DAS DEUTSCHE SEIN URSPRUNG UND MYTHOS
EIN ETYMOLOGISCH-HISTORISCHER REPORT VON KARL HEINZ STOLL
Das Deutsche in Kurzf...
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DAS DEUTSCHE SEIN URSPRUNG UND MYTHOS
EIN ETYMOLOGISCH-HISTORISCHER REPORT VON KARL HEINZ STOLL
Das Deutsche in Kurzform Im Anfang war das Wort. Das Deutsche kam als ein Kunstwort in die Welt. Geschaffen wurde es von einem christlichen Missio1
nar Wulfilas der es kreierte um damit die Herrschaft des christlichen Gottes Theos in die Sprache der Goten zu übertragen. Das in den alt-griechischen Texten der Bibel, der Septuaginta so heiß ersehnte Herrscher-tum Gottes und sein göttliches Reich auch auf Erden benannte der gotische Missionar und Bibelübersetzer mit
iudin-assus und
iudan-gardi. Mit einem von ihm neu geschaffenen und >goti-
schen< Alphabet tuschte er die von den Christen erhoffte Gottesherrschaft etwa um 350 n.Chr. auf Pergament. Gott Jahwe selbst in seiner Funktion als Herrscher und kosmischer König wurde im Gotischen zu >
iudans< (
= th,
= Thiud), seine nur ihn als einen König (=
iudans ) anerkennende Ge-
folgschaft zum
iuda, seinem besonderen Volk, dem >thiuda< der Linguistik. Damit aber erhielt im
Umkehrschluß
iudisk auch eine ethnisch definierende Funktion. Dieses
sches - also waren diese Goten
iuda-volk war ein goti-
iudisk. Da meine These behauptet gotisches
iudisk/thiutisch sei
iuda-goten zugleich auch als erste
der semantische Kern, das Etymon alles >Deutschen< sind diese
Deutsche definiert. Als ein adjektivisches Attribut ist dieses >deutsch< aus der Bewertung >
iudisch
lex Gotica< dieses Gott-Kaisers erneut zu einem besonderen Volk unter allen germanischen = den Theodosianischen
iuda. 3
In der Person des ostro-gotischen Königs Theoderich der Große wurde Herrschendes dann mit ihm identifiziert. Sein eigenes Volk sowie die von ihm geschirmten germanischen Stämme wurde als seine 4
Gefolgschaft zu Theoderichs Leute, sprachgeschichtlich zu „theodisce“ und >diete lit< . Nur diese wurden als Teil der germanischen Völker dann wirklich zu >Deutschentheodisce< um als Definition sprachlich wie realpolitisch 5
einen Gegensatz zu den ripuarischen und >walhiscen< Franken von der Waal zu benennen. Dieses 6
theodisce gilt der Sprachwissenschaft als Fundament der Deutsch-werdung .
1
Er lebte etwa von 311 bis 381/82 n.Chr. 379 bis 395 3 475 bis 526 4 So werden sie im ober-deutsch lautverschobenen Lied der Gibelungen um 1200 benannt. 5 Dies ist der niederländische Name für jenen Rheinarm den Julius Caesar mit >vacalus< benannte und der später zum >vahalis< mutierte. 6 L.Weisgerber, Deutsch als Volksname 1 2
Im Jahr 801 spricht Kaiser Karl der Große erstmals die theodisc/deutsche Sprache zu seinen langobardischen Untertanen in Italien, einheimische Chronisten bezeichnen hingegen Langobardisch als >todiscatheudisca lingua< formuliert (842). Im folgenden Jahr wird im langobardischen Trient >teutisci< als eine ethnische Definition verwendet. Deutsch erscheint in jener Epoche als durch zwei Bedingungen definiert. Einmal ist es die Zugehörigkeit zu den >Leuten des Theoderich< und zum anderen durch die oberdeutsch-lautverschobene Sprache der sogenannten Elb-germanen im Alpenraum. Um 918 versuchte ein >Fürst von Gottes Gnadenregnum Teutonicorum< zu etablieren. Er scheitert und erst im Jahre 1038 wird König Heinrich der Dritte seine Herrschaft im noch immer Ost-fränkischen Reich als ein >regnum Teutonicorum< benennen. Als Herzog von Baiern war er zuvor Mit-könig seines Vaters Konrad II. sowie Herzog von Schwaben und Kärnten gewesen. Durch ihn erst konnte teutisc/deutsch allmählich zum Oberbegriff auch für Franken, Friesen und Sachsen unter seiner und seiner Nachfolger Herrschaft werden. Sein als >deutsch< definiertes Königtum ließ auch jene seiner Untertanen die einst nicht >diete lit< waren erst zu >Deutschen< werden. Kaiser Friedrich der Erste, Rotbart genannt, ließ dann sein regnum Teutonicorum nördlich der Alpen zu einem insgesamt tiutisch/diuten/düdeschen werden. Erst durch ihn und mit ihm wurde OsterFranken wirklich deutsch. Er wurde zur Inkarnation des Deutschen. Seine Erben und Nachfolger zerstörten jedoch für immer die von ihm als Möglichkeit vorgegebene Einheit des Deutschen zu einem Nationalstaat. Deutsches definierte sich in der Folgezeit ausschließlich über Sprache und Kultur sowie den Barbarossa-Mythos. Weder eine Ethnie, noch ein Territorium oder ein Staat und eine Herrschaft war je als eine Deutsche Gesamtheit vorhanden. Ausschließlich als eine Sprach- und Kulturnation blieb Deutsches existent. Martin Luther brachte diese Sprachkultur dann mit seiner Bibelübersetzung die ja gleichzeitig auch eine neue Sprachschöpfung war zur vollen Blüte. Was mit Wulfilas begann – Luther hat es vollendet. 7
Der Nach-Napoleonische Nationalmythos des Deutschen war zu sehr völkisch-nationalistisch und rassistisch-chauvinistisch verseucht als daß er politisch erträgliche Früchte zu tragen vermocht hätte. Die braunen Nazibarbaren als idelle Erben der germanophilen Hohenzollern-epoche brachten auch dieses Pseudo-Nationale zu einem makaberen Finale. Die unbegrenzten und digitalen Weiten des virtuellen Cyberspace reduzieren nun das Deutsche zur Hausnummer im global vernetzten Dorf - .de. Was einst seine neuzeitliche Identität erst hervorbrachte wird dabei zu einem jetzt eher behindernden Dialekt.
7
O. W. Johnston 2
Inhaltsverzeichnis: Einleitung
I. Buch Ursprung 1. Germanen- Eine Erfindung des Caesar? 2. Goten- Eine skandinavische Reisewelle zum Schwarzmeer 3. Hunnen- Treiber des Deutschen 4. Wulfilas Bibelübersetzer und Schöpfer der ersten germanischen Schriftsprache 5. Attanarich Ein alt-testamentarischer Richter wird zum Deutschen 6. Der Große Theodosius Gott-Kaiser und Goten-liebchen
II. Buch Theodosier und Theodosianer 1. Theodisce Wisi-Goten Von Alarich I. zu Alarich II. 2. Theodosiche Vandalen Von Geiserich bis Hilderich 3. GemischteTheodos-ier und –ianer Wie auch Attila versuchte ein Theodosier zu werden 4. Theodorich-ische Purpur-Goten Der Große Theoderich alias Dietrich von Bern
III. BUCH Das Deutsche im Reich der Merovinger-Franken 1. Theudische Kaiser-Franken Augustus Chlodovech und das Reich des Theuderich 2. Vom Ende des antik–kaiserlichen Theodesianisch zum fränkisch-Theudischen Mittelalter 3. Theodisc-theudische Alamannen und Schwaben Verschobene Laute und -ing-Orte 4. Die Jüngeren Theude-Franken - Chilperich und das Böse Eine frühe deutsche Rechtschreibreform - Schönbraunglänzende-Gabe und Glänzender Sigi 5. Putschisten von 613 fordern Ihren Anteil 6. Auster Vom Reich des Theuderich zu Oster franken
IV. BUCH Die Franken unter der Herrschaft walcher Karolinger 1. Ripuarische Pipiniden 2. Walche Carlo-inger theodisce versus walhisce 3. Der Waal-hisce Hammer Carlo 4. Theoto Deutscher Herrscher in bairischem Gebiet ? 5. Die Walchen werden Königliche und Eid-genossen 6. Der west-römische Kaiser Karl der Große und das Deutsche 7. Die walhiscen Erben des Großen Karl 8. Oster-Franken nach den Karolingern Deutsches Stammes-Getümmel 9. Die Baiern Frühe Deutsche an Donau und Inn
V. BUCH Die Renaissance des Deutschen 1. Das regnum Teutonicorum Von Princeps Arnulf zu König und Kaiser Heinrich III. 2. Das deutsche unter hessischer Krone Heinrich III. und das Deutsche Königtum 3. Wie Kaiser Rotbart lobesam ins Lied der Gibelungen kam 4. il Stupor – der Staufer
Ausklang Literatur-Liste
3
EINLEITUNG Deutsch. Ein Wort ebenso fordernd wie unpräzise. Was aber ist >das Deutsche< ? Es begegnet uns im Ablauf von Zeit und Geschichte in unterschiedlichster Sprachgestalt und Schreibweise: thiuth - thiudi – theyde - tieis - theude - theutisca – todisca - teuto – diot - thiade - tiutisch - diete - dutsch - düdesch sind alles variable Notierungen für stets dasselbe und meinen alle deutsch. In latinisiertem Griechisch zeigt es sich auch als >theodisceth< 11 Das Suffix >assus< wird von R. E. Keller als sprachliches Mittel germanischer Sprachen zur Bildung von sog. Nominal-abstrakta benannt. Im Englischen blieb es als -ness ( z.B. good-ness, god-li-ness) erhalten. Im Deutschen ist es häufig durch -schaft oder -tum ersetzt worden. 4
9
I. Buch 1.Die Germanen Als solche wurden sie von Gaius Iulius Caesar als eine kategorisierende Kennzeichnung vor etwas mehr als zweitausend Jahren in die Geschichtsschreibung eingebracht. Als er im letzten vor-christlichen Jahrhundert mit seinen römischen Legionären die Völker und Länder nordwestlich der Alpen erobert hatte schrieb er darüber ein Buch. In diesem Bericht vom Gallischen Krieg an die Daheimgebliebenen benannte er, und er erstmals, jene Germanii die fortan Rom zum Problem und der deutsch-preussischen Historik sehr viel später zum Lieblingsobjekt werden sollten. 12
Vor allem jene Völke, die von östlich des Rheins unter dem Svebenkönig Ariovist
gegen Caesar
mobil gemacht hatten erhielten von ihm das Attribut Germanen angeheftet. Warum und weshalb er sie gerade so benamte hat die Historik jedoch nie geklärt. Zuvor und vor allem aus dem Blickwinkel der Griechen war der nordwestliche Teil Europas von den Keltoi bewohnt gewesen. Der lateinische Name für sie war Gallier. Schon Strabo, ein griechischer Geograph und noch Zeitgenosse des Caesar kam mit dessen Definition nicht zurecht. Für den kenntnisreichen Griechen waren und blieben Kelten, Gallier und Germanen stets zum verwechseln ähnlich. Deren spezifische Eigenschaften unterschieden sich nach seiner Meinung lediglich dadurch dass die einen noch etwas blonder, noch grösser gewachsen und von noch ausgeprägterer Wildheit waren als die anderen. Deshalb vermutete er die Römer hätten das Echte und Ursprüngliche mit germanisch zum Ausdruck bringen wollen, „denn echt heisst in der römischen 13
Sprache germanus“ . Die Germanen demnach als die urigen und eigentlichen echten Kelten? Na denn. Was jedoch weder Strabo (=der Schieler ) noch andere Historiographen in den Blick nahmen ist eine andere Bedeutung welche dem lateinischen germanus zukommt. Es benennt auch eine Verwandtschaft im Sinne von geschwisterlich ebenso wie eine Gemeinschaft als Verbrüderung oder Bruderschaft. Wer also gemeinsam und im Bund mit Ariovist gegen Caesar und dessen Legionen in den Kampf zog zählte zur Germanitas des Sveben-Fürsten und wurde so zum Germanen. Caesar selbst schrieb von einer „Vereinigung der Feinde“
14
in diesem Zusammenhang.
Zu Zeiten des noch real existierenden Sozialismus wurden derartige Bündnispartner des Ostblocks als 15
Bruder-völker definiert. Caesar setzte dafür offensichtlich den Begriff Germanii . Dieses Attribut lies sich dann sehr schlüssig auch auf jene Völker übertragen die entlang des Rheins, jedoch unter eigenem Kommando, ebenfalls gegen die römischen Legionäre in die Schlachten stürmten. Sie wurden sprachlich der feindlichen Bruderschaft, der >Germanitas< des Ariovist zugeschlagen, 12 12
=Stark wie Ares, Ares=griechischer Gott des Krieges, lat. vis = Stärke-Mut-Tapferkeit etc. Geogr.VII,1 14 Der Gallische Krieg, II,5, nach Ph.L. Haus 15 Auch die spätere fränkische Geschichtschreibung hält ein analoges Beispiel parat. Carlo Martelus wird in späten Jahren von Chronisten völlig unvermutet ein >Bruder< zugeordnet. Doch dieser >germanum< Hildebrand aber ist wohl ein nur > brüder-licher< Waffen- und Adoptions-bruder und Neffe des mit Carlo verbrüderten Langobarden-königs Liut-brand (712-744) und war dessen Mitregent und Erbe (=Paulus Diakonus Kap.53 sow. a. d. Leben d, Papst Zacharias 21,sow. Fredegar 20). 13
5
sie alle waren Feinde Roms. Ein bißchen mehr oder weniger echt spielte dabei wohl keine allzugrosse Rolle. Wie dem auch sei, nach C. I. Caesar lebten östlich des Rheins sowie nördlich der Donau Germanen indes ihre westlichen Nachbarn unter der Herrschaft römischer Legions-Adler als Gallier in die Geschichte eingingen. Getrennt wie unterscheidbar waren sie jedoch mehr durch ihr jeweiliges Verhältnis zu Rom als durch rassische Merkmale. Durch Tacitus und seine Germania wurden die dort Lebenden dann unter ihrem römischen Namensbild zum unverzichtbaren Kulturgut des Abendlandes verfestigt. Wer auch immer von östlich des Rheins kam war und blieb ein Germane. Trotzdem blieben auch Zweifel. Cassius Dio schrieb nochmals ein Jahrhundert später in seiner>Römische Geschichteechten< Barbaren und wurden durch Caesar zu Germanen gemacht. Doch als gleichermaßen blond, schön, hünenhaft und wild wurden sie auch weiterhin gemeinsam beschrieben. Wie wenig der von Caesar creierte Name den damit Ausgestatteten jedoch selbst gefiel zeigt sich schon allein darin, daß keiner der so Gekennzeichneten sich jemals selbst als Germane benannte. Dieser Begriff war und blieb ein von außen aufgesetztes Attribut der römischen Sieger- und Herrschaftssprache. Selber war man stets Semnone, Cherusker, Sueve, Sachse, Langobarde, Hermundurer, Franke oder Alamanne. Einige von diesen wurden später auch >Deutschegriechischer< Schrift sogar ein präzises Bevölkerungsverzeichnis geführt hatten. 18 S. Katolog Gold der Helvetier, 1991 17
6
2. Die Goten Ihrer eigenen Herkunftslegende zufolge entstammen die Goten der „umfangreichen Insel Scandza“ im nördlichen Eismeer. Von dort setzten sie einst zum Festland über wo sie im heutigen Polen an Land 19
gingen. An den Ufern der Weichsel (Vistula) etablierten sie ihre zweite Heimat – Gothi-scandza . 20
Das archäologische Fundgut bestätigt die Saga . Der gotische Umzug nach Polen steht in einer verblüffenden Zeitparallele zu jener gewaltigen Reisewelle die vor Zeiten auch die Kimbern, Ambronen und Teutonen aus dem Norden nach Süden spülte. Beide Auswanderungswellen datieren in die Zeit kurz vor dem Ende des zweiten vor-christlichen Jahrhunderts. Während die Cimbri von der Nordspitze Dänemarks loszogen verließen die Goten offenbar zeitgleich ihre südschwedische Heimat in Vesterund Öster-gotland und/oder auf der Insel Gotland. Cimbri und Co. Wurden nach ihrem epochalen Gewaltmarsch von den Legionen Roms in Südfrankreich und Norditalien um 104 v.Chr besiegt und vernichtet. Die Goten aber hatten ein besseres Los gezogen. Entlang von Weichsel und Dnjestr gelangten sie durch weniger dicht besiedelte Landschaften an den Gastlichen Pontus der Griechen, das Schwarze Meer. Wenn auch Zeitpunkt und genaue Route dieser Wanderung nicht exakt bestimmbar sind, die Präsenz der Goten am Schwarzmeer ist geschichtliche Realität. An dessen Nordküste errichteten sie zwischen Donau und Don (Tanao) eine machtvolle und weitreichende Herrschaft. Ihr späterer Chronist Jordanis erwähnt ihre Oberhoheit auch 21
„über ... Völker Germaniens“ . Allein diese Formulierung zeigt deutlich daß sich die Goten selbst nicht als Germanen definierten. Es war erst die spätere Geschichtsschreibung die aus ihnen Ost-germanen machte. Griechische wie römische Autoren hefteten ihnen statt dessen gerne das Attribut >skytisch< an. Ihr Expansionsdrang brachte die Goten oft und gut documentiert mit den Römern in Konflikt. Ihre eigene Chronik bemerkt dabei mit Stolz dass es den römischen Legionen jedoch nie gelungen sei die aus Skandinavien stammenden blonden und hochgewachsenen Krieger zu unterwerfen und von Rom 22
abhängig zu machen . Ihr König Amala wird um 200 n.Chr. zum Stammvater einer ruhmreichen Königsdynastie – die Amaler. Als Amelungen wird ihnen noch ein Jahrtausend später im Lied der Gibelungen ein literarisches Denkmal gesetzt werden. Schon dem römischen Autor Tacitus war aufgefallen daß die Goten bereits in Polen eine weit straffere 23
Königsherrschaft als andere Germanen-völker ausgebildet hatten . Am Schwarzmeer wurde dieses Königtum dann offenbar weiter ausgeformt und entwickelt. Unter einem Amaler-König Ostro-Gota erreichte die gotische Herrschaft um 240 n.Chr. wohl ihre Blütezeit. Einen „glücklichen Frieden, ... für 24
das Gotenvolk notierte dazu ihr Chronist . Nach diesem Herrscher wurde danach das von ihm regierte Gotenvolk insgesamt als die Ostro-Goten benannt. Dieses Attribut hatte jedoch mit Osten noch keinerlei Sprachverwandschaft. Ostrum bedeutet in griechischer Sprache die Farbe der Purpurschnecke (=ostrea) mit welcher kaiserliche Textilien eingefärbt wurden (=Ostrinus). Dieser Purpur war gleichzeitig das Synonym für kaiserlich und blieb deshalb stets nur dem allerhöchsten Herrscherhaus 19
Jordanis, Gotengeschichte, I + IV Die sogenannte Wielbark-Kultur in Polen 21 XXIII 22 Jordanis sow. Isidor v. S. = Bericht z. Lobe d. Goten, 67 23 Germania, 44 20
7
vorbehalten. König Ostro-Gota war somit ein Kaiser-gleicher Herrscher der Goten aus der Dynastie der Amaler, ein Kaiser- oder eben Purpur-Gote. Der für ihn geprägte Titel blieb dann auch an der ihm zugehörigen Gefolgschaft, seinen Ostro-Goten haften. In den römischen Annalen werden sie auch als 25
Greuthungen genannt . 26
In Rivalität zu ihnen erscheinen später die westlich der Karpaten siedelnden Thervingen-Goten . Im einst römischen Dacien östlich der Donau und an der Theiß hatten sie die Vandalen vertrieben und dort selbst ein machtvolles Königtum etabliert. Von den ostro-gotischen Purpurträgern waren sie dabei offensichtlich unabhängig geworden. Mit Roms Kaisern standen sie seit Konstantin der Große (32437) in wechselhafter Beziehung. Krieg, Friedensverträge und Bündnisse wechselten sich dabei in regelloser Folge ab. Doch ihre Nähe zum ersten christlichen Kaiser-haus der Römer kamen auch sie mit dem Christentum in Kontakt. König Rothestes und sein Sohn Attanarich sind die zuletzt bei ihnen genannten und regierenden Fürsten. Während die Römer in jenen Tagen der eintausendjährigen Existenz ihrer Metropole wie auch ihres Staates ehrend gedachten überfiel der kaisergleiche Ostro-Gota mit seinen Heerscharen die römischen Provinzen Moesien und Trakien an Donau und Schwarzmeerküste (um 248 n.Chr.). Sein Erbe und Nachfolger Kniva vernichtete kurz danach ein ganzes Heer der Römer wobei auch deren Kaiser Decius getötet wurde (251). Diese Ostro-Goten waren in der Tat zu machtvollen Gegnern und Rivalen der römischen Purpur-träger herangewachsen. Es war wohl auch ein Zeichen ihres Selbstbewußtseins welches sie mit dieser ihrer Eigendefinition im Namen zum Ausdruck brachten. So kaiserlich wie die römischen Augusti waren die gotischen Purpur-Herrscher und Könige allemal ! Trotzdem fand deren kaisergleiches Imperium ein jähes Ende. Doch nicht die Legionen Roms sondern Reiterkrieger aus der asiatischen Steppe vernichteten um 375 n.Chr. Herrschaft und Reich der Purpur-Goten. 27
Im Zenit ostro-gotischer Machtentfaltung stand König Hermanerich . Jordanis, ein Chronist der gotischen Völker beschreibt den kaisergleichen Herrschaftsberreich dieses vorläufig letzten AmalerKönigs Hermanerich. Ausgreifend von seinem Machtzentrum in der südlichen Ukraine hatte er eine Vielzahl anderer Völker unter seine Oberherrschaftt gezwungen. Bis zu den >Aesten< an der Ostsee reichte sein starker Arm. Alle Slawen (Veneter, Anten, Sklavenen ) waren unter sein Szepter geraten. 28
Ebenso alle Völker Germaniens . Dieser machtvolle Gotenkönig soll gar mit dem Grossen Alexander verglichen worden sein. Als er einhundertzehnjährig (!) starb wurde sein Imperium zur Beute der Hunnen. Die Epoche der sogenannten Völkerwanderung hatte begonnen.
24
Jordanis XVII J.v. Aschenbach u.a. 26 Dieser Name wird jedoch äußerst widersprüchlich überliefert. Ganz offensichtlich war diese Bennenung keinesfalls gesichertes Namensgut. Die unterschiedliche Bedeutung von griech. >y< im Vergleich zum lat. >u< mag dabei eine Rolle gespielt haben = They- statt Theu-inger. Um nicht drei aufeinanderfolgende Vokale zu schreiben (e+υ+i) wurde vielleicht ein >r< eingefügt =Theru- statt Theui-? 27 Hermin / Irmin ist nach Tacitus einer der drei mythischen und göttlichen Stammväter aller Germanen – Hermane-rich ist demnach ein >reiks< (=rex) des Gottes Hermin/Irmin, ein Gott-könig. (In griechischer Schrift wird >H< durch den sog. Spiritus asper ( ` ) dargestellt und geht deshalb beim Übersetzen häufig verloren.) 28 XXIII, Man erkennt dabei deutlich wie auch Jordanis einen Unterschied zwischen dem germanischen Territorium und den dort lebenden Völkern sieht. 8 25
3. Die Hunnen- Treiber des Deutschen In den Jahren um 375 n.Chr. und danach veränderten sich die politischen, ethnischen wie auch Macht-Verhältnisse an der Schwarzmeerküste und der unteren Donau dramatisch. Aus den unbegrenzten Weiten der zentralsiatischen Grassteppe tauchte ein bis dahin völlig unbekanntes Reiterund Nomadenvolk in das Blickfeld der am schwarzen Meer siedelnden Völker. Wegen ihres fremden und dunklen Erscheinungsbildes und ihrer hoch differenzierten Kriegstechnik verbreiteten diese Hunnen Panik und Entsetzen unter den Schwarzmeeranrainern. Selber waren diese düsteren Nomaden zuvor von chinesischen Kaisern besiegt und aus ihrer Heimat vertrieben worden. Danach hatten Avaren sie auch aus der euro-asiatischen Steppe verscheucht. Seitdem waren sie unterwegs und auf der Suche nach einem neuen Lebensraum. Go West war dabei offensichtlich ihre Parole. Nun hatten sie den Don (Tanaos) und die mäotischen Sümpfe in seinem Mündungsgebiet durchquert. Orientiert am Polarstern der ihnen als Mittelpunkt und zugleich spiritueller Nabel der Welt galt waren sie im Sattel um diese Welt bis an alle ihre vier Ecken zu erkunden. Nur wenige Jahrzehnte nach ihrer Ankunft am Schwarzen Meer welches bis dahin pontus euxinos, das Gastliche Meer genannt worden war, galoppierten ihre Pferde bereits vor den Toren der spanisch-aquitanischen Stadt Narbonne (437) und bei Paris (451) oder trugen ihre Reiter in Richtung Rom (453). Die ohnmächtige Angst, die sie erzeugten spiegelt sich in den ihnen zugefügten Attributen der damali29
gen Chronisten wieder: Schwärzliche
30
und düstere „Geisel Gottes“ , Zweibeinige Tiere (=bipedes), 31
die anstelle eines Gesichtes einen abscheulichen Klumpen auf dem Halse tragen , so und ähnlich wurden sie stigmatisiert und diffamiert. Hunnisch zu sein wurde zum deklassierenden Schimpfwort
32
.
Entlang der Donau, von ihrer Einmündung in das nun Schwarze Meer bis hinauf zu den Quellen im 33
Schwarz-wald und dem Morsianischen, dem >schwarzen
skytisch< bezeichnet. Die Thraker wurden zuerst mit diesem Attribut belegt, von diesen ging es dann auch auf die Goten über. Nicht als germanisch sondern für skythisch wurden auch sie von ihren Zeitgenossen eingestuft. „Die Griechen nämlich hielten die Goten für Thraker“ so beschrieb schon Strabo vor zweitausend Jahren antiken 35
Historienschmäh . Nomade und Reiterkrieger in den südrussischen Steppen zu sein reichte aus um skytisch zu werden. Herr über die skytischen Lande und Bewohner entlang der Donau und nördlicher Schwarzmeerküste wurden nach 375 nun die Hunnen. Auch sie werden in oströmisch-griechischen Texten als Skythen 29
Jord.XXIV Isidor v. S., 29 31 Jord.XXIV 32 z B. im Hildebrants-lied 33 lat. morus = tiefschwarz 34 Jord. V.
30
9
36
benannt . Das Zentrum ihres gewaltigen Groß-Reiches findet sich später in der Großen Ungarischen Tiefebene an der Theiß (Tisa), dem Parthiscus der Römer. Attila (ca.441-453), der Etzel des Gibelun37
genliedes wurde in der Spätphase dann sein „alleiniger Beherrscher“ . Att-ila ist die gotische Koseform von Atta, dem Vater, >ila< macht ihn zum >chenthiuth< = in Zusammengefügtem zu >thiud< =
42
wird
iu
(
41
=th ), welche
benannte dieser Apostel der Goten seinen christli-
chen Gott-Vater in der Funktion als Herrscher und kosmischer König > definierte er das räumliche König-reich Gottes während >
iudans
iudan-gardi
deutsch< welcher unser Interesse gilt.
aber ist ihr innerstes Wahres, ihr Ety-
mon. 44
Formuliert und in die geschriebenen Texte gebracht hat es der Gote Wulfilas – das Wölf-chen , ein Mensch den seine Zeitgenossen seiner sprach-kulturellen Bestleistung wegen als einen zweiten Mo45
ses rühmten . Dieser in der Antike so gerühmte Übersetzer wurde etwa um 311 n.Chr. in den dakischen Provinzen (=westliches Bulgarien) des römischen Reiches geboren. Er gilt als ein Nachfahre kriegsgefangener und damit unfreier jedoch christlicher Eltern. Dem eigenen Sklavendasein entzog er sich wohl durch seinen Eintritt in den geistlichen Stand der frühen Kirche der Christen. Schon in jungen Jahren, er war um die Zwanzig, diente er einer gotischen Gesandtschaft beim Römischen Kaiser Konstantin der Große als Dolmetscher. Im Jahre 341, als etwa Dreißigjähriger wird er in Antiochia zum christlichen Bischof geweiht. Diese Hauptstadt der römischen Provinz Syria ist zugleich Kirchenmetropole und Hochburg der sogenannten >arianischen< Christen. Dort gilt wie auch im Patriarchat 46
Konstantinopel der Bibeltext des Lukian von Antiochia
der durch seine Exegetenschule auch zum
47
Lehrer des Arius wurde . Dieser Arianos war ein frühchristlicher Priester im ägyptischen Alexandria, er starb um 336 n.Chr.. Er vertrat die Lehrmeinung daß Jesus von Gott dem Vater geschaffen und deshalb weder ewig noch dem Vater-Gott wesens-gleich sein könne. Auch dem Hl. Geist (=Logos)
40
Da sowohl dem griechischen wie auch dem lateinischen Alphabet zur adäquaten Wiedergabe typisch germanischer Sprachlaute entsprechende Schriftzeichen fehlen mußte auch für >W< oder >hv< eine Hilfkonstruktion gefunden werden. So wurde dieser Name auch als Gulfilas, Hulfilas, Ulphilas, Urphilas o.ä.geschrieben. = z. n. J.v. Aschenbach. 41 In Wulfilas‘ gotischen Schriftzeichen 42 Im Inlaut wird >th< zu >d< 43 Alle Zitate aus gotischem Text sind bis auf =th mit lateinischen, nicht mit >gotischen< Schriftzeichen wiedergegeben 44 got. >-ila< ist >-chenkatholischen< Dogma wurde. Die römischen Kaiser favorisierten jedoch im vierten Jahrhundert die arianische Lehre, sie wurde unter Konstantinus II. (337-361) sogar für die Gesamtkirche als verbindlich erklärt. In diesen Jahren wurde auch Wulfilas zum arianischen Bischof geweiht – zum Verkünder der kaiserlich sanktionierten Lehrmeinung innerhalb der frühen Christenheit. Als solcher begann er nun seine Missionsarbeit unter den gotischen Völkern an der unteren Donau und den Ufern des Schwarzen Meeres. Als gläubiger 48
Christ und Verkünder des Neuen Evangeliums will er seinem eigenen Volk das Heil
des einen und
wahren Gottes übermitteln. Um dies jedoch nicht in einer fremden Sprache tun zu müssen beginnt er die heiligen Bücher der Juden und Christen zu übersetzen. Die >SeptuagintaTheos< (=
Θεος ) be-
nannten einzigen und wahren Gott will er in die Muttersprache seiner Goten übertragen. Schon Jahrzehnte bevor Hieronymus
49
seine lateinische Bibelübersetzung, die sogenannte >Vulgata
w< noch ein >hv< waren beispielsweise vorhanden. Für manche Sprachlaute gab es in Latein kein entsprechendes Schriftzeichen (gr. Θ = th) für anderegab es solche nur dort (= >h< oder >uX< und >HchkXi< und >j< oder >g< werden unterschiedlich interpretiert .
48
Schon in dieser frühen Zeit ist >hails< das gotische Wort dafür. Er lebte von 345 - 420 n.Chr. 50 Wulfilas‘ Zeichen für >j< führte dann später im wisi-gotisch gewordenen Spanien offensichtlich zur Verwirrung. Die Ortsansäßigen Lateiner hatten damit Konkurrenz für ihr >i< erhalten. Ihre Badebucht=baia war im Schriftbild anscheinend nicht mehr vom >baja< mit wesentlich anderer Aussprache zu unterscheiden. Ein gelehr12 49
Nun gab es zwar andererseits auch Runen, jene geritzten und geschnittenen Zeichen welche die Etrusker und wohl auch die gallischen Kelten zu Caesars Erstaunen schon benutzt hatten und deren 51
Ursprung in Griechenland (Euböa) liegt . Zur Formulierung und Wiedergabe eines hochdifferenzier52
ten griechischen und religiös-philosophischenTextes waren sie jedoch ungeeignet . Also formte der gotische Missionsbischof sein eigenes und >gotisches< Alphabet. Vielleicht lag ihm ja 53
auch daran seinen eigenen Namen endlich korrekt auf Papyrus getuscht zu sehen . Wir können dabei sichtbar nachvollziehen, und dies ist einmalig in der gesamten Menschheitsgeschichte, wie ein Einzelner eine Schrift, ein neues Schreibsystem entwickelte und es zur Anwendung brachte. Nicht ein Prozeß der als kulturelle Entwicklung über lange Zeitspannen hinweg ein Schriftsystem entstehen ließ sondern die geniale Einzelleistung eines Menschen wird auf Wulfilas‘ Pergamenten mit Tusche sichtbar dokumentiert. Die Frühgeschichte der Kulturen weist allgemein die Erfindung von Schriftzeichen den Göttern selbst zu. Den Ägyptern schenkte ihr Urgott Thot die sacralen Zeichen des Schreibens und Germaniens Götterboss Wotan hing einst neun lange Nächte leidend im Weltenbaum Yggdrasil um seinen Gläubigen die Runen als Schreibhilfe erfinden zu können. Vielleicht entsprach sein Leiden auch dem Frust ständig erleben zu müssen was griechische wie lateinische Schreiber mit ihren Schriftzeichen aus 54
seinem Namen stets machten . Auch Mose hatte einst die Gebote des HERRN in Stein gemeißelt – ob er dazu eigens ein semitisches Alphabet erfinden mußte oder sich dabei der in Ägypten kennengelernten Hieroglyphen bediente ist nicht überliefert. Doch der altägyptische und erste Ein-Gott der Geschichte, Jati (= Aton)
55
wurde
trotzdem zum Jahwe des Volkes Israel und der Bibel. Dieser hebräische Jahwe wurde im Griechischen dann zu Theos während die lateinische Version ihn deus benennt. Zu >Guth< (th=
) wurde er
danach in gotischen Texten. Nun aber formte Wulfilas in ästhetisch höchst ansprechender Weise sein eigenes, ein gotisches Alphabet. Er griff dabei auch auf die griechischen Schriftzeichen zurück doch im Wesentlichen erfand er eigene und neue Buchstaben. Auch einen für Wotan und für sich selbst. Aus dem Alphabet der Griechen nahm er klein-gamma >γ< und definierte es mit seiner Nachbildung >Y< als ein >whv< zu verwechseln war gab er dem in gotischer Sprache benötigten Laut das Zeichen >Ο< (muß noch mit einem Punkt in der Mitte ergänzt werden). Der sprachgeschichtlich wirkungsmächtigste Graph aber ist wohl sein
für den stimmlosen Reibelaut
ter Isidor von Sevilla sah sich deshalb genötigt aus der lateinischen >baia< seine goto-spanische >bahia< zu machen um sie so von einem wisi-gotischen >baja< unterscheidbar zu machen. 51 G. Camp, Kat. Etruscer 1993 52 Es ist im Gegenteil eher zu fragen ob der Gebrauch dieser Runen in Nord-osteuropa nicht einen Versuch darstellt manche der von Wulfilas‘ geschriebenen und runde Zeichen linear in Holz und Stein zu ritzen. Die Blüte und der Massengebrauch von Runen fällt in jene Epoche in der die gotisch-arianische Schriftkultur bereits zerstört war. Die Ähnlichkeit mancher Runen mit Graphemen des Goten im zeitlichen Ablauf betrachtet ergibt daß nicht Wulfilas die Runen übernahm sondern die Runenschneider eher das Goten-alphabet teilweise nachahmten. 53 Da weder das lateinische nach das Griechen-Alphabet ein >W< kennen wurde Wulfilas als Ulphilas, Urhpilas, Hulfilas, Gulfilas oder ähnlich notiert. 54 Wegen des fehlenden >W< reicht auch Wotans Name von Guodan und Godan bis Odin. Daß der im Gotischen verwendete Begriff >guth< bzw. >gudis< für Gott/Gottes sich dabei aus Godan = Wotan herleitet wäre durchaus vorstellbar.
13
>th< der bei den Griechen als
Θ (=theta) notiert ist. Jedem Sprachschüler der sich mit der Ausspra-
che des englischen >th< (lautspr.=θ) abmühen mußte ist der Klang dieses Zeichens vertraut. Dies war nicht immer so. Nachdem Wulfilas‘ gotische Schriften zum Vergessen verurteilt waren bemühten sich angelsächsische Schreiber erneut für diesen un-lateinischen Sprachlaut ein spezielles Zeichen neu zu erfinden. Es war wohl die Gelehrsamkeit iro-schottischer Mönche die auf Grund ihrer Kenntnis des Griechischen und vielleicht auch der Runen zum neuen Zeichen >
< für Wulfilas‘ >
56
< fanden .
Wir können uns wohl nur noch annäherungsweise eine Vorstellung davon machen was für eine Aufgabe dieser Gotenapostel zu bewältigen hatte als er begann die Griechen-Bibel Septuaginta zu einer, seiner gotischen werden zu lassen. Da wir diesen gotischen Missionsbischof durch seine Übersetzungsarbeit jedoch zugleich für den Schöpfer der Definition deutsch halten verdient seine Mühe durchaus unsere Aufmerksamkeit. Die Goten werden als Halbnomaden und Reitervolk beschrieben und deshalb den Skyten und Thrakern beigesellt. Zu Ost-germanen wurden sie erst durch die deutsch-völkische Geschichtschreibung gemacht. Ein kriegerisches Volk das sich auch mit Kriegs- und Beutezügen den eigenen Lebensstandard aufbesserte. Eine territorial-staatliche-Organisation war ihnen völlig fremd. Auch für sie galt statt dessen die personale Bindung an einen Fürsten und/oder dessen Sippe. Eine stets neu zu vereinbarende Gefolgschaft oder auch Unterwerfung bildete deren Reich, ihr regnum. Soweit die Fürstengewalt über Gruppen und/oder Völker sich erstreckte entstand seine Herrschaft, sein regnum und Reich. Starb der regierende Fürst zerfiel meist auch sein Reich. Der Begriff Reich (got.= reiks) trägt dabei eine zweifache Bedeutung. Zum einen beschreibt er die territoriale Ausdehnung einer Herrschaft während er zugleich auch die ideelle Herrschergewalt über Menschen und Dinge benennt. Denn nicht ein Land sondern die Menschen bildeten die Basis für die Herrscher-macht. Als einen „Personenverbandsstaat“
57
bezeichnet die historische Wissenschaft diese Art der Staats- und Herrschaftsgebilde
früher Germanen. Mit dem Imperium und dem institutionalisierten Staat der Römer war dies in keiner Weise vergleichbar. Wie hätte nun ein Missionar seinem Gotenvolk Begriffe wie ein Reich Gottes oder die Herrschaft Gottes mit römisch-lateinisch definierten Staats- und Herrschaftstermini vermitteln sollen? Von einem Imperium Gottes als dem christlichem Gegenpol zu jenem alle bedrohenden der Römer erzählen? Wie einem kriegsfreudigen und durch die Mythen von Heldentaten geprägten Krieger-volk die duldende Hinnahme von Leid und Not als den Willen Gottes (got.=Gudis) entsprechend vermitteln? Der Chronist gotischer Geschichte, Jordanis erzählt uns dazu passend daß Wulfilas das Buch der Könige nur deshalb nicht aus der Bibel übertragen habe um die ohnehin kampffrohen Goten nicht zusätzlich anzureizen! Wie also diese heldenhaften Gotenkrieger zur Gefolgschaft für einen gewaltlosen Fürsten Jesu überreden der zudem noch fordert selbst Feinde als Menschen-Brüder zu achten, ja zu lieben?
55
Jati entspricht nach W. Seipel und E. Hornung dem ursprünglichen Namen des ägyptischen Lichtgottes sehr viel mehr als das bekanntere Aton. Wie ein halbiertes griechisches Φ (= Phi) wirkt deren > < für stimmloses >th< ( ). Auch ihr > < welches sie für ein stimmhaftes >dh< benützten kann seine griechische Herkunft aus >δ< wohl kaum verbergen. Im Gegensatz zu den Briten versuchten die Festlands-schreiber mit den lateinischen Graphemina zurecht zu kommen und machten >th< wie > < zu >dhdt< oder gar >ZGuth< , Deus und Theos in einer Person, er war der HERR (lateinisch Dominus genannt oder >Fraujins< in Wulfilas‘ Sprache). Wie also Gottesbegriffe in die Vorstellungswelt der Goten umsetzen die alle zugleich auch identisch mit der römischen Kaiserschaft waren? Martin Luther konnte zwölf Jahrhunderte später auf völlig andere Grundlagen bei seiner Bibelübertragung zurückgreifen. Er übertrug dieselben griechischen Texte wie Wulfilas für ein staatstheoretisch schon erfahrenes Volk mit bereits hochentwichelter Schrift- und Kultursprache. Selbst die christliche Glaubenserfahrung wollte Luther ja nur reformieren, nicht sie an ein kriegerisches Barbarenvolk erstmals und neu übermitteln. Auf all dies konnte Wulfilas nicht zurückgreifen. Bot der germanische Götterhimmel einen Ausweg für seine Übertragung? War er zu entfremden und gleichzeitig aufzufüllen mit christlichen Inhalten?
58 59
Dominus et Deus, Herr und Gott war ihr Titel =got für Gott 15
Die Götterwelt der Griechen war diesen Weg gegangen. Hesiod, ein antiker Dichter der Griechen zog etwa 500 Jahre vor der Geburt des Jesus aus Nazareth ein Fazit seiner Götterwelt. Damals präsidierte noch Zeus/Dio als Vorstandsvorsitzender des göttlichen Aufsichtsrates im Olymp. In seiner Theogonie versammelte Hesiod an die 300 griechische Götter die den Ablauf der Menschheitsgeschichte ihren eigenen Vorlieben entsprechend beeinflussten. Im Verlauf der sprach- und kulturhistorischen Entwicklung wird aus Theo-gonie der eine und wahre Gott Theos (=gr.
Θεος ) aller Juden und Chris-
ten. Doch soviel Zeit hatte Wulfilas nicht zur Verfügung. Als Präsident aller germanischen Götter „der immer bei allen Germanenstämmen“ gekannt und ver60
ehrt wurde
gilt der Historikerzunft >ZiuGuth
heidnischen< Ziu geworden. Noch verwerflicher als ein Heidentum war den katholischen Christen stets die Ketzerei – ein heidnischer Ziu war wohl deshalb weit weniger brisant als ein gotisch-arianischer iu! Bei einem der mittelaterlichen Autoren, bei Gregor von Tours lassen sich Hinweise für eine solche Vermutung finden. Doch davon an anderer Stelle. Falls die deutsch-preußisch-völkische Historik tatsächlich auf den Leim der entstellenden Praxis mittelalterlichkatholischer Chronisten hereingefallen sein sollte darf Schadenfreude erlaubt sein. 63 F. Dahn 64 Die Linguistik benent *guh als das indoeuropäisch >Angerufene< Göttliche und Etymon für >Gott< 16 61
sche Sprache in breiter Front in germanische Dialekte übersetzt. Auch der Gottesbegriff wurde dabei muttersprachlich neu definiert. Im Wessobrunner Gebet jener Zeit ist er bereits stilsicher als >Cot< geschrieben. In Fulda war man offensichtlich noch nicht ganz soweit. Das dort gefundene Hildebrantslied vertraut dem neuen Gottes-Namen noch nicht so ganz. In diesem Heldenepos sind der lateinische Deus wie auch der griechische Theos auf Pergament noch vergesellschaftet mit dem sächsischen Heiden-Gott Irmin. Dieser Irmin aber ist wiederum identisch mit jenem Hermin den Tacitus als einen 65
der drei Götter-söhne des Tuisto benannte . Karl der Große selbst hatte während seiner Eroberungskriege gegen die Sachsen deren Heiligtum, die Irmin-sul zerstört (772). Ein christlicher Schreiber versuchte nun seinen Gott durch eine direkte Begriffsverknüpfung mit diesem Heidengott zu überrmitteln. Als >Irmin-deot< sollte diese Wortbildung offensichtlich den Übergang vom gewohnten Heidnischen 66
zum Neuen der Christen erleichtern helfen . In einem nächsten Schritt wird dann >Irmin-got< notiert 67
um dann im dritten Versuch nurmehr von >got< allein zu schreiben . Die pädagogischen Schritte zur Bekehrung liegen dabei offen zutage. Irmin + deot also ist got (=Gott). Nur mit dieser tautologischen Wortschöpfung glaubte der fromme Mönch ganz offensichtlich seinen christlichen Gott den Heiden rüber bringen zu können. Der von ihnen gekannte Gott ìst Irmin, er wird gleichgesetzt mit christlichem deot, deot aber ist germanisch got (=Gott). Doch nun zurück zu Wölfchen und seinen Problemen. Oder hatte er solche gar nicht? War sein Wort 68
für Gott =>guth< als das substantituierte >Angerufene< 69
daß für sie >thiudan-gardi gudis
König-reich Gottes< in christlicher Bedeutung indentifi-
zierbar war? Beschreibt Wulfilas‘ thiuth (= lateinisches Tui- ? (
seinen Goten sprachlich bereits so vertraut
iu
70
) dassselbe wie Tacitus‘ Tuisto ? Gotisches
iudan-gardi dann als ein Gottes- statt dem König-reich und
iu- für
iudin-assus als ein
Gottes-tum?) Hat der Gotenmissionar diese Begiffe selbst geprägt oder konnte er sie aus dem Gesprochenen als bereits bekannt übernehmen? Um es zu erfahren wäre Wulfilas selbst zu befragen. Wie dem auch sei, guth / gudis setzte sich als der christliche Gott in gotischer Sprache und und als germanische Entsprechung für griechisches Theos und lateinischen deus durch. Trotzdem aber blieb in gotischen Texten >Atta< (=Vater) die bevorzugte und weit häufigere Benennung für den jüdischchristlichen Vater-Gott über den Himmeln. Wulfilas‘ gotische Begriffsbildungen und deren Sinngehalt waren entstanden im östlichen Kulturumfeld der Griechen und deren Sprache. Sie waren geprägt worden noch bevor Kaiser Theodos zum Inbegriff der Goten für kaiserlich-irdische Herrschaft und >
iudans< geworden war. Dies sollte be-
dacht sein. Vor allem auch bei jenen Begriffen zu >thiuth
iud-
loben< und preisen Wulfilas stets ein >thiuth< (
iu
) notierte. Beide aber schöpfen aus der gleichen Quelle. “Hosian-
na, gelobet sei ...“ übersetzt Luther (Mark.XI, 9+10) wo Wufilas‘ Text 65
Germania Als Fußnote sei gefragt weshalb der Schreiber in Fulda pseudogriechisches und lautverschobenes deot (=theos) statt des lateinischen Deus schrieb. 67 n. E. Nack 68 So deutet die Etymologie das Gemeinte von guth=Gott, erschlossen aus *ghu. 69 Als Inlaut wird >th< = meist zu >dth< den Lateinern nicht vertraut war. 66
17
71
„Osanna thiuthida sa ...“ lautet . „Gelobet sei das Reich unseres Vaters Dauid“ schreibt Luther, „Thiuthido so qiandei Thiudangardi in Namin Attins unsaris Daweidis“ steht dafür im Gotischen. Auch bei Lukas (I:,64+65) findet sich >lobete< und >gelobt sei< als identisch mit „thiuthjands“ und „thiutheigs“. An anderer Stelle ist >das Gute< mit „thiuth“ definiert während das Böse als „unthiuth“ (Ungutes) benannt wird (Mark.III.,4). Bei Markus (X.,17+18) wird Jesus richtig zornig als ihn ein Frommer mit >Guter Meister< in gotisch >Laisari thiutheiga< anspricht. Was heißt du mich >gut< = „thiutheigana“ – niemand ist >gut< = „thiutheigs“ außer Gott gibt er unwirsch zurück. Gut oder gelobt sei sind demnach bei Luther jene Bibelworte die Wulfilas mit „thiuth“ (=
iu
) übersetzte. Moses >gelobtes
guth< als das >Angerufene< wie auch >thiuth< als ein Gutes und >Gepriesenes< göttliche Eigenschaften verkörpern. Für Wulfilas mag diese ursprüngliche Beteutung noch erkennbar gewesen sein als er sein
iudin-assusund
iudan-gardi formulierte um damit die
ersehnte Herrschaft des biblischen Vater-Gottes zu benennen. In diesem >gelobten< Reich (=
iu-
dan-gardi) des unsterblichen Vaters = Atta über den Himmeln wird (endlich!) das Gute, die Güte (= iu
) und die Gut-heit (=
iudin-assus) Gottes (=gudis) herrschen.
Dieser wortimanente Sinn von Wulfilas‘ Begriffsprägungen mit 72
einen irdischer >reiks
gütigen< Vaters bezogen. Wulfilas‘ Wortschöpfungen implizieren dieses Göttliche. Sein
iudin-assus benennt nicht ein beliebiges König-tum und dessen Macht-
bereich sondern definiert die >gelobte< Herr-schaft des einen und wahren Gottes aller Juden und Christen. Auch wenn
iudin-assus als ein König-tum zu übersetzen ist so meint es doch auch das
Gottes-tum des ewigen und kosmischen Vaters Atta. In Wulfilas-gotisch repräsentiert
iu
= thiuth
im Ursprung ein zu preisendes Gutes und nicht bloß ein irdisch Königliches. Dabei ist für unser Thema ist nicht so sehr von Bedeutung in welchen mythischen Tiefen die von Wulfilas erstmals geschriebenen Worte gründen sondern vielmehr daß und wie sie zum adjektivischen >deutsch< werden konnten. Was über das erhoffteund göttliche Herrscher-tum gesagt wurde gilt gleichermaßen für das ersehnte >Reich< Gottes. Hätte der Gotenbischof nur einen irdisch-territorial definierten Macht-bereich oder Imperium sinngemäß übertragen wollen so hätte er wie alle die ihm Jahrhunderte später nachfolgenden germanischen Schreiber wohl ebenfalls ein gotisches >reiks< geschrieben. Doch an die Stelle dieses Wortes welches in den unterschiedlichsten germanischen Dialekten als ein Identisches zufin73
den ist
setzte Wulfilas jedoch sein >gardsrikos< und >richReich< im Sinn von regnum und/oder gar Imperi-
um. Dafür kennt das Gotische ein >reiksgards< . Der gotische Hausherr ist als ein >gardawaldands< benannt, sein Wein-garten ist der >weina-gards
iudan-gardi
Attinsgards< gilt als urverwandt mit dem >chortos< und Garten der Griechen. Ein gotisches
iudan-gardi als ein Gottes-
garten und Verweis auf den göttlichen Garten Eden aus der eben übersetzten Bibel! Die Herrschaft des göttlichen Vaters Atta als ein Paradies auf Erden mit gleichzeitig emotionalem Appell an das vergangene und goldene Zeitalter vor dem Sündenfall. Darauf zielte wohl die Worterfindung des gotischen Wölfchen. Als gleichermaßen poetisch wie kongenial würde eine solche Übersetzung heute gefeiert werden. Um wieviel nüchterner liest sich dagegen der von Augustinus für Dasselbe gebrauchte Begriff des civitas Deii – Gottes-staat. Der katholische Kirchenlehrer und noch Zeitgenosse des Wulfilas hatte in lateinischer Sprache und wurzelnd im römischen Begriffs- und Bildungskanon mit seiner Definition formuliert was der gotisch-arianische Bischof mit eigenen Schriftzeichen als
iudan-gardi benannte.
Dessen Vorstellungswelt und die seiner Goten war eine deutlich andere als die der Römer. Doch es ist der gleiche jüdisch-christliche Gott – im Griechischen Theos, lateinisch als deus benannt, dessen Reich und Herrschaft auf Erden im biblischen Gebet als ein gotisches 76
assus ersehnt werden. Nicht ein heidnisches As-gard
iudan-gardi und
iudin-
oder ein unverbindliches König-reich sondern
das christliche Gottes-reich definiert Wulfilas‘ Worterfindung. Es ist deshalb zu fragen ob das frühgotisches Thiud- =
dieses genialen Übersetzers und Worterfinders mit Königs- wirklich sinnent-
sprechend übertragen wird. Zu dem Wenigen was uns an Schriften von Wulfilas erhalten und überliefert ist zählt das sogenannte >Vater unser< aus dem Mattheus-Evangelium das als Codex argenteus in Upsala gut verwahrt wird. Schon allein das Zitieren dieses biblischen Gebets wirft ein trübes Licht auf die übersetzende Sprachhistorik. Was in Latein mit >Pater noster< formuliert ist wird bei Wulfilas zu >Atta unsar< (Martin Luther notiert zwölfhundert Jahre später >Unser VaterVater< über den Himmeln als >Atta< benannt. In allen erhaltenen 77
gotischen Bibeltexten wird Fadar jedoch nur ein einziges Mal und dabei als Vokativ erwähnt
ansons-
ten wird immer (!) von Atta geschrieben. Trotzdem aber vermittelt die Linguistik >fadar< als das goti78
79
sche Wort für >Vater< ! Doch für Wulfilas war dies eindeutig >Atta< gewesen . Auch mit diesem 74
Analog dem lat. Civis, dem Hauswesen Die Edda wiederum trennt die Welt in drei Zonen. Ut-gard ist das Außen, bewohnt von Riesen und allem sonstigen Schlimmen. Es umschließt Mit-gard die Heimat der Menschen75. Aus ihr heraus erhebt sich As-gard die Stadt75 der Götter welche Asen genannt werden. Christlich-gotisches iu des Wulfilas aber hatte die heidnischen Asen aus ihrem gard verdrängt 76 Die Edda wiederum trennt die Welt in drei Zonen. Ut-gard ist das Außen, bewohnt von Riesen und allem sonstigen Schlimmen. Es umschließt Mit-gard die Heimat der Menschen76. Aus ihr heraus erhebt sich As-gard die Stadt76 der Götter welche Asen genannt werden. Christlich-gotisches iu des Wulfilas aber hatte die heidnischen Asen aus ihrem gard verdrängt. 77 F.v.d. Leyen 78 Beliebiges etymol. Wörterbuch 75
19
Wort erweist sich der Übersetzer als höchst inspiriert. Athanasie benennt im Griechischen die Unsterblichkeit.
Den
ebenso
un-geborenen
wie
auch
un-sterblichen
Gott-Vater
in
einer
offensichtlichen Lehnübersetzung zum gotischen >Atta< werden zu lassen zeugt von Intuition. Atta (=Atha) erhält so die Doppelbedeutung von Vater und >der Ewigethiuda< (=
iuda ) sei in gotischer Sprache das Stammwort für
>VolkVolks-Staat< zu übersetzen. Bei aller frühchristlichen Kommunität – doch der Gotenmissionar hatte sicherlich anderes im Sinn als er sein Wort prägte. Wie schon am Beispiel Fadar-Atta aufgezeigt so gibt es auch für
iuda (=das Volk) als gedachte
Gesamtheit von Menschen in Wulfilas‘ Texten keinerlei Hinweis. Fast überall dort wo Luther den griechischen Urtext mit >das Volk< übertrug findet sich in gotischer Schreibung dafür >mana-gei< oder >mana-seths< welches eine Gesamtheit von Menschen repräsentiert. Diese Menge der >mannans
iuda< (=das Lobenswerte?) definiert in der gotischen Bibel >das VolkKnecht< noch keinesfalls unter seinem althochdeutschen Namen >thiud/diot< anzutreffen. Er wird >skalks< oder >anbahta< genannt. Dort wo er als ein >magus< auftaucht ist er stets sehr familiär ein81
gebunden und wird wohl auch deshalb einmal als ein Thiu-magus (=guter-magus) genannt. Die Zeit als solche hat dann das Meiste von Wulfilas Schriften zerstört. Hinzu kommt daß die Verfolgung der arianischen Christen durch die katholische Mehrheitsfraktion ebenso grausam wie systematisch betrieben worden ist. Es galt auch die geistige Hinterlassenschaft dieser Ketzer auszulöschen. Nicht nur ihre Schriften auch das Alphabet in welchem ihre Häresie fest gehalten war wurde ausgetilgt. Selbst die Sprache der Goten wurde im Westreich der Römer in lateinischen Schriftzeichen fixiert. Zum Wenigen das in Wulfilas-gotisch erhalten blieb zählt eben sein Vater unser, das Atta unsar 82
in Upsala. Gefunden wurde es einst im Kloster Werden in Westfalen . Wie es dorthin geriet ist völlig ungeklärt. Auch die Entstehungszeit dieses silbernen Codex‘ wird erst für etwa zwei Jahrhunderte nach Wulfilas datiert. Während der Regierungszeit des Großen Goten Theoderich könnte er auf purpur gefärbtes Pergament getuscht worden sein. Die mit und durch Wulfilas‘ Bibelübersetzung geschaffene Schrift-sprache der Goten aber begründete einen sprachkulturellen Vorsprung dieses Volkes gegenüber allen anderen germanischen Völkern. Was bis dahin gleichwertige Sprachvarianten gewesen waren wurde nun zum Idiom, zum Dialekt. Germanische Schrift- wie auch Hoch-sprache war allein das Gotische. Dies galt nicht nur für den 79
Der Begriff selbst repräsentiert antikes griechisches Namensgut. Athanasie ist die griechisch formulierte Unsterblichkeit, wohl davon abgeleitet regierten im antiken Pergamon die Atha-Attaliden. Attalos der Dritte hinterließ nach seinem Tod 133 n.Chr. ihr Königreich den Römern die daraus ihre Provinz Asia werden liesen (129 n.Chr.). 80 Ihre gotischen Namen werden von lateinischen Schreiber meist als Atha- od. Ata- wiedergegeben. 81 Mag-schaft ist die althoch-deutsche Blutsverwandtschaft – die Nach-kommen und Vor-fahren. 82 J.v. Aschenbach 20
Sprachraum der gotischen Sprachfamilie und ihren Völkern selbst. Auch den anderen germanischen Stämmen Mitteleuropas gegenüber fiel den Goten eine sprachkulturelle Dominanz zu. Sie waren unter allen Germanen die Einzigen die nun ihre Sprache auch in schriftlicher Form differenziert abzubilden und zu dokumentieren in der Lage waren. Nur sie vermochten ihre Sagen und Lieder, ihre Mythen und Gesetze, die Sitten und Gebräuche in eigener Sprache auf Pergament und Papyrus zu tuschen. Nur sie konnten eigene Worte in eigener Schrift in Steine und Gemmen schneiden. Als Einziges unter allen germanischen Völkern waren sie es die den Sprachkulturen der Griechen und Lateiner Gleichwertiges und Ebenbürtiges in Wort und Schrift entgegenzustellen hatten. Sie allein konnten die alles umwälzenden Ereignisse der Völkerwanderungszeit in ihrer eigenen Schrift und Sprache aufzeich83
nen . Dies galt auch und vor allem für die Vermittlung der neuen und umwälzenden Religion der Christen. Während weltreichsweit die katholischen Christen bei ihren Gottesdiensten die Lesungen aus der Bibel noch in griechischer Sprache vortrugen konnten die gotischen Priester und Lektoren in ihrer eigenen Sprache und der ihrer Zuhörer aus der Heiligen Schrift vorlesen. Eine gotische Volkskirche konnte so entstehen und sie entstand ! Nur die antiken Griechen selbst hatten sonst noch das Privileg der Eigensprachlichkeit beim Hören des Evangeliums. Ein Weiteres kam hinzu. Mit der Übertragung der Bibel aus dem Griechischen in seine Muttersprache mußte Wulfilas der höchst entwickelten Sprachstruktur seines Vorbildes gerecht werden. Sein neues Schrift- und Hoch-gotisch mußte ebenso differenzierungsfähig und ausdrucksstark sein wie es die Sprache der Griechen war. Nur so konnte er eine adäquate Wiedergabe ewig gültiger wie auch heiliger Texte formulieren. Seine Goten-Bibel mußte den Sprachbau und die Strukturen der griechischen Septuaginta wortgetreu und sinnentsprechend widerzuspiegeln in der Lage sein. Dies verlangte die göttliche Wahrheit des Textes nicht der literarische Ehrgeiz des Übersetzers. Somit darf vorausgesetzt sein daß jene von Wulfilas geprägte Schrift-sprache der Goten sich vom Gesprochenen zumindest ebenso deutlich unterschied wie dies später auch bei Luthers Bibelübertragung der Fall sein wird. Beide Übersetzer aber hatten dasselbe Vorbild zum Maßstab. Das Griechische war ihnen das herausfordernde Beispiel für ihre jeweils neu zu schaffende Kultur- und Hochsprache. So wurde das Schriftgotische des Wulfilas zur dominierenden und prägenden Kultursprache nicht nur der Goten. Durch sie und mit ihr wurde die revolutionierende neue Religion und der christliche Gott wie auch seine
iudin-
assuss unter die Völker nicht nur Südosteuropas getragen. Das geschriebene Gotisch wurde zum Träger der neuen Religion und ihres christlich-universalen Wahrheitsanspruches in der germanischen Welt. Sprache und Inhalte waren dabei sich wechselseitig bedingend, waren reziprok. Auch hierbei ist ein Vergleich mit Martin Luther erlaubt. Dessen neues und lautverschobenes Neu-hoch-deutsch war für Friesen und Sachsen wohl auch nicht einfach zu verstehen oder gar zu sprechen. Trotzdem aber verbreitete sich seine reformierte Theologie nur mit und durch dieses Luther-deutsch auch und gerade nördlich der >Benrather< Sprachgrenze im sogenannten Nieder-deutschen Sprachraum. Neue Hochsprache und neuer Inhalt waren dabei sich ebenfalls gegenseitig bedingend.
83
Wobei es erstaunt wieviele Begriffe dieses frühen Gotisch heute noch verständlich sind vor allem für alamannisch Sprechende: aflets=Ablaß, aigin=Eigenes, ains=eins, akrs=Acker, alds=Alter, arbaidjan=arbeiten, arbi=Erbe, asts=Ast, augo=Auge, bauan=bauen, baurgs=Stadt/Burg, bloma=Blume, boka=Buch, dags=Tag, daur=Türe/Tor, dulths=Fest, eisarn=eisern, fimf=fünf, fisks=Fisch, freihals=Freiheit, fula=Füllen, gabaurths=Geburt, galga=Galgen, gasts=Gast, gawi=Gau, graba=Graben, gras=Gras, groba=Grube, usw. 21
Daß diese sprach-kulturelle Überlegenheit dann auf die antiken Träger dieser Sprache und deren eigenes Selbstbewußtsein auch zurück wirkte ist nahezu selbstverständlich. Wenn ihr Chronist Jordanis schrieb daß “die Goten stets gebildeter als fast alle anderen Barbaren und ... nahezu den Griechen 84
gleich“ gewesen seien
so ist dies sicherlich mehr als nur Eigenlob. Für ein halbes Jahrtausend war
und blieb Hoch-gotisch die einzige Schrift und Kultursprache aller Germanen. Dies blieb nicht ohne Auswirkungen. Falls die sprachliche Verwandschaft und damit die Nähe der frühen >gemeingermanischen< Dialekte tatsächlig so eng waren wie dies von der Linguistik vermutet wird dann war >Hoch-gotisch< auch für Träger anderer germanischer Idiome als Hoch-sprache verständlich und nutzbar. Da auch die Goten einst aus Skandinavien kamen mag ihre Sprache in der von Wulfilas geprägten Form selbst anderen und nördlichen Germanen vielleicht so fremd gar nicht erschienen sein. Möglicherweise kaum fremder als den Friesen und Sachsen später das Luther-deutsch. Uns aber bleibt gedanklich wohl kaum mehr nachvollziehbar was dieser Mensch zu leisten sich vorgenommen hatte als er begann die jüdisch-christliche Glaubenswelt welche zudem in der höchstentwickelten Kultursprache jener Epoche ausformuliert war in die Sprache und Religionstradition seiner gotischen Barbaren zu übertragen und dabei gleichzeitig dazu sein eigenes und neues Gotenalphabet zu creieren. Ihn nach geglücktem Experiment als einen zweiten Moses zu rühmen erfolgte nicht ohne tiefere Ursache.
84
Jord.V 22
Atta unsar Vater unser 85 Atta unsar thu is in himinam theins
weihnai namo thein
UNSER VATER IN DEM HIMEL .
DEIN NAME WERDE GEHEILIGET.
wairthai wilja theins
swe in himina
DEIN WILLE GESCHEHE / AUFF ERDEN
qimai thiudinassus DEIN REICH KOME
jah ana airthai /
WIE IM HIMEL .
Hlaif unsarana thana sinteinan gif uns himma daga jaima
Jah aflet uns thatei skulans si-
UNSER TEGLICH BROT GIB UNS HEUTE. SCHULDE /
UND VERGIB UNS UNSERE
Swa swe jah weis afletam thaim skulam unsaraim. WIE WIR UNSERN SCHÜLDIGERN VERGEBEN:
Jah ni briggais uns in fraistubnjai
ak lausei uns af thamma ubilin.
UND FÜRE UNS NICHT IN VERSUCHUNG.
Unte theina ist thiudangardi amen DENN DEIN IST DAS REICH AMEN
/
SONDERN ERLÖSE UNS VON DEM UBEL:
jah mahts UND DIE KRAFT
Unte jabai afletith mannam missadedins ize
jah wulthus /
in aiwins
UND DIE HERRLICHKEIT IN EWIGKEIT
afletith jah izwis atta izwar sa ufar himinam
Denn so jr den Menschen jre feile vergebet / So wird euch ewer himlischer Vater auch vergeben. Ith jabei ni afletith mannam missadedins ize izwaros.
ni thau atta izwar afletith missadedins
Wo jr aber den Menschen jre feile nicht vergebet / So wird euch ewer Vater ewre feile auch nicht vergeben. Ath than bithe fastait ni wairthaith swa swe Wenn jr fastet
85
/
thai liutans gaurai
solt jr nicht sawr sehen / wie die Heuchler.
Text d. >Atta unsar< zit. n. R.E. Keller und E.Nack. >Vater unser< aus der Luther-bibel von 1545, Reprint 23
5. Attanarich- Ein alt-testamentarischer Richter wird Deutscher Betroffen vom hunnischen Wirbelwind und der dadurch in Gang gesetzten Völkerwanderung wurden auch jene Goten die sich westlich der Karpaten dem Herrschafts- und Vormachtsanspruch der OstoGoten offensichtlich hatten entziehen können. Im westlichen Rumänien und der Großen Ungarischen 86
Tiefebene östlich der Donau und entlang der Theiß hatten sich als >Thervingen
Richter< wird dieser Goten-Fürst 91
benannt ! Nicht als ein rex, regulus, phylarch oder mit einer der sonst üblichen Definitionen Roms für barbarische Stammes-Fürsten wird Attanarich attributiert sondern als Richter ! Allein im Buch der Bücher werden die Führer des Volkes Israel nach ihrem Einzug in das gelobte (got.= thiutheiga) Land als Richter, nicht als Könige bezeichnet. War Richter Attanarich ebenfalls ein Führer seines Goten-Volkes der sich biblische Tradition und Herrschaftstermini schon ganz bewußt zu eigen gemacht hatte ? Weder einem Kaiser untertan noch selbst ein König zu sein weil dieser Titel nur dem biblischen Gott als
iudans allein zukam? Ein Richter nur und damit Diener jenes unsterblichen
wie göttlichen Atta =Vater über den Himmeln dem allein das König-tum (=
iudin-assus) zustand?
War dies bereits die sichtbare Auswirkung der missionarischen Bemühungen jenes Goten-Apostels Wulfilas von jenseits der Donau? Dann aber erwiese sich dieser Richter alttestamentarischer Prägung nicht als jener Christen-verfolger den eine katholische Überlieferung später aus ihm werden lies. Nicht >die Christen< allgemein sondern allenfalls deren katholische Fraktion wäre dann vermutlich das Opfer des christlich-fundamentalistischen Arianers Attanarich gewesen. Auch sein Name, nicht nur sein wohl selbstgewählter Titel verweist auf solch einen Zusammenhang. Atta ist Wulfilas‘ Benennung für 92
den biblischen Gott als Vater, -rich wiederum gilt der Semantik verkürzt als >mächtig< . Atta-na-rich 89
Als ein >Herrscher des himmlischen Vaters< ist sein Name wohl zu deuten. Atta=der Vater, reiks= der Mächtige/der Herrscher 90 F.Dahn 91 F.Dahn 92
Als Endsilbe früher germanischer Name ist sehr häufig >-rich< zu lesen. Auffällig dabei ist daß dieses Suffix fast ausschließlich den Namen herrschender Personen ziert. Bei Gregor von Tours der um 590 n.Chr. eine fränkische Geschichte schrieb bleibt -rich bis auf seltene Ausnahmen nur dem Königshaus der Merovinger vorbehalten. In seiner Bedeutung wird -rich mit >mächtigrex< ist der lateinische >König< während >rix< als Endsilbe gallo-keltischer Namen ebenfalls den königlichen Rang seines Trägers zum Ausdruck bringt (Duval, P.M. Gallien). Cäsars Gallischer Krieg zeigt ausreichend Beispiele zum Beleg dieser These = Vercingeto-rix, Dumno-rix und ähnliche. In gotischen Texten wiederum findet sich >reiks< als ein Synonym für Herrschende welches griechisch als >rikos< wiedergegeben wird.. Allein aufgrund der Art 25
demnach im Geburts-namen als ein rex /reiks des biblischen Vater-Gottes ausgewiesen, sich selbst jedoch nur als ein Richter benennend? Die Bibel selbst würde für diese Haltung das Vorbild zeigen. Nach ihrem Auszug aus Ägypten wurde das Gottesvolk der Hebräer im gelobten (=thiutheiga) Land Canaan zunächst von den Richtern über das göttliche Gebot regiert. Doch bald wollten auch die Juden „...einen König wie ihn die Heiden haben“. Der biblische Richter und Prophet Samuel geriet darüber so in Zorn und Verzweiflung daß Gott selber ihn mit den Worten:“denn sie haben nicht dich sondern mich verworfen daß ich nicht sol König 93
über sie sein...“ trösten mußte . Danach aber befahl Gott-Vater seinem Propheten aufzuzeigen was es bedeuten würde als Untertanen eines irdischen Königs auch dessen Knechte (got.=Skalks) sein zu müssen. Ist es denkbar daß Attanarich vom Bekehrungswerk des Wulfilas bereits so beeindruckt war daß er als ein nun christlicher Fürst seine Goten nurmehr als ein Richter führen wollte? Attanarich als ein Stammes-Fürst dem nur der ewige Gott-Vater =Atta als der alleinige König und
iudans galt.
Dieser Richter somit als der Repäsentant einer frühen gotischen Theokratie und seine Goten ebenfalls nur diesem kosmischen
iudans wirklich untertan und somit ein
94
iuda-volk ? Weder die Vorherr-
schaft des Ostro-gotischenen Königs Ermanerich noch ein Untertanen-verhältnis zum römischen Kaiser käme dann noch in Frage (hatte nicht auch Jesus einst die Frage für Gott oder für den Kaiser zu beantworten?). Die fundamentalistische Konsequenz eines Neu-Bekehrten ließe ein derartiges Verhalten als durchaus glaubhaft erscheinen. Dazu würde auch jene Überlieferung passen nach welcher dieser Richter dann später am Kaiserhof des Großen Theodosius ausrief: „Gewiß ist dieser Kaiser 95
Gott auf Erden“ . Wenn er diesen Gott-Kaiser Theo-dos als wirklichen Gott akzeptierte konnte er ihm huldigen ohne dabei die Bibel zu verraten oder seinen Schwur zu brechen, dann hatte er ja Theos‘ Reich, von Wulfilas als
iudan-gardi definiert, betreten ! Gott Theos und Gott-Kaiser Theo-dos waren
in Person und Name zu Einem geworden, das lateinische Dominus et Deus im griechischen Theodosius personifiziert. Auch eine persönliche Verbindung zwischen Wulfilas und Attanarich wäre sehr gut denkbar. Jener Job als Übersetzer der Wulfilas wohl im Auftrag von Attanarichs Vater Rothestes an den christlichen Kaiserhof nach Byzanz führte könnte sehr wohl auch eine Begegnung mit dem gotischen Erb-Prinzen herbeigeführt haben. Mehr noch. Auch die Missionstätigkeit Wulfilas‘ bei den Thevingen-Goten mag in diese Zeit fallen. Daß dabei gerade das Vorbild des Kaisers Konstantin dessen treue Foederaten sie wurden bei ihnen eine entsprechende Wirkung zeigte ist geradezu als zwangsläufig vorauszusetzen. So wie auch dieser Kaiser gleichfalls Christ zu sein war nicht nur eine Frage des Glaubens sondern vielmehr eine des Status’und der Kultur. Das Christentum war ja auch die Verkörperung der Moderne jener Epoche. Ihr anzugehören aber war stetes Streben gerade der als Barbaren diffamierten Völker seiner Verwendung kann für >-rich< seine Bedeutung von König oder Herrscher angenommen werden. Ein gotisches >reiks< war lautsprachlich von einem lat. >rex< ohnehin wohl kaum zu unterscheiden falls es nicht sogar dessen lautmalerische Lehnübersetzung verkörperte. Je nach Erstsilbe des Namens läßt sich unter dieser Annahme eine sehr inhaltsstarke und charismatische Bedeutung alter Königs-namen erkennen. Ein Chil-de-rich zeigt sich so in seiner Erstsilbe als der Führer und Oberst einer römischen Militäreinheit (=Chiliarch) und zugleich als ein König seiner Volksgruppe, Chiliarchus-rex = Chil-de-rich. Im Zusammenhang unseres Themas wäre Atta-na-rich/rex als ein christlich-arianischer >König des himmlischen Vaters< zu übersetzen, während Hermane-rich seinen heidnischen Gegenpol repräsentierte (Hermin/Irmin ist nach Tacitus einer von drei germanischen Stammgöttern und –vätern). 93 Sam.VIII, Luther-text 94 Gr. als They-oi =Θευ-οι (= Thai-fali?) 26
und Nachbarn Roms. Ohne die Anerkennung dieser christlichen Zugehörigkeit wäre dem ThevingenGoten-König Rothestes wohl auch kaum seine Bildnis-Statue an der kaiserlichen Kurie in Byzanz er96
richtet worden . Wie sehr die Bindung an das christliche Haus
97
Konstantin bei diesen westlichen
Goten verankert war zeigte sich dann als es um dessen Nachfolge im Reich der Römer ging. Gegen Valentinian und dessen Bruder Valens unterstützten Rothestes und sein Sohn Attanarich den Gegen98
Kaiser Procopius nur deshalb weil er sich als ein Konstantinischer Verwandter ausgewiesen hatte . Nun wirft aber dieses gotische Teilvolk der Thevingen-Goten weitere Fragen auf. Ihr Name scheint 99
äußerst ungenau und auch unsicher überliefert zu sein . Waren sie wirklich schon ein nur den biblischen
iuda-volk das
iudans als einzigen König über sich hatte. Ein Gottes-Volk also wie auch Attana-
rich nur ein alt-testamentarischer Richter dieses unsterblichen Atta war? Wenn ja dann hätte ein griechischer Schreiber statt Thiu- wohl They- notiert. Ob ein Lateiner dann daraus Thiu-ingos - Theo-ingos - Theu-ingos, Thai-fali oder Therv-ingos (u=v) gemacht hätte kann nur vermu100
tet bleiben
. Es gibt jedoch weiter auseinanderklaffende Wiedergaben zwischen gesprochenem
Klang in einer Sprache und dem in einer Anderen aufgeschriebenem Wort als dies hierbei auftritt. Auch für jene Thor-ingos die Sidonius Apollinaris um 480 n.Chr. in die Geschichtsschreibung einbrachte
101
und die danach zu Thür-inger wurden käme eine diesbezügliche Zuordnug in Frage. Schon
J.v. Aschenbach verweist darauf daß diese ebenfalls mit den Theru-ingos identisch sein könnten. Diese Thervingen/Theruingen als Theu-inger und
iud-inger in der Bedeutung einer durch Wulfilas‘
Bibeltexte geprägten Volksgruppe wäre so absurd nicht. Ihr König war allein jener kosmischgöttliche
102
iudans über den Himmeln und sie waren seine >-ingas
wv< und >u< tritt auch hierbei zutage. Möglich erscheint so daß jene ominösen >Thai-falen< aus griech. They-fali mangelhaft übersetzt und durchaus mit Thiu-fali identisch waren. 101 n. F. Dahn 102 Dieses >patronymische< Suffix benennt eine Zugehörigkeit wie z.B. Leute des ... u.ä. 103 Er benannte 551 n.Chr. Odoacar als einen König der Torkilingen und Rugier welch an der norischen Donau siedelten. 96
27
Attanarich suchten ihr Heil in einem Umzug zu den Römern. Sein Volk und die Clan-Chefs hatten beschlossen den Kaiser um Asyl und Einreisegenehmigung zu bitten. Dafür waren sie bereit auf ihre angestammten Sitten und Bräuche zu verzichten und sich den römischen Gepflogenheiten unterzuordnen. Zunächst aber verweigerte Valens einen gotischen Zuzug. Er hatte wohl noch nicht vergessen wer ein Jahrzehnt zuvor seinen Gegen-Kaiser Procopius mit einer Schar
104
Krieger unterstützt hatte.
Doch Staatsräson ging letztlich vor Gefühlen. Die schwarzen Hunnen wurden auch zur Gefahr für das Imperium der Römer. So erlaubte der östliche Caesar den westlichen Goten doch noch den Grenzübertritt (376). In der Provinz Moesia die ihrem alten Siedlungsgebiet an der Donau fast gegenüber lag wurden sie neu angesiedelt. „sozusagen eine Mauer seines Reiches gegen die übrigen Völker“ 105
sollten sie dort für Kaiser Valens bilden seinem Eid-schwur treu. Kein anderer
. Richter Attanarich aber blieb seinen Überzeugungen und
iudans als der unsterbliche und ewige Atta über den Himmeln
sollte sein König werden. Mit einer ihm treu ergebenen Gefolgschaft zog er sich in das Hochland(=hauha-land) der Karpaten und Siebenbürgens zurück. Dux also Herzog und damit oberster Militärbefehlshaber in der Grenzprovinz Moesia in welcher sich nun östliche Ostro-goten und westliche The-/
iu-vinger unter die Klein-Goten des Wulfilas mischten
war in jenen Jahren der Jüngere Theodosius. Der Jüngere deshalb um ihn so von seinem gleichnamigen Vater zu unterscheiden. Dieser Ältere Theo war für den westlichen Augustus Valentinian als römischer Heerführer auf der Britischen Insel tätig. Er wurde dort zum Begründer von Wales und Cornwales, dem Horn dieser Provinz (lat. cornu = Horn und/oder Landzunge). Als kaiserlicher Feldherr hatte er einen Aufstand der Bemalten Picten und Scotten so erfolgreich niedergekämpft daß er seinem Gott-Kaiser danach eine weitere, die fünfte Provinz in Britannien etablieren konnte. Zu Ehren seines majestätischen Herrn Valentinian benannte er diese mit Valentia
106
. Übrig blieb davon im Lauf
der Jahrhunderte Wales und seine südliche Spitze, das Horn von Wales, Corn-wales. In diese einst 107
römische und wohl auch schon christianisierte Provinz
mußte sich dann später der sagenumwobe-
ne König Artus vor den erobernden Angeln und Sachsen zurück ziehen. Doch zurück an die Donau. Dort unterstanden dem Jüngeren Dux Theo in der Moesia nun auch jene gotischen Neubürger die unter Verzicht auf ihre angestammten Volksrechte und Könige als Untertanen des östlichen Valens hier lebten. Schlechte Versorgung und materielle Ausbeutung trieben die Umsiedler schon bald in eine Hungerrevolte. Sie erschlugen römische Offiziere und Soldaten und verhielten sich gar „... nicht mehr als Fremdlinge und Ausländer sondern, als Bürger und Herren über die Besitzer des Landes“ die „den gesamten Norden“ des römischen Balkan „bis an die Donau“ unter ihre Kontrolle brachten. Daraufhin rückte Ost-Kaiser Valens mit einem großen Heer aus Syrien gegen die gotischen Rebellen heran. Doch nach einer „jammervollen Schlacht“ verlor der Kaiser nicht nur seine Provinzen ander unteren Donau sondern auch noch sein Leben (378n.Chr.). Er ist der zweite Römer-kaiser der durch gotische Krieger das Leben verliert. In einem Bauerndorf bei Hadrianopolis hatte er sich schwer verwundet versteckt. Als die siegreichen Goten danach Haus und Hof in Brand
104
>Hansa< ist schon damals der Terminus dafür! Jord. XXV 106 Im Jahr 369 n.Chr, F.Dahn.). 107 Der römische Ammianus berichtet von >Arianern< die bereits unter dem Älteren Theo auf der Insel aktiv waren. 105
28
steckten verbrannte auch Valens mitsamt „seinem Königlichen Pomp“
108
. Seine Leiche wurde nie ge-
funden. Katholische Autoren des Mittelalters versäumten es nur selten dieses unrühmliche Kaiserende als eine Strafe Gottes für den arianischen Glauben dieses Ketzer-Kaisers Valens zu interpretieren. Nach ihrem Siegesruhm über die Römer betrachteten die Goten Moesien und Thrakien (=Bulgarien und östliches Yugoslawien) als ihr eigenes Land. Die innenpolitische Situation im Reich der Römer geriet ihnen dabei zum Nutzen. Schon drei Jahre vor Valens‘ schmachvollem Tod war sein Bruder Valentinian I. gestorben (375). Dessen ältester Sohn und Nachfolger Gratian war noch jung an Jahren (ca. zwanzig) und der Zweite Valentinian noch ein Kind. Die Macht des Imperiums schwächelte deutlich. Wohl auch deshalb erhob Jung-Kaiser Gratian nach dem Tod seines Onkels Valens den schon einigemale siegreich gewesenen Dux von Moesien, jenen Jüngeren Theodosius zum Mit-Kaiser und Regenten über den Osten (379). Mit diesem neuen Caesar des Ostens aus der Familie der Got109
tesgaben
wird
iud- als das Deutsche seine geschichtsformende Dimension erhalten. Auch Richter
Attanarich wird daran beteiligt sein.
6. Der Große Theodosius Gott-Kaiser und Goten-liebchen Nach dem wenig heldenhaften Tod des römischen Kaisers Valens im Jahr 378 ist dessen Neffe Gratian der starke Mann und Gott-Kaiser des römischen Imperiums. Sein Bruder, Valentinian der Zweite, ist noch ein Kind und deshalb nicht in der Lage als Mit-Kaiser aktiv im Reich mitzuwirken. Hunnen und Alanen wie auch fliehende Goten bedrohen die römischen Provinzen an der unteren Donau und am Schwarzen Meer. Der gesamte Balkan ist gefährdet. So erhebt Kaiser Gratian 379 seinen Dux (= Militärchef einer Grenzprovinz) Theodosius aus der Provinz Moesia zum Mit-Kaiser des Oriens und des Illyricum. Dieses Ilyricum umfaßte den oberen Balkan diesseits der Donau von Wien bis hinab nach Belgrad und im Westen bis zu den dalmatinischen Küsten der Adria. Sirmium, in der Nähe von Belgrad gelegen, war seine Hauptstadt und zeitweise auch Kaiserresidenz. Römischer Titel für ihre Kaiser in der Antike war zunächst Augustus. Als Ceasar hingegen bezeichneten sie gerne und oft die Mit- oder Teil-Regenten ihrer Augusti. Auch vorbestimmte Thronfolger wurden so benannt. Seit Aurelian (270-275 n.Chr.) einem der sogenannten Soldatenkaiser, tragen sie auch den Titel >Dominus et DeusThiudin-assus< überzeugter Goten-Christ in Konflikt mit diesen römischen Gott-Kaisern geraten mußte. 29
109
Für die Goten, sowohl für jene die innerhalb der römischen Reichsgrenzen siedeln wie auch für jene welche außerhalb derselben und nördlich der unteren Donau verblieben waren wird dieser Ceasar zum fundamentalen Ereignis werden. Er und seine Dynastie, vor allem aber sein Name wird die Geschichte, Sprache und das Selbstverständnis gotischer Völker prägen bis zu ihrem Ende. So wie einst der Name des göttlichen Caesar zum Titel und Kaiser wurde wird auch Theodos als
iudans zur In-
karnation des Herrschers und Königs in gotischer Sprache werden. Der neuernannte Regent für den Osten war zuvor oberster römischer Militärbefehlshaber in eben jener Provinz Moesia gewesen in welcher die vor den Hunnen geflüchteten Goten von Kaiser Valens angesiedelt wurden (376). Sowohl manche Ostro-Goten des Hermanerich wie auch die
iu-/Theu-
ingischen Untertanen des Richters Attanarich hatten dort eine neue Heimat gefunden. Die sogenannten Klein- oder Moeso-Goten mit ihrem geistigen Führer Wulfilas waren schon seit Jahrzehnten hier ansässig. Theodosius und diese Goten waren demnach alte Bekannte als dieser Sproß aus einer Familie der Gottesgaben zum Caesar über die Ostprovinzen des Reiches erhoben wurde. Er wußte sicher von Attanarich und dessen Schwur römischen Boden niemals zu betreten. Er wußte um dessen Flucht vor den Hunnen Balambers in das Hochland der Karpaten. Sicherlich wußte er auch um die Rolle die Attanarich im Jahre 364 und danach gespielt hatte als er den Gegen-kaiser Procopius (gest. 368) gegen den rechtmäßigen Valens unterstützt hatte. Als kaiserlicher Dux in Moesia konnte Theodos den Untergang seines Kaiser Valens und dessen Heer aus nächster Nähe miterleben (378). Er hatte die Raubzüge der gotischen Neuansiedler unter ihrem Fürsten (nicht rex !) Fridigern durch den Balkan mitverfolgt. Hatte Ala-theus (ein Alan-ischer?) und Safrak mit den Goten Pannonien (Ungarn) ausplündern gesehen. Nun ist dieser Jüngere Theodosius vom Dux zum Mit-Kaiser und Ceasar des Ostens aufgestiegen, zum >
iudans< jener Goten die innerhalb römischer Grenzen leben. So verschmilzt der Name dieses
jungen Kaisers Theodosius in der von Wulfilas gerade erschaffenen Schriftsprache der Goten mit jenem mythischen und zu preisenden
iu
und himmlischen
Nicht nur als der römische Caesar wird er zum gotischen seinem Namen Theo-dos =
iudans zur symbiotischen Einheit.
iudans sondern er verkörpert in auch in
Θεοδος (fast) denselben Namen Θεος =Theos der den Gott aller Juden
und Christen von seinen heidnischen Rivalen unterscheidbar macht. Entsprechend römischer Tradition ist er ja bereits Kaiser und Gott in seiner Person (lat.= Dominus et Deus), ist griechisch Basileus und Theos. Nun verkörpert er auch mit seinen Namen den erstmals ein römischer Kaiser trägt auch in griechischer Terminologie christlich Göttliches und irdisch Regierendes zugleich. Dieser Herrscher ist ein Theos, er ist
111
iudans und >Guth
Gott< 30
Gott-Vater Attas verheißenes König-reich
iudan-gardi ist urplötzlich sprachidentisch mit dem Imperi-
um dieses Gott-Kaisers. Es ist dieser christliche Kaiser und Gott Theodos der gotische Worte mit neuen, mit seinen semantischen Inhalten neu anfüllt. Nicht mehr ein gepriesenes und göttliches Königtum sondern das Kaiserliche dieses gottgleichen (=
iudans Theodos definiert nun
iudanon) er an stelle des alleinigen und kosmischen Königs und
christlich-arianische Volk der
iudi-. Nun herrscht
iudans Theos auch über das
iuda-Goten.
Wie dabei sprachlich noch unterscheiden zwischen dem ewigen Vater-Gott als universalem und einem ebenfalls gottgleichen Augustus und Einen Christengottes Theos in gotischem
iudans
iudans auf Erden der zudem noch den Namen des
iu- mit sich trägt? Dies hatte der geniale Übersetzer der
Bibel wahrlich nicht verdient. „Gewiß ist dieser Kaiser ist Gott auf Erden ... “ so läßt später Jordanis den Goten-Fürsten und Richter Attanarich ausrufen als dieser am Hof in Byzanz der Gott-Kaiserlichen Pracht dieses
iudans Theo-
112
dos ansichtig wurde und
. Dieser Theodos-Kaiser ist nicht wie Gott, sondern er ist Gott - ist Guth
iudans in der Sprache des Wulfilas. Nicht wie einst Caesars Name durch Wirken und Person
zum Titel und Kaiser wurde sondern in Umkehrung dessen wird Theodos zur Verkörperung, zur Inkarnation gerade erstmals in gotisch und schriftlich formulierter Begriffe und deren Bedeutung. Theodos wird zwar
iudans doch als Rückwirkung seiner Herrschaft wird
iudans wird Theodans,
iudin-assus zu Theodin-assus und das gemeinte Gottesreich zu Theodan-
gardi. Selbst herrschen ist nun nicht mehr göttliches gotisch-göttliches
iudans nun eine Theodosische.
iuda- sondern irdisches Theoda-non. So wird
iudisk nun zu kaiserlich-römischen Theodosisch.
Gäbe es nicht schriftliche Texte der Goten welche in die Zeit vor diesen Theodos verweisen so könnte iudans und das gesamte um herrschen gruppierte Wortfeld der gotischen Sprache wie eine Ableitung aus diesem Theodosischen Kaisertum erscheinen. Dieser kaiserlich-theodosianische Trieb an der etymologischen Wurzel des
iudi- und deutsch be-
ginnt alsbald kräftig zu wachsen. Doch nicht mehr göttlich sondern durchaus irdisch ist seine nun semantisch gewandelte Bedeutung. Es ist wiederum Jordanis der beschreibt wie der neuerhobene Ceasar-Gott Theodos den GotenFürsten und bibliophilen Richter Attanarich umwarb und „ihn aufs freundlichste einlud“ nach Konstantinopel zu kommen. Hinter diesem großzügigen Reiseangebot verbirgt sich ein geschicktes Machtkalkül dieses Theodo/
iuda-Kaisers. Als ehemaliger Grenz-Dux hatte er die wechselhaften Beziehun-
gen Roms zu den westlichen Donau-Goten selbst hautnah miterlebt. Schon als sehr junger Mann und noch „im ersten Flaumbart“ hatte er um 374 die Grenzprovinzen an der Donau gegen die gemeinsamen Angriffe der grenznahen Quaden, Sarmaten und Goten (= Limi-ganten) aus höchster Gefahr errettet
113
. Ihm war der Ruhm und die Machstellung des Attanarich und seiner kriegstüchtigen Goten
aus eigener Ehrfahrung also bestens vertraut. Wenn es ihm nun gelang diesen Richter Attanarich aus jener Bergregion in welche er sich vor den Hunnen zurückgezogen hatte wieder hervorzulocken so konnte ihm dies äußert nützlich werden. Dieser Gotenfürst repräsentierte wohl als Einziger das Anse114
hen und geblütsrechtliches Königs-Heil
um von allen Goten die nun innerhalb der römischen
Reichsgrenzen siedelten als unbestrittener und und gemeinsamer Führer und Repräsentant anerkannt 112 113
Kap.XXVIII F.Dahn 31
zu werden. Dadurch aber war zu erhoffen daß auch die Beziehungen zwischen den rebellischen Neubürgern des Reiches und seinem östlichen Regenten und Caesar besser und friedvoller würden. Der historische Ablauf ließ diese Hoffnung zur Realität werden. Richter Attanarich lies sich von
iudans
Theodos nach Byzanz locken. Doch nicht Gott-kaiserlicher Befehl sondern eine „freundliche Einladung“
115
haben den Richter an den Kaiserhof geführt. Dort traf er vermutlich auch den Bischof und
zweiten Mose Wulfilas. Dessen Anliegen war es während eines kirchlichen Konzils in der Hauptstadt auch den neuen Mit-kaiser des Ostens von der arianischen Lehrmeinung der Christen zu überzeugen. Vergeblich wie die Geschichte zeigt. Schon ein Jahr nach seiner Inthronisation zum Mit-Kaiser verbot Theodos im Ostreich die arianische Interpretation des christlichen Gottesbildes
116
. Nun wurde der
Katholizismus, das Dogma des Athanasius zur allein seligmachenden Lehre der Christen im Ost-reich kaiserlich verordnet. Noch immer aber war Ober- und Chef-Kaiser jener Jahre Gratian. Er war ein Sohn des 375 gestorbenen Valentinian. Die kaiserliche Dynastie dieser Valentinianer aber zählte zu den Arianern, so bestand für die Anhänger des Arius noch Hoffnung. Doch das zweite ökumenisches Konzil in Byzanz zu dem auch Wulfilas angereist war bestätigte dann 381 auch innerkirchlich die Mehrheit für Atha-nasius aus dem unsterblichen Stamm und dessen Lehre. Wohl kurz danach starb Wulfilas (381 oder 383). Ob er schon geahnt hatte was aus seiner Bibel, seinem Alphabet und
iu
werden würde ist nicht überliefert. Doch der geniale Schrift- und Sprachschöpfer und Bibelübersetzer der Septuaginta stirbt als ein bereits verfemter Ketzer und Häretiker. So mußte er nicht mehr erleben daß die katholische Lehre im Jahr 391 zur einzigen und offiziellen Staats-religion im Gesamt-Reich der Römer sanktioniert wurde. Selbst die olympischen Spiele wurden ab diesem Datum weil heidnisch eingestellt. Die Kirche verbot bei Höllenstrafe ihren eigenen Gläubigen das Lesen heidnischer Schrif117
ten
. Auch Wulfilas‘ Schriften verfallen der Ächtung und böswilligen Diffamierung durch die katholi-
sche Mehrheit der Christen. Häresie war ja noch gefährlicher als ein Heidentum! Sein Name, die Erinnerung an ihn und sein Werk wird später (beinahe) ausgelöscht. Im Gegensatz dazu pflegte
iudans Theodos die Freundschaft zum Volk und dem weltlichen Führer
der Goten sehr. Ein neuer Friedens- und Freundschaftspakt zwischen Richter Attanarich und dem Gottgleichen Theodo brachte den Goten 380/382 einen völlig neuen Ansiedlungs- und Foederatenstatus. Nie zuvor hatte das Römische Reich etwas Vergleichbares vereinbart. Allen gotischen Völkerschaften innerhalb des römischen Reiches (=universa gens Gothorum) wurde von Kaiser Theodosius in einer >lex gotica< das Recht auf eigene und autonome Könige (=sua regis) und
iudans einge-
räumt. Trotzdem blieb Atta-narich weiterhin nur ein Richter. Den Goten wurde römisches Reichsland zur Ansiedelung formell übergeben und überlassen (=se traditerunt). Dort lebten sie nicht nach römischem, sondern nach ihrem eigenen und gotischen Recht und arianischer Glaubens-lehre. Ein autonomer gotischer Staat, wenn auch unter Oberherrschaft des Kaisers und seines
iudin-assus, so
doch mit eigener monarchischer Verfassung und Kulturhoheit innerhalb der römischen Reichsgrenzen 118
wurde damit allen gotischen Völkern zugestanden
. Diese Goten mußten nicht Romanen werden
sondern konnten weiterhin nach eigenem Recht und gotischer Sitte innerhalb des Imperium Roma114
Got.=hails Jord. 116 Edikt von Thessaloniki, 380 n.Chr. 117 Patrologie 118 n.L.Boehm, in: Die Burgunder 115
32
num leben. Ihr Oberherr war nicht der römische Staat sondern nur dieser Kaiser und dos als Person und sein Haus, sein gards
iudans Theo-
119
. Da er zugleich ein Gott war konnte Attanarich auch ihm
als ein Richter dienen. Die Autonomie dieser Goten betraf auch und gerade die gleichzeitig verbotene Lehre des Arius. Die
iuda-Goten konnten auch weiterhin nach eigenem Brauch arianische Christen
mit eigensprachlicher Volkskirche bleiben, konnten weiterhin zu Atta beten und sein heiß ersehntes
iudan-gardi preisen. Christ zu sein aber verlangte das eigene Selbstverständnis. Dadurch war
man nicht mehr nur Barbar sondern wurde ein Teil der Kulturgesellschaft jener Zeit. Das Christliche verkörperte auch die Moderne jener Epoche. Doch der Erz-Bischof von Konstantinopel oder später der von Rom hatten keinen Zugriff auf den gotisch-arianischen Klerus und dessen eigensprachliche Lithurgie. Auch dies war etwas sensationell Neues und erwies sich gleichfalls als ein geschichtsprägendes Faktum. Die Gegenleistung der Goten für ihre Privilegierung bestand in einer treuen Bundesgenossenschaft für ihren Kaiser und
iudans Theodos und seine Dynastie. Gemeinsam mit den römischen Soldaten bil-
deten nun die verbündeten Goten „gleichsam einen Körper gegen die Feinde des Theodosius“. Für immer die „treuen Freunde“
120
dieses
iudans und seiner Nachfolger zu sein war nur selbst-
verständlich. Theodosius aber hatte mit seinen Goten einen unverzichtbaren Verbündeten für inner121
römische Machtkonflikte gewonnen. Den zweideutigen Ehrentitel Goten-liebchen
den er sich wegen
seiner lex gotica bei den Römern eingehandelt hatte hielt ihn nicht davon ab dem im Jahr 381 verstorbenen Richter Attanarich allerhöchste Ehren zu erweisen. Er selbst schritt der Bahre des toten Freun122
des im Leichenzug voran
und ließ ihm eine Ehrensäule im Palastbezirk errichten
123
. Welch ein Un-
terschied zu Wulfilas der etwa gleichzeitig verstorben war und von dem weder Zeitpunkt noch Umstände seines Todes bekannt sind. Zu ihrem bisherigen Sonderstatus als einziges der Barbaren-völker der christlichen Religion und Kultur des Theos-Gottes anzugehören, unter seiner
124
iudan
zu stehen und somit ein
iuda-Stamm und
zugleich noch Träger einer eigenen Hoch- und Schrift-sprache zu sein kam nun die unerhörte Ausnahme ihrer Rechte und Privilegien aus der lex gotica ihres
iudans Theodos. Nun gab es Goten und
Barbaren im Reich der Römer. Die diesem Kaiser untertanen und zugleich befreundeten Goten werden so noch einmal zum besonderen weil nun Theodosianischen Volk unter allen Skytischen und Germanen. Sie stehen gleichermaßen unter Gottes
iudan wie auch unter dieses Kaisers und
dans Theodos‘ Herrschaft, sie sind seine >Theodisken< Goten. Ein ihr himmlischer Atta und Vater spirituell-religiöser
iu-
iuda-volk bleiben sie weil auch
iudans bleibt. Da wir
iud/thiud jedoch als den
sprachlichen Kern des Deutschen betrachten sind sie zugleich auch deutsche Goten, und insofern als die ersten Deutschen mit einer ethnischen Komponente zu sehen –
iudisch wie auch Theodosia-
nisch und gotisch zugleich. Diese westlichen und Theodosianisch-
iudischen Goten erhalten jetzt auch einen neuen Namen.
Nicht mehr Thevinger, nicht mehr Klein- oder Moeso-Goten sind sie nunmehr - als Wisi-Goten, die 119
Ein ideeller >Staat< war Germanischem Denken fremd. Nur die persönliche Bindung an einen Herrscher und eine Sippe galt als verbindlich =>Personen-verbands-staat< 120 Jord. XXVIII 121 >amator< n.L.Boehm ?? 122 Jordanis)XXVIII 123 Felix Dahn 124 =got Herrschaft 33
rechtschaffenen und guten Goten gehen sie ab jetzt in die Geschichte ein. Gotisches >wisi< bedeutet 125
>gut< und entspricht dem lateinischen >pius
gelobtes< (=
iu
eiga) Land durch die kaiserliche Übergabe römischer Provinzen nun
ebenfalls erreicht zu haben. Der gotische Heerführer >Saulus< trägt seinen Namen auch als ein deutlich sichtbares Zeichen des ihm aus dem Vertrag mit Theodosius zustehenden Königs-rechtes. Doch den Purpur, den Ostrum trägt nur sein Ober-Herr und Kaiser nur er ist der 125
127
iudans auf Erden
.
., n.Brucker, die Spache der Langobarden Griechische Schreiber, z.B. Procop v.C. schrieben iu-/thiu- als They- (=Θευ) welches latinisiert zu Theuwurde. 127 Solange Theodosius lebte nahm keiner der Goten-Fürsten das ihm aus der lex Gotica zustehende Königs-recht formell in Anspruch. Erst Ala-reiks trägt nach dem Tod dieses Kaisers als erster auch den Titel >rex< 34
126
In einer blutigen Schlacht bei Aquileja vernichten dieses Kaisers treue Goten im Jahr 394 n.Chr. das Heer des Arbogast und seines Titular-Kaisers Eugenius. Sie „...besiegten diesen Tyrannen“ und be128
straften ihn
. Der Anmaßer stirbt noch auf dem Schlachtfeld, der Franke Arbogast stürzt sich selbst
in sein Schwert. Theodos ist nun alleiniger
iudans und Herrscher im Weltreich der Römer, er ist der
Große Theodosius geworden. Um die Herrschaft für sein Haus und seine Dynastie zu sichern bestimmt der jetzt Große
iudans die
dynastische Thron-, Erb- und Nach-folge mit einem Testament. Darin teilt er das eine Imperium Romanorum in zwei je eigenständige Kaiser-reiche auf. Der Osten wie auch der Westen sollen je ein selbständiges und zugleich römisches Imperium werden. Dadurch kann jeder seiner beiden Söhne Kaiser und Augustus eines eigenen Römer-Reiches sein. Der eine im Okzident (West), der andere im Orient (Ost). Mit diesem Teilungs-Testament zerstört Theodosius formalrechtlich die Einheit des antiken Imperium der Römer für immer. Er ist es der die Dualität der römischen Reiche endgültig begründet. Zwar hatten auch schon zuvor andere Augusti und Caesaren die Machtausübung im Reich aufgeteilt und regionalisiert, doch das Imperium als solches wurde dabei trotzdem stets als ein Ganzes gesehen. Doch als
iudans Theodos im Jahr 395 n.Chr. stirbt gibt es zwei römische Kaiser-Reiche, zwei
Theodosianische
iudan-gardis. Wer auch immer nach seinem Tod nun jemals auf ein separates
Kaiserreich des Westens pochen wird kann dies als ein legitimer Erbe des Theodosianischen ErbRechtes tun. Auch er wird so und in dieser Bedeutung zu einem Theodosianer. Zugleich aber starb mit diesem göttlichen Kaiser auch der letzte wirkliche Universal-herrscher des Römischen Reiches. Seine Herrschaft und
iudan markiert das Ende der imperialen Größe Roms. Mit
seinem Tod begann der endgültige Zerfall. Im Westen wird es nach dem Erlöschen seiner Dynastie niemals wieder einen durch Tradition legitimierten kaiserlichen Herrscher und Zeitgenossen jener Epoche mag dieser gott-gleiche
iudans geben. Für die
iudans Theodos in verklärendem Rückblick
letzter wirklich Großer Römer-kaiser gewesen sein. Sein Zwei-Kaiserrecht im Römischen Imperium repräsentiert eine andere wenn auch kleinere Hälfte des Theodosianisch -
iudisch-kaiserlichen An-
spruchs im westlichen Reich der Römer nach 395. Der Rückgriff auf das Teilungs-testamentes des Theodosius und des daraus hergeleiteten Rechtes zweier Imperien aber war allen möglich, auch den Franken. Dies wird sich später als ein ganz spezifischer Drive für das Deutsche erweisen. Die >lex Gotica< aber und durch sie das Recht römisches Land durch Übergabe (se traditerunt) statt 129
Eroberung zu besetzen
verbunden mit dem Privileg aller gotischen Völker (universa gens Gotho-
rum) auf eigene Könige und
iudans (suo reges) und eigene Kultur innerhalb der römischen Reichs-
grenzen, dies ist das Theodosianisch -
iudische Erbe allein der Wisi-Goten und macht sie schon
allein deshalb zum besonderen und gelobten
iuda-Volk. Trotzdem konnte die Semantik dem Irrtum
verfallen Thiuda sei ein gemein-germanisches Wort für >Volk< im allgemeinen. Doch theodisce waren nur die guten und treuen Wisi-Goten des Kaisers und
iudisch-
iudans Theodosius.
Wulfilas – Attanarich – Theodosius, dies ist die Trias der handelnden Personen die das Deutsche in die Welt und auf den Weg gebracht hat. Wulfilas schuf jenes Göttliches verheißende Wort
=
128
Jordanis 28). Dies verkörperte einen polaren Gegensatz zu den späteren Eroberungen anderer Völker und besonders in Gallien. 129
35
Thiud, Theodosius der Große aber band es als irdischer
iudans an seine Person und verhalf ihm so
zu seiner kaiserlich-Theodosianischen Dimension. Richter Attanarich brachte dazu die ethnische Substanz seines ein
iudisken Volkes der The-vingen-Goten als das Thiuda mit ein. Das Deutsche als
iudisch-Theodosianisches Attribut war somit etabliert.
36
II. Buch THEODOSIER UND THEODOSIANER 1. Theodisce Wisi-Goten Vom Ersten bis zum Zweiten Alarich (395 - 507) „Nachdem aber Theodosius, welcher den Frieden und das Gotenvolk lieb hatte, aus dem Leben geschieden war, begannen seine Söhne durch ihr üppiges Leben beide Reiche zugrunde zu richten. Daraufhin wurden die Goten ihrer überdrüssig. Und da sie fürchteten, in der langen Friedenszeit ihre Tapferkeit einzubüßen, machten sie Alarich zu ihrem König“. So beschreibt Jordanis in seiner „Gotengeschichte“ von 551 n.Chr. den Fortgang der Entwicklung im Reich der Römer. Das Sensationelle an dieser Notiz wird dabei gerne übersehen. Erstmals in der Geschichte des Imperium Romanorum wurde innerhalb seiner Grenzen von einer fremden Volksgruppe ein eigener rex und König ausgerufen
130
! Dies bedeutet de facto einen autonomen und gotischen Staat im Staat der Rö-
mer! Die lex Gotica des Theodosius zeigt ihre Wirkung. 131
Der neu erhobene Gotenkönig und >reiks
rex Gotorum< wohl auch seinen Anspruch
auf dem Fundament des Theodosischen Ansiedlungsvertrages nach 395 in beiden römischen Rei133
chen Heimatrecht zu besitzen.
Doch die schiere Lust am Krieg war offensichtlich ein ebenso trei-
bendes Agens. Die beiden Söhne des Großen Theodosius deren üppiges Leben nach dem Tod ihres Vaters den Verfall des Römerreiches voran brachten waren noch Knaben als sie zu Augusti wurden. Arkadius zählte 130
Obwohl Theodosius in seiner lex Gotica ihnen dieses Recht ja eingeräumt hatte nahm zu seiner Lebenszeit kein Gotenfürst den Titel >rex< für sich in Anspruch.. 131 Die gotische Srache kennt >reiks< in der Doppelbedeutung von >Reich< und >Herrscherreiks< regiert sein >reiks-rich< zu lesen. Auffällig dabei ist daß dieses Suffix fast ausschließlich den Namen herrschender Personen ziert. Bei Gregor von Tours der um 590 n. Chr. eine fränkische Geschichte schrieb bleibt -rich bis auf seltene Ausnahmen nur dem Königshaus der Merovinger vorbehalten. In seiner Bedeutung wird -rich mit mächtig, reich o.ä.gleichgesetzt. Ausgehend von seiner Funktion und Verteilung in Namensbild handelnder Personen erscheint diese Deutung jedoch zu kurz zu greifen. >rex< ist der lateinische >König-rix< als Endsilbe keltischer Namen bringt ebenfalls den königlichen Rang seines Trägers zum Ausdruck (s. P.M. Duval). Cäsars Gallischer Krieg zeigt ausreichend Beispiele zum Beleg dieser These – Vercingeto-rix, Dumno-rix und ähnliche. Allein aufgrund der Art seiner Verwendung kann für -rich ebenfalls seine Bedeutung von König angenommen werden. Je nach Erstsilbe eines Namens läßt sich unter dieser Annahme ein sehr bedeutungsstarke und charismatische Bedeutung alter Königs-Namen erkennen. Ein „chil-de-rich“ zeigt sich so in seiner Erstsilbe als der Führer und Oberst einer (römischen) Militäreinheit (Chili-arch) und zugleich als ein König seiner Volksgruppe, Chiliarchus rex = Chil-de-rich 132
Jord. XXIX Jordanis betont außerdem ausdrücklich daß vor Theodosius die hinter die Reichsgrenzen geflüchteten Goten >statt der Könige< von >Fürsten und Herzogen< regiert wurden (Kap. XXVI). Einer von diesen war ebenfalls ein >Ala-< doch nicht ein >-rich< sondern eben nur ein Ala-theus, ein Ala-isker. Die königliche Bedeutung des Suffix‘ >-rich< zeigt sich hierbei sehr deutlich. Innerhalb der Grenzen Roms ist Ala-reiks der erste Germane der dieses Macht verheißende Suffix trägt. 37
133
etwa acht Jahre als er 396 n.Chr. Kaiser des nun selbstständig gewordenen Ost Reiches wurde, sein Bruder Honorius trug als Zehnjähriger das Kaiserdiadem des autonomen Westens. Mächtige Heerführer übernahmen deshalb als Regenten die reale Macht in beiden römischen Reichen. Stiliko, ein Vandale führte zuerst in Mailand und danach ab 404 in Ravenna die Geschäfte des westlichen Römerreiches. Er war schon bei Theodosius in höchstem Ansehen gestanden und von diesem noch selbst zum Vormund und Regenten für die noch kindlichen Kaisererben bestimmt worden
134
. Schon bald aber
gelang es Rufinus Einfluß auf den östlichen Kaiserknaben Arkadius und seine Regierung zu bekommen. Da er somit zum machtvollen Rivalen des Stiliko wurde ist es sehr wohl möglich daß der Gotenrex Ala-rich mit dessen wohlwollender Duldung oder auch mehr nach dem Westen aufgebrochen war. Doch nicht nur die Goten des Ala-reiks wurden kriegsreise-lustig. Auch an Donau und Rhein machten die Germanen mobil. An den Küsten des Schwarzen Meeres und der unteren Donau reiten die skythischen Hunnen. Auch sie gierig nach Beute und Land. Nachdem sie bereits die Goten aus Skytien vertrieben hatten setzten sich nun auch die Völker Süd-Germaniens aus Furcht vor diesem dunklen Reitervolk nach Westen ab. Alanen und Vandalen ziehen bei ihrer Völkerwanderung auch svebische Stämme mit über den Rhein (406 n.Chr.). Die Burgunder siedeln sich dort an während die Schwaben gemeinsam mit den anderen bis nach Spanien weiter wandern. Südlich der Alpen waren wie schon erwähnt die Theodosianischen Wisi-goten auf Achse und Pferd. Schon zuvor hatten sie als römische Neu-Bürger plündernd und raubend den Balkan bereist. Bis nach 135
Athen führte sie dabei ihr Kriegszug. Die Stadt der Hellenen war dabei zu ihrer Beute geworden
.
Aus dem Westen kam damals unter Stilikos Führung ein Hilfsheer aus dem Westen angerückt worauf Alarich mit seinen Goten sehr in die Defensive geriet (396). Ein gut ausgehandelter Friedensvertrag brachte danach jedoch beiden Seiten etwas ein. Der östliche Kaiserhof vergab an den reiks der WisiGoten Alarich den Rang und Titel eines Militärbefehlshabers in einer römischen Grenzprovinz und machte ihn zum dux der Römer. Damit hatte einst auch der Große Theodosius begonnen (um 376). Als „dux per Illyricum“ war Ala-reiks nun zum amtlichen Macht- und Würdenträger des römischen Ostkaisers auf dem Balkan geworden
136
.
Da aber auch dieses Illyricum vom Teilungstestament des Theodosius zweigeteilt war wurde Alarich zum kaiserlichen Heerführer in einer Region die zwischen Ost und West noch umstritten war. Eine famose Ausgangsposition für den Goten-reiks und seine arbeits-geilen Krieger. Als kaiserlicher dux hatte er nun den Zugriff auf alle Militärdepots der Römer in den illyrischen Provinzen. Von dort bestens ausgerüstet brachen die Wisi-goten alsbald zu neuer Heerfahrt nach Westen und Italien auf. Im Herbst 400 n.Chr. überschritten sie bei Aquileia den Timavus (Isonco). Sie durchzogen die Poebene, Ligurien und die Toscana. Im Januar 401 waren sie bereits in der Campagna von Neapel angekommen. Erst ein Jahr später konnte ein west-römisches Heer die nun gar nicht mehr so guten Wisi-goten besiegen und einschließen. Dies geschah wiederum durch jenen Regenten und Heerführer Stiliko der auch schon fünf Jahre zuvor Alarich in Griechenland überwunden und von dort wieder verdrängt hatte. Nun besiegte er die
iuda-Goten auch in Italien und trieb sie nach Illyrium und dem Balkan zurück.
Stiliko war als Vandale den Goten und ihrem Ala-reiks sprach- und kulturverwandt da die Vandalen ebenfalls zur Gruppe der gotischen Völker zählten. Dies brachte die beiden Heerführer trotz aller Riva134 135
F.Dahn Felix Dahn 38
lität einander doch nahe. Stiliko als der mächtigste Mann im Westreich gewann den besiegten Alarich für einen Kriegszug nach Gallien. Dort sollten die Rechte und die Herrschaft des West-kaisers Honorius, dem zweiten Sohn des Theodosius wieder hergestellt werden. Vierzig Zentner Gold war der weströmische Senat bereit den Goten und ihrem reiks dafür zu bezahlen. Außerdem sollte die Diözese Pannonien (Westungarn/Jugoslawien) Alarichs Wisigoten als Siedlungsland überlassen werden. Ein gotischer Pfufferstaat wäre so zwischen römischem Ost- und Westreich entstanden. Doch Stiliko wurde wohl auch wegen dieses Vertrages von den Römern ermordet (408). Seine Nachfolger im Amt annullierten sowohl den Vertrag als auch das abgeschlossene Bündnis. Noch einmal versuchte der alte römische Adel die Barbarisierung der Herrschaft im römischen Reich zu verhindern. 137
Ewiger Krieg den Goten wurde zum verpflichtenden Fahneneid der Legionäre
.
Auch nach dem Tod Stilikos pochte Alarich auf seinen Vertrag mit West-Rom. Für dessen Nichterfüllung verschaffte er sich eigenhändig Ersatz. Wieder brach er mit einem Heer in Italien ein. Die Gefolgschaft des ermordeten theodosianischen Regenten lief zu ihm über und wie „im Triumphzug“ 138
eroberte er den italienischen Stiefel
. Die Stadt Rom, bis zu Konstantin der Große Metropole und
Zentrum des gewaltigen Imperiums wurde zu Ala-reiks Beute. Mit fünftausend Pfund Gold, dreißigtausend Pfund Silber, viertausend Seiden- und dreitausend Purpur-gewändern, sowie dreitausend Pfund Pfeffer konnten sich die Römer von der Eroberung und Plünderung ihrer Stadt freikaufen. In der Tat ein gepfeffertes Lösegeld und um einiges mehr als Stiliko zuvor angeboten hatte. Zusätzlich mußten die Römer auch alle ihre barbarischen Knechte und Sklaven freilassen. Auf die Frage, was ihnen denn so noch bliebe, soll der Goten-reiks lakonisch geantwortet haben: „das Leben“
139
.
Als kostbarstes Beutegut aber fiel Alarich die Tochter des Großen Theodosius und Schwester der beiden Jung-Kaiser Honorius und Arcadius in die Hände. Diese Placidia die zuvor noch mit Stilikos Sohn Eucherius verlobt gewesen war begleitete nun als geschätzte und hoch geehrte Geisel den Zug der Wisi-goten durch das Westreich. Ihr Bruder und West-kaiser Honorius hielt sich in jenen Jahren sicher verborgen in der Hafenstadt Ravenna die so zur neuen Kaiser-residenz des Westens aufstieg. Erneut versuchte Alarich für seine Wisigoten einen Ansiedelungsvertrag im West-reich zu erhalten. Statt der Eroberung eine friedliche Übergabe (se traditerunt) durch Vertrag so wie Theodosius ihn schon 382 im Orient gewährt hatte war sein Ziel nun auch für den Westen. Venetien, Dalmatien oder das Noricum sollten gotische Provinzen im Westreich werden. Als letzte Forderung bestand der Gotenreiks nurmehr auf dem Noricum. Doch auch dieses wurde ihm verweigert. Nun zog Alarich erneut gegen Rom. Der Stadt-Senat mußte Honorius für abgesetzt erklären und statt seiner einen römischen Patrizier als Atta-lus zum neuen Kaiser des Westreiches ausrufen
140
. Für
prächtige Purpur-gewandung zu diesem Festakt war zwei Jahre zuvor ja schon ausreichend vorgesorgt worden. Der neue Kaiser mußte sich danach öffentlich zum arianischen Christentum der Goten bekennen. Dies zeigt daß auch Kirchenleute auf der Kriegsreise der
iuda-goten mit dabei waren.
Der neue Kaiser ernannte Ala-reiks nun zum „Magister Militium“ und damit zum obersten Feldherrn 136
F.D. dto 138 Felix Dahn 139 Felix Dahn 140 ullus= irgendeiner, Atta= Vater,= irgendeiner der Alten Roms?). 137
39
141
des römischen West-Reiches. Seinen Schwager Atta-ulf
und Gemahl seiner Schwester wird zum
„comes domesticorum“, dem Chef der kaiserlichen Leibgarde ernannt. Damit war formal alles bestens unter Kontrolle. Doch das römische Italien blieb widerspenstig. Frustriert brechen die Goten daraufhin erneut in Rom ein und rauben einige Tage lang planvoll die dort noch zurückgebliebenen Wertsachen zusammen. Danach machen sie sich auf den Weg nach Süden um von dort aus nach Nordafrika überzusetzen. Karthago galt als die Kornkammer des Römerreiches - sie wurde zum neuen Ziel der einst guten Wisi-goten. Ein Sturm zerschlug jedoch ihre bereitgestellten Schiffe, die geplante Überfahrt war damit gescheitert. Kurz danach starb Alarich. Dieser reiks der Goten wurde wohl in jenem 142
poetisch überhöhten Grab im Busento
wirklich begraben. Seine Herrschaft aber ging geblütsrecht-
lich durch seine Schwester auf deren Ehemann und comes domesticum Atta-ulf über. Als neuer König und reiks führte er nun die Goten wieder nordwärts. Im Jahre 412 n.Chr. überquerte er mit seinem Volk die See-alpen und betrat Gallien. Dort regierte ein gallischer Gegen-kaiser, Jovinus. Dies gab Atta-wolf die Möglichkeit mit dem legitimen und Theodosischen
iudans Honorius ins Geschäft zu
kommen. Für die Köpfe der gallischen Rebellenkaiser (es waren inzwischen derer zwei geworden) sowie der Rückgabe der Kaisertochter und Schwester des Honorius, Placidia, forderte Atta-ulf Getreide und Land. Der Vertag kam zustande. Auf der Basis der lex Gotica des Theodosius von 382 wurde erneut ein Foedus-Vertrag abgeschlossen und die guten
iuda-goten in Gallien neu angesiedelt. Jeder dort ansässige Landbesitzer mußte 143
nun ein Drittel seines Besitzes einem Goten überlassen
. Diese hatten dafür dem West-kaiser Hono-
rius Heeresfolge und Kriegsdienste zu leisten. Nun wurden Valencia und Narbonne von Atta-wolf für den legitimen
iudans und West-Kaiser zurückerobert und die Köpfe seiner besiegten Rivalen nach
Ravenna geschickt. Honorius erfüllte jedoch seinen Anteil des Vertrages auch diesmal nicht. Deshalb verblieb auch Placidia bei Atta-ulf in Gallien. Sie erwies sich als ein guter Trumpf im Poker um die Theodosianische Herrschaft im West-reich. Es gelang diesem König und reiks der Goten die schöne Kaisertochter als Ehefrau zu gewinnen. Nach römischen Recht, Sitte und Brauch wurde im Jahr 414 die Hochzeit zwischen reiks Atta-ulf und der Tochter des Ersten Theodosius, Placidia, in Narbonne 144
glanzvoll gefeiert. Zum zweiten Mal begründen. Der
ist dies der Versuch eine germano-theodosische Dynastie zu
iudische Wisi-Gote war durch seine Heirat zum genealogisch legitimierten Erben
des toten Kaisers Theodosius aufgestiegen, er war selbst zum Theodosianer geworden. Seinen Zeitgenossen erschien dieses Ereignis so spektakulär daß sie es mit der biblischen Prophezeiung aus dem Buch Daniel (XI, 6) gleichsetzten. Die dort beschriebene mysthische Verbindung des 145
Herrschers im Mittag mit dem König aus Mitternacht galt mit dieser Ehe als vollzogen
. Trotzdem
setzten die echten Theodosier nach. Vor ihren Heeren mußten die Wisi-Goten über die Pyrenäen und nach Spanien ausweichen. Dort, in Barcelona, gebar Placidia ihren ersten Sohn der, wie könnte es anders sein, Theodosius genannt wurde. Dieser Erbe und Stammhalter starb jedoch schon als Säugling. Kurz nach seinem Tod wurde sein Vater ermordet. Eine römer-feindliche Gruppe übernahm jetzt das Zepter bei den guten
iuda-Goten. Der Rest von Atta-ulfs Sippe wurde ebenfalls ermordet - die
141
Ein >Wolf< des göttlichen und unsterblichen Vaters< ? von Platen 143 Die Angaben über die genauen Verteilungsquoten variieren. 144 nach Stiliko 145 Felix Dahn. 142
40
Römerin Placidia und Kaisertochter öffentlich gedemütigt. So war auch dieser zweite Versuch einer theodosisch-barbarischen Dynastie gescheitert. Von den nachrückenden Legionen des West-kaisers und Theodos-sohnes Honorius wurden die wisiGoten in den Süden Spaniens abgedrängt. Erneut versuchten sie deshalb nach Afrika überzusetzen, diesmal von Cadiz aus. Doch wieder zerschlug ein Sturm zuvor ihre Schiffe (um 416). So blieb ihnen keine Wahl, sie mußten sich mit Honorius und dessen Feldherr Constantius arrangieren. Gegen eine große Getreidelieferung und neu ausgehandeltes Ansiedelungsrecht geben sie Placidia frei und zurück (418). Sie ziert fortan als Galla Placidia die Geschichtsbücher. Im Dienst des westlichen Kaisers und Theodosischen als Föderati
iudans Honorius ziehen nun die guten Goten
146
durch Spanien. Dort waren inzwischen die Vandalen, Alanen und Sveben eingereist.
(413). Ihre Tour vom Rhein (406) bis an die Badestrände Hispaniens hatte doch etwas gedauert. Nun wurden sie dort von den Wisigoten und ihrem König Walia im Auftrag des West-Kaisers erbarmungslos bekämpft. Die in Spanien gefangenen Vandalenkönige schickten die siegreichen Goten an den 147
theodosischen Kaiserhof nach Ravenna
. Auch einen weiteren der sogenannten gallischen Sonder-
kaiser bekämpften sie erfolgreich. Wegen ihrer guten und treuen Dienste dürfen die Wisigoten nun in der Gallia heimisch werden(na endlich!). Auf der Basis der alten lex Gotica werden sie Bürger der römischen Aqutiania, Tolosa (Tolouse) ihre Königsresidenz und eigenes
iudan-gardi.
In der Folgezeit errichten sie jenes gewaltige >reiks< von Tolosa welches von Marseilles bis Bordeaux, von Orleans bis zu den Pyrenäen und Barcelona reichte. Die Loire wurde seine nördliche Grenze. Der erste König der nach dem Tod des Walia (419) in diesem durch theodosianischen Vertrag gesicherten Land in der Gallia gewählt wird trägt den Namen Theude-red
148
auch als Theodo-rid
überliefert. Zwar ist er kein geblütsrechtlicher Theodosier doch seine spätere Rück-bindung an das Haus Theodosius machte auch ihn zum Theodos-ianer. Als erster aller gotischen reiks oder trägt er einen Theod-isken Namen der sowohl auf das gotische
iudans
iudans wie auch auf Kaiser Theodo-
sius verweist. Er hatte auch als erster der Goten-reiks im Westen sein eigenes
iudan-gardi nicht
mehr allein von der Gunst des Westkaisers abhängig gemacht – er war aus eigener Kraft ein machtvoller Herrscher und
iudans in Gallien geworden. Er ist jener rex bei welchem das
iuda-gotische
durch eine gezielte und königliche Namensgebung mit dem Erbe des Großen Kaisers der Römer Theodos verschmilzt. Mit ihm und durch ihn wird Theodos-ianisch als Synonym eigenen Machtanspruchs der Goten-reiks innerhalb des römischen Reiches auch im westlichen Teil heimisch. Das
iudische wurde damit auch dort zum Theodosianischen.
Theude-red begründete eine Theodisc Könige der
iudische Dynastie welche länger als ein Jahrhundert die 149
iuda- oder Wisi-goten stellen wird
. Der Begründer dieses Theudischen Herrrscherhau-
ses läßt sogar sein Leben für die kaiserlichen Theodosier und deren
iudans. Für Kaiser Valentinian
III., einem Enkel des Großen Theodos zieht er gegen Attila in den Krieg nach Gallien. Auf den mauriacischen Feldern nahe Orleans fällt er im Kampf. So machte er seinem Namen, ein zum Haus des Theodos Zurückgekehrter zu sein alle Ehre. Die Saga will es daß er dort von einem Ostro-Goten der 146
=Vertaglich gebundene Hilfstruppen Rom Obwohl den Goten in Sprach, Kultur und arianisch-christlicher Religion eng verwandt sind Vandalen kein wisi-gutes iuda-volk! 148 red-eo ist lat. zurück- wiedergekehrt, zur Besinnung kommend. Theude- steht für grecco-latinisiertes iudi. 149 bis zu Amal-rich, getötet 531 n.Chr. 147
41
im Gefolge der Hunnen mitkämpfte getötet worden sei. Sein eigenes Königs-geschlecht aber bildet einen ethnisch-dynastischen Zweig der Als das Reich, das
iudisch-theodiscen Wurzel auf dem Weg zum Deutschen.
iudan-gardi dieser wisi-gotischen Theodosianer um 506/07 von den Franken
erobert wird nennt sich deren siegreicher König Clodevech danach selber Augustus und seinen schon „stattlichen Sohn“ einen
150
iudi-reiks = Theude- rich
dosianischen Herrschaftsanspruch der
! Er übernimmt damit deutlich sichtbar den theo-
iudischen Wisigoten wie auch deren Rechte und Privilegien
aus der lex Gotica in Gallien. Das Deutsche kam so auch zu den Franken
2. Theodosische Vandalen - Von Geiserich bis Hilderich Die Vandalen sind ein Volk das mit jenen Luier / Lugiern gleichgesetzt wird welches Strabo, Tacitus und auch Ptolemaios unter diesen Namen in die Geschichtsschreibung einbrachten. Sein ursprünglicher Siedlungsraum erstreckte sich nördlich des Erz- und Riesengebierges von der Elbe „bis zur Quelle der Weichsel“
151
. Als ein großes und zahlreiches Volk zwischen Sveben und Goten siedelnd wird es
genannt. In den Markomannen-Kriegen des Marc Aurel (165-81) wird es bereits als Vandalen und an der Donau gegen Rom kämpfend bezeichnet. Unter diesem ihrem neuen Namen werden sie danach in Kultur, Sprache und Religion den ost-germanisch gotischen Völkern zugeordnet. Wie diese wurden sie ebenfalls arianische Christen. So hofften auch sie auf das von Wulfilas so formulierte assus, das Gottes-tum und auf und >reiks< mit
iudin-
iudan-gardi, das Gottes-reich auf Erden. Ob auch sie ihre Könige
iudans benannten ist nicht überliefert.
Nach ihrem Aufbruch aus Schlesien und der darauf folgenden Wanderungszüge über Pannonien (Ungarn) und Raetien zum Rhein (405/406 n.Chr.), von dort weiter durch Gallien und über die Pyrenäen landen sie zunächst in Spanien (409). Dort wird die eine Hälfte ihres Volkes, die Si-linger, von den
iudischen Wisi-Goten und deren König Walia besiegt und dezimiert. Ebenso ergeht es den mit-
gereisten Alanen die sich daraufhin dem König der As-dinger Vandalen unterordnen. Zwanzig Jahre später setzen diese Asdingischen Vandalen und Alanen gemeinsam über nach Afrika (429) und erobern das römische Karthago in Libyen (439). Ihnen glückte was den Wisi-goten zweimal mißlang. In der römisch-afrikanischen Provinz seßhaft geworden etablierten die Vandalen dort schon bald ein mächtiges Land- und Seereich am westlichen Mittelmeer, ihr eigenes Aus vandalischen Landratten wurden bald gefürchtete Seeräuber
iudan-gardi.
152
. Das westliche Mittelmeer wurde
nun zu ihrem mare nostrum. Auch die Inseln darin wurden sämtlich vandalische. In Griechenland wurden ihre Piratenzüge ebenso gefürchtet wie in der galizischen Nord-West-Ecke Spaniens an der Bis153
caya. Geise-rich war ihr >reiks< und König von 428 bis 477 und zugleich auch Herr nen Alanen. Er selbst nannte sich stolz „König des Festlandes und der See“
der mitgezoge-
154
. Von seinen Zeitgenos-
sen wurde er gleichermaßen gehaßt wie bewundert.
150
Gregor von Tours Ptolemaios 152 Schreiber 153 =got >fraujins< 154 Felix Dahn 151
42
Procop von Ceasareia, ein oströmischer Kriegsberichterstatter und Historiker nennt ihn um 550 „den neben Theuderich dem Goten, größten König der Barbaren“
155
. Jordanis, Verfasser der Gotenge-
schichte meinte etwa zur gleichen Zeit dieser Vandale „habe bisweilen schneller gehandelt als andere gedacht“
156
.
König Geise-reiks hatte auch mit dem Theodosischen Kaiser Valentinian III. seine maritimen Konflikte. Diese aber waren mit einem Ehe- und Bündnisvertrag um 442/445 beendet worden. Seit jenen Tagen trug ein Sohn des Vandalenkönigs den Namen Theodo- richos
157
. Im Namensbild der Vandalen war
ein Theo- bis dahin noch nie vorgekommen. Doch schon eine Verlobung mit dem Haus Theodosius hatte einen Vandalen-Prinzen offensichtlich zum Theodos-ianischen reiks werden lassen! Auch dies belegt die prägende Wirkung die
iudans Theodosius auf die gotischen Vöker des Westens ausübte.
Offensichtlich war Mann als reiks innerhalb des römischen Imperiums nur als ein Theodosianischer auch legitimiert. Nach dem Kaisermord an Valentinian im Jahr 455 benützte der Vandalenkönig seine Heiratsansprüche an das Theodosische Kaiser-Haus im West-reich um als dessen Rächer in Italien einzugreifen. Am 16. März 455 wurde der Dritte Valentinian ermordet, schon am letzten Mai-tag desselben Jahres 158
landete Geise-reiks gewaltige Flotte „zum Entsetzen der Römer“ vor ihrer Stadt
.
Der frischerhobene West-Kaiser Maximus verläßt dabei in schändlicher Flucht das Schlachtfeld und wird deshalb von seinen eigenen Soldaten gesteinigt. Er war nach Valentinians Tod zum Kaiser auf159
gestiegen und hatte dazu die kaiserliche Witwe Eudoxia in sein Bett gezwungen
. Mit dieser Verge-
waltigung hatte er sich wohl selber zum Theodosianer zu machen gehofft. Nach Geiserichs militärischem Landgang geschieht etwas für die Menschen jener Zeit geradezu Sensationelles. Nicht wie sonst und gerade auch bei den Römern selbst üblich wurde die Stadt verheert und verbrannt, die Menschen abgeschlachtet und geschändet. Das Kriegsrecht des Siegers galt in jenen Zeiten ja als ein absolutes, uneingeschränktes und war bei den Siegern und Verlierern gleichermaßen unbestritten. Doch Geise-reiks erzwang von seinen Vandalen, Alanen und maurischen Hilfsvölkern absolute Disziplin. Noch planvoller als dies der Wisigote Ala-reiks ein halbes Jahrhundert zuvor schon getan hatte (409) wurde Rom jetzt erneut ausgeplündert. „Mit der professionellen Ruhe moderner Mafiosi“ wurde der Alten Welt ruhmreichste Metropole zwei 160
Wochen lang systematisch nach Wertvollem abgesucht und ausgeräumt
. Was sich seit Alarichs
Raubzügen in fünf Jahrzehnten an Wertvollem in Rom wieder angesammelt hatte wurde nun zur Beute der theodosianischen Vandalen. Selbst Säulen und vergoldete Bronzeziegel wurden abmontiert und zusammen mit römischen Statuen in die Schiffe der Sieger umgeladen. Frauen und Töchter aus edlen Häusern wurden als kostbares Beutegut für spätere Lösegelder gepfändet. Der wertvollste Schatz aber der Geiserich in die Hände fiel waren drei (!) Theodosische Erbtöchter aus dem westlichen Kaiserhaus. Die inzwischen zweifache Kaiser-witwe Licinia Eudoxia und ihre Töchter, Placidia die Jüngere (nicht zu verwechseln mit der Galla-Placidia!) und Eudoxia die Jüngere wurden 155
Vandalenkrieg. Es war wohl auch dieser Chronist der gotisches dergab. 156 Zit. n. H.Schreber, Die Vandalen, S.165 157 Schreiber 158 Felix Dahn) 159 F.D. 160 Schreiber
iud mit griechischem Theyd = Θευδ wie-
43
als Kriegs-Beute des Siegers nach Afrika verschifft. Eine der drei kaiserlichen Damen wurde später gegen ein hohes Lösegeld wieder abgegeben, eine zweite aus politisch verwertbarer Großmut bargeldlos freigelassen. In Karthago wurde nun die zehn Jahre zuvor schon vereinbarte Hochzeit geschlossen. Doch nicht Theodo-richos sondern sein jüngerer Bruder ist jetzt der Bräutigam. Die Jüngere Eudoxia wird mit dem vandalischen Erb-prinzen und auserwählten Thron-Nachfolger vermählt. Dieser nimmt nun ebenfalls einen theodosianischen Namen an und wird zum theodiscen Erbfolger. Er nennt sich nach des Großen Theodos‘ Sohn Honorius selber Honor-richos
161
, ein Honorianischer reiks und
iudans also.
Als ein Königlicher und zugleich Theodosisch-Honorianischer Herrscher will sein Name ihn ausweisen. Zu Hune-rich verstümmelt aber geht er in die Geschichtsschreibung ein. Vermutlich war die Verfolgung der katholischen Christen die er als ein Arianer sehr grausam betrieb die Ursache dafür daß er als ein hunnischer reiks und allgemeiner >ChristenTheodisces< zu deutsch in Beziehung waren sie die Deutschen unter den Vandalen. Sie regierten in Karthago bis zum Jahr 530 n.Chr. Als eine Palastrevolte diese kaiserlich-theodisce Linie der Königs-Dynastie aus Macht und
iudan vertreibt gibt dieser Vor-
gang dem Ost-römischen Kaiser Justinian den willkommenen Anlaß wegen dieser gestürzten Theo163
dosier seinen Vernichtungskrieg gegen die Vandalen insgesamt zu beginnen
. Sie wurden dabei
zum ersten Opfer des Justitian auf dessen Weg zur (Rück-)Eroberung des Ein-Kaiser und Ein-Reich Status‘ der Römer. Justinian hatte begonnen das Teilungstestament des Theodosius von 395 einzukassieren. Im Jahr 533 vernichten seine ost-römischen Heere das Reich der Vandalen in Nordafrika. Ihre arianisch -
iudische Religion, ihre Sprache und Kultur werden ausgelöscht. Die Überlebenden werden
als Beute zu Sklaven des Siegers gemacht und nach Konstantinopel verschleppt. Unter ihnen waren auch jene Theodosier welche zuvor durch den Putsch gegen ihren theodiscen König Hilde-reiks (-rich) aus der Herrschaft gedrängt worden waren. Wie sehr aber selbst noch dieser Ost-Kaiser die geblütsrechtliche Tradition der Theodosischen Vandalen anerkannte zeigt sein Kriegsberichterstatter und Geheimschreiber Procopius von Cäseraia. Die nach Byzanz verbrachten Theodosier erhielten dort
161
Schreiber Die Analogie zu Attana-rich ist deutlich sichtbar, auch er gilt als ein >Christen-< und nicht Katholikenverfolger. 163 Hermann Schreiber und Procop v. Caesaria 162
44
kaiserliche Privilegien. Justinian „beschenkte die Töchter Hilderichs und alle die noch vom Kaiser Valentinian abstammen reichlich“ so schrieb er. Valentinian aber war wie wir wissen letzter männlicher Sproß aus dem Hause des Großen Theodosius gewesen und ein Jahrhundert zuvor schon ermordet worden (455). Noch in seinen vandalischbarbarischen Nachfahren aber ehrte der Sieger Justinian deren kaiserlich-dynastische Abkunft. In luxuriösem Gewahrsam lies er diese theodisce Nachkommenschaft dann aussterben. Damit war auch dieser hoffnungsvolle etymologische Trieb an der Wurzel des Deutschen für immer abgehackt. Bevor wir uns nun jenem Wurzelstrang zuwenden der das Deutsche am Leben halten und weitertragen wird sollen zuvor noch die italischen Theodosier und –ianer kurz gewürdigt sein. Auch sie versuchten durch eine Rückbindung an den Großen Theodos zu Vor-Deutschen zu werden. Denn noch bedeutet Theodosianisch nur sehr begrenzt eine ethnische Definition, in der Hauptsache definiert er den dynastisch-kaiserlichen Rückbezug auf den Großen Theodosius.
3. Gemischte Theodos-ier und –ianer oder wie auch Attila versuchte ein Deutscher zu werden Beginnen wir mit Stiliko. Er war ebenfalls ein germanischer Vandale. Als auffallend gut gewachsen, groß
164
und blond wird er beschrieben. Im römischen Heer hatte er Karriere gemacht. Im Jahr 383
wurde er von Kaiser Theodosius zu Friedensverhandlungen an den persichen Hof (got.= >gardsstilus< ist ein spitzer Pfahl, Stili-ko die (Bohnen-)Stange oder >lange Latte< ? F.Miltner , Germanische Führer der AntikeFr 166 Sie ist die spätere >Galla< Placidia
165
45
Burgunder überrollten das italische Noricum und Rhaetien und bedrohten die Grenzen am Rhein und damit Gallien (406). Südlich der Alpen war Ala-reiks mit seinen
iudischen Wisi-goten auf Achse und
Pferd um in Italien selbst durch die Arbeit des Krieges fette Beute zu machen. Die unter den Romanen sich ausbreitende Germanen-feindschaft führte dann zum Sturz des machtvollen Vandalen. Er stürzte letzlich über seinen Versuch mit dem Gotenkönig Ala-rich zu einen Kompromiß und sogar Bündnisvertrag zu gelangen. Dies wurde ihm als Verrat römischer Interessen ausgelegt. Stiliko und seine Familie wurden nach einem Putsch im Jahr 408 n.Chr. ermordet. Er war der erste Germane gewesen der versucht hatte durch Einheirat in die kaiserlich- theodosische Familie selber eine germano-römische Herrscher- und wohl auch Kaiser-dynastie zu begründen. Den Namen Flavius eines uralten römischen Kaiseradels hatte er sich dafür bereits selbst zugelegt. Flavius Stiliko zeigte sich so als ein erster Theodosianer unter den sogenannten Ost-Germanen sowohl im eigenen Machtanspruch wie auch durch seine Heiratspolitik. Er war auf dem besten Weg gewesen eine vandalo-römische Seitenlinie des Hauses Theodosius im Westreich zu etablieren. Doch mit seiner Ermordung war dieses erste barbaro-theodosische Experiment gescheitert.
Von Atta-wulf dem reiks der Wisigoten der nach ihm den zweiten Versuch unternahm ist schon an anderer Stelle berichtet.
Constantius, ein Feldherr des westlichen Kaisers Honorius wurde später ebenfalls durch Einheirat bei den Theodos‘ mächtig und groß. Als Führer des west-römischen Heeres hatte er die römerfeindlichen Wisi-Goten nach Atta-ulfs Ermordung in Gallien bekämpft. Nachdem er dessen gedemütigte Witwe Placidia zurück erobert hatte wurde sie in zweiter Ehe Gemahlin dieses siegreichen Constantinus. Er avancierte daraufhin 421 zum Mit-Kaiser des westlichen Honorius. Was die Skyto-Germanen Atta-ulf und Stiliko vergeblich versucht hatten gelang nun Constantius. Nach dem Tod Kaiser Honorius‘ wurde sein Sohn aus der Ehe mit Galla Placidia als der Dritte Valentinan Kaiser des Westens und in cognastisch-weiblicher Linie legitimer Erbe der Theodosischen Herrschaft und
iudan (423-55). Als
Augustus hatte er es dann des öfteren mit den Seepiraten des Vandalenkönigs Geiserich zu tun. Diese beherrschten mit ihren Seglern nicht nur die Küsten des westlichen Mittelmeeres. Valentinian III. bot dem vandalischen König Karthagos und des Meeres wie er sich selbst nannte einen Friedensvertrag an (442). Um dieses Stillhalte-Bündnis zu bekräftigen wurde ein Sohn des Vandalen-reiks mit der Tochter des Theodosischen Valentinian III. verlobt (um 442- 445). Damit begann sich jene dritte germano-theodosische Connection anzubahnen die noch ein Jahrhundert nach ihrem Beginn vom östlichen Kaiser Justinian respektiert werden soltte. 167
Auch Väterchen Attila
der Beherrscher aller skytischen Lande und Völker entlang der Donau vom 168
Schwarzen Meer bis zu ihren Quellen im Schwarz-wald
hatte vor seinem Zug nach Gallien 451
versucht durch Ein-heirat ein Theodosianischer zu werden. Um seine Vorzugsstellung als Verbündeter der theodosianisch-kaiserlichen Dynastie zu betonen hatte der Chan-Chan aller Hunnen vergeblich die kaiserliche Honoria als Braut für sich verlangt. Sie war eine Schwester des Dritten Valentinian, 167 168
got. Atta = Vater - ila =got. Dimin. Jordanis 46
Tochter der Gallischen Placidia und damit auch Enkeltochter des Großen Theodosius. Doch Attilas Brautwerbung wurde vom westlichen Kaiserhof abgelehnt. Zeitgenössische Autoren haben damals gemeint diese Ablehnung sei der direkte Anlaß für den Kriegszug des Hunnen nach Gallien gewor169
den
. Dort hatten die schwarzen Reiter zuvor schon öfters in römischem Dienst gekämpft. Die Wege
und Heerstrassen der Römer vom Balkan an die Loire waren ihnen also bestens vertraut. Wie meist war nördlich der Alpen und entlang der Donau im norisch-rhaetischen Korridor auch für die hunni170
schen Reiter der Weg von Pannonien nach Gallien vorgegeben
. Im Fall der Hunnen hatte dies mit
sich gebracht daß sie entlang der gesamten Donau bis hin zum Rhein ihr eigenes als skytisch benanntes Reich etabliert hatten. Nun versuchte Attila im Jahr 451 ganz offensichtlich auch noch die Gallia seiner skytho-hunnischen Herrschaft zu unterwerfen. Doch nachdem der Hunnenkönig schon in seinem Bemühen durch Ein-heirat ein Theodosianer zu werden gescheitert war mußte er nun zusätzlich noch seine Niederlage bei der Völkerschlacht auf den mauriacischen (=schwarzen ?) Feldern nahe Orleans in Gallien verkraften. Sein kriegsentscheidender Gegner dort war der Theodosianische
iudans der guten Wisi-goten, Theude-red.
Statt der verweigerten Braut aus West-Rom führte Väterchen Attila danach die germanische Prinzessin Hildiko seinem Harem zu. Während der Hochzeitsfeier betrank sich der Hunnen-Chagan dann anscheinend derart daß er noch in der Hochzeitsnacht an einem Blutsturz erstickte (453 n.Chr.). Der mächtige Chan aller Chane hatte sich schlicht zu Tode gesoffen. Auch dies ist Geschichte.
Ein weiterer Kriegsheld der Römer versuchte nun ebenfalls Theodosianer zu werden. Nach seinem Sieg über Attila und dessen Heere in Gallien verlangte der erfogreiche Feldherr und Stratege Roms, Aetius, als Lohn für sein Heldentum des Kaisers Valentinian edle Tochter zur Gemahlin. Auch er wollte seine militärische Karriere mit kaiserlich-theodosischem Glanz krönen, wollte zum Theodosianer, zum Vor-Deutschen werden. Doch Braut-vater Valentinian war offensichtlich anderer Meinung. Im Streit über die Anmaßung des Aetius erstach der aufgebrachte West-Kaiser seinen siegreichen Feldherrn eigenhändig (453). Diese Tat blieb jedoch nicht ohne Folgen. Nur ein Jahr später wurde der Kaiser selber aus Rache wie es hieß von zwei germanischen Legionären des toten Aetius ebenfalls erdolcht (455). Mit Valentinan III. aber starb zugleich auch der letzte männliche Erbe des Hauses Theodosius.
Anstifter dieses Kaisermordes war Petronius Maximus gewesen. Nach dem erfolgreichen Attentat ließ er sich selbst zum neuen Kaiser der West-römer ausrufen. Zu seiner Theodosianischen Legitimation 171
zwang er die Kaiser-witwe Liciania Eudoxia in sein eigenes Bett
. Mit dieser Vergewaltigung hatte
sich der römische Patrizier offensichtlich die Theodosianische Aura zu erzwingen erhofft. Eudoxias gleichnamige Tochter, die Jüngere Eudoxia vermählte er mit seinem Sohn Palladius. Ganz deutlich sichtbar wird dabei daß nicht nur germano-skytische Barbaren dem Geblütsrecht in der römischen Thronfolge allerhöchste Priorität zumaßen. Theodisce zu sein war auch unter Römischen in ! Doch des Maximus‘ theodisces Glück währte nicht lange. Noch im selben Jahr wurde er von seinen eigenen Soldaten wegen Feigheit vor dem Feind zu Tode gesteinigt (455). 169 170
Felix Dahn Durch Italien selbst durften barbarische Hilfsvölker der Römer nur selten ziehen. 47
Zu einer weiteren Theodisc-deutschen Dynastie hatte es auch in diesem Fall nicht gereicht.
An dieser Stelle sei in kurzer Blick in das östliche Reich der Römer gelenkt. Denn nicht nur im Westen versuchten ehrgeizige Helden und Aufsteiger durch Einheirat vom Theodosischen Kaiserglanz und dieser Herrschaft etwas abzubekommen. Im Ost-reich war die Theodos-Sippe mit dem Zweiten Theodosius schon 450 in männlicher Linie ausgestorben. Marcianos, der einst als Sklave am Hofe des Vandalen-reiks Geiserich in Karthago gelebt hatte wurde von diesem eines Orakels wegen freigelassen. Der vandalische Herrscher und
iudans über Land und Meer hatte beobachtet wie ein Adler über
seinem schlafenden Sklaven schwebte um ihm so mit seinem Schatten vor der glühenden Sonne Tunesiens zu schützen. Dies war dem Vandalischen König und reiks als ein verheißungsvolles Omen erschienen worauf er Marcian freiließ. Dieser war danach zum mächtigen Heerführer im Ost-reich aufgestiegen. Als solcher wurde er dann Ehemann der Pulcheria, einer Schwester des Zweiten Theodos. So war auch er zum Theodosianer geworden. Legitimiert durch das Geblütsrecht seiner kaiserlich-Theodosischen Gemahlin übernahm er dann selber die kaiserliche Herrschaft und Krone in Byzanz (450-457). Eine Tochter aus seiner Ehe mit Pulcheria trug dann ihrerseits die Theodosischkaiserlichen Erbrechte weiter. Ihr Gemahl wurde ein Anthemius. Doch ihm wurde die Nach- und 172
Tronfolge nach dem Tod seines Schwiegervaters durch einen Löwen
verwehrt. Statt seiner wurde
Leo / Leon zum Kaiser der östlichen Römer erhoben. Er hatte dazu der Theodosischen Legitimation nicht bedurft. Zurück in den Westen. Dort rauften und mordeten inzwischen unterschiedlichste Heerführer und Patrizier um das Theodosische Kaisererbe und die Herrschaft im Westreich. Rici-mer (=Recke und berühmt) ein Svebe aus Spanien und cognatischer Enkel des wisi-gotischen Königs Walia hält als Militärchef und Kaisermacher die Fäden der Macht in seinen Händen
173
. Er enscheidet jetzt darüber wer
den kaiserlichen Purpur und das Diadem des West-reiches tragen darf. Gegen ihn schickt der Ostkaiser Leo nun seinen Theodosianer, den Schwiegersohn von Marcian und Pulcheria, Anthemius ins Rennen. Sollte der sich doch in Italien seine Theodosianischen Ansprüche erkämpfen! Ricimer, der berühmte Recke erwies sich jedoch als ebenso clever wie ruhmreich. Dem kaiserlichen Ostimport setzte er nun seinerseits einen Theodosianischen Trumpf entgegen - Ancinius Olybris einen Römer aus dem Senatorenstand. Er hatte um 462 die Jüngere Placidia aus vandalischem Beutegut freigekauft und geheiratet. So war auch er zu einem Theodosier geworden. Recimer besiegte den aus dem Ost-reich stammenden Anthemius und ließ ihn danach ermorden (472). Anschließend ließ er seinen Olybris zum Titular-Kaiser des Westens erheben. Noch einmal regierte also für kurze Zeit und letztmalig ein geblütsrechtlich legitimierter Theodiscer Herrscher in West-rom. Doch die Pest machte dieser theodosianischen Kaiserherrschaft ein baldiges Ende. West-kaiser Olybris starb durch sie ebenso wie sein Protektor Recimer noch im Jahr 472. Damit aber war Theodosisch legitimierte Kaiser-Herrschaft in der Italia wie auch im West-reich der Römer endgültig zu Ende. Zuvor jedoch hatte der goto-svebische Recke noch einen Coup gelandet. Er hatte die Tochter des von 174
ihm ermordeten Anthemius geheiratet und mit ihr einen Sohn gezeugt
. Gregor von Tours der erste
171
F.Dahn got.=Liuva 173 F.D. 174 H. Schreiber 172
48
fränkische Geschichtsschreiber berichtet um 590 n.Chr. in seiner Fänkische Geschichte wie er in „römischen Konsularlisten“ gefunden habe „daß der Frankenkönig Theudo-mer ein Sohn Recimers und seine Mutter Ascyla mit dem Schwert hingerichtet worden seien“
175
. Ascyla aber war die Tochter des
Anthemius und mütterlicherseits wohl eine geblütsrechtliche Theodosierin gewesen. Hermann Schreiber erwähnt in seinem Buch „Die Vandalen“ ebenfalls eine Tochter (N.N.) des von Ostrom geschickten Theodosianischen Anthemius als Gemahlin des Ricimer. Aus dem historischen Kontext um diesen Recken zeigt sich deutlich daß auch dieser Svebo-Gote mit allen Mitteln versucht hatte seine Regentschaft in Italien durch das geblütsrechtliche Erbe des Hauses Theodosius zu legitimieren. Daß er dabei seinen Sohn aus einer Theodosischen Ehe Theodo-mer (= Glänzender Theodo) benannt haben soll ist mehr als nur wahrscheinlich. Nach Gregor von Tours soll dieser dann zwar ein König der Franken aber trotzdem hingerichtet worden sein. Entspricht Gregors Hinweis der Realität so wäre dies zugleich auch der erste Theodo/Theude bei den Franken gewesen. Doch auch er trug seinen Namen im Rückbezug auf den Großen Kaiser der Römer Theodosius.
Diese insgesamt doch etwas verwirrenden Personalia sollen jedoch nicht dazu dienen die Spätzeit des untergehenden West-Römischen Reiches zu erhellen. Sie sollen lediglich aufzeigen wie wichtig die Theodosianische Legitimation im Niedergang des Imperiums für Regenten, Usurpatoren und andere Machthaber gewesen ist. Und dies nicht nur bei goto-germanischen Barbaren. Wer auch immer in jener frühen Ära der Völkerwanderungszeit das römische Erbe dieses untergehenden Weltreiches an sich zu reißen versuchte tat dies auch als ein Theodosianer, als ein Nachfolger des Großen Theodosius und seiner Kaiserdynastie - sprachgeschichtlich als ein theodiscer und damit Vor-Deutscher! Diese Vor-Deutschen Theodosianer aber bilden die unverzichtbare Brücke auf welcher die antike Sprachwurzel dieser Definition in das Mittelalter und von da in die Neuzeit herüber wachsen konnte. Ohne antike Theodos-ier und –ianer keine Deutschen! Doch bis in die Zeit um 500/555 n.Chr. definierte diese Bezeichnung einen dynastischgeblütsrechtlichen Rück-Bezug und noch nicht eine ethnische Benennung. Theodisce, also deutsch zu sein ist bis zu diesem Zeitpunkt bezogen auf den Großen Kaiser Theodosius I., seine auch seine Gesetze
iudan und
176
. Im Bewußtsein der Zeitgenossen endet seine Theodosische Dynastie, das
Kaiser-Haus Theodosius erst mit der Vernichtung des Theodosich-vandalischen Königshauses durch Kaiser Justitian im Jahr 533 n.Chr.
177
.
Das Römische wiederum wurde nach dem Erlöschen der Theodosianischen Herrschaft im West-reich allein durch die katholischen Bischöfe von Rom und deren Klerus weitergetragen. Diese römische Kirche nahm schon sehr früh für sich in Anspruch im Westreich einzig wahrer Erbe und Nachfolger des ermordeten und letzten Theodosiers Valentinian III. zu sein. Der Vatikan kolportierte es sei noch Valentinian selbst gewesen der die Herrschaft im Westen dem Heiligen Stuhl Petri übertragen habe. Der römische Papst wurde so nicht nur zum ideellen Bewahrer des antiken Römertums im Abendland. Bei den gotischen Völkern aber führte der Rückbezug auf Theodosius zu einer entsprechend theodiscen
Namensbildung
bei
ihren
jeweils
herrschenden
Theodosianische überlagerte dort das gotisch 175 176
Königs-dynastien.
Das
Kaiserlich-
iudische. Dies ist verständlich wenn man beachtet
II 9 Lex Gotica und Teilungs-Testament von 395 49
daß deren Existenzrecht auf überlassenem Land als autonome Volksgruppen unter eigenen Königen und innerhalb des römischen Imperiums sich allein auf die lex Gotica des Großen Theodosius begründete. So wurde er in Sprache und Bewußtsein dieser Völker zum Herrscher und schlechthin, auch sein Name zum Titel –
iudans
iudans wurde so zu Theodans.
In seiner ethnischen Definition aber erwuchs das Deutsche aus dem Theodosianischen Erbe dauerhaft erst aus einem ostro-gotischen
iuda-zweig aus Pannonnien. Dessen König Theode-rich der
Große wird erneut einen semantisch-etymologischen Bedeutungswechsel herbeiführen. Wirklich zu Deutsch geworden ist nur seine und Theodorich-ische Hinterlassenschaft.
An dieser Stelle sei ein kurzer Blick auf
iudisches wieTheodosianisches dieser Jahre im Römerreich
insgesamt gelenkt. In Ost-Rom ist die Theodosianische Herrschaft seit Marcians Tod 457 engültig zu Ende. In der Italia sind die Verhältnisse weitaus chaotischer. Der letzte männliche Theodosier wurde dort 455 ermordet - Valentinian III. Das als heilig geltende Geblüts-recht der Theodosichen KaiserDynastie war durch drei edle Frauen weitergetragen worden. Doch im Jahr 455 hatte der Vandalenkönig diese drei Prinzessinen als Kriegsbeute aus Rom nach Karthago ausgeführt. Eine von ihnen hatte dort einen Theodosisch-Honorianischen Familien-zweig im Vandalischen Königshaus begründet der lebendig geblieben war. In Gallien regierte seit 419 mit Theude-red eine sich auf Theodosianische Rechte und Privilegien berufende Dynastie der
iudischen Wisi-Goten.
In Pannonien (=West-Ungarn, Slovenien, Jugoslawien) regiert nach dem Zerfall des hunnischen Imperium des Attila eine ostro-gotische Königssippe, die Amaler, welche sich zur Legitimation ihrer Rechte und Ansiedlung im Reich der Römer auf das theodosische Kaiserhaus beruft und sich nach diesem auch benennt -
177 178
iudi-mir ist ihr König, Theyde-richos
178
der Erbprinz.
s.Procop So benennt ihn Procop 50
4. Theodosianische Purpur-Goten- Der Große Theoderich alias Diet rich von Bern Langsam aber stetig verbreitete sich der Name ihres Protektors Theodosios in den germanogotischen Königsfamilien des Westreichs. Doch auch im Ost reich hatte sich inzwischen Theodisces formiert. Nachdem der Chan aller Chane in einer wilden Hochzeitsnacht sein Leben gelassen hatte gab es kein Halten mehr im Großreich des Attila. Fast alle der von ihm beherrschten Nicht-Hunnen verweigerten seinen Nachfolgern und den Erben die Gefolgschaft. Angeführt vom Gepiden-könig Arda-reiks kam es zu einem gewaltigen Befreiungskrieg durch welchen das hunnische Imperium in Trümmer zerbarst. Auch jene Ostro-goten die nach 375 n.Chr. unter die Oberherrschaft der Hunnen-Chane gerieten und deshalb keine
iudi-Goten geworden waren erkämpften sich in mehreren Kriegen ihre Unabhängig179
keit zurück. Drei Brüder aus dem uralten Königshaus des Amala
(auch sie zuvor noch Vassallen
Attilas) teilten sich die Königsherrschaft der nun wieder befreiten Ostro-Goten – Wala-mir, Widi-mir und
iudi-mir. Nomen est omen auch hier. Die berühmten oder auch ruhmvollen (germanisch = mar -
mer – mir) Gotenkönige tragen ihre Namen als ein bedeutungsvolles Signal. Wala- und Widi- zeigen ihre traditionell gotische Bezugnahme während
iudi- das Neue unter ihnen repräsentiert. Er trägt
sein Namenskleid zwar noch in der von Wulfilas einst geschaffenen gotischen Schreibweise (gotisches
180
iudi wird grecco-lateinisch zu Theude
und dessen
), doch der Verweis auf das Theodosische Kaiserhaus
iudan-gardi in Byzanz ist trotzdem unverkennbar. Als ruhmreich und Theodos-ianisch
zugleich weist sich
iudi-mir mit seinem gotischen Namen aus - als erster aller ostro-gotischen Herr-
scher bezieht er sich auf Kaiser Theodosius! Die Unabhängigkeitskriege der Ostro-Goten nach 453 fallen noch in die Regierungszeit des OstKaisers Marcianos (450- 457). Seine Kaiserkrone verdankt dieser
iudans der Ehe mit Pulcheria ei-
ner Schwester seines Vorgängers Theodos II. Die Ehe mit ihr brachte dem einstigen Sklaven und späteren Feldherrn Marcian die theodosianische Legitimation zur Kaiserherrschaft im Ostreich. Mit diesem Erben und Nachfolger der Theodiscen knüpfte der ostro-gotische Teil-König
iudi-mir nun
erste Kontakte. Er bittet das oströmische Reich um Land anstatt dort gewaltsam und auf eigenes Kriegsrecht gestützt zu siedeln. Der Erste Theodosius hatte ja einst allen Gotenvölkern (=universa gens Gotorum) das Gastrecht im römischen Reich zugesichert, de jure also auch den Purpur-goten. An ihn und seine Patronage erinnernd trägt
iudi-mir seinen bisher unter Ostro-Goten nicht gebräuch-
lichen Namen. Auch für diese einstigen Purpur-Goten verwob sich nun ihr eigensprachliches
iudans
für den Herrscher mit dem Namen des toten Kaisers Theodosius synonymisch. Die von Wulfilas ein Jahrhundert zuvor geschaffene Schrift-sprache der Goten und die darin formulierten Begriffe mögen dabei ebenfalls ihren Ausdruck nun auch bei den von hunnischer Herrschaft gerade Befreiten finden. Vom herrschenden Kaiser Marcian „sehr freundlich aufgenommen“ erhielten die Ostro-Goten
iudi-
mirs und die seiner Brüder Pannonien als neue Heimat zugewiesen (=West-Ungarn und ExJugoslawien. In drei Stämme aufgeteilt „doch einig im Sinn“ siedeln sie jetzt im theodosianisch179
=ein mythischer König um 200 n.Chr. 51
kaiserlichen Pannonien und etablieren dort ihr
iudan-gardi,
iudi-mir und die Seinen am ungari-
schen Pelsois (=Plattensee). In der Folgezeit wurde Pannonien von Wien bis Belgrad zwischen Donau und Drau ostro-gotisch
181
iudischer Besitz
. iudisch-Theodosianischen Wisi-
Zeitgleich regierte in Gallien eine stammesverwandte Dynastie der
goten bereits seit 419. Sie hatte sich schon früher mit der Theodosischen Dynastie im West-reich arrangiert. Ihr Zweiter Theode-reiks hatte dort gerade das Sagen. In Karthago schmückten sich gar zwei Vandalen-prinzen und reiks ebenfalls mit Theodosianischen Namen. Nun ziehen die Ostro-Goten und die Königssippe der Amaler nach. König könnte es auch anders sein,
iudi-mir wird in der Puszta ein Sohn geboren den er, wie
iudi-reiks - Theyde-richos
182
benennt. Als Theode-rich wird er später
berühmt und mächtig werden. Zu einem theodosianisch legitimierten reiks/richos/rich und
iudans
über die Ostro-Goten innerhalb des Römerreiches aber hat der Vater diesen Knaben durch seine Namensgebung schon sehr früh bestimmt. Kurze Zeit später stirbt auf dem östlichen Kaiserthron der letzte Theodosianer, Marcian (457). Nur zwei Jahre zuvor war im Westen Valentinian III. ermordet worden. Die Theodosische Herrschaft, ihre iudan im Reich der Römer neigt sich dem Ende zu. Nun bleiben auch „die gewohnten Gaben“
183
vom östlichen Kaiserhof an die Goten aus. Eine Gesandtschaft wird vom Plattensee nach Byzanz geschickt um dort nach dem Rechten zu sehen. In der Residenz, dem >gards< angekommen entdeckt sie daß ihr
iudi-König gelinkt wurde. Am Hof des neuen Kaisers Leo I. (457-474) hatte ein anderer
Gote „aber nicht aus dem Blute der Amaler“ die kaiserliche Gunst samt Jahresgaben einkassiert. Auch er nannte sich (welch eine Anmaßung!) zur Legitimation Theodo-richos. Strabo - der Schieler - war sein Zweitname. Nun machten die echten theodosianischen Goten Randale. Sie „durchzogen, plünderten und verheerten fast ganz Illyricum“. Der neue Kaiser sah daraufhin seinen Irrtum ein, „er kam wieder zur alten Freundschaft zurück“, und zahlte gleichzeitig „die zurückliegenden wie auch bevorstehenden Geschenke“
184
an die richtigen
iudi-Goten aus. Allerdings mußte im Gegenzug der echte
Theude-reiks, ein Knabe von inzwischen sieben Jahren als Bürge und Geisel für die neue Freundschaft an den Kaiserhof zu Leo nach Byzanz umziehen (um 461). Der Ost-Kaiser hatte seinen Frieden mit Goten gemacht (wohl machen müssen! ). Die lex Gotica des Theodosius hatte auch ihm dazu die Basis geboten und zugleich wohl auch seine Grenzen aufgezeigt. „Nach dem so der Frieden mit den Römern sichergestellt“ Goten ihren Besitz und
185
war begannen die
iudischen Ostro-
iudan-gardi entlang der Donau auszuweiten. Auch der heilige Severin mach-
te so die Bekanntschaft mit ihnen. Er missionierte in jenen Jahren am norischen Donauufer zwischen Passau und Wien und versuchte gleichzeitig das spät-römische Chaos dort etwas zu organisieren 186
(nein, Baiern gab es dort noch keine - lediglich einen >Ort Bojotro
Theode-richder GroßeGermaniensreiks< von Toledo. Der Amala-herrscher Theoderich von Italien übernimmt für den noch unmündigen Sohn seines toten Schwiegersohnes Alarich und dessen Witwe Theodo-Goto die Regentschaft nun auch über die Wisi-goten. Seinem Enkel Amal-rich (=ein reiks der Amaler) traute er wohl noch nicht zu der fränkischen Expansion wirksam standhalten zu können. Doch ihm selber gelang dies eindeutig. „Nie wich der Gote vor dem Franken, so lange Theoderich lebte“ zieht Jordanis in seiner Gotengeschichte das 199
Fazit aus dieser Epoche
. Nach den Jahren 506/507 steht Theoderich unbestritten auf der Höhe
seiner Machtentfaltung. Nun wird gotisches
iudan auch zu seiner Theodan, er selber der Große.
Außer den Franken stehen alle germanischen Könige im westlichen Abend-land unter seinem Patronat. Als Kaiser des Westens tritt er jedoch nur indirekt auf. Gegenüber dem kaiserlichen Hof in Byzanz gibt er sich stets als untergeordneter Statthalter und bleibt Patrizius der Römer. Doch de facto ist er der Beherrscher des Westens zumindest rund um das westliche Mittelmeer, auch wenn er sich selbst zurückhaltend nur >rex< nennt. Seinen germanischen Königskollegen und Patronats-schützlingen jedoch macht er den Rangunterschied ihrer königlichen Herkunft im Gegensatz zu seinem eigenen und „kaiserlichen Geblüt“ sehr deutlich klar
200
. Den Titel Augustus (= Kaiser) jedoch überläßt er dem
Gallo-Franken Chlodovech. Es ist diese unumschränkte wie auch als gerecht empfundene und kaisergleiche Herrschaft welche die
iudan dieses Theodo-rich und seinen Namen nun bei den gotischen Völkern zum Synonym für
Herrscher und
iudans werden läßt. Nicht mehr der Große Theodosius sondern der ebenfalls Große
Theodo-rich wird jetzt in Person und Name zur Verkörperung des Herrschers, läßt auch seinen Namen zum Titel werden. Er wird zum personalen Symbol des gotischen scher.
iudans als der Herr-
iudin-assus wird jetzt zu seiner Herr-schaft, dem König-tum des Theodo-rich. Sprachlich
wandelt sich
201
iudan als die Herrschaft zur >theodan< des Theode-rich
. Mit Theoderich, durch ihn
und seine Herrschaft erhält das theodisce nun seinen entscheidenden Bedeutungswandel in zweierlei Weise. Der gotische Begriff
iudans für Herrschaft welcher durch und mit Theodosius zu bei den
gotischen Völkern zum Synonym für römisch-Theodosianische Kaiser-herrschaft geworden war wechselt durch die kaisergleiche Machtstellung die auch Theode-rich erreichte auf diesen über.
iu-
dan/Theodan wird nun auch durch die Herrschaft des Theode-rich definiert. Er ist der Goten eigener Theodans, der Herrscher und König und
iudans in ihrer eigenen Sprache. Zugleich wird er auch die
Ursache für ein ethnisch definierendes theodisce welches das
iudisch in sich aufnimmt. Seine Ostro-
Goten sind nich mehr Theodosianisch sondern Theodorich-isch – theodisce. Doch dieses theodisce ist zugleich auch ein gotisches! Dadurch unterscheidet es sich von anderen Germanen. Zwar sind auch die Goten Germanen – doch nur einige Germanenvölker zählen zur Gefolgschaft dieses Großen Königs und sind Theoderichs Leute, sind theodisce. Durch die Person dieses Theoderich beginnt so das Deutsche den uns vertrauten Inhalt zu bekommen. Durch ihn wird das 199 200
iudische erst wirklich
LVII F. Dahn 56
deutsch. War es bisher verknüpft mit der arianischen Bibel des Wulfilas und deren Wortprägungen sowie den Privilegien aus der lex Gotica so bezieht sich theodisce nun auf die Person des Großen Goten Theoderich. Er gibt der politisch-historischen wie auch ethno-kulturellen Definition des >theodiscediete< weil Gefolgschaft des Diet-rich von Bern wie Theode-rich aus Verona inzwischen genannt wurde. Ganz besonders galt dies für jene die in den Italischen Provinzen Rhaetien und Noricum nördlich der Alpen bis zur Donau siedelten - dort wo Alamannen, Schwaben und später auch die Baiern leben. Auch die Thüringer sind diete lit. Einen weiteren theodiscen Keim legte der Große Gote mit seiner Gesetzgebung (=edictum Theoderici) in Italien. Indem er dort zwei unterschiedliche Rechtsverfassungen etablierte, eine für Goten (und andere Germanen) sowie eine andere für römische Italiker trennte er seine Untertanen in der Präfektur Italia zugleich in zwei ethnisch unterscheidbare Gruppen. Den Römern/Romanen stehen Theoderichs eigene Stammesverwandte, die Theodorici - Theodisci - Tedesci, also die Deutschen im Land gegenüber. Es ist die Italia welche die Unterscheidung in Romanen und gotisch-Theodorich-ische Deutsche quasi naturwüchsig hervorbrachte. Mit diesem klassifizierenden Begriff wurden jedoch nicht die Germanen im Allgemeinen sondern eben nur jene >Leute des Theoderich< zuerst benannt. Über diese Goten hinaus hat dann dieser Name auch die Alamannen, Schwaben und Thüringer als Juniorpartner dieses Gotenkönigs besonders betroffen. Die Franken hingegen blieben was sie schon immer waren – fränkische Germanen in der Gallia – Gallo-Franken. Sie selbst machten in ihrem Dialekt
iudisch-theodisces zu >tieisHerrschaft< ebenfalls übernommen. Bruckner 57
dort wegen seiner barbarischen Rohheit Panik und Entsetzen verbreitete. Nach ihren jeweiligen Herrschern benannt wären auch diese Franken
iudisch Theodisce Theud-inger gewesen. Aus italo-
römischem Blickwinkel mag es dabei sekundär gewesen sein welchem Stamm diese alles verheerenden Barbaren jeweils zugehörig waren. Ob Goten, Alamannen, Schwaben oder Franken – theodisce/theudisch waren sie allesamt - gli Tedesci und ein Theudischer Horror. La Germania hingegen blieb stets eine völlig andere Sache! So wurde in Italien dem
iudisch-theodiscen Deutsch endgültig sein herrscherbezogenes Etymon als
ein adjektivisches eingewoben – Theodorich-isch! Nicht eine Ethnie oder Rasse sondern allein die Zugehörigkeit zum Großen König der Ostro-goten Italiens definierte so >die Deutschendiete lit< überlebte die ganze Grup-
pe im kollektiven Gedächtnis der Völker - in Saga und Mythos.
202
Diwald. >tieis< darf wohl als westfränkische Formulierung für gotisches thiud gelten. 58
III. Buch Das Deutsche im Reich der Merovinger Franken
1. Theudische Kaiserfranken - Augustus Chlodowech und das Reich des Theuderich Ein völlig anderes Selbst- und Machverständnis als es uns von den Goten überliefert wird tritt uns bei den Franken gegenüber. Als Überwinder der römischen Grenzlinien am Niederrhein tauchen sie erstmals und gemeinsam mit den ersten so genannten Alamannen in das Licht der Geschichtsschreibung. 203
Während die „Frakkr“, so ihr epischer Name
, die römische Belgica erobern ziehen die Alamannen
zum Oberrhein und Neckar. Die dortigen ebenfalls römischen „agri decumates“
204
werden später ihre
neue Heimat. Allerdings berichtet ein römischer Chronist daß auch Utrecht, das römische munimentum Trajani, in Holland auf „alamannischem“ Boden läge und die Stadt auch von diesen zerstört wor205
den sei
. Demnach waren die ersten Alamannen entlang des gesamten germanischen Rheins un206
terwegs und aktiv. Waren sie also doch geflügelte
weil >berittene< Mannen?
Das Gallo-römische Land aber überließen sie offenbar den Franken. Bei diesen kam 482 n.Chr. Chlodovech an die Macht. 486 zerschlug er die Reste römischer Herrschaft in Gallien. Römisches RestReich samt dazugehörigem dux Syagrius wurden seine Beute. 207
Dieser Franke der seine Sippe auf einen Meeresgott zurück führte und wohl deshalb ein >Salier
frango< benennt im Lateinischen eine Vielzahl von Wörtern mit der Bedeutung von zerbrechen, zerstören, zermalmen,zerstören, überwinden, entmutigen und ähnlich. Setzt man hinzu daß die gefürchtete Schleuderwaffe der Franken eine Wurf- und Streitaxt, die sog. Franzisca war, dann könnte >Frakkr> durchaus im Sinne von >die mit der Axt Zerschmetternden< gedeutet werden. 204 So wurde das Land am Neckar zwischen Bodensee/Hochrhein und dem Ober-germanischen Limes bis zum Main definiert 205 Felix Dahn 206 lat.>alaFlügel<eines Heeres wie auch eine Reitereinheit. Als >Alarii< wurden verbündete Reitertruppen benannt. In antiken Berichten wird häufig die ganz besondere Reiterklasse und Pferdezucht svebischer Germanen erwähnt. Auch die ersten so genannten Ala-mannen werden oft wegen ihrer >Schnelligkeit< erwähnt. 207 lat. salsi potens = >Meerbeherrscher< und Beiname des Neptun) 59
den Berg bei Urach auf der schwäbischen Alb zerstört. Dort stoppte ihn dann der Große Gote Theoderich. Er nahm die besiegten Alamannen unter seinen Schirm und Schutz und bot ihnen innerhalb seiner eigenen Präfektur Italia in Rhaetien und dem Noricum eine neue Heimat. Das Ziel der fränkischen Expansion liegt sichtbar offen - es war die noch immer römische Gallia. Zu dieser römischen >Präfektur< zählten auch Britannien und Spanien. Vom nordafrikanischen Tanger bis zum Hadrianswall an Schottlands Grenzen erstreckte sich einst die Herrschaft des gallischen Präfekten. Ostroms Geheimschreiber Procopius berichtet daß die Franken sehr wohl auch „für sich gewisse Ansprüche auf die Insel“ der Briten ableiten würden. Um „den Glauben zu erwecken“ daß Britanien bereits unter ihrer Oberherrschaft stehe hatte „kurz zuvor der Frankenkönig“ einer Gesandtschaft 209
an Kaiser Justinian „einige Angeln“ von der Insel hinzugesellt
. König Chlodovech hatte seine Ziele
erkennbar weit gesteckt. So wie der Ostro-gote Theoderich die Präfektur >Italia< mit all ihren Provinzen beherrschte will der Franke Chlodovech Herr über die gesamte Gallia werden. So ist es nur logisch daß nach den Alamannen die Wisi-goten und ihr >reiks< von Tolosa jenseits der Loire zum nächsten Opfer fränkischer Expansion wurden. Wohl im Jahr 507 fallen die Heere Chlodovechs in die wisi-gotische Aquitania ein, vernichten Reich und
iudan-gardi von Tolosa und töten den
theodiscen Gotenkönig Ala-rich der Zweite. Dessen Sohn Amal-rich (=reiks) aus der Ehe mit Theoderichs Tochter Ostro-goto entkommt den fränkischen Eroberern nach Spanien. Nach dem Tod des Zweiten Alarich aus der theodosianischen Königs-Sippe deren Begründer Theode-red (419-451) gewesen ist, übernahm nun der Franke Chlodevech auch deren Rechte und Privilegien aus der lex Gotica in Gallien. Er und seine Franken waren im Gegensatz zu den besiegten Goten nicht durch theodosianischen Vertrag mit Übergabe sondern durch kriegerische Eroberung Besitzer und Bewohner der Gallia geworden. Dies blieb ihnen stets bewußt. In einer für sie günstigen Situation muß der Ost-Kaiser später ihre dortigen Erwerbungen legalisieren
210
.
Die völlige Unterwerfung und damit Verknechtung der Wisi-goten verhinderte wiederum nur der Ostrogotenkönig Theoderich. Sein aus Italien kommendes Heer stoppte die Franken und versperrte ihnen erfolgreich den Weg zum Mittelmeer. Die Südküste Galliens blieb weiterhin gotisch. Die besiegten Wisi-goten aber siedelten um nach Spanien und gründeten dort ihr zweites Reich, das von Toledo am Tajo. Entlang der Mittelmeerküste, von Barcelona bis Marseille verband ein Landstreifen die Ostrogoten Italiens ungehindert und direkt mit ihren stammesverwandten Wisi-goten auf der Iberischen Halbinsel. Der Große Theodorich in Verona wurde nun für zwei Jahrzehnte zum Allein-Herrscher und iudans über beide gotischen Völker. Damit wurde wohl in der Sprache der Goten
iudan endgütig
211
durch >Theodan< ersetzt
.
Nach seinem Sieg über Alarich II. kehrte Frankens König Chlodovech nach Norden zurück. Das römische Paris wurde nun seine Residenz und Hauptstadt. Er selbst legte sich dort „den Purpurrock und Mantel an und schmückte sein Haupt mit einem Diadem“. Damit hatte sich Chlodovech selbst zum Kaiser gemacht denn der Purpur stand noch immer nur dem Kaiser zu, ebenso das Diadem. Danach stieg er auf sein Pferd und „streute mit eigener Hand Geld und Silber unter das Volk“. 208
s. Gregor v. Tours Gotenkrieg, IV, 20 210 Procop 211 Auch bei jenen Langobarden die nach den Ostrogoten in Itallien seßhaft wurden blieb >Theodan< das Wort für >Herrschaftdie Römer< im Land. Der neue gallo-fränkische Augustus war damit ebenfalls zu einem kaiserlichen Theodosianer geworden. Er beanspruchte für sich selbst die Attribute jenes autonomen West-reichs welches Theodosius hinterlassen hatte. Mit seinem Sieg im Jahr 507 hatte Chlodovech auch zugleich die Rechtsnachfolge der
iudisch-Theodosianischen Wisi-gotenkönige in Gallien angetreten. Sein eigener Machtanspruch
jedoch reichte wohl über die Präfektur Gallia hinaus. Das Ganze aber war ein Affront sowohl gegen den Ost-kaiser wie auch die römisch-katholische Kirche. Für beide galt bereits die These ein Kaiser – ein römisches Reich. Wie sehr der Franken-könig die Eintracht zwischen Kirche und Kaiser störte kann man in Gregor von Tours Fänkische Geschichte deutlich nachlesen. Hatte er Chlodovech ob seiner katholischen Taufe noch als „ein neuer Constantin“ gepriesen verhält er sich dem selbsternannten „Augustus“ gegenüber äußerst kühl
213
. Die Ein-Kaiser
These war zu Gregors Lebenszeit längst zum unbestritten gültigen Dogma auch im Westen geworden. Chlodowechs Eigen-krönung zum West-Kaiser paßte deshalb absolut nicht in das Weltbild des Bischofs von Tours. Sei es nun daß er gotische Herrschaftstermini und Königs-Titel übernahm, sei es daß er aus theodosianischem Kaisermachtanspruch dazu kam, seinen ältesten Sohn jedenfalls nannte Augustus Chlodovech nun Namen trägt
iudi-reiks = Theude-rich! Er ist der erste Franke der diesen gotisch-theodosianischen 214
. Er hatte im Krieg gegen die Wisigoten schon tatkräftig mitgekämpft und sich dabei
eigene Gaue in der Auvergne und der Aquitania erobert. Gotische Provinzen wurden dadurch zu seiner persönlichen Beute und eigenem Besitz. Offensichtlich auch deren Wort für den Herrscher =
iu-
215
dan, von Grecco-lateinern als >Theude-< notiert
.
Die Zwangsläufigkeit der theodiscen Namenswahl in Zusammenhang von Legitimation eigenen Machtanspruches im untergehenden Römer-reich des Westens ist dabei auch bei diesen Franken unübersehbar. Denn noch immer ist Gallien ja römische Präfektur. Wer dort als Germane in die römischen Fußstapfen der Theodosianischen Dynastie treten wollte mußte wohl auch Theodo- zumindest aber Theude- heißen und damit zu einem Vor-deutschen werden. Die skytischen Goten hatten dafür das Vorbild gesetzt Großen Kaiser Theodosius überdeutlich.
216
. Immer ist dabei die Rückbindung an jenen
iudi-, Theude-, Theodo ist dabei stets mehr als nur ein
Name. Es ist der in gotischer Sprache zum Titel gewordene Anspruch auf Theodosianische Herrschaft
212
Gregor v. Tours, II 38 II 31 214 Von jenem ebenfalls von Gregor erwähnten Theudo-mer und > Sohn Ricimers< abgesehen. 215 Procop schreibt Θευ=They was lat. zu Theu-wird 216 Wisi-goten 419, die Vandalen um 443/45 und erneut 455, Ostro-goten nach 453 und nun 507 die Franken. 213
61
und deren Legitimation zugleich. Theodans ist als der Herrscher bereits an die Stelle des
iudans
gerückt. Ab dem Jahr 507 stehen sich nun zeitgleich zwei solcher germanischer Theodo-Herrscher mit ihrem Theodosianischen Macht- und Nachfolgeanspruch im römischen West-reich gegenüber: Der OstroGote Theyde-richos
217
in der Italia und sein fränkischer Titel- und Namens-rivale Theude-rich in Gal-
218
lien
.Vielleicht war es diese Namensgleichheit die den Goten dann zu Theo-derich werden ließ. Bei-
de >reiks< aber werden sie zu einer personalen Brücke über welche das antike Vor-deutsch mit seinem kaiserlich-theodasianischen Rückbezug hinüber wechseln konnte in das Mittelalter um dort zu einer pseudo-ethnischen in Wirklichkeit jedoch Herrscher-bezogenen Definition zu werden. Im Jahr 511 n.Chr. stirbt Augustus Chlodovech. Sein Reich welches nun vom Rhein bis zum Atlantik, von der Nordsee bis zu den Pyrenäen reicht wird unter vier seiner Söhne aufgeteilt. Drei von ihnen 219
stammen von der burgundischen Königstochter Chrotechildis, der Roten Gabe ab
. Sie repräsentie-
ren im Sinne Gregor von Tours das wahre, das eigentliche Franken. Nur ihnen steht auch die Herrschaft über Burgund zu als dieses 534 von den Franken erobert wird. Sie sind katholisch-christlich und scheinen die Ein-Kaiser These bereits akzeptiert zu haben. Ganz anders jedoch der Erste fränkische Theude-rich und Theodosianer im Hause Meroving. Er entstammte noch der heidnischen oder bestenfalls arianisch-christlichen Ära der Franken. Seine Mutter wird von den katholischen Chronisten als Nebenfrau oder >Kebse< tituliert. Er herrschte mehrheitlich über unterworfene und
220
iudische Wisi-goten
und nach 531 auch über die zuvor Theodorich-ischen
Thüringer. Die sicambrischen Franken vom Rhein unterstanden ebenfalls seinem Dominat. Seine Hauptresidenz, sein >gards< ist die Stadt Metz an der Mosel. Gregor von Tours bezeichnet sein Regnum, sein
iudin-gardi abgesondert von der eigentlichen Francia als das „Reich des Theuderich“.
Dieser Theude-reiks selbst hatte für sein Teilreich das Volksrecht der Salischen Franken für seine eigene Herrschaft, für sein
221
iudan modifizieren und abändern lassen
.
Dieses theudisch-theodisce Teilreich der Franken wird unter diesem Namen noch im Jahre 561 an König Sigibert I. (561-575) vererbt. Die Merovinger-Franken hatten also nun auch in ihrer eigenen Königs-sippe eine Theodosianisch-deutsche Linie. Später erfindet Gregor von Tours für sie den Begriff >AustrasiiAustrasien< werden lassen. Wie sehr dem frommen Chronisten der einst
iudisch-wisi-gotische und jetzt Theude-fränkische
Reichsteil der Franken jenseits der Loire jedoch suspekt war zeigt er einmal ganz unabsichtlich. Er bezeichnet die Aquitania des wisi-gotischen Königs Eurich (466-484) versehentlich als „Germanien“
222
was ihm Historiker als einen Irrtum auslegen. In Wirklichkeit war dieser Ver-schreiber wohl eher eine echt Freud‘sche Fehlleistung des katholischen Gotenfeindes Gregor. Germane galt auch den GalloRomanen als Synonym für Barbar. Gregor von Tours aber war Gallo-Romane. Nie hätte er einen Franken Germane genannt. Germanische Barbaren waren in seinem gallischen-Franken nur die
iu-
217
Nach Procop Die sächsischen Chronisten werden ein halbes Jahrtausend später beide in der Person eines >Thiadrich< zusammenbinden. 219 > Chrot< wird sprachgesetzlich zu Rot – >Child< steht für latinsiertes >gild< welches im Gotischen eine (Ab)>Gabe< benennt. Bruckner 220 Die Franken hatten 506 die Aquitania zwar erobert doch eine fränkische >Übersiedlung< fand danach nicht statt. Es gab schlicht nicht genug Franken für ein derartiges Unternehmen. 221 Die >Recensio Theudericagallischen Rom< Münzen aus Gold die noch dazu mit „eigenem Bildnis“ geschmückt waren prägen und führte außerdem selber den Vorsitz bei den römischen Zirkusspielen in Galliens römischer Metropole. „Das aber darf allein der Kaiser“ mokierte sich deshalb auch Ostroms Chronist Procop von Ceasareia
225
. Dieser zweite fränkische Theude-Herrscher machte durch die
Tat seinem Namen ein Glänzender (=bert) zu sein alle Ehre. Um 538/39 führte er ein fränkisches Eroberungsheer über die Alpen nach Oberitalien. Klein-Italien nennt es Gregor von Tours. Die von Ostrom hart bedrängten Goten hatten sich dabei die Waffenhilfe der Franken erhofft doch diese eroberten das Land statt dessen auf eigene Rechnung. Bis zum Padus (=Po) wird das Land nun Theudefränkisch, ebenso Venetien östlich der Etsch. Allein Ravenna kann sich als kaiserlich-ost-römische Festung behaupten. Kurz danach rühmte sich der Franken-könig (um 539/540) in einem Brief an den Ost-kaiser Justitian daß sein Reich sich jetzt >von den Grenzen Pannoniens< (=Ungarn) und >den nördlichen Ebenen Italiens< entlang von Donau und Rhein bis zu >den Gestaden des Ozeans< erstrecke. In diesem Brief an den kaiserlichen Herrscher-Kollegen in Byzanz schmückt sich der König 226
der Franken ebenfalls mit eindeutig kaiserlichem Titel – er nennt sich selber >Majestät
skalks
diete littieistheodise< dafür. Kein Franke aber ist je
iudische
229
. Die La-
iudisk-theodisce! Selbst wenn
dann galt dies nur sehr eingeschränkt und bis 555 n.Chr. dem Todesjahr Theude-balds und dem Ende dieser kaiserlich-Theudischen Linie der Merovinger-dynastie im Reich der Franken. wurde zu einem neuen Begriff der Herabminderung in der Trias Germane - Barbar -
iudisk-thiud-diot 230
iud
mit der
doppelten Bedeutung von gotisch und Knecht. Ober-deutsch und lautverschoben begegnet er uns später >diot< geschrieben.
227
Agathias, Hist. I.8 0got. für Knecht 229 An dieser Stelle sei kurz auf ein Phänomen früher Begriffe der (gotisch-)deutschen Sprache eingegangen : Einerseit benennt die Linguistik >Thiudans< als >König< und/oder >Herrscherdiot/diet< das Synonym für >Knechtgotischen< Sprachgebrauch war und blieb iudans der Herr. Auch die Langobarden Italiens übernahmen ihn als Theodan. (Es ist offensichtlich daß auch ein Theoto in Baiern um 700 diese Wortbedeutung trägt.) Doch nach der Unterwerfung und damit Verknechtung der Gotischen durch die Franken wurde derselbe Begriff in deren Wortschatz zum Synonym für zunächst gotisch-thiudischer Knecht. Da aber sowohl fränkische Dialekte wie auch die gotische Hoch-Sprache in das Deutsche einflossen wurde auch die Doppeldeutigkeit des Thiudans-Diot in unserer frühen Sprache verankert. Was so als ein inhaltlicher Gegensatz erscheint spiegelt dabei lediglich einen Wechsel von Herrschaft und den Ablauf von Zeit wieder. 230 Das west-fränkische >tieis< darf wohl in Analogie dazu gelten. 64 228
Dies läuft als Beipack dem semantischen Bedeutungswandel des deutschen Etymons vom Theodosianisch-kaiserlichen zu einem pseudo-ethnisch definierenden thiudisch mit. Das Deutsche ist dabei endgültig auf dem Weg zu sich selbst.
2. Vom Ende des antiken und kaiserlichen Theodosianisch zum fränkischtheudischen- Mittelalter Justitian I., Kaiser des oströmischen Reiches von 527 bis 565 n.Chr. wie auch die Franken-Könige Chlodovech, Theude-rich I. und Theude-bert I. sind gleichermaßen Vernichter einer Sprachkultur und arianischen Religionswelt die sich auch als eine Früh- oder Vor-deutsche definieren ließe. Ebenso gut aber ließe sie sich als die Gotische bezeichnen. Beginnend mit der Bibelübersetzung des Goten Wulfilas um 350 entwickelte sich eine gotische Schrift- und Literatursprache die den Goten eine kulturelle Sonderstellung unter allen germanisch sprechenden Völkern eintrug. Mit dieser Wulfilas-Bibel übernahmen alle gotischen Stämme und nicht nur sie die christliche Lehre in der Ausformung des Arius von Alexandria - sie wurden Arianer. Ähnlich den orthodoxen und/oder Lutherischen Kirchen war auch die arianische eine Volkskirche die 231
ihre religiösen Akte in der eigenen Sprache, dem Gotischen vollzog
. Nicht Latein oder Griechisch
sondern die gotische Sprache des Volkes war auch die Kirchensprache arianischer Christen. So wuchsen Sprache, Religion und Volk symbiotisch zusammen und bildeten eine ethno-kulturelle Einheit. Ein Vergleich mit Martin Luther und der Wirkung seiner Reformation ist dabei durchaus angebracht. Mit dem Zug der gotischen Stämme und Völker nach Westen, der so genannten Völkerwanderung, brachten diese auch ihre arianische Kultur dorthin mit. Schon Alarich der Erste zwang seinen TitularKaiser Attalus 406 dazu sich öffentlich zur Lehre des Arius zu bekennen. Während die im römischen West-reich ansässigen Romanen der offiziellen römisch-katholischen Staatsreligion verpflichtet waren blieben die Neuankömmlinge aus dem Osten Arianer. Sie mußten sich auch im Westen nicht der offiziellen Staatsreligion der Römer unterwerfen. Der Haß den katholisch-orthodoxe Christen gegenüber ihren arianischen Glaubens-rivalen enwickelten ist dabei ebenso erschreckend wie symptomatisch. Ein römischer Heide, Ammianus Marcellinus schrieb darüber: „Kein Tier ist dem Menschen so gefährlich als in ihrer todbringenden Wut gegeneinander die meisten Christen“ Gleichgültig ob Vandalen und Alanen in Spanien oder Nordafrika,
232
.
iudiske Wisi-goten in Gallien und
Spanien, Rugier an der Donau, Gepiden an der Theiß - sie alle waren falls überhaupt arianische Christen und nannten ihren unsterblichen Vater-Gott Atta und dessen ersehntes Reich auf Erden iudan-gardi. Selbst jene Sveben die aus Germanien gemeinsam mit den Alanen und Vandalen nach Spanien umgesiedelt waren pflegten dort das arianische Christentum. Auch der suebo-gotische Kaisermacher Italiens, Rici-mer, war entschieden Arianer. Die Burgunder kamen ebenfalls als Arianer an 233
die Rhone
. Alle die Völker welche die Historik als Ost-germanen definiert sind Arianer. Doch nicht
231
F. Dahn zit. n. F. Dahn 233 L. Boehm 232
65
nur ihre Religion war durch Wulfilas‘ geprägt. Da im germanischen Sprachraum allein in der von ihm geschaffenen Schrift-sprache die heiligen Texte der Bibel transportiert wurden formte dieses Schriftgotische in einer Art Rückkoppelung auch die übrigen germanischen Dialekte der Gläubigen mit. Die arianische Kirche war eine eigen-sprachliche was mit sich brachte daß Wulfilas-gotisch zur Kirchensprache aller germanischen Arianer wurde. Schrift- und Hoch-gotisch konnte so quasi zu einer Standard-sprache innerhalb des arianisch-christlichen Kulturkreises aller Germanen werden. Erneut sei hierbei der Vergleich mit Luther erlaubt. Auch sein Luther-deutsch überwölbte in der Funktion als Kirchensprache der Reformierten die Dialekte von Rhein-franken, Friesen, Sachsen, Thüringern, Brandenburgern und Süd-deutschen und lies so Lutherisches Neu-hochdeutsch zum sprachlichen Kultur-standard seiner Anhänger werden. Wulfilas-gotisch aber war und blieb die einzige germanische Hoch- und Schrift-sprache während der Antike und des frühen Mittelalters. Sein Einfluß auf auf die anderen Dialekte der Germanen war derart prägend daß ein neuzeitlicher Linguist den Eindruck formulierte die deutsche Sprache wirke wie ein 234
gotisiertes (!) West-germanisch
. Da die Franken ihrerseits zugunsten römisch-katholischer Latinität
sowohl auf die arianische Kirchensprache wie auch die Entwicklung eigener fränkischer Sprachkutur verzichteten mag diese Bewertung so falsch gar nicht sein. Denn um germanische Texte in germanischer Sprache notieren zu können gab es über Jahrhunderte hinweg nur das Wulfilas-gotische. Erst als diese Schrift-sprache zugleich mit der gotisch-arianischen Kultur ausgelöscht war erlebten die >Runen< im germanischen Europa ihre Blütezeit. Im zeitlichen Ablauf wirkt dies gerade so als hätten diese Runen eine Ersatzfunktion für die geächteten gotischen Schriftzeichen des Wulfilas übernommen.
488 n.Chr. ziehen die Ostro-goten mit ihrem König Theoderich nach Italien. Auch sie waren wie mitgewanderte Heruler, Gepiden oder Rugier Arianer. Schrift und Sprache des Wulfilas und seiner Bibelübersetzung hatte sie alle sprachkulturell wie auch religiös geprägt. Diese ihre arianische Kultur machte alle gotischen Völker die in das Westreich zogen dort zu Fremden in doppeltem Sinne. Als Barbaren waren sie in allem den ansässigen Romanen, den römischen Provinzialen fremd, sie waren ein völlig anderes Volk. Als Christen unterschieden sie sich durch ihre arianische Ketzerei von den ansässigen römisch-katholischen Staatschristen (noch Theodosius hatte das katholische Dogma zur alleini235
gen Staatsreligion dekretiert
). Im Umkehrschluß ergibt sich aus diesem Sachverhalt auch eine eth-
nisch-rassistische Be- und Verurteilung des Arianismus. Weil alle gotischen Völker Arianer sind ist demzufolge der Arianismus selbst etwas Gotisches, skytisch und barbarisch zugleich. Und als Föderatii der Kaiser erhielten diese Barbaren auch noch ein oder gar zwei Drittel der Ländereien von den Einheimischen Römern! Zwei Kulturen lebten so unversöhnlich nebeneinander in den west-römischen Provinzen. Der römische Klerus steht dabei immer auf der Seite der romanischen Provinzialen. Dies ist so im vandalischen Nordafrika, dem
iudisk-wisi-gotischen Gallien und Spanien und ebenso im
ostro-gotischen Italien des Großen Theoderich. Nur die Burgunder an der Rhone wechseln „um 500 n.Chr.“ gerade noch rechtzeitig in das offizielle Staatschristentum hinüber und werden katholische
234 235
Zit. n. E.R. Keller seit 391 n.Chr. 66
236
Christen
. Aus der Namensgegung für einen der damaligen Täuflinge, Sgis-munt, läßt sich als sein 237
Taufpate der Hinkende Sigambrer-könig Sigi-bert von Köln vermuten
.
Von Burgund aus wird dann die Sippe des salischen Frankenkönigs Chlodovech römisch-katholisch missioniert. Seine burgundische Braut Chrotechilde hatte das richtige Dogma mit an die Seine gebracht. Der König der Franken wird um 500 ebenfalls katholisch getauft. Mit Chlodovechs Taufbad werden nun die Franken zu wahren, zu echten Christen. Dies ist eines jener so geschichtsträchtigen Ereignisse im Abendland. Während die gotischen Völker in der Düsternis ihrer arianisch -
iudischen
Ketzerei verharren werden die Burgundo-Franken nun zu den wahren Erben Roms. Spirituell wie auch machtpolitisch. Allein dieser König der Franken Clodovech ist unter allen Germanen-Königen des West-reiches ein Katholischer so wie es auch der Kaiser in Byzanz ist! Er allein erhält in der Folgezeit die Unterstützung des gebildeten päpstlich-kaiserlich-römischen Klerus und damit die unerläßliche Hilfe und Zusammenarbeit der geistig-intellektuellen Elite jener Epoche. Ohne diese intelektuell tragende Mitarbeit der römischen Kirchenmänner aber sind und bleiben die Barbaren im Westen nur kulturlose Kriegsherren und Gewaltherrscher – Tyrannii eben. So steht allein dieser König der Franken im lichthellen Glanz des einzigen und wahren Glaubens. Verhaßte Ketzer hingegen sind alle arianisch-gotischen
iud-inger, i theodisci, die Deutschen. Die Kehrseite dieser Entwicklung besteht im
Verzicht der Franken auf einer Entwicklung und Ausformung ihrer eigenen kulturellen Identität. Der Staat dieser Merovingischen Salier-Franken bleibt ein römisch-lateinischer. Seine Verwaltungs- wie auch Kultur- und Hochsprache, auch seine Kirchensprache bleibt Latein. Fränkisch hingegen bleibt als ein Dialekt, ja Soziolekt der Barbaren und ungebildeten Volksmehrheit auf einer archaischen Stufe zurück. In welch erbärmliche Verfassung diese fränkischen Idiome absanken läßt sich allein schon daraus ersehen daß es den Linguisten nicht möglich ist merovingisches Fränkisch darzustellen oder gar zu rekonstruieren. Auch so bildete sich heraus was
iudiske Goten von rechtgläubigen Franken
unterschied. Doch unter machtpolitischem Aspekt war die Entscheidung des Franken Chlodowech für Katholizismus und damit Latinität die einzig erfolgreiche. Wie der Verlauf der Geschichte erwies war Assimilation oder Untergang die Alternative im nach-römischen Abendland.
Im Jahre 527 n.Chr., nur ein Jahr nach dem Tod des Großen Goten Theoderich wird in Ost-rom Byzanz Justinian zum Kaiser erhoben. Er treibt die schon von seinem Oheim Justin I. begonnene Aria236
L. Boehm a: Als am Knie verletzt bei der Alamannenschlacht bei Zülpich um 500 und seitdem hinkend benennt in Greogor v. Tours so in II,37. b: Mit >Munt< wird sowohl eine Vor-munt-schaft als auch die Haus-gewalt und der verplichtende Schutz über Sippe und Gefolge im germanischen Recht benannt. Ein Schwaben-König >Hun-i-munt< weist sich in seinem namen als nicht mehr unter der Vor-herrschaft, der Munt des Attila stehend aus. (n. Bruckner). Sigis-munt von Burgund stand unter dem Schutz, der Munt eines Sigi-.Entsprechend dem um 500 präsenten Namensbild gallogermanischer Herrscher jener Jahre bietet sich allein der Hinkende Sigi-bert von Köln als Taufpate und damit auch Schutz-patron an. Dies aber würde ein Bündnis zwischen dem Burgunder-König Gundobad (418-516) implizieren. Gundobald war jedoch mit dem Großen Goten Theoderich verbündet und erklärter Gegner des Franken Chlodeovech. Ein Tauf-bündnis des Hinkenden von Köln mit den Burgunden könnte somit die MitUrsache für seine und seines Sohnes Ermordung durch den Franken-könig gewesen sein. c: Unter diesem Aspekt ergäbe sich auch ein Zusammenhang zwischen jenen Alamannischen >Goldgriff-spatas< aus jenen Jahren. Als Schenker dieser regional wie zeitlich eng begrenzten Besonderheit am Hochrhein würde sich ebenfalls Gundobald anbieten. Als spätrömischer >Patrizius< ließe sich dieser machtbewußte Burgunder durchaus als ein Gefolgschafts-herr alamannischer Regional-Fürsten entlang des Oberrheins bis hinab zu den ihm verbündeten Sigambrischen Franken um Köln denken. 67 237
nerverfolgung im Bündnis mit Papst und römisch-katholischem Klerus voran. Die Arianer im römischen Reich werden entrechtet, ausgeplündert und verfolgt. Der Codex Justinian schreibt dazu deutliche Worte. Gleichzeitig wird im Gleichklang mit Roms Bischof die These ein Reich - ein Kaiser - ein Papst- eine Kirche zur verbindlichen Staatsräson. Eine beispiellose „Rekonquista“
238
, eine Rück-
eroberungspolitik Justitians beginnt nun ebenfalls. Als erstes fallen ihr die Vandalen und Alanen Nordafrikas zum Opfer. Im Jahr 533 wird deren Reich von Karthago vernichtet, ihre arianische Kultur und Sprache dort ausgetilgt, die Überlebenden zu Sklaven des Ost-kaisers gemacht und in den Osten abtransportiert. Unter ihnen befinden sich auch die letzten Theodosischen Abkömmlinge aus der ein Jahrhundert zuvor geschlossenen Ehe zwischen der Jüngeren Eudoxia und dem Vandalenprinzen Honor-reiks. In einem zwanzigjährigen Krieg werden danach die Ostrogoten Italiens besiegt. 553 sind auch diese am Ende. Ihre Sprachkultur und Religion in Italien werden ebenfalls ausgelöscht. Die Überlebenden vertrieben oder versklavt. Fränkische Heere und Könige erobern und besetzen Norditalien bis zum Po und hinüber nach Friaul und nach Kärnten. In Spanien benützt Justitian im Jahr 554 Nachfolgerkämpfe unter den Wisi-goten um Teile Spaniens entland der Süd- und Ostküste zu besetzen. Nur im gotisch gebliebenen Land kann sich die arianische Religion und Kultur weiterhin behaupten. Doch um 550 n.Chr. ist die arianische Kulturwelt von Justitian unter Mithilfe des päpstlichen Klerus und der fränkischen Könige weithin vernichtet. Besiegt und ausgelöscht sind dadurch zugleich auch jene die ihre Autonomie und Ansiedlung im römischen West-reich auf Theodosianisches Recht zurückgeführt hatten. Zerstört ist damit ebenfalls das antike Fundament dessen was wir als Vor-deutsch benennen. Gotisch-arianisch -
iudisk wird nun zum Synonym für Besiegte und underdogs. Der
iud und ties
fristet fortan sein Leben als ein rechtloser Knecht der Franken. Mit dem Tod des Franken Theude-bald erlischt 555 auch der fränkische Anspruch auf eine Theodosianische Zwei- Kaiser- und Reichsteilungs-Praxis endgültig. Theodos-ianisch als ein Kaiserliches und Theodorich-isch als das Gotische haben gleichermaßen ihre realpolitische Wirkung verloren. Die Antike ist vorbei. Das
iudisch-theodisce Deutsch ist im Keller.
Was blieb war ist ein >theodisce< als Definition für die nicht-romanische Bevölkerung der Italia und deren germanische Nachbarn an ihrer Nordgrenze. Die Reste der Goten, Alamannen, Schwaben und auch Thüringer bleiben als Leute des Theoderich im kollektiven Gedächtnis der Völker verankert. Als >diete lit< werden sie sechs Jahrhunderte später besungen werden. Doch dieses theodisc-diete hatte allen Glanz verloren. >Göttliches
irdischen< Herrschaft säkularisiert worden (=Theodan für
iudan) um danach im Großen Goten Theoderich zur Verkörperung nur
mehr >gotischer< Macht domestiziert zu werden. Auch deren Weiterführung und Übernahme durch die Theude-Franken hatte nur ein halbes Jahrhundert überdauert. Ob göttlich, kaiserlich, bloß noch Theodorich-isch oder Theude-fränkisch definierend, mit
iude war
es nach 555 vorbei. Die neue Sprosse auf der etymologischen Leiter zum Deutsch zeigt sich so als eine deutliche Wertminderung.
iudisch-Theodisce wird niemals mehr werden können, was es zuvor
einmal war. Sein Göttliches verboten Kirche und Papst - das Kaiserliche der nunmehr wieder einzige 238
L. Boehm 68
Augustus in Byzanz. Die Allianz dieser beiden Mächte wird halten bis zum Jahre 800 n.Chr. Erst vier Jahrhunderte nach dem Teilungstestament des Großen Theodosius wird erstmals wieder ein anderer Großer die Kaiser-würde des Westens erlangen. iudisch – theutisk - theodisce - todisca - diot lebte inzwischen weiter als eine Reminiszenz an Vergangenes. Im Reich der Franken blieb Theudisches als ein Territorialbegriff zurück (= Reich des Theuderich ) während in Italien todisca-teutisca für die nicht-romanische Bevölkerung des Landes als Sammelbegriff lebendig blieb (= Leute des Theoderich). In diese verallgemeinernde Definition wurden dann auch dort jene Langbärte eingeordnet die ab 568 in die verheerte und teils entvölkerte Italia eingedrungen waren. Wie acht Jahrzehnte vor ihnen Theoderich und seine gotischen Stämme so siedeln jetzt auch die Langobarden von „Pannonien“ kommend nach Oberitalien um. Auch sie, falls überhaupt, arianische Christen – geprägt durch die gotische Bibel des Wulfilas. Auf den Spuren der Goten erobern sie Stadt um Stadt in Venetien (Forojulii, Verona) und Ligurien (Mailand, Pavia u.a.). Historiker versichern glaubhaft daß um jene Zeit noch zahlreiches gotisches Volk im Alpenraum gelebt habe. So wurden wohl auch diese einst Theodorich-ischen Goten zu Untertanen der Langbärte. Dies mag ihnen leichter gefallen sein als unter der Kaiserherrschaft des Justinian und seines Nachfolgers Justin II. zu leben. Waren die Langobarden durch Bündnis-Vertrag und Eidschwur noch mit Justinian verbündet gewesen so waren nach dessen Tod 565 auch Bündnis und Treue-eid erledigt. Man war nicht Staaten sondern nur Personen verpflichtet. So werden die Langbärte als Gegner und Feinde des neuen Kaisers in Byzanz zu Herren des wieder kaiserlich gewordenen Italien. Daß sie dort als Erben der Goten auch deren Herrschaftsdefinition übernahmen ist dabei offensichtlich denn gotisches dan, wird als „Theodan“ auch im langobardischen Sprachgebrauch das Wort für „Herrschaft“
iu-
239
. Auch
bei ihnen ist Göttliches, Theodosios und Theodorich in symbiotischer Einheit verschmolzen. Doch ihre Wurzel und und sprachlicher Ursprung waren ihnen dabei wohl nicht mehr bewußt. Sie okupierten jedoch mit der Herschaft im Land auch den Namen dafür von ihren ostro-gotischen Vorgängern. In ständigem Krieg gegen Kaiser und Papst erobern die Langobarden Italiens Städte und Provinzen. Sie dehnen ihre „Theodan“ fast über das gesamte Land aus. Nur das päpstliche Rom und die Kaiserstadt Ravenna widerstehen ihnen erfolgreich. Aus dem Blickwinkel des romano-italischen Volkes war es dabei wohl secundär welchem Stamm sich diese germanischen Barbaren jeweils selbst zuordneten. Seit Theoderich sind sie alle theodisce – todisce, i Tedesci – die Deutschen. La Germania aber bleibt als eine territoriale Definition dabei etwas völlig anderes! Verwandt in Sprache und Kultur waren die Langbärte den Schwaben und Alamannen jenseits der Alpen näher als den Goten Italiens. Wie auch andere Sveben werden die Langobarden den sogenannten Elb-Germanen zugeordnet. Schon Tacitus und Strabo hatten sie als ein Teil-volk der Sueben benannt. Wie diese sprachen und schrieben auch sie ein sogenannt >lautverschobenes< Idiom. Dieser elb-germanische Dialekt beiderseits der Alpen wird dann zur Grundlage jener ersten >theutisc<deutschen Sprache die sich vom Fränkischen ebenso unterscheidet wie von Alt-Sächsisch oder AltFriesisch. Von „theutisca lingua“ als der Muttersprache eines bairisch-alamannischen Heeres schreiben die Franken um 842. Ein Mönch von Salerno benennt die Sprache der Langobarden als „lingua todesca“. Zwei regional unterschiedliche Schreibweisen benennen jedoch dasselbe - die Sprache der 239
Bruckner, Die Sprache der Langobarden 69
Deutschen in der ehemals römischen Italia. Diese erstreckte sich über die Alpen hinweg bis zur Donau. Auch das alamannisch gewordene Rhaetien und das schwäbische (bairische) Noricum waren ein Teil dieser Italia geblieben. Der Große Gote Theodorich hatte dies um 506 n.Chr. bekräftigt, der ebenfalls Große Karl wird es im Jahr 806 erneut bestätigen. Doch nicht nur in diesem einst theodiscen und trans-alpinen Italien begann das Deutsche seine neue Existenz als ein ethno-kulturell definierender Begriff. Doch weil die dort lebenden Alamannen und Schwaben (auch >norische
3. Theodisc-theudische Alamannen und Schwaben Verschobene Sprach-laute und ing-Orte Was die Schwaben von Alamannen differenziert, was sie unterscheidbar machte und macht ist bis heute nicht geklärt. Als Julius Caesar vor zweitausend Jahren Gallien und die Rheinufer eroberte, trennte er die hier lebenden Völker in Gallier (= Kelten) und Germanen. Die Germanen wiederum teilte er in Sueben und andere auf. Beide Namen kennen wir erst durch ihn. In einhundert Gaue gegliedert nennt er die Sveben als das „ohne Vergleich“ mächtigste und kriegerischste Volk in ganz Germanien. Ihre Lebensweise und Ernährung mache sie „stark und ungeheuer groß“. Besonders hervor hebt Caesar ihre Reiterkünste. „Einheimische, aber kleine Pferde“ brächten sie „durch tägliche Übung ... zu höchster Leistung und Gehorsam“. „Ein ganz schwacher Trupp ihrer Reiter“ habe den Mut „ein römisches Korps Sattelreiter anzugreifen, wie stark es auch sein mag“
240
.
Strabo, ein Grieche und Zeitgenosse Caesars scheint dessen gallischen Krieg zu kennen. Er schreibt jedoch von „Soeben“
241
weil das griechische Alphabet kein >u< kennt.
Tacitus, ein Römer übernimmt und bestätigt in seiner „Germania“ ein Jahrhundert später Cesars Berichte. Vom Rhein bis zu der Ostsee, die er ein „Mare Suebicum“ nennt, erstreckt sich das svebische Siedlungsgebiet. Rund um dieses Schwäbisches Meer und selbst auf den Inseln darin leben mehrere germanische >Sve-benachbart< und „nicht weit entfernt von Pannonien“ liegend beschreibt
249
.
Den Römern galt diese westliche Region Pannoniens als >Savia< benannt nach dem Fluß Savus. Ihr 250
östlichster Punkt war wohl Savaria jetzt Szombat-hely oder Stein-am-Anger genannt
. Dieser Ort war
für römisch-christliche Gallier und Gallo-Franken gleichermaßen bedeutsam und heilig. Er gilt als Geburtsort des gallo-fränkischen Nationalheiligen St. Martin. Tours (Torones) in Gallien war Bischofssitz und Begräbnisort dieses Heiligen und zugleich spirituelles Herz des gallo-fränkischen Reiches geworden. Noch Augustus Chlodovech selbst hatte Martin zum Nationalheiligen der Franken erhoben. So fügt sich eins zum anderen. Nach 536 war der kaiserliche Franke Theude-bert zum Herrn der römischen Provinzen Raetia und Noricum geworden. Dort hatte nach 506 der Große Gote Theoderich die vor den Franken auf der Flucht befindliche „Gesamtheit Alamnniens“
251
neu angesiedelt. Um
539/540 schreibt die erhabene Majestät Theudebert seinem kaiserlichen Kollegen in Byzanz jenen Brief in dem er sich seiner Macht bis in die nördlichen Grenzen Pannoniens rühmt und daß sich der 252
Stamm der >Norischen Schwaben< (=Norsavorum gente) mit seiner Majestät versöhnt hätten
. Er
war es dann wohl auch der bis nach Savaria dem Geburtsort seines Nationalheiligen die fränkische
244
Germania, XXXII II, 2 246 34 247 z.B. Procopius, Honorius u.a. 248 Goenkr. I, 15 249 249 L III 250 =an der Grenze Burgenland - Ungarn 251 (Ennodius von Pavi 252 n. Menghin 245
71
Herrschaft ausgedehnt hatte. Auf dem Weg dorthin etablierte er entlang der Drau offenbar auch drei >fränkische< Bischofssitze - Aguntum,Tiburnia und Virunum. Savaria, Savia, Savus und die Sveben dort und an der Grenze des Noricum verschmolzen wohl so in einem Namen – die Svawen. Unter Theude-berts fränkischer Herrschaft wurde dann Nor-savorum, das Norisch-Schwäbische daraus. Doch an Rhein und Neckar war Alamanne inzwischen längst zur Eigen-benennung dieses svebischen Stammes geworden. Versuchen wir nun zu klären woher die erwähnten >norischen< Schwaben einst kamen. Aus der Frühzeit römischer Geschichtsschreibung sind svebische Stämme stets der nördlichen Donaugrenze gegenüber anzutreffen. Hermunduren, Naristen, Marco-mannen, Quaden und Buren (=Bur-gunder?) werden als solche aufgezählt. Selbst die Ostsee wird von Tacitus als ein >schwäbisches< Meer (=Mare Suebicum) definiert. Ab dem dritten Jahrhundert werden dann Alamannen und Juthungen genannt. Ein römischer Kaiser, Probus (276-282) verpflanzte alamannische Krieger in das ungarisch-österreichische Grenzgebiet von Pannonien. Westkaiser Honorius siedelte nach 395 eben253
falls svebische Alamannen als Foederati in Pannonien an
. Ihnengegenüber und jenseits der Donau
lebten seit langem die >svebischen< Quaden. St. Severin, der heilige Mann am norischen Donauufer zwischen Passau und Wien erlebte zwischen 455 und 482 wie die Alamannen Donau abwärts das einst römische Rhaetien überrollten. Auch im 254
Noricum bemerkte er die Verwüstungen welche „eine zahllose Menge Alamannen“ dort anrichtete
.
Bruchlos geht dieser Bericht über in die Geschichtsschreibung des ostro-gotischen Königs Theoderich in Italien. In den Jahren nach 506 wurden die Alamannen an Rhein und Neckar von den Franken besiegt und vertrieben. Der Große Theoderich stellte daraufhin die alten Grenzen der Römer an Donau, Bodensee und Hochrhein wieder her. Die geschlagenen Alamannen durften sich nun unter dem „Schutz und Schirm“ des Goten in den Provinzen Rhaetia und Noricum der Präfektur Italia neu ansiedeln. Statt wie bisher in den italischen Provinzen durch „Plünderung sich auszutoben“ wurden die Alamannen nun unter ihrem eigenen König zur „Wächterin des lateinischen Reichs“ an seiner Nordgrenze
255
. So wie einst auch die Goten auf ihrer Flucht vor den Hunnen Aufnahme unter eigenen
Königen im Reich der Römer gefunden hatten gibt nun der Große Theoderich den Alamannen unter ihrem eigenen rex in seiner römischen Präfektur eine neue Heimat. Den norischen Bauern empfahl er nebenbei ihre kleinwüchsigen Kühe von den weit größeren Stieren der Alamannen aufpeppen zu lassen
256
.
Sowohl die Archäologie wie auch das sprach-geographische Erbe der –ing/-ingen Orte belegen diese alamannische Eingliederung entlang der Donau und ihrer Nebenflüsse östlich der Iller. Selbst durch die norischen Alpentäler laßt sich ihre –ingen-Spur sichtbar verfolgen. An der mittleren Donau stießen diese Über-siedler dann auf die Langobarden die sich damals noch im einstigen Rugilanda, dem österreichischen Weinviertel und demTullner Feld häuslich niedergelassen hatten. Die neue Nachbarschaft der Alamannischen wurde ihnen wohl zu heiß weshalb sie weiter nach Pannonien ins Feld >campus patentibus< zogen. 253
W. Menghin Vita St. Severin, 25 255 Ennodius von Pavia, gestorben 521 n.Chr. 256 Katalog Die Alamannen, 1997 254
72
Die Angaben der Vita des St. Severin wie auch der Text des Ennodius von Pavia werden gestützt durch die nachfolgende „Gotengeschichte“ des Jordanis. Er läßt seine Goten um 469/470 gegen die Svawen kämpfen welche “damals“ mit den Alamannen verbündet waren. Letztere hatten Jordanis 257
zufolge allerdings „ganz auf den Gipfeln der Alpen“ gewohnt
. Über Alamannen wußte er offensicht-
lich nur Ungenaues. >Svawien< hingegen liegt für ihn „... Dalmatien benachbart und auch nicht weit 258
von Pannonien entfernt, besonders von jenem Teil, wo damals die Goten wohnten.“
. „Damals“ sie-
delten die Goten am Plattensee (See Pelsois) und an der Raba in Pannonien (Ungarn),
iudi-mir war
einer ihrer Könige. Sie waren den Svawen tatsächlich benachbart. Jordanis seinerseits wird bestätigt durch den oströmischen Chronisten Procop von Caesereia. Er siedelt die Schwaben nördlich der Veneter und südlich der Karnier und Nonicer an. Ihre unmittelbaren östlichen Nachbarn sind Pannonier und Daker
259
. Das heutige Slowenien, Kärnten sowie das Burgen-
land repräsentieren demnach jene noch nich fränkisch gewordenen „schwäbischen Landschaften“ in welchen die Goten um 537 ein „gewaltiges Barbarenheer“ (!) für den Krieg gegen den Ostkaiser Justitian rekrutierten
260
. Ihre einstige Anwesenheit dort dokumentieren noch heute -ing-Orte wie z.B. Victr-
ing, Tigr-ing, Edl-ing und andere. Während also die Alamannen und ihre Krieger nach 506 donauabwärts im italischen Rhaetien und Noricum ihre -ing-Orte gründen sitzen südlich der Alpen bereits die Schwaben. „Verbündet“ aber waren sie laut Jordanis bereits um 469/470. Die ost-alpinen Schwaben wurden nach dem Tod des Großen Theoderich (526 ) offenbar „... unter die Herrschaft der Langobarden ... ge261
beugt“
. Die sogenannten Rest-Alamannen in Rhaetien und dem Noricum gerieten unter die Herr-
schaft des Franken-königs Theude-bert (nach 536). Bereits 539/540 dokumentierte dieser dann seine Herrschaft auch über die Schwaben entlang der pannonischen Grenze. Diese norischen Schwaben hatten sich mit seiner kaiserlichen Majestät ja versöhnt wie er selbst schreiben ließ. Deren zuvor erfolgte Beugung unter die langobardische Herrschaft darf in der Folgezeit jedoch nicht mehr erwähnt 262
werden
. Es ist also der kaiserlich-theudische Franke Theude-bert I. (534-548) der Alamannen und
Schwaben nach 536 unter seiner Herrschaft vereint und ihnen zugleich höchstes Ansehen im Reich der Franken verschaffte. Allerdings wurden sie dabei auch bis zur Unkenntlichkeit vermischt. Bis heute ist es nicht mehr gelungen Kriterien zu finden nach welchen die Alammannen von den Schwaben zu unterscheiden wären. Als dann im achten Jahrhundert ein wohl langobardischer Waffen-Bruder Hildeprant des Carlo Martelus die Chronik der Franken weiterschrieb meinte er irrtümlich das von ihm 263
>Schwaben< genannte Land wäre erst „jetzt“ zur Alamannia geworden
. Für die fränkischen Schrei-
ber vor ihm hatte es jedoch immer nur Alamannen und deren Alamannia gegeben. Wie es dann öfter geschah so wurden nun die jeweils nächsten Anrainer zum Namensgeber auch für dahinter liegende Regionen und Bewohner. Aus französischer Sicht sind alle Deutschen Alamanni, für die Schweizer Schwaben und aus italienischem Blickwinkel alle Bewohner der Germania i Tedesci. 257
LV L II 259 I, 15 260 16 261 Diese nur von P. Diakonus erwähnte Unterwerfung ist wohl im Zusammenhang mit jener >Schenkung< des Noricum zu sehen die Kaiser Justinian den Langobarden zukommen leiß. =Proc. Gotenkr. III,33 262 Paulus Diakonus 263 Chronik des Fredegar 258
73
Auch weiter nördlich galt dasselbe – von aussen betrachtet waren dieselben Leute alles Sachsen, ebenso all jene die als Untertanen des sächsischen Königs und Kaisers Otto VI. nach Siebenbürgen kamen. Wer also zwischen Wien und Mainz siedelte war für die Franken >Alamanne< währemd er von Byzanz her gesehen ein >Schwabe< blieb. Noch Paulus Diakonus, ein Chronist der Langobarden und Zeitgenosse des Großen Karl schrieb von >Suevien< welches von >Alamannen< bewohnt sei. Eine treffendere Beschreibung hat es wohl auch danach nie mehr gegeben – schwäbisch das Land, Alamannen seine Bewohner !. Burg-hard, ein Mark-graf von Rhaetien war danach konsequent. Nach dem Aussterben der ostfränkischen Karolinger wandelte er deren verwaistes Klein-königtum Alamannia nach 911 zielgerichtet in sein eigenes Fürstentum >Schwaben< um. Als ein Herzog darin wurde er von seinem überlegenen Rivalen König Heinrich I. von Sachsen auch anerkannt. Als Herzogtum Schwaben blieb danach die einstige Alamannia in der deutschen Geschichtsschreibung fest verankert.
Die Ortsnamensendung -ing Eine sprach-geographische Hinterlassenschaft die Schwaben und Alamannen ebenfalls bis zur Unkenntlichkeit vermischt ist ihre Namensgebung für Orte und Siedlungen. Die Ortsnamensendung > –ing< gilt der Historik im Besonderen als ein bairisches Phänomen. Es wird als sprach-geographisches Erbe jener vermeintlichen Baiwaren gedeutet die ebenso vermeintlich aus Böhmen in das einst römische Rhaetien eingewandert sein sollen um dort vermeintlich Baiern zu gründen. Ihre übersiedelnde Landnahme soll sich in Orts-namen wie Erd-ing und ähnlichen -ingSiedlungen noch heute dokumentieren. Als ein „patronymisches Suffix“ entstand -ing aus „ingas“ was wiederum wie >Leute des < oder ähnlich gedeutet wird. Erd-ing, um am Beispiel zu bleiben, wird so 264
als Siedlung eines Ardeo und seiner Leute, eben als Ardeo- ingas gedeutet
. Semantisch ist diese
These absolut unbestritten. Besieht man sich jedoch eine gewöhnliche Landkarte so zeigt sich daß >-ing< keinesfalls nur als bairische Spezialität in Erscheinung tritt. Ausgehend von der Gegend um Wien (z.B. Grinz-ing, Mödl-ing etc.) erstreckt sich Donau aufwärts bis zum Rhein und diesen entlang bis zu seiner Einmündung in die Nordsee (Vlies-ingen bei Rotterdam,) ein deutlich eingrenzbares Siedlungsband von-ing-Orten. Die ingen an der holländischen Nordseeküste zwischen Maas- und Ems-mündung sind zwar dünn gesät trotzdem aber präsent. Der Lech scheidet ganz akkurat die bairischen -ing von den -ingen an seinem schwäbischen Ufer. An der oberen Donau hat es dann jeder andere Ortsname schwer sich gegen ein -ingen zu behaupten. Gemessen an der Verteilungsdichte erscheint die schwäbische Alb als Kernland, ja als Heimat und Ursprung der -ing bzw. -ingen Siedlungen. Am Oberrhein finden sich die -ing/inglinge fast ausschließlich auf badischer Seite doch bei Straßburg überqueren sie dann den Strom und ziehen hinüber zur Saar und an die Mosel. Dort, im Saarland und dem Plateau Lorraine verdichtet sich ingen-Land wieder und breitet sich aus. Nördlich und östlich der Mosel-metropole Metz erstreckt sich ein ing-Feld welches dem bairischen in nichts nachsteht. Während im deutschsprachigen Raum dort die -ingen Zuhause sind haben sie sich in französischer Sprache zu -ange entwickelt (z.B. Bell-ange statt Bell264
Bai. Kat. 74
ingen). Was aber ist das Gemeinsame das diese -ingen-Orte, die >Leute des< zwischen Wien und Metz bis Rotterdam verbindet ? Es ist ihre svebisch-alamannische Herkunft die sie eint. Diese ließe sich auch als eine elbgermanische definieren. Diese These gilt es zu begründen: Utrecht, eine Stadt im friesischen Holland war einst eine Römerstadt. Benannt war sie nach Kaiser Trajan als „munimentum Traiani“. Ein ebenfalls römischer Chronist, Ammianus Marcellinus, schrieb im vierten Jahrhundert sie liege auf „alamannischem Boden“ und sei von Ala-mannen auch zerstört worden
265
. Dazu erzählt korrespondierend Das Leben des heiligen Eligius (gestorben um 660) von
„Flandnern, Andoverpen, Frisionen und Sveben ..., welche an der Küste des Meeres wohnen“
266
. In
Andoverpen kämpfte dieser Heilige besonders „vorzüglich“ und „tapfer“ gegen die Heiden und „bekehrte viele Sveben von ihrem Irrwahn“
267
. Die Schwaben von Antwerpen wurden so katholisch. An
der Existenz alamannischer Schwaben an der holländischen Küste ist wohl kaum zu zweifeln. Ihre sprachliche Hinterlassenschaft ist in Ortsnamen wie Vlies-ingen, Gron-ingen oder Hard-ingen bis heute bewahrt. Wie aber erklärt sich die schwäbisch-alamannische Präsenz im Saarland und Lothringen (Plateau Lorraine)? „Diese beiden Männer waren Brüder, Alamannen von Geburt. Sie standen bei den Franken im höchsten Ansehen, so daß sie auch Herzöge ihres Landes geworden waren. Eine Würde, die ihnen Theodebert selbst verliehen hatte“ - so beschreibt Agathias, ein griechisch- römischer Chronist und Kriegsberichterstatter die Theude-fränkisch-alamannnischen Beziehungen für die Zeit um 550 n.Chr. Derselbe Autor berichtet wie diese schwäbischen Alamannen-herzoge „ein stattliches Heer“ der Franken und Alammanne von 75.000 Mann über die Alpen nach Italien geführt hatten. Jedoch nicht Franken sondern das alamannisches Brüderpaar waren dabei die Heerführer! Der erwähnte Theudebert ist der Sohn jenes ersten fränkischen Theude-Königs und Enkel des Augustus Chlodovech. Er ist jener kaiserliche Franke der gegen den Ost-kaiser Justitian einen Kriegszug vor dessen Haustür in Byzanz plante und sich in einem Brief an diesen Rivalen der eigenen Macht berühmte. Die Residenz, (sein >GardsP + T + K< bis zu einer >Benrather Linie< nach Düsseldorf, Kassel, Magdeburg und Frankfurt an der Oder vor. Sowohl die Merovinger Franken als auch die Friesen und die Sachsen verweigerten sich dieser Verschiebung. Sie blieben bei Water-pipe und Appel statt Wasser und Apfel in der Pfeife zu kochen. Sie hatten offensichtlich Gründe dafür. Was als zweite germanische Lautverschiebung definiert ist war jedoch wohl keine erst um 550 n.Chr.! Dies ist lediglich der Zeitpunkt zu dem die Sprache jener Alamannen und der Schwaben die nach 536 unter die Herrschaft des Theude-bert gerieten in die Texte der fränkischen Schreiber des frühen Mittelalters kam. Als höchst angesehene Gefolgsleute der Theude-Franken konnten sie auch ihre eigene Sprache behaupten. Ihr verschobener Slang geriet dabei erstmals in Geschriebenes. Doch verschoben war ihr Idiom wohl schon vorher geewsen. Ihre vom Fränkischen wie auch Sächsisch und Frie269
Lehrb.Rechtsgeschichte =nach 613 durch Chlothar II. 271 H.J. Störik 272 R.E. Keller 270
76
sisch gleichermaßen unterscheibaren Dialekte war die gemeinsame Sprache der als >ElbIngas< aber brachten auch ihren verschobenen Dialekt als Herrschaftssprache dorthin mit. Nach dort umgesiedelt waren sie um 570 in größerer Zahl im Auftrag ihres Königs Sigibert I. von Theudisch-Franken. Sie hatten dabei von Sachsen verlassene Gebiete in Besitz genommen
275
. Nun verschoben sie auch dort >etwas< die Thüringischen Dialekte zu ihren
Gunsten. Noch ein anderer Stamm aus der elb-germanischen Sprachfamilie wird etwa um 550 im Alpenraum seßhaft. Es sind die elb-germanischen Langobarden die ab 568 Oberitalien und die südlichen Alpenhänge und Täler eroberten und übersiedelten. Auch ihre Sprache enthält die elb-verschobenen Konsonanten. Sie sind den Schwaben und Alamannen verwandt in Sprache und Herkunft. Auch sie werden von antiken Autoren dem svebischen Volk zugezählt. Sie prägen nun das verschobene Oberdeutsch im Alpenraum und den lateinischen Texten ebenso mit wie die rhaetischen Alamannen und die norischen Schwaben. Seit 536 die Einen, ab 568 die Anderen „Etwa 550 n.Chr.“ bezeichnet dabei ziemlich exakt die Mitte beider Daten ab welcher die alpine Sprache als verschoben sichtbar wird. Was als lautverschobenes Ober-deutsch gilt ließe sich demnach ebensogut mit Elb-germanisch benennen. Es ist dieses leicht verrutschte Sprachmedium der Alamannen, Schwaben, Bayern und Langbärte welche die gemeinsame Grundlage für die spätere deutsche Sprache, die >theudisca< oder >todesca lingua< bilden wird. Doch davon später. Nur nördlich der Alpen und an ihrem Ostrand aber ist -ingen-Land auch deckungsgleich mit lautverschoben. In Nord-italien war die Siedlungs-landschaft schon lange vor den einwandernden Langobarden durch latino-romanische Städte- und Dorfnamen geprägt. Neues -ingas hatte deshalb dort 276
kaum mehr eine Chance
.
273
Immerhin hat auch die Sprache jener Regionen in Spanien in welcher sich ebenfalls Sueben angesiedelt hatten eine eigene Entwicklung genommen – Portugiesisch ist nicht Spanisch. 274 Geograph von Ravenna, Bai.Kat. 275 Gregor v. Tours u.a. 276 Ob dieses Suffix ...ingas, das auch zur Bildung von dynastischen Verbänden - den ...ingern und Stämmen diente - dabei ebenfalls auf eine spezielle Sprachgruppe unter den Germannen beschränckt blieb ist nicht völlig geklärt.(=Ingä-vonen ?) 77
4. Die Jüngeren Theude -Franken 561 bis 613 Waren 553 (Untergang der Goten) und 568 (Einreise der Langobarden) wichtige Daten Italiens so sind 555 und 561 bedeutsame Jahreszahlen im Reich der Franken. Gemeinsam aber ist ihnen der Bezug zum werdenden Deutsch. Theude-bald, der letzte jener Merovinger und Frankenkönige welche die kaiserlich-theodosianische Linie repräsentiert starb im Jahr 555. Sein Theudisches Teil-reich fiel als Erbe an seinen Oheim Chlothar aus der burgundo-fränkischen Linie der >salischen< Merovinger-dynastie. Er war der letzte noch lebende Sohn des Augustus Chlodowech. Auch wenn nach dem Aussterben der Theudischen die eigene kaiserlich-theodosianische Tradition der Franken vergessen und vom Klerus verdrängt wurde so blieb doch ein Faktum bestehen: Nach dem Untergang der Ostro-Goten Italiens waren und blieben die katholischen Franken dominierende Großmacht des Abend-landes. Auch der BurgundoFranke Chlothar I. (=511-561) repräsentiert diese Vormachtstellung. Er führt Kriege gegen Thüringen 277
und Sachsen, unterwirft sich Burgund, interveniert in Spanien. Seine Tochter Chlodo-svinda
verhei-
ratet er mit dem Langobardenkönig Alboin. Als ein gewohnt machtorientierter fränkischer König präsentiert sich auch er. Er stirbt im Jahr 561, ein halbes Jahrhundert nach seinem schon zur Legende gewordenen Vater Chlodovech. Nun wird auch sein Reich nach fränkischem Erbrecht unter vier seiner privilegierten Söhne verteilt.
Chilperich und das Böse Eine frühe Deutsche Rechtschreibreform Von den vier Brüdern die das Erbe des Ersten Chlothar im Reich der Franken antreten ist einer der aus den Berichten des Bischofs Gregor von Tours als eine ganz außergewöhnliche Persönlichkeit hervor scheint. Sein Name ist Chilpe-rich. Aus dem was der Chronist des Frankenreichs jener Jahre über ihn berichtet läßt sich ein abgrundtiefer Haß des frommen Schreibers auf sein Objekt der Beschreibung ablesen. Doch solange Chilperich als einer der vier Teilkönige im Reich der Franken noch am Leben und somit zu fürchten war ist Gregors Meinung über ihn zurückhaltend reserviert. Nach dem Tod dieses Herrschers aber kann der Chronist jede Vor-und Rücksicht beiseite lassen. Ohne Angst vor möglichen Folgen formuliert er seine Abscheu über diesen König. Als einen „Nero und Herodes.unserer Zeit“ der “dem Trunke ergeben“ und dessen „Gott der Bauch“ war beschrieb der fromme Kirchenmann nun seinen toten Herrn. Als dieser nach einem Attentat “seine schwarze Seele“ ausgehaucht hatte meinte Gregor das Opfer habe diesen Mord selber „lange heraufbeschworen“
278
! Über keinen der Franken-
fürsten, weder über jene die er selber nur aus alten Schriften kannte noch für seine Zeitgenossen hatt 279
er je ein solches Urteil gefällt
277
obwohl die Geschichte der Franken dazu durchaus Anlaß böte.
Ein häufig vor kommender Frauen-Name trägt eine Endsilbe >suinda< meist als svinda wiedergegeben. Im Zusammenhang mit ihrer jeweiligen Herkunft er gibt sich die Frage ob diese Namens-silbe nicht eine Übernahme aus dem lateinischen darstellt. >sui< stellt reflexiv eine Zugehörigkeit her. Im Gotischen benennt >swe< ebenfalls ein >eigenAustre-gilde, eine >Gabe des Südens< gab mit ihrem letzten Atemzug ebenfalls eine „verruchte Seele“ frei. 78
Mit der Auflistung kirchenfeindlicher Handlungen dieses Königs versucht Gregor auch dessen christliches Andenken zu schmälern: “Nichts haßte er mehr als die Kirchen“ und das Klagen welches in den Kirchen seinetwegen ertöne sei schrecklicher “als zu den Zeiten der Verfolgung des Diocletianus“ notierte der Bischof. In grassem Gegensatz dazu stehen jedoch andere Bemerkungen von ihm über diesen König. Von „geistliche Lieder und Messen“ welche dieser gescholtene Kirchenhasser verfaßt habe erfahren wir ebenso wie von „einige Bücher in Versen“ und „andere Werke“ aus der Feder des Chilperich. Höchst erstaunlich aber ist eine Rechtschreibreform welche dieser Herrscher in seinem fränkischen Teil-reich befahl. Doch selbst zur theologischen Diskussion über die Natur Gottes hatte dieser Franken-herrscher „eine kleine Schrift“ herausgebracht. Wegen der darin vertretenen Ansicht wurde er von Bischof Gregor jedoch der „Irrlehre“
280
bezichtigt – dieser König war offensichtlich ein
hoch gebildeter Häretiker, kein Kirchen-feind ! Doch was daran ist >deutsch