FRANCO SOLO
Der König von New York
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FRANCO SOLO
Der König von New York
scanned by AnyBody corrected by JaBay Es war nur etwas für verdammt gut betuchte Männer und nannte sich «Happy Day Tour». Drei Tage - zehntausend Dollar. Eine ganze Menge harter Bucks, dachte Sam Milford, aber dann entschloß er sich doch. Denn «Happy Day Tour» bot etwas fürs Geld. Mädchen, wie aus dem Traumjournal, Nächte, von denen sogar der Kalif von Bagdad nur hätte träumen können. Doch dann fand Milford das Haar in der Suppe. Er sah die Kamera, die ihn und das Topgirl filmte. Und schlagartig wußte er, um was es ging: Man wollte seinen neuen, alle bisherige Technik revolutionierenden Motor. Die Kerle scheuten vor keinem Mittel zurück, um ihn zu bekommen. Sam Milford wehrte sich erbittert seiner Haut und starb. Der Mord an Milford löste bei COUNTER MOB Großalarm aus. Sie schickten Franco Solo, ihren Top-Agenten, in die Schlacht. Aber als Franco die erste heiße Spur fand, als er dem KÖNIG VON NEW YORK das Handwerk legen wollte, überschlugen sich die Ereignisse. Denn der König von New York begann um sein Leben zu kämpfen, und er bewies, wie mächtig er war...
(Backcover) ERICH PABEL VERLAG KG-RASTATT/B ADEN FRANCO-SOLO-Taschenbuch erscheint vierwöchentlich im Erich Pabel Verlag KG. Pabelhaus, 7550 Rastatt Copyright © 1980 by Erich Pabel Verlag KG, Rastatt Deutsche Erstveröffentlichung
Mit einem leisen Seufzer schloß Juliette Aubert ihre Apartmenttür auf. Sie war froh, wieder in ihrer Wohnung zu sein. Der Besuch bei einem Kunden war nicht gerade freundlich gewesen. Juliette warf ihren Pelzmantel kurzerhand in die Diele und schleuderte die Schuhe von den Füßen. Den frischen Zigarettenrauch nahm sie erst wahr, als es zu spät war. Da stand sie bereits im Wohnzimmer, hatte das Licht angeschaltet - und erstarrte. In ihren aufblasbaren Sesseln lümmelten sich zwei Männer. Jack Warren und Sergio Lamara! Beide gehörten zur Mafia. «Hallo, Puppe», grinste Warren. «Komm ruhig rein. Wir beißen nicht. Du bist doch hier zu Hause.» «Was wollt ihr?» fragte Juliette, während sie automatisch gehorchte. Warren knetete seine Nase. «An sich nicht viel, Mädchen. Du sollst nur verreisen in einer Woche, mehr nicht.» Juliette Aubert zuckte zusammen. «Nein, bitte. Das ... das könnt ihr nicht machen. Wer einmal weg ist, kommt da nicht mehr raus. Bitte, ich ...» Sergio Lamara stand auf. Er hielt plötzlich ein Messer in der Hand. Sein gelangweilter Gesichtsausdruck täuschte. Jack Warren hatte sich ebenfalls erhoben. Gemächlich schlenderte er auf Juliette zu. Das Girl wich zurück, bis es die Wand im Rücken spürte. Sergio winkte mit dem Messer. «Komm schon, Täubchen. Du stellst dich doch sonst nicht so an.» Die Angst preßte Juliette die Kehle zusammen. Sie war nicht mehr in der Lage, einen Ton von sich zu geben. Kalter Schweiß bedeckte plötzlich ihren Körper.
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Sergio Lamara griff nach ihrer Schulter und zerrte das Girl brutal zu sich heran. Ratschend ging der Stoff des Seidenkleides in Fetzen. Plötzlich war auch Jack Warren da. Mit einer Seidenschlinge. Er warf sie Juliette um den Hals. Und vor ihr stand Sergio Lamara. Das Gesicht zu einem bösartigen Grinsen verzogen. «Jetzt hör mir mal genau zu, Puppe», flüsterte Jack Warren dicht an Juliettes Ohr. «Du wirst verreisen. Okay?» «Ja», krächzte das Mädchen. Der Druck der Schlinge wurde jedoch nicht um einen Deut lockerer. Die Männer hatten irgend etwas vor. Aber was? Juliette verkrampfte sich noch mehr, als Jack Warren sagte: «Und nun bekommen wir beide, das heißt Sergio und ich, eine Gratisvorstellung. Los, zieh dich aus!» Jack Warren zog die Schlinge weg und gab dem Girl einen Stoß, daß es auf den Boden fiel. Zwei, drei Sekunden blieb Juliette liegen. Aus ihrer Froschperspektive sah sie zu den beiden Männern hoch, entdeckte das gierige Glitzern in ihren Augen und wußte, daß man sie töten würde, wenn sie nicht gehorchte. «Wir warten nicht gern», sagte Sergio Lamara mit leiser Stimme, bückte sich blitzschnell und ratschte mit einem Messerschnitt Juliettes Kleid auf. Das Mädchen war darunter bis auf einen Slip nackt. «Na, wenn das keine Figur ist», meinte Warren. «Los, zeig mal, was du kannst.» Juliette fügte sich in ihr Schicksal. Eine halbe Stunde später waren die Männer verschwunden. Zurück blieb eine verzweifelte Juliette Aubert, die von den Gangstern gerade viehisch behandelt worden war. Doch das alles war noch harmlos im Gegensatz zu dem, was ihr nach der 'Reise' bevorstehen sollte. Was hatte Warren noch zum Abschied gesagt: -3 -
«In einer Woche bist du auf den Bahamas, Puppe!» *** «Tausend Dollar», sagte Sam Milford leise. «Ich halte mit», erwiderte sein Gegenüber und schob die Scheine in die Mitte des mit grünem Filz bespannten Tisches. Milfords Gesicht zuckte. Winzige Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn, wurden zu Tropfen und liefen in die buschigen Augenbrauen. «Ich passe», erklärte der dritte Mann in dieser harten Pokerrunde. Milford blickte in seine Karten. Verdammt, drei Könige, zwei Buben. Ein Full House. Aber reichte das? Sam Milford hob den Kopf. Nick Spiro lächelte ihn an. Kalt, höhnisch, wie es ihm vorkam. So, als wollte er sagen, na, du schaffst es doch nicht. «Was ist nun, Milford?» fragte Spiro. Milford griff mit zitternden Fingern nach dem Geldbündel vor sich auf dem Tisch. «Fünfhundert.» Spiro leckte sich über die strichdünnen Lippen, «Sie zeigen Mut, Milford. Das freut mich. Jetzt passen Sie auf. Ich halte mit und erhöhe um zweitausend.» Spiro griff lässig in die Seitentasche seines Dinner-Jacketts und schleuderte die Scheine auf den Tisch. «Sie sind wahnsinnig, Spiro», flüsterte Milford. Nick Spiro lachte. Er war ein hagerer Typ mit kalten, stechenden Augen. Über seiner Oberlippe kräuselte sich ein kleines Bärtchen. Das Kinn sprang etwas vor und gab Spiros Gesicht somit einen harten Ausdruck. Am meisten fielen seine langen, kräftigen Finger auf, die so geschickt mit den Karten jonglieren konnten und auf -4 -
einem anderen Gebiet noch viel besser waren. Wenn sie den Stecher einer Waffe durchzogen, zum Beispiel. Sam Milford biß sich auf die Unterlippe. Seine Gedanken überschlugen sich. Sollte er jetzt aussteigen? Wo schon über zehntausend Dollar im Pott lagen? Nein, er wollte Spiros Karten sehen. Er selbst besaß noch zweitausendfünfhundert Dollar. Entschlossen nahm er die Scheine und warf sie in die Mitte. «Das ist alles, was ich an Bargeld habe, Spiro.» «Gut.» Spiro lächelte. «Machen wir den Pott glatt.» Lässig schnippte er noch fünfhundert Dollar dazu. «Und nun decken Sie auf, Milford.» Sam Milford schluckte. Hastig zündete er sich eine Zigarette mit Goldmundstück an. «Ich habe ein Full House. Könige und Buben.» «Gratuliere», erwiderte Spiro spöttisch. «Nicht jeder hat solch gute Karten. Aber ich habe bessere.» «Nein...» «Doch, Milford. Vier Damen. Sehen Sie her.» Langsam, und im Gefühl des sicheren Sieges legte Nick Spiro die Karten auf den Tisch. Tatsächlich. Vier Damen! Sam Milford stöhnte auf. Er hatte verloren. Alles verloren. In den letzten drei Tagen über achtzigtausend Dollar. Ein Vermögen. «Pech gehabt», sagte Clyde Sterling, der Mann, der aus der Runde ausgestiegen war. Milford lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Mit einer müden Geste wischte er sich über die Augen. Die Luft in dem Raum kam ihm plötzlich doppelt so heiß vor. «Sie können mir ja Revanche geben», schlug Spiro vor. «Revanche? Wovon denn?» Sam Milford lachte bitter.
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«Aber ich bitte Sie. Ein Mann mit Ihrem Vermögen hat bei uns doch immer Kredit. Morgen ist auch noch ein Tag. Und Ihr Scheckbuch haben Sie doch sicher mit, Mister Milford?» Der Angesprochene nickte automatisch. «Na, dann ist ja alles in Ordnung.» Spiro erhob sich. Er hatte das Geld inzwischen in seinen Taschen verstaut. «Jetzt nehmen wir erstmal einen Drink an der Bar, Milford. Der geht natürlich auf meine Rechnung.» Sam Milford warf die Zigarette in den Kristallascher und stand auf. Die Männer verließen das Hinterzimmer und gelangten in die mit allem Komfort ausgestattete Bar. Nick Spiro scheuchte zwei langhaarige Mädchen von den Hockern und bestellte Whisky. Nach den ersten drei Gläsern ging es Sam Milford besser. Plötzlich sah er die Welt wieder in einem ganz anderem Licht. Nicht mehr so pessimistisch. Ja, morgen würde er es noch einmal versuchen. Diese Pechsträhne mußte doch ein Ende haben. Er ahnte nicht, daß mit ihm ein abgekartetes Spiel getrieben wurde, daß eine unsichtbare Schlinge sich langsam über ihm zusammenzog. «Noch einen?» fragte Nick Spiro. «Was dachten Sie denn. Und morgen, Spiro, da spielen wir weiter. Da zeige ich Ihnen, wie gepokert wird.» «Das ist ein wahres Wort, Milford. Aber machen Sie es nicht zu schlimm mit mir!» Sam Milford lachte, und kippte sich den nächsten Drink in die Kehle. Dann wandte er sich um, stützte seine Ellenbogen auf die blankpolierte Chromleiste der Bar. Seine Augen versuchten das rote Halbdunkel zu durchdringen. Überall in versteckt angebrachten Nischen saßen Pärchen. Tranken, flirteten und ... Milfords Augen bekamen den gewissen Glanz. Zufällig konnte er in eine der Nischen sehen. Dort amüsierte sich ein -6 -
Bekannter von ihm gleich mit zwei Girls. Dem Aussehen nach blutjunge Dinger, mit dunkler schokoladenbrauner Haut. Die Girls kicherten, während der Mann ihre fast nackten Körper mit Champagner begoß. «Na, Milford? Wäre das nicht auch was für Sie?» riß ihn Spiros Stimme aus seinen Gedanken. Sam Milford sprang auf den Köder an. «Aber sicher. Nur ...», er zögerte, «das Geld ...» «Deshalb brauchen Sie sich keine grauen Haare wachsen lassen», winkte Spiro ab. «Bestimmt gewinnen Sie morgen. Und so teuer ist ein Girl auch nicht. Sie sind froh, wenn mal ein richtiger Mann wie Sie kommt.» «Meinen Sie?» «Gar keine Frage. Bongo!» Der dunkelhäutige Barmixer kam angeflitzt. «Sage Leila Bescheid.» «Sehr wohl, Mister Spiro.» «Leila?» fragte Sam Milford. Nick Spiro verdrehte die Augen. «Sie kennen Leila nicht? Ich sage Ihnen, solch ein Rasseweib hatten Sie noch nie in den Armen. Leila ist ein Mischling. Sie stehen doch auf Mischlingsmädchen, oder?» «Selbstverständlich.» «Na bitte. Dann ist Leila für Sie ... ah, da kommt sie ja.» Verdammt, Spiro hatte wirklich nicht übertrieben. Leila war eine Wucht. Kaffeebraune Haut, langes, blauschwarzes Haar, dazu Augen, in denen ein leidenschaftliches Feuer brannte. Sie trug ein Kleid aus gelber Seide, das bis zu den Hüften an beiden Seiten geschlitzt war. Sam Milford konnte bei jedem ihrer Schritte sehen, daß sie darunter nichts trug. «Dieser Herr hier hat im Spiel etwas verloren, Leila. Kümmere dich doch ein wenig um ihn», sagte Nick Spiro. Und zu Sam Milford gewandt: «Ich verschwinde jetzt, viel Vergnügen.»
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Sam gab ihm keine Antwort mehr, zu sehr schlug ihn das Girl in seinen Bann. Leila nahm neben ihm auf dem Hocker Platz, rutschte jedoch sofort näher. Ihre schlanken Finger mit den grün lackierten Fingernägeln glitten wie unbeabsichtigt über Sam Milfords Oberschenkel. «Was möchten Sie trinken?» fragte er mit rauher Stimme. «Champagner. Ich liebe dieses Getränk. Es prickelt wie», Leila fiel kein passender Vergleich ein. «Na, du weißt schon», sagte sie. Sam Milford bestellte Champagner. Der Sekt schäumte in den Gläsern. Bald war die erste Flasche leer. Eine zweite wurde angebrochen. Eine dritte... Sam Milford wurde immer kühner. Seine Hände glitten über Leilas erregend gewachsenen Körper. «Laß uns in mein Zimmer gehen», flüsterte die kaffeebraune Schöne. Das brauchte sie Sam Milford nicht zweimal zu sagen. Wenn sie erst auf dem Zimmer waren ... Er versprach sich von dieser Nacht alles. Vergessen waren die Verluste beim Spiel, vergessen war auch Nick Spiro. Er dachte nur noch an die Gegenwart. Über eine Wendeltreppe gelangte man in die oberen Räume. Sam Milford hatte Leila seinen Arm über die Schultern gelegt und versuchte sie zu streicheln. Doch das Girl wich seinem Griff kichernd aus. «Verdammt», murmelte Milford. «Warte es doch ab. In meinem Zimmer», flüsterte Leila verheißungsvoll. Das Zimmer war mit roter Stofftapete bespannt. Kleine Wandlampen verbreiteten gedämpftes Licht. Über dem großen französischen Bett hing das Bild einer nackten Frau. Die Frau besaß unnatürlich große Augen, die starr nach unten auf das Bett gerichtet waren. -8 -
Auf einem kleinen Tischchen stand bereits eine frische Flasche Champagner. Der Service wurde hier wirklich groß geschrieben. In jeder Beziehung, wie Sam Milford bald feststellen mußte. Mit einer raffiniert gleitenden Bewegung ließ Leila das Kleid von ihrem Körper rutschen. Sam Milford bekam Stilaugen. Er hatte noch nie solch eine makellose Figur gesehen. Bei Leila stimmte alles. Der nicht zu große Busen, die einladenden Hüften und der flache Bauch. «Gefalle ich dir?» lachte das Mädchen und drehte sich ein paarmal im Kreis. «Und ob», stöhnte Sam Milford. Er kam etwas täppisch auf Leila zu und versuchte nach ihr zu greifen. Doch mit einer blitzschnellen Drehung ließ sie ihn leerlaufen und rollte sich auf das Bett. «Na, warte», sagte Milford. «Wenn ...» «Stop», kicherte die schokoladenbraune Schöne. «Erst möchte ich einen Schluck trinken.» «Sollst du haben.» Mit einem lauten Knall schnellte der Sektkorken an die Decke. Der Champagner spritzte aus der Flaschenöffnung. Sam Milford goß schnell zwei Gläser voll, reichte eines davon Leila und setzte sich neben sie auf das Bett. Leila leerte ihr Glas mit einem Zug. Dann warf sie es gegen die Wand und ließ sich selbst nach hinten fallen. «Komm ...», lockte sie. Das ließ sich Milford nicht zweimal sagen. Er warf das Jackett in die Ecke, riß die Samtschleife vom Hals, knöpfte sich das Hemd auf, da fiel sein Blick zufällig auf das Bild über dem Bett. Sam Milford stutzte. Das rechte Auge. Verdammt, es hatte sich bewegt. «Bin ich denn schon so blau?» murmelte er. Noch einmal sah er zu dem Bild hin. Kein Zweifel, das Auge hatte sich wieder bewegt. -9 -
Sam Milford hatte in den Zeitungen schon viel von einschlägigen Organisationen gelesen, die wohlhabende Industrielle in gewissen Situationen fotografierten, um die Männer hinterher mit den Bildern oder Filmaufnahmen zu erpressen. Plötzlich war Sam Milford alles klar. Spiros Bereitwilligkeit, ihm Leila zu überlassen, das Pokerspiel, bestimmt war es eine abgekartete Sache gewesen ... Sam Milford wurde auf einmal wieder nüchtern. Die Schweine sollten sich wundern. «Hast du keine Lust mehr?» lockte Leilas Stimme. «Und ob, du verdammte Hure!» schrie Milford sie an und warf sich mit einem Hechtsprung auf das Bett. Ehe sich Leila versah, hatten sich Milfords Hände um ihren Hals gekrallt. «Was soll das be ...» keuchte das Mädchen. «Dir werde ich es zeigen, du Dreckstück», fluchte Milford. Dabei vergaß er jedoch, daß er weiter beobachtet wurde und daß gewisse Leute sofort ihre Konsequenzen ziehen würden. Verzweifelt versuchte Leila sich von Milfords Griff zu befreien. Das Girl strampelte mit den Beinen, traf den Mann auch einmal empfindlich, doch der Griff lockerte sich nicht. Sam Milford befand sich in einem Wutrausch. Leilas Bewegungen wurden langsamer, sie konnte sich kaum noch wehren. In diesem Augenblick wurde die Tür aufgestoßen. Zwei Männer sprangen ins Zimmer. Der eine war Nick Spiro. Er war es auch, der mit dem Lauf eines Revolvers zuschlug. Der rasende Schmerz brachte Sam Milford wieder in die Wirklichkeit zurück. Er ließ von Leila ab, warf sich herum - und sah in die Mündung von zwei Schießeisen. Nick Spiro hielt einen Smith & Wesson in der Hand, während der andere Mann, ein Fettkloß mit spiegelblanker Glatze und -1 0 -
hervorquellenden Augen, eine Maschinenpistole zwischen den dicken Fingern hielt. Sam Milford atmete keuchend. Die Stelle, wo ihn der Revolverlauf getroffen hatte, färbte sich langsam blau. «Steh auf», schnarrte Spiro. Milford gehorchte zögernd. «Ist sie tot?» fragte Spiro und deutete mit dem Revolverlauf in Leilas Richtung. «Ich weiß nicht.» «Na ja, spielt auch keine Rolle.» «Was soll das denn heißen!» schrie Milford jetzt. «Wenn ihr dreckigen Schweine denkt, ihr könnt mich reinlegen, dann habt ihr euch getäuscht. Ich werde die Polizei einschalten. Ich werde ...» «Ja ...» unterbrach ihn Spiro leise. «Es ist gut, daß du uns das gesagt hast. Dann wissen wir wenigstens, wo wir dran sind.» Im gleichen Augenblick begann sich Leila wieder zu regen. Verstört schlug sie die Augen auf. «Mein Hals», stöhnte das Girl. «Halt die Klappe!» fuhr Spiro sie grob an. «Sei froh, daß du noch lebst. Und nun zu dir, Milford. Du weißt, was jetzt kommt.» Sam Milford ballte seine Hände. Ja, er konnte es sich denken. Aber verdammt noch mal, Angst hatte er noch nie in seinem Leben gehabt. Sonst hätte er es bestimmt nicht geschafft zigfacher Millionär zu werden. Er grinste verzerrt. «Okay, wieviel kostet der Spaß?» «Ein paar Cent», erwiderte Spiro. «Mehr bezahlt man nämlich nicht für eine Kugel.» Milford wurde bleich. «Ihr wollt doch nicht...» «Und ob wir wollen!» peitschte Spiros Stimme. «Buddy, gib's ihm!» In diesem Moment drehte Milford durch.
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Mit einem wahren Pantersatz sprang er Spiro an, schlug dem überraschten Gangster den Revolver aus der Hand und landete eine knallharte Rechte. Spiro wurde bis zur Tür zurückgeschleudert, wo er japsend zusammenbrach. Milford wirbelte herum, wollte sich jetzt auch auf Buddy stürzen. Da drückte Buddy eiskalt ab. Noch im Sprung brach Sam Milford zusammen. Er war schon tot, ehe sein Körper den Boden berührte. Langsam verklang das Echo der Schüsse. Im Zimmer stank es nach Cordit. Buddy, der Mörder, blickte Nick Spiro an, der sich langsam vom Boden erhob. Leila hatte die rechte Hand auf den Mund gepreßt und starrte mit weit aufgerissenen Augen auf den Toten. «Das war's wohl», stellte Spiro fest. «Was machen wir mit ihm?» erkundigte sich Buddy, dessen Intelligenzquotient zu der unteren Klasse gehörte. «Schmeiß ihn ins Meer», knurrte Spiro. Buddy nickte. Dann sagte er den ersten vernünftigen Satz in seinem Leben: «Das wird den Boß aber gar nicht freuen, glaube ich.» Nick Spiro wartete einige Stunden, ehe er das Telefongespräch nach New York anmeldete. «Es ist etwas schiefgelaufen, Boß», sagte er. «Erzähle!» klang es schwach durch den Hörer. «Dieser ... dieser Sam Milford, er hat uns Schwierigkeiten gemacht, Boß. Wir mußten ihn umlegen.» Fünf Sekunden schwieg der Boß im fernen New York. Doch dann war der Teufel los. Spiro wurde von seinem Boß zusammengeschrien, daß es sich nur so gewaschen hatte. Schließlich wagte Spiro zu fragen: «Was sollen wir denn jetzt machen?» «Abwarten. Sollte sich die Sache negativ entwickeln, Spiro, hast du nicht mehr lange zu leben. Klar?» -1 2 -
«Klar, Boß», erwiderte Nick Spiro kratzig. Damit war das Gespräch zu Ende. Spiro legte den Hörer auf die Gabel und zündete sich eine Zigarette an. Hastig rauchte er, wie es sonst nicht seine Art war. Warum mußte dieser verdammte Milford auch durchdrehen. Der Ärger würde nicht auf sich warten lassen, das spürte er. *** Franco Solo summte leise einen Schlager mit, der aus dem Autoradio tönte. Er befand sich auf dem Wege nach Washington. Sein Chef, Colonel Warner, hatte es für richtig erachtet wenn er sich wieder einmal in der Zentrale von COUNTER MOB eingehend informierte. Normalerweise bekam er seine Aufträge per Telefon, oder er traf sich mit Warner, wenn es die Lage erforderte. Es war ein selten schöner Tag, eigentlich viel zu schade, um ihn in einem nüchternen Büro zwischen Akten und Computern zu verbringen. Aber Franco sah ein, daß es sein mußte. Vielleicht traf er da einen seiner Kollegen, mit dem man sich noch später zu einem Glas Wein zusammensetzen konnte. Wachsam beobachtete Franco den Highway hinter sich durch den Rückspiegel seines weißen Camaro. Es war ihm fast in Fleisch und Blut übergegangen, immer darauf zu achten, ob ihm jemand folgte. Immerhin war auf seinen Kopf eine ganz beachtliche Prämie ausgesetzt, die sich laufend erhöhte. Franco grinste, während er daran dachte. Gut zu wissen, wieviel man anderen Leuten wert war. Und sich noch mehr vorzusehen, setzte er in Gedanken hinzu. Zwei Stunden später lenkte er seinen Wagen in eine Parkbucht auf dem Parkplatz der als Regierungsgebäude getarnten COUNTER-MOB-Zentrale. Franco betrat das Gebäude durch den Haupteingang, nickte einem der Wachposten zu, den er von früheren Besuchen her -1 3 -
kannte, und unterzog sich dann den zahlreichen Sicherheitskontrollen. Ein Lift brachte ihn in die Etage, in der Colonel Warner residierte. Franco hatte gerade den langen Flur betreten, als sich die Tür öffnete. Colonel Warner kam ihm entgegen. «Man hat Sie schon angekündigt Franco, schön daß sie so frühzeitig hier sind. Es gibt viel zu besprechen. Kommen Sie.» Franco begrüßte den Colonel und betrat dann mit ihm den großen, aber äußerst sparsam möblierten Büroraum. «Ich habe noch zwei ihrer Kollegen hergebeten, die sich gerade in der Nähe befanden, Franco.» In dem Moment drehte sich der am Fenster stehende Hüne um. «Hallo, Franco!» Steve Adams kam Franco mit ausgestreckten Händen entgegen. «Das ist mal eine freudige Überraschung. Eine ganze Zeit her, seitdem wir uns das letzte Mal gesehen haben.» Steve Adams gehörte auch zu COUNTER MOB, betrieb aber als Tarnung ein Detektivbüro, und kam dadurch oft an sehr wichtige Informationen. Allerdings mischte der rothaarige Hüne auch ganz gern mit, wenn irgendwo dringend jemand gebraucht wurde und scheute vor keinem Risiko zurück. Franco freute sich, ihn wiederzusehen, vor allem gesund und munter, denn das war bei COUNTER-MOB-Agenten leider nicht immer der Fall. «Hallo», ertönte plötzlich hinter ihnen eine Stimme. «Hier kommt der Kaffee!» Franco drehte sich um. «Eileen, Eileen Mark! Ja, wenn das keine Überraschung ist?» «Nimm mir mal das Tablett ab, damit ich Franco um den Hals fallen kann, Steve. So gut aussehende Männer trifft man nämlich sonst nur in Gangsterkreisen, also muß ich die Gelegenheit ausnutzen.»
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Eileen Mark lachte. Sie war eine kleine zierliche Person, der niemand zugetraut hätte, daß sie es auch mit Zweizentnermännern aufnehmen konnte. Sie arbeitete seit zwei Jahren für COUNTER MOB und hatte schon manchem Mafioso zu einem Aufenthalt hinter Gittern verholfen. Franco freute sich, sie wiederzusehen. Nachdem die drei sich eine Weile unterhalten hatten, ging es an die Arbeit. Es galt, sich die neuesten Fahndungsfotos führender Mafia-Leute einzuprägen, und die Informationen, die von Mittelsmännern bei COUNTER MOB eingingen, auszuwerten. Computer leisteten zwar die Hauptarbeit, aber oft ergaben sich Zusammenhänge, die erst auf den zweiten Blick erkennbar waren, aber dann wie bei einem Puzzlespiel ineinandergriffen. Eillen kicherte plötzlich. «Hört euch das an. Wir suchen jetzt auch noch verlorengegangene Ehemänner. Sam Milford, von einer 'Happy Day Tour' nicht zurückgekehrt. Hoffentlich hat der Grund nicht superblonde Haare und lange Beine!» «Sam Milford?» Franco stutzte. Irgendwo hatte er den Namen schon gehört. «Gibt es über den Mann noch Informationen?» fragte er. Eileen war schon am Computer und tippte eine Nummer ein, die sie der Informationskarte entnommen hatte. Auch Steve Adams meldete sich jetzt. «Happy Day Tour. Da gibt es so manche Gerüchte. Es heißt, daß das nur etwas für Leute mit genügend Dollars ist. Daß man da alles haben kann, Spiele, Alkohol und vor allen Dingen schöne Frauen. Angeblich hat auch die Mafia ihre Finger drin. Dafür müssen die Herren, die dort buchen, einen stolzen Preis zahlen. Drei Tage zehntausend Dollar. Ein hübscher Preis, nicht?» Steve Adams grinste. «Und wenn man den Faden weiter spinnt, ist für die Mafia da doch alles drin. Angefangen bei Erpressung. Welcher Industrielle oder Politiker gibt schon gern zu, daß er sich mit Call-Girls amüsiert hat?» -1 5 -
In dem Moment meldete sich Eileen wieder. «Es ist tatsächlich gar nicht so lustig wie ich dachte. Hört mal her! Sam Milford, Inhaber der Milford Company, eine der führendsten Firmen auf dem Gebiet des Motoren- und Turbinenbaus. Arbeitet an einem Projekt, das, wenn es fertig gestellt ist, eine Revolution auf dem Motorenmarkt sein wird. Außerdem arbeitet die Milford Company an geheimen Staatsaufträgen. Immer ein gefundenes Fressen für Spione und Saboteure. Und auch für die Mafia», setzte Eileen hinzu. «Außerdem besteht eine weitere Gefahr darin, daß die Mafia über Milford an höchsten staatlichen Stellen Einfluß gewinnen könnte.» «Ihre Meinung dazu?» Colonel Warner, der zugehört hatte, sah Franco an. «Die Vermutung, daß Milford nicht freiwillig verschwunden ist, liegt nahe. Man sollte der Sache auf jeden Fall nachgehen, vielleicht ist es die Spitze eines Eisberges, auf den wir gestoßen sind», erwiderte Franco. «Man muß auch diese 'Happy Day Tour' einmal unter die Lupe nehmen.» «Ihre Büros hat die Firma in New York. Macht groß Reklame», schaltete sich Steve Adams ein. «Außerdem habe ich hier noch etwas, das für uns interessant sein dürfte. Ein Informant meldet, daß, wie er gehört hat, vier Top-Call-Girls nicht mehr aufzufinden sind. Sie haben ihre Wohnungen verlassen, ohne persönliche Dinge mitzunehmen. Und die anderen Damen des Gewerbes hüllen sich in Schweigen, werden sie danach gefragt.» «Und alles in New York. Ich werde den Gedanken an einen Zusammenhang nicht los», meinte Franco. Colonel Warner lächelte. «Das ist doch gerade das Richtige für Sie, Franco. Gehen Sie der Sache auf den Grund. Wenn wir mit unseren Vermutungen richtig liegen und Sie Hilfe brauchen sollten, setzen Sie sich mit Steve Adams in Verbindung.» Franco seufzte. Es wurde also wieder mal nichts aus dem netten Abend unter Freunden. Aber die Sache ging vor.
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Eine halbe Stunde später befand er sich schon auf dem Weg zum Flughafen. Er wollte die nächste Maschine nach New York nehmen. Hätte er allerdings geahnt, was auf ihn zukam, er hätte sich eine kugelsichere Weste zugelegt. Aber zum Glück kann kein Mensch in die Zukunft blicken. Nick Spiro besaß außerhalb von Nassau, der Hauptstadt der Bahamas, einen kleinen Bungalow. Er bewohnte ihn allein, abgesehen von den zahlreichen Gespielinnen, die ihm dann und wann seine Langweile vertrieben. Nick Spiro fuhr erst am hellen Morgen nach Hause. Buddy hatte inzwischen den toten Sam Milford weggebracht. Die Leiche lag nun einige hundert Yard tief im Meer, mit einem soliden Betonklotz an den Füßen. Der Bungalow Spiros lag auf einem kleinen Hügel. Ein mit Kies beschichteter Weg führte zum Eingang hoch. Spiro parkte seinen himmelblauen Ford Mustang vor der Garage, kramte den Schlüssel aus der Tasche und schloß die Haustür auf. Danach streifte er erst einmal die Kleider ab und stellte sich unter die Dusche. Danach fühlte er sich wohler und hatte jetzt nur noch einen Wunsch, eine Mütze voller Schlaf zu nehmen. In einen weißen Frotteemantel gehüllt und wieder einigermaßen gut gelaunt, betrat Nick Spiro sein Wohnzimmer. Seine gute Laune verließ ihn schlagartig, als er die beiden Typen bemerkte. Sie lümmelten sich in seinen quittengelben Wildledersesseln, hielten Pistolen mit Schalldämpfern in den Händen und hatten ein impertinentes Grinsen aufgesetzt. Spiro musterte sie sekundenlang. Der Kerl rechts von ihm trug einen hellblauen Leinenanzug, eine Seidenkrawatte und elegante Schuhe. Er hatte schwarzes Haar, das ihm weit in den Nacken wuchs. Eine Sonnenbrille bedeckte den Großteil seines Gesichtes. Der Mann schien der Boß der beiden ungebetenen Besucher zu sein. -1 7 -
Nummer zwei war fast so lang wie breit. Er steckte in einem dunklen Anzug und trug ein am Halse offenstehendes Hemd. Die etwas geschlitzten Augen verrieten den Asiaten. Der Kerl hatte eine Glatze und knorpelige Karatefäuste. Überhaupt wirkte er wie ein momentan gezügeltes Bündel Energie. «Was soll der Quatsch?» fragte Nick Spiro. «Wie sind Sie überhaupt hier hereingekommen?» «Ich an Ihrer Stelle würde ein wenig freundlicher sein», erwiderte der Sonnenbrillenträger lächelnd. «Mein Freund wird sonst sehr ungemütlich.» «Was glauben Sie, wie ungemütlich ich werden kann», regte sich Nick Spiro auf. «Sie wissen anscheinend nicht, wen Sie vor sich haben. Ich bin ...» Der Mann mit der Sonnenbrille schoß. Es machte nur kurz Plopp, und Nick Spiro hörte die Kugel dicht an seinem Ohr vorbeisirren. Hinter ihm gab es ein klatschendes Geräusch, als das Geschoß sich in die Wand bohrte. «Sie sehen, Mister Spiro, wir sind sehr humorlos. Wenn ich Tako jetzt ein Zeichen gebe, steht er auf und macht Sie fertig. Total fertig, damit wir uns richtig verstehen. Also, richten Sie sich danach.» Tako, der Karatemann, zeigte bei diesen Worten grinsend seine Zähne und ließ die Waffe verschwinden. Er war auch so gefährlich genug. Nick Spiro sah ein, daß er im Moment am kürzeren Hebel saß. «Also, was wollen Sie?» knurrte er. «Immer langsam», sagte der mit der Sonnenbrille. «Setzen Sie sich erst einmal. Am besten dort auf die Couch. Da haben wir Sie im Blickfeld,» Spiro gehorchte. Aus einer Zigarettendose, die auf dem rechteckigen Glastisch stand, angelte er sich einen Glimmstengel. «Ich darf doch rauchen?» fragte er. «Aber ich bitte Sie, Spiro. Wir sind doch keine Unmenschen.» -1 8 -
Nick Spiro rauchte ein paar Züge. Er war nervös. Verdammt, was wollten diese Kerle nur von ihm? Er hatte sie noch nie hier auf den Bahamas gesehen. Sie waren bestimmt aus den Staaten, wenigstens der mit der Sonnenbrille. «Wo ist Sam Milford?» fragte der Mann plötzlich. Nick Spiro hätte sich bald an dem Rauch seiner Zigarette verschluckt, so unerwartet traf ihn die Frage. «Ich warte auf Antwort!» «Sam Milford ist tot», erwiderte Spiro spöttisch. «Gestern nacht verstorben.» Sonnenbrilles Mundwinkel zuckten. «Ich habe Ihnen schon einmal gesagt, Spiro, wir sind ziemlich humorlos.» «Aber, verdammt noch mal, es ist so. Ich will Ihnen mal was flüstern Mister Unbekannt: Ich selbst war dabei, als Milford erschossen wurde. Er hat ein kühles Grab auf dem Meeresboden gefunden. Holen Sie sich ein paar Taucher, überzeugen Sie sich selbst.» Nick Spiro drückte wütend seine Zigarette aus. Der Fremde fixierte ihn unter den dunkel getönten Gläsern scharf. Er hob den klobigen Revolver ein wenig an. «Unser Informant ist verdammt zuverlässig, Spiro. Wenn er sagt, daß Milford in Nassau ist, dann stimmt es.» «Aber wenn ich Ihnen sage ... Ach, Quatsch, jetzt hören Sie mir mal zu, Mister Unbekannt. Meine Geschichte klingt besser.» Nick Spiro berichtete haarklein, was sich gestern nacht in der Bar zugetragen hatte. «Ich kann Ihnen ja auch Milfords Mörder präsentieren, wenn Sie mir nicht glauben wollen», sagte er zum Schluß. Der Mann mit der Sonnenbrille nagte unentschlossen auf seiner Unterlippe herum. Dann sagte er in einer fremden Sprache etwas zu seinem Kumpan, der ihm kurz antwortete. Nick Spiro sah in die kalten Augen des Karatekämpfers und spürte so etwas wie ein Frösteln, das langsam über seinen Rücken zog. Er hatte Angst. Er, der schon einige Menschen vom Leben zum Tod befördert hatte, fürchtete sich. -1 9 -
Der Mann wandte sich wieder Nick Spiro zu. «Wir glauben dir», stellte er fest. «Und es war aus unserer Sicht sogar kein Fehler, daß ihr Sam Milford umgebracht habt.» Nick Spiro atmete auf. Die Angst verlor sich, und langsam kehrte seine alte Sicherheit zurück. «Was wolltet ihr eigentlich von Milford?» fragte er. «Nichts, was Sie zu interessieren hätte. Am besten ist es, Sie vergessen unseren Besuch. Dann werden Sie auch keinen Ärger bekommen. Ich weiß, Spiro, welche Macht hinter Ihnen steht, aber denken Sie immer daran, Sie haben nur ein Leben.» «Natürlich werde ich Ihren Besuch vergessen, Mister», erwiderte Spiro schnell, «ich bin doch nicht lebensmüde.» In Wirklichkeit dachte er anders. Die beiden würden sich noch wundern. Die beiden Fremden standen auf, und gingen, ohne ein Wort zu sagen. Nick Spiro rannte zu dem großen Panoramafenster, um einen Blick auf den Wagen der beiden erhaschen zu können. Doch die Männer waren Profis. Sie hatten ihr Gefährt in Deckung einer Hecke abgestellt. Spiro hörte nur wenig später das satte Brummen eines Motors. Dem Klang nach ein Ausländer. Spiro tippte auf Italien. Dann gönnte er sich erst einmal einen doppelten Whisky. Eine halbe Stunde lang grübelte er über den Besuch der beiden nach, überlegte, wer sie wohl geschickt haben könnte. Doch er kam zu keinem Ergebnis. Etwas stand für ihn jedoch fest. Es braute sich etwas zusammen. Vielleicht nicht hier, aber in New York. Nick Spiro war noch in Gedanken versunken, als Buddy eintraf. «Ich habe Milfords Klamotten verbrannt», sagte er. «Niemand wird jemals ein Stück davon finden.» Buddy lachte krächzend. Erst jetzt bemerkte er, daß Nick Spiro an ihm vorbei nach draußen starrte.
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«Hey, Nick», rief er. «Was ist los mit dir? Ist dir der Tod von Milford so an die Nieren gegangen?» «Quatsch», knurrte Spiro. «Ich denke nur nach.» «Und über was?» «Das brauche ich dir nicht gerade auf die Nase zu binden. Eins ist jedoch sicher. Ich fliege noch heute nach New York.» «Nach New York?» echote Buddy. «Was willst du denn da?» «Autos zählen», murmelte Spiro und ging zum Telefon, um sich eine Flugkarte zu bestellen. Die beiden Typen, die ihn besucht hatten, würden sich wundern. So sprang man mit der Mafia nicht um. *** Das Mädchen hieß Juliette Aubert und arbeitete als Call-Girl für die Oberen Zehntausend. Sie war vierundzwanzig Jahre alt, stammte aus Brooklyn und hatte sich des Images wegen das französische Pseudonym zugelegt. Franco Solo kannte Juliette Aubert, hatte ihr einmal in einer üblen Situation geholfen. Das war lange her, aber seitdem versorgte sie Franco hin und wieder mit Informationen aus gewissen Kreisen. Auch diesmal wollte er sein Glück wieder bei Juliette versuchen. Vielleicht konnte sie ihm weiterhelfen. Sie wohnte in der Nähe des Battery Parks, unten an der Südspitze von Manhattan. In der letzten Zeit waren hier viele neue Wohnblocks entstanden, unter anderem auch Apartmenthäuser der gehobenen Preisklasse. Franco Solo fand sogar einen Parkplatz in der Nähe des Hauses und stellte seinen Wagen ab. Von der Upper Bay wehte ein frischer Wind, und der Mafiajäger ärgerte sich jetzt, keinen Mantel mitgenommen zu haben.
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Das Haus war eine Mischung aus Glas, Beton und Aluminium. Natürlich gab es auch einen Portier. Er hockte in seiner gläsernen Loge und telefonierte. Franco ließ ihn, wie man so schön sagte, links liegen und marschierte zu den drei Lifts. Er hatte Glück. Einer war unten. Juliette Aubert wohnte in der siebenundzwanzigsten Etage. Der Expresslift brachte Franco Solo in Rekordzeit nach oben. Franco drückte die holzgetäfelten Türen auf und stand Sekunden später in dem langen Apartmentflur. Grün, grün, grün. Franco sah nur noch grün. Die Wände, der Teppichboden, es fehlten nur noch grün angestrichene Fenster. Ein Zeitungsartikel kam Franco in den Sinn. Darin hieß es, daß Grün beruhigt. Franco verzog das Gesicht. Ihm würde es eher auf den Wecker fallen. Juliette bewohnte Apartment acht. Die Zahl samt Namen fand Franco in Messingbuchstaben an der Tür. Er legte seinen Finger auf den Klingelknopf. Ein dezenter Gong ertönte. «Einen Moment», rief Juliettes Calvadosstimme. Aus dem Moment wurden drei Minuten. Als sich dann die Tür öffnete, strahlte sie. Das heißt nur für einen Augenblick, denn als sie Franco erkannte, verschloß sich ihr Gesicht wieder. «Ach, Sie sind es, Mister Solo. Ich dachte, es wäre ein Kunde.» «Mein Monatsgehalt reicht nicht für Sie», erwiderte Franco. «Aber darf ich trotzdem reinkommen?» «Selbstverständlich. Entschuldigen Sie, Mister Solo.» Das Girl gab die Tür frei. Dann ging sie vor Franco her in das Wohnzimmer. Was heißt ging. Sie schwebte. Juliette hatte genau den richtigen Gang, der bei Männern kreislauffördernd wirkt. Sie trug einen weißen Frotteemantel, der ihr knapp über den Po reichte und in Höhe der Taille durch einen Gürtel zusammengehalten wurde. Die rotbraune Haarflut lag locker auf ihrer Schulter. Juliette war ein etwas herber Typ mit -2 2 -
hochstehenden Wangenknochen und faszinierenden grünen Augen. Franco Solo war schon einige Male in ihrem Apartment gewesen, doch der Ausblick, den man vom Wohnzimmer aus hatte, fesselte ihn immer wieder. Durch die große Panoramascheibe sah man Brooklyn wie auf dem Präsentierteller liegen. «Bei klarem Wetter kann ich bis nach Coney Island sehen», sagte Juliette hinter ihm. Franco drehte sich um. «Einfach phantastisch!» «Wer? Der Ausblick oder ich?» «Beides.» Franco lächelte. «Oh, das ist ja ganz etwas Neues. Ein Kompliment aus dem Mund eines Bull... Verzeihung, Polizisten.» Franco winkte ab. Juliette kannte ihn nur als zur Polizei gehörig, und er hatte sie bei dem Glauben gelassen. «Tun Sie sich keinen Zwang an, Juliette.» «Okay, Mister Solo. Was kann ich Ihnen anbieten?» «Fruchtsaft?» «Immer noch keinen Alkohol?» «Ja. Sie trinken doch sicher auch noch Calvados, Juliette.» «Was dachten Sie denn, Franco.» In Juliettes Wohnzimmer herrschte eine ordentliche Unordnung, wenn man das so bezeichnen wollte. Überall verteilt lagen Sitzkissen. Auch diese unmöglichen aufblasbaren Sessel standen herum. Eine Wand wurde nur von einem Regal eingenommen, das außer der Stereo-Anlage eine alkoholische Reise quer durch die Welt enthielt. Der Calvados stand im zweitobersten Fach. Um an die Flasche zu kommen, mußte Juliette sich recken. Ihr Frotteemantel schob sich nach oben. Franco bemerkte, daß sie darunter nur noch nackte Haut trug. Na, ja. -2 3 -
Als Juliette die Getränke brachte, hing Franco in einem der aufblasbaren Sessel und fühlte sich nicht gerade wohl, denn aus diesen Dingern kam man in Bedarfsfällen schlecht wieder heraus. Juliette hockte sich züchtig auf eines der Sitzkissen, sah ihn aus ihren grünen Augen an und sagte: «Sie wollen wieder was von mir wissen. Stimmt's?» Franco trank erst einmal einen Schluck. «Richtig», erwiderte er dann. «Welchem Mädchenhändler seid ihr denn jetzt wieder auf der Spur?» erkundigte sie sich lachend. «Gar keinem, Juliette. Es geht um etwas anderes, wobei Sie mir helfen können. Es geht um die Mafia.» Juliette zuckte zusammen. Ihr Gesicht wurde kalkweiß. Das Glas mit dem Calvados zitterte in ihrer Hand. «Ich weiß nichts, Mister Solo. Wirklich nicht. Und gehen Sie jetzt. Ich erwarte einen Kunden.» Franco schüttelte den Kopf. «Ich gehe noch nicht, Juliette. Nicht eher, als bis ich weiß, was hier in New York läuft. Wir haben doch bis heute immer gut zusammengearbeitet. Soll das auf einmal vorbei sein?» «Früher ging es aber auch nicht um die Mafia», murmelte Juliette. «Auch die Leute sind nicht unsterblich. Wenn Sie wollen, Juliette, nehmen wir Sie in Schutzhaft.» Das Girl schüttelte den Kopf. Juliette hatte Angst. Höllische Angst. Franco mußte diese Barriere einfach durchbrechen, um an diese verdammte Gangster heranzukommen. Das Mädchen kannte ganz bestimmt Namen. «Ich kann nichts sagen», flüsterte Juliette. «Diese Männer haben uns in der Hand. Ich werde auch bald nicht mehr in New York sein.» «Vielleicht auf den Bahamas?» fragte Franco. -2 4 -
«Aber Mister Solo, woher...» Juliette zitterte. «Woher wissen Sie denn, daß ...» «Wir wissen eine ganze Menge», bluffte Franco. «Ich brauche lediglich von Ihnen ein paar Details. Es kann sein, daß es in einigen Tagen keine 'Happy Day Tour' mehr gibt, Juliette.» Das Girl blickte ihn groß an. «Den Namen kennen Sie also auch schon.» Franco nickte. «Na, dann.» Juliette runzelte die Stirn. «Wir arbeiten seit einiger Zeit nicht mehr für uns. Die Mafia hat uns in der Hand. Wer nicht wollte, wurde mit Gewalt dazu gezwungen. Schließlich haben sie alle nachgegeben. Am Anfang lief auch alles normal weiter. Wir brauchten noch nicht einmal Geld abzugeben. Doch dann wurden die ersten von uns auf die Bahamas geflogen. Dort ging es rund. Da hörte ich auch zum ersten Mal von dieser 'Happy Day Tour' und mit was für Kunden es meine Kolleginnen dort unten zu tun hatten. Alles wäre nicht so schlimm gewesen, wenn man uns bezahlt hätte. Aber Dollars sieht man keine. Wer einmal dort unten festhängt, kommt nie mehr weg. In der nächsten Woche soll ich auf die Bahamas geflogen werden. So sieht es aus.» Juliette setzte ihr Glas an den Mund und trank es mit einem Ruck leer. Es waren interessante Perspektiven, die das Girl da eröffnet hatte. Nun wußte Franco hundertprozentig, daß die Mafia hinter diesen Reisen steckte. «Kennen Sie Sam Milford?» fragte er Juliette. Sie schüttelte den Kopf. «Nein, den Namen habe ich noch nie gehört. Er ist kein Kunde von mir gewesen. Kann aber möglich sein, daß er sich unter falschen Namen bei mir vorgestellt hat.» «Gut, lassen wir das», sagte Franco. «Etwas anderes. Wie hieß der Mann, oder wie hießen die Männer, die Sie gezwungen haben, für die Mafia zu arbeiten?» Juliette wollte gerade antworten, da ertönte der Gong. Das Girl zuckte zusammen. -2 5 -
«Erwarten Sie Besuch, Juliette?» «Nein. Eigentlich nicht. Aber es kommt immer mal vor, daß ein Kunde unangemeldet hereinschneit.» Wieder ertönte der Gong. Juliette stand auf und ging zur Wohnungstür. Sekunden später hörte Franco Männerstimmen und Juliettes erstickten Schrei. Ehe er aus dem verdammten Sessel herauskam, war es schon zu spät. Die beiden Männer standen plötzlich im Wohnzimmer. Einer von ihnen hatte Juliette an den Haaren gepackt und ihren Kopf nach hinten gezogen. Mit der freien Hand hielt er dem Girl die Spitze eines Messers gegen die Kehle. Franco kannte die beiden Männer. Sie hießen Jack Warren und Sergio Lamara. Noch gestern hatte er ihre Steckbriefe in der Hand gehabt. Die Henker der Mafia! *** «Gewonnen!» jubelte Gloria Milford und rannte auf ihren Verlobten zu. Al Scott fing das Girl auf und drehte sich einmal um die eigene Achse. «Du bist eben im Tennis unschlagbar, Darling», lachte er und hauchte Gloria zärtlich einen Kuß auf den Mund. Gloria Milford war zwanzig Jahre jung. Sie hatte hellblondes Haar, das sie zu einem Pferdeschwanz gebunden trug. Über ihrer kleinen Nase verteilten sich eine Anzahl Sommersprossen, die ihrem Gesicht immer etwas Pfiffiges gaben. Der moderne Tennisdreß brachte Glorias Figur erst richtig zur Geltung. Ein Kenner sah sofort, daß sich so manche Filmschauspielerin Glorias Maße gewünscht hätte. «Und wo feiern wir deinen Sieg?» fragte Al Scott. -2 6 -
Gloria legte den rechten Zeigefinger auf ihre Unterlippe und murmelte: «Da muß ich mal sehr genau überlegen.» «Wir war's bei dir zu Hause?» schlug Al vor. Gloria trat einen Schritt zurück. «Mister Scott, ich muß schon sagen, Sie sind ja ein ganz Schlimmer», rief sie in gespieltem Zorn. «Ein junges unschuldiges Mädchen einfach zu sich nach Hause einladen, das schickt sich nicht.» «,Schade.» Al Scott zuckte die Schultern. «Dann muß ich mir eben eine andere Gespielin suchen.» «Von wegen, du Mädchenhändler. Ich werde dir beide Augen auskratzen, solltest du jemals ...» Al lachte, und nahm Gloria in die Arme. «Ach, Al», flüsterte sie und wühlte mit den Fingern in dem dunkelbraunen Haar des jungen Mannes. Al Scott studierte Physik im letzten Semester. Er stammte im Gegensatz zu Gloria aus einfachen Verhältnissen. Sein Vater war nur ein kleiner Bankangestellter, der sich das Studium seines Sohnes vom Munde abgespart hatte. Doch Gloria Milford hatte sich noch nie von Geld blenden lassen. Trotzdem ihre Eltern dagegen waren, hatte sie sich vor zwei Monaten mit Al Scott verlobt und es bis heute nicht bereut. «Aber erst wollen wir im Clubhaus einen Schluck trinken», sagte Al. «Einverstanden.» Gloria hakte sich bei ihm unter, und gemeinsam betraten die jungen Leute wenig später das Clubhaus. Die Tennisanlage befand sich auf Randall's Island und war Privatbesitz. Die Beiträge waren so hoch, daß praktisch nur Begüterte hier spielen konnten. An der Bar trafen Gloria und Al noch einige Freunde. «Na, wer hat gewonnen?» erkundigte sich June, eine von Glorias Freundinnen. «Gloria natürlich», erwiderte Al. «Wenn sie mich in der Ehe auch immer schlägt, habe ich später nicht viel zu sagen.» -2 7 -
«Aber im übertragenen Sinne schlägt», lachte Gloria. Die beiden hielten sich noch etwa eine Stunde im Clubhaus auf. Dann zogen sie sich um und gingen. Der Parkplatz lag am Rande des Geländes. Als sie auf Glorias Wagen zusteuerten, einem knallroten Mini Morris, sagte das Girl plötzlich: «Meine Mutter war heute morgen so seltsam. Ich weiß auch nicht, was sie hat.» «Vielleicht hängt es mit deinem Vater zusammen». Gloria nickte. «Du kannst recht haben. Mutter und ich waren ja gegen diese Reise zu den Bahamas. Ich habe mich mal spaßeshalber im Freundeskreis umgehört. June, zum Beispiel, hat mir erzählt, daß ihr Vater schon zweimal auf den Bahamas gewesen ist. Entspannungsurlaub nannte er das. Ich kann mir schon vorstellen, was dahinter steckt.» «Du solltest nicht so schlecht von deinem Vater denken», besänftigte Al seine Verlobte. «Gönn' ihm doch die Ruhepause.» «Das hätte er auch mit Mutter haben können. Man liest ja immer soviel in den Zeitungen, daß die Männer mit Fünfzig noch mal ihren zweiten Frühling erleben wollen und so.» Al erwiderte nichts. Auch er konnte sich schlecht vorstellen, daß Sam Milford auf den Bahamas einfach nur Urlaub machte. Al Scott hatte die Autoschüssel. Er schloß die Wagentüren auf und setzte sich hinter das Lenkrad. Gloria kuschelte sich plötzlich an ihn. «Du wirst doch nie ohne mich wegfliegen, Al, nicht wahr?» «Ich schwöre es dir.» «Dann ist ja alles gut.» Al Scott ließ den Motor kommen. Geschickt rangierte er den Wagen aus der Parklücke. Randall's Island war eine der grünen Lungen New Yorks. Die Triborough Bridge verband diese kleine Oase der Ruhe mit Manhattan.
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Al Scott lenkte den Wagen auf die Straße, die zum Verteiler der Triborough Bridge führte. Verkehr herrschte kaum, und so konnte sich der junge Mann während des Fahrens auch mal mit seiner Verlobten unterhalten. «Hier möchte ich später mal wohnen», seufzte Gloria. «So ganz abgeschieden. Nichts mit den anderen zu tun haben.» Al Scott lächelte. Die Straße verlief in einer Kurve und mündete in ein Waldgebiet. Der Herbst hatte die Blätter der Bäume schon bunt gefärbt, und durch das Laub bahnten sich einige Sonnenstrahlen den Weg. Es war ein Tag für Romantiker. «Fahr doch langsamer, Al», sagte Gloria. «Ich möchte die Gegend genießen.» «Dein Wunsch ist mir Befehl», erwiderte Al und schaltete zurück. Im gleichen Moment preschte etwa zwanzig Yard vor ihnen ein dunkelgrüner Buick aus einem Waldweg, wurde abgebremst und stand quer auf der Straße. «Verdammt!» fluchte Al Scott. Sein rechter Fuß rammte auf das Bremspedal. Gloria hatte einen Augenblick nicht aufgepaßt und wurde nach vorn gegen die Scheibe geschleudert. Sie schrie auf. Dicht vor dem quergestellten Buick kam der Morris zum Stehen. «Dem werde ich es zeigen», knurrte Al Scott und riß die Wagentür auf. «Nicht, Al», wollte Gloria noch rufen, doch es war schon zu spät. Ihr Verlobter lief schon auf den Buick zu. Auch dessen Türen sprangen auf. Zwei Männer schoben sich aus dem Wagen. Gloria sah, daß einer von ihnen eine Sonnenbrille trug.
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Plötzlich spürte sie die Gefahr fast körperlich. Sie faßte nach dem Türhebel, doch da wurde die Wagentür schon aufgerissen. «Nicht so stürmisch, Puppe!» hörte sie die höhnische Stimme des Sonnenbrillenträgers. Er faßte Gloria brutal am Arm und riß sie nach draußen. Al Scott bemerkte es aus den Augenwinkeln heraus. «Was erlauben Sie sich!» brüllte er und machte Anstalten, sich auf den Mann mit der Sonnenbrille zu stürzen. Doch da war noch Tako, der Karatekämpfer. Sein Schlag traf Al in die Seite. Der junge Mann knickte zusammen. Er hatte das Gefühl, als wäre sämtliche Luft aus seinem Körper gepreßt worden. Ein weiterer Hieb schleuderte ihn zurück. Al landete mit dem Rücken am Kühler des Morris. Glorias Schrei hörte er nur wie durch Watte. Der Mann mit der Sonnenbrille erstickte Glorias verzweifelten Schrei durch einen Schlag ins Gesicht. Wimmernd brach Gloria zusammen. «Nichts wie weg!» fluchte Sonnenbrille und zog das Girl hoch. An den Schultern gepackt, schleppte er es zum Wagen. Die Fondtür des Buick stand bereits offen. Der Mann warf das Mädchen hinein. «Du fährst!» befahl er Tako. Der Glatzkopf nickte und setzte sich hinter das Steuer. In diesem Augenblick wurde Al Scott wieder munter. Als er sah, was mit Gloria geschehen war, brannten bei ihm die Sicherungen durch. Mit einem Schrei taumelte er auf den Buick zu, dessen hintere Tür noch immer offen stand. Der Sonnenbrillenträger sah die Gefahr, die der Junge darstellte. Blitzschnell lag eine schallgedämpfte Waffe in seiner Hand. Eiskalt schoß er Al Scott nieder. Zwei Kugeln trafen den Jungen. -3 0 -
Al brach in die Knie. «Glo .. .ri... a», brachte er noch stockend hervor. «Ich ... ich ...» Eine Schmerzwelle durchpulste seinen Körper. Al Scott fiel mit dem Gesicht in den Staub. Dicht neben seinem Kopf radierten die Räder des Buick vorbei, in dem Gloria Milford, seine Verlobte, entführt wurde. Doch das sah der junge Mann nicht mehr. Der gnädige Mantel der Bewußtlosigkeit hatte ihn umfangen. *** Manchmal ist es ein Zufall, der über das Leben eines Menschen entscheiden kann. Wäre der Zigarettenautomat im Clubhaus nicht leer gewesen, wäre der Platzwart der Anlage nie auf die Idee gekommen, loszufahren, um Glimmstengel zu besorgen. Somit war er der Erste, der Al Scott fand. «Gütiger Himmel», flüsterte der Verwalter. «Das ist ja Mister Scott.» Er trat auf die Bremse seines altersschwachen Fords und stieg aus, so schnell es seine alten Knochen erlaubten. Al Scott lag in einer großen Blutlache. Der Verwalter legte sein Ohr an den Mund des jungen Mannes. «Ein Glück, er lebt noch», murmelte der Helfer. Er wußte, was er zu tun hatte. Einige hundert Yard weiter war die Kreuzung. Und dort stand auch eine Notrufsäule. Der Verwalter holte aus seinem Ford alles heraus. Schließlich hatte er die Säule erreicht. Ein kurzer Druck auf die Sprechtaste reichte. Mit hastiger Stimme sprach der Verwalter seine Meldung in das Mikrophon. Hoffentlich war er nicht zu spät gekommen. *** -3 1 -
«Sieh mal einer an. Wen haben wir den da? Unseren lieben Freund Solo. Die Prämie ist erst vor kurzer Zeit erhöht worden», sagte Jack Warren höhnisch. «Was meinst du, Sergio, sollen wir sie uns verdienen?» Und dann zu Franco gewandt: «Bleib ja sitzen, Solo, sonst rasiert Sergio der Puppe den Hals.» Franco Solo glaubte Warren aufs Wort. Er und Sergio Lamara waren zwei eiskalte Verbrecher, denen ein Menschenleben nichts, aber auch gar nichts bedeutete. Sie hatten zusammen bestimmt mehr als ein Dutzend Morde auf dem Gewissen. Nur beweisen konnte man ihnen nichts. Und noch etwas war höchst interessant. Die zwei Killer arbeiteten für Enrico Mancini, den heimlichen König von New York, wie er sich selbst zu nennen pflegte. Jack Warren trat ein paar Schritte zur Seite, so daß er schräg vor Franco Solo stand. Die Beretta in seiner Hand war weiterhin auf Franco gerichtet. Jack Warren hatte weißblond gefärbte Haare und ein im Solarium gebräuntes Gesicht. Er kleidete sich meistens elegant und liebte außerdem seidene Krawatten. Sein Aussehen mußte irgendwie auf Frauen wirken, denn Franco hatte gehört, daß er sich nie mit einer Puppe allein abgab. Über der linken Augenbraue zog sich bis zum Haaransatz eine breite rötliche Messernarbe, die seinem Gesicht einen brutalen Zug gab. Sergio Lamara war das glatte Gegenteil von Jack Warren. Klein, fast schmächtig, mit schwarzen, gewellten Haaren und fast sanften braunen Augen, wirkte er eher wie ein Sonnyboy. Manch einer hatte sich schon durch dieses harmlose Äußere täuschen lassen. Die meisten davon besahen sich jetzt die Radieschen von unten. Sergios Messer traten immer schnell in Aktion. Soweit Franco wußte, trug Lamara einen Spezialgürtel, in dem immer mehrere seiner ,Spielzeuge' steckten. Lamara kam aus Italien und hatte früher mal in einem Zirkus als Messerwerfer gearbeitet. Noch immer zeigte die Messerspitze auf Juliettes -3 2 -
Kehle. In ohnmächtiger Wut ballte Franco die Hände. Juliettes Gesicht war zu einer Maske des Schreckens erstarrt. Sie wußte genau, daß eine falsche Bewegung ihr Ende bedeuten konnte. Warren strich mit der freien Hand über sein weißblondes Haar. «Das ist eine dumme Sache, Solo, daß wir dich hier treffen. Aber da wir schon einmal zusammen sind, kannst du uns verraten, was du hier wolltest?» «Laß erst das Girl frei!» sagte Franco. Warren lachte leise. «Immer noch Kavalier, wie?» Er nickte Sergio kurz zu. «Zeig's ihm mal.» Was jetzt geschah, ging blitzschnell. Sergio wirbelte das Messer herum, Stoff ratschte. Sekundenbruchteile später fiel der Frotteemantel des Mädchens zu Boden. Das Girl war noch nicht einmal dazu gekommen, einen Schrei auszustoßen. Nackt hing sie in dem Griff des Gangsters. Und der Mafiajäger hockte hilflos in diesem verdammten aufblasbaren Kunststoffsesseln. «Siehst du, Solo», sagte Jack Warren. «So gut ist Sergio mit dem Messer. Sieh dir die Puppe ruhig an. Sie hat eine tolle Figur. Du willst doch nicht, daß das sich ändert? Ich brauche Sergio jetzt nur noch ein anderes Zeichen zu geben, dann tritt sein Messer richtig in Aktion.» Franco Solo schluckte. In seinem Magen bildete sich ein Klumpen. «Wenn du das tust, Warren, werde ich dich jagen wie einen tollen Hund.» «Deine Sprüche kannst du für dich behalten, Solo. Wir sind schließlich am Drücker. Also, wie ist es? Was hast du hier gewollt?» Franco Solo sah Juliette an, sah die grenzenlose Angst in ihren Augen, aber auch das Vertrauen, das sie ihm trotz ihrer hilflosen Lage immer noch entgegenbrachte und wußte plötzlich, daß er nicht lügen konnte. -3 3 -
Der COUNTER MOB Agent atmete tief aus. «Ich brauchte einige Informationen von Juliette.» «Welche?» «Allgemeiner Art. Über die Situation der Call-Girls in New York.» ..Seit wann interessiert sich denn euer Verein dafür?» «Seit es einige Skandale mit höheren Beamten aus den Ministerien gegeben hat.» Franco fiel schon ein halber Stein vom Herzen. War es ihm wirklich gelungen, Warren auf eine falsche Spur zu lenken? Doch seine Hoffnung zerplatzte wie eine Seifenblase, als Warren sagte: «Für wie dumm hältst du uns eigentlich, Solo? Ich habe dich gewarnt, die Folgen hast du dir nun selbst zuzuschreiben. Sergio!» In diesem Augenblick überstürzten sich die Ereignisse. Ehe Sergio mit seinem Messer in Aktion treten konnte und Franco trotz der auf ihn gerichteten Waffe aus dem Sessel hechten wollte, schrie Juliette plötzlich: «Nein, ich sage es freiwillig! Bitte, ich sage es doch!» «Stopp!» Warrens Befehl kam gerade noch rechtzeitig. Sergio Lamara hätte gnadenlos zugestoßen. Franco war schon halb aus dem Sessel, als Warren ihn anfuhr: «Setz dich wieder hin, du Bullenschein. Oder ich pumpe dich voll Blei.» «Und jetzt, Puppe, bist du an der Reihe!» forderte Jack Warren. «Du hast noch eine winzige Chance. Rede!» Juliettes Atem ging keuchend. «Er... er... hat mich nach der Organisation gefragt. Nach der 'Happy Day Tour'. Er wollte wissen, wer alles dahintersteckt.» «Und was hast du gesagt?» «Nichts habe ich gesagt, gar nichts. Ich weiß doch selbst nichts.» Warren warf dem Mafiajäger einen Blick zu, der Bände sprach.
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Was würde geschehen? Würde Warren das Girl trotz ihrer Aussage von Sergio Lamara töten lassen? Franco spannte alle Muskeln. Nein, solch einen bestialischen Mord mußte er verhindern. «Laß sie los!» sagte Jack Warren plötzlich. «Wir nehmen sie mit und werden uns ausführlich mit ihr beschäftigen.» Sergio ließ die Haare des Girls los und schleuderte die schluchzende Juliette in eine Ecke. «Zieh dir was über!» schnauzte Warren. «Nackt erregst du zuviel Aufsehen.» Juliette griff nach ihrem Frotteemantel. «Nicht den Plunder, verdammt. Ein Kleid oder einen Hosenanzug.» «Die Sachen habe ich aber im Schlafzimmer.» «Sergio wird dich begleiten.» Jetzt hatte es Franco nur noch mit einem Gegner zu tun. Warren leckte sich die Lippen. «Eigentlich möchte ich dich hier sofort umlegen, Solo. Aber bei deiner Berühmtheit muß ich leider erst den Boß fragen.» «Hoffentlich ist Mancini zu Hause», meinte Franco sarkastisch. Warrens rechtes Augenlid zuckte. «Mancini? Wer ist denn das?» «Dein Boß, wenn ich nicht irre.» «Du hättest Märchenerzähler werden sollen, Solo. Das steht dir besser.» Jack Warren ging zum Telefon. Dabei ließ er Franco keinen Augenblick aus den Augen. «Bestell' Mancini, daß er schon auf unserer Liste steht», sagte Franco. Jack Warren erwiderte nichts. Er stellte sich so, daß Franco nicht sehen konnte, welche Nummer er wählte, ihn aber immer im Blickwinkel hatte. Zum Glück hatte Jack Warren einen Fehler. Er überschätzte sich und unterschätzte andere. -3 5 -
Während Franco Solo vorhin halb aus dem Sessel hoch gekommen war, hatte er die Waffe in seiner Halfter gelockert. Wenn die Gelegenheit kam, brauchte er noch nicht einmal eine Sekunde, um zu ziehen und zu schießen. «Ich bin's Boß», sagte Warren, als er die Verbindung hatte. «Es geht um folgendes. Wir haben hier die Puppe besucht, und dabei einen ganz besonderen Fang gemacht. Franco Solo, der Kerl, der unserer Organisation schon so viel Schaden zugefügt hat. Dieser Solo hockt hier wie ein Häufchen Elend vor meiner Kanone.» Warren lauschte einen Moment und sagte dann: «Ja, Boß. Ich bin sicher. Soll ich ihn umlegen?» Ein fast greifbare Spannung lag plötzlich in der Luft. Wie würde der Boß sich entscheiden? Franco wußte es, als er sah, wie sich Warrens Gesicht verklärte. Dann legte er auch schon den Hörer auf. «Der Boß meint, diese Chance bietet sich nur einmal. Und wir sollten sie nutzen. Es wird mir ein besonderes Vergnügen sein, dich in die Hölle zu schicken, Solo.» Ehe Franco noch etwas erwidern konnte, öffnete sich die Schlafzimmertür, und Juliette und Sergio Lamara kamen zurück. Der Mafiajäger registrierte im Unterbewußtsein, daß das Mädchen jetzt einen roten Hosenanzug trug und Sergio sein Messer weggesteckt hatte. Er fühlte sich sicher. «Wir sollen Solo umlegen, hat der Boß gesagt», meldete Jack Warren. Sergio Lamara lachte hämisch. Plötzlich registrierte Franco jede Einzelheit wie in Zeitlupentempo. Er erkannte, daß Juliette nahe der Tür stand, sah, daß Sergio Lamara ihn ansah und bekam mit, wie Jack Warren sich in eine günstige Schußposition schob. «Aber... aber ... das könnt ihr doch nicht machen», flüsterte Juliette mit bebender Stimme. «Ihr...» «Halt die Schnauze!» fuhr Warren sie an. Sein rechter Finger zog den Abzug der Beretta durch ... -3 6 -
Der Killer hatte noch nicht das letzte Wort gesprochen, da handelte Franco. Eine Zehntelsekunde bevor der Schuß aufpeitschte, warf er sich mit dem leichten Sessel zur Seite. Die Waffe flog wie von selbst in seine Hand. Warrens Kugel zischte über ihn hinweg in den Sessel. Pfeifend entwich die Luft aus dem Möbelstück, und es fiel in sich zusammen. Der Mafiajäger schoß noch im Liegen. Gleichzeitig rief er Juliette zu: «Bring dich in Sicherheit, lauf weg!» Francos Geschoß streifte Warrens Schulter. Der Killer zuckte zusammen, kam aus dem Gleichgewicht, und sein nächster Bleiguß klatschte hinter dem COUNTER-MOB-Agent in die Wand. Franco rollte sich blitzschnell um die eigene Achse. Keine Sekunde zu früh. Wo er eben noch gelegen hatte, sirrte ein Messer in den Boden. Sergio Lamara hatte in den Kampf eingegriffen. Franco jagte eine Kugel in seine Richtung. Mit einer zweiten zwang er Jack Warren in Deckung. Irgendwo knallte eine Tür. Menschen schrien im Hausflur. Wieder pfiff ein Messer heran. Es verfehlte Franco nur um Haaresbreite. Sergio Lamara war wie ein Schatten. Schnell, gewandt, unhörbar. Mit seiner Schulter kippte Franco den Wohnzimmertisch um, und lag nun wenigstens einigermaßen in Deckung. Im Hausflur schrien die Bewohner inzwischen nach der Polizei. «Weg hier, Sergio!» brüllte Jack Warren plötzlich. Schießend rannte er in Richtung Tür. Die Kugeln zerschlugen das Holz des Tisches glatt. Franco machte sich ganz platt, so daß die Todesgrüße ihn nicht erreichten. -3 7 -
Dann knallte die Wohnungstür zu. Sekunden später dröhnte ein letzter Schuß auf. Im Hausflur! Verdammt, die Menschen dort Sie hatten nichts mit der Sache zu tun. Franco hielt nichts mehr hinter dem Tisch. Er rannte durch die kleine Diele, riß die Tür auf und sah den Mann, der stöhnend am Boden lag. «Da ist noch einer von den Mördern!» keifte eine hysterische Stimme. «Der hat sein Schießeisen noch in der Hand.» Die etwa zehn Menschen wichen erschrocken zurück. «Verdammter Killer!» stöhnte der Mann am Boden. Erst jetzt erkannte Franco den Hausmeister. «Ich bin hinter den Gangstern her!» rief Franco. «Wo sind die Kerle hin?» «Da, der Aufzug», sagte jemand. Der Mafiajäger spurtete auf die drei Liftkabinen zu. Zwei waren zum Glück oben. Sekunden später setzte sich der Expreßlift in Bewegung. Die Schüsse hörte Franco schon im Aufzug. Dann hielt der Lift an. Schmatzend Öffneten sich die Türen. Franco erfaßte die Lage mit einem Blick. Jack Warren und Sergio Lamara schössen sich mit zwei Cops herum. Jemand mußte die Beamten alarmiert haben. Sie mußten in der Nähe gewesen sein. Auch Sergio hatte jetzt eine Pistole in der Hand. Franco machte sich flach. Keine Sekunde zu früh. Lamara hatte ihn entdeckt und feuerte in seine Richtung. Das Blei zischte über ihn hinweg, in die Holzverkleidung des Lifts. Da sah einer der Cops die Chance, die Killer auszuschalten. Er kam hinter einem Blumenkübel hoch, hob den Arm mit der Waffe, zielte auf Lamara... -3 8 -
Warren schoß aus der Hüfte. Seine Kugel traf den Cop tödlich. Er brach langsam zusammen. Das alles hatte sich in Sekunden abgespielt. Jetzt gaben die beiden Killer Fersengeld. Wieder deckte einer den Rückzug. Trotzdem kam Franco noch zum Schuß. Seine Kugel fuhr dicht neben Lamaras Kopf in die große gläserne Eingangstür des Apartmenthauses. Lamara zuckte zusammen, drehte sich blitzschnell um und feuerte noch einmal in Francos Richtung. Der Mafiajäger hechtete aus dem Lift, kam wieder auf die Füße, hetzte hinter den beiden Schießern her, doch da waren sie schon außer Reichweite. Ein Motor heulte auf. Zu spät. Ein grauer Pontiac raste bereits auf die Einfahrt zum Brooklyn Battery Tunnel zu. Und Franco hatte noch nicht einmal das Nummernschild erkennen können. Er lief zurück in die Halle, schnappte sich den Telefonhörer der gläsernen Portierbox und wählte die Nummer der City-Police. «Franco Solo», meldete er sich rasch. «Hier hat es eine Schießerei gegeben. Ein grauer Pontiac, besetzt mit zwei Männern fährt in Richtung Brooklyn. Vorsicht, Insassen sind bewaffnet», sagte er zum Schluß. Hoffentlich hatte die Fahndung Erfolg. Er hätte ja selber die Verfolgung aufnehmen können, aber sein Wagen stand etwa fünfzig Yard entfernt. Und bis er sich aus der Parklücke gefädelt hatte, wäre der Vorsprung der beiden Killer zu groß gewesen. Franco verließ die Telefonbox und ging auf den Cop zu, der blutüberströmt am Boden lag. Sein Kollege kniete neben ihm und weinte. Franco sah, daß er eine blutige Hüfte hatte. Dort mußte ihn eine Kugel getroffen haben. -3 9 -
«Jack wollte nächste Woche heiraten», sagte er mit kratziger Stimme. «Ich weiß nicht, wie ich es seiner Verlobten beibringen soll. Ich weiß es nicht.» Seine Stimme erstickte. Franco spürte, wie wieder jene eiskalte Wut von ihm Besitz ergriff. Wieder hatten gnadenlose Mörder zugeschlagen. Wie oft hatte er so etwas schon erlebt. Aufrechte Männer, wie dieser junge Cop, mußten durch die Hand dieser verdammten Gangster sterben. Es war zum Verzweifeln. Aber er würde diese Brut jagen, das schwor sich Franco Solo wieder einmal. Die verdammte Mafiapest sollte sich wundern. «Ich habe schon die Ambulanz alarmiert», sagte der verletzte Cop. «Sie müssen jeden Moment kommen. Wer sind Sie überhaupt, Mister?» Franco Solo zeigte ihm seinen Sonderausweis. «Ich hatte schon vorher eine Auseinandersetzung mit den Killern.» In der großen Halle war es ruhig. Nur von draußen hörte man den Straßenlärm. Die Menschen, die noch da waren, verhielten sich ruhig. Sie hatten noch nicht vergessen, wie nahe der Tod ihnen gewesen war. Draußen heulte eine Sirene. Mit der Ambulanz kam gleichzeitig noch ein Patrol-Car. Franco erklärte mit einigen Worten die Lage, vergaß auch nicht, darauf hinzuweisen, daß oben noch ein Verletzter lag. Fast automatisch lud er seine Waffe nach. Noch einmal spulten sich die Ereignisse vor seinem geistigen Auge ab. Er dachte an Juliette Aubert, das Call-Girl. Verdammt, Juliette! Wo war sie? Als hätte das Mädchen seine Gedanken lesen können, drängte sie sich auf einmal durch den Kreis der Neugierigen und kam auf ihn zu. «Mister Solo», sagte sie nur. «Juliette, mein Gott.» Franco faßte das Girl bei den Schultern. «Wo haben Sie gesteckt?» -4 0 -
«Ich habe mich im Treppenhaus verkrochen. Dann hörte ich hier unten die Schüsse. Ich habe mich gar nicht hergetraut. Schließlich bin ich doch gekommen, und ... Mister Solo ... diese Morde, der junge Polizist, alles wegen mir!» «Nein, Juliette. Das dürfen Sie nicht denken, es steckt viel mehr dahinter.» «Doch Mister Solo. Es wird mich immer belasten. Ich bin davongekommen, und ein anderer mußte sterben. Ich mache mir die schwersten Vorwürfe.» «Das ist Unsinn, Juliette. Kommen Sie.» «Wo bringen Sie mich hin, Mister Solo?» «Sie müssen in Schutzhaft, bis die Sache ausgestanden ist.» Juliette nickte. «Gut. Aber dann muß ich noch einige Sachen holen.» «Okay. Ich erwarte Sie in einer Viertelstunde.» Juliette verschwand mit dem Aufzug wieder nach oben. Immer mehr Cops trafen ein. Die Mordkommission ging an ihre Arbeit. Ein Captain von der City-Police trat auf Franco Solo zu. Er stellte sich vor: «Captain Field», sagte er und legte die Hand an die Mütze. «Ich habe erfahren, hinter wem Sie her sind. Sie haben sich viel vorgenommen. Sie können aber immer auf meine Hilfe rechnen. Ganz besonders, weil diese Gangster einen meiner Männer umgebracht haben.» «Danke, Captain», erwiderte Franco. «Also, Solo, Hals und Beinbruch. Wir stehen immer in Bereitschaft, wenn Sie uns brauchen sollten.» Franco war froh, daß Captain Field ihn angesprochen hatte. Es konnte durchaus passieren, daß er schnell ein Einsatzkommando brauchte. Ein paar Worte würden genügen, wenn er Verstärkung brauchen sollte. Franco ging wieder in die Telefonbox und rief Colonel Warner an. Es wurde Zeit, ihn über die Geschehnisse zu informieren. -4 1 -
Er gab dem Colonel einen genauen Bericht der Lage, auch, daß wahrscheinlich Mancini seine Finger mit im Spiel hatte. «Wenn wir diesem Gangster das Handwerk legen könnten, wäre uns wieder ein entscheidender Schlag gegen die Mafia gelungen», meinte Franco. «Irgendwie paßt auch das Verschwinden von Sam Milford mit in, die ganze Sache. Ich werde mich als nächstes mit der Ehefrau in Verbindung setzen. Vielleicht kann sie uns doch einen Hinweis geben, der uns weiterbringt.» Colonel Warner stimmte zu. «Ich werde Ihnen auch noch Material über Mancini durch unsere Mittelsmänner in New York zukommen lassen, Franco. Es existiert da eine ganze Akte. Leider konnten wir dem ,König von New York', wie er sich selber nennt, nie etwas nachweisen. Hoffentlich haben Sie Erfolg.» Enrico Mancini, der König von New York! Ein Alptraum für jeden Polizeibeamten. Enrico Mancini, ein Name, den man in der Unterwelt nur flüsternd und mit Angstgefühlen aussprach. Mancini beherrschte New York. Er mischte in jedem dreckigen Geschäft mit. Er kontrollierte den Rauschgiftmarkt, verdiente an jedem Strichmädchen, kassierte Schutzgebühren bei Geschäftsleuten und Barbesitzern, war Chef der Mord-AG und hatte inzwischen seine Finger sogar in die höchsten politischen Kreise der Stadt ausgestreckt. Nur beweisen konnte man ihm nichts. Und dabei hatte Mancini klein angefangen. Nach dem Krieg war er von Neapel nach New York gekommen, mit dem Auftrag, eine Organisation aufzubauen. Man hatte schon in Italien seine Fähigkeiten erkannt. Mancini war ein Geduldsmensch. Er hatte zehn Jahre gebraucht, bis die Organisation stand. Hatte mit List, Tücke und mit Brutalität Konkurrenten aus dem Feld geschlagen. Und jetzt gehörte ihm New York. Ich bin der König, pflegte er von sich selbst zu sagen. -4 2 -
Mancini lebte in einer Traumvilla am Long Island Sound. Zu dem Grundstück zählte ein privater Golfplatz, zwei Swimmingpools, ein Tennisplatz und ein kleiner Yachthafen, sowie ein Hubschrauberlandeplatz. Das Haus hatte er sich nach eigenen Vorstellungen bauen lassen. Es war mit den besten Alarmanlagen ausgerüstet und besaß außerdem einen unterirdischen Fluchtweg zum Yachthafen. Trotz seiner Macht hatte Mancini immer Angst um die eigene Person. Enrico Mancini hatte es bis jetzt immer vermieden, sich mit irgendwelchen Polizeiorganisationen direkt anzulegen. War man ihm zu nahe auf den Pelz gerückt, hatte er sich stets zurückgezogen. Er ging jedesmal den Weg des geringsten Widerstandes, und ließ, wenn es möglich war, andere die Suppe auslöffeln. Jetzt allerdings spitzte sich die Lage zu. Unruhig wanderte er in seinem Arbeitszimmer auf und ab. Sogar der beste italienische Rotwein schmeckte ihm nicht mehr. Jack Warrens Telefonanruf hatte Mancini aufgeschreckt. Ihm kamen die ersten Bedenken, daß er den Befehl gegeben hatte, Franco Solo umzulegen. Was hatte der Kerl überhaupt in der Wohnung des Call-Girl gesucht? War man ihm schon auf den Fersen? Auch der Mord an Sam Milford gefiel ihm nicht. Es kam zuviel zusammen. Und das war immer schlecht. Mancini zündete sich eine Zigarette an und setzte sich auf seinen Lieblingsplatz. In den Schaukelstuhl. Diese Angewohnheit hatte er sich bei dem ermordeten Präsidenten Kennedy abgesehen. Er wartete auf seine beiden Killer. Und auf eine Erfolgsmeldung. Er hatte die Zigarette erst halb aufgeraucht, da summte die Sprechanlage. «Ja?» knurrte Mancini. «Jack Warren und Sergio Lamara, Capo», meldete sein persönlicher Leibwächter. -4 3 -
«Sollen kommen.» «Sehr wohl, Capo.» Enrico Mancini ließ sich von seinen Untergebenen nur Capo nennen, was soviel wie Boß oder Chef bedeutete. Zwei Minuten später standen Jack Warren und Sergio Lamara vor ihm. Warren hielt sich die verletzte Schulter. Enrico Mancini wußte sofort, daß etwas schiefgegangen war. Er brauchte nur in die Gesichter der Männer zu sehen. «Erzählt», sagte er knapp. Jack Warren ergriff das Wort. Er berichtete alles haarklein, ließ nichts aus. Er wußte, wenn der Capo jemanden bei einer Lüge ertappte, war dessen Leben keinen Pfifferling mehr wert. Mancini hörte kommentarlos zu. Als Warren geendet hatte, drückte er seine Zigarette aus und fragte: «Hat man euch verfolgt?» «Nein. Wir haben unseren Wagen stehenlassen. Sind mit einem Taxi gekommen.» «Kann der Fahrer etwas verraten?» «Nein, er steht in unseren Diensten.» «Schön.» Mancini nickte. «Und nun zu euren Fehlern. Ich glaube, ich brauche sie nicht erst einzeln aufzuzählen. Fest steht, ihr habt versagt. Und zwar gründlich.» Die beiden Killer senkten die Köpfe. «Ich hatte euch den Auftrag gegeben, dieses Girl herbeizuschaffen, um es für die Bahamas vorzubereiten. Das habt ihr nicht geschafft. Dann hatte ich dir, Warren, am Telefon gesagt, leg' diesen Franco Solo um. Ihr wußtet, wie gefährlich dieser Mann ist. Das habt ihr auch nicht geschafft. Statt dessen habt ihr Aufsehen erregt und damit die Polizei auf uns aufmerksam gemacht. Stimmt das, was ich sage?» Die beiden Männer nickten betreten. «Wunderbar.» Mancini zündete sich eine neue Zigarette an. Dann fuhr er mit kalter, leidenschaftsloser Stimme fort: «Wie würdet ihr an meiner Stelle reagieren, na?» Die Männer schwiegen. -4 4 -
Mancini lachte spöttisch. «Ich sehe, ihr habt Angst. Und das ist ein schlechtes Zeichen. Ängstliche Leute kann ich aber nicht gebrauchen. Ich brauche nur gute Männer. Und wer von euch beiden ist der Beste?» Wieder keine Antwort. Mancini hob die Schultern. «Dann muß ich es eben herausfinden.» Plötzlich konnte Jack Warren wieder reden. «Boß, wir machen ...» «Du sollst mich nicht immer Boß nennen», unterbrach ihn Mancini. «Gut, Capo. Wir machen alles wieder gut. Aber nicht dieses verdammte Duell, wer von uns beiden der bessere Mann ist. Dabei würde doch nur einer draufgehen, und davon hast du doch auch nichts. Oder?» Enrico Mancini schüttelte bedauernd den Kopf. «Du hast ja jetzt schon Angst, Warren. Ich glaube, Sergio ist der Bessere.» «Nein!» Warren kreiselte herum. «Das darfst du nicht machen, Capo. Sergio, zum Teufel, sag du doch auch etwas.» Sergio Lamara schwieg. «Du siehst, Warren», fuhr Mancini fort. «Selbst dein Freund hat deine Schwäche erkannt. Du bist fällig, Jack. Ich kann eben keine Versager gebrauchen.» «Nein», ächzte Warren. «Das kannst du doch nicht zulassen. Ich habe doch jahrelang für die Organisation gearbeitet, verdammt. Ich...» Mancini schnitt ihm mit einer knappen Geste das Wort ab. Da drehte Jack Warren durch. «Du Scheißnudelfresser!» brüllte er und riß seine Beretta aus der Halfter. Aber da war noch Sergio Lamara. Und er war seinem Boß treu ergeben. Sergios Messer blitzte auf. Wie ein Silberner Pfeil schwirrte es durch die Luft. -4 5 -
Jack Warren hatte die Waffe kaum aus der Halfter, als das tödliche Wurfgeschoß ihn traf. Warren schrie auf. Seine Hände krallten sich um den Messergriff. Mit übermenschlicher Anstrengung zog er das Mordinstrument aus seiner Brust. «Ihr ... ihr Schweine», murmelte er. Das waren seine letzten Worte. Als hätte man ihm die Beine weggezogen, so sackte er zusammen. «Er taugte nichts mehr», lautete Mancinis Kommentar. «Ich hoffe, du bist besser, Sergio.» «Ich bin besser, Capo.» «Wunderbar, mein Freund. Komm, wir gehen in einen anderen Raum. Ich lasse Warren wegschaffen.» Enrico Mancini sprach einige Anweisungen in die Sprechanlage. Dann verließen die Männer das Zimmer. «Ich habe noch ein paar Fragen an dich, Sergio», sagte Mancini. «Was weiß dieses Call-Girl?» «An sich gar nichts. Ihr ist nur bekannt, daß sie zu den Bahamas fliegen soll. Sie hat uns heute zum ersten Mal gesehen und das auch nur, weil sie Schwierigkeiten machen wollte. Uns ist zu Ohren gekommen, daß sie vorhatte, sich zu weigern, den Auftrag auszuführen.» Mancini nickte. «Aber jetzt befaßt sich Franco Solo mit der Sache.» «Ja.» Mancini sah seinen Killer an. «Was das bedeutet, ist dir klar?» «Krieg gegen diese geheime Organisation.» «Genau. Eine Auseinandersetzung, die ich bis jetzt bewußt vermieden habe. Und ausgerechnet mischt dieser gefährliche Bluthund mit. Dieser Franco Solo. Es gibt nur eine Möglichkeit, Sergio.» «Franco Solo muß weg», sagte der Killer.
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«Genau. Aber Solo ist erst der Anfang. Wir werden diese verdammte Organisation, für die er arbeitet, zerschlagen. Dann erst haben wir freie Bahn.» Mancinis Augen sprühten tödlichen Haß, als er sagte: «In einer Stunde will ich sämtliche Unterführer bei mir haben, verstanden?» «Ja, Capo», antwortete Sergio. *** «Miss Milford läßt bitten», sagte der Butler und deutete eine Verbeugung an. Franco Solo konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Der Mann war so trocken, wie der Hals eines Wermutbruders nach einer Nacht ohne Alkohol. Der Butler führte Franco durch eine kostspielig eingerichtete Halle in das Besucherzimmer der Milfords. Als Franco eintrat, erhob sich Helen Milford aus dem kakaofarbenen Ledersessel. Die Frau trug einen seidenen Hausanzug, der in Höhe der Taille durch einen Gürtel betont wurde. «Mister Solo, Madam», meldete der Butler würdevoll. «Schon gut, James. Sie können gehen.» Der Butler verbeugte sich und verschwand lautlos. «Ich war froh, als Ihr Anruf kam, Mister Solo. Bitte nehmen Sie doch Platz.» Franco nickte dankend und setzte sich auf die Couch. Ein offener Kamin, im dem Holzscheite brannte, verbreitete eine angenehme Wärme. Durch die halbzugezogenen Fenster fielen die letzten Herbstsonnenstrahlen. Sie zauberten blitzende Lichtreflexe auf die Lederrücken der Bücher, die in einem wertvollen Schrank standen. Draußen im Park, der zu der Villa gehörte, zwitscherten einige Vögel. «Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten, Mister Solo?» -4 7 -
«Danke, nein», lehnte Franco ab. Helen Milford setzte sich auf die vordere Kante des Sessels, legte die gespreizten Finger gegeneinander, und sah Franco an. «Nicht, daß Sie denken, ich wäre neugierig, Mister Solo, aber da ich damit rechnen muß, daß mein Mann tot ist, habe ich ein wenig in seinem Schreibtisch gestöbert. Ich wollte Geschäftsunterlagen einsehen. Mein Gott, das Leben muß schließlich weitergehen. Tja, und dabei habe ich das hier gefunden. Aber bitte, sehen Sie selbst.» Helen Milford reichte dem Mafia Jäger ein kleines Album, das hinter ihr auf dem Sessel gelegen hatte. Franco Solo schlug das Album auf. Pornos, wie sie abstoßender nicht sein konnten, präsentierten sich seinem Auge. Franco zog scharf die Luft ein. Er blätterte das Album durch. Auf der letzten Seite waren die Mädchen, die auf den Fotografien ihre 'Spiele' machten, noch einmal im Portrait abgebildet. Unter dem jeweiligen Foto stand ein Name und eine Zahl. «Was halten Sie davon, Mister Solo?» «Das sind die Deckadressen der Call-Girls hier in New York», antwortete Franco. «Wenn Sie zum Beispiel ein Mädchen haben wollen, müssen Sie den Namen und die jeweilige Zahl auf eine Karte schreiben und an eine bestimmte Adresse schicken.» «Und die lautet?» wollte Helen Milford wissen. «Das kann ich Ihnen im Moment auch nicht sagen.» Helen Milford fuhr sich mit der Hand über die Augen. «Wenn ich nur wüßte, woher mein Mann das Album hat. Welcher Geschäftsfreund es ihm zukommen ließ.» «Da kann ich Ihnen auch keine genaue Auskunft geben. Wir wissen nur soviel, daß es eine Organisation gibt, die diesen Call-Girl-Ring aufgezogen hat», meinte Franco. -4 8 -
«Vielleicht die Leute der 'Happy Day Tour'» vermutete Helen Milford. «Ich kann das einfach nicht begreifen, Mister Solo. Ich habe meinen Mann immer für solide gehalten. Und jetzt so etwas.» «Da werden Sie nicht die einzige Ehefrau sein, die aus allen Wolken fällt, Miss Milford. Aber um auf das Album zurückzukommen, ich werde es mitnehmen. Wir haben eine Kartei, und es besteht durchaus die Möglichkeit, daß wir das eine oder andere Mädchen erfaßt haben. Kennen wir erst Namen, dann sollte es uns auch möglich sein, den ganzen Ring zu zerschlagen.» «Hoffentlich, Mister Solo.» Helen Milford seufzte. Er wollte sich gerade verabschieden und Helen Milford die Hand reichen, als das dunkelgrüne Telefon dezent summte. «Einen Augenblick noch, Mister Solo.» Helen Milford nahm den Hörer ab und meldete sich mit einem «Ja, bitte.» Franco, der ans Fenster getreten war und in den Garten sah, zuckte plötzlich herum, als er Helen Milfords leisen Aufschrei hörte. Die Frau war kreidebleich. Sie hatte den Hörer ans Ohr gepreßt und flüsterte immer nur das gleiche Wort. «Ja, ja, ja.» Franco Solo sah Tränen in ihren Augen. «Aber... aber kann ich denn wenigstens mit ihr sprechen?» schluchzte Helen Milford. Die Antwort mußte wohl negativ ausgefallen sein, denn die Frau bekam einen Weinkrampf. «Nichts mehr», flüsterte sie tränenerstickt. «Einfach aufgelegt haben sie. Mein Gott, meine arme Gloria.» Franco nahm Helen Milford am Arm und führte sie behutsam zu einem Sessel. «Nun beruhigen Sie sich erst einmal», sagte er. «Und dann erzählen Sie der Reihe nach.»
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Franco entdeckte in der Ecke eine kleine, fahrbare Hausbar und schüttete der Frau einen dreifachen Kognak ein. «Trinken Sie erst einmal, Miss Milford.» Helen Milford trank den Schwenker auf einen Schluck leer. Danach kehrte wieder ein wenig Farbe in ihr Gesicht. «Mister Solo ... sie ... sie haben Gloria, unsere Tochter, entführt.» Franco zuckte zusammen. «Wer?» «Ich weiß es nicht. Der Mann, der anrief ... er sagte seinen Namen nicht. Er meinte nur, ich solle heute abend um Punkt einundzwanzig Uhr vor der Galery of Modern Art sein. Dort würde ich dann weitere Instruktionen bekommen. Sollte ich jedoch die Polizei einschalten, dann ...» Helen Milfords Stimme versagte wieder. «Dann würden Sie Gloria umbringen. Was soll ich denn tun, Mister Solo? Erst mein Mann und jetzt Gloria. In welchen Teufelskreis bin ich nur geraten?» Francos Gesicht wurde hart. Kidnapping. Das schlimmste Verbrechen, was man sic h vorstellen kann. Es gab keine andere Straftat in den Staaten, die höher bestraft, keinen Gangster, der mehr gejagt wurde wie ein Kidnapper. «Mister Solo. Bitte sagen Sie mir doch, was ich tun soll? Ich weiß mir keinen Rat.» «Zuerst einmal, bewahren Sie die Ruhe, Miss Milford. Wir werden uns der Sache annehmen. Es nützt nichts, wenn Sie auch noch einen Nervenzusammenbruch bekommen.» «Nein, nur das nicht. Aber der Mann hat extra gesagt, keine Polizei.» «Es ist gut, daß ich gerade hier bin, Miss Milford. Man wird nicht merken, daß die Polizei Sie beschattet. Wir greifen auch nicht ein. Die Sicherheit Ihrer Tochter ist für uns das erste Gebot. Sie müssen folgendes tun, Miss Milford. Um punkt einundzwanzig Uhr sind Sie an der Galery of Modern Art. Sie hören sich an, was der oder die Männer zu sagen haben. Man wird Ihnen Bedingungen stellen. Gehen Sie auf jeden Fall darauf ein. Alles
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weitere überlassen Sie uns. Ferner brauchen wir Ihre Erlaubnis, damit wir Ihr Telefon anzapfen können. Falls die Kidnapper sich noch einmal melden sollten. Wir haben darin Erfahrung. Ferner brauche ich ein Bild Ihrer Tochter, und dann werde ich einen Arzt rufen, der Ihnen eine Beruhigungsspritze gibt.» Helen Milford nickte verkrampft. Franco Solo schellte nach James, dem Butler. Der eilte sofort zum Telefon und rief den Hausarzt an. Franco Solo aber wählte eine andere Nummer. Die Nummer von COUNTER MOB! Colonel Warner hörte sich Franco Solos Bericht ohne eine Zwischenfrage an. «Da kommt ja eine ganze Menge zusammen. Erst Sam Milford, jetzt entführen sie seine Tochter. Trotzdem, irgend etwas stimmt da nicht. Mancini hat sich noch nie so direkt mit der Polizei angelegt. Er hat immer versucht, eine saubere Weste zu behalten. Wenn Gewaltverbrechen geschahen, war er immer außer Reichweite.» Colonel Warner überlegte. Dann hatte er seine Entscheidung getroffen. «Steve Adams ist in greifbarer Nähe. Er wird die Beschattung von Helen Milford mit übernehmen. Er ist nicht so bekannt wie Sie, Franco. Außerdem werde ich die City-Police einschalten. Sie sollten sich weiter um Mancini kümmern. Irgendwie müssen wir ihm endlich das Handwerk legen.» Franco Solo überlegte. Mancini, der König von New York, wie er sich selber nannte. Man mußte ihn irgendwie aus der Reserve locken. Ihm mußte von allen Seiten berichtet werden, daß er, Franco Solo, sich mit seiner Person beschäftigte. Und der Mafiajäger wußte auch schon, wie er es anstellen würde. Franco Solo fuhr in sein Hotel zurück. Als er auf sein Zimmer kam, fand er auch die Akte über Enrico Mancini vor. Ein paar Jahrzehnte Verbrechen, die sich nicht beweisen ließen, noch nicht. -5 1 -
Dann suchte er sich einige Nummern aus dem Telefonbuch heraus. Nummern von kleinen Gaunern, die gern auch einmal Geschäfte mit der Polizei tätigten, aber auch keine Hemmungen kannten, die andere Seite zu informieren. Und das wollte Franco Solo. Nach einer halben Stunde hatte Franco von verschiedenen Seiten die Versicherung, daß man sich umhören wollte. Franco hatte als Stichwort 'Happy Day Tour' genannt. Jetzt konnte Franco Solo nur noch warten, ob er schnell einen Hinweis bekam. Ehe man ihm ein Killerkommando auf den Hals schickte, dachte er bitter. Er legte sich auf das Bett und nahm sich die Akte Mancini vor. Es war immer gut, sich genauestens über die Gewohnheiten seiner Gegner zu informieren. Eine halbe Stunde später klingelte das Telefon. Franco nahm den Hörer ab, und meldete sich. «Hier ist Slater, Eddy Slater», hörte Franco eine leise Stimme. «Ich habe einige interessante Neuigkeiten für Sie, Solo. Können wir uns irgendwo treffen?» Der Mafiajäger überlegte blitzschnell. Eddy Slater war ein Spitzel, dessen Informationen immer gewissen Wert hatten. Slater war früher Privatdetektiv gewesen, hatte einige krumme Sachen gedreht und seine Lizenz verloren. Um den Kontakt zur Polizei jedoch nicht ganz abreißen zu lassen, arbeitete er als Spitzel. «Was ist, Solo?» «Um was geht es denn, Eddy?» «Kann ich am Telefon nicht sagen.» «Ein Stichwort wenigstens, damit ich weiß, daß sich ein Treffen lohnt», antwortete Franco. Eddy lachte meckernd. «Und ob sich das lohnt, Solo. Ich sage nur Mafia.»
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Für einen Augenblick verschlug es Franco die Sprache. Sollte es schon geklappt haben? Doch dann sagte er: «Okay Slater, wo treffen wir uns?» «Ich warte in der Roten Kuh auf Sie, Solo. Sagen wir, in zwei Stunden. Und bringen Sie Moos mit.» Slater kicherte noch einmal und hängte auf. Zwei Stunden. Genügend Zeit, um Juliette Aubert noch einen Besuch abzustatten. Vielleicht wußte sie doch noch etwas, was Franco später von Nutzen sein konnte. Das Mädchen war im Untersuchungsgefängnis sicher untergebracht. Sie brauchte dort auf keine Bequemlichkeit verzichten, konnte rauchen, trinken und bekam Essen nach Wunsch. Als Franco eintrat, saß das Girl an einem Tisch und las in einem Comic. Als sie Franco sah, sprang sie auf. «Bin ich entlassen, Mister Solo?» Franco lachte. «Nein, Juliette, so schnell geht das nicht.» «Schade.» Das Girl ließ sich wieder zurücksinken. Franco setzte sich ihr gegenüber und bot Zigaretten an. Nachdem Juliette einige Züge geraucht hatte, kam der Mafiajäger zum Grund seines Besuches. «Juliette, ich bin noch einmal gekommen, um mich zu erkundigen, ob Ihnen nicht doch in der Zwischenzeit etwas eingefallen ist, was uns weiterhelfen könnte. Sie haben jetzt ein wenig Abstand von der Sache. Bitte, überlegen Sie genau. Auch die geringste Kleinigkeit, mag Sie Ihnen noch so unbedeutend erscheinen, kann sehr wichtig sein.» Das Girl rührte mit der Zigarettenspitze im Ascher herum. «Wissen Sie, Mister Solo, ich habe lange nachgedacht. Ich werde auch meinen Mund aufmachen, glauben Sie mir, aber ich weiß wirklich nichts. Ich kenne nur diese beiden Männer, die vor ein paar Stunden in meine Wohnung gekommen sind. Sie haben mir damals auch erklärt, daß ich von nun an für sie zu arbeiten hätte und daß ich immer bereitstehen müßte. Wer dahinter steckt, kann ich Ihnen wirklich nicht sagen.» Juliette -5 3 -
drückte ihre Zigarette aus. «Auch die Kolleginnen, mit denen ich gesprochen habe, wissen nichts.» «Aber es sind schon Mädchen auf die Bahamas geflogen worden», entgegnete Franco. «Haben Sie von denen nichts mehr gehört?» «Nein, Mister Solo. Da ist jeglicher Kontakt abgebrochen.» «Haben Sie vielleicht Kunden gehabt, die schon mal dort waren?» Juliette Aubert blickte Franco an. Dann sagte sie: «Ja. Aber ich nenne die Namen nicht.» «Sie müssen, Juliette», beschwor Franco sie ernst. «Man könnte Sie wegen Begünstigung anklagen.» «Mister Solo, Sie bringen mich in Gewissenskonflikte. Es würde Skandale geben. Ich ...» «Besser Skandale, als noch mehr Morde. Denken Sie an den jungen Polizisten.» Juliette kaute auf ihrer Unterlippe. Franco ließ dem Girl Zeit. «Darf ich noch eine Zigarette haben?» «Bitte.» Juliette Aubert rauchte die Zigarette fast zu Ende, bevor sie sagte: «Also gut, Franco. Sie haben mich überzeugt. Ich kenne zwar nur einige Kunden mit ihrem richtigen Namen, doch ich denke, das reicht.» Franco nahm einen Notizblock und Kugelschreiber aus der Tasche und schrieb sich die Namen auf, die Juliette ihm nannte. Es waren insgesamt fünf. Die meisten kannte Franco vom Hörensagen. Es waren alles durchweg Millionäre. Auch zwei Politiker, die eigentlich als besonders konservativ galten. «Was werden Sie jetzt tun, Mister Solo?» «Keine Angst», beruhigte Franco Juliette. «Ich werde gegen diese Männer erstmal gar nichts unternehmen. Falls sich jedoch herausstellt, daß wir ohne deren Hilfe nicht
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weiterkommen, dann wäre jede Rücksicht fehl am Platze. Ich danke Ihnen, Juliette.» Das Girl wirkte bedrückt. Ganz wohl bei der Sache war ihr bestimmt nicht. Franco verabschiedete sich von dem Mädchen, und versprach, wieder von sich hören zu lassen. «Franco», rief ihm Juliette nach, als er schon bei der Tür war. «Ja?» «Viel Erfolg.» Im Gedanken setzte sie noch hinzu: und bleib am Leben. Etwa zehn Minuten später saß Franco Solo in seinem Wagen, einem weißen Leih-Camaro, und brauste ab. Das Lokal 'Rote Kuh' lag in Greenwich-Village, nicht weit vom Washington Park. Um diese Zeit lief der Rummel in dem berühmten Künstlerviertel langsam an. Franco hatte Mühe, sich mit seinem Wagen durch die engen Straßen zu schlängeln. Einen normalen Parkplatz fand er natürlich nicht. Er dachte kurz nach und stellte den Wagen kurzerhand auf dem Hof eines Polizeireviers ab. Außerdem wollte er sich auch noch mit Steve Adams in Verbindung setzen, und das konnte er von hier aus tun. Nachdem er dem diensthabenden Beamten seinen Ausweis vorgelegt hatte, lief alles wie am Schnürchen. Steve Adam wußte allerdings noch nichts Neues zu berichten. Die Kidnapper hatten sich nicht wieder gemeldet. Also mußte man abwarten. Den Weg zur Roten Kuh ging Franco zu Fuß. Unterwegs versuchte man viermal, ihm Stoff anzudrehen. Franco beschloß, bei passender Gelegenheit die zuständigen Stellen zu informieren. Das Lokal sah er schon von weitem. Über dem Eingang pendelte, an zwei Ketten befestigt, eine erleuchtete Kuh. Die Kneipe selbst lag im Keller, zu dem Steinstufen hinunterführten. -5 5 -
Das Gejaule einer Musik-Box tat Franco schon auf der Treppe weh. Er fragte sich, wie schlimm es erst drinnen sein würde. Franco schob sich durch einen roten Vorhang, auf dem ebenfalls eine Kuh gedruckt war, und rannte genau gegen den überdimensionalen Busen einer nicht mehr ganz taufrischen Barmaid. «Huch», quiekte sie. «Du bist ja ein ganz Stürmischer.» «Aber nur im Mai», antwortete Franco und ging weiter. Die Maid schickte ein nicht druckreifes Schimpfwort hinter ihm her. Das Lokal war nur zur Hälfte besetzt. Die meisten Gäste hockten an der langen Theke, wie auch Eddy Slater. Die Beleuchtung war immerhin so gut, daß Franco den Spitzel sofort erkannte, obwohl er ihn nur einmal gesehen hatte. Durch den Zigarettenqualm konnte er im Hintergrund der Kneipe einige Nischen ausmachen, in denen sich Pärchen befummelten. Franco klemmte sich neben Eddy Slater. Slater war ein mittelgroßer Typ mit breitem Gesicht und wieselflinken Augen. Seine Leidenschaft waren Hüte. Man hatte ihn noch nie ohne gesehen. Böse Zungen behaupteten, er ginge sogar mit Hut ins Bett. Heute trug er einen Schlapphut wie er bei den Gammlern modern ist oder war, dazu einen ausgebeulten, ehemals grauen Anzug und ein fleckiges Hemd. Seine Schuhe hätten noch nicht mal einen Penner hinter dem Ofen hervorgelockt. «Noch einen Whisky», rief er dem aufgeputzten, weibisch wirkenden Barkeeper zu. «Du bezahlst doch, Solo, Oder?» fragte er leise. «Wenn es sich nicht vermeiden läßt.» Der Whisky kam, und der Barkeeper bedachte Franco mit einem prüfenden Blick. Franco bestellte auch einen. Hier nur Fruchtsaft zu trinken, war fehl am Platze. Nachdem sie den ersten Schluck getrunken hatten, fragte Franco: «Also, was gibt's, Eddy?» -5 6 -
«Nicht so eilig, Solo. Erst reden wir über den Preis.» «Stop, mein Freund», gab Franco zurück. «Es sollte sich eigentlich herumgesprochen haben, daß ich keine Katze im Sack kaufe, du solltest das wissen.» Eddy Slater druckste herum. «Schön, Solo. Ich vertraue dir. Es geht um ...» Slater nahm erst noch einen Schluck Whisky, bevor er weitersprach. «Der König von New York hat in einer Blitzaktion alle Unterführer zu sich gerufen.» «Ist das alles?» fragte Franco. Slater setzte ein wissendes Grinsen auf. «Noch nicht ganz, Solo. Es ist einiges durchgesickert. Der König von New York will eurer Organisation den Kampf ansagen. Besonders scharf ist er auf deinen Kopf.» Franco konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. «Das ist nichts Neues, Slater. Wie ich weiß, hat die Mafia eine ziemlich hohe Prämie ausgesetzt, um mich in die Hand zu bekommen. Die Information ist nicht einmal den Whisky wert, den du gerade trinkst.» Eddy Slater schob seinen Hut zurück und kratzte sich die Stirn. «Aber diesmal ist es anders.» «Wieso?» «Die Falle ist schon gestellt.» Plötzlich klingelten in Francos Schädel die Alarmsirenen. Slater war so verdammt sicher. Sollte er ihn ... Franco packte den Spitzel an den Aufschlägen seines schmuddeligen Anzugs. «Raus mit der Sprache, Slater. Was weißt du?» Eddy Slaters Gesicht verfärbte sich. «Man hat zum großen Halali auf dich geblasen, Solo. Mit dir will man anfangen. Alles, was in der Unterwelt Rang und Namen hat, ist zum Kampf aufgerufen worden. Der König will endlich reinen Tisch machen. Und für dich, Solo, hat man sogar schon ein Grab auf dem Greenwood Cemetery ausgehoben. Dieses Lokal ist eine Falle. Du kommst hier nicht mehr lebend raus. Sie dich doch um, Solo.» -5 7 -
Im ersten Moment konnte der Mafiajäger nichts Auffälliges erkennen. Am Tresen hingen noch immer die gleichen Gestalten. Sein Blick fiel auf die Nischen. Dort hatte allerdings das Publikum gewechselt. Statt der harmlosen Pärchen saßen dort nun Typen, denen der normale Bürger noch nicht einmal gern im Hellen begegnet wäre. Slater hatte also nicht gelogen. Okay, die Lage sah verdammt schlecht aus. Trotzdem verlor Franco nicht die Nerven. «Du hast mich in eine Falle gelockt, Slater.» Der Spitzel zuckte die Schultern. «Was soll man machen? Ich muß mich rechtzeitig auf die richtige Seite stellen. Außerdem sind tausend Dollar auch nicht zu verachten.» Gelassen trank Franco seinen Whisky aus. «Ich will dir mal was verraten, Slater. So einfach, wie du dir das vorgestellt hast, geht es auch nicht. Meine Dienststelle weiß, wo ich bin. Außerdem bin ich auch nicht allein gekommen. Draußen stehen weitere Leute, die den Laden ganz genau beobachten.» «Damit haben wir ja gerechnet, Solo. Und deshalb lebst du noch. Einige Jungs durchkämmen im Augenblick die Gegend. Suchen sie ab. Aber wahrscheinlich hast du nur geblufft. Man kennt dich eben zu gut. Ich gebe dir vielleicht noch zehn Minuten, dann sind die Kumpels mit der Suche fertig. Was anschließend geschieht, kannst du dir denken. Fliehen hat keinen Wert, Solo. Die Leute hier würden dich schon daran hindern. All dies hat man mir aufgetragen, dir zu erzählen. Du siehst, der König von New York wird aktiv.» Franco warf einen Blick in Richtung Vorhang. Und da sah er sie. Es waren drei Männer. Sie trugen leichte Mäntel über dem Arm. Doch bei genauerem Hinsehen erkannte Franco die dunklen Mündungen der Maschinenpistolen, die unter dem Stoff hervorsahen. Plötzlich wichen auch die Männer an der Theke zurück.
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Und der Mafiajäger spürte, wie ihm eine eiskalte Gänsehaut über den Rücken lief... *** Die Galery of Modern Art liegt am südlichen Zipfel des Central Parks, nahe dem Columbus Circle. Das Gebäude war ein moderner Bau und rings von Büschen und Bäumen umgeben. In einiger Entfernung brauste der nie stockende Verkehr Manhattans vorbei. Die Lichter der Großstadt schimmerten durch die belaubten Bäume. Captain Field hatte schon vor Stunden mit neun seiner Kollegen einen dichten Kordon um das Gebäude gezogen. Die Männer waren so unauffällig verteilt, daß sie gar nicht auffallen konnten. Etwa die Hälfte von ihnen waren als harmlose Spaziergänger getarnt. Andere wiederum saßen gut gedeckt in ihren Wagen, die laufend um den Columbus Circle kreisten. Helen Milford fuhr ihren seegrünen Lincoln Continental über den Broadway in nördlicher Richtung. Bis jetzt hatte noch niemand bei ihr angerufen. Vor einigen Stunden waren zwei als Handwerker verkleidete Cops erschienen, und hatten ihre Telefonleitung angezapft. Die Frau merkte gar nicht, daß sie bereits jetzt von Beamten der Polizei und Steve Adams verfolgt wurde. Drei unauffällige Wagen wechselten sich laufend mit der Beschattung ab. Die Cops standen untereinander, sowie mit ihren Kollegen am Columbus Circle, durch Sprechfunk in Verbindung. Helen Milford war hochgradig nervös. Zweimal hätte sie fast einen Unfall gebaut. Nur der Geistesgegenwart der anderen Fahrer war es zu verdanken, daß sie glimpflich davongekommen war. Im Dreißig-Meilen-Tempo näherte sie sich dem Columbus Circle. Fast gewaltsam zwang sie sich zur Ruhe, ordnete sich in den Kreisverkehr des Circles ein und nahm Kurs auf die Galery of Modern Art. -5 9 -
Der schmale Weg führte ein Stück durch den Central Park. Die Scheinwerfer des Lincolns schreckten einmal ein Liebespärchen auf, das engumschlungen an einem Baumstamm lehnte. Schließlich hatte sie den Treffpunkt erreicht. Helen Milford stellte den Motor ab, zündete sich eine Zigarette an und ließ die Seitenscheiben des Lincolns herabsurren. Kühle, frische Abendluft wehte in den Wagen. Der Zigarettenrauch verdichtete sich unter dem Autodach und zog träge durch das Seitenfenster nach draußen. Am Stummel der ersten Zigarette zündete sich Helen Milford eine zweite an. Sie merkte, wie ihre Hände dabei zitterten. Je näher die Zeit heranrückte, um so nervöser wurde sie. Helen blickte auf ihre Uhr. Noch acht Minuten. Würde sie dann mehr über Gloria erfahren? Helen Milford dachte nur an ihre Tochter. Was die Erpresser von ihr wollten, interessierte sie herzlich wenig, und wenn sie ihr gesamtes Vermögen hergeben mußte. Hauptsache, Gloria kam wieder. Noch drei Minuten. Immer häufiger blickte Helen Milford in den Innenspiegel. Da! Waren da nicht Schritte? Sie wandte sich um. Doch nur ein Liebespärchen schlenderte auf ihren Wagen zu. Der junge Mann warf einen neugierigen Blick in das Innere des Lincolns. «Na, warten Sie auf Kunden?» fragte er grinsend. «Da werden Sie hier kein Glück haben. Die Leute sind zu arm. Die nehmen Sie höchstens selbst noch aus.» «Verschwindet!» sagte Helen zitternd. Das Pärchen zog lachend weiter. Helen Milford atmete auf. Gott sei Dank. Die beiden hätten durch ihr Gerede möglicherweise noch den ganzen Plan durcheinandergebracht. -6 0 -
Noch eine Minute! Die dritte Zigarette. Diesmal zündete sie Helen mit dem Feuerzeug an. Die flackernde Flamme beleuchtete ein Gesicht, das um Jahre gealtert zu sein schien. Zwei, drei tiefe Züge. 21.00 Uhr! Ein Schatten tauchte am Wagenfenster auf. Eine flüsternde Stimme fragte: «Miss Milford?» «Ja! Was ist? Bitte sagen Sie mir, was mit meiner Tochter ist? Bitte! Ich ...» «Aber Madam. Ich soll doch nur etwas abgeben!» «Was?» Die Stimme der Frau klang schrill. Helen Milford war ganz durcheinander. Eine schmale Hand reichte ihr ein Päckchen durch das geöffnete Seitenfenster. «Bitte!» Fast automatisch nahm Helen das Päckchen. Plötzlich wurde ihr bewußt, daß man sie reingelegt hatte. «Aber meine Tochter. Gloria... so hören Sie doch Mister!» Der Mann war schon wieder in der Dunkelheit untergetaucht. Helen Milford sprang aus dem Wagen, rannte hinter dem Mann her. Unwillig drehte er sich um. «Verdammt, was wollen Sie denn noch?» Helen Milford faßte seinen Arm. «Bitte, Mister, was ist mit meiner Tochter?» Der Mann wurde wütend. «Verdammt noch mal, ich weiß nichts von Ihrer Tochter. Und nun lassen Sie mich endlich los, zum Teufel!» «Nein, erst will ich wissen ...»
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Der Mann schlug zu. Seine Faust traf Helen Milford an der Schulter. Die Frau wurde zurückgeschleudert und fiel auf den Weg. Plötzlich flammten Scheinwerfer auf. Grell durchschnitten ihre Strahlen die Dunkelheit, konzentrierten sich auf einen Punkt. Auf den fremden Mann! Schützend hob er beide Arme vors Gesicht. Fünf Beamte rannten aus den Büschen auf ihn zu. Unter den Männern war auch Steve Adams. Mit sicherer Bewegung legte er dem Mann erstmal Handschellen an. Captain Field kümmerte sich um Helen Milford. «Verdammt noch mal. Was ist denn los?» fluchte der Mann. «Sie sind verhaftet», sagte Steve Adams. Der Mann lachte. «Sagen Sie mal, sind Sie übergeschnappt, Bulle?» «Das werden wir gleich sehen», erwiderte der COUNTERMOB-Agent. «Was haben Sie von der Frau gewollt?» «Ich? Sie wollte doch was von mir. Ist doch hinter mir hergelaufen.» «Sie haben ihr doch etwas gegeben. Was?» «Ein Päckchen.» «Was enthielt das Päckchen?» fragte Steve scharf. «Weiß ich doch nicht. Ein Unbekannter hat es mir in die Hand gedrückt. Ich habe fünfzig Dollar dafür gekriegt, wenn ich um punkt 21.00 Uhr einer Frau im seegrünen Lincoln das Päckchen übergebe. Und für fünfzig Mäuse mache ich noch viel mehr. Da klau' ich sogar der Freiheitsstatue die Krone. Und jetzt nehmen Sie mir endlich die verdammten Stahlspangen ab.» Steve Adams hatte das Gefühl, als hätte man ihn getreten. Man hatte sie also reingelegt. «Können Sie sich ausweisen?» fragte er. «In der linken Tasche meiner Windjacke habe ich die Papiere. So was ist mir noch nie passiert.» -6 2 -
Der Mann brabbelte noch weiter unverständliches Zeug, während Steve den Führerschein durchsah. «Stimmt», sagte er zu den anderen Männern, gab dem Kerl die Papiere zurück und nahm ihm die Handschellen ab. «Na endlich», knurrte der und rieb sich die Gelenke. «Können Sie den Mann beschreiben, der Ihnen das Päckchen gegeben hat?» «Ne, ob Sie's glauben oder nicht: Der Kerl trug eine Sonnenbrille. Und das mitten im Oktober. Außerdem einen Trenchcoat und einen Hut.» «Ist Ihnen doch vielleicht etwas aufgefallen. An der Sprache, zum Beispiel. Irgendein Dialekt?» Der Mann knetete seine nicht gerade kleine Nase. «Wenn Sie mich so direkt fragen, ja. Der Typ kam nicht aus den Staaten. Ich tippe auf Europa. War nach dem Krieg als Soldat drüben. In Germany. Da haben die Leute auch so gesprochen. Der Kerl kann aber auch aus Italien oder Spanien kommen. Was weiß ich?» «Okay, Sie können gehen.» Der Mann tippte sich an seine imaginäre Hutkrempe und verschwand. Captain Field hatte sich den Namen und die Adresse notiert. Helen Milford saß bereits wieder im Wagen. Das Päckchen lag auf dem Beifahrersitz. «Hoffentlich ist da keine Höllenmaschine drin», sagte sie leise. Steve Adams schüttelte den Kopf. «Glaube ich nicht. Dann wäre sie schon explodiert. Ich denke da an etwas anderes.» Er wandte sich an Helen Milford. «Gestatten Sie, daß ich das Päckchen öffne?» Die Frau nickte schluchzend. Er löste das braune Packpapier und hielt einen schmalen Karton in der Hand. Dann klappte er ihn an einer Seite auf, und ein flaches Tonband rutschte heraus.
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«Das hatte ich mir doch gleich gedacht», brummte Steve. «Miss Milford, haben Sie etwas dagegen, wenn wir es auf dem Polizeirevier abspielen?» «Nein.» «Gut. Dann überlassen Sie mir bitte das Steuer.» Über Funk wurde der Einsatz abgeblasen. Eine halbe Stunde später drehte sich das Band bereits auf einer Spule. Eine unsichtbare Spannung hatte sich der Männer bemächtigt, die um das Gerät saßen. Davon machte Helen Milford auch keine Ausnahme. Noch war nichts zu hören. Nur ein Rauschen tönte aus dem Lautsprecher. Plötzlich gellte ein Schrei auf. Der Schrei einer Frau! «Gloria!» Helen Milford schluchzte auf. Zwei Cops mußten sie festhalten, denn sie wollte sich in ihrer Verzweiflung auf das Tonband stürzen. «Haben Sie gehört, Miss Milford», ertönte eine dunkle Männerstimme mit einem harten Akzent. «Das war Ihre Tochter, die geschrien hat. Noch geht es ihr gut. Es liegt in Ihrer Hand, daß das so bleibt. Hören Sie gut zu.» Eine kleine Pause entstand. Steve kaute nervös auf seiner Unterlippe. Was würde der Unbekannte fordern? «Wir wollen kein Geld, Miss Milford», erklang wieder die fremde Männerstimme. «Wir brauchen lediglich die Pläne für den neuentwickelten Motor. Das ist alles. Noch einmal. Wir wollen die Pläne. Mehr nicht. Warten Sie morgen früh unseren Anruf ab, Miss Milford. Sie bekommen dann weitere Instruktionen. Und denken Sie immer daran, ihre Tochter ist in unserer Hand. Noch geht es ihr gut. Noch geht es ihr gut. Noch geht es ihr gut. Noch geht...»
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«Schalten Sie das Band ab!» schrie Helen Milford. «Ich kann es nicht mehr hören!» Der COUNTER-MOB-Agent drückte auf die Stopptaste. Mit einer müden Bewegung fuhr er sich über die Stirn. «Ich habe es doch geahnt. Hinter der Entführung steckt auch noch eine Spionageorganisation.» Er mußte schleunigst Colonel Warner davon unterrichten. *** In dem Augenblick, als die drei Schießer ihre Mäntel fallenließen, handelte Franco. Mit der Linken packte er den Handlauf des Tresens und flankte auf die andere Seite. Er war noch nicht ganz auf dem Boden gelandet, da ging der Höllenzauber auch schon los. Die drei Maschinenpistolen ratterten. Das heiße Blei fuhr über Franco in das Flaschenregal. Es regnete Scherben und Alkohol. In das Dröhnen der Schüsse mischte sich das Geschrei der verschreckten Gäste. Etwas Klebriges rann Franco in den Nacken. Likör. Neben ihm lag der Barkeeper und bibberte vor Angst. «Los, der Kerl hat sich hinter den Tresen geflüchtet!» schrie eine rauhe Männerstimme. «Wir nehmen ihn in die Zange!» Verdammt, wenn sie das taten, war der Ofen aus. Längst hatte Franco seine Waffe in der Hand. Der Barkeeper sah es und keifte: «Nicht schießen, bitte.» Franco kümmerte sich nicht um ihn, sondern flog förmlich auf die Tür zu, die das Regal hinter der Theke in zwei Hälften teilte. Zum Glück stand die Tür offen. Der Mafiajäger landete auf einem gefliesten Flur, schrammte mit dem Kopf gegen eine rauhe Wand, warf sich instinktiv auf
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den Rücken und sah in das Gesicht eines der Schießer, der vor der Bar stand und mit der Maschinenpistole in den Gang zielte. Die Tür war offengeblieben, der Kerl mußte einfach treffen. Sekundenbruchteile entschieden. Franco Solo riß den Arm mit der Waffe hoch und feuerte noch im Liegen. Es war Notwehr, im wahrsten Sinne des Wortes. Die Kugel traf den Killer. Er sah Franco mit einem erstaunten Blick an, schwankte und kippte im Zeitlupentempo nach hinten. Die Maschinenpistole polterte vor ihm auf den Boden. Als die anderen beiden sahen, was mit ihrem Kumpan passiert war, drehten sie durch. Sie flankten über die Theke, und wieder hämmerten die Maschinenpistolen. Die Kugeln jaulten durch den Flur, rissen den Verputz von den Wänden und klatschten in die dicke Bohlen der Hintertür. Aber Franco war schon längst nicht mehr in dem Flur, sondern war aufgesprungen und durch die Hintertür verschwunden. Sie mündete in den Hof. Mittlerweile war es dunkel geworden, doch aus den hinteren Fenstern der Häuser fiel noch genügend Licht, um die Umgebung einigermaßen erkennen zu können. Linkerhand befand sich eine schmale Einfahrt. Franco wollte schon darauf zurennen, als die Hintertür der Bar aufgestoßen wurde, eine breite Lichtbahn fiel in den Hof. Er sah den Schatten von einem der Gangster und setzte dem Kerl eine Kugel vor die Nase. Der Schatten verschwand. Wie ein Wiesel rannte der Mafiajäger auf die Einfahrt zu. Im gleichen Augenblick fraßen sich zwei grelle Scheinwerfer durch die Dunkelheit. Bremsen kreischten, eine Wagentür wurde aufgestoßen, und wieder zogen Geschosse einer Maschinenpistole ihre tödliche Bahn.
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Im letzten Moment hechtete Franco zur Seite. Genau in einen Stapel alter Kisten, der unter dem Gewicht splitternd zusammenbrach. «Wir haben ihn!» schrie eine Stimme. Franco Solo hörte die Schritte von mehreren Männern. Sie rannten auf seinen Standort zu. Eine Geschoßgarbe fetzte heran. Die Kugel schlugen Funken auf dem Asphalt des Hofes und schlugen in die Mauer hinter Franco. Dann geisterte der Strahl einer Taschenlampe über den Hof. Franco vermutete, daß die Gangster nicht genau wußten, wo er sich befand. Der Mafiajäger zielte kurz und drückte ab. Die Taschenlampe zersplitterte, und ein Schrei folgte. Dann sprintete er aus dem Kistenstapel. Einen Moment später zerfetzten die Kugeln der Maschinenpistole das Holz dort, wo er gerade noch gelegen hatte. Franco machte sich flach und kroch schlangengleich auf eine Mauer zu, die den Hinterhof der Bar von dem nächsten trennte. Bis zu der Mauer mußte er es schaffen, dann war er gerettet. Auf dem rauhen Pflaster des Hofes gingen seine Jakkettärmel in Fetzen, schrammte er sich die Haut an den Gelenken auf. «Mach doch Licht!» brüllte einer der Gangster. «Damit dieses Bullenschwein uns wieder die Lampe aus der Hand schießt, was?» «Verdammt noch mal, ihr seid Idioten! Aber ich weiß was Besseres.» Franco robbte indessen weiter. Verflixt, wann hatte er denn endlich diese Mauer erreicht? Und welche neue Teufelei hatten die Gangster ausgeheckt? Der COUNTER-MOB-Agent erfuhr es Sekunden später. Plötzlich flammten wieder die Scheinwerfer des Wagens auf, der in der Einfahrt parkte. -6 7 -
Franco robbte in den toten Winkel. Der Wagen fuhr ein Stück vor. Noch ein paar Yard, dann mußten ihn die Scheinwerfer unweigerlich erfassen. Mein Gott, wie weit war es denn noch bis zu der Mauer? Schon tasteten die Lichtfinger einen Teil der Mauer ab. «Fahr noch ein Stück vor!» rief einer der Gangster. Endlich. Francos rechte Hand krallte sich in das Gestein. Jetzt kam das letzte Wagnis. Es mußte ihm einfach gelingen, mit einem Sprung die Mauerkrone zu erwischen. Wenn nicht... man durfte einfach nicht daran denken. Franco sprang. Seine Hände faßten zu, krallten sich in den Mauerrand. Ein Klimmzug und er lag oben. Im Gleichen Moment erfaßte ihn das grelle Licht der Scheinwerfer. «Da ist der Kerl. Los, schießt, verdammt!» Franco hatte sich einfach fallenlassen und entging somit den tödlichen Kugeln der Maschinenpistolen. Er landete auf einer Reihe Mülltonnen, rutschte ab und prallte auf den Boden. Für einen Moment blieb er liegen. Hinter der Mauer hörte er das Fluchen der Gangster. Doch der Mafiajäger durfte sich einfach keine Ruhepause gönnen. Er mußte hier weg. Weg, aus dieser verdammten Rattenfalle. Plötzlich hörte Franco in der Ferne das Heulen von Polizeisirenen. Es kam ihm wie die schönste Musik vor. Erst jetzt wurde ihm bewußt, daß die gesamte Auseinandersetzung höchstens ein paar Minuten gedauert hatte. Franco rannte so schnell es ging auf einen offenstehenden Hintereingang zu. Zum Glück brannte in dem Haus, in dem er gelandet war, Licht.
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Erschöpft lehnte sich Franco Solo gegen die Flurwand. Ihm fiel auf, daß er noch immer seine Waffe in der Hand hielt. Das Heulen der Sirenen wurde lauter, verstummte dann. Franco hörte die Stimmen der Cops bis zu sich herüber. Langsam ging er durch den Hausflur. Wieder einmal davongekommen, dachte er. Erst jetzt fiel ihm auf, daß sich hier im Flur keine Neugierigen befanden. Die Leute waren doch sonst immer mit der Nase dabei. Egal, er war in Sicherheit. In der oberen Etage hörte Franco flüsternde Stimmen. «Ob sie den Bullen erwischt haben?» fragte eine Frau. «Hoffentlich», brummte eine Männerstimme. «Je weniger Bullen es gibt, desto größer wird unsere Ruhe sein. Los, Sarah, auf diesen Schreck brauche ich 'nen Trip.» Franco verzog das Gesicht. Sich über die Äußerungen der Menschen Gedanken zu machen, war verkehrt. Man konnte die Leute hier im Village doch nicht ändern. Irgendwann einmal würden sie dem Staat als menschliche Wracks zur Last fallen. Daß sich hinter ihm eine Tür öffnete, merkte er daran, daß die Angeln leise quietschten. Franco wandte sich um. «Hallo, Mister!», flüsterte eine weibliche Stimme. Ein Girl lehnte am Türrahmen. Sie trug ein geschlitztes, knallrotes Kleid und schwarze Netzstrümpfe. Ihr leidlich hübsches Gesicht wurde von lockigen, schwarzen Haaren umrahmt. «Ist was?» fragte Franco mißtrauisch. «Ich muß Ihnen etwas sagen», meinte die Kleine. «Bitte, kommen Sie in meine Wohnung.» «Später, Miß. Ich habe noch zu tun.» Hinter dem Girl ertönte ein leises Lachen. «Ich würde an Ihrer Stelle kommen. Solo. Oder soll ich der Kleinen mein Messer in den Rücken rammen?» -6 9 -
Franco kannte den Mann, dem die Stimme gehörte. Sergio Lamara! *** Das kleine, fast quadratische Zimmer hatte keine Fenster. Nur an der rissigen Decke baumelte eine nackte Glühbirne, die ein trübes Licht verbreitete. Das eiserne Bett stand direkt an der Wand. Gloria Milford lag auf dem Rücken und starrte aus verquollenen Augen gegen die Decke. Man hatte sie gefesselt und auch noch am Bettpfosten festgebunden. Weinen konnte Gloria schon lange nicht mehr. Nur noch ein krampfhaftes Schluchzen schüttelte manchmal ihren jungen Körper. Dumpfe Verzweiflung nagte in ihrem Innern. Gloria war physisch und psychisch am Ende. Ihre Gedanken kreisten um Al Scott. War ihr Verlobter bereits tot? Gloria konnte es einfach nicht glauben. Es war ihr unvorstellbar, daß es soviel Brutalität auf dieser Welt geben sollte. Sie hatte bisher nur die Sonnenseiten des Lebens kennengelernt. Wie lange sie schon hier lag, wußte Gloria nicht. Waren es Stunden oder Tage? Das Mädchen hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Zweimal war bisher dieser schreckliche Tako gekommen und hatte ihr Essen gebracht. Immer nur Brot und Sodawasser. Gloria drehte mühsam den Kopf nach rechts. So konnte sie die grau gestrichene Tür sehen, die nach draußen führte. Wo sie sich momentan befand, wußte sie ebenfalls nicht. Die Gangster hatten sie gleich nach dem Überfall mit einem Narkosemittel betäubt, und Gloria war erst hier in diesem Keller aufgewacht. Schritte drangen an ihr Ohr. -7 0 -
Gloria lauschte. Bestimmt war es wieder dieser widerliche Tako, der ihr Essen brachte. Jedesmal wenn er sie sah, starrte er mit brennenden Augen auf ihren Körper, so, als wolle er sie jeden Augenblick vergewaltigen. Gloria fürchtete sich vor diesem Blick. Ein Schlüssel ratschte im Schloß. Dann schwang die Eisentür auf. Tako betrat den Raum. Jedoch nicht allein. Der Mann mit der Sonnenbrille war bei ihm. Er drängte sich an Tako vorbei und setzte sich zu Gloria auf das Bett. Auch jetzt nahm er seine Brille nicht ab. Tako blieb abwartend an der Tür stehen. Der Sonnenbrillenträger verzog die wulstigen Lippen. «Hör jetzt gut zu, Mädchen. Wir haben heute den ersten Kontakt mit deiner Mutter aufgenommen. Es liegt nun an ihr, ob du am Leben bleibst oder nicht.» Gloria schluckte. Es dauerte eine Zeit, bis sie sich zu einer Frage aufraffen konnte. «Was ... was wollen Sie eigentlich von mir, Mister?» «Von dir gar nichts, Püppchen. Ursprünglich waren wir ja hinter deinem Vater her, aber da der ja auf den Bahamas erschossen worden ist...» «Nein!» Gloria schrie auf. «Mein Vater? Er ist... er ist tot? Das darf nicht wahr sein. Ich ... Oh, mein Gott.» Ein Krampf schüttelte Glorias Körper. Sie konnte nicht mehr weitersprechen. «Hör auf zu flennen», unterbrach sie der Sonnenbrillenträger kalt. «Dein Alter war auch nicht gerade ein Engel. Du wolltest doch hören, was wir vorhaben, nicht?» «Ja», hauchte Gloria schluchzend. «Geld interessiert uns nicht. Dein Vater war auf dem Gebiet der Konstruktion von Motoren und Turbinen ein Genie. Und er hat auch den neuen Motor YP 12 entwickelt. Die Pläne liegen gut gesichert in einem Tresor. Und diese Unterlagen möchten wir gerne haben. Nun rate mal, mein Täubchen, was deine Mutter -7 1 -
in ihrer Situation wohl wichtiger ist. Ihre Tochter oder die Pläne?» Im Hintergrund kicherte Tako und spielte mit einem Messer. Gloria lief bei diesem Geräusch ein Angstschauer über den Körper. Der Mann mit der Sonnenbrille zündete sich eine Zigarette an. «Na, ich warte immer noch auf deine Antwort.» «Sie wird Ihnen die Pläne geben», sagte Gloria leise. «Das hoffen wir auch. Wenn nicht, bekommt sie ihre Tochter nur noch als Leiche zu sehen.» Gloria schluckte. «Was sind Sie nur für ein Mensch. Bedeutet Ihnen ein Leben denn gar nichts? Sie können doch nicht...» «Wenn du jetzt nicht deinen Mund hältst, macht Tako dich gleich stumm», sagte der Gangster. «Die Interessen der Leute, die wir vertreten, sind wichtiger als Menschenleben. Merken Sie sich das, junge Lady.» Den letzten Satz sagte der Mann in einem spöttischen Tonfall. Dann stand er auf, gab Tako einen Wink und die Männer verließen den Raum wieder. Das ratschende Geräusch, mit dem der Schlüssel von außen im Schloß gedreht wurde, ging Gloria durch Mark und Bein. Sie war wieder allein. Allein mit ihren Gedanken und mit der Angst. *** Zu Mancinis Villa gehörte selbstverständlich auch ein mit allen Schikanen ausstaffiertes Hallenbad. Dieses pflegte der Mafiaboß jeden Abend aufzusuchen. Er legte dann seine nicht unbeträchtlichen Pfunde auf eine Luftmatratze und paddelte eine halbe Stunde lang über das Wasser. Bei dieser Beschäftigung durfte ihn keiner seiner Leute stören, es sei denn, es lag ein besonderer Grund vor. So wie heute. -7 2 -
Nick Spiro, der Killer aus Nassau, saß in einem bunten Sessel am Beckenrand. Spiro war nervös. Er war immer nervös, wenn er dem Boß Bericht erstatten mußte. «Nun noch mal von vorn, Spiro», sagte Mancini und gab der Luftmatratze einen Drall nach links, so daß er seinen Untergebenen ansehen konnte. «Dich haben also zwei unbekannte Männer aufgesucht und nach Sam Milford gefragt.» «Genau, Boß. Aber da war Milford schon tot. Und ich konnte auch nicht rauskriegen, was die Typen von ihm wollten. Sie hatten Kanonen in den Händen, und... und damit», Spiro begann zu stottern. Mancini schnitt ihm mit einer knappen Handbewegung das Wort ab. «Du hast also versagt», stellte er fest. «Boß, was sollte ich denn machen, verdammt? Die Kerle hatten Kanonen.» «Schon gut, Spiro», winkte Mancini ab. «Außerdem sollst du mich mit Capo anreden. Merk dir das.» «Ja, Capo.» «Weiter. Kanntest du die Männer?» «Nein. Sie scheinen neu in der Branche zu sein. Oder sind vom großen Teich rübergekommen. Sie sprachen nämlich einen ziemlich harten Dialekt.» «Beschreibung!» forderte Mancini. Spiro gab sie ihm, so gut er konnte. «Das ist nicht viel», knurrte der Mafiaboß ärgerlich. «Dir ist doch auf jeden Fall klar, daß du zwei Fehler gemacht hast. Erstens, hast du Milford umbringen lassen, und zweitens warst du zu dämlich, mit den beiden Ziegenböcken fertig zu werden. Die Folgen dieser Fehler spüren wir bereits jetzt. Oder kannst du mir erklären, wie dieser Franco Solo dazu kommt, bei den Call-Girls herumzuschnüffeln?» Spiro bekam bei Mancinis Worten eine trockene Kehle. Er wußte, wie gefährlich dieser Franco Solo ihnen werden konnte. Seine Antwort bestand aus einem Achselzucken. -7 3 -
Enrico Mancini lachte spöttisch auf. «Und noch etwas steht fest. Diese beiden Unbekannten interessierten sich ja brennend für Sam Milford. Ich möchte wissen, warum. Und deshalb Spiro, wirst du bei Milfords Witwe mal nachhaken. Noch heute nacht.» «Ja, Capo.» «Dann verschwinde jetzt. Und nimm dir meinetwegen noch ein paar Jungs mit, falls du deine beiden Freunde bei der Frau antriffst.» Spiro stand auf. Er war gerade an der Tür, als Mancini ihn noch einmal anrief. «Und mach keinen Fehler, Spiro. Diesmal wäre er auch tödlich für dich.» Spiro konnte nur nicken. Enrico Mancini blickte nachdenklich hinter ihm her. Er hatte plötzlich ein komisches Gefühl. Diese beiden Unbekannten paßten ihm überhaupt nicht in den Kram. Ihr Interesse an Milford. Es war verdammt komisch. Enrico Mancini paddelte an den Beckenrand und stieg die Trittleiter hoch. Nachdenklich kaute er auf seiner Unterlippe, während er sich anzog. Mancini war zwar keine Intelligenzbestie, doch er besaß eine gewisse Bauernschläue, ohne die er nie der König von New York geworden wäre. In diesem Fall brauchte er nur eins und eins zusammenzuzählen. Das Ergebnis sah für ihn so aus: Sam Milford, das wußte er, arbeitete an geheimen Projekten. Was lag also näher, als daß sich eine Spionagegruppe mit ihm befassen würde. Und gerade das paßte Mancini nun absolut nicht in den Kram. Er hatte schon Ärger genug. Dieser Franco Solo lag ihm schwer im Magen. ***
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Franco spürte, wie sich langsam seine Nackenhaut zusammenzog. Sollten die Gangster letztenendes doch noch die Oberhand behalten. «Ich komme», sagte er gepreßt. In der Wohnung des Mädchens brannte trübes Licht. Hinter der Schwarzhaarigen konnte Franco Lamaras Schatten sehen. Der Gangster lachte auf. «Wußte ja, Solo, daß du vernünftig bist.» Das Girl sah ihn mit einem verschreckten Blick an, als er sich an ihr vorbeischob. Franco gelangte in eine winzige Diele. An der Türschwelle zum Wohnraum stand Sergio Lamara. Statt eines Messers hielt er eine Pistole in der Hand. «Eine Kugel ist manchmal schneller», bemerkte er zynisch. «Komm schon rein, Solo. Und du auch Puppe. Aber mach die Tür zu. Schließlich brauchen die Nachbarn unser Plauderstündchen nicht mitzuhören. Sie würden nur stören.» Lamara trat einige Schritte zurück in den spärlich möblierten Wohnraum. Das Mädchen und der Mafiajäger gehorchten. «Wirf deine Kanone weg, Solo. Aber vorsichtig, und nur keine Tricks, sonst hat die schwarze Mieze das dort zu büßen.» Mit zwei Fingern holte Franco seine Waffe aus der Halfter. «In die Ecke damit!» Franco kam der Aufforderung nach. «Wunderbar», meinte Lamara, glitt ein Stück zur Seite, so, daß er Franco und das Mädchen im Blickfeld hatte, und zeigte mit der freien Hand auf ein altersschwaches Sofa. «Das ist ein feiner Platz zum Sterben. Setzt euch schön dahin, ihr beiden Hübschen.» Das Sofa war nicht der einzige altersschwache Gegenstand in dem Zimmer. An der gegenüberliegenden Wand befand sich noch ein wurmsticher Schrank, bei dem eine Tür offenstand.
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Die Lampe an der Decke war aus Kunststoff und hatte Staub angesetzt. Alles in allem eine verdammt trostlose Atmosphäre. Das Girl saß neben Franco Solo und hatte die Lippen zusammengepreßt. Ihre Augen sprühten tödlichen Haß. Andere hätten in dieser Situation Angst gehabt. Nicht dieses Mädchen. Sie hatte sich wohl schon immer gegen Kerle dieser Art wehren müssen. Sergio Lamara fixierte die beiden höhnisch lächelnd. «Was ist das eigentlich für ein Gefühl, Solo, wenn man kurz vor dem Ende steht?» Franco zuckte die Achseln. «Wissen Sie, Lamara, es haben schon viele versucht, mich umzulegen. Bessere als Sie. Es ist keinem bisher gelungen, sich die Prämie zu verdienen, die auf meinen Kopf gesetzt ist. Sollten Sie es wirklich schaffen, Lamara, geschnappt werden Sie früher oder später.» Lamaras Gesicht verzerrte sich. «Du hast eine verdammt große Schnauze. Ich hatte es schon im Gefühl, daß du der Falle entrinnen würdest. Deshalb habe ich mich ja hier auf die Lauer gelegt.» «Sie sind feige, Lamara», reizte Franco den Killer. «Verstecken sich hinter einem unschuldigen Girl.» «Unschuldig?» Lamara lachte auf. «Sie ist eine Nutte wie sie im Buche steht. Laß dich durch diese miese Einrichtung hier nicht täuschen, Solo. Die Mieze hat ganz schön was auf der hohen Kante. Aber das wird ihr auch nichts mehr nützen. Sie stirbt mit dir zusammen, Solo.» Da drehte das Mädchen durch und sprang auf. «Verdammt!» schrie sie. «Was habe ich denn getan? Ich ...» «Setz dich wieder hin, zum Teufel!» Für Sekunden war Sergio Lamara abgelenkt. Und die Zeitspanne genügte Franco. Er griff blitzschnell nach einem der auf dem Sofa liegenden Kissen und warf es in Lamaras Richtung. Gleichzeitig ließ er sich auf den Boden fallen, stieß sich ab, und hechtete dem Gangster entgegen. -7 6 -
Lamara feuerte. Die Kugel pfiff über Francos Rücken hinweg und ließ Putz von der Wand rieseln. Dann prallte der Mafiajäger auch schon gegen die Beine des Killers. Ein Schlag gegen die Kniekehlen brachte den Killer endgültig zu Fall. Dumpf knallte er auf den Boden, und die Pistole rutschte über die Dielen. Mit der rechten Hand zog Franco Sergio Lamara hoch. Aber der Killer gab nicht auf. Er stieß mit dem Knie nach vorn und traf Franco empfindlich unter der Gürtellinie. Franco verlor für einige Sekunden die Übersicht. Der nächste Schlag zischte an seinem Kinnwinkel vorbei. Doch dann war Franco wieder am Zug. Aus der Drehung heraus prallte sein Ellenbogen gegen Lamaras Rippen. Im gleichen Moment peitschte die Stimme des Girls auf. «Stop, Bulle.» Franco drehte sich halb um. Das Mädchen lehnte mit dem Rücken an der Wand. In der Rechten hielt sie Lamaras Pistole. «Jetzt leg ich das Schwein um!» schrie sie. «Lassen Sie das sein!» forderte Franco sie auf. «Halt die Klappe, Bulle!» Es war eine groteske Situation. Jetzt mußte er den Mann schützen, der ihn vor wenigen Minuten noch erschießen wollte. Das Girl hielt die Waffe wie ein Profi. Franco war klar, daß sie auch damit umgehen konnte. «Machen Sie sich nicht unglücklich. Wollen Sie unbedingt zur Mörderin werden?» fuhr Franco sie an. «Dieses Schwein da wollte mich umlegen!» Lamara hockte auf allen vieren am Boden. Sein unsteter Blick huschte zwischen dem Girl und dem COUNTER-MOB-Agenten hin und her. -7 7 -
Franco setzte alles auf eine Karte. Langsam ging er auf das Mädchen zu. «Geben Sie mir die Waffe!» «Nein, verdammt!» Für einen winzigen Augenblick nur sah sie ihn an. Und diese kurze Zeitspanne nutzte Lamara. Gedankenschnell zauberte er ein Messer aus seinem Gurt, warf es aus dem Handgelenk. Der blitzende Stahl bohrte sich in die Schulter des Mädchens. Ehe es Franco verhindern konnte, peitschte der Schuß auf. Doch durch den Aufprall des Messers verriß das Girl die Waffe. Die Kugel fuhr dicht neben Lamaras Kopf in die Wand. Erst jetzt schrie die Schwarzhaarige gellend auf, erst in diesem Moment wurde ihr bewußt, daß ein Messer in ihrer Schulter steckte. Als wäre die Waffe glühend, ließ sie sie fallen. Dann kippte das Girl um. Gleichzeitig klappte die Wohnungstür. Lamara hatte das Weite gesucht. Franco sah auf einen Blick, daß das Girl nicht lebensgefährlich verletzt war. Er hetzte hoch, schnappte sich seine Waffe und rannte auf den Hausflur. Gaffer standen herum. «Er ist zum Hof raus!» schrie ein Mann. «Holen Sie einen Arzt, der sich um das Girl in der Wohnung kümmert», rief der Mafiajäger ihm zu und rannte Sergio Lamara nach. Sein Vorsprung war noch nicht groß. Franco sah ihn gerade noch in einer Einfahrt verschwinden. Plötzlich gellten Trillerpfeifen auf. Wahrscheinlich hatten die Schüsse in der Wohnung die Cops alarmiert, die immer noch auf dem Nachbarhof zu tun hatten.
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Franco huschte in die stockdunkle handttuchbreite Einfahrt. Er hielt sich immer an der Wand, wollte kein unnötiges Ziel abgeben. Der schmale Durchlaß mündete in einen weiteren Hof. Verdammt, diese Gegend war wie ein Fuchsbau, mit unzähligen Ein- und Ausgängen. Der Lichtschein aus den Fenstern der Hinterhäuser reichte kaum aus, um auf dem Hof auch nur Umrisse erkennen zu lassen. Hier konnte man einen Menschen ideal aus dem Hinterhalt ermorden. Franco blieb stehen. Geduckt, sprungbereit, brachte seinen keuchenden Atem unter Kontrolle. Wo hatte sich Sergio Lamara versteckt? Denn soweit man trotz der Dunkelheit sehen konnte, war der Hof eine Art Sackgasse. Es gab keinen zweiten Ausgang. Eng an die Hausmauer gepreßt, schlich Franco weiter. Der .38er lag schwer in seiner Rechten. Jeden Augenblick konnte irgendwo aus der Dunkelheit Lamaras Messer auf ihn zufliegen. Jetzt ging hinter einem der Fenster Licht an. Der Schein fiel über Franco Solo gegen die Hauswand und gegen eine Feuerleiter. Dabei traf er auch die blankgetretenen Stufen. Der Stahl blitzte für einen Sekundenbruchteil auf. Franco riskierte einen Blick nach oben, sah plötzlich Sergio Lamara auf der Feuerleiter hocken und warf sich instinktiv zur Seite. Das geschleuderte Messer prallte auf das Kopfsteinpflaster des Hofes und ließ Funken aufstieben. Über ihm ertönte ein gemeiner Fluch. Dann trampelten Schritte die Leiter nach oben. Für Franco gab es nun kein Halten mehr. Er steckte die Waffe weg und zog sich an der Leiter hoch. Lamara hatte bereits die erste Plattform erreicht, während der Mafiajäger unter ihm zwei Stufen auf einmal nahm. -7 9 -
Einmal wandte sich der Killer um. Franco konnte sogar schon sein bleiches Gesicht sehen. «Verdammter Bulle!» fluchte er. «Du kriegst mich nicht!» Franco gab keine Antwort, sparte seinen Atem. Lamara hetzte weiter. Der Mafiajäger legte noch mehr Tempo zu. Jetzt konnte er seine Kondition ausspielen, das ewige Training im COUNTERMOB-Camp machte sich wieder einmal bezahlt. Plötzlich rutschte Lamara aus. Er schrie auf, schlitterte ein Stück zurück und konnte sich im letzten Moment fangen, gerade, als Franco Solo nach seinem rechten Bein greifen wollte. Die dritte Plattform. Lamara wollte soeben abermals weiter nach oben, als Franco ihn an der Schulter zurückriß. «Solo!» heulte er auf. Dann erwischte ihn Francos Faustschlag am Kinn. Lamara flog bis an das Eisengitter zurück, drehte sich jedoch wie eine Katze und hielt plötzlich eines seiner widerlichen Messer in der Hand. «Weg mit dem Messer!» «Nein, Solo. Du mußt mich schon umlegen. Ich habe nichts zu verlieren.» Der Gangster fintierte geschickt, schwang in den Hüften mit und stieß gedankenschnell wie ein Florettfechter zu. Ins Leere. Franco war ausgewichen und riß, während er sich wieder in die Ausgangsposition brachte, sein Knie hoch. Lamaras Messerhand flog nach oben. Dadurch war sein Körper einen Moment lang deckungslos. Das nutzte Franco Solo aus. Seine Linke traf. Lamara schrie auf und schnappte nach Luft. Der Mafiajäger setzte sofort nach.
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Schließlich knallte der Killer mit dem Rücken gegen das Eisengeländer. Er wurde nach vorn geprellt und wollte wieder sein Messer einsetzen. Aber er kam nicht mehr dazu. Franco erwischte die Messerhand, drehte sie herum und schlug Lamaras Unterarm auf das Geländer der Feuerleiter. Fast wie von selbst Öffneten sich seine Finger. Das Messer trudelte in den Hinterhof. «Fahr zur Hölle!» fluchte der Gangster und versuchte, Franco sein Knie in den Leib zu rammen. Franco drehte sich zur Seite, kam aber aus dem Gleichgewicht. Der Gangster sah seine Chance. Mit einem Wutschrei hechtete er auf ihn zu. Genau in Francos Aufwärtshaken. Und diesen Schlag verdaute Sergio Lamara nicht mehr. Er kippte zur Seite und blieb bewußtlos liegen. Der Mafiajäger wischte sich über die Stirn. Teufel, der Fight hatte ihn geschlaucht. Aber wieder einer von Mancinis Leuten war ausgeschaltet, konnte keinen Schaden mehr anrichten. Erst jetzt hörte er die Stimmen auf dem Hof. Dann kamen auch schon schnelle Schritte die Feuerleiter hoch. Drei Cops stürmten auf die Plattform. Ihre Revolver, die sie auf ihn richteten, blinkten matt. «Hoch die Pfoten!» schnauzte ihn ein Sergeant an. Franco gehorchte erst einmal, sagte aber gleich: «Greifen Sie bitte in meine Brieftasche, da steckt mein Ausweis.» «Ein Trick?» fragte der Cop mißtrauisch. «Denk dran, Kumpel, wir sind zu dritt.» «Kein Trick. Ich bin hinter dem Kerl her gewesen.» Der Cop lachte. «Das kann jeder sagen.» Eine Minute später entschuldigte er sich.
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Mit wackligen Knien stieg Franco die Feuerleiter herunter. Die Cops trugen den bewußtlosen Sergio Lamara. Unten im Hof blitzten Taschenlampen. Jetzt hingen auch die Neugierigen in den Fenstern. Ein junger Lieutenant empfing Franco. «Ich glaube, Sie haben mir einiges zu erklären!» «Später», winkte der COUNTER-MOB-Agent ab, wies sich auch bei dem Lieutenant aus und erkundigte sich nach dem Mädchen. «Soweit ich weiß, geht es ihr gut», erwiderte der Lieutenant. «Sie ist schon auf dem Weg ins Krankenhaus.» «Ein Glück.» «Und was machen wir mit dem da?» der Lieutenant wies auf den immer noch bewußtlosen Sergio Lamara. «Bringen Sie ihn bitte in sicheren Gewahrsam. Er ist ein gefährlicher Killer. Er wird uns eine ganze Menge erzählen müssen. Was ist übrigens mit den Gangstern aus der Roten Kuh passiert?» «Einer ist tot. Die anderen konnten leider entkommen. Wir haben allerdings zwei von ihnen angeschossen. Die Fahndung läuft auf vollen Touren. Aber Sie wissen ja selbst, wie das ist.» Natürlich wußte es Franco Solo. Greenwich Village hatte viele Verstecke. Man hätte tagelang suchen können, ohne auch nur eine Spur zu finden. Der Mafiajäger wandte sich an den Lieutenant. «Ich muß mich noch um verschiedene andere Dinge kümmern. Passen Sie gut auf den Kerl auf. Lamara ist verdammt gefährlich.» Der Cop grinste. «Wird schon schiefgehen, Mister Solo.» Franco nickte ihm nochmals zu, und verließ den Hinterhof durch ein Spalier von Gaffern. Eigentlich war Franco ganz zufrieden, denn mit Lamaras Festnahme hatte COUNTER MOB Mancini einen empfindlichen Schlag versetzt. Schließlich war Sergio Lamara einer seiner Spitzenkiller gewesen. -8 2 -
Er mußte trotz der späten Stunde Colonel Warner Bericht erstatten. Vielleicht gab es auch auf der anderen Seite Neuigkeiten zu berichten, denn Steve Adams blieb ja auch am Ball. «Der Entführer von Gloria Milford ist ganz klar Ausländer», sagte Warner, nachdem Franco ihm Bericht erstattet hatte, «Die Stimmenanalyse hat hundertprozentige Gewißheit ergeben.» Franco nickte gedankenverloren. Das hatte er sich schon gedacht. Steve Adams konnte sich auf sein Gehör verlassen. Trotzdem war das Tonband noch untersucht worden. «Das war's eigentlich im Augenblick», meinte der Colonel. «Wie das Ganze allerdings zum Verschwinden Sam Milfords paßt und was Mancini bezweckt, müssen wir noch herausfinden. Ich hoffe, wir erfahren einiges von Lamara. Bleiben Sie am Ball, Franco.» Der Colonel legte auf. Franco fuhr sich über die Augen. Man wußte bei der ganzen Sache wirklich nicht, wo man einhaken sollte. Helen Milford war von zwei Beamten nach Hause gebracht worden. Das heißt, nur bis kurz vor ihre Villa. Den Rest des Weges war sie allein gefahren. Der Wohnsitz hätte ja unter Beobachtung stehen können. Franco Solo fand keine Ruhe mehr. Die Müdigkeit war einfach wie weggeblasen. Als er auf die Uhr blickte, stellte er fest, daß es weit nach Mitternacht war. Noch einmal ließ er sich den ganzen Fall durch den Kopf gehen, stellte Theorien auf, verwarf sie wieder und kam zu dem Entschluß, Helen Milford doch noch einen Besuch abzustatten. Der oder die Erpresser mußten über die Milfordschen Verhältnisse Bescheid wissen. Vielleicht hatten sie schon mit Sam Milford zu tun gehabt. Eventuell bestand auch die Möglichkeit, daß sich seine Frau an ausländische Geschäftspartner ihres Mannes erinnern konnte. Entschlossen startete Franco Solo seinen Wagen und ließ den Parkplatz vor der Police-Station, auf dem er ihn vor seinem Besuch in der Roten Kuh abgestellt hatte. -8 3 -
*** Helen Milford konnte nicht schlafen. Unruhig wanderte sie in ihrem großen und komfortablen Wohnzimmer auf und ab. Im Kamin flackerte ein Feuer. Die Holzscheite knisterten. Ab und zu sprühten Funken auf und wurden von dem Sog des Kamins nach oben gezogen. Die Flammen warfen lange Schatten auf Helen Milfords abgespanntes Gesicht, ihre Augen brannten. Sie hatte in der letzten Zeit viel zu wenig Schlaf bekommen. Helen Milford trat an das große Fenster, warf einen Blick in den rabenschwarzen Park. Die Tür öffnete sich leise. James, der Butler, betrat das Zimmer. «Haben Sie noch einen Wunsch, Madam?» Helen wandte sich um. «Nein, danke, James. Sie können Schlafengehen.» «Angenehme Nachtruhe, Madam.» Helen nickte geistesabwesend. Sie steckte sich eine Zigarette zwischen die Lippen, zündete sie mit dem silbernen Feuerzeug an. Tief sog sie den Rauch ein. Ihre Gedanken schweiften ab. Mister Adams hatte ihr angeboten, das Haus überwachen zu lassen, doch sie hatte abgelehnt. Aus Angst, die Entführer könnten etwas merken. Auch Captain Field hatte ihren Wunsch respektiert. Das Telefon auf dem kleinen Rauchtisch summte. Helen warf die Zigarette in den Ascher und griff nach dem Hörer. Sie atmete einmal tief ein, bevor sie sich meldete: «Ja, bitte.» «Scott», ertönte es aus dem Hörer. «Miss Milford, entschuldigen Sie die späte Störung, aber man hat mir vor einer -8 4 -
halben Stunde mitgeteilt, daß mein Sohn ins Metropolitan Hospital eingeliefert worden ist. Schwerverletzt. Durch Schüsse.» Scotts Stimme steigerte sich. «Und da Al doch mit Gloria zusammen war, dachte ich...» «Nein, nein, Mister Scott. Es ist nichts», unterbrach Helen Milford den Mann. «Gloria weiß von ...» sie verhaspelte sich. «Also Gloria hat mich vor wenigen Minuten von einer Freundin aus angerufen. Sie sagte, sie hätte sich von Al schon am Nachmittag getrennt. Ja, das sagte sie.» Helen Milford stand der blanke Schweiß auf der Stirn. Wenn der Mann nur nichts merkte. Er durfte um Himmels willen nicht wissen, was passiert war. Glorias Leben war sonst in höchster Gefahr. «Merkwürdig», meldete sich Scott wieder, «die Ärzte haben mir berichtet, Al hätte phantasiert. Immer von einem Überfall und Entführung gesprochen.» Helen Milford lachte schrill. «Das kann ich nicht glauben. Nun ja, Bewußtlose phantasieren viel, Mister Scott. Aber ich muß jetzt wirklich Schlafengehen. Entschuldigen Sie mich.» «Ja, natürlich. Vielen Dank, Miss Milford.» Helen legte auf. Sie sah, daß ihre Hände zitterten. Wenn Al Scotts Vater nur nichts gemerkt hatte. Sie ließ sich in einen tiefen Ledersessel fallen und schlug beide Hände vors Gesicht. Eine unsagbare Müdigkeit überwältigte sie plötzlich. Die Augen fielen ihr fast von selbst zu. Irgendwann schreckte sie hoch. Ein Blick auf ihre Uhr zeigte, daß sie nur eine halbe Stunde geschlafen hatte. Das Feuer im Kamin brannte noch. Was hatte sie nur geweckt? Da! Ein Geräusch! Es kam aus der Halle. Hörte sich an, als wäre jemand mit dem Bein gegen eine Vase gestoßen. Ein ungutes Gefühl beschlich Helen Milford. «James?» rief sie ängstlich. Keine Antwort. -8 5 -
Helen Milford starrte auf die Tür, sah plötzlich, wie sich der Knauf behutsam drehte ... «Mein Gott!» flüsterte sie erstickt und griff nach dem Telefonhörer. «Wenn Sie die Polizei rufen, sind Sie tot!» hörte Helen in ihrem Rücken plötzlich eine kalte Stimme. «Also, Finger weg, und setzen Sie sich!» Helen Milford gehorchte automatisch. Entsetzt blickte sie die vier Männer an, die auf einmal im Raum standen. «Wie ... wie sind Sie hier hereingekommen?» stotterte die Frau. Nick Spiro, der Anführer, grinste zynisch. «Durch die Tür, wie denn sonst.» Dann wandte er sich an einen kleiderschrankbreiten Kerl mit spiegelblanker Glatze. «Rufus, mach die Vorhänge dicht.» Rufus gehorchte. Spiro schaltete die Deckenbeleuchtung ein. Ein Teil der Lampen in den wertvollen Kristallüstern begann zu brennen. Spiro sah sich um. «Sauber eingerichtet», sagte er anerkennend. «Na ja, dein Mann hat's ja auch, Alte. Ach, da sind wir schon gleich beim Thema. Erzähl uns mal, was der Kerl mit der Sonnenbrille von deinem Alten wollte?» «Wie bitte?» fragte Helen Milford. «Rufus, sie hat mich nicht verstanden», sagte Spiro. Der Schläger nickte und walzte auf Helen Milford zu. Mit angstgeweiteten Augen sah die Frau in das breite Gesicht, in dem die Nase nur noch ein verrutschter Klumpen war und die Augen vor Fettpolstern fast zuwuchsen. Helen schrie auf. «Soll ich, Nick?» Spiro wedelte mit der Hand. «Noch nicht,» «Schade», knurrte Pat Soccer, ein harter Bursche mit eng beieinander stehenden Augen und nur noch einem halben linken Ohr.
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«Den Spaß wirst du bestimmt noch erleben», gab Renato Rossi, der vierte im Bunde, seinen Senf dazu. Rossi war gekleidet wie ein Pfau. Fast alle Farben des Spektrums waren an seinem Körper vertreten. Rufus ließ Helen Milford wieder los. Spiro lächelte wölfisch. «Siehst du, Alte.» Er nannte grundsätzlich alle Frauen über dreißig Alte. «Wenn du uns nicht sagst, was wir wissen wollen, nimmt dich Rufus in die Mangel. Also, nochmal, was wollte der Kerl mit der Sonnenbrille von deinem Alten? Außerdem hatte er auch noch einen Gehilfen bei sich. Tako, nannte sieh der Knabe. Habe ich jetzt deutlich genug gesprochen?» Helen Milford nickte. «Ja», erwiderte sie schweratmend, «Sie haben deutlich genug gesprochen. Aber ich kann Ihnen beim besten Willen nicht helfen. Ich habe die Männer, von denen Sie gesprochen haben, nie gesehen, glauben Sie mir doch.» Helen Milford wurde plötzlich mit erschreckender Deutlichkeit klar, daß ihr Leben keinen Cent mehr wert war, ja, und noch etwas wurde ihr bewußt: daß diese Leute nichts, aber auch gar nichts mit Glorias Entführung zu tun hatten. In welchen Teufelskreis war sie nun wieder geraten? Helen Milford trug eine seidene Bluse, die am Hals ein wenig offen stand. Rufus' Pranke fuhr in den Ausschnitt und fetzte die Bluse mit einem Ruck auseinander. Helen Milford schrie auf. «Bitte», flehte sie. «Laßt mich doch in Ruhe. Bitte. Ich weiß doch nichts.» Rufus grunzte und riß ihr den Rest der Bluse auch noch vom Körper. Nick Spiro trat grinsend näher. «Ist noch verdammt gut gebaut. Eigentlich schade um die Figur. Noch kannst du es dir aussuchen.» Helen Milford schüttelte in stummer Verzweiflung den Kopf. Nur ein leises Wimmern drang über ihre Lippen. -8 7 -
Die vier Kerle betrachteten die Frau wie Ware. Plötzlich verzerrte sich Spiros Gesicht. «Wir werden schon aus dir rauskriegen, was wir wissen wollen. Eine Zigarette! Schnell!» Pat Soccer warf ihm eine zu. Helen Milford beobachtete ihn mit angstgeweiteten Augen. Sie hatte einmal in einem Film gesehen, wie eine Frau mit einer glühenden Zigarette gefoltert wurde. Aber das war Film. Doch hier... Spiro kam näher. Die Zigarette hielt er zwischen Daumen und Zeigefinger. «Aber... aber ... das können Sie doch nicht machen. Bitte, haben Sie doch Erbarmen», flehte die Frau. «Und ob wir das machen können», erwiderte Spiro böse und näherte sich mit der Zigarette Helen Milfords Schulter. *** Milfords wohnten auf Staten Island. Franco Solo fuhr hinüber nach Brooklyn, nahm den Gowanus Express-way und jagte über die Verrazano Narrowsa Bridge nach Staten Island. Das Haus der Milfords lag in einer Oase der Ruhe. Die Villen, die hier standen, gehörten schon zu den älteren Bauwerken und waren meist von den alteingesessenen New Yorker Millionären bewohnt. Gepflegte, großzügig angelegte Parks umrahmten die Villen und schützten sie vor neugierigen Augen. Franco verminderte sein Tempo und fuhr langsam durch die ruhige Straße. Bäume säumten die Bürgersteige zu beiden Seiten der Fahrbahn. Ein seltenes Bild in New York. Vor Milfords Grundstück parkte ein Ford. Er war schräg auf den Bürgersteig gesetzt worden, und deshalb eigentlich fiel er Franco auf. In seinem Gehirn schrillten die Alarmglocken.
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Er fuhr weiter und stoppte nach fünfzig Yard. Glück mußte der Mensch haben, dachte Franco. Er hatte nicht damit gerechnet, in dieser vornehmen Gegend so schnell eine Telefonzelle zu finden. Er wählte die Nummer von Captain Fields Office. Ein diensthabender Sergeant meldete sich. Franco Solo brachte sein Anliegen vor. «Ich möchte wissen, wer der Halter des Fords ist mit folgendem Kennzeichen.» Der Mafiajäger gab die Autonummer durch und wartete. Nach etwa vier Minuten hatte er den Captain selbst an der Strippe. «Hallo, hören Sie Solo. Der Wagen ist auf einen gewissen Nick Spiro zugelassen. Vertreter. Eine unbescholtene Person. Wenn ich Ihnen wieder einmal behilflich sein kann, gerne!» «Danke», erwiderte Franco. «Aber das war's einstweilen.» Spiro, überlegte der Mafiajäger. «Noch nie gehört.» Vielleicht sehe ich ja auch schon Gespenster, dachte er, und ging zu seinem Wagen zurück. Das Grundstück der Milfords wurde durch einen hohen, schmiedeeisernen Zaun eingefaßt. Das Haus selbst lag etwas erhöht und war an sich recht gut von der Straße aus zu sehen. Deshalb konnte Franco auch erkennen, daß hinter den Fenstern im Erdgeschoß Licht brannte. Doch im gleichen Moment zog eine männliche Person die Vorhänge zu. Franco sah einen Schatten. Jetzt wurde Franco mißtrauisch. Sollten sich die Gangster bei Helen Milford breitgemacht haben? Aber das konnte man ja sehr schnell feststellen. Der Zaun war für einen geübten Kletterer wie Franco kein Hindernis. Auf der anderen Seite landete er auf weichem Rasen.
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Geduckt lief der COUNTER-MOB-Agent auf das Haus zu. Immer darauf achtend, im Schutz kleinerer Buschgruppen zu bleiben. Dann hatte Franco die Hauswand erreicht. Er preßte sich mit dem Rücken dagegen und lauschte. Der Schrei einer Frau drang an sein Ohr. Helen Milford! Franco Solo versuchte einen Blick durch das Fenster zu werfen, doch die Vorhänge schlossen zu dicht. Für Experimente blieb ihm jetzt keine Zeit mehr. Er mußte einfach ganz offiziell das Haus betreten. Die Situation verlangte es. Franco rannte zur Haustür, zog seine Waffe und drückte entschlossen auf den altmodischen Klingelknopf. Ein dezentes Läuten ertönte. Franco preßte sich in einen toten Winkel und wartete ab. Nichts geschah. Er läutete noch einmal. Und dann hörte er die Schritte... Helen Milford sah das gemeine Gesicht des Gangsters dicht vor sich und sah die glühende Zigarettenspitze, die nur noch eine Handbreit von ihrer Schulter entfernt war. In diesem Moment klingelte es. Nick Spiro zuckte zurück. «Verdammt», zischte er. «Erwartest du Besuch?» Helen Milford schüttelte krampfhaft den Kopf. Die drei Männer sahen Spiro gespannt an, so, als erwarteten sie von ihm eine Antwort. «Was starrt ihr Idioten so», regte sich Spiro auf. «Ich weiß doch auch nicht, welcher...» Wieder klingelte es. Spiro legte die Zigarette weg. Dann traf er die Entscheidung.
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«Pat, sieh nach, wer draußen ist. Ist es unangenehmer Besuch, leg ihn um.» Soccer grinste, zog seinen Smith & Wesson-Revolver und machte sich auf die Socken. Den Weg zur Tür kannte er, deshalb konnte er auf Licht verzichten. Daß das sein Fehler war, konnte er nicht ahnen. Vorsichtig öffnete Soccer die Haustür und streckte als erstes die Hand mit der Waffe heraus. Mit einer ähnlichen Reaktion hatte Franco gerechnet. Sein Handkantenschlag traf Soccers Unterarm. Die Waffe wurde dem Gangster aus der Hand geprellt, und ehe er noch einen Überraschungsschrei ausstoßen konnte, war Franco im Haus. Der Gangster bekam keine Gelegenheit mehr, seine Kumpanen zu warnen. Ein Schlag, und der Kerl landete im Reich der Träume. Franco schnappte sich Soccers Revolver und zog den Mann in eine Ecke. Dann huschte er weiter. Da er das Haus von seinem ersten Besuch her kannte, wußte er genau, wo das große Wohnzimmer lag. «Was ist los, Pat?» hörte Franco eine Stimme. Die Stimmen drangen aus dem Wohnzimmer. Dann wurde die Tür geöffnet. Licht fiel in die Halle. Franco tauchte weg, hinter eine Kommode. Jedoch nicht schnell genug. Man hatte ihn schon gesehen. Der Mann auf der Türschwelle, es war Renato Rossi, riß blitzartig seine Waffe aus der Halfter und feuerte in Francos Richtung. Die Kugel schrammte über die Kommode und riß Holzsplitter heraus. «Es ist nur einer!» schrie der Kerl, der geschossen hatte. «Los, den packen wir uns!»
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Franco hob den erbeuteten Revolver, zielte kurz und drückte ab. Der Schreier knickte zusammen. «Verdammt, das Schwein hat mich erwischt!» brüllte er und verzog sich wieder ins Wohnzimmer. «Licht aus, verdammt», schrie ein anderer Mann. Sekunden später war es stockdunkel. Franco nutzte sofort die Gelegenheit und robbte näher auf die Tür zu. Im Zimmer war es jetzt totenstill. Die Gegner belauerten sich gegenseitig. Nun kam es darauf an, wer die besseren Nerven besaß. «He, Kumpel!» hörte Franco Solo plötzlich eine Stimme. «Ich weiß ja nicht, wer du bist, aber wir sind zu dritt, außerdem ist noch eine Frau in unserer Gewalt. Du siehst also, wir haben die besseren Argumente. Komm schon, gib auf.» Franco antwortete nicht. «Dann müssen wir eben andere Saiten aufziehen!» brüllte der Mann. Wenig später schnitt Helens gellender Schrei durch die Stille. Franco zog es den Magen zusammen. «Na, was ist nun?» höhnte der Kerl. «Beim nächstenmal wird es schlimmer.» Da gab Franco auf. Es mußte noch eine andere Gelegenheit geben, die Gangster auszuschalten. Er durfte Helen Milford nicht gefährden. «Okay, ich komme», sagte er gepreßt. «Schmeiß erst die Knarre rüber!» Franco nahm den Revolver und warf ihn in das Zimmer. Plötzlich flammte auch wieder das Licht auf. Durch die offene Tür konnte der Mafiajäger einen Teil des Raumes sehen.
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Helen Milford hockte in einem Sessel. Sie trug nur noch einen BH und den Rock. Neben ihr stand Rufus, der Glatzkopf, und drückte der Frau die Mündung eines Revolvers gegen den Hinterkopf. Franco kannte Rufus. Auch Renato Rossi, der an der Wand stand und sich die blutende Schulter hielt, wo ihn die Kugel getroffen hatte. Nur der Anführer des Trios war Franco unbekannt. Der Mafiajäger grinste kategorisch. «Mancinis Leute. Sieh mal einer an», sagte. «Wie klein die Welt doch ist.» «Wer ist dieser Schwätzer?» wandte sich Spiro an Renato Rossi und hob Francos Beuterevolver auf. «Das Schwein heißt Solo und ist einer der Kerle, die wie der Teufel hinter uns her sind», informierte ihn Rossi giftig. Spiro lachte. «Da haben wir ja einen guten Fang gemacht. Setz dich hin, Solo. Du hast uns bestimmt einiges zu erklären.» Franco nahm in einem Sessel Platz. Er konnte Helen Milford ansehen und las die dumpfe Verzweiflung in ihren Augen. Dem Mafiajäger drehte sich vor Wut fast der Magen um. Seine eigene Hilflosigkeit kam ihm zum Bewußtsein. Drei gegen einen, das war hart. «Was hast du mit Soccer gemacht?» wollte Spiro wissen. «Er liegt in der Halle», erwiderte Spiro. «Bewußtlos.» «Dafür wirst du gleich mit dem Teufel pokern können», fluchte der Gangster. «Aber vorher erzählst du uns noch, was du hier wolltest?» Franco zuckte gelassen die Schultern. «Erst einmal, Mister, würde ich an ihrer Stelle nicht so sicher sein. Immerhin bin ich nicht allein gekommen. Das Haus ist umstellt. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann ihr einkassiert werdet», bluffte er. «Schön und gut, aber vorher stirbt die Frau», keifte Spiro. «Das würde ich mir an Ihrer Stelle überlegen. Auf Mord steht immer noch lebenslänglich, wenn nicht mehr.»
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«Laß dich doch von diesem Dreckskerl nicht einseifen, Nick», hetzte Rossi. «Der blufft nur.» In Francos Gehirn begann ein Relais einzurasten. Nick hatte Rossi gesagt. Der Wagen draußen war auf einen gewissen Nick Spiro zugelassen. Der Kreis schloß sich langsam. Also doch kein harmloser Vertreter, wie Captain Field meinte. «Renato hat recht», wandte sich Spiro wieder an den Mafiajäger. «Ihr Kerle blufft doch meistens.» «Du kannst es ja darauf ankommen lassen», erwiderte Franco eiskalt. In diesem Augenblick betrat Pat Soccer das Zimmer. Schwankend und immer noch nicht ganz Herr seiner Sinne. Sofort wandte sich Spiro an ihn. «Hast du draußen Bullen gesehen, Pat?» «Was?» «Ob du draußen Bullen gesehen hast, verdammt noch mal?» «Nee, Nick. Oh mein Kopf. Dieser Sauhund hat mich ganz schön fertiggemacht.» Spiro drehte sich dreckig grinsend zu Franco um. «Du siehst, uns kannst du keine Angst einjagen. Und jetzt zur Sache. Was hast du hier gewollt?» Bevor Franco antworten konnte, schrie Helen Milford auf. «Ich sage es Ihnen. Hören Sie, ich sage es!» «Sieh mal einer an», wunderte sich Spiro. «Die Alte wird auf einmal redselig. Na, dann mal los!» «Er ist wegen meiner Tochter Gloria gekommen. Sie ... sie ist entführt worden. Von Unbekannten. Deshalb ist er hier. Sonst nichts.» Nick Spiro kratzte sich mit der linken Hand am Hinterkopf. «Jetzt mal alles der Reihe nach», sagte er. «Deine Tochter ist entführt worden. Wahrscheinlich waren das die beiden Typen, die mich in Nassau besucht haben und sich nach deinem Alten
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erkundigten. Das paßt ja auf einmal alles zusammen. Aber was wollen die Burschen denn von dir? Moneten?» «Nein», schluchzte Helen Milford. «Die Pläne.» «Welche Pläne?» «Für den neuen Motor, der bei uns entwickelt worden ist.» Franco ließ die Frau reden, so leid ihm das auch tat. Nun würde Mancini auch noch alles erfahren, und das war schlecht. Verdammt schlecht sogar. «Kann man mit diesen Plänen denn Geld machen?» wollte Spiro wissen. «Ja, die ausländische Konkurrenz ist scharf dahinter her.» «Na, ist das denn nicht herrlich», freute sich Spiro. «Weißt du was, Alte. Ich habe eine ganz neue Idee. Du wirst die Pläne morgen holen, sie aber nicht den anderen übergeben, sondern uns. Verstanden?» «Nein», flüsterte Helen Milford. «Meine Tochter, sie befindet sich doch in der Gewalt der Kidnapper.» Spiro lachte. «Schaff dir meinetwegen 'ne neue an. Wir sind kein Wohltätigkeitsinstitut.» «Spiro, du verspielst dir damit deine letzte Chance», sagte Franco leise. Dieser Kerl ekelte ihn an, das war ja gar kein Mensch mehr, sondern eine reißende Bestie! «Ach, hast du dreckiger Bulle auch noch was zu sagen? Ich will dir mal was flüstern, du kommst hier sowieso nicht mehr lebend raus. Und die Alte hier nehmen wir mit. Mein Boß wird mir dankbar sein. Er will nämlich mit euch Scheißagenten ein für allemal aufräumen. Mit dir werden wir gleich den Anfang machen.» Die drei Gangster lachten meckernd. Wenig später lachten sie nicht mehr. Da fragte Franco nämlich: «Ihr kennt doch bestimmt einen gewissen Sergio Lamara, oder? Der hat Pech gehabt. Er sitzt im Gefängnis und wird wahrscheinlich gerade verhört.» «Bluff!» kreischte Soccer. «Alles nur Bluff!» -9 5 -
«Du kannst ja mal anrufen», erwiderte Franco gelassen. Spiro war blaß geworden. Er brauchte einige Zeit, um die Neuigkeit zu verdauen. Doch dann sagte er: «Und wenn es so ist, Solo. Wir legen dich trotzdem um.» Die Gangster waren nervös. Das spürte Franco. Wäre nicht Rufus gewesen, hätte er schon längst versucht, die Sache wieder in den Griff zu bekommen. Aber der Glatzkopf hielt nach wie vor seinen Revolver gegen Helen Milfords Kopf gepreßt. Spiro atmete tief aus. «Also, wer will ihn umlegen?» «Ich», kreischte Soccer. «Schließlich hat er mich zusammengeschlagen.» «Also gut, Pat», nickte Spiro. «Steh auf, Solo», forderte Soccer. «Im Stehen stirbt's sich leichter.» «Nein!» schrie in dem Moment Helen Milford. «Das können Sie doch nicht machen. «Das ist Mord. Sie ...» Da schlug Rufus zu. Nur einmal. Helen Milford sackte im Sessel zusammen. «Hast du nicht gehört, Bulle? Steh auf!» blaffte Soccer. Er hatte inzwischen von Spiro auch seine Kanone wiederbekommen. Franco erhob sich im Zeitlupentempo. Und plötzlich spürte er wieder den Druck der Waffe in der Schulterhalfter. Die Gangster hatten vergessen, sie ihm abzunehmen. Eine winzige Chance. Aber würde sie reichen? Auf jeden Fall hatte Franco nicht vor, sich sang- und klanglos töten zu lassen. Er warf einen schnellen Blick zu Helen Milford hinüber. Die Frau hing völlig apathisch im Sessel. Rufus stand noch immer neben ihr, jedoch zeigte die Mündung seiner Waffe diesmal nicht mehr auf Helens Kopf. Die Frau war demnach nicht direkt in Gefahr. Soccer kam zwei Schritte näher. Sekunden später peitschte ein Schuß.
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Pat Soccer drehte sich plötzlich um die eigene Achse, und knallte dann auf den Boden. Die Kugel aus einem Büffelgewehr hatte ihn getroffen. Und das Gewehr hielt James, der Butler. Er stand in der offenen Tür und hatte den Kolben der alten Flinte fest gegen die Schulter gepreßt. Die anderen Gangster standen wie gelähmt. Der Schrecken über den Tod ihres Kumpans saß ihnen in den Knochen, machte sie für einen Moment bewegungsunfähig. Der Mafiajäger erfaßte die Situation als erster. Gedankenschnell riß er seine Waffe hervor und richtete sie auf den überraschten Spiro. «Hoch mit den Pfoten!» Erst jetzt rührte sich Nick Spiro, wurde ihm klar, daß er verspielt hatte. Mit einem Fluch kreiselte er herum zu Renato Rossi, der ebenfalls noch wie ein Denkmal dastand. «Waffen weg», wiederholte Franco seinen Befehl. «Das gilt für alle.» Als sie nicht sofort gehorchten, meinte James: «Ich könnte wieder schießen, Sir.» Drei Revolver polterten danach auf den Teppich. James sammelte sie auf. «Zum Glück verstehen diese Gangster nichts von Waffen, Sir. Ich konnte mit dem Büffelgewehr nur einmal schießen», meinte er wie beiläufig. «Das war ein verdammt riskantes Spiel», erwiderte Franco und schluckte. James nickte. Dann kümmerte er sich um Mrs. Milford. «Kommen Sie, Madam, ich bringe Sie nach oben.» Franco hielt unterdessen die Gangster in Schach. Er ließ sie der Reihe nach an einer fast freien Wand Aufstellung nehmen, und zwar in bewährter Manier. Einen Schritt von der Wand weg, dann mit den Händen dagegen fallen lassen. -9 7 -
«Was haben Sie mit uns vor?» fragte Spiro bissig. Franco lachte. «Ganz einfach. Ich werde euch hinter Gitter bringen. Wir haben noch genügend freie Zellen.» «Der König von New York wird uns schon rausholen», knirschte Spiro. James kam zurück. «Halten Sie die Kameraden auf Abstand, James. Ich werde telefonieren?» sagte Franco. «Sehr wohl, Sir.» Auch in dieser Lage verlor der Butler nicht seine Würde. Er schnappte sich zwei der Revolver und baute sich hinter den Gangstern auf. Dort wo Soccer lag, färbte langsam ein Blutfleck den beigen Teppich dunkel. Franco hatte gerade den Hörer von der Gabel genommen, als James aufschrie. Der Mafiajäger wirbelte herum. Gleichzeitig dröhnten Schüsse auf. Schreie gellten in den Widerhall. Franco warf sich blitzschnell zu Boden, sah, daß James mit einem Messer in der Brust zusammengebrochen war und schoß auf Rossi, der ein zweites Messer in seine Richtung schleuderte. Rossi brach zusammen. Er war schon tot, als er auf den Boden aufschlug. Das Messer sirrte vor Franco in den Teppich. Doch die Zeit der Ablenkung hatte Nick Spiro genutzt. Er war nach der Waffe gehechtet, die James aus den Fingern gerutscht war und schoß noch im Liegen. Franco rollte sich zur Seite, versuchte hinter einem der schweren Sessel in Deckung zu gehen, da riß ihm ein Geschoß fast den Absatz ab. Rufus hatte in den Kampf eingegriffen. Mit wahren Panthersätzen stürmte Spiro durch den Raum in Richtung Tür. Rufus deckte ihm mit heißem Blei den Rückzug. -9 8 -
Der Mafiajäger mußte den Kopf einziehen. Dieser Rufus war nicht nur ein gefährlicher Schläger, sondern auch ein vortrefflicher Schütze. Schon war Spiro in der Halle. Plötzlich machte es Klick. Rufus hatte sich verschossen. Franco spritzte hoch und schoß aus der Hüfte. Seine Kugel streifte Rufus und ließ ihn aufschreien. Doch dann war der Kerl auch schon in der Halle verschwunden. Die Haustür klappte. Der COUNTER-MOB-Agent rannte in die Halle. Er dachte im Moment nicht an die Gefahren, denen er sich aussetze, wenn er von der Helligkeit ins Dunkel kam. Er riß die Tür auf und stürzte hinaus. Aber er kam zu spät. Mit Riesenschritten rannte Nick Spiro den Kiesweg vor dem Haus hinunter. Eine Verfolgung war sinnlos, der Bursche hatte schon zuviel Vorsprung. Franco hetzte zurück in den Wohnraum, riß den Telefonhörer von der Gabel und kurbelte eine Fahndung nach dem Ford an. Gut, daß er das Kennzeichen schon vorher durchgegeben hatte. Dann bestellte er noch die Mordkommission und die Ambulanz in die Villa der Milfords. Hoffentlich war es noch nicht zu spät. Franco ging neben dem Butler in die Knie. Noch lebte der Mann. Leise Schritte ließen Franco herumfahren. Helen Milford war zurückgekommen. Sie war kreidebleich und deutete mit zitternder Hand auf ihren Diener. «Mein Gott. Ist er ... ist er ...» Franco schüttelte den Kopf. «Er lebt noch. Beten Sie, daß er durchkommt.» Helen Milford sank weinend im Sessel zusammen. «Was sind das nur für Menschen», flüsterte sie tränenerstickt. -9 9 -
Franco holte sich ein Glas Whisky, was er eigentlich sonst nie tat. Ihm fiel kein Wort des Trostes ein. Diese Frau hatte bisher in einer anderen Welt gelebt. In einer heilen Welt. Und jetzt das. Brutale Gangster hatten vorgehabt, sie zu foltern, vielleicht sogar umzubringen. Für Helen Milford mußte eine Welt zusammengebrochen sein. Dazu kam noch die Entführung ihrer einzigen Tochter und das Verschwinden ihres Mannes. Klar, daß irgendwann der Zusammenbruch kam. Franco sah die weinende Frau und hatte auf einmal einen schlechten Geschmack im Mund. Plötzlich widerte ihn sein Job an. Erst das Heulen des näherkommenden Krankenwagens riß ihn aus seinen Gedanken. Er ging zur Tür, um den Männern zu öffnen. *** «Vier Männer!» kreischte Mancini. «Vier Männer bringen es nicht fertig, einen Bullen zu erledigen. Ja, bin ich denn nur noch von Nieten umgeben, verflucht?» Enrico Mancini rannte wie ein gereizter Stier in seinem Arbeitszimmer auf und ab. Wütend saugte er an seiner Zigarre und warf sie dann kurzerhand auf den wertvollen Teppich, wo er sie einfach mit dem Absatz austrat. Mancinis Froschgesicht war krebsrot angelaufen. Seine mit Ringen bestückten Hände fuchtelten wild in der Luft herum. Auf seiner Stirn traten die Schläfenadern dick hervor. Sein Atem glich dem Pfeifen einer Lokomotive. Nick Spiro und Rufus standen wie zwei begossene Pudel vor ihm. Sie hatten den Blick gesenkt und kneteten nervös ihre Hände. «Sind Soccer und Rossi auch wirklich tot?» fragte Mancini. «Ja», erwiderte Spiro kleinlaut. «Ein Glück.» -1 0 0 -
«Aber die Bullen haben Sergio», gab Rufus zu bedenken. «Ja, verdammt. Das ist ja der Mist!» schrie Mancini. «Sergio hält bestimmt dicht», meinte Spiro. Mancini wandte sich ruckartig um. «Glaubst du auch an Märchen? Die werden Sergio ganz schön in die Mangel nehmen. Aber ich gebe nicht auf, das sage ich euch. Wahrscheinlich werden die Bullen bald hier auftauchen, um euch zu verhaften. Ich werde ihnen natürlich sagen, daß ich keinen von euch kenne, verstanden? Und ihr haltet euch erstmal zurück, bis Gras über die Geschichte gewachsen ist. Wenn ich nur wüßte, wer dieser Kerl mit der Sonnenbrille ist und welcher Organisation er angehört. Was er haben will, weiß ich jetzt ja. Aber ich werde ihm die Pläne vor der Nase wegschnappen. Ich lasse diese Milford von jetzt ab beobachten. Ihr Flaschen habt ja nichts zustande gebracht. Und nun haut ab!» Die beiden schlichen wie geprügelte Hunde hinaus. Der Mafiaboß rannte weiter wie ein Tiger in seinem Käfig auf und ab. Die Sache machte ihm mehr Sorgen, als er sich eingestehen wollte. Dieser Solo mußte auf jeden Fall ausgeschaltet werden, wenn die Geschäfte weiter florieren sollten. Mancini grübelte lange. Und dann kam er auch zu einem Entschluß. Er ließ als erstes die beiden Callum-Brüder kommen. Jeb und Ron Callum waren gewissermaßen seine eiserne Reserve. Sie lebten in Mancinis Villa und wurden nur für besondere Fälle eingesetzt. Unter anderem leiteten sie Mancinis Mord-AG. Die Brüder waren ehemalige Fremdenlegionäre. Sie sahen fast aus wie Zwillinge, trotzdem sie im Alter vier Jahre auseinander lagen. Beide hatten dunkelbraune Haare und glatte, nichtssagende Gesichter mit eiskalten Augen. Die New Yorker Unterwelt nannte sie die Phantom-Brothers. «Was liegt an, Capo?» fragte Jeb, der Wortführer der beiden.
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Mancinis Gesicht verzog sich zu einer Grimasse. «Ihr müßt jemanden umlegen!» antwortete er. «Wer ist es?» «Ein ganz gerissener Typ. Er heißt Solo! Könnt euch eine hohe Prämie verdienen.» Als die Phantom-Brothers den Namen hörten, zuckten sie doch leicht zusammen. Schließlich meinte Jeb: «Der fehlt uns wahrhaftig noch in unserer Sammlung.» «Das meine ich auch», knurrte Mancini. «Wo sollen wir ihn umlegen, Capo?» Mancini grinste diabolisch. «Auf dem Friedhof!» flüsterte er haßerfüllt. «Da könnt ihr ihn direkt in ein Grab kippen.» «Und zuschaufeln», vollendete Jeb den Satz. *** Der Mann mit der Sonnenbrille hieß Zsoltan Ravec. Er war von Geburt her Ungar, hatte im Laufe seines Lebens für die verschiedensten Geheimdienste gearbeitet und stand im Augenblick im Sold einer nahöstlichen Interessengruppe. Ravec und Tako saßen sich in dem kleinem Drugstore gegenüber und tranken schwarzen Kaffee. Um diese Zeit war in dem Laden noch nicht viel los. Nur zwei ältere Männer hingen am Tresen und ließen sich vollaufen. Die Männer unterhielten sich in einer fremden Sprache, damit der Keeper nichts verstehen konnte. «Also, paß auf», sagte Ravec leise. «Ich fahre in einer Stunde ab. Laß mir zwei weitere Stunden Zeit. Sollte ich um zehn Uhr nicht zurück sein, legst du die Kleine um. Verstanden?» Tako nickte automatisch. Er führte jeden Befehl aus, den Zsoltan Ravec ihm gab. Ravec zahlte. Vorher jedoch sah er sich noch einmal den New Yorker Stadtplan an und zeichnete an einer bestimmten Stelle ein Kreuz ein. -1 0 2 -
«So», sagte er zufrieden. «Hier werde ich diese Helen Milford treffen.» «Was machen wir denn hinterher mit dem Mädchen, auch wenn alles geklappt hat?» fragte Tako. Zsoltan Ravec wischte sich über den Mund. «Haben wir schon jemals Zeugen leben lassen?» «Nein.» «Na, eben.» *** Der Mafiajäger hatte das Angebot, die restlichen Stunden der Nacht im Gästezimmer der Milfords zu verbringen, dankend angenommen. Das hatte auch den Vorteil, daß er morgens zur Stelle war, wenn die Entführer sich meldeten. Der Anruf erreichte Helen Milford genau 8.15 Uhr. Als der Apparat summte, zuckte sie zusammen und sah den im Sessel sitzenden Franco ängstlich an. Franco machte eine beruhigende Handbewegung und sagte leise: «Behalten Sie vor allen Dingen die Nerven, Miss Milford. Dann kann nichts schiefgehen.» Wieder summte das Telefon. Helen Milford gab sich einen innerlichen Ruck und hob den Hörer ab. «Ja, bitte?» «Hören Sie jetzt genau zu, Miss Milford», sagte eine schneidende Stimme, die Helen schon vom Tonband her kannte. «Sie fahren sofort in Ihre Firma, holen dort die Pläne aus dem Tresor und gondeln dann in Richtung Times Square. Alles weitere wird sich finden.» «Ja, aber, ich ...» Zwecklos, der Mann hatte schon aufgelegt.
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Resigniert starrte Helen Milford auf den Hörer. «Was soll ich denn nur tun?» flüsterte sie. «Die Anweisungen des Unbekannten genau befolgen», erwiderte Franco, der das Gespräch über einen vorhandenen Zweitapparat mitgehört hatte. Leider war die Zeit zu kurz gewesen, um festzustellen, woher der Anruf gekommen war. «Sie können an den Tresor heran?» fragte der Mafiajäger sicherheitshalber. Helen Milford nickte. «Natürlich. Ich habe den Schlüssel sogar hier. Es ist ein altmodischer Tresor, den man noch aufschließen kann. Mein Mann hatte sich so daran gewöhnt, daß er sich nie einen neuen gekauft hat. Und Sie, Mister Solo, was haben Sie überhaupt vor?» «Ich werde Sie begleiten.» Helen Milford riß vor Überraschung den Mund auf. «Aber wenn man uns zusammen ...» «Keine Angst», lächelte Franco. «Ihr Lincoln hat einen großen Kofferraum.» Zehn Minuten später betrat Franco die große Garage. Er klappte die Kofferraumhaube des Wagens hoch, räumte einiges Werkzeug und Krimskrams aus, versorgte sich noch mit ein paar Decken und stieg dann in den Kofferraum. So, es konnte losgehen. Er zog ein kleines Walkie Talkie aus der Tasche und stellte die Verbindung zu Steve Adams her. Franco war mit Colonel Warner in der Nacht noch übereingekommen, die Sache nicht im Alleingang zu lösen, sondern mit Steve Adams zusammenzuarbeiten. Vor allem, da jetzt wahrscheinlich Mancini noch in der Geschichte um die Konstruktionspläne mitmischen würde. Steve Adams sollte sich in Reichweite des Walkie Talkie halten, außerdem war Captain Field mit von der Partie. Er und seine Männer würden sich bereithalten, um, falls es kritisch wurde, sofort eingreifen zu können. Franco erklärte mit ein paar Sätzen die Lage und bekam grünes Licht. -1 0 4 -
Wenig später betrat Helen Milford die Garage. Sie trug einen dunkelbraunen Nerzmantel und eine passende Pelzkappe. «Halten Sie das denn auch durch, Mister Solo?» fragte sie. Franco grinste ihr aufmunternd zu. «Aber sicher. Ist, wie man so schön sagt, eine meiner leichtesten Übungen. Aber Sie müssen jetzt losfahren.» Helen Milford lächelte noch einmal scheu und setzte sich dann hinter das Steuer. Franco klappte den Deckel bis auf einen Spalt zu. In diesen Spalt klemmte er dann ein Stück Stoff, damit der Deckel nicht ganz zufallen konnte. Die Milford Company lag in Middlesex, unweit des Linden Airports. Sam Milford hatte etwa dreihundert Angestellte in seinen Büros und Laboratorien beschäftigt. Sie verteilten sich auf drei große Aluminiumhallen und ein Glas-Beton-Bürohaus. Der ganze Komplex lag landschaftlich schön eingebettet direkt an der Verbindungsstraße zum New Jersey Turnpike. Im Normalfall dauerte die Fahrt höchstens eine halbe Stunde, um von Staten Island dorthin zu gelangen. Helen Milford schaffte die Strecke in fünfundzwanzig Minuten, ohne sich einen Strafzettel einzuhandeln. Als der Wagen abgebremst wurde, hörte Franco die Stimme eines Werksangehörigen. «Guten Morgen, Miss Milford. Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?» «Nein, Mister Brewster. Ich komme schon allein zurecht.» Der Lincoln wurde wieder gestartet, fuhr in eine Kurve und stoppte abermals. Die Fahrertür klappte zu. Helen Milford war ausgestiegen. Franco wartete noch einen Augenblick und hob dann die Kofferraumklappe einen winzigen Spalt. Er riskierte einen Blick. Sie standen auf einem Parkplatz. Schräg links konnte Franco Solo die Aluminiumfassade einer der Werkshallen sehen. Zwei Männer in weißen Kitteln, die sich angeregt unterhielten, gingen am Parkplatz vorüber. -1 0 5 -
Beruhigt schloß Franco die Klappe wieder. Dann gab er eine kurze Meldung an Steve Adams weiter. Es dauerte nicht lange, da kam Helen Milford zurück. «Mister Solo!» vernahm er die flüsternde Stimme der Frau. «Ich habe die Pläne. Aber ich glaube auch, wir sind vorhin verfolgt worden. Ein blauer Buick war stets hinter mir. Sind das Kollegen von Ihnen?» «Nein!» «Aber wer kann das ...?» «Werden wir schon feststellen, Miss Milford. Steigen Sie jetzt ein und fahren Sie los. Benehmen Sie sich ganz unauffällig.» «Ich werde es versuchen.» Helen Milfords Beobachtungen paßten Franco ganz und gar nicht. Sollten sich die Entführer jetzt schon hinter die Frau gehängt haben? Wenn ja, hatten sie auch mitbekommen, daß Helen Milford nicht allein fuhr? Franco ging auf Nummer Sicher und gab die Beobachtung an ihre unsichtbare Begleitung weiter. Der Lincoln fuhr an. Sanft, ohne zu rucken. Der Wagen war ausgezeichnet gefedert, stellte Franco im Kofferraum fest. Helen Milford sprach noch ein paar Worte mit dem Portier am Werksausgang und gab dann Gas. Der Mafiajäger wußte, daß die Frau in wenigen Minuten auf den Zubringer zum New Jersey Turnpike einbiegen mußte. Die Straße, die sie jetzt befuhr, war schmal und führte an der Südseite des Linden Airports vorbei. Franco legte sich auf den Bauch, öffnete ein wenig den Kofferraum und peilte nach draußen. Da sah er den blauen Buick. Er fuhr etwa dreißig Yard hinter dem Lincoln her und beschleunigte gerade, um zu überholen. Franco Solo konnte zwei Männer ausmachen. In dem Moment wurde die Seitenscheibe des Wagens heruntergekurbelt. Der Lauf einer Maschinenpistole schob sich heraus. -1 0 6 -
Und schon spuckte die Waffe Feuer. Die Kugeln, auf die Reifen des Lincolns gezielt, zogen eine funkensprühende Bahn über den Asphalt. Doch die Salve ging daneben. Der Buick fiel wieder etwas zurück. Auch Helen Milford mußte etwas bemerkt haben, denn sie beschleunigte plötzlich unerwartet. Durch den Ruck wurde Franco gegen den vorderen Rand des Kofferraum gepreßt. Er verlor für einen Moment die Übersicht und stieß mit der Schulter gegen den Kofferraumdeckel. Der klappte hoch. Sofort biß der Fahrtwind in Francos Gesicht. Jetzt mußte er es darauf ankommen lassen. Der Mafiajäger riß seine Waffe hervor, kniete sich hin, krallte sich mit der freien Hand fest und feuerte. Er hatte gut gezielt. Seine Kugel traf die Frontscheibe des Buicks, die sich sofort mit einem Spinnenmuster überzog. Der Fahrer verlor die Übersicht und geriet auf die Gegenfahrbahn. Unwillkürlich trat er auf die Bremse. Der Buick rutschte mit blockierten Reifen über die Straße und näherte sich beängstigend schnell dem Straßengraben. Mehr bekam Franco nicht mit, da die Straße in einer Kurve verlief, Helen Milford sie in vollem Tempo nahm und er im Kofferraum von einer Seite zur anderen geschleudert wurde. Die Frau stoppte erst kurz vor der Auffahrt zum New Jersey Turnpike. Sie stieg aus dem Wagen und kam zu Franco herum. «Mein Gott, was war denn da nun richtig los?» fragte sie zitternd und preßte beide Hände auf ihre Brust. «Ich sah im Innenspiegel die Kofferraumklappe hochschnellen und dann auch den Buick, die Maschinenpistole ...» «Beruhigen Sie sich», Franco lächelte ihr aufmunternd zu. «Ist ja alles gut gegangen.» -1 0 7 -
«Wer waren nur diese Leute? Die Entführer? Wenn die Sie gesehen haben, was machen wir dann?» «Das waren nicht die Entführer. Die gehörten bestimmt zu den Männern, die Sie in der vergangenen Nacht besucht haben. Sie wollten sich bestimmt die Pläne aneignen. Aber jetzt ist keine Zeit für lange Überlegungen. Steigen Sie ein, Miss Milford, sonst werden die richtigen Leute noch mißtrauisch.» «Gut, Mister Solo.» Franco machte es sich wieder in dem Kofferraum bequem. Er schnappte sich das Walkie Talkie und gab die Nachricht von dem Überfall an Steve Adams durch. Sie vereinbarten, vorerst noch nichts zu unternehmen, um den allgemeinen Plan nicht zu gefährden. Bis nach Manhattan, zum Times Square, war es ein verdammt langer Weg. Franco mußte sich auf eine lange Wartezeit gefaßt machen. Nach etwa einer Stunde Fahrzeit, Helen Milford mußte wohl gerade an einer Ampel halten, wurde die Beifahrertür plötzlich aufgerissen. Franco hörte eine Männerstimme, die sagte: «Fahren Sie ganz ruhig weiter. Und keine Dummheiten. Was ich in der Hand halte, ist bestimmt kein Spielzeugrevolver ...» Franco nahm das Sprechfunkgerät und stellte blitzschnell eine Verbindung her. «Solo hier», sagte er leise. «Ihr könnt jetzt die Verfolgung aufnehmen.» «Verstanden», gab Steve Adams zurück. Franco schaltete das Gerät aus. Er wußte, daß die vier neutralen Wagen der City-Police, die um den Times Square kreisten, jetzt die Beschattung aufnehmen würden. Die Cops kannten sich in solchen Situationen aus, wechselten sich bei der Verfolgung des Lincolns laufend ab, so daß bestimmt niemand etwas merken würde. Franco war gespannt, wohin die Fahrt ging. Der Mann in dem Wagen sprach kein Wort, oder er konnte es nur nicht hören. -1 0 8 -
Der Lincoln fuhr jetzt mehrmals durch scharfe Kurven. Ab und zu liftete Franco den Kofferraumdeckel um einen Zentimeter, um sich wenigstens einigermaßen zu orientieren. Die Fahrt führte durch die Wohnviertel von Manhattan in Richtung Westen. Und dort lagen die verlassenen Piers, boten sich tausend Verstecke. Die Straßen wurden jetzt schlechter. Selbst die gute Federung des Lincoln verkraftete das Pflaster kaum noch. Als Franco wieder mal einen Blick nach draußen riskierte, sah er schon alte Lagerhallen und die rostigen Skelette der Verladekräne. Der Lincoln wurde in eine scharfe Rechtskurve geschleudert und dann abgebremst. Die Wagentüren klappten. Franco hörte Helen Milfords Stimme. Sie klang schrill und übernervös. «Wo ist meine Tochter?» Der Unbekannte lachte blechern. «Sie werden bald bei ihr sein. Kommen Sie. Aber vorher will ich die Pläne.» «Nein. Erst will ich meine Tochter...» Ein Schlag klatschte. Helen Milford schrie auf. «Her mit den Papieren, verdammt!» Franco biß die Zähne zusammen. Noch durfte er nicht eingreifen, konnte es nicht, um nicht Gloria Milfords Leben zu gefährden. «Lassen Sie mich los!» schrie Helen Milford wieder. «Sie Bastard, Sie ...» Heftige Atemzüge folgten. Dann lachte der Mann höhnisch auf. «So, die Sachen hätte ich jetzt. Und nun ab mit dir. Du kommst schon zu deiner Tochter. Ihr werdet beide krepieren.» Franco ballte seine Hände. Er wartete noch zwei Minuten ab und hob dann die Kofferraumklappe an.
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Er sah Helen Milford und den Unbekannten gerade noch in einem Schuppen verschwinden. Jetzt hielt Franco nichts mehr. Er stieß den Deckel ganz hoch und sprang nach draußen. Hundert Yard weiter fuhr soeben ein Wagen auf den Pier. Wahrscheinlich Steve Adams. Franco machte eine abwinkende Handbewegung. Der Kollege sollte noch etwas warten. Dann rannte er auf den Schuppen zu. Bei näherem Hinsehen registrierte er, daß es sich um einen kleinen Betonbunker handelte. Eine rostige Eisentür schwang quietschend in den Angeln. Franco schlüpfte in das Innere des Bunkers. Er hörte Stimmen. Frauen- und Männerstimmen. Jemand schrie; «Mutter!» Das mußte Gloria Milford gewesen sein. Die Stimmen kamen von unten. Franco entdeckte eine ausgetretene Steintreppe. Vorsichtig schlich er die Stufen hinunter. An der Decke brannte eine trübe Funzel. Die Treppe mündete in einen Gang. Er war kaum einen Yard lang. Eine Eisentür versperrte den weiteren Weg. Das Schluchzen der beiden Frauen drang lauter an Francos Ohren. Dazwischen unterhielten sich zwei Männer in einer fremden Sprache. Franco spannte alle Muskeln. Die Waffe lag längst in seiner Hand. Es wurde Zeit, daß er eingriff. «Tako wird euch jetzt erschießen», sagte der Mann wieder auf Englisch, damit die Frauen ihn auch verstehen konnten. «Ich werde schon verschwinden, Tako.» Die Tür wurde auf gestoßen. Und jetzt trat Franco in Aktion.
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Der Kerl, der aus dem Raum kam und eine Sonnenbrille trug, sah nur noch einen Schatten. Ehe er einen Warnschrei ausstoßen konnte, schlug Franco mit dem Revolver zu. Lautlos brach der Mann zusammen. Der Mafiajäger hechtete in den Raum. Er sah genau in das Gesicht eines glatzköpfigen Burschen, der eine Kanone in der Hand hielt, und Franco wie ein Weltwunder anstarrte. «Knarre weg!» Francos Stimme klang wie geschliffener Stahl. Tako, der Glatzkopf, kümmerte sich nicht darum. Er riß seine Waffe hoch, legte auf Franco an. Franco Solo mußte schießen. Es war mehr Zufall, daß er Takos Waffe traf. Sie wurde dem Mann aus der Hand geprellt und landete in der Ecke. Tako stieß einen tierischen Schrei aus und warf sich Franco entgegen. Seine knorpeligen Karatefäuste in Angriffstellung. Der Mafiajäger wich diesem mörderischen Schlag durch eine blitzschnelle Drehung aus. Damit hatte Tako nicht gerechnet. Seine brettharte Handkante zerschnitt die Luft - und knallte gegen die Betonwand. Der Kerl brüllte auf. Für einen Moment war er nur mit sich selbst beschäftigt. Das reichte aus. Franco machte kurzen Prozeß. Mit dem 38er schlug er zu. Tako war sofort bewußtlos. Keuchend und taumelnd kam Franco auf die Füße. Die beiden Frauen starrten ihn aus angstgeweiteten Augen an. Helen Milford flüsterte immer nur; «Mein Gott, mein Gott.» Gloria lag an Händen und Füßen gefesselt auf einem alten Bett und weinte lautlos. Franco wandte sich um und wollte nach dem Mann mit der Sonnenbrille sehen. Es war nicht mehr nötig. Zwei Männer stürmten soeben mit schußbereiten Waffen die Treppe hinunter. -1 1 1 -
«Alles okay, Franco?» fragten Steve Adams und Captain Field wie aus einem Munde. «Du hast uns ja wieder einmal alle Arbeit abgenommen.» Die beiden Gangster wurden von dem Captain mit Handschellen versorgt. Der COUNTER-MOB-Agent sah sich den Sonnenbrillenträger an. Er kannte ihn nicht. Es würde bestimmt schwierig werden, dessen wahre Identität festzustellen. Spione und Agenten hatten meist mehrere Pässe. So wie ich, dachte Franco noch, und wandte sich den beiden Frauen zu. Vorher nahm er jedoch dem Unbekannten noch die Pläne wieder ab. Nachdenklich blickte er auf den braunen Umschlag. «Das Erbe meines Mannes», sagte Helen Milford bitter. «Wieso Erbe. Wissen Sie denn, ob Ihr Mann ...» «Sam ist tot, Mister Solo. Die Männer haben es Gloria gesagt. Und stellen Sie sich vor, ich kann noch nicht einmal weinen.» Steve Adams machte sich indessen an den Fesseln des Mädchens zu schaffen. Taumelnd stand Gloria Milford auf. Mutter und Tochter fielen sich in die Arme. «Schaffen wir die beiden weg», sagte Steve und deutete auf die zwei Entführer. *** «Du bist nicht gerade der muntersten einer», meinte Steve Adams und boxte Franco in die Seite. «Ist ja eigentlich nicht gerade ein Wunder, bei dem Streß der letzten Tage», fuhr er fort. «Und dabei wollte ich mit unserer Kollegin Eileen ans Meer fahren und ausspannen.» Er verdrehte die Augen. «Solche Kurven finde ich selten!» Franco Solo lächelte. Das war typisch Steve. Die beiden Männer hatten sich von Captain Field getrennt, und waren jetzt auf dem Wege zu Steves Hotel. Der Captain wollte -1 1 2 -
sich um die beiden Frauen kümmern. Gott sei Dank befand sich auch Gloria Milfords Verlobter außer Lebensgefahr, was man von dem Butler noch nicht sagen konnte. Problem Nummer eins blieb für sie weiterhin der 'König von New York'. «Das Meer hast du ja hier nicht gerade», meinte Franco, «höchstens eins aus Wolkenkratzern. Was mir mehr vorschwebt, ist ein Steak und ein starker Kaffee. Dabei könnten wir auch unser weiteres Vorgehen besprechen. Und dann brauche ich ein Bad. Ich komme mir vor wie ein Stinktier in Aktion.» «Dein Wunsch ist mir Befehl.» Steve Adams lachte und steuerte den Wagen in eine kleine Seitenstraße. «Hier, die Kneipe kenne ich noch aus ruhigeren Zeiten! Als ich noch jung und ohne Colonel Warner war.» Steve steuerte den Wagen in einen Innenhof und sah Franco an. «Ich glaube, es würde uns beiden guttun, das Essen zu genießen, ohne an das zu denken, was vor uns liegt. Das können wir auch noch im Hotel. Außerdem bekommen wir Warner an die Strippe, wenn irgendwelche Fragen auftauchen.» Franco nickte. «Du hast recht. Erst das Steak, alles weitere kann warten.» *** Franco Solo stand unter der Dusche. Er genoß das Gefühl, das heiße Wasser über seinen Körper laufenzulassen. Man kam sich fast wie neu geboren vor. Überhaupt, wenn er bedachte, daß er die letzten Tage abgesehen von ein paar blauen Flecken gut überstanden hatte. Der Mafiajäger hatte sich kurz entschlossen im gleichen Hotel ein Zimmer gemietet, in dem auch Steve Adams wohnte. In -1 1 3 -
seine vorige Bleibe konnte er zur Zeit nicht zurück, die wurde bestimmt von Mancinis Leuten überwacht. Ein Telefonanruf hatte ihn mit allem versorgt, was er brauchte. Auch die Frage seines Wagens hatte sich schnell lösen lassen. Seine Leihfirma hatte den Wagen, der immer noch vor dem Milfordschen Grundstück geparkt stand, abholen lassen. Er stand bereits in der Tiefgarage des Hotels. Franco trocknete sich ab und schlüpfte in neue Wäsche. Auch der neue Freizeitanzug saß wie angegossen. Eigentlich viel zu schade, um damit auf Verbrecherjagd zu gehen, stellte Franco fest. Aber noch lief Mancini frei herum. Sie standen wieder ziemlich am Anfang ihrer Recherchen. Nick Spiro war entwischt und Mancini, nach ihm befragt, wußte von nichts. Blieb Lamara. Ob der allerdings den Mund aufmachen würde, war fraglich. Die Kerle hielten ja meistens dicht wie Pech und Schwefel. Und die Mafia stellte ihnen die besten Anwälte, die aufzutreiben waren. Aber er würde sich Lamara vornehmen und zwar noch heute. Franco informierte Steve Adams von seinem Plan und setzte sich in Bewegung. Der Lift brachte ihn in die Tiefgarage. Franco sah sich um und steuerte dann seinen weißen Camaro an. Gerade, als er die Autoschlüssel aus der Tasche holte, bemerkte er im spiegelnden Lack der Kühlerschnauze eine Bewegung. Er duckte sich ab, kreiste herum und riß gleichzeitig seine 38er aus der Schulterhalfter. «Wenn du abdrückst, pumpe ich dich voll Blei, Solo», sagte hinter ihm eine kalte Stimme. Der Mann, der vor ihm stand und eine Maschinenpistole in Anschlag hielt, grinste zu den Worten seines Kumpans. «Laß mal schön die Knarre fallen, Solo», sagte der Kerl hinter ihm.
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Dem Mafiajäger blieb nichts anderes übrig, als dem Befehl zu folgen. Die beiden Kerle hatten im Augenblick die besseren Trümpfe in der Hand. Es war ein Fehler gewesen, den gleichen Wagen weiter zu benutzen. Er hätte sich denken können, daß die Gegenseite nicht schlief. Jetzt mußte er sehen, wie er aus der Sache wieder herauskam. «Schieb' die Kanone zu mir her!» befahl der Gangster vor ihm. Franco tat es und der Kerl steckte die Waffe ein. Er war mittelgroß, trug normale Kleidung und hatte ein nichtssagendes Gesicht. Nur die kalten Augen paßten nicht zu einem Durchschnittsbürger. Der Mann erriet wohl einen Teil von Francos Gedanken und meinte: «Jetzt möchtest du wohl gern wissen, wer dich zur Hölle schickt, nicht wahr, Solo?» «Aber sicher.» «Ich heiße Jeb Callum, und hinter dir steht mein Bruder Ron. Genügt dir das?» Und ob das genügte. Das konnten nur die Phantom-Brothers sein. Schießer der übelsten Sorte. Wenn das stimmte, dann hatte Franco verdammt schlechte Karten. «Wirf Ron mal deinen Wagenschlüssel zu», sagte Jeb Callum, «und komm selbst zwei Schritte vor.» Der Mafiajäger warf die Schlüssel über die Schulter und tat was der Gangster verlangt hatte. Hinter ihm schloß Ron die Tür des Camaro auf. Francos Augen glitten durch die Tiefgarage. Fast überall sah er nur leere Parkboxen. Um diese Zeit kam kaum noch einer hier hinunter. Die Gäste waren meist schon in Geschäften unterwegs. «Was bezweckt Mancini mit meinem Tod?» wollte Franco wissen. Jeb Callum machte eine knappe Kopfbewegung, «Red nicht soviel, sondern steig ein, Solo. Aber fix. Klemm dich auf den Beifahrersitz!» -1 1 5 -
Sein Bruder Ron hatte inzwischen die Tür aufgeschlossen. Er trat jetzt zurück und machte Franco Platz. Franco schob sich in den Wagen, hatte dabei aber nicht die geringste Chance, etwas zu unternehmen. Nach wie vor zeigte die Mündung der MPi auf seinen Körper. Dann stiegen die beiden Gangster ein. Zuerst Jeb Callum. Er klemmte sich auf den Rücksitz. Dann folgte Ron. Als er einstieg, fühlte Franco die kalte Mündung von Jebs Waffe in seinem Nacken. «Mach uns nur keinen Ärger, Solo!» flüsterte er. «Die Bleiorgel ist frisch geölt.» Franco biß die Zähne zusammen und erwiderte nichts. Ron hatte seine Maschinenpistole neben sich auf den Sitz gelegt. Dann knallte er die Tür zu. Ron Callum fuhr an. Der Druck in Francos Nacken wich. «Ich habe jetzt die Mündung der Kanone gegen das Rückenpolster gedrückt!» zischte Jeb hinter Franco. «Ich nehme an, es ist nicht kugelsicher.» Und das war es weiß Gott nicht. Gekonnt lenkte Ron Callum den Wagen durch die Tiefgarage zum Ausgang. «Wohin soll die Reise denn gehen» erkundigte sich Franco. «Etwa zu Enrico Mancini?» «Wer ist denn das?» nuschelte hinter ihm Jeb Callum. «Ein neuer Fernsehstar?» «Nein, der Kaiser von Oklahoma», erwiderte Franco giftig. «Werd' ja nicht frech, Solo. Sonst ritz' ich dich mal mit dem Messer an. Damit kann ich nämlich auch umgehen.» Das glaubte Franco dem Kerl aufs Wort. Die Gangster fuhren Richtung Süden, hatten bald den Brooklyn Battery Tunnel erreicht und gondelten in Brooklyn auf dem Gowanus Parkway weiter.
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Ron Callum achtete peinlichst genau auf die Geschwindigkeitsbegrenzungen. So ging er das geringste Risiko ein, von einer Streife angehalten zu werden. Franco Solo hatte schon mehrere Male mit dem Gedanken gespielt, sich nach draußen fallenzulassen, doch die Sache war zu riskant. Die Kugeln aus der MPi hätten ihn erreicht, ehe er sich in Sicherheit bringen konnte. Sie verließen den Gowanus Parkway und bogen in die 25th Straße ein. «Ahnst du jetzt, wohin wir wollen, Solo?» kicherte Jeb Callum. Franco konnte es sich denken. Die Straße, auf der sie sich befanden, führte an New Yorks größtem Friedhof vorbei. Dem Greenwood Cemetery! «Nun, Solo?» «Schätze es geht zum Friedhof.» «Genau, Bulle. Du bist doch nicht so dumm!» Jeb Callum lachte. «Das ist genau der richtige Platz zum Sterben. Und überlege mal! Wir waren sogar so zuvorkommend und haben dir ein frisches Grab ausgesucht. Was meinst du, was die Leute sagen werden, wenn schon eine Leiche in der Grube liegt» Jeb Callum lachte sich über seine eigenen Worte halb tot. Franco war verdammt nicht nach Lachen zumute. Er wußte, daß auf dem Greenwood Cemetery nie viel los war. Dieses Gelände war ein reiner Friedhof. Nicht auch noch Spazierpark, wie man es sonst oft findet. «Du mußt jetzt gleich links ab», sagte Jeb Callum. «Ich weiß», knurrte Ron zurück. Die Häuser wichen, und die ersten Parkplätze des Greenwood Cemetery rückten näher. Fast leere Parkplätze, wie Franco feststellen mußte. Er zählte höchstens zwanzig Wagen. Die Insassen waren bestimmt irgendwo auf dem Friedhof bei einer Beerdigung. Aber bestimmt nicht dort, wo man für ihn ein Grab augesucht hatte.
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Ron fuhr durch das sperrangelweit offen stehende Friedhofstor und gondelte auf einem breiten Kiesweg weiter. Das Fahren war hier zwar offiziell verboten, aber fast niemand kümmerte sich darum. Nach fünf Minuten Fahrt hielt Ron Callum den Wagen an. «Endstation, Solo», sagte er. Ron Callum nahm seine MPi und stieg aus. Die Tür ließ er offen. Jeb Callum stieß Franco mit der MPi an. «Na, mach schon, Solo!» Franco kletterte aus dem Wagen. An der Fahrerseite. «Los, schneller, sonst helfe ich nach!» Der Mafiajäger fügte sich zähneknirschend. In der Luft lag ein Geruch von verfaulten Blumen, Erde und Laub. Inzwischen war Jeb Callum auch ausgestiegen. «Setz dich in Marsch, Solo. Da, den kleinen Weg rein!» Auf den Weg hatte man rote Asche gestreut. Vogelbeerbüsche säumten die Ränder links und rechts. Wenn der Mafiajäger den Kopf wandte, konnte er zwischen den Zweigen hindurch die Grabreihen sehen. Ein Grab für Franco Solo! schoß es ihm durch den Kopf. Ein makabrer Scherz? Nein, es war tödlicher Ernst. Vielleicht schon in wenigen Minuten. «Rechts rein!» kommandierte Jeb Callum. Franco gehorchte. Aus den Augenwinkeln heraus sah er, daß die beiden Killer die MPi fest umklammert hielten. Diese Männer verstanden ihr Geschäft. Sie würden bestimmt keinen Fehler begehen. Dann sah er das offene Grab. Es war das letzte in einer langen Reihe neuer Gräber und lag direkt vor einer Trauerweide, die mit ihren langen Ästen die aufgeworfene Erde links und rechts des Grabes berührte.
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«Wahrlich, ein idyllischer Platz zum Sterben», höhnte Jeb Callum. «Nicht jeder hat es so gut, Solo. In der Bowery krepieren sie oft in der Gosse.» Die Killer dirigierten Franco an den unteren Rand der Grube. Ron Callum stellte sich gegenüber auf. Sein Bruder Jeb blieb in Francos Rücken. «Einmal erwischt es jeden Bullen», sagte hinter Franco Jeb Callum mit schadenfroher Stimme. «Und hinterher kassieren wir die dicke Prämie! Durch dich werden wir wohlhabend», meinte Ron. Franco sagte nichts, sondern blickte starr in Ron Callums grinsende Visage. «Du hast gehört, was Ron gesagt hat, Solo», zischte Jeb Callum hinter ihm. «Ich gebe dir noch drei Sekunden, dann pfeifen die Kugeln.» Franco hatte sich schon in verdammt vielen aussichtslosen Situationen befunden. Aber doch gab es immer wieder den Hauch einer Chance. Hier sah er keine mehr. Ein Grab für Franco Solo hatte der Killer gesagt. Seine Worte würden sich wohl jetzt erfüllen ... *** «He, was machen Sie denn da?» Der alte Mann, der diese Worte gerufen hatte, trat plötzlich aus einem Seitenweg hervor. Ron Callums Kopf rutschte zur Seite. Da setzte Franco Solo alles auf eine Karte. Er warf sich herum, winkelte rechtzeitig den rechten Arm an und traf Jeb Callum voll. Der Killer stieß einen erschrockenen Ruf aus und zog durch. Die MPi-Salve strich schräg vor Franco in den Himmel. -1 1 9 -
Franco duckte sich und zog dem Killer die Beine weg. Jeb Callum verlor das Gleichgewicht und kippte Franco entgegen. Blitzschnell, mit einem Griff, preßte ihn der Mafiajäger dicht gegen seinen Körper. Die MPi hatte der Gangster fallenlassen. Franco hielt Jeb Callum wie einen Schutzschild vor sich, während er mit ihm aufstand. Ron Callum stand noch immer da, wie aus Blei gegossen. «Wenn du jetzt schießt, Callum, triffst du deinen eigenen Bruder», rief Franco. «Mach keinen Mist, Ron», schrie Jeb Callum. Rons Blick irrte unschlüssig hin und her. Das war eine Situation, der er nicht mehr gewachsen war. Francos Augen suchten den alten Mann, der ihm das Leben gerettet hatte. Doch der hatte es vorgezogen, das Weite zu suchen. «Was wirst du jetzt tun, Solo?» brüllte Ron Callum. «Das wirst du schon merken.» Francos rechte Hand fuhr blitzschnell in die Tasche von Jebs Jackett und kam mit seiner eigenen Waffe wieder zum Vorschein. Sofort preßte er die Mündung gegen Jebs Schläfe. «Die Kanone weg, Callum!» befahl er. Natürlich hatte Franco nicht vor, den Kerl zu erschießen, aber das brauchten die beiden Killer nicht zu wissen. Ron Callum zögerte. «Wird's bald.» Da sah Jeb Callum eine Chance, das Blatt doch noch zu wenden. Urplötzlich trat er Franco gegen das Schienbein. Der zuckte zusammen, und der Schmerz trieb ihm das Wasser in die Augen. «Schieß, Ron!» gellte Jebs Stimme, während er sich fallen ließ. Und Ron schoß. -1 2 0 -
Die Kugeln fetzten über das Grab und erfaßten noch Jeb Callums Brust, der auf dem feuchten Lehm ausgerutscht war und nicht mehr schnell genug eine Deckung erreicht hatte. Franco war mit einem wahren Panthersprung durch die Luft gehechtet und hinter einem Lehmhügel gelandet. Das Stakkato der MPi verstummte wie abgeschnitten. «Ron», gurgelte Jeb Callum. «Du Schwein hast mich...» Franco riskierte einen Blick. Jeb Callum lag mit dem vorderen Teil seines Körpers halb in dem Grab, bekam in dem Moment das Übergewicht und kippte in die Grube. Von seinem Bruder Ron konnte Franco im Augenblick nichts sehen. Schätzte aber, daß er sich hinter der Trauerweide versteckt hielt. Die Annahme bestätigte sich. Plötzlich tauchte sein haßverzerrtes Gesicht hinter dem Stamm der Weide auf, seine Schulter, der Lauf der Maschinenpistole. Wieder spuckte die MPi Feuer. Die tödlichen Kugeln jagten in Francos Richtung, klatschten dumpf in den Lehmberg. «Verdammtes Agentenschwein!» brüllte Ron Callum. «Ich mache dich kalt, du entwischst mir nicht!» Franco wechselte blitzschnell seine Stellung. Zog sich nach hinten in das Gebüsch zurück. Wieder tauchte Ron Callum auf. Er sprang mit einem gewaltigen Satz über das Grab und schnappte sich die Maschinenpistole seines Bruders. Der Mafiajäger schoß. Die Kugel fuhr haarscharf an Ron Callums Kopf vorbei. Blitzschnell rollte der Killer in Deckung. Die MPi ließ er liegen. Der Bursche war verdammt nervös. Die Knallerei hatte auch die Besucher des Friedhofs aufgeschreckt. Neugierige tauchten auf den Seitenwegen auf. «Weg, verschwinden Sie hier!» schrie Franco. -1 2 1 -
Erschreckt fuhren sie zurück. Franco ging in die Hocke, gab sich genügend Schwung und rannte im Zick-Zack auf eines der frischen Gräber zu, die wie bunte Hügel aus der eintönigen Friedhofslandschaft stachen. «Solo!» Seitlich von ihm tauchte Ron Callum auf, die MPi an der Hüfte. Mit einem zirkusreifen Satz landete Franco zwischen einem Berg von Blumen und Kränzen. Ron Callum war von Haß wie besessen. «Krepier endlich, du Bullenschwein!» brüllte er, achtete nicht mehr auf seine Deckung, sondern rannte schießend auf Franco Solo zu. Franco rollte zur Seite, kippte den Grabhügel hinunter, kam gut auf, hob den Arm mit der Waffe, zielte kurz und schoß. Die Kugel traf Ron Callum in die Schulter. Der Killer wurde wie von einer Faust zurückgestoßen und ließ die MPi fallen, als wäre sie ein Stück glühendes Eisen. Franco kam aus seiner Deckung hoch. «Gib auf, Callum!» Ron Callum lachte irr, warf sich auf dem Absatz herum und rannte stolpernd in Richtung Hauptweg, wo Francos Wagen stand. Der COUNTER-MOB-Agent hätte jetzt schießen können. Aber einem fliehenden Gegner in den Rücken? Franco stellte sich nicht mit einem der Mafiakiller auf eine Stufe. Der Kerl gehörte hinter Gitter. Franco hetzte hinterher. Einige Leute starrten ihn an wie ein Gespenst. «Er ist da entlang», hörte er Stimmen. Schon tauchte der Hauptweg auf. Und jetzt sah Franco auch Ron Callum. Er torkelte nur noch und hatte seine rechte Hand auf die linke Schulter gepreßt. «Gib auf, Callum!» -1 2 2 -
Der Killer drehte sich um. «Solo, du ... du ...» Der Mafiajäger hob die Waffe. «Versuch es lieber nicht, Callum. Ein Leben im Zuchthaus ist immer noch besser als der Tod.» Callum brach zusammen. «Du ... du hast gewonnen, Solo. Ah, verdammt. Solo, weißt du was?» «Rede Callum.» «Ich werde... werde den Kronzeugen machen. Gegen Enrico Mancini, den König von New York. Ich habe lange genug die Kastanien für ihn aus dem Feuer geholt, Solo.» «Ja, Callum, ich habe verstanden.» «Okay.» Das war das letzte, was Ron Callum sagte. Danach wurde er bewußtlos. Franco stand langsam auf. Erst jetzt merkte er die Anspannung. Seine Knie begannen zu zittern und der Schweiß trat aus allen Poren. Die Menschen, die auf ihn zukamen, sah er wie durch einen Schleier. Jemand hielt ihm eine brennende Zigarette hin. Franco nahm sie, obwohl er sonst nur rauchte, wenn es zu seiner Rolle gehörte, und es beruhigte ihn. *** «Es ist fast unmöglich, an Mancini heranzukommen», sagte Ron Callum. Franco Solo hatte den Killer ins Krankenhaus bringen lassen. Der diensttuende Arzt hatte die Wunde versorgt und ihm eine schmerzstillende Spritze gegeben. Inzwischen waren auch Steve Adams und ein paar Cops zur Bewachung des Killers eingetroffen.
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Ron Callum hatte ausgepackt. Und wie. Seine Aussagen reichten, um Mancini dreimal lebenslänglich hinter Gitter zu bringen. «Nur an ihn selbst kommen Sie ohne Beweise nicht ran», meinte Ron Callum zynisch. «Der sitzt in einer Festung. Fast uneinnehmbar.» Sicher, man hätte den König von New York schnappen können. Doch die Verantwortung für das Blutvergießen wollte niemand übernehmen. Konnte auch COUNTER MOB nicht übernehmen. So suchten die zwei Agenten nach einem Trick. Der Zufall kam ihnen dabei zu Hilfe. Ron Callum hatte auch alle Namen von Mancinis Unterführern genannt. Und diese Unterführer sollten sich heute am späten Nachmittag zu einer Lagebesprechung bei Mancini einfinden. Und da hatte Franco die zündende Idee. Das war die Chance. Die Zeit reichte gerade noch aus, um Colonel Warner zu informieren und die verschiedenen Vorbereitungen zu treffen. Franco ließ sich von Callum, so gut es ging, einen Grundriß von Mancinis Villa anfertigen, in dem auch alle Alarmanlagen genau eingezeichnet waren. Mehr brauchte man eigentlich nicht zu wissen. Anschließend besorgte Steve Adams einen Durchsuchungsbescheid und einige Haftbefehle. Unter anderem auch einen für Jo Turner und Gregor Hymes. Jo Turner und Hymes beherrschten die Bronx. Sie sorgten dafür, daß Mancini niemand ins Handwerk pfuschte. Diese beiden würden herhalten müssen. Durch Callums Aussagen konnte man ihnen an den Kragen. Die beiden Gauner betrieben nach außen hin eine Autolackiererei. Die Firma lag in der nördlichen Bronx, auf einem Platz, der von abbruchreifen Wohnvierteln umgeben war. Franco und Steve fuhren los. Sie hatten Steves grünen Sedan genommen. «Wenn der Plan klappt, spendiere ich ne' Flasche Whisky», meinte Steve Adams unternehmungslustig wie immer. -1 2 4 -
«Die kannst du jetzt schon kaufen», erwiderte Franco optimistisch. Der Plan war wirklich ein Spiel mit dem Feuer. Die beiden Agenten sahen allerdings darin die einzige Möglichkeit, einen durchgreifenden Erfolg zu erzielen. Die Gegend in der Bronx wirkte immer deprimierend auf Franco. Mietskaserne reihte sich an Mietskaserne. Auf den Straßen lungerten Halbwüchsige herum, die meistens zu Banden zusammengeschlossen waren und die Bewohner der Straßenzüge terrorisierten. Hier waren die Reviere der Höllenengel, Black Panther und wie sie alle hießen. Die City-Police hatte Turner und Hymes in Verdacht, daß sie die wirklichen Bosse der Banden waren, daß alle Überfälle und Raubzüge von ihnen gesteuert wurden. Das würde nun bald ein Ende haben. Hoffentlich. «Da muß es gleich sein», sagte Steve. «Auf der rechten Seite.» Er hatte recht. Die schmutzige Häuserfassade wurde unterbrochen. Ein freier Platz, auf dem zwei Baracken standen, lag vor ihnen. Vor einem der Gebäude standen mehrere Wagen, die auf eine Behandlung warteten. Steve bog auf den Platz ein, parkte den Sedan vor dem anderen Gebäude, und die beiden Männer stiegen aus. Durch zwei offenstehende Fenster drangen Männerstimmen. Steve Adams warf Franco einen bedeutungsvollen Blick zu. «Was wollen Sie denn hier?» rief jemand hinter ihnen. Franco wandte sich um. Ein noch junger Bursche in Arbeitskleidung kam herangeschlendert. Sein langes Haar hatte er halb unter einer olivfarbenen Mütze verborgen. «Ich habe euch was gefragt.» «Wir möchten gern zu Mister Turner», sagte Franco Solo freundlich. «Zum Boß?» «Der hat keine Zeit. Hat im Augenblick Besuch.» -1 2 5 -
«Wir möchten ihn trotzdem gerne sprechen.» Der Mafiajäger blieb weiterhin freundlich. «Sag mal, bist du bescheuert?» fuhr ihn der Bursche an. «Ich habe doch gesagt, daß der Boß nicht zu sprechen ist.» «Schon gut», winkte Steve ab. «Können wir wenigstens mit Mister Hymes reden.» «Aber der ist doch bei ihm.» Plötzlich verfinsterte sich das Gesicht des Knaben. «Haut ab!» fluchte er. «Sonst mache ich euch Beine!» Die beiden COUNTER-MOB-Agenten nickten sich nur zu. Sie hatten wirklich keine Lust, sich von einem halbgaren Möchtegerngangster die Suppe versalzen zu lassen. Sie wandten sich kurzerhand um und gingen auf die Baracke zu. Hinter ihnen ertönte ein wütendes Keuchen. «Ihr Dreckskerle, wartet nur.» Franco machte plötzlich eine kurze Drehung. Im gleichen Moment schoß seine Rechte vor. Der Bursche hatte ein Glaskinn. Seufzend landete er auf dem Boden. «Große Klappe, nichts dahinter», sagte Steve. Dann betraten sie die Baracke. Sie bestand praktisch nur aus einem großen Raum, in dem mehrere Schreibtische standen. Hinter einem hockte Jo Turner. Gregor Hymes, sein Kompagnon, saß auf der Schreibtischkante. Franco kannte beide aus der Mafiakartei. Turner sah zur Tür und knurrte im gleichen Augenblick; «Raus!» «Das hat uns ihr Helfer auch schon gesagt», gab Franco lässig zurück. Turner stutzte. Auch Hymes wurde jetzt aufmerksam. «Und?» fragte Jo Turner. -1 2 6 -
«Er schläft!» grinste Steve Adams. «Verdammt!» Turners Hand faßte zur Schulterhalfter. Auch Gregor Hymes machte eine unkontrollierte Bewegung. Franco und Steve zogen fast synchron. Die Hände der beiden waren kaum unter den Jacken verschwunden, da blickten sie schon in die Mündungen der beiden Pistolen. Es dauerte einige Sekunden, bis sich Turner und Hymes vom ersten Schreck erholt hatten. «Was soll das?» fragte Jo Turner etwas verwirrt. Steve holte mit der freien Hand ein Blatt Papier aus der Tasche. «Sie sind verhaftet. Beide.» Gleichzeitig legte er ihnen den Haftbefehl auf den Schreibtisch. Turner las ihn, bekam einen krebsroten Kopf und riß das Papier wütend in zwei Teile. «Da habt ihr euren Scheißhaftbefehl!» schrie er. «Macht nichts», lächelte Steve. «Wir haben doch noch einen Durchschlag.» Jetzt wäre Turner bald vor Wut geplatzt. «Also machen Sie keine Dummheiten und kommen Sie mit», sagte Franco scharf. Steve faßte hinter seinen Gürtel und hakte zwei Paar Handschellen los. Er hatte sich vorher damit versorgt. Normalerweise überließen die COUNTER-MOB-Agenten Verhaftungen den dafür zuständigen Stellen, aber dafür blieb diesmal keine Zeit. Colonel Warner hatte alles geregelt. Franco Solo hielt währenddessen die beiden weiterhin in Schach. «Das werdet ihr noch bereuen!» knirschte Turner. «So leicht gebe ich mich nicht geschlagen.» «Abwarten.» «Was werfen Sie uns überhaupt vor? Wir sind anständige Bürger, zahlen jeden Monat pünktlich unsere Steuern.» Turner versuchte es jetzt auf die harmlose Tour. -1 2 7 -
«Aber erst machen wir mal eine schöne Spazierfahrt. Wir haben eine gemütliche Zelle für euch reserviert», meinte Steve. Jetzt änderte Turner seine Tonart. «Das werdet ihr verdammten Bullen noch bereuen!» fluchte er. «Hinter uns steht eine Macht, die ...» Franco schnitt ihm mit einer Handbewegung das Wort ab. «Mancini wird euch nicht mehr helfen. Er hat genug mit sich selbst zu tun.» Ehe Turner etwas erwidern konnte, betrat der Knabe von vorhin den Raum. Er hatte eine Beule am Kinn, sein Gesicht war haßverzerrt. In der Hand hielt er eine Pistole. «Ihr dreckigen Bullen!» keuchte der Junge. «Umlegen werde ich euch!» «Ja, schieß sie zusammen, Ronny!» hetzte Hymes. Im gleichen Augenblick sprang ihn Franco an. Mit einem Sprung überwand er die Entfernung, knallte gegen Ronnys Beine und riß den Jungen zu Boden. Der Schuß löste sich und fuhr in die Decke. Mit einem blitzschnellen Griff entwand Franco ihm die Waffe, zog den Burschen hoch und versetzte ihm links und rechts ein paar Ohrfeigen. Steve zauberte noch ein Paar Handschellen hervor. «Als wenn ich es geahnt hätte», meinte er grinsend. «Captain Field hat mich allerdings gefragt, ob ich damit handeln wollte.» Sekunden später trugen auch Ronnys Handgelenke stählerne Armbänder. Turner und Hymes hatten die Szene mit unbewegten Gesichtern beobachtet. Franco sah die Gangster an. «Ihr seid nicht mehr zu retten», sagte er leise. «Aus dem Sumpf, in dem ihr steckt, kommt ihr nicht mehr raus. Aber der Junge hier hat vielleicht noch eine Chance. Durch einen Mord wäre sie verbaut gewesen. Und ihr wolltet ihn dazu anstiften. Kommt auch noch auf euer Konto!» Franco mußte diese Gedanken einfach loswerden. Immer wieder kam es vor, daß junge Menschen von solchen -1 2 8 -
Verbrechern wie Turner und Hymes ins Verderben gezogen wurden. «Wo steht euer Wagen?» fragte er dann Hymes. «Was wollen Sie denn damit?» «Fahren.» «Die Karre parkt hinter der Garage.» «Okay. Komm, Steve.» Jo Turner, Gregor Hymes und Ronny marschierten vorneweg wie Zinnsoldaten. Es ging auf den Hof und um die Baracke herum. Hymes hatte nicht gelogen. Dort parkte tatsächlich ein weinroter Cadillac Fleetwood. Ein verdammt teurer Karren. Bezahlt mit Blutgeld. «Die Wagenschlüssel!» forderte Franco. Turner reichte sie ihm mit seinen gefesselten Händen. Dann stiegen sie ein. «Und jetzt?» fragte Turner. «Zum nächsten Polizei-Revier. Ihr wißt ja sicher, wo das ist», erwiderte Franco. *** «So ein Cadillac ist wirklich nicht schlecht», meinte Steve. «Wenn man nur nicht immer einen Leihwagen benutzen müßte!» «Ich kann dich verstehen, Steve», antwortete Franco. «Mir geht es genauso. Ich hätte auch lieber einen dieser kleinen, schnellen Flitzer.» Aber für das, was sie vorhatten, mußten sie den Caddy nehmen. Denn aus Franco Solo und Steve Adams waren Jo Turner und Gregor Hymes geworden.
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Ein Maskenbildner von COUNTER MOB hatte sie innerhalb einer halben Stunde zurechtgemacht. Steve hatte jetzt schwarz gefärbte Haare und das Gesicht ein wenig gestrafft. Franco trug einen Schnauzer, eine Perücke und dicke, buschige Augenbrauen. Wenn man nicht genau hinsah, konnten sie beide ohne weiteres als Turner und Hymes durchgehen. Und darauf kam es jetzt an. Aus Ron Callums Aussagen ging hervor, daß die Gorillas am Eingangsportal des Grundstücks nur jeweils einen kurzen Blick in den ankommenden Wagen warfen. Und waren sie erst einmal drin, konnte die erste Hürde schon als genommen gelten. Inzwischen zogen die Männer der City-Police einen unsichtbaren Ring um Mancinis Festung. Die Zufahrtsstraßen wurden abgeriegelt und auf der Seeseite nahmen getarnte Polizeiboote ihre Position ein. Es sollte eine der größten Polizeiaktionen der letzten Jahre werden. Die beiden COUNTER-MOB-Agenten sollten den Weg freimachen. «Nervös, Steve?» fragte Franco. «Kaum. Übrigens, wir sind bald da.» Drei Minuten später stoppten sie vor dem imposanten Eingangsportal des Grundstückes. Jetzt mußte sich zeigen, ob die Masken gut waren. Das große Tor schwang automatisch auf. Steve fuhr an. Schweiß bildete sich in seinen Handflächen. Verdammt, hoffentlich ging die Sache nicht schief. Einer der Torwächter, ein vierschrötiger Kerl, stellte sich vor die Kühlerhaube des Caddys und hob die Hand. Steve Adams hielt an.
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Der Kerl kam von der Seite her auf den Wagen zu. Franco atmete gepreßt und betätigte die Fensterautomatic. Leise schnurrte die Scheibe herunter. Der Gorilla glotzte in den Wagen. Dann zog er die Nase hoch und sagte: «Alles klar. Sie können fahren, Mister Turner.» Franco tippte an die nicht vorhandene Hutkrempe, und Steve fuhr wieder an. «Wer sagt's denn», meinte er grinsend. «Wir sind und bleiben Sonntagskinder. Und einer, der Adams heißt, dem tut man sowieso nichts.» «Du lebst ja nur versuchsweise auf der Erde», stellte Franco fest. Und dann grinsten sie beide. Der Weg zu Mancinis Prunkpalast führte durch einen herrlich angelegten Park. Künstlich aufgeschüttete Hügel, weite Rasenflächen, Ziersträucher, kleine Springbrunnen, all das mußte ein Vermögen gekostet haben. Nun ja, Mancini hatte es ja. Bis jetzt! Der breite Kiesweg verlief in einer sanften Rechtskurve. Und dann sahen sie das Haus. Oder vielmehr nur die Hinterfront. Ein riesiger Wintergarten. Franco war echt begeistert. Doch dann dachte er daran, daß all dieser Prunk mit Blutgeld errichtet worden war, und ihm kam fast die Galle hoch. Der Weg endete auf einem Parkplatz. Sie zählten vier Wagen. Rückwärts rangierte Steve den Caddy auf einen Parkstreifen. Dann stiegen die beiden Männer aus. Ein Butler in Uniform kam ihnen entgegen. «Darf ich um die Namen der Gentlemen bitten?» Franco wußte von Ron Callum, daß Mancini bei solchen Gelegenheiten Wert auf Umgangsformen legte. Der Butler war echt. Mancini besorgte ihn sich jeweils über eine Agentur. «Jo Turner und Gregor Hymes», knurrt er. -1 3 1 -
«Sehr wohl. Darf ich die Herren bitten, mir zu folgen?» Franco und Steve betraten Mancinis Prunkbau. Erst jetzt, als sie im Innern der Villa waren, konnten sie ermessen, was für ein Vermögen das Haus gekostet haben mochte. Die große Frontseite war in einen Hang hinein gebaut worden, direkt am Long Island Sound. Glas und Holz waren die vorherrschenden Elemente. Die Inneneinrichtung hatte, soweit man das erkennen konnte, ebenfalls ein Vermögen gekostet. Kostbare Teppiche, wertvolle Bilder, Schränke, Vitrinen und holzgetäfelte Decken vereinigten sich zu einer harmonischen Einheit. «Da hat bestimmt ein Innenarchitekt rumgewerkelt», gab Steve seinen Kommentar ab. Franco nickte. Der Butler brachte sie über eine mit Teppichen ausgelegte Holztreppe nach unten. «Ich darf die Gentlemen bitten, dort zu warten», sagte er hoheitsvoll und deutete auf eine offenstehende Schiebetür. «Okay, alter Junge», erwiderte Franco grinsend. «Du kannst dich verziehen.» Der Butler blinzelte schockiert, entfleuchte aber dann. Natürlich hatten die beiden Agenten nicht das geringste Interesse, den hinter der Schiebetür liegenden Raum zu betreten. Die Stimmen, die sie hörten, reichten schon. Wahrscheinlich hatte sich die gesamte New Yorker GangsterSociety dort versammelt. Die Leute würden ihre Masken bestimmt durchschauen. «Du hast ja noch den Plan im Kopf, oder?» fragte Steve leise. «Was denkst du denn. Komm!» Die Treppe, über die sie gekommen waren, führte noch tiefer. Sie gelangten in einen riesigen Keller mit mehreren Gängen. Glatte Betonwände und Stahltüren standen im krassen Gegensatz zu dem Prunk der oberen Etagen. «Hier muß sich irgendwo die Hauptsicherung der Alarmanlage befinden», murmelte Franco. -1 3 2 -
Zum Glück war unten alles hell erleuchtet. Dafür sorgten an der Decke angebrachte Leuchtstoffröhren. Die beiden Mafiajäger suchten jeden Winkel ab. Immer darauf achtend, nicht entdeckt zu werden. Dann deutete Steve Adams mit dem Zeigefinger auf die hellgrau gestrichene Tür, auf die mit roter Farbe ein Blitz gemalt war. 'High Voltage' stand darunter. «Hochspannung», murmelte Franco. «Dahinter müßten sich laut Callums Aufzeichnungen die Alarmanlagen befinden.» Franco griff in die Innentasche seines Jacketts und holte ein Besteck hervor, wie es sonst nur die Einbrecher besitzen. Eine Minute später war die Tür offen. Sie standen tatsächlich vor der Energiezentrale des Hauses. Von draußen schien genug Licht durch die offenstehende Tür, daß sie die Sicherungskästen an der unverputzten Wand erkennen konnten. Mancinis Angestellte hatten alles genau beschriftet. Unter jeder Sicherung stand der Zweck, den sie erfüllte. Eine Reihe von kleinen Hebeln reihte sich wie die Tastatur eines Klaviers hintereinander. Franco grinste seinen Partner an. «Dann wollen wir mal.» Der Reihe nach kippten sie alle Hebeln um und klemmten anschließend kurze Streichhölzer zwischen Hebel und Kunststoffverschalung. Eine einfache, aber unerhört wirkungsvolle Methode. «Und jetzt?» fragte Steve, trotzdem er genau wußte was kam. «Verhaften wir Mancini», erwiderte Franco leichthin. Er blickte auf seine Uhr. Noch eine gute halbe Stunde, dann würden die Cops eingreifen. Sie gingen wieder nach oben. Allerdings begannen jetzt die Schwierigkeiten. Auf halber Treppe kam ihnen ein glatzköpfiger Schlägertyp entgegen. Rufus. -1 3 3 -
«Achtung!» raunte Franco. «Jetzt gibt es Ärger.» Rufus stellte sich breitbeinig auf die Treppe und verschränkte die Arme vor der Brust. «Wo kommt ihr denn her?» röhrte er. Steve zeigte mit dem Daumen über die Schulter. «Von unten.» Rufus überlegte, ob er auf den Arm genommen werden sollte, oder ob die Sache ernst gemeint war. Schließlich sagte Steve: «So und jetzt mach keinen Ärger und laß uns vorbei. Der Boß wartet nicht gern.» Rufus schüttelte den breiten Schädel. «Erst will ich wissen, was ihr dort unten gesucht habt.» «Wir haben uns verlaufen», erwiderte Steve. «Genügt das?» Franco sagte nichts. Er wollte nicht in Gefahr laufen, daß sich Rufus an seine Stimme erinnerte. «Ich trau' euch nicht», sagte Rufus plötzlich. «Die anderen sind schon alle da. Nur ihr schnüffelt hier im Keller rum. Kommt mit. Ich bringe euch zum Boß.» Franco und Steve tauschten einen blitzschnellen Blick. Die Gelegenheit war an sich günstig. Vielleicht gelang es ihnen, Mancini buchstäblich allein zu erwischen. Rufus durfte nur nicht sofort etwas merken. «Warum nicht?» knurrte Steve Adams. «Geht vor mir her», forderte Rufus. Rufus hielt es noch nicht einmal für nötig, eine Waffe hervorzuholen. Er fühlte sich einfach zu sicher. Die drei Männer stiegen nach oben. Rufus führte sie in Mancinis Arbeitszimmer. Bevor er jedoch eintrat, klopfte er erst an. «Ja?» hörte man eine ärgerliche Stimme. Rufus erklärte mit wenigen Worten die Lage. «Sollen reinkommen!» Dann betraten Franco und Steve Mancinis Arbeitszimmer.
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Der König von New York stand am Fenster. Erst als Franco die Tür hinter sich schloß, drehte er sich um. Enrico Mancini sah beileibe nicht aus wie ein König. Eher wie ein zu fett gewordener Statthalter. Der Mafiaboß hatte bestimmt dreißig Pfund zuviel. Daran änderte auch das Korsett nichts, das er immer trug. Sein Gesicht erinnerte an einen Pfannkuchen, in den man zwei Augen, eine Nase und einen Mund gestanzt hatte. Die vielen Ringe an Mancinis Fingern wirkten lächerlich und protzig. Das einzige, was auf seine Gefährlichkeit hindeutete, waren seine kohlrabenschwarzen Augen. Mancini paffte eine Zigarette. «Turner und Hymes, wie? Was habt ihr unten im Keller gesucht?» Franco zuckte die Schultern. «Gar nichts. Wir hatten uns nur verlaufen. Kann ja mal vorkommen bei dem riesigen Bau.» «Ihr seid doch nicht zum erstenmal hier?» fragte Mancini lauernd. «Das nicht, aber ...» Der König von New York nickte nur. Im gleichen Augenblick schlug Rufus Franco mit der Faust ins Kreuz. Der Ruck warf den Mafiajäger nach vorn, und er ging in die Knie. Aus seiner Froschperspektive sah er Mancini auf sich zukommen, sah die schwarzen Lackschuhe, in denen er sich spiegeln konnte und wich unwillkürlich zurück. Dadurch ging Mancinis Tritt ins Leere. Der Mafiaboß verlor fast das Gleichgewicht und mußte sich an einem Stuhl festhalten. Franco war inzwischen wieder auf die Füße gekommen und konnte sich ein kurzes Grinsen nicht verkneifen. Dann schnickte er einmal kurz mit den Fingern. Das Zeichen für Steve. Der hielt plötzlich seinen 38er in der Hand. Wie zufällig zeigte die Mündung auf Rufus. -1 3 5 -
«Beweg dich nur nicht, Dicker», knurrte Steve Adams, «oder du hast gleich ein paar Löcher in der Figur!» Steve hatte mit normaler Stimme gesprochen, und gleichzeitig ging Rufus auch ein halber Kronleuchter auf. «Capo, der ist nicht...» «Klappe!» fuhr ihn Steve an. Der König von New York hatte das alles gar nicht genau mitbekommen. Erst als Franco ihm auch seine Waffe präsentierte, wurde er stutzig. «Was soll das, Turner. Und auch du, Hymes. Seid ihr eigentlich lebensmüde?» fragte er. «Nein, Mancini», erwiderte Franco Solo lächelnd. «Lebensmüde sind wir nicht. Wir sind etwas anderes.» «Und was?» wollte der Mafiaboß wissen. «Wir sind hier, um Sie zu verhaften. Alles, was Sie von jetzt an sagen oder tun, kann gegen Sie verwendet werden. Leisten Sie keinen Widerstand.» Dem König von New York klappte die Kinnlade herunter. «Das ... das ... ist doch nicht möglich», stotterte er. «Sie sind ... ihr seid doch Jo Turner und ...» «Falsch getippt Mancini. Mein Name ist Franco Solo. Und der Gentleman dort ist ein Kollege. Jo Turner und Gregor Hymes sind verhaftet worden. Wir waren nur so freundlich, uns ein wenig zu verkleiden. Übrigens ist Ihr Haus von Beamten der City-Police umstellt. Ihr Spiel ist aus, Mancini!» Mancini brauchte nicht mehr als zehn Sekunden, um sich von seinem Schock zu erholen. Doch dann verzerrte sich sein Gesicht zu einer wutentstellten Grimasse. «Ihr kommt hier nicht mehr lebend raus, ihr Drecksbullen!» keifte er. Und plötzlich gellte seine Stimme: «Spiro! Schieß die Schweine ab!» Wer Spiro war, wußte Franco Solo. Er sah, wie sich seitlich eine Tapetentür öffnete und drei Männer mit schußbereiten Maschinenpistolen in den Raum quollen. -1 3 6 -
Verdammt, sie hatten es sich denken können. Mancini verließ sich nicht nur auf technische Sicherungen, sondern auch noch auf persönliche Leibwächter. Franco konnte Steve gerade noch eine Warnung zurufen, da ging der Höllenzauber auch schon los. Spiro und die beiden anderen Gangster zogen die Stecher der Maschinenpistolen durch. Die drei Schießer nahmen noch nicht einmal Rücksicht auf ihren eigenen Kumpan. Eine Garbe erwischte Rufus, als er gerade in Deckung hechten wollte. Er wirkte dadurch als Kugelfang für Steve Adams, der diesen Sekundenbruchteil ausnutzte, sich vom Boden abstieß und mit angewinkelten Armen auf die große Fensterscheibe zuhechtete. Unter ohrenbetäubenden Klirren ging die Scheibe zu Bruch. Steve landete kopfüber und unbeschädigt draußen, rollte sich sofort ab und warf sich auf den Rücken. Er schoß noch im Liegen. Er traf, und der Einschlag warf den Gangster, der ihm nachwollte, zurück ins Zimmer. Steve sandte noch eine Kugel durch die zersplitterte Scheibe, rappelte sich auf und hetzte auf den künstlich angelegten Hang zu, wo er sich kurzerhand hinunterrollen ließ und von einem Zierstrauch schließlich aufgefangen wurde. Im Haus war inzwischen der Teufel los. Fenster klappten auf. Stimmen schrien wirres Zeug nach draußen. Das Dutzend Gangster, die in der Villa versammelt waren, hatte es förmlich aus den Sitzen gerissen. Sinnlos feuerten sie in den Garten. Die Kugeln pfiffen yardweit an Steve vorbei. «Das Schwein ist irgendwo in den Büschen!» brüllte einer. Steve Adams grinste hart. Die Kerle würden sich noch wundern. -1 3 7 -
Aber verdammt! Wo befand sich Franco Solo? Steve wurde unruhig. Plötzlich hörte er in seinem Rücken Stimmen. Die beiden vom Tor. Sie hatten die Schüsse gehört und rannten auf ihn zu. Genau dorthin, wo er lag. Steve peilte durch die Zweige. Die Kerle waren beide bewaffnet. Einer hatte eine MPi, der andere eine Pistole. «Geh lieber in Deckung», sagte der Mann, der in ihren Wagen gesehen hatte, zu seinem Kumpan. «Nachher werden wir noch von den eigenen Leuten umgenietet.» Der Angesprochene starrte angstvoll in der Gegend herum und sah Steve. Im ersten Augenblick bekam er den Mund vor Schreck nicht zu. «Keinen Mucks!» flüsterte der Mafiajäger. «Komm näher!» Der zweite Kerl war schon weitergelaufen, hatte bis jetzt noch nichts gemerkt. Steve Adams glitt aus seiner Deckung und schlug wohl dosiert mit dem Lauf der 38er zu. Er angelte sich die Pistole des Kerls. Im gleichen Augenblick drehte sich der andere um. Er begriff blitzschnell, riß die Maschinenpistole hoch... Steves Waffe krachte. Die Kugel traf den Gangster ins Bein. Die MPi entglitt seinen Fingern. Steve schnappte sich die Waffe, warf einen kurzen Blick hinüber zum Haus und sah, wie fünf schwerbewaffnete Gangster den Abhang hinunterrannten. Jetzt wurde es kritisch. Der COUNTER-MOB-Agent setzte den Mafiahalunken einen kurzen Feuerstoß aus der MPi vor die Füße. Wie Kaninchen spritzten sie nach allen Seiten auseinander.
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Dann rannte Steve in Richtung Ausgang. Das Blei, das die Kerle ihm nachschickten, zischte über seinen Kopf hinweg. Und dann sah er die Uniformen. Wie Ameisen quollen die Cops auf das Grundstück. Schon erschallte, mehrfach über Lautsprecher verstärkt, eine klirrende Stimme. «Achtung! Achtung! Hier spricht Captain Field. Das Gelände ist von bewaffneten Einheiten der City-Police umstellt! Werfen Sie die Waffen weg und geben Sie auf! Jeder Widerstand ist zwecklos. Achtung! Achtung ...» Die Mafiosi dachten gar nicht daran, aufzugeben. Sie schossen wie verrückt in die Richtung, aus der die Lautsprecherstimme gekommen war. Trafen jedoch nicht, denn die mit Maschinenpistolen und Tränengas bewaffneten Beamten lagen längst in Deckung. Steve hetzte weiter und gab sich dann durch Handzeichen zu erkennen. Sekunden später hatte er die eigenen Leute erreicht. Captain Field boxte Steve in die Seite. «Sie mit ihrer Verkleidung», keuchte er. «Wo haben Sie denn Solo gelassen?» «Verdammt, ich weiß es nicht.» Steve wischte sich den Schweiß aus der Stirn. «Hab' schon die schlimmsten Befürchtungen.» Dann wurden die beiden abgelenkt, denn die Cops gingen zum Generalangriff über. Im Zick-Zack hetzten sie den Abhang hoch, nutzten jede Deckung aus. Dann wurde im Haus Tränengas eingesetzt. Und damit waren die Verteidiger am Ende. Zwanzig Minuten später standen sie an der Außenwand des Hauses in Reih und Glied und warteten auf ihren Abtransport. Sie waren mit Handschellen aneinander gefesselt. Es war ein blutiges Finale gewesen. Ein Finale, das in die Geschichte der New Yorker Polizei eingehen würde. -1 3 9 -
Drei der Gangster waren tot. Einige schwer oder leicht verletzt. Nur drei Männer der City-Police mußten sich in ärztliche Behandlung begeben. Plötzlich sah Steve auch Colonel Warner. Er war in Begleitung von Captain Field. Er hatte es sich nicht nehmen lassen, den Einsatz mit zu verfolgen. «Adams!» dröhnte Warners Stimme. «Wo steckt Solo?» Steve lief auf die beiden zu. «Ich weiß es nicht», sagte er schweratmend, und zu Warner gewandt: «Franco ist nicht im Haus, ebensowenig wie Enrico Mancini.» Der Colonel überlegte: «Gibt es in dem Fuchsbau irgendwelche Geheimgänge?» Steve nickte. «Soviel wir wissen, ja. Ein Gang führt direkt zu dem künstlich angelegten Hafen. Wahrscheinlich ist Mancini dorthin verschwunden.» «Sofort einen Suchtrupp zusammenstellen. Übernehmen Sie die Leitung», ordnete der Colonel an. «Okay, Chef.» Steve holte sich für das Unternehmen drei Leute von Captain Fields Truppe und ging los. *** Franco hatte sagenhaftes Glück gehabt. Die erste in seine Richtung gezielte Garbe, zischte wie der Gluthauch des Todes an ihm vorbei. Er sah aus den Augenwinkeln, daß Steve durch die Fensterscheibe hechtete und hörte, wie Mancini einen unverständlichen Befehl brüllte. Auf ihn achtete in diesem Moment keiner. Die Zimmertür befand sich nur einige Yard hinter ihm. Hastig robbte Franco darauf zu.
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Plötzlich wurde die Tür aufgerissen. Zwei von den versammelten Unterbossen stürmten herein. Sie hielten ebenfalls Kanonen in den Händen. Wie der Blitz spritzte Franco Solo vor den zweien hoch. «Turner, was ist los?» schrie ihn einer an. Aber ehe er noch die Lage richtig erfassen konnte, war Franco schon draußen auf dem Flur und hatte die Tür hinter sich zugeknallt. «Turner ist doch Solo!» hörte er jetzt Mancini brüllen. «Los, ihr Idioten, schnappt ihn euch!» Trotz der ernsten Lage mußte der Mafiajäger grinsen. Ehe das ganze Durcheinander geklärt werden konnte, hatte er schon im Flur hinter einer mannshohen, dichten Topfpflanze Deckung gefunden. Wenig später stürmten die Gangster wie Tiere aus der Zimmertür. Mancini an der Spitze. «Sucht alles ab!» keifte der König von New York. «Der Mistkerl muß noch in der Nähe sein!» Franco machte sich hinter seiner kärglichen Deckung so klein wie möglich. Mancini verschwand, ohne ihn gesehen zu haben, mit einem Mann hinter einer Flurecke. Die anderen suchten in den angrenzenden Zimmern nach ihm. «Wohin, Capo?» hörte Franco Mancinis Begleiter fragen. «Zum Boot, Nick. Mir wird der Boden unter den Füßen hier verdammt heiß. Die beiden Bullen sind von einer Sondertruppe und bestimmt nicht allein gekommen. Wie ich die kenne, haben die draußen noch eine ganze Kompanie stehen.» Es war wie immer. Die Ratte wollte das sinkende Schiff verlassen. Aber Franco Solo war entschlossen, Mancini einen Strich durch die Rechnung zu machen. Er überzeugte sich schnell, ob die Luft rein war, und hetzte los. Mit langen, lautlosen Schritten huschte er hinter Mancini und dem Gangster her. Den Revolver schußbereit in der Rechten. -1 4 1 -
Es ging wieder nach unten in den Keller. Die beiden Mafiosi hatten es verdammt eilig, kamen gar nicht auf die Idee, daß ihnen jemand folgen könnte. Schließlich sah Franco sie hinter der letzten Tür in dem langen Kellergang verschwinden. Sekunden später war er auch zur Stelle. Die graugestrichene Eisentür schwang in den Angeln hin und her. Ganz leise hörte Franco plötzlich draußen eine Lautsprecherstimme aufklingen: «Achtung! Achtung! Hier spricht...» Franco zog die Tür ganz auf. Feuchter und muffiger Geruch schlug ihm entgegen. Eine Steintreppe führte weiter nach unten. An der Decke brannten in unregelmäßigen Abständen trübe Birnen. Die Treppe besaß kein Geländer. Von den beiden Mafiosis war nichts zu sehen. Vorsichtig schlich Franco die glitschigen Stufen hinab. Je tiefer er kam, um so deutlicher konnte er Einzelheiten erkennen. Er befand sich in einem kleinen, künstlich angelegten Hafen. Ein jetzt geschlossenes riesiges Schiebetor diente als Ausfahrt. Auf dem Wasser lag ein Motorboot. Es war mit einem langen Tau am Steg festgemacht. Aber wo hielten sich die beiden Gangster auf? Plötzlich hörte Franco Stimmen. Sie kamen von links, aus einem kleinen Raum. «Los, doch!» hörte er Mancini keuchen. «Pack dir den Koffer, und dann nichts wie weg hier.» Der Mafiajäger preßte sich blitzschnell in den toten Winkel gegen die Wand. Die beiden Männer kamen aus dem Raum. Nick Spiro als erster. Er trug in der rechten Hand einen großen Lederkoffer. Er folgte Mancini. Der hatte sich eine Collegemappe unter den Arm geklemmt.
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Beide sahen ihn nicht, sondern lenkten ihre Schritte in Richtung Motorboot. «Pack erst mal den Koffer auf das Boot. Dann setzen wir den Mechanismus des Schiebetors in Gang und haben freie Fahrt», meinte der Mafiaboß. «Das glaube ich allerdings nicht, Mancini», erwiderte Franco leise. Der König von New York wirbelte herum. «Solo!» fluchte er. «Du kommst mir gerade recht, fahr zur Hölle!» Und dann zeigte Mancini plötzlich, daß man ihn doch nicht unterschätzten durfte. Er warf Franco die Collegemappe gegen die Waffenhand, hechtete gleichzeitig vor und rammte ihm seinen Kopf in den Magen. Franco wurde bis zur Wand zurückgeschleudert, krachte mit dem Hinterkopf gegen die Steine. Für einen Moment sah er Sterne. Jemand schlug auf sein rechtes Handgelenk. Fast zwangsläufig öffnete er die Finger. Seine 38er rutschte auf den Boden. Doch dann gelang es ihm, einen trockenen Konter an Mancinis Kinnwinkel zu landen. Der König von New York taumelte zurück, machte das Schußfeld für Nick Spiro frei. Franco setzte alles auf eine Karte. Wie ein Tiger sprang er den Gangster an. Spiros Schuß peitschte auf, die Kugel versengte Franco fast die Schulter. Beide krachten sie zu Boden. Es gelang Franco, Spiros rechtes Handgelenk zu fassen. Mit aller Kraft drehte er es herum. Der Mafiosi stöhnte auf. Dann ließ er die Waffe los. «Mach' das Schwein fertig, Nick!» geiferte Mancini.
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Franco warf sich zur Seite, ohne den Kerl aus dem Griff zu lassen, da peitschte Mancinis Stimme wieder auf: «Mit dir ist es aus, verdammter Schnüffler!» Im gleichen Augenblick fielen drei, vier Schüsse. Taschenlampen warfen ihre grellen Lichtfinger nach unten. Mancinis Anzug hatte plötzlich in der Höhe der Schulter ein Loch. Der König von New York taumelte zurück, versuchte den Arm mit der Waffe zu heben, doch es gelang ihm nicht mehr. Kurz vor dem Geländer am Steg brach er zusammen. «Franco!» tönte es von oben. Dann trampelten Schritte die Treppe hinunter. Franco erkannte außer Steve Adams noch Colonel Warner und Captain Field. Jetzt erst ließ er Nick Spiro los. Der Mann blieb stöhnend am Boden liegen. Auf ihn wartete, wie auf Mancini auch, eine stabile Zelle. Ziemlich wackelig kam Franco Solo auf die Beine. «Verdammt, das war knapp!» sagte er. Steve Adams schlug Franco auf die Schulter und zauberte plötzlich eine Flasche Whisky hervor. «Wußte doch, daß ich sie brauchen würde», meinte er. «Mancini wird es uns nicht übelnehmen, wenn wir seinen Flaschenbestand reduzieren!» Nach dem ersten Schluck wurde Franco fast schwindelig. Aber dann tat das Zeug seine Wirkung, und er fühlte sich besser. Der Mafiajäger warf noch einen Blick auf Enrico Mancini. «König von New York» hatte er sich genannt, aber damit war es nun endgültig vorbei. Verbrechen zahlten sich eben nie aus. Müde und etwas angeschlagen ging Franco mit den anderen nach oben. *** Der Fall wirbelte gewaltigen Staub auf. Die Zeitungen überschlugen sich fast mit ihren Schlagzeilen.
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Die Reisegesellschaft 'Happy Day Tour' wurde aufgelöst, zahlreiche Verhaftungen folgten. Franco war es egal. Er hatte seine Pflicht getan, und er war längst schon mit einer anderen Sache beschäftigt. Etliche Wochen später wurde er allerdings noch einmal an den Fall erinnert. Al Scott und Gloria Milford ließen ihm durch Colonel Warner eine Vermählungsanzeige zukommen. Außerdem teilten sie ihm mit, daß ihr Butler James seine Verletzungen gut überstanden hätte, und schleunigst einen Kursus für Selbstverteidigung belegt hätte. Endgültig wurde der Fall in einem exclusiven französischen Restaurant abgeschlossen. Juliette Aubert. Sie hatte ihn durch Captain Field zum Essen eingeladen. Juliette arbeitete jetzt als Stenokontoristin bei einer großen Versicherungsgesellschaft. Und das, fand Franco, war fast mehr wert, als alles andere zusammen. ENDE
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