkeit gerechnet. Der Betäubungsstrahl traf ins Ziel. Petro Galinksi konnte sich nicht erinnern, wann das letzte Mal seine Reaktionsschnelligkeit so sehr gefragt gewesen war. Angewidert betrachtete er das betäubte Wesen. Er konnte beim besten Willen nicht sagen, um was es sich handelte. Es sah aus wie eine Kreuzung zwischen Ameise und Spinne. Ein länglicher Körper. Der Stachel eines Skorpions. Haarige, lange Beine, sechs an der Zahl. Das einzelne Facettenauge befand sich auf dem Rücken. Petro Galinksi wurde von dem Anblick abgelenkt. Tommy Gregg stieß einen erschreckten Laut aus. Er knallte die Tür wieder zu. Dabei zerquetschte er ein weiteres Insekt. Mit weit aufgerissenen Augen verkündete Tommy: »Auf - auf der anderen Seite sind eine ganze Menge von den Biestern.« Er brauchte es nicht extra zu betonen. Mehrere harte Gegenstände krachten von innen dagegen. Und dann klang es, als setze jemand eine Handsäge ein. Die vier Männer starrten auf die Tür. Sie wußten, daß es nicht lange dauern würde, bis die Biester bei ihnen waren. Erschrocken wichen sie bis zur Treppe zurück. Etwas anderes lenkte sie ab. Sie hörten oben einen furchtbaren Schrei. Ein schwerer Körper fiel auf die Treppe, kullerte abwärts, dabei immer schneller werdend. Dann kam er um die nächste Ecke, direkt auf die vier zu, die auseinanderstoben. Vor ihren Füßen landete ein Mann, blutüberströmt. Die Augen waren geöffnet. Sie blickten leer. Der Mann war tot! Was hatte ihn getötet? Bei dieser Frage brauchten sie sich nicht lange aufzuhalten. Während noch etwas emsig an der Tür arbeitete, um ein Loch hineinzufräsen, quoll ein ganzer Schwarm der furchtbaren kleinen Ungeheuer die Treppe herunter. Das betäubte kam auch wieder zu sich. Die Wirkung des Paralysers besaß bei ihm keine große Dauer. Die Freunde saßen gründlich in der Falle. Was mit ihnen geschehen konnte, das sahen sie am drastischen Beispiel des Mannes, der vor ihnen am Boden lag. Es war ein Polizist. Wahrscheinlich hatte er nach den entflohenen Gefangenen gesucht. Dabei war er in dieses Gebäude geraten. Sein guter Polizisteninstinkt hatte ihn prompt auf ihre Spur geführt. Es hatte ihn das Leben gekostet. Und jetzt waren die vier Freunde an der Reihe!
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Verzweifelt schossen Cora Stajnfeld und ihre beiden Begleiter mit den Paralysern um sich. Doch der Angreifer waren es einfach zu viele. Sie wurden nicht Herr der Lage. Hatten sie einen Schwung der Biester betäubt, nahte auch schon eine neue Front. Es mußten Tausende sein. Woher waren sie so plötzlich gekommen? Die vier konnten es sich einfach nicht erklären. John Millory hatte die wahnwitzige Idee, daß die Biester denken konnten, daß sie mit ihren Artgenossen von der anderen Türseite in Kontakt standen und sie hier in die Zange nehmen wollten. Es war keine Zeit, den anderen diesen Gedanken mitzuteilen. Sie kämpften um ihr nacktes Leben. Nur für Tommy Gregg gab es nichts zu tun. Er war unbewaffnet und mußte untätig zusehen. Eines der Monstren erreichte ihn. Er sprang mit beiden Füßen darauf und zertrat es. Die drei Gatereisenden wurden gemeinsam mit ihm gegen die Tür getrieben, die den Bemühungen der Insekten nicht mehr lange standhalten würde. Das war der Augenblick, an dem die Wende eintrat. Eine schmutziggelbe, träge Wolke wälzte sich die Treppe herunter. Wo sie die Insekten berührte, verfärbten sich diese. Ihre Bewegungen erlahmten. Sie blieben regungslos liegen. Erschrocken blickten die Freunde auf die Wolke. Sie drang in ihre Atemwege ein. Es roch nach Rosen, die jemand in eine Jauchegrube gelegt hatte. Diese Feststellung traf Petro Galinksi im stillen. So unangenehm der Geruch auch war, es zeigte sich keine nachteilige Wirkung für sie wenigstens im Moment nicht. Angeekelt stiegen sie über die Insektenkadaver hinweg. Es waren so viele, daß sie gezwungen waren, daraufzutreten. Von der Leiche des Mannes war nicht mehr viel zu erkennen. Die Tür barst. Ein Schwall Insekten schoß heraus, ebenfalls begleitet von einer solchen Giftwolke, die ihnen den Garaus machte. Die drei Gatereisenden verstanden überhaupt nichts. Nur Tommy Gregg schien einen Einfall zu haben. Er zeigte auf die Leiche des Polizisten. »Ich soll verdammt sein, wenn ich den nicht kenne!« ächzte er. Er ballte die Hände. »Natürlich, er gehört zu unserer kleinen Polizeitruppe hier im Camp.« Heftig schüttelte er den Kopf. »Ich habe wie ihr angenommen, daß er ein Verfolger ist. Was suchte er dann hier?« »He, ist da unten wer?« rief jemand die Treppe herunter. »Ja!« antwortete Tommy Gregg. Es klang euphorisch. »Ich bin es, Tommy!« »Tommy?« fragte die Stimme ungläubig. An der Biegung tauchte ein Gesicht auf, verschwitzt, die Haare strähnig in der Stirn. »Das ist doch nicht möglich! Ich denke, du bist bei diesen vermaledeiten Ameisen!« Tommy Gregg nickte traurig. »Ich bin der einzige Überlebende der Truppe. Im Ameisenberg trafen wir auf die drei Wissenschaftler hier.« Er deutete auf Cora, Petro und John. »Sie gehören einer Gruppe von Privatleuten an, die auf eigene Faust etwas gegen die Plage unternehmen wollen.« »Sehr lobenswert!« nickte der Mann. Er war kein Polizist. Seine Kleidung wirkte abgerissen wie die eines Gammlers. Die Stellen, die nicht davon bedeckt waren, zeigten eine Menge kleinerer Wunden. Der Mann war erschöpft und hielt sich nur noch mit Mühe aufrecht. »Mensch, Michael Ashby, was haben sie denn mit dir gemacht?« entfuhr es Tommy Gregg. Copyright 2001 by readersplanet
Der Mann machte eine umfassende Geste. »Schau dich um, mein Freund, dann weißt du es. Kaum haben wir deine Meldung per Funk empfangen, als bei uns der Tanz begann. Die Biester hier waren in das Transportsystem eingedrungen. Es muß ihnen gelungen sein, unterirdische Gänge zu graben. Wenn es sein muß, durchbrechen sie härtesten Kunststoff. Dabei haben sie nur Appetit auf lebende Beute.« »Menschen zum Beispiel?« vermutete Tommy entsetzt. Michael Ashby nickte nur. »Du wirst es nicht glauben, aber das ist die Spezialzüchtung, von der man uns vorgeschwärmt hat. Du erinnerst dich vielleicht, daß vor Jahren die Züchtung einer neuen Pflanze gelang. Die Frucht wird melonengroß, braucht zum Wachstum sehr viel Flüssigkeit, die sie zum großen Teil bindet. Protebase nannte man sie, da sie die Grundlage zu fast aller proteinreichen Ernährung nach modernen Gesichtspunkten bildet. Ihr Fruchtfleisch ist nicht nur wohlschmeckend, sondern läßt sich mit allen anderen Grundnahrungsmitteln verbinden, ohne wertbeeinträchtigend zu wirken.« Tommy Gregg winkte mit beiden Händen ab. »Mensch, wem erzählst du das alles? Was glaubst du, wie lange ich meinen Job schon wahrnehme?« Michael Ashby schüttelte den Kopf. »Na, ich dachte, deine Begleiter könnten sich dafür interessieren. Aber weiter im Text. Wie du ebenfalls weißt, hat die ganze Sache einen kleinen Haken. Die Pflanze, die diese Frucht hervorbringt, ist ein kleines Novum. Sie gehört sowohl zu den Windbestäubern, was die Blüte betrifft, als auch zu den teilgeschlechtlichen Pflanzen. Um es deinen Freunden deutlicher zu machen: Das Gewächs muß auf zwei verschiedene Weisen befruchtet werden. Der Grund: Frucht und Pflanze bilden keine absolute Einheit, sondern sind eine Art Symbiosepartner.« Cora war längst hellhörig geworden. »Normalerweise dient die Frucht einer Pflanze ursprünglich zur Fortpflanzung«, wandte sie ein. »Nur durch Veredelung ist es dem Menschen gelungen, die ganze Sache für seine eigenen Zwecke auszunutzen. Der Mensch gefällt sich manchmal in der Rolle des perfekten Schmarotzers.« Die sagte natürlich nicht wirklich Mensch, sondern benutzte den adäquaten Begriff in der hier gebräuchlichen Sprache: Prupper. Michael Ashby (so ähnlich klang sein Name, aber die Ähnlichkeit an sich war eigentlich schon erstaunlich genug) strahlte. Er achtete gar nicht auf die stillen Proteste von seiten Tommy Greggs. Auch die recht unpassende Umgebung kümmerte ihn nicht. Seine Haltung straffte sich. Er wurde von neuer Kraft erfüllt. Offenbar war die Protebase sein Lieblingsthema. »Tja, und in der Schaffung der Protebase ist der Mensch sozusagen über sich selbst hinausgewachsen. Das Gewächs ist ohne die verbündete Frucht nicht denkbar - und umgekehrt. Der Trick dabei ist, daß nach der Windbestäubung der oberirdischen Blüte zwar ein neues Gewächs entsteht - es erfolgt dies unter Bildung einer im Grunde zweitrangigen Nebenfrucht, die, einmal in der Erde Fuß gefaßt, eine neue Pflanze sich entwickeln läßt, wobei das Fruchtfleisch als erste Nahrung dient - sobald sie jedoch eine gewisse Größe erreicht, gibt es einen Energieüberschuß.« Cora nickte. »Es ist also so, daß das oberirdische Gewächs seine zuviel produzierte Energie an die unterirdische Frucht abgibt und von der Substanzen erhält, die diese dem Boden entzieht.« Ashby zeigte sich begeistert. »Genau! Wie schon gesagt, eine perfekte Symbiose. Aber die Partner müssen erst einmal zusammenfinden. Es bedarf einer Art Katalysator. Sie kennen die auf diesem Planeten heimische Abart der Enchyträen, jenen nützlichen Borstenwürmern, die fruchtbaren Boden bevölkern. Sie ernähren sich größtenteils von verrottenden Pflanzenteilen. Deshalb sind sie ganz verrückt auf die Symbiosefrucht der Protebase, denn sie zeigt mehrere Triebe, die sehr energiereich sind und schnell absterben. Die Enchyträen fressen sie auf. Sie hegen und pflegen die Frucht ungewollt, indem sie auf der ständigen Suche nach den wohlschmeckenden Trieben die Erde lockern und dabei Verbindungsgänge zu dem Copyright 2001 by readersplanet
Protebasegewächs schaffen. Letztlich dienen sie auch als Transporteur der Fortpflanzungskeime. Sobald eine neu entstehende Frucht mit dem Protebasegewächs in Berührung kommt, gibt es eine Vereinigung. Nun, die geschilderten Vorgänge beanspruchen natürlich eine Menge Zeit. Man forschte nach einer eleganteren Lösung. Die neuerliche Züchtung von nützlichen Insekten kam zur rechten Zeit. Es gelang ein Echyträenersatz.« Das Gesicht Ashbys verfinsterte sich. »Das Ergebnis seht ihr vor euch! Auch hier ist ein kleiner Fehler unterlaufen - ein kleiner Fehler mit großer Wirkung. Die Biester wurden von Generation zu Generation größer, und jetzt haben sie an der Protebase überhaupt keinen Gefallen mehr. Zunächst vervielfachten sich die Ernteerträge. In Zukunft werden wir wohl vergeblich warten müssen, denn die Monstren fraßen den größten Teil der natürlich vorhandenen Enchyträen und verließen den ihnen zugewiesenen Lebensbereich, um Jagd auf die Menschen zu machen. Wir beklagen eine ganze Menge Opfer. Um es drastischer auszudrücken: Im Camp gibt es nur wenige Überlebende. Bis wir auf die Idee kamen, auf die verwunschenen Insektizide zurückzugreifen. Sie haben eine enorme Wirkung auf die Biester. Wir drehten damit den Spieß um.« Cora dachte an die schmutzig-gelbe Wolke und konnte die Worte nur bestätigen. Die Erklärungen Ashbys hatten ihr einen erneuten Beweis für die möglichen Folgen unüberlegt betriebener Wissenschaft geliefert. Mit den Füßen fegten sie die Insektenleiber beiseite, damit sie die Treppe erklimmen konnten. »Bist du allein?« fragte Tommy Gregg. Ashby schüttelte den Kopf. »Nein, zwei Polizisten haben die Sprühkanone bedient. Und von der anderen Seite hat sich ein weiteres Kommando genähert. Hoffentlich sind uns nicht viel von den Biestern durch die Lappen gegangen. Wir haben gnadenlos Jagd auf sie gemacht.« »Und wir sind zufällig mitten hineingeraten. - Wie steht es eigentlich mit anderen Insekten? Hat es auch da was gegeben?« Ashby wagte gar nicht, Tommy in die Augen zu sehen. »Ein paar Spinnen haben das Camp unsicher gemacht. Auf sie hat unser Sprühgas wenig Wirkung. Sie werden zwar halbwegs davon gelähmt, aber das nutzt nicht viel. Leider mußten wir uns in erster Linie auf unseren Hauptgegner konzentrieren.« Aus dem Transporttunnel, in den die Tür führte, kamen drei Männer. Einer davon war ein Polizist. Er trug ein kleines Handsprechgerät mit sich. Das war es nicht, was Coras Aufmerksamkeit erregte, sondern der Strahler in seiner Rechten. Der Strahler war auf sie gerichtet. Der Polizist schnarrte: »Das sind die geflohenen Gefangenen! Soeben habe ich die Meldung erhalten. Oben sind drei Gleiter gelandet. Man wollte nach dem Rechten sehen, nachdem wir uns nicht mehr meldeten. Unterwegs hat man die vier aufgegabelt. Sie haben einen der Gleiter zum Absturz gebracht und sich abgesetzt.« »Doch nicht Tommy!« rief Michael Ashby entrüstet. »Er ist mein Kollege!« »In Kollegen täuscht man sich manchmal!« erklärte der Polizist belehrend. »Aber gut, ich kenne Tommy Gregg persönlich. Dieses Problem werden wir lösen. Es geht in erster Linie uns selber an. Was die drei Fremden betrifft, werde ich sie ausliefern. Es bleibt mir nichts anderes übrig. Sie tragen keine Individualmarken.« Sie hatten keine Gelegenheit, ihre Paralyser einzusetzen, Tommy Gregg verhielt sich neutral. Er konnte für die drei neugewonnenen Freunde nichts tun. Es war besser für sie, wenn er sich zurückhielt. Sonst wurde er ebenfalls ausgeliefert. Damit wäre nichts gewonnen. Copyright 2001 by readersplanet
Die Gatereisenden ließen sich von dem Polizisten nach oben führen.
* Diesmal ging man mit den Gefangenen kein Risiko ein. Man durchsuchte sie und fand auch prompt die Paralyser. Mit diesen Waffen wußte man zwar nichts Rechtes anzufangen, doch wurde dafür gesorgt, daß sie außer Reichweite kamen. Fünf Polizisten bewachten die Gatespringer, als der Gleiter abhob. Das Camp in der Form einer kleinen Stadt blieb rasch unter ihnen zurück. Die drei hörten zu, wie sich die Polizisten unterhielten. Sie taten es ungeniert, gingen einfach davon aus, daß ihre Gefangenen ohnedies keine Gelegenheit haben würden, das Erfahrene an andere weiterzugeben. Dem Gespräch nach zu urteilen, gab es im Camp von rund fünfhundert Beschäftigten nur noch etwa siebzig Überlebende. Die Gatereisenden erfuhren auch, daß ein Großteil der vorhandenen Gebäude technisches Gerät beherbergte. Ein so riesiges Gebiet mußte bewacht und gepflegt werden. Ständig waren Reparaturtrupps unterwegs, um ausgefallene Erntemaschinen zu reparieren. Dabei wurden oftmals auch menschliche Helfer gebraucht. Sie rekrutierten sich aus der Besatzung. Fünfhundert Menschen waren gewissermaßen der Grundstock. Zu Zeiten der Hauptsaison wuchs diese Zahl um ein Mehrfaches an. Leider brach an dieser Stelle das interessante Gespräch ab. Den Gleiter erreichte ein Funkspruch. »Verdammt!« entfuhr es dem Piloten. »Offenbar ist nicht nur das Camp von der Plage betroffen!« »Was soll das heißen?« Seine Kollegen wurden aufmerksam. »Die weisen uns darauf hin, einmal die Nachrichten zu verfolgen.« Der Pilot schaltete den großen Bildschirm ein. Die drei Gatereisenden hatten guten Einblick. Ein ernst dreinblickender Sprecher war aufgetaucht. »... häufen sich die Meldungen. Die Öffentlichkeit kann sich den Tatsachen nicht mehr verschließen. Erste Filme liegen vor - Bild- und Tondokumente, die das ganze Ausmaß der Katastrophe zeigen. Überall in den Randbezirken der Städte gibt es bereits Angriffe durch Rieseninsekten.« Ein Bild wurde eingeblendet. Der Nachrichtensprecher kommentierte weiter: »Das ist die regionale Hauptstadt!« Eine Luftaufnahme. Ein bestimmtes Wohngebiet wurde jetzt erfaßt. »Zwischen den Städten befinden sich nicht nur Grünstreifen, um den Sauerstoffhaushalt zu gewährleisten, sondern auch landwirtschaftliche Nutzflächen. Auch hier haben Wissenschaftler mehrere Insektenkolonien ausgesetzt. Man war anfangs sehr optimistisch, was die Folgen betrifft. Die Insekten sind gewissermaßen vorprogrammiert. Alles würde sich automatisch entwickeln. Das tat es dann auch zur Genüge, wie man nun sieht. Allerdings ist die Kontrolle darüber entglitten.« Ein neues Bild, aufgenommen in Bodennähe. Hastende Menschen mit schreckensbleichen Gesichtern und weit aufgerissenen Augen. Sie flüchteten vor etwas. Und dann wurde deutlich, was ihnen soviel Schrecken einjagte. Die Straße entlang kam eine Riesenspinne. Der Körper hatte die Ausmaße einer Kuh. Entsprechend dimensioniert waren die haarigen Beine. Copyright 2001 by readersplanet
Mit Schaudern dachten die Gatereisenden an ihr Erlebnis auf der Kunststoffpiste. Diese Spinne hier war noch um einiges größer. Sie krabbelte unglaublich schnell hinter den Fliehenden her. Unerschütterlich hielt der Kameramann dem Anblick stand. Er setzte für das Bilddokument sein Leben aufs Spiel. Die Spinne kam rasch näher. Facettenaugen glühten. Die Greifer schnappten. »Um den natürlichen Insektenhaushalt der Natur ins Gleichgewicht zu bringen«, erläuterte der Sprecher, »haben die Wissenschaftler auch die Beutetiere und natürlichen Feinde einbürgern müssen. Dieser Schritt erweist sich nun als äußerst verhängnisvoll. Zum Beispiel finden es die Spinnen, die in Blüten lauernd sogar Bienen anspringen, äußerst lästig, jetzt in Bäumen herumzusteigen, die inzwischen viel zu klein für sie sind. Mehr und mehr verlegen sie sich darauf, in Wohngebiete einzudringen. Sie gehen hier auf Raubzug. Offenbar haben sie bereits die Erfahrung gemacht, daß wir Prupper leichter zu jagen sind als Rieseninsekten.« John Millory spürte kalte Schauer seinen Rücken herunterrieseln. Der Sprecher fuhr fort: »Vor den weiteren Aufnahmen möchte ich warnen. Sie wissen, es gibt eine Art Selbstzensur. Wir nahmen sie hier nicht vor. Die Aufzeichnung blieb sowohl im Inhalt als auch in der Länge unverändert. Wer keine starken Nerven hat, der möge bitte abschalten oder einen der anderen Kanäle wählen. Es geschieht in seinem eigenen Interesse. Eine Haftung kann der Sender nicht übernehmen, obwohl wir gegen staatliche Anweisungen handeln. Aber das tun wir mit der Veröffentlichung der Wahrheit ohnedies. Die Behörden sind nicht sehr erbaut von unserer Neugierde und der damit verbundenen Mitteilungsfreudigkeit.« In die Szene kam noch mehr Bewegung. Natürlich wurde nicht abgeschaltet. Alle starrten gebannt auf den Bildschirm. Im Moment achtete keiner der Uniformierten auf die Gefangenen. Aber da man sie ihrer Paralyser beraubt hatte, besaßen sie keinerlei Chancen. Deshalb machten sie keinen Ausfallversuch. Zumal sich der Gleiter hoch über den Wolken befand. Was würde ihre Aktion nützen? Sie starrten wie die anderen auf den Schirm und verfolgten das weitere Geschehen. Bis an die Zähne bewaffnete Männer tauchten auf. Sie trugen Strahler. Einige trugen eine Art Gewehr über den Schultern. Sie nahmen ihre Waffen ab und bildeten einen Ring. Die Spinne würde unweigerlich in das Innere des Ringes geraten und damit in die Falle. Vorausgesetzt, sie änderte ihre Route nicht, was sie dann aber prompt tat. Blitzschnell huschte sie zu einem der Gebäude. Es handelte sich um einen Wohnturm mit mindestens tausend Quadratmeter Grundfläche, grob geschätzt. Die Spinne verschwand um die Ecke. Ein paar Strahlschüsse wurden ihr nachgesendet. Doch sie verpufften wirkungslos in der Luft Das Vieh war zu schnell gewesen. Ein markerschütternder Schrei ertönte. Wer ihn ausstieß, war nicht erkennbar. Hinter dem Gebäude schien sich ein Drama abzuspielen. Die Uniformierten verließen ihre Positionen und liefen hinüber. Der Pilot des Gefangenengleiters stöhnte laut auf. »Warum haben die so lange gezögert? Wollten sie die Spinne etwa lebend haben?« Niemand beantwortete diese Frage. Sie war wohl auch nur mehr rhetorisch gemeint gewesen.
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Noch im Laufen teilte sich die Gruppe von fünfzig Bewaffneten und bildete einen offenen Trichter. Es war erstaunlich, wie überlegt die Leute vorgingen, obwohl sie tatsächlich zu lange mit dem Schießen gewartet hatten. Die Spinne hätte längst erlegt sein müssen. Jetzt hatte sie eine Chance. Weitere unschuldige Bürger wurden in Mitleidenschaft gezogen - was ein sehr verniedlichender Ausdruck war. Zwei haarige Beine wurden an der Ecke sichtbar. Die Spinne klammerte sich an dem Gebäude fest, schlug Fensterscheiben ein, um mehr Halt zu finden. Es war nicht einfach für sie, ihr enormes Gewicht nach oben zu befördern. Trotzdem gelang es ihr relativ schnell. Höher und höher kletterte sie. Zwei der Beamten schossen. Sie trafen die beiden Beinenden, die sofort verkohlten und zu Asche zerfielen. Die Spinne gab ein röhrendes Geräusch von sich. Cora hatte noch nie von einem Spinnentier mit lauterzeugenden Organen gehört. Es war das erstemal. Das Gebäude kam zwar nicht ins Wackeln, aber es war klar ersichtlich, daß die Schüsse das Tier aufs äußerste gereizt hatten. Das Fehlverhalten der ausgezeichnet ausgebildeten Polizisten ließ die Vermutung entstehen, daß man speziell auf einen solchen Fall nicht nur überhaupt nicht vorbereitet war, sondern daß man der Sache recht hilflos gegenüberstand. Bis sich das änderte, konnte viel geschehen sein. Petro Galinksi knirschte mit den Zähnen. Er wünschte sich, bei der Aktion dabei sein zu können. Leider war es ihm nicht vergönnt. Er öffnete und schloß die mächtigen Fäuste. Von der direkten Umwelt nahm er nicht mehr viel wahr. Dabei erging es ihm nicht anders als den anderen auch. Die Spinne hatte noch an Höhe gewonnen. Sie tastete in die geborstenen Fenster hinein. Der Kameramann hatte sich von der Stelle der ersten Aufnahmen wegbewegt. Hier befand sich kein einziger Mensch mehr. Alle waren geflohen. Jetzt sprintete der Kameramann der Spinne nach. Die Gatereisenden fragten sich, wie es der Kameramann anstellte, das Bild im raschen Lauf nicht mehr hüpfen zu lassen, als gerade noch vertreten werden konnte. Jetzt blieb er wieder stehen, nahm die Spinne von unten auf. Sie bewegte sich ungeschickt. Ein furchtbares Geschrei. Die Spinne griff mit einem Bein zu, in das Innere einer Fensterhöhle, brachte ein zappelndes Etwas zum Vorschein. Eine Prupperin! Verzweifelt schrie die Frau. Sie empfand alles Grauen dieser Welt beim Anblick der Spinne, die unschlüssig verharrte. Offenbar wußte sie nicht, ob sie sich ihrem Opfer zuwenden oder weiterhin die Flucht vor den Polizisten antreten sollte. Die Uniformierten zögerten zu schießen. Das Hochhaus war bewohnt. Sie hätten Prupper gefährdet. Und jetzt ließen sie ihre Waffen erst recht sinken, denn es ging um das Leben der Frau. Copyright 2001 by readersplanet
Wie irrsinnig zappelte sie in dem eisernen Griff. Die Spinne zitterte. Das Schreien provozierte sie offensichtlich. Ein Mann erschien in der leeren Fensterhöhle. Er war außer sich, rief nach seiner Frau. Er verschwand wieder, und als er erneut auftauchte, bewarf er die eklige Riesenspinne mit irgendwelchen Gegenständen, die dem harten Chitinpanzer jedoch nichts anhatten. Der Spinne wurde es zuviel. Sie schlenkerte das schreiende Bündel Mensch hin und her. »Laß los!« brüllte der Mann. »Laß sofort meine Frau los!« Er wußte gar nicht, was er da verlangte. Mindestens fünfzehn Meter waren es bis zum Boden. Als hätte die Spinne die Worte verstanden, lockerte sie ihren Griff. Die Frau wußte, was ihr blühte. Sie rutschte durch, hielt sich jedoch an dem haarigen Spinnenbein fest. Lange schaffte sie das nicht. Mit einem markerschütternden Schrei stürzte sie ab. Wie ein Stein raste sie dem Boden zu. Die Zuschauer an den Bildschirmen hielten den Atem an. Aber die Polizisten hatten bereits einen tragbaren Prallfeldgenerator aufgebaut. Die Frau wurde von dem rasch aufgebauten Feld abgefangen. Sie schwebte sanft wie eine Feder die letzten Meter bis zum Boden. Zwei Polizisten sprangen hinzu und nahmen sich der Frau an. Dem einen sank sie schluchzend in die Arme. Der Mann oben versuchte zu fliehen, aber die Spinne langte nach ihm mit dem jetzt freien Bein. Er schlug um sich. Es nutzte ihm nichts. Die Spinne pflückte ihn aus dem Haus. Doch er hatte noch ein paar der Wurfgeschosse in den Händen. Damit bombardierte er die glühenden Facettenaugen. Der Teufel persönlich schien in diesen Augen das Feuer zu schüren. Es loderte hell auf. Die Spinne warf den Peiniger von sich. Keiner gab für das Leben des Mannes noch einen Pfifferling. Die Polizisten jedoch zeigten, zu was sie fähig waren. Sie rannten mit dem aktivierten Prallfeldgenerator zu der Stelle, an der der Mann herunterkam. Das Prallfeld war zwar noch nicht optimal justiert, als der Mann im Sturmflug ankam, doch es reichte, um die größte kinetische Energie zu schlucken. Mit einem Purzelbaum kam der Mann auf. Es knackte häßlich. Irgend etwas hatte der Unglückliche gebrochen. Die Polizisten zögerten nicht mehr länger. Sie nahmen die gefährliche Riesenspinne unter Beschuß. Dabei gingen sie sehr vorsichtig zu Werk. Als die Spinne merkte, daß es ihr ans Leben ging, ließ sie sich einfach fallen. Ein Reflex, der in ihrem Rasseninstinkt verankert war. Doch dieser Rasseninstinkt sagte ihr nicht, daß ihr ein solches Vorgehen aufgrund ihres enormen Gewichtes nicht bekommen würde. Sie knallte auf die Kunststoffplatten. Von der Wucht des Aufpralls zeugten einige Sprünge. Sie kam auf dem Rücken zu liegen. Ihre Beine zuckten. ,
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Ein unglaublicher Anblick, den keiner der Zuschauer jemals wieder in seinem Leben vergessen würde. Mehrere Schüsse beschleunigten das Ende des grausigen Tieres. Der Bildbericht wurde ausgeblendet, um dem Nachrichtensprecher und Kommentator Platz zu machen. In der Tat hatte er die ganze Zeit über das Geschehen kommentiert. Absolut sinnlos, denn unter Garantie hatte kein Mensch zugehört. Die Bilder hatten für sich gesprochen. »Soeben erreicht uns die Nachricht, daß auch in anderen Städten der Welt Spinnen und anderes Getier aufgetaucht sind: Die gefährlichen Monster werden von der Polizei gejagt, aber nach neuesten Berichten gab es bereits Zehntausende von Toten!« Der Nachrichtensprecher war kreidebleich. Seine Augen wirkten irgendwie hohl. Als hätte er den Tod eines jeden persönlich miterlebt. »Sie sehen also, liebe Zuschauer, daß der gezeigte Filmbericht einen noch recht harmlosen Zwischenfall schildert.« »Harmlos?« ächzte der Pilot. Er drehte sich im Sitz um und beäugte die Gefangenen. »Stimmt es, daß ihr persönlich mit den Insekten gekämpft habt?« Sie nickten wie auf ein Kommando. »Es ist, wie Tommy Gregg es zu Protokoll gab.« Cora fragte sich, was die Frage für einen Sinn haben sollte. »Ach ja, Tommy Gregg. Wir hätten ihn gern mitgenommen, aber die haben uns von unserer Nichtzuständigkeit überzeugt. Aber weiter mit euch. - Ihr seid Wissenschaftler?« »Ja!« antwortete Cora einfach. »Was habt ihr mit den Angelegenheiten zu tun?« »Gar nichts. Alle Erklärungen können Sie dem Bericht entnehmen. Warum fragen Sie?« Der Pilot knirschte mit den Zähnen. »Ich beginne allmählich, eine eigene Theorie zu entwickeln.« Seine Kollegen hingen an seinen Lippen. Sie waren sehr gespannt. Auch Petro Galinksi, John Millory und Cora Stajnfeld wollten wissen, was der Pilot im Sinn hatte. »Ihr habt behauptet, zu einer Privatinitiative zu gehören. Da so etwas von amtlicher Seite her verboten ist, wärt ihr ohne Individualmarken unterwegs. Wißt ihr, wie das in meinen Ohren klingt? Wie eine billige Ausrede! Der Trupp mit Tommy Gregg traf zufällig auf euch. Ihr mußtet euch in der Eile eine plausible Erklärung einfallen lassen. Nun, allzuviel Phantasie habt ihr dabei nicht entwickelt. Die ganze Sache ist oberfaul.« Er wandte sich an seine Kollegen. »Was meint ihr dazu?« Einer nickte heftig. »Du hast recht, David!« Und ein anderer fügte hinzu: »Wer weiß, wie die es geschafft haben, den armen Tommy Gregg einzuwickeln!« Die drei Gatereisenden sahen sich an. Ihnen wurde allmählich mulmig zumute. Das roch nach Lynchjustiz! Ausgerechnet in einem Polizeigleiter! Petro Galinksi schielte zur Ausstiegsluke. Er sah sich schon im hohen Bogen hinaussegeln und das in dieser Höhe. Leider sind die Wolken nicht so weich gefedert, wie sie optisch den Eindruck erwecken! dachte er. Cora bewahrte die Fassung. »Ich möchte mehr hören von Ihrer interessanten Theorie!« sagte sie mit ironischem Unterton. Sie überraschte ihre beiden Mitstreiter. Sie betrachteten sie von der Seite. Copyright 2001 by readersplanet
»Wer sind wir denn Ihrer Meinung nach?« »Der Weihnachtsmann in dreifacher Ausfertigung!« knurrte Petro Galinksi. »Wir bescherten die Menschheit mit nettem Nervenkitzel in der Form von Monstern.« Der Pilot lächelte ihn mit falscher Freundlichkeit an. »Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen!« Cora machte Anstalten, Petro an die Kehle zu gehen. John legte beruhigend die Hand auf ihre Schulter. Petro Galinksi machte sich nichts daraus, daß er Coras augenscheinliches Konzept zerstört hatte. Wie immer hegte er eigene Gedanken, wie sie die Angelegenheit zurechtbiegen konnten. Doch sein Alleingang war nur scheinbar ein solcher! Der Pilot fügte hinzu: »Mir ist gleich aufgefallen, daß ihr eine ganze Palette von komischen Ausdrücken auf Lager habt. Ihre seid überhaupt nicht von unserer Welt!« »Und?« Der Pilot deutete auf den Bildschirm, der inzwischen erloschen war. »Ich kann das hier nicht vergessen.« »Für das du uns verantwortlich machst, wie?« Der Pilot nickte. »Euch und die anderen Wissenschaftler. Ich glaube nämlich, daß ihr zu einem vorgeschobenen Kommando des Kreises von Wissenschaftlern gehört, die für alles verantwortlich zeichnen!« Petro Galinksi verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich bequem zurück. »Sehr amüsant, zugegeben, ich warte jetzt nur noch auf die unausbleibliche Pointe.« Die Uniformierten packten ihre Waffen fester. »Deine Geduld wird auf keine harte Probe gestellt!« versicherte einer grimmig. Er richtete den tödlichen Strahler auf Petros Bauch. Sofort entstand dort ein eigenartiges Gefühl, als habe jemand einen Stein hineingelegt. Der Pilot sagte: »Der alte Krieg, jetzt neu angezettelt mit anderen Mitteln. Die Invasion über die Gates.« Cora Stajnfeld fuchtelte mit den Armen. »Warum hast du denen alles gesagt?« funkelte sie Petro Galinksi an. Petro zuckte mit den Achseln. »War doch sinnlos, weiter zu leugnen. Die waren schon auf dem richtigen Weg.« »Prost Mahlzeit!« wünschte John sich und den anderen. Er stand auf und ging zur Luke. Niemand hinderte ihn daran. Angekommen, wandte er den Kopf. »Na los, worauf wartet ihr noch? Springen wir ab! Hat keinen Zweck mehr sonst. Warum erst noch diskutieren?« Auch Cora und Petro Galinksi erhoben sich. Cora Stajnfeld wirkte sehr streitbar. »Das haben wir dir zu verdanken!« fuhr sie Petro an. Abermals zuckte dieser mit den Achseln. »Ich sagte gleich, das ist eine Schnapsidee, die Individualmarken zu Hause zu lassen. Damit ist nichts gewonnen.« Sie begaben sich zu John. »He, was ist mit euch los?« ächzte der Pilot. Copyright 2001 by readersplanet
»Na, das siehst du doch!« John tippte die Luke an. »Geht leider nicht auf. Wäre dir sehr verbunden, würdest du auf den richtigen Knopf drücken.« Der Pilot wischte sich über die Augen. Er konnte anscheinend nicht glauben, was er sah. Die anderen hielten unschlüssig die Waffen in den Händen. »Seid ihr noch bei Trost?« Die drei Gatereisenden wirkten ruhig und ausgeglichen. Cora nickte dem Piloten zu. »Gewiß, sind wir! Wenn man ausgespielt hat, muß man es einsehen und die Konsequenzen daraus ziehen. Das zu tun sind wir im Begriff.« »Aber es ist euer Tod, wenn ihr...« »Lieber sterben, als deportiert werden - gemeine Invasoren, die wir sind. So mächtige und gefährliche Invasoren, daß wir uns mit Tommy Gregg zusammentun mußten, nachdem wir ihm erst das Leben gerettet haben - um anschließend ziemlich wehrlos in Gefangenschaft zu geraten.« Die Ironie wurde nicht begriffen: »Dann gehört ihr tatsächlich zu der Clique von Wissenschaftlern, die das Ding mit den Insekten verbockt haben?« Petro öffnete den Mund, um etwas zu sagen. »Sei endlich still!« rief Cora empört. »Wir haben geschworen, nichts von unserer Herkunft und Absicht zu sagen!« »Na, was war denn eure Absicht?« erkundigte sich der Pilot, der anscheinend jetzt doch selber an seiner eigenen Theorie zu zweifeln begann. Petro Galinksi grinste über das ganze Gesicht. »Du hast gehört, daß mir meine Chefin zu sprechen verboten hat, und was meine Chefin befiehlt, das machen wir glatt.« »Wie lange soll das denn noch dauern?« beschwerte sich John Millory. »Macht endlich die verdammte Luke auf!« Der Pilot hatte das Kommando. Das war den drei Gatereisenden inzwischen klar geworden. Und er war der Intelligenteste von ihnen. Er gab einem seiner Leute einen Wink. Der Mann stand auf und scheuchte die drei Gatereisenden mit vorgehaltenem Strahler von der Luke weg. Sie mußten sich wieder hinsetzen. »Später ist immer noch Zeit, abzuhalftern«, erklärte der Pilot sein Motiv. »Zunächst einmal wollen wir uns unterhalten. Viel Zeit bleibt uns leider nicht, da wir bald angekommen sind.« Die Uniformierten hatten ihre Aggressivität verloren und wirkten jetzt ganz umgänglich. Es blieb den Freunden nicht vergönnt, an den Uniformierten ihre blühende Phantasie zu üben. Kaum begannen sie mit ihren Erklärungen, als den Gleiter ein heftiger Schlag traf. Der Pilot hatte die Steuerung der Automatik überlassen. Diese sorgte normalerweise auch dafür, daß keine Kollision in der Luft stattfinden konnte. Hatte sie ausnahmsweise versagt? Die Polizisten verloren sehr schnell das Interesse an ihren Gefangenen. David Coleman, der Pilot, reagierte, wie man es von ihm erwartete. Blitzschnell wandte er sich den Kontrollen zu. Bildschirme flammten auf.
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Alle Insassen blickten durch die Fenster. Es war ihnen unerklärlich, was den Gleiter getroffen hatte. Nichts war zu sehen. Ein erneuter Schlag von der Unterseite. Die Gatereisenden verrenkten sich die Hälse. Huschende Schatten, nicht richtig erkennbar. Der Gleiter kam ins Wanken, verlor auf einmal an Höhe. Es gab ein ausgeklügeltes optisches System. Es projizierte ein Bild auf einen der Schirme. »Bienen!« ächzte David Coleman. Jetzt sahen es die Freunde auch. Ein ganzer Schwarm von Bienen widmete sich dem fliegenden Gleiter. Sie bewegten sich mit unglaublicher Geschwindigkeit, waren tatsächlich so schnell wie das Fluggefährt! Dabei waren sie riesengroß. Als wären die Bienen, deren Bekanntschaft die drei bereits gemacht hatten, Kinder dagegen! Jedes der Insekten hatte eine Länge von mindestens einem Meter. Entsprechend dimensioniert waren die Flügel. Sie hatten etwas gegen den Gleiter und griffen ihn von unten an. Dabei gerieten sie in das dem Gerät Auftrieb verleihende Prallfeld und wurden getötet. Trotzdem reichte ihre Masse, den Steuermechanismus des Gleiters in Verlegenheit zu bringen. Kein Wunder, daß die Automatik nicht wunschgemäß reagiert hatte! Mit Hindernissen aus dieser Richtung war kaum zu rechnen. Das Programm erwies sich als in dieser Beziehung unvollständig. Der Pilot bemühte sich, den Gleiter abzufangen und auf größere Höhe zu gehen. Dabei unterstützte ihn der Bordcomputer. Es half nichts. Die Bienen wurden noch aggressiver und entwickelten eine beängstigende Intelligenz. Möglicherweise resultierte ihre Aggression aus dem Absturz von Artgenossen, die eher durch einen Zufall mit dem Prallfeld in Berührung gekommen waren, ohne daß es die Insassen des Gleiters gemerkt hatten. Jetzt vermieden die Viecher das tödliche Feld und kreisten den Gleiter ein. David Coleman nahm die Chance wahr. Er ließ das Gefährt absacken wie einen Stein. Die Bienen hatten Mühe zu folgen. Mit weit aufgerissenen Augen stierten die Männer auf die tödliche Gefahr. Das dumpfe Brummen des Schwarms drang jetzt mühelos durch die Wandungen. Mehrere Bienen stürzten sich gleichzeitig auf den Gleiter. Sie klammerten sich mit ihren Beinen fest. Die Fenster wurden von ihren mächtigen Leibern verdunkelt. David Coleman erhöhte die Geschwindigkeit, konnte jedoch die Bienen nicht abschütteln. Etwas schabte über die Wandungen. Ein furchtbares Krachen. Metallplastik zersplitterte kreischend. Ein Etwas bohrte sich hindurch. Fingerdick war die Spitze des Stachels, der direkt neben John aus der Wand kam. Ein Plastiksplitter löste sich und schwirrte durch den Innenraum. Gottlob wurde keiner getroffen. Die Bienen falteten ihre mächtigen Hautflügel. Es wurden immer mehr. Eine wahre Traube hing jetzt an dem Gleiter. Das schaffte das Triebwerk nicht mehr. Der Gleiter verlor immer noch an Höhe, obwohl sich Coleman redlich abmühte, das Gegenteil zu bewirken. Schon durchstießen sie die Wolkendecke. Copyright 2001 by readersplanet
Der Gleiter schüttelte sich wie ein schlecht gefederter Wagen auf Kopfsteinpflaster. Der zweite Stachel krachte in die Wandung. Auch die anderen Bienen mühten sich ab, das Fluggefährt mit ihren Stacheln zu traktieren. Die meisten brachen einfach ab, versagten in Anbetracht der Härte des Metallplastik. Nur wenige blieben erfolgreich. Ein Stachel verletzte den Polizisten neben Coleman am Rücken. Der Mann schrie wie am Spieß. Die Freunde erwarteten, daß er wie vom Blitz gefällt umkippte. Das Gift mußte absolut tödlich wirken. Nichts dergleichen geschah. Der Mann hatte in erster Linie als Folge des Schocks geschrien. Gift produzierten die Bienen bei dieser Größe nicht mehr. Oder durch das Durchstoßen der Wandungen war es abgestreift worden. Wütend hieb der Mann mit seinem Strahler auf den Stachel ein. Das Ding war hart wie Stahl. Die Waffe wurde beschädigt, der Stachel in keiner Weise. »Achtung!« schrie der Pilot. Ihr Gleiter orgelte aus den untersten Schichten der Wolken heraus. Durch eine Lücke zwischen den Bienenleibern erkannten die Gatereisenden bereits den Boden. Sie hatten den Eindruck, er rase auf sie zu. Dabei war es umgekehrt. Im rasenden Sturzflug gingen sie ihrem Tod entgegen. Nur noch zwei Sekunden bis zur Bodenberührung. In einer mächtigen Explosion würden sie vergehen. Und die Bienen traktierten den inzwischen bereits schrottreifen Gleiter noch immer fleißig mit ihren Stacheln.
* Plötzlich geschah es. Die Bienen erkannten die tödliche Gefahr, in der sie sich selbst befanden. Ihr Leben war wichtiger, als sich dem Opfer zu widmen. Sie flatterten hoch. Ein tiefes Brummen und Sausen war in der Luft. Nur ein paar der Insekten blieben auf dem Gleiter hocken. Es waren die, deren Stacheln in den Wandungen steckten. Sie bekamen sie nicht mehr frei. David Coleman bewies, daß er ein Toppilot war. Er gab Vollgas. Die Triebwerke heulten und kreischten um die Wette. Die Insassen wurden wie von einer Riesenfaust gepackt und in die Sitze gedrückt. Der Absturz wurde gebremst. Petro Galinksi wollte durch das wie durch ein Wunder noch heile Fenster sehen. Das Spezialmaterial hatte den Bemühungen der Bienen standgehalten. Petro konnte nichts mehr sehen. Blut rauschte in seinen Ohren. Der unbarmherzige Andruck ließ ihn vorübergehend erblinden. David Coleman, der Pilot, konnte jetzt nichts mehr tun. Er war unfähig, die Arme zu heben. Bodenberührung! Ein gewaltiger Schlag traf den Gleiter. Er prallte vom Boden ab, sprang empor. Die Triebwerke wimmerten. Abermals Bodenberührung. Dreck und losgelöstes Gestein spritzten in der Gegend herum. Eine Wolke von Erde. Der Gleiter zog eine Furche, gewann wieder an Höhe, stand für zwei Sekunden in der Luft, trudelte. Die Triebwerke hatten etwas abbekommen. Eine Stichflamme raste hoch, hüllte das Fluggefährt ein.
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Die automatische Löscheinrichtung sprach an, bekämpfte das aufkeimende Feuer. Mit Erfolg! Der Gleiter fiel auf die Seite. In seinem Innern verloren die meisten den Kontakt mit ihren Sitzen, flogen kreuz und quer. Einer der Uniformierten schrie schmerzerfüllt. Die drei Gatereisenden hatten Glück. Gottlob waren die Wände gut gepolstert. Das Metall knisterte und knackte. In der einen Scheibe zeigte sich ein Riß. Es knallte wie ein Pistolenschuß. Das Inferno des Absturzes hatte sich gelegt. Doch sie kamen nicht zur Ruhe. Noch immer waren die Bienen da. Sie umkreisten die Unfallstelle, offenbar unschlüssig. Der Pilot war der einzige gewesen, der sich angeschnallt hatte. An den anderen Sitzen waren einfach keine Gurte. Eine Schande! dachte Petro Galinksi erbittert, als er die Schramme an seinem Arm entdeckte. Doch der große, kräftige Mann war alles andere als wehleidig. Sein Verstand arbeitete schon wieder auf vollen Touren. Auch seine Gefährten waren wohlauf. Sie erholten sich schneller von dem Schock als die Polizisten. Und das war das Entscheidende. Sie gingen sofort ans Werk, kamen über die Uniformierten wie die Flut. Die Polizisten hatten in dem Chaos ihre Waffen verloren. Die Gatereisenden hatten allerdings wenig Interesse daran. Sie wollten an ihre Paralyser herankommen. Genau hatten sie beobachtet, wo die Uniformierten die drei Betäubungsstrahler verstaut hatten. Ehe die Beamten reagieren konnten, richteten sich die Paralyser auf sie. Der Pilot fluchte drauflos. Er hatte keine Hemmungen. Noch immer das satte Brummen in der Luft hoch über ihnen. Jetzt verstärkte es sich. Kamen denn noch mehr dieser Biester? Es schien so. Die Bienen, die an dem Gleiter geklebt hatten, waren versammelt, und jetzt langten die an, die sich vorher zurückgehalten hatten. Der ganze Schwarm widmete sich dem einsamen Gleiter. Petro Galinksi fragte sich, wo sie überhaupt gelandet waren. Sie konnten durch die Scheiben nichts erkennen, und die Sichtanlage war ausgefallen. Nichts wie raus hier! dachte er. John Millory sammelte in aller Eile die Strahler ein, die im Innenraum verstreut lagen. Ein Glück, daß sich keiner der Strahler bei dem Durcheinander unbeabsichtigt in Gang gesetzt hatte. »Seid vernünftig!« warnte Cora die Polizisten. »Wir wollen nichts von euch. Mit unseren Strahlern können wir die Bienen besser bekämpfen.« Der Pilot unterbrach sein Fluchen. Nicht weil ihm keine deftigen Ausdrücke mehr einfielen, sondern weil er sich endlich auf die neue Situation eingestellt hatte. Einer seiner Kameraden stöhnte laut. Sie sahen ihn an. Sein linker Arm stand in einem grotesken Winkel ab. Gebrochen! Niemand konnte ihm helfen. Vordergründig war noch immer das Problem, wie sie die Bienen losbekamen.
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Die Riesenbiester verhielten sich abwartend. Als würden sie erst eine Konferenz abhalten, um zu beratschlagen, wie man den Insassen des Gleiters am besten und leichtesten an den Kragen gehen konnte. Petro Galinksi gefiel das nicht. Er arbeitete sich zur Luke vor. Diese war so verklemmt, daß man sie nicht öffnen konnte. Mit einem der Todesstrahler, wie er sie insgeheim nannte, wollte er es auch nicht versuchen. Dafür war der Innenraum zu klein. Sie hätten sich selber bei lebendigem Leib geröstet. Petro Galinksi blickte nach der gesprungenen Scheibe. Sie bildete einen Spalt von vielleicht einem Zoll Breite. Viel zu wenig, um nach draußen zu gelangen. Wenigstens kam durch den Spalt frische Luft in die hermetische Zelle, in der die Sauerstoffversorgung natürlich ausgefallen war. Nichts funktionierte mehr. Der hochmoderne Fluggleiter hatte sich in eine Blechbüchse verwandelt, die so verbeult war, als hätten Riesenkinder damit Fußball gespielt. Und dann erfolgte der Angriff der Bienen! Das Brummen und Schwirren war so laut, daß Cora erst gar nicht verstand, was David Coleman von ihr wollte. Der Pilot löste den Sicherheitsgurt und wagte sich ein wenig näher. Schwere Körper klatschten auf den Gleiter. Er wurde hin und her gerüttelt. »Was ist los?« schrie Cora durch den Lärm. Sie versäumte es nicht, den Paralyser auf den Piloten zu halten, um kein unnötiges Risiko eingehen zu müssen. »Das Funkgerät!« Sie las die Worte mehr vom Mund des Mannes ab, als daß sie sie wirklich verstand. »Was ist mit dem Funkgerät?« »Seine Energieversorgung erfolgt separat.« »Na und?« »Ich möchte versuchen, sie wieder in Gang zu bringen. Dann fordern wir Hilfe an.« »Es gefällt mir nicht!« gab Cora Stajnfeld zu. Die Wandverkleidung neben ihr kam in Bewegung. Sie platzte auf. Ein zuckender Stachel kam zum Vorschein. Cora Stajnfeld wich aus. »Was gefällt Ihnen daran nicht?« Die Augen des Piloten funkelten wie zwei Diamanten - genauso kalt. »Gerade erst haben wir uns aus der Gefangenschaft befreit. Sollen wir uns wieder freiwillig hineinbegeben?« »Lieber kommen Sie durch die Bienen um, nicht wahr?« »Das ist Unsinn. Wenn wir jetzt Hilfe anfordern, dauert es ohnedies viel zu lange, bis jemand gekommen ist. Bis dahin haben wir es entweder allein geschafft oder sind nicht mehr am Leben.« »Irrtum!« widersprach der Pilot. »Wir befinden uns recht nahe an unserem Ziel. Meine Absicht war, euch zur Hauptstadt des Kontinents zu bringen. Wir liegen praktisch am Rande der Stadt.« »Einer Stadt, die im Moment gewiß andere Sorgen hat, als uns aus der Patsche zu helfen!« David Coleman knurrte wütend. An anderer Stelle kam ein Stachel zum Vorschein. Petro Galinksi brachte es tatsächlich fertig, das Ding abzuklopfen und eingehend zu untersuchen. Er nickte dabei anerkennend. John Millory schüttelte den Kopf. Er konnte es nicht fassen. Copyright 2001 by readersplanet
Cora widmete sich wieder dem Piloten. »Reparieren Sie das Funkgerät trotzdem! Vielleicht erweist es sich als vorteilhaft. Aber machen Sie keine Dummheiten! Ich schaue Ihnen auf die Finger. Und wenn ein Spruch abgesetzt wird, bestimme ich allein den Wortlaut. Verstanden?« David Coleman nickte zähneknirschend und machte sich sogleich an die Arbeit. Der Rüssel einer Biene erschien vor der geplatzten Scheibe. Damit trat das ein, was die Freunde insgeheim befürchtet hatten. Die Bienen gaben sich nicht mehr damit zufrieden, den zerbeulten Gleiter mit ihren Stacheln zu traktieren. Sie hatten inzwischen festgestellt, daß das wenig nutzte. Jetzt wollten sie ins Innere. Sie schienen die Insassen regelrecht zu wittern. Der Rüssel fuhr hin und her und ertastete den Spalt. Ein saugendes Geräusch. Tatsächlich, die Biene zog prüfend die Luft ein, um Witterung aufzunehmen! Und daß Bienen einen ausgezeichneten Geruchssinn besaßen, das war eine Binsenweisheit! Petro Galinksi trat nach dem Rüssel, der daraufhin eilig zurückgezogen wurde, obwohl er natürlich nicht getroffen worden war. Offenbar war das Organ sehr empfindlich. Der Gleiter begann zu schaukeln. Hin und her ging es. Betroffen schauten sich die Männer an. Sie wußten, was das bedeutete. Die Bienen waren wesentlich intelligenter als erwünscht. Die eine, die mit dem Rüssel die Sache überprüft hatte, war offenbar sehr mitteilsam. Ihre Genossinnen wußten nun, daß man den Gleiter nur umzukippen brauchte, um an die Beute heranzukommen. Und die Insassen konnten überhaupt nichts dagegen tun. Oder vielleicht doch? »Alle auf eine Seite!« befahl John Millory und winkte mit dem Paralyser. Nur Cora Stajnfeld mit ihrem Schützling David Coleman machte eine Ausnahme. Der Pilot arbeitete wie besessen an dem Funkgerät. Es sah so aus, als würde er es tatsächlich schaffen. Jetzt, wo fast alle auf einer Seite standen - und zwar dort, wo sich die geborstene Scheibe befand -, gelang es den Bienen nicht mehr so einfach, den Gleiter zu kippen. Die Tiere bewiesen jedoch Findigkeit. Sie ließen plötzlich ab und versuchten es von der anderen Seite. Damit kehrte sich der von John Millory erstrebte Effekt um. Knirschend setzte sich der Gleiter in Bewegung. Die Männer hielten sich fest. Cora fand Halt am Pilotensitz, der gemeinsam mit ihr herumschwang. David Coleman war am wenigsten gefährdet, denn er hatte wieder seinen Gurt angelegt. Er wollte die Situation ausnutzen und grapschte nach dem Paralyser, aber ein erneuter Stoß machte sein Vorhaben zunichte. Der Gleiter kam zur Ruhe. Die Scheibe lag frei. Abermals versuchte es David Coleman. Cora Stajnfeld verabscheute die Gewalt, aber es blieb ihr nichts anderes übrig, als dem Piloten gehörig auf die Finger zu klopfen. Dann schwenkte der Lauf des Paralysers wieder in Colemans Richtung. »Achtung!« schrie jemand. Mehrere Bienen machten sich an der Scheibe zu schaffen. Sie stachen mit ihren Stacheln zu, die jedoch stets abglitten. Das Material war härter als Stahl und sogar härter als die Copyright 2001 by readersplanet
Wandungen. Eine Spezialanfertigung für Fluggleiter, die sich bis in sehr große Höhen wagen konnten - in Höhen, in denen sich die Kabine in eine Druckkabine verwandeln mußte, da die Luft zu dünn wurde, um atembar zu sein. Diese Kleinigkeiten gingen Petro Galinksi durch den Kopf, als er seinen Betäubungsstrahler auf die Bienen richtete. Die Tiere klemmten jetzt ihre Stachel in den Spalt und verbreiterten ihn. Die ohnedies überstrapazierte Scheibe hielt der Belastung schließlich nicht mehr stand. Sie krachte auseinander. Es war genug Platz für die Bienen, zu ihnen hereinzukommen. Petro Galinksi schoß. Das Unglaubliche und Erschreckende geschah: Die Biene reagierte überhaupt nicht auf den Beschuß! Sie kletterte weiter! Ihr Rüssel zielte auf Cora, die ihr zunächst stand. Petro Galinksi drückte abermals auf den Auslöseknopf. Ohne Erfolg! Er würde die tödliche Gefahr für Cora Stajnfeld und letztlich auch für sie nicht mehr aufhalten können!
* Ein Atemzug lang Erschrecken, Resignation. Cora Stajnfeld wirbelte herum, sah die tödliche Gefahr und brachte ihren eigenen Betäubungsstrahler zum Einsatz. Sie wußte nichts von der negativen Erfahrung Petros. Petro Galinksi überwand seine Schrecksekunde. Mit einem wütenden Schrei sprang er vor. Er war bereit, das Leben Coras mit den bloßen Fäusten zu verteidigen. Auch wenn es ein ungleicher Kampf mit einer Riesenbiene sein würde. John Millory wußte ebenfalls nichts von dem Versagen des Paralysers. Er war abgelenkt gewesen, weil er die Uniformierten überwacht hatte, und wunderte sich jetzt über die Reaktion Petros. Und dann schoß er ebenfalls. Die beiden Treffer von ihm und Cora erfolgten fast gleichzeitig. Die Wirkung trat augenblicklich ein! Petro Galinksi war gerade dabei, seine geballten Fäuste zu heben. Er wollte sie auf den Kopf der Biene sausen lassen. Der furchtbare Schlag hätte gereicht, den Chitinpanzer aufplatzen zu lassen. Davon war nicht nur er überzeugt! Aber er brauchte es gar nicht. Die Biene blieb bewegungslos liegen. Es dauerte nur einen Sekundenbruchteil, bis Petro Galinksi begriff. Sein Paralyser mußte einen Defekt haben. Anders war das Phänomen nicht zu erklären. Mit einem erneuten Knurren wandte sich Petro Galinksi den schlotternden Polizisten zu. Sie fühlten sich hilflos und ausgeliefert, da man sie ihrer Waffen beraubt hatte. Nur der Pilot David Coleman bewies eiserne Nerven. Er arbeitete schon wieder am Funkgerät.
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Die nächste Biene versuchte über die erste hinwegzuklettern. Sie wurde mit den beiden noch intakten Paralysern gebührend empfangen. Der Zugang verstopfte sich. Die Bienen gaben trotzdem nicht auf. Sie zogen die beiden bewußtlosen Artgenossinnen ins Freie und drängten nach. Cora fand, daß ihre Verteidigerposition gar nicht mal so schlecht war, wie sie anfangs zu glauben gewillt war. Sie saßen hier zwar in der Falle, aber so leicht hatten es die Bienen nicht, an sie heranzukommen. Es gab nur einen einzigen Zugang, und der war nicht schwer zu verteidigen mit den Paralysern. Endlich sahen die Insekten ein, daß es keinen Zweck hatte. Weiterer Nachschub blieb aus. Doch das hatte einen ganz anderen Grund! Zu dem allgegenwärtigen zornigen Brummen war ein neues Geräusch gekommen. Ein Pfeifen lag in der Luft, wie von Prallfeldgeneratoren. Und es waren auch Prallfeldgeneratoren! Gleiter erreichten den Ort. Unangenehmer Geruch verbreitete sich. »Die Idioten sprühen in rauhen Mengen Insektenvernichtungsmittel!« schnappte David Coleman. »Und ich bin noch nicht mit dem Funkgerät fertig. Wenn die so weiter machen, ersticken wir.« Damit hatte er gar nicht mal so unrecht. Schon wurde der Atem knapp. Einer der Polizisten, es war der mit dem gebrochenen Arm, griff sich röchelnd an die Kehle. Er war ohnedies durch die schlimme Verletzung geschwächt. Und nun kam das mit dem Insektenmittel auch noch hinzu. Es war für sie nicht erkennbar, ob die Bienen ausblieben, weil das Gift bereits Wirkung bei ihnen zeitigte, oder ob sie einfach durch die anderen Gleiter abgelenkt wurden. Es dauerte nicht lange, bis die Insassen darüber Gewißheit erlangten. Das Wimmern eines überlasteten Triebwerks! Im nächsten Augenblick erschütterte etwas den Boden wie ein beginnendes Erdbeben. Die Männer sahen sich betroffen an. »Verdammt, ich hab' es!« brüllte David Coleman außer sich. Ehe es Cora verhindern konnte, setzte er das reparierte Funkgerät in Betrieb. »He, sofort aufhören mit dem Sprühen!« rief Coleman in das Mikro. »Ihr bringt uns sonst noch um!« Ein Krächzen kam aus dem Lautsprecher. »Überlebende?« Es klang ungläubig. Die Männer hatten das eine Wort kaum verstehen können. Ganz so schön war die Reparatur wohl doch nicht gelungen. »Ja, sieh mal einer an, wir haben die Sache überstanden!« antwortete der Pilot beißend. »Wir haben schon aufgehört!« krächzte es zurück. »Hat sowieso keinen Sinn. Die Bienen sind nicht kleinzukriegen. In der Stadt ist die Hölle los. Überall sprühen wir von dem Gift. Der Erfolg ist bescheiden. Es reicht einfach nicht aus. Die Konzentration muß so stark sein, daß dabei Menschen tödlich gefährdet sind. Hier die Bienen sind nur ein wenig besoffen davon.« Copyright 2001 by readersplanet
Ein gellender Schrei. »Sie greifen schon wieder an! Einen haben sie bereits geschafft, diese Biester, die...« Erneut dieses schrille Pfeifen in der Luft. Petro Galinksi nahm einen der erbeuteten Todesstrahler und setzte ihn rücksichtslos ein. Ein Blitz löste sich von der Waffe, zerstrahlte die geborstene Scheibe, durch die die Bienen eingedrungen waren. Eines der herumliegenden Insekten ging in Flammen auf. Es stank entsetzlich. Dicke Rauchschwaden stiegen auf. John Millory und Petro Galinksi sprinteten hinaus. Cora blieb zurück. Ein grotesker Anblick erwartete sie draußen. Der Himmel hing voller Bienen. Drei Gleiter. Am Boden, unweit von ihrer eigenen Absturzstelle, die glühenden Trümmer eines weiteren Gleiters. Die Insassen hatten weniger Glück gehabt als sie! Kleiner von ihnen konnte das überlebt haben! Die drei Gleiter wurden heftig attackiert. Überall schwebten sich träge verteilende Dunstwolken herum. Insektizide! Die Bienen gebärdeten sich tatsächlich wie betrunken. Aber das tat ihrer tödlichen Aggression keinen Abbruch. Einer der Gleiter senkte sich rasend schnell dem Boden zu. Ein paar Bienen lösten sich wieder. Es sah so aus, als ob es der Gleiterpilot schaffen würde, das abstürzende Ding wieder abzufangen. Kurze Bodenberührung. Der Gleiter hüpfte wie ein Gummiball empor und gewann an Höhe. Die verbliebenen Insekten ließen nicht locker. Sie flogen nicht davon, fürchteten nicht ihren Tod wie ihre Genossinnen, als sie den Gleiter mit den Gatereisenden freigelassen hatten. Daran konnte nur das Gift schuld sein. Starker Wind war aufgekommen und wehte in Richtung Großstadt. Er nahm den Rest des Giftes mit. Doch der Boden war noch damit bedeckt. Petro Galinksi und John Millory konnten nicht darauf achten. Sie stellten ihre Paralyser auf Streufeuer. Petro hoffte, daß seiner wieder funktionierte, nachdem er daran herummanipuliert hatte. Die Gleiter konnten sie damit nicht beschießen. Dabei hätten die Piloten das Bewußtsein verloren. Der eine Gleiter schaffte es doch nicht. Er flog in einer Höhe von fünfzig Metern, stieg noch ein Stück. Dann krachte er wie ein Stein herunter. Die Triebwerke spuckten. In einer Entfernung von wenig über zweihundert Metern rammte er in das freie Feld. Umstehende Bäume gingen in Flammen auf. Ein tiefer Krater entstand. Eine Explosion, die alles zerfetzte. Die Druckwelle warf Petro und John fast von den Beinen. Sie hielten sich jedoch tapfer und richteten ihre aktivierten Betäubungsstrahler in den Bienenschwarm. Normalerweise wäre die Wirkung eher bescheiden erfolgt, aber in diesem Fall waren die Bienen schon angeschlagen. Sie kamen massenweise herunter, prasselten auf die Erde wie übergroßes Fallobst. Die beiden Gatespringer hatten alle Mühe, zu guter Letzt nicht erschlagen zu werden. Die Bienen, die die beiden restlichen Gleiter besetzt hielten, wurden nervös. Sie stiegen empor und ließen von den Fluggeräten ab. Die Männer darin fingen sich schnell. Sie setzten Bordwaffen ein - endlich. Strahler zuckten auf, hielten entsetzliche Ernte in den Reihen der Rieseninsekten. Copyright 2001 by readersplanet
Die Bienen zogen die Konsequenzen in einer überstürzten Flucht. Der verbliebene Schwarm setzte sich ausgerechnet in Richtung der Großstadt in Marsch. Als würde diese Stadt unter der schlimmen Plage nicht schon genug stöhnen. Die Gleiter nahmen nicht die Verfolgung auf. Offenbar hatte man jetzt genug von den Biestern. Sie setzten zur Landung an, unweit von Petro Galinksi und John. Uniformierte sprangen heraus. Ihre Gesichter hatten eine ungesunde Färbung. Aber sie widmeten den abgestürzten Gefährten keinen Blick. Dort war ohnedies nichts mehr zu tun, so traurig es auch war. Petro Galinksi und John Millory waren einen Moment lang unschlüssig. Wie sollten sie sich verhalten? Sollten sie die Polizisten bekämpfen, um nicht erneut in Gefangenschaft zu geraten? Sie entschieden sich dagegen. »Habt ihr Verletzte?« fragte einer der Uniformierten atemlos. »Ja, einer hat den Arm gebrochen«, antwortete Petro Galinksi schnell, »alle anderen fühlen sich den Umständen entsprechend.« Gemeinsam mit den Polizisten enterten sie ihren verbeulten Fluggleiter. Cora hatte es geahnt. Sie hatte ihren Paralyser vorsichtshalber verschwinden lassen. Als sie hereinkamen, war sie gerade dabei, den Polizisten die Strahler zurückzugeben. Die wieder bewaffneten Polizisten dachten gar nicht daran, die Gatereisenden erneut in Gefangenschaft zu nehmen. Das Geschehene hatte sie irgendwie fester zusammengeschweißt. Freundschaft war dabei zwar nicht entstanden, aber die Erkenntnis, daß es sinnlos war, in diesen bewegten Zeiten Gegnerschaft zu üben. Und sie hatten inzwischen auch begriffen, daß die drei nicht wirklich gefährliche Invasoren waren. Also war letztlich Petros Rechnung doch noch aufgegangen: Es gab nur einen einzigen Feind auf der ganzen Welt, und das waren die Rieseninsekten, die sich langsam aber sicher anschickten, diesen Planeten unter ihre Herrschaft zu zwingen, wobei der Mensch nicht viel mehr als nur eine leicht zu erjagende Beute war. Einer der Uniformierten sagte: »Es sieht hoffnungslos aus. Die Insekten stecken in den Rohrsystemen der Verkehrswege. Wirtschaft und Verkehr sind inzwischen vollends zusammengebrochen. In der letzten halben Stunde sind entsetzliche Dinge geschehen. Wir werden nicht Herr der Lage, nachdem wir feststellen mußten, daß selbst die bewährten Insektizide versagen. Und die Wissenschaftler haben obendrein noch dafür gesorgt, daß sich die Biester ungeheuer schnell vermehren. Generation um Generation entsteht. Wo soll das denn noch enden?« Sie gingen alle ins Freie. Der Verletzte wurde auf der Stelle versorgt. »Steigt bei uns ein!« wurden sie aufgefordert. »Wir müssen sofort in die Stadt zurück. Der Kampf geht weiter.«
* Unter ihnen breitete sich die gigantische Stadt aus. Ein Wohnturm neben dem anderen. Unterwegs schaltete der Pilot den großen Bildschirm ein. Pausenlos wurden Meldungen aus aller Welt gesendet. Überall das gleiche Bild. Die Insekteninvasion eskalierte. Menschen wurden von den ekligen Monstern zu Tode gehetzt. Der Kampf erschien aussichtslos. Dann tauchte ein neues Gesicht auf. Die Besatzung des Gleiters, an dessen Bord sie sich befanden, wurde hellhörig. »Es gibt nur einen einzigen Ausweg!« sagte der Mann ernst. »Wir müssen den Kampf aufgeben und uns in die Defensive zurückziehen. Vergessen wir nicht, daß die Insekten von Copyright 2001 by readersplanet
den Wissenschaftlern für die große Umweltaktion genau ausgesucht worden sind. Sie sollten für Ausgewogenheit sorgen. Also werden die Insekten selber diese Ausgewogenheit herstellen. Wir müssen ihnen nur Gelegenheit dazu geben!« Der Pilot schaltete einfach ab. »So ein Quatsch!« schimpfte er. Die anderen fielen sofort ein. Sie waren einhellig der Meinung, daß das theoretische Geschwätz keine praktischen Auswirkungen haben konnte. Wie sollten sich die Milliarden dieser Welt denn in die Defensive begeben? Auf diese Weise erfuhren die Gatereisenden, daß es nur wenige Gates gab und daß die Regierung des Planeten schon vor langer Zeit verboten hatte, sie zu benutzen. Zumindest war die Benutzung nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Doch selbst wenn: Es war unmöglich, damit etwa den ganzen Planeten zu evakuieren! Und noch etwas war für die Gatereisenden von Interesse: Es gab hier keine Raumschiffe zumindest nicht auf diesem Planeten! David Coleman beobachtete sie heimlich. Was ging in seinem Kopf vor? Er verhielt sich jetzt völlig neutral ihnen gegenüber, als wäre er niemals gegen sie gewesen. Cora vermutete, daß er sich jetzt dachte, sie wären tatsächlich ein Versuch von außerhalb, dieser Welt hier zu Hilfe zu kommen. Auf jeden Fall war das einleuchtender als die haarsträubende Geschichte von den gefährlichen Invasoren. Schließlich war nicht mehr daran zu zweifeln, daß die Probleme dieser Welt hausgemacht waren... Während Petro mit seinem defekten Paralyser beschäftigt war, der anscheinend nur so eine Art Wackelkontakt hatte, und John Augen und Ohren offen hatte, um über die Gespräche der Polizisten möglichst viel über diese Welt zu erfahren, auf der sie gestrandet waren, stieß Coleman Cora von der Seite an. »Ich habe euch eine Chance gegeben. Ihr seid Wissenschaftler. Also tut etwas! Sitzt hier nicht untätig herum!« »Du erwartest von uns also das große Wunder, wie?« Coleman nickte. »Genau das! Insektenvernichtungsmittel können nicht mehr zum Einsatz kommen. Normale Waffen sind einfach nicht ausreichend. Und die Insekten scheren sich einen Dreck um die natürliche Ökologie. Warum sollen Spinnen beispielsweise Bienen zu Leibe rücken? Die sind ihnen viel zu stark. Prupper-Menschen sind schwächer.« »Trotzdem bin ich der Meinung, daß sich das Problem von allein lösen wird«, behauptete Cora. »Nur darf man nicht so lange warten. Denn bis dahin wird es kaum noch Überlebende geben.» »Wieso von allein lösen?« »Na, das ist doch ganz einfach. Immer schneller erfolgt die Fortpflanzung der Tiere. Außerdem werden sie von Generation zu Generation größer. Das muß einmal ein Ende haben. Die Bienen, deren Bekanntschaft wir gemacht haben, sind bereits viel zu groß. Ihre Lebenserwartung dürfte gering sein. Die nächste Generation wird sie vernichten und selber noch weniger lebensfähig sein. Die Naturgesetze lassen sich trotz allem nicht umkehren.« »Du hast recht, aber es ist ein schwacher Trost.« Cora kratzte sich nachdenklich am Hinterkopf. Eine eigentlich recht unweibliche Geste, die ihrer Schönheit allerdings keinerlei Abbruch tat. »Ja, wir dürfen uns auf keinen Fall darauf verlassen, zumal die Natur zum Korrigieren von Fehlentwicklungen neigt. Wir erlebten es bei den Riesenameisen: Auf einmal kam eine Generation zum Vorschein, die durchaus die dekadenten Erscheinungen ihrer Vorfahren überwunden hatte.« John mischte sich in das Gespräch ein. Auch Petro Galinksi, dem es tatsächlich gelungen war, den Paralyser wieder vollständig zu reparieren - mit Wissen, das ihm der Stationscomp auf Vetusta in das Unterbewußtsein gepflanzt hatte - trat hinzu. Copyright 2001 by readersplanet
John sagte: »Wenn uns nichts einfällt, bleibt tatsächlich nicht viel von dieser Welt übrig. Aber wir müssen uns beeilen, sonst ist es zu spät.« Cora zupfte ziemlich undamenhaft an ihrer hübschen Nasenspitze. Das äußere Zeichen, daß sie in Gedanken mit etwas beschäftigt war. Erwartungsvoll sahen sie ihre Mitstreiter an. Hatte Cora Stajnfeld einen Ausweg parat? Es wäre zu schön. ENDE dieses Romans
Die zündende Idee kommt - allerdings erst im nächsten Band! Es geht also weiter mit Band 18: »Die sterbende Welt« - von W. A. Travers "Alles erscheint verloren - doch sie haben noch eine winzige Chance!"
Den bekommt man übrigens auch in gedruckter Fassung, mit farbigem Titelbild von dem bekannten Künstler Gerhard Börnsen. Einfach mal fragen bei: HARY-PRODUCTION, Waldwiesenstraße 22, 66538 Neunkirchen, Internet: www.hary.li, eMail:
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