Nr. 158
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Nr. 158
Der Sklavenmarkt Der Barbar auf der Welt der Sklaven - er sucht die Goldene Göttin und findet die Hölle von Peter Terrid
Im Großen Imperium der Arkoniden schreibt man eine Zeit, die auf Terra dem 9. Jahrtausend v.Chr. entspricht. Arkon steht in voller Blüte. Imperator des Reiches ist Orbanaschol III, ein brutaler und listiger Mann, der seinen Bruder Gonozal VII töten ließ, um selbst die Herrschaft übernehmen zu können. Auch wenn Orbanaschol seine Herrschaft gefestigt hat – einen Gegner hat der Im perator von Arkon besonders zu fürchten: Atlan, den rechtmäßigen Thronerben und Kristallprinzen des Reiches, der nach der Aktivierung seines Extrahirns den Kampf gegen die Macht Orbanaschols aufgenommen hat und den Sturz des Usurpators an strebt. Im Zuge dieser gegen Orbanaschol und seine Schergen gerichteten Unternehmun gen haben Atlan, Fartuloon, der Leibarzt des ermordeten Imperators, und Ra, der mysteriöse Barbar von einem unbekannten Planeten, gerade die Schrecken des 30-Planeten-Walls hinter sich gebracht und wieder unversehrt Atlans Beuteschiff, die KARRETON, erreicht. Jetzt soll die Suche nach dem legendären »Stein der Weisen«, dem Kleinod kos mischer Macht, hinter dem auch Orbanaschols Leute her sind, weitergehen. Die Silberkugel, die der Kristallprinz von Dovreen erhalten hat, soll den nächsten Anhaltspunkt für die Suche geben – doch sie tut noch mehr! Der Anblick der Kugel löst Ras Zunge, und der Barbar berichtet erneut aus seinem Leben. Diesmal ist es die Geschichte vom SKLAVENMARKT …
Der Sklavenmarkt
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Die Hautpersonen des Romans:
Allan - Der Kristallprinz setzt die Suche nach dem Stein der Weisen fort.
Ra - Der Barbar berichtet von der Sklavenwelt.
Neeol Darmigon - Ein Betrüger wird betrogen.
Shrill Oprann - Sklavenhändler von Mervgon.
Schlingo - Ein intelligentes Insekt.
Merlia und Therla - Zwei ungleiche Schwestern.
Vorry - Der Magnetier treibt derbe Späße.
1. Es gab eine Menge von Arkoniden, und ich kannte etliche Männer dieses Schlages, die in Panik verfielen, wenn man sie eines ganz bestimmten Gegenstands beraubte. Oh ne den Stiefel des Vaters, den er anläßlich des ersten pädagogischen Fußtritts gebraucht hatte, ohne den Würfel, dem man einen ho hen Gewinn beim Spiel verdankte – ohne Talismane und Glücksbringer konnten man che Arkoniden einfach nicht leben. Ich hatte oft genug die Lippen verzogen, wenn ein solcher Talisman verschwunden war und sein Besitzer ganze Planetensysteme auf den Kopf stellte, um irgendeinen verrückten Glücksbringer wiederzufinden. Rein logisch betrachtet, war dieser Aberglaube glatter Unfug. Unwillkürlich mußte ich grinsen, als die metallene Hülle der KARRETON vor uns auftauchte. Hinter uns lag ein System mit dreißig ausgewachsenen Planeten – und doch strahlte die vergleichsweise winzige KARRETON mehr Sicherheit aus als die Planeten. »Lächerlicher Aberglaube!« stellte mein Logiksektor fest. Er mochte recht haben, aber das kümmer te mich nicht. Ich war froh, dem Dreißig Planeten-Wall und seinen Bewohnern ent kommen zu sein. Immerhin hatten uns die Abenteuer mit den Doppelgesichtigen ein paar Schritte weitergebracht. Ich war im Besitz der Silberkugel, die ei nige wichtige Informationen verhieß; dazu schien ich einen weiteren Freund und Ge fährten gefunden zu haben – den Magnetier Vorry.
Einstweilen verhielt sich der Eisenfresser ruhig, als wir die KARRETON erreichten. Folgsam begleitete uns der Magnetier in die Zentrale des Schiffes. Morvoner Sprangk machte einen sichtli cher erleichterten Eindruck, als er uns in der Zentrale des Schiffes auftauchen sah. »Endlich!« seufzte er. »Ich war nahe dar an, die Geduld zu verlieren. Ich wollte euch schon ein Rettungskommando nach schicken!« Während er rasch eine Reihe von Befeh len gab und die Vorbereitungen für die Ret tungsexpedition rückgängig machen ließ, dachte ich an den Dreißig-Planeten-Wall zu rück. Es war mehr als fraglich, ob uns die Männer der KARRETON wirklich hätten helfen können. »Und wer ist dieses schwarze Faß an dei ner Seite?« wollte Sprangk wissen und mu sterte eindringlich den Magnetier, der mitten in der Zentrale stand und leise brummte. »Ein Freund!« erwiderte ich kurz. »Ein Freund, der allerdings noch etwas Ausbil dung braucht. Ich bin dafür, Vorry unter ei ne Hypno-Haube zu stecken und ihn arkoni disch und einige andere Dinge zu lehren!« Der Magnetier hatte unbeweglich in der Zentrale gestanden. Wären die kleinen gel ben Augen nicht gewesen, hätte man ihn für eine besonders merkwürdig geformte Ma schine halten können. Daß sich jedoch Le ben in dem ungeschlachten Körper befand, bewies Vorry nach meinen Worten – er hatte kaum das Wort »Hypno-Haube« vernom men, da begann er sich zu bewegen. Vorry stieß ein markerschütterndes Brüllen aus und stürzte sich kopfüber in den zentralen Antigravschacht. Noch bevor irgend jemand reagieren konnte, war der Magnetier ver
4 schwunden. Aus dem Schacht erklang ein wütender Schrei – offenbar war ein Besat zungsmitglied mit Vorry zusammengesto ßen. »Fangt die Bestie ein!« schrie Morvoner Sprangk erschüttert. »Fangt den Schwarzen, bevor er mir das Schiff zertrümmert. Not falls ist von der Waffe Gebrauch zu ma chen!« »Keine tödlichen Waffen!« warf ich ha stig ein. »Nur Paralysatoren!« »Damit kriegen wir den Burschen nie!« prophezeite Sprangk düster. »Dieser Schrottmensch wird darauf ebensowenig reagieren wie mein Sessel!« Ich konnte nur hoffen, daß mein Befehl nicht nur verstanden, sondern auch befolgt wurde. Zwar hatte mir der Magnetier mit Zeichen klar zu verstehen gegeben, daß er mich mochte und mir helfen wollte – diese Einstellung konnte jedoch jederzeit eine Än derung erfahren. Der Magnetier würde über Blasterschüsse sicherlich nicht begeistert sein. »Hilfe!« schrillte eine Stimme über Inter kom. »Ein Ungeheuer ist in der Dusche!« Ich überflog hastig eine Reihe von kleinen Bildschirmen, dann hatte ich den Monitor gefunden, auf dem sich das hochrote Gesicht einer jungen Arkonidin abzeichnete. »Ein großes schwarzes Tier ist in die Du schen eingedrungen!« stellte die junge Frau entrüstet fest. »Ich erwarte, daß der Besitzer des Tieres für diesen Unfug streng bestraft wird!« Die junge Frau warf energisch den Kopf zurück. Unter normalen Umständen hätte diese herrische Geste sicherlich den ge wünschten Erfolg gezeitigt. In diesem Fall legten sich lange, von Seifenschaum glän zende Haare vor das Gesicht der Sprecherin und blieben dort liegen. Mit beiden Händen versuchte die junge Frau, die Sichtbehinde rung zu beseitigen, aber die seifigen Haare glitten ihr immer wieder durch die ebenfalls seifenbedeckten Finger. Im Hintergrund des Bildes erschien für einen kurzen Augenblick eine stämmige schwarze Gestalt, die rasch
Peter Terrid wieder verschwand. Schnell schaltete ich die Interkomverbindung auf eine andere Sektion um – das Bild der schimpfenden Frau ver schwand. Ich stieß ein unwilliges Brummen aus, als ich entdeckte, daß der Magnetier mich ge narrt hatte – ich hatte ihn in der Nähe der Unterkünfte vermutet, allerdings auf der falschen Seite. Die nächste Meldung, die mich erreichte, stammte von einem Leutnant, der in der Pol kuppel Dienst tat – kläglich grinsend wies er auf ein blaugeschlagenes Auge, deutliches Zeichen eines innigen Kontakts mit unserem eigenwilligen neuen Freund Vorry. »Er hat sich in den Zentralschacht fallen lassen!« meldete der junge Mann. Ich fuhr blitzschnell herum – und sah einen zappelnden Magnetier in der Öffnung des Antigravs, aber bevor ich zu handeln vermochte, war Vorry wieder verschwun den. Langsam keimte in mir der Verdacht auf, daß sich Vorry einen Heidenspaß daraus machte, uns alle an der Nase herumzufüh ren. Nach Belieben kreuzte er in der näch sten halben Stunde durch die KARRETON. Vorry tauchte im Beiboothangar auf, de molierte einen Gleiter aus massivem Arkon stahl und setzte einen fünfköpfigen Trupp außer Gefecht. Im Maschinenraum brachte er es fertig, sämtliche Reaktorenergie auf die Klimaanlage zu schalten – während die Temperaturen innerhalb weniger Minuten zwischen Eiseskälte und glühender Hitze wechselten, hingen wir hilflos in der Luft, da Vorry die Aggregate für die künstliche Schwerkraft abgeschaltet hatte. Wenig spä ter brachte er es fertig, für den Schlafraum des Leitenden Ingenieurs Feueralarm auszu lösen – mit dem Erfolg, daß der Ingenieur brutal geweckt wurde – durch eine kubikme tergroße Ladung Löschschaum, die inner halb von Sekundenbruchteilen über sein Bett hereinbrach. Das Gesicht des Betroffenen zeigte den gleichen Ausdruck wie die Ge sichter von Besatzungsmitgliedern, die mit Vorry zusammengestoßen waren – der Ma gnetier hatte die Schüsse aus den Paralysato
Der Sklavenmarkt ren mühelos verdaut und die Männer außer Gefecht gesetzt. Er hatte geradezu sanft zu geschlagen – die Männer hatten am zerstör ten Mobiliar ermessen können, über welche Körperkräfte Vorry notfalls verfügte. So be kam die Jagd fast sportliche Aspekte. Die Männer brannten darauf, die Schlappe wie der wettmachen zu können. Was den Magnetier bewogen haben mochte, wie ein Wirbelsturm durch die KARRETON zu toben, wußte ich nicht – Furcht vor der Hypno-Haube durfte es ei gentlich nicht sein; in diesem Falle hätte sich Vorry sicherlich energischer seiner Haut gewehrt. Offenkundig genoß er die allgemeine Hatz auf ihn; bei seinen Aktionen legte er einen bizarren Humor an den Tag. Jedenfalls gelang es ihm, in die Medo-Sektion einzu dringen und ein paar hundert Liter Desinfek tionsmittel in die allgemeine Belüftung ein zuführen. Das teuflische Zeug breitete sich in wenigen Sekunden im ganzen Schiff aus und nötigte uns endlose Husten- und Nies salven ab. Während er sich in einem Husten anfall auf seinem Sessel krümmte, schüttelte Morvoner Sprangk immer wieder den Kopf, als könne er die beispiellose Frechheit und Leichtigkeit nicht verstehen, mit der der Ma gnetier die KARRETON in ein Tollhaus verwandelte. Als die Filter endlich das Des infektionsmittel abgesaugt und durch reine Frischluft ersetzt hatten, machten wir eine neue Entdeckung – Vorry hatte es erneut ge schafft, den Maschinenräumen einen Besuch abzustatten. Die Folge war, daß nun sämtli che Decken und Wände der KARRETON unter Strom standen. Dem Magnetier konn ten die Kriechströme wenig anhaben, aber unsere Leute stimmten eine Schimpfkanona de an, sobald sie mit der Hand eine Wand berührten oder nach einem Schalter griffen. Zwar waren die elektrischen Schläge nicht gefährlich – aber sie störten gewaltig. Zu al lem Überfluß wurde auch noch die Atmo sphäre elektrisch aufgeladen, mit dem Er gebnis, daß uns allen – buchstäblich – die Haare zu Berge standen.
5 »Fangt diesen wildgewordenen Spaßvogel ein!« tobte Sprangk. »Es wird langsam Zeit, daß der Spaß ein Ende findet!« kommentierte mein Logiksek tor. »Du kannst dich nicht tagelang in die sem System untätig herumtreiben!« Endlich schien der Magnetier sich ausge tobt zu haben; als sei nicht das geringste ge schehen, tauchte er in der Zentrale auf und verzog seine Atemöffnung; es sah aus, als mache er sich über uns lustig. Ra sah den Magnetier als erster, stieß ein Knurren aus und griff an. Dies hatte zur Folge, daß er mit lautem Brüllen im Zentralschacht ver schwand – so schnell hatte Vorry reagiert, daß wir nicht einmal gesehen hatten, mit welcher Bewegung er Ra ausgeschaltet hat te. Langsam ging ich auf Vorry zu und grin ste ihn an. »Du hast deinen Spaß gehabt, mein Freund«, sagte ich fest. »Und jetzt wirst du brav und folgsam sein – wir werden dich mit einer Maschine verbinden, und wenn du aus der Maschine herauskommst, wirst du der schlaueste und gebildetste Magnetier der Galaxis sein!« Der Gestik nach zu schließen, mit der Vorry auf meine Worte reagierte, war der Magnetier ein ausgesprochener Bildungs muffel. Ich bekümmerte mich nicht weiter um die Bewegungen seiner Hände mit den acht Fingern; ich faßte ihn an der Schulter und schob ihn nachdrücklich vorwärts. Vor ry protestierte mit einer Folge unwilliger Geräusche, aber er wehrte sich nicht. Daß er beim ersten Versuch, ihn an die Hypno-Haube anzuschließen, einige dau mendicke Kabel aus verflochtenem Arkon stahl wie Fäden zerriß, nahm nach den vor hergegangenen Ereignissen nicht Wunder. Ich hatte vorsorglich Anweisung gegeben, eine zweite Haube vorzubereiten. Wie rich tig diese Maßnahme war, stellte sich heraus, als Vorry es sich in dem Sessel bequem ma chen wollte – irgendwie verfing er sich in ei nigen der Pedale, mit denen der Stuhl nach Belieben verändert werden konnte. Inner halb einer Sekunde sauste der Stuhl in die
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Peter Terrid
Höhe, und wir hatten einige Mühe, einen stark verärgerten Vorry dazu zu bewegen, wieder auf den Boden herabzusteigen. Es dauerte fast eine Stunde, dann endlich war der Magnetier an die Haube angeschlos sen. Neben dem Sessel lagen zwei demolier te Hochdruckspritzen auf dem Boden – als der Arzt versucht hatte, Vorry mit der Injek tionspistole zu betäuben, um ihn ruhigzustel len, hatte der Magnetier einfach seine Mus kulatur angespannt. Als der Arzt die Injekti on auslöste, war der Druck zurückgeschla gen und hatte die Injektionspistole zerstört. Erst beim dritten Anlauf waren wir erfolg reich gewesen – ich hatte Vorry abgelenkt, und der Arzt hatte eine winzige Unaufmerk samkeit ausgenutzt und das Mittel einge spritzt. Jetzt lag der Magnetier endlich unter der Haube; wir hatten sie umbauen müssen auf die spezielle Anatomie der Magnetiers. Lei se zogen wir uns zurück und ließen die Hyp no-Haube arbeiten. Eine Störung wäre Mord gewesen – einen Hypno-Schulungsvorgang zu unterbrechen, war auf Arkon von alters her ein todeswürdiges Verbrechen. In allen bekannten Fällen hatte der Abbruch der Schulung mit der völligen geistigen Um nachtung des Schülers, häufig auch mit des sen Tod geendet.
* »Ein jedes Ding hat zwei Seiten!« stellte Morvoner Sprangk fest. »Besonders Dovreen!« meinte Fartuloon grinsend. Ich wog das Geschenk des Doppelgesich tigen in der Hand, den ovalen Behälter mit der Silberkugel im Innern. Um den grauen Stahl des Behälters schimmerte noch immer die gleißende Lichtaura; noch wagte ich nicht, die Silberkugel freizulegen – unsere Abenteuer im Dreißig-Planeten-Wall hatten mir deutlich gezeigt, was für ein gefährli ches Geschenk diese Silberkugel war. Nur zu gut erinnerte ich mich der War nung, die Dovreen ausgesprochen hatte, als
er mir den Behälter übergeben hatte. Nach den letzten Ereignissen verspürte ich große Lust, eine längere Ruhepause einzulegen, in der meine Begleiter und ich Zeit gefunden hätten, uns körperlich und auch seelisch auf die nächsten Strapazen vorzubereiten. »Ruhe nur!« sagte der Extrasinn spöttisch. »Orbanaschol wird es dir auf seine Weise danken!« Ich fühlte, jetzt war der Zeitpunkt gekom men, Dovreens Gabe einmal unter die Lupe zu nehmen; auch meine Gefährten starrten mit unverhohlener Neugierde auf den Kör per in meiner Hand. Ich sah, wie Sprangk mit den Zähnen seine Unterlippe bearbeitete – er schien sich in seiner Haut nicht ganz wohl zu fühlen. »Los!« sagte er schließlich mit unsicherer Stimme. »Mach das Ding auf, Atlan – ob es jetzt oder in einer Stunde brenzlig wird, ist letztlich gleichgültig!« Ich nickte kurz, dann öffnete ich langsam den Behälter. Im Innern lag die silberne Kugel. Unwillkürlich erwartete ich, daß sie sich aufblähen und uns verschlingen würde, aber nichts dergleichen geschah. Einstweilen lag vor uns ein kugelförmiger Körper aus einem silbrigen Metall – mehr nicht. Sprangk beugte sich über den geöffneten Behälter und starrte interessiert auf die Kugel. »Das ist alles?« fragte er mit hörbarer Enttäuschung. »Die ganzen Aufregungen nur für einen Klumpen Silber, der nicht ein mal groß genug ist, um daraus einen ver nünftigen Trinkbecher herzustellen?« Er schüttelte enttäuscht den Kopf und wollte sich abwenden; abrupt stoppte er die Bewegung. Fast zeitlupenhaft langsam begann die Silberkugel aufzuleuchten, gleichzeitig lös ten sich ihre Konturen auf, wurde der Kör per transparent. Es dauerte einige Minuten, bis der Prozeß abgeschlossen war, dann lag in dem Behälter eine strahlende, durchsichti ge Kugel. Neugierig beugte ich mich über den Körper, um Einzelheiten erkennen zu können. Neben mir schob sich Ras Kopf
Der Sklavenmarkt
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über den Behälter, auch Fartuloon und Mor voner Sprangk rückten näher. »Sieht aus wie ein Ausschnitt aus einer dreidimensionalen Karte!« stellte Sprangk nach kurzem Nachdenken fest. »Ein Bruch stück aus einem Kartentank!« Er hatte richtig gesehen; bei näherer Be trachtung war klar etwas in dem leuchtenden Körper zu erkennen – die stark verkleinerte Ansicht eines Sonnensystems. Zu beobach ten war eine blaue Riesensonne, die von sechs Planeten umkreist wurde – nähere An gaben über den galaktischen Standort des Systems waren nicht zu finden, aber viel leicht halfen uns bereits diese Angaben ein Stück weiter. Ich beugte mich noch tiefer über das Ab bild des fremden Sonnensystems; eine der Welten fiel besonders auf – ein Planet, des sen vorherrschender Farbton grün war. »Ra!« rief Morvoner Sprangk plötzlich aus. Rasch wandte ich den Kopf zur Seite und sah in das Gesicht meines geheimnisvollen Gefährten; Ras Augen blickten förmlich durch mich hindurch. Seine Lippen bewegten sich, formten Worte; in einwandfreiem Arkonidisch be richtete der Barbar, was sich nach seiner Be gegnung mit dem Schatzsucher Neeol Dar migon zugetragen hatte.
2. »Ein Glück, daß es noch keine perfekten Androiden gibt!« murmelte Darmigon zu frieden; sein Blick streifte den Barbaren, der unbeweglich wie eine marmorne Säule in der Zentrale der CROOBON stand. Die CROOBON steuerte Mervgon an; fast blind hatte Darmigon die Daten dieses Pla neten in die Eingabesektion der Positronik getippt – er kannte den Planeten sehr gut von vielen Besuchen her. Während sich das Schiff des Schatzsu chers langsam auf den Planeten herabsenkte, betrachtete Darmigon das Bild des Planeten auf dem großen Panoramaschirm.
Mervgon war eine feucht-heiße Welt, hauptsächlich bedeckt von dichten Dschun geln, endlosen Sümpfen und unergründli chen Moorgebieten. Dort, wo das Wasser klar zutage trat, waren unzählige Inseln zu sehen – die größte wurde Kermot genannt. Dort wollte Darmigon landen. »Werden wir dort unten Ischtar finden?« erkundigte sich der Barbar. »Gewiß!« behauptete Darmigon dreist. »Einen guten Händler muß ich finden!« überlegte der Schatzsucher für sich. Darmigon wußte sehr genau, welchen Wert Ra für ihn verkörperte. Der Barbar war jung, geschmeidig wie eine Raubkatze und stark wie ein Gleitermotor; dazu war er of fenkundig intelligent. Keiner seiner Rasse würde Protest erheben, wenn er vermarktet wurde. Rechtlich war Ra nicht vorhanden, bestenfalls als Sachwert. Mit einem solchen Sklaven konnte man in höchsten Kreisen of fiziell auftreten – in diesem Falle hätte Ra den Status eines begabten Haustiers erhal ten. Aber solche Sklaven waren rar; entweder waren die Sklaven zu blöde oder nicht ge nug arkonidenähnlich. Ra würde auf dem Markt eine Summe erzielen von der Darmi gon nur träumen konnte. Hätten ihn die Kontrollen des Schiffes nicht voll in Anspruch genommen, hätte Darmigon sich zufrieden die Hände gerie ben. Ein triumphierendes Grinsen zeigte sich auf seinem Gesicht, während sich die CROOBON langsam auf den ausgedehnten Raumhafen von Bohrt herabsenkte. Bohrt war die größte Stadt des Inselkontinents Kermot, fungierte für den Planeten als eine Art Hauptstadt und war – nur Eingeweihten bekannt – einer der größten Sklavenmärkte der bekannten Galaxis. Gesetzlich war der Handel mit Sklaven natürlich verboten, aber die finanziellen Zuwendungen, die die Skla venhändler auf Schleichwegen in die stets ausgebrannte Privatschatulle Ihrer Erhaben heit Orbanaschols III. fließen ließen, lohnten sich. Nicht selten war es vorgekommen, daß Orbanaschol Raumflotten dort hatte üben
8 lassen, wo die Sklavenjäger einen neuen Raubzug geplant hatten – und sich naturge mäß riesig über diese unverhoffte Schützen hilfe freuten. Ein leises Knirschen ging durch den Rumpf der CROOBON, als die Landestüt zen auf dem Hafen von Bohrt aufsetzten. Charakteristisch für die wirtschaftliche Macht der Sklavenhändler war der Umstand, daß die Qualität der technischen Ausrüstung des Raumhafens kaum hinter dem Standard zurückstand, der auf großen Häfen des arko nidischen Imperiums üblich war. Die Skla venhändler verdienten das nötige Geld, um sich fast jeden Wunsch erfüllen zu können. Und für einen großangelegten Sklavenhan del waren erstklassige Raumhäfen unersetz lich. »Los, komm mit!« bestimmte Darmigon, begleitet von einer herrischen Kopfbewe gung. Ra kam der Aufforderung sofort nach; seine Gedanken kreisten um Ischtar, die er hier zu finden hoffte – immerhin hatte ihm der fremde Raumfahrer versprochen, ihm bei seiner Suche nach der Goldenen Göttin zu helfen. Der Barbar war Kämpfe gewohnt, er kannte Fallen und Listen, Kniffe und Ränke – aber eine so hinterhältige Bosheit, wie sie Darmigon an den Tag zu legen gedachte, war dem Gehirn des Barbaren völlig fremd. Feind war Feind, und wer sich Freund nann te, war auch ein Freund – etwas anderes gab es für Ra nicht. So folgte er ahnungslos und hoffnungs froh dem Arkoniden aus dem Schiff. Über Bohrt lag ein schwüler Sommer; die Temperaturen lagen beträchtlich über dem Mittelpunkt der Skala, die sich nach den Ag gregatzuständen des Wassers bemaß. Die Luftfeuchtigkeit lag hart an der Grenze des Erträglichen – nach wenigen Schritten war Darmigon in Schweiß gebadet. Vom Fuß des Raumhafenkontrollturms löste sich ein Körper und kam rasch näher; ein altersschwacher Gleiter fegte heran und bremste aufheulend einige Schritte vor dem Schatzsucher. Hinter dem Steuer saß ein
Peter Terrid junger Arkonide mit sonnenverbranntem Gesicht, der Ra mit dem Blick eines Ken ners musterte. »Ihr wollt zum Markt, Herr?« erkundigte sich der Fahrer unterwürfig. Darmigon kniff die Augen zusammen und taxierte den Fahrer gründlich. »Kennst du einen guten Händler?« wollte der Schatzsucher wissen. »Einen guten, wohlgemerkt – wenn ich merke, daß du mich aufs Kreuz legen willst, gerbe ich dir die Haut vom Körper!« »Steig ein, Herr!« meinte der Fahrer grin send. »Ihr werdet mit mir zufrieden sein!« Ra verstand nicht ganz, was um ihn her um vorging, aber er folgte dem Wink des Schatzsuchers und nahm auf der hinteren Sitzbank Platz. Der verwunderte Blick, den der Fahrer auf ihn warf, berührte ihn nicht. Der Fahrer kannte natürlich die Verhält nisse auf Mervgon; für ihn mußte es eine Ungeheuerlichkeit sein, daß ein Sklave sich in denselben Gleiter setzte wie sein Herr – unter normalen Umständen hätte Ra neben dem Gleiter herlaufen müssen. »Er weiß noch nichts von seinem Glück«, raunte Darmigon dem Fahrer ins Ohr. »Und ich habe keine Lust, mich mit ihm herumzu balgen – die Flausen soll ihm sein neuer Herr austreiben!« Der Fahrer verzog sein Gesicht zu einem boshaften Grinsen; er musterte Ras Musku latur und grinste erneut. »Der Bursche wird seinem neuen Herrn allerhand Ärger machen können«, meinte der Fahrer spöttisch. »Aber ich kenne zufäl lig einen Mann, der es sich ein besonderes Vergnügen sein läßt, störrische Sklaven ein zubrechen. Soll ich Euch zu diesem Mann führen, Herr?« »Zahlt er gut?« fragte Darmigon kalt zu rück. »Ich meine – zahlt er seinen Kunden gut, nicht seinen Zuträgern?« »Ich bin prozentual beteiligt«, gab der Fahrer rasch zurück. »Und ich bringe ihm nur Kunden, die die Kunst des Feilschens verstehen! Könnt Ihr feilschen, Herr?« Darmigon lehnte sich in seinem Sitz zu
Der Sklavenmarkt rück, streckte die Beine von sich und setzte seine typische Verhandlungsmiene auf; in nerlich grinste er über den durchsichtigen Versuch des Fahrers, ihn in Stimmung zu bringen. »Man könnte sagen«, behauptete er, »daß ich diese edle Kunst erfunden habe!« Mit einem Seitenblick sah er, daß seine Taktik erfolgreich war; der Fahrer verzog die Lippen zu einem verächtlichen Grinsen – vermutlich sann er bereits darüber nach, wie man den vermeintlichen Gimpel möglichst gründlich rupfen konnte. Darmigon sah auch, wie sich der Mann die Lippen leckte – wenn es noch eines Beweises für den Schatzsucher bedurft hätte, ihm klarzuma chen, welchen Griff er mit Ra gemacht hat te, so hätte dieses Zeichen vollkommen ge nügt. Während der Fahrer den Gleiter durch das Straßengewirr von Bohrt steuerte, rechnete sich Darmigon bereits aus, was er mit dem Erlös für Ra anfangen würde. Die CROO BON hatte eine Generalüberholung nötig, und auch Darmigons Unterschlupf auf ei nem abseits gelegenen Asteroiden konnte ei ne Finanzspritze sehr wohl vertragen. Es hing alles davon ab, was er für Ra herauszu schlagen vermochte; wenn es ihm gelang, die Seltenheit eines solchen Sklaven, seine offenkundige Intelligenz und seine körperli chen Fähigkeiten ins rechte Licht zu rücken, mußte es möglich sein, ein mittleres Vermö gen herauszuschinden. Zusätzlich dachte Darmigon an die Geschichte um Ischtar, von der Darmigon allerdings nicht allzuviel wußte – immerhin genug, um einen Händler neugierig werden zu lassen. »Wir sind am Ziel, Herr!« erklärte der Fahrer. Längst hatte der Gleiter die Außenbezirke der Stadt erreicht; er stand nun vor einem weitläufigen, einstöckigen Gebäude, das nur teilweise zu sehen war, da sich rings um das Grundstück eine hohe Mauer aus Bruchstei nen, bedeckt mit weißem Kalk, zog. Darmi gon war Fachmann genug, um in den Posta menten der hohen Statuen im Garten die An
9 lagen für eine Klimaanlage erkennen zu können, die den gesamten Bereich des Grundstücks auf arkonidische Verhältnisse brachten. Vermutlich lebte hier ein Mann, der sich zwar weitgehend den Verhältnissen des Sklavenplaneten anpaßte, aber nicht ge willt war, sich den Gegebenheiten vollkom men unterzuordnen. Darmigon pfiff leise durch die Zähne, als er einen Schritt auf das Portal zu machte. Daß das Tor beste Schmiedearbeit war, wunderte ihn nicht – wohl aber die unübersehbaren Anzeichen ei ner Sicherheitstechnik, die gewöhnliche Händler nicht bezahlen konnten. Das Grund stück des Sklavenhändlers war mit allen technischen Raffinessen gesichert, die im ar konidischen Imperium überhaupt zu haben waren. »Wie heißt der Mann, der hier wohnt?« erkundigte sich Darmigon mit leichter Be sorgnis – der Bewohner dieses Hauses schi en ihm um etliche Kaliber überlegen zu sein. »Shrill Oprann!« lautete die knappe Ant wort; der Fahrer hielt die Hand auf, um sei nen Lohn zu kassieren. Darmigon warf nachlässig ein Goldstück hinüber; der Fahrer fing die Münze auf und nickte zufrieden. Obwohl das Entgelt seinen Fahrpreis um ein Mehrfaches überstieg, fiel es ihm nicht ein, Wechselgeld herauszuge ben. Er beförderte mit einem kräftigen Stoß Ra auf die Straße, nahm wieder hinter dem Steuer des Gleiters Platz und jagte mit höch ster Fahrt den Weg zurück, den er gekom men war. »Werden wir hier etwas über Ischtar er fahren?« wollte Ra wissen. Eigentlich hatte sich der Barbar vorge nommen, dieses Geheimnis für sich zu be wahren, aber die Aussicht, dem geliebten Wesen näherkommen zu können, löste Ra die Zunge. Sein Puls jagte – er verstand zwar vieles von dem, was um ihn herum vorging, aber der imposante Bau verfehlte auch auf Ra seine Wirkung nicht. Darmigon ging zögernd einige Schritte weit auf das Tor zu; es entging ihm nicht, daß er von versteckten Kameras fortlaufend
10 beobachtet wurde. Ohne daß sich ein Wesen bemerkbar gemacht hätte, schwang das schwere Portal zur Seite. Vor Darmigon er streckte sich ein weitläufiger Park, der vor züglich gepflegt wurde. Der Schatzsucher kannte nur einige der farbenprächtigen Ge wächse, die den Garten zierten, aber diese wenigen Pflanzen stammten von Planeten, die der Galaktische Geist in seinem Zorn er schaffen haben mußte – Fieberhöllen waren darunter, die von zehn Landenden nur einen wieder entließen. Ein Mann, der sich von solchen Welten Blumen für seinen Garten holen ließ, mußte einen sehr bizarren Cha rakter haben. Feinkörniger Kies knirschte unter den schweren Stiefeln des Schatzsuchers, als er mit weiten Schritten auf das Gebäude zu schritt, in dem Shrill Oprann lebte. In eini ger Entfernung erkannte Darmigon eine An zahl von Sklaven, die den Garten pflegten. Der Weg führte an großen Fischteichen ent lang; unwillkürlich verhielt Darmigon sei nen Schritt, als er sah, was sich am Rande des Beckens abspielte. Drei Sklaven trugen den leblosen Körper eines Mannes, der Zei chen schwerster Mißhandlungen aufwies. Gleichmütig legten die Sklaven den Toten am Rand des Beckens ab, dann rollten sie ihn über die steinerne Umfassung. Fast ohne Spritzer glitt der Körper in das trübe Wasser. Nur für Sekunden blieb der Wasserspiegel ruhig, dann peitschten Flossenschläge das Wasser zu weißem Schaum auf. Darmigon sah glitzernde Schuppen in einem sich mehr und mehr rot färbenden Wasser. Vom Rand des Beckens senkten sich Luftwurzeln eines Baumes herab und verschwanden in dem trüben, aufgepeitschten Wasser. Der ganze Vorgang nahm nur einige Minuten in An spruch, dann war der Wasserspiegel wieder spiegelglatt. Darmigon konnte sehen, wie die Luftwurzeln der Pflanze die völlig ent fleischten Skeletteile des Opfers berührten, auflösten und den dann entstehenden grünli chen Schaum aufsogen. Die Sklaven, die den Unglücklichen her angeschafft hatten, kümmerten sich weder
Peter Terrid um ihr Opfer noch um Darmigon, der mit fassungslosem Entsetzen die Vorgänge an dem Fischteich beobachtet hatte. Die Skla ven konzentrierten ihre Aufmerksamkeit auf den Baum am Rande des Beckens, der nach kurzer Zeit alle Skeletteile restlos aufgelöst hatte. Langsam senkte sich eine kopfgroße Blüte herab, verharrte vor dem Gesicht eines der Sklaven und öffnete sich dann. Im In nern der hellroten Blüte lag ein faustgroßer Stein, der so atemberaubend funkelte, daß Darmigon unwillkürlich den Atem anhielt. Fast achtlos nahm der Sklave den Stein aus der Blüte, steckte ihn in die Tasche und ent fernte sich. Der Schatzsucher machte ein besorgtes Gesicht – einem Mann, der Schätze wie den grünen Edelstein gleichsam im Vorbeigehen sammelte, war wohl kaum mit den besonde ren Werten Ras zu beeindrucken. Aber Dar migon war fest entschlossen, seinen leben den Fund zu Geld zu machen, und hier sah er die besten Möglichkeiten, sein Ziel zu er reichen, auch wenn er jetzt nicht mehr mit so bedeutenden Summen rechnete wie zu vor. Am Eingang des Hauses wurden Darmi gon und Ra von einem herkulisch gewachse nen Sklaven in Empfang genommen, der sie ohne Verzug durch die Räumlichkeiten des Hauses zu Shrill Oprann führte. Darmigon konnte ein spöttisches Grinsen nicht unter drücken, als er bemerkte, daß der Sklave ab sichtlich einige kleine Umwege machte – vermutlich hatte er den Auftrag, die Besu cher mit der Pracht des Hauses zu beein drucken, bevor er sie zu seinem Herrn führ te. Als Darmigon endlich Shrill Oprann ge genüberstand, wußte der Schatzsucher, daß er verspielt hatte. Sein Gegenüber hatte eine Ausstrahlung, die es Darmigon als ausge sprochenen Glücksfall erscheinen ließ, wenn er diesen Raum überhaupt lebend verließ. »Was hast du anzubieten?« erkundigte sich Oprann ruhig. Der Sklavenhändler war nur von mittlerer Größe, zudem ausgesprochen hager; sein
Der Sklavenmarkt glattes Gesicht war zu einer gleichbleiben den Maske der Liebenswürdigkeit verzogen, aber Darmigon wußte genau, daß dieser Mann nicht freundlich war. Opranns Stimme war ruhig und kühl – man könnte sich nicht vorstellen, daß Oprann je erregt oder leiden schaftlich sprechen würde. Darmigon entschloß sich, das Spiel mitzu machen; er ahnte dumpf, daß er froh sein konnte, wenn er dieses Abenteuer ungescho ren überstand. Er sah Oprann an, daß dieser Mann keine Sekunde zögern würde, Darmi gon töten zu lassen, wenn es ihm genehm er schien. Wenn er ohnehin schon in Lebensge fahr schwebte, so dachte Darmigon, dann wollte er wenigstens versuchen, den Preis, für den er sich verkaufte, in die Höhe zu treiben. Dieser Taktik entsprechend, setzte er ein freundliches Gesicht auf und deutete mit ei ner kurzen Kopfbewegung auf Ra. »Nicht schlecht«, bemerkte Oprann; er war so erfahren in seinem Geschäft, daß er es nicht nötig hatte, aufzustehen und die Ware näher zu untersuchen. »Nicht schlecht«, wiederholte Oprann. »Aber kein Grund, meine Nachmittagsruhe zu unterbrechen!« Versuche nicht, mich zu leimen, dachte Darmigon spöttisch, wenn du nicht hinter dem Barbaren her wärest, hättest du mich gar nicht erst einzulassen brauchen! Laut sagte der Schatzsucher: »Grund genug ist der Preis, den ich forde re!« Mit den Fingern zeigte er an, was er für Ra haben wollte; in letzter Sekunde hatte er auf seine ursprüngliche Forderung noch einen kräftigen Aufschlag gemacht. Was er verlangte, hätte jeden normalen Sklaven händler vom Sitz gerissen – Oprann verzog keine Miene. Der Händler behielt seinen freundlichen Gesichtsausdruck bei und schien über Dar migons Angebot nachzudenken. Der Schatz sucher nutzte die Zeit, um sich umzusehen. Die drei Menschen hielten sich in einem großen Raum auf, der vom Sonnenlicht nur
11 schwach erhellt wurde. Im Hintergrund, dort wo Oprann auf einem lederüberzogenen Sessel saß, erleuchteten Ampeln den Raum und verbreiteten einen leichten, süßlich schmeckenden Rauch. An den Wänden hin gen kostbare Teppiche, dazwischen exoti sches Kriegsgerät – allein diese Ausstattung besaß mehr Wert als Darmigons Schiff. Den Boden bedeckten Felle – teilweise von Tie ren, die der Schatzsucher noch nie in seinem wildbewegten Leben gesehen hatte. Oprann selbst trug nicht mehr als ein weißes, lang auf den Boden fallendes Gewand, das nur an den Schultern und in der Taille gehalten wurde. Darmigon erkannte einen Gürtel, der aus der Werkstatt eines vortrefflichen Sil berschmiedes stammen mußte. Wenn man nicht genau hinsah, fielen die kleinen Ein baugeräte arkonidischer Fertigung kaum auf. »Einverstanden!« sagte Oprann plötzlich. Darmigon, dessen Blick noch immer an der prunkvollen Ausstattung des Raumes hing, zuckte zusammen. Hatte er richtig ge hört? Neben Opranns Sessel stand ein großes kupfernes Becken; der Arkonide griff in die Schale, hob eine gleichfalls kupferne Kugel in die Höhe und ließ sie in die Schale zu rückfallen. Ein weicher Glockenton hing mi nutenlang in der Luft und war noch nicht ganz verklungen, als ein Mann eintrat, der die Arme vor der Brust kreuzte und sich vor Oprann tief verneigte. »Zahle diesen Mann aus!« bestimmte Oprann gelassen und nannte die Summe. Der Sklave nickte kurz, verschwand und kehrte wenig später zurück; den kleinen Le derbeutel in seiner Hand warf er Darmigon zu – der Schatzsucher verzichtete darauf, nachzuzählen, und versenkte den Beutel in seiner Tasche. »Erlaubt, daß ich mich zurückziehe!« er klärte Darmigon unterwürfig. Mit einer gnädigen Handbewegung wurde er entlassen; die zweite Bewegung, die dem Sklaven galt, konnte er nicht mehr sehen.
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12 »Halt!« Der Zuruf galt Ra, der Darmigon nachei len wollte; erstaunt wandte sich Ra um und starrte Oprann an. »Du gehörst jetzt mir, mein Freund!« er klärte Oprann mit gleichbleibender Freund lichkeit. »Gehören?« wiederholte Ra ungläubig. Wie konnte man einen Menschen besitzen? Von Darmigon hatte Ra zwar lesen und schreiben gelernt, er sprach jetzt geläufig die Sprache des Schatzsuchers, aber mit vielen Begriffen, die in seinem Gedächtnis gespei chert waren, konnte der Barbar nichts anfan gen. Was er sich unter Sklaverei vorzustel len hatte, wußte Ra noch nicht. »Du bist mein Eigentum!« erklärte Oprann kurz. »Du hast zu tun, was ich dir befehle!« Ra verzog verächtlich die Lippen; er dachte nicht daran, die Anordnungen dieses unsympathischen Menschen zu befolgen. Aus den Augenwinkeln heraus betrachtete Ra die Waffenkollektion an den Wänden; rasch hatte er etwas gefunden, mit dem er et was anfangen konnte. Oprann kniff die Au gen zusammen; ihm waren Ras Überlegun gen nicht entgangen. Oprann flüsterte seinem Sklaven etwas ins Ohr; der Mann zog sich geräuschlos zu rück. Ra erkannte auf dem rechten Oberarm des Mannes ein eingebranntes Zeichen – ein stilisiertes O. Ra konnte noch nicht wissen, daß Oprann als einziger Händler die Kühn heit besaß, seine Sklaven mit einem eigenen Zeichen zu versehen. Es sprach für Opranns zweifelhafte Qualitäten als Händler, daß das O-Zeichen inzwischen fast eine Gütemarke geworden war. Zwei andere Händler, die Opranns Vorbild gefolgt waren, hatten die sen Frevel teuer gebüßt – sie trugen jetzt selbst das Brandmal Opranns. »Wo kommst du her?« wollte der Händler wissen. »Und wer hat dich unsere Sprache gelehrt?« Ra kreuzte trotzig die Arme vor der Brust und schwieg. Oprann sah die Geste mit Wohlgefallen.
Peter Terrid Er versprach sich ein besonderes Vergnü gen davon, diesen Sklaven persönlich zu er ziehen – so nannte er seine Methode, Cha raktere zu zerstören und aus lebenden We sen willfährige Befehlsempfänger zu ma chen. Zugleich verriet Ras Trotz, daß dieser Mann – war er erst einmal erzogen – ein ausgesprochen hochwertiges Werkzeug in der Hand Opranns sein würde. Shrill Oprann übertraf an Gefühlskälte selbst Positroniken, und seine Gerissenheit konnte sich mit der Intelligenz großer Re chenhirne durchaus messen. Aus der Tatsa che, daß Darmigon, der die Verhältnisse auf Mervgon gut genug kannte, ihn aufgesucht hatte, um nur diesen einen Mann zu verkau fen, hatte Oprann rasch gefolgert, daß der Barbar einen Wert besaß, der auf den ersten Blick nicht zu erkennen war. Vermutlich war der Wilde im Besitz eines Geheimnis ses, das den hohen Kaufpreis rechtfertigte. Oprann war gerissen genug, diesen Punkt in seinem Gespräch mit dem Schatzsucher mit keiner Silbe zu berühren. Oprann war fest entschlossen, dem Barbaren dieses Geheim nis zu entreißen – auf seine eigene Art. »Sprich!« forderte Oprann seinen neuen Sklaven auf. »Woher kommst du?« Ra schwieg beharrlich und sah Oprann finster an. Obwohl er seinen Blick auf den Sklaven händler gerichtet hielt, traf ihn der Schlag unvorbereitet. Mit einer blitzschnellen Handbewegung hatte Oprann nach der Peit sche gegriffen und das Leder auf Ras Ober körper klatschen lassen. Der Barbar stöhnte dumpf auf, dann schnellte seine Hand vor und erwischte das Ende der Peitsche. Mit ei nem gewaltigen Ruck riß Ra dem Sklaven händler die Peitsche aus der Hand; ein wei ter Satz brachte ihn an die Wand. Mit einem Handgriff riß Ra ein armlanges Schwert von der Wand und richtete die Klinge auf Oprann. Der Sklavenhändler ließ sich davon nicht beeindrucken; mit einer kleinen Fingerbewe gung aktivierte er seinen privaten Schutzschirm. Gleichzeitig sprangen vier Sklaven
Der Sklavenmarkt in den Raum; auf einen Wink des Händlers hin stürzten sie sich auf Ra. Der Barbar knurrte verächtlich und emp fing den vordersten Mann mit einem Fußtritt in die Magengrube; der Angreifer heulte auf und flog einige Schritte weit zurück. »Keine Waffen!« klang Opranns ruhige Stimme auf. »Fangt ihn mit bloßen Hän den!« Keiner der Sklaven wagte zu widerspre chen, obwohl in der Hand des Barbaren ein scharfgeschliffenes Schwert glänzte. Mit vereinten Kräften warfen sie sich auf Ra; der erste Mann fing mit bloßen Händen einen Schwerthieb Ras auf – allerdings hatte Ra nicht mit voller Kraft zugeschlagen. Er hatte die Absicht des Mannes erkannt und seinen Hieb abgemildert. Langsam erkannte Ra, welche Macht Oprann über seine Sklaven besaß – der Mann nahm sogar zerschnittene Hände in Kauf, um den Willen seines Her ren zu erfüllen. Ra ließ sich ohne Gegenwehr das Schwert entwinden, aber er dachte nicht daran, sich kampflos zu ergeben. Ein mörderischer Hieb traf einen der Angreifer in der Magengrube; der Mann verzerrte das Gesicht und taumelte zurück, mühsam nach Luft ringend. Ra wur de am Kopf getroffen; eine Augenbraue platzte auf, und das Blut strömte ihm, über das Gesicht. Im Kampfeseifer nahm Ra die Verletzung kaum wahr, aber das Blut in den Augen blendete ihn. In letzter Sekunde ent ging er einem mit Wucht geschlagenen Schwinger; die Faust des Angreifers wischte über Ras Rippen und landete auf der Wand. Aufheulend zog sich der Mann zurück und rieb sein Handgelenk, das offenbar gebro chen war. Von den vier Sklaven waren nur noch zwei kampftauglich; sie trennten sich, um Ra in die Zange nehmen zu können. Der Barbar durchschaute ihre Absicht und brach te sich mit einem Satz in Sicherheit. Bevor die entsetzten Sklaven begriffen, was sich vor ihren Augen abspielte, hatte Ra Oprann erreicht. Es kostete den Barbaren nur wenig Mühe, den schmächtigen Körper des Skla
13 venhändlers anzuheben und in die Höhe zu stemmen. Die Sklaven standen starr vor Ent setzen – noch nie hatte es ein Sklave ge wagt, Hand an Oprann zu legen. Mit aller Kraft schleuderte Ra den Sklaven den Kör per ihres Herrn entgegen; Oprann selbst machte der Aufprall nichts aus – er war durch sein Schirmfeld gesichert. Aber seine Sklaven stürzten zu Boden. Oprann war rasch wieder auf den Füßen, seine Männer blieben auf dem Boden liegen und wagten nicht, sich zu rühren. Sie hatten den Körper ihres Herrn ohne seine ausdrück liche Erlaubnis berührt – und das bedeutete im Hause Shrill Opranns, daß der Betreffen de im Fischteich endete. »Auf, ihr Memmen!« sagte Oprann; auch dieser Vorfall hatte ihn nicht dazu bewegen können, die Maske ewiger Gleichmut abzu legen. Wieder stürzten sich die beiden Männer auf Ra; im Hintergrund des Raumes tauchte ein Dutzend weiterer Sklaven auf. Ra sah ein, daß sein Widerstand keinen Sinn mehr hatte – gegen diese Übermacht hatte er kei nerlei Chancen. Ohne Gegenwehr ließ er sich gefangennehmen; die Männer stießen ihn vorwärts, bis er zwei Schritte vor Oprann stand. Wieder zuckte Opranns Hand; Ra spürte einen beißenden Schmerz im Gesicht und preßte die Kiefer zusammen. Sein Blick galt Oprann und gab dem Sklavenhändler zu ver stehen, daß sich der Barbar für den Hieb mit der Peitsche zu rächen gedachte. Oprann kniff die Augen zusammen und erwiderte den Blick; dann gab er seinen Sklaven ein Handzeichen. »Schafft ihn fort!«
3. Als sich das große schmiedeeiserne Tor geräuschlos hinter ihm schloß, wischte Dar migon sich als erstes den Schweiß von der Stirn. Sein Atem ging schwer, und sein Puls jagte – Darmigon hatte noch nie in seinem Leben eine solche Angst ausgestanden. Als
14 der Sklave, der ihn zum Tor zurückführte, am Fischteich vorbeiging und einen Augen blick verharrte, um den zurückgebliebenen Darmigon aufrücken zu lassen, war sich der Schatzsucher sicher gewesen, sein Leben in den Mägen der mörderischen Fische be schließen zu müssen. »Verdammter Oprann!« ächzte Darmigon. Er winkte einem vorbeifahrenden Miet gleiter zu; der Fahrer bremste hart neben dem Schatzsucher, öffnete die Tür und grin ste Darmigon an. »Aha!« meinte der junge Mann. »Sind die Geschäfte gut verlaufen?« »Leidlich!« erwiderte Darmigon und ließ sich in die Polster fallen. Im Innern des Gleiters war es wohltuend kühl. »Von wem wirst du bezahlt?« »Von Oprann«, gab der Fahrer kurz zu rück, während er seinen Gleiter wieder in Bewegung setzte. »Je nachdem – mal hat er Lust zu bezahlen und tut es reichlich, mal hat er schlechte Laune, und dann kann ich froh sein, mit ein paar Peitschenhieben da vonzukommen!« Interessiert musterte Darmigon die nack ten Arme des Fahrers – er trug kein Brand zeichen, war also einer der wenigen freien Bewohner dieses Planeten. Als Opranns Haus außer Sichtweite ge riet, fühlte sich Darmigon sichtlich wohler. Er hatte das beste Geschäft seines Lebens gemacht, denn mit dem Kapital, das er indi rekt dem Barbaren verdankte, gedachte Dar migon ein völlig neues Leben anzufangen, mit noch besseren Geschäften. Der Gedanke an seinen unverhofften Reichtum stimmte ihn ungewohnt freundlich. Darmigon tippte dem Fahrer auf die Schulter. »Wo kann man sich hier einen gemütli chen Abend machen?« wollte der Schatzsu cher wissen. Der Fahrer grinste anzüglich, und Darmigon gab das Lächeln zurück. »Ich fahre Sie hin!« erklärte er. »Meine Arbeitszeit ist sowieso bald zu Ende!« Bohrt zählte mehr als dreihunderttausend Einwohner, davon mehr als sechzig Prozent
Peter Terrid Sklaven. Was an Genüssen es in der Galaxis gab – hier in Bohrt, wo das Gesetz des Im periums schwieg, konnten auch die ausgefal lensten Wünsche befriedigt werden. Aller dings war diese Freizügigkeit mit gewissen Risiken verbunden – Glücksritter aus dem ganzen Imperium gaben sich auf Mervgon ein Stelldichein. In Bohrt saßen Geld und Messer gleichermaßen locker, und die Zahl derer, die mit beidem umzugehen verstan den, war sehr groß. Aber Darmigon fürchte te sich nicht vor diesem Risiko. Der Gleiter näherte sich dem Zentrum der Stadt; der Verkehr wurde dichter. Da es Sklaven verboten war, sich eines Gleiters zu bedienen, gab es mehr Fußgänger als Darmi gon je gesehen hatte. Auf der Straße endete auch der Respekt der Sklaven vor den Her ren – nur in einigen Ausnahmefällen rückten die Menschen auseinander, um besonders einflußreiche Händler in ihren prunküberla denen Gleitern den Weg freizugeben. Der Mietgleiter, in dem Darmigon saß, mußte immer wieder warten, bis sich die Men schenknäuel entwirrten und eine Lücke ent stand, die der Fahrer nutzen konnte. Interessiert musterte Darmigon das Leben in Bohrt; die Stadt hatte Gegensätze aufzu weisen, die einen Kulturforscher entzückt hätten. Der Schatzsucher sah ärmlich gekleidete Händler in malerischen Lumpen, die positro nische Spione verkauften; daneben stand ein Mädchen, gekleidet in die letzte Mode des Imperiums, das handgearbeitetes Brot ver kaufte. Die Bewohner der Stadt rekrutierten sich aus sämtlichen Planeten, die im Imperi um bekannt waren – sowohl bei den Sklaven als auch bei den Freien. Darmigon sah einen bronzehäutigen Zaliter, der mit Stockhieben einen gebürtigen Arkoniden vor sich her trieb; es gab Freie von absonderlichen Wel ten, Sklaven von bedeutenden Planeten des Imperiums. Ebenso gegensätzlich zeigte sich das ar chitektonische Bild Bohrts. Trichterhäuser nach arkonidischem Vorbild ragten aus ei nem Viertel, das vorwiegend von einge
Der Sklavenmarkt
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schossigen Lehmhütten geprägt wurde; ebenso fanden sich strohgedeckte Hütten in mitten prachtvoller Häuser. Bohrt war eine Stadt der krassen Gegen sätze, Sinnbild einer Lebensphilosophie des absoluten Spiels – mit höchsten Einsätzen und tödlichen Risiken. In Bohrt konnte ein Mann, der sein Handwerk verstand, in einem Jahr vom Bettler zum Millionär aufsteigen – und eine Nacht später mit aufgeschnittener Kehle in einem Straßengraben gefunden werden. »Wir sind am Ziel!« meinte der Fahrer plötzlich; Darmigon hatte sich sosehr in das Bild der Stadt vertieft, daß er unwillkürlich erschrak. Der Gleiter hielt vor einem Trichterhaus, wie es auf Arkon üblich war; mehr als zwei hundert Meter ragte das Gebäude in den wolkenverhangenen Himmel über Bohrt. Die Luftfeuchtigkeit war noch mehr gestie gen – kaum hundert Meter weit konnte Dar migon sehen. Zwischen den engen Straßen der Stadt wogte der Dunst, der von den na hen Dschungeln aufstieg und die Stadt in seinen Griff nahm. Zufrieden pfeifend verließ der Fahrer sei nen Gleiter; er ließ sein Fahrzeug unver schlossen – sollte es ihm gestohlen werden, dann würde er sich am nächsten Morgen eben ein anderes besorgen – auf die gleiche Art und Weise. Darmigon atmete erleichtert auf, als er den Stiel des Trichterhauses betrat; die Kli maanlage sorgte dafür, daß er die Dunst glocke über Bohrt rasch vergaß. In der Luft lag das Aroma eines schweren, betäubenden Parfüms. Darmigon grinste zufrieden. »Ich habe das Gefühl«, meinte er hände reibend, »als würde ich diese Nacht nie ver gessen!«
* Als der Schatzsucher am nächsten Mor gen erwachte, starrte ihn ein fettes, weißgel bes Gesicht an.
»Du hast vergessen zu bezahlen, mein Freund!« sagte das Gesicht finster. Darmigon fühlte sich erbärmlich; in sei nem Schädel vollführten einige Tausend Al koholteufel einen peinigenden Spuk. »Wenn schon«, lallte Darmigon und griff in seine Tasche. Selbst seinem umnebelten Gehirn wurde schlagartig klar, was er mit dieser Bewe gung feststellte – das Geld war verschwun den. Darmigon fuhr in die Höhe, sein Ge sicht verfärbte sich, während er sämtliche Taschen durchwühlte. Es fand sich nichts, und das Gesicht des Wirtes verfinsterte sich zusehends. »Bemühe dich!« sagte der Wirt drohend. »Du weißt, was dir blüht …« »Ich werde …!« Der Gedanke an die Konsequenzen lähmte Darmigons Stimme. »Bald … alles … nur nicht …!« Darmigon brach in die Knie; angeekelt starrte der Wirt auf ihn herunter. Er klatschte in die Hände, und bald erschienen sechs Männer, die den Schatzsucher in Gewahr sam nahmen. Als sich zwei Stunden später ein glühen des Eisen in Darmigons rechten Oberarm senkte und ihn für alle Zeiten zum Sklaven stempelte, war der Verrat an dem Barbaren bezahlt – ohne Abschlag.
* Stumpf vor sich hinblickend saß Ra auf der Pritsche des Lastengleiters, der ihn nach Bohrt zurückbrachte. Neben dem Barbaren saßen die vier Sklaven, die versucht hatte, ihn in Opranns Haus gefangenzunehmen. Die Männer sahen zufrieden aus – vor allem die beiden, die Oprann berührt hatten, wirk ten erleichtert. Man hatte die Männer ange kettet; auch Ra hatte sich nicht gewehrt, als man die schmalen Stahlbänder um seine Handgelenke legte. Ras Nachbar stieß ihn mit dem Ellenbo gen an. »Schau nicht so traurig drein!« meinte der Mann; es war derjenige, dem Ra die Hände
16 zerschnitten hatte. »Du wirst dich schon dar an gewöhnen. Oprann ist zwar grausam – aber immer gerecht! Du wirst bald genau wissen, was du zu tun und zu lassen hast, und wie ein Vergehen bestraft wird – dabei ist Oprann so grausam wie keiner in Bohrt, aber er ist nie launisch, straft nie ohne Grund!« Ra schüttelte fassungslos den Kopf. Er besaß jetzt viel Wissen, teils von Ischt ar, teils von Darmigon, aber die Philosophie dieses Sklaven war für ihn unverständlich. Ra hatte nur eingesehen, daß es auf diesem Planeten keine Ischtar gab, daß er rettungs los in die Gewalt Fremder gefallen war. Ra hatte resigniert – er würde Ischtar nicht wie dersehen, wozu also noch kämpfen. Wäre diese Resignation nicht gewesen – Ra hätte gekämpft. Die Haltung des Sklaven ekelte Ra an, aber er war zu niedergeschlagen, sich um derlei zu kümmern. Die Fahrt ging quer durch die Stadt; in der Nähe des Zentrums besaß Shrill Oprann einen Lagerraum für Sklaven. In früheren Zeiten, als es auf dem Planeten noch Einge borene gegeben hatte, war das riesige Ge bäude als Kaserne der Leibwache des Herr schers benutzt worden. Jetzt diente die Ka serne als Unterkunft für Sklaven; dreihun dert ausgesuchte Männer und Frauen waren zur Bewachung der Eingekerkerten abge stellt. Zusätzlich wurden dort Kampfsklaven ausgebildet, junge Frauen und Mädchen auf ihre zukünftigen Dienste vorbereitet und frisch eingetroffene Sklaven dienstwillig ge macht. Es gab noch einige andere Sklaven unterkünfte in Bohrt, aber Opranns Kaserne war das größte und bestgesicherte Gebäude der Insel Kermot. Oprann war der einzige Händler auf Mervgon, der sich rühmen konnte, daß ihm noch kein Sklave aus den Unterkünften gestohlen worden war. Ra achtete nicht auf die mächtigen Mau ern, die elektronisch gesicherten Türen, die schwere Bewaffnung der Wärter. Er hielt den Blick gesenkt und ließ alles über sich er gehen; Bewegung kam erst in ihn, als der
Peter Terrid Verwundete neben ihm entkräftet zusam menbrach. Zum Erstaunen aller half Ra dem Mann auf die Beine und stützte ihn so, daß der Mann wieder gehen konnte. Die Blicke, die die Wärter untereinander austauschten, besagten, daß sie vermutlich nicht sehr lange brauchen würden, um dem neuen Gefangenen diese albernen Flausen auszutreiben. Im Innenhof der Kaserne wurden Kampfsklaven ausgebildet. Der Waffenton klang bis zu Ra herüber – diese Geräusche weckten sein Interesse. Ohne sich um das Kopfschütteln der Wachen zu kümmern, ging er langsam weiter, auf zwei Männer zu, die sich mit Schwertern und Schilden be kämpften. Daß die Auseinandersetzung ernsthaft geführt wurde, bewies eine klaffen de Schulterverletzung eines der Männer. Funken stoben auf, wenn Schwert gegen Schwert prallte. Ras Augen glänzten. Wieder prallten die Männer gegeneinan der, versuchten, die überkreuzten Klingen dem Gegner an die Kehle zu drücken. Beide Männer spannten alle Muskeln an, verzerr ten die Gesichter. Der Verletzte stöhnte leise auf, löste sich und sprang einen Schritt zu rück. Sein Gegner nutzte die kurze Unter brechung, riß den Fuß in die Höhe und schleuderte eine Handvoll Staub dem Ver letzten ins Gesicht. Der Mann schrie auf und fuhr mit beiden Händen zu den Augen. Im gleichen Augenblick holte sein Gegner zu einem Schlag aus, der unbedingt tödlich sein mußte. Ra warf sich nach vorne, umklammerte die Beine des Verletzten und riß den Mann zu Boden; während der Verletzte abrollte, sprang Ra wieder auf die Füße. Der Schwertträger grinste ihn höhnisch an; er warf rasch einen Blick auf die Wa chen, die kurz nickten. Wenn der Neue wirklich so idiotisch war, dachten sie offen kundig, dann soll er es doch versuchen. Die Klinge zischte auf Ra herab. Der Barbar riß die gefesselten Hände in die Höhe; mit einer schnellen Bewegung beider Arme fing er die Wucht des Hiebes
Der Sklavenmarkt ab. Sobald die Klinge für den Bruchteil einer Sekunde in Ruhe war, griff Ra mit beiden Händen zu, packte das Eisen und bewegte es auf den Bewaffneten zu. Der Mann riß ver blüfft die Augen auf, geriet ins Stolpern und fiel rücklings auf den Boden; Staub wallte auf und nahm den Zuschauern sekundenlang die Sicht. Als sich der Staub wieder gesetzt hatte, stand Ra vor dem Schildträger – in der Hand wog er das Schwert des Kämpfers. Auf dem Rücken liegend, versuchte der Mann, sich aus der Reichweite Ras zu brin gen; die Wachen lachten laut auf, als sie den Mann auf dem Boden zappeln sahen. Ra wartete, bis der Mann wieder auf bei den Beinen stand, dann machte er sich dar an, mit genau abgezirkelten Schlägen den Schild seines Gegners in Stücke zu hacken. Es dauerte nur kurze Zeit, dann stand der Mann Ra völlig ohne Schutz gegenüber. Ra grinste den Kämpfer verächtlich an, dann warf er das Schwert fort und ging zu den Männern zurück, die zusammen mit ihm in die Kaserne eingeliefert worden waren. »Vorsicht!« schrie der Sklave mit der Handverletzung. Instinktiv riß Ra die gefesselten Hände in die Höhe; wieder prallte das Schwert auf das stählerne Band, das sich zwischen den Handgelenken Ras spannte. Der Barbar fing den Schwung ab, dann griff er nach hinten, krallte die Finger um das Handgelenk des Angreifers; mit einem kräftigen Ruck schleuderte Ra den Mann über seine Schul ter. Noch während der Angreifer durch die Luft flog, zuckte Ras Fuß in die Höhe und schlug dem Mann das Schwert aus der Hand. Während das Schwert durch die Luft flog und dann auf den Boden prallte, ballte Ra beide Fäuste zusammen und schmetterte dem heimtückischen Angreifer die Fäuste in den Nacken. Der Mann stöhnte kurz auf, dann brach er besinnungslos zusammen. Die anderen Kämpfer im Innenhof starr ten Ra an; einige Männer preßten die Kiefer zusammen – sie befürchteten, in der näch sten Zeit gegen den Barbaren antreten zu müssen.
17 »Danke!« sagte Ra zu dem Sklaven, dem er die Hände zerschnitten hatte; Ra deutete auf die Verletzung. »Tut mir leid!« Der Sklave winkte ab. »Es hätte schlimmer kommen können«, sagte er halblaut. »Sieh dich vor, Fremdling – du hast dir bereits viele Feinde gemacht, und das ist für einen Sklaven niemals gut!« »Ich bin kein Sklave!« widersprach Ra impulsiv; ein Wärter hatte ihn gehört und lachte spöttisch auf. Der Sklave verzog die Lippen und ant wortete flüsternd: »Vielleicht hast du recht. Dein Charakter scheint der eines Herrn – aber du wärst nicht der erste Hochgeborene, der sein Leben als Sklave beschließt. Füge dich, Oprann duldet keinen Widerstand!« Ra knurrte verächtlich. Die Wärter stießen die Sklaven vorwärts, trennten sie voneinander und führten sie in die verschiedenen Trakte der Kaserne ab. Aus der Luft betrachtet, bildete die Kaserne ein großes Quadrat; die Gebäude liefen von den Ecken aus und trafen sich im Schnitt punkt. Die Seitenlinien des Quadrats wurden von hohen Mauern gebildet. In den so ent stehenden dreieckigen Innenhöfen wurden die Sklaven ausgebildet. Ra wurde von sei ner Gruppe getrennt und in einen Flügel des Gebäudes geschafft, der besonders scharf bewacht wurde. Ra erkannte auf seinem Marsch zahlreiche elektronische Fallen; ein Ausbruch würde nicht leicht werden. Die Kaserne selbst mochte jahrtausendealt sein; die Einrichtung hingegen entsprach dem Standard gegenwärtiger arkonidischer Technik. Im Licht der grellen Deckenbe leuchtung erkannte Ra Dutzende von Zellen mit schweren, stahlbeschlagenen Türen. Ei ne der Zellen wurde für Ra geöffnet, dann stießen ihn kräftige Fäuste vorwärts. Hinter ihm fiel die Tür knallend ins Schloß; ein lei ses Summen ertönte, als sich die elektroni sche Verriegelung einschaltete. Für die Verhältnisse des Sklavenplaneten war die Zelle fast komfortabel; auf dem Bo den lag ein Teppich, es gab ein bequemes
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Peter Terrid
Bett und sogar moderne sanitäre Anlagen. Ra fiel auf, daß die Zelle offenbar für min destens zwei Personen gedacht war. Ra fühlte sich müde. Die beiden Kämpfe hatten ihn erschöpft, und die klimatischen Verhältnisse des Planeten zehrten ebenfalls an seinen Kräften. An Bord der CROOBON hatte Ra vieles gelernt – er zögerte nicht lan ge, nahm ein ausgiebiges Bad und legte sich auf das Lager. Nach kurzer Zeit war er ein geschlafen. Ab und zu verzog er im Schlaf die Lippen zu einem Lächeln, sprach einen Namen aus: »Ischtar!«
* Oprann starrte auf den Bildschirm und runzelte die Stirn. Der neue Sklave war ein harter Bursche; es würde nicht leicht werden, ihn zum Skla ven zu erziehen. Wie wertvoll der neue Mann war, hatte Oprann sehen können – selbstverständlich wurden sämtliche Räum lichkeiten der Kaserne von versteckten Ka meras überwacht, und Oprann war sich si cher gewesen, daß Ras Ankunft im Sklaven lager einiges Aufsehen erregen würde. Mit großer Zufriedenheit hatte er den Zwei kampf auf dem Hof der Kaserne verfolgt. Hinter Oprann öffnete sich leise die Tür; ein Mann betrat den Raum und kam leise nä her. »Das Geld, Herr!« sagte der Fahrer des Mietgleiters. »Der Tölpel hat nichts ge merkt!« Oprann wandte sich um und warf einen kurzen Blick auf den Fahrer und den Geld beutel in der Hand des Mannes. »Behalte es!« sagte er kurz und drehte sich wieder um. Der Fahrer erbleichte und schluckte. »Herr!« stammelte er furchtsam. »Ich ha be …!« Die Angst lähmte ihm die Zunge; er hatte zwar nicht gewagt, das Geld zu zählen, aber er wußte, daß Oprann eine Riesensumme an Darmigon gezahlt hatte. Warum hatte
Oprann ihn darauf angesetzt, dem Schatzsu cher das Geld wieder abzujagen – wenn er es sofort wieder verschenkte? Wer war nun dazu bestimmt, ihm den Beutel wieder abzu nehmen? »Ich bin zufrieden mit dir!« sagte Oprann ruhig. »Du kannst ohne Sorge gehen!« Der Fahrer atmete erleichtert auf; er wuß te, daß Oprann nie log, wenn es um solche Dinge ging. Niemals hätte sich ein Mann wie Oprann dazu herabgelassen, einen Mann weit unter seinem Niveau zu belügen. Hastig zog sich der Fahrer zurück, den schweren Geldbeutel an die Brust gepreßt. Oprann kümmerte sich nicht um den Ver lust an Geld; er kannte die Methoden seines Fahrers und wußte, daß der Schatzsucher für immer aus seinem Gesichtskreis verschwun den war. Das war Opranns Ziel gewesen – das Geld war unwichtig. Zudem war sich Oprann sicher, daß er auf eine heiße Spur gestoßen war. »Ischtar!« hatte der Barbar im Schlaf ge flüstert. Oprann zog die Stirn in Falten und dachte nach. Natürlich war es möglich, daß es sich bei Ischtar um ein Barbarenmädchen handelte, nach dem sich der Sklave zurücksehnte. An dererseits: der Mann war zwar ein Barbar, ein wilder Bewohner eines unzivilisierten Planeten – aber er sprach fließend arkoni disch, und Oprann war nicht entgangen, daß Ra auch eine verblüffende Menge über arko nidische Technik wußte. Der neue Sklave hatte sehr wohl die elektronischen Fall stricke bemerkt, die jeden Fluchtversuch vereiteln würden. »Ein wohlerzogener Barbar also!« mur melte Oprann. Er konnte sich nicht vorstellen, daß ein Mann, der einen solchen Kultursprung mit gemacht hatte, noch Gefallen an einer wil den, unzivilisierten Barbarin finden konnte. Ischtar mußte eine völlig andere Person sein. Der Name war Oprann unbekannt, aber er löste bestimmte Empfindungen aus. Ischtar, das klang nach Göttin, Herrscherin, einer
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Frau, die ihresgleichen weit übertraf. Oprann kannte sich nicht in der Frühge schichte des Imperiums aus, und seine Kenntnisse der galaktischen Mythologie wa ren mehr als dürftig. Aber Oprann war ein eiskalter Rechner – an jedem Märchen war etwas Wahres, und wenn diese Wahrheit noch so winzig war. Der Fall Ra begann Oprann zu reizen. Zu Dutzenden hatten Schatzsucher bei ihm vorgesprochen, jeder von ihnen mit prä zisen Unterlagen über den Verbleib ver schollener Frachtschiffe mit kostbarer La dung. Keines dieser Angebote hatte Oprann angenommen – sie waren ihm zu nüchtern, zu durchkalkuliert. Ra indes versprach ein Abenteuer, und das stachelte Oprann an. Er griff nach dem Mikrophon und stellte eine Verbindung zur Kaserne her. »Oprann spricht!« sagte er kurz. »Steckt Schlingo zu dem Barbaren! Vielleicht wird er dann gesprächiger!«
4. Das erste, was Ra nach dem Erwachen sah, waren zwei riesige Augen, die auf ihn herabsahen. Tausende schwarzer Halbku geln, gebündelt in einem faustgroßen, lin senförmigen Körper, völlig ausdruckslos. »Guten Morgen!« sagte eine freundliche Stimme, die etwas schrill klang. »Hast du gut geschlafen?« Das unheimliche Wesen, das auf Ra her abstarrte, flößte ihm keine Furcht ein. Ihn störte auch nicht der grünliche Körper, die dünnen, zerbrechlich wirkenden Arme mit den Greifklauen. Entfernt sah der Fremde ei ner mannsgroßen Heuschrecke gleich. »Ich heiße Schlingo!« erklärte der Insek toide. »Ich bin ein Torvter!« »Ra!« stellte sich der Barbar vor und rich tete sich auf seinem Bett auf. »Mehr will ich nicht sagen!« »Auch gut!« meinte Schlingo freundlich. Ra grinste; sein neuer Zellengefährte ge fiel ihm. Die Gefangenschaft war leichter zu ertragen, wenn man einen Freund in der Nä
he hatte – und Schlingo war trotz seiner merkwürdigen Gestalt ausgesprochen sym pathisch. »Auch Sklave?« erkundigte sich Ra, wäh rend er sich rasierte. »Ja, ich bin auch Sklave!« meinte Schlin go. Ra starrte in das Gesicht seines Gefährten, in dem sich nichts bewegte. »Womit sprichst du eigentlich?« wollte Ra wissen, denn er sah zwar die Beißzange in Schlingos Kopf, aber er sah keine Bewe gung. »Mit den Flügeln!« gab der Insektoide Auskunft. »Wenn ich die Spitzen gegenein ander reibe, entstehen Geräusche. Arkoni disch ist zwar wesentlich schwerer zu for men als meine eigene Sprache, aber mit et was Übung gelingt es mir ganz gut. Du sprichst mit dem Loch in deinem Kopf, nicht wahr?« »Richtig!« bestätigte Ra, während er den Enthaarungsschaum vom Gesicht spülte. »Flügel habe ich leider nicht!« »Macht nichts«, meinte Schlingo; seine großen Facettenaugen waren auf Ra gerich tet. »Fliegen kann ich damit leider nicht – nur sprechen, und dazu sind Flügel eigent lich ein bißchen unhandlich!« Ra grinste boshaft. »Wenn du nicht fliegen kannst, wozu bist du dann zu gebrauchen?« wollte er wissen. »Kannst du kämpfen?« Schlingo gab ein pfeifendes Geräusch von sich. »Kämpfen?« wiederholte er. »Pfui, das ist barbarisch. Ich bin ein positiver EmotioVerstärker!« »Und was ist das genau?« erkundigte sich Ra, während er seine Muskeln einölte und massierte. »Ich mache Leute fröhlich, in deren Nähe ich bin!« erklärte der Insektoide bereitwillig. In Ra keimte ein bestimmter Verdacht auf; hatte man ihm Schlingo in die Zelle ge setzt, um ihm die Zunge zu lösen? Scheinbar gleichgültig forschte Ra: »Ist dies eigentlich deine Zelle? Oder hat
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Peter Terrid
man dich zu mir verlegt?« »Früher hatte ich eine Zelle für mich, aber da war es mir zu langweilig«, lautete Schlin gos unbefangene Antwort. »Ich habe darum gebeten, mit einem anderen Sklaven zusam mengelegt zu werden – und jetzt bin ich hier!« »So also ist das!« stellte Ra grimmig fest. Er konnte dem liebenswürdigen Schlingo nicht böse sein; das merkwürdige Wesen ahnte offenbar nichts von Opranns Absich ten. Aber nun war Ra gewarnt. »Ich habe noch eine Frage«, setzte Ra die Unterhaltung fort. »Bis zu welcher Frequenz kannst du Geräusche erzeugen?« »Weiß ich nicht genau!« antwortete Sch lingo offen. »Vielleicht kannst du es mir sa gen!« Ra konnte eine leichte Bewegung der Flü gelspitzen sehen; dazu erklang ein tiefer Baßton, der sich langsam steigerte. Nach kurzer Zeit hatte der Insektoide bereits die Obertöne der menschlichen Stimme erreicht; seine Flügel bewegten sich so schnell, daß kein Auge die Schwingungen mehr wahr nehmen konnte. »Weiter!« feuerte Ra seinen Gefährten an. »Immer höher!«
* Auf Opranns Stirn bildete sich eine steile Falte des Unmuts. »Verdammt!« knurrte der Händler. »Der Bursche weiß sich zu helfen!« Die Bildschirme vor ihm waren schwarz, und aus den Lautsprechern kam nur noch ein dumpfes Brummen – Schlingos Ultraschall schwingungen hatten Kameras und Mikro phone außer Gefecht gesetzt. »Was nun, Herr?« erkundigte sich der Leiter des Sklavenlagers. »Soll ich neue Mi krophone einbauen lassen und die Sklaven bestrafen?« »Keine Maßnahmen!« ordnete Oprann an. Er entschloß sich, zu warten; Oprann hat te eingesehen, daß er auf diese Weise keine Informationen aus Ra herausholen konnte.
Aber vielleicht freundete sich der Barbar mit Schlingo so an, daß er ihm sein Geheimnis anvertraute – und den hochsensiblen Schlin go zu befragen, würde keine Mühe bereiten. Die Torvter waren ein außerordentlich fried fertiges Völkchen, und Mut war nicht eben ihre stärkste Charaktereigenschaft. Wenn Schlingo etwas von Ra, erfuhr, dann würde es Oprann wenig später ebenfalls wissen.
* Längst hatten Schlingos Schwingungen den Hörbereich verlassen; zufrieden grin send hörte Ra das Knistern, mit dem die Ka meras und Mikrophone ihren Geist aufga ben. Einstweilen war er vor unerwünschten Lauschern sicher. »Genug, mein Freund!« bat er Schlingo. »Ich kann dich nicht mehr hören!« »Schade!« meinte der Insektoide. »Ich hätte gerne gewußt, wie schnell ich schwin gen kann!« Sekunden nach seinen Worten öffnete sich die Zellentür; zwei Männer traten mit finsteren Gesichtern in den Raum und mach ten sich an der Tür zu schaffen. Interessiert sah Ra zu, wie die Männer das Schloß aus wechselten – offenbar war der elektronische Verriegler Schlingos Schallkünsten eben falls nicht gewachsen. Diese Information konnte äußerst wichtig sein. Sobald die beiden Männer wieder ver schwunden waren, wandte sich Ra wieder Schlingo zu. »Fühlst du dich wohl als Sklave?« wollte der Barbar wissen. Mühsam schüttelte der Torvter den Kopf; Ra erkannte daran, daß der Insektoide ihn mochte – in Schlingos natürlichen Gesten war diese Bewegung mit Sicherheit nicht vorhanden. »Nicht ganz«, gestand Schlingo. »Ich ha be erfahren, daß ich offenbar ein besonders seltener und teurer Sklave bin – in diesem Flügel werden nämlich nur spezielle Skla ven untergebracht. Aber ich würde mich lie ber in meine heimatliche Sonne legen, den
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ken und mit Freunden plaudern. Diese Welt ist mir zu feucht, und wenn ich verkauft werde – ich weiß nicht, wohin man mich verschleppen wird. Nein, ich wäre lieber wieder ein freier Torvter – trotz der An nehmlichkeiten, die mir jetzt geboten wer den!« »Was hältst du von einem Ausbruch?« forschte Ra. »Mit deiner Hilfe könnten wir vielleicht fliehen!« »Eine sehr gefährliche Sache!« gab der Torvter zu bedenken. »Oprann pflegt Flucht versuche sehr grausam zu bestrafen. Ande rerseits ist aus diesem Bereich des Sklaven lagers noch nie jemand ausgebrochen – hier geht es den meisten Sklaven besonders gut!« Ra trat an die Rückwand der Zelle und spähte durch das kleine Fenster hinaus; über Bohrt senkte sich langsam die Dämmerung. Wenn es überhaupt eine Möglichkeit zur Flucht gab, dann nur nachts, wenn die Stra ßen nicht allzu bevölkert waren. Mit besorg tem Gesicht betrachtete Ra das Sklavenzei chen auf dem Körper des Torvter – ein rötli ches O, das sich stark von der grünlichen Haut abhob. »Hat der Planet Monde?« wollte Ra wis sen. »Einen«, berichtete der Torvter, »aber der wird in den nächsten zehn Tagen nicht scheinen – Bohrt wird stockdunkel sein!« »Wir werden es versuchen!« entschied Ra. »Noch in dieser Nacht!«
»Der Pförtner wird verkauft!« bestimmte Oprann. »Veranlasse das!« Der Kasernenleiter nickte stumm, dann unterbrach Oprann die Verbindung; es dau erte nur wenige Sekunden, dann war er mit dem zentralen Sklavensuchdienst der Stadt verbunden. Der Chef der Jagdtruppe, die von allen Händlern anteilmäßig finanziert wurde, war ein kleiner, fetter Mann mit kah lem Schädel, über den eine lange, weißliche Narbe lief. Die Verletzung hatte er von ei nem fliehenden Sklaven empfangen – seit dieser Zeit war der Mann der glühendste Jä ger entlaufener Sklaven, die es auf dem Pla neten gab. »Mir sind zwei Sklaven entlaufen!« be richtete Oprann gelassen. »Ein Torvter na mens Schlingo und ein arkonidenähnlicher Barbar namens Ra. Schlingo trägt mein Zei chen, der Barbar ist noch ungebrannt! Ich le ge Wert darauf, beide Sklaven lebend wie derzusehen!« Der Chef der Jäger nickte langsam. »Eldrom!« fuhr Oprann fort. »Ich würde die Sklaven auch gerne unverletzt wiederse hen!« Eldrom verzog das Gesicht zu einem säu erlichen Grinsen, aber er hatte verstanden. Es war nicht ratsam, sich gegen Oprann zu stellen. »Ihre Befehle werden ausgeführt wer den!« erklärte Eldrom. »Gute Jagd!« verabschiedete sich Oprann.
*
*
»Wie konnte das geschehen?« wollte Oprann wissen. Der Leiter der Kaserne sah mit bleichem Gesicht von dem Bildschirm auf den Skla venhändler herunter. Stockend antwortete er: »Er ist zusammen mit dem Torvter geflo hen. Schlingo hat mit seinen Schwingungen die Schlösser zerstört, und der Barbar konn te sich bewaffnen. Der Pförtner hat sie durchlassen müssen – Ra hatte ihm ein Schwert an die Kehle gesetzt!«
Ra lehnte sich gegen die Mauer und rang nach Luft. Es war ziemlich einfach gewesen, aus der Kaserne auszubrechen; Ra war es auch ge lungen, sich mit Waffen zu versorgen. Aber nach dem Verlassen des Lagers waren die beiden Sklaven nur noch gerannt – immer wieder zwangen plötzlich auftauchende Nachtbummler die beiden Flüchtlinge zu ra scher Flucht in winklige Seitengassen. Bald hatten Schlingo und Ra völlig die Orientie rung verloren – Bohrt war so völlig ohne
22 Plan gebaut worden, daß an eine zielgerich tete Flucht nicht zu denken war. Zudem for derte das mörderische Klima seinen Tribut, besonders bei Ra. Mervgons Schwerkraft lag fast zwei Zehntel über dem Wert, den Ra ge wohnt war; dies und die feuchtheiße Luft zehrten an den Kräften. Schlingo war we sentlich leichter als Ra, brauchte sich nicht ganz so sehr anzustrengen, aber an den ra schen Bewegungen der Flügel konnte Ra se hen, daß auch der Torvter Atembeschwerden hatte. »Wir müssen weiter!« keuchte Ra und setzte sich wieder in Bewegung. Schlingo folgte nach; ihm war es haupt sächlich zu verdanken, daß Ra noch nicht schlappgemacht hatte – die positive Ge fühlsverstärkung ließ Ras Hoffnung auf ein Gelingen der Flucht nicht schwinden. Nach einer halben Stunde hatten die bei den Flüchtigen das Randgebiet der Stadt Bohrt erreicht; Ra war es gelungen, in einem unbewachten Augenblick einige Fackeln zu stehlen, die jetzt schwach die Landschaft be leuchteten. Vor den beiden lagen die ersten Ausläufer des Dschungels, der die Stadt umgürtete; in den letzten Häusern des bewohnten Gebiets brannte kein Licht – es war Ra und Schlingo möglich, ein wenig zu verschnaufen. »Wie soll es eigentlich weitergehen?« wollte Schlingo wissen. »Gesetzt den Fall, wir werden nicht wieder eingefangen – was hast du vor?« Ra hatte nur wenig Zeit gehabt, sich dar über Gedanken zu machen, aber sein Plan hatte bereits bald festgestanden. Zunächst einmal mußte Ra versuchen, ir gendwo unterzuschlüpfen. Mit Schlingos Hilfe wollte er versuchen, sich in der Welt der Arkoniden besser zurechtzufinden; er wußte, daß er wesentlich mehr brauchte als nur Kenntnisse – vor allem Zeit, diese Infor mationen zu verarbeiten. Dann wollte er ver suchen, auf dem Hafen von Bohrt ein Raum schiff zu stehlen und den Planeten zu verlas sen. Eine andere Möglichkeit sah Ra nicht. »Wenn es mir gelingt, ein raumtüchtiges
Peter Terrid Schiff zu finden«, versprach Ra, »werde ich dich zu deinem Volk zurückbringen, Schlin go! Anschließend werde ich versuchen, Ischtar zu finden!« »Warum nicht umgekehrt?« fragte Schlin go. »Ich werde dir helfen!« Ra lachte auf und schlug dem Torvter leicht auf die Schulter; er konnte sich glück lich preisen, so schnell auf diesem finsteren Planeten einen echten Freund gefunden zu haben. Ra konnte allerdings nur hoffen, daß diese Freundschaft lange genug halten wür de, denn Mervgon war eine gefährliche, eine mörderische Welt, auf der Freundschaften Seltenheitswert hatten.
* »Sind die Spürer bereit?« fragte Eldrom, der Jäger. Der Führer der Spürerstaffel nickte rasch; hinter ihm tobte die winselnde Meute. Früher einmal hatten die Xyaldos im Meer gelebt und sich von Fischfang ernährt – bis ein findiger Sklavenhändler entdeckt hatte, daß die krebsähnlichen Tiere einen be stimmten Geruchsstoff über weiteste Entfer nungen hin wahrnehmen konnten. Seit die ser Zeit pflegten die Händler die Wunden, die beim Brennen der Sklaven entstanden, mit dem synthetisierten Geruchsstoff einzu reiben. Für mehr als zwanzig Jahre blieb dieser Stoff am Körper des Betroffenen haf ten – nur die zentrale Vereinigung der Händ ler verfügte über ein Gegenmittel, mit dem sich die Ausdünstungen neutralisieren ließ. Meist reichten die zwanzig Jahre – älter wurden nur wenige Sklaven. Da sich die Xyaldos an Land nur sehr langsam fortbewegen konnten, hatte man an ihren Buchen kleine Antigravplattformen befestigt – nun konnten die Tiere mit einfa chen Beinbewegungen hohe Geschwindig keiten erzielen. »Arbeiten die elektronischem Spürer?« fragte der Jäger weiter. Hinter ihm ertönte ein zustimmendes Brummen.
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In Bohrt selbst konnte kein Sklave sich lange verbergen; wer einen entlaufenen Sklaven einfing oder sein Versteck verriet, konnte – sofern er selbst Sklave war – mit seiner sofortigen Freilassung rechnen. Freie Bewohner der Stadt erhielten in diesem Fall für ein Jahr einen Staatssklaven kostenfrei zur Verfügung gestellt. Folglich gab es für entlaufene Sklaven nur eine Chance – die Flucht in den Dschungel. Abgesehen davon, daß es in den fieberver seuchten Urwäldern von gefräßigen Bestien wimmelte, gab es für Flüchtlinge noch wei tere Fallen. Rings um die gesamte Stadt wa ren in kurzen Abständen Wärmefühler auf gestellt, die sofort an die Zentrale der Jäger meldeten, ob sich ein warmblütiges Wesen aus der Stadt entfernt hatte oder versuchte, in sie einzudringen. Dann konnte es sich nur um entlaufene Sklaven handeln – niemand, der halbwegs bei Sinnen war, hätte sich frei willig in den Dschungel gewagt. »Ausschlag!« rief der Mann an den Kon trollen. »Der Taster in Südwest Drei hat an geschlagen!« Der Führer der Spürerstaffel wartete keine weiteren Befehle ab; er trieb seine Männer auf die Gleiter und jagte mit den Xyaldos zum Südwesten der Stadt. »Bildaufzeichnung!« forderte Eldrom. Nach kurzer Zeit lagen die Aufnahmen der Infrarotkameras vor ihm; deutlich zeich nete sich auf den Bildern der Körper eines arkonidenähnlichen Wesens ab. Daneben war klar der Insektenkörper eines Torvters zu erkennen. Zufrieden brummte Eldrom: »Jetzt haben wir die beiden. Oprann wird zufrieden sein!« Eldrom wußte, daß er sich auf seine Xyal dos verlassen konnte; zwar halfen die Tiere in der von Sklaven wimmelnden Stadt wenig – im Dschungel würden sie die Spur der Flüchtigen ohne Mühe verfolgen können. Die beiden entlaufenen Sklaven waren schon so gut wie gefangen.
*
»Deckung!« flüsterte Ra und warf sich auf den Boden; es knisterte leise, als sich ne ben ihm der Torvter niederwarf. Ein großes, pelztragendes Tier brach mit erheblichem Lärm durch das Unterholz und entfernte sich rasch. Ra atmete erleichtert auf; Kämpfe in diesem frühen Stadium der Flucht wären ihm sehr unbequem geworden. Leise zog er die Luft durch die Nase ein; ein fauler, modriger Geruch lag über dem Dschungel. Aber da war noch etwas anderes, ein merkwürdig säuerlicher Geruch, der Ra störte – diese Ausdünstung gehörte weder zum Dschungel, noch paßte sie zu dem brenzligen Geruch des im Dschungel ver schwundenen Tieres. Ra wandte den Kopf zur Seite – der Geruch stammte von Schlin go, und zwar von einer ganz bestimmten Stelle. Irgendein Aromastoff saß in der Brandstelle des Sklavenzeichens. Ra schöpfte sofort Verdacht. Dieser Geruch hatte etwas zu bedeuten; es wäre absurd gewesen, hätte Oprann seine Sklaven nur zum Spaß mit diesem Aroma versehen – vermutlich diente dieser Geruch ebenso als Markierung wie das Brandzei chen. Ra machte Schlingo darauf aufmerksam; der Torvter zwitscherte etwas Unverständli ches in seiner heimatlichen Sprache. Gleich zeitig verfärbte er sich – langsam wechselte der Farbton der Haut von grün nach rot. »He!« rief Ra erstaunt. »Was hat das zu bedeuten?« Schlingo sah an sich herunter und zirpte leise. »Das ist meine zweite Para-Fähigkeit!« stellte er fest; Ra glaubte, einen Ton der Niedergeschlagenheit in der Stimme des Torvters hören zu können. »Ich bin auch ein instinktiver Gefahrwarner – wenn uns eine wirkliche Gefahr droht, verfärbt sich meine Haut. Je intensiver das Rot ist, desto größer wird die Gefahr sein!« Ra musterte den Torvter; seiner Farbe nach zu schließen, wurde es gefährlich. Ra winkte mit dem Arm. »Los!« bestimmte er. »Wir verschwinden
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von hier!« Die beiden Wesen beeilten sich; die Ru hepause hatte ausgereicht, um ihre Körper kräfte zurückkehren zu lassen. Im unsiche ren Licht der Fackeln bahnten sie sich einen Weg durch den Dschungel; bis an die Knö chel versank Ra im weichen Untergrund. Schlingo kam mit dem Boden besser zu recht, aber ihn hinderten die Äste. Bei jedem Schlag von einem zurückschnellenden Ast stoben feine Schuppen von der empfindli chen Haut des Torvters hoch. Obwohl die kleinen Verletzungen sicher schmerzhaft waren, hörte Ra keinen Laut der Klage. Im mer tiefer drangen die beiden Flüchtlinge in den Dschungel ein.
* Langsam kletterte die Sonne am Horizont in die Höhe; Dampfschwaden stiegen von der grünen Fläche des Dschungels auf. Tief unter dem Blätterdach quälten sich Ra und Schlingo durch die unwegsame Wildnis; der Boden war noch weicher ge worden – bei jedem einzelnen Schritt mußte das Bein aus dem Boden gezogen werden. Sobald der Fuß den Boden berührte, gab die weiche Masse nach – bis an die Knieschei ben stand Ra in dem Morast. Schlingo war es nicht viel besser ergan gen; in seiner empfindlichen Haut waren ei nige größere Löcher zu sehen, aus denen ein gelbliches Sekret rann. Ra warf einen Blick zurück auf seinen Freund – und erschrak. Schlingos Haut schimmerte in einem intensiven Rot. Ra sah nach oben; in einiger Entfernung waren silbrig schimmernde Punkte zu erken nen. Sie kamen nur langsam näher, aber we sentlich schneller, als sich die beiden Flie henden zu bewegen vermochten. Instinktiv griff Ra zum Schwert, das er sich in der Sklavenkaserne besorgt hatte. Zwar würde er sich damit gegen eine größere Zahl we sentlich besser bewaffneter Jäger nicht durchsetzen können, aber der Barbar war entschlossen, seine Haut so teuer wie mög
lich zu verkaufen. Einige hundert Schritte voraus erkannte Ra eine Lichtung; er winkte Schlingo zu. »Sie werden uns dort vermuten, wo der Dschungel am dichtesten ist«, erklärte Ra. »Also werden wir uns genau gegenteilig ver halten!« Die Lichtung bestand aus einem Sumpf, der so nachgiebig und tief war, daß kein Baum darin Halt fand. Nur hüfthohes Ge büsch war zu erkennen, das so dicht wuchs, daß ein Mann sich leidlich gegen Beobach tungen aus der Luft verbergen konnte. Ra sank bis an die Hüften ein, bevor das Sinken ein Ende fand. Mit hämmerndem Puls wartete Ra ab. Die Gleiter kamen nur langsam näher; of fenbar paßten sie ihre Geschwindigkeit einer noch nicht sichtbaren Bodentruppe an – die im Vergleich zu Ra und Schlingo erstaunlich schnell vorwärtskam. Es dauerte geraume Zeit, bis die Boden truppe der Verfolger sichtbar wurde; er staunt sah Ra die kleinen Antigravplattfor men und die kopfgroßen Krebstiere darauf, die sich mit kleinen Stößen ihrer Beine fort bewegten. Gefährlich klapperten die Sche ren der Tiere. »Sie sind unten auf der Lichtung!« rief ei ne Stimme. Ra bewegte den Kopf ganz langsam, um nicht aufzufallen; über sich sah er einen Gleiter mit acht Mann Besatzung. Die Jäger konnten Ra nicht ausgemacht haben, den noch schienen sie genau zu wissen, wo sie die flüchtigen Sklaven zu suchen hatten. Mit raschen Beinstößen kamen die schwe benden Krebse näher; Ra zählte mindestens dreißig Tiere, die die Lichtung eingeschlos sen hatten und nun den Kreis zusammenzo gen. Ra verstärkte seinen Griff um den Knauf seines Schwertes. Er schlug erst zu, als sich dicht vor sei nem Gesicht eine Schere öffnete. Der Hieb trennte die Körperwaffe des Tieres ab, das sich eilends zurückzog. Aus den Augenwinkeln heraus konnte Ra sehen, wie der Torvter seine Greifklauen
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einsetzte – mit nicht geringem Erfolg. Knackend barsten die Körperkrusten der Krebse unter dem Zugriff der Klauen, wäh rend Ra sich mit wuchtigen Schwerthieben Luft verschaffte. Er hatte den bräunlichen Farbton an den Spitzen der Krebsscheren er kannt und vermutete dahinter eine Teufelei Opranns. Von oben erklang Gelächter; die Jäger be trachteten die beiden Kämpfer im Sumpf mit großer Belustigung. Ra hatte große Mühe, seinen Standort zu halten; es war schwer, in dem nachgiebigen Sumpfboden nicht vollends zu versinken. Je de Bewegung fiel schwer – vor allem Dre hungen, um Krebse abzuwehren, die im Rücken Ras vordrangen. Dennoch fiel einer der Xyaldos nach dem anderen Ras Strei chen zum Opfer, den Rest erledigte der tap fer kämpfende Torvter. Schließlich verlor der Anführer der Jäger seine Geduld. Ein Hagel von Paralysatorschüssen setzte dem Kampf ein Ende; bewußtlos fielen Ra und Schlingo zur Seite. Traktorstrahlen zerr ten die Betäubten aus dem Sumpf.
5. »Was habt ihr aus dem Torvter herausho len können?« fragte Oprann mißmutig. »Hat der Barbar etwas über Ischtar erzählt?« Eldrom schüttelte mit finsterer Miene den Kopf. »Dieser Ra ist verstockt wie selten einer! Kein Wort war aus ihm herauszuholen, schon gar nicht über Ischtar! Er hat uns we der gesagt, woher er kommt, noch, wem er seine Kenntnisse verdankt! Ra ist extrem halsstarrig! Ich fürchte, wir werden andere Seiten aufziehen müssen!« Oprann unterdrückte einen Fluch. So schwierig hatte er es sich nicht vorge stellt, dem Barbaren sein Geheimnis zu ent reißen. Dieser Ra besaß in seinem Charakter noch zuviele typische Eigenschaften einer primitiven Rasse – beispielsweise eine un glaubliche Hartnäckigkeit bei der Durchfüh rung eigener Entschlüsse. Man konnte die
sen Menschenschlag nicht durch Drohung oder Gewalt zwingen – Barbaren, die stets damit rechnen mußten, am nächsten Tag ei nem Raubtier oder einer Seuche zum Opfer zu fallen, empfanden anders, wenn es um das Sterben ging. Und mit psychologischen Mitteln war dem trotzköpfigen Barbaren auch nicht beizukommen, dazu besaß er be reits zuviele Erfahrungen. Oprann trommelte mit den Fingern auf dem Schaltpult vor ihm. »Wie steht es mit der Freundschaft des Barbaren zu dem Torvter?« wollte er dann wissen. »Zwecklos!« versetzte Eldrom. »Wir ha ben Schlingo unter Druck gesetzt, aber der Torvter fürchtet sich plötzlich nicht einmal mehr vor der Folter! Schlingo ist ebenfalls recht störrisch geworden!« »Ich werde ihn verkaufen müssen«, über legte Oprann laut. »Ein bockiger Torvter ist keine Ware mehr!« »Das wird den Barbaren hart treffen!« meinte Eldrom grinsend. Oprann fuhr herum und starrte sein Ge genüber sekundenlang an. Dann erhellten sich seine Züge. »Wir werden sie beide zum Markt füh ren«, meinte er mit einem boshaften Grin sen. »Vielleicht wird der Barbar redseliger, wenn er sieht, daß man seinen neuen Freund verkauft!«
* Teilnahmslos saß Ra in seiner Zelle; er wußte, daß Schlingo sich nur wenige Schrit te von ihm entfernt aufhielt, aber zwischen den beiden Freunden lag eine mannsdicke Mauer. Sprech- oder Sichtverbindung gab es nicht. Der Barbar war niedergeschlagen. Er kämpfte allein gegen eine ganze Welt; niemand – außer Schlingo – würde ihm hel fen, diesem satanischen Planeten zu entkom men. Flucht war sinnlos. Ra hatte es am ei genen Leibe erfahren. Niemals würde es ihm gelingen, sich ein Raumschiff zu beschaffen,
26 mit dem er Mervgon hätte verlassen können. Es gab für Ra nur zwei Möglichkeiten – Selbstaufgabe oder Selbstmord. Sich selbst zu töten, kam für Ra nicht in Frage; folglich blieb als einziger Ausweg die Kapitulation, zumindest teilweise. Ra war bereit, sich in sein Schicksal zu fügen, Skla vendienste zu leisten und sich ohne Wider stand verkaufen zu lassen. Vielleicht kaufte ihn ein Mann, dessen Freundschaft er erwer ben konnte. Es gab solche Fälle, aber sie wa ren sehr selten. In einem Punkt jedoch war Ra zu allem Widerstand entschlossen; sein Geheimnis würde man ihm nicht entreißen. Ra wußte, daß Oprann sich für das Thema Ischtar inter essierte, aber inzwischen kannte er den Skla venhändler gut genug, um zu wissen, daß Opranns Absichten sich von seinen beträcht lich unterschieden. Was Oprann von Ischtar wirklich wollte, konnte Ra nicht wissen, aber etwas Gutes würde es sicherlich nicht sein. »Kein Wort!« murmelte Ra so leise, daß die neu installierten Mikrophone seine Wor te nicht aufnehmen konnten. Draußen auf dem Gang ertönten Schritte, dann hörte Ra, wie das Schloß seiner Zelle geöffnet wurde. Gleichgültig sah Ra den beiden mürrisch dreinblickenden Wachen entgegen. »Steh auf, Barbar!« knurrte ihn einer der Wärter zu. »Heute ist dein großer Tag!« Ra zuckte mit den Schultern; ohne Wider stand ließ er sich die Handschellen aus Ar konstahl anlegen und vorwärtsschieben. Vor dem Tor des Seitenflügels stand ein gedeck ter Gleiter mit einer großen Ladefläche. Mehr als zehn Sklaven saßen bereits in dem Transporter, alle gefesselt. Auf dem Boden der Pritsche lag fauliges Stroh, das einen wi derlichen Geruch verbreitete. Rücksichtslos stießen die Wärter Ra auf die Ladefläche; er stolperte über ein Bein und stürzte vornüber in ein Knäuel miteinander verflochtener Gliedmaßen. Hinter ihm wurde die Gleiter tür zugeschlagen; im Innern des Transpor ters wurde es stockfinster. Ein Mann fluchte
Peter Terrid unterdrückt. »Sei ruhig, Alter!« mischte sich ein zwei ter Mann ein. »Sei froh, daß du Oprann ent kommen kannst!« »Und was ist, wenn mich keiner haben will?« fragte der erste zurück. »Zwanzig Peitschenhiebe zur Strafe!« Ra rappelte sich langsam hoch, was recht schwierig war, da der Fahrer des Transpor ters auf die Bequemlichkeit seiner Passagie re keinerlei Rücksicht nahm. Immer wieder flogen die Sklaven gegen das riesige Holz der Seitenwände. Ra stöhnte dumpf auf, sein Rücken brannte wie Feuer; auch er war aus gepeitscht worden. Opranns Peitscher ver standen ihr Handwerk bestens – sie ver mochten Menschen bis zum Wahnsinn zu peinigen, ohne sie körperlich zu verletzen. Nur ein paar rote Striemen auf Ras Rücken zeugten noch von der Bestrafung. In weni gen Tagen würden auch diese Zeichen ver schwunden sein. »Ich bin schon siebenmal abgeholt wor den!« murmelte ein Mann niedergeschlagen. »Wenn ich diesmal keinen Käufer finde, werde ich in die Bergwerke geschickt!« »Armer Kerl«, sagte ein weiterer Sklave im Ton echten Mitgefühls. »Wie bist du denn überhaupt in diese Lage gekommen?« Der Gefragte lachte bitter auf. »Ich bin Prospektor«, erklärte er. »Als ich Oprann ein lohnendes Angebot machte – ein Riesenlager von Schwingquarzen –, hat er mich übertölpelt. Er legte mir einwandfrei gefälschte Schuldscheine vor – so wurde ich sein Sklave!« »Hast du keine Rechtsmittel eingelegt«, erkundigte sich eine Stimme. »Bei der Zen tralverwaltung der Händler beispielsweise?« »Völlig zwecklos«, mischte sich jemand ein. »Oprann hat die Händlervereinigung fest im Griff. Was er will, wird auch durch gesetzt!« Die Männer schrien auf, als der Gleiter abrupt bremste und die Insassen unsanft durcheinandergeschüttelt wurden. Nach kur zer Zeit öffnete sich die Ladeluke, grelles Sonnenlicht fiel durch die Öffnung.
Der Sklavenmarkt »Heraus mit euch!« brüllte der Kampfs klave; die Sklaven beeilten sich. Sie wußten, daß niemand auf Mervgon so grausam war wie Sklaven, die über ihresgleichen gesetzt wurden. In der Hand des Wärters wippte ei ne geladene Elektropeitsche, mit der er sei nen Befehlen Nachdruck verlieh. Ra erkann te den Mann wieder – es war der Kämpfer, den er beim Betreten des Sklavenlagers be siegt hatte. Der Mann grinste Ra diabolisch an, als der Barbar von der Ladefläche sprang. Mit einer kaum wahrnehmbaren Bewegung brachte er die Spitze der Elektropeitsche an Ras Körper. Ein heftiger Stromstoß jagte durch Ra; er schrie unterdrückt auf und stürzte zu Boden. »Willst du wohl aufstehen, du minderwer tiges Stück Fleisch!« brüllte der Wärter; diesmal ließ er seine Peitsche für alle er kennbar auf Ra heruntersausen. Mit schmerzverzerrtem Gesicht raffte sich Ra auf; unter immer neuen Flüchen und Verwünschungen trieb ihn der Wärter vor wärts und nahm jede sich bietende Gelegen heit wahr, Ra zu peinigen. Als der tobende Schmerz endlich aufhörte, wallten rote Schleier vor Ras Augen. Sein Atem ging pfeifend, und nur langsam klärte sich sein Blick. »Dieses Schwein!« zischte ein Mitsklave an Ras Seite; der Barbar konnte nur schwach nicken. Nur langsam wurde ihm klar, was um ihn herum vor sich ging. Er befand sich im genauen geographi schen Zentrum der Stadt Bohrt, auf einer ge waltigen Drehscheibe. In der Mitte der sich langsam bewegenden Scheibe hielten sich die Wärter und Händler auf; auf den Stra ßen, am Rande der Scheibe standen die Kauflustigen und musterten die menschliche Ware, die sich langsam an ihnen vorbeibe wegte. Ein chaotisches Stimmengewirr lag über dem großen Markt; Händler priesen ihre Waren an, die Käufer bemäkelten sie; mit gewaltigem Stimmaufwand wurde ge feilscht. Dazwischen mischten sich Ver
27 zweiflungslaute – Männer wurden nach ab geschlossenem Handel – gebrandmarkt; flu chende Wärter trieben widerspenstige Skla ven mit Peitschen vorwärts; Mütter jammer ten, wenn ihre Kinder vor ihren Augen ver kauft wurden. In der Luft lag ein widerlicher Geruch, der sich zusammensetzte aus den Ausdün stungen verschwitzter Leiber, Alkoholfah nen und einem halben Tausend anderer Ge rüche. Zahlreiche Buden standen am Rande des Platzes; dort wurden Getränke und be täubend riechende Gewürze feilgeboten. Über allem lag ein besonders ekelhafter Ge ruch – er entstand immer dann, wenn sich die rotglühenden Eisen der Brennmeister in die nackten Oberarme sich windender, schreiender Sklaven senkten. Die Menschen, die den gewaltigen Platz füllten, stammten von allen bekannten Pla neten des arkonidischen Imperiums – und ei nigen Welten, die findige Händler aufge spürt hatten und nun für ihre Zwecke aus beuteten. In seiner Nähe sah Ra einen weiß bärtigen Arkoniden, der ungeniert ein junges Mädchen abtastete; Tränen liefen dem Mäd chen über den zartblauen Pelz, der ihren ganzen Körper bedeckte. Im Oberarm des Mädchens sah Ra das Brandzeichen Shrill Opranns. »He, der da ist ja noch gar nicht mar kiert!« schrie eine schnapsgeschwängerte Stimme. Ein fetter Mann stand am Rand der Dreh scheibe und deutete auf Ra, während er einen mehrere Liter fassenden Krug an die wulstigen Lippen setzte und gierig trank, dann wischte er sich den Mund mit dem fett glänzenden Ärmel seines verdreckten Ge wandes ab. »Vielleicht hat Oprann vor, ihn mit dem Monogramm seines neuen Herrn brennen zu lassen«, meinte ein anderer Mann kichernd. »Sieht nicht übel aus, ein bißchen wild, aber nicht schlecht. Man könnte ihn zum Gladia tor ausbilden!« »Halt den Mund«, warf der Fette ein. »Du hast in deinem ganzen Leben noch keinen
28 männlichen Sklaven gekauft!« »Richtig!« kicherte sein Gesprächspart ner. »In einer halben Stunde kommen die Weiber an uns vorbei – ich habe mir sagen lassen, es seien ein paar ausgesprochen schöne dabei!« »Schön!« wiederholte ein Dritter. »Du meinst wohl fett?« »Auch das stimmt«, gab der Kichernde zu. »Schade ist nur, daß ich noch nie ein Weib gefunden habe, das so schön gewach sen wäre wie unser Freund hier!« Er deutete auf den fetten Trinker; der Mann prustete los und schlug sich lachend auf die feisten Schenkel. »Endlich jemand, der meine Reize zu schätzen weiß!« grölte er. Ra wandte angewidert den Blick von den Männern; er betrachtete mit geringer Neu gierde die anderen Sklaven auf der Dreh scheibe. In einiger Entfernung erkannte er einen Torvter, aber er konnte nicht erken nen, ob es sich um Schlingo handelte. Es war ihm auch gleichgültig – der letzte Rest Hoffnung wurde von der gnadenlosen At mosphäre des Sklavenmarkts hinweggefegt. Er sah, wie ein reichgekleideter Händler das Gebiß einer alten Frau prüfte und sie dann mit einem wuchtigen Fußtritt auf die Drehscheibe zurückjagte; die Frau schlug der Länge nach auf den Boden, was unter den Händlern einen Lachorkan hervorrief. »Der Reiche, das ist ein Pelzhändler«, be merkte ein Sklave neben Ra. »Wenn man die rohen Pelze von Frauen durchkauen läßt, wird das Leder besonders weich und schmiegsam. Natürlich nimmt er nur Frauen, die außer gesunden Zähnen keinen anderen Wert mehr haben!« Ra zückte mit den Schultern. Was hätte es geholfen, wäre er über den widerlichen Geldsack hergefallen und ihn mit gleicher Freundlichkeit behandelt wie der Reiche die alte Frau? Auf dem Markt von Bohrt hatten die moralischen Gesetze keine Gültigkeit mehr – hier verlief das Le ben nach völlig anderen Regeln. Wer nicht mehr arbeiten konnte, mochte zusehen, wie
Peter Terrid er am Leben blieb. In einiger Entfernung erkannte Ra einen Gleiter; auf der offenen Ladefläche standen zwei bewaffnete Männer und verkauften Rauschgift – offenbar zu stark überhöhten Preisen; nur zwei der mit gepreßtem Hanf gefüllten Säcke lagen auf der Pritsche, und es standen nur wenige, meist desinteressierte Männer in der Nähe des Gleiters. Langsam bewegte sich die Scheibe, auf der die Sklaven standen und auf einen Käu fer warteten; die perfide Logik dieser Le bensform brachte es mit sich, daß einer von Ras Leidensgefährten mit freudigem Gesicht den Besitzer wechselte – es war der Mann, der befürchtet hatte, ins Bergwerk gesteckt zu werden, wenn er heute keinen Käufer fand. Ra sah zu, wie der Käufer einem der Stellvertreter Opranns einen kleinen Beutel zuwarf, den dieser mit enttäuschter Miene einsteckte – offenbar stellte der Sklave kei nen hohen Wert dar. Kopfschüttelnd sah Ra, wie sein Leidensgefährte mit glücklichem Gesicht dem Käufer folgte. Hinter Ra wurde es plötzlich laut. Ra drehte sich langsam herum, um festzu stellen, was für den Lärm verantwortlich war; bevor er wußte, was mit ihm geschah, krachte etwas Hartes auf seinen Schädel. Ra sank in die Knie, sein Kopf dröhnte. Völlig benommen hörte er den Aufschrei »Sklavendiebe«; er spürte, wie man ihm einen Sack über den Kopf stülpte, dann packten ihn harte Hände und rissen ihn in die Höhe. Widerstandslos ließ sich Ra schleppen; man warf ihn auf eine harte Flä che, dann zischte wieder etwas auf seinen Kopf und nahm ihm endgültig die Besin nung.
* »Was? Ra wurde gestohlen?« Opranns Stimme klang schneidend; der Wärter stand vor ihm und starrte auf den Boden. »Wie konnte das geschehen – haben wir nicht ge nug Wachen auf dem Markt?« Der Wärter zuckte mit den Schultern und
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zog es vor, zu schweigen. »War zu erkennen, wer die Täter waren?« forschte Oprann. »Alle Spuren führten ins Leere«, berichte te der Wärter. »Wenn wir Aussicht auf Er folg haben wollen, müssen wir warten. Viel leicht finden sich später bessere Hinweise auf den Verbleib des Barbaren!« »Hm!« machte Oprann und lächelte bos haft. »Ich bin sicher, daß der Sklavendieb an dem Barbaren seine helle Freude haben wird! Vermutlich wird er bald wissen, was für ein Ei er sich da ins Nest geholt hat!«
* Ras Schädel dröhnte wie eine Raum schiffszelle, zudem schnitten lederne Rie men in seine Gelenke. Man hatte ihn gefes selt, aber nicht genau genug, um ihm jegli che Bewegungsmöglichkeit zu nehmen. Ra drehte sich auf den Rücken und spähte in die Höhe. Durch ein großes Fenster fiel Licht in den Raum; Ra sah draußen üppigen Dschungel – offenbar handelte es sich um ein verstecktes Landhaus, das dem Mann gehörte, der ihn hatte rauben lassen. Wie weit er entfernt war von Bohrt, konnte Ra nicht sagen – es ge nügte ihm, daß er nicht mehr auf der Dreh scheibe stand. Aus dem Nebenzimmer erklangen Stim men. »Der Bursche ist genau das, was Sie su chen!« sagte eine dunkle Stimme. »Was ge fällt Ihnen nicht?« »Es ist ein Barbar!« antwortete eine zwei te Stimme, der anzuhören war, daß sie sorg fältig geschult worden war. »Woher soll ich wissen, daß er keine Dummheiten macht!« »Geront te Dannert!« fuhr die dunkle Stimme fort; sie gehörte offenbar dem Skla venräuber. »Sie haben mir gesagt, welche Wünsche Sie haben. Und dieser Mann ist geradezu ideal. Er ist jung – bezweifeln Sie das?« »Keineswegs«, versetzte te Dannert. »Das Alter stimmt!«
»Gut, das wäre Punkt eins«, fuhr der Händler fort. »Er ist ein bißchen klein und stämmig geraten – wenn man arkonidische Maßstäbe anlegt. Aber mit einem baumlan gen Kerl wäre Ihnen wohl nicht gedient!« »Auch das muß ich zugestehen!« meinte der Käufer. »Weiter«, setzte der Sklavenräuber seine Aufzeichnung fort. »Dieser Wilde ist gutge wachsen, sportlich durchtrainiert – von die ser Seite betrachtet, wird es kaum Schwie rigkeiten geben. Obendrein ist er offenkun dig recht intelligent!« »Meinen Sie, das sei bei unserem Ge schäft ein Pluspunkt?« erkundigte sich te Dannert zweifelnd. »Vielleicht nicht«, räumte der Räuber ein. »Aber mit einem hirnlosen Debilen wäre Ih nen wohl auch nicht gedient – dieser Wilde ist schlau genug, um zu begreifen, was von ihm verlangt wird, und nebenbei kann er auch noch Haushaltsarbeiten verrichten. Was wollen Sie mehr?« »Er riecht schlecht!« stellte der Käufer fest. »Der Wilde verströmt einen ausgespro chen … natürlichen Geruch. Fast tierisch, möchte ich sagen!« »Das läßt sich mühelos ändern!« ver sprach der Sklavendieb. »Und ich bezweifle, ob derlei überhaupt nötig sein wird – Sie wissen ja, wie verschieden die Geschmäcker sein können!« Geront te Dannert stieß ein hohes, meckerndes Gelächter aus. »Und noch eines«, fuhr der Räuber fort. »Ich habe mir den Burschen sehr genau an gesehen, als er auf der Scheibe stand. Er machte einen sehr niedergeschlagenen Ein druck – für mich ein Zeichen, daß er in sei ner neuen Aufgabe voll aufgehen wird. Obendrein trägt er noch kein Brandzeichen – von dieser Seite drohen ebenfalls keine Schwierigkeiten!« »Also gut«, seufzte der Käufer. »Ich neh me den Burschen. Was soll er kosten?« Während sich im Nebenzimmer ein erbit tertes Feilschen abspielte, machte sich Ra seine Gedanken. Er fragte sich, wofür man
30 ausgerechnet ihn ausgewählt hatte, was der Mann mit der leicht arroganten Stimme von ihm erwarten mochte. Immerhin stellte Ra grinsend fest, daß sein neuer Besitzer vom Feilschen überhaupt nichts verstand – der Sklavenräuber wickelte seinen Kontrahenten nach Belieben um den Finger. Offenbar war Geront te Dannert ein sehr vornehmer Mann, der sich mit solchen Widerwärtigkeiten nur ungern befaßte. Nach einer halben Stunde hatten sich die Männer geeinigt – te Dannert zahlte einen hohen Preis für Ra, wenn auch nicht annähernd so viel, wie Darmigon aus Oprann herauszuho len versucht hatte. Ra wälzte sich herum und wartete darauf, daß sich die Tür öffnete. Nach einiger Zeit betraten zwei Männer den Raum, ein hochgewachsener Mann in malerischer Kleidung, in dessen Gürtel zwei Messer und eine Elektropeitsche steckten. Neben ihm ging ein hagerer Arkonide, des sen Albinoaugen verwirrt auf Ra herabsa hen. »Der Wilde ist bei Bewußtsein!« stellte Geront te Dannert erschüttert fest. »Ob er uns gehört hat?« »Vermutlich!« gab der Sklavenräuber knapp zurück. »Los, steh auf!« Der Sklavenräuber nutzte Ras Zögern, um ihm die Fußfesseln zu lösen. Langsam kam Ra auf die Beine und starrte dem Arkoniden ins Gesicht; im Gürtel des Räubers erkannte er eine prall gefüllte Geldbörse – folglich war der Mann bereits ausgezahlt worden. Unter dem Eindruck von Ras Blick trat der Arkonide einen Schritt zurück. Der Sklaven räuber grinste. Sein Vergnügen wich schlagartig, als Ra sich nach vorne warf; bevor der überraschte Mann reagieren konnte, prallte Ras Kopf mit voller Wucht gegen seinen Bauch. Der Räu ber stöhnte auf und kippte hintenüber. Wäh rend der Arkonide erbleichend zurückwich, warf sich Ra auf den Räuber. Er setzte die Knie auf beide Seiten des Brustkorbs des keuchenden Mannes, dann griff er mit sei nen gefesselten Händen in den Gürtel des
Peter Terrid Sklavenräubers und bekam eines der Messer zu fassen. Der Räuber war ein geübter Kämpfer; rasch zuckten seine Hände hoch und um klammerten Ras Handgelenke, die noch im mer gefesselt waren. Es entspann sich ein lautloser, aber mit aller Erbitterung geführter Kampf. Ra preßte seine Beine zusammen, um auf diese Weise die Brust seines Geg ners zusammenzudrücken und ihm die Luft zu nehmen; gleichzeitig legte er das ganze Gewicht seines Oberkörpers in den Druck der Hände, die das Messer umklammert hielten. Das Gesicht des Räubers verzerrte sich, als sich die geschliffene Spitze lang sam auf seine Kehle senkte. »Kann ich Ihnen helfen?« erkundigte sich te Dannert teilnahmsvoll. Ra zuckte zusammen, als habe ihn eine Elektropeitsche getroffen; mit weit aufgeris senen Augen starrte er den Arkoniden an – eine derartige Frage ging über sein Fas sungsvermögen. Zwischen seinen Beinen begann der Brustkorb des Räubers krampf haft zu zucken. Der Mann brüllte vor La chen. Achtlos rollte er sich unter dem fassungs losen Ra hervor und nahm ihm das Messer ab, dabei lachte er, daß ihm die Tränen in den schwarzen Vollbart liefen. »Tut mir leid, mein Panther!« sagte er schließlich schulterzuckend zu Ra. »Aber Geschäft ist Geschäft – eigentlich könnte ich eine Raubkatze wie dich gut in meinem Ge schäft brauchen!« Geront te Dannert starrte Ra fast ängstlich an. »Ich würde doch lieber …«, begann er, aber der Händler schüttelte energisch den Kopf. »Nehmen Sie ihn mit!« sagte er kalt. »Und sehen Sie zu, wie Sie mit unserem Barbaren fertig werden!« Geront te Dannert warf einen geringschät zigen Blick auf den Sklavenräuber, dann ging er langsam aus dem Raum. Ra folgte ihm resignierend. »Mach's gut!« wünschte der Sklavenhänd
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ler, als Ra auf der Schwelle stand, dann be gann er wieder zu lachen.
6. Vor dem Versteck des Sklavendiebs stand ein schwerer Gleiter, reich verziert – offen kundig war te Dannert ein sehr wohlhaben der, und seinem Benehmen nach zu schlie ßen, auch ein sehr vornehmer Mann. Wort los nahm der Arkonide auf dem Rücksitz Platz, dann bedeutete er Ra mit einer herri schen Handbewegung, hinter dem Steuer seinen Dienst zu beginnen. Ruhig wartete te Dannert ab, bis Ra mit den Zähnen seine Fesseln gelöst hatte und auf dem Fahrersitz Platz gefunden hatte. Ra brauchte ein paar Sekunden, dann wußte er wieder alles, was er über arkonidi sche Gleiter gelernt hatte. Daß er es ver stand, theoretische Kenntnisse verblüffend schnell in die Praxis umzusetzen, bewies er, als er den Gleiter nach te Dannerts Angaben fehlerlos steuerte. Die Behausung des Sklavendiebs lag ziemlich genau im Nordosten der Stadt Bohrt; te Dannerts Ziel befand sich auf der anderen Seite, dicht am Rand der Stadt. Ra fand das weitläufige, prunkvolle Gebäude ziemlich schnell. Erleichtert wurde seine Su che durch te Dannerts unverkennbares Tor – ein Wasserstrahl, der in einer mathematisch exakten Parabel über der Tür stand und von Scheinwerfern beleuchtet wurde. Positro nisch gesteuerte Traktorstrahler sorgten da für, daß von dem Portal kein Tropfen auf die Besucher herabregnete. Hinter dem Portal erstreckte sich ein sorg fältig gepflegter Garten, der von zahlreichen Sklaven betreut wurde. Als Ra die Männer und Frau sah, fragte er sich noch mehr, was ihn nun erwartete – für jeden denkbaren Zweck schien te Dannert bereits Fachkräfte zu haben. Ra ließ den Gleiter vor der Haus tür bremsen und drehte sich zu te Dannert um. »Was nun?« wollte Ra wissen. Es war ihm gleichgültig, ob diese Form
der Frage angemessen war oder nicht. »Ich werde dir sagen, was du zu tun hast!« sagte te Dannert mit einem schiefen Lächeln. »Geh in das Haus und such dieses Zimmer auf – alles weitere wirst du dort er fahren!« Ra zuckte mit den Schultern, während er sich die Lage des Zimmers merkte, das der Arkonide ihm mit dem Finger wies. Wortlos stieg Ra aus und trat in das Innere des Hau ses; eine angenehme Kühle empfing ihn – auch Dannerts Haus war vollklimatisiert. Langsam schritt Ra die Gänge entlang – er achtete nicht auf die erstaunten Blicke der Menschen, die ihm begegneten. Da ihn nie mand aufhielt, besorgte sich Ra zunächst ein scharfes Messer, dann sorgte er dafür, daß sein weißer Rock wieder sauber wurde. Erst nachdem er sich wieder halbwegs wohl fühlte, suchte er den Raum auf, den te Dannert ihm bezeichnet hatte. Bevor er je doch dazu kam, die Tür zu öffnen, tippte ihm jemand auf die Schultern. »Du willst zu Merlia?« fragte eine sanfte Mädchenstimme. Langsam drehte sich Ra herum – und dann begann er zu ahnen, welche Arbeits stätte man für ihn vorgesehen hatte. Das Mädchen war nicht mehr ganz jung, mindestens zwei Köpfe größer als Ra und erschreckend mager. Fasziniert nahm sich Ra Zeit, das Mädchen genau zu betrachten. Das Haar war offenkundig frisch gewa schen; die feinen Haare gaben dem leisesten Lufthauch nach. Die Farbe schwankte zwi schen einem leichten Ockerton und fahlem Gelb. Das rechte Auge des Mädchens war grün, links erkannte Ra ein blaues Auge – beide Augäpfel konzentrierten sich auf die Nasenspitze. Ra hatte Mühe, diesem Blick standzuhalten. Der Nasenrücken des Mäd chens verlief wie der Längsschnitt eines Korkenziehers; zudem war das Riechorgan von der Natur in Größe und Farbe – rot – be sonders üppig bedacht worden. In dem schmallippigen Mund saßen zwei unvoll ständige Zahnreihen, deren Begradigung für einen geschickten Dentisten eine Lebensstel
32 lung garantiert hätte. Die Gesichtshaut war ebenso fleckig wie die Haut an den dürren Oberarmen; im übrigen war der rechte Arm um etliche Zentimeter kürzer als der linke. Die Beine bildeten eine makabre Augenwei de für sich – sie gingen vereint von den Hüf ten aus, trafen sich nach einem weiten Bo gen an den knochigen Knien und strebten dann immer auseinander. Daß es sich bei dem Geschöpf überhaupt um ein weibliches Wesen handelte, war nur der sanften, wohlklingenden Stimme zu ent nehmen. »Wer ist Merlia?« fragte Ra beklommen, sobald er seinen Schock halbwegs verdaut hatte. »Meine Schwester«, gab das Geschöpf zurück. »Ich heiße Therla!« »Ra!« stellte sich der Barbar vor. Das Mädchen ging einmal um Ra herum, betrachtete die breiten Schultern, die son nengebräunte Haut des Barbaren und lächel te. »Meine Schwester hat ein leicht gestörtes Verhältnis zu Männern!« plauderte Therla freimütig. »Darum besorgt mein Vater im mer wieder Sklaven für sie!« Ra erstarrte. In seinem Hinterkopf schlummerten etli che Informationen über arkonidische Ge bräuche, aber mit dergleichen war er noch nie konfrontiert worden. Vor allem begann er sich zu fragen, wie wohl Merlia aussehen mochte. »Therla!« erklang eine scharfe Stimme. »Was willst du von dem Mann?« »Keine Angst, Schwesterchen«, antworte te das Mädchen. »Ich werde mich zurückzie hen!« Sie warf einen Blick auf Ra. »Armer, kleiner Barbar!« sagte sie leise, dann verschwand sie in ihrem Zimmer. Ra sah dem Mädchen nach; selbst für die Verhältnisse, in denen Ra bis vor einiger Zeit gelebt hatte, war Therla ein extrem un ansehnliches Weib – bis auf die Stimme, de ren Wohlklang das Äußere des Mädchens sehr leicht vergessen ließ.
Peter Terrid »Du heißt also Ra!« stellte Merlia fest. Das Mädchen war offenkundig jünger als Therla und bot einen wesentlich erfreuliche ren Anblick als ihre Schwester. Allerdings fiel selbst Ra auf, daß in dem hübschen Ge sicht einige Züge vorhanden waren, die ihn abstießen – ohne daß er sagen konnte, wie diese Ausprägungen im einzelnen aussahen. Das Mädchen faßte Ra bei der Hand und zog ihn hinter sich her in ihr Zimmer. Es war ein heller, lichtdurchfluteter Raum. Ra sah ein großes Bett, einen gewaltigen Behäl ter für Kleidungsstücke und eine Kollektion mehr als mannshoher Spiegel an einer Wand. Davor standen auf einem großen Tisch Tiegel, Töpfchen, Flaschen und Sprühdosen. In der Luft hing der Geruch ei nes schweren Parfüms. Ungeniert musterte Merlia den Mann, betastete seinen Bizeps und lächelte zufrieden. »Du bist ein sehr gut aussehender Mann!« stellte Merlia sachkundig fest. »Du gefällst mir!« Ra schüttelte den Kopf. Gutaussehend, welch ein Blödsinn; was hatte ein Weib davon, wenn ihr Mann gut aussah. Aussehen war gar nichts wert, wenn sich ein Raubtier in die Höhle verirrte, oder wenn es darum ging, sich an eine Beute her anzuschleichen. Außerdem war ihm das gan ze Gehabe dieses Mädchens zuwider. Was fiel diesem rundlichen Weib ein, mit dem kleinen Finger in seinem Bauchnabel herumzurühren? Was hatte sie die Augen zu verdrehen, als er sie an den Schultern faßte und von sich wegstieß. »Wie stark bist du!« hauchte Merlia. Wie dieses Weib sich benahm, war ein fach unmöglich. Als Merlia dann noch die Bettdecke zurückschlug und an ihrer ohne hin recht dürftigen Kleidung herumzunesteln begann, verlor Ra endgültig die Geduld. Er packte sie an den Hüften und hob sie hoch. Sobald er einen für seine Zwecke geeigneten Sitzplatz gefunden hatte, legte er sich Merlia über die Oberschenkel. In den folgenden Minuten prügelte Ra das Mädchen energisch durch, ohne sich um ihr Wimmern und Kla
Der Sklavenmarkt gen zu kümmern. Mit jedem Schlag wuchsen bei ihm seine Wut und seine Verzweiflung; gerade dieses mannstolle Arkonidenmädchen ließ ihn Ischtar um so schmerzlicher vermissen. Gleichzeitig mußte Merlia dafür büßen, daß Ra zur Zeit keine Möglichkeit sah, seine mißliche Lage zu verbessern. Während Ras Mißmut wuchs und Merlias Wehklagen allmählich schmerzhaft laut wurde, öffnete sich die Tür. In dem Rahmen stand Therla; sie begriff schlagartig, was sich vor ihren Augen abspielte, und brach in lautes Gelächter aus. Als ihm der Arm zu erlahmen drohte, ließ Ra das Mädchen los. Fauchend sprang Mer lia auf die Füße; glücklicherweise waren Ras Kenntnisse der arkonidischen Sprache noch nicht perfekt – so ließ er Merlias Tirade von Flüchen und Verwünschungen ruhig über sich ergehen. Während das Mädchen im Zimmer auf und ab lief, wild gestikulierte und pausenlos schimpfte, stand Therla im Rahmen der Tür und bog sich vor Lachen. Auch Ra begann zu grinsen und dann ebenfalls zu lachen. »Da hat Papa dir aber einen besonders fei nen Gespielen besorgt!« meinte Therla ki chernd. »Wenn ich diese Szene unseren Freunden berichte, werden sie sich totla chen!« Merlia fuhr wie angestochen herum, ab rupt hörte sie mit ihren Wutausbrüchen auf; mit zusammengekniffenen Lippen und sehr gedämpfter Stimme sagte das Mädchen: »Ich warne dich, Therla! Wehe, du er zählst etwas – du kennst mich!« »Ja, ich kenne dich!« sagte ihre Schwe ster, der Unterton von Verachtung war nicht zu überhören. Rasch verzog sich das Mäd chen wieder. Merlia drückte auf einen Knopf, und we nig später erschienen vier stämmige Männer im Zimmer. »Schafft den Burschen in den Keller!« zischte Merlia. »Er soll hungern, bis er ge lernt hat, sich zu benehmen, wie es sich für einen Sklaven geziemt!«
33 Ra verabschiedete sich mit einem verächt lichen Grinsen, dann ließ er sich wider standslos abführen. Auf dem Gang sah er für Sekunden Therla, die dem Vorgang interes siert zusah. Kräftige Fäuste schoben und stießen Ra vorwärts, eine lange Treppe und einen dunklen Gang hinunter. Mit einem Fußtritt beförderte man ihn in die Zelle, de ren Tür sich hinter ihm leise schloß. Der Raum war völlig lichtlos; es gab we der einen Lichtschalter noch ein Fenster. Langsam tastete sich Ra durch den Raum; er fand nur eine Lage Stroh in einer Ecke und an der Decke zwei Leuchtkörper – vermut lich konnte man das Licht nur außerhalb der Zelle einschalten. Ra setzte sich auf das Stroh, zog die Beine heran und legte den Kopf auf die Knie. Ihm war klar, daß er einen entscheidenden Fehler gemacht hatte, als er Merlia zurück gewiesen hatte – sie würde sich furchtbar rä chen für diese Schmach. Aber das kümmerte den Barbaren wenig – seine Stimmung war an einem Punkt angelangt, von dem aus es kein weiteres Absinken mehr gab. Ra hatte seine Heimat hauptsächlich verlassen, weil er zu seinen Rassegefährten keinen rechten Zugang mehr gefunden hatte – und dies lag vor allem an der geheimnisvollen Ischtar. Nun war der Barbar auf einer Welt gelandet, auf der jeder Bewohner sein erklärter Feind war, und er hatte nicht die geringsten Aus sichten mehr, dieser Welt zu entkommen und seine Suche nach Ischtar fortzusetzen. Ra spürte nicht, wie das Wasser an den steinernen Mauern seines Kerkers herabrann und seinen nackten Rücken befeuchtete, er hörte nicht das leise Fußtrappeln kleiner Na ger, die nur darauf warteten, ihre nadelspit zen Zähne in sein Fleisch schlagen zu kön nen. Ra machte sich nicht einmal die Mühe, herauszufinden, ob es nicht eine Fluchtmög lichkeit aus dem Keller des Hauses gab. Ra saß auf dem Stroh und wartete auf ein Ende in irgendeiner Form. Er war mit sich und seinen Gedanken al lein; in den Stunden, die er in völliger Fin sternis verbrachte, wurde er stumm, verlor er
34 den Willen zu sprechen. Dennoch schrak er zusammen, als ein lei ses Geräusch durch den Keller klang. »Ra?« flüsterte eine sanfte Stimme. »Hier ist Therla!« Ra gab ein Brummen von sich, dann öff nete sich langsam die Tür; in dem schwa chen Lichtschein, der vom Gang aus in den Raum fiel, erkannte Ra das Mädchen deut lich. In der Hand trug Therla einen großen Krug und eine Schüssel; sie setzte beides ne ben Ra auf den Boden. »Du mußt essen und trinken, Ra!« sagte Therla leise; während Ra langsam nach den Speisen griff, fuhr das Mädchen fort: »Du darfst Merlia nicht böse sein, sie ist ein armes Mädchen!« Ra gab einen Laut von sich, mit dem er deutliche Zweifel an dieser Darstellung äu ßerte. »Sie hat nur einen leidlich hübschen Kör per, viel Geld und keinen Charakter, und das weiß sie sehr genau. Und je besser ihr dies zum Bewußtsein kommt, desto schlechter wird ihr Charakter!« Ra kaute mit großem Genuß und trank in langen, gierigen Zügen das klare, kalte Was ser. Nur mit halbem Ohr hörte er auf das Mädchen. »Ich werde dir zu helfen versuchen, Ra!« versprach Therla. »Du darfst kein Sklave sein!« Therla konnte nicht sehen, wie Ra mit den Schultern zuckte; er war sich sicher, daß auch Therlas Hilfe nicht viel würde ausrich ten können. Genau betrachtet, konnte ihm diese Hilfe eher schaden als nützen – in die sem finsteren Keller war Ra wenigstens vor Oprann sicher. »Kannst du mir ein raumtüchtiges Schiff besorgen?« fragte Ra leise. Therla schüttelte den Kopf. »Ich kann dir vieles verschaffen, aber ein Raumschiff nicht!« sagte sie bedauernd. »Wenn du dich mir anvertraust, werde ich versuchen, dich aus Merlias Klauen zu be freien. Vielleicht kann ich es bei meinem Vater durchsetzen, daß er dich freiläßt –
Peter Terrid dann bist du ein freier Bürger des Planeten, und wenn du klug bist, wirst du es auch blei ben!« Ra lächelte schwach; das Mädchen konnte es nicht sehen. Auf dem Gang ertönten Schritte; Therla fuhr in die Höhe. »Ich muß fort!« flüsterte sie hastig. »Warte auf mich, ich komme zurück!« Nach wenigen Augenblicken war sie ver schwunden und ließ Ra in der Dunkelheit der Zelle zurück. Ra legte sich wieder auf das Stroh; nach wenigen Sekunden schlief er tief und traum los.
* Am nächsten Morgen wurde Ra unsanft geweckt; in der Tür seiner Zelle stand das Mädchen Merlia und blickte auf Ra herab. Mit einer herrischen Kopfbewegung forderte sie Ra auf, ihr zu folgen. Vorsichtshalber hatte Ra die beiden Gefäße, die Therla ihm in der Nacht gebracht hatte, in dem toten Winkel versteckt, der beim Öffnen der Tür entstand; ihm selbst wäre es gleichgültig ge wesen, ob man die Behältnisse fand oder nicht, aber er wollte verhindern, daß Therla wegen ihrer Hilfeleistung in Schwierigkeiten geriet. Schweigend folgte Ra dem Mädchen aus dem Haus. Er schwieg auch noch, als er die Absicht erkannte, mit der Merlia ihn aus seinem Ker ker geholt hatte. Die Arkonidin wollte ihrem Sklaven zeigen, was auf ihn wartete, wenn er sich weiterhin störrisch verhielt. Sie führ te ihn in einen abgelegenen Teil des großen Gartens. Ra erkannte einen in die Erde getriebenen Pfahl, an den ein halbnackter Mann angeket tet war. Sein Rücken und seine Brust waren vernarbt – Ra erkannte die Spuren einer Peitsche. Nach der Länge des Bartes zu schließen und den großflächigen Verbren nungen durch die Sonne, stand der Sklave seit mindestens einer Woche an diesem Pfahl. »Er ist dazu verurteilt, den Hungertod zu
Der Sklavenmarkt sterben!« erklärte Merlia kalt. »Er hat es ge wagt, einem Befehl von mir zu widerspre chen!« Neben dem Pfahl stand ein großer Krug; das Mädchen hob ihn auf und gab dem Skla ven zu trinken. »Wasser bekommt er!« stellte Merlia mit einem Seitenblick auf Ra fest. »Hungern dauert nämlich länger!« In der Nähe des Pfahles standen einige fruchttragende Bäume; Ra ging hinüber, pflückte einige der Früchte und näherte sich dann dem angeketteten Sklaven. Gleichmü tig fütterte er den Unglücklichen, der mit großer Gier aß. Merlia kniff die Augen zu sammen und bedachte Ra mit einem wüten den Blick. Ra kümmerte sich nicht darum; es war ihm gleichgültig, wie das Mädchen auf diese offene Herausforderung reagieren würde. Merlia zog eine kleine Peitsche aus ihrem Gürtel und schlug mit aller Kraft auf Ras Rücken ein; die Hiebe schmerzten nicht sehr, aber Ra drehte sich um, riß dem Mäd chen die Peitsche aus der Hand und schleu derte sie in die Büsche. Merlia stand sprach los vor Empörung, und auch der zum Tode verurteilte Gefangene starrte Ra mit offenem Munde an. Ra warf dem Mädchen einen ver ächtlichen Blick zu, dann entfernte er sich. Undeutlich hatte er zwischen den Bäumen Therla erkannt, die aus dieser Entfernung den Vorgängen zugesehen hatte. Dorthin ging Ra. »Das hast du gut gemacht«, meinte Therla lächelnd. »Aber damit hast du Merlia nur noch mehr gereizt! Du hast gesehen, wie grausam sie ist – und für dich wird sie sich etwas Besonderes einfallen lassen.« Ra zuckte gleichmütig mit den Schultern. »Komm!« flüsterte das Mädchen und griff nach Ras Hand. »Wir verschwinden besser, bevor Merlia etwas unternehmen kann! Fol ge mir!« Therla kannte sich auf dem Grundstück ihres Vaters aus; vor allem wußte sie auch in jenen Teilen des Gartens Bescheid, in den sich nur wenige Menschen je verirrt hatten.
35 In seinem Dünkel hatte Geront te Dannert ein Grundstück erworben, das er mit den Sklaven, die er besaß, nicht vollständig bear beiten konnte. Beträchtliche Teile des Gar tens waren völlig verwildert und wirkten mehr wie ein Ableger des Dschungels als ein Teil eines Gartens. Rasch und geschickt schlüpfte Therla durch das dichte Gestrüpp, bis sie einen breiten Weg erreicht hatte. Auf der anderen Seite des Weges schillerte die grünliche Oberfläche eines Sumpfes. »Paß auf!« flüsterte Therla, obwohl nie mand in der Nähe war, der sie hätte hören können. »Siehst du die roten Blüten dort?« Ra nickte stumm. »Sie stehen nicht zufällig dort«, berichtete Therla. »Die Blüten kennzeichnen den einzi gen sicheren Weg durch diesen Sumpf. Ich habe ihn vor einigen Jahren anlegen lassen. Am Ende des Weges wirst du eine Hütte fin den, mit allem, was du brauchst. Ich bekom me von meinem Vater ziemlich viel Geld, und davon habe ich die Hütte bauen und ein richten lassen!« Das Mädchen verzog den Mund zu einem verschmitzten Lächeln. »Wenn Merlia wüßte, mit wievielen ihrer Freunde ich mich dort heimlich getroffen habe, würde sie vermutlich vor Neid und Ei fersucht platzen! Immerhin – man kann dort recht bequem leben. Die Vorräte reichen für mehrere Monate, weil ich nur selten Gele genheit habe, sie aufzufüllen. Dort bist du einstweilen sicher!« Ra zuckte mit den Schultern. Und was wird dann, sollte die Bewegung bedeuten? »Wenn deine Flucht vergessen ist«, sprach Therla weiter, »werde ich versuchen, Geld für dich aufzutreiben. Noch hast du kein Sklavenzeichen – wenn du dich mit ge nügend Geld in Bohrt bewegst, wird nie mand dich aufhalten. Du wirst einige Zeit brauchen, bis du dir mit meinem Anfangska pital ein genügend großes Vermögen zusam mengearbeitet hast, damit du dir ein Raum schiff kaufen kannst, aber ich bin sicher, es wird dir gelingen!«
36 Ra zog zweifelnd die Brauen in die Höhe. »Ich habe nichts gelernt«, stellte er resi gniert fest. »Womit soll ich Geld verdie nen?« Therla biß sich auf die Lippe. »Ich weiß, daß es grausam klingt«, meinte sie zögernd, »aber es gibt auf Mervgon nur eine Möglichkeit, ohne Vorbildung ein Ver mögen zu verdienen – Sklavenhandel!« Ra unterdrückte ein bitteres Lachen; selbst seine Sehnsucht nach Ischtar würde ihn nicht dazu bringen können, anderen das anzutun, was er in den letzten Tagen erlebt hatte. »Niemals!« sagte er rauh. »Wir werden sehen, was die Zukunft bringt«, wehrte Therla ab. »Vielleicht fällt uns etwas anderes ein. Aber jetzt mußt du verschwinden.« Ra fuhr herum. In einiger Entfernung war das Heulen eines Gleitermotors zu hören; sofort zog sich Ra in den Schutz der Bäume zurück, während Therla verwirrt auf dem Weg stehenblieb. Mit höchster Geschwindigkeit fegte der schwere Gleiter näher; am Steuer saß Mer lia. »Therla!« schrie Ra, der erkannte, daß Therla unweigerlich mit dem Fahrzeug zu sammenprallen mußte, wenn sich nichts än derte. Das Mädchen schrak zusammen und bewegte sich dann. Im gleichen Augenblick erkannte Merlia die Gefahr für ihre Schwe ster; sie reagierte ebenfalls. Da sie nicht mit dem Gleiter in die Baumgruppe rasen woll te, in die sich Ra geflüchtet hatte, wich sie aus und steuerte auf das Sumpfgebiet zu. Für die gleiche Richtung hatte sich Therla ent schlossen. Ra hörte das dumpfe Knacken, mit dem der Gleiter auf den Körper des Mädchens prallte. Merlia hatte in letzter Sekunde noch versucht, den Gleiter in die Höhe zu ziehen, aber diese Maßnahme kam um den Bruchteil einer Sekunde zu spät. Therla wurde im Nacken getroffen; wie eine Gliederpuppe flog ihr Körper durch die Luft, klatschte auf den Sumpf, der den Leichnam innerhalb we
Peter Terrid niger Sekunden verschluckte. Ra biß die Zähne zusammen und ging quer über die Straße; nichts war zu sehen, kein noch so winziges Zeichen deutete dar auf, daß sich vor wenigen Sekunden ein grauenvoller Unfall ereignet hatte. Langsam kam Merlia mit ihrem Gleiter näher. Das Gesicht des Mädchens war bleich, die Lippen hatte sie zusammengepreßt. Sie schwang sich aus dem Gleiter und kam lang sam näher. »Du hast sie getötet!« zischte sie mit kaum noch erkennbarer Stimme. »Du hast Therla hierhin gelockt!« Sie zog eine Waffe aus dem Gürtel und richtete sie auf Ra. »Los!« sagte sie. »Vorwärts – du wirst ihr folgen!« Ra spürte den Druck der Waffe für eine Sekunde im Rücken, dann trat Merlia vor sichtshalber so weit zurück, daß Ra keine Möglichkeit hatte, ihr die Waffe zu entwin den. Langsam bewegte sich Ra vorwärts, auf die tückisch schillernde Oberfläche des Sumpfes zu. Der Boden gab unter ihm nach; der Schlamm stieg an seinen Beinen in die Höhe. Nach wenigen Schritten stand Ra bis an die Hüften in dem fauligen Morast, und er fühlte, daß er keinen Boden unter den Fü ßen hatte. Selbst wenn er nicht weiter in den Sumpf hineinging, würde er früher oder spä ter versinken. Nur für kurze Zeit suchte Ra nach einer Möglichkeit, sich aus eigener Kraft aus dem Sumpf herausziehen zu kön nen – es fand sich nichts. »Weiter!« forderte ihn Merlia haßerfüllt auf. »Vorwärts!« Wortfetzen drangen an ihr Ohr; irgendwo in der Nähe unterhielten sich zwei Männer. Merlia steckte die Waffe in den Gürtel und knirschte mit den Zähnen; sie war wütend, weil die näherkommenden Männer sie um das Vergnügen brachten, Ra sterben zu se hen. Rasch bestieg sie ihren Gleiter und ra ste davon. Ra konnte nicht sehen, was hinter seinem Rücken auf der Straße vorging; er hörte nur
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das Aufheulen des Gleitermotors. Dann war er allein mit dem Sumpf, der leise gluckste, wenn er sich bewegte. Langsam kroch der Schlamm an Ras Körper in die Höhe, be deckte ihn bis zur Hüfte und stieg weiter. Ra sah auf die roten Blüten, die einige Schritte von ihm entfernt auf der grünen Flä che wuchsen; sie waren viel zu weit von ihm entfernt, als daß er sie hätte erreichen kön nen. Ra lächelte kurz, dann zuckte er mit den Schultern. Ra hatte sich ergeben; ruhig wartete er darauf, daß ihn der Sumpf in die Tiefe zog.
7. »Aber das ist doch der reine Blödsinn!« meinte der alte Sklave. »Sieh – alle zehn Ta ge gehen wir zum Markt. Du bezahlst eine Standmiete und versuchst, mich zu verkau fen. Natürlich will keiner einen alten Mann haben, der mehr Jahre auf dem Buckel hat, als mancher andere Haare auf dem Kopf. Im Endergebnis haben wir die Standmiete ver loren!« »Ich weiß, Cerrosh!« sagte Pellury grin send; er setzte die Schnapsflasche vom Mund und warf sie zu dem Alten hinüber. »Du bist eine Belastung für mich. Aber wie stellst du dir vor, daß wir endlich einmal einen Gewinn machen?« »Ah!« stöhnte Cerrosh wohlig, als er den Schnaps durch seine Kehle rinnen ließ. »Das tut gut!« Er gab die fast leere Flasche an Almo Pel lury zurück und fuhr fort: »Wir machen es einmal anders. Ich werde versuchen, dich zu verkaufen. Dabei werden wir sicherlich mehr Erfolg haben. Wenn es mir gelungen ist, einen Käufer für dich zu finden, teilen wir uns den Erlös, und dann hat jeder etwas davon!« Almo Pellury lachte schallend. Er besaß den alten Cerrosh seit zwanzig Jahren; als er ihn kaufte, war Cerrosh bereits steinalt und Almo Pellury total betrunken gewesen – andernfalls hätte er sich nie auf ein Kartenspiel eingelassen, bei dem um
Sklaven gespielt wurde. Am nächsten Mor gen hatte Cerroshs Anblick den Händler doppelt ernüchtert. Cerrosh schien unter der Last seiner Jahre zusammenbrechen zu wollen; er ging ge beugt und auf einen Stock gestützt, den er mit Schnitzereien versehen hatte. Von der rechten zur linken Schläfe des Sklaven zog ein schmaler Kranz ausgefranster schnee weißer Haare – ein merkwürdiger Kontrast zu seiner tiefbraunen Gesichtsfarbe und dem zarten Rosaton, in dem der kahle Teil des Schädels leuchtete. Die Glatze war zudem mit Falten bedeckt wie eine Detailkarte ei nes Hochgebirges – Fachleute behaupteten, wenn es erst einmal gelänge, die anatomi schen Hieroglyphen auf Cerroshs Schädel zu enträtseln, könnte man das ganze Schicksal des Sklaven darin säuberlich aufgezeichnet finden. Ähnlich zerklüftet war Cerroshs Gesicht, dessen Hauptattraktion die große Knollenna se war. Darunter bewies ein vereinsamter Zahn zwischen den wulstigen Lippen, daß Cerrosh ein begeisterter Raucher war – der Zahn strahlte in einem satten Gelbbraun. Die Gestalt des Sklaven erinnerte unwill kürlich an Dörrfisch; die Muskulatur schien sich völlig verflüchtigt zu haben. Nur braun gebrannte Haut und Knochen waren zu se hen, die bei jeder Bewegung aus den Gelen ken zu springen drohten. Bekleidet war Cerrosh mit einem Lenden schurz; das hohe Alter des Stückes machte den fast vollständigen Verlust an Form und Farbe entschuldbar. An den Füßen trug Cer rosh ein Paar Sandalen – in jener Größe, die durchaus zur Bestattung kleiner Kinder ge eignet schien. »Ich werde mir deinen Vorschlag genau überlegen!« versprach Pellury lachend. Der Sklavenhändler bot einen nicht min der interessanten Anblick als sein Sklave. Pellury war hochgewachsen und breit schultrig, allerdings wurde das Ebenmaß sei ner Gestalt stark von einer fast vollkommen kugelförmigen Erhebung in der Leibesmitte stark beeinträchtigt. Grund dieses beachtli
38 chen Bauches war der Hang des Händlers, leiblichen Genüssen in einem Ausmaß zu frönen, das die Grenzen des Schicklichen weit hinter sich ließ. Erstaunlich war, daß sich Pellurys Aus schweifungen nur dort äußerten. Sein restli cher Körper war gutproportioniert und auch recht gewandt – speziell die Finger zeigten eine Beweglichkeit, die selbst berufsmäßige Falschspieler vor Neid erblassen ließ. Lau fen konnte Pellury ebenfalls sehr gut – eini ge gehörnte Ehemänner hatten dies zu ihrem Verdruß merken müssen. Pellury trug bequeme Raumfahrerstiefel, zwei Nummern zu groß – aus gutem Grun de. Dort verwahrte Pellury eine beträchtliche Summe baren Gelds, das ihn schon einige Male davor bewahrt hatte, nach durchzech ter Nacht als Sklave wieder aufzuwachen. Gesichert wurde das jedermann bekannte Versteck von Pellurys abgrundtiefem Haß gegen eine äußerliche Anwendung von Was ser und der regen Tätigkeit seiner Schweiß drüsen, speziell der Gruppe, die ihren Tätig keitsort unter den Fußsohlen hatte. Die lan gen, gerade Beinen waren unbedeckt, dar über flatterte ein buntbedruckter Rock, der bis auf die Knie herabhing; das Kleidungs stück war über und über mit Kreide bedeckt, denn Pellury pflegte darauf seine Notizen zu machen – er fand dieses Verfahren prak tisch, da sich nach einiger Zeit die einge trocknete Kreide beim Spazierengehen löste und es ihm abnahm, Notizzettel wegzuwer fen. Pellurys Oberkörper wurde von einer prachtvollen Uniformjacke bedeckt; ur sprünglich hatte die Jacke einem verzoti schen Admiral gehört, der auf den für ihn unglückseligen Einfall gekommen war, mit der arkonidischen Flotte einen Streit vom Zaun zu brechen. Kurz bevor die Kralasenen den völlig gebrochenen Mann auf Mervgon aufstöberten und abtransportierten, hatte Pellury bei einem kleinen Spielchen den Ad miral so weitgehend ausgenommen, wie es die Grenze der Schicklichkeit zuließ. Seit dieser Zeit spazierte der Händler in der Uni
Peter Terrid form einher, erfreute sich an dem lauten Scheppern der Orden, die bei jedem Schritt gegeneinanderprallten, und an dem fas sungslosen Staunen seiner Umwelt. Ohne falsche Bescheidenheit konnte Pel lury von sich behaupten, daß er eine der be kanntesten Gestalten auf Mervgon war. »Das Leben ist langweilig geworden!« seufzte Cerrosh und warf die nunmehr völlig geleerte Schnapsflasche fort. »Selbst das Saufen macht keinen rechten Spaß mehr. Früher, da wußte man nie, ob man nun Äthyl- oder Methylalkohol in den Flaschen hatte. Diese Spannung beim ersten Schluck, die Schicksalsfrage, ob man anschließend betrunken oder erblindet war – all das fehlt. Die Jugend von heute hat einfach keinen Mumm mehr!« Pellury grinste und fragte sich zum tau sendsten Male, in welchen gutgetarnten Adern jetzt der von Cerrosh konsumierte Schnaps fließend mochte. Auf diesem Ge biet hatte Pellury trotz harten Konditions trainings den Alten noch nie zu schlagen vermocht – in gewisser Weise erinnerte Cer rosh an jene merkwürdigen Gläser, die von Illusionisten benutzt wurden und die zehn mal mehr aufnehmen konnten, als ihrem meßbaren Volumen entsprach. »Hörst du nichts?« fragte der Händler plötzlich. Seine scharfen Ohren hatten den Gewalt start eines schweren Gleiters vernommen; die Tatsache, daß sich jemand in dieser Ein samkeit in einem solchen Höllentempo zu entfernen versuchte, machte den Händler stutzig. »Komm, Cerrosh!« sagte er schnell. »Wir wollen nachsehen, was dort vorgefallen ist!« Pellury beeilte sich, und der Sklave folgte ihm; trotz seiner Jahre bewegte sich der klapprige Alte mit einer verblüffenden Ge wandtheit und Schnelligkeit. »Das darf doch nicht wahr sein!« prote stierte Cerrosh empört. »Diese neumodi schen Sitten gehen wirklich zu weit – jetzt werfen die Leute schon ihre Sklaven weg wie Konservendosen. Empörend!«
Der Sklavenmarkt »He, du!« rief Pellury dem eingesunkenen Mann zu. »Keine hastigen Bewegungen, wir holen dich schon heraus!« Almo Pellury rannte ein paar Meter weit in die Baumgruppe und suchte sich ein paar Schlingpflanzen zusammen, die er rasch und geschickt zusammenflocht. Nach kurzer Zeit hatte er ein stabiles Seil in Händen. Rasch eilte er zum Sumpf zurück. Der Mann war inzwischen bis an den Brustkorb in der grünen Fläche versunken; es wurde höchste Zeit, wenn man ihm noch helfen wollte. Sobald die Oberarme unter dem Sumpf verschwanden, gab es keine Rettung mehr. Pellury holte aus und ließ das Seil kreisen, erst als er sich seines Zieles si cher war, warf der Händler. Das Seilende landete zwei Handspannen von Ras Kopf entfernt auf der Oberfläche des Sumpfes; so schnell es ging, griff Ra nach dem Seil, wickelte es unter den Schultern um seinen Brustkorb und machte einen stabilen Kno ten. »Los, Alter!« schrie Pellury. »Faß mit an!« Mit vereinten Kräften stemmten sich Pel lury und Cerrosh gegen den mörderischen Sog des Sumpfes; nur langsam glitt der Kör per des Eingesunkenen aus der tödlichen Umklammerung. Gierig schmatzte der Mo rast, als Ra bis zu den Hüften aus dem Sumpf glitt. »Noch einen Ruck, und er ist frei!« schrie Cerrosh triumphierend. Noch einmal legten sich die beiden in das Seil; schmatzend öffnete sich der Sumpf und gab Ra frei. Nach einer halben Minute lag Ra auf dem Weg und schnappte nach Luft – der Druck des Seiles auf seine Rippen hätte ihn fast ersticken lassen. Deutlich malten sich die einzelnen Fasern des Seiles auf sei ner Brust ab. »Der ist ja noch nicht einmal markiert!« stellte Cerrosh überrascht fest. »He, du – bist du ein Sklave oder ein freier Bürger!« »Sklave!« sagte Ra dumpf. Er hatte keine Lust zu lügen. Da er über keinerlei Geldmittel verfügte, wäre er früher
39 oder später doch wieder versklavt worden. Warum sollte er sich der Mühe unterziehen, eine kurzfristige, anstrengende Freiheit zu erschwindeln, wenn er doch wieder nach kurzer Zeit in Unfreiheit enden würde? Almo Pellury ging einmal um Ra herum; trotz des Schmutzes auf Ras Körper war für den Händler deutlich zu erkennen, daß er sich ein ausgesprochenes Prachtexemplar von Sklaven herausgezogen hatte. »Komm mit, du mußt dich säubern«, er klärte Pellury. »Außerdem mußt du Hunger haben. Wie heißt du eigentlich?« »Ra!« sagte der Gerettete mit hohler Stimme; er schien über seine Befreiung nicht allzu glücklich zu sein, merkte Pellury. Ra war hochgradig erschöpft, daher muß te Pellury den Mann stützen, als die merk würdige Gruppe sich langsam den Weg ent langbewegte. Pellurys Behausung lag noch ein Stück tiefer im Dschungelgebiet als te Dannerts Haus. Elektronische Maßnahmen hielten die Umgebung des Gebäudes frei von allzu üp pigem Bewuchs; die Maschinen ließen nur Sträucher und kleinere Pflanzen zu. Auf dem so entstandenen freien Platz erhob sich ein zweigeschossiges Haus, das etliche Ge nerationen älter war als Cerrosh. In vielen Fenstern klafften Löcher, das Dach senkte sich deutlich in der Mitte. Zusammengehal ten wurde der Bau vermutlich nur von der Kalkschicht der Außenmauern. Pellury war kein wohlhabender Sklaven händler; um den geschäftlichen Mißerfolg auffangen zu können, hatte er sich zusätzlich landwirtschaftlich betätigt. Ein Gemüsebeet war zu sehen – allerdings erst dann, wenn das dichte Unkraut seine bunten Blüten ver lor und den Blick auf das darunterliegende Kümmergemüse freigab. Auf dem Hof tum melten sich ein Hahn und eine Henne. Zwei magere Rinder standen in den Ställen. Die Tatsache, daß es sich um zwei Bullen han delte, war Pellury zu spät aufgefallen, daher hatte er seinen Plan, einen Molkereibetrieb eröffnen zu können, ebenso in den Wind schreiben müssen wie sein Vorhaben, eine
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Rinderzucht zu betreiben. Der wesentlich umfangreichere Bestand an anderem Geflü gel hatte nach und nach den Weg durch Pel lurys Magen genommen. Diesen absonderlichen Betrieb bewirt schafteten Pellury und Cerrosh gemeinsam, wenn auch ohne sonderlichen Erfolg. Auch mit dem Sklavenhandel war es nicht weit her – nur ab und zu gelang es Pellury, beim Kartenspiel genügend Geld zu gewinnen, um wieder für kurze Zeit als Händler aktiv werden zu können. War es ihm dann gelun gen, einen Sklaven preiswert zu erwerben und gegen gutes Geld wieder abzustoßen, gab Pellury ein Fest – mit dem Erfolg, daß er am Morgen nach dem Fest einen leichten Beutel und einen schweren Kopf hatte. »Ich würde sagen, wir legen ihn in die Sonne!« meinte Pellury und ließ den er schöpften Ra langsam zu Boden gleiten. »Wenn die Sonne den Dreck getrocknet hat, kann man ihn leichter abschaben! Haben wir noch Lebensmittel im Haus?« Cerrosh beantwortete die Frage so, wie er sie verstand; bedauernd sagte er: »Es ist noch ein Krug Schnaps da, aber zur Not kann Ra ja auch ein Stück Brot es sen!« Ra war nur halb bei Bewußtsein, aber er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, als er Cerrosh hörte. Dann schlief er ein.
* Ra erwachte von dem Lärm, der aus dem Innern des Hauses drang. Langsam richtete er sich auf; neben ihm lag ein großes Stück Brot, das er mit großem Appetit verspeiste. Anschließend wusch er sich am Brunnen und stillte seinen Durst. Mit Fußtritten verscheuchte er das vierbeini ge Geflügel, das ihn umschwärmte und nach seinen Beinen pickte. Ra überlegte kurz; jetzt bot sich ihm eine Chance, unauffällig zu verschwinden. Aber ihm wurde klar, daß ihm dies wenig genutzt hätte, daher verließ er den Hof und trat in das Innere des Hauses. Die Tür kreischte in
den Angeln, als er in den großen Wohnraum trat. Acht Männer hielten sich im Zimmer auf, außer Pellury und Cerrosh; der alte Sklave war mit dem verantwortungsvollen Amt ei nes Mundschenks betraut worden und nahm seine Aufgabe sehr ernst. Bevor er ein schenkte, pflegte er sich sehr gründlich zu vergewissern, daß keine Fremdkörper in den Schnaps geraten waren. »Ist das der Knabe?« fragte einer der Männer, ein rotbärtiger Riese mit einer großen Stirnnarbe. »Könnte einen netten Preis bringen – du müßtest nur warten, bis die Striemen an seinem Körper verheilt sind. Was kann er eigentlich?« Pellury zuckte mit den Schultern. »Mehr als seinen Namen kenne ich nicht«, gestand er unumwunden, »er nennt sich Ra – was er kann, werde ich schon her ausfinden!« Ra setzte sich in eine Ecke und schwieg, während sich Pellury wieder mit seinem Spiel beschäftigte und Cerrosh die Runde mit Getränken versorgte. Kartenspiele kannte Ra nur aus den Infor mationen, die er Darmigon verdankte, in der Praxis hatte er noch nie Karten in der Hand gehalten. Daher wandte Ra nach kurzer Zeit seine Aufmerksamkeit dem Spiel zu, und seine geschärften Augen sahen manches, was den Mitspielern entging. Er bemerkte, daß zwei der Spieler offensichtlich zusam menarbeiteten – einer konnte offenbar be sonders gut spielen, der andere vorzüglich mischen. Es war nur natürlich, daß einer der beiden sicher gewann, wenn der zweite Mann die Karten verteilte. Pellury war zwar ein geschickter Spieler, aber er war bereits zu bezecht, um die offe nen Manipulationen zu bemerken. Oben drein gewann er sehr oft – vor ihm auf dem Tisch lag ein beträchtlicher Geldhaufen. So war es Pellury, der die Einsätze in die Höhe trieb und immer riskanter spielte. Langsam begann sich das Blatt zu wen den. Pellury verlor sechsmal hintereinander mittlere Beträge, war dann mit einem ertrag
Der Sklavenmarkt reichen Spiel erfolgreich und verlor an schließend wieder. Er bemerkte nicht, wie er hereingelegt wurde; Pellury nahm an, mit Freunden zu spielen, und das schläferte seine Wachsam keit ein. Aber Ra bemerkte sehr wohl, daß man Pellury immer wieder mit hohen Ge winnen köderte, die allerdings seine voran gegangenen Verluste nicht wieder ausglei chen konnten. Ra wußte nicht, ob es richtig war, aber er entschloß sich zum Eingreifen. Völlig ruhig erkundigte er sich bei dem Betrüger, warum er mal die Karten von oben verteilte, mal die Karten aus dem unteren Teil des Päckchens ausspielte. Der Mann sprang auf und sah Ra wutentbrannt an. »Höre, Pellury«, sagte er wütend. »Ich ha be keine Lust, mich von deinen Sklaven be leidigen zu lassen!« Auch Pellury war aufgestanden; sein Ge sicht rötete sich vor Zorn. »Ich hatte geglaubt, wir würden hier ein ehrliches Spiel unter Freunden spielen«, sag te er drohend. »Und mir dämmert langsam, daß ihr versucht habt, mich auszunehmen!« Die unbeteiligten Spieler versuchten Pel lury zu beruhigen; in dieser Zeit griff einer der Falschspieler langsam in die Tasche. Als die Hand wieder zum Vorschein kam, schimmerte darin die Klinge eines Klapp messers. Ra griff nach einer leeren Flasche, zielte und warf; das Geschoß traf den Mann mit dem Messer an der Hand. Der Mann schrie auf, daß Messer fiel zu Boden und bohrte sich mit der Spitze in den Holzfußboden. Ungläubig starrte Pellury auf das wippen de Messer, dann zuckte seine Rechte hoch und traf den Falschspieler am Kinn; der Mann stürzte rücklings zu Boden und riß da bei einen weiteren Spieler mit sich. Cerrosh hob seinen Knüppel und drosch ihn auf den Schädel des zweiten Betrügers. Es entspann sich eine wüste Schlägerei, an der sich Ra mit größtem Vergnügen be teiligte. Was die anderen Spieler bewogen haben mochte, sich in den Streit einzumi
41 schen, interessierte ihn nicht – er sah nur, daß seine Retter sehr energisch attackiert wurden, und dementsprechend handelte Ra. In kurzen Abständen griff er in das Knäuel der Männer, das auf dem Boden zuckte und zappelte; Ra holte sich einen der Männer heraus, um ihn nach einem wuchtigen Faust hieb in das Knäuel zurückzubefördern. Daß auch der alte Cerrosh dabei unsanfte Be kanntschaft mit Ras Fäusten machte, war seine eigene Schuld – ein Mann in seinem Alter, überlegte sich Ra, hatte in einer Keile rei nichts zu suchen. Daher legte Ra den be wußtlosen Cerrosh sorgfältig beiseite, bevor er wieder eingriff. Pellury ging ganz im Kampf auf; seine Augen leuchteten, und er gab Begeisterungs schreie von sich, wenn seine Faust irgendei nen Mann in die Magengrube traf oder an ei nem Kinn landete. Im Chaos der Auseinan dersetzung zerlegte sich das Mobiliar ziem lich rasch in seine Einzelteile – um wenig später als Waffe neue Verwendung zu fin den. Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis die Schlacht ein Ende fand. Zum Schluß blieben nur noch Pellury und Ra übrig und schüttel ten sich über den zerbleuten Körpern ihrer Gegner die Hände. »Gut gemacht!« gratulierte Pellury und dehnte die Glieder; vorsichtig betastete er ei ne faustgroße Beule auf seiner Stirn und grinste zufrieden. »So eine Keilerei ist eine wahre Wohl tat!« knurrte er. »Sie hält Körper und Geist in Schwung!« Er schob die leblosen Körper seiner Geg ner mit dem Fuß aus der Tür; über Bohrt hingen dichte Gewitterwolken – der Guß würde die Männer nachdrücklich wieder ins Leben zurückrufen. Dann suchte Pellury in den Trümmern seiner Einrichtung herum; er stieß ein Freudengebrüll aus, als er gefunden hatte, was er suchte – eine dickbäuchige Fla sche mit einem scharf riechenden Inhalt. Ge nußvoll setzte Pellury die Flasche an die Lippen und nahm einen gewaltigen Schluck. Dann setzte er die um ein Viertel geleerte
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Flasche ab, rülpste genußvoll und gab die Flasche an Ra weiter. »Trink!« ermunterte er Ra. »Du hast es verdient!«
8. Der nächste Morgen fand Ra in einem völlig desolaten Zustand. Selbst im Kerker von Geront te Dannert hatte sich Ra nicht so elend gefühlt. Völlig entgeistert sah Pellury auf seinen Sklaven herab und schüttelte den Kopf. »Heilige Galaxis!« seufzte er. »Was ist denn das für ein Mann – kaum einen Liter getrunken, und schon führt er sich auf wie ein Sterbender!« Cerrosh, der seinen Rausch und seine Be täubung gleichfalls gut überstanden hatte, war nicht minder verwundert. »Diese Burschen heutzutage halten über haupt nichts mehr aus!« schimpfte der Alte. »In meiner Jugend hätten wir uns geschämt, derartig wehleidig herumzulaufen!« Ra stöhnte dumpf und versuchte die Nachwirkungen des Rausches zu verscheu chen; der Dämon des Donners schien in sei nem Schädel zu wüten, während kleine, un sichtbare Männlein den restlichen Körper zwickten und kniffen. Vor seinen Augen tanzten schillernde Blasen; das Licht der Sonne schmerzte, und jedes Geräusch schien im Innern seines Kopfes tausendfältig ver stärkt zu werden. »Los, aufstehen!« schrie Pellury Ra an. »Wir haben keine Zeit zu verlieren – heute ist Markttag, und ich muß noch einen Käufer für dich finden!« Ra sackte zusammen, als habe er einen Hieb auf den Kopf erhalten. Wieder eine Hoffnung weniger, dachte er. Auf der anderen Seite konnte er Pellury verstehen. Der Mann war arm – Menschen freundlichkeit konnte er sich nur in sehr be grenztem Umfang leisten. Für Pellury gab es keine andere Möglichkeit, das Problem eines zusätzlichen Essers zu lösen. Ra lächelte schwach und richtete sich auf;
er lag auf dem Hof des Händlers, neben ihm plätscherte der Brunnen. Ra kam auf die Fü ße und steckte den Kopf unter das kalte Wasser. Langsam kehrten seine Lebensgei ster zurück. Dann folgte er mit langsamen Schritten Pellury und Cerrosh; Ras Blick war auf den Boden gerichtet, sein Nacken gebeugt. Für kurze Zeit war Hoffnung in ihm aufgekeimt – Pellury schien ein einigermaßen anständi ger Kerl zu sein; ein Leben mit ihm hätte Ra noch verkraftet. Es bot unter Umständen so gar die Chance, Mervgon wieder zu verlas sen. Nun war auch diese Aussicht zunichte gemacht. Ra fühlte sich zu elend, um über seine Zu kunft nachzudenken. Seit Darmigon diesen Planeten angeflogen hatte, war Ra zwischen Hoffnung und Verzweiflung hin und her ge rissen worden. Auf jede gute Aussicht war wenig später ein um so größeres Tief gefolgt – es war besser, sich überhaupt keine Hoff nungen mehr zu machen. Innerlich schwor sich Ra, in Zukunft alles schweigend über sich ergehen zu lassen und nicht mehr den Mund aufzumachen. »He, Pellury!« schrie eine ältere Frau; sie lehnte auf dem Fensterbrett einer Gastwirt schaft. »Hast du ein Geschäft vor? Wenn du erfolgreich bist, dann schau doch mal bei mir vorbei. Ich habe frischen Vurguzz – einen so guten kriegt nicht einmal Orbana schol zu trinken!« »Ich werde es mir merken!« rief Pellury fröhlich zurück. »Ich habe lange nichts mehr getrunken und daher einen mörderischen Brand in der Kehle!« Cerrosh grinste, als er Pellurys Worte hör te. Lange nichts mehr getrunken – das be deutete bei einem Mann wie Pellury, daß er gerade sein Glas geleert hatte. »Einverstanden!« schrie die Frau zurück. »Ich werde dir einen Platz freihalten. Wenn du es endlich schaffst, den alten Cerrosh zu Geld zu machen, spendiere ich sogar einen Krug!« »Verdammte alte Hexe!« schimpfte Cer rosh, über soviel Undank entrüstet. Immer
Der Sklavenmarkt hin war er einer der Konsumstützen der Kneipe. Auch einige andere Händler begegneten Pellury und klopften ihm freundschaftlich die Schulter, als sie sahen, daß er nach lan ger Zeit wieder einmal einen Sklaven zum Verkauf anbot – immerhin bedeutete dies für sie wieder einmal ein Fest. Und Pellurys Fe ste waren anschließend für Wochen Ge sprächsstoff für die ganze Stadt. Noch heute sprach man gelegentlich von dem Abend vor acht Jahren, als es Pellury gelungen war, auf einen Schlag gleich zehn Sklaven zu verkaufen. Das Fest hatte eine geschlagene Woche gedauert, drei Tote und einhundertzehn Verletzte gefordert – und der absolute Gipfel war erreicht worden, als Pellury eine wohlgelungene Karikatur Shrill Opranns auf die große Drehscheibe malte, und das mit einer Farbe, die nachts leuchtete und erst nach einem Jahr völlig verblichen war. Seinerzeit hatte Oprann all seinen Ein fluß aufgeboten, um Pellury vernichten und die Farbe entfernen zu lassen – beides war ihm unter dem Hohngelächter der Einwoh ner von Bohrt mißlungen. Auch Pellury dachte an dieses Fest, als er mit Ra und Cerrosh zur Drehscheibe pilger te. Seither hatte er sich gehütet, noch einmal mit Oprann zusammenzustoßen – inzwi schen war Opranns Einfluß beträchtlich ge wachsen; diesmal würde er keine Schwierig keiten haben, Pellury aus dem Weg zu räu men. Am sich verstärkenden Straßenlärm war unschwer zu erkennen, daß sich die drei un gleichen Gestalten dem großen Sklaven markt näherten. Insgesamt führten zwölf breite Straßen auf den großen Platz; an den Einmündungen saßen die Kontrolleure der zentralen Händlervereinigung. Sie trieben die Gebühren ein, die fällig wurden. Von den Gebühren wurden die Aufseher bezahlt und andere Dienstleistungen, die für die Händler auf dem Markt erbracht wurden. Der weitaus größte Teil dieser Gebühren wanderte natürlich in die Taschen der ganz großen Händler, die die zentrale Vereini
43 gung kontrollierten; die kleinen Händler wa ren untereinander viel zu zerstritten und wä re selbst in ihrer Gesamtheit zu schwach ge wesen, um sich gegen diese Form der Er pressung zu wehren. »Beutelschneider!« nannte Pellury, dieser Tatsachen eingedenk, den Mann an dem großen Tisch, auf dem sich die Goldstücke stapelten. »Hier hast du dein Geld!« Wütend warf Pellury die Münzen auf den fleckigen Tisch; es war nahezu der ganze Rest seiner Barschaft – wenn es ihm nicht gelang, Ra zu Geld zu machen, sah es ziem lich übel für Almo Pellury aus. Der Kontrolleur grinste Pellury boshaft an, dann stapelte er die wenigen Münzen vor sich auf und legte sie zu den übrigen Hau fen. Niemand sah, wie er fingerfertig einige größere Münzen von den Stapeln verschwin den ließ und unter dem Tisch Cerrosh in die Finger schmuggelte. Pellury hatte sich schon immer gewundert, woher sein Sklave immer wieder Geld bezog – er hatte nie erfahren, daß der Kontrolleur an dieser Einmündung der Enkel seines alten Cerrosh war und sei nen Großvater recht häufig mit Geld versah. »Gute Geschäfte!« wünschte der Kontrol leur; er grinste Pellury an. »Wenn es dir ge lingt, das alte Skelett endlich zu verkaufen, zahle ich dir eine Prämie!« Pellury murmelte einen Fluch, dann ging er weiter; Ra und Cerrosh folgten, wenn auch mit unterschiedlichen Gefühlen. Der alte Cerrosh freute sich auf jeden Markttag. Er war sich sicher, keinen Abnehmer zu fin den. Er liebte die Dialoge mit den anderen Händlern, die spöttischen Bemerkungen, die er mit gleicher Münze heimzahlte; keiner der alteingesessenen Händler wäre so dumm gewesen, Cerrosh zu kaufen – wozu auch? Wenn Cerrosh unverkäuflich blieb, war al len Beteiligten ein billiges Vergnügen gesi chert. So war es nicht verwunderlich, daß Cer rosh ziemlich vergnügt auf die Drehscheibe stieg und seinen Stammplatz einnahm; ne ben ihm kletterte Ra langsam auf die Schei be und hockte sich auf ein Podest.
44 »He, Leute!« begann Pellury sein Ver kaufsgeschrei. »Wer braucht einen erstklas sigen Sklaven, geschickt und stark, zuverläs sig und mutig …« »… sehr jung und gutaussehend!« setzte ein anderer Händler sein Geschrei fort. »Hahaha, das ist die beste Verkaufsrede, die du bis jetzt für das alte Klappergestell ge funden hast!« »Dich anzupreisen wäre eine wesentlich schwierigere Aufgabe!« gab Cerrosh grin send zurück, während Pellury protestierte: »Ich meine nicht den alten Cerrosh, du Tropf – ich meine den Barbaren!« Der Händler zog verwundert die Brauen in die Höhe, dann musterte er Ra. »Er sieht nicht schlecht aus«, meinte er überlegend. »Dreh dich einmal um, Bur sche!« Ra stand langsam auf und drehte dem Mann den Rücken zu; sein Gesicht war wie versteinert. In einiger Entfernung wurden exotische Sklaven feilgeboten; Ra erkannte die Gestalt eines Torvters, der sich in diesem Augen blick ebenfalls umdrehte. Ra konnte nicht erkennen, wer dieser Torvter war, aber der Insektoide hatte wesentlich schärfere Augen. »Ra!« zirpte Schlingo; er riß sich von sei nem Wärter los und rannte auf Ra zu. »Ich bin froh, daß du noch lebst!« »Verdammter Torvter!« schrie einer der Wärter, der Schlingo nachgelaufen war. »Bleib auf deinem Platz – was fällt dir ein, hier herumzurennen!« »Schlingo!« sagte Ra leise; betroffen sah er auf die Wundmale, die sich auf Schlingos Körper abzeichneten. Der Torvter hatte für seine Freundschaft mit Ra teuer bezahlt. »Wie geht es dir?« »Hallo, wen haben wir denn da!« sagte plötzlich der Wärter. »Den verschwundenen Barbaren. He, stehengeblieben!« Ra rannte los; obwohl er genau wußte, daß es ihm nicht half, suchte er sein Heil in der Flucht. Hunderte von Händen streckten sich augenblicklich nach ihm aus; der Mann, der ihn endgültig zu Fall brachte, war nie
Peter Terrid mand anderer als Pellury. »Was fällt dir ein?« schrie er Ra an. »Bleib, wo du bist!« Aus einer Gruppe von Händlern löste sich eine Gestalt und kam langsam näher; Ra er kannte den Händler Shrill Oprann. Oprann grinste dünn, als er Ra erkannte. »Ich habe es geahnt«, sagte er halblaut. »Ich wußte, daß ich dich wiedersehen wür de!« Zu Pellury gewandt, fuhr er fort: »Lassen Sie den Sklaven los und ver schwinden Sie, Pellury. Dies ist mein Skla ve!« »Elender Gauner!« tobte Pellury. »Ich ha be ihn mitgebracht, wenn es Ihr Sklave wä re, müßte er doch Ihr Zeichen tragen!« »Sie wissen genau, daß ich nicht alle Sklaven sofort brenne«, versetzte Oprann kalt. »Ich kann ein halbes Dutzend von Zeu gen anführen, die jederzeit schwören wer den, daß mir dieser Mann von Sklavendie ben entführt wurde!« »Gekaufte Zeugen!« höhnte Pellury, der am Horizont eine Katastrophe heraufdäm mern sah; wenn es ihm nicht gelang, aus Ra Geld herauszuschlagen, konnte es sehr leicht sein, daß er selbst in einigen Tagen auf dem Podest stehen würde. »Ich weiß doch, wie Sie solche Streitigkeiten zu führen pflegen!« »Reden Sie keinen Unsinn, Pellury!« ent gegnete Oprann kalt. »Melden Sie sich mor gen bei mir – ich werde Ihnen einen anstän digen Finderlohn ausbezahlen lassen! Und jetzt ziehen Sie ab, Pellury, sonst werde ich ernsthaft böse!« »Verdammter Hund!« keifte Cerrosh, während Pellury ihn an der Hand faßte und hinter sich herzog. »Elender Betrüger, Ab grund der Bosheit, Halsabschneider …!« Oprann sah stirnrunzelnd hinter den bei den Männern her, dann winkte er einen sei ner Kampf Sklaven her. »Sorgt dafür, daß die beiden mich nicht noch einmal belästigen!« sagte er hart. »Und dann nehmt den Barbaren!«
*
Der Sklavenmarkt
45
»Er ist wertvoll, Kur Zammont!« bestätig te Oprann; er nahm einen großen Schluck aus dem Pokal, der neben seinem Sessel stand. »Ich weiß zwar nicht ganz genau, welches Geheimnis der Barbar mit sich her umträgt, aber ich bin sicher, daß es von Wert ist – von beträchtlichem Wert.« Oprann machte die Bewegung des Geld zählens und lächelte seinen Besucher auffor dernd an. »Was mache ich, wenn das einzige Ge heimnis des Barbaren für mich nicht von Wert ist«, wandte Terphis Kur Zammont ein. »Sie verkaufen ihn mit ähnlichen Worten weiter«, schlug Oprann freundlich vor. »Ich habe zuviel zu tun, um mich damit zu be schäftigen, den Barbaren zum Reden zu bringen. Was übrigens das Geheimnis be trifft – ich habe den Verdacht, daß es sich um den Stein der Weisen dreht, eine Angele genheit, die, wie Sie zugeben werden, auch für einen Mann meines Formats ein wenig zu gewaltig ist. Ich würde behaupten, daß dies eine Sache wäre, die Seine Erhabenheit Orbanaschol III sehr interessieren könnte!« Zufrieden stellte Oprann fest, daß dieser Hinweis seine Wirkung nicht verfehlte; der Händler wußte zwar, daß er gewaltig auf schnitt, aber das störte ihn nicht. Oprann hatte keine Lust mehr, sich länger mit Ra herumzuärgern, und er versuchte jetzt, den lästigen Sklaven mit größtmöglichem Ge winn wieder loszuwerden. Daher sein Hin weis auf den sagenumwobenen Stein der Weisen. Opranns Gegenüber nickte nach gerau mem Nachdenken; wenig später hatte Oprann für den Barbaren einen Preis heraus geschunden, der beträchtlich über dem Kaufpreis lag, den Oprann für Ra gezahlt hatte.
9. Ich hörte mir Ras Bericht mit steigender Spannung an, und während der Barbar sprach, begriff ich, warum Ra bisher so hart
näckig geschwiegen hatte. Es war kein Wunder, daß ein Mann nach solchen Erleb nissen buchstäblich die Sprache verlor. Ra richtete sich auf; sein dunkles Haar war von Schweiß verklebt – seine in Trance abgegebenen Erklärungen hatten ihn sicht lich erschöpft. Ra sah mich an; er lächelte schwach. »Den Rest kennt ihr!« sagte er erschöpft. »Terphis Kur Zammont kaufte mich und versuchte, mich zu Orbanaschol zu bringen – und dann kamt ihr!« »Er wird von jetzt an ungehemmt spre chen können!« signalisierte mein Extrahirn. »Das Schweigen des Barbaren hat ein Ende gefunden!« Wenn das stimmte, und ich hatte keinen Zweifel daran, war ich nun um einen erst klassigen und zuverlässigen Mitstreiter rei cher. Ich reichte Ra meine Hand, die er ernst ergriff und schüttelte; dann schlug ich ihm auf die Schulter. »Willkommen!« sagte ich laut. Auch die anderen Männer drängten sich heran; man sah ihnen an, daß sie sich dar über freuten, daß Ra nicht länger schwieg. Sie schlugen Ra auf die Schulter, bis er fast in die Knie brach – er revanchierte sich mit gleicher Münze und grinste dabei über das ganze Gesicht. Ra löste sich aus der Gruppe und trat auf mich zu. »Wir werden Ischtar zusammen suchen, nicht wahr?« fragte er halblaut. »Ich verspreche es dir!« antwortete ich.
* Langsam entfernte sich die KARRETON aus dem Bereich des Dreißig-Plane ten-Walls. Noch hatte das Schiff nur geringe Fahrt – es war noch nicht soweit, daß die Maschinen zum Sprung hochgefahren wer den konnten. Morvoner Sprangk und die ganze Astronomische Abteilung arbeiteten fieberhaft daran, die dürftigen Angaben aus zuwerten, die wir der Silberkugel entnom men hatten. Ich war mir sicher, daß dort ein
46 weiterer Hinweis auf den Stein der Weisen zu finden war – mehr wahrscheinlich nicht. Ich hatte mich zur Ruhe gelegt, um mich von den Strapazen der letzten Tage zu erho len. Als ich erwachte und auf meine Uhr sah, mußte ich feststellen, daß ich fast vier zehn Stunden lang geschlafen hatte. Ich fühlte mich frisch und ausgeruht, gerüstet für neue Abenteuer. Ich stand gerade unter der Dusche, als der Interkom sich meldete. »Es wird langsam Zeit, daß wir nach dem Magnetier sehen!« meinte Fartuloon. »Nach meiner Schätzung mußte der Schulungsvor gang unter der Hypno-Haube bald beendet sein!« Ich steckte den Kopf unter das Wasser, um den letzten Rest des Haarwaschmittels herauszuspülen. Leicht besorgt sah ich auf die fast geleerte Tube – es würde schwer werden, neue Vorräte zu beschaffen. Wenn es sich ohne Gefahren erreichen ließ, würde ich versuchen, mehr von dem vorzüglichen Pflegemittel zu besorgen – auch Kristall prinzen sind gelegentlich ein wenig eitel. »Ich bin gespannt, was der Magnetier nach dem Erwachen sagen wird!« bemerkte ich, sobald ich den Kopf wieder gehoben hatte. Fartuloon sah grinsend zu, wie ich mich frisierte und den Bart entfernte. »Vermutlich wird er dir um den Hals fal len und dir Küßchen geben!« prophezeite der Bauchaufschneider. Ich begann zu lachen; Zärtlichkeiten von einem bärenstarken Magnetier waren das letzte, wonach ich mich sehnte. Vorry besaß Kräfte, mit denen sich nur noch Arbeitsro boter messen konnten. Ich zog mich rasch an, dann eilte ich in die Medo-Abteilung, wo der Magnetier noch immer unter der Hypno-Haube lag. Neugie rig sah ich zu, wie Fartuloon behutsam die Verbindungen zum Schädel des Magnetiers löste. Er war sich bewußt, daß er dabei kei nen Fehler machen durfte – schon bei einem Arkoniden konnten Fehler gefährlich sein, wieviel mehr bei dem völlig anders gearte ten Magnetier. Immerhin ließ seine Konsti
Peter Terrid tution vermuten, daß er erheblich größere Belastungen ertragen konnte als normale Bewohner dieser Galaxis. Ich sah, wie langsam wieder Leben in Vorry kam; sein Kopf drehte sich zu mir herum, dann verzerrte er seine Sprechöff nung. »Hallo, alter Haudegen!« begrüßte er mich. »Du siehst ganz schön klapprig aus!« Ich schluckte; wenn die Begrüßung schon so verlief, wie mochte sich der Magnetier sonst verhalten. »Und wer ist dieser Hampelmann an dei ner Seite?« wollte Vorry wissen; er stand auf und verließ den Sessel – beziehungswei se das, was von dem kostbaren Sitz noch vorhanden war. Ich wußte nicht, ob der Ma gnetier sich mit Absicht dumm stellte, je denfalls bewegte er sich ungeschickt – an schließend stand der Sessel stark zur Seite geneigt im Raum. Der Hampelmann – damit war offenkun dig Fartuloon gemeint, stand starr vor Entrü stung, während hinter mir Morvoner Sprangk laut auflachte. Er lachte nicht lange, denn Vorrys nächste Bemerkung galt ihm – der Magnetier legte eine Sprache an den Tag, daß altgediente Raumfahrer erröten mußten. Den Gipfel seiner Freundlichkeiten bewies er, als er sich bei einem Arzt bedank te und dem armen Mann bei dieser Gelegen heit zwei Finger brach. Ich sah, wie Vorry erstarrte, ganz langsam auf sein Opfer zuging und ihm die Hand auf die Schulter legte. »Verzeih mir«, sagte der Magnetier leise; ich war erstaunt, wie leise der Magnetier sprechen konnte. Bislang kannte ich nur Äu ßerungen in Brüllautstärke von ihm. »Das habe ich nicht gewollt!« Der Arzt lächelte gequält, dann antwortete er ebenso leise. »Macht nichts – das läßt sich wieder be heben! Solange du mit uns glimpflicher um gehst als mit unseren Gegnern, wird es sich aushalten lassen!« Der Magnetier brach in ein Gelächter aus, das einige Glasgefäße zerbersten ließ.
Der Sklavenmarkt »Das verspreche ich dir!« brüllte er; erst in letzter Sekunde verzichtete er darauf, dem Arzt in seiner Begeisterung die linke Schul ter zu zertrümmern. Wir verließen mit einem Magnetier die Medo-Sektion, der sich mit größtem Ver gnügen damit beschäftigte, sämtliche neu gelernten Kraftausdrücke und Flüche auszu probieren, und mit dem Resultat seiner sprachlichen Übungen sichtlich zufrieden war. »Ich freue mich, bei euch zu sein!« mein te Vorry lautstark. »Ich könnte vor Freude das ganze Schiff zertrümmern – etwa so!« Er schlug mit der Faust durch eine zenti meterdicke Stahlwand, klammerte seine Fin ger um eine Leitung und zog sie durch das Loch, das er geschlagen hatte. Entsetzt er kannte ich einen der wichtigen Hauptstränge des Interkoms – vermutlich würde es Stun den dauern, diesen Schaden zu beheben. »Vorry«, sagte ich betont sanft. »Wir wis sen, wie stark du bist – es ist durchaus nicht nötig, uns deine Stärke so oft vorzuführen!« »Mir macht es Spaß!« kicherte der Ma gnetier. »So ein Schiff ist eine verdammt gu te Möglichkeit, meine verdammt großen Kräfte verdammt gut zu trainieren, ver dammt nochmal!« Während dieser Äußerung verknotete er das Kabel, das er beiläufig aus der Wand ge zogen hatte; die langen Überschlagsblitze schienen ihn besonders zu begeistern. Hinter mir kicherte Morvoner Sprangk – der Ma gnetier rückte langsam aber sicher zum neu en Liebling der Besatzung auf. Ich bemerkte auch, daß bei zufällig vorbeikommenden Besatzungsmitgliedern sich die Gesichter immer wieder verzogen – je nach Tempera ment. Als Vorry allerdings begann, die un bestreitbaren körperlichen Vorzüge einer Technikerin in allzu drastischen Worten zu beschreiben, machte sich eine leichte Miß stimmung bemerkbar – das betreffende Mädchen jedenfalls verabreichte dem Ma gnetier eine Ohrfeige, die einen normalen Mann von den Beinen gefegt hätte. Vorry grinste das Mädchen nur an.
47 »Sie mag mich!« stellte er selbstsicher fest. »Sie könnte kleinen Magnetieren eine gute Mutter sein!« Sichtlich genoß Vorry das aufbrandende Gelächter; die allgemeine Heiterkeit legte sich erst, als wir die Zentrale betraten, wo Ra und einige andere Männer auf uns warte ten. Ein Astrogator eilte auf Morvoner Sprangk zu und übergab ihm eine schmale Karte, die Morvoner rasch überflog. Strah lend wandte er sich zu mir um. »Wir haben etwas gefunden!« berichtete er mit sichtlichem Stolz. »Fartuloons Anga ben haben uns entscheidend weitergeholfen. Nach allem, was wir wissen, handelt es sich bei dem Bild in der Silberkugel um eine Pro jektion des Eppith-Systems. Dort müssen wir weitersuchen!« »Und zwar rasch!« ergänzte Fartuloon grimmig. »Orbanaschol könnte uns zuvor kommen, und was das bedeutet, brauche ich wohl niemandem zu erzählen!« Morvoner Sprangk nahm auf seinem Ses sel Platz und erteilte mit ruhiger Stimme sei ne Befehle. Langsam begann sich die KAR RETON in Bewegung zu setzen, wir ent fernten uns aus dem System des Dreißig Punkte-Walls, das für uns beinahe zur To desfalle geworden war. Während das Schiff Fahrt aufnahm und sich auf den Sprung durch den Hyperraum vorbereitete, musterte ich meine Gefährten. Fartuloon, mein väterlicher Freund und Leh rer, in seiner malerischen Kleidung mit dem Skarg; Morvoner Sprangk, der treu und zu verlässig die KARRETON flog; dann Ra, der Barbar, dessen Geheimnisse sicherlich noch nicht vollständig bekannt waren. Und der Magnetier, aus einem Ei geboren, das nicht aus unserer Galaxis stammte. Unter uns dröhnten die Maschinen der KARRETON, die das Schiff mit ständig wachsender Geschwindigkeit vorwärtsstie ßen. Ich kannte das Geräusch zu gut und zu lange, um es nicht völlig überhören zu kön nen. Mir fiel auf, daß der Lärm der Maschi nen noch ein anderes Geräusch enthielt – dieser Klang war wesentlich schwächer,
48 aber für ein geschultes Ohr deutlich ver nehmbar. Daß ich mich nicht täuschte, be wies mir Ra, der sich aufrichtete und kon zentriert lauschte. »Verdammt!« knurrte plötzlich ein Mann an den Kontrollen. »Sprangk, sehen Sie sich einmal die Instrumente an!« Morvoner beugte sich leicht vorwärts und gab ein unwilliges Brummen von sich. Er trat näher und warf einen Blick auf die An zeigen. Der wilde Tanz der Zeiger bedeutete kurzgefaßt, daß wir in einen beträchtlichen magnetischen Sturm hineinflogen. Sprangk sah über die Schulter hinweg zu mir auf und zog die Brauen zusammen. »Sollen wir beidrehen und einen anderen Kurs programmieren?« fragte er kurz. »Oder wagen wir es, einfach durch den Magnet sturm zu fliegen?« »Keine Kursänderung!« machte sich Far tuloon bemerkbar. »Wir müssen Zeit spa ren!« »Wenn uns der Magnetsturm in Stücke reißt«, konterte Morvoner Sprangk, »werden wir überhaupt keine Zeit mehr haben. Dann sind wir nämlich tot!« »Wenn sich dieser Todesfall«, meinte Fartuloon bissig, »nur auf die Sprechwerk zeuge einiger Anwesender beschränkte, könnte man derlei sogar als vorteilhaft anse hen!« »Donnerwetter!« staunte Morvoner Sprangk. »So etwas von Selbstkritik habe ich noch nicht erlebt!« Ich grinste still in mich hinein; solange in kritischen Situationen noch solche Dialoge aufkamen, war es um uns gut bestellt. Ich wäre erst stutzig geworden, wenn die Män ner sich nur noch tiefernst unterhalten hät ten. Während Fartuloon nachdenklich Sprangk betrachtete und mit dem Daumen die Schär fe des Skargs prüfte, aktivierte Morvoner die Rettungsautomatik seines Sitzes. Im Gefah renfall würden sich innerhalb weniger Zehn telsekunden Gurte über seinen Körper span nen und verhindern, daß er kopfüber in dem
Peter Terrid großen Panoramaschirm verschwand, wenn es zu Erschütterungen des Schiffskörpers kam. Die Heiterkeit, die der Wortwechsel zwi schen Sprangk und Fartuloon hervorgerufen hatte, wich schlagartig. Rasch eilten die Männer auf ihre Positionen. Ein leises Knistern war zu hören, das sich langsam verstärkte und lauter wurde. Ich sah, wie der Magnetier die Augen verdrehte – was für uns lebensgefährlich werden konn te, schien für Vorry ein gefundenes Fressen zu sein – und das buchstäblich. Magnetstürme dieser Art waren nichts Ungewöhnliches, aber man konnte vorher nie sagen, in welcher Stärke die Stürme über ein Schiff hereinbrachen. Ich hatte Schiffe gesehen, die von den magnetischen Feldern förmlich zerquetscht worden waren; in diesen Fällen hatte kein Mitglied der Besatzung überlebt. Und von etlichen Schiffen, die nach ihren Starts spur los verschwunden waren, wurde allgemein vermutet, daß sie solchen Magnetstürmen zum Opfer gefallen seien. Immerhin: die KARRETON war ein vorzügliches Schiff, besaß einen hervorragenden Kommandan ten, und von hundert Magnetstürmen war in der Regel nur einer, der ein Schiff gefährden konnte. Von meinem Sitzplatz aus kontrollierte ich die Stärke der Feldschirme, in die sich die KARRETON gehüllt hatte. Solange die Schirmfelder stabil waren, bestand keine Gefahr. Und noch wiesen die Kontrollen ei ne Belastung von nur wenigen Prozent auf.
* Peret Ris war der Maschinenkontrolle zu geteilt worden; seine Aufgabe bestand darin, die Energiezufuhr zu den Schirmprojektoren zu überwachen. Es war dies einer der Berei che, die nicht nur von Positroniken kontrol liert wurden. Jahrtausende arkonidischer Schiffsbaukunst hatten eines bewiesen – selbst eine zehnfache Sicherung durch Auto matrechner, positronische Kontrollen und
Der Sklavenmarkt elektronische Schaltungen wog letztlich den Instinkt eines erfahrenen Raumfahrers nicht auf. Schaltungen funktionieren entweder ganz oder überhaupt nicht. Eine positroni sche Ladekontrolle ist entweder exakt oder ausgefallen – ein bißchen richtig oder falsch gibt es für Mechanismen nicht, die nach den strengen Regeln der Mathematik konstruiert werden. Nur lebende Wesen konnten im Gefahrenfall improvisieren, dem Gefühl nach Energie auf die Schirmfelder legen oder abziehen. Natürlich konnte bei diesem Verfahren aller lei passieren; über den Daumen gepeilte Werte waren niemals so exakt wie positroni sche Berechnungen. Aber es waren immer hin Werte – beim Ausfall der Rechner stell ten die Maschinen einfach ihre Arbeit ein. Ris hatte einige Jahre Raumerfahrung auf dem Buckel, aber bisher war er noch nie be ansprucht worden. Immerhin hatten die gründlichen Tests ergeben, daß er für diesen Fachbereich der beste Mann war. Ris hatte sich damit zufriedengegeben. Er hatte die Beine auf das halbkreisförmig konstruierte Schaltpult gelegt und schmöker te; neben ihm lagen auf dem Pult einige wei tere Bücher. Niemand an Bord der KARRE TON konnte sich erinnern, Ris je ohne ir gendeine Form von Literatur gesehen zu ha ben. Während Ris eine mäßig spannende Raumfahrererzählung verschlang, hob er im mer wieder den Kopf und warf einen Blick auf die Instrumente. Ris fühlte sich versucht, den Roman in die Ecke zu feuern, aber er las weiter. Ris gehörte zu jener Sorte von Leu ten, die das, was sie bezahlt haben, auch zu sich nehmen – ob es ihnen gefällt oder nicht; noch nie hatte er in einem Speiselokal etwas auf dem Teller zurückgelassen, selbst in Fäl len nicht, in denen sich sein Gedärm in Kno ten zu legen drohte. Mit sich langsam stei gernder Wut blätterte Ris weiter. Der Held des Romans war gerade damit beschäftigt, einen Planeten in einem Schwarzen Loch zu untersuchen; daß derar tige Sterne eine Anziehungskraft hatten, die
49 so stark war, daß nicht einmal Lichtstrahlen entweichen konnten, schien den Autor der Fabel nicht weiter zu stören. Ris schüttelte fassungslos über soviel Dummheit den Kopf, gleichzeitig überflog er seine Instru mente. Das Buch landete in einer Ecke des Raumes; Ris konzentrierte sich ganz auf sein Pult. Die Belastungsanzeige der Schirmfeld projektoren war auf fünfzig Prozent geklet tert; Ris schaltete sich vorsichtshalber in die Bordkommunikation ein. Er wollte wissen, was für diese Belastung verantwortlich war – Gefechtsalarm war nicht gegeben worden. »Ein Magnetsturm!« stellte Ris fest und verzog das Gesicht. »Das kann heiter wer den!« Peret Ris wußte, was für ihn zu tun war. Die magnetischen Feldlinien würden die Schirmfelder zusammenpressen, gelang ih nen das, wurde die KARRETON zer quetscht. Ris hatte dafür zu sorgen, daß die Projektoren immer mit genügend großen Energiemengen beliefert wurden – woher er diese Energien nahm, war seine Entschei dung. Noch hatte Ris Zeit. Er überflog seine Kontrollen und die Schaltpläne, dann machte er sich an die Ar beit. Es gab etliche tausend Geräte an Bord des Schiffes, die ihre Arbeitsenergien aus den großen Reaktoren bezogen. Die kleinen Wassererhitzer für die Duschen gehörten ebenso dazu wie Kühlanlagen der Bordkü chen, Klimaanlagen und Bordbeleuchtung. Nach wenigen Minuten hatte Ris einen aus reichend erscheinenden Vorrat an Energie zusammengeschaltet. Einige Großreaktoren ließ er unangetastet – sie waren zur Schiffs führung unerläßlich. Ansonsten hatte Ris ge sammelt, was nicht von lebenswichtiger Be deutung war. Während Ris arbeitete, kletterte die Bela stungsanzeige auf sechzig; gleichzeitig be gann das Schiff in seinen Verbänden zu knacken. Ris stülpte sich die Kopfhörer über – in dem Lärm der Maschinen hätte er die
50 Stimme des Kommandanten nicht mehr wahrnehmen können. Immer noch kletterte die Belastung der Schirmfelder weiter; als die Projektoren mit achtzig Prozent ausgelastet waren, schaltete Ris die ersten Zusatzreaktoren auf die Zu führung zu den Schirmfeldprojektoren. Schlagartig fiel die Belastung um die Hälfte zurück. »Es sieht ziemlich übel aus«, hörte Ris Morvoner Sprangk sagen. »Dieser Magnet sturm ist einer der schwersten, die ich je er lebt habe! Hoffentlich geht alles gut!« »An mir soll's nicht liegen!« brummte Ris so leise, daß das Mikrophon seine Worte nicht aufnehmen konnte. Die Belastung der Projektoren stieg lang sam wieder. Ris stellte fest, daß man seinem Bereich Energie entzog. Das war nicht weiter ver wunderlich – Sprangk brauchte Energien, um das Schiff auf Kurs zu halten. Außerdem wurden gewaltige Energien gebraucht, um das Schiff unter dem Anprall des Sturmes nicht wild tanzen zu lassen. Drei Bereiche waren es, die nun alle Reaktorkräfte bean spruchten – die Triebwerke, die Schirmfel der und die Andruckneutralisatoren. Und keine der Anlagen durfte ausfallen. Ris schnüffelte. Aus Erfahrung wußte er, daß lange vor dem Zusammenbruch der Anlagen ein ganz bestimmter Geruch wahrzunehmen war. Der Gestank verschmorender Isolierungen war unverkennbar. Noch war der Geruch normal, aber Ris war sich sicher, daß sich dieser Tat bestand rasch ändern konnte. In den Umformerbänken begann es leise zu knirschen; Ris konnte das Geräusch schwach in seinen Kopfhörern vernehmen. Rasch schaltete er auf Reserveaggregate um, ließ aber die normalen Uniformer weiterar beiten. Noch war die Lage nicht allzu kri tisch, wurden die Reserven nicht zu stark be ansprucht. »Der Sturm preßt die Schirmfelder zu sammen!« stellte Morvoner besorgt fest. Ris konnte nicht hören, was um ihn herum
Peter Terrid geschah; er sah nur, wie das Licht kurz flackerte. Dann brach die Tür aus der Fas sung, die zum benachbarten Hangar führte. Dort war das Schirmfeld bis auf die Außen haut der KARRETON gedrückt worden; die Energien waren übergeschlagen und hatten den kleinen Hangar verwüstet. In der Öff nung flammte eine Energiebarriere auf, die die Luft in dem Schaltraum festhielt, in dem Ris arbeitete. Mit rasender Geschwindigkeit schob sich das massive Ersatzschott in die Öffnung und dichtete den Vakuumeinbruch ab. Mit einer Handbewegung desaktivierte Ris die Reparaturrobots; jetzt konnte jedes Quentchen Energie wertvoll sein. »Was ist bei Ihnen los, Ris?« erkundigte sich der Kommandant. »Ich sehe, daß ein Hangar aufgerissen ist!« »Nichts Besonderes!« meinte Ris grin send. »Warten Sie ab, es wird noch härter kommen!« »Optimist!« gab Morvoner Sprangk zu rück. Die Instrumente der KARRETON hatten nach geraumer Zeit herausgefunden, wo sich das genaue Zentrum des Magnetsturms be fand. Gleichzeitig lieferte die Bordpositro nik eine Berechnung der Verhältnisse im Raum. Morvoner Sprangk preßte die Kiefer zu sammen.
* Wortlos gab Sprangk die Auswertung an mich weiter; ich überflog die Werte und konnte die Reaktion des Kommandanten verstehen. Wir hatten zwei Möglichkeiten, die glei chermaßen gefahrvoll waren. Wenn wir ver suchten, am Zentrum des Sturms vorbeizu kommen, mußten wir den Projektoren Ener gie entziehen – bis zu einem Ausmaß, an dem uns auch die Ausläufer des Sturms ge fährlich werden konnten. Ließen wir ande rerseits die Projektoren mit voller Kraft lau fen, würde es nicht möglich sein, dem Zen trum des Magnetsturmes zu entgehen. So
Der Sklavenmarkt
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oder so – es sah böse aus. »Wir versuchen es in der Mitte!« ent schied ich nach einer Zeit des Nachdenkens, die mir wie eine Ewigkeit erschien; ein Blick auf die Uhr zeigte mir aber, daß ich nur wenige Sekunden gebraucht hatte, um zu einem Entschluß zu kommen. Das Knistern in der Luft hatte sich zum Prasseln gesteigert; auf den Bildschirmen war zu sehen, wie immer wieder Blitze von den Schirmfeldern zu dem Metall des Schiffskörpers herüber zuckten. Es war ge spenstisch anzusehen – auf den Normal schirmen zeichnete sich nur der benachbarte Sternenhimmel ab. Nur auf Bildschirmen, die von Kameras mit Spezialoptiken ge speist wurden, waren die grünlichen Schleier des Sturmes zu erkennen. Es war ein wirrer, chaotischer Tanz, der über die Monitoren flimmerte, ein kosmisches Ballett, das auf den ersten Blick fast schön genannt werden konnte. Keiner der Vorgänge auf den Bild schirmen deutete auf die Gewalten, die die KARRETON gefangenhielten. Unter uns, im Innern des Schiffes, heulten die Generatoren unter höchster Belastung. »Wie du willst!« murmelte Sprangk und wandte sich wieder seinen Kontrollen zu. Mit ruhiger Stimme erteilte er seine Befehle. Auf den Schirmen zeichnete sich eine giftgrüne Kugel ab – das Zentrum des Ma gnetsturms, auf das wir unaufhaltsam zu strebten.
* Das Gesicht von Peret Ris verzog sich; er biß die Zähne zusammen. Vor ihm, auf dem Schaltpult, vollführten die Anzeigen einen chaotischen Tanz; es war nur noch eine Frage der Zeit, bis die Anlagen zusammenbrechen würden. Die Umformerbänke qualmten und stanken; das Wimmern der Generatoren war selbst unter den Kopfhörern zu vernehmen. Ris schaltete mit fieberhafter Eile. Es gab nur eine Möglichkeit, die KAR RETON zu retten. Ris strukturierte die
Schirmfelder um, legte die Energien der Ma terieabweisung mit auf die Projektoren, die magnetische Einwirkungen vom Schiffskör per fernhielten. Ris war sich bewußt, wel ches Risiko er damit einging – bei der hohen Fahrt des Schiffes prallten Abermilliarden feinster Teilchen gegen die Außenwand und erhitzten das Metall. Wenn ein Meteor den Weg der KARRETON kreuzte, würde er mühelos durch das Schirmfeld dringen und die KARRETON durchbohren können. Ris kontrollierte die Anzeigen und fluch te; die Zeiger wippten noch immer im Rot bereich. Nervös trommelte der Mann mit den Fingerspitzen auf der Fläche des Schalt pults. »Ris spricht!« meldete er sich endlich bei Morvoner Sprangk. »Hier unten bricht bald alles zusammen – ich muß Energie von den Andruckneutralisatoren abzapfen!« Auf dem kleinen Monitor erkannte Ris, wie Sprangk die Augen zusammenkniff. »Einverstanden!« sagte der Kommandant schließlich. »Schalten Sie so, daß der Sturm uns den nötigen Andruck schenkt!« Ris grinste, als er verstanden hatte, was Sprangk ihm vorgeschlagen hatte. Ris sollte die Energie, die nötig war, um ein normales Schwerefeld an Bord des Schiffes zu erzeugen, auf die Schirmprojek toren legen. Sprangk hoffte, daß das Rütteln und Stoßen des Sturmes so weit durchgelas sen wurde, um ein vergleichbares Schwere feld zu erzeugen. Das Risiko war offenkun dig – erstens kamen die Stöße nicht in der Richtung, in der die normale Bordschwer kraft verlief, und zweitens konnten die durchkommenden Energien beträchtlich grö ßer sein als die normale künstliche Schwer kraft. Rasch nahm Ris die Schaltungen vor; die Effekte stellten sich sofort ein. Innerhalb ei ner Tausendstelsekunde änderte sich die Schwerkraft – anstatt ihn auf seinen Sitz zu drücken, zerrte ihn der durchgeschlagene Stoß des Sturmes mit gleicher Kraft in die Höhe. Klackend rasteten die Verschlüsse der Gurte vor seiner Brust ein; die Rettungsauto
52 matik hatte präzise reagiert. Gleichzeitig formte sich über seinem Kopf die Kapuze seines Schutzanzuges zur Kugel, rastete ein und füllte sich mit Atemluft. »Noch zehn Minuten!« hörte Ris Morvo ner Sprangk ausrufen. Ris stöhnte auf; diese Zeit war viel zu lang – die Umformerbänke würden nur noch für eine wesentlich kürzere Zeit arbeiten. Wieder ging ein gewaltiger Schlag durch die KARRETON; für Sekunden kam minde stens das Vierfache der normalen Schwer kraft durch und wirbelte alles durcheinander, was nicht sehr sorgfältig befestigt worden war. Das Glassit einiger Instrumente barst knallend und jagte ein Schauer Splitter durch die Luft. Die Temperatur der Bord wand kletterte in immer gefährlichere Berei che; da sämtliche Energie auf die lebensnot wendigen Anlagen geschaltet worden war, erhitzte sich auch die Atemluft in den Räu men des Schiffes. Ris bemerkte nichts da von, da er von seinem Anzug geschützt wur de, der über eine separate Klimaanlage ver fügte. Wieder bewegten sich die Finger des Mannes; sie legten Schalter um, tippten Werte in die Steuerungspositroniken. Ris handelte mit schlafwandlerischer Sicherheit, als er noch einmal die Andruckneutralisato ren anzapfte und deren Energie auf die Schirmfeldprojektoren leitete. Fast gleich zeitig aktivierte er den Schwerkraftgenerator seines Anzuges. »Ich muß es riskieren!« knurrte er. Wenn jetzt die KARRETON von einem Stoß getroffen würde, war dies für alle Be satzungsmitglieder, die keinen Anzug ange legt hatten, das einstweilige Ende. Aber Ris hatte sich mit einem Blick auf den Interkom davon überzeugt, daß die Mehrzahl der Männer und Frauen an Bord rechtzeitig in die Anzüge geschlüpft war. Das Metall des Schiffskörpers kreischte wie ein geschundenes Tier; Ris spürte einen harten Schlag gegen die Brust, als er in sei nen Gurten nach vorne geworfen wurde. Vor seinen Augen tanzten farbige Punkte; halb
Peter Terrid bewußtlos nahm der Mann war, wie sich die Wände des Raumes leicht bogen. »Der Magnetismus ist durch!« dachte Peret Ris, kurz bevor er endgültig das Be wußtsein verlor.
* Es war ein schauerlicher Anblick. Die starken Wände aus Arkonstahl bogen sich durch, wölbten sich uns entgegen. Das Schirmfeld konnte die Kräfte des Sturmes nicht mehr voll absorbieren, Teile der ma gnetischen Kräfte sickerten förmlich durch den schützenden Feldschirm und tobten sich im Innern der KARRETON aus. Während die Kraft des Sturmes mich in meinen Sitz zwang, sah ich aus den Augenwinkeln her aus, wie sich ein zweiter, kleinerer Feldschirm um die große Bordpositronik legte, ein Beweis dafür, wie gefährlich die Lage geworden war. Positroniken arbeiteten mit Positronen, den positiv geladenen Anti-Teilchen des Elektrons; die Rechenvorgänge wurden über die elektromagnetischen Eigenschaften die ser Teilchen abgewickelt. Wenn die magne tischen Kräfte des Sturmes bis zu den Rech nern durchgeschlagen wären, hätten wir uns aufgeben können – ohne eine funktionieren de Positronik war ein hochkompliziertes Ge bilde wie die KARRETON niemals zu be herrschen. Schlagartig ließ der magnetische Druck nach; singend federten die Wände in ihre ur sprünglichen Formen zurück – um sich Se kunden später erneut zu verformen. »Wir sind im Zentrum!« schrie mir Mor voner Sprangk zu. »Und dort werden wir auch bleiben!« rief eine schrille, sich überschlagende Stimme. »Die KARRETON wird das nicht überste hen!« »Darüber reden wir später!« mischte sich Fartuloon scharf ein. Ich sah, wie Vorry zusammenzuckte und wenig später wußte ich auch, was ihn er schreckt hatte. Der Kontrolleur für die
Der Sklavenmarkt Schirmfeldprojektoren hing besinnungslos in seinen Gurten. Was keinem in der Zentrale der KARRE TON mehr möglich war, brachte Vorry fer tig. Der stämmige Magnetier wollte sich von seinem Sitz erheben, aber die Rettungsauto matik zog nur die Gurte strammer. Vorry lachte auf und griff zu; Sekunden später baumelten die Gurte an der Seite seines Ses sels herab. Wieder griffen ungeheure Gewal ten nach der KARRETON; auf meiner Brust schienen acht weitere Männer meiner Größe zu sitzen und preßten mir die Rippen zusam men. Durch die Schleier vor meinen Augen sah ich, wie Vorry von der Wucht des Sto ßes durch den Raum gewirbelt wurde. Der stämmige Körper des Magnetiers schlug glatt durch eine Wand und verschwand. Dem Magnetier schien die ganze Sache ungeheuren Spaß zu bereiten; ich hörte sein brüllendes Lachen, während er sich stol pernd und fallend durch das Schiff arbeitete. Es dauerte einige, zur Ewigkeit gedehnte Minuten, bis Vorry wieder auf den Bild schirmen zu sehen war. Vorry untersuchte kurz den bewußtlosen Mann, dann formte er mit der Hand das Zeichen, das besagen soll te, der Mann lebe noch. Die Kräfte, die von den zurückgeschalte ten Andruckneutralisatoren nicht mehr abge fangen werden konnten, hielten uns in die Sitze gepreßt und verurteilten uns zu völli ger Hilflosigkeit. Ich sah, wie Sprangk eine Hand zu einem Schalter zu bewegen ver suchte – vergeblich. Der Andruck war so groß geworden, daß selbst die Mikroaggre gate in den Gürteln unserer Anzüge dagegen nicht mehr ankämpfen konnten. Keuchend starrte ich auf den Bildschirm, auf dem Vorry zu sehen war. Ich sah, wie sich der Magnetier bewegte. Er ging auf die Umformerbänke zu und be gann die Verkleidung herabzureißen, dann griff er mit beiden Händen in die Bänke. Um seinen Körper herum bildete sich eine grell leuchtende, flimmernde Aura. Schlagartig ließ der Druck auf meiner Brust nach; ich richtete mich auf und
53 schnappte nach Luft. Langsam begriff ich, was sich auf dem Bildschirm abspielte. In einer für uns unbe greiflichen Art und Weise sammelte Vorry die magnetische Energie, die durch die Schirmfelder nicht mehr abgefangen werden konnte. Diese ungeheuren Energiemengen liefen durch den Körper des Magnetiers und wurden von ihm an die Schirmfeldprojekto ren weitergegeben. Auf diese Weise fing Vorry nicht nur der tödlichen Magnetismus ab, er verstärkte gleichzeitig auch den Schutz des Schiffes. »Nun, Freunde!« hörte ich Vorry brüllen. »Besser so?« »Viel besser!« bestätigte ich rasch. »Wie lange kannst du diese Belastung ertragen?« »Länger als das verdammte Schiff!« be hauptete Vorry fröhlich. »Wie steht es in der Zentrale?« »Das Zentrum des Magnetsturms liegt hinter uns!« stellte Sprangk aufatmend fest. »Von jetzt an kann es nur noch besser wer den!«
* Sprangk hatte recht gehabt. Zwar dauerte es noch geraume Zeit, bis wir die letzten Ausläufer des Sturmes hinter uns gebracht hatten, aber die Auswirkungen waren dank Vorrys Einsatz wesentlich geringer als beim Anflug auf das Zentrum des Sturmes. Sobald die Lage es zuließ, aktivierten wir die Reparaturrobots, die innerhalb weniger Stunden alle Schäden beseitigten. Spezial trupps untersuchten die Wände und stellten erleichtert fest, daß der Arkonstahl die Ver formungen schadlos überstanden hatte. Nach einiger Zeit stand fest, daß nur der Verlust einiger Glassitteile zu beklagen war. Die Verletzungen der Besatzung beschränkten sich auf harmlose Prellungen und blaue Flecken. Vorry war unzweifelhaft der Held des Ta ges; sein Einsatz hatte uns gerettet, und der Magnetier genoß sichtlich die Popularität, die ihm diese Tat eingebracht hatte.
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Peter Terrid
Lächelnd sah ich zu, wie Fartuloon das Skarg zückte und die Klinge vor Ra und Vorry hielt. Die beiden begriffen sofort, was Fartuloon von ihnen erwartete.
»Für Atlan und Arkon!« sagte Fartuloon laut. »Auf Leben und Tod!« Ernst wiederholten die beiden so ver schiedenartigen Wesen seine Worte. Hinter uns lag das System des Dreißig-
Planeten-Walls, wir waren einen Schritt wei-
tergekommen, und ich hatte zwei neue, fähi-
ge Mitstreiter bekommen.
ENDE
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