Grit S. Becker / Oliver Everling (Hrsg.) Debitorenrating
Grit S. Becker / Oliver Everling (Hrsg.)
Debitorenrating Bonität von Geschäftspartnern richtig einschätzen
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1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010 Lektorat: Guido Notthoff Gabler Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-2070-6
Geleitwort
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Geleitwort Die Finanz und Wirtschaftskrise stellt die Politik vor ungeahnte Herausforderungen in bishernichtgekanntemAusmaß.DieGlobalisierungderFinanzmärkteunddieInternatio nalisierungfinanziellerBeziehungenhabeneinNiveauerreicht,dassnichtnurdiePolitik, sondernauchdieWirtschaftmitunerwartetenFragestellungenundderAufgabekonfron tiert,neueAnsätzezurIdentifikationundSteuerungvonRisikenzufinden.Währendeinst in nationalen Volkswirtschaften mit überschaubaren Außenbeziehungen die Risiken iso lier und handhabbar waren, die sich aus krisenhaften Entwicklungen im Ausland erga ben,führtheutekeinWeganderErkenntnisvorbei,dassauchkleineundmittlereUnter nehmen von Fehlentwicklungen in anderen Märkten betroffen sein können, selbst wenn diese – wie die Krise seit 2007 zeigt – in zunächst so begrenzt erscheinenden Segmenten wiedenendersogenanntenSubprimeMärkteindenUSAihrenAusgangspunktnehmen. InkonjunkturellbesserenZeitenwurdeesauchinDeutschlandversäumt,eineaufHaus haltskonsolidierungausgerichteteFinanzpolitikzubetreiben.Zugleichwurdenüberviele JahrehinwegdiesteuerlichenVerhältnissefürdenMittelstandnichtverbessert.DieFolge sind im internationalen Vergleich geringe Eigenkapitalquoten. Die Stärkung der Selbstfi nanzierungskraft des Mittelstands kommt aufgrund der aktuell begrenzten fiskalpoliti schen Möglichkeiten nur langsam voran, da zunächst Krisenbewältigung und Deckelung der Neuverschuldung im Vordergrund stehen müssen. Trotz der bereits erreichten Fort schrittebezüglichderdurchschnittlichenEigenmittelquotenimMittelstandsindalleMaß nahmenundInstrumentevonBedeutung,dieaufeineStärkungderWiderstandskraftder WirtschaftinKrisenzeitenzielen. Der existenziellen Sicherung dient in der Krise vor allem ein gutes Liquiditätsmanage ment, denn die Zahlungsunfähigkeit gehört zu den wichtigsten Insolvenzgründen. Man che Unternehmen geraten trotz guter Organisation und Produkte in Schwierigkeiten, da sievonZahlungsausfällenihrerKundenüberraschtwerden.Forderungsausfällesummie ren sich allein in Deutschland zu Milliardenbeträgen, die dem Kreislauf der Wirtschaft entzogenwerden.DaherliegtdieVermutungnahe,dassdieMöglichkeitenvonRatingsys temen zur Identifikation und Prävention von Verlusten aus Lieferungen und Leistungen unterschätztwerden. Während die zweifelhafte Rolle USamerikanischer Ratingagenturen bei strukturierten Finanzierungen zur Besorgnis Anlass gab und in der Europäischen Union zum Konsens über eine EUVerordnung über Ratingagenturen führte, stellten Systeme des Debitorenratings unter Beweis, gerade in der Krise höhere von niedrigeren Risiken zu unterscheiden und durch Klassifizierungen Orientierung zu geben. Hierbei kommen ei nerseitsEigenentwicklungenvonRatingsystemenzumTragen,andererseitsderBezugvon Ratinginformationen aus ergiebigen Datenquellen wie denen der Kreditversicherer und ihrer Ratingeinheiten. Letztere Bezugsquellen gewinnen in einer immer internationaleren Verflechtung von Liefer und Leistungsbeziehungen stark an Bedeutung. Einfache Dau menregelnderRisikobeurteilungreichennichtmehraus,wennweltweitWachstumschan censelbstinfernenMärktengenutztwerdensollen.
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Geleitwort
Das vorliegende Buch trägt zum Verständnis der Verfahren und Kriterien des Debitorenratings bei und ordnet vorgefundene Ansätze in die Praxis des Debitoren managements ein. Rating ist nicht lediglich irgendein weiterer Indikator aus der Debito renbuchhaltung, sondern auch Anknüpfungspunkt für jedes solide Unternehmenswachs tum. Insbesondere bei Geschäften mit geringen Margen kann jeder vermiedene Forde rungsausfall entscheidend zur Ergebnisverbesserung beitragen und damit die Krisenfes tigkeitdeseigenenUnternehmenserhöhen. Dem Buch ist weite Verbreitung bei allen Unternehmen zu wünschen, bei denen Risiken aus Forderungsausfällen schlagend werden können, und wird überall dort Aufnahme finden,wonichtbloßaufSubventionenodersonstigeAbsicherungendurch„VaterStaat“ gewartetwird,sondernimGeisteinerfreiheitlichenWirtschaftsordnungdurchEigeniniti ative und überlegene Urteilsfähigkeit Vorteile im internationalen Wettbewerb angestrebt werden. BjörnSänger MdB,MitglieddesFinanzausschussesdesDeutschenBundestags
Vorwort
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Vorwort Nach Ausbruch der Finanz und Wirtschaftskrise im Jahr 2007 fehlte nicht viel, um das „AAARating“ auf die Vorschlagsliste für das „Unwort des Jahres“ zu bringen. Der sprachkritischeBegriff„Unwort“bezeichnetein„unschönes”,aberauchein„unerwünsch tes”Wort.DieGesellschaftfürDeutscheSprachekürteaufdemHöhepunktderFinanzkri se für 2008 die „notleidenden Banken“ zum Unwort des Jahres, denn dieses stelle das VerhältnisvonUrsachenundFolgenderWeltwirtschaftskriseaufdenKopf.Währenddie VolkswirtschafteninärgsteBedrängnisgeratenseienunddieSteuerzahlerMilliardenkre dite mittragen müssten, würden die Banken, durch deren Finanzpolitik die Krise verur sachtwordensei,zuOpfernstilisiert. Da die USAgenturen speziell bei vermögensgedeckten Wertpapieren daran scheiterten, die Marktentwicklungen insbesondere im USamerikanischen Immobilienmarkt richtig einzuschätzen, und Fragwürdigkeiten in ihrer Arbeitsweise zu Tage traten, wurde der europäischeGesetzgebertätig,umRatingagentureneinerbesserenKontrollezuunterwer fen. Die Verordnung über Ratingagenturen der Europäischen Union und das Ausfüh rungsgesetzdazuinDeutschlandsinddieKonsequenzen. Mit dem Wort „Rating“ verbindet sich die Erwartung einer Klassifizierung, die Risiken vergleichbar und kommunizierbar macht. Das Schulnotenprinzip erlaubt die relative In terpretationvonRisiken.MitdenausuferndenHerabstufungenimBereichderstrukturier ten Finanzierungen wurde der universelle Anspruch der Bestnote in Frage gestellt. Die erkanntenFehlerführtenzueinerVielzahlvonMaßnahmen,nichtnurbeidenbetroffenen USAgenturen selbst, sondern auch bei den Aufsichtsbehörden, die sich auf eine umfas sende Einsichtnahme und Überwachung des Ratingwesens einstellen. Ziel dieser Maß nahmen ist es, das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit von Ratings wiederherzustellen unddenNutzenvonRatingsandenFinanzmärktenzusichern. DieSchlussfolgerungenfürdasFinanzmanagementvonUnternehmenjenseitsdesFinanz sektorssindoffensichtlich:UmKrisenfestigkeitzuerreichen,genügtlängstnichtmehrnur eine gute Hausbankbeziehung, denn auch die Hausbank selbst kann in Schwierigkeiten geraten,dieihraufgrundderihrgegebenenknappenEigenmittelnichtjederzeitbeliebige Substitutionen und Prolongationen von Kredite für ihre Kunden erlauben. Je größer das Unternehmen,destomehrkommtesdaraufan,selbstdieZahlungsströmeauchqualitativ zusteuernundmiteinemeigenenLiquiditätsmanagementdafürzusorgen,dassdieZah lungsfähigkeitjederzeitgewährleistetbleibt. Jedes Finanzmanagement muss sich auf ein leistungsfähiges Debitorenmanagement stüt zen,dessenwichtigsteSäuleeinverlässlichesRatingsystemist,mitdemausfallgefährdete Forderungenrechtzeitigidentifiziertwerdenkönnen.NurwenndrohendeForderungsaus fälle rechtzeitig erkannt und die Kumulation von Abschreibungen abgewendet werden können, kann sich das Unternehmen gegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung schützen. Im Kern geht es bei jedem Ratingsystem um die Einschätzung künftiger, mehr oder weniger unsicherer Zahlungen. Die Ungewissheit der Zukunft ist die zentrale Her
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Vorwort
ausforderung des Finanzmanagements. Mit anspruchsvollen Ratingsystemen lassen sich dieWahrscheinlichkeitenfürForderungsausfälleeingrenzen. Die Finanzkrise hat das Bewusstsein für die Bedeutung der Liquidität im Unternehmen ebenso gestärkt wie die Einsicht, dass auf externe Ratings selbst führender Agenturen nichtblindlingsvertrautwerdenkann.SicheinseitigaufeineBezugsquellevonRatingszu verlassen, kann sich als schwerwiegender Fehler erweisen, da auch Ratingagenturen zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen können. Ratings sind zudem keine Handlungs empfehlungen,sodassauchäußerstverlässlicheRatingseinerWeiterverarbeitungbedür fen, um in konkreten Entscheidungen über den Bestand von Kundenverbindungen zu münden. DasvorliegendeBuchskizziertdieHandlungsoptionenausSichtdesFinanzmanagements von Unternehmen, indem das Wesen und die Bedeutung von Ratings diskutiert, die hauptsächlichenAnwendungsbereicheausformuliertunddieProzessevorgestelltwerden, mit denen Daten aus Geschäftsbeziehungen verarbeitet und dem Debitorenmanagement verfügbar gemacht werden. Die Kriterien und Maßstäbe, nach denen Ratings erteilt wer den,kommenebensozurSprachewiedieMethoden,umnachverschiedenenPrüfsteinen dierichtigenAktioneneinzuleiten. WelcheKundenoderLieferantensindverlässlicheGeschäftspartner,wennesumdievoll ständige und rechtzeitige Begleichung von Rechnungengeht? Schon heute wird von den namhaftenKreditauskunfteienübereinstimmendeineVerschlechterungderZahlungsmo ral von Unternehmen berichtet. Zahlungsziele werden extensiver als bisher in Anspruch genommenundüberschritten. DasBuchlieferterstmalseinenÜberblickübermaßgeblicheAnsätzedesDebitorenratings unddessenImplementierunginderUnternehmenspraxis.DurchDebitorenratingwerden dieRisikenklassifiziertundtransparentgemacht.MiteinfachenDaumenregelnlässtsich jedoch kein professionelles Debitorenmanagement aufbauen, vielmehr müssen Maßstäbe undKriteriendesDebitorenratingssystematischinArbeitsabläufeundProzesseinnerhalb derOrganisationsstrukturvonUnternehmenintegriertwerden. WirdankenunserenAutorenunddemGablerVerlag,indessenAuftragwirtätigwerden durften. Insbesondere sind wir Herrn Guido Notthoff, Lektor Programmbereich Finanz dienstleistungen/Health Management in der Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH für seine Unterstützung verbunden. Frau Nataliya Köhn sind wir für ihre tatkräftige Unter stützungbeiderAufnahmederKontakteundderAutorenansprachedankbar.Wirfreuen uns, dass unser Buch mit dem Geleitwort von Herrn Björn Sänger, MdB, bereits eine eh renvolleWürdigunggefundenhat. Mainz,imJuni2010
GritBecker Dr.OliverEverling
Inhalt
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Inhalt
Geleitwort..................................................................................................................................5
Vorwort......................................................................................................................................7
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RatingimgenossenschaftlichenHandel– vonderKreditversicherungzurganzheitlichenKundenbetrachtung...........................11 BerndOppenländer
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BedeutungdesDebitorenratingsfürdasWorkingCapitalManagement.....................27 BiancaHeyke/MichaelStahl
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SystemeinesDebitorenratings.............................................................................................45 FrankoFaul
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DebitorenratingalsBasisdesKreditrisikomanagementsinUnternehmen...................57 MichaelLister
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AufbauundAblauforganisationdesDebitorenratingsineinem weltweitagierendenKonzern...............................................................................................75 GötzSchürmann
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LänderratingundseinEinflussaufdieKundenbeurteilung...........................................91 BjörnBucher
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EinführungdesKundenratingsimKreditmanagementeines Handelsunternehmens–Anforderungen,FunktionenundNutzen amBeispielderBayWaAGMünchen...............................................................................109 RudolfKeßler
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AnalysevonRatinginstrumenteninderAutomobilzulieferindustrie.........................123 RalfHerkenhoff
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RatingoptimierteRisikoabsicherungimMaschinenundAnlagenbau.......................133 MichaelHannig
10 AnsatzpunktezurOptimierungdesRatings...................................................................147 GritBecker 11 IntegrativeSystemlösungenzumAuskunftsmanagement............................................161 RenéDonko
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Inhalt
12 StrategienzumDebitorenmanagementimWachstumsunternehmen– BeispielPhoenixContactGmbH&Co.KG.....................................................................181 PeterKaraski 13 „InternerundexternerNutzendesDebitorenratingsnachdemMBO“......................197 RogerMellinghausen 14 KreditrisikoversicherunginAbgrenzungzuanderenInstrumenten desDebitorenrisikomanagements......................................................................................201 Dr.WernerGleißner/OlafKeller 15 WarumCreditManagement?..............................................................................................217 NicoleNeumerkel/JanSchneiderMaessen
DieHerausgeber...................................................................................................................225
DieAutoren...........................................................................................................................227
Rating im genossenschaftlichen Handel
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Rating im genossenschaftlichen Handel – von der Kreditversicherung zur ganzheitlichen Kundenbetrachtung
BerndOppenländer 1.1 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.3 1.4 1.4.1 1.4.2 1.5 1.5.1 1.5.2 1.5.3 1.5.4 1.6 1.7 1.7.1 1.7.2 1.7.3 1.7.4 1.8
1.1
Ausgangssituation.........................................................................................................11 ExterneInstrumentedesDebitorenrating..................................................................12 Kreditversicherung........................................................................................................12 @Rating..........................................................................................................................13 Kleinkunden...................................................................................................................13 FestlegungdesKreditlimits.........................................................................................14 Konfliktfall......................................................................................................................15 ÜberschreitungendesKreditlimits.............................................................................15 ZahlungsverzugalsKonfliktundalsAbwicklungsfall..........................................18 MitgliedschaftundBonität...........................................................................................19 GenossenschaftlicherFörderauftragalsVerpflichtung...........................................19 BetriebswirtschaftlicheBasis........................................................................................20 ZusammenarbeitmitdenberatendenBerufen.........................................................20 ZusammenarbeitmitderKreditversicherung..........................................................21 Bankengespräch.............................................................................................................22 ZEGheute.......................................................................................................................22 Liquiditätssituation.......................................................................................................22 KreditportfolioinderGesamtbetrachtung................................................................23 BewusstseinderMitarbeiter........................................................................................24 Forderungscontrolling..................................................................................................25 RatingalsInstrumentderMitgliederbindung..........................................................26
Ausgangssituation
ImgenossenschaftlichenHandelbewegensichdieAnforderungenandasRatingimSpan nungsfeldzwischendemSchutzdesgenossenschaftlichenGroßhandelsaufdereinenSeite unddemFörderauftraggegenüberdemMitgliedaufderanderenSeite.DiesenZielkonflikt giltesaufzulösen.NebendersicherenBeurteilungdesMitgliedesimHandelsgeschäftmit der Genossenschaft gilt es daher, dem Mitglied zur Erfüllung des Förderauftrages zu ei nem besseren Rating zu verhelfen. Am Beispiel des genossenschaftlichen Großhändlers ZEGZentraleinkaufHolz+KunststoffeGzeigtdieserPraxisberichtdiemöglichenHand lungsalternativenauf.
G. S. Becker, O. Everling (Hrsg.), Debitorenrating, DOI 10.1007/ 978-3-8349-6377-2_1, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
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Bernd Oppenländer
Die ZEG ist ein Holzgroßhandelsunternehmen für das Holz verarbeitende Handwerk in der Rechtsform der Genossenschaft mit 13 Niederlassungen flächendeckend in der Bun desrepubliksowieimElsass.MitdemAnspruchalsVollsortimenterbedientdieZEGüber 3400MitgliedsbetriebesowieeineVielzahlvonHandwerksbetrieben,dienichtalsMitglied angeschlossen sind. Ziel des Debitorenmanagements in der ZEG ist in erster Linie, das Unternehmen vor Forderungsausfällen zu schützen. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, ergreift die ZEG auch umfangreiche Maßnahmen zur Verbesserung des Ratings ihrerMitglieder. BisMittederneunzigerJahrestütztesichdieZEGnahezuausschließlichaufeigeneZah lungserfahrungenmitihrenMitgliedernundKunden.DabeiwurdenimWesentlichendas Zahlungsverhalten, die Größe des Handwerksbetriebes sowie die Persönlichkeit des Handwerksmeisters als Kriterien herangezogen. In seltenen Fällen wurde eine Bankaus kunft oder eine externe Selbstauskunft der Beurteilung zu Grunde gelegt. Bedingt durch erheblicheZahlungsausfällewardieZEGgezwungenzueinerweitergehenden,ganzheit lichen Mitglieder und Kundenbetrachtung zu gelangen. Dabei wurden schrittweise ver schiedeneweitereBonitätsmerkmaleindieBetrachtungmiteinbezogen.Grundlagefürdie Bonitätsbeurteilung bilden dabei ausschließlich externe Partner, da die ZEG kein eigenes Kundenratingsystem einführen wollte. Diese Entscheidung ergab sich aus dem großen VorbehaltderHandwerkskunden,eigeneUnternehmenszahlenundKennziffernoffenzu legen.
1.2
Externe Instrumente des Debitorenrating
1.2.1
Kreditversicherung
ImerstenSchrittwurdeinderZEGeinKreditversicherungsvertragfürallegrößerenKun den abgeschlossen. Dabei wurden alle Mitglieder und Kunden angefragt, die ein Risiko vonüber25.000Euro(50.000DM)darstellten.MitdieserMaßnahmewurdederdamaligen RisikotragfähigkeitderZEGRechnunggetragen.NacherstenverlustreichenJahrenfürdie Kreditversicherung mussten die Ansprüche neu formuliert werden. Zwischenzeitlich wurdedieAndienungspflichtmit15.000EuroneudefiniertunddieMeldepflichtenwur den deutlich verschärft. Daneben sieht der Kreditversicherungsvertrag einen Entschädi gungsvorbehalt vor, bis zu dem die Kreditversicherung aus der Leistung frei bleibt. So konntederVersicherungsvertragindenletztenJahrenschadensfreigehaltenwerdenund dieRisikotragfähigkeitderZEGistmitdemEntschädigungsvorrisikoeindeutigdefiniert. DamitkonntedasRisikoausdengrößerenForderungenoptimiertwerden. IndererstenPhasederZusammenarbeitmitderKreditversicherungmusstenfüreinzelne MitgliederundKundenneueFormenderZusammenarbeitgefundenwerden,dadieEin schätzung durch die Versicherung zu einer anderen Beurteilung der Kunden führte. Im Rahmen dieser Neuorientierung mussten einige Risiken in Zusammenarbeit mit dem Kundendeutlichabgebautwerden.DiesführteanfänglichnochmalszuerhöhtenAusfall
Rating im genossenschaftlichen Handel
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risiken.InzwischenistdieBonitätseinschätzungdieserKundenweitestgehenddenVorga ben der Kreditversicherung angepasst. Auf die Einstufung der Kunden je nach Bonitäts einstufungwirdspätereingegangen.
1.2.2
@-Rating
AbgeleitetausdemkonsequentenRatingderversichertenKundenergabsichschrittweise dieAnforderung,auchdienichtversichertenKundeneinerBonitätsbeurteilungzuunter ziehen.AufgrundderVielzahlderkleinerenundmittlerenKundenunddemerheblichen innerbetrieblichenVerwaltungsaufwandwurdevoneinerErweiterungderKreditversiche rungabgesehen.DennochsollteeinesichereundkostengünstigeBeurteilungdieserKun denmöglichsein. FürdieKundenmiteinemObligoabetwa1.500EurogreiftdieZEGheuteaufdasRating derKreditversicherungzurück,ohnedieForderungselbstgegendenAusfallabzusichern. Damit liegt dem Ratingurteil über den Kunden dieselbe Qualität zu Grunde wie in der Zusammenarbeit mit der Kreditversicherung. Die Zusammenarbeit mit der Ratinggesell schaft ist ebenfalls als echtes Monitoring vereinbart, so dass bei möglichen veränderten Einschätzungen durch die Kreditversicherung auch umgehend Konsequenzen für die EinstufungimDebitorenmanagementderZEGgezogenwerdenkönnen. Die unterschiedlichen Bonitätsklassen durch die Ratinggesellschaft ergeben daneben die Möglichkeit, bereits zu diesem Zeitpunkt einen möglichen Kreditversicherungsschutz abzuschätzen. Bei neu angebahnten Kundenbeziehungen kann dies als wertvoller Grad messerfüreineIntensivierungeinerGeschäftsverbindungdienen.
1.2.3
Kleinkunden
Ausgehend von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in der Bundesrepublik im Um feldderWirtschaftsundFinanzkriseergibtsichdieNotwendigkeit,auchkleinereRisiken einemRatingzuunterziehen.DabeisinddiebisherinderZEGangewandtenInstrumente inRelationzumRisikoalseindeutigzukostenträchtigeinzustufen. Eine Vielzahl jüngerer Handwerker geht heute den Weg in die Selbstständigkeit. Diese Option ergibt sich auf der einen Seite durch die Liberalisierung der Handwerksordnung undwirddurchdieangespannteSituationamArbeitsmarktweiterbegünstigt.Damitaber könnensichindiesemKundenkreisweitergehendeRisikenergeben,dateilweisedienot wendigenbetriebswirtschaftlichenKenntnissefehlen. DahergreiftdieZEGheutehieraufdieErgebnisseeinerWirtschaftsauskunfteizurück.Im erstenSchritterfolgteineklassischeEinstufungnachdemSchulnotensystem.DesWeiteren werdendieZahlungserfahrungenderAuskunfteimitdenErkenntnissenderZEGabgegli chen.AuchdieseZusammenarbeitistalsMonitoringvereinbart,sodassaufVeränderun genjederzeitreagiertwerdenkann.
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Bernd Oppenländer
DieseZusammenarbeitmitderAuskunfteiführtdazu,dassBetriebemitnichtausreichen der Bonität frühzeitig erkannt werden und damit die Mitgliedsbetriebe der ZEG vor un lauterenWettbewerberngeschütztwerden.
1.3
Festlegung des Kreditlimits
Zum reibungslosen Ablauf des Handelsgeschäftes ist die Festlegung eines eindeutigen Kreditlimitserforderlich.InnerhalbdiesesLimitswerdensämtlicheAufträgeohneweitere Prüfroutinefreigegeben.DerVergabeeineskorrektenLimitsmitderadäquatenEinschät zungdesKundenkommtdamitbesondereBedeutungzu.DaseinmalvergebeneLimitist einer laufenden Prüfung zu unterziehen und bei Veränderung der äußeren Anzeichen nach den internen Vergaberichtlinien anzupassen. Diese Vergaberichtlinien orientieren sichinhohemMaßeandemexternenRating,lassenaberaucheineinterneBetrachtungzu. DieserfolgtinderZEGimWesentlichenausdemMitgliedschaftsverhältnis,woraussich einbesondererFörderauftragergebenkann.
Kreditversicherte Kunden GrundsätzlichorientiertsichdasinterneKreditlimitdesMitgliedsoderdesKundenander LimitvorgabederKreditversicherung.DieLimitvorgabebildetdieObergrenze.Selbstver ständlich kann durch die Kundenbetreuung bei Bedarf ein niedrigeres Kreditlimit verge ben werden, insbesonderewennes zu Zielüberschreitungenabder3.Mahnstufegekom menist.UnabhängigvomVersicherungsschutzkanndiesauchbeiversichertenKundenzu einerdeutlichenReduzierungdesKreditlimitsführen.
Kunden im @-rating FürdasmittlereKundensegmentgreiftdieZEGaufdas@ratingzurück.DiesisteinAus kunftssystem der Kreditversicherung mit unterschiedlichster Einstufung. Je nach Einstu fungwerdenfürdienichtversichertenKundendabeiinterneLimitezwischen1.500Euro bis15.000Eurofestgelegt.
Kleinkunden BeiderVielzahldergelistetenKundenistesoftmalssehrschwierig,angemesseneKredit beschränkungenfürKleinkundenfestzulegen.AufgrunddesSortimentesderZEGundder damitfürdieHandwerkeroftlängerfristigenKapitalbindungdurchlängerlaufendeZah lungsfristen,leidenvieleHandwerksbetriebeschonbeikleinerenAufträgenandeutlicher Liquiditätsschwäche. Aufgrund der Auskünfte der Auskunfteien werden dabei kleinere Limite vergeben, wobei damit oft überdurchschnittliche Risiken verbunden sind. Dieses RisikosistsichdieZEGdurchausbewusstundbegegnetdiesemdurcheinkonsequentes Mahnwesen.
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Neukunden Bei einem Neukunden wird das interne Kreditlimit mit maximal 1.500 Euro festgelegt. Dabei werden auch bei Ausschöpfung dieses Limits keinerlei weitere Zugeständnisse gemacht.AlsLösungsmöglichkeitenbietetsichindiesemFalldieVereinbarungderZah lungeinerbereitsberechnetenWarenlieferungvorNettofälligkeit,dieLeistungeinervoll ständigen oder teilweisen Vorauskasse oder die Vereinbarung von Bankeinzug als ver trauensbildendeMaßnahmean.
1.4
Konfliktfall
1.4.1
Überschreitungen des Kreditlimits
InderZEGwerdengrundsätzlichzweiKonfliktfälleunterschieden.Zumeinemkanndas bestehendeKreditlimitnichtausreichen,sodassweitergehendeLösungengefundenwer den müssen. Zum anderen ergeben sich Konfliktpotenziale bei nicht fristgerechter Zah lungselbstverständlichauchimRahmeneinesbestehendenKreditlimits.
Limitüberschreitung unter 1.500 Euro Bei Bestandskunden können Limitüberschreitungen bis 1.500 Euro in der Regel vertreten werden,sofernvorhandeneoffenePostennichtälterals30Tageunddamitnichtüberfällig sind.SolltendieForderungenjedochälterals30Tagesein,müssenvorFreigabeweiterge henderAufträgeZahlungenmitdemKundentelefonischabgestimmtwerden. Selbstverständlich müssen hier auch Kriterien wie Forderungshöhe und Zusammenset zung, Umsatz, Bonitätsbewertung, Versicherungsschutz sowie Zahlungsverhalten des Kundenhinzugezogenwerden. Hat ein Bestandskunde längere Zeit (ein bis zwei Jahre) keinenUmsatz erzielt, muss vor einer Auftragsgenehmigung die Bonität erneut überprüft werden. Der Kunde ist wie ein Neukundezubeurteilen. Neue Aufträge können bei weiterer Zahlungszusage und einer positiven Beurteilung der Situationfreigegebenwerden.
Limitüberschreitungen über 1.500 Euro Limitüberschreitungen über 1.500 Euro bedürfen innerhalb der ZEG eines besonderen Genehmigungsprozesses und werden auch nur nach besonderer Abstimmung mit dem Kundengenehmigt.DieGenehmigungskompetenzliegtdabeibeimjeweiligenNiederlas sungsleiter,wobeisichderVorstandgrößereLimitkompetenzenvorbehaltenhat.Beieiner negativen Beurteilung der Gesamtsituation werden weitergehende Aufträge nicht freige geben.KundeundVertriebwerdenhiervoninformiert.
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Auftragsbezogene Limitgewährung durch die Kreditversicherung BedingtdurchdievertrauensvolleZusammenarbeitmitderKreditversicherungüberviele Jahre können in Einzelfällen Deckungszusagen erreicht werden, die entweder für einen Einzelauftrag gewährt werden oder über einen gewissen Zeitraum als Saisonlimit zur Verfügung gestellt werden. Mit diesen Maßnahmen wird es der ZEG ermöglicht, auch größereEinzelaufträgemitKundenerfolgreichumzusetzen,dienichtdauerhaftübereine ausreichende Bonität verfügen. Bereits diese Maßnahmen zeigen, dass im Rahmen des genossenschaftlichen Förderauftrages weitergehende Schritte erforderlich sind, um mit denMitgliedernauchentsprechendeGroßaufträgeabzuwickeln. NichtimmerlassensichdieseSachverhalteimRahmendesKreditversicherungsvertrages lösen,sodasszusätzlicheSicherheitenvereinbartwerdenmüssen.Diesewerdendannim EinzelnenbewertetunddamitBestandteileinersehrindividuellenKreditlimitfindung.
Weitergehende Sicherheiten In folgenden Fällen ist die Annahme weiterer alternativer Sicherungsinstrumente zum SchutzvorForderungsausfällensinnvollundnotwendig:
႑UnzureichendeoderschlechteBonitätsauskunft ႑AblehnungdesVersicherungsschutzesdurchdieWarenkreditversicherung ႑UnzureichendeVersicherungssummebeiTeilversicherungen ႑AufhebungdesVersicherungsschutzes ÜberdieAnnahmeweitererSicherheitenentscheidetimVorfeldstetsderNiederlassungs leiter. Eine Abstimmung bei Überschreitung der Kreditlimitkompetenzen mit dem Vor standistnotwendig. DabeiwerdeninderZEGfolgendeAbsicherungsmöglichkeitenumgesetzt: Bankbürgschaft: InsbesonderebeilängerfristigenLimitüberschreitungenodereinembesondershohenAuf tragswert ist die Annahme einer Bankbürgschaft erforderlich. Die Gültigkeitsdauer muss sowohlfürdieAuftragsabwicklungalsauchfüreinrealistischesZahlungszielausreichend lang sein. Die Befristung der Bürgschaft muss vom Kundenbetreuer überwacht werden, gegebenenfalls ist eine Verlängerung notwendig. Bürgschaften können sowohl ohne Ein schränkungenalsauchnurauftragsbzw.projektbezogengültigsein.DiesistbeiderAuf tragsabwicklungundbeiAuftragsfreigabenzuberücksichtigen. PersönlicheBürgschaft: InsbesonderebeiderRechtsformderGmbHwirdimEinzelfalldiepersönlicheBürgschaft derGesellschafterodereineranderenPersoninFormderselbstschuldnerischenBürgschaft eingefordert. Grundsätzlich gelten die Aussagen zur Bankbürgschaft. Zur Beurteilung der persönlichenBürgschaftsinddiepersönlichenVerhältnissederBürgenzubetrachten.
Rating im genossenschaftlichen Handel
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Forderungsabtretung: Eine Forderungsabtretung ist die vertraglich geregelte Übertragung von Forderungen gegenüberDrittschuldnernandenGläubiger.IndiesemFalltrittderKundedieForderun gengegenüberseinemEndkunden(Drittschuldner)andieZEGab.DieForderungsabtre tungbeinhaltetgrundsätzlichaucheinSchuldanerkenntnis.DieForderungsabtretungwird in den meisten Fällen zunächst stillschweigend vereinbart, der Drittschuldner wird hier von nicht informiert. Sicherer ist es jedoch, die Forderungsabtretung sofort dem Dritt schuldneroffenzulegen.DieswollendieKundenausverständlichenGründenmöglichst vermeiden.BeibesonderskritischenKundenistdasSchuldanerkenntnisvondiesennota riell beglaubigen zu lassen. Mit einem notariellen Schuldanerkenntnis kann unmittelbar, ohne weiterenZeitverzug und ohne Anträge aufgerichtlicheMahnundVollstreckungs bescheidedieZwangsvollstreckungbetriebenwerden. Forderungsabtretungen sollten nur im Ausnahmefall vereinbart werden, da der Dritt schuldner gleichfalls zahlungsunfähig werden kann. Im Grunde genommen muss die BonitätdesEndkundenebenfallsgeprüftwerden.DieabgetreteneForderungmussgenau beschrieben sein, damit ein in Anspruch genommener Drittschuldner genau erkennen kann,welchenBetragerauswelchemGrundbezahlenmuss.ImFalle,dassdieForderung ausmehrerenTeilleistungenabgetretenwird,musseineRangfolgefestgelegtwerden,nach derderDrittschuldnerzuzahlenhat.DasgiltauchfürdenFall,dassmehrereDrittschuld nerbetroffensind.AuchhiermusseinegenaubeschriebeneRangfolgeindieForderungs abtretungaufgenommenwerden. DademDrittschuldnerumfangreicheEinredetatbeständezustehen,könnenForderungsab tretungen nur bei Handwerkskunden vereinbart werden, die eine mängelfreie Arbeit ge währleisten. Dies setzt eine umfangreiche Kenntnis des jeweiligen Handwerksbetriebes voraus. GemeinsamesBankkontoZEG–Kunde: AlsAlternativezuroffenenForderungsabtretungbietetsichaucheinBankkontoan,über welches die ZEG und der Kunde gemeinsam verfügen. Dies bietet den Vorteil, dass der KundedieZahlungfürseineWerkleistungerhältunddieZEGdieZahlungfürdieWaren lieferung.ImGegensatzdazuerhältdieZEGbeieinerForderungsabtretungbeideBeträge, wodurch dem Kunden kurzfristig Liquidität entzogen wird. Auch diese Vorgehensweise setzt eine umfangreiche Kundenkenntnis analog der Forderungsabtretung voraus und gestaltetsichrelativarbeitsintensiv.SiebildetdaherdieabsoluteAusnahme. Eigentumsvorbehalt: Der einfache und der verlängerte Eigentumsvorbehalt sind im Rahmen der Allgemeinen Verkaufs, Liefer und Zahlungsbedingungen ausführlich geregelt. Die Geltendmachung istnurimFallderZahlungsunfähigkeitdesKundensinnvoll,mussaberdannkonsequent durch die zuständige Niederlassung betrieben werden. Ware, die anderweitig verkauft werdenkann(Lagerware),musszurückgeholtwerden.BeiBestellwareoderSonderanfer
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Bernd Oppenländer
tigung muss geklärt werden, inwieweit die vollständige Abwicklung und Bezahlung des AuftragsmitdemEndkundenmöglichist. Die Warenkreditversicherung setztfür eine EntschädigungsleistungdieGeltendmachung derRechteausdemEigentumsvorbehaltvoraus. Auch in einem Insolvenzverfahren muss der Eigentumsvorbehalt geltend gemacht wer den.Dersogenannte„AnspruchaufabgesonderteBefriedigung“machtdiebesondereStel lungdergeliefertenWaredeutlich.EntwederwirddieWaresoweitsinnvollansLagerzu rückgeholt oder der Insolvenzverwalter möchte mit dieser Ware den Geschäftsbetrieb aufrechterhalten. In diesem Fall gehört die Ware nicht zur „Masse“ und muss bezahlt werden.
1.4.2
Zahlungsverzug als Konflikt- und als Abwicklungsfall
Grundlage eines jeglichen geordneten Debitorenmanagement ist ein konsequentes und geordnetesMahnwesen.DabeisindinnerhalbderZEGsehrrestriktiveGrundsätzeaufge stelltworden,dieaberaufderanderenSeiteeineGleichbehandlungallerMitgliederund Kundengewährleisten. Schriftliche Mahnungen werden täglich an die Kunden versendet. Das Intervall für den einzelnen Kunden, das heißt der Zeitraum zwischen zwei Mahnungen oder aufeinander folgenden Mahnstufen, beträgt 8 Tage. Die erste und zweite Mahnstufe wird unbesehen ohne weitere Bearbeitung über ein externes Dienstleistungsunternehmen per Post an die Kundenverschickt. Abder3.MahnstufewerdendieMahnungenvomKundenbetreuerausgedrucktundver sendet. Individuelle schriftliche Anmerkungen oder Vereinbarungen mit dem Kunden können als Hinweis erfasst werden. Ab der 3. Mahnstufe werden auch Termine für den Zahlungseingangautomatischaufgedruckt.DieFristbeträgthierbei5Tage,sodassgenü gend Zeit für die Verbuchung und Verarbeitung der Zahlungseingänge bis zur nächsten Mahnstufeverbleibt. AuchKundenmitBankeinzugoderBarzahlungsindbeimMahnlaufmitzuberücksichti gen.DamitwirdeinezeitnaheKlärungvonnichtausgeglichenenoffenenPostenundan derenUnstimmigkeiten,insbesondereRücklastschriften,gewährleistet. Neben der schriftlichen Mahnung muss grundsätzlich ab der 3. Mahnstufe der Kunde telefonisch angemahnt werden. Die mit dem Kunden getroffene Vereinbarung wird auf der schriftlichen Mahnung festgehalten! Durch eine individuelle Liefersperre wird die Nachhaltigkeit und Überwachung gewährleistet. Daneben muss das Kreditlimit kontrol liertundfallsnotwendigherabgestuftwerden. DieMahntelefonatehabendasZiel,dasMitglied oderdenKundenaufeineverbindliche Zahlungszusagezuverpflichten.HiergiltderGrundsatz:„Fälligistfällig“!MitdenMahn telefonatenwirdaucheinepositiveVeränderungdeszukünftigenZahlungsverhaltensbewirkt.
Rating im genossenschaftlichen Handel
19
Kommt es innerhalb dieses routinemäßigen Mahnungslaufes zu keiner weitergehenden Zahlung oder Zahlungsvereinbarung, wird die Forderung zum Einzug im Rahmen des gerichtlichen Mahnverfahrens abgegeben (Abwicklungsfall). Um hier weitestgehende UnabhängigkeitzubewahrenundvertrieblicheChancenfürdieweitereZukunftoffenzu halten,bedientsichdieZEGindieserTätigkeitebenfallseinesexternenDienstleistungsun ternehmens. BiszudiesemSchnittpunktergebensichinderZEGkeineweitergehendenBesonderheiten gegenüber vergleichbaren Handelsunternehmen. Im Rahmen des genossenschaftlichen Förderauftrages sieht aber die ZEG ihre Pflicht dahingehend, bereits im Vorfeld ihren MitgliedernzueinembesserenRatingunddamitzueinerverbessertenBonitätzuverhelfen.
1.5
Mitgliedschaft und Bonität
1.5.1
Genossenschaftlicher Förderauftrag als Verpflichtung
IndererstenStufederBonitätseinschätzungwirdnachdenobendargestelltenGrundsät zendieMitgliedschaftinderZEGnichtindieEinstufungmiteinbezogen.Diesergibtsich ausdengesetzlichenVorgabendesGenossenschaftsgesetzes,nachdemdasGeschäftsgut haben für Forderungen im laufenden Geschäftsbetrieb nicht haftet und auch nicht ver rechnetwerdendarf. LediglichimFallederBeendigungderMitgliedschaftsiehtdieSatzungderZEGeinent sprechendesPfandrechtandemAuseinandersetzungsguthabenvor.Dieskannabernicht als Basis einer funktionierenden Kundenbeziehung gesehen werden, auch wenn die Mit glieder dieses Argument bei der Bonitätsbetrachtung mit in die Waagschale werfen. In diesen Fällen muss eine strenge Trennung zwischen der LieferantenKundenbeziehung unddergesellschaftsrechtlichenVerpflichtunggezogenwerden. TrotzdemsiehtdieZEGdieMitgliedschaftalswichtigstesArgumentbeiderweitergehen den Bonitätsbetrachtung, da sich aus dem Verständnis des genossenschaftlichen Förder auftrages eine weitergehende Verpflichtung für die Mitglieder der ZEG ergibt. Anderer seits ergibt sich aus dem genossenschaftlichen Grundsatz der Selbstverantwortung auch eineerheblichePflichtderMitglieder,anihrereigenenBonitätsverbesserungaktivmitzu arbeiten.HiergiltesimZusammenspielmitdenexternenPartnernderZEG,denMitglie dern und der Genossenschaft selbst einen umfassenden Dialog herzustellen. Leider herrscht in der notwendigen Pflicht einer offenen Kommunikation noch immer nicht in allenFällendienotwendigeEinsicht. Als genossenschaftlicher Handelspartner ist es der ZEG wichtig, den Mitgliedsbetrieben die notwendige Unterstützung zukommenzu lassen. Alle notwendigen Maßnahmen zie lendaraufabdieBonitätseinstufungmitexternenPartnernzuverbessern,umdamitdem MitgliedsbetriebdieFreiheitzugeben,sichaufseineKernkompetenzenzukonzentrieren. DazubedarfesabereinergesichertenBasis.
20
1.5.2
Bernd Oppenländer
Betriebswirtschaftliche Basis
Grundlage jedes weitergehenden Gespräches oder auch eines umfassenden Unterstüt zungsangebotesistdiezeitnaheundumfassendeErarbeitungbetriebswirtschaftlicherDa tenundFakten.Dabeigenügtesheutenichtmehr,einemonatlichebetriebswirtschaftliche Auswertung zu erstellen, sondern darüber hinaus müssen weitere betriebliche Kennzah len,einePlanungsrechnungsowieeineLiquiditätsplanungzurVerfügunggestelltwerden. NuraufderBasisgesicherterZahlenistderHandwerkerselbstinderLage,seinenBetrieb wirtschaftlich und erfolgreich zu führen. Dabei reicht eine reine Vergangenheitsbetrach tungnichtmehraus,sondernesmussauchderBlickindieZukunftgewagtwerden. Umdieszuvermitteln,führtdieZEGfürMitgliedsbetriebeumfangreicheSchulungenund Informationsveranstaltungen durch. Dabei gilt es, Verständnis für diese Sachverhalte zu weckenundgemeinsamdaraufhinzuarbeiten,dassdieexternenFinanzierungspartnerdie notwendigenDatenaucherhalten. Aus der aktuellen gesetzlichen Entwicklung ergeben sich weitere Risiken. Nach dem Bi lanzrechtsModernisierungsGesetz sind kleinere und mittlere Einzelkaufleute von den handelsrechtlichenBuchführungspflichtenbefreit,sofernsienureinenkleinenGeschäfts betrieb unterhalten (§241 a Handelsgesetzbuch). Die Anhebung der Schwellenwerte auf 500.000 Euro Umsatz in zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren und einem Gewinn von nicht mehr als 50.000 Euro, istunter dem Schwerpunkt der Deregulierung undKos tensenkungsicherlichzubegrüßen,birgtaufderanderenSeitedieGefahr,dassnotwendi ge betriebswirtschaftliche Daten und Vergleichswerte verloren gehen. Dies gilt insbeson dere natürlich für den Vermögensvergleich. Dieser ist aber nicht nur Basis der jährlichen Bilanz, sondern auch weitergehender Planungsrechnungen. Aus diesem Grunde sollten sichkleinereHandwerksbetriebegutüberlegen,obsiedieseErleichterungentatsächlichin Anspruchnehmen.
1.5.3
Zusammenarbeit mit den beratenden Berufen
Abgeleitet aus dem Unternehmensziel „Vision Genossenschaft“ sucht die ZEG daneben weitereKooperationenimgenossenschaftlichenVerbund.DabeiwirdzurErreichungder betriebswirtschaftlichenZielederHandwerksbetriebemitderDATEVeG,derführenden Genossenschaft für die Steuerberater, Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer eine enge Partnerschaftangestrebt. Nach wie vor sind für viele Handwerker das volle Auftragsbuch oder die Geldeingänge aufdemKontoderMaßstabunddaseinzigeKontrollmittel.InZeitenderWirtschaftskrise gehen die Aufträge zurück, die Zahlungsmoral der Kunden sinkt und die Banken geben keine Kredite mehr. Hier ist die professionelle Unterstützung des Steuerberaters gefragt. Der Steuerberater muss den Betrieb analysieren, Risiken identifizieren und sämtliche Auswertungen zur Verfügung stellen. Dass die Auswertungen aktuell sein müssen, ver stehtsichvonselbst.
Rating im genossenschaftlichen Handel
21
Zur Verbesserung des Ratings der Handwerker tragen diese Unterlagen aber nur bei, wenn diese an die Hausbanken, die Kreditversicherer und die Auskunfteien weitergege benwerden.NachwievorbesteheninHandwerkerkreisengroßeVorbehalte,dieweiter gehendenFinanzierungspartnermitindieKommunikationeinzubeziehen.Dabeiwirddie RollederKreditversichererinderheutigenZeitdeutlichunterschätzt. VieleHandwerksbetriebesindheutealsGmbHaufgestelltundunterliegendamitteilweise Veröffentlichungsvorschriften im elektronischen Bundesanzeiger. Sicherlich bietet die Einsichtnahme in dieses Register eine erste Orientierung, doch für eine echte Kreditent scheidung reicht sie in den meisten Fällen nicht aus, auch weil die Veröffentlichung mit erheblichem Zeitverzug erfolgt. Auch hier gilt es, die Mandanten zur Kommunikation weitergehenderUnterlagenzubewegen. Die Praxis zeigt, dass die Handwerker nicht immer die notwendige Hilfe durch ihren Steuerberater erfahren. Die ZEG aber erhebt den Anspruch, dass die Mitgliedsbetriebe professionell durch ihren Steuerberater betreut werden. Die DATEV bietet dabei einen umfassenden Service, der weit über die monatliche betriebswirtschaftliche Auswertung hinausgeht. Diese Werkzeuge bieten einzigartige Chancen für die Betreuung von Hand werkern.Diesezunutzen,istgeradeinwirtschaftlichschwierigenZeitenanzuraten.Dabei gilt es, sowohl die Steuerberater als auch die Mitglieder der ZEG für diese Themen zu sensibilisieren.
1.5.4
Zusammenarbeit mit der Kreditversicherung
InderZusammenarbeitmitderKreditversicherunggiltesfürdieZEG,nichtnurVersiche rungsschutzfürihreMitgliederabzufragen,sondernvielmehrdieBonitätdurcheineum fangreicheKommunikationzuverbessern.SolangederVersicherungsschutzindemange fragten Umfang zur Verfügung gestellt wird, bedarf es keiner besonderen Maßnahmen. Erst wenn keine oder keine ausreichende Versicherungssumme gezeichnet wird, gilt es, fürdieMitgliedertätigzuwerden. IndenmeistenFällenzeigtsich,dassdieMitgliederderZEGnichtimnotwendigenMaße die Auskunfteien und die Kreditversicherer mit den erforderlichen Informationen verse henhaben.IndiesenFällenistaber,wiebereitserläutert,eingeordnetesKrediturteilnicht möglich.HierwirdimpersönlichenGesprächversucht,dieMitgliederdazuzubewegen, kurzfristigaktuelleDatenzukommunizieren.Dabeiistoftfestzustellen,dassdieseDaten nichtzurVerfügungstehenoderdieEinsichtfehltdieseimeigenenInteresseanDrittezu kommunizieren.Dabeigiltes,imZusammenspielallerBeteiligten,dieDatenbasisaktuell undbreitzuhalten. Auch in der täglichen Kommunikation mit der Kreditversicherung versucht die ZEG die Bonität ihrer Mitglieder zu verbessern. So werden positive Zahlungserfahrungen im Ein zelfall ausgetauscht. Auch dies dient der Kreditversicherung zur verbesserten Entschei dungsfindung. Daneben findet ein aktiver DatenaustauschbezüglichFirmierung,Rechts formundAnschriftenmitderKreditversicherungstatt.
22
Bernd Oppenländer
ImKonfliktfallstehtdieZEGihrenMitgliedernberatendzurSeite,wobeidiesnurimFalle eines offenen Dialoges möglich ist. So werden teilweise längerfristige Zahlungspläne mit denMitgliedernundderKreditversicherungentwickelt,dieauchdasÜberwindenschwie rigerSituationenermöglicht.DiesgibtallenBeteiligtendienotwendigeSicherheit.
1.6
Bankengespräch
Letzte Stufe der Mitgliederbetreuung ist das gemeinsame Gespräch mit der Hausbank. Dies zielt in der Regel nicht darauf ab, weitere Kreditlinien zu generieren, sondern viel mehr in schwierigen Situationen allen Beteiligten Wege aufzuzeigen, wie im Verbund Risikosituationenüberwundenwerdenkönnen.IndiesenFällenmussoftbeidenMitglie dernderZEGdasnotwendigeVerständnisfürdasumfassendeInformationsbedürfnisder Bankengeschaffenwerden. DieseMaßnahmestelltaberauchfürdieZEGdieabsoluteAusnahmedarundkannnur zumErfolgführen,wennsichdie PartnerübereinegemeinsameverlässlicheVorgehens weise verständigen können. Gerade im Hinblick auf eine positive Fortführungsprognose und den damit verbundenen Risiken der Insolvenzanfechtung stellt dies eine nicht zu unterschätzendeSicherheitdar.InsoweitdientdiesauchdemEigennutzderZEG.
1.7
ZEG heute
Durch die aufgezeigten umfangreichen Maßnahmen konnte die ZEG sowohl ihre eigene BonitätdeutlichverbessernalsauchWegeaufzeigen,wiedenMitgliedernzueinerbesse ren Bonität verholfen werden kann. Dabei ist jede aufgezeigte Einzelmaßnahme für sich unspektakulär und dient lediglich im Zusammenspiel aller Maßnahmen dem gemeinsa men Ziel aller Finanzierungspartner, nämlich der deutlichen Minimierung der Risiken durch Zahlungsausfälle. In Relation zur Ausgangssituation haben sich dabei wesentliche Veränderungenergeben.
1.7.1
Liquiditätssituation
„Liquidität geht vor Rentabilität“, dieses Ziel gilt vollumfänglich natürlich auch für die ZEGundihreMitglieder.AufderanderenSeitekannessichdieZEGaufgrundderinten siven Wettbewerbssituation nicht leisten,auf Geschäfte mit guten Kunden zu verzichten. MitderVerbesserungderBonitätihrerMitgliederwargleichzeitigeinedeutlicheVerbes serungderLiquiditätssituationverbunden.Sokonnteinnerhalbvon10Jahrendasdurch schnittlicheZahlungszielnahezuhalbiertwerden. DieVerbesserungderQualitätderForderungenversetztedieZEGaußerdemindieLage, dasFactoringalsalternativeFinanzierungsformfüreinenGroßteilderForderungeneinzu führen.Heutewerdennahezu70ProzentdesForderungsvolumensandenFactorverkauft. Dies eröffnet finanzielle Spielräume, die zum Wohle der Mitglieder eingesetzt werden
Rating im genossenschaftlichen Handel
23
können. Daneben ergab sich durch den Forderungsverkauf eine deutliche Bilanzverkür zung,waszueinerVerbesserungderEigenkapitalquotegeführthat.Insgesamtdientalso die verbesserte Risikopolitik verbunden mit der Förderung der Mitgliedsbetriebe auch dem genossenschaftlichen Handelsunternehmen. In Verbindung mit der Kreditverbesse rungistdasfürallePartnereineechteWinWinSituation.
1.7.2
Kreditportfolio in der Gesamtbetrachtung
DieZusammensetzungdesKundenunddamitauchdesKreditportfolioswirdgezieltim Sinne der Risikominimierung gesteuert. Als Handelspartner kommt ausschließlich der gewerblicheBereichinFrage.UmsätzemitEndverbrauchernwerdennichtgetätigt,sodass hierauchkeineProblemebezüglichderBeschaffungvonBonitätsbzw.Ratingauskünften entstehen. Im B2BHandel konzentriert sich die ZEG auf das Holz verarbeitende Hand werkundalsGroßhändlerauchaufdieholzundkunststofflieferndenB2CHändler. DadasHolzverarbeitendeHandwerkunterschiedlichebranchenspezifischeForderungsri siken aufweist, wird über die gezielte Auswahl der Kunden, die Zahlungsbedingungen unddiegewährtenKreditlimitedasKreditportfoliobeeinflusst.Dabeiwirdauchdensich aus den jeweiligen Rechtsformen ergebenden Haftungsverhältnissen und den zur Verfü gungstehendenHaftsummenRechnunggetragen. ImRahmendesRisikomanagementsbetrachtetdieZEGdieZusammensetzungdesForde rungsbestandesnachunterschiedlichenGruppierungen.Hierwirdz.B.untergliedertnach Rating,KreditversicherungundkeinerAbsicherung.Tabelle1.1zeigtdasKreditportfolio.
Tabelle 1.1: Sicherungsart
Kreditportfolio der ZEG Status
Anzahl Kunden
in%
in%desForde rungsbestandes
Kredit versicherung
Mitglieder
1.500
7,2%
51,7%
Nicht Mitglieder
2.600
12,5%
34,5%
Gesamt
5.318
19,7%
86,2%
Rating
Mitglieder
300
1,5%
1,2%
Nicht Mitglieder
3.100
14,9%
4,0%
Gesamt
3.400
16,4%
5,2%
24
Bernd Oppenländer
Sicherungsart
Status
Anzahl Kunden
in%
in%desForde rungsbestandes
Keine Absicherung
Mitglieder
1.000
4,8%
4,5%
Nicht Mitglieder
12.300
59,1%
4,1%
Gesamt
13.300
63,9%
8,6%
20.800
100,0%
100,0%
Gesamtergebnis
Stand:Dezember2009(Quelle:ZEG,eigeneAngaben)
1.7.3
Bewusstsein der Mitarbeiter
AlsHandelsunternehmensinddieMitarbeiterInnenderZEGsicherlichvonUmsatzund Ertragsdenken geprägt, jedoch konnte die ZEG sowohl auf Seiten des Vertriebs als auch auf Seiten des Forderungsmanagements das Bewusstsein der MitarbeiterInnen für die Liquiditäts und Risikosituation im Bereich Forderungsmanagement maßgeblich verbes sern.ZumeinenwirkenhierexterneFaktorenbewusstseinsfördernd,zumandereninterne Maßnahmen:
႑StrikteexterneVorgabenderKreditversicherungunddesFactoringunternehmens, insbesondereaufgrundverschiedenerObliegenheitspflichten.
႑ExterneBonitätsprüfungenundderenlaufendeÜberwachungundAktualisierung. ႑GezielteSchulungsmaßnahmenimForderungsmanagementverbundenmiteinerum fangreichenDokumentationinFormeinesHandbuches.
႑FormulierungmaßgeblicherGrundsätzefürVertriebundForderungsmanagement. ႑PermanenteEDVgestützteKreditlimitüberwachung. ႑UmfangreicheunterstützendeControllingmaßnahmen(Limitüberschreitungslisten, Alterslisten,Restelisten,durchschnittlicheZahlungszieleetc.).
႑BeteiligungderVertriebsmitarbeiterInnenbeiForderungsabschreibungeninForm einesMalus.
႑ZielvereinbarungenfürdieMitarbeiterdesForderungsmanagements. HiergiltesjedochimmerdaserlangteBewusstseinaufrechtzuerhaltenundimmerwieder Verbesserungspotenziale aufzuzeigen und die MitarbeiterInnen für dieses brisante und unternehmenskritische Thema zu gewinnen. Dies gilt umso mehr für die gegenwärtige Krisenzeit.
Rating im genossenschaftlichen Handel
1.7.4
25
Forderungscontrolling
DieMitarbeiterimForderungsmanagementhabenimTagesgeschäftverschiedeneAnsatz punktezumControllingihrerForderungen.NebendereigentlichenKontrollederDebito renundihrereinzelnenForderungengiltesauchZielezuerreichenundWegehierfürzu erschließen. Ziele werden jährlich vom Leiter Rechnungswesen zusammen mit den MitarbeiterInnen des Forderungsmanagements erarbeitet und vereinbart. Um diese gesteckten Ziele errei chenzukönnen,müssenwiederumzwischenMitarbeiterInnenundKundenZieleverein bartwerden.EinZielkannundmusszumBeispielderAbbaudesdurchschnittlichenZah lungszielessein.EinersterSchritthierzuistderstufenweiseAbbauderMahnstufen,sprich von der 5. Mahnstufe auf die 4. Mahnstufe, von der 4. Mahnstufe auf die 3. Mahnstufe usw.EinanderesZielkannundmussdieVermeidungvonRücklastschriftensein,dadiese äußerstnegativaufdieBonitätsbeurteilungdurchschlagen.DazuistzumeinenderKunde rechtzeitig über die bevorstehende Abbuchung zu informieren und zum anderen muss sichauchderKunderechtzeitigmelden,wennerProblemewegenReklamationen,Liefer terminen oder Liquiditätsengpässen hat. Auch hier gilt es, gemeinsam mit dem Kunden einZielundeinenWegdahinzuvereinbarenunddiesauchentsprechendzuüberwachen. Turnusmäßig prüft die ZEG im Rahmen des Forderungscontrollings die offenen Forde rungen.WesentlicheEckpunktesindhierbei:
႑VollständigeundrichtigeKundenstammdaten. ႑VollständigeBonitätsundRatingprüfungen. ႑BeachtungderAndienungsgrenzeausdemKreditversicherungsvertragsowieÜberwa chungderVersicherungssummen.
႑PrüfungvonLimitüberschreitungen. ႑EinhaltungderHöchstkreditgrenzenach§49Genossenschaftsgesetz. ႑Struktur,AlterundBearbeitungsstatusvonZahlungsrestenundReklamationen. ႑BerechnungdesDSOundAbgleichmitdenZielvereinbarungen. ႑KreditzielüberschreitungeninderWarenkreditversicherungundimFactoring. ႑PrüfungvonRücklastschriften. ႑GesamtüberblicküberdieForderungsstrukturundMahnstufen. ႑Anzahl,HöheundStrukturderInkassofälle,InsolvenzenundForderungsausbuchungen.
26
1.8
Bernd Oppenländer
Rating als Instrument der Mitgliederbindung
DiedeutlicheVerbesserungderBonitätdereinzelnenMitgliedsbetriebeversetztdieZEG indieLage,größereundlangwierigeAufträgemitihrenMitgliedernzurealisieren.Natür lich kann dabei die ZEG nicht die Funktion der Hausbank übernehmen, aber in der An bahnung der Aufträge die Stärke zeigen, die auch das Mitglied braucht, um gegenüber seinenAuftraggebernselbstbewusstauftretenzukönnen. AuchimZusammenspielmitdenHausbankenbildetdieMitgliedschaftinderGenossen schafteinesichereBasis.DashateinpraxisorientiertesForschungsprojektdesZGVZent ralverbandgewerblicherVerbundgruppene.V.inBerlineindeutigunterBeweisgestellt.In dieser Studie unter der Leitung von Prof. Dr. Theresia Theurl vom Centrum für ange wandte Wirtschaftsforschung an der Universität Münster in Zusammenarbeit mit dem Verband der Vereine Creditreform e.V. bleibt als markanter Ergebnissatz stehen: „Ver bundgruppenmitgliederweisentendenzielleingeringeresRisikoauf(gemessendurchden CreditreformBonitätsindex) als strukturell vergleichbare nicht kooperierende Unter nehmen.“ AufBasisdieserStudievergibtdieZEGanihreMitgliederzurVerbesserungderBonität und der Verhandlungsposition bei Bankgesprächendas„ZertifikatfürdieVerbundgrup penmitgliedschaft“. Dieses wurde über den ZGV entwickelt und innerhalb der Banken gruppenbekanntgemacht.DieBonitätmussfüralleHandwerksbetriebeoberstePriorität haben,dennnurdamitwirdeinlangfristigesÜberlebengesichert. Die Bonitätseinstufung und die permanente Verbesserung des Ratings der Mitgliedsbe triebe bildet damit die Basis sowohl der gesellschaftsrechtlichen Bindung über die Mit gliedschaftalsauchdieGrundlageeinererfolgreichenLieferantenKundenbeziehung.Sie werdendamitzuwesentlichenBestandteileninnerhalbdesCRMderZEG.
Bedeutung des Debitorenratings für das Working Capital Management
2
27
Bedeutung des Debitorenratings für das Working Capital Management
BiancaHeyke/MichaelStahl 2 2.1 2.2 2.3 2.3.1 2.3.2 2.4 2.4.1 2.4.2 2.5
2.1
BedeutungdesDebitorenratingsfürdasWorkingCapitalManagement.............27 EinordnungdesDebitorenratingsindasWorkingCapitalManagement............27 RelevanzdesWorkingCapitalManagement............................................................28 DebitorenmanagementalsBestandteildesWorkingCapitalManagement.........29 AuswirkungeneinesaktivenDebitorenmanagementsaufdie Liquiditätssituation.......................................................................................................29 DebitorenratingalsBausteindesDebitorenmanagements.....................................32 DebitorenratingimweiterenundimengerenSinne................................................32 DebitorenratingimweiterenSinne.............................................................................33 DebitorenratingimengerenSinne..............................................................................39 Fazit.................................................................................................................................43 Literatur..........................................................................................................................44
Einordnung des Debitorenratings in das Working Capital Management
Wie die folgende Darstellung veranschaulicht, versteht sich Debitorenrating als ein Bau steindesDebitorenmanagements.LetzteresistwiederumeinederdreiKomponentendes WorkingCapitalManagements. Im folgenden Beitrag soll dargestellt werden, wie das Working Capital Management zur SteigerungderInnenfinanzierungskrafteinesUnternehmensdienenkann.Wirkungsvolle UnterstützungkannhierbeidasDebitorenratingleisten.
G. S. Becker, O. Everling (Hrsg.), Debitorenrating, DOI 10.1007/ 978-3-8349-6377-2_2, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
28
Bianca Heyke / Michael Stahl
Abbildung 2.1:
Einordnung des Debitorenratings in das Working Capital Management (Eigene Darstellung)
Working Capital Management DebitorenManagement
Debitorenrating / Bonitätsanalyse
Preisgestaltung
Vorrats-Management
Zahlungsbedingungen
Rechnungsstellung
KreditorenManagement
…
Mahnwesen
hat Einfluss auf
2.2
Relevanz des Working Capital Management
Insbesondere in Zeiten einer Zurückhaltung der Banken bei der Kreditvergabe sowie bei starkrückläufigenUmsätzensindvieleUnternehmengezwungen,nachMöglichkeitenzur Stärkung der Innenfinanzierungskraft – auch zur Vermeidung von Liquiditätsengpässen und somit Insolvenzrisiken– zu suchen. Allerdings sollten nicht erst die restriktive Kre ditvergabevonBankensowieeingeschränkteMöglichkeitenderweiterenAußenfinanzie rungalternativeneinAnlasssein,MaßnahmenzurLiquiditätsverbesserungzuidentifizie renundimUnternehmenzuimplementieren. Eine allgemeine Optimierung des Working Capital birgt erhebliche Möglichkeiten der Freisetzung von Liquiditätsreserven, welche nahezu alleine in der Hand des Unterneh mensliegen. UnterWorkingCapitalwirddasErgebnisausForderungenzzgl.Vorrätenabzgl.Verbind lichkeiten verstanden. Entsprechend geht es bei der Reduzierung des Working Capitals um die Freisetzung liquider Mittel über eine Optimierung der Bilanzposten Verbindlich keiten,VorräteundForderungenundsomitumdiezielgerichteteSteuerungdesEinkaufs undBezahlungsprozesses,desLagerundHerstellungsprozessesunddesVerkaufsprozes ses.Zusammengefasstbedeutetdies:WesentlichesZielistes,dasgebundeneUmlaufver mögenmöglichstniedrigzuhalten.DarausresultierteineVerbesserungsowohlderLiqui ditätsundKostensituation(Finanzierungskosten)alsauchderVerzinsungdeseingesetz tenKapitalsundsomiteinenachhaltigeSteigerungdesUnternehmenswertes.
Bedeutung des Debitorenratings für das Working Capital Management
2.3
29
Debitorenmanagement als Bestandteil des Working Capital Management
Ein wesentlicher Bestandteil des Working Capital Managements ist das Debitoren management. Es wird anhand eines Modells gezeigt, wie sich die Reduktion der ausste henden Forderungen auf die Liquiditätssituation, bspw. durch eine Verbesserung des MahnwesensoderderVereinbarungkürzererZahlungsziele,mitdenKundenauswirken. EineFreisetzungvonLiquiditätsreservenisthierdurchbereitshäufigkurzfristigerzielbar undkanninsbesondereinKrisensituationenhelfen,Insolvenzrisikenabzuwenden. Aber auch in Zeiten des Unternehmenswachstums – im Rahmen der Finanzierung des AufbausvonLagerbeständeninVorbereitungdessteigendenUmundAbsatzes–hatdas WorkingCapitalManagementeinenhohenStellenwert.Eswirddargestellt,welchenBei trag ein aktives Debitorenmanagement in Aufschwung oder Wachstumsphasen liefern undsomitdieunternehmerischeUnabhängigkeitvonFremdkapitaloderneuenEigenka pitalgebernerhaltenbleibenkann.HäufigwirddieGefahreinesLiquiditätsengpasses,der inAufschwungphasenundsomitauchnacheinemTurnaroundeintretenkann,unterschätzt.
2.3.1
Auswirkungen eines aktiven Debitorenmanagements auf die Liquiditätssituation
VieleUnternehmenunterschiedlichsterBranchenmüssengeradeinZeiteneinesallgemei nenwirtschaftlichenAbschwungs,starkeRückgängederUmsätzeverkraften.Ferneristzu beobachten, dass die Kunden der Unternehmen, die häufig ebenfalls mit sinkenden Um sätzenkonfrontiertsind,ihreoffenenRechnungenspäterbegleichen.1DiefolgendeAbbil dung stellt die Auswirkungen eines UmsatzrückgangszusammenmiteinemAnstiegder sog.„dayssalesoutstanding“(DSO)2aufdieLiquiditätspositiondar.3 Der Umsatzrückgang um 15,0 Mio. Euro auf 30,0 Mio. Euro führt zu einer Verschlechte rungdescashwirksamenEBITDAauf1,5Mio.EuroimQuartal.InKombinationmiteiner verzögerten Begleichung der Forderungen (Anstieg der DSO führt zu um mehr als 10,0 Mio.EurogeringerenZahlungseingängenimApril)verringertsichdieverfügbareLiquidi tätimzweitenQuartaldramatisch.
EineAnalysederAltersstrukturlistederDebitorenwirdimZeitvergleicheinendeutlichenAnstieg derüberfälligenZahlungenzeigen. 2DieKennzahlDSOgibtan,wievieleTagezwischenRechnungsstellungunddemZahlungseingang vergehen.SieistinsofernalsEffizienzgrößefürdasDebitorenmanagementzubetrachten. 3DasModellbasiertaufdenfolgendenAnnahmen:EinUnternehmengenerierteinenQuartalsumsatz vonEUR45,0Mio.BeikonstantenFixkostenvonEUR12,0Mio.undeinerHerstellungskostenquote von65,0%wirdeincashwirksamerEBITDAvonEUR4,0Mio.imQuartalerzielt.Abdemzweiten QuartalgehtderUmsatzaufEUR30,0Mio.zurück. 1
30
Bianca Heyke / Michael Stahl
in €m
Liquiditätsposition bei kombiniertem Umsatzrückgang und verzögerter Forderungsbegleichung (Anstieg der DSO) (Darstellung: Deloitte)
20.0
140
15.0
120
10.0
100
5.0
80 60
(5.0) (10.0)
Jan
Feb
Mar
Apr
Q1 FY1
May Q2 FY1
Jun
Jul
Aug
Sep
Q3 FY1
-8.17
in Tagen
Abbildung 2.2:
40 20 -
(15.0) Umsatz
EBITDA (cashw irksam)
Veränderung WC
Liquiditätseffekt kumuliert
DSO
Abbildung 2.3 zeigt die Liquiditätsposition eines Unternehmens, dem es durch aktives Forderungsbzw.Debitorenmanagementgelingt,dieLiquiditätspositionentscheidendzu verbessern.DasUnternehmenistdurchbspw.eineVerbesserungdesMahnwesensinder Lage,dieDSOkonstantzuhalten.DerVergleichzwischendenSzenarienzeigteinenum bis zu rd. 18,0 Mio. Euro höheren Bestand an Liquidität, sofern es dem Unternehmen durch aktives Debitorenmanagement gelingt, den Zeitraum zwischen Rechnungsstellung undbegleichungaufdem„VorkrisenNiveau“zuhalten. Das Erfordernis eines aktiven Debitorenmanagements ergibt sich allerdings nicht nur in Krisensituationen, sondern im gesamten „Lebenszeitraum“ eines Unternehmens. Insbe sonderewirdhäufigdiedrohendeLiquiditätsfalleimodernachdemStadiumdesTurna roundvergessen,dieeszu„kontrollieren“gilt. IndemModellwirdabdemviertenQuartaleineSteigerungdesUmsatzesunterstellt.Die DSO können im gesamten Betrachtungszeitraum konstant gehalten werden. Dennoch ergibtsicheinestarknegativeLiquiditätssituation.DerUmsatzanstiegistmiteinemhohen Liquiditätsverbrauch verbunden. Es zeigt sich im Turnaround die Gefahr einer weiteren Liquiditätskrise durch den im Vergleich zum Umsatz überproportionalen Anstieg des absolutenBetragesdesWorkingCapital.
Bedeutung des Debitorenratings für das Working Capital Management
Abbildung 2.3:
Liquiditätsposition bei Umsatzrückgang und aktivem Forderungs(Debitoren-)management (Darstellung: Deloitte)
25.0 20.0
in €m
15.0
9.61
10.0 5.0 Jan
(5.0)
Feb
Mar
Apr
Q1 FY1
May
Jun
Jul
Q2 FY1
Aug
Sep
90 80 70 60 50 40 30 20 10 -
in Tagen
31
Q3 FY1
Umsatz
Veränderung Net trade w orking capital
EBITDA (cashw irksam)
Liquiditätseffekt kumuliert
DSO
Abbildung 2.4:
Liquiditätsfalle Turnaround (Darstellung: Deloitte)
90
30.0
80 20.0
70 60
10.0
50 40
Jan (10.0)
Feb
Mar
Apr May
Jun
Jul
Aug Sep
Oct
Nov Dec
30 20
Q1 FY1
Q2 FY1
Q3 FY1
Q4 FY1 -9.33
(20.0)
10 -
Umsatz Veränderung WC DSO
EBITDA (cashw irksam) Liquiditätseffekt kumuliert
in Tagen
in €m
9.61
32
2.3.2
Bianca Heyke / Michael Stahl
Debitorenrating als Baustein des Debitorenmanagements
Weitreichende und strategische Einflussmöglichkeiten auf die nachhaltige Reduzierung des Working Capital können durch die Bearbeitung des Kundenportfolios eines Unter nehmens erreicht werden. In der zuvor vorgestellten Situation ist das Unternehmen auf eineschnelleUmsatzrealisation(niedrigeDSO)angewiesen.ZudemsolltedieProfitabilität des Kundenstammes näher untersucht und nach Möglichkeit die Geschäftstätigkeit mit „profitablenKunden“forciertwerden. Der in den weiteren Ausführungen vorgestellte Ansatz des Debitorenratings berücksich tigt neben der klassischen Profitabilitätsanalyse (Kundendeckungsbeitragsanalyse) auch Kapitalbindungs und Risikokosten. Bei diesem Debitorenrating im weiteren Sinne, wel chesalsBestandteildesDebitorenmanagementszuklassifizierenist,gehtesumdieErmitt lung des Wertbeitrags, den einzelne Kunden zum Unternehmenserfolg leisten. Über eine graphische Visualisierung der Ergebnisse bspw. anhand einer Clusterung des Kunden portfoliossindeinzelneMaßnahmenbishinzurAufgabederKundenbeziehungableitbar undeskönnenSchwerpunkteinderAnalyse–bspw.TimetoCashüberdieBetrachtung derDSO–gesetztwerden. NebeneingeräumtenPreisnachlässensowiegewährtenZahlungszielenistdieBonitätsana lyse ein wesentlicher Bestandteil bei der Bewertung der Kundenprofitabilität (Debitoren ratingimengerenSinne).DerAusfallvonForderungenführtzueinemzeitnahenLiquidi tätsverlust.MaßnahmendesDebitorenratingsdienender„Vorauswahl“bzw.beilangfris tigen Geschäftsbeziehungen der stetigen Überwachung der finanziellen Situation des Kunden. Das Erfordernis eines Debitorenratings steigt entsprechend der Kundenabhän gigkeitdesUnternehmensbzw.derKundenkonzentration.
2.4
Debitorenrating im weiteren und im engeren Sinne
EinbedeutenderTeildesDebitorenmanagementsbestehtimRatingderDebitoren.Esgibt hierbei zwei Ausprägungen des Begriffsverständnisses. In einem weiteren Sinne wird unter diesem Begriff die Beurteilung der Werthaltigkeit der Kundenbeziehung (Kunden profitabilitätsberechnung) verstanden. Im (klassischen) engeren Sinne versteht sich das DebitorenratingalsBeurteilungderKreditwürdigkeiteinesKunden,respektivederBeur teilungdesindividuellenAdressenausfallrisikos.
Bedeutung des Debitorenratings für das Working Capital Management
2.4.1
33
Debitorenrating im weiteren Sinne
Kundenprofitabilität Verschiedene Faktoren beeinflussen den Wertbeitrag einer Geschäftsbeziehung. Neben den erzielten (Brutto)Umsatzerlösen sind sowohl die Höhe der Rabatte und Skonti wie auchprodukt,auftragsundkundenspezifischeEinzelundProzesskosten,aberauchdie HäufigkeitvonBeanstandungenoderdieRückgabedererhaltenenWareunddieKontinu itätderWarenabnahmevonBedeutung.NachfolgendeGrafikzeigtdiesukzessiveErmitt lungvonKundendeckungsbeiträgen.4 Abbildung 2.5:
EUR
Aufbau der (statischen) Kundenprofitabilitätsrechnung (in Anlehnung an: Fischer/von der Decken, 1999)
Bruttoumsatz
Nettoumsatz
Kundendeckungsbeitrag I
Kundendeckungsbeitrag II
Erlösschmälerungen
Produkteinzelkosten
Auftrags- Kundeneinzeleinzelkosten kosten
Produktprozesskosten
Auftrags- Kunden- Kosten prozess- prozessnicht kosten kosten benötigter Kapazitäten
Zudem beeinflussen auch eingeräumte Zahlungsziele, die Zahlungsverlässlichkeit und nichtzuletztdasRisikoeinesmöglichenZahlungsausfallsdesKunden(Adressenausfallri siko)denWerteinerKundenbeziehung.ImRahmeneinererweitertenKundenprofitabili tätsrechnungseiendamitdievorgenanntenKundendeckungsbeiträge(KD)umdieKosten der Vorfinanzierung der Lagerhaltung, der Vorfinanzierung der Umsätze (Einräumung vonZahlungszielenundZahlungsverhaltendesKunden)sowiederRisikokostenergänzt.
4FüreineeinführendeBehandlungderThematikProzesskostenrechnungundActivityBasedCosting,
insb.derBerechnungderKundendeckungsbeiträgevgl.auchFischer,vonderDecken(1999).Diese schlagenzurProfitabilitätssteigerungfolgendeMaßnahmenvor:ÄnderungdesPreisniveaus,Sen kungderKostenderKundenbindung,ReduzierungderArtundMengedervomKundeninAn spruchgenommenenUnternehmensressourcen,SteuerungderSortimentsentscheidungdesKunden, PositionierungdesUnternehmensbeimKunden.
34
Bianca Heyke / Michael Stahl
Kundenprofitabilität
= ./. ./. ./.
Kundendeckungsbeitrag KapitalkostenderLagerhaltung KapitalkostenderVorfinanzierung RisikokostenderVorfinanzierung
KapitalkostenderLagerhaltung5
= x x /
ØMaterialkosten (DIO–DPO) Kapitalkosten TagedesBetrachtungszeitraumes
KapitalkostenderVorfinanzierung6 = x x /
Umsatz DSO Kapitalkosten TagedesBetrachtungszeitraumes
RisikokostenderVorfinanzierung
= ØForderungsbestand x AusfallwahrscheinlichkeitdesKunden
DienachfolgendeDarstellungillustriertzweiSituationenausgehendvoneinemeinheitli chenNiveau(bspw.desgem.Abbildung2.5ermitteltenKundendeckungsbeitragesII).Im ersten Szenario handelt es sich um einen Kunden mit kurzen Zahlungszielen, der seinen Zahlungsverpflichtungen regelmäßig nachkommt. Entsprechend sind die DSOs ver gleichsweise niedrig. Zudem handelt es sich in diesem Fall um einen Kunden mit guter Bonität,sodassdieRisikokostenderVorfinanzierunggeringsind.Imzweitenbetrachteten Szenario sind zwar die Kapitalkosten der Lagerhaltung im Vergleich zu Kunde 1 gleich hoch,jedochsinddieZahlungszielelänger.TeilweisebegleichtderKundeseineRechnun genwenigeWochennachdemvereinbartenZahlungsziel.DieDSOssindgegenüberdem erstenKundensomitdeutlichhöher.DarüberhinaushaltensichinderBranchehartnäckig GerüchteüberKunden2alsfinanziellen„Wackelkandidaten“. Eine Grobanalyse der von dem Kunden eingereichten Finanzzahlen indiziert eine leicht angespanntefinanzielle Situation.ImVergleichzuKunde1istdasAusfallrisikodesKun den2erheblichhöher.
5DieKapitalkostenderProduktionsindzuKalkulationszweckeninderDauerderLagerhaltung
enthalten.InAbhängigkeitvonderBranchekanndieProduktionsdauerdieDauerderLagerhaltung umeinVielfachesüberschreiten(bspw.KlavierherstellermiteinerProduktionsdauervonbiszu übereinemJahr).ZudemsinddieVerbindlichkeitentage(DPO)vondenTagenderLagerhaltungin Abzuggebracht,dadiesedieKapitalkostenmindern. 6AlternativkannauchfolgendeFormelverwendetwerden:KapitalkostenderVorfinanzierung=
ØForderungsbestandxKapitalkosten/TagedesBetrachtungszeitraumesx365
Bedeutung des Debitorenratings für das Working Capital Management
Abbildung 2.6:
EUR
35
Kundenprofitabilität nach der Berücksichtigung von Kapital und Risikokosten (Darstellung: Deloitte)
Kunde 1
Kunde 2
Kundendeckungsbeitrag II
Kundendeckungsbeitrag II
! Risikokosten der Vorfinanzierung
Kundenprofitabilität
Kundenprofitabilität
Kapital- KapitalRisikokosten kosten kosten der der der Lager- Vorfinan- Vorfinanhaltung zierung zierung
Kapitalkosten der Lagerhaltung
Kapitalkosten der Vorfinanzierung
Wie dieses Beispiel verdeutlicht, kann die Profitabilität unterschiedlicher Kunden trotz ähnlicher Kundendeckungsbeiträge erheblich von einander abweichen. Insbesondere be einflussen unterschiedliche Zahlungsziele und die kundenseitige Zahlungstreue sowie UnterschiedeinderBonitätdesKundendieAbweichungbeträchtlich. Das Wissen um die Kosten der Vorfinanzierung und des Risikos ist daher ein zentraler BausteindesUnternehmenscontrollings.EinerdurchKapitalundRisikokostenverursach tennegativenKundenprofitabilitätkanneinUnternehmenüberverschiedeneHandlungs optionengegensteuern.KapitalkostenderLagerhaltunglassensichübereineSenkungdes LagervolumensodereineverkürzteLagerdauererreichen.DaindieserPositionkalkulato risch die positiven Kapitalkosten aus den ausstehenden Verbindlichkeiten Lieferungen und Leistungen enthalten sind, können die Kapitalkosten zudem über eine Ausweitung derVerbindlichkeitenLuLoderverlängerteZahlungszielebeiLieferantengesenktwerden. Die Kapitalkosten der Vorfinanzierung lassen sich über verkürzte Zahlungsziele (oder Vorkasse)sowieeinstrikteresMahnwesenteilweiseerheblichsenken. AuchdieRisikokostenkönnenübereineSenkungdesausstehendenForderungsvolumens oder eine verbesserte Besicherung gezielt auf Basis individueller Vereinbarungen verrin gertwerden.7
7ÜbereineVerkürzungderZahlungszieleundÜberwachungderZahlungstreuedurcheinstrikteres
MahnwesenisteineReduzierungdesForderungsvolumensmöglich.IneinerextremenAusprägung könnendieRisikokostendurchVorkasseaufnullgesenktwerden.IndiesemFallewürdensichdie KapitalkostenderVorfinanzierungin„Kapitalerträge“derVorfinanzierungwandeln.Danundas UnternehmendurchdenKunden„vorfinanziert“würde.
36
Bianca Heyke / Michael Stahl
Abbildung 2.7:
EUR
Erhöhung der Kundenprofitabilität (nach Berücksichtigung von Kapitalund Risikokosten) über risikoinduzierte Anpassungen der Zahlungsmodalitäten (Eigene Darstellung)
Kunde 2 (nach risikoinduzierten Anpassungen der Zahlungsmodalitäten)
Kunde 1
!
Kundendeckungsbeitrag II
Kundendeckungsbeitrag II
Risikokosten der Vorfinanzierung Kundenprofitabilität Kundenprofitabilität
Kapitalkosten der Lagerhaltung
Kapitalkosten der Vorfinanzierung
Kapital- Kapitalkosten kosten der Lagerder haltung Vorfinanzierung
Risikokosten der Vorfinanzierung
Clusterung des Kundenstammes über Kundenprofitabilität und DSO Es existieren verschiedene Möglichkeiten zur grafischen Visualisierung der Ergebnisse. DieDarstellungsollteinAbhängigkeitderAnalysezielegewähltwerden.Insbesonderein SituationenangespannterLiquiditätslagekommtderBetrachtungderDSOeineerhebliche Bedeutungzu.EsempfiehltsichsomiteineClusterungdesbetrachtetenKundenstammes nachKundenprofitabilitätundDSOjeKunde. DadergesamteKundenstammmituntersehrgroßseinkann,solltesicheineersteAnalyse auf die bedeutendsten Kunden (bspw. Top20 nach Umsatz, Forderungshöhe o.ä.) be schränken. GrundsätzlichwerdenprofitableundschnellzahlendeKundenbevorzugtundimoberen linkenBereichderMatrixzufindensein.DementsprechendwerdenKundenmitniedriger ProfitabilitätundlangerZahlungsdauerimunterenrechtenBereichderMatrixabgebildet. Wie die folgende Darstellung zeigt, ist die relative Profitabilität (Kundenprofitabili tät/Umsatz)fürdieKundendesBeispielunternehmenssehrunterschiedlich.Zudemliegen die Zahlungsziele der Kunden weit auseinander. Für den wichtigsten Kunden des Bei spielunternehmensoffenbartdieMatrix,dassdiesereineleichtnegativeProfitabilitätauf weistunddasUnternehmenaufgrundderhohenDSOlangeaufeineZahlungwartet–er befindetsichsomitimunterenrechtenBereichderMatrix.DasBeispielunternehmenwird fürdieEinkäufedesKundensomitzumkurzfristigenKreditgebermitDarlehenslaufzeiten vonrd.110Tagen–alsofastvierMonaten.FolglichmussdasUnternehmendiegewährten KrediteüberdiesenZeitraumselbstrefinanzieren.ZudembedeutetdaslangeZahlungsziel desHauptkundeneinesignifikantverschlechterteLiquiditätslage.
Bedeutung des Debitorenratings für das Working Capital Management
Abbildung 2.8:
37
Kundenprofitabilität (in % zum Umsatz) vs. DSO (in Tagen) je Kunde (Darstellung: Deloitte)
Profitabilität/ Umsatz 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0%
wichtigsteKundenbeziehung
10% 20% 25 Größe der
0
25
50
75
100
125
DSO
Kunden in Abhängigkeit vom Umsatz
An dem vorgenannten Kunden seien die Kapitalkosten für das Unternehmen durch die Vorfinanzierung des Kunden aufgezeigt. Bei einer Umsatzhöhe von 10Mio. Euro und einerdurchschnittlichenZahlungsdauervon110TagenbeträgtdiedurchschnittlicheFor derungshöhe über 3Mio. Euro. Die Kapitalkosten des Unternehmens für diesen Kunden belaufen sich bei einem Kapitalkostensatz von 10% auf 305.000 Euro pro Jahr. Durch die ReduzierungderZahlungsdauerum10Tageauf100TagewürdedasUnternehmenüber mehrals275.000EuroanzusätzlicherLiquiditätverfügen.ZudemwürdensichdieKapi talkostenfürdiesenKundenumfast28.000Euroreduzieren. Abbildung 2.9:
Verbesserung der Liquiditätssituation und der eigenen Kapitalkosten durch Reduzierung der Forderungsdauer (Darstellung: Deloitte)
Ausgangssitutation Umsatz (EUR) DPO, Zahlungsdauer (Tage) Ø-Forderungshöhe (EUR) Kapitalkostensatz (%, p.a.) Ø-Kapitalkosten (EUR, p.a.)
Reduzierung Zahlungsdauer um 10 Tage
Einsparung durch reduzierte Zahlungsdauer
10.000.000 110 3.055.556
10.000.000 100 2.777.778
10 277.778
10% 305.556
10% 277.778
27.778
38
Bianca Heyke / Michael Stahl
Insbesondere in Krisensituationen, in denen ein Unternehmen erheblichen Ertrags und Liquiditätsproblemen ausgesetzt ist, muss die Werthaltigkeit einer Kundenbeziehung kritisch hinterfragt werden. Das Ergebnis dieser Beurteilung kann ein schnelles Handeln erfordern. Für ein Krisenunternehmen stellt die Fortführung jeder Kundenbeziehung mit negativerWerthaltigkeiteineexistentielleBedrohungdar. Zudem gilt in einer Krisensituation im Zweifel „Liquidität vor Rentabilität“! Zwar darf dieser Grundsatz nicht dauerhaft verfolgt werden, da sonst der nachhaltige Unterneh menserfolg gefährdet ist, jedoch kann er kurzfristig zum Überleben des Unternehmens beitragen. In Krisenzeiten sollten daher die Zahlungskonditionen für sämtliche Kunden mitlangenZahlungszieleneinerintensivenPrüfungunterzogenwerden.
Entscheidung auf Basis der Analyse der Kundenprofitabilität DieKenntnisüberdenWertbeitrageinerKundenverbindungistfüreinUnternehmenaus vielschichtigen Gründen sehr wichtig. Grundsätzlich sollte eine Kundenverbindung nur fortgeführt werden, sofern diese einen positiven Wertbeitrag leistet. Ist dieser negativ, muss eine unveränderte Fortführung zumindest geprüft werden. Gegebenenfalls gibt es geschäftspolitischeRechtfertigungenoderstrategischeErwägungen,diefüreineAufrecht erhaltung sprechen oder es traten in der Betrachtungsperiode einmalige hohe Aufwen dungen (bspw. für eine Kundenakquisition) auf, die sich nicht wiederholen werden. An dernfallsistzuuntersuchen,obeineProfitabilitätdurchdieÄnderungvonvertraglichen Rahmenbedingungen (u.a. Preise, Mengen, Zahlungsziele, Qualitätsniveau) erreicht wer denkannoderdieGeschäftsbeziehungmitdemKundenaufgegebenwerdensollte.8 DieausderBewertungderKundenbeziehungerhaltenenErgebnissedienenalsUnterstüt zung bei der Entscheidung eine Kundenbeziehung fortzuführen oder zu beenden. Zwar versuchtdieBewertungmöglichstvielerelevanteBewertungskomponentenzuberücksich tigen, jedoch kann ein mathematisches Modell nur eine Annäherung an die komplexe Wirklichkeit sein.9 Die Ausgabe erfolgt in einer verdichteten Kennzahl. Zudem können fehlerhafte Eingabedaten oder nicht in das Modell eingegangene Kostenpositionen zu fehlerhaftenHandlungsempfehlungenführen.Darüberhinausistzuberücksichtigen,dass AnalysenaufhistorischenDatensätzenmithoherWahrscheinlichkeitnichtunverändertin die Zukunft fortgeschrieben werden können, da sich die Rahmenbedingungen für das Unternehmen kontinuierlich ändern. Das Unternehmen muss sich im Zeitablauf fortdau ernd veränderten Rahmenbedingungen stellen, welche sich bspw. in einem geänderten Wettbewerbsumfeld, einer veränderten Nachfragesituation oder einem umgestellten Pro duktprogrammzeigen.DasUnternehmendurchläuftverschiedeneWirtschaftszyklenund auch die eigene Organisation unterliegt einem ständigen Wandel mit entsprechenden AuswirkungenaufdieAbsatzundKostenstrukturundsomitauchdieProfitabilität.
8Vgl.hierzuauchausführlichPearce(1997),Kaplan(1992),Kaplan,Cooper(1997). 9SpätestensdieFinanzkriseinderZeitabdemJahr2007hatgezeigt,dassEntscheidungen,dieaus
schließlichaufmathematischenModellenbasieren,nichtfehlerfreiseinmüssenbzw.dieWirklich keitnichtvollständigabbildenkönnen.
Bedeutung des Debitorenratings für das Working Capital Management
39
DahermagsicheineheuteprofitableKundenbeziehunginkurzerZeitineineKundenbe ziehung mit negativem Wertbeitrag wandeln. Auch ist es möglich, dass eine bislang un profitable Geschäftsbeziehung aus verschiedensten Gründen profitabel werden kann. Es giltsomitaufdenVergangenheitsdatenalsGrundlageaufsetzendundunterBerücksichti gungvorhandenerInformationenübereineMarktbeobachtungundeinschätzungdiekünf tigeMarktundNachfrageentwicklungbestmöglichfürdieeigenenPlanungenzunutzen. Abbildung 2.10: Entscheidungsbaum in Abhängigkeit des Wertbeitrages eines Kunden (Darstellung: Deloitte)
Kundenprofitabilität (Kundendeckungsbeitrag)
Berücksichtigung von Kapital- und Risikokosten
Positiver Wertbeitrag?
nein
Einmalige Effekte enthalten (bspw. durch Akquisitionsaufw and)
nein
ja
Bedeutende strategische oder geschäftspolitische Gründe für eine Fortführung der Kundenbeziehung?
ja
nein
Einmalige Effekte entfernen
Überprüfung der Rahmenbedingungen (Preise, Mengen etc.)
Anpassungen zur Steigerung der Profitabilität
Anpassungen zur Steigerung der Profitabilität möglich?
ja
ja
ja
nein Fortführung der Geschäftsbeziehung (ggf. Prüfung der Steigerung der Profitabilität)
2.4.2
Intensive Prüfung einer möglichen Beendigung der Geschäftsbeziehung
Fortführung der Geschäftsbeziehung (ggf. Prüfung der Steigerung der Profitabilität)
Debitorenrating im engeren Sinne
Wie die vorstehenden Ausführungen gezeigt haben, ist die Einschätzung des Adressen ausfallrisikosimRahmeneinerBonitätsprüfungdesKunden(Debitorenratingimengeren Sinne)einewichtigeKomponentebeiderBeurteilungdesWerteseinerKundenbeziehung. Insbesondere für Transaktionen mit Kontrahenten, die nicht durch eine bestehende Kre ditversicherung abgedeckt werden, ist die Beurteilung des Adressenausfallrisikos von erheblicherBedeutung.
Bedeutung der Beurteilung des Adressenausfallrisikos Die gesamten Lieferantenkredite in Deutschland summieren sich inzwischen auf 330Mrd.EuroundübersteigendamitdasvonBankenausgegebenekurzfristigeKreditvo lumen.10 ImGegensatzzuBanken,welche–schonalleineaufgrundregulatorischerAnfor
10EulerHermes(2009),S.3.
40
Bianca Heyke / Michael Stahl
derungen – ausgefeilte Systeme zur Ratingerstellung bzw. Bonitätsanalyse vorhalten, be schränktsichdas„Debitorenrating“beieinerVielzahlvonkleinenundmittelständischen UnternehmenaufdieEinholungeinerBonitätsauskunftbeiKreditversicherernoderAus kunfteien.JenachErgebnisderAuswertungdieserInformationenundHistoriederKun denbeziehungwerdenentsprechendeKundenlimitsvergeben. Sicherlich gehört die Einschätzung des Kredit bzw. Adressenausfallrisikos zu den Kern kompetenzeneinesKreditinstitutes;demgegenüberwirddieKreditvergabeundBonitäts beurteilungnichtalsvorrangigeAufgabeeinesIndustrieunternehmensgesehen.DieWir kung eines Forderungsausfalls trifft jedoch den Gläubiger unabhängig davon, ob es sich umeinFinanzinstitutodersonstigesUnternehmenhandelt. Möglicherweise sind – in Abhängigkeit des Geschäftsvolumens, der Außenstände eines Kunden und der Besicherung – die Verluste bei einem Forderungsausfall für das Unter nehmen existenzbedrohend. Auch können mehrere Forderungsausfälle kleinerer Kunden die Ergebnis und Liquiditätssituation des Unternehmens erheblich belasten.11 Dies zeigt nicht zuletzt die Dringlichkeit und Bedeutung der Einführung oder Verbesserung eines bestehendenDebitorenratingsauf. InFällengrößererbzw.kapitalmarktorientierterKundenliegengegebenenfallsauchexter ne Ratings einer Ratingagentur12 vor, welches die Unternehmen zur Einschätzung der Ausfallwahrscheinlichkeit nutzen können. Ein einheitliches bzw. standardisiertes Rating systemfürDebitorenexistiertbeiUnternehmenaußerhalbdesFinanzsektorsjedochinden seltenstenFällen.13 Æ
ZielisteineobjektiveEinschätzungderKundenbonitätbeiüberschaubarenKosten.
11InFolgeeinesKreditausfallseinerungesichertenForderungdurcheineInsolvenzdesKundener
haltendieGläubigermeistnureineniedrigeeinstelligeQuote(rd.4%derangemeldetenForderung). D.h.beieinerUmsatzrentabilitätdesUnternehmensvon5%mussbeieinemForderungsausfallder 20facheUmsatz(Faktor:1/Umsatzrentabilität)erzieltwerden,umdenForderungsausfallauszugleichen. 12Hierbeiistzubeachten,dasssicheinRatingauchaufdieAnforderungenderzubeurteilenden
Forderungsstrukturbeziehenmuss.InderRegelsindForderungenausLieferungenundLeistungen eherkurzfristigerNatur,sodassbeiHeranzieheneinesexternenRatingszwareinLangfristratingals IndikationeinerBonitätseinschätzung,jedochnichtalsErsatzeinesKurzfristratingsdienenkann. 13DieausgefeiltenRatingsystemevonKreditinstitutenkönnenausdreiGründenkeineAnwendung
finden.ErstenswirddieeigeneRatingsystematikvoneinemKreditinstitutnichtoderhöchstensin rudimentärenZügenpubliziertundderDatenbestandausWettbewerbsaspektenundgesetzlicher Vorgabengeheimgehalten.ZweitenswerdendieKundennurinAusnahmefällenbereitsein,einem LieferantensoumfangreicheFinanzinformationenzurVerfügungzustellen,wiesiediesbeieinem Kreditinstituttun.ZudemerforderteinmiteinemKreditinstitutvergleichbarerAuswertungsumfang einenzuhohenAufwandfürdasUnternehmen.
Bedeutung des Debitorenratings für das Working Capital Management
41
Einschätzung des Adressenausfallrisikos ZurEinschätzungdesAdressenausfallrisikossolltenstandardisierteggf.computergestütz te Verfahren verwendet werden, welche in ihrer Systematik reproduzierbar und in ihren Ergebnissen vergleichbar sind.14 Zudem ist darauf zu achten, dass in die Beurteilung Fi nanzkennzahlen eingehen, die dem Unternehmen von den Kunden (mit hoher Wahr scheinlichkeit)zurVerfügunggestelltwerden. Sofern im Unternehmen kein ausgereiftes System zur Bonitätseinschätzung vorgehalten wird,empfiehltsichfüreinegrobeEinschätzungderBonitätdesKundendieVerwendung weniger Kennzahlen. Hierbei sollten – da es sich um eine Beurteilung der kurzfristigen Zahlungsfähigkeit des Kunden handelt – im Wesentlichen Kennzahlen zur aktuellen Er trags und Liquiditätssituation des Kunden herangezogen werden. Unter vielen für eine BeurteilungderkurzfristigenBonitätdesKundenrelevantenInformationenseienfolgende fünfKennzahlen,welcheRückschlüsseaufdiewirtschaftlicheSituationdesUnternehmens zulassen,inderfolgendenAbbildunggenanntundkurzerläutert. DiegebildetenKennzahlenstehenineinemsachlogischenundrechnerischenZusammen hang.DennochistbeiderBeurteilungihrerAussagefähigkeitundEinschätzungderKun denbonitätaufihrerGrundlagezubeachten,dasseswedereinentheoretischennocheinen empirischenNachweisdafürgibt,überdieseKennzahlendiewirtschaftlicheSituationdes Unternehmenshinreichendundganzheitlichabgebildetzuhaben.15InderRegel–unddas gilt auch für die vorgenannten Kennzahlen – beschränken sich die meisten traditionellen Kennzahlensysteme auf die Analyse einzelner Teillagen eines Unternehmens. Zudem könnendiegebildetenKennzahlennichtunwesentlichvonderBilanzpolitikdesbeurteil tenUnternehmensbeeinflusstwerden.16VordemHintergrundihrerkurzfristigenAussa gefähigkeitisteinePrüfungderKennzahlenaufregelmäßigerBasiserforderlich. Tabelle 2.1:
Kennzahlen zur Einschätzung des Adressenausfallrisikos (Eigene Darstellung)
Kennzahl
Berechnung
Erläuterung
Operative Marge
EBITDA/Umsatz
ÜberdieseKennzahllässtsichdieoperative ErtragskrafteinesUnternehmensermitteln. UnternehmenmiteinerniedrigenEBITDA MargesindkrisenanfälligeralsUnternehmen miteinerhohenEBITDAMarge.
14DieTheorieunterscheidetvorallemsubjektive,quasisubjektivesowieobjektiveRatingverfahren. 15Vgl.Baetge,Kirsch,Thiele(2004),S.522. 16UnternehmenwerdeninwirtschaftlichschlechtenZeitenehereineprogressiveBilanzpolitikverfol
gen,umdieschlechteLagebspw.durchdieAuflösungstillerRücklagenzuverbergen.Vgl.hierzu ausführlichauchBaetge,Kirsch,Thiele(2004),S.532.
42
Krisen signalwert
Bianca Heyke / Michael Stahl
ModifizierterCash Flow(vorSteuern, ohneaußerordentliche Erträge,SBE sowieBeteiligungs erträge)/Summeder Verbindlichkeiten (inkl.passiv,RAP)
MithilfedesKrisensignalwerteskanndieEnt schuldungsfähigkeiteinesUnternehmensbeur teiltwerden.AußerordentlicheErgebnissewer denasymmetrischberücksichtigt,danuraußer ordentlicheAufwendungeninderBerechnung enthaltensind,welchesichineinerKrisensitua tionnurschwersteuernlassen.Aufgrundder BerechnungsweisedeuteteinniedrigerKrisen signalwertaufinsolvenzgefährdeteUnterneh menhin.InsolvenzgefährdeteUnternehmen weiseneinenniedrigen„Krisensignalwert“auf. InLiteraturundPraxisfindensichverschiedene DefinitionendesKrisensignalwertes,dennoch zielensämtlicheAnsätzeindiegleicheStoßrich tung.
Liquidität 1.Grades
Zahlungsmittel/ kurzfristiges Fremdkapital
DieLiquiditäterstenGrades(auchCashRatio) zeigtdieFähigkeitdesUnternehmens,diekurz fristigenZahlungsverpflichtungendurchdie verfügbareLiquiditätzuerfüllen.
Liquidität 2.Grades
(Zahlungsmittel+ kurzfristige Forderungen)/ kurzfristiges Fremdkapital
AlsIndikationderFähigkeiteinesUnterneh mens,seinekurzfristigenVerbindlichkeiten mithilfeseinesGeldvermögenszubezahlen dientdieLiquiditätzweitenGrades(auchQuick Ratio).SolltedieseKennzahlkleinerals1sein, reichtdasverfügbareGeldvermögennichtaus, umsämtlichekurzfristigenVerbindlichkeitenzu decken,wodurchdieGefahreineskünftigen Liquiditätsengpassesstarkansteigt.
Eigenkapital Eigenkapital/ quote Bilanzsumme
EinehoheEigenmittelquoteistKennzeichenfür eineniedrigeVerschuldungundsomitfüreine relativeUnabhängigkeitvonFremdkapitalge bern.AufgrundderVerlustübernahmefunktion vonEigenkapitalminderteinehoheEigenmit telquotegrundsätzlicheinInsolvenzrisiko.
Obwohl sich – insbesondere aufgrund einer schnellen Ergebnisfindung und guten Ver gleichbarkeitvonErgebnissen–diekurzfristigeBonitätsbeurteilungeheraufeinequanti tative Analyse von Finanzkennzahlen fokussiert, sollten aus den vorgenannten Gründen qualitative Informationen und Einschätzungen bei einer Beurteilung der Kundenbonität
Bedeutung des Debitorenratings für das Working Capital Management
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nicht außer Acht gelassen werden. Insbesondere verfügt das Unternehmen bei bereits andauernden Geschäftsbeziehungen über wichtige Informationen hinsichtlich der Zah lungsverlässlichkeitdesKunden.17Zudemkönnenweitereöffentlichverfügbarebzw.über das Marktverhalten beobachtbare Informationen im Rahmen einer Bonitätseinschätzung gesammelt und berücksichtigt werden. Die nachfolgend genannten qualitativen Faktoren zeigen einen Auszug der Faktoren, welche bei einer Beurteilung der Kundenbonität hilf reichsind:
႑ÜberschreitungvereinbarterZahlungsziele(d.h.KundehäufigerinAgingListen) ႑HäufigeÄnderungderZahlungsweise(bspw.wirdSkontonichtmehrgenutzt ) ႑AusbleibendeZahlungenaufangemahnteBeträge ႑GestiegeneNeigungzurReklamation ႑StornierungvonAufträgen ႑BitteumRatenzahlungen ႑HäufigerLieferantenwechsel ႑Bestellungenwerdenkleiner(undevtl.häufiger) 18
2.5
Fazit
DasDebitorenratingalswesentlicheUnterstützungdesDebitorenundinsofernauchdes WorkingCapitalManagementskannwertvolleBeiträgezurkurzfristigensowiezurstrate gischenSteuerungvonKundenportfolienliefern.AufdiesemWegekanndieInnenfinan zierungskraft eines Unternehmens gestärkt, die finanzielle Unabhängigkeit gewahrt oder ZugangzuFremdkapitaloderneuemEigenkapitalüberhauptermöglichtwerden. Die vorstehenden Ausführungen sollten näher gebracht haben, welchen Stellenwert das Debitorenrating für das Debitorenmanagement besitzt. Auf dem Ergebnis des Debitoren ratingsbauensowohlPreisalsauchLieferverhandlungenauf.ZudemistimRahmendes Forderungseinzuges die Bonität des Kunden maßgeblich, denn insbesondere für Forde rungen gegenüber bzw. bei Geschäften mit finanziell schwach aufgestellten Kunden gilt: „Cashisking“! Working Capital Management wird in seiner Bedeutung wie auch in der Breite der An wendungweiterstarkzunehmen.DieUnternehmen,welchesichnichtamWorkingCapi talManagementbeteiligen,werdensichWettbewerbsnachteilengegenübersehen.ImFalle
17Vgl.Meyer(2007),S.53. 18Vgl.auchKaen(1995),S.832;Ngetal.(1999),S.1113.
44
Bianca Heyke / Michael Stahl
des Debitorenmanagement bedeutet dies: „Der Kuchen insgesamt wird nicht größer, je doch ist das Unternehmen, das nicht mitmacht schnell im Nachteil, da es seine Kunden überZahlungszielebzw.offeneForderungenfinanziert.“19
Literatur >@ >@ >@
>@ >@ >@ >@ >@ >@
Baetge,J.;Kirsch,H.J.;Thiele,S.(2004):„Bilanzanalyse“,2.Aufl.,IDWVerlag,Düsseldorf2004. Euler Hermes (2009): „Auf der sicheren Seite – Der richtige Schutz vor Forderungsausfall und seinenFolgen“,in:WirtschaftKonkret,Nr.105,Juni2009. Fischer, T. M., von der Decken, T. (1999), „Kundenprofitabilitätsrechnung in Dienstleistungsge schäften–KonzeptionundUmsetzungamBeispieldesCarRentalBusiness“,WorkingPaper,In golstadtundDüsseldorf1999. Kaen, R. R. (1995): “Corporate Finance: Concepts and Policies”, Cambridge, Massachusetts und Oxford1995. Kaplan,R.(1992):“InDefenseofActivityBasedCostManagement”,in:ManagementAccounting (US),November1992,S.5863. Kaplan,R./Cooper,R.(1997):“Cost&Effect:UsingIntegratedCostSystemstoDriveProfitability andPerformance”,Boston1997. Meyer,C.A.(2007):„WorkingCapitalManagementundUnternehmenswert“,zugl.Dissertation, DeutscherUniversitätsverlag,Wiesbaden2007. Ng,C.K.;Smith,J.K.;Smith,R.L.(1999):“EvidenceontheDeterminantsofCreditTermsUsed inInterfirmTrade”,in:TheJournalofFinance,1999,54(3),S.11091129. Pearce, S. (1997): “ActivityBased Costing – A practical approach”, in: Industrial Distribution, May1997,S.8290.
19AlsähnlichgelagertesBeispielmögendieverlängertenLadenöffnungszeitendienen.Hierwirdder
„Kuchen“grundsätzlichauchnichtgrößer,dadieMenschennichtmehrGeldfürkonsumtiveZwe ckezurVerfügunghaben.JedochwerdenimFalleverlängerterLadenöffnungszeitenderKonkur renzvermehrtKundendenGeschäftendenRückenkehren,die„diesesSpielnichtmitspielen“.
System eines Debitorenratings
3
45
System eines Debitorenratings
FrankoFaul 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7 3.8 3.9
3.1
VomWarenkreditversichererzurDebitorenratingagentur....................................45 AbgrenzungdesDebitorenratings..............................................................................46 AnforderungenaneinleistungsfähigesDebitorenrating........................................47 Dateninput......................................................................................................................47 Throughput....................................................................................................................50 ManuelleModifikationen.............................................................................................53 Output.............................................................................................................................53 Qualitätssicherung........................................................................................................54 EinsatzfelderdesDebitorenratings.............................................................................56
Vom Warenkreditversicherer zur Debitorenratingagentur
FundierteAussagenzumInsolvenzrisikoeinzelnerUnternehmengeltenalsdieKernkom petenz eines Warenkreditversicherers schlechthin: Wer seine Versicherungsnehmer ins Risiko begleitet, muss dieses Risiko genau quantifizieren und adäquat bepreisen können. Daher nutzten Kreditversicherer interne Ratingsysteme zur Beurteilung von Debitoren schonlangebevorderBegriffimRahmenderDiskussionenumBaselIIunddieSubprime KriseindenFokuseinerinteressiertenÖffentlichkeitgeriet. Mit der Diversifizierung der traditionellen Warenkreditversicherer hin zu FullService ProvidernimDebitorenmanagementhatdieBedeutungdieserRatingsystemenochmalsan Bedeutung gewonnen. Zahlreiche Kreditversicherer haben eigene RatingKompetenz zentrengeschaffen,diefürdieoperativenEinheitennichtnurermitteln,inwiefernKredit versicherungsschutz gewährt werden kann, sondern auch festlegen, ob im neu hinzuge kommenen Geschäftsfeld Factoring Forderungen angekauft bzw. durch Inkassomaßnah meneingetriebenwerdensollen.LastbutnotleastwerdendieinderVergangenheitledig lichunternehmensinterneingesetztenRatingsystemeinteressiertenKundenkomplementär odersubstitutivzumbisherigenDienstleistungsspektrumangeboten. InderCofaceGruppeerfülltdieCofaceRatingGmbHinMainzalsInformationLineGer many diese Funktion einer Ratingagentur. Sie beschafft bonitätsrelevante Informationen zudeutschenUnternehmen,verarbeitetundverdichtetdiesezueinemRating.Sieistdaher zentraler Ansprechpartner für alle Gruppengesellschaften weltweit, die für Zwecke der Kreditversicherung, des Factorings und des Inkassos Debitorenratings zu deutschen Un ternehmen in Form des sogenannten @rating Scores benötigen bzw. diese ihren Kunden zurVerfügungstellenwollen. G. S. Becker, O. Everling (Hrsg.), Debitorenrating, DOI 10.1007/ 978-3-8349-6377-2_3, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
46
Franko Faul
Analog raten Information Lines der CofaceGruppe in anderen Ländern Unternehmen ihres regionalen Zuständigkeitsbereiches mithilfe jeweils länderspezifischer Scorecards. Damit ist sichergestellt, dass den 130.000 Kunden der CofaceGruppe für 50 Millionen Unternehmenin145LändernDebitorenratings,basierendauflokalerExpertiseundunter BerücksichtigungvonLänderspezifika,bereitgestelltwerdenkönnen.
3.2
Abgrenzung des Debitorenratings
DieCofaceRatingGmbHverfolgt,auchwennsiefürihren@ratingScoredieAnerkennung alsECAIbeiderBaFingestellthat,einanderesGeschäftsmodellalsdieweithinbekannten großendreiRatingagenturen(S&P,Moody’sundFitch):
႑LiegenbeidiesendieSchwerpunkteaufEmissionsundEmittentenratingsfürmittel
bislangfristigeVerpflichtungenvondreibiszehnJahren,sofokussiertder@ratingSco reaufkurzfristigeForderungenausLieferverpflichtungenimB2BBereichmiteiner Laufzeitvonmaximal12Monaten.Damitwerdennahezuallefürdas DebitorenmanagementrelevantenBeziehungenerfasst,liegtderGroßteilderZah lungszieleinDeutschlanddochineinemBereichvonbiszu90Tagen.
႑Weiterhinhandeltessichbeidem@ratingScoreumeinsog.„unsolicited“oder
unbeauftragtesRating,d.h.zwischendemgeratetenUnternehmenundderCofaceRa tingGmbHbestehenkeinevertraglichenbzw.monetärenVerpflichtungen.Damitent fälltauchderhäufigerhobeneVorwurfanRatingagenturen,imInteressederKunden bindungdemzahlendenRatingobjektmitGefälligkeitsratingsentgegenzukommen.
႑AuchwasdieZahlderbewertetenUnternehmenangeht,bestehenerheblicheUnter
schiede:Währenddie„GroßenDrei“nurwenigeDutzenddeutscheUnternehmen geratedhaben,liegenalleineinDeutschlandfür550.000Unternehmentagesaktuelle @ratingScoresvor.WeltweitverfügtdieCofaceGruppeüberDatenzurBewertungen von50Mio.Unternehmen.
႑Schließlichnutzen,wieerwähnt,dieUnternehmenderCofaceGruppedievonihnen
erstelltenRatingsselbstunternehmensinternzuZweckendesUnderwritings,der PortfoliosteuerungundderrisikoadäquatenPreisfindung.Esgehtdabeidarum–ähn lichwiebeideninternenRatingverfahrenderKreditinstitute–Ausfallwahrscheinlich keitenzumessen,umeigeneVerlustezuvermeidenundRisikoprämiensachgerecht berechnenzukönnen.DamithängtderwirtschaftlicheErfolgderGruppewesentlich vonderGütedesRatingsab.Insoweitübernimmtman–wennauchindirekt–imGe gensatzzuanderenRatingagentureneineFormderHaftungfürdieRichtigkeitderab gegebenenRatingurteile.
Vor dem Hintergrund dieser Aussagen wird deutlich, warum die CofaceGruppe sich nichtalsKonkurrentdertraditionellenRatingagenturensieht,sondernihrDebitorenrating alshierzukomplementäresProdukteinstuft.
System eines Debitorenratings
3.3
47
Anforderungen an ein leistungsfähiges Debitorenrating
NebendertrivialenForderung,dassdieRatingurteiledieAusfallwahrscheinlichkeit„rich tig“ abbilden, sind an ein breit angelegtes Debitorenrating, wie das der CofaceGruppe, besondereAnforderungenzustellen:
႑DiegroßeZahlderzuüberwachendenUnternehmen,aktuellfürDeutschland550.000, erfordertinderRatingerstellung,woimmersachlichvertretbar,einenhohenGradan AutomatisierungderDatenanalyse.NursokanndieimDebitorenmanagementgefor derteschnelleReaktionszeitsichergestelltunddiemanuelleInterventiondurchdie knappeRessource„Ratinganalyst“effizientalloziertwerden.
႑EngdamitverknüpftistdieForderung,dassjedwedebonitätsrelevanteÄnderungdes DatenkranzesunmittelbarbeiBekanntwerden–undidealiterohnemenschlicheInter vention–eineNeuberechnungdesRatingsimSinneeinespermanentenMonitorings auslöst.
႑DerautomatischeAlgorithmusderRatingerstellungmusssoflexibelgestaltetsein,
dasserauchdannnochzuverlässigeErgebnisseliefert,wennInformationennichtvoll ständigvorliegen.ZudenkenisthierinsbesondereanfehlendeDatenausdemBereich desbetrieblichenRechnungswesens.DabeiistderGradderFlexibilitäthinsichtlichbe stimmterDatengruppenstarkländerabhängig:ImangelsächsischenRaummitseinen weitreichendenPublizitätspflichtenkannderRatingalgorithmusbeispielsweisestärker aufZahlendesRechnungswesensausgerichtetwerdenalsindenwenigerpublizitäts freudigenLänderndesdeutschenSprachraumes.
႑ZudemmussdasModellsehrkurzfristigmodifizierbarsein,wenninsolvenzrelevante
ÄnderungenderwirtschaftlichenRahmenbedingungen(z.B.geänderteMarkt,Bran chenundKonjunktureinschätzungen)oderexogeneSchocks,wieNaturkatastrophen, SeuchenoderTerroranschläge,zuberücksichtigensind.
3.4
Dateninput
IndenvergangenenJahrenhabenTransparenzundOffenheitinderKommunikationihrer Finanzlage insbesondere bei mittelständischen Unternehmen erfreulicherweise stark zu genommen. Gleichwohl kann ein Debitorenrating wie der @rating Score als „unsolicited Rating“nurbedingtaufvomzuratendenUnternehmenbereitgestellteDatenzurückgrei fen, da keine vertraglichen Verpflichtungen des Ratingobjektes zur Datenbereitstellung existieren. Es muss daher primär auf von der Ratingagentur selbst erhobenen bzw. von dritterSeitebezogenenInformationenaufbauen.
48
Franko Faul
Abbildung 3.1:
@rating Score-Berechnung (Quelle: Coface Rating GmbH)
U nt e rne h m e n sb e su ch e
D a t en be t rieb lich e s R e ch n un g sw es e n
W irts ch a ft sa u sk ün f te F ina n za us kü n ft e
Za hlu ng s erf a hru n g en
M od ell aus w ah l Sc o re B ere c hn un g
SC O R E 1 00 ... 6 00
BerichtevonWirtschaftsauskunfteienundFinanzauskünftemüssensoangeliefertwerden,dass siegrößtenteilsautomatischausgewertetwerdenkönnenundeinemanuelleNachbearbei tungnurinbegründetenAusnahmefällenerfolgt.Dieswirdsichergestellt,indemdieDa tenalsstandardisiertemaschinenlesbareDatensätzeeingespieltwerden. Damit wird auch gewährleistet, dass man mit einer Mehrzahl von Auskunftgebern zu sammenarbeiten kann (z.B. je nach Umsatzgröße, Branche oder regionaler Verortung des Ratingsobjektes) und ggf. kurzfristig den Auskunftgeber wechseln kann. Dies wiederum senkt die Abhängigkeit von einzelnen Auskunftgebern ebenso wie die Strategie, das Ra ting nicht aus von Auskunftgebern berechneten und damit aus Sicht der Ratingagentur fremdbezogenenScorewertenabzuleiten.Vielmehristesgeboten,lediglichRohinformati onenzubeziehenunddiesenacheigenenAlgorithmenauszuwerten. Daten aus dem betrieblichen Rechnungswesen, vor allem Jahresabschlüsse und unterjährige Erfolgsrechnungen, werden teilweise seitens der Ratingagentur beim zu ratenden Unter nehmen selbst angefordertbzw. bei Gesprächenmit den Verantwortlichen des Ratingob jektesvorOrteingeholt,teilweiseausöffentlichenQuellenerschlossen(z.B.Bundesanzei ger). Bei den öffentlichen Quellen gewinnen insbesondere webbasierte Zugänge – Stich wort:EBundesanzeiger–zunehmendanBedeutung. Auch hier gilt, dass die Auswertung weitestgehend standardisiert durchzuführen ist, in dem ein System der maschinellen Bilanzanalyse, die sogenannte MABILA, zum Einsatz kommt. Sie generiert nach Erfassung der Daten automatisch einen kennzahlenbasierten BilanzscoremiteinerAussagezurAusfallwahrscheinlichkeit. Dabei werden an die MABILA hohe Anforderungen hinsichtlich der Flexibilität gestellt. Sie muss zuverlässige Scorewerte nicht nur für verschiedenartigste Rechnungswerke (Handels, Steuerbilanz, Einzel und Konzernabschluss, HGB und IFRSAnsätze etc.)
System eines Debitorenratings
49
errechnen,sondernauchdannnochfunktionsfähigsein,wennDatennurpartiellverfüg barsind,z.B.wennzwareineBilanz,aberkeineGuVRechnungvorliegt. BesuchederRatinganalystenvorOrtimRahmenvonBilanzgesprächenundBetriebsbesichti gungenfindenbeiDebitorenstatt,denenstrategischeSignifikanzzugemessenwird.Diese begründetsichinderGrößederUnternehmen,ihrerBedeutung(z.B.alsSchlüssellieferant fürganzeBranchen)oderineinererhöhtenInsolvenzgefahr. DieAuswertungdieserBesuche–eshandeltsichummehrereTausendproJahralleinein Deutschland–erfolgtanhandeinesvorgegebenenAnalysebogens,derdieintersubjektive VergleichbarkeitderEinschätzungunabhängigvonderPersondesRatinganalystensicher stellt. BezüglichderInformationsquellenverfügtdieCofaceRatingGmbHmitdensogenannten Zahlungserfahrungen aus dem Kreditversicherungsgeschäft der CofaceGruppe über ein Alleinstellungsmerkmal.NachdenAllgemeinenVersicherungsbedingungensinddieVer sicherungsnehmerverpflichtet,ÜberschreitungendervonihnengewährtenZahlungsziele durch ihre Abnehmer unverzüglich zu melden, andernfalls droht ihnen im Schadensfall eineVerweigerungderEntschädigungsleistung. Jede aufgrund dieser Obliegenheitspflicht der Versicherungsnehmer eingehende Kredit zielüberschreitungsmeldung wird durch die Underwriter der CofaceGruppe individuell auf ihre sachliche Begründetheit überprüft. So muss zum Beispiel ausgeschlossen sein, dassdiefristgerechteZahlungalleindeshalbunterblieb,weileineMängeleinredegeltend gemachtwurdeunddieForderunginsoweitstrittigist. Ist die Kreditzielüberschreitungsmeldung jedoch in der mangelnden Zahlungsfähigkeit des Abnehmers begründet, ist dies ein Frühwarnindikator erster Güte, der eine Revision desDebitorenratingsnachsichzieht.AlleErfahrungenzeigennämlich,dassUnternehmen mit Liquiditätsproblemen als erstes bei ihren Lieferanten um eine Ausweitung der Zah lungsziele nachsuchen und erst danach mit ihren Hausbanken über eine Erhöhung der Kreditlinienverhandeln.StatistischeAuswertungenderCofaceRatingGmbHhabendaher belegt, dass Kreditversicherer signifikant früher als die Banken und traditionelle Rating agenturenüberZahlungsschwierigkeiteninformiertsind. DerZahlungserfahrungspoolderCofaceRatingGmbHmitca.50.000Kreditzielüberschrei tungen p.a. fungiert hier also als Evidenzzentrale und stellt sowohl nach Quantität und Qualität ein Main Asset in der Bonitätsbeurteilung dar. Er ermöglicht es der Coface Gruppe auch, für die meisten der 145 beobachteten Länder einen PaymentIndex zu er rechnen,derinternetbasiertabgerufenwerdenkann.
50
3.5
Franko Faul
Throughput
Die Inputvariablen sind so zu verdichten, dass sie eine zuverlässige Aussage über den EintrittdesDebitorenausfallsmittelseinereingängigenSymbolikermöglichen. Dieserfolgtbeim@ratingScoredurchdasVerfahrenderLogistischenRegressioninForm einesLogitModelles.BeidiesemVerfahrenderloglinearenStatistikgehtesallgemeinum diestatistischeBeurteilungdesZusammenhangeszwischenunabhängigenVariablenund einernominalskalierten,dichotomenabhängigenVariablen,diedasEintreteneinesEreig nisseserfasst. Im konkreten Fall ist die abhängige dichotome Variable Y der Eintritt des Debitoren ausfalles. Sie kann, da dichotom, nur zwei mögliche, sich ausschließende Variablen an nehmen,nämlichY=1=DebitorfälltausundY=0=Debitorfälltnichtaus. NuninteressiertderEinflussderunterPunkt3.4alsDateninputdefiniertenunabhängigen VariablenaufdieseEintrittswahrscheinlichkeit,undzwaralskonkreteWahrscheinlichkeit fürdasEintretendesEreignissesP(Y=1),dadieAusprägungenderunabhängigenVari ablenbekanntsind. DerartigeAussagenvermageineeinfacheaufSquarefitAnsätzenberuhendelineareReg ressionsfunktionnichtzutreffen.SiemachtAussagenüberdiekonkreteAusprägungvonY selbst,nichtaberüberdieWahrscheinlichkeitdesEintrittsdieserAusprägung. AuchunterstelltdielogistischeRegressionsfunktionkeinenlinearenZusammenhangzwi schenabhängigerundunabhängigenVariablen,sonderneinennichtlinearen.Dielogisti scheFunktionskurvehatdahereinegeschwungene,SförmigeGestalt.DiesistderVoraus sageeinesDebitorenausfallesangemessen,weilsieeinen„Sättigungseffekt“ausdrückt,der darinbesteht,dassÄnderungenderunabhängigenVariablen,alsodesInformationsinputs, in den Extrembereichen noch nicht bzw. nicht mehr zu wesentlichen Änderungen der Eintrittswahrscheinlichkeitführen. StarkvereinfachtbestehtfürdenAktuarbeiderlogistischenRegressiondieHerausforde rung darin, die Gewichtungsfaktoren, mit denen die einzeln unabhängigen Variablen in dieRegressionsfunktioneingehen,diesog.LogitKoeffizienten,optimalfestzulegen. FüreinModellzurBerechnungderAusfallwahrscheinlichkeitgiltesalso,unterdenver fügbaren Informationen diejenigen Ausprägungen, die als „Risikotreiber“ einen Ausfall wahrscheinlichmachen,zuidentifizierenundentsprechendstarkzugewichten. ZuvoristdenModellentwicklernjedochexternnormativvorzugeben,wiedasEreignisY= 1=EintrittdesAusfalleszudefinierenist.Esgehtalsodarum,wannkonkreteinDebitor als ausgefallen gilt. Hierzu wird in der Literatur eine ganze Palette von Auffassungen diskutiert,diesichvonhartenAbgrenzungenwiederformaljuristischenInsolvenzbiszu weicherenAuffassungender„wesentlicheZahlungsstörungen“erstreckt.
System eines Debitorenratings
Abbildung 3.2:
51
Funktionskurve Debitorenausfall (Quelle: Coface Rating GmbH)
Fürden@ratingScorefürdeutscheUnternehmenhatmansichganzbewusstfürdieenge Abgrenzung „Insolvenz gem. InsO“ entschieden, weil hier die statistisch nicht eindeutig definierbareGrauzoneweitergefassterDefinitionenentfällt. AufbauendaufdieserVorgabefandbeiderCofaceRatingGmbHeinBacktestingstatt,bei demexpostdieInsolvenzfälleausdemKreditversicherungsgeschäftüberzweiabgelaufe neKalenderjahreanalysiertwurden. Die dabei herangezogene Gesamtpopulation von rund 300.000 deutschen Unternehmen wurdeinzweiGruppengetrennt,eineEntwicklungsundeineValidierungsstichprobeim Verhältnis 200.000 zu 100.000 Unternehmen. Aus der Entwicklungsstichprobe wurden durchumfangreichestatistischeTestspotenzielleRisikotreiberidentifiziertundgewichtet. DiedarausabgeleiteteArbeitshypothesewurdeananderenUnternehmen,denjenigender Validierungsstichprobe,getestet.Erstwennsiehierdurchnichtfalsifiziertwerdenkonnte, gingsieindengesichertenBestandfürdieHerleitungdesModellsein.DiesesProcedere wurde jeweils für die Informationsvariablen der Bausteine „Handelsauskünfte“, „Zah lungserfahrungen“,„Finanzauskünfte“und„Rechnungswesen“separatdurchgeführt. Die Gewichtungsfaktoren für die Variablen jeder Informationsquelle wurden dann so justiert,dasssichfürjedenBausteineinSubscoreaufeinerSkalainEinerschrittenvon100 bis 500 ergibt mit Wert „100“ für am wenigsten insolvenzgefährdete Unternehmen und „500“fürhochgradiginsolvenzanfällige.JedemWertistdabeieineAusfallwahrscheinlich keit(ProbabilityofDefault,PD)durchKalibrierungzugeordnet.DerWert„600“weistauf einebereitseingetreteneInsolvenzhin.
52
Franko Faul
DabeibewahrheitetesichfüralleInformationsbausteineeineSättigungswirkungimSinne des 1. Gossenschen Gesetzes. Wenige, besonders aussagekräftige Informationselemente trieben die Prognosegüte sehr schnell auf ein hohes Niveau, danach noch hinzugefügte führten nur zu einem immer unwesentlicheren Erkenntniszuwachs, während die prognoseschwächsten Informationen einen negativenGrenznutzenaufwiesen:IhreInteg rationindasModellhättemehrAufwanderfordertalssieanErkenntnisgewinnbringen. DaherwurdeaufsieverzichtetundnuraufsolcheBausteineabgestellt,die 1. regelmäßiginausreichendemMaßeverfügbarsindund 2. einehohePrognosegüteaufweisen. IneinemnachgelagertenSchrittwurdendievierSubscoresmitihrenWertenvon100–600, erneutmittelseinerlogistischenRegressionsfunktion,somiteinanderverknüpft,dassaus ihnen ein einziger Endscore wiederum auf einer Skala von 100 – 600 mit jeweils spezifi scherPDableitbarist. Hierzu wurden je nach vorliegenden Informationsbausteinen vier völlig voneinander unabhängige LogitModelle entwickelt, die jeweils auf den spezifisch verfügbaren Infor mationsinputhinoptimiertsind. Abbildung 3.3:
Logit-Funktionen nach Informationsinput (Quelle: Coface Rating GmbH)
Modell Basis
Modell Basis/Finanz
Modell Basis/Rewes
Modell Gesamt
W irtschaftsausk. Zahlungserf.
Finanzauskünfte
Betriebl. Rewes
ZudemwurdenK.o.Kriterieneingeführt,diedenerrechnetenScoreüberschreiben,sobald sie eintreten. So setzten verifizierte aktuell starke Zahlungsstörungen aus dem Erfah rungspoolauchbeiVorliegensonstbessererInformationendenScoreaufschlechtereWer te,dienachprüfbareingetreteneInsolvenzsetztdenScoreautomatischauf„600“.
System eines Debitorenratings
3.6
53
Manuelle Modifikationen
DerbislangskizzierteScoreisteinnachvorgegebenenAlgorithmenohneweiteremensch liche Intervention automatisch auf Grundlage harter finanzwirtschaftlicher Faktoren er rechneterWert.Numerischschwerquantifizierbare„Softfacts“wieManagementqualität, Innovationskraft oder Ausgestaltung der Nachfolgeregelung finden u.U. nicht den ihnen gebührenden Niederschlag. Sie stellen jedoch, bewertet durch branchenerfahrene Risiko analysten,einwesentlichesElementfürdieBewertungeinesUnternehmensdar. Daher bietet der @rating Score den Ratinganalysten – auch in Übereinstimmung mit den RegelungenvonBaselII–dieMöglichkeiteinesOverridedesautomatischenScores,wenn sie solche „Soft facts“, die z.B. bei einem Ratinggespräch vor Ort erhoben wurden, für wesentlicherachten. Derautomatischgenerierte100–600Scorekanndabeimanuellum+/100Punkteabgeän dert werden. Im Interesse der Revisionssicherheit und späterer aktuarischer Auswertun gen ist jede so erfolgte manuelle Intervention im EDVSystem nachvollziehbar zu doku mentierenundbedarfimmereinerqualifizierendenBegründung.
3.7
Output
Den unternehmensinternen und externen Nutzern des @rating Scores wird ein Endscore fürdeutscheUnternehmenvon100–600inklusivezugeordneterPDgeliefert.DieseNota tion lehnt sich an das deutsche Schulnotensystem an und findet auch bei anderen Aus kunftgebernbeideutschenRiskenEinsatz.Dasie–zumindestdemdeutschen–Anwender intuitivvertrautist,erhöhtsiedieAkzeptanzunderleichtertdenEinsatzimTagesbetrieb. DieübrigenInformationLinesderCofaceGruppeaußerhalbDeutschlandsargumentieren analog und liefern daher ihre Einschätzungen zur Ausfallwahrscheinlichkeit für Unter nehmen ihres Zuständigkeitsbereiches angepasst an die jeweiligen Landesusancen. So bedientsichdieInfoLineFrancezurBewertungfranzösischerUnternehmenderfranzösi schenSchulnotenskalavon1bis20mit20alsBestwert. SohilfreichdiesesVorgehenbeiBetrachtungreinnationalerDebitorenportfolienist,stößt es doch bei der Beurteilung internationaler Debitorengruppen schnell an seine Grenzen: DieVielzahlverschiedenerSystematikenerschwertdenÜberblickerheblich.Hieristeine einheitlicheSymbolikgeboten.DieCofaceGruppehatsichdaherzueinerDoppelstrategie entschieden, indem sie jeweils die landespezifische Symbolik liefert, dazu aber auch eine international einheitliche und vergleichbare Skala mit Werten von 0 – 10 inklusive der zugehörigen PDs, wobei 10 den Bestwert darstellt. Alle von den nationalen Information LinesgeliefertenSymbolikenwerdenaufdieseMasterskalaabgeglichen. AufWunschdesKundenkannzudemder@ratingScoreaufseineeigeneinterneSymbolik oderdieeinesDrittenabgestimmtwerden,soferndiesenPDsfüreinMappingunterliegen.
54
Franko Faul
FolgendeAbbildungzeigtdasMappingderdeutschen100–600Skalaaufdeninternationa len 10–0Score sowie, beispielhaft für die Anpassung an Kundenwünsche, auf die S&P Systematik. Abbildung 3.4:
Mapping: Internationaler, nationaler und Kunden-Score (Quelle: Coface Rating GmbH)
Risikoklasse Score
Bewertung
S&P
@ >@
Bröker, F.: Quantifizierung von Kreditportfoliorisiken – Eine Untersuchung zu Modellalternati ven und Anwendungsfeldern, Band 23 der Schriftenreihe des Zentrums für Ertragsorientiertes Bankmanagement(ZEB)inMünster,Hrsg.:B.Rolfes/H.Schierenbeck,Frankfurta.M.2000. Creditreform:Insolvenzen,Neugründungen,Löschungen(Jahr2009),Neuss2009. CreditSuisse FinancialProducts:CreditRisk+–ACreditRiskManagementFramework,London 1997. EOS:EOSstudy‘PaymentpracticesinGermany,theUnitedKingdom,Switzerland,Bulgariaand Hungary’,Hamburg2009. J.P.Morgan:IntroductiontoCreditMetricsTM,NewYork1997. Schierenbeck,H.:ErtragsorientiertesBankmanagement,Band1:GrundlagenMarktzinsmethode undRentabiltätscontrolling,Wiesbaden,8.Aufl.,2003. Schierenbeck,H./Lister,M.:ValueControlling,München/Wien,2.Aufl.,2002. Schierenbeck, H./Lister, M./Kirmße, S.: Ertragsorientiertes Bankmanagement, Band 2: Risiko ControllingundintegrierteRendite/Risikosteuerung,Wiesbaden,9.Aufl.,2008.
Aufbau- und Ablauforganisation des Debitorenratings in einem weltweit agierenden Konzern 75
5
Aufbau- und Ablauforganisation des Debitorenratings in einem weltweit agierenden Konzern
GötzSchürmann 5.1 5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.2.4 5.2.5 5.2.6 5.2.7 5.3 5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.3.4 5.3.5 5.3.6 5.3.7 5.4
5.1
VomselektivenFactoringzumaktivenDebitorenmanagementvon Konzernforderungen.....................................................................................................75 Aufbauorganisation–GrundlagenfürdieWahlderOrganisationsstruktur imSiemenskonzern.......................................................................................................76 NutzungvonSynergienausdemFinanzierungsgeschäftder SiemensFinancialServices...........................................................................................76 AufbaueinesKompetenzzentrums„Rating“............................................................77 EinheitlicheBewertungsmaßstäbe..............................................................................78 UnterschiedlicheRatingmethoden–einDebitorenrating.......................................78 EconomiesofScalebeiderMethodenentwicklungundanwendung..................79 KostenNutzenRelationbeiderErstellungvonDebitorenratings........................81 AufbauorganisationDebitorenratingbeiSiemens...................................................81 Ablauforganisation:HerausforderungUmsetzung.................................................82 TechnischeVoraussetzungenfüreineneffizientenBewertungsprozess..............82 Ratingprozess.................................................................................................................83 ZentralerZugriffaufdasDebitorenrating.................................................................85 EinheitlicheIdentifikationsNummern......................................................................86 Informationsbeschaffung..............................................................................................86 Qualitätsmanagement...................................................................................................87 RechtlicherRahmen......................................................................................................88 Ausblick:DasDebitorenratingalsTreibervonGeschäftsprozessen.....................89
Vom selektiven Factoring zum aktiven Debitorenmanagement von Konzernforderungen
„WennSiemenswüsste,wasSiemensweiß“.DiesenhäufigzitiertenSatzkannmanleicht auchfürmancheGeschäftsbeziehunganwenden,beiderverschiedeneGeschäftseinheiten im Konzern Informationen zu einem Kunden gewinnen, ohne diese in systematischer Weiseauszutauschenundzunutzen.MitdemAufbaudesinternenFactoringsdurchdie Siemens Financial Services GmbH (SFS) vor gut 10 Jahren wurden erstmals an zentraler StellebonitätsrelevanteDatenzuKundenerfasstundmethodischausgewertet.DasBewer tungsergebnisführtezueinem„Kundenrating“,dasentsprechendbankmäßigemStandard
G. S. Becker, O. Everling (Hrsg.), Debitorenrating, DOI 10.1007/ 978-3-8349-6377-2_5, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
76
Götz Schürmann
ermitteltundfürdiePreisfindungbeimFactoringherangezogenwurde.Damiterfolgteein ÜbergangvoneinerstarkvertriebsorientiertenEinschätzungderBonitäteinesKundenin den operativen Geschäftseinheiten hin zu einer nach klaren Kriterien festgelegten Boni tätsbeurteilung durch eine Fachabteilung. Allerdings standen auf beiden Seiten, beim Forderungskäufer wie auch beim Forderungsverkäufer starke eigene Interessen im Vor dergrund.DarausresultierteeineselektiveForderungsauswahlaufbeidenSeiten,sodass nichtalleForderungendesKonzernsangekauftundsomitnichtalleDebitorenmiteinem Ratingbewertetwurden. MiteinemKonzeptwechselträgtSiemensdenkompatiblenZieleneinerhöherenTranspa renz und eines aktiven, zentralen Risikomanagements von Kreditrisiken (Debitoren management) heute verstärkt Rechnung. Danach werden im Rahmen des datenschutz rechtlich Zulässigen sämtliche Kunden des Konzerns mit Zahlungszielen und offenen Forderungen durch einheitliche Ratingverfahren regelmäßig bewertet und jeder dieser KundenmiteinemDebitorenratingalsBasisfüreinaktivesDebitorenmanagementklassi fiziert.
5.2
Aufbauorganisation – Grundlagen für die Wahl der Organisationsstruktur im Siemenskonzern
5.2.1
Nutzung von Synergien aus dem Finanzierungsgeschäft der Siemens Financial Services
DieErmittlungvonDebitorenratingsaufKonzernebeneistfürSiemensmöglichundrela tiv schnell umsetzbar, weil die SFS als international tätiges Institut über Jahre hinweg Prozesse,MethodenundInstrumentefürdieBewertungvonKundenimFinanzierungsge schäft, insbesondere dem Leasing und dem Factoring aufgebaut und kontinuierlich wei terentwickelt hat. Während die Kreditprozesse insgesamt stark standardisiert wurden, fandenbeiderEntwicklungoderderAuswahlvonRatingmethodenländerundkunden spezifische Faktoren Berücksichtigung. Diese Ratingmethoden bilden heute die Basis für die Beurteilung des überaus und in jeder Hinsicht heterogenen Kundenportfolios von Siemens. Für kleinere Finanzierungsrisiken wurden spezielle Scorekarten entwickelt, welche die besondere Struktur der SFSFinanzierungsportfolien reflektieren. Im mittleren Segment kommenvereinfachte,statistischeundländerspezifischeBewertungsmodellezumEinsatz, die überwiegend aus Finanzkennzahlen des letzten Jahresabschlusses eine Ausfallwahr scheinlichkeit und damit ein Rating bestimmen (Bilanzrating). Im oberen Segment wird dasRatingimRahmeneinerumfangreichenmanuellenAnalysequalitativerundquantita tiver Faktoren, ähnlich dem Vorgehen der großen internationalen Ratingagenturen, von Experten festgelegt. Aufgrund der speziellen Kundenstruktur der SFS, die über das „captivebusiness“durchdasIndustriegeschäftderSiemensAGdeterminiertist,kommen
Aufbau- und Ablauforganisation des Debitorenratings in einem weltweit agierenden Konzern 77
zudem spezielle Ratingmethoden für öffentlicheKunden, Kunden aus demGesundheits sektorundimBereichderProjektfinanzierungzumEinsatz. ZweiweiterewichtigeAspekteunterstützendenAufbaueinesBeurteilungsprozessesund die Ermittlung von Debitorenratings für den Gesamtkonzern mit mehreren hunderttau sendKundenweltweit.Erstens:EinebestehendeProzessarchitektur,dieeinerascheBear beitungeinergroßenZahlvonAnträgenerlaubt.Undzweitens:DielokalePräsenzderSFS in mehr als 30 Ländern. Gemeinsam mit den etablierten Ratingmethoden können somit signifikantSynergiengenutztwerden.DieEtablierungdesDebitorenratingsfindetsoauch in den Geschäftsgebieten der Siemens AG vor dem Hintergrund KostenNutzenRelation Unterstützung.
5.2.2
Aufbau eines Kompetenzzentrums „Rating“
DurchdieTrennungvonKreditentscheidungundRatingvergabebeiderSiemensFinancial ServicesimJahr2003wurdeeineseparate,vomeigentlichenFinanzierungsgeschäftunab hängige Abteilung für die Bonitätsbeurteilung geschaffen. Dadurch entstand quasi eine konzerninterne Ratingagentur, die neutral und objektiv Ratings für die Geschäftsgebiete der SFS erstellt. Diesem Kompetenzzentrum obliegt die Methodenhoheit. Es ist auf der einen Seite besetzt mit (Kredit)Analysespezialisten, die über langjährige Erfahrung im BankundKreditbereichverfügen,undzumanderenmitMitarbeiternmitstarkmathema tischem,statistischemHintergrund.Letzteresindu.a.fürdieEntwicklungderländerspe zifischen Scorekarten und die Validierung von Scorekarten Dritter, auf die aus Kosten gründenebenfallszurückgegriffenwird,verantwortlich. In den letzten Jahren wurde die Ratingdienstleistung auf den Konzern ausgeweitet. Auf Anfrage werden Geschäftspartner der Siemens Geschäftsgebiete auf Basis öffentlich zu gänglicher oder vom Geschäftspartner zur Verfügung gestellter Informationen analysiert und ein Rating vergeben. Damit erweiterte sich das Analysespektrum der etablierten FachabteilungvondenehermittelstandsorientiertenKundenineuropäischenLändern,in denendieSFSselbstprimärtätigist,hinzudenSiemensKundeninnahezuallenBranchen und allen Ländern der Erde. Dies erforderte zum einen den Kompetenzaufbau bei den Analysten im Hinblick auf neue Branchen wie zum Beispiel für „Construction and Engi neering“, zum anderen die Anpassung von bestehenden Ratingmethoden. So wurde bei spielsweisedasVerfahrenfürIndustriekundenerweitert,umdenBesonderheitenimAn lagengeschäftRechnungzutragen. Auch beschäftigt sich die Abteilung schon seit langem mit dem Problemfeld „Informati onsdefizit“.ImGegensatzzumFinanzierungsgeschäftderSFSistunzureichendeInforma tion bei der Beurteilung eines Kunden oder Geschäftspartners der Siemens Geschäftsein heitenhäufigereinenennenswerteKomponentefürdieBeurteilung.
78
5.2.3
Götz Schürmann
Einheitliche Bewertungsmaßstäbe
Das Thema „Beurteilung von Kunden/Geschäftspartnern“ ist im SiemensKonzern nicht neu. Dennoch dominieren wie in vielen anderen Unternehmen die Vertriebsaktivitäten. Einheitliche konzernweite Regelungen gibt es im Liefer und Leistungsgeschäft bei Zah lungszielen über 1 Jahr. Bewertungen für Kunden mit kürzeren Zahlungszielen werden überwiegend durch Mitarbeiter der operativen Geschäftseinheiten selbst durchgeführt. Dabei greifen diese auf Informationen der Vertriebsmitarbeiter, aber auch auf Auskünfte von Informationslieferanten wie D&B, Creditreform in Deutschland, Informa in Spanien oderSinoTrustinChinazurück. Die Nutzungvon Debitorenratings als Basis füreinaktivesRisikomanagementinnerhalb einesUnternehmensistsinnvollerweisenurdannmöglich,wennesfüreinunddenselben Kunden nur eine Bewertung gibt. Siemens erreicht dieses Ziel, indem die methodische VerantwortungundauchdieErmittlungderDebitorenratingsbeieinerzentralenFachab teilungliegen,undgreiftdabeiaufdiebestehendenStrukturenbeiderSFSzurück.DieSFS stelltdamiterstmalssicher,dasseinheitlicheBewertungsmaßstäbezumEinsatzkommen. FüreinunddenselbenKundengibtesnureineBewertunginFormeinesSFSRatings,das dieZahlungsfähigkeitbzw.AusfallwahrscheinlichkeiteinesKundenwiderspiegelt.Unter schiedliche Interpretationen von Ratings, Risikoindikatoren, Bonitätsindizes u. ä. Dritter werdenvermieden.Sokannesdurchaussinnvollundeffizientsein,aufBonitätsinformati onenvonDrittanbieternzurückzugreifen,wiedasbisherschondurchdieMitarbeiterder operativen Geschäftseinheiten im Konzern erfolgt. Eine nach klaren Kriterien erfolgende TransformationdieserInformationenineineneinheitlichenBewertungsmaßstab,wiedem SFSRating, erfordert jedoch ein methodisches Vorgehen und die klare Verantwortung durcheinezentraleFachabteilung.
5.2.4
Unterschiedliche Ratingmethoden – ein Debitorenrating
AufunterschiedlichhoheRisikenwirdüblicherweisemitunterschiedlichenRatingverfah ren reagiert. So ist die Frage, ob man einen Debitor, dem man ein Zahlungsziel von 90 Tagen für einen Millionenbetrag gewähren möchte, mittels einer Wirtschaftsauskunft adäquat bewertet, durchaus berechtigt. Vergleichbar den Entscheidungen im Finanzie rungsgeschäft sollte mit zunehmendem Risiko, das neben der Dauer des Zahlungsziels insbesondere durch die Forderungshöhe zu einem bestimmten Zeitpunkt definiert wird, die Qualität des Ratingverfahrens zunehmen, um die Treffergenauigkeit bei der Rating vergabezuerhöhen.MitderEntscheidungfürrisikoadäquateRatingverfahrenundgegen die ausschließliche Nutzung beispielsweise eines einzelnen Anbieters von Bonitätsinfor mationenistdieNotwendigkeitverbunden,dieErgebnisseverschiedenerRatingverfahren untereinanderundimFallevonSiemens,auchaufglobalerEbenevergleichbarzumachen und in eine einheitliche Ratingskala zu überführen. Je internationaler ein Unternehmen aufgestelltundjeheterogenerseineKundenstrukturist,destogrößeristdieHerausforde rung bei der Etablierung eines einheitlichen Bewertungsmaßstabes. Gleichzeitig wächst damitdieNotwendigkeitfüreinehauptverantwortlichezentraleFachabteilung.
Aufbau- und Ablauforganisation des Debitorenratings in einem weltweit agierenden Konzern 79
5.2.5
Economies of Scale bei der Methodenentwicklung und -anwendung
Scorekarten Für die wirtschaftliche Bewertung einer sehr großen Zahl von Debitoren ist der Einsatz vonScorekartenheuteunerlässlich.SiemensziehtdabeiEigenentwicklungenvor,umden Besonderheiten durch die strategische Ausrichtung des Konzerns auf die drei Sektoren Healthcare, Industryund Energy Rechnung zu tragen.BasisfürdieEntscheidungEigen entwicklungvs.KaufvonScoresistnebeneinerhohenZahlvonDebitorenimjeweiligen Land auch die zu erwartende Qualität der Scoreergebnisse. Je mehr ein spezifisches DebitorenportfoliovondemsehrgenerischenPortfolioeinesexternenAnbietersabweicht, desto wahrscheinlicher ist eine Qualitätsverbesserung durch eine Eigenentwicklung. Für eineerfolgreicheScorekartenEntwicklungistinjedemFallderZugangzustrukturierten, maschinellverarbeitbarenUnternehmensdatenerforderlich.DarüberhinausmüssenDaten zueinerangemessenenZahlvonInsolvenzfällenvorliegen.DerAufwandeinerEigenent wicklung sollte dabei nicht unterschätzt werden. Die Parametrisierung der Scorekarte ist dabei nur eine Sache. Die Validierung der Qualität der extern bezogenen Daten für die definierten Inputparameter der Scorekarte eine andere. Letzteres macht eine kooperative Zusammenarbeit mit den Datenlieferanten erforderlich. Diese gestaltet sich länderabhän gig zum Teil durchaus langwierig und schwierig. Nicht immer sind die Datenlieferanten bereit,alleerforderlichenInformationenoffenzulegen.HinzukommtderBaueinerfunkti onsfähigenSchnittstellezwischenDatenlieferantenundinternerScorekarte. Auch hierbei kann auf die Erfahrung der SFS aus dem Finanzierungsgeschäft zurückge griffenwerden.DasspeziellaufdieseAufgabenstellungausgerichteteMethodenteamhat bereitsScorekartenfüreinzelneLänderentwickelt,derenhoheQualitätdurchkontinuier liches Backtesting bewiesen ist. Durch die nun stark zunehmende Zahl an Bewertungen durch den Aufbau des Debitorenratings wird die Entwicklung von Scorekarten auch in anderenLändernökonomischsinnvoll. DerZukaufvonfertigenScoresstellteinesinnvolleAlternativezurEigenentwicklungdar. Wie beim Bau einer eigenen Scorekarte muss mit dem Datenlieferanten ein Übereinkom men getroffen werden. Aus Kostengesichtspunkten strebt die SFS eine Zusammenarbeit mit möglichst wenigen Lieferanten an, die jeweils eine Vielzahl von länderspezifischen Scorekartenanbieten.DieEntscheidunggegeneinenreinlokaltätigenInformationsdienst leister, der unter Umständen in Geschäftsbeziehung zur lokalen SiemensEinheit steht, kann aus Gesamtrisiko und Gesamtkostensicht bei Vorliegen einesalternativen globalen Anbietersdurchausgerechtfertigtsein. DemMethodenteamfällthierdieAufgabezu,dieQualitätderScorekartezuüberprüfen. DieserforderteinevertrauensvolleZusammenarbeitmitdemLieferanten,derwesentliche InformationenüberseineScorekartezurVerfügungstellenmuss.NachderQualitätsbestä tigungerfolgtdieTransformationdesScoringergebnissesineinSFSRating.Alldiesspricht fürdieÜbertragungdieserAufgabenaneinedafürspezialisierteAbteilung,welchedieüber
80
Götz Schürmann
JahregemachtenErfahrungeninBezugaufQualitätundZusammenarbeiteinesInformati onsanbietersfürneueEntwicklungenundVerhandlungensystematischnutzenkann. AlsglobalagierenderKonzernnutztSiemensüberdieSFSalsDienstleistersowohleigene ScorekartenalsauchvonDrittenbezogeneScores.DieBonitätsbeurteilungunddieVerga beeinesSFSRatingserfolgtdabeivollautomatischüberetablierteProzessebeiderSFS.
Manuelle Ratingverfahren Die Anwendung, aber insbesondere die Weiter und Neuentwicklung einer großen Zahl vonzumTeilkomplexenmanuellenodersemimanuellenRatingverfahren,kannsinnvoll erweisenurdurcheinezentraleFachabteilunggeleistetwerden. DemvalidenArgument,dieMethodenbzw.dieAnalysenundBewertungenwürdenloka le Besonderheiten nicht berücksichtigen und fehlendes lokales Knowhow führe zu fal schen Ratings, kann dabei nur durch eine offene Kommunikation und ein gezieltes Backtesting begegnet werden. Gerade für einen sehr wichtigen Sektor von Siemens, die Medizintechnik, war und ist es erforderlich, die Ratingmethoden auf die lokalen Beson derheiten,insb.dasjeweiligeFinanzierungsundVergütungssystemdesGesundheitswe sens,anzupassen.SoistdieWahrscheinlichkeit,dasseinprivatesKrankenhausInsolvenz anmelden muss in den USA völlig anders einzuschätzen als in Japan oder Frankreich. Entsprechend kommen unterschiedliche Methoden zum Einsatz. Hierbei hat die SFS auf die Kenntnisse der in den jeweiligen Ländern präsenten Risikomanager, insbesondere in den zentralen Märkten Westeuropas, den USA, Japan und China, zurückgegriffen. So wurden Ratingmethoden entwickelt, die den Besonderheiten der lokalen Märkte Rech nungtragen,abereinereinheitlichenSystematikfolgen,unddiedieeinzelnenBeurteilun genineinemSFSRatingvergleichbarmachen. DurchdieBearbeitungeinergroßenAnzahlvonFällenwirddasAnalyseKnowhowder einzelnenMitarbeiterständigerweitert.AuchlassensichmethodischeAnpassungen,wie oben beschrieben, durch eine zentrale Fachabteilung leichter organisieren und zeitnah umsetzten. Die „richtige“ Anwendung der einzelnen, gelegentlich modifizierten, analyti schen Ratingmethoden setzt voraus, dass jeder Analyst pro Methode regelmäßig eine Mindestzahl von Fällen bearbeitet. Durch die Bündelung der Analysen für verschiedene GeschäftseinheitenderSFSundderAufträgedurchdieoperativenGeschäftseinheitender SiemensAGineinerzentralenEinheitistdiesehergegebenalslokalinderFläche. MitsteigenderZahlanMitarbeiterninderRatingabteilungerfolgtzwangsläufigderÜber gangvoneinerehergenerischen,branchenunabhängigenAusrichtungderAnalysten,hin zu Methoden und Branchenspezialisten. Gleichzeitig können Sprachbarrieren gezielt überwunden werden. So decken die Mitarbeiter der SFSRatingabteilung wesentliche Sprachenab(Deutsch,Englisch,Französisch,Spanisch,Italienisch,Portugiesisch,Polnisch, TschechischundRussisch,Rumänisch,Türkisch).
Aufbau- und Ablauforganisation des Debitorenratings in einem weltweit agierenden Konzern 81
5.2.6
Kosten-Nutzen-Relation bei der Erstellung von Debitorenratings
DerNutzen,dersichfürdieVertriebsmitarbeiter,dieRisikomanageroderauchdieRech nungslegungsabteilungen im SiemensKonzern aus der ZurVerfügungStellung eines Debitorenratingsergibt,mussletztlichhöherseinundalssolcheswahrgenommenwerden, als die Kosten für die Ratingerstellung. Während die Kosten sich relativ leicht ermitteln lassen, kann der Nutzen nur als Verlustvermeidung und indirekt im Zeitablauf quantifi ziert werden. In Zeiten von Kostensenkungsprogrammen lässt sich ein konzernweiter Debitorenratingprozess nur dann etablieren, wenn er, im Sinne von Verlustvermeidung, höchsteffizientistundmitrelativgeringenKostenaufgebautundbetriebenwerdenkann. FolglichmusseinhoherAutomatisierungsgraderreichtwerden. Die Risikobereitschaft eines Unternehmens spielt für den Automatisierungsgrad ebenso einewichtigeRollewiedieFähigkeit,dieRisikenunddieKosteneinbzw.abschätzenzu können, die mit dem Einsatz qualitativ unterschiedlicher Ratingmethoden einhergehen. WirddieTreffergenauigkeitvonaufPortfolienausgerichtetenScoreverfahrenhocheinge schätzt, wird der Automatisierungsgrad verhältnismäßig hoch ausfallen. Die Zahl der Fälle, die durch Analysten überprüft oder mit einer anderen, qualitativ höherwertigen Ratingmethodebeurteiltwird,sinktentsprechend.HiererfolgteinTradeoffzwischender MöglichkeitvonhöhererVerlustvermeidungdurchdenEinsatzhöherwertigerRatingver fahrenundkostengünstiger,automatischerProduktionvonDebitorenratings.Genaudiese EntscheidungenkönnensinnvollerweisenurdurcheinezentraleEinheitgetroffenwerden. Der Prozess muss dabei so flexibel gestaltet bzw. programmiert sein, dass Anpassungen vonEntscheidungsparameternjederzeitleichtdurchgeführtwerdenkönnen.
5.2.7
Aufbauorganisation Debitorenrating bei Siemens
SiemenshatvordemHintergrundderbestehendenStrukturenundProzessedieSiemens Financial Services mit dem Betreiben einer zentralen Plattform als Basis für das Debitorenrating sowie das Debitorenmanagement beauftragt. Daneben liegen die Metho denverantwortungundauchdieDurchführungderDebitorenratingsebenfallsbeiderSFS. DerenFachabteilungRiskControlling–CreditRating(RC–CR)istfürdieobendargeleg tenZiele„EinheitlichesDebitorenrating“und„VergleichbarkeitderBewertungenweltweit trotzderVerwendungverschiedensterRatingmethoden“verantwortlich. DiefürdenRatingprozesserforderlichenAusgangsdaten,u.a.derFirmennameundAd ressdaten,werdenvondenlokalenSiemensEinheitenüberetablierteSchnittstellenaufdie zentralePlattformderSFSübertragen.RC–CRführtdanndenRatingprozessdurch.Das ermittelteDebitorenratingwirdabschließendineinerDatenbankabgespeichertundauch denentsprechendenlokalenSiemensEinheitenzurVerfügunggestellt.
82
Götz Schürmann
Abbildung 5.1:
Prozess-Struktur
5.3
Ablauforganisation: Herausforderung Umsetzung
5.3.1
Technische Voraussetzungen für einen effizienten Bewertungsprozess
Betrachtet man den oben skizzierten Ratingprozess, ergibt sich die Notwendigkeit die einzelnenSystemeüberSchnittstellenzuverbinden.DerRatingprozesskannaufverschie denenWegeninitiiertwerden.ZumeinenwirdimRahmendesdatenschutzrechtlichZu lässigeneinDebitorenratingautomatischangestoßen,sobaldimRahmendesDatenaustau scheszwischenderlokalenSiemensEinheitundderzentralenPlattformfestgestelltwird, dassesa)fürdenKundennochkeingültigesRatinggibtundb)offeneForderungenge genüber dem Kunden bestehen. Zum anderen kann der einzelne, registrierte Mitarbeiter imKonzerndirektonlineeinDebitorenratingabfragen.LiegtkeinsolchesRatingvor,kann erdirektüberdieEingabevonKundenstammdateneinRatingbeiderSFSbeauftragen. Solche Abfragen setzen voraus, dass es eine übergeordnete Kundendatenbank gibt, die neben validierten Kundenstammdaten (Firmenname, Adresse, Rechtsform) auch den Be
Aufbau- und Ablauforganisation des Debitorenratings in einem weltweit agierenden Konzern 83
trag der offenen Forderungen und Ratinginformationen vorhält. Technisch erfordert dies denBaueinergroßenZahlvonSchnittstellenzwischenlokalenBuchungssystemen,diedie originären Kundenstammdaten und die Forderungsbestände führen, und der zentralen Plattform bei der SFS bzw. der zugehörigen Datenbank, die zudem mit den Ratinginfor mationenausdemRatingprozessgespeistwird. IneinerWeltvonimmerschnellerenVeränderungenunterliegtauchdasKundenportfolio einemständigenWandel.SoverändertsichnichtnurdieZahlderKundenineinemTeil portfolio, beispielsweise bei der Siemens Landesgesellschaft in Großbritannien, es verän dert sich auch die Kundenstruktur und die Höhe der einzelnen Forderungen im Zeitab lauf. Neben Einmalkunden, die schon nach spätestens 90 Tagen ganz aus dem Portfolio verschwinden,ändertsichbeiKundeninbestimmtenBranchensaisonalderForderungs bestandzumTeilbeträchtlich.NurdurchdenregelmäßigenDatenaustauschüberetablier te,zuverlässigeSchnittstellenlassensichsolcheVeränderungenimHinblickaufdieOpti mierungdesKostenRisikoVerhältnissesfürdasDebitorenratingberücksichtigen.
5.3.2
Ratingprozess
Der Ratingprozess bei Siemens ist so ausgestaltet, dass in Abhängigkeit von der Höhe einesmöglichenVerlustsinRelationzudenKostenfüreinDebitorenratingeineEntschei dung getroffen wird, ob überhaupt ein Debitorenrating ermittelt wird und, wenn ja, zu welchenKosten,sprichmitwelcherRatingmethode,dieseserstelltwird.DieserEntschei dungsprozess wird durch ein WorkflowTool unterstützt, das den Bearbeitungsvorgang jedes einzelnen von der Plattform initiierten Ratingantrags steuert. Von SFSExperten definierte und im WorkflowTool hinterlegte Entscheidungsregeln bestimmen dabei den AutomatisierungsgradderRatingermittlungunddarüberdieGesamtkosten. Liegt das aggregierte Forderungsvolumen unterhalb eines Mindestbetrages, erfolgt auto matischdiedirekteZuordnungeinesstarkpauschalisiertenSFSRatings.Diesesergibtsich aus den zwei Bewertungsparametern Länderrating und Branchenbewertung, und ist im SystemineinerMatrixhinterlegt. DieEntscheidung,obeinDebitorvollautomatischübereineScorekartegeratetwirdoder indenmanuellenBereichausgesteuertwird,bestimmtsichbeihöherenForderungsvolu menu.a.über:
႑dieVerfügbarkeiteinerScorekarte/einesScoresfürdasLanddesDebitors ႑dieQualitätderjeweiligenScorekarte/desScores ႑dieVerfügbarkeitderfürScorekartenrelevanten,strukturiertenDatenbeimexternen Datenanbieter
႑dieHöhedesaggregiertenForderungsvolumensdesDebitors ႑dieArtdesDebitors(insb.Branchenzugehörigkeit,Rechtsform)
84
Götz Schürmann
JebesserdieQualitätderScorekartebzw.derScoresdesexternenAnbieters,destohöher ist die Grenze, bis zu der die Bewertung vollautomatisch über die integrierten, eigenen ScorekartenoderdieTransformationvonüberSchnittstellenzuexternenScorelieferanten bezogenen Scorewerten in das SFSRating erfolgt. Die Grenzen werden dabei pro Score kartebzw.ScoreindividuellfestgelegtundkönnenimZeitablaufgeändertwerden.Wird dieScoregrenzeüberschritten,steuertdasWorkflowTooldieBearbeitungindenmanuel lenBereichaus. DarüberhinauskönnenDebitorenbestimmterBranchenoderRechtsformeninAbhängig keit von der erwarteten, spezifischen Ausfallwahrscheinlichkeit bis zu einem individuell definierten Forderungsvolumen mit einem Standardrating bewertet werden. Hierzu zäh len beispielsweise Versicherungsunternehmen oder Debitoren in der Rechtsform der öf fentlichrechtlichen Körperschaft. Dies ist auch deshalb sinnvoll, weil das Rating dieser DebitorenaufgrundihrerbesonderenRechnungslegungsvorschriftenoderUnternehmens strukturen nicht über eine Scorekarte sinnvoll bestimmt werden kann, die für Unterneh mendesproduzierendenGewerbesentwickeltwurden. Innerhalb des manuellen Bereichs kommen wiederum unterschiedliche Ratingmethoden zumEinsatz.DieEntscheidungdarübertrifftderAnalystinAbhängigkeitvon:
႑derHöhedesaggregiertenForderungsvolumensdesDebitors ႑derArtdesDebitors ႑derBedeutungdesDebitorsfüreinenKonzernoderdieEigentümer ႑derVerfügbarkeitvonInformationen,insb.vonkonsolidierten,testiertenGeschäftsbe richten
႑derVerfügbarkeitvonländerspezifischen,kennzahlenbasiertenstatistischenBilanzra tingverfahren
Die anzuwendende Ratingmethode wird hier ganz wesentlich durch die verfügbaren In formationendeterminiert.Dadiesesehrvielschichtigseinkönnenundnichtinstrukturier ter Form vorliegen, ist die Programmierung von Entscheidungsregeln nur sehr einge schränkt möglich. Letztlich entscheidet der Analyst, welche Methodein einem speziellen FallsinnvollerweisezurAnwendungkommensoll. ImmittlerenForderungsvolumenbereichsetztRC–CRmodellbasierte,sogenannteBilanz ratingverfahren eines Drittanbieters ein. Dabei erfolgt die Gliederung der Zahlen der Bi lanzsowiederGewinnundVerlustrechnungdurchdieAnalystenderSFSselbst.Daten bankanbieter, die gegliederte Zahlen anbieten, haben den Anforderungen der Fachabtei lungbishernichtstandgehalten. DieNutzungeinesBilanzratingsvernachlässigt,ebensowieauchScoreverfahren,dieEin bindungeinesDebitorsineinenKonzern,dadieBewertungausschließlichaufdenunter nehmensspezifischenDaten(Einzelbilanz)beruht.InanderenFällenwerdenGeschäftsbe richte zu Tochterunternehmen, beispielsweise bei USamerikanischen Konzernen, nicht
Aufbau- und Ablauforganisation des Debitorenratings in einem weltweit agierenden Konzern 85
veröffentlicht, so dass die Beurteilung mittels Bilanzrating für diese Debitoren erst gar nichtmöglichist.IndiesenFällenlässtsichjedocheinDebitorenratingüberdieBewertung der Konzernobergesellschaft ableiten, die zunächst vom Analysten zu identifizieren ist. Nach der Ermittlung des Ratings für die Konzernobergesellschaft wird in einem zweiten Schritt strukturiert geprüft, welche Bedeutung die Tochtergesellschaft (Debitor) für den Konzernhatbzw.wiestarkdieseindenKonzernintegriertist,umdarausabzuleiten,wie nahdasDebitorenratingdemderKonzernobergesellschaftkommt. Nun könnte man denken, dass sehr wenig verfügbare Informationen sehr einfach und schnell zu einem Debitorenrating führen. Das ist mitnichten so. Liegen keine Geschäftberichtevor,wirdinsbesondereaufdieInformationenvonAuskunfteienzurück gegriffen,dienichtimmereindeutigundaktuellsind.Hierbedarfeseineshohenanalyti schen Verständnisses und viel Erfahrung, um zum Teil widersprüchliche Informationen ausunterschiedlichenQuellenrichtigeinzuordnen.DiePraxiszeigt,dassimVergleichzu den Scoreergebnissen oder den Bewertungen derAuskunfteien das Ergebnis der eigenen AnalysezumTeilerheblichabweicht. BeihohenForderungsvolumina,dieeinentsprechendhohesRisikofürdasUnternehmen darstellen,erfolgteineumfangreicheAnalysequalitativerwieauchquantitativerInforma tionen. Neben der Bewertung des Geschäftsmodells des Debitors werden dessen Finanz kennzahleneinereingehendenPrüfung,auchimVergleichzuseinenPeers,unterzogen. Zur Etablierung eines effizienten Ratingprozesses obliegt dem Management die Kernauf gabefüreinsehrheterogenesPortfolio,dasmitunterschiedlichkomplexenundschwieri gen Methoden bearbeitet wird, nicht nur die richtige Menge, sondern auch die richtigen Ressourcenbzw.Qualifikationenvorzuhaltenundoptimalauszulasten.GeradedieSenior AnalystenzeichnensichbeiRC–CRdurcheinsehrhohesMaßanFlexibilitätundUmset zungsstärkeausundtragensomitganzwesentlichzurhohenEffizienzbei.
5.3.3
Zentraler Zugriff auf das Debitorenrating
DasRatingergebnis,d.h.dasDebitorenratingwirdüberdasWorkflowToolzurückandie zentralePlattformbeiderSFSgeliefert.DamitwirdesdemGeschäftsgebiet,dasmitdie sem Debitor in Geschäftsbeziehung steht, verfügbar gemacht. Zwar ist zunächst jedes DebitorenratingeineExpostBetrachtung.DochüberdieRückmeldungdesRatingsandie Vertriebseinheiten bildet das Rating gleichzeitig die Grundlage für neue Vertriebsent scheidungen.HierbeistelltdasDebitorenratingnurimZusammenhangmitdereingesetz ten Ratingmethode einen wirklichen Wert dar. Die Kombination zwischen Methode, Ra tingdatum und Rating selbst ermöglicht es dann dem Entscheidungsträger die maximale HöheanoffenenForderungenoderdiemaximalenZahlungszielezubestimmen.AlsHil festellungfürdenNutzerwerdendieseInformationendirektineinenmaximalempfohle nen Forderungsbetrag übersetzt. In Verbindung mit weiteren Parametern (z.B. Forde rungsvolumen, Umsatz des Debitors) kann dann auch ein Debitorenlimit definiert und verfügbargemachtwerden.
86
5.3.4
Götz Schürmann
Einheitliche Identifikations-Nummern
Eine der wesentlichen Herausforderungen für einen erfolgreichen und effizienten, kon zernweiten DebitorenRatingprozess ist der reibungslose Datenaustausch zwischen den beteiligtenSystemen,deraufGrundlagevertraglicherVereinbarungenmitdenGeschäfts partnernbzw.denbeteiligtenSiemensEinheitenundDatenschutzregelungenerfolgt.Um diesenzuermöglichensinddieeindeutigeIdentifikationvonDebitorenunddieNutzung von „KeyIdentifier“ als zentrales Merkmal erforderlich. Als Debitor wird im Siemens KonzerneinerechtlichselbständigeEinheitdefiniert,dieimHandelsregistereinesLandes (odereinemvergleichbarenRegister)untereinerbestimmtenAdressegeführtwird.Wer den im SiemensKonzern andere unselbständige Unternehmenseinheiten, Niederlassun gen, Lieferadressen u.ä. von dieser selbständigen Einheit in den lokalen Buchungssyste men geführt, dann erfolgt letztlich eine Zusammenführung auf der Ebene der rechtlich selbständigenEinheit. DieQualifizierungallerDebitorenweltweiterfolgtdabeikonzerninternübereinespeziell dafür etablierte Serviceeinheit, die einen Adressdatenabgleich mit externen Datenbanken durchführt und jedem Debitor eine eindeutige Identifikationsnummer zuordnet. Diese NummerwirdindenSystemenmitgeführt.FüreinenschnellenOnlineZugriffaufUnter nehmensdatenundberichtevonAuskunfteienzurErmittlungdesDebitorenratingskann eszusätzlicherforderlichsein,eineauskunfteispezifischeKundennummermitzuführen. WiebereitsbeschriebenbestimmtderaggregierteForderungsbetragdesDebitorsdiean zuwendendeRatingmethodeganzwesentlichmit.FürdieAggregationallerForderungen sämtlicherzueinemDebitorgehörendenForderungsschuldneristderEinsatzo.g.Identifi kationsnummerebenfallsganzwesentlich.
5.3.5
Informationsbeschaffung
Eine weitere Herausforderung für die Erstellung eines Debitorenratings ist die Beschaf fungvonInformationüberdenDebitor.ObschoneineGeschäftsbeziehungzumbelieferten Kunden besteht, ist es eher die Ausnahme, dass Geschäftsberichte oder sonstige Unter nehmensdatenvomKundendirektbezogenwerdenkönnen;selbstwenneingroßzügiges ZahlungszielgewährtwirdodervomKundenerbetenwird.Hierbestehteinwesentlicher Unterschied zum Finanzierungsgeschäft, bei dem die Lieferung solcher Unterlagen übli cherweisevomKreditnehmeraufgrundseineseigenenInteressesanderFinanzierungund denaufsichtsrechtlichenBestimmungenfürBankenakzeptiertist. Ergänzend oder alternativ können von den Analysten folgende Informationsquellen frei oderimRahmenvonLizenzverträgengenutztwerden:
႑BerichtevonRatingagenturen(z.B.Standard&Poor’s,Moody’s,FitchRatings) ႑WirtschaftsauskünfteglobalerAnbieter ႑WirtschaftsauskünftelokalerAnbieter
Aufbau- und Ablauforganisation des Debitorenratings in einem weltweit agierenden Konzern 87
႑ZentraleInformationsstellen(z.B.elektronischerBundesanzeigerinDeutschland)bzw. DatenbankenfürUnternehmenszahlen
႑Informationslieferanten(z.B.ThomsonReuters,Bloomberg) ႑AnbietervonBranchenundLänderberichten/informationen ႑Firmenhomepage ႑PresseResearch Darüber hinaus können Informationen vom Vertrieb über die Geschäftsbeziehung und über das Zahlungsverhalten eines Unternehmens wichtige Inputparameter sein. Deren NutzungstehtallerdingsimmerunterdemVorbehaltderFragenachderObjektivitätbzw. nach dem Grund für Zahlungsverzögerungen (Handelsstreitigkeiten vs. Liquiditätsprob lemevs.AusnutzungvonEinkaufsmachtdurchdenKunden).Beidesistnichtohneweite resdurchdenAnalystenzubeantwortenundbedarfeinersystematischenInformationser fassung.
5.3.6
Qualitätsmanagement
Backtesting ImRahmendesSFSFinanzierungsgeschäfteserfolgtdurchdieAbteilungRiskControlling ein regelmäßiges Backtesting der Ratingergebnisse. Der Konzern greift heute auf die Er fahrungenundetabliertenProzesseausdemFinanzierungsgeschäftderSiemensFinancial Serviceszurück,indemdasBacktestingauchaufdieSiemensDebitorenerweitertwurde. MitderzunehmendenRatingpopulationwirddieAussagekraftderBacktestingergebnisse im Hinblick auf einzelne Ratingverfahren weiter deutlich zunehmen und die Weiterent wicklungundVerbesserungderRatingmethodenunterstützen.BeimBacktestingwerden dreizentraleFragenüberprüft:
႑StimmendieerwartetenAusfallwahrscheinlichkeitenmitdentatsächlichbeobachteten Ausfallratenüberein?
႑FallenbeidenschlechterenRatingklassentatsächlichmehrDebitorenaus? ႑WievieleKundensindinandereRatingklassenmigriert? WesentlicheVoraussetzungist,dassnichtnurdieDebitorenratingsermitteltwerden,son dern auch eingetretene Ausfälle (Defaults) als solche in auswertbarer Form im System erfasstundgespeichertwerden.BeiderSiemensFinancialServiceserfolgteineUmstufung des SFSRatings in die Ratingklasse 10, sobald ein Default eingetreten ist. Dies ist immer dann der Fall, wenn ein Unternehmen Insolvenz angemeldet hat oder eine Zahlung mit mehrals90Tagenüberfälligist.DasErgebniswirdländeroderportfoliobezogengrafisch veranschaulichtundregelmäßigbesprochen.
88
Götz Schürmann
Abbildung 5.2:
Beispiel Portfolio eines Landes für eine 12 Monats-Periode (Quelle: SFS Risk Controlling)
Informationsmanagement FürdiekostenpflichtigeInformationsbeschaffungistvongroßerBedeutung,dassregelmä ßigdieAngebotederAnbieterimHinblickaufQualitätundUmfangimVerhältniszuden eigenen Anforderungen und den Kosten überprüft werden. Für einen weltweit tätigen Konzern ist die Entscheidung für einen überregionalen oder globalen Anbieter anstatt eines schon seit langem sich im Markt befindlichen lokalen Anbieters, vice versa, eine Abwägung zwischen Qualität auf der einen Seite und Kostendegression aufgrund hoher Abnahmemengen,desBausnureinerSchnittstelleundvonVerhandlungenmitnurweni genGesprächspartnernaufderanderenSeite.HierliegenerheblichePotenzialefürQuali tätsverbesserungen und Kosteneinsparungen. Die für diesen kontinuierlichen Optimie rungsprozessbenötigtenRessourcensindentsprechendbeiderAusgestaltungderRating abteilungzuberücksichtigen.
5.3.7
Rechtlicher Rahmen
BeiderEtablierungdesgesamtenProzessessinddiejeweiligenrechtlichenRahmenbedin gungenganzwesentlichzubeachten.ImVordergrundstehtinnerhalbeinesweltweittäti genKonzernsdieFragennachdemDatenschutz:DürfenInformationenzueinemDebitor aneinezentraleEinheitgeliefertunddortgespeichertwerden,undwennja,welche?Was sind öffentlich zugängliche Informationen? Wer darf welche Informationen lesen bzw. bekommen? Hierbei sind die Datenschutzbestimmungen der einzelnen Länder zu beach ten. Daten von natürlichen Personen sind in der Regel besonders geschützt und müssen besonderen Regelungen unterstellt werden. Aufgrund der Vielzahl der Länder, in denen Siemenstätigist,stelltsichderGesamtprozesskomplexdar.InjedemFallistsicherzustel
Aufbau- und Ablauforganisation des Debitorenratings in einem weltweit agierenden Konzern 89
len,dassbeinatürlichenPersonenkeinDatenaustauschüberjuristischeEinheitenhinweg stattfindet und dass der Zugang zu Informationen über Debitoren durch klar definierte Zugriffsrechtestrenggeregeltist.ImÜbrigenmüssendieeinschlägigengesetzlichenRege lungenzurDatenerhebung,speicherung,verarbeitungundnutzungbeachtetwerden.
5.4
Ausblick: Das Debitorenrating als Treiber von Geschäftsprozessen
Aktives, zentrales Debitorenmanagement Neben der Möglichkeit das Debitorenrating aktiv bei der Steuerung der Geschäfts beziehungeinzusetzen,wasdurchdenVertriebeherselektivbetriebenwird,kommtdem zentralen Debitorenmanagement eine große Bedeutung zu. Während viele Unternehmen ihreForderungsausfällesehrpauschalüberdieVersicherungganzerPortfolienabsichern, erlaubt das Debitorenrating hier ein sehr viel gezielteres Vorgehen. Daneben werden durch die Aggregation von Forderungen Konzentrationsrisiken deutlich, welche aktiv über Forderungsverkäufe oder den Einsatz von Credit Default Swaps gesteuert werden können. Hier besteht für das Unternehmen ein erhebliches Potenzial Risiken und Kosten zureduzieren.
Liquiditätsbeschaffung durch Securitization SindimausreichendenMaßeDebitorenmiteinemRatingversehenundisteinkontinuier licherDebitorenratingprozessetabliert,lassensichdurchForderungsübertragungaufeine zentraleEinheitPortfoliengestalten,dieimRahmenvonSecuritizationzurLiquiditätsbe schaffung des Konzerns genutzt werden können. Die Bandbreite der verfügbaren Finan zierungsinstrumente kann so um AssetBacked Commercial Papers (ABCP) und Asset BackedSecurities(ABS)erweitertwerden.
Supplier-Rating Einmal etabliert, lässt sich der Prozess auch für die Beurteilung von Lieferanten nutzen. Hierfür ist die Anbindung der entsprechenden Datenbanken notwendig. Der bestehende Ratingprozessbleibtunverändert,sodasserheblicheSynergienimKonzerngenutztwer denkönnen.DieWahlderrichtigenRatingmethodeerfordertallerdingseineRisikoklassi fizierung der Lieferanten, da im Gegensatz zum Debitorenratingprozess der Parameter Forderungsvolumenfehlt.DieseEinordnungistvondenEinkäufernselbstdurchzuführen. Das unabhängige SupplierRating kann dann als ein InputParameter im Risiko managementprozessfürdieLieferanteneinfließenunddieWahlderunterallenGesichts punkten richtigen Lieferanten erleichtern. Gerade bei geplanten langfristigen Verträgen oderHauptzulieferernhatdieLieferfähigkeiteinegroßeBedeutung.Diesekanndurchden EinsatzvonSupplierRatingssicherereingeschätztwerden.
Länderrating und sein Einfluss auf die Kundenbeurteilung
6
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Länderrating und sein Einfluss auf die Kundenbeurteilung
BjörnBucher 6.1 6.2 6.2.1 6.2.2 6.3 6.3.1 6.3.2 6.4 6.4.1 6.4.2 6.4.3 6.5 6.5.1 6.5.2 6.5.3 6.6
6.1
Einleitung........................................................................................................................91 LänderrisikenundihreIndikatoren...........................................................................92 DefinitiondesLänderrisikos........................................................................................92 FormenvonLänderrisiken...........................................................................................92 VerfahrenundProblemebeiderBeurteilungvonLänderrisiken.........................96 Bewertungsverfahren....................................................................................................96 InformationsundPrognoseproblematik..................................................................98 RisikobeurteilungdurchLänderratings.....................................................................98 Coface..............................................................................................................................98 Ducroire/Delcredere....................................................................................................101 Moody’s........................................................................................................................102 LänderratingsinderPraxis........................................................................................103 EinflussvonLänderratingsaufdieKundenbewertung–Risikoanalyse............104 EinflussvonLänderratingsaufdieKundenbewertung– ReaktionenaufpolitischeundwirtschaftlicheLänderrisiken..............................105 EinflussvonLänderratingsaufdieKundenbewertung– SoziokulturelleRisiken...............................................................................................106 Fazit...............................................................................................................................106 Literatur........................................................................................................................107
Einleitung
„LänderrisikogehtvorDebitorenrisiko“–darausergibtsichdieBedeutungdesLänderra tingsundseinunmittelbarerEinflussaufdieBeurteilungdeseinzelnenKunden.Umdem steigenden Wettbewerbsdruck standzuhalten und um ein langfristiges Bestehen zu si chern, orientieren sich Unternehmen global und bauen Beziehungen zu den unterschied lichsten Märkten auf. Die Internationalisierung birgt aber nicht nur Chancen für ein Un ternehmen,sondernauchvermehrtRisiken,diezumTeilländerinduziertsind.DieProb lematik des rechtzeitigen Erkennens und Beurteilens von Länderrisiken rückt somit ver stärktindenVordergrund. Dies zeigt sich auch daran, dass – entgegen einer weitverbreiteten Auffassung – die Ent schädigungsleistungen der Kreditversicherer nicht hauptsächlich auf der Nichtzahlung undInsolvenzdesSchuldnersberuhen,sondernvielmehraufRisikofaktoren,diemitdem Land zusammenhängen, in dem sich der Kunde niedergelassen hat. Entsprechend er scheint eine genaue und aktuelle Bewertung der Länderrisiken auf Basis von Länderra
G. S. Becker, O. Everling (Hrsg.), Debitorenrating, DOI 10.1007/ 978-3-8349-6377-2_6, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
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Björn Bucher
tings als unentbehrlich. Erst auf Basis einer bewussten Entscheidung im Umgang mit ei nemLandlässtsichdieEntscheidungimUmgangmitdemeinzelnenKundenableiten.
6.2
Länderrisiken und ihre Indikatoren
6.2.1
Definition des Länderrisikos
Als Risiko wird die Gefahr beschrieben, bei der ein tatsächlich realisiertes Ergebnis vom erwarteten Ergebnis positiv oder negativ abweicht. Das Länderrisiko stellt demnach alle Verlustgefahrendar,dieeinemUnternehmendurchBeeinträchtigungihrerAuslandsakti vitäten erwachsen und aus der ökonomischen, politischen, infrastrukturellen oder sozio kulturellenSituationimInvestitionslandresultieren. Da das Länderrisiko keine objektiv feststellbare Größe und auch nicht unmittelbar be obachtbarist,wirdfortlaufendnachKorrelationenzwischenbeobachtbarenrisikoverursa chendenIndikatorenundLänderrisikengesucht.
6.2.2
Formen von Länderrisiken
Mit zunehmendem internationalem Engagement eines Unternehmens steigen auch die möglichenRisiken.ZurVereinfachungderDarstellungwerdendieeinzelnenRisikokom ponenten in die Bereiche politische, wirtschaftliche und soziokulturelle Länderrisiken gegliedert und dargestellt. Tatsächlich treten die Risikokomponenten oft gemeinsam auf, d.h. sie korrelieren zum Teil untereinander und können sich gegenseitig verstärken oder abschwächen.
Politische Länderrisiken Der Begriff des politischen Länderrisikos umfasst alle Tätigkeiten und Entscheidungen einesStaates,welchedieGeschäftszieleeinesUnternehmensgefährdenodernegativbeein flussen könnten. Von grundsätzlicher Bedeutung sind somit die politischen Rahmenbe dingungensowiedierechtlichenundorganisatorischenAnforderungen.Darausresultiert dieFrage,wiesichBedingungenundAnforderungenaufdieSicherheitundBerechenbar keit des politischen Umfeldes auswirken. Ein wesentliches politisches Länderrisiko ist somit die Beschränkung eigentumsbezogener Verfügungsrechte, bei der u.a. durch Be schlagnahmevollständigoderteilweiseVermögenentzogenwerden.EinwichtigerIndika toristdieStabilitätderpolitischenFührung,diesichinderRegierungsformundderFre quenz des Führungswechsels und der Bestandskraft politischer Entscheidungen nieder schlägt.DemokratischeStrukturenimplizierendasPrinzipderRechtsstaatlichkeit,dassich inderGewaltentrennungzwischenderJudikative,LegislativeundExekutivesowieinder UnabhängigkeitundEffizienzderRechtsprechungausdrückt.Diesbeziehtauchausdrück lich die Vertragstreue in der Formmit ein, dass u.a. Zusagen staatlicher Stellen nicht ge brochenwerden.
Länderrating und sein Einfluss auf die Kundenbeurteilung
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Weitere Indikatoren für die politische Stabilität eines Landes sind die Organisation und GewährleistungderinnerenSicherheitundOrdnung.DurchdenAusschlussvonMinder heiten und die Unterdrückung oppositioneller Meinungen können innenpolitische Span nungen entstehen, die zu Aufständen, Revolutionen oder gar Bürgerkriegen anwachsen undzurvölligenInstabilitätdesStaatesführen. Aus der staatlichen Beeinträchtigung von Geschäftsaktivitäten durch administrative Auf lagen,wiez.B.derFestlegungvonAbsatzmengen,desProduktionsprogrammesoderder DurchführungvonPreiskontrollenerwachsenweitereRisiken.AuchfiskalischeLänderri siken,diesichineinerunbeständigenGeldundFiskalpolitikderRegierungausdrücken, wiez.B.SteuererhöhungenoderSubventionsabbau,könnenerheblichefinanzielleVerluste füreinUnternehmenbedeuten. GravierendwirddasUnternehmenbeiZahlungsoderTransferunwilligkeiteinesStaates getroffen. Des Weiteren können politische Umstände dazu führen, dass es einem Unter nehmen unmöglich ist, die Inlandswährung zu konvertieren, oder dass starke Zahlungs verzögerungenentstehen.NebendieseninnenpolitischenAspektensindauchaußenpoliti scheLänderrisikenzubeachten.DieBeziehungdesInvestitionslandeszuseinenNachbar ländern und seine Positionierung auf den Weltmärkten geben Hinweise auf mögliche KrisenundInstabilitäten–somitdientauchdieinternationaleEinbindunginwirtschaftli che,militärischeundpolitischeBündnissealsRisikoindikator.
Wirtschaftliche Länderrisiken Unter dem Begriff des wirtschaftlichen Länderrisikos sind UrsacheWirkungs Beziehungen zusammengefasst, die auf der Wirtschaftsordnung, dem Wirtschaftssystem und der Wirtschaftsstruktur basieren. Die Wirtschaftsordnung beinhaltet die Gesamtheit aller Regeln für das wirtschaftliche Handeln, denen die Mitglieder einer Gesellschaft un terworfen sind und die ihre wirtschaftlichen Aktivitäten steuern. Die Form der Wirt schaftsordnungbasiertwiederumaufdemgewähltenWirtschaftssystemeinesLandes.Die Wirtschaftsstrukturverdeutlichtsichu.a.anderGrößedesAbsatzmarktes. EineweitereRollespieltdiebinnenwirtschaftlicheStabilitätdesLandes.Diesewirdbeein flusstdurchdenEntwicklungsstandderVolkswirtschaft,dieEffizienzderWirtschaftspoli tik, das Ausmaß der Kapitalbildung und die vorhandenen natürlichen und technischen Ressourcen. Wegen der Vielzahl möglicher Risikoindikatoren werden nachfolgend nur einigeexemplarischbeschrieben,diefürdieBewertungdeswirtschaftlichenLänderrisikos aussagekräftigsind. Bruttosozialprodukt–esbeschreibtdiewirtschaftlicheLeistungskrafteinerVolkswirtschaft in einer Periode. Es zeigt somit den Wert der produzierten Waren und Dienstleistungen aufundspiegeltdaherauchdenEntwicklungsstandunddasWachstumeinerVolkswirt schaft wider. Eine hohe Volatilität weist insbesondere bei Schwellen und Entwicklungs ländernaufeinhohesRisikopotenzialhin.
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Björn Bucher
SparundInvestitionsquote–gibtdasAusmaßderKapitalbildungineinerVolkswirtschaft wieder.DieInvestitionsquoteverdeutlichtdabeidiegetätigtenInvestitionenimVerhältnis zum Bruttosozialprodukt. Eine hohe Spar und Investitionsquote deutet auf ein hohes Wirtschaftswachstumhin.EinehoheSparquotevereinfachtdieFinanzierungvonInvesti tionenmitinländischemKapital.EinMehranInvestitionenimInlanderhöhtdieKapazitä tenundführtsomitzueinerSteigerungdesBruttosozialproduktes. Inflationsrate–wissenschaftlicheUntersuchungenhabeneineengeVerknüpfungzwischen der Inflationsrate und der Wahrscheinlichkeit einer Zahlungsunfähigkeit aufgezeigt. Die sesbegründetzwardieRelevanzdesIndikators,dochProblemeergebensichdurchunter schiedlicheMessgrundlagenindeneinzelnenLändernunddadurch,dassdasRisikonicht vonhistorischensondernvielmehrvonzukünftigenInflationsratenbeeinflusstwird. Devisenbewirtschaftung – Bonitätsprobleme werden in einem Land eintreten, wenn das Land nicht mehr über genügend Devisen verfügt, um seinen in ausländischer Währung eingegangenen Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem Ausland nachkommen zu kön nen.DiesesRisikobetrifftsomitvorallemUnternehmen,diemitstaatlichenInstitutionen ingeschäftlicherVerbindungstehen. NebenderbinnenwirtschaftlichenistnatürlichauchdieaußenwirtschaftlicheStabilitätvon Bedeutung. Einflussfaktoren der außenwirtschaftlichen Stabilität sind vor allem die wirt schaftliche Abhängigkeit, die Auslandsverschuldung und die Liquidität eines Landes. Erkenntnisse hierüber geben Zahlungsbilanzindikatoren. Ein Leistungsbilanzdefizit weist auf mögliche außenwirtschaftliche Probleme eines Landes hin, wogegen ein positiver Saldo auf ein geringes wirtschaftliches Risiko schließen lässt. Verhältniszahlen, wie das VerhältnisdesLeistungsbilanzsaldoszumBruttosozialprodukt,erhöhendieVergleichbar keit zwischen den Ländern. Hinweise sind auch der Export und Importstruktur eines Landes zu entnehmen, denn als Hauptdeviseneinnahmequelle eines Landes beeinflussen die Exporte die Stabilität eines Landes erheblich. Somit bedeutet eine diversifizierte Ex portstrukturundeinegeringeAbhängigkeitdesLandesvonderWeltmarktnachfrageein geringereswirtschaftlichesLänderrisiko. Die Importstruktur sollte dagegen so aufgebaut sein, dass eine möglichst geringe Menge an lebensnotwendigen also nicht substituierbaren Gütern darin enthalten ist, wie zum Beispiel Nahrungsmittel und Energie. Bei der Auslandsverschuldung ist nicht nur die Höhe der Verschuldung, meistens angegeben als Auslandsverschuldungsquote, entschei dend, sondern auch wie hoch die Zins und Tilgungszahlungen sind, und aus welchen Fristigkeitensiesichzusammensetzt. Handelshemmnisse sind weitere Risiken, da ein Staat durch Zölle, durch die Erhebung von Steuern oder durch Einfuhrbeschränkungen den freien grenzüberschreitenden Aus tausch von Gütern, Dienstleistungen und Knowhow einschränkt. Für Exportgeschäfte bergennatürlichauchWechselkurseerheblicheRisiken,wennGeschäfteineineranderen alsderHauswährunggetätigtwerden.
Länderrating und sein Einfluss auf die Kundenbeurteilung
95
Soziokulturelle Länderrisiken Abbildung 6.1:
Risikokomponenten und der Einfluss des Länderrisikos auf das Adressrisiko
Infra struktur
Liquidität
Öffentliche Finanzen Staats/ Wirtschafts Wirtschafts struktur
Kapital bilanz
Auslands verschuldung
wachstum
Kapital bildung
Leistungs /Handelsbilanz
Entwicklungs standderVolks wirtschaft
Innere Ordnung
Finanz /Geldpolitik Politische Führung
Beschäftigungs Rechts sicherheit
Außenwirt schaftliche Stabilität Binnenwirt schaftliche Stabilität
Einstellung gegenüber Ausländern/ausl. Unternehmen
Gradder Zersplitterung
Sozio kulturelle Stabiltät
Innen politische Stabilität
Gefahr militärischer Konflikte
Außen
Länderrisiko politische Stabilität
Realisierbarkeit außenpol. Zielsetzung
Einkommens/ Vermögens
Zahlungsunfähigkeit Wechselkursrisiken
Enteignungsrisiken
Handelshemmnisse
Transferrisiken
DEBITOREN Risiken
Dispositionsrisiken
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Björn Bucher
Das soziokulturelle Länderrisiko manifestiert sich in der sozialen Stabilität eines Landes und somit in den sozialen und kulturellen Unterschieden, die in diesem Land existieren. DabeiwirdanalysiertinwieweiteinStaatnachSprachen,ReligionenundVolkstumauf geteiltist.InteressenkonfliktekönnenhierleichterzuUnruhen,Streiksundgewaltsamen Auseinandersetzungenführen.HeterogeneEinkommensundVermögensverteilungsowie UnterschiedeinderBildungsstrukturunddemallgemeinenBildungsniveaukönneneben fallszuProblemfeldernwerden.
6.3
Verfahren und Probleme bei der Beurteilung von Länderrisiken
6.3.1
Bewertungsverfahren
Qualitative Verfahren QualitativeBewertungsverfahrenfindenhäufigAnwendunginFormeinesLänderberich tes, in dem die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Gegebenheiten eines Landes dargestellt und daraus Prognosen abgeleitet werden. Je nach Gegebenheit eines Landes können individuelle Schwerpunkte gesetzt und Besonderheiten herausgearbeitet werden. Damit werden die als Basis verwendeten Risikoindikatoren subjektiv ausgewählt und gehenunsystematisch in den daraus ermitteltenGesamteindruckein.DieimUrteilauto matisch vollzogene Gewichtung ist dementsprechend nicht ohne weiteres durch Dritte nachvollziehbarunderschwertsomitdieVergleichbarkeit. Um das Problem der mangelnden Vergleichbarkeit zu minimieren, werden strukturiert qualitative Verfahren verwendet. Hier wird auf Basis eines standardisierten Schemas, in der Regel einer feststehenden Checkliste, eine systematische Sammlung von Indikatoren aus volkswirtschaftlichen Statistiken bewertet. Jedoch bleiben die Auswahl und die Ge wichtungderRisikoindikatorenweiterhinsubjektiv.EntsprechendwerdendieRisikoindi katoren oft durch eine Expertenbefragung nach der DelphiMethode näher bestimmt. In diesem Verfahren werden Experten in mehreren Durchgängen zu einer Problemstellung befragt.AusdenErgebnissenwirdanschließendeinMittelwertermitteltmitdemZiel,das Gesamtergebniszuobjektivieren. Allgemein positiv ist bei qualitativen Risikoanalysen die mögliche Ausführlichkeit, die eine hohe zeitliche Bearbeitung und damit höhere Ausgaben erfordert, sich aber in der Qualität des Gesamturteils niederschlagen kann. Die qualitativen Verfahren werden des halb gerne in Kombination mit anderen Verfahren, insbesondere dem Ratingverfahren, eingesetzt.
Länderrating und sein Einfluss auf die Kundenbeurteilung
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Ratingverfahren Ratingverfahren sind Punktbewertungsmodelle, d.h. für jedes Land wird eine absolute Risikokennzahlermittelt.DurchdieseRisikoklassifizierungwirdeinerelativeEinordnung ineineLänderskalaundsomiteininternationalerVergleichermöglicht. Jedes Rating basiert auf einer Vielzahl von Faktoren, die mithilfe quantitativer aber auch qualitativer Indikatoren ermittelt werden. Die qualitativen Indikatoren werden subjektiv bestimmt und bewertet, d.h. quantifiziert. Die Kriterien werden mit Faktoren gewichtet, um die entsprechende Risikorelevanz mit einzubeziehen. Einzelergebnisse werden zu einemGesamtergebniskonsolidiert.
Mathematisch-statistische Verfahren BeimmathematischstatistischenVerfahrenwirdversucht,dasVorgehenvoninländischen KreditwürdigkeitsundInsolvenzprognosemodellenfürKonsumentenundFirmenkredi teaufdasLänderrisikozuübertragen.ZudenmathematischstatistischenVerfahrenwer dendieDiskriminanzanalyse,dieLogitanalyseunddieFaktorenanalyse(ClusterAnalyse) gezählt. BeiderDiskriminanzanalysewirdversucht,eineabhängigeVariabledurchzweiodermeh rere unabhängige Variablen zu erklären und zu prognostizieren. Demzufolge werden Vergangenheitswerte (z.B. Kreditengagements) untersucht, um herauszufiltern, welche Indikatoren mit welcher Gewichtung für ein zahlungsfähiges oder nicht zahlungsfähiges Schuldnerlandsprechen.SoerfolgteineAufteilunginzweiGruppen.BeiderAnwendung derDiskriminanzanalysezurPrognosevonUmschuldungeninsouveränenStaatenhaben sich u.a. Indikatoren wie Schuldendienstquote, Schuldenamortisation und die Relation ImportezuWährungsreservenalsaussagekräftigerwiesen. Ziel der Logitanalyse ist es, Wahrscheinlichkeiten für zum Beispiel Kreditausfälle erst zu schätzenunddannineinerStudieanhandvonVariablenzubelegen.Testanwendungenin der Praxis haben jedoch gezeigt, dass zahlreiche Fehler vor allem auch in der Ableitung der Variablen auftreten, und die Logitanalyse somit ohne zusätzliche Analyse nicht an wendbarist. DadieVielzahlvonIndikatorenfürLänderrisikennichtunabhängigvoneinanderzusehen ist,wirdinderFaktorenanalyseversucht,Faktorenzufinden,diedieKorrelationderIndi katoren optimal wiedergeben. Dadurch kann ein Zielwert mit relativ wenigen Faktoren ziemlich genau erklärt werden, wobei Veränderungen im Zeitablauf zu berücksichtigen sind. NegativanzumerkenistbeidiesenVerfahrenvorallemdiegeringeZukunftsausrichtung. Eine Prognose ist nur durch die Extrapolation von Vergangenheitsdaten möglich. Doch sinddieseinihrerAussagekraftbedenklich,dadasUmfelddynamischundnichtstatisch ist,undsichdieweltwirtschaftlichen,sozialenundpolitischenDatenplötzlichundunvor hergesehen ändern können. Außerdem ist zweifelhaft, ob ein mathematischstatistischer Prozess die Komplexität der Einflussfaktoren auf Länderrisiken berücksichtigen und in einerKennzahlwiedergebenkann.
98
6.3.2
Björn Bucher
Informations- und Prognoseproblematik
UmLänderrisikeneinschätzenundbeurteilenzukönnen,werdenaktuelleundqualitativ hochwertigeInformationenbenötigt.DabeiistjedocheinökonomischsinnvollerRahmen einzuhalten, damit der Aufwand der Informationsbeschaffung auch in Relation zu dem darausresultierendenErtragsteht.AufgrunddersehrhohenKomplexitätvonLänderrisi kenundihrenEinflussfaktorenkönnendieDatennievollständigsein.Unsicherheitbesteht zudem bei Qualität und Zuverlässigkeit der Quellen. Prognosen sind stets mit Unsicher heitenbehaftet,dieumsogrößersind,jelängerderZeithorizontderPrognoseist.Einwei teres Problem besteht speziell bei der Prognose von politischen Risiken. Diese entziehen sichofteinerrationalenBasis,undsindsomitkaumeinschätzbar.
6.4
Risikobeurteilung durch Länderratings
ImRahmenderGlobalisierunggewannendieindenUSAbereitsseitgeraumerZeitübli chenundanerkanntenRatingAgenturenauchinEuropaanBedeutung.Zunächstwaren die Bewertungen hauptsächlich auf PortfolioManager ausgerichtet, die sich durch diese Informationsplattform Informationen über die Bonität der Emittenten beschafften. Die zunehmende Integration der nationalen und internationalen Finanzmärkte und der Fi nanzbeziehungen führte zu einer wachsenden Verbreitung und Weiterentwicklung der Ratingsysteme. Neben den weltweit operierenden Ratingagenturen wie Moody’s und Standards & Poor’s existieren auch nationale Agenturen, die zum Teil unterschiedliche ZieleundSchwerpunkteverfolgenundbranchenspezifischausgerichtetsind.Beispielhaft werden nachfolgend die Ratings der Kreditversicherer Coface und Ducroire/Delcredere sowievonMoody´sbeschrieben,uminsbesonderedievorhandenenUnterschiedezuver deutlichen.
6.4.1
Coface
Die Länderbewertung ist eine der Kernkompetenzen von Coface. Während die meisten RatinganalysensichbeiderEinschätzungderLänderrisikenaufdieallgemeineLiquidität undBonitätderLänderstützen,zeichnetsichdieRisikoeinschätzungvonCofacedadurch aus,dasssieaufeigenenErfahrungenberuht.DasLänderratingmisstdabeidieHöhedes durchschnittlichen Risikos, das bei den Unternehmen des jeweiligen Landes im Rahmen kurzfristiger Geschäftsbeziehungen besteht. Neben makroökonomischen und geopoliti schenAussichtenistsomitdasZahlungsverhaltenderUnternehmenwesentlicherBestand teilbeiderBeurteilungdereinzelnenLänder. DieAnalysedesCofaceCountryRatingsbasiertsomitsowohlaufeinervolkswirtschaftli chen Expertise, die aus finanzwirtschaftlichen und politischen makroökonomischen Indi katoren erstellt wird, als auch auf einer betriebswirtschaftlichen Expertise. In der dafür aufgebauten Datenbank werden die Daten von über 150 Ländern weltweit regelmäßig aktualisiert.CofacegreiftdabeiaufseinelangjährigeErfahrung,insbesonderealsManda
Länderrating und sein Einfluss auf die Kundenbeurteilung
99
tar des französischen Staates als Ausfuhrkreditversicherer, zurück. Das Rating bietet Un ternehmendarüberAuskunft,inwieweitihreausländischenForderungendurchLänderri sikenbeeinflusstundgefährdetwerdenkönnten.DasLänderRatingbewertetinsbesonde redasZahlungsausfallrisikobeikurzfristigenGeschäftenmitUnternehmenineinemLand aufgrundvonpolitischenund/oderwirtschaftlichenFaktoren. DieverwendetenIndikatorenwerdeninsiebenGruppenaufgeteiltundeinzelnbewertet. Diese Segmentanalysen untersuchen die Anfälligkeit des Wirtschaftswachstums, die Li quidität in ausländischer Währung, die Auslandsverschuldung, die finanzielle Stabilität der Regierung, die Stabilität des Banksektors, die politische und institutionelle Stabilität desLandesunddasallgemeineZahlungsverhaltenderUnternehmen. Um eine Vergleichbarkeit zu erzielen, werden die Segmentanalysen zu einem Gesamter gebnis zusammengefasst, in denen die Länder dann in sieben Risikostufen eingeordnet sind:
႑DieobersteStufeA1drückteinehohepolitischeundwirtschaftlicheStabilitätundposi tivesZahlungsverhaltenderUnternehmenaus.SomitbestehtbeiEngagementsmit LänderndieserRisikostufenureinesehrgeringeWahrscheinlichkeiteinesZahlungs verzugesoderverlustes.
႑InderStufeA2istdasLänderrisikonochimmersehrgering,denndaswirtschaftliche
undpolitischeUmfeldunddasZahlungsverhaltensindstabil,bietenjedochRaumfür Verbesserungen.Ausfallwahrscheinlichkeitensindweiterhingenerellgering.
႑IndenzuA3zugeordnetenLändernkönnenpolitischeoderwirtschaftlicheUnwägbar keitenzueinerVerschlechterungdesZahlungsverhaltensführen,welchesaberbereits schonrisikoreicheralsindenbeidenerstenKategorienist.DieWahrscheinlichkeitei nesZahlungsverlustesistallerdingsnochimmerkalkulierbar.
႑DieLänderinA4weiseneinbereitsunregelmäßigesZahlungsverhaltenauf,welches
durcheineVerschlechterungdeswirtschaftlichenundpolitischenUmfeldesweiterne gativbeeinflusstwerdenkönnte.TrotzdemwirdauchhiereinZahlungsverlustals nichtsehrwahrscheinlicheingeschätztundsomitvoneinemakzeptablenRisikoge sprochen.
႑DieRisikostufeBdefiniertsichdurcheininstabileswirtschaftlichesundpolitisches
Umfeld,dasnegativeAuswirkungenaufdasschonschlechteZahlungsverhaltenhaben könnte.
႑DieRisikostufeCweistaufeinallgemeinpolitischundwirtschaftlichinstabilesUmfeld hin,welchessichbereitsaufdasZahlungsverhaltennegativauswirkt.
႑DieuntersteRisikostufeDzeigteinhohesRisikoprofildeswirtschaftlichenundpoliti schenUmfeldesan.DabeibestehteinegroßeWahrscheinlichkeit,dasssichdasZah lungsverhaltenderUnternehmennochweiterverschlechternkann.
Generellwerdendie„A“Bewertungenals„investmentgraderisks“bezeichnet,d.h.Ge schäftsbeziehungen in diesen Ländern erscheinen trotz vorhandener Risikolage als poli
100
Björn Bucher
tischsicher.IndenEinstufungenBbisD,dieals„speculativerisks“gelten,istdasRisiko potenzial und die Eintrittswahrscheinlichkeit relativ hoch, so dass die dort vorhandenen Geschäftsbeziehungenalsspekulativundunsicherbewertetwerdenkönnen.UmdieAk tualität und Nutzbarkeit des Ratings zu erhöhen, werden die Länder, bei denen sich ein UpoderDowngradeabzeichnenkönnte,aufeinesogenannte„watchlist“gesetzt.
Exkurs: Industrieländer von Abwertungen 2009 besonders betroffen CofacehatvonJanuarbisJuli200936Länderabgestuft.Besondersbetroffenhiervonsind die Industrieländer, die bislang beste Ratings erzielten, und kleinere Volkswirtschaften, diehochgradigvomWelthandelabhängen.ZudemwurdedasRatingvielerLänderunter Beobachtung gestellt, so dass es insgesamt in diesem Zeitraum zu 82 Änderungen kam. Dies bedeutetgleichzeitig die höchste Zahl an Änderungen seitder Einführung des Län derratingsimJahr2001.
Tabelle 6.1:
Änderungen im Coface-Länderrating (Quelle: Coface) Ò ÔUnter Beobachtung für eine Auf- bzw. Abwertung
Westeuropa
Land
April2009
Juli2009
Finnland
A1Ô
A2
Niederlande
A1Ô
A2
Österreich
A1 Ô
A2
Portugal
A3
A3Ô
SlowakischeRepublik
A3
A3Ô
Estland
A4
A4Ô
Litauen
A4
A4Ô
Lettland
B
BÔ
CostaRica
A4
A4Ô
ElSalvador
B
BÔ
Guatemala
B
BÔ
Venezuela
C
A3Ô
Botswana
A3
A4
MittelundOsteuropa
Lateinamerika
Afrika
Länderrating und sein Einfluss auf die Kundenbeurteilung
6.4.2
101
Ducroire/Delcredere
Die im Länderrisikorating des Kreditversicherers Ducroire/Delcredere verarbeiteten In formationen beruhen auf der systematischen Analyse der politischen und finanziellen SituationderjeweiligenStaatenundbasierenaufQuellen,wiedemInternationalenWäh rungsfonds, der Weltbank, dem Institute of International Finance, The Economist Intel ligenceUnitunddemWienerInstitutfürInternationaleWirtschaftsvergleiche. DasAnalyseergebnisdergenanntenQuellenwirdanschließendmiteigenenErfahrungen bzgl.derZahlungsfähigkeitbewertetunddieLänderinRisikoklassen17eingeteilt.Dabei erfasstdieRisikokategorie1dieLändermitdemgeringstenpolitischenRisiko. Länderkategorie 7 beinhaltet all die Länder, in denen das Risiko am höchsten ist. Dieses RisikoumfasstalleimAuslandeintretendenEreignisse,dieeinehöhereGewaltdarstellen (Devisenmangel, Kriege, Revolutionen, Naturkatastrophen und Hoheitsakte). Um die Bewertungen schnell anpassen zu können (siehe Abbildung 6.2 für Europa und GUS Staaten),basiertdasRatingaufeinerbeschränktenZahlvonIndikatoren,derenRelevanz getestetwurde,wiez.B.VertrauenderFinanzmärkte(RefinanzierungsfähigkeiteinesLan des),Auslandsverschuldung,DevisenreservenundderLeistungsbilanzsaldo. Abbildung 6.2:
Veränderungsgeschwindigkeit der Länderratings (Quelle: Ducroire/Delcredere)
Risikorating-Skala: gering
Europa/GUS (Oktober 2008)
hoch
Europa/GUS (Oktober 2009)
LänderwerdendarüberhinausinBezugaufdaswirtschaftlicheRisikoindreiKategorien (A, B, C) eingestuft. Hierbei wird das durchschnittliche Nichtzahlungsrisiko der Abneh merineinemLandbewertet.DaswirtschaftlicheRisikohängtdabeiauchvondenvolks wirtschaftlichenundinstitutionellenFaktorenmitAuswirkungenaufdieRückzahlungsfä
102
Björn Bucher
higkeitallerKäuferineinemLandab.KategorieAumfasstLänder,indenendassystemi sche wirtschaftliche Risiko am geringsten ist, während Kategorie C die Länder mit dem höchsten Risiko enthält. Bei der Bewertung des „wirtschaftlichen“ Länderrisikos werden wirtschaftliche und finanzielle Indikatoren (u.a. Abwertung, Inflationsrate), Zahlungser fahrungensowieIndikatorendesinstitutionellenRahmens(u.a.Korruptionsindex)erfasst. Abbildung 6.3:
Risikobewertung Exportgeschäfte sowie Veränderungsgeschwindigkeit am Beispiel Ukraine (Quelle: Ducroire/Delcredere Stand: Dezember 2009)
Politische Risiken Ukraine
Wirtschaftliche Risiken Ukraine
gering
hoch
gering
hoch
Short term political risk classification Ukraine (May 2008 - Sep 2009) 7
Country classification
6 5 4 3 2 1 0
May/08
6.4.3
Oct/08
Nov/08
Feb/09
May/09
Sep/09
Moody’s
Moody´sisteinederführendenkommerziellenRatingagenturen.Siebewertetnebenallen Arten von Finanzinstrumenten auch Länder und Länderrisiken, die für institutionelle AnlegervonInteresseseinkönnten.Ratings,dieimZusammenhangmitdemLänderrisiko stehen,werdenunterdemBegriff„SovereignRatings“geführt.SovereignRatingsbewer ten im Unterschied zu Country Ratings (z.B. Coface) das Risiko, welches im Zusammen hangmitderKreditvergabeaneinestaatlichebzw.öffentlicheInstanzentsteht.Eswirddie SicherheitvonStaatsanleihenininländischerundausländischerWährungbewertetundes werden „country ceilings“ für kurz und langfristige Anleihen, Schuldverschreibungen
Länderrating und sein Einfluss auf die Kundenbeurteilung
103
undBankeinlageninFremdwährungerstellt.Das„countryceiling“zeigtan,dassfürdas jeweilige Finanzinstrument des Landes schon ein Rating durchgeführt und das Ergebnis als maximales Ergebnis übernommen wird. Bei der Bewertung wird zwischen ausländi scher Währung und Landeswährung getrennt, da das Ausfallrisiko bei ausländischer Währunghöhereingeschätztwird.BeiVerschuldungeninFremdwährungmussderStaat alsSchuldnerdasausländischeZahlungsmittelaufdemDevisenmarktkaufen,wogegener im eigenen Steuer und Finanzsystem bei seinem Zugriff auf die inländische Währung nichteingeschränktist. Darüber hinaus bewertet Moody’s auch die Bonität einzelner Emittenten. Dabei wird be wertet,obeineZahlungrechtzeitigundimvollenUmfangerfülltwerdenkönnte.Moody’s benutzt eine Ordinalskala (Aaa, Aa, A, Baa, Ba, B, Caa, Ca, C), in der Aaa das geringste Risiko ausdrückt und C das höchste. Zur Feinskalierung werden als ergänzender Zusatz die Zahlen eins bis drei eingesetzt. Dabei gelten die Stufen Aaa bis Baa3 als „investment grades“unddiefolgendenRisikostufenals„speculativegrades“.
6.5
Länderratings in der Praxis
Länderratings sind ein geeignetes Instrument, um Informationen über Länderrisiken transparenterzumachenundineinemstandardisiertenVerfahrenanzuwenden.Dasssie keineabsoluteSicherheitfürdieFrüherkennungvonRisikenbietenkönnen,erscheintklar undzeigtenichtzuletztdieAsienkrise.DieseSystemproblematikwurdedahervondiver senRatingagenturengenutzt,dieFrüherkennungssystemeweiterzuentwickeln,undneue AnsätzeundInhaltezuschaffen.Entsprechendwurdeder„contagioneffect“miteinbezo gen,dersovielwie„Ansteckung“oder„schädlicherEinfluss“bedeutet.DiesesPhänomen beschreibt somit die Gefahren einer finanziellen Krise eines Landes für scheinbar unbetroffene oder gar geografisch weit auseinander liegende Staaten. Aktuell ist diese Situation mit dem medizinischen Begriff der Pandemie im Umgang mit der Grippe zu vergleichen. Des Weiteren wird das WährungsreservenManagement der Zentralbanken stärker in die Risikoanalyse mit einbezogen. Die Zentralbankreserven gelten als Puffer, wenn das Land in Zahlungsbilanzschwierigkeiten gerät. Eine größere Transparenz wird auch für die Auslandsverschuldung und die externe Schuldenbedienung gefordert, denn im Vorfeld von Krisen zeigt sich in der Regel eine überproportionale Zunahme der Ver schuldungvorallemimprivatenSektorundbeidenkurzfristigenAuslandsverbindlichkei ten.EntsprechendwerdenheutevorallemauchdieStrukturenderFälligkeitenbewertet. ProblematischfürdenEinsatzvonRatingsinUnternehmenistdiezumeistfehlendeFlexi bilitätderBewertungen,dennvorwiegendtreffenLänderratingseherpauschalisierteAus sagen und können nicht unternehmensindividuell angepasst werden. Die mangelnde Zielgruppenorientierung hat auch Auswirkungen auf die Risikoeinschätzung, denn je nach Art des Engagements sind auch unterschiedliche Risikoarten relevant. Die unkriti scheÜbernahmevonLänderratingsistauchoftdeshalbbedenklich,weilvieleVerfahren nur im Ergebnis publiziert werden, und der Anwender keine Informationen darüber be kommt, wie die Risikoanalyse methodisch aufgebaut und fundiert ist. Generell ist die
104
Björn Bucher
AktualitätderDatenvonbesondererWichtigkeit,wasdurchdiezunehmendeGeschwin digkeit der Veränderungen einerseits und der Informationsverbreitung andererseits eine wachsende Herausforderung darstellt. Länderratings dürfen den Kapitalmärkten also nichthinterherhinkenundinihrenPublikationenzeitlicheVerzögerungenaufweisen.
6.5.1
Einfluss von Länderratings auf die Kundenbewertung – Risikoanalyse
Wie im Vorwort bereits erwähnt, haben Länderrisiken einen signifikanten Einfluss auf AdressrisikenundbildendaherdieBasisfürjedeKundenbewertung.Entsprechendwer denLänderratingsdazugenutzt,möglicheAuswirkungenvonLänderrisikenaufHandels geschäfteinstandardisierterunddamitauchvergleichbarerFormdarzustellen.Festzuhal tenbleibtsomitdieunmittelbareAuswirkungdesLänderratingsaufdasDebitorenrating. UnbedingtnotwendigerscheintnachidentifiziertemRisikoeineumfassendeAnalyseund AnalysemöglichkeitderLänderengagementsinFormvonz.B.:
႑AdressrisikenproLand/Risikokategorie ႑OffenerPostenproLand/Risikokategorie ႑Zahlungsbedingungen ႑AgingListenproLand/Risikokategorie ႑DSO–ZahlenproLand/Risikokategorie ႑„Ratingmix“–insbesondere„schlechtesLänderratingmitschlechtemAdressrisiko“
sowie„gutesLänderrisikomitschlechtemAdressrisiko“und„schlechtesLänderrisiko mitgutemAdressrisiko“
Darauswirddeutlich,dasseineumfassendeTransparenzzurEntscheidungüberdenUm gangmitdenvorliegendenRisiken(unddamitChancen)notwendigist. Abbildung 6.4:
Informationsmatrix Länderrisiko/Debitorenrisiko Forderungen 130Tage 3160Tage 6190Tage
Land AT
Austria
inT€
BE
Belgium
BR
Brazil
Result MoglerGesmbH FiduzaAG … Result Ratsucherscrl … Result FlamenosLtda …
überfällig überfällig überfällig DSO Zahlungsziel 103 80 48 30net 69 69 32 30net 100 19 59 69 60net … … … … … … 312 42 68 62 30net 22 11 45 30net … … … … … … 98 22 11 112 60net 98 22 11 103 90net … … … … … …
258
Rating A2/A1 C A … A2/A1 C … A4/A4 A …
Länderrating und sein Einfluss auf die Kundenbeurteilung
105
UmdieRisikenentsprechendzureduzieren,könnenpolitischeDeckungenfürLänderrisi kenaufdemprivatenAbsicherungsmarkterworbenwerden.Auchdarstellbarsindstaat lich unterstützte Deckungen der Länderrisiken durch Mitglieder der Berner Union (s.u.). Exemplarisch hierfür soll die mögliche Abdeckung über EulerHermes als Mandatar des BundesvorgestelltundalsAntwortaufeinnegativesLänderratingundderdirektenAus wirkungenaufdasAdressrisikovorgestelltwerden.
6.5.2
Einfluss von Länderratings auf die Kundenbewertung – Reaktionen auf politische und wirtschaftliche Länderrisiken
Die Berner Union DieBernerUnionisteineinternationaleNonprofitOrganisationimBereichExportkredit undInvestitionsversicherungen.DieMitgliederderOrganisationrekrutierensichausdem öffentlichenwieauchausdemprivatenSektorderIndustrienationensowieausEntwick lungs und Schwellenländern. Ziel der Organisation ist die nachhaltige Förderung des Außenhandels und der Schutz von exportierenden Unternehmen, Investoren und kredit gebendenBankenvorpolitischenundwirtschaftlichenRisiken.
„Hermesdeckungen“ Dieweitläufigunter„Hermesdeckungen“bekanntenAbsicherungenvonpolitischenund wirtschaftlichen Risiken waren lange Zeit die einzige Möglichkeit diesen Risiken zu ent gegnen. Heute werden jedoch auch politische Risiken durch private Kreditversicherer abgedeckt. FürdieExportkreditversicherungdesBundeswurdealsMandatardieEulerHermesKre ditversicherungsAGausgewählt.SieberätinteressierteUnternehmen,nimmtdieGewähr leistungsanträgeentgegen,bearbeitetsieundistauchinsonstigeVorgänge,wiePrüfung undAbwicklungvonSchäden,miteingebunden.DerBund,vertretendurchdasBundes ministerium für Wirtschaft und Arbeit und durch das Bundesministerium für Finanzen, entscheidetüberdieFörderungswürdigkeitdesExportgeschäftesundüberdieÜbernahme einer Deckung. Förderungswürdig sind Exportgeschäfte, die zum Beispiel eine entwick lungspolitischeBedeutunghaben,ArbeitsplätzeschaffenunddiestrukturelleSituationdes Landesverbessernhelfen.InderPraxiswirddieseInterpretationsehrweitgefasst;gene rellsteigendieAnforderungenabermitderHöhedesRisikos,dasdurchdieGewährleis tungübernommenwerdensoll.
106
6.5.3
Björn Bucher
Einfluss von Länderratings auf die Kundenbewertung – Soziokulturelle Risiken
NebendenpolitischenundwirtschaftlichenRisikenstelltsichbeiHandelsbeziehungenmit LändernauchdieFragenachsoziokulturellenBestimmungsfaktoren.SoziokulturelleRisi ken, wie z.B. eine schlechte Arbeitsmoral oder schwaches Konsumverhalten, sind für ein Unternehmen analysierbar und zu berücksichtigen. Deshalb erscheint ein eigenverant wortlichesInformierenüberpolitische,soziale,kulturelleundlandeskundlicheBedingun gen und Verhaltensweisen angezeigt. Auch soziokulturelle Risiken spiegeln sich in der RegelinLänderratingswider.
6.6
Fazit
WieindiesemBeitragdargestellt,existierteineVielzahlanVerfahren,Instrumentenund MethodenzurBeurteilungvonLänderrisikenundihrerDarstellunginFormvonLänder ratings.Erfahrungenzeigenaberauch,dassjedesKonzeptmitUnsicherheitenbehaftetist undsichdasLänderrisikonievollständiginseinerKomplexitäterfassenlässt.Trotzdieser UnsicherheitbietenLänderratingsUnternehmeneinenWegzursystematischenundstan dardisiertenAuseinandersetzungmitdiesemThema.RatingsbietenMarktteilnehmerndie Chance,sichzuüberschaubarenKostenundmitrelativniedrigemAufwandmithochwer tigen Informationen zu versorgen. Durch die Informationsdichte steigt die Transparenz der Märkte und der Länderrisiken, was das Gefahrenpotenzial für Unternehmen verrin gert. Hinzu kommt, dass sich Ratings durchaus zu einem Sanktionsmechanismus entwi ckelthaben,besondersdann,wenndieInformationsbereitschaftderLänderbzw.derKapi talnehmermangelhaftist.DennjewenigerInformationendenRatingagenturenzurVerfü gungstehen,destohöhersteigtdieWahrscheinlichkeit,einLandnegativzubewerten. NebenderBereitschaftderLändermithohenRisiken,ihrRisikopotenzialzuminimieren, hat sich auch das Risikobewusstsein in Unternehmen verändert. Eine Risikoanalyse ist daher in der Regel nicht nur ein fester Bestandteil in der Planung von Außenhandelsge schäften, sondern ein fortwährender integrierter Analyse, Entscheidungs und Hand lungsprozess. Die Balance zwischen Chance und Risiko ist erheblich mit der richtigen marktgerechten EinschätzungverbundenunddamitauchwesentlichvomMaßderErfahrungundQuali fikationderMitarbeitereinesUnternehmensabhängig. GenausoverhältessichmitderWahleinesdervielfältigenAbsicherungsinstrumente,die einemUnternehmenfürwirtschaftlicheundpolitischeLänderrisikenbeiAußenhandelsge schäftenzurVerfügungstehen.InwieweiteinUnternehmenRisikenvermeidet,selbstträgt oderabwälzt,hängtzumeinenvonseinerRisikostrategieundzumanderenvondenvor herrschendenunternehmerischenWirtschaftlichkeitsfaktorenab.
Länderrating und sein Einfluss auf die Kundenbeurteilung
107
Festzuhalten bleibt aber, dass die Absicherungsinstrumente dazu führen, dass Unterneh menihreglobalenChancenbesserundsichererwahrnehmenkönnen,ihrenAußenhandel ausweitenunddamitauchihreWettbewerbspositionstärken.
Literatur >@ >@
>@ >@
Broll, U. (1995): Export, Risiken und Risikomärkte, Ökonomische Analyse institutioneller Absi cherung,Band9,MünsterundHamburg1995 Geissbauer, R. (1998):Direktinvestitionen in der VolksrepublikChina und der Republik Indien, Ein Investitionsstandortvergleich auf der Basis des projektorientierten Länderratings, Weiden undRegensburg1998 Loscher,G.(1984):DaspolitischeRisikobeiAuslandsinvestitionen,München1984 Meyer,M.(1987):DieBeurteilungvonLänderrisikenderinternationalenUnternehmung,Berlin 1987
Einführung des Kundenratings im Kreditmanagement eines Handelsunternehmens
7
109
Einführung des Kundenratings im Kreditmanagement eines Handelsunternehmens – Anforderungen, Funktionen und Nutzen am Beispiel der BayWa AG München
RudolfKeßler 7.1 7.2 7.3 7.4 7.5 7.6 7.7
7.1
SituationdesHandelsallgemein...............................................................................109 StatusdesUnternehmensBayWaAG......................................................................110 HerausforderungenandasKreditmanagement.....................................................110 Lösungsansätze............................................................................................................111 RatingalsLösungsansatz...........................................................................................114 NutzendesRatings.....................................................................................................119 Ergebnisse.....................................................................................................................120
Situation des Handels allgemein
EineklassischeFunktiondesHandels–insbesonderedesGroßhandels–istdieFinanzie rungsaufgabealsMittlerzwischendenHerstellernunddenAbnehmern.Siestelltzusam menmitderLogistikundDistributionsaufgabedieExistenzberechtigungfürdenHandel darundkanndeshalbnichtaufgegebenwerden. AlsFolgetrittdieKapitalbindunginFormvonForderungenausLieferungenundLeistun genmitdendarausresultierendenKostenfürdieVerzinsungdesKapitals,dieadministra tiven Bearbeitungsprozesse, die Inkassoaufwendungen und schlimmstenfalls die Ab schreibungenderForderungsverlusteauf. Forderungen aus Lieferungen und Leistungen als Vermögensgut des Unternehmens stel lendanebeneinRisikopotenzialdar,dessenUmfangsichausdemAnteilderForderungen an der Bilanzsumme bemisst und dessen Bedeutung für den Unternehmenswert nicht unterschätztwerdendarf.
G. S. Becker, O. Everling (Hrsg.), Debitorenrating, DOI 10.1007/ 978-3-8349-6377-2_7, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
110
7.2
Rudolf Keßler
Status des Unternehmens BayWa AG
Die Wurzeln des in München ansässigen Großhandelsunternehmens liegen in der Grün dung der Raiffeisengenossenschaften für das Geld und Warengeschäft im ländlichen Raum des 19. Jahrhunderts. Neben den regionalen Genossenschaften wurden in ganz Deutschland auch sogenannte Zentralinstitute eingerichtet, die im Einkauf und Vertrieb dieGroßhandelsfunktionausübten.WegenderInflationerfolgteinBayern1923dieGrün dung der BayWa AG, um auf zentraler Ebene eine Trennung von Geld und Warenge schäftenzuerreichen. SeitherbeliefertdieBayWadiebayerischeLandwirtschaftmitdenbenötigtenBetriebsmit telnundbündeltundvermarktetdieErzeugnissederBauern.WegendesStrukturwandels der Landwirtschaft erfolgte in den 1970er Jahren gezielt die Diversifikation in die Ge schäftsbereicheBaustoffFachhandel,BauundGartenmärktesowieMineralöl/Brennstoff handel. Ab 1991 wurde das Vertriebsnetz in den neuen Bundesländern aufgebaut, 2003 folgtedieAusdehnungindieRegionWürttemberg.SeitEndeder1990erJahrevergrößerte sich der Konzern durch Beteiligungen in Österreich und den mittelosteuropäischen Staa ten; ab 2005 erfolgten Zukäufe im BaustoffFachhandel in den Regionen RheinlandPfalz undNordrheinWestfalen. 2008 erzielten rund 16.000 Beschäftigte einen Konzernumsatzvon 8,4 Mrd.Euro der sich zuetwa40ProzentaufdenAgrarhandelundjeetwa30ProzentaufdenHandelmitBau stoffenbzw.Energieverteilt.
7.3
Herausforderungen an das Kreditmanagement
DieAusweitungderGeschäfteausdemreinenAgrarmarktzugewerblichenundprivaten Abnehmergruppeninden1970erJahrenerforderteeineErgänzungderklassischenDebi torenbuchhaltung um Aufgaben wie externe Informationsbeschaffung, Bonitätsprüfung undKreditlimitfestlegung.DerAnstiegderInsolvenzahleninDeutschlandinden1990ern, insbesondere die schwere Krise in der Baubranche ab der Mitte des Jahrzehnts verlangte darüber hinaus Methoden und Instrumente zur aktiven Außenstandsbearbeitung. Die Veränderungen im Zahlungsverhalten (Zahlungsfähigkeit) der gesamten Wirtschaft und die sich wandelnde Einstellung zum Umgang mit Gläubigern („Zahlungsmoral“) waren dabeizuberücksichtigen. DergesamteLeistungsprozessdesUnternehmensmitseinenBesonderheiteninOrganisa tion, Struktur und Marktsituation musste mit den gewollten Änderungen in Einklang gebracht werden. Der Vertrieb in Deutschland erzielt die Umsätze in den unterschiedli chen Sparten an etwa 800 Standorten mit den Abnehmergruppen Landwirtschaft, Agrar industrie(Mühlen,Mälzereien),Transportunternehmen,IndustrieundHandelallgemein, Baubranche,privateAbnehmerundöffentlicheStellen.
Einführung des Kundenratings im Kreditmanagement eines Handelsunternehmens
Abbildung 7.1:
111
Vertriebsstruktur der BayWa AG
Herausforderungen Drei Hauptvertriebsbereiche mit sieben Hauptkundengruppen Agrar
Landwirtschaft (Kleinbetriebe bis Agrarkonzerne) Getreidehändler weltweit Mühlen, Mälzereien, Brauereien
Baustoffe
Bauunternehmen (Hoch-, Tief-, Ausbau, Bauträger)
Energie
Transportgewerbe Kommunen Verbraucher
Dabei werden Rechnungen im Einzelfall von einhundert Euro bis zu mehreren hundert tausendEuroaufca.1,2Mio.aktiveKundenkontengebucht.DerdurchschnittlicheForde rungsbestandliegtbei350Mio.Euro.DasKreditmanagementistnahezumVertrieban11 StandortendezentralorganisiertundregionalfürdieKundenbetreuungzuständig. VonderUnternehmensleitunggabesnebendenklassischenZielenwieMinimierungder Forderungsverluste, Reduzierung des durch die Forderungen gebundenen Kapitals, Ver besserungderLiquiditätundSenkungderFinanzierungskostenauchdasklareSignalan dasKreditmanagementzuaktiverVertriebsunterstützungundzurErhöhungderKunden zufriedenheit(BestandteilderUnternehmensleitlinien).
7.4
Lösungsansätze
DieVisiondesKreditmanagementszurBewältigungdieserAnforderungenbestandinder organisatorischen Einbindung des Kreditbereichs in die gesamten Geschäftsprozesse mit aktiverSteuerungderKreditabwicklungaufderBasisaktuellerundumfassenderInforma tionenfürNeuundBestandskunden.EinwesentlichesDetailzieldazuwarderÜbergang von der statischen, zeitpunktbezogenen Bonitätsbetrachtung eines Kunden zur dynami schenBonitätsbeobachtung(Monitoring)derbeimKundenstattfindendenVeränderungen aller Art („wir wollen Veränderungen beobachten, erkennen, bewerten und mit angemessenen Maßnahmen behandeln“). Die technische Lösung sollte durch ein System erfolgen, das die Informationsbeschaffungautomatisiertundeineobjektive,standardisierteBewertungaller internenundexternenAuskünfteermöglicht.
112
Rudolf Keßler
Abbildung 7.2:
Fragestellungen zur Kreditpolitik
Grundsatzfrage Organisation Konditionen Fälligkeiten Bonitätsprüfung Entscheidungen Überwachung Forderungseinzug
was wollen wir eigentlich? wer macht was wo wie? wer darf was bei wem? wann wird was wie fällig? wer prüft wann was wie? wer darf was wie hoch? wer kontrolliert was wann wie? wer kassiert wann wie?
UmdieseZieleunterBerücksichtigungderübrigenUnternehmenszielezuerreichenund Lösungenzufinden,dieallenAnforderungengerechtwerden,wurdenOrganisationund Prozesse umfassend hinterfragt. Einige dieser Fragestellungen sind beispielhaft und ver kürztinAbbildung7.2dargestellt. BeiderBeantwortungdieserundähnlicherFragenergebensichLösungsmöglichkeitenin mehreren Bereichen, wie Richtlinien, Informationsbeschaffung, Prozesssteuerung, Vertriebsein bindung und Systemtechnik, die wegen ihrer gegenseitigen Abhängigkeiten und Einflüsse kurz skizziert werden, bevor der wesentliche Veränderungsansatz eines dynamischen Ratingmodellsumfassenddargestelltwird.
႑Kreditrichtlinien AusdenüberJahredurchdielaufendeinterneundexterneEntwicklungentstandenen verschiedenartigenArbeitsanweisungen,Ausführungsregeln,Leitfäden,Rundschrei benunddergl.wurdenkomprimierte,einheitlicheKreditrichtliniengebildet.Umdiese überschaubarundnachvollziehbarzuhalten,erhieltdieVorgabevonRahmenbedin gungenausdrücklichVorrangvorzudetailliertenEinzelprozessanweisungen.DieMit arbeitersollenVerantwortungübernehmendürfenundübertragenbekommen,um angesichtsderheterogenenAnforderungenvonaußenundinnenflexibelundan spruchsvollarbeitenzukönnen. MitderPräambel„RisikooptimierungbeiderKreditgewährungistdasobersteZielfürVer triebundDebitorenmanagement“hatderVorstanddiegemeinsameVerantwortungaller ProzessbeteiligtenfürdenUnternehmenserfolgdokumentiert.Basisfürdieinhaltliche ArbeitsindeinigenichtdisponibleGrundsätze,dieinderAbbildung7.3gezeigtwer den.
Einführung des Kundenratings im Kreditmanagement eines Handelsunternehmens
Abbildung 7.3:
x x x x x x
113
Auswahl Richtliniengrundsätze
Die Bonität jedes Kunden wird geprüft (keine Kreditentscheidung ohne ausreichende Information) Die Bonitätsprüfung erfolgt vor Vertragsabschluß, spätestens vor Lieferung (keine ungeprüften Lieferungen bzw. Auftragseingänge) Die Eröffnung und Änderung von Kundenkonten (Stammdaten) erfolgt ausschließlich im Kreditmanagement (keine Anlage oder Änderung von Konten durch den Vertrieb) Jeder Kunde hat ein eigenes Konto (keine Führung von Sammelkonten „pro Diverse“) Jeder Kunde hat nur ein Konto (keine Dubletten für verschiedene Sparten oder Vertriebseinheiten) Für jedes Konto wird ein Kreditlimit mit Laufzeit festgelegt (keine unbegrenzten Liefermöglichkeiten)
႑Informationsbeschaffung DieInformationsbeschaffungerfolgtausschließlichimKreditmanagement.FürB2B KundenwerdenexternHandelsauskünfte,Bankauskünfte,GrundbuchauszügeundBi lanzeneingeholt,fürB2CKundenVerbraucherauskünfte,BankauskünfteundGrund buchauszüge.ErgänzendistmittlerweilederZugriffaufeinigeZahlungserfahrungs poolsmöglich.WelcheAuskünfteimEinzelfalltatsächlich(kumulativoderalternativ) beschafftwerden,istindenStandardsderInformationsbeschaffunggeregeltundvon derKundengruppesowieArtundUmfangderGeschäfteabhängig.DerVertriebkann dieseStandardsnichtaus„Kostengründen“einschränken. DerBezugderInformationenerfolgtausschließlichdurchOnlineZugriffdirektvom AnwenderPCindieAnbieterdatenbank.DerSachbearbeiterkannohneProgramm wechselperButtonimKreditmanagementsystemDebiTEX™alleAuskunfteienerrei chenundübereine„Providerbank“BankauskünftevonallenBankeninDeutschland abrufen.GrundbuchauszügekönneninzwischeninfastallenBundesländernebenfalls onlineeingeholtwerden.DieInformationensindsomitimSekundenbereichzugäng lichundermöglichenschnelle,fundierteEntscheidungenzurKundenzufriedenheit.
႑Prozesssteuerung SchondieseOnlineInformationsbeschaffungstellteineerheblicheVereinfachungund Kostenreduzierungdar.DurchdasKreditmanagementsystemkonntenaberweitere laufendeProzesseundderenSteuerungverbessertwerden.Sowerdenbeispielsweise täglichselbstständig„Tagesroutinen“alsArbeitsvorratanjedenSachbearbeitergelie fertunddessenTätigkeitensowiealleübrigenVeränderungenbeimKundenautoma tischundineinerunveränderbarenHistorieaufgezeichnet. InRichtungKundenwirkendeMaßnahmenbestehenzumBeispielinderpermanenten VerzugszinsenrechnungmitautomatischerBuchungaufdasKundenkonto.Dasführt dazu,dassKreditsachbearbeiterundVertriebuntereinandersowiemitdenbetroffenen KundenkommunizierenundEntscheidungentreffenmüssen.
114
Rudolf Keßler
DasaußergerichtlicheMahnsystemerfolgtindreiMahnstufen.DieMahnläufewerden dabeitäglichgestartet.ImB2BGeschäftwerdendieschriftlichenMahnungenzurbes serenEffizienzdurchtelefonischeMahnungenergänzt.
႑EinbindungdesVertriebs DieAufgabentrennungzwischenVertriebundKreditmanagementführtzudemin jedemUnternehmeninunterschiedlichstarkerAusprägungvorhandenen„klassi schen“Zielkonflikt.EinersterAnsatzzurÄnderungvonDenkundVerhaltensweisen ergabsichbeiderBayWaAGausderUmformulierungdesKonfliktsineingemeinsa mesoberstesZielindenKreditrichtliniendurchdenVorstand.Umjedochnachhaltige Verbesserungenzuerreichen,wurdenindenRichtlinienzusätzlichkonkreteInforma tionsschnittstellendefiniert,diebeideneinzelnenKapitelnalsTeildesjeweiligenPro zesseseingearbeitetsind. EinwesentlicherFaktoristabernichtzuletztdie„FührungüberdenGeldbeutel“.Der VertriebistmitverschiedenenMittelnwirtschaftlichindiedemVerkaufnachgelager tenProzesseeingebundenundmussz.B.dieZeitzwischenFakturierungundZah lungszielverzinsen(„Kreditzinsen“).DieseMethodeträgtdazubei,dassangemessene ZahlungszielvereinbarungenmitdenKundengetroffenwerden.
႑Systemtechnik NachderEinführungvonSAPFIstelltesich1997dieAufgabe,einergänzendesPro grammzurGestaltungeinesaktivenKreditmanagementsystemszuinstallieren.Das SystemsolltedieinSAPvorhandenen,umfangreicheninternenDateninaktiveVerän derungshinweiseandenSachbearbeiterumsetzenunddabeiexterneDatenmitverar beitenkönnen.AusderSummeallerInformationensolltejeKundeeinPunktewertbe rechnetundeineEinstufunginunterschiedlicheRisikoklassendurchgeführtwerden. DieBayWaAGsetzteaufdasSystemDebiTEX™,dasdieseAnforderungenerfülltund vieleweitereVeränderungenermöglicht,dieteilweisebereitsgenanntwordensind.
7.5
Rating als Lösungsansatz
Neben allen genannten Bereichen, in denen nach Lösungen für die Verbesserung der Außenstandssituationgesuchtwurde,aberauchalsSchnittmengedazu,benötigtdasPort foliodesUnternehmensmitmehrals1,2Mio.aktivenKundenkontenbeidurchschnittlich 350Mio.EuroForderungsbestandsinnvolleClusterzursicherenSteuerungallerProzesse, für stabile, nachvollziehbare Kreditentscheidungen, einen zielgerichteten Mahn und In kassoablaufundzurBewertungdesForderungsbestandsalswesentlichenTeildesUnter nehmensvermögens. DieswurdeinderVergangenheitbereitsdurchdieGliederungderForderungennachden Regionen,darinnachdenHauptabnehmergruppenunddarinimklassischenAltersaufbau (nichtfällig,fälligbis30Tage,fälligbis60Tage…),sowiedergesondertenDarstellungder Forderungen, die sich im gerichtlichen Mahnverfahren oder dem Insolvenzverfahren be
Einführung des Kundenratings im Kreditmanagement eines Handelsunternehmens
115
finden, realisiert. Die Ermittlung der Werte erfolgt in einer Erweiterung des SAP Standardsmonatlichautomatisiert.EinAnstoßdurchdieMitarbeiteristnichtnötig,aber aucheineEinflussnahmeistnichtmöglich,sodassstabile,inallenRegionengleichwertige Datenvorliegen. GleichzeitigfindeteinVergleichzumVorjahresmonatstatt,umlangfristigeEntwicklungen erkennen zu können. Alle Zahlen stehen den regionalen Kreditleitern als Benchmark zur VerfügungundsorgensofürTransparenzundAnspornzunachhaltigerKreditarbeit.Zu bestimmten Werten gibt es zudem Zielvereinbarungen, deren Erfüllungsgrad monatlich auditiertwird.DienächsteTabellestelltdenInhaltdieserAuswertungmodellhaftdar. Tabelle 7.1:
Forderungen in kumulierter Darstellung
StatistikderAußenständeperxx.xx.xxxx Niederlassung:yyy Landwirte Forderungen€
Nicht fällig Fällig 130 3160 € Tage€ Tage€
6190 Tage€
12.033.553
10.353.590
113.382 4.833
865.178
696.571
91120 Tage€
347.337
Vorjahr: 17.110.939
Klagefor derungen€
13.754.984
2.437.210
761.717
108.463 48.565
163.503
Veränderung: 5.077.386
3.401.393
1.572.032
65.147
+4.919
43.732
+183.834
29,7%
24,7%
64,5%
8,6%
+4,5%
90,0%
+112.4%
Baubranche Forderungen€
Nicht fällig Fällig 130 3160 € Tage€ Tage€
6190 Tage€
91120 Tage€
Klagefor derungen€
3.142.439
2.740.806
995
6.699
110.499
350.274
43.665
Vorjahr: 4.025.749
3.098.224
778.649
147.593
1.283
0
Veränderung 883.311
130.148
357.418
428.375
103.928 288
+6.699
19.650
etc.
etc.
etc.
116
Rudolf Keßler
Diese kumulierte Forderungsdarstellung zeigt zwar einige Differenzierungen des Portfo liosauf,erwecktaber(abgesehenvonderAltersstruktur)denEindruck,alleForderungen seienvongleicherQualitätbzw.hättendasgleicheRisikopotenzial. SchondieallgemeineLebenserfahrungsprichtjedochgegendieRichtigkeitdieserSchluss folgerung, die durch die Analyse der Forderungsausfälle letztlich auch widerlegt wurde. FolgerichtigentstanddieIdee,dieBonitätderKundenmiteinemPunktesystemzudiffe renzieren, um einerseits sinnvolle Entscheidungen beim einzelnen Kunden ableiten zu könnenundandererseitsdasForderungsportfoliotransparenterzugestalten. Das Punktesystem sollte nicht einfach aus der Übernahme von Bewertungen externer Informationslieferanten entstehen, sondern aus unterschiedlichen Merkmalen, die die Situation und das Verhalten der eigenen Kunden widerspiegeln, gebildet werden. Zur Ermittlung sinnvoller, aussagefähiger Merkmale wurden die Forderungsabschreibungen aus mehreren Jahren untersucht. Die Daten der Kunden zum Zeitpunkt des Forderungs ausfalles wurden soweit wie möglich differenziert, um feststellen zu können, welche Ei genschaften in welcher Häufigkeit und ggf. inwelcher Kombination gegeben waren. Zu sätzlichwurdendieMitarbeiterindenregionalenKrediteinheitennachihrenpersönlichen Erfahrungswerten zu den Gründen für Forderungsverluste befragt. Relativ schnell stellte sich heraus, dass der Katalog von Werten, die auf einen künftigen Forderungsausfall schließen lassen, nicht besonders groß ist. Dabei wurde erkennbar, dass es sich überwie gendumharteFaktorenhandelt,währendweicheFaktorenkaumeineRollespielten.Der Grund dürfte in der wesentlich schwierigeren Erfassung der Softfacts liegen, obwohl diese bei den „Bauchentscheidungen“ durchaus hohe Bedeutung haben. Getreu des Grundsatzes„wasnichtgemessenwerdenkann,wirdauchnichtverwendet“,wurdedes halbfürdieelektronischeBewertungaufdieweichenFaktorenverzichtet.Gleichzeitigfiel der Entschluss, dass zwar die Kundenbewertung mittels eines Punktesystems erfolgen, darausaberkeinevollautomatisierteKreditentscheidungabgeleitetwerdensollte,umden verantwortlichen Mitarbeitern Entscheidungen unter Einbeziehung ihrer persönlichen Erfahrungswertezuermöglichen. Für die Punkteberechnung wurden neben der eigenen Zahlungserfahrung die externen Werte Rechtsform, Branche, Unternehmensalter, Umsatz (in Klassen), Unternehmensent wicklungundexterneZahlungsweisealsZielführendidentifiziert. DieeinzelnenFaktorenwurdenuntereinandernachihrerrealistischenBedeutunggewich tet;erwartungsgemäßhatdieeigeneZahlungserfahrungdabeidashöchsteEinzelgewicht erhalten. Jeder Wert erhielt eine Klassifikation von 1 bis 6, wobei nach dem Schulnoten prinzip1diebesteund6dieschlechtesteBewertungdarstellt.AmBeispieldesMerkmals RechtsformistdieEinteilunginfolgenderTabelleabgebildet.
Einführung des Kundenratings im Kreditmanagement eines Handelsunternehmens
Tabelle 7.2:
117
Punktesystem für die Kundenbewertung, Beispiel Rechtsform Rechtsform
Punkte
Unbekannt/keineAngaben
0
AG,OHG
1
Einzelfirma,Gewerbebetrieb
2
e.G.,e.V.
3
ARGE,GdbR
4
GmbH
5
GmbH&Co.KG
6
Die Multiplikation der Klasse mit dem Gewicht und die Addition aller Werte ergeben schließlich den Kundenpunktwert. Bei der Gewichtung stellen immer die vorhandenen Informationen100Prozentdar,sodasseineBewertungauchmöglichist,wennimEinzel fall nur Teilinformationen vorliegen. Ein definierter Mindestprozentwert muss jedoch erreichtwerden,sonsterfolgtkeineelektronischeKundenbewertung. In nachstehender Tabelle ist die Berechnungsmethode (mit fiktiven Werten) beispielhaft dargestellt.
Tabelle 7.3:
Berechnungsmethode für die Kundenbewertung
Faktor
Gewichtung
Klassifikation
in%
1
EigeneZahlungsweise
40
Rechtsform
20
Branche
10
Unternehmensalter
10
Umsatzgrößenklasse
5
Unternehmensentwicklung
5
ExterneZahlungsweise
10
Summe
2
3
4
5
6
80
20
230
80
30 10 10 5
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Rudolf Keßler
Damit die Punktewerte ein sinnvolles operatives Arbeiten ermöglichen, wurden Risiko klassenalsClusterfürannäherndgleichbewertungsfähigeKundenrisikengebildet.Diese RisikoklassenentsprechenimweitestenSinnedenRatingstufenderBankenbzw.derRa tingagenturen. Für die Zwecke des eigenen Unternehmens genügten allerdings deutlich wenigerKlassenalsimBankenbereich.SoentstandennebenderKlasse„N“fürdie(noch) nicht bewertbaren Kunden und einer „KO“Klasse für Kunden mit harten Negativmerk malenlediglichvier„aktive“Klassenvon„A“bis„D“.derenScorebreiteundBonitätsaus sageindieserTabellegezeigtwird.
Tabelle 7.4:
BayWa-DebiTEX-Risikoklassen
Klasse
Farbliche lung
Darstel Scorebreite
Bonitätsaussage
A
Hellgrün
100–200
Geschäftsverbindung ausweiten
B
Dunkelgrün
201–300
Geschäftsverbindung aufrechterhalten
C
Gelb
301–380
Geschäftsverbindung beobachten
D
Rot
381–599
Vorauskasse, Barzahlung, Sicherheiten
KO
Rot
600
Hartes Negativmerkmal eingetreten; Klage, Insol venzanmeldung
N
Gelb
Zu wenige Kriterien Bewertung nicht möglich für Scoring vorhan – Verhalten analog Klas den se D
Alle genannten Berechnungsmethoden stellten für das Unternehmen, aber auch für den betreuenden Berater eine Herausforderung dar, weil auf die Übernahme vorhandener externer Bewertungsschemata verzichtet und statt dessen nach eigenen Beurteilungen bewertet und gewichtet werden sollte. Die Aufgabe wurde deshalb nach der Methode „Versuch und Irrtum“ über einen Zeitraum von einigen Monaten durch entsprechende Tests gelöst, um das Ziel einer elektronischen Bewertung nach den eigenen Erfahrungen zu erreichen. Das Abbild der Kunden im System sollte letztlich der Beurteilung entspre chen, die von erfahrenen Kreditanalysten abgegeben werden und gleichzeitig die Ursa chenanalysederForderungsverlustewiderspiegelnwürden.
Einführung des Kundenratings im Kreditmanagement eines Handelsunternehmens
7.6
119
Nutzen des Ratings
Wiebereitserwähnt,solltenmitderEinführungdeseigenenKundenratingsinersterLinie eineverbesserteTransparenzdesumfangreichenPortfoliossowieeinedeutlichereRisiko erkenntnis beim einzelnen Kunden erreicht werden, um Limitentscheidungen fundierter und nachvollziehbarer treffen zu können. Außerdem sollten die Mitarbeiter im Vertrieb die Chance haben, schon vor Geschäftsanbahnung bzw. vor Vertragsabschluss die Kun denbonitätaufeinfacheWeiseerkennen,verstehenundumsetzenzukönnen. Ziel war nicht die vollautomatische Limitfestlegung bzw. veränderung aufgrund von Ausfallwahrscheinlichkeiten, die den einzelnen Ratingstufen hätten zugeordnet werden können. Dazu war zum einen die Verdichtung der Risikoklassen auf vier Stufen nicht wirklich geeignet, da die Spreizung für die Ermittlung zutreffender Ausfallwahrschein lichkeiten zu breit ist, andererseits haben Ausfallwahrscheinlichkeiten den Nachteil, dass sie im Portfolio eine RisikoChanceVerteilung zeigen, aber nicht belegen können, ob der einzelneKundeinnerhalbdergleichenWahrscheinlichkeitzudenGutenoderSchlechten gehört.SelbstbeieinerAusfallwahrscheinlichkeitvon30%ergibtsichimUmkehrschlussja eineChancevon70%zuKunden,dieihreRechnungenbezahlenwerden. HinzukommtbeiderBayWaAGdieStreuungderKundendurchdieeigenenvierSparten mit teilweise sehr differenzierten Prozessen bei gleichzeitig breiter Verteilung auf unter schiedlichsteexterneBranchen. Die Nutzenanwendung des Ratings im Portfolio besteht jedoch darin, dass nun jederzeit eineDarstellungderKundenstrukturnachdenRisikoklassenmitverschiedenenFragestel lungenermöglichtwird,(WievieleKundenexistierenindeneinzelnenKlassen?Wiehochsind diekumuliertenForderungenindeneinzelnenKlassen?WiesinddieLimiteabHöhexindieKlas senverteilt?WieverteilensichdieÜberfälligkeitenabyTagenindieKlassen?usw.)sodassins besondere aus den Veränderungen dieser Werte schnelle und wirksame Unternehmens entscheidungenimHinblickaufdieCreditPolicymöglichsind. Im operativen Geschäft erhöht sich die Sicherheit der Entscheidungen zur Geschäftsan bahnungansichundzudemKreditlimit,dasjeKundefestzulegenist,dadieKlassenein teilung eine tendenzielle Vorgabe darstellt. Ein klarer Nutzen besteht schließlich auch in derabsolutenAussage,dasseinKundeinderKlasse„A“einebessereBonitäthat,alsein Kundein„C“.DamitwerdendieEntscheidungsprozessenichtnurvereinfacht,sondern– gerade auch im Sinne der Kunden – deutlich beschleunigt. Selbst bei einem Neukunden kann der Kreditbereich dem Vertrieb mit Überzeugung innerhalb weniger Minuten eine fundierteAussagezurBonitätunddemmöglichenLimitumfanggeben.DieseVorgehens weiseträgtinerheblichemUmfangdazubei,dasklassischeVorurteildesVertriebsaufzu heben,wonachdieKreditabteilunglediglichdieRisikoabwehrimSinnundkeinenGedan kenandiemöglichenGeschäftehabe.
120
Rudolf Keßler
Wesentlich klarer und transparenter werden aber auch die Bonitätsveränderungen beim einzelnenKunden,wasbesondersbeidemtraditionellgroßenAnteilanlangjährigenBe standskundenbeiderBayWaAGsehrhoheBedeutunghat.Die„Maschine“istbezüglich dieser Veränderungen unbestechlich, während auch erfahrene Sachbearbeiter tendenziell dazuneigen,kleinereÄnderungendesKundenverhaltensbzw.dessenBonitätzuignorie ren,weilman„ihnschonsolangekenntundbisherallesinOrdnungwar“.DieAnalyse derForderungsverlustehattejedochklarbewiesen,dassjedeVeränderungeinenHinweis auf die künftige Unternehmensentwicklung geben kann, die auf der Zeitachse bis zur Insolvenzdarstellbarist.AlsBeispielmagdienen,dasseinKunde,derjahrelangskontiert hat, nun aber zur Zahlung am vereinbarten Fälligkeitstag übergeht, zunächst ja kein „schlechter Zahler“ ist. Dem Sachbearbeiter fällt diese Veränderung mit den üblichen Mitteln überhaupt nicht auf, denn der erste erkennbare „klassische“ Hinweis auf eine ZahlungsstörungistinderRegelderBeginndesMahnverfahrens.Tatsacheistaber,dass sichbeimKundeneineVeränderungderLiquiditätergebenhabenmuss,wennerdiegro ßenVorteiledesSkontoabzugsnichtmehrnutzt.DasneueRatingsystemweistdenSach bearbeiternundurcheineVeränderungdesScorewerts(dabeimusssichnichtunbedingt gleichdieRisikoklasseändern)genauaufdiesenUmstandhinundstelltsomiteineechte Früherkennungsmöglichkeit dar. Kreditsachbearbeiter und Vertrieb haben die Chance, bereitszudiesemfrühenZeitpunktmitdemKundenzusprechenundUrsachenundLö sungsmöglichkeitenfürdieVeränderungzuermitteln.DieFolgeneinerpotenziell„über raschenden“Insolvenz,dievieleMonatespätereintritt,könnensovermiedenoderverrin gertwerden.
7.7
Ergebnisse
Die Umsetzung des eigenen Kundenratings in Verbindung mit den neuen Kreditrichtli nien, den Veränderungen bei der Informationsbeschaffung und der Prozesssteuerung sowie der Einführung des KreditmanagementsystemsDebiTEX™undderüberarbeiteten EinbindungdesVertriebserfolgtenachdenerwähntenVorbereitungsundTestzeitenbei der BayWa AG konkret im Jahr 2000. Seither sind jährlich quantitative und qualitative Verbesserungen zu verzeichnen, die die ursprüngliche Investition und die laufenden Aufwendungennichtnurausgleichen,sondernzusätzlichpositiveWertbeiträgezumUn ternehmensergebnisleisten. Qualitätssteigerung bietet die echte Risikofrüherkennung mit der schnellen und klaren FeststellungvonVeränderungenzubesserenEntscheidungenundKundenkontakten.Die teilweise erheblichen Prozessvereinfachungen erlauben eine schnellere Abwicklung ohne inhaltliche Verluste. Die Arbeitsqualität in der Kreditsachbearbeitung ist nachvollziehbar höhergeworden,weildieMitarbeitersichintensiverumdieBearbeitungderAbweichun gen bzw. um die Kommunikation zum Vertrieb und den Kunden kümmern können, an stattsichmitreinadministrativenAufgabenbeschäftigenzumüssen.DieAkzeptanzdes Vertriebs zu den Aufgaben des Kreditbereichs insgesamt ist deutlich gestiegen. Das liegt einerseitsanderErkenntnis,dassdasKundenratingdasGeschäftnichtetwaeinschränkt,
Einführung des Kundenratings im Kreditmanagement eines Handelsunternehmens
121
sondern sogar zusätzliche Verkaufsmöglichkeiten bietet.KonkretwirdaberauchdasRa tingergebnisimEinzelfallohneDiskussionenanerkannt,weilesalsobjektiverangesehen wird, als die frühere „Bauchentscheidung“ des Kreditsachbearbeiters, dem im Zweifel immerunterstelltwurde,erseizuwenigrisikofreudig. QuantitativhatsicheinebessereNutzungdesInformationsbudgetsergeben,weildieRisi koklassen eine gezieltere Auskunftsbeschaffung ermöglichen. Die Struktur der Forderun genimPortfoliohatsichverbessert,daschlechtePostenschnellererkanntundaussortiert werden können; überfällige Forderungen über 90 Tage liegen mittlerweile praktisch bei Null.DeshalbundausderVeränderungweitererEinzelpositionenistdieKapitalbindung durch Forderungen deutlich zurückgegangen. Der DSO konnte von etwa 38 Tagen auf inzwischen stabile 26 Tage reduziert werden. Die Inkassofälle sind in Menge und Wert erheblich abgebaut worden; der Rückgang von 2002 bis 2008 liegt bei rund 80 Prozent. Nichtzuletztwurden–fastselbstverständlich–auchdieForderungsverlusteals„ultima tiveKreditkennzahl“jährlichverkleinertundaufnochetwa15ProzentdesAusgangswer tes 2000 zurückgefahren. Seit drei Jahren liegt die Höhe der Forderungsabschreibungen stabildeutlichunter0,1ProzentvomUmsatz. Die Einführung eines Kundenratings kann aus dieser Erfahrung nur empfohlen werden, unabhängig davon, ob es ein völlig eigenständiges System darstellt oder vorhandene Strukturen von seriösen Anbietern nutzt. Auch die Komplexität des Ratingsystems kann von dem dargestellten Umfang abweichen, wenn die Zahl der Kunden kleiner oder die Strukturwenigerdifferenziertist.EntscheidendistdievorherigeKlärungderfürdaseige neUnternehmenessenziellenFragenundProzessesowieeineklareZielstellungundeine CreditPolicy,diedieseGegebenheitenberücksichtigtundallebetroffenenUnternehmens teilevonAnfanganeinbezieht.
Analyse von Ratinginstrumenten in der Automobilzulieferindustrie
8
123
Analyse von Ratinginstrumenten in der Automobilzulieferindustrie
RalfHerkenhoff 8.1 8.2 8.3 8.4 8.5 8.6
8.1
AusgangslagederProduktionsnetzwerke...............................................................123 InsolvenzenimZulieferbereichalsmaßgeblicheBedrohungfür Automobilhersteller....................................................................................................124 RCockpit™alsFrühwarnsystemderAutomobilhersteller zurÜberwachungderfinanziellenStabilitätihrerZulieferer..............................126 AktuelleKrisederAutomobilindustrieundUnzulänglichkeiten derbestehendenRatingsysteme................................................................................129 OperatingCashflowalszentralesSteuerungselementinderKrise...................130 ZusammenfassungundGedankenansätze zurVerbesserungvonRatinginstrumenten............................................................132
Ausgangslage der Produktionsnetzwerke
Im Zusammenspiel einer stark arbeitsteiligen Industrie wie der Automobilzuliefer industrieistfürdieProduktionsnetzwerkediefinanzielleStabilitätallerbeteiligtenPartner vongroßerBedeutung.SoferneinPartnerunternehmenz.B.aufgrundfinanziellerSchwie rigkeiten ausfallen sollte, kann ein damit verbundener Produktionsausfall maßgebliche Implikationen für alle anderen Netzwerkmitglieder haben. Die hohe Bedeutung dieser Konstellation gerade für die Automobilhersteller (nachfolgend OEM) leitet sich auch aus demAufbauvonRisikomanagementabteilungenbeiallenOEMab,derenvorrangigeAuf gabedierechtzeitigeIdentifizierungvonVorlieferantenmitFinanzierungsproblemenoder die Absicherung von Lieferverpflichtungen von insolventen Partnerunternehmen ist. Als zentralesFrühwarnsystemwurdeimHinblickaufeineStandardisierungfürdieAutomo bilindustrievomVerbandderdeutschenAutomobilindustrie(VDA)imJahr2003einRa tingTool für alle MitgliedsUnternehmen eingeführt, welches die Produktionsnetzwerke voreinemunerwartetenAusfallvonPartnernschützensoll.DieBetrachtungderaussage bestimmendenElementediesesInstrumenteszeigeneinenehervergangenheitsorientierten Ansatz. In der aktuellen Krise derAutomobilindustriemitihrengeradeimSerienbereich dramatischenUmsatzrückgängeninkürzesterZeitundderdamiteinhergehendenFixkos tenunterdeckung erreichen diese traditionellen Ratingansätze aufgrund ihrer beschriebe nen Vergangenheitsausrichtung ihre Grenzen. Weiterentwicklungen im Hinblick auf zu künftigeOperatingCashflowssindunverzichtbar. Kennzeichnend für den OperatingCashflow ist dabei nicht nur eine Ergebnis sondern auch eine WorkingCapitalBetrachtung. Die umsatzparallele Anpassung des Working Capitals schafft den finanziellen Spielraum, um Strukturmaßnahmen einzuleiten und damitdielangfristigeErgebnisabsicherungsicherzustellen. G. S. Becker, O. Everling (Hrsg.), Debitorenrating, DOI 10.1007/ 978-3-8349-6377-2_8, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
124
8.2
Ralf Herkenhoff
Insolvenzen im Zulieferbereich als maßgebliche Bedrohung für Automobilhersteller
DieAutomobilindustrieinDeutschlandist–vergleichbarderStrukturinandereneuropä ischen und amerikanischen Märkten – eine arbeitsteilige Industrie ohne maßgebliche ge genseitige Kapitalverpflichtungen. Die Hersteller stehen unter hohem Kostendruck und erwarten von ihren Partnern jährliche Kostensenkungen durch Hebung von Rationalisie rungspotenzialen.GleichzeitigwirdaktuellderVersuchunternommen,Finanzierungsbe darf im Bereich des Umlaufvermögens der OEM auf Vorlieferanten zu verlagern. Allein stellungsmerkmale von Vorlieferanten werden durch gezielten Aufbau von neuen Wett bewerbernimInundAuslandversuchtzuvermeiden.InderSummebedeutetdieseAus richtungderEinkaufsorganisationenderOEMfürdieZulieferereinegroßeHerausforde rung,dienichtzuletztauchdiefinanzielleStabilitätderUnternehmenjährlichwiederneu fordert. DiehoheArbeitsteilungdieserIndustrie,verbundenmiteinemsehrstrengenJustintime Ansatz, bedingt, dass bei einem Ausfall eines Produktionspartners erhebliche Störungen für das gesamte Netzwerk kurzfristig auftreten können. Sofern bei einem der beteiligten Netzwerkpartner eine Insolvenz eintritt, bedingt die zunächst ergebnisoffene Suche des InsolvenzverwaltersnachLösungsansätzeneineweiterePhasederUngewissheitüberdie Zukunft des bisherigen Partners, die sich nachteilig auf den Hersteller auswirken kann. Diesgiltspezielldann,wenneinkurzfristigerWechselzueinemAlternativvorlieferanten z.B.aufgrundvonkomplexenWerkzeugenalsProduktionsvoraussetzungnichtumsetzbarist. VordiesemHintergrundwurdeimJahre2003imRahmendesVerbandesderDeutschen AutomobilindustrieeinAnalysetoolerarbeitet,welchesAussagenzuderfinanziellenSta bilitätvonUnternehmenliefernsoll.AusgangspunktderÜberlegungenwarendieAnaly setoolsdergroßenRatingagenturen,dieallerdingsaufgrundihrerKostenundKomplexität fürvielemittelständischorganisierteUnternehmennichtverwendbarwaren.Fernerwaren auchdieBonitätseinschätzungenvonBankenimHinblickaufihreKundenaufgrundder fehlendenStandardisierungunddesBankgeheimnissesnichtanwendbar. Eine kostengünstigere Lösung wird hier vom VDA in Zusammenarbeit mit der Rating AgenturPSRRATINGinFormvoneinersoftwaregestütztenBilanzanalyseoderdurchein umfangreicheres ganzheitliches Ratinggutachten bereitgestellt. Üblicherweise fordern die OEM von allen maßgeblichen Vorlieferanten ein jährliches Update dieser Ratingein schätzung,umaufdiesemWegedieTransparenzindembeschriebenenKontextsicherzu stellenundzuverbessern. UnabhängigvondiesenRatingansätzengibtesschonseitlängereminallengroßenAuto mobilunternehmen Abteilungen, die sich um Vorlieferanten mit Finanzierungsschwierig keitengekümmerthaben.DieUnterstützungsmöglichkeitenwarenundsinddabeivielfäl tig. Hierzu zählen kurzfristige Kredite zur Überwindung von temporären Zahlungs
Analyse von Ratinginstrumenten in der Automobilzulieferindustrie
125
schwierigkeiten bis hin zur konkreten Suche nach industriellen Partnern, die z.B. durch eineÜbernahmedesangeschlagenenPartnersdasProduktionsnetzwerkdesOEMstabili sieren.VordemHintergrundeinersteigendenAnzahlvonInsolvenzenverfügendieAb teilungenheuteauchüberprofundeinsolvenzrechtlicheKenntnisse,sodasseinigeVertre terdieserOrganisationenInsolvenzfälleimInundAuslandalszunehmendunproblema tisch betrachten. Allerdings bestätigen sie, dass letztendlich eine Gläubigerversammlung als zentrales Gremium im Insolvenzfall nicht abschließend in der Entscheidungsfindung projiziert werden kann; mithin die Insolvenzvermeidung durch ausgeklügelte Ratingsys temeinVerbindungmiteinemvorbeugendenMaßnahmenkataloginZusammenarbeitmit dembetroffenenUnternehmendiepräferierte–weilauchkostengünstigere–Varianteist. Abbildung 8.1:
Softwaregestützte Auswertung (Quelle: R-CockpitTM VDA RAtingStandard 2009)
126
8.3
Ralf Herkenhoff
R-Cockpit™ als Frühwarnsystem der Automobilhersteller zur Überwachung der finanziellen Stabilität ihrer Zulieferer
DiePSRRatingGmbH(nachfolgendPSRRATING)wurdeAnfang2002gegründetundhat ihren Ursprung im Umfeld der Fachhochschule Reutlingen. PSR RATING ist Entwickler des RatingSystems RCockpit™ welches auch für den VDA RatingStandard verwendet wird, und Anbieter bankenunabhängiger Ratinganalysen für mittelständische Unterneh men. Wahlweise können diese Analysen ausschließlich softwarebasiert oder im Rahmen einesUnternehmensauditsdurchzertifizierteAnalystenvonPSRRATINGerstelltwerden. Ausgangspunkt des Unternehmens PSR RATING waren die Auswirkungen von Basel II aufdieerhöhtenAnforderungenderBankenanihreKunden.HiersolltedasRatingverfah renvonPSRRATINGeinebankenunabhängigeAnalysebasisderfinanziellenSituationdes jeweiligen Unternehmens sein, um auf dieser (objektivierten) Grundlage die Bankenver handlungenführenzukönnen. Der Kreis der Interessenten für das Ergebnis eines PSRGutachtens geht heute aber weit über die Frage hinaus, wie ein Unternehmen sich durch eine unabhängige Analyse im Bankenumfeld positionieren kann. Speziell die Verantwortlichen für das Supply Chain Management in arbeitsteiligen Industriebereichen (z.B. Automobilindustrie) greifen zu nehmendaufdiesesRatinginstrumentzurück.DievergleichsweisegünstigenKosteneiner AnalysesindnachihrerAnsichtauchmittelständischenUnternehmenzumutbar,sodass das bisherige Abwehrargument vieler kleinerer Unternehmen seine Gültigkeit verloren hat. Zudem greift die quantitative Analyse auf Daten des Jahresabschlusses zurück; die SoftwaredesRatingToolsvereinfachtmithinterlegtenKennzifferndieÜberleitungindas standardisierteRating. InteressanterweisezeigendiebisherigenRatinganalysen,dassvieleklassischeMittelständ ler im Automobilzulieferbereich sich im NonInvestmentGradeBereich bewegen (BB+ oder schlechter). Zulieferer im InvestmentGradeBereich sind eine Ausnahme. Im Um kehrschlussergibtsichhierausaucheineVerantwortungvonOEModerTier1Zulieferern für ihre Vorlieferanten, da rund 60 Prozent der Unternehmen sich im Bereich B und BB bewegen. Die Ausfallwahrscheinlichkeit aller mit „C“ klassifizierten Unternehmen inner halbvon5Jahrenliegtbeirund43Prozent. DieAnwendungdesRatingToolsimBereichdesVDAwirdallenMitgliedernempfohlen, daesVorteilefürallePartnerentwickelnsoll:
Analyse von Ratinginstrumenten in der Automobilzulieferindustrie
Tabelle 8.1:
127
Vorteile des Rating-Tools
NutzenfürOEM/Tier–1
NutzenfürZulieferer
JeweilsaktuelleRatingEinstufungderLie BesseresStandingbeiOEMundevtl.Voraus feranten setzungfürNeuListing Erweiterung der bisherigen Lieferanten Herstellung der Kapitalmarktfähigkeit ohne bewertungumRatingNotation Kostenbelastung(beiVeröffentlichung) Erhöhung der betriebswirtschaftlichen InternesFührungsundSteuerungsinstrument TransparenzentlangdesSupplyChains Komponenten eines effizienten Risiko AnsätzefürbetrieblicheOptimierungendurch managementsystems(KonTraG) AbgleichmitBranchenstandards ValideAussagezurwirtschaftlichenStabi Kommunikation wirtschaftlicher Stabilität litätinkomprimierterForm ohnedieÜbermittlungdetaillierter,vertrauli cherDaten(Jahresabschlüsse) Das Unternehmensrating auf Gutachtenbasis umfasst bei der Vergabe einer RatingNote neben quantitativen auch qualitative Kriterien. Mit letzterem Analyseansatz soll primär geklärt werden, ob sich die jeweilige Unternehmensstrategie in die allgemeine Marktent wicklungeinbindet–vergleicheTabelle8.2.
Tabelle 8.2:
Kriterien für die Vergabe einer Rating-Note
QuantitativeKriterien
Kennzahlen zur Vermögens, Ertrags und Finanzlage der letzten drei Geschäftsjahre, speziell: Eigenkapitalquote Umsatzrendite Bilanzrelationen
QualitativeKriterien
ExterneFaktoren: Branche MarktstellungundWettbewerbssituation regulatorischeRahmenbedingungen UnternehmensinterneFaktoren: StrategiedesUnternehmens Management OrganisationdesUnternehmens AufbauundAblauforganisation Unternehmensplanungundsteuerung Finanzierungsstruktur undFinanzierungs politik
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Ralf Herkenhoff
Die RatingNote ergibt sich sodann aus einer vorab gewichteten Verbindung der beiden KriterienundspiegelteineAusfallwahrscheinlichkeitanhandderinternationalanerkann ten Skalierung nach Standard & Poor’s wider. Es unterscheidet sich von klassischen ver gangenheitsbezogenen Finanzratings durch die beschriebene qualitative und damit zu kunftsorientierteKomponente,folgtaberinihremfinanzanalytischenTeildemStandard vorgehenderinternationalenRatingagenturen. Im Grundsatz reflektiert das quantitative Ratingverfahren von PSR die klassische Bilanz analyse, die ausgehend von Daten der Vergangenheit Rückschlüsse auf die aktuelle Un ternehmenssituation abzuleiten versucht. In einem Umfeld mit nur marginalen Wachs tumsschwankungen, d.h. mit einer weitgehenden Umweltstabilität mag der Ansatz seine Berechtigung gehabt haben, für die Bewertung im aktuellen konjunkturellen Umfeld mit seinengravierendenAuswirkungenaufeinzelneIndustriebereicheistderreinquantitative Ansatz ohne Berücksichtigung einer Ratingperspektive höchst problematisch. Auf diese neue Herausforderung wurde reagiert, in dem der quantitative Teil um eine zukunftsbe zogeneAnalyseerweitertwurde.
Tabelle 8.3:
Rating-IST und Perspektive
RatingBewertung2009
RatingPerspektive2011
Geschäfts jahr2007
BB
Geschäfts jahr2009
CCC
Geschäfts jahr2008
B
B Geschäfts jahr 2010 Hochrech nung
Geschäfts jahr2009
CCC
BB+ Geschäfts jahr 2011 Planung
Gesamtnote quantitativ
CCCquant.
70%
Gesamtnote quantitativ
70%
Note quali BBBquali. tativ
30%
Note quali BBBquali. tativ
30%
Gesamt B+ RatingNote 2009
Rating Perspektive 2011
BBquant.
BB+2011
Analyse von Ratinginstrumenten in der Automobilzulieferindustrie
129
DieRatingperspektiveberücksichtigtsomitaufquantitativerEbenedieunterjährigesowie die geplante Entwicklung eines Zulieferunternehmens. Auf der Basis von Hochrechnun gen und Planungsszenarien wird die vergangenheitsorientierte Bilanzanalyse durch die quantitative Bewertung der Werte aus Forecast und Planung ergänzt und spiegelt dabei diezukünftigeEntwicklungunterRisikoaspektenwider.DieseErweiterunginderAnalyse schließt die Lücke zwischen der Bewertung zum letzten Bilanzstichtag und der Betrach tungdergegenwärtigenundzukünftigenSituation.
8.4
Aktuelle Krise der Automobilindustrie und Unzulänglichkeiten der bestehenden Ratingsysteme
Bedingt durch die Finanzkrise befindet sich die weltweite Automobilindustrie in einer schwierigenUmbruchsituation.Nachfragerückgängevonbiszu50Prozent,Verschiebun gen von Produktionskapazitäten von Vorlieferanten zurück zu den Automobilerstellern aufgrundvonlanglaufendenBeschäftigungssicherungstarifverträgenbeidenOEM,Über nahmevonrenommiertenHerstellern(z.B.Volvo)durchasiatischeWettbewerberwerden dieStrukturderAutomobilindustrieweltweitverändern.WesentlichbeidiesemStruktur wandelistdieVeränderungsgeschwindigkeit,dienachAussagenvonvielenBranchenex perten noch nie vorgelegen hat und die die Wirksamkeitvon klassischen Gegenmaßnah menstarkbeeinträchtigtbzw.aushebelt.DerGesetzgeberinDeutschlandhatdieDramatik derSituationinseinemFinanzmarktstabilisierungsgesetznachhaltigunterstrichen,indem erdieVoraussetzungeneinerInsolvenzvölligneudefiniert1.Geltendieinsolvenzrechtli chenSonderregelungenauchnurbiszumJahr2011,sounterstreichtdochdieausschließli cheFokussierungaufdieLiquiditätalsBewertungsmaßstabfüreineInsolvenzdochauch eineAbkehrvonallenbisherigenbilanzorientiertenAnsätzen.„CashisKing“,solautetdas aktuelleLeitbild.DiesesKriteriumwirddurchdieklassischeBilanzanalysenichtodernur unzureichendgewürdigt.AusdiesemGrundhaben–soeinmaßgeblicherRisikomanager eines international agierenden Automobilherstellers – alle bisherigen klassischen Rating ansätzenurnocheineRandbedeutung;maßgeblichseialleinderOperatingCashflowund seineStellgrößen.
1DasGesetzwurdeam17.Oktober2008vomBundestagbeschlossenundregeltinArtikel5,dasseine
Insolvenznurdannzubeantragenist,wenndiefehlendeLiquiditäteineUnternehmensfortführung ausschließt.DerbisherigeInsolvenzgrundderÜberschuldungwirdbiszumJahresende2011ausge setzt.
130
Ralf Herkenhoff
8.5
Operating-Cash-flow als zentrales Steuerungselement in der Krise
DerOperatingCashflowkennzeichnetalleBereiche,dieaufdieLiquiditätssituationeines UnternehmensEinflusshabenkönnen: Jahresüberschuss +Abschreibungen +VeränderungendesWorkingCapitals +VeränderungenderRückstellungen =OperatingCashflow DereinfacheCashflow(Jahresüberschusszzgl.Abschreibungen)spiegeltinstarkverein fachter Form das operative Geschäft eines Unternehmens wider. Die Veränderungen im WorkingCapital(definiertalsVorrätezzgl.Vorratsvermögenabzgl.Verbindlichkeitenaus LieferungenundLeistungen)kennzeichnendieKapitalbindungimUmlaufvermögeneines Unternehmens, werden häufig in seiner Bedeutung z.B. Wachstumsphasen eines Unter nehmens unterschätzt und beschreiben in aller Regel erhebliche Liquiditätsgrößen. Der korrigierendeEinflussderRückstellungsveränderungenaufdasErgebnis(speziellsonsti ge betriebliche Erträge bei Auflösungen von Rückstellungen) ist weithin bekannt; die CashImplikationenvonRestrukturierungsrückstellungenhingegenwerdenhäufigunter schätztundbildeneinwesentlichesElementderLiquiditätsplanung. In der aktuellen Konjunktursituation mit den dramatischen Umsatzeinbrüchen ist das unterschiedliche Phasenelement der einzelnen Elemente des OperatingCashflows zu beachtenundfürUnternehmenhäufigexistenzabsichernd:
႑DasWorkingCapitalistinvielenFällenumsatzproportional,d.h.miteinemUmsatz
rückgangsinktauchdieKapitalbindungimUmlaufvermögen.Hierdurchentstehen zwangsläufigLiquiditätsreserven,dietemporärauchzurFinanzierungderFolgeeffek teausnichtbereinigtenRemanenzkostenfrageneingesetztwerdenkönnen.
႑DieseRemanenzkostenkönnenz.B.aufgrundvonKündigungsfristenvonMietoder
ArbeitsverträgenerstzeitversetztnachdemEinsetzeneineskonjunkturellenEinbruchs umgesetztwerden,mithinwirdihreAnpassungerstzeitversetztcashwirksam.Sie sindallerdings–imGegensatzzudenWorkingCapitalAnpassungen–nichtnurEin maleffekte,sondernsicherndauerhaftdenFortbestanddesUnternehmens.
႑DieCashWirkungvonRestrukturierungsrückstellungensolltemöglichstweitgedehnt werden,damitdieseausdenVorteilenderStrukturbereinigungfinanziertwerden können.BeispielsweisesindRegelungenzurFinanzierungvonBeschäftigungsgesell schaften(BQG)bekannt,dieaufmonatlicherBasisderBQGausreichendeSicherheiten geben,gleichzeitigaberauchdieLiquiditätsbedürfnissederfinanzierendenUnterneh menberücksichtigen.
Analyse von Ratinginstrumenten in der Automobilzulieferindustrie
131
DieDarstellungdesOperatingCashflowsnachQuartalenzeigtdasZusammenwirkender einzelnen Elemente in absoluter Höhe, aber auch in ihrer phasenrichtigen Anordnung. SoferndieseLiquiditätsbetrachtungaufrollierenderBasisz.B.vierteljährlichfürdienächs ten 12 Monate erstellt wird, können die Handlungsnotwendigkeiten bei dem betroffenen UnternehmenvomeigenenManagement,aberauchvondenbeteiligtenPartnern(Banken, Kreditversicherungen, Kunden) grundsätzlich gut abgeschätzt und ggfs. weitere unter stützendeMaßnahmendefiniertwerden.EinVergleichderUnternehmenswertemitBran chenkennziffern(z.B.WorkingCapitalinProzentderGesamtleistung)zeigtzudemoffene StrukturfragenundOptimierungspotenziale.GleichesgiltgrundsätzlichauchfürdieRefe renzwerte des Unternehmens aus der Vergangenheit; allerdings fehlt hier der Best PracticeAbgleichmitderBranchebzw.mitentsprechendenWettbewerbern.
Beispielszenario
႑Ausgangssituation 2008 600 Mio. Euro 120 Mio. Euro
Umsatzvolumen Working Capital in % des Umsatzes (Annahme 20 %)
2009 500 Mio. Euro 100 Mio. Euro
႑ErforderlichePersonalanpassung350Mitarbeiter PersonalabbaukostenBQG: 10Mio:Euro,zahlbarin6Monatsraten, wirksamabIII.Quartal Ergebnis+AfavorMaßnahme: 8Mio.Europ.a.
႑ErgebnisnachMaßnahme: Tabelle 8.4
8Mio.Europ.a.
Wirkung der unterschiedlichen Cash-flow-Elemente
OperatingCashflow (Mio.Euro)
Quartal1
Quartal2
Quartal3
Quartal4
Quartal5
Ergebnis+Afa
Veränderung Working Capital
Cashout Rückstellun gen
Liquiditätsveränderung
Liquiditätssaldo (AB=0)
132
Ralf Herkenhoff
DieDarstellungzeigtdenPhasenversatzdereinzelnenElementeunddokumentiert,dass eineausschließlicheFokussierungaufeineStellgrößezufalschenEinschätzungenführt.
8.6
Zusammenfassung und Gedankenansätze zur Verbesserung von Ratinginstrumenten
DiekurzeAnalysedertraditionellenRatingansätzeineinemwirtschaftlichenUmfeldmit hoher Veränderungsgeschwindigkeit hat gezeigt, dass in die Unternehmensbewertungen die Projektionen von zukünftigen OperatingCashflowVeränderungen eine sinnvolle Ergänzungseinkönnten.DerGedankegreiftaufKernelementederimInvestmentbanken bereich sehr verbreiteten DiscountedCashflowModellen zurück und verbessert signifi kant die Transparenz der Liquiditätssituation eines Unternehmens. Diese Transparenz kann durchaus als WinwinAnsatz für beide Seiten entwickelt werden, denn drohender Unterliquidität kann ggfs. durch kurzfristige Unterstützungsmaßnahmen im Sinne der StabilisierungvonNetzwerkpartnernentwickeltwerden. FolgerichtigbietetPSRaktuellaucheinRatingunterEinbeziehungvonPlanungenfürdie nächsten Jahre an. Sofern diese Planungsrechnungen in einer qualitativen Analyse auch mit der Branchenentwicklung abgeglichen werden können, besteht auch die Chance, die PositionierungdesUnternehmensindemweltweitenUmstrukturierungsprozessderAu tomobilindustrieabzugleichen. DerqualitativenAnalysewirdinZukunfterhöhteBedeutungzukommen,dennProjektio neneinesOperatingCashflowssetzendieExistenzeinestransparentenGeschäftsmodells voraus.DiesistaberdienächsteHerausforderungineinerIndustrie,inderdietraditionel len Überlegungen zur Arbeitsteilung zwischen Herstellern und Zulieferern neu definiert werden.
Ratingoptimierte Risikoabsicherung im Maschinen- und Anlagenbau
9
133
Ratingoptimierte Risikoabsicherung im Maschinen- und Anlagenbau
MichaelHannig 9.1 9.2 9.3 9.4 9.5
9.1
Vorwort.........................................................................................................................133 FinanzrisikenausdemLiefergeschäft......................................................................135 NotwendigkeiteinesDebitorenrating......................................................................139 OrganisationimUnternehmen..................................................................................143 Schlussbemerkung.......................................................................................................144
Vorwort
Die Notwendigkeit, sich in einem produzierenden Unternehmen mit Debitorenrating zu befassen,ergibtsichausdemUmstand,dassindenseltenstenFällenalsZahlungsbedingung imLiefervertrag„100ProzentVorkassebeiVertragsabschluss“(ohnegleichzeitigeStellung von Bankgarantien) durchsetzbar ist. Sämtliche Abweichungen von dieser Zahlungsbe dingung führen zu einer Risikoposition, die wiederum abhängig ist von verschiedenen Faktoren. DieseFaktorensindzumeineneineFunktionausdemzuproduzierendenGutselbstund zum anderen eine Funktion aus dem (sich verändernden) wirtschaftlichen Umfeld. Der Massenproduzent kennt in der Regel kein produktspezifisches Fabrikationsrisiko, also das Risiko, dasserseineWareausGründenaußerhalbseinerKontrollenichtmehranseinen BestellerversendenkannundaufdenbislangentstandenenKostensitzenbleibt.Daessich beiseinemProduktexdefinitioneumeinMassenprodukthandelt,wirderesinderRegel ohne größere Nachbearbeitungsaufwendungen für eine andere Bestellung verwenden können.DasdamitverbundeneRisikoistalsonichtderentstandeneKostenanfallsondern lediglich kalkulatorische Bestandteile, i.e. entgangener Gewinn aus der erstgenannten Bestellung. GanzandersimVergleichdazustelltsichdieSituationbeieinemAnlagenbauerdar,der üblicherweise hochgradig spezialisierte Produkte für eine bestimmte Bestellung fertigt („tailormadeequipment“).SeinFabrikationsrisikoistungleichhöher,dennerkanninder Regel seinen spezifischen Kostenanfall nicht dadurch abdecken, dass er das angefertigte Produkt einer anderen Verwendung zuführt. Sollte sein Besteller während der Fabrikati onszeit ausfallen, dann ergibt sich sein Finanzrisiko mindestens aus dem bis zu diesem ZeitpunktentstandenenKostenanfall. Diese gerade vorgestellten Szenarien lassen sich in ihrer Komplexität in Bezug auf die damit verbundenen Risiken noch dadurch erhöhen, dass sich politische und wirtschaftli che Rahmenbedingungen dynamisch verändern, wie wir es aktuell erleben. Es sollte un
G. S. Becker, O. Everling (Hrsg.), Debitorenrating, DOI 10.1007/ 978-3-8349-6377-2_9, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
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Michael Hannig
mittelbar einleuchten, dass sich die Beurteilung eines Risikos in einer statischen Welt aus der Einmalanalyse der risikodeterminierenden Faktoren ergibt und darauf aufbauende MaßnahmenzurRisikovermeidungeine„onetimedecision“darstellen.Ineinemdynami schen Umfeld hingegen, ist im Zweifel der Risikomix permanent zu überwachen und das eigeneHandelningleicherWeisezuadjustieren. AuchhierlassensichwiederUnterschiedezwischendemMassenanbieterunddemAnla genbauer ausmachen: Letzterer hat üblicherweise mehrere Monate bis Jahre Vorlaufzeit, bissicheineBestellungzueinemGroßprojekt,oftmalsimdreistelligenMillionenBereich, manifestiert. In Konsequenz zu den vorangegangenen Ausführungen bedeutet dies, dass erbereitsinderProjektierungsundAngebotsphase(OTOPhase=OfferToOrder)„sein Projekt“imHinblickaufRisikenaußerhalbseinerKontrolle(„risksbeyondowncontrol“) analysierenmuss,umzumTeilnichtunbeträchtlicheProjektierungskostennichtinsRisiko zu setzen. Beim Massenhersteller hingegen dürfte die Vorlaufzeit üblicherweise keine besondereRollespielen. Aus den bisherigen Ausführungen lässt sich im Hinblick auf die risikodeterminierenden Faktoren–alserstesZwischenfazit–somitgrafischfesthalten: Abbildung 9.1:
Finanzrisikodeterminierende Faktoren (Quelle: Voith Financial Services GmbH)
IndenfolgendenAbschnittenwerdeichversuchen,dasFinanzRisikouniversumausSicht des produzierenden Anlagenbauers – mit Fokussierung auf die Liefervertragsseite – dar zustellenundProzessevorzustellen,diedazugeeignetsind,ineinemUnternehmensolche Risikenzuidentifizierenundsachgerechtabzusichern.DasDebitorenratingwirddabeiein
Ratingoptimierte Risikoabsicherung im Maschinen- und Anlagenbau
135
prozessintergralerBestandteilsein.ImletztenAbschnittwerdeichkurzauforganisatorische Aspekteeingehen,diesichineinemGroßkonzernnaturgemäßkomplexerdarstellenalsin einemkleinerenmittelständischenUnternehmen.
9.2
Finanzrisiken aus dem Liefergeschäft
Das Finanzrisikomanagement des Anlagenbauers („tailormade equipment“, inhomogene Wirtschaftsgüter)mussinersterLiniediejenigenRisikenidentifizieren,dieexogenenRisiko charakterhabenundsichdamitdereigenenSteuerungentziehen.Paralleldazuistfortlau fend zu analysieren, in welchem Zeitpunkt das Materialisieren eines solchen Risikos zu welchemSchadenführt. Somitergibtsich–inAnlehnungandiebeidenmeistenOECDExportkreditversicherern bestehenden Definitionen – folgende Risikoklassifizierung, die sich auch in der Praxis be währthat: Risikoarten
႑politischeRisiken ႑wirtschaftlicheRisiken Zeitachse
႑Fabrikationsperiode ႑Ausfuhrperiode(bzw.Verschiffungsperiode) Das politische Risiko (oder auch Länderrisiko, engl. „country risk“ bzw. „sovereign risk“) beinhaltetStörungen,derenUrsacheninderSphäredesProjektbzw.Bestellerlandeslie gen.Nebendenunmittelbarerkennbaren,daöffentlichbekanntenEreignissen,wiekriege rische Unruhen, Streiks u.ä. sind darunter aber auch Störungen zu subsummieren, die nicht so ohne weiteres aus der Ferne identifizierbar sind, es sei denn, man befasst sich intensiver und über einen längeren Zeitraum mit diesem Land. Zu letzteren Störungen gehörenbspw.insbesonderedassogenannteKT/ZMRisiko,alsodasKonvertierungsund Zahlungsmoratoriumrisiko. Dieses entsteht, wenn die Zentralbank im Bestellerland nicht mehrüberausreichendeDevisenreservenverfügt,umeinefälligeZahlungsratedesBestel lersin„harter“WährungdesLiefervertrages(EUR,USDetc.)auszuführen.Oftmalskann einsolchesRisikonichtunmittelbarfestgestelltwerden,daderRisikoentstehungsprozess nicht„digital“verläuft:verschiedeneZahlungenwerdenvonderZentralbanknochausge führt,anderewiederumnicht.FürdenExporteursinddamitnichtunerheblicheNachteile verbunden, da er – im Falle des Nichterhaltes einer fälligen Zahlung – möglicherweise nicht umgehend auf Entschädigung seiner Forderungen vertrauen kann – sollte er diese bei einem Versicherer zuvor abgesichert haben – solange dieses Risiko als solches nicht unzweifelhaftanerkanntwird.
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Michael Hannig
EinweiterespolitischesRisiko,daszunichtunerheblichenSpannungenzwischenExpor teur und Besteller führen kann, ist das politisch motivierte Embargorisiko. Dieses entzieht sichmituntereinereindeutigenAnalyse,wieesursächlichentstandenist,daunterschied liche, politisch motivierte Beurteilungskriterien dabei eine wesentliche Rolle spielen. Ein deutigerwirdeinesolcheKonstellationinderRegeldann,wenneinLandgegendasver stößt, was die internationale Staatengemeinschaft als „Wohlverhalten“ charakterisiert. In einem solchen Fall kann sich daraus eine Embargosituation entwickeln mit der Konse quenz, dass der Exporteur seine vertraglichen Verpflichtungen aus seinem Liefervertrag nicht mehr erfüllen kann bzw. darf. Der Besteller, der im Zweifel für diese Embargo situationwenigVerständnisaufbringendürfte,wirdliefervertragsseitigweiterhinaufdie ErfüllungderLieferverpflichtungenbestehenund–inletzterKonsequenz–Sicherheiten, die die vertraglichen Verpflichtungen des Exporteurs abdecken (z.B. Bankgarantien) ver suchen,zuverwerten.(AufdiesenAspektwerdeichangesonderterStellenochmalsdetail liertereingehen.) Das wirtschaftliche Risiko beschreibt üblicherweise Leistungsstörungen, die in der Sphäre des Bestellers selbst liegen, also letztlich, die Nichtzahlung einer fälligen Rate entspre chend der vertraglichen Zahlungsbedingungen. Dabei ist abgrenzend festzustellen, dass keinepolitischenStörungenvorliegen,diezudieserNichtzahlunggeführthabenunddass selbstverständlich der Exporteur seine Verpflichtungen aus dem Liefervertrag auch er bracht hat und somit die betreffende Zahlungsrate auch rein formal fällig geworden ist. Das wirtschaftliche Risiko wird in der Praxis auch als Kundenkreditrisiko, Adressrisiko, KontrahentenrisikooderauchDelkredererisikobezeichnet. EinoffensichtlicheswirtschaftlichesRisikobzw.einSchadensfallliegtimInsolvenzfallvor. Oftmals sind aber auch Liquiditätsengpässe und Managementfehler dafür verantwortlich, wenn eine Zahlungsrate nicht oder verspätet eingeht, ohne dass dies aufgrund üblicher öffentlich verfügbarer Informationen ohne weiteres vorhersehbar ist. Deshalb sollte jeder kaufmännischeVertriebsmitarbeiterseinenKundenkennen(„KYCPrüfung“)undmitden fachlich zuständigen Stellen im Unternehmen eine Bilanzprüfung („Credit Watch“) in BezugaufseinenpotenziellenBestellervornehmen.Einesolcheistallerdingsdannunge eignet,wennkundenseitigeinesogenannte„SPC“(SpecialPurposeCompany)bzw.„SPV“ (Special Purpose Vehicle) als Liefervertragspartner präsentiert wird, die dann zumeist noch eigens für den in Verhandlung befindlichen Projektumfang als „Single Purpose Vehicle“neugegründetwurdeundsichmangelsHistorieundbilanziellerAusstattungals alleiniger Liefervertragspartner disqualifiziert. In diesem Falle wäre dann zu prüfen, ob einesogenannteProjektfinanzierungstrukturierbarist,beiderdievielzugeringebilanzielle HaftungsmassedurchqualitativenCashflowausdemProjektherausausreichendsubsti tuiert werden kann und somit das Ausfallrisiko vertretbar abgemildert ist oder eben zu sätzlicheSicherheiten(z.B.Bankgarantie)beigebrachtwerden. Das exporteurseitige Verlangen nach zusätzlichen Sicherheiten kann auch immer dann entstehen,wenndasErgebnisderBonitätsanalysedesKundenzwardurchauszufrieden stellendist,aberderKundeineinemLandansässigist,dasdeutlichrisikoreicherklassifi ziertwirdalsderKundeselbst.InallensolchenFällengilt:dasKundenkreditrisikokann
Ratingoptimierte Risikoabsicherung im Maschinen- und Anlagenbau
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niebesserseinalsdasRisikodesLandes,indemderKundesitzt.Darauswirdunmittelbar deutlich, wie eng politische und wirtschaftliche Abnehmerrisiken miteinander verzahnt sind und wie sorgfältig beide beider Beurteilung despotenziellenZahlungseingangsrisi koszuuntersuchensind. Diese Verzahnung nimmt noch weiter zu, wenn wir die schon thematisierte weitere Di mension, also die Zeitachse, über diese Risiken legen. Aus der Erkenntnis heraus, dass sowohlpolitischealsauchwirtschaftlicheRisikensowohlwährendderFabrikationsphase („Fabrikationsrisiko“)entstehenkönnenalsauchwährendderVerschiffungsphase(„Aus fuhrrisiko“)und–wiewirimerstenAbschnittgesehenhaben–durchausmitunterschied licherSchadensintensitätwirkenkönnen. In unserer Praxis hat es sich deshalb sehr bewährt, sich die Gesamtzusammenhänge an handdernachfolgendenIllustration(„Risikomatrix“)zuvergegenwärtigen: Abbildung 9.2:
Risikomatrix (Quelle: Voith Financial Services GmbH)
Voith Financial Services
Risikofelder und Ausgangssituation: Versand Politisches Risiko (Länderrisiko)
Wirtschaftl. Risiko
1 | Präsentationstitel | 23.07.2010
(Kundenrisiko)
(2)
(4)
(rot)
(grün)
(1)
(3)
(orange)
(grün)
Fabrikationsrisiko
Ausfuhrrisiko
Dem vorstehenden Beispiel liegt ein Exportgeschäft in ein risikoreiches Bestellerland zu Grunde, bei dem der Besteller ein unwiderrufliches und zeitlich ausreichend befristetes Akkreditiveröffnethat,dasdurcheinedeutscheHausbankdesExporteursohneVorbehal tebestätigtwurde.DieAusfuhrrisiken(„3“und„4“) sindkonsequenterweiseauf„grün“ gesetzt, allerdings besteht mindestens ein offenes politisches Fabrikationsrisiko („2“), da
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Michael Hannig
die Akkreditivbedingungen die Benutzbarkeit des Akkreditives an das Einreichen von Verschiffungsdokumenten („bills of lading“) knüpfen. Dies bedeutet, dass im Falle des AuftretenseinesLänderrisikos(z.B.Bürgerkrieg)währendderFabrikationsperiodemögli cherweise keine Verschiffungsdokumente mehr erhältlich sind, da kein Schiff mehr den Bestimmungshafen des Bestellerlandes anläuft und somit das Akkreditiv nicht gezogen werden kann. Im schlimmsten Fall würde dann das Akkreditiv wertlos verfallen, wenn sowohleineVerlängerungnichtnachverhandeltwerdenkannalsaucheineÄnderungder AkkreditivbedingungeninderWeisenichtdurchsetzbarist,dassderExporteurvomKun den autorisiert wird, in ein erreichbares Lagerhaus zu liefern und das Akkreditiv gegen EmpfangsbestätigunganstellevonVerschiffungsdokumenteninAnspruchzunehmen.Es sollte klar sein, dass Letzteres von einem entsprechenden Nachtrag zum Liefervertrag begleitet werden muss. In diesem ist dann auch zu regeln, wie der Besteller dann doch nochindenBesitzderWaregelangt,wenndiepolitischeKriseinseinemLandvorüberist. Das auf „orange“ gesetzte wirtschaftliche Fabrikationsrisiko („1“) kann an dieser Stelle undimRahmendiesesBeitragesnichtnäherthematisiertwerden,daohneweitergehender Analyse der RisikoVertragskonstellation eine abschließende Kategorisierung in „grün“ oder„rot“nichtmöglichist.SchließlichwirdeseinensignifikantenUnterschiedmachen, ob der Kunde final insolvent ist oder „nur“ vorübergehend liquiditätsschwach und der Liefervertrag bspw. auch die Verschiffung von halbfertiger Ware erlaubt oder nur von fertigenKomponentenetc. AbschließendmöchteichinErgänzungzuderobenvorgestellten„Risikomatrix“nochauf dasweiterobenangekündigteRisikoderungerechtfertigtenInanspruchnahmevonVertragsga rantien kurz eingehen. Vertragsgarantien sind insbesondere im Großanlagenbau üblich und,imFallevonstaatlichenAbnehmernimRahmeneinerAusschreibung,zwingend.Im Lebenszyklus eines Anlagenbaugeschäftes entsteht die Avalkette „Bietungsaval – Anzah lungsaval–Vertragserfüllungsaval–Gewährleistungsaval“.WannimmersolcheAvaleals „Bankgarantien auf erstes Anfordern“ auszustellen sind, besteht das potenzielle Risiko einer ungerechtfertigten Inanspruchnahme durch den Garantiebegünstigten, also i.d.R. dem Liefervertragskunden, es sei denn, die Garantie hat eine Abtretung („Assignment“ bzw.„TransferofRights“)an„Dritte“nichtausdrücklichausgeschlossen,wasdieSachla ge zusätzlich verkompliziert. Grundlage hierfür ist, dass die Bankgarantie abstrakt vom GrundgeschäftistunddieausstellendeBankimFalleeinerInanspruchnahmenichtprüft, obdieseInanspruchnahmemitBezugaufdenVerlaufdesGrundgeschäftesauchgerecht fertigt ist. Die Bank prüft ausschließlich, ob die Ziehung, entsprechend der im Garantie wortlautenthaltenenInanspruchnahmevoraussetzungen,auchformalkorrekterfolgtund zahltdanninnerhalbwenigerTage(„48Stunden“)aus. Im Hinblick auf die Garantieinanspruchnahme selbst ist nun zu differenzieren, ob der Garantiebegünstigte – bei objektiver Betrachtung der Grundgeschäftssituation – völlig willkürlichzieht(„capriciouscall“)oderder„unfaircall“garnichtsozweifelsfreifestzu stellen ist, entweder weil es vielleicht doch Gründe in der Sphäre des Grundgeschäftes gibt, die eine solche Ziehung rechtfertigen, oder – und damit schließt sich der Kreis zu Abschnitt 9.2 – im Rahmen einer Embargosituation, zumindest aus Sicht des Lieferver
Ratingoptimierte Risikoabsicherung im Maschinen- und Anlagenbau
139
tragskunden, ein „fair call“ vorliegt, nachdem der Exporteur seinen Liefervertragsver pflichtungennichtnachkommt–ausGründen„beyonditscontrol“. Ein Kunde in höchsten wirtschaftlichen Schwierigkeiten wird – bei Ausklammerung von geschäftsethischen Aspekten – eher in den Versuch kommen, sein eigenes Überleben durchdieBeschaffungvonLiquiditätimWegedes„capriciouscall“zubeschaffen,alsein bonitätsmäßigeinwandfreierKunde. Das vollständige Bild der „Risikomatrix“ als Grundlage der Risikoprüfung ist somit um die„Unfaircalling“RisikenausVertragsgarantienzuergänzen–imvorliegendenBeispiel als abstrakte Bankgarantien unterstellt, für die bislang noch keine „Unfair calling“ Versicherunggekauftwurde,weshalbderStatusauf„rot“steht: Abbildung 9.3:
Erweiterte Risikomatrix (Quelle: Voith Financial Services GmbH)
Voith Financial Services
Risikofelder und Ausgangssituation: Versand Politisches Risiko (Länderrisiko)
Wirtschaftl. Risiko
1 | Präsentationstitel | 23.07.2010
(Kundenrisiko)
9.3
(6)
(2)
(4)
(rot)
(grün)
(1)
(3)
(5)
(orange)
(grün)
(rot)
Fabrikationsrisiko
Ausfuhrrisiko
Unfair-Calling-
(rot)
+
Risiko
Notwendigkeit eines Debitorenrating
DievorangegangenenÜberlegungensolltenverdeutlichen,mitwelchenFinanzrisikensich ein exportorientiertes Unternehmen im Zusammenhang mit einem Liefergeschäft ausei nandersetzensollte,i.e.
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Michael Hannig
႑politischeRisiken ႑wirtschaftlicheRisiken ႑„UnfairCalling“RisikenausBankgarantien undwelcherisikoerhöhendenFaktoren,i.e.
႑langeProduktionsundVerschiffungsperioden ႑inhomogene(„tailormade“)Wirtschaftsgüter insbesondereausSichtdesAnlagenbauersspezifischzubeachtensind. Die unmittelbare Fragestellung, die sich nun ergibt, ist, wie man sich optimal vor diesen Finanzrisikenschützenkann.DieAntwortaufdieseFrageklingttrivial:indemmandiese Risikenrechtzeitigidentifiziert!DasrechtzeitigeIdentifizierenvonRisikensetztallerdings voraus, dass in einem Unternehmen nicht nur das entsprechende Bewusstsein über das potenzielleVorhandenseinvonsolchenRisikenherrscht,sonderndassaucheineentspre chendeOrganisationetabliertwurde,dieübergeeigneteProzesskettenverfügt,einadäqua tesFinanzrisikomanagementzuleben. Mit„Bewusstsein“isthiernichtdasVerständnisgemeint,dassFinanzrisikenansichetwas Übles darstellen und ein Unternehmen umbringen können, wenn diese nur groß genug ausfallen. Mit „Bewusstsein“ ist vielmehr gemeint, sich intensiv und diszipliniert im Zu sammenhangmiteinemLiefergeschäftbereitsinderAngebotsphasemitdenspezifischen CharakteristikaderAbnehmerseitezubefassenundeineBewertungdarüberherbeizufüh ren,obdasUnternehmenbzw.dieverantwortlicheEinheitmitdemErgebnisdieserRisi koanalysezurechtkommt–essichalsoumeintragfähigesRisikohandelt–oderobMaß nahmenzuinitiierensind,dasermittelteRisikobspw.durchdenAbschlussvonVersiche rungsproduktenzubeseitigenodermindestenssignifikantzureduzieren. DiesesBewusstseinsetzteinenRatingprozessdesDebitorsvoraus,wobeihiernichtimenge renSinnenurdasKundenrating(„wirtschaftlichesRisiko“)sondernauchdasLänderrisiko desKunden(„politischesRisiko“)gemeintist. Dieses Debitorenrating steht am Anfang eines jeden kundenbezogenen Finanzrisikomanagements undohnediesessindalleprozessualnachgelagertenSchritteunmöglichbzw.nichtsinnvoll. In unserer Praxis zeigt sich sehr häufig, dass im internationalen Geschäft die wenigsten (potenziellen) Abnehmer börsennotiert sind und somit in der Regel kein öffentliches Ra ting von einer der großen und bekannten Ratingagenturen (Standard & Poors, Moody´s, Fitch)verfügbarist,überdasmansichrechteinfachdurchdenBesuchderHomepagedes Kundeninformierenkönnte. Oftmals sind auch keine Bilanzinformationen erhältlich, die nach internationaler Rech nungslegung („IFRS“) bewertbar sind und/oder über ein Testat einer international aner kannten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft verfügen. In allen diesen Fällen stößt man an Grenzen, sich „mit Bordmitteln“ ein belastbares Rating zu erarbeiten, das eine geeignete GrundlagefürdieBeurteilungdesvorhandenenwirtschaftlichenRisikosseinkönnte.
Ratingoptimierte Risikoabsicherung im Maschinen- und Anlagenbau
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UngeachtetdessenstelltsichunterArbeitsteilungsgesichtspunktenohnehindieFrage,ein Debitorenrating doch besser denjenigen zu überlassen, die dies als Kernkompetenz im RahmeneinesbewährtenGeschäftsmodellsetablierthaben,zudemüberganzandereMög lichkeiten der Erkenntnisgewinnung verfügen („field research“) und sich über Jahre eine Reputation erarbeitet haben, die annehmen lassen, eine qualifizierte Ratingaussage zu erhalten,aufdiemanvertrauendarf.InFragekommenhierentwederreputableAnbieter vonWirtschaftsauskünftenoderprivateKreditversicherer,derenDebitorenratingmitunter auseinerDatenbankerfolgt,dieauchinternherangezogenwird,umVersicherungspolicen zuschreiben,waszusätzlichesVertrauenschaffensollte. Die Beurteilung von Länderrisiken kann allerdings auch, mit vergleichsweise geringem Aufwand, anhand der bestehenden Länderklassifizierung („0 bis 7“) der staatlichen Ex portkreditversicherungvorgenommenwerden.DieseLänderklassifizierungistinDeutsch landimInternetinnerhalbdes„AGAPortals“derEulerHermesKreditversicherungsAG und der PricewaterhouseCoopers Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (PwC AG) als Mandataren des Bundes für die sogenannten staatlichen „Hermesdeckun gen“überfolgendenLink(Stand:Oktober2009)einsehbar: http://www.agaportal.de/pages/aga/deckungspolitik/laenderklassifizierung.html LetztlichmusssichjedesUnternehmeneineeigeneMeinungdarüberbilden,welcheQuel le für ein Debitorenrating herangezogen wird. Die oben erwähnte Länderklassifizierung mag den Nachteil haben, dass die Länderratings zum Teil auch politisch motiviert und beeinflusstseinmögen. Entscheidendist,dassüberhaupteinDebitorenratinginderAngebotsphaseeingeholtwird und dieses, gerade bei sich schnell verändernden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, laufendaktualisiertwird,umrechtzeitiggeeigneteAdjustierungeninnerhalbdesprojekt bezogenenRisikomanagementsdurchführenzukönnen. DiefolgendeIllustrationzeigtexemplarisch,wieeinsolcherProzesschartaussehenkönnte. GrundlageistinjedemFalldieinAbbildung9.2undAbbildung9.3entwickelte„Risiko matrix“. Es versteht sich von selbst, dass ein solcher Prozess unternehmensindividuell zu entwi ckelnundzuimplementierenist.ImRahmendiesesBeitrageskönnennichtalledenkbaren Variantenbzw.zusätzlichenProzessschleifenthematisiertwerden.Soistesbeispielsweise durchaus vorstellbar, diesen Prüfprozess erst ab einem bestimmten zuvor festgelegten Projektbzw.Auftragswertals„Todo“durcheineentsprechendeKonzernrichtliniefestzu legen,jenachdembeiwelchenEinzelrisikohöhendieindividuelleRisikoschwelleliegt.Des Weiterenmagessein,dassimUnternehmenauchWirtschaftsgüterhergestelltwerden,die nichtperseeinemFabrikationsrisikounterliegen(z.B.verschiedeneErsatzteile),weildiese auch für andere Kunden verwendbar sind. Diesem Umstand könnte noch im Rahmen einer besonderen (zusätzlichen) „Schleife“ im Prozesschart Rechnung getragen werden. AufdievorzunehmendeAuswahlderheranzuziehendenRatingquellenwurdeschonauf denvorhergehendenSeitenkurzeingegangen.
142
Abbildung 9.4:
Michael Hannig
Prozesschart auf Basis der erweiterten Risikomatrix (Quelle: Voith Financial Services GmbH)
Ratingoptimierte Risikoabsicherung im Maschinen- und Anlagenbau
9.4
143
Organisation im Unternehmen
WirunterstellenalsArbeitshypothese,dassimhierbehandeltenUnternehmenoffenbarein ausgeprägtesBewusstseininBezugaufdiepotenzielleExistenzvonFinanzrisikenvorhan den ist, eine entsprechende Systematik zur Risikoidentifizierung eingeführt wurde und im RahmeneinerKonzernrichtlinieeinProzessdefiniertundverabschiedetwurde,derimUn ternehmenzurAnwendungkommt. SpätestensbeiderFormulierungderKonzernrichtlinieisteineEntscheidungdarüberher beizuführen, welche Organisation ein solches Finanzrisikomanagement im Unternehmen erfordert. Auch diese Frage kann selbstverständlich nicht mit genereller Gültigkeit im RahmendiesesBeitragesbeantwortetwerden.EinerechtsimpleAntwortergibtsichaber aus der Natur des Finanzrisikos an sich bzw. aus dessen möglichen Konsequenzen: ein nicht erkanntes und/oder nicht abgesichertes Finanzrisiko kann ein Unternehmen in die Insolvenzführen.IneinemsolchenFallistauchdieEintrittswahrscheinlichkeitdesFinanz risikos nicht mehr sonderlich relevant, wenn die materiellen Konsequenzen nach Risiko eintrittnurgroßgenugsind.FolglichmachtesoffenbarkeinenSinn,
႑ErwartungswerteimFinanzrisikomanagementfestzulegen,andeneneineOrganisation odereinProzessausgerichtetwirdund
႑Finanzrisikomanagementausschließlichdezentralzuorganisieren. Letzteres entspricht dem Verständnis, dass die gleichzeitige Kumulation von mehreren überschaubaren Finanzrisiken im Aggregat auf Konzernebene ein ernsthaftes Problem darstellenkann.Somitistessicherlichangebracht,indendezentralenEinheiteneinausge prägtesRisikobewusstseinzuetablieren,aberinjedemFalleinezentraleStelleeinzurichten, diesämtlichederartigerRisikensystematischerfasst,überwachtundaktivmanagt.Inder Praxis dürfte sich im Hinblick auf die Komplexität der Finanzrisiken die Tätigkeit der zentralen Stelle nicht auf bloße Überwachung und Absicherung erstrecken, sondern auf eineproaktiveBegleitungderVertriebseinheitenineinemsehrfrühenStadiumderProjektent stehung, um rechtzeitig im Team mit dem Vertrieb und sonstigen Zentralstellen (Recht, Steuern, Bilanzierung etc.) Veränderungen am Projektprofil vornehmen zu können, die noch–daineinerfrühenPhase–mitdempotenziellenKundenverhandeltwerdenkön nen.DiesindemVerständnis,
႑dassdas,wasverhandeltwerdenkann,imZweifelnichtnochzusätzlichabgesichert werdenmuss(außer:vertragsexogeneRisiken)und
႑dassdieInvolvierungder„Zentralstelle“eineBringschulddesVertriebsseinmuss,da „dort“dasProjektprofilentstehtbzw.sichalsersteswiederverändert.
Somit determiniert die Organisation einen interdisziplinären Ablaufprozess zwischen den beteiligtenStellenimUnternehmen,indenderprojektspezifischeRisikomatrixProzessvon Abbildung 9.4 eingebettet ist – in der nachfolgenden Illustration durch die schwarzen Pfeilegekennzeichnet:
144
Michael Hannig
Abbildung 9.5:
Interdisziplinärer Ablaufprozess in der Organisation (Quelle: Voith Financial Services GmbH)
GleichsamistdieserAblaufprozessdervorundnachgelagerteProzesszumRisikomatrix Prozess, denn Veränderungen am Projektprofil führen zu einem erneuten „Risikocheck“ unddasErgebnisdiesesRisikocheckszwingtzueinerKommunikationmitdendezentra lenEinheiten.ImTeamistdanngemeinsamfestzulegen,welcheMaßnahmenentwederin Richtung des potenziellen Kunden im Rahmen von Liefervertragsentwurfsanpassungen alsrealistischdurchsetzbarbewertetwerdenoderwelcheAbsicherungsinstrumentedurch dieZentralstelleamMarktzurRisikoreduktionbzw.vollständigerVersicherungzuLasten derProjektkostenzuerwerbensind.InderRegeldurchläufteinProjektmehrereAblauf prozesse,sodasseinerfolgreichesFinanzrisikomanagementauchsehrstarkvonderinter nenKommunikationskulturimUnternehmenmitbeeinflusstwird.
9.5
Schlussbemerkung
Eine„RatingoptimierteRisikoabsicherungimMaschinenundAnlagenbau“warnochnie so aktuell wie heute. Wer auf eine solche im operativen Geschäft verzichtet oder diese nichtsystematischinseinemUnternehmenlebt,befindetsichimRisiko,seineExistenzzu gefährden.Ein„manuelles“Debitorenratingistbesseralsgarkeins.Ein„StateoftheArt“
Ratingoptimierte Risikoabsicherung im Maschinen- und Anlagenbau
145
Prozess, bei dem bspw. das unternehmensinterne ERPSystem mit einer externen Daten bank verbunden ist und aus einer solchen permanent Kundenstämme mit Ratings verse henundaktualisiertwerden,wirdvermutlichoptimalersein,alsein„manueller“Rating prozess–naturgemäßabhängigvoneiner„KostenNutzenAnalyse“. DieserBeitragkonntenursehrrudimentäraufdiepotenziellenFinanzrisikenimMaschi nenundAnlagenbaueingehenundsichauchnichtmitdensehrspezifischenMöglichkei ten zuderenAbsicherungbefassen. Auch wurde in diesem Beitragder Schwerpunkt auf das kundenseitige Liefergeschäft gelegt, wenngleich Ratingprozesse, gerade in der heuti gen Zeit, bei sämtlichen Kontrahentenrisiken (Bankpartner, Lieferanten etc.) angezeigt sind. Wennesdennochgelungenist,dieRolleeinesRatingprozessesamBeispieldesDebitoren ratings als zentrales Element eines modernen Finanzrisikomanagements herauszustellen, dannhatdieserBeitragseinebeabsichtigteIntentionerfüllt.
Ansatzpunkte zur Optimierung des Ratings
10
147
Ansatzpunkte zur Optimierung des Ratings
GritBecker 10.1 10.1.1 10.1.2 10.2 10.3 10.4 10.5 10.5.1 10.5.2 10.5.3 10.6
Einführung....................................................................................................................147 CofaceRating...............................................................................................................147 ManagementdesRatings...........................................................................................148 Risikoarten....................................................................................................................149 Ratingverfahren...........................................................................................................150 Ratingmodell................................................................................................................151 EinflussfaktorenimEinzelnen...................................................................................152 MakroökonomischeEinflussfaktoren.......................................................................152 MikroökonomischeEinflussfaktoren........................................................................155 UnternehmenseigeneEinflussfaktoren....................................................................156 OptimierungdesRatingsalsProzess.......................................................................158
10.1
Einführung
10.1.1
Coface Rating
Die Coface Rating GmbH ist einedeutsche TochtergesellschaftderCofaceGruppe,Paris, dieimKerngeschäftFinanzdienstleistungenrundumdasDebitorenmanagementanbietet. GegründetalsWarenkreditversichererkamenbereitsinden90erJahrendasGeschäftmit WirtschaftsauskünftenundInkassohinzuundindenJahren2000wurdeeinevierte,stabi leSäulemitdemFactoringgeschäftgegründet.Heuteagierenalle4BusinessLinessowohl integriertalsauchmodularundöffnendamitUnternehmendieMöglichkeit,amhochent wickeltenKnowhowaberauchdenSpeziallösungeneinesFullServicesProvidersteilzu haben. In Deutschland ist die Coface Rating GmbH als Informationsdienstleister aus derKredit versicherungherausentstandenundhatteursprünglichdieAufgabe,diePrüfungsgebüh ren, die in der Kreditversicherung für die Prüfung von Debitorenrisiken entstanden, als Dienstleistung unabhängig vom Versicherungsgeschäft abzurechnen. Die meisten Infor mationsdienstleisterderCofaceGruppesindausWirtschaftsauskunfteienentstandenund haben die konkrete Zuarbeit für den Versicherer aus diesem Geschäft heraus entwickelt. DieAufgabePrüfungsgebührenabzurechnenhatsichabdemJahr2000erstmaligdarum erweitert,EntscheidungendesKreditversicherersohneAbschlusseinesVersicherungsver trages abrufen zu können. Das entsprach dem Wunsch vieler Unternehmen, auch ohne Versicherungsvertrag am Knowhow des Versicherers zu partizipieren, um präzise Boni tätsbewertungeninFormeinerverbindlichenKreditrahmenzusagezuerhalten,beiderim Gegensatz zu klassischen Wirtschaftsauskunfteien ins Obligo gegangen wird. Zwischen G. S. Becker, O. Everling (Hrsg.), Debitorenrating, DOI 10.1007/ 978-3-8349-6377-2_10, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
148
Grit Becker
zeitlich stellt Coface Rating den Kunden nicht nur die Kreditlimitbewertungen, sondern auchdasderRatingbewertungzugrundeliegendeinterneBaselIIfähigeRatingzurVer fügung.DasVerfahrendieses„@ratingScore“benanntenProdukteswirdindiesemBuch imBeitragvonFrankoFaulbeschrieben.ZukünftigwirdeinweiteresAnalysetoolausdem internenRatingprozessdesKreditversicherersseinenWegindenMarktfinden.Eshandelt sichdabeiumdasaufdemBilanzanalyseverfahrenfürGroßrisikenbasierendeVollrating, das„CofaceCreditRating“. Weltweit betreibt Coface ein umfassendes Netzwerk anWirtschaftsauskunfteien, die ent weder Beteiligungen der CofaceGruppe oder Partner im Credit Alliance Netzwerk sind. DieseAuskünfterundendasProduktportfolioderCofaceRatingab.Cofacebetreibtdarü ber hinaus eine Unternehmensdatenbank, Kompass, die eine individuelle Suche nach Kunden oder Lieferanten weltweit ermöglicht. Diese Informationen werden ohne Rating geliefert.
10.1.2
Management des Ratings
ImInnenverhältnishatdieCofaceRatingGmbHdieAufgabe,dieBeschaffung,Aufberei tungundVerarbeitungvonInformationenüberdeutscheRisikenvorzunehmenunddiese zu bewerten. Die Aufgaben dieses Bereiches (Info Line) und der Coface Kreditversiche rung(CreditLine)lassensichdirektmitdenAufgabendesKreditmanagementsimUnter nehmen vergleichen. Die Trennung in Coface Rating und Coface Kredit geschieht im Rahmen der CofaceGruppe, um zu gewährleisten, dass die Entscheidungen unabhängig undobjektivgetroffenwerden. DieAufgabenderKreditratinganalystenundMitarbeiterderInformationLinederCoface weltweit haben viele Gemeinsamkeiten mit den Aufgaben, die Kreditmanager in Unter nehmen wahrnehmen. Die Zahl der zu verarbeitenden Informationen je Risiko nimmt stetig zu und es obliegt dem Kreditmanager darüber zu entscheiden, welche Informatio nenfürdieEntscheidungüberKreditlimit,Kreditlaufzeitetc.hinzugezogenwerdenmüs sen.Dabeiistesnotwendig,jedenrelevantenFaktoraufseineWerthaltigkeitundaufsei nen Einfluss auf das Rating zu bewerten. Ein Rating schafft in diesem Moment die Ver dichtung der Informationen. Es ermöglicht darüber hinaus den Einsatz verschiedener Transistionsmatrizen,umEntscheidungsverfahrenzuvereinfachenoderzuverkürzen,in Abhängigkeitdavon,welcheInformationenzumZeitpunktderBewertungvorliegen.Die Trennschärfe der einzelnen Parameter und die Bestimmung der Wahrscheinlichkeit des RisikoeintrittssinddabeiwesentlicheParameter,dieimFolgendenbetrachtetwerden. Das Diagramm veranschaulicht, dass negativ belegte Einflussfaktoren auf das Debitoren ratinginderKonsequenzzusteigendenSicherungsmaßnahmen,wieniedrigenKreditlimi ten,niedrigenZahlungszielenundhohenSicherheitenführen.Siegrenzenaußerdemden BereichdereinfachenEntscheidungenvondemBereichab,indemzusätzlicheInformatio nen eingeholt werden müssen, um eine ausreichend fundierte Entscheidung treffen zu können. Das Rating übernimmt dieFunktion einesSteuerungselementesundschaffteine geeigneteBasiszurRisikoadjustierung.
Ansatzpunkte zur Optimierung des Ratings
149
Abbildung 10.1: Einflussfaktoren auf das Debitorenrating
Kreditlimit/ -laufzeit oder Sicherheit sind hoch
140 120 100 80
Kreditlimit
60
Kreditlaufzeit Sicherheiten
40
niedrig
20 0
negative Faktoren positive Faktoren
10.2
Risikoarten
Die Entwicklung eines Debitorenratings erfolgt in jedem Unternehmen individuell und wird ausgehend von den unterschiedlichen Einflussfaktoren jeweils verschiedenen Be dürfnissenangepasst. Zunächst ist wichtig, welche Risikoarten berücksichtigt werden. Risikoarten können so wohl makroökonomische Risiken, wie Länderrisiko, Branchenrisiko, konjunkturelle Risi ken, systemische Risiken oder Kapitalmarktrisiken als auch mikroökonomische Risiken, wiebilanzielleRisiken,Finanzierungsmittelrisiken,Zinsrisiken,KundenundLieferanten risiken,Personalrisikenusw.undnichtzuletztoperationelleRisiken,d.h.Risiken,dieaus dem Versagen oder der Unangemessenheit von internen Verfahren, Menschen oder Sys temenoderinfolgeexternerEreignisseeintretenkönnen.Esempfiehltsichdaher,dieein zelnen Risikoarten einer genauen Analyse zu unterziehen, um ihre Relevanz für das ei gentliche Rating zu bestimmen. In diesem Zusammenhang ist weniger oft mehr, denn je klarer die Trennschärfe eines Einflussfaktors ist, umso höher ist der Aussagegehalt des Ratings.
150
Grit Becker
DieRisikoartenfürRatingverfahrenlassensichz.B.wiefolgtgliedern:
Tabelle 10.1:
Risikoarten für Ratingverfahren Qualitativ
Quantitativ
HarteRisikofaktoren
Branche Rechtsform Sicherheiten
Jahresabschlusskennzahlen Gründungsdatum Zahlungserfahrungen
WeicheRisikofaktoren
Planungszahlen Unternehmensführung Konjunktur Marktumfeld Aussagen anderer Markt teilnehmer
10.3
Ratingverfahren
Ziel eines Rating ist eine möglichst genaue Vorhersageder Zukunft.Für einen Überblick über die Vielzahl der in Wissenschaft und Praxis verwendeten Insolvenzprognose verfahrensiehediefolgendeAbbildung. Abbildung 10.2: Übersicht Insolvenzprognoseverfahren (Quelle: in Anlehnung an Günther, Grüning (2000, S. 40 und OENB 2004 a, S. 32)
Ansatzpunkte zur Optimierung des Ratings
10.4
151
Ratingmodell
Welches System der Risikostrukturierung greifen kann, wird in hohem Maße von der Anzahl, der Bedeutung und der Struktur der Kundenrisiken bestimmt. In den meisten UnternehmengreiftdasParetoprinzip,d.h.mit80ProzentderKundenwerden20Prozent undmit20ProzentderKunden80ProzentderUmsätzerealisiert.IndiesemZusammen hangbedarfesfürdie80ProzentderKundeneinesScreening,dasausdenvorliegenden InformationenohnehohenzusätzlichenAufwandmöglichsttrennscharfePrognosenzum Ausfallliefert.Fürdieverbleibenden20Prozentgiltes,einRatingmodellzuschaffen,das allenEntscheidernvomSachbearbeiterbiszurGeschäftsleitungeineRisikosteuerungder gestalt ermöglicht, dass mittels einer objektiven Risikobewertung entschieden werden kann, ob Risiken aus Zahlungsausfällen eine Bedrohung für das eigene Unternehmen darstellen und dementsprechend aus dem Unternehmen herausgetragen werden sollten oder Kunden kein Risiko mit entsprechendem Bedrohungspotenzial für die Existenz des eigenenUnternehmensdarstellen.Großkonzernegehenbspw.aufgrundderhohenAtomi sierungauchderGroßrisikenimmerstärkerindieRichtungdereigenenBilanzanalysefür diese Risiken. Dies hat seine Ursache zum einen darin, dass sich durch die hohe Verfüg barkeit von Informationen und die stetige Entwicklung der technischen Unterstützung, derAufbaueigenerRisikomanagementsystemeempfiehltbzw.diesegesetzlichoderdurch die Shareholder gefordert sind. Zum anderen ergeben sich Skaleneffekte durch die Kos teneinsparungfürAbsicherungsmaßnahmen. DiemeistenunternehmenseigenenRatingbewertungenfindenheutemitITUnterstützung statt. Gerade für große Debitorenportfolien lassen sich objektive Analyseprozesse und RatingvergabenaufgrundderhohenAnzahlnurnochüberITgestützteLösungenumset zen. Dem scheinbaren Nachteil eines solchen entmenschlichten Systems, dass Entschei dungenohneBerücksichtigungallerbesonderenFaktoren,dieindiesemBeitragauchnur ansatzweise erörtert werden können, stattfinden, kann nur durch die regelmäßige Über prüfungdesRatingmodells,derAnpassungdesRatingmodellsunddurchdieausreichen de Berücksichtigung und Gewichtung von subjektiven Einflussfaktoren entgegengewirkt werden.CofacehatdaherimScoringprozesseineumfassendeMöglichkeitzurBerücksich tigungdersubjektivenKriteriengeschaffen,diewiederumdieTragfähigkeitunddieAk zeptanz bei allen Mitarbeitern und damit den Erfolg der Umsetzung signifikant erhöht haben. BestehtdieMöglichkeiteinerAbsicherungistderEinflussderRisikenaufdasRatingge ring,bestehtkeineMöglichkeitzurAbsicherung,mussdieRisikoartindasRatingmodell aufgenommenundeinerentsprechendenBewertungunterzogenwerden.
152
Grit Becker
10.5
Einflussfaktoren im Einzelnen
10.5.1
Makroökonomische Einflussfaktoren
EinwesentlichesKriteriumzurBewertungdesMarktesstelltdasLänderrisikodar.Dabei handeltessichumeineindeutighartesundobjektivesKriterium.ObwohlnichtalleLän derineinemWirtschaftsraumdasgleicheRatinghaben,interagierendieseLänderjedoch stärkerundsolltenauchindiesemKontextberücksichtigtwerden.DasfolgendeSchaubild zeigtdieEntwicklungdesLänderrisikosanhanddervonCofaceverwendetenRisikoklassi fizierungvonA1–D,wobeiA1–A4RatingklassenimInvestmentGradeBereichsindund B, C und D als NonInvestmentGrade mit höherem Risiko eingestuft werden. Unter schiedliche Länderratings für Russland, Kasachstan und Weißrussland oder Brasilien, Chile,ArgentinienlassensichnievonihrenhäufigpolitischbedingtenWechselwirkungen untereinander trennen. Diese Berücksichtigung kann in einem Expertenmodell erfasst werdenoderdurchsubjektiveKorrekturenaneinemmathematischstatistischenModell.
Tabelle 10.2:
Beispiel für Länderratings (Quelle: Hompage Coface 15.02.2010)
Länder
Länderratings
Russland
C
Kasachstan
B
Weißrussland
D
Länder
Länderratings
Brasilien
A4
Chile
A2
Argentinien
C
EinebenfallshartesKriteriumstelltdieBranchedar,inderdasRisikotätigist,dar.Abbil dung10.3zeigtdieEntwicklungdesBranchenrisikosanhanddervonCofaceverwendeten Risikoklassifizierung von A1 – D, wobei A1 – A4 Ratingklassen im InvestmentGrade Bereich sind und B, C und D als NonInvestmentGrade mit höherem Risiko eingestuft werden.DerVergleichvon2007zu2009zeigtdeutlich,welcheBranchenimRahmender KrisenocheinmaldeutlichstärkernegativgeratedwurdenunddassdieEntwicklungz.B. imAutomobilsektorbereits2007absehbarwar.
Ansatzpunkte zur Optimierung des Ratings
153
Abbildung 10.3: Beispiel für Branchenrating (Quelle: Coface)
Das Risiko „Branche“ beinhaltet aber auch die Abhängigkeit von bestimmten Produkten und deren Innovationszyklen, wie es bspw. im Pharmabereich durch das Ablaufen von PatentfristenderFallseinkannoderinderKfzIndustriebeiderEntwicklungbestimmter Modelle.Außerdemergebensich,durchdieBranchegesteuert,dieZahlungsbedingungen, wiebspw.imAutomobilbereicham25.desfortfolgendenMonatsoderimlandwirtschaft lichen Bereich Zahlungen gesteuert durch Erträge aus Ernteeinbringung über 10 Monate oder im Maschinenbau 10 Prozent Anzahlung, 30 Prozent bei Lieferung, 30 Prozent bei Abnahmeund30ProzentbeiInbetriebnahme.DieseFaktorensindinihrenAuswirkungen demmikroökonomischenBereichzuzuordnen. SoumfassenddasFelddermakroökonomischenBedingungenist,sohängtesdochletzt endlich am eigenen Risiko bzw. dem zu beliefernden Unternehmen. Die Bandbreite der Instrumente zur Einschätzung eines Unternehmens ist groß. Daher gilt es, die richtigen Risikoarten auszuwählen. Darüber hinaus gilt es, eine Entscheidung zu treffen, welche Informationen zum Unternehmen zur Verfügung stehen, erworben werden müssen oder einemmühsamenRechercheprozessunterliegen.Informationen,dieinderRegelzurVer fügung stehen, sind über öffentliche Register und Veröffentlichungen des Unternehmens selbst, z.B. auf der Homepage möglich. Diese Informationen können die Stammdaten im ITSystembefüllen,wobeidieseAufgabeauchvomVertriebwahrgenommenwerdenkann undwirkendanndirektimRating,z.B.kanndiesdasGründungsdatumeinesUnterneh
154
Grit Becker
menssein,danachgewiesenermaßendieInsolvenzhäufigkeitvonneugegründetenUnter nehmen signifikant höher ist als die Ausfallwahrscheinlichkeit von Unternehmen, die bereits länger als zwei Jahre im Markt tätig sind. Ein weiteres Kriterium, das ein Rating speisen kannund das öffentlich zugänglich ist, ist die Region und die Gesellschaftsform. SokannderEinflussaufdasRatingdergestaltstattfinden,dasseinePersonengesellschaft gegenüber einer Kapitalgesellschaft mit direkten vollumfänglichen Haftungen für die EigentümerverbundenistunddieseUnternehmendamiteinerhöherenStabilitätunterliegen. FolgendeInformationensindöffentlichrecherchierbar:
႑Identität ႑Standort/Geschäftsräume ႑Branche/Produkte ႑Rechtsform ႑Mitarbeiter ႑Konzerngliederung ႑G&V ႑Bonität ႑Bankverbindungen ႑Management ႑Aktionäre/Inhaber ႑Bilanzzahlen ႑Finanzanalyse ႑Immobilien GehtmanüberdieseöffentlichzugänglichenodervomVertriebbeigesteuertenInformati onenhinaus,bestehtdieMöglichkeit,InformationenzumRisikoüberInformationsdienst leister einzuholen. Dazu stehen in Deutschland Wirtschaftsauskunfteien, Kreditversiche rungsgesellschaftenund teilweise Banken zur Verfügung. Werden Informationen zu Per sonengesellschaften eingeholt, muss vom Nachfragenden aus ein berechtigtes Interesse bestehen, das im Zweifelsfalle über den Informationsdienstleister auch geprüft werden muss. Basis bildet das Bundesdatenschutzgesetz, das zum 01.04.2010 eine Überarbeitung erfährt.InformationendieserQuellenbietenzusätzlicheineEinstufungdesUnternehmens ineineBranche,mittelsdessogenanntenNaceCodesundermöglichendamiteineEinbe ziehungdiesesFaktorsineinRating.ImNormalfallewerdendenUnternehmenebenfalls Umsatzklassen zugeordnet, die entweder direkt vom Unternehmen erfragt wurden oder branchenüblicheVergleichszahlendarstellen.DiesgiltauchinBezugaufdieMitarbeiter anzahl. Wenn vorhanden und/oder erfragt, runden Bilanzkennzahlen und Informationen zu Bankverbindungen die Auskünfte ab. Da beide Informationsquellen nicht immer ver
Ansatzpunkte zur Optimierung des Ratings
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fügbar sind, empfiehlt es sich, mit zwei Untermodellen zu arbeiten oder diese Faktoren nichtzuberücksichtigen.GeradeInformationenzuBilanzkennzahlensindindiesenAus künften häufig veraltet, weil aus öffentlichen Registern, womit die Prognosegüte dieser Ratingsdeutlichsinkt.NichtzuletztbeinhaltenWirtschaftsauskünftedieRatings,dieAus kunfteien auf Basis ihrer Auswertungsmodelle bestimmen. Beliefert man durch eine Zu sammenarbeitmitderAuskunfteiimBereichInkassodiesesUnternehmenselbstmitZah lungserfahrungen oder über einen Zahlungserfahrungspool, ist zu berücksichtigen, dass keine Doppelbewertung stattfindet, wenn die Ratingbewertung der Auskunftei in das Gesamtratingeinfließt. Die Informationsquelle Bank wird insbesondere dann herangezogen, wenn keine Bilanz kennzahlen bzw. Jahresabschlüsse verfügbar sind und der Entscheidungsrahmen eine gewisse Größenordnung übersteigt. Sie besitzen den Vorteil, dass sie zeitlich näher am RisikosindalseinJahresabschlussdesvorvergangenenJahres.Dadiesleidernichtselten derFallist,könnenBankauskünfteEntscheidungsprozesseobjektivieren.IhrgroßerNach teilsinddiewachsweichenFormulierungen,diebreiteInterpretationsspielräumezulassen. LangjährigesKnowhowunddieregelmäßigeEinholungvonBankauskünftenminimieren dasRisikovonFehleinschätzungen.
10.5.2
Mikroökonomische Einflussfaktoren
Bei der Erstellung des Debitorenrating hat das Zahlungsverhalten eine herausragende Stellung. Da jedoch die Anzahl der vorliegenden Zahlungserfahrungen im Vergleich der einzelnenRisikenvariierenkann,voneinerbiszumehrerenHundert,istdieWichtungdes Zahlungsverhaltens in den Ratingmodellen der Unternehmen verschieden. Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass in vielen Fällen weitere harte und weiche Informationen hinzukommen.StehtimUnternehmenwenigeranInformationbereitwirddieZahlungser fahrungstärkergewichtet.InmirbekanntenFällenreichtdieWichtungdereigenenZah lungserfahrungenbiszu80Prozent.DiesisteinHinweisaufwenigObjektivität,daexter ne Quellen kaum berücksichtigt werden. Grundsätzlich kann man feststellen, dass das Zahlungsverhalten des Risikos in allen Debitorenratingsystemen eine überragende Stel lungeinnimmt. DasKernstückallerUnternehmensRatingverfahrenbildetdieVerarbeitungdesJahresab schlusses bzw. von Zwischen und Planzahlen. Die Bewertung von Jahresabschlüssen erfordert, um sie im Ratingprozess nutzbar zu machen, eine einheitliche maschinelle Bi lanzanalyseoderdieAufstellungvonBilanzrelationenoderKennzahlen,dieindasRating einbezogen werden können. Da dies ein sehr aufwendiger Prozess ist und die Einlesung der Zahlen in ein einheitliches Schema ebenfalls umfassendes Knowhow erfordert, be schränkensichvieleUnternehmenandieserStellemitwenigenKennzahlen,wieUmsatz, Eigenkapitalquote, Anlagedeckung, Personalaufwandsquote, Verschuldungsgrad, Cash flow, Tilgungskraft usw. In den häufigsten Fällen werden diese Kennzahlenjedochnicht alsdynamischeParameterimVergleichvonzweioderdreiJahresabschlüssenherangezo gen sondern dienen lediglich zur Klassifizierung. Der Zukauf und das Monitoring von
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Grit Becker
Bilanzratings von Ratingagenturen ist im Regelfall nur für Kapitalmarktgesellschaften möglich. Da sich jedoch die weit überwiegende Zahl der Geschäftspartner eines Unter nehmens nicht im Kapitalmarkt orientierten Bereich bewegt, besteht die Notwendigkeit, dieseTrennschärfekriterienanderweitigauszugleichen. WelchedieserFaktoren,bezogenaufdasUnternehmensrisiko,imeigenenRatingverfahren Platzfinden,obliegteinemAnalyseprozess,aufdenimFolgendennocheingegangenwer densoll.Wichtigistjedoch,dieVerfügbarkeitderInformationinderBreiteunddieTrenn schärfeinderTiefezubewerten,umzueinemoptimalenModellzugelangen.ZurUmset zungeinessolchenSystemsverweiseichaufdenBeitragvonHerrnFrankoFaulindiesem Buch.
10.5.3
Unternehmenseigene Einflussfaktoren
WährendsichdieebendargestelltenKriterienobjektivbeschreibenlassenundalsexterne Risiken gelten, liegen Ansatzpunkte zur Optimierung des Ratings auch in den Einfluss faktoren,diesichimeigenenUnternehmenergeben.DieseRisikoartenschlagensichmeist nichtimverwendetenModellnieder,gehörenaberzumoptimalenRatingprozessdazu. Faktoren, die mittelbar auf ein Debitorenrating wirken, sind Kennzahlen, die im Unter nehmen zur Steuerung der Debitorenrisiken herangezogen werden. Unternehmen, die in die Zielsetzung für ihre Mitarbeiter sinkende DSOs oder durchschnittliche Außenstands tageaufnehmen,erfahreneinenrigiderenEinflussnegativerZahlungserfahrungenaufdas Rating des Risikos, als Unternehmen die diese Steuerungsgrößen nicht einsetzen. Diese UnternehmenkönntendannmehrWertaufdasMarktumfeldoderdenWettbewerblegen unddarausWettbewerbsvorteilegewinnen. Eine weitere typische Steuerungsgröße ist die Verzinsung des eingesetzten Kapitals ge genüber einer Konzernmutter oder im Vergleich zum Kapitalmarkt. Auch hier werden ParameterdesRatings,diedieseGrößenbeeinflussen,stärkeremDruckausgesetztsein. Typisch ist auch die Finanzierungsstruktur. Ist die Finanzierung der Forderungen aus EigenmittelngesichertoderwerdenFremdmittel,wieklassischerweisedieVerbindlichkei tenausWarenlieferungundDienstleistungeneingesetzt.Geradekleineundmittelständi sche Unternehmen sind häufig weniger an wichtigen Finanzkennzahlen, wie dem Wor king Capital ausgerichtet, sondern folgen vielmehr einer auf Umsatz und höheres unter nehmerischesRisikogerichtetenStrategie. Debitorenmanagementsysteme sind nicht immer kennzahlenbasierte Systeme, sondern auchModelle,dieausschließlichaufExpertenwissenbasieren.Unternehmerverweisenan dieser Stelle auf eigene oder profunde Erfahrungen der Mitarbeiter in den jeweiligen Fachbereichen.HinzukommtindenmeistendieserFälledieGegenüberstellungvonKos ten und Nutzenbetrachtungen für die Installation von Ratingsystemen. Wenn diese sich dieWaagehalten,wirdunternehmerischderVerlustdurchForderungsausfallbilligendin Kauf genommen, da dem gegenüber Einsparungen in gleicher Höhe stehen. Die Gegen
Ansatzpunkte zur Optimierung des Ratings
157
probe steht in den meisten dieser Unternehmen aus, da die bestehenden Systematiken über viele Jahrzehnte historisch gewachsen sind. Es ist jedoch davon auszugehen, das Wertberichtigungen, die ein Prozent und mehr betragen, mit der Einführung eines ent sprechendstrukturiertenDebitorenmanagementsundDebitorenratingsverbesserbarsind. ZuBedenkensindindiesemZusammenhangauchKonsequenzen,diesichaufderperso nellenSeiteimUnternehmenergeben.Mitarbeiter,dielangjährigausschließlichSachbear beitungstätigkeiten, wie Kontenbuchungen durchgeführt haben, werden nicht von heute aufmorgenzuKreditratinganalystenoderSpezialistenfürdieBewertungvonDebitoren risiken.DieAufgabederDebitorenbewertungliegtindiesenUnternehmenteilweiseauch im Vertrieb, wobei ein besonderes unternehmerisches Risiko entsteht, wenn der Vertrieb auchfürdieBewertungderKundenzuständigist. Zu berücksichtigen sind weiterhin weiche Faktoren, z.B. ob der Verkauf im jeweiligen MarktübereinenGeneralimporteuroderAgentenerfolgt,derfürmehrereLänderzustän digistoderwelcheweiterenProdukteoderVertretungenvonihmgeführtwerden.Daraus leitensichnichtnurstrategischeEntscheidungenhinsichtlichderMarkterschließung,son dern auch Entscheidungen hinsichtlich des Umgangs mit Debitorenrisiken ab. Befindet sichmeinUnternehmendurchdenAgentenoderImporteurineinerWettbewerbssituation bei den Anschlusskunden kann es sein, dass Entscheidungen zulasten meiner eigenen SicherheitundimSinnebzw.InteressederGeschäftsentwicklunggetroffenwerden.Dieses weiche Kriterium kann in einem entsprechenden Markt überproportional bewertet wer den,wennEntscheidungenüberKundenrisikengetroffenwerdenmüssen. Ähnlich verhält es sich mit der Frage, ob ein Anbieter oder Nachfragermarkt vorliegt. ResultierendausderBeantwortungderFragesindEntscheidungenüberZahlungskonditi onenzutreffen.DasRatingwirdalsTransmitterzwischenInformationseingangundEnt scheidung verwendet und generiert Zu und Abschläge. Oligopole und Anbietermärkte habendenscheinbarenVorteileinerhohenStabilitätundhohenTransparenzhinsichtlich derMarktteilnehmer.NachteiligkönnenindemZusammenhangjedochlangfristigeKun denbindungen zu den direkten eigenen Wettbewerbern aufgrund der stabilen Lage wir ken.DieseverhinderndendirektenAustauschübereingeeignetesMediumzudenRisiken undhabeneinevölligeAbschottungderRisikengegenüberallenanderenLieferantenzur Folge.DainsolchenMärktenWechselnurdurchKonditionseingeständnissezuerreichen sind, die negativ auf kurzfristige Deckungsbeitragsbetrachtungen wirken können, sind hier besondere Ratingansätze notwendig. Berücksichtigt ein Lieferant diese Themen zu wenig,bestehtdieGefahrvonzuwenigUmsatzoderzuvielRisiko. Ein weiterer Einflussfaktor kann die Entwicklung von Einkaufspreisen in unterschiedli chen Märkten sein. Die hohe Internationalisierung der Rohstoffmärkte und die Entwick lung für Transportkapazitäten bieten zwar auf den ersten Blick scheinbar gleiche Aus gangsbedingungen.InvielenFällenerfolgtjedochderZukaufweiterverarbeiteterProduk te und damit stellt sich Frage nach der Bewertung des Einkaufsmarktes. Dabei spielt der Preis ebenso eine Rolle wie die Qualität und Produktivität, die im jeweiligen Markt er reicht wird. Die Wirkung auf das Debitorenrating erfolgt in der Regel dann, wenn vom KundenVorgabenhinsichtlichkonkreterZuliefereroderMaterialiengemachtwerdenund
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damit einerseits eine hohe Abhängigkeit in die Kunden/Lieferantenbeziehung kommt, andererseits aber auch in der eigenen Lieferanten/Kundenbeziehung Abhängigkeiten entstehen. Ähnlich verhält es sich mit staatlicher Subventionierung der Kunden oder der AbhängigkeitderKundenvongroßenAufträgenfürdieauftragsbezogenmeinErzeugnis benötigtwird.
10.6
Optimierung des Ratings als Prozess
Prozessoptimierungen im Produktionsbereich sind für viele Unternehmen Tagesgeschäft und zum Fortbestand des Unternehmens zwingend notwendig. Ablaufprozesse auf der EbenederBuchhaltungundFinanzenwerdenverglichendamitrelativseltenaufdenPrüf stand gestellt und haben daher in Unternehmen erst in jüngster Vergangenheit in dieser BreiteanBedeutunggewonnen.VieleUnternehmenhabenzwischenzeitlicherkannt,dass in einer verkürzten Kapitalbindung durch Forderungen mehr Cash stecken kann und mehr Personalfreisetzungspotenziale liegen als in anderen Bereichen. Die einmalige Um setzung eines neuen Verfahrens kann daher nur der Anfang für einen stetigen Optimie rungsprozessdarstellen. DerersteSchrittdesOptimierungsprozessesistdieAnalysedesIstZustandesanhandder im vorhergehenden Abschnitt dargestellten möglichen Kriterien. Dieser Analyseprozess sollte möglichst alle betroffenen Bereiche im Unternehmen einschließen, d.h. über die eigentliche Bereichsverantwortung der Debitorenbuchhaltung hinaus Bedürfnisse erfra gen, aber auch Möglichkeiten zur Verbesserung der Informationsqualität. Nicht zuletzt bereitetdieserAnalyseprozessbereitsdenBodenfüreinehoheAkzeptanzdeszukünftigen Ratings. Unabhängig von bestehenden Systemen und handelnden Personen im Sinne eines „Das habenwirschonimmersogemacht“, erfordert der Optimierungsprozess die Beschrei bung eines eigenen Zielfotos. Dieses Zielfoto umfasst betriebswirtschaftliche Möglichkei ten und Notwendigkeiten, den Blick in die Zukunft des eigenen Unternehmens hinsicht lich Umsatz und Produktentwicklung, Internationalisierung, Veränderungen in der grundsätzlichenAusrichtungetc.AußerdemempfiehltsichgrundsätzlicheinBlickindie Häuser des Wettbewerbs bzw. über die eigene Branche hinaus in Unternehmen anderer Branchen, die eine Qualitätsführerschaft im Bereich des Kreditmanagement vorweisen. Des Weiteren ist die Qualifikation der Mitarbeiter zu erfassen, die Möglichkeiten der be stehenden ITLösungen, z.B. auch die Integration des KreditmanagementSystems in die ITLandschaft des Unternehmens, z.B. in Warenwirtschaftssysteme, CRMSysteme, Pro duktionssteuerungssystemeetc. ImFolgendenbestehtdieNotwendigkeit,dieunternehmenseigenenEinflussfaktorenrea listischzubewerten.AuchwennaufdemPapierdiedurchschnittlichenAußenstandstage oder die Kapitalverzinsung als Steuerungsgrößen für das Kreditmanagement genannt sind,kannesdochinderPraxisderFallsein,dassausschließlichumsatzorientiertgearbei tetwird.DieOptimierungdesRatingsalsProzessverstehtsichalsProzess,dernichtnur
Ansatzpunkte zur Optimierung des Ratings
159
Kennzahlen in einem ITSystem verarbeitet, sondern als ganzheitlicher Prozess der Debitorensteuerung. Bezogen auf das Debitorenrating besteht dann die Notwendigkeit, die Aufbau und Ab lauforganisationdeszukünftigenDebitorenratingszubeschreiben.DazusindklareRegeln fürqualitativeundquantitativeEinflussfaktorennotwendig.Somussz.B.derZeitrahmen, in dem Informationen zur Erstellung eines Debitorenratings vorliegen müssen, definiert werdenundProzesseundVerantwortlichkeiten,diediesenProzessbegleiten.Jekonkreter die Beschreibung der Instrumente, der Struktur, der Methoden und der Kompetenzen erfolgt,umsoerfolgreicherkanndaseigentlicheRatinggestaltetwerden.Bedientmansich beim Ratingverfahren einer Scorecard, müssen die einfließenden Faktoren mit entspre chendenGewichtungenversehenwerden.BeiderGestaltungdieserBewertungenkönnen sowohl mathematischstatistische Modelle als auch Expertenmodelle zum Einsatz kom men.AnbieterdieserScorecardVerfahrenbietenWorkshopsanundstellenihrKnowhow zurVerfügung,umeinfürdasjeweiligeUnternehmenoptimalesErgebniszuerreichen. Bedingt durch diese hohe Expertise, die entstehenden Kosten und den hohen zeitlichen Aufwand,dersichfürdiebeteiligtenMitarbeiterergibt,neigenUnternehmenhäufigdazu, diese Modelle über lange Zeit unangetastet zu lassen. Darin besteht eine Gefahr für die QualitätdesRatingsinderZukunft.DieVeränderungsprozesseinWirtschaftundGesell schaft erfordern, dass die Ratings einem stetigen Optimierungsprozess unterzogen wer den.DazugehörenBackTestingVerfahrenamaktuellenPortfoliobestandsowieeineper manente,quantitativeÜberwachungundWeiterentwicklungdesRatingmodells. Die Einführung, Umsetzung und Weiterentwicklung eines Rating hängt in hohem Maße von der Kommunikation in den einzelnen Phasen ab. Jedem Ratingmodell und Rating solltedahereingebührenderPlatzinderUnternehmenskommunikationeingeräumtwer den.Dabeigiltes,grundsätzlicheKriterienfüreinRatingzudokumentieren.
႑DasRatingsolltefreiundunabhängigsein,d.h.imUnternehmenwedervonwirt
schaftlichennochpolitischenFaktorenindieeineoderandereRichtunggedrücktwer den.
႑DamitdasRatingeinebreiteAkzeptanzimUnternehmenerfährt,mussesobjektiv
sein.DieseObjektivitäterforderteinenfortlaufendenProzessderOptimierung,da sonstdieGefahrderVerschiebungvonVorundNachteilenausdemRatingundseiner AnwendungherauszugunstenoderzulasteneinzelnerUnternehmensbereicheerfolgt.
႑OptimierungendesRatingaufbreiterBasis,d.h.durchbereichsübergreifendesDenken derbeteiligtenMitarbeiter,aberauchdieÖffnunginBezugaufEinflussfaktorenaus anderenUnternehmensbereichenherauserfordertTransparenz.Transparenzwirdam bestendurchdieVeröffentlichungderinsRatingeingehendenKriterienerreicht.
႑DieregelmäßigeVeröffentlichungvonVerbesserungenwichtigerbetriebswirtschaft
licherKennzahlen,diedurchdasRatingerreichtwurdenunddurchErfolge,diedurch dasBackTestingVerfahrenbelegtwerdenkönnen,erhöhendieGlaubwürdigkeiteines Rating.
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DieEinhaltungdieserGrundsätzefordertundfördertdenProzessderRatingoptimierung imUnternehmenundverschafftdamitWettbewerbsvorteilefürdasUnternehmen,dassie einsetzt.
Integrative Systemlösungen zum Auskunftsmanagement
11
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Integrative Systemlösungen zum Auskunftsmanagement
RenéDonko 11.1 11.2 11.3 11.4 11.5 11.6 11.7
11.1
Einleitung......................................................................................................................161 Auskunftsmanagement–allgemeineVorgehensweise.........................................164 AnalyseundInterpretationderDaten.....................................................................165 IntegrationindieUnternehmensprozesse...............................................................167 IntegrativeSystemlösungenamBeispielvonSAP.................................................168 PraxisbeispieleinesoptimiertenAuskunftsmanagementsmitSAP....................170 Fazit...............................................................................................................................179
Einleitung
Aufgrund verschärfter Wettbewerbssituationen, derInternationalisierungundGlobalisie rungderMärkte,einernachwievorhohenInsolvenzquotesowieeinesebensoschlechten ZahlungsverhaltensimInundAuslandsindaktuelleInformationenüberdieKundenfür jedenLieferantenvonbesondererBedeutung. KreditmanagementistwiedasZusammenstelleneinesPuzzles:VieleEinzelteilchenrichtig zusammengefügt ergeben ein korrektes Bild. Und genau darum geht es im modernen Kreditmanagement. Für eine korrekte Kreditentscheidung muss sich der Kreditmanager einrichtigesBildüberdenKundenmachenkönnen. DerKreditmanagerstehtvorderAufgabe,diefinanzielleSituationseinerKundenzujeder Zeitzukennen.SeineHauptaufgabeistdasSammeln,Verwalten,AnalysierenundInter pretierenvonDaten.DasErgebniswirdinFormvonKennzahlen(Kreditlimit,Bonitätsin dex,…)abgebildet,diewiederumFolgeprozessewiez.B.dasSperrenvonAufträgenund KundenoderdieOrganisationvonForderungsbeitreibungsprozessensteuern.Dafüristes notwendig, dass die Informationen und Kennzahlen über den Kunden in den „Orderto Cash“ProzessdesUnternehmensintegriertwerden. Als BestPracticeBeispiel blicken wir über den Tellerrand hinaus zu den Unternehmen, derenGeschäftszweckeinprofessionellesKreditmanagementist–denKreditversicherern. WieinderfolgendenGrafikersichtlich,sammeltderKreditversichererInformationenüber den Kunden, verarbeitet diese Informationen und trifft daraufhin seine Kreditentschei dung. Der Kreditversicherer muss dabei insbesondere auf externe Datenquellen zurückgreifen. DerKreditmanagerimUnternehmenhathierweitergehendeMöglichkeitenundkannsich nebendenexternenInformationenauchaufinterneDatenzumKundenstützen.
G. S. Becker, O. Everling (Hrsg.), Debitorenrating, DOI 10.1007/ 978-3-8349-6377-2_11, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
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René Donko
Abbildung 11.1: Der Kreditprüfungsprozess beim Kreditversicherer (Quelle: Coface)
ZudeninternenInformationenüberdenKundenzähleninsbesonderealleDatenausdem Finanzbuchhaltungssystem wie z.B. Debitorenstammdaten und der Buchungsstoff (hier insbesondere das Zahlungsverhalten). Diese Informationen können in der Regel durch entsprechendeReportsoderKontenanalysenderFibuSoftwareausgewertetwerden. Als externe Informationen bezeichnet man im Kreditmanagement im Wesentlichen alle DatenzumKunden,dienichtausdemDatenbestandderFibuSoftwareausgewertetwer denkönnen.DieDatenquellendabeisindvielfältig:Neben„klassischen“externenDaten quellen wie z.B. Wirtschaftsauskunfteien zählen dazu auch Informationen vom Kunden selbst(z.B.Bilanzen),interneDatenquellenwiez.B.derVertriebsowieInformationenvon unternehmensnahenDatenquellen,z.B.Verbänden. Grundsätzlichgilt:DieHerkunftderDatenhatinsbesondereunterdemGesichtspunktder ValiditäteinebesondereBedeutung. DieAnforderungenaneinintegrativesAuskunftsmanagementsinddamitklarvorgegeben: Verwaltungvon
႑WirtschaftsinformationenunterschiedlicherAnbieter ႑Zahlungserfahrungspools ႑Bilanzen ႑SonstigenexternenInformationen
Integrative Systemlösungen zum Auskunftsmanagement
163
႑IntegrationindasERPSystemdesUnternehmens ႑IntegrationindiekundenbezogenenProzessedesUnternehmens Abbildung 11.2: Datenquellen für Informationen
Die nachfolgenden Ausführungen konzentrieren sich insbesondere auf den Bereich des ManagementsvonexternenDatenderWirtschaftsauskunfteienundKreditversicherer. DieseDienstleisterstelleninderRegelInformationeninFormvonUnternehmensprofilen zurVerfügung.InAbhängigkeitdesAuskunftsprodukteslieferndieAnbieterdabeiDatenzu:
႑FirmierungdesUnternehmens(Name,Rechtsform) ႑Branche ႑Mitarbeiter ႑Organe(Geschäftsführung,Vorstand,Aufsichtsrat,…) ႑Niederlassungen ႑Beteiligungen ႑Kommunikationsdaten ႑Bankverbindung ႑Finanzdaten(z.B.Kapital,VermögensundErtragsverhältnisse) ႑BonitätseinschätzungdesAnbieters(z.B.Bonitätsindex) ႑EmpfohlenerHöchstkreditdesAnbieters
164
René Donko
11.2
Auskunftsmanagement – allgemeine Vorgehensweise
Am Beginn eines Projektes „Auskunftsmanagement“ steht die Bestandsaufnahme sowie die Ermittlung des Informationsbedarfs. Neben den inhaltlichen Anforderungen spielt dabeiauchdieHäufigkeitderNutzungderDatenbankeineRolle.Esmüsseninsbesondere folgendeFragenbeantwortetwerden: Ist unser Unternehmen ALieferant? Welche Informationen zum Kunden sind im Unter nehmenvorhanden?WersammeltdieseInformationen?WiewerdendieDatenverwaltet? WerdendieInformationenmitdemDebitorimSystemverknüpft?SinddieseInformatio nen bonitätsrelevant? Welche Prozesse möchten wir künftig bonitätsgesteuert organisie ren?WelcheAnbietersindaufgrundunseresGeschäftesmaßgeblich? Danach erfolgt die Auswahl der Informationsquellen sowie der Auskunftsprodukte und Daten,diehinkünftigimKreditmanagementberücksichtigtwerden. HierspielendreiwesentlicheEntscheidungskriterieneineRolle: Inhalte
႑FachlichesAngebotanInformationen ႑GeographischeAbdeckungderInformationen ႑SprachenderAuskünfte ႑GesamtesLeistungsspektrum(z.B.Wirtschaftsauskünfte,Zahlungserfahrungspool, flexiblerMonitoringservice,…)
ZugriffsmöglichkeitenaufdieDatenbank
႑Online,z.B.überdasInternet ႑IntegrativeSoftwarelösung(z.B.SAPZusatzsoftware) Kosten
႑Grundgebühren ႑KostenproAuskunftsprodukt ႑RetrogradeAbrechnungvs.KaufeinesAuskunftskontingents Weiterhin wird die Art der Anbindung (Internet oder integrativ mittels Software) ent schieden.Kriteriendafürsind:
႑dieAnzahlderbenötigtenAuskünfte ႑dieRelevanz,dassaufgrundderzeitlichkritischenVertriebsprozesseunbedingtaktuel leInformationenüberdieKundenbenötigtwerden
Integrative Systemlösungen zum Auskunftsmanagement
165
VieleUnternehmenbindensichnichtnurmehraneinenAnbieter,sondernwählendiefür ihr Risikomanagement besten Dienstleister. Manche Anbieter sind auf den Bereich der Binnenmarktinformationen spezialisiert, andere haben ihren Schwerpunkt bei internatio nalenWirtschaftsinformationen,wiederanderebieteninnovativeAuskunftsprodukteund DatenausZahlungserfahrungspools. DieinDeutschlandaktivenDienstleisterunterstützeneindynamischesKreditmanagement und bieten mittlerweile Auskunftsprodukte an, welche maßgeblich durch aktuelle Bewe gungsdaten (z.B. Zahlungsverhalten) beeinflusst werden. Dazu zählen insbesondere die InformationenvonKreditversicherernsowiedieDatenvonZahlungserfahrungspools. DerTrendzuaktuellenAuskunftsproduktenwirdauchdurcheineUmfragederINDIAG (InstitutfürUnternehmensdiagnosederFHBochum)bestätigt.DieerstendreiPlätzewer den durch Informationslieferanten belegt, deren Auskunftsprodukte von aktuellem Zah lungsverhaltenbeeinflusstwerden. Befragt nach der Qualität der externen Informationsquellen halten die Unternehmen für sehrgutbzw.gut: Abbildung 11.3: Umfrage der INDIAC zum Vertrauen der Unternehmen in externe Datenquellen (Quelle: INDIAG, FH Bochum)
11.3
Analyse und Interpretation der Daten
Der Aufwand für die Analyse der Daten ist stark abhängig von der Art der externen In formation, die verwendet wird. Verwendet das Unternehmen „klassische“ Wirtschaftsin formationen (z.B. Vollauskunft von Creditreform) entfällt oftmals die manuelle Analyse
166
René Donko
derDaten,dadiesebereitsdurchdieAuskunfteierfolgtistunddasErgebnisinFormvon Kennzahlen,z.B.einesBonitätsindexes,dargestelltwird.DerKreditmanagermussindie semFalllediglichdieKennzahlinterpretierenunddarausMaßnahmenableiten. Nimmt das Unternehmen an einem Zahlungserfahrungspool teil, muss das externe Zah lungsverhalten dem internen gegenübergestellt werden. Zahlt der Kunde bei anderen Lieferantenschnelleroderlangsamer? ArbeitetderKreditmanagermitBilanzendesKunden,müssendieseanalysiertundinter pretiertwerden.HieristinsbesondereaufeineeinheitlicheBewertungimUnternehmenzu achten.DieseBewertungkanninFormeinesBilanzratingsbzw.einesBilanzindexesdarge stelltwerden. Werden darüber hinaus auch Informationen aus CRM oder Vertriebsinformationssyste men(Stammkunde,guteAuftragslage,ÜberalterungderGeschäftsleitung,…)verwendet, müssendiesedurchdenKreditmanagerentsprechendbewertetwerden. Die Bewertung der Informationen erfolgt oftmals manuell. Der Kreditmanager kann hier jedoch auch auf professionelle SAPZusatzsoftware zurückgreifen. Damit können sämtli cheexterneInformationenmittelsfreidefinierbarerScoringsystemeautomatisiertbewertet werden. Abbildung 11.4: Einschätzung des Kunden aus Vertriebssicht in SAP (Zusatzsoftware)
Integrative Systemlösungen zum Auskunftsmanagement
11.4
167
Integration in die Unternehmensprozesse
Wissen und Information sind heute entscheidend für erfolgreiche Kundenbeziehungen. Das Tempo, mit der Entscheidungen getroffen werden müssen, steigt permanent. Die benötigtenInformationensollenmöglichstschnellundaktuellzurVerfügungstehen.Aus diesem Grund hat die Bedeutung der integrativen OnlineAnbindung von externen Da tenbanken an das ERPSystem des Unternehmens in den letzten Jahren erheblich an Be deutunggewonnen. DiewichtigstenVorteileeinesintegrativenOnlineAuskunftsmanagementsliegenaufder Hand:
႑Aktualität:AutomatisierteAktualisierungdesDatenbestandsz.B.überMonitoring ServicesderAnbieter
႑Verfügbarkeit24/7:24Stunden,7TagedieWoche ႑Unabhängigkeit:DieInformationenstehendemUnternehmenauchmobil(z.B.Außen dienstmitLaptop)zurVerfügung
႑Produktvielfalt:FürjedenGeschäftsprozessdasrichtigeAuskunftsproduktvomkompe tentestenAnbieter
႑Schnelligkeit:DurchelektronischeVerfügbarkeit ႑AutomatischeFunktionen:z.B.BenachrichtigungbeiEintreffeneinerschlechtenexternen Information
႑SteuerungvonGeschäftsprozessen:AutomatisierteVerarbeitungderDatenimERP SystemundSteuerungderGeschäftsprozesse
႑EinfacheIntegrationindiebestehendeERPUmgebung Die Anbieter von Informationen tragen dem Rechnung und stellen ihren Kunden neben dem Content (z.B. Wirtschaftsinformation) auch die für eine Direktanbindung not wendigenSchnittstellenbzw.WebserviceszurVerfügung.IstderBedarfandenInforma tionen des Anbieters entsprechend groß, kann nun das Unternehmen auf Grundlage der SchnittstellenbeschreibungeineSoftwarefürdieAnwenderimUnternehmenentwickeln. Nachteil: Solche Individuallösungen sind entsprechend teuer und werden erfahrungsge mäßauchnichtpermanentweiterentwickelt. Darüber hinaus stellen die Anbieter mittlerweile selbst oder über Kooperationspartner Standardsoftware für die Direktanbindung der Datenbank an das Softwaresystem des UnternehmenszurVerfügung. Im SAPUmfeld stehen den Unternehmen integrative Standardsoftwarelösungen u.a. zu folgendenAnbieternzurVerfügung:
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Abbildung 11.5: Softwareanbieter von integrativen Systemlösungen zum Auskunftsmanagement für SAP (Auswahl)
Anmerkung: Unabhängig von der Zurverfügungstellung einer integrativen Softwarelö sung können die meisten Anbieter Informationen sowohl zu Inlands als auch zu Aus landsunternehmenliefern.
11.5
Integrative Systemlösungen am Beispiel von SAP
Die SAP AG aus Walldorf in Deutschland ist der weltweit führende Anbieter von sog. ERPSystemen(EnterpriseRessourcePlanning). EinERPSystemwieSAPisteinekomplexeAnwendungssoftwarediezurAufgabehat,die in einem Unternehmen vorhandenen Ressourcen (Kapital, Betriebsmittel oder Personal) möglichst effizient für den betrieblichen Ablauf einzusetzen und die Steuerung von Ge schäftsprozessen zu optimieren. Das Wesen von SAP ist eine durchgehende Integration undeineAbkehrvonInsellösungen. Modernes Kreditmanagement ist ein integrativer Bestandteil des dynamischen Orderto CashProzesses.FüreinaktivesRisikomanagementistesdahernotwendig,auchdasAus kunftsmanagementintegrativabzuwickeln.
Integrative Systemlösungen zum Auskunftsmanagement
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IntegrativeSoftwarelösungenwiez.B.D&BConnectvonD&BDeutschlandGmBHbinden die Risikoinformationen von D&B wie Risikobewertungen, Ausfallwahrscheinlichkeiten oder Zahlungsverhalten direkt in den SAPGeschäftsprozess ein. Gleichzeitig wird das SAPSystem über ein integriertes Frühwarnsystem aktuell über Veränderungen des Ge schäftspartnersinformiert. Die Verbindung aus dem SAPSystem zur Datenbank der Auskunftei wird dabei in der RegelübereinegesicherteInternetverbindung(sog.https)hergestellt. Abbildung 11.6: Sichere Internetverbindung direkt aus SAP zur Auskunftei
Abbildung 11.7: Die wesentlichen Funktionen einer integrativen SAP-Lösung
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Prozess: Der gesamte Anfrageprozess kann direkt aus SAP erfolgen; auch eine Recherche kann direkt aus SAP angestoßen werden. Nachträge werden dem SAP automatisch online zur Verfügunggestellt. Daten: Sämtliche Auskunftsprodukte der Auskunftei werden von der SAPZusatzsoftware (z.B. D&CConnect)unterstützt.DieAuskünftekönneninverschiedenenSprachenangefordert werden. Verwaltung: Die strukturierten Daten werden in eigenen SAPTabellen der Software verwaltet. Die Daten werden übersichtlich auf dem Bildschirm dargestellt und können auch gedruckt werden. Integration: DieWirtschaftsauskünftekönneneinemodermehrerenSAPObjekten(z.B.Debitor,Kredi tor,Geschäftspartner)zugeordnetwerden.DerAnwenderkanndirektausStandardSAP Transaktionen in die jeweilige Wirtschaftsauskunft verzweigen (z.B. aus der Transaktion „Debitor anzeigen“). Gleichzeitig können diese Informationen SAPProzessen zur Verfü gunggestelltwerden.Sokannz.B.beiderOrganisationderSAPKreditprüfung(Warnen undSperrenvonVertriebsaufträgen)dieAuskunftentsprechendberücksichtigtwerden. Reporting: Da die Wirtschaftsinformationen auf dem SAPSystem strukturiert vorhanden sind, kön nendieseDatenauchaufKnopfdruckausgewertetwerden.
11.6
Praxisbeispiel eines optimierten Auskunftsmanagements mit SAP
Unternehmen: Unser Unternehmen ist ein global agierender Produzent von Maschinen und Geräten. NebenderProduktionunddemHandelseinerProduktevertreibtesauchErsatzteileund erbringtServiceleistungen. Kunden: Das Unternehmen hat ein solides BestandskundengeschäftsowieeinenaggressivenNeu kundenvertrieb.IneinigenGeschäftsbereichenistesALieferant.
Integrative Systemlösungen zum Auskunftsmanagement
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ZieldesProjekts: OptimiertesAuskunftsmanagement;BerücksichtigungderInformationenimKreditmana gement von SAP; Steuerung der Vertriebsprozesse; Reporting für den Vertrieb und die Geschäftsleitung.
Projektschritt 1: Auswahl der Auskunftsanbieter und der Auskunftsprodukte Folgende Risiken wurden identifiziert und müssen vom Auskunftsmanagement aktiv unterstütztwerden: Neukundengeschäft: Anforderung: Die maßgeblich geforderte Information für diesen Prozess ist ein Kreditli mit. Anbieter und Auskunftsprodukte: Das Unternehmen entscheidet sich hier für den Aus kunftsanbieter Coface Rating GmbH und die Auskunftsprodukte „@rating“ (bis 100 T€) und„IKU–IndividuellesKrediturteil“(>100T€). Effekt:Damitistgewährleistet,dassbereitsinderNeukundenphaseeinvalidesKreditlimit für den Kunden vorhanden ist. Übersteigt das Erstgeschäft des Kunden dieses Limit, kommt es automatisch zur Auftragssperre in SAP und der Kreditmanager muss diesen Vorgangmanuellprüfenundbeurteilen. Abbildung 11.8: Der Idealprozess im Kreditmanagement mit SAP
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René Donko
Abbildung 11.9: Beispiel: Coface @rating Connect
Bestandskundengeschäft: GrundsätzlichwerdenAuskünftenureingeholt,wennsichdasinterneZahlungsverhalten extrem verschlechtert oder andere Negativmerkmale (z.B. Rücklastschrift mangels De ckung)beimKundenauftreten. Anforderung„Normalkunde“:DiemaßgeblichgeforderteInformationfürdiesenProzessist einelaufendeBonitätsbeurteilungdesKunden(Monitoring). Anbieter:DasUnternehmenentscheidetsichhierfürKundenausdemInlandfürdieAus kunftei Creditreform und das Auskunftsprodukt„OnlineKompaktauskunft“. DasUnter nehmen entscheidet sich bei internationalen Kunden für die Auskunftei D&B und das Produkt„EnterpriseManagement“. Effekt: Es werden nur die tatsächlich benötigten externen Auskünfte gezogen. Die Aus kunft wird automatisch mit dem Debitor verknüpft und kann z.B. aus dem Debitoren stammdirektaufgerufenwerden.
Integrative Systemlösungen zum Auskunftsmanagement
Abbildung 11.10: Beispiel: Creditreform Connect
Abbildung 11.11: Beispiel: D&B Connect
173
174
René Donko
Anforderung „ALieferant“: Hier besteht das Risiko, dass die Forderungen unseres Unter nehmens regelmäßig bezahlt werden, obwohl der Kunde bei anderen Lieferanten bereits im Zahlungsverzug ist. Das interne Zahlungsverhalten rückt damit in den Hintergrund. WichtigistindiesenFällenderVergleichdesinternenmitdemexternenZahlungsverhal ten. Denn: Jede Insolvenz hat eine negative Vorgeschichte. Eine Früherkennung durch Analyse und Interpretation ist möglich und hilft, Forderungsverluste zu vermeiden. Ziel istesalso,denrichtigenZeitpunktfüreineangemesseneReaktionimKreditmanagement (z.B.ReduzierungdesKreditlimits,Liefersperre,…)zufinden. Abbildung 11.12: Idealtypischer Verlauf eines Unternehmenszusammenbruchs
Anbieter und Produkt: Das Unternehmen entscheidet sich hier für die Integration der ZahlungserfahrungspoolsDunTradevonD&BundZaCvonCreditreform. Effekt:DiebeidengenanntenZahlungserfahrungspoolswerdenvondenAuskunftsanbie tern kostenlos zur Verfügung gestellt. Die Debitorenstammdaten unseres Unternehmens werdenmitderDatenbankdesAuskunftsanbietersgematcht.ImErgebniserhältdasUn ternehmen die Debitoren angereichert mit der DUNSNummer (D&B) bzw. der Crefo IdentNr.(Creditreform)zurück.Somitkönnenz.B.DublettenundMehrfachanlageniden tifiziertwerden.DarüberhinauserhältdasUnternehmenalsInformationechtes,aktuelles externes Zahlungsverhalten und kann dieses nun seinem internen Zahlungsverhalten gegenüberstellen.
Integrative Systemlösungen zum Auskunftsmanagement
175
Abbildung 11.13: Beispiel: Externe Zahlungserfahrungen mit DunTrade Connect
Abbildung 11.14: Beispiel: Externe Zahlungserfahrungen mit Creditreform DRD (ehem. ZaC) in SAP
176
René Donko
Projektschritt 2: Berücksichtigung der externen Informationen bei ausgewählten SAP-Prozessen Zu Beginn werden die Prozesse identifiziert und definiert, die in SAP künftig aufgrund vonexternenInformationengesteuertwerdensollen. Debitorenstammanlage und pflege: Mit den integrativen Softwarelösungen kann z.B. der Debitorenstammsatz automatisiert mit den Daten des Auskunftsanbieters angelegt wer den.DarüberhinauskönnenbereitsvorhandeneDebitorenstammsätzemitdenDatendes Auskunftsanbietersgepflegtwerden. Abbildung 11.15: Beispiel: Debitorenstammanlage mit @rating Connect
Kreditmanagement:DieInformationendesAuskunftsanbieterskönnenautomatisiertinden KreditstammvonSAPübernommenwerden.DamitstehendieInformationensowohlden Standardreports in SAP als auch weiteren Prozessen, z.B. der Ermittlung der Kredit stammdaten (Kreditlimit, Risikoklasse) zur Verfügung. Darüber hinaus können mit den aktuellenInformationenFolgeprozesse,wiez.B.dieSAPKreditprüfunggesteuertwerden. So kann z.B. die Lieferung eines Auftrags aufgrund einer extrem schlechten externen In formation gesperrt werden. Der gesperrte Auftrag landet im Posteingangskorb des Kre ditmanagers,derdiesenVorgangnunprüftundeineKreditentscheidungtreffenmuss.
Integrative Systemlösungen zum Auskunftsmanagement
Abbildung 11.16: Beispiel: Integration der Auskunft in den Debitorenstamm von SAP
Abbildung 11.17: Beispiel: Kreditstamm SAP
177
178
René Donko
Scoring: Nutzt das Unternehmen ein SAPintegriertes Scoringsystem zur automatisierten Ermittlung der Kreditstammdaten (z.B. Kreditlimit und interner Bonitätsindex), kann selbstverständlichdabeidieaktuelleexterneInformationmitherangezogenwerden.Damit istgewährleistet,dassnebendeninternenDaten(z.B.Zahlungsverhalten)auchsämtliche externeInformationen(z.B.Wirtschaftsauskunft,Zahlungserfahrungspool)beiderBerech nungderKennzahlenberücksichtigtwerden.
Projektschritt 3: Zurverfügungstellung von Auswertungen für Vertrieb und Geschäftsleitung BerichteüberdieAuskünftekönnennuninSAP„aufKnopfdruck“erstelltwerden.Dabei könnensämtlicheDetailinformationenderAuskünfteausgewertetundangezeigtwerden. Eine DrilldownFunktion in die jeweilige Auskunft ist ebenso vorhanden wie z.B. ein DownloadnachExcel.DarüberhinauskönnenVariantenfürlaufendeperiodischeBerichte (z.B. Monatsberichte) gespeichert, aber auch AdhocAuswertungen einfach und schnell erstelltwerden. Abbildung 11.18: Beispiel: Auswertung Auskünfte Creditreform
Integrative Systemlösungen zum Auskunftsmanagement
11.7
179
Fazit
Der stetige Anstieg des Informationsbedarfs und die Forderung nach einer effizienten Informationsbereitstellung im Rahmen unternehmensweiter Geschäftsprozesse bedingen denEinsatzvonintegrativenSoftwarelösungen,dieaufNormenundetabliertenStandards aufsetzen. IntegrativeSoftwarelösungen,z.B.fürSAP,setzenhierneueMaßstäbeimmodernenKre ditmanagement und werden aufgrund des erheblichen Leistungsumfangs immer gefrag ter. Ziel dieser Softwareprodukte ist es, den Informationsfluss im Unternehmen zu be schleunigen sowie die Effizienz und Wirtschaftlichkeit (optimierte Folgeprozesse) der Informationenzuverbessern. Diesem Trend tragen auch die Anbieter von Wirtschaftsinformationen Rechnung; immer mehrDienstleisterbietenihrenKundenalseffizientesWerkzeugfürdasAuskunftsmana gemententsprechendeSoftwarelösungenan. FürdeneinzelnenMitarbeiterimUnternehmenbedeuteteineintegrativeSoftwarelösung:
႑VereinfachungvonArbeitsabläufen ႑BeschleunigungderBereitstellungvonInformationen ႑SteigerungderQualitätderKreditstammdaten(z.B.Kreditlimit) ႑AutomatisierteSteuerungvonGeschäftsprozessen ႑AktuellesFrühwarnsystem ႑ReduzierungdesRisikos Für das Unternehmen selbst bedeutet eine integrative Softwarelösung einen erheblichen BeitragfüreineffizientesundmodernesKreditmanagementundstelltdamiteinenwesent lichenFaktorinderWertschöpfungskettedar.
Strategien zum Debitorenmanagement im Wachstumsunternehmen
12
181
Strategien zum Debitorenmanagement im Wachstumsunternehmen – Beispiel Phoenix Contact GmbH & Co. KG
PeterKaraski 12.1 12.2 12.2.1 12.2.2 12.2.3 12.2.4 12.3 12.3.1 12.3.2 12.3.3 12.4 12.4.1 12.4.2 12.5 12.6 12.7 12.8 12.9
Einführung:PhoenixContactGmbH&Co.KG.....................................................181 Projektablauf................................................................................................................182 Ausgangslage...............................................................................................................182 ErsteSchritte.................................................................................................................182 EinführungeinerKreditmanagementSoftware.....................................................184 EinbindungdesVertriebs...........................................................................................185 Scorekartenfindung.....................................................................................................186 GrundlagenfürdieBewertungvonKunden..........................................................186 Scorekarten...................................................................................................................186 ErmittlungRisikoklassen............................................................................................188 Kreditlimit....................................................................................................................188 Berechnung...................................................................................................................188 GrenzeneinesKreditlimits.........................................................................................189 AnpassungvonRisikoklassenundKreditlimits....................................................189 KreditgesperrteKundenaufträge..............................................................................191 AktuelleEntwicklung.................................................................................................191 Ausblick........................................................................................................................193 Fazit...............................................................................................................................194
12.1
Einführung: Phoenix Contact GmbH & Co. KG
Die Phoenix Contact GmbH & Co. KG (www.phoenixcontact.com) ist weltweiter Markt führer elektrischer Verbindungs, elektronischer Interface und industrieller Automatisie rungstechnik.DasUnternehmenbeschäftigtheuterund9.900Mitarbeiterweltweit,davon sind mehr als 5.000 in Deutschland tätig. Zur Phoenix Contact Gruppe gehören Ferti gungsstätteninDeutschland(Blomberg,BadPyrmont,Lüdenscheid,Herrenberg)sowiein Harrisburg (USA), Nanjing (China), Nowy Tomysl (Polen), Neu Delhi (Indien) und Sao Paulo(Brasilien).Mehrals80VertretungenundAußendienstlerbetreuendieKundschaft inDeutschland;derweltweiteVertrieberfolgtübereinNetzwerkmitmehrals45eigenen Gesellschaftensowierund30VertretungeninEuropaundÜbersee.DieKundenbuchhal tungbeiderPhoenixContactGmbH&Co.KGwirddurcheinTeamvoninsgesamtneun Mitarbeiternwahrgenommen. G. S. Becker, O. Everling (Hrsg.), Debitorenrating, DOI 10.1007/ 978-3-8349-6377-2_12, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
182
Peter Karaski
12.2
Projektablauf
12.2.1
Ausgangslage
Phoenix Contact hatte bisher wenige Forderungsausfälle unddamit auch nicht die zwin gendeNotwendigkeit,einstrenges,nachScoringkartensystemseitiggeführtesDebitoren managementzuetablieren.AufgrundvonregelmäßigzweistelligenWachstumsratenmuss auch Phoenix Contact mit einer permanent wachsenden Kundenzahl auf eventuelle Zah lungsprobleme vorbereitet sein. Daherhat sich derElektronikherstellerdennochzurEin führungeinesDebitorenmanagementsentschieden.DasUnternehmenbeliefertüber15.000 AbnehmeralleininDeutschland:MaschinenundAutomobilbauer,Großhändler,Herstel lervonWindkraftanlagen,undauchdenselbständigenElektroinstallateur„anderEcke“. KnappeinDritteldesGesamtumsatzesvonzuletztetwa1Mrd.EuroerwirtschaftetPhoe nix Contact in Deutschland. Hinzu kommen die Märkte in Amerika, Asien und Afrika sowieimNahenundMittlerenOsten.
12.2.2
Erste Schritte
Der schrittweise Aufbau begann mit der Durchsicht von Kundenlisten, die sich in der 3. Mahnstufebefanden.Bis2001bewegtemansichhierbeiineinerwenigintegrativen„Vor SAPWelt“. Bei Überschreitung von Zahlungsfristen wurden neue Aufträge auch schon einmal gesperrt. Um die Debitorenmitarbeiter besser qualifizieren zu können, begann PhoenixContactmiteinerWirtschaftsauskunfteizusammenzuarbeiten.SeitOktober2003 fließennunmehrdieInformationenübereineSoftwaredirektübereinAddonindieSAP Finanzbuchhaltung. Damit besaß die Debitorenbuchhaltung zuverlässige Informationen zurBonitätseinstufung. Die ersten manuell gesetzten Limits wurden bis 2004 vom Vertrieb selbst gesetzt. Dies geschah jedoch nur in Einzelfällen. Erst mit Einführung aller Module von SAP zum 1. Januar2005wurdenflächendeckendeKreditlimitsfürdiedeutschenKundenermittelt.Die FestlegungvonKreditlimitserfolgtedamalsdurcheineeinmaligeBerechnungmanuellper ExcelineinemmehrstufigenVerfahren:
႑EserfolgtezunächstdieEinordnungallerKundeninsogenannteKundenkreditgrup
pen(z.B.Tochtergesellschaften,DirektkundenAusland,KundenmitBelieferunggegen VorkasseoderNachnahme,Neukunden,KundenmitauffälligerMahnhistorie).Alle Kunden,dienichtgesondertzugeordnetwerdenkonnten,wurdenzuletztineine Gruppe„KundenohneerkennbaresRisiko“eingeordnet.
႑DannwurdejedeKundenkreditgruppeinRisikoklasseneingeordnet(keinRisiko,ge ringesRisiko,hohesRisiko,NeukundenundinaktiveKunden)
Strategien zum Debitorenmanagement im Wachstumsunternehmen
183
DieLimitermittlungwurdedannanhandfolgendemSchemadurchgeführt:
'XUFKVFKQLWWOLFKHRIIHQH.XQGHQDXIWU¦JHGHUOHW]WHQ0RQDWH
'XUFKVFKQLWWOLFKHRIIHQH3RVWHQGHUOHW]WHQ0RQDWH =ZLVFKHQVXPPH SUR]HQWXDOHU=XVFKODJMH5LVLNRNODVVH .UHGLWOLPLW DiesoermitteltenKreditlimitswurdendanninSAPeingespielt. In der Folgezeit erfolgten keine Massenupdates mehr, sondern nur individuelle Anpas sungen. Es wurde schnell deutlich, dass die einmal pauschal festgelegten Kreditlimits nichtausreichenwürden.ZweiwesentlicheRisikenzeigtensich:
Fall 1: Periode1
Periode2
Umsatz
250.000€
200.000€
Kreditlimit
40.000€
40.000€
BeieinemUmsatzeinbruchund/odereinerVerschlechterungderZahlungsweisebeiboni tätsschwachenKundenpassiertehinsichtlichdesKreditlimitsnichts:HierwurdedasKre ditlimitnichtbzw.zuspätmanuellneuerrechnetundverringert.Dieshatteeinerhöhtes, potenziellesAusfallrisikozurFolge.
Fall 2: Periode1
Periode2
Umsatz
250.000€
300.000€
Kreditlimit
40.000€
40.000€
Bei einer Umatzsteigerung und/oder einer Verbesserungder Zahlungsweise bei bonitäts starkenKundenpassiertebeimKreditlimitauchnichts:HiermusstendieLimitsebenfalls händisch nachgearbeitet werden.Vor allem mit denstarkwachsendenKunden,dieauch nochTopzahlerwaren,stießdasaktuelleSystemanseineGrenzen.IndiesenFällenmuss tendieLimitsimmermanuellneuerrechnetundinSAPeingestelltwerden.Mitunterkam es zu unnötigen Auftragssperrungen, was bei TopZahlern natürlich sehr ärgerlich war. Denn gerade hierbei gab es weiteren Abstimmungsbedarf, da die Aufträge aufgrund des Überschreitens des Kreditlimits erst einmal auf eine Sperre gesetzt wurden. Ein hoher manuellerÄnderungsbedarfvielerKreditlimitswardieFolge.Zudembeschäftigtesichdie Debitorenbuchhaltungmitden„falschen“Kunden.
184
Peter Karaski
DiebeidenobengenanntenBeispielezeigen,dassdurcheinstarresSystemMehrarbeitin derDebitorenbuchhaltung/KreditmanagementundimVertriebentstandenwarunddamit Prozesse ineffizient liefen. Denn: Es konnte nicht zielgerichtet entschieden werden, wel cherKundemitwelcherPrioritätbearbeitetundangerufenwerdensollte. Das Debitorenrating mit fixen Kreditlimits mag in einem Umfeld mit geringen Wachs tumsratenausreichendundangemessensein.FüreinWachstumsunternehmenwiePhoe nixContactwarrelativschnellklar,dassesVeränderungengebenmusste. Anzumerken bleibt, dass Phoenix Contact keine Warenkreditversicherung besitzt. Man kannsich–wieimFolgendengezeigtwird–auchandersgegenRisikenschützen.
12.2.3
Einführung einer Kreditmanagement-Software
MiteinereigenenSoftwaresolltenKreditlimitsfüralleKundenautomatischundsystem gestütztermitteltwerden.ZunächstwurdederIstZustandaufgenommenunddokumen tiertsowieeinGrobKonzepterstellt. Das Projekt „Automatisierung Kreditmanagement“ wurde dann im Sommer 2007 mit einemKickoffMeetinggestartet.ProjektleiterwareineKreditmanagerinausderDebito renbuchhaltungvonPhoenixContact. EswurdenzunächstverschiedeneSystemevonunterschiedlichenAnbieterngesichtetund inWorkshopsanalysiert.SchließlichhatsichPhoenixContactfüreinSystementschieden, dasdiefolgendenAuswahlKriterienambestenerfüllthat:
႑RisikoorientiertesKreditmanagement ႑KreditlimitermittlungdurchErmittlungeineseigenen,internenBonitätsindexesunter EinbeziehungderUmsatzentwicklung
႑EreignisgesteuerteAnpassungvonRisikoklassenundKreditlimitsbei
Zahlungseingängen Fakturen Mahnungen ErfassungvonexternenInformationen ErfassungvoninternenInformationen
႑UmfassendeReportingtools ႑IntegrationindasbestehendeERPSystemSAP ႑GutesPreisLeistungsverhältnis ႑LösungsmöglichkeitenfürVerbesserungenkonntenbereitsindenAnalyseWorkshops gefundenwerden
႑ÜberzeugendeReferenzkundenbesuche
Strategien zum Debitorenmanagement im Wachstumsunternehmen
185
႑GewährleistungeinerzukunftssicherenSoftwaredurcheinenstarkenAnbieter ႑BesteUmsetzungdesProjektziels In weiteren Projektschritten und Workshops wurden die konzeptionellen Grundlagen erarbeitet,dasCustomizingvorbereitetundschließlichdieSoftwareimplementiert. Nachdem Phoenix Contact das System „im Hintergrund“ in Betrieb genommen hat und fürzweiweitereMonatedurchdieKreditmanagerinderDebitorenbuchhaltungbeobach tetundgetestethat,wurdedasSystemAnfang2008fürdenVertriebfreigeschaltet.
12.2.4
Einbindung des Vertriebs
DiegenerelleZusammenarbeitzwischenderDebitorenbuchhaltungunddemVertriebist seit2006ineinerDebitorenrichtliniegeregelt.Hierinwirdvorallemaufdienachfolgenden Themenfokussiert:
႑BonitätsprüfungundinterneKreditlimits, ႑Debitorenmanagement(u.a.Stammdaten,Zahlungsbedingungen,Ausbuchungvon ForderungenundSkontodifferenzen,GutschriftenundSaldenbestätigungen)und
႑Mahnwesen. Im nächsten Schrittmussten die Vertriebsmitarbeiterdavonüberzeugtwerden,dasseine umfassende Risikosteuerung zukünftig mit einem umfassenden, neuen System mehr Si cherheitundeffizientereProzessebedeutenwürde.BeiPhoenixContacthattebiszudie sem Zeitpunkt der Vertrieb die Entscheidungshoheit bei Vertragsabschlüssen. Auch die Handelsvertreter mussten in die Prozesse mit einbezogen werden, um die Akzeptanz, zukünftigmitKreditlimitszuarbeiten,zuvergrößern. Die Lösung lag darin, dass die Kreditmanager und Debitorenbuchhalter offensiv in die Diskussion und Kommunikation mit dem Vertrieb eingestiegen sind. Mit Sachlichkeit, KompetenzundÜberzeugungsarbeitkonntendieVorzügeeinessolchenSystemstranspa rentgemachtwerden. Vor der Freischaltung der neuen Software wurde dem Management des Vertriebs (Ver triebsleitungsowienächsteFührungsebene)dasSystemim4.Quartal2007vorgestelltund erklärt.HierkonntendieVorteile,vorallemdiedetailliertenundstetsaktuellenZahlungs erfahrungensowieeine„dynamische“SichtweiseaufdenKunden,auchausVertriebssicht deutlichgemachtwerden.MitZustimmungderVertriebsleitungkonntendannallekauf männischenMitarbeiterdesVertriebsinnendienstesgeschultwerden. DieinderRegeldreistündigenSchulungenwurdenvondenKreditmanagernimFrühjahr 2008durchgeführt.ErfolgreichwarhierbeidieMischungausPräsentationderneuenSoft ware mit gleichzeitigen Übungen am PC. Die Teilnehmer konnten sehr schnell mit den neuenKomponentendesModulsarbeitenundsieimtäglichenGeschäftanwenden.Insge samtwurden5Schulungenmitjeweils8bis12Personenabgehalten.
186
Peter Karaski
12.3
Scorekartenfindung
12.3.1
Grundlagen für die Bewertung von Kunden
DasCustomizingdesKreditmanagementToolswarfzunächstinhaltlichvieleFragenauf. DemProjektteamwurdedabeidieAufgabegestellt,folgendeWertefestzulegen:
႑DebitorenbewertungGut/SchlechtDefinition ႑BestimmungderDatenquellenfürdasScoring ႑Scorekartenstrukturen
AnzahlScorekarten Datenquellen MerkmaleundAusprägungen PunktzahlfürdieAusprägungen GewichtungendereinzelnenMerkmale DefinitionvonK.o.Kriterien
႑Festlegungguter/schlechterPhoenixContactZahler(5stufig)
inAbhängigkeitderdurchschnittlichenAußenstandsdauer inAbhängigkeitder%AnteilejeMahnstufe DefinitionNeukunde
႑DefinitiondesRisikoklassifizierungsverfahrens
AnzahlRisikoklassen ZuordnungderScorewerte ZuordnungvonHandlungsempfehlungenjeRisikoklasse
႑FestlegungdesKreditlimitverfahrens
durchschnittlicheForderungshöhejeMonatimGesamtportfolio durchschschnittlichesZahlungszielimGesamtportfolio Min/MaxWertejeRisikoklasse
DreiverschiedeneScorekartenwurdendaraufhinentwickelt.
12.3.2
Scorekarten
DieersteScorekartegiltfürInlandskundenmiteinerWirtschaftsauskunft.Indiesefließtdie mitdemKundengemachteeigeneZahlungserfahrungzu50Prozentein.WeitereKriterien mitunterschiedlichenGewichtungensind:
႑InterneBeurteilungendesVertriebs ႑Bankauskünfte
Strategien zum Debitorenmanagement im Wachstumsunternehmen
187
႑Branchenrisikoindex ႑StrukturdatenausOnlineWirtschaftsauskünftenwiez.B.
Rechtsform, AnzahlderMitarbeiter, Umsatzund UnternehmensalterdesKunden.
႑BonitätsdatenausOnlineWirtschaftsauskünften,wobeinichtderexterneBonitätsin dexübernommenwird,sonderneinzelneKennziffern,dienochunterschiedlichge wichtetwerden.
DiezweiteScorekarteistfürInlandskundenohneWirtschaftsauskunftgedacht.DerHauptfo kus liegt hierbei mit 70 Prozent auf den eigenen Zahlungserfahrungen. Weitere Kriterien sinddannnoch:
႑InterneBeurteilungendesVertriebs ႑Bankauskünfte DiedritteScorekarteistfürAuslandskundengeeignet.AuchhierfließendiemitdenKun dengemachteneigenenZahlungserfahrungenein,undzwarmit50Prozent.Zusätzlichzu den bei der ersten Scorekarte genannten Kriterien wird hier noch ein Länderrisikoindex hinterlegt.DieserwirdvonZeitzuZeitüberarbeitet. WerdeneinzelneobengenannteKriteriennichtausgefüllt,gehendiesenichtindieErmitt lungderScorekartenein.BeidenScorekartenergebensichnochweitereDetailfragen:
႑WelcheZahlungserfahrungenvonPhoenixContactsollenindieBewertungmiteinflie ßen?
PhoenixContacthatsichentschlossen,diemitdenKundengemachtenZahlungser fahrungenderletzten365Tageeinzubeziehen.DieserWertverändertsichsomitauf täglicherBasis–mitjedemneuenTag.
႑WassinddieGrundlagenfürdieseZahlungserfahrungen?
IndieBewertungfließensowohldieoffenenwieauchdieabgeschlossenenPosten mitein;aucheineSkontoausnutzungsowieÜberfälligkeitenundMahnstufenwer denhierbeiberücksichtigt.
႑WelcheKennziffernderAuskunfteiensollenaufgenommenwerden?
PhoenixContacthatsichentschlossen,nichtalleKennziffernderWirtschaftsaus kunfteienzunutzen.Insbesonderedersog.BonitätsindexalsGesamtkennzahl wurdeausgeklammert,daPhoenixContacteineneigenenBonitätsindexetablieren wollte.Deshalbwerdenz.B.vonCreditreformdieKennzahlenKrediturteil,Unter nehmensentwicklung,Rechtsform,AnzahlMitarbeiter,Umsatz,Unternehmensalter undBranchenrisikoindexinunterschiedlichenGewichtungeneinbezogen. DerBonitätsindexderAuskunfteienwirdjedochdannsystemseitigbeiPhoenix Contactverarbeitet,wennerKundenineinem„kritischen“Bereichanzeigt.
188
Peter Karaski
Auchbeiderobengenanntendritten(ausländischen)Scorekartewerdenaufgrund z.T.deutlichwenigerInformationenseitensderAuskunfteienderBonitätsindex, derScoreunddasRatingvondenunterschiedlichenAuskunfteienindenPhoenix ContactBonitätsindexeinbezogen.
12.3.3
Ermittlung Risikoklassen
Die gewichtete Bewertung aller o.g. Informationsquellen führt schließlich zur Ermittlung des kundenspezifischen Bonitätsindex (0100). Die so ermittelten Scorewerte aus den ScorekartenmüssendannnochsinnvollinverschiedeneRisikoklassengruppiertwerden. PhoenixContacthatsichfürinsgesamt9Risikoklassenentschieden: InternerBonitätsindex
Risikoklasse
1.
10087
SehrgeringesRisiko
2.
8671
GeringesRisiko
3.
7046
MittleresRisiko
4.
4521
HohesRisiko
5.
201
SehrhohesRisiko
6.
0
LieferunggegenSicherheiten
7.
n.a.
InaktiveKunden1
8.
n.a.
Neukunden/nichtbewertbareKunden2
9.
n.a.
VerbundeneUnternehmen
12.4
Kreditlimit
12.4.1
Berechnung
In Abhängigkeit des internen Bonitätsindex bzw. der ermittelten Risikoklasse erhält der Kunde schließlich einen prozentualen Wert vom Umsatz als Kreditlimit. Der Prozentsatz isthierbeifürjedeRisikoklassedefiniert.
1
Kunden,dieseitmehrals24MonatenkeineUmsätzemitPhoenixContactgemachthaben.
2
Kunden,dieseitwenigerals4MonateneineKundennummerbeiPhoenixContacthabenoderweni gerals5abgeschlossenePosten.
Strategien zum Debitorenmanagement im Wachstumsunternehmen
189
Fall 3: ErmittelterBonitätsindex Risikoklasse
81 geringesRisiko
HinterlegterSatzfürdieseRisikoklasse Umsatzderletzten12Monate Kreditlimit
24% 250.000EUR 60.000EUR
Die Berechnung des Kreditlimits ist sowohl vom Vertrieb als auch von der Buchhaltung jederzeit nachvollziehbar im System hinterlegt. Auch die historische Entwicklung der KreditlimitsistimSystemjederzeitsichtbar.HierdurchergibtsicheinehoheTransparenz. ImVergleichzumFall1hatsichderKundedurchdieneueBerechnungsmethodikverbes sert:SeinKreditlimitistvon40.000EURauf60.000EURangestiegen.DasKreditmanage ment unterstützt den Vertrieb hiermit jetzt stärker, die Zusammenarbeit hat sich intensi viert.
12.4.2
Grenzen eines Kreditlimits
Die allgemeine Berechnungsregel kann zu unangemessenen hohen oder niedrigen Ext remwerten führen, die das Risiko der Risikoklasse nicht adäquat erscheinen lassen. Des halbwurdenfürjedeeinzelneRisikoklasseangemesseneMinimalundMaximalwerteals Kappungsgrenzen eingeführt. Ansonsten wäre zum Beispiel das Einzelrisiko für einen Kunden bei fehlenden Maximalwerten unendlich und läuft dem PhoenixContact Risikomanagementsystemzuwider. DesWeiterenergebensichGrenzenbeigrößerenKunden,mitdenenlängereZahlungszie levereinbartwordensind.HierreichtdiebeschriebeneStandardmethodenichtaus.Eine Ausweitung der Prozentsätze muss risikoorientiert vorgenommen werden. In solchen Fällen sind manuelle Eingriffe notwendig und jederzeit möglich. Dies geschieht in Zu sammenarbeitzwischendemVertriebunddemKreditmanagement.
12.5
Anpassung von Risikoklassen und Kreditlimits
RisikoklassenundKreditlimitsderKundenwerdenjetztereignisgesteuertangepasst.Die seEreignissekönnensein:
႑Zahlungseingänge ႑Fakturen ႑Mahnungen
190
Peter Karaski
႑ErfassungexternerInformationen(WirtschaftsundBankauskünfte) ႑ErfassunginternerInformationen(Fragebögen) DieobengenanntenEreignissewerdentagsüberineinerTabelleimHintergrunddesSys tems gesammelt und nachts automatisch vom System verarbeitet. Die hierdurch entste hendensog.ArbeitsvorrätesichtendieKreditmanagerallmorgendlichundarbeitendiese ab. Der Arbeitsvorrat zeigt, bei welchen Kunden sich die Risikoklassen geändert haben bzw. wo sich Kreditlimiterhöhungen oder reduzierungen ergeben haben. Durch einen MassenübergabereportkannderKreditmanagerdieÄnderungenschließlichanSAPüber geben. DieAbarbeitungderEreignisseerfolgtnachts,daeineFüllevonInformationenverarbeitet werdenmuss.DerKreditmanagerkannnatürlichjederzeitauchtagsübereineNeubewer tungdurchführen.SolltesicheineÄnderungaufgrundobengenannterEreignisseergeben haben, wird man beim Aufrufen eines Debitorenkontos darauf hingewiesen, dass eine Aktualisierungdurchgeführtwerdenmuss.InnurwenigenSekundenkannsoeineinzel nesKontoneuberechnetwerden. SowerdenkundenspezifischeVeränderungendenaktuellstenGegebenheiten–ohnema nuellesEingreifendesVertriebsoderderBuchhaltung–objektiviertangepasst. DiebeidenfolgendenBeispielesollenverdeutlichen,dassderKundemitdereingeführten SystematikdirektenEinflussaufseinKreditlimitausübt:
Fall 4: OhneZahlungsziel überschreitung
OhneZahlungs zielüberschreitung
BeiZahlungsziel überschreitung
Umsatz
250.000€
300.000€
300.000€
Risikoklasse
GeringesRisiko
GeringesRisiko
HohesRisiko
Kreditermittlung 24%desUmsatzes
24%desUmsatzes
12%desUmsatzes
Kreditlimit
72.000 €
36.000€
60.000€
Fall 5: OhneZahlungsziel überschreitung
OhneZahlungsziel BeiZahlungsziel überschreitung überschreitung
Umsatz
250.000€
200.000€
200.000€
Risikoklasse
GeringesRisiko
GeringesRisiko
HohesRisiko
Kreditermittlung
24%desUmsatzes
24%desUmsatzes
12%desUmsatzes
Kreditlimit
60.000€
48.000€
24.000€
Strategien zum Debitorenmanagement im Wachstumsunternehmen
191
BeideBeispielezeigen,dassbeieinerZahlungderRechnungeninnerhalbdervereinbarten Zahlungsfristen dem Kunden immer ein ausreichendes Kreditlimit angeboten werden kann. Fall 4 verdeutlicht weiter, dass ein starkes Wachstum, im Gegensatz zum früher starren Kreditlimitsystem, weder die Buchhaltung noch den Vertrieb einschränkt, sondern gute undpünktlicheZahlerimmermitderpositivenEntwicklung„mitwachsen“. DasflexibleSystemreagiertinEchtzeitauchaufnegativeVeränderungen.DasRisikofür PhoenixContactwirddenaktuellenGegebenheitenentsprechendangepasstundgesenkt.
12.6
Kreditgesperrte Kundenaufträge
DieobenbeschriebeneSystematikkannzukreditgesperrtenAufträgenführen.Dieseent stehendurch
႑Kreditlimitüberschreitung ႑ZuhoherAnteil–abhängigvonderRisikoklasse–überfälligerPostenaufdemKun denkontound
႑Erreichender3.Mahnstufe Konten mit kreditgesperrten Aufträgen werden in der Regel mindestens dreimal am Tag durchdieKreditmanageranalysiert.DieBuchhaltungmöchteeineschnellstmöglicheLie ferungderWarenandieKundenermöglichen,sodassumgehendneueZahlungseingänge undneueAufträgebeobachtetwerden.DieKreditmanagerkönnenaufgrundihrerErfah rung am besten einschätzen und entscheiden, ob eine Freigabe erfolgen kann. Eine Frei schaltungvonkreditgesperrtenAufträgenkannalsosowohlautomatisch,wennderSperr grundnichtmehrvorhandenist,alsauchmanuelldurchindividuelleEntscheidungendes Kreditmanagers in Abstimmung mit dem Vertrieb erfolgen. Die automatische Freischal tungerfolgtmehrmalstäglichzufestgelegtenZeiten,dieauchdemVertriebbekanntsind. Durch klare Prozessschritte werden Ineffizienzen in der Zusammenarbeit zwischen der BuchhaltungunddemVertriebvermieden.
12.7
Aktuelle Entwicklung
In 2009 musste auch Phoenix Contact aufgrund der weltwirtschaftlichen Lage deutliche Umsatzrückgängeverkraften.PositivhatsichindieserPhaseausgewirkt,dassbereitsein automatisiertes Kreditmanagementsystem etabliert war. Dadurch konnten sich das Kre ditmanagementundderVertriebmitdenwirklichkritischenKundenauseinandersetzen. DieAusfallquotenhabensichdeshalbauchnurunwesentlichverschlechtert.
192
Peter Karaski
Flankiert wurde das neue System in 2009 von weiteren Maßnahmen im Debitoren management. Die Einführung einer ereignisgesteuerten Kreditlimitermittlung ist hierbei einMeilensteinimGesamtprozess.
႑DasMahnverfahrenwurdenochmalsüberdacht.Eswurdediskutiert,obMahnläufe
täglichdurchgeführtwerdensollten,odereherwöchentlichoderalle2Wochen.Zwar wurdendiedreiMahnstufenundderMahnrhythmus(alle2Wochen)beibehalten,al lerdingserfolgtnuneinschnelleresTelefoninkasso,d.h.einfrühertelefonischerKon taktderDebitorenbuchhaltungmitden„Spätzahlern“bereitsabder2.Mahnstufe;bis hererfolgtediesabder3.Mahnstufe.
႑ZudemwurdendiesystemseitigeingerichtetenMahnkulanztageweitergekürzt,um schnellerreagierenzukönnen.
႑DerMahnrhythmusbeidenausländischenKundenwurdeverkürztundderMethodik beidendeutschenKundenangepasst.
႑AußerdemerfolgtjetzteinregelmäßigesSichtenderneuenInsolvenzanträgeimInter netunterwww.insolvenzbekanntmachungen.de.
႑AufdereinmalimJahrstattfindendenTagungfürdieHandelsvertreterundAußen
dienstmitarbeiterwurdedasThemaKreditmanagementaufdieTagesordnunggesetzt. HierkonnteseitensderBuchhaltungausführlichüberdieallgemeinenEntwicklungen, vorallemaberüberdiePhoenixContactspezifischenInhalteundTendenzenberichtet undsensibilisiertwerden.DasFeedbackaufdieseSitzunghinsichtlichdesNutzens undderBedeutungistsehrpositiv.
႑DesWeiterenwurdendieGesprächsrundenzwischendenKreditmanagernundden
RegionalVertriebsleiternintensiviert.HierbeiwerdenvorallemkritischeKunden,Ein zelfälleundalleKundenabeinembestimmtenForderungsvolumendurchgesprochen undLösungsvorschlägeerarbeitet.
႑ZudemwurdeeinKreditausschussbestehendausdenKreditmanagern,Gruppenlei
tungDebitorenbuchhaltung,LeitungFinanzenundGeschäftsführungFinanzenetab liert,dersichinregelmäßigenAbständentrifftundsichüberaktuelleThemenoder einzelneKundenaustauschtsowieVorschlägeüberdasweitereVorgehenerarbeitet.
႑DieAuswirkungendersogenanntenBDSGNovelleI,dieab1.April2010inKrafttritt
(BGBl.Nr.48vom31.Juli2009,S.22542257)müssenebenfallsberücksichtigtwerden. AnwendbaristdieseaufallenatürlichenPersonen,wobeidieseprivathandelnkönnen (Verbraucher),aberauchunternehmerischtätigseinkönnen(Einzelfirma,Personenge sellschaftenwieGbR,KGundOHG).
Strategien zum Debitorenmanagement im Wachstumsunternehmen
12.8
193
Ausblick
Phoenix Contact hat überlegt, sich neue Informationsquellen für eine noch breitere und damit solidere Basis zur Ermittlung des internen Bonitätsindex zu erschließen. Hierbei wurden z.B. Auskünfte einer weiteren Wirtschaftsauskunft zur Probe eingelesen. Eine IntegrationvonBilanzdatenderKunden(z.B.überwww.unternehmensregister.de)indie Scorekartewurdezunächstverworfen,daeineaktuelleKreditentscheidungnichtaufDa tenbasierensollte,diebereits2oder3Jahrealtsind. Eswirdweiterüberlegt,InformationenausFachzeitschriftenvonCreditreform,Vereinfür Creditmanagement (VfCM), Dun & Bradstreet Deutschland und AdhocMitteilungen strukturiertzuverarbeiten. Angedacht ist auch, das aktuelle KreditmanagementSystem an das bei Phoenix Contact vom Vertrieb eingesetzte CustomerRelationshipManagement(CRM)Tool anzubinden. Dies erlaubt einen direkten Zugang auf wesentliche, vorab zu definierende Kennzahlen durchdieHandelsvertreterundAußendienstmitarbeiter.DiesbringtVorteileindendirek ten Kundengesprächen: Der Außendienstmitarbeiter hat aktuelle Informationen über fi nanzielle Daten seines ihm gegenübersitzenden Kunden zur Verfügung. Andererseits kannsichderAußendienstlerstetigundeffizientüberdiefinanzielleEntwicklung„seiner“ Kundeninformieren,ohnetelefonischKontaktmitdemStammhausaufnehmenzumüssen. Schließlich wird diskutiert, ob strukturierte, von den Handelsvertretern und Außen dienstmitarbeitern ausgefüllte Fragebögen zu ihren Kunden in die Bewertung mit einbe zogenwerdenkönnen. Mit Beginn des Jahres 2010 ist der Vertrieb Deutschland in eine eigene Gesellschaft, die Phoenix Contact Deutschland GmbH ausgegliedert worden (www.phoenixcontact.de). HierdurchergebensichwiederneueFragestellungeninderzukünftigenAbstimmungund Aufgabenverteilung.KreditmanagementundDebitorenbuchhaltungverbleibenalszentra ler Dienstleister im Mutterunternehmen, der Phoenix Contact GmbH & Co. KG. Dies si chert am besten ein qualitativ hochwertiges, effizient arbeitendes und effektiv wirkendes KreditmanagementalsSharedServices. Für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen der Debitorenbuchhaltung/Kredit managementunddemVertriebmüssenAuswertungenzeitnahundzielgerichtetzurVer fügung gestellt werden. Seitens des Kreditmanagements wurde ein Reporting auf den KundenbestandnachfolgendenKriterienentwickelt:
႑Scorepunkten/Bonitätsindex ႑Zahlungserfahrungsstufen ႑Risikoklassen ႑ForderungenjeRisikoklasse ႑AusschöpfungsgradejeRisikoklasse
194
Peter Karaski
AuswertungenerlaubennunauchdieBeantwortungfolgenderFragen:
႑WievieleTopzahlergibtes? ႑WelchepositivenodernegativenTendenzenlassensichdarstellen? ႑WievieleKundenwerdenalsNeukunden/nichtbewertbareKundeneingestuft? ႑MitwelchemVolumenwurdenKreditlimitsgewährt? ႑WiehochistderForderungsbestandindenkritischenRisikoklassen? ႑WieentwickelnsichdiekritischenRisikoklassenimZeitablauf? ႑WelcheKundensindaufoderabgestiegen?Warum? Vor allem durch die Automatisierung des Kreditmanagements und der damit verbunde nen objektivierten Erstellung von Auswertungen wurden die „Buchhaltungsdaten“ im Vertriebvollakzeptiert.DesweiterenwirdderVertriebnunmehrmiterrechnetenSystem datenunterstütztundkannsichselbstjederzeitaktuelleDaten,diesichereignisgesteuert auchmehrmalsamTaganpassenkönnen,ausdenEDVSystemenansehenundverarbei ten.DieZusammenarbeithatsichhierdurchwesentlichverbessert.
12.9
Fazit
႑DerLernprozessimAufbaueineseffizientenDebitorenmanagementswirdniemals
enden.WichtigisteinschrittweiserAufbaudesDebitorenratingsundmanagements. DieserlaubtLernschleifensowohlimVertriebwieinderBuchhaltung.
႑DieIntegrationdesVertriebsindengesamtenRolloutProzessistzwingendnotwen
digundeinewesentlicheVoraussetzungfürdieerfolgreicheUmsetzungeinesrisiko orientiertenKreditmanagementSystems.HierbeispieltderstetigeAustauschunddie KommunikationmitdemVertriebsinnendienstsowiemitdemManagementdesVer triebseinewesentlicheunterstützendeRolle.Eingesundes,ausbalanciertesSpan nungsverhältniszwischenBuchhaltungundVertriebunterstützteineerfolgreicheUm setzungderProjekteimKreditmanagement.
႑Einstarres,d.h.nichtinEchtzeitgeführtesKreditlimitsystemistfürWachstumsunter
nehmennichtanwendbar.DiesgiltübrigensganzallgemeinauchfürZeitenstarker wirtschaftlicherSchwankungen.Zumeinenbestehteinerhöhtes,potenziellesAusfall risikobeieinemUmsatzeinbruchund/odereinerverschlechtertenZahlungsweisebei bonitätsschwachenKunden.ZumanderenhemmendiestarrenKreditlimitsinWachs tumsphasenund/oderbeieinerverbessertenZahlungsweisebeibonitätsstarkenKun den.Andersausgedrückt:EntwederwerdendieGutengebremstoderdieSchlechten übersehen.
Strategien zum Debitorenmanagement im Wachstumsunternehmen
195
႑DieRisikenausdemKundengeschäftsindnurmiteinemflexiblen,d.h.ereignisgesteu ertenKreditlimitsystemeffizientbeherrschbar,dadieAktualitätbeiSchwankungen dasAundOist.RisikoklassenundKreditlimitskönnensichbeiEreignissenwieZah lungseingang,Faktura,MahnungsowiebeiderErfassungvonexternenwieinternen Informationenverändern.GleichzeitigistesauchnutzbaralsFrühwarnsystem.
႑AucheinflexiblesKreditlimitsystemkannanGrenzenstoßen.DiesgiltzumBeispiel
fürKundenmitaußergewöhnlichlangenZahlungszielenoderaberauchbeifehlenden KappungsgrenzeninnerhalbderRisikoklassen.HieristmitBedachtvorzugehen.Ma nuelleEingriffesindinsolchenFällennotwendigundjederzeitmöglich.EineengeZu sammenarbeitzwischendemVertriebunddemKreditmanagementisthierbeiunab dingbar.
႑DieeigenenZahlungserfahrungen(SkontooderNettozahler,Mahnstufen,etc.)sind weiterhindietragendeSäuledesinternenBonitätsindex.Angereichertwirdder ScorewertdurcheinzelneStrukturundBonitätsdaten/KennziffernvonWirtschafts auskünften,aberauchBankauskünftenundBranchenrisikoindizes.
႑MitgutemZahlungsverhaltenentscheidetderKundeselbstüberseinenKreditrahmen, dajedeÄnderungautomatischeineNeubewertung(positivwienegativ)auslöst.
႑Mitumfangreichen,zeitnahenundzielgerichtetenReportingswirddieZusammenar beitzwischenVertriebundDebitorenbuchhaltungschließlichweitergestärkt.Hier zähltdasMotto„Faktenlügennicht!“.
„Interner und externer Nutzen des Debitorenratings nach dem MBO“
13
197
„Interner und externer Nutzen des Debitorenratings nach dem MBO“
RogerMellinghausen 13.1 13.2 13.3 13.4
13.1
Einführung....................................................................................................................197 MBO...............................................................................................................................197 Marktsituation..............................................................................................................198 Warenkreditversicherung..........................................................................................198
Einführung
DieJungferDruckereiundVerlagGmbHistinderNachfolgeeinerbereits1848gegründe tenBuchdruckereimitderÜbernahmedurchdieFamilieJungferinderzweitenHälftedas letztenJahrtausendszueinemdergrößtenRollenoffsetDruckunternehmenDeutschlands geworden.ÜbervierJahrzehnteentwickeltesichnebenderHerausgabederLandkreiszei tung„HarzKurier“stetigdasAkzidenzgeschäftimRollenoffsetverfahren.DasDruckenim Rollenoffset ist ein Flachdruckverfahren, welches durch hohe Qualität, Flexibilität und MillionenauflagenimSegmentderKataloge,MagazineundinsbesonderederProspektbei lagenseineStärkenhat.InderWeiterentwicklungdesRollenoffsetverfahrenskonnteJung ferimmerwiederdurchtechnischeInnovationenMarktvorteileerlangen,soz.B.diewelt weit erste Installation einer zentralen Farbversorgungsanlage, erste doppelstöckige Rol lenoffsetmaschine,mehrfachePapierbahnzusammenführungenundEntwicklungweiterer fürdenWerbemarktinteressanterInnovationen. TrotzdererfolgreichenEntwicklungtrafdieKrisedesDruckmarktesabderJahrtausend wende mit erheblichen Preisverfall auch die Firmengruppe Jungfer hart. Bedingt durch das rasante Wachstum in den neunziger Jahren konnten teilweise die administrativen ProzessemitdertechnischenEntwicklungnichtmithalten,sodassdieSteuerungsmecha nismenderUnternehmungmitdieserKrisekomplettumstrukturiertwerdenmussten.
13.2
MBO
InderFolgediesererfolgreichenUmstrukturierungsmaßnahmenübernahmenMitte2007 dieheutigenGeschäftsführerWolfgangSchreinerundGuidoLangsowiederLeiterFinan zenRogerMellinghausenübereinenManagementBuyout(MBO)diekomplettenGesell schaftsanteilevonderFamilieJungfer.IndiesemZugetrenntesichdieJungferDruckerei und Verlag GmbH von der Tageszeitung „Harz Kurier“ und konzentrierte sich voll auf das Beilagengeschäft. Einhergehend mit der Umstrukturierung des Unternehmens inves tiertedieDruckereibis2008ca.50Mio.EuroinDrucktechnikundGebäude.GrößteEin
G. S. Becker, O. Everling (Hrsg.), Debitorenrating, DOI 10.1007/ 978-3-8349-6377-2_13, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
198
Roger Mellinghausen
zelmaßnahmewar direkt nach demMBO die InstallationzweineuerDruckmaschinenin 2008 mit einem Volumen von 26 Mio. Euro. Grundvoraussetzung für die erfolgreiche DurchführungeinessolchenMBOwarnebendemVertrauenderAltgesellschafternatür lich auch ein tragfähiges Zukunfts und Finanzierungskonzept, welches die Geschäftslei tungineinemoffenenundkonstruktivenDialogmitdenfinanzierendenBankengemein sam konzipierte. Im Jahr 2008 komplettierte als Gesellschafter Herr Andreas Wulf das Führungsteam.
13.3
Marktsituation
DerRollenoffsetAkzidenzMarktistinsbesondereimBereichderBeilageeinäußersthart umkämpfterMarkt.MitdemVormarschderneuenMedienunddergeradezuexplosiven LeistungssteigerungenmodernerDruckmaschinenergabensichabderJahrtausendwende massive Preisverfälle am gesamten Druckmarkt. Vorbei sind die Zeiten der neunziger Jahre,indenenmitinnovativenIdeenGroßaufträgelukrativproduziertwerdenkonnten. MassivbetroffenwarenvorallenDingenBogenundTiefdruckereien.Geradefürletztere istdieInsolvenzdesehemaligenKatalogriesenQuellegeradezueinMenetekel.Durchdie immerrasanterstattfindendenWerbeprozesseverlagertenauchvieleKatalogHerausgeber ihreBotschaftenindencrossmedialenBereich,indemdieBeilagealskurzfristigerAnreiz mitgroßerStreuwirkungnachwievoreinewesentlicheStellungindenWerbekonzepten darstellt. So ist für diesen als einzigem Bereich im gesamten Druckmarkt noch Steige rungspotenzialvorhanden,sodasssichu.a.einigeehemaligeaufKatalogeundMagazine spezialisierte Druckunternehmen diesem Bereich zuwenden. Somit ergibt sich im Beilagenmarkt,dersichimWesentlichenausMöbelhäusern,DiscounternundBaumärkten zusammensetzteinedurchauspolypolistischeMarktsituationderAnbieter.
13.4
Warenkreditversicherung
Im Haus Jungfer wird die Warenkreditversicherung seit 2003 eingesetzt. Mit der Einfüh rung ergaben sich zunächst intern große Herausforderungen, das Zusammenspiel zwi schenVertrieb,InnendienstundForderungsmanagementzukoordinieren.Soistesjanun maleineBinsenweisheit,dasszwischenVerkaufundVerwaltungunterschiedlicheAnsich ten im Hinblick auf den Umgang mit den Kunden existieren. Insofern erforderte es ein gemeinsames, vor allen Dingen auch von der Geschäftsleitung getragenes Vorgehen, um einfunktionierendesRegelwerkzuetablieren.NichtjederKundeistdamiteinverstanden, sich aufgrund eines Ratings einer Kreditversicherungsgesellschaft mit dem Lieferanten über sein Zahlverhalten auseinanderzusetzen. Insbesondere bei eigentümergeführten Unternehmen war und ist es immer wieder schwierig, bei nicht ausreichenden Limit zeichnungeneinediesbezüglichkonstruktiveDiskussionanzustoßen.DiewenigstenProb leme ergeben sich bei Großkunden, wie z. B. Discountern oder Baumarktketten, die aus eigener Praxis intensiv mit Kreditversicherern zusammenarbeiten. Eine Spezialität im
„Interner und externer Nutzen des Debitorenratings nach dem MBO“
199
Druckmarkt ist es aber, dass oftmals zwischen Druckunternehmen und Endkunde sich Drucksachenvermittler,diesogenannten„Broker“,befinden.DainvielenFällenauchdie Abrechnung der Druckaufträge über den Broker läuft, kann es dazu kommen, dass ein millionenschwerer Auftrag für einen börsennotierten, gut gerateten Kunden, über eine nichtversicherbareWerbeagenturabzurechnenist. Bei ohnehin nicht versicherbaren Kunden ist die Warenkreditversicherung (WKV) dage geneingutesArgument,hiererfolgreichüberVorkasseleistungendesKundenzuverhan deln. Im Spannungsfeld dieser so unterschiedlichen Verhaltensweisen kommt dem Außen dienst, besonders bei Erstkontakten, eine wichtige Rolle zu, indem er das Thema Bonität von Anfang an mit in sein Verkaufsgespräch mit einbezieht. Parallel dazu kümmert sich der Innendienst um die formale Richtigkeit der Kundendaten, hier spielt die Einzelprü fungbeiderWKVauchimHinblickaufdiekorrekteFirmierungeinewichtigeRolle. MithinhabenwirdurchdenEinsatzderWKVerreicht,dassdieBonitätsprüfungunserer Kunden auf ein so hohes Niveau gehoben werden konnte, das wir seit mehreren Jahren nur vernachlässigbare Forderungsabschreibungen zu verbuchen hatten. Eine durch alle AbteilungenlaufendeAkzeptanzderdazunotwendigenPrüfmechanismenhatdeninter nenAblaufqualitativsehrverbessert. In diesem Zuge hat sich natürlich auch das Rating unseres Hauses gegenüber Kreditge bernverbessert.DurchdenkonsequentenEinsatzderWKVlässtsichdieWahrscheinlich keitexistenzbedrohenderForderungsausfälledochsehrminimierenunddiezugrundelie gendenAbläufelassenRückschlüsseaufeineprofessionelleinterneOrganisationzu.Dies giltfürBankengenausowiefürunsereLieferanten,aberauchKunden. Nichtsdestotrotz muss jeder Unternehmer für sich abwägen, ob und wie intensiv er sich mit der WKV auseinandersetzt. Den Vorteilen eines weitgehend gesicherten Forderungs bestandesstehennatürlichdieVersicherungsgebührenentgegen.Weiterhinkannesdurch nichtimmerzeitgerechtablaufendeBonitätsprüfungsprozesse,geradeinZeitenderWirt schaftskrise, in der Phase einer Auftragsanbahnung zu Stockungen kommen. Insofern stellen wir als WKVKunde auch hohe Ansprüche an die schnellstmögliche Bearbeitung unsererKreditanträge. AlsFazitbleibtfestzuhalten,dassderEinsatzderWKVdemHauseJungferinderPhase dertechnischenNeuausrichtungdesBetriebesundderNachfolgeregelungüberdenMBO einewichtigeStabilitätgegebenhat.
Kreditrisikoversicherung
14
201
Kreditrisikoversicherung in Abgrenzung zu anderen Instrumenten des Debitorenrisikomanagements
Dr.WernerGleißner/OlafKeller 14.1 14.1.1 14.1.2 14.1.3 14.2 14.2.1 14.2.2 14.3
14.1
GrenzenundPotenzialevonKreditversicherungen..............................................201 ProaktiveBeurteilungderBonitätpotenziellerKunden.......................................203 WertorientierteVertriebssteuerungundKreditrisikomanagement....................203 UnternehmensindividuelleUmsetzung:Instrumentenmixim Debitorenmanagement...............................................................................................205 MöglichkeitendesUmgangsmitKreditrisiken......................................................206 EigeneRisikotragfähigkeitbestimmen.....................................................................206 BewertungvonVersicherungenundandereInstrumente desRisikotransfers......................................................................................................211 Fazit...............................................................................................................................214 Literaturverzeichnis....................................................................................................215
Grenzen und Potenziale von Kreditversicherungen
In der aktuellen Wirtschaftskrise entsteht bei manchen Unternehmen der Eindruck, dass geradejetztdieBereitstellungvonLimitenfürForderungsausfällenichtmehrimangemes senen Umfang gewährleistet ist. Ursache dafür ist, dass bei Kreditversicherungen der üblicheRisikoausgleich„imKollektiv“inkonjunkturellenKrisenzeitennichtausreichend greift, wie bei Versicherungen allgemein üblich. Der Risikoumfang, ausgedrückt in der InsolvenzwahrscheinlichkeitvonUnternehmen,schwanktganzerheblichinAbhängigkeit zurKonjunktur.VerschärftwirddieSituationdurchRatings,dieheuteüblicherweisezur Schätzung der Insolvenzwahrscheinlichkeiten einzelner Debitoren verwendet werden. DieseerfasseninsbesonderedieRisiken,diedasUnternehmenzufälligindenletztenGe schäftsjahren getroffen haben. Natürlich wird mit hoher Fachkenntnis und volkswirt schaftlichen Modellen versucht, zukünftige Entwicklungen zu antizipieren. Selten auftre tendeRisiken,wiez.B.eineWirtschaftskrise,dieindembetrachtetenZeitraumnichteinge tretensind,werdenabernochnichtausreichendeinkalkuliertwenngleichgeradeKredit versicherer oft nochmehr als Banken zeitnahe Informationenüber die Geschäftsentwick lungderUnternehmeneinbeziehen.
G. S. Becker, O. Everling (Hrsg.), Debitorenrating, DOI 10.1007/ 978-3-8349-6377-2_14, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
202
Dr. Werner Gleißner / Olaf Keller
Kreditversicherungen bieten traditionell Schutz für singuläre und unabhängige Einzeler eignisse,z.B.Unternehmensinsolvenzen,undschaffendadurcheinenAusgleichimKollek tiv. Tatsächlich sind die Insolvenzwahrscheinlichkeiten von Unternehmen jedoch nicht unabhängig voneinander zu betrachten. Zudem schwanken sie erheblich – sowohl im individuellen Zeitverlauf, als auch abhängig vom Konjunkturzyklus. In einer konjunktu rellen Abschwungphase steigt die Insolvenzwahrscheinlichkeit an, während gleichzeitig die verfügbare Liquidität sowie die Risikotragfähigkeit (und Risikotragensbereitschaft) sinkt.AusSichtderVersicherungsnehmerwäredahereinRisikoausgleichüberdenQuer schnittallerUnternehmenundüberdieZeitwünschenswert,deraucheinelängerfristige Planungermöglicht.LangfristigeKreditversicherungsverträgewürdeninsbesondereauch die Schwankungen der Insolvenzwahrscheinlichkeit über den Konjunkturzyklus hinweg mitabsichern.SokönntelangfristigeineRisikodiversifikationüberdasKollektivderversi chertenUnternehmenerreichtwerden. Ein derartiges (verbessertes) Risikotransferangebot erfordert allerdings weiterentwickelte Verfahren der RatingPrognosen und vermutlich auch eine höhere Risikotragfähigkeit, was sich im Durchschnitt in höheren Versicherungsprämien niederschlagen dürfte. Es scheint allerdings so, dass viele Unternehmen durchaus bereit wären nach denErfahrun genausderaktuellenKrisefürdieseszusätzlicheMaßanSicherheitauchmehrzubezahlen. DieKreditversicherersolltenfüreinderartigerweitertesLeistungsangebotihreMethodik weiterentwickeln, die volkswirtschaftliche Rahmenbedingungen noch stärker berücksich tigt. Ergänzend können sogenannte „simulationsbasierte RatingPrognosesysteme“ ge nutzt werden, mit deren Hilfe – unter Berücksichtigung der Unternehmensrisiken – die BandbreitederkünftigenRatingEntwicklungbessereingeschätztwerdenkönnte.Gerade die Schwäche der heute üblichen Systeme von Kreditinstituten und RatingAgenturen, künftige Risiken des makroökonomischen Umfelds und einzelner Unternehmen adäquat imRatingzuberücksichtigen,hatmaßgeblichzurFinanzkrisebeigetragen.Beidentraditi onellenRatingswerdenimWesentlichenlediglichdiejenigenRisikenerfasst,die„zufällig“ imletztenJahreingetretensindunddadurchdieFinanzkennzahlenmaßgeblichbestimmt haben. Moderne RatingPrognosesysteme berechnen dagegen mittels Simulation eine repräsentative Menge risikobedingt möglicher Zukunftsszenarien eines Unternehmens, umsodieWahrscheinlichkeitfürÜberschuldungundIlliquiditätzuermitteln.1 Auf lange Sicht wäre es wünschenswert, dass die Kreditversicherer ihre Ratingverfahren weiterentwickeln, um der hohen volkswirtschaftlichen Bedeutung dieses Risikotransfers nochbessergerechtzuwerden.NeueRatingverfahrenkönnendanndieBasissein,umein erweitertes konjunkturzyklusübergreifendes Kreditversicherungsspektrum anzubieten. DiePotenzialederKreditversicherungwürdensonocheinmalerweitert. AusSichtderUnternehmenerscheintesratsam,daseigeneKreditrisikomanagementwei terzuentwickeln.Dabeiistauchzuüberlegen,mehrKreditrisikenselbstzuübernehmen,
1SieheweiterführendGleißner/Bemmann(2008)undFüser/Gleißner/Leibbrand(2007).
Kreditrisikoversicherung
203
wenn die eigene Risikotragfähigkeit dies zulässt, und höhere Risiken mit einzelnen Ge schäftspartnerndurchhöherePreiseabgeltenzulassen.2AberderintelligenteEinsatzvon Kreditversicherungen wird in der Regel ein wesentlicher Baustein des Debitorenrisiko managements bleiben – selbst wenn weitere Instrumente flankierend zum Einsatz kom men.Esdarfnichtübersehenwerden,dassKreditversicherungennebendemRisikotrans feraucheineFinanzierungsfunktionhabenunddieRisikosteuerungunterstützen. DieverschiedenenMöglichkeitenwerdenimFolgendennäherbeleuchtet.
14.1.1
Proaktive Beurteilung der Bonität potenzieller Kunden
Das Kreditrisikomanagement spielt speziell im Rahmen einer modernen wertorientierten Unternehmensführung eine wesentliche Rolle. Bei dieser ist der (berechnete) Wert der Erfolgsmaßstab,derErtragundRisikoineinerKennzahlverbindet,unddazudient,Inves titionsmöglichkeiten–aberauchpotenzielleKunden–zubeurteilen.DasKreditrisikoma nagementhatEinflussaufmehrereWerttreiber.OffensichtlichistdieWirkungvonKredit risikenaufdengesamtenRisikoumfang.DurchleistungsfähigeRisikobeurteilungpotenzi eller Kunden, eine restriktive Kreditrisikopolitik und eine kontinuierliche Überwachung bestehenderDebitorenpositionenkönnenderGesamtrisikoumfanggesenktunddieErträ gegesteigertwerden.DieWahrscheinlichkeitundderUmfang(dieVolatilität)vonErgeb nisschwankungeninfolgeeinesDebitorenausfallswerdenreduziert.Derdamitreduzierte Gesamtrisikoumfang (und der niedrigere Eigenkapitalbedarf) führt tendenziell zunächst zubesserenFremdkapitalkonditionen,weildieWahrscheinlichkeitvonnegativenAuswir kungen auf die Finanzkennzahlen im Rating, die die Kreditkonditionen maßgeblich be stimmen, reduziert wird. Der Gesamtrisikoumfang (bzw. der Eigenkapitalbedarf) be stimmt darüber hinaus in unvollkommenen Märkten auch den Gesamtkapitalkostensatz unddamitdenUnternehmenswert.EinbesseresKreditrisikomanagementführt,übereine ReduzierungdesBedarfsanteuremEigenkapital,zueinemsteigendenUnternehmenswert.
14.1.2
Wertorientierte Vertriebssteuerung und Kreditrisikomanagement
Auch die Rentabilität und sogar das Wachstum, also die beiden weiteren wesentlichen Werttreiber,werdendurchdasKreditrisikomanagementbeeinflusst.DieReduzierungdes durchschnittlichen Umfangs der Forderungsausfälle führt (ceteris paribus) zu höheren erwartetenErträgen.Dabeiistjedochzubeachten,dassdasKreditrisikomanagementnicht nurüberdieHöhederForderungsausfälledieErtragssituationeinesUnternehmensbeein flussenkann.DurchdieproaktiveBeurteilungderBonitätpotenziellerKundenbeeinflusst das Kreditrisikomanagement offensichtlich auch das gesamte Geschäftsvolumen, die AuswahlvonKundenunddamitdenGesamtertragausdenKundenbeziehungen.
2Vgl.zurMethodikGleißner/Romeike(2008a).
204
Dr. Werner Gleißner / Olaf Keller
Ein wertorientiertes Kreditrisikomanagement muss daher grundsätzlich die aus seiner KundenbeziehungerwartetenErträgegegendiedortzusehenden(Bonitäts)Risiken(Ad ressausfallrisiko)abwägen. Abbildung 14.1: Risiko-Rendite-Diagramm
Maximalrisikolinie: Safety-First Durchgeführte, aber zu risikoreiche Investitionen.
Erwartete Rentabilität
Kunde D
Investieren !
20%
Projekt B
Kunde C Projekt Investieren !
Kapitalkosten (WACC) als Mindestanforderung an die erwartete Rendite
Kunde B Kunde A Projekt A 10%
Nicht Investieren !
Nicht Investieren !
0%
10%
20%
Entscheidungen ohne differenzierte Kapitalkosten.
Risiko (Kapitalkostensatz)
Ein zu restriktives Kreditrisikomanagement behindert Ertragsmöglichkeiten (Chancen) und hat dann negative Auswirkungen auf den Werttreiber „Rentabilität“. Speziell die Vorgabeeiner„Mindestbonität“odereines„Mindestrating“vonKunden,dieunabhängig vondenmitdiesenKundenzuerwartendenErträgensind,kannnichtsinnvollsein.Auch hoheRisikendurchdenmöglichenAusfallvonForderungensindbeieinerKundenbezie hung akzeptabel, wenn dem noch größere erwartete Erträge gegenüberstehen. Dies gilt, solange das eigene Unternehmendie erforderliche Risikotragfähigkeit (Eigenkapital) auf weist(vgl.Abbildung14.1).EsistAufgabedersogenanntenRisikoaggregationzubewer ten, welcher Risikoumfang von einem Unternehmen getragen werden kann, ohne das eigeneZielratingzugefährden. Heutesollteein(wertorientiertes)KreditrisikomanagementsichseinererheblichenBedeu tungfürUnternehmenswertundErfolgbewusstsein.WertorientiertesKreditrisikomana gement muss seine Aufgabeim Hinblick auf denBeitrag zum Unternehmenswert als Er folgsmaßstab sehen – und nicht in der Minimierung von Forderungsausfällen. In einem wertorientierten Unternehmensführungsansatz gibt es keine Interessenkollision zwischen KreditrisikomanagementundVerkauf.WennsichbeidefürdieSteigerungdesUnterneh menswerts engagieren, werden sie jeweils das gleiche Kalkül bei der Beurteilung eines
Kreditrisikoversicherung
205
Kunden zugrunde legen. Möglicherweise hat der Vertrieb dabei bessere Informationen überdieerwartetenErträgeeinesKunden,währenddasKreditrisikomanagementdiemit diesem Engagement verbundenen Risiken besser einschätzen kann. Der Schlüssel für die Entwicklung eines wertorientierten Kreditrisikomanagements ist die Schaffung des Ver ständnisses, dass die alleinige Minimierung der Forderungsausfälle keine sinnvolle Ziel setzungdarstellt.WertorientiertesKreditrisikomanagementsetztanzweiWerttreibernan, amRisikoundebenauchdenerwartetenErträgen.
14.1.3
Unternehmensindividuelle Umsetzung: Instrumentenmix im Debitorenmanagement
Um Unternehmen dabei zu unterstützen, sich aus der Abhängigkeit von Kreditversiche rernzulösenundlangfristigeAbsicherungsstrategienfürKreditrisikenzuschaffen,wurde ein Lösungsansatz entwickelt, der die unterschiedlichen Risikokomponenten mit mögli chenRisikoträgernkombiniert.DurchdieintelligenteVerknüpfungderdarausentstehen den Handlungsalternativen kann der Risikotransfer unternehmens und forderungsindi viduellbestimmtundimUnternehmenumgesetztwerden.ZukunftsorientierteSchätzun genderInsolvenzwahrscheinlichkeitdesDebitorskönnendurchdenAufbauvonsimula tionsbasierten RatingPrognoseverfahren kalkuliert werden, die auch die Konsequenzen von neuen oder selten auftretenden Risiken aufzeigen. Dadurch ist das Unternehmen in derLage,selbständigzukunftsgerichtetDebitorenbewertungendurchzuführen. Neben dem verursachungsgerechten Transfer von Forderungsausfallkosten wie risikoge rechte Preispolitiksysteme, Anzahlungen und intelligente BonusSysteme existiert grund sätzlichbeiWiederbelebungdesMarktesauchdieMöglichkeit,KreditrisikenüberDeriva te, z.B. Credit Default Swaps (CDS) abzusichern. Will man das Unternehmen insgesamt gegeneinenkonjunkturbedingtenAnstiegvonForderungsausfällenoderdenAnstiegder PrämienderKreditversicherungabsichern,könnenhierfürebenfallsLösungenunterEin satzvonCDSaufPortfoliosoderauchdurchsogenanntePutOptionenaufAktienindices genutzt werden. Gerade letztere lassen genau dann positive Erträge erwarten, wenn im Rahmen einer schweren Wirtschaftskrise die Insolvenzwahrscheinlichkeiten deutlich an steigen.DesWeiterenwerdenCaptivesundAlternativeRisikotransfer(ART)Lösungenin Betrachtgezogen,dieinsbesondereeinerintelligentenFinanzierungdesKreditausfallrisi kosdienen.SiesindzudemauchgeeigneteHilfsmittel,umimSinnedervieldiskutierten Multiline und MultiyearLösungen unterschiedliche Arten von Risiken unter Nutzung vonDiversifikationseffektenbestmöglichzustrukturierenundzutransferieren. InderPraxisistwederdieeinfacheFortführungvonKreditversicherungen–oderdarauf abgestellterZusatzdeckungen,sogenannteXLLösungen–nochdiekompletteSubstitution dergeeigneteWeg.SinnvollistdieEntwicklungunternehmensindividuellerLösungen,die ausdenobenbeispielhaftangesprochenenInstrumentendenpassendenMixbilden.Dies ermöglicht,fürdieeinzelneForderungeinejeweilsoptimaleLösungzufindenunddabei auch die aktuellen sich im Zeitverlauf ändernden Rahmenbedingungen zu berücksichti gen.
206
Dr. Werner Gleißner / Olaf Keller
14.2
Möglichkeiten des Umgangs mit Kreditrisiken
14.2.1
Eigene Risikotragfähigkeit bestimmen
DieobenerläutertenProblemevielerUnternehmen,inderjetzigenSituationeineadäquate DeckungvonKreditrisikenzuerhalten,führtnaheliegenderweisedazu,überAlternativen nachzudenken. Grundsätzlich kann ein Unternehmen dabei selbst mehr Kreditrisiken tragen, wenn es über eine höhere Risikotragfähigkeit verfügt und die möglichen negativen Ergebnisaus wirkungen durch Forderungsausfälle das eigene Rating nicht wesentlich gefährden. Für eineAbschätzungderentsprechendenRisikotragfähigkeitkönnendiesogenanntenRating ImpactAnalysengenutztwerden.Mitihnenwirduntersucht,welcher
႑Umsatzrückgang(unterBerücksichtigungdervariablenKosten)oder ႑Kostenanstiegoder ႑außerordentlicheAufwand(beieinemSachschaden) eine Verschlechterung der Ratingeinstufung um 1, 2 oder 3 Notenstufen erwarten lässt. Hier wird ergänzend zur Betrachtung der Wirkung von geplanten Ausschüttungen die Wirkungder(unsicheren)VeränderungderPlanungspositionoderRisikenbetrachtet.Bei einer derartigen Berechnung von „kritischen Werten“ werden die Auswirkungen von Umsatzrückgang bzw. Kostenanstieg (oder Schaden) mit den Konsequenzen für die ge samteErfolgsrechnungundBilanzunddiedarausabgeleitetenFinanzkennzahlen,diedas Ratingmaßgeblichbestimmen,berechnet.Abbildung14.2zeigtbeispielhafteinederartige Auswertung, die verdeutlicht, welche Ausprägungen von Umsatz, Kosten und Schäden mitwelcherRatingNote(von1bis5)korrespondieren. Die hier abgeleiteten Erkenntnisse sind wesentlich, um die Stabilität des Ratings einzu schätzenundhabendamiteineKrisenfrühwarnfunktion. KonkreteAnwendungsfälleergebensichauchbeiderGestaltungvonRisikotransferstrate gien. Die RatingImpactAnalyse zeigt, welche Risikowirkungen für ein Unternehmen „nochverkraftbar“sind.DiesoabgeleitetenErgebnissekönnenalsobeispielsweisegenutzt werden, um sinnvolle Obergrenzen für die Selbstbehalte von Versicherungen zu bestim men. Auch bezüglich anderer Risikobewältigungsstrategien kann mithilfe der Rating ImpactAnalyse aufgezeigt werden, bis zu welchem Punkt (negative) Veränderungen gegenüberderjetzigenUnternehmenssituation–ausSichtderGläubiger–unkritischsind bzw. ab welchem Punkt durch Risikobegrenzungs oder Transferstrategien Gegenmaß nahmenergriffenwerdenmüssen.
Kreditrisikoversicherung
207
Abbildung 14.2: Rating Impact (Quelle: Modul der Software „Strategie Navigator“ der FutureValue Group AG)
Bevor ein Unternehmen allerdings einfach dazu übergeht, in Anbetracht von fehlenden oderzuteurenMöglichkeitenderKreditversicherungdieentsprechendenRisikenselbstzu tragen,bietetessichanüberAlternativennachzudenken.NebendemTransferaufDritte unddemSelbsttragendesKreditrisikosgibteseineweitereinteressanteMöglichkeit,näm lich das Risiko auf den Verursacher – die Kunden – zumindest teilweise zu transferieren oder sich ein übernommenes Kreditrisiko seitens des Verursachers zumindest adäquat honorierenzulassen. DiefolgendeÜbersichtzeigtverschiedeneMöglichkeitenmitdemKreditrisikoumzugehen:
႑Sicherheit(Eigentumsvorbehalt,Vorkasse) ႑Rabatt/Bonussystem ႑Selbstselektionsprogramme(Zahlungsziele,Anzahlung,Vorauskasseetc.) ႑CDSProdukte ႑Captive/ART ႑direkteEigenkapitaltragung ႑Kreditversicherung ႑Factoring ImFolgendenwerdendieeinzelnenMöglichkeitenetwasnähererläutert.
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Dr. Werner Gleißner / Olaf Keller
Absicherung unmittelbar gegenüber dem Kunden und risikogerechtes Pricing: Naheliegend ist es zunächst ein Risiko, das letztlich durch die Insolvenz eines Kunden entsteht, möglichst durch diesen selbst abzusichern. Bekannte Instrumente hierzu sind EigentumsvorbehalteoderBürgschaftenDritter.Darüberhinausisteshierauchdurchaus möglich, sich zusätzliche Sicherheiten eines Kunden anbieten zu lassen. Da es aus Ver triebsgesichtspunktenhäufignichtmöglichist,eineBereitstellungvonSicherheitendurch dieAndrohungeinesLieferverzichtszuerreichen,lässtsichderZugriffaufsolcheSicher heiten in der Praxis durch ein adäquates Bonus bzw. Rabattsystem ermöglichen. Die Grundidee besteht darin, Bonus oder Rabatte für Kunden zu gewähren in Abhängigkeit von
႑dergeschätztenInsolvenzwahrscheinlichkeit(PD),wasderKundenichtzwingendin dieserFormerfahrenmussund/oder
႑seitensdesKundenbereitgestelltenSicherheiten. EineinfacherBewertungsansatz,dereinenVergleichderzuerwartendenRenditemitden RisikeneinesKundenverdeutlicht,wirdbeiGleißnerundRomeike(2008a)vorgestellt.3
Risikotransfer über den Kapitalmarkt Das klassische Instrument des Risikotransfers ist die Kreditversicherung. Zu beachten ist jedoch, dass bei der bisherigen Konstruktion von Kreditversicherungen der Schutz typi scherweise nicht über einen längeren Zeitraum zur Verfügung steht und insbesondere nicht mehr den gewünschten Absicherungsumfang aufweist, wenn schwere Wirtschafts und Finanzkrisen auftreten – also geradedann, wenn viele Unternehmen den Schutz be sonders nötig haben. Gerade in derartigen Situationen ist zu überlegen, welche anderen Möglichkeiten des Risikotransfers möglich sind. In Erwägung zu ziehen sind hier bei spielsweiseCreditDefaultSwaps(CDS),diezurAbsicherungeinzelnerKundenforderun genund–zumindestannähernd–auchvonKundenportfoliosdienen.Veränderungender CDSPreise zeigen insgesamt Veränderungen der durchschnittlichen (unsicheren) Aus fallwahrscheinlichkeiten. UmsichalsoalsUnternehmengegendenAnstiegvonForderungsausfällenüberdenKon junkturzyklus hinweg abzusichern, bietet es sich beispielsweise an, durch Derivate von einemAnstiegderCDSPrämienzuprofitieren.GerademitjederErhöhungderprognosti ziertenAusfallwahrscheinlichkeitvonKundeninsgesamt,unddamiteinerErhöhungder notwendigen Kreditversicherungsprämien, werden über derartige Derivate Erträge gene riert,diediesesProblemkompensieren. Anstelle von Derivaten auf CDS kann selbst der Einsatz traditioneller PutOptionen auf Aktienindicesdazubeitragen,denAnstiegderKostenfürdieKreditversicherungbzw.das
3Vgl.Gleißner/Romeike(2008a).
Kreditrisikoversicherung
209
Kreditrisiko in konjunkturellen Schwächephasen zu kompensieren. In konjunkturellen Schwächephasen führt nämlich speziell der Rückgang der Unternehmensgewinne dazu, dass die Insolvenzwahrscheinlichkeit und damit die Kosten für die Kreditrisikoabsiche rung ansteigen. Der Rückgang der Unternehmensgewinne führt jedoch zugleich zu sin kendenAktienkursen,sodassPutsaufAktienindicesKursgewinnezurFolgehaben.Na türlichbestehtbeieinerderartigen„indirekten“AbsicherungeinsogenanntesBasisrisiko, dadieKostenderKreditrisikoabsicherungunddieAktienkursentwicklungnatürlichkeine perfekte Korrelation aufweisen. Dennoch sind derartige Instrumente insbesondere gut geeignet, um gerade bei besonders schwerwiegenden Krisen (wie der jetzigen) eine adä quate Absicherung zu bieten. Bekanntlich zeigen gerade in schwerwiegenden Krisen na hezu alle Aktienindices die gleiche (negative) Kursentwicklung. Entsprechend sind Puts geradegeeignet,umsichgegenüberderartigenschwerwiegendenKurseinbrüchenabzusi chern–wassogardieMöglichkeiteiner(partiellen)AbsicherunggegenüberKonjunkturri sikenermöglicht.4
Risikofinanzierung mittels Captives Für die Finanzierung eines höheren Engagements bei der Risikoeigentragung bietet sich einekonzerneigeneVersicherungsgesellschaft,einesogenannte„Captive“an.EineCaptive –derenwesentlicherZweckdieZeichnungvonKonzernrisikenist–bietetdieMöglichkeit, mittelbzw.langfristigdiebereitsangesprocheneUnabhängigkeitvomtraditionellenErst versicherungsmarkt zu erreichen. Wesentliche Faktoren hierfür sind die Möglichkeit – einen entsprechenden zu erwartenden Schadensverlauf vorausgesetzt – versicherungs technische Reserven zu bilden und die direkte Zugangsmöglichkeit zum Rückversiche rungsmarkt.InAbbildung14.3wirdgezeigt,wieeineCaptiveStrukturaussehenkann. CaptiveskönneninFormeinerErstversicherungsCaptiveodereinerRückversicherungs Captivegestaltetwerden.ErstversicherungsCaptiveshabendenVorteildirektRisikenzu zeichnen,ohneZuhilfenahmeeineszugelassenenErstversicherers(Fronters),dafürunter liegen sie aber im vollen Umfang der Versicherungsaufsicht – inkl. damit verbundener Kosten – des gewählten Standortes der Captive. Eine RückversicherungsCaptive unter liegteinergeringerenAufsicht,istsomitfreierinihrerGestaltung,dafürmüssendieRisi kendesKonzernsbzw.desUnternehmenszunächstvoneinemzugelassenenErstversiche rer (Fronter) übernommen und an die spezielle RückversicherungsCaptive zediert wer den.VordemHintergrundeineeigeneRisikoauswahl(Debitorenprüfung)vornehmenzu wollenistfürdenBereichderKreditrisikeneineErstversicherungsstrukturwahrscheinlich vonVorteil.DieStrukturenbeiderLösungenlassensich,wieinAbbildung14.4undAb bildung14.5gezeigt,darstellen.
4Vgl.Gleißner(2008b),S.799805.
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Dr. Werner Gleißner / Olaf Keller
Abbildung 14.3: Captive-Struktur
Muttergesellschaft
Deckung
Tochter
Deckung
Tochter
Prämie
Besitz
Captive
Tochter Prämie
Abbildung 14.4: Erstversicherungs-Captive
Mutter
Tochter
Erstvers.Captive
Rückversicherer
Tochter
Die Captive stellt Policen aus, übernimmt die Schadensabwicklung und trägt das Risiko auf einem aggregierten Level
Die Captive rückversichert im Excess der festgelegten Eigentragung
Kreditrisikoversicherung
Abbildung 14.5
Mutter
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Rückversicherungs-Captive
Tochter
Fronter (Erstvers.)
Rückvers.Captive Rückversicherer Rückversicherer
Tochter
Der Fronter stellt Policen aus und übernimmt die Schadensabwicklung
Es erfolgt eine Zession an die Captive, diese trägt das Risiko auf einem aggregierten Level
Die Captive rückversichert im Excess der festgelegten Kapazität
Voraussetzung für den erfolgreichen Betrieb einer Captive ist ein funktionierendes Risi komanagementfürallein dieCaptivetransferiertenRisikobereiche,dasichdie Schaden entwicklungdirektamErgebnisderCaptiveniederschlägt.FürdieKreditrisikenbedeutet dies die Existenz der oben dargestellten Rating und Selektionsverfahren. Die Gründung einerCaptiveistBestandteileinerlangfristigenRisikofinanzierungsstrategieundihrepri märeAufgabeistdieRisikofinanzierung,daoftkaumeinechterRisikotransferaufDritte stattfindet. Eine kurzfristige Reduzierung des Risikofinanzierungsaufwandes wird durch eine Captive nicht erreicht. Vielmehr ist eine Captive als ein strategisches Instrument zu sehen,einezunehmendeUnabhängigkeitvomtraditionellenVersicherungsmarktzuerrei chenbzw.zusätzlicheOptionenzueröffnen.
14.2.2
Bewertung von Versicherungen und andere Instrumente des Risikotransfers
Wiekannmanbeurteilen,obeineVersicherung,z.B.eineKreditversicherung,beibekann terPrämieökonomischsinnvollist,alsoUnternehmenswertschafft? DerWertbeitragdesRisikotransferinstruments(z.B.einerVersicherung)ergibtsichgerade alsDifferenzderZusatzkostendurchdieVersicherung(insbesonderedurchderenPrämie)
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Dr. Werner Gleißner / Olaf Keller
aufdereinenSeite,zurVeränderungdesRisikowertbeitragsdesversichertenRisikosauf deranderenSeite.DieÜberlegungenlassensichanfolgendemBeispielleichtverdeutlichen: Es wird angenommen, dass ein Risiko einen erwarteten Schaden in der Höhe von E(S) auslöstundderrealistischeMaximalschadenVaR,also(ValueatRiskzum99%Niveauals operationalisierterSchätzerfürdenprobablymaximumlost,PML)aushistorischenScha densfällendesKreditportfoliosabgeleitetwurden.EineAbschätzungderSchadensvertei lungbasiertauf(simulationsbasierte)RatingverfahrenundTechnikendesKreditportfolio managements,washiernichtvertieftwerdensoll.5 DamitergibtsichderRisikowertbeitragals
E(S/S d SB) rz * VaR1% (S,SB) P
WB mit : WB S SB rz VaR1% P
Wertbeitrag Schaden Selbstbehalt Risikozuschlag,d.h. Zusatzkosten für Eigenkapitalbedarf Value at Risk zum Niveau von 1% Prämie/Kosten des Risikotransfers
Der (negative) Wertbeitrag (WB) eines Risikos ist abhängig von der Höhe der selbst zu tragendenSchäden(biszumSelbstbehalt,SB),denEigenkapitalkostenunddenKostendes Risikotransfers(z.B.Versicherungsprämie,P).DieEigenkapitalkostensindabhängigvom UmfangderselbstzutragendenVerluste(VaR),diefürDeckungdesEigenkapitalsvorzu haltenist.AufGrundlagederKenntnisdervorhandenenRisikenundalternativerRisiko transfermöglichkeiten ist es praktikabel, die verschiedenen Varianten des Risikotransfers anhanddesBewertungsmaßstabes(WB)zumessenundzuvergleichen.Soisteinefundier teAuswahlderindividuellpassendenTransferstrategieunddesdamitverbundenenEin satzesvon Risikotransferinstrumenten möglich.Eswirdhiernichtnurbetrachtet,welche derverschiedenenAlternativendiegeringstenKostenhat,sonderneswirdanderZielgrö ße der Unternehmensstrategie – dem Unternehmenswert – gemessen. Auch kurzfristige Kompromisse können vorgesehen werden, falls man aufgrund operativer Engpässe ein zelneRisikennichtschnellgenugaufeinakzeptablesMaßRestrisikoreduzierenkann. DieBerechnungderTotalCostofRisk(TCR)entsprichtgeradederBerechnungdesRisi kowertbeitrags. Die Gesamtrisikokosten ergeben sich als Summe der in die Betrachtung einbezogenenTeilkomponenten,alsobeispielsweisealsSummevon
5SieheGleißner(2008a)undvertiefendThamm(2009).
Kreditrisikoversicherung
213
႑KostendesRisikotransfers(insbesondereVersicherungsprämie), ႑ArbeitskostenderRisikobewältigungundSchadensabwicklung, ႑erwarteterHöhederselbstzutragendenSchäden(inAbhängigkeitgewählterSelbst behalteundDeckungsgrenzen),
႑kalkulatorischenEigenkapitalkosten,alsodasProduktvonRisikoprämien undEigen 6
kapitalbedarf . 7
Grundsätzlich ist für die Berechnung optimaler Risikotransferlösungen in der Regel ein SimulationsverfahrenwiedieMonteCarloSimulationerforderlich,umdenVaRderScha densbelastung und damit den Eigenkapitalbedarf zu berechnen. Damit können die Aus wirkungenverschiedenerTransfermaßnahmensimuliertundverglichenwerden. Abbildung 14.6 zeigt beispielhaft den Vergleich mehrerer alternativer Versicherungslö sungen, die bezüglich der Gesamtrisikokosten miteinander verglichen werden. Das TCR Verfahren wurde hier insbesondere genutzt, um den optimalen Selbstbehalt (SB) zu be rechnen. Abbildung 14.6: Kostenvergleich Total Cost of of Risk 700.000 700'000 650'000 600'000 550'000 500'000 450'000 400'000 350'000 300'000 250'000 200'000 150'000 100'000 50'000 0
Transferkosten Selbstbehalte Kosten Risiko-Management Eigenkapitalkosten Total Cost of Risk
Ohne Versicherung
Vollversicherung 700'000
410‘000 100'000 230'000 740'000
30'000 730'000
minimale optimierte optimierte Selbstbeteiligung Selbstbeteiligung Selbstbeteiligung Selbstbeteiligung 600'000 600'000 55'000 55'000 30'000 30'000 5'000 5'000 690'000
280'000 280'000 300'000 300'000 30'000 30'000 25'000 25'000 635'000 635'000
6OderEigenkapitalkostensatz. 7ValueatRiskderSchadensverteilungzumgewählten(ZielRatingabhängigen)Wahrscheinlich
keitsniveau.
214
14.3
Dr. Werner Gleißner / Olaf Keller
Fazit
Es scheint so, dass viele Unternehmen durchaus bereit wären, nach den Erfahrungen in der aktuellen Krise für dieses zusätzliche Maß an Sicherheit auch mehr zu bezahlen. Die Kreditrisikoversicherer selbst sollten für ein derartig erweitertes Leistungsangebot ihre Methodik weiterentwickeln, insbesondere die volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen stärker im Kalkül berücksichtigen und die noch bestehenden Potenziale für eine weitere Verbesserung der Ratingverfahren nutzen. Hier sollten sogenannte „simulationsbasierte RatingPrognosesysteme genutzt werden. Gerade die Schwäche der heute üblichen Ra tingSysteme, von Kreditinstituten und Ratingagenturen, die zukünftigen Risiken des makroökonomischenUmfeldsundeinzelnerUnternehmenadäquatimRatingzuberück sichtigen,hatmaßgeblichzurSubprimeundFinanzkrisebeigetragen.Indentraditionel lenRatingswerdenimWesentlichenlediglichdiejenigenRisikenerfasst,die„zufällig“im letzten Jahr eingetreten sind und so die Finanzkennzahlen maßgeblich bestimmt haben. Moderne RatingPrognosesysteme berechnen dagegen eine große repräsentative Menge risikobedingt möglicher Zukunftsszenarien eines Unternehmens, um so auf die Wahr scheinlichkeitfürÜberschuldungundIlliquiditätzuschließen. AuflangeSichtbietetessichalsoan,dassdieKreditrisikoversichererihreRatingverfahren in einer Weise weiterentwickeln, die zukünftige Risiken noch konsequenter als bisher berücksichtigen. Diese neuen Ratingverfahren können die Basis sein, um ein erweitertes konjunkturzyklusübergreifendesSpektrumvonKreditversicherungenanzubieten. UnddiebetroffenenUnternehmen?Zumeinenerscheintesratsam,daseigeneKreditrisi komanagement in Anlehnung an die oben dargestellten Verfahren weiter zu entwickeln. ZudemistzuüberlegenauchmehrKreditrisikenzuübernehmen,wenndieeigeneRisiko tragfähigkeit dies zulässt und höhere Risiken mit einzelnen Geschäftspartnern durch hö herePreise(Erträge)abgeltenzulassen.8Kreditversicherungenwerdenaberauchzukünf tigeinwichtigerBausteindesDebitorenrisikomanagementsbleiben. Heutesollteein(wertorientiertes)KreditrisikomanagementsichseinererheblichenBedeu tungfürUnternehmenswertundErfolgbewusstsein.EsmussseineAufgabeimHinblick aufdenBeitragzumUnternehmenswertalsErfolgsmaßstabsehen–undnichtinderMi nimierungvonForderungsausfällen.IneinemwertorientiertenUnternehmensführungsan satz gibt es keine Interessenkollision zwischen Kreditrisikomanagement und Verkauf. Wenn sich beide für die Steigerung des Unternehmenswerts engagieren, werden sie je weilsdasgleicheKalkülbeiderBeurteilungeinesKundenzugrundelegen.Möglicherwei se hat der Vertrieb dabei bessere Informationen über die zu erwartenden Erträge eines Kunden,währenddasKreditrisikomanagementdiemitdiesemEngagementverbundenen Risikenbessereinschätzenkann.DerSchlüsselfürdieEntwicklungeineswertorientierten Kreditrisikomanagements ist die Schaffung des Verständnisses, dass die alleinige Mini mierung der Forderungsausfälle keine sinnvolle Zielsetzung darstellt. Wertorientiertes
8Vgl.zurMethodikGleißner/Romeike(2008a).
Kreditrisikoversicherung
215
Kreditrisikomanagement setzt an zwei Werttreibern an, am Risiko und eben auch den erwarteten Erträgen. So kann speziell auch der Wertbeitrag von Kreditversicherungen belegtwerden.
Literaturverzeichnis >@
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Warum Credit Management?
15
217
Warum Credit Management?
NicoleNeumerkel/JanSchneiderMaessen In Deutschland ist das Credit Management eine vergleichsweise junge Disziplin. Es han deltsichumeinenintegralenAnsatz,dervorallemimenglischenSprachraumschonseit vielenJahrenfesterBestandteildesWirtschaftslebensist.DemCreditManagementkönnen alle Tätigkeiten im Unternehmen zugerechnet werden, die im weitesten Sinn im Zusam menhangmitForderungengegenüberKundenstehen.DasDebitorenmanagementklassi scherPrägunggehörtentsprechenddazu. SeinGrundgedankebasiertdarauf,dass inBezugaufdengesamtenWertschöpfungspro zess Reibungsverluste vermieden werden können und sich so Arbeitseffizienz und effektivitätinsgesamtdeutlicherhöhen.DasZielbestehtdarin,gesundeUnternehmensfi nanzen „aus eigener Kraft“ heraus zu gewährleisten. Es geht um die Verbesserung der Ertragslage und eine nachhaltige Steigerung des Unternehmenswertes. Das funktioniert vorallemüberdiestrukturelleSicherungvonLiquiditätunddieVermeidungvonForde rungsausfällen. EinecharakteristischeBesonderheitdesCreditManagementsbestehtdarin,dassesander SchnittstellezwischenderVerkaufsundFinanzleitungeinesUnternehmensansetzt. InderPraxisfallenfolgendeTätigkeitenindenAufgabenbereicheinesCreditManagers:
႑ÜberprüfungderKreditwürdigkeitderKunden ႑ErstellungundEntwicklungvonKreditlimits,Ratings,Zahlungskonditionenundna
türlichderenkonstanteÜberwachungundEinhaltungdurchdenKunden,aberauch durchdie„interneKundschaft“,wiederVerkaufsabteilung
႑BeschaffungundBewertungvonSicherheiten ႑BeobachtungvonEntwicklungenimMarktbezüglichneuerZahlungsmodalitäten CreditManagersindindenverschiedenstenAbteilungeneinesUnternehmenstätig,insbe sondere in der Debitoren und Kreditorenbuchhaltung, im Controlling und der Finanz oderRechtsabteilung.
Idee für einen Mindeststandard DieimRahmendesCreditManagementsanfallendenAufgabensindäußerstkomplexund bedürfen ständiger (Qualitäts)Kontrolle. Dafür bedarf es verbindlicher Standards, die fortlaufendfürOrientierungsorgen.GegenwärtigübernehmendieMindestanforderungen andasCreditManagement(MaCM)dieseFunktion.SiesinddurchdieBundesanstaltfür Finanzdienstleistungsaufsicht inspiriert. Als Vorlage dienten die Mindestanforderungen an das Kreditgeschäft der Kreditinstitute, kurz MaK, die die deutschen Kreditinstitute bereits seit Dezember 2002 kennen. Zu diesem Zeitpunkt gab die Bundesanstalt für Fi
G. S. Becker, O. Everling (Hrsg.), Debitorenrating, DOI 10.1007/ 978-3-8349-6377-2_15, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
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Nicole Neumerkel / Jan Schneider-Maessen
nanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die damals neue Anforderungen umfassenden Rah menbedingungenfürdieOrganisationundHandhabungdesKreditgeschäftsbekannt. Ausschlaggebend für die Entwicklung der MaK waren zahlreiche Problemfälle von Ban ken,die,lautPressemitteilungderBaFin,inersterLinieaufdiemangelhafteOrganisation undHandhabungdesKreditgeschäftszurückzuführenwaren.ZudenhäufigstenMängeln gehörtennichtnachvollziehbareKreditentscheidungengenausowieundurchsichtigeKre ditprozesse. Aber auch internationale Initiativen wie die im September 2000vom Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht veröffentlichten „Principles for the Management of Credit Risk“warenfürdieAusarbeitungderMaKmaßgeblich. Nur drei Jahre später, im Dezember 2005, wurden die MaK jedoch durch die nunmehr geltenden Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) ersetzt. Im Mittel punktdieserRichtliniestehtdasRisikomanagementvonBankenundFinanzdienstleistern undderenÜberwachungdurchdieAufsicht.AberauchdiebishergeltendenMindestan forderungen für das Kreditgeschäft (MaK), das Handelsgeschäft (MaH) und die Interne Revision(MaIR)flosseninmodernisierterFormindasneueRegelwerkein. ImHinblickaufdasKreditgeschäftsindunteranderemAnforderungenandieFunktions trennung, die Kreditgewährung und Kreditweiterbearbeitung sowie die Verfahren zur FrüherkennungvonRisikenundzurRisikoklassifizierunggeregelt. BeschäftigtmansichimDetailmitdenMindestanforderungen,diedieBaFinandieKredit institute stellt, so zeigen sich naturgemäß viele Parallelen zu den Prozessen des Credit Managements in Unternehmen. Auch wenn die Unternehmen außerhalb des Bankensek torsdiesenRegelungennichtunterliegen,sotrifftzumindestdieVorschriftdesKonTraG (GesetzzurKontrolleundTransparenzimUnternehmensbereich)aufdiegrößerenKapi talgesellschaftenzu.
Risikofrüherkennungssysteme für große Kapitalgesellschaften Pflicht Kern des KonTraG ist eine Vorschrift, die die Unternehmensleitungen dazu zwingt, ein unternehmensweites Früherkennungssystem für Risiken einzuführen und zu betreiben, sowie Aussagen zu Risiken und Risikostruktur des Unternehmens im Lagebericht des JahresabschlussesderGesellschaftzuveröffentlichen. Neben vielerlei unternehmensspezifischen Risiken besteht eben auch grundsätzlich die Gefahr von Forderungsausfällen und Liquiditätsbelastungen durch verspätete Zahlungs eingänge, die sicherlich ein nennenswertes Risiko darstellen und dem die Unternehmen adäquatzubegegnenhaben.
Mindestanforderungen an das Credit Management AusdiesenGründenhatessichderVereinfürCreditManagement(VfCM)e.V.zurAuf gabegemacht,MindestanforderungenandasunternehmenseigeneCreditManagementzu definieren.Siewurden2006aufdemVfCMBundeskongressinHamburgvorgestellt.
Warum Credit Management?
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DieausgearbeitetenMindestanforderungenuntergliedernsichzunächstinsechsBereiche:
႑Organisation ႑Mitarbeiter ႑Steuerung ႑Prozesse ႑Systeme ႑Auditierung DerBereich„Prozesse“istwiederumindieeinzelnenProzessSchrittewiez.B.Bonitäts prüfungoderKreditlimitierunguntergliedert,unterdenensichdanndieeinzelnenMin destanforderungenandenTeilProzesswiederfinden.
Mindestanforderungen im Bereich Organisation, Mitarbeiter und Steuerung Das Hauptaugenmerk der Mindestanforderungen an die Organisation liegt in der Unab hängigkeit des Credit Managements vom Vertrieb. So dürfen die Mitarbeiter, die für die Bonitätsbeurteilung und überwachung zuständig sind, nicht vertriebsmäßig tätig sein. Gleichwohl muss aber eine aktive Zusammenarbeit der unterschiedlichen am Orderto CashProzessbeteiligtenAbteilungengewährleistetsein. Darüberhinausistesnotwendig,dassdieUnternehmenübereineKreditrichtlinieverfü gen und die entsprechenden Kompetenzen und Befugnisse innerhalb des Kreditvergabe prozessesgeregelthaben. ImBereichderMitarbeitersindinsbesonderedieAnforderungenandiefachlicheQualifika tionsowieandieAusundWeiterbildunggeregelt,währendsichderBereichSteuerungim WesentlichenaufdieSteuerungvonRisikenanhandvonKennzahlen,wiebeispielsweise DaysSalesOutstanding,Overdues,etc.konzentriert. So soll das Unternehmen anhand der eigenen Risikosituation Kennzahlen festlegen, die regelmäßig erhoben und mit Plan und Vergangenheitswerten verglichen werden. Auf diese WeisekönnennegativeTendenzenfrühzeitigerkanntundMaßnahmenzurGegen steuerungergriffenwerden.
Mindestanforderungen an die Prozesse DerGroßteilderMindestanforderungenfindetsichimBereichderProzesse,derwiederum in15Teilbereicheuntergliedertwurde.
႑Prozesseallgemein ႑Bonitätsprüfung ႑Bonitätsüberwachung
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႑Kreditlimitierung ႑Zahlungsbedingungen ႑Forderungssicherung ႑Kundenstammdaten ႑Rechnungserstellung ႑Zahlungsverkehr ႑Mahnwesen ႑Reklamationsmanagement ႑Liefersperren ႑Forderungsbeitreibung ႑Einzelwertberichtigung/Ausbuchung ImallgemeinenBereichsindzumeinendieAnforderungenandieDokumentationderPro zesserundumdieKreditvergabegeregelt,zumanderenwirdzudemgefordert,dassauch dieProzesse,dieaneinenexternenDrittenausgelagertwerden,diejeweiligenMindestan forderungenerfüllen. Bei der Bonitätsprüfung steht im Vordergrund, dass für jeden Kunden, dem ein Lieferan tenkrediteingeräumtwird,eineBonitätsprüfungzuerfolgenhat.Sofernmöglich,solltedie BonitätsprüfungauchbereitsvorderLeistungserbringungabgeschlossensein.DenUnter nehmenstehtdabeiaberfrei,denjeweiligenPrüfungsumfangunddiefürdieBonitätsprü fungheranzuziehendenInformationenzudefinieren.UmfrühzeitigVerschlechterungenin derBonitätbestehenderKundenzuerkennen,müssensieeinerpermanentenBonitätsüber wachungunterliegen.Diesbedeutetinsbesondere,dassdieKundenaufdasAuftretenvon Frühwarnindikatoren,wiez.B.VerschlechterungdesZahlungsverhaltens,überwachtwer denmüssen. Für die Risikoklassifizierung ist es erforderlich, dass im Unternehmen feste Risikoklassen definiert sind und die Zuordnung der Kunden zu den einzelnen Risikoklassen anhand festgelegterKriterienerfolgt.Außerdemsollsichergestelltwerden,dassjederKundeeiner Risikoklassezugeordnetwird. DurchdieKreditlimitierungsollsichergestelltwerden,dassKundennichtunbegrenztWa ren und Dienstleistungen auf Rechnung beziehen können. Daher ist es erforderlich, dass jedemKunden,derLeistungengegenRechnungbezieht,einKreditlimiteingeräumtwird. Den Unternehmen bleibt es dabei überlassen, ob sich das festzulegende Limit allein am akzeptiertenRisikoorientiertoderobderKreditbedarfdesKundenalsKriteriumbeider Limitfestlegung berücksichtigt wird. Übersteigt der Kreditbedarf des Kunden jedoch das akzeptierte Risiko ist sicherzustellen, dass entweder die sich ergebende Differenz durch HereinnahmevonSicherheitenüberbrücktwirdoderdasLimitmaximalinHöhedesak zeptierten Risikos vergeben wird. Darüber hinaus ist vom Unternehmen zu regeln, ob
Warum Credit Management?
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untereinander verbundene Unternehmen/Personen zum Zwecke einer gemeinsamen LimitvergabezueinerKreditnehmereinheitzusammenzufassensind. AberauchdieÜberwachungdervergebenenKreditlimiteaufeventuelleÜberschreitungen ist sicherzustellen. Dabei bleibt es dem Unternehmen vorbehalten, welche weiteren Ge schäftsvorfälle–nebenbereitserbrachtenundggf.berechnetenLeistungen–aufdasKre ditlimit anzurechnen sind. So besteht z.B. die Möglichkeit, strittige Rechnungen bis zur Klärung von der Anrechnung auf das Kreditlimit auszuschließen. Beim Auftreten von LimitüberschreitungensinddannauchgeeigneteMaßnahmenzuergreifen,dievorabvom Unternehmenzudefinierensind.HierbestehtinsbesonderedieMöglichkeit,dieMaßnah menjenachErfüllungbestimmterKriterien,wieanhandderRisikoklasse,zuvariieren. Esistsicherzustellen,dassmitjedemKundenverbindlicheZahlungsbedingungenvereinbart werden,diegenerelloderfallweisejeAuftraggetroffenwerdenkönnen.Dievereinbarten Zahlungsbedingungen müssen dann im weiteren Verlauf kontinuierlich auf ihre Einhal tung überwacht werden. Sofern es zu Zielüberschreitungen kommt, müssen geeignete Maßnahmenergriffenwerden,dievorabvomUnternehmenzudefinierensind.Auchhier besteht die Möglichkeit, die Maßnahmen vom Vorliegen bestimmter Kriterien, wie der Mahnstufe,abhängigzumachen. Das Unternehmen hat festzulegen, welche Sicherheiten standardmäßig zur Forderungssi cherung herangezogen werden können. Vor der Hereinnahme einer entsprechenden Si cherheitistdannzuprüfen,obsiewerthaltigistundmitwelchemBetragderWertange setztwerdenkann.DieserVorgangistauchwährendderLaufzeitderSicherheitinregel mäßigen Abständen zu wiederholen. Es gilt auch, eventuelle Fristen so zu überwachen, dass rechtzeitig vor Ablauf erforderliche Maßnahmen zu Verlängerung oder Erneuerung derSicherheitergriffenwerdenkönnen.VonbesondererWichtigkeitistesauch,dassdas Unternehmen diejenigen Risiken absichert, die im Falle eines Forderungsverlustes die ExistenzdesUnternehmensbedrohenkönnten. DieKundenstammdatenmüssensogepflegtwerden,dasssiestetsaufaktuellemStandsind. Soferntechnischmöglich,solltenauchdiesogenanntenKreditstammdatenwieKreditlimit, Risikoklasse,etc.indenKundenstammdatenhinterlegtwerden. Um die Überwachung der vergebenen Kreditlimite sicherstellen zu können, dürfen nur dannmehrereKontenfüreinenKundenangelegtwerden,wennzwingendeGründedies erfordern.IndiesenFällenistjedochsicherzustellen,dassdieeinzelnenKontenkumuliert betrachtetwerdenkönnen. Die Rechnungserstellung soll möglichst zeitnah und korrekt erfolgen. Um einen sofortigen VerzugbeiNichtzahlungzugewährleisten,istdarüberhinausdassichausdergetroffenen ZahlungsvereinbarungergebeneFälligkeitsdatumaufderRechnungzunennen. ImBereichdesZahlungsverkehrssindvomUnternehmenStandardzahlwegezudefinieren, diemitdenKundenvereinbartwerdenkönnen.EingehendeZahlungensinddannunver züglichzuverbuchen.TretendabeiZahlungsdifferenzenaufoderkönnenZahlungennicht eindeutigzugeordnetwerden,sosinddiesezeitnahzuklären.
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FürdaseigeneMahnwesenistvomUnternehmeneineMahnstrategiezuerstellen,dieAus sagendarübertrifft,wiedieKundenandieZahlungfälligerRechnungenerinnertwerden. Dies umfasst zum einen die Festlegung des Zeitpunktes, an dem das eigene Mahnwesen einsetzt und wie viele Mahnstufen verwendet werden, zum anderen aber auch, mit wel chenMediendieKundenangemahntwerdensollen.DasUnternehmenkannjenachVor liegenbestimmterKriterienauchunterschiedlicheMahnstrategienfestlegen.ImAnschluss an das eigene Mahnwesen muss sichergestellt sein, dass die Forderungen unmittelbar konsequentbeigetriebenwerden.WirddieMöglichkeitgenutzt,KundenoderoffenePos tenvondenMahnaktivitätenauszuschließen,sosindentsprechendeKontrolleneinzurichten. Beim Reklamationsmanagement ist zu beachten, dass die für das Mahnwesen zuständige FunktionstetsüberdiejenigenReklamationeninformiertwird,diezurZahlungsunwillig keiteinesKundengeführthaben.InderFolgeisteserforderlich,dassdieseReklamationen unverzüglichgeklärtwerden,damitdieZahlungswilligkeitdesKundenwiederhergestellt werden kann. Wird jedoch nur ein kleiner Teil einer Rechnung reklamiert, so sollte der unstrittigeBetragvorabvomKundeneingefordertwerden. Um Kunden wirksam von einer Leistungserbringung auszuschließen, müssen entspre chende Liefersperren verhängt werden können. Das Unternehmen hat hierbei zu regeln, welcheFunktiondieabschließendeEntscheidungüberdieErteilungundAufhebungeiner LieferoderKundensperrehat.UmdieVertriebsaktivitätenoptimalgestaltenzukönnen, solltederVertriebstetsüberbestehendeundaufgehobeneLiefersperreninformiertwerden. FürdieeffizienteForderungsbeitreibungisteswichtig,dassnurdiejenigenForderungenins externe Mahnverfahren übergeben werden, die sich wirksam im Verzug befinden und nichtverjährtsind.Umletzteressicherzustellen,sinddieForderungensozuüberwachen, dass bei drohender Verjährung rechtzeitig Maßnahmen zur Fristunterbrechung ergriffen werdenkönnen. Für die Einzelwertberichtigung und Ausbuchung von Forderungen sind vom Unternehmen Kriterien festzulegen, nach denen Forderungen einzelwertberichtigt oder gar ausgebucht werden müssen. Da die Realisierungswahrscheinlichkeit mit zunehmendem Alter der Forderung abnimmt, sind darüber hinaus Altersgrenzen zu definieren, nach deren Errei chenentsprechendeForderungenzumindestanteilsmäßigwertzuberichtigensind.
Mindestanforderungen an Systeme und die Auditierung ImAnschlussandieTeilbereichederProzessesindnocheinigewenigeAnforderungenan denBereichSystemeundAuditgeregelt. Um die Betriebsbereitschaft auch bei Systemausfällen aufrecht erhalten zu können, ist es erforderlich,dassdasUnternehmenNotfallpläneentwickelthat,diedanneintreten,wenn fürdasCreditManagementrelevanteSystemefüreinenlängerenZeitraumnichtzurVer fügungstehen.
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DurchregelmäßigdurchgeführteinterneAuditssollsichergestelltwerden,dassdieProzes se, Regeln und Kompetenzen auf ihre Einhaltung überprüft werden. Um Interessenkon flikte zu vermeiden, sollten die Audits durch eine unabhängige Funktion durchgeführt werden.
Mindestanforderungen als Grundlage für ein Zertifizierungsverfahren MitderErstellungderMaCMistauchdieBasisfürdieEinführungeinesZertifizierungs verfahrensgeschaffenworden,dasvomTÜVRheinlandbegleitetundüberwachtwird.Im RahmeneinerAuditierungdurchexterneDritte(dieMitarbeiterdesTÜVRheinland)kann geprüft werden, ob das Unternehmen die Prozesse im Bereich des Credit Managements aufdemdefiniertenQualitätsniveaustabilbetreibt. Mit erfolgreicher Zertifizierung verfügt das Unternehmen über einen unabhängigen Nachweis, dass ein angemessenes Credit Management betrieben wird. Dieser Nachweis kanndamitauchgegenüberinternenundexternenInteressengruppen,wieShareholdern, Hausbank,etc.erbrachtwerden. DieVorteile,diesichfürdieUnternehmenhierausergebenkönnen,reichenvonderOpti mierungderCreditManagementProzesseüberQualitätssicherungbishinzueinermögli chenVerbesserungvonFinanzierungskonditionen. Neben den sich für die Unternehmen ergebenden Vorteilen ist das Ziel dieser Initiative, deutschlandweit erstmalig einen unternehmensübergreifenden Standard zu setzen, der weiter zur Professionalisierung des Credit Managements in den deutschen Unternehmen beiträgt.
Thema Datenschutz NebendenMaCMhatderVfCMjüngstauchMindestanforderungenandenDatenschutz imCreditManagement(MaDic)veröffentlicht.DieserSchrittistdielogischeKonsequenz wachsender Herausforderungen, die künftig bezüglich dieses Themas auf die Unterneh men zukommen werden. Neue Technologien, Datensicherheit und Datenmissbrauch ma chenLeitlinienwiedieMaDiCerforderlich. InsbesonderedieNovelledesBundesdatenschutzgesetzes(BDSG)haterheblicheAuswir kungen auf den Umgang mit demThemaDatenschutzundbedingteineaktiveundfun dierteAuseinandersetzungmitdiesemwichtigenThemenfeld.
Experten gefragt Doch allein mit den Standards ist es nicht getan: Für die Entwicklung und Implementie rung eines passgenauen und funktionierenden CreditManagementSystems in einem Unternehmen bedarf es speziell ausgebildeter Experten. In Deutschland bildet derzeit ausschließlich der VfCM in Zusammenarbeit mit der Hochschule Bochum den dringend benötigtenNachwuchsanCertifiedCreditManagernaus.
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DieKostenfürdieberufsbegleitendeAusbildungwerdeninderRegelvomUnternehmen getragen, für das der Teilnehmer tätig ist. Dies in der Gewissheit, dass diese Investition sichschnellrechnet.VermitteltwirdpraxisnahesKnowhowaussämtlichenfürdasCredit ManagementrelevantenUnternehmensbereichen. Damit nicht genug: Mitarbeiter aus den Bereichen Forderungsmanagement, Debitoren buchhaltung, Inkasso sowie Finanz und Rechnungswesen mit kaufmännischer Ausbil dung und mindestens einem Jahr Berufserfahrung können sich in Aschaffenburg, Berlin, Bochum,HamburgundIngolstadtzumCertifiedCreditController(CCC)weiterbilden.
Netzwerk Der fachliche Austausch der deutschen CreditManagementExperten findet unter dem Dach des 2002 gegründeten VfCM statt. National ist eine Professionalisierung des unter nehmerischenCreditManagementsdasHauptzieldesVereins.Erorganisiertundfördert mit seinen Partnern aus Wirtschaft und Wissenschaft gezielt Aus und Weiterbildung in diesemBereich.Zudenbundesweitüber800MitgliederndesVereinszählenrenommierte UnternehmenwieBayWa,Sony,Continental,TNTExpressundTotalDeutschlandsowie dieführendenDienstleisterimKreditversicherungsgeschäft.DieMitgliederrepräsentieren einen Jahresumsatz von knapp 600 Milliarden Euro und etwa 900.000 Arbeitsplätze. Der VfCMvertrittdiedeutschenCreditManagerinnerhalbderFederationofEuropeanCredit Management Associations (FECMA) auf europäischer Ebene. Sie zählt rund 15.000 Mit glieder.
Die Herausgeber
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Die Herausgeber GritBeckeristseitdem1.Juli2008GeschäftsführerinderCoface Rating GmbH. Sie arbeitet seit 1992 bei Coface Deutschland. Die Volkswirtin war zuerst Firmenkundenberaterin in Berlin, dann Bankenbeauftragte in Nürnberg. Im Anschluss hieran übernahm sie die Vertriebsleitung für Nürnberg, später für Stuttgart und wurde 2003 Leiterin der Zweigniederlassung in Stuttgart. Die CofaceRatingGmbHmitrund60MitarbeiternerfülltimWesent lichen zwei Aufgaben. Sie ist zuständig für die Informationsbe schaffungfürdeutscheRisiken(InformationLine)derweltweitca. 60 CofaceGesellschaften, sowie operativ für die Business Line Information mit @rating als Kernstück. Die von der Information Line beschafften und aufbereitetenInformationensindGrundlagefürdenKreditprüfungsprozess. Dr. Oliver Everling ist seit 1998 Geschäftsinhaber der Everling Advisory Services (www.everling.de) und Geschäftsführer der RATING EVIDENCE GmbH (www.ratingevidence.com). Seine DiensteumfassenBeratungen,PublikationenundVeranstaltungen zu Ratingfragen. Als Gastprofessor an der Capital University of Economics and Business in Peking (www.cueb.edu.cn), Mitglied von Ratingkommissionen (www.dvfa.de), Mitherausgeber der Zeitschrift „Kredit & Rating Praxis“ (www.krp.ch) und als Chair man der Projektgruppe Rating Services der International OrganizationforStandardization(www.iso.org)isterausunterschiedlichenPerspektiven mitRatingsbefasst.
G. S. Becker, O. Everling (Hrsg.), Debitorenrating, DOI 10.1007/ 978-3-8349-6377-2, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
Die Autoren
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Die Autoren Björn H. Bucher absolvierte nach seinem Studium der Betriebs wirtschaftslehre ein TraineeProgramm bei einem der großen Kreditversicherer. Anschließend war er dort als Firmenkundenbe treuer tätig. Nach seinem Wechsel in die Industrie ist er seit 1996 verantwortlich für Führungs und Koordinationsaufgaben des weltweiten Debitorenmanagements in der Führungsgesellschaft der FreudenbergGruppe (Freudenberg & Co.). Neben diversen Veröffentlichungen zum Thema „Debitorenmanagement“ referiert er regelmäßig zu diesem Thema bei verschiedenen Seminaranbie ternundverfügteübereinenLehrauftraganderCooperativeState University,Karlsruhe.BjörnH.BucheristMitglieddesVereinsfür CreditManagementsowiedesFCIBNACM. RenéDonkoistspezialisierterBeraterfürdasKreditundForde rungsmanagement und bei der SOPLEX Consult GmbH für die Bereiche Consulting und Softwareentwicklung verantwortlich. SeineBeratungsleistungistgeprägtvondenErfahrungenauseiner VielzahlvonProjektenunddemKnowhow,dasersichaufgrund seiner jahrelangen Tätigkeit in kaufmännischen Führungspositio nenunterschiedlichsterBranchenerworbenhat.ImErgebniserhält das Unternehmen praxisgerechte und schnell umsetzbare Lösun gen für ein effizientes Kredit und Forderungsmanagement. Die SOPLEX(www.soplex.de)istalsSoftwareundBeratungsunternehmenaufLösungenfür das moderne Kredit und Forderungsmanagement spezialisiert. Sie ist dabei der kompe tenteAnsprechpartnerfürUnternehmen,dieihreGeschäftsprozessemitSAP®abwickeln. DieSOPLEXbetreutFirmenausrd.40BranchenundihreLösungenlaufenweltweitin38 Ländern.ZuIhrenKundenzählensowohlmittelständischeUnternehmenalsauchglobal tätigeKonzerne. FrankoFaulistinderCofaceRatingGmbHmitverantwortlichfür Entwicklung und Einsatz von Ratingsystemen. Nach Banklehre und abgeschlossenem Studium der Volkswirtschaftslehre trat er 1995 als Underwriter Domestic Business in die heutige Coface Deutschland ein. Es folgten Tätigkeiten als Underwriter in der KonzernzentraleinParissowiealsProjektmanagerfürinternatio nale EDVProjekte. Er absolvierte 2004/2005 eine Weiterbildung zumRatingAnalystenanderFHNürnbergundistseitdeminder Stabsabteilung der Coface Rating GmbH tätig. Die Coface Rating GmbH mit rund 50 Mitarbeitern erfüllt im Wesentlichen zwei
G. S. Becker, O. Everling (Hrsg.), Debitorenrating, DOI 10.1007/ 978-3-8349-6377-2, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
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Die Autoren
Aufgaben. Sie ist zuständig für die Informationsbeschaffung (Information Line) sowie operativfürdieBusinessLineInformationmit@ratingalsKernstück.DievonderInforma tionLinebeschafftenundaufbereitetenInformationensindGrundlagefürdenKreditprü fungsprozess. Dr. Werner Gleißner ist Vorstand der FutureValue Group AG, LeinfeldenEchterdingen und Leiter der Risikoforschung der MarshGmbH,FrankfurtamMain.EristDiplomWirtschaftsinge nieurundhatanderUniversitätKarlsruheinVolkswirtschaftsleh re promoviert. Seine Forschungs und Tätigkeitsschwerpunkte liegen im Bereich Risikomanagement, Rating und Strategieent wicklungsowiederWeiterentwicklungvonMethodenderRisiko aggregation und der wertorientierten Unternehmenssteuerung und im Kapitalanlage und Portfoliomanagement. Als Gründer war er von 2000 bis 2007 Geschäftsführer der RMCE RiskCon GmbH, einer Beratungsgesellschaft mit Schwerpunkt im Bereich Risikomanagement.Seit2004nimmterLehraufträgeanverschiedenenHochschulenwahr, z.B.anderEuropeanBusinessSchool(EBS),derTUDresden,denUniversitätenStuttgart undHohenheim.EristimVorstanddesKrisennavigators(DeutscheGesellschaftfürKri senmanagement e.V.) und im Beirat der Risk Management Association, in der SchmalenbachGesellschaft und im Vorstand des Bundesverbands der Ratinganalysten und Ratingadvisor (BdRA). Dr. Werner Gleißner ist Autor zahlreicher Fachbücher und Artikel. Kontakt:
[email protected], www.FutureValue.de, www.werner gleissner.de MichaelHannig(45)istseitdem01.10.2009VorsitzenderderGe schäftsführungderVoithFinanceGmbHsowiederVoithFinancial ServicesGmbH.ZuvorleiteteeralsSeniorVicePresidentdieKon zernZentralbereiche Corporate Finance/Group Treasury sowie Project and Trade Finance der Voith AG. Michael Hannig kam nach seinem Studium der Wirtschafts und Sozialwissenschaften zu Voith, wo er nach Beendigung seines TraineeProgramms im Bereich Finanzen und Controlling in verschiedenen Finanz Funktionen, mit Schwerpunkt auf dem internationalen Geschäft, tätigwar.DieVoithFinanceGmbHbzw.VoithFinancialServices GmbH sind für sämtliche Finanzangelegenheiten des VoithKon zernszuständigbzw.verantwortlich.MichaelHannigistMitgliedimVDT,VerbandDeut scherTreasurer,sowieimBDIArbeitskreisExportkreditversicherung/Exportfinanzierung. DarüberhinausisterVorsitzenderdesArbeitskreisesExportfinanzierungbeimVDMA.
Die Autoren
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Dr. Ralf Herkenhoff ist seit August 2005 Kaufmännischer Vor stand der Läpple AG, einem Automobilzulieferunternehmen mit rund 700 Mio. EUR Umsatz. Vorher war Herr Dr. Herkenhoff Kaufmännischer Leiter diverser Unternehmen im Bereich von Gesenk und Großschmieden innerhalb der Georgsmarienhütte Unternehmensgruppe. Bianka Heyke begann ihre Karriere bei Deloitte im Jahr 2004. WährendihrerTätigkeitalsPrüfungsassistentinwarsieu.a.inder Prüfung und Beratung von Banken eingesetzt. Seit 2006 ist sie Manager im Bereich Reorganisation Services. Ihre Schwerpunkte liegen in den Tätigkeitsgebieten Corporate Restructuring, Distressed Asset Solutions, Insolvenz Consulting sowie Financial InstitutionRestructuringServices.FrauHeykeistDiplomkauffrau undSparkassenfachwirtin.Kontakt:
[email protected] Peter Karaski ist seit 2007 Bereichsleiter Finanzen der Phoenix Contact GmbH & Co. KG (www.phoenixcontact.com). Hier ver antwortet er die gesamte Bilanzierung und Buchhaltung, das Treasury, steuerliche und gesellschaftsrechtliche Themen, das Risikomanagement sowie das Konzernrechnungswesen. Zuvor war er für die Unternehmensgruppe vier Jahre als Leiter der In ternen Revision weltweit tätig. Von 2001 bis 2003 arbeitete Peter Karaski in der Konzernrevision eines internationalen Touristik konzerns.VorherhatermehrereJahrealsPrüfungsleiterbeieiner der Big Four Wirtschaftsprüfungsgesellschaften Industrieunter nehmen verschiedenster Branchen und Größen geprüft bzw. beraten. Das betriebswirt schaftliche Studium hat er an der Johann Wolfgang Goethe Universität in Frankfurt am Mainabsolviert.SeinberuflicherWerdegangbegann1989mitderAusbildungzumBank kaufmannbeieinemgroßendeutschenKreditinstitutinDüsseldorf.
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Die Autoren
Olaf Keller ist Geschäftsführer der MRC Marsh Risk Consulting GmbH. Er ist Diplomkaufmann (Universität zu Köln) und Versi cherungskaufmann(GerlingKonzern).SeitOktober2001isterbei Marsh in unterschiedlichen Positionen tätig: Risk Consultant, Marsh Risk Consulting, Risk Structurer, Alternative Risikofinan zierung, Europäischer Risikomanager für Procter & Gamble in Belgien,KeyClientExecutiveundHeadofSalesfürinternationale Großunternehmen Deutschland/Österreich. Die Schwerpunkte seiner Beratungstätigkeiten liegen in den Bereichen: Beratung großindustrieller Unternehmen bei unternehmensweiten Risiko analysen sowie der Entwicklung und Implementierung von Risi komanagementSystemen,EntwicklungundUmsetzungalternativerRisikofinanzierungs Konzepte, Betreuung internationaler Konzernkunden, Risikomodellierung, Captive Beratung aus risikotechnischer Sicht und Koordination und Weiterentwicklung europäi scherKFZProgramme.Kontakt:
[email protected] RudolfKeßleristseit1997LeiterderKreditabteilungderBayWa AGMünchen.BereitszuvorwarerindiesemBereichzentralund regionaltätigundunteranderemfürdieQualifizierungvoneige nen Mitarbeitern zu den Aufgaben des Kreditmanagements zu ständig.ImUnternehmenisterseitnahezu45Jahreninverschie denen Bereichen und an unterschiedlichen Orten tätig. Nach der AusbildungzumGroßundAußenhandelskaufmannstudierteer nebenberuflichBetriebswirtschaftmitSchwerpunktFinanzwesen. Im Verein für Credit Management VfCM, Kleve ist Keßler Mit glied des Vorstands und Regionalkoordinator Süd. Er engagiert sichinsbesonderemitregionalenInformationsveranstaltungenundindenQualifizierungs lehrgängenCCM™undCCC™.Seit1998isterHandelsrichteramLandgerichtMünchen undseit2006MitglieddesHandelsausschussesderIHKfürMünchenundOberbayern. Prof.Dr.MichaelListerarbeitetevon1984bis1987ineinerBank, studierte danach bis 1992 BWL an der Uni Münster, promovierte 1996,wurde1998zumAssistenzprofessorernanntundhabilitierte 2002 an der Uni Basel. Von 2003 bis 2008 übernahm er den Lehr stuhl für Finanzen, Banken und Controlling an der WHL Wissen schaftlicheHochschuleLahr,woervon2005bis2008auchProrek torfürForschungwar.Prof.Dr.MichaelListeristseit2008Inhaber derLehrstühleFinanzen,BankenundControllingsowieRealEsta te an der SMI School of Management and Innovation der SHB SteinbeisHochschuleBerlin.GleichzeitigisterakademischerLeiter desCRESCenterforRealEstateStudies.Seit1993isteralsDozent
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undBeraterfürfinanz,bankundimmobilienwirtschaftlichesowiecontrollingspezifische Fragestellungen tätig. Gleichzeitig ist er Autor verschiedener Publikationen, z. B. auch zumKreditrisikomanagement. Roger Mellinghausen kam nach verschiedenen Stationen in der Energiewirtschaft 2002 zur Jungfer Druckerei und Verlag GmbH, ist seit 2007 Gesellschafter und als Prokurist Leiter des Finanzbe reichs.AlsMitglieddesGeschäftsführungskreisesisternebender Erstellung der Jahresabschlüsse für die Überwachung des Debi torenmanagements verantwortlich. Die Jungfer Druckerei und VerlagGmbHhatihrenStandortinHerzbergamHarzunderwirt schaftetdortmit285Mitarbeitern,davon25Auszubildende,rund 100 Mio. € Umsatz im Jahr. Jungfer konzentriertsich auf die Pro duktionvonWerbebeilagen,KatalogensowieZeitschriftenfürMö belhäuser, Bau, Elektronik und Lebensmittelmärkte in ganz Eu ropa. Nicole Neumerkel, CCM, ist seit 2009 als Business Consultant Risk Management bei der accumio finance services GmbH, einer Tochtergesellschaft der SAF Forderungsmanagement GmbH, beschäftigtunddortunteranderemverantwortlichfürdenInsol venzwarnservice. Nach ihrer Ausbildung zur Groß und Außen handelskauffrau war sie zunächst in einem mittelständischen Heizungs und Sanitärgroßhandel als Buchhalterin beschäftigt undübernahmnach2JahrendieLeitungderFinanzbuchhaltung. Im Anschluss daran, begann sie als Credit Controllerin bei einer Tochtergesellschaft eines internationalen Mineralölkonzerns und warzunächstverantwortlichfürdieEinführungeinesintegrierten CreditManagementSystems.ImAugust2000übernahmsiediedannLeitungdesCredit ControllingsundwarunteranderemmitverantwortlichfürdieEinführungeinereuropäi schen Credit Policy. Die DiplomWirtschaftsjuristin (FH) ist weiterhin Mitglied des Vor standsdesVereinCreditManagement(VfCM)e.V.undMitgliedimKuratoriumdesQua lifizierungsprogramms „Certified Credit Manager®“ an der FH Bochum und des „Certi fiedCreditController®“inZusammenarbeitmitdemAGAUnternehmensverband,Ham burg.ImRahmenihrerVereinstätigkeitwarsieverantwortlichfürdieArbeitsgruppezur Erarbeitung der Mindestanforderungen an das Credit Management (MaCM). Außerdem referiert sie auf verschiedenen Kongressen, Seminarveranstaltungen und Unternehmer resp.MitgliedertagungenzumThemaCreditManagement.
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Bernd Oppenländer ist seit 1989 Vorstandssprecher der ZEG ZentraleinkaufHolz+KunststoffeG(www.zegholz.de).Erarbei tetseitdem1.Oktober1984beiderZEG.DerDiplomKaufmann war zuerst Leiter des Rechnungswesens und wurde 1987 zum Vorstand bestellt; 1989 hat er die Sprecherfunktion übernommen. InnerhalbdesVorstandsisterfürdieBereicheSteuerung,ITund Finanzen verantwortlich. Die ZEG als genossenschaftlicher Groß händler des Holz verarbeitenden Handwerks betreibt 12 Nieder lassungen in der Bundesrepublik sowie einen Standort in Stras bourg. Knapp 800 Mitarbeiter bedienen knapp 3.000 Mitglieder sowie weitere 12.000 Kunden mit einer umfassenden Produktpa lette im Lager und Streckengeschäft. Innerhalb des Genossenschaftswesens gehört Herr Oppenländer dem Präsidium des ZGV Zentralverband Gewerblicher Verbundgruppen e.V. an und ist Mitglied der Verbandsrates des DGRV Deutscher Genossenschafts und Raiffeisenverbande.V. JanSchneiderMaessen,CCM,istCreditManagerundVorsitzen derundMitgründerdesseit2002bestehendenVereinsfürCredit Management (VfCM) e.V. In dieser Funktion war er von 2004 bis 2006auchVizepräsidentderFederationofEuropeanCreditMana gement Associations (FECMA). Von 2006 bis 2008 stand er der FECMAalsderenPräsidentvor.DerVfCMvertrittdiedeutschen Credit Manager innerhalb der FECMA auf europäischer Ebene. National ist eine Professionalisierung des unternehmerischen Credit Managements das Hauptziel des Vereins. Er organisiert und fördert mit seinen Partnern aus Wirtschaft und Wissenschaft die Aus und Weiterbildung entsprechender Experten. Zu den bundesweit rund 900 Mitgliedern des Vereins zählen renommierte Unternehmen wie BayWa, Continental und TNT Express sowie die führenden Dienstleister im Kreditversi cherungsgeschäft.DieMitgliederrepräsentiereneinenJahresumsatzvonknapp600Milli ardenEuroundetwa900.000Arbeitsplätze. Götz Schürmann ist seit 2003 Leiter der Abteilung Risk Control lingCreditRatingbeiderSiemensFinancialServicesGmbH(SFS). Er verantwortet dort die Bonitätsanalyse von Kreditnehmern der SFS und von Debitoren/Lieferanten des SiemensKonzerns sowie die Entwicklung von Ratingmethoden. Nach dem Studium der Volkswirtschaftslehre an der Universität Münster begann er 1989 seine Karriere bei der Bayerischen Landesbank für die er im Kre ditbereichab1991mehrereJahreinNewYorktätigwar.Zwischen 1996und1998führteerbeiderLandesbankHessenThüringenein
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TeamfürdasinternationaleKreditgeschäft.1999kamerzurSFSdessenKreditbzw.Risk ManagementFunktionerindenBereichenKreditprozesseundRatingmethodenmaßgeb lichmitaufbaute.AlsBereichdesSiemensKonzernsbietetSiemensFinancialServicesmit rund 1.900 Mitarbeitern eine breite Palette von Finanzlösungen an. Diese reicht von der Absatz und Investitionsfinanzierung über Treasury Services bis hin zum Fondsmanage mentundschließtauchVersicherungslösungenmitein. Michael Stahl ist bei Deloitte seit 2005 im Bereich Corporate Finance (Reorganisation Services) tätig. Während dieser Zeit be gleiteteerzahlreicheFinancialDueDiligences(insb.Finanzinstitu te, Distressed Assets & Real Estate) sowie Finanzrestrukturierun gen und war über ein Jahr als Interimscontroller im Corporate Controlling eines deutschen Chemieunternehmens eingesetzt. Darüber hinaus unterstützte er Mandate in den Bereichen Securitisation und Bankenprüfung. Vor seiner Tätigkeit bei Deloitte absolvierte Herr Stahl verschiedene Praktika bei deut schen Großbanken in den Bereichen Investment Banking und Privat und Geschäftskunden. Neben seinem Universitätsab schluss (Dipl.Kfm.) ist er Chartered Financial Analyst (CFA)Charterholder. Kontakt:
[email protected]