Horst Przuntek z Thomas MuÈller (Hrsg.) Das serotonerge System aus neurologischer und psychiatrischer Sicht
Horst Prz...
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Horst Przuntek z Thomas MuÈller (Hrsg.) Das serotonerge System aus neurologischer und psychiatrischer Sicht
Horst Przuntek ´ Thomas Mçller (Hrsg.)
Das serotonerge System aus neurologischer und psychiatrischer Sicht
STEINKOPFF DARMSTADT
Prof. Dr. Horst Przuntek Prof. Dr. Thomas Mçller Neurologische Klinik der Ruhr-Universitåt Bochum St. Josef-Hospital Gudrunstraûe 56 44791 Bochum
ISBN 3-7985-1499-2 Steinkopff Verlag, Darmstadt Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet çber abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschçtzt. Die dadurch begrçndeten Rechte, insbesondere die der Ûbersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfåltigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfåltigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulåssig. Sie ist grundsåtzlich vergçtungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Steinkopff Verlag Darmstadt ein Unternehmen von Springer Science+Business Media www.steinkopff.springer.de ° Steinkopff Verlag Darmstadt 2005 Printed in Germany Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wåren und daher von jedermann benutzt werden dçrften. Produkthaftung: Fçr Angaben çber Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewåhr çbernommen werden. Derartige Angaben mçssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit çberprçft werden. Reaktion: Dr. Maria Magdalene Nabbe, Jutta Salzmann Umschlaggestaltung: Erich Kirchner, Heidelberg Satz: K+V Fotosatz GmbH, Beerfelden SPIN 11377481
80/7231-5 4 3 2 1 0 ± Gedruckt auf såurefreiem Papier
Vorwort
Dieses 2003 in Bukarest veranstaltete Symposium soll die verschiedenen Facetten der serotonergen Neurotransmission interdisziplinår bei psychiatrischen und neurologischen Erkrankungen widerspiegeln. Alle Teilnehmer konnten neue Erkenntnisse aus den unterschiedlichen Vortrågen gewinnen, was durch dieses Buch weitervermittelt werden soll. In den lebhaften Diskussionen reifte die Erkenntnis, dass Neurologie, Psychiatrie und Innere Medizin sehr eng kooperieren mçssen, da sich diese Disziplinen erheblich çberschneiden. Dies zeigt sich auch bei der Beleuchtung des serotonergen Systems, das peripher und zentral bei physiologischen Regulationsvorgången und bei der Manifestation krankhafter Prozesse immer wieder mehr oder weniger stark involviert ist. Neben der daraus resultierenden Erweiterung des Horizonts lassen sich die in den verschiedenen Fachdisziplinen gewonnenen Erkenntnisse ± oft çber letztendlich immer wieder synchron ablaufende Prozesse im Kærper ± im Sinne eines ganzheitlichen Therapieansatzes bçndeln und optimieren. Deshalb ist die zunehmende Spezialisierung und Trennung der einzelnen medizinischen Disziplinen, z. B. Psychiatrie, Neurologie und Geriatrie, nicht unbedingt vorteilhaft; sie sollte eher einer neurobiologischen Gesamtsichtweise auf Kærper, Gehirn und Psyche weichen. Wir danken der Firma Lundbeck und hier insbesondere Herrn Dr. Sgonina und Herrn Lappan, ohne deren unermçdliches persænliches Engagement dieses gelungene Symposium und das jetzt vorliegende Buch nicht mæglich gewesen wåren. Bochum, im Februar 2005
Horst Przuntek Thomas Mçller
Inhaltsverzeichnis
Die Lust am serotonergen System A. Rodenbeck, G. Hçther, E. Rçther . . . . . . . . . . . . . .
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Zentrales Serotoninsystem und Serotonin-Neurotoxine L. Lachenmayer, H. G. Baumgarten . . . . . . . . . . . . . . . .
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Serotonergic neurotoxicity ± the example MDMA A. G. Ludolph, A. C. Ludolph . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Das serotonerge System und Kognition D. Jokisch, C. Bellebaum, I. Daum . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Serotonin, Kognition, Demenz H. Færstl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Serotonerges System und Halluzinationen ± Das Beispiel der Parkinson-Halluzinose D. Kæmpf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Serotonerge Dysfunktionen bei Patienten mit Alkoholabhångigkeit A. Heinz, A. Bartholomå, H. Witthaus, F. Forstreuter, G. Juckel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Serotonin und chronische Mçdigkeit T. Mçller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Suizidalitåt und das serotonerge System M. Wolfersdorf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Autorenverzeichnis
Andrea Bartholomå Charit ± Universitåtsmedizin Berlin Campus Charit Mitte Klinik fçr Psychiatrie und Psychotherapie Schumannstraûe 20/21 10117 Berlin
Prof. Dr. Hans Færstl Klinik und Poliklinik fçr Psychiatrie und Psychotherapie Klinikum rechts der Isar der TUM Ismaninger Straûe 22 81675 Mçnchen
Prof. Dr. Hans-Georg Baumgarten Freie Universitåt Berlin Institut fçr Anatomie Kænigin-Luise-Straûe 15 14195 Berlin
Frank Forstreuter Charit ± Universitåtsmedizin Berlin Campus Charit Mitte Klinik fçr Psychiatrie und Psychotherapie Schumannstraûe 20/21 10117 Berlin
Dipl.-Psych. Christian Bellebaum Institut fçr Kognitive Neurowissenschaft Abteilung Neuropsychologie Ruhr-Universitåt Bochum Universitåtsstraûe 150 44780 Bochum Prof. Dr. Irene Daum Institut fçr Kognitive Neurowissenschaft Abteilung Neuropsychologie Ruhr-Universitåt Bochum Universitåtsstraûe 150 44780 Bochum
Prof. Dr. Andreas Heinz Charit ± Universitåtsmedizin Berlin Campus Charit Mitte Klinik fçr Psychiatrie und Psychotherapie Schumannstraûe 20/21 10117 Berlin Prof. Dr. Gerald Hçther Klinik fçr Psychiatrie und Psychotherapie Georg-August-Universitåt Gættingen Von-Siebold-Straûe 5 37075 Gættingen
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Autorenverzeichnis
Dr. Daniel Jokisch Institut fçr Kognitive Neurowissenschaft Abteilung Neuropsychologie Ruhr-Universitåt Bochum Universitåtsstraûe 150 44780 Bochum Priv.-Doz. Dr. Georg Juckel Charit ± Universitåtsmedizin Berlin Campus Charit Mitte Klinik fçr Psychiatrie und Psychotherapie Schumannstraûe 20/21 10117 Berlin Prof. Dr. Detlef Kæmpf Klinik fçr Neurologie Universitåtsklinikum Schleswig-Holstein Campus Lçbeck Ratzeburger Allee 160 23538 Lçbeck Prof. Dr. Lutz Lachenmayer Allgemeines Krankenhaus Barmbek Neurologische Abteilung Rçbenkamp 148 22291 Hamburg Prof. Dr. Albert C. Ludolph Universitåtsklinikum Ulm Abteilung fçr Neurologie Rehabilitationskrankenhaus Ulm Oberer Eselsberg 45 89081 Ulm Dr. Andrea G. Ludolph Universitåtsklinik fçr Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie Steinhævelstraûe 5 89075 Ulm
Prof. Dr. Thomas Mçller Neurologische Klinik St. Josef-Hospital Ruhr-Universitåt Bochum Gudrunstraûe 56 44791 Bochum Priv.-Doz. Dr. Andrea Rodenbeck Klinik fçr Psychiatrie und Psychotherapie Georg-August-Universitåt Gættingen Von-Siebold-Straûe 5 37075 Gættingen Prof. Dr. Eckart Rçther Klinik fçr Psychiatrie und Psychotherapie Georg-August-Universitåt Gættingen Von-Siebold-Straûe 5 37075 Gættingen Henning Witthaus Charit ± Universitåtsmedizin Berlin Campus Charit Mitte Klinik fçr Psychiatrie und Psychotherapie Schumannstraûe 20/21 10117 Berlin Prof. Dr. Manfred Wolfersdorf Klinik fçr Psychiatrie und Psychotherapie Depressionszentrum Bezirkskrankenhaus Bayreuth Nordring 2 95445 Bayreuth
Die Lust am serotonergen System A. Rodenbeck, G. Hçther, E. Rçther
z Einfçhrung in die Funktionsweise des serotonergen Systems Serotonin bekam seinen Namen erst nach einem långeren Verwirrspiel. Rapport hatte die vasokonstriktorische Wirkung dieser Substanz als Erster entdeckt und sie deshalb ¹Serotoninª genannt (obwohl wir heute wissen, dass sie auch eine vasodilatatorische Wirkung hat). Sein Kontrahent, Erspamer, hatte die Substanz jedoch schon sehr viel frçher aus dem Darm isoliert und sie deshalb Enteramin genannt (was zutreffender war, da Serotonin zu çber 90% von den enterochromaffinen Zellen des Darms gebildet wird). Erst Jahre spåter merkten die Chemiker, dass es sich in beiden Fållen um ein und dieselbe Verbindung, 5-Hydroxytryptamin (5-HT), handelte. Lustvoll wurde die Serotoninforschung erst viel spåter, als nåmlich die halluzinogenen Wirkungen des LSD auf dessen Serotonin-agonistische Wirkung zurçckgefçhrt werden konnten, und als deutlich wurde, dass auch die stimmungsveråndernden Effekte der substituierten Amphetamine wie MDMA (¹Ecstasyª) auf deren Fåhigkeit beruhten, das in den Speichervesikeln serotonerger Pråsynapsen enthaltene Serotonin freizusetzen. Als die stimmungsaufhellenden antidepressiven Wirkungen der Serotonin-Wiederaufnahmehemmer bekannt und zur Therapie einer Vielzahl angstmediierter psychiatrischer Stærungen erfolgreich eingesetzt wurden, begann die Serotoninforschung auch fçr all jene lustvoll zu werden, die durch den Verkauf dieser Substanzen Geld verdienten. Nach inoffiziellen Schåtzungen nehmen inzwischen 35 Mio. US-Amerikaner regelmåûig Serotonin-Wiederaufnahmehemmer ein, um ihre (schlechte) Stimmung aufzubessern. Heute wissen wir, dass Serotonin an den Fortsåtzen eines weit ausgebreiteten Transmittersystems freigesetzt wird, das global-modulatorische Wirkungen besitzt und dessen Aktivitåt praktisch jeden Lebensbereich, wie z. B. Stimmung, Aggressivitåt, Ess- und Schlaf-Wach-Verhalten beeinflusst. Die serotonergen Neurone der Raphe-Kerne werden frçh in der Hirnentwicklung angelegt und innervieren mit ihren auswachsenden Axonen die sich noch ausdifferenzierenden distalen Zielgebiete. Die in den Raphe-Kernen im Mittelhirn lokalisierten Perikaryen besitzen lange und stark verzweigte Axone, die alle Bereiche des ZNS vom frontalen Kortex bis zum kaudalen Rçckenmark erreichen. Gleichzeitig verfçgt das serotonerge System çber eine enorme Vielfalt postsynaptisch exprimierter Rezeptoren mit unterschiedlichen Bindungseigenschaften, unterschiedlichen Verteilungs-
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mustern und unterschiedlichen Wirkungen auf die postsynaptischen Zellen. Nur ein Teil der serotonergen Nervenendigungen bildet klassische Synapsen aus, der weitaus græûere Teil endet frei im Parenchym und entlåsst Serotonin in den extrazellulåren Raum. Damit werden vor allem von den Astrozyten exprimierte Rezeptoren aktiviert und so die Synthese und Freisetzung von astrozytåren neurotrophen Faktoren stimuliert. Im Vergleich zu anderen Neurotransmittersystemen verfçgt das serotonerge System çber das græûte Spektrum an Mæglichkeiten zur Beeinflussung der neuronalen Aktivitåt in råumlich weit verteilten lokalen Netzwerken. Gleichzeitig ist das serotonerge System ein tonisches System, d. h. es feuert wåhrend des Wachens mit stets gleich bleibender Frequenz, unabhångig von inneren oder åuûeren Faktoren wie z. B. Stress, sensorische Stimulation, Hypoglykåmie oder Hyperthermie. Die Feuerungsrate kann lediglich çber die pråsynaptischen 5-HT1A-Rezeptoren beeinflusst werden, die Serotoninfreisetzung in den Projektionsgebieten låsst sich jedoch durch die Aktivierung unterschiedlicher pråsynaptischer Heterorezeptoren modulieren. Mit seiner konstant bleibenden Entladungsfrequenz bei hoher Innervationsdichte in allen Gebieten des ZNS ist das serotonerge System in der Lage, die Aktivitåt nachgeschalteter neuronaler Netzwerke zu beeinflussen und die dort angelegten synaptischen Verschaltungen zu stabilisieren. Die Bedeutung der stabilisierenden Funktion des serotonergen Systems auf neuronale Netzwerke låsst sich eindrucksvoll durch die tierexperimentelle Låsion serotonerger Eingånge demonstrieren. Im Kortex fçhrt eine serotonerge Denervierung zu einer bis zu 50%igen Reduktion der synaptischen Dichte. Die strukturelle Plastizitåt des serotonergen Systems bleibt auch im adulten Gehirn erhalten. Nach chemischen oder mikrochirurgischen Låsionen der serotonergen Projektionen kommt es zu z. T. çberschieûendem Wiederauswachsen (collateral sprouting) und zur verstårkten Synaptoneogenese von serotonergen Axonen in den betroffenen Regionen, wobei die neu entstandenen Verbindungen funktionell aktiv sind. Werden durch lokale Låsionen der serotonergen Innervation einzelne funktionelle Netzwerke, etwa der Bulbus olfactorius, der integrativen globalen Kontrolle durch das serotonerge System entzogen, so sind ausgeprågte Ønderungen des Verhaltens, der neuroendokrinen Regulation und der Steuerung peripherer Systeme die Folge. Offenbar ist weniger die Aktivitåt des serotonergen Systems per se, sondern vielmehr der balancierte Einfluss dieses Systems auf råumlich getrennte lokale Netzwerke fçr die Koordination und Integration zentralnervæser Leistungen von Bedeutung. Die prinzipiellen Funktionen des serotonergen Systems bestehen daher in z der Stimulation der Synthese und Sekretion von astrozytåren neurotrophen Faktoren, z der Stabilisierung bereits angelegter synaptischer Verschaltungen bzw. in der strukturellen Plastizitåt des serotonergen Systems selbst und z der kooperativen Integration der Aktivitåt råumlich getrennter lokaler neuronaler Netzwerke.
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Diese prinzipiellen Funktionen des serotonergen Systems erklåren auch, warum ganz unterschiedliche Verhaltensweisen und Emotionen durch ein einziges Neurotransmittersystem beeinflusst werden kænnen, weshalb sich akute von chronischen Effekten unterscheiden, warum sehr unterschiedliche psychische Stærungen mit gleichen Medikamenten therapiert werden kænnen oder warum die direkten oder indirekten 5-HT-Rezeptoragonisten oder -antagonisten ihre antidepressive Wirkungen erst dann besonders sichtbar entfalten, wenn die Balance der Aktivitåt verschiedener lokaler Netzwerke gestært ist. Nach der akuten Verabreichung von Serotonin-Wiederaufnahmehemmern fçhrt der Anstieg des extrazellulåren Serotoninspiegels im Bereich der Raphe-Kerne zur Aktivierung der somatodendritischen 5-HT1A-Rezeptoren. Somit wird die Feuerungsrate serotonerger Neurone zunåchst reduziert und die impulsgetriggerte Freisetzung von Serotonin vermindert. Erst die långerfristige Gabe fçhrt zu einer Herabregulierung der Dichte dieser Autorezeptoren und zu einer zunehmenden Aufhebung der Eigenhemmung. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sich die therapeutische Wirksamkeit dieser Substanzen, unabhångig von der Beteiligung spezifischer Rezeptortypen, çber die strukturelle Plastizitåt des serotonergen Systems und dessen stabilisierende Wirkung auf bereits bestehende synaptische Verbindungen entfaltet. Die Interaktionen des serotonergen Systems mit anderen Transmittersystemen wurden bisher nur wenig beachtet und auch genetische Einflçsse erklåren nur einen geringen Teil der natçrlichen Varianz. Gleichzeitig bleibt unklar, ob das serotonerge System von Patienten, deren Symptomatik erfolgreich mit serotonerg wirksamen Substanzen behandelbar ist, çberhaupt in seinen funktionellen Wirkungen veråndert ist, oder ob eine solche Verånderung primår an der Manifestation des Erkrankungsbildes beteiligt ist oder als sekundåres Phånomen betrachtet werden muss. Die prinzipiellen Funktionen des serotonergen Systems sollten uns daher weniger zu einer Suche nach spezifischen Wirkungen der verschiedenen Rezeptorsubtypen verleiten, sondern vielmehr zur Entwicklung von Strategien fçhren, die diese Funktionen, insbesondere eine verbesserte Serotonin-mediierte Synchronisierung und Harmonisierung einzelner lokaler neuronaler Netzwerke, therapeutisch nutzbar machen. Die Betrachtung serotonerger Wirkungen unter basalen Bedingungen, d. h. zunåchst einmal ohne den Einfluss manifester psychischer Stærungen, ist dazu ein erster Schritt.
z Begeisterung durch Serotonin: Ecstasy ¹Ecstasyª ist eine Szenebezeichnung fçr bewusstseinsveråndernde Substanzen (Psychedelika, Entaktogene) mit einem sehr åhnlichen Wirkungsspektrum. Chemisch handelt es sich hierbei um substituierte Amphetamine, insbesondere 3,4-Methylendioxymethamphetamin (MDMA, ¹Ecstasyª, ¹XTCª, ¹Eª, ¹adamª), Methylendioxyethylamphetamin (MDE, ¹eveª) und Methylen-
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dioxyamphetamin (MDA). Diese Substanzen werden çber den Serotonintransporter selektiv in serotonerge Pråsynapsen aufgenommen, verdrången Serotonin aus seinen vesikulåren Speichern und hemmen den Abbau von Serotonin durch die Monoaminooxidase. Die daraus resultierende massive Serotoninfreisetzung fçhrt zu einer generellen Verstårkung Serotonin-mediierter Einflçsse auf zentralnervæse Verarbeitungsprozesse. Es kommt unter dieser Bedingung zu einer extrem gesteigerten Harmonisierung der normalerweise sehr unterschiedlichen Aktivitåten in råumlich getrennten neuralen Netzen des ZNS. Auf psychischer Ebene åuûert sich dieser Effekt als eine åuûerst positiv empfundene Verånderung der allgemeinen Stimmungslage (euphorische-empathische Gefçhle, verstårkte Offenheit, emotionale Stabilisierung). Diese erlebte Wirkung bildet die Grundlage fçr die Ausbildung einer psychischen Abhångigkeit. Die fçr diese Wirkung verantwortliche massive Serotoninausschçttung kann unter bestimmten Umstånden aber auch zum Untergang der betroffenen serotonergen Pråsynapsen, insbesondere in den distalen Projektionsgebieten der Raphe-Neurone, fçhren. Verantwortlich hierfçr ist eine durch die Drogen ausgelæste fatale Reaktionskette. Die in die vesikulåren Speicher der serotonergen Pråsynapsen aufgenommenen substituierten Amphetamine verhindern die erfolgreiche Abspeicherung des ausgeschçtteten Serotonins. Die serotonergen Nervenendigungen verbrauchen deshalb sehr viel Energie beim vergeblichen Versuch, ihren Transmitter wieder vesikulår abzuspeichern. Es kommt so zu einer bedrohlichen Verarmung der pråsynaptischen Energie(ATP, Glukose)-Reserven. Gleichzeitig læsen diese Drogen çber das von ihnen freigesetzte Serotonin sowie durch die zusåtzliche Freisetzung von Katecholaminen eine Reihe von systemischen Reaktionen aus, die alle dazu beitragen, die ohnehin schon problematische Energieversorgung in den serotonergen Pråsynapsen weiter zu verschlechtern. Durch die Verengung der Blutgefåûe im Gehirn wird ihre Versorgung mit Glukose und Sauerstoff verringert. Der Anstieg der Kærpertemperatur kann nur unter groûem Energieverbrauch gedrosselt werden und der erforderliche Wårmeaustausch funktioniert um so schlechter, je wårmer es in einer Diskothek ist und je weniger getrunken wird, um den Flçssigkeitsverlust durch Schwitzen auszugleichen. Die durch die Drogen ausgelæste z.T. extreme kærperliche Aktivitåt beim Tanzen verstårkt diese Aufheizung und vergeudet die letzten noch vorhandenen Energiereserven. So kænnen immer weniger Ausgangsstoffe fçr die Energiegewinnung im Gehirn bereitgestellt werden, und die serotonergen Nervenendigungen sind çber kurz oder lang nicht mehr in der Lage, die fçr die Erhaltung ihrer Integritåt erforderlichen Energietråger herzustellen. Sie degenerieren nicht deshalb, weil sie durch die Droge vergiftet werden, sondern weil ihnen aufgrund der durch die Drogen im ganzen Kærper ausgelæsten Energieverschwendung der fçr ihren vermehrten Energieverbrauch erforderliche Nachschub ausgeht. Aus diesem Grund fçhrt die direkte Injektion dieser Substanzen in das Gehirn auch nicht zur Zerstærung der serotonergen Nervenendigungen. Da die systemischen Reaktionen letztlich fçr ihren Untergang verantwortlich sind,
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låsst sich aus deren Intensitåt auch das Ausmaû der Schådigung serotonerger Nervenendigungen nach der Einnahme einer bestimmten Menge MDMA durch eine bestimmte Person abschåtzen. Fçr die Konsumenten besonders fatal ist der Umstand, dass die noch einigermaûen ¹sichereª Dosierung fçr den Einzelnen nicht vorhersagbar ist. Es muss mit einer erheblichen interindividuellen genetischen Variabilitåt der systemischen und neurotoxischen Wirkungen substituierter Amphetamine gerechnet werden. Hinzu kommt noch, dass die aktuelle Verfassung des Einzelnen (sein Gesundheitszustand, seine Ernåhrungslage etc.) sowie die jeweils herrschenden åuûeren Bedingungen (die Raumtemperatur, die Flçssigkeitszufuhr, die Musik als Stimulanz fçr kærperliche Anstrengung etc.) bei ein und derselben Dosierung zu unterschiedlich starken systemischen Reaktionen und damit neurotoxischen Wirkungen fçhren kann. Immer mehr Jugendliche scheinen somit auf ihrer Suche nach Harmonie und einem kurzen Glçcksgefçhl genau das System in ihrem Gehirn zu zerstæren, das fçr die Generierung dieser Empfindungen notwendig ist. Die psychischen Auswirkungen sind im Einzelfall schwer abschåtzbar. Durch den Verlust des serotonergen ¹Puffersystemsª wåre eine Akzentuierung bestimmter psychischer Anlagen und Grundstrukturen zu erwarten, die als anhaltende Verånderungen bestimmter Persænlichkeitsmerkmale zutage tritt. In Abhångigkeit von der individuellen Prådisposition kann es daher zur Manifestation atypischer Psychosen (Affektverflachung, Kontaktstærung, Denkstærungen), paranoider Psychosen (Verfolgungswahn, Beziehungswahn), depressiver Syndrome, zu Angst- und Panikerkrankungen, Depersonalisationssyndromen, verschiedenartigsten Verhaltensauffålligkeiten, Schlafstærungen und generellem Antriebsverlust kommen.
z Glçcklich durch Serotonin: Kohlenhydrate und Fett Serotonin kann im Gehirn nur aus seinem Pråkursor Tryptophan synthetisiert werden. Tryptophan wiederum ist eine essenzielle Aminosåure, die dem Kærper entsprechend von auûen zugefçhrt werden muss. Serotonin selbst ist zwar in Lebensmitteln wie z. B. Tomaten enthalten, kann aber die Blut-Hirn-Schranke nicht passieren. Die Menge an Tryptophan, die fçr die Serotoninsynthese zur Verfçgung steht, wird durch zwei wesentliche Mechanismen beeinflusst: Zum einen ist Tryptophan im Plasma an Albumin gebunden und kann in dieser gebundenen Form die Blut-Hirn-Schranke ebenfalls nicht passieren. Zum anderen erfolgt die Aufnahme in die Neurone durch einen Aminosåuretransporter, um dessen Bindungsstellen alle groûen neutralen Aminosåuren, einschlieûlich des Tryptophans, miteinander konkurrieren. Diese Mechanismen kænnen durch Ernåhrungsfaktoren beeinflusst werden. Freie Fettsåuren verdrången das Tryptophan aus seiner Albuminbindung. Kohlenhydrate bewirken çber eine verstårkte Insulinsekretion eine Aufnahme der groûen neutralen Aminosåuren ± mit Ausnahme des Trypto-
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phans ± in die Muskulatur und damit eine hæhere Aufnahme von Tryptophan am Transporter (s. Abb. 1). Unabhångig von allen anderen Inhaltsstoffen sind dies die Hauptmechanismen, die der eher populårwissenschaftlichen Schlagzeile ¹Schokolade macht glçcklichª zugrunde liegen. Viele Beobachtungen und wissenschaftliche Untersuchungen zeigen einen mehr oder weniger engen Zusammenhang zwischen der Zufuhr von Kohlenhydraten und der Stimmungslage. Die stimmungsaufhellende Wirkung einer gesteigerten Kohlenhydratzufuhr ist abhångig vom Ausgangszustand des Einzelnen: Dient eine kohlenhydratreiche Mahlzeit nur dem Zweck einer schnellen Energiezufuhr, so finden sich praktisch keine Effekte auf die Stimmung oder die Leistung. Wichtige Faktoren sind dagegen Angst, Unsicherheit und Stress, also Reaktionen, die zu Stærungen des regionalen Gleichgewichts zwischen den verschiedenen neuronalen Netzwerken innerhalb des Gehirns fçhren kænnen. Unter diesen Bedingungen ist die Versuchung einer gesteigerten Kohlenhydrat- oder Fettzufuhr besonders groû, es entsteht ein Heiûhunger auf Sçûes. So wåhlen Versuchspersonen nach der Beendigung einer experimentell erzeugten Stressbelastung vermehrt kohlenhydratreiche Nahrungsmittel aus bzw. essen mehr Sçûes. Umgekehrt kann bei stressempfindlichen Personen der stressinduzierte Anstieg depressiver Symptome bzw. die Stimmungsverschlechterung nach Stress durch den vorhergehenden Genuss von Sçûigkeiten oder kohlenhydratreiche Mahlzeiten vermindert werden. Ernåhrung kann aber auch einen Abfall der Tryptophankonzentration zur Folge haben. Beispielsweise bewirkt eine 10-tågige Tryptophan-arme Diåt eine Verminderung der Tryptophan-Plasmakonzentration um 15±20%. Eine relative Tryptophanverarmung kann insbesondere bei Veganern recht schnell erreicht werden, wenn neben deren prinzipiellem Verzicht auf Fleisch, Eier und Milchprodukte die Nahrung zudem wenig Hçlsenfrçchte, Tofu oder Getreideprodukte enthålt. Experimentell fållt nach der Verabreichung eines Aminosåuretrunks ohne Tryptophan (Tryptophandepletion) als Mahlzeitersatz die Tryptophankonzentration nicht nur im Plasma, sondern nach etwa acht Stunden auch im Liquor um ca. 90% ab und die Serotoninsynthese reduziert sich um 90±95%. Diese Effekte sind geschlechtsspezifisch: Die Reduktion der Tryptophan-Plasmakonzentration ist nach einer Tryptophan-armen Diåt bei Frauen stårker ausgeprågt. Zudem weisen Månner im Vergleich zu Frauen nach einer Tryptophandepletion eine um 50% hæhere Serotoninsyntheserate auf, was wiederum auf die unterschiedlichen Tryptophan-Plasmakonzentrationen zurçckgefçhrt wird. Zahlreiche Arbeiten beschreiben zudem, dass die stimmungsverschlechternden Effekte einer Tryptophandepletion sich bei Patienten mit zumindest einem erhæhten Risiko fçr psychische Stærungen zeigen, besonders aber bei Frauen. Insgesamt scheinen Frauen daher empfindlicher auf Verånderungen der Nahrungszusammensetzung zu reagieren als Månner. Dramatische Auswirkungen hat die Regulation des serotonergen Systems durch die Ernåhrung bei adipæsen Menschen. Hier ist das Verhåltnis von Tryptophan zu den anderen groûen neutralen Aminosåuren signifikant ver-
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mindert, d. h. es liegt eine relative Tryptophanarmut vor. Diese Verånderung bleibt auch nach erheblicher Gewichtsreduktion bestehen (s. Abb. 1). Als mæglicher Grund ist eine Insulinresistenz zu diskutieren. Bei den Betroffenen fçhrt die relative Tryptophanarmut dazu, dass sie versuchen, dieses Defizit durch eine verstårkte Zufuhr von Fetten und/oder Kohlenhydraten zu kompensieren. Dabei geraten sie in einen Teufelskreis aus Adipositas, metabolischen und endokrinen Verånderungen, verminderter Serotoninsynthese und einer eigentlich kontraindizierten erhæhten Nahrungszufuhr.
z Freude am Verzicht: Fasten Aus Tierversuchen ist schon seit långerem bekannt, dass es bei kurzzeitiger Nahrungskarenz zu einer erhæhten Tryptophanverfçgbarkeit im Gehirn und daher zu einer gesteigerten Serotoninsynthese und -freisetzung durch serotonerge Pråsynapsen kommt. Noch interessanter ist ein zweiter Effekt auf das serotonerge System, der erst nach einigen Tagen eintritt: Nahrungsrestriktion vermindert die Anzahl von Serotonintransportern in den Nervenendigungen serotonerger Neurone. Wenn Ratten nur die Hålfte ihrer normalerweise tåglich aufgenommenen Futtermenge bekommen, fçhrt diese restriktive Ernåhrung (die mit einer 10±20%igen Gewichtsreduktion einhergeht) nach einer Woche zu einer deutlichen Verringerung der Dichte von Serotonintransportern im Kortex. Nach vierzehntågiger Nahrungsrestriktion ist dieser Effekt noch ausgeprågter. Aufgrund der verringerten Serotonintransporterdichte im Kortex kommt es zu einer permanent verminderten Effizienz der Wiederaufnahme des freigesetzten Transmitters. Die erhæhte Konzentration und långere Verweildauer von Serotonin im extrazellulåren Raum (s. Abb. 1) ermæglicht eine långer andauernde und weiter reichende Wirkung dieses Transmitters und Neuromodulators auf nachgeschaltete neuronale oder gliale Zellen. Durch die zusåtzlich bei restriktiver Ernåhrung gesteigerte Serotoninsynthese und -freisetzung wird die extrazellulåre Konzentration des Serotonins und damit die Dauer und der Radius der Transmitterwirkung in noch stårkerem Ausmaû als durch die Einnahme selektiver Wiederaufnahmehemmer erhæht. Die psychischen Effekte des Fastens sind ebenso beeindruckend wie altbekannt, aber bis vor kurzem nur eher anekdotisch beschrieben. Zunåchst beherrscht das Hungergefçhl und das damit verbundene Unbehagen die Stimmung des Fastenden. Dieses starke Hungergefçhl verschwindet jedoch nach einigen Tagen; es folgt eine durch Nahrungsrestriktion ausgelæste Anorexie. Jetzt kommt der stimmungsstabilisierende und spannungslæsende Effekt des Fastens zum Tragen. In vielen Kulturen wird das Fasten zur Erlangung transzendentaler Bewusstseinszustånde im Rahmen religiæser oder spiritueller Handlungen eingesetzt. Selbst religiæse Gebråuche wie unsere voræsterliche Fastenperiode oder der islamische Ramadan scheinen auf der empirischen Erfahrung dieser biologischen Effekte zu beruhen. Das Fasten
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wurde aber auch von verschiedenen medizinischen Schulen zu Heilzwecken benutzt. Schon im vierten Jahrhundert v. Chr., zur Zeit des Hippokrates, begann man, das Fasten zur Therapie kærperlicher und geistiger Erkrankungen einzusetzen. Heute wird es verstårkt im Rahmen der Ganzheitsmedizin, z. B. in Fastenkliniken, angewendet. Nach zwei oder drei freiwilligen Fastentagen, also etwa dann, wenn sich auch bei Versuchstieren die Herabregulation der Dichte von Serotonintransportern beobachten låsst, schwindet bei den meisten Menschen das Hungergefçhl. Am Ende einer einwæchigen Fastenperiode sind emotionale Ausgeglichenheit, Konzentrationsfåhigkeit sowie Schlafdauer und -qualitåt signifikant verbessert. Ein Fasten mit dem primåren Ziel der Gewichtsreduktion bei Adipæsen fçhrt dagegen zu einer psychischen Belastung und zu einem Anstieg der neuroendokrinen Stressparameter. Die positiven Effekte einer zeitlich begrenzten Fastenperiode kænnen also hauptsåchlich von zumindest normalgewichtigen, nicht jedoch von adipæsen Personen wahrgenommen werden. Die bei långer andauernder Nahrungsrestriktion auftretende permanente Herabregulation der Serotonintransporter, die daraus resultierende Stimulation serotonerger Aktivitåt und ihre subjektiv erlebten psychischen Auswirkungen bieten eine mægliche Erklårung fçr die Entstehung von Essstærungen. Da die Herabregulation der Serotonintransporter durch Nahrungsrestriktion zumindest tierexperimentell bei jugendlichen Tieren besonders gut auslæsbar ist und das çber die Medien verbreitete Idealbild von ¹schænen = schlankenª Menschen besonders junge Frauen zum Fasten motiviert, ist die hohe Pråvalenz von Essstærungen in diesem Bevælkerungssegment wenig erstaunlich. Patientinnen mit Anorexie weisen im Blut eine im Vergleich zu den konkurrierenden groûen neutralen Aminosåuren erhæhte Tryptophankonzentration auf. Dieses Ungleichgewicht bleibt auch nach erfolgreicher Therapie bestehen (Abb. 1). Wenn vulnerable Personen anhaltenden schwer kontrollierbaren Belastungen ausgesetzt sind, ist die Gefahr besonders groû, dass die psychischen Effekte des Fastens von ihnen als eine Mæglichkeit der Stressbewåltigung entdeckt werden. Personen, die die stimmungsstabilisierenden Effekte des Fastens als besonders positiv empfinden, kænnen so sehr leicht in einen Teufelskreis geraten, der nur sehr schwer zu durchbrechen ist.
Abb. 1. Beeinflussung des serotonergen Systems durch Ernåhrung. LNAA groûe neutrale Aminosåuren, SSRI Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer
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z Endlich tråumen: Das serotonerge System im Schlaf Wie eingangs erwåhnt, weist das serotonerge System eine weitere Besonderheit auf. Wåhrend des aktiven Wachens feuert es, unbeeinflusst von åuûeren oder inneren Faktoren, tonisch mit einer Frequenz von etwa 5±7 Hz. Diese Frequenz sinkt im Tiefschlaf auf etwa 3±5 Hz ab und wåhrend des ¹rapid-eyemovementª(REM)-Schlafs kommt die serotonerge Aktivitåt vællig zum Erliegen (Abb. 2). Allein diese Aktivitåtscharakteristika lassen vermuten, dass die serotonergen Efferenzen der Raphe-Kerne wesentlich an der Koordination und Organisation zirkadianer Rhythmen einschlieûlich des Schlafens und Wachens beteiligt sind. Tatsåchlich bedingt eine pharmakologische Hemmung oder eine mechanische Låsion der Raphe-Kerne eine vorçbergehende Stærung der Schlaf-Wach-Rhythmik. Die Interaktionen zwischen serotonerger Aktivitåt und Schlaf haben vor allem einen groûen Einfluss auf die sogenannte interne Schlafregulation, d. h. auf den regelmåûigen Wechsel zwischen NonREM- und REM-Schlaf. So sind an der Regulierung des Tiefschlafs vor allem 5-HT2C-Rezeptoren beteiligt, wåhrend eine Aktivierung der serotonergen Autorezeptoren das Auftreten des REM-Schlafs verlångert und dessen prozentualen Anteil am Gesamtschlaf vermindert. Das reziproke Interaktionsmodell von aminergen und cholinergen Neuronenverbånden wåhrend des Schlafens erklårt unter Berçcksichtigung eines relativen Serotoninmangels und/oder eines cholinergen Ûbergewichts bei Patienten mit psychiatrischen Stærungen auch die bei diesen Patienten gehåuft auftretenden Verånderungen der internen Schlafregulation (z. B. eine geringere Zeitlatenz bis zum Auftreten der ersten REM-Schlafphase oder eine græûere REM-Dichte). Wird ein Tryptophandepletionstest am frçhen Nachmittag durchgefçhrt, so wird die minimale Tryptophankonzentration etwa zum Zeitpunkt des Schlafbeginns erreicht. Dieser Versuchsansatz fçhrt, bei einem nachfolgenden Serotoninmangel, bei gesunden Probanden zu einer verkçrzten REM-Latenz und gleichzeitig zu einem Anstieg der Kortisol-Plasmakonzentration bei weiblichen, nicht jedoch bei månnlichen gesunden Personen. Somit ist ein nachmittåglich durchgefçhrter Tryptophandepletionstest zumindest bei weiblichen Gesunden ein praktikables Modell, mit dem die bekannten Verånderungen bei depressiven Patienten simuliert werden kænnen. Auch ohne diese experimentellen Verånderungen des serotonergen Systems im Schlaf bedeutet allein die physiologische Aktivitåtsånderung des serotonergen ± wie auch des noradrenergen ± Systems im Schlaf einen Wegfall der tonischen aminergen Kontrolle. So kommt es wåhrend des REM-Schlafs vor allem auch zu einem vælligen Erliegen des hemmenden serotonergen Einflusses auf den frontalen Kortex und zu einem Wegfall der stabilisierenden Funktion des serotonergen Systems auf bestehende neuronale Netzwerke. Somit hebt sich der scheinbare Widerspruch zwischen den verschiedenen Interpretationen des REM-Schlafs als entweder ¹neuronales Gewitter ohne Funktionª oder als physiologisches Korrelat der Tråume als Ausdruck unerfçllter Wçnsche zumindest ansatzweise auf. Vielmehr werden die mehr teleologischen Funktionen des REM-Schlafes (Abb. 2) als Zeitråume des affektbeto-
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Abb. 2. Feuerungsrate serotonerger Neurone und Teleologie des Tråumens
nen Tråumens deutlich: Die Schwåchung der zentral ordnenden Kontrolle bewirkt eine assoziative Lockerung der Hirnfunktionen, sodass bestehende affektive Muster çberschrieben bzw. neue Muster spielerisch erprobt, ausgewåhlt und bereitgestellt werden kænnen.
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Die Erkenntnis, dass die Membrantransportsysteme und die Speichereinrichtungen sowie die Biosynthese- und Metabolismus-katalysierenden Enzyme monoaminerger Neuronensysteme nur eine begrenzte Substratspezifitåt aufweisen und strukturverwandte Bindungspartner akzeptieren, war die Voraussetzung fçr die Entwicklung und Testung von so genannten ¹falschenª Transmittern, die die Transmissionseigenschaften der Neurone so veråndern kænnen, dass die Transmissionsqualitåt abgeschwåcht oder sogar irreversibel geschådigt wird. Beispiele fçr transmissionsmodifizierende Eigenschaften falscher Transmitter im adrenergen Funktionsgefçge sind a-Methyldopa oder 3,4,5-Trihydroxyphenylethylamin (¹5-Hydroxydopaminª, 5-OH-DA), die zu einer Stimulierung der pråsynaptischen Hemmung (via a-Methyldopamin und a-Methylnoradrenalin) bzw. zu einer Abschwåchung der postsynptischen Transmissionswirkung der adrenergen Ûbertragung (via 5-OH-DA und 5-OH-NA) oder auch zu einer axonalen Degeneration peripherer und (nach Instillation des falschen Amins in das Liquorkompartiment) zentraler katecholaminerger Neurone fçhren (nach Anwendung von 2,4,5-Trihydroxyphenylethylamin, ¹6-Hydroxydopaminª, 6-OH-DA), sofern bestimmte Schwellenkonzentrationen im Axon çberschritten werden. Die Entwicklung solcher strukturverwandter Isomere natçrlicher Ûbertrågerstoffe war die Voraussetzung fçr die Etablierung eines Verfahrens zur Erzeugung einer ¹selektiven chemischen Axotomieª, das gezielte Deafferenzierungsexperimente an katecholaminerg innervierten Zielorganen der Peripherie und des ZNS ermæglichte. Dieses methodische Prinzip war ein Fortschritt im Vergleich zu den frçher çblichen mechanischen oder elektrolytischen Låsionsverfahren, die in den meisten Hirnregionen wegen der ¹Durchdringungs- und Konvergenzstrukturª des Neuropils zu einer undiskriminierten Zerstærung von transmitterdefinierten Netzwerkkomponenten im ZNS fçhren. Aus mechanischen oder groûen elektrolytischen Låsionsresultaten interpolierte Folgerungen zur Frage funktioneller Eigenschaften von Transmittersystemen unterliegen deshalb einem betråchtlichen Irrtumsrisiko. Allerdings muss eingeråumt werden, dass auch die Selektivitåt von ¹Monoaminneurotoxinenª begrenzt ist und abhångig vom Verfahren zur Erzeugung von Axotomien (z. B. intrathekale versus intrazerebrale Applikationsweise). Die methodischen Qualitåtsanforderungen an Neurotoxininduzierte Låsionsverfahren sind daher hoch und nicht immer gewåhrleistet. Die Nichtberçcksichtigung von zeitverlaufsabhångig çberlappenden
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Phasen der Neurotoxineffekte (akute Freisetzung des Transmitters, frçhe direkte Terminaldegeneration, spåte anterograde Degeneration von Terminalen nach initial proximaler Axotomie, frçhe pråterminal-kollaterale und spåter einsetzende terminal-axonale Sprossungsphånomene, verzægerter retrograder Zelltod nach primårer, zellkærpernaher Axotomie) kann zu Fehldeutungen biochemischer Ergebnisse fçhren, wenn diese nicht durch morphologische Untersuchungen ergånzt werden. Das Prinzip der selektiven chemischen Axotomie von katecholaminergen Transmittersystemen im PNS verdanken wir den sorgfåltigen pharmakologischen, elektronenmikroskopischen und den in-vitro-toxikologischen Beobachtungen von Thoenen und Tranzer nach Applikation von strukturisomeren Trihydroxyphenylethylaminen, von denen sich nur das 2,4,5-Isomer (¹6-Hydroxydopaminª) als versatiles Neurotoxin bewåhrt hat (Tranzer u. Thoenen 1967; Thoenen u. Tranzer 1968, 1973). Die Befunde von Thoenen und Tranzer wurden von schwedischen Arbeitsgruppen beståtigt und erweitert (Jonsson u. Sachs, 1970, 1971, Jonsson et al., 1972). Zur gleichen Zeit wurde 6-OH-DA von anderen Arbeitsgruppen als potenzielles Neurotoxin zur Induktion von Axotomien und Terminaldegerationen im ZNS angewendet (intrathekale Anwendung, z. B. Uretsky u. Iversen 1970, Breese u. Taylor 1970, bzw. intrazerebrale Injektion, z. B. Ungerstedt 1971, Hækfelt u. Ungerstedt 1973). Die Bewertung der physikochemischen Eigenschaften des Trihydroxyphenylethylamins 6-OH-DA im Reagenzglas und im biologischen Milieu (Redoxsystem mit Autoxidationstendenz) lieû uns postulieren, dass strukturisomere Dihydroxytryptamine fçr die neurotoxische Axotomie serotoninerger Neurone geeignet sein sollten, obwohl die Redoxchemie von substituierten Indolen komplexer ist als diejenige von Phenylethylaminen. Unsere Vorhersage erfçllte sich fçr das 5,6- und das 5,7-Dihydroxytryptamin (Abb. 1) (Baumgarten et al. 1971; Baumgarten u. Lachenmayer 1972; Baumgarten et al. 1973). Die Unterschiede in der Redoxchemie und im Autoxidationsverhalten von 5,6- und 5,7-Dihydroxytryptamin (5,6- bzw. 5,7-DHT) sind betråchtlich (s. die Ûbersicht von Baumgarten u. Zimmermann 1992; Sinhababu u. Borchardt 1988; Tabatabaei u. Dryhurst 1998). Aus Grçnden der Redoxchemie, der Stabilitåt und Praktikabilitåt hat sich 5,7-DHT als Låsionsprinzip durchgesetzt. Diese Substanz wird auch in neueren Studien zur Bedeutung serotonerger Systeme und Mechanismen in der Verhaltensphysiologie und -pharmakologie eingesetzt. Neben neurotoxischen Trihydroxyphenylethylaminen und Dihydroxytryptaminen verfçgt die experi-
Abb. 1. Die dihydroxylierten Tryptamine enthalten an Stelle 5 und 6 (5,6-DHT) und an Stelle 5 und 7 (5,7-DHT) eine OH-Gruppe
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mentelle Forschung çber systemisch applizierbare Amphetaminderivate zur Erzeugung einer Axotomie in zentralen monoaminergen Projektionssystemen (e.g. p-Chloramphetamin (pCA), Methylendioxymetamphetamin (MDMA), Fenfluramin). Diese Amphetaminderivate sind fçr die medizinische und biologische Forschung wichtige Modellneurotoxine zur Erzeugung von grenzwertigen Seelenzustånden, aber gleichzeitig mit Akut- und Langzeitrisiken verbundene Pharmaka (psychotische Episoden und postpsychotische Defektzustånde). Bevor wir uns mit den Axotomieeffekten der Indolethylneurotoxine befassen, stellen wir kurz den aktuellen Wissensstand zur Anatomie und funktionellen Bedeutung zentraler serotonerger Projektionssysteme im Såugergehirn und beim Menschen vor:
z Charakteristika serotonerger Neurone und Transmission: z Archetypische retikulåre Neurone, die auf allen Stufen der Zerebralisation als verhaltensmodulierende Neurone hoch entwickelt sind z Geringe absolute Zahl von Neuronen (Homo sapiens 5 > 6 in Abb. 5; Baumgarten u. Grozdanovic 2000) und weil sie unerwartete Øhnlichkeiten zum Autoxidationsverhalten von 5,7-DHT aufweist. Bei Anwesenheit von Sauerstoff entsteht aus 6-OH-DA (Formel 1, Abb. 5) das korrespondierende p-Chinon (Formel 2, Abb. 5). Diese Reaktion ist reversibel. Das Redoxpotenzial dieser Substanzen liegt im Optimalbereich von Redoxzyklusreaktionen; Partner dieser Reaktionen kænnen Ascorbat/Dehydroascorbat oder GSH/GSSG sein. Bei solchen Zyklusreaktionen kænnen erhebliche Mengen freier Radikale gebildet werden, die als Oxidationsbeschleuniger wirken (Baumgarten u. Zimmermann 1992) und zytotoxisch sind. Das p-Chonin des 6-OH-DA addiert bereitwillig SH-Reagenzien (Reaktion 2 > 3,
Abb. 5. Autoxidationswege des 6-Hydroxydopamins und Reaktionen seiner chinoiden Intermediåre mit SH-Reagenzien. 1) 2,4,5,-Trihydroxyphenylethylamin (6-OH-DA); 2) p-Chinon des 6-OH-DA; 3) Aminochrom 1 (ein Indolin); 4) 5,6-Dihydroxyindol; 5) Aminochrom 2; 6) 2,4,5,-Trihydroxy-6-S-R-phenylethylamin; 7) 5,6-Dihydroxy-4-S-R-indolin; 8) 5,6-Dihydroxy-4-S-R-indol; 9) p-chinoides Oxidationsprodukt der Additionsverbindung 7; 10) p-Chinonimin-Oxidationsprodukt der Additionsverbindung 7; 11) p-Chinonimin-Oxidationsprodukt der Additionsverbindung 8. Weitere Erlåuterungen siehe Text (aus Baumgarten u. Grozdanovic 2000)
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Abb. 5). Das 5,6-Dihydroxyindol (Formel 4, Abb. 5) autoxidiert zum korrespondierenden p-Chinonimin (Formel 5, Abb. 5), das kovalente Bindungen an Position 4 akzeptiert, oder alternativ zum 5,6-o-Indolchinon umgewandelt wird. Das 5,6-Dihydroxyindol (Formel 4, Abb. 5) ist das natçrliche Zwischenprodukt der enzymkatalysierten Dopamin-Melanogenese. 5,6-DHT autoxidiert analog zum 5,6-Dihydroxyindol und wird im Reagenzglas als melanoides Polymer aus der Læsung ausgefållt. Bei der zweistufigen Autoxidation des 5,6-DHT zum o-Chinon wird Wasserstoffperoxid gebildet. Noch komplexer ist die Autoxidationskaskade von 5,7-DHT (Sinhababu u. Borchardt 1988; Baumgarten u. Zimmermann 1992; Tabatabei u. Dryhurst 1998, s. Formel 1, Abb. 6). In der Abwesenheit von katalysierenden Agenzien (e.g. Ûbergangsmetallionen, Superoxidanion) fçhrt die basenvermittelte Autoxidation çber eine Deprotonierung in Position 5 zum Carbanion (Formel 4, Abb. 6), das als Elektronendonator fçr molekularen Sauerstoff dient; dieses fçhrt zum freien radikalischen Superoxidkomplex an Position 4 des Molekçls. Als Zwischenstufe entsteht ein Carbonradikal an Position C 4 (Formel 3, Abb. 6). Das Hydroperoxid (Formel 7, Abb. 6) wird durch Basenkatalyse unter Wasserentzug in die Zwischenstufe des 4,5-Dichinons umgewandelt (Formel 8, Abb. 6). Aus energetischen Grçnden tautomerisiert diese Form in das stabilere 5-OH-4,7-Dichinon (Formel 9, Abb. 6). Diese Reaktionen erfolgen sehr langsam. In Gegenwart von Gehirngewebe und Sauerstoff låuft dieser Prozess bei Anwesenheit von Spuren natçrlich vorkommender Ûbergangsmetallionen (Fe++(+), Cu+(+)) effizient
Abb. 6. Autoxidationswege des 5,7-Dihydroxytryptamin. Weitere Erlåuterungen siehe Text. (Aus Baumgarten u. Zimmermann 1992)
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ab; im Entstehungszustand ist das Dichinon kovalent reagibel. Es entstehen Addukte (e.g. mit der gleichen Spezies, so werden blaugefårbte Dimere des Chinons generiert). Als Bindungspartner kænnen in vivo auch andere Strukturen dienen (SH-Gruppentråger). Das Redoxpotenzial von 5,7-DHT und seiner Autoxidationsfolgeprodukte liegt im Optimalbereich zellulårer Redoxzyklus-unterhaltender Reagenzien, wie Ascorbat/Dehydroascorbat oder GSH/GSSG. So entstehen beachtliche Mengen an freien Radikalen, die alle Zellbestandteile attackieren und zerstæren kænnen. Dieses Verhalten teilt 5,7-DHT mit 6-OH-DA. Versuche zum Nachweis neurotoxischer Analogverbindungen oder ihrer Autoxidationsfolgeprodukte nach Gabe von Amphetaminen oder MAOHemmern sind nur sporadisch gelungen und waren nicht reproduzierbar. Es ist deshalb nicht wahrscheinlich, dass solche Analogverbindungen unter natçrlichen Stoffwechselbedingungen in neurotoxischen Konzentrationen gebildet werden. Das mindert in keiner Weise ihren Wert als Modellneurotoxine in der experimentellen Forschung. Substituierte Amphetamine (p-Chloramphetamin, Fenfluramin, MDMA) haben den Vorteil der systemischen Anwendbarkeit, sie produzieren allerdings, wie oben dargestellt, abgestuft restriktive Låsionsmuster an bestimmten feinkalibrigen Axonen von auf- und absteigenden serotonergen Projektionssystemen (Axt et al. 1998). Der Wirkmechanismus fçr die drei Prototypen ist åhnlich; sie fçhren zu einer Hemmung der Membrantransporter im Axolemm und im Vesikel, zum beschleunigten Export des Amins aus den Vesikeln in das Axoplasma und, durch Umkehrung der Membrantransporterfunktion, zur Freisetzung des Amins aus dem Axoplasma in den Extrazellulårraum. Die Freisetzung aus Speicherorganellen und aus dem Axoplasma wird unterstçtzt durch die kompetitive Hemmung der Monoaminoxidase. Dabei wird Energie verbraucht und es fallen freie Radikale an. Hierbei spielt auch die Freisetzung von Dopamin (DA), das als falscher Transmitter in serotonerge Axone transportiert werden kann, eine Rolle. Die Hemmung der MAO-Aktivitåt in den dopaminergen Neuronen durch die lipophilen Amphetamine und die temporåre pharmakologische Freisetzung von DA aus den dopaminergen Axonen spielt hier eine pathogenetische Rolle. Der Stellenwert des Dopamins in der Neurotoxizitåt substituierter Amphetamine (z. B. MDMA) låsst sich durch die Gabe von potenten DA-Wiederaufnahmehemmern (z. B. Nomifensin) verdeutlichen. Ferner wird sekundår die Úkonomie der Glutamatfreisetzung und -wiederverwertung durch Beeinflussung pråsynaptischer 5-HT- und DA-Rezeptoren auf den glutamatergen Axonen gestært, sodass çberschçssiges Glutamat çber intrazellulåre Ca++-Erhæhung zytotoxisch auf monoaminerge Axone einwirken kann. Diese Zusammenhånge sind noch nicht abschlieûend geklårt. Die Vorbehandlung mit einem potenten Serotonin-Wiederaufnahmehemmer kann die pathogenetische Kaskade, die durch diese substituierten Amphetamine angestoûen wird, weitgehend unterbrechen. Mæglicherweise lassen sich neurodegenerative Wirkungen der Einnahme von Ecstasy (MDMA) durch diesen Kunstgriff abschwåchen oder sogar vermeiden. Die potenziel-
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le Neurotoxizitåt hoher Dosen von Fenfluramin oder d-Fenfluramin an Serotoninneuronen des menschlichen Gehirns spielt keine Rolle mehr, nachdem die beiden Anorektika wegen kardiovaskulårer Komplikationen vor einigen Jahren aus dem Handel genommen worden sind. p-Chloramphetamin ist nur ein experimentelles Pharmakon. Das Hauptproblem ist die illegale Vermarktung und Anwendung von MDMA als so genannte Partydroge. McCann u. Ricaurte (1998) verdanken wir die kasuistischen Hinweise auf die neuropsychiatrischen Langzeitfolgen diskreter pharmakogener Låsionen serotonerger Modulatorsysteme im Gehirn des Menschen.
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Serotonergic neurotoxicity ± the example MDMA A. G. Ludolph, A. C. Ludolph
z Abstract. In contrast to the potential neurotoxic effects of several other neurotransmitters, serotonergic neurotoxicity is less explored in both the clinical and experimental setting. Although the selective neurotoxicity of serotonin is well-established, in the real world neurotoxic effects of this transmitter are equivocal. This is best exemplified by the designer drug MDMA (3,4-methylenedioxy-methamphetamine), a compound which receives a lot of public interest. However, in practice the pharmacology of MDMA itself is not well-defined, it is not known whether toxicity is direct or indirect, and although acute neurotoxic effects of MDMA are based on solid observations, chronic neurotoxicity remains unproven even though a number of claims have been published. From the scientific viewpoint, the contribution of serotonergic neurotoxicity to MDMA neurotoxicity, in particular in the chronic situation, remains ill-defined and awaits further clarification.
z Selective neurotoxins as tools The usefulness of selective neurotoxins as tools to produce lesions of the central nervous system is dependent on the selectivity of their effects on target structures. If this selectivity exists, these compounds can be used to improve our understanding of various aspects of the vulnerability of the neuronal populations in different disease states (Spencer et al. 2000). Excitatory amino acids, such as glutamate, have been proven very useful to produce these experimental lesions. In contrast, serotonergic compounds are currently rarely used to improve our understanding of the chemical properties of target cells. The dorsal and median raphe nuclei provide serotonergic afferences to almost all telodiencephalic target centers. Whereas the median raphe projections preferentially provide telodiencephalic input (preoptic, septal and olfactoric), the superficial laminae of the neocortex and the hippocampus, the dorsal raphe projections supply the deep laminae of the entire neocortex, the basal ganglia, thalamic nuclei, and the amygdaloid complex. Functionally, the median raphe neurons seem to have an influence on cortical intrinsic inhibition and thalamic afferences; in contrast, pyramidal neurons and thalamic afferences are influenced by the dorsal raphe neurons. Both systems are differentially affected by the neurotoxicity of substituted amphetamines;
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a higher affinity to the dorsal raphe axon serotonin (5-HT) transporter may explain this selective vulnerability (see Lachenmayer, this volume). The differential vulnerability to neurotoxic compounds is greatly influenced by the ªfalse transmitterº concept. This concept means that limited substrate specificity allows chemically related compounds to accumulate and influence storage, release, and metabolism of the natural transmitter. A prominent established example for the false transmitter concept is the dopaminergic neurotoxin MPP+. This toxin interferes with dopamine transport, is actually taken up by this mechanism and inhibits intracellularly the mitochondrial chemical energy production. Neurons are critically dependent on glucose; therefore, the glucose transporter is also a candidate for bringing toxic substances into the cell. A clinically relevant candidate is linamarin, a toxin present in Manihot esculenta, the bitter cassava. Linamarin is a glycoside in which the glucose molecule binds to the toxin cyanide; this innocent combination is taken up by the cell and in the cell cyanide poisons the mitochondrial chain (Ludolph & Spencer 1996). An even less explored mechanism is the uptake of the glycoside cycasine; this molecule combines glucose with the alkylating agent, methylazoxymethanol, one of the most potent carcinogens we know of, which is epidemiologically relevant in the etiology of the ALS/Parkinsonism-Dementia-Complex of Guam (Ludolph & Spencer 1996). The consequence of the uptake of such a compound into the cell is unknown and challenges former views on the presence of genotoxic mechanisms being relevant only for mitotic cells. In the adrenergic nervous system, 3,4,5-trihydroxyphenylethylamine (5-hydroxydopamine) and 2,4,5-trihydroxyphenylethylamine (6-hydroxydopamine) are important examples for selective neurotoxicity. Both compounds show selectivity for the adrenergic nerve populations because they interfere with cocaine- and desipramin-dependent transport. In the 1970s, Baumgarten and Zimmermann discovered the concept of serotonergic neurotoxicity; the most important examples for this concept are the compounds 5,6-dihydroxytryptamine and 5,7-dihydroxytryptamine (see Lachenmayer, this volume). Also, the neurotoxic effects of MDMA (3,4-methylenedioxy-methamphetamine) obviously largely fall into the concept of serotonergic neurotoxicity. However, it is a major difference that MDMA and related compounds are not very specific for the serotonergic system since they also interfere with the function of noradrenergic and dopaminergic neurons and possibly with mitochondrial function directly.
z MDMA ± principles of experimental neurotoxicity and the serotonergic system MDMA (3,4-methylenedioxy-methamphetamine; N, alpha-dimethyl-1,3benzodioxole-5-ethanamine) is a white crystalline solid of bitter taste and of a molecular weight of 193.25, a melting point of 147±148 8C (hydrochloride crystals from isopropanol-n-hexane) or 152±153 8C (hydrochloride crys-
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tals from isopropanol ether). Alternative chemical names are 3,4-methylenedioxymetamphetamine or n-methyl-3,4-methylenedioxyphenylisopropylamine. Popular names are ªecstasyº, ªeº, ªxtcº or ªadamº. The LD 50 in mice is 97 mg/kg after intraperitoneal injection, in rats 49 mg/kg, in guinea pigs 98 mg/kg implying differential susceptibility of the respective species (Spencer et al. 2000). MDMA was first synthesized in 1912, patented by Merck as an anorectic compound in 1914, but it was never marketed. In the 1950s and 1960s the US Army tested MDMA extensively for unknown purposes. Much later, in the 1970s and 1980s, the abuse potential of MDMA was clearly recognized by UK and US officials. In the late 1980s, MDMA became popular as a drug for ªrave partiesº; at these parties, it was documented that about 80% of the participants take ecstasy pills to improve their dancing performance (for a review, see Cole & Sumnall 2003). MDMA has a high bioavailability, being independent from its form of application. In rats, the peak serum level is reached after 30 minutes and the compound is eliminated after 24 hours. Peak concentrations in the brain were measured after 50 minutes, with no regional differences observed. In humans, serum levels of MDMA peak after two hours. MDMA is metabolized and biotransformed by n-dimethylation, o-dialkylation, diamination and conjugation. Its breakdown is critically dependent on the cytochrome P450 enzyme CYP2D6; however, other enzymes are also involved in its degradation. Being water-soluble after metabolization, the compound is predominantly excreted in the urine (for a review, see Cole and Sumnall 2003). MDMA is a potent inhibitor of presynaptic 5-hydroxytryptamine (5-HT) release; it also inhibits 5-HT re-uptake. In addition, it inhibits tryptophan hydroxylase, the rate-limiting enzyme for 5-hydroxytryptamine (5-HT) synthesis. These mechanisms result in a reduction of 5-hydroxytryptamine (5-HT) and 5-hydroxyindolacetic acid (5-HIAA) levels which recover after 24 hours. The resulting increase in synaptic serotonin is followed by an increased release of dopamine especially in the nucleus accumbens and striatum. In behavioral studies, it was shown that after the first dosage, the threshold for the second dosage of MDMA is clearly reduced even after days (Cole & Sumnall 2003). In experimental animals, MDMA has well-defined behavioral effects. In dogs, after a dosage of 15 mg/kg body weight over 28 days, behavioral changes, weight loss, but no CNS lesions are observed. In rats, after application of 100 mg/kg body weight over 28 days hyperactivity, hyperexcitability and anorexia are also seen, but no CNS lesions evolve. In macaques, after escalating dosages (twice daily, 0,1±20 mg/kg) behavioral changes, short-term memory deficits, impairment of learning behavior of discrimination tasks and tolerance development were described; this has also been documented chronically over a period of months (Spencer et al. 2000). Chronic effects in rats include a regional-specific and persistent reduction of 5-HT and 5-HIAA, and a reduction of 5-HT transporter density (Stone et al. 1987; Battaglia et al. 1987; Commins et al. 1987; Chu et al. 1996). These changes can reportedly still be observed up to 12 months
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after acute application. Sabol et al. (1996) showed that the striatum, hippocampus and prefrontal cortex are most severely affected by these changes. In 1988, Ricaurte et al. showed selective damage of serotonergic neurons and a reduction of 5-HT terminals in baboons suggesting permanent damage to the serotonergic system. They also included studies of 5-HT axons in this species, showing that the density of 5-HT axons is still decreased seven years after application of MDMA. The dosage in these studies was 5 mg/kg body weight twice daily on four days only. In conclusion, MDMA seems to induce a loss of thin axons projecting from the dorsal raphe nuclei. The selectivity is demonstrated by relative sparing of axons of higher caliber of the medial raphe nuclei (Axt et al. 1994). There is a selective loss of axon terminals in the striatum, prefrontal cortex and hippocampus; in contrast, the cell somata are intact (Battaglia et al. 1991). It has been shown in primates and rodents that other neurotransmitter systems are morphologically unaffected; lesions are only seen after systemic but not after intracerebroventricular injections (Esteban et al. 2001), suggesting that a metabolizing step is necessary to produce neurotoxicity.
z MDMA ± dopaminergic neurotoxicity MDMA is not only toxic for the serotonergic system, it also interferes with the dopaminergic system. It has been convincingly shown that MDMA leads to dopamine release which correlates with the serotonin transporter deficit (Gudelsky & Nash 1996; White et al. 1996). This effect seems to be dependent on serotonergic effects since 5-HT2A antagonists reduce dopamine levels, antagonize the effects on dopamine and finally the neurotoxicity of MDMA (Nash 1990; Malberg et al. 1996). Complementary are results showing that MDMA toxicity is reduced after inhibition of dopamine synthesis (Schmidt et al. 1990; Brodkin et al. 1993). Conversely, if dopamine levels are elevated (Schmidt et al. 1990), MDMA neurotoxicity is increased. In conclusion, the neurotoxicity of MDMA may not be confined to the serotonergic system; it is rather dependent on a complex interaction of the serotonergic system with dopaminergic neurons. There are three relevant hypotheses for the neurotoxicity of MDMA: First, a role of toxic metabolites is possible. In a bioactivation step MDMA is metabolized to a toxic metabolite (2,4,5-trihydroxymetamphetamine, THM); this compound alone is responsible for the dose-dependent reduction of striatal and hippocampal tryptophan hydroxylase activity. Also, the metabolite THM is a potent oxidizing agent producing reactive oxygen species; thereby presumably indirectly inhibiting chemical energy production of neurons. Second, the role of the dopaminergic system is in principle evident; however, the mechanism of toxicity is partially unexplored. Third, it is also well-known that MDMA neurotoxicity is dependent on a hyperthermic effect of this compound (see below). This again may be dependent on a molecular mediator of thermoregulation in mitochondria, uncoupling
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proteins (UCP). It has been shown recently that the pathological thermogenic response resulting from MDMA toxicity is largely mediated by UCP3. It remains to be shown that MDMA or a metabolite directly stimulates uncoupling activity (Mills et al. 2003).
z Clinical neurotoxicity of MDMA Is ecstasy identical with MDMA? The answer to this question is clearly ªnoº. It has been shown that the amount of ecstasy per dosage (or pill or tablet) is very variable. Also qualitatively, the pharmacology of ecstasy is not confined to MDMA since it has been shown that ecstasy pills can contain MDE, amphetamines, ketamines or even ephedrine (Baggott et al. 2000; Cole et al. 2002 a, b). In a study done in Holland (Spruit 1990), only 34% of ecstasy tablets contained MDMA. Therefore, the WHO (1997) concluded that the word ªecstasyº is generic for a wide range of compounds. Ecstasy is a party drug; most users take one to two tablets which is equivalent to 60 to 120 mg MDMA meaning that most users take 1±4 mg/kg body weight. Serum peaks are reached after two hours, the pharmacokinetics are non-linear and individually dependent from the activity of the hepatic metabolic enzyme CYP2D6. The compound has a half-life of eight hours and is excreted in the urine. Tolerance development is fast and, therefore, most users restrict MDMA use to a fortnightly interval. Studies in the UK and US (Mc Dermott 1993; Bradley & Baker 1999; Johnston et al. 2001) demonstrate that 8 to 10% of all 15- to 20-years-olds have experience with ecstasy. In contrast, in the study by Winstock et al. (2001) nearly 90% of all visitors of night clubs and rave bars had admitted contact with the drug. Bean et al. (1997) and Forsyth (1996) showed that at ªrave eventsº ecstasy is taken by the majority of participants; its use is followed by amphetamines, LSD and psylocibine.
Clinical effects in humans In humans, after intake of 1.5 mg/kg MDMA heart rate and blood pressure rise; this is associated with prolonged profound sweating and finally nausea and vomiting. The experience of the individual includes improved communication, empathy, understanding, introspection, euphoria, religious, and transcendental experiences without any effect on efficiency and energy. This ªsocialº effect of MDMA is commonly ascribed to increased serotonin concentrations in the brain, whereas the stimulant effect is explained by dopamine release. At higher dosages, muscle tone increases, tics and bruxism as well as ataxia and finally grand mal seizures are observed. MDMA induces insomnia, a reduction of REM sleep and ªflashbacksº are often seen (McGuire & Fahy 1992). Fatal intoxications are characterized by the observation of generalized rigidity, hyperthermia (42±44 8C) and rhabdo-
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myolysis which may lead to acute renal failure. Death may occur in patients suffering from vascular disease, during car driving and during intoxications of mixtures of compounds (Gore 1999). However, the official figures show that there are fewer fatalities after MDMA than after the use of amphetamines and cocaine (Office for National Statistics, UK, 2000 and 2001). Typical psychobiological effects of MDMA like euphoria, ªreduced defensivenessº, feeling of relaxation and sedation are antagonized by compounds acting on the serotonergic system like citalopram or ketanserin; in contrast haloperidol antagonizes only euphoria (Liechti et al. 2000). The acute toxicity of MDMA is largely dependent on body temperature. In general, application of 0.25 mg±1.9 mg/kg per os in humans increases the body temperature by 0.4 8C. However, hyperthermia is more marked during increased environmental temperatures; during low temperatures, hypothermia is induced (Farfel & Seiden 1995; Malberg & Seiden 1998). The occurrence of rave fatalities is directly correlated to body temperature (Gordon et al. 1991; Malberg & Seiden 1998). During intoxication, neuroprotective effects can be produced by pentobarbital, haloperidol and ketanserin; they are directly correlated to the decrease of body temperature. The molecular explanation of this phenomenon is presumably related to uncoupling of the mitochondrial chain (Mills et al. 2003). The acute psychobiological side-effects of MDMA are well acknowledged; panic attacks often occur early after intake of MDMA. More controversial is the development of toxic psychoses since they may be dependent on the premorbid personality and polytoxicomania. There are some credible reports on depression after continuous MDMA intake; however, the assumption that a decrease of serotonergic metabolism is responsible for this observation may be wrong. Many authors have shown that reduced 5-HT and 5-HIAA levels in the cerebrospinal fluid are not a prerequisite for the occurrence of a depressive disorder.
z Chronic neurotoxicity of ecstasy In contrast to the acute toxic effects of MDMA, chronic effects are controversial. Clinically, users may report symptoms of depression, anxiety, impulsivity, aggression, and impairment of cognitive function (see Thomasius et al. 2003). Consequences of neurotoxicity may even include asocial behavior, and disturbances of verbal and visual memory. However, conclusions of a number of studies were subject to typical confounding factors such as polytoxicomania, lack of knowledge of drug use history, or preexisting psychopathology. It seems if more studies are trying to control for these factors, then the fewer deficits are found; however, some uncertainties remain (Thomasius et al. 2003). 5-HIAA in CSF is reportedly decreased in MDMA users; but it does not (see above) correlate with the development of depression. The majority of measurements of 5-HIAA were done by one
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group only (including Bolla et al. 1998); a study coming from a second lab (Peroutka et al. 1987) found normal 5-HIAA levels. Much attention has been raised by imaging studies, in particular PET studies in humans. Measurements with C11-McN-5652 which is a compound that seems to bind selectively to serotonin transporters showed that in prior MDMA users binding in several parts of the brain are reduced (McCann et al. 1998). Imaging studies include studies which show a recovery of 5-HT transporter binding after more than one year (Reneman et al. 2001 a, b) but without a clear-cut dosage effect (Reneman et al. 2001 b). Studies also seemed to show that women have a better recovery rate. However, all these imaging studies are prone to uncertainty; in particular, serotonine transporter measurements seem to be unreliable because the radioprobes used do not have optimal specificity, sensitivity and validity (Heinz & Jones 2000; Kish 2002). Also, populations were insufficiently characterized with regard to polymorphisms of the 5-HT transporter (Heinz et al. 2000). Therefore, there is common agreement that the imaging studies of ecstasy users may be misleading because of technical reasons alone. Moreover, the subjects of the McCann study (which seemed to be a landmark study) were only three weeks abstinent and there was no account of their premorbid personality. In addition, no clear-cut dose-effect curve could be shown; there was no account or study of reversibility. Also, there was no convincing, quantitative account of the total dosage the subjects had used; in particular, no documentation of contents of MDMA. No correlations to clinical parameters were seen. Spectroscopy showed a reduced NAA/creatine ratio (NAA was normal) (Obergriesser et al. 2001; Reneman et al. 2001 c, d). Chang et al. (1999, 2000) have shown that the glial marker myo-Inositol was increased in the parietal white matter. However, these studies did not use current standards of techniques; in particular, absolute quantification (LC model) and short echo times for metabolite measuring were not used. Electrophysiological studies, including EEG and AEP studies, are partially contradictory (Croft et al. 2001). Cognitive studies showed increased aggression and impulsivity (e.g. Gerra et al. 1998; McCann & Ricaurte 1991; McCann & Ricaurte 1992) in some studies. However, taken together the results are contradictory and a consistent picture does not develop. The most consistent results are obtained in studies on the chronic learning and memory defects after MDMA use (e.g. Bhattachary and Powell 2001); the most convincing is a prospective study done by Zakzanis and Young (2001) showing a progressive decrease of memory curves. It must be mentioned that no study has convincingly and reproducibly shown a relation between cognitive abilities and surrogate markers (Cole and Sumnall 2003). It has been claimed that MDMA may cause Parkinson's disease after a latency; but this is a matter of speculation and mechanistically unlikely (Kish 2003). Although three case reports have been published, none proves a causal link, rather coincidence is likely (Kish 2003). The claim is also based on the publication of a study which seemed to show striatal dopamine nerve terminal damage in experimental nonhuman primates (Ricaurte et al. 2002); how-
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ever, this study had to be retracted since the animals had been treated mistakenly by the dopaminergic neurotoxin methamphetamine (Ricaurte et al. 2003). In summary, the claim that MDMA use is in any way related to Parkinson's disease remains unsubstantiated.
z Which evidence exists for acute and chronic neurotoxicity of MDMA? Four arguments have been developed (Spencer et al. 2000) for a causal relationship between a chemical and its toxic effect in the nervous system. Which evidence do we have for acute and chronic effects of MDMA?
The compound is found in the environment of the victim Whereas this relation is clear in most acute studies, documentation of the contents of ªecstasy tabletsº is far from being clear in the chronic studies. Many questions must be raised: z What does the use of ªecstasyº mean pharmacologically in retrospective studies? z Which dosage has been used? z Which chemicals have been found in ecstasy pills? z Was polytoxicomania excluded? The recruitment for the clinical studies is also a major concern; this is not only true for chronic studies, but may also be of relevance for more acute studies. Typically in these studies, academics, in particular students are included; there is a lack of studies in less privileged groups. Also, many studies lack the appropriate controls. It is often overseen that the so-called ªchronic raver syndromeº has many features in common with the so-called ªair-crewº syndrome. The common feature of these two syndromes is that both groups suffer from sleep deprivation and circadian abnormalities which could be responsible for the psychobiological changes (Cho et al. 2000). Last, but not least, the problem is that we know that not MDMA alone but a metabolite is responsible for the neurotoxic effects. There is a lot of evidence that hepatic metabolism should be examined in a single individual, not in groups.
Onset and severity of the disease are commensurate with dosage and time of exposure In most acute studies, more or less convincing dose-effect curves have been demonstrated. However, given the reservations discussed in the previous paragraph, there is no chance of showing a convincing dose-effect curve in retrospective studies. All studies with surrogate markers, including the PET markers, are questionable and do not show any relation to clinical findings.
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The clinical picture of the syndrome is stereotyped In acute MDMA intoxications, effects are stereotyped, show a convincing dose-effect relationship and therefore are believable. However, for chronic effects a number of psychobiological syndromes have been observed, including impulsivity, aggression, memory deficits and depression. Here, features of the syndrome may be influenced by the premorbid personality and there is a severe lack of longitudinal studies in most retrospective analyses.
The neurotoxic effect is self-limited, not progressive The reversibility of the acute effects has been convincingly shown; for the chronic effect, an attempt has been repeatedly made, but in our view, studies are not conclusive. This represents a large chance for future studies, including studies with surrogate markers which should collect arguments for a causal relationship.
What evidence exists for acute and chronic neurotoxicity? For the reasons (listed in sections 6.1±6.4), we suggest the following neurotoxicity rating for MDMA at the present time (Spencer et al. 2000): There is evidence for an acute encephalopathy, including tremors, hallucination and ataxia. There is also convincing evidence for an acute seizure disorder. There are believable reports on the presence of an autonomic syndrome, including hyperthermia and myonecrosis and the observation of a chronic encephalopathy which is most likely reversible. There is no evidence for a chronic psychobiological reaction, in other words, the development of a chronic psychosis. For MDMA, there is convincing experimental evidence for the development of a serotonergic axonopathy which may be related to the consistently observed hyperactivity syndrome in experimental animals.
z Conclusions Taken together, experiments show that there is a specific neurotoxic syndrome after administration of MDMA to rodents and non-human primates. There is also evidence for acute neurotoxicity of MDMA in humans. However, there is a lot of material, but it remains controversial on quantitative and qualitative chronic neurotoxic effects. Future attempts to develop a strategy for the determination of chronic neurotoxicity of MDMA can include a controlled observation of consumers of ecstasy (MDMA), studies on the reversibility of MDMA toxicity and improvement of surrogate markers. In our view, the most interesting perspective in the studies on serotonergic neurotoxicity is the application to neurodegenerative diseases affecting the central serotonergic system; studies which were given up in the early 1980s, but seem to be timely 20 years later.
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Das serotonerge System und Kognition D. Jokisch, C. Bellebaum, I. Daum
z Einleitung Das serotonerge System spielt eine zentrale Rolle in der Regulation von kognitiven, emotionalen und neuroendokrinen Prozessen und ist somit an einer Vielzahl verhaltensrelevanter Funktionen beteiligt. Entsprechend sind Dysfunktionen der serotonergen Signalçbertragung sowohl mit neuropsychiatrischen Erkrankungen als auch mit Verånderungen im emotionalen Erleben und mit kognitiven Beeintråchtigungen assoziiert. Serotonin ist an der Regulation der Stimmung, der Entstehung von Angst und Aggression, der Regulation des Ess- und Sexualverhaltens und an der Steuerung der zirkadianen Rhythmik und des Schlafes beteiligt. Bei der Verarbeitung von Schmerzreizen und Stress sowie bei motorischen Aktivitåten spielt das serotonerge System ebenfalls eine wichtige Rolle. Auûerdem ist Serotonin mit kognitiven Leistungen wie Lernen, der Gedåchtnisbildung, Aufmerksamkeitsprozessen und exekutiven Funktionen assoziiert. Das serotonerge System ist durch eine breite anatomische Verteilung innerhalb des zentralen Nervensystems gekennzeichnet. Serotonin zeigt sehr unterschiedliche Wirkungsweisen, bedingt durch verschiedene Rezeptortypen und den daraus resultierenden unterschiedlichen Wirkmechanismen. So kann Serotonin sowohl prå- als auch postsynaptisch mit Rezeptoren interagieren und je nach Rezeptorsubtyp eine exzitatorische oder inhibitorische Wirkung entfalten. Serotonin çbt seine Wirkung hauptsåchlich çber die Modulation von dopaminergen, cholinergen und GABAergen Neuronen aus.
Serotonin Serotonin ist ein Neurotransmitter, der zu der Gruppe der Monoamine gehært. Er kann die Blut-Hirn-Schranke nicht çberwinden und muss deswegen aus seiner Vorlåufersubstanz, der Aminosåure Tryptophan, im Gehirn synthetisiert werden. Das Enzym Tryptophanhydroxylase oxidiert Tryptophan zu 5-Hydroxytryptophan (5-HTP). 5-HTP-Dekarboxylase, ein weiteres Enzym, entfernt eine Karboxylgruppe, wodurch 5-HT (Serotonin) entsteht.
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Serotonerge Bahnen im Gehirn Serotonerge Zellen befinden sich çberwiegend in den Raphe-Kernen des Hirnstamms. Von dort projizieren sie in das gesamte ZNS. Zwei sehr wichtige Projektionen haben ihren Ursprung in den dorsalen und medialen Raphe-Kernen. Beide projizieren in den zerebralen Kortex, darçber hinaus innerviert der dorsale Teil die Basalganglien und der mediale Teil den Gyrus dentatus, einen Teil des Hippokampus (Carlson 2001). Serotonin interagiert sehr eng mit anderen Neurotransmittersystemen, vor allem dem dopaminergen, cholinergen und GABAergen System. Fçr Lern- und Gedåchtnisleistungen ist das funktionelle Zusammenwirken von serotonergem und cholinergem System von groûer Bedeutung. Serotonin trågt zur Regulation der cholinergen Bahnen vom medialen Septum zum Hippokampus und vom Nucleus basalis magnocellularis zum Kortex und zur Amygdala bei (Cassel u. Jeltsch 1995; Steckler u. Sahgal 1995; Buhot et al. 2000).
Serotoninrezeptortypen und ihre neuroanatomische Verteilung Bis heute sind mehr als 20 Serotoninrezeptoren bekannt, die in die Gruppen der 5-HT1- bis 5-HT7-Rezeptortypen eingeteilt werden. In der Regel sind die Rezeptoren metabotrop. Die einzige Ausnahme bildet der ionotrope 5-HT3-Rezeptor (Meneses 1999; Carlson 2001). Die unmittelbare Wirkung eines Rezeptortyps, d. h. ob er einen exzitatorischen oder inhibitorischen Effekt auf die Serotoninausschçttung ausçbt, hångt zum einen davon ab, ob es sich um einen pråsynaptischen Heterooder Autorezeptor oder einen postsynaptischen Rezeptor handelt und zum anderen davon, in welcher Weise der Rezeptor an ein bestimmtes SecondMessenger-System gebunden ist. So sind beispielsweise die 5-HT1A- und 5-HT1B-Rezeptoren positiv mit der Adenylzyklase gekoppelt, wohingegen der 5-HT4-Rezeptor negativ an diese Zyklase gekoppelt ist (Buhot et al. 2000). Aufgrund der anatomischen Verteilung, die fçr jeden Rezeptor spezifisch ist, spielen bestimmte Rezeptoren fçr den Zusammenhang zwischen Serotonin und Kognition eine græûere Rolle als andere. Die Rezeptoren 5-HT1A/1B/1D, 5-HT2A/2B/2C, 5-HT3A/3B, 5-HT4A/4B, 5-HT5A/5B, 5-HT6 und 5-HT7 scheinen aufgrund ihrer Lokalisation prådestiniert zu sein, kognitive Prozesse, vor allem Lern- und Gedåchtnisprozesse, zu modulieren (Meneses 1999). Sie kommen im Hippokampus, den Basalganglien, der Amygdala, dem Frontalhirn und zum Teil in anderen kortikalen Regionen vor. Ûberwiegend aus tierexperimenteller Forschung stammende Hinweise auf einen tatsåchlichen Einfluss auf Lern- und Gedåchtnisvorgånge gibt es momentan jedoch nur fçr einige der genannten Rezeptoren (Meneses 1999; Buhot et al. 2000). Dabei scheinen verschiedene Rezeptor-Subtypen funktionell zu interagieren, so die 5-HT1A-, 5-HT1B-, 5-HT3- und 5-HT4-Rezeptoren im Hippokampus und die 5-HT2- und 5-HT3-Rezeptoren im Frontalhirn (Buhot et al. 2000).
Das serotonerge System und Kognition
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z Tierexperimentelle Befunde: Einfluss von Serotonin auf Lernen und Gedåchtnis Eine Fçlle von empirischen Studien zeigt, dass serotonerge Neurone in Hirnarealen vorhanden sind, die entscheidend in Lern- und Gedåchtnisfunktionen involviert sind. Diese Areale umfassen vor allem den septohippokampalen Komplex und den Nucleus basalis magnocellularis. Zwei aktuelle Ûbersichtsartikel (Meneses 1999; Buhot et al. 2000) kommen nach der Reanalyse von 130 bzw. 120 Studien çbereinstimmend zu der Schlussfolgerung, dass die Gabe von Serotoninagonisten und Serotoninantagonisten Einfluss auf die Gedåchtnisleistung in tierexperimentellen Untersuchungen hat. Eine entscheidende Rolle spielen hierbei die unterschiedlichen Rezeptortypen. So verhindert die Gabe von 5-HT2A/2C- und 5-HT4-Rezeptor-Agonisten oder 5-HT1A/1B- und 5-HT3-Rezeptor-Antagonisten Gedåchtnisbeeintråchtigungen und unterstçtzt das Lernen in Situationen, die hohe Ansprçche an die kognitive Verarbeitung stellen. 5-HT2A/2C- und 5-HT4-Rezeptor-Antagonisten oder 5-HT1A/1B- und 5-HT3-Rezeptor-Agonisten haben den entgegengesetzten Effekt. Mæglicherweise kænnten diese Befunde neue therapeutische Strategien fçr pathologische Verånderungen des Lernens und der Gedåchtnisbildung begrçnden.
z Einfluss von Serotonin auf kognitive Leistungen im Humanbereich In diesem Abschnitt werden zunåchst die verschiedenen Untersuchungsansåtze im Humanbereich vorgestellt. Anschlieûend werden die Befunde zur Beteiligung des serotonergen Systems an kognitiven Leistungen getrennt fçr die verschiedenen methodischen Ansåtze dargestellt.
Untersuchungsansåtze Im Humanbereich gibt es verschiedene Untersuchungsansåtze, um den Einfluss von Serotonin auf kognitive Fåhigkeiten zu klåren. Bei diesen Ansåtzen wird der Serotoninspiegel entweder bei einer gesunden Probandengruppe experimentell manipuliert, oder es wird eine Probandengruppe untersucht, von der eine Beeintråchtigung des serotonergen Systems bekannt ist. Wåhrend der Phase eines erhæhten oder erniedrigten Serotoninspiegels wird die kognitive Leistungsfåhigkeit mittels standardisierter neuropsychologischer Untersuchungsverfahren erfasst und mit dem Leistungsprofil einer Kontrollgruppe verglichen. Um den Serotoninspiegel zu manipulieren, werden in entsprechenden Studien zwei Methoden angewandt. Bei der ersten Methode wird die Menge von Tryptophan, einer Aminosåure, die fçr die Synthese von Serotonin essenziell ist, çber die Nahrungsaufnahme variiert. Dies geschieht durch eine Tryptophan-reiche bzw. Tryptophan-arme Diåt, wodurch nach einer kurzen
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Latenz ein Serotoninçberschuss bzw. ein Serotoninmangel induziert wird. Bei der zweiten Methode wird entweder çber selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) erreicht, dass Serotonin långer im synaptischen Spalt verbleibt und somit eine långere Wirkung auf die neuronale Signalçbertragung erzielen kann, oder es werden Serotoninagonisten appliziert, die an Serotoninrezeptoren binden und eine åhnliche Wirkung wie Serotonin selbst entfalten. Der zweite Untersuchungsansatz fokussiert auf eine Probandengruppe, bei der eine Serotonindysfunktion bekannt ist. Die Substanz 3,4-Methylendioxymetamphetamin (MDMA), die der Hauptbestandteil der Modedroge Ecstasy ist, beeinflusst das serotonerge System durch eine neurotoxische Wirkung auf serotonerge Neurone. Der genaue Mechanismus der pathologischen Verånderung ist noch unbekannt. Konsumenten dieser illegalen Substanz weisen daher eine Dysfunktion des serotonergen Systems auf. Entsprechend lassen sich Beeintråchtigungen in der kognitiven Leistungsfåhigkeit bei Probanden, die MDMA konsumiert haben, als Folge der Dysfunktion im serotonergen System interpretieren.
Auswirkung von Serotoninmangel bzw. -çberschuss durch Tryptophan-freie bzw. Tryptophan-reiche Diåt auf die kognitive Leistungsfåhigkeit Die Aminosåure Tryptophan ist als Vorlåufersubstanz essenziell fçr die Synthese von Serotonin im Gehirn. Akuter Tryptophanmangel verringert daher den Serotoninspiegel im Gehirn durch eine verminderte Serotoninsynthese. Eine Reihe von Studien hat den Einfluss von Serotoninmangel bzw. -çberschuss auf die kognitive Leistungsfåhigkeit auf diese Weise untersucht. Im Folgenden werden die wesentlichen Befunde dieser Studien in den Bereichen Lernen und Gedåchtnis und exekutive Funktionen aufgefçhrt. Eine Beeintråchtigung der Lern- und Merkfåhigkeit durch Serotoninmangel konnte in mehreren Studien belegt werden (Park et al. 1994; Riedel et al. 1999; Schmitt et al. 2000). Diese Beeintråchtigungen betreffen insbesondere das Langzeitgedåchtnis, wåhrend Serotoninmangel keinen Einfluss auf das kurzfristige Behalten zu haben scheint. Beeintråchtigungen des Arbeitsgedåchtnisses bei Serotoninmangel konnten in Studien ebenfalls nicht nachgewiesen werden. Im Gegensatz dazu hat ein Ûberschuss an Serotonin durch Tryptophanreiche Diåt jedoch einen negativen Effekt auf die Spanne des Arbeitsgedåchtnisses. Dieser Effekt zeigt sich sowohl fçr das verbale Arbeitsgedåchtnis als auch insbesondere fçr das Arbeitsgedåchtnis fçr Stimuli affektiven Inhalts (Luciana et al. 2001). Durch Tryptonphan-freie Diåt induzierter Serotoninmangel beeintråchtigt auch Teilaspekte exekutiver Funktionen. Insbesondere sind davon Entscheidungsfindungsprozesse betroffen. Diese Beeintråchtigungen åuûern sich durch das Treffen von nicht optimalen Entscheidungen trotz verlånger-
Das serotonerge System und Kognition
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ter Zeitspanne fçr das Abwågen dieser Entscheidungen (Rogers et al. 1999). Ein niedriger Serotoninspiegel scheint dabei den Entscheidungsfindungsprozess durch ein veråndertes Verarbeiten von Belohnungsreizen zu beeinflussen, indem groûe und kleine Belohnungsreize schlechter diskriminiert werden und sich weniger effektiv in der getroffenen Entscheidung manifestieren (Rogers et al. 2003). Neben Entscheidungsfindungsprozessen ist auch die mentale Umstellungsfåhigkeit und die Verhaltenshemmung durch inhibitorische Hinweisreize beeintråchtigt (Murphy et al. 2002). Diese Befunde stçtzen die Hypothese, dass eine serotonerge Dysfunktion stårker exekutive Funktionen beeinflusst, die durch den orbitofrontalen Pråfrontalkortex vermittelt werden, als solche, die durch den dorsolateralen Pråfrontalkortex vermittelt werden, wie beispielsweise die Fåhigkeit zur vorrausschauenden Handlungsplanung und zum Problemlæsen. Letztere sind von Ønderungen des Serotoninspiegels nicht beeinflusst.
Administration von Serotoninagonisten und selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) bei Gesunden Die Befunde zu kognitiven Beeintråchtigungen durch Manipulation des Serotoninspiegels durch Tryptophan-reiche bzw. -freie Diåt werden durch Studien unterstçtzt, die durch Gabe von Serotoninagonisten oder SSRI auf das serotonerge System wirken. Eine Ûberaktivitåt des serotonergen Systems beeintråchtigt das Arbeitsgedåchtnis und verbessert das Langzeitgedåchtnis. So verschlechtert die Gabe von Fenfluramin, einem Serotoninagonisten, das råumliche Arbeitsgedåchtnis, was nicht auf unspezifische Verånderungen der Aktivierung oder der Aufmerksamkeit zurçckgefçhrt werden kann (Luciana et al. 1998). Dagegen verbessert die Gabe eines SSRI die Leistungsfåhigkeit des Langzeitgedåchtnisses fçr verbales Material durch eine effektivere Konsolidierung des Gelernten (Harmer et al. 2002).
MDMA (Ecstasy): Wirkmechanismus, Neurotoxizitåt und kognitive Verånderungen z Akute Symptome, Wirkmechanismus und Neurotoxizitåt. Unter Ecstasy versteht man ein Gemisch verschiedener Amphetaminderivate. Die chemische Formel fçr Ecstasy ist 3,4-Methylendioxymethylamphetamin (MDMA). Als Modedroge ist MDMA in der Rave-Szene sehr beliebt. Fçr den Zusammenhang von Serotonin und Kognition ist MDMA deshalb von Bedeutung, weil die von ihm ausgehende Wirkung vor allem das Serotoninsystem betrifft. Es wirkt als indirekter Monoaminagonist, indem es die Ausschçttung von Serotonin und in geringerem Ausmaû von Dopamin erhæht und die Wiederaufnahme hemmt (Schmidt 1987). Entsprechend kænnen die akuten Symptome nach der Einnahme von Ecstasy mit denen des Serotonin-Syndroms verglichen werden (Parrott 2002). Hyperaktivitåt, Verwirrung und Hyperthermie gehæren zu den am
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håufigsten auftretenden Symptomen (Parrott und Lasky 1998). Die Konsumenten berichten von euphorischen Zustånden, erhæhter Aktivierung, Selbstbewusstsein, græûerer sensorischer Sensitivitåt und Gefçhlen von Nåhe und Intimitåt zu anderen (Peroutka et al. 1988; Cohen 1995). Untersuchungen zum Serotoninhaushalt nach Einnahme von MDMA geben Anlass zu der Vermutung, dass es eine neurotoxische Wirkung hat. Die Verabreichung einer einzelnen Dosis MDMA (10 mg/kg) hat bei Ratten eine zweiphasische Wirkung (Schmidt 1987). Drei bis sechs Stunden nach Einnahme findet sich ein deutlicher Rçckgang des Serotoninstoffwechsels, der sich nach 24 Stunden jedoch wieder normalisiert. Eine Woche nach Verabreichung ist ein weiterer Rçckgang des Stoffwechsels zu verzeichnen. Durch eine einzige græûere Dosis oder zwei kleinere tåglich an vier aufeinander folgenden Tagen konnten im Tierversuch langfristige neurotoxische Effekte ausgelæst werden, die bei Ratten noch ein Jahr und bei Affen sieben Jahre nach Gabe von MDMA nachgewiesen werden konnten (Battaglia et al. 1987; Hatzidimitriou et al. 1999). Im Humanbereich gibt es unterschiedliche Untersuchungsansåtze zu den Auswirkungen von Ecstasy auf das serotonerge System (Morgan 2000). In Bezug auf die 5-HIAA-Konzentration, ein Abbauprodukt von 5-HT, in der Zerebrospinalflçssigkeit sind die Befunde uneinheitlich. Die Mehrzahl spricht jedoch fçr eine reduzierte Konzentration bei Ecstasy-Konsumenten im Vergleich zu Konsumenten anderer Drogen (Morgan 2000). Eine indirekte Technik zur Ûberprçfung der Serotoninfunktion ist die Gabe von Serotoninagonisten und die Untersuchung der Auswirkungen z. B. auf die Prolaktinkonzentration. Øltere Befunde zeigten keinen signifikanten Unterschied in der Prolaktinkonzentration zwischen Ecstasy-Konsumenten und drogenfreien bzw. andere Drogen konsumierenden Kontrollpersonen (Price et al. 1989; McCann et al. 1994). Im Gegensatz dazu wurden in jçngeren Studien reduzierte Prolaktin- bzw. Kortisolantworten bei Ecstasy-Konsumenten gefunden (Gerra et al. 1998; McCann et al. 1999 b; Verkes et al. 2001). Mit Hilfe bildgebender Verfahren wie PET und SPECT wurde nachgewiesen, dass die Serotonintransporter-Dichte in den Gehirnen von EcstasyKonsumenten signifikant verringert ist (McCann et al. 1998; Semple et al. 1999). Eine erhæhte Dichte des 5-HT2A-Rezeptors im Okzipitallappen von Ecstasy-Konsumenten deutet ebenfalls auf eine Verringerung des Serotoninstoffwechsels hin (Reneman et al. 2000). Der Hippokampus und die Amygdala sind in besonderer Weise von einer Verånderung des Glukosemetabolismus durch Ecstasy betroffen (Obrocki et al. 1999). Obwohl es bei einigen der zitierten Arbeiten methodische Probleme gibt, wie z. B. die mangelnde Berçcksichtigung des Konsums zusåtzlicher Drogen, sprechen doch die meisten Befunde dafçr, dass MDMA eine neurotoxische Wirkung hat, die sich vor allem in einer Reduktion des Serotoninstoffwechsels zeigt. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die neuropsychobiologischen Langzeitfolgen von Ecstasy-Konsum beim Menschen direkte Folge der akuten serotonergen Ûberaktivierung sind (Parrott 2002).
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z Psychopathologie. Die Tatsache, dass MDMA zu einer dauerhaften Verringerung des Serotoninstoffwechsels fçhrt, legt die Vermutung nahe, dass Ecstasy-Konsumenten håufiger von psychiatrischen Erkrankungen betroffen sind als Nichtkonsumenten. Ein reduzierter Serotoninstoffwechsel wird als mægliche Ursache fçr viele neuropsychiatrische Erkrankungen diskutiert. Tatsåchlich gibt es zahlreiche Einzelfallbeschreibungen chronischer psychiatrischer Stærungsbilder bei Personen mit hohem Ecstasy-Konsum. Die berichteten Symptome und Syndrome sind u. a. Zwangserkrankungen, Panikattacken, Psychosen und depressive Zustånde (Morgan 2000). Neuere Gruppenstudien beståtigen im Wesentlichen die hæhere Wahrscheinlichkeit einer psychiatrischen Erkrankung fçr Ecstasy-Konsumenten. In einer groûen Stichprobe von 150 Drogenkonsumenten, die mindestens einmal Ecstasy konsumiert hatten, zeigten mehr als die Hålfte der Probanden psychopathologische Auffålligkeiten, am håufigsten Depressionen (Schifano et al. 1998). Eine genauere Analyse ergab, dass Psychopathologie mit Ecstasy-Konsum und nicht mit dem Konsum anderer Drogen einherging. In einer weiteren Studie fanden sich erhæhte Werte fçr Depression und Angst als Eigenschaft bei starken Ecstasy-Konsumenten (Verkes et al. 2001). Unter Berçcksichtigung verschiedener Moderatorvariablen war der Unterschied zu einer drogenfreien Kontrollgruppe und zu Probanden mit moderatem Ecstasy-Konsum allerdings nicht signifikant. Trotz der besonderen Anfålligkeit von Ecstasy-Konsumenten fçr psychiatrische Erkrankungen spielt der Konsum anderer Drogen ebenfalls eine wichtige Rolle. Ecstasy-Konsumenten und Konsumenten anderer Drogen zeigten im Vergleich zu drogenfreien Probanden signifikant erhæhte Werte sowohl im Summenwert als auch in allen einzelnen Skalen eines Verfahrens zur Erfassung psychopathologischer Symptome, darunter z. B. phobische Angst, Depression, Zwang und Aggression/Feindseligkeit (Thomasius et al. 2003). Obwohl der Vergleich zwischen Ecstasy-Konsumenten und Konsumenten anderer Drogen keine signifikanten Unterschiede erbrachte, war die Anzahl der Gelegenheiten, bei denen Ecstasy konsumiert wurde, eine signifikante Kovariate des Summenwertes und der Subskalen zu Angst und Psychotizismus. Cannabiskonsum hing signifikant mit den Skalen fçr Zwang und Aggression zusammen. z Kognitive Verånderungen als Folge von Ecstasy-Konsum Beeintråchtigungen von Lernen und Gedåchtnis Im Vergleich zu Kontrollpersonen, die noch nie Ecstasy genommen hatten, zeigten auch Neukonsumenten (absoluter Konsum 1- bis 9-mal) und gelegentliche Konsumenten (absoluter Konsum æfter als 10-mal) Gedåchtnisbeeintråchtigungen beim sofortigen und verzægerten freien Abruf von Wærtern (Parrott und Lasky 1998; Parrott et al. 1998). Probanden mit stårkerem Ecstasy-Konsum erwiesen sich sowohl im Vergleich zu Nicht-Ecstasy-Konsumenten (McCann et al. 1999a) bzw. drogenfreien Probanden (Reneman et al. 2000) als auch zu drogenkonsumierenden Kontrollpersonen als beeintråchtigt (Morgan 1999; Gouzoulis-Mayfrank et al. 2000; Verkes et al. 2001). Im Vergleich zu Konsumenten anderer Drogen konn-
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ten die bereits erwåhnten Defizite im verbalen Gedåchtnis reproduziert werden (Morgan 1999), jedoch zeigte sich, dass auch andere Gedåchtnisfunktionen betroffen waren: Konsumenten von Ecstasy und Cannabis reproduzierten weniger visuell-råumliche Gedåchtnisinhalte als Cannabis-Konsumenten und drogenfreie Kontrollpersonen unmittelbar nach der Darbietung. Darçber hinaus zeigten Ecstasy-Konsumenten Defizite im verbalen Arbeitsgedåchtnis (Gouzoulis-Mayfrank et al. 2000), die bei starkem Konsum auch nach sechs Monaten Abstinenz noch nachgewiesen werden konnten (Wareing et al. 2000). Bei der Auswahl von geeigneten Kontrollgruppen spielt nicht nur Drogenkonsum allgemein (unabhångig von Ecstasy) eine Rolle, sondern auch der demographische bzw. soziokulturelle Hintergrund. Wie eingangs bereits erwåhnt, ist MDMA besonders in der Rave-Szene sehr beliebt. Diesem Umstand Rechnung tragend wurden Ecstasy-Konsumenten mit starkem und moderatem Konsum mit einer Kontrollgruppe von Nichtkonsumenten aus der gleichen Szene verglichen (Verkes et al. 2001). Starke Konsumenten waren im verbalen und visuell-råumlichen Arbeitsgedåchtnis, im visuell-råumlichen Kurzzeitgedåchtnis und bei einfachen Reaktionszeitaufgaben beeintråchtigt. Probanden mit moderatem Konsum zeigten nur in den visuell-råumlichen Gedåchtnisaufgaben Defizite. In einer aktuellen Studie wurden Ecstasy-Konsumenten, ehemalige Ecstasy-Konsumenten, Konsumenten anderer Drogen und drogenfreie Probanden verglichen (Thomasius et al. 2003). Interessanterweise zeigten nur ehemalige, nicht aber aktuelle Ecstasy-Konsumenten verbale Gedåchtnisbeeintråchtigungen. Beeintråchtigungen in anderen kognitiven Bereichen In den meisten Untersuchungen zu kognitiven Beeintråchtigungen von Ecstasy-Konsumenten wurden nicht nur Gedåchtnisleistungen gemessen, sondern auch andere kognitive Leistungen wie Aufmerksamkeit und exekutive Funktionen çberprçft. Wåhrend håufig Defizite in der Gedåchtnisleistung festgestellt werden konnten, waren die Leistungen in anderen Bereichen oft nicht signifikant schlechter als die von Kontrollpersonen. Normgerechte Leistungen fanden sich in verschiedenen Reaktionszeit- und Aufmerksamkeitsaufgaben (Parrott et al. 1998; Thomasius et al. 2003), in einer Aufgabe zur visuellen Suche (Parrott und Lasky 1998) und in verschiedenen Teilbereichen exekutiver Funktionen (Morgan 1998; Klugman et al. 1999; Wareing et al. 2000; Verkes et al. 2001). Oftmals beschrånkten sich die neuropsychologischen Defizite von Ecstasy-Konsumenten jedoch nicht auf Gedåchtnisleistungen. Insbesondere in kognitiv sehr anspruchsvollen Aufgaben, so die Schlussfolgerung, ist håufig mit Beeintråchtigungen zu rechnen. Am håufigsten sind exekutive Leistungen beeintråchtigt: Ecstasy-Konsumenten zeigten leichte Defizite in einer Planungsaufgabe (Schifano et al. 1998) und hatten erhæhte Fehlerraten in einer Sortieraufgabe und einer Aufgabe zur kognitiven Impulsivitåt, die neben exekutiven Leistungen auch Aufmerksamkeit und visuelle Diskrimination erfasste (Morgan 1998; Dafters et al. 1999).
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Schlieûlich wurden in einigen Untersuchungen auch reduzierte Aufmerksamkeitsleistungen berichtet. So zeigten Ecstasy-Konsumenten erhæhte Fehlerraten in einer Aufgabe zur Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit (Wareing et al. 2000), hatten erhæhte Reaktionszeiten bei einfachen Reaktionen und bei Wahlreaktionen (Verkes et al. 2001) und zeigten reduzierte Leistungen in Aufgaben zur selektiven und geteilten Aufmerksamkeit (Gouzoulis-Mayfrank et al. 2000). Zur Interpretation der Befunde Eine Reihe methodologischer Probleme erschwert die vergleichende Untersuchung von Ecstasy-Konsumenten und Kontrollgruppen (Morgan 2000). Die durchgefçhrten Studien unterscheiden sich teilweise erheblich in der Definition von Ecstasy-Konsum, d. h. in der Intensitåt und Dauer des Konsums der Probanden. Darçber hinaus sind die Angaben sehr fehleranfållig, weil sie auf Berichten der Probanden beruhen und diese, aus unterschiedlichen Grçnden, eventuell ihren Drogenkonsum nicht korrekt angeben. Neben der Erfassung des Ecstasy-Konsums ist auch die Erfassung des Konsums anderer Drogen, legaler und illegaler, von groûer Bedeutung, weil auch sie einen Einfluss auf die untersuchten Parameter ausçben kænnen. In vielen Studien wurden Ecstasy-Konsumenten mit drogenfreien Probanden verglichen, sodass alle gefundenen Unterschiede auch auf den Konsum anderer Drogen zurçckgefçhrt werden kænnen, der in der Regel bei EcstasyKonsumenten ebenfalls erhæht ist. Somit ist die Zusammenstellung der Kontrollgruppe ein sehr wichtiger Punkt fçr die Interpretation von Studien zu kognitiven oder psychopathologischen Verånderungen von Ecstasy-Konsumenten. In diesem Zusammenhang bewåhrt hat sich die Heranziehung einer drogenfreien Kontrollgruppe und einer Kontrollgruppe mit Probanden, die noch nie Ecstasy konsumiert haben, sich jedoch hinsichtlich des Konsums anderer Drogen nicht von der Gruppe der Ecstasy-Konsumenten unterscheiden. In einer relativ aktuellen Studie wurde zusåtzlich darauf geachtet, dass die drogenfreie Kontrollgruppe aus dem gleichen soziokulturellen Umfeld kam (Verkes et al. 2001): Neben zwei Gruppen von EcstasyKonsumenten wurde eine Gruppe von regelmåûigen Rave-Party-Besuchern untersucht. Ein weiteres Problem bei der Interpretation von Befunden ist die Frage der Kausalitåt. Aufgrund der Art der Studien kann nicht entschieden werden, ob beispielsweise psychopathologische Auffålligkeiten Folge oder Ursache von Ecstasy-Konsum sind. Diese Einschrånkung gilt ebenso fçr Befunde zu kognitiven Leistungsbeeintråchtigungen bei Ecstasy-Konsumenten. Zusammenfassung Insgesamt kann als gesichert gelten, dass Ecstasy-Konsum zu Beeintråchtigungen der Lern- und Merkfåhigkeitsleistung fçhren kann. Unklarheit herrscht lediglich darçber, welche Gedåchtnisbereiche betroffen sind. Inkonsistente Befunde liegen in Bezug auf Kurzzeit- und Arbeitsgedåchtnis und Gedåchtnis fçr visuell-råumliches Material vor: Ecstasy-Konsumenten
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zeigten in einigen Studien normgerechte Ergebnisse in diesen Bereichen (Morgan 1998; Klugman et al. 1999; Wareing et al. 2000). Das verbale Gedåchtnis war hingegen sehr håufig beeintråchtigt. Ausgelæst werden die Defizite mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit durch den bei Ecstasy-Konsumenten nachgewiesenen Rçckgang des Serotoninstoffwechsels. Es wird vermutet, dass kognitive Defizite nicht unbedingt direkt mit nachgewiesener Neurotoxizitåt einhergehen mçssen, sondern erst dann auftreten, wenn die Neurotoxizitåt einen bestimmten Schwellenwert çberschritten hat. Ehemalige Konsumenten kænnen so unter Umstånden zunåchst unbeeintråchtigt bleiben und erst dann Defizite zeigen, wenn altersbedingt ein weiterer Rçckgang des Serotoninstoffwechsels erfolgt (Morgan 2000).
z Einfluss der Serotoninfunktion auf Impulskontrolle und Affektregulation In den letzten Jahren hat das Interesse an der Rolle von Serotonin bei der Entstehung von Aggressionen stark zugenommen. Die Bedeutung von Serotonin fçr bestimmte Formen aggressiven Verhaltens wird durch Befunde aus human- und tierexperimentellen Studien, aus der pharmakologischen Forschung, aus Untersuchungen mit bildgebenden Verfahren und Befunden aus molekularbiologischen Studien gestçtzt (Krakowski 2003). Aggressives Verhalten låsst sich in drei Komponenten unterteilen: Impulskontrolle, Affektregulation und vertrågliches Sozialverhalten. Impulsivitåt und starke emotionale Zustånde begleiten håufig aggressive Handlungen. Aggressive Individuen zeigen wiederum generelle Schwierigkeiten bei der Impulskontrolle und emotionalen Regulation. Auûerdem zeigen sie beeintråchtigte soziale Kognitionen und håufig fehlende soziale Einbindung. Der Einfluss von Serotonin auf aggressives Verhalten låsst sich am besten untersuchen, wenn man diese Komponenten einzeln betrachtet. Aggressive Handlungen geschehen in der Regel in einem breiten sozialen Kontext. Entsprechend hat die serotonerge Wirkweise nicht nur Einfluss auf das Verhalten eines Individuums, sondern auch auf gruppendynamische Prozesse, die reziprok individuelles Verhalten beeinflussen.
Tierexperimentelle Befunde Das serotonerge System vermittelt verschiedene Arten aggressiven Verhaltens in einer Vielzahl unterschiedlicher Spezies. Bei Nagetieren fçhrt ein verminderter Serotoninspiegel zu vermehrten aggressiven Verhaltensweisen (Gibbons et al. 1979). Eine åhnliche Steigerung von aggressiven Verhaltensweisen låsst sich auch bei einer gezielten Zerstærung von serotonergen Neuronen beobachten (Molina et al. 1987). Wåhrend ein niedriger Serotoninspiegel bei Nagetieren mit adaptiven aggressiven Verhaltensweisen assoziiert ist, besteht bei nichtmenschlichen Primaten und beim Menschen ein Zusammenhang zwischen niedrigem Se-
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rotoninspiegel und maladaptiven aggressiven Handlungen (Miczek et al. 1989). Aggressives Verhalten assoziiert mit einem niedrigen Serotoninspiegel fçhrt bei nichtmenschlichen Primaten in Konfliktsituationen håufig zu Verletzungen oder zum Tod und wird von einem erhæhten Stressniveau begleitet (Higley et al. 1992). Fehlangepasstes Verhalten dieser Tiere schlieût auch soziale Dysfunktion und impulsives, risikofreudiges Verhalten ein (Mehlman et al. 1994). In Ûbereinstimmung mit den genannten Befunden fçhrt ein erhæhter Serotoninspiegel zu einer Reduzierung von aggressivem Verhalten (Raleigh 1987). Tierexperimentelle Befunde bezçglich des Einflusses des serotonergen Systems auf das Sozialverhalten von Primaten zeigen, dass eine erhæhte Aktivitåt des serotonergen Systems zu einer erhæhten Anzahl positiver und einer verminderten Anzahl negativer sozialer Interaktionen fçhrt (Mehlman et al. 1995). Reduzierte Aktivitåt des serotonergen Systems fçhrt zu umgekehrten Effekten auf der Verhaltensebene (Raleigh und McGuire 1990).
Serotoninfunktion und aggressives Verhalten beim Menschen In Studien, die den Zusammenhang zwischen Serotoninfunktion und aggressivem Verhalten beim Menschen untersuchen, wird entweder die Menge von Serotoninmetaboliten als Maû fçr die Aktivitåt des serotonergen Systems erhoben und in Relation zu aggressiven Verhaltensweisen gesetzt oder der Serotoninspiegel selbst wird experimentell manipuliert, um dessen Auswirkungen auf aggressives Verhalten zu untersuchen. Gewalt, Impulsivitåt, Affekt und vertrågliches Sozialverhalten werden als Maû fçr Aggression durch verschiedene Methoden wie Verhaltensbeobachtungen, die Durchfçhrung experimenteller Aufgaben und Selbstberichtsfragebægen erfasst. Eine verminderte Aktivitåt des serotonergen Systems scheint mit einer Dysregulation der Impulskontrolle assoziiert zu sein, die sich in einer impulsiven Form von Gewalt åuûert (Linnoila et al. 1983; Roy et al. 1988; Virkkunen et al. 1989; Virkkunen et al. 1994). Studien, die den Serotoninspiegel experimentell manipulierten, zeigten çberwiegend, dass ein erhæhter Serotoninspiegel mit einer Abnahme von aggressiven Verhaltensweisen einhergeht (Coccaro et al. 1997; Knutson et al. 1998), wåhrend eine Verringerung des Serotoninspiegels dagegen aggressive Verhaltensweisen færdert (Cleare und Bond 1995; Moeller et al. 1996; Bjork et al. 1999). Als Indikatoren fçr Aggressionen dienen meistens erhæhte Impulsivitåt und gesteigertes affektives Verhalten. Zwischen den Konzepten Impulsivitåt und emotionaler Dysregulation gibt es vielfåltige Wechselwirkungen (Krakowski 2003). Starke emotionale Empfindungen bzw. emotionale Dysregulation gehen håufig mit Gewalttaten einher. Affektive Zustånde wie Ørger, Reizbarkeit und Wut kænnen die Intensitåt von Handlungsimpulsen verstårken, die in einer aggressiven Handlung resultieren. Hierbei findet eine verminderte Reflektion wåhrend des Entscheidungsfindungsprozesses statt, resultierend in einer verminderten Hemmung von Handlungsimpulsen. Aggressives Verhalten in Form von
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impulsiven und affektgesteuerten Handlungen wird daher als Resultat einer serotonergen Dysfunktion im orbitalen pråfrontalen Kortex gesehen. Zusammenfassend låsst sich feststellen, dass aggressives Verhalten nicht von Impulskontrolle, Affektregulation und sozialem Funktionieren getrennt werden kann. Serotonin beeinflusst psychologische Eigenschaften und soziale Interaktionen, die einen Einfluss auf gewalttåtiges Verhalten haben. Gleichzeitig bestimmen psychologische und soziale Faktoren, wie ein Organismus auf einen erhæhten oder verminderten Serotoninspiegel reagiert. Das Ausmaû, in dem serotonerge Dysfunktionen mit aggressivem Verhalten assoziiert sind, hångt von multiplen, interagierenden Faktoren ab. Diese Faktoren çben Einfluss auf die Inhibition von Impulsen, auf die Regulation von Emotionen und auf ein vertrågliches Sozialverhalten aus.
z Zusammenfassung: Serotonerges System und Kognition Das serotonerge System beeinflusst die Regulation von kognitiven und emotionalen Prozessen und ist somit an einer Reihe verhaltensrelevanter Funktionen beteiligt. Serotoninmangel wirkt sich negativ auf die Lern- und Merkfåhigkeit und Teilaspekte exekutiver Funktionen aus. Vor allem solche Aspekte exekutiver Funktionen sind betroffen, die durch den orbitalen Pråfrontalkortex vermittelt werden. Beeintråchtigungen der Impulskontrolle und der Affektregulation kænnen als Folge von Serotoninmangel auftreten und werden ebenfalls mit einer serotonergen Dysfunktion des orbitalen Pråfrontalkortex in Zusammenhang gebracht.
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z Serotonin und Kognition Die L-Tryptophan-Depletion beeintråchtigt das Lernen von Wortpaaren und reduziert die Leistung in visuellen Diskriminationsaufgaben. Bei vorab gelernten Planungsaufgaben verlångerte eine L-Tryptophan-reduzierte Diåt die Denkzeiten; dies kann als Hinweis auf eine weitreichende Stærung von Erinnerungsprozessen aufgefasst werden (Park et al. 1994). Verzægertes Wiedererinnern, verzægertes Wiedererkennen und die Verlångerung der Reaktionszeiten bei gleichzeitigem Erhalt des Kurzzeitgedåchtnisses, der sensorischen und motorischen Leistungen weisen auf ein Defizit im Langzeitgedåchtnisbereich hin (Riedel et al. 1999). Im Stroop-Test und bei dichotischen Hæraufgaben ist sogar eine Verbesserung der Aufmerksamkeitsleistungen durch die Tryptophan-Depletion zu demonstrieren (Schmitt et al. 2000). Daueraufmerksamkeitsleistungen nehmen erst bei einer kombinierten Serotonin-Katecholamin-Reduktion ab (Matrenza et al. 2004). Visuelle Inspektionszeiten bleiben unveråndert (Harrison et al. 2002). Es handelt sich also nicht um unspezifisch sedierende oder depressiogene Effekte der Diåt (Hughes et al. 2003; Murphy et al. 2002); die Verzægerung kann vor allem emotional positive visuelle Diskriminationsaufgaben ± nicht aber traurige Bilder ± betreffen (Murphy et al. 2002). Im Humanexperiment verschlechterte der Serotoninatagonist Fenfluramin Leistungen im Bereich des verzægerten råumlichen Gedåchtnisses (Luciana et al. 1998). Tryptophandepletion bei Patienten mit manifester Alzheimer Demenz (AD) fçhrte zu einer Beeintråchtigung des Arbeitsgedåchtnisses (Porter et al. 2003), ohne eine Stressreaktion mit Verånderungen des Plasma- und Speichelkortisols zu verursachen (Porter et al. 2002).
z Serotonin und Neurodegeneration In-vitro-Studien ergaben Hinweise auf eine 5-HT2a- und 5-HT2c-Rezeptorvermittelte Vermehrung in der Freisetzung von læslichem, nichtamyloidogenem Amyloidvorlåuferprotein (sAPP) (Nitsch et al. 1996). Im Tierexperiment war bei einer Stimulation der 5-HT2c-Rezeptoren durch mehrtågige Gabe von mCPP ein Anstieg des sAPP im Liquor nachzuweisen (Arjona et al. 2002).
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Die pharmakologische Stimulation von 5-HT4-Rezeptoren fçhrt ebenfalls zu einer vermehrten sAPP-Freisetzung (Lezoualc'h u. Robert 2003). Ferner konnte im Tierexperiment eine 5-HT4-Rezeptorstimulation Lernstærungen, die durch den muskarinergen Rezeptorantagonisten Scopolamin induziert waren, wieder vermindern; die Azetylcholinfreisetzung wurde durch 5-HT4-Agonisten dosisabhångig erhæht (Matsumoto et al. 2001).
z Altern Beim ¹normalen Alternª findet sich eine Abnahme der Imipraminbindung im Gyrus cinguli und eine Zunahme ± die mæglicherweise auf eine unspezifische Bindung an Membrankomponenten zurçckzufçhren ist ± im Bereich des Frontalkortex und des Putamens (Marcusson et al. 1987). Wesentliche Verånderungen der Dichte und Affinitåt des 5-HT1A-Rezeptors, der 40% der 5-HT-Rezeptoren im Frontalhirn und 60% im Hippokampus ausmacht, wurden im Alter nicht registriert (Cheetham et al. 1989; Palego et al. 1997), jedoch eine Reduktion der 5HT2a-Bindung (Versijpt et al. 2003). Bei Vertebraten nehmen jedoch die Dichte der Serotonintransporter im serotonergen dorsalen Raphe-Kern (Duncan u. Hensler 2002) und die Aktivitåt der Tryptophanhydroxylase in Medulla, Pons und Mittelhirn ab (Hussain u. Mitra 2000), wåhrend die Aktivitåt der Monoaminoxidase-B ansteigt (Gottfries 1990).
z Alzheimer-Demenz z Genetik. Zur Frage, ob 5-HTR2a-, HTR6- und 5-HT-Transporter(= 5HTT)-Polymorphismen Risikofaktoren fçr die Alzheimer-Demenz (AD) darstellen, liegen noch keine einheitlichen Ergebnisse vor; die Mehrzahl der Ergebnisse spricht dagegen (Alvarez-Alvarez et al. 2003; Kunugi et al. 2000; Nishimura et al. 2000; Rocchi et al. 2003; Thome et al. 2001; Tsai et al. 2001; Zill et al. 2000). Im Gegensatz hierzu verdichten sich jedoch die Hinweise auf einen Zusammenhang von Genotyp und Stærungen des Erlebens und Verhaltens innerhalb der Gruppe von Patienten mit AD. Bei Patienten mit AD und ¹psychotischenª Stærungen fand sich eine erhæhte Pråvalenz eines 5HT2a(C102; Holmes et al. 1998; Nacmias et al. 2001; Rocchi et al. 2003) oder eines 5-HTT-Polymorphismus (L/L; Suckonick et al. 2001; Sweet et al. 2001); Wahn und Halluzinationen waren meist mit Aggressivitåt assoziiert. In einer Studie ergab sich ein Zusammenhang zwischen 5-HT2a- und 5-HT2c-Polymorphismen und depressiven Stærungen frçh im Krankheitsverlauf (Holmes et al. 2003). Keine Beziehung war erkennbar zwischen Apolipoprotein E und alpha-1-Anti-Chymotrypsin-Polymorphismen und der Zeit bis zur Entwicklung von Wahn, Halluzinationen oder Verhaltensstærungen (Sweet et al. 2002).
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z Neurobiologie. Bei der AD ist die Zahl der serotonergen Neuronen in Nucleus Raphe dorsalis, Raphe obscurus und Nucleus pallidus vermindert (Kovacs et al. 2003). Die Tryptophanhydroxylase-Aktivitåt, die Serotoninund die 5-HIAA-Konzentration im dorsalen Raphe-Kern sind gesteigert, aber der Transport in die Zielgebiete ist eingeschrånkt (Burke et al. 1990; Gottfries, 1990). Eine Reduktion der zerebralen Serotoninrezeptorendichte und Verånderungen des Serotoninmetabolismus bei manifester AD sind seit langem bekannt (Cross et al. 1984, 1986; Garcia-Allosa et al. 2004; Gottfries et al. 1986; Marcusson et al. 1987; Procter et al. 1999; Quirion et al. 1986; Reinikainen et al. 1988; Reynolds et al. 1984; Sparks 1989; Storga et al. 1996; Tohgi et al. 1992, 1995). Die 5-HT2-Bindung kann pråfrontal unveråndert im Vergleich zu altersgleichen Kontrollen sein (Dewar et al. 1990). Auch die Dichte der 5-HT3-Rezeptoren in Hippokampus und Nukleus amygdalae erscheint unveråndert (Barnes et al. 1990). z Stadium. Zwischen dem Stadium der AD und der Ausprågung neuropathologischer Verånderungen der Raphe-Neuronen (Halliday et al. 1992) oder Verånderungen der 5-HT-Rezeptorendichte (Cross et al. 1984; Lai et al. 2003) ergab sich kein enger Zusammenhang. Eine erhæhte frontale 5-HT1a-Rezeptordichte und eine verminderte Serotoninkonzentration sind mæglicherweise mit einem rascheren Rçckgang der kognitiven Leistung (Garcia-Allosa et al. 2004; Lai et al. 2002) und ausgeprågtere neuropathologische Verånderungen im dorsalen Raphe-Kern sind mit einem schnelleren Fortschreiten der Erkrankung korreliert (Halliday et al. 1992). z Symptomatik. Keine enge Beziehung scheint zwischen dem Neuronenverlust in den dorsalen Raphe-Kernen und Verhaltensstærungen zu bestehen (Chen et al. 2000). Nach unseren Ergebnissen weisen demente Patienten mit Wahn und auditorischen Halluzinationen etwas niedrigere Neuronenzahlen im dorsalen Raphe-Kern auf (Færstl et al. 1994). Die temporale 5-HT1a-Rezeptordichte (Lai et al. 2003) oder die temporale 5-HT6-Rezeptordichte (Garcia-Alloza et al. 2004) sind jedoch angeblich invers mit dem Auftreten von Unruhe und Aggressivitåt assoziiert. Dass hierbei gleichzeitig cholinerge und andere Mechanismen beteiligt sind, steht auûer Zweifel (Garcia-Alloza et al. 2004; Minger et al. 2000). Kein Zusammenhang ergab sich zwischen Verhaltensstærungen und 5-HT4-Dichte in Frontal- oder Temporallappen (Lai et al. 2003). Patienten, die nach Fenfluramingabe mit einem stårkeren Prolaktinanstieg reagierten, (Hinweis auf zentral serotonerge Dysfunktion) zeigten klinisch stårkere Reizbarkeit und Aggressivitåt (Lanctot et al. 2002). Wåhrend die Dichte der Serotonintransporter bei der AD im Allgemeinen abnimmt, bleibt sie mæglicherweise im Temporallappen bei ångstlichen dementen Patienten erhalten (Tsang et al. 2003). Ob die Beziehung zwischen Serotonin und depressiver Symptomatik bei Patienten mit AD eine wesentliche Rolle spielt, ist derzeit noch offen (Meltzer et al. 1998).
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z Periphere Marker. Kontrovers werden derzeit etwaige periphere Alzheimer-assoziierte Verånderungen des serotonergen Systems diskutiert. Teilweise wurde ein vermehrter Serotoningehalt der Plåttchen, eine erhæhte Plåttchenzahl (Meszaros et al. 1998) und eine erhæhte Transporterdichte (Arora et al. 1991) berichtet. In anderen Untersuchungen ergaben sich keine Unterschiede zwischen AD und Kontrollgruppe hinsichtlich der genannten Parameter, der Bindungsstellen, der Affinitåt (Andersson et al. 1991; Spigset et al. 2000) und der Plåttchenaggregation (Thomas et al. 1988).
z Andere Demenzen z Demenz mit Lewy-Kærperchen/Parkinson-Demenz. Die 5-HT2-Bindung ist reduziert; diese Verånderung ist besonders in den tieferen kortikalen Schichten ± v. a. Lamina V ± jener Patienten ausgeprågt, die nicht halluzinieren (Cheng et al. 1991). Daneben sind 5-HT4-Bindungsstellen reduziert (Wong et al. 1996). Die Verminderung der Serotoninbindung ist nicht eng mit dem Ausmaû des cholinergen Defizits korreliert (Perry et al. 1984). Die Serotoninkonzentration ist in Neokortex und Putamen niedriger als bei AD (Ohara et al. 1998). z Progressive supranukleåre Parese (PSP). Bei der PSP ist die Aktivitåt der Tryptophanhydroxylase im Nucleus centralis superior erhæht (Kovacs et al. 2003) und die 5-HT-Konzentration in den Basalganglien im Gegensatz zur AD nicht erniedrigt (Hornykiewicz u. Shannah 1994), wodurch die serotonerge motorische Inhibition çberwiegt. Versuche der Neurotransmitterkompensation schlugen bei der PSP auch mit SSRI fehl (Kompoliti et al. 1998). z Trisomie 21. Bei einigen Patienten fand sich eine erniedrigte Serotoninkonzentration in Nukleus amygdalae, Gyrus cinguli und Nucleus caudatus (Yates et al. 1986). Diese Erniedrigung erscheint im Nucleus caudatus wesentlich deutlicher als bei der AD (Seidl et al. 1999). z Frontotemporale Degenerationen. Hier wurde ein Verlust von 5-HT-Rezeptoren in Frontal- und Temporalkortex festgestellt (Procter et al. 1999). z ¹Vaskulåre Demenzenª. Die Serotoninkonzentration im Liquor ist bei dementen Patienten mit mikroangiopathischen Hirnverånderungen signifikant erniedrigt (Tohgi et al. 1995). In einer Studie wurde eine 50%ige Abnahme der Imipraminbindung im Putamen und eine 30%ige Abnahme im Gyrus cinguli gezeigt (Marcusson et al. 1987), neuere Ergebnisse ergaben jedoch keine Unterschiede der Rezeptorendichte und -affinitåt zwischen dementen Patienten mit vaskulåren Hirnverånderungen und Kontrollen (Hansson et al. 1996). Die Dichte der nach einem Hirninfarkt erhaltenen linksfrontalen Serotoninbindung korreliert mit der kognitiven Leistung (Morris et al. 1993). Patienten mit emotionaler Instabilitåt (pathologisches
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Weinen) nach Hirninfarkten weisen eine erniedrigte 5-HAT-TransporterDichte in Mittelhirn und Pons auf (Murai et al. 2003).
z Demenzsyndrom der Depression. Der Beitrag mæglicherweise degenerativ bedingter Verånderungen des serotonergen Systems ist nicht endgçltig geklårt (Owens u. Nemeroff 1994; Ressler u. Nemeroff 2000). So ist noch zu beantworten, welcher Anteil dieser Stærungen auf eine Koinzidenz unterschiedlicher Øtiologien zurçckzufçhren ist (Moretti et al. 2002). Nach unseren eigenen Ergebnissen sind die neuropathologischen Verånderungen im Bereich des Locus coeruleus bei dementen Patienten mit ausgeprågt depressiven Symptomen besonders stark (Færstl et al. 1992).
z Therapeutische Ansåtze z Theorie. Die kortikale Konzentration von Serotonin bleibt im Tierexperiment durch Cholinesterase-Hemmung unbeeinflusst (Mori et al. 1995). Ginkgo biloba wird die Fåhigkeit nachgesagt, einen altersassoziierten Verlust von 5-HT1a-Rezeptoren auszugleichen (DeFeudis u. Drieu 2000). Antidepressiva erhæhen die BDNF-RNA im Hippokampus von Versuchstieren (Garza et al. 2004). Nach Gabe von Citalopram stieg sowohl bei Patienten mit AD als auch bei Patienten mit mikroangiopathischen Hirnverånderungen die Konzentration von Serotonin im Liquor signifikant an (Tohgi et al. 1995). Der antinozizeptive Effekt, etwa von Mirtazapin, wird unter anderem serotonerg vermittelt (Schreiber et al. 2002). Neue 5-HT1a-Agonisten sind mæglicherweise imstande, durch eine Blockade frontaler Rezeptoren heterosynaptische Bahnen zu aktivieren und damit zu einer kognitiven Stimulation beizutragen (Middlemiss et al. 1986; Schechter et al. 2002). Unter Behandlung mit dem 5-HT1a-Agonisten Tandospiron verringerten sich depressive Symptome bei Patienten mit AD (Masuda et al. 2002). z Praxis. Nebenwirkungsarme selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs) und andere nicht anticholinerge Antidepressiva besitzen klinisch einen hohen Stellenwert in der Behandlung dementer Patienten mit depressiven und anderen Stærungen des Erlebens und Verhaltens (Laux 2003). Bei FTD wurden wiederholt SSRIs angewandt und Vorteile beschrieben (Litvan 2001; Perry u. Miller 2001). Auch neuere Studien zu Fluvoxamin und Paroxetin, in denen ein Nutzen der Substanzen angegeben wurde, wurden jedoch offen durchgefçhrt und entsprechen damit keinen hohen methodischen Standards (Ikeda et al. 2004; Moretti et al. 2003). Jçngst war fçr Paroxetin keine signifikante Besserung der Verhaltensstærungen nachzuweisen (Deakin et al. 2004). Bei depressiven Patienten mit kognitiven Stærungen wurde in einer offenen Studie eine deutlichere Besserung der affektiven Symptomatik und ei-
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niger kognitiver Funktionen beobachtet (Devanand et al. 2003). Die Behandlung wird auch bei ålteren Patienten im Allgemeinen gut vertragen (Rabheru 2004), die Indikationsstellung muss jedoch gezielt erfolgen (Ulfvarson et al. 2003). Es liegt eine Reihe von Beobachtungen zu SSRI-Effekten bei manifester Demenz vor. Beschrieben wurde die Besserung zwangartiger Stærungen bei Patienten mit AD unter Behandlung mit Fluoxetin (Marksteiner et al. 2003), eine Verminderung von Stereotypien unter Behandlung mit Fluvoxamin (Trappler u. Vinuela 1997) und eine Besserung affektiver und ¹psychotischerª Symptome durch diverse SSRIs (Burke et al. 1997). Die Zahl kontrollierter randomisierter doppelblinder Studien ist gering: Citalopram erwies sich in der stationåren Akutbehandlung dementer Patienten signifikant wirksam gegen ¹psychotischeª und Verhaltensstærungen (Pollock et al. 2002); in einer 12-wæchigen Behandlung war Sertralin Placebo in der Behandlung depressiver Symptome signifikant çberlegen (Lyketsos et al. 2000, 2003). Zuverlåssige Prådiktoren waren nicht zu eruieren (Steinberg et al. 2004). In einer kleineren Studie an schwer dementen Patienten in Pflegeheimen war kein wesentlicher Effekt von Sertralin auf depressive Symptome zu erkennen (Magai et al. 2000). Eine weitere Untersuchung demonstrierte Vorteile einer Kombination von Donepezil und Sertralin hinsichtlich der Globalfunktion, teilweise auch hinsichtlich von Stærungen des Verhaltens und Erlebens (Finkel et al. 2004). In einer Cochrane-Analyse wurde beståtigt, dass Antidepressiva depressive Stærungen bei einer Demenz bessern kænnen (Bains et al. 2002). Durch kritische Beobachtungen bei den atypischen Neuroleptika (Hirninfarktrisiko! auûerdem kænnen Neuroleptika zu einem serotonergen Defizit beitragen; Chen et al. 1996) wird die Behandlung agitierter, aggressiver dementer Patienten mit selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern zur verbesserten Impulskontrolle und Stimmungsstabilisierung weiter an Bedeutung gewinnen (Korthals-Altes u. Kurz 2000) ± trotz des bisherigen Fehlens einer ausreichenden Zahl wissenschaftlich çberzeugender Untersuchungen.
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Serotonerges System und Halluzinationen ± Das Beispiel der Parkinson-Halluzinose D. Kæmpf
Halluzinationen sind definitionsgemåû Trugwahrnehmungen ohne entsprechenden åuûeren Reiz. Nach Jaspers [21] liegt Halluzinationen ein Mangel an Erkenntnis zugrunde, dass das Wahrgenommene irreal ist. Demgegençber handelt es sich um Pseudohalluzinationen, wenn das Wahrgenommene als subjektiv und unwirklich, also nicht in der Auûenwelt, sondern im eigenen Inneren entstanden erkannt wird. Die meisten halluzinatorischen Wahrnehmungen in der Neurologie gehæren in diese Kategorie. Als klinisches Klassifizierungskriterium ist die Unterscheidung von echten Halluzinationen und Pseudohalluzinationen jedoch nur bedingt verwendbar, die Ûbergånge sind flieûend. Pseudohalluzinationen nehmen insbesondere dann vorçbergehend den Charakter echter Halluzinationen an, wenn eine Stærung des Bewusstseins eingetreten ist; klart das Bewusstsein auf, wird der Charakter der Halluzinationen håufig wieder richtig eingeschåtzt [28]. Halluzinationen kænnen einfacher und komplexer Natur sein. Einfache visuelle Halluzinationen beinhalten die Wahrnehmung bunter oder schwarz-weiûer Punkte, Linien, Kurven, Kreise, Blitze, Flammen, Sterne (Photome, Photopsien oder Phosphene). Man spricht von komplexen visuellen Halluzinationen, wenn unbelebte oder belebte Objekte aus der persænlichen Vorstellungswelt Gestalt annehmen oder wenn ganze szenische Ablåufe gesehen werden.
z Visuelle Halluzinationen [28] z Entoptische Phånomene z Psychophysiologische Phånomene ± ¹mental imageryª ± Tagtråume ± Eidetik ± hypnagoge Halluzinationen ± Tråume ± Halluzinationen nach Reizdeprivation ± Visionen z Visuelle Phånomene bei elektrischer Kortexstimulation z Visuelle Halluzinationen bei neurologischen Krankheitsbildern ± Charles-Bonnet-Syndrom
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± pedunkulåre Halluzinose ± halluzinatorische Phånomene und visuelles System ± Palinopsie, visuelle Perseveration, illusory visual spread, visuelle Allaesthesie ± visuella Migråne-Aura ± epileptische Halluzinationen z Medikamenten-, drogeninduzierte Halluzinationen Entoptische Phånomene sind definiert als reproduzierbare sichtbare Phånomene, die entweder im Auge selbst ihren Ursprung haben oder nach einer inadåquaten Reizung der Netzhaut auftreten kænnen. Unser Gehirn kann ¹durch Vorstellungskraftª Bilder ¹aus der Erinnerungª herstellen: Mental imagery. Dies hilft im tåglichen Leben, Aufgaben zu planen. Diese Fåhigkeit ist wahrscheinlich eine wichtige Quelle der bildenden Kunst, Maler ¹sehenª auf der leeren Leinwand. Die inneren Bilder sind eine unserer kreativsten Funktionen ± man muss sie jedoch auch unterdrçcken kænnen. Es gibt kaum einen Menschen, bei dem nach einer gegebenen Aufforderung wie z. B. ¹Denken Sie jetzt auf gar keinen Fall an ein Krokodilª, nicht zumindest fçr den Bruchteil einer Sekunde das Bild eines Krokodils vor dem inneren Auge erscheint. Bei eidetischen Phånomenen werden vorangegangene optische Eindrçcke weiter im åuûeren Raum gesehen [20]. Hypnagoge Halluzinationen sind an einen Zustand zwischen Wachen und Schlafen gebunden. Diese nur im Zustand der Mçdigkeit auftretenden Halluzinationen sind bei Gesunden selten, sie treten besonders charakteristisch bei der Narkolepsie auf. Letztere werden auf REM-Phasen wåhrend des Wachzustands zurçckgefçhrt. Einsamkeit und Monotonie kænnen Halluzinationen hervorrufen. Dies war lange bekannt, bevor von den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts an systematische Untersuchungen der halluzinogenen Wirkung sensorischer Deprivation erfolgten. Naturgemåû lassen sich heute die historisch berichteten Halluzinationen und visionåren Erscheinungen retrospektiv åtiologisch nicht zuordnen. Die vielen visionåren Beispiele aus Geschichte, Mythologie und Religion ± von Moses çber Hildegard von Bingen bis hin zu Jeanne D'Arc ± belegen die Bedeutung des soziokulturellen Umfeldes fçr Wirkung und Deutung eines halluzinatorischen Erlebnisses. Die elektrische Kortexstimulation ergibt im Bereich des Okzipitallappens nur einfache Halluzinationen (Sterne, Linien und Kreise etc.), abhångig von Reizort und Reizart, wohingegen bei Temporallappenstimulationen komplexe szenische Halluzinationen auftreten, und durch Untersuchungen mit Tiefenelektroden konnte die Bedeutung des limbischen Systems bei der Entstehung von subjektiven Erlebnissen einschlieûlich Halluzinationen belegt werden [3, 12, 35, 39]. Generell wird halluzinatorischen Phånomenen in der klinischen Neurologie nur wenig Beachtung geschenkt, da in aller Regel die den Patienten stårker belastenden negativen, defizitåren Symptome im Vordergrund stehen. Die håufige visuelle Halluzinose bei visusgeminderten ålteren Patien-
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ten wird als Charles-Bonnet-Syndrom beschrieben [2, 6, 10]. Die seltenen, jedoch pathophysiologisch und topisch sehr interessanten Halluzinationen im Rahmen mesodienzephaler Insulte werden als pedunkulåre Halluzinose bezeichnet [26]. Generell ist das Substrat einer organischen visuellen Halluzinose jedoch meist kortikal (oder nicht zu bestimmen, z. B. Delir). Eine eingehende systematische Untersuchung der Phånomenologie optischer Wahrnehmungen bei Patienten mit homonymer Hemianopsie wurde von Kælmel durchgefçhrt [23±25]. Die Photopsien kænnen nach ihren Strukturund Farbmerkmalen sowie nach Helligkeit unterschieden werden. Geometrische Strukturen und die bei den Mustern beschriebenen vier Farben (grçn, rot, gelb, blau) werden als Sichtbarwerden der funktionellen Neuronenarchitektonik des visuellen Kortex interpretiert. Komplexe visuelle Halluzinationen sind deutlich seltener, die Schådigungsmuster reichen hier von okzipital bis nach temporal [12]. Die alte Kontroverse um die diagnostische und lokalisatorische Bedeutung von (Pseudo-)Halluzinationen in der Neurologie ist bis heute nicht entschieden. Generell kænnen sowohl einfache als auch komplexe Halluzinationen im Bereich des gesamten visuellen Systems ± einschlieûlich der hæheren visuellen Verarbeitungszentren auûerhalb der Sehbahn und der Area striata ± ausgelæst werden. Betrachtet man Halluzinationen als isoliertes Phånomen, ist ihre topische Bedeutung relativ gering. Schon eine so simple Tatsache jedoch wie das gleichzeitige Vorliegen von Gesichtsfelddefekten und die Berçcksichtigung der Frage, ob die Halluzinationen nur im hemianopen Feld auftreten, erlaubt eindeutige klinische Schlussfolgerungen. Ein interessantes, wenngleich seltenes Phånomen stellt die Palinopsie dar. Hierunter wird das erneute Auftreten visueller Bilder mit einer kurzen Latenz nach Entfernung des Stimulus bezeichnet [27]. Ergånzend erwåhnt werden soll in diesem Zusammenhang auch die sehr håufige visuelle Migråneaura. Epileptische Halluzinationen sind åuûerst vielfåltig und variabel. Es finden sich vor allem positive Phånomene, wie einfache und komplexe Halluzinationen und illusionåre Verkennungen.
z Pathogenese visueller Halluzinationen [9, 10, 29, 37] Pathogenetisch kænnen prinzipiell zwei Mechanismen unterschieden werden: 1. Lokale kortikale Irritationen bzw. auch eine kortikale Fehlverarbeitung sensorisch-visueller Informationen. Entladungen werden generiert (¹Ûberaktivitåtª) und fålscherlicherweise als sensorischer Input interpretiert und ein normaler Input wird im visuellen Kortex falsch prozessiert. 2. Release-Phånomene (Disinhibition, Wegfall von Hemmung): Ein defekter Input bewirkt eine fehlerhafte kortikale Stimulation, eine Freisetzung lokal gespeicherter Informationskreise; d. h. die Sehrinde zum Beispiel, die keine Eindrçcke mehr empfångt, erzeugt dann selbst Erregungen. So re-
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sultiert auch hier eine Ûberaktivitåt, die fålscherlicherweise als sensorischer Input verarbeitet wird. Die åhnliche Phånomenologie halluzinierter Bilder weist hin auf 1. verwandte Entstehungsmechanismen und 2. eine kortikale Phånomenologie, wobei bei sicher extrakortikalen Ursachen von indirekten Mechanismen ausgegangen werden muss. Drei Strukturen sind prinzipiell bei visuellen Halluzinationen involviert: 1. das visuelle System, 2. Gedåchtnisstrukturen und 3. der frontale Assoziationskortex. Der Assoziationskortex ist beim Denken aktiv ± er steuert die Information, die ins Bewusstsein stræmt und entscheidet ¹was unterdrçckt wirdª: Bei Problemlæsungen sortiert der Assoziationskortex die relevanten Gedåchtnisinhalte und Assoziationen, der Rest wird supprimiert. Eine Fehlfunktion hier wird insbesondere bei schizophrenen Halluzinationen vermutet (Hypofrontalismus). Halluzinationen kænnen hierbei als Ausdruck einer gestærten Wechselwirkung dieser Kortexareale verstanden werden: die Halluzinose, ein verzerrter Output einer komplexen virtuellen Maschine.
z Neurotransmitter/Halluzinationen [29, 31, 33, 38] Ein erster direkter Anknçpfungspunkt ± Neurotransmitter/Halluzinationen ± sind die Halluzinogene Meskalin, Psilocybin und LSD. Das sind Serotoninagonisten mit Wirkung auf den 5-Hydroxytryptamin(5HT2)-Rezeptor. Sie verursachen die typische Halluzinose mit farbigen Mustern, visuellen Verzerrungen bis hin zur Wahrnehmung von Tier- und Menschenfiguren. Es besteht dabei eine lineare Korrelation zwischen serotonerger Aktivitåt von Halluzinogenen und ihrem halluzinogenen Potenzial. Der zweite Anknçpfungspunkt ist die bekannte klinische Tatsache, dass die klassischen antidopaminergen Antipsychotika eine gute Wirkung bei der halluzinatorischen Schizophrenie haben. Die neurodegenerative Parkinsonerkrankung verursacht eine komplexe Neurotransmitterstærung; hauptursåchlich liegt eine Degeneration der neuromelaninhaltigen, dopaminergen Neurone der Pars compacta der Substantia nigra im Mesenzephalon zugrunde. Diese Neurone projizieren vornehmlich in das Corpus striatum, das sich aus Putamen und Nucleus caudatus zusammensetzt. Primår handelt es sich um eine Dopaminmangelerkrankung, wobei das Putamen initial am stårksten betroffen ist. Ûber das dopaminerge System hinaus kommt es jedoch auch zu einem Untergang noradrenerger Neurone des Locus coeruleus, serotonerger Neurone insbesondere der dorsalen RapheKerne sowie cholinerger pedunkulopontiner Kerne des Tegments im Hirnstamm (Ûbersicht [32]). Gerade diese pedunkulopontinen Kerne des Teg-
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ments sind bei der pedunkulåren Halluzinose (s. o.) håufig betroffen, sodass sich hier eine mægliche Ûberschneidung in der Pathogenese visueller Halluzinationen beim Morbus Parkinson vermuten låsst. Im Hinblick auf Transmitterverånderungen infolge des Untergangs serotonerger Neurone im Hirnstamm bedeuten diese nicht zwangslåufig auch eine Reduktion der Serotonin-vermittelten Aktivitåt; eine Reduktion von Serotonin kann durchaus çber eine vermehrte postsynaptische Expression zu einer Vermehrung von Serotoninrezeptoren mit einer konsekutiv gesteigerten Empfindlichkeit fçhren, sodass hier gut nachvollziehbar gegenlåufige tierexperimentelle Serotoninbefunde vorliegen kænnen.
z Parkinson-Halluzinose [2, 7, 11, 15, 16, 19, 22, 32, 36, 40] Dieses pathophysiologische/pathobiochemische Muster stellt die entscheidende Prådisposition fçr die Parkinson-Halluzinose dar, wobei der Morbus Parkinson allein nicht zu einer Halluzinose fçhrt, sondern immer eine ± meist mehrjåhrige ± medikamentæse Therapie vorausgeht. Tritt im Rahmen dieser neurodegenerativen Erkrankung eine Halluzinose ohne Medikamentengabe auf, ist differenzialdiagnostisch insbesondere eine Lewy-KærperKrankheit zu vermuten [17]. Es ist insbesondere nach frçheren psychotischen Episoden in der Anamnese zu fragen. Interessant ist, dass auch hochdosierte Levodopa-Infusionen bei Parkinsonpatienten ohne Halluzinose nicht zu Halluzinationen fçhren [13] und eine Halluzinose bei bereits halluzinierenden Parkinsonpatienten durch entsprechende Infusionen nicht verstårkt wird. Es kann hieraus gefolgert werden, dass die Halluzinationen beim Morbus Parkinson nicht mit einem plætzlichen Wechsel des L-Dopa-Plasmalevels zusammenhången. Visuelle Halluzinationen beim Morbus Parkinson kænnen phånomenologisch einfacher oder komplexer Natur sein, wobei sie von Elementarhalluzinationen bis hin zu szenischen Halluzinationen alles beinhalten kænnen. Am håufigsten sind figçrliche Halluzinationen wie Menschen oder Tiere. Diese sind oft mobil und weisen eine normale Physiognomie auf. Zwar werden sie auch von normaler Kærpergræûe beschrieben, sind aber oft verkleinert (Lilliput-Halluzinationen). Bei figçrlichen Halluzinationen wird dabei der Hintergrund oft abgedeckt wahrgenommen, sie werden also als nicht durchscheinend erlebt. Die folgenden Inhalte lassen sich in absteigender Håufigkeit reihen: Erwachsene, Kinder, Haustiere, Gegenstånde. Auffållig ist die geringe emotionale Betroffenheit und der oft fehlende IchBezug der visuellen Halluzinationen, sodass diese ± im Gegensatz zu visuellen Halluzinationen bei anderen Erkrankungen ± nicht angstbesetzt sind. Weitere Charakteristika der Parkinson-Halluzinose sind: z sie åhnelt phånomenal der pedunkulåren Halluzinose, teilweise auch dem Charles-Bonnet-Syndrom (s. o.) z sie tritt vor allem abends auf und ist
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Abb. 1. Kaskade der Entstehung visueller Halluzinationen bis zur paranoid-halluzinatorischen Psychose
z assoziiert mit lebhaften Tråumen und Schlafstærungen sowie generell z einem kognitiven Abbau; Demenz und Alter sind die wichtigsten Risikofaktoren.
Kaskade der Halluzinationsentstehung Die Symptomatik bahnt sich håufig in der Nacht an, die Tråume werden lebhafter und farbiger (vivid dreams). Es treten illusionåre Verkennungen vor allem in den Abend- und Nachtstunden auf, es kommt zu ¹Anwesenheitsphånomenenª von Personen und Tieren. Es finden sich Patienten, die çber Jahre von diesen benignen Halluzinationen berichten, die nahezu allabendlich auftreten, ¹unterhaltsamenª Charakter haben, ohne dass es zur Entwicklung einer psychotischen Symptomatik kommt. In Ausnahmefållen treten auch akustische Halluzinationen auf, ganz selten auch taktile [8]. Håufig signalisieren jedoch eine gesteigerte Traumaktivitåt und die zunehmende Zerstærung der Schlafstruktur die Frçhzeichen und Vorboten einer Kaskade bis hin zu einer akuten exogenen halluzinatorischen Psychose (Kontinuum-Hypothese, Abb. 1).
Halluzinationen und Schlaf [1, 5, 18, 30, 34] Krankheitsbedingte Schlafstærungen treten bei 50% der Parkinsonpatienten auf; sie umfassen verlångerte Einschlafzeiten, kçrzere Gesamtschlafzeiten und verkçrzte REM-Schlafphasen. Diese medikamenteninduzierte Schlafstærung findet sich vorwiegend in spåteren Erkrankungsstadien sowohl unter L-Dopa als auch unter Dopaminagonisten. L-Dopa beeinflusst die Schlafstruktur und fçhrt dabei zur Verminderung der REM-Aktivitåt, insbesondere, wenn es kurz zuvor eingenommen wurde. Eine gesteigerte Traumaktivitåt im Rahmen der Schlafstærung wird dagegen eher auf eine
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Zunahme der REM-Aktivitåt zurçckgefçhrt. Polysomnographisch låsst sich ein Auftreten von visuellen Halluzinationen im Anschluss an REM-Schlafphasen nachweisen. Wåhrend des Tages auftretende visuelle Halluzinationen im Rahmen einer Parkinsonerkrankung sind vermehrt an Non-REMSchlafphasen wåhrend des Tages gekoppelt. Eine åhnliche Assoziation zwischen Halluzinationen und Schlafphase findet sich bei hypnagogen Halluzinationen von Patienten mit einer Narkolepsie.
Therapie der Parkinson-Halluzinose [14, 36] Treten visuelle Halluzinationen nach einer Medikamentenånderung auf, sollte diese zunåchst zurçckgenommen werden. Bei Halluzinationen ohne vorherige Medikamentenånderung empfiehlt sich eine langsame Reduktion, vor allem der Abenddosis, von Dopaminagonisten, Amantadin und Anticholinergika sowie Selegelin. Erst zuletzt sollte die L-Dopa-Gesamtdosis reduziert werden, da sich die Beweglichkeit drastisch verschlechtern kann. Reichen diese Maûnahmen nicht aus oder sind sie nicht mæglich, sind medikamentæs so genannte atypische Neuroleptika ± såmtlich ausgeprågte Serotoninantagonisten ± die Mittel der Wahl.
z Atypische Neuroleptika z z z z z
Clozapin (Leponex) Ondansetron (Zofran) Quetiapin (Seroquel) Risperidon * (Risperdal) Olanzapin * (Zyprexa)
5HT2 > D2-Antagonist sel. 5HT3-Antagonist 5HT2 > D2-Antagonist 5HT2 > D2-Antagonist 5HT2 > D2 > D1, D4-Antagonist
* cave: motorische Verschlechterung
Serotoninantagonisten sind somit die klassischen Therapeutika bei der Parkinson-Halluzinose.
Neurotransmitter und Parkinson-Halluzinose [29, 31, 33, 38] Zwar existieren eine Reihe von Erklårungsansåtzen zur Entstehung von visuellen Halluzinationen bei der Behandlung des Morbus Parkinson, letztlich ist aber der genaue biochemische Mechanismus noch unbekannt. Am wahrscheinlichsten ist eine kombinierte Modulation der dopaminergen und serotonergen Systeme durch die Behandlung. Die folgenden biochemischen Ansåtze bei der Entstehung von visuellen Halluzinationen beim Morbus Parkinson kænnen zusammengefasst werden als: z Imbalance zwischen serotonergen und cholinergen Afferenzen in die visuellen Thalamuskerne (Corpus geniculatum dorsolaterale (CGD) und Pulvinar) oder direkt in den Kortex,
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z direkte Ûberstimulation des serotonergen Systems, induziert durch L-Dopa bzw. Dopamin, z Entstehung von atypischen Metaboliten aus L-Dopa bzw. Dopamin mit konsekutiver Bindung an Serotonin- oder Opiatrezeptoren, z Ûberstimulation des dopaminergen mesokortikolimbischen Systems durch L-Dopa bzw. Dopamin. Dass die letztlich toxisch hervorgerufenen visuellen Halluzinationen zumindest in der Endstrecke aber çber einen serotonergen Mechanismus zustande kommen, ist aus mehreren Grçnden wahrscheinlich: z Halluzinogene Drogen wie Lysergsåurediethylamin (LSD) besitzen eine dem Serotonin åhnliche Struktur und binden an den relevanten 5-HT2-A-Serotonin-Rezeptorsubtyp. Auch andere potenziell halluzinogene Substanzen wie Fluoxetin wirken als Serotoninaufnahmeblocker çber Serotonin. z Die Assoziation mit Schlafstærungen weist auf Serotonin als entscheidenden Neurotransmitter hin. Dem Wechsel zwischem REM- und NonREM-Schlafphasen bzw. Arousal liegt ein Wechselspiel zwischen Serotonin, Acetylcholin und Noradrenalin zugrunde. z Es finden sich Stærungen im Serotoninstoffwechsel als Folge einer Langzeittherapie mit L-Dopa. Darçber hinaus greifen atypische L-Dopa-Metaboliten (als Folge einer L-Dopa-Therapie) in den Serotoninstoffwechsel ein. z Medikamente sind bei (visuellen) Halluzinationen wirksam, wenn sie antiserotonerge Eigenschafen haben (z. B. Clozapin, s.o.). Interessant ist, dass L-Dopa auch hoch dosiert und çber långere Zeit verabreicht ohne Parkinsonerkrankung nicht zu Halluzinosen fçhrt (z. B. falsche Therapie eines essenziellen Tremors, Therapie des Restless-legs-Syndroms). Dies spricht dafçr, dass das pathophysiologische und pathobioche-
Abb. 2. Interaktion von Hirnstammlåsionen beim M. Parkinson, Transmitterimbalance und Stærungen der zentralen Sehbahn in der Generierung visueller Halluzinationen
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mische Muster des Morbus Parkinson, insbesondere im Bereich des Hirnstamms und hier der dorsalen Raphe-Kerne, eine entscheidende Prådisposition fçr visuelle Halluzinationen darstellt und die Behandlung fçr sich alleine genommen keine hinreichende Erklårung bietet. Abbildung 2 fasst die derzeitigen Vorstellungen zusammen, wie die beschriebene Parkinsonhirnstammpathologie mit folgender komplexer Stærung der Neutrotransmitterbalance çber das Corpus geniculatum dorsolaterale (CGD) und das Pulvinar zu einer Disinhibition des visuellen Cortex fçhren kann und sich so die ± kortikale ± Ursache visueller Halluzinationen verstehen låsst. Zu betonen ist die groûe pathogenetische Bedeutung insbesondere des CGD und des lateralen Pulvinar; beide Strukturen stellen ein Bindeglied zwischen Hirnstamm und visuellem Kortex dar und sind fçr Schlaf und Arousal von wesentlicher Bedeutung. Da insbesondere das CGD eine Vielzahl serotonerger (dorsale RapheKerne) und cholinerger Afferenzen aus dem Hirnstamm erhålt, fçhrt die Degeneration der dorsalen Raphe-Kerne zu einem Wegfall der serotonergen CGD-Inhibition, d. h. der direkt cholinergisch bedingten Exzitation [29].
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Serotonerge Dysfunktionen bei Patienten mit Alkoholabhångigkeit A. Heinz, A. Bartholomå, H. Witthaus, F. Forstreuter, G. Juckel
z Zusammenfassung. Serotonerge Funktionsstærungen spielen eine Rolle in der Pathogenese verschiedener psychiatrischer Erkrankungen. Bei der Alkoholabhångigkeit wurde eine serotonerge Dysfunktion insbesondere bei Patienten mit frçhem Krankheitsbeginn beobachtet. Studien zeigten bei dieser Patientengruppe eine erniedrigte Konzentration des Serotoninmetaboliten 5-Hydroxyindolessigsåure (5-HIAA) im Liquor. Studien mit Primaten ergaben, dass frçhe soziale Stresserfahrungen mit einem verminderten Serotoninumsatz und einer erhæhten Verfçgbarkeit der Serotonintransporter im Hirnstamm verbunden waren. Die Tiere waren nach der Geburt ångstlich und zeigten im weiteren Verlauf eine erhæhte Aggressivitåt und eine verminderte Sensitivitåt gegençber akuten Alkoholwirkungen. Beide Faktoren wurden in prospektiven Studien mit einem erhæhten Risiko in Verbindung gebracht, an Alkoholabhångigkeit zu erkranken, und tatsåchlich konsumierten diese Tiere vermehrt Alkohol, wenn er frei zugånglich war. Chronischer Alkoholkonsum kann zu einer weitergehenden Schådigung serotonerger Neurone im Hirnstamm fçhren, die mit einem Verlust der Serotonintransporter und erhæhter Depressivitåt verbunden ist. Eine stressbedingte Erhæhung der Kortisolsekretion im akuten Entzug kænnte hier eine entscheidende Rolle spielen. Nach ersten Befunden sind nicht alle Menschen gegençber dieser Alkoholwirkung auf die Serotonintransporter gleich empfindlich. In-vivo-Studien zeigten, dass nur Patienten mit einem bestimmten Genotyp des Serotonintransporters unter chronischem Alkoholkonsum deutliche Verånderungen aufweisen. Zusammenfassend ergibt sich als gemeinsames Korrelat der serotonergen Funktionsstærung ein Auftreten negativer Stimmungszustånde, die mit erhæhtem Alkoholkonsum verbunden sein kænnen und durch neurotoxische Alkoholwirkungen weiter verstårkt werden.
z Einleitung Durch Rapport et al. wurde 1948 erstmals 5-Hydroxytryptamin, das Serotonin, beschrieben, das seitdem das Interesse der Forschung auf sich gezogen hat. Wåhrend anfangs die Wirkung von LSD und das serotonerge System im Mittelpunkt der Untersuchungen stand, wurde seit der Beschreibung von Coppen et al. (1967) die Bedeutung einer verminderten Aktivitåt sero-
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A. Heinz et al.
tonerger Neurone in der Pathogenese verschiedener neuropsychiatrischer Erkrankungen wie z. B. der Depression untersucht. Das serotonerge System entspringt im zentralen Nervensystem in den oberen und unteren RapheKernen des Hirnstamms. Die Zahl der serotonergen Neurone ist gering, allerdings haben ihre Projektionsbahnen einen sehr hohen Verteilungsgrad und innervieren fast alle kortikalen und subkortikalen Hirnareale (Baumgarten und Grozdanovic 1997). Insbesondere werden das limbische System, das Septum, der Hippokampus, nigrostriåre Areale und Gebiete, die fçr die endokrinologische Steuerung verantwortlich sind, serotonerg innerviert. Dies sind Bereiche, die fçr die Psychiatrie bedeutsam sind, da sie bei der Steuerung von Emotionen und Affekten eine wichtige Rolle spielen. Das serotonerge System ist vermutlich das phylo- und ontogenetisch ålteste Neurotransmittersystem (Lauder 1990, 1995). Den 5HT2A- und 5HT2C-Rezeptoren wird die Vermittlung der neuronalen Zelldifferenzierung im sich entwickelnden Gehirn durch Serotonin zugeschrieben (Lauder et al. 1994). Wåhrend der Embryonalphase hat Serotonin einen neurotrophen Effekt auf verschiedene neuronale Zellen und Gliazellen. So werden die Bildung von Synapsen und die dendritische Verzweigung von Neuronen durch Serotonin entscheidend mitbeeinflusst. In Zellkulturen konnte gezeigt werden, dass exogen zugefçhrtes Serotonin sowohl einen Zuwachs des Långenwachstums der Neuriten als auch die Zunahme der Neuronenverzweigung bewirkt (Riad et al. 1994). Wåhrend der postnatalen Phase und im Erwachsenenalter ist Serotonin vermutlich ein wichtiger Mediator in der Regulation der Dichte der dendritischen Spinae und der Synapsen (Azmitia et al. 1995). Verånderungen im serotonergen System stehen im Zusammenhang mit verschiedenen psychopathologischen Korrelaten. Es werden zwei auf den ersten Blick widersprçchlich erscheinende Hypothesen diskutiert. Auf der einen Seite werden Depression und Angsterkrankungen mit einer serotonergen Hypofunktion in Verbindung gebracht, andererseits werden auch Impulsivitåt, Aggressivitåt oder frçh beginnende Alkoholabhångigkeit mit einer niedrigen serotonergen Aktivitåt assoziiert. Man suchte fçr beide Hypothesen Erklårungsansåtze. So postulierte Gray 1982, dass es ein verhaltensinhibierendes System gibt, das die Gebiete des periaquåduktalen Graus, des Septums und des Hippokampus umfasse. Dieses System wird durch noradrenerge und serotonerge Innervation reguliert. Die akute Stimulierung werde subjektiv als Angst erlebt, chronische Aktivierung fçhre zur Depression. Cloninger ordnete 1987 der hypothetisch verminderten Reaktion auf Bestrafung ein neurobiologisches Defizit zu und postulierte, eine verminderte serotonerge Aktivitåt fçhre zur Dysfunktion des zentralen verhaltensinhibierenden Systems und zeige sich klinisch in einem impulsiven und aggressiven Verhalten. Auch Patterson und Newman postulierten 1993, eine Minderfunktion dieses Systems induziere eine Verhaltensenthemmung, die sich klinisch als Impulsivitåt und Aggressivitåt manifestiere. Fçr die Argumentation, dass Serotonindefizite negative Emotionen wie Angst und Depressivitåt auslæsen oder verstårken, sprechen
Serotonerge Dysfunktionen bei Patienten mit Alkoholabhångigkeit
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dagegen Untersuchungen, bei denen der Anstieg einer primår reduzierten serotonergen Aktivitåt mit Remission der Depression einherging (Neumeister et al. 1997). Im Folgenden werden Studien am Menschen und Tierversuche dargestellt, die den Schluss nahelegen, das primåre Korrelat der zentralen serotonergen Funktionsminderung sei eine erhæhte Øngstlichkeit und Erfahrung von Bedrohtheit, die erst sekundår in Aggressivitåt und erhæhten Alkoholkonsum umschlågt.
z Serotonerge Dysfunktion und die Disposition zur Alkoholabhångigkeit Man vermutet, dass serotonerge Funktionsstærungen bei verschiedenen Verlaufsstadien der Alkoholabhångigkeit, nåmlich bei der Entstehung und der Aufrechterhaltung von abhångigem Verhalten, eine Rolle spielen. Die Beziehung der serotonergen Dysfunktion zur Alkoholabhångigkeit spielt bei Patienten mit frçhem Beginn der Erkrankung eine besondere Rolle. Defizite in der zentralen serotonergen Neurotransmission fanden sich gehåuft bei Personen mit frçhem Beginn der Alkoholabhångigkeit und sogenannten ¹antisozialenª Persænlichkeitszçgen mit impulsiven und aggressiven Verhaltensweisen (Cloninger 1987). Es wurde postuliert, dass eine verminderte serotonerge Aktivitåt ein neurobiologisches Korrelat der antisozialen Persænlichkeit darstelle und dass diese Personen unter einem erhæhten Risiko litten, alkoholabhångig zu werden (Cloninger 1987, Roy et al. 1988, Virkunnen et al. 1996). Dazu passend wurden erniedrigte Konzentrationen des Serotoninmetaboliten 5-Hydroxyindolessigsåure (5-HIAA) im Liquor bei dieser Patientengruppe gefunden (Virkunnen et al. 1994, Fils-Aime et al. 1996). Ergebnisse der Arbeitsgruppe von Oxenstierna (1985) weisen daraufhin, dass die serotonerge Aktivitåt beim Menschen sehr stark durch Umweltfaktoren beeinflusst wird und genetischen Faktoren nur ca. 35% der Varianz des Serotoninumsatzes (gemessen als 5-HIAA im Liquor) zugeschrieben werden konnte. Deshalb wurde nach frçh einsetzenden Umweltfaktoren gesucht, die zu einer çberdauernden Stærung der serotonergen Neurotransmission fçhren kænnten. Soziale Isolation durch die frçhe Trennung von den Eltern kænnte ein solcher Faktor sein. In einem Tierversuch, bei dem Rhesusaffen dieser sozialen Stressbedingung ausgesetzt waren, zeigte sich ein dauerhaft verminderter Serotoninumsatz bei den primår ångstlichen und angespannten Tieren (Higley et al. 1996). Die verminderte serotonerge Aktivitåt konnte bis ins Erwachsenenalter hinein beobachtet werden und korrelierte im Erwachsenenalter mit verminderter sozialer Kompetenz, erhæhter Aggressivitåt und einer verminderten Sensitivitåt gegençber den akuten Wirkungen des Alkoholkonsums. Zudem fand sich ein Zusammenhang zwischen dem reduzierten Serotoninumsatz und einer erhæhten Zahl durch das Serotonin unbesetzter Transporter (Heinz et al. 1998a). Bei freier Zugånglichkeit des Alkohols zeigte sich ein erhæhter Alkoholkonsum bei den Tieren, die die stårkste Erhæhung ihrer Serotonintransporter im Hirnstamm aufwiesen (Heinz et al. 2003). Bei den serotonerg am stårksten ver-
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A. Heinz et al.
ånderten Tieren kompensierte die erhæhte Aggressivitåt also offenbar die anfångliche Øngstlichkeit und soziale Inkompetenz. Deshalb kænnte man das primåre Korrelat der serotonergen Dysfunktion in einer ångstlich-angespannten Grundstimmung suchen, die Umweltreize als bedrohlich wahrnimmt und die sekundår mit einer erhæhten Aggressionsneigung und einem verstårkten Alkoholkonsum verbunden ist. Auch beim Menschen zeigte sich in Adoptionsstudien, dass frçhe soziale Stressexposition durch spåte Adoption und inkonstante Bezugspersonen mit erhæhtem Alkoholkonsum im Erwachsenenalter verbunden war (Cloninger et al. 1981). Zum erhæhten Alkoholkonsum bei Menschen mit frçher Stressexposition kænnte neben der erhæhten Øngstlichkeit und Impulsivitåt auch eine verminderte Sensitivitåt gegençber den akuten Alkoholwirkungen fçhren. In Untersuchungen von Schuckit und Smith (1996) konnte gezeigt werden, dass junge Månner, die nach Einnahme einer standardisierten Alkoholmenge verstårkt mit Ataxie, subjektiver Euphorie und Kortisolausschçttung reagierten, im weiteren Lebenslauf signifikant seltener erkrankten als Månner, die kaum Wirkungen bei der akuten Alkoholgabe zeigten. Dieses Ergebnis war unabhångig davon, ob eine positive Familienanamnese bezçglich der Alkoholabhångigkeit vorlag oder nicht. Die verminderte Sensitivitåt gegençber den akuten Alkoholwirkungen kann sich offenbar ebenfalls aufgrund genetischer Faktoren ausbilden, die åhnlich wie die frçhen Stresserfahrungen zu einer erhæhten Verfçgbarkeit der Serotonintransporter im Bereich des Hirnstamms fçhren (Schuckit et al. 1999; Heinz et al. 2000). Auf die Frage, wie die serotonerge Dysfunktion zur Alkoholtoleranz beitragen kann, findet sich eine Antwort in einer Studie von Doudet et al. (1995). Die frçhem sozialen Stress ausgesetzten Rhesusaffen zeigten einen verminderten Serotoninumsatz, der mit einem verminderten Ansprechen auf GABAerge Sedation verbunden war. Da auch Alkohol GABAerg sedierend wirkt (June el al. 1998) und zudem die glutamaterge exzitatorische Neurotransmission bei hæherer Dosierung hemmt (Tsai et al. 1995), kænnten Individuen, die ein ångstliches und angespanntes Verhalten zeigen, græûere Alkoholmengen konsumieren, bevor die beruhigende und sedierende Wirkung eintritt. Da ein ansteigender Alkoholspiegel Dopamin freisetzt, kænnte eine verspåtet seinsetzende alkoholbedingte Sedation dazu fçhren, dass die verhaltensverstårkenden Wirkungen des Alkoholkonsums stårker und långerfristig wirksam werden und die Alkoholaufnahme steigern.
z Chronische Alkoholwirkungen auf das serotonerge System Man weiû, dass chronischer Alkoholkonsum zu zahlreichen Schåden an zentralen und peripheren Nervenzellen fçhrt (Mann und Widmann 1995). Im weiteren Verlauf der Erkrankung werden somit auch die serotonergen Nervenzellen im Bereich der Raphe-Kerne geschådigt (Heinz und Batra
Serotonerge Dysfunktionen bei Patienten mit Alkoholabhångigkeit
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2003). So kænnte die zur Erkrankung disponierende serotonerge Dysfunktion durch eine alkoholtoxische Schådigung der Zellkerne der Ursprungsregion des serotonergen Systems verstårkt und aufrechterhalten werden. Untersuchungen zur serotonergen Neurotransmission zeigten bei alkoholabhångigen Månnern eine 30±40%ige Reduktion des effektiven Bindungspotenzials der serotonergen Transporter im Bereich der Raphe-Kerne des Hirnstamms (Heinz et al. 1998 b). Eine Untersuchung der genetischen Einflçsse auf die Verminderung der Serotonintransporter bei alkoholabhångigen Patienten zeigte, dass sich die Reduktion nur bei Patienten mit einem bestimmten Genotyp des Promotors fçr den Serotonintransporter fand (Heinz et al. 2000, Lesch et al. 1996). Die Personen waren zum Untersuchungszeitpunkt vier Wochen abstinent gewesen. Die Reduktion der Serotonintransporter korrelierte signifikant mit der im bisherigen Verlauf des Lebens konsumierten Alkoholmenge (Heinz et al. 1998 b) und mit der Hæhe des Kortisols im Plasma, das im Entzugsstress regelhaft erhæht ist (Heinz et al. 2002). Die verminderte Verfçgbarkeit serotonerger Transporter im Bereich des Hirnstamms war klinisch mit dem Ausmaû der Depressivitåt verbunden. Depressive Patienten weisen ein langfristig erhæhtes Rçckfallrisiko auf (Hartka et al. 1991). Patientengruppen, die auch mehrere Jahre nach der Entgiftung noch unter anhaltend negativen Emotionen leiden, sind deutlich gefåhrdeter, einen Rçckfall zu erleiden und einen schlechteren Verlauf zu zeigen, als Patienten mit ausgeglichener Stimmungslage. Somit ist die emotionale Stabilisierung auf lange Sicht ein entscheidender Faktor im Rahmen der Behandlung alkoholabhångiger Patienten, kurzfristig vermindert die antidepressive Behandlung das Rçckfallrisiko allerdings nicht, wahrscheinlich, weil etwas ångstlichere Patienten auch vorsichtiger sind und zumindest kurzfristig den Alkoholkonsum offenbar besser vermeiden kænnen (Heinz et al. 1996). Serotonerge Funktionsstærungen scheinen also nosologieçbergreifend mit negativen Stimmungszustånden wie Angst und Depressivitåt verbunden zu sein und kænnen im Rahmen weiterer genetischer und Umweltfaktoren zu erhæhter Aggressivitåt und einem erhæhten Alkoholkonsum beitragen. Gerade bei davon betroffenen Individuen sind offenbar die akuten Alkoholwirkungen im Sinne der Sedation und Ataxie vermindert, sodass ein natçrliches Warnzeichen des exzessiven Alkoholkonsums fehlt. Bei weiterem Alkoholkonsum kænnen serotonerge Nervenzellen im Hirnstamm offenbar weiter geschådigt werden. Die Reduktion der Serotonintransporter war mit Depressivitåt verbunden und findet sich in åhnlicher Weise auch bei Patienten mit majorer Depression. Ob hier gemeinsame Pathomechanismen im Sinne einer verstårkten Kortisolfreisetzung eine Rolle spielen, wird derzeit in weiterfçhrenden Studien untersucht.
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A. Heinz et al.
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Serotonin und chronische Mçdigkeit T. Mçller
z Zusammenfassung. Periphere und zentrale Alterationen des Tryptophanund Serotoninmetabolismus sind eng mit der physiologischen Regulierung des Schlaf-Wach-Rhythmus verknçpft. Diese mit Serotonin assoziierten Stoffwechselverånderungen kænnen sich insbesondere im Hirnstamm als Folge kærperlicher Erkrankungen manifestieren und zur Ausbildung eines chronischen Erschæpfungszustandes entscheidend beitragen. Typische Beispiele hierfçr sind chronische neurodegenerative Prozesse bei Morbus Parkinson oder Morbus Alzheimer. Bei diesen lieûen sich oft vor der klinisch fassbaren Manifestation mit daraus resultierender Diagnose erst temporåre, doch dann an Intensitåt zunehmende Symptome einer chronischen Mçdigkeit oder Erschæpfbarkeit mit verminderter Belastbarkeit bei zunehmenden depressiven Stærungen auch in retrograden Untersuchungen nachweisen.
z Grundlagen Der Neurotransmitter Serotonin ist in die Regulation der Vigilanz involviert. Erhæhte Sensitivitåt postsynaptischer serotonerger Rezeptoren oder vermehrte serotonerge Neurotransmission insbesondere im Hirnstamm (Formatio reticularis) læst zentral Mçdigkeit und ein Bedçrfnis nach Schlaf aus [20]. Eine Fehlregulierung dieser physiologischen Serotoninfunktionen mit einer långer anhaltenden serotonergen Ûberaktivitåt insbesondere im Hirnstamm kann zur Chronifizierung einer zentral ausgelæsten Mçdigkeit fçhren, wobei auch eine Ûberstimulation nachgeordneter eng assoziierter Gehirnareale, z. B. dopaminerger Rezeptoren im Frontallappen, retrograd hypothetisch mitbeteiligt sein kann [7]. So ruft die Stimulierung des dopaminergen Systems initial Schlåfrigkeit hervor, obwohl auch behauptet wird, eine der zentralen Wirkungen von Dopamin kænne auch eine Vigilanzerhæhung sein. Bei Studien mit den selektiven Dopaminrezeptor-2-Agonisten Pramipexol und Ropinirol wurde eine erhæhte Schlafneigung erfasst [2, 3, 9, 11, 12, 14]. Darçber hinaus ist bekannt, dass Mçdigkeit, so wie als initiales Phånomen davon das Gåhnen, auch çber dopaminerge Neurotransmission vermittelt werden kann. Man nimmt an, dass dabei eine verminderte Anzahl der Oxytocin ausschçttenden Neurone des im Hypothalamus gelegenen Nucleus paraventricularis mit eine entscheidende Rolle spielt. Ebenfalls im Hypothalamus gelegene dopaminerge Nervenzellen kænnen
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T. Mçller
die histaminerge Neurotransmission hemmen und so konsekutiv Mçdigkeit verursachen, da hypothalamische histaminerge Neurone die Vigilanz positiv modulieren. Einen anderen Mechanismus der dopaminerg vermittelteten Sedierung kænnten auch Interaktionen der dopaminerg-adrenergen Neurotransmission darstellen, denn die Stimulation von pråsynaptischen D2-Rezeptor-åhnlichen Autorezeptoren auf noradrenergen Nervenendigungen kann zu einer verminderten Synthese und Freisetzung von die Vigilanz steigerndem Noradrenalin fçhren [2, 3, 9, 14]. Mçdigkeit geht auch von peripher ablaufenden metabolischen Vorgången aus, denn der Gehalt an Tryptophan, dem metabolischen Vorlåufer von Serotonin, wird in der Peripherie im Blut durch die Kapazitåt der Albuminbindung reguliert. In freier Form kann Tryptophan die Blut-Hirn-Schranke mit Hilfe eines aktiven Aminosåuretransportmechanismus çberwinden, um dann zentral zu Serotonin umgewandelt zu werden und, abhångig von der Menge, çber bestimmte Hirnstammkerne Mçdigkeit auszulæsen, wåhrend die Bindung von Tryptophan an den Tråger Albumin dies verhindert [7]. Dies fçhrt dazu, dass Albuminmangel mit konsekutivem vermehrten Auftreten von freiem Albumin im Blutplasma zentral zu Mçdigkeit fçhrt, z. B. nach chirurgischen Eingriffen oder bei Ûberlastung der Albumintransportkapazitåt durch Toxine bei chronischer Hepatitis oder Nierendysfunktion [2].
z Chronic Fatigue als Syndrom Ein chronisches Erschæpfungssyndrom, also eine dauernd oder intermittierend ohne erkennbare Besserungstendenz auftretende gesteigerte kærperlicher Ermçdung und Erschæpfung seit mindestens sechs Monaten, kann somit peripherer oder zentraler Genese sein. Es handelt sich nicht um eine einheitliche Erkrankung, sondern um ein Syndrom mit åtiopathogenetisch unterschiedlichen Symptomen [1, 4, 15, 19] (Tabelle 1). Daraus resultieren einerseits diagnostische, andererseits therapeutische Unsicherheiten mit Tabelle 1. Håufige Symptome des Chronic-Fatigue-Syndroms Entzçndlich
Psychisch
Somatisch
plætzlicher Beginn Halsschmerzen Lymphknotenschwellungen Temperaturabweichungen Husten
Depression Konzentrationsstærungen Denkschwåche Vergesslichkeit Mçdigkeit Schlafstærungen Angst
allgemeine Muskelschwåche Myalgien Empfindungsstærungen Morgensteifigkeit Gelenkschmerzen Husten Skotome dumpfer Kopfschmerz
Serotonin und chronische Mçdigkeit
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der Konsequenz einer geringen Akzeptanz in Gesellschaft und Ørzteschaft und mit der Tendenz, dieses Syndrom dem Bereich der psychiatrischen Erkrankungen zuzuordnen. Auch besteht eine Kontroverse, das Chronic-Fatigue-Syndrom als eigenståndige Erkrankung anzuerkennen oder als ein Syndrom, das aus einer Vielzahl unterschiedlicher pathophysiologischer Prozesse resultiert und das deswegen und auch wegen der ausgeprågten Symptomvielfalt einer Subklassifikation bedarf [1, 4, 15, 19].
z Dysregulation des Serotoninmetabolismus im Hirnstamm als gemeinsame Endstrecke? Man kann auch postulieren, dass die unterschiedlichen Ursachen chronischer Ermçdbarkeit in eine gemeinsame Endstrecke mçnden, einer Dysund Heraufregulation des Serotoninstoffwechsels im Hirnstamm und den dort mit Vigilanz assoziierten zentralen Kernarealen. Dafçr spricht, dass Untersuchungen mit den zur Zeit verfçgbaren Techniken wie Magnetresonanztomographie oder funktionelle Bildgebung bei Patienten mit einer symptomatischen, bekannten Genese eines chronischen Erschæpfungszustandes immer wieder Hirnstammverånderungen zeigen [17]. Auch zeigen mit der Hirnstammfunktion eng assoziierte nachgeordnete Strukturen dementsprechend Defizite. Beispiele sind eine verringerte Response der neuroendokrinen Achse auf serotonerge Stimulation oder neuropsychologische und damit verbundene neurophysiologische Defizite zur Beurteilung exekutiver Funktionen im Frontallappen durch ein Ungleichgewicht zwischen Dopamin und Serotonin und die daraus resultierende mangelnde Aktivierung kortikaler Funktionen [1, 4, 8, 15, 16, 19]. Leider reichen die zur Zeit verfçgbaren diagnostischen und apparativen Mæglichkeiten nicht aus, um die vielen sich mit chronischer Erschæpfung oder Mçdigkeit manifestierenden krankhaften Prozesse frçhzeitiger zu erfassen [1, 4, 8, 15, 16, 19]. Ein typisches Beispiel hierfçr ist der Morbus Parkinson, bei dem jetzt neue neuropathologische Hypothesen eine pråmotorische Phase der Erkrankung mit einer Manifestation nichtmotorischer, eher unspezifischer Symptome lange vor dem Auftreten von Akinese, Rigor und Tremor postulieren, die erhebliche Ûberschneidungen zur klinischen Symptomatik eines chronischen Erschæpfungszustandes aufweisen (Tabelle 2). Auch Patienten mit demenziellen Prozessen, wie z. B. Morbus Alzheimer, weisen åhnliche unspezifische Symptome vor der klinischen Diagnose von Kurzzeitgedåchtnisstærungen und der damit verbundenen schon weiter fortgeschrittenen pathophysiologischen Geschehnisse auf [5, 6, 10, 18]. Unter der hypothetischen Pråmisse einer çber den Hirnstamm aufsteigenden Neurodegeneration kann man postulieren, dass sich durch den neuronalen Zelluntergang in dieser neuroanatomisch sehr begrenzten, aber doch bedeutsamen Region eine erhæhte Vulnerabilitåt gegençber Neurotransmitterungleichgewichten entwickelt. Dies hat zur Folge, dass die Få-
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T. Mçller
Tabelle 2. Morbus Parkinson ± klinische Symptomatik (nach [18]) Pråmotorisches Frçhsyndrom
Parkinson-Spåtsyndrom Motorik und Psyche
I z Riechstærungen z Verminderte Darmmotilitåt
IV z Akinese z Rigor z Tremor z Stærung der Stellreflexe
II z z z z
Schlafstærungen Kopfschmerzen Herzschmerzen Reduzierte Motivation: ± Zielwahl, ± Intensitåt, das Ziel zu erreichen ± Ausdauer, das Ziel zu verfolgen z Emotionale Stærungen z Erhæhte Stressanfålligkeit III z Stærung des Farbenkontrastsehens z Stærung der Thermoradiation z Kognitive Stærungen z Depression z Rçckenschmerzen (low turnover Osteoporose) z Hormonelle Stærungen z Vorzeitige Ermçdbarkeit
V z Fluktuationen der Beweglichkeit (auch ohne Medikamente) z Rasche Ermçdbarkeit VI z Psychosen: ± Halluzinosen ± Verkennungen z Demenzielle Symptome
higkeit, diese Dysbalancen der verschiedenen Botenstoffe in den unterschiedlichen, zum Teil die Vigilanz oder den Atem steuernden Hirnarealen zu kompensieren, deutlich abnimmt. Eine Folge davon kann die zunåchst temporåre, spåter långer andauernde Manifestation von mit chronischer Mçdigkeit assoziierten klinischen Symptomen hinsichtlich des serotonergen Systems sein. Diese gehen einher mit einer vermehrten Neigung zu Stimmungsschwankungen im Sinne einer långer anhaltenden Affektlabilitåt bei Dysregulation von katecholaminergen Neurotransmittersystemen in den spezifischen Hirnarealen [13]. Daraus resultieren wiederum prå- und postsynaptische Adaptationsprozesse mit einer Chronifizierung der Mçdigkeit, der Erschæpfbarkeit und der Verlangsamung des Denkens oder mit einer ersten temporåren Ausbildung von Tremor bei bestimmten Subtypen des Morbus Parkinson [13].
Serotonin und chronische Mçdigkeit
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z Therapieansåtze Auf diesen hypothetischen Ûberlegungen basiert der therapeutische Einsatz von Substanzen, die dieses Neurotransmitterungleichgewicht mehr mit den physiologischen Regelmechanismen ausbalancieren und nicht durch Substitution oder durch postsynaptische Stimulation deutlich veråndern. Die Inhibition des pråsynaptischen Reuptakes oder die Hemmung mehr sekundår metabolisierender schwåcherer Enzyme, z. B. der Monoaminooxidase, durch Selegilin oder durch hinsichtlich des Wirkprinzips eng verwandte pflanzliche Substanzen wie Johanniskrautextrakt, sind solche Therapieansåtze [13]. Johanniskraut zeigt bei den Chronic-Fatigue-åhnlichen Symptomen aus dem Formenkreis der somatoformen Stærungen eine erhebliche therapeutische Effizienz [21]. Durch diese nur gering den Neurotransmitterhaushalt modulierenden, dafçr aber langfristig stårker modulierenden Substanzen wird eine dem physiologischen Gleichgewicht der Neurotransmission åhnelnde Balance der Botenstoffe im Hirnstamm hypothetisch eher wiederhergestellt als bei stårkeren, teilweise nur postsynaptisch stårker wirksamen Substanzen, die die endogene Neurotransmittersynthese darçber hinaus teilweise wie die Dopaminagonisten çber pråsynaptische Autorezeptoren downregulieren [13].
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T. Mçller: Serotonin und chronische Mçdigkeit
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Suizidalitåt und das serotonerge System M. Wolfersdorf
z Einleitung Das Thema Suizid hat in Zusammenhang mit der Selbsttætung des Politikers Jçrgen Mællemann durch Sturz aus der Hæhe bei Nichtæffnen seines Fallschirms wieder tragische Aktualitåt gewonnen. Man fragt sich, so die Anmerkung eines Journalisten in einem Interview mit dem Autor, was denn die Selbsttætungen von prominenten Menschen gemeinsam håtten, ob denn der ¹Jobª eines Politikers so stressvoll sei, dass er mit einem erhæhten Suizidrisiko einhergehe. Verschiedene Modellvorstellungen bestehen dazu in der heutigen Suizidologie, z. B. die ¹Serotoninmangelhypothese der Suizidalitåtª (Bronisch 2000, 2002) als gemeinsame Endstrecke beim Suizid, bei der final angelegten bzw. durchgefçhrten suizidalen Handlung, oder das ¹Konzept der narzisstischen Kriseª in psychodynamisch-tiefenpsychologischer Hinsicht nach Henseler (1974), das ¹Konzept der Objektsicherungª nach Kind (1992) vor dem Hintergrund der Objektbeziehungstheorien. Gætze (2002) formuliert neuerdings, dass es in der Psychodynamik der Suizidalitåt in archaisch anmutender Weise sowohl um die Zerstærung des verloren geglaubten geliebten Objekts als auch um die Rettung einer Objektbeziehung und in beiden Reaktionsweisen des hoch ambivalenten Konfliktes es immer auch um die Rettung des Selbstwertgefçhls gehe.
Begriffsbestimmung von Suizidalitåt Wenn wir als Ørzte/Therapeuten von Suizidalitåt reden, geschieht dies vor dem Hintergrund eines medizinisch-psychosozialen Paradigmas (Wolfersdorf 1996) und wir meinen damit z Suizidalitåt im Kontext von Hilfsbedçrftigkeit des betroffenen Individuums. Dabei wird nicht geredet von z Suizidalitåt im Kontext von Kultur und Religionen (Rituale, Amok, Opfertod, Mårtyrertum), es wird auch nicht geredet von z Selbsttætung (angestrebt oder in Kauf genommen) im Rahmen primår fremdaggressiver Handlungen (der Suizident als Waffe). z Es wird auch nicht geredet von Suizidalitåt als primårer Selbsttætung unter Inkaufnahme der tædlichen Einbeziehung anderer Menschen (Beispiel Geisterfahrer, erweiterter Suizid).
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Dazu einige grundsåtzliche Bemerkungen: Suizidalitåt ist einerseits eine menschliche Eigenschaft und per se keine Erkrankung, tritt aber gehåuft bei allen psychischen Erkrankungen und psychischen Zustånden auf, die mit Hoffnungslosigkeit und Perspektivelosigkeit, mit dem Empfinden tiefer, vitaler Schmerzhaftigkeit einhergehend, die subjektive Wahrnehmung und das Erleben der eigenen Person und des Umfeldes beeintråchtigen, negativ besetzen und den aktuellen Charakter von Ausweglosigkeit aufweisen. Andererseits unterliegt Suizidalitåt auch kulturellen Einflçssen, kann religiæs und gesellschaftlich erwçnscht bis verurteilt sein. Suizidales Denken und Handeln ist in Beziehungen angesiedelt, z. B. bei Trennungen bzw. der Vorstellung oder Erwartung einer Trennung, wobei allerdings Trennungen und die nachfolgende Trauer ein Charakteristikum menschlichen Lebens sind. Die psychische Befindlichkeit bei Suizidalitåt ist durch Hoffnungslosigkeit, durch Einengung des Denkens, durch paranoide Gedanken, im Ablauf durch Aggression in der Ûbertragung, durch das Wiedererleben frçherer Beziehungserfahrungen und -katastrophen, durch Selbstentwertung und negative Sichtweise der eigenen Person gekennzeichnet. Damit verbunden sind oft psychovegetative Symptome wie Schlafstærungen, Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust, Beeintråchtigungen im kardiovaskulåren Bereich. Unser Wissen hinsichtlich der neurobiologischen Ebene ist heute besser als vor 20 Jahren, eine systematische neurobiologische Suizidforschung gibt es aber bis heute nicht. Die psychotherapeutisch-psychodynamische Suizidpråvention und die hierzu gehærigen Theorien sind gut eingefçhrt; dazu kommt endlich ein eingefçhrtes nationales Suizidpråventionsprogramm, d. h. Suizidalitåt und Suizidpråvention werden auch als gesundheitspolitische und gesellschaftliche Aufgabe in Deutschland begriffen. Im Bereich der Psychiatrie und der Epidemiologie ist Suizidforschung seit langem Bestandteil der klinischen Erfahrung. In Tabelle 1 ist eine Definition von Suizidalitåt wiedergegeben, ergånzt durch Tabelle 2, vor dem Hintergrund eines Kontinuitåtsmodelles. Das derzeitige Spannungsfeld, in dem Suizidalitåt in der Úffentlichkeit erlebt wird, sieht folgendermaûen aus: z Freizeitrisikoverhalten z autoaggressives Verhalten mit suizidaler Intention bzw. Inkaufnahme der Selbsttætung z suizidales Verhalten als Ausdruck einer Selbstwertkrise (narzisstische Krise) z suizidales Verhalten als Ausdruck einer Wendung der Aggression gegen sich selbst z altruistisch erweiterter Suizid (Mitnahmesuizid) z fremdaggressiv erweiterter Suizid (z. B. Geisterfahrer) z Opfer-Suizid (fçr andere Menschen oder eine Ûberzeugung sich tæten lassen) z Massensuizid (Tætung ± Selbsttætung)
Suizidalitåt und das serotonerge System
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Tabelle 1. Suizidalitåt als menschliche Mæglichkeit z Suizidalitåt ist ureigene menschliche Denk- und Verhaltensmæglichkeit und per se keine Krankheit z Suizidalitåt ist stets nur eine Verhaltensmæglichkeit im Leben, in Krisen- und Krankheitssituationen. Suizid ist endgçltig und nicht wiederholbar z Suizidalitåt erfåhrt durch psychische Erkrankung, psychosoziale Krisen und weitere lebensbeeintråchtigende Faktoren Verstårkung und Einengung z Psychische Stærung und psychosoziale Krisen fçhren aufgrund verånderten und eingeengten Erlebens und Wahrnehmens nåher an Suizidalitåt heran
Tabelle 2. Beschreibung von Suizidalitåt. Kontinuitåtsannahme mit Handlungskonsequenzen: zunehmende ¹sichernde Fçrsorgeª. Eigenverantwortung ? Fremdverantwortung z Wunsch nach Ruhe, Pause Unterbrechung im Leben (mit dem Risiko von Versterben)
eher passive Suizidalitåt
z Todeswunsch (jetzt oder in einer unverånderten Zukunft lieber tot sein zu wollen) z Suizidgedanke ± Erwågung als Mæglichkeit ± Impuls (spontan, sich aufdrångend, zwanghaft)
zunehmender Handlungsdruck, Zunahme des Handlungsrisikos
z Suizidabsicht ± mit bzw. ohne Plan ± mit bzw. ohne Ankçndigung z Suizidhandlung ± vorbereiteter Suizidversuch, begonnen und abgebrochen (Selbst- und Fremdeinfluss) ± durchgefçhrt (selbst gemeldet, gefunden) ± gezielt geplant, impulshaft durchgefçhrt
t
eher aktive Suizidalitåt
z Mærder-Suizid (¹murder suicideª, Kamikaze-Selbstmord u. å.) z sog. Freitod (Selbsttætung in Abwesenheit psychischer, somatischer, sozialer Not)
z Modelle von Suizidalitåt heute Wir wissen heute, dass schizophrene Patienten wie auch Depressive vor ihrem Suizid çberwiegend ein depressives Bild aufweisen; auch bipolare Suizidenten versterben zu 70±80% in einer depressiven Episode (Bronisch
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M. Wolfersdorf
2002; Wolfersdorf et al. 2002 a±e; Schmidtke et al. 2002). Auch bei kærperlichen Erkrankungen, insbesondere bei Erkrankungen des ZNS, gilt grundsåtzlich die Aussage, dass Suizidalitåt besonders dann auftritt, wenn Depressivitåt hinzukommt (Wolfersdorf 2000). Es gibt also bei Suizidalitåt: z eine psychopathologische Endstrecke, die affektiv gekennzeichnet ist durch eine depressive Herabgestimmtheit, kognitiv durch Hoffnungsund Hilflosigkeit, evtl. durch paranoid-halluzinatorisches Erleben, intentional (auf der Ebene des Antriebs) durch ¹Dranghaftigkeitª (Felber 1993) bzw. ¹Handlungsdruckª (Wolfersdorf 1996). Letzteres wird als massiver innerer Druck beschrieben, ¹Wegsein zu mçssenª, als tief empfundener vitaler Schmerz. Auch Unruhe in der depressiven und angstbesetzten Getriebenheit bzw. auch Nebenwirkungen von Medikamenten (z. B. eine Neuroleptika-bedingte Akathisie) kænnen dies bewirken. z Psychodynamisch gesichert kænnen heute gelten: das Narzissmus-Konzept von Henseler (1974) im Sinne der Selbstwertrettung, das Objekt-Beziehungskonzept von Kind (1992) im Sinne der Objektbeziehungssicherung und das Aggressionskonzept, wie es von Gætze (2002) als Kombination von Aggressions- und Selbstwertverlustkonzept vertreten wird. z Neurobiochemisch wird derzeit die ¹Serotoninmangelhypothese von Suizidalitåtª formuliert, wie sie z. B. von Bronisch et al. (2001) beschrieben wurde. In diesem Zusammenhang sind Themen wie Suizidfærderung durch Antidepressiva oder Neuroleptika und medikamentæse Suizidpråvention diskutiert worden. Es bestehen die folgenden Modellvorstellungen zur Entstehung und Entwicklung von Suizidalitåt: z Psychodynamisches Modell (i. e. S. psychosoziales Paradigma) Suizidalitåt als Endpunkt einer biographisch beschreibbaren Entwicklung einer Person Suizidalitåt als Ergebnis bzw. Ausdruck einer mehr oder minder bewussten Konfliktdynamik zwischen Personen Suizidalitåt als Ausdruck aktuellen Bedrohtheiterlebens (Krise) vor dem Hintergrund von Biographie und Schicksal z Biologisches Modell (i. e. S. medizinisches Paradigma) Suizidalitåt als Ausdruck einer neurobiochemisch-biologisch beschreibbaren Funktionsstærung Suizidalitåt ist Ausdruck bzw. Handlungsendpunkt von Krise bzw. Krankheit (Krankheitsmodell; i. e. S. medizinisches Paradigma) z Soziologisches Modell (i. e. S. psychosoziales Paradigma) Suizidalitåt als Ausdruck sich veråndernder gesellschaftlich-kultureller Werthaltungen
Suizidalitåt und das serotonerge System
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Ú
Ú Abb. 1. Modell zur Genese der Suizidalitåt
Abbildung 1 (Wolfersdorf 1996) stellt åtiopathogenetisch ein Krisenmodell einem Krankheitsmodell von Suizidalitåt gegençber, Abbildung 2 versucht die pråsuizidale Entwicklung, das Kontinuitåtsmodell der Suizidalitåt vom Ruhe-/Todeswunsch bis hin zur suizidalen Handlung çber die entsprechenden Zeitablåufe sowie Phasen mit einer Zunahme von Handlungsdruck zu kombinieren und dabei die Abnahme serotonerger Modulationsfåhigkeit und psychophysischer Adaptation, wie es die Habituationsforschung von Depression und Suizidalitåt gezeigt hat, zu integrieren. Dies ist als ein sehr verkçrzter und nur holzschnittartiger Versuch zu verstehen, Zeitablåufe und Entwicklungsaspekte, Psychopathologie, Psychophysiologie und neurobiologische Aspekte im Verlauf einer suizidalen Handlung und nicht nur im Sinne der biologischen Disposition in Verbindung zu bringen (wie das Krankheitsmodell suizidalen Verhaltens ± biologische Disposition ¹Impulskontrollstærungª als åtiopathogenetische Grundlage spåterer Impulskontrollstærung ±
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Abb. 2. Entwicklung zur Suizidbehandlung ± mægliche psychobiologische Aspekte
es formuliert; s. dazu u. a. Bronisch et al. 2001; Wolfersdorf und Kaschka 1996; Bronisch et al. 2002; Brunner u. Bronisch 1999 als wesentliche Ûbersichten zur Neurobiologie suizidalen Verhaltens im deutschsprachigen Bereich).
z Untersuchungen zur Neurobiologie suizidalen Verhaltens Nachfolgend werden verschiedene Themenbereiche aufgegriffen, die sich mit der neurobiologischen Seite der Suizidalitåt im engeren und weiteren Sinne beschåftigt haben: Befunde zum Serotonin, hier: Post-mortem-Studi-
Suizidalitåt und das serotonerge System
z
en, CSF-Studien; Befunde zum Habituationsverhalten bei Suiziden; Hypothese der Impulskontrollstærung durch Hypocholesterinåmie; zur Psychopharmakologie und Suizidfærderung bzw. Reduktion von Suizidalitåt, hier insbesondere Antidepressiva, Neuroleptika sowie Lithium (diese Felder werden zusammenfassend behandelt; auf die genannten Ûbersichten wird verwiesen). Dabei kann grundsåtzlich von folgenden klinischen Implikationen der neurobiologischen Rahmenbedingungen im Nervensystem ausgegangen werden (so Audenart et al. 2001): Bei depressiven Patienten sowie bei Menschen mit Impulskontrollstærungen sind im pråfrontalen Kortex des zentralen Nervensystems Perfusion und Metabolismus gestært, Folge davon sind neurobiologische und funktionelle Dysfunktionen. Die klinischen Implikationen sind reduzierte Lernfåhigkeit und reduzierte exekutive Funktionen in der akuten Depression bzw. in der akuten suizidalen Krise. Reduzierte Copingstrategien und eine reduzierte Aufnahmefåhigkeit fçr Psychotherapie kænnten durch spezifische Psychotherapie-Strategien und durch antidepressive Medikation zur Erhæhung der frontalen Perfusion verbessert werden (s. auch Bronisch et al. 2001).
Serotonerges System Baumgarten und Grozdanovic (1996) haben zur Neuroanatomie und Neurophysiologie der zentralen noradrenergen und serotonergen Neuronensysteme zusammengefasst, dass die protektiven Eigenschaften der serotonergen Neuromodulation eine ¹ausgewogene und stabile Stimmungsregulationª begçnstigen und ¹nichtaggressive Sozialverhaltensmusterª færdern. ¹Es wird vermutet, dass Stærungen der serotonergen Transmission fçr das Auftreten bestimmter diagnoseçbergreifender psychopathologischer Phånomene im Rahmen eines weiten Spektrums von psychiatrischen Syndromen ± und dabei auch fçr auto- und fremdaggressives Verhalten ± verantwortlich sindª (Baumgarten und Grozdanovic 1996). Weiterhin gilt nach den Autoren als Hauptcharakteristikum serotonerger Verhaltensmodulationen die Unterdrçckung situationsirrelevanter, ablenkender und irritierender sensorischer Stærgræûen sowie die Sicherstellung einer ausreichenden Reaktionslatenz zur Verhinderung von selbst- (oder fremd-) gefåhrdender Impulshandlungsbereitschaft. Diese protektiven Eigenschaften der serotonergen Neuromodulation, die im Wesentlichen auf den desamplifizierenden Eigenschaften von 5-HT1-Rezeptoren beruhen, færdern die Entfaltung von nichtaggressiven Sozialverhaltensmustern, begçnstigen ausgewogene, stabile Stimmungsregulation und helfen bei der Begrenzung von Cravingverhalten. Nach den Autoren beruhen diese Wirkungen z. T. auf einer kontrollierenden Beeinflussung dopaminerger Mechanismen in relevanten motivationsgestaltenden Netzwerken des Vorderhirns, z. B. im Nucleus accumbens septi, im Tuberculum olfactorium, in limbisch-bezogenen Kortexfeldern. Zum anderen Teil beruhe diese Wirkung auf einer serotonergen Dåmpfung der sensorische Stimulusparameter verstårkenden Eigenschaften des Locus ce-
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M. Wolfersdorf
ruleus, womit die serotonergen Modulatorsysteme eine çbergeordnete homæostatische Kontrollfunktion fçr die anderen monaminergen Verstårkersysteme des Wirbeltiergehirns aufweise. Weiterhin vermuten die Autoren, dass Stærungen der serotonergen Transmission fçr das Auftreten bestimmter diagnoseçbergreifender psychopathologischer Phånomene im Rahmen eines weiten Spektrums von psychiatrischen Syndromen verantwortlich seien, und fçhren insbesondere erhæhte Irritabilitåt und Stress-Sensibilitåt, reduzierte emotionale Stabilitåt und Frustrationstoleranz sowie beeintråchtigte Impuls- und Aggressionskontrolle beispielhaft an. Tabelle 3 fasst in Anlehnung an Brunner u. Bronisch (1999) und Bronisch et al. (2001) wesentliche Aspekte zusammen, çber die in der Literatur Ûbereinstimmung besteht. In Tabelle 4 sind die Studien nach Bronisch u. Brunner (2002) zitiert, in denen die Anzahl der 5-HT2-Bindungsstellen im Hirngewebe von Suizidopfern untersucht werden. Bronisch u. Brunner (2002) fassen in ihrer Synopsis der neurobiologischen Befunde zur ¹Serotoninmangelhypothese der Suizidalitåtª zusammen, dass im Liquor auch die CSF-5-HIAA-Konzentration insgesamt erniedrigt sei; auch dies sei durchgångiges Ergebnis. Hinsichtlich der Postmortem-Studien weisen sie auf eine çberwiegend gefundene erhæhte 5-HT2-Rezeptorendichte im pråfrontalen Kortex hin, hinsichtlich peripherer Parameter auf eine ebenfalls erhæhte 5-HT2-Rezeptorendichte am Thrombozytenmodell. Die Daten der eigenen Forschungsgruppe (z. B. Straub et al. 1992; Wolfersdorf et al. 1996; s. Tabelle 5) haben die frçheren schwedischen Ergebnisse beståtigt: Menschen mit harten Suizidversuchmethoden und Suizid weisen eine erniedrigte elektrodermale Reaktivitåt auf. Die in Tabelle 5 beschriebenen Daten zeigen, dass Suizid und Suizidversuch mit harter Methode hochsignifikant durch Nichtreaktivitåt in der EDA in einem Habituationsexperiment differieren, das bei den spåter durch Suizid verstorbenen Patienten und auch bei den anderen Depressiven ohne Suizid in der Aufnahmewoche der stationåren Therapie durchgefçhrt worden war. Dieser
Tabelle 3. Zur Psychobiologie suizidalen Verhaltens z Neurobiochemie * ± pråsynaptisches serotonerges Defizit mit kompensatorischer Zunahme der 5-HT2-Rezeptoren im pråfrontalen Kortex ± reduzierte Liquor-5-HIAA, insbesondere bei Suizid mit harter Methode, bei Månnern z Psychophysiologie * ± elektrodermale Hyporeaktivitåt, insbesondere bei harter Suizidmethode, bei Månnern z Psychopharmakologie * ± zentrale Ûberstimulation durch AD als Suizidfærderung; Reduktion von Suizidalitåt durch adåquate Therapie mit Psychopharmaka * einige Aspekte (siehe auch Brunner u. Bronisch 1999)
Suizidalitåt und das serotonerge System
z
Tabelle 4. Studien zur Anzahl der 5-HT2-Bindungsstellen im Hirngewebe von Suizidopfern (zitiert nach Bronisch u. Brunner 2002)
1 2 3
Autoren
n
Suizid violent/ nonviolent
Anzahl 5-HT2Bindungsstellen
Lokalisation der 5-HT2Rezeptoren
Stanley u. Mann (1983) Mann et al. (1986) Owen et al. (1986) Cheetham et al. (1988) Arora u. Meltzer (1989) Arango et al. (1990) Gross-Isserhoff et al. (1990) Hrdina et al. (1993) Lowther et al. (1994)
11
+/±
erhæht 1
pråfrontaler Kortex
21
+/±
erhæht
pråfrontaler Kortex
19
(+)/+
kein Unterschied
19
(+)/+
kein Unterschied
32
+/(+)
erhæht
pråfrontaler okzipitaler Kortex, Hippokampus frontaler, temporaler okzipitaler Kortex, Amygdala pråfrontaler Kortex
11
+/±
erhæht
pråfrontaler Kortex
24
+/±
erniedrigt
19
+/±
erhæht
pråfrontaler Kortex, Hippokampus pråfrontaler Kortex, Amygdala
79
+/+
kein Unterschied
pråfrontaler Kortex, Hippokampus, Nucleus caudatus
Dichte postsynaptischer 5-HT2-Rezeptoren im Vergleich zu Kontrollen Diagnosen meist Depression, Schizophrenie, Persænlichkeitsstærung, keine Sucht Variablen der Kontrollen: Alter, Geschlecht, postmortem delay
Unterschied zeigt sich nur bei den Månnern. Am eindeutigsten trennen die Bereiche ¹nichtsuizidalª und ¹Suizid mit harter Methodeª wåhrend und nach stationårer Behandlung. Diese Befunde deuten darauf hin, in Ûbereinstimmung mit den Untersuchungsbefunden von Edman et al. (1986), dass sich Hyporeaktivitåt vor allem bei solchen depressiven Patienten abbildet, die harte Suizidmethoden wåhlen, und dass sich dieser biologische Faktor, zentral serotonerg vermittelt, insbesondere beim månnlichen Geschlecht ausdrçckt. Der Vergleich von 424 stationår behandelten depressiven Patienten (ohne Wahnsymptomatik und nicht einer bipolaren affektiven Stærung zuzurechnen, såmtlich mit Antidepressiva behandelt) ¹nichtsuizidal versus Suizideª ergab im ¹two-tailed-t-testª (Wolfersdorf 1995, 1996) eine hochsignifikant erniedrigte Habituation bei den Suiziden im Vergleich zur nichtsuizidalen Gruppe Depressiver. Die Ergebnisse aus der EDA-Forschung belegen Ûberlegungen hinsichtlich einer eingeschrånkten Anpassungsfåhigkeit (Habituationsleistung) bei einlaufenden Reizen in der Gruppe mit harter suizidaler Verhaltensweise.
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z
M. Wolfersdorf
Tabelle 5. Habituationsrate der nach Alter und Geschlecht parallelisierten Gruppen: Månner (n = 13) und Frauen (n = 10), gesamt n = 23 Suizidalitåt Methode
Habituationsrate 0±5 (nicht reaktiv)
6±10 (reaktiv)
z z z z
22 15 16 20
1 7 7 3
Suizid hart nicht suizidal Suizidversuch weich Suizidversuch hart
Fisher exact probability test (one sided) z Suizid hart z Suizid hart + SV hart
SV hart p = 0,8 ns
SV weich p = 0,04* p = 0,009*
nicht suizidal p = 0,02*
Depressive Månner bzw. Frauen Suizid hart versus Kontrollen (matched pairs nach Alter, Geschlecht, Diagnose), elektrodermale Reaktivitåt (EDA), Habituation (Mediane, Mann-Whitney U-Test) Suizid hart Median
nicht suizidal Median
SV weich Median SV hart Median
Månner z Habituation z 1. Amplitude z SCLH z spontane Fluktuationen
(n = 13) 1,0 0,2 1,6 0,0
(n = 13) 5,0 0,06 2,7 1,0
p 0,03 * 0,01 ** 0,00 ** 0,59
(n = 13) 1,0 0,03 2,5 0,0
p 0,75 0,55 0,09(*) 0,93
(n = 13) 1,0 0,08 2,3 0,0
p 0,89 0,29 0,30 0,57
Frauen z Habituation z 1. Amplitude z SCLH z spontane Fluktuationen
(n = 10) 0,0 0,0 1,3 0,0
(n = 10) 0,5 0,01 1,25 0,0
p 0,36 0,27 0,93 0,96
(n = 10) 0,5 0,02 2,6 0,0
p 0,28 0,22 0,27 0,70
(n = 10) 0,0 0,0 1,25 0,0
p 0,67 0,59 0,73 0,87
* sign. 5%-Niveau, ** sign. 1%-Niveau, (*) Trend
Suizidalitåt und Serumcholesterin Die Metaanalyse von sechs primår pråventiven Studien zur Bedeutung des Serumcholesterins fçr Arteriosklerose und koronare Herzkrankheit durch die Gruppe um Muldoon et al. (z. B. 1992) fçhrte zu der Beobachtung, dass es zwar zu einer erwarteten Abnahme der Sterblichkeit an den Folgen einer
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koronaren Herzkrankheit kam, gleichzeitig jedoch eine signifikante Zunahme von Todesfållen, z. B. durch Unfålle und Suizide, als so genannte NonIllness-Mortality auftrat. Fritze et al. (1992) konnten bei insgesamt 1088 Patienten mit affektiven Psychosen keine signifikante Korrelation zwischen suizidalem Verhalten und Cholesterinspiegel, wohl aber zwischen Suizidversuch und niedrigem Kærpergewicht finden, die Suizidrate (1,6%) war bei normaler und erhæhter Cholesterinkonzentration åhnlich. Wolfersdorf et al. (1996) stellten die Ergebnisse einer prospektiven Vergleichsstudie zu Serumcholesterin, HDL- und LDL-Cholesterin bei depressiven Patienten mit bzw. ohne Suizid im Vergleich zu Epilepsie- und Bandscheibenpatienten zusammen. Ein wichtiges Ergebnis war u. a., dass sich die 12 durch Suizid verstorbenen Depressiven von den 4fach parallelisierten Depressiven ohne Suizid signifikant sowohl hinsichtlich des Gesamtserumcholesterins als auch hinsichtlich des LDL-Cholesterins durch deutlich niedrigere Werte unterschieden. Dies galt im Ûbrigen auch beim Vergleich der Suizidpatienten mit parallelisierten Epilepsie- bzw. Bandscheibenpatienten. Engelberg (1992) hatte diskutiert, die Lipidmikroviskositåt biologischer Membranen steige durch einen hæheren Cholesteringehalt, dadurch nehme die spezifische Bindung von Serotonin an Membranrezeptoren der Neurone zu, umgekehrt fçhre eine erniedrigte Viskositåt zu einem Serotoninmangel der Nervenzellen.
Psychopharmakotherapie und Suizidalitåt Die ¹klassischenª klinischen Annahmen hinsichtlich Suizidalitåt und antidepressiver Medikation sind: z Antriebssteigernde AD færdern Suizidalitåt. z Besserung des Antriebs vor Stimmungsbesserung bzw. bei Stimmungsverschlechterung færdert Suizidalitåt. z Serotonerge AD færdern bzw. reduzieren nicht Suizidalitåt. z Noradrenerge AD færdern Suizidalitåt. z Suizidalitåt bedarf der Sedierung. Erwçnschte Wirkung der antidepressiven Medikation und auch der Phasenprophylaxe mit Lithium ist die Verhçtung der Umsetzung von Hoffnungslosigkeit in Suizidideen, von Suizidideen in Suizidabsichten, von Suizidabsichten in suizidale Handlungen. Der rezidivprophylaktisch erwçnschte suizidpråventive Effekt einer langfristigen Therapie ist dabei, das Wiederauftreten von Hoffnungslosigkeit und/oder Suizidideen sowie suizidalen Handlungen zu vermeiden. Nicht erwçnscht ist also die Færderung bzw. Auslæsung neuer suizidaler Impulse durch den Krankheitsverlauf, z. B. Rezidivierung, Chronifizierung, Rapid Cycling bei den bipolaren affektiven Erkrankungen, Wiederauftreten von suizidfærdernden Halluzinationen bei Psychoseerkrankungen usw. Nicht erwçnscht sind weiterhin suizidale Schwankungen, quålende Antriebsverstårkungen, Therapieresistenz und natçrlich auch Suizidalitåt aus anderen, z. B. psychosozial-psychoreaktiven
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Grçnden in Zusammenhang mit der Beziehungssituation, der Lebens- und Arbeitssituation oder der Krankheitsbewåltigung. Zur Psychopharmakotherapie unter dem Aspekt der Suizidalitåt gibt es eine Reihe von Ûbersichtsarbeiten; verwiesen sei in diesem Zusammenhang auf Mæller (1992), Ahrens (1995, 1997), Barg et al. (1995), Demling (1996), Felber (1995), Mçller-Oerlinghausen (1995), Verkes et al. (1998), Wolfersdorf (1992), Wolfersdorf et al. (2002 c). Wie kann man nun die bisherigen Ergebnisse zur Therapie mit Antidepressiva oder Neuroleptika allgemein zusammenfassen? z Eine adåquate Therapie mit Antidepressiva reduziert çblicherweise die depressive Symptomatik, damit veråndert sie die depressive Sichtweise von Hoffnungslosigkeit, Perspektivelosigkeit und reduziert damit direkt oder indirekt auch Suizidideen. z Klassische klinische Hypothese war, dass antriebssteigernde Antidepressiva zu einer unter Therapie neu auftretenden Suizidalitåt fçhren bzw. vorhandene Suizidideen in Suizidabsichten und Suizidhandlungen çberfçhren. Der derzeitige Wissensstand geht dahin, dass eine adåquate antidepressive Medikation wohl die Suizidideen, Todes- und Ruhewçnsche reduziert, nicht aber insgesamt die Anzahl der suizidalen Handlungen in einer Gruppe und insbesondere auch nicht die Anzahl der suizidalen Handlungen çber eine Lebenszeitperspektive hinweg. So hat sich die Lebenszeitsuizidmortalitåt bei der Depression insgesamt nicht reduziert, sondern liegt bis heute çber die gesamte Gruppe leichter, mittelschwerer, schwerer und sehr schwerer Depression bei 4% und ist in einer Kohorte Schwerstdepressiver bei bis zu 15% geblieben. Ob es eine spezifische antisuizidale Wirkung von selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern gibt, passend zur Serotoninmangelhypothese der Suizidalitåt, ist bis heute offen. Fçr die Akutbehandlung der Depression mit SSRI scheint sich dies nicht zu zeigen; allerdings haben Verkes et al. (1998) zeigen kænnen, dass in einer mit dem SSRI Paroxetin behandelten, nicht depressiven High-Repeater-Gruppe von Menschen mit Suizidversuchen im Vergleich zur nicht mit dem SSRI behandelten Gruppe die Suizidversuchsrate hoch signifikant abnahm. Auch die zwischenzeitlich zu Lithium vorliegenden Ergebnisse (Ûbersicht Felber 1993, 1995) hinsichtlich der Normalisierung von Exzessmortalitåt, insbesondere durch Suizidalitåt (Ahrens 1995; Mçller-Oerlinghausen et al. 1995), verweisen erneut auf die Bedeutung des serotonergen Systems im Zusammenhang mit Suizidalitåt. Interessant sind in diesem Zusammenhang auch die neueren, zu Clozapin erschienenen Untersuchungen aus der Inter-SePT-Study-Group (Meltzer und Okayli 1995), die die Bedeutung des atypischen Neuroleptikums Clozapin und dessen Ûberlegenheit in der Behandlung schizophrener Patienten unter dem Aspekt der Suizidpråvention und der Reduzierung von Suizidmortalitåt diskutieren. Dass Nebenwirkungen von Neuroleptika, insbeson-
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dere die Akathisie, ein wesentlicher Bestandteil der Suizidproblematik sein kænnen, wurde von anderer Seite bereits gezeigt (s. dazu Wolfersdorf et al. 2002 c, e).
z Abschlussbemerkung Die neurobiologischen Hypothesen zur Suizidalitåt fokussieren auf eine Serotoninmangelhypothese. Psychodynamisch stehen das Narzissmuskonzept, die Objektbeziehungstheorie und die Aggressionstheorie im Zentrum unseres Verståndnisses der Suizidalitåt. Psychopathologisch geht es um Hoffnungs- und Hilflosigkeit, um unertråglichen vital empfundenen Schmerz mit massiven Fluchtimpulsen, um tief empfundene Angst und existenzielle Bedrohung, um pathologisch veråndertes Wahrnehmen und Erleben von Situationen, Menschen und auch der eigenen Person. Studien zur Neurobiologie bei auto- und fremdaggressivem Verhalten sind letztendlich immer bei sozial auffålligen bzw. psychopathologisch gekennzeichneten Menschen durchgefçhrt worden. Interessant wåre natçrlich die grundsåtzliche Ûberlegung, ob auch die eingangs genannte Suizidalitåt, mit der sich das therapeutisch-pflegerische Personal çblicherweise nicht beschåftigt, nåmlich die kulturell, religiæs und gesellschaftlich bestimmte Suizidalitåt, ebenfalls durch neurobiochemische Auffålligkeit charakterisierbar wåre bzw. ob das hier und anderweitig postulierte ¹Serotoninmangelsyndrom bei auto- und fremdaggressiven Impulskontrollstærungenª wirklich ein allgemeingçltiges åtiopathogenetisches Konzept darstellt. Das heiût, die Frage ist letztendlich erneut die nach ¹Henne und Eiª: Liegt ein Serotoninmangel, gleichgçltig welcher Øtiologie und welcher Genese, suizidalem Verhalten als einer Form des aggressiven Verhaltens zugrunde, oder ist ein Serotoninmangel und damit der Verlust von Adaptations- und Modulationsfåhigkeit in der akuten Situation Ausdruck eben dieser akuten Situation und ihrer nicht gelungenen Bewåltigung. Serotoninmangel als ¹Stateª oder ¹Traitª? Einer Beantwortung dieser Frage wird man erst nåher kommen, wenn man in der akuten suizidalen Situation gleichzeitig neurobiochemische Forschung betreiben kann, neben der Erhebung der Psychopathologie, der Psychodynamik, des aktuellen åuûerlich sichtbaren, hier dann suizidalen Verhaltens. Oder man kann langfristig Menschen beobachten, die mit SSRI oder mit Substanzen, die das serotonerge System in Richtung einer Erhæhung des Basisniveaus beeinflussen, behandelt werden, und die u. a. hinsichtlich ihres auto- oder fremdaggressiven Verhaltens, ihrer Selbstverletzungstendenzen und ihres selbstschådigenden Verhaltens beobachtbar sind. Bis dahin wird man bei der von anatomischer Seite geåuûerten Meinung bleiben mçssen, dass das serotonerge System eben eine Art Modulationsfunktion aufweist, dessen Wegfall bei entsprechenden Auûenreizen die Mæglichkeit der Extremreaktion ± çberschieûend oder çberhaupt nicht ± nahe legt. Bis dahin werden Psychopathologie, Psychophysiologie und Psy-
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chodynamik die zentralen therapeutisch-diagnostischen Handlungsanweisungen fçr die Bewåltigung des suizidalen Alltags bleiben, wie im Folgenden am Beispiel der Entstehung und Entwicklung von Suizidalitåt bei Schizophrenie, Depression und Manie dargestellt.
z Schizophrenie, Psychosen und Suizid (ICD-9: 295.x; ICD-10 F2x.xx) ± åtiopathogenetische Konzepte Akute psychotische/pråpsychotische Symptomatik z wahnhafte Befçrchtung von Verfolgung, Vernichtung, Bedrohung, Untergang, damit Angst und Panik: Vorwegnahme des Untergangs durch Selbsttætung z akustische Halluzinationen: Stimmen die zum Suizid bzw. zum Vollzug dessen, was man sowieso schon sei, nåmlich tot, auffordern z Depersonalisation, Derealisation: Ich-Stærung, damit Angst, Panik: Vorwegnahme der Auflæsung und Ich-Desintegration durch Selbsttætung z Wahnstimmung und Gewissheit von Desintegration, Untergang: Suizid als Vorwegnahme, ¹Panik-Reaktionª z Selbsttætung zur Vermeidung von Fremdschådigung z. B. bei psychotischer Ûberzeugung von Besessenheit, Teufel, Tod u. å. z Grandiose Verschmelzungsphantasien mit Natur, Welt, All, Gott im çberwåltigenden Glçcksgefçhl.
Akute depressive bzw. dysphorische Gestimmtheit z Angstzustånde, Dysphorie, Depressivitåt als affektiver Teil der Akutsymptomatik gemeinsam mit psychotischen Symptomen: Suizidalitåt als Ausdruck der Affektivitåt z Depressivitåt, Hoffnungslosigkeit im so genannten postremissiven Erschæpfungssyndrom nach Abklingen paranoid-halluzinatorischer Symptomatik: Suizidalitåt aus z. B. hoffnungsloser Zukunftssicht z Depressivitåt und akinetisches Syndrom, neuroleptisches Parkinsonsyndrom: Suizidalitåt im Zusammenhang mit nicht akzeptablen Nebenwirkungen z Akathisie und Depressivitåt, Dysphorie als Neuroleptika-Nebenwirkungen: Suizidalitåt z. B. im Zusammenhang mit quålender Unruhe z Depressivitåt als Reaktion auf narzisstische Krise/Selbstwertkrise: Nichtleben-kænnen mit Krankheit und Krankheitsfolgen, z. B. Einschrånkungen, Verlusten im Beziehungs- und Leistungsbereich
Suizidalitåt und das serotonerge System
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Krankheitsverlauf z Nicht-leben-kænnen bzw. -wollen mit Stigma: Suizidalitåt als Folge von gesellschaftlicher Øchtung z Nicht-leben-kænnen bzw. -wollen mit der Perspektive, immer wieder zu erkranken, evtl. die eigene Persænlichkeit zu veråndern: Suizidalitåt als Ausdruck von ¹Bilanzierungª z Nicht-leben-kænnen bzw. -wollen mit den psychosozialen Folgen der Erkrankung: Beziehungsverlust, Arbeitsplatzverlust, Leistungseinschrånkung, sozialer Abstieg, Verlust der eigenen Wohnung.
Behandlungsfolgen z Verlust der psychotischen Weltsicht, -struktur, in der man sich eingerichtet hat, durch Therapie: Suizidalitåt als Ausdruck von Orientierungslosigkeit z Ûberforderung durch Rehabilitation z. B. auf der Arbeits- oder Wohnachse: Suizidalitåt als Ausdruck schmerzhaft erlebten subjektiven Scheiterns z Verlust von stçtzendem Rahmen (¹Heimat-Klinikª) durch Klinikfixierung von ¹Heil- und Pflegeanstaltenª, ¹forcierte Enthospitalisierungenª, fachlich nicht begrçndbare, zu kurze Behandlungsdauern z Nebenwirkungen von Neuroleptika, sofern quålend und Lebensqualitåt beeintråchtigend erlebt: Suizidalitåt bei Akathisie, bei neuroleptischem Parkinsonsyndrom, bei kognitiven Stærungen durch Neuroleptika, bei nicht akzeptablen sexuellen Stærungen z krankheits- bzw. verhaltensbedingte Einschrånkungen: Suizidalitåt z. B. bei Freiheitsentzug (Unterbringung), Zwangsbehandlung z Verånderung von Behandlungsbedingungen, z. B. Suizidalitåt nach Verlust eines jahrelangen Ergotherapieplatzes bei einem chronisch schizophren Kranken.
z Affektive Psychosen und Suizid (ICD-9: 296.x, 298.0; ICD-10: melancholischer Subtyp bzw. mit psychotischen Symptomen bei depressiver Episode) ± eine Ûbersicht Depression z nach epidemiologischen Daten (Suizid in der Allgemeinbevælkerung) Depression (unklar ¹endogenª oder ¹psychoreaktiv-neurotischª) ca. 40±70% Anteil an allen Suiziden z Lebenszeitsuizidmortalitåt (LBZM) bei neurotischer und endogener Depression einerseits gleich hoch ± bis 15% ± angegeben, andererseits soll LBZM bei endogen Depressiven hæher sein. Bei schwer Depressiven (Schweregrad nach ICD-10) LBZM ca. 15%, bei allen Depressiven inklu-
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sive leicht Depressiven ca. 4% (deutliches Ûberwiegen der leichter Depressiven!) z grundsåtzlich Psychopathologie: Hoffnungslosigkeit/Wahn/Wertlosigkeitsgefçhle, Verzweiflung/Ohnmachtsgefçhle, Unruhe/Schlafstærung besondere Bedeutung als Suizidalitåt færdernd zugeschrieben z Psychodynamik suizidalen Geschehens bei Depression entspricht i. W. der anderer suizidaler Krisen; Depression bringt durch ihre bereits der Suizidalitåt nåhere Symptomatik hæheres Risiko ein. Depressiver Wahn akzentuiert suizidale Dynamik z Neurobiologisch und psychophysiologisch gibt es Hinweise auf Impulskontrollstærung als Grundlage, mæglicherweise åtiologischer Art, autound fremdaggressiven Verhaltens, insbesondere der harten Suizide schwer Depressiver.
Manie z insgesamt unbefriedigender Wissensstand zu Suizidalitåt bei maniformen Syndromen z keine epidemiologischen Daten vorhanden z suizidale Handlungen bzw. Suizide bei Maniker (manisch-depressiv, bipolar) klinisch bekannt z åtiopathogenetische Ûberlegungen vor klinischem Hintergrund sind: Suizidalitåt i. Z. mit ± Frustration manischer Græûenideen und z. B. reaktiver Depressivitåt auf manischen Wahn ± raschen Switch-Phånomenen, d. h. raschem Umkippen in Depressivitåt/Dysphorie ± eher gereizter Manie mit impulshafter Auto- und Fremdaggression ± Konfrontation mit sozialen Folgen, mit Beziehungsabbrçchen, mit kriminellen Handlungen in Manie ± Einbruch von Scham- und Schuldgefçhlen infolge Verhaltens in der Manie ± schizoaffektivem Mischbild ± manisch-depressivem Mischbild z keine neurobiologischen oder psychophysiologischen Daten zur Suizidalitåt in Manie bekannt.
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