DANA KRAMER-ROLLS
DER PRÜFSTEIN IHRER VERGANGENHEIT STAR TREK™ CLASSIC Band 59
Deutsche Erstausgabe
WILHELM HEYNE VE...
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DANA KRAMER-ROLLS
DER PRÜFSTEIN IHRER VERGANGENHEIT STAR TREK™ CLASSIC Band 59
Deutsche Erstausgabe
WILHELM HEYNE VERLAG MÜNCHEN
HEYNE SCIENCE FICTION & FANTASY Band 06/5273
Titel der Originalausgabe HOME IS THE HUNTER Übersetzung aus dem Amerikanischen von RONALD M. HAHN
Redaktion: Rainer Michael Rahn Copyright © 1990 by Paramount Pictures Die Originalausgabe erschien bei POCKET BOOKS, a division of Simon & Schuster, Inc. New York Copyright © 1995 der deutschen Ausgabe und der Übersetzung by Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München Printed in Germany 1995 Umschlagbild: Pocket Books/Simon & Schuster Umschlaggestaltung: Atelier Ingrid Schütz, München Technische Betreuung: Manfred Spinola Satz: Schaber Satz- und Datentechnik, Wels Druck und Bindung: Ebner Ulm ISBN 3-453-07984-1
Historische Anmerkung Dieses Abenteuer spielt kurz nach den Ereignissen, die in Star Trek – Der Film geschildert werden.
Kapitel 1 Sulu erwachte mitten in einer Schlacht. Er war zwar wach, aber er öffnete nicht die Augen. Sein Verstand sagte ihm, daß er unmöglich dort sein konnte, wo er zu sein glaubte. Es ist keine echte Schlacht. Ich bin gar nicht wach. Ich träume noch. Wieder schepperte es. Stahl schlug auf Stahl. Er hörte Rufe, die Aufmerksamkeit verlangten. Selbst wenn es ein Traum war – er mußte es sich ansehen. Er öffnete die Augen, lugte durch das Gras und spuckte einen Mundvoll Sand aus. Tatsächlich, vor ihm tobte etwa ein Dutzend Männer herum; jedenfalls sah er eine Menge um sich schlagender, waffenschwingender Arme. Na gut, dann träume ich eben, dachte Sulu. Er traute seinen Augen nicht. Was es auch für ein Traum war, er war nicht übel. »Ballett des Todes« war zwar eine abgedroschene Phrase, aber sie paßte sehr gut zu den Samurai, die gerade im Begriff waren, sich gegenseitig niederzumachen. Als Sulu aufsprang, sah er, daß er einen Lamellenpanzer trug. Um so besser. Mit der Zuversicht eines Träumers, der wußte, daß es da war, griff er nach seinem Katana. Und es war da. Sulu rannte – beziehungsweise watschelte – in dem unbeholfenen Tempo los, das rüstungtragenden Kriegern seit Unzeiten bekannt war. Er schlug und brüllte alles nieder, was ihm in die Quere kam. Aber er war noch zu weit vom Ort des Gefechts entfernt, und so traf er nur die Äste der ihm den Weg verstellenden Bäume. Er forderte die in seiner Nähe kämpfenden Krieger in perfektem klassischen Japanisch heraus. Ja, es war ein wirklich toller Traum. Nach dem Aufwachen, so nahm er sich vor, wollte er die Sprache seiner Ahnen erlernen. Die Anstrengung führte dazu, daß ihm schwindelig wurde. Seine Gedanken bewegten sich so träge wie dicker Schlamm. Als er in den Kampf eingriff, schwitzte er und war außer Atem. Dabei
hatte er die Parole »Kämpfe intelligent« doch schon so oft gehört, um sich nicht leichtsinnig zu verausgaben – auch nicht in einem Gefecht, das sich nur in seiner Phantasie abspielte. Aber mit der Zeit stellte er fest, daß seine Phantasie offenbar ziemlich detailgetreu war. Der komische Verdacht, daß er gar nicht träumte, spukte in seinem Kopf herum, aber er redete sich ein, daß es unmöglich war. Einige Meter weiter blockierte eine Handvoll Samurai die Straße, in deren Mitte eine Sänfte stand, die vier kämpfende Frauen verteidigten. Sie schlugen mit Naginatas um sich. Dann trat eine Dame von Adel hinter dem Vorhang hervor. Sie hielt ein kleines Schwert in den Händen und trat zu ihren Leibzofen, um sich des letzten Ansturms zu erwehren. Die Soldaten wichen schnell vor den Angreifern zurück, die allem Anschein nach Räuber waren. Sulu schüttelte den Kopf. Es konnte unmöglich real sein. Es mußte ein Traum sein. Doch andererseits wurde ihm klar, war hier eine Dame in Bedrängnis. Er zückte sein bestes Kei, stürmte wie ein Teufel gegen die Angreifer los und schlug die Klinge quer über die Brust eines Mannes. Der Räuber schrie auf und ging zu Boden. Erst die Wärme seines verspritzenden Blutes ließ Sulu innehalten. Und ein Warnschrei wurde in seinem Kopf laut: Es ist kein Traum! Du hast gerade einen Menschen niedergestreckt, als wäre nichts dabei! Als Realität und Phantasie sich in seinem Kopf vermischten, stolperte Sulu einen Schritt zurück. Es konnte unmöglich Wirklichkeit sein. Wo war er zuletzt gewesen? Hier jedenfalls nicht. Er dachte flüchtig an die Enterprise. Da war irgendein Blitz aufgezuckt… Sein Gedächtnis hatte eine Lücke. Er konnte sie beinahe spüren. Es war wie eine physische Sperre. Die wütenden Schreie der Angreifer rissen ihn aus seinen Gedanken. Sein Opfer krümmte sich noch immer auf dem Boden. Sulu ging in Verteidigungsstellung. Nun begriff er, daß er in
Schwierigkeiten steckte. Er konnte nicht töten. Er wollte auch nicht töten… Doch die anderen wirkten nicht eben wie Pazifisten. Sulu bewegte sich, als hätte er sein Leben lang nichts anderes getan und überwand den inneren Drang, die Männer zu töten. All seine Schläge zielten sorgfältig auf ihre Gliedmaßen. Er wollte sie lieber kampfunfähig machen. Sulu hieb nach rechts und brachte einen Angreifer zu Fall. Gleichzeitig wehrte er von links einen Angriff mit dem Sia ab und drehte die scharfe Klinge mit einer fließenden Bewegung auf die stumpfe Seite, um einen Frontalangriff abzufangen. Als er gerade damit beschäftigt war, einen Räuber abzuwehren, pirschte sich ein anderer Angreifer von hinten an ihn heran. Blut spritzte in einem roten Strahl aus der Wunde. Zu tief! Er hatte zu tief gestochen! Mein Gott, mein Gott… Sulu wehrte den Tiefschlag eines Räubers ab, der den Versuch machte, ihn mit einer Naginata zu treffen. Er ließ die Klinge an dem hölzernen Schaft abrutschen, um die Beine seines Gegners zu erwischen. Als er die Hiebe parierte, ging alles wie in Zeitlupe vor sich. Ein irrer, tödlicher Tanz. Bald darauf stand er, von stöhnenden Männern umgeben, allein auf der Straße. Dann fand er seine Stimme wieder und rief: »Was ist hier los? Was mache ich hier? Wer seid ihr? Nun sagt es schon! Aber sofort!« Und dann, wie auf ein Stichwort hin, fingen seine Gegner an zu zittern und starben. Einfach so. Sulu verstand nun gar nichts mehr. Als er in die aschfahlen und verzerrten Gesichter der Toten sah, wurde es ihm klar: Gift. Sie hatten es wahrscheinlich unter der Zunge oder irgendwo am Körper versteckt. Sie starben lieber, als sich gefangennehmen zu lassen. Sein Verstand weigerte sich, all dies zu verarbeiten. Er drehte sich zitternd zur Sänfte um und neigte voller Schmerz und Entsetzen den Kopf. Dann zwang er sich, den Blick zu heben. Vor der Dame stand schützend ein Mann. Er war von mehreren toten Gegnern umringt. Zwei Zofen und etwa ein halbes Dutzend
Soldaten hatten den Kampf überlebt. Sulu verbeugte sich vor dem Mann, aber es war eher sein Körper, der dies tat. Sein Verstand schien ausgeschaltet zu sein. »Wer seid Ihr?« schnauzte der Mann. »Suru«, sagte Sulu stirnrunzelnd und fragte sich, warum er seinen Namen nicht richtig aussprach. Aber im Japanischen gab es den Buchstaben »L« nicht, und in dieser Sprache redete er nun. »Heihachiro, Herr«, sagte er lächelnd und verlieh sich den Namen Heihachiro Noguras, des obersten Starfleet-Admirals. Eine wie ein Silberglöckchen klingende Stimme sagte: »Ich bin Fürstin Oneko. Ihr habt mir tapfer gedient.« Sie wirkte so zerbrechlich wie ein dünner Zweig, aber auch stark wie eine Schwertklinge. Sie ignorierte geringschätzig das an ihrem seidenen Übergewand klebende Blut. Als Sulu sie in ihrer ganzen Schönheit erblickte, hielt er den Atem an. Sie sah aus wie ein zum Leben erwachtes Gemälde aus dem Altertum; ihr weiß gepudertes Gesicht und ihre roten Lippen waren mehr als nur exotisch. Ihm fiel auf, daß sie eigentlich noch ein Mädchen war, eine wahrscheinlich nicht mal zwanzigjährige Heranwachsende. Ihr wie in Elfenbein gemeißeltes Gesicht und ihre Mandelaugen wurden eingerahmt von dem schwarzen Haar, das fein säuberlich auf ihren Schultern lag und von einem Band gehalten wurde. Sie trug einen seidenen Überkimono mit pfirsichfarbenen und roten Streifen. Die Lagen ihrer übrigen Kleidungsstücke ragten wie ein Wildblumenstrauß aus ihrem Kragen hervor. Sie schob das nun in einer Scheide steckende Kurzschwert in einen seidenen Beutel. Als sie fertig war, verbarg sie es wieder unter ihren Kleidern in einem Gürtel. Sie sah ihm flüchtig in die Augen. Sulu fühlte sich wie von einem Phaserstrahl in den Magen getroffen. Das Gefühl war zwar weder rational noch logisch erklärbar, aber vorhanden. Sie stieg wieder in die Sänfte. Ein hochgewachsener Grauhaariger, der in jeder Kultur stattlich ausgesehen hätte, trat an Sulus Seite. »Ich bin Watanenabe Sadayo. >Suru< heißt Ihr? Bedeutet das nicht >Der Mann, der
sein Bestes gibt