BIBLIOTHEK DER GRIECHISCHEN LITERATUR ISSN 0340-7853 . BAND 12
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LITERATUR HERAUSGEGEB...
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BIBLIOTHEK DER GRIECHISCHEN LITERATUR ISSN 0340-7853 . BAND 12
BIBLIOTHEK DER GRIECHISCHEN
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LITERATUR HERAUSGEGEBEN VON PETER WIR TH UND WILHELM GESSEL
BAND 12
EIN BAND DER ABTEILUNG BYZANTINISTIK HERAUSGEGEBEN VON PETER WIR TH
ANTON HIERSEMANN STUTTGAR T _1981
DEMETRIOS KYDONES
Briefe
ÜBERSETZT UND ERLÄUTERT VON FRANZ TINNEFELD
ERSTER TEIL, ERSTER HALBBAND (EINLEITUNG UND 47 BRIEFE)
ANTON HIERSEMANN STUTTGAR T 1981
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Demetrius (Cydonius): Briefe / Demetrios Kydones. Obers. u. erl. von Franz Tinnefeld. - Stuttgart : Hiersemann. NE: Tinnefeld, Franz Hermann [Hrsg.]; Demetrius ( Cydonius): [Sammlung] Teil 1. Teil 1, Halbbd. 1. (Einleitung und 47 Briefe). - 1981. (Bibliothek der griechischen Literatur ; Bd. 12 : Abt. Byzantinistik) ISBN 3-7772-8120-4 NP·(;T
ISBN 3-7772-8120-4
© 1981 ANTON HIERSEMANN, STIJITGART
Alle Rechte vorbehalten, insbesondere die des Nachdrucks und der Übersetzung. Ohne schriftliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses urheberrechtlich geschützte Werk oder Teile daraus in einem photomechanischen, audiovisuellen oder sonstigen Verfahren zu vervielfältigen und zu verbreiten. Diese Genehmigungspflicht gilt ausdrücklich auch für die Verarbeitung, Vervielfältigung oder Verbreitung mittels Datenverarbeitungsanlagen.
Fotosatz in Sabon-Antiqua und Druck: Sulzberg-Druck GmbH, Sulzberg im Allgäu. Bindearbeit: Großbuchbinderei Ernst Riethmüller, Stuttgart. Einbandgestaltung von Alfred Finsterer, Stuttgart.
Printed in Germany
INHALT
Vorwort..........................................................
IX
Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
Das Leben des Demetrios Kydones .................................. Zur Persönlichkeit des Kydones . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verzeichnis der Werke ............................................ Vorbemerkungen zum Übersetzungs- und Kommentarteil . . . . . . . . . . . . . . . 1. Auswahl und Anordnung der Briefe im ersten Teil. . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Konkordanz der Briefnummern im ersten Teil. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zur Übersetzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zum Kommentar ............................................ 5. Übersicht über die prosopographischen Notizen und Exkurse im ersten Halbband des ersten Teils .....................................
4 53 62 75 75 78 84 85 86
Die Briefe des ersten Halbbandes (Nr.l-Nr.48 der eigenen Zählung; Nr. 33 vacat) ....................................................
89
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Quellen und Sekundärliteratur . . . . . . . . . .
287
Register am Schluß des zweiten Halbbandes
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IAH~ rYNAIKO~
IEPON
VORWORT
Seit meiner ersten Beschäftigung mit den Briefen des Kydones im Jahr 1970, aus der ein Artikel über seinen Freund und Korrespondenten Georgios Philosophos erwuchs, ging noch einige Zeit mit anderen Arbeiten dahin, bis ich mich entschloß, dieses umfangreiche byzantinische Briefcorpus ins Deutsche zu übersetzen und zu kommentieren und mich damit auf Jahre einem einzigen Autor zu verschreiben. Mit dem vorliegenden 1. Halbband des 1. Teils lege ich das erste Ergebnis meiner Arbeit an den Kydonesbriefen vor. Mein erster Dank gebührt meinem Lehrer, Herrn Professor Hans-Georg Beck, der durch seine eindrucksvolle Übersetzung der «ersten Apologie» des Kydones mein Interesse für diesen bedeutenden Byzantiner des 14. Jahrhunderts erstmals geweckt und dem Fortgang meiner Arbeit an diesem Band seine wohlwollende Aufmerksamkeit erwiesen hat, sodann Herrn Dr. Peter Wirth von der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, dem Herausgeber der Abteilung Byzantinistik der vorliegenden Reihe, der dieses Vorhaben von Anfang an begrüßt und mit Anteilnahme und Rat begleitet hat. In die erste Zeit meiner Arbeit an den Kydonesbriefen fiel ein einmonatiger Aufenthalt am College de France, Paris, zu dem mir dank einer Einladung von Herrn Professor Gilbert Dagron ein Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes gewährt wurde. Ich danke Herrn Dagron und seinem Vorgänger am College, Herrn Professor Paul Lemerle, für die freundliche Aufnahme in Paris und ihre Anteilnahme an meiner Arbeit. Zu danken habe ich auch dem mir leider nur von einer kurzen Begegnung persönlich bekannten bedeutenden Forscher und Herausgeber der Kydonesbriefe, P. Raymond-Joseph Loenertz, der am 31. 8. 1976 starb, zu früh, um dieses Unternehmen noch mit seinem Rat begleiten zu können. Den Einblick in einige seiner Aufzeichnungen zu den Kydonesbriefen verdanke ich Herrn P. George T. Dennis, Washington, und Herrn Professor Peter Schreiner, Köln. Herr P. Joseph ParameIle vom Institut de Recherche et d'Histoire des Textes, Paris, stellte mir Filme der beiden Haupthandschriften A und B der Briefe zur Verfügung. Dafür sei ihm freundlich gedankt, ebenso auch Herrn Professor Herbert Hunger, Wien, und Herrn Professor Erich Trapp, Bonn, die mir Einblick in die noch unpublizierten Aufzeichnungen zum Prosopographischen Lexikon der Palaiologenzeit in Wien gewährten, sowie Herrn IX
VORWORT
Professor Edmond Voordeckers, Gent, der mir auf eine briefliche Anfrage bereitwillig antwortete. Den Herren Professor Jan-Louis van Dieten (Amsterdam) und Dr. Dr. Hubert Kaufhold (München) danke ich für das Mitlesen der Korrekturfahnen dieses Halbbandes, Herrn van Dieten auch für zahlreiche wertvolle Hinweise. Für ihr freundschaftliches Wohlwollen während der letzten Jahre, das mir viel Mut zu meiner Arbeit gegeben hat, danke ich außerdem den Herren Professoren Alexander Kazdan, Speros Vryonis, Robert Browning, Klaus Wessel und Anthony Bryer. Dankbar erinnere ich mich auch an ein gemeinsames Seminar mit meinem Kollegen Professor Harald Dickerhof (jetzt Eichstätt) über die Ost-West-Beziehungen vor und während der Zeit des Kydones. Meinem Kollegen Dr. Lowell Clucas aus San Francisco verdanke ich manches anregende Gespräch, vor allem zu Fragen der Geistesgeschichte des 14. Jahrhunderts, meinem Kollegen Igor ticurov, Moskau, wertvolle Hinweise für die Gestaltung des literarischen Kommentars. Meine Arbeit wurde mir wesentlich erleichtert durch die vorzüglichen Arbeitsbedingungen, die ein Byzantinist in München antrifft: Das von Karl Krumbacher begründete Institut für Byzantinistik, neugriechische Philologie und byzantinische Kunstgeschichte und die unerschöpfliche Bayerische Staatsbibliothek bzw. ihre Begründer, Erhalter, Mehrer und Mitarbeiter sind bei diesen Dankesworten nicht zu vergessen. München, April 1981
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FRANZ TINNEFELD
EINLEITUNG
Wer sich mit byzantinischer Geschichte im 14. Jahrhundert beschäftigt, wird sehr bald dem Namen Kydones begegnen. Das Brüderpaar Demetrios und Prochoros Kydones hat durch die Einführung der scholastischen Methode des Abendlandes in die byzantinische Theologie geistesgeschichtlich einen bedeutsamen Akzent gesetzt. Demetrios, der ältere, hat zudem mit Unterbrechungen vier Jahrzehnte lang als Staatsmann in verantwortlicher Stellung die Innen- und Außenpolitik des Reiches unter den Kaisern Ioannes VI. Kantakuzenos (1347-1354) und Ioannes V. Palaiologos (1354-1391) entscheidend mitbestimmt., Seit der Mitte des 14. Jahrhunderts war die Außenpolitik des Reiches vor allem von der Sorge um die ständig wachsende türkische Bedrohung gezeichnet, die zunächst von verschiedenen Zentren Kleinasiens ihren Ausgang nahm, aber bald mehr und mehr vom Herrscherhaus der Osmanen geprägt wurde. In dieser Notlage schien sich Byzanz nur noch ein Ausweg anzubieten: die Hoffnung auf Unterstützung durch abendländische Mächte. Doch stand der. erwarteten abendländischen Hilfe ein schweres Hindernis entgegen: die im Jahr 1054 besiegelte und auf dem Konzil von Lyon im Jahr 1274 nur sehr bedingt und auf kurze Zeit aufgehobene Spaltung zwischen der päpstlichen Kirche Roms und der orthodoxen Kirche in Byzanz. Dem bedrängten Kaiser Ioannes V. kam daher ein Staatsmann vom Charakter eines Demetrios Kydones, der dank seiner Übersetzungen der Hauptwerke des Thomas von Aquin die abendländische Theologie wie kein zweiter Byzantiner studiert hatte, zur Durchführung einer romfreundlichen Kirchenpolitik recht gelegen. Doch standen die Zeichen der Zeit der Verwirklichung der an sich so sehr wünschenswerten kirchlichen Einigung in katastrophaler Weise entgegen. In Rom konnte man sich seit dem Scheitern des Unionsversuches von Lyon kirchliche Einigung nur noch in der Form der bedingungslosen Unterwerfung der Orthodoxen unter den päpstlichen Primat vorstellen; in Byzanz schien spätestens seit der Lateinerherrschaft im 13. Jahrhundert die ablehnende Einstellung gegenüber dem westlichen Geist in offiziellen Kirchenkreisen und in breiten Volksschichten unüberwindlich. Ein Mann wie Kydones, mochte er auch den Anschluß an Rom nicht nur aus politischen Erwägungen, l'
EINLEITUNG
sondern aus wissenschaftlicher Einsicht und tiefer Überzeugung leidenschaftlich propagieren, mußte daher in Byzanz von vorneherein auf vereinsamtem Posten stehen und konnte nur wenige Gleichgesinnte um sich scharen. Seine Position wurde noch erschwert durch eine Auseinandersetzung innerhalb der byzantinischen Theologie, die mit dem Namen des Athosmönches und späteren Bischofs von Thessalonike Gregorios Palamas verknüpft ist. Die energische Ablehnung der zur Interpretation und Verteidigung der sogenannten hesychastischen Mystik entwickelten palamitischen Theologie brachte Demetrios wie seinen Bruder Prochoros in Konflikt mit der kirchlichen Hierarchie und ließ den Versuch, diese für eine romfreundliche Kirchenpolitik zu gewinnen, aussichtslos erscheinen. Die kirchliche Verurteilung seines Bruders Prochoros setzte ein deutliches Zeichen, und daß Demetrios bis kurz vor seinem Tod vor dem Anathema verschont blieb, verdankte er wohl im wesentlichen seiner einflußreichen politischen Position. Der von ihm unterstützte kirchenpolitische «Alleingang» des Kaisers Ioannes V., der im Oktober 1369 ohne den Segen der byzantinischen Hierarchie in Rom den im Hinblick auf den politischen Erfolg völlig sinnlosen Akt der Unterwerfung unter den Papst vollzogt, stellte ihn praktisch bereits endgültig außerhalb der Orthodoxie, der er wie sein Bruder bis zum heutigen Tag als Ausgestoßener gilt. Damit ist ein tragischer Konflikt seines Lebens angedeutet: sein an sich verständliches und berechtigtes Verlangen, Byzanz aus narzißtischer Selbstversponnenheit zu den weiter gespannten Horizonten des abendländischen Denkens und damit zu den dort mit wesentlich größerer Konsequenz und vertiefterem Verständnis interpretierten Vätern des eigenen Geistes Platon und Aristoteles zu führen, traf auf unüberwindliche religiös und gesellschaftspolitisch bedingte Widerstände, die eine Realisierung verhinderten. Der Historiker, der mehr über die Persönlichkeit des Mannes und sein von diesem Konflikt geprägtes Leben wissen möchte, sieht sich vor allem an das . dem Umfang nach gewaltige und nach seinem Inhalt und der stilistischen
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Zu diesem Vorgang vgl. die Überlegungen von H.-G. Beck, Die Mobilität der byzantinischen Gesellschaft, Orient 14 (Tokyo 1978) 1-14, hier 5 f. über die umstandsbedingte Wandlung des Begriffs «Latinophron» aus einer geistesgeschichtlichen zu einer politischen Größe. Man wird sagen können, daß Kyd. unter dem Zwang der Verhältnisse aus einem theologischen zu einem politischen Latinophron wurde; aber sein Hauptinteresse lag immer im denkerischtheologischen, nicht im politischen Bereich.
EINLEITUNG
Prägung eindrucksvolle Corpus seiner uns erhaltenen etwa 450 Briefe verwiesen. Sind diese Briefe als historische Dokumente wegen ihres von epistolographischen und rhetorischen Formeln geprägten Stils auch nur mit gewissen Einschränkungen verwertbar, so bleibt doch der Informationswert immer noch ungewöhnlich hoch, und zwar nicht nur, was Kydones selbst betrifft, sondern auch im Hinblick auf seine an historiographischem Quellenmaterial etwa ab 1360 besonders arme Zeit. Der Blick in die Sekundärliteratur zum 14. Jahrhundert in Byzanz zeigt immer wieder, daß das in den Kydonesbriefen überlieferte historische Material, das seit der Edition der Briefe durch Loenertz 1956/60 der allgemeinen Benutzung zugänglich ist, noch längst nicht erschöpfend aufgearbeitet wurde. Dies beruht teils auf den sprachlichen Schwierigkeiten der Briefe, teils auf dem versteckten oder schwer interpretierbaren Charakter der Information, die sich öfters nur durch den Vergleich bzw. die genaue Kenntnis mehrerer Briefe gewinnen läßt. Eine Übersetzung und vor allem ein ausführlicher historisch-literarischer Kommentar der Briefe erscheinen daher als dringendes Desiderat für jeden, der sich mit der Geschi~hte und der Prosopographie des 14. Jahrhunderts eingehender beschäftigen will. Diese Lücke versucht die hier begonnene Arbeit zu schließen. Darüber hinaus soll aber der literarische Kommentar (Näheres darüber unten, S. 85 f.) einen Beitrag zum besseren Verständnis des Prosastils und der Epistolographie in Byzanz leisten, deren Sekundärliteratur verhältnismäßig arm an literarischen Einzelinterpretationen ist. Außerdem wird in den folgenden Teilen der Einleitung der bisher ausführlichste dokumentierte Lebensabriß des Kydones samt einer Würdigung seiner Persönlichkeit und einem Verzeichnis seiner Werke vorgelegt.
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DAS LEBEN DES DEMETRIOS KYDONES
1
Demetrios Kydones 2 wurde ca. 1324/5 in Thessalonike3 geboren. Zu dieser Zeit war die Stadt, damals das zweite große Zentrum des byzantinischen 1 Eine Biographie des Kyd. auf der Basis des ganzen edierten Quellenmaterials liegt bis heute nicht vor. Die am besten dokumentierte Gesamtübersicht gibt immer noch der Essai de chronologie in LR 108 -122, für die Zeit bis ca. 13 75 später ersetzt durch LOCP 36 und 37. Eine ausführliche Biographie des Kyd. wird angekündigt von F. Kianka (s. KiankaApol 57, A.2). Ich verzichte hier darauf, ältere oder neuere kurze zusammenfassende Darstellungen seines Lebens aufzuzählen, die alle den Ansprüchen, die das vorliegende Quellenmaterial stellt, nicht mehr genügen können. Die folgende biographische Skizze kann eine umfassende Kydonesbiographie nicht ersetzen, versucht aber auf der soliden Basis der Quellen und der neuesten Literatur eine dem Rahmen dieser Publikation angemessene Darstellung zu geben. 2 In seinen Briefen T109/L117,73 und L216,5 nennt Kyd. seinen Vornamen ausdrücklich. Die Herkunft des Familiennamens Kydones ist unsicher. Cammelli (KydEpCam V) dachte an Ableitung von dem kretischen Ort KUÖWVLU, JugieKyd äußerte sich skeptisch über solche Vermutungen. Wie ein Blick in Pape-Benseler, Wörterbuch der griechischen Eigennamen, zeigt, kommen ähnliche geographische Namen öfters vor. Mit ihnen ist volksetymologisch das Wort für «Quitten» (KUÖWVLU IlÜA,U) zu verbinden, s. H. Frisk, Griech. etymol. Wörterbuch 11, Heidelberg 1970, s. v. Daneben besteht die Möglichkeit einer Ableitung von KÜÖOC;. F. Bechtel, Die historischen Personennamen des Griechischen bis zur Kaiserzeit, Halle 1917, führt eine zweiseitige Liste von Namen auf, die am Anfang oder Schluß dies Wort als Bestandteil aufweisen (S. 269f.). Unter anderem ist aus XenHell I 3,18 ein gewisser Kuömv BUtclVtLOC; bekannt. In byzantinischer Zeit ist der, soweit ich sehe, früheste Träger des Namens ein loannikios Kydones, antiarsenitisch eingestellter Erzbischof von Thessalonike von ca. 1260-1272. Ober ihn V. Laurent, La liste episcopale du synodicon de Thessalonique, Texte grec et nouveaux complements, EO 32 (1933) 300-310, hier 305 f. mit weiterer Literatur und LaurReg 1349. Vgl. auch den bei DarRech 532 in einer Synodalliste von 1277 unter Nr. 95 angeführten «uQ'Xwv mü EUUYYEA,LOU» loannes Kydones. Im 14. Jh. ist der Name, auch mit den Varianten Kydonos und Kydoniates, häufiger belegt, wie mir vor allem der Einblick in den noch nicht publizierten entsprechenden Artikel des PLP in Wien zeigte. In RaulEp 163 ist ein Demetrios Kydones bezeugt, der nicht mit· unserem identisch sein kann, aber wohl mit dem in RaulEp 151,26.29 erwähnten Kydones. Demetrios Kydones bzw. sein Vater entstammten einer vornehmen Familie in Thessalonike, die dort seit vier Generationen eingesessen war; s. u., A.5. 3 Folgende Quellenzeugnisse sind für eine annähernde Bestimmung des Geburtsdatums von Bedeutung: 1. Am 2. 9. 1346 sagt Kyd. von sich selbst, seine körperliche Entwicklung habe den Höhepunkt (aKIl1l) erreicht (T15/L5, 76).2. Bei Eintritt in den Dienst des Kaisers loannes Kantakuzenos (1347) ist er ein VEUVLOKOC; UQ'tL 3tULöuymyrov Kut IlOUOELWV cl3tTjA,A,uyIlEVOC; (KydApol I 360,28) bzw. ein IlELQclKLOV (ebd. 35), zu jung für eine so hohe Stellung (zu dieser Stellung s. u., A.54). Bei LSc zitierte Quellen geben für IlELQclKLOV ein Alter u~ 20
4
LEBEN DES DEMETRIOS KYDONES
Reiches, ein begehrtes Streitobjekt in den Bürgerkriegen zwischen Kaiser Andronikos 11. und seinem Enkel Andronikos 111., und zudem versuchten noch die jeweils von einer Seite eingesetzen Gouverneure ihre eigenen politischen Ziele durchzusetzen. Schließlich erklärte sich die Stadt im Januar 1328 für Andronikos den Jüngeren4 • Mit ihm hielt sein bedeutendster Anhänger, loannes Kantakuzenos, Einzug in die Stadt und machte seinen Einfluß dort geltend. Der Vater des Demetrios lebte in Thessalonike und hatte dort aufgrund seiner Abkunft und seiner Ämter eine angesehene Stellungs. Mit Kantakuze-
Jahre an. Nach L241,35 ist er «ganz jung» in den kaiserlichen Dienst eingetreten; nach L333,37 begann er «ganz jung» mit dem Studium des Thomas von Aquin, wozu er zweifellos nicht vor 1347 Gelegenheit hatte (s. u., S. 12). In T76/L21,21 spricht er bei einem 21jährigen von seiner «Jugend». Diese Angaben zwingen uns, sein Geburtsdatum nicht allzulange vor 1326 anzusetzen. 3. Andererseits kann er beim Tode des Vaters 1341 (s. u., S. 7) nicht mehr allzu jung gewesen sein, denn sein Alter befähigte ihn damals schon zu einem gewissen Grade, bei seinen Geschwistern Vaterstelle zu vertreten (KydApol I 360,21-24). Er muß also mindestens 16 oder 17 Jahre alt gewesen sein (Geburtsjahr 1324 oder 1325). 4. Sehr wahrscheinlich war er etwas älter als der Despot Manuel Kantakuzenos, dessen Geburtsjahr auf 1326 angesetzt wird (NicKant 122): wenn er seine Leistung «im jugendlichen Alter» preist (T6/L17,25;T7/L6,34f.), würde dies im Mund eines Jüngeren oder Gleichaltrigen allzu gönnerhaft klingen. 5. Wenn er sich nach ManEp(Den) 31,5 im J. 13 96 im «Greisenalter» befand und auch SalutEp III 108 sein Alter im gleichen Jahr mit «altissime senectutis» angibt, bedeutet das zwar, daß er damals über 70, aber nicht unbedingt, daß er weit über 70 Jahre alt war. Auf sein hohes Alter beim Tod (1397/8) spielt auch das Grabepigramm des Manuel Kalekas an (MercNot 110f.). Diese Quellenzeugnisse bestätigen den Ansatz seiner Geburt auf 1324/5. Loenertz' Tendenz in LOCP3 6,48, das Geburtsjahr mit der Angabe «c. 1323» noch weiter zurückzuverlegen, scheint keine zwingenden neuen Argumente für sich zu haben. Kyd.' Herkunft aus Thessalonike ist vielfach bezeugt, vor allem in seinen eigenen Briefen, ausdrücklich Tl09/L117,73, aber zu erschließen aus vielen Stellen, wo er von der Vaterstadt redet (LC II 475, Index, s. v. patria Thessalonica). In L332,68 nennt er sie zärtlich «die schönste der Städte». Philipp de Bindo Incontri, der bei seiner Konversion zur römischen Kirche eine Rolle spielte, nennt ihn «civis Thessalonicensis» (KaepPhil 164). 4 Bosch 44 f.; NicKant 40. Datierung nach DietGreg II 1,209 f. Ober Thessalonike als geistiges Zentrum im 14. Jh. vgl. NicChurch 56. 5 KydKant 12,23; 9,22f.30. Die wichtigste Nachricht über seine Familie enthält KydApol II 411, 254ff. Danach war die Familie des Vaters bis zur vierten Generation rückwärts in Thessalonike eingesessen, genuin «byzantinisch» (' PWIlClLOL), ihre Vertreter waren «ßClmAE'Ümv OLXELOL» und immer wieder auch im öffentlichen Dienst tätig. Ferner nennt PhiIipp de Bindo Incontri den Demetrios Kyd. «nobili genere» (KaepPhil 164).
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EINLEITUNG
nos eng befreundet, erhoffte er sich von ihm Schutz und Protektion für seine Familie 6 • Der Höhepunkt seiner öffentlichen Tätigkeit war seine erfolgreiche Gesandtschaft in den ersten Monaten des Jahres 1341 zur Goldenen Horde (Kipcak) an der unteren Wolga: seiner Diplomatie gelang es, die Mongolen vom byzantinischen Gebiet abzulenken und ihre Angriffslust auf bulgarisches Territorium zu lenken. Doch erkrankte er auf der Rückreise und starb noch vor der Heimkehr, wohl in Didymoteichon oder Konstantinopel zwischen April und Juni 1341 7 • Die Mutter des Demetrios lebte nach ihres Gatten Tod als Witwe in ThessalonikeLwo sie Uß2_~Jlder: Pe~t starb 8 • Vielleicht war Demetrios das älteste Kind der Familie, sicher aber der älteste Sohn, denn er war sich nach dem Tode des Vaters seiner Verpflichtung bewußt~ für - die jüngeren Geschwister zu sorgen 9 • Sein einziger Bruder Prochoros wurde in jungen Jahren Mönch im Laurakioster auf dem Athos lO • Als streitbarer Gegner des Palamismus starb er etwa 1370 nach seiner kirchlichen Verurteilung in Konstantinopell l . Von den drei Schwestern starben zwei im Jahr 1362 an der Pest12 , die dritte überlebte damals und starb erst etwa Anfang 1381 13 • Von den Lehrern des jungen Kydones in Thessalonike, die ihn in den «enzyklischen» Fächern und der Theologie unterwiesen, sind die zwei bedeutendsten namentlich bekannt: Isidoros, der spätere Patriarch l 4, und Neilos Kabasilas 15 • Ein Einfluß Barlaams, des gelehrten Mönches aus Kalabrien, auf Kydones wurde früher wegen einer angeblichen Korrespondenz als gesichert angesehen, doch handelt es sich bei dem .Briefpartner Barlaams um einen an-
6 KydKant 12,23-3,2; 7,28f. 7 KydKant 13,3-8; 9,12-22; V. Laurent, L'assaut avort{de la Horde d'Or contre l'Empire byzantin, REB 18(1960)145-162; LBF I 426-430 und 90f. 8 KydKant 16,32-7,1; T50/L110,18. 9 KydApol I 360,23 f. Dort ist «'tOLoov» nicht unbedingt so zu verstehen, als habe Demetrios nur jüngere Geschwister gehabt. Es genügt, wenn er sich als ältester männlicher Nachkomme seines Vaters für die Familie verantwortlich fühlte. Jedenfalls müßte dieinPG 150,881D-882Aerwähnte «Tochter des Kydones», wenn sie eine Schwester des Demetrios war, älter als dieser gewesen sein. Vgl. Exkurs Isidoros, u., S. 161 f., A.19. 10 KydApol III 316,117; s.u., Exkurs, S. 241, A.8 und 9. 11 Verurteilung: Exkurs; S. 239f.; Tod: ebd. S. 240. 12 T50/L110, 13-22. 13 T50, 22-27; L196,31. 14 PLP 3140; Exkurs Isidoros, u., S. 159 mit A.19. 15 T40/L378,11-13.19; KydApol 1390,106-391,124; RackKyd 27.
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LEBEN DES DEMETRIOS KYDONES
deren Demetrios von Thessalonike 16 • Andererseits ist es unwahrscheinlich, daß der junge Kydones auf den eindrucksvollen theologischen Kämpfer, der sich in den dreißiger Jahren häufig in Thessalonike aufhielt, überhaupt nicht aufmerksam wurde 17 • Sein Versuch, mit Barlaams wissenschaftlichem Kontrahenten Gregoras Kontakt aufzunehmen, blieb anscheinend ohne Erfolg18 • Er berichtet später auch von einem gelehrten Zirkel, in dem er philosophische Studien betrieben und sich mit Pythagoras, Platon und Aristoteles beschäftigt habe 19 • Bereits im Kindesalter hatte Kydones Gelegenheit, im Hause des Vaters dessen Freund Ioannes Kantakuzenos kennenzulernen2o , der ihm bald, da er Gelehrsamkeit mit politischer Tätigkeit verband, als Vorbild erschien21 • Einen tiefen Einschnitt in seinem Leben bedeutete für Demetrios der Verlust seines Vaters im Alter von etwa 17 Jahren 22 • Kurz darauf überstürzten sich auch in seiner politischen Umwelt die Ereignisse: Kaiser Andronikos III. starb in der Nacht vom 14. auf den 15. 6. 1341 2 3, Ioannes Kantakuzenos ließ sich seinen Gegnern in der Hauptstadt zum Trotz am 26. 10. 1341 in Didymoteichon 24 zum Kaiser ausrufen, womit der Ausbruch des Bürgerkrieges 16 LBFI lllf.; LOCP 36,48; vgl. auch die Tatsache der Ablehnung des von Kyd. so geschätzten Thomas von Aquin durch Barlaam: PapThom 287 f. Die Arbeit von Loenertz bleibt unberücksichtigt bei PodTheol 195 f., der hier noch auf MercNot 154-156 basiert. 17 Ober die philosophische Lehrtätigkeit Barlaams in Thessalonike vgl. G. Schiro, '0 BaeAaal! xai. 'rl q>LAOomp(a d
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EINLEITUNG
freundliche» Einstellung begründet und mit seinen Widersachern, die aus bornierter Gesinnung alles Westliche ablehnten, hart ins Gericht geht93a • Am 8. 10. 1364 bestieg der fanatische Palamit und Antiunionist Philotheos Kokkinos zum zweiten Mal den Patriarchenthron von Konstantinopel, nicht ohne die uneigennützige Hilfe und Vermittlung des Kydones, der sich aber in diesem Fall zu seinem eigenen Unglück als weitherzig erwies 94 • Inzwischen hatte sich eine Entwicklung angebahnt, die dem neuen Patriarchen nicht gefallen konnte: im gleichen Herbst 1364 trafen Gesandte von Ioannes V. in Avignon bei Papst Urban V. ein, um mit dem seit 1362 amtierenden Oberhirten der römischen Kirche erste Kontakte anzuknüpfen. Konkreter Anlaß der Gesandtschaft war die Bitte um Schutz der byzantinischen Untertanen vor den negativen Auswirkungen eines geplanten abendländischen Kreuzzugsunternehmens, den der Papst gern zusagte, allerdings mit der Ermahnung, sich nun zur Union mit der westlichen Kirche zu bequemen 95 • Damit schien ein erster Schritt getan, die müde Skepsis der Byzantiner gegenüber der westlichen Hilfsbereitschaft zu überwinden, die Kydones noch im Sommer 1364 in einem Brief an Simon Atumanos, Bischof von Cassano, der damals in Avignon weilte, beredt ausgedrückt hatte 96 • In einem Schreiben vom 18. 4. 1365 wandte sich der Papst persönlich an Kydones, ein Beweis für dessen maßgebliches Mitwirken bei diesen Kontakten97 • In einem anderen Schreiben vom gleichen Tage wandte sich Urban außerordentlich freundlich an den byzantinischen Kaiser, verhieß wirksame militärische Hilfe ohne Voraus leistungen der Byzantiner (allerdings nicht, ohne an den «Abfall» der Griechen zu erinnern) und lud ihn an die Kurie ein. Dieser zuvorkommende Ton war zweifellos dem bereits erwähnten Ioannes Laskaris Kalopheros zu verdanken, der beim Papst in seiner Eheangelegenheit vorstellig geworden und freundlich empfangen worden war, zumal auch er sich bereits seit geraumer Zeit der
. 93a Nähere Angaben zur Apologie im Werkverzeichnis, unten, S. 66, 1.6.1. 94 DarPatr 2462; über die Hilfe des Kyd.: KydApollII 322,314. Vgl. T68/L129,18-20. Zur Person des Patriarchen s. Exkurs nach T68 (im 2. Halbband des 1. Teils). 95 HalEmp 83-88. 96 T59/L93. 97 HalEmp 363 f. (Dokum. Nr. 5). Dort ein Brief des Papstes an Maximos Laskaris Kalopheros, und am Schluß: «Eodem modo dilecto filio nobili viro Dimitrio Cydonn..,....,>, also ein Schreiben gleichen Wortlautes an ihn. Dazu HalEmp 95; EszKal125, Nr. 9: Kyd. wird wie Maximos als Angehöriger der römischen Kirche angeredet.
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römischen Kirche angeschlossen hatte 98 • In der Folgezeit war Urban V. tatsächlich eifrig um einen Kreuzzug gegen die Türken bemüht, der sich nach langem Hin und Her in einem Unternehmen des «Grünen Grafen» Amadeo von Savoyen verwirklichte. Während der Kaiser am Hof Ludwigs des Großen in Buda weilte, bzw. auf der Rückreise von dort in Vidin aufgehalten wurde, traf Amadeo mit seiner Flotte im Sommer 1366 (vor 4. 9.) in Pera gegenüber von Konstantinopel ein 99 • Damals hielt Kydones in Konstantinopel die Rede Pro subsidio Latinorum, um die Byzantiner für das hilfreiche Unternehmen des Abendländers günstig zu stimmen, und die Kaiserin Helene unterstützte den «Grünen Grafen» von Savoyen mit einer beachtlichen Summe lOO • Kaiser Ioannes V. kehrte erst im Frühjahr 1367, zwischen dem 15.3. und dem 6. 4., nach Konst~n.tinopel zurück 101 • In Verhandlungen mit Amadeo von Savoyen hatte cr: ~ß:h in Sozopolis (Januar/März 1367) verpflichtet, mit seinem ältesten Sohn lind präsumptiven Nachfolger Andronikos persönlich zu Papst Urban zu kommen 102 • Eine Synode in Konstantinopel stellte jedoch bald darauf fest, eine Union sei ohne ein allgemeines Konzil nicht möglich 103 • In der gleichen Richtung äußerte sich der Exkaiser und Mö~-,h Ioannes Kantakuzenos in Verhandlungen mit dem lateinischen Patriarchen Paulus, und die Pläne für ein Unionskonzil nahmen sogar konkretere-Formen an 104 • Von 98 AUrb V Nr. 74. Von der Konversion des Kaisers vor dem Legaten Petrus Thomae (s.o., A.83) ist hier keine Rede mehr. Ober die möglichen Gründe vgl. A. Hohlweg, BZ 71 (1978) 191, AnzeigeJ. Gill,John V... Das Schreiben beginnt vielmehr mit den Worten: «LicetTua Serenitas ac clerus et populus Graecorum a gremio sacrosanctae Romanae et universalis Ecclesiae, extra cuius oboedientiam non habetur salus, damnabiliter devietis ... », fährt aber dann versöhnlicher fort: «... nihilominus tarnen, quia censemini eiusdem Ecclesiae filii ... , vestrum omnium filialem reditum ad dictam matrem vestram ... tanto desiderabilius affectamus, quanto remotiores ab illius uberibus facti estis.» Zur Rolle des Kalopheros in Avignon: EszKal 24f. und oben, A.90. 99 CoxAmad 220ff. Nach HalEmp 112 traf Ioannes bald nach Jahresbeginn 1366 in Buda __ ein. SchreinChron II 294f. setzt die Abreise auf November/Dezember 1365 an. 100-,S. u., Werke, S. 65, 1.3.4. HalEmp 143 nimmt an, Kyd. habe die Rede «au sein d'une grande assemblee politique» gehalten. Unterstützung des Grafen durch Helene mit 12 000 Hyperperu: CoxAmad 222f. Vgl. auch BarkMan 8,A.18. 101 VasViag 158,A.3. 102 HalEmp 151. Endgültiger Abschluß der Vereinbarung in Konstantinopel am 29.5. 1367: DöReg 3114. 103 HalEmp 152; DarPatr 2526. 104 HalEmp 157; MeyendProj; NicCounc 89-91.
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EINLEITUNG
nun an liefen in eigenartiger Weise zwei unvereinbare Verhandlungslinien parallel oder besser über Kreuz: die des Konzils und die des Kaiserbesuches beim Papst, und die letztere Variante wurde anscheinend von Kydones favorisiert, der in seiner Begeisterung für die ·römische Kirche in diesem Fall keinen großen kirchenpolitischen Realismus zeigtelos. Im Sommer 1367 begaben sich 8 byzantinische Gesandte zusammen mit Amadeo von Savoyen zu Verhandlungen mit dem Papst nach Italien, der am 30.4.1367 Avignon verlassen hatte und am 9. 6. in Viterbo bei Rom eingetroffen war 106 • Hier wurde nun, nicht zuletzt auf Betreiben des «Grünen Grafen», aus der Bereitschaft zum konziliaren Unionsgespräch eine Bereitschaft zur Unterwerfung des Kaisers, stellvertretend für sein Reich, unter den Papst; vermutlich hatten die Gesandten auch entsprechende geheime, unter dem Einfluß des Kydones erteilte Anweisungen 107 • Am 6. 11. versandte Urban ein Bündel von Briefen in dieser Angelegenheit an zahlreiche betroffene Persönlichkeiten, angefangen mit dem Kaiser selbst, den er für Mai 1368 zu sich einlud 108 • Ein besonderes Schreiben an Kydones und zwei andere byzantinische Adressaten lobt diese als die eifrigsten griechischen Anhänger der «Union», die jedoch nichts anderes als Unterwerfung bedeutete 109 • In allen diesen Briefen ist von einem Konzil überhaupt keine Rede mehr, was in der Konsequenz der päpstlichen Politik im 14. Jh. keineswegs überrascht llo . Doch waren die Befürworter einer 105 In der Zeit zwischen Frühjahr 1366 und Frühjahr 1368 weist das Epistolar des Kyd. eine bedauerliche Lücke auf. Wir besitzen daher auch üher seine Einstellung zur Unionsfrage aus dieser Zeit kein direktes Zeugnis von ihm, sondern sind auf die Äußerungen anderer wie den Papstbrief vom 6. 11. 13 67 angewiesen (s. u., A.I09). 106 HalEmp 160; DöReg 3115. Zur Reise des Papstes: VasViag 160f. 107 HalEmp 163; Vermutung über die Rolle des Kyd. wegen des Papstbriefes A.I09. Geheime Anweisungen: MeyendProj 160. 108 AUrb VNr. 124-132a; HalEmp 166-171; VasViag 162-168. Erhalten sind insgesamt 23 Briefe, allerdings nur, wenn man einige Briefe gleichen Wortlauts an verschiedene Adressaten mitzählt, so AUrb V Nr. 131 b, c, d; 132, 132 a ( ((eodem modo» am Schluß des abgedruckten Textes). Der wichtigste an den Kaiser selbst ist nicht erhalten. über den Grund vgl. HalEmp 166f. und SchreinChron II 300. 109 AUrb V Nr. 131: ((Nobilibus viris Dimitrio Chidoni et Strongillo militi ac Ioanni praetori Constantinopolitan. (so abgekürzt) ». Das Dokument ist auch bei HalEmp 368, Nr. 9 abgedruckt. Zum Inhalt HalEmp 156. 110 HalEmp 172. Bereits im Jahr 1339 waren die Vorschläge Barlaams für ein Unionskonzil bei Benedikt XII. in Avignon auf Ablehnung gestoßen (NicCounc 77 - 80). Keinen besseren Erfolg hatte Ioannes Kantakuzenos mit einem Schreiben etwa aus dem Jahr 1350 (Kant III 59f.; NicCounc 84-86). Ernsthaft aufgegriffen hat die byzantinischen Konzilsvorschläge
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Union ohne Konzil (wie Kydones) zweifellos in der Minderheit und zudem von der kirchlichen Hierarchie nicht autorisiert. Zudem gelang es dem Patriarchen Philotheos mehr und mehr, diese Gruppe dogmatisch und damit auch moralisch ins Zwielicht zu bringen, vor allem seit im April 1368 Prochoros Kydones, überzeugter Parte~gällger seines Bruders, von der Synode in Konstantinopel als Häretiker verurteilt worden war. Ging es hier auch offiziell nur um die von Prochoros bestrittene palamitische Energienlehre ll1 , so war die Verurteilung praktiscIi doch ein Schlag des Patriarchen und wohl auch des im Hintergrund agierenden Exkaisers Ioannes Kantakuzenos gegen Demetrios, den allerdings, wohl wegen seiner damaligen Position beim Kaiser, das kirchliche Anathema erst viele Jahre später traf112 • Kydones konnte unterdessen das nun eindeutig zur Konversion umgedeutete Unionsvorhaben wenigstens auf schmaler Basis verwirkliche~, w~il Kaiser Ioannes V. nach seinem Ungarnbesuch und den Zusagen Ludwigs des Großen 113 aus politischen Gründen auch gegen den Willen seiner kirchlichen
nur der lateinische Patriarch Paulus im Gespräch mit Kantakuzenos (Mönch Joasaph) Juni 1367. MeyendProj 159 spricht in diesem Zusammenhang von dem «essai d'union le plus serieux que le Moyen Age ait connu», der aber von den geheimen Parhllelverhandlungen (s.o., A.I07) durchkreuzt wurde. 111 DarPatr 2541; Exkurs Prochoros, unten, S. 240 mit AA7. 112 Text de&..Anathems gegen die Brüder Kydones: MercNot 61; Syn 87,647-89,682. Gegen Demetrios konnte der Patriarch schon wegen dessen angesehener Stellung beim Kaiser damals nicht direkt vorgehen. Vermutlich wurde gegen ihn das Anathem, wenn überhaupt zu seinen Lebzeiten, erst ausgesprochen, als er zu Ende des Jahrhunderts Konstantinopel endgültig verlassen hatte; s. u., A. 267. Vgl. dazu auch HalEmp 179,AA. Das Anathema über Demetrios ist nur erhalten in den Versionen Pr und Py des Synodikon (s. Apparat des Textes in Syn 87), von denen die eine gemäß Syn 34 von 1421/25, die andere von 1439 stammt. Kyd. selbst spricht aber in KydloPaI19,22f. von einer Anklage seitens der Palamiten, die ihm großen Schaden zugefügt habe. 113 Ludwigs Forderung: zuerst Bekehrung, dann Hilfe (zusammenfassend neuere Literatur zur Ungarnreise Ioannes' V. bei BarkMan 6f., A.14-A.17) soll bis zur Bedingung erneuter Taufe des Kaisers gegangen sein. Allerdings sucht J. Gill, John V Palaeologus at the court of Louis I ofHungary (1366), BSI38(1977)32-38 diese Annahme mit einer Reihe von Gründen zu widerlegen. Jedenfalls kann kein Zweifel bestehen, daß die Romreise des Kaisers erst durch die Intransigenz Ludwigs des Großen in religiösen Fragen ihre politische Motivierung erhielt. Dies ist bei aller Kritik am Sinn der Romreise zu bedenken. Vennutlich war auch das Ausbleiben ungarischer Hilfe nach der Konversion von Rom eine der Hauptenttäuschungen für den Kaiser. Am 28. 1. 13 75 ermahnte der wohlmeinende Papst Gregor XI. Ludwig erneut zur Hilfe für Byzanz (AGreg XI Nr: 137).
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Amtsträger zum Äußersten entschlossen war und seinem Minister, soweit er es vermochte, Rückendeckung gab 114 • So fand denn die Italienreise Ioannes' V. mit einiger Verzögerung doch noch statt: Anfang August 1369 ist die Ankunft des Kaisers auf italienischem Boden (Neapel) bezeugt, und in seinem Gefolge befanden sich zwar außer dem lateinischen Patriarchen Paulus und dem Herrscher von Lesbos Francesco Gattilusi auch Würdenträger und Beamte des Hofes einschließlich Kydones, aber keine Abordnung des Klerus oder der kirchlichen Hierarchie in Byzanz oder auch ein anderer orthodoxer Patriarch 115 • Entgegen der ursprünglichen Zusage war der älteste Sohn Andronikos als Regent in Konstantinopel zurückgeblieben 116 , und der Prinz Manuel wurde zweifellos noch vor der Abreise seines Vaters zum Gouverneur von Thessalonike bestellt; zwischen ihm und Kydones bestand damals bereits ein freundliches Lehrer-Schüler-Verhältnis 117 • Mit welchen Gefühlen Kydones nach Rom reiste, bezeugt sein Brief an Simon Atumanos einige Zeit vor der Abreise: er freute sich darauf, die Vertreter des abendländischen Denkens~ mit dem er sich seit frühester Jugend beschäftigt hatte, nun persönlich kennenzulernen; andererseits erscheint die Freude aber auch bereits getrübt durch den Ärger über die Habgier der abendländischen Gastgeber, die sich vom Besuch des Kaisers hohen Gewinn erhofften. Diese Erwartung wirkt allerdings auf den späteren Betrachter angesichts der finanziellen Not des Kaisers eher komisch 118• Doch nun war es endlich so weit: um den 1. 9. meldeten der Patriarch Paulus und der «cancellarius imperii» Kydones dem Papst, wie dieser selbst mit Schreiben aus Viterbo berichtete, die Ankunft des Kaisers in Italien, und am 18. 10. 1369 kam
114 Das geht vor allem hervor aus KydIoPaI10,13 H.; vgl. auch T81/MercNot 348,63. Aber nicht weniger bezeichnend ist, daß Kyd. sich in dieser Zeit einen Brief wie T68/L 129 an Patriarch Philotheos erlauben konnte, wohl die schärfste Invektive, die wir aus seiner Feder kennen. 115 Zur Reise Vas Viag 174 f. Für das Datum des Aufbruchs von Byzanz gibt es keinen Quellenbeleg; VasViag hält bereits Anfang April für möglich. Zum Gefolge des Kaisers: HalEmp 190-193. 116 BarkMan 9; 12 mit A.29 (Lit.). Der von HalEmp 191 f. erwähnte Andronikos Palaiologos im Gefolge des Kaisers war vielleicht ein Megas Primikerios dieses Namens; vgl. Pap Nr. 57 mit A.282. 117 BarkMan 9 mit A.23; DenReign 13,A.3 8. Beziehung des Kyd. zum Prinzen Manuel: s.o., A.93. 118 T69/Ll03.
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es in Rom zum ersten und entscheidenden Zusammentreffen zwischen Papst und Kaiser im Ospedale di Santo Spirito «in Sassia» am Tiber unweit der Engelsburg und des Vatikans, bei dem auch Kydones zugegen war 119 • Der Kaiser unterschrieb ein zweisprachiges Glaubensbekenntnis, dessen lateinisches Original Kydones zuvor ins Griechische übersetzt hatte, und das in allen entscheidenden Kontroverspunkten die römische Lehre bedingungslos akzeptierte 12o • Diese Konversion des Kaisers und seines Gefolges, die mit einer Union nichts zu tun hatte, wurde am 21. 10. in einer feierlichen Zeremonie urbi et orbi verkündee21 • Zu weiteren Verhandlungen und privaten Kontakten mit dem Papst, aber nicht zuletzt auch aus Geldnot, blieben die Byzantiner noch bis März 1370 in Rom 122 • Aus dieser Zeit ist ein Brief des Kydones an seinen Bruder erhalten, der diesen vielleicht bereits nicht mehr erreichte, denn während Demetrios in Italien weilte, ist Prochoros, wohl in Konstanti- nopel, gestorben 123. In diesem Brief klagt Demetrios, sein Einsatz bei den diplomatischen Verhandlungen zwischen Kaiser und Kurie fordere ihn so sehr, daß ihm keine Zeit bleibe, sich entsprechend seinen Wünschen und Erwartungen mit Vertretern des-.abendländischen Denkens zu unterhalten; nicht einmal privaten Studien könne er sich widmen. Er berichtet jedoch von zahlreichen Begegnungen mit angesehenen Vertretern der Kurie und von einem Angebot an ihn persönlich, in Rom zu bleiben, das auch der. Papst begünsti-
119 Schreiben aus Viterbo vom 2.9. 1369: HalEmp 37Of., Dokum. Nr. 12. Zum Inhalt: DöReg 3120; HalEmp 188. Treffen vom 18.10.: HalEmp 195; VasViag 179. 120 Der Inhalt des Glaubensbekenntnisses und die Formel des Eides, den er darauf ablegen sollte, waren dem Kaiser durch zwei päpstliche Schreiben vom 1. 7. 1366 (AUrb V Nr. 107; 108) im wesentlichen bekannt. Dazu HalEmp 118f. Dokumente der Konversion vom 18. 10.: Schreiben «Noverint universi» vom 7. 10. mit Ankündigung des Vorganges (AUrb V Nr. 168, 1. Teil, S. 287 f., wo die «Nonen des Oktober» irrig auf den 5. datiert sind; Theiner 37f., NE 11, 249f.); Glaubensbekenntnis in der Fassung vom 10. 10.; Theiner 38f. (lat.), 41-43 (gr.); Fassung vom 18.10.: NE 11,245-249 (lat.), 241-245 (gr.); Protokoll des Vorgangs vom 18. 10.: AUrb V Nr. 168,2. Teil, S. 288-290; NE 11, 250,20-253; Kurzfassung: Theiner 37. Über Kyd. als Übersetzer des Glaubensbekenntnisses vgl. auch unten, Werke, S. 71f., 2.12. Ober die zwei Fassungen VasViag 173; lat. Text vom 18.10. ebd. 180-183. Über den Vorgang: HalEmp 198. 121 HalErnp 198f.; VasViag 183. 122 HalEmp 199 f. Um dem Kaiser aus der Geldnot zu helfen, wandte sich Urban V. am 4. 11. mit einem Schreiben an Amadeo von Savoyen: AUrb V Nr. 169; dazu HalEmp 200. 123 T71/L39. Zum Tod des Prochoros LOCP 36,70 und unten, Exkurs, S. 240 mit A.57 und 58.
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ge 124 • Tatsächlich wissen wir, daß eine päpstliche Bulle vom 9. 3. 1370 ihm die Einkünfte der lateinischen Kirche von Patras auf zwei Jahre zusicherte, nicht ohne Mitwirkung des späteren Papstes Gregor Xl., der ihm sehr zugetan war 125 • Doch konnte er sich nicht zu einem längeren oder dauernden Aufenthalt an der Kurie entschließen, und aus seinen eigenen Äußerungen zu diesem Thema ist der Grund klar zu entnehmen: sein Gefühl der Verantwortung gegenüber dem Kaiser und der Treue zur bedrängten und notleidenden Heimat verbot es ihm, solchen Versuchungen nachzugeben, eine Entscheidung von geradezu tragischer Dimension~ wenn man bedenkt, daß ihm nach seiner Rückkehr schwerste Anfeindungen nicht erspart blieben 126 • Mag man also auch seine Unterwerfungspolitik gegenüber Rom kritisieren, moralisch bleibt er über jeden Verdacht des Opportunismus erhaben. Es ging ihm zweifellos nur um das Wohl des bedrohten Reiches, und er war mit einer gewissen Hoffnung nach Rom gefahren, obwohl er die Aussichtslosigkeit seiner Position, was konkrete Hilfe für die Heimat anbetraf, schon bald einsehen mußte. Auch in dieser Hinsicht ist sein letzter Brief an Prochoros ein erschütterndes Dokument, das den Zwiespalt zwischen Erwartung und Wirklichkeit beredt anklingen läßt: «Wir haben hier nichts von dem erreicht, wofür wir uns eingesetzt haben. Die Römer halten uns ja unsere irrigen Ansichten in theologischen Fragen und unsere Neuerungen im kirchlichen Bereich und in der religiösen Praxis vor und nennen den Übermut der Barbaren die Strafe dafür. Das läßt mir das Bleiben schwer, wiederum aber auch die Heimkehr bitter 124 Vgl. LOCP 36,66. 125 AUrb VNr. 187 mit dem Zusatzschreiben 187a vom gleichen Tage, das Kyd. von der Residenzpflicht in Patras befreit. In beiden Schreiben wird Kyd. als «c1ericus Constantinopolitanus» angeredet. Der damit vorausgesetzte Weihegrad ist nicht angegeben, doch muß Kyd. mindestens eine niedere Weihe erhalten haben. Angeboten hatte man ihm aber anscheinend sogar das Bischofsamt oder gar die Kardinalswürde. Vgl. KydApol II 414,372 . (ILEYLOLTJ LEQOOOUVTJ). über die Verleihung des Kanonikats: HalEmp 206; Freundschaft mit Pierre Roger de Beaufort (später Papst Gregor X!.): HalEmp 282. De facto blieben aber die Einkünfte des Kanonikats aus, wie wir aus einem Schreiben Gregors Xl. vom 20. 11. 13 75 wissen: AGreg XI Nr. 180; dazu HalEmp 323,A.4. Vgl. auch MercNot 437-441; KydApol II 414,350f., wo vorausgesetzt ist, daß Kyd. bisher nichts erhalten hat. . 126 Begründung s~iner Entscheidung: T711L39,32-36; vgl. auch KydIoPal 22,16-30 und L226,165-174, wo er sein Versprechen an den Papst erwähnt, nach Rom zurückzukehren. Die Treue zum Vaterland betont er auch T79/L1 07,22 f. und KydApol II 414,3 73 (ta~ EvmiHta :rtQo'tLlLiloa~ o'XLa~). Anfeindungen nach der Rückkehr: T78/L34,23 f.; T79/Lt07,20ff. und weitere Briefe; ferner KydIoPaI19,21-29.
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werden» 127. Diese Zeilen zeigen deutlich, daß auch er, mochte er sich selbst auch seinerzeit durch die Konversion dem Anspruch der römischen Kirche bedingungslos gebeugt haben, nun doch von Rom eine gewisse Konzilianz in Fragen des Glaubens und der Disziplin, zumindest aber in den Umgangsformen, erhofft hatte und von der Intransigenz des Gesprächspartners enttäuscht war.' Zwar gab es am Rande::des Geschehens auch Erfreuliches für ihn, wie seine Freundschaft mit dem späteren Kardinal Agapitus Colonna, dem er noch nach Jahren seine Grüße.ausrichten ließ 128 • Im ganzen aber war die Italie~reise aus seiner späteren Sicht kaum mehr als eine fatale Odyssee, wozu nun auch noch die folgenden Erlebnisse beitrugen 129 • Am 18.3. 1370 ist die byzantinische Delegation wieder in Neapel bezeugt; man reiste von dort um die Südspitze Italiens nach Ancona 130 und traf gegen Ende des Frühjahrs in Venedig ein, wo den Kaiser und sein Gefolge die finanzielle Not auf längere Zeit festhielt 131 , bis schließlich der Prinz Manuel aus der Heimat finanzielle Hilfe von nicht näher bekanntem Umfang brachte 132 • In Venedig erhielt Kydones noch einmal von Papst Urban V. eine schriftliche Versicherung seines Wohlwollens 13 3, verbunden mit dem Ausdruck der Hoffnung, er werde fortan zur «Bekehrung» seines Volkes beitragen 134 • Erst ein Jahr, nachdem er Rom verlassen hatte, konnte Ioannes V. (bald nach dem 2. 3. 1371) von Venedig aus die Heimreise antreten; es ist so gut wie sicher, daß Kydones zusammen mit ihm abreiste, aber unterwegs trennten sie sich, wahrscheinlich in griechischen Gewässern, denn Kydones machte auf der Peloponnes in Mistra für kurze Zeit Station, um seinen Freund seit den Tagen von Berroia Manuel Kantakuzenos zu besuchen 135 • 127 T71/L39,35-39. 128 1190,60-62; vgl. PLP 116. Freude am Romaufenthaltist auch inL226,158-160 bezeugt. 129 KydIoPaI 14,33-15,4. Ähnlich äußert sich Kyd. bereits in T72/L36,10f. und T73/L71 (über die Geldnöte des Kaisers und sein Umherirren in Italien, um Geld aufzutreiben). Vgl. auch T75/L29,17; T84/L106,9; T86/L37,4; T87/L35,4. Aber auch dieItalienreiseManueIs wird als Odyssee bezeichnet (T76/L21,21). 130 LoenJeanV 217f. Zu Ancona: T73/L71,9; L349,4ff. 131 BarkMan 11,A.28 (Lit.). 132 ChrysJohnV 77; vgl. LoenJeanV 218. 133 HaIEmp 384f., Dokum. Nr. 20 vom 22. 6.1370 (= AUrb VNr. 200). Dazu HaIEmp 206. 134 Diese Mahnung zeigt, wie sehr der Papst die reale Situation in Byzanz verkannte. 135 Terminus post quem der Abreise: HalEmp 229; über Kyd. LOCP 36,67. Zu seinem Aufenthalt in Venedig vgl. noch die begeisterte Ekphrase aus der Rückschau T90/L24. Reise zur Peloponnes: T77/L22; T86/L37,5f.; L225,33.
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Ioannes V. aber begab sich zu einem längeren Aufenthalt, vielleicht zur Erholung von den Strapazen der Reise, vielleicht aber auch, um zur Auslösung seines als Bürge in Venedig verbliebenen Sohnes Manuel Geld zu beschaffen, auf die Insel Lemnos, eines der letzten größeren Eilande, die dem Reich verblieben waren 136. Spätestens im. Frühsommer 1371 traf Kydones wieder in Konstantinopel ein, wohl aufgenommen von dem regierenden Mitkaiser Andronikos IV., sehr schlecht von einem «Verfluchten», wie er ihn nennt, zweifellos dem Patriarchen Philotheos 137 • Die außenpolitische Lage der Hauptstadt war verzweifelt, wie aus einem Brief des Kydones an einen bei Ioannes V. weilenden hohen Beamten hervorgeht; darin läßt er dem Kaiser ausrichten, er möge seiner Stadt schleunigst zu Hilfe kommen 138• Es fällt auf, daß er in dieser Zeit dem Kaiser nicht persönlich schreibt. Vermutlich hatte schon während der letzten Wochen des Italienaufenthaltes eine Verstimmung des Kaisers gegenüber Kydones wegen der Erfolglosigkeit der Italienreise eingesetzt, die nach seiner Rückkehr offen zutage trat 139 • In dieser prekären Lage der Hauptstadt scheint eine einflußreiche Gruppe dort, die offenbar auch den Regenten Andronikos auf ihrer Seite hatte, die Auslieferung der Stadt Kallipolis am Hellespont, seit der Rückeroberung durch Amadeo von Savoyen wieder byzantinisch 140 , an den Türkensultan Murad 1. empfohlen zu haben, um ihn
136 Der Aufenthalt des Kaisers auf Lemnos wird ausdrücklich nur durch T74/L28, 7.9 bezeugt. Dazu LOCP 36,67 f. BarkMan 14 erwähnt die Station des Kaisers auf der Insel mit keinem Wort. Mit diesem Lemnosaufenthalt Ioannes' V. ist vielleicht eine Stelle in der panegyrischen Vita des bulgarischen Patriarchen Euthymios, verfaßt von Gregor Camblak, in Verbindung zu bringen, auf die HalEmp 232,A.1 erstmals hingewiesen hatte. Die Verbindung zwischen dem Zeugnis des Kydonesbriefs und dem der Vita stellt VoordEmp 615,A.35 her, wo Voordeckers vermutet, der Lemnosaufenthalt Ioannes' V. stehe im Zusammenhang mit seinem von der Vita bezeugten Bemühen, von dem genannten Euthymios . (damals Mönch auf dem Athos und angeblich im Besitz großer Reichtümer) Geld für die Auslösung seines Sohnes Manuel in Venedig zu erhalten, wofür er ihn, wie die Vita berichtet, auf Lemnos inhaftiert habe. Vgl. dazu auch SchreinChron 11 302 mit A.22. Eine genaue Diskussion des Fragenkomplexes erfolgt im Kommentar zu T74. 137 T78/L34; dazu LOCP 36,68. 138 T74/L28; vgl. a. T75/L29. 139 Andeutung einer Gesinnungsänderung des Kaisers in KydIoPaI18,33-35; vgl. auch ebd. 14,19f. 140 Eroberung von Kallipolis (Gallipoli, Kalliupolis) durch Amadeo von Savoyen Ende August 1366: BarkMan 7.
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mit einer solchen Preisgabe zu beschwich.tigen. Noch einmal strengte Kydones seine ganze Redekunst an, um diese Politik zu widerlegen und zu verhindern 14 \ und tatsächlich wurde die Stadt erst ca. Juni 1377 den Türken ausgeliefert 142 • Am 28. 10. 1371 endlich traf auch Ioannes V. wieder in Konstantinopel ein 143 • Kydop.es sah sich veranlaßt, bald darauf wegen der Anfeindungen vor allem von seiten der orthodoxen Kirche, aber auch wegen der Gesinnungsänderung des Kaisers gegenüber seiner Person, in einer ausführlichen Rede mit Bilanz seiner bisherigen Tätigkeit um Entlassung aus dem Dienst zu ersuchen 144. Er plante anfangs, nun doch der Einladung nach Rom zu folgen und dort auf geraume Zeit als Botschafter der byzantinischen Sache zu wirken. Keineswegs wollte er der Heimat ganz den Rücken kehren, sondern in absehbarer Zeit wiederkommen; er hatte nicht die Hoffnung aufgegeben, im Abendland doch noch größere Aktivitäten für sein bedrängtes Vaterland anzuregen 145. Die Entlassung wurde ihm auch nach einer gewissen Zeit des Wartens gewährt 146, aber seinen letzten Sold blieb ihm der Kaiser zunächst schuldig 147, und Kydones zögerte nicht, ihn in einem geharnischten Brief zu 141 In seiner Rede «Oe non reddenda Callipoli», s. u., Werke, S. 65, 1.3.5. Dort auch Begründung der Datierung auf Sommer 1371 und Widerlegung der These von Charanis (CharStrife 297), die Rede stamme aus dem Jahr 13 76. Kyd. nahm zweifellos auch die Niederlage der Serben gegen die Türken an der Marica zur Kenntnis: T94a/L63. 142 BarkMan 458-461. Kyd. bezeugt selbst die Abtretung in L167,15. 143 SchreinChron 11 30lf. Dort auch über eine mutmaßliche antiunionistische Palastrevolution gegen den Kaiser. Bald darauf verfaßte Kyd. das Prooimion zu einem Chrysobull, das dem Prinzen Manuel seine Apanage Thessalonike in erweiterter Form bestätigte, s. u., . Werke, S. 65, 1.4.3. Seine guten Beziehungen zu Manuel in Thessalonike bestätigen die Briefe T83/L23 und T85/L79. 144 KydloPal. Dazu LOCP 36,69 und 37,19 S. u., Werke, S. 65, 1.3.6. Seine Auseinandersetzung mit den eigenen Gegnern und den Feinden seines Bruders Prochoros bezeugen vor allem die Briefe T81/MercNot 346ff.; T93/L400 (beide bezeugen die Gegnerschaft des 10annes Kantakuzenos im religiösen Streit); T94/L151 an Theodoros Meliteniotes; T103/L131 (Auseinandersetzung mit einem antilateinischen Bischof) und T102/L116 (Auseinandersetzung mit Manikaites); einen Ausfall gegen die Palamiten und ihren Einfluß am Hof findet man auch in KydloPal 18,36-19,37. 145 KydloPal 22,9-23,33; T86/L37 an Kalopheros. 146 Bezeugt zuerst in den Briefen T96/L115 und T97/L181. 147 Auf den Sold kommt er bereits in KydloPal17,40 ff. zu sprechen. Aus dem Dienst entlassen, versucht er ihn zunächst über einen Mann in der Umgebung des Kaisers in Erinnerung zu bringen (T96/L115,14-20). Auf die kaiserliche Ungnade spielt vor allem T99/L55 an.
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EINLEITUNG
mahnen; Ton und Stil sind ein schlagender Beweis für den Verfall des kaiserlichen Ansehens in diesen Jahren 148• Doch blieb Kydones auch in dieser zweiten Phase des Ruhestandes (nach 1354/55) nicht ganz uninteressiert am Geschehen im Palast, wie einige Briefe aus der Zeit beweisen 149 • Es mag überraschen, daß er seine Entpflichtung vom kaiserlichen Dienst nicht augenblicklich nutzte, um die geplante Italienreise anzutreten; andererseits ist zu bedenken, daß eine solche Reise jetzt nur noch rein privaten Charakter gehabt hätte und an eine Art Botschaftertätigkeit in Rom bzw. Avignon (wohin Urban V. noch im Jahr 1370 zurückgekehrt war und wo Gregor Xl. inzwischen als sein Nachfolger residierte) nicht mehr zu denken war 150• Seit etwa Herbst 1372 plante er eine Reise mit wesentlich näherem Ziel: Francesco I. Gattilusio, Schwager Ioannes' V. und Teilnehmer an der Italienfahrt 1369, ein eifriger Anhänger der Unionspolitik und Kydones in Freundschaft zugetan, hatte diesen in seine Residenz Mitylene auf Lesbos eingeladen, und Ky- . dones erbat sich vom Kaiser die Erlaubnis, der Einladung nunmehr zu folgen. Doch verweigerte Ioannes V. (aus unbegründetem Mißtrauen, wie Kydones selbst unterstellt) seine Zustimmung, und Kydones scheint die Reise, vielleicht angesichts der schwierigen politischen Lage (Verschwörung des Andronikos?) noch einmal verschoben zu haben 15 1, bis er schließlich etwa im 148 T98/L70; dazu SevSoc 18f. (Rapp.) = 80f. (Actes). 149 T99/L55; besonders aber Tl00/L114, wo Kyd. auf das Geschehen im Palast Einfluß zu nehmen sucht. Der zurückgezogene Aufenthalt im Manganenkloster (WIJ.ä. ... 3tEQL 'tij~ Ev Tfi xa'Ö'oALXTI 3tLO'tEL aATJ'Ö'ELa~ xat xa'tcl. 'twv aLQEoEwV 'twv Evav'tLOUIJ.EVWV aU'tfi. Unediert (eine von L. Petit vorbereitete Edition wurde nicht abgeschlossen). Hss: Liste bei PapMet 34-43; Ergänzungen in der Rezension von B. Kotter, ZKG 89 (1970) 264; außerdem: Marc. 11, 2: 119-306 (dazu Turyn, Dated Greek Man., I 232f.). Exz. ferner in Barocc. 90: 144-149 (war seit Fabricius, PG 154,829f., Nr. 8 irrig als gesondertes Werk geführt; identifiziert in MercNot 133,A.4: Übers. von IV,55 der s.c.g.) und 149-153 (Übers. von IV,53 der s.c.g.); beide Exzerpte zu Fragen der Inkarnation Christi. D: Übersetzung des ganzen Werkes abgeschlossen am 24. 12. 1354. Berechnung des Datums aus dem Kolophon der Hs Vat. 616: 313 durch V.Laurent, EO 26 (1927) 357 f. Der Grund, den PapMet 30-32 für eine frühere Datierung des Abschlusses angibt, Kydones habe sich nach der Abdankung des Kantakuzenos nicht mehr in dessen Nähe aufgehalten, ist hinfällig; s.o., S. 14 mit A.72. Q:
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KYDONES' WERKE
L333. Lit: RackKyd; RackÜb 51-53; MercNot 11,A.3; 15; 122; 160; JugieKyd 389-392; PapMet 25-43; PodRez 306,A.l; KiankaApoI60,A.17; 63f. 2.9.3 Summa theologiae W, la IIae, lI a lI ae, nach PapMet 43) (Handausgabe u.a. Turin 1948; noch keine krit. Ed.). Griech. Titel: Toii ay(ou 9wJ.lä. 'tOii Ä'KULVel'tOU ... 'tij~ 'frEOAOYL'Kij~ ouv61PEW~ bzw. OUV'telSEW~ (sc. J.lEQO~ ... ) (vgl. PapMet48f.). Unediert; Teiledition derIl ae ll ael_16 durch G. Leontsines und A. Glykophrydu-Leontsine unter Leitung von E. Mutsopulos: ~TjJ.lTj'tQ(ou KuÖ'wVt'], 9wJ.lä. Ä'KULVel'tOU: l:ouJ.lJA.QLL'tELV (q>QL't'tOO c.acc. = erschrecken vor, fürchten: LSc, s. v., H, 2). 7 Erneute Bescheidenheitswendung unter Anspielung auf HomIl2,254-277. 8 Ähnlicher Gedanke: T2,AA 9 über Güte, Sanftmut und Menschenfreundlichkeit (q>LA.UV'frQOO1tLU) als kaiserliche Eigenschaften: Treitinger 229 mitA.90. Vgl. KydKantI 9,10; KydKant II 82,42 und zahlreiche Stellen in den anderen Briefen an Kantakuzenos. Vgl. auch Exkurs, S. 99, A.29. 10 PIPlta379b; vgl. Kittel, s. v. ayu'fr6~, 13-15; ManEp(Den) Nr. 31,46. Schlüssevongöttlichen auf kaiserliche Eigenschaften ergeben sich aus der Vorstellung vom Kaiser als Stellvertreter Gottes, s. Treitinger 43. 10a W.: rnL 'tou'tO.
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BRIEF T3/EXKURS IOANNES KANTAKUZENOS
11 Feindesliebe des Kaisers auch: T5/L12,34f., A.14; T8/L7,31.39f. 42-44; T9/L27,21; T21/L88,33; T26/L64,43,A.15; T27/L15,23 ff.; T30/L42,60f.; T32/L13,14ff.52-61; T3 5/L5 7,10 f. Entsprechend Kantakuzenos über sich selbst: Kant II 216,22; 362,3 ff.; 502,17 f.; 526-528; 557; 572,20; III 22,20. Vgl. WeiKant 18-20. Doch lobt Kyd. später auch die Feindesliebe Ioannes' V.: Tl 09 /L 117,59 f. 12 Anapher (E'ÖöaLJ.I.OVa - E'ÖöaLIJ.OVa); dazu Lausberg § 629; zur Funktion (affektbetonte Vereindringlichung) ebd. § 608. 13 HomIl 1,249. Die Stelle in ähnlichem Bezug auch L375,4f.; L401,18. Anders ManEp(Den) Nr. 5,19. 14 Der Anblick des Briefpartners auch T77/L22,30. Oberschwenglicher Ausklang des Briefes, mit dem Kyd. die Aufmerksamkeit des kaiserlichen Gönners erneut auf sich lenken will.
Exkurs IOANNES KANrAKUZENOS IN DEN KYDONESBRIEFEN 1
Die Briefe des Kydones an Ioannes Kantakuzenos und seine sonstigen brieflichen Äußerungen über ihn sind relativ arm an historischen Fakten. Dem Briefstil entsprechend werden historisch bedeutsame Vorgänge nicht berichtet, sondern nur angedeutet, so möglicherweise ein Versuch des Kaisers, im Sommer 1342 Thessalonike zu erobern 2 , der Umschwung der Stimmung in Thessalonike für seine Sache im Juni/Juli 1345 3 , seine Erfolge im östlichen Thrakien seit Frühjahr 1345 4 , sein Kampf um Konstantinopel im Frühjahr 13465 und seine kriegerische Auseinandersetzung mit Ioannes V. im Sommer/Herbst 13526 • Konkrete Andeutungen finden sich ferner über sein Verhältnis zu Kydones und seiner Familie: seine Freundschaft mit Kydones' Vater 7 , sein daraus folgendes persönliches Patronat über Kydones 8 und dessen ruhiges Vertrauen auf die gnädige Gesinnung seines kaiserlichen Herrn, auch wenn es einmal scheinbar anders aussieht9 • Im übrigen wird von ihm in den Briefen bis zum Datum seiner Abdankung im Dezember 1354 fast durchweg 10 ein stark enkomiastisch gefärbtes Bild entworfen, das erst in den Jahren danach einem z. T. kritischeren Urteil weicht. Auch die hesychastenfreundliche Politik seines kaiserlichen Herrn griff Kydones, während er noch in seinen Diensten stand, nicht offen an; doch zeigt uns eine kritische Äußerung gegenüber diesen Mönchen seine tatsächliche Einstellung l l . Das enkomiastische Bild des Kaisers in den Briefen vor 1354, das weithin dem Bild entspricht, das Kantakuzenos in seinen Memoiren von sich selbst entwirft, trägt die folgenden wesentlichen Züge: Gott selbst ist es, der Kantakuzenos zum Kaiser erwählt hat, und seine 95
EXKURS IOANNES KANTAKUZENOS
Herrschaft stammt von ihm 12. Doch leitet sich sein Kaisertum nicht nur in der üblichen Weise von Gott ab 13 , sondern Gott zeigt ihm auch in ganz besonderer Weise seine Gunst, seinen Schutz und seine Hilfe 14 . So ist er auch allein dem Urteil Gottes unterworfen 15, das freilich positiv ausfallen wird, da er sein gesamtes Verhalten nach ihm ausrichtet 16. Er steht auch in eOngster mystischer Verbindung zu ihm, die ihm eine Mittlerfunktion zwischen Gott und den Menschen sichert17, und wird gleichsam zum Abbild Gottes 18. Außer dem Willen Gottes legitimieren aber noch andere Faktoren seinen Herrschaftsanspruch. Eine relativ geringe Rolle spielt dabei seine Abkunft 19, der Wille seines Vorgängers Andronikos 1I1. 19a und der des Senates von Konstantinopel 20 . Im Vordergrund steht vielmehr der Gedanke, daß er der geborene Herrscher, der platonische Philosophenkönig schlechthin ist21 . Diese Eigenschaft stellt er durch seine überragenden Tugenden und Vollkommenheiten unter Beweis 22 , so daß seine Herrschaft mit Recht als Belohnung seiner Tugend gefeiert werden kann 23 . Vor allem zeichnen ihn die platonischen Herrschertugenden aus 24 , im einzelnen Tapferkeit25 , Gerechtigkeit 26, verständiger Sinn 27 und Weisheie8. Hinzu kommt aber als die einem christlichen Kaiser besonders anstehende Tugend die Menschenliebe 29 , die sich ausprägt als Sanftmu~o, Güte 31 , Großmu~2 und vor allem Feindesliebe33 . Ein solcher Herrscher ist natürlich der Wohltäter seiner Untertanen34 und ein erlösender HeilandJ5 gemäß der Herrscheridee von Byzanz36 . Er ist auch der selbstlose Diener des gemeinsamen Wohls 37, bei allen beliebt und angesehen38, abgesehen von böswilligen Gegnern39 , und der Garant allgemeinen Friedens40, dem universale Herrschaft gebührt41 . Abgesehen von seinen Herrschertugenden ist er auch ein ausgezeichneter Philosoph im Gefolge Platons 42 , ein vollkommener Theologe43 , ein begeisterter Liebhaber der schönen Literatur und ein meisterhafter Stilist44 , schließlich auch als Lehrmeister seines Sohnes Manuel der beste Pädagoge45 . Seine antiken Vorbilder sind als Herrscher der Göttervater Zeus 46, als. Krieger Alexander der Große47, Herakles 48 und Achilleus49 , als Rhetor und Literat Demosthenes 50, Odysseus, Nestor und Palamedes5\ als «Naturgenie» Phokion und Demosthenes52 , als Heilbringer Hippokrates 53 . Kydones vergleicht ihn auch mit der Sonne, deren höchster Wert jedem einsichtig sein muß 54 . Schließlich wird er immer wieder als Sieger gepriesen: auf dem Schlachtfeld55 , aber mehr noch durch seine persönliche Faszination56 , seine Menschenliebe gegenüber den Feinden57, seine Einsich~8 und auch durch seinen vollendeten Stil59 . 96
EXKURSIOANNESKANTAKUZENOS
Erst nach der Abdankung des Kaisers wird der Streit um den Palamismus zum offenen Stein des Anstoßes zwischen ihm und Kydones. In einem Brief aus dem Jahr 1362/63 ist Kantakuzenos vermutlich einer der «Herrscher» der Peloponnes, mit denen vorsichtig umzugehen Kydones seinem Freund Raul Metochites empfiehlt, da es schwierig sei, die mit Worten zu überzeugen, die in di.esen Fragen ein für allemal die Vernunft mißachtet haben 60 . Daß es wirklich nur diese Streitfrage ist, die ihn von Kydones trennt, wird in einem Brief aus Venedig an Asanes (1370/71) noch deutlicher. Hier schreibt Kydones zunächst: «Du weilst bei einem Kaiser, der eine weise Rede auch anzunehmen bereit ist. Ihm kannst du täglich zuhören, wie er Denkwürdiges sagt USW.»61. Allerdings fährt er fort, im Verlauf der anregenden geistigen Gespräche könne Palamas plötzlich «wie ein Unkraut aufsprossen», und weiter: «Der Kaiser aber gibt den Mann nicht leichterhand preis, sondern verteidigt ihn geflissentlich, wenn jemand es wagt, ihn anzugreifen. Das aber führt vielleicht dazu, daß ihr euch einmal auf unliebsame Weise voneinander trennt» 62. Daß Kantakuzenos aber am Prozeß gegen Prochoros Kydones maßgeblich beteiligt war, wurde zwar vermutet63 , ist aber unwahrscheinlich 64 • Mit Sicherheit jedoch verfaßte Kantakuzenos eine Streitschrift gegen Prochoros' Lehren, deren Verbreitung Kydones in einem scharfen Brief an . den Exkaiser kritisierte65 • Nach diesem Brief ist kein schriftlicher oder mündlicher Kontakt mehr zwischen Kydones und Kantakuzenos bezeugt. Doch hegte Kydones anscheinend keinen dauernden Groll gegen seinen ehemaligen kaiserlichen. Herrn, wie spätere Briefe von ihm beweisen. In einem Schreiben an Matthaios Kantakuzenos von Herbst 1382 erinnert sich Kydones gern der ehrenvollen Stellung, derer ihn Kantakuzenos einst gewürdigt hatte66 , und empfiehlt ihm den Vater, dessen Tage damals bereits gezählt waren 67 , als Ratgeber68 • Rückblickend findet Kydones erneut Worte des Lobes für ihn in dem langen Brief an seine Tochter Helene aus dem Jahr 139269 • So scheint es also, daß Kydones trotz der Affäre mit seinem Bruder das Gute nicht vergessen hatte, das er Kantakuzenos verdankte, und auch geneigt war, seine Herrschertugenden bis zum Schluß anzuerkennen. 1 Als neuerer überblick über Leben und Werk des Kantakuzenos ist grundlegend NicKant Nr. 22, S. 35-103. Vgl. neuestens auch M. A. Poljakovskaja, Dimitrij Kidonis i Ioann Kantakuzin (k voprosu 0 politiceskoj koncepcii serediny XIV v.), VV 41 (1980) 173-182. Wichtige Kor- . rekturen an Nicols Bild von Kantakuzenos finden sich bei DietGreg 11 1, A.27 (S. 119 f.; 124) und A.34 (S. 129f.); vgl. auch ebd. 11 2, 421, Index, s. v. Johannes VI. Kantakuzenos.
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EXKURS IOANNES KANTAKUZENOS
2 T5, D. Nach Möglichkeit wird auf die Buchstaben bzw. Fußnoten des Kommentars verwiesen, wo die betr. Textstelle des Briefes erläutert wird. 3 T7,D. 4 T8,ZG; T10,BE. 5 T13,OE; D. 6 T26,X1; X4; X5; T30, OKyd etc. Kyd. betont den unfreiwilligen Charakter dieses Kriegsunternehmens, das Kantakuzenos mit Rücksicht auf seine familiäre Bindung an loannes V. lieber nicht durchgeführt hätte: T27,A.11. 7 T5, OKyd; A.26; T6,A.14. 8 T3, BKyd; T8, BKyd; A.25.Vgl. auch KydKant 12,23-3,2. 9 T30/L42,45; A.18; A.21. 10 Einzige Ausnahme ist der in ironischem Ton geschriebene Brief T29/L14. 11 T21,X1; ZG. 12 T5,A.16; T6,A.3; T7,A.7; A.11; T8,A.9; vgl. Kant 11 338-342; 344; s. auch 167-169 (dazu NicChurch 46); 305; 481; 555. Zur Idee «aus Gott»: HungProoim 49ff. 13 Oberbietung aller anderen Herrscher: T8,A.9; Topos derKaiserrede; vgl. Greg I 342ff. 14 T5,A.16; T12,A.16; T27,A.1; A.3; vgl. KantII 330,11 f.; 333,13-15; 351,18; 352,19; 361,19f.; 374,19-21; 395,18-21; 418,1-4; 419,21-24; 477,22; 527,10f.; 559,10f.; 591,1-3; 609,15f.; III 9,6-11; 35,15-21; 146,5-8. Herrschaft mit Gottes Willen: Kant 11 340,llff.; 341,19ff.; 342,3ff.; 351,18; 352,19f. Vgl. HungProoim 63ff. ('Ö'EO' "öovij~): vgl. T24,A.6; L211,12; Mazaris 58. 8 PindOI2,157. Der Dichter unterscheidet hier den geborenen Weisen (unter dem Bild des Zeusvogels Adler) von denen, die ihr Wissen nur erlernt haben und geschwätzig wie Krähen sind. Vgl. auch PindOI2,86. Auch Long 2,1 nimmt auf diesen Gedanken Bezug, und D. A. RusseIl bemerkt in seinem Kommentar Longinus' On the Sublime, Oxford 1964, 63 f. dazu: «An old commonplace of aristocratic ethics, early and often applied to poetry.» Hier mit Bezug auf den sprachlich vollendeten kaiserlichen Brief, aber auch bei Kyd. öfters: T21/L88,26f.; T81/MercNot 349,95; T84/L106,14. 9 Zu denken ist hier wie beim Pindarzitat an Vorbilder genialer Naturbegabung. Nach PlutPhok 6 lernte der hervorragende attische Stratege Phokion (402/1-318) das Kriegshandwerk bei dem mittelmäßigen Feldherrn Chabrias; nach PlutDem 4 hatte Demosthenes unfähige Lehrer. 10 Gemeint ist, daß der Kaiser mit seiner unerhörten sprachlichen Begabung neue Maßstäbe gesetzt hat und alle so überbietet, daß ihre Bildung sich gleichsam in nichts auflöst. 11 '0 J'tav,;a äeLm;o~ ßaOLÄ.EU~», als respektvolle Bezeichnung des Kaisers gebräuchlich, vgl. T39/L62,40; T54/L73,88; T59/L93,30; T69/L103,8; T68/L129,65; gelegentlich auch für andere Personen: T48/L275,28 (ohne den Kaisertitel). 12 Die Anspielung auf die Fähigkeiten des Kantakuzenos als Gerichtsredner gehört wohl in den Zusammenhang, der in A.5 besprochen ist. 13 Die Stelle bezieht sich wohl auf eine (scherzhaft gemeinte?) Bemerkung des Kyd. in einem vorausgehenden, nicht erhaltenen Brjef an Kantakuzenos, etwa dahingehend, Kantakuzenos werde seine Herausforderung zum stilistischen Wettstreit nicht annehmen (uJ'tO'tpLm, w. Verdächtigungen, hier wohl im Sinne von Zweifeln an der Fähigkeit des Kantakuzenos). Ein Bezug der Stelle auf T3/L 11, 11-15 (in LS I zu diesem Brief vermutet) läßt sich kaum verteidigen. 14 Vor allem wohl Anspielung auf die von ihm selbst in seinen Memoiren gefeierte Großmut
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ÜBERSETZUNG UND KOMMENT AR
des Kantakuzenos gegenüber seinem Gegner Alexios Apokaukos 1341 (NicKant 46). Zur Feindesliebe s. T3,A.l1. 15 Zweifellos Anspielung auf das Lob des Kantakuzenos für den Briefstil des Kyd. Loenertz (Ausgabe, zu dieser Stelle) will hier offenbar das griechische Wort 1tOj.lJtEUELV mit «Spottlieder singen» übersetzen (gemäß Suda Nr. 2023) und vermutet entsprechend, Kyd. habe hier die Panathenäen mit den im entsprechenden Sudaartikel erwähnten Dionysien verwechselt. Doch zeigt eine Parallelstelle (T23 /L40, 7), daß Kyd. keineswegs an Spott denkt, sondern sich ganz ernsthaft über das Lob des Kaisers freut. Tatsächlich findet sich in der Suda unter Nr. 2021 noch eine andere Bedeutung des Verbums, die hier genau paßt: IIoj.lJtEUEL - oo~ VEVLXTJXW~ IlEYUATJyoQEL. Kyd. ist also einer, der sich seines rhetorischen Sieges rühmen kann, so wie die Sieger im Agon an den Panathenäen sich ihres Sieges rühmten. Allerdings bringt weder die Suda noch sonst eine mir bekannte Quelle den Sieg an den Panathenäen mit dieser Bedeutung in Verbindung. Vgl. aber eine ähnliche Formulierung L225,37: an den Panathenäen das Haupt bekränzen. 16 Zur Vorstellung von der literarischen Niederlage im Brief vgl. Hunger 1210. Die Idee vom Kaiser als Sieger (Treitinger 169ff.) ist hier in den rhetorisch-literarischen Bereich übertragen. In seinen eigenen Memoiren vertritt Kantakuzenos die Ansicht, von Gott in besonderer Weise erwählt (Kant 11 340-342: Äußerungen des Metropoliten von Didymoteichon) und begünstigt zu sein (Kant 11 351,18; 352,19f. u.a.). S.o., Exkurs, S.98,A.14. 17 Zur Idee vom Kaiser als Gesetzgeber: Treitinger 215 f. Kyd. nimmt im Hinblick auf Kantakuzenos öfters auf diesen Gedanken Bezug: KydKant I 21,4; T7/L6,12; TI0/L8,14; T13/L9,18. 18 Mit dem Sieges mal ist der anfangs erwähnte Brief des Kaisers gemeint. Vgl. oben. A.13. 19 Der Gedanke ist in seiner spitzfindigen Dialektik bezeichnend für den Briefstil des Kyd.: die eigene Niederlage ist sein größter Trost, da ein solcher «Sieger» sie herbeigeführt hat: Bezug auf Z.3 7 -40. 20 Hyperbolische Oberspitzung des Gedankens von der trostreichen Niederlage. 21 Die Wendung, vielleicht sprichwörtlich (mir aber sonst nicht bekannt), besagt soviel wie «von jemandem etwas ganz Unpassendes annehmen», inhaltlich zu beziehen auf die in A.13 diskutierte Stelle. Kantakuzenos als Herakles auch T27/L15,13. Auch sonst werden Kaiser mit Herakles verglichen, vgl. HungMim 23. 22 PIPhd 77e. Kyd. wandelt das «ESE1t~OTJ'tE» offenbar selbständig in «ESLCIOWllaL», womit er geschickt die Verknüpfung zu «q>Q6vfJOL könnte auf ein einfacheres Lager deuten, doch spricht Kyd. Z.170 in gleichem Bezug von «XÄ.LVll»; also ist «O'tQWIlVT»> nur Synekdoche. 3 Zur übersetzung von 3tEQLOÖO~ als «fit of intermittent fever» s. LSc, s. v., 4,c; so auch BoissAnNov 251,A.2. Vgl. a. Z.170. 4 Der überbietende Vergleich «mehr als die eigenen Angehörigen» ist bei Kyd. beliebt: T25/L60,9.11; T29/L59,6; T34/L51,21; T39/L62,17f.; T78/L34,6; T64/L98,21.51; T112/ L133,16; Tl13/L134,18; T114/L135,28; T 0126/L74,18. Stärkere Variante: T39/L62,36. Ferner KydThess 644C; 652C. 5 «Nicht einmal denken», hier und Z.31, ähnlich wie TI0,A.4. 6 Zur erotischen Metapher T12,A.14; mit Bezug auf auf eine Stadt NikChumThess 138,15; 139,3; zur Wendung
26 L: 64; OKyd: Konstantinopel; E: Ein Freund des Kydones, Gesandter in Thrakien; OE: Didymoteichon (?); D: Frühjahr 1352; wI: Spott über den säumigen Briefschreiber, der erst ein eigenes Anliegen als Anlaß zum Schreiben nimmt; Lob seines Briefstils; Mitteilung, der Kaiser (10annes Kantakuzenos) habe auf Vermittlung des Kydones seiner Bitte entsprochen; Ratschläge für die Mission des Adressaten im Auftrag des Kantakuzenos zu loannes V. in Thrakien.
Früher hätten wir auf keinen Fall erwartet, du werdest schweigen\ jetzt besuchen wir die Wahrsager und befragen sie, was dein Brief bedeuten soll. Wir haben aber noch keinen Kalchas gefunden, der uns das Problem lösen kann. Doch könnte man, glaube ich, in dem, was du geschrieben hast, auch die Deutung finden 2 • Denn es war nicht Zuneigung, was dich veranlaßte, ans Schreiben zu denken, sondern der Wunsch, durch mich Einfluß auf den Kaiser zu nehmen. Das sollte also dein Ausdruck des Dankes für mich sein! Eigentlich müßten nun auch wir dir mit gleicher Anmaßung heimzahlen, also 10 nicht eher schreiben, bis wir in eine Notlage geraten, in der man Diener braucht, kurz, wir wären solche eingebildeten Egoisten, die offensichtlich ihre Freunde um anderer Dinge und nicht um ihrer selbst willen ehren! Aber obwohl wir selbst solches Unrecht von dir erfahren haben, hielten wir den Grund deines Schreibens für so der Mühe wert, daß wir, hätten wir uns in eigener Sache so eingesetzt, von allen heftig angeklagt werden müßten, wir 4 15 liebten uns selbst 3 • Denn der Kaiser las den Brief, als er Zeit dazu fand ; als aber darauf für dich ein Wort einzulegen war, taten wir dies in Anwesenheit 5
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der Freunde, für die es mit Recht eine Schande gewesen wäre, wenn sie nicht zusammen mit mir Fürsprache eingelegt hätten. Dein von allen bewunderter Brief also, wie nur entschlossene Leute ihn schreiben könnens (den anderen aber schwindelt es, wenn sie ihn nur sehen), stellte dich bei allen als einen Melampus vor6 , als hättest du dem verfaßten Text selbst etwas von der Sorge in dieser Angelegenheie mitgeteilt. So sehr 20 verfügtest du nach Meinung aller über eine Art prophetische Fähigkeit in dieser Sache. Der Kaiser bekräftigte noch den Beifall und erklärte, er habe vor vielen Zeugen die Bestätigung für deine Vorzüglichkeit8 erhalten. Er wollte aber auch etwas tun, würdig seiner selbst, würdig auch der Gefahren bei der lobenswerten Gesandtschaft. Aber «zum Teufel mit dir, Krieg»9, unter anderem auch, weil es jetzt nicht einmal für den Kaiser leicht ist, seinen Dienern Wohltaten zu erweisen. Wenn du jedoch nach Maßgabe der Zeitumstände 10 25 den Gunsterweis abwägst, wirst du feststellen, daß wir auch hierin das uns Mögliche nicht versäumt haben. Nimm daher das Schreiben des Kaisers und suche den Typhon Thrakiens ll auf, dessen Neffen 12 der Kaiser aufträgt, dir die Stateren auszuhändigen. Ich glaube aber, daß er, der gewöhnlich in solchen Fällen protestiert, dir wohl noch dankbar sein wird, sie dir geben zu dürfen. Denn er, der vorher ein Schreiben des Kaisers nicht einmal im Traum 30 gesehen hätte 12a, hätte ich nicht heftig darauf bestanden, dir die Gunst zu erweisen, und ihn so überredet, sie dir zu gewähren, wird dir jedenfalls nicht nur mit Freude das Angewiesene auszahlen, sondern sogar suchen, was er dir für dieses Glück als Gegenleistung geben kann. In dieser Angelegenheit also solltest du zuversichtlich sein wie einer, der sein Ziel nicht verfehlt hat, und zugleich auch das Gefühl haben, dem Kaiser und uns auch etwas dafür zu schulden. Ich meine damit, du solltest den Kaiser 13 zu der Überzeugung bringen, niemand anders sei mehr um sein Heil be- 35 sorgt als sein Vater und Kaiser; er solle auch nicht die, die alles auf den Kopf gestellt haben, für bessere Freunde als die eigenen Eltern 14 halten, sondern ihm füglich gehorsam sein: erstens als seinem Vater, zweitens weil er bewundernswert um ihn besorgt ist, drittens weil er starke Beweise seiner tiefen' Liebe zu ihm erbracht hat, und er solle nicht versuchen, die zuvor ihm von je- 40 nem erwiesenen Wohltaten auf so ungleiche Weise zu vergelten. Denn als er 1S ihn nach jener langen Unglücksperiode im Krieg gefangennahm und alles der Reihe nach ihn mahnte, ihn zu töten: die entsprechenden Gesetze 16 und die durch sie gewährte Freiheit, sich für das zu rächen, was er zuvor von ihm erlitten hatte, hielt er doch nichts für stärker als seine Großmut und wünschte
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sogar noch den Sohn zu nennen, der ihm oft Anlaß gab, sich den Tod zu wünschen, ja, was alle in Erstaunen versetzt: er ließ ihn sogar seine Würde behalten und mit entsprechend großer Machtbefugnis wie er selbst Kaiser sein 17. Und das - wer könnte es glauben? - obwohl er Söhne hat, die, hätten sie auch keinen anderweitigen Anspruch auf die Herrschaft, allein wegen ihrer Veranlagung mit Recht den Thron verdient hätten 18. Er aber zog ihn sogar so den Kindern vor, daß er ihm alles, was er ihnen nicht gab, rechtskräftig zukommen ließ19. Indem er aber danach trachtete, gleichsam mit ihm zu verwachsen, wünschte er sogar, wenn es möglich gewesen wäre, ihn gezeugt zu haben. Da die Natur dies aber nicht zuläßt, tritt er für ihn durch seine Tochter an Vaters Stelle. So wird er jetzt mit Recht ihretwegen Vater des Kaisers 20 genannt; alle aber schauen auf ihn und wünschen ihm hohes Alter. Sollte er daher nicht die, die ihn verdächtigen wollen, mit Recht hassen? Wenn du ihm diesen Rat gibst21 , wirst du eine nicht weniger nützliche Tat vorweisen können als die, die in Rom das Volk zurückführten 22 . Denen aber von den jungen Leuten in führender Stellung23, die heftig aufbegehren und als Vergeltung für den ihnen nützlichen Frieden diese wunderbarenVollrechte 24 fordernJ sage ich nur das: wenn die Rhomäer nicht aufhören, ihre eigene Sache zu verraten und aus dem Wunsch, lieber gut beherrscht zu werden als schlecht zu herrschen 25 , einem einzigen, der zugleich der Vernünftigste ist, in allem vertrauen, wie Kranke bedenkenlos dem Arzt gehorchen 26 , werden sie nicht nur ihre Machtstellung, sondern auch Leib und Leben verlieren27 . Und nun werden viele unserer Städte wie Peirinthos 28 dastehen, unsterbliche Denkmäler unserer Unvernunft29 , morgen aber hören müssen, wie eine fremde Sprache von ihrer öffentlichen Rednertribüne herunterschallt. Dann werden alle wehklagen, die für unvernünftigen Wahn ihre Freiheit verkauft haben. Wenn sie aber behaupten, den Kaiser30 über alles zu lieben und ihm mehr als seinem Vater verbunden zu sein, dann wären sie zu fragen, mit wem sie denn vor Jahresfrist gemeinsame Sache gemacht haben, daß sie sich jetzt zu solcher Anmaßung versteigen. Denn die, die gestern die Türen der Feinde umschmeichelten und an sie unsere Städte verschleuderten, sind jetzt mit Staatsgeschäften betraute Geheimnisträger und werden «Ohren des Kaisers»31 genannt. Laß also - 0 ERLÖSER! nicht zu, daß es so weitergeht, sondern hasse sie wegen ihres Hochmutes und laß sie mit ihren gewohnten Forderungen leer ausgehen32 , den Kaisern aber hilf, sich gegenseitig kennenzulernen33 , den Städten, zu finden, was dem Gemeinwohl nützt, und erleichtere uns so das gegenwärtige Los 34 .
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BRIEF T26
K I. D: Ein terminus post quem für die Datierung ergibt sich aus der Anspielung auf das Schicksal von Peirinthos (Herakleia an der Propontis) (61): die Stadt fiel etwa im Herbst 1351 den Genuesen in die Hände (NicKant 77 f.; Erwähnung des vorliegenden Briefes ebd., A.111). Einen noch genaueren Anhaltspunkt für die Datierung ergibt Z.34ff.: loannes V. Palaiologos hat sich nach Thrakien begeben, um die ihm von Kantakuzenos zugeteilten Städte in Besitz zu nehmen. Seine,Spannungen zu Matthaios Kantakuzenos stehen noch in der Anfangsphase, als man noch auf eine friedliche Lösung hoffte (vgl. A.33) und zu diesem Zweck Unterhändler unter Führung der Kaiserin Eirene (Gattin des loannes Kantakuzenos) zu ihm sandte (NicKant 79). Der Brief, zur Zeit dieser Vorgänge geschrieben, kann daher nur im Frühjahr 1352 abgefaßt sein. OKyd: Er befindet sich bei Kantakuzenos (14 f.), also nach NicKant 79 in Konstantinopel. E: Er ist Teilnehmer an einer wichtigen Gesandtschaft und verdient dafür eine Belohnung (22 f.). Es kann sich nur um die erwähnte Gesandtschaft der Kaiserin nach Didymoteichon handeln (so bereits Loenertz zur Stelle; NicKant 80,A.113; Datierung Ende März/Anfang April nach DarPatr 2377): die Hoffnung auf Versöhnung Ioannes' V. mit Matthaios ist, wenn auch ohne Namensnennung, ausgesprochen (71). Nun sind zwei weltliche Begleiter (neben zwei geistlichen, die hier nicht in Frage kommen) der Kaiserin bekannt: Ioannes Philes und Manuel Angelos. Von diesen wird der erstere, ein Privatgelehrter, nur bei Kant III 239, der zweite, ohne Vornamen (dieser jedoch wegen des gleichen Titels xa{}oALxoOÜ» schließt einen anderen Bruder aus, auf den ohnehin jeder Hinweis fehlt. 3 Nach dem Tode des Vaters ist es Demetrios, der sich für die Familie verantwortlich fühlt: KydApol I 360,23 f. 4 Wir wissen, daß er noch im Kindesalter zum Athos kam (TomSyn 11 694A: tx. 3tUeÖWV; KydApol III 316,116f.: 3tQi.v ytVELOV ÖEL;m. Ebd. 335,753: 3tQi.v J.l.ELQclX.LOV YEvtoß-m. Das kann frühestens nach dem Überfall der Zeloten auf das Haus der Familie Kydones im Jahr 1345 gewesen sein (s. u.,A.6), vielleicht auch etwas später. Angenommen, daß er schon im Alter von zwölf Jahren zum frühesten Termin zum Athos kam, wäre er etwa 1333 geboren. Wesentlich früher ist sein Geburtsdatum kaum anzusetzen. Setzt man andererseits voraus, daß er nicht vor dem regulären Weihealter (30 Jahre nach Beck 79) Priester wurde und wegen der Unruhen um seine Person eine Weihe später als 1364 unwahrscheinlich ist, dann müßte er spätestens 1334 geboren sein. So bleibt der Ansatz 1333/34 für seine Geburt der wahrscheinlichste. Die Angabe, er sei «in seiner Jugend» gestorben (KydApol III 335,751), läßt sich dami t vereinbaren, denn bei einem Todesdatum ca. 1370 (s. u., A.57) wäre er mit 36/37 Jahren gestorben. Zum Geburtsort Thessalonike s.o., Biographie des Demetrios Kydones, S. 5 mit A.5. 5 S.o., S. 6 mit A.7. 6 S.o., S. 9 mit A.35. 7 KydKant 1 5,24. 8 S.o., AA. 9 KydApol III 318,181 und TomSyn 11 694A bezeugen ihn als Laurioten. Bei Eintritt ins Kloster wohl verschenkte er sein Familienerbe an die Armen (s.u., T81/MercNot 348,55f.). 10 Daß er seinen Bruder zwischen 1345 (Flucht des Demetrios nach Berroia, s.o., S. 9 mit A.34) und dem ersten erhaltenen Brief des Demetrios an ihn (T36) (also 1353/54) noch einmal gesehen hat, ist gimz unwahrscheinlich. Die Zeitangabe «das dritte Jahr» (T36/L58,31) läßt darauf schließen, daß es etwa 1350/51 einen brieflichen oder persönlichen Kontakt zwischen den Brüdern gegeben hat. Doch gibt es keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß Demetrios je den Athos betreten hat; andererseits ist nur ein Besuch des Prochoros bei Demetrios bezeugt, der zweifellos später zu datieren ist (s. u., A.16). Es bleibt nur die Möglichkeit, daß Demet~ios den Kaiser Kantakuzenos im Oktober/Dezember 1350 nach Thessalonike begleitet hat (NicKant 72f.), worüber wir aber nichts wissen, und Prochoros damals ebenfalls dorthin gekommen wäre; denn zum Athos muß er sich gemäß der Chronologie von AA bereits früher begeben haben. Die Annahme eines brieflichen Kontaktes um 1350 ist einer solchen Konstruktion bei weitem vorzuziehen. 11 Das bezeugt T36/L58, mehr aber noch T41/L38, die Reaktion auf einen unfreundlichen Brief des Prochoros etwa im Jahr 1355.
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EXKURSPROCHOROSKYDONES
12 T41/L38,4ff. 13 T36 und T41. 14 KydApolIII 317,132-135 ohne Angabe eines Datums. 15 Zu seiner Persönlichkeit und seinen Ämtern s. u., Exkurs, S. 250ff. 16 T55/L108,33-37. Auf denselben Besuch in Konstantinopel scheint auch KydApol 111 318,76 f. und 319,203 - 208 anzuspielen; danach fand er nicht lange vor der Rehabilitierung des Philotheos (ebd. 319,209) statt, also nicht allzulange vor Oktober 1364. 17 Begründung des Ansatzes: s.o., AA. Beleg für die Priesterwürde des Prochoros: TomSyn II 694A. 18 Vgl. vor allem den Nachruf des Demetrios auf ihn: T81/MercNot 347,38f. 41; 348,51ff.; 352,213.220f. Ferner KydApol 111 315,52f. 19 Gewinnender Charakter: T81/MercNot 347,29-34. Gelehrsamkeit: Seine überragende klassische Bildung bezeugt tadelnd TomSyn II 694B, anerkennend T81/MercNot 347,41 f. Prochoros als gebildeterTheologe und Philosoph: ebd. 348,47 f. Dem Patriarchen «schwindelte» es vor der Gelehrsamkeit des Prochoros: T68/L129,25f.; KydApol 111 324,394f. 20 Chronologie: DarPatr 2461. Einsatz des Demetrios: KydApolIII 322,314f. Doch behauptet Kant 111 363,10ff., die Beziehungen zwischen Ioannes V. und Philotheos seien auch in der Zeit seiner Vakanz ausgezeichnet gewesen. 21 KydApol 111 322,315-320; T68/L129,18-22. 22 T68/L129,23-25. Die Anspielung auf die Abwesenheit des Kaisers muß sich nicht unbedingt, wie MercNot 45 annahm, auf dessen Ungarnreise beziehen. Wegen «I.I.LxQ6v» könnte man auch an das bisher wenig beachtete Kriegsunternehmen Ioannes' V. im Jahr 1365 denken (s.o., S. 200 mit A.18). 23 KydApol 111 318,174-319,185.203-208. S.o., A.16. Vermutlich ist der Ort, wo Philotheos nach KydApol III 318,177 «eingesperrt» war und wo Prochoros ihn statt der erwarteten regelmäßigen Besuche (<poL"täv) nur einmal kurz aufsuchte (KydApol 111 319,203), das bei Kant III 363,15 erwähnte Kloster in Konstantinopel. 24 Zu seiner Person s. Denise Papachryssanthou, TM 4 (1970) 396f. 25 KydApol III 319,210-213; dazu DarPatr 2504 (mit Datierung wegen der Ungarnreise Ioannes' V. auf Ende 1365/Anfang 1366; vgl. aber A.22, wonach eine etwas frühere Datierung auf ca. Sommer 1365 möglich wäre). 26 TomSyn II 695B. 27 TomSyn II 695C-696A; DarPatr 2509. 28 Die Datierung hängt vor allem davon ab, welche Abwesenheit Ioannes' V. (gemäß A.22; vgl. A.25) gemeint ist. . 29 T60/L96. 30 TomSyn II 696A. 31 TomSyn II 696A; DarPatr 2509. 32 KydApol III 322,302f.; DarPatr 2518 (Auftrag an Theophilos). 33 KydApol III 322,305 f.; Papachryssanthou (wie 0., A.24), A.15 datiert diesen Brief irrig auf 1365. 34 KydApol III 322,307f. 35 KydApol III 322,321-323; vgl. MercNot 47. 36 TomSyn II 696B spricht von der tatsächlichen Ausstoßung aus der Laura und der Absen-
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EXKURS PROCHOROS KYDONES
dung der aufgefundenen Schriften; KydApol III 322,324-323,329 erwähnt nur die Absicht, ihn auszustoßen, was aber die Angabe von TomSyn 11 nicht ausschließt. 37 KydApol III 323,345. 38 Ober das Hauptwerk des Prochoros (ITEQ" ouaLa(lTJOXEU'tLXT] xui. 1HhxT] 'EyxuXA03tmÖELU I - XII, Athen 1962-1968 A. Theiner/F. Miklosich, Monumenta spectantia ad unionem ec-· clesiarum, Wien 1873 Theokrit Theophanes continuatus, rec. I. Bekker, Bonnae 1838 (CB) Thesaurus Linguae Graecae, ed. H. Stephanus. Neuauflage von C. B. Hase/G. und L. Dindorf 1829 F. Thiriet, Regestes des deliberations du senat de Venise concerna nt la Romanie I-III, Paris 1958/61 B. Laourdas, E>W!!cl MUYLo'tQou, TOL~ E>EOOUAOVLXEiioL 3tEQi. Ö!!ovo(u~. l\.qnEQWJ.lU Et~ X. N. ~QuyxLo'tav. 'Emo'tT)!!. 'E:n:E'tTjQi.~ l:xoAii~ NO!!LXOOV xui. OtXOVO!!LXOOV 'E:n:LO'tT)!!OOV l\.QLO'to't. llUVE3tLO't. E>EO.XTj~ 12, Thessalonike 1969, 751-775 Theophrast, Charaktere K. Thraede, Grundzüge griechisch-römischer Brieftopik, München 1970 Thukydides F. Tinnefeld, «Freundschaft» in den Briefen des Michael Psellos, Theorie und Wirklichkeit, JÖB 22 (1973) 151-168 F. Tinnefeid, Georgios Philosophos. Ein Korrespondent und Freund des Demetrios K ydones, OCP 28 (1972) 141-171 F. Tinnefeld, Kategorien der Kaiserkritik in der byzantinischen Historiographie von Prokop bis Niketas Choniates, München 1971 F. Tinnefeld, Das Niveau der abendländischen Wissenschaft aus der Sicht gebildeter Byzantiner im 13. und 14. Jh., Byz. Forschungen 6 (1979) 241-280 Travaux et Memoires N. B. Tomadakes, '0 'IwoTJcp BQUEVVLO~ xui. TJ KQi)'tT) XU't