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Energiestoffwechsel · 1
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Zellbiologie · 319
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Zellzyklus und molekulare Genetik · 399
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Zelluläre Kommunikati...
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A
Energiestoffwechsel · 1
B
Zellbiologie · 319
C
Zellzyklus und molekulare Genetik · 399
D
Zelluläre Kommunikation · 525
E
Infektionen, Verletzungen und Vergiftungen · 651
F
Blut, Leber und Niere · 725
G
Muskulatur und Nervensystem · 763
H
Ausblick · 817
Duale Reihe
Biochemie Joachim Rassow Karin Hauser Roland Netzker Rainer Deutzmann 3., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage 823 Abbildungen, 67 Tabellen
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Begründer der Dualen Reihe und Gründungsherausgeber: Dr. med. Alexander Bob und Dr. med. Konstantin Bob
Stoffwechselweg-Animationen online: TERRA NOVA PanoramaVision, Stuttgart Grafiken: BITmap, Mannheim; Dr. Wilhelm Kuhn, Tübingen Layout: Arne Holzwarth, Stuttgart Umschlaggestaltung: Thieme Verlagsgruppe Umschlagfoto: © Science Photo Library Wichtiger Hinweis: Wie jede Wissenschaft ist die Medizin ständigen Entwicklungen unterworfen. Forschung und klinische Erfahrung erweitern unsere Erkenntnisse, insbesondere was Behandlung und medikamentöse Therapie anbelangt. Soweit in diesem Werk eine Dosierung oder eine Applikation erwähnt wird, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dass Autoren, Herausgeber und Verlag große Sorgfalt darauf verwandt haben, dass diese Angabe dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes entspricht. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag jedoch keine Gewähr übernommen werden. Jeder Benutzer ist angehalten, durch sorgfältige Prüfung der Beipackzettel der verwendeten Präparate und gegebenenfalls nach Konsultation eines Spezialisten festzustellen, ob die dort gegebene Empfehlung für Dosierungen oder die Beachtung von Kontraindikationen gegenüber der Angabe in diesem Buch abweicht. Eine solche Prüfung ist besonders wichtig bei selten verwendeten Präparaten oder solchen, die neu auf den Markt gebracht worden sind. Jede Dosierung oder Applikation erfolgt auf eigene Gefahr des Benutzers. Autoren und Verlag appellieren an jeden Benutzer, ihm etwa auffallende Ungenauigkeiten dem Verlag mitzuteilen. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt. Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
© 2012 Georg Thieme Verlag KG Rüdigerstraße 14, D-70469 Stuttgart Unsere Homepage: www.thieme.de Printed in Germany Satz: Druckhaus Götz GmbH, 71636 Ludwigsburg, gesetzt in 3B2, Version 9.1, Unicode Druck: Stürtz GmbH, Würzburg ISBN 978-3-13-125353-8 Auch erhältlich als E-Book: eISBN (PDF) 978-3-13-152103-3
1
2
3
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5
III
Vorwort Wir freuen uns, die Duale Reihe Biochemie nunmehr in einer vollständig überarbeiteten und aktualisierten 3. Auflage vorlegen zu können. Sämtliche Kapitel wurden von uns durchgesehen und dabei an vielen Stellen präzisiert, ergänzt und in vielen Abschnitten auch neu formuliert. Gänzlich neu hinzugekommen sind ein Kapitel zur Biochemie der Muskulatur sowie ein Kapitel zur Biochemie des langen Lebens. Man könnte vermuten, dass sich in der Biochemie der klassischen Stoffwechselwege seit dem Erscheinen der 1. Auflage im Jahr 2006 im Grunde nichts geändert habe und die entsprechenden Kapitel weitgehend unverändert übernommen werden konnten. Tatsächlich kann man derzeit aber von einer Renaissance der Stoffwechselbiochemie sprechen. Angesichts der weltweit zunehmenden Prävalenz des Typ-2-Diabetes ist vor allem die Erforschung des Fettstoffwechsels und der Stoffwechselregulation erheblich verstärkt worden, was zu bemerkenswerten neuen Erkenntnissen geführt hat. Wir haben die Gelegenheit der Neuauflage genutzt, um alle entsprechenden Kapitel auf den neuesten Stand zu bringen. Zu konkreten Fragen nach der gesunden Ernährung haben wir unter Berücksichtigung neuer Studien mehrere Exkurse aufgenommen. Die entscheidenden Mechanismen sind in den neu hinzugekommenen Abschnitten zu den Schlüsselenzymen des Stoffwechsels und zur Regulation des Hungergefühls noch einmal möglichst übersichtlich zusammengestellt worden. Umfassend aktualisiert wurden auch alle Kapitel zur Biochemie der verschiedenen Organsysteme. Dabei sind wir davon ausgegangen, dass unser Lehrbuch auch über das Physikum hinaus noch zum Nachschlagen geeignet sein sollte, etwa als Grundlage eines Kurses der Immunologie, im Kontext der Pharmakologie und der Humangenetik oder in den klinischen Fächern wie z. B. der Inneren Medizin oder der Neurologie. Ein großes Thema an den Medizinischen Fakultäten ist derzeit sicherlich die Frage, wie die Themen der theoretischen Fächer zu den Anwendungen in derklinischen Praxis überzeugender in Beziehung gesetzt werden können. An vielen Hochschulen sind die Studiengänge aus diesen Erwägungen heraus bereits umfassend reformiert worden.
Nicht zuletzt sehen wir unser Lehrbuch als Beitrag auch zu dieser Diskussion. In der neuen Auflage haben wir viele der bereits bestehenden Bezüge zur Klinik noch einmal erheblich ausgebaut und darüber hinaus zahlreiche neue klinische Bezüge ergänzt. So wird unter anderem erläutert, welche Medikamente derzeit zur Behandlung einer Multiplen Sklerose zur Verfügung stehen, worin die Wirkmechanismen der Stoffebestehen, die in denverschiedenen Phasen einer Narkose zum Einsatz kommen, oder welche Möglichkeiten bestehen, den erneuten Verschluss eines durch Ballondilatation geweiteten Koronargefäßes zu verhindern. Der Georg Thieme Verlag hat uns bei dieser Auflage auch die Möglichkeit geboten, einige der grundlegenden Stoffwechselwege und Reaktionsabläufe als vertonte Animation umzusetzen und diese zusätzlich online anzubieten (unter www.dualereihe.thieme.de). Damit möchten wir Ihnen die Biochemie noch anschaulicher und lebendiger nahebringen. In diesem Zusammenhang möchten wir uns herzlich bei Herrn Dr. Jan Benjamin Roll und Herrn Dr. Jochen Neuberger für die gute Zusammenarbeit bedanken, die uns auch bei der Vorbereitung dieser Auflage immer begleitet hat, insbesondere auch für die Hilfe und Geduld bei der Erstellung der Animationen. Auch der Herstellerin Frau Elsbeth Elwing gebührt unser herzlicher Dank. So hoffen wir, dass die Duale Reihe Biochemie vor allem zweierlei ermöglichen wird: zum einen eine substanzielle Hilfe beim Verständnis der zentralen molekularen Mechanismen der physiologischen Prozesse, zum anderen aber auch Spaß beim Blättern in den verschiedenen Kapiteln, in denen man zusehen kann, wie biochemisches Verständnis in klinisch relevante Innovationen umgesetzt wird. Ausgesprochen hilfreich waren für uns auch immer wieder die Hinweise und Kommentare der Leserinnen und Leser. Gerne können Sie uns Ihre konstruktive Kritik und Ihre Verbesserungsvorschläge zum Lehrbuch unter „www.thieme.de/service/feedback.html“ mitteilen. Stuttgart, im Januar 2012
Joachim Rassow Karin Hauser Roland Netzker Rainer Deutzmann
IV
Anschriften Prof. Dr. rer. nat. Joachim Rassow Ruhr-Universität Bochum Institut für Physiologische Chemie Abteilung für Zellbiochemie Gebäude MA3/137 Universitätsstraße 150 44801 Bochum Dr. rer. nat. Karin Hauser Kaindlstraße 13 70569 Stuttgart Dr. rer. nat. Roland Netzker Institut für Biochemie Emil-Fischer-Zentrum Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Fahrstraße 17 91054 Erlangen Prof. Dr. rer. nat. Rainer Deutzmann Institut für Biochemie, Genetik und Mikrobiologie Lehrstuhl für Biochemie I Universität Regensburg Universitätsstraße 31 93053 Regensburg
V
Inhalt
Inhalt 3.2.3
Teil A Energiestoffwechsel 1
Der Energiestoffwechsel im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
J. Rassow 1.1 1.2 1.2.1 1.2.2
1.3 1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.3
2
Worum geht es in diesem Kapitel? . . . . . . . . . Woher stammt die Energie für Lebensprozesse? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Bedeutung der energetischen Kopplung . Die Bedeutung des ATP als Energieträger . . . Wo im ATP steckt die Energie? . . . . . . . . . . . . Warum wird bei der Hydrolyse von ATP Energie freigesetzt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wie entsteht ATP? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Woher stammt die Energie für die ATP-Synthese? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ein Protonenfluss als Energiequelle der ATPSynthase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Atmungskette als Protonenpumpe . . . . . . Die Herkunft der Elektronen der Atmungskette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Herkunft des Sauerstoffs . . . . . . . . . . . . . . . . . Herkunft der Elektronen . . . . . . . . . . . . . . . . .
9 9 9
Biochemisch relevante Stoffklassen – eine erste Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11
3
4
3 3 4 5 6 6
4.1 4.2 4.2.1
8 8 4.2.2 4.3 4.3.1 4.3.2 4.4 4.4.1 4.4.2
J. Rassow Aminosäuren, Peptide und Proteine Kohlenhydrate . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lipide und Fettsäuren . . . . . . . . . . . . Weitere Stoffklassen . . . . . . . . . . . .
. . . .
11 12 13 15
3
Triebkraft und Geschwindigkeit biochemischer Reaktionen . . . . . . . .
16
. . . .
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. . . .
. . . .
. . . .
4.4.3 4.4.4 4.4.5
5
J. Rassow 3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.4 3.2 3.2.1 3.2.2
Die Triebkraft biochemischer Reaktionen . . . . Die Bedeutung der Freien Energie . . . . . . . . . Die Bedeutung des chemischen Gleichgewichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Was geschieht bei Annäherung an das chemische Gleichgewicht mit der Freien Energie? Die Bedeutung der Entropie . . . . . . . . . . . . . . Die Geschwindigkeit biochemischer Reaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prinzipien der chemischen Reaktionskinetik . Enzyme als Katalysatoren biochemischer Reaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Funktion der Enzyme . . . . . . . . . . . . . . . .
23 24 24 24 26 27 28 28 28 29 32
Die molekulare Struktur der wichtigsten Nahrungsstoffe: Kohlenhydrate, Triacylglycerine und Aminosäuren . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34
J. Rassow
7
2.1 2.2 2.3 2.4
Die Bedeutung der katalytischen Zentren . . . Klassifizierung von Enzymen . . . . . . . . . . . . . Enzymkinetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die maximale Reaktionsgeschwindigkeit vmax Die Michaelis-Menten-Konstante Km . . . . . . . Die Michaelis-Menten-Gleichung . . . . . . . . . . Das Lineweaver-Burk-Diagramm . . . . . . . . . . . Die katalytische Aktivität . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Wechselzahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Enzymhemmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allosterische Effekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Kurzübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kohlenhydrate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chemie der Kohlenhydrate . . . . . . . . . . . . . . . Monosaccharide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Di-, Oligo- und Polysaccharide . . . . . . . . . . . . Verbindungen von Kohlenhydraten mit Peptiden und Proteinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktion der Kohlenhydrate im Energiestoffwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Triacylglycerine (TAG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktion der TAG im Energiestoffwechsel . . . Aminosäuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundstruktur und Eigenschaften . . . . . . . . . . Die proteinogenen Aminosäuren . . . . . . . . . . Die charakteristischen Aminosäurereste und ihre biochemische Relevanz . . . . . . . . . . . . . . Nicht essenzielle und essenzielle proteinogene Aminosäuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Sonderfall Selenocystein . . . . . . . . . . . . . . Nicht proteinogene Aminosäuren . . . . . . . . . . Funktion im Energiestoffwechsel . . . . . . . . . .
Die wichtigsten biochemischen Funktionsträger: Proteine . . . . . . . . .
34 34 34 34 39 41 43 44 44 49 50 50 52 52 57 58 58 59
62
J. Rassow 16 17 17
5.1 5.2 5.3 5.3.1 5.3.2
20 20 21 21 22 22
5.3.3
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Peptidbindung . . . . . . . . . . . . Proteinstrukturen . . . . . . . . . . . . . Primärstruktur . . . . . . . . . . . . . . . Sekundärstruktur . . . . . . . . . . . . . Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . α-Helix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . β-Faltblatt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schleife . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tertiär- und Quartärstruktur . . . . Stabilisierung der Tertiärstruktur
. . . . . . . . . . .
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. . . . . . . . . . .
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. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
62 62 63 64 64 64 65 66 67 67 67
VI 6
Inhalt
Abbau der Kohlenhydrate zu Pyruvat bzw. Lactat . . . . . . . . . . . . . . .
70
7.3.4 7.3.5
J. Rassow 6.1 6.2 6.2.1 6.2.2
6.2.3
6.3 6.3.1
6.3.2 6.4 6.4.1 6.4.2
6.4.3 6.5 6.6 6.7
7
Kurze Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Glykolyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die einzelnen Reaktionsschritte der Glykolyse Abschnitt 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abschnitt 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Energiebilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reversible und irreversible Schritte . . . . . . . . Was wird aus dem Pyruvat? . . . . . . . . . . . . . . Die Regulation der Glykolyse . . . . . . . . . . . . . Schlüsselenzyme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Regulation von Hexokinase und Glucokinase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Regulation der Phosphofructokinase-1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regulation der Pyruvat-Kinase . . . . . . . . . . . . Reduktion und Oxidation von Pyruvat . . . . . . Reduktion von Pyruvat zu Lactat (Lactatgärung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Lactat-Dehydrogenase (LDH) . . . . . . . . . . Der weitere Abbau des Lactats . . . . . . . . . . . . Oxidativer Abbau von Pyruvat . . . . . . . . . . . . Abbau von Glykogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Glykogenabbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbau an freien Glykogen-Enden . . . . . . . . . . Abbau an Verzweigungsstellen . . . . . . . . . . . . Die Regulation des Glykogenabbaus . . . . . . . . Abbau der Stärke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbau der Fructose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbau der Galaktose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Oxidativer Abbau von Pyruvat: Die Reaktionen der PyruvatDehydrogenase und des Citratzyklus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
70 70 70 70 71 73 77 77 78 79 79 80 81 84 85 85 85 86 87 87 87 87 88 88 89 90 91 91 93
97
7.2.4 7.3 7.3.1
7.3.2 7.3.3
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Pyruvat-Dehydrogenase (PDH) . . . . . . . . Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Aufbau der Pyruvat-Dehydrogenase . . . Die einzelnen Reaktionsschritte . . . . . . . . . . Bilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Regulation der Pyruvat-Dehydrogenase Der Citratzyklus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktionen des Citratzyklus . . . . . . . . . . . . . Die Substratspezifität der Dehydrogenasen: ein Schlüssel zum Verständnis des Citratzyklus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die einzelnen Reaktionsschritte . . . . . . . . . . Energieausbeute des Citratzyklus . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
. . .
97 98 98 98 100 102 102 103 103 103
104 106 113
113 114
Abbau von Triacylglycerinen und Ketonkörpern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 J. Rassow
8.1 8.2 8.2.1
8.2.2 8.3 8.4 8.4.1 8.4.2
8.5
9
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Physiologische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . Triacylglycerine (TAG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Speicherorte der TAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . TAG im Vergleich mit Glykogen . . . . . . . . . . . Ketonkörper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hydrolyse von Triacylglycerinen durch Lipasen Was wird aus den Hydrolyseprodukten Glycerin und Fettsäuren? . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbau von Glycerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbau der Fettsäuren (β-Oxidation) . . . . . . . . Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Import der Fettsäuren in die Mitochondrien . β-Oxidation gesättigter, geradzahliger Fettsäuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . β-Oxidation ungesättigter Fettsäuren . . . . . . . β-Oxidation ungeradzahliger Fettsäuren . . . . β-Oxidation in Peroxisomen . . . . . . . . . . . . . . Energiebilanz der mitochondrialen β-Oxidation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regulation der β-Oxidation . . . . . . . . . . . . . . . Abbau von Ketonkörpern . . . . . . . . . . . . . . . . .
116 116 116 117 118 118 118 121 121 122 122 123 124 127 127 128 129 130 130
Abbau von Proteinen und Aminosäuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 J. Rassow
9.1 9.2
J. Rassow 7.1 7.2 7.2.1 7.2.2 7.2.3
8
Regulation des Citratzyklus . . . . . . . . . . . . . . . Auffüllung des Citratzyklus: Anaplerotische Reaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9.3 9.3.1 9.3.2 9.3.3 9.3.4 9.3.5 9.4 9.4.1 9.4.2 9.5 9.5.1 9.5.2
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Transport von Stickstoff im Blut: Alanin, Glutamin und Harnstoff . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Harnstoffzyklus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die einzelnen Reaktionsschritte . . . . . . . . . . Energiebilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Was wird aus dem Fumarat? . . . . . . . . . . . . . Regulation des Harnstoffzyklus . . . . . . . . . . . Ammoniak im Stoffwechsel . . . . . . . . . . . . . . Bildung von Ammoniak . . . . . . . . . . . . . . . . . Entgiftung von Ammoniak . . . . . . . . . . . . . . . Abspaltung von Aminogruppen durch Transaminierung und Desaminierung . . . . . . Transaminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Desaminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Oxidative Desaminierung von Glutamat . . . Hydrolytische Desaminierung von Glutamin und Asparagin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eliminierende Desaminierung von Serin, Threonin und Cystein . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
.
136
. . . . . . . . . .
136 139 139 140 143 143 143 143 143 145
. . . .
146 146 148 148
.
149
.
149
VII
Inhalt
9.6 9.6.1
9.6.2 9.7 9.7.1 9.7.2 9.7.3 9.7.4
10
Wege des Kohlenstoffs im Abbau der Aminosäuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen: glucogene und ketogene Aminosäuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbau zu Pyruvat und Metaboliten des Citratzyklus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbau zu Acetyl-CoA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbau der einzelnen Aminosäuren . . . . . . . . . Wichtige Produkte des Aminosäureabbaus . . Aminosäure-Abbauprodukte mit Mediatorfunktion: Biogene Amine . . . . . . . . . . . . . . . . . Stickstoffmonoxid (NO) als Abbauprodukt des Arginins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S-Adenosylmethionin als Überträger von Methylgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aminosäuren als Vorstufen weiterer Synthesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11
150 150 150 151 157 157 157 158 160
ATP-Synthese durch oxidative Phosphorylierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161
........
180
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ernährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammensetzung der Nahrung . . . . . . . . . . . Parenterale Ernährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Energiegehalt der Nahrung . . . . . . . . . . . . . . . Der tägliche Energieumsatz . . . . . . . . . . . . . . . Bestimmung des Energiegehalts der Nahrung Verdauung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3 11.3.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.2 Die Verdauungssekrete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Speichel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Magensaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pankreassekret . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Galle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dünndarmsekret . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.3 Verdauung der Nahrungsbestandteile . . . . . . .
180 180 180 185 185 185 186 187 187 188 189 190 193 195 199 199
11.1 11.2 11.2.1 11.2.2 11.2.3
12
J. Rassow 10.1 10.2 10.2.1 10.2.2 10.2.3 10.3 10.3.1 10.3.2
10.3.3 10.3.4 10.4 10.5 10.5.1 10.5.2 10.5.3 10.6 10.6.1 10.6.2 10.7 10.8
Einführung: Mechanismen der ATP-Synthese im Stoffwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die ATP-Synthase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Triebkraft der ATP-Synthase . . . . . . . . . . . . . . Die Atmungskette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Komponenten der Atmungskette . . . . . . . Komplex I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Coenzym Ubichinon . . . . . . . . . . . . . . . . . Komplex II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die ETF-Ubichinon-Oxidoreduktase . . . . . . . . Die Glycerin-3-phosphat-Dehydrogenase . . . . Komplex III und der Q-Zyklus . . . . . . . . . . . . . Cytochrom c . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Komplex IV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Redoxpotenziale der Atmungskette . . . . . Regulation der Aktivität der Atmungskette . . Import und Export von Metaboliten über die Mitochondrienmembran . . . . . . . . . . . . . . . . . Transport von Reduktionsäquivalenten über die mitochondriale Innenmembran . . . . . . . . . Glycerin-3-phosphat-Shuttle . . . . . . . . . . . . . . Malat-Aspartat-Shuttle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vergleich beider Shuttle-Systeme . . . . . . . . . . Entkoppler des OXPHOS-Systems . . . . . . . . . . Der physiologische Entkoppler Thermogenin Toxische Entkoppler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angeborene Defekte des OXPHOS-Systems . . Bakterielle Atmungsketten . . . . . . . . . . . . . . .
Ernährung und Verdauung J. Rassow
150
Speicherung und Bereitstellung von Kohlenhydraten . . . . . . . . . . . . . . . 200 J. Rassow
161 161 161 163 163 163 163 166 166 168 168 169 170 170 171 172 173 174 174 175 176 176 176 177 177 177 178 178
12.1 12.1.1 12.1.2
12.1.3 12.1.4 12.1.5
12.2 12.2.1
12.2.2
12.3 12.3.1 12.3.2 12.3.3
12.3.4 12.3.5
Aufnahme der Kohlenhydrate aus der Nahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wichtige Kohlenhydrate in der Nahrung . . . . Verdauung der Kohlenhydrate . . . . . . . . . . . . α-Amylase in Speichel und Pankreassaft . . . . Enzyme im Bürstensaum der Enterozyten . . . Resorption der Kohlenhydrate im Darm . . . . Transport in Hepatozyten . . . . . . . . . . . . . . . . Transport der Glucose in die Zellen extrahepatischer Gewebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Transport in Skelettmuskel- und Fettzellen . . Transport in die Zellen des ZNS und in Erythrozyten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rückresorption der Glucose in den Nierentubuluszellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Glykogensynthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mechanismus der Glykogensynthese . . . . . . . Einbau von Glucose in Glykogenmoleküle . . . Neubildung von Glykogen . . . . . . . . . . . . . . . . Regulation der Glykogensynthese . . . . . . . . . . Regulation bei steigendem Bedarf an Glucose Regulation bei Überangebot an Glucose . . . . . Gluconeogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktion der Gluconeogenese im Stoffwechsel Ort der Gluconeogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . Mechanismus der Gluconeogenese . . . . . . . . . Reaktionsschritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Energiebilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausgangsstoffe der Gluconeogenese . . . . . . . . Regulation der Gluconeogenese . . . . . . . . . . . Allosterische Regulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hormonelle Regulation . . . . . . . . . . . . . . . . . .
200 200 200 200 200 202 203 203 203 204 204 205 205 205 207 210 210 210 212 212 212 213 214 217 217 218 219 219
VIII 13
Inhalt
Die Bereitstellung von Fettsäuren, Triacylglycerinen und Ketonkörpern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 J. Rassow
13.1 13.2 13.2.1 13.2.2 13.3 13.3.1 13.3.2
13.3.3 13.3.4 13.4 13.4.1 13.4.2
13.5 13.5.1 13.5.2 13.6 13.6.1 13.6.2 13.7 13.7.1 13.7.2
14
Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufnahme der Lipide aus der Nahrung . . . . . . Verdauung der Lipide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Resorption der Lipid-Hydrolyseprodukte . . . . Fettsäuresynthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bereitstellung von Acetyl-CoA . . . . . . . . . . . . . Mechanismus der Fettsäuresynthese . . . . . . . Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Acetyl-CoA-Carboxylase als Schrittmacherenzym der Fettsäuresynthese . . . . . . . Der Reaktionszyklus der Fettsäuresynthese . . Freisetzung der synthetisierten Fettsäure . . . Energiebilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Physiologische Funktionen der Fettsäuren . . . Regulation der Fettsäuresynthese . . . . . . . . . . Bildung ungesättigter Fettsäuren . . . . . . . . . . Woher stammt das NADPH für die Fettsäuresynthese? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Malat-Enzym als Quelle von NADPH für die Fettsäuresynthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Pentosephosphatweg . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abschnitte des Pentosephosphatwegs . . . . . . Reaktionsschritte des Pentosephosphatwegs . Regulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lipogenese: Biosynthese der Triacylglycerine (TAG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reaktionsschritte der TAG-Synthese . . . . . . . . Regulation der TAG-Synthese . . . . . . . . . . . . . Ketonkörpersynthese (Ketogenese) . . . . . . . . Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Reaktionen der Ketonkörpersynthese . . . Lipoproteine: Transport von Lipiden im Blut . Aufbau und Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Stoffwechsel der Lipoproteine . . . . . . . . . Chylomikronen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VLDL (Very low Density Lipoproteins) . . . . . . LDL (Low Density Lipoproteins) . . . . . . . . . . . HDL (High Density Lipoproteins) . . . . . . . . . .
Proteine als Nahrungsmittel
......
221 221 221 223 225 226 226 226 227 228 230 231 231 231 233
15
Verdauung der Proteine . . . . . . . . . . . . . . . . . Hydrolyse der Proteine durch Proteasen . . . Resorption der Hydrolyseprodukte . . . . . . . . Proteasen und ihre Reaktionsmechanismen Vorkommen und Aufgaben der Proteasen . . Reaktionsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . Serin-Proteasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Metall-abhängige Proteasen . . . . . . . . . . . . . 14.2.3 Proteaseinhibitoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
..............
258
J. Rassow Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regulation bei kurzfristig erhöhtem Energiebedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regulation bei Ausdauerleistungen . . . . . . . . . 15.3 Regulation bei Nahrungsmangel . . . . . . . . . . . 15.4 Regulation im Anschluss an eine Mahlzeit . . . 15.5 Schlüsselenzyme des 15.6 Energiestoffwechsels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zentrale Kontrollpunkte in der Regulation des 15.7 Energiestoffwechsels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.7.1 Die Koordination des Energiestoffwechsels in den peripheren Organen . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.7.2 Die Regulation des Hungergefühls . . . . . . . . . Leptin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.1 15.2
16
258 258 259 261 264 266 269 269 270 270
Vitamine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 K. Hauser
234 234 235 235 235 236 239 239 239 241 242 242 242 243 243 243 243 245 246 248
252
16.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . 16.1.1 Vitaminbedarf . . . . . . . . . . . 16.1.2 Vitaminosen . . . . . . . . . . . . Hypo- und Avitaminosen . . Hypervitaminosen . . . . . . . 16.1.3 Einteilung der Vitamine . . . Fettlösliche Vitamine . . . . . 16.2 16.2.1 Retinol – Vitamin A . . . . . . 16.2.2 Calciferole – Vitamin D . . . 16.2.3 Tocopherol – Vitamin E . . . 16.2.4 Vitaminosen . . . . . . . . . . . . 16.2.5 Phyllochinon – Vitamin K . Wasserlösliche Vitamine . . 16.3 16.3.1 Thiamin – Vitamin B1 . . . . . 16.3.2 Riboflavin – Vitamin B2 . . . 16.3.3 Niacin . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.3.4 Pyridoxin – Vitamin B6 . . . 16.3.5 Pantothensäure . . . . . . . . . . 16.3.6 Folsäure . . . . . . . . . . . . . . . . 16.3.7 Cobalamin – Vitamin B12 . . 16.3.8 Biotin . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.3.9 Ascorbinsäure – Vitamin C
17
J. Rassow 14.1 14.1.1 14.1.2 14.2 14.2.1 14.2.2
Regulation des Energiestoffwechsels
Spurenelemente
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
273 273 273 273 275 275 275 275 278 279 281 281 283 283 285 287 289 291 292 297 300 301
...................
304
K. Hauser . . . . . . . . .
252 252 253 255 255 255 255 256 256
17.1 17.1.1 17.1.2 17.2 17.2.1 17.2.2 17.2.3 17.2.4 17.2.5 17.2.6 17.2.7
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung der Spurenelemente Bedarf an Spurenelementen . . Die einzelnen Spurenelemente Eisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Magnesium . . . . . . . . . . . . . . . . Kupfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zink . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mangan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Cobalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schwefel . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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. . . . . . . . . . .
304 304 305 305 305 309 310 311 313 313 314
IX
Inhalt
17.2.8 Fluor . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.2.9 Iod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.2.10 Selen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.2.11 Molybdän . . . . . . . . . . . . . . 17.2.12 Chrom . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.2.13 Cadmium, Blei, Quecksilber
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
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. . . . . .
314 315 315 316 316 316
Teil B Zellbiologie 1
Einführung
4
K. Hauser
4.3 4.4 4.4.1 4.4.2 4.4.3 4.4.4 4.4.5 4.4.6
Vielfalt der Membranfunktion . . . . . . . . . . Transport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Passiver und aktiver Transport . . . . . . . . . Passiver Transport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aktiver Transport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Transportproteine in Membranen . . . . . . . Ionenkanäle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Porine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Transporter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Transport mithilfe von Membranvesikeln Endozytose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exozytose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Transzytose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Autophagozytose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vesikelfluss innerhalb der Zelle . . . . . . . . Signalvermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermittlung von Zell-Zell-Kontakten . . . . . Tight Junctions . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Adhäsionsverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . Desmosomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hemidesmosomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fokaladhäsionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gap Junctions . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
Zellorganellen
4.1 4.2 4.2.1
4.2.2
.........................
321
1.1
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
321
2
Aufbau der Zelle
J. Rassow
4.2.3
...................
323
2.1 2.2 2.3 2.3.1 2.3.2 2.4
Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufbau der Prokaryontenzelle . . . . . . . . . . . . . Aufbau der Eukaryontenzelle . . . . . . . . . . . . . . Besonderheiten in mehrzelligen Organismen Vorteile der Kompartimentierung . . . . . . . . . . Fraktionierung von Zellen . . . . . . . . . . . . . . . .
323 323 324 325 325 325
3
Aufbau und Synthese biologischer Membranen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328
K. Hauser
K. Hauser 3.1 3.2 3.2.1 3.2.2
3.2.3
3.2.4
3.2.5 3.2.6 3.3 3.3.1
3.3.2 3.4 3.4.1
3.4.2
Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Membranlipide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Grundprinzip: Die Lipiddoppelschicht . Struktur und Verteilung . . . . . . . . . . . . . . . . Phospholipide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Glykolipide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Cholesterin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Biosynthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Glycerophospholipide . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sphingolipide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Cholesterin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Glycerophospholipide . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sphingolipide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Cholesterin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Biosynthese von Membranen . . . . . . . . . . . Membranfluidität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Membranproteine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Integrale Membranproteine . . . . . . . . . . . . . Periphere Membranproteine . . . . . . . . . . . . Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kohlenhydrate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . N-Glykosylierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . O-Glykosylierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Funktion biologischer Membranen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
346 346 346 346 347 348 348 348 348 350 351 353 353 353 354 354 354 354 354 355 355 356 356
......................
358
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zytosol und Zytoplasma . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zellkern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Kernhülle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Kernporen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Nukleolus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Informationsspeicherung und DNA-Synthese RNA-Synthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . NAD+-Synthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenbau der ribosomalen Untereinheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mitochondrien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Endosymbiontentheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Innere Mitochondrienmembran . . . . . . . . . . . Mitochondriale Matrix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Proteintransport ins Mitochondrium . . . . . . . Endoplasmatisches Retikulum . . . . . . . . . . . . . Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Raues ER . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Glattes ER . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Golgi-Apparat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
358 358 358 359 359 359 360 361 361 361 362
K. Hauser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
328 329 329 329 329 331 332 333 333 336 336 339 339 340 340 340 341 341 341 341 342 342 343 343 343 344 345
5.1 5.2 5.3 5.3.1
5.3.2
5.4 5.4.1 5.4.2
5.4.3 5.5 5.5.1 5.5.2
5.6 5.6.1
362 362 362 363 363 363 365 365 366 366 366 366 367 368 368
X
Inhalt
5.7 5.7.1 5.7.2 5.7.3 5.8 5.8.1 5.8.2 5.8.3 5.9 5.9.1 5.9.2 5.9.3
Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Glykosylierung von Proteinen und Membranlipiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Proteinsortierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lysosomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Biogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peroxisomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Biogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Proteasom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Ubiquitinsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6
Zytoskelett
5.6.2
.........................
368 368 368 370 370 371 372 372 372 372 373 373 373 374 374
376
K. Hauser 6.1 6.2 6.2.1 6.2.2 6.3 6.3.1 6.3.2
6.3.3
6.4 6.4.1 6.4.2
Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mikrofilamente . . . . . . . . . . . . . . . Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mikrotubuli . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Formgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . Transport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Komplexe Mikrotubulistrukturen Zentriolen und Basalkörper . . . . . Kinozilien und Flagellen . . . . . . . . Kernteilungsspindel . . . . . . . . . . . Intermediärfilamente . . . . . . . . . . Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Keratinfilamente . . . . . . . . . . . . . . Neurofilamente . . . . . . . . . . . . . . . Vimentinfilamente . . . . . . . . . . . . Laminfilamente . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
376 376 376 377 378 378 380 380 380 381 381 382 383 383 383 384 384 385 385 385
7.2.5
7.3 7.4 7.4.1 7.4.2 7.5
Extrazelluläre Matrix
..............
7.2.2 7.2.3
7.2.4
Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Komponenten der extrazellulären Kollagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Biosynthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elastin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Glykosaminoglykane . . . . . . . . . . Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Biosynthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Proteoglykane . . . . . . . . . . . . . . . . Aggrecan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Decorin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Perlecan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
....... Matrix . ....... ....... ....... ....... ....... ....... ....... ....... ....... ....... ....... ....... .......
. . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
396 396 397 397 398 398 398 398
1
Nukleotide
.........................
401
1.1 1.2 1.3 1.3.1 1.3.2
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufbau der Nukleotide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktionen der Nukleotide . . . . . . . . . . . . . . . Energieträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Synthesevorstufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bausteine von DNA und RNA . . . . . . . . . . . . . Vorstufen weiterer Synthesen . . . . . . . . . . . . . Bestandteil von Coenzymen . . . . . . . . . . . . . . Signalmoleküle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allosterische Effektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stoffwechsel der Nukleotide . . . . . . . . . . . . . . Stoffwechsel der Purinnukleotide . . . . . . . . . . De-novo-Synthese der Purinnukleotide . . . . . Energiebilanz und Regulation der De-novoSynthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbau der Purinnukleotide . . . . . . . . . . . . . . . Wiederverwertung der Purine (Salvage Pathway) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stoffwechsel der Pyrimidinnukleotide . . . . . . Synthese der Pyrimidinnukleotide . . . . . . . . . Abbau der Pyrimidinnukleotide . . . . . . . . . . . Synthese von Desoxyribonukleotiden aus Ribonukleotiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Desoxyribonukleotide mit den Basen Adenin, Guanin und Cytosin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Desoxyribonukleotide mit der Base Thymin .
401 401 403 403 404 404 405 405 405 405 406 406 406
1.3.3 1.3.4 1.3.5 1.4 1.4.1
1.4.2
386 386 386 387 387 388 391 392 392 394 394 394 394 395 395 395
. . . . . . . .
R. Netzker
K. Hauser 7.1 7.2 7.2.1
. . . . . . . .
Teil C Zellzyklus und molekulare Genetik
1.4.3
7
Nicht kollagene Glykoproteine . . . . Fibronektin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Laminin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbau der extrazellulären Matrix . . Extrazelluläre Matrix des Knochens Anorganische Matrix . . . . . . . . . . . . Organische Matrix . . . . . . . . . . . . . . Extrazelluläre Matrix des Knorpels .
2
Nukleinsäuren (Polynukleotide)
2.1 2.2 2.2.1 2.2.2 2.3 2.3.1 2.3.2 2.4
Grundlagen . . . . . . . . . . . DNA . . . . . . . . . . . . . . . . . Die DNA-Doppelhelix . . . Die Verpackung der DNA RNA . . . . . . . . . . . . . . . . . Struktur . . . . . . . . . . . . . . Typen der RNA . . . . . . . . Das humane Genom . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
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. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
407 409 411 411 411 413 413 413 415
..
417
. . . . . . . .
417 419 419 420 421 421 422 422
. . . . . . . .
Inhalt
3
Einführung in die Molekularbiologie
.................
423
3.1 3.2
Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zentrales Dogma der Molekularbiologie . . . .
423 423
4
Replikation der DNA
5.6 ...............
4.3
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ablauf der Replikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erkennung der Replikationsstartstelle(n) und Strangtrennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Synthese des Primers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . DNA-Synthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reaktionsmechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ligation der Okazaki-Fragmente . . . . . . . . . . . Replikation eukaryontischer ChromosomenEnden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hemmstoffe der Replikation . . . . . . . . . . . . . .
5
Genexpression
5.1 5.2 5.2.1
Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Transkription . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Transkriptionsprodukte: die verschiedenen RNA-Typen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kodierende RNA-Typen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nicht kodierende RNA-Typen . . . . . . . . . . . . . Die Transkriptionsenzyme: RNA-Polymerasen Prokaryontische RNA-Polymerase . . . . . . . . . . Eukaryontische RNA-Polymerasen . . . . . . . . . Ablauf der Transkription . . . . . . . . . . . . . . . . . Ablauf der Transkription bei Prokaryonten . . Ablauf der Transkription bei Eukaryonten . . . Regulation der Transkription . . . . . . . . . . . . . . Regulation der Transkription prokaryontischer Gene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regulation der Transkription eukaryontischer Gene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hemmstoffe der Transkription . . . . . . . . . . . . Entstehung und Nachbearbeitung der mRNA Prozessierung der hnRNA . . . . . . . . . . . . . . . . Capping . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Splicing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Polyadenylierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . RNA-Editing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A-zu-I-RNA-Editing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C-zu-U-Editing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Translation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der genetische Code . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beladung der tRNAs mit Aminosäuren . . . . . . Ablauf der Translation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Initiation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elongation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Termination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hemmstoffe der Translation . . . . . . . . . . . . . . Posttranskriptionelle und translationale Regulation durch kleine RNA . . . . . . . . . . . . .
4.1 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4
4.2.5 4.2.6
5.2.2
5.2.3
5.2.4
5.2.5 5.3 5.3.1
5.3.2
5.4 5.4.1 5.4.2 5.4.3
5.4.4
5.5 5.5.1 5.5.2
.....................
425 425 425 425 426 427 427 427 428 429 430 431
432 432 433 433 433 434 437 437 437 438 438 440 442 443 446 449 449 450 450 450 453 453 454 454 455 455 456 457 458 460 462 462 464
5.7
Proteinfaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Motor und Ablauf der Proteinfaltung . . . . . . . An der Proteinfaltung beteiligte Proteine . . . . Chaperone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Faltungshelferenzyme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Cotranslationaler Proteintransport in das endoplasmatische Retikulum . . . . . . . . . . . . . . Co- und posttranslationale Modifikation von Proteinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XI 466 466 467 467 469 470 470
6
Gentechnik und Nachweis bzw. Analyse von Nukleinsäuren . . . . . . . 473
6.1 6.2 6.2.1
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Werkzeuge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Plasmide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Natürliche Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Restriktionsendonukleasen . . . . . . . . . . . . . . . Natürliche Funktion und Eigenschaften . . . . . Anwendung in der Gentechnik . . . . . . . . . . . . Reverse Transkriptase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Natürliche Funktion und Eigenschaften . . . . . Anwendung in der Gentechnik . . . . . . . . . . . . Weitere Enzyme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Methodik der Gentechnik: Klonierung . . . . . . Werkzeuge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spender-DNA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klonierungsvektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Restriktionsendonukleasen und DNA-Ligasen Empfängerzellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . DNA-Transfermethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . DNA-Transfer in Bakterien . . . . . . . . . . . . . . . . DNA-Transfer in Eukaryonten: Transfektion . . Ablauf einer Klonierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einsatzgebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachweis und Analyse von Nukleinsäuren . . . Polymerasekettenreaktion (PCR) . . . . . . . . . . . Reverse Transkriptions-Polymerasekettenreaktion (RT-PCR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Agarose- und Polyacrylamid-Gelelektrophorese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Blot-Hybridisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Southern-Blot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Northern-Blot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Western-Blot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Restriktions-Fragment-Längen-Polymorphismus (RFLP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . DNA-Profilanalyse (Genetischer Fingerabdruck) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfahren zur DNA-Profilanalyse . . . . . . . . . . DNA-Sequenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . RNA-Interferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Knock-out-Tiere und transgene Tiere . . . . . . .
6.2.2
6.2.3
6.2.4 6.3 6.3.1
6.3.2
6.3.3 6.3.4 6.4 6.4.1 6.4.2 6.4.3 6.4.4
6.4.5 6.4.6
6.4.7 6.4.8
473 474 474 474 476 476 476 477 477 477 478 478 478 478 478 478 479 480 480 480 481 481 481 482 482 484 484 485 485 486 486 486 487 487 488 488 490 490
XII
Inhalt
7
Mutationen und DNA-Reparatur
..
492
7.1 7.1.1
492 492 492 492 493 494 494 495 496 496 496 496 496 498
7.4
Mutationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mutationsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Genommutation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chromosomenmutation . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gen- und Punktmutation . . . . . . . . . . . . . . . . . Entstehung von Mutationen . . . . . . . . . . . . . . Mechanismen endogener DNA-Schäden . . . . Mechanismen exogener DNA-Schäden . . . . . . Reparatur der DNA-Schäden . . . . . . . . . . . . . . Direkte Reparatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Photoreaktivierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reparatur von Alkylschäden . . . . . . . . . . . . . . Basen-Exzisionsreparatur . . . . . . . . . . . . . . . . . Nukleotid-Exzisionsreparatur . . . . . . . . . . . . . Kontrolle der Replikationsgenauigkeit und Fehlpaarungsreparatur (Mismatch-Reparatur) Reparatur von Doppelstrangbrüchen . . . . . . .
8
Der Zellzyklus
......................
501
8.1 8.2 8.2.1 8.2.2 8.2.3
Ablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrollpunkte im Zellzyklus . . . . . . . . . . . . . Komponenten des Zellzyklus-Kontrollsystems Steuerung der Phasenübergänge bzw. der SPhase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Steuerung des G1/S-Übergangs . . . . . . . . . . . . Kontrolle der S-Phase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Steuerung des G2/M-Übergangs . . . . . . . . . . .
501 502 502 503
7.1.2
7.2 7.2.1
7.2.2 7.2.3 7.3
9
Die Apoptose
9.1 9.2 9.3 9.3.1 9.3.2 9.3.3 9.4 9.4.1 9.4.2 9.4.3 9.5 9.6
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung der Apoptose . . . . . . . . . . . . Komponenten des Apoptose-Apparates Caspasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Proteine der Bcl-2-Familie . . . . . . . . . . . Inhibitors of Apoptosis Proteins (IAPs) . Auslösung der Apoptose . . . . . . . . . . . . Extrinsischer Signalweg . . . . . . . . . . . . . Intrinsischer Signalweg . . . . . . . . . . . . . Granzym/Perforin-Weg . . . . . . . . . . . . . Wirkung der Effektor-Caspasen . . . . . . Fehlregulationen der Apoptose . . . . . . .
10
Molekulare Onkologie
...................... . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . .
10.2.3 Tumorviren als Auslöser der Transformation . Retroviren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Papillomaviren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2.4 Bakterien als biologisches Karzinogen . . . . . . Tumorentwicklung: Die Bildung von Tumor10.3 gefäßen und Tochterkolonien . . . . . . . . . . . . . 10.3.1 Angiogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3.2 Metastasierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumortherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4 10.4.1 Zytostatika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4.2 Neuere Entwicklungen in der Tumortherapie Hormonantagonisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Monoklonale Antikörper . . . . . . . . . . . . . . . . . Tyrosinkinase-Hemmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angiogenese-Hemmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
499 500
504 504 505 505
506 506 507 507 507 508 508 508 509 509 510 510
.............
511
10.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumorentstehung (Kanzerogenese) . . . . . . . . 10.2 10.2.1 Somatische Mutationen als Auslöser der Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Protoonkogene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mutation von Protoonkogenen zu Onkogenen Tumorsuppressorgene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2.2 Die Bedeutung regulatorischer RNA für die Tumorentstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
511 512 512 512 513 515 518
520 521 521 522 522 523 523 523 523 523
Teil D Zelluläre Kommunikation R. Deutzmann
1
Grundlagen
.........................
527
1.1 1.2
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prinzipien der Signalübertragung zwischen Zellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gap Junctions . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zell-Zell- und Zell-Matrix-Interaktion . . . . . . Extrazelluläre Signalübertragung . . . . . . . . . . Endokrine Signalübermittlung . . . . . . . . . . . . Parakrine Signalübermittlung . . . . . . . . . . . . . Autokrine Signalübermittlung . . . . . . . . . . . . . Hormone und Zytokine . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung der Hormone . . . . . . . . . . . . . . . . . Glanduläre Hormone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aglanduläre Hormone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eigenschaften und Wirkprinzip von Hormonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hormonelle Regelkreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einfache Rückkopplung (biologischer Regelkreis) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Steuerung über das ZNS (neuroendokrine Systeme) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zytokine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachweismethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Radioimmunoassay (RIA) . . . . . . . . . . . . . . . . . Enzyme-linked immunosorbent Assay (ELISA)
527
1.2.1 1.2.2 1.2.3
506
. . . . . . . . . . . .
518 519 519 520
1.3 1.3.1
1.3.2 1.3.3
1.3.4 1.4 1.4.1 1.4.2
2 2.1 2.2 2.2.1
Mechanismen der Signaltransduktion
................
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rezeptoren in der Zellmembran . . . . . G-Protein-gekoppelte Rezeptoren . . . . Mechanismus der Signaltransduktion Die Adenylatzyklasen . . . . . . . . . . . . . . Die Phospholipase Cβ . . . . . . . . . . . . . . Wirkungen der G12/13-Untereinheiten
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
527 528 528 528 528 528 529 529 529 529 529 529 531 531 531 532 532 532 533
534 534 535 535 535 538 541 545
XIII
Inhalt
2.2.2 2.2.3
2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3
Ligandenaktivierte Ionenkanäle . . . . . . . . . . . Enzymgekoppelte Rezeptoren . . . . . . . . . . . . . Guanylatzyklasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rezeptortyrosinkinasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rezeptoren mit assoziierten Tyrosinkinasen . Rezeptor-Serin/Threoninkinasen . . . . . . . . . . . Intrazelluläre Rezeptoren (Kernrezeptoren) . . Steroidhormonrezeptoren . . . . . . . . . . . . . . . . Rezeptoren für Schilddrüsenhormone, Vitamin D und Retinsäure . . . . . . . . . . . . . . . . Kernrezeptor-Superfamilie – Rezeptoren der PPAR-Familie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
545 546 546 549 551 553 553 554
555
Hormone
...........................
557
3.1 3.1.1
Pankreashormone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Insulin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Struktur und Biosynthese . . . . . . . . . . . . . . . . Sekretion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Molekulare Mechanismen der Insulinwirkung Zelluläre Wirkungen von Insulin . . . . . . . . . . . Glukagon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Biosynthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sekretion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Molekulare und zelluläre Wirkungen . . . . . . . Glukagon-ähnliche Peptide . . . . . . . . . . . . . . . Die Katecholamine Adrenalin und Noradrenalin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Biosynthese und Sekretion . . . . . . . . . . . . . . . Abbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Molekulare Mechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . Zelluläre Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirkungen auf den Stoffwechsel . . . . . . . . . . Wirkungen auf Organsysteme . . . . . . . . . . . . . Hormone des hypothalamisch-hypophysären Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hypothalamus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hypophyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hormone der Adenohypophyse . . . . . . . . . . . Hormone der Neurohypophyse . . . . . . . . . . . . Rückkopplungsmechanismen . . . . . . . . . . . . . Schilddrüsenhormone (Thyroxin und Triiodthyronin) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Biosynthese, Speicherung, Transport und Abbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Biosynthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regulation der Biosynthese . . . . . . . . . . . . . . . Transport im Blut und Aufnahme in die Zelle Aktivierung und Abbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Molekulare Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zelluläre Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hormone der Nebennierenrinde . . . . . . . . . . . Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeiner Überblick über die Biosynthese der Steroidhormone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
557 557 557 558 559 559 561 566 566 566 566 566 567
3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4
3.3 3.3.1 3.3.2
3.3.3 3.4 3.4.1
3.4.2
3.5 3.5.1
3.5.3 3.6 3.6.1
555
3
3.1.2
3.5.2
569 569 571 572 572 572 574 576 576 578 578 579 580
3.6.2
3.7 3.7.1 3.7.2
3.8 3.9 3.9.1 3.9.2 3.9.3 3.10 3.10.1
3.10.2
3.10.3
3.10.4 581 581 581 582 583 583 583 583 584 588 588 589
Freisetzung, Transport und Inaktivierung der Steroidhormone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Glucocorticoide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regulation der Biosynthese . . . . . . . . . . . . . . . Molekulare Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zelluläre Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Androgene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hormone der Gonaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Androgene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Biosynthese und Transport . . . . . . . . . . . . . . . Regulation der Biosynthese . . . . . . . . . . . . . . . Molekulare Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zelluläre Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Östrogene und Gestagene . . . . . . . . . . . . . . . . Biosynthese und Transport . . . . . . . . . . . . . . . Regulation der Biosynthese . . . . . . . . . . . . . . . Molekulare Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zelluläre Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wachstumshormon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Struktur und Regulation der Biosynthese . . . Molekulare und zelluläre Wirkungen . . . . . . . Molekulare Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zelluläre Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prolaktin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gastrointestinale Hormone . . . . . . . . . . . . . . . Gastrin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sekretin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Cholecystokinin (CCK) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hormone mit Wirkung auf den Wasser- und Elektrolythaushalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regulation des Wasserhaushalts: Antidiuretisches Hormon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Biosynthese und Sekretion . . . . . . . . . . . . . . . Regulation der Sekretion . . . . . . . . . . . . . . . . . Molekulare und zelluläre Wirkungen . . . . . . . Hormonelle Regulation des Natriumhaushalts Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aldosteron . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Atriales natriuretisches Peptid (ANP) . . . . . . . Hormonelle Regulation des Kaliumhaushalts Insulin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aldosteron . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hormone mit Wirkung auf den Calcium- und Phosphathaushalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Parathormon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Calcitonin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Calciferole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . FGF 23 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4
Mediatoren
4.1 4.1.1
Eikosanoide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Biosynthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Freisetzung der Arachidonsäure . . . . . . . Biosynthese der Prostaglandine und des Thromboxans A2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Biosynthese der Leukotriene . . . . . . . . . .
.........................
592 592 592 593 594 596 600 601 601 601 601 601 602 602 603 603 603 608 608 608 608 609 610 611 612 613 614 615 615 615 615 616 617 617 619 621 621 621 621 622 623 624 624 626
627
.... .... ....
627 627 627
.... ....
628 629
XIV 4.1.2
4.2 4.2.1 4.2.2 4.3 4.3.1
4.3.2 4.4 4.4.1 4.4.2 4.5 4.5.1 4.5.2
Inhalt
Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prostaglandine und Thromboxan A2 . . . . . . . Leukotriene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stickstoffmonoxid (NO) . . . . . . . . . . . . . . . . . Biosynthese und Inaktivierung . . . . . . . . . . . Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kinine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Biosynthese und Inaktivierung . . . . . . . . . . . Biosynthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prozessierung und Inaktivierung . . . . . . . . . Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Histamin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Biosynthese, Speicherung und Inaktivierung Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Serotonin (5-Hydroxytryptamin) . . . . . . . . . . Biosynthese, Speicherung und Inaktivierung Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
Zytokine
5.1 5.2 5.3 5.4
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wachstumsfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zytokine mit Wirkung auf die Hämatopoese Zytokine des Immunsystems . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . .
............................ . . . .
629 629 632 633 633 634 635 635 635 635 636 637 637 637 639 639 640
645 645 645 648 650
1.6 1.6.1 1.6.2 1.7
Das erworbene Immunschwächesyndrom (AIDS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allergie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Aktivierung der Leukozyten . . . . . . . . . . . Die Leukozyten im Entzündungsherd . . . . . . . Neutrophile Granulozyten . . . . . . . . . . . . . . . . Monozyten und Makrophagen . . . . . . . . . . . . Entzündung als zentrales Konzept der molekularen Pathologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mediatoren des Immunsystems . . . . . . . . . . . Interferone (IFN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Interleukine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . TNFα . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . TGF-β . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere Mediatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Immunologie der Blutgruppenantigene . . . . . Das AB0-System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Rhesus-System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumorimmunologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2
Blutstillung und Blutgerinnung
2.1 2.2
2.4 2.5 2.6
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Blutstillung: Aktivierung und Aggregation von Thrombozyten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thrombozytenadhäsion . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thrombozytenaggregation . . . . . . . . . . . . . . . . Freisetzung von Inhaltsstoffen aus aktivierten Thrombozyten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hemmung der Thrombozytenaggregation am intakten Endothel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Blutgerinnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Blutgerinnung im Detail . . . . . . . . . . . . . . Auslösung und Beschleunigung der Gerinnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung und Überblick . . . . . . . . . . Vitamin K, γ-Carboxylierung und CalciumIonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fibrinolyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hemmung der Blutgerinnung . . . . . . . . . . . . . Thrombusbildung und Ischämie . . . . . . . . . . .
3
Entgiftung
3.1
Entgiftung organischer Fremdstoffe: Biotransformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Phase-I-Reaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Cytochrom-P-450-Enzyme . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere Enzyme der Phase-I-Reaktionen . . . . Phase-II-Reaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Entgiftung anorganischer Fremdstoffe: Stoffwechsel der Schwermetalle . . . . . . . . . . .
1.3.4 1.3.5 1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.3
1.4.4 1.5
Teil E Infektionen, Verletzungen und Vergiftungen
2.2.1 2.2.2 2.2.3
J. Rassow
2.2.4
1
Molekulare Immunologie
.........
653
1.1 1.2
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das angeborene (unspezifische) Immunsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abwehr von Mikroorganismen an Oberflächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erkennung von Mikroorganismen durch das angeborene Immunsystem . . . . . . . . . . . . . . . Das Komplementsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . Rezeptorproteine des angeborenen Immunsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das adaptive Immunsystem . . . . . . . . . . . . . . . Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antikörper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IgG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IgA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IgM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IgD und IgE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Genetische Grundlagen der Antikörpervielfalt Polyklonale und monoklonale Antikörper . . . Zelluläre und molekulare Grundlagen adaptiver Immunantworten . . . . . . . . . . . . . . Auslösung einer adaptiven Immunantwort . . B-Zellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . T-Zellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
653
2.3 2.3.1 2.3.2
1.2.1 1.2.2
1.3 1.3.1 1.3.2
1.3.3
654 654 657 657 660 662 662 663 663 665 666 667 668 670 670 670 673 676
3.1.1
3.1.2 3.2
...
..........................
680 681 686 686 687 688 688 689 689 691 691 691 692 692 692 693 693 694 695
699 699 699 699 700 702 704 704 704 705 705 708 709 711 711 713
718 718 719 719 721 722 724
XV
Inhalt
Teil F Blut, Leber und Niere
Teil G Muskulatur und Nervensystem
J. Rassow
J. Rassow
1
Biochemie des Blutes
..............
727
1.1 1.2 1.2.1
727 727 727
1.2.4 1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.4
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Transport von O2 und CO2 im Blut . . . . . . . . . O2-Transport durch Hämoglobin . . . . . . . . . . . Die strukturellen Grundlagen der O2-Bindung des Hämoglobins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Regulation der O2-Bindung des Hämoglobins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Transport von CO2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die verschiedenen Hämoglobine des Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schutz des Hämoglobins vor Oxidation . . . . . Erythropoese und Porphyrinstoffwechsel . . . . Erythropoese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hämbiosynthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Häm-Abbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Proteine des Blutserums . . . . . . . . . . . . . .
2 2.1 2.2 2.2.1 2.2.2
1.2.2 1.2.3
2.2.3 2.3 2.4 2.4.1 2.4.2
1
Biochemie der Muskulatur
1.1 1.2 1.2.1
1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.3 1.4.4
Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Muskelgewebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung und Aufbau . . . . . . . . . . . . . Skelettmuskulatur . . . . . . . . . . . . . . . . Herzmuskulatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . Glatte Muskulatur . . . . . . . . . . . . . . . . . Molekulare Mechanismen der Muskelkontraktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Querbrückenzyklus . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrolle der Aktin-Myosin-Bindung . Elektromechanische Kopplung . . . . . . Muskelkrankheiten (Myopathien) . . . . Myasthenia gravis . . . . . . . . . . . . . . . . . Muskeldystrophien . . . . . . . . . . . . . . . . Metabolische Muskelkrankheiten . . . . Dilatative Kardiomyopathie . . . . . . . . .
Biochemie der Leber . . . . . . . . . . . . . . . 745
2
Neurochemie
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stoffwechselfunktionen der Leber . . . . . . . . . Konstanthaltung des Blutzuckerspiegels . . . . Synthese von Ketonkörpern, Triacylglycerinen und Cholesterin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben der Leber im Aminosäurestoffwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Produktion von Serumproteinen . . . . . . . . . . . Ausscheidungsfunktion der Leber . . . . . . . . . . Bestandteile der Galle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gallesekretion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.1 2.2 2.3 2.4 2.4.1 2.4.2 2.5 2.5.1 2.5.2 2.6
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Energiestoffwechsel des Nervensystems . . Gliazellen und Myelin . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schrankensysteme des ZNS . . . . . . . . . . . . . Blut-Hirn-Schranke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Blut-Liquor-Schranke (inkl. Liquor) . . . . . . . Ionenkanäle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Struktur und Funktion der Ionenkanäle . . . Röntgenkristallstrukturen der Ionenkanäle Synapsen, motorische Endplatte und nicotinischer Acetylcholinrezeptor . . . . . . . Neurotransmitter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Acetylcholin (ACh) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Glutamat (Glu) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Katecholamine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Noradrenalin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dopamin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Serotonin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . GABA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Glycin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neuropeptide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Opioide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Purine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wichtige Erkrankungen des ZNS . . . . . . . . . Multiple Sklerose (MS) . . . . . . . . . . . . . . . . Alzheimer-Krankheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . Parkinson-Krankheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chorea Huntington . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sinnesorgane und Sinneszellen . . . . . . . . . . Riechsinneszellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geschmackssinneszellen . . . . . . . . . . . . . . . Das Ohr: Hören und Gleichgewicht . . . . . . Das Auge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
728 731 733 734 735 738 738 739 740 744
745 746 746 747 747 748 748 748 749
3
Biochemie der Niere
...............
750
3.1 3.2 3.3 3.3.1 3.3.2 3.4 3.5
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ultrafiltration im Nierenkörperchen . . . . . . . . Funktionen des proximalen Tubulus . . . . . . . . Gluconeogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Resorption und Sekretion . . . . . . . . . . . . . . . . Funktionen der Henle-Schleife . . . . . . . . . . . . . Funktion des distalen Tubulus und desSammelrohrs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regulation der Nierenfunktionen . . . . . . . . . . Das antidiuretische Hormon ADH (Vasopressin) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aldosteron . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktionen des juxtaglomerulären Apparates Das atriale natriuretische Peptid und andere Peptidhormone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben der Niere im Säure-Basen- und Stickstoffhaushalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
750 751 752 752 753 755
3.6 3.6.1 3.6.2 3.6.3 3.6.4 3.7
1.3
2.7 2.7.1 2.7.2 2.7.3
2.7.4 2.7.5 2.7.6 2.7.7
756 757 757 757 757 758 758
2.8 2.8.1 2.8.2 2.8.3 2.8.4 2.9 2.9.1 2.9.2 2.9.3 2.9.4
........
765
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
765 765 765 765 767 767
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
768 768 769 770 774 774 774 775 775
.......................
778
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
778 778 779 781 781 782 782 782 785
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
789 793 793 794 794 795 796 796 798 799 800 800 801 802 802 803 806 808 809 809 810 810 811
A
Energiestoffwechsel
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A
1
Der Energiestoffwechsel im Überblick 3
2
Biochemisch relevante Stoffklassen – eine erste Einführung 11
3
Triebkraft und Geschwindigkeit biochemischer Reaktionen 16
4
Die molekulare Struktur der wichtigsten Nahrungsstoffe: Kohlenhydrate, Triacylglycerine und Aminosäuren 34
5
Die wichtigsten biochemischen Funktionsträger: Proteine 62
6
Abbau der Kohlenhydrate zu Pyruvat bzw. Lactat 70
7
Oxidativer Abbau von Pyruvat: Die Reaktionen der Pyruvat-Dehydrogenase und des Citratzyklus 97
8
Abbau von Triacylglycerinen und Ketonkörpern 116
9
Abbau von Proteinen und Aminosäuren 136
10 ATP-Synthese durch oxidative
Phosphorylierung
161
11 Ernährung und Verdauung
180
12 Speicherung und Bereitstellung von
Kohlenhydraten
200
13 Die Bereitstellung von Fettsäuren,
Triacylglycerinen und Ketonkörpern 221 14 Proteine als Nahrungsmittel 15 Regulation des
Energiestoffwechsels 16 Vitamine
273
17 Spurenelemente
304
258
252
A
1 1.1 1.2 1.3 1.4
1.1
1.2 Woher stammt die Energie für Lebensprozesse?
Der Energiestoffwechsel im Überblick Worum geht es in diesem Kapitel? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Woher stammt die Energie für Lebensprozesse? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wie entsteht ATP? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Woher stammt die Energie für die ATP-Synthese? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3 3 6 7
Worum geht es in diesem Kapitel?
A © tiero – Fotolia
1.1
Worum geht es in diesem Kapitel?
1.2
Woher stammt die Energie für Lebensprozesse?
Biochemie ist die Wissenschaft von den molekularen Strukturen und Prozessen, die sich in den verschiedenen Organismen nachweisen lassen. Es ist offensichtlich, dass es für einen Menschen niemals möglich sein wird, alle diese Strukturen und Prozesse zu kennen. Wenn man nur wenig weiß, kann man aber mitunter dennoch sehr viel verstehen. Die Biochemie kann nicht die Frage beantworten, was die Welt im Innersten zusammenhält, aber sie erlaubt durchaus die Frage, was eigentlich die zentralen molekularen Mechanismen sind, die es ermöglichen, dass es überhaupt einen lebendigen Menschen gibt. Es bietet sich an, zur Beantwortung dieser Frage von der Beobachtung auszugehen, dass es Tätigkeiten gibt, die für das Überleben eines Menschen uneingeschränkt essenziell sind. Dazu gehört etwa, dass Menschen Nahrung zu sich nehmen und dass sie atmen. Warum ist das so? Da Essen und Atmen lebensnotwendig sind, handelt es sich offenbar um Voraussetzungen dafür, dass der Organismus überhaupt existiert und die Zellen des Organismus korrekt arbeiten. Die Fähigkeit, Arbeit zu leisten, ist aber im Rahmen der Naturwissenschaften Energie. So soll es in diesem einführenden Kapitel um die Frage gehen, wie im Organismus Energie für Lebensprozesse bereitgestellt wird, und damit letztlich um die Frage, wie Leben überhaupt möglich ist. Damit führt dieses Thema direkt in die Mitte der gesamten Biochemie und ermöglicht einen ersten Eindruck von den zentralen Zusammenhängen des gesamten Stoffwechsels. Dieses Kapitel gibt zunächst also nur einen Überblick. Wer Details wissen möchte, wird in den weiteren Kapiteln dieses Buches zu vielen Fragen eine Antwort finden.
1.2
Woher stammt die Energie für Lebensprozesse?
Zu den Eigentümlichkeiten von Lebensprozessen gehört, dass ständig etwas passiert, was auf den ersten Blick den einfachsten Naturgesetzen zu widersprechen scheint, z. B.: Eisbären können einen ganzen Winter in der Arktis verbringen und erhalten doch immer eine Körpertemperatur aufrecht, die wesentlich höher ist als die ihrer Umgebung. Jedes anorganische Objekt nimmt hingegen sehr schnell die jeweilige Umgebungstemperatur an. Vögel können sich jederzeit in die Luft erheben, während z. B. ein Stein nur fallen oder liegen bleiben kann. Das Geheimnisvolle des Lebens scheint darin zu bestehen, dass es aus einer Aneinanderreihung von Unwahrscheinlichkeiten besteht. Wie kann man diese Beobachtung mit den Gesetzen der Physik in Einklang bringen? Eine Antwort lässt sich mit dem Begriff der energetischen Kopplung geben.
1.2.1 Die Bedeutung der energetischen Kopplung ▶ Definition.
Unter energetischer Kopplung versteht man eine Verbindung zweier Prozesse, bei der ein Prozess die Energie liefert, die den anderen Prozess ermöglicht.
1.2.1 Die Bedeutung der energetischen Kopplung
▶ Definition.
4
A
1 Der Energiestoffwechsel im Überblick
Energetische Kopplung
A-1.1
NH2 O– –
O
P O
O– O
P O
N
O– O
P
O
CH2
O H H
Adenosintriphosphat (ATP)
HO
N
O
N
H2O
Hydrolyse
N
NH2
H
O–
H
–
O
OH
N
O–
P
O
O
P
O
CH2
O
O– –
O
P
H
N
O
H
HO
O Phosphat
N
H
H
OH +
N
OH
Adenosindiphosphat (ADP)
Der Vogel muss Energie aufbringen, um sich gegen die Schwerkraft zu bewegen. Diese Energie liefern Prozesse, die mit dem Fliegen energetisch gekoppelt sind.
Das Prinzip ist in Abbildung Abb. A 1.1 erläutert. Ein Objekt kann sich nicht von alleine gegen die Schwerkraft nach oben bewegen. Dieser Prozess wird erst möglich, indem er mit einem anderen Vorgang gekoppelt wird, der spontan abläuft. Viele Lebensprozesse sind mit solchen Vorgängen verbunden, die das Unmögliche möglich machen. Dabei handelt es sich oft um komplizierte Reaktionsketten, in denen der eine Prozess den nächsten anstößt.
▶ Merke.
1.2.2 Die Bedeutung des ATP als Energieträger
▶ Merke.
Letztlich ist es bei fast allen Lebensvorgängen nur eine ganz bestimmte chemische Reaktion, welche die nötige Energie liefert, und das ist die Hydrolyse von Adenosintriphosphat (ATP).
1.2.2 Die Bedeutung des ATP als Energieträger Um die Funktion des ATP exakt beschreiben zu können, müssen Lebensprozesse auf molekularem Niveau betrachtet werden, also in biochemischer Perspektive. Ein besonders einfaches Beispiel für die energetische Kopplung biochemischer Prozesse an die Hydrolyse von ATP ist die Reaktion von Glucose mit Phosphat. Glucose (= Traubenzucker) ist ein wichtiger Nahrungsstoff für die Zellen des Körpers. Sie wird vom Blut an die Zellen herangeführt und dann von den Zellen aufgenommen. Der erste Schritt der Einbeziehung von Glucose in den Zellstoffwechsel ist ihre Verbindung mit Phosphat: Die Glucose wird phosphoryliert (Abb. A 1.2). Da Phosphat-Ionen in jeder Zelle vorhanden sind, könnte man erwarten, dass Glucose und Phosphat-Ionen spontan eine Verbindung eingehen. Eine derartige Reaktion wird aber weder in lebenden Zellen noch bei Mischung der Reaktionspartner in einem Reagenzglas beobachtet. Die Reaktion ist genauso unmöglich, wie es unmöglich ist, dass sich ein Gegenstand ohne äußere Einwirkung von alleine von der Erdoberfläche in die Luft erhebt. Der Grund hierfür ist, dass der Energiegehalt von Glucose-6-phosphat höher ist als der der Ausgangssubstanzen Glucose und Phosphat-Ionen. Damit die Phosphorylierung stattfinden kann, muss den Ausgangssubstanzen Energie zugeführt werden. Diese Energie stammt aus der Hydrolyse des ATP.
A-1.2
A-1.2
Die Phosphorylierung von Glucose O– –
6 CH2OH
H
5C
H 4C OH HO 3 C H
O H
P
OH
OH
O
C1
Phosphat
C2 H OH
O
O– –
O
P
O
O H C Glucose6-phosphat
Glucose H2O
HO
CH2 C H OH C
O
H
OH
OH
H
C
C
H
A
▶ Merke.
5
1.2 Woher stammt die Energie für Lebensprozesse?
ATP ist der zentrale und entscheidende Energieträger aller Organismen.
▶ Merke.
Aufgrund der zentralen Bedeutung des Energieträgers ATP dreht sich die gesamte Biochemie letztlich um zwei prinzipielle Fragen: 1. Wie wird ATP produziert, d. h. wie wird Leben ermöglicht? 2. Wie wird ATP von den Zellen des Körpers genutzt? Die erste Frage wird in Teil A dieses Lehrbuchs beantwortet, die zweite in Teil B. Die Bedeutung des ATP für die Funktionen des gesamten Organismus lässt sich mit einer einfachen Zahl illustrieren: Jeder Mensch produziert und hydrolysiert jeden Tag etwa so viel ATP, wie seiner Körpermasse entspricht, also ca. 70 kg ATP. Dabei bleibt die Konzentration des ATP in den Zellen relativ konstant bei ca. 3 – 4 mM (mM = mmol/l), was einer Gesamtmenge im Körper von nur ca. 50 g entspricht. Die große Menge an ATP, die pro Tag umgesetzt wird, ergibt sich nur durch die Geschwindigkeit, mit der das ATP ständig hydrolysiert und neu synthetisiert wird. Die genannten 50 g ATP werden durchschnittlich in jeder Minute einmal vollständig regeneriert, also mehr als 1000-mal am Tag.
Wo im ATP steckt die Energie?
Wo im ATP steckt die Energie?
ATP besteht aus zwei Teilen, dem Adenosin und dem Triphosphat (Abb. A 1.3). Für die Funktion des ATP im Energiestoffwechsel ist allein die Triphosphatgruppe entscheidend. Bei der Hydrolyse dieser Gruppe wird die Energie freigesetzt, die in energetischer Kopplung anderen Reaktionen zur Verfügung gestellt werden kann. Der Adenosin-Teil des Moleküls ist hingegen so etwas wie ein „molekularer Handgriff“, durch den der Triphosphatrest für die Zelle handhabbar wird. Viele Proteine der Zelle enthalten Strukturen, die den Adenosin-Teil spezifisch binden und dadurch dann auch die Triphosphatgruppe genau dorthin bringen, wo deren Energie gerade benötigt wird. Die Triphosphatgruppe ist mit dem Adenosin über eine Esterbindung verbunden, die drei Phosphoratome sind untereinander durch Anhydridbindungen verbunden (Abb. A 1.4). Durch Hydrolyse kann in zwei Schritten jeweils eine Phosphatgruppe freigesetzt werden. Dadurch entsteht aus dem Adenosintriphosphat (ATP) Adenosindiphosphat (ADP) bzw. Adenosinmonophosphat (AMP) (Abb. A 1.4). Alternativ kann eine Diphosphatgruppe (= Pyrophosphat, Abb. A 1.5) abgespalten werden, sodass aus ATP AMP entsteht.
Adenosintriphosphat (ATP)
A-1.3
A-1.3
NH2 O– –
O P
O– O
P
N
O– O
P
CH2
O
O O O Triphosphatrest
H H OH
Anhydridbindungen O– O
P O
N
Adenosintriphosphat (ATP)
Adenosin
N-glykosidische Bindung
H H OH
Ribose
Hydrolyse von ATP
A-1.4
–
N
O
N Adenin
O– O
P O
Esterbindung
P
H+ +
O
Adenosin
O
Adenosintriphosphat (ATP)
–
O
P
OH +
O
H2O
O– O
O–
Freisetzung von 30,5 kJ/Mol (unter Standardbedingungen)
O– –
O
P O
P
O– 2 H+ + 2 –O
O
Adenosin
O
Adenosindiphosphat (ADP)
P
OH +
O
H2O
O– O
Freisetzung von 30,5 kJ/Mol (unter Standardbedingungen)
O– –
O
P
O
Adenosin
O Adenosinmonophosphat (AMP)
6
A
A-1.5
1 Der Energiestoffwechsel im Überblick
A-1.5
Pyrophosphat O– –
O
P O
O– O
P
O–
O
Die Spaltung der Esterbindung zwischen der Triphosphatgruppe und dem Adenosin spielt im Energiestoffwechsel keine Rolle. Die Energie der Anhydridbindungen ist hingegen für den gesamten Stoffwechsel von fundamentaler Bedeutung:
▶ Merke.
Warum wird bei der Hydrolyse von ATP Energie freigesetzt?
▶ Merke.
Bei der Hydrolyse einer Anhydridbindung der Triphosphatgruppe des ATP wird unter Standardbedingungen eine Energie von – 30,5 kJ/Mol freigesetzt, unter physiologischen Bedingungen sogar eine Energie von ca. – 50 kJ/Mol.
Warum wird bei der Hydrolyse von ATP Energie freigesetzt? Für die Hydrolyse-Energie des ATP werden mehrere Faktoren verantwortlich gemacht, u. a. 1. die bessere Mesomeriestabilisierung der freien Phosphat-Ionen: Die Elektronen können sich in den Phosphat-Ionen gleichmäßig und damit energetisch günstiger verteilen als in der Triphosphatgruppe. 2. die bei der Abspaltung von Phosphatresten stattfindende Umwandlung von Abstoßungskräften in freie Energie: Die Triphosphatgruppe trägt vier negative Ladungen, die sich über die Sauerstoffatome des Moleküls verteilen. Diese Ladungen stoßen sich gegenseitig ab. Mit jeder abgespaltenen Phosphatgruppe entfällt ein Teil dieser Abstoßungskräfte und eine entsprechende Energie wird frei – wie wenn sich eine Metallfeder entspannt, die zuvor zusammengepresst war. Wie viel jeder dieser Faktoren zur Hydrolyse-Energie beiträgt, ist nicht genau bekannt.
1.3
Wie entsteht ATP?
1.3
Wie entsteht ATP?
Die 70 kg ATP, die der Mensch jeden Tag produziert, werden zu mehr als 90 % von den Mitochondrien der Zellen (Abb. A 1.6) bereitgestellt. Diese Zellorganellen nehmen das ADP und das Phosphat auf, das bei der Hydrolyse von ATP anfällt, und regenerieren daraus ATP, das wieder in das Zytosol zurücktransportiert wird. Innerhalb der Mitochondrien (Aufbau s. Abb. A 1.7 a) findet die ATP-Synthese an der ATP-Synthase statt. Dieser Proteinkomplex sieht im elektronenmikroskopischen Bild aus wie ein großer Laubbaum, an den seitlich eine Leiter angestellt ist. Die Wurzeln (= F0-Teil der ATP-Synthase) sind in der mitochondrialen Innenmembran verankert, Stamm (= Stiel der ATP-Synthase), Baumkrone (= F1-Teil) und Leiter (sog. Stator) ragen in die Matrix, also den Innenraum der Mitochondrien hinein (Abb. A 1.7 b). Drei Stellen in der Krone des Laubbaums (also im F1-Teil), die sog. katalytischen Zentren der ATP-Synthase, binden ADP und Phosphat. Ein Rotor im Wurzelbereich (= im F0-Teil) dreht den Stamm des Baumes (den Stiel der ATP-Synthase). Diese Rotation löst in der Baumkrone (im F1-Teil), die sich nicht mitdrehen kann, weil die Leiter (der Stator) sie daran hindert, Konformationsänderungen aus, durch die aus ADP und Phosphat ATP gebildet und in die Matrix freigesetzt wird. Nahezu die gesamte Energie, die einen Menschen am Leben erhält, wird in diesen katalytischen Zentren bereitgestellt. ATP-Synthasen finden sich in der mitochondrialen Innenmembran in großer Zahl. Zumindest in einigen Bereichen der Membran stehen sie dicht beieinander, ähnlich wie Bäume in einem Wald.
7
A 1.4 Woher stammt die Energie für die ATP-Synthese?
A-1.6
Mitochondrien einer Leberzelle im elektronenmikroskopischen Bild
cm mi
mi mm rer
gly ger
mi
Im Zytosol der Leberzelle ist Glykogen, die Speicherform der Glucose, in Form von Glykogenrosetten gespeichert (23 000-fache Vergrößerung). mi = Mitochondrien, cm = cristae mitochondriales, gly = Glykogen, ger/er = glattes und raues Endoplasmatisches Retikulum, mm = mitochondriale Matrix (aus Plattner, Hentschel; Zellbiologie, Thieme, 2002)
A-1.7
Aufbau eines Mitochondriums (a) und der ATP-Synthase (b)
Außenmembran Innenmembran
Cristae
Intermembranraum
A-1.7
Matrix F1-Teil
Matrix Stator
Stiel
Innenmembran Zytosol a
1.4
b
F0-Teil
Intermembranraum
Woher stammt die Energie für die ATPSynthese?
Da ATP eine Energie von nahezu 50 kJ/Mol enthält, stellt sich die Frage, woher die ATP-Synthase diese Energie bezieht. Die entscheidende Antwort auf diese Frage gab der englische Biochemiker Peter Mitchell im Jahr 1961.
1.4
Woher stammt die Energie für die ATP-Synthese?
8
A
1.4.1 Ein Protonenfluss als Energiequelle der ATP-Synthase
1 Der Energiestoffwechsel im Überblick
1.4.1 Ein Protonenfluss als Energiequelle der ATP-Synthase Durch den F0-Teil der ATP-Synthase strömen Protonen in die mitochondriale Matrix (Abb. A 1.8). Die Energie, die letztlich im ATP gespeichert wird, stammt aus diesem Protonenfluss. Die Energie, mit der die Protonen den Rotor der ATP-Synthase in Bewegung setzen, stammt aus zwei Quellen: 1. Die Protonen folgen beim Einstrom in die mitochondriale Matrix einem Konzentrationsgefälle. 2. Die Matrix ist relativ zum Intermembranraum (dem Raum jenseits der Innenmembran) elektrisch negativ geladen, sodass die positiv geladenen Protonen von ihr angezogen werden.
1.4.2 Die Atmungskette als Protonenpumpe
1.4.2 Die Atmungskette als Protonenpumpe Der Protonengradient wird von den Mitochondrien aktiv aufgebaut: Eine Gruppe von Proteinkomplexen in der Innenmembran, die Atmungskette, pumpt Protonen gegen den Protonengradienten aus der Matrix in den Intermembranraum. Woher stammt die Energie für den Pumpvorgang? Sie wird dem Fluss von Elektronen durch die Komponenten der Atmungskette entnommen: Der größte Teil der Elektronen wird von NADH (Nicotinamidadenindinukleotid) an den ersten Proteinkomplex der Atmungskette abgegeben und fließt in festgelegter Reihenfolge durch die anderen Komponenten. Einige Elektronen werden von reduziertem Flavinadenindinukleotid, FADH2, auf den zweiten Proteinkomplex der Atmungskette übertragen. Sie sind gleichsam Quereinsteiger in die Atmungskette. Vom letzten Komplex der Atmungskette werden die Elektronen auf molekularen Sauerstoff (O2) übertragen (Abb. A 1.8). Bei der Aufnahme von Elektronen zerfällt das in Wasser gelöste O2-Molekül sehr schnell, wobei es aus dem Wasser der Umgebung sofort mehrere Protonen aufnimmt, sodass sich aus dem einen O2-Molekül zwei H2O-Moleküle bilden. Auf diese Weise entstehen in den Mitochondrien des Menschen täglich mehrere 100 ml Wasser. Die Elektronen folgen auf ihrem Weg durch die Atmungskette einer elektrischen Spannungsdifferenz ΔE zwischen dem NADH und dem Sauerstoff. Auch zwischen FADH2 und Sauerstoff besteht eine Spannungsdifferenz, sie ist aber geringer, da der Weg der Elektronen von Komplex II der Atmungskette zum Sauerstoff kürzer ist. Die Spannungsdifferenz ergibt sich daraus, dass NADH (bzw. FADH2) ein Stoff ist, der sehr leicht Elektronen abgibt (NADH bzw. FADH2 ist ein gutes Reduktionsmittel), während Sauerstoff sehr leicht Elektronen aufnimmt (Sauerstoff ist ein gutes Oxidationsmittel). Die Spannungsdifferenz zwischen NADH und Sauerstoff beträgt unter physiologischen Bedingungen ca. 1,1 V. Die Atmungskette wird folglich mit elektrischer Energie betrieben.
▶ Merke.
▶ Merke.
Die Atmungskette ist eine elektrisch betriebene Protonenpumpe.
Die Protonen, die die Atmungskette aus der Matrix in den Intermembranraum pumpt, fließen anschließend durch den F0-Teil der ATP-Synthase in die Matrix zurück (Abb. A 1.8).
A-1.8
A-1.8
Die Atmungskette als Protonenpumpe
I
III
c
H+
Die Atmungskette pumpt Protonen aus der mitochondrialen Matrix heraus und hält so den mitochondrialen Protonengradienten aufrecht. Der Fluss der Protonen zurück in die Matrix treibt die ATP-Synthase an.
IV
Q
H+ e–
H+
H+
H2O O2
NADH ADP + Pi Atmungskette
ATP
ATP-Synthase
9
A 1.4 Woher stammt die Energie für die ATP-Synthese?
1.4.3 Die Herkunft der Elektronen der Atmungskette
1.4.3 Die Herkunft der Elektronen der Atmungskette
Es bleibt nur noch zu klären, woher die Mitochondrien den Sauerstoff und die Elektronen beziehen.
Herkunft des Sauerstoffs
Herkunft des Sauerstoffs
Der Sauerstoff, der von der Atmungskette verbraucht wird, ist der Sauerstoff, der mit der Atemluft aufgenommen wird. Das erklärt, wie die Atmungskette zu ihrem Namen gekommen ist, und warum Menschen überhaupt atmen müssen. Zwar gibt es im Organismus noch weitere Funktionen, für die molekularer Sauerstoff benötigt wird, diese können aber im Hinblick auf die hierfür benötigte Sauerstoffmenge vernachlässigt werden. Der Mensch muss also Sauerstoff einatmen, damit dieser die Elektronen der Atmungskette aufnehmen kann. Nur solange in den Mitochondrien genügend Sauerstoff vorhanden ist, können Elektronen durch die Atmungskette fließen und dabei die Energie bereitstellen, die zum Aufbau des Protonengradienten und zum Antrieb der ATP-Synthese benötigt wird. Letztlich steht die Atmung ganz im Dienst der ATP-Synthese.
▶ Merke.
Der eingeatmete Sauerstoff wird nicht zur Bildung des ausgeatmeten CO2, sondern in den Mitochondrien zur Bildung von Wasser verwendet.
Herkunft der Elektronen
▶ Merke.
Herkunft der Elektronen
Die Elektronen zum Betrieb der Atmungskette und damit zur Synthese von ATP stammen aus der Nahrung. Aus der Perspektive des Energiestoffwechsels stellen die Elektronen den einzigen relevanten Bestandteil der Nahrung dar. Andere Nahrungsbestandteile sind für ihn zwar ebenfalls von Bedeutung, insbesondere die Vitamine als Cofaktoren des Energiestoffwechsels (S. 273), kommen aber nicht als Quelle von Elektronen infrage. Welche Nahrungsstoffe die Elektronen liefern (z. B. eine Bratwurst oder ein Müsli mit Honig), ist letztlich vollkommen unerheblich, weil nur Elektronen zur mitochondrialen Atmungskette gelangen. Gleichwohl bleibt zu untersuchen, wie die Elektronen im Organismus jeweils aus den verschiedenen Nahrungsmitteln herausgelöst und der Atmungskette zugeführt werden. Dies ist das Thema der Kapitel A-7 bis A-9 (S. 97 – 136). Als Quelle der Elektronen dienen im Wesentlichen drei Gruppen von Nahrungsstoffen, nämlich Kohlenhydrate, Fette und Proteine (Eiweiße). Sie werden im Energiestoffwechsel durch den Entzug von Elektronen zu wertlosen Reststoffen abgebaut und dabei letztlich nahezu vollständig zu CO2 oxidiert (Abb. A 1.9). Dieses ist dann auch das CO2, das über die Lunge beim Ausatmen abgegeben wird. Um von den Zufällen der Nahrungsaufnahme unabhängig zu sein, legt der Organismus Energiespeicher an. Als kurzfristig verfügbarer Energiespeicher dient primär das Kohlenhydrat Glykogen, das in der Leber und in der Muskulatur ausgehend von Glucose synthetisiert wird. Als Energiespeicher für längere Hunger- oder Fastenzeiten dienen die Fette (Triacylglycerine), die in den Fettgeweben deponiert werden. In geringerem Umfang dienen auch Proteine als Energiespeicher. A-1.9
Oxidation im Stoffwechsel
Fettsäuren (im Fett) Oxidation
β-Oxidation
A-1.9
Kohlenhydrate Oxidation
Glykolyse
Aminosäuren (Proteine) Abbau
Pyruvat Oxidation
PDH
Acetyl-CoA Citratzyklus
Oxidation CO2
Die Bestandteile der Nahrung werden im Stoffwechsel zum großen Teil oxidiert. Die dabei anfallenden Elektronen werden überwiegend dem Energiestoffwechsel zur Verfügung gestellt.
10
A
1 Der Energiestoffwechsel im Überblick
Im Prinzip entsprechen die nun folgenden Kapitel A-2 – A-16 lediglich einer ausführlicheren Erläuterung der bereits in dieser Einleitung beschriebenen physiologischen Zusammenhänge: Die Kapitel A-2 – A-5 bieten zunächst einen Überblick über die molekularen Strukturen der Nahrungsstoffe und Energiespeicher, und sie dienen einer Einführung in die Begriffe, die ein tieferes Verständnis der Energetik biochemischer Prozesse ermöglichen. Die Kapitel A-6 – A-9 haben die Entleerung der Energiespeicher zum Gegenstand. Sie führen zum zentralen Kapitel A-10, dessen Thema die mitochondriale ATP-Synthese ist. Die Auffüllung der Energiespeicher wird in den folgenden Kapiteln A-11 – A-14 beschrieben. Im Rückblick auf diese Prozesse werden in den abschließenden Kapiteln A-15 – A-16 nochmals die regulatorischen Mechanismen sowie die Funktionen einer Reihe essenzieller Cofaktoren zur Sprache kommen.
A
2.1 Aminosäuren, Peptide und Proteine
Biochemisch relevante Stoffklassen – eine erste Einführung
2
2.1 2.2 2.3 2.4
Aminosäuren, Peptide und Proteine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kohlenhydrate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lipide und Fettsäuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere Stoffklassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.1
11 12 13 15
Aminosäuren, Peptide und Proteine
A © MEV
2.1
Aminosäuren, Peptide und Proteine
Weltweit haben derzeit die weitaus meisten biochemischen Forschungsprojekte Proteine zum Gegenstand. Ein Verständnis der Proteinchemie (S. 62) ist für die gesamte Biochemie von grundlegender Bedeutung.
Die Proteinchemie ist für das Verständnis der gesamten Biochemie von fundamentaler Bedeutung.
2.1.1 Struktur
2.1.1 Struktur
Proteine (veraltete Bezeichnung: Eiweiße) sind lange unverzweigte Ketten aus Aminosäuren. Alle Proteine werden in den Zellen ausgehend von nur 21 verschiedenen Aminosäuren synthetisiert. Diese Aminosäuren werden als proteinogen bezeichnet. Alle diese Aminosäuren bestehen aus einem zentralen α-C-Atom, das von vier chemischen Gruppen umgeben ist, von denen drei in jeder Aminosäure zu finden sind. In der vierten Position trägt jede Aminosäure eine für sie charakteristische chemische Gruppe, die als Seitenkette der Aminosäure, oder auch als Aminosäurerest bezeichnet wird (Abb. A 2.1). Das α-C-Atom ist also verbunden mit 1. einem Wasserstoffatom, 2. einer Aminogruppe (-NH2), 3. einer Carboxylgruppe (-COOH) 4. und dem jeweiligen Aminosäurerest (-R). Die verschiedenen Aminosäurereste sind im Kapitel A-4.3 näher erläutert. Sie bedingen die besonderen Eigenschaften, die jeweils für eine bestimmte Aminosäure charakteristisch sind. Die spezifischen Eigenschaften der verschiedenen Proteine ergeben sich entsprechend aus der jeweiligen Aminosäuresequenz, also aus der jeweiligen Zusammenstellung der Aminosäuren, aus denen sie aufgebaut sind. Peptide sind kurze Ketten aus Aminosäuren. Die Grenze zwischen Peptid und Protein liegt unscharf zwischen 30 und 50 Aminosäuren. Aminosäureketten, die in ihrer Länge nicht näher definiert sind, werden auch als Polypeptidketten bezeichnet.
Proteine sind lange unverzweigte Ketten aus Aminosäuren. Diese bestehen aus einem zentralen α-C-Atom und seinen Bindungspartnern, von denen drei stets identisch sind (Abb. A 2.1): ein Wasserstoffatom, eine Aminogruppe und eine Carboxylgruppe. Der 4. Partner bestimmt die chemischen Eigenschaften der Aminosäure.
A-2.1
Grundstruktur der Aminosäuren COO–
COOH H2N a
Cα H R
H3N b
Cα H R
Peptide sind kurze Aminosäureketten.
A-2.1
a Nicht ionisierte Form. b Ionisierte Form (Zwitterion), in der Aminosäuren bei physiologischen pH-Werten vorliegen.
2.1.2 Funktion
2.1.2 Funktion
Viele Proteine sind in erster Linie Baustoffe und haben damit primär die Aufgabe, definierte Strukturen zu bilden. Proteine sind wesentlich an der Bildung zellulärer und extrazellulärer Strukturen beteiligt. Beispiele hierfür sind die Komponenten des Zytoskeletts, die das Zytosol jeder Zelle durchziehen (Aktin, Mikrotubuli und intermediäre Filamente), die Kernlamina, die die Membranen der Zellkerne an deren Innenseite stabilisiert,
Viele Proteine sind in erster Linie Baustoffe. Proteine sind wesentlich an der Bildung zellulärer und extrazellulärer Strukturen beteiligt.
12
A
Viele Proteine wirken zusätzlich oder ausschließlich als Katalysatoren bestimmter biochemischer Reaktionen. Sie werden als Enzyme bezeichnet. Die Funktionen der meisten Proteine sind noch unbekannt. Ihre Aufklärung ist gegenwärtig das wichtigste Ziel der biochemischen Forschung.
Es zeichnet sich ein kompliziertes Netzwerk von Protein-Protein-Kooperationen ab.
2.2
Kohlenhydrate
2.2.1 Struktur
▶ Definition.
A-2.2
2 Biochemisch relevante Stoffklassen – eine erste Einführung
die Keratine, die wesentlicher Bestandteil der Haare und der Keratinozyten der äußeren Hautschicht sind. Durch ihre außerordentliche Resistenz erschweren sie u. a. das Eindringen von Mikroorganismen. das extrazelluläre Protein Kollagen, ein wichtiger Strukturgeber des Binde- und Stützgewebes. Ein großer Teil der Proteine hat aber zusätzlich oder sogar ausschließlich katalytische Funktion. Proteine mit katalytischen Funktionen werden als Enzyme bezeichnet. Als biologische Katalysatoren beschleunigen sie spezifisch bestimmte biochemische Reaktionen (S. 21). Da die Zusammenstellung der Aminosäuren eines Proteins durch die zugehörigen Gene vorgegeben ist und sämtliche Gene des Menschen bereits sequenziert wurden, sind prinzipiell auch sämtliche Proteine bekannt, die in den Zellen des Menschen synthetisiert werden. Jedoch ist die Funktion der meisten Proteine noch unbekannt. Die Aufklärung der Funktionen der verschiedenen Proteine ist gegenwärtig eines der wichtigsten Ziele der biochemischen Forschung. In der Regel üben Proteine ihre Funktion im Wesentlichen durch vielfältige Wechselwirkungen mit benachbarten anderen Proteinen aus. Es zeichnet sich ein immer dichter und komplizierter werdendes Netzwerk von Protein-Protein-Kooperationen ab. Oft bilden kooperierende Proteine gemeinsam einen Proteinkomplex. So bestehen z. B. die Atmungskettenkomplexe in den Mitochondrien jeweils aus mehreren Polypeptidketten (Untereinheiten). Mehrere Atmungskettenkomplexe lagern sich zudem zu größeren Super-Komplexen zusammen.
Kohlenhydrate
2.2
2.2.1 Struktur ▶ Definition.
Kohlenhydrate (Saccharide) sind definiert als organische Verbindungen, die folgende Bedingungen erfüllen (Abb. A 2.2): 1. Sie bestehen aus einer Kette von mindestens drei Kohlenstoffatomen. 2. Das Molekül enthält eine Carbonylgruppe (C = O), sodass sich eine Aldehyd- oder eine Ketogruppe ergibt. 3. Alle übrigen Kohlenstoffatome sind mit einer OH-Gruppe sowie mit einem Wasserstoffatom verbunden, sodass sich eine H-C-OH-Gruppe ergibt. Zufällig entsprechen dabei die beiden mit dem C-Atom verbundenen H-Atome zusammen mit dem OAtom einem Wassermolekül, H2O, woraus sich der Name „Kohlenhydrate“ erklärt. Kohlenhydrate, die durch Hydrolyse in Gegenwart von Säuren nicht in kleinere Moleküle gespalten werden können, werden als Monosaccharide bezeichnet. Mehrere Monosaccharide können durch Bildung kovalenter Bindungen zu Oligosacchariden verknüpft werden. Kohlenhydrate, die aus sehr vielen Monosaccharideinheiten aufgebaut sind, werden als Polysaccharide bezeichnet. Die Abgrenzung zwischen Oligo- und Polysacchariden ist nicht genau definiert.
A-2.2
Grundstruktur der Kohlenhydrate am Beispiel von D-Glycerinaldehyd und Dihydroxyaceton H
O C
H C OH CH2OH D-Glycerinaldehyd
CH2OH C O CH2OH Dihydroxyaceton
Glycerinaldehyd (auch als Glyceral bezeichnet; die Aldehydgruppe ist farbig hervorgehoben) und Dihydroxyaceton (auch als Glyceron bezeichnet; die Ketogruppe ist farbig hervorgehoben) sind die einfachsten Kohlenhydrate.
2.2.2 Funktion
2.2.2 Funktion
Das berühmteste Kohlenhydrat ist die Glucose (Traubenzucker, Abb. A 1.2). Polymere Formen der Glucose sind z. B. Stärke (in pflanzlichen Zellen), Glykogen (in tierischen
Das berühmteste Kohlenhydrat ist die Glucose (Traubenzucker; Abb. A 1.2). Glucose enthält sechs Kohlenstoffatome und zählt damit zu den Hexosen. Polymere Formen (poly = griech. viel, meros = griech. Teil) der Glucose sind z. B. Stärke (Speicherform der Glucose in pflanzlichen Zellen, enthalten u. a. in Getreidekörnern und in Kar-
A
toffeln), Glykogen (Speicherform der Glucose in tierischen Zellen) und Cellulose (der wichtigste Bestandteil des Holzes). Im Verdauungstrakt werden viele verschiedene Kohlenhydrate der Nahrung, z. B. Stärke und Glykogen, zu Glucose abgebaut oder in Glucose umgewandelt. Die Glucose wird an das Blut abgegeben und dient als einer der wichtigsten Energieträger des gesamten Stoffwechsels. Oligo- und Polysaccharide werden im Stoffwechsel des Menschen in zwei unterschiedlichen Zusammenhängen synthetisiert: 1. In der Leber und in der Muskulatur wird Glucose im Rahmen des Energiestoffwechsels in großem Umfang in Form von Glykogen gespeichert (S. 205). 2. Gänzlich unabhängig vom Energiestoffwechsel werden von allen Zellen Oligosaccharide synthetisiert, die kovalent mit verschiedenen Proteinen bzw. Membranlipiden (s. u.) verbunden werden (S. 34). Diese werden dadurch glykosyliert.
2.3
13
2.3 Lipide und Fettsäuren
Lipide und Fettsäuren
2.3.1 Struktur
Zellen) und Cellulose (der wichtigste Bestandteil des Holzes). Stärke, Glykogen und viele andere Kohlenhydrate der Nahrung werden zu Glucose abgebaut, die somit einer der wichtigsten Energieträger des Körpers ist. Oligo- und Polysaccharide dienen als Energiespeicher (Glykogen) in Leber und Muskulatur (S. 205), sind mitunter kovalent mit Proteinen bzw. Membranlipiden verbunden (Glykosylierung, S. 34).
2.3
Lipide und Fettsäuren
2.3.1 Struktur
▶ Definition.
▶ Definition.
Als Lipide werden alle Inhaltsstoffe von Organismen bezeichnet, die in Wasser nur schlecht oder gar nicht löslich sind, die sich aber leicht in organischen Lösungsmitteln wie Chloroform oder Methanol lösen lassen. Die Stoffe, die unter diese Definition fallen, sind sehr heterogen. Umso überraschender ist die Beobachtung, dass die verschiedensten Lipide von allen Organismen stets ausgehend von AcetylCoA synthetisiert werden. Fettsäuren sind unterschiedlich lange Kohlenwasserstoffketten, an deren Ende sich eine Carboxylgruppe (-COOH) befindet (Abb. A 2.3). Die Kohlenwasserstoffkette ist im typischen Fall linear und besteht aus 14 – 20 CH2-Gruppen. Bei kurzer Kohlenwasserstoffkette ist die Fettsäure hydrophil, d. h. gut wasserlöslich (z. B. Buttersäure, Abb. A 2.3), bei langer Kette schlecht wasserlöslich. Wie die Lipide werden Fettsäuren ausgehend von Acetyl-CoA synthetisiert.
A-2.3
Grundstruktur der Fettsäuren am Beispiel der Buttersäure
H3C
CH2
CH2
COOH COOH
A-2.3
Oben: ausführliche Schreibweise, unten: die häufig verwendete Kurzschreibweise.
In der Biochemie ist „CoA“ die Abkürzung für „Coenzym A“ (Abb. A 16.23 auf S. 291). Coenzym A hat im Stoffwechsel u. a. die Funktion, Acetyl-Gruppen zu übertragen. Alle Lipide und Fettsäuren entstehen, indem mehrere Acetyl-CoA-Moleküle ihre Acetylgruppen abgeben und diese durch kovalente Bindungen miteinander verknüpft werden.
Lipide und Fettsäuren entstehen, indem mehrere Acetyl-CoA-Moleküle ihre Acetylgruppen abgeben und diese kovalent verknüpft werden.
2.3.2 Funktion
2.3.2 Funktion
Die wichtigsten Lipide lassen sich einem der folgenden Funktionskreise zuordnen: 1. Energiespeicher 2. Membranbestandteil 3. Hormon oder Signalstoff
Energiespeicher
Energiespeicher
Triacylglycerine (Triacylglycerole, Triglyceride, Fette) sind Lipide, die intrazellulär in kleinen Bläschen deponiert werden und wie Glykogen einen wichtigen Energiespeicher darstellen. Triglyceride entstehen, indem ein Molekül Glycerin mit drei Fettsäuren Esterbindungen eingeht (Abb. A 2.4). Glycerin ist eine hydrophile Verbindung, die drei Kohlenstoffatome enthält, von denen jedes eine OH-Gruppe trägt. Es ist dem Glycerinmolekül aufgrund seiner H-C-OH-Gruppen anzusehen, dass es im Kohlenhydratstoffwechsel gebildet wird. Die Esterbindungen entstehen durch Reaktion der OH-Gruppen des Glycerins mit den Carboxylgruppen der Fettsäuren.
In Triacylglycerinen (Triacylglycerolen, Triglyceriden, Fetten), einem wichtigen Energiespeicher, ist Glycerin mit drei Fettsäuren verestert (Abb. A 2.4). Das hydrophile Glycerin entstammt dem Kohlenhydratstoffwechsel.
14
2 Biochemisch relevante Stoffklassen – eine erste Einführung
A
A-2.4
Bildung eines Triacylglycerins
A-2.4
O
O H 2C
OH
HO
C
H2C
R1
C
O
+
HC
OH
H 2C
OH
HO
C
R2
HC
O
R3
H2C
O
C
Glycerin
C
R2
O
O HO
R1
O
O
3 Fettsäuren
C
R3
Triacylglycerin
Membranbestandteile
Membranbestandteile
Die meisten Membranlipide enthalten zwar ebenfalls Fettsäuren, dienen aber normalerweise nicht als Energiespeicher. Vielmehr bilden sie die Grundsubstanz aller biologischen Membranen. Sie zeigen unterschiedliche Strukturen:
Die meisten Membranlipide enthalten zwar ebenfalls Fettsäuren, sie dienen aber normalerweise nicht als Energiespeicher. Vielmehr bilden sie die Grundsubstanz aller biologischen Membranen. Alle biologischen Membranen bestehen aus zwei aufeinander liegenden Schichten von Membranlipiden (Bilayer). Dabei liegt die hydrophobe CH2-Kette (Acylgruppe) der Fettsäuren stets innen. Die übrigen Teile der Membranlipide exponieren hydrophile Gruppen, die mit den umgebenden Wassermolekülen in Wechselwirkung treten. Die Lipide der Membranen zeigen unterschiedliche Strukturen: Die meisten Membranlipide sind Phospholipide. Diese bestehen aus einem Glycerinmolekül, das über zwei seiner drei OH-Gruppen mit Fettsäuren verestert ist. Diese Fettsäuren sind wesentlich am Aufbau der biologischen Membranen beteiligt. Die dritte OH-Gruppe des Glycerins in Phospholipiden bildet eine Esterbindung mit Phosphat. Die Phosphatgruppe ist zudem mit der OH-Gruppe eines kleinen organischen Moleküls verestert. In den meisten Fällen handelt es sich dabei um Cholin (eine stickstoffhaltige Verbindung, die auch in dem bekannten Neurotransmitter Acetylcholin enthalten ist). Das entsprechende Phospholipid (Abb. A 2.5 a) wird als Phosphatidylcholin oder Lecithin bezeichnet. Anstelle von Cholin enthalten andere Phospholipide Ethanolamin, Inosit oder die Aminosäure Serin. Bei vielen Membranlipiden handelt es sich um Sphingolipide. Diese stellen insbesondere in den Myelinscheiden der Nerven einen beträchtlichen Teil der Lipide. Sphingolipide enthalten kein Glycerin, sondern Sphingosin. Dies ist eine Verbindung, die bereits eine lange CH2-Kette enthält (Abb. A 2.5 b). Sie braucht also nur mit einer Fettsäure verbunden zu werden, um ein Membranlipid mit zwei CH2Ketten zu bilden. Auch Sphingolipide können eine Phosphatgruppe enthalten, sie
Die meisten Membranlipide sind Phospholipide. In diesen ist ein Glycerinmolekül mit zwei Fettsäuren und einem Phosphat verestert. Das Phosphat ist zudem mit einem kleinen organischen Molekül, meist Cholin, verestert (= Phosphatidylcholin = Lecithin, Abb. A 2.5 a).
Viele Membranlipide, insbesondere in den Myelinscheiden der Nerven, sind Sphingolipide. In ihnen nimmt Sphingosin die Stelle von Glycerin ein. Es ist mit einer Fettsäure und evtl. mit einem Phosphat verbunden. Das wichtigste Sphingolipid ist das Sphingomyelin (Abb. A 2.5 b). A-2.5
Grundstruktur wichtiger Membranlipide
A-2.5
O H2C O
C
FS
R1
O HC O
C
R2
Cholin
O H2C O
P O
a
CH3 O
CH2
CH2
–
N+ CH3 CH3
Sphingosin
Lecithin = Phosphatidylcholin Cholin CH3 H3C N+ CH2
HO c
CH3 Cholesterin
b
O CH2 O P
HO O CH2
O– Sphingomyelin
a Struktur der Phospholipide am Beispiel von Phosphatidylcholin (Lecithin). b Das wichtigste Sphingolipid: Sphingomyelin, die Fettsäure (FS) ist farbig hervorgehoben. c Cholesterin.
NH
O
A
15
2.4 Weitere Stoffklassen
zählen dann zu den Phospholipiden. Das wichtigste Sphingolipid ist das Sphingomyelin. Es besteht aus einem Sphingosin, das über eine Säureamidbindung mit einer Fettsäure verbunden und zudem mit einer Phosphatgruppe verestert ist. Die Phosphatgruppe ist ihrerseits mit Cholin verestert (Abb. A 2.5 b). Glykolipide sind ebenfalls Bestandteile von Membranen. Sie wurden bereits im Zusammenhang mit den Kohlenhydraten erwähnt. Interessanterweise enthalten alle Glykolipide Sphingosin. Auch das Cholesterin (engl. Cholesterol) (Abb. A 2.5 c) ist ein wichtiges Membranlipid. Es ist in den Membranen zwischen den langen CH2-Ketten eingelagert und exponiert an der Außenseite seine hydrophile OH-Gruppe. Cholesterin ist im Stoffwechsel die Muttersubstanz einer Vielzahl wichtiger Steroide.
Auch Glykolipide enthalten Sphingosin.
Cholesterin (Abb. A 2.5 c) liegt in Membranen zwischen den langen CH2-Ketten anderer Lipide. Im Stoffwechsel ist es Muttersubstanz der Steroide.
Hormon oder Signalstoff
Hormon oder Signalstoff
Einige der wichtigsten Hormone und Signalstoffe sind ebenfalls Lipide. Am bekanntesten sind die Steroidhormone (S. 588), die ausgehend von Cholesterin synthetisiert werden. Hierzu zählen Progesteron, Östrogene (engl. Estrogens), Testosteron sowie die Nebennierenhormone Aldosteron und Cortison. Eine andere Gruppe von Wirkstoffen, Eikosanoide genannt, leitet sich von der Fettsäure Arachidonsäure ab. Diese ist Bestandteil verschiedener Membranlipide. Je nach Bedarf wird sie in kleinen Mengen aus Membranen herausgelöst und zu bestimmten Mediatoren umgebaut (S. 627). Einer dieser Mediatoren ist das Prostaglandin PGE2, das im Hypothalamus Fieber auslöst.
Einige der wichtigsten Hormone und Signalstoffe sind ebenfalls Lipide. Am bekanntesten sind die Steroidhormone. Eikosanoide (z. B. Prostaglandine) leiten sich von der Fettsäure Arachidonsäure ab.
▶
Klinik. Das Medikament Acetylsalicylsäure (z. B. Aspirin) wirkt u. a. fiebersen-
▶
Klinik.
kend, indem es in den Stoffwechsel der Arachidonsäure eingreift. Die Stäbchen und Zapfen der Retina enthalten Proteine, die kovalent mit dem Lipid 11-cis-Retinal verbunden sind. Das Protein Opsin und 11-cis-Retinal bilden zusammen das Rhodopsin, das die Signalübermittlung beim Sehvorgang in Gang setzt. Die primäre Lichtreaktion besteht in einer Licht-induzierten Konformationsänderung von 11-cis-Retinal zu all-trans-Retinal. Dieses Beispiel weist darauf hin, dass Lipide auch an sehr speziellen Prozessen beteiligt sein können. Wie einige andere Lipide kann 11-cis-Retinal vom Körper nicht synthetisiert werden, sondern muss in Form seiner Vorstufe (Vitamin A) mit der Nahrung zugeführt werden (S. 275).
2.4
Weitere Stoffklassen
Aminosäuren, Proteine, Kohlenhydrate und Lipide stellen sicherlich den größten Teil der organischen Verbindungen, aus denen die Zellen und Gewebe des Körpers bestehen. Weitere wichtige Stoffklassen sind die Nukleotide (S. 401): Sie dienen als Energielieferanten (ATP), Signalstoffe (ATP, cAMP, GTP) und Bausteine der Nukleinsäuren (s. u.). Nukleinsäuren (S. 417) sind als Träger der Erbinformation von fundamentaler Bedeutung. Coenzyme: Sie sind essenzielle Cofaktoren des Energiestoffwechsels (z. B. Coenzym A bei der Lipid- und Fettsäuresynthese).
11-cis-Retinal ist als Lipidbestandteil des Rhodopsins der Fotorezeptoren der Retina für die primäre Lichtreaktion verantwortlich. Wie einige andere Lipide muss es in Form seiner Vorstufe (Vitamin A) mit der Nahrung zugeführt werden.
2.4
Weitere Stoffklassen
Weitere wichtige Stoffklassen: Nukleotide als Energielieferanten, Signalstoffe und Nukleinsäurebausteine. Nukleinsäuren als Träger der Erbinformation. Coenzyme als Cofaktoren des Energiestoffwechsels.
A
A
3 Triebkraft und Geschwindigkeit biochemischer Reaktionen
Triebkraft und Geschwindigkeit biochemischer Reaktionen
3 3.1 3.2
Die Triebkraft biochemischer Reaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Die Geschwindigkeit biochemischer Reaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
© creativ collection
3.1
Die Triebkraft biochemischer Reaktionen
Beispiel: Phosphorylierung von Glucose zu Glucose-6-phosphat (Abb. A 1.2 auf S. 4).
Glucose und Phosphat-Ionen reagieren nicht spontan miteinander, weil der Energiegehalt von Glucose-6-phosphat höher ist als der der Ausgangssubstanzen (Abb. A 3.1).
3.1
Die Triebkraft biochemischer Reaktionen
Was veranlasst zwei Substanzen, miteinander zu reagieren, und wie läuft diese Reaktion ab? Befassen wir uns zunächst mit dem ersten Teil der Frage. Betrachten wir als Beispiel die Reaktion von Glucose mit Phosphat zu Glucose-6phosphat. Die Glucose (= Traubenzucker) gehört zu den wichtigsten Energielieferanten des Stoffwechsels. Um im Energiestoffwechsel Verwendung finden zu können, muss sie in den Zellen phosphoryliert werden. Dabei entsteht Glucose-6-phosphat (Abb. A 1.2 auf S. 4). Da Phosphat-Ionen in jeder Zelle vorhanden sind, könnte man erwarten, dass Glucose und Phosphat-Ionen spontan eine Verbindung eingehen. Eine derartige Reaktion wird aber weder in lebenden Zellen noch bei Mischung der Reaktionspartner in einem Reagenzglas beobachtet. Die Reaktion ist unmöglich, weil der Energiegehalt von Glucose-6-phosphat höher ist als der der Ausgangssubstanzen Glucose und Phosphat (Abb. A 3.1).
A-3.1
A-3.1
Energiediagramm der Substanzen Glucose, Phosphat und Glucose-6-phosphat
Freie Energie
Glucose-6-phosphat
∆G = 13,8 kJ/Mol
Die Energie der Substanzen kann an der y-Achse abgelesen werden. Die Energiedifferenz zwischen den Ausgangssubstanzen und dem Produkt der Reaktion wird mit ΔG bezeichnet.
Glucose + Phosphat
Reaktionskoordinate (= Richtung der betrachteten Reaktion)
▶ Definition.
Ist die Freie Energie der Reaktionsprodukte größer als die der Edukte, ist das Vorzeichen des ΔG positiv, im umgekehrten Fall negativ.
▶ Definition. Die Differenz zwischen dem Energieinhalt der Ausgangssubstanzen (Edukte) und dem Energieinhalt des Reaktionsprodukts ist im Rahmen der Physikalischen Chemie als Freie Enthalpie ΔG definiert worden. In der Biochemie wird stattdessen meist der Ausdruck „Freie Energie“ verwendet, womit aber das gleiche ΔG gemeint ist. Die Freie Energie wird international mit dem Symbol G bezeichnet, weil sie im 19. Jahrhundert von dem Amerikaner Edward Gibbs eingeführt wurde. Der griechische Buchstabe Δ weist darauf hin, dass es sich sich um eine Differenz, in diesem Fall zwischen zwei Energieniveaus, handelt. Ist die Freie Energie der Reaktionsprodukte größer als die der Edukte, wie bei der Phosphorylierung der Glucose, so bekommt ΔG ein positives Vorzeichen. Bei der umgekehrten Reaktion, der Abspaltung des Phosphatrests von Glucose-6-phosphat, ist die Freie Energie des Edukts Glucose-6-phosphat größer als die der Reaktionsprodukte (Abb. A 3.1). Hier bekommt ΔG ein negatives Vorzeichen.
A
17
3.1 Die Triebkraft biochemischer Reaktionen
3.1.1 Die Bedeutung der Freien Energie
3.1.1 Die Bedeutung der Freien Energie
▶ Merke.
▶ Merke.
▶ Definition. Reaktionen mit einem negativen ΔG können von alleine (spontan) ablaufen und werden als exergon bezeichnet. Reaktionen mit einem positiven ΔG können nur ablaufen, wenn sie mit einer Aufnahme von Energie verbunden sind (durch energetische Kopplung). Sie werden als endergon bezeichnet.
▶ Definition.
Eine Reaktion kann nur ablaufen, wenn die Freie Energie der Reaktionsprodukte niedriger ist als die der Edukte, wenn also ΔG negativ ist.
Die Phosphorylierung von Glucose, der erste Schritt der Glykolyse (S. 70), ist unter Standardbedingungen (s. Exkurs) endergon: Ihr ΔG beträgt 13,8 kJ/Mol (s. auch Abb. A 1.2 und Abb. A 3.1).
▶ Exkurs. Biochemische Standardbedingungen und physiologische Bedingungen Die biochemischen Standardbedingungen wurden definiert, um die Versuchsergebnisse verschiedener biochemischer Labors miteinander vergleichen zu können: 1. Alle Reaktionspartner, sowohl die Edukte als auch die Produkte, sind in Wasser gelöst, und jeder Reaktionspartner hat eine Konzentration von 1 Mol/Liter. 2. Die Lösung hat einen pH-Wert von genau 7,0. 3. Die Reaktion findet bei 25 °C statt. Die physiologischen Bedingungen sind die Bedingungen, unter denen biochemische Reaktionen im Organismus ablaufen. Hier sind die Konzentrationen der Reaktionspartner weitaus geringer als 1 Mol/Liter und die Reaktionstemperatur liegt bei 37 °C. Unter Umständen weicht der pH der Lösung, in der die Reaktion stattfindet, deutlich von 7,0 ab. Die Phosphorylierung der Glucose ist in der Zelle nur durch energetische Kopplung mit der Hydrolyse von ATP möglich. Bei der Hydrolyse des ATP wird mehr Freie Energie freigesetzt als für die endergone Reaktion aufgewendet werden muss. Das ΔG der gekoppelten Reaktion ist negativ. Der anschließende Schritt der Glykolyse, die Umwandlung von Glucose-6-phosphat in Fructose-6-phosphat, ist unter Standardbedingungen ebenfalls endergon, sie läuft jedoch in der Zelle ohne energetische Kopplung ab. Wie ist dies möglich? Die Antwort gibt die Theorie des chemischen Gleichgewichts.
Bei der Umwandlung von Glucose-6-phosphat in Fructose-6-phosphat werden die Atome innerhalb des Moleküls Glucose-6-phosphat neu angeordnet (Isomerisierung). Das Produkt Fructose-6-phosphat kann auch wieder zu Glucose-6-phosphat umgesetzt werden, die Isomerisierung läuft also in beiden Richtungen ab (Abb. A 3.2). Lässt man die Reaktion im Reagenzglas ablaufen und variiert man die Ausgangssubstanz (Glucose-6-phosphat oder Fructose-6-phosphat) oder ihre Konzentration, stellt sich nach einer hinreichenden Reaktionszeit in jedem Fall ein Konzentrationsverhältnis von 67 % Glucose-6-phosphat zu 33 % Fructose-6-phosphat ein.
▶ Merke.
Alle chemischen und somit auch alle biochemischen Reaktionen sind Gleichgewichtsreaktionen, d. h. sie streben unter konstanten Reaktionsbedingungen einem definierten Konzentrationsverhältnis der Reaktionspartner entgegen, dem chemischen Gleichgewicht.
O –
O
P
Isomerisierung von Glucose-6-phosphat zu Fructose-6-phosphat
–
O H C HO
CH2
–
C H OH C
O
H
OH
OH
H
C
C
H
Die Reaktion ist reversibel.
O
P
O
CH2
O H
CH2OH
O HO
H Glucose-6phosphat
Fructose-6phosphat
HO
Andere unter Standardbedingungen endergone Reaktionen laufen in vivo ungekoppelt ab. Eine Erklärung bietet die Theorie des chemischen Gleichgewichts.
Die Isomerisierung von Glucose-6-phosphat zu Fructose-6-phosphat (Abb. A 3.2) führt zu einem Gleichgewicht, in dem die beiden Zucker in einem Konzentrationsverhältnis von 67 % Glucose-6-phosphat zu 33 % Fructose-6phosphat vorliegen.
▶ Merke.
A-3.2
O– O
▶ Exkurs.
3.1.2 Die Bedeutung des chemischen Gleichgewichts
3.1.2 Die Bedeutung des chemischen Gleichgewichts
A-3.2
Die Phosphorylierung der Glucose ist unter Standardbedingungen endergon. Sie wird durch energetische Kopplung mit der Hydrolyse von ATP ermöglicht.
OH H
18 Die Konzentrationsverhältnisse des chemischen Gleichgewichts beschreibt das Massenwirkungsgesetz:
▶ Definition.
A
3 Triebkraft und Geschwindigkeit biochemischer Reaktionen
Das für die jeweilige Reaktion charakteristische Konzentrationsverhältnis beschreibt das Massenwirkungsgesetz, das 1867 die norwegischen Chemiker Guldberg und Waage definierten. (Damals verwendete man anstelle des Begriffs „Konzentration“ den Ausdruck „wirksame Masse“.)
▶ Definition.
Nach dem Massenwirkungsgesetz streben alle chemischen Reaktionen der Art A + B ⇌ C + D dem Gleichgewicht K entgegen: K¼
½C ½D ½A ½B
Dabei steht das Ziel der betrachteten Reaktion konventionsgemäß im Zähler des Quotienten. Das chemische Gleichgewicht der Isomerisierungsreaktion:
Im Fall der Isomerisierung von Glucose-6-phosphat zu Fructose-6-phosphat lautet der Quotient: K¼
Im Organismus weichen die Konzentrationsverhältnisse von K ab.
▶ Merke.
Die hier als Triebkraft chemischer Reaktionen bezeichnete Größe ist die Freie Energie ΔG. Im ΔG kommt zum Ausdruck, wie weit die gegebenen Konzentrationsverhältnisse vom chemischen Gleichgewicht entfernt sind. Im chemischen Gleichgewicht ist Q = K und damit ΔG = 0.
Will man klären, warum die unter Standardbedingungen endergone Isomerisierungsreaktion abläuft, muss man ihr Q, K und ΔG betrachten.
½Fructose-6-phosphat 0,33 ¼ ≈ 0,5 ½Glucose-6-phosphat 0,67
Wenn die beiden Zucker in einer Lösung bereits in diesem Konzentrationsverhältnis K = 0,5 enthalten sind, wird sich das Konzentrationsverhältnis nicht mehr ändern. In den Zellen des Organismus liegen jedoch beide Zucker normalerweise in Konzentrationsverhältnissen vor, die von K abweichen. Diese jeweils aktuell gegebenen Konzentrationsverhältnisse kann man mit dem Symbol Q bezeichnen. Nun kann man sich vorstellen, dass dem Unterschied zwischen den Konzentrationsverhältnissen Q und K eine Triebkraft entspricht. Diese sorgt dafür, dass sich die Reaktionspartner so lange ineinander umwandeln, bis K erreicht ist.
▶ Merke. Die Triebkraft einer Reaktion ist umso größer, je weiter die gegebenen Edukt- und Produktkonzentrationen vom Konzentrationsverhältnis K des angestrebten chemischen Gleichgewichts entfernt sind. Die hier als Triebkraft chemischer Reaktionen bezeichnete Größe ist die Freie Energie ΔG. Das ΔG macht eine Aussage darüber, wie weit die gegebenen Konzentrationsverhältnisse vom chemischen Gleichgewicht entfernt sind: Ein großes ΔG zeigt an, dass die Konzentrationsverhältnisse vom chemischen Gleichgewicht weit entfernt sind, ein kleines ΔG weist darauf hin, dass sich die gegebenen Konzentrationsverhältnisse nur geringfügig vom chemischen Gleichgewicht unterscheiden. Das Vorzeichen des ΔG gibt Auskunft darüber, ob die Konzentration der Produkte bei Annäherung an das chemische Gleichgewicht zunehmen (negatives Vorzeichen) oder abnehmen (positives Vorzeichen) wird. Ist das chemische Gleichgewicht erreicht, ist Q = K und damit ist die Differenz ΔG = 0. Um zu klären, warum die Isomerisierung von Glucose-6-phosphat zu Fructose-6phosphat unter physiologischen Bedingungen stattfindet, obwohl diese Reaktion unter Standardbedingungen endergon ist, muss man die Konzentrationsverhältnisse Q und K und das Maß für ihren momentanen Abstand, ΔG, betrachten. Für sie gilt aufgrund allgemeiner Gesetzmäßigkeiten der Thermodynamik: ΔG = R × T × ln Q – R × T × ln K ΔG entspricht der Freien Energie, die freigesetzt wird bzw. aufgewendet werden muss, wenn die Isomerisierungsreaktion ausgehend von dem Konzentrationsverhältnis Q bis zur Einstellung des chemischen Gleichgewichts (K) reagiert. R ist die Gaskonstante, die den Wert 8,3145 J/K × Mol hat, T die absolute Temperatur, die in diesem Zusammenhang in Kelvin angegeben wird. Die Temperatur bei Standardbedingungen, 25 °C, entspricht 298,15 K. Also ist R × T = 298,15 K × 8,3145 J/K × Mol = 2479 J/Mol = ca. 2,5 kJ/Mol
A
19
3.1 Die Triebkraft biochemischer Reaktionen
Unter Standardbedingungen ist Q = 1 (alle Stoffe liegen in einer Konzentration von 1 Mol/Liter vor). Da ln 1 = 0 ist, ergibt sich für das ΔG unter Standardbedingungen (= ΔG°’): ΔG°’= R × T × 0 – R × T × ln K = –R × T × ln K = – 2,5 kJ/Mol × ln K Im chemischen Gleichgewicht liegen Glucose-6-phosphat und Fructose-6-phosphat im Konzentrationsverhältnis K = 0,5 vor. Für ΔG°’ ergibt sich daher ΔG°’= – 2,5 kJ/Mol × ln 0,5 = – 2,5 kJ/Mol × (– 0,69) = – (– 1,7 kJ/Mol) = +1,7 kJ/Mol Unter Standardbedingungen hat die Freie Energie dieser Isomerisierung demnach einen positiven Wert, d. h. die Reaktion kann nicht von alleine ablaufen. Es müsste von außen eine Energie von 1,7 kJ aufgewendet werden, um 1 Mol Glucose-6-phosphat (6 × 1023 Moleküle) zu Fructose-6-phosphat zu isomerisieren. Wie sieht die Situation unter physiologischen Bedingungen aus? Für Skelettmuskelzellen hat man die folgenden Konzentrationen der Reaktionspartner ermittelt: Glucose-6-phosphat 3,9 mM Fructose-6-phosphat 1,5 mM 1,5 ¼ 0,385. Ihr Konzentrationsverhältnis Q beträgt also Q ¼ 3,9
Unter Standardbedingungen ist ΔG positiv, d. h. die Isomerisierungsreaktion läuft nicht spontan ab.
(Da in diesem Beispiel Fructose-6-phosphat das Reaktionsprodukt ist, muss seine Konzentration im Zähler stehen.) Das ΔG für die Reaktion unter physiologischen Bedingungen lässt sich mithilfe der oben genannten Formeln errechnen: Aus ΔG = 2,5 kJ/Mol × ln Q – 2,5 kJ/Mol × ln K und ΔG°’ =– 2,5 kJ/Mol × ln K ergibt sich ΔG = 2,5 kJ/Mol × ln Q + ΔG°’ (oder ΔG = ΔG°’ + 2,5 kJ/Mol × ln Q). Da das ΔG°’ der Reaktion 1,7 kJ/Mol beträgt, ergibt sich: ΔG = 1,7 kJ/Mol + 2,5 kJ/Mol × ln 0,385 = 1,7 kJ/Mol + 2,5 kJ/Mol × (– 0,955) = 1,7 kJ/Mol + (– 2,4 kJ/Mol) = – 0,7 kJ/Mol Unter physiologischen Bedingungen ist ΔG der Isomerisierungsreaktion negativ, d. h. die Reaktion läuft von alleine ab. Dies ist nur deshalb möglich, weil das jeweils gebildete Fructose-6-phosphat in der Glykolyse recht schnell weiteren Reaktionsschritten zugeführt wird. Dadurch bleibt die Konzentration an Fructose-6-phosphat ständig niedriger, als dem chemischen Gleichgewicht entspricht, und die Isomerisierungen der beiden Zucker laufen bevorzugt in Richtung des Fructose-6-phosphats ab.
▶ Merke.
Bei vielen Stoffwechselwegen ist das ΔG unter Standardbedingungen zwar positiv, unter physiologischen Bedingungen kann die Reaktion aber dennoch ablaufen (ΔG negativ), weil das Produkt durch eine nachgeschaltete Reaktion schnell entfernt wird.
Die Zellen der Organismen sind insofern offene Systeme, als sie mit ihrer Umgebung sowohl Materie als auch Energie austauschen. Indem Zellen den Austausch streng kontrollieren, ist es ihnen gleichwohl möglich, die Konzentrationen ihrer Stoffwechselprodukte im Rahmen eines dynamischen Gleichgewichts konstant zu halten. Die Stoffwechselprodukte liegen dabei nicht in einem chemischen Gleichgewicht vor, sondern in einem Fließgleichgewicht (steady state). Alle, also auch in einem offenen System ablaufende biochemische Reaktionen, streben das chemische Gleichgewicht an. Diesem Streben entspricht die Triebkraft der Reaktion. Aufgrund des Zuflusses von Edukten und des Abflusses von Produkten ist sichergestellt, dass die biochemischen Reaktionen im Körper das chemische Gleichgewicht nie erreichen und der Antrieb für die Reaktion somit erhalten bleibt.
Unter physiologischen Bedingungen ist ΔG negativ, d. h. die Reaktion läuft spontan ab. Ermöglicht wird dies durch die schnelle Entfernung des Fructose-6-phosphats in einer nachgeschalteten Reaktion.
▶ Merke.
Zellen sind insofern offene Systeme, als sie mit ihrer Umgebung sowohl Materie als auch Energie austauschen. Da dies kontrolliert erfolgt, bleiben die Konzentrationen ihrer Metabolite konstant: Es besteht ein Fließgleichgewicht (steady state). Im Körper streben biochemische Reaktionen das chemische Gleichgewicht an, erreichen es aber nie. So bleibt ihre Triebkraft erhalten.
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A
3.1.3 Was geschieht bei Annäherung an das chemische Gleichgewicht mit der Freien Energie?
3.1.3 Was geschieht bei Annäherung an das chemische Gleichgewicht mit der Freien Energie?
Bei der Annäherung an das chemische Gleichgewicht wird die Energie ΔG in andere Energieformen umgewandelt.
Der Rest des ΔG wird in der Regel als Wärme freigesetzt.
▶ Definition. Bei manchen Reaktionen ist der Anteil von ΔH am ΔG nur gering. Die Differenz zwischen ΔH und ΔG äußert sich dann lediglich in einer Zunahme von Unordnung.
▶ Definition.
3 Triebkraft und Geschwindigkeit biochemischer Reaktionen
Bei Annäherung an das chemische Gleichgewicht nimmt die Freie Energie ΔG ab. Nach dem Energieerhaltungssatz der Physik geht Energie jedoch nicht verloren. Vielmehr liegt die Energie des ΔG nach Ablauf der Reaktion in anderer Form vor. Ein Beispiel ist mit der Synthese von ATP gegeben (S. 8): Die beim Einstrom der Protonen in die mitochondriale Matrix frei werdende Energie – das ΔG des Protonengradienten – wird in die Arbeit der ATP-Synthese umgewandelt und letztlich zu einem erheblichen Teil in ATP gespeichert. Ein Teil des ΔG einer Reaktion wird oft in Form von Wärme freigesetzt. Biochemische Reaktionen erfolgen in der Regel bei konstantem Druck.
▶ Definition.
Eine Reaktionswärme, die bei konstantem Druck anfällt, wird als Enthalpie ΔH bezeichnet. Die gesamte Enthalpie eines Stoffes umfasst allerdings nicht nur seine thermische Energie, sondern auch seine chemische Energie, die in seinen chemischen Bindungen enthalten ist. In vielen Fällen entspricht das ΔH einer Reaktion weitgehend dem ΔG. Es gibt jedoch auch Reaktionen, die von alleine ablaufen und also offensichtlich mit einem negativen ΔG verbunden sind, bei denen der Anteil von ΔH am ΔG nur gering ist. Die Differenz zwischen ΔH und ΔG äußert sich dann lediglich in einer Zunahme von Unordnung.
▶ Definition.
Die Entropie S ist ein Maß für die Unordnung in einem System.
Jeder Prozess, der in der Natur abläuft, ist mit einer Zunahme der Entropie verbunden.
Der 2. Hauptsatz der Thermodynamik besagt, dass bei jedem Prozess, der in der Natur abläuft, die Entropie innerhalb oder außerhalb des Systems zunimmt. Wenn man etwa einen großen Behälter mit allerlei Metallen, Kunststoffen und Gummi füllen und kräftig schütteln würde, wäre es sicherlich unwahrscheinlich, dass anschließend zufällig ein Golf GTI im Behälter stünde. Bei Naturprozessen bilden sich normalerweise spontan keine geordneten Strukturen, vielmehr nimmt erfahrungsgemäß die Unordnung zu. Dem entspricht z. B. die allgemeine Tendenz der Materie, sich im Raum gleichmäßig zu verteilen.
3.1.4 Die Bedeutung der Entropie
3.1.4 Die Bedeutung der Entropie
▶ Merke.
Während einer chemischen Reaktion nimmt die Entropie innerhalb oder außerhalb des Systems zu.
Für die Veränderung von Entropie (ΔS) und Freier Energie (ΔG) gilt: ΔG = ΔH – ΔS × T
ΔH steht für konstruktive (z. B. Synthese-) Prozesse zur Verfügung, ΔS dagegen nicht.
▶ Merke. Jeder Prozess in der Natur ist mit einer Zunahme der Entropie verbunden. Die Tendenz zur Zunahme der Entropie trägt zur Triebkraft chemischer Reaktionen bei. Die Entropie muss während einer Reaktion nicht unbedingt innerhalb des betrachteten Systems zunehmen. Lässt man etwa eine Kochsalzlösung in einem offenen Gefäß stehen, bilden sich nach einiger Zeit am Boden kleine Kochsalzkristalle. Hier nimmt die Ordnung der Strukturen offensichtlich zu, die Entropie nimmt ab. Parallel ist aber sehr viel Wasser verdunstet, die Wassermoleküle haben sich weit im Raum verteilt, und die Entropie des Universums hat somit gleichwohl zugenommen. Jede Zunahme von Ordnung kann nur mit einer Zunahme von Unordnung an einer anderen Stelle erkauft werden. In seinem berühmten Buch „Was ist Leben?“ hat der Physiker Erwin Schrödinger 1944 darauf hingewiesen, dass diese Prinzipien auch für die Bildung biologischer Strukturen gelten. Um die Zunahme der Entropie (ΔS) mit der Abnahme der Freien Energie (ΔG) quantitativ vergleichen zu können, muss die Entropie mit der absoluten Temperatur T multipliziert werden: ΔG = ΔH – ΔS × T ΔH ist der Anteil der Freien Energie, der für konstruktive Prozesse, z. B. die Synthese einer neuen Verbindung, genutzt werden kann. ΔS steht für konstruktive Prozesse jeder Art grundsätzlich nicht zur Verfügung. Sie kann aber zur Erwärmung beitragen, denn Wärme ist ebenfalls eine Form von Unordnung.
21
A 3.2 Die Geschwindigkeit biochemischer Reaktionen
3.2
Die Geschwindigkeit biochemischer Reaktionen
3.2.1 Prinzipien der chemischen Reaktionskinetik Im Rahmen der Thermodynamik werden im Wesentlichen nur zwei Zustände miteinander verglichen, nämlich der Zustand vor einer Reaktion mit dem Zustand nach der Reaktion. Der Prozess, der vom ersten zum zweiten Zustand führt, bleibt dabei vollkommen unberücksichtigt. Um auch diesen Prozess betrachten zu können, ist deshalb ein weiteres Kapitel der Physikalischen Chemie zu berücksichtigen, die Reaktionskinetik. Das zentrale Anliegen der Reaktionskinetik ist die Untersuchung der Geschwindigkeiten, mit denen chemische Reaktionen ablaufen. Die Geschwindigkeit einer chemischen Reaktion lässt sich analog zur Geschwindigkeit etwa einer Fahrt mit dem Auto beschreiben. Während Geschwindigkeiten von Fahrzeugen in km pro Stunde angegeben werden, ist die Reaktionsgeschwindigkeit als Stoffumsatz pro Sekunde definiert:
▶ Definition.
Die Reaktionsgeschwindigkeit ist definiert als Änderung einer Konzentration pro Zeiteinheit. Ihre Einheit ist Mol pro Liter pro Sekunde.
3.2
Die Geschwindigkeit biochemischer Reaktionen
3.2.1 Prinzipien der chemischen Reaktionskinetik Im Rahmen der Thermodynamik werden im Wesentlichen nur zwei Zustände miteinander verglichen. Der Prozess, der vom ersten zum zweiten Zustand führt, ist Gegenstand der Reaktionskinetik.
▶ Definition.
Nimmt z. B. die Konzentration eines Stoffes A in einer Sekunde um 2 mmol/l ab, beträgt die Reaktionsgeschwindigkeit v¼
Δ½A 2 mmol/l 2 103 Mol/l ¼ ¼ Δt 1s 1s
Das negative Vorzeichen zeigt das Absinken der Konzentration an. Die Reaktionsgeschwindigkeit hängt ab von 1. der Temperatur und 2. der Anfangskonzentration des Edukts bzw. der Edukte: Je höher seine/ihre Anfangskonzentration, desto größer ist die Reaktionsgeschwindigkeit.
▶ Definition.
Die Reaktionsgeschwindigkeit hängt ab von der Temperatur und der Anfangskonzentration der Ausgangssubstanz(en).
▶ Definition.
Eine Reaktion, deren Geschwindigkeit direkt proportional zur Konzentration eines einzigen Edukts ist, die also nach dem Schema A → B abläuft, ist eine Reaktion erster Ordnung. Hier gilt: v = k × [A]. Eine Reaktion, deren Geschwindigkeit direkt proportional zur Konzentration zweier Edukte ist, die also nach dem Schema A + B → C abläuft, ist eine Reaktion zweiter Ordnung. Hier gilt: v = k × [A] × [B]. Unter einer Reaktion pseudo-erster Ordnung versteht man eine Reaktion, an der ebenfalls zwei Edukte, A und B, beteiligt sind, von denen aber ein Edukt stets in der gleichen Konzentration vorliegt. Die Reaktionsgeschwindigkeit wird dann scheinbar ausschließlich von der Konzentration nur eines der beiden Reaktionspartner bestimmt. Eine derartige Situation ist in der Biochemie oft gegeben, wenn Wasser ein Reaktionspartner ist, etwa bei der Hydrolyse einer Esterbindung. Reines Wasser besteht stets aus 55 Mol H2O-Molekülen pro Liter. k wird als Geschwindigkeitskonstante bezeichnet. Bei Reaktionen erster Ordnung gibt die Geschwindigkeitskonstante an, welcher Prozentsatz des Edukts A pro Zeiteinheit in Produkt B umgesetzt wird. Die Geschwindigkeitskonstante ist wie die Reaktionsgeschwindigkeit temperaturabhängig. Fehlen weitere Angaben, bezieht sie sich auf 25 °C.
Pro Zeiteinheit wird nur ein bestimmter Prozentsatz der Ausgangssubstanz(en) zum Produkt umgesetzt, weil Moleküle nur unter bestimmten Bedingungen miteinander reagieren. So reagieren Moleküle in einer Lösung nur dann miteinander, wenn sie in einer bestimmten Orientierung und mit hinreichender Kraft zusammenstoßen.
Pro Zeiteinheit wird nur der Teil des Edukts zu Produkt umgesetzt, der die Bedingungen für eine Reaktion erfüllt.
22
A
▶ Definition.
3 Triebkraft und Geschwindigkeit biochemischer Reaktionen
▶ Definition. Die Konfiguration, in der Moleküle miteinander reagieren, um eine neue chemische Verbindung zu bilden, bezeichnet man als Übergangszustand. Dieser Zustand ist energiereicher als der Ausgangszustand der Eduktmoleküle (Abb. A 3.3). Die Energiedifferenz zwischen Ausgangs- und Übergangszustand der Eduktmoleküle heißt Aktivierungsenergie. Sie muss der Ausgangssubstanz zugeführt werden, damit diese in den Übergangszustand eintreten und die Reaktion ablaufen kann. Ohne Aufwendung der Aktivierungsenergie kann die Reaktion nicht ablaufen, auch wenn das ΔG der Gesamtreaktion negativ ist (wie in Abb. A 3.3).
A-3.3
A-3.3
Darstellung des Übergangszustandes im Energiediagramm
Freie Energie
A* im Übergangszustand
Gezeigt ist eine exergone Reaktion erster Ordnung.
Aktivierungsenergie Ausgangssubstanz A ∆G der Gesamtreaktion
Produkt B
Reaktionskoordinate (= Richtung der betrachteten Reaktion)
Je geringer die Aktivierungsenergie, desto größer ist die Reaktionsgeschwindigkeit.
▶ Merke.
3.2.2 Enzyme als Katalysatoren biochemischer Reaktionen
Eine Reaktion läuft umso schneller ab, je mehr Moleküle einer Ausgangssubstanz pro Zeiteinheit den Übergangszustand durchlaufen, je niedriger also die Aktivierungsenergie ist.
▶ Merke.
Mitunter kann die Bildung eines Übergangszustandes durch die Wechselwirkung mit einem weiteren Stoff erleichtert werden. Derartige Stoffe bewirken damit eine Beschleunigung der Reaktion. Sie werden allgemein als Katalysatoren bezeichnet.
3.2.2 Enzyme als Katalysatoren biochemischer Reaktionen Auf dieser Basis lässt sich die Funktion der Enzyme gleichermaßen einfach wie präzise angeben:
▶ Definition.
▶ Definition.
Enzyme sind biologische Katalysatoren.
Meist handelt es sich bei Enzymen um Proteine, in seltenen Fällen um RNA.
In den meisten Fällen handelt es sich bei den Enzymen um Proteine, in einigen wenigen Fällen bestehen Enzyme aus RNA. So wird die Bildung der Peptidbindungen in den Ribosomen von einer bestimmten RNA katalysiert (S. 460). Als man sich im 19. Jahrhundert erstmals mit katalytisch wirksamen Stoffen aus biologischem Material beschäftigte, arbeitete man oft mit Extrakten der Bäckerhefe. So wurde das Wort Enzym aus den griechischen Worten „en“, in, und „zyme“, Hefe, gebildet.
Die Funktion der Enzyme
Die Funktion der Enzyme
Enzyme können Reaktionen beschleunigen, nicht aber unmögliche Reaktionen ermöglichen. Allenfalls können sie eine energetische Kopplung herstellen.
Für Enzyme, wie für alle anderen Katalysatoren, gilt grundsätzlich, dass sie Prozesse nur beschleunigen können. Sie können unmögliche Prozesse nicht möglich machen.
▶ Merke.
Allenfalls können sie eine energetische Kopplung herstellen, d. h. einen Prozess, der isoliert unmöglich ablaufen könnte, mit einem anderen Prozess koppeln, um dann beide Prozesse gemeinsam ablaufen zu lassen.
▶ Merke.
Enzyme erleichtern Molekülen den Eintritt in den Übergangszustand und senken auf diese Weise die Aktivierungsenergie (Abb. A 3.4). Dadurch erhöhen sie die Geschwindigkeit biochemischer Reaktionen.
23
A 3.2 Die Geschwindigkeit biochemischer Reaktionen
A-3.4
Energiediagramm einer exergonen Reaktion ohne bzw. mit Zusatz eines spezifischen Katalysators (Enzyms)
A-3.4
Übergangszustand
Freie Energie
Aktivierungsenergie ohne Enzym Übergangszustand Aktivierungsenergie mit Enzym Ausgangssubstanzen Produkte
∆G der Gesamtreaktion
Reaktionskoordinate (= Richtung der betrachteten Reaktion)
Die Reduktion der Aktivierungsenergie durch Enzyme beeinflusst die Lage des chemischen Gleichgewichts zwischen den Edukten und den Produkten der Reaktion nicht. Sie verkürzt nur die zur Annäherung an das chemische Gleichgewicht erforderliche Zeit. Das ΔG der Gesamtreaktion bleibt unverändert.
▶ Merke.
Enzyme beschleunigen die Gleichgewichtseinstellung. Sie haben aber weder Einfluss auf die Lage des chemischen Gleichgewichts noch auf die Freie Energie der Edukte und Produkte einer Reaktion.
Die Bedeutung der katalytischen Zentren
Aufgrund der Struktur der katalytischen Zentren zeigen Enzyme eine hohe Spezifität zu ihren Substraten. Die katalytischen Zentren sind so angeordnet, dass die gebundenen Moleküle in die für die Reaktion günstigste Anordnung zueinander gebracht werden. So wird ihnen der Eintritt in den Übergangszustand erleichtert. Abb. A 3.5 zeigt dies am Beispiel der Malat-Dehydrogenase, eines mitochondrialen Enzyms, das die Übertragung zweier Elektronen und eines Protons von Malat auf NAD+ beschleunigt (S. 111). Die Reaktionsprodukte lösen sich dann sehr schnell ab und geben den Weg für einen neuen Reaktionszyklus frei. In vielen Fällen ist die Struktur der katalytischen Zentren sehr genau aufgeklärt worden, und die chemischen Reaktionen, die dort ablaufen, lassen sich detailliert beschreiben. Für die Medizin sind die katalytischen Zentren und ihre Struktur von fundamentaler Bedeutung, weil sehr viele Medikamente katalytische Zentren von Enzymen und damit auch die Aktivität dieser Enzyme blockieren. In der pharmazeutischen Industrie arbeitet man mit großem Aufwand daran, chemische Substanzen zu ent-
Die Anordnung der Substrate im katalytischen Zentrum der Malat-Dehydrogenase (MDH)
NH2 COO– aktives Zentrum der Malat-Dehydrogenase
H O
C
H
CH2 COO– Malat
C H H
C C
▶ Merke.
Die Bedeutung der katalytischen Zentren
▶ Definition. Die Stellen, an denen Enzyme ihre Substrate binden und an denen die vom Enzym katalysierte Reaktion stattfindet, heißen katalytische (aktive) Zentren.
A-3.5
Enzyme verkürzen die zur Annäherung an das chemische Gleichgewicht benötigte Zeit.
C C
O C N
H
Nicotinamid
Ribose P
H NAD+
P Ribose Adenin
▶ Definition. Die katalytischen Zentren der Enzyme zeigen eine hohe Substratspezifität. Sie bringen die Substrate in die optimale Reaktionsposition und erleichtern ihnen so den Eintritt in den Übergangszustand (Abb. A 3.5). Für die Medizin sind katalytische Zentren und ihre Struktur von großer Bedeutung, weil viele Medikamente katalytische Zentren und damit die Aktivität der zugehörigen Enzyme blockieren.
A-3.5
24
A
3 Triebkraft und Geschwindigkeit biochemischer Reaktionen
wickeln, die sich spezifisch in die katalytischen Zentren bestimmter Enzyme einlagern. Jede Verbindung, die eine derartige Spezifität zeigt, wird darauf geprüft, ob sie als Medikament infrage kommt. Klassifizierung von Enzymen
Klassifizierung von Enzymen
Sämtliche Enzyme lassen sich anhand der von ihnen katalysierten Reaktionen sechs Klassen zuordnen.
Da die biochemischen Reaktionen in den Geweben von Tausenden unterschiedlicher Enzyme katalysiert werden, scheint die Vielfalt der Enzyme unabsehbar zu sein. Umso bemerkenswerter ist es, dass sich alle Enzyme letztlich einem System von nur sechs Enzymklassen zuordnen lassen. Eine systematische Nomenklatur für Enzyme wurde ab 1964 von einer Kommission der International Union of Biochemistry entwickelt. Die Enzyme werden in diesem System nach ihrem Reaktionstyp klassifiziert (Tab. A 3.1):
A-3.1
A-3.1
Die sechs Hauptenzymklassen
Klasse
Reaktionstyp
Beispiel
1. Oxidoreduktasen
Oxidation/Reduktion
Malat-Dehydrogenase
2. Transferasen
Gruppenübertragung
Homocystein-Methyl-Transferase
3. Hydrolasen
Hydrolysen
Trypsin
4. Lyasen
nichthydrolytische Abspaltung von Gruppen
Aldolase
5. Isomerasen
Isomerisierungen
Triosephosphat-Isomerase
6. Ligasen
Ligation zweier Substrate unter ATP-Verbrauch
Aminoacyl-tRNA-Synthetase
Jedem Enzym lässt sich eine Enzyme Commission Number (EC) zuordnen. Streng genommen werden durch dieses System nicht Enzyme, sondern enzymkatalysierte Reaktionen klassifiziert.
Innerhalb dieser sechs Gruppen sind weitere Untergliederungen definiert. Über einen Zahlenkode kann jedes Enzym einer dieser Gruppen eindeutig zugeordnet werden. Die Alkohol-Dehydrogenase (ADH) hat z. B. den offiziellen Zahlencode EC 1.1.1.1. Dabei steht EC für „Enzyme Commission Number“. Streng genommen werden durch dieses System nicht Enzyme, sondern enzymkatalysierte Reaktionen klassifiziert. So findet auch die Aminosäuresequenz oder die räumliche Struktur der Enzyme in der EC-Nomenklatur keine Berücksichtigung. Im biochemischen Alltag werden zur Bezeichnung der Enzyme normalerweise die traditionellen Trivialnamen und ihre Abkürzungen verwendet.
3.2.3 Enzymkinetik
3.2.3 Enzymkinetik
Mathematische Methoden der Enzymkinetik können auch zur Charakterisierung der Funktion von Rezeptorproteinen und Transportproteinen verwendet werden.
Dieser Abschnitt befasst sich mit der Frage, wie man die Geschwindigkeit und die Effizienz beschreiben kann, mit der Enzyme biochemische Reaktionen katalysieren. Die mathematischen Verfahren, die zur Beschreibung der Funktion der Enzyme entwickelt wurden, haben sich aber auch in der Analyse anderer Prozesse bewährt. So können sie auch zur Beschreibung der Funktion von Rezeptoren und Transportproteinen benutzt werden, die ihre Liganden binden, um sie unverändert wieder freizusetzen. Grundlegend für die Enzymkinetik sind die Begriffe der Maximalgeschwindigkeit einer Reaktion (vmax) sowie der Michaelis-Menten-Konstante (Km).
Die maximale Reaktionsgeschwindigkeit vmax Die Michaelis-Menten-Kinetik wurde in Berlin von Leonor Michaelis gemeinsam mit Maud Leonore Menten entwickelt und 1913 veröffentlicht.
Im einfachsten Fall einer Michaelis-MentenKinetik katalysiert ein Enzym E die Umwand-
Die maximale Reaktionsgeschwindigkeit vmax Die Geschwindigkeiten enzymkatalysierter Reaktionen wurden erstmals Anfang des 20. Jahrhunderts in einem Labor des Städtischen Krankenhauses Am Urban in Berlin erforscht. Der Arzt und Biochemiker Leonor Michaelis (1875 – 1949) arbeitete hier gemeinsam mit der kanadischen Gastwissenschaftlerin Maud Leonore Menten (1879 – 1960). Die allgemeine Theorie der Enzymkinetik, die sie 1913 veröffentlichten, ist als Michaelis-Menten-Kinetik bis heute die Grundlage aller enzymkinetischen Untersuchungen. Im einfachsten Fall einer Michaelis-Menten-Kinetik katalysiert ein Enzym E die Umwandlung eines Substrats S in das Produkt P. Dabei bildet sich zunächst ein
25
A 3.2 Die Geschwindigkeit biochemischer Reaktionen
Enzym-Substrat-Komplex ES. Diese Assoziation kann zwei unterschiedliche Folgen haben: 1. In vielen Fällen zerfällt der Enzym-Substrat-Komplex wieder, ohne dass es zu einer Reaktion gekommen wäre. Deshalb stellt sich ein Gleichgewicht zwischen E + S und ES ein. 2. Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit durchläuft das Substrat allerdings am Enzym den Übergangszustand, reagiert unter Bildung des Produkts P und verlässt das Enzym. Im einfachsten Fall – wenn das Produkt P zum Enzym nur eine geringe Affinität hat oder wenn die Konzentration des Produkts sehr gering ist – kann die Rückreaktion von P zu S zunächst vernachlässigt werden. Hieraus ergibt sich folgendes Reaktionsschema: k1
lung eines Substrats S in das Produkt P. Zunächst bildet sich ein Enzym-SubstratKomplex ES. Oft zerfällt dieser wieder und es stellt sich ein Gleichgewicht zwischen E + S und ES ein. Teilweise kommt es auch zur Bildung des Produkts P.
Daraus ergibt sich: k1
k –1
k –1
Der geschwindigkeitsbestimmende Schritt unter diesen Voraussetzungen ist die Reaktion ES → E + P. Die Geschwindigkeit, mit der sich P bildet, ist also nur von der Geschwindigkeitskonstante k2 und der Konzentration des Enzym-SubstratKomplexes ES abhängig: v¼
k2
E + S ⇌ ES ! E + P
k2
E + S ⇌ ES ! E + P
Die Geschwindigkeit der Produktbildung (v) hängt dabei nur von k2 und [ES] ab.
Δ½P ¼ k2 ½ES Δt
Die Geschwindigkeitskonstante k2 gibt dabei den Prozentsatz an ES an, der innerhalb einer Sekunde in E und P zerfällt.
▶ Merke.
Die Reaktionsgeschwindigkeit einer enzymkatalysierten Reaktion hängt unter den Bedingungen einer Michaelis-Menten-Kinetik von der Konzentration des Enzym-Substrat-Komplexes ab.
Die Reaktionsgeschwindigkeit lässt sich durch Erhöhung der Substratkonzentration steigern, allerdings nur bis zu einem Maximalwert, nämlich bis zu der Konzentration, bei der sämtliche Enzymmoleküle als Enzym-Substrat-Komplexe vorliegen, bei der das Enzym also gesättigt ist. Bei dieser Substratkonzentration läuft die Reaktion mit der maximalen Geschwindigkeit vmax ab. Stellt man die Reaktionsgeschwindigkeit in Abhängigkeit von der Substratkonzentration grafisch dar (Michaelis-MentenDiagramm), ergibt sich eine Hyperbel, die der maximalen Geschwindigkeit vmax entgegenstrebt (Abb. A 3.6). A-3.6
▶ Merke.
[ES] und v nehmen bei steigenden Substratkonzentrationen zu, bis alle Enzymmoleküle als Enzym-Substrat-Komplexe vorliegen (Enzymsättigung) und vmax erreicht ist. Die grafische Darstellung (Michaelis-MentenDiagramm) ergibt eine Hyperbel (Abb. A 3.6).
Michaelis-Menten-Diagramm
A-3.6
Reaktionsgeschwindigkeit (in % der Maximalgeschwindigkeit) 100
vmax
50
0 Substratkonzentration
▶ Merke.
▶ Merke.
▶ Klinik. Manche Medikamente bewirken eine irreversible Inaktivierung bestimm-
▶
Die Maximalgeschwindigkeit vmax einer enzymkatalysierten Reaktion hängt von der Enzymkonzentration ab.
ter Enzyme. So inaktiviert Acetylsalicylsäure (z. B. Aspirin) das Enzym Zyklooxygenase, das bei der Synthese von Prostaglandinen aus Arachidonsäure eine zentrale Rolle spielt. Durch die Inaktivierung sinkt die Konzentration der funktionsfähigen Enzymmoleküle und damit die maximal erreichbare Konzentration des Enzym-Substrat-Komplexes ES. Entsprechend verringert sich dann auch vmax.
Klinik.
26
A
Die Michaelis-Menten-Konstante Km
Die Michaelis-Menten-Konstante Km
▶ Definition.
Enzyme mit einem niedrigen Km-Wert weisen eine hohe Affinität zu ihren Substraten auf.
A-3.7
3 Triebkraft und Geschwindigkeit biochemischer Reaktionen
▶ Definition. Die Michaelis-Menten-Konstante (Michaelis-Konstante) Km ist diejenige Substratkonzentration, bei der die Hälfte der Enzymmoleküle mit Substrat beladen ist. Bei dieser Substratkonzentration beträgt die Reaktionsgeschwindigkeit vmax/2. Da es sich bei der Michaelis-Menten-Konstante um eine bestimmte Substratkonzentration handelt, hat sie die Einheit Mol/Liter. Die Bedeutung dieser Konstante lässt sich anhand eines Michaelis-Menten-Diagramms zweier Enzyme mit gleichem Substrat und gleicher maximaler Reaktionsgeschwindigkeit erläutern (Abb. A 3.7). Das Enzym mit dem niedrigeren Km-Wert (Km1 in Abb. A 3.7) ist bereits bei niedrigen Substratkonzentrationen zur Hälfte mit Substraten beladen. Es zeigt also eine große Bereitschaft, seine Substrate zu binden: Das Enzym zeigt zu seinen Substraten eine hohe Affinität. Das Enzym mit dem höheren Km-Wert (Km2 in Abb. A 3.7) ist erst bei deutlich höheren Substratkonzentrationen zur Hälfte beladen, hat also eine geringere Affinität zu seinen Substraten. Dieses Enzym setzt also bei niedrigen Substratkonzentrationen weniger Substrat um als das Enzym mit hoher Affinität.
A-3.7
Michaelis-Menten-Diagramm zweier Enzyme gleicher Substratspezifität, aber mit unterschiedlichem Km-Wert
Reaktionsgeschwindigkeit (in % der Maximalgeschwindigkeit) 100
50
0 Km1
▶ Merke.
In zahlreichen Stoffwechselwegen kommen Enzyme oder Transporter mit gleichem Substrat, aber unterschiedlichen Km-Werten zum Einsatz, so z. B. die Glucosetransporter (GLUT), die in den Zellmembranen die Aufnahme der Glucose in die Zellen vermitteln.
▶ Definition.
Die Affinität ist umso höher, je größer im chemischen Gleichgewicht der Anteil von ES ist, d. h. je schneller sich ES aus E und S bildet und je langsamer ES in E + S bzw. in E + P zerfällt. Der Km-Wert ergibt sich daher aus dem Verhältnis der beteiligten Geschwindigkeitskonstanten:
Km 2
Substratkonzentration
▶ Merke.
Die Michaelis-Menten-Konstante (der Km-Wert) ist ein Maß für die Affinität eines Enzyms zu seinen Substraten: Je kleiner Km, desto höher die Affinität. An zahlreichen Stoffwechselwegen sind Enzyme oder Transporter mit gleichem Substrat, aber unterschiedlichen Km-Werten beteiligt. Ein Beispiel sind die Glucosetransporter (GLUT), die in den Plasmamembranen aller Zellen die Aufnahme der Glucose aus der Umgebung vermitteln. Da die verschiedenen Gewebe im Stoffwechsel der Kohlenhydrate unterschiedliche Funktionen haben, zeigen ihre Glucosetransporter erhebliche Unterschiede in ihren Transporteigenschaften (S. 349).
▶ Definition.
Sofern zwei Enzyme die gleiche chemische Reaktion katalysieren, sich aber in ihrer Aminosäuresequenz und in ihren enzymkinetischen Eigenschaften unterscheiden, spricht man von Isoenzymen. Einige Isoenzyme, wie etwa die Lactat-Dehydrogenase (LDH), sind in der klinischen Chemie von Bedeutung (S. 86). In der Frühzeit der Biochemie wurden Isoenzyme oft über ihre unterschiedlichen Km- oder vmax-Werte identifiziert. Inzwischen lassen sich Isoenzyme eindeutig über einen Vergleich ihrer Aminosäuresequenzen definieren. Wovon hängt die Affinität eines Enzyms zu seinen Substraten ab? Geht man davon aus, dass die Reaktionspartner im zugrunde liegenden Reaktionsschema k1
k2
E + S ⇌ ES ! E + P k –1
27
A 3.2 Die Geschwindigkeit biochemischer Reaktionen
im chemischen Gleichgewicht sind, ist die Affinität umso höher, je mehr EnzymSubstrat-Komplexe ES vorliegen. Die Zahl der ES ist umso größer, je schneller sich ES aus E und S bildet und je langsamer ES in E + S bzw. in E + P zerfällt. Es lässt sich zeigen, dass der Km-Wert unmittelbar aus dem Verhältnis der zugehörigen Geschwindigkeitskonstante berechnet werden kann: Km ¼
k 1 þ k2 k1
k 1 þ k2 k1
Wie ändert sich der Km-Wert, wenn die Enzymkonzentration und mit ihr der vmaxWert reduziert wird, z. B. bei der Zyklooxygenase durch die Reaktion mit Acetylsalicylsäure? Da die relevanten Geschwindigkeitskonstanten k-1, k2 und k1 dabei unverändert bleiben, ändert sich die Affinität der übrig gebliebenen Enzymmoleküle zu ihren Substraten nicht. Der Km-Wert bleibt trotz Reduktion des vmax-Wertes unverändert.
▶ Merke.
Km ¼
Die Michaelis-Menten-Konstante ist von der Enzymmenge unabhängig.
Sinkt die Enzymkonzentration (z. B. durch irreversible Enzymhemmung), ändert sich die Affinität des Enzyms zum Substrat nicht.
▶ Merke.
Die Michaelis-Menten-Gleichung
Die Michaelis-Menten-Gleichung
Sind die maximale Umsatzgeschwindigkeit (vmax) und der Km-Wert eines Enzyms bekannt, kann man für jede Substratkonzentration [S] die entsprechende Reaktionsgeschwindigkeit v berechnen. Hierzu setzt man diese Werte in die MichaelisMenten-Gleichung ein, die die Hyperbel des Michaelis-Menten-Diagramms beschreibt:
Diese Gleichung beschreibt die Hyperbel des Michaelis-Menten-Diagramms:
v¼
v¼
vmax ½S Km þ ½S
vmax ½S Km þ ½S
Man kann diese Gleichung als die Grundgleichung der gesamten Enzymkinetik bezeichnen. Mit ihrer Hilfe kann man sich einige Charakteristika enzymkatalysierter Reaktionen leicht vor Augen führen. Dazu ist es sinnvoll, die Gleichung etwas anders darzustellen: v ¼ vmax
½S Km þ ½S
Welche Reaktionsgeschwindigkeit ergibt sich z. B. bei einer Substratkonzentration [S], die wesentlich höher ist als der Km-Wert? Unter dieser Voraussetzung kann der Faktor Km in der Gleichung vernachlässigt werden. Es bleibt der Quotient [S]/ [S] übrig. Dieser kürzt sich heraus, und, wie zu erwarten, ist v = vmax. Welche Reaktionsgeschwindigkeit erhält man, wenn die Substratkonzentration [S] dem Km-Wert entspricht? Man erhält den Quotienten Km/Km + Km = ½, und tatsächlich bestätigt die Gleichung, dass man bei einer Substratkonzentration des Km-Wertes die halbmaximale Reaktionsgeschwindigkeit erhält. Eine interessante Konsequenz ergibt sich für sehr geringe Substratkonzentrationen. Es sei z. B. Km = 1 μM und [S] = 0,01 μM. Unter dieser Voraussetzung kann man den Wert von [S] im Nenner des Quotienten vernachlässigen (der Unterschied zwischen 1,00 μM und 1,01 μM ist vernachlässigbar). Die Substratkonzentration im Zähler kann man hingegen nicht vernachlässigen. Vielmehr wird – bei sehr niedrigen Substratkonzentrationen – eine Verdoppelung der Substratkonzentration auch eine Verdoppelung der Umsatzgeschwindigkeit nach sich ziehen. Bei sehr niedrigen Substratkonzentrationen steigt nämlich die Reaktionsgeschwindigkeit zunächst (nahezu) linear. Die Zunahme der Reaktionsgeschwindigkeit ist also (nahezu) proportional zur Substratkonzentration, und damit liegt eine Reaktion erster Ordnung vor. Bei höheren Substratkonzentrationen sind diese Voraussetzungen hingegen nicht erfüllt! Eine Verdoppelung der Substratkonzentration über den Km-Wert hinaus führt nur noch zu einem vergleichsweise geringen Anstieg der Reaktionsgeschwindigkeit und die Maximalgeschwindigkeit vmax ist auch durch Einsatz noch so hoher Substratkonzentrationen nicht zu überschreiten.
Stellt man sie etwas anders dar, kann man sich einige Charakteristika enzymkatalysierter Reaktionen ableiten: v ¼ vmax
½S Km þ ½S
Bei [S] >> Km ist v = vmax. Bei [S] = Km ist v = vmax/2. Bei sehr niedrigen Substratkonzentrationen steigt die Reaktionsgeschwindigkeit zunächst nahezu linear, und die Zunahme der Reaktionsgeschwindigkeit ist nahezu proportional zur Substratkonzentration. Damit liegt eine Reaktion erster Ordnung vor. Bei höheren Substratkonzentrationen sind diese Voraussetzungen nicht mehr erfüllt.
28
A
Das Lineweaver-Burk-Diagramm
Das Lineweaver-Burk-Diagramm
Aus dem asymptotischen Verlauf der Hyperbel im Michaelis-Menten-Diagramm kann man die Maximalgeschwindigkeit nicht sicher bestimmen, wohl aber anhand des Lineweaver-Burk-Diagramms.
In der Auswertung enzymkinetischer Daten ist es von besonderem Interesse, die maximale Umsatzgeschwindigkeit vmax möglichst genau zu bestimmen. Darüber hinaus muss vmax bekannt sein, um die Michaelis-Menten-Konstante Km bestimmen zu können, denn diese Konstante ist über die halb-maximale Umsatzgeschwindigkeit definiert. Leider ist es sehr schwierig, vmax aus einem Michaelis-Menten-Diagramm abzulesen, da man hierfür Messwerte zu sehr hohen Substratkonzentrationen benötigt, die in vielen Fällen nicht ohne weiteres zu erhalten sind. In jedem Fall ist es fragwürdig, aus dem asymptotischen Verlauf der Hyperbel im Michaelis-Menten-Diagramm auf die Maximalgeschwindigkeit zu schließen. Eine Lösung bietet das Lineweaver-Burk-Diagramm. Im Lineweaver-Burk-Diagramm wird der Kehrwert der Umsatzgeschwindigkeit, also 1/v, gegen den Kehrwert der Substratkonzentration, 1/[S], aufgetragen (Abb. A 3.8). In dieser reziproken Darstellung erhält man anstelle einer Hyperbel eine Gerade. Der Schnittpunkt dieser Geraden mit der Abszisse entspricht – 1/Km, der Schnittpunkt mit der Ordinate entspricht 1/vmax. Beide Werte lassen sich grafisch sehr präzise bestimmen. Die Werte für Km und vmax kann man dann leicht berechnen.
Im Lineweaver-Burk-Diagramm wird 1/v gegen 1/[S] aufgetragen (Abb. A 3.8). Dabei erhält man eine Gerade. Der Schnittpunkt dieser Geraden mit der Abszisse entspricht – 1/Km, der Schnittpunkt mit der Ordinate entspricht 1/vmax.
A-3.8
3 Triebkraft und Geschwindigkeit biochemischer Reaktionen
A-3.8
Lineweaver-Burk-Diagramm 1/v Steigung = Km/vmax
1/vmax –1/Km 0
Die katalytische Aktivität
▶ Definition.
1/[S]
Die katalytische Aktivität
▶ Definition.
Die katalytische Aktivität ist ein Maß für die reaktionsbeschleunigende Wirkung eines Enzyms. Ihre Einheit ist offiziell das Katal, definiert als 1 kat = 1 Mol Substratumsatz pro Sekunde. Die Einheit Katal wird allerdings in der Praxis kaum verwendet. Oft bezieht man sich auf andere, mitunter willkürlich definierte Einheiten.
Die katalytische Aktivität eines Enzyms lässt sich nur berechnen, wenn sowohl der vmaxals auch der Km-Wert bekannt sind.
Es ist zu beachten, dass man weder allein aus der Kenntnis eines vmax-Wertes noch allein aus der Kenntnis eines Km-Wertes auf die katalytische Aktivität eines Enzyms schließen kann. Nur auf der Basis beider Werte zusammen lässt sich der Verlauf der Kurve im Michaelis-Menten-Diagramm rekonstruieren und die katalytische Aktivität eines Enzyms angeben. Zudem müssen natürlich auch die Reaktionsbedingungen und die Enzymkonzentration hinreichend definiert sein, auf die sich der vmaxund der Km-Wert beziehen.
Die Wechselzahl
Die Wechselzahl
▶ Definition.
Um die Wechselzahl zu bestimmen, ermittelt man vmax für eine definierte Menge an Enzym. Im Fall des Enzyms Carboanhydrase ist die Wechselzahl sehr hoch (600 000/s).
▶ Definition.
Unter der Wechselzahl versteht man die Anzahl der pro Mol Enzym in einer Zeiteinheit umgesetzten Mole Substrat. Diese Zahl ist identisch mit der pro Enzymmolekül in einer Zeiteinheit umgesetzten Substratmoleküle. Um die Wechselzahl zu bestimmen, ermittelt man vmax für eine definierte Menge an Enzym. Das Verfahren sei hier anhand der Carboanhydrase erläutert, die in den Erythrozyten die Hydratisierung von CO2 zu HCO3– (= Hydrogencarbonat = Bicarbonat) katalysiert. Die Carboanhydrase weist eine außerordentlich hohe Wechselzahl auf. Setzt man in einem Experiment 10– 6 Mol Carboanhydrase ein, erhält man bei maximaler Reaktionsgeschwindigkeit pro Sekunde 0,6 Mol HCO3–. Ein Mol Carboanhydrase könnte demnach die Bildung von 106 × 0,6 Mol HCO3– = 600 000 Mol
29
A 3.2 Die Geschwindigkeit biochemischer Reaktionen
HCO3– pro Sekunde katalysieren. Die Wechselzahl der Carboanhydrase, bezogen auf eine Sekunde, hat also den Wert 600 000. Unter Berücksichtigung von k1
k2
E + S ⇌ ES ! E + P k –1
und
v¼
Δ½P ¼ k2 ½ES Δt
ergibt sich in diesem Fall für vmax und für 1 Mol Enzym v¼
Δ½P 600 000 Mol ¼ ¼ k2 ½ES Δt Sekunde
Da bei maximaler Reaktionsgeschwindigkeit sämtliche Enzymmoleküle Substrat gebunden haben, kann man unter den gegebenen Voraussetzungen für [ES] 1 Mol Enzym-Substrat-Komplex einsetzen und dann die Gleichung durch [ES] teilen. Es zeigt sich: vmax 600 000 Mol 600 000 ¼ ¼ k2 ¼ Sekunde 1 Mol Sekunde ½ES Bei einfachen Reaktionen ist die Wechselzahl also identisch mit der Geschwindigkeitskonstante k2! Allgemein zeigt k2 den Anteil von ES an, der innerhalb einer Sekunde zu E + P reagiert. Bei der Carboanhydrase ist k2 = 600 000/s, d. h. der ESKomplex muss in jeder Sekunde 600 000-mal neu gebildet werden! Andere Enzyme zeigen wesentlich niedrigere Wechselzahlen, die Werte liegen meist zwischen 1 und 10 000 pro Sekunde. Schließlich muss betont werden, dass an enzymkatalysierten Reaktionen oft mehrere Substrate und mehrere aktive Zentren beteiligt sind. In derartigen Fällen kann die Wechselzahl nicht mehr ohne weiteres mit der Geschwindigkeitskonstante k2 gleichgesetzt werden. Man kann dann allerdings versuchen, den komplizierten Reaktionsweg in einzelne Schritte aufzulösen, die sich dann ihrerseits wieder mit einfachen Begriffen der Michaelis-Menten-Kinetik beschreiben lassen.
Bei einfachen Reaktionen, z. B. der Carboanhydrase-Reaktion, ist die Wechselzahl gleich der Geschwindigkeitskonstante k2. Die Wechselzahl anderer Enzyme ist weit geringer. Hat ein Enzym mehrere Substrate und mehrere aktive Zentren, kann die Wechselzahl nicht mit k2 gleichgesetzt werden.
Enzymhemmung
Enzymhemmung
Viele Medikamente enthalten Wirkstoffe, die ihre Aktivität über eine gezielte Hemmung bestimmter Enzyme entfalten. Die Mechanismen der Enzymhemmung sind deshalb für die gesamte Pharmakologie von elementarer Bedeutung. Um die molekularen Mechanismen der Enzymhemmung präzise zu beschreiben, ist es üblich, bestimmte Typen der Hemmung zu unterscheiden: irreversible Hemmung (Inaktivierung) reversible Hemmung: – kompetitiv – nicht kompetitiv – unkompetitiv
Die Wirkstoffe der Medikamente können Enzyme auf unterschiedliche Weise hemmen. Zunächst unterscheidet man zwischen irreversibler Hemmung und reversibler Hemmung. Letztere lässt sich weiter unterteilen in kompetitive, nicht kompetitive und unkompetitive Hemmung.
Irreversible Hemmung
Irreversible Hemmung
▶ Merke.
Eine irreversible Hemmung ergibt sich in der Regel, wenn ein Enzym durch einen Wirkstoff kovalent modifiziert wird und das Enzym dabei seine Aktivität verliert. Je mehr Enzymmoleküle inaktiviert werden, desto geringer ist die übrig bleibende maximale Umsatzgeschwindigkeit vmax.
Ein berühmtes Beispiel ist Penicillin, das kovalent mit bakteriellen Transpeptidasen reagiert (S. 475). Penicillin ist nicht nur ein Hemmstoff (Inhibitor), sondern auch ein Inaktivator der Transpeptidase. Ein weiteres Beispiel für eine irreversible Hemmung ist die Acetylsalicylsäure (der Wirkstoff z. B. des Aspirins). Sie überträgt ihre Acetyl-Gruppe auf das Serin in Position 530 der Zyklooxygenase (S. 632). Untersucht man den Effekt nach Michaelis und Menten, dann zeigt sich, dass durch Zugabe steigender Mengen an Acetylsalicylsäure ein entsprechend größerer Anteil der Zyklooxygenase eines gegebenen Reaktionsansatzes (bzw. eines Gewebes) inaktiviert wird. Dabei sinkt die maximale Umsatzgeschwindigkeit vmax. Da sich die Acetyl-Gruppen nicht mehr vom Enzym ablösen lassen, ist der Effekt irreversibel. Die übrig gebliebenen Enzymmoleküle behalten aber ihre Eigenschaften, einschließlich ihrer Affinität für das Substrat (die Arachidonsäure). Somit bleibt der Km-Wert – auch bei sinkendem vmax – unverändert (Abb. A 3.9)!
▶ Merke.
Wenn die Zahl der aktiven Enzymmoleküle in einem Reaktionsansatz durch Zugabe eines Inaktivators verringert wird, sinkt damit vmax. Die übrig gebliebenen, noch aktiven Enzymmoleküle zeigen weiterhin ihre ursprünglichen Eigenschaften, somit bleibt der KmWert unverändert.
30
A
A-3.9
3 Triebkraft und Geschwindigkeit biochemischer Reaktionen
Beispiel einer irreversiblen Hemmung: Inaktivierung eines Teils der Zyklooxygenase in einem Gewebe durch Acetylsalicylsäure (ASS)
Geschwindigkeit der Prostaglandinsynthese (in % der Maximalgeschwindigkeit) 100
a Darstellung im MichaelisMenten-Diagramm. b Darstellung im LineweaverBurke-Diagramm.
1/v
vmax ohne ASS
mit ASS
ohne ASS
50 vmax mit ASS 0 a
Km
Arachidonsäurekonzentration
0 b
1/[S]
–1/Km
Reversible Hemmung
Reversible Hemmung
Typen reversibler Hemmung: kompetitiv nicht kompetitiv unkompetitiv
Viele Hemmstoffe können sich nach der Anlagerung an das Enzym auch wieder ablösen, sie bilden keine kovalenten Bindungen zum Enzym, die Bindung ist reversibel. Dabei sind drei Typen der Hemmung zu unterscheiden: Sofern eine kompetitive Hemmung gegeben ist, bindet der Hemmstoff am Enzym an die gleiche Stelle wie das Substrat. Sofern der Hemmstoff außerhalb der Substratbindestelle bindet, kann eine nicht kompetitive oder – in seltenen Fällen – eine unkompetitive Hemmung gegeben sein. Kompetitive Hemmung:
▶ Merke. Die Abnahme der katalytischen Aktivität des Enzyms kann durch Erhöhung der Substratkonzentration rückgängig gemacht werden. Deshalb ist vmax unverändert, Km ist aber erhöht.
▶ Merke.
▶
Klinik.
▶ Merke.
Bei dieser häufigsten Form der reversiblen Enzymhemmung konkurriert der Inhibitor mit dem natürlichen Substrat um die Bindung an das Enzym. Dadurch wird die katalytische Aktivität des Enzyms herabgesetzt. Sie kann jedoch durch Zugabe größerer Mengen des natürlichen Substrats wieder gesteigert werden. In Gegenwart einer hinreichend großen Konzentration des Substrats kann sogar der ursprüngliche vmax-Wert erreicht werden. Der Km-Wert wird durch Zugabe des Inhibitors hingegen erhöht. Denn der Km-Wert gibt an, welche Substratkonzentration erforderlich ist, damit die Hälfte der Substratbindestellen der Enzymmoleküle mit Substrat besetzt sind. In Gegenwart eines kompetitiven Inhibitors ist aber eine erhöhte Substratkonzentration erforderlich, um die Hälfte der Bindestellen der Enzymmoleküle besetzen zu können.
▶ Merke.
Ein kompetitiver Inhibitor erhöht den Km-Wert, lässt aber vmax unverändert. Eine kompetitive Enzymhemmung kann also durch Erhöhung der Substratkonzentration aufgehoben werden.
▶
Klinik. Ein Beispiel hierfür ist Methotrexat, das u. a. in der Krebstherapie einge-
setzt wird. Es hemmt die Dihydrofolat-Reduktase kompetitiv. Dieses Enzym reduziert Dihydrofolat zu Tetrahydrofolat, das eine wichtige Rolle im Stoffwechsel der Nukleotide – und damit bei der DNA-Synthese – spielt (S. 416). Da Methotrexat mit Dihydrofolat um die Bindung an der Reduktase konkurriert, ist der Km-Wert des Enzyms in Gegenwart von Methotrexat erhöht (Abb. A 3.10). Die Tumorzellen bilden daraufhin weniger Tetrahydrofolat und ihr Wachstum wird gehemmt. In ihrer chemischen Struktur sind sich die kompetitiv wirkenden Inhibitoren und die natürlichen Liganden der jeweiligen Enzyme oft sehr ähnlich. Kompetitive Inhibitoren werden in der pharmazeutischen Industrie oft durch chemische Modifizierung der natürlichen Liganden entwickelt. Der chemisch modifizierte Ligand bindet dann zwar an das Enzym und kann den natürlichen Liganden aus der Bindestelle verdrängen, er ist aber nicht in der Lage, die normalerweise katalysierte Reaktion einzugehen.
31
A 3.2 Die Geschwindigkeit biochemischer Reaktionen
A-3.10
Beispiel einer kompetitiven Hemmung: Effekt des kompetitiven Inhibitors Methotrexat (MTX) auf die DihydrofolatReduktase (DHFR)
Geschwindigkeit der Dihydrofolatreduktion (in % der Maximalgeschwindigkeit) 100
1/v
ohne MTX
mit MTX mit MTX ohne MTX
50
MTX ist ein Derivat des natürlichen Substrates, der Dihydrofolsäure. a Darstellung im MichaelisMenten-Diagramm. b Darstellung im Lineweaver-Burke-Diagramm.
–1/Km1 0 a Km1
Km2
Dihydrofolatkonzentration
0 b
1/[S]
–1/Km2
Nicht kompetitive Hemmung und unkompetitive Hemmung: Die kompetitive Hemmung ist vergleichsweise klar definiert. Wegen ihrer großen Bedeutung in der Pharmakologie zählt sie zu den häufigsten Prüfungsthemen der Biochemie. Es gibt aber auch Inhibitoren, die nicht mit dem Substrat um die Bindung an die Substratbindestelle konkurrieren. Vielmehr unterdrücken sie die Aktivität des Enzyms, indem sie an eine Bindungsstelle außerhalb der Substratbindungsstelle binden. Die Hemmung kann dann durch höhere Substratkonzentrationen nicht mehr rückgängig gemacht werden, vmax ist erniedrigt, die Hemmung ist nicht kompetitiv. Leider ist die Terminologie für diese Situation in der Literatur nicht einheitlich. Mitunter wird jede Hemmung, die keine kompetitive Hemmung ist, pauschal als „nicht kompetitiv“ bezeichnet. Streng genommen gilt aber, dass eine reversible Enzymhemmung, die nicht kompetitiv ist, entweder „nicht kompetitiv“ oder „unkompetitiv“ sein kann: Nicht kompetitive Inhibitoren binden reversibel an eine Bindestelle außerhalb der Substratbindestelle. Sie können sowohl an das freie Enzym binden, als auch an einen bereits bestehenden Enzym-Substrat-Komplex. Unkompetitive Inhibitoren binden ebenfalls an eine Bindestelle außerhalb der Substratbindestelle. Die können sich aber nur an einen Enzym-Substrat-Komplex anlagern, nicht an ein freies Enzym. Eine unkompetitive Enzymhemmung ist sehr selten. Sofern keine kompetitive Hemmung gegeben ist, liegt in der Regel eine nicht kompetitive Hemmung vor.
▶ Merke.
Eine nicht kompetitive Hemmung liegt vor, wenn der Inhibitor reversibel außerhalb der Substratbindestelle an das Enzym bindet. Km ist dabei unverändert, vmax ist aber reduziert.
Traditionell gilt als klassisches Beispiel einer nicht kompetitiven Hemmung die Inaktivierung von Enzymen durch Schwermetallionen, z. B. durch Blei- oder Quecksilberionen. Die Schwermetallionen binden dabei an SH-Gruppen (Sulfhydryl-Gruppen) der Enzyme. Die Toxizität der Schwermetalle beruht wesentlich auf diesem Effekt (S. 724). Auch bei einer nicht kompetitiven Hemmung ist vmax erniedrigt, während Km unverändert ist. Es ist offensichtlich, dass die Schwermetalle im Gegensatz zu den typischen kompetitiven Hemmstoffen keinerlei Ähnlichkeit zu den natürlichen Enzymsubstraten haben. Es ist aber auch offensichtlich, dass die Hemmung durch Schwermetalle eine große Ähnlichkeit zu einer irreversiblen Hemmung hat. Im Gegensatz zu Inhibitoren wie dem Penicillin oder den Acetyl-Gruppen der Acetylsalicylsäure können sich Blei- und Quecksilberionen zwar nachträglich wieder von den Enzymen ablösen, die Affinität der Schwermetalle für die SH-Gruppen ist aber sehr hoch, und der Unterschied zwischen der irreversiblen Hemmung und der reversiblen nicht kompetitiven Hemmung ist somit – in diesem Fall – nur gering. Ein Hinweis auf eine unkompetitive Hemmung ergibt sich aus der Analyse der Enzymkinetik: Im typischen Fall sind Km und vmax um den gleichen Betrag vermin-
Bei einer nicht kompetitiven Hemmung ist Bindungsstelle des Hemmstoffs eine andere als die des Substrats. Durch Erhöhung der Substratkonzentration kann die Hemmung nicht aufgehoben werden (vmax↓).
Eine reversible Enzymhemmung, die nicht kompetitiv ist, kann „nicht kompetitiv“ oder „unkompetitiv“ sein.
▶ Merke.
Klassisches Beispiel einer nicht kompetitiven Hemmung ist die Inaktivierung von Enzymen durch Schwermetallionen.
32
A
3 Triebkraft und Geschwindigkeit biochemischer Reaktionen
dert. Im Lineweaver-Burk-Diagramm ergeben sich für unterschiedliche Hemmstoffkonzentrationen parallel verlaufende Graden.
▶ Merke.
▶ Merke. Bei der unkompetitiven Enzymhemmung bindet der Inhibitor spezifisch nur an den Enzym-Substrat-Komplex, nicht an das freie Enzym. Km und vmax sind um den gleichen Betrag vermindert. Allosterische Effekte
Allosterische Effekte
▶ Definition.
▶ Definition.
Allosterische Effekte äußern sich in einem Protein an einer anderen Stelle als an der Stelle, an der sie ausgelöst werden. Allosterische Effekte beruhen auf strukturellen Veränderungen eines Proteinmoleküls, die sich innerhalb des Moleküls über eine größere Distanz fortpflanzen. Derartige Effekte sind eine wichtige Voraussetzung für die Möglichkeit, die Eigenschaften von Proteinen zu modulieren. Insbesondere liegen sie wichtigen Mechanismen der Enzymregulation zugrunde. Außerhalb des katalytischen Zentrums enthalten viele Enzyme eine Bindestelle für einen Metaboliten, der die Aktivität des Enzyms als Aktivator stimuliert bzw. als Inhibitor hemmt. Dabei manifestiert sich die Wirkung des Effektors nicht dort, wo sie ausgelöst wurde (an der Bindestelle), sondern an einer anderen Stelle des Enzymmoleküls. Die Bindung eines Aktivators kann z. B. eine Erhöhung der maximalen Reaktionsgeschwindigkeit vermitteln (Abb. A 3.11 a). Allosterische Effekte können aber auch bei Proteinen auftreten, die keine Enzyme sind, und sie können unabhängig von zusätzlichen Effektoren auch vom Substrat selbst ausgelöst werden. Das berühmteste Beispiel für ein derartiges Protein ist das Hämoglobin, das in Erythrozyten in außerordentlich hoher Konzentration vorliegt und dem Sauerstofftransport im Blut dient. Bei niedrigen Sauerstoffkonzentrationen ist die Affinität des Hämoglobins zum O2 sehr gering. Bei höheren O2-Konzentrationen wird nicht nur mehr O2 gebunden, sondern es erhöht sich auch die Affinität, mit der das Hämoglobin das O2 bindet. Die Menge an gebundenem O2 steigt deshalb bei steigender O2-Konzentration nicht linear, sondern exponenziell, um schließlich zur Sättigung der Bindestellen zu führen. Es ergibt sich somit eine Sförmige Kurve (Abb. A 3.11 b). Der sigmoide Verlauf der O2-Bindungskurve lässt sich damit erklären, dass jedes Hämoglobinmolekül aus vier Untereinheiten besteht. Hämoglobin ist somit ein oligomeres Protein. Die Bindung eines O2 an eine der Untereinheiten erhöht über allosterische Effekte die O2-Affinität der übrigen drei Bindestellen, die Untereinheiten des Hämoglobins zeigen Kooperativität. Das O2bindende Protein Myoglobin hingegen, das in Skelett- und Herzmuskelzellen als O2-Reservespeicher bei ungenügendem O2-Angebot dient, liegt in den Zellen nur
Allosterische Effekte beruhen auf strukturellen Veränderungen eines Proteinmoleküls, die sich innerhalb des Moleküls über eine größere Distanz fortpflanzen.
Allosterische Effektoren (Aktivatoren bzw. Inhibitoren) von Enzymen binden außerhalb des katalytischen Zentrums. Ihre Wirkung, z. B. ein Anstieg von vmax (Abb. A 3.11 a), manifestiert sich anderswo am Enzym.
Allosterische Effekte können auch bei NichtEnzym-Proteinen auftreten und vom Substrat selbst ausgelöst werden, z. B. bei Hämoglobin, das dem Sauerstofftransport im Blut dient. Die O2-Bindungskurve des Hämoglobins zeigt einen sigmoiden Verlauf (Abb. A 3.11 b). Er beruht darauf, dass Hämoglobin ein oligomeres Protein (aus vier Untereinheiten) ist. Die Bindung eines O2 an eine der Untereinheiten erhöht über allosterische Effekte die O2-Affinität der übrigen Bindestellen, die Untereinheiten des Hämoglobins zeigen Kooperativität. Das O2-bindende monomere Protein Myoglobin dagegen zeigt eine einfache Zunahme der Sauerstoffbindung.
A-3.11
Allosterische Effekte 100
v
v Myoglobin
Sauerstoffbindung (%)
mit Aktivator mit Aktivator
ohne Aktivator
Hämoglobin
0
[S] a
ohne Effektor 50
b
10
20 30 40 O2-Druck ( pO2 in Torr)
mit Inhibitor
50
[S] c
a Steigerung der maximalen Reaktionsgeschwindigkeit durch einen allosterischen Aktivator (allosterische Regulation vom V-Typ). b O2-Bindungskurven von Hämoglobin und Myoglobin: Anders als bei Myoglobin wirkt O2 bei Hämoglobin als allosterischer Aktivator. Die Bindung von O2 an eine Hämoglobin-Untereinheit steigert die O2-Affinität der übrigen Untereinheiten. c Beeinflussung der Enzymaffinität durch allosterische Effektoren (allosterische Regulation vom K-Typ).
A 3.2 Die Geschwindigkeit biochemischer Reaktionen
monomer, also in Form einzelner Untereinheiten vor. Deshalb zeigt es bei steigenden O2-Konzentrationen keine Kooperativität, sondern lediglich eine einfache Zunahme der Sauerstoffbindung. Oft wird die Aktivität oligomerer Enzyme über natürliche Aktivatoren oder Inhibitoren an die aktuellen Bedürfnisse des Stoffwechsels angepasst. In der Abb. A 3.11 c ist gezeigt, wie sich dabei die Aktivität eines Enzyms oder Bindeproteins auch bei konstantem vmax verschieben kann. Da sich in diesem Fall der Km-Wert ändert, spricht man mitunter von einer allosterischen Regulation vom K-Typ. In Abb. A 3.11 a ist eine Erhöhung von vmax und damit eine allosterische Regulation vom V-Typ gezeigt. Als Gegenbegriff zur Allosterie hat man eine Isosterie definiert. Hemmt ein Reaktionsprodukt ein Enzym durch Bindung an das katalytische Zentrum, bezeichnet man dies als isosterische Hemmung. Andererseits kann man Enzyme, deren Aktivität von Effektoren gänzlich unabhängig ist, als isosterische Enzyme bezeichnen. Beide Begriffe werden aber nur selten verwendet.
33
Verändert der Effektor den Km-Wert, nicht aber vmax (Abb. A 3.11 c), spricht man von allosterischer Regulation vom K-Typ, im umgekehrten Fall von allosterischer Regulation vom V-Typ (Abb. A 3.11 a).
Gegenbegriff zur Allosterie ist Isosterie: Enzymhemmung durch Bindung an das katalytische Zentrum = isosterische Hemmung. Isosterische Enzyme sind von Effektoren gänzlich unabhängig.
A © PhotoDisc
4.1
4 Die molekulare Struktur der wichtigsten Nahrungsstoffe
Die molekulare Struktur der wichtigsten Nahrungsstoffe: Kohlenhydrate, Triacylglycerine und Aminosäuren
4
4.1 4.2 4.3 4.4
Kurzübersicht
Kohlenhydrate, Triacylglycerine und die in Proteinen enthaltenen Aminosäuren sind die Nahrungsbestandteile, aus denen die meisten Elektronen für den Betrieb der Atmungskette und damit für die ATP-Synthese gewonnen werden.
4.2
A
Kohlenhydrate
4.2.1 Chemie der Kohlenhydrate
▶ Definition.
A-4.1
Kurzübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kohlenhydrate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Triacylglycerine (TAG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aminosäuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Kurzübersicht
4.1
Die Energie des ATP, das von der mitochondrialen ATP-Synthase synthetisiert wird, stammt letztlich von den Elektronen, die in die Atmungskette eingespeist und dann auf Sauerstoff übertragen werden (S. 161). Als Quelle der Elektronen dienen im Wesentlichen drei Gruppen von Nahrungsstoffen: Kohlenhydrate Lipide, genauer: Triacylglycerine (Fette) Proteine bzw. ihre Bausteine, die Aminosäuren
Kohlenhydrate
4.2
4.2.1 Chemie der Kohlenhydrate ▶ Definition. Kohlenhydrate (Saccharide) sind definiert als organische Verbindungen, die folgende Bedingungen erfüllen (Abb. A 4.1): 1. Sie bestehen aus einer Kette von mindestens drei Kohlenstoffatomen. Je nach der Zahl der Kohlenstoffatome bezeichnet man das Kohlenhydrat als Triose, Tetrose, Pentose, Hexose oder Heptose. 2. Das Molekül enthält eine Carbonylgruppe (C = O), sodass sich eine Aldehyd- oder eine Ketogruppe ergibt. Entsprechend unterteilt man die Kohlenhydrate in Aldosen und Ketosen. 3. Alle übrigen Kohlenstoffatome sind mit einer OH-Gruppe sowie mit einem Wasserstoffatom verbunden, sodass sich eine H-C-OH-Gruppe ergibt. Zufällig entsprechen dabei die beiden mit dem C-Atom verbundenen H-Atome zusammen mit dem OAtom einem Wassermolekül, H2O, woraus sich der Name „Kohlenhydrate“ erklärt.
A-4.1
Grundstruktur der Kohlenhydrate am Beispiel von (D-)Glycerinaldehyd und Dihydroxyaceton H
O C
H C OH CH2OH D-Glycerinaldehyd
Monosaccharide
▶ Definition.
34 34 44 50
CH2OH C O CH2OH Dihydroxyaceton
Monosaccharide
▶ Definition.
Monosaccharide sind die einfachsten Kohlenhydrate. Im Gegensatz zu den Oligo- und Polysacchariden (S. 39) können sie durch Hydrolyse in Gegenwart von Säuren nicht in kleinere Kohlenhydrate gespalten werden.
A
35
4.2 Kohlenhydrate
Struktur und Eigenschaften
Struktur und Eigenschaften
Die beiden einfachsten Monosaccharide sind D-Glycerinaldehyd und Dihydroxyaceton (Abb. A 4.1). Beide leiten sich vom Glycerin ab. Da Glycerin keine Carbonylgruppe enthält, zählt es nicht zu den Kohlenhydraten, sondern zu den Alkoholen. Im Glycerinaldehyd ist das zentrale Kohlenstoffatom von vier unterschiedlichen Substituenten umgeben. Das zentrale Kohlenstoffatom ist somit „asymmetrisch“ und bildet ein „chirales Zentrum“. Wie alle chiralen Moleküle ist auch Glycerinaldehyd optisch aktiv: Wenn eine Lösung von Glycerinaldehyd mit linear polarisiertem Licht durchstrahlt wird, dreht das Glycerinaldehyd die Schwingungsebene des Lichts. Die vier Bindungen eines Kohlenstoffatoms liegen nicht in einer Ebene, sondern befinden sich im dreidimensionalen Raum in größtmöglichem Abstand zueinander, sie bilden eine tetraedrische Struktur. Hält man ein räumliches Modell des Glycerinaldehydmoleküls in der Hand, kann man es so drehen, dass die nach oben gehaltene Aldehydgruppe und die am unteren Ende liegende CH2OH-Gruppe schräg nach hinten zeigen. Dabei werden das Wasserstoffatom und die OH-Gruppe des asymmetrischen Kohlenstoffatoms schräg nach vorne zeigen. Offenbar gibt es jetzt zwei Möglichkeiten: Die OH-Gruppe des asymmetrischen Kohlenstoffatoms kann nach links zeigen (L-Glycerinaldehyd; laevus, lat. links) oder nach rechts (D-Glycerinaldehyd; dexter, lat. rechts) (Abb. A 4.2). Beide Formen unterscheiden sich wie die linke und die rechte Hand, weshalb man derartige Phänomene in der Chemie als Chiralität bezeichnet (von gr. cheir, Hand, vgl. Chirurgie, Handarbeit).
Die beiden einfachsten Kohlenhydrate zeigt Abb. A 4.1. Beide leiten sich vom Glycerin ab.
A-4.2
D- und L-Glycerinaldehyd H
O C
H C OH CH2OH D-Glycerinaldehyd
Die vier Bindungen eines Kohlenstoffatoms bilden eine tetraedrische Struktur. Die OHGruppe des asymmetrischen Kohlenstoffatoms von Glycerinaldehyd kann nach links zeigen (L-Glycerinaldehyd) oder nach rechts (D-Glycerinaldehyd) (Abb. A 4.2). Die beiden Formen des Glycerinaldehyds unterscheiden sich wie linke und rechte Hand, d. h. sie zeigen Chiralität.
A-4.2
H
O C
HO C H CH2OH L-Glycerinaldehyd
▶ Merke.
Ein Molekül ist chiral, wenn es nicht mit seinem Spiegelbild zur Deckung gebracht werden kann. Es besitzt weder ein Symmetriezentrum noch eine Spiegelebene.
Die Definition von D- und L-Konfigurationen geht auf den Chemiker Emil Fischer (1852 – 1919) zurück (S. 38). In Bezug auf Zucker und Aminosäuren wird in der Biochemie auch heute noch weitgehend mit seinen Begriffen gearbeitet. In der Organischen Chemie wird generell ein neueres System verwendet, die R/S-Nomenklatur nach Cahn-Ingold-Prelog. Die entsprechenden Nomenklaturregeln wurden 1956 veröffentlicht. Eine Reihe weiterer Begriffe ist wichtig, um die räumliche Struktur insbesondere der Zucker und Aminosäuren präzise beschreiben zu können:
▶ Definition.
Das zentrale Kohlenstoffatom des Glycerinaldehyds hat vier unterschiedliche Substituenten. Es ist somit „asymmetrisch“ und bildet ein „chirales Zentrum“. Glycerinaldehyd ist deshalb optisch aktiv.
Isomere sind Verbindungen mit gleicher Summenformel, aber unterschiedlicher Struktur. Man unterscheidet Konstitutionsisomere und Stereoisomere: Konstitutionsisomere enthalten dieselben Atome, unterscheiden sich jedoch in deren Verknüpfung. Sie enthalten also unterschiedliche chemische Gruppen. Dadurch sind auch die chemischen und physikalischen Eigenschaften der Konstitutionsisomere unterschiedlich. Beispiele sind Glycerinaldehyd und Dihydroxyaceton (Abb. A 4.1) sowie Ethanol (C2H5OH) und Dimethylether (H3C-O-CH3) Stereoisomere enthalten die gleichen chemischen Gruppen und zeigen dementsprechend auch weitgehend die gleichen chemischen Eigenschaften. Sie unterscheiden sich aber in der Anordnung der chemischen Gruppen im Raum. Bei den Kohlenhydraten ist die Zahl der möglichen Stereoisomere umso größer, je mehr Kohlenstoffatome sie enthalten. Bei Kohlenhydraten, die mehr als drei Kohlenstoffatome enthalten, bezieht sich die D/L-Nomenklatur ausschließlich auf das asymmetrische Kohlenstoffatom, das von der Carbonylgruppe am weitesten entfernt ist: Zeigt die OH-Gruppe an diesem C-Atom nach rechts, liegt die D-Konfiguration, zeigt sie nach links, liegt die L-Konfiguration vor.
▶ Merke.
Die D/L-Nomenklatur geht auf den Chemiker Emil Fischer zurück. In der organischen Chemie wird heute weitgehend die R/S-Nomenklatur von Cahn, Ingold und Prelog verwendet.
▶ Definition.
36
A
4 Die molekulare Struktur der wichtigsten Nahrungsstoffe
Allgemein bezeichnet man ein Kohlenstoffatom als asymmetrisch substituiert, wenn es von vier unterschiedlichen Atomen oder Atomgruppen umgeben ist. Unter den Stereoisomeren kann man verschiedene Typen unterscheiden: – Enantiomere sind Stereoisomere, deren räumliche Anordnung sich wie Bild und Spiegelbild unterscheidet (Abb. A 4.2). Die Spiegelbildlichkeit betrifft das gesamte Molekül, ggf. sämtliche asymmetrischen Kohlenstoffatome. (Ein Beispiel ist mit der Aminosäure Alanin gegeben, die im Prinzip in Form zweier unterschiedlicher Enantiomere vorliegen kann, nämlich als L-Alanin oder als D-Alanin. In der Natur kommt aber nahezu ausschließlich die L-Form vor. Das Alanin der Proteine ist immer L-Alanin.) – Ein Racemat ist eine 1:1-Mischung von Enantiomeren. In vielen Bakterien gibt es eine Racemase, die L-Alanin in D-Alanin umwandelt. Dabei entsteht ein Racemat. Das D-Alanin wird dann zur Zellwandsynthese (zur Bildung des Mureins), das LAlanin bei der Synthese der Proteine verwendet. – Diastereomere sind Stereoisomere, die mehrere asymmetrische Kohlenstoffatome enthalten, sich aber nur in der räumlichen Anordnung der Bindungspartner eines oder einiger der asymmetrischen Kohlenstoffatome unterscheiden. Ein klassisches Beispiel ist mit den Zuckern Glucose und Galaktose gegeben. – Epimere sind Diastereomere, die sich in der räumlichen Anordnung der Bindungspartner eines asymmetrischen Kohlenstoffatoms unterscheiden, z. B. Glucose und Galaktose. Der Begriff wird heute nur noch in der Chemie der Zucker verwendet. – Konformere unterscheiden sich lediglich in ihrer Konformation, also in der Orientierung von Molekülteilen zueinander, die sich durch Drehung um eine Einfachbindung ergibt. (Wenn eine Polypeptidkette eine α-Helix [S. 65] bildet, nimmt sie damit eine definierte Konformation ein. Wenn die Polypeptidkette ihre α-helikale Struktur verliert, ändert sich damit ihre Konformation. Die Konfiguration der einzelnen Aminosäuren – ihre L-Konfiguration – bleibt dabei normalerweise erhalten.) – Konfigurationsisomere lassen sich nicht durch Drehung um Einfachbindungen ineinander überführen. Unterschiedliche Konfigurationen zeigen z. B. L-Glycerinaldehyd und D-Glycerinaldehyd (Abb. A 4.2) oder L- und D-Aminosäuren (Abb. A 4.21). Abb. A 4.3 zeigt die wichtigsten Hexosen: Glucose und Fructose. Die Fructose, die in der Samenflüssigkeit enthalten ist, wird im Stoffwechsel gebildet, indem zunächst Glucose zu Sorbit reduziert und dieses anschließend zu Fructose oxidiert wird.
▶ Merke.
In Abb. A 4.3 sind die beiden wichtigsten Hexosen gezeigt, Glucose und Fructose. Das von der Carbonylgruppe am weitesten entfernte asymmetrische Kohlenstoffatom dieser Kohlenhydrate ist das C-Atom Nummer 5. Da seine Hydroxylgruppe in der gezeigten Projektion analog zum D-Glycerinaldehyd nach rechts zeigt, handelt es sich in beiden Fällen um die D-Form. Der entsprechende Zuckeralkohol, das Sorbit (engl. sorbitol), ist in manchen Früchten enthalten, z. B. in der Vogelbeere, Sorbus aucuparia, sowie als Süßstoff im Kaugummi. Die Fructose, die in der Samenflüssigkeit enthalten ist, wird im menschlichen Stoffwechsel gebildet, indem zunächst Glucose zu Sorbit reduziert und dieses anschließend zu Fructose oxidiert wird.
▶ Merke.
Fast alle biochemisch relevanten Kohlenhydrate zeigen die D-Konfigu-
ration.
A-4.3
A-4.3
O H HO
D-Glucose, D-Fructose und Sorbit
H C1 C 2 OH C3 H
1
1
CH2OH H HO
CH2OH
C 2 OH C3 H
C HO
2
O
C3 H
H
C 4 OH
H
C 4 OH
H
C 4 OH
H
C 5 OH
H
C 5 OH
H
C 5 OH
CH2OH 6
D-Glucose (eine Aldose)
CH2OH 6
Sorbit (ein Zuckeralkohol)
CH2OH 6
D-Fructose (eine Ketose)
A
Der Ringschluss bei Glucose (a) und bei Fructose (b)
A-4.4
O
H
CH2OH
C1 H
C
OH
CH2OH C H OH C
OH
H
OH
HO
C
H
H
H
C
OH
C
H
C
HO
OH
CH2OH a
H
C
CH2OH O
H
H C 1
C
O
H OH
H
H
OH
H
O
HOH2C
C
H
H
C
OH
C
H
C
OH
H
OH
HO
2
HO
1
α-D-Glucopyranose
D-Glucose
CH2OH b
▶ Definition. Bei der Reaktion einer Aldehydgruppe mit einem Alkohol entsteht ein Halbacetal, bei der Reaktion einer Ketogruppe mit einem Alkohol ein Halbketal. Auf diese Weise können ringförmige Moleküle entstehen, in denen zwei Kohlenstoffatome durch ein Sauerstoffatom überbrückt sind (Abb. A 4.4). Man unterscheidet folgende Formen: Pyranose = Sechsring (wie bei Glucose) Furanose = Fünfring (wie bei Fructose) Das Kohlenstoffatom 1 der Glucose und das Kohlenstoffatom 2 der Fructose gehören in der offenkettigen Molekülform zur Aldehyd- bzw. Ketogruppe und bilden somit kein chirales Zentrum. Das ändert sich aber beim Ringschluss, denn dadurch werden beide asymmetrisch.
▶ Definition.
Zeigt die OH-Gruppe, die sich beim Ringschluss am asymmetrischen Kohlenstoffatom 1 der Pyranose bzw. Kohlenstoffatom 2 der Furanose bildet (sog. halbacetalische OH-Gruppe), in der Haworth-Projektion (Darstellung der Kohlenhydrate in Form geschlossener Ringe, Abb. A 4.4) nach unten, liegt die α-Konfiguration vor, zeigt die OH-Gruppe nach oben, handelt es sich um die β-Konfiguration (Abb. A 4.5). Die beiden Konfigurationstypen heißen Anomere, das asymmetrische Kohlenstoffatom anomeres C-Atom. In wässriger Lösung findet ein ständiger Wechsel zwischen beiden Anomeren statt, der als Mutarotation bezeichnet wird. Wird Glucose in Wasser gelöst, bleibt die D-Konfiguration zwar stabil, die α- und βKonfigurationen gehen aber ineinander über, und es stellt sich ein Gleichgewicht von 36 % α- zu 64 % β-D-Glucose ein. Der Anteil der Moleküle, die sich gerade im offenkettigen Zustand befinden und somit auch die in Abb. A 4.3 gezeigte Aldehydgruppe zeigen, liegt dabei unter 0,1 %.
α- und β-Konfiguration der Glucose (links) und der Fructose (rechts)
CH2OH O
H H OH
CH2OH H
H OH
H
HO
O
H
OH
α-D-Glucose
H H
OH
β-D-Glucose
CH2OH HOH2C
O H
H
OH HO H
HOH2C OH
HO
HO
H
α-D-Fructose
Die OH-Gruppe am anomeren C-Atom ist rot hervorgehoben.
OH
O H
OH
H
OH H
HO
C
C
HO
H
CH2OH
HO CH2OH
H HO
H
β-D-Fructose
HOH2C
C 2
O
CH2OH
O H
HO
H HO
2
OH H
α-D-Fructofuranose
D-Fructose
Sowohl Glucose als auch Fructose liegen in wässriger Lösung nur zu einem sehr geringen Teil in Form offener Ketten vor. Die jeweilige Carbonylgruppe reagiert nämlich sehr leicht mit der OH-Gruppe des vorletzten Kohlenstoffatoms (also mit der OH-Gruppe, die für die D/L-Nomenklatur ausschlaggebend ist). Im Falle einer Aldose (z. B. Glucose) entsteht dabei ein intramolekulares Halbacetal, im Falle einer Ketose (z. B. Fructose) ein intramolekulares Halbketal.
A-4.5
37
4.2 Kohlenhydrate
Glucose und Fructose liegen in wässriger Lösung kaum in Form offener Ketten vor, da die jeweilige Carbonylgruppe sehr leicht mit der OH-Gruppe des vorletzten Kohlenstoffatoms reagiert.
▶ Definition.
Das C-Atom 1 der Glucose und das C-Atom 2 der Fructose werden durch den Ringschluss asymmetrisch.
▶ Definition.
In wässriger Lösung liegen Glucosemoleküle nach Einstellung des Gleichgewichts zu >99,9 % in Ringform vor, davon 36 % in α-D-, 64 % in β-D-Konfiguration.
A-4.5
38
A
4 Die molekulare Struktur der wichtigsten Nahrungsstoffe
A-4.6
A-4.6
O
Die Epimere D-Galaktose, D-Glucose und D-Mannose O
H
H
C
H
HO
C4 H
H H
H
C
OH
HO
C
HO H
OH
C
CH2OH
▶ Definition.
In Ringform nimmt Glucose (wie auch viele andere Kohlenhydrate) vorwiegend die Sesselform (Abb. A 4.7) ein, da die Bindungen und OH-Gruppen sich hier im Raum energetisch optimal gruppieren.
In der Sesselform zeigen die OH-Gruppen nach Möglichkeit seitlich nach außen (äquatoriale Stellung, Abb. A 4.7 links). Dies ist energetisch günstiger als die axiale Stellung (senkrecht zur Ringebene, Abb. A 4.7 rechts).
O
Die OH-Gruppen der Hexosen, deren Stellung im Raum sich unterscheidet, sind farbig hervorgehoben.
H C
OH
HO
C2 H
C
H
HO
C
H
C
OH
H
C
OH
C
OH
H
C
OH
CH2OH
D-Galaktose (epimer zu Glucose in Position 4)
Die Mutarotation der Diastereomere α- und β-D-Glucose ist durch kurzzeitige Ringöffnung am anomeren C-Atom bedingt. Der restliche Ring ist stabil.
H C
C
D-Glucose
CH2OH D-Mannose (epimer zu Glucose in Position 2)
Die Anomere α-D-Glucose und β-D-Glucose sind zwei Diastereomere, die sich nur deshalb so leicht ineinander umwandeln, weil sich der Ring am anomeren C-Atom kurzzeitig öffnen und beim erneuten Ringschluss sich die Konfiguration der OHGruppe ändern kann. In allen anderen Positionen ist der Ring hingegen stabil, und damit auch die Stellung der OH-Gruppen fixiert.
▶ Definition.
Hexosen, die sich lediglich in der Stellung einer OH-Gruppe der asymmetrischen C-Atome unterscheiden, sind Diastereomere, die als Epimere bezeichnet werden. So sind z. B. Galaktose, Glucose und Mannose Epimere (Abb. A 4.6). Auch anomere Verbindungen wie α- und β-D-Glucose sind Epimere. Während es sich beim asymmetrischen C-Atom, der Chiralität, den Diastereomeren und den Epimeren um Begriffe der allgemeinen organischen Chemie handelt, spricht man von Anomeren speziell in der Chemie der Kohlenhydrate. In Ringform vorliegende Glucosemoleküle nehmen überwiegend die sog. Sesselform ein (Abb. A 4.7), denn hier sind die Abstoßungskräfte zwischen den verschiedenen chemischen Gruppen der Glucosemoleküle vergleichsweise gering. Zudem ist zu bedenken, dass die vier Bindungen der Kohlenstoffatome aufgrund ihrer tetraedrischen Anordnung nicht beliebige Winkel bilden können. Die Sesselform erlaubt den Bindungen und den OH-Gruppen, sich im Raum energetisch optimal zu gruppieren. Auch für viele andere Kohlenhydrate ist die Sesselform energetisch am günstigsten. In der Sesselform zeigen die OH-Gruppen nach Möglichkeit seitlich nach außen, um Wechselwirkungen innerhalb des Moleküls zu vermeiden. Diese Stellung der OHGruppen wird als äquatorial bezeichnet (Abb. A 4.7 links). In der α-D-Glucose kann nur die OH-Gruppe des anomeren C-Atoms (mit der Nummer 1) keine äquatoriale Stellung einnehmen, seine Stellung ist axial, d. h. senkrecht zur Ringebene (Abb. A 4.7 rechts). In der β-D-Glucose können hingegen sämtliche OH-Gruppen eine äquatoriale Position einnehmen. Dieser Zustand ist energetisch am günstigsten, weshalb die β-Form im chemischen Gleichgewicht der Glucose überwiegt.
Fischer-Projektion und Haworth-Projektion
Fischer-Projektion und Haworth-Projektion
Die Darstellung der Kohlenhydratmoleküle in der gestreckten Form (Abb. A 4.3) entspricht der Fischer-Projektion.
Die Darstellung der Kohlenhydratmoleküle in der gestreckten Form entspricht der Fischer-Projektion. Sie geht auf den deutschen Chemiker Emil Hermann Fischer
A-4.7
A-4.7
Sesselform der β-D-Glucose und der α-D-Glucose
H
H CH2OH
HO
O
CH2OH
HO
H
H H HO
H HO
H
O
1
OH
H
β-D-Glucose äquatoriale Stellung der OH-Gruppe in Pos. 1
HO
HO H
1
H
OH
α-D-Glucose axiale Stellung der OH-Gruppe in Pos. 1
Die OH-Gruppe des anomeren C-Atoms ist jeweils farbig hervorgehoben.
A
39
4.2 Kohlenhydrate
(1852 – 1919) zurück. Er beschäftigte sich nicht nur mit Kohlenhydraten, sondern auch mit Aminosäuren und Proteinen und erkannte dabei die große Bedeutung der Stereochemie für die Struktur der Biomoleküle (Nobelpreis 1902). In der FischerProjektion wird die Hauptkette des jeweiligen Moleküls vertikal gezeichnet, das höher oxidierte Ende zeigt nach oben. Die Kohlenstoffatome werden dann von oben nach unten durchnummeriert (Abb. A 4.3). Die Darstellung der Kohlenhydrate in der Form geschlossener Ringe (Abb. A 4.4) ist die Haworth-Projektion, entwickelt von dem englischen Chemiker Sir Walter Norman Haworth (1883 – 1950, Nobelpreis 1937; das a in seinem Namen wird wie das a im Deutschen ausgesprochen.)
Die Darstellung der Kohlenhydrate in Form geschlossener Ringe (Abb. A 4.4) ist die Haworth-Projektion.
Di-, Oligo- und Polysaccharide
Di-, Oligo- und Polysaccharide
▶ Definition.
▶ Definition.
Ein Disaccharid entsteht durch kovalente Verknüpfung zweier Monosaccharide. In einem Trisaccharid sind drei, in Oligosacchariden 4 – 10, in Polysacchariden mehr als 10 Monosaccharide kovalent miteinander verbunden. Ein Disaccharid ist z. B. der gewöhnliche Rohrzucker (Saccharose), der in allen Süßigkeiten enthalten ist. Seine Monomere sind Glucose und Fructose. Die bekanntesten Polysaccharide sind Stärke und Glykogen. Bei der Verdauung werden sie zunächst zu Oligosacchariden und schließlich zu Monosacchariden abgebaut. Die Monosaccharidbausteine (Monomere) der Di-, Tri-, Oligo- und Polysaccharide sind durch glykosidische Bindungen miteinander verknüpft.
Ein Disaccharid ist z. B. Rohrzucker (Saccharose). Die bekanntesten Polysaccharide sind Stärke und Glykogen.
Die glykosidische Bindung
Die glykosidische Bindung
▶ Definition.
▶ Definition.
Unter einer glykosidischen Bindung versteht man die Bindung eines Kohlenhydrats, die dieses über sein anomeres C-Atom zu einer weiteren chemischen Gruppe ausbildet. Im Glykogen z. B. bildet der Sauerstoff (O) des asymmetrischen C-Atoms eines Glucosemonomers eine Brücke zum benachbarten Glucosemonomer. Damit liegt eine O-glykosidische Bindung vor (Abb. A 4.8). Im ATP-Molekül dagegen ist das anomere C-Atom der Ribose mit einem Stickstoffatom (N) des Adenins verbunden. Hier liegt somit eine N-glykosidische Bindung vor. Bei einer N-glykosidischen Bindung ist die OH-Gruppe des anomeren C-Atoms durch den Stickstoff der hinzugekommenen chemischen Gruppe ersetzt worden (Abb. A 4.8). A-4.8
Bildet der Sauerstoff (O) dieses C-Atoms die Brücke, liegt eine O-glykosidische Bindung vor (Abb. A 4.8). Bei der N-glykosidischen Bindung hat ein Stickstoff der hinzugekommenen chemischen Gruppe die OH-Gruppe des anomeren CAtoms ersetzt (Abb. A 4.8).
O- und N-glykosidische Bindung am Beispiel von Glykogen und ATP NH2 O-glykosidische Bindungen CH2OH O
H H OH
H
H
OH
O
CH2OH H
O
H H OH
H
H
OH
O
H
O
H H OH
H
H
OH
O
N
N
CH2OH O–
O
H –
O
O
P
O
O–
Glykogen
P
O O
O
P
O
O–
H H
ATP
N
N O
CH2
HO
N-glykosidische Bindung H H OH
Glykogen
Glykogen
Glykogen ist als Speicherform der Glucose das wichtigste Polysaccharid des Körpers. Es bildet baumartige Strukturen, die so groß werden können, dass sie elektronenmikroskopisch als kleine Körnchen im Zytosol nachzuweisen sind (Abb. A 1.6 auf S. 7). Sie enthalten dann bis zu 50 000 Glucosemonomere. Im Wesentlichen sind die Glucoseeinheiten im Glykogen α1 → 4-glykosidisch miteinander verbunden. Im Glykogen entsteht die α1 → 4-glykosidische Bindung formal dadurch, dass die halbacetalische OH-Gruppe (des anomeren C-Atoms in Position 1) unter Abspaltung von Wasser mit der OH-Gruppe des benachbarten Glucosemonomers in Position 4 reagiert. In der üblichen Haworth-Projektion zeigt das Sauerstoffatom der glykosi-
Glykogen, die Speicherform der Glucose im Körper, bildet baumartige Strukturen aus bis zu 50 000 Glucosemonomeren. Diese sind vor allem α1→4-glykosidisch verknüpft. Die α1→4-glykosidische Bindung entsteht, indem die OH-Gruppe des C 1 eines Glucosemonomers mit der OH-Gruppe von C 4 des
40
A
A-4.9
4 Die molekulare Struktur der wichtigsten Nahrungsstoffe
Ausschnitt aus einem Glykogenmolekül mit Verzweigungsstelle
A-4.9
CH2OH O
H H OH
CH2OH H
O
H
H
O
H OH
H
H
OH
H O
O H
OH
α-1,4-Bindung
CH2OH O
H H OH
Etwa jedes 10. Monomer trägt über eine α1→6-glykosidische Bindung (Abb. A 4.9) einen Seitenzweig. In der Kette eines Polysaccharids wird das Ende, das ein anomeres C-Atom exponiert, als das reduzierende Ende bezeichnet.
Glykogen kann an den reduzierenden Enden nicht abgebaut werden. Durch die enorme Zahl der Zweige gibt es aber viele nicht reduzierende Enden, an denen Monomere abgespalten werden können.
H
O
H H OH
OH
H
O
H H OH
H
H
OH
H
H
O
O H
benachbarten Monomers unter Abspaltung von H2O reagiert (Abb. A 4.8 links).
CH2OH
CH2
H
O
α-1,6-Bindung
O H
OH
dischen Bindung nach unten. Diese Orientierung entspricht der Stellung der entsprechenden OH-Gruppe am anomeren C-Atom in der α-D-Glucose (Abb. A 4.8). Im Abstand von jeweils ca. 10 Glucosemonomeren zeigt das Glykogen Seitenzweige. Diese sind über eine glykosidische Bindung mit der OH-Gruppe eines C-Atoms der Position 6 verbunden. Die Verzweigungsstellen des Glykogenmoleküls zeigen somit eine α1 → 6-glykosidische Bindung (Abb. A 4.9). Ringförmig vorliegende Aldosen, deren anomeres C-Atom nicht durch glykosidische Bindungen fixiert ist, zeigen in den kurzen Zeiten, in denen am anomeren C-Atom der Ring geöffnet und eine Aldehydgruppe exponiert ist, reduzierende Eigenschaften. In der Kette eines Polysaccharids wird das Ende, das ein anomeres C-Atom exponiert, deshalb als das reduzierende Ende bezeichnet. Da sämtliche Zweige eines Glykogenmoleküls über das anomere C-Atom ihres jeweils ersten Glucosemonomers an den jeweiligen „Ast“ des Glykogenbäumchens anknüpfen, stehen diese Enden der Glucoseketten für eine Abspaltung von Glucosemonomeren nicht zur Verfügung. Durch die enorme Vielzahl der Seitenketten exponiert jedes Glykogenmolekül aber eine entsprechend große Zahl an nicht reduzierenden Enden, an denen Glucosemonomere abgespalten werden können.
Stärke
Stärke
Stärke besteht wie Glykogen aus Glucosemonomeren, wird aber von Pflanzen gebildet und ist das wichtigste Kohlenhydrat der Nahrung.
Stärke ist ein Polysaccharid, das dem Glykogen chemisch sehr ähnlich ist. Es besteht im Wesentlichen aus α1 → 4-glykosidisch verbundenen Glucosemonomeren. Stärke wird allerdings nicht von Menschen und Tieren gebildet, sondern von Pflanzen. Es ist der wichtigste Bestandteil der Getreidekörner, der Kartoffelknollen und vieler Früchte und somit auch das wichtigste Kohlenhydrat der Nahrung. Stärke besteht aus zwei Komponenten: 1. Amylose stellt ca. 25 % der Stärke. Sie besteht aus unverzweigten helikalen Ketten von etwa 250 α1→4-glykosidisch miteinander verbundenen Glucosemonomeren. 2. Amylopektin stellt ca. 75 % der Stärke. Es enthält Verzweigungen. An den Verzweigungsstellen finden sich wie im Glykogen α1→6-glykosidische Bindungen. Allerdings findet man Verzweigungen in Stärke nur im Abstand von etwa 25 Glucoseeinheiten. Die pflanzliche Stärke ist also weniger verzweigt als das tierische Glykogen.
Stärke besteht aus 1. der linear aufgebauten Amylose und 2. dem verzweigten Amylopektin. Die Zahl der Verzweigungen ist geringer als im Glykogen.
Cellulose
Cellulose
Cellulose ist der Hauptbestandteil der Zellwand pflanzlicher Zellen und des Holzes.
Cellulose ist der Hauptbestandteil der Zellwand pflanzlicher Zellen und des Holzes. Nach manchen Abschätzungen liegt etwa die Hälfe des gesamten organisch gebundenen Kohlenstoffs auf der Erde als Cellulose vor. Cellulose ist wie Glykogen und Stärke ein Polymer der Glucose, Jedoch sind die Glucosemonomere in der Cellulose nicht durch α1→4-, sondern durch β1→4-glykosidische Bindungen verknüpft. Ca. 10 000 Glucosemonomere bilden jeweils eine lange unverzweigte Kette. Indem sich etwa 150 derartige Polymere parallel aneinander lagern, entstehen die Cellulose-Mikrofibrillen, aus denen das Holz aufgebaut ist. Da die Verdauungsenzyme des Menschen β1→4-glykosidisch verknüpfte Glucose nicht spalten können, ist Cellulose für den Menschen nur ein Ballaststoff. Rinder u. a.
Im Gegensatz zu Glykogen und Stärke sind in diesem Glucosepolymer die Monomere durch β1→4-glykosidische Bindungen verknüpft und das Polymer ist unverzweigt.
Da die Verdauungsenzyme des Menschen β1→4-glykosidisch verknüpfte Glucose nicht
A
41
4.2 Kohlenhydrate
Wiederkäuer können Cellulose teilweise verdauen, da sie in ihrem Pansen Bakterien enthalten, die Cellulasen produzieren. Holzfressende Insekten, wie z. B. Bockkäferlarven und Termiten, enthalten in ihrem Verdauungstrakt Cellulasen, die sie z. T. selber produzieren, z. T. aber ebenfalls von bakteriellen Symbionten gestellt bekommen.
spalten können, ist Cellulose für den Menschen nur ein Ballaststoff.
Oligofructose
Oligofructose
In den Geweben des Menschen werden Kohlenhydrate in größerem Umfang ausschließlich in Form von Glykogen gespeichert, also in Form eines Glucose-Polymers. Pflanzen haben hingegen zwei Möglichkeiten, Kohlenhydrate für ihren Energiestoffwechsel zu speichern: Pflanzen speichern Polymere der Glucose in Form von (unlöslichen) Stärkekörnern in spezialisierten Zellorganellen aus der Gruppe der Plastiden. Zu den Plastiden zählen auch die Chloroplasten, sie sind in der Frühzeit der Evolution wahrscheinlich aus Verwandten der Cyanobakterien entstanden. Pflanzen speichern unverzweigte Polymere der Fructose in Form von löslicher Oligofructose (Polyfructosen, Fructane) in ihren Vakuolen. Die Vakuolen der Pflanzen entsprechen in vielerlei Hinsicht den Lysosomen der Tiere und des Menschen. Pflanzenzellen enthalten oft eine große zentrale Vakuole, die mehr als 90 % des gesamten Zellvolumens in Anspruch nimmt. Große Mengen an Oligofructose sind z. B. in den Vakuolen der Zwiebeln enthalten. Ähnlich der Cellulose kann auch die Oligofructose der pflanzlichen Nahrung im Darm des Menschen nicht verdaut werden, sie ist ebenfalls ein Ballaststoff. Als gut lösliches Kohlenhydrat wird die Oligofructose allerdings weitgehend von Darmbakterien verwertet. Die Bakterien geben daraufhin erhebliche Mengen an kurzkettigen Fettsäuren ab (überwiegend Acetat, aber auch Propionat und Butyrat), die dann von den Enterozyten aufgenommen und in den eigenen Energiestoffwechsel einbezogen werden. Eine pflanzliche Oligofructose ist das Inulin, das bis zu 50 Fructose-Einheiten enthalten kann. Inulin wird in der Klinik zur Bestimmung der glomerulären Filtrationsrate (GFR) eingesetzt. Die Substanz wird den Patienten injiziert und anschießend gemessen, in welchem Umfang es im Urin erscheint. Da Inulin in den Geweben des Menschen enzymatisch nicht abgebaut werden kann, geben die Daten einen unmittelbaren Hinweis auf die Filtrationsleistung der Niere.
Pflanzen speichern polymere Glucose in Form von Stärkekörnern in Plastiden und polymere Fructose in Form von löslicher Oligofructose in ihren Vakuolen.
Heparin
Heparin
Das Polysaccharid Heparin besteht wie die Kohlenhydratanteile der Proteoglykane aus sich wiederholenden Disaccharideinheiten. Diese setzen sich jeweils zusammen aus einem Derivat der Glucuronsäure oder Iduronsäure (mit einer Carboxylgruppe in Position 6) und einem Derivat des Glucosamins (mit einem Stickstoffatom in Position 2). Iduronsäure ist in Position 5 epimer zur (häufigeren) Glucuronsäure. In unregelmäßigen Abständen befinden sich in verschiedenen Positionen Sulfatgruppen (Abb. A 4.11 c). Heparin ist als Hemmstoff der Blutgerinnung von Bedeutung: Es bindet an das Protein Antithrombin, das daraufhin an entscheidende Komponenten der Blutgerinnungskaskade bindet und diese inaktiviert (S. 711).
Heparin besteht aus repetitiven Disaccharideinheiten aus Schwefelsäureestern der Glucuronsäure oder Iduronsäure und Glucosamin-N-Schwefelsäure (Abb. A 4.11 c). Heparin hemmt die Blutgerinnung.
Verbindungen von Kohlenhydraten mit Peptiden und Proteinen
Oligofructose ist ein löslicher Ballaststoff, der im Darm von Bakterien zur Energiegewinnung genutzt wird. Dabei entstehen kurzkettige Fettsäuren, die von der Darmschleimhaut zur Energiegewinnung genutzt werden.
Eine pflanzliche Oligofructose ist das Inulin, das in der Klinik zur Bestimmung der glomerulären Filtrationsrate (GFR) eingesetzt wird.
Verbindungen von Kohlenhydraten mit Peptiden und Proteinen
Hierunter fallen das bakterielle Peptidoglykan Murein, die Glykoproteine und die Proteoglykane.
▶ Definition.
▶ Definition.
Glykoproteine sind Proteine mit einem Kohlenhydratanteil, der kleiner ist als der Proteinanteil. Proteoglykane sind Proteine mit einem Kohlenhydratanteil, der größer ist als der Proteinanteil. „Glykan“ ist ein alternatives, aber nur selten verwendetes Wort für „Polysaccharid“. Glykosylierung ist die Verknüpfung eines Proteins mit einem Kohlenhydratanteil.
Das Peptidoglykan Murein
Das Peptidoglykan Murein
Murein ist der wichtigste Baustoff der Bakterienzellwand. Der den Großteil des Mureinmoleküls stellende Kohlenhydratanteil besteht aus langen Ketten, in denen
Murein, der wichtigste Baustoff der Bakterienzellwand, besteht aus langen Kohlenhydratketten, in denen sich
42
A
A-4.10
4 Die molekulare Struktur der wichtigsten Nahrungsstoffe
A-4.10
Die Bausteine des Peptidoglykans (Mureins) gramnegativer Bakterien (z. B. Escherichia coli) N-Acetylmuraminsäure
N-Acetylglucosamin
CH2OH O
H H
O
CH2OH O
H O
H
H OH
O
H
H H
NH C
H
H O
CH3
O C
CH3
C
O
H NH C
O
CH3
L-Alanin D-Glutaminsäure Meso-Diaminopimelinsäure D-Alanin D-Alanin
N-Acetylglucosamin und N-Acetylmuraminsäure abwechseln. Diese sind über die N-Acetylmuraminsäure durch Peptide quervernetzt, die das Dipeptid D-Ala–D-Ala enthalten (Abb. A 4.10).
▶
Klinik.
reagiert mit der D-AlaninD-Alanin-Gruppe des gegenüber liegenden Peptidoglykanstranges
sich N-Acetylglucosamin und N-Acetylmuraminsäure abwechseln. N-Acetylmuraminsäure ist ein Ether des N-Acetylglucosamins mit Milchsäure. Über die Muraminsäure sind die Kohlenhydratketten mit Peptiden verbunden, welche die Kohlenhydratketten untereinander quervernetzen. Die quervernetzenden Peptide enthalten u. a. mehrere Aminosäuren in D-Konfiguration, insbesondere ein für die Quervernetzung wichtiges Dipeptid D-Ala–D-Ala (Abb. A 4.10). Das für die Quervernetzung zuständige Enzym, die Transpeptidase, spaltet das endständige D-Alanin ab.
▶ Klinik. Die Vertreter zweier wichtiger Antibiotikaklassen, die Penicilline und die Cephalosporine, sind in ihrer Struktur dem D-Ala-D-Ala-Dipeptid sehr ähnlich. Sie blockieren bakterielle Transpeptidasen, indem sie sich in deren katalytische Zentren einlagern. Durch Ausbildung einer kovalenten Bindung zwischen Antibiotikum und Enzym kommt es dabei zu einer irreversiblen Hemmung. Auch Vancomycin, ein wichtiges Reserveantibiotikum, hemmt die Quervernetzung im Murein. Es bildet einen Komplex mit dem D-Ala-D-Ala-Dipeptid und verhindert damit die Zugänglichkeit für die Transpeptidase. Die Peptide und Proteine des Menschen enthalten keine D-Alanine, sodass man die Synthese der bakteriellen Zellwand sehr effizient hemmen kann, ohne den menschlichen Stoffwechsel zu beeinträchtigen.
Glykoproteine und Proteoglykane
Glykoproteine und Proteoglykane
Proteine, die für die Zelloberfläche bestimmt sind oder sezerniert werden sollen, sind fast immer glykosyliert.
Allgemein sind Proteine, die innerhalb der Zellen ihre Funktion ausüben, nur in seltenen Ausnahmefällen mit Kohlenhydratseitenketten verbunden. Proteine hingegen, die an die Zelloberfläche transportiert oder von der Zelle an die Umgebung abgegeben werden, sind fast immer glykosyliert. Zu den Glykoproteinen zählen z. B. die Antikörper, die von den B-Lymphozyten an die Umgebung abgegeben werden, die Mucine, die den entscheidenden Bestandteil des z. B. vom Respirationstrakt sezernierten Schleims bilden. Beim Schnupfen synthetisieren und sezernieren die Becher-Zellen der Nase übermäßig viele Mucine, sodass sich eine große Menge sehr dünnflüssigen Schleims bildet. Auch die Becher-Zellen der Schleimhäute des Verdauungstrakts sezernieren Mucine. Proteoglykane findet man in großer Menge in der extrazellulären Matrix, z. B. im Knorpel und in den Basalmembranen.
Glykoproteine sind z. B. die von den B-Lymphozyten sezernierten Antikörper, die von den Becher-Zellen des Respirationsund Verdauungstrakts sezernierten Mucine.
Proteoglykane kommen in großer Menge in der extrazellulären Matrix vor.
A
Glykosaminoglykane
A-4.11
CH2OH O
H H OH
H
HO
H
O
H H OH
α
OH β
H
OH
α-D-Glucuronsäure
H OH
H
H
OH
O
H
H OH
O
CH3 Hyaluronsäure
NH
O
H
H
C
COO–
H
OH
OH
OSO3 O OSO3–
Glucuronsäure
Chondroitin-6-sulfat
O –
O
O
N-AcetylGalactosamin-6-sulfat
CH2OH O
H
CH3
c
NH C
O
H
H H
H
COO– O
H
O β
H
β-D-Glucosamin
O3S OCH2
O
O H
HO
b
HO
O
H
NH2
a –
β
O
H H
CH2OH O
H
HO
OH H
A-4.11 COO–
COO–
43
4.2 Kohlenhydrate
Schwefelsäureester der Glucuronsäure
O –
NHSO3 Glucosamin-NSchwefelsäure
Heparin (in vereinfachter Schreibweise)
a Beispiele für die Bausteine der Glykosaminoglykane. b Hyaluronsäure. c Chondroitin-6-sulfat und Heparin.
▶ Merke.
Die Kohlenhydratanteile (Glykane) der Proteoglykane bestehen aus sich wiederholenden Disaccharideinheiten, die in ihrer Struktur überaus variabel sind. Die OH-Gruppe in Position 2 ist oft durch eine N-Acetylgruppe ersetzt. Die entsprechenden Hexosen sind somit „Hexosamine“ (Abb. A 4.11). Deshalb werden die Kohlenhydratanteile der Proteoglykane ebenso wie die Kohlenhydratkette des Heparins und ähnlich aufgebauter Polysaccharide auch als Glykosaminoglykane bezeichnet.
Das Kohlenstoffatom Nr. 6 ist in den Proteoglykanen oft zur Carboxylgruppe oxidiert. Aus Glucosemonomeren entstehen dadurch Glucuronsäuremonomere („Uronsäuren“, Abb. A 4.11 a). Alternativ können die OH-Gruppen in Position 6 auch Ester mit Sulfat, SO42-, bilden (Abb. A 4.11 b). Die Proteoglykane sind daher meist sauer. In der Histologie werden sie als saure Mukopolysaccharide bezeichnet. Aufgrund ihrer zahlreichen negativen Ladungen binden sie Wasser und Kationen. Beispiele für Proteoglykane sind die Chondroitinsulfate (z. B. Chondroitin-6-sulfat) und die Hyaluronsäure des Bindegewebes (Bausteine der Glykosaminoglykane Abb. A 4.11 b). Der Proteinanteil der Glykoproteine und Proteoglykane wird von zytosolischen Ribosomen synthetisiert, die sich an die Membranen des endoplasmatischen Retikulums (ER) anlagern (S. 470). Er gelangt bereits während der Synthese in das Lumen des ER, wo er teilweise auch sofort glykosyliert wird. Auf ihrem sekretorischen Weg an die Zelloberfläche durchlaufen Glykoproteine und Proteoglykane in der Regel den Golgi-Apparat, wo die bereits gebundenen Kohlenhydrate modifiziert und weitere Kohlenhydrate übertragen werden.
4.2.2 Funktion der Kohlenhydrate im Energiestoffwechsel Aus der Perspektive des Energiestoffwechsels sind die Kohlenhydrate neben den Triacylglycerinen (S. 44) die wichtigste Komponente der Nahrung: In der Phase nach einer Mahlzeit, der Resorptionsphase, nimmt der Organismus große Mengen an Nahrungsstoffen aus dem Darm auf. In Resorptionsphasen ist der wichtigste Nahrungsstoff der Zellen die Glucose. Das Blut wird mit Glucose überschwemmt: Die Konzentration beträgt ca. 7 mM (ca. 120 mg/100 ml; in der Klinik ist es üblich, Glucosekonzentrationen in mg/100 ml = mg/dl anzugeben).
▶ Merke.
Die Monomere sind carboxyliert (Abb. A 4.11 a) oder sulfatiert (Abb. A 4.11 b), die Proteoglykane daher meist sauer. Wegen ihrer negativen Ladung binden sie Wasser und Kationen.
Der Proteinanteil wird an den Ribosomen des endoplasmatischen Retikulums (ER) synthetisiert. Die Glykosylierung erfolgt teils im Lumen des ER, teils im Golgi-Apparat (sekretorischer Weg).
4.2.2 Funktion der Kohlenhydrate im Energiestoffwechsel Kohlenhydrate sind neben Triacylglycerinen die wichtigste Nahrungskomponente: In Resorptionsphasen ist der wichtigste Nahrungsstoff der Zellen die Glucose. Ihre Konzentration im Blut ist hoch (ca. 7 mM).
44
A
In Postresorptionsphasen sinkt die Blutglucosekonzentration, für viele Zellen sind nun Fettsäuren wichtigster Nahrungsstoff. Einige Gewebe sind jedoch auch jetzt auf Glucose angewiesen: Das ZNS ist in allen Stoffwechsellagen auf Glucose angewiesen. Sinkt die Glucosekonzentration unter 2,8 mM (50 mg/ 100 ml), spricht man von einer leichten Hypoglykämie. Bei einer Konzentration unter 1,7 mM (30 mg/100 ml) ist mit einer deutlichen Bewusstseinstrübung oder Bewusstseinsverlust zu rechnen. Erythrozyten enthalten weder Zellkerne noch Mitochondrien. Sie können ATP deshalb nur durch den Abbau von Glucose in der Glykolyse gewinnen. Das Nierenmark enthält kaum Mitochondrien und ist deshalb ebenfalls auf eine ständige Glucosezufuhr angewiesen.
Aus dem Energiespeicher Glykogen sind kurzfristig Glucosemonomere mobilisierbar. Der Transport der Glucose aus dem Blut in die Zellen wird von einer Familie von Membranproteinen vermittelt, den GLUT-Proteinen (Glucose-Transporter).
4.3
Triacylglycerine (TAG)
4 Die molekulare Struktur der wichtigsten Nahrungsstoffe
Bereits 1 – 2 Stunden nach einer Mahlzeit sind die Kohlenhydrate allerdings weitgehend aus dem Darm resorbiert, und es beginnt eine Postresorptionsphase. Die Konzentration der Glucose sinkt dabei im Blut auf Werte von 3,3 – 5,5 mM (60 – 100 mg/100 ml). In den Postresorptionsphasen kommt es zu einer wesentlichen Verschiebung im Zellstoffwechsel. Zum entscheidenden Nahrungsstoff werden nun für viele Zellen die Fettsäuren, und der Organismus beginnt deshalb, seine Fettreserven abzubauen. Es gibt aber auch Gewebe, die sich nicht oder nur zum Teil auf den Fettstoffwechsel umstellen können und die deshalb auch in Postresorptionsphasen auf Glucose angewiesen sind: Das zentrale Nervensystem (ZNS) ist in allen Stoffwechsellagen auf Glucose angewiesen. Sinkt die Glucosekonzentration unter 2,8 mM (50 mg/100 ml), spricht man von einer leichten Hypoglykämie. Bei einer Konzentration unter 1,7 mM (30 mg/100 ml) ist mit einer deutlichen Bewusstseinstrübung oder mit einem Bewusstseinsverlust zu rechnen. Bis zu einem gewissen Grad kann sich das ZNS zwar bei längerem Fasten auf die Verwertung sog. Ketonkörper umstellen, die aus dem Fettstoffwechsel stammen (S. 242), das ZNS kann aber auch nach einer derartigen Umstellung nicht ganz auf Glucose verzichten. Im Fasten sorgt der Stoffwechsel deshalb dafür, dass die Konzentration der Glucose im Blut nicht unter 3,5 mM sinkt. Zu diesem Zweck wird Glucose vollkommen neu synthetisiert (Gluconeogenese, S. 212). Erythrozyten enthalten weder Zellkerne noch Mitochondrien. Die Abwesenheit von Mitochondrien bringt es mit sich, dass Erythrozyten auf die ATP-Synthese durch oxidative Phosphorylierung und auf die Energiegewinnung durch Abbau von Fettsäuren oder von Ketonkörpern verzichten müssen. Zur ATP-Synthese bleibt ihnen nur der Abbau von Glucose durch Glykolyse. Das Nierenmark, das von Abschnitten der Henle-Schleife und von den Sammelrohren durchzogen ist, enthält kaum Mitochondrien und ist deshalb ebenfalls auf eine ständige Glucosezufuhr angewiesen. In Form des Glucosepolymers Glykogen dient Glucose als Energiespeicher, aus dem durch Abspaltung von Glucosemonomeren kurzfristig Energiereserven mobilisiert werden können. Glucose exponiert viele polare Gruppen und kann deshalb nicht unmittelbar durch eine hydrophobe Plasmamembran diffundieren. Der Transport der Glucose aus dem Blut in die Zellen wird deshalb von einer Familie von Membranproteinen vermittelt, den GLUT-Proteinen (Glucose-Transporter). So vermittelt GLUT 2 den Export der Glucose aus den Enterozyten der Darmschleimhaut ins Blut, GLUT 4 dann die Aufnahme der Glucose aus dem Blut in die Zellen der Muskulatur (S. 349).
4.3
Triacylglycerine (TAG)
▶ Synonym.
▶ Synonym. Triglyceride, Triacylglycerole, (Neutral)Fette.
4.3.1 Struktur
4.3.1 Struktur
▶ Definition.
▶ Definition. TAG sind Ester aus dem einfachen dreiwertigen Alkohol Glycerin und drei Fettsäuren. Fettsäuren sind unverzweigte Ketten von 14 – 20 CH2-Gruppen, die an einem Ende eine Carboxylgruppe tragen. Unter Acylgruppen versteht man in der Biochemie Atomgruppierungen, die formal aus Carbonsäuren durch Abspaltung einer OH-Gruppe entstehen. Es ergibt sich damit die Struktur -CO-R. Die Esterbindung entsteht, indem die OH-Gruppen des Glycerins mit den Carboxylgruppen der Fettsäuren unter Abspaltung von H2O reagieren (Abb. A 4.12).
TAG sind ungeladen und zählen zur großen Gruppe der Lipide.
TAG sind ungeladen (daher die Bezeichnung „Neutralfette“!) und zählen zur großen Gruppe der Lipide. Sie sind also in organischen Lösungsmitteln wie Benzol, Chloroform oder Hexan gut, in Wasser dagegen kaum oder gar nicht löslich.
A
A-4.12
45
4.3 Triacylglycerine (TAG)
Bildung eines Triacylglycerins
A-4.12
O H2C O H2C OH
O +
HC OH
3
C
(CH2)n
– 3H2O
CH3
HC O
HO
H2C OH +
(CH2)n
CH3
C
(CH2)n
CH3
(CH2)n
CH3
O H2C O
Glycerin
C O
3 Fettsäuren
bilden
C
ein Triacylglycerin
Die natürlich vorkommenden Fettsäuren enthalten in der Regel eine gerade Anzahl an C-Atomen. Die langen CH2-Ketten werden in Strukturformeln oft durch Zickzacklinien symbolisiert. Die weitaus häufigsten Fettsäuren der TAG sind die gesättigten Fettsäuren Palmitinsäure, die 16 C-Atome enthält, und Stearinsäure, die 18 C-Atome enthält (Abb. A 4.13). In unterschiedlichen Anteilen enthalten TAG auch ungesättigte Fettsäuren, insbesondere Ölsäure und Linolsäure.
▶ Definition.
Die häufigsten gesättigten Fettsäuren der TAG sind Palmitinsäure (16 C-Atome) und Stearinsäure (18 C-Atome) (Abb. A 4.13). TAG enthalten aber auch ungesättigte Fettsäuren.
▶ Definition.
Gesättigte Fettsäuren enthalten ausschließlich durch Einfachbindungen verknüpfte CH2-Gruppen. Ungesättigte Fettsäuren weisen eine oder mehrere Doppelbindungen auf. Bei einer Doppelbindung wird die Fettsäure als einfach ungesättigt, bei mehreren als mehrfach ungesättigt bezeichnet.
Nomenklaturregeln: In der Beschreibung der Doppelbindungen ungesättigter Fettsäuren folgt man bestimmten Nomenklaturregeln: Zahlen-Code zur Angabe der Anzahl der C-Atome und der Doppelbindungen Zusatz im Zahlen-Code zur Angabe der Lage der Doppelbindungen Angaben zur cis/trans-Stellung Alternativ wird ein griechischer Buchstaben-Code zur Angabe der Lage von Doppelbindungen verwendet.
Nomenklaturregeln in der Beschreibung der Doppelbindungen ungesättigter Fettsäuren:
Angabe der Anzahl der C-Atome und Doppelbindungen durch Zahlen: In Angaben der Art „18:1“ bezieht sich die erste Zahl auf die Zahl der C-Atome, die zweite Zahl auf die Zahl der Doppelbindungen einer ungesättigten Fettsäure (Abb. A 4.13). Ölsäure, Linolsäure und Linolensäure sind u. a. wichtige Komponenten der Lipide, welche die Membranen der Zellen bilden.
Angabe der Anzahl der C-Atome und Doppelbindungen durch Zahlen: In Angaben der Art „18:1“ bezieht sich die erste Zahl auf die Zahl der C-Atome, die zweite Zahl auf die Zahl der Doppelbindungen einer Fettsäure (Abb. A 4.13).
A-4.13
Die wichtigsten gesättigten und ungesättigten Fettsäuren O
Palmitinsäure 16 : 0
wichtigstes Reaktionsprodukt der Fettsäure-Synthase
C OH O
Stearinsäure 18 : 0
C OH
Synthese: teilweise durch die Fettsäure-Synthase; überwiegend durch Elongation von Palmitinsäure in Mitochondrien bzw. im endoplasmatischen Retikulum
O Ölsäure 18 : 1
10
9
Reaktionsprodukt der Stearoyl-Desaturase im endoplasmatischen Retikulum
C 1
OH
O Linolsäure 18 : 2
13
12
10
9
C 1
OH
O Linolensäure 18 : 3
16
15
13
12
10
9
C 1
OH
O Arachidonsäure 20 : 4
15
14
12
11
9
8
essenzielle Fettsäuren Die Desaturasen des Menschen können Doppelbindungen nur zwischen den C-Atomen 1 – 10 einfügen.
6
5
C 1
OH
Arachidonsäure kann im endoplasmatischen Retikulum aus Linolsäure gebildet werden. Erforderlich ist dazu u. a. eine Elongation am COOH-Ende.
46
A
4 Die molekulare Struktur der wichtigsten Nahrungsstoffe
Arachidonsäure (Abb. A 4.13) ist die Ausgangsverbindung einer großen Zahl an außerordentlich wichtigen Hormonen und Signalstoffen (Thromboxane, Prostaglandine und Leukotriene, S. 627).
▶ Exkurs.
▶ Exkurs.
Die endogenen Liganden der Cannabinoidrezeptoren Aus der Hanfpflanze (Abb. A 4.14) werden verschiedene Extrakte gewonnen, die als Haschisch oder Marihuana bekannt sind.
A-4.14
Hanf (Cannabis sativa) (© yellowj / Fotolia)
Der Hauptwirkstoff dieser Extrakte ist ein psychoaktives Alkaloid, das Tetrahydrocannabinol (THC). Das THC bindet im Körper an zwei Rezeptorproteine, die Cannabinoidrezeptoren CB1 und CB2. Die Rezeptoren vom Typ CB1 befinden sich in bestimmten Synapsen des Nervensystems und scheinen für die psychogenen Wirkungen des THC verantwortlich zu sein. Die Rezeptoren vom Typ CB2 wurden in den Membranen verschiedener anderer Zellen nachgewiesen, u. a. im Immunsystem. Ihre Funktion ist noch ungeklärt. Inzwischen sind mehrere Endocannabinoide identifiziert worden, also natürliche, endogene Liganden, die normalerweise mit diesen Rezeptoren in Wechselwirkung treten. Interessanterweise handelt es sich dabei um Lipide, und zwar im Wesentlichen um Verbindungen der Arachidonsäure, z. B. N-Arachidonylethanolamid (entstanden durch Reaktion von Arachidonsäure mit Ethanolamin) und 2-Arachidonylglycerin (2-AG, engl. 2-Arachidonylglycerol; ein Ester aus Arachidonsäure und Glycerin) (Abb. A 4.15):
A-4.15
Endocannabinoide O
OH
O
C NHCH2CH2OH a
a N-Arachidonylethanolamid.
O
OH
b
b 2-Arachidonylglycerin.
In Synapsen des Gehirns wird 2-Arachidonylglycerin von postsynaptischen Membranen freigesetzt und hemmt dann an der präsynaptischen Membran über eine Bindung an CB1-Rezeptoren eine weitere Freisetzung von Neurotransmittern. 2-Arachidonylglycerin wird deshalb als „Retrograde Messenger“ bezeichnet. Derzeit werden verschiedene chemische Verbindungen getestet, die als spezifische Aktivatoren (Agonisten) bzw. Hemmstoffe (Antagonisten) jeweils eines der Cannabinoidrezeptoren pharmakologisch von Interesse sein könnten.
Angabe der Lage der Doppelbindungen durch Zusatzzahlen: Hierbei werden die CAtome von dem der Carboxylgruppe (= Nr. 1) aus durchnummeriert.
▶ Merke. Linolsäure z. B. hat die Kennziffer 18:2; 9,12 = 18:2 Δ9,12.
Angabe der Lage der Doppelbindungen durch Zusatzzahlen: Sind in der Beschreibung einer ungesättigten Fettsäure drei oder mehr Zahlen angegeben, beziehen sich die dritte und alle folgenden Zahl(en) auf die Lage der Doppelbindung. Das C-Atom der Carboxylgruppe erhält in jedem Fall die Nummer 1, alle weiteren C-Atome werden von der Carboxylgruppe ausgehend durchnummeriert.
▶ Merke.
Die meisten ungesättigten Fettsäuren enthalten eine Doppelbindung, die die C-Atome 9 und 10 verbindet. Die Ölsäure bekommt damit z. B. die Kennziffer 18:1; 9, die Linolsäure 18:2; 9,12. Oft schreibt man auch 18:2 Δ9 bzw. 18:2 Δ9,12.
A
47
4.3 Triacylglycerine (TAG)
▶ Merke.
Doppelbindungen treten in Fettsäuren stets im Abstand von 3 C-Atomen auf. Sie folgen also nie unmittelbar aufeinander.
▶ Merke.
Die π-Elektronen, welche wesentlich an der Ausbildung der Doppelbindungen beteiligt sind, können deshalb nicht miteinander in Wechselwirkung treten. Aus der Lage einer Doppelbindung ergibt sich auch, ob die entsprechende Fettsäure im Stoffwechsel des Menschen gebildet werden kann oder mit der Nahrung aufgenommen werden muss.
▶ Definition.
Eine Substanz, die im Stoffwechsel des Menschen nicht synthetisiert werden kann und deshalb mit der Nahrung zugeführt werden muss, wird als essenziell bezeichnet. Die Desaturasen, die Doppelbindungen in Fettsäuren einführen, können dies nämlich nur zwischen den ersten 10 C-Atomen der Fettsäuren tun. So kann im Stoffwechsel des Menschen Ölsäure (18:1; 9) synthetisiert werden, nicht aber Linolsäure (18:2; 9,12), da die Enzyme fehlen, um die Doppelbindung zwischen den C-Atomen 12 und 13 einzufügen. Arachidonsäure (20:4; 5,8,11,14) kann allerdings ausgehend von Linolsäure (18:2; 9,12) gebildet werden. Dazu wird zunächst in Position 6 eine Doppelbindung eingefügt, sodass γ-Linolensäure (18:3; 6,9,12) entsteht. Diese wird dann von Enzymen des endoplasmatischen Retikulums (ER) am C-Atom 1 (also am Carbonyl-Ende) um eine C 2-Gruppe verlängert. Schließlich wird zwischen den C-Atomen der Position 5 und 6 der verlängerten Fettsäure eine weitere Doppelbindung eingefügt. Der Stoffwechsel des Menschen ist also nicht nur in der Lage, im oberen Teil einer Fettsäure Doppelbindungen einzufügen, sondern auch eine begrenzte Kettenverlängerung durchzuführen.
▶ Definition.
Desaturasen können Doppelbindungen nur zwischen den ersten 10 C-Atomen der Fettsäuren einfügen.
Arachidonsäure (20:4; 5,8,11,14) kann ausgehend von Linolsäure (18:2; 9,12) gebildet werden, und zwar durch Einfügen weiterer Doppelbindungen und begrenzte Kettenverlängerung.
▶ Merke.
▶ Merke.
▶ Definition.
▶ Definition.
Linolsäure (18:2; 9,12) und α-Linolensäure, kurz Linolensäure (18:3; 9,12,15) genannt, sind unbedingt (in jeder Stoffwechselsituation) essenziell. Arachidonsäure ist nur bei Mangel an Linolsäure essenziell, d. h. bedingt essenziell.
cis/trans-Isomerie: cis-Stellung: Die chemischen Gruppen an den beiden Enden einer Doppelbindung zeigen zur gleichen Seite. trans-Stellung: Die chemischen Gruppen an den beiden Enden einer Doppelbindung zeigen in entgegengesetzte Richtungen (Abb. A 4.16).
cis/trans-Isomerie am Beispiel von Buten
A-4.16
H 3C
CH3 C
H
H3C
C
H C
H
cis-2-Buten
H
C CH3
trans-2-Buten
▶ Merke.
Natürlich vorkommende ungesättigte Fettsäuren zeigen fast immer cisDoppelbindungen.
CH = CH-Gruppen haben durch ihre Doppelbindung keine freie Drehbarkeit und sind deshalb vergleichsweise sperrig. Zudem weist die räumliche Struktur der Fettsäure aufgrund der cis-Stellung der CH-Gruppen an jeder Doppelbindung einen Knick auf.
▶ Merke.
A-4.16
Da ungesättigte Fettsäuren die räumliche Struktur eines Lipids erheblich beeinflussen und dessen Schmelzpunkt herabsetzen, sind Lipide mit einem hohen Anteil an ungesättigten Fettsäuren flüssig bzw. ölartig. Lipide, die sehr viele gesättigte Fettsäuren enthalten, sind hingegen fest.
▶ Merke. Durch die cis-Stellung weisen ungesättigte Fettsäuren an jeder Doppelbindung einen Knick auf.
▶ Merke.
48
In der E/Z-Nomenklatur unterscheidet man Z-Isomere („zusammen“) und E-Isomere („entgegengesetzt“).
Angabe der Lage der Doppelbindungen durch griechische Buchstaben: Das erste CAtom nach der Carboxylgruppe wird mit α, das nächste als β, das letzte C-Atom als ω, das vorletzte als ω2 bezeichnet. Die Doppelbindung ω3 ist die Doppelbindung zwischen dem drittletzten (ω3) und dem viertletzten (ω4) C-Atom.
Wie die tierischen Fette bestehen auch die pflanzlichen Öle, wie Rapsöl, Sonnenblumenöl oder Olivenöl, weitgehend aus Triacylglycerinen.
▶ Exkurs.
A
4 Die molekulare Struktur der wichtigsten Nahrungsstoffe
Aus flüssigen Pflanzenölen wird die festere Margarine hergestellt, indem die Doppelbindungen der Fettsäuren größtenteils in Einfachbindungen überführt werden. Angemerkt sei, dass die cis/trans-Nomenklatur in der Biochemie zwar noch vielfach in Gebrauch ist, dass aber offiziell – zumindest in der Organischen Chemie – bevorzugt die neuere E/Z-Nomenklatur verwendet werden sollte. Diese Nomenklatur legt bestimmte Kriterien der „Priorität“ zugrunde, die von den Chemikern Cahn, Ingold und Prelog definiert wurden. Demnach hat ein Atom mit höherer Ordnungszahl eine höhere Priorität. Wenn zwei relevante Atome die gleiche Ordnungszahl haben, wird die Priorität der nächsten mit diesem Atom verbundenen Atome ebenfalls berücksichtigt. Es gilt dann, dass dasjenige Isomere, bei dem die beiden Substituenten höherer Priorität auf der gleichen Seite der Doppelbindung liegen, als ZIsomeres zu bezeichnen ist („Z“ von „zusammen“), das andere als E-Isomeres („E“ von „entgegengesetzt“). Angabe der Lage der Doppelbindungen durch griechische Buchstaben: α und ω sind der erste und der letzte Buchstabe des griechischen Alphabets (darauf bezieht sich auch die Redewendung vom A und O einer Sache). Entsprechend wird dem ersten C-Atom nach der Carboxylgruppe der Buchstabe α zugewiesen, dem nächsten CAtom der Buchstabe β. Das β-C-Atom spielt im Abbau der Fettsäuren eine besondere Rolle, weshalb der Abbau der Fettsäuren auch als β-Oxidation bezeichnet wird. Das letzte C-Atom der Fettsäuren wird mit ω (Omega) bezeichnet. Das vorletzte CAtom ist in dieser Nomenklatur das C-Atom ω2. „Doppelbindung ω3“ bezeichnet eine Doppelbindung zwischen dem drittletzten (ω3) und dem viertletzten (ω4) CAtom. Unter den mehrfach ungesättigten Fettsäuren herrschen die ω6-Fettsäuren vor. Auch die Arachidonsäure ist eine ω6-Fettsäure. Häufig wird anstelle des Ausdrucks ω6 bzw. ω3 auch die Bezeichnung n-6 bzw. n-3 verwendet. Wie die tierischen Fette bestehen auch die pflanzlichen Öle, wie Rapsöl, Sonnenblumenöl oder Olivenöl, weitgehend aus Triacylglycerinen (TAG). Der Gehalt an freien Fettsäuren liegt in diesen Ölen unter 2 %. Epidemiologische Studien haben wiederholt bestätigt, dass die Verwendung pflanzlicher Öle das Risiko vermindert, eine koronare Herzkrankheit zu entwickeln. Für diesen Effekt werden generell die mehrfach ungesättigten Fettsäuren der pflanzlichen TAG verantwortlich gemacht, die molekularen Mechanismen sind aber nicht bekannt. In den TAG des Olivenöls ist das Glycerin überwiegend verestert mit der einfach ungesättigten Ölsäure (durchschnittlich 72 %), der gesättigten Palmitinsäure (11 %) und der essenziellen, zweifach ungesättigten Linolsäure (8 %). Der Anteil der einfach ungesättigten Ölsäure ist im Olivenöl also wesentlich größer als der Anteil der mehrfach ungesättigten Fettsäuren. ω3-Fettsäuren sind in pflanzlichen Ölen kaum vorhanden. Möglicherweise sind auch nicht die Fettsäuren für die positiven Effekte des Olivenöls verantwortlich, sondern andere Inhaltsstoffe.
▶ Exkurs. ω3-Fettsäuren Unter Atherosklerose (Arteriosklerose) versteht man eine Verdickung der Arterienwand, die durch Einlagerung von Lipiden in die Intima eingeleitet wird. Es kommt durch lokale Entzündungsprozesse zur Bildung atherosklerotischer Plaques (Abb. A 4.17, vgl. S. 49) und schließlich zur Einengung des Gefäßes und zum Verlust der Wandelastizität. Brechen die atherosklerotischen Plaques auf, können sich am verletzten Endothel Thromben bilden und das Gefäß kann verlegt werden. In einer Koronararterie führt dies zu einem Herzinfarkt, in einer Hirnarterie zu einem Schlaganfall. Viele Untersuchungen sind zu dem Ergebnis gekommen, dass generell ein hoher Anteil an ungesättigten Fettsäuren in der Nahrung der Arteriosklerose und dem Herzinfarkt vorbeugen kann. Andere Studien zeigen, dass ein hoher Anteil an Meeresfischen in der Nahrung den gleichen Effekt hat. Dies wurde auf die ω3-Fettsäuren zurückgeführt, die in den Meeresfischen in erheblichen Mengen enthalten sind. Dabei handelt es sich um mehrfach ungesättigte Fettsäuren mit einer Doppelbindung in der ω3-Position. Die bekannteste ω3-Fettsäure ist wahrscheinlich die α-Linolensäure, eine essenzielle Fettsäure mit 18 C-Atomen. Fische enthalten außerdem die längerkettigen ω3-Fettsäuren Eicosapentaensäure (EPA, 20 C-Atome, Abb. A 4.18) und Docosahexaensäure (DHA, 22 C-Atome).
A
A-4.17
49
4.3 Triacylglycerine (TAG)
Atherosklerotische Plaques in der Aorta a Normale Aorta. b Atherosklerotische Plaque. Ursache der gelblichen Verfärbung ist eine Einlagerung verschiedener Lipide. (aus Riede, Werner, Schaefer; Allgemeine und spezielle Pathologie, Thieme, 2004)
a
b
A-4.18
Eicosapentaensäure
O HO 1 α
6 5
8
11
14
3 17
ω 1 20
Die ω3-Fettsäuren scheinen die Menge an TAG- und cholesterinhaltigen Lipid-Aggregaten (VLDL, S. 245) zu reduzieren, die von der Leber ins Blut abgegeben werden und deren Lipidbestandteile in die Arterienwand eingelagert werden können. Je niedriger der VLDL-Anteil im Blut ist, desto geringer ist das Herzinfarktrisiko. Die Fettsäuren der Nahrung könnten zudem einen Einfluss auf die Synthese mehrerer Wirkstoffe haben (Thromboxane, Prostaglandine, Leukotriene), die im Stoffwechsel ausgehend von ungesättigten Fettsäuren synthetisiert werden und an der Regulation von Entzündungsprozessen beteiligt sind. Entzündungsmediatoren spielen in der Entwicklung der Atherosklerose eine wichtige Rolle. In umfangreichen Untersuchungen hat sich in den vergangenen Jahren wiederholt bestätigt, dass ein erhöhter Anteil der langkettigen Fettsäuren Eicosapentaensäure und Docosahexaensäure in der Nahrung tatsächlich mit einer verringerten Zahl kardiovaskulärer Erkrankungen verbunden war. Überraschend ließ sich dieser Effekt aber für die α-Linolensäure nicht bestätigen. Offenbar wird die α-Linolensäure – als Bestandteil pflanzlicher Nahrung – bereits bei normaler Ernährung in hinreichenden Mengen aufgenommen. Hat eine regelmäßige Zugabe von langkettigen ω3-Fettsäuren zur Nahrung also einen positiven Effekt? In Japan haben sich insgesamt 18 645 Patienten, die aufgrund erhöhter Cholesterinwerte mit Statinen (S. 247) behandelt wurden, an einer 5 Jahre dauernden Studie beteiligt. Eine Hälfte der Patienten erhielt zusätzlich jeden Tag 1,8 g Eicosapentaensäure. Bei diesen Patienten war die Zahl der schwerwiegenden Koronarerkrankungen (z. B. Herzinfarkt) gegenüber der anderen Gruppe in diesen Jahren um 19 % erniedrigt (Japan EPA Lipid Intervention Study, JELIS, 2007). Daraufhin wurde in Frankreich eine Studie mit 2501 Patienten durchgeführt, bei denen bereits eine koronare Herzkrankheit vorlag. Die Hälfte der Patienten erhielt 5 Jahre lang täglich 600 mg langkettiger ω3-Fettsäuren (EPA und DHA im Verhältnis 2:1), die anderen Patienten erhielten ein Placebo-Präparat. In der Gruppe der Patienten, die ω3-Fettsäuren erhalten hatten, gab es in diesem Zeitraum 81 sog. Major vascular Events (Herzinfarkt oder Schlaganfall) und 58 Todesfälle. In der Kontrollgruppe, die nur Placebo-Präparate erhalten hatte, gab es 76 Major vascular Events und 59 Todesfälle. Die ω3-Fettsäuren hatten offenbar keinen Effekt (SU.FOL.OM3-Studie, 2010). Fazit: Der medizinische Nutzen der ω3-Fettsäuren ist somit weiterhin ungeklärt.
4.3.2 Funktion der TAG im Energiestoffwechsel Aus der Perspektive des Energiestoffwechsels sind die TAG neben den Kohlenhydraten die wichtigsten Komponenten der Nahrung. Sie werden parallel zu den Kohlenhydraten oxidiert, und die dabei anfallenden Elektronen werden in den Mitochondrien dazu verwendet, die Atmungskette anzutreiben. Die Atmungskette nutzt die Energie der Elektronen, um den Protonengradienten aufrecht zu erhalten, der dann der mitochondrialen ATP-Synthase als Energiequelle dient.
4.3.2 Funktion der TAG im Energiestoffwechsel TAG sind neben den Kohlenhydraten die wichtigste Nahrungskomponente. Sie werden parallel zu diesen oxidiert, um die Energie für die ATP-Synthese zu gewinnen.
50
A
Sie sind außerdem ein wichtiger Energiespeicher. Beachte: TAG gehören nicht zu den Bestandteilen der Membranen.
TAG stellen darüber hinaus in Form von Speicherfett einen sehr wichtigen Energiespeicher dar. Es dauert jedoch länger, TAG aus Speicherfett zu mobilisieren, als Glucose aus Glykogen zu gewinnen. Es ist zu betonen, dass TAG nicht zu den Bestandteilen der Membranen gehören.
4.4
4.4
Aminosäuren
4.4.1 Grundstruktur und Eigenschaften
▶ Definition.
A-4.19
4 Die molekulare Struktur der wichtigsten Nahrungsstoffe
Aminosäuren
4.4.1 Grundstruktur und Eigenschaften ▶ Definition. Als Aminosäuren werden Verbindungen bezeichnet, die ein Kohlenstoffatom enthalten, das umgeben ist von (Abb. A 4.19) einer Aminogruppe (-NH2), einer Carboxylgruppe (-COOH), einem Wasserstoffatom und einem Rest R, der für die jeweilige Aminosäure charakteristisch ist. Man bezeichnet dieses Kohlenstoffatom, da es in der Strukturformel auf die Carboxylgruppe folgt, als α-C-Atom und die daran gebundenen Gruppen als α-Aminogruppe oder α-Carboxylgruppe.
A-4.19
Grundstruktur der Aminosäuren COO– H3 N
Cα H R
Aminosäuren sind nicht nur als Bausteine von Proteinen, sondern auch für den Stickstoffhaushalt des Organismus von Bedeutung.
Die Aminogruppe exponiert ein freies Elektronenpaar, welches leicht ein Proton aufnehmen kann. Die Carboxylgruppe gibt den Aminosäuren ihren sauren Charakter.
Die Affinität der Amino- und Carboxylgruppen von Aminosäuren zu Protonen zeigt sich in Titrationskurven (Abb. A 4.20).
▶ Definition.
Durch ihre Aminogruppe enthalten alle Aminosäuren ein Stickstoffatom. Einige Aminosäuren enthalten zudem stickstoffhaltige Reste. Deshalb sind Aminosäuren nicht nur als Proteinbausteine, sondern auch für den Stickstoffhaushalt des Organismus von Bedeutung. Wenn eine beliebige, noch so komplizierte biochemische Strukturformel ein Stickstoffatom aufweist, kann man davon ausgehen, dass Aminosäuren an der Bildung dieser Struktur beteiligt sind. Die Aminogruppe exponiert ein freies Elektronenpaar, das in Strukturformeln mitunter als seitlicher Strich am Stickstoffatom symbolisiert wird. Dieses Elektronenpaar kann leicht ein Proton, H+, aufnehmen. Die Aminogruppe erhält dadurch eine positive Ladung und wird zur NH3+-Gruppe. Die Carboxylgruppe ist für den sauren Charakter der Aminosäuren verantwortlich. Wie alle Carboxylgruppen gibt sie leicht ein Proton ab, wobei an der Carboxylgruppe ein überzähliges Elektron und damit eine negative Ladung zurückbleibt. Grundsätzlich sind Aminosäuren somit in der Lage, Protonen sowohl aufzunehmen als auch abzugeben. Die unterschiedliche Affinität, mit der die verschiedenen Amino- und Carboxylgruppen der Aminosäuren Protonen binden, kann experimentell durch Titrationskurven demonstriert werden. Dazu wird eine Lösung der betreffenden Aminosäure vorgelegt, langsam eine Säure oder eine Lauge zugegeben und der pH-Wert der Lösung gemessen. Aminosäuren sind bei niedrigem pH positiv geladen, weil die Amino- und die Carboxylgruppe protoniert sind. Bei steigendem pH-Wert werden die Protonen schrittweise abgegeben (Abb. A 4.20).
▶ Definition.
Jede Amino- und jede Carboxylgruppe ist bei einem bestimmten, für die jeweilige Gruppe charakteristischen pH-Wert genau zur Hälfte protoniert, d. h. die Hälfte der Moleküle der Lösung weist bei diesem pH-Wert eine protonierte Gruppe auf, die andere Hälfte der Moleküle hat das Proton abgegeben. Diesen pHWert bezeichnet man als den pK-Wert der chemischen Gruppe. In der Nähe eines pK-Werts greift die Aminosäure durch ihre Affinität zu den Protonen in die Veränderung des pH-Wertes ein, was sich während der Titration
A
Titrationskurve von Lysin
A-4.20
COOH H 3N
C
COO
H
H 3N
C
A-4.20
COO
H
H2N
C
51
4.4 Aminosäuren
H
COO H2N
C
H
CH2
CH2
CH2
CH2
CH2
CH2
CH2
CH2
CH2
CH2
CH2
CH2
CH2
CH2
CH2
CH2
NH3
NH3
NH3
NH2
pH 12 pK3 10
pK2
8 6 4 pK1 2 0
0,5
1,0
1,5
2,0
2,5
3,0
OH
in einer Verzögerung der pH-Wert-Änderung bemerkbar macht (Abb. A 4.20). Steigt z. B. durch Zugabe einer Säure die Zahl der Protonen im Probengefäß, werden diese in der Nähe der pK-Werte bevorzugt an die Aminosäure binden, sodass sich die Konzentration der Protonen in freier Lösung kaum ändert. Trotz Zugabe der Säure bleibt der pH-Wert dadurch nahezu konstant.
▶ Merke.
Lösungen von Aminosäuren haben in der Nähe ihrer pK-Werte eine optimale Pufferkapazität. In größerer Entfernung der jeweiligen pK-Werte puffern Lösungen von Aminosäuren hingegen nicht.
Aminosäuren mit mehreren Amino- oder Carboxylgruppen (z. B. Glutaminsäure, Histidin, Lysin, S. 57ff.) haben mehr als zwei pK-Werte (Histidin z. B. 3). Beispiele für pK-Werte zeigt Tab. A 4.1.
A-4.1
pK-Werte wichtiger chemischer Gruppen von Aminosäuren
chemische Gruppe
pK-Wert
α-Carboxylgruppe
2 – 2,5
γ-Carboxylgruppe der Glutaminsäure (unten in Abb. A 4.28)
4
Imidazolgruppe (= Imidazolring) des Histidins (Abb. A 4.28)
6,5
α-Aminogruppe
9 – 10
ε-Aminogruppe des Lysins (Abb. A 4.28)
10,5
phenolische OH-Gruppe des Tyrosins (unten in Abb. A 4.23)
10,5
▶ Definition.
Den pH-Wert, bei dem eine Aminosäure als Zwitterion vorliegt, die Nettoladung also Null ist, bezeichnet man als isoelektrischen Punkt. Steigt der pH-Wert weiter, geben immer mehr protonierte Aminogruppen ihr Proton ab und die Nettoladung der Aminosäure wird negativ.
In der Nähe eines pK-Werts ändert sich der pH-Wert der Lösung bei Zugabe von Säure oder Lauge kaum (Abb. A 4.20).
▶ Merke.
Beispiele für pK-Werte zeigt Tab. A 4.1.
A-4.1
▶ Definition. Mit steigendem pH-Wert steigt der Anteil der deprotonierten Gruppen.
52
A
▶ Merke. Die Struktur der Aminosäuren wird mithilfe der Fischer-Projektion dargestellt.
Die vier Bindungen des α-C-Atoms bilden eine tetraedrische Struktur. Das α-C-Atom aller Aminosäuren außer Glycin hat vier verschiedene Substituenten, sodass die Aminogruppe im Tetraeder zwei unterschiedliche Positionen einnehmen kann. Aminosäuren sind folglich chiral: Sie können als L- oder DIsomer vorliegen (Abb. A 4.21).
4 Die molekulare Struktur der wichtigsten Nahrungsstoffe
▶ Merke.
Bei physiologischen pH-Werten (pH 7,2 – 7,4) liegen Aminosäuren als Zwitterionen vor. Zur Darstellung der Strukturen der Aminosäuren greift man nach Möglichkeit auf die Prinzipien der Fischer-Projektion zurück (S. 38). Die Kette der Kohlenstoffatome wird also vertikal gezeichnet, das am höchsten oxidierte C-Atom liegt oben, im Fall der Aminosäuren ist dieses mit der Carboxyl-Gruppe gegeben (Abb. A 4.20). Das auf die Carboxyl-Gruppe folgende C-Atom ist dann als das α-C-Atom definiert, das nächste C-Atom wäre dann das β-C-Atom. Nun ist zu berücksichtigen, dass die vier Bindungen des α-C-Atoms eine tetraedrische Struktur bilden, sie befinden sich im dreidimensionalen Raum in größtmöglichem Abstand zueinander. Da das α-C-Atom der Aminosäuren in der Regel von vier unterschiedlichen chemischen Gruppen umgeben ist (Ausnahme: Glycin, hier ist R = H) können sich diese auf zwei unterschiedliche Weisen im Raum anordnen: Wird das Molekül so vor dem Betrachter auf eine Ebene gelegt, dass sowohl die Carboxylgruppe als auch der Rest R hinten liegen, zeigen die Aminogruppe und das Wasserstoffatom in jedem Fall zum Betrachter. Allerdings kann die Aminogruppe dabei entweder links oder rechts liegen (Abb. A 4.21). Beide Formen der Aminosäure unterscheiden sich wie die rechte und die linke Hand, sie sind also chiral (S. 35). Folglich unterscheidet man bei den Aminosäuren (Ausnahme: Glycin) L- und D-Isomere.
A-4.21
L- und D-Isomer einer Aminosäure
A-4.21
COO–
COO– COO–
C H3N
R
H3N
H
C R
H
COO– H
C R
L-Aminosäure
▶ Merke.
▶ Merke.
NH3
C
R H
NH3
D-Aminosäure
Natürlich vorkommende Aminosäuren sind in der Regel L-Aminosäu-
ren. Eine Ausnahme sind die Peptide im Murein.
Eine Ausnahme sind die Peptide im Murein der bakteriellen Zellwand: Sie enthalten regelmäßig D-Aminosäuren.
4.4.2 Die proteinogenen Aminosäuren
4.4.2 Die proteinogenen Aminosäuren
▶ Definition.
Die proteinogene Aminosäure Selenocystein ist nur in etwa einem von 1000 Proteinen enthalten.
Die charakteristischen Aminosäurereste und ihre biochemische Relevanz Nach der international üblichen Nomenklatur kann man die Aminosäuren zur Abkürzung mit drei oder auch mit einem Buchstaben bezeichnen. Die spezifischen Eigenschaften jeder Aminosäure werden vom jeweiligen Aminosäurerest bestimmt.
▶ Definition.
Als proteinogene Aminosäuren werden die 21 Aminosäuren bezeichnet, die bei der Proteinbiosynthese (Translation, S. 455) als Proteinbausteine zum Einsatz kommen. Tatsächlich werden fast alle Proteine ausgehend von nur 20 proteinogenen Aminosäuren synthetisiert. Lediglich ca. 25 Proteine des Menschen enthalten als 21. proteinogene Aminosäure zudem ein Selenocystein. Diese Aminosäure ist also nur in etwa jedem tausendsten Protein enthalten. Selenocystein entsteht auf eigentümliche Weise durch Modifikation von tRNA-gebundenem Serin. Der Mechanismus ist im Kap. 4.4.3 näher erläutert (S. 58).
Die charakteristischen Aminosäurereste und ihre biochemische Relevanz Die proteinogenen Aminosäuren sind in den Abbildungen Abb. A 4.22 bis Abb. A 4.28 und Abb. A 4.30 gezeigt. Nach einer internationalen Nomenklatur kann man die Aminosäuren zur Abkürzung mit drei oder auch mit einem Buchstaben bezeichnen. Die spezifischen Eigenschaften jeder Aminosäure werden vom jeweiligen Aminosäurerest bestimmt, der mit dem α-C-Atom verbunden ist. Häufig wird der Aminosäurerest auch als die Seitenkette der Aminosäure bezeichnet. Aufgrund charakteristischer Ähnlichkeiten der Aminosäurereste lassen sich die proteinogenen Aminosäuren zu bestimmten Gruppen zusammenstellen, die im Folgenden vorgestellt werden.
A
Die Strukturformeln der aliphatischen proteinogenen Aminosäuren
A-4.22
Glycin Gly
Alanin G
Ala
COO– H 3N
C
H
Valin A
Val
COO– H 3N
H
C
H
Leucin V
Leu
C
H3N
CH3 H3C
H3N
H
C
H
CH2
CH CH3
A-4.22
Isoleucin L
Ile
COO–
COO–
53
4.4 Aminosäuren
CH H3C CH3
I COO–
H3N H3C
C
H
C
H
CH2 CH3
▶ Tipp.
Die Strukturen der Aminosäuren sind für die gesamte Biochemie von grundlegender Bedeutung. Spätestens zum schriftlichen 1. Staatsexamen sollten Sie allen Formeln die entsprechenden Namen der Aminosäure zuordnen können. Im mündlichen 1. Staatsexamen werden einige der Prüfer erwarten, dass Sie sich auch die Strukturformeln gemerkt haben.
Ungeladene (neutrale) Aminosäuren
▶ Tipp.
Ungeladene (neutrale) Aminosäuren
Die meisten proteinogenen Aminosäuren sind ungeladen. Innerhalb dieser Gruppe lassen sich unpolare und polare Aminosäuren unterscheiden. Aliphatische Aminosäuren: Die Reste der fünf aliphatischen Aminosäuren Glycin, Alanin, Valin, Leucin und Isoleucin weisen keine polaren und vor allem keinerlei reaktive Strukturen auf (Abb. A 4.22). Sobald diese Aminosäuren in ein Protein eingebaut worden sind, werden sie deshalb normalerweise auch keine chemischen Reaktionen mehr eingehen. Glycin ist die kleinste und die einzige nicht chirale Aminosäure. Ihr Rest besteht nur aus einem Wasserstoffatom. Alanin ist eine besonders häufige Aminosäure. Der Aminosäurerest besteht lediglich aus einer Methylgruppe. Die verzweigtkettigen Aminosäuren Valin, Leucin und Isoleucin sind ausgesprochen hydrophobe Aminosäuren. Zusammen mit den ebenfalls hydrophoben Aminosäuren Phenylalanin und Tryptophan findet man sie insbesondere an Stellen von Proteinen, die vom Wasser abgeschirmt sind bzw. vom Wasser abgeschirmt sein sollen. Dabei handelt es sich zum einen um die inneren Bereiche vieler löslicher Proteine, zum anderen aber auch um sämtliche Segmente der Proteine, die in biologische Membranen eingebettet sind.
Aliphatische Aminosäuren sind unpolar und reaktionsträge, weil ihre Reste keine reaktiven Strukturen aufweisen (Abb. A 4.22).
Aromatische Aminosäuren: Die Aminosäuren Tyrosin, Phenylalanin und Tryptophan (Abb. A 4.23) enthalten jeweils ein aromatisches Ringsystem, also ein ebenes Ringsystem mit delokalisierten π-Elektronen. Streng genommen gilt das auch für den Imidazolring der Aminosäure Histidin (Abb. A 4.28). Traditionell wird das Histidin in der Biochemie aber gleichwohl nicht der Gruppe der aromatischen Aminosäuren zugeordnet, sondern zu den hydrophilen oder den basischen Aminosäuren gestellt.
Aromatische Aminosäuren: Abb. A 4.23.
Die Strukturformeln der aromatischen proteinogenen Aminosäuren
A-4.23
Phenylalanin Phe
F
Tyrosin Tyr
–
C
H
CH2
Trp
–
COO H3 N
Tryptophan Y
COO
COO H3 N
C
H
CH2
OH
W
H3N
C
H
CH2
N H Indolring
Glycin ist die einzige nicht chirale Aminosäure, denn R = H. Alanin: R = CH3 Die verzweigtkettigen Aminosäuren Valin, Leucin und Isoleucin sind ausgesprochen hydrophob. Sie sind Bestandteil wasserabweisender (z. B. membrandurchspannender) Proteinsegmente.
A-4.23
54
A
Tyrosin ist polar, aber ungeladen.
▶ Merke.
▶
Klinik.
4 Die molekulare Struktur der wichtigsten Nahrungsstoffe
Tyrosin kann im Stoffwechsel aus Phenylalanin gebildet werden. Es ist polar, aber ungeladen, da die Hydroxylgruppe bei physiologischem pH (ca. 7,4) nicht ionisiert. Die Hydroxylgruppe kann reversibel eine Phosphatgruppe aufnehmen.
▶ Merke.
Die Aktivität vieler Proteine wird reguliert, indem bestimmte Tyrosine phosphoryliert werden.
▶
Klinik. Diese Art der Regulation ist für die Steuerung zellulärer Prozesse von
fundamentaler Bedeutung. Dies zeigt auf besonders eindrucksvolle Weise das Medikament Glivec, das seit 2001 mit beachtlichem Erfolg gegen chronische myeloische Leukämie eingesetzt wird: Sein Wirkungsmechanismus beruht ausschließlich darauf, dass eine übermäßige Phosphorylierung bestimmter tyrosinhaltiger Proteine in den Leukämiezellen rückgängig gemacht wird (S. 523). Aus Tyrosin werden die Schilddrüsenhormone und Katecholamine gebildet. Viele wichtige Pharmaka sind Derivate des Tyrosins.
Phenylalanin und Tryptophan sind unpolar.
Amide: Asparagin und Glutamin (Abb. A 4.24) sind Amide der geladenen Aminosäuren Asparaginsäure und Glutaminsäure. Die Amide sind zwar polar, tragen an ihren Resten aber keine Ladung.
Glutamin ist im Stoffwechsel aller Organismen die wichtigste Transportform von Stickstoff.
Asparagin dient in vielen Proteinen als Verbindungsstelle zu Kohlenhydratseitenketten.
Hydroxylierte Aminosäuren: Serin, Threonin und Tyrosin (s. o.). Die OH-Gruppe von Serin und Threonin (Abb. A 4.25) kann Kohlenhydrate oder Phosphat binden.
A-4.24
Tyrosin ist Ausgangssubstanz für die Synthese der Schilddrüsenhormone und der Katecholamine, einer Gruppe von Neurotransmittern und Hormonen, zu denen z. B. das Adrenalin gehört. Von den Katecholaminen leitet sich zudem eine große Gruppe von Pharmaka ab, zu denen z. B. die Wirkstoffe des Schnupfensprays gehören, aber auch das L-DOPA, das wichtigste Medikament gegen die Symptome der ParkinsonKrankheit. Phenylalanin und Tryptophan enthalten im Gegensatz zu Tyrosin unpolare Aminosäurereste. Amide: Asparagin und Glutamin sind die Amide der beiden geladenen Aminosäuren Asparaginsäure und Glutaminsäure, d. h. die COOH-Gruppen der Aminosäurereste sind gegen CONH2-Gruppen ausgetauscht. In den Amiden steht das freie Elektronenpaar des Stickstoffs am γ-C-Atom (unten in Abb. A 4.24) unter dem Einfluss des benachbarten Sauerstoffatoms, welches die Elektronen zu sich herüberzieht, sodass das freie Elektronenpaar zur Bindung eines Protons nicht mehr zur Verfügung steht. Asparagin und Glutamin sind somit zwar polare Aminosäuren, aber sie tragen keine Ladung. Glutamin ist im Stoffwechsel aller Organismen die wichtigste Transportform von Stickstoff. Am Bestimmungsort angekommen, wird Glutamin in Glutaminsäure umgewandelt und dabei der Stickstoff der Amidgruppe freigesetzt. Auf diese Weise gelangt z. B. ein großer Teil des Stickstoffs zur Leber, wo er über die Bildung von Arginin zu Harnstoff umgesetzt wird (S. 141). Asparagin ist in vielen Proteinen als Verbindungsstelle zu Kohlenhydratseitenketten von Bedeutung. Derartige Kohlenhydratseitenketten tragen fast alle Proteine, die an der äußeren Oberfläche der Zellen sowie im Blutserum vorhanden sind. Hydroxylierte Aminosäuren: Hierzu gehören Serin und Threonin sowie die aromatische Aminosäure Tyrosin. Nicht nur die Amidgruppe von Asparagin, sondern auch die OH-Gruppe von Serin und Threonin (Abb. A 4.25) kann Kohlenhydrate binden. Tyrosin trägt zwar ebenfalls eine OH-Gruppe, dient aber normalerweise nicht als Verbindungsstelle zu Kohlenhydraten. Wie bei Tyrosin kann die OH-Gruppe von Serin und Threonin reversibel phosphoryliert werden. Viele regulatorisch wichtige Proteine werden durch Phosphorylierung bestimmter Serine oder Threonine an- oder abgeschaltet.
Die Strukturformeln der Amide
A-4.24
Asparagin Asn
N
Glutamin Gln
Q
COO– H3N
C
H
COO– H3N
C O
C
H
CH2
CH2
CH2 NH2
C O
NH2
A
Die Strukturformeln von Serin und Threonin
A-4.25
Serin S
Thr
COO– C
H
H3N H3C
CH2
C
H
C
H
OH
Die Strukturformeln der schwefelhaltigen proteinogenen Aminosäuren
Cystein C
Met
–
M COO–
COO C
A-4.26
Methionin
Cys
H 3N
T COO–
OH
A-4.26
A-4.25
Threonin
Ser
H3 N
55
4.4 Aminosäuren
H
H3 N
C
H
CH2
CH2
SH
CH2 S CH3
A-4.27
Die Strukturformel der Iminosäure Prolin
Prolin Pro
P
vereinfachte Schreibweise
COO– H2N H 2C
C C H2
H
A-4.27
COO– H2N Pyrrolidinring
CH2 HN
Pyrrolidin
Schwefelhaltige Aminosäuren: Cystein und Methionin enthalten ein Schwefelatom (Abb. A 4.26). Über dieses Schwefelatom sind beide Aminosäuren in der Lage, sich innerhalb von Proteinen an der Bindung von Metallionen zu beteiligen. Das Cystein trägt zudem mit seiner SH-Gruppe (= Sulfhydryl-Gruppe) wesentlich zur Stabilität einer Reihe von extrazellulären Proteinen bei. Unter oxidierenden Bedingungen können sich zwei Cysteine unter Ausbildung einer Disulfidbrücke zusammenlagern. So bestehen die Antikörper des Blutserums aus mehreren Aminosäureketten, die nur durch Disulfidbrücken zusammengehalten werden. Unter reduzierenden Bedingungen entstehen wieder SH-Gruppen, und die Antikörpermoleküle fallen auseinander.
Schwefelhaltige Aminosäuren: Cystein und Methionin (Abb. A 4.26) können sich an der Bindung von Metallionen beteiligen. Cystein kann unter oxidierenden Bedingungen mit einem weiteren Cystein eine Disulfidbrücke bilden.
Die Iminosäure Prolin: Eine besonders eigentümliche Aminosäure ist das Prolin, denn der Stickstoff ist in ein Ringsystem eingebunden, sodass gar keine freie Aminogruppe mehr vorliegt (Abb. A 4.27). Nach der chemischen Nomenklatur ist Prolin deshalb eine Iminosäure. Innerhalb von Proteinen befinden sich Proline oft an Stellen, an denen die Aminosäurekette einen Knick bildet (S. 65).
Die Iminosäure Prolin: Da der Stickstoff in ein Ringsystem eingebunden ist (Abb. A 4.27), liegt eine Iminosäure vor.
Geladene Aminosäuren
Geladene Aminosäuren
Hierzu zählen die drei basischen Aminosäuren Lysin, Arginin und Histidin sowie die beiden sauren Aminosäuren Asparaginsäure und Glutaminsäure (Abb. A 4.28).
Abb. A 4.28.
Basische Aminosäuren: Lysin, Arginin und Histidin enthalten in ihren Seitenketten Stickstoffatome, die ein freies Elektronenpaar exponieren. Deshalb können diese
Basische Aminosäuren: Lysin, Arginin und Histidin können leicht ein Proton binden.
56
A
4 Die molekulare Struktur der wichtigsten Nahrungsstoffe
A-4.28
Die Strukturformeln der geladenen proteinogenen Aminosäuren
A-4.28
Aspartat Asp
D
Glutamat Glu
COO– H3N
C
H
E
Histidin His
COO– H3N
C
H
CH2
CH2
COO–
CH2 COO–
H
Lysin Lys
C
H
CH2 HN HC
CH N
Imidazolring
Arg
COO–
COO H3N
Arginin K
H3N
C
H
H3N
C
H
CH2
CH2
CH2
CH2
CH2
CH2
CH2
NH
NH3 ε-Aminogruppe saure Aminosäuren
R COO–
C H2N
NH2
basische Aminosäuren
Aminosäuren leicht ein Proton binden und damit eine positive Ladung aufnehmen, d. h. sie haben einen basischen Charakter.
▶ Merke.
▶ Merke.
Lysin und Arginin sind bei physiologischen pH-Werten positiv gela-
den. Lysin exponiert eine primäre Aminogruppe.
Arginin ist Ausgangsstoff der – Harnstoffsynthese – Synthese von Stickstoffmonoxid (NO).
Der Imidazolring des Histidins kann bei physiologischen pH-Werten leicht Protonen aufnehmen und wieder abgeben. In vielen Proteinen ist er an der Bindung von Metallionen beteiligt.
Saure Aminosäuren: Asparaginsäure und Glutaminsäure enthalten eine Carboxylgruppe, deren Proton leicht abdissoziiert. Dabei entsteht Aspartat bzw. Glutamat. Aufgrund ihres Gehalts an Aspartat und Glutamat sind die meisten Proteine negativ geladen.
Lysin exponiert mit seiner Seitenkette eine primäre Aminogruppe. Diese ist mit dem ε-C-Atom des Lysins verbunden und wird deshalb als ε-Aminogruppe bezeichnet, um sie von der Aminogruppe zu unterscheiden, die mit dem α-C-Atom verbunden ist. Der Buchstabe ε ergibt sich, indem die auf das am höchsten oxidierte C-Atom (der Carboxyl-Gruppe) folgenden C-Atome mit den Buchstaben des griechischen Alphabets bezeichnet werden: α, β, γ, δ, ε. Arginin ist aus zwei Gründen bereits als freie Aminosäure von besonderem biochemischen Interesse: – Durch hydrolytische Abspaltung der stickstoffhaltigen Gruppe (der GuanidinoGruppe) wird in der Leber aus Arginin der Harnstoff gebildet (S. 141). – Zum anderen ist Arginin in den Endothelien der Blutgefäße Ausgangsstoff für die Synthese von Stickstoffmonoxid (NO). Dieses relaxiert die benachbarten glatten Gefäßmuskelzellen und löst so eine Weitstellung des Gefäßes aus. Dadurch spielt NO eine bedeutende Rolle in der Regulation des Blutdrucks. Histidin ist bei physiologischen pH-Werten nur teilweise protoniert. Histidin kann also nur mit Vorbehalt zu den geladenen Aminosäuren gezählt werden. Der Imidazolring kann ein Proton sehr leicht aufnehmen, aber ebenso leicht wieder abgeben. Entsprechend findet sich ein Histidin in Enzymen oft an Stellen, an denen die gezielte Übertragung eines Protons erforderlich ist. Der Imidazolring des Histidins ist zudem in vielen Proteinen an der spezifischen Bindung von Metallionen beteiligt. Dieses betrifft insbesondere die Bindung von Kupfer-, Zinkund Eisenionen. Schließlich ist daran zu erinnern, dass der Imidazolring sechs delokalisierte π-Elektronen enthält (dazu werden von einem der N-Atome zwei Elektronen beigesteuert) und somit ein aromatisches Ringsystem ist. Im Gegensatz zu den anderen aromatischen Aminosäuren ist Histidin aber ausgesprochen hydrophil. In Lehrbüchern wird es unterschiedlich klassifiziert. Saure Aminosäuren: Asparaginsäure und Glutaminsäure reagieren sauer, denn ihr Rest enthält eine Carboxylgruppe, deren Proton leicht abdissoziiert. Dabei entsteht das negativ geladene Anion Aspartat bzw. Glutamat. Je mehr Aspartate und Glutamate ein Protein enthält, umso stärker ist es negativ geladen. Bei den weitaus meisten Proteinen überwiegen die negativ geladenen Aminosäuren gegenüber den positiv geladenen Aminosäuren, sodass sich eine negative Nettoladung ergibt. Bindet ein Protein spezifisch Calciumionen, erfolgt die Bindung in der Regel unter Vermittlung mehrerer Aspartate und Glutamate, die das positiv geladene Calciumion von mehreren Seiten mit ihren negativ geladenen Carboxylgruppen umgreifen.
A
Nicht essenzielle und essenzielle proteinogene Aminosäuren
▶ Definition. Nicht essenzielle Aminosäuren können im Stoffwechsel des Menschen synthetisiert werden. Ihre Aufnahme mit der Nahrung ist deshalb nicht essenziell. Einige der nicht essenziellen proteinogenen Aminosäuren, z. B. Alanin, entstehen in einer vergleichsweise einfachen Reaktion aus einem Metaboliten, indem eine Ketogruppe gegen eine Aminogruppe ausgetauscht wird. Dieser Austausch geschieht durch Transaminierung, eine Reaktion, in der die benötigte Aminogruppe von einer Aminosäure beigesteuert wird, die dadurch ihrerseits eine Ketogruppe erhält (Abb. A 4.29). Gruppen bestimmter Aminosäuren und α-Ketosäuren können also ihre Aminogruppen untereinander austauschen. Transaminierung
A-4.29
H3 N
C
O
▶ Definition.
Einige der nicht essenziellen proteinogenen Aminosäuren, z. B. Alanin, entstehen durch Transaminierung (Abb. A 4.29).
COO– H3N
C
H
Glutamat
CH2
CH2
COO–
CH2
CH2
COO–
C
COO–
COO–
C
H
Nicht essenzielle und essenzielle proteinogene Aminosäuren
A-4.29
COO– α-Ketoglutarat
57
4.4 Aminosäuren
CH3
O
CH3 Transaminierung
Alanin
Pyruvat
Andere proteinogene Aminosäuren werden im Metabolismus des Menschen in z. T. recht komplizierten Stoffwechselwegen gebildet, z. B. Prolin.
▶ Definition. Essenzielle Aminosäuren können im Stoffwechsel des Menschen unter keinen Umständen synthetisiert werden. Sie müssen deshalb unbedingt in hinreichender Menge mit der Nahrung aufgenommen werden. Leider ist die Definition der essenziellen Aminosäuren nicht ganz eindeutig (Tab. A 4.2).
A-4.2
Unbedingt und bedingt essenzielle proteinogene Aminosäuren
unbedingt essenziell
Valin Leucin Isoleucin Phenylalanin Tryptophan Methionin Threonin Lysin
▶ Definition.
Leider ist die Definition nicht ganz eindeutig (Tab. A 4.2).
A-4.2
bedingt essenziell bei Fehlen von Phenylalanin bzw. Methionin Tyrosin Cystein
bei weitgehendem oder völligem Fehlen in der Nahrung und bei Säuglingen Histidin Arginin
▶ Merke.
Unbedingt (in allen Stoffwechselsituationen) essenziell sind alle verzweigtkettigen Aminosäuren, die aromatischen Aminosäuren Phenylalanin und Tryptophan, Threonin, Lysin und Methionin.
Folgende Aminosäuren sind unter besonderen Bedingungen, d. h. bedingt (halb) essenziell: Tyrosin kann im Stoffwechsel des Menschen durch Hydroxylierung aus Phenylalanin entstehen. Ist Phenylalanin vorhanden, ist Tyrosin also nicht essenziell. Bei Mangel an Phenylalanin wird es jedoch zu einer essenziellen Aminosäure.
▶ Merke.
Einige Aminosäuren sind bedingt (halb) essenziell: Tyrosin und Cystein können nur synthetisiert werden, wenn hinreichende Mengen an Phenylalanin bzw. Methionin vorhanden sind.
58
A
Histidin und Arginin sind essenziell für Säuglinge und wenn sie in der Nahrung weitgehend oder ganz fehlen.
4 Die molekulare Struktur der wichtigsten Nahrungsstoffe
Entsprechend kann Cystein nur gebildet werden, sofern Methionin in ausreichenden Mengen zur Verfügung steht. Histidin und Arginin sind definitionsgemäß nicht essenziell, denn sie können im Stoffwechsel auf definierten Wegen bereitgestellt werden. Erfahrungsgemäß können sie aber nicht in ausreichender Menge synthetisiert werden, wenn sie in der Nahrung vollständig oder weitgehend fehlen. Sie sind für Säuglinge essenziell.
4.4.3 Der Sonderfall Selenocystein
4.4.3 Der Sonderfall Selenocystein
Selenocystein wird aus der Aminosäure Serin gebildet, indem der Sauerstoff der OH-Gruppe gegen Selen ausgetauscht wird (Abb. A 4.30).
Das Genom des Menschen kodiert etwa 25 Proteine, die neben den oben beschriebenen 20 Aminosäuren auch die sehr seltene Aminosäure Selenocystein enthalten. Zu diesen Proteinen gehört z. B. die Glutathion-Peroxidase, die die Erythrozytenmembran vor Schäden durch toxische Oxidanzien (z. B. Wasserstoffperoxid) schützt. Selenocystein enthält im Unterschied zu Cystein statt eines Schwefelatoms ein Selen-Atom. Es wird aus der Aminosäure Serin gebildet, indem der Sauerstoff der OHGruppe gegen Selen ausgetauscht wird (Abb. A 4.30).
A-4.30
Umwandlung von Serin in Selenocystein
A-4.30
COO– H 3N
C
COO–
H
H3 N
C
COO–
H
H3N
C
CH2
CH2
S
O H
Se
H
Cystein
Serin
a
Serin Serin
ACU
ACU
enzymkatalysierte Umwandlung des Serins zu Selenocystein
▶ Merke.
H
Selenocystein (wird aus Serin gebildet) Selenocystein
Selenocystein mRNA + Ribosom
ACU
b
▶ Merke.
H
CH2
ACU UGA
Einbau des Selenocysteins in das wachsende Polypeptid mRNA
Selenocystein entsteht durch Modifikation von Serin, nicht von Cy-
stein! Serin wird in Selenocystein umgewandelt, während es an seine tRNA gebunden ist. Die mRNA faltet sich so, dass die nun mit Selenocystein beladene tRNA das normalerweise als Stoppsignal dienende Basentriplett UGA bindet.
Selenocystein ist eine proteinogene Aminosäure.
4.4.4 Nicht proteinogene Aminosäuren
▶ Definition.
Der Umbau des Serins findet während der Translation (S. 455) statt, und zwar während Serin an seine tRNA gebunden ist. Die mRNA des Proteins, in das Selenocystein eingebaut werden soll (z. B. die mRNA der Glutathion-Peroxidase), faltet sich in einer bestimmten Weise. Hierdurch erkennt die nun mit Selenocystein beladene tRNA das Basentriplett UGA, das normalerweise als Stoppsignal fungiert, als Basentriplett für Selenocystein und bindet daran. Selenocystein wird in das Protein eingebaut. Proteine können ein phosphoryliertes Serin enthalten, das – ähnlich wie das Selenocystein – ebenfalls über eine chemische Modifikation von Serin gebildet wird. Warum gilt das phosphorylierte Serin nur als „kovalent modifizierte“ Aminosäure, nicht aber als „proteinogene“ Aminosäure? Hier ist zu beachten, dass die Phosphorylierung eines Serins stets nach der Translation erfolgt, nämlich durch Phosphorylierung der entsprechenden Seitenkette in einem bereits vorhandenen Protein, während das Selenocystein bereits vor der Translation gebildet wird.
4.4.4 Nicht proteinogene Aminosäuren ▶ Definition.
Nicht proteinogen sind Aminosäuren, die nicht als Proteinbaustein verwendet werden oder die durch nachträgliche Modifikation eines Proteinbausteins entstehen.
A
4.4 Aminosäuren
59
Ornithin und Citrullin, die bei der Elimination von Stickstoff im Harnstoffzyklus eine Rolle spielen (S. 141), sind nie in Proteine eingebunden. Sie liegen somit stets als freie Aminosäuren vor. Zu den nachträglich modifizierten Proteinbausteinen zählen Phosphotyrosin, Phosphoserin und Phosphothreonin, die bei der Regulation von Enzymproteinen eine Rolle spielen.
Ornithin und Citrullin sind nie in Proteine eingebunden.
4.4.5 Funktion im Energiestoffwechsel
4.4.5 Funktion im Energiestoffwechsel
Ähnlich den TAG und Kohlenhydraten können auch Aminosäuren im Stoffwechsel oxidiert werden. Die bei der Oxidation mobilisierten Elektronen können dann mithilfe von NADH und FADH2 der Atmungskette und damit dem Energiestoffwechsel zur Verfügung gestellt werden. Die vielfältigen Abbauwege der verschiedenen Aminosäuren werden in Kapitel A-9 (S. 136) erläutert.
Ähnlich den TAG und Kohlenhydraten können auch Aminosäuren oxidiert und die Oxidationselektronen über NADH und FADH2 der Atmungskette zugeführt werden.
Ein nachträglich modifizierter Proteinbaustein ist z. B. Phosphotyrosin.
60
A
4 Fallbeispiel
▶ Fallbeispiel: Akuter Myokardinfarkt Anamnese: Die notfallmäßige Einweisung des 54-jährigen Landwirts Herrn Oberhuber ins Krankenhaus erfolgte aufgrund eines starken Schmerzes „auf der Brust“, der sich bei genauerer Nachfrage als hinter dem Brustbein beginnend und bis in die Unterkiefergegend hochziehend lokalisieren ließ. Dieser war plötzlich aufgetreten, als der Patient nach Genuss reichhaltiger Speisen am Büffet bei einer Familienfeier kurz das Restaurant verließ, um Zigaretten zu holen. Einen Schmerz in dieser Intensität hatte Herr Oberhuber nie zuvor verspürt und er berichtete bei Eintreffen des Notarztes von einem mit dem Schmerz einhergehenden beklemmenden Angstgefühl. Auf die Frage nach Beschwerden ähnlichen Charakters berichtet der Patient, seit er nur noch den Fahrstuhl nehme, um in seine Wohnung (3. Stock) zu gelangen, habe er keine Probleme mehr gehabt. Vorher sei es beim Treppensteigen einmalig zu einem Engegefühl in der Brust gekommen, v. a. aber bekam er dabei des Öfteren schlecht Luft. Bei der Eruierung von Risikofaktoren für einen Herzinfarkt gibt der Patient an, dass weder ein Diabetes noch Bluthochdruck (arterielle Hypertonie) oder erhöhte Blutfettwerte (Hypercholesterinämie) bekannt wären. Er raucht jedoch seit ca. 25 Jahren mindestens eine Schachtel Zigaretten pro Tag (25 „Pack Years“). Sein Vater ist mit 49 Jahren an einem „Herzschlag“ plötzlich gestorben.
A-4.31
EKG-Befund bei Hinterwandinfarkt (aus Hamm, Willems; Checkliste EKG, Thieme, 2001) Vr1 V1
I Vr2 V2
II
Vr3 III
V3
Vr4
aVR
V4
Vr5 V5 aVL V6
aVF
A-4.32
Vr6
Röntgen-Thorax-Befund bei akutem Myokardinfarkt Vermehrte, bis in die Peripherie reichende Gefäßzeichnung als Zeichen der Lungenstauung (aus Reiser, Kuhn, Debus; Duale Reihe Radiologie, Thieme, 2011).
Körperliche Untersuchung (Angabe der jeweiligen Normwerte in Klammern): 54-jähriger, leicht adipöser Patient in reduziertem Allgemeinzustand. Blutdruck 135/80 mmHg (< 130/ 85 mmHg), Puls 108/min (50 – 100/min). Herztöne rein, keine pathologischen Geräusche. Über beiden Lungen sind basal vereinzelt feinblasige feuchte Rasselgeräusche auskultierbar. Die Leber ist etwas vergrößert ca. 4 cm unter dem Rippenbogen in der Medioklavikularlinie palpabel. Ansonsten unauffälliger Untersuchungsbefund. Laboruntersuchungen (Angabe der jeweiligen Normwerte in Klammern): Kardiales Troponin T 3,7 \Mg/l (< 0,03 \Mg/l), CK (Creatinphosphokinase) 314 U/l (< 170 U/l), CK-MB-Aktivität 35 U/l (< 24 U/l), LDH (Lactatdehydrogenase) 123 U/l (< 247 U/ l), aPTT (aktivierte partielle Thromboplastin-Zeit) 57 s (27 – 40 s), Gesamtcholesterin 245 mg/dl (< 200 mg/dl), LDLCholesterin 197 mg/dl (< 160 mg/dl), HDL-Cholesterin 40 mg/ dl (≥ 35 mg/dl), Triglyceride 380 mg/dl (< 150 mg/dl). EKG: Absolute Arrhythmie, 65/min, ST-Hebung in den Ableitungen II, III, aVF, V1, V2 und Vr1 –Vr6. Röntgenaufnahme des Thorax a.-p. im Liegen: Zeichen einer Lungenstauung, weitere wegweisende pathologische Befunde finden sich nicht. Transthorakale Echokardiografie (TTE): Hypo- bis Akinesie (eingeschränkte Beweglichkeit) inferior, mittelgradig eingeschränkte linksventrikuläre Funktion, im Farbdoppler keine Vitien (Herzklappenfehler) nachweisbar. Koronarangiografie (Herzkatheteruntersuchung): Nachweis eines Verschlusses der Arteria coronaria dextra.
Verlauf: Im Zuge der schnellstmöglich nach Aufnahme durchgeführten Herzkatheteruntersuchung wird der Verschluss der rechten Herzkranzarterie aufgedehnt (Ballondilatation). Die Kontrollangiografie zeigt ein vollständig aufgeweitetes Gefäß. Bei Herrn Oberhuber wird die nach einem Myokardinfarkt übliche medikamentöse Therapie mit Acetylsalicylsäure (ASS), Clopidogrel, einem Betablocker und einem ACE-Hemmer begonnen. Zur Minimierung der Risikofaktoren wird der Patient über den negativen Einfluss des Nikotinkonsums aufgeklärt und eine lipidsenkende Therapie (HMG-CoA-Reduktase-Hemmer) begonnen. Bereits am Tag nach der Behandlung fühlt sich Herr Oberhuber wieder recht gut. Nach 8 Tagen wird er in eine Rehabilitationsklinik zur Anschlussheilbehandlung verlegt.
▶
A
A-4.33
4 Fallbeispiel
61
Koronarangiografie a Nachweis eines proximalen Verschlusses der rechten Koronararterie. b Kontrollangiografie nach Ballondilatation: vollständig aufgeweitetes Gefäß mit Darstellung aller Seitenäste. (aus Krakau, Lapp; Das Herzkatheterbuch, Thieme, 2004)
a
Fragen mit biochemischem Schwerpunkt: 1. Welche Marker können im Labor zur Diagnose eines Herzinfarktes herangezogen werden? 2. Welche Isoenzyme der Creatin(phospho)kinase (CK) gibt es? Welche Rolle spielen diese bei der Herzinfarktdiagnose? 3. Was unterscheidet die kardialen Troponine (Troponin T, Troponin I) von anderen biochemischen Markern, die zur Herzinfarktdiagnostik herangezogen werden? 4. Anhand der Markerkonstellation lässt sich das ungefähre Alter eines Infarktes abschätzen. Was könnte dem zu Grunde liegen? Antwortkommentare: Zu 1. Am bekanntesten sind die im Serum gemessenen Aktivitäten der Enzyme CK (Creatinphosphokinase) und LDH (Lactatdehydrogenase). In aller Regel wird bei erhöhter Gesamt-CK auch die Aktivität oder Masse der CK-MB bestimmt. Von der LDH lässt sich eine bestimmte Isoenzym-Untergruppe (sog. α-HBDH) separat messen. Bei einem Schaden der Herzmuskulatur wird ebenso wie bei einem Skelettmuskelschaden Myoglobin ins Blut freigesetzt. Der Herzmuskel enthält auch das Enzym Aspartataminotransferase (AST, GOT), jedoch kaum Alaninaminotransferase (ALT, GPT). Modernere Marker sind die myokardialen Proteine Troponin T und Troponin I. Zu 2. Üblicherweise unterscheidet man die CK-Isoenzyme CKMM, CK-MB und CK-BB. Die CK-MM entstammt der quer gestreiften Skelettmuskulatur, die CK-MB dem Myokard und die CK-BB dem Gehirn. Eine häufige Variante ist die sog. MakroCK, die Erhöhungen der CK-MB vortäuschen kann. Erhöhungen der Gesamt-CK sind sehr häufig und kommen außer beim Myokardinfarkt bei Skelettmuskelschäden, nach Krampfanfällen, bei Alkoholmissbrauch oder der Makro-CK-Variante vor.
b
Die CK-MB ist recht spezifisch für den Herzmuskel, die Aussagekraft der Untersuchung wird aber durch methodische Probleme eingeschränkt. Eine erhöhte Gesamt-CK mit einem CK-MB-Anteil zwischen 6 und 20 % spricht in der Regel für einen Herzmuskelschaden. Daneben existiert noch die aus den Mitochondrien stammende Isoform CK-MiMi.
Zu 3. Die myokardialen Troponine T und I sind äußerst sensitive und spezifische Marker für einen Myokardschaden. Dies bedeutet, dass bei nahezu allen Patienten mit einer Schädigung des Herzmuskels eine Erhöhung der kardialen Troponine nachgewiesen werden kann, fast niemals hingegen bei Gesunden. Über die Ursache der Schädigung sagen sie jedoch nichts aus (Infarkte sind aber mit Abstand die häufigste). Im Gegensatz dazu sind alle anderen Marker entweder wenig sensitiv (z. B. CK-MB) oder wenig spezifisch (z. B. LDH, AST) oder beides (z. B. Gesamt-CK). Zu 4. Einige der Marker steigen nach einem Myokardinfarkt sehr schnell an (dazu gehören Myoglobin, CK-MB und die Troponine), bei anderen dauert es länger (z. B. AST, LDH). Einer der Gründe hierfür ist das höhere „Hintergrundrauschen“ bei den unspezifischeren Messwerten AST und LDH, d. h. die relevante Nachweisbarkeit auch bei Gesunden. Auch die biologische Halbwertszeit der Marker im Blut unterscheidet sich erheblich. Myoglobin normalisiert sich innerhalb von 24 h, da seine Ausscheidung über die Nieren aufgrund seines geringeren Molekulargewichts relativ schnell erfolgt. Die CK-MB fällt innerhalb einiger weniger Tage wieder zurück in den Referenzbereich, bei AST und LDH dauert es etwas länger. Bis zu drei Wochen nach einem Herzinfarkt sind die Troponine und die α-HBDH noch erhöht.
A
A
5 Die wichtigsten biochemischen Funktionsträger: Proteine
Die wichtigsten biochemischen Funktionsträger: Proteine
5 5.1 5.2 5.3
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Peptidbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Proteinstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
© PhotoDisc
5.1
Grundlagen
▶ Definition.
5.1
Grundlagen
▶ Definition. Proteine sind lange unverzweigte Ketten aus Aminosäuren. Die meisten Proteine bestehen aus Ketten von ca. 200 – 600 Aminosäuren, und haben somit molekulare Massen von ca. 20 – 60 kDa (kilo-Dalton). Ohne scharfe Abgrenzung werden Ketten einer Länge von weniger als ca. 50 Aminosäuren als Peptide bezeichnet. Sind nur zwei Aminosäuren miteinander verbunden, liegt ein Dipeptid vor. Aminosäureketten intermediärer Länge (ca. 50 – 150 Aminosäuren) nennt man Polypeptide. Oft wird das Wort auch zur Bezeichnung einer nicht näher definierten linearen Aminosäurekette verwendet.
5.1.1 Funktionen
5.1.1 Funktionen
Proteine sind am Aufbau fast aller Strukturen der Zellen und Gewebe beteiligt, bilden die Poren und Translokatoren der Membranen und stellen fast alle Enzyme und Rezeptoren und alle Transkriptionsfaktoren der Zelle.
Proteine sind in den Geweben des Organismus die wichtigsten biochemischen Funktionsträger: Sie sind am Aufbau nahezu sämtlicher Strukturen der Zellen und Gewebe beteiligt. Sie bilden sämtliche spezifischen Poren und Translokatoren der Membranen. Sie stellen nahezu sämtliche Enzyme und Rezeptoren und in den Zellkernen sämtliche Transkriptionsfaktoren. Um eine Funktion ausüben zu können, müssen Proteine auf vielfältige Weise miteinander kooperieren. Oft bilden die Kooperationspartner sogar einen gemeinsamen Proteinkomplex. Derzeit ist die Charakterisierung von Proteinkomplexen deshalb in der biochemischen Forschung von außerordentlicher Bedeutung.
Oft bilden sie Proteinkomplexe.
5.2
Die Peptidbindung
Das Bindeglied der Aminosäuren ist die Peptidbindung. Hierbei verbindet sich die Carboxylgruppe einer Aminosäure mit der Aminogruppe einer anderen Aminosäure unter Abspaltung von H2O (Abb. A 5.1).
5.2
Die Peptidbindung
In der Regel werden Aminosäuren immer auf die gleiche Weise miteinander verbunden, nämlich durch eine Peptidbindung. Peptidbindungen werden in den Zellen normalerweise unter Vermittlung von Ribosomen (S. 460) gebildet. Im Endergebnis entspricht eine Peptidbindung einer Verbindung zwischen der Carboxylgruppe einer Aminosäure und der Aminogruppe einer anderen Aminosäure unter Abspaltung von Wasser (Abb. A 5.1).
A-5.1
A-5.1
Peptidbindung
O O H C H
N
C H
H
R1
Aminosäure 1
O O H C +
H
N
C H
H
R2
H2O O H3N
CH R1
C
N
CH
H
R2
COO
Aminosäure 2
Die roten Striche symbolisieren in dieser Abbildung die freien Elektronenpaare der Peptidbindung. Der Mechanismus, durch den die Peptidbindungen in den Ribosomen gebildet werden, ist auf S. 460 erläutert.
A
Auf den ersten Blick ist in der Peptidbindung eine C ═ O-Gruppe mit einer N-HGruppe nur durch eine Einfachbindung verbunden. Allerdings ist zu beachten, dass das Stickstoffatom ein freies Elektronenpaar trägt, welches hier unter dem elektronenziehenden Einfluss des Sauerstoffatoms steht (hohe Elektronegativität des Sauerstoffs!). Der Sauerstoff zieht also das freie Elektronenpaar zu einem gewissen Teil in die Bindung zwischen dem Stickstoff- und dem Kohlenstoffatom hinein, sodass die Peptidbindung einen partiellen Doppelbindungscharakter hat (Abb. A 5.2). Dieser partielle Doppelbindungscharakter hat unmittelbar eine wichtige Konsequenz, er führt nämlich dazu, dass die freie Drehbarkeit der C ═ O-Gruppe und der N-H-Gruppe gegeneinander aufgehoben ist. A-5.2
C
Das freie Elektronenpaar des Stickstoffs wird in die Bindung zwischen N- und C-Atom hineingezogen (partieller Doppelbindungscharakter, Abb. A 5.2), wodurch die C ═ Ound die N-H-Gruppe ihre freie Drehbarkeit gegeneinander verlieren.
Der partielle Doppelbindungscharakter der Peptidbindung
O R
63
5.3 Proteinstrukturen
A-5.2
O N
R'
H
R
C
N
R'
H
▶ Merke.
Peptidbindungen sind starre, ebene Strukturelemente. Dadurch haben alle Peptide und Proteine auch nur begrenzte Möglichkeiten, sich im Raum zu definierten Strukturen anzuordnen.
Dem Sauerstoff- und dem Wasserstoffatom der Peptidbindungen kommt im Zusammenhang der Strukturbildung aller Peptide und Proteine eine entscheidende Rolle zu. Zwei Aminosäureketten können sich nämlich so aneinander lagern, dass sich sämtliche Peptidbindungen der beiden Aminosäureketten direkt gegenüberliegen. Dabei sind die Wasserstoffatome der Peptidbindungen im Vergleich zu den Sauerstoffatomen der nun direkt gegenüberliegenden Peptidbindungen vergleichsweise positiv polarisiert und bilden sog. Wasserstoffbrücken, durch die beide Aminosäureketten miteinander verbunden werden (Abb. A 5.4 und Abb. A 5.5).
▶ Merke.
Wasserstoffbrücken tragen wesentlich zur Bildung von Proteinstruktu-
▶ Merke.
Das Sauerstoff- und das Wasserstoffatom der Peptidbindungen sind an der Bildung von Wasserstoffbrücken beteiligt, die gegenüberliegende Peptidbindungen verbinden und zur Bildung definierter Proteinstukturen führen können (Abb. A 5.4 und Abb. A 5.5).
▶ Merke.
ren bei. Die Wasserstoffbrücken der Aminosäureketten haben allerdings nur eine geringe Stabilität. Bereits durch eine kräftige Erwärmung lassen sie sich destabilisieren. Das geschieht z. B. beim Kochen mit den Proteinen der Nahrung, aber auch mit den Haarproteinen beim Anlegen einer Dauerwelle beim Friseur.
5.3
Proteinstrukturen
▶ Definition. Unter der nativen Struktur eines Proteins versteht man die definierte dreidimensionale Struktur, in der das Protein seine physiologische Funktion ausübt. Die Aminosäuren kleiner Peptide können untereinander nur wenige Wechselwirkungen eingehen. Im Gegensatz zu den Proteinen bilden sie deshalb in der Regel keine stabilen Strukturen aus. Als Proteindomäne bezeichnet man einen größeren Teil einer Aminosäurekette, der unabhängig von den anderen Proteinanteilen eine eigene dreidimensionale Struktur ausbildet. In der Regel sind derartige Proteindomänen auch funktionelle Einheiten des Proteins. Solange ein Protein seine native Struktur noch nicht erreicht hat, liegt es in einer nicht nativen Struktur vor. Wenn ein Protein seine native Struktur nachträglich wieder verliert, wird es in diesem Moment denaturiert. Denaturierte Proteine können in den Zellen nur teilweise wieder in den nativen Zustand zurückversetzt werden. Oft ist eine Denaturierung irreversibel. Die denaturierten Proteine werden dann von Proteasen hydrolysiert, und aus den freigesetzten Aminosäuren werden neue Polypeptide synthetisiert.
Wasserstoffbrücken zwischen Aminosäuren sind wenig stabil.
5.3
Proteinstrukturen
▶ Definition.
64 ▶
A
Klinik.
5 Die wichtigsten biochemischen Funktionsträger: Proteine
▶ Klinik. Wenn bei einer Verbrennung oder Verbrühung Gewebe absterben, ist u. a. eine massive Denaturierung der zellulären Proteine die Ursache. Der Wechsel der Proteine zwischen nativen und nicht nativen Zuständen ist in den vergangenen 20 Jahren intensiv erforscht worden. Die jeweilige Struktur, in der ein Protein vorgefunden wird, definiert seine Faltung. Entsprechend wird der Forschungsgegenstand international als Protein Folding bezeichnet.
Einteilung: Man unterscheidet vier Aspekte der Proteinstruktur.
Einteilung: Man unterscheidet eine Primär-, Sekundär-, Tertiär- und Quartärstruktur.
5.3.1 Primärstruktur
5.3.1 Primärstruktur
▶ Definition.
▶ Definition.
Unter der Primärstruktur eines Proteins versteht man seine Amino-
säuresequenz. Wird ein Protein denaturiert, geht zwar seine native Struktur verloren, seine Primärstruktur aber bleibt erhalten.
▶ Merke.
Die Primärstruktur ist durch die Nukleotidsequenz der kodierenden Gene bestimmt.
Die räumliche Struktur eines Proteins kann mithilfe von Computerprogrammen unter bestimmten Voraussetzungen zumindest teilweise vorhergesagt werden. Eine Berechnung der räumlichen Strukturen sämtlicher Proteine ist auf der Basis der Primärstrukturen bislang nicht möglich.
Die Schreibweise einer Aminosäuresequenz zeigt Abb. A 5.3.
A-5.3
▶ Merke.
Die Primärstruktur alleine reicht also nicht für die Erhaltung der Proteinfunktion aus! Hierfür ist die native Struktur erforderlich, die durch die Sekundär-, Tertiär- und Quartärstruktur bestimmt wird. Da die Sequenz der Aminosäuren letztlich durch die Sequenz der Nukleotide der kodierenden Gene bestimmt wird, ist es problemlos möglich, z. B. mithilfe eines Computers ausgehend von der Gensequenz die Primärstruktur eines Proteins zu ermitteln. Auf der Basis der Sequenzen des menschlichen Genoms sind heute zumindest im Prinzip die Primärstrukturen sämtlicher Proteine des Menschen bekannt. Mithilfe geeigneter Computerprogramme können auch Sekundärstrukturvorhersagen berechnet werden. Sofern die räumliche Struktur eines ähnlichen Proteins bereits bekannt ist, lassen sich sogar Vorhersagen zur Tertiär- bzw. Quartärstruktur ermitteln. Oft ist es aber schwierig oder sogar unmöglich, verlässliche Vorhersagen zur räumlichen Struktur eines Proteins zu erhalten. Die genaue räumliche Struktur eines Proteins wird dann experimentell in oft sehr aufwendigen Verfahren über eine Röntgenkristallstruktur oder – bei kleinen, gut löslichen Proteinen – mithilfe der Kernspinresonanz (NMR, nuclear magnetic resonance) bestimmt. Zur Abbildung einer Aminosäuresequenz stellt man die freie Aminogruppe der ersten Aminosäure konventionsgemäß links, die freie Carboxylgruppe der letzten Aminosäure rechts dar (Abb. A 5.3). Entsprechend unterscheidet man ein N-terminales und ein C-terminales Ende. Mit der N-terminalen Aminosäure beginnt am Ribosom die Proteinbiosynthese.
A-5.3
Primärstruktur des Peptidhormons Vasopressin (Adiuretin, ADH)
H2 N
Cys
Tyr
S Phe
S Gln
O Asn
Cys
Pro
Arg
Gly
C NH2
Vasopressin ist ein Nonapeptid, das im Hypophysenhinterlappen gespeichert und an das Blut abgegeben wird (S. 579). Zwei Cysteine sind durch eine Disulfidbrücke miteinander verbunden, der C-Terminus liegt in Form einer Amidgruppe vor.
5.3.2 Sekundärstruktur
5.3.2 Sekundärstruktur
Grundlagen
Grundlagen
▶ Definition.
▶ Definition.
Als Sekundärstruktur bezeichnet man die regelmäßigen Strukturen innerhalb von Polypeptiden, die sich aufgrund von Wasserstoffbrücken zwischen Peptidbindungen ausbilden. Die verschiedenen Abschnitte einer Aminosäuresequenz zeigen in der Regel unterschiedliche Sekundärstrukturen.
A
65
5.3 Proteinstrukturen
▶ Merke.
Die Aminosäurereste der verschiedenen Aminosäuren eines Proteins können die Ausbildung einer bestimmten Sekundärstruktur zwar wesentlich begünstigen, an der Ausbildung der entscheidenden Wasserstoffbrücken der Sekundärstrukturen sind sie aber nicht beteiligt.
▶ Merke.
Einteilung: Jedes Protein enthält mehrere Sekundärstrukturelemente. Diese lassen sich einteilen in α-Helix, β-Faltblatt (engl. β-sheet) und U-förmige Verbindungsstücke (engl. loop bzw. turn), im Deutschen meist als Schleife bezeichnet.
Einteilung der Sekundärstrukturelemente: α-Helix β-Faltblatt Schleife
α-Helix
α-Helix
α-Helices sind in charakteristischer Weise schraubig gewundene Abschnitte einer Aminosäurekette. Sie finden sich in den verschiedenen Proteinen in unterschiedlichen Anteilen. α-Helices werden in einfachen Darstellungen von Proteinstrukturen mitunter als runde Stäbe abgebildet. Tatsächlich bildet die Aminosäurekette eine rechtsgängige Schraube, bei der jeweils 3,6 Aminosäuren eine Windung beisteuern. Sieht man von einem Ende in die Helix hinein wie in eine Röhre, und weist dabei das C-terminale Ende vom Betrachter weg, verlaufen die Windungen im Uhrzeigersinn nach rechts. Jede Windung hat eine Ganghöhe von 0,54 nm. Sämtliche Seitenketten der beteiligten Aminosäuren weisen nach außen. Die α-Helix wird ausschließlich durch die Wasserstoffbrücken stabilisiert, die sich zwischen den Peptidbindungen der einzelnen Windungen ausbilden (Abb. A 5.4). Die Wasserstoffbrücken bilden sich also bei einer α-Helix innerhalb einer Aminosäurekette aus. Die Aminosäurereste stehen hingegen für Wechselwirkungen mit anderen Aminosäureketten zur Verfügung.
Hierbei handelt es sich um eine rechtsgängige Schraube, bei der jeweils 3,6 Aminosäuren eine Windung beisteuern. Jede Windung hat eine Ganghöhe von 0,54 nm.
A-5.4
α-Helix
A-5.4
O C N
H
O C
R
O C
C
N O
N
O C
N H
R
H
C
H
O
R
N O H
R R
C
H
C
H
N
Die intramolekularen Wasserstoffbrücken sind durch rote Striche gekennzeichnet (nach Mortimer, Müller; Chemie, Thieme, 2010).
N
O
R
Eine α-Helix wird ausschließlich durch intramolekulare Wasserstoffbrücken stabilisiert (Abb. A 5.4).
R
N R H
▶ Merke.
Prolin ist die einzige Aminosäure, deren Peptidbindung kein Wasserstoffatom aufweist und die sich deshalb auch nicht an der Bildung einer Wasserstoffbrücke beteiligen kann. Aus diesem Grund kann bereits ein einzelnes Prolin eine α-Helix unterbrechen: Es ist ein „Helixbrecher“.
Weitgehend aus α-Helices bestehende Proteine sind z. B. das Myoglobin (Abb. A 5.7 a) und das Hämoglobin.
▶ Merke.
Typische α-helikale Proteine sind Myo- und Hämoglobin.
66
A
▶ Exkurs.
5 Die wichtigsten biochemischen Funktionsträger: Proteine
▶ Exkurs. Der Sonderfall der Kollagen-Helix Kollagen besteht zu einem großen Teil aus Prolin und Glycin und ist ein häufiges Protein des Bindegewebes. Die Aminosäuren bilden hier die sog. Kollagen-Helix. Diese ist linksgängig und zudem im Vergleich zur α-Helix gleichsam in die Länge gezogen. Die Ganghöhe beträgt nicht 0,54, sondern 0,96 nm. Unter diesen Bedingungen können sich zwischen den Windungen der Helix, also intramolekular, keine Wasserstoffbrücken bilden. Die Kollagen-Helix wird nur dadurch stabilisiert, dass sich jeweils drei einzelne Helices zu einer Tripelhelix zusammenlagern, indem sich zwischen den Helices Wasserstoffbrücken ausbilden.
β-Faltblatt
β-Faltblatt
Lagern sich Aminosäureketten in weitgehend gestreckter Konformation nebeneinander, kann sich ein β-Faltblatt ausbilden. Die daran beteiligten Kettenabschnitte werden als βFaltblattstränge bezeichnet. β-Faltblattstrukturen werden durch Wasserstoffbrücken stabilisiert, die sich zwischen zwei parallel oder auch antiparallel liegenden Aminosäureketten ausbilden (Abb. A 5.5).
Wenn sich Aminosäureketten in weitgehend gestreckter Konformation nebeneinander zusammenlagern, kann sich ein β-Faltblatt ausbilden. Die einzelnen daran beteiligten Abschnitte der Polypeptidketten werden als β-Faltblattstränge bezeichnet. In schematischen Darstellungen werden β-Faltblattstränge durch breite Pfeile symbolisiert, die jeweils zum C-Terminus der Aminosäurekette zeigen. Man kann sich ein β-Faltblatt wie einen ziehharmonikaartig gefalteten Papierstreifen vorstellen, bei dem jede Fläche des Papierstreifens einen β-Faltblattstrang repräsentiert. Die α-C-Atome liegen dabei direkt auf dem Knick, während die ebenen und in sich nicht drehbaren Peptidbindungen in der Fläche liegen. Die Aminosäurereste ragen dann abwechselnd nach oben und nach unten (Abb. A 5.5). β-Faltblattstrukturen werden durch Wasserstoffbrücken stabilisiert, die sich zwischen zwei parallel oder auch antiparallel liegenden Aminosäureketten ausbilden. Die bekanntesten Proteine, die nahezu ausschließlich aus β-Faltblattstrukturen bestehen, sind die Antikörper.
Diese Sekundärstruktur findet sich z. B. bei Antikörpern.
A-5.5
A-5.5
β-Faltblatt R H R
R H N
O H C C N
C O
H O C N
N
O H C C N C H H
C O
C
H H C R N C C O H
N
H
O H C C N H
C
H H R H
H
H N C
O H C C N C H H
O R R H
O H C C N H
N C
H H C RN C C O
N
R
R
a
O
R
H
R
H
C
C
O
R H H C R N C C O
O
R
N
O H C C N C H H
H
N C
O H C C N C H H
O R R H
O H C C N C H
N C
N
C
C O R
O H C C N C H
H N
C
C O
O R
O R
b
a β-Faltblatt aus antiparallel verlaufenden Aminosäureketten. b β-Faltblatt aus parallel verlaufenden Aminosäureketten. Die Wasserstoffbrücken zwischen den Aminosäureketten sind durch gestrichelte Linien gekennzeichnet (aus Doenecke et al., Karlsons Biochemie und Pathobiochemie, Thieme, 2005).
A
67
5.3 Proteinstrukturen
▶ Exkurs. β-Barrel-Proteine β-Faltblattstränge bilden bei Proteinen der Außenmembran gramnegativer Bakterien, manchen porenbildenden bakteriellen Toxinen und bestimmten Proteinen der mitochondrialen Außenmembran eine korbartige Struktur, die entfernt an ein Fass erinnert, das oben und unten offen ist (Abb. A 5.6). Deshalb wird diese Struktur als β-barrel („barrel“ ist das englische Wort für „Fass“) bezeichnet. Die porenbildenden Proteine in der Außenmembran gramnegativer Bakterien („Porine“) und die Proteine in der Außenmembran der Mitochondrien sind sich in ihrer βBarrel-Struktur sehr ähnlich. Nach der Endosymbiontentheorie haben sich die Mitochondrien in der Evolution aus endosymbiontischen Bakterien entwickelt! Umso erstaunlicher ist es, dass sie in ihrer Primärstruktur sehr unterschiedlich sind. An der Bildung der β-Barrel sind sowohl hydrophobe als auch hydrophile Aminosäuren beteiligt. A-5.6
▶ Exkurs.
β-Barrel
(aus Lengeler, Drews, Schlegel; Biology of the Procaryotes, Thieme, 1998) bakterielle Plasmamembran
▶ Klinik. Einige humanpathogene Bakterien setzen sich gegen Makrophagen und neutrophile Granulozyten zur Wehr, indem sie porenbildende β-Barrel-Proteine abgeben. Diese wirken toxisch, indem sie sich in die Plasmamembran der Zielzellen einlagern und diese lysieren. Ein berühmtes Beispiel ist das α-Toxin von Staphylococcus aureus.
▶
Klinik.
Schleife
Schleife
Die einzelnen α-Helices und β-Faltblattstränge sind in einem Protein durch kürzere oder längere U-förmige Abschnitt der Aminosäurekette miteinander verbunden. Im Englischen werden derartige Bereiche als Loops oder Turns bezeichnet, im Deutschen ist der Ausdruck „Schleife“ üblich. Im einfachsten Fall, der sog. β-Schleife (engl. β-turn), besteht eine Schleife aus vier Aminosäuren, wobei die erste und die vierte Aminosäure durch eine Wasserstoffbrücke verbunden sind.
Schleifen sind U-förmige Abschnitte der Aminosäurekette, die die α-Helices und βFaltblattstrukturen eines Proteins miteinander verbinden.
5.3.3 Tertiär- und Quartärstruktur
5.3.3 Tertiär- und Quartärstruktur
▶ Definition.
▶ Definition.
Die Tertiärstruktur beschreibt die räumliche Struktur einer kompletten Aminosäurekette, einschließlich der Anordnung sämtlicher Aminosäurereste (Abb. A 5.7 a). Die Quartärstruktur beschreibt die Zahl und die Anordnung der verschiedenen Aminosäureketten in einem Proteinkomplex (Abb. A 5.7 b). Eine Quartärstruktur ist also nur gegeben, wenn sich mehrere Aminosäureketten zu einem Komplex zusammenlagern. Das Wort Quartärstruktur wird allerdings nur selten verwendet. Üblich ist es, den Vorgang der Zusammenlagerung von Aminosäureketten als Oligomerisierung, die einzelnen Aminosäureketten als die Untereinheiten des Proteinkomplexes zu bezeichnen.
Stabilisierung der Tertiärstruktur
▶ Merke.
Sekundärstrukturen werden ausschließlich durch die Wasserstoffbrücken der Peptidbindungen stabilisiert. Die Tertiärstruktur eines Proteins dagegen wird durch Wechselwirkungen der Aminosäurereste stabilisiert.
Stabilisierung der Tertiärstruktur
▶ Merke.
68
A
5 Die wichtigsten biochemischen Funktionsträger: Proteine
A-5.7
A-5.7
Tertiär- und Quartärstruktur NH3+
Häm –
–
OOC COO–
H3N+
OOC
+
H 3N a
b
H3N+
COO–
a Tertiärstruktur des Myoglobins. Acht α-Helices sind durch Schleifen verbunden. b Quartärstruktur des Hämoglobins: Komplex aus zwei α- und zwei β-Untereinheiten.
Infrage kommen (Abb. A 5.8): hydrophobe Wechselwirkungen Disulfidbrücken ionische Wechselwirkungen van der Waals-Kräfte
A-5.8
Die Kräfte, die bei der Stabilisierung der Tertiärstruktur wirken, sind so vielfältig wie die funktionellen Gruppen der verschiedenen Aminosäuren. In unterschiedlichem Ausmaß können folgende Effekte beteiligt sein (Abb. A 5.8): hydrophobe Wechselwirkungen Disulfidbrücken ionische Wechselwirkungen van der Waals-Kräfte Aufgrund der Vielfalt der beteiligten Wechselwirkungen ist es bislang leider nicht möglich, die Tertiärstruktur eines Proteins ausgehend von seiner Primärstruktur zu berechnen. A-5.8
CH
CH
CH
CH2
CH2
C H
S
S CH2
Hydrophobe Wechselwirkungen
Kovalente und nicht kovalente Bindungen zwischen Aminosäureresten
O
C
O–
H3C
NH3 (CH2)4
H3C
CH3
H2C
CH3 H C
CH
CH
CH
a
b
c
a Disulfidbrücke. b Ionische Wechselwirkungen zwischen einem Aspartatund einem Lysinrest. c Hydrophobe Wechselwirkungen zwischen einem Valin- und einem Isoleucinrest.
Hydrophobe Wechselwirkungen Hydrophobe Wechselwirkungen sind verantwortlich für die Zusammenlagerung hydrophober Moleküle oder hydrophober Teile von Molekülen in einer wässrigen Umgebung.
▶ Merke. In der Regel zeigen die hydrophoben Aminosäurereste ins Innere des Proteins, die polaren oder geladenen Aminosäurereste nach außen.
Der Grund für diese Anordnung der Aminosäurereste sind Wechselwirkungen mit den umgebenden Wassermolekülen.
▶ Merke.
In vielen Fällen liefern die hydrophoben Wechselwirkungen den größten Beitrag zur Stabilität von Proteinen. In der Regel lagern sich die hydrophoben Aminosäurereste einer Polypeptidkette im Inneren des gefalteten Proteins zusammen, während die polaren und geladenen Aminosäurereste nach außen zeigen und für Wechselwirkungen nicht nur untereinander, sondern auch mit den umgebenden Wassermolekülen zur Verfügung stehen. Eine derartige Anordnung ist offenbar für ein Protein energetisch am günstigsten. Entscheidend für die hydrophoben Wechselwirkungen sind weniger die Interaktionen der hydrophoben Aminosäurereste als vielmehr die der Wassermoleküle miteinander. Sofern hydrophobe Seitenketten nämlich an der Außenseite der Proteine exponiert werden, können an diesen Stellen die polaren Wassermoleküle nicht mehr mit dem Protein, sondern nur noch miteinander interagieren. Die Wassermoleküle bilden dann gleichsam ein Netz polarer Wechselwirkungen, welches sich
A
69
5.3 Proteinstrukturen
um die hydrophoben Gruppen des Proteins zusammenzieht. Um diesem Netz zu entgehen, ziehen sich die hydrophoben Aminosäuren in das Innere des Proteins zurück. Stattdessen verlagern sich die polaren Anteile des Proteins nach außen, gehen dort Wechselwirkungen mit den Wassermolekülen ein und werden dadurch an der Außenseite festgehalten.
▶ Exkurs. Bedeutung hydrophober Wechselwirkungen für die Proteinstruktur am Beispiel der Membranproteine Membranproteine weisen in der Regel ein bestimmtes charakteristisches Strukturelement auf, durch das sie in der Membran verankert sind. Dabei handelt es sich um eine α-Helix aus ca. 20 hydrophoben Aminosäuren, die von hydrophilen Aminosäuren umgeben ist. Die Aminosäuren der α-Helix müssen hydrophob sein, damit sie in der hydrophoben Umgebung der biologischen Membranen festgehalten werden können. Es sind ca. 20 Aminosäuren nötig, damit eine α-Helix den hydrophoben Teil einer Membran durchspannen kann. Die benachbarten hydrophilen Aminosäuren erleichtern die Wechselwirkungen mit der hydrophilen Oberfläche der jeweiligen Membran sowie mit der wässrigen Umgebung. Für die Einbettung in die Membran ist nicht ein bestimmtes Sequenzmotiv entscheidend, sondern ausschließlich die Hydrophobizität der beteiligten Aminosäuren. Manche Membranproteine zeigen nur einen einzigen Membrananker, andere sind über mehrere α-Helices in ihre Membran eingebettet. Aufgrund der charakteristischen Struktur des Membranankers ist es möglich, bereits auf der Basis der Primärstruktur eine begründete Hypothese zu entwickeln, welche Abschnitte eines Proteins in eine Membran eingebettet sein könnten. Hierzu werden Hydrophobizitäts-Plots erstellt, in denen jeder Aminosäure der Aminosäuresequenz ihre Hydrophobizität zugeordnet ist (Abb. A 5.9). A-5.9
▶ Exkurs.
Hydrophobizitäts-Plot 20 Aminosäuren
Hydrophobizität
hydrophob 20 Aminosäuren
Aminosäuresequenz
hydrophil
Disulfidbrücke und ionische Wechselwirkungen
Disulfidbrücke und ionische Wechselwirkungen
Zwei Cysteine können eine Disulfidbrücke und damit eine kovalente Bindung bilden. Disulfidbrücken halten in vielen aus mehreren Aminosäureketten bestehenden extrazellulären Proteinen die Aminosäureketten zusammen. So bilden zwei Disulfidbrücken das Bindeglied zwischen der A- und der B-Kette des Insulins (S. 557). Auch die Aminosäureketten der Antikörper werden durch Disulfidbrücken zusammengehalten. Zwischen zwei gegensätzlich geladenen Aminosäuren können starke ionische Wechselwirkungen auftreten, die wesentlich zur Stabilität eines Proteins beitragen. Während Disulfidbrücken auf bestimmte Proteine beschränkt sind, können ionische Wechselwirkungen in nahezu allen Proteinen nachgewiesen werden.
Disulfidbrücken zwischen zwei Cysteinen verbinden oft die Aminosäureketten extrazellulärer Proteine, z. B. im Insulin und in Antikörpern.
Van-der-Waals-Kräfte
Van-der-Waals-Kräfte
Die Van-der-Waals-Kräfte sind vergleichsweise schwach und sie haben nur eine extrem geringe Reichweite. In den Proteinen spielen sie nur in der unmittelbaren Umgebung einzelner Atome eine Rolle. Nachdem sich die hydrophoben Anteile innerhalb eines Proteinmoleküls durch hydrophobe Wechselwirkungen zusammen gelagert haben, tragen sie dazu bei, die genaue räumliche Anordnung der Atomgruppen festzulegen. Van-der-Waals-Kräfte werden durch minimale Ladungsinhomogenitäten innerhalb der Atome hervorgerufen. Sie sind allgemein bei der Assoziation hydrophober Molekülgruppen von Bedeutung. Benannt sind sie nach dem niederländischen Physiker Johannes Diderik van der Waals (1837 – 1923, Nobelpreis für Physik 1910).
Van-der-Waals-Kräfte sind nur schwach, erleichtern aber die Assoziation hydrophober Molekülgruppen.
Ionische Wechselwirkungen aufgrund gegensätzlicher Ladung treten bei nahezu allen Proteinen auf.
A
A
6 Abbau der Kohlenhydrate zu Pyruvat bzw. Lactat
6 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7
6.1
Kurze Einführung
Alle zum Betrieb der Atmungskette benötigten Elektronen stammen letztlich aus der Nahrung. Dieses Kapitel zeigt, wie die Elektronen den Kohlenhydraten der Nahrung entzogen werden und was dabei mit den Kohlenhydraten geschieht.
6.2
Die Glykolyse
6.2.1 Grundlagen
▶ Definition.
▶ Merke.
6.2.2 Die einzelnen Reaktionsschritte der Glykolyse
6.1
Abbau der Kohlenhydrate zu Pyruvat bzw. Lactat Kurze Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Glykolyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reduktion und Oxidation von Pyruvat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbau von Glykogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbau der Stärke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbau der Fructose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbau der Galaktose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
70 70 85 87 91 91 93
Kurze Einführung
In Kapitel A-1 (S. 3) wurde erläutert, inwiefern Adenosintriphosphat (ATP) im Stoffwechsel eine zentrale Bedeutung zukommt. Das weitaus meiste ATP wird durch oxidative Phosphorylierung in einer Kooperation von Atmungskette und ATP-Synthase in den Mitochondrien bereitgestellt. Damit die Atmungskette den von der ATP-Synthase benötigten Protonengradienten aufbauen kann, müssen der Atmungskette ständig Elektronen zugeführt werden. Diese stammen letztlich aus der Nahrung. Die Mechanismen, durch die sich Elektronen speziell aus den Kohlenhydraten der Nahrung herauslösen lassen, sind Gegenstand dieses Kapitels.
6.2
Die Glykolyse
6.2.1 Grundlagen ▶ Definition.
Der Begriff Glykolyse bezeichnet den Abbau von Glucose zu Pyruvat. Er wurde aus den griechischen Worten „glykýs“ (süß) und „lysis“ (Auflösung) gebildet. Der süße Geschmack der Glucose geht nämlich beim Abbau der Glucose verloren.
▶ Merke.
Die Glykolyse ist einer der wichtigsten Stoffwechselwege der gesamten Biochemie. Die Abbauwege sämtlicher Kohlenhydrate münden an verschiedenen Stellen in die Glykolyse ein. Die Glykolyse läuft ausschließlich im Zytosol der Zellen ab.
6.2.2 Die einzelnen Reaktionsschritte der Glykolyse
▶ Tipp.
▶ Tipp. Prägen Sie sich als Erstes die Namen der Metabolite ein (hierbei hilft auch Abb. A 6.8) und befassen Sie sich dann mit den funktionellen Aspekten der Glykolyse. Die Kenntnis der Namen der beteiligten Enzyme ist demgegenüber von drittrangiger Bedeutung.
▶ Merke.
▶ Merke.
Animation zum Thema unter www.dualereihe.thieme.de oder
Die Glykolyse lässt sich in zwei Abschnitte unterteilen: In Abschnitt 1 geschieht im Grunde nichts, wovon die Zelle einen unmittelbaren Nutzen hätte. Die Zelle wendet vielmehr ATP auf, um die Glucose so zu modifizieren, dass Glycerinaldehyd-3-phosphat entsteht, das für den zweiten und entscheidenden Abschnitt der Glykolyse geeignet ist. In Abschnitt 2 wird das Glycerinaldehyd-3-phosphat in mehreren Schritten zu Pyruvat abgebaut. Dabei werden ATP (doppelt so viel wie im ersten Abschnitt verbraucht worden war!) und NADH gewonnen.
A
71
6.2 Die Glykolyse
In einer neueren Nomenklatur wird Glycerinaldehyd-3-phosphat als Glyceral-3phosphat bezeichnet (engl. glyceraldehyde-3-phosphate).
Abschnitt 1
Abschnitt 1
Im ersten Abschnitt der Glykolyse entsteht aus Glucose zunächst in drei Schritten Fructose-1,6-bisphosphat. Dazu sind zwei ATP-abhängige Phosphorylierungen und eine Isomerisierung erforderlich. Fructose-1,6-bisphosphat zerfällt dann unter Einwirkung der Aldolase A in Dihydroxyacetonphosphat und Glycerinaldehyd-3-phosphat.
Im ersten Abschnitt der Glykolyse wird Glucose zu Glycerinaldehyd-3-phosphat abgebaut.
Schritt 1: Glucose → Glucose-6-phosphat
Schritt 1: Glucose → Glucose-6-phosphat
Wenn Glucose unter Vermittlung eines GLUT-Proteins – eines Glucose transportierenden Membranproteins – in eine Zelle gelangt ist, muss als Erstes dafür gesorgt werden, dass sie in der Zelle bleibt. Zu diesem Zweck wird die Glucose zu Glucose6-phosphat phosphoryliert (Abb. A 6.1). Das hierfür benötigte Phosphat stammt von ATP. Die Reaktion wird in den meisten Zellen des Körpers von dem Enzym Hexokinase katalysiert.
Sinn dieser Reaktion (Abb. A 6.1) ist das Festhalten der aufgenommenen Glucose in der Zelle. Enzym: Hexokinase (in den meisten Zellen des Körpers)
A-6.1
Phosphorylierung von Glucose zu Glucose-6-phosphat O –O
CH2OH 6 H
5C
H OH HO 3 C 4C
H
O
OH
H
C1
C2 H OH
P
–
A-6.1
O –
OH
O
O Phosphat
P
–
O
O H C
Glucose H2O
Glucose-6phosphat
HO
CH2 C H OH C
O
H
OH
OH
H
C
C
H
GLUT-Proteine erlauben eine Diffusion der Glucose sowohl in die Zellen hinein als auch aus den Zellen heraus. Die Glucose folgt dabei ausschließlich ihrem Konzentrationsgefälle. Indem Glucose intrazellulär schnell phosphoryliert wird, wird sie hier dem Gleichgewicht entzogen, d. h. die Zelle sorgt dafür, dass die Konzentration an Glucose intrazellulär stets geringer ist als extrazellulär, mit der Konsequenz, dass weitere Glucose dem Konzentrationsgefälle folgend in die Zelle einströmen wird. Die Hexokinase hat zur Glucose eine hohe Affinität (also einen niedrigen Km-Wert). Interessanterweise wird die Glucose in den Hepatozyten und in den B-Zellen des Pankreas von einem Isoenzym der Hexokinase katalysiert, der Glucokinase, die eine rund 50-fach niedrigere Affinität zur Glucose hat (der Km-Wert der Glucokinase ist also sehr hoch). Der physiologische Sinn dieser Eigentümlichkeit ist offensichtlich: Die Leberzellen sollen vor allem die Glucose aufnehmen, die nach einer Nahrungsaufnahme im Überschuss vorhanden ist, und sie in Form von Glykogen speichern. Sofern keine überschüssige Glucose vorhanden ist, soll in der Leber auch keine weitere Glucose gespeichert werden. Die B-Zellen des Pankreas haben mithilfe der Glucokinase ebenfalls die Möglichkeit, auf außerordentlich hohe Glucosekonzentrationen zu reagieren, sie sezernieren daraufhin das Hormon Insulin (S. 557). Der Energiegehalt von Glucose-6-phosphat ist höher als der von Glucose, d. h. das ΔG der Phosphorylierung der Glucose ist positiv (Abb. A 3.1 auf S. 16), und die Reaktion kann auch in Gegenwart eines geeigneten Enzyms wie der Hexokinase oder der Glucokinase nicht von alleine ablaufen. Es liegt damit ein klassischer Fall vor, in dem eine biochemische Reaktion nur durch energetische Kopplung möglich ist. Es ist also kein Zufall, dass das Phosphat in dieser Reaktion von ATP bezogen wird. Erst durch die Kopplung mit der Spaltung einer Anhydridbindung – einer energiereichen Bindung (s. Exkurs) – im Triphosphat des ATP ist das ΔG der Gesamtreaktion negativ und die gekoppelte Reaktion damit thermodynamisch möglich.
▶ Exkurs. Energiereiche Bindungen Definition: Von einer energiereichen Bindung spricht man, wenn bei ihrer Spaltung mehr als 30 kJ/Mol (1 Mol = 6,023 × 1023 Teilchen) freigesetzt werden. In Strukturformeln symbolisiert man energiereiche Bindungen oft durch das Zeichen ~. Beispiele: Anhydridbindung im Triphosphat des ATP (S. 5): Bei ihrer Hydrolyse werden unter Standardbedingungen 30,5 kJ/Mol Energie frei, d. h. ΔG°’ = – 30,5 kJ/Mol.
Durch die Phosphorylierung ist die Glucosekonzentration intrazellulär geringer als extrazellulär, sodass weitere Glucose in die Zelle einströmt.
In den Hepatozyten und in den B-Zellen des Pankreas wird Glucose mithilfe des Enzyms Glucokinase phosphoryliert.
Das ΔG der Phosphorylierung der Glucose ist positiv. Die Phosphorylierung ist deshalb nur durch energetische Kopplung mit der Umsetzung von ATP zu ADP möglich.
▶ Exkurs.
72
A
6 Abbau der Kohlenhydrate zu Pyruvat bzw. Lactat
Anhydridbindung des Pyrophosphats: ΔG°’ = – 33,5 kJ/Mol Hydrolyse der Phosphoguanidinogruppe des Kreatinphosphats (S. 258): ΔG°’ = – 43,1 kJ/Mol Esterbindung des Phosphoenolpyruvats: ΔG°’ = – 61,9 kJ/Mol Thioesterbindung des Acetyl-CoA: ΔG°’ = – 31,5 kJ/Mol Energiereiche Bindungen werden auch als Bindungen mit hohem Gruppenübertragungspotenzial bezeichnet. Damit ist gemeint, dass bei der Spaltung einer solchen Bindung so viel Energie freigesetzt wird, dass bei einer energetisch gekoppelten Reaktion ausreichend Energie zur Verfügung steht, um die abgespaltene Gruppe sofort auf ein anderes Molekül zu übertragen. Die Enzyme, die die Übertragung einer Phosphatgruppe von ATP auf ein Substratmolekül katalysieren, werden als Kinasen bezeichnet; den oben beschriebenen Schritt 1 der Glykolyse katalysiert z. B. die Hexokinase. Das unter Katalyse der Hexokinase gebildete Glucose-6-phosphat z. B. hat kein hohes Gruppenübertragungspotenzial. Es enthält zwar eine Phosphatgruppe, aber bei deren Abspaltung würde nicht sehr viel Energie frei (ΔG°’ = – 13,8 kJ/Mol). Es stünde daher auch nicht hinreichend Energie zur Verfügung, um die Phosphatgruppe anschließend z. B. auf ein anderes Kohlenhydrat zu übertragen.
Schritt 2: Glucose-6-phosphat → Fructose6-phosphat Glucose-6-phosphat → Fructose-6-phosphat (Abb. A 6.2). Enzym: Glucose-6-phosphat-Isomerase
Schritt 2: Glucose-6-phosphat → Fructose-6-phosphat Im Rahmen der Glykolyse wird Glucose-6-phosphat zu Fructose-6-phosphat isomerisiert, d. h. die Atome des Moleküls werden umgelagert (Abb. A 6.2). Die Reaktion wird durch die Glucose-6-phosphat-Isomerase katalysiert. Das Gleichgewicht der Reaktion liegt unter Standardbedingungen auf der Seite des Glucose-6-phosphats. In den Zellen wird das Fructose-6-phosphat jedoch schnell weiterverwertet, sodass die Isomerisierung gleichwohl in Richtung des Fructose-6-phosphats ablaufen kann (S. 17). Alternativ kann Glucose-6-phosphat aus der Glykolyse abgezweigt und in verschiedenen anderen Stoffwechselwegen Verwendung finden, etwa in der Glykogensynthese (S. 205) oder im Pentosephosphatweg (S. 235).
A-6.2
Isomerisierung von Glucose-6-phosphat zu Fructose-6-phosphat
A-6.2
O –
O
–
O– O
P
O H C HO
Schritt 3: Fructose-6-phosphat → Fructose1,6-bisphosphat In dieser Reaktion (Abb. A 6.3) wird ein ATP aufgewendet. Enzym: Phosphofructokinase-1 (PFK-1)
CH2
–
C H OH C
O
H
OH
O
OH
H
C
C
H
O
P
CH2
O
CH2OH
O
H
HO
H Glucose-6phosphat
Fructose-6phosphat
OH
HO
H
Schritt 3: Fructose-6-phosphat → Fructose-1,6-bisphosphat Fructose-6-phosphat wird zu Fructose-1,6-bisphosphat phosphoryliert (Abb. A 6.3). Auch in dieser Phosphorylierungsreaktion wird das hohe Gruppenübertragungspotenzial des ATP genutzt, d. h. ein ATP aufgewendet. Von einem Bisphosphat spricht man, wenn ein Molekül zwei Phosphatgruppen trägt, die mit unterschiedlichen Kohlenstoffatomen verbunden sind. Das in der Reaktion vom ATP übrig bleibende Adenosindiphosphat trägt hingegen keine separaten Phosphatgruppen, sondern eine gemeinsame Diphosphatgruppe.
A-6.3
Phosphorylierung von Fructose-6-phosphat zu Fructose-1,6-bisphosphat
A-6.3
O– –O
P O
O
C C
H
O
H
H
HO
C
C
HO
H
H
O–
OH
H
C C OH
Fructose-6-phosphat
–O
H ATP
ADP
P O
O
C C
H
O
H
H
HO
C
C
HO
H
H
O–
H
H
C C
O
P O
OH
Fructose-1,6-bisphosphat
O–
A
73
6.2 Die Glykolyse
Die Phosphorylierung des Fructose-6-phosphats wird durch die Phosphofructokinase-1 (PFK-1) katalysiert. Die katalytische Aktivität dieses Enzyms kann sehr unterschiedlich sein und hängt von bestimmten Gegebenheiten des Stoffwechsels ab. Die PFK-1 bestimmt durch ihre Aktivität, mit welcher Geschwindigkeit Glucose in der Glykolyse abgebaut wird.
▶ Merke.
Die Phosphofructokinase-1 ist das Schlüsselenzym der Glykolyse, weil sie den geschwindigkeitsbestimmenden Schritt der Glykolyse katalysiert.
Schritt 4: Fructose-1,6-bisphosphat → Glycerinaldehyd-3-phosphat + Dihydroxyacetonphosphat In diesem Reaktionsschritt wird die Hexose Fructose-1,6-bisphosphat in zwei Triosen gespalten (Abb. A 6.4): Glycerinaldehyd-3-phosphat (= Glyceral-3-phosphat), Dihydroxyacetonphosphat (= Glyceron-3-phosphat). Die Reaktion ist eine Aldolspaltung und wird von dem Enzym Aldolase A katalysiert.
A-6.4
Spaltung von Fructose-1,6-bisphosphat in Glycerinaldehyd-3-phosphat und Dihydroxyacetonphosphat CH2OPO32– C
O
HO
C
H
H
C
OH
H
C
OH
Fructose1,6-bisphosphat
▶ Merke. Schritt 4: Fructose-1,6-bisphosphat → Glycerinaldehyd-3-phosphat + Dihydroxyacetonphosphat In diesem Reaktionsschritt wird eine Hexose in zwei Triosen gespalten (Abb. A 6.4). Enzym: Aldolase A
A-6.4
Die Reaktionsprodukte können sich ineinander umwandeln. Als Katalysator wirkt die Triosephosphat-Isomerase.
CH2OPO32– Aldolase CH2OPO32– HO
C
O
C
H
H Dihydroxyacetonphosphat
H TriosephosphatIsomerase
O C
H
C
OH
CH2OPO32– Glycerinaldehyd3-phosphat
Schritt 5: Dihydroxyacetonphosphat → Glycerinaldehyd-3-phosphat
Schritt 5: Dihydroxyacetonphosphat → Glycerinaldehyd-3-phosphat
Die beiden Triosen können sich ineinander umwandeln (Abb. A 6.4). Diese Reaktion wird durch die Triosephosphat-Isomerase katalysiert. Da nur Glycerinaldehyd-3phosphat in den 2. Abschnitt der Glykolyse eingespeist und seine Konzentration in der Zelle dadurch niedrig gehalten wird, läuft die Isomerisierung in Richtung Glycerinaldehyd-3-phosphat ab.
Abb. A 6.4. Enzym: Triosephosphat-Isomerase
Abschnitt 2
Abschnitt 2
In den Reaktionsschritten des zweiten Abschnitts der Glykolyse wird Glycerinaldehyd-3-phosphat zu 3-Phosphoglycerat oxidiert und dann zu Pyruvat abgebaut. Die bei der Oxidation freigesetzte Energie wird zur Bildung von ATP und NADH genutzt.
Schritt 6: Glycerinaldehyd-3-phosphat → 1,3-Bisphosphoglycerat Bei dieser Reaktion bindet das Glycerinaldehyd-3-phosphat kovalent an das Enzym Glycerinaldehyd-3-phosphat-Dehydrogenase (GAPDH) und es laufen nacheinander zwei Prozesse ab: 1. Oxidation des Glycerinaldehyd-3-phosphats 2. phosphorolytische Freisetzung des Reaktionsprodukts (d. h. Freisetzung unter Aufnahme von anorganischem Phosphat)
Schritt 6: Glycerinaldehyd-3-phosphat → 1,3-Bisphosphoglycerat Zwei Teilreaktionen (Enzym: Glycerinaldehyd-3-phosphat-Dehydrogenase = GAPDH): 1. Oxidation des Glycerinaldehyd-3-phosphats 2. phosphorolytische Freisetzung des Reaktionsprodukts
74
A
Reaktionsmechanismus:
Der Reaktionsmechanismus der Schritte ist näher zu erläutern:
Oxidation von Glycerinaldehyd-3-phosphat: Die Aldehydgruppe des Glycerinaldehyd-3phosphats reagiert mit der SH-Gruppe des Enzyms (kovalente Bindung, Abb. A 6.5).
Oxidation von Glycerinaldehyd-3-phosphat: Die Glycerinaldehyd-3-phosphat-Dehydrogenase bindet Glycerinaldehyd-3-phosphat und NAD+ und bringt sie so in unmittelbare Nachbarschaft zueinander. Der Carbonylkohlenstoff des Glycerinaldehyd-3-phosphats wird kovalent auf das Schwefelatom einer SH-Gruppe des Enzyms übertragen. Dabei entsteht aus der Carbonylgruppe eine H-C-OH-Gruppe (Abb. A 6.5).
6 Abbau der Kohlenhydrate zu Pyruvat bzw. Lactat
A-6.5
Mechanismus der Glycerinaldehyd-3-phosphat-Dehydrogenase (GAPDH)Reaktion
A-6.5
GAPDH S O
GAPDH
H
S
H C
H
NAD
C
OH
+
Anbindung
CH2OPO32–
HO
C
H
H
C
OH
NAD+ Oxidation
CH2OPO32–
Glycerinaldehyd3-phosphat
GAPDH
GAPDH S
S H+ + O
C
H
C
+ OH
CH2OPO32–
NADH
HPO42– Phosphorolyse
H
OPO32–
O C
+ H
C
OH
CH2OPO32– 1,3-Bisphosphoglycerat
Dabei entsteht ein Thiohalbacetal.
Das NAD+ nimmt von der H-C-OH-Gruppe ein Hydrid-Ion (H–) auf. Anschließend gibt die OH-Gruppe ein Proton ab und es entsteht dabei wieder eine Carbonylgruppe. Das NADH und das Proton – NADH + H+, manchmal als NADH2 bezeichnet – lösen sich vom Enzym ab.
Als Ergebnis dieser Reaktion liegt nun kein Thiohalbacetal mehr vor, sondern ein Thioester.
Die Reaktion der Aldehydgruppe des Glycerinaldehyd-3-phosphats mit der SHGruppe erinnert an die Ringbildung der Kohlenhydrate: In der Glucose reagiert die Aldehydgruppe des Kohlenstoffatoms Nr. 1 mit der OH-Gruppe des Kohlenstoffatoms Nr. 5, sodass ein Halbacetal entsteht (S. 37). SH-Gruppen ähneln in ihren chemischen Eigenschaften den OH-Gruppen, denn der Schwefel steht im Periodensystem der Elemente direkt unter dem Sauerstoff. Entsprechend bezeichnet man das Zwischenprodukt im Reaktionsmechanismus der Glyerinaldehyd-3-phosphat-Dehydrogenase in Analogie zum Halbacetal der Kohlenhydrate als Thiohalbacetal (die Silbe Thio bezeichnet den Schwefel). Aber Achtung: Weder bei der Bildung der Halbacetale noch bei der Bildung der Thiohalbacetale findet eine Oxidation oder eine Reduktion statt! Eine Redoxreaktion läuft erst im folgenden Schritt bei der Reaktion mit NAD+ ab. Das NAD+ nimmt von der H-C-OH-Gruppe ein Hydrid-Ion (H–) auf (das Wasserstoffatom mitsamt seinen beiden Bindungselektronen, nicht das Proton der OHGruppe!). Die vier Bindungen des Substrat-Kohlenstoffatoms werden wiederhergestellt, indem die OH-Gruppe ein Proton abgibt und der Sauerstoff eine zusätzliche Bindung zum Kohlenstoff ausbildet. Aus der H-C-OH-Gruppe wird dadurch wieder eine Carbonylgruppe. Das NADH sowie das von der OH-Gruppe abgelöste Proton lösen sich vom Enzym ab. Beides zusammen, NADH + H+, wird in manchen Lehrbüchern auch als NADH2 bezeichnet. Dabei sollte angemerkt werden, dass das Proton (H+) zwar zur gleichen Zeit gebildet wird wie das NADH, dass aber beide nie chemisch miteinander verbunden sind. Als Ergebnis dieser Reaktion liegt nun kein Thiohalbacetal mehr vor, sondern ein Thioester. Ester entstehen in einer Reaktion einer Carbonsäure mit der OH-Gruppe eines Alkohols unter Abspaltung von Wasser. Analog kann man sich die Bildung eines Thioesters als Ergebnis einer Reaktion einer Carbonsäure mit einer SH-Gruppe vorstellen. Die Aldehydgruppe des Glycerinaldehyd-3-phosphats ist somit unbemerkt durch die Reaktion mit NAD+ zu einer Carboxylgruppe oxidiert worden.
A
▶ Exkurs. Der Reaktionsmechanismus der NAD+-vermittelten Oxidation Die positive Ladung des NAD+ weist darauf hin, dass NAD+ einen Mangel an Elektronen hat. Das ist ein wesentlicher Grund dafür, dass NAD+ nicht nur ein Wasserstoffatom aufnehmen kann, sondern sogar ein Hydrid-Ion (H–). Am Komplex I der Atmungskette findet genau die umgekehrte Reaktion statt. Dort gibt NADH ein Hydrid-Ion ab, es bildet sich wieder NAD+, und die beiden Elektronen des Hydrid-Ions durchlaufen die weiteren Komplexe der Atmungskette. NAD+ ist die Abkürzung für Nicotinamidadenindinukleotid. Ein großer Teil des NAD+-Moleküls ist identisch aufgebaut wie ADP (Abb. A 6.6 a). Der Teil des NAD+, der ein Hydrid-Ion aufnehmen kann, ist die Nicotinamidgruppe. Nicotinamid hat im Stoffwechsel nichts mit dem Nikotin des Zigarettenrauchs zu tun, der Name beruht aber tatsächlich auf einer strukturellen Verwandtschaft (Abb. A 6.6 b). Nikotin ist nach dem französischen Diplomaten Jean Nicot benannt, der den amerikanischen Tabak im 16. Jahrhundert als angebliche Heilpflanze nach Europa brachte. Nikotin ist ein Inhaltsstoff des Tabaks, der ähnlich dem Nicotinamid des NAD+ einen Pyridinring aufweist. Die Elektronen sind im Pyridinring des NAD+ delokalisiert, denn Pyridin ist eine aromatische Verbindung, ähnlich dem Benzol. Jedes Kohlenstoffatom ist im Pyridinring mit einem Wasserstoffatom verbunden, das man in Strukturformeln oft nicht einzeichnet, da dieser Sachverhalt als bekannt vorausgesetzt wird. An der in Abb. A 6.6 c bezeichneten Stelle, am Kohlenstoffatom der Position 4, kann der Pyridinring des NAD+ ein Hydrid-Ion aufnehmen. Das Kohlenstoffatom trägt daraufhin zwei Wasserstoffatome. Gleichzeitig kommt es im Nicotinamid zu dramatischen Verschiebungen der Elektronen, mit dem Ergebnis, dass das aromatische System des Pyridinrings zusammenbricht (Abb. A 6.6 c). Das Ringsystem kann seinen energetisch günstigen aromatischen Charakter dadurch wiederherstellen, dass es das Hydrid-Ion wieder abgibt. Dies geschieht deshalb sehr leicht, womit auch erklärt ist, warum NADH ein sehr gutes Reduktionsmittel ist und das Redoxpaar NAD+/ NADH ein sehr negatives Redoxpotenzial aufweist (E°’=– 320 mV, S. 173). A-6.6
75
6.2 Die Glykolyse
▶ Exkurs.
Nicotinamidadenindinukleotid (NADH) NH2 C O
P
N Pyridin
+
O– O
N
Nicotinamid
N O
O
CH2 H
Nicotin
O–
H
H
CH3
N
NH2 C
C
H
O
O HO
OH b
N Nicotinsäure
H–
NH2
O NH2 N
N
O
P
O
O–
H H
a
HO
Adenin
N
N O
CH2
N Nicotinsäureamid = „Nicotinamid“
H
H
NH2 C
O
H H OH
+
NAD+
c
N R
NAD+
O N R
NADH
a Struktur des NAD+. b Verwandtschaftsbeziehungen: Pyridin und verschiedene Pyridinderivate. c Reduktion des NAD+ zu NADH durch Aufnahme eines Hydrid-Ions.
Phosphorolytische Freisetzung des Reaktionsprodukts: Aus der wässrigen Umgebung wird anorganisches Phosphat aufgenommen und es entsteht 1,3-Bisphosphoglycerat. In diesem Molekül ist die Phosphatgruppe mit dem Kohlenstoffatom Nr. 3 unverändert über eine Esterbindung verbunden, die Phosphatgruppe des Kohlenstoffatoms 1 weist hingegen eine Anhydridbindung auf. Wie bereits erwähnt, handelt es sich beim 1,3-Bisphosphoglycerat um das Derivat einer Carbonsäure (Glycerate sind die Anionen der Glycerinsäure). Bei einer Verbindung zwischen einer Carbonsäure und Phosphorsäure entsteht unter Abspaltung von Wasser ein gemischtes Phosphorsäure-Carbonsäure-Anhydrid. Das hohe Gruppenübertragungspotenzial dieser Verbindung ermöglicht anschließend (Schritt 7) die Synthese von ATP.
Phosphorolytische Freisetzung des Reaktionsprodukts: Aus der wässrigen Umgebung wird anorganisches Phosphat aufgenommen. Dabei entsteht 1,3-Bisphosphoglycerat, ein gemischtes Phosphorsäure-CarbonsäureAnhydrid. Das hohe Gruppenübertragungspotenzial dieser Verbindung ermöglicht anschließend die Synthese von ATP.
76
A
▶ Merke.
6 Abbau der Kohlenhydrate zu Pyruvat bzw. Lactat
▶ Merke.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass bei der NAD+-vermittelten Oxidation der Aldehydgruppe des Glycerinaldehyd-3-phosphats Energie frei wird, die in der energiereichen Bindung zum aufgenommenen Phosphat gespeichert bleibt. Die Phosphatgruppe am Kohlenstoffatom 1 (Abb. A 6.7) hat somit ein hohes Gruppenübertragungspotenzial.
Der Umbau von Glycerinaldehyd-3-phosphat über 1,3-Bisphosphoglycerat zu 3-Phosphoglycerat
A-6.7
O
Pi NAD+
H C1
H
C 2 OH
H2C 3 O
O NADH H
PO32–
GAPDH
O
C 2 OH
H2C 3 O
Glycerinaldehyd-3-phosphat (GAP)
PO32–
C1
ATP
C1 H
PO32–
O–
O ADP
Substratkettenphosphorylierung 3-Phosphoglycerat-Kinase
1,3-Bisphosphoglycerat
C 2 OH
H2C 3 O
PO32–
3-Phosphoglycerat
GAPDH: Glycerinaldehyd-3-phosphat-Dehydrogenase
Schritt 7: 1,3-Bisphosphoglycerat → 3-Phosphoglycerat Bei dieser Reaktion (Abb. A 6.7) entsteht ATP (Substratkettenphosphorylierung). Enzym: (3-)Phosphoglycerat-Kinase.
Abb. A 6.7 zeigt, dass letztlich nur ein Aldehyd zu einer Carbonsäure oxidiert und die Oxidationsenergie in ADP und NADH gespeichert wurde.
Schritt 7: 1,3-Bisphosphoglycerat → 3-Phosphoglycerat Das hohe Gruppenübertragungspotenzial des 1,3-Bisphosphoglycerats wird in der nun folgenden sog. Substratkettenphosphorylierung genutzt, um die Phosphatgruppe der Position 1 auf ADP zu übertragen. Dadurch wird ATP gebildet, übrig bleibt 3Phosphoglycerat (Abb. A 6.7). Die Reaktion wird von der (3-)Phosphoglycerat-Kinase katalysiert. Aus Abb. A 6.7 wird deutlich, dass in einer komplizierten Sequenz von Reaktionen letztlich nur ein Aldehyd zu einer Carbonsäure oxidiert wurde: Ausgehend von Glycerinaldehyd-3-phosphat entstand 3-Phosphoglycerat, das Anion der 3-Phosphoglycerinsäure. Die angefallene Oxidationsenergie wurde in ATP und NADH gespeichert.
▶ Merke.
▶ Merke. Die Reaktion der Phosphoglycerat-Kinase ist die entscheidende energieliefernde Reaktion der Glykolyse.
▶ Exkurs.
▶ Exkurs. Substratkettenphosphorylierung und oxidative Phosphorylierung Die Energie, die bei der Oxidation des Glycerinaldehyd-3-phosphats zu 3-Phosphoglycerat anfällt (Schritt 6 und 7 der Glykolyse), trägt auf zwei unterschiedliche Weisen zur Synthese von ATP bei: 1. Sie ermöglicht der Phosphoglycerat-Kinase eine ATP-Synthese durch Substratkettenphosphorylierung (s. o.). Eine Substratkettenphosphorylierung findet übrigens auch im Citratzyklus statt (S. 110). 2. Ein anderer Teil der Energie wird zunächst zur Reduktion von NAD+ zu NADH genutzt. Sofern die Zelle Mitochondrien enthält, kann das NADH dann seine aufgenommenen Elektronen anschließend der Atmungskette und damit der ATP-Synthese durch oxidative Phosphorylierung zur Verfügung stellen.
Schritt 8: 3-Phosphoglycerat → 2-Phosphoglycerat Abb. A 6.8. Enzym: Phosphoglycerat-Mutase Schritt 9: 2-Phosphoglycerat → Phosphoenolpyruvat
Schritt 8: 3-Phosphoglycerat →2-Phosphoglycerat 3-Phosphoglycerat isomerisiert zu 2-Phosphoglycerat (Abb. A 6.8). Das Enzym, das diese Verschiebung der Phosphatgruppe katalysiert, gehört zur Gruppe der Isomerasen und wird als Phosphoglycerat-Mutase bezeichnet.
Schritt 9: 2-Phosphoglycerat → Phosphoenolpyruvat
Phosphoenolpyruvat enthält eine energiereiche Bindung (Abb. A 6.8). Enzym: Enolase
Die anschließende Abspaltung von H2O, katalysiert von der Enolase, führt zur Bildung von Phosphoenolpyruvat und geht einher mit einer Umverteilung der Energie innerhalb des Moleküls. In diesem Zusammenhang erhält nun die Phosphatgruppe der Position 2 ein hohes Gruppenübertragungspotenzial (Abb. A 6.8).
Schritt 10: Phosphoenolpyruvat → Pyruvat
Schritt 10: Phosphoenolpyruvat → Pyruvat
Hier entsteht durch Substratkettenphosphorylierung ein weiteres ATP. Enzym: Pyruvat-Kinase
In diesem letzten Schritt der Glykolyse wird die Phosphatgruppe des Phosphoenolpyruvats auf ADP übertragen. Dadurch entstehen Pyruvat und ATP. Pyruvat ist das Anion der Brenztraubensäure. Die Phosphatgruppe des Phosphoenolpyruvats ist ursprünglich allerdings nicht als anorganisches Phosphat gebunden worden, son-
A
Die Reaktionsschritte der Glykolyse
A-6.8
HOCH2
P O CH2 O
HO
77
6.2 Die Glykolyse
ATP
OH
OH
P O CH2
O
ADP HO
Hexokinase
HO
OH
OH
OH
Glc-6-PIsomerase
OH Glucose-6phosphat
Glucose
O H2COH
ATP
ADP
P O CH2
H2C O P
O
HO
OH
PhosphofructoKinase-1
OH
OH
OH
P O CH2
Fructose-1,6bisphosphat
Fructose-6phosphat
HO
Aldolase A NADH + H+
O H
C
S
C
OH
H 2C
O
HO
+
NAD
GAPDH
H
C
H
C
P
S
GAPDH
+ GAPDH
OH
C
O
P
H
O
C
O
TriosephosphatH2C Isomerase
O
Glycerinaldehyd3-phosphat
+ HPO42– – GAPDH
H2C
H
C
P
O
H 2C
H2C HO
H2C O P OH O
OH P
OH
Dihydroxyacetonphosphat
O H
C
O P
C
OH
H2C
O
ADP
ATP
COO– H
P
1,3-Bisphosphoglycerat
PhosphoglyceratKinase
C
H2C
COO–
OH O
H P
3-Phosphoglycerat
PhosphoglyceratMutase
C
H2C
O
ADP
COO– P
OH
C Enolase
2-Phosphoglycerat
O
P
CH2 Phosphoenolpyruvat
ATP
PyruvatKinase
COO– C
O
CH3 Pyruvat
Glc-6-P: Glucose-6-phosphat, GAPDH: Glycerinaldehyd-3-phosphat-Dehydrogenase
dern sie wurde unter Verbrauch von ATP im ersten Abschnitt der Glykolyse aufgenommen. Streng genommen wird hier also nur das ATP regeneriert, das im ersten Abschnitt der Glykolyse verbraucht wurde. Insofern kann man in Bezug auf diese Reaktion auch nur in einem eingeschränkten Sinn von Substratkettenphosphorylierung sprechen. Das Enzym, das die Reaktion katalysiert, ist die Pyruvat-Kinase. Es ist nach der Rückreaktion benannt, die es im Prinzip ebenfalls katalysieren kann.
▶ Klinik. Der seltene, autosomal-rezessiv vererbte Pyruvat-Kinase-Mangel führt zu einer chronischen Blutarmut: Da Erythrozyten keine Mitochondrien besitzen, sind sie zu ihrer Energieversorgung ausschließlich auf die Glykolyse angewiesen. Diese läuft wegen des Enzymmangels aber nur in geringem Umfang ab. Der resultierende ATP-Mangel führt zu Membrandefekten und so zu einer Zerstörung der Erythrozyten (hämolytische Anämie).
Energiebilanz
▶ Merke.
Da ausgehend von einem Molekül Glucose zwei Moleküle Glycerinaldehyd-3-phosphat abgebaut werden, ergibt die Glykolyse netto 2 ATP (4 ATP werden zwar gewonnen, aber 2 ATP müssen aufgewendet werden!) und 2 NADH.
Animation zum Thema unter www.dualereihe.thieme.de oder
▶
Klinik.
Energiebilanz
▶ Merke.
Reversible und irreversible Schritte
Reversible und irreversible Schritte
Die Abb. A 6.9 zeigt ein Energieprofil der Glykolyse. Die ΔG-Werte der einzelnen Reaktionen wurden unter Berücksichtigung der Metabolitkonzentrationen berechnet, die in Erythrozyten gemessen wurden. In den Reaktionen der Hexokinase und der Phosphofructokinase-1 (Schritte 1 und 3 der Glykolyse) wird sehr viel Energie freigesetzt, da sie mit der Spaltung einer Anhydridbindung in ATP verbunden sind (Verlust an Freier Energie, ΔG ist negativ). Erstaunlicherweise wird auch in der letzten Reaktion der Glykolyse, katalysiert von der Pyruvat-Kinase, sehr viel Energie frei, obwohl in diesem Schritt ATP gewonnen wird. Tatsächlich liegt der Grund des ausgeprägt negativen ΔG der Reaktion in dem hohen Energiegehalt der Enolesterbindung im Phosphoenolpyruvat (ΔG°’ = – 61,9 kJ/Mol). Diese Energie wird bei der Ablösung des Phosphates frei und nur zum Teil im neu entstehenden ATP gespeichert. Die Differenz kommt im ΔG zum Ausdruck.
Abb. A 6.9 zeigt, dass in den Reaktionen der Hexokinase, der Phosphofructokinase-1 und der Pyruvat-Kinase sehr viel Energie freigesetzt wird.
78
A
A-6.9
6 Abbau der Kohlenhydrate zu Pyruvat bzw. Lactat
A-6.9
Energieprofil der Glykolyse
0 ATP Hexokinase – 20
ADP
Glc-6-P-Isomerase Triose-P-Isomerase
– 40
ATP PFK-1
GAPDH ADP ATP
PhosphoglyceratMutase
ADP – 60
Enolase
Aldolase A Phosphoglycerat-Kinase
Glc-6-P-Isomerase: Glucose6-phosphat-Isomerase PFK-1: Phosphofructokinase-1 Triose-P-Isomerase: Triosephosphat-Isomerase GAPDH: Glycerinaldehyd-3phosphat-Dehydrogenase (nach Koolmann, Röhm; Taschenatlas der Biochemie, Thieme, 2003)
ADP Pyruvat-Kinase ATP
– 80 ∆G' (kJ · mol–1)
Pyruvat
Reaktionen mit stark negativem ΔG sind irreversibel. Deshalb gilt:
▶ Merke.
▶ Merke.
Die Hexokinase, die Phosphofructokinase-1 und die Pyruvat-Kinase katalysieren die drei irreversiblen Schritte der Glykolyse. Eine Umkehr dieser Reaktionen ist unter physiologischen Bedingungen nicht möglich. Die irreversiblen Schritte sind in der Regulation der Glykolyse von entscheidender Bedeutung. Alle anderen Schritte sind frei reversibel. Dies gilt auch für den Schritt, in dem durch Substratkettenphosphorylierung ATP gewonnen wird. Auf den Unterschied zwischen reversiblen und irreversiblen Schritten wird im Zusammenhang der Gluconeogenese noch einmal zurückzukommen sein (S. 213).
Was wird aus dem Pyruvat?
Was wird aus dem Pyruvat?
Hier unterscheidet man eine aerobe Glykolyse und eine anaerobe Glykolyse
Abhängig davon, was mit dem Endprodukt der Glykolyse (Pyruvat) geschieht, unterscheidet man zwei Formen der Glykolyse: aerobe Glykolyse anaerobe Glykolyse
▶ Merke.
Aerobe Glykolyse
▶ Definition.
▶ Merke.
▶ Merke. Die Reaktionsschritte der Glykolyse sind von Sauerstoff gänzlich unabhängig, die Unterscheidung in aerob und anaerob betrifft lediglich den anschließenden Stoffwechsel des Pyruvats. Aerobe Glykolyse
▶ Definition.
Sind in einer Zelle Mitochondrien und ausreichend Sauerstoff vorhanden, was bei den meisten Zellen der Fall ist, wird Pyruvat in die Mitochondrien importiert und dem Citratzyklus (S. 103) zugeführt. Der für die aerobe Glykolyse benötigte Sauerstoff wird erst im Anschluss an diese Reaktionsschritte in den Mitochondrien benötigt, nämlich als terminaler Elektronenakzeptor der Atmungskette.
▶ Merke.
Die zytosolische Glykolyse und der mitochondriale Citratzyklus bilden gemeinsam einen Prozess, in den nicht nur die Abbauwege sämtlicher Kohlenhydrate, sondern auch die Abbauwege aller Fette und aller Aminosäuren einmünden. Im Verlauf der verschiedenen Reaktionen werden alle Stoffe bis zum CO2 oxidiert, und die bei der Oxidation freigesetzten Elektronen werden von NADH bzw. FADH2 der Atmungskette übermittelt.
A
79
6.2 Die Glykolyse
Anaerobe Glykolyse
▶ Definition.
In Zellen, die keine Mitochondrien besitzen oder nicht über hinreichend Sauerstoff verfügen, wird Pyruvat zu Lactat (dem Anion der Milchsäure) abgebaut.
Anaerobe Glykolyse
▶ Definition.
Beispiele der anaeroben Glykolyse: Lactatbildung durch Erythrozyten (S. 44), Lactatbildung bei Sauerstoffmangel in der Skelettmuskulatur (S. 259).
Beispiele der anaeroben Glykolyse: Erythrozyten, Sauerstoffmangel in der Skelettmuskulatur.
6.2.3 Die Regulation der Glykolyse
6.2.3 Die Regulation der Glykolyse
Schlüsselenzyme
Schlüsselenzyme
Die Mengen an Glucose, die durch Glykolyse abgebaut werden müssen, sind in den verschiedenen Zellen des Organismus sehr unterschiedlich. Die Anforderungen des Stoffwechsels hängen zudem sehr von der Tageszeit ab. Die Aktivität der Glykolyse muss deshalb sehr genau kontrolliert und den jeweiligen Bedingungen angepasst werden.
Die Aktivität der Glykolyse wird in den Geweben sehr genau kontrolliert.
▶ Exkurs.
Eigenschaften von Schlüsselenzymen Die Intensität, mit der die biochemischen Reaktionen der verschiedenen Stoffwechselwege ablaufen, hängt primär von drei Faktoren ab: Der Stoffumsatz ist in der Regel umso größer, je höher die Konzentration der Edukte ist, je höher die Aktivität der beteiligten Enzyme ist und je schneller die Produkte abgeführt werden. In der Koordination der Stoffwechselwege sind deren Schlüsselenzyme von besonderer Bedeutung: Sie katalysieren den geschwindigkeitsbestimmenden Schritt: Der Gesamtprozess kann maximal so schnell ablaufen wie der langsamste Schritt. Sie katalysieren normalerweise irreversible Reaktionen: Dabei handelt es sich um exergone Reaktionen, in denen besonders viel Energie freigesetzt wird (stark negatives ΔG). Schlüsselenzyme sind deshalb oft Kinasen oder Dehydrogenasen, nicht aber Isomerasen. Sie kontrollieren enzymbegrenzte Reaktionen: Eine Veränderung der enzymatischen Aktivität muss an dieser Stelle des Stoffwechsels unmittelbar einen entsprechend veränderten Substratfluss nach sich ziehen. Sie kontrollieren einen möglichst frühen Schritt innerhalb eines Stoffwechselweges, damit nach Abschalten des Stoffwechselweges möglichst wenige Reaktionsschritte unnötig ablaufen. Sie kontrollieren die Verzweigungsstellen des Stoffwechsels: Stoffwechselwege weisen oft Verzweigungen auf, an denen Zwischenprodukte auch für andere Stoffwechselwege benötigt werden. In derartigen Fällen kann es nötig sein, einen Teil des Stoffwechselweges ablaufen zu lassen, während andere Reaktionsschritte nicht benötigt werden. Sie sind allosterisch regulierbar, d. h. ihre Aktivität hängt von der Konzentration bestimmter Metabolite ab, die dem Enzym anzeigen, ob eine erhöhte oder eine erniedrigte Aktivität benötigt wird (S. 32).
Welche Enzyme kommen nach den im Exkurs genannten Regeln als Schlüsselenzyme der Glykolyse infrage? Offenbar kommen zunächst alle Kinasen sowie die Glycerinaldehyd-3-phosphat-Dehydrogenase in Betracht. Interessanterweise arbeiten aber diejenigen Enzyme, die im zweiten Abschnitt der Glykolyse an der Oxidation des Glycerinaldehyd-3-phosphats und der daran gekoppelten Substratkettenphosphorylierung beteiligt sind, nahe dem chemischen Gleichgewicht. Die Triebkraft der beteiligten Reaktionen ist deshalb sehr gering und die Reaktionen sind sogar reversibel: Die Glykolyse kann in wesentlichen Teilen unter Verwendung der gleichen Enzyme auch rückwärts ablaufen. Im Rahmen der Gluconeogenese (S. 212) wird diese Möglichkeit auch genutzt. Für die Stoffwechselregulation bedeutet dies aber, dass die Glycerinaldehyd-3-phosphat-Dehydrogenase und die Phosphoglycerat-Kinase für die Stoffwechselregulation kaum geeignet sind. Damit kommen nur die Hexokinase, die Phosphofructokinase-1 und die Pyruvat-Kinase als Schlüsselenzyme der Glykolyse in Betracht: Sie katalysieren irreversible Reaktionen. Und in der Tat werden genau diese Enzyme reguliert. Ist die Konzentration der Glucose im Blut sehr hoch, stimuliert das Hormon Insulin die Synthese dieser drei Enzyme, um so den Entzug von Glucose aus dem Blut zu beschleunigen.
▶ Exkurs.
Schlüsselenzyme der Glykolyse sind die Hexokinase, Phosphofructokinase-1 und Pyruvat-Kinase. Ist die Konzentration der Glucose im Blut sehr hoch, wird Insulin ausgeschüttet, welches die Synthese dieser drei Enzyme stimuliert.
80 ▶
Klinik.
A
▶
6 Abbau der Kohlenhydrate zu Pyruvat bzw. Lactat
Klinik. Beim Fasten ist es sinnvoll, dass die Energiespeicher des Körpers mög-
lichst langsam abgebaut werden. Mit diesem Ziel wird das Hungerhormon Cortisol ausgeschüttet. Es greift in die Genregulation der Zellen ein und bewirkt u. a., dass die Synthese der Schlüsselenzyme der Glykolyse reduziert wird. Bedeutung und Regulation von Hexokinase und Glucokinase Die Hexokinase ist an einer wichtigen Verzweigungsstelle des Stoffwechsels positioniert.
▶ Merke. Die Phosphorylierung von Glucose zu Glucose-6-phosphat wird in den meisten Zellen von der Hexokinase katalysiert.
▶ Merke.
Der Km-Wert liegt weit unter der Substratkonzentration in der Zelle, d. h. die Hexokinase arbeitet nahezu mit maximaler Umsatzgeschwindigkeit. Steigt die Menge an Hexokinase als Reaktion auf Insulinausschüttung, steigt somit auch der Substratumsatz.
▶ Merke.
Durch höhere Glucose-6-phosphat-Konzentrationen wird die Hexokinase gehemmt.
In vielen Zellen werden Glucosetransporter vom Typ GLUT 4 in Vesikeln vorrätig gehalten. In der Resorptionsphase löst Insulin die Fusion der GLUT 4-Vesikel mit der Plasmamembran aus. Der Einbau der GLUT 4-Proteine in die Membran steigert die Kapazität des Glucosetransports innerhalb kurzer Zeit erheblich.
Bedeutung und Regulation von Hexokinase und Glucokinase Die Hexokinase erfüllt die Kriterien eines Schlüsselenzyms, denn sie steht direkt am Anfang des Stoffwechselwegs, sie katalysiert eine Reaktion, die mit einem erheblichen negativen ΔG verbunden ist, das Reaktionsprodukt, Glucose-6-phosphat, wird auch zur Synthese von Glykogen sowie für den Pentosephosphatweg benötigt. Die Hexokinase ist also an einer wichtigen Verzweigungsstelle des Stoffwechsels positioniert. Dies macht die große Bedeutung dieses Enzyms und seiner Regulation aus und ist gleichzeitig der Grund dafür, dass man die Hexokinase nicht als das Schlüsselenzym nur der Glykolyse ansehen kann.
▶ Merke.
Die Hexokinase kommt in allen Zellen des Körpers vor.
Alle Zellen des Körpers nehmen in größerem oder geringerem Umfang Glucose auf. Die meisten von ihnen phosphorylieren diese dann in Gegenwart von ATP mithilfe der Hexokinase zu Glucose-6-phosphat.
▶ Merke.
Der Km-Wert (Michaelis-Menten-Konstante) der Hexokinase ist sehr niedrig, er liegt bei ca. 0,1 mM. Die Hexokinase zeigt also zu ihrem Substrat eine besonders hohe Affinität. Was bedeutet das? Der Km-Wert ist als die Substratkonzentration definiert, bei der das jeweilige Enzym seine halbmaximale Umsatzgeschwindigkeit erreicht (v = vmax/ 2) (S. 26). Bei einer Konzentration von 0,1 mM Glucose in der Zelle arbeitet die Hexokinase also bereits mit halbmaximaler Geschwindigkeit. Nun liegt die Konzentration der Glucose im Blut in der Resorptionsphase bei ca. 7 mM, in der Postresorptionsphase bei 3,3 – 5,5 mM und selbst im Fasten bei ca. 3,5 mM (S. 44), und Glucose diffundiert ihrem Konzentrationsgradienten folgend in die Zellen (dank der GLUT-Proteine in der Plasmamembran, S. 349). Der Km-Wert der Hexokinase liegt also weit unter den Substratkonzentrationen, und die Hexokinase aller Zellen arbeitet nahezu mit maximaler Umsatzgeschwindigkeit. Wenn die Menge an Hexokinase in Antwort auf eine Ausschüttung von Insulin gesteigert wird, erhöht sich damit in gleichem Umfang auch der Substratumsatz. Wie wird verhindert, dass in einer Zelle übermäßig viel Glucose-6-phosphat akkumuliert?
▶ Merke.
Die Hexokinase wird von Glucose-6-phosphat, also durch das Reaktionsprodukt der von ihr katalysierten Reaktion, gehemmt. Der Effekt ist ein klassisches Beispiel für Produkthemmung. Gleich der erste Schritt der Glykolyse läuft nur solange ab, bis hinreichend viel Glucose-6-phosphat in der Zelle akkumuliert ist. Bei höheren Konzentrationen wird die Hexokinase ausgeschaltet. Auf diese Weise wird z. B. in Skelettmuskelzellen eine durchschnittliche Konzentration von 4 mM Glucose-6-phosphat aufrechterhalten. In den Kapiteln A-12 und A-15 wird noch näher erläutert werden, dass viele Zellen zudem den Einstrom von Glucose kontrollieren. Die GLUT 4-Proteine, die in diesen Zellen den Einstrom der Glucose vermitteln, werden nämlich in intrazellulären Membranvesikeln vorrätig gehalten. In der Resorptionsphase wird das Hormon Insulin ausgeschüttet, welches in den Zellen eine Fusion der GLUT 4-Vesikel mit der Plasmamembran auslöst. Durch diesen Einbau der GLUT 4-Proteine in die Plasmamembran wird die Kapazität des Glucosetransports innerhalb kurzer Zeit erheblich erhöht. In der Postresorptionsphase werden viele der GLUT 4-Proteine wieder in intrazelluläre Vesikel zurückverlagert.
A
81
6.2 Die Glykolyse
Was passiert, wenn in einer Resorptionsphase mehr Glucose im Blut vorhanden ist, als von den Geweben im Organismus benötigt wird? In derartigen Situationen hat die Leber (Hepatozyten) die besondere Aufgabe, die überschüssige Glucose aufzunehmen und in Form von Glykogen zu speichern. In Postresorptionsphasen kann bei Bedarf Glykogen abgebaut und Glucose an das Blut abgegeben werden. Der Speicherfunktion entsprechend phosphorylieren Hepatozyten die Glucose zu Glucose-6-phosphat und verwenden dieses größtenteils zur Glykogensynthese, nur in geringem Maß zur Glykolyse.
▶ Merke.
Die Phosphorylierung der Glucose übernimmt in der Leber die Glucokinase, ein Isoenzym der Hexokinase. Dieses Enzym katalysiert die gleiche Reaktion wie die Hexokinase, hat aber eine wesentlich niedrigere Affinität zu seinem Substrat und damit einen wesentlich höheren Km-Wert (ca. 5 mM). Deshalb kann die enzymatische Aktivität der Glucokinase in einer Resorptionsphase erheblich zunehmen. Hinzu kommt: Die Glucokinase wird durch Glucose-6-phosphat nicht gehemmt.
Die Aktivität der Glucokinase ist in ihrer Aktivität also nicht am eigenen Bedarf der Leber orientiert, sondern ganz darauf eingestellt, überschüssige Glucose aus dem Blut zu verarbeiten. Diese Funktion der Leber wird auch dadurch ermöglicht, dass die Glucoseaufnahme in die Hepatozyten nicht durch GLUT 4-Proteine, sondern durch GLUT 2-Proteine erfolgt. Diese sind unabhängig von Insulin ständig in der Plasmamembran lokalisiert. Eine ähnliche Situation ist in den B-Zellen der Bauchspeicheldrüse gegeben: Diese Zellen haben die Aufgabe, auf hohe Konzentrationen an Glucose mit einer Ausschüttung von Insulin zu reagieren. Ähnlich den Hepatozyten nehmen sie Glucose unter Vermittlung von GLUT 2 auf und phosphorylieren die Glucose mithilfe der Glucokinase. Das bei hohen Glucosekonzentrationen in großen Mengen gebildete Glucose6-phosphat löst dann die Prozesse aus, die letztlich die Ausschüttung des Insulins zur Folge haben (S. 557).
Bedeutung und Regulation der Phosphofructokinase-1
▶ Merke.
Die Phosphofructokinase-1 ist das Schrittmacherenzym und damit das Schlüsselenzym der Glykolyse. Durch Regulation ihrer Aktivität wird die Glykolyse den jeweiligen Bedürfnissen des Stoffwechsels angepasst.
Die Phosphofructokinase-1 ist das erste der Enzyme der Glykolyse, das eine für die Glykolyse spezifische Reaktion katalysiert. Wird die Phosphofructokinase-1 abgeschaltet, wird die Glykolyse gedrosselt. Der erste Schritt der Glykolyse kann aber weiterhin ablaufen, sodass bei Bedarf weiterhin Glucose-6-phosphat für andere Stoffwechselwege bereitgestellt werden kann.
▶ Merke.
Die Phosphofructokinase-1 wird gehemmt durch ATP und Citrat, stimuliert durch ADP, AMP und Fructose-2,6-bisphosphat (Abb. A 6.10).
Regulation durch Adeninnukleotide und Citrat Adeninnukleotide: Eine der wichtigsten Aufgaben der Glykolyse besteht in der Synthese von ATP. Deshalb wird die Aktivität der Glykolyse reduziert, wenn hinreichend ATP im Zytosol der Zelle vorhanden ist. Wenn im Zytosol ADP oder AMP akkumulieren, ist dies hingegen ein Signal für die Glykolyse, aus diesen vergleichsweise nutzlosen Stoffen wieder energiereiches ATP zu regenerieren. Deshalb wirken ADP und AMP stimulierend. Die ATP-Konzentration ändert sich in den Zellen allerdings nur geringfügig: Sowohl in arbeitenden als auch in ruhenden Muskelzellen z. B. beträgt sie ca. 8 mM. Die Konzentrationen an ADP und AMP sind wesentlich geringer, sie liegen unter 1 mM. Wenn nun die ATP-Konzentration in einer Zelle z. B. um 10 % sinkt, ist der unmittelbare regulatorische Effekt des ATP zwar nur gering. Die Konzentrationen des ADP und des AMP erhöhen sich dabei aber erheblich. Ihre erhöhte Konzentration ist dann das entscheidende stimulierende Signal an die Phosphofructokinase-1.
Überschüssige Glucose wird von der Leber aufgenommen, phosphoryliert und in Form von Glykogen gespeichert.
▶ Merke.
Die Plasmamembran der Hepatozyten enthält permanent (= insulinunabhängig) GLUT 2Proteine. Die Leber kann deshalb jederzeit große Glucosemengen sehr schnell aufnehmen.
GLUT 2-vermittelt wird Glucose auch von den B-Zellen des Pankreas aufgenommen. Auf hohe Glucosekonzentrationen reagieren die Zellen mit einer Insulinausschüttung.
Bedeutung und Regulation der Phosphofructokinase-1
▶ Merke.
Die Phosphofructokinase-1 ist das erste der Glykolyseenzyme, das eine glykolysespezifische Reaktion katalysiert.
▶ Merke.
Regulation durch Adeninnukleotide und Citrat Adeninnukleotide: Aufgrund der Regulation durch ATP bzw. ADP und AMP kann die Glykolyse an die Energiesituation der Zelle angepasst werden.
Dabei ist der Effekt des AMP und ADP stärker als der Effekt des ATP.
82
A
A-6.10
6 Abbau der Kohlenhydrate zu Pyruvat bzw. Lactat
A-6.10
Allosterische Regulation der Phosphofructokinase-1
Fructose-6-phosphat ATP
Überschuss an ADP und AMP ADP
Fructose2,6-bisphosphat
PFK-2 stimuliert
ATP
Phosphofructokinase-1 = PFK-1, Schlüsselenzym der Glykolyse ADP hemmt
hemmt
Fructose-1,6-bisphosphat
Synthese von ATP Synthese von Citrat
Citrat entsteht im Anschluss an die Glykolyse im Citratzyklus. Ist genügend Citrat in der Zelle vorhanden, wird die Glykolyse gedrosselt.
Citrat entsteht ausgehend von Pyruvat im Citratzyklus, einem Stoffwechselweg, der sich an die Glykolyse anschließt. Wenn der Stoffwechsel in der Lage ist, größere Mengen an Citrat zu synthetisieren, kann die Zufuhr an Pyruvat gedrosselt werden. Somit ist nachvollziehbar, warum Citrat als Hemmstoff der Phosphofructokinase-1 wirkt.
Regulation durch Fructose-2,6-bisphosphat
Regulation durch Fructose-2,6-bisphosphat
▶ Merke. Fructose-2,6-bisphosphat entsteht durch ATPabhängige Phosphorylierung von Fructose-6phosphat.
▶ Definition.
▶ Merke. Fructose-2,6-bisphosphat ist ein starker allosterischer Aktivator der Phosphofructokinase-1. In der Leber ist es der wichtigste Regulator der Glykolyse. Fructose-2,6-bisphosphat entsteht im Zytosol in einer Abzweigung von der Glykolyse durch ATP-abhängige Phosphorylierung von Fructose-6-phosphat (es entsteht also nicht aus Fructose-1,6-bisphosphat!). Die Konzentration von Fructose-2,6bisphosphat steigt an, wenn Fructose-6-phosphat, das Substrat der Phosphofructokinase-1, in hoher Konzentration vorliegt.
▶ Definition. Wird die Aktivität eines Enzyms von seinem Produkt gehemmt, liegt eine Produkthemmung (Feedback Inhibition) vor. Wird die Aktivität eines Enzyms durch ein steigendes Angebot an Substraten erhöht, wirkt das Substrat offenbar als Aktivator des Enzyms und es vermittelt eine Feedforward-Regulation.
Im Falle der Phosphofructokinase-1 erfolgt die Feedforward-Regulation nicht unmittelbar durch das Substrat Fructose-6-phosphat, sondern durch dessen Derivat Fructose-2,6-bisphosphat.
▶ Merke. Das bifunktionelle Enzym besteht aus (Abb. A 6.11) 1. einer regulatorischen Domäne, 2. einer Domäne mit Kinaseaktivität (= Phosphofructokinase-2, PFK-2) und 3. einer Domäne mit spezifischer Phosphataseaktivität (= Fructose-Bisphosphatase-2, FBP-2).
▶ Merke.
Bildung und Abbau des Fructose-2,6-bisphosphats werden von einem bifunktionellen Enzym katalysiert, dessen Aktivität hormonell kontrolliert wird. Dieses bifunktionelle Enzym besteht aus drei Domänen, d. h. aus drei Teilen (Abb. A 6.11): 1. einer kleinen regulatorischen Domäne am Aminoterminus. Sie enthält ein Serin, welches phosphoryliert und wieder dephosphoryliert werden kann. Die Phosphorylierung des Serins hat die Funktion eines An/Aus-Schalters. 2. einer Domäne mit Kinaseaktivität, die für die Phosphorylierung von Fructose-6phosphat zu Fructose-2,6-bisphosphat zuständig ist und als Phosphofructokinase-2 (PFK-2) bezeichnet wird. 3. einer Domäne mit spezifischer Phosphataseaktivität: Sie überführt Fructose-2,6bisphosphat in Fructose-6-phosphat und wird deshalb als Fructose-Bisphosphatase-2 (FBP-2) bezeichnet.
A
A-6.11
83
6.2 Die Glykolyse
Fructose-2,6-bisphosphat und das bifunktionelle, Fructose-2,6-bisphosphat synthetisierende und abbauende Enzym
A-6.11
OH H 2N
Kinase
COOH
Phosphatase
1 32
250
470
bifunktionelles Enzym
a
PFK-2 aktiv Bisphosphatase gehemmt OH Fructose-2,6bisphosphat
bifunktionelles Enzym
Proteinkinase A
O
Proteinphosphatase 1
P Fructose-2,6bisphosphat
bifunktionelles Enzym b
PFK-1 gehemmt
PFK-2 gehemmt Bisphosphatase aktiv
2–O
3POCH2 6 5
CH2OH
O
H
1
HO
H 4
HO c
PFK-1 aktiv
3
2
OPO32–
H
Fructose-2,6-bisphosphat
a Aufbau des bifunktionellen hepatischen Enzyms. b Funktion des bifunktionellen Enzyms. c Strukturformel von Fructose-2,6-bisphosphat.
Die hormonelle Regulation des bifunktionellen Enzyms ist am eingehendsten an Hepatozyten untersucht (Abb. A 6.12): Bei Absinken der Blutglucosekonzentration schüttet das Pankreas Glukagon aus. Dieses stimuliert die Adenylatzyklase der Hepatozyten, ein Enzym, das zyklisches Adenosinmonophosphat (cAMP) synthetisiert. cAMP ist ein wichtiger intrazellulärer Botenstoff, der in vielen Fällen als Hungersignal dient (S. 260). cAMP aktiviert die Proteinkinase A (PKA), die das Serin der regulatorischen Domäne des
A-6.12
Glucose ø
Hormonelle Regulation des bifunktionellen Enzyms in Hepatozyten Glukagon ⁄ Adenylatzyklase aktiv cAMP ⁄ Proteinkinase A aktiv bifunktionelles Enzym wird phosphoryliert Fructose-2,6-bisphosphat ø Glykolyse gehemmt
Glucose ⁄
Insulin ⁄ Proteinphosphatase I aktiv bifunktionelles Enzym wird dephosphoryliert Fructose-2,6-bisphosphat ⁄ Glykolyse stimuliert
Zur hormonellen Regulation s. a. Abb. A 6.12: Bei Absinken der Blutglucosekonzentration steigert Glukagon die cAMP-Konzentration in den Hepatozyten. Dies aktiviert die Proteinkinase A, die das Serin der regulatorischen Domäne des bifunktionel-
A-6.12
84 len Enzyms phosphoryliert. Dies inaktiviert die PFK-2-Domäne und aktiviert die FBP-2-Domäne.
▶ Merke.
Steigt die Blutglucosekonzentration, bewirkt Insulin durch Dephosphorylierung der regulatorischen Domäne die Aktivierung der PFK-2- und die Inaktivierung der FBP-2-Domäne.
▶ Merke.
A
6 Abbau der Kohlenhydrate zu Pyruvat bzw. Lactat
bifunktionellen Enzyms phosphoryliert. Hierdurch wird die Kinase(PFK-2)-Domäne inaktiviert, es wird also kein Fructose-2,6-bisphosphat mehr synthetisiert. Die Phosphatase(FBP-2)-Domäne dagegen wird durch die Phosphorylierung des Serins aktiviert, sodass alles in der Zelle noch vorhandene Fructose-2,6-bisphosphat abgebaut wird. Dadurch aber geht der Phosphofructokinase-1 der Hepatozyten der wichtigste Aktivator verloren und die Aktivität der Glykolyse in der Leber wird reduziert. Parallel dazu erleichtert Glukagon in der Leber die Gluconeogenese, also die Neusynthese von Glucose. Die Ausschüttung von Glukagon führt also zu einer Erhöhung der Glucosekonzentration.
▶ Merke. Bei Absinken der Blutglucosekonzentration fördert Glukagon durch Stimulation der Adenylatzyklase und der Proteinkinase A die Phosphorylierung des bifunktionellen Enzyms der Hepatozyten. Dadurch sinkt die Konzentration von Fructose-2,6-bisphosphat und die Glykolyse in der Leber wird gedrosselt. Bei Zunahme der Blutglucosekonzentration schüttet das Pankreas Insulin aus. Dieses aktiviert die Proteinphosphatase I, die das Serin der regulatorischen Domäne des bifunktionellen Enzyms dephosphoryliert. Dadurch wird die PFK-2-Domäne aktiviert, die FBP-2-Domäne hingegen inaktiviert. Es wird also Fructose-2,6bisphosphat gebildet und die Phosphofructokinase-1 der Hepatozyten dadurch wieder aktiviert.
▶ Merke. Bei Zunahme der Blutglucosekonzentration fördert Insulin durch Stimulation der Proteinphosphatase I die Dephosphorylierung des bifunktionellen Enzyms der Hepatozyten. Dadurch steigt die Konzentration von Fructose-2,6bisphosphat und die Glykolyse in der Leber wird stimuliert.
Nicht hepatische Zellen enthalten Isoenzyme des hepatischen bifunktionellen Enzyms. Diese werden bei Anstieg der cAMP-Konzentration an einem anderen Serinrest phosphoryliert, sodass vermehrt Fructose2,6-bisphosphat gebildet und die Glykolyse stimuliert wird.
Auf diese Weise sorgt die Leber dafür, dass die Blutglucosekonzentration niemals unter 3,5 mM sinkt. Im Gegensatz zur Leber steht der Kohlenhydratstoffwechsel der meisten anderen Gewebe allein im Dienst des eigenen Zellstoffwechsels. Nicht hepatische Zellen enthalten Isoenzyme, die sich vom hepatischen bifunktionellen Enzym wesentlich unterscheiden. 5 verschiedene Isoenzyme sind bereits identifiziert worden. Diese nicht hepatischen Isoenzyme des bifunktionellen Enzyms werden bei einem Anstieg der cAMP-Konzentration (z. B. unter dem Einfluss von Glukagon) an einem anderen Serinrest phosphoryliert, sodass die Synthese von Fructose-2,6-bisphosphat gesteigert wird. Die Folge ist eine Stimulation der Glykolyse.
Regulation der Pyruvat-Kinase
Regulation der Pyruvat-Kinase
Fructose-1,6-phosphat stimuliert, ATP hemmt die Pyruvat-Kinase.
Glukagon hemmt die Pyruvat-Kinase durch Phosphorylierung.
▶ Exkurs.
Die Regulation der Pyruvat-Kinase ist von vergleichsweise untergeordneter Bedeutung. Gleichwohl ist eine Vielzahl an Faktoren identifiziert worden, die auf die Aktivität der Pyruvat-Kinase Einfluss haben. U.a. wird die Aktivität der PyruvatKinase von Fructose-1,6-bisphosphat stimuliert und von ATP gehemmt. Zudem wird das Enzym in der Leber unter dem Einfluss von Glukagon von der Proteinkinase A phosphoryliert (wie das bifunktionelle Enzym). Dies reduziert seine enzymatische Aktivität. Auch hierdurch reduziert Glukagon den Glucoseverbrauch in der Leber.
▶ Exkurs. Möglichkeiten der Stoffwechselregulation Im Rückblick auf die Regulation der Glykolyse wird deutlich, dass an der Regulation des Stoffwechsels ganz unterschiedliche Mechanismen beteiligt sind: Schrittmacherenzyme enthalten nicht nur Bindestellen für ihre Substrate, sondern auch für regulatorisch wirkende Metabolite. Hemmende oder stimulierende Metabolite binden außerhalb des aktiven Zentrums und verändern dabei über einen allosterischen Effekt die Aktivität des Enzyms (S. 32). Schrittmacherenzyme können durch kovalente Modifikationen an- und ausgeschaltet werden. Dieses Phänomen bezeichnet man als Interkonvertierung (Interkonversion). Fast immer erfolgt eine Interkonvertierung durch reversible Phosphorylierung. Enzyme werden nach Möglichkeit nur in der Menge synthetisiert, in der sie benötigt werden. Entsprechend wird die Transkription der Gene, die für die verschiedenen Enzyme kodieren, genau kontrolliert. Derartige Mechanismen werden im Organismus vielfach durch Hormone koordiniert. Regulatorisch wichtige Enzyme werden mitunter gezielt proteolytisch abgebaut.
A
85
6.3 Reduktion und Oxidation von Pyruvat
Die Aktivität einiger Enzyme wird durch einen gezielten Transport innerhalb der Zelle – z. B. an die Plasmamembran oder in den Zellkern – reguliert. Derartige Mechanismen sind z. B. in der Regulation des Zellzyklus von zentraler Bedeutung.
Reduktion und Oxidation von Pyruvat
6.3
Wie auf S. 78 beschrieben, wird Pyruvat nach Möglichkeit in Mitochondrien importiert und dort in Gegenwart von Sauerstoff zu CO2 oxidiert oder bei Mangel an Sauerstoff und bei Fehlen von Mitochondrien im Zytosol zu Lactat reduziert, das dann von der Zelle abgegeben wird.
6.3.1 Reduktion von Pyruvat zu Lactat (Lactatgärung)
6.3
Reduktion und Oxidation von Pyruvat
Pyruvat wird bei Sauerstoffmangel und in Zellen ohne Mitochondrien zu Lactat reduziert, ansonsten in die Mitochondrien importiert und oxidiert.
6.3.1 Reduktion von Pyruvat zu Lactat (Lactatgärung)
Ist die Glykolyse unmittelbar mit der Bildung von Lactat verbunden, liegt eine Gärung vor. Während in manchen Bakterien viele verschiedene Typen von Gärungen ablaufen können, gibt es im Stoffwechsel des Menschen nur die Lactatgärung.
Ist die Glykolyse unmittelbar mit der Bildung von Lactat verbunden, liegt eine Gärung vor.
Funktion
Funktion
Die wesentliche Aufgabe der Lactatgärung besteht darin, aus dem in der Glykolyse anfallenden NADH durch NADH-abhängige Reduktion des Pyruvats zu Lactat wieder NAD+ zu regenerieren (Abb. A 6.13), denn dieses wird von der Glycerinaldehyd3-phosphat-Dehydrogenase im zweiten Abschnitt der Glykolyse benötigt. Das Reaktionsprodukt der Gärung (= Lactat), nicht etwa das Substrat (= Pyruvat), wird von der Zelle an die Umgebung abgegeben.
Aufgabe der Lactatgärung ist es, aus dem in der Glykolyse anfallenden NADH NAD+ zu regenerieren (Abb. A 6.13). Lactat wird an die Umgebung abgegeben.
A-6.13
NADH-abhängige Reduktion von Pyruvat zu Lactat
O–
O C
O–
O
C O + NADH + H
LDH: Lactat-Dehydrogenase
C
LDH +
HO
CH3
C
H + NAD
+
CH3
Pyruvat
Lactat
Das bekannteste Beispiel für eine Gärung bei Mikroorganismen ist die alkoholische Gärung der Hefen. In diesem Fall ist die Glykolyse nicht mit einer Bildung von Lactat verbunden, sondern mit einer Freisetzung von Ethanol, welches ausgehend von Pyruvat synthetisiert (Abb. A 6.14) und dann an die Umgebung abgegeben wird.
A-6.14
Alkoholische Gärung in Hefezellen (Bäckerhefe, Saccharomyces cerevisiae)
Glucose Glykolyse
NAD+ NADH
Pyruvat – CO2 Acetaldehyd
H 3C
C
O H
NADH NAD+ a
A-6.13
Ethanol
H 3C
CH 2
OH
b
a Reaktionsschema der alkoholischen Gärung. b Mikroskopische Aufnahme von Hefezellen (mit freundlicher Genehmigung von Frau Dr. K. Hauser).
Das bekannteste Beispiel für eine Gärung bei Mikroorganismen ist die alkoholische Gärung der Hefen (Abb. A 6.14).
A-6.14
86
A
6 Abbau der Kohlenhydrate zu Pyruvat bzw. Lactat
Auch die Bildung des Ethanols dient der Regeneration des NAD+, das von der GAPDH benötigt wird.
▶
Klinik.
▶
Klinik. In der Vagina leben Bakterien, die eine Lactatgärung durchführen und
deshalb als Milchsäurebakterien bezeichnet werden. Sie sind traditionell unter dem Namen „Döderlein-Stäbchen“ bekannt (Abb. A 6.15). Sie tragen wesentlich zur Entstehung eines sauren Scheidenmilieus bei und hemmen dadurch das Wachstum anderer Bakterien, einschließlich verschiedener Krankheitserreger. A-6.15
Döderlein-Stäbchen (Milchsäurebakterien) der Vagina (aus Hof, Dörries; Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie, Thieme, 2009)
▶ Merke.
▶ Merke.
Die Reduktion von Pyruvat zu Lactat wird von der Lactat-Dehydrogenase (LDH) katalysiert.
Die Lactat-Dehydrogenase (LDH)
Die Lactat-Dehydrogenase (LDH)
Isoenzyme: Man kennt fünf Isoenzyme der Lactat-Dehydrogenase (LDH).
Isoenzyme: Von der LDH sind fünf Isoenzyme bekannt (LDH 1 – 5), die jeweils für bestimmte Organe spezifisch sind. Alle Isoenzyme der LDH sind Tetramere, d. h. sie bestehen aus jeweils vier Untereinheiten (Monomeren). Die Monomere kommen in zwei Formen vor, dem Typ H (Herzmuskulatur) und dem Typ M (Skelettmuskel). Die fünf Isoenzyme entstehen durch jeweils unterschiedliche Kombinationen von Typ-H- und Typ-M-Monomeren. Beispiele: In der LDH-1 gehören alle zum Typ H, in der LDH-5 gehören alle zum Typ M (Tab. A 6.1).
Die Isoenzyme bestehen jeweils aus 4 Untereinheiten (Monomeren). Das LDH-Isoenzym ist also jeweils ein Tetramer (Tab. A 6.1).
A-6.1
▶
Klinik.
A-6.1
Die LDH-Isoenzyme
LDH-Isoenzym
monomere (Untereinheiten)
Vorkommen
LDH 1
HHHH
Herzmuskulatur, Erythrozyten, Niere
LDH 2
MHHH
Erythrozyten, Niere, Herzmuskulatur, Lunge
LDH 3
MMHH
Lunge, Thrombozyten, lymphatisches System
LDH 4
MMMH
verschiedene Organe
LDH 5
MMMM
Skelettmuskulatur, Leber
▶ Klinik. Wenn in einem Organ Zellen absterben, gelangt dabei u. a. das für das Organ charakteristische LDH-Isoenzym ins Blut. Ist die Konzentration der (Gesamt-) LDH im Blut erhöht, kann man durch Bestimmung der Isoenzyme Rückschlüsse auf die Schädigung dieser Organe ziehen. So steigt die Konzentration der LDH-1 nach einem Herzinfarkt und bei Zerstörung von Erythrozyten (Hämolyse) an. In der Herzinfarktdiagnostik ist auch der Nachweis von gewebespezifischen Isoenzymen der Kreatinkinase (S. 258) von Bedeutung.
A
87
6.4 Abbau von Glykogen
Funktion: Die LDH kann sowohl die Reduktion von Pyruvat in Lactat als auch die Rückreaktion, also die Oxidation von Lactat zu Pyruvat, katalysieren. Der Reaktionsmechanismus ähnelt dem Mechanismus der Glycerinaldehyd-3-phosphat-Dehydrogenase (GAPDH): Zur Oxidation des Lactats zu Pyruvat wird von der LDH sowohl Lactat als auch NAD+ gebunden. Anschließend wird ein Wasserstoffatom mitsamt seiner beiden Bindungselektronen, also als Hydrid-Ion (H–), auf den Nicotinamidring des NAD+ übertragen.
Funktion: Der Reaktionsmechanismus ähnelt dem der GAPDH, inkl. der Übertragung eines Hydrid-Ions.
Der weitere Abbau des Lactats
Der weitere Abbau des Lactats
Lactat wird an das Blut abgegeben und zur Leber und zum Herzen transportiert. In der Leber wird Lactat u. a. zur Gluconeogenese, also zur Synthese von Glucose eingesetzt. Die Glucose wird dann an das Blut abgegeben und kann in den verschiedenen Zellen des Körpers z. B. wieder zur Glykolyse verwendet werden. Es ergibt sich dadurch ein Kreislauf, der als Cori-Zyklus (Abb. A 6.16) bekannt ist. Im Herzmuskel wird Lactat hingegen nicht zur Gluconeogenese verwendet, sondern mithilfe der LDH-1 zu Pyruvat oxidiert und dann in Mitochondrien importiert. Hier wird es dem Energiestoffwechsel zur Verfügung gestellt und zu CO2 oxidiert.
In die Leber transportiertes Lactat wird zur Gluconeogenese verwendet (Cori-Zyklus, Abb. A 6.16).
A-6.16
Cori-Zyklus
Muskel
A-6.16
Blut
Glucose Glykolyse
ADP + Pi ATP
Lactat
Leber Glucose ADP + Pi ATP
Gluconeogenese Lactat
6.3.2 Oxidativer Abbau von Pyruvat (s. Kap. A-7)
6.4
Im Herzmuskel wird Lactat zu Pyruvat oxidiert und dann in Mitochondrien zu CO2 oxidiert.
Abbau von Glykogen
6.3.2 Oxidativer Abbau von Pyruvat (s. Kap. A-7)
6.4
Abbau von Glykogen
Zur Glykogen-Synthese s. S. 205.
Zur Glykogen-Synthese s. S. 205.
6.4.1 Einführung
6.4.1 Einführung
Das Glucoseangebot aus der Verdauung der Nahrung entspricht nur selten dem aktuellen Glucosebedarf des Stoffwechsels. In diesem Zusammenhang spielt Glykogen als Speicherform der Glucose im Organismus eine entscheidende Rolle. Überschüssige Glucose wird zu Glykogen polymerisiert. In diesem verzweigten Molekül sind die Glucosemonomere α1→4-glykosidisch verknüpft, lediglich an den Verzweigungsstellen (im Abstand von je ca. 10 Glucosemonomeren) finden sich α1→6glykosidische Bindungen (S. 39). Bei Bedarf werden aus dem Glykogen Glucosemonomere freigesetzt. In größerem Umfang wird Glykogen nur in zwei Organen gespeichert: ca. 150 g in der Leber (bis zu 10 % des Lebergewebes können aus Glykogen bestehen), ca. 300 g in der Skelettmuskulatur (bis zu 1 % der Skelettmuskulatur kann aus Glykogen bestehen). Zwischen beiden Glykogenspeichern besteht insofern ein wesentlicher Unterschied, als das Glykogen der Leber für die Aufrechterhaltung einer hinreichenden Glucosekonzentration im Blut genutzt wird, während die Muskelzellen Glykogen ausschließlich für den eigenen Bedarf speichern.
Glykogen ist die Speicherform der Glucose im Organismus. In größerem Umfang wird es nur in zwei Organen gespeichert: ca. 150 g in der Leber, ca. 300 g in der Skelettmuskulatur. Das Leberglykogen wird zur Aufrechterhaltung der Blutglucosekonzentration verwendet, das Muskelglykogen deckt den Glucosebedarf der Skelettmuskulatur.
88
A
6.4.2 Der Glykogenabbau
6.4.2 Der Glykogenabbau
Die Glykogen-Phosphorylase setzt Glucose phosphorolytisch aus Glykogen frei. Dabei entsteht Glucose-1-phosphat, das zu Glucose6-phosphat umgesetzt wird.
Aus Glykogen wird Glucose phosphorolytisch freigesetzt: Katalysiert von der Glykogen-Phosphorylase wird unter Verbrauch von anorganischem Phosphat Glucose-1phosphat gebildet. Glucose-1-phosphat isomerisiert dann zu Glucose-6-phosphat, welches in die Glykolyse eingespeist werden kann (S. 71). In Hepatozyten kann die Phosphatgruppe entfernt werden, sodass Glucose ohne die Phosphatgruppe an das Blut abgegeben wird.
▶ Merke.
6 Abbau der Kohlenhydrate zu Pyruvat bzw. Lactat
▶ Merke. Im Gegensatz zur Situation in der Glykolyse braucht beim Abbau des Glykogens zu Glucose-6-phosphat kein ATP aufgewendet zu werden. Die ATPabhängige Phosphorylierung der Glucose (der erste Schritt der Glykolyse) entfällt beim Abbau von Glykogen. Die Synthese des Glykogens dagegen ist energieaufwendig (S. 205).
Abbau an freien Glykogen-Enden
Abbau an freien Glykogen-Enden
Die Glykogen-Phosphorylase katalysiert an den freien (nicht reduzierenden) Enden des Glykogens die Übertragung einzelner Glucosemonomere auf anorganisches Phosphat. Dabei entsteht Glucose-1-phosphat.
Die Glykogen-Phosphorylase setzt an den freien (nicht reduzierenden) Enden der Glucoseketten an, also an den Enden mit freier OH-Gruppe eines C-Atoms in Position 4 (S. 39). Dort katalysiert sie die schrittweise Übertragung einzelner Glucosemonomere auf anorganisches Phosphat. Dabei entsteht Glucose-1-phosphat. Dieses wird zu Glucose-6-phosphat umgesetzt, das in Hepatozyten dephosphoryliert und in Form von Glucose dem Stoffwechsel zur Verfügung gestellt, in Muskelzellen dagegen der Glykolyse zugeführt wird.
▶ Merke.
▶ Merke.
Die Glykogen-Phosphorylase kann nur α1→4-glykosidische Bindungen lösen, nicht aber die α1→6-glykosidischen Bindungen an Verzweigungsstellen. Beim Abbau eines Glykogenzweiges beendet die Glykogen-Phosphorylase ihre Arbeit vier Glucosemonomere vor der Verzweigungsstelle (Abb. A 6.17).
A-6.17
A-6.17
Glykogenabbau an nicht reduzierenden Enden CH2OH O
H H OH
CH2OH H
H OH
H
HO
H
H OH
H OH
H
H
OH
H
α(1 → 6)Verknüpfung O
CH2OH
CH2OH
O
H
H
H OH
H
H
OH
O
H H OH
H
H
OH
α(1 → 4)Verknüpfung
CH2 O
H
H
H OH
H
H
OH
O
O
HO
Klinik.
O
H O
OH
nicht reduzierende Enden
▶
CH2OH H
O H
Leber und Skelettmuskulatur enthalten Isoenzyme der Glykogen-Phosphorylase.
O
H
H O
Leber und Skelettmuskulatur enthalten unterschiedliche Isoenzyme der GlykogenPhosphorylase, die auch unterschiedlich reguliert werden (S. 88).
▶
Klinik. Erkrankungen, die durch Defekte von Enzymen des Glykogenstoffwech-
sels bedingt sind, werden als Glykogenspeicherkrankheiten oder Glykogenosen bezeichnet. Bislang sind 12 derartige Krankheitsbilder bekannt (S. 89), sie sind alle extrem selten. Bei der McArdle-Krankheit (= Glykogenose Typ V) besteht ein Defekt der Glykogen-Phosphorylase der Skelettmuskulatur. Der Defekt äußert sich in einer Akkumulation von Glykogen in den Muskelzellen, verbunden mit schmerzhaften Muskelkrämpfen bei körperlicher Anstrengung. Bei einem Defekt der Leber-Phosphorylase (Hers-Krankheit = Glykogenose Typ VI) führt die Ansammlung von Glykogen in den Hepatozyten zur Lebervergrößerung (Hepatomegalie). Die Prognose ist vergleichsweise günstig.
A
Abbau an Verzweigungsstellen
Abbau an Verzweigungsstellen
▶ Merke.
An Verzweigungsstellen werden übrig gebliebene Tetrasaccharide vor der α(1→ 6)-Bindung mithilfe des Debranching Enzyms abgebaut.
Das Debranching Enzyme ist ein bifunktionelles Enzym, denn es enthält zwei unterschiedliche Proteindomänen mit unterschiedlichen Aufgaben: Transferaseaktivität: Damit trennt das Debranching Enzyme drei der vier übrig gebliebenen Glucosemonomere als Trisaccharid ab und überträgt sie auf ein benachbartes freies Glucoseketten-Ende (Abb. A 6.18). Dabei wird eine α1→4-glykosidische Bindung gelöst und eine neue α1→4-glykosidische Bindung gebildet. Die Glykogen-Phosphorylase kann dann am benachbarten freien Ketten-Ende ihre Arbeit fortsetzen. Glucosidaseaktivität: Vom ursprünglichen Seitenzweig ist nun nur noch ein Glucosemonomer übrig, das über eine α1→6-glykosidische Bindung mit einer Glucosekette verbunden ist. Dieses Monomer wird vom Debranching Enzyme mithilfe seiner Glucosidaseaktivität abgelöst (Abb. A 6.18).
O
O
O
O
O
O
O
O
O
O
O
O
O
O
O
O
O
O
O
O
O
O
O
Verzweigungsstelle O
Transferaseaktivität des Debranching Enzyms O
H2O
+ Pi
Das Debranching Enzyme enthält zwei Proteindomänen mit unterschiedlichen Aufgaben: Transferaseaktivität: Damit trennt das Debranching Enzyme drei der vier Glucosemonomere als Trisaccharid ab und überträgt sie auf ein benachbartes freies Ketten-Ende (Abb. A 6.18). Glucosidaseaktivität: Das vierte, α1→6angebundene Glucosemonomer wird mithilfe der Glucosidaseaktivität abgelöst (Abb. A 6.18).
A-6.18
O
O
▶ Merke.
Glykogenabbau an Verzweigungsstellen
A-6.18
O
89
6.4 Abbau von Glykogen
O
Glucose
Glucosidaseaktivität des Debranching Enzyms
O
O
O
Abbau des Glykogens an den nicht reduzierenden Enden durch die Glykogen-Phosphorylase
▶ Merke.
▶ Merke.
▶
▶
Das letzte Glucosemonomer des Seitenzweiges wird nicht phosphorolytisch, sondern hydrolytisch freigesetzt, d. h. in diesem Fall wird nicht Glucose-1phosphat, sondern Glucose gebildet.
Klinik.
Zwei der 12 Glykogenspeicherkrankheiten (Glykogenosen) sind durch fehlende Glucosidaseaktivität bedingt: Bei der Cori- oder Forbes-Krankheit (Glykogenose Typ III) besteht ein Mangel an Debranching Enzyme. Charakteristische Symptome sind u. a. eine vergrößerte Leber (Hepatomegalie) und eine langsam fortschreitende Muskelschwäche. Die Pompe-Krankheit (Glykogenose Typ II) ist die schwerste bekannte Glykogenspeicherkrankheit. Ursache ist nicht ein Defekt im normalen Abbauweg des Glykogens im Zytosol, sondern ein Defekt im Abbauweg von Kohlenhydraten in den Lysosomen (S. 371). Der Defekt betrifft die lysosomale α-1,4-Glucosidase und damit den Abbau von Glykogen, Glykoproteinen sowie in geringerem Umfang auch von Maltose (= Disaccharid aus α-1,4-verbundener Glucose). Der Enzymdefekt betrifft in unterschiedlichem Ausmaß nahezu sämtliche Zellen des Körpers. In zahlreichen Organen und Geweben, v. a. in Leber, Lunge, Gehirn, Skelett- und Herzmuskel, akkumulieren in den Lysosomen große Mengen an Glykogen. Es kommt zu Hepato-
Klinik.
90
A
6 Abbau der Kohlenhydrate zu Pyruvat bzw. Lactat
megalie, Muskelschwäche (betroffene Säuglinge bewegen sich kaum und trinken schlecht) und Verdickung des Herzmuskels (hypertrophe Kardiomyopathie). Letztere hat eine Herzinsuffizienz zur Folge, die oft bereits während des ersten Lebensjahres zum Tod führt. Der Metabolit, der letztlich für die letalen Konsequenzen der Krankheit verantwortlich ist, ließ sich noch nicht eindeutig bestimmen.
6.4.3 Die Regulation des Glykogenabbaus
6.4.3 Die Regulation des Glykogenabbaus
▶ Merke.
▶ Merke.
Schrittmacherenzym des Glykogenabbaus ist die Glykogen-Phospho-
rylase. Das Enzym besteht aus zwei identischen Untereinheiten, deren Aktivität jeweils durch Phosphorylierung am Serin der Position 14 eingeschaltet wird. Die durch Phosphorylierung aktivierte Glykogen-Phosphorylase wird auch als Phosphorylase a bezeichnet. Durch Dephosphorylierung, also durch Abspaltung des Phosphats, wird die aktive Phosphorylase a in die inaktive Phosphorylase b überführt. Die Phosphorylierung der Glykogen-Phosphorylase wird von einem regulatorischen Enzym katalysiert, der Phosphorylase-Kinase. Die Aktivität der Phosphorylase-Kinase wird ihrerseits cAMP-abhängig von der Proteinkinase A (PKA) kontrolliert. Die PKA reguliert auch das bifunktionelle Enzym, das die Fructose-2,6-bisphosphat-Konzentration und damit die Phosphofructokinase-1 der Glykolyse reguliert (S. 82). Der Regulationsmechanismus ist ähnlich: Sinkt die Blutglucosekonzentration, werden die Hormone Adrenalin und Glukagon ausgeschüttet. Glukagon, freigesetzt aus dem Pankreas, ist insbesondere für die Regulation des Leberstoffwechsels wichtig. Adrenalin wird vom Nebennierenmark ausgeschüttet. Beide Hormone steigern in den Zellen des Körpers die cAMPKonzentration und aktivieren so die PKA. Diese phosphoryliert die Phosphorylase-Kinase und aktiviert sie dadurch. Parallel wird die Glykogen-Synthese blockiert, indem die PKA die Glykogen-Synthase phosphoryliert und dadurch inaktiviert (S. 210). Die PKA kontrolliert also sowohl den Abbau als auch die Synthese des Glykogens. Dabei übt sie die Kontrolle der Glykogen-Synthase direkt, die Kontrolle über die Glykogen-Phosphorylase indirekt (via Phosphorylase-Kinase) aus. Bei Zunahme der Blutglucosekonzentration schüttet das Pankreas Insulin aus. Dieses reduziert die Aktivität der PKA, sodass die Phosphorylierung der Phosphorylase-Kinase unterbleibt, und aktiviert die Proteinphosphatase 1, die die Phosphorylase-Kinase dephosphoryliert und dadurch inaktiviert (Abb. A 6.19).
Die beiden identischen Untereinheiten des Enzyms werden durch Phosphorylierung aktiviert („Phosphorylase a“), durch Dephosphorylierung deaktiviert („Phosphorylase b“). Die Aktivierung der Phosphorylase wird von der Phosphorylase-Kinase vermittelt. Die Aktivität der Phosphorylase-Kinase wird cAMP-abhängig von der Proteinkinase A (PKA) kontrolliert: Bei Abnahme des Blutglucosespiegels werden Glukagon und Adrenalin ausgeschüttet. Sie steigern die cAMP-Konzentration und aktivieren so die PKA, die die Phosphorylase-Kinase aktiviert. Parallel wird die Synthese neuen Glykogens blockiert, indem die PKA die Glykogen-Synthase phosphoryliert und dadurch inaktiviert.
Bei Zunahme der Blutglucosekonzentration inaktiviert Insulin die PhosphorylaseKinase (Abb. A 6.19).
A-6.19
Regulation des Glykogenabbaus
[Glucose] niedrig
[Glucose] hoch
Adrenalin ⁄ Glukagon ⁄
Insulin ⁄
[cAMP] intrazellulär ⁄ PKA aktiv
P
P
Phosphorylase-Kinase
P
Phosphorylase
Glykogen-Synthase
Proteinphosphatase 1 aktiv
inaktiv
Phosphorylase-Kinase
aktiv
aktiv (a)
a Glykogen wird abgebaut
Phosphorylase
b
Glykogen-Synthase
inaktiv
blockiert
(b)
kein Glykogenabbau
Die Glykogen-Synthase kann von verschiedenen Kinasen phosphoryliert und dadurch inaktiviert werden.
aktiv
A
▶ Merke.
Die Glykogen-Phosphorylase von Leber und Skelettmuskulatur wird hormonell reguliert: Bei Absinken der Blutglucosekonzentration stimuliert Adrenalin die Adenylatzyklase und damit die cAMP-abhängige Proteinkinase A, die die Glykogen-Phosphorylase phosphoryliert und dadurch aktiviert (Abb. A 6.19). Gleichzeitig fördert es die Phosphorylierung der Glykogen-Synthase und inaktiviert sie dadurch. In der Leber wirkt Adrenalin dabei synergistisch mit Glukagon. Bei Zunahme der Blutglucosekonzentration hemmt Insulin den Glykogenabbau und fördert die Glykogensynthese, indem es die Dephosphorylierung der jeweiligen Schrittmacherenzyme auslöst. Die Glykogen-Phosphorylase der Skelettmuskulatur wird außerdem allosterisch reguliert: Eine Zunahme der intrazellulären AMP-Konzentration (ein Zeichen intrazellulären Energiemangels) aktiviert die Muskel-Phosphorylase.
Abbau der Stärke
6.5
Eine ähnliche Struktur wie das Glykogen hat die Stärke der Pflanzen. Der Abbau der Stärke bei der Verdauung wird ab S. 187 erläutert.
Abbau der Fructose
6.6
Fructose ist in Früchten und Fruchtsäften enthalten, wird in den Industrieländern aber überwiegend in Form von Saccharose (= Rohrzucker) konsumiert. Saccharose ist ein Disaccharid, bestehend aus Glucose und Fructose (Abb. A 6.20). Das Sauerstoffatom am C-Atom 1, dem anomeren C-Atom der Glucose, ist mit dem C-Atom 2 der Fructose verbunden. Dabei befindet sich das verbindende Sauerstoffatom im Kontext der Glucose in α-Stellung. Im Kontext der Fructose befindet sich das gleiche Sauerstoffatom hingegen in β-Stellung. Die glykosidische Bindung zwischen Glucose und Fructose kann vergleichsweise leicht gespalten werden. Das Spaltungsgemisch von Glucose und Fructose wird Invertzucker genannt. Dieser ist neben Saccharose der Hauptbestandteil des Honigs.
6 CH2OH
H 4
HO
H OH
O H
3
H
▶ Merke.
6.5
2
OH
Glucose
Abbau der Stärke
Siehe S. 187.
6.6
Abbau der Fructose
Fructose ist in Früchten und Fruchtsäften enthalten, wird in den Industrieländern aber überwiegend in Form von Saccharose (= Rohrzucker) konsumiert. Saccharose ist ein Disaccharid aus Glucose und Fructose. Diese sind α1→β2-glykosidisch verbunden (Abb. A 6.20).
Saccharose
A-6.20
5
91
6.6 Abbau der Fructose
A-6.20
1
H
HOCH2
1(α) 2(β)
H
O 3
HO
H
O
5
HO
CH2OH
4 6
H
Fructose
Saccharose wird beim Verdauungsprozess im Darm von einer Saccharase gespalten. Anschließend werden Glucose und Fructose unabhängig voneinander resorbiert.
▶ Klinik. An der Entstehung von Karies sind Bakterien der Art Streptococcus mutans wesentlich beteiligt. Sie spalten die Saccharose der Nahrung in Glucose und Fructose. Die Glucose wird an der Außenseite der Bakterien zu einem großen Teil über die Bildung α1→6-glykosidischer Bindungen zu sog. Dextranen polymerisiert, die den schleimigen Zahnbelag bilden. Die übrige Glucose wird in den Bakterien zusammen mit der Fructose zur Glykolyse und letztlich zu einer Lactatgärung verwendet. Die dabei freigesetzte Milchsäure zerstört den Zahnschmelz.
Nach der Spaltung der Saccarose im Darm werden die Monomere resorbiert.
▶
Klinik.
Die Reaktionsschritte des Fructoseabbaus
Die Reaktionsschritte des Fructoseabbaus
Fructose wird z. T. bereits in der Darmschleimhaut, z. T. erst in der Leber in die Glykolyse eingespeist. Dies erfolgt in wenigen Schritten im Zytosol (Abb. A 6.21):
Fructose wird in die Glykolyse eingespeist:
92
A
Fructose → Fructose-1-phosphat (Enzym: Fructokinase), Fructose-1-phosphat → Glycerinaldehyd + Dihydroxyacetonphosphat (Enzym: Aldolase B).
▶ Merke. Dihydroxyacetonphosphat bzw. Glycerinaldehyd → Glycerinaldehyd-3-phosphat. Enzyme: Triosephosphat-Isomerase und Glycerinaldehyd-Kinase
A-6.21
6 Abbau der Kohlenhydrate zu Pyruvat bzw. Lactat
Fructose wird zunächst ATP-abhängig phosphoryliert. Dabei entsteht Fructose-1phosphat. Das katalysierende Enzym wird meist Fructokinase genannt. Im nächsten Schritt wird Fructose-1-phosphat in Glycerinaldehyd und Dihydroxyacetonphosphat gespalten. Diese Reaktion wird von der Aldolase B katalysiert und ähnelt weitgehend der Spaltung von Fructose-1,6-bisphosphat in Glycerinaldehyd-3-phosphat und Dihydroxyacetonphosphat in der Glykolyse (katalysiert von der Aldolase A).
▶ Merke.
Aldolase A (Glykolyse) und Aldolase B (Fructoseabbau) sind nicht identisch. Beim Fructoseabbau entsteht unphosphoryliertes Glycerinaldehyd. Dihydroxyacetonphosphat und Glycerinaldehyd werden zu Glycerinaldehyd-3phosphat umgesetzt: – Dihydroxyacetonphosphat, das bereits ein Metabolit der Glykolyse ist, wird von der Triosephosphat-Isomerase zu Glycerinaldehyd-3-phosphat isomerisiert. – Glycerinaldehyd wird durch eine Glycerinaldehyd-Kinase (= „Triose-Kinase“ = „Triokinase“) unter Verbrauch von ATP zu Glycerinaldehyd-3-phosphat phosphoryliert, womit der Anschluss an die Glykolyse erreicht ist. A-6.21
Abbau von Fructose im Dünndarm und in der Leber CH2OPO32–
HOCH2
CH2OH
O
H
ATP
ADP
HO
H OH
HO
HOCH2
CH2OPO3
O
HO
GlycerinaldehydKinase C
O
H
C
OH
ATP ADP
OH
H
C
OH
CH2OH Fructose-1-phosphat (offenkettige Form)
H
C
O
H
C
OH
Aldolase B
CH2OH Glycerinaldehyd +
CH2OPO32– Glycerinaldehyd3-phosphat
H
C
H
Fructose-1-phosphat
H
C
H OH
H
O
HO
HO
Fructokinase
Fructose
C
2–
CH2OH TriosephosphatIsomerase
C
O
CH2OPO32– Dihydroxyacetonphosphat
Energiebilanz
▶ Merke.
▶
Klinik.
Energiebilanz
▶ Merke.
Ausgehend von einem Molekül Fructose werden wie bei der Glykolyse zwei Moleküle Glycerinaldehyd-3-phosphat abgebaut, sodass netto 2 ATP entstehen (2 ATP werden verbraucht, 4 gewonnen).
▶ Klinik. Die hereditäre (erbliche) Fructose-Intoleranz hat eine Häufigkeit von ca. 1:20 000. Ursache ist eine erheblich verminderte Aktivität der Aldolase B. Nach Aufnahme fructose- oder saccharosehaltiger Nahrung (Obst, Fruchtsäfte, Gemüse) kommt es zu einer Akkumulation von Fructose-1-phosphat. Dieses hemmt u. a. die Fructose-1,6-bisphosphatase und damit die Gluconeogenese, sodass eine Hypoglykämie die Folge sein kann. Symptome sind Unruhe, Zittern, Schweißausbruch, Erbrechen oder Krämpfe. Sie zeigen sich in der Regel bereits im Kleinkindalter. Wird die Erkrankung nicht entdeckt, kann die Leber geschädigt werden. Die Betroffenen entwickeln eine ungewöhnliche Abneigung gegen Süßigkeiten und haben entsprechend selten Karies. Sofern eine fructose- und saccharosearme Diät eingehalten
A
93
6.7 Abbau der Galaktose
wird, können alle Krankheitssymptome vermieden werden. Fructose- oder sorbithaltige Infusionslösungen sind kontraindiziert, da sie zu Leberversagen und zum Tode des Patienten führen können. (Sorbit kann im Stoffwechsel in Fructose umgewandelt werden).
Abbau der Galaktose
6.7
6.7
Galaktose ist Bestandteil des Milchzuckers, der Lactose. Auch Lactose ist ein Disaccharid. Es besteht aus Galaktose und Glucose, die β1→4-glykosidisch miteinander verbunden sind (Abb. A 6.22). Galaktose ist nahezu identisch mit Glucose, lediglich in der Position 4 ist die OH-Gruppe anders angeordnet. Galaktose ist somit in Position 4 epimer zur Glucose.
A-6.22
6 CH2OH
HO 4
H
5
H OH 3
H
Galaktose ist Bestandteil des Milchzuckers, der Lactose (Abb. A 6.22). Galaktose ist in Position 4 epimer zur Glucose.
Lactose
A-6.22
6 CH2OH
O H 2
H 1(β) O
H
OH
4
5
O
H OH 3
H 2
H
Galaktose
OH 1(β)
H
OH
Glucose
Lactose ist in der Muttermilch in einer Konzentration von 7 % enthalten (d. h. 7 g/ 100 ml), in Kuhmilch sind 4,5 % Lactose gelöst. Lactose wird im Darm von einer Lactase in die Monomere gespalten. Nach der Resorption gelangt die Galaktose mit dem Blut über die Pfortader zur Leber, wo sie in Glucose umgewandelt wird: In den Hepatozyten wird Galaktose zunächst zu Galaktose-1-phosphat phosphoryliert. Die Reaktion wird von der Galaktokinase katalysiert. Anschließend wird Uridindiphosphat-Galaktose (UDP-Galaktose) gebildet. Dazu reagiert Galaktose-1-phosphat mit UDP-Glucose. Diese gibt Glucose-1-phosphat ab und nimmt stattdessen Galaktose-1-phosphat auf (Abb. A 6.23). Die Zuckerphosphate werden also nur gegeneinander ausgetauscht. Der Austausch wird von der Galaktose-1-phosphat-Uridyltransferase katalysiert. Anschließend wird aus UDP-Galaktose durch Epimerisierung UDP-Glucose gebildet. Die Reaktion wird von der UDP-Galaktose-4-Epimerase katalysiert. UDP-Glucose kann entweder unmittelbar zur Synthese von Glykogen eingesetzt werden, oder es kann mit Galaktose-1-phosphat reagieren, sodass sich ein Reaktions-
A-6.23
Lactose wird im Darm in die Monomere gespalten. Nach der Resorption gelangt die Galaktose mit dem Blut zur Leber, wo sie in Glucose umgewandelt wird: Galaktose → Galaktose-1-phosphat Enzym: Galaktokinase Galaktose-1-phosphat + Uridindiphosphat (UDP)-Glucose → UDP-Galaktose (Abb. A 6.23) Enzym: Galaktose-1-phosphat-Uridyltransferase UDP-Galaktose → UDP-Glucose Enzym: UDP-Galaktose-4-Epimerase. Reagiert UDP-Glucose mit Galaktose-1-phosphat, ergibt sich ein Reaktionszyklus (Abb. A 6.23).
Umwandlung von Galaktose in Glucose
CH2OH O
HO
Abbau der Galaktose
H OH
H
H
OH
CH2OH H OH
H
Galaktose
ATP
ADP
Galaktokinase
O
HO H OH
H
H
OH
CH2OH H 2–
H
O
H
OPO3
H
H OH
H
H
OH
O O
HO
Galaktose-1-phosphat
P
O O
O–
P
O
UDP-Glucose Galaktose-1-phosphatUridyltransferase
CH2OH O
H H OH H
UDP-Galaktose4-Epimerase
CH2OH H OPO32–
OH
Glucose-1-phosphat (G1P)
O
HO H OH
H
HO
Uridin
O–
H O
H O
H H
OH
P O–
O O
P O–
UDP-Galaktose
O
Uridin
94
A
6 Abbau der Kohlenhydrate zu Pyruvat bzw. Lactat
zyklus ergibt, in dem Galaktose-1-phosphat aufgenommen und Glucose-1-phosphat freigesetzt wird (Abb. A 6.23).
▶
Klinik.
▶ Klinik. Ein Defekt der Galaktose-1-phosphat-Uridyltransferase ist die Ursache der klassischen Galaktosämie (Abb. A 6.24). Sie wird mit einer Häufigkeit von 1:40 000 vererbt. Aufgrund des Enzymmangels akkumuliert Galaktose-1-phosphat. Wird die Erkrankung nicht frühzeitig erkannt, kommt es sehr schnell zu einer Leberzirrhose, zu Trübung der Augenlinse und geistiger Retardierung. In schweren Fällen kommt es frühzeitig zu akutem Leberversagen. Deshalb werden in Europa alle Neugeborenen am 5. Lebenstag auf Galaktosämie untersucht. Die Therapie besteht in lactosefreier Diät. Galaktose-1-phosphat kann jedoch auch aus Stoffwechselprodukten gebildet werden. Aus diesem Grund können auch bei konsequenter Einhaltung der Diät neurologische Schäden, die sich z. B. als verzögerte Sprachentwicklung oder Störungen der Feinmotorik äußern, kaum vermieden werden. Die Galaktosämie zeigt, dass die falsche Stellung einer einzigen OH-Gruppe im Stoffwechsel lebensgefährlich sein kann. A-6.24
4 Tage altes Neugeborenes mit klassischer Galaktosämie Typisch ist die ausgeprägte Vergrößerung von Leber und Milz (aus Sitzmann, Duale Reihe Pädiatrie, Thieme, 2007).
A
6 Fallbeispiel
95
▶ Fallbeispiel: Hirninfarkt Anamnese: Der hausärztliche Notdienst wurde am Sonntagvormittag von einer Frau gerufen, die ihren allein lebenden Bruder hilflos in dessen Wohnung auf dem Boden seines Badezimmers liegend vorgefunden hat. Eine reguläre Erhebung der Eigenanamnese des Patienten ist nicht möglich, da Herr Wehmeier offensichtlich große Mühe mit dem Sprechen hat. Er gibt zwar Laute von sich, diese sind jedoch nicht verständlich. In der Fremdanamnese ist zu erfahren, dass der Patient gestern bei Vereinbarung des Treffens am Telefon noch völlig normal geklungen habe. Weiterhin kann die Schwester des Patienten berichten, dass dieser zuckerkrank sei, unter hohem Blutdruck leide und seit Jahrzehnten rauche. Körperliche Untersuchung (Angabe der jeweiligen Normwerte in Klammern): Trotz erschwerter Bedingungen bei der körperlichen Untersuchung zeigt der 57-jährige, stark adipöse Patient einige auffällige Befunde: Herz-Kreislauf-System: Blutdruck 170/90 mmHg (< 130/ 85 mmHg), Puls 112/min (50 – 100/min), arrhythmisch, deutliches Pulsdefizit (Pulsfrequenz niedriger als auskultatorische Herzfrequenz). Neurologische Auffälligkeiten: Bereits bei der Inspektion fällt der hängende Mundwinkel auf der rechten Seite (Zeichen einer Fazialisparese) auf. Während Herr Wehmeier nach Aufforderung mit der linken Hand Druck ausüben kann, ist dies mit der rechten Hand nicht möglich, und auch die aktive Bewegung des rechten Fußes ist eingeschränkt. Beim kräftigen Streichen über den lateralen Rand der rechten Fußsohle mit dem Reflexhammer bewegt sich die große Zehe nach dorsal, die übrigen Zehen werden abgespreizt (positives Babinski-Phänomen rechts, Abb. A 6.25). Dieser Effekt lässt sich auf der linken Seite nicht nachweisen.
A-6.25
Babinski-Phänomen (aus Grehl, Reinhardt; Checkliste Neurologie, Thieme, 2008)
Babinski-Phänomen
Laboruntersuchungen (Angabe der jeweiligen Normwerte in Klammern): Gesamtcholesterin 254 mg/dl (< 200 mg/dl), LDLCholesterin 191 mg/dl (< 160 mg/dl), Blutzucker bei Aufnahme 270 mg/dl (60 – 99 mg/dl) bzw. 15 mmol/l (3,3 – 5,5 mmol/l), HbA1 c 9,3 % (4 – 6 %). 12-Kanal-EKG: Vorhofflimmern mit Kammerfrequenz um 113/ min, Linkstyp, Sokolow-Index 3,8 mV (hohe EKG-Amplitude als Zeichen einer linksventrikulären Hypertrophie), keine spezifischen Erregungsrückbildungsstörungen. Native Computertomografie des Schädels: Linksseitiger Infarkt im Versorgungsgebiet der A. cerebri media (Abb. A 6.26).
A-6.26
Der Infarkt im Versorgungsgebiet der linken A. cerebri media zeigt sich als dunkler Bereich am rechten Bildrand (aus Grehl, Reinhardt; Checkliste Neurologie, Thieme, 2008)
Verlauf: Im Verlauf des 14-tägigen stationären Aufenthalts konnte unter regelmäßiger logopädischer Behandlung und begleitender Physio- und Ergotherapie eine deutliche klinische Besserung der Symptomatik erreicht werden. Bei Verlegung zur Weiterbehandlung in eine neurologische Rehabilitationsklinik bestanden noch Wortfindungsstörungen und eine geringgradige Lähmung der rechten Hand. Fragen mit biochemischem Schwerpunkt: 1. Warum kommt es nach einem Schlaganfall zum sog. fokalen Hirnödem (Schwellung in der Umgebung des betroffenen Gewebebezirks)? 2. Welche Besonderheiten weist die Versorgung des Gehirns mit Nährstoffen auf? 3. Rekapitulieren Sie die Rolle ungesättigter Fettsäuren bei der Atherosklerose. Antwortkommentare: Zu 1. Der Gefäßverschluss als Ursache des Schlaganfalls (in ca. 85 % der Fälle) führt zunächst zu einer Minderdurchblutung. Dadurch ist insbesondere die Versorgung des Nervengewebes mit Sauerstoff und Glucose gefährdet. Bei mangelnder Sauerstoffversorgung muss der Energiestoffwechsel durch anaerobe Glykolyse aufrechterhalten werden. Dies führt zu einer massiven Anhäufung saurer Stoffwechselprodukte (insbesondere Lactat). Folge ist ein Flüssigkeitseinstrom in die Umgebung des geschädigten Gewebes, auch im Zusammenhang mit einer Entzündungsreaktion durch abgestorbene Zellen, und damit zu einer Schwellung des Gewebes. Zu 2. Das Gehirn hat einen sehr hohen Energiebedarf, der fast ausschließlich durch Glucose aus dem Blut gedeckt werden muss. Weiterhin ist das Gehirn noch in der Lage, einige Aminosäuren und Ketonkörper zum Energiegewinn zu verstoffwechseln. Zuckerreserven in Form von Glykogen (wie z. B. in der Muskulatur) finden sich im Gehirn nicht. Diese Faktoren führen dazu, dass das Gehirn besonders empfindlich auf verminderte Versorgung mit Glucose und/ oder Sauerstoff reagiert (kurze Ischämietoleranz im Vergleich zu anderen Geweben).
▶
96
A
6 Fallbeispiel
Dies wird deutlich am schnellen Verlauf bei Ausfall der Blutversorgung des Gehirns, wie z. B. bei einem Herzstillstand: Bereits nach 10 Sekunden kommt es zur Bewusstlosigkeit, nach 3 Minuten beginnt das Absterben der Nervenzellen und führt nach 7 – 9 Minuten i. d. R. zum Hirntod.
Bei lokal herabgesetzter Durchblutung fallen in Abhängigkeit vom Ausmaß der Minderperfusion einzelne Zellfunktionen aus. Je nach Schwere des Infarkts kann eine innerhalb kurzer Zeit nach Symptombeginn durchgeführte Lysetherapie mit Wiederherstellung des Blutflusses den Untergang von Nervenzellen verringern.
Zu 3. Siehe hierzu den Exkurs auf S. 48.
A 7.1 Einführung
7
7.1 7.2 7.3
7.1
Oxidativer Abbau von Pyruvat: Die Reaktionen der PyruvatDehydrogenase und des Citratzyklus Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Die Pyruvat-Dehydrogenase (PDH) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Der Citratzyklus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
Einführung
Die Abbauwege aller Kohlenhydrate vereinigen sich letztlich in der Glykolyse und führen zu deren Endprodukt, dem Pyruvat. Im Rahmen des Energiestoffwechsels kann Pyruvat anschließend entweder reduziert oder oxidiert werden: Reduktion zu Lactat im Zytosol unter Regeneration von NAD+: bei Mangel an Sauerstoff oder Fehlen von Mitochondrien. Oxidation zu CO2 in den Mitochondrien, wenn in einer Zelle hinreichende Mengen an Sauerstoff vorhanden sind. Dabei wird Pyruvat zunächst von der PyruvatDehydrogenase (PDH) zu Acetyl-CoA umgesetzt. Dieses wird anschließend im Citratzyklus unter Energiegewinn zu CO2 abgebaut. Die Details dieses Abbauweges werden hier beschrieben.
A © MEV
7.1
Einführung
Pyruvat entsteht im Zytosol aller Zellen des Körpers als Endprodukt der Glykolyse. Dieses Kapitel beschreibt, wie es in Gegenwart von Sauerstoff in den Mitochondrien von der Pyruvat-Dehydrogenase zu Acetyl-CoA und dann im Citratzyklus unter Energiegewinn zu CO2 oxidiert wird.
▶ Merke.
▶ Merke.
▶ Exkurs. Der Energieträger Acetyl-CoA Für die vielfältigen Funktionen des Acetyl-CoA ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Thioesterbindung, über die die Acetylgruppe an das Coenzym A gebunden ist (Abb. A 7.1), zu den energiereichen Bindungen gehört. Unter Standardbedingungen wird bei der Hydrolyse von Acetyl-CoA genauso viel Energie frei wie bei der Hydrolyse von ATP (!), nämlich ca. 35 kJ/Mol. Dieser Energiegehalt des Acetyl-CoA kommt auch in dem inzwischen nur noch selten verwendeten Synonym „aktivierte Essigsäure“ zum Ausdruck. Viele grundlegende Untersuchungen zur Biochemie des Acetyl-CoA wurden in den beiden Jahrzehnten nach dem 2. Weltkrieg im Labor von Feodor Lynen durchgeführt, dem bedeutendsten deutschen Biochemiker seiner Zeit (Abb. A 7.2). Geboren 1911 in München, leitete er ab 1954 in seiner Heimatstadt das neu gegründete Max-Planck-Institut für Zellchemie, aus dem später das Max-Planck-Institut für Biochemie hervorging. 1964 erhielt er für seine Arbeiten zum AcetylCoA und zur Biochemie der Lipide den Nobelpreis für Physiologie/Medizin. Feodor Lynen starb im Jahr seiner Emeritierung, am 6. August 1979 in München.
▶ Exkurs.
Die Reaktionen der PDH und des Citratzyklus nehmen eine zentrale Stellung im Stoffwechsel ein, denn Pyruvat ist nicht nur das Endprodukt der Glykolyse, sondern auch des Abbaus aller kleinen Aminosäuren (Glycin [R = H], Alanin [R = CH3], Serin [R = CH2-OH] und Cystein [R = CH2-SH]). Acetyl-CoA entsteht nicht nur in den Reaktionen der PDH, sondern auch beim Abbau der Aminosäuren Lysin, Leucin und Isoleucin sowie der aromatischen Aminosäuren. Acetyl-CoA ist darüber hinaus der zentrale Metabolit des gesamten Lipidstoffwechsels: Es ist das Endprodukt des Abbaus aller Fettsäuren und die Ausgangssubstanz für die Synthese aller Fettsäuren und aller Steroide (Cholesterin, Gallensäuren und Steroidhormone). Beim Abbau der anderen, oben nicht aufgeführten Aminosäuren entstehen Zwischenprodukte des Citratzyklus. Der Weg von der Glykolyse über die PDH bis zum Citratzyklus (Abb. A 7.1) stellt somit den zentralen Abbauweg des gesamten Stoffwechsels dar.
98
A
A-7.1
7 Oxidativer Abbau von Pyruvat
A-7.1
Die Stellung der PDH zwischen Glykolyse und Citratzyklus Glykolyse
O Pyruvat
H3C
C
COO–
Zytosol
Mitochondrien NAD+
HS
Coenzym A
PyruvatDehydrogenase CO2
NADH O Acetyl-CoA
H 3C
C
S
Coenzym A
Acetylgruppe
Citratzyklus
A-7.2
A-7.2
Feodor Lynen (1911 – 1979) Für seine Arbeiten zum Acetyl-CoA und zur Biochemie der Lipide erhielt Feodor Lynen 1964 den Nobelpreis für Physiologie/Medizin (© The Nobel Foundation).
7.2
Die Pyruvat-Dehydrogenase (PDH)
7.2
Die Pyruvat-Dehydrogenase (PDH)
7.2.1 Grundlagen
7.2.1 Grundlagen
Funktion: Pyruvat → Acetyl-CoA + CO2 1 NAD+ → NADH
Funktion: Die PDH setzt Pyruvat unter Freisetzung von CO2 zu Acetyl-CoA um. Dabei wird ein NAD+ zu NADH reduziert.
▶ Merke.
7.2.2 Der Aufbau der PyruvatDehydrogenase
▶ Merke. Animation zum Thema unter www.dualereihe.thieme.de oder
▶ Merke.
Die Reaktion der PDH ist irreversibel. Acetyl-CoA kann also nicht in Pyruvat bzw. Glucose umgesetzt werden. Kohlenhydrate können zwar zu AcetylCoA abgebaut, und ausgehend von diesem können Fettsäuren synthetisiert werden, aber aus Fettsäuren können keine Kohlenhydrate gebildet werden.
7.2.2 Der Aufbau der Pyruvat-Dehydrogenase ▶ Merke. Die PDH ist ein Multienzymkomplex aus drei unterschiedlichen Enzymen und im Mitochondrium lokalisiert. Zur Katalyse ihrer Reaktionen benötigt die PDH insgesamt fünf Coenzyme (Tab. A 7.1).
A
A-7.1
Die Enzymkomponenten der Pyruvat-Dehydrogenase und ihre Coenzyme
Enzymkomponente
Coenzym
Beschaffenheit des Coenzyms (enzymgebunden/löslich)
Pyruvat-Dehydrogenase (E1)
Thiaminpyrophosphat (TPP) = aktiviertes Thiamin (Thiamin = Vitamin B1)
enzymgebunden (feste, aber nicht kovalente Bindung)
DihydroliponamidAcetyltransferase (E2)
Liponsäure (Liponamid)
enzymgebunden (kovalent: Amidbindung an einen Lysinrest von E2, daher „Liponamid“)
Coenzym A
löslich
FAD
enzymgebunden (feste, aber nicht kovalente Bindung)
NAD+
löslich
DihydroliponamidDehydrogenase (E3):
99
7.2 Die Pyruvat-Dehydrogenase (PDH)
A-7.1
Die drei Enzymkomponenten (E1, E2, E3) sind: E1 = Pyruvat-Dehydrogenase im engeren Sinne des Wortes: Sie bindet Pyruvat und katalysiert mithilfe des Coenzyms Thiaminpyrophosphat (TPP) die Decarboxylierung von Pyruvat. Dabei entsteht CO2. E2 = Dihydroliponamid-Acetyltransferase: Sie katalysiert den Transfer des vom Pyruvat übrig gebliebenen Acetylrests auf Coenzym A (CoA). Hierbei werden zwei Schwefelatome ihres Coenzyms Liponsäure (Liponamid) zu SH-Gruppen reduziert. E3 = Dihydroliponamid-Dehydrogenase: Sie übernimmt mithilfe ihres Coenzyms FAD die Elektronen der beiden SH-Gruppen des Liponamids und überträgt sie auf NAD+. Auf diese Weise wird das Liponamid regeneriert.
Die PDH ist ein Multienzymkomplex aus 3 Enzymen (E1 – 3) und 5 Coenzymen; Tab. A 7.1): E1 = Pyruvat-Dehydrogenase im engeren Sinne: enthält TPP, decarboxyliert Pyruvat. E2 = Acetyltransferase: enthält Liponsäure (Liponamid), überträgt den Acetylrest auf CoA. E3 = Dihydroliponamid-Dehydrogenase: enthält FAD, übernimmt Elektronen vom reduzierten Liponamid des E2 und überträgt sie auf NAD+.
Neben diesen drei Enzym-Untereinheiten enthält die PDH zwei regulatorische Untereinheiten, die die PDH je nach Bedarf an- bzw. abschalten (S. 102). Die meisten Untereinheiten der PDH sind in einem PDH-Multienzymkomplex in mehreren (bis zu 60) Kopien enthalten. Die Komplexe sind dadurch größer als ein Ribosom (Abb. A 7.3).
Außerdem enthält die PDH zwei regulatorische Untereinheiten.
A-7.3
Bakterielle PDH-Komplexe im elektronenmikroskopischen Bild (aus Junger, E., Reinauer, H.: BBA 250 [1971] 478)
Der PDH-Multienzymkomplex ist größer als ein Ribosom (Abb. A 7.3).
A-7.3
100
A
7.2.3 Die einzelnen Reaktionsschritte
7.2.3 Die einzelnen Reaktionsschritte
▶ Überblick. Animation zum Thema unter www.dualereihe.thieme.de oder
7 Oxidativer Abbau von Pyruvat
▶ Überblick. Die PDH-Reaktion läuft in folgenden Schritten ab: 1. Pyruvat wird unter Abspaltung von CO2 auf Thiaminpyrophosphat (Coenzym von E1) übertragen. Dabei entsteht ein Hydroxyethylrest = aktivierter Acetaldeyd. 2. Dieser wird von Thiaminpyrophosphat (E1) auf Liponamid (Coenzym von E2) übertragen und zu einer Acetylgruppe oxidiert. 3. Liponamid überträgt die Acetylgruppe auf Coenzym A, wodurch Acetyl-CoA entsteht. Dabei wird die Disulfidgruppe des Liponamids in zwei SH-Gruppen umgewandelt. 4. Die Disulfidgruppe des Liponamids wird regeneriert, indem das Elektron jeder SH-Gruppe unter Vermittlung von E3-gebundenem FAD an NAD+ abgegeben wird. Dabei wird NADH gebildet. Da die PDH sowohl die Decarboxylierung des Pyruvats als auch die Oxidation des aktivierten Acetaldehyds katalysiert, bezeichnet man die Gesamtreaktion als oxidative Decarboxylierung von Pyruvat.
Schritt 1
Schritt 1
Der Thiazolring des Thiaminpyrophosphats (TPP) gibt leicht ein Proton ab, wodurch ein Carbanion entsteht (Abb. A 7.4).
Thiaminpyrophosphat (TPP), das Coenzym der Pyruvat-Dehydrogenase (E1), weist zwei heterozyklische Ringe auf. Für die Coenzym-Funktion ist der Thiazolring entscheidend. Das C-Atom, das in diesem Thiazolring zwischen dem Stickstoff- und dem Schwefelatom liegt, gibt leicht ein Proton ab, sodass ein negativ geladenes und sehr reaktives Carbanion entsteht (Abb. A 7.4).
A-7.4
A-7.4
Das Carbanion des Thiaminpyrophosphats O CH2
CH3 CH2
N H3C
Dieses lagert sich an den Carbonylkohlenstoff von Pyruvat an und übt auf dessen Elektronen, insbesondere die der COOH-Gruppe, einen kräftigen Elektronenzug aus. Dabei löst sich CO2 ab.
Weiteres Reaktionsprodukt ist HydroxyethylTPP (Abb. A 7.5), dessen Hydroxyethylgruppe als „aktivierter Acetaldehyd“ bezeichnet wird.
N
N
O
P O–
O O
P
O–
R2
CH3
O–
S
R1
C H
NH2
CH2
N
S C
Thiazolring des TPP als Carbanion (nach Ablösung eines H+)
Thiaminpyrophosphat (TPP)
Dieses Carbanion leitet die PDH-Reaktion ein, indem es sich an den Carbonylkohlenstoff von Pyruvat anlagert und anschließend auf die Elektronen des Pyruvats einen kräftigen Elektronenzug ausübt. Dieser Elektronenzug wirkt sich insbesondere auf die negative Ladung der Carboxylgruppe aus, was zur Folge hat, dass sich die Carboxylgruppe in Form von CO2 ablöst. Dabei bleiben zwei Elektronen der Carboxylgruppe am TPP zurück. Parallel lagert sich ein Proton an den Sauerstoff der Carbonylgruppe an, und es bildet sich eine Doppelbindung zu TPP aus. Dadurch entsteht Hydroxyethyl-TPP (Abb. A 7.5). Der Hydroxyethylrest wird traditionell „aktivierter Acetaldehyd“ ge-
A-7.5
A-7.5
Bildung von Hydroxyethyl-Thiaminpyrophosphat (an Enzymkomponente E1) S
S
S
S
+ CO2
COO– O
C CH3
E2
TPP
FAD E3
E1
Pyruvat PDH
HO
C CH3
E2
TPP E1
Hydroxyethyl-TPP, „aktivierter Acetaldehyd“
FAD E3
A
101
7.2 Die Pyruvat-Dehydrogenase (PDH)
nannt, denn die Oxidationsstufe des Carbonylkohlenstoffs in Hydroxyethyl-TPP entspricht der Oxidationsstufe des entsprechenden C-Atoms im Acetaldehyd.
Schritt 2
Schritt 2
Der aktivierte Acetaldehyd wird von TPP auf Liponamid, die fest gebundene prosthetische Gruppe der Dihydroliponamid-Acetyltransferase (E2), übertragen: Die Disulfidgruppe des Liponamids, die vor dem Transfer im oxidierten Zustand vorliegt, öffnet sich. An eines der beiden Schwefelatome lagert sich der Acetaldehyd an. Das andere Schwefelatom nimmt zusammen mit einem Proton die beiden überzähligen Elektronen auf, die bei der Abspaltung des CO2 am TPP zurück geblieben waren. Der Acetaldehyd wird in diesem Moment zu einer Acetylgruppe oxidiert (Abb. A 7.6). In der Acetylgruppe entspricht die Oxidationsstufe des Carbonylkohlenstoffs der Oxidationsstufe des entsprechenden C-Atoms in Acetat (d. h. in Essigsäure). Somit kann man sagen, dass in diesem Reaktionsschritt ein Acetaldehyd zu Acetat oxidiert wird. Das Acetat liegt allerdings nicht frei, sondern in Form eines Thioesters vor.
Der aktivierte Acetaldehyd wird auf Liponamid – prosthetische Gruppe der Dihydroliponamid-Acetyltransferase (E2) – übertragen und zur Acetylgruppe oxidiert (Abb. A 7.6).
Übertragung des Hydroxyethylrests auf Liponamid und Oxidation zu einem Acetylrest
A-7.6
O
oxidierte Form des Liponamids
H3C
reduzierte Form des Liponamids
S
C
A-7.6
S
S
Acetyl- HS gruppe
HO
C
E2
TPP E1
CH3 Hydroxyethylgruppe
FAD
E2
TPP
FAD
E1
E3 PDH
E3
Oxidation des Substrats zur Acetylgruppe
Schritt 3
Schritt 3
Liponamid ist ein lang gestrecktes Molekül, das man sich wie einen langen Arm vorstellen kann. Dieser lange Arm überträgt die Acetylgruppe auf Coenzym A (CoA). Acetyl-CoA (= aktivierte Essigsäure) entsteht also an der Dihydroliponamid-Acetyltransferase (E2). Das Liponamid enthält daraufhin anstelle der ursprünglichen Disulfidgruppe zwei SH-Gruppen (Abb. A 7.7).
Liponamid, das Coenzym des E2, überträgt die Acetylgruppe auf Coenzym A (CoA) (Abb. A 7.7) und wird dadurch reduziert.
Übertragung der Acetylgruppe auf Coenzym A
A-7.7
O H3C
C
Dihydroliponamid
reduzierte Form des Liponamids
S
A-7.7
HS
HS
O
HS
+
H3C
C
S
CoA
Acetyl-CoA HS E2
TPP E1
FAD E3
CoA E2
TPP E1
FAD E3
Schritt 4
Schritt 4
Um seine beiden SH-Gruppen zu oxidieren und die Disulfidbindung zu regenerieren, schwenkt der Liponamid-Arm zur Dihydroliponamid-Dehydrogenase (E3). Hier werden die beiden SH-Gruppen durch Reaktion mit der prosthetischen Gruppe FAD
Das reduzierte Liponamid des E2 wird von E3 durch Reaktion mit der prosthetischen Gruppe FAD oxidiert und so regeneriert.
102 A-7.8
A
7 Oxidativer Abbau von Pyruvat
A-7.8
Regeneration der Disulfidbindung im Liponamid und Bildung von NADH
Dihydroliponamid
SH SH
E2
TPP E1
FAD E3
S
S
S
S + NADH + H+ NAD+ FADH2
E2
TPP E1
E3
E2
TPP E1
FAD E3
Reduktion des FAD
FADH2 überträgt die 2 Elektronen auf NAD+, sodass NADH entsteht (Abb. A 7.8).
oxidiert. Dabei entsteht FADH2, das die beiden übertragenen Elektronen an NAD+ weitergibt (Abb. A 7.8). Das Reaktionsprodukt NADH enthält nun die beiden überzähligen Elektronen, die ursprünglich bei der Abspaltung des CO2 am TPP zurück geblieben waren. Liponamid steht nun für einen neuen Reaktionszyklus zur Verfügung.
Bilanz
Bilanz
▶ Merke.
▶ Merke. In einem Reaktionszyklus der PDH entstehen ein CO2, ein Acetyl-CoA und ein NADH.
▶ Exkurs.
▶ Exkurs. Enzyme mit PDH-ähnlichen Reaktionsmechanismen Im Stoffwechsel gibt es mehrere Enzyme, deren Reaktionsmechanismus dem der PDH sehr ähnlich ist und die auch die gleichen Coenzyme benötigen. Zu den Enzymen dieses Reaktionstyps gehören die verzweigtkettige α-Ketosäure-Dehydrogenase, ein Enzym, das am Abbau verzweigtkettiger Aminosäuren beteiligt ist, die Transketolase des Pentosephosphatweges, die α-Ketoglutarat-Dehydrogenase (2-Oxoglutarat-Dehydrogenase), die eine Reaktion des Citratzyklus katalysiert (S. 108).
7.2.4 Die Regulation der PyruvatDehydrogenase
7.2.4 Die Regulation der Pyruvat-Dehydrogenase Da sich die PDH in der Matrix, d. h. im Innenraum der Mitochondrien befindet, kann sie nicht in der gleichen Weise reguliert werden wie Enzyme des Zytosols. So sind die Membranen der Mitochondrien nicht für cAMP permeabel, das viele Stoffwechselprozesse des Zytosols reguliert. Auch sind Phosphorylierungen in den Mitochondrien generell von geringerer Bedeutung als im Zytosol. Dennoch gilt:
▶ Merke.
Acetyl-CoA und NADH aktivieren eine Kinase (Teil der PDH), die daraufhin die E1-Untereinheiten phosphoryliert. Pyruvat hemmt die Kinase. Die Phosphorylierung wird durch eine calciumabhängige Phosphatase (Teil der PDH) rückgängig gemacht.
▶ Merke.
Die Aktivität der PDH wird durch reversible Phosphorylierung (die häufigste Form der Interkonvertierung) gesteuert (Abb. A 7.9): Die PDH wird durch Phosphorylierung abgeschaltet, sobald hinreichende Mengen an AcetylCoA und NADH im Mitochondrium vorhanden sind. Hohe Pyruvatkonzentrationen unterbinden die Phosphorylierung, sodass die PDH im aktiven Zustand bleibt und das aufgestaute Pyruvat verarbeiten kann. Die Hemmung kommt dadurch zustande, dass eine Kinase, die Bestandteil der PDH ist (!), durch Acetyl-CoA und NADH stimuliert wird und daraufhin die E1-Untereinheiten des Enzyms an einem bestimmten Serinrest phosphoryliert. Hohe Konzentrationen an Pyruvat unterdrücken die Aktivität der Kinase. Wenn das Enzym wieder aktiviert werden soll, wird die inaktivierende Phosphatgruppe am Serinrest der E1-Untereinheiten von einer Phosphatase abgespalten, die ebenfalls Bestandteil der PDH ist. Die Phosphatase ist abhängig von Calcium-Ionen, und man vermutet, dass die mitochondriale Calciumkonzentration Einfluss auf die Aktivität der PDH hat.
A
A-7.9
Regulation der Pyruvat-Dehydrogenase durch Produkthemmung und Interkonvertierung
H2O Phosphatase
PDH
aktiv Kinase
A-7.9
Pi
PDH
P inaktiv
ADP
103
7.3 Der Citratzyklus
allosterische Produkthemmung der PDH durch NADH und Acetyl-CoA
ATP
Aktivierung der PDH-Kinase in Gegenwart von NADH und Acetyl-CoA († Interkonvertierung)
Außerdem vermitteln Acetyl-CoA und NADH an der PDH eine klassische Produkthemmung. Wenn sie in ausreichenden Mengen in den Mitochondrien akkumulieren, blockieren sie an den Untereinheiten der PDH die Bindestellen für Coenzym A und NAD+.
7.3
Der Citratzyklus
7.3.1 Grundlagen ▶ Definition. Der Citratzyklus ist ein zyklischer Stoffwechselweg der mitochondrialen Matrix, in dem pro Reaktionszyklus ein Acetylrest unter Energiegewinn zu zwei Molekülen CO2 oxidiert wird. Zu Beginn des Reaktionszyklus wird der Acetylrest auf Oxalacetat übertragen, wobei Citrat entsteht (daher der Name „Citratzyklus“). Die pro Zyklus frei werdende Energie wird gespeichert in 3 NADH und 1 FADH2, deren Elektronen an die Atmungskette abgegeben werden, sowie in 1 GTP, das zur Bildung eines ATP verwendet werden kann. Funktionen des Citratzyklus
▶ Merke.
Der Citratzyklus liegt im Zentrum zahlreicher Stoffwechselwege („Drehscheibe des Stoffwechsels“). Seine wichtigste Aufgabe besteht darin, Acetylreste zu oxidieren, um Elektronen für die Atmungskette zu gewinnen.
Dazu wird der Acetylrest von Acetyl-CoA auf Oxalacetat übertragen, wodurch Citrat (= das Anion der Zitronensäure) entsteht, das 6 C-Atome enthält. Im Citratzyklus werden zwei dieser 6 C-Atome in Form von CO2 abgespalten, sodass schließlich eine Verbindung von 4 C-Atomen entsteht: Oxalacetat. Dieses kann in einem neuen Reaktionszyklus wieder einen Acetylrest aufnehmen. Die bei der Oxidation anfallenden Elektronen werden in Form von NADH und FADH2 gesammelt und an die Atmungskette abgegeben. Da diese den Protonengradienten aufbaut, der die mitochondriale ATP-Synthase antreibt, trägt der Citratzyklus indirekt zur ATP-Synthese bei.
▶ Merke.
Der Citratzyklus trägt zur mitochondrialen ATP-Synthese bei, indem er NADH und FADH2 bereitstellt. Im Citratzyklus wird jedoch kein ATP gebildet (lediglich 1 GTP durch Substratkettenphosphorylierung)!
Weitere Funktionen des Citratzyklus: Er stellt für alle Aminosäuren, die nicht zu Pyruvat oder zu Acetyl-CoA abgebaut werden, die Endstrecke ihres Abbaus dar (S. 150). Er liefert die Ausgangssubstanzen für die Synthese einiger Aminosäuren. So entsteht aus Oxalacetat Aspartat, aus α-Ketoglutarat Glutamat, und ausgehend von Glutamat können Glutamin, Prolin und Arginin synthetisiert werden (S. 114).
Acetyl-CoA und NADH vermitteln an der PDH eine klassische Produkthemmung.
7.3
Der Citratzyklus
7.3.1 Grundlagen
▶ Definition. Animation zum Thema unter www.dualereihe.thieme.de oder
Funktionen des Citratzyklus
▶ Merke.
Der Acetylrest von Acetyl-CoA wird auf Oxalacetat übertragen, wodurch Citrat entsteht. Dieses wird unter Abspaltung von 2 CO2 in Oxalacetat umgesetzt. Die anfallenden Elektronen werden in Form von NADH und FADH2 gesammelt und an die Atmungskette abgegeben.
▶ Merke.
Weitere Funktionen des Citratzyklus: Beteiligung am Abbau einiger Aminosäuren Beteiligung an der Synthese einiger Aminosäuren
104 Bildung von Citrat für die Synthese von Fettsäuren Bildung von Oxalacetat für die Gluconeogenese Bildung von Succinyl-CoA für die Hämund damit die Porphyrinsynthese
▶ Exkurs.
A
7 Oxidativer Abbau von Pyruvat
Sein Reaktionsprodukt Citrat kann abgezweigt und zur Synthese von Fettsäuren verwendet werden (S. 225). Ist die Glucosekonzentration im Blut zu niedrig, kann Oxalacetat abgezweigt und zur Synthese von Glucose verwendet werden (S. 212). Ein Reaktionsprodukt des Citratzyklus, Succinyl-CoA, kann mit der Aminosäure Glycin zu δ-Aminolävulinsäure, dem Ausgangsstoff der Hämsynthese reagieren. Häm besteht aus einem Porphyrinring mit einem zentral gebundenen Eisen-Ion (S. 739). Die Biosynthese dieses Porphyrinringes beginnt also ebenfalls im Citratzyklus.
▶ Exkurs. Der Entdecker des Citratzyklus: Hans Krebs Hans Krebs (Abb. A 7.10) war einer der bedeutendsten Biochemiker aller Zeiten. Geboren und aufgewachsen in Hildesheim, studierte er zunächst Medizin und arbeitete dann von 1926 bis 1930 im Labor des Biochemikers Otto Warburg, des Entdeckers des Komplex IV der Atmungskette, S. 172). Als Assistent in der Inneren Medizin der Universität Freiburg entdeckte Hans Krebs 1932 zusammen mit dem Medizinstudenten Kurt Henseleit den Harnstoffzyklus. 1933 sah sich Hans Krebs als Jude gezwungen, Deutschland zu verlassen. Er ging nach England und setzte zunächst in Cambridge, später in Oxford seine Forschungsarbeiten fort. 1937 entdeckte er den Citratzyklus, der in den angelsächsischen Ländern bis heute als „Krebs cycle“ bezeichnet wird. Nach 1945 blieb Hans Krebs in England. 1953 erhielt er den Nobelpreis für Medizin.
A-7.10
Hans Krebs (1900 – 1981)
Hans Krebs ist der Entdecker des Harnstoffzyklus und des Citratzyklus (© The Nobel Foundation).
Die Substratspezifität der Dehydrogenasen: ein Schlüssel zum Verständnis des Citratzyklus Die Substratspezifität und die Reaktionsmechanismen der Dehydrogenasen bestimmen die einzelnen Schritte des Citratzyklus:
Bestimmte NAD+-abhängige Dehydrogenasen, wie z. B. die PDH, katalysieren die oxidative Decarboxylierung einer α-Ketosäure.
Die meisten NAD+-abhängigen Dehydrogenasen können nur Substrate oxidieren, die eine HO-C-H-Gruppe enthalten.
Die Substratspezifität der Dehydrogenasen: ein Schlüssel zum Verständnis des Citratzyklus Die Reaktionen des Citratzyklus sind auf den ersten Blick recht unübersichtlich. Allerdings folgen sie durchaus einer biochemischen Logik, die sich zeigt, wenn man berücksichtigt, worin das Ziel des Citratzyklus besteht und welche Reaktionsmechanismen dem Stoffwechsel zur Verfügung stehen, um dieses Ziel zu erreichen. Das primäre Ziel des Citratzyklus ist die Oxidation des Citrats. Für Oxidationen stehen dem Stoffwechsel grundsätzlich verschiedene Dehydrogenasen zur Verfügung. Dabei handelt es sich um Enzyme, die von ihren Substraten – bei einer Oxidation – Elektronen ablösen und diese auf NAD+ oder auf FAD übertragen. Es gibt im Wesentlichen drei verschiedene Reaktionsmechanismen, die von den Dehydrogenasen katalysiert werden können. Diese bestimmen auch die einzelnen Schritte des Citratzyklus: Der Reaktionsmechanismus einer Dehydrogenase ist anhand der Pyruvat-Dehydrogenase (PDH) im vorangegangenen Abschnitt sehr genau beschrieben worden. Die PDH erkennt eine α-Ketosäure, nämlich das Pyruvat, als Substrat und katalysiert dann eine vergleichsweise komplizierte Reaktionssequenz. Dabei wird das Substrat oxidiert, die Elektronen werden letztlich auf NAD+ übertragen, die Carboxylgruppe wird in Form von CO2 abgelöst und durch Coenzym A ersetzt. Die PDH katalysiert eine oxidative Decarboxylierung. Ein derartiger Reaktionsmechanismus ist im Stoffwechsel nur für wenige Enzyme nachgewiesen. Die meisten NAD+-abhängigen Dehydrogenasen katalysieren wesentlich einfachere Reaktionen. In jedem Fall vermitteln sie die Übertragung eines HydridIons (H–= ein Proton und zwei Elektronen) von ihrem Substrat auf den Nicotinamidring des NAD+ (Abb. A 7.11). Dieser Transfer findet aber in der Regel nur
A
Reaktionen NAD+ und FAD-abhängiger Dehydrogenasen im Stoffwechsel CoA CO2 NAD+ NADH – COO CoA
A-7.11
C O
R
α-Ketosäure
Coenzym-A-Thioester
R1 C H
R1 +
NAD +
H+
O
+
R2
+ NADH
C R2
Hydroxygruppe
Carbonylgruppe
H H C C
A-7.11
C O
R
H O
105
7.3 Der Citratzyklus
H +
H H Einfachbindung
FAD
C C
+
FADH2
H Doppelbindung
a Oxidative Decarboxylierung. b Übertragung eines Hydrid-Ions auf NAD+. c Entstehung einer Doppelbindung durch Übertragung zweier Elektronen und Protonen auf FAD.
statt, wenn das Substrat eine HO-C-H-Gruppe enthält. Das Hydrid-Ion entsteht aus dem H-Atom und den beiden Bindungselektronen der C-H-Gruppe, es geht also nicht aus der OH-Gruppe hervor. Bei der Ablösung des Hydrid-Ions verliert das C-Atom somit eine seiner vier Bindungen. Als Ersatz für die verlorene Bindung zieht das C-Atom eines der Elektronenpaare der OH-Gruppe zu sich herüber, mit der Folge, dass sich hier ein Proton (H+) ablöst. Von der HO-C-H-Gruppe bleibt dann eine Carbonylgruppe (C=O) übrig. Es sind auch Fälle bekannt, in denen eine NAD+-abhängige Dehydrogenase mit einer Aldehydgruppe reagiert (z. B. bei der Oxidation des Glycerinaldehyd-3phosphates, Abb. A 6.7, S. 76). Bezeichnenderweise bildet sich dabei aber in einem entscheidenden Zwischenschritt eine HO-C-H-Gruppe (vgl. Abb. A 6.5, S. 74). FAD-abhängige Dehydrogenasen katalysieren die Übertragung von – zwei Elektronen und zwei Protonen oder – einem Elektron und einem Proton auf FAD. Je nach Anzahl der übertragenen Elektronen und Protonen unterscheidet man beim FAD (wie beim Ubichinon der Atmungskette, S. 168) ein oxidiertes Chinon, ein teilweise reduziertes Semichinon und ein vollständig reduziertes Hydrochinon, welches dem FADH2 entspricht (Abb. A 7.12). FAD-abhängige Dehydrogenasen reagieren bevorzugt mit Substraten, die chemische Gruppen vom Typ -CH2-CH2- enthalten. Indem sie diesen Gruppen zwei Protonen und zwei Elektronen entreißen, entsteht eine Doppelbindung -CH ═ CH-. Substrate, die HO-C-H-Gruppen enthalten, sind für FAD-abhängige Dehydrogenasen ungeeignet.
▶ Merke.
Bei der Oxidation von Pyruvat, Citrat und Fettsäuren in den Mitochondrien gibt es nur drei Reaktionmechanismen: NAD+-abhängige Oxidation von α-Ketosäuren NAD+-abhängige Oxidation von HO-C-H-Gruppen FAD-abhängige Oxidation von -CH2-CH2-Gruppen
FAD-abhängige Dehydrogenasen katalysieren die Übertragung von 2 e– + 2 H+ (Abb. A 7.12) oder e– + H+ auf FAD.
Sie reagieren bevorzugt mit Substraten, die chemische Gruppen vom Typ -CH2-CH2enthalten. Werden 2 e– + 2 H+ übertragen, entsteht eine Doppelbindung -CH = CH-.
▶ Merke.
106
A
7 Oxidativer Abbau von Pyruvat
A-7.12
A-7.12
Riboflavin (a), FAD (b) und Redoxreaktionen des FAD bzw. FADH2 (c)
H H3C
C
H 3C
C
C C
O C C
N N
C C
C N
H H
C
H
H
C
OH
R N
H
C
O
Isoalloxazinring
H3C
8a
7a
H3C
H
C
OH
H
C
OH
H
C
H
H3C
C
H 3C
C
C
O C C
N
C C
C N
H H
C
H
H
C
OH
H
C
OH
H
C
OH
H
C
H
O O
P O–
10 5
N
1
10a
N
2
4a
4
N 3
O H
H
N
H
C
O
N
H3C
N
N
O N
H
O
FADH (Radikal- bzw. Semichinon-Form) H NH2 C
N HC
N
O O
H3C
H
P
O
C C
N
H HO
R
H
H3C
N
N
H3C
N
CH N
CH2 O
O–
H
H
b
5a
N
R
H N
6
9a
FAD (oxidierte bzw. Chinon-Form)
Ribit(ol) (Zuckeralkohol der Ribose)
OH
C
7
9
O
Riboflavin (Vitamin B2)
a
8
H
H OH
Flavin-Adenin-Dinukleotid (FAD)
c
O N
H
O
FADH2 (reduzierte- bzw. Hydrochinon-Form)
7.3.2 Die einzelnen Reaktionsschritte
7.3.2 Die einzelnen Reaktionsschritte
Berücksichtigt man nur die wichtigsten stabilen Zwischenprodukte, ergeben sich acht Reaktionsschritte.
Die Zahl der Reaktionsschritte, die man im Citratzyklus unterscheidet, hängt davon ab, in welchem Umfang man auch die Bildung instabiler Zwischenprodukte berücksichtigen möchte. Beschränkt man sich auf die Bildung der wichtigsten stabilen Zwischenprodukte, ergeben sich acht Reaktionsschritte. Einen ersten Eindruck vermittelt die Abb. A 7.21.
Schritt 1: Acetyl-CoA + Oxalacetat → Citrat
Schritt 1: Acetyl-CoA + Oxalacetat → Citrat
Für diese Reaktion (Abb. A 7.13) muss ein Proton von der Methylgruppe des Acetyl-CoA abgelöst werden. Die Energie hierfür (Methylgruppen sind sehr reaktionsträge) liefert die Hydrolyse der energiereichen Thioesterbindung des Acetyl-CoA. Enzym: Citrat-Synthase.
Wie wird das Citrat des Citratzyklus synthetisiert? Bei dieser Reaktion (Abb. A 7.13) wird der Carbonylkohlenstoff des Oxalacetats von der Methylgruppe des Acetyl-CoA angegriffen. Die Methylgruppe muss ein Proton abgeben, damit sich eine neue C-CBindung bilden kann. Diese Reaktion ist außergewöhnlich, da Methylgruppen an sich ausgesprochen reaktionsträge sind. Sie ist endergon und nur möglich, weil anschließend die energiereiche Thioesterbindung des Acetyl-CoA hydrolysiert wird. Die Ablösung des Coenzyms A durch Hydrolyse der Thioesterbindung liefert letztlich die Triebkraft für die Bildung des Citrats. Katalysiert wird die Reaktion von dem Enzym Citrat-Synthase. Das Citrat, welches in diesem Schritt gebildet wird, ist das Anion der Zitronensäure, der Säure, die in einer Konzentration von 5 – 7 % im Zitronensaft enthalten ist. Citrat ist ein symmetrisch aufgebautes Molekül, das sechs C-Atome enthält. Es trägt eine OH-Gruppe und drei Carboxylgruppen (Abb. A 7.13) und ist optisch inaktiv, da das zentrale C-Atom mit zwei gleichen CH2-COO–-Gruppen verbunden ist. Berücksichtigt man die tetraedrische Struktur der vier Kohlenstoffbindungen, haben die OHGruppe und die COO–-Gruppen des zentralen C-Atoms allerdings zwei verschiedene Möglichkeiten, sich im Raum anzuordnen. Deshalb hat das Citratmolekül gleichsam
Citrat ist ein symmetrisch aufgebautes Molekül, das sechs C-Atome enthält. Es trägt eine OH-Gruppe und drei Carboxylgruppen (Abb. A 7.13).
A
A-7.13
107
7.3 Der Citratzyklus
Reaktion von Acetyl-CoA und Oxalacetat zu Citrat
A-7.13
Acetyl-CoA O H3C
O
C
S
CoA
H2C
+ C
COO–
H2 C
COO–
O
C
S
C
COO–
H2C
–
HO
COO
CoA
H2O
H2C
HS
Citryl-CoA
CoA
COO–
H2C
COO–
Citrat
enzymgebunden
Oxalacetat
COO–
C
HO
Die Triebkraft der Reaktion stammt aus der Hydrolyse der Thioesterbindung im Citryl-CoA. Die beiden Carboxylgruppen, die anschließend im Verlauf eines Reaktionszyklus als CO2 freigesetzt werden, sind farbig hervorgehoben.
eine Ober- und eine Unterseite, die die Enzyme des Citratzyklus durchaus unterscheiden. Da die Enzyme ihre Substrate jeweils nur in einer ganz bestimmten Konfiguration binden, ist damit festgelegt, welche der drei Carboxylgruppen des Citrats in den nachfolgenden Schritten des Zyklus in Form von CO2 freigesetzt werden (Abb. A 7.13). Man hat nachgewiesen, dass die zwei CO2-Moleküle, die in einem Zyklus gebildet werden, beide ursprünglich aus dem Oxalacetat stammen, nicht aus der neu aufgenommenen Acetylgruppe.
Schritt 2: Citrat → Isocitrat
Schritt 2: Citrat → Isocitrat
Citrat soll im Citratzyklus oxidiert werden. Da es aber weder eine HO-C-H- noch eine -CH2-CH2-Gruppe besitzt, ist es weder ein Substrat für NAD+- noch für FADabhängige Dehydrogenasen (!). Deshalb muss Citrat als Erstes in ein für Dehydrogenasen geeignetes Substrat umgewandelt werden. Dies geschieht, indem die OHGruppe verschoben wird. Das Reaktionsprodukt Isocitrat enthält eine HO-C-HGruppe (s. Abb. A 7.14) und ist somit ein geeignetes Substrat für eine NAD+-abhängige Dehydrogenase.
Citrat muss in ein für Dehydrogenasen geeignetes Substrat umgewandelt werden. Dies geschieht, indem die OH-Gruppe verschoben wird. Es entsteht Isocitrat (s. Abb. A 7.14).
A-7.14
H2 C
Isomerisierung von Citrat zu Isocitrat
COO–
C
COO–
H2 C
–
HO
COO
Citrat
H2O
H2C
COO–
C
COO–
HC
–
COO
cis-Aconitat
A-7.14
H2O
H2C
COO–
HC
COO–
C
COO–
HO
H
Isocitrat
Die Isomerisierung des Citrats erfordert zwei Schritte (Abb. A 7.14): 1. Die OH-Gruppe wird zusammen mit einem Proton als Wasser abgespalten. Dadurch bildet sich eine Doppelbindung und aus Citrat entsteht Aconitat. Dieses Zwischenprodukt wird in manchen Pflanzen in größeren Mengen gebildet, u. a. im Eisenhut (Aconitum napellus). Die Carboxylgruppen, die im Aconitat durch die -C = C-Gruppe verbunden sind, zeigen eine cis-Stellung, d. h. sie sind beide zur gleichen Seite hin orientiert. Entsprechend handelt es sich um cis-Aconitat. 2. Im nächsten Schritt wird wieder Wasser angelagert, nun aber in anderer Orientierung, sodass Isocitrat entsteht. Beide Schritte werden vom gleichen Enzym, der Aconitase (= Aconitat-Hydratase) katalysiert.
Die Isomerisierung des Citrats erfordert zwei Schritte (Abb. A 7.14): 1. Abspaltung der OH-Gruppe mit einem Proton als Wasser. Dadurch bildet sich eine Doppelbindung. Es entsteht (cis-)Aconitat. 2. Anlagerung von Wasser in anderer Orientierung. Hierdurch entsteht Isocitrat. Enzym: Aconitase
Schritt 3: Isocitrat → α-Ketoglutarat
Schritt 3: Isocitrat → α-Ketoglutarat
Die NAD+-abhängige Oxidation der HO-C-H-Gruppe des Isocitrats wird von der Isocitrat-Dehydrogenase katalysiert. Das Enzym katalysiert die Übertragung eines Hydrid-Ions auf den Nicotinamidring von NAD+. Parallel löst sich von der OH-Gruppe des Isocitrats ein Proton ab, und es entsteht eine Carbonylgruppe. Das Reaktionsprodukt, Oxalsuccinat, ist eine instabile Verbindung, von der sich spontan die mitt-
Durch NAD+-abhängige Oxidation von Isocitrat entsteht Oxalsuccinat. Dieses ist instabil: Durch spontane Decarboxylierung entsteht aus dem Oxalsuccinat das stabile α-Ketoglutarat (= 2-Oxoglutarat) (Abb. A 7.15). Enzym: Isocitrat-Dehydrogenase.
108
A
7 Oxidativer Abbau von Pyruvat
A-7.15
A-7.15
NAD+-abhängige Oxidation von Isocitrat zu α-Ketoglutarat
H 2C
COO–
HC
COO–
C
–
HO
COO
H
NAD+
NADH
Oxidation an der IsocitratDehydrogenase
Isocitrat
H2C
COO–
HC
COO–
C
–
O
COO
CO2
H2C
COO–
H2C spontane Decarboxylierung
Oxalsuccinat
O
C
COO–
α-Ketoglutarat = 2-Oxoglutarat
Diese Reaktionsfolge liefert zum ersten Mal im Citratzyklus NADH und CO2. Außerdem entsteht α-Ketoglutarat, das reversibel zu Glutamat umgesetzt werden kann. Diese Reaktion stellt eine Verbindung zum Aminosäurestoffwechsel her.
lere der drei Carboxylgruppen als CO2 ablöst. Übrig bleibt α-Ketoglutarat (Abb. A 7.15), in einer neueren Nomenklatur auch 2-Oxoglutarat genannt. Die Isocitrat-Dehydrogenase katalysiert unmittelbar also nur die Oxidation einer OH-Gruppe. Die nachfolgende Decarboxylierung ergibt sich zufällig aus der Instabilität des entstandenen Oxalsuccinats. Diese Reaktionsfolge verdient aus mehreren Gründen Beachtung: Die Isocitrat-Dehydrogenase katalysiert die erste Oxidationsreaktion des Citratzyklus. Hier wird NADH gebildet, und damit werden Elektronen für den Transport zur Atmungskette bereitgestellt. Die Oxidationsreaktion hat die erste Decarboxylierung des Citratzyklus zur Folge. Hier entsteht also CO2 (wie schon im Reaktionszyklus der PDH). Das Reaktionsprodukt α-Ketoglutarat kann in einem einzigen Schritt durch Aufnahme einer Aminogruppe in die Aminosäure Glutamat umgewandelt werden. Die Reaktion ist reversibel und stellt eine wichtige Beziehung zwischen dem Citratzyklus und dem Aminosäurestoffwechsel dar.
Schritt 4: α-Ketoglutarat → Succinyl-CoA
Schritt 4: α-Ketoglutarat → Succinyl-CoA
α-Ketoglutarat hat große Ähnlichkeit mit Pyruvat. Beides sind α-Ketosäuren (= 2-Oxosäuren).
α-Ketoglutarat hat große Ähnlichkeit mit Pyruvat. Beides sind α-Ketosäuren – nach neuerer Nomenklatur 2-Oxosäuren –, d. h. Carbonsäuren, in denen unmittelbar auf eine Carboxylgruppe eine Carbonylgruppe folgt. Das C-Atom dieser Carbonylgruppe steht relativ zum C-Atom der Carboxylgruppe in Position α bzw. 2. So überrascht es nicht, dass sich auch die Enzyme, die mit α-Ketoglutarat bzw. Pyruvat reagieren, sehr ähnlich sind. Tatsächlich katalysiert die α-Ketoglutarat-Dehydrogenase eine oxidative Decarboxylierung des α-Ketoglutarats, wobei der Reaktionsmechanismus weitgehend dem Reaktionsmechanismus der Pyruvat-Dehydrogenase (PDH) entspricht:
Die Enzyme α-Ketoglutarat-Dehydrogenase und PDH sind sich sehr ähnlich.
▶ Merke.
A-7.16
▶ Merke.
Wie die Umsetzung von Pyruvat zu Acetyl-CoA durch die PDH ist auch die Umsetzung von α-Ketoglutarat zu Succinyl-CoA eine oxidative Decarboxylierung mit den Cofaktoren (Abb. A 7.16) Thiaminpyrophosphat (TPP), Liponamid, Coenzym A (CoA), FAD und NAD+.
A-7.16
Oxidative Decarboxylierung von α-Ketoglutarat
COO– O
C
α-KetoglutaratDehydrogenaseKomplex
S S O
CH2
α-Ketoglutarat = 2-Oxoglutarat
S
CoA
CH2
CH2 COO–
C
CoA
NAD+
E2
TPP E1
FAD
NADH
E3
CH2 COO– Succinyl-CoA
CO2
A
Die oxidative Decarboxylierung von α-Ketoglutarat läuft in folgenden Schritten ab: 1. α-Ketoglutarat wird unter Abspaltung von CO2 auf TPP übertragen. 2. Das Reaktionsprodukt wird von TPP auf Liponamid übertragen. 3. Durch Übertragung des Reaktionsprodukts auf Coenzym A entsteht Succinyl-CoA. 4. Die beiden in diesen Schritten anfallenden Elektronen werden zunächst vom Liponamid aufgenommen und anschließend unter Vermittlung von FAD an NAD+ abgegeben. Dabei wird NADH gebildet.
▶ Merke.
CO2 und NADH entstehen im Citratzyklus in den Reaktionen der Isocitrat-Dehydrogenase und α-Ketoglutarat-Dehydrogenase (= 2-Oxoglutarat-Dehydrogenase). CO2 und NADH entstehen darüber hinaus in den Reaktionen der PDH (ebenfalls in den Mitochondrien!). Das in diesen drei Reaktionen gebildete CO2 stellt den Großteil des CO2 in der ausgeatmeten Luft.
Succinyl-CoA ist ähnlich dem Acetyl-CoA eine energiereiche Verbindung. Während die Energie des Acetyl-CoA genutzt wurde, um die Synthese des Citrats zu ermöglichen, wird die Energie der Thioesterbindung des Succinyl-CoA im nächsten Schritt genutzt, um GTP zu synthetisieren. Teilweise wird das anfallende Succinyl-CoA nicht nur der nächsten Reaktion des Citratzyklus zur Verfügung gestellt. Succinyl-CoA kann in den Mitochondrien auch mit der Aminosäure Glycin reagieren, wobei sich δ-Aminolävulinsäure (5-Aminolävulinat) bildet, der erste Metabolit der Hämsynthese. Häm ist die prosthetische Gruppe des Hämoglobins (S. 104) und der Cytochrome der Atmungskette (S. 172). Ähnlich dem α-Ketoglutarat stellt somit auch das Succinyl-CoA eine wichtige Verzweigungsstelle des Stoffwechsels dar.
▶ Klinik. Thiamin (Vitamin B1) spielt in Form des Coenzyms Thiaminpyrophosphat (TPP) der PDH und der α-Ketoglutarat-Dehydrogenase eine wichtige Rolle. Vermutlich sind diese Zusammenhänge von Bedeutung, wenn bei lang anhaltendem Thiaminmangel Neuronen des ZNS absterben, insbesondere im Bereich der Corpora mamillaria, des vorderen Thalamus und um den 3. und 4. Ventrikel. Die Folge ist die sog. Wernicke-Enzephalopathie (Abb. A 7.17). Sie tritt vor allem bei Alkoholikern (Mangelernährung!), aber auch bei Magersucht (Anorexia nervosa) auf und äußert sich durch plötzlich auftretende Gleichgewichtsstörung (Ataxie), Augenmuskellähmung und Verwirrtheit. Um irreversible Schäden zu vermeiden, sollte therapeutisch sofort Thiamin zugeführt werden, zunächst intravenös und später in Form von Tabletten. In schweren Fällen kann sich ein Korsakow-Syndrom entwickeln, das durch einen massiven Verlust des Kurzzeitgedächtnisses charakterisiert ist.
A-7.17
a
109
7.3 Der Citratzyklus
Wernicke-Enzephalopathie
b
a Gehirn-Befund einer 61-jährigen alkoholkranken Frau mit Fettleberhepatitis, gestorben im Coma hepaticum. Aufsicht von hinten, stirnparallele Schnittführung. Feingesprenkelte rote bis rostbraune Blutungen in den Corpora mamillaria. b Magnetresonanztomogramm einer 43-jährigen Frau mit chronischem Alkoholabusus und Mangelernährung, bei der eine beidseitige Abduzenslähmung, Nystagmus, Stand- und Gangataxie und eine schwere Gedächtnisstörung aufgetreten waren. Das Bild zeigt eine Kontrastmittelanreicherung in den Corpora mamillaria am Boden des 3. Ventrikels. Die Hirnwindungen sind atrophiert, die Seitenventrikel erweitert. (a+b: aus Masuhr, Neumann; Duale Reihe Neurologie, Thieme, 2005)
α-Ketoglutarat-Dehydrogenase und PyruvatDehydrogenase enthalten die gleichen Cofaktoren. Bei der Reaktion der α-KetoglutaratDehydrogenase entstehen CO2, Succinyl-CoA und NADH.
▶ Merke.
Succinyl-CoA ist wie Acetyl-CoA eine energiereiche Verbindung.
Succinyl-CoA kann mit Glycin reagieren, dabei entsteht δ-Aminolävulinsäure (5-Aminolävulinat), der erste Metabolit der Hämsynthese.
▶
Klinik.
110 Schritt 5: Succinyl-CoA → Succinat + CoA + GTP Die bei der Spaltung der Thioesterbindung des Succinyl-CoA (Abb. A 7.18) freigesetzte Energie ermöglicht die Bildung von GTP, dessen Energie in einer Anschlussreaktion zur ATP-Synthese genutzt werden kann.
A
7 Oxidativer Abbau von Pyruvat
Schritt 5: Succinyl-CoA → Succinat + CoA + GTP In diesem Reaktionsschritt wird die energiereiche Thioesterbindung des SuccinylCoA gespalten; Succinyl-CoA zerfällt dabei zu Succinat und freiem Coenzym A (Abb. A 7.18). Die bei der Spaltung der Bindung anfallende Energie reicht aus, um die Bildung von Guanosintriphosphat (GTP) aus GDP und anorganischem Phosphat zu ermöglichen. Die Energie des GTP kann in einer sich anschließenden Reaktion dazu genutzt werden, eine Phosphatgruppe des GTP auf ADP zu übertragen und auf diese Weise ATP zu synthetisieren: GTP + ADP → GDP + ATP. Die Kinase, die diese Reaktion katalysiert, zählt aber nicht mehr zu den Enzymen des Citratzyklus.
A-7.18
A-7.18
O
C~S
Substratkettenphosphorylierung im Citratzyklus CoA
CH2
GDP + Pi
COO– GTP
CH2 + Coenzym A
CH2 COO
–
Succinyl-CoA
Die Spaltung des Succinyl-CoA und die Bildung des GTP sind ein Beispiel für energetische Kopplung. Sie werden von der Succinyl-CoA-Synthetase (auch: Succinat-CoA-Ligase) katalysiert (die Reaktion ist reversibel).
▶ Merke.
CH2
Succinyl-CoASynthetase
COO– Succinat
Die Spaltung des Succinyl-CoA und die Bildung des GTP sind ein Beispiel für energetische Kopplung (S. 3): Die Synthese von GTP erfordert Energie, denn das ΔG der Reaktion ist positiv. Die Reaktion ist nur deshalb möglich, weil sie mit einer anderen Reaktion energetisch gekoppelt ist, deren ΔG negativ ist. Die Reaktionssequenz wird von der Succinyl-CoA-Synthetase katalysiert (alternative Namen: Succinat-CoA-Ligase oder Succinat-Thiokinase). Das Enzym katalysiert Reaktionen, die im Prinzip reversibel sind, offensichtlich ist es nach der Rückreaktion benannt worden. Der Ausdruck „Synthetase“ anstelle von „Synthase“ bringt zum Ausdruck, dass an der Reaktion ein energiereiches Nukleotid (nämlich das GTP) beteiligt ist.
▶ Merke.
Die Bildung des GTP in der Reaktion der Succinyl-CoA-Synthetase ist ein Beispiel für Substratkettenphosphorylierung. Das zweite wichtige Beispiel für Substratkettenphosphorylierung ist die Bildung von ATP in der Reaktion der 3Phosphoglycerat-Kinase der Glykolyse (S. 76): In den Schritten vom Glycerinaldehyd-3-phosphat zum 3-Phosphoglycerat wird intermediär 1,3-Bisphosphoglycerat gebildet. Dieses überträgt eine seiner beiden Phosphatgruppen auf ADP, sodass sich 3-Phosphoglycerat und ATP bilden. Durch Substratkettenphosphorylierung entsteht in den Zellen meist nur ein vergleichsweise geringer Anteil des ATP. Der überwiegende Anteil des ATP wird von der mitochondrialen ATP-Synthase, also durch „oxidative Phosphorylierung“ gebildet.
Reaktionsmechanismus: Aus Succinyl-CoA wird zunächst Succinyl-Phosphat gebildet. Die Phosphat-Gruppe wird letztlich auf GDP übertragen.
Reaktionsmechanismus: Die Succinyl-CoA-Synthetase nimmt Succinyl-CoA auf und tauscht das CoA gegen anorganisches Phosphat aus, das aus der Umgebung aufgenommen wird. Aus dem Succinyl-CoA entsteht dadurch zunächst Succinyl-Phosphat. Das Succinyl-CoA wird also nicht hydrolytisch, sondern phosphorolytisch gespalten. Die Phosphat-Gruppe wird dann erst auf ein Histidin des Enzyms und von dort auf GDP übertragen, sodass GTP entsteht.
Schritt 6: Succinat → Fumarat + FADH2
Schritt 6: Succinat → Fumarat + FADH2
Succinat, das Anion der Bernsteinsäure, ist eine einfache Dicarbonsäure mit zwei CH2Gruppen (Abb. A 7.18).
Mit dem Succinat ist eine sehr einfache Verbindung entstanden: eine Dicarbonsäure, in der zwei Carboxylgruppen durch zwei CH2-Gruppen verbunden sind (Abb. A 7.18). Succinat ist das Anion der Bernsteinsäure, die tatsächlich in kleinen Mengen in Bernstein (latein. succinum) enthalten ist. Da Succinat eine -CH2-CH2-Gruppe besitzt, ist es ein geeignetes Substrat für die FAD-abhängige Succinat-Dehydrogenase. Bei der Oxidation entsteht FADH2, und im Succinat bildet sich eine Doppelbindung. Das Reaktionsprodukt ist Fumarat, das Anion der Fumarsäure (Abb. A 7.19).
Es wird durch die FAD-abhängige SuccinatDehydrogenase zu Fumarat oxidiert (Abb. A 7.19).
A
A-7.19
111
7.3 Der Citratzyklus
FAD-abhängige Oxidation von Succinat zu Fumarat
A-7.19
Ubichinon = CoenzymQ
mitochondriale Innenmembran
–
2e
Ubichinol = QH2 Succinat-Dehydrogenase = Komplex II der FAD Atmungskette
COO–
COO–
CH2
C
CH2 Succinat
H
H
C
COO–
COO– Fumarat
▶ Merke.
▶ Merke.
FAD bzw. FADH2 ist als prosthetische Gruppe kovalent mit der Succinat-Dehydrogenase verbunden; das Enzym gehört somit zu den Flavoproteinen. Im Unterschied zu den anderen Enzymen des Citratzyklus, die sich frei in der mitochondrialen Matrix bewegen, ist die Succinat-Dehydrogenase in der mitochondrialen Innenmembran verankert. Deshalb kann sie ihre FADH2-gebundenen Elektronen direkt in die Atmungskette einspeisen. Aus diesem Grund wird sie auch als Komplex II der Atmungskette (oder als Teil dieses Komplexes) bezeichnet (S. 168).
Schritt 7: Fumarat + Wasser → Malat
Schritt 7: Fumarat + Wasser → Malat
Fumarat ist als Substrat für eine Dehydrogenase ungeeignet. Durch Anlagerung von Wasser (Abb. A 7.20) entsteht aber ein Substrat, das Malat, das für eine NAD+-abhängige Dehydrogenase geeignet ist. Malat ist das Anion der Äpfelsäure (malum ist nicht nur das lateinische Wort für das Übel, sondern auch für den Apfel). Die Reaktion des Fumarats mit Wasser wird von der Fumarat-Hydratase katalysiert.
Die Anlagerung von Wasser an Fumarat (Abb. A 7.20) wird von der Fumarat-Hydratase katalysiert.
A-7.20
COO– C H
H
Reaktionssequenz von Fumarat über Malat zu Oxalacetat H2O
C COO–
Fumarat
COO– H
C
OH
H
C
H
COO– Malat
NAD+
NADH + H+
A-7.20
COO– C
O
CH2 COO– Oxalacetat
Die Reaktion erinnert an die Bildung des Isocitrats aus Aconitat. Auch Isocitrat entsteht durch Anlagerung von Wasser an eine Doppelbindung. In beiden Fällen entsteht eine Verbindung, die eine HO-C-H-Gruppe enthält und sich somit als Substrat für eine NAD+-abhängige Dehydrogenase eignet.
Malat eignet sich aufgrund seiner HO-C-HGruppe als Substrat für eine NAD+-abhängige Dehydrogenase.
Schritt 8: Malat → Oxalacetat
Schritt 8: Malat → Oxalacetat
Die HO-C-H-Gruppe des Malats wird NAD+-abhängig von der Malat-Dehydrogenase zu einer Carbonylgruppe oxidiert (Abb. A 7.20). Das Reaktionsprodukt ist Oxalacetat, welches durch Reaktion mit Acetyl-CoA eine neue Runde des Citratzyklus eröffnen kann. Die Oxidation des Malats zu Oxalacetat ist ein eindrucksvolles Beispiel für eine biochemische Reaktion, bei der das chemische Gleichgewicht unter Standardbedingungen ganz auf der Seite der Edukte (!) liegt, d. h. unter Standardbedingungen ist das ΔG der Reaktion positiv. Die Reaktion läuft nur deshalb in nennenswertem Umfang ab, weil das gebildete Oxalacetat in den Mitochondrien schnell mit Acetyl-CoA reagiert und damit dem Gleichgewicht entzogen wird. Dadurch ist ΔG unter physiologischen Bedingungen negativ (wie bei der Isomerisierung von Glucose-6phosphat zu Fructose-6-phosphat im Rahmen der Glykolyse [S. 72]). Die Triebkraft
Malat wird von der NAD+-abhängigen MalatDehydrogenase zu Oxalacetat oxidiert (Abb. A 7.20). Diese Oxidation ist ein eindrucksvolles Beispiel für eine biochemische Reaktion, bei der ΔG unter Standardbedingungen positiv ist. Die Reaktion läuft nur deshalb in nennenswertem Umfang ab, weil Oxalacetat schnell mit Acetyl-CoA reagiert (→ ΔG unter physiologischen Bedingungen negativ).
112
Malat und Oxalacetat sind Ausgangsstoffe für die Gluconeogenese.
▶ Zusammenfassung.
A
7 Oxidativer Abbau von Pyruvat
der Reaktion kommt also wesentlich durch das Konzentrationsverhältnis der Reaktionspartner zustande. Malat und Oxalacetat sind nicht nur Metabolite des Citratzyklus, sondern auch Ausgangsstoffe für die Gluconeogenese, also den Stoffwechselweg, auf dem in der Leber bei Bedarf Glucose synthetisiert wird (S. 212). Dazu wird Oxalacetat in erheblichem Umfang teils in Malat, teils in die Aminosäure Aspartat umgewandelt, Malat und Aspartat werden dann aus den Mitochondrien ins Zytosol exportiert. Im Rahmen der Gluconeogenese läuft dieser Schritt des Citratzyklus also in umgekehrter Richtung ab. Für die Gluconeogenese ist es durchaus von Vorteil, dass das Gleichgewicht der Reaktion auf der Seite des Malats liegt.
▶ Zusammenfassung.
Eine Gesamtübersicht über den Citratzyklus gibt
Abb. A 7.21.
A-7.21
Die Reaktionsschritte des Citratzyklus
A-7.21
C
COO–
H2C
COO–
O
C
COO–
H2C
COO–
HO
1
Oxalacetat
COO–
H2C
Citratsynthase
Animation zum Thema unter www.dualereihe.thieme.de oder
Acetyl-CoA CoA + H2O
Citrat Aconitase
MalatDehydrogenase
2
NADH + H+
H2C
COO–
HC
COO–
C
COO–
8 H HO
C
H2C
HO
NAD+
–
COO
Isocitrat I
II III
+
NAD
IV
3
7
Fumarathydratase
NADH + H
H2O
COO–
IsocitratDehydrogenase
α-Ketoglutarat
FADH2
–
OOC CH
H2C
CoA
6
SuccinatDehydrogenase
+
CO2
Fumarat HC
H
Malat
COO–
NAD FAD
COO–
H2C
+
O
4
C
COO–
NADH + H+ Succinat H2C
COO–
H2C
–
COO
GTP CoA
CO2
GDP + P Succinyl-CoA 5
Succinyl-CoASynthetase
α-KetoglutaratDehydrogenase
H2C H2C
COO– C
S
CoA
O
NADH diffundiert frei in der Matrix der Mitochondrien und transportiert Elektronen zum Komplex I der Atmungskette. Die Succinat-Dehydrogenase ist mit dem Komplex II der Atmungskette identisch, FADH2 entsteht aus FAD in diesem Komplex und bleibt dabei fest gebunden.
Reversibel sind im Citratzyklus die Isomerisierung des Citrats zu Isocitrat sowie die vier Schritte vom Succinyl-CoA zum Oxalacetat. Die übrigen Reaktionen sind irreversibel.
Wie aus der Überblicksdarstellung der Abb. A 7.21 hervorgeht, sind mehrere Reaktionen des Citratzyklus reversibel. Das gilt bereits für die Isomerisierung des Citrats zu Isocitrat (katalysiert von der Aconitase), dann aber insbesondere für die vier letzten Schritte vom Succinyl-CoA zum Oxalacetat. In diesem Abschnitt des Citratzyklus ist die Reversibilität der Reaktion der Malat-Dehydrogenase eine wichtige Voraussetzung der Gluconeogenese. Warum sind die übrigen Reaktionen irreversibel? In den Reaktionen der Isocitrat-Dehydrogenase und der α-Ketoglutarat-Dehydrogenase wird jeweils CO2 freigesetzt. In einer Rückreaktion müssten die Substrate energieaufwendig carboxyliert werden.
A
113
7.3 Der Citratzyklus
In der Reaktion der Citratsynthase wird die energiereiche Thioesterbindung im Acetyl-CoA gespalten. Dieser Schritt kann nicht so leicht rückgängig gemacht werden. Bei der Substratkettenphosphorylierung ausgehend von Succinyl-CoA wird ebenfalls eine energiereiche Thioesterbindung gespalten. Die freiwerdende Energie wird aber zu einem erheblichen Teil im GTP gespeichert. Sofern GTP und Succinat in einer Zelle in hinreichend hohen Konzentrationen vorhanden sind, kann die Reaktion auch in umgekehrter Richtung ablaufen.
7.3.3 Energieausbeute des Citratzyklus Die wichtigste Funktion des Citratzyklus besteht in der Oxidation von Acetylgruppen, um Elektronen für die Atmungskette zu gewinnen. Der Citratzyklus trägt damit indirekt wesentlich zur ATP-Synthese der Zellen bei. Wie viel ATP kann synthetisiert werden, wenn im Citratzyklus eine Acetylgruppe oxidiert wird? Unmittelbar bilden sich im Citratzyklus 2 CO2, 3 NADH, 1 FADH2 und 1 GTP (s. Abb. A 7.21). CO2 ist in diesem Zusammenhang nur ein wertloses Abfallprodukt. Das eine GTP, das durch Substratkettenphosphorylierung gebildet wird, stellt einen eindeutigen, aber nur geringfügigen Beitrag zum zellulären Energiestoffwechsel dar. Entscheidend ist hingegen die Frage, wie viel ATP synthetisiert werden kann, wenn die in einer Runde des Citratzyklus entstandenen NADH und FADH2 ihre Elektronen an die Atmungskette abgeben. Mehrere Jahrzehnte lang wurde in den Lehrbüchern der Biochemie zu dieser Frage eine Tabelle vorgelegt, aus der hervorging, dass jede Runde des Citratzyklus die Synthese von genau 12 ATP erlaubt. Voraussetzung dieser Rechnung war, dass 1 NADH die Synthese von 3 ATP ermöglicht und 1 FADH2 die Synthese von 2 ATP. Inzwischen ist zwar unbestritten, dass die Elektronen des FADH2 dadurch, dass sie den Komplex I der Atmungskette umgehen, einen geringeren Beitrag zum mitochondrialen Protonengradienten leisten als das NADH. Die genauen Zahlen an synthetisierten ATP-Molekülen, die traditionell dem NADH und FADH2 zugeordnet wurden, sind aber fraglich geworden. Während die tatsächlichen Zahlen noch unsicher sind, zeichnet sich bereits ab, dass die traditionellen Zahlen zu hoch sind. Vermutlich ermöglicht 1 NADH die Synthese von ca. 2,5 ATP, 1 FADH2 die Synthese von ca. 1,5 ATP, d. h.:
▶ Merke.
Im Anschluss an eine Runde des Citratzyklus können ca. 10 Moleküle ATP synthetisiert werden (Tab. A 7.2).
A-7.2
Die Energiebilanz des Citratzyklus
Energiequelle
7.3.3 Energieausbeute des Citratzyklus
Unmittelbar entstehen im Citratzyklus 2 CO2, 3 NADH, 1 FADH2 und 1 GTP (Abb. A 7.21).
Wie viel ATP entsteht, wenn die in einer Runde des Citratzyklus entstandenen NADH und FADH2 ihre Elektronen an die Atmungskette abgeben? Die Energie der Elektronen, die von 1 NADH an die Atmungskette abgegeben werden, ermöglicht letztlich die Synthese von ca. 2,5 ATP. Die Energie der Elektronen, die von 1 FADH2 an die Atmungskette abgegeben werden, ermöglicht letztlich die Synthese von ca. 1,5 ATP.
▶ Merke.
A-7.2
Anzahl der pro Runde des Citratzyklus synthetisierten ATP-Moleküle laut älterer Literatur
nach neueren Untersuchungen
3 NADH
9
ca. 7,5
1 FADH2
2
ca. 1,5
1 GTP
1
1
Summe
12
ca. 10
7.3.4 Regulation des Citratzyklus
7.3.4 Regulation des Citratzyklus
Der Citratzyklus ist an vielen unterschiedlichen Stoffwechselwegen beteiligt, aber seine Rolle im Energiestoffwechsel der Zelle ist offensichtlich entscheidend, denn:
▶ Merke.
Die Aktivität des Citratzyklus wird vornehmlich über die Konzentrationen an ADP, ATP, NAD+ und NADH reguliert.
Studien an den isolierten Enzymen haben ergeben, dass mehrere Enzyme des Citratzyklus allosterisch reguliert werden können, nämlich die Citrat-Synthase, die Isoci-
▶ Merke. Mehrere Enzyme des Citratzyklus können allosterisch reguliert werden.
114
A
Einige dieser Enzyme werden durch ADP stimuliert und durch ATP, NADH und ihr Produkt gehemmt.
▶ Merke.
Für die Steuerung der Aktivität des Citratzyklus scheint neben der Pyruvat-Dehydrogenase (Regulation s. S. 102) die Isocitrat-Dehydrogenase die größte Bedeutung zu haben. Auf die Isocitrat-Dehydrogenase wirken NAD+ und ADP stimulierend, NADH und ATP hemmend.
7.3.5 Auffüllung des Citratzyklus: Anaplerotische Reaktionen
Bestimmte Metabolite gehen dem Citratzyklus durch Nebenreaktionen verloren: Citrat (→ Fettsäuren) α-Ketoglutarat (→ Glutamat) Succinyl-CoA (→ Häm) Malat und Oxalacetat (→ Gluconeogenese)
Anaplerotische Reaktionen führen dem Citratzyklus von außen neue Metabolite zu und verhindern so, dass er durch den Verlust seiner Zwischenprodukte zum Erliegen kommt.
Die wichtigste anaplerotische Reaktion ist die Carboxylierung von Pyruvat zu Oxalacetat im Rahmen der Gluconeogenese. Cofaktor dieser Reaktion ist das Biotin (Abb. A 7.22). Enzym: Pyruvat-Carboxylase.
A-7.22
C
CH2 H Pyruvat
Wie auf S. 106 und bei den Reaktionsschritten des Citratzyklus beschrieben, gehen dem Citratzyklus bestimmte Metabolite durch Nebenreaktionen verloren: Citrat wird zur Fettsäuresynthese abgezweigt. α-Ketoglutarat wird in Glutamat umgewandelt. Ausgehend von Glutamat werden weitere Aminosäuren gebildet. Succinyl-CoA reagiert mit Glycin zu δ-Aminolävulinsäure, dem Ausgangsprodukt der Häm-, d. h. Porphyrinsynthese. Malat und Oxalacetat gehen dem Citratzyklus bei der Gluconeogenese verloren. Dabei wird Oxalacetat teilweise zu Malat, teilweise aber auch zu Aspartat umgesetzt. Angesichts dieser beachtlichen Liste stellt sich die Frage, was mit dem Citratzyklus geschieht, wenn derart viele Metabolite abgezweigt werden. Das Problem wird in den Mitochondrien durch anaplerotische Reaktionen gelöst. Darunter versteht man alle Reaktionen, die dem Citratzyklus von außen neue Metabolite zuführen (giech. anaplero, auffüllen). Auf diese Weise wird verhindert, dass der Citratzyklus durch den Verlust seiner Zwischenprodukte zum Erliegen kommt. Die wichtigste der anaplerotischen Reaktionen ist die Carboxylierung von Pyruvat zu Oxalacetat im Rahmen der Gluconeogenese. Wichtiger Cofaktor dieser Reaktion ist das Biotin (Abb. A 7.22). Katalysiert wird die Reaktion von der Pyruvat-Carboxylase. Unabhängig davon, wie viele Zwischenprodukte dem Citratzyklus verloren gehen, kann durch die Carboxylierung von Pyruvat zu Oxalacetat immer so viel Startmaterial synthetisiert werden, wie benötigt wird: Der erste Schritt des Citratzyklus, die Synthese des Citrats, erfolgt durch die Reaktion von Oxalacetat mit Acetyl-CoA. Beide Stoffe können in den Mitochondrien aus Pyruvat synthetisiert werden. Oxal-
Biotinabhängige Carboxylierung von Pyruvat zu Oxalacetat
–
O
trat-Dehydrogenase, die α-Ketoglutarat-Dehydrogenase und die Succinat-Dehydrogenase. Lediglich die Aktivität der Malat-Dehydrogenase, des letzten Enzyms des Zyklus, wird nicht reguliert. Einige dieser Enzyme werden durch ADP stimuliert. Wenn in einer Zelle vermehrt ATP zu ADP hydrolysiert wird, ist das akkumulierende ADP also ein Signal an den Citratzyklus, seine Aktivität zu steigern, damit das ADP wieder zu ATP phosphoryliert werden kann. Andererseits werden mehrere der genannten Enzyme durch ATP und durch NADH gehemmt. Wenn beide Coenzyme in hinreichenden Mengen vorhanden sind, kann die Aktivität des Citratzyklus reduziert werden. Mehrere der Enzyme werden auch durch ihr jeweiliges Produkt gehemmt. So wird die Citratsynthase von Citrat gehemmt. In der Literatur finden sich unterschiedliche Angaben zur relativen Bedeutung der verschiedenen regulatorischen Effekte.
▶ Merke.
7.3.5 Auffüllung des Citratzyklus: Anaplerotische Reaktionen
COO
7 Oxidativer Abbau von Pyruvat
COO–
O O +
C
C N
NH
–
CH2
O
O
S
(CH2)4
Carboxybiotin
C
O
Lysin der Pyruvat-Carboxylase
COO
O +
HN
NH O
–
Oxalacetat
S
(CH2)4
C
Lysin der Pyruvat-Carboxylase
Biotin
Pyruvat und Carboxybiotin tauschen untereinander ein CO2 gegen ein Proton aus. Die Carboxylierung des Biotins ist ATP-abhängig.
A
7.3 Der Citratzyklus
acetat entsteht durch Carboxylierung von Pyruvat, Acetyl-CoA entsteht durch Decarboxylierung von Pyruvat. Weitere anaplerotische Reaktionen ergeben sich beim Abbau der Aminosäuren, denn diese werden entweder zu Pyruvat oder Acetyl-CoA oder zu Zwischenprodukten des Citratzyklus abgebaut. Die wichtigste dieser Reaktionen ist die Umwandlung von Glutamat in α-Ketoglutarat. Ein wichtiges Endprodukt des Aminosäureabbaus ist der Harnstoff. Er enthält den Stickstoff, der beim Abbau der Aminosäuren übrig bleibt. Harnstoff wird in der Leber in einem weiteren zyklischen Stoffwechselweg gebildet, dem Harnstoffzyklus (S. 139). Dieser benötigt Aspartat, welches u. a. aus Oxalacetat gebildet wird, das vom Citratzyklus abgezweigt wird. Interessanterweise fällt aber im Harnstoffzyklus Fumarat an, durch das der Citratzyklus gleich wieder aufgefüllt wird.
115
Weitere anaplerotische Reaktionen ergeben sich beim Abbau der Aminosäuren. Am wichtigsten ist die Umwandlung von Glutamat in α-Ketoglutarat. Zur Synthese des Endprodukts des Aminosäureabbaus, Harnstoff, im Harnstoffzyklus (S. 139) wird Oxalacetat aus dem Citratzyklus abgezweigt. Dies wird durch Zufuhr von Fumarat ausgeglichen.
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8.1
Grundlagen
▶ Definition.
A
8 Abbau von Triacylglycerinen und Ketonkörpern
Abbau von Triacylglycerinen und Ketonkörpern
8 8.1 8.2 8.3 8.4 8.5
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Physiologische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hydrolyse von Triacylglycerinen durch Lipasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Was wird aus den Hydrolyseprodukten Glycerin und Fettsäuren? . . . . . . Abbau von Ketonkörpern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.1
116 116 118 121 130
Grundlagen
▶ Definition. Triacylglycerine (Triglyceride, Fette) sind Ester aus einem Molekül Glycerin und drei Fettsäuren (Abb. A 8.1). Sie zählen zu den Lipiden (S. 13). Als Ketonkörper bezeichnet man die Verbindungen Acetoacetat, 3-Hydroxybutyrat und Aceton, die im Stoffwechsel bei länger anhaltendem Nahrungsmangel ausgehend von Fettsäuren gebildet werden (Abb. A 8.2).
A-8.1
A-8.1
Grundstruktur eines Triacylglycerins Esterbindung O CH2 O
C
R1
Häufigste Fettsäure in Position 1 und 3: Palmitinsäure (16 C-Atome) und Stearinsäure (18 C-Atome)
O CH O
CH2 OH CH OH
CH2 O
C
R3
Ketonkörper
O H3C
C
In Position 2 ist häufig eine ungesättigte Fettsäure verestert, z. B.: Ölsäure (18 C-Atome, 1 Doppelbindung) Linolsäure (18 C-Atome, 2 Doppelbindungen) Linolensäure (18 C-Atome, 3 Doppelbindungen)
Triacylglycerin (=Triglycerid)
Glycerin (engl. Glycerol), ein dreiwertiger Alkohol
A-8.2
R2
O
CH2 OH
A-8.2
C
OH
O CH2
C
Acetoacetat
O–
H3C
CH CH2
O
O C O–
3-Hydroxybutyrat
H3C
C
CH3
Aceton
Beachten Sie, dass 3-Hydroxybutyrat im Gegensatz zu Acetoacetat und Aceton kein Keton ist!
8.2
Physiologische Bedeutung
8.2
Physiologische Bedeutung
8.2.1 Triacylglycerine (TAG)
8.2.1 Triacylglycerine (TAG)
TAG erlauben es dem Organismus, umfangreiche, langfristig nutzbare Energiespeicher anzulegen. Die durchschnittlichen Fettreserven eines normal ernährten Erwachsenen reichen aus, um ohne Nahrungsaufnahme 2 – 3 Monate überleben zu können.
Mit TAG kann der Organismus umfangreiche Energiespeicher anlegen, sodass er einen längeren Zeitraum ohne Nahrungsaufnahme überleben kann. Die individuellen Unterschiede im Umfang der angelegten Fettreserven sind erheblich. Der Anteil der TAG an der Körpermasse liegt bei manchen Menschen unter 4 %, bei anderen über 40 %. Die durchschnittlichen Fettreserven eines normal ernährten Erwachsenen (10 – 14 kg) reichen im Prinzip aus, um ohne Nahrungsaufnahme 2 – 3 Monate überleben zu können.
A
117
8.2 Physiologische Bedeutung
Speicherorte der TAG
Speicherorte der TAG
Der weitaus größte Teil der TAG ist in spezialisierten Zellen, den Adipozyten (Fettzellen) gelagert. Hier bilden die TAG im Zytosol große tröpfchenartige Aggregate, die in kleinen Mengen auch Cholesterinester enthalten. In jüngster Zeit hat sich zunehmend abgezeichnet, dass man diesen Lipidtröpfchen („lipid droplets“, LD) im Grunde einen ähnlichen Status wie den Zellorganellen zuschreiben sollte. Anders als Mitochondrien oder Peroxisomen sind sie allerdings nicht von einer Lipiddoppelschicht (einem „lipid bilayer“) umgeben, sondern lediglich von einer einfachen Phospholipidschicht (einem „lipid monolayer“). In diese Lipidschicht ist eine große Zahl an unterschiedlichen Proteinen eingelagert, u. a. Lipasen, die für den Abbau der TAG verantwortlich sind. Die meisten Proteine der Lipidtröpfchen sind bislang kaum charakterisiert. In einer Analyse der Proteine, die mit den Lipidtröpfchen der Taufliege Drosophila assoziiert sind, wurden 248 unterschiedliche Proteine detektiert. Kleinere Lipidtröpfchen lassen sich in fast allen Zellen des Körpers nachweisen. Sie entstehen vermutlich ausgehend von Lipidaggregaten im oder am endoplasmatischen Retikulum. U.a. sind in den Membranen der Lipidtröpfchen auch SNARE-Proteine nachgewiesen worden. Größere Lipidtröpfchen können unter bestimmten Bedingungen in sehr kleine Tröpfchen zerfallen, unter anderen Bedingungen aber auch fusionieren. Wahrscheinlich sind die SNARE-Proteine an diesen Prozessen beteiligt. Prominent sind die Lipidtröpfchen vor allem im weißen und braunen Fettgewebe sowie in der Leber: Die Adipozyten, welche TAG in großen Mengen als Energiespeicher akkumulieren, bilden das „weiße Fettgewebe“. Ihr Zytosol ist oft von einem einzelnen großen Fett-Tropfen ganz an den Rand gedrückt (univakuoläre Fettzellen, Abb. A 8.3 a). Das weiße Fettgewebe dient teilweise auch als Wärmeisolator und als Druckpolster. Es ist zu unterscheiden vom „braunen Fettgewebe“, das in der Regel mehrere kleine Fett-Tröpfchen enthält (plurivakuoläre Fettzellen, Abb. A 8.3 b) und eine ganz andere physiologische Funktion hat. Es kommt in größerem Umfang nur bei Säuglingen vor und dient der Erzeugung von Wärme durch eine hoch-aktive Atmungskette in entkoppelten Mitochondrien (S. 177). Die bräunliche Farbe
Der größte Teil der TAG ist in spezialisierten Zellen, den Adipozyten (Fettzellen) gelagert. In den Zellen bilden TAG definierte Lipidtröpfchen, die von einer einfachen Phospholipidschicht und einer Vielzahl an unterschiedlichen Proteinen umgeben sind. Die meisten dieser Proteine sind bislang kaum charakterisiert.
A-8.3
a
Kleinere Lipidtröpfchen sind in fast allen Zellen des Körpers enthalten. In den Membranen der Lipidtröpfchen sind SNARE-Proteine enthalten.
Die Adipozyten, deren TAG als Energiespeicher dienen, bilden das „weiße Fettgewebe“. Ihr Zytosol ist oft von einem großen Fett-Tropfen ganz an den Rand gedrückt (Abb. A 8.3 a). Das mitochondrienreiche „braune Fettgewebe“ enthält meist mehrere kleine Fett-Tröpfchen (Abb. A 8.3 b), kommt vor allem bei Säuglingen vor und dient der Wärmeerzeugung.
Triacylglycerine (TAG) im histologischen Bild
b
c a Zwei univakuoläre Fettzellen, deren Lipide mittels des lipophilen Farbstoffs Sudan III dargestellt sind. Kernfärbung mit Hämatoxylin. Vergr. 340-fach (aus Bargmann, Histologie und Mikroskopische Anatomie des Menschen, Thieme, 1977). b Plurivakuoläre Fettzellen (Semidünnschnitt, Toluidinblau). N: Zellkern. Beachte die vielen Kapillaranschnitte (Pfeile) zwischen den Fettzellen. Vergr. 480-fach (aus Lüllmann-Rauch, Histologie, Thieme, 2009). c Triacylglycerintröpfchen (Fetttröpfchen, ft) in einer Leberzelle beim Gesunden (aus Plattner, Hentschel; Zellbiologie, Thieme, 2011). d Große Triacylglycerintropfen in Leberzellen bei Fettleber (Hämatoxylinfärbung). Vergr. 100-fach (aus Riede, Werner, Schaefer; Allgemeine und spezielle Pathologie, Thieme, 2004).
d
118
Vorübergehend werden TAG auch in der Leber gespeichert (Abb. A 8.3 c).
▶
Klinik.
A
8 Abbau von Triacylglycerinen und Ketonkörpern
kommt durch die Häm-Gruppen der Cytochrome zustande, die in den vielen Mitochondrien der Zellen enthalten sind. Vorübergehend werden TAG auch in der Leber gespeichert (Abb. A 8.3 c). Normalerweise werden sie überwiegend in Form kleiner Protein-Lipid-Aggregate, der sog. VLDL (very low density lipoproteins) an das Blut abgegeben und dann u. a. von den Fettgeweben aufgenommen (S. 245).
▶
Klinik. Bei chronischem Alkoholabusus ist die Bildung von TAG in der Leber ge-
steigert, die Bildung von VLDL aber erschwert, sodass die Leber verfettet (Abb. A 8.3 d). TAG im Vergleich mit Glykogen
TAG im Vergleich mit Glykogen
TAG sind wesentlich leichter, nehmen wesentlich weniger Raum ein und haben einen höheren Energiegehalt als Glykogen.
Triacylglycerine (TAG) sind wesentlich leichter und nehmen wesentlich weniger Raum ein als Kohlenhydrate (Glykogen). Bezogen auf die gleiche Masse ist der Energiegehalt der TAG mehr als doppelt so hoch wie der Energiegehalt der Kohlenhydrate und Proteine: Er beträgt 37,6 kJ/g für TAG und 16,8 kJ/g für Kohlenhydrate bzw. 16,7 kJ/g für Proteine. Der Unterschied der Volumina ist noch ausgeprägter: 14 kg TAG nehmen ein Volumen von ca. 16 l ein. Um die gleiche Energiemenge zu speichern, müssten 32 kg Glykogen eingesetzt werden, die dann ein Volumen von ca. 85 l einnehmen würden, also etwa das 6-fache des Volumens der TAG. Dagegen ist Glykogen (S. 87) wesentlich schneller verfügbar. Sein Nachteil besteht darin, dass es schnell erschöpft ist: In der Skelettmuskulatur werden maximal ca. 300 g, in der Leber maximal ca. 150 g Glykogen gespeichert. Diese Menge entspricht theoretisch dem Energiebedarf von 1 – 2 Tagen. Tatsächlich setzt eine intensive Nutzung der Fettreserven aber bereits wesentlich früher ein. Verzichtet man etwa morgens auf das Frühstück, sind die Glykogenvorräte bereits nicht mehr ausreichend. Etwa die Hälfte der im Blut zirkulierenden Glucose stammt dann bereits aus der Gluconeogenese, und der Stoffwechsel stellt sich auf eine zunehmende Verwertung der Fettreserven um. Bei körperlicher Anstrengung, etwa bei einer Fahrradtour, setzt die erhöhte Nutzung der Fettreserven bereits nach 1 Stunde ein.
Glykogen ist dagegen deutlich schneller verfügbar. Da es schnell erschöpft ist, werden Fettreserven frühzeitig genutzt: im Fasten nach wenigen Stunden, bei körperlicher Anstrengung bereits nach 1 Stunde.
8.2.2 Ketonkörper
8.2.2 Ketonkörper
Ketonkörper werden innerhalb von 1 – 2 Tagen nach Eintreten von Nahrungsmangel von den Zellen des ZNS zur Energiegewinnung herangezogen.
Ketonkörper werden im Stoffwechsel nur bei länger anhaltendem Nahrungsmangel (S. 262) gebildet. Sie werden ausgehend von Fettsäuren synthetisiert und u. a. von den Zellen des ZNS aufgenommen und zur Energiegewinnung herangezogen. Das Gehirn stellt sich innerhalb von 1 – 2 Tagen nach Beginn des Nahrungsmangels auf eine Nutzung von Ketonkörpern ein.
▶ Merke.
Ketonkörper werden zu Acetyl-CoA abgebaut → Citratzyklus.
▶ Merke.
8.3
Hydrolyse von Triacylglycerinen durch Lipasen
Lipasen: Verschiedene Lipasen hydrolysieren die Esterbindungen in TAG: Die Pankreaslipase (S. 193) wirkt im Dünndarm. Die Lipoproteinlipase (S. 246) auf der Oberfläche der Kapillarendothelzellen baut TAG der Lipoproteine ab.
▶ Merke.
Während das Gehirn bei normaler Ernährung pro Tag ca. 150 g Glucose verbraucht, ist der Verbrauch beim Fasten auf ca. 50 g (= ca. 1/3) reduziert. Die Differenz wird ausschließlich durch die Aufnahme und den Abbau von Ketonkörpern kompensiert. Die Ketonkörper werden im Gehirn zu Acetyl-CoA abgebaut, welches dem Citratzyklus (S. 106) zugeführt wird.
▶ Merke.
Auch in vielen anderen extrahepatischen Geweben sind Ketonkörper in Hungerzeiten wichtige Energielieferanten, u. a. in der Herz- und Skelettmuskulatur.
8.3
Hydrolyse von Triacylglycerinen durch Lipasen
Lipasen: Lipasen katalysieren den Abbau der TAG durch Hydrolyse der Esterbindungen. Lipasen sind in unterschiedlichen physiologischen Zusammenhängen von Bedeutung: Die Pankreaslipase dient der Verdauung der TAG im Dünndarm (S. 193). Die Lipoproteinlipase auf der Oberfläche der Endothelzellen der Blutkapillaren katalysiert die Hydrolyse der TAG, die in den Lipoproteinen enthalten sind. Ihr wird eine zentrale Funktion im Abbau der VLDL zugeschrieben (S. 246).
A
119
8.3 Hydrolyse von Triacylglycerinen durch Lipasen
Im Fettgewebe wirken mehrere Lipasen, u. a. die hormonsensitive Lipase.
Am Abbau der TAG der Fettgewebe (Lipolyse) sind nach neueren Daten mehrere Lipasen beteiligt. Unter diesen ist die hormonsensitive Lipase am bekanntesten. Hydrolyseprodukte: Letztlich entstehen Glycerin und freie Fettsäuren.
Hydrolyseprodukte sind Glycerin und freie Fettsäuren. An der Lipolyse der Triacylglycerine im Fettgewebe sind mindestens drei verschiedene Enzyme beteiligt (Abb. A 8.4): Die Adipose Triglyceride Lipase (ATGL) katalysiert die Ablösung der Fettsäure in Position 1, sodass ein Diacylglycerin (= Diglycerid) entsteht. Die hormonsensitive Lipase (HSL) katalysiert die Ablösung der Fettsäure der Position 3, sodass ein Monoacylglycerin entsteht. Die Monoacylglycerin-Lipase (MGL) katalysiert die Hydrolyse der Esterbindung in Position 2, sodass Glycerin entsteht.
Lipolyse der Triacylglycerine im Fettgewebe: Die hormonsensitive Lipase war bereits in den 60er-Jahren identifiziert worden. Mehrere Jahrzehnte lang galt sie als das entscheidende Enzym, das als Antwort auf eine Ausschüttung von Adrenalin den Abbau der TAG katalysiert. Erst 2004 zeigten neue Studien, dass an der Lipolyse im Fettgewebe tatsächlich mindestens drei verschiedene Enzyme beteiligt sind (Abb. A 8.4): Im ersten Schritt der Lipolyse wird von den TAG zunächst spezifisch die Fettsäure der Position 1 abgelöst. Die Reaktion wird von der neu entdeckten Adipose Triglyceride Lipase (ATGL) katalysiert. Die Triacylglycerine (= Triglyceride) werden so zu Diacylglycerinen (= Diglyceriden) abgebaut. Erst im zweiten Schritt greift nun die hormonsensitive Lipase (HSL) ein. Sie ist wesentlich für die Ablösung der Fettsäure der Position 3 verantwortlich. Sie katalysiert im Fettgewebe primär den Abbau von Diacylglycerinen zu Monoacylglycerinen. Ihre Spezifität ist vergleichsweise gering, und sie ist auch am Abbau verschiedener anderer Lipide beteiligt, etwa am intrazellulären Abbau von Cholesterinestern. Der letzte Schritt der Lipolyse wird von der Monoacylglycerin-Lipase (MGL) katalysiert. Sie vermittelt die Hydrolyse der Esterbindung in Position 2. Erst in dieser Reaktion entsteht Glycerin.
Lipolyse der Triacylglycerine im Fettgewebe
A-8.4
O C
H2C O
(CH2)n
CH3
(CH2)n
CH3
(CH2)n
CH3
Freisetzung der Fettsäure in Position 1
O HC O
C C
HC O Adipose Triglyceride Lipase (ATGL)
C
O (CH2)n
CH3
(CH2)n
CH3
O H2C O
C
HC O hormonsensitive Lipase (HSL)
C
(CH2)n
H2C OH
Hormonelle Regulation der Lipolyse im Fettgewebe: Die Lipolyse der Adipozyten ist in die Regulation des Energiestoffwechsels eingebunden (Abb. A 8.5 und S. 563): Wenn der Energiebedarf im Organismus steigt, wird das Katecholamin Adrenalin ausgeschüttet. An der Außenseite der Adipozyten bindet es an Adrenalinrezeptoren vom Typ β2 und löst dadurch eine Aktivierung der Adenylatzyklase und eine erhöhte cAMP-Konzentration aus. cAMP, zyklisches Adenosinmonophosphat, wird ausgehend von ATP synthetisiert, es dient als intrazelluläres Hungersignal. In den Adipozyten bewirkt es eine Steigerung der Lipolyse. Wenn das Angebot an Energieträgern im Blut steigt, z. B. im Anschluss an eine Mahlzeit, wird im Pankreas Insulin ausgeschüttet. Zu den vielfältigen Wirkungen
A-8.5
Freisetzung der Fettsäure H2C OH in Position 2
H2C OH
O
O H2C O
Freisetzung der Fettsäure in Position 3
H2C OH
Regulation der Lipolyse im Fettgewebe über cAMP
steigender Energiebedarf des Organismus
steigendes Angebot an Energieträgern im Blut
Freisetzung von Adrenalin
Freisetzung von Insulin
Aktivierung der Adenylatzyklase in den Fettzellen, Bildung von cAMP
Aktivierung der Phosphodiesterase in den Fettzellen, Abbau von cAMP
Steigerung der Lipolyse
Hemmung der Lipolyse
CH3
HC OH MonoacylglycerinLipase (MGL)
H2C OH
Hormonelle Regulation der Lipolyse im Fettgewebe: Adrenalin löst in den Fettzellen eine Erhöhung der cAMP-Konzentration aus. cAMP aktiviert die Proteinkinase A (PKA), dieses phosphoryliert und aktiviert die hormonsensitive Lipase. Details s. Abb. A 8.5 und S. 563.
A-8.5
120
A
An der Regulation der Lipolyse sind mehrere Signalwege beteiligt.
Bei intensiver körperlicher Aktivität wird die Lipolyse in erheblichem Umfang vom Atrialen Natriuretischen Peptid (ANP) stimuliert. Second Messenger des ANP ist nicht cAMP sondern cGMP.
Das Protein Perilipin ist mit den Lipidtröpfchen assoziiert. Es wird u. a. von den Proteinkinasen PKA und PKG phosphoryliert und ist an der Regulation der Lipolyse beteiligt. Das Protein CGI-58 ist ein potenter Aktivator der ATGL.
8 Abbau von Triacylglycerinen und Ketonkörpern
des Insulins zählt u. a. die Aktivierung einer Phosphodiesterase, die den Abbau des cAMP katalysiert. Entsprechend wird die Lipolyse in den Adipozyten gehemmt. Eine Schlüsselfunktion kommt in diesem Regelkreis offenbar dem cAMP als dem entscheidenden Second Messenger zu. Wenn die cAMP-Konzentration steigt, aktiviert dieses die Proteinkinase A (PKA). Die PKA phosphoryliert und aktiviert dann die hormonsensitive Lipase. Zumindest indirekt ist die PKA auch an der Aktivierung der Adipose Triglyceride Lipase (ATGL) beteiligt. Für die Monoacylglycerin-Lipase hat sich hingegen noch kein regulatorischer Mechanismus nachweisen lassen. In jüngster Zeit ist zunehmend deutlich geworden, dass an der Regulation der Lipolyse nicht nur das Adrenalin und das cAMP/PKA-System beteiligt ist: Parallel zum Adrenalin hat auch das Atriale Natriuretische Peptid (ANP) eine bedeutende Funktion in der Auslösung einer verstärkten Lipolyse. Dabei handelt es sich um ein kleines Peptidhormon, das aus 28 Aminosäuren besteht, sein Rezeptor wird als A-Rezeptor bezeichnet. Der intrazelluläre Second Messenger des ANP ist nicht cAMP, sondern cGMP. Dieses aktiviert die Kinase PKG, die ähnlich der PKA an der Phosphorylierung der hormonsensitiven Lipase beteiligt ist. Das ANP ist vor allem bei intensiver körperlicher Aktivität für die verstärkte Lipolyse verantwortlich. In den Adipozyten gibt es zudem eine Kinase, die nicht von cAMP, sondern von AMP (Adenosin-5'-monophosphat) aktiviert wird. Diese AMP-abhängige Kinase (AMPK) ist ebenfalls an der Regulation der Lipolyse beteiligt. In der aktuellen Forschung konzentriert man sich zunehmend auf die Frage, welche Rolle beim Abbau der TAG die vielen Proteine spielen, die mit den Lipidtröpfchen assoziiert sind. Am bekanntesten ist das Protein Perilipin, das von der PKA und der PKG phosphoryliert wird und an der Regulation der hormonsensitiven Lipase beteiligt ist. Die genaue Funktion des Perilipins ist aber noch nicht befriedigend geklärt. Das Perilipin gehört zu einer Familie ähnlicher Proteine, die ebenfalls mit den Lipidtröpfchen assoziiert sind. Eine bedeutende regulatorische Rolle spielt auch das membranassoziierte Protein CGI-58. Der Name entstand als Abkürzung von „co-activator comparative gene identification 58“. Es ist ein sehr potenter Aktivator der ATGL. Sowohl die hormonsensitive Lipase als auch die ATGL sind teilweise mit den Lipidtröpfchen assoziiert, teilweise sind sie aber auch im Zytosol verteilt. Eine verstärkte Lipolyse ist immer auch mit einer Verlagerung dieser Lipasen an die Oberfläche der Lipidtröpfchen verbunden. Die Proteine Perilipin und CGI-58 regulieren nicht nur die Aktivität, sondern auch die Lokalisation der Lipasen in der Zelle.
▶ Exkurs. Adipokine und die Entwicklung von Atherosklerose, Typ-II-Diabetes und Krebserkrankungen Die Lipolyse im Fettgewebe wird im Wesentlichen durch Hormone Hormone sowie die immunologisch aktiven Proteine (sog. Zytokine) gesteuert, die außerhalb des Fettgewebes sezerniert werden. Anderer- werden mitunter pauschal als Adipokine bezeichnet. Daneben wird seits wird aber auch eine Vielzahl von Mediatoren im Fettgewebe diskutiert, den Begriff „Adipokine“ auf die immunologisch aktiven Prosynthetisiert und ans Blut abgegeben: das Fettgewebe ist also selbst teine zu beschränken. ein endokrines Organ (Abb. A 8.6). Die vom Fettgewebe produzierten A-8.6
Das Fettgewebe im System der hormonellen Regulation (Bild: © creativ collection)
Hormone, die auf das Fettgewebe einwirken Lipolyse↑ durch
Hormone und Adipokine, die vom Fettgewebe abgegeben werden Leptin Angiotensinogen/Angiotensin II
Adrenalin
Östrogene
Atriales Natriuretisches Peptid (ANP) Lipolyse↓ durch Insulin
TNFα, IL-6, IL-1β (Entzündungsmediatoren) Adiponektin (entzündungshemmend)
▶
A
Wichtige, vom Fettgewebe produzierte Mediatoren: Von Adipozyten wird Leptin synthetisiert, ein vergleichsweise großes Peptidhormon von 18,6 kDa, das aus 167 Aminosäuren besteht. Es signalisiert dem Gehirn, dass die Energiespeicher des Körpers hinreichend aufgefüllt sind (S. 270). Je mehr TAG im Fettgewebe gespeichert sind, desto mehr Leptin wird an das Blut abgegeben. Nicht nur von der Leber, sondern – in geringerem Umfang – auch von Adipozyten wird das Protein Angiotensinogen gebildet und an das Blut abgegeben. Teilweise bereits im Fettgewebe entsteht als Abbauprodukt des Angiotensinogens das 8-Aminosäuren-Peptid Angiotensin II. Dieses bewirkt zunächst eine generelle Blutdrucksteigerung. Im Fettgewebe scheint es zudem die Wirkung von Entzündungsmediatoren zu verstärken: Im Fettgewebe werden die Proteine TNFα, Interleukin 6 (IL-6) und Interleukin 1β (IL-1β) freigesetzt. Dabei handelt es sich um die drei wichtigsten Entzündungsmediatoren des Immunsystems, die eine systemische (auf den gesamten Körper bezogene) Wirkung haben (S. 689 und S. 692). TNFα, IL-1β und IL-6 werden überwiegend von den Makrophagen des Fettgewebes sezerniert, teilweise aber auch von den Adipozyten. Bei Adipositas nimmt die Zahl der Makrophagen im Fettgewebe erheblich zu. Schließlich produzieren Adipozyten auch bestimmte Steroidhormone, nämlich Östrogene. Bei Frauen ist das Fettgewebe nach der Menopause der wichtigste Syntheseort für Östrogene. Bei Männern werden generell etwa 90 % der Östrogene außerhalb der Gonaden synthetisiert, dabei ist das Fettgewebe eine wichtige Quelle für diese Hormone. Die Adipozyten nehmen Vorstufen (Androgene, etwa aus der Nebenniere) aus dem Blut auf und wandeln diese mithilfe des Enzyms Aromatase in Östrogene um (S. 590 und Abb. D-3.25). Adipositas und die sog. Zivilisationskrankheiten: Adipositas und Atherosklerose: Aus epidemiologischen Studien ist seit langer Zeit bekannt, dass Adipositas (Fettleibigkeit, engl. obesity) mit einem erhöhten Risiko von Atherosklerose (Arteriosklerose) verbunden ist (S. 48). Lange Zeit war aber ungeklärt, wie Fettgewebe einen Einfluss auf Prozesse haben kann, die – weit entfernt – in den Herzkranzgefäßen oder in den Gefäßen des Gehirns ablaufen. Inzwischen zeichnet sich ab, dass hier die vom Fettgewebe produzierten Mediatoren eine wichtige Rolle spielen: – Oft entwickelt sich eine Atherosklerose ausgehend von kleinen Schädigungen der Gefäßwände, die sich bei einem Bluthochdruck ergeben. Vermutlich wird der Bluthochdruck bei Adipositas durch das Angiotensinogen verstärkt, das im Fettgewebe produziert und zu Angiotensin II umgesetzt wird. – In jedem Fall handelt es sich bei der Entwicklung einer Atherosklerose um einen entzündlichen Prozess in der Intima der betroffenen Gefäße. Bei Adipositas wird der Körper durch die gesteiger-
8.4
121
8.4 Was wird aus den Hydrolyseprodukten Glycerin und Fettsäuren?
– te Ausschüttung der Entzündungsmediatoren TNFα, IL-6 und IL1β im Fettgewebe in den Zustand einer ständigen leichten Entzündung versetzt (engl. low grade inflammation), durch den auch Entzündungsprozesse in der Intima der Gefäße verstärkt werden. – In den Adipozyten des Fettgewebes wird Adiponektin sezerniert, ein Peptidhormon von 24,5 kDa, das entzündungshemmend wirkt und die Entwicklung einer Atherosklerose verlangsamt. Allerdings wird das Adiponektin in signifikanten Mengen nur vom Fettgewebe schlanker Menschen ausgeschüttet. Bei Adipositas wird Adiponektin leider nur in wesentlich vermindertem Umfang produziert. Adipositas und Typ-2-Diabetes: Auffällig häufig entwickelt sich bei älteren Menschen mit Adipositas ein Diabetes vom Typ 2. Bei dieser weit verbreiteten Form des Diabetes wird in der Bauchspeicheldrüse zwar weiterhin Insulin an das Blut abgegeben, dieses hat in den Zielgeweben aber keine ausreichende Wirkung mehr, es liegt eine Insulinresistenz vor. Generell wird Insulin ausgeschüttet, wenn im Blut die Konzentration der Glucose zunimmt. Im Fettgewebe hat das Insulin dann normalerweise die Aufgabe, die Insertion von Glucose-Transportproteinen vom Typ GLUT 4 in die Plasmamembran der Adipozyten zu stimulieren. GLUT 4 ermöglicht es dann den Adipozyten, Glucose aus dem Blut aufzunehmen. Bereits seit mehreren Jahren ist bekannt, dass die Entzündungsmediatoren TNFα, IL-6 und IL-1β die Fähigkeit des Fettgewebes herabsetzen, auf Insulin mit einer verstärkten Aufnahme von Glucose zu reagieren. Neuere Daten weisen darauf hin, dass Entzündungsmediatoren in Adipozyten die Signalwirkung des Insulins stören können. Zudem können die gleichen Mediatoren in Adipozyten auch die Synthese des GLUT 4 unterdrücken. Die Adipozyten haben dann die Fähigkeit verloren, auf das Insulin mit einer Aufnahme von Glucose zu reagieren. Derzeit wird in klinischen Studien untersucht, ob sich die Insulinresistenz bei Typ-2-Diabetes durch entzündungshemmende Wirkstoffe vermindern lässt. Adipositas und Krebserkrankungen: Seltsamerweise ist Adipositas auch mit einer Zunahme von Krebserkrankungen verbunden. Dieser Zusammenhang ist insbesondere für den Brustkrebs gegeben. Auch in diesem Fall scheinen die Mediatoren und Hormone des Fettgewebes eine entscheidende Rolle zu spielen. Es wurde nachgewiesen, dass Leptin und Östrogene die Entwicklung und das Wachstum von Brustkrebszellen förderm, während Adiponektin eher eine hemmende Wirkung hat. Merke: Die drei wichtigsten Ursachen vermeidbarer Erkrankungen und Todesfälle in den Industrieländern sind: 1. Rauchen, 2. Alkoholismus und 3. Adipositas.
Was wird aus den Hydrolyseprodukten Glycerin und Fettsäuren?
▶ Merke.
95 % der in TAG gespeicherten Energie werden beim Abbau der Fettsäuren frei, nur 5 % beim Abbau des Glycerins.
8.4.1 Abbau von Glycerin In der Leber (Hepatozyten) wird das aufgenommene Glycerin in Dihydroxyacetonphosphat umgewandelt und in die Glykolyse eingespeist (S. 70). Bei Nahrungsmangel wird es der Neusynthese von Glucose (Gluconeogenese, S. 212) zugeführt. Die Überführung des Glycerins in Dihydroxyacetonphosphat erfolgt in zwei Schritten (Abb. A 8.7): 1. Die Glycerin-Kinase katalysiert eine Phosphorylierung des Glycerins zu Glycerin3-phosphat.
8.4
Was wird aus den Hydrolyseprodukten Glycerin und Fettsäuren?
▶ Merke.
8.4.1 Abbau von Glycerin In der Leber (Hepatozyten) wird Glycerin zu Dihydroxyacetonphosphat umgesetzt und der Glykolyse oder der Gluconeogenese zugeführt. Der Abbau des Glycerins erfolgt in zwei Schritten (Abb. A 8.7): 1. Phosphorylierung zu Glycerin-3-phosphat
122 A-8.7
A
8 Abbau von Triacylglycerinen und Ketonkörpern
Abbau des Glycerins zu Dihydroxyacetonphosphat
A-8.7
ATP
H2C OH
ADP
H2C OH
HC OH
NAD
NADH + H
H2C OH
GlycerinKinase
Glycerin
H2C O
H2C OH C
HC OH PO32
Glycerin-3-phosphat
Glycerin-3-phosphatDehydrogenase
O
H2C O
PO32
Dihydroxyacetonphosphat
2. Oxidation zu Dihydroxyacetonphosphat
2. Anschließend katalysiert eine NAD+-abhängige Glycerin-3-phosphat-Dehydrogenase die Oxidation zu Dihydroxyacetonphosphat.
Adipozyten enthalten keine Glycerin-Kinase. Sie geben Glycerin an das Blut ab.
Adipozyten enthalten keine Glycerin-Kinase. Sie geben das gesamte Glycerin, das bei der Hydrolyse von TAG (= Lipolyse) entsteht, an das Blut ab und stellen es so dem Stoffwechsel des gesamten Organismus zur Verfügung.
8.4.2 Abbau der Fettsäuren (β-Oxidation)
8.4.2 Abbau der Fettsäuren (β-Oxidation)
Grundlagen
Grundlagen
Fettsäuren werden u. a. von der Skelettmuskulatur und dem Herzmuskel aufgenommen.
Fettsäuren sind in wässriger Umgebung nur schlecht löslich. Im Blut können sie nur transportiert werden, weil sie dort an bestimmte Proteine, die Albumine, gebunden sind. Fettsäuren werden von verschiedenen Geweben aufgenommen, u. a. von der Skelettmuskulatur und dem Herzmuskel.
Prinzip der β-Oxidation: Das β-C-Atom eines Acyl-CoA wird oxidiert und von der SH-Gruppe eines freien Coenzym A angegriffen. Dabei entstehen ein verkürztes Acyl-CoA, AcetylCoA, NADH und FADH2 (Abb. A 8.8).
Prinzip der β-Oxidation: Fettsäuren werden in einem zyklischen Stoffwechselweg der mitochondrialen Matrix im Wesentlichen durch Oxidation abgebaut, d. h. durch Entzug von Elektronen. Diese werden anschließend von der Atmungskette zum Aufbau des mitochondrialen Protonengradienten verwendet. Während der β-Oxidation sind die Fettsäuren ausnahmslos mit Coenzym A verbunden (Abb. A 8.8): Das β-C-Atom eines Acyl-CoA (= einer an Coenzym A gebundenen Fettsäure) wird zu einer Carbonylgruppe oxidiert (= „β-Oxidation“) und anschließend von der SHGruppe eines freien Coenzym A angegriffen. Das β-C-Atom löst sich mitsamt des hydrophoben Rests der Fettsäure unter Bildung eines um zwei C-Atome verkürzten Acyl-CoA ab. Vom ursprünglichen Acyl-CoA bleibt dabei das Coenzym A zusammen mit den ersten beiden C-Atomen übrig, also ein Acetyl-CoA.
A-8.8
Prinzip der β-Oxidation
A-8.8
O H 3C
(CH2)n
CH2
CH2
C
3 =β
2 =α
1
Position:
O H 3C
C
(CH2)n
S
CoA
Oxidation des β-C-Atoms in drei Schritten: · FAD-abhängige Oxidation · Anlagerung von H2O · NAD+-abhängige Oxidation
O CH2
C
CoA
= Acyl–CoA
S
CoA
SH
Thioklastische Spaltung durch Reaktion mit freiem Coenzym A
O O H 3C
(CH2)n
C
S
H3C + CoA
C
S
CoA = Acetyl–CoA
= verkürztes Acyl–CoA
neuer Reaktionszyklus
▶ Merke.
▶ Merke. Pro Reaktionszyklus wird von der abzubauenden Fettsäure ein AcetylCoA (= 2 C-Atome) abgespalten (Abb. A 8.8). Zum Abbau der Palmitinsäure (16 CAtome) sind demnach 7 Reaktionszyklen erforderlich. Endprodukt des Fettsäureabbaus ist Acetyl-CoA. Zusätzlich entstehen NADH und FADH2.
A
123
8.4 Was wird aus den Hydrolyseprodukten Glycerin und Fettsäuren?
Beteiligte Enzyme: Wie im Citratzyklus (S. 103) sind beim Abbau der Fettsäuren Dehydrogenasen die entscheidenden Enzyme. Auch hier kommen nur zwei Typen von Oxidationen infrage: NAD+-abhängige Oxidation von HO-C-H-Gruppen und FAD-abhängige Oxidation von -CH2-CH2-Gruppen.
Beteiligte Enzyme: Die entscheidenden Enzyme sind Dehydrogenasen. Sie oxidieren HO-C-H-Gruppen (NAD+-abhängig) oder -CH2-CH2-Gruppen (FAD-abhängig).
Bedeutung: Der Sinn der β-Oxidation besteht v. a. in der Bereitstellung der Elektronen, die in Form von NADH und FADH2 zur Atmungskette transportiert werden können (zu Details siehe Exkurs auf S. 75).
Bedeutung: Die β-Oxidation stellt in Form von NADH und FADH2 Elektronen bereit, die zur Atmungskette transportiert werden.
▶ Exkurs. Der Entdecker der β-Oxidation: Franz Knoop Die Entdeckung, dass Fettsäuren grundsätzlich in Einheiten von jeweils zwei C-Atomen abgebaut werden, machte bereits 1904 der Tübinger Biochemiker Franz Knoop (Abb. A 8.9). Er fütterte Hunde mit Fettsäuren, die an ihrem ω-Ende (dem von der Carboxylgruppe aus gesehen letzten C-Atom) mit einer Phenylgruppe markiert waren, und analysierte die Abbauprodukte. Von Fettsäuren mit einer geraden Zahl an C-Atomen blieb als Abbauprodukt stets Phenylacetat, von Fettsäuren mit einer ungeraden Zahl an C-Atomen Benzoesäure übrig. Knoop schloss hieraus, dass der Abbau der Fettsäuren über eine Oxidation der β-C-Atome abläuft. Er war mit diesen Versuchen der Erste, der eine künstliche Markierung einsetzte, um die Stoffwechselprodukte eines Metaboliten identifizieren und analysieren zu können. Später entdeckte er u. a. wichtige Schritte des Citratzyklus. A-8.9
▶ Exkurs.
Franz Knoop (1875 – 1946) (mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. K. Decker, Freiburg)
Import der Fettsäuren in die Mitochondrien
▶ Merke.
Fettsäuren werden in der mitochondrialen Matrix abgebaut. Kurzkettige Fettsäuren (Länge < 10 C-Atome) diffundieren vermutlich frei in die Mitochondrien, längere Fettsäuren können erst nach Bindung an Carnitin durch die mitochondrialen Membranen transportiert werden.
Der Import von Fettsäuren einer Länge ≥ 10 C-Atome in die Mitochondrien erfordert daher mehrere Schritte (Abb. A 8.10). Die ersten beiden Schritte werden von einer Gruppe von Acyl-CoA-Synthetasen katalysiert, die sich lediglich in ihrer Spezifität für Fettsäuren bestimmter Länge unterscheiden: 1. Aktivierung der Fettsäure: Fettsäuren sind sehr reaktionsträge. Um eine Reaktion eingehen zu können, müssen sie aktiviert, d. h. es muss ihnen Energie zugeführt werden. Dies geschieht im Zytosol bei der Reaktion der Fettsäure mit ATP. Dabei wird eine energiereiche Anhydridbindung des ATP gespalten, es entstehen AcylAMP (= „Acyl-Adenylat“ [Acyl-Adenosinmonophosphat]) und anorganisches Pyrophosphat (= Diphosphat). Im Acyl-AMP ist die Acylgruppe (= eine CH2-Kette mit einer Carbonylgruppe am Ende) mit der Phosphatgruppe des AMP verbunden. 2. Bildung von Acyl-CoA: Die Acylgruppe des Acyl-AMP wird dann – katalysiert von den gleichen Enzymen – auf Coenzym A übertragen. Dabei entsteht Acyl-CoA, und AMP bleibt übrig. Parallel wird das Pyrophosphat in einfaches Phosphat gespalten. Die Energie, die ursprünglich in der Triphosphatgruppe des ATP enthalten war, ist nun weitgehend in der energiereichen Thioesterbindung des AcylCoA gespeichert.
Import der Fettsäuren in die Mitochondrien
▶ Merke.
Fettsäuren einer Länge ≥ 10 C-Atome gelangen in folgenden Schritten in die Mitochondrien (Abb. A 8.10): 1. Aktivierung der Fettsäure im Zytosol durch Reaktion mit ATP: Dabei entstehen Acyl-AMP und Pyrophosphat.
2. Bildung von Acyl-CoA, das eine energiereiche Thioesterbindung aufweist.
124
3. Übertragung der Acylgruppe auf Carnitin an der äußeren Oberfläche der Mitochondrien durch die Carnitin-Acyltransferase 1. Dabei entsteht Acylcarnitin. 4. Import von Acylcarnitin in die Mitochondrien: Den Transport durch die Innenmembran vermittelt die Carnitin-Acylcarnitin-Translokase.
5. Übertragung der Acylgruppe auf AcylCoA: In der Matrix überträgt die CarnitinAcyltransferase 2 die Acylgruppe von Carnitin auf Coenzym A. Carnitin wird ins Zytosol exportiert. Das Acyl-CoA steht nun für die β-Oxidation zur Verfügung.
A
8 Abbau von Triacylglycerinen und Ketonkörpern
Die Acyl-CoA-Synthetasen katalysieren also sowohl die Bildung des Acyl-AMP, als auch die sich anschließende Bildung des Acyl-CoA. 3. Übertragung der Acylgruppe auf Carnitin: Die Acylgruppe wird an der äußeren Oberfläche der Mitochondrien auf die OH-Gruppe des Carnitins übertragen, katalysiert von der Carnitin-Acyltransferase 1. Durch Knüpfung einer Esterbindung entsteht Acylcarnitin. 4. Import von Acylcarnitin in die Mitochondrien: Acylcarnitin gelangt zunächst auf nicht genau bekannten Wegen durch die äußere Mitochondrienmembran in den Intermembranraum. Der Transport durch die mitochondriale Innenmembran wird von der Carnitin-Acylcarnitin-Translokase vermittelt. Dieses Protein gehört zur Familie der mitochondrialen Metabolit-Translokatoren (Transportproteine, engl. carrier) und ist somit u. a. mit dem ADP/ATP-Translokator (S. 175) verwandt. 5. Übertragung der Acylgruppe auf Coenzym A: In der Matrix, dem mitochondrialen Innenraum, wird die Acylgruppe durch die Carnitin-Acyltransferase 2 vom Carnitin abgelöst und wieder auf Coenzym A übertragen. Während das Carnitin zurück in das Zytosol exportiert wird, steht das Acyl-CoA nun für die β-Oxidation zur Verfügung.
A-8.10
A-8.10
Import längerer Fettsäuren (Länge ≥ 10 C-Atome) in die Mitochondrien O
Carnitin
C a
CoA
CoA Carnitin-Acyltransferase 1
Acyl-CoA
O C
CH3 H3C
N
CH2
CH3
CH
CH2
COO–
OH
Carnitin
Acylcarnitin
O
Carnitin
+ R
C
CoA
CarnitinAcylcarnitinTranslokase
mitochondriale Innenmembran
CoA CH3 H3C
b
N
CH2
Carnitin CH
CH3
O
Acylcarnitin
C R
CH2
CarnitinAcyltransferase 2
COO–
O C
O + CoA
CoA
Acyl-CoA
a Bildung und Transport des Acylcarnitins. b Struktur des Acylcarnitins.
▶
Klinik.
β-Oxidation gesättigter, geradzahliger Fettsäuren
▶ Überblick.
▶ Klinik. Bei einem Defekt der Carnitin-Acyltransferase 1 oder 2, bei Defekt der Carnitin-Acylcarnitin-Translokase oder bei Carnitinmangel können längere Fettsäuren nicht in die Mitochondrien importiert werden. Da der Fettsäureabbau insbesondere für die Skelettmuskulatur und den Herzmuskel eine wichtige Energiequelle darstellt, betrifft der Defekt bzw. Mangel vorrangig diese Gewebe: Charakteristisch ist eine generalisierte, fortschreitende Muskelschwäche. Betroffene Kinder lernen verspätet Laufen, Erwachsene haben z. B. Schwierigkeiten beim Treppensteigen. Mitunter entwickelt sich auch eine Verdickung des Herzmuskels (hypertrophe Kardiomyopathie) mit herabgesetzter körperlicher Belastbarkeit.
β-Oxidation gesättigter, geradzahliger Fettsäuren
▶ Überblick. Die Oxidation des β-C-Atoms einer gesättigten, geradzahligen, an Coenzym A gebundenen Fettsäure läuft in den folgenden vier Schritten ab (Abb. A 8.11): 1. Einfügen einer Doppelbindung zwischen α- und β-C-Atom 2. Anlagerung von Wasser zur Bildung einer OH-Gruppe
A
125
8.4 Was wird aus den Hydrolyseprodukten Glycerin und Fettsäuren?
3. NAD+-abhängige Oxidation des β-C-Atoms zur Carbonylgruppe 4. Reaktion des oxidierten β-C-Atoms mit Coenzym A Das nun um zwei C-Atome verkürzte Acyl-CoA durchläuft diesen Zyklus so oft, bis die gesamte Acylgruppe zu Acetyl-CoA abgebaut ist. Der Abbau ungesättigter und ungeradzahliger Fettsäuren folgt dem gleichen Schema, erfordert aber eine Beteiligung zusätzlicher Enzyme.
Schritt 1: Einfügen einer Doppelbindung zwischen α- und β-C-Atom Die Acylgruppe des Acyl-CoA zeigt zunächst nur eine Kette von -CH2-CH2-Einheiten. Damit ist die Acylgruppe offensichtlich am ehesten für eine FAD-abhängige Oxidation geeignet. Tatsächlich katalysiert eine FAD-abhängige Dehydrogenase die Bildung einer Doppelbindung zwischen den C-Atomen der Positionen α und β. Wie auch sonst üblich, wird die Dehydrogenase nach ihrem Substrat benannt, es ist also die Acyl-CoA-Dehydrogenase. Die bei der Oxidation anfallenden Elektronen werden in Form von FADH2 aufgefangen.
▶ Merke.
Die Doppelbindung wird an der Stelle eingeführt, an der sich später die endständigen C-Atome der Positionen 1 und 2 in Form von Acetyl-CoA abspalten sollen. Diese Stelle ist die Bindung zwischen den C-Atomen 2 und 3. Die alternative Nomenklatur der griechischen Buchstaben definiert als α-C-Atom das erste C-Atom neben der endständigen Carboxyl- bzw. neben der Carbonylgruppe. Damit entspricht die Bindung zwischen den C-Atomen 2 und 3 der Bindung zwischen den C-Atomen α und β.
Die der Doppelbindung benachbarten chemischen Gruppen zeigen nicht, wie es für ungesättigte Fettsäuren charakteristisch ist (S. 44), zur gleichen Seite, sondern in entgegengesetzte Richtung. Sie stehen also in trans-Stellung. Das Reaktionsprodukt
Die Reaktionsschritte der β-Oxidation
A-8.11
H H3C
(CH2)n
H
S
CoA
H
enzymgebundenes FAD
Acyl-CoA (Fettsäure, über Thioesterbindung an Coenzym A gebunden)
Acyl-CoA-Dehydrogenase
FADH2 H O H3C
(CH2)n
C
Cα C
β
S
CoA
trans-∆2-Enoyl-CoA
H H2O OH H3C
(CH2)n
Enoyl-CoA-Hydratase
O
C β CH2 α
C
S
CoA
3-Hydroxyacyl-CoA
H freies NAD+
3-Hydroxyacyl-CoA-Dehydrogenase
NADH O H3C
(CH2)n
CoA
C β
O CH2 α
C
S
SH
CoA
(CH2)n
3-Ketoacyl-CoA
3-Keto-Thiolase (= β-Ketoacyl-CoA-Thiolase) O
H3C
O +
C S
H3 C C
S
CoA
CoA
Acyl-CoA um 2 C-Atome verkürzt
Um die Abspaltung der C-Atome 1 und 2 der Fettsäure als Acetyl-CoA vorzubereiten, wird an der zukünftigen Spaltstelle eine Doppelbindung eingefügt. Enzym: Acyl-CoA-Dehydrogenase
▶ Merke.
Das Reaktionsprodukt heißt trans-EnoylCoA.
A-8.11
H O
Cβ Cα C
Schritt 1: Einfügen einer Doppelbindung zwischen α- und β-C-Atom
Acetyl-CoA
126
A
8 Abbau von Triacylglycerinen und Ketonkörpern
enthält eine -HC = CH-Gruppe mit benachbarter Carbonylgruppe, d. h. eine Enoylgruppe, und wird deshalb als trans-Enoyl-CoA bezeichnet. Schritt 2: Anlagerung von Wasser zur Bildung einer OH-Gruppe
Schritt 2: Anlagerung von Wasser zur Bildung einer OH-Gruppe
Enzym: Enoyl-CoA-Hydratase. Das Reaktionsprodukt 3-Hydroxyacyl-CoA trägt eine OHGruppe am β-C-Atom.
Mit der Doppelbindung der trans-Enoyl-CoA passiert nun das Gleiche wie mit den Doppelbindungen im Aconitat und im Fumarat des Citratzyklus: Es wird H2O angelagert, sodass sich eine OH-Gruppe (Hydroxygruppe) bildet, die dann im nächsten Schritt zum Substrat einer NAD+-abhängigen Dehydrogenase werden kann. Die Anlagerung des Wassers wird von der Enoyl-CoA-Hydratase katalysiert. Das Reaktionsprodukt trägt eine OH-Gruppe am C-Atom 3 (β-C-Atom) und wird 3-Hydroxyacyl-CoA genannt.
Schritt 3: NAD+-abhängige Oxidation des βC-Atoms
Schritt 3: NAD+-abhängige Oxidation des β-C-Atoms
Die 3-Hydroxyacyl-CoA-Dehydrogenase oxidiert das β-C-Atom zur Carbonylgruppe.
3-Hydroxyacyl-CoA ist das Substrat der NAD+-abhängigen 3-Hydroxyacyl-CoA-Dehydrogenase. Das β-C-Atom wird vom NAD+ zu einer Carbonylgruppe oxidiert, und es entsteht NADH. Das Reaktionsprodukt wird 3-Ketoacyl-CoA genannt.
Schritt 4: Reaktion des oxidierten β-CAtoms mit Coenzym A
Schritt 4: Reaktion des oxidierten β-C-Atoms mit Coenzym A
NAD+-abhängige
Hierbei entstehen Acetyl-CoA und ein um zwei C-Atome verkürztes Acyl-CoA. Enzym: 3-Keto-Thiolase
Das zur Carbonylgruppe oxidierte β-C-Atom wird mit der SH-Gruppe des Pantetheins von Coenzym A verbunden. Die Reaktion wird von der 3-Keto-Thiolase katalysiert. Es entstehen Acetyl-CoA und ein nun um zwei C-Atome verkürztes AcylCoA.
▶ Merke.
▶ Merke. Da das Schwefel-Atom des Coenzym A im Mechanismus der Spaltung der Fettsäure die entscheidende Rolle spielt, sagt man, dass die Thiolase eine thioklastische Spaltung katalysiere.
▶ Exkurs.
▶ Exkurs. Der Weg der von NADH und FADH2 transportierten Elektronen von der β-Oxidation zur Atmungskette In Bezug auf die NAD+-abhängige 3-Hydroxyacyl-CoA-Dehydrogenase ist dieser Weg leicht anzugeben, denn NADH ist löslich und kann seine beiden Elektronen deshalb unmittelbar an den Komplex I der Atmungskette abgeben. Bei der FAD-abhängigen Acyl-CoA-Dehydrogenase ist der Weg komplizierter: Das FAD nimmt vom Acyl-CoA zwei Elektronen zusammen mit zwei Protonen auf, ist jedoch fest mit der Dehydrogenase verbunden. Die Elektronen und Protonen des FADH2 werden dann auf das FAD des Elektronen-transferierenden Flavoproteins (ETF), eines löslichen Proteins der mitochondrialen Matrix, übertragen. Das ETF transportiert die Elektronen und Protonen zur Innenmembran. Hier werden sie von einem Membranprotein aufgenommen, das ebenfalls ein fest gebundenes FAD enthält und das die Elektronen und Protonen an das Ubichinon (= Coenzym Q) der Atmungskette abgibt. Aufgrund seiner Funktion als Vermittler zwischen dem ETF und Ubichinon wird das Membranprotein ETF-Ubichinon-Oxidoreduktase genannt. Die Elektronen, die zu Beginn der β-Oxidation bei der Bildung der Doppelbindung zwischen den C-Atomen 2 und 3 anfallen, werden also unter Beteiligung einer Kette von drei verschiedenen Flavoproteinen in die Atmungskette eingespeist (Abb. A 8.12): Wege der Elektronen (e–) von der Acyl-CoA-Dehydrogenase zum Ubichinon der Atmungskette
A-8.12
R1
H
H
C
C
H
H
mitochondriale Matrix
R2 FAD
Acyl-CoA
Ubichinon
Acyl-CoADehydrogenase
2e
2e– FADH2 Acyl-CoADehydrogenase
H R1
C
C
Innenmembran
R2
H Enoyl-CoA
–
2e– FAD Elektronentransferierendes Flavoprotein = ETF
FAD ETFUbichinonOxidoreduktase
A
127
8.4 Was wird aus den Hydrolyseprodukten Glycerin und Fettsäuren?
Acyl-CoA-Dehydrogenase Elektronen-transferierendes Flavoprotein (ETF) ETF-Ubichinon-Oxidoreduktase Das ETF und die ETF-Ubichinon-Oxidoreduktase vermitteln übrigens auch den Elektronentransport von mehreren anderen FAD-abhängigen Reduktasen zur Atmungskette.
β-Oxidation ungesättigter Fettsäuren
β-Oxidation ungesättigter Fettsäuren
Die meisten Fettsäuren, die durch Hydrolyse von TAG freigesetzt werden, enthalten eine oder mehrere Doppelbindungen, sind also ungesättigt.
Aus TAG freigesetzte Fettsäuren sind meist ungesättigt.
▶ Merke.
▶ Merke.
Die Doppelbindungen ungesättigter Fettsäuren weisen fast immer eine cis-Konfiguration auf. Die Enoyl-CoA-Hydratase der β-Oxidation kann jedoch nur Substrate in trans-Konfiguration erkennen. Deshalb katalysieren spezifische Isomerasen die Umwandlung der cis- in eine trans-Konfiguration (Abb. A 8.13 a).
β-Oxidation ungesättigter Fettsäuren
A-8.13
O O
CoA C C
H
C
H
CH2
O
a
Hydratase
C
CoA C CH2
CH2 H
α, β-cis-Enoyl-CoA
O
C
H 2O
R
CoA
OH
CH2
HO Epimerase
R D-β-Hydroxyacyl-CoA
C
H
CoA CH2
C
C
H
C
H
CH2
CH2 R b
CoA C
R L-β-Hydroxyacyl-CoA
O
C H Isomerase
H
C CH2
β-Oxidation
CH2 R
β, γ-cis-Enoyl-CoA
α, β-trans-Enoyl-CoA
a Isomerisierung einer Doppelbindung in cis-Konfiguration. b Verschiebung einer Doppelbindung.
So wird eine cis-Doppelbindung zwischen CAtom 3 und 4 (Δ3-cis) um ein C-Atom nach vorne verschoben und in trans-Konfiguration gebracht (Δ2-trans).
Befindet sich die cis-Doppelbindung zwischen den C-Atomen 3 und 4, wird sie von einer spezifischen Isomerase um ein C-Atom nach vorne verschoben und dabei in eine trans-Konfiguration gebracht. In diesem Fall handelt es sich um eine Isomerisierung von Δ3-cis nach Δ2-trans. Andere Isomerasen ermöglichen auch eine Isomerisierung von Δ3-trans nach Δ2-trans, bzw. von Δ2-cis nach Δ2-trans. Eine weitere Schwierigkeit ergibt sich, wenn im Verlauf der β-Oxidation ungesättigter Fettsäuren zwei unmittelbar benachbarte Doppelbindungen (-CH = CHCH = CH-) entstehen: Die Enzyme der β-Oxidation sind darauf eingestellt, dass Doppelbindungen in Fettsäuren stets durch eine -CH2-Gruppe voneinander getrennt sind. Unmittelbar benachbarte Doppelbindungen werden deshalb teilweise reduziert, sodass nur noch eine Doppelbindung übrig bleibt, die in der Mitte der ursprünglichen Struktur liegt (-CH2-CH = CH-CH2-). Die Reaktion wird von einer spezifischen Reduktase (der Dienoyl-CoA-Reduktase) katalysiert. In der Regel muss die neue Doppelbindung dann noch von einer Isomerase verschoben werden (Abb. A 8.13 b).
Unmittelbar benachbarte Doppelbindungen der Struktur -CH = CH-CH = CH- werden von einer spezifischen Reduktase in die Struktur -CH2-CH = CH-CH2- überführt. In der Regel muss diese Doppelbindung dann noch von einer Isomerase verschoben werden.
β-Oxidation ungeradzahliger Fettsäuren
β-Oxidation ungeradzahliger Fettsäuren
Gelegentlich werden in der β-Oxidation auch ungeradzahlige Fettsäuren abgebaut. Zunächst wird dem allgemeinen Schema folgend in mehreren Runden Acetyl-CoA gebildet. In der letzten Runde bleibt dann aber nicht Acetyl-CoA übrig, sondern Propionyl-CoA, d. h. eine Acylgruppe mit drei C-Atomen. Propionyl-CoA wird um eine -CH2-Einheit verlängert und somit in Succinyl-CoA umgewandelt, also in einen Metaboliten des Citratzyklus (S. 103). Die Bildung des Succinyl-CoA erfolgt in zwei Schritten (Abb. A 8.14): 1. Propionyl-CoA wird am mittleren C-Atom carboxyliert. Das Reaktionsprodukt ist Methylmalonyl-CoA, das katalysierende Enzym ist die Propionyl-CoA-Carboxylase. Dieses Enzym enthält – wie einige weitere Carboxylasen – als Cofaktor Biotin (Vitamin H, S. 300). In allen biotinabhängigen Carboxylasen nimmt das Biotin CO2 auf und überträgt es auf das jeweilige Substrat. Die Beladung des Biotins mit CO2 ist ATP-abhängig.
Hier bleibt in der letzten Runde nicht AcetylCoA, sondern Propionyl-CoA übrig.
Propionyl-CoA wird in Succinyl-CoA, einen Metaboliten des Citratzyklus, umgewandelt (Abb. A 8.14): 1. Propionyl-CoA wird am mittleren C-Atom biotinabhängig zu Methylmalonyl-CoA carboxyliert. 2. Methylmalonyl-CoA wird dann unter Beteiligung von Cobalamin (Vitamin B12) zu Succinyl-CoA umgelagert.
128
A
A-8.14
8 Abbau von Triacylglycerinen und Ketonkörpern
Umwandlung von Propionyl-CoA in Succinyl-CoA
A-8.14
O H3C
CH2
C
CO2 + ATP
S
Propionyl-CoA
CoA
Propionyl-CoA-Carboxylase (enthält Biotin)
ADP + Pi H O O2C
C
C
S
(S)-Methylmalonyl-CoA
CoA
CH3 Methylmalonyl-CoA-Racemase
H O H3 C
C
C
S
(R)-Methylmalonyl-CoA
CoA
CO2 Methylmalonyl-CoA-Mutase (enthält Cobalamin = Vitamin B12) O O2C
CH2
CH2
C
S
CoA
Succinyl-CoA
Citratzyklus
2. Das Methylmalonyl-CoA wird dann unter Beteiligung von zwei weiteren Enzymen zu Succinyl-CoA umgelagert. An der Umlagerung ist der Cofaktor Cobalamin (Coenzym B12, Vitamin B12) beteiligt.
▶
Klinik.
▶
Klinik.
Das Enzym Methylmalonyl-CoA-Mutase enthält Cobalamin (Coenzym B12) als prosthetische Gruppe. Dieses Coenzym ist auch unter dem Namen Vitamin B12 bekannt. Es befindet sich als prosthetische Gruppe auch in der Methionin-Synthase, welche die Methylierung von Homocystein zu Methionin katalysiert. Wenn bei der Verdauung zu wenig Vitamin B12 aufgenommen wird, ist eine bestimmte Form der megaloblastischen Anämie, die perniziöse Anämie, die Folge (Inzidenz: 9 Fälle/100 000 Einwohner/Jahr). Erste Kennzeichen sind eine verminderte Zahl an Erythrozyten und ein erniedrigter Hämoglobingehalt im Blut. Ursache einer perniziösen Anämie ist in der Regel ein Mangel an Intrinsic Factor, einem Glykoprotein, das von den Parietalzellen der Magenschleimhaut gebildet wird. Der Intrinsic Factor bindet im Lumen des Verdauungstrakts das Vitamin B12 der Nahrung und wird dann als ProteinVitamin-Komplex resorbiert. Die perniziöse Anämie ergibt sich primär aus einer Funktion des Vitamin B12 im Stoffwechsel der Folsäure. Zu Details siehe S. 298 und S. 160.
β-Oxidation in Peroxisomen
β-Oxidation in Peroxisomen
In geringem Maß werden Fettsäuren auch in Peroxisomen abgebaut. Der Stoffwechselweg ist mit der mitochondrialen β-Oxidation fast identisch, jedoch gibt es in Peroxisomen weder Atmungskette noch Citratzyklus. Deshalb müssen Peroxisomen die Produkte der β-Oxidation anders verwerten: Die Elektronen des FADH2 werden direkt auf Sauerstoff übertragen. Dabei entsteht H2O2 (Wasserstoffperoxid), ein sehr aggressives Oxidationsmittel, das von der Katalase der Peroxisomen sofort zu H2O und O2 umgesetzt wird. NADH und Acetyl-CoA werden in das Zytosol exportiert.
Zu einem geringen Anteil werden Fettsäuren auch in Peroxisomen abgebaut. Der Stoffwechselweg entspricht nahezu vollständig der mitochondrialen β-Oxidation. Unterschiede ergeben sich lediglich daraus, dass die Peroxisomen weder über eine Atmungskette verfügen, welche die Elektronen des gebildeten FADH2 und NADH aufnehmen könnten, noch über einen Citratzyklus, der das entstehende AcetylCoA verwerten könnte. Deshalb müssen die Peroxisomen diese Produkte anders verwerten: Das von der Acyl-CoA-Dehydrogenase gebildete FADH2 wird zu FAD regeneriert, indem die Elektronen – in Ermangelung einer Atmungskette – direkt auf Sauerstoff übertragen werden. Dabei entsteht H2O2 (Wasserstoffperoxid, daher der Name „Peroxisom“!). H2O2 ist ein sehr aggressives und deshalb potenziell schädliches Oxidationsmittel, das in den Peroxisomen unter Vermittlung der Katalase sofort zu H2O und O2 umgesetzt wird. Da in den Peroxisomen sehr viel H2O2
A
gebildet wird, enthalten diese Zellorganellen Katalase in großen Mengen. Katalase ist in den Peroxisomen das häufigste Protein (S. 372). Das von der 3-Hydroxy-Acyl-CoA-Dehydrogenase gebildete NADH wird von den Peroxisomen in das Zytosol exportiert. Auch das Acetyl-CoA wird von den Peroxisomen in das Zytosol exportiert. Die physiologische Funktion der peroxisomalen β-Oxidation ist nicht befriedigend geklärt. Eine ATP-Synthese findet in Peroxisomen nicht statt. Allerdings fällt auf, dass sich besonders viele Peroxisomen in den Hepatozyten befinden. Die Leber zeigt generell einen intensiven Fettstoffwechsel, in dem Acetyl-CoA eine zentrale Rolle spielt. Möglicherweise dient die peroxisomale β-Oxidation u. a. der Bereitstellung von Acetyl-CoA für verschiedene Synthesen. Auffällig ist schließlich, dass in Peroxisomen insbesondere auch die sehr langkettigen Fettsäuren (mit 20 – 26 CAtomen) oxidiert werden. Diese werden nicht zu Acetyl-CoA, sondern zu kurzkettigen Fettsäuren abgebaut, in Form von Acyl-CoA an das Zytosol abgegeben und dann von den Mitochondrien aufgenommen. Peroxisomen nehmen langkettige Fettsäuren in Form von Acyl-CoA mithilfe eines Transportproteins auf, das den Namen ABCD 1 erhalten hat. Angeborene Defekte dieses Proteins sind die Ursache der Xchromosomal vererbten Adrenoleukodystrophie. Schließlich ist die Leber auch das wichtigste Organ der Entgiftung. Beim Abbau vieler toxischer Verbindungen spielen Peroxisomen eine wesentliche Rolle, indem sie die Verbindungen aufnehmen und durch Oxidation mit Wasserstoffperoxid inaktivieren. So wird in den Peroxisomen z. B. auch ein Teil des Ethanols oxidiert (S. 131).
▶
129
8.4 Was wird aus den Hydrolyseprodukten Glycerin und Fettsäuren?
Klinik. Beim Zellweger-Syndrom ist die Bildung der Peroxisomen gestört, d. h.
In Peroxisomen werden insbesondere die außerordentlich langkettigen Fettsäuren oxidiert. Eine ATP-Synthese findet in Peroxisomen nicht statt.
▶
Klinik.
sämtliche peroxisomalen Stoffwechselwege fallen aus. Die betroffenen Kinder fallen frühzeitig durch eine generalisierte Muskelschwäche auf (Abb. A 8.15). Außerdem liegen Hirnfehlbildungen und multiple Nierenzysten vor, und die Kinder entwickeln eine Leberzirrhose. Sie sterben meist noch im ersten Lebensjahr.
A-8.15
Generalisierte Muskelschwäche bei einem 12 Tage alten Kind mit Zellweger-Syndrom (aus Sitzmann, Duale Reihe Pädiatrie, Thieme, 2007)
Energiebilanz der mitochondrialen β-Oxidation Die Energiebilanz lässt sich gut am Beispiel der Palmitinsäure (16:0), einer der häufigsten gesättigten Fettsäuren in TAG, darstellen: Beim Abbau eines Moleküls Palmitinsäure (in 7 Zyklen) entstehen 8 Acetyl-CoA, 7 FADH2 und 7 NADH. Die 8 Acetyl-CoA werden in der Regel in den Citratzyklus eingespeist, in dem daraufhin 24 NADH, 8 FADH2 und 8 GTP gebildet werden.
▶ Merke.
1 NADH ermöglicht die Synthese von ca. 2,5 ATP, 1 FADH2 die Synthese von ca. 1,5 ATP.
Hieraus ergibt sich, dass auf der Basis der vollständigen Oxidation eines Moleküls Palmitinsäure 108 ATP gebildet werden können. Die Aktivierung der Palmitinsäure im Zytosol erforderte jedoch ein ATP, welches unter Verlust von 2 energiereichen Bindungen zu AMP abgebaut wurde. Somit werden pro Mol Palmitinsäure 106 Mol ATP gebildet. Vergleicht man diesen Zahlenwert mit dem Energiegehalt der Palmitinsäure, wie er als physikalischer Brennwert durch Messung der Verbrennungswärme im chemischen Labor bestimmt werden kann, ergibt sich eine Effizienz des Energiestoffwechsels von etwa 60 %. Der Rest der Energie wird in Form von Wärme frei.
Energiebilanz der mitochondrialen β-Oxidation Beim Abbau der Palmitinsäure (16:0) z. B. entstehen (in 7 Zyklen) 8 Acetyl-CoA, 7 FADH2 und 7 NADH. Die 8 Acetyl-CoA liefern im Citratzyklus 24 NADH, 8 FADH2 und 8 GTP.
▶ Merke. Die vollständige Oxidation einer Palmitinsäure liefert also 108 Mol ATP minus 2 Mol ATP, die bei der Aktivierung der Palmitinsäure verbraucht wurden.
Die 106 Mol ATP entsprechen ca. 60 % des physikalischen Brennwerts, der Rest wird in Form von Wärme frei.
130 Die Fettsäuren der TAG sind auch die wichtigste Energiequelle für alle Tiere, die ohne Nahrungsaufnahme einen Winterschlaf durchzustehen haben. Ihr Abbau liefert dabei nicht nur Energie, sondern auch Wasser.
▶ Merke.
Regulation der β-Oxidation
A
8 Abbau von Triacylglycerinen und Ketonkörpern
Die Fettsäuren der TAG sind auch die wichtigste Energiequelle für alle Tiere, die ohne Nahrungsaufnahme einen Winterschlaf durchzustehen haben. Ihr Abbau liefert dabei nicht nur Energie, sondern auch Wasser. Während der Mensch beim Fasten täglich erhebliche Mengen an Wasser trinken muss, können viele Tiere im Winterschlaf sogar ohne Wasserzufuhr auskommen. Kanadische Grizzlybären können im Winter bis zu 7 Monate ununterbrochen schlafen. In dieser Zeit beziehen sie ihr Wasser im Wesentlichen aus der Aktivität der Atmungskette, nämlich aus der Reduktion des Sauerstoffs zu Wasser an der Cytochrom-Oxidase (= Komplex IV, S. 172). Die Gesamtgleichung für die vollständige Oxidation von Palmitoyl-CoA zu Kohlendioxid und Wasser ergibt nämlich: Palmitoyl-CoA + 23 O2 + 108 Pi + 108 ADP → CoA + 108 ATP + 16 CO2 + 23 H2O Wenn Kamele in ihrem Höcker große Mengen an TAG speichern, dienen diese bei langen Wanderungen durch die Wüste nicht nur als Energiespeicher, sondern auch als Voraussetzung für die Nutzung der in dieser Gleichung angegebenen 23 H2O.
▶ Merke.
In den Mitochondrien des Menschen werden durch Reduktion von Sauerstoff pro Tag etwa 300 – 400 ml Wasser gebildet.
Regulation der β-Oxidation Bei der β-Oxidation wird wie bei vielen Stoffwechselwegen einer der ersten Reaktionsschritte reguliert:
▶ Merke.
8.5
Abbau von Ketonkörpern
Ketonkörper werden bei längerem Nahrungsmangel in der Leber gebildet. Aceton, das aus Acetoacetat entsteht, ist für den Stoffwechsel wertlos. Acetoacetat und 3-Hydroxybutyrat dagegen sind Energielieferanten für extrahepatische Gewebe.
▶ Merke.
Der Transport der Ketonkörper wird von Monocarboxylat-Transportern vermittelt.
Der Abbau von Acetoacetat und 3-Hydroxybutyrat entspricht dem letzten Schritt der βOxidation, der thioklastischen Spaltung (Abb. A 8.16): 3-Hydroxybutyrat wird zu Acetoacetat oxidiert. Acetoacetat reagiert mit Coenzym A (aus Succinyl-CoA) zu Acetoacetyl-CoA.
▶ Merke. Schlüsselenzym der β-Oxidation ist die Carnitin-Acyltransferase 1. Sie katalysiert den geschwindigkeitsbestimmenden Schritt dieses Stoffwechselweges: die Übertragung der Fettsäure auf Carnitin an der Außenseite der Mitochondrien. Sie wird gehemmt von Malonyl-CoA, einem Zwischenprodukt der Fettsäuresynthese (S. 227), das bei gesteigerter Fettsäuresynthese im Zytosol akkumuliert. So wird verhindert, dass Fettsäuren innerhalb einer Zelle gleichzeitig synthetisiert und abgebaut werden.
8.5
Abbau von Ketonkörpern
Ketonkörper, also Acetoacetat, 3-Hydroxybutyrat (das Anion der β-Hydroxy-Buttersäure) und Aceton (Abb. A 8.2), werden bei längerem Nahrungsmangel in der Leber ausgehend von Acetyl-CoA gebildet (S. 242). Aceton entsteht aus Acetoacetat durch Abspaltung von CO2. Es ist für den Stoffwechsel wertlos und wird z. T. mit dem Urin ausgeschieden, z. T. abgeatmet. Die für den Energiestoffwechsel entscheidenden Ketonkörper sind Acetoacetat und 3-Hydroxybutyrat: Sie werden von der Leber an das Blut abgegeben und dienen extrahepatischen Geweben als Energielieferanten, insbesondere der Skelettmuskulatur, dem Herzmuskel, dem Kortex der Niere und dem Gehirn.
▶ Merke.
Fettsäuren können keinen Beitrag zum Energiestoffwechsel des Gehirns leisten, da sie die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden können. Die Ketonkörper Acetoacetat und 3-Hydroxybutyrat werden hingegen vom Gehirn aufgenommen. Bei längerem Fasten sind sie im Gehirn die wichtigste Energiequelle. Der Transport der Ketonkörper wird von den Monocarboxylat-Transportern MCT1, MCT2 und MCT4 vermittelt, die sich in den Plasmamembranen der Endothelzellen, der Astrozyten und der Neuronen des Gehirns nachweisen lassen. Die Monocarboxylat-Transporter vermitteln auch die Aufnahme von Lactat. Die verschiedenen Substrate werden jeweils zusammen mit einem Proton aufgenommen. Der Abbau der Ketonkörper entspricht dem letzten Schritt der β-Oxidation, der thioklastischen Spaltung (Abb. A 8.16): 3-Hydroxybutyrat wird zu Acetoacetat oxidiert. Die Reaktion wird von der NAD+abhängigen 3-Hydroxybutyrat-Dehydrogenase katalysiert. Acetoacetat reagiert mit Coenzym A, das von Succinyl-CoA stammt, zu Acetoacetyl-CoA. Die Reaktion wird von einer Transferase katalysiert.
131
A 8.5 Abbau von Ketonkörpern
Acetoacetyl-CoA weist die Carbonylgruppe in β-Stellung auf, die von der 3-KetoThiolase zur Katalyse einer thioklastischen Spaltung benötigt wird. Diese Carbonylgruppe reagiert mit der SH-Gruppe von freiem Coenzym A. Dadurch entstehen aus dem Acetoacetyl-CoA zwei Acetyl-CoA, die dem Citratzyklus zugeführt werden können. Bei den Ketonkörpern handelt es sich also letztlich um eine Transportform von Acetylgruppen, die von der Leber gebildet und in der Peripherie in den Citratzyklus eingespeist werden.
Dessen Carbonylgruppe reagiert mit der SH-Gruppe von freiem Coenzym A, sodass zwei Acetyl-CoA entstehen. Sie werden dem Citratzyklus zugeführt.
Abbau von 3-Hydroxybutyrat und Acetoacetat
A-8.16
A-8.16
OH H3C
C
CH2
CO2–
3-Hydroxybutyrat
H NAD+
3-HydroxybutyratDehydrogenase
NADH + H+ O H3C Succinyl-CoA –
O2 C
CH2
CO2–
CH2
C
Acetoacetat
O C
CH2
S
CoA 3-KetoacylCoA-Transferase
–
O2 C
CH2
CO2–
CH2
Succinat O H3C CoA
C
O C
CH2
S
CoA
Acetoacetyl-CoA
CoA
Acetyl-CoA
SH Thiolase
O 2 H3C
C
S
▶ Exkurs. Der Abbau von Ethanol Ethanol ist ein Nahrungsstoff, der wie Fettsäuren und Ketonkörper zu Acetyl-CoA abgebaut wird. Der wichtigste Abbauort des Ethanols ist die Leber. Die Bildung des Acetyl-CoA erfolgt in drei Schritten (Abb. A 8.17): 1. Oxidation des Ethanols zu Acetaldehyd, 2. Oxidation des Acetaldehyds zu Acetat, 3. Verbindung des Acetats mit Coenzym A durch eine Thiokinase (Acetat-CoA-Ligase) unter ATP-Verbrauch. Die Oxidation des Ethanols wird parallel von drei unterschiedlichen Systemen katalysiert (Tab. A 8.1): 1. Der weitaus größte Anteil des Ethanols wird im Zytosol der Hepatozyten unter Beteiligung mehrerer Alkohol-Dehydrogenasen (ADH) oxidiert. Sieben ADH-Gene wurden identifiziert (ADH1A, 1B, 1C, 4, 5, 6 und 7). Von diesen kodieren die Gene ADH1A, 1B und 1C die A-8.17
Abbau von Ethanol NAD+
H3C
CH2 Ethanol
Untereinheiten α, β und γ, die als Klasse I ADHs bezeichnet werden und das meiste Ethanol oxidieren. Die Untereinheiten sind sich in ihrer Struktur sehr ähnlich. Jeweils zwei Untereinheiten lagern sich in unterschiedlichen Kombinationen zu einem aktiven Dimer zusammen. Polymorphismen, also kleine Unterschiede in den Aminosäuresequenzen der Untereinheiten, können eine Ursache für individuelle Unterschiede in der Alkoholverträglichkeit sein. Der entstandene Acetaldehyd ist eine toxische Verbindung, die wesentlich für „den Kater“ verantwortlich ist, den ein übermäßiger Alkoholkonsum nach sich ziehen kann. Acetaldehyd ist auch mutagen und vermutlich die Ursache der Leber- und Ösophaguskarzinome, die bei Alkoholikern gehäuft auftreten. Acetaldehyd wird langsam von mehreren Aldehyd-Dehydrogenasen (ALDH) zu Acetat oxidiert und damit entgiftet. 19 verschiedene Aldehyd-Dehydrogenasen sind bekannt,
NAD+ + H2O O
NADH + H+
OH
H3C AlkoholDehydrogenase (ADH)
NADH + H+
C
O H3C
H Acetaldehyd
AldehydDehydrogenase (ALDH)
CoA-SH, ATP
AMP + PPi
O H 3C
C OH
Acetat (Essigsäure)
AcetatCoA-Ligase (= Thiokinase)
C
S
CoA
Acetyl-CoA Citratzyklus Fettsäuresynthese
▶
132
A
8 Abbau von Triacylglycerinen und Ketonkörpern
von diesen ist die ALDH2 von entscheidender Bedeutung. Das Enzym befindet sich in der Matrix der Mitochondrien. In manchen ostasiatischen Ländern ist die ALDH2 bei etwa der Hälfte der Bevölkerung inaktiv, da in Position 487 ein Glutamat gegen Lysin ausgetauscht ist (Glu487Lys). Ethanol wird von den betroffenen Menschen extrem schlecht vertragen. 2. Ein geringerer Anteil des Ethanols wird in Peroxisomen oxidiert. Die entscheidenden Enzyme sind dabei die Peroxidasen. Sie katalysieren die Oxidation organischer Verbindungen durch Wasserstoffperoxid (H2O2). Neben Ethanol werden also auch andere Substrate unter Beteiligung von Peroxidasen und H2O2 oxidiert. Das H2O2 wird dabei zu H2O reduziert, aus Ethanol entsteht Acetat. 3. Bei Alkoholikern, die Ethanol in großen Mengen konsumieren, findet man im endoplasmatischen Retikulum vermehrt eine induzierbare „mikrosomale“ Alkohol-Oxidase. Das Enzym wird auch als CYP2E1 bezeichnet, es gehört zur großen Familie der Cytochrom-P-450-Enzyme, die beim Abbau von Fremdstoffen eine wichtige Rolle spielen (S. 719). Bis zu 30 % des Ethanols können auf diese Weise zu Acetat abgebaut werden. Der Beitrag des Ethanols zum Energiestoffwechsel ist nicht unerheblich. Im Durchschnitt konsumiert jeder Einwohner der Bundesrepublik pro Monat 1 l Ethanol. Dies entspricht einem Anteil von ca. 5 % aller Energieträger der Nahrung. Bei manchen Alkoholikern liegt der Anteil über 50 %. Der physiologische Brennwert des Ethanols liegt bei 30 kJ/g (zum Vergleich: Kohlenhydrate und Proteine ca. 17 kJ/g, Fette ca. 39 kJ/g).
A-8.1
▶
Alkoholkonsum und seine Folgen: Epidemiologische Studien haben wiederholt gezeigt, dass ein regelmäßiger, aber geringer Alkoholkonsum (ca. ½ Liter Bier pro Tag bzw. eine entsprechende Menge Wein) die Gefahr von Arteriosklerose vermindert. Die Gefahren eines übermäßigen Alkoholkonsums werden hingegen oft unterschätzt. Der Abbau des Ethanols führt in der Leber zu einem Überangebot an NADH und Acetyl-CoA. Das NADH hemmt in den Mitochondrien den Citratzyklus (S. 103). Deshalb wird das AcetylCoA überwiegend zur Synthese von Fettsäuren und zur Bildung von TAG verwendet. Gleichzeitig ist die Bildung der VLDL (S. 245) erschwert. Beides hat eine zunächst reversible Akkumulation von TAG in der Leber, d. h. eine Fettleber (Steatose) zur Folge (Abb. A 8.3 d auf S. 117). Der Fettgehalt der Leber liegt normalerweise unter 5 %, er kann in einer Fettleber auf über 30 % steigen. Im Verlauf mehrerer Jahre können in einer Fettleber Entzündungsreaktionen ausgelöst werden, es bildet sich eine Fettleberhepatitis, und diese kann schließlich die Bildung einer Leberzirrhose verursachen. Man vermutet, dass für diesen Prozess u. a. der Acetaldehyd verantwortlich ist, der bei der Oxidation des Ethanols gebildet wird. In der Bundesrepublik sind 30 – 50 % aller Lebererkrankungen auf übermäßigen Alkoholkonsum zurückzuführen. Hinzu kommen ein erhöhtes Krebsrisiko in Leber und Speiseröhre sowie Schädigungen des Nervensystems. In Deutschland gibt es etwa 2 – 3 Millionen alkoholkranke Menschen, jedes Jahr sind etwa 30 000 Todesfälle auf Spätfolgen des Alkoholismus zurückzuführen. Zum Vergleich: Die Zahl der Opfer von Heroin und anderen illegalen Drogen lag in den vergangenen Jahren zwischen 1000 und 2000.
Oxidation von Ethanol in verschiedenen Kompartimenten der Zelle
Kompartiment
Oxidationsmittel
Enzyme
Zytosol
NAD+
mehrere Alkohol-Dehydrogenasen (ADH)
Mitochondrien
NAD+
Aldehyd-Dehydrogenasen (ALDH2)
Peroxisomen
H2O2
Peroxidasen
endoplasmatisches Retikulum
O2
mikrosomale Alkohol-Oxidase (CYP2E1) aus der Familie der Cytochrom-P450-Enzyme (S. 719)
Klinik.
▶ Klinik. Das Lebergewebe kann sich normalerweise in großem Umfang regenerieren. So können große Teile der Leber vollständig nachwachsen, nachdem sie chirurgisch entfernt wurden. Bei generalisierten Schädigungen der Leberzellen, etwa bei chronischem Alkoholismus, ist die Regeneration allerdings erschwert. Im Lebergewebe bilden sich dann narbenartige Bindegewebssepten, die das gesamte Organ durchziehen. Die Leber bekommt ein knotiges Aussehen, die Leberfunktionen sind zunehmend eingeschränkt, es hat sich eine Leberzirrhose gebildet (Abb. A 8.18). Neben dem Alkoholismus sind Infektionen, insbesondere durch das Hepatitis-B-Virus (HBV) und durch das Hepatitis-C-Virus (HCV) die zweithäufigste Ursache einer Leberzirrhose. (Infektionen durch Hepatitis-A-Viren sind vergleichsweise harmlos.) Die klinischen Symptome einer eingeschränkten Leberfunktion (Leberinsuffizienz) ergeben sich weitgehend aus den biochemischen Funktionen der Leber: Indem das Bilirubin nicht mehr schnell genug ausgeschieden wird, kommt es zu einer Gelbsucht (Ikterus, S. 743). In der Leber werden wichtige Proteine des Blutserums synthetisiert, u. a. das Albumin. Das Albumin trägt wesentlich zum onkotischen (= kolloidosmotischen) Druckunterschied Δπ bei, der dafür verantwortlich ist, dass nicht übermäßig viel Wasser aus den Blutgefäßen in die Gewebe entweicht. Bei sinkenden Albuminkonzentrationen ist diese Funktion gestört, es sammelt sich Flüssigkeit, insbesondere im Bauchraum an (= Aszites). Dieser Prozess wird durch den bei einer Leberzirrhose erhöhten Blutdruck in den Venen des Bauchraums verstärkt. Auch die Proteine, die für die Blutgerinnung verantwortlich sind, werden in der Leber synthetisiert (S. 748). Eine gestörte Leberfunktion ist deshalb mit einer erhöhten Blutungsneigung verbunden, die Blutgerinnung ist verzögert (der QuickWert ist erniedrigt, S. 710).
A 8.5 Abbau von Ketonkörpern
A-8.18
Leberzirrhose
a
b
a Leberzirrhose in Azan-Färbung. Das Gewebe der Leber ist von Bindegewebe (blau) durchzogen (aus Krams et al., Kurzlehrbuch Pathologie, Thieme, 2010). b Mikronoduläre Leberzirrhose (aus Riede, Werner, Schaefer; Allgemeine und spezielle Pathologie, Thieme, 2004).
Die Leber ist am Stoffwechsel der Steroidhormone beteiligt. U.a. erfolgt die Inaktivierung der Steroidhormone in der Leber (S. 592). Bei Frauen kommt es bei einer Leberinsuffizienz zu Menstruationsstörungen. Bei Männern ist eine Leberinsuffizienz mit einem Östrogenüberschuss verbunden, charakteristisch sind ein Verlust der männlichen Sekundärbehaarung und Potenzstörungen. Die Leber hat nicht zuletzt eine Entgiftungsfunktion. Wenn diese eingeschränkt ist, steigt im Blut die Konzentration an Ammoniak und anderen toxischen Verbindungen. Diese gelangen vermehrt ins Gehirn und sind dann für neurologische Störungen verantwortlich (Hepatische Enzephalopathie, S. 145). Ein klassisches Kennzeichen der Leberzirrhose ist auch der Pfortaderhochdruck: Indem das Blut nicht mehr schnell genug durch die Leber hindurchfließen kann, kommt es zu einem Blutstau in der Portalvene („portale Hypertension“). Das Blut sucht sich – an der Leber vorbei – andere Wege zum Herzen, u. a. am Magen und an der Speiseröhre entlang, wobei es zu einer starken Erweiterung dieser Gefäße kommt. Im Endstadium kann mitunter nahezu die Hälfte des Blutes durch diese Umgehungskreisläufe (Kollateralkreisläufe) fließen. Charakteristisch ist der Weg über die V. gastrica dextra und V. gastrica sinistra (diese bilden gemeinsam die sog. V. coronaria ventriculi) am Magen entlang zur Speiseröhre. Hier gelangt das Blut über die Ösophagusvenen und die V. azygos zur V. cava superior (Abb. A 8.19. Die Venen der Speiseröhre können dann Krampfadern (Ösophagusvarizen) bilden, mit dem Risiko, dass diese Gefäße platzen und lebensgefährliche Blutungen verursachen (sog. Varizenblutungen, bei etwa 1/3 der Patienten mit Leberzirrhose). Der Pfortaderhochdruck kann auch dazu führen, dass sich Hämorrhoiden bilden. Oft ist bei Pfortaderhochdruck eine Erweiterung von Venen bereits oberflächlich am Bauch sichtbar. Mitunter bilden die Venen dann schlangenartige Verdickungen (Caput Medusae). A-8.19
Kollaterale (nach Prometheus, LernAtlas der Anatomie, Innere Organe, Thieme, 2009, Grafik: M. Voll)
V. cava superior V. azygos
Vv. oesophageales V. gastrica sinistra Milz V. portae hepatis V. gastrica dextra V. mesenterica inferior
V. mesenterica superior
133
134
A
8 Fallbeispiel
▶ Fallbeispiel: Leberzirrhose Anamnese: Der 56-jährige Hans Gerber wurde notfallmäßig aufgenommen. Er erinnert sich lediglich an plötzlich beginnende Übelkeit beim Fernsehen am Nachmittag, die mit starkem Schwindelgefühl einherging. Seine Ehefrau berichtet, sie habe ihn Richtung Toilette schwanken sehen, was sie jedoch schon gewohnt sei, da ihr Mann – wie an diesem Tag auch – häufig „einen über den Durst“ trinken würde, seit er vor sieben Jahren seinen Arbeitsplatz verloren hat. Auch berichtet sie über häufigeres Erbrechen Ihres Mannes, das jedoch diesmal anders gewesen sei. Sie schildert, das Erbrochene erinnerte vom Aussehen her an Kaffeesatz. Besonders besorgniserregend sei ihr der Zustand ihres Mannes vorgekommen, als sie ihm wieder auf die Beine helfen wollte, nachdem er kurz vor Erreichen des Badezimmers zusammengesunken war: Sein bleiches Gesicht sei schweißbedeckt gewesen und sie habe erhebliche Kraft aufbringen müssen, um ihn aufrecht hinzusetzen. Er selbst sei kaum in der Lage gewesen, sich aufzurichten. Dies veranlasste Frau Gerber auch, den Rettungsdienst zu alarmieren. Körperliche Untersuchung (Angabe der jeweiligen Normwerte in Klammern): Herz-Kreislauf-System: Systolischer Blutdruck 90 mmHg (90 – 130 mmHg), Puls der Arteria radialis nur schwach mit einer Frequenz von 112/min (50 – 100/min) palpabel, unterhalb des Leistenbandes Arteria femoralis beidseits kräftig zu tasten. Abdomen: Prall gebläht (Abb. A 8.20), perkutorisch beidseitige Flankendämpfung als Hinweis auf Aszites (Flüssigkeitsansammlung in der Bauchhöhle), in der Nähe des Bauchnabels einige dicke geschlängelte Krampfadern, auf der Haut im Thoraxbereich mehrere kleine rötliche „Gefäßsternchen“ (Spider nävi, Abb. A 8.21).
A-8.20
Durch Flüssigkeit gebläht wirkendes Abdomen (aus Füeßl, Middeke; Duale Reihe Anamnese und Klinische Untersuchung, Thieme, 2010)
A-8.21
a
Spider Nävi (aus Füeßl, Middeke; Duale Reihe Anamnese und Klinische Untersuchung, Thieme, 2010)
b
Bei Druck mit dem Glasspatel lässt sich das zentrale Gefäß ausdrücken; lässt man den Druck nach, füllt sich das Gefäß wieder.
Extremitäten: Längerer Druck auf die Knöchelregion hinterlässt eine tiefe Delle (Knöchelödeme). Laboruntersuchungen (Angabe der jeweiligen Normwerte in Klammern): Hämoglobin 10,3 g/dl (14 – 18 g/dl), MCV (mittleres Erythrozytenvolumen) 102 fl (80 – 96 fl), spontane Thromboplastinzeit nach Quick 33 % (70 – 130 %), AST (Aspartat-Aminotransferase) 178 U/l (< 35 U/l) bzw. 2,97 μkat/l, ALT (Alanin-Aminotransferase) 123 U/l (< 45 U/l) bzw. 2,05 μkat/l, γ-GT 459 U/l (< 55 U/l) bzw. 7,65 μkat/l, Bilirubin 2,8 mg/dl (< 1,1 mg/dl bzw. 47,9 μmol/l), Albumin 3,2 g/dl (3,5 – 5,3 g/dl). Ultraschall-Untersuchung des Abdomens: In allen Quadranten ist reichlich Aszites nachweisbar. Die Leber zeigt sich mit echoreicher und inhomogener Struktur, die Pfortader ist erweitert. Die Milz ist mit 13 × 9 cm vergrößert (Splenomegalie).
A-8.22
Ösophagusvarizen kurz nach einer Blutung (aus Helmreich-Becker, Lohse; Checkliste Gastroskopie, Thieme, 1999)
Verlauf: Bei erneutem Erbrechen während der Aufnahmeuntersuchung fiel eine Beimengung von Frischblut auf. In der notfallmäßig durchgeführten Ösophagogastroduodenoskopie konnten nach dem Absaugen von reichlich hellroter Flüssigkeit blutende Ösophagusvarizen (Abb. A 8.22) gefun-
▶
A
den und die Blutung mithilfe eines Gummibands (Ligatur) zum Stillstand gebracht werden. Während der anschließenden Überwachung auf der internistischen Intensivstation erhielt der Patient zwei Erythrozytenkonzentrate und zwei Einheiten Frischplasma. Nachdem sich sein Zustand stabilisiert hat, wird der Patient mit der Haupt-Diagnose Ösophagusvarizen-Blutung bei Verdacht auf alkoholische Leberzirrhose auf die Normalstation verlegt. Bei Vorliegen einer akuten Blutungsanämie sollte der Hämoglobinwert kontrolliert sowie der Schweregrad der Leberschädigung abgeklärt werden. Fragen mit biochemischem Schwerpunkt: 1. Im Rahmen der weiteren Abklärung wurde u. a. eine Serumelektrophorese durchgeführt, die eine breitbasige Vermehrung der Gamma-Globulin-Fraktion zeigte (polyklonale Gammopathie). Wie ist dieser Befund zu erklären bzw. gibt es einen Zusammenhang mit der bei Herrn Gerber vorliegenden Leberschädigung? 2. Warum wurden für Herrn Gerber in der Akutsituation nicht nur Erythrozytenkonzentrate, sondern auch gefrorenes Frischplasma im Zentrallabor bestellt? 3. Welche anderen Laborwerte von Herrn Gerber weisen auf seine Lebererkrankung hin? Antwortkommentare: Zu 1. In der Leber werden nahezu alle in relevanter Menge im Blutplasma zirkulierenden Eiweiße produziert. Die große Ausnahme stellen die aus Plasmazellen im gesamten Körper stam-
8 Fallbeispiel
135
menden Antikörper (Immunglobuline) dar, die bei der elektrophoretischen Auftrennung überwiegend im Bereich der γGlobulin-Fraktion angesiedelt sind. Das mengenmäßig und auch funktionell wichtigste Eiweiß ist Albumin. Bei einer Leberzirrhose kann es zu einem schweren Mangel an Plasmaeiweißen (insbesondere Albumin) kommen. Kompensatorisch vermehrt sich dadurch (besonders relativ betrachtet) der Anteil der Immunglobuline, was sich in der Elektrophorese als „polyklonale Gammopathie“ zeigt.
Zu 2. Da neben anderen funktionell wichtigen Plasmaproteinen auch die Gerinnungsfaktoren in der Leber produziert werden, sind auch sie bei einer Leberzirrhose vermindert. Dies führt zu einer erhöhten Blutungsneigung (im Labor messbar durch erniedrigten Quick-Wert). Bei lebensbedrohlichen Blutungen kann dieser Mangel durch die Gabe von Frischplasma (FFP = fresh frozen plasma) behoben werden, das die Gerinnungsfaktoren von Plasmaspendern enthält. Zu 3. Neben dem erniedrigten Gesamteiweiß und der charakteristischen Plasmaelektrophorese ist im Blut von Herrn Gerber der Bilirubinwert erhöht. Dies ist Ausdruck des gestörten Galleabflusses durch die Vernarbung intrahepatischer Gallenwege sowie der eingeschränkten Fähigkeit der Leber, das anfallende Bilirubin an Glucuronsäure zu binden. Die im Verhältnis zur ALT starke Erhöhung der AST (De-RitisQuotient = AST/ALT > 1) weist auf die toxische Schädigung der Leberzellen durch Alkohol hin. Dabei wird das zytoplasmatische Isoenzym der AST freigesetzt.
A © creativ collection
A
9 Abbau von Proteinen und Aminosäuren
9 9.1 9.2 9.3 9.4 9.5 9.6 9.7
9.1
Grundlagen
Pro Tag bauen die Zellen eines Erwachsenen ca. 300 g Protein ab. Die angefallenen Aminosäuren dienen folgenden Zwecken: Der größte Teil wird umgehend zur Synthese neuer Proteine verwendet. Nur ein vergleichsweise geringer Anteil (ca. 30 g/Tag) wird für verschiedene andere Synthesen benötigt, z. B. als Lieferant von Stickstoff für die Nukleotidsynthese oder für die Ammoniaksynthese in der Niere. Ein geringer Anteil wird dem Energiestoffwechsel zugeführt. Der physiologische Brennwert der Proteine beträgt ca. 17 kJ/g und entspricht damit fast dem der Kohlenhydrate. Bei anhaltendem Nahrungsmangel kann maximal die Hälfte der Proteine abgebaut werden. Anfangs werden ca. 100 g Proteine pro Tag abgebaut (v. a. in der Skelettmuskulatur), bald aber nur noch ca. 25 g pro Tag.
9.2
Transport von Stickstoff im Blut: Alanin, Glutamin und Harnstoff
Aminosäuren werden in folgenden Schritten abgebaut:
9.1
Abbau von Proteinen und Aminosäuren Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Transport von Stickstoff im Blut: Alanin, Glutamin und Harnstoff . . . . . . Der Harnstoffzyklus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ammoniak im Stoffwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abspaltung von Aminogruppen durch Transaminierung und Desaminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wege des Kohlenstoffs im Abbau der Aminosäuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wichtige Produkte des Aminosäureabbaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
136 136 139 143 146 150 157
Grundlagen
Die Gewebe eines erwachsenen Menschen enthalten etwa 6 – 12 kg Protein. Von 10 kg Protein werden in den Zellen pro Tag ca. 300 g unter Beteiligung verschiedener Proteasen zu Aminosäuren abgebaut. Die angefallenen Aminosäuren dienen mehreren unterschiedlichen Zwecken: Der weitaus größte Teil der freien Aminosäuren wird im Organismus umgehend zur Synthese neuer Proteine verwendet. In allen Zellen werden Proteinmoleküle permanent durch verschiedene Prozesse chemisch modifiziert und/oder denaturiert. Die dadurch inaktivierten Proteine werden in der Regel sehr schnell abgebaut und durch Neusynthese ersetzt (Turnover der Proteine). Viele Zellen bilden auch Proteine, die sezerniert werden. Dies gilt nicht nur für viele Drüsenzellen, sondern z. B. auch für die Hepatozyten, die für die Synthese der meisten im Blut enthaltenen Proteine zuständig sind. Nur ein vergleichsweise geringer Anteil der Aminosäuren wird für verschiedene andere Synthesen benötigt, z. B. als Lieferant von Stickstoff in der Synthese der Nukleotide. Stickstoff wird auch in der Niere benötigt, um über die Bildung von Ammoniak in den pH-Wert des Urins regulierend eingreifen zu können. Pro Tag werden für derartige Zwecke ca. 30 g Aminosäuren eingesetzt. Deshalb sollten täglich mit der Nahrung mindestens 30 g Protein aufgenommen werden. Diesen 30 g Protein entsprechen die Mengen an Stickstoff, die den Organismus mit dem Urin verlassen, überwiegend in Form von Harnstoff. Die in den Industrieländern übliche Nahrung enthält wesentlich mehr Protein als eigentlich notwendig wäre, im Durchschnitt ca. 100 g/Tag. Der Überschuss wird dem Energiestoffwechsel zugeführt. Dadurch steigt dann auch die Menge an Harnstoff im Urin. Der physiologische Brennwert der Proteine beträgt ca. 17 kJ/g und ist damit nahezu identisch mit dem physiologischen Brennwert der Kohlenhydrate. Proteine leisten generell einen kleinen, aber nicht unerheblichen Beitrag zum Energiestoffwechsel. Bei anhaltendem Nahrungsmangel kann maximal die Hälfte der Proteine abgebaut werden. Der Abbau betrifft dabei primär die Skelettmuskulatur. Im Fasten reduziert sich die Proteinmasse des Körpers anfangs um etwa 100 g/Tag, bald verringert sich dieser Wert aber auf ca. 25 g/Tag. Die Proteinmasse des Körpers ist deshalb auch für sehr lange Fastenzeiten ausreichend.
9.2
Transport von Stickstoff im Blut: Alanin, Glutamin und Harnstoff
Die beim Abbau der Proteine freigesetzten Aminosäuren werden zunächst in den Stoffwechsel der jeweiligen Zellen eingespeist. Sofern die Aminosäuren nicht unmittelbar zur Neusynthese von Proteinen verwendet werden, kommt es in den Zellen der peripheren Gewebe zu folgenden Prozessen:
A
137
9.2 Transport von Stickstoff im Blut: Alanin, Glutamin und Harnstoff
Vielfach wird von den Aminosäuren zunächst die Aminogruppe abgelöst. Die dabei von den Aminosäuren übrig bleibenden Kohlenstoffverbindungen werden in den Zellen auf verschiedenen Wegen entweder zu Pyruvat oder zu AcetylCoA oder zu Metaboliten des Citratzyklus abgebaut. In jedem Fall ist damit ein Anschluss an den Energiestoffwechsel gegeben. Die abgelösten Aminogruppen können innerhalb der Zellen für verschiedene Synthesen stickstoffhaltiger Verbindungen eingesetzt werden. Überschüssiger Stickstoff wird in den Zellen bevorzugt zur Synthese der Aminosäuren Alanin und Glutamin verwendet. Beide Aminosäuren werden an das Blut abgegeben und dann überwiegend von der Leber aufgenommen. In der Leber wird überschüssiger Stickstoff zur Synthese von Harnstoff verwendet. Harnstoff ist das Endprodukt des Aminosäurestoffwechsels. Für das Verständnis der physiologischen Zusammenhänge ist es hilfreich, zunächst die Wege des Alanins, Glutamins und des Harnstoffs näher zu betrachten, mit denen Stickstoff im Blut transportiert wird.
Zunächst wird die Aminogruppe abgelöst. Die verbliebenen Kohlenstoffverbindungen werden zu Pyruvat, Acetyl-CoA oder Metaboliten des Citratzyklus abgebaut. Die Aminogruppen dienen der Synthese stickstoffhaltiger Verbindungen. Überschüssiger Stickstoff wird v. a. zur Synthese von Alanin und Glutamin verwendet, die an das Blut abgegeben, überwiegend von der Leber aufgenommen und dort zur Harnstoffsynthese verwendet werden.
Alanin
Alanin
Eine der wichtigsten Aminosäuren, die von den Zellen der Skelettmuskulatur und anderen Geweben der Peripherie freigesetzt werden, ist das Alanin. Interessanterweise beträgt der Gehalt der Muskelproteine an Alanin nur 6 %. Unter den Aminosäuren, die von der Muskulatur an das Blut abgegeben werden, beträgt der Anteil des Alanins aber 30 %. Alanin wird dann überwiegend von der Leber aufgenommen. In der Leber wird der Stickstoff vom Alanin abgelöst (z. B. unter Beteiligung der Alanin-Aminotransferase, S. 148) und dann überwiegend zur Bildung von Harnstoff verwendet, der letztlich mit dem Urin ausgeschieden wird. Nach Ablösung der Aminogruppe bleibt von Alanin Pyruvat übrig (Abb. A 9.1 und Abb. A 9.2). Dieses wird in die Mitochondrien der Hepatozyten transportiert, wo es aber nicht unbedingt zu CO2 oxidiert wird. Bei Nahrungsmangel wird Pyruvat in erheblichem Umfang mithilfe der mitochondrialen Pyruvat-Carboxylase unter Beteiligung von Biotin zu Oxalacetat carboxyliert. Oxalacetat ist ein Metabolit des Citratzyklus (S. 103),
Aus dem Muskelgewebe wird Stickstoff bevorzugt in Form von Alanin freigesetzt. Mit dem Blut gelangt das Alanin zur Leber. Hier wird der Stickstoff vom Alanin abgelöst und zur Harnstoffsynthese verwendet. Übrig bleibt Pyruvat (Abb. A 9.1 und Abb. A 9.2), das in die Mitochondrien der Hepatozyten transportiert wird. Bei Nahrungsmangel wird es dort mithilfe der Pyruvat-Carboxylase zu Oxalacetat carboxyliert und zur Gluconeogenese verwendet.
A-9.1
Der Alaninzyklus
A-9.1
periphere Gewebe Proteine
Blutkreislauf
Glucose
Leber Glucose
Glykolyse Aminosäuren
Gluconeogenese
Pyruvat
Pyruvat
Alanin
Alanin
A-9.2
Alanin, Glutamat und Glutamin
Alanin Ala
H 3N
Harnstoffzyklus
NH3
NH3
Abbau
Pyruvat A COO–
C
C
CH3
Glutamat Glu
COO– H
A-9.2
O
CH3
H3N
E
α-Ketoglutarat (= 2-Oxoglutarat)
COO–
COO–
C
C
H
O
Glutamin Gln
Q COO–
H3N
H
C
CH2
CH2
CH2
CH2
CH2
CH2
COO–
COO–
C O
NH2
Alanin und Pyruvat lassen sich im Stoffwechsel leicht ineinander umwandeln, ebenso Glutamin und Glutamat sowie Glutamat und α-Ketoglutarat.
138
Die Glucose wird von der Leber an das Blut abgegeben und dann u. a. von der Muskulatur aufgenommen: Alaninzyklus (Abb. A 9.1).
▶ Merke.
A
9 Abbau von Proteinen und Aminosäuren
zugleich ist es aber auch die entscheidende Ausgangssubstanz der Neusynthese von Glucose (Gluconeogenese, S. 212). Das von der Muskulatur abgegebene Alanin erleichtert also in der Leber die Bildung von Glucose. Die Glucose wird von der Leber an das Blut abgegeben und kann von der Muskulatur aufgenommen und durch Glykolyse zu Pyruvat abgebaut werden. Das Pyruvat kann dann die in der Muskulatur beim Abbau der verschiedenen Aminosäuren freigesetzten Aminogruppen aufnehmen. Dabei entsteht wieder Alanin, sodass der Alaninzyklus (Abb. A 9.1) geschlossen ist.
▶ Merke. Alanin ist für den Aminosäurestoffwechsel von besonderer Bedeutung: Im Blut wird Stickstoff überwiegend in Form von Alanin zur Leber transportiert. Bei Nahrungsmangel wird Alanin in der Leber zur Gluconeogenese verwendet. Dies wird dadurch erleichtert, dass Alanin und Pyruvat leicht ineinander umzuwandeln sind (Abb. A 9.2).
Glutamin
Glutamin
Glutamin transportiert Stickstoff von der Peripherie zur Leber und zur Niere und zu den Geweben der Darmwand. Glutamin ist vermutlich die wichtigste Quelle von Stickstoff im ganzen Stoffwechsel.
Die Aminosäure, die im Blutplasma die höchste Konzentration zeigt, ist allerdings nicht Alanin, sondern Glutamin (Plasmakonzentration 0,6 mM). Glutamin ist zum einen am Transport von Stickstoff von der Peripherie zur Leber beteiligt, zum anderen am Transport von Stickstoff zur Niere (Abb. A 9.3) und zu den Geweben der Darmwand. Vermutlich ist Glutamin die wichtigste Quelle von Stickstoff im ganzen Stoffwechsel: In sämtlichen Geweben des Körpers wird Glutamin bei der Biosynthese der Purine und Pyrimidine verwendet. Auch Aminozucker erhalten ihre Aminogruppen von Glutamin. In der Niere und in der Darmwand wird ausgehend von Glutamin Ammoniak gebildet. Dieses wird in der Niere überwiegend an den Harn abgegeben, in der Darmwand an das Blut, das über die V. mesenterica superior und die V. mesenterica inferior der Leber zugeleitet wird.
A-9.3
A-9.3
Stoffwechsel des Glutamins in der Niere
Proteine
Niere
Glucose
Glutamin
Glutamin
Aminosäuren Abbau
Gluconeogenese
NH3
NH3 Glutamat
Glutamat
Oxalacetat
NH3 periphere Gewebe
In der Niere wird Glutamin abgebaut, um Ammoniak zur Neutralisation von Säuren im Urin zu bilden. Dabei wird Glutamin über Glutamat zu αKetoglutarat (Abb. A 9.2) abgebaut. Da αKetoglutarat dem Citratzyklus zugeführt wird, kann Oxalacetat entnommen und bei Bedarf zur Gluconeogenese verwendet werden.
Im Fasten wird die Gluconeogenese in der Niere erheblich gesteigert.
Blutkreislauf
Urin
α-Ketoglutarat
Citratzyklus
In der Niere wird Glutamin abgebaut, um Ammoniak zu bilden. Dieses dient vor allem zur Neutralisation von Säuren im Urin: NH3 wird an das Lumen des proximalen Tubulus abgegeben und bindet hier unter Bildung von NH4+ freie Protonen. In den Zellen des proximalen Tubulus wird aus Glutamin zunächst Glutamat gebildet. Nach Ablösung der zweiten Aminogruppe bleibt vom Glutamat α-Ketoglutarat (= 2-Oxoglutarat, Abb. A 9.2) übrig, also ein Metabolit des Citratzyklus. Die Einspeisung von α-Ketoglutarat in den Citratzyklus ist ein wichtiges Beispiel für eine anaplerotische Reaktion. Sie ermöglicht dem Stoffwechsel, in entsprechendem Umfang Oxalacetat aus dem Citratzyklus abzuzweigen und bei Bedarf zur Gluconeogenese zu verwenden. Ein Abbau von Glutamin und eine daran gekoppelte Gluconeogenese läuft in der Niere ständig ab. Insofern besteht ein Unterschied zur Gluconeogenese der Leber, die nur bei Nahrungsmangel von Bedeutung ist. Bei Nahrungsmangel wird die Produktivität der Gluconeogenese allerdings auch in der Niere erheblich erhöht. Im Fasten kann der Beitrag der Niere zur Gluconeogenese nahezu so groß sein wie
139
A 9.3 Der Harnstoffzyklus
der Beitrag der Leber. Unter diesen Bedingungen wird in der Niere vor allem Lactat zur Gluconeogenese verwendet, aber auch der Abbau des Glutamins wird intensiviert.
▶ Merke.
Glutamin ist für den Aminosäurestoffwechsel von besonderer Bedeu-
▶ Merke.
tung: Als Aminosäure mit der höchsten Plasmakonzentration (ca. 0,6 mM) ist Glutamin in den Geweben des Körpers die wichtigste Stickstoffquelle. In der Niere wird Glutamin zur Bildung von Ammoniak verwendet, das mit dem Urin ausgeschieden wird. Das α-Ketoglutarat, das beim Abbau des Glutamins anfällt, wird im proximalen Tubulus der Nierenrinde zur Gluconeogenese verwendet.
Harnstoff
Harnstoff
Harnstoff ist neben Glutamin die wichtigste Transportform des Stickstoffs auf dem Weg von der Leber zur Niere. Harnstoff ist gut wasserlöslich und erlaubt einen problemlosen Transport des überschüssigen Stickstoffs mit dem Blut. Ammoniak wäre als Transportform von Stickstoff im Blut ungeeignet, da es in höheren Konzentrationen giftig ist. In der Leber werden pro Tag normalerweise etwa 30 g Harnstoff produziert (ca. 500 mmol). Bei extrem proteinreicher Nahrung kann sich der Wert verdreifachen. Unter den stickstoffhaltigen Verbindungen, die mit dem Urin ausgeschieden werden, stellt Harnstoff stets den größten Anteil (Tab. A 9.1). In geringem Umfang wird Harnstoff auch in verschiedenen anderen Organen, insbesondere in der Niere gebildet. Wie in der Leber, entsteht der Harnstoff hier durch Hydrolyse der Aminosäure Arginin, katalysiert von einer Arginase. Die Niere kann allerdings nur wenig Harnstoff bilden, da ihr die meisten Enzyme des Harnstoffzyklus fehlen. Einen Harnstoffzyklus gibt es nur in der Leber.
Harnstoff ist neben Glutamin die wichtigste Transportform des Stickstoffs auf dem Weg von der Leber zur Niere.
A-9.1
In geringem Umfang wird Harnstoff auch in der Niere gebildet.
Art und Menge der stickstoffhaltigen Verbindungen in 24-h-Urin
Verbindung
Menge
Funktion im Stoffwechsel
Harnstoff
300 – 1500 mmol (ca. 20 – 90 g)
Endprodukt des Aminosäurestoffwechsels
Ammoniak
30 – 50 mmol
neutralisiert Säuren im Urin
Harnsäure
1 – 14 mmol
Abbauprodukt der Purinbasen
Kreatinin
8 – 17 mmol
entsteht aus Kreatinphosphat
Aminosäuren
10 – 20 mmol
Proteinbausteine, Ausgangsstoffe verschiedener Synthesen, Energielieferanten
9.3
Der Großteil des überschüssigen Stickstoffs wird in der Niere als Harnstoff ausgeschieden (Tab. A 9.1).
Der Harnstoffzyklus
A-9.1
9.3
Der Harnstoffzyklus
9.3.1 Grundlagen
9.3.1 Grundlagen
Physiologische Funktion: Der Harnstoffzyklus ist ein leberspezifischer zyklischer Stoffwechselweg, in dem Harnstoff, das Diamid der Kohlensäure (Abb. A 9.4), gebildet wird. Der Harnstoffzyklus ist im menschlichen Organismus eine wichtige Voraussetzung für die Ausscheidung überschüssigen Stickstoffs.
Physiologische Funktion: Die Synthese von Harnstoff (Abb. A 9.4) ist eine wichtige Voraussetzung für die Ausscheidung überschüssigen Stickstoffs.
Historisches: Verschiedene biochemisch interessante Naturstoffe wurden zwar bereits im 18. Jahrhundert in chemisch reiner Form isoliert, aber erst im 19. Jahrhundert wurde es zunehmend möglich, derartige Stoffe auch künstlich (in vitro, wörtlich „im Glas“, vgl. „Vitrine“; Gegenbegriff: in vivo = im lebenden Organismus) mit den Mitteln der organischen Chemie zu synthetisieren. In dieser Hinsicht gilt die Synthese von Harnstoff 1828 durch Friedrich Wöhler (1800 – 1882) als ein Meilenstein in der Geschichte der Naturwissenschaften. Friedrich Wöhler stammte ur-
Die künstliche Synthese von Harnstoff 1828 durch den Arzt und Chemiker Friedrich Wöhler gilt als ein Meilenstein in der Frühgeschichte der Biochemie. Entdecker des Harnstoffzyklus war 1932 der Arzt und Biochemiker Hans Krebs, der wenige Jahre später auch die Schritte des Citratzyklus aufklärte.
140
A
9 Abbau von Proteinen und Aminosäuren
A-9.4
Harnstoff
A-9.4
NH2 O
Entdeckung des Harnstoffzyklus: Hans Krebs (1932)
Erste Synthese: Friedrich Wöhler (1828)
C NH2
Harnstoff (engl. Urea)
sprünglich aus Eschersheim bei Frankfurt am Main. Er studierte Medizin und wurde auch Dr. med., interessierte sich dann aber zunehmend für die Chemie. 1825 bis 1831 arbeitete er in Berlin, dann zunächst in Kassel, um schließlich 1836 nach Göttingen zu wechseln, wo er bis zu seinem Tod geblieben ist. Der Harnstoffzyklus war dann der erste zyklische Stoffwechselweg, der in der Geschichte der Biochemie beschrieben wurde. Der Harnstoffzyklus wurde 1932 an der Universitätsklinik Freiburg von Hans Krebs (S. 103) gemeinsam mit dem Medizinstudenten Kurt Henseleit entdeckt.
▶ Merke.
A-9.5
▶ Merke. Der Harnstoffzyklus läuft nur in der Leber ab. Der Harnstoff entsteht durch Hydrolyse der Aminosäure Arginin. In der Reaktion bleibt vom Arginin zunächst die nicht proteinogene Aminosäure Ornithin übrig. Der Harnstoffzyklus dient dazu, ausgehend von Ornithin wieder Arginin zu synthetisieren (Abb. A 9.5).
Die Quellen des freien Ammoniaks in den Mitochondrien
A-9.5
–
COO–
COO H 3N
C
H
CH2 CH2
hydrolytische Desaminierung Glutaminase
C O
H3N
C
CH2 CH2 COO–
NH2
Glutamin (Gln)
COO–
H
O oxidative Desaminierung GlutamatDehydrogenase
C CH2 CH2 COO–
Glutamat (Glu)
α-Ketoglutarat
+ NH3
+ NH3
Zu den Reaktionsmechanismen der hydrolytischen bzw. oxidativen Desaminierung s. S. 149.
9.3.2 Die einzelnen Reaktionsschritte
▶ Überblick.
9.3.2 Die einzelnen Reaktionsschritte ▶ Überblick.
Die Harnstoffsynthese erfordert fünf Schritte (Abb. A 9.6, Abb. A 9.7): 1. Bildung von Carbamoylphosphat aus NH4+ und HCO3- in der mitochondrialen Matrix 2. Reaktion von Carbamoylphosphat mit Ornithin unter Bildung von Citrullin (ebenfalls in der mitochondrialen Matrix; Citrullin wird ins Zytosol exportiert) 3. Reaktion des Citrullins mit Aspartat unter Bildung von Argininosuccinat im Zytosol 4. Spaltung von Argininosuccinat in Arginin und Fumarat im Zytosol 5. Hydrolyse des Arginins unter Bildung von Harnstoff und Ornithin im Zytosol Im Rahmen des Harnstoffzyklus wird das Carbamoylphosphat in den Mitochondrien synthetisiert, und damit im gleichen Organell, in dem – ausgehend von Glutamin und Glutamat – auch freies NH3 gebildet wird. Wahrscheinlich ist es von Vorteil, dass das toxische NH3 in einem abgeschirmten Kompartiment gebildet und dort auch sofort zur Synthese von Harnstoff verwendet wird.
141
A 9.3 Der Harnstoffzyklus
A-9.6
Der Harnstoffzyklus
A-9.6
Fumarat
O H2O
Arginin
H2N
C
NH2
Harnstoff Argininosuccinat Ornithin
Citrullin Aspartat mitochondriale Innenmembran
Ornithin/CitrullinTransporter
Citrullin
Ornithin O H2N
C
O O
O–
P O
–
+
Carbamoylphosphat
Bildung von Carbamoylphosphat aus NH4 und HCO3
-
Die Synthese von Carbamoylphosphat aus NH4+ und HCO3- (Hydrogencarbonat, Bicarbonat) ist die Schrittmacherreaktion des Harnstoffzyklus. Für die Reaktion sind 2 ATP erforderlich, von denen unter Bildung von ADP jeweils eine Phosphatgruppe abgelöst wird: Die Phosphatgruppe des ersten ATP wird letztlich zu einem Teil des Carbamoylphosphats, die Phosphatgruppe des zweiten ATP wird freigesetzt. Für die Bildung des Carbamoylphosphates werden also zwei energiereiche Bindungen gespalten. Das katalysierende Enzym ist die mitochondriale Carbamoylphosphat-Synthetase 1. Es ist nicht zu verwechseln mit der CarbamoylphosphatSynthetase 2, die im Zytosol den ersten Schritt der Pyrimidinbiosynthese katalysiert (S. 411).
Bildung von Citrullin aus Carbamoylphosphat und Ornithin In diesem Reaktionsschritt wird die Phosphatgruppe des Carbamoylphosphats gegen Ornithin ausgetauscht. Ornithin ist eine nicht proteinogene Aminosäure, d. h. sie wird nie in Proteine eingebaut. Der Austausch wird von der Ornithin-Carbamoyl-Transferase (Ornithin-Transcarbamylase) katalysiert. Carbamoylphosphat reagiert dabei mit der Aminogruppe der Seitenkette des Ornithins. Unter Abspaltung der Phosphatgruppe bildet sich Citrullin, ebenfalls eine nicht proteinogene Aminosäure. Citrullin wird dann unter Vermittlung eines Transportproteins (Translokators) in das Zytosol exportiert. Der Translokator befindet sich in der mitochondrialen Innenmembran. Der Export des Citrullins erfolgt im Austausch gegen Ornithin, das aus dem Zytosol aufgenommen wird (Antiport). Der Translokator ist verwandt mit dem mitochondrialen ADP/ATP-Translokator (S. 175).
Bildung von Argininosuccinat aus Citrullin und Aspartat Die Synthese von Argininosuccinat aus Citrullin und Aspartat erfordert die Spaltung zweier energiereicher Bindungen. Die Reaktion wird von der Argininosuccinat-Synthetase katalysiert, die ATP zu AMP und Pyrophosphat umsetzt, das in der Zelle schnell zu 2 Phosphat hydrolysiert wird.
Spaltung von Argininosuccinat zu Arginin und Fumarat Durch die Spaltung von Argininosuccinat, katalysiert von der Argininosuccinat-Lyase, liefert der Harnstoffzyklus mit Fumarat einen Metaboliten des Citratzyklus. Dieser entsteht allerdings nicht in den Mitochondrien, sondern im Zytosol. Das zweite Reaktionsprodukt, Arginin, ist eine proteinogene Aminosäure. Aus ihr entsteht im nächsten Schritt Harnstoff.
Bildung von Carbamoylphosphat aus NH4+ und HCO3Bei der Synthese von Carbamoylphosphat werden zwei energiereiche Bindungen gespalten. Das katalysierende Enzym ist die mitochondriale Carbamoylphosphat-Synthetase 1.
Bildung von Citrullin aus Carbamoylphosphat und Ornithin Die Phosphatgruppe des Carbamoylphosphats wird durch die Ornithin-Carbamoyl-Transferase gegen Ornithin ausgetauscht. Das Reaktionsprodukt Citrullin wird ins Zytosol exportiert.
Bildung von Argininosuccinat aus Citrullin und Aspartat Bei dieser Synthese werden 2 energiereiche Bindungen gespalten. Katalysator ist die Argininosuccinat-Synthetase. Spaltung von Argininosuccinat zu Arginin und Fumarat Enzym: Argininosuccinat-Lyase. Aus dem Arginin wird im nächsten Schritt Harnstoff freigesetzt.
142 A-9.7
A
9 Abbau von Proteinen und Aminosäuren
Die Reaktionsschritte des Harnstoffzyklus
A-9.7
COO– +
H3N
C
–
OOC H
H
H
C
COO–
COO– +
H2N
Fumarat
CH2 Argininosuccinat
C
C
CH2 CH2
CH2
Argininosuccinat-Lyase
H
C
NH
C N
Guanidinogruppe
NH + 2
CH2 H +
C
NH2 +
COO
H
AMP + PPi
CH2 COO Aspartat
C H2N
–
COO– H3N
Arginin
CH2
NH COO–
H
CH2
H2O
Argininosuccinat-Synthetase
–
Arginase NH2
ATP
C
COO– +
H3N
C
H
CH2
H3N
C
Citrullin CH2 CH2
H
CH2 Ornithin
CH2 +
C O
Harnstoff
CH2
NH
Zytosol
NH2
COO– +
O
NH2
mitochondriale Innenmembran
NH3
Ornithin/CitrullinTransporter
Mitochondrium COO– +
H3N
C
COO–
H
+
H3N
CH2 Citrullin
CH2
C NH2
H2N
Pi O
O
C O
P
2 ADP + Pi
O Carbamoylphosphat
Durch Hydrolyse von Arginin, katalysiert von der Arginase, entstehen Harnstoff und Ornithin.
▶ Merke.
CH2 +
NH3
2 ATP
O– –
CH2
Ornithin
OrnithinCarbamoylTransferase
NH O
H
CH2
CH2
Hydrolyse von Arginin zu Harnstoff und Ornithin
C
HCO3– + NH4+ Carbamoylphosphat-Synthetase 1 (Regulation: Aktivierung durch N-Acetylglutamat)
Hydrolyse von Arginin zu Harnstoff und Ornithin Durch Hydrolyse von Arginin, katalysiert von der Arginase, entstehen Harnstoff und die nicht proteinogene Aminosäure Ornithin. Harnstoff gelangt unter Vermittlung spezifischer Transportproteine (Urea transporters, UT) aus dem Zytosol ins Blut. Ornithin wird durch das Transportprotein, das Citrullin aus den Mitochondrien exportiert, in die Mitochondrien importiert, um dort für einen weiteren Reaktionszyklus zur Verfügung zu stehen.
▶ Merke. Der Harnstoffzyklus dient dazu, ausgehend von Ornithin wieder Arginin zu synthetisieren. Dabei wird das erste N-Atom in den Mitochondrien von Carbamoylphosphat beigesteuert. Das zweite N-Atom wird im Zytosol von Aspartat geliefert. Aspartat wird im Harnstoffzyklus zu Fumarat umgesetzt.
A
143
9.4 Ammoniak im Stoffwechsel
9.3.3 Energiebilanz
9.3.3 Energiebilanz
Im Harnstoffzyklus gibt es nur zwei ATP-abhängige Schritte, nämlich die Reaktion der Carbamoylphosphat-Synthetase in den Mitochondrien und die Reaktion der Argininosuccinat-Synthetase im Cytosol. Dabei ist aber zu beachten, dass in einem Zyklus gleichwohl drei ATP verbraucht werden, denn die Carbamoylphosphat-Synthetase benötigt zur Synthese eines Carbamoylphosphates 2 ATP. In der Energiebilanz ist zudem zu berücksichtigen, dass ATP in der Reaktion der Argininosuccinat-Synthetase nicht zu ADP + Pi, sondern zu AMP + Pyrophosphat umgesetzt wird. Das Pyrophosphat wird in der Zelle schnell zu zwei PhosphatIonen hydrolysiert. So ergibt sich für die Energiebilanz, dass im Harnstoffzyklus letztlich vier energiereiche Bindungen gespalten werden.
Im Harnstoffzyklus gibt es nur 2 ATP-abhängige Schritte, es werden dabei aber 3 ATP verbraucht und 4 energiereiche Bindungen gespalten.
9.3.4 Was wird aus dem Fumarat?
9.3.4 Was wird aus dem Fumarat?
Aus Fumarat bildet sich im Zytosol durch Anlagerung von H2O Malat. (Es läuft also im Zytosol die gleiche Reaktion ab wie im Citratzyklus; S. 103). Malat wird anschließend (in parallelen Stoffwechselwegen z. T. im Zytosol, z. T. in den Mitochondrien) zur Synthese von Oxalacetat verwendet. Vermittelt durch die Aspartat-Aminotransferase (ASAT, S. 148) kann aus Oxalacetat dann wieder Aspartat gebildet werden, das im Harnstoffzyklus zur Bildung des Argininosuccinats benötigt wird. Da das Aspartat seine Aminogruppe in der ASAT-Reaktion von Glutamat empfängt, stammen letztlich beide Stickstoffatome des Harnstoffs aus dem Glutamat/Glutamin-System.
Aus Fumarat bildet sich durch Anlagerung von H2O Malat. Dieses wird zur Synthese von Oxalacetat verwendet, aus dem durch Transaminierung wieder Aspartat gebildet werden kann.
9.3.5 Regulation des Harnstoffzyklus
9.3.5 Regulation des Harnstoffzyklus
Schrittmacherenzym und damit das für die Regulation des Harnstoffzyklus entscheidende Enzym ist die Carbamoylphosphat-Synthetase 1, die den ersten Schritt des Harnstoffzyklus katalysiert. Sie wird allosterisch durch N-Acetylglutamat aktiviert. In den Mitochondrien ist die Konzentation an N-Acetylglutamat umso höher, je mehr Glutamat und Acetyl-CoA vorhanden ist. Über die Konzentration des NAcetylglutamats wird zum einen signalisiert, dass vermehrt Substrat (Glutamat) umgesetzt werden kann, zum anderen, dass ausreichend Energie zur Verfügung steht, da viel Acetyl-CoA in den Citratzyklus eingespeist wird.
Schrittmacherenzym ist die Carbamoylphosphat-Synthetase 1 (Schritt 1). Sie wird durch N-Acetylglutamat aktiviert. Dieses ist umso höher konzentriert, je mehr Glutamat und Acetyl-CoA vorhanden sind.
▶
Klinik. Bei einer mangelnden Entgiftungskapazität der Leber, bei angeborenen
▶
Klinik.
Defekten der Enzyme des Harnstoffzyklus oder Störungen der am Harnstoffzyklus beteiligten Transportproteine kommt es zu einer Hyperammonämie. Typische Folgen sind neurologische Symptome (Konzentrationsschwäche, Stimmungsschwankungen, Schlafstörungen, Zittern der Hände). In extremen Fällen kommt es zum Koma.
9.4
Ammoniak im Stoffwechsel
9.4
Ammoniak im Stoffwechsel
9.4.1 Bildung von Ammoniak
9.4.1 Bildung von Ammoniak
Ammoniak (NH3) wird im Körper vor allem im Darm, in der Niere und in der Muskulatur freigesetzt. Bei physiologischen pH-Werten nimmt Ammoniak in wässriger Umgebung über sein freies Elektronenpaar sehr schnell ein Proton auf und liegt dann zu etwa 98 % in Form von Ammoniumionen vor, also als NH4+. Bei einer Alkalose verschiebt sich das Gleichgewicht zugunsten des NH3. Als geladenes Teilchen kann NH4+ nur schwer durch Lipidmembranen diffundieren, für NH3 zeigen Lipidmembranen hingegen eine hohe Permeabilität. Unter physiologischen Bedingungen ist NH4+ im Blutplasma immer in geringen Konzentrationen enthalten (etwa 20 – 40 μM).
Ammoniak (NH3) liegt bei normalem pH überwiegend in Form von NH4+ vor. Im Blutplasma ist unter physiologischen Bedingungen immer eine gewisse Menge an NH4+ enthalten, die Konzentration allerdings nur sehr gering.
Darm: Die Gewebe der Darmwand nehmen ständig Glutamin aus dem Blut auf und bauen dieses mithilfe der Glutaminase zu NH3 und Glutamat ab (Abb. A 9.5). Während sie das Glutamat in ihren eigenen Stoffwechsel einbeziehen, diffundiert das NH3 ins venöse Blut und gelangt über die V. portae zur Leber. Eine etwa gleich
Darm: Der Darm gibt NH3 ab, das mit dem Blut zur Leber gelangt (Abb. A 9.8). NH3 entsteht etwa in gleichen Mengen durch Desaminierung von Glutamin in den Geweben
144
A
A-9.8
9 Abbau von Proteinen und Aminosäuren
Ammoniak im Stoffwechsel Ammoniakaufnahme und -entgiftung
Ammoniakfreisetzung
Gehirn (Astrozyten): Synthese von Glutamin mithilfe der Glutamin-Synthetase (Neurone nehmen das Glutamin auf und synthetisieren die Neurotransmitter Glutamat und GABA)
Muskulatur Desaminierung von AMP zu IMP
Nieren Abbau von Glutamin mithilfe der Glutaminase und der Glutamat-Dehydrogenase
Leber (Hepatozyten): schnelle Entgiftung mithilfe der Glutamat-Dehydrogenase (reversibel) und der Glutamin-Synthetase. Letztlich wird Ammoniak in der Leber zur Synthese von Harnstoff verwendet.
Darm Stoffwechselaktivität der Bakterien im Darmlumen sowie der Zellen in der Darmwand
Die Reaktion der Glutamat-Dehydrogenase in der Leber ist reversibel: das gleiche Enzym kann sowohl die Entgiftung, als auch die Bereitstellung von Ammoniak katalysieren.
der Darmwand (Abb. A 9.5) und im Stoffwechsel der Bakterien im Darmlumen.
große Menge an NH3 entsteht im Darmlumen durch den Stoffwechsel der dort in hoher Dichte vorhandenen Bakterien und gelangt ebenfalls ins Blut der Portalvene (Abb. A 9.8). Eine der wichtigen Funktionen der Leber besteht darin, dieses NH3 aufzunehmen und mithilfe des Harnstoffzyklus zu entgiften.
Niere: Das in der Niere gebildete NH3 wird überwiegend an den Harn abgegeben, teilweise gelangt es aber auch ins Blut (Abb. A 9.8).
Niere: Auch die Niere nimmt Glutamin aus dem Blut auf und bildet unter Beteiligung der Glutaminase NH3 (Abb. A 9.8). Dieses wird dann überwiegend an den Harn abgegeben. Das NH3 hat dabei eine wichtige Funktion in der Regulation des Säure-Basen-Haushalts. Teilweise gelangt NH3 aber auch ins Blut.
Muskulatur: In der intensiv arbeitenden Muskulatur entsteht NH3 durch Desaminierung von AMP zu IMP. Die Reaktion wird von einer AMP-Desaminase katalysiert (Abb. A 9.9). Das entstehende NH3 wird ans Blut abgegeben.
Muskulatur: In der Muskulatur entsteht NH3 vor allem bei hohem Energieumsatz. Unter diesen Bedingungen wird ausgehend von ATP zunehmend nicht nur ADP, sondern auch AMP (Adenosinmonophosphat) gebildet. Die chemischen Gleichgewichte zwischen ATP, ADP und AMP verschieben sich damit zuungunsten des ATP. Um die Leistungskraft der Muskulatur aufrecht zu erhalten, wird das AMP dann zunehmend von einer AMP-Desaminase zu IMP (Inosinmonophosphat) abgebaut und damit dem Gleichgewicht entzogen (Abb. A 9.9). Das bei der Desaminierung
A-9.9
A-9.9
NH3-Bildung in der Muskulatur O
NH2 N
N N
N
H2O
NH3
N
O O P O CH2 O
N
O
–
–
N
HN
O
OH OH Adenosin-5'-monophosphat (AMP)
AMP-Desaminase
–
O P O CH2 O–
O
OH OH Inosin-5'-monophosphat (IMP)
Insbesondere bei hohem Energieumsatz desaminiert die AMP-Desaminase im Muskel AMP zu IMP. Dabei entsteht Ammoniak.
A
145
9.4 Ammoniak im Stoffwechsel
anfallende NH3 wird ans Blut abgegeben. Die NH4+-Konzentration kann sich dabei im peripheren Blutkreislauf verdoppeln. Ausgehend vom IMP wird im Muskelgewebe nachträglich in einer Ruhephase wieder ATP gebildet.
9.4.2 Entgiftung von Ammoniak
9.4.2 Entgiftung von Ammoniak
NH3 wird vor allem von der Leber aus dem Blut aufgenommen und entgiftet. Das NH3 wird dabei in zwei Reaktionen gebunden: Die Reaktion der Glutamat-Dehydrogenase ist reversibel (Abb. A 9.10). Zur schnellen Aufnahme größerer Mengen an NH4+ kann das Enzym die Bildung von Glutamat katalysieren. Wenn die Konzentration an NH4+ sinkt, kann das gleiche Enzym auch die Rückreaktion katalysieren und NH4+ für die Synthese von Carbamoylphosphat und damit für den Harnstoffzyklus bereitstellen. Die Reaktion der Glutamin-Synthetase ist ATP-abhängig und irreversibel (Abb. A 9.11). Aus dem Glutamin kann aber mithilfe der Glutaminase wieder NH3 freigesetzt und dem Harnstoffzyklus zugeführt werden.
NH3 wird von der Leber aus dem Blut aufgenommen und mithilfe zweier Enzyme entgiftet: Glutamat-Dehydrogenase (Abb. A 9.10) Glutamin-Synthetase (Abb. A 9.11)
Die Reaktion der Glutamat-Dehydrogenase
A-9.10
A-9.10
–
COO O NH4
+
–
NAD(P)H
COO
NAD(P)+ + H+
+
H3N
C CH2
+
CH2
H2O
COO– Glutamat
Die Reaktion der Glutamin-Synthetase
A-9.11 –
COO C
+
CH2
α-Ketoglutarat
+
H
CH2 Glutamat-Dehydrogenase
COO–
H3N
C
COO
NH3
H
ATP
A-9.11 –
+
ADP + Pi
H3N
CH2 CH2 COO–
H
C CH2
Glutamin-Synthetase γ-Carboxylgruppe
Glutamat (Glu)
CH2 C O
NH2
Amidgruppe
Glutamin (Gln)
Ein intensiver Glutamin-Stoffwechsel lässt sich auch in den Astrozyten des Gehirns nachweisen. NH4+ wird in den Astrozyten mithilfe der Glutamin-Synthetase zur Synthese von Glutamin verwendet. Das Glutamin wird dann an die benachbarten Neurone abgegeben, die ausgehend von Glutamin zwei der wichtigsten Neurotransmitter synthetisieren, nämlich Glutamat und GABA (γ-Aminobutyrat).
▶ Klinik. Eine gestörte Leberfunktion, etwa bei einer Leberzirrhose, ist oft mit neurologischen Komplikationen verbunden. Man spricht dann von einer hepatischen Enzephalopathie. Charakteristisch sind Stimmungsschwankungen und Händezittern, mitunter eine verwaschene Sprache sowie in fortgeschrittenen Stadien eine ausgeprägte Schläfrigkeit und zunehmende Apathie. Die hepatische Enzephalopathie wird traditionell vor allem auf die chronische Hyperammonämie zurückgeführt, die mit der Leberinsuffizienz und mit der Bildung von Kollateralkreisläufen verbunden ist. Bei einer Leberzirrhose steigt die NH4+-Konzentration im Blut auf 40 – 60 μM, bei akutem Leberversagen sogar auf > 150 μM. Wenn die Astrozyten vermehrt NH3 aufnehmen, entsteht sehr viel Glutamin, das ein Anschwellen der Astrozyten verursacht. In schweren Fällen kann sich ein Hirnödem bilden. Durch die Störung des Glutaminstoffwechsels einerseits und durch das Schwellen der
In den Astrozyten wird NH3 mithilfe der Glutamin-Synthetase zur Bildung von Glutamin verwendet.
▶
Klinik.
146
A
9 Abbau von Proteinen und Aminosäuren
Astrozyten andererseits werden vielfältige Effekte ausgelöst. Indirekt ist dann auch die Funktion der Neuronen und der Stoffwechsel der Neurotransmitter beeinträchtigt. Als erste therapeutische Maßnahme ist eine proteinarme Diät sinnvoll, da auf diese Weise weniger Stickstoff in den Stoffwechsel gelangt und entsprechend weniger Ammoniak gebildet wird. Über die Kollateralkreisläufe können allerdings neben dem Ammoniak auch andere toxische Verbindungen in den peripheren Blutkreislauf gelangen. Vermutlich tragen diese ebenfalls zur Entwicklung der hepatischen Enzephalopathie bei. Zur Therapie einer Hyperammonämie kann Natrium-Phenylbutyrat oder Natriumbenzoat (das Natriumsalz der Benzoesäure) eingesetzt werden. Phenylbutyrat reagiert im Blut mit freiem Glutamin, das Benzoat mit Glycin, die Reaktionsprodukte werden in der Niere nicht rückresorbiert, und gelangen so in den Urin.
9.5
Abspaltung von Aminogruppen durch Transaminierung und Desaminierung
Abspaltung von Aminogruppen durch Transaminierung und Desaminierung
Für die Abspaltung der Aminogruppe gibt es zwei Möglichkeiten: Transaminierung: Übertragung von Aminogruppen auf α-Ketosäuren. Desaminierung: Bildung von NH3.
9.5
Abspaltung von Aminogruppen durch Transaminierung und Desaminierung
In den vorangegangenen Abschnitten wurde in einem ersten Überblick erläutert, wie stickstoffhaltige Verbindungen im Organismus verteilt und ausgeschieden werden. In den nun folgenden Abschnitten des Kapitels werden zunächst die Mechanismen beschrieben, die eine Ablösung der α-Aminogruppe von den Aminosäuren ermöglichen (S. 146). Die Abbauwege der dabei übrig bleibenden Kohlenstoffverbindungen sind Gegenstand des Kapitels A-9.6. Der Abbau einer Aminosäure wird oft durch die Abspaltung der α-Aminogruppe eingeleitet. Die Abspaltung kann auf zweierlei Art erfolgen: Transaminierung (am häufigsten): Aminogruppen werden auf α-Ketosäuren übertragen. Dabei entsteht aus der α-Ketosäure eine Aminosäure und aus der Aminosäure eine α-Ketosäure. Desaminierung: Aminogruppen können in Form von Ammoniak (NH3) freigesetzt werden.
9.5.1 Transaminierung
9.5.1 Transaminierung
Transaminierungen werden von Aminotransferasen (= Transaminasen) katalysiert.
Die Enzyme, die Transaminierungen katalysieren, heißen Aminotransferasen. In einer älteren Nomenklatur wurden die Enzyme als Transaminasen bezeichnet. Vielfach ist die alte Nomenklatur auch heute noch gebräuchlich, insbesondere in der klinischen Chemie.
▶ Merke.
A-9.12
▶ Merke.
Alle Aminotransferasen verwenden als Cofaktor Pyridoxalphosphat (PALP, Abb. A 9.12), ein Derivat des Vitamins B6 (= Pyridoxin). PALP ist deshalb für den gesamten Aminosäurestoffwechsel von fundamentaler Bedeutung.
A-9.12
Pyridoxalphosphat (PALP) O CH2OH
HOH2C
OH N H
CH3
Pyridoxin (= Vitamin B6)
Ablauf der Transaminierung: PALP + Aminosäure → Schiff-Base + H2O (Abb. A 9.13 a)
–
O
P O–
H C
O O
H2C
OH N H
CH3
Pyridoxalphosphat (PALP)
Eine Transaminierung vollzieht sich in folgenden Schritten: PALP exponiert an einem Pyridinring eine Aldehydgruppe. Diese reagiert unter Abspaltung von Wasser mit der Aminogruppe einer Aminosäure. Dabei bildet sich eine Schiff-Base (Abb. A 9.13 a).
A
Pyridoxalphosphat-abhängige Transaminierung
A-9.13
Transaminase
C
O
P O
O H2C
H
H3N
C
H
H
C
O –
OH
–
O
P
O H2C
CH3 N H Schiff-Base aus Pyridoxalphosphat und Aminosäure-Substrat
R COO–
C
N
OH N H
b
H
Aldimin
C
H OH
N H Ketimin
CH3
C
COO–
NH2
H 2O + H + H
R'
CH3
R O
COO–
N H
R'
OH
O
R
C
H
–
α-Ketosäure C
COO–
N
R
CH3 N H Pyridoxalphosphat als prosthetische Gruppe a einer Transaminase
H
C
R
COO–
N O
A-9.13
Transaminase – Lysin– NH2
Lysin
–
147
9.5 Abspaltung von Aminogruppen durch Transaminierung und Desaminierung
C
R'
H OH
N H
CH3
Pyridoxaminphosphat
a Anbindung eines Aminosäure-Substrats. b Ablösung einer α-Ketosäure.
▶ Definition.
Eine Schiff-Base ist das Produkt, das bei einer Reaktion eines Aldehyds mit einem primären Amin – einer Verbindung der Art R-NH2 – entsteht. Durch die Bildung der Schiff-Base wird die Struktur der Aminosäure labilisiert. Vom α-C-Atom der Aminosäure wandert das Wasserstoffatom in die verbindende -CH = N-Gruppe zwischen der Aminosäure und PALP. Dadurch verschiebt sich die Doppelbindung und aus dem Aldimin entsteht ein Ketimin (Abb. A 9.13 b). An die Doppelbindung lagert sich Wasser an und anstelle der Aminosäure löst sich nun eine α-Ketosäure ab, wobei Pyridoxaminphosphat (PAMP) zurück bleibt (Abb. A 9.13 b). PAMP kann dann mit einer anderen α-Ketosäure reagieren. Die Rückreaktion erfolgt im Transaminierungszyklus: Erneut bildet sich ein Ketimin, aus dem ein Aldimin entsteht. Indem sich Wasser anlagert, löst sich nun eine Aminosäure ab und PALP ist regeneriert. In ruhenden Transaminasen ist PALP über seine Aldehydgruppe mit der ε-Aminogruppe eines Lysinrestes aus der Aminosäurekette des Enzyms verbunden. Jede Aminotransferase reagiert also in einem Reaktionszyklus mit zwei unterschiedlichen Substraten. Ein Substrat spendet eine Aminogruppe, das andere Substrat erhält eine Aminogruppe. Die Reaktionen können in beide Richtungen ablaufen, sie sind reversibel. In jedem Fall kann aber das zweite Substrat erst binden, nachdem das erste Substrat das Enzym verlassen hat. Ein derartiger Reaktionsmechanismus wird allgemein als Ping-Pong-Mechanismus bezeichnet.
▶ Merke.
Der Aminosäurestoffwechsel wird von den Aktivitäten eines ganzen Netzwerkes an unterschiedlichen Aminotransferasen bestimmt, die teilweise recht spezifisch sind, teilweise aber auch mit mehreren Aminosäuren reagieren können. Innerhalb dieses Netzwerks sind zwei Aminotransferasen von zentraler Bedeutung, da sie den Austausch von Aminogruppen zwischen den wichtigsten Metaboliten des gesamten Aminosäurestoffwechsels vermitteln: die Alanin-Aminotransferase (ALAT = ALT), die Aspartat-Aminotransferase (ASAT = AST).
▶ Definition. Aus dem Aldimin entsteht ein Ketimin (Abb. A 9.13 b). Nach Anlagerung von H2O löst sich eine αKetosäure ab und Pyridoxaminphosphat (PAMP) bleibt zurück (Abb. A 9.13 b). PAMP reagiert mit einer anderen α-Ketosäure. Rückreaktion des Transaminierungszyklus.
Jede Aminotransferase reagiert in einem Reaktionszyklus mit zwei unterschiedlichen Substraten in einem Ping-Pong-Mechanismus. Die Reaktionen sind reversibel.
▶ Merke.
148
A
9 Abbau von Proteinen und Aminosäuren
Beide Enzyme katalysieren die Einstellung eines chemischen Gleichgewichts, an dem das Paar α-Ketoglutarat/Glutamat beteiligt ist. Alanin-Aminotransferase (ALAT = ALT) katalysiert die Reaktion Alanin + α-Ketoglutarat ⇋ Pyruvat + Glutamat
Alanin-Aminotransferase (ALAT = ALT), früher (GPT) genannt: Sie katalysiert die Reaktion Alanin + α-Ketoglutarat ⇋ Pyruvat + Glutamat.
Aspartat-Aminotransferase (ASAT = AST) katalysiert die Reaktion Aspartat + α-Ketoglutarat ⇌ Oxalacetat + Glutamat.
Aspartat-Aminotransferase (ASAT = AST), Glutamat-Oxalacetat-Transaminase (GOT) genannt: Sie katalysiert die Reaktion Aspartat + α-Ketoglutarat ⇌ Oxalacetat + Glutamat.
▶
Klinik.
Glutamat-Pyruvat-Transaminase
▶ Klinik. Die ALAT findet sich vorwiegend in Hepatozyten, die ASAT auch in Herzund Skelettmuskelzellen. Sterben derartige Zellen ab, gelangen diese Enzyme ins Blut und können dort relativ einfach nachgewiesen werden. Steigende Aktivitäten dieser Enzyme im Blut haben ihre Ursache meist in einer Schädigung der Leber. Ein Anstieg der ASAT-Aktivität im Blut ohne signifikanten Anstieg der ALAT-Aktivität deutet auf einen Herzinfarkt hin. Die ASAT zählt wie die Kreatinkinase (CK) zu den „Herzenzymen“, die in der Frühdiagnostik des Herzinfarkts eine wichtige Rolle spielen.
9.5.2 Desaminierung
▶ Definition.
9.5.2 Desaminierung ▶ Definition.
Als Desaminierung bezeichnet man eine Reaktion, in der die α-Aminogruppe einer Aminosäure nicht auf eine andere Kohlenstoffverbindung übertragen, sondern in Form von Ammoniak (NH3) freigesetzt wird.
Oxidative Desaminierung von Glutamat
Oxidative Desaminierung von Glutamat
Sinn dieser Reaktion ist die Bildung von Ammoniak (NH3), das in der Leber zur Harnstoffsynthese, in der Niere zur Sekretion in den Urin benötigt wird. Enzym: mitochondriale Glutamat-Dehydrogenase
Glutamat kann auf verschiedenen Wegen in α-Ketoglutarat umgewandelt werden. Zwei Wege sind bereits vorgestellt worden, nämlich die Reaktionen der AlaninAminotransferase und der Aspartat-Aminotransferase. Ein dritter Weg ist von Transferasen gänzlich unabhängig und besteht in einer oxidativen Desaminierung. Sinn dieser Reaktion ist die Bildung von Ammoniak (NH3), das in der Leber zur Harnstoffsynthese, in der Niere zur Sekretion in den Urin benötigt wird. Die reversible Reaktion wird von der Glutamat-Dehydrogenase, einem Enzym der mitochondrialen Matrix, katalysiert. Coenzym der Glutamat-Dehydrogenase ist NAD+ oder NADP+. Im NADP+ ist die OHGruppe am C-Atom 2 der Ribose des Adenosins phosphoryliert (S. 287). Enzyme sind in der Regel spezifisch für eines dieser beiden Coenzyme. Dabei steht NAD+/ NADH normalerweise im Zusammenhang mit der Belieferung der Atmungskette mit Elektronen. NADP+/NADPH hingegen hat zur Atmungskette keinerlei Bezug. Es vermittelt lediglich bestimmte Redoxreaktionen, die in den Synthesewegen verschiedener Stoffwechselprodukte von Bedeutung sind.
Coenzym der Glutamat-Dehydrogenase ist NAD+ oder NADP+.
▶ Merke.
▶ Merke.
Faustregel für die Funktion von NAD+/NADH bzw. NADP+/NADPH: Atmungskette/Energiestoffwechsel NADP+/NADPH: Synthesen Die Glutamat-Dehydrogenase kann mit beiden Coenzymen reagieren und ist somit ein Sonderfall. NAD+/NADH:
NAD+ bzw. NADP+ nimmt vom α-C-Atom des Glutamats das H-Atom auf. Dabei bildet sich eine Doppelbindung zwischen dem α-C- und dem N-Atom. Die Iminogruppe (HN = C) reagiert nun mit H2O (Abb. A 9.14).
NAD+ bzw. NADP+ nimmt vom α-C-Atom des Glutamats das Wasserstoffatom zusammen mit beiden Elektronen der chemischen Bindung auf. Dabei bildet sich im Glutamat eine Doppelbindung zwischen dem α-C-Atom und dem Stickstoffatom. Aus der Aminosäure entsteht eine Iminosäure. Die Iminogruppe (HN = C) reagiert dann mit Wasser, und es entstehen α-Ketoglutarat (= 2-Oxoglutarat) und Ammoniak (Abb. A 9.14).
A
Oxidative Desaminierung von Glutamat
A-9.14
COO– H3 N
149
9.5 Abspaltung von Aminogruppen durch Transaminierung und Desaminierung
C
A-9.14
COO–
H NAD(P)
CH2
NAD(P)H +H
H2N
COO–
C
O H2O
CH2
NH4
C CH2
CH2
CH2
CH2
COO–
COO–
COO–
Aminosäure Glutamat
α-Ketoglutarat (= 2-Oxoglutarat)
Iminosäure (Zwischenprodukt)
▶ Merke.
▶ Merke.
Die oxidative Desaminierung von Glutamat ist neben der hydrolytischen Desaminierung von Glutamin einer der wichtigsten Mechanismen des Stoffwechsels zur Bereitstellung von Ammoniak.
Hydrolytische Desaminierung von Glutamin und Asparagin
Hydrolytische Desaminierung von Glutamin und Asparagin Ammoniak wird in der Leber und in der Niere auch durch die hydrolytische Desaminierung von Glutamin gewonnen. Die Reaktion wird von der Glutaminase katalysiert. Das Enzym katalysiert die Umsetzung der Amidgruppe der Seitenkette mit Wasser. Dabei entstehen Glutamat und Ammoniak (Abb. A 9.15). Im Gegensatz zur Reaktion der Glutamat-Dehydrogenase ist die hydrolytische Desaminierung irreversibel. Die Bildung von Glutamin aus Glutamat wird deshalb durch ein anderes Enzym, die Glutamin-Synthetase, katalysiert.
A-9.15
Ammoniak wird in der Leber und in der Niere auch durch die hydrolytische Desaminierung von Glutamin gewonnen (Abb. A 9.15). Die Reaktion ist irreversibel. Enzym: Glutaminase.
Hydrolytische Desaminierung von Glutamin COO– H 3N
C
O
COO–
H
CH2
A-9.15
H3N H2O
NH4
C
H
CH2
CH2
CH2
C
COO– NH2
Glutamin
Glutamat
Auch die Amidgruppe des Asparagins kann durch hydrolytische Desaminierung in Form von Ammoniak abgespalten werden. Das katalysierende Enzym ist die Asparaginase, Reaktionsprodukt ist neben Ammoniak Aspartat. Quantitativ ist die Bildung von Ammoniak durch Desaminierung von Asparagin aber gegenüber dem Abbau von Glutamin von untergeordneter Bedeutung.
Die hydrolytische Desaminierung von Asparagin durch die Asparaginase ist für die Ammoniaksynthese weniger wichtig.
Eliminierende Desaminierung von Serin, Threonin und Cystein
Eliminierende Desaminierung von Serin, Threonin und Cystein Die Desaminierung der Aminosäuren Serin, Threonin und Cystein folgt einem weiteren Reaktionsmechanismus, der eliminierenden Desaminierung: Die OH- bzw. SH-Gruppe dieser Aminosäuren wird unter Bildung einer Doppelbindung in Form von H2O bzw. H2S eliminiert, anschließend löst sich dann die Aminogruppe in Form von Ammoniak ab (Abb. A 9.16). Durch diese Reaktionen wird der Abbau dieser
A-9.16
Mechanismus der eliminierenden Desaminierung von Cystein
COO– H3 N
C
H
H
C
SH
H Cystein
Die OH- bzw. SH-Gruppe von Serin, Threonin bzw. Cystein wird in Form von H2O bzw. H2S eliminiert. Anschließend löst sich die Aminogruppe in Form von Ammoniak ab (Abb. A 9.16).
H2S α, β-Eliminierung, enzymatisch katalysiert
COO– H3N
COO– H2N
C CH2
Aminoacrylat
Tautomerie
H2O
NH3 O
C CH3
Iminopropionat
COO–
Hydrolyse
C CH3
Pyruvat
150
A
9 Abbau von Proteinen und Aminosäuren
Gruppe von Aminosäuren eingeleitet. Als Zwischenprodukt entsteht dabei in jedem Fall Pyruvat.
▶ Merke.
9.6
Wege des Kohlenstoffs im Abbau der Aminosäuren
9.6.1 Grundlagen: glucogene und ketogene Aminosäuren Die Abbauwege des Kohlenstoffskeletts der Aminosäuren kann man zwei Typen zuordnen: Abbau zu Pyruvat und zu Metaboliten des Citratzyklus Abbau zu Acetyl-CoA
Abbau zu Pyruvat und Metaboliten des Citratzyklus
▶ Merke. Im Stoffwechsel können alle kleinen Aminosäuren, nämlich Serin, Threonin, Cystein, Glycin und Alanin, zu Pyruvat abgebaut werden.
9.6
Wege des Kohlenstoffs im Abbau der Aminosäuren
9.6.1 Grundlagen: glucogene und ketogene Aminosäuren Beim Abbau der Aminosäuren wird der Stickstoff der Aminogruppen letztlich dem Harnstoffzyklus zugeführt. Im Harnstoffzyklus wird sehr viel ATP verbraucht. Wenn der Abbau der Aminosäuren zum Energiestoffwechsel gleichwohl einen positiven Beitrag leistet, so ist dieses ausschließlich dem Abbau des Kohlenstoffskeletts der Aminosäuren zuzuschreiben. Die daran beteiligten Abbauwege kann man zwei Typen zuordnen: Abbau zu Pyruvat und zu Metaboliten des Citratzyklus Abbau zu Acetyl-CoA
Abbau zu Pyruvat und Metaboliten des Citratzyklus
Die meisten Aminosäuren werden zu Pyruvat oder Metaboliten des Citratzyklus abgebaut. Diese Abbauprodukte können über den Citratzyklus zu CO2 oxidiert werden. Bei Bedarf kann der Abbau im Citratzyklus auf der Stufe des Oxalacetats angehalten und das Oxalacetat abgezweigt und zur Gluconeogenese verwendet werden.
Die meisten Aminosäuren werden zu Pyruvat oder zu Metaboliten des Citratzyklus abgebaut. Diesen Abbauprodukten stehen grundsätzlich zwei Wege offen: Sie können sofort über den Citratzyklus zu CO2 oxidiert werden und dabei einen Beitrag zum Energiestoffwechsel leisten. Der Abbau im Citratzyklus kann aber auch auf der Stufe des Oxalacetats angehalten werden. Das Oxalacetat wird dann aus dem Citratzyklus abgezweigt und zur Bildung von Glucose (Gluconeogenese) verwendet. Wird z. B. durch Abbau von Glutamat konstant α-Ketoglutarat in den Citratzyklus eingespeist, kann auch konstant Oxalacetat abgezweigt werden.
Abbau zu Acetyl-CoA
Abbau zu Acetyl-CoA
Nach Abbau zu Acetyl-CoA gibt es folgende Möglichkeiten: Einspeisung in den Citratzyklus Synthese von Ketonkörpern Synthese von Fettsäuren, Cholesterin oder anderen Lipiden
Einige Aminosäuren werden zu Acetyl-CoA abgebaut, dem drei Wege offenstehen: Die Acetylgruppe des Acetyl-CoA kann im Citratzyklus umgehend zu CO2 oxidiert werden und damit einen unmittelbaren Beitrag zum Energiestoffwechsel leisten. Wenn dann Oxalacetat aus dem Citratzyklus abgezweigt würde, käme der Citratzyklus aber sofort zum Stillstand, denn allein durch Acetyl-CoA kann der Zyklus nicht aufgefüllt werden. (Ohne Oxalacetat kann es keine Citratsynthese geben!) Aminosäuren, die ausschließlich zu Acetyl-CoA abgebaut werden, sind deshalb nicht zur Gluconeogenese geeignet. Acetyl-CoA kann zur Synthese von Ketonkörpern verwendet werden, also zur Bildung von Acetoacetat und 3-Hydroxybutyrat. Dies ist insbesondere bei Nahrungsmangel von Interesse. Acetyl-CoA kann auch zur Synthese von Fettsäuren, Cholesterin oder anderen Lipiden verwendet werden.
▶ Definition.
▶ Definition. Alle Aminosäuren, die bei Nahrungsmangel (im Fasten) zur Gluconeogenese beitragen, werden als glucogene Aminosäuren bezeichnet. Dies sind alle Aminosäuren, die zu Pyruvat oder zu Metaboliten des Citratzyklus abgebaut werden. Als ketogen (zur Synthese der Ketonkörper beitragend) werden diejenigen Aminosäuren bezeichnet, die unter diesen Bedingungen zu Acetyl-CoA abgebaut werden. Sie können keinen Beitrag zur Gluconeogenese leisten, denn ausgehend von Acetyl-CoA ist eine Gluconeogenese nicht möglich.
▶ Merke.
▶ Merke. Nur zwei Aminosäuren werden ausschließlich zu Acetyl-CoA abgebaut, sind also rein ketogen: die beiden Aminosäuren mit dem Anfangsbuchstaben L – Lysin und Leucin.
A
151
9.6 Wege des Kohlenstoffs im Abbau der Aminosäuren
Vier weitere Aminosäuren sind sowohl ketogen als auch glucogen, da bei ihrem Abbau Acetyl-CoA und glucogene Abbauprodukte gebildet werden: Isoleucin und die aromatischen Aminosäuren Phenylalanin, Tyrosin und Tryptophan. Alle übrigen Aminosäuren sind rein glucogen (Tab. A 9.2).
A-9.2
Übersicht über die Abbauwege der Aminosäuren
Aminosäure
Abbauprodukt
A-9.2
Art der Aminosäure glucogen
ketogen
Glycin, Alanin, Serin, Cystein
Pyruvat
+*
–*
Threonin
Pyruvat, Succinyl-CoA (via Propionyl-CoA)
+
–
Lysin
Acetyl-CoA
–
+
Leucin
Acetyl-CoA
–
+
Glutamat, Glutamin, Arginin, Histidin, Prolin
α-Ketoglutarat
+
–
Isoleucin
Succinyl-CoA (via Propionyl-CoA), Acetyl-CoA
+
+
Methionin, Valin
Succinyl-CoA (via Propionyl-CoA)
+
–
Phenylalanin, Tyrosin
Fumarat, Acetyl-CoA
+
+
Tryptophan
Pyruvat, Acetoacetat
+
+
Aspartat
Fumarat, Oxalacetat
+
–
Asparagin
Fumarat
+
–
* Die Definition der glucogenen und ketogenen Aminosäuren bezieht sich auf die Gegebenheiten bei Nahrungsmangel. Pyruvat kann zwar normalerweise mithilfe der Pyruvat-Dehydrogenase (PDH) zu Acetyl-CoA abgebaut werden. Bei Nahrungsmangel wird die PDH aber gehemmt, es wird also kein Acetyl-CoA mehr gebildet. Stattdessen wird Pyruvat mithilfe der Pyruvat-Carboxylase zu Oxalacetat umgesetzt. Das Oxalacetat dient dann der Gluconeogenese. Die zu Pyruvat abgebauten Aminosäuren werden deshalb als rein glucogen, nicht als gemischt glucogen/ketogen bezeichnet.
Die Abbauwege der einzelnen Aminosäuren sollen nun etwas näher betrachtet werden. Dabei braucht vielfach nur wiederholt zu werden, was in diesem Kapitel bereits erläutert wurde.
9.6.2 Abbau der einzelnen Aminosäuren ▶ Tipp.
Im schriftlichen Physikum ist in den vergangenen Jahren nach den Besonderheiten im Abbau einzelner Aminosäuren kaum gefragt worden. Klassische Themen sind allerdings weiterhin die zentrale Rolle der Transaminasen im Abbau der Aminosäuren, das System aus Glutamin, Glutamat und α-Ketoglutarat, die Ahornsirupkrankheit, die Phenylketonurie, sowie der Methioninzyklus (mit der Beteiligung von N-Methyltetrahydrofolat und Vitamin B12).
9.6.2 Abbau der einzelnen Aminosäuren
▶ Tipp.
Abbau der kleinen Aminosäuren zu Pyruvat
Abbau der kleinen Aminosäuren zu Pyruvat
Zu den kleinen Aminosäuren gehören Glycin (R = H), Alanin (R = CH3), Serin (R = CH2-OH), Cystein (R = CH2-SH) und Threonin (R = CHOH-CH3). Sie werden alle zu Pyruvat abgebaut (Abb. A 9.17): Alanin kann besonders leicht in Pyruvat umgewandelt werden: Die Alanin-Aminotransferase (ALAT) katalysiert eine Reaktion mit α-Ketoglutarat, in der Pyruvat und Glutamat entstehen (S. 148).
Zu Pyruvat abgebaut werden (Abb. A 9.17) Alanin durch die Alanin-Aminotransferase (ALAT), Serin und Cystein durch eliminierende Desaminierung und Glycin nach Umwandlung in Serin. Threonin nach Umwandlung in Glycin.
152
A
9 Abbau von Proteinen und Aminosäuren
A-9.17
A-9.17
Abbau der kleinen Aminosäuren Glycin, Alanin, Serin, Cystein und Threonin α-Ketoglutarat
Threonin
Glutamat
Alanin
Pyruvat Alanin-Aminotransferase
Threonin Glycin
Abbau entweder zu Succinyl-CoA oder zu Glycin
MethylenTetrahydrofolat Serin Alanin
a
Cystein Pyruvat
Tetrahydrofolat
Glycin
Serin eliminierende Desaminierung
Serin
Pyruvat eliminierende Desaminierung
b Cystein
Pyruvat
a Übersicht. b Reaktionen.
Serin und Cystein werden durch eliminierende Desaminierung zu Pyruvat abgebaut (S. 149). Glycin kann in Serin umgewandelt werden. Die Reaktion benötigt Tetrahydrofolsäure als Cofaktor. Eine eliminierende Desaminierung zu Pyruvat kann sich anschließen. Threonin wird auf mehreren parallelen Wegen abgebaut. Ein Weg führt zur Bildung von Glycin, das über Serin zu Pyruvat abgebaut werden kann. Neuere Untersuchungen haben allerdings gezeigt, dass Threonin überwiegend auf anderen Wegen abgebaut wird und dabei Succinyl-CoA bildet. Abbau von Lysin und Leucin zu Acetyl-CoA
Abbau von Lysin und Leucin zu Acetyl-CoA
Lysin und Leucin sind die einzigen rein ketogenen Aminosäuren. Bei ihrem Abbau entsteht Acetyl-CoA (Abb. A 9.18).
Lysin und Leucin sind die einzigen rein ketogenen Aminosäuren. Bei ihrem Abbau entsteht Acetyl-CoA (Abb. A 9.18). Dieses kann entweder unmittelbar zur Energiegewinnung verwendet und in den Citratzyklus eingespeist werden, oder es kann zu Acetoacetat, einem Ketonkörper, umgesetzt und an das Blut abgegeben werden.
Abbau von Glutamat zu α-Ketoglutarat
Abbau von Glutamat zu α-Ketoglutarat
Die Bildung von α-Ketoglutarat aus Glutamat ist eine der wichtigsten anaplerotischen Reaktionen des Citratzyklus. Glutamat kann zu α-Ketoglutarat umgesetzt werden durch Transaminierung mittels ALAT oder ASAT, oxidative Desaminierung durch die Glutamat-Dehydrogenase.
Glutamat ist wahrscheinlich die wichtigste Aminosäure im Stoffwechsel: Zum einen lässt es sich leicht in Glutamin umwandeln. Zum anderen ist die Bildung von αKetoglutarat aus Glutamat eine der wichtigsten anaplerotischen Reaktionen des Citratzyklus. Glutamat, die Aminosäure mit der höchsten Konzentration im Intrazellulärraum, kann durch drei verschiedene Reaktionen zu α-Ketoglutarat umgesetzt werden: Reaktion der Alanin-Aminotransferase (ALAT): Bildung von α-Ketoglutarat und Alanin aus Glutamat und Pyruvat (S. 148), Reaktion der Aspartat-Aminotransferase (ASAT): Bildung von α-Ketoglutarat und Aspartat aus Glutamat und Oxalacetat (S. 148), oxidative Desaminierung von Glutamat durch die Glutamat-Dehydrogenase.
Abbau von Glutamin, Arginin, Histidin und Prolin zu Glutamat Glutamin wird zu Glutamat hydrolysiert. Arginin wird unter Bildung von Harnstoff zu Ornithin umgesetzt, aus dem ebenfalls Glutamat entsteht. Auch Histidin und Prolin ergeben bei ihrem Abbau Glutamat (Abb. A 9.19). Dieses wird zu α-Ketoglutarat abgebaut (s. o.).
Abbau von Glutamin, Arginin, Histidin und Prolin zu Glutamat Glutamin wird von der Glutaminase zu Glutamat hydrolysiert. Arginin wird zunächst unter Bildung von Harnstoff zu Ornithin umgesetzt, aus diesem entsteht dann ebenfalls Glutamat. Auch Histidin und Prolin ergeben bei ihrem Abbau zunächst Glutamat, aus dem Glutamat entsteht dann α-Ketoglutarat. Somit sind es insgesamt fünf Aminosäuren, die zu α-Ketoglutarat abgebaut werden (Abb. A 9.19): Glutamat in einem Schritt, Glutamin über Glutamat unter Vermittlung der Glutaminase, Arginin, Histidin und Prolin.
A
Abbau von Lysin und Leucin
A-9.18
A-9.18
COO– H3N
C
COO–
H
H3N Lysin
CH2
C
H
CH2
CH2
Leucin
CH H3C CH3
CH2 CH2
α-Ketoglutarat
+
NH3
Transaminase
Glutamat
4 Schritte COO– O
153
9.6 Wege des Kohlenstoffs im Abbau der Aminosäuren
COO–
C
O α-Ketoadipat (α-Ketoadipinsäure)
CH2 CH2
C CH2
CH H3C CH3
CH2
α-Ketoisocapronsäure
COO– oxidative Decarboxylierung durch Multienzymkomplex ähnlich der Pyruvat-Dehydrogenase Coenzym A O
Coenzym A
C
O Glutaryl-CoA
CH2
C CH2
CH2
Isovaleryl-CoA
CH H3C CH3
CH2 COO– Abbau ähnlich der β-Oxidation der Fettsäuren
Acetyl-CoA
Acetyl-CoA
A-9.19
4 Schritte
Abbau von Glutamin, Arginin, Histidin und Prolin Glutamin
Arginin Harnstoff
Citratzyklus α-Ketoglutarat
A-9.19
Ornithin
Glutamat
Histidin
Prolin
Abbau von Threonin, Isoleucin, Valin und Methionin zu Propionyl-CoA und weiter zu Succinyl-CoA Threonin wird teilweise zu Acetaldehyd und Glycin umgewandelt, das über Serin zu Pyruvat abgebaut wird. Überwiegend wird es jedoch parallel zu Isoleucin, Valin und Methionin zu Propionyl-CoA abgebaut (Abb. A 9.20). Der Abbau der verzweigtkettigen Aminosäuren Isoleucin und Valin umfasst (wie der von Leucin, s. o.) die oxidative Decarboxylierung einer α-Ketosäure. Propionyl-CoA wird Biotin- und ATP-abhängig zu Methylmalonyl-CoA carboxyliert, aus dem durch nachträgliche Verschiebung der Carboxylgruppe unter Beteiligung von Cobalamin (Vitamin B12) Succinyl-CoA entsteht (siehe auch Abb. A 8.14 auf S. 128).
Abbau von Threonin, Isoleucin, Valin und Methionin zu Propionyl-CoA und weiter zu Succinyl-CoA Threonin wird z. T. zu Pyruvat, v. a. aber wie Isoleucin, Methionin und Valin zu PropionylCoA abgebaut (Abb. A 9.20).
Propionyl-CoA wird zu Succinyl-CoA umgesetzt (S. 128).
154
A
A-9.20
Threonin Isoleucin Valin Methionin
Abbau von Threonin, Isoleucin, Valin und Methionin ATP + CO2
O H3C
CH2
C
ADP + Pi
H O –
CoA
Propionyl-CoA
▶
9 Abbau von Proteinen und Aminosäuren
OOC
Propionyl-CoACarboxylase (enthält Biotin)
Klinik.
▶
C C CoA Racemase Mutase CH3 Methylmalonyl-CoA
O –
OOC
CH2
CH2
C
CoA
Citratzyklus
Succinyl-CoA
Klinik. Bei der Ahornsirup-Krankheit (Verzweigtkettenkrankheit) besteht eine
Störung der oxidativen Decarboxylierung der α-Ketosäuren, die im Abbau der verzweigtkettigen Aminosäuren Leucin, Isoleucin und Valin gebildet werden. Die Krankheit betrifft somit die Abbauwege einer rein ketogenen Aminosäure (Leucin), einer gemischt glucogen/ketogenen Aminosäure (Isoleucin) und einer rein glucogenen Aminosäure (Valin). Alle drei Aminosäuren benötigen in den ersten Schritten ihres Abbaus die gleiche α-Ketosäure-Dehydrogenase. Dieses Enzym ähnelt in Struktur und Funktion der Pyruvat-Dehydrogenase (S. 98) und der α-Ketoglutarat-Dehydrogenase des Citratzyklus (S. 103). Ein Defekt der α-Ketosäure-Dehydrogenase führt unbehandelt innerhalb der ersten Lebenswochen zu Schädigungen des Nervensystems und zum Tod. Glücklicherweise ist die Krankheit sehr selten. Bei Einhaltung einer Diät, die arm, aber nicht frei von Leucin, Isoleucin und Valin (= essenzielle Aminosäuren!) ist, können Krankheitssymptome weitgehend vermieden werden. Der Name der Krankheit leitet sich vom Geruch des Harns nach amerikanischem Ahornsirup ab. Einen ähnlichen Geruch zeigt auch Maggi-Suppenwürze. Abbau von Aspartat, Phenylalanin und Tyrosin zu Fumarat und Acetoacetat
Abbau von Aspartat, Phenylalanin und Tyrosin zu Fumarat und Acetoacetat
Aspartat wird im Harnstoffzyklus zu Fumarat umgesetzt (S. 141f.).
Im Harnstoffzyklus liefert Aspartat ein Stickstoffatom des Harnstoffs und wird über Argininosuccinat zu Fumarat umgesetzt (S. 141f.). Fumarat entsteht aber auch beim Abbau der gemischt glucogen/ketogenen Aminosäuren Phenylalanin und Tyrosin (Abb. A 9.21). Der erste Schritt im Abbau des Phenylalanins besteht in einer Hydroxylierung zu Tyrosin, katalysiert von der Phenylalanin-Hydroxylase. Das Enzym zählt zu den Monooxygenasen (= „mischfunktionelle Oxygenasen“), d. h. es nimmt molekularen Sauerstoff (O2) auf, spaltet diesen und überträgt ein O-Atom auf das Substrat, während das zweite O-Atom zur Bildung von H2O verwendet wird. Als Reduktionsmittel dient dabei Tetrahydrobiopterin, das in der Reaktion zu Dihydrobiopterin oxidiert wird. Mithilfe von NADPH kann das Tetrahydrobiopterin regeneriert werden.
Phenylalanin und Tyrosin werden zu Fumarat abgebaut (Abb. A 9.21). Phenylalanin wird zu Tyrosin hydroxyliert. Das katalysierende Enzym, die Phenylalanin-Hydroxylase, gehört zu den Monooxygenasen. Cofaktor ist Tetrahydrobiopterin, das in der Reaktion zu Dihydrobiopterin oxidiert und anschließend mittels NADPH regeneriert wird.
▶ Merke. Auf der Stufe des Homogentisats spaltet eine Dioxygenase den aromatischen Ring.
▶ Merke.
Letztlich entstehen Fumarat und Acetoacetat. Tyrosin ist Ausgangssubstanz der Synthese von Schilddrüsenhormonen, Katecholaminen (s. S. 569 und S. 794) und Melanin.
▶ Merke.
Tetrahydrobiopterin und Folsäure sind im Stoffwechsel des Menschen die wichtigsten Pterine (S. 292). Im weiteren Abbauweg des Tyrosins ist Homogentisat der bekannteste Metabolit. Der aromatische Ring wird durch O2 in Gegenwart der Homogentisat-Dioxygenase gespalten.
▶ Merke. Im Gegensatz zu Monooxygenasen katalysieren Dioxygenasen Reaktionen mit O2, in denen beide Sauerstoffatome auf das Substrat übertragen werden. Nach zwei weiteren Abbauschritten entstehen beim Abbau des Tyrosins letztlich Fumarat und Acetoacetat. Tyrosin ist Ausgangssubstanz für die Synthese der Schilddrüsenhormone (S. 581), der Katecholamine (S. 569 und S. 794) und des dunklen Pigments Melanin, das in der Haut sowie in der Substantia nigra des Mittelhirns enthalten ist. Der Farbstoff der blonden und der rotblonden Haare ist das Phäomelanin. Es wird ausgehend von Tyrosin und Cystein synthetisiert.
A
Abbau von Phenylalanin und Tyrosin
A-9.21
A-9.21
COO– H3N
C
COO–
H
CH2
O Phenylalanin
C CH2
Hydroxylierung, Decarboxylierung
Dihydrobiopterin + H2O COO–
COO–
C
CH2
H
CH2
Tyrosin
p-Hydroxyphenylpyruvat
OH
Tetrahydrobiopterin + O2 Phenylalanin-Hydroxylase
H3N
155
9.6 Wege des Kohlenstoffs im Abbau der Aminosäuren
Homogentisat
HO OH Ringspaltung durch O2
OH α-Ketoglutarat
C
Aminotransferase Glutamat
▶
–
COO–
COO–
H
C OOC H Fumarat
CH2 +
O
C
CH3 Acetoacetat
Klinik. Bei einem Defekt der Phenylalanin-Hydroxylase kommt es zur Phenylke-
tonurie. Der autosomal-rezessiv vererbte Enzymdefekt verhindert, dass Phenylalanin zu Tyrosin hydroxyliert werden kann. Da Tyrosin in der Nahrung in hinreichender Menge enthalten ist, kann es nicht zu einem Tyrosinmangel kommen, aber der Abbau des Phenylalanins ist blockiert, und zwar bereits im ersten Schritt. Deshalb ist die Phenylalaninkonzentration im Blut erhöht. Phenylalanin wird auf einem normalerweise unbedeutenden Nebenweg in großem Umfang zu Phenylpyruvat transaminiert, das mit dem Urin ausgeschieden wird. Phenylpyruvat enthält eine Ketogruppe und war für die Krankheit namengebend. Neben Phenylpyruvat werden allerdings noch einige andere ungewöhnliche Abbauprodukte gebildet. Symptome treten ab ca. dem 3. Lebensmonat auf (Erbrechen, eigentümlicher Hautgeruch, für den die Ausscheidung von Phenylpyruvat über die Haut verantwortlich gemacht wird, psychomotorische Entwicklungsverzögerung). Aufgrund der Störung der Melaninsynthese haben die Kinder blonde Haare. Unbehandelt führt die Phenylketonurie zu geistiger Retardierung. Die molekularen Ursachen der neuronalen Schädigung sind bis heute ungeklärt. Bei konsequenter Einhaltung einer phenylalaninarmen Diät können sich die Patienten aber normal entwickeln. Oft ist die Phenylalanin-Hydroxylase der Patienten nicht gänzlich inaktiv und die Restaktivität des Enzyms lässt sich durch Zusatz von Tetrahydrobiopterin zur Nahrung erheblich steigern. In den vergangenen Jahren hat sich gezeigt, dass auf diese Weise etwa der Hälfte der Patienten substantiell geholfen werden kann. Die Phenylketonurie war 1947 die erste angeborene Stoffwechselkrankheit, deren biochemische Ursache aufgeklärt werden konnte. Inzwischen sind weltweit viele unterschiedliche Mutationen im Gen der Phenylalanin-Hydroxylase identifiziert worden. Die Häufigkeit heterozygoter Merkmalsträger beträgt 1:50. Da Symptome nur bei Homozygoten auftreten, findet man die Phenylketonurie bei Neugeborenen aber nur mit einer Häufigkeit von etwa 1:10 000. In Europa wird bei allen Neugeborenen bereits innerhalb der ersten Lebenstage die Phenylalaninkonzentration im Blut bestimmt, um die Erkrankung rechtzeitig nachweisen zu können. Jährlich werden in Deutschland ca. 100 Fälle diagnostiziert.
▶
Klinik.
156
A
Abbau von Aspartat und Asparagin zu Oxalacetat
Abbau von Aspartat und Asparagin zu Oxalacetat Aspartat wird teilweise zu Fumarat abgebaut (Abb. A 9.22). Der Bezug des Aspartats zum Oxalacetat wird von der Aspartat-Aminotransferase (ASAT) hergestellt (Abb. A 9.22). Die Beziehung zwischen Aspartat und Oxalacetat ist im Zusammenhang mit der Gluconeogenese von Bedeutung (S. 212). Asparagin ist das Amid des Aspartats und wird ebenfalls zu Oxalacetat abgebaut.
Aspartat wird z. T. zu Fumarat, z. T. wie sein Amid Asparagin zu Oxalacetat abgebaut (Abb. A 9.22).
A-9.22
Abbau von Aspartat und Asparagin
COO– H3N
C
Asparagin
H
H3N Asparaginase (hydrolytische Desaminierung)
C
α-Ketoglutarat
COO–
NH4
H2O
CH2 O
9 Abbau von Proteinen und Aminosäuren
C
H
Glutamat Oxalacetat
Aspartat
Citratzyklus
Aspartat-Aminotransferase
CH2 COO–
NH2
Harnstoffzyklus
Fumarat
Abbau von Tryptophan
Abbau von Tryptophan
Tryptophan ist gemischt glucogen/ketogen: Beim Abbau via Kynurenin (Abb. A 9.23) entstehen zwei Produkte: Alanin wird zu Pyruvat abgebaut. 3-Hydroxyanthranilat wird zu Acetoacetat abgebaut, aus dem Acetyl-CoA gebildet werden kann.
Tryptophan gehört zu den vier Aminosäuren, die sowohl glucogen als auch ketogen sind. Beim Abbau wird zunächst unter Beteiligung einer Dioxygenase der Fünferring gespalten und Kynurenin gebildet (Abb. A 9.23). Dieses wird in Position 3 hydroxyliert und anschließend gespalten. Dabei entstehen zwei Produkte, Alanin und 3Hydroxyanthranilat: Alanin gehört zu den kleinen Aminosäuren, die zu Pyruvat abgebaut werden. Pyruvat kann zu Oxalacetat carboxyliert und somit in die Gluconeogenese eingespeist werden. 3-Hydroxyanthranilat ist ein einfaches Derivat des Benzols, in dem unmittelbar nebeneinander eine Carboxyl-, eine Amino- und eine Hydroxygruppe liegen. Das 3-Hydroxyanthranilat wird in insgesamt 12 Schritten zu Acetoacetat abgebaut, aus dem dann Acetyl-CoA gebildet werden kann.
A-9.23
Abbau von Tryptophan
COO– H3 N
C
COO–
H
H3N
CH2
C
H
H3N
CH2 O2
C
COO–
COO–
H 2O
O
HCOO–
C
H
+ Alanin
H3N
C
O
C
H
CH3
CH2 COO–
12 Schritte
O N H Tryptophan
Dioxygenase
N H
C
N-Formylkynurenin
3-Hydroxyanthranilat kann zur Bildung des Nicotinamid-Teils des NADH verwendet werden. Zwischenprodukt ist Chinolinsäure. Bei der NADH-Synthese hat der Stoffwechsel die Alternative, den Nicotinamid-Teil des NADH aus Vitaminen der Nahrung zu bilden oder ihn ausgehend von Tryptophan selber zu synthetisieren.
▶
Klinik.
NH2 H Kynurenin
NH2 OH 3-Hydroxyanthranilat
O H3C
C
CH2
COO–
Acetoacetat
3-Hydroxyanthranilat kann im Stoffwechsel aber auch zur Bildung des NicotinamidTeils des NADH verwendet werden. Zwischenprodukt ist dabei die Chinolsäure (S. 288). Nicotinsäure (= „Niacin“) und Nicotinamid (= „Niacinamid“) werden als Vitamine mit der Nahrung aufgenommen. (Beide Stoffe wurden früher als Vitamin B3 bezeichnet). Bei der Synthese des NADH hat der Stoffwechsel daher die Alternative, den Nicotinamid-Teil des NADH entweder aus diesen Vitaminen der Nahrung zu bilden, oder ihn ausgehend von Tryptophan selber zu synthetisieren. Bei normaler Ernährung ist in der Nahrung hinreichend Tryptophan enthalten, um einen Mangel an Nicotinamid zu verhindern.
▶ Klinik. Zu einem Tryptophanmangel kann es bei einseitiger Ernährung mit Mais kommen, da Mais nur wenig Tryptophan enthält. Die entsprechende Krankheit ist die Pellagra (S. 289). Um der Pellagra vorzubeugen, enthalten amerikanische Cornflakes Niacin als Zusatz.
A
Darüber hinaus werden ausgehend von Tryptophan zwei wichtige Mediatoren des Nervensystems synthetisiert: der Neurotransmitter Serotonin (= 5-Hydroxytryptamin): S. 639, das Hormon Melatonin. Es wird in der Epiphyse (Glandula pinealis) und in der Retina synthetisiert. In der Synthese des Melatonins ist Serotonin ein wichtiges Zwischenprodukt. Die Synthese des Melatonins unterliegt einem ausgeprägten 24-Stunden-Rhythmus, und es ist in der Etablierung des Schlaf-Wach-Rhythmus von zentraler Bedeutung. Gegen Mitternacht ist die Melatoninproduktion am höchsten. Der Rhythmus der Melatoninsynthese wird über die Lichtwahrnehmung durch die Retina gesteuert.
9.7
157
9.7 Wichtige Produkte des Aminosäureabbaus
Wichtige Produkte des Aminosäureabbaus
9.7.1 Aminosäure-Abbauprodukte mit Mediatorfunktion: Biogene Amine ▶ Definition.
Biogene Amine entstehen generell durch Decarboxylierung von Aminosäuren. Die nähere Verwendung des Ausdrucks ist uneinheitlich. In einer engeren Definition zeichnen sich biogene Amine zudem notwendig dadurch aus, dass sie unmittelbar eine physiologische Wirkung zeigen, etwa als Neurotransmitter oder als Mediatoren. Mitunter werden allerdings auch Decarboxylierungsprodukte als biogene Amine bezeichnet, die lediglich als Bestandteile komplexerer Moleküle dienen.
Darüber hinaus werden ausgehend von Tryptophan zwei wichtige Mediatoren des Nervensystems synthetisiert: der Neurotransmitter Serotonin (= 5-Hydroxytryptamin): S. 639, das Hormon Melatonin, das für den SchlafWach-Rhythmus von zentraler Bedeutung ist.
9.7
Wichtige Produkte des Aminosäureabbaus
9.7.1 Aminosäure-Abbauprodukte mit Mediatorfunktion: Biogene Amine
▶ Definition.
Beim Abbau der meisten Aminosäuren besteht der erste Schritt in einer Transaminierung oder einer Desaminierung. Der Abbau einiger Aminosäuren kann aber auch durch eine Decarboxylierung eingeleitet werden.
▶ Merke.
Decarboxylierungen von Aminosäuren werden grundsätzlich von Enzymen katalysiert, die Pyridoxalphosphat (PALP, Abb. A 9.12) enthalten, also den gleichen Cofaktor wie die Transaminasen.
Wie bei den Transaminasen binden die Substrate an das PALP unter Bildung eines Aldimins (Abb. A 9.13). Anschließend löst sich die Carboxylgruppe in Form von CO2 von der Aminosäure ab. Von der Aminosäure bleibt dabei ein biogenes Amin übrig, das vom PALP freigesetzt wird. Mehrere biogene Amine spielen als Neurotransmitter und Mediatoren eine wichtige Rolle. Andere biogene Amine haben als Komponenten verschiedener Cofaktoren wichtige Funktionen (Tab. A 9.3).
9.7.2 Stickstoffmonoxid (NO) als Abbauprodukt des Arginins Stickstoffmonoxid (Stickoxid, NO) ist ebenfalls ein bedeutender Mediator, der ausgehend von einer Aminosäure synthetisiert wird. NO wird durch Oxidation der Guanidino-Gruppe des Arginins mithilfe von NO-Synthasen gebildet. Dabei bleibt vom Arginin die nicht proteinogene Aminosäure Citrullin übrig. NO-Synthasen sind Monooxygenasen und ähneln in ihrer Struktur der Phenylalanin-Hydroxylase und der Tyrosin-Hydroxylase. Für ihre Funktion benötigen sie molekularen Sauerstoff (O2), den sie mithilfe eines Häm-gebundenen Eisen-Ions binden. Als Reduktionsmittel dient NADPH, als Überträger der Elektronen Tetrahydrobiopterin. NO-Synthasen katalysieren zwei O2-abhängige Reaktionsschritte. Dabei wird jeweils ein Sauerstoffatom des O2 auf das Substrat übertragen, das zweite Sauerstoffatom wird zu Wasser (H2O) umgesetzt. Das NO-Molekül weist ein ungepaartes Elektron auf und ist somit ein Radikal. Es ist sehr reaktiv und deshalb in den Geweben auch nur für wenige Sekunden stabil. Die physiologischen Funktionen des NO sind im Kap. D-4.2 ab S. 633 erläutert.
▶ Merke.
Die Substrate bilden mit PALP ein Aldimin (Abb. A 9.13), von dem sich die Carboxylgruppe in Form von CO2 löst. PALP setzt das biogene Amin frei. Mehrere wichtige Nurotransmitter und Mediatoren sind biogene Amine (Tab. A 9.3).
9.7.2 Stickstoffmonoxid (NO) als Abbauprodukt des Arginins NO wird durch Oxidation der GuanidinoGruppe des Arginins synthetisiert. Vom Arginin bleibt in der Reaktion Citrullin übrig. NO-Synthasen sind Monooxygenasen. Sie benötigen O2 und NADPH und katalysieren zwei O2-abhängige Reaktionsschritte. Dabei wird jeweils ein O des O2 auf das Substrat übertragen, das zweite O wird zu H2O umgesetzt.
Das NO-Molekül enthält ein ungepaartes Elektron und ist somit ein Radikal.
158 A-9.3
A
9 Abbau von Proteinen und Aminosäuren
Biogene Amine
biogenes Amin
zugrundeliegende Aminosäure
biologische Funktion
Serotonin
Tryptophan (nachdem dieses in Position 5 hydroxyliert wurde)
Neurotransmitter Beteiligung an der Regulation der Blutgerinnung Komponente im Gift der Wespen
Histamin
Histidin
Neurotransmitter Mediator allergischer Reaktionen. stimuliert die Bildung von Salzsäure durch die Belegzellen des Magens Histamin ist im Gift von Bienen, Wespen und Hornissen enthalten und wesentlich für die Schmerzen an der Einstichstelle verantwortlich.
Dopamin
L-DOPA (3,4-Hydroxyphenylalanin)
Neurotransmitter
γ-Aminobuttersäure (γ-Aminobutyrat = GABA)
Glutamat
wichtigster inhibitorischer Neurotransmitter im ZNS
Cysteamin
Cystein
Bestandteil von Coenzym A (es trägt im Pantethein-Arm von Coenzym A die SH-Gruppe, S. 291)
β-Alanin
Aspartat
ebenfalls Bestandteil des Pantethein-Arms von Coenzym A
Aminopropanol
Threonin
Bestandteil des Vitamin B12
Ethanolamin
Serin
Ethanolamin entsteht im Stoffwechsel der Lipide. (Ausgehend von freiem Serin kann es im Stoffwechsel des Menschen nicht gebildet werden.) Ethanolamin kann mithilfe von S-Adenosylmethionin zu Cholin methyliert werden. Dieses ist Bestandteil des Phosphatidylcholins (S. 330) und des Acetylcholins (S. 793).
9.7.3 S-Adenosylmethionin als Überträger von Methylgruppen S-Adenosylmethionin entsteht durch Reaktion von Methionin mit ATP (Abb. A 9.24). Dabei wird die Triphosphat-Gruppe des ATP durch Methionin ersetzt.
Vom S-Adenosylmethionin kann die schwefelgebundene Methylgruppe auf verschiedene Substrate übertragen werden (Methyldonor). So entstehen z. B. methylierte Basen in der DNA, Kreatin, Adrenalin und Cholin.
▶ Merke. Nach Ablösung der Methylgruppe zerfällt SAdenosylmethionin in Adenosin und Homocystein. Im Methioninzyklus kann aus Homocystein S-Adenosylmethionin regeneriert werden (Abb. A 9.24).
9.7.3 S-Adenosylmethionin als Überträger von Methylgruppen Im Abbauweg des Methionins ist der erste Schritt von besonderer Bedeutung. Dieser besteht in der Reaktion des Methionins mit ATP zu S-Adenosylmethionin (Abb. A 9.24). In dieser Reaktion verliert das ATP die gesamte Triphosphat-Gruppe, da Phosphat und Pyrophosphat freigesetzt und durch Methionin ersetzt werden. Die Reaktion läuft mit bemerkenswerter Effizienz ab, in der Leber ist die Konzentration an S-Adenosylmethionin etwa 3-mal so hoch wie die Konzentration an freiem Methionin. Die schwefelgebundene Methylgruppe des S-Adenosylmethionins kann auf verschiedene Substrate übertragen werden. Als Methyldonor ist S-Adenosylmethionin u. a. an folgenden Reaktionen beteiligt: Methylierung von Basen in der DNA: Durch Methylierung von Cytidinen in Promotorregionen werden Gene im Zellkern gezielt inaktiviert. Synthese von Kreatin: Kreatinphosphat dient in der Muskulatur der kurzfristigen Regeneration von ATP aus ADP. Synthese von Adrenalin (durch Methylierung von Noradrenalin) Inaktivierung von Adrenalin und anderen Katecholaminen durch Reaktion mit der Catechol-O-Methyltransferase (COMT). Synthese von Cholin, das im Neurotransmitter Acetylcholin und im Membranlipid Phosphatidylcholin enthalten ist.
▶ Merke. S-Adenosylmethionin gehört zu den wichtigsten Verbindungen, die bei Synthesereaktionen im Stoffwechsel eine Methylgruppe liefern. Nach Ablösung der Methylgruppe bleibt vom S-Adenosylmethionin zunächst S-Adenosyl-Homocystein übrig, das dann in Adenosin und Homocystein zerfällt. In einem Methioninzyklus kann S-Adenosylmethionin regeneriert werden (Abb. A 9.24). Daran sind N5-Methyl-Tetrahydrofolat und Vitamin B12 beteiligt.
A
159
9.7 Wichtige Produkte des Aminosäureabbaus
S-Adenosylmethionin (SAM) im Methioninzyklus
A-9.24
Substrat
A-9.24
Substrat—CH3 S-Adenosylhomocystein
COO– +
H3N
NH2
H
C
S
H
O H
NH2
H
N
N
H
S
N
N
CH2 +
CH2
CH3
C CH2
N
N
CH2
+
H3N
N
N
CH2 +
COO–
CH2
H
H
OH OH
O H
H
H
OH OH
S-Adenosylmethionin Pi + PPi
NH2 N
N
N
N
ATP HO COO– +
H3N
C
H
COO– +
Methionin-Synthase
H3N
C
CH2
CH2
CH2
CH2
S
H
CH2 H
O H
H
H
OH OH Adenosin
SH Homocystein
CH3 Methionin Cobalamin
Methyltetrahydrofolat
Methylcobalamin
Tetrahydrofolat
Nach Ablösung der Methylgruppe entsteht aus S-Adenosylmethionin zunächst S-Adenosyl-Homocystein, das weiter in Adenosin und Homocystein zerfällt. Das Homocystein wird dann an seinem S-Atom methyliert, sodass Methionin entsteht. In dieser Reaktion wird die Methylgruppe von N5-Methyl-Tetrahydrofolat geliefert. Durch Übertragung der Methylgruppe entsteht daraus Tetrahydrofolat. Die Reaktion gehört zu den wichtigsten Reaktionen des gesamten Folsäurestoffwechsels. Unmittelbar an der Methylierung des Homocysteins ist zudem Vitamin B12 (Methyl-Cobalamin) beteiligt. Durch Reaktion mit ATP kann ausgehend vom neu gebildeten Methionin erneut S-Adenosylmethionin synthetisiert werden.
▶
Klinik. Homocystein wird als Risikofaktor in der Entwicklung einer koronaren
Herzkrankheit diskutiert. Mehrere ältere epidemiologische Studien ließen vermuten, dass Homocystein in erhöhten Konzentrationen eine erhebliche Schädigung der Gefäßwände verursachen kann. In neueren Studien wurden allerdings nur noch geringe Effekte nachgewiesen. Die am Stoffwechsel des Homocysteins beteiligten Enzyme benötigen mehrere Cofaktoren, die ausgehend von Vitaminen bereitgestellt werden, etwa Vitamin B12 und Folsäure (auch als Vitamin B9 bezeichnet) für die Cofaktoren der Methionin-Synthase und Vitamin B6 zur Bereitstellung von Pyridoxalphosphat für Transaminasen. Durch eine gezielte Erhöhung der Mengen dieser Vitamine in der Nahrung lässt sich die Konzentration des Homocysteins im Blut um etwa 20 % erniedrigen. In der bereits erwähnten SU.FOL.OM3-Studie von 2010 (S. 48) war die Zahl der schwerwiegenden kardiovaskulären Ereignisse wie Herzinfarkt oder Schlaganfall unter diesen Bedingungen geringfügig niedriger als in der Kontrollgruppe. Die Gesamtzahl der Todesfälle war in der Vitamin-behandelten Gruppe allerdings größer (72 vs. 45 Fälle).
▶
Klinik.
160 ▶ Merke.
Von den Zellen wird Folsäure überwiegend in Form von N5-Methyl-Tetrahydrofolat aufgenommen. Die einzige Reaktion, in der N5Methyl-Tetrahydrofolat in den Stoffwechsel der Zellen eingeführt werden kann, ist die Reaktion der Methionin-Synthase. Wenn dieser Schritt blockiert ist, fehlt Tetrahydrofolat, das im Nukleotidstoffwechsel benötigt wird.
▶ Merke.
Ausgehend von Homocystein kann Cystein synthetisiert werden.
9.7.4 Aminosäuren als Vorstufen weiterer Synthesen Ausgehend von Aminosäuren werden synthetisiert: Proteine Schilddrüsenhormone Glutathion Purine und Pyrimidine Sphingolipide Metabolite im Stoffwechsel der Folsäure Porphyrin-Ringsystem der Häm-Gruppen Kreatin (ausgehend von Arginin und Glycin)
A
9 Abbau von Proteinen und Aminosäuren
▶ Merke.
Im menschlichen Stoffwechsel gibt es drei Methylgruppen-Lieferanten: Vitamin B12: Es ist nur an zwei Reaktionen beteiligt: (1.) Methylierung von Homocystein zu Methionin, (2.) Isomerisierung von Methylmalonyl-CoA zu Succinyl-CoA), eine Reaktion im Abbau ungeradzahliger Fettsäuren. Derivate der Tetrahydrofolsäure: Außer an der Methylierung von Homocystein sind sie vor allem an mehreren entscheidenden Reaktionen im Nukleotidstoffwechsel beteiligt. S-Adenosylmethionin: In allen anderen Methylierungreaktionen des Stoffwechsels stammt die Methylgruppe in der Regel von dieser Substanz. Durch die Methylierung von Homocystein zu Methionin ist der Stoffwechsel der Folsäure unmittelbar mit dem des Vitamin B12 verbunden. Von den Zellen wird Folsäure überwiegend in Form von N5-Methyl-Tetrahydrofolat aufgenommen. Die einzige Reaktion, in der N5-Methyl-Tetrahydrofolat in nennenswertem Umfang in den Stoffwechsel der Zellen eingeführt werden kann, ist die Reaktion der Methionin-Synthase. Wenn dieser Schritt blockiert ist, fehlt der Zelle Tetrahydrofolat, das vor allem im Nukleotidstoffwechsel benötigt wird. Wenn die Nukeotide nicht mehr synthetisiert werden können, sind auch die DNA-Synthese und die Zellteilung blockiert. Im Knochenmark ist davon die Bildung neuer Blutzellen betroffen. Vorläuferzellen der Erythrozyten, die Proerythroblasten, können dann zwar noch wachsen, sie können sich aber nicht schnell genug teilen, weshalb die Erythropoese gestört ist. Es entwickelt sich eine megaloblastische Anämie (s. a. S. 296 und S. 298 sowie Abb. A 16.33).
▶ Merke.
Sowohl ein Folsäuremangel als auch ein Vitamin-B12-Mangel kann eine megaloblastische Anämie verursachen. Eine megaloblastische Anämie infolge eines Vitamin-B12-Mangels wird auch als „perniziöse Anämie“ bezeichnet. Homocystein, das nicht methyliert wird, kann im Stoffwechsel zu Succinyl-CoA abgebaut und über den Citratzyklus vollständig oxidiert werden. Bei Bedarf kann ausgehend von Homocystein aber auch Cystein synthetisiert werden. Aus diesem Grund ist Cystein – bei hinreichender Versorgung mit Methionin – keine unbedingt essenzielle Aminosäure.
9.7.4 Aminosäuren als Vorstufen weiterer Synthesen Aminosäuren sind außerdem Vorstufen vieler weiterer Stoffe, die in anderen Kapiteln des Buches ausführlich behandelt werden: Am bedeutendsten ist sicherlich die Funktion der Aminosäuren als Bausteine der Proteine (Translation) (S. 455). Ausgehend von einem bestimmten Protein, dem Thyreoglobulin, werden die Schilddrüsenhormone gebildet (S. 581). Kurze Peptide können mitunter auch unabhängig von Ribosomen synthetisiert werden. Im Stoffwechsel des Menschen ist das Glutathion ein wichtiges Beispiel. Glutathion ist ein Tripeptid der Sequenz Glutamat-Cystein-Glycin. Es entsteht ausgehend von den freien Aminosäuren in zwei Schritten, die von ATP-abhängigen Enzymen katalysiert werden. Zur Funktion des Glutathions s. S. 737. Aminosäuren sind wesentlich an der Biosynthese der Purine und Pyrimidine beteiligt (S. 406). Serin ist zur Synthese der Sphingolipide erforderlich (S. 336). Serin liefert auch die meisten Kohlenstoffatome, die im Rahmen des Folsäurestoffwechsels übertragen werden (S. 292). Die Porphyrin-Ringsysteme der Häm-Gruppen werden in einer Abzweigung des Citratzyklus ausgehend von Succinyl-CoA und Glycin synthetisiert (S. 739). Kreatinphosphat ist ein wichtiger Energieträger der Muskulatur. Es wird im Muskelgewebe durch Phosphorylierung von Kreatin regeneriert, kann aber auch ausgehend von Arginin und Glycin neu synthetisiert werden. Dazu überträgt das Arginin seine Guanidino-Gruppe auf Glycin, sodass vom Arginin Ornithin übrig bleibt. Aus dem Glycin entsteht durch die Reaktion mit der Guanidino-Gruppe das Guanidinoacetat. Daraus entsteht durch S-Adenosylmethionin-abhängige Methylierung Kreatin (S. 158).
A 10.2 Die ATP-Synthase
10 ATP-Synthese durch oxidative
Phosphorylierung 10.1 10.2 10.3 10.4 10.5 10.6 10.7 10.8
Einführung: Mechanismen der ATP-Synthese im Stoffwechsel . . . . . . . . . . Die ATP-Synthase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Atmungskette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Import und Export von Metaboliten über die Mitochondrienmembran Transport von Reduktionsäquivalenten über die mitochondriale Innenmembran . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entkoppler des OXPHOS-Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angeborene Defekte des OXPHOS-Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bakterielle Atmungsketten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
161 161 163 174
A © Cmon – Fotolia
175 177 178 178
10.1 Einführung: Mechanismen der ATP-
Synthese im Stoffwechsel Im Energiestoffwechsel wird ATP zum größten Teil durch die mitochondriale ATPSynthase bereitgestellt. Die Gesamtheit der daran beteiligten Mechanismen wird als oxidative Phosphorylierung (OXPHOS) bezeichnet. Der Ausdruck bezieht sich zum einen auf die Phosphorylierung von Adenosindiphosphat (ADP) zu Adenosintriphosphat (ATP), zum anderen auf die Herkunft der dabei benötigten Energie aus der Oxidation der aufgenommenen Nahrung. Die Nahrung stellt nämlich die Elektronen zur Verfügung, die von der Atmungskette benötigt werden, um den mitochondrialen Protonengradienten aufbauen zu können, der wiederum die Energiequelle der ATP-Synthase ist (s. u.). Gegenbegriff zur oxidativen Phosphorylierung ist die Substratkettenphosphorylierung. Das Prinzip der ATP-Synthese besteht in diesem Fall in der Bildung einer Verbindung mit außerordentlich hohem Gruppenübertragungspotenzial, deren Energie anschließend zur Phosphorylierung von ADP zu ATP oder auch zur Phosphorylierung von GDP zu GTP aufgewendet wird. Zu einer Substratkettenphosphorylierung kommt es im Rahmen der Glykolyse (S. 70) sowie in einer Reaktion des Citratzyklus (Schritt 5, S. 103).
▶ Merke.
Im Stoffwechsel gibt es zwar eine große Zahl an Reaktionen, in denen ATP oder andere energiereiche Nukleosidtriphosphate verbraucht werden, es gibt aber im gesamten Stoffwechsel lediglich vier Reaktionen, in denen energiereiche Nukleosidtriphosphate synthetisiert werden: Zwei Reaktionen in der Glykolyse, eine Reaktion im Citratzyklus, und die Aktivität der mitochondrialen ATP-Synthase.
10.1
Einführung: Mechanismen der ATPSynthese im Stoffwechsel
Im Energiestoffwechsel wird ATP zum größten Teil durch die mitochondriale ATP-Synthase bereitgestellt. Die Gesamtheit der daran beteiligten Mechanismen wird als oxidative Phosphorylierung (OXPHOS) bezeichnet.
Gegenbegriff zur oxidativen Phosphorylierung ist die Substratkettenphosphorylierung, die in den Kapiteln zur Glykolyse (S. 70) und zum Citratzyklus (S. 103) erläutert wird.
▶ Merke.
10.2 Die ATP-Synthase
10.2
10.2.1 Aufbau
10.2.1 Aufbau
Die ATP-Synthase ist ein Enzymkomplex aus mindestens 17 unterschiedlichen Untereinheiten (= Aminosäureketten). Der Enzymkomplex ist in der inneren Mitochondrienmembran verankert und ragt in die mitochondriale Matrix (den Innenraum der Mitochondrien) hinein. Im elektronenmikroskopischen Bild sieht er aus wie ein großer Laubbaum, an den seitlich eine Leiter angestellt ist (Abb. A 10.1 a). Es lassen sich vier Komponenten unterscheiden (Tab. A 10.1 und Abb. A 10.1 b). Der F0-Teil besteht aus zahlreichen Untereinheiten. Die entscheidende Komponente ist der Rotor, der vollständig in die mitochondriale Innenmembran eingebettet ist. Er setzt sich aus ca. 12 kleinen c-Untereinheiten zusammen, die in einem Kreis
Der Enzymkomplex ATP-Synthase sieht aus wie ein in der Innenmembran verankerter, in die Matrix ragender Laubbaum mit angestellter Leiter (Abb. A 10.1 a). Die ATP-Synthase hat vier Komponenten (Tab. A 10.1 und Abb. A 10.1 b).
Die ATP-Synthase
Beim F0-Teil ist der Rotor die entscheidende Komponente. Er besteht aus ca. 12 kreisförmig angeordneten c-Untereinheiten und einer a-Untereinheit.
162
A
A-10.1
10 ATP-Synthese durch oxidative Phosphorylierung
Komponenten der ATP-Synthase
A-10.1
A-10.1
Komponente
Eigenschaften und Funktion
F0-Teil
in die mitochondriale Innenmembran eingebettet, enthält u. a. den Rotor
Stiel
besteht im Wesentlichen aus zwei langen α-Helices, die zur γ-Untereinheit der ATP-Synthase gehören. Die γ-Untereinheit wird durch den Rotor in Drehung versetzt.
F1-Teil
enthält drei gleichartig gebaute katalytische (= aktive) Zentren, die durch die Drehung der γ-Untereinheit die Möglichkeit erhalten, ADP und Phosphat zu ATP umzusetzen
Stator
= zweiter Stiel der ATP-Synthase, verhindert Drehung des F1-Teils
Die ATP-Synthase Matrix
α
α
β
ATP
δ ADP + Pi +
H
b
ε
γ
Membran
a Elektronenmikroskopisches Bild (105 000-fache Vergrößerung) (aus Plattner, Hentschel; Zellbiologie, Thieme, 2011, Aufnahme: E. Junger, Düsseldorf). b Schematische Darstellung des Aufbaus. c Reaktionsschema. In der Mitte des F1-Teils dreht sich die γ-Untereinheit.
c
a H+
b
a ATP
AT P
P+ AD Stator
Der F1-Teil besteht aus 3 α- und 3 β-Untereinheiten, die einen Ring um die γ-Untereinheit bilden. Je 1 α- und 1 β-Untereinheit bilden ein katalytisches Zentrum. Der Stiel besteht im Wesentlichen aus 2 αHelices, die zur γ-Untereinheit gehören. Der Stator ist ein Dimer aus b-Untereinheiten und im F0-Teil verankert.
Pi
ATP
P+
c
ATP
AD
P AT
Pi
ADP + Pi
Stator
ATP Stator
angeordnet sind. In der Mitte des Rotors ist die γ-Untereinheit verankert. Seitlich von ihm befindet sich eine a-Untereinheit. Der F0-Teil enthält mindestens fünf weitere Untereinheiten, deren Funktion und genaue Anordnung aber noch nicht bekannt ist. F1-Teil: Der in die Matrix ragende F1-Teil besteht im Wesentlichen aus drei α- und drei β-Untereinheiten, die einen kompakten Ring bilden, in dessen Mitte sich eine γUntereinheit befindet. Je eine α- und eine β-Untereinheit bilden gemeinsam ein katalytisches Zentrum. Der Stiel der ATP-Synthase besteht im Wesentlichen aus zwei langen α-Helices, die beide zur γ-Untereinheit der ATP-Synthase gehören. Der Stator besteht im Wesentlichen aus einem Dimer aus b-Untereinheiten und ist im F0-Teil verankert.
A
163
10.3 Die Atmungskette
10.2.2 Funktionsweise
10.2.2 Funktionsweise
Durch den F0-Teil der ATP-Synthase – zwischen der a-Untereinheit und dem Rotor – strömen Protonen in die mitochondriale Matrix und versetzen den Rotor relativ zur a-Untereinheit in eine Drehung. Die Drehung überträgt sich auf die im Rotor verankerte γ-Untereinheit. Da der F1-Teil durch den Stator relativ zum F0-Teil fixiert wird, dreht sich nur die γ-Untereinheit, nicht der gesamte F1-Teil! Von der Matrix aus beobachtet, dreht sich die γ-Untereinheit gegen den Uhrzeigersinn. Diese Drehung löst in den α- und β-Untereinheiten des F1-Teils Konformationsänderungen aus. Diese sind dafür verantwortlich, dass die drei katalytischen Zentren ATP synthetisieren, indem sie abwechselnd ADP und Phosphat binden, sich schließen und ADP und Phosphat zu ATP umsetzen, sich wieder öffnen, um das ATP in die Matrix freizusetzen. Untersuchungen zu den homologen ATP-Synthasen anderer Organismen (z. B. von Escherichia coli) lassen darauf schließen, dass jedes Proton, das den F0-Teil durchfließt, die Bewegung jeweils einer c-Untereinheit auslöst. Die Zahl der Protonen, die erforderlich sind, um den Rotor einmal um 360° zu drehen, entspricht demnach der Zahl der c-Untereinheiten des Rotors. Bei einer Drehung des Rotors um 360° kann der F1-Teil genau drei ATP synthetisieren. Folglich hängt von der Zahl der c-Untereinheiten die Effizienz ab, mit der die ATP-Synthasen die im mitochondrialen Protonengradienten gespeicherte Energie nutzen können. Leider ist die genaue Zahl der c-Untereinheiten in den ATP-Synthasen der Mitochondrien derzeit noch nicht endgültig geklärt. Aus diesem Grund lässt sich bislang auch die Effizienz des Energiestoffwechsels noch nicht präzise angeben. Möglicherweise reicht der Fluss von drei Protonen, um ein ATP zu synthetisieren, vielleicht sind aber auch vier Protonen pro ATP erforderlich.
Zwischen der a-Untereinheit und dem Rotor fließen Protonen in die Matrix und versetzen den Rotor dabei in eine Drehung, die sich auf die im Rotor verankerte γ-Untereinheit überträgt. Da der F1-Teil durch den Stator fixiert wird, dreht sich nur die γ-Untereinheit. Dies löst in den katalytischen Zentren Konformationsänderungen aus, die zur ATP-Synthese führen.
Die Zahl der Protonen, die erforderlich sind, um den Rotor an der a-Untereinheit einmal um 360° zu drehen, entspricht der Zahl der cUntereinheiten des Rotors. Bei einer Drehung des Rotors um 360° kann der F1-Teil genau drei ATP synthetisieren. Da die Zahl der cUntereinheiten noch nicht genau bekannt ist, lässt sich bislang auch die Effizienz des Energiestoffwechsels nicht präzise angeben.
10.2.3 Triebkraft der ATP-Synthase
10.2.3 Triebkraft der ATP-Synthase
Die Energie, mit der die Protonen den Rotor der ATP-Synthase in Bewegung setzen, hängt nicht nur von der Zahl der Protonen ab, die durch den F0-Teil in die Matrix fließen, sondern auch von der Kraft, welche die Protonen auf den Rotor ausüben. Diese Kraft wird als protonenmotorische Kraft (proton motive force, PMF) bezeichnet. Sie hat zwei Teilkomponenten: Indem die Atmungskette Protonen aus der Matrix in den Intermembranraum (den schmalen Zwischenraum zwischen der mitochondrialen Außenmembran und der Innenmembran) pumpt, gehen der Matrix positive Ladungen verloren. Dadurch lädt sich die Matrix relativ zum Intermembranraum elektrisch negativ auf, und es entsteht ein Membranpotenzial ΔΨ von ca. 140 mV, das unmittelbar zur PMF beiträgt. Zum anderen wird die Matrix durch den Verlust der Protonen schwach alkalisch und es stellt sich relativ zum Intermembranraum ein Protonengradient ΔpH = ca. 1 ein. Die Protonen des Intermembranraums haben die Tendenz, diesen Unterschied in der Protonenkonzentration auszugleichen. Mithilfe der Nernst-Gleichung kann man ausrechnen, dass sich die protonenmotorische Kraft durch diese Tendenz um weitere 60 mV auf ca. 200 mV erhöht. Die PMF beträgt also ca. 200 mV, wobei der größte Anteil, nämlich ca. 140 mV, auf das mitochondriale Membranpotenzial zurückzuführen ist.
Die Energie, mit der die Protonen den Rotor der ATP-Synthase in Bewegung setzen, hängt ab von der Zahl der durch den F0-Teil fließenden Protonen und von der Kraft, welche die Protonen auf den Rotor ausüben. Diese wird als protonenmotorische Kraft (proton motive force, PMF) bezeichnet. Sie hat zwei Komponenten: Membranpotenzial ΔΨ von ca. 140 mV Protonengradient ΔpH = ca. 1. Dieser erhöht die PMF ca. um weitere 60 mV. Die PMF beträgt somit insgesamt ca. 200 mV.
10.3 Die Atmungskette
10.3
10.3.1 Einführung
10.3.1 Einführung
▶ Merke.
Aufgabe der Atmungskette ist es, den mitochondrialen Protonengradienten aufzubauen und aufrecht zu erhalten. Die Aktivität der Atmungskette ist deshalb für die Funktion der ATP-Synthase unerlässlich. Sie ist aber nur indirekt – über den Protonengradienten – mit der Synthese von ATP verbunden. Die Atmungskette selber bildet kein ATP!
Die Atmungskette
Animation zum Thema unter
▶ Merke.www.dualereihe.thieme.de oder
164 Zur Atmungskette gehören die Atmungskettenkomplexe I bis IV in der mitochondrialen Innenmembran (Abb. A 10.2). Eine weitere Komponente der Atmungskette ist das kleine Protein Cytochrom c, das der Innenmembran an der Außenseite angelagert ist. Wichtig ist auch Ubichinon (Abb. A 10.8).
A
10 ATP-Synthese durch oxidative Phosphorylierung
Die Atmungskette wird im Wesentlichen von vier großen Proteinkomplexen gebildet, die in die mitochondriale Innenmembran eingebettet sind und als Atmungskettenkomplexe bezeichnet werden (Abb. A 10.2). Die einzelnen Komplexe werden mit den römischen Ziffern I bis IV bezeichnet. Zu den Komponenten der Atmungskette zählt außerdem das kleine Protein Cytochrom c, das an die Außenseite der Innenmembran angelagert ist. Eine wichtige Funktion hat in der Atmungskette schließlich auch Ubichinon, das sich ebenfalls in der Innenmembran befindet (Abb. A 10.8).
A-10.2
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Atmungskette, ATP-Synthase und Phosphat-Translokator
A-10.2
4 H+
Intermembranraum
4 H+
I
III
2 H+ c
OH–
IV
Q Matrix
H+
H2O
PO42–
O2
2e– NADH
Einspeisung von Elektronen des Komplex II (= Succinat-Dehydrogenase),
ADP + Pi
der ETF-Ubichinon-Oxidoreduktase und
ATP
der Glycerin-3-phosphat-Dehydrogenase
Die Komplexe I, III und IV assoziieren zu Respirasomen. Sie sind als Protonenpumpen für den Aufbau des mitochondrialen Protonengradienten verantwortlich. Die Atmungskette bezieht ihre Energie von den Elektronen, die durch die Komplexe der Atmungskette fließen. Die Elektronen werden von Komplex IV auf O2 übertragen, wobei pro O2 zwei H2O gebildet werden.
Die meisten Elektronen werden unter Vermittlung von NADH zur Atmungskette transportiert (Abb. A 10.3). Pro NADH exportiert Komplex I 4 H+, Komplex III 4 H+ und Komplex IV 2 H+.
Die Komplexe I, III und IV lagern sich jeweils in definierter Anzahl zu Respirasomen zusammen. Die Respirasomen üben letztlich die entscheidende Funktion der Atmungskette aus, indem sie als Protonenpumpen arbeiten und damit unmittelbar zum Aufbau des Protonengradienten beitragen. Diese Protonenpumpen beziehen ihre Energie von den Elektronen, die in festgelegter Reihenfolge durch die verschiedenen Komponenten I, III und IV der Atmungskette hindurchfließen. Alle Elektronen werden zuletzt vom Komplex IV auf molekularen Sauerstoff (O2) übertragen. Dabei handelt es sich um den Sauerstoff, der mit der Atemluft aufgenommen wird. Parallel zu den Elektronen nimmt der Sauerstoff am Komplex IV auch Protonen auf, sodass jedes O2-Molekül zu zwei H2O-Molekülen umgesetzt wird. Die meisten Elektronen werden von NADH zur Atmungskette transportiert (Abb. A 10.3). Die Elektronen, die vom NADH übertragen werden, stammen aus dem Abbau der Fette, Kohlenhydrate und Aminosäuren und somit letztlich aus der Nahrung. Ein NADH-Molekül gibt zwei Elektronen an den Komplex I ab. Diese zwei Elektronen ermöglichen dem Komplex I den Export von vier Protonen, anschließend dem Komplex III den Export weiterer vier Protonen und schließlich dem Komplex IV den Export von zwei Protonen.
A-10.3
Reduktion von NAD+ zu NADH
A-10.3
H– O C
▶ Merke. Komplex II, die Succinat-Dehydrogenase des Citratzyklus, vermittelt Elektronen, die
H
H
O C
+ – NH2 + H + 2 e
Der Rest R ist in Abb. A 6.6 a (S. 75) gezeigt.
NH2
N
N
R
R
▶ Merke. Ein NADH gibt an die Atmungskette 2 Elektronen ab und ermöglicht damit den Export von 10 Protonen und die Synthese von 1 H2O. Der Komplex II vermittelt einen Quereinstieg von Elektronen in die Atmungskette, die nicht von NADH, sondern von FADH2 (Abb. A 10.4) beigesteuert werden. „Kom-
A
Reduktion von FAD zu FADH2
A-10.4
H H3C
C
H3C
C
C
C C
C
N N
C C
H
C
C
H H
C
H
H
C
OH
H
C
OH
H
C
OH
H
C
H
O
P O–
N
H
H3C
C
C
O
H3C
C
O
C
O C C
H
N N
C C
C N
N
H
C
O
R
oxidierte Form (FAD) NH2 C
N HC
N
O
O
A-10.4
O
N
P
O
C C
N
H H HO
H
CH N
CH2 O
O–
FAD
H3C
C
H3C
C
H
C
C C
H
H OH
C
H N N
O C C
R
C N
N
H
C
O
H
reduzierte Form (FADH2)
plex II“ ist nur ein anderer Name für die Succinat-Dehydrogenase des Citratzyklus (S. 103). Elektronen, die unter Vermittlung des Komplexes II in die Atmungskette eingespeist werden, können ihre Energie nur den Komplexen III und IV zum Export von Protonen zur Verfügung stellen. Obwohl auch FADH2 zwei Elektronen abgibt, kann deren Energie deshalb nur zum Export von sechs Protonen verwendet werden:
▶ Merke.
Ein FADH2 gibt 2 Elektronen ab und ermöglicht den Export von 6 Protonen sowie die Synthese von 1 H2O.
Die Elektronen durchlaufen auf ihrem Weg durch die Atmungskette eine Reihe verschiedener Coenzyme bzw. prosthetische Gruppen (Tab. A 10.2). Allgemein werden kleine Moleküle, die nicht aus Aminosäuren bestehen, die aber für die Funktion
A-10.2
Elektronentransportierende Coenzyme der Atmungskette
Atmungskettenkomplex
Coenzym/prosthetische Gruppe
Art der Bindung
Nicotinamidadenindinukleotid (NAD)
löslich
Flavinmononukleotid (FMN)
nicht kovalent, aber fest gebunden
8 Eisen-Schwefel-Zentren
kovalent gebunden
Ubichinon (Coenzym Q)
löslich
Flavinadenindinukleotid (FAD)
kovalent gebunden
3 Eisen-Schwefel-Zentren
kovalent gebunden
1 Häm
nicht kovalent gebunden
Ubichinon (Coenzym Q)
löslich
3 Häm (2 in Cytochrom b, 1 in Cytochrom c1)
Cyt. b nicht kovalent, Cyt. c1 kovalent gebunden
1 Eisen-Schwefel-Zentrum im RieskeEisen-Schwefel-Protein
kovalent gebunden
Cytochrom c
1 Häm
kovalent gebunden
Komplex IV
CuA-Zentrum (zwei Kupferionen)
kovalent gebunden
Häm a
nicht kovalent gebunden
Komplex I
Komplex II
Komplex III
165
10.3 Die Atmungskette
Häm a3
nicht kovalent gebunden
CuB-Zentrum (ein Kupferion)
kovalent gebunden
von FADH2 (Abb. A 10.4) beigesteuert werden, einen Quereinstieg in die Atmungskette. FADH2 gibt zwei Elektronen ab, die erst den Komplex III und dann den Komplex IV durchlaufen.
▶ Merke. Kleine Moleküle, die nicht aus Aminosäuren bestehen, aber für die Funktion eines Enzyms essenziell sind, werden als Coenzyme, be-
A-10.2
166 zeichnet. Fest an ein Enzym gebundene Coenzyme, Metallionen oder Eisen-SchwefelZentren werden auch als prosthetische Gruppen bezeichnet (Tab. A 10.2).
A
10 ATP-Synthese durch oxidative Phosphorylierung
eines Enzyms essenziell sind, als Coenzyme bezeichnet. Coenzyme können frei löslich sein, wie z. B. das NADH. In anderen Fällen ist das Coenzym fest an das Enzym gebunden, wie z. B. das FAD an den Komplex II. Durch kovalente oder nicht kovalente Bindungen fest an ein Enzym gebundene Coenzyme werden auch als prosthetische Gruppen bezeichnet. Dieser Begriff umfasst auch Metallionen oder EisenSchwefel-Zentren, die mit Proteinen verbunden und für deren katalytische Funktion wichtig sein können. Kohlenhydratseitenketten oder andere posttranslationale Modifikationen, die am katalytischen Mechanismus eines Proteins nicht beteiligt sind, werden nicht als prosthetische Gruppen bezeichnet.
10.3.2 Die Komponenten der Atmungskette
10.3.2 Die Komponenten der Atmungskette
Komplex I
Komplex I
▶ Synonym.
▶ Synonym. NADH-Ubichinon-Oxidoreduktase.
▶ Merke.
▶ Merke.
Der größte Teil des Komplexes I liegt in der Innenmembran. Ein hydrophiler Teil ragt in die Matrix und nimmt von NADH Elektronen auf (Abb. A 10.5).
A-10.5
Der Komplex I nimmt Elektronen von NADH auf und überträgt sie auf Ubichinon (deshalb die Bezeichnung „NADH-Ubichinon-Oxidoreduktase“). Der Komplex I ist aus 45 Untereinheiten aufgebaut und somit ein außerordentlich großer Proteinkomplex. Er hat eine L-förmige Struktur (Abb. A 10.5). Der größte Teil des Komplexes I besteht aus hydrophoben Proteinen und ist in die mitochondriale Innenmembran eingebettet. Ein kleinerer hydrophiler Teil ragt in die Matrix hinein und dient der Aufnahme der Elektronen, die von NADH geliefert werden.
A-10.5
Die Struktur des Komplexes I H+
H+
H+
H+ α-helikales Transmissionselement
Ubichinon Intermembranraum Innenmembran Matrix
membranständiger Teil
N2
peripherer Teil FMN
NADH
NAD+ + H+
Der membranständige Teil enthält > 70 membranspannende α-Helices. Eine lange, quer liegende α-Helix überträgt Konformationsänderungen, die in der Ubichinon-Bindestelle (blau) ausgelöst werden. Der periphere Teil enthält ein FMN und 8 Fe/S-Zentren (gelb). Diese vermitteln die Übertragung der Elektronen von NADH auf das Ubichinon (1 NADH gibt 2 Elektronen ab, 1 Ubichinon nimmt 2 Elektronen auf). Der gesamte Komplex hat eine Masse von ca. 1000 kDa.
NADH überträgt die Elektronen auf FMN (Abb. A 10.6), das fest aber nicht kovalent an Komplex I gebunden ist. Im hydrophilen Teil des Komplexes I durchlaufen die Elektronen acht Eisen-SchwefelZentren. Die Eisenionen dieser Zentren wechseln dabei zwischen dem Fe2+- und Fe3+Zustand. Vom letzten Fe/S-Zentrum werden die Elektronen auf Ubichinon (Coenzym Q) übertragen.
Die beiden von einem NADH-Molekül abgegebenen Elektronen werden zunächst auf Flavinmononukleotid (FMN) übertragen. Die Struktur des oxidierten FMN ist in Abb. A 10.6 gezeigt. FMN ist fest, aber nicht kovalent an den Komplex I gebunden. Neben dem FMN enthält der hydrophile Teil des Komplexes I acht Eisen-SchwefelZentren. Auf ihrem Weg durch den Komplex I springen die Elektronen von einem Eisen-Schwefel-Zentrum zum nächsten, wobei die Eisenionen dieser Zentren abwechselnd ein Elektron aufnehmen und abgeben und dabei zwischen dem Fe2+und Fe3+-Zustand wechseln. Vom letzten Eisen-Schwefel-Zentrum, dem N2-Zentrum, werden die Elektronen auf Ubichinon (Q 10; Coenzym Q, s. u.) übertragen, das in der mitochondrialen Innenmembran frei löslich ist.
A
A-10.6
167
10.3 Die Atmungskette
Oxidiertes Flavinmononukleotid
A-10.6
O N
H3C H 3C
NH
N
O
N
CH2 H
C
OH
H
C
OH
H
C
OH
CH2OPO32–
A-10.7
Die Struktur von Eisen-Schwefel-Zentren
A-10.7
Cystein Cystein
S
S S
Cystein
S Fe S S Fe S
Cystein
Fe
Fe Cystein
S
S
S
S
Cystein
a
b
Cystein
S
Fe
Fe
S
Cystein
S
a Eisen-Schwefel-Zentrum vom 2 Fe/2 S-Typ. b Eisen-Schwefel-Zentrum vom 4 Fe/4 S-Typ.
Die Eisen-Schwefel-Zentren lassen sich zwei unterschiedlichen Typen zuordnen, dem 2 Fe/2 S-Typ und dem 4 Fe/4 S-Typ (Abb. A 10.7). Die Eisenionen sind über Cystein mit den Untereinheiten des Komplexes I verbunden. Die genaue Struktur des Komplexes I wurde erst 2010 in zwei spektakulären Arbeiten von Arbeitsgruppen in Cambridge und in Frankfurt am Main weitgehend aufgeklärt: Der hydrophobe Teil des Komplexes ist über mehr als 70 α-Helices in die Innenmembran eingebettet. Interessanterweise haben drei der Untereinheiten dieses Teiles in ihrer Struktur Ähnlichkeiten zu Proteinen, die einen Na+/H+-Antiport vermitteln. Komplex I transportiert zwar keine Na+-Ionen, die Vermutung ist aber nahe liegend, dass diese Untereinheiten für einen H+-Transport verantwortlich sind. Die Zuordnung der vierten H+-Transportstelle ist noch ungeklärt. An der Kontaktstelle zwischen dem hydrophilen und dem hydrophoben Teil befindet sich die (einzige) funktionell entscheidende Bindestelle für Ubichinon. Dieses bindet hier in der Nähe des letzten Eisen-Schwefel-Zentrums, des sog. N2-Zentrums, von dem es die Elektronen aufnimmt. Die Reduktion des Ubichinons löst im Komplex eine Konformationsänderung aus, die unter Beteiligung einer langen α-Helix auf den gesamten hydrophoben Teil übertragen wird. Die α-Helix liegt quer zu den zahlreichen übrigen α-Helices und agiert offenbar ähnlich dem Kolben der Dampfmaschine einer Lokomotive. Indem sich die Helices des hydrophoben Teiles in der Membran hin und her bewegen, werden jeweils 4 H+ an der Matrix-Seite des Komplexes aufgenommen und anschließend an der Seite des Intermembranraums abgegeben.
▶ Klinik. Die Leber-Optikusatrophie (LHON, Leber hereditary optic neuropathy) ist
Es gibt zwei Typen von Fe/S-Zentren (Abb. A 10.7), die über Cysteine mit Komplex I verbunden sind. Die genaue Struktur des Komplexes I ist erst seit 2010 weitgehend bekannt: Die funktionell entscheidende Bindestelle für Ubichinon befindet sich an der Kontaktstelle zwischen dem hydrophilen und dem hydrophoben Teil des Komplexes. Die Reduktion des Ubichinons löst im Komplex eine Konformationsänderung aus, die über eine lange αHelix auf den gesamten hydrophoben Teil übertragen wird. Die Konformationsänderungen vermitteln dann an vier Stellen des hydrophoben Teils einen Protonentransport.
▶
Klinik.
eine seltene Erbkrankheit, bei der die Untereinheit 4 des hydrophoben Teils des Komplexes I defekt ist. Der Defekt beruht in den meisten Fällen auf einer Punktmutation in der Position 11 778 des mitochondrialen Genoms. Zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr kommt es zu einer plötzlichen Degeneration der meisten Neurone des Nervus opticus und dadurch zur Erblindung. Offenbar ist der Nervus opticus gegenüber Defekten der mitochondrialen ATP-Synthese besonders empfindlich. Der berühmteste Inhibitor des Komplexes I ist das Rotenon. Dabei handelt es sich um den Inhaltsstoff der Tubawurzel, einer giftigen Liane Südostasiens. Auf den Inseln vor Papua-Neuguinea benutzen Fischer Extrakte der Pflanze um damit Fische zu betäuben. Rotenon lagert sich in die hydrophobe Tasche ein, in die auch das Ubichinon bindet und blockiert die Übertragung der Elektronen.
Rotenon blockiert als Inhibitor die Übertragung von Elektronen auf Ubichinon.
168
A
Das Coenzym Ubichinon
Das Coenzym Ubichinon
▶ Synonym.
▶ Synonym. Coenzym Q.
Ubichinon ist in der mitochondrialen Innenmembran frei löslich. Es fungiert dort als zentrale Sammelstelle für Elektronen.
Ubichinon ist in der mitochondrialen Innenmembran frei löslich und fungiert dort als zentrale Sammelstelle für Elektronen. Es sammelt die Elektronen folgender Proteinkomplexe ein: Komplex I der Atmungskette, Komplex II der Atmungskette, ETF-Ubichinon-Oxidoreduktase, Glycerin-3-phosphat-Dehydrogenase. Ubichinon enthält (Abb. A 10.8): eine hydrophobe Seitenkette aus 10 gleichen Isopren-Einheiten (deshalb wird für Ubichinon mitunter das Symbol Q10 verwendet), sowie eine Benzochinongruppe. Die hydrophobe Seitenkette ist dafür verantwortlich, dass Ubichinon die hydrophobe Umgebung der mitochondrialen Innenmembran nicht verlassen kann. Die Benzochinongruppe ist für die Funktion entscheidend: Sie kann in einem ersten Schritt ein Elektron zusammen mit einem Proton aufnehmen, sodass sich ein Semichinon bildet. Durch Aufnahme eines weiteren Elektrons und eines weiteren Protons entsteht aus dem Semichinon das Ubichinol (QH2) (Abb. A 10.8). Beide Schritte sind reversibel und bilden die Voraussetzung für zwei wesentliche Funktionen des Ubichinons: Es dient zum einen der Übertragung von Elektronen auf den Komplex III der Atmungskette, zum anderen ist es unmittelbar an der Übertragung von Protonen aus der Matrix in den Intermembranraum beteiligt. Von den 10 Protonen, die pro NADH in den Intermembranraum gepumpt werden, gelangen vier Protonen unter direkter Beteiligung des Ubichinons durch die Membran! Da an der Übertragung dieser vier Protonen auch der Komplex III der Atmungskette beteiligt ist, werden diese Protonen in der Regel mit einer gewissen Berechtigung dem Komplex III zugeschrieben.
Ubichinon besteht aus (Abb. A 10.8): einer hydrophoben Seitenkette aus 10 gleichen Isopren-Einheiten, einer Benzochinongruppe. Die hydrophobe Seitenkette hält Ubichinon in der Innenmembran. Die Benzochinongruppe kann in einem ersten Schritt ein Elektron und ein Proton aufnehmen, sodass sich ein Semichinon bildet. Durch Aufnahme je eines weiteren Elektrons und Protons entsteht daraus Ubichinol (QH2) (Abb. A 10.8). Ubichinon dient zum einen der Übertragung von Elektronen auf Komplex III, zum anderen der Übertragung von Protonen aus der Matrix in den Intermembranraum.
A-10.8
10 ATP-Synthese durch oxidative Phosphorylierung
A-10.8
Reduktion von Ubichinon zu Ubichinol
O H3CO
CH3
H3CO
(CH2
CH3 CH
C
O
CH2)10
H
O
Ubichinon (= Coenzym Q) –
e + H
+
H3CO
CH3
H3CO
(CH2
Semichinon
CH3 CH
C
CH2)10
H
OH OH
e– + H +
H3CO
CH3
H3CO
(CH2
Ubichinol (QH2)
CH3 CH
C
CH2)10
H
OH
Komplex II
Komplex II
▶ Synonym.
▶ Synonym. Succinat-Dehydrogenase, Succinat-Ubichinon-Oxidoreduktase.
Komplex II besteht wie Komplex I aus einem membranständigen und einem hydrophilen Teil (Abb. A 10.9) und enthält folgende prosthetische Gruppen:
Dieser Komplex ist bereits als Quereinstieg für Elektronen in die Atmungskette vorgestellt worden (S. 111). Er ist wesentlich kleiner als der Komplex I, besteht aber ebenfalls aus einem membranständigen Teil und einem hydrophilen, in die Matrix hineinragenden Teil (Abb. A 10.9). Im hydrophilen Teil werden die neu auf-
A
A-10.9
169
10.3 Die Atmungskette
Struktur des Komplexes II
A-10.9
Intermembranraum membranständiger Teil, b enthält 1 Häm b; Protonen werden nicht transloziert 2e– Matrix peripherer Teil
QH2 Q
3 Fe/SZentren FAD
Succinat
Fumarat
genommenen Elektronen zunächst auf Flavinadenindinukleotid (FAD) übertragen. FAD ist kovalent mit dem Komplex verbunden. Es unterscheidet sich vom FMN durch eine zusätzliche Adenosindiphosphatgruppe (Abb. A 10.4 und Abb. A 10.6). Als weitere prosthetische Gruppen enthält der hydrophile Teil des Komplexes II drei Fe/S-Zentren, der membranständige Teil enthält eine Hämgruppe.
▶ Merke.
Der Komplex II der Atmungskette ist die Succinat-Dehydrogenase des Citratzyklus. Er erhält seine Elektronen von Succinat, das dadurch zu Fumarat umgesetzt wird (S. 110). Der Komplex II überträgt wie Komplex I zwar Elektronen auf Ubichinon, ist aber keine Protonenpumpe. Ein Inhibitor des Komplexes II ist Malonat, welches das Succinat kompetitiv aus seiner Bindestelle verdrängen kann. Die Hemmung der Succinat-Dehydrogenase durch Malonat gilt als klassischer Fall einer kompetitiven Enzymhemmung (S. 30).
FAD 3 Fe/S-Zentren 1 Hämgruppe
▶ Merke.
Die ETF-Ubichinon-Oxidoreduktase
Die ETF-Ubichinon-Oxidoreduktase
Dieser Enzymkomplex wird traditionell nicht zu den Atmungskettenkomplexen gezählt und spielt deshalb in den meisten Lehrbüchern nur eine untergeordnete Rolle. Dabei sind seine Funktion und seine Bedeutung durchaus der des Komplexes II vergleichbar. Es handelt sich um einen Enzymkomplex in der Innenmembran, der ein fest gebundenes FAD enthält. Dieses übernimmt Elektronen vom Elektronen transferierenden Flavoprotein (ETF), einem löslichen Protein der mitochondrialen Matrix, das in verschiedenen Reaktionen des mitochondrialen Stoffwechsels Elektronen einsammelt. Vom FADH2 der ETF-Ubichinon-Oxidoreduktase werden die Elektronen auf Ubichinon übertragen (Abb. A 10.10).
Dieser Enzymkomplex in der Innenmembran wird traditionell nicht zu den Atmungskettenkomplexen gezählt. Er enthält FAD, das Elektronen vom Elektronentransferierenden Flavoprotein (ETF), einem löslichen Matrixprotein, übernimmt und sie auf Ubichinon überträgt (Abb. A 10.10).
A-10.10
Elektronentransport durch ETF-Ubichinon-Oxidoreduktase und Glycerin3-phosphat-Dehydrogenase
zytosolisches NADH aus der Glykolyse Glycerin-3phosphat
Glycerin-3-phosphatDehydrogenase Matrix
Intermembranraum
Dihydroxyacetonphosphat e–
Q
e–
ETF-UbichinonOxidoreduktase
reduziertes ETF
oxidiertes ETF
Acyl-CoA-Dehydrogenase (β-Oxidation der Fettsäuren), weitere FAD-abhängige Dehydrogenasen der Mitochondrien
A-10.10
170
A
▶ Exkurs.
10 ATP-Synthese durch oxidative Phosphorylierung
▶ Exkurs. Der Zusammenhang zwischen Elektronentransport und Protonenexport Die Anzahl der Protonen, die aus der Matrix exportiert werden können, hängt von der Energie ab, die der Transport zweier Elektronen durch die Atmungskette liefert. Diese Energie hängt davon ab, an welcher Stelle die Elektronen in die Atmungskette eingespeist werden. NADH ist ein lösliches Coenzym, das Elektronen in der Regel in Reaktionen aufnimmt, in denen die OH-Gruppe eines Substrats in eine Carbonylgruppe umgewandelt wird. Die Elektronen werden dann auf Komplex I übertragen und ermöglichen somit den Export von letztlich 10 Protonen pro zwei Elektronen. FAD ist überwiegend an bestimmte Enzyme gebunden und bleibt in seinen Reaktionszyklen auch stets fest mit diesen Enzymen verbunden. Es agiert also als prosthetische Gruppe. Alle Enzyme, die FAD oder FMN gebunden haben, werden als Flavoproteine bezeichnet. In den Mitochondrien führt der Weg der Elektronen von einer Reaktion des Stoffwechsels bis zur Atmungskette oft über eine Kette dreier Flavoproteine. So wird der erste Schritt des Fettsäureabbaus (der β-Oxidation, S. 122) von einem Flavoprotein katalysiert (der Acyl-CoA-Dehydrogenase). Von ihm werden die Elektronen auf das ETF übertragen und von hier auf die ETFUbichinon-Oxidoreduktase. Die Energie dieser Elektronen ist wesentlich geringer als die Energie der Elektronen, die der Atmungskette vom NADH zur Verfügung gestellt werden (das Redoxpotenzial von NADH/NAD+ liegt unter Standardbedingungen bei – 320 mV, das von FADH2/FAD unter den gleichen Bedingungen nur bei – 220 mV). Die Energie der von FADH2 stammenden Elektronen reicht nicht aus, um den Komplex I zu reduzieren. Deshalb bleibt nur der Weg zum Ubichinon, mit der Folge, dass lediglich sechs Protonen pro zwei Elektronen exportiert werden können.
Die Glycerin-3-phosphat-Dehydrogenase
Die Glycerin-3-phosphat-Dehydrogenase
Im Zytosol läuft die Glykolyse ab, in der u. a. NADH gebildet wird. Das NADH wird zur Synthese von Glycerin-3-phosphat genutzt. In der mitochondrialen Innenmembran werden dann mithilfe der Glycerin-3-phosphatDehydrogenase Elektronen für das Ubichinon der Atmungskette gewonnen.
Die meisten Elektronen gelangen aus Reaktionen des mitochondrialen Stoffwechsels zur Atmungskette. Nur in geringem Umfang stammen die Elektronen aus dem Zytosol. Hier fallen sie in der Glykolyse an und werden in NADH gespeichert (S. 73). Das NADH wird zunächst zur Bildung von Glycerin-3-phosphat genutzt. Die mitochondriale Innenmembran enthält eine Glycerin-3-phosphat-Dehydrogenase, die das Glycerin-3-phosphat zu Dihydroxyacetonphosphat oxidiert. Die dabei anfallenden Elektronen werden direkt an das Ubichinon der mitochondrialen Innenmembran weitergeleitet (Abb. A 10.10). Wie die ETF-Ubichinon-Oxidoreduktase ist auch die Glycerin-3-phosphat-Dehydrogenase ein Flavoprotein.
Komplex III und der Q-Zyklus
Komplex III und der Q-Zyklus
H+
Transport von membranraum.
aus der Matrix in den Inter-
Der Komplex III erlaubt es Ubichinon, im sog. Q-Zyklus Protonen aus der Matrix in den Intermembranraum zu transportieren.
Komplex III
Komplex III
▶ Synonym.
▶ Synonym. Cytochrom-bc1-Komplex, Ubichinol-Cytochrom-c-Oxidoreduktase.
Der Komplex III enthält u. a. Cytochrom b (2 Hämgruppen), Cytochrom c1 (1 Häm-gruppe) und das Rieske-Eisen-Schwefel-Protein (ein 2 Fe/2 S-Zentrum).
Die Struktur dieses Komplexes ist aufgrund von Röntgenstrukturanalysen sehr genau bekannt. Er enthält insgesamt 11 Untereinheiten. Zu diesen gehören Cytochrom b, das zwei Hämgruppen gebunden hat, Cytochrom c1, das eine kovalent gebundene Hämgruppe enthält, das Rieske-Eisen-Schwefel-Protein, das ein Eisen-Schwefel-Zentrum vom 2Fe/2STyp enthält. Der Komplex III nimmt Elektronen von Ubichinon auf und überträgt sie auf Cytochrom c, ein hämhaltiges Protein, das an der Außenseite der Innenmembran frei beweglich ist (S. 171).
Komplex III nimmt Elektronen von Ubichinon auf und überträgt sie auf Cytochrom c.
Q-Zyklus
▶ Definition.
Die Bindestellen für Ubichinon befinden sich an der Innenseite, die für Ubichinol an der Außenseite der Innenmembran. Dadurch kann Ubichinon zusammen mit zwei Elektronen (die es etwa von den Komplexen I oder II erhält) auch zwei Protonen aus der Matrix aufnehmen. Ubichinol überträgt die Elektro-
Q-Zyklus
▶ Definition.
Als Q-Zyklus wird der Reaktionsweg der Ubichinon-abhängigen Übertragung von Protonen aus der Matrix in den Intermembranraum bezeichnet (Abb. A 10.11). Wenn das Ubichinon am Komplex I der Atmungskette oder an einem anderen der auf S. 166 genannten Innenmembrankomplexe zwei Elektronen aufnimmt, erhält es dabei gleichzeitig zwei Protonen. Diese beiden Protonen werden stets aus dem Wasser der Matrix aufgenommen, denn in allen Proteinkomplexen, die Elektronen auf Ubichinon übertragen, befindet sich die Bindestelle für das Ubichinon auf der Matrixseite. Das entstandene Ubichinol wandert dann zu einer Bindestelle am Kom-
A
A-10.11
171
10.3 Die Atmungskette
Q-Zyklus und Komplex III der Atmungskette
A-10.11
2 H+, + weitere 2 H+ aus Q-Zyklus erste Q-Bindestelle: Qo Hemmstoff: Myxothiazol Intermembranraum 2 Fe/2 S
e–
Cyt. c Cyt. c1
–
e
Häm bL 2 e–
QH2
Q
Häm bH zweite Q-Bindestelle: Qj Hemmstoff: Antimycin A
Matrix 2 H+
weitere 2 H+
Die Reduktion des Ubichinons (Q) zu Ubichinol (QH2) erfolgt an den Komplexen I und II der Atmungskette sowie an den in Abb. A 10.10 gezeigten Komplexen.
plex III, die nun aber an der Außenseite der Innenmembran liegt. Hier überträgt Ubichinol die beiden Elektronen auf den Komplex III, gleichzeitig werden die beiden Protonen an den Intermembranraum abgegeben In dieser Form erlaubt der Q-Zyklus den Export von zwei Protonen pro zwei Elektronen. Die Effizienz des Zyklus wird verdoppelt, indem jedes zweite Elektron, das den Komplex III erreicht, innerhalb des Komplexes an eine zweite Ubichinon-Bindestelle fließt, die an der Innenseite der Innenmembran liegt. Hier nimmt Ubichinon zwei dieser abgezweigten Elektronen von Komplex III und zwei Protonen aus der Matrix auf. Das entstandene Ubichinol wandert wiederum zu seiner Bindestelle an Komplex III an der Außenseite der Innenmembran und gibt die Elektronen an Komplex III, die Protonen an den Intermembranraum ab.
▶ Merke.
Ein erheblicher Teil der Elektronen, die auf den Komplex III übertragen werden, zirkuliert auf diese Weise mehrfach im Q-Zyklus und trägt dadurch auch mehrfach zum Transport von Protonen bei. Dadurch erlaubt der Q-Zyklus den Export von 4 Protonen pro 2 Elektronen.
nen auf Komplex III, die Protonen werden an den Intermembranraum abgegeben. Die Effizienz des Zyklus wird verdoppelt, indem jedes 2. Elektron im Komplex III an eine 2. Ubichinon-Bindestelle an der Innenseite der Innenmembran fließt. Ubichinon nimmt mit je 2 dieser Elektronen 2 Protonen aus der Matrix auf, und Ubichinol gibt die Protonen an den Intermembranraum ab.
▶ Merke.
Die Erforschung des Q-Zyklus wurde dadurch sehr erleichtert, dass es für beide Bindestellen an Komplex III spezifische Hemmstoffe gibt. Myxothiazol blockiert spezifisch die Ubichinol-Bindestelle an der Außenseite der Innenmembran, Antimycin A die Ubichinon-Bindestelle an der Innenseite der Innenmembran. An die gleiche Stelle wie das Myxothiazol binden auch die Strobilurine, eine Gruppe wichtiger Fungizide, die weltweit in großem Umfang in der Landwirtschaft eingesetzt werden. Der Name bezieht sich auf den ersten Vertreter der Gruppe, den Naturstoff Strobilurin A, der seinerseits von einem Pilz produziert wird, dem Zapfenrübling Strobilurus, der auf den Zapfen von Fichten und Kiefern wächst. Die Strobilurine binden bevorzugt an den Komplex III der Pilze, die Toxizität für Pflanzen und Säugetiere ist gering.
Die Komplex-III-Hemmstoffe Myxothiazol und Antimycin A hemmen zwei unterschiedliche Q-Bindestellen.
Cytochrom c
Cytochrom c
Letztlich werden alle Elektronen vom Komplex III an Cytochrom c weitergeleitet, ein kleines Protein von nur 104 Aminosäuren bzw. 12,4 kDa, das an der Außenseite der Innenmembran frei beweglich ist. Cytochrom c enthält eine Hämgruppe, die über Thioetherbindungen mit zwei Cysteinen des Proteins kovalent verbunden ist (Abb. A 10.12). Cytochrom c und das Cytochrom c1 des Komplexes III sind die einzigen Cytochrome der Atmungskette, in denen die Hämgruppe durch kovalente Bindungen mit dem umgebenden Polypeptid verbunden ist. Alle anderen Hämgruppen sind nicht kovalent gebunden. Das zentrale Eisenion der Hämgruppe ist im Cytochrom c von beiden Seiten vor Vergiftungen (z. B. durch Cyanid-Ionen) geschützt. An der einen Seite bindet das Methionin der Position 80, an der anderen Seite das Histidin der Position 18.
Letztlich werden alle Elektronen von Komplex III an Cytochrom c weitergeleitet. Dies ist ein hämhaltiges Protein, das an der Außenseite der Innenmembran frei beweglich ist. Die Hämgruppe ist über Thioetherbindungen mit zwei Cysteinen des Proteins kovalent verbunden (Abb. A 10.12).
Die Strobilurine, die als Fungizide in der Landwirtschaft eingesetzt werden, sind ebenfalls Hemmstoffe des Komplexes III.
172
A
10 ATP-Synthese durch oxidative Phosphorylierung
A-10.12
Die Hämgruppe des Cytochroms c
A-10.12
CH3 CH3 CH S CH2
CH3 S
CH
Cys HC H3C N
–
OOC CH2 CH2
Fe2+
Met 80
HiS 18 CH
S
HC Cys
CH3
Fe N N
CH
CH S CH2 CH3
CH2 CH3 CH2 COO–
CH3
Häm c
CH
N
a
b
Polypeptidkette (104 AS)
Die Hämgruppe, die das Eisenion enthält, lässt das Cytochrom c farbig erscheinen (griech. chroma = Farbe). Der Porphyrinring ist durch Thioetherbindungen kovalent mit zwei Cysteinen der Aminosäurekette des Cytochroms c verbunden. a Schematische Darstellung. b Struktur der Hämgruppe.
Komplex IV
Komplex IV
▶ Synonym.
▶ Synonym. Cytochrom-c-Oxidase.
Der Komplex IV nimmt Elektronen von Cytochrom c auf und überträgt sie auf Sauerstoff, unter Bildung von Wasser. Pro 2 übertragenen Elektronen werden 2 Protonen exportiert.
Der Komplex IV nimmt die Elektronen von Cytochrom c auf und überträgt sie auf Sauerstoff (O2). Der dadurch negativ aufgeladene Sauerstoff nimmt aus der Matrix Protonen auf und es entsteht Wasser. Indem zwei Elektronen übertragen werden, erhält der Komplex IV damit so viel Energie, dass er zwei Protonen exportieren kann. Am Komplex IV werden also H+ bei der Bildung des Wassers verbraucht, parallel werden H+ exportiert. Der Mechanismus des Protonenexports ist im Detail noch nicht ganz geklärt, es liegt aber eine Röntgenkristallstruktur vor, die bereits wesentliche Einblicke in die Funktion des Komplexes IV erlaubt.
Aufbau
Aufbau
Komplex IV enthält zwei Kupferzentren (CuA, CuB) und zwei Hämgruppen (Häm a, Häm a3) (Abb. A 10.13).
Komplex IV enthält 13 Polypeptide sowie (Abb. A 10.13) ein CuA-Zentrum, das zwei Kupferionen enthält, eine Häm-a-Gruppe (Cytochrom a), eine Häm-a3-Gruppe (Cytochrom a3), ein CuB-Zentrum, das ein Kupferion enthält.
A-10.13
A-10.13
Schematische Darstellung der Cytochrom-c-Oxidase (Komplex IV)
Intermembranraum Cyt. c
2 H+
e–
Cu Cu
CuA-Zentrum Häm a Fe
Matrix
Häm a3 Fe
O
His O
His CuB
Verbrauch von 2 H+
His Transport von 2 H+
Damit ein gebundenes O2 vollständig zu 2 H2O umgesetzt werden kann, müssen vom Cytochrom c nacheinander insgesamt 4 e– auf die Cytochrom-c-Oxidase übertragen werden.
A
173
10.3 Die Atmungskette
▶ Merke.
Die zentrale Struktur des Komplexes IV besteht aus der Häm-a3-Gruppe und dem gegenüberliegenden Kupferion CuB. Zwischen dem Häm a3 und dem CuB bindet der Sauerstoff (O2), der mit der Atemluft aufgenommen wurde und nun hier zu Wasser umgesetzt wird.
▶ Merke.
Das Kupferion CuB wird von den Imidazol-Gruppen dreier Histidine in seiner Lage fixiert. Das Eisenion des Häm a3 wird an seiner Rückseite ebenfalls von einem Histidin gebunden.
CuB und Häm a3 werden von Histidinen fixiert.
Funktionsweise
Funktionsweise
Die Reaktionsschritte, die zur Bildung des Wassers führen, sind nur teilweise bekannt: Von Cytochrom c wird jeweils ein Elektron auf ein Kupferion des CuA-Zentrums und von diesem über Häm a auf Häm a3 übertragen. Das Eisenion der Häma3-Gruppe scheint mehrere Elektronen gleichzeitig an den gebundenen Sauerstoff abgeben zu können und dabei zeitweise in einen Fe4+-Zustand überzugehen. Die zur Bildung von 2 H2O benötigten 4 Protonen werden aus der Matrix aufgenommen. Sie werden verbraucht, nicht exportiert! Tatsächlich können diese Protonen im Hinblick auf die Stöchiometrie des mitochondrialen Protonengradienten vollkommen vernachlässigt werden. Denn die Zahl der an Komplex IV verbrauchten Protonen entspricht genau der Zahl der an den Komplexen I und II der Atmungskette vom NADH bzw. FADH2 freigesetzten Protonen.
Von Cytochrom c gelangt jeweils ein Elektron über das CuA-Zentrum und Häm a zur Häm a3-Gruppe. Hier werden die Elektronen auf O2 übertragen.
Die zur Bildung von 2 H2O benötigten 4 Protonen werden aus der Matrix aufgenommen (nicht exportiert!).
▶ Merke.
▶ Merke.
▶
▶
Indem die Elektronen durch den Komplex hindurch zur Sauerstoffbindestelle fließen, lösen sie Konformationsänderungen und Ladungsverschiebungen aus, die außerhalb der Sauerstoffbindestelle den Export von Protonen bewirken. Bei Eintreffen von 2 Elektronen kann 1 H2O gebildet werden. Dabei werden 2 Protonen verbraucht, und parallel werden 2 Protonen exportiert.
Klinik.
Die Giftwirkung von Cyanid-Ionen (CN–) findet ihre Erklärung in der hohen Affinität dieser Ionen für die Sauerstoff-Bindestelle von Komplex IV. Durch die Blockade der Sauerstoff-Bindestelle kommt die Zellatmung zum Erliegen. Geringe Mengen an Cyanid-Ionen werden innerhalb der Mitochondrien von dem Enzym Rhodanase zu Rhodanid (= Thiocyanat, SCN–) umgesetzt und dadurch weitgehend inaktiviert. Bei Cyanidvergiftung kann man die Arbeit dieses Enzyms erleichtern, indem man dem Enzym möglichst viel Schwefel zur Verfügung stellt. Dazu verabreicht man i. v. eine Natriumthiosulfat-Lösung.
10.3.3 Die Redoxpotenziale der Atmungskette Alle derzeitigen Forschungsprojekte zur Funktion der Atmungskette profitieren davon, dass die Strukturen der Atmungskettenkomplexe inzwischen weitgehend bekannt sind. Diese Situation ist allerdings erst seit wenigen Jahren gegeben. Deshalb ist es bemerkenswert, dass es bereits mehrere Jahrzehnte zuvor gelungen war, die Reihenfolge zu bestimmen, in der die verschiedenen prosthetischen Gruppen der Atmungskettenkomplexe von den Elektronen durchlaufen werden. Entscheidend war dabei die Messung der Redoxpotenziale der prosthetischen Gruppen, also die Bestimmung ihrer jeweiligen Neigung, Elektronen aufzunehmen bzw. abzugeben. Die Redoxpotenziale sind so definiert, dass die Elektronen stets vom Redoxsystem mit dem negativeren Potenzial zum Redoxsystem mit dem höheren Potenzial fließen. Willkürlich definierte man das Potenzial eines unter bestimmten Bedingungen von Wasserstoff umspülten Platindrahtes als Potenzial mit dem Wert 0. Relativ zu dieser Wasserstoffelektrode wurden dann die Redoxpotenziale möglichst genau gemessen. NADH ist ein gutes Reduktionsmittel, d. h., es gibt seine Elektronen sehr leicht ab. Relativ zur Wasserstoffelektrode zeigt es unter den gewählten Standardbedingungen bei Oxidation zu NAD+ ein Redoxpotenzial von E0’ = – 320 mV. Sauerstoff ist ein effektives Oxidationsmittel, d. h., er nimmt Elektronen sehr leicht auf. Bei Umsetzung zu Wasser zeigt er ein Redoxpotenzial von E0’ = +815 mV.
Klinik.
10.3.3 Die Redoxpotenziale der Atmungskette Durch Bestimmung der Redoxpotenziale erfährt man die Neigung der prosthetischen Gruppen, Elektronen aufzunehmen bzw. abzugeben.
Per definitionem fließen die Elektronen vom Redoxsystem mit dem negativeren Potenzial zu dem mit dem höheren Potenzial. Als Nullwert für die Messung dient das Potenzial einer Wasserstoffelektrode.
Unter Standardbedingungen hat NADH ein Redoxpotenzial von – 320 mV, gibt Elektronen also leicht ab. O2 hat ein Redoxpotenzial von +815 mV, nimmt Elektronen also leicht auf.
174 Aus diesen Werten ergibt sich eine elektrische Spannung zwischen beiden Enden der Atmungskette von ca. 1,14 V.
Alle prosthetischen Gruppen der Atmungskettenkomplexe ordnen sich zwischen NADH und O2 in einer elektrochemischen Reihe an (Tab. A 10.3).
A-10.3
Die Energie der Elektronen in der Atmungskette – 219 kJ/Mol – steht für den Aufbau des mitochondrialen Protonengradienten zur Verfügung. 10.3.4 Regulation der Aktivität der Atmungskette Die Atmungskette ist nur in Gegenwart hinreichender Konzentrationen an ADP maximal aktiv. Wenn die Konzentration an ADP absinkt, verringert sich auch der Sauerstoffverbrauch.
10.4
Import und Export von Metaboliten über die Mitochondrienmembran
Der Export von ATP und der Import von ADP und Phosphat durch die mitochondriale Innenmembran wird von Translokatorproteinen vermittelt, die zu einer großen Proteinfamilie gehören.
A
10 ATP-Synthese durch oxidative Phosphorylierung
Unter Standardbedingungen ergibt sich aus diesen beiden Werten zwischen den beiden Enden der Atmungskette eine elektrische Spannungsdifferenz von ca. 1,14 V, unter physiologischen Bedingungen liegt der Wert bei ca. 1,1 V. Die elektrische Spannung der mitochondrialen Atmungskette ist also der Spannung einer gängigen Taschenlampenbatterie vergleichbar. Alle prosthetischen Gruppen der Atmungskettenkomplexe lassen sich zwischen dem NADH und dem Sauerstoff in einer elektrochemischen Reihe anordnen (Tab. A 10.3).
A-10.3
Redoxpotenziale einiger biochemisch relevanter Redoxpaare unter Standardbedingungen
Redoxpaar
Redoxpotenzial E0’ (V)
NAD+/NADH + H+
– 0,32
Fumarat/Succinat
+ 0,03
Ubichinon/Ubichinol
+ 0,05
Cytochrom c (Fe3+/Fe2+)
+ 0,24
O2/H2O
+ 0,82
Die Energie, welche die Elektronen mit sich führen, wenn sie einer Spannungsdifferenz von 1,14 V folgend durch die Atmungskette vom NADH zum Sauerstoff fließen, entspricht einem ΔG von 219 kJ/Mol. Dies ist die Energie, die der Atmungskette für den Aufbau des mitochondrialen Protonengradienten zur Verfügung steht.
10.3.4 Regulation der Aktivität der Atmungskette Seit langem ist bekannt, dass die Atmungskette nur in Gegenwart hinreichender Konzentrationen an ADP maximal aktiv ist, d. h. einen maximalen Sauerstoffverbrauch zeigt. Sinkt die Konzentration an ADP erheblich, verringert sich auch der Sauerstoffverbrauch. Wie kann man diesen Effekt des ADP erklären? Man nimmt an, dass die Atmungskette nur dann ihre maximale Leistung entwickelt, solange das Membranpotenzial einen gewissen Wert nicht überschreitet. Ist das Membranpotenzial zu hoch, reicht die Kraft der Atmungskettenkomplexe nicht mehr aus, um gegen den bereits vorhandenen Protonengradienten weitere Protonen aus der Matrix zu pumpen. Man kann sich vorstellen, dass diese Situation eintritt, sobald die ATP-Synthase nicht mehr ausreichend ADP als Substrat zur Verfügung hat, deshalb stehen bleibt, und entsprechend auch keine Protonen mehr in die Matrix zurückströmen lässt. Erst wenn die ATP-Synthase wieder Protonen in die Matrix einströmen lässt, verringert sich das Membranpotenzial, und die Atmungskette nimmt wieder ihre Arbeit auf.
10.4 Import und Export von Metaboliten über
die Mitochondrienmembran Die mitochondriale ATP-Synthese setzt voraus, dass die mitochondriale Innenmembran Proteine enthält, die den Export des neu synthetisierten ATP erlauben und parallel den Import der benötigten Ausgangsstoffe – ADP und Phosphat – vermitteln. Die beteiligten Proteine sind sich in ihren Strukturen sehr ähnlich. Sie gehören zu einer Familie von etwa 40 verwandten Membranproteinen, die in großer Zahl in die Innenmembran eingelagert sind und jeweils den Transport bestimmter Metabolite ermöglichen (Translokatorproteine, engl. carrier). Einzelne Mitglieder dieser Familie sind spezifisch für den Transport von Citrat (wichtig für die Fettsäuresynthese), Malat (wichtig für die Gluconeogenese), den Austausch von Ornithin und Citrullin (im Harnstoffzyklus), oder für den Transport von Eisenionen (die u. a. bei der Häm-Synthese benötigt werden).
A
175
10.5 Transport von Reduktionsäquivalenten über die mitochondriale Innenmembran
Der ADP/ATP-Translokator arbeitet als Antiporter, d. h. parallel zum Export eines ATP vermittelt er stets den Import eines ADP. Dem mitochondrialen Membranpotenzial gehen durch die Funktion des ADP/ATP-Translokators ständig Ladungen verloren, denn ATP trägt durch seine Triphosphatgruppe bei physiologischen pHWerten 4 negative Ladungen (S. 5), ADP aber nur 3. Wie bei einer Drehtür wird das stärker negativ geladene ATP vom Membranpotenzial (innen negativ!) aus der Matrix heraus gedrängt, dadurch aber indirekt auch der Import des ADP erleichtert. Ein berühmter Inhibitor des ADP/ATP-Translokators ist das Atractylosid, ein Glykosid, das von der mediterranen Distel Atractylis gummifera synthetisiert wird. Extrakte der Pflanze werden im Rahmen der Volksmedizin als angebliche Heilstoffe eingesetzt, weshalb es immer wieder zu Vergiftungen kommt, mitunter mit Todesfolge.
▶ Merke.
Auch rein pflanzliche Stoffe können hoch giftig sein.
Der Phosphat-Translokator arbeitet ebenfalls als Antiporter. Im Austausch gegen jedes importierte Phosphat-Ion (H2PO4–) wird ein Hydroxid-Ion (OH–) exportiert. Elektrische Ladungen gehen hierbei zwar nicht verloren (!), aber der Export der Hydroxid-Ionen geht auf Kosten des Protonengradienten: Ein erheblicher Teil der von der Atmungskette exportierten Protonen wird von den Hydroxid-Ionen neutralisiert. Die Aktivitäten der beiden Translokatoren zusammen genommen führen also bei der Synthese jedes ATP dazu, dass dem mitochondrialen Membranpotenzial eine Ladung, dem Protonengradienten ein Proton verloren geht. Nimmt man nun an, dass zur Synthese eines ATP genau drei Protonen durch den F0-Teil der ATP-Synthase fließen müssen, muss die Atmungskette ein zusätzliches Proton exportieren, um mit seiner Ladung den Verlust einer Ladung beim Austausch von ATP gegen ADP zu kompensieren und mit seinem Beitrag zur Protonenkonzentration den Export der OH–-Ionen durch den Phosphat-Translokator zu kompensieren. Um die Synthese eines ATP zu ermöglichen, muss die Atmungskette also insgesamt vier Protonen exportieren. Wenn nun ein NADH zwei Elektronen an die Atmungskette abgibt und daraufhin 10 Protonen exportiert werden, sind diese ausreichend für die Synthese und zum Export von 10 : 4 = 2,5 ATP. Bei dieser Rechnung ist allerdings daran zu erinnern, dass die Zahl der c-Untereinheiten im F0-Teil der mitochondrialen ATP-Synthase noch unbekannt und damit auch der Protonenverbrauch der ATP-Synthase noch hypothetisch ist.
10.5 Transport von Reduktionsäquivalenten
über die mitochondriale Innenmembran ▶ Definition. Unter einem Reduktionsäquivalent versteht man in der Biochemie ein Elektron, das von einem Coenzym gebunden ist und in einer Redoxreaktion auf ein anderes Molekül übertragen werden kann. Oft bezieht man den Ausdruck allerdings auch direkt auf das jeweilige Coenzym. So formuliert man etwa, in der Glykolyse würden von der Glycerinaldehyd-3-phosphat-Dehydrogenase „Reduktionsäquivalente in Form von NADH“ bereitgestellt. Da die Glykolyse im Zytosol abläuft, stellt sich die Frage, wie das in der Glykolyse anfallende NADH der Atmungskette der Mitochondrien zugeleitet werden kann. Die mitochondriale Außenmembran enthält Poren, durch die NADH mühelos aufgenommen werden kann. Da sich der Komplex I der Atmungskette nur an der Matrix-Seite reduzieren lässt (Abb. A 11.5), NADH die mitochondriale Innenmembran aber nicht überqueren kann, bedarf es nun besonderer Mechanismen, durch die diese Reduktionsäquivalente der Atmungskette zur Verfügung gestellt werden können. Im Stoffwechsel gibt es hierzu zwei Möglichkeiten, nämlich den Glycerin-3phosphat-Shuttle und den Malat-Aspartat-Shuttle.
Der ADP/ATP-Translokator arbeitet als Antiporter, d. h. parallel zum Export eines ATP vermittelt er stets den Import eines ADP.
▶ Merke. Der Phosphat-Translokator arbeitet ebenfalls als Antiporter. Im Austausch gegen jedes importierte Phosphat-Ion (H2PO4–) wird ein Hydroxid-Ion (OH–) exportiert.
Durch diese Translokatoren geht pro synthetisiertem ATP eine Ladung bzw. ein Proton verloren. Nimmt man an, dass zur Synthese eines ATP drei Protonen durch den F0-Teil der ATP-Synthase fließen müssen, muss die Atmungskette wegen der Translokatoren ein weiteres Proton, also insgesamt vier Protonen exportieren.
Wenn ein NADH zwei Elektronen an die Atmungskette abgibt und daraufhin 10 Protonen exportiert werden, sind diese hinreichend zur Synthese und zum Export von 2,5 ATP.
10.5
Transport von Reduktionsäquivalenten über die mitochondriale Innenmembran
▶ Definition.
NADH kann die mitochondriale Innenmembran nicht durchdringen. Seine Reduktionsäquivalente werden der Atmungskette auf zwei unterschiedlichen Wegen zugeleitet: Glycerin-3-phosphat-Shuttle Malat-Aspartat-Shuttle
176
A
10.5.1 Glycerin-3-phosphat-Shuttle
10.5.1 Glycerin-3-phosphat-Shuttle
▶ Merke.
10 ATP-Synthese durch oxidative Phosphorylierung
▶ Merke. Unter Verbrauch des in der Glykolyse gebildeten NADH wird Dihydroxyacetonphosphat im Zytosol zu Glycerin-3-phosphat reduziert. Glycerin-3phosphat wird von den Mitochondrien aufgenommen und an der Außenseite der mitochondrialen Innenmembran durch die mitochondriale Glycerin-3-phosphatDehydrogenase zu Dihydroxyacetonphosphat oxidiert. Die dabei anfallenden Elektronen werden unter Vermittlung von FADH2 auf Ubichinon übertragen. Das entstehende Ubichinol gibt die Elektronen dann an Komplex III der Atmungskette ab.
Dihydroxyacetonphosphat diffundiert ins Zytosol, wo es durch eine zytosolische Glycerin-3-phosphat-Dehydrogenase zu Glycerin3-phosphat reduziert wird.
Das im Intermembranraum gebildete Dihydroxyacetonphosphat diffundiert in das Zytosol, wo es durch eine zytosolische Glycerin-3-phosphat-Dehydrogenase unter Verbrauch von NADH wieder zu Glycerin-3-phosphat reduziert wird. Es ergibt sich also ein Kreislauf, an dem zwei unterschiedliche Isoenzyme der Glycerin-3-phosphat-Dehydrogenase beteiligt sind.
10.5.2 Malat-Aspartat-Shuttle
10.5.2 Malat-Aspartat-Shuttle
▶ Merke.
▶ Merke.
Der Malat-Aspartat-Shuttle ist insbesondere in Herz- und Leberzellen von Bedeutung. Im Rahmen dieses Transportsytems wird im Zytosol Oxalacetat unter Verbrauch von NADH zu Malat reduziert. Malat wird mithilfe eines spezifischen Translokatorproteins über die mitochondriale Innenmembran transportiert und in der mitochondrialen Matrix in den Citratzyklus eingespeist. Dort wird Malat unter Bildung von NADH zu Oxalacetat oxidiert. Das NADH wird zur Übertragung von Elektronen auf den Komplex I der Atmungskette verwendet.
Hierzu sind jeweils zwei Isoenzyme der Aspartat-Aminotransferase und der Malat-Dehydrogenase (Abb. A 10.14) sowie zwei Translokatoren erforderlich. Letztere sind mit dem ADP/ATP-Translokator verwandt und arbeiten als Antiporter.
Ein Kreislauf ergibt sich, wenn das Oxalacetat anschließend aus dem Citratzyklus abgezweigt und unter Beteiligung einer Aminotransferase zu Aspartat umgesetzt wird. Das Aspartat wird von den Mitochondrien exportiert und im Zytosol wieder zu Oxalacetat umgesetzt (Abb. A 10.14). Erforderlich sind hier also zwei Enzyme, die jeweils sowohl im Zytosol als auch in der mitochondrialen Matrix vorhanden sein müssen. Es handelt sich um eine Aspartat-Aminotransferase und eine Malat-Dehydrogenase (Abb. A 10.14). Essenzielle Komponenten des Systems sind zudem die Translokatoren, die den Transport der jeweiligen Metabolite über die Innenmembran vermitteln. Der Import des Malats wird von einem Malat/α-Ketoglutarat (= Malat/2-Oxoglutarat)-Translokator vermittelt, der Export des Aspartats wird von einem Aspartat-Glutamat-Translokator ermöglicht. Beide Proteine sind mit dem ADP/ATP-Translokator verwandt und arbeiten als Antiporter.
10.5.3 Vergleich beider Shuttle-Systeme
10.5.3 Vergleich beider Shuttle-Systeme
Ein Kreislauf ergibt sich, wenn Oxalacetat zu Aspartat umgesetzt, dieses ins Zytosol exportiert und dort zu Oxalacetat umgesetzt wird (Abb. A 10.14).
Im Vergleich der beiden Shuttle-Systeme fällt zunächst auf, dass der Malat-Aspartat-Shuttle deutlich aufwendiger ist als der Glycerin-3-phosphat-Shuttle. Der Glycerin-3-phosphat-Shuttle erlaubt letztlich aber lediglich die Bildung von FADH2, d. h. den Eintritt der Reduktionsäquivalente auf der Stufe des Komplexes III und somit einen Export von sechs Protonen durch die Atmungskette (Abb. A 10.2). Der Malat-Aspartat-Shuttle hingegen erlaubt in den Mitochondrien eine Bildung von NADH, somit einen Eintritt der Reduktionsäquivalente auf der Stufe des Komplexes I und einen Export von 10 Protonen durch die Atmungskette.
▶ Merke.
▶ Merke.
Der Glycerin-3-phosphat-Shuttle ist in den Geweben weit verbreitet, arbeitet aber mit einem Verlust an Energie. Der Malat-Aspartat-Shuttle ist zwar aufwendig und vornehmlich auf Herz- und Leberzellen beschränkt, ermöglicht es aber, in der Matrix im gleichen Umfang NADH zu regenerieren, in dem NADH im Zytosol verbraucht wurde.
A
A-10.14
177
10.6 Entkoppler des OXPHOS-Systems
Der Malat-Aspartat-Shuttle COO–
HO Malat
C
COO– Malat/α-KetoglutaratTransporter
H
HO
CH2
COO–
COO–
COO–
COO–
O
Zytosol
CH2
innere Mitochondrienmembran
C
Matrix
COO–
mASAT
Glutamat
Glutamat
Aspartat
C
H
Oxalacetat
α-Ketoglutarat
α-Ketoglutarat
COO– H3N
O
CH2
COO–
cASAT
mMDH
NADH + H+
NADH + H+
C
Malat
NAD+
NAD cMDH
+
H
CH2
+
Oxalacetat
C
COO– Glutamat/AspartatTransporter
+
H3N
C
H
CH2
CH2
COO–
COO–
Aspartat
Der Malat-Aspartat-Shuttle erlaubt eine Übertragung von Reduktionsäquivalenten aus dem Zytosol in die mitochondriale Matrix. Der entscheidende Überträger der Elektronen ist dabei das Malat. MDH: Malat-Dehydrogenase, ASAT: Aspartat-Aminotransferase, c: zytosolisches Enzym, m: mitochondriales Enzym (nach Königshoff, Brandenburger; Kurzlehrbuch Biochemie, Thieme, 2007).
10.6 Entkoppler des OXPHOS-Systems ▶ Definition.
Als Entkoppler werden Proteine und kleine organische Moleküle bezeichnet, welche die Aktivität der Atmungskette von der Aktivität der ATP-Synthase abkoppeln. Allen Entkopplern ist gemeinsam, dass sie die Funktion der Atmungskette intakt lassen (!), dass sie aber die protonenabhängige ATP-Synthese einschränken bzw. unterbinden, indem sie die Etablierung des Protonengradienten verhindern.
10.6.1 Der physiologische Entkoppler Thermogenin
10.6
Entkoppler des OXPHOS-Systems
▶ Definition.
10.6.1 Der physiologische Entkoppler Thermogenin
Thermogenin (engl. uncoupling protein, UCP) ist ein Protein, das zur gleichen Proteinfamilie gehört wie der ADP/ATP-Translokator und der Phosphat-Translokator. Es bildet in der mitochondrialen Innenmembran Kanäle, durch die Protonen in die Matrix einströmen können. Mitochondrien, die Themogenin enthalten, können deshalb kein ATP mehr synthetisieren, und die Energie des mitochondrialen Protonengradienten geht als Wärme verloren. Thermogenin findet sich nicht in allen Geweben, sondern spezifisch im braunen Fettgewebe der Neugeborenen und Säuglinge. Die braune Farbe dieses Gewebes beruht auf seinem hohen Gehalt an Mitochondrien. Die Atmungskette dieser Mitochondrien bezieht ihre Elektronen letztlich aus dem in den Zellen eingelagerten Fett. Offenbar hat das braune Fettgewebe die Funktion, einer Unterkühlung entgegenzuwirken. Die Wärmeerzeugung wird hier durch das sympathische Nervensystem kontrolliert. Beim Erwachsenen findet sich Thermogenin nur noch in kleinen Restbeständen, z. B. im Bindegewebe um die großen Arterien und im Mediastinum.
Thermogenin bildet in der mitochondrialen Innenmembran Kanäle, durch die Protonen in die Matrix strömen. Dadurch geht die Energie des Protonengradienten als Wärme verloren.
10.6.2 Toxische Entkoppler
10.6.2 Toxische Entkoppler
Ein klassisches Beispiel für ein Gift, das als Entkoppler wirkt, ist das 2,4-Dinitrophenol. Das Gift lagert sich u. a. in die mitochondriale Innenmembran ein, wo es aus dem Intermembranraum Protonen aufnimmt, um sie an der Matrix-Seite der Mem-
Ein klassisches Beispiel für ein Gift, das als Entkoppler wirkt, ist das 2,4-Dinitrophenol (Abb. A 10.15).
Thermogenin findet sich spezifisch im braunen Fettgewebe der Neugeborenen und Säuglinge und hat die Aufgabe, einer Unterkühlung entgegenzuwirken.
178 A-10.15
A
10 ATP-Synthese durch oxidative Phosphorylierung
A-10.15
OH
Die Funktionsweise des Entkopplers 2,4-Dinitrophenol H+
O–
NO2
NO2
NO2
H+
2,4-Dinitrophenol lagert sich u. a. in die mitochondriale Innenmembran ein, wo es aus dem Intermembranraum Protonen aufnimmt, um sie an der Matrix-Seite der Membran wieder abzugeben.
NO2
bran wieder abzugeben (Abb. A 10.15). Dadurch bricht der mitochondriale Protonengradient zusammen und die Bildung von ATP durch die ATP-Synthase kommt zum Erliegen.
10.7
Angeborene Defekte des OXPHOSSystems
Die mitochondriale DNA kodiert acht verschiedene Proteine, bei denen es sich ausnahmslos um hydrophobe Untereinheiten der Atmungskette bzw. der ATP-Synthase handelt. Weitere Abschnitte des mitochondrialen Genoms kodieren für RNA-Moleküle, die als Komponenten der mitochondrialen Ribosomen bzw. als tRNAs für die Synthese der acht kodierten Proteine benötigt werden.
Solange ca. 10 % der DNA-Moleküle in den Mitochondrien einer Zelle intakt sind, können die Zellfunktionen weitgehend aufrechterhalten werden. Erst wenn der Anteil der geschädigten DNA zunimmt, kommt es zum Ausbruch der Krankheit. In der Regel handelt es sich dabei um neurologische Störungen oder Muskelschwäche.
Die Mitochondrien, und so auch ihre DNA, werden ausschließlich maternal vererbt.
10.8
Bakterielle Atmungsketten
Das mitochondriale Genom ist vom Genom endosymbiontischer Bakterien übrig geblieben. Entsprechend muss man davon ausgehen, dass auch das System der oxidativen Phosphorylierung bakteriellen Ursprungs ist.
E. coli können als terminalen Elektronenakzeptor der Atmungskette anstelle von Sauerstoff auch Nitrat verwenden (NitratAtmung).
10.7 Angeborene Defekte des OXPHOS-
Systems Die Fortschritte der Molekularbiologie haben es ermöglicht, eine Reihe seltener Erbkrankheiten auf Defekte des Systems der oxidativen Phosphorylierung zurückzuführen. Ein Beispiel wurde bereits genannt, nämlich die Leber-Optikusatrophie (LHON, S. 167). Neben diesem Syndrom sind einige weitere Krankheiten bekannt, die ebenfalls durch Mutationen in der mitochondrialen DNA verursacht werden. Die mitochondriale DNA kodiert acht verschiedene Proteine, bei denen es sich ausnahmslos um hydrophobe Untereinheiten der Atmungskette bzw. der ATP-Synthase handelt. Weitere Abschnitte des mitochondrialen Genoms kodieren für RNA-Moleküle, die als Komponenten der mitochondrialen Ribosomen bzw. als tRNAs für die Synthese der acht kodierten Proteine benötigt werden. Jeder Defekt der mitochondrialen DNA wirkt sich deshalb negativ auf die mitochondriale ATP-Synthese aus. In vielen Fällen treten die Defekte der mitochondrialen DNA erst im Laufe einiger Jahre in Erscheinung. Solange ca. 10 % der DNA-Moleküle in den Mitochondrien einer Zelle intakt sind, können die Zellfunktionen weitgehend aufrechterhalten werden. Erst wenn der Anteil der geschädigten DNA zunimmt, kommt es zum Ausbruch der Krankheit. Die Ursachen der Akkumulation geschädigter DNA sind bislang unbekannt. Bei den Symptomen handelt es sich in der Regel um neurologische Störungen oder Muskelschwäche. Offenbar sind Nerven- und Muskelzellen in besonderer Weise auf eine ausreichende ATP-Synthese angewiesen. Warum bestimmte Mutationen der mitochondrialen DNA mit bestimmten, für die jeweilige Mutation charakteristischen Krankheitssymptomen korrelieren, ist bislang ebenfalls ungeklärt. Alle Krankheiten der mitochondrialen DNA zeigen einen charakteristischen Erbgang: Die Mitochondrien, und so auch ihre DNA, werden nämlich ausschließlich von der Mutter (maternal) vererbt. Die Mitochondrien der Spermien werden in der Oozyte abgebaut.
10.8 Bakterielle Atmungsketten Es ist eine gut begründete und deshalb auch allgemein anerkannte Vermutung, dass die Mitochondrien der heute lebenden Tiere und Pflanzen in der Evolution aus Bakterien hervorgegangen sind, die vor ca. 2 Milliarden Jahren als Endosymbionten in urtümliche Wirtszellen eingewandert sind. Das mitochondriale Genom ist demnach vom Genom endosymbiontischer Bakterien übrig geblieben. Entsprechend muss man davon ausgehen, dass auch das System der oxidativen Phosphorylierung bakteriellen Ursprungs ist. Tatsächlich enthalten die Membranen der meisten Bakterien Atmungskettenkomplexe, die denen der Mitochondrien sehr ähnlich sind. Allerdings findet man bei den Bakterien der verschiedenen Lebensräume große Unterschiede in den Substraten, die der Atmungskette die benötigten Elektronen liefern bzw. die Elektronen am Komplex IV aufnehmen. So können die Darmbakterien der Art Escherichia coli (E. coli) in Abwesenheit von Sauerstoff als Alternative zu Sauerstoff auch Nitrat-Ionen als terminale Elektronenakzeptoren ihrer Atmungs-
A
10.8 Bakterielle Atmungsketten
kette verwenden (Nitrat-Atmung). Die Nitrat-Ionen werden dabei zu Nitrit reduziert. Da Nitrit giftig ist, sind vom Gesetzgeber Grenzwerte für den zulässigen Gehalt an Nitraten in Lebensmitteln und Getränken eingeführt worden. Ähnlich den Verhältnissen im Darm ist auch in tiefen Schichten mancher Gewässer kaum noch Sauerstoff vorhanden, sodass die Bakterien dort ebenfalls auf alternative Elektronenakzeptoren angewiesen sind. Oft ist in den Gewässern hinreichend Sulfat gelöst, sodass die dort lebenden Bakterien eine Sulfat-Atmung betreiben können. Die Bakterien reduzieren das Sulfat bis zum Schwefelwasserstoff, H2S, der sich in derartigen Gewässern sofort durch seinen unangenehmen Geruch bemerkbar macht.
179
Bakterien in tiefen Schichten von Gewässern können Sulfat als Elektronenakzeptor verwenden (Sulfat-Atmung).
A
A
11 Ernährung und Verdauung
11 Ernährung und Verdauung 11.1 11.2 11.3
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 Ernährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 Verdauung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187
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11.1
Einführung
Die Fette, Kohlenhydrate und Proteine der Nahrung werden teilweise unmittelbar in den katabolen Stoffwechsel einbezogen und zur Energiegewinnung genutzt. In erheblichem Umfang werden sie jedoch zunächst mithilfe anaboler Stoffwechselwege zum Aufbau von Energiespeichern genutzt. Die wichtigsten Energiespeicher sind die Triacylglycerine und das Glykogen. Letztlich handelt es sich bei den Energiespeichern des Organismus um ein großes Zwischenlager für Elektronen, die bei Bedarf der Atmungskette zugeleitet werden können.
11.2
Ernährung
11.1 Einführung Ziel des Energiestoffwechsels ist die Synthese von ATP, des zentralen Energieträgers des gesamten Organismus. Die Synthese des ATP benötigt Energie, und diese wird überwiegend aus dem Fluss von Elektronen bezogen, die aufgrund der elektrischen Spannung zwischen den Coenzymen NADH und FADH2 auf der einen Seite und molekularem Sauerstoff (O2) auf der anderen Seite durch die Atmungskette fließen. Diese Elektronen stammen aus der Nahrung. Der Weg der Elektronen von der Nahrung zur Atmungskette ist in den Kapiteln A-7 bis A-10 eingehend beschrieben worden. Allerdings werden die Bestandteile der Nahrung in der Regel nicht unmittelbar zur Energiegewinnung herangezogen, sondern zunächst zum Aufbau von Energiespeichern verwendet. Diese bestehen bei einem normal ernährten Erwachsenen aus ca. 12 kg Triacylglycerinen, ca. 400 g Glykogen, einem Anteil von 50 % an den ca. 6 – 7 kg Protein des Körpers. Die Stoffwechselprozesse, die dem Aufbau der Energiespeicher dienen, bezeichnet man als anabol. Letztlich handelt es sich bei den Energiespeichern des Organismus um ein großes Zwischenlager für Elektronen, die bei Bedarf der Atmungskette zugeleitet werden können. Im Folgenden wird beschrieben, wie die Energiespeicher angelegt und aufrechterhalten werden.
11.2 Ernährung
11.2.1 Zusammensetzung der Nahrung
11.2.1 Zusammensetzung der Nahrung
Betrachtet man Kohlenhydrate, TAG und Proteine unter dem Aspekt der Gewinnung von Elektronen für die Atmungskette, sind sie grundsätzlich austauschbar.
Betrachtet man Kohlenhydrate, Triacylglycerine (TAG) und Proteine unter dem Aspekt der Gewinnung von Elektronen für die Atmungskette, sind diese Nahrungsbestandteile grundsätzlich gegeneinander austauschbar. Für die Atmungskette ist es irrelevant, von welchem Nahrungsstoff die Elektronen ursprünglich einmal gewonnen wurden. Zudem ist der Stoffwechsel des Menschen in der Lage, Kohlenhydrate aus Nichtkohlenhydraten zu synthetisieren (Gluconeogenese), und TAG können ausgehend von Kohlenhydraten synthetisiert werden. Da die Nahrung aber nicht nur der Aufrechterhaltung des Energiestoffwechsels dient, sondern auch verschiedenen anderen Zwecken, ist die Zusammensetzung der Nahrung dennoch von Bedeutung: Kohlenhydrate sollten in Form von Stärke in der Nahrung des Menschen den größten Anteil stellen. In den Industrieländern werden Kohlenhydrate zu einem erheblichen Teil in Form von Zuckern aufgenommen. Zucker bringen für den Organismus zwar keine größeren stoffwechselphysiologischen Probleme mit sich, sind aber die wichtigste Ursache von Karies. Fette gelten zwar als grundsätzlich entbehrlich, erleichtern aber wesentlich die Resorption der fettlöslichen Vitamine E, D, K und A. Außerdem ist der Stoffwechsel auf die Zufuhr essenzieller Fettsäuren (Tab. A 11.1) angewiesen, insbesondere auf die Zufuhr von Linolsäure.
Da Nahrung aber auch anderen Zwecken dient, ist ihre Zusammensetzung dennoch von Bedeutung: Kohlenhydrate in Form von Stärke sollten in der Nahrung den größten Anteil stellen. Fette erleichtern die Resorption der fettlöslichen Vitamine (E, D, K, A) und sind die Quelle essenzieller Fettsäuren (Tab. A 11.1).
A
Proteine werden primär für die Bildung zellulärer Strukturen, als Enzyme und für regulatorische Funktionen benötigt. Sie werden nur bei Bedarf in größerem Umfang in den Energiestoffwechsel mit einbezogen. Zu berücksichtigen ist aber, dass mit den Proteinen auch die acht unbedingt essenziellen Aminosäuren (Tab. A 11.1) in den Stoffwechsel gelangen. Aminosäuren werden nicht nur für die Proteinbiosynthese benötigt, sondern z. B. auch für die Bildung der Katecholamine, für die Häm-Synthese oder für die Synthese der Nukleotide. Aminosäuren sind die entscheidende Stickstoffquelle des Stoffwechsels. Pro Tag sollten ca. 0,5 – 1 g Protein/kg Körpermasse aufgenommen werden. Tatsächlich ist der Proteinanteil in der Nahrung in den westlichen Industrieländern unnötig hoch. In den ärmeren Regionen der Welt ist der Anteil der Proteine hingegen oft zu niedrig. Protein wird dort überwiegend aus pflanzlicher Nahrung bezogen.
▶ Merke.
In pflanzlicher Nahrung ist der Anteil an essenziellen Aminosäuren niedriger als in Fleisch. Deshalb ist die biologische Wertigkeit pflanzlicher Proteine um etwa die Hälfte geringer als die tierischer Proteine.
A-11.1
Unbedingt (in jeder Stoffwechselsituation) essenzielle Fettsäuren und Aminosäuren
Fett- bzw. Aminosäure
181
11.2 Ernährung
Proteine sind die Quelle essenzieller Aminosäuren (Tab. A 11.1) und von Stickstoff. Pro Tag sollten ca. 0,5 – 1 g Protein/kg Körpermasse aufgenommen werden.
▶ Merke.
A-11.1
Bemerkung
Fettsäuren Linolsäure Linolensäure
Die Desaturasen des Menschen können Doppelbindungen nur zwischen den ersten 10 C-Atomen der Fettsäuren einbauen.
Aminosäuren Valin Leucin Isoleucin
Der Stoffwechsel des Menschen kann keine verzweigtkettigen Aminosäuren synthetisieren.
Phenylalanin Tryptophan
Die aromatischen Gruppen der Aminosäuren können im Stoffwechsel des Menschen nicht synthetisiert werden. Tyrosin kann (nur) aus Phenylalanin gebildet werden.
Methionin Threonin Lysin
Auch diese drei Aminosäuren können im Stoffwechsel des Menschen nicht synthetisiert werden.
Der Energiebedarf eines Erwachsenen beträgt bei leichter körperlicher Arbeit ca. 10 000 kJ/Tag. Zur Deckung dieses Energiebedarfs gilt die in Tab. A 11.2 aufgeführte Nahrungszusammensetzung als physiologisch sinnvoll. Im Vergleich der empfohlenen Werte mit den tatsächlichen Ernährungsgewohnheiten in den Industrieländern (Tab. A 11.3), fallen die überhöhten Anteile der Fette auf:
A-11.2
Empfehlungen für die Nahrungszusammensetzung zeigt Tab. A 11.2.
Empfohlene Nahrungszusammensetzung bei leichter körperlicher Arbeit
Nahrungsstoff
Bedarf (g/Tag)
physiologischer Brennwert (kJ/g)*
(kcal/g)*
freigesetzte Energie (kJ) pro Tag
Anteil am Energiebedarf (%)
Fette
65
39
9,3
2500
25
Proteine
70
17
4,1
1200
12
Kohlenhydrate
370
17
4,1
6300
63
10 000
100
Summe * 1 kcal = 4,185 kJ; 1 kJ = 0,239 kcal
182
A
11 Ernährung und Verdauung
A-11.3
▶
Klinik.
A-11.3
Empfohlene und tatsächliche Nahrungszusammensetzung in den Industrieländern
Nahrungsstoff
empfohlener Anteil am Energiebedarf (%)
tatsächlicher Anteil am Energiebedarf (%)
Fette
25
40
Proteine
12
15
Kohlenhydrate
63
45
Summe
100
100
▶ Klinik. Vor allem Kinder können sehr empfindlich auf einen Mangel an essenziellen Aminosäuren reagieren. Dieser kann sich einstellen, wenn im Rahmen einer allgemeinen Unterernährung längere Zeit ausschließlich pflanzliche Nahrung zur Verfügung steht. Das Krankheitsbild wird als Kwashiorkor bezeichnet: Wenn die Proteinsynthese behindert ist, sinkt u. a. die Plasmakonzentration des Albumins, das im Blut für den kolloidosmotischen Druck ausschlaggebend ist. Es kommt zu Flüssigkeitsansammlungen im Bauchraum (Aszites), der Bauchumfang nimmt deutlich zu (Abb. A 11.1). Wenn die Proteinanteile der Lipoproteine (VLDL) in der Leber nicht mehr im erforderlichen Umfang synthetisiert werden können, akkumulieren hier TAG, und die Leber verfettet. Eine essenzielle Aminosäure ist auch das Tryptophan. Konsequenz eines Tryptophanmangels in Verbindung mit einem Mangel an dem Vitamin Niacin ist die Pellagra (S. 289). A-11.1
a
Beinödeme (a) und Aszites (b) bei Kwashiorkor
b
Als Kwashiorkor bezeichnet man eine Form des Eiweißmangels, die hauptsächlich bei Säuglingen und Kleinkindern in Hungerregionen auftritt. Oft kann das erste Kind nicht mehr gestillt werden, wenn das zweite Kind da ist. Das ältere Kind bekommt dann eine Nahrung, die nahezu ausschließlich Kohlenhydrate enthält. Die Bezeichnung der Krankheit bezieht sich auf einen ghanaischen Ausdruck für „erstens, zweitens“ (aus Sitzmann, Duale Reihe Pädiatrie, Thieme, 2007, Foto: Dr. Cellou Balde, Conakry). Als Ballaststoffe bezeichnet man die schlecht verdaulichen Bestandteile der Nahrung. Der Begriff umfasst: lösliche Stoffe, z. B. Oligofructose, und unlösliche Stoffe, insbesondere Cellulose u. a. Bestandteile pflanzlicher Zellwände.
Fette, Kohlenhydrate und Proteine, gegebenenfalls auch Ethanol, sind die energiereichen Bestandteile der Nahrung. Ebenfalls essenziell sind die Vitamine (S. 273) sowie bestimmte Mineralstoffe und Spurenelemente (S. 305). Normale, aber keine essenziellen Bestandteile der Nahrung sind hingegen die Ballaststoffe. Diese sind nicht genau definiert, generell versteht man unter Ballaststoffen die schlecht verdaulichen Bestandteile der Nahrung. Der Begriff umfasst sowohl lösliche als auch unlösliche Stoffe: Zu den löslichen Ballaststoffen zählt insbesondere die Oligofructose, eine polymere Form der Fructose, die von Pflanzen gespeichert wird (S. 41). Oligofructose wird von den Verdauungsenzymen des Menschen nicht hydrolysiert. Allerdings wird sie im Dünndarm von Bakterien zur Energiegewinnung genutzt. Dabei geben die Bakterien kurzkettige Fettsäuren ab (überwiegend Acetat, aber auch Propionat und Butyrat), die dann von den Enterozyten der Darmschleimhaut aufgenommen und metabolisiert werden. Bei den unlöslichen Ballaststoffen handelt es sich im Wesentlichen um Cellulose u. a. Bestandteile pflanzlicher Zellwände, teilweise auch um kompakte Formen pflanzlicher Stärke. Die unlöslichen Ballaststoffe werden nur teilweise von bakteriellen Enzymen angegriffen. Die Hydrolyseprodukte werden überwiegend von Bakterien des Kolons verstoffwechselt. Dabei kommt es zur Bildung verschiede-
A
183
11.2 Ernährung
ner Gase und zu entsprechender Flatulenz. Der größte Teil der unlöslichen Ballaststoffe verlässt den Darm als Teil der Faeces.
▶ Klinik. Ballaststoffe (engl. dietary fiber) wurden viele Jahre lang als wichtige Komponenten der Nahrung angesehen. Auch heute noch werden Ballaststoffe mitunter als Mittel gegen Krebserkrankungen empfohlen. Diese Tradition geht zurück auf eine epidemiologische Studie aus dem Jahr 1971, in der beobachtet wurde, dass in Afrika das Kolonkarzinom wesentlich seltener auftritt als in Europa und Nordamerika (Burkitt et al., 1971). Diese Beobachtung wurde in Verbindung gebracht mit dem vergleichsweise hohen Anteil an Ballaststoffen in der Nahrung in den afrikanischen Ländern. Der postulierte Zusammenhang wurde seitdem in mehreren großen Studien überprüft. 1999 wurden die Ergebnisse einer Studie aus den USA veröffentlicht, in der 88 757 Krankenschwestern 16 Jahre lang ihre Ernährungsgewohnheiten protokolliert hatten. In der Auswertung dieser Studie zeigte sich, dass zwischen dem Anteil der Ballaststoffe und der Häufigkeit von Kolonkarzinomen kein Zusammenhang bestand (Fuchs et al., 1999). Dieses Ergebnis wurde inzwischen durch neuere Studien bestätigt. Ballaststoffe sind als Mittel gegen Krebserkrankungen leider wirkungslos. Ein Vitaminmangel ist in den Industrieländern bei normaler Ernährung sehr selten. Ein Zusatz von Vitaminpräparaten zur Nahrung ist nur unter besonderen Voraussetzungen sinnvoll: Ein Mangel an mehreren Vitaminen kann aufgrund einseitiger Ernährung bei alten Menschen gegeben sein. Bei chronischem Alkoholismus kann insbesondere eine Behandlung mit Vitamin B1 (Thiamin) sinnvoll sein. Bei streng veganer Ernährung (konsequenter Verzicht nicht nur auf Fleisch, sondern auch auf Eier und Milchprodukte) entwickelt sich langfristig ein Mangel an Vitamin B12. Bei Schwangerschaft kann eine vegane Ernährung die Entwicklung des Fetus beeinträchtigen. Generell wird bei Schwangerschaft eine zusätzliche Aufnahme von Folsäure empfohlen. Dabei ist allerdings eine Überdosierung zu vermeiden.
▶
Klinik. Vitamin C (Ascorbinsäure) gilt vielfach als wirkungsvolles Mittel gegen
▶
Klinik.
Ein Vitaminmangel ist in den Indurstrieländern bei normaler Ernährung sehr selten. Bestimmte Vitaminpräparate können allenfalls sinnvoll sein: mitunter für alte Menschen für Alkoholiker bei veganer Ernährung bei Schwangerschaft
▶
Klinik.
Erkältungskrankheiten. Da eine bedeutende Funktion des Vitamin C bei Infektionen biochemisch bislang nicht bekannt ist, stellt sich die Frage nach der Wirksamkeit des Vitamins. In einer Meta-Analyse von 2004 wurden die Ergebnisse von 29 exakt durchgeführten Studien ausgewertet, an denen insgesamt 11 350 Probanden teilgenommen hatten, um den Nutzen des Vitamins zu überprüfen (Douglas et al., 2004). Die Probanden hatten mehrere Monate lang zusätzlich zu ihrer normalen Nahrung täglich mindestens 200 mg Vitamin C zu sich genommen. Im Vergleich mit den Kontrollgruppen zeigte sich, dass die Aufnahme des Vitamin C die Häufigkeit der Erkältungen nicht reduzierte. In einigen Studien war allenfalls die Dauer der Erkältungszeiten geringfügig reduziert (um etwa 10 %). Sofern das Vitamin C erst bei Einsetzen der Erkältung genommen wurde, ließ sich ein Effekt bislang in keiner einzigen Studie nachweisen. Auch in Studien, in denen die Probanden während eines längeren Zeitraums jeden Tag 1 g Vitamin C zu sich nehmen mussten, war ein signifikanter Einfluss auf die Häufigkeit und auf den Verlauf der Erkältungskrankheiten nicht nachweisbar. Die einzigen Untersuchungen, in denen sich für das Vitamin C ein positiver Effekt belegen ließ, bezogen sich auf Marathonläufer oder auf Soldaten, die unter extremen Bedingungen leben mussten. Für Menschen unter normalen Lebens- und Arbeitsbedingungen ist ein Effekt von Vitamin C als Mittel gegen Erkältungen nie bestätigt worden. Als sekundäre Pflanzenstoffe bezeichnet man spezielle Produkte des pflanzlichen Stoffwechsels, die weder im Energiestoffwechsel, noch bei der Synthese der Bausteine der zellulären Strukturen der Pflanzen eine essenzielle Rolle spielen. Sekundäre Pflanzenstoffe sind jeweils charakteristisch für bestimmte Arten oder Verwandtschaftsgruppen der Pflanzen. Obwohl sie in der Regel nur in sehr geringen Konzentrationen in der Nahrung enthalten sind, können sie gleichwohl signifikante Effekte haben. Die meisten Pfanzen sind wegen ihres Gehalts an sekundären Pflanzenstoffen
Zu den sekundären Pflanzenstoffen zählen Terpenoide (Bsp.: Menthol), Alkaloide (Bsp.: Atropin, Chinin, Colchicin) und Phenole (Bsp.: Cumarine sowie das Resveratrol). Viele Sekundäre Pflanzenstoffe sind giftig. Die meisten Pfanzen sind nicht zuletzt wegen ihres Gehalts an Sekundären Pflanzenstoffen als Nahrungsmittel ungeeignet.
184
A
11 Ernährung und Verdauung
als Nahrungsmittel ungeeignet. Tatsächlich dienen die verschiedenen Inhaltsstoffe den Pflanzen oft als Fraßschutz. Bei den bislang etwa 17 000 bekannten Pflanzengiften handelt es sich weitgehend um Produkte des Sekundärstoffwechsels. Terpenoide werden ausgehend von Acetyl-CoA synthetisiert. Zu dieser Gruppe gehört z. B. das Menthol der Pfefferminze Melissa piperata, das in Zahnpasta enthalten ist, und das Cineol des Eukalyptusbaums Eukalyptus globosus, das bei der Herstellung von Hustenbonbons Verwendung findet. Berühmte Terpenoide sind auch das Taxol der Pazifischen Eibe Taxus brevifolia, das als Cytostatikum eingesetzt wird, und die Herzglykoside aus dem Roten Fingerhut Digitalis purpurea. Alkaloide sind stickstoffhaltige Produkte des Aminosäurestoffwechsels der Pflanzen. Rund 10 000 Alkaloide sind bislang identifiziert worden. Manche Alkaloide vermitteln lediglich einen bitteren Geschmack, andere sind hoch giftig. Viele Alkaloide sind von erheblicher medizinischer Bedeutung. Bekannte Alkaloide sind z. B. das Atropin der Tollkirsche Atropa belladonna, Cocain aus dem Kokastrauch Erythroxylon coca, Chinin der Chinarindenbäume der Gattung Cinchona, Colchicin aus der Herbstzeitlose Colchicum autumnale, Nikotin des Tabaks Nicotiana tabacum, sowie das (+)-Tubocurarin tropischer Strychnos-Arten, das lange Zeit als Muskelrelaxans verwendet wurde. „Rein pflanzliche“ Produkte können mitunter als Medikamente eingesetzt werden, sie können aber auch lebensgefährliche Vergiftungen verursachen. Phenole werden im pflanzlichen Sekundärstoffwechsel ausgehend von Phenylalanin synthetisiert. Da die Stoffe in der Regel mehrere phenolische Gruppen enthalten, wird häufig der Ausdruck Polyphenole verwendet. Mehr als 8 000 Phenole sind bekannt. Zu dieser Gruppe gehören die meisten Blütenfarbstoffe, aber auch die Cumarine, die als gerinnungshemmende Vitamin K-Antagonisten eingesetzt werden. Cumarine sind u. a. im Klee enthalten. In größeren Mengen sind auch Cumarine hoch toxisch. Verschiedene Cumarine werden auch heute noch in großem Umfang als Rattengifte eingesetzt. Viele andere Phenole sind hingegen ungiftig oder sie scheinen sogar positive Effekte zu haben. Das gilt etwa für die Phenole, die im Kaffee enthalten sind. Eine Tasse Kaffee enthält etwa 100 mg Coffein (ein Alkaloid) und etwa 200 mg Phenole. Etwa halb so viele Phenole sind im Schwarzen und im Grünen Tee enthalten. In jüngster Zeit ist schließlich das Resveratrol zum Gegenstand umfangreicher Untersuchungen geworden, dem eine Reihe ausgesprochen positiver Wirkungen zugeschrieben werden.
▶ Exkurs.
▶ Exkurs.
Resveratrol Resveratrol ist ein Polyphenol im Traubensaft und im Rotwein. Epidemiologische Studien haben gezeigt, dass in Frankreich mehrere für westliche Industrieländer charakteristische Krankheiten wie etwa die koronare Herzkrankheit vergleichsweise selten sind, obwohl die Ernährungsgewohnheiten dort weitgehend die gleichen sind wie in anderen Ländern. Das Phänomen wird als „French paradox“ diskutiert. Vor einigen Jahren wurde die Vermutung geäußert, dass in diesem Zusammenhang das Resveratrol des französischen Rotweins den entscheidenden positiven Effekt haben könnte.
A-11.2
Resveratrol, ein Sekundärmetabolit der Weintrauben
OH HO
OH
a
a Rote Weintraube. b Struktur des Resveratrols.
b
A
185
11.2 Ernährung
Resveratrol ist ein Produkt des Sekundärstoffwechsels der Weintrauben. Rotwein enthält bis zu zehn Mal mehr Resveratrol als Weißwein. 2006 wurden die Ergebnisse einer Studie veröffentlicht (Baur et al., 2006), in der Mäuse unter drei verschiedenen Bedingungen gehalten wurden: eine Gruppe erhielt lediglich eine Standardnahrung, eine Gruppe erhielt eine extrem energiereiche („kalorienreiche“) Nahrung, und eine gleich große Gruppe erhielt die gleiche energiereiche Nahrung sowie täglich eine bestimmte Menge an Resveratrol. Nach einem Jahr waren viele der besonders energiereich gefütterten Mäuse adipös, ihre Leber war verfettet, und sie zeigten Ansätze zur Entwicklung eines Diabetes. Viele dieser Mäuse starben ungewöhnlich früh. Interessanterweise überlebten in dieser Zeit nahezu sämtliche Mäuse, die mit der beschränkten Standarddiät (unter „caloric restriction“) ernährt worden waren. In gleichem Maße überlebten aber auch die Mäuse, die zusammen mit der energiereichen Nahrung auch Resveratrol erhalten hatten. Sie waren zwar adipös, aber sie schienen weitgehend gesund zu sein. Lassen sich diese Beobachtungen auf den Menschen übertragen? Das Resveratrol war den Mäusen in sehr großen Mengen gegeben worden. Ein Erwachsener müsste täglich 50 Liter Rotwein trinken, um eine ähnliche Menge an Resveratrol zu erhalten. Das Resveratrol könnte in vergleichbarer Dosierung also allenfalls in reiner Form verwendet werden. Resveratrol wird im Darm effizient resorbiert, es wird dann allerdings im Fremdstoffwechsel der Leber sehr schnell inaktiviert. Damit es die Gewebe in nennenswerten Konzentrationen erreichen kann, müssen hinreichend große Mengen aufgenommen werden. Erste Untersuchungen haben gezeigt, dass Menschen 1 g reines Resveratrol zumindest einige Wochen lang täglich ohne gravierende Nebenwirkungen vertragen. Studien zu den langfristigen Effekten des Resveratrols haben kürzlich begonnen. Gleichzeitig haben biochemische Untersuchungen gezeigt, dass Resveratrol ein potenter Aktivator einer bestimmten regulatorisch wichtigen Deacetylase ist, des Sirtuin 1. Homologe Enzyme sind aus anderen Organismen bereits seit längerer Zeit bekannt: Eine Aktivierung des entsprechenden Enzyms in der Fruchtfliege Drosophila melanogaster hat eine signifikante Verlängerung der durchschnittlichen Lebenszeit der Fliegen zur Folge, wahrscheinlich aufgrund einer Begrenzung des Energiestoffwechsels, ähnlich einer Caloric Restriction.
11.2.2 Parenterale Ernährung ▶ Definition.
Unter parenteraler Ernährung versteht man eine Ernährung unter Umgehung des Magen-Darm-Trakts.
11.2.2 Parenterale Ernährung
▶ Definition.
In der Regel wird eine parenterale Ernährung mithilfe eines Venenkatheters durchgeführt. Zugeführt werden Wasser, Glucose, Aminosäuren, Fette, Vitamine, Salze und Spurenelemente. Da der ernährungsphysiologische Bedarf des Menschen sehr genau bekannt ist, kann eine derartige Ernährung u. U. mehrere Jahre lang aufrechterhalten werden. Im klinischen Alltag sind bakterielle Besiedlungen des Katheters das größte Problem. Sie können mitunter gefährliche Infektionen zur Folge haben.
Zugeführt werden Wasser, Glucose, Aminosäuren, Fette, Vitamine, Salze und Spurenelemente.
11.2.3 Energiegehalt der Nahrung
11.2.3 Energiegehalt der Nahrung
Der tägliche Energieumsatz
Der tägliche Energieumsatz
Der tägliche Energieumsatz ergibt sich aus der Summe des Grundumsatzes und des Arbeitsumsatzes: Der Grundumsatz ist die Energiemenge, die ein Gesunder morgens in nüchternem und entspanntem Zustand im Liegen bei angenehmer Umgebungstemperatur verbraucht. Der Grundumsatz eines Erwachsenen beträgt ca. 80 W (Watt = J/s), d. h. pro Sekunde werden 80 J umgesetzt, bzw. ca. 7000 kJ/Tag (1 kJ = 0,239 kcal; 1 kcal = 4,185 kJ). Diese Energie wird nicht nur für die Aktivität der Herz- und Atemmuskulatur benötigt, sondern wesentlich auch für die Vielzahl molekularer Prozesse, die sich unbemerkt in den Zellen des Körpers abspielen. Da alle Prozesse nur mit begrenzter Effizienz ablaufen, wird der größte Anteil des Grundumsatzes in Form von Wärme freigesetzt. Der Arbeitsumsatz ist als die Energiemenge definiert, um die sich der Energieumsatz bei körperlichen Tätigkeiten über den Grundumsatz hinaus erhöht. Sofern der Arbeitsumsatz auf eine bestimmte Zeitspanne bezogen wird, spricht man auch vom Leistungsumsatz.
Der tägliche Energieumsatz setzt sich zusammen aus Grundumsatz (Energiebedarf morgens, nüchtern und entspannt im Liegen bei angenehmer Umgebungstemperatur): Er beträgt beim Erwachsenen ca. 80 W, d. h. ca. 7000 kJ/Tag. Der Großteil hiervon wird als Wärme frei. Arbeitsumsatz: zusätzlicher Energiebedarf aufgrund körperlicher Tätigkeit.
186 ▶ Merke.
Bei schwerer körperlicher Arbeit können 15 000 kJ/Tag erreicht werden. Größere Leistungssteigerungen sind nur kurzzeitig möglich.
A
11 Ernährung und Verdauung
▶ Merke.
Bei leichter Tätigkeit beträgt der gesamte Energieumsatz eines Erwachsenen ca. 7000 kJ (Grundumsatz) + ca. 3000 kJ (Leistungsumsatz) = ca. 10 000 kJ/Tag. Bei schwerer körperlicher Arbeit können 15 000 kJ/Tag erreicht werden. Für die Teilnehmer der Tour der France wurde ein Umsatz von ca. 30 000 kJ/Tag ermittelt. Größere Leistungssteigerungen sind nur kurzzeitig möglich. Bei einem Marathonlauf können Leistungssportler ihren Energieumsatz 2 Stunden lang nahezu auf den 20-fachen Wert ihres Grundumsatzes steigern. Ein Dauerlauf ist mit einem Energieumsatz von 600 – 1200 W verbunden.
Bestimmung des Energiegehalts der Nahrung
Bestimmung des Energiegehalts der Nahrung
Bestimmung des Energiegehalts der Nahrung
Ein Maß für den Energiegehalt eines Nahrungsstoffes ist der Brennwert:
▶ Definition.
▶ Definition. Der Brennwert ist die Energiemenge, die bei der vollständigen Verbrennung eines Nahrungsstoffes frei wird. Dabei unterscheidet man zwischen physikalischem Brennwert: die Energiemenge, die bei vollständiger Verbrennung des Nahrungsstoffes im Kalorimeter frei wird, physiologischem = biologischem Brennwert: die Energiemenge, die bei Verbrennung des Nahrungsstoffes im Körper frei wird.
▶ Merke.
▶ Merke.
Aus dem physikalischen Brennwert kann nicht unmittelbar auf den physiologischen Brennwert geschlossen werden.
▶ Merke.
Bei TAG und Kohlenhydraten ist der physiologische Brennwert mit dem physikalischen identisch, denn beide Nahrungsstoffe werden im Stoffwechsel wie im Kalorimeter vollständig zu H2O und CO2 oxidiert. Allerdings ist dem Brennwert eines TAG oder Kohlenhydrates nicht unmittelbar zu entnehmen, wie viel ATP auf der Basis dieses Nahrungsstoffes synthetisiert wird, denn ein erheblicher Teil der bei der Oxidation im Stoffwechsel frei werdenden Energie trägt lediglich zur Erwärmung des Körpers bei.
▶ Merke. Der Brennwert der Proteine ist von deren Aminosäurezusammensetzung abhängig: Der Brennwert von Leucin z. B. beträgt 24,7 kJ/g, von Glycin 8,8 kJ/g. Der physiologische Brennwert der Proteine (17 kJ/g) ist generell niedriger als ihr physikalischer Brennwert (22 kJ/g), da der Kohlenstoff der Proteine nur z. T. bis zu CO2 oxidiert wird. Ein erheblicher Teil des Kohlenstoffs wird in Form von Harnstoff ausgeschieden. Kohlenhydrate und Proteine haben denselben, TAG einen im Vergleich mehr als doppelt so hohen physiologischen Brennwert ( Tab. A 11.2).
Der physiologische Brennwert des Ethanols liegt bei 30 kJ/g. Um den Energieumsatz eines Menschen abzuschätzen, kann man seinen Sauerstoffverbrauch bestimmen:
▶ Definition.
Der physiologische Brennwert des Ethanols liegt bei 30 kJ/g. Alkohol trägt in Deutschland durchschnittlich ca. 5 % zur Energie der Nahrung bei. Bei manchen Alkoholikern liegt der Anteil bei über 50 %. Ein vergleichsweise einfaches Verfahren zur Abschätzung des Energieumsatzes eines Menschen besteht in der Bestimmung seines Sauerstoffverbrauchs. Weitgehend unabhängig von der Zusammensetzung der Nahrung wird im Stoffwechsel bei einem Verbrauch von 1 Liter Sauerstoff eine Energie von 20 kJ frei:
▶ Definition.
Das kalorische Äquivalent bezeichnet die Energiemenge, die pro Liter des bei einer Verbrennung verbrauchten Sauerstoffs frei wird. Es beträgt sowohl für Fette als auch für Kohlenhydrate und Proteine ca. 20 kJ/Liter O2.
A
187
11.3 Verdauung
11.3 Verdauung
11.3
11.3.1 Überblick
11.3.1 Überblick
Kohlenhydrate, Fette und Proteine müssen in ihre Bausteine zerlegt werden, um resorbiert werden zu können. Enzymkatalysierte Spaltung der Nahrungsstoffe (= Verdauung im engeren Sinne des Wortes) und anschließende Resorption sind Aufgaben des Verdauungstrakts. Der Zerlegung der Nahrungsstoffe dienen die Verdauungssekrete (Abb. A 11.3). Die Resorption ist Aufgabe der Epithelien des Verdauungstrakts. Eine entscheidende Voraussetzung einer effizienten Resorption ist die große Oberfläche dieser Epithelien. Abschätzungen ergeben Werte zwischen 100 m2 und 200 m2. Diese Oberfläche, die immerhin der Fläche einer geräumigen 4-ZimmerWohnung entspricht, bringt für den Organismus aber auch erhebliche Probleme mit sich, denn aufgrund seiner großen Fläche bietet sich der Verdauungstrakt vielen Krankheitserregern als ideale Eintrittspforte an. Während täglich große Mengen an Stoffen aus der Außenwelt aufgenommen werden, müssen die Epithelien als Grenze des Körpers gegenüber der Außenwelt intakt gehalten und vom Immunsystem überwacht werden. In den vielfältigen Funktionen, die sich hieraus ergeben, spielen die Schleimhäute und die Sekrete des Gastrointestinaltrakts eine wesentliche Rolle.
Kohlenhydrate, Fette und Proteine müssen in ihre Bausteine zerlegt werden, um resorbiert werden zu können. Enzymkatalysierte Spaltung der Nahrungsstoffe (= Verdauung) und Resorption sind Aufgaben des Verdauungstrakts. Der Zerlegung dienen die Verdauungssekrete (Abb. A 11.3). Die Resorption ist Aufgabe der Epithelien des Verdauungstrakts. Entscheidend hierfür ist ihre große Oberfläche (> 100 m2).
A-11.3
Überblick über den Verdauungstrakt (aus Faller, Schünke; Der Körper des Menschen, Thieme, 2008)
Verdauung
A-11.3
Mundhöhle (Cavitas oris) Rachen (Pharynx)
Gl. parotis
Gl. sublingualis Gl. submandibularis Kehldeckel
Kopfdarm
Schildknorpel Ringknorpel Speiseröhre (Oesophagus)
Rumpfdarm
Leber (Hepar) Zwölffingerdarm (Duodenum)
Magen (Ventriculus)
Bauchspeicheldrüse (Pancreas)
Lage der Rippenbögen
Gallenblase (Vesica fellea) querer Dickdarm (Colon transversum) aufsteigender Dickdarm (Colon ascendens) Krummdarm (Ileum) Blinddarm (Caecum)
absteigender Dickdarm (Colon descendens) Leerdarm (Jejunum) Wurmfortsatz (Appendix vermiformis) S-förmiger Dickdarm (Colon sigmoideum) Mastdarm (Rectum)
Während in den oberen Abschnitten des Verdauungstrakts große Mengen an Sekreten abgegeben werden, wird insbesondere im Dickdarm sehr viel Wasser resorbiert. Dennoch besteht der noch verbleibende und auszuscheidende Dickdarminhalt, die Faeces (bei einem Erwachsenen pro Tag ca. 100 g), zu 75 % aus Wasser. Die Trockensubstanz besteht je zu etwa einem Drittel aus
Im Dickdarm wird Wasser resorbiert. Der verbleibende, auszuscheidende Dickdarminhalt (Faeces) enthält Nahrungs- und Epithelzellreste, Darmbakterien und Wasser.
188
A
11 Ernährung und Verdauung
Resten der Nahrung, z. B. Cellulose und anderen unlöslichen Ballaststoffen, Darmbakterien und Resten der Epithelzellen, die ständig von der Darmwand an das Lumen abgegeben werden, während neue Epithelzellen nachwachsen.
11.3.2 Die Verdauungssekrete
11.3.2 Die Verdauungssekrete
Insgesamt werden von den Drüsen des Verdauungstrakts täglich 8 – 10 Liter Sekrete gebildet. Die meisten dieser Sekrete enthalten Mucine: Glykoproteine (Abb. A 11.4), welche die Grundsubstanz des Schleims bilden. Neben den Mucinen enthalten die Sekrete eine Vielzahl an weiteren wichtigen Komponenten (Tab. A 11.4).
Insgesamt werden von den Drüsen des Verdauungstrakts täglich 8 – 10 Liter Sekret gebildet. Die meisten dieser Sekrete enthalten Mucine. Dabei handelt es sich um Glykoproteine, welche die Grundsubstanz des Schleims bilden (Abb. A 11.4). Bislang sind bereits 14 verschiedene Mucin-Gene identifiziert worden. Sie zeigen ein gewebespezifisches Expressionsmuster. Mucine werden an den Ribosomen des rauen endoplasmatischen Retikulums (ER) synthetisiert und dann auf dem Weg durch das Lumen des ER und durch den Golgi-Apparat glykosyliert (S. 343). Durch Exo-
A-11.4
A-11.4
Inhaltsstoffe und Menge der Verdauungssekrete
Sekret
wichtige Inhaltsstoffe
Sekretmenge pro Tag (Liter) *
Speichel
Mucine Bicarbonat (HCO3–) α-Amylase (= Ptyalin)
0,5 – 1,5
Magensaft
Mucine Salzsäure (HCl) Intrinsic Factor Pepsin (eine Protease)
2–3
Pankreassekret
HCO3– Proteasen Peptidasen α-Amylase Lipasen Cholesterin-Esterase RNasen und DNasen
2
Galle
Mucine Gallensäuren Cholesterin Bilirubin (= Abbauprodukt von Hämgruppen)
0,5
Dünndarmsekret
Mucine HCO3–
1–2
* Die genauen Mengen der verschiedenen Sekrete werden von der Ernährung bestimmt und können erheblich schwanken.
A-11.4
A-11.4
Struktur des Mucins MUC 2
N-Terminus mit N-gebundenen Kohlenhydraten und zahlreichen SH-Gruppen
O-gebundene Kohlenhydrate
C-Terminus mit N-gebundenen Kohlenhydraten und zahlreichen SH-Gruppen
Ca. 80 % der molekularen Masse wird von den N- bzw. O-gebundenen Kohlenhydratseitenketten beigesteuert. Die Polypeptidkette des Glykoproteins umfasst über 5 000 Aminosäuren. Die zahlreichen Cysteine vermitteln über die Ausbildung intermolekularer Disulfidbrücken die Bildung großer netzartiger Strukturen. MUC 2 ist das wichtigste Mucin des Darms, wo es als Hauptbestandteil des Schleims von den Becher-Zellen produziert wird.
A
189
11.3 Verdauung
zytose gelangen sie an die Zelloberfläche, wo sie große Mengen von Wasser anlagern. Auf den Schleimhäuten bildet der Schleim eine dünne Schicht, auf der die Komponenten der Nahrung leicht entlanggleiten können. Gleichzeitig wird es Krankheitserregern erschwert, sich an den Epithelien festzusetzen. Neben den Mucinen enthalten die Sekrete eine Vielzahl an weiteren wichtigen Komponenten (Tab. A 11.4).
Speichel
Speichel
Inhaltsstoffe
Inhaltsstoffe
Mucine verleihen dem Speichel eine schleimige Konsistenz. Sie erleichtern die Passage der Nahrung durch den Ösophagus.
Mucine erleichtern die Nahrungspassage durch den Ösophagus.
Verdauungsenzyme: Ptyalin ist eine α-Amylase, d. h. es katalysiert die Spaltung der α1→4-glykosidischen Bindungen der Stärke. Dabei wird Stärke allerdings nicht bis zu den Glucosemonomeren abgebaut, sondern nur bis zum Disaccharid, also bis zur Maltose (S. 201). Da Ptyalin im sauren Magensaft sehr schnell inaktiviert wird, ist sein Beitrag zur Verdauung gering. Man vermutet, dass Ptyalin primär die Aufgabe hat, Nahrungsreste an den Zähnen zu hydrolysieren. Für die Spaltung der Stärke im Darm ist hingegen die α-Amylase des Pankreassafts verantwortlich. Neben dem Ptyalin enthält der Speichel auch mehrere Proteasen, die ebenfalls primär an der Reinigung der Zähne beteiligt sein dürften. Die Lipase, die im Speichel enthalten ist, scheint hingegen zumindest beim Säugling einen effektiven Beitrag zur Verdauung der Lipide der Milch zu leisten.
Verdauungsenzyme (vermutlich primär zur enzymatischen Reinigung der Zähne): Ptyalin (α-Amylase; Bildung von Maltose durch Spaltung der α1→4-glykosidischen Bindungen der Stärke) Proteasen Lipase
Produktion
Produktion
Speichel wird von drei Drüsen gebildet (Glandulae submandibularis, sublingualis und parotis), wobei die Gl. submandibularis ca. 70 %, die Gl. parotis ca. 25 % des Speichels liefert: Zunächst entsteht Primärspeichel, der in seiner Elektrolytzusammensetzung dem Blutplasma ähnelt. Er wird von den Azinuszellen der Speicheldrüsen-Endstücke gebildet und in die Ausführungsgänge sezerniert (Abb. A 11.5). Dort werden im Bereich der Streifenstücke Natrium- und Chlorid-Ionen resorbiert, kleine Mengen an Bicarbonat (HCO3–) und Kalium-Ionen in das Lumen sezerniert (Abb. A 11.5) und ein pH-Wert von ca. 7 eingestellt. So entsteht das fertige Sekret, der Sekundärspeichel. Die genaue Zusammensetzung des Speichels variiert mit der Speichelmenge. Im Ruhezustand ist der Speichel schwach sauer. Steigt die Speichelmenge, wird der
Speichel wird von den Gll. submandibularis, parotis und sublingualis gebildet. Dabei entsteht zunächst der blutisotone Primärspeichel, in den Streifenstücken der Ausführungsgänge dann durch Resorption und Sekretion von Ionen der Sekundärspeichel (Abb. A 11.5).
A-11.5
Die Speichelproduktion
A-11.5
cholinerge Neurone (sezernieren Acetylcholin und VIP) Endstück (Azinus): Cl–-Sekretion, zwischen den Zellen folgen Na+ und H2O passiv nach Primärspeichel Schaltstück
Sekundärspeichel
Die genaue Zusammensetzung des Speichels variiert mit der Speichelmenge. Im Ruhe-
Streifenstück: Resorption von Na+ und Cl–, Sekretion von K+ und HCO3– (Resorption überwiegt, Sekundärspeichel ist deshalb hypoton)
190
A
zustand ist er schwach sauer. Mit steigender Menge nehmen der pH (Maximum = schwach alkalisch) und die NaCl-Konzentration zu.
Speichel neutral oder schwach alkalisch. Außerdem steigt die NaCl-Konzentration, denn die Resorption der Salzionen kann nicht im gleichen Maße gesteigert werden wie das Volumen des Primärspeichels.
Magensaft
Magensaft
Inhaltsstoffe
Inhaltsstoffe
Salzsäure (HCl) wird von den Belegzellen (= Parietalzellen) produziert und dient der Ansäuerung des Mageninhalts, was die Verdauung der Nahrung erleichtert. Ihr pH beträgt ca. 1, die Protonenkonzentration ca. 100 mM.
Salzsäure (HCl) wird von den Belegzellen (= Parietalzellen) der Magendrüsen sezerniert und hat einen pH von ca. 1 (Protonenkonzentration ca. 100 mM). Im Lumen des Magens durchmischt sich die Salzsäure mit dem Nahrungsbrei, und der pH steigt dabei auf Werte von 2 – 4. Die kräftige Ansäuerung des gesamten Mageninhalts erleichtert das Aufschließen und die Verdauung der Nahrung. Außerdem werden auf diese Weise fast alle pathogenen Mikroorganismen abgetötet, die sich in der Nahrung befinden können.
Intrinsic Factor wird von Belegzellen produziert und vermittelt im Ileum die Resorption des Vitamins B12.
Intrinsic Factor, ein Glykoprotein, wird ebenfalls von den Belegzellen des Magens sezerniert. Er vermittelt im Ileum die Resorption des Vitamins B12 (S. 297).
Pepsinogene, enzymatisch inaktive Protease-Vorstufen (Zymogene), werden von den Hauptzellen sezerniert. Die aktiven Enzyme („Pepsin“) sind Endopeptidasen. Sie leiten im Magen die Spaltung der Nahrungsproteine in Polypeptidfragmente ein. Die Aktivierung des Enzyms erfolgt durch Proteolyse im sauren Magenlumen.
Pepsinogene sind enzymatisch inaktive Protease-Vorstufen (Zymogene), die von den Hauptzellen der Magendrüsen sezerniert werden. Da die Zymogene enzymatisch inaktiv sind, werden die Drüsenzellen nicht angegriffen. Das aktive Enzym Pepsin entsteht im Lumen des Magens, indem vom Pepsinogen ein aminoterminales Prosegment abgespalten wird. „Pepsin“ ist der Name einer Gruppe von strukturell sehr ähnlichen Proteasen, die im Magen die Spaltung der Nahrungsproteine in Polypeptidfragmente einleiten. Enzyme, die Proteine in Polypeptide spalten, heißen Endopeptidasen. Das wichtigste Pepsin, Pepsin A, spaltet Proteine an der aminoterminalen Seite der Aminosäuren Phenylalanin und Tyrosin. Von den 373 Aminosäuren des Pepsinogen A werden in zwei Schritten insgesamt 47 Aminosäuren abgespalten. Die Abspaltung der Peptide wird vom sauren Milieu des Magens ausgelöst: Bei niedrigem pH-Wert kann sich das Pepsinogen sein Prosegment z. T. intramolekular selber abspalten (= Autokatalyse), z. T. wird das Prosegment auch vom bereits aktivierten Pepsin abgespalten. Das pH-Optimum des Pepsins liegt bei pH 2.
Mucine sind der Hauptbestandteil des ca. 0,5 mm dicken, zweischichtigen Schleimfilms der Magenschleimhaut. Die untere, zähflüssige Schicht wird von den mukösen Zellen des Oberflächenepithels, die obere, dünnflüssige von den Nebenzellen produziert. Die Schleimschicht schützt die Magenwand vor dem Pepsin und der Salzsäure. Letztere wird durch eine hohe Bicarbonatkonzentration neutralisiert.
Mucine sind der Hauptbestandteil des ca. 0,5 mm dicken Schleimfilms der Magenschleimhaut. Dieser besteht aus zwei Schichten: einer zähflüssigen Schicht, produziert von den mukösen Zellen des Oberflächenepithels des Magens, einer darüber liegenden dünnflüssigeren Schicht, produziert von den Nebenzellen der Magendrüsen. Die Schleimschicht hat die Aufgabe, die Magenwand vor dem Pepsin und der Salzsäure zu schützen. Innerhalb der Schleimschicht bildet sich ein steiler pH-Gradient aus. An der luminalen Seite liegt der pH bei 1, direkt an der Oberfläche der mukösen Zellen werden neutrale pH-Werte erreicht. Die Neutralisation der Salzsäure wird im Schleim durch eine hohe Konzentration an Bicarbonat erreicht. Generell zeigt die Magenschleimhaut eine besonders effektive Mikrozirkulation. Diese ermöglicht einen schnellen Abtransport toxischer Stoffe, die in der Nahrung enthalten sein können, erleichtert aber auch den Transport der gastrointestinalen Hormone sowie Reaktionen des Immunsystems und Regenerationsprozesse. Das Epithel kann bei Verletzungen außerordentlich schnell regenerieren. Durch eine chronische Überproduktion von Salzsäure wird das System allerdings überfordert.
Die Magenschleimhaut besitzt eine sehr effektive Mikrozirkulation. Dies ermöglicht den Abtransport toxischer Nahrungsstoffe und schnelle Regeneration. Chronische Überproduktion von Salzsäure überfordert das System allerdings.
11 Ernährung und Verdauung
Die Produktion der Salzsäure
Die Produktion der Salzsäure
In den Canaliculi der apikalen Membran der Belegzellen exportiert die K+-H+-ATPase H+ im Austausch gegen K+.
Belegzellen weisen eigentümliche Invaginationen der apikalen Membranen auf, die Canaliculi. In den Membranen der Canaliculi befindet sich die K+-H+-ATPase, die Protonen im Austausch gegen Kalium-Ionen in das Lumen der Magendrüsen exportiert. Woher stammen die Protonen? Unter der Einwirkung des Enzyms Carboanhydrase bildet sich im Zytosol der Belegzellen durch Reaktion von Kohlendioxid mit Wasser ständig Kohlensäure. Die Protonen entstehen dann bei der Dissoziation der Kohlensäure (H2CO3) in Bicarbonat (HCO3–) und H+: CO2 + H2O ⇌ H2CO3 ⇌ HCO3– + H+
Unter Katalyse der Carboanhydrase bildet sich im Zytosol der Belegzelle ständig Kohlensäure, die in Bicarbonat (HCO3–) und H+ dissoziiert.
A
HCO3– verlässt die Belegzelle an der basolateralen Seite im Austausch gegen ChloridIonen. Deren Konzentration steigt dadurch im Zytosol an. Ihrem Konzentrationsgefälle folgend verlassen die Chlorid-Ionen die Belegzelle durch Chloridkanäle der Canaliculi (Abb. A 11.6). Somit werden an der apikalen Seite sowohl Protonen als auch Chlorid-Ionen sezerniert.
A-11.6
HCl-Sekretion durch Belegzellen
Cl– Cl–-Kanal HCl
H2CO3 H+ K+
HCO3– verlässt die Belegzelle an der basolateralen Seite im Austausch gegen ChloridIonen. Diese verlassen die Zelle wieder durch Chloridkanäle der Canaliculi (Abb. A 11.6).
A-11.6
Anionenaustauscher
HCO3–
191
11.3 Verdauung
Katalysiert von der Carboanhydrase bildet sich im Zytosol durch Reaktion von CO2 mit H2O ständig Kohlensäure (H2CO3). Diese dissoziiert unter Bildung von Bicarbonat (HCO3–) und Protonen.
K+-H+-ATPase Hemmstoff: Omeprazol Canaliculi
K+-Kanal
Drüsenlumen
Blutseite
▶ Merke.
H+ und Cl– verlassen die Zelle im Bereich der Canaliculi. H+ wird von der im Austausch gegen K+ in das Magenlumen exportiert. Cl– gelangt im Austausch gegen HCO3– (an der basolateralen Seite) in die Belegzelle und durch Chloridkanäle der Canaliculi in das Magenlumen.
▶ Merke.
K+-H+-ATPase
Die Kalium-Ionen, die von der K+-H+-ATPase im Austausch gegen die Protonen in das Zellinnere gepumpt werden, können die Zelle durch separate Kaliumkanäle wieder verlassen. Die gesamte HCl-Produktion der Belegzellen wird letztlich von der ATP-Hydrolyse der K+-H+-ATPase angetrieben. Der außerordentlich hohe ATP-Verbrauch der Belegzellen erklärt die Vielzahl der Mitochondrien, die in diesen Zellen etwa 40 % des Zellvolumens in Anspruch nehmen.
K+ verlässt die Zelle durch separate Kaliumkanäle.
Die Regulation der Salzsäureproduktion
Die Regulation der Salzsäureproduktion
Die Regulation der HCl-Produktion erfolgt unter Vermittlung mehrerer Faktoren.
Die Regulation der Salzsäureproduktion
▶ Merke.
Synergistisch stimulierend wirken Gastrin, Histamin und Acetylcholin (Abb. A 11.7).
Gastrin wird von den G-Zellen produziert, die sich in den Magendrüsen des Antrums (dem unteren Teil des Magens) und im proximalen Duodenum befinden. Gastrin ist ein Peptidhormon, das in zwei Formen, nämlich als Peptid von 17 bzw. 34 Aminosäuren sezerniert wird. Die G-Zellen des Antrums werden vom Nahrungsbrei zur Bildung von Gastrin-17 angeregt. Das Gastrin gelangt dann mit dem Blut zu den Belegzellen des Fundus und des Corpus (den weiter oben gelegenen Abschnitten des Magens) und signalisiert dort den Bedarf an einer erhöhten Salzsäureproduktion. Es bindet an den CCKB-Rezeptor der Belegzellen. Die physiologische Relevanz des Gastrins zeigt sich bei Infektionen mit Helicobacter pylori.
Die HCl-Produktion der Belegzellen wird letztlich von der ATP-Hydrolyse der K+-H+ATPase angetrieben.
▶ Merke. Das Peptidhormon Gastrin wird von den GZellen produziert, die sich im Antrum und im proximalen Duodenum befinden. Die G-Zellen werden vom Nahrungsbrei zur Bildung von Gastrin angeregt. Es bindet an den CCKBRezeptor der Belegzellen.
192 A-11.7
A
11 Ernährung und Verdauung
A-11.7
Regulation der HCl-Sekretion N. vagus
Acetylcholin M3 Belegzellen H2
CCKB
HCl Histamin Gastrin ECL-Zellen G-Zellen D-Zellen
▶
Klinik.
Histamin, produziert von ECL- und Mastzellen im Magen, bindet an die H2-HistaminRezeptoren der Belegzellen.
▶
Klinik.
Somatostatin
▶ Klinik. Etwa die Hälfte der Menschheit ist mit Helicobacter pylori infiziert. Die helikal gewundenen Bakterien wachsen im Antrum, nahe dem Pylorus. Gegen die Magensäure schützen sie sich, indem sie sich in der Schleimschicht auf dem Epithel aufhalten. Dort reizen sie allerdings die G-Zellen, was über die Vermittlung von Gastrin zu einer erhöhten HCl-Produktion führt. Bei etwa 10 % der Infizierten kommt es früher oder später zu einer Gastritis (Entzündung des Magens), u. U. auch zur Bildung eines Ulkus (Geschwür, Abb. A 11.8), S. 193). Oft bildet sich ein Ulkus auch im Duodenum. Die Therapie besteht in einer 2-wöchigen Gabe von Antibiotika in Verbindung mit dem Protonenpumpenhemmer Omeprazol (oder Pantoprazol). Diese Hemmstoffe dringen in die Belegzellen ein und binden dort kovalent an die K+-H+-ATPase, die dadurch irreversibel inaktiviert wird. Mit Omeprazol und Pantoprazol wird auf dem Weltmarkt jedes Jahr ein Umsatz von mehreren Milliarden Dollar erzielt. Auf dem deutschen Pharmamarkt waren Omeprazol und Pantoprazol in den letzten Jahren die Wirkstoffe der beiden umsatzstärksten Medikamente. Histamin wird im Magen von Enterochromaffin-ähnlichen (Enterochromaffin-like, ECL-)Zellen sowie von Mastzellen der Schleimhaut gebildet. Histamin bindet an die H2-Histamin-Rezeptoren der Belegzellen und stimuliert dadurch die HCl-Produktion.
▶ Klinik. Die H2-Rezeptoren können durch Inhibitoren wie Cimetidin und Ranitidin blockiert werden. Vor Einführung des Omeprazols nahmen Cimetidin und Ranitidin in der Rangliste der weltweit umsatzstärksten Medikamente zeitweise den ersten Platz ein. Auch heute werden beide Wirkstoffe noch häufig zur kurzzeitigen oder längerfristigen Senkung der Salzsäureproduktion eingesetzt.
Der Nervus vagus stimuliert ebenfalls die HCl-Produktion. Das freigesetzte Acetylcholin bindet Rezeptoren vom Typ M3.
▶ Merke.
Cholinerge Neurone des Nervus vagus tragen ebenfalls zur Stimulation der HClProduktion bei. Das freigesetzte Acetylcholin bindet in der Plasmamembran der Belegzellen an muscarinartige Rezeptoren vom Typ M3. Die Regulation über den Nervus vagus bietet eine Erklärung für die bekannten Einflüsse subjektiver Empfindungen auf die Säureproduktion, etwa bei psychischer Belastung oder beim Geruch von Speisen.
▶ Merke.
Physiologische Hemmstoffe der HCl-Produktion sind Somatostatin und Prostaglandin E2.
A
Somatostatin ist ein gastrointestinales Peptidhormon aus 14 Aminosäuren. Es wird u. a. von den D-Zellen des Antrums produziert, sobald der pH-Wert im Magenlumen unter 3 sinkt. Somatostatin hemmt sowohl die G-Zellen als auch die ECL-Zellen und vermittelt so eine wichtige negative Rückkopplung. Prostaglandin E2, ein Produkt des Arachidonsäurestoffwechsels, hemmt nicht nur die HCl-Produktion, sondern stimuliert auch die Mucin- und Bicarbonatsekretion und steigert die Durchblutung der Magenschleimhaut. Dadurch leistet es einen wichtigen Beitrag zum Schutz der Magenschleimhaut.
▶ Klinik. Acetylsalicylsäure (ASS, z. B. Aspirin) hemmt die Zyklooxygenase und damit ein Enzym, das in der Prostaglandinsynthese (auch der Synthese des Prostaglandin E2) eine entscheidende Rolle spielt. Über eine Verminderung der Prostaglandin-E2-Konzentration löst ASS deshalb in der Magenschleimhaut sehr leicht Schädigungen, z. B. Magenblutungen, aus. Etwa 20 % der Magenulzera (Abb. A 11.8) sind auf länger dauernde Einnahme von Zyklooxygenasehemmern wie Ibuprofen oder Diclofenac zur Entzündungshemmung (z. B. bei rheumatischen Erkrankungen) zurückzuführen.
A-11.8
193
11.3 Verdauung
Somatostatin wird u. a. von den D-Zellen des Antrums produziert. Es hemmt sowohl die GZellen als auch die ECL-Zellen. Prostaglandin E2 hemmt die HCl-Produktion, stimuliert die Mucin- und Bicarbonatsekretion und steigert die Durchblutung der Magenschleimhaut.
▶
Klinik.
Magenulkus
a
b
a Radiologisches Bild eines Ulkus an der kleinen Kurvatur (Pfeil) mit Formverziehung der gegenüberliegenden Magenwand (Pfeilspitze) b Endoskopisches Bild eines Magenulkus. (aus Reiser, Kuhn, Debus; Duale Reihe Radiologie, Thieme, 2011)
Pankreassekret
Pankreassekret
Inhaltsstoffe
Inhaltsstoffe
Das Pankreassekret enthält die meisten (über 20!) und wichtigsten Verdauungsenzyme. Zu diesen gehören u. a.: Enzymatisch inaktive Protease-Vorstufen (Zymogene), aus denen im Darmlumen durch Abspaltung von Peptiden aktive Proteasen und Peptidasen entstehen (S. 252): Trypsinogen wird an den Enterozyten des Duodenums von der Enteropeptidase der Bürstensaummembran zu Trypsin aktiviert. Das aktive Trypsin ist eine Endopeptidase. U.a. aktiviert es bestimmte Zymogene, nämlich die Vorstufen des Chymotrypsins und der Carboxypeptidasen: Chymotrypsin ist als Endopeptidase an der Verdauung beteiligt. Carboxypeptidasen sind Exopeptidasen. Sie spalten von ihren Substraten jeweils die carboxyterminale Aminosäure ab. Aktive Enzyme: Pankreaslipase zur Hydrolyse von Triglyceriden im Darmlumen, Phospholipase A2 zur Hydrolyse von Phospholipiden (den Bestandteilen biologischer Membranen), Cholesterin-Esterase, eine vergleichsweise unspezifische Esterase, die nicht nur Ester aus Cholesterin und Fettsäuren spaltet, sondern auch verschiedene andere Ester hydrolysiert,
Das Pankreassekret enthält die meisten (über 20) und wichtigsten Verdauungsenzyme, u. a.: Enzymatisch inaktive Protease-Vorstufen (Zymogene): Trypsinogen Chymotrypsin Carboxypeptidasen
Aktive Enzyme: Pankreaslipase Phospholipase A2 Cholesterin-Esterase α-Amylase Ribonuklease (= RNase) und Desoxyribonuklease (DNase)
194
Bicarbonat (s.u).
▶
Klinik.
A
11 Ernährung und Verdauung
α-Amylase zur Spaltung von Polysacchariden in Disaccharide, Ribonuklease (= RNase) und Desoxyribonuklease (DNase) zur Spaltung von Nukleinsäuren in Nukleotide. Bicarbonat: s. u. unter „Produktion“.
▶
Klinik. Werden die Zymogene bereits im Pankreas zu Proteasen aktiviert, kann
es zu einer gefährlichen Entzündung der Bauchspeicheldrüse kommen, der akuten Pankreatitis (Abb. A 11.9). Dabei scheint insbesondere die Protease Trypsin eine wesentliche Rolle zu spielen. Typische Ursachen sind Gallensteine im Ductus choledochus vor der Papille (sie behindern den Sekretabfluss und führen so zu einem Rückstau) und Alkoholabusus. Die Patienten klagen meist über gürtelförmige, starke Oberbauchschmerzen. Als Folge der Andauung von Zellen gelangen Verdauungsenzyme, z. B. Lipase und α-Amylase, ins Blut. Vor allem die pankreasspezifische Amylase dient als diagnostischer Marker.
A-11.9
Computertomogramm bei akuter Pankreatitis
Das CT nach Kontrastmittelgabe zeigt ein entzündliches Ödem des Pankreasschwanzes und Pankreaskorpus (große weiße Pfeile) und eine entzündlich bedingte Flüssigkeitsansammlung in der Bursa omentalis (kleine weiße Pfeile) (aus Reiser, Kuhn, Debus; Duale Reihe Radiologie, Thieme, 2004).
Produktion
Produktion
Die Verdauungsenzyme werden von Azinuszellen gebildet, in Zymogengranula gespeichert und in die Ausführungsgänge freigesetzt. Dort kommen durch Sekretion große Mengen an H2O und HCO3– (> 100 mM) hinzu. Letzteres (→ pH 8) trägt zur Neutralisation des sauren Mageninhalts bei.
Die Verdauungsenzyme werden von den Azinuszellen gebildet und zunächst intrazellulär in Vesikeln gespeichert, die als Zymogengranula bezeichnet werden. Durch Exozytose gelangen sie in die Ausführungsgänge. Im Bereich der Schaltstücke werden große Mengen an HCO3– und Wasser in das Lumen des Ausführungsgangs sezerniert. Von den Ausführungsgängen gelangt der Pankreassaft in den Ductus pancreaticus und mit diesem in das Duodenum bzw. (in 60 % aller Fälle) zunächst in den Ductus choledochus. Dank der hohen Bicarbonatkonzentration (> 100 mM) hat der Pankreassaft einen pH von 8 und trägt somit wesentlich zur Neutralisation des sauren Mageninhalts bei.
Die Regulation der PankreassekretProduktion Die enzymproduzierenden Azinuszellen und die bicarbonatproduzierenden Epithelzellen der Schaltstücke werden durch unterschiedliche Mechanismen aktiviert: In der sog. kephalen Phase werden die Azinuszellen durch Vagusreiz (Acetylcholin) stimuliert. Rezeptor: M3.
Der Cotransmitter vasoaktives intestinales Peptid = VIP regt v. a. die Epithelzellen der Schaltstücke zur Sekretion an.
Die Regulation der Pankreassekret-Produktion Die Produktion des Pankreassekrets wird sowohl nerval als auch hormonal gesteuert. Dabei werden die enzymproduzierenden Azinuszellen und die bicarbonatproduzierenden Epithelzellen der Schaltstücke durch unterschiedliche Mechanismen aktiviert: Die Azinuszellen werden über Fasern des N. vagus gereizt. Bereits der Geruch und der Geschmack der Nahrung führt unter Vermittlung des N. vagus zu einer erheblich erhöhten Enzymproduktion. Der entscheidende Neurotransmitter ist hier das Acetylcholin. Die entsprechenden Rezeptoren gehören wie in den Magendrüsen zum Typ M3. Diese Phase der Aktivierung des Pankreas wird als kephale Phase bezeichnet. In den meisten Fällen wird Acetylcholin im Verdauungstrakt zusammen mit dem Cotransmitter VIP ausgeschüttet. VIP, das vasoaktive intestinale Peptid, ist ein Peptid von 28 Aminosäuren. Im Pankreas unterstützt es die Stimulation der Sekretion. Es wirkt überwiegend auf die Epithelzellen der Schaltstücke, indem es die intrazelluläre cAMP-Konzentration erhöht und die Zellen so zur Sekretion anregt.
A
195
11.3 Verdauung
An die kephale Phase schließt sich die gastrische Phase an: Sobald der Magen mit Speisen gefüllt wird, löst dieses in der Schleimhaut des Magens eine Freisetzung von Gastrin aus. Dieses aktiviert nicht nur die Magendrüsen, sondern auch das Pankreas, und zwar sowohl die Azinuszellen als auch die Epithelzellen der Schaltstücke. Die intestinale Phase wird durch den Eintritt des Nahrungsbreis in das Duodenum eingeleitet. In Duodenum und Jejunum wird die Freisetzung zweier Peptidhormone ausgelöst: Cholecystokinin (CCK) und Sekretin. – Cholecystokinin wirkt vorwiegend auf die Azinuszellen, in denen auf dieses Signal hin die intrazelluläre Ca2+-Konzentration steigt. Die Folge ist die vermehrte Bildung eines enzym- und chloridreichen Sekrets. – Sekretin hingegen aktiviert vorwiegend die Epithelzellen der Schaltstücke, indem es hier die cAMP-Konzentration erhöht. Dies führt zu einer wesentlichen Zunahme der Menge (des Volumens) an Pankreassaft, der nun zwar relativ wenig Chlorid-Ionen, dafür aber sehr viel Bicarbonat enthält.
▶ Klinik. Mitunter entstehen neuroendokrine Tumoren, die permanent einen Neurotransmitter oder ein Peptidhormon produzieren. Derartige Tumoren können in unterschiedlichen Organen lokalisiert sein. Gastrinome sind in 80 % aller Fälle im Pankreas lokalisiert. Das vermehrt gebildete Gastrin führt u. a. zu einer gesteigerten Säureproduktion im Magen und damit indirekt zur Bildung von Geschwüren. Das Krankheitsbild ist unter dem Namen Zollinger-Ellison-Syndrom bekannt. VIPome sind ebenfalls überwiegend im Pankreas lokalisiert. Hier wirkt das diffus verteilte VIP überwiegend auf die Schaltstücke. Die Folge sind wässrige Durchfälle. Die Tumoren treten nur selten auf, sind dann aber in der Regel hoch maligne.
In der gastrischen Phase werden Azinuszellen und Epithelzellen der Schaltstücke durch Gastrin stimuliert.
In der intestinalen Phase wirkt – Cholecystokinin auf Azinuszellen (Ca2+↑) und – Sekretin auf Epithelzellen der Schaltstücke (cAMP↑).
▶
Klinik.
Galle
Galle
Die Hepatozyten bilden pro Tag ca. 600 – 700 ml sog. Lebergalle. Etwa die Hälfte davon wird in der Gallenblase konzentriert, das Volumen der Gallenflüssigkeit kann dabei um 90 % reduziert werden. Das Konzentrat wird als Blasengalle bezeichnet. Über den Ductus choledochus wird die Galle an den Dünndarm abgegeben.
Täglich werden in der Leber ca. 600 – 700 ml Lebergalle gebildet. Etwa 50 % davon wird in der Gallenblase als sog. Blasengalle konzentriert.
Inhaltsstoffe
Inhaltsstoffe
Gallensäuren sind der wichtigste Bestandteil der Gallenflüssigkeit. Ihre Konzentration in der Blasengalle beträgt ca. 80 mM, täglich werden ca. 24 g gebildet. Die Gallensäuren gehören chemisch zur Gruppe der Steroide, sie werden ausgehend von Cholesterin synthetisiert. Bei physiologischen pH-Werten liegen die Gallensäuren weitgehend als negativ geladene Ionen vor. In dieser Form werden sie auch als Gallensalze bezeichnet. (Der Ausdruck „Gallensalz“ bezieht sich also nicht auf eine kristalline Substanz, sondern auf die Anionen der Gallensäuren.) Traditionell spricht man auch in Bezug auf die Anionen vereinfachend von „Gallensäuren“. Bei der Verdauung der Lipide haben sie die Aufgabe, größere Lipid-Aggregate aufzulösen. Gallensäuren sind Detergenzien, d. h. sie lösen Lipide aus den Nahrungsbestandteilen heraus und emulgieren sie. Bei längerer Einwirkungszeit und höherer Konzentration der Gallensäuren werden die Lipidtröpfchen schließlich in winzige Mizellen aufgespalten. Durch den geringen Durchmesser der Mizellen sind die Lipide für die Pankreaslipase und andere Enzyme gut zugänglich. Die Triacylglycerine (TAG) werden von der Pankreaslipase überwiegend zu 2-Monoacylglycerin abgebaut. Weitere Inhaltsstoffe der Galle sind: Phospholipide: Sie tragen teilweise ebenfalls zur Verdauung der Lipide bei. Gallenfarbstoffe: Bilirubin-Diglucuronid u. a. Abbauprodukte von Hämgruppen, die überwiegend aus dem Abbau von Hämoglobin stammen (s. S. 741). Cholesterin (s. u.) Produkte des Fremdstoffmetabolismus, z. B. aus dem Abbau von Medikamenten (= Biotransformation; S. 718).
Gallensäuren sind der wichtigste Bestandteil der Gallenflüssigkeit. Sie gehören zu den Steroiden und wirken als Detergenzien: Sie zerteilen Lipidtröpfchen in winzige Mizellen und machen die Lipide für Lipasen zugänglich.
Die Synthese der Gallensäuren
Die Synthese der Gallensäuren
Die Gallensäuren der Galle sind überwiegend mit der kleinen nicht proteinogenen Aminosäure Taurin oder mit Glycin verbunden. In dieser Form werden sie als „konjugierte“ Gallensäuren bezeichnet. Ihre Synthese beginnt in der Leber zunächst mit
Die unkonjugierten Gallensäuren werden im endoplasmatischen Retikulum der Hepatozyten ausgehend von Cholesterin syntheti-
Weitere Inhaltsstoffe: Phospholipide Gallenfarbstoffe (Bilirubin-Diglucuronid u. a. Metabolite aus dem Abbau der Hämgruppen) Cholesterin Produkte des Fremdstoffmetabolismus
196
A
siert. Cholesterin ist ein lang gestrecktes, weitgehend hydrophobes Molekül, das 27 C-Atome enthält. Es trägt lediglich eine OHGruppe in Position 3.
Gallensäuren sind Steroide mit 24 C-Atomen. Sie tragen eine COOH-Gruppe und bis zu 3 OH-Gruppen. Alle Gallensäuren haben eine hydrophobe Unterseite und eine hydrophile Oberseite.
Primäre Gallensäuren werden in der Leber gebildet. Die wichtigsten sind Cholsäure und Chenodesoxycholsäure (Abb. A 11.10).
11 Ernährung und Verdauung
der Bildung der unkonjugierten Gallensäuren ausgehend von Cholesterin. Die Reaktionen werden von Enzymen katalysiert, die in den Membranen des glatten endoplasmatischen Retikulums verankert sind. Cholesterin ist ein lang gestrecktes, weitgehend hydrophobes Molekül, das 27 C-Atome enthält. Nur an einem Ende, am C-Atom 3, trägt Cholesterin eine OH-Gruppe. Dadurch ist es schwach polar. Über die OH-Gruppe kann Cholesterin mit Wassermolekülen in Wechselwirkung treten. Gallensäuren sind Steroide mit einer gegenüber dem Cholesterin verkürzten Seitenkette: die unkonjugierten Gallensäuren enthalten nur noch 24 C-Atome. Die Seitenkette exponiert eine Carboxylgruppe. Außerdem tragen Gallensäuren bis zu drei OH-Gruppen. Im Cholesterin liegen alle Ringe des Steroidgerüsts in einer Ebene (trans-Stellung). In den Gallensäuren hingegen bildet der Ring A relativ zum übrigen Molekül einen 90°-Winkel, das Steroidgerüst hat also einen Knick bekommen (cisStellung). Es ist auffällig, dass dadurch alle Gallensäuren eine hydrophobe Unterseite und eine hydrophile Oberseite haben. Die Carboxylgruppe und alle OH-Gruppen liegen ausschließlich an der Oberseite. Die ausgeprägte Polarität zwischen Unterund Oberseite ist die Voraussetzung für die Detergenzwirkung der Gallensäuren. Die Gallensäuren, die in der Leber neu synthetisiert werden, bezeichnet man als primäre Gallensäuren. Die der Menge nach bedeutendsten Gallensäuren sind (Abb. A 11.10) Cholsäure (mit OH-Gruppen in Position 3, 7 und 12), Chenodesoxycholsäure (mit OH-Gruppen in Position 3 und 7).
Synthese der Gallensäuren in der Leber
A-11.10
OH C 3
A
12
D
B
HO Cholesterin (27 C-Atome)
O2, NADPH
O 2, NADPH 7
Hydroxylierung in Position 7 durch 7α-Hydroxylase (geschwindigkeitsbestimmender Schritt)
HO
Hydroxylierung in Position 12
OH
COOH
OH
HO
OH
COOH
OH
CoA, ATP
O2 Oxidation der Seitenkette durch Dioxygenase HO
Verkürzung der Seitenkette in Peroxisomen
OH
Übertragung auf Coenzym A HO
Trihydroxycoprostanat
Cholsäure (24 C-Atome)
O OH
C
O CoA
OH
Glycin H2N CH2 COOH
Cholyl-CoA HO
OH
N
CH2
O
COOH R
H
OH
R O Taurin CH2 CH2
OH
eine Sulfonsäure
Glycocholsäure HO
H2N
S O
Ersetzen des CoA durch Glycin
OH
C
OH
C
N
CH2
CH2
SO3H
H
SO3H
Sulfongruppe
Ersetzen des CoA durch Taurin HO
OH
Taurocholsäure
SO3H
Sulfonsäure in vereinfachter Schreibweise R
SO3–
Sulfonat
A
197
11.3 Verdauung
▶ Merke.
Der erste und geschwindigkeitsbestimmende Schritt in der Biosynthese der Gallensäuren ist die Hydroxylierung von Cholesterin in Position 7. Die Reaktion wird durch Endprodukthemmung reguliert, die Cholesterin-7α-Hydroxylase wird nämlich von Gallensäuren gehemmt.
Aus den unkonjugierten Gallensäuren entstehen in der Leber die konjugierten Gallensäuren durch Aktivierung mit Coenzym A und anschließende Reaktion mit der proteinogenen Aminosäure Glycin oder der nicht proteinogenen Aminosäure Taurin. Cholsäure reagiert mit Glycin zu Glycocholsäure, mit Taurin zu Taurocholsäure. Es ist zu beachten, dass Taurin eine Sulfongruppe (-SO3H) enthält. Taurocholsäure ist somit eine Sulfonsäure, Taurocholat ist ein Sulfonat. Die Aminosäuren reagieren jeweils unter Bildung einer Säureamidbindung mit der Carboxylgruppe der Cholsäure (Abb. A 11.10). Die konjugierten Gallensäuren gelangen mithilfe eines ATPabhängigen Gallensäuretransporters aus den Hepatozyten in die Gallenkanälchen und mit der Galle in den oberen Dünndarm. Sekundäre Gallensäuren entstehen im Darm, und zwar durch die Reaktion der Gallensäuren mit Enzymen, die von Darmbakterien freigesetzt werden. Im Wesentlichen katalysieren diese Enzyme die Abspaltung von Glycin und Taurin (durch Hydrolyse der Säureamidbindung), und die Entfernung der OH-Gruppe der Position 7. Die sekundären Gallensäuren unterscheiden sich also von den ursprünglich in der Leber synthetisierten primären Gallensäuren dadurch, dass ihnen die im geschwindigkeitsbestimmenden Schritt eingebaute OH-Gruppe der Position 7 fehlt. Aus der Cholsäure entsteht dadurch die Desoxycholsäure.
Der enterohepatische Kreislauf der Gallensäuren Die verschiedenen Gallensäuren werden zu über 90 % im distalen Ileum resorbiert und über die Pfortader erneut der Leber zugeführt. Sowohl in die Enterozyten als auch in die Hepatozyten gelangen die Gallensäuren durch sekundär-aktiven Na+Symport. (Der Konzentrationsgradient der Na+-Ionen wird von der Na+-K+-ATPase aufrechterhalten). Am Transport in die Hepatozyten ist außerdem ein Na+-unabhängiges Transportsytem beteiligt, das „organic anion-transporting polypeptide“ (OATP). In der Leber werden aus den sekundären Gallensäuren erneut primäre Gallensäuren gebildet, sodass sich ein enterohepatischer Kreislauf ergibt (Abb. A 11.11). Der Körper enthält insgesamt ca. 5 g Gallensäuren. Täglich werden nur ca. 0,5 g Gallensäuren neu synthetisiert. Für die Verdauung der Lipide werden aber täglich 15 – 30 g Gallensäuren benötigt. Folglich müssen die Gallensäuren etwa 3- bis 6-mal am Tag zwischen Leber und Darm zirkulieren. Die Neusynthese gleicht nur den Verlust an ca. 0,5 g Gallensäuren aus, die den Körper mit den Faeces verlassen.
▶ Merke.
Auch Cholesterin zirkuliert im enterohepatischen Kreislauf. Es kann im Stoffwechsel des Menschen nicht abgebaut werden. Überschüssiges Cholesterin kann deshalb nur mit der Galle ausgeschieden werden, nämlich entweder in Form von Gallensäuren (Konzentration in der Blasengalle ca. 80 mM, s. o.) oder als freies Cholesterin (Konzentration in der Blasengalle ca. 10 mM). Da das Cholesterin in beiden Formen zum größten Teil im Ileum wieder resorbiert wird, ist es für den Organismus schwierig, Cholesterin zu eliminieren.
Cholesterin ist in Wasser kaum löslich. In der Galle wird es im Wesentlichen durch Assoziation mit den Gallensäuren in Lösung gehalten.
▶ Merke.
Die konjugierten Gallensäuren entstehen in der Leber aus den unkonjugierten Gallensäuren durch Aktivierung mit CoA und Reaktion mit Glycin oder der nicht proteinogenen Aminosäure Taurin (Abb. A 11.10). Mithilfe eines ATP-abhängigen Gallensäuretransporters gelangen die konjugierten Gallensäuren dann aus den Hepatozyten in die Gallenkanälchen und mit der Galle in den oberen Dünndarm. Sekundäre Gallensäuren entstehen im Darm durch die Reaktion der Gallensäuren mit Enzymen, die von Darmbakterien freigesetzt werden. Diese Enzyme katalysieren die Abspaltung von Glycin und Taurin, Entfernung der OH-Gruppe der Position 7.
Der enterohepatische Kreislauf der Gallensäuren Die Gallensäuren werden zu > 90 % im Ileum resorbiert und erneut der Leber zugeführt. Der Körper enthält ca. 5 g Gallensäuren. Täglich werden nur ca. 0,5 g Gallensäuren neu synthetisiert. Für die Verdauung der Lipide werden täglich 15 – 30 g Gallensäuren benötigt. Die Gallensäuren zirkulieren deshalb zwischen Leber und Darm etwa 3- bis 6-mal am Tag (Abb. A 11.11).
▶ Merke.
In der Galle wird Cholesterin durch Assoziation mit Gallensäuren in Lösung gehalten.
198
A
A-11.11
11 Ernährung und Verdauung
Stoffwechsel der Gallensäuren in der Leber
A-11.11
sekundäre Gallensäuren aus der Vena portae (enterohepatischer Kreislauf) Na+-SymportTranslokator
Na+
sekundäre Gallensäuren
Cholesterin 7α -Hydroxylase
7α -Hydroxylase
Im Darm werden die Gallensäuren durch bakterielle Enzyme teilweise zu sekundären Gallensäuren abgebaut. Die verschiedenen Gallensäuren werden im Ileum rückresorbiert und von der Leber aufgenommen.
Neusynthese primäre Gallensäuren
primäre Gallensäuren
Glycin, Taurin
konjugierte Gallensäuren ATP-abhängiger Transporter
ATP
Leberzelle
Gallenkanälchen Ductus hepaticus communis
▶
Klinik. Bei ungünstigen Konzentrationsverhältnissen kann
das Cholesterin in der Galle nicht mehr in Lösung gehalten werden und es bildet Präzipitate. Die Hälfte aller Gallensteine (Cholelithiasis, Abb. A 11.12 b) sind reine Cholesterinsteine, weitere 30 % enthalten zumindest einen hohen Anteil an Cholesterin. In den meisten Fällen bleiben die Gallensteine unbemerkt und sie verursachen keine Beschwerden. Gallensteine können aber auch eine Gallenkolik auslösen. Charakteristisch sind plötzlich einset-
A-11.12
zende heftige rechtsseitige Oberbauchschmerzen. Häufig strahlen die Schmerzen in die rechte Schulter aus. Die Beschwerden können durch eine fettreiche Mahlzeit ausgelöst werden. Die diagnostische Methode der Wahl ist die Sonografie (Abb. A 11.12 a). Sofern ein Gallenstein in den Ductus choledochus gelangt, entsteht leicht ein Ikterus (Gelbsucht). Steine im Ductus cysticus verursachen Koliken aber keinen Ikterus.
Cholelithiasis Steine
Leber
Gallenblase
b
a a Sonogramm bei Cholelithiasis (Längsschnitt am rechten Rippenbogen) (aus Delorme, Debus; Duale Reihe Sonographie, Thieme, 2005).
b Gallensteine, die zu einer chronischen Gallenblasenentzündung geführt haben (aus Schumpelick, Bleese, Mommsen; Kurzlehrbuch Chirurgie, Thieme, 2010).
A
199
11.3 Verdauung
Dünndarmsekret
Dünndarmsekret
Das Sekret der Dünndarmschleimhaut dient vor allem dem Schutz der Epithelien. Ein wichtiger Sekretbestandteil sind Mucine (S. 188). Im Duodenum schützt das bicarbonatreiche Sekret der Brunner-Drüsen die Schleimhaut vor dem sauren Mageninhalt. Zudem enthält das Dünndarmsekret eine Vielzahl an Komponenten, die das Wachstum von Mikroorganismen im Darm regulieren, z. B. Antikörper vom Typ IgA. Ein wichtiger Bestandteil der apikalen Membranen der Enterozyten ist im oberen Dünndarm das Enzym Enteropeptidase. Es spaltet vom Trypsinogen des Pankreassafts die sechs aminoterminalen Aminosäuren ab und wandelt das inaktive Trypsinogen damit in das aktive Trypsin um (S. 252). Die Enteropeptidase wurde von dem berühmten russischen Physiologen Ivan Petrovic Pavlov (1849 – 1936, Nobelpreis 1904) entdeckt. Von ihm erhielt das Enzym zunächst den Namen Enterokinase. Eine Phosphorylierung wird aber nicht katalysiert. Die Enteropeptidase ist eine typische Serin-Protease (S. 252).
Mucine und das bicarbonatreiche Sekret der Brunner-Drüsen des Duodenums schützen das Epithel des Dünndarms.
11.3.3 Verdauung der Nahrungsbestandteile Weitere Details zur Verdauung der verschiedenen Nahrungsbestandteile werden in den folgenden Abschnitten erläutert: Verdauung und Resorption der Kohlenhydrate: S. 200 – 203 Aufnahme der Lipide aus der Nahrung: S. 221 – 225 Verdauung der Proteine: S. 252 – 257
Die von der duodenalen Mukosa sezernierte Enteropeptidase wandelt das inaktive Trypsinogen in das aktive Trypsin um.
11.3.3 Verdauung der Nahrungsbestandteile
A
A
12 Speicherung und Bereitstellung von Kohlenhydraten
12 Speicherung und Bereitstellung
von Kohlenhydraten 12.1 12.2 12.3
Aufnahme der Kohlenhydrate aus der Nahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 Glykogensynthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 Gluconeogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212
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12.1
Aufnahme der Kohlenhydrate aus der Nahrung
12.1.1 Wichtige Kohlenhydrate in der Nahrung
12.1 Aufnahme der Kohlenhydrate aus der
Nahrung 12.1.1 Wichtige Kohlenhydrate in der Nahrung
Lactose, ein Disaccharid aus Glucose und Galaktose, ist das wichtigste Kohlenhydrat der Muttermilch.
Kohlenhydrate werden mit der Nahrung zum größten Teil in Form des Polysaccharids Stärke aufgenommen. Stärke besteht aus der unverzweigten Amylose (α1→ 4glykosidisch verbundene Glucosemonomere) und dem verzweigten Amylopektin (α1→ 4-glykosidisch verbundene Glucosemonomere mit Verzweigungen in Form α1→ 6-glykosidischer Bindungen) (S. 39). In den Industrieländern stellt die Saccharose (Rübenzucker und Rohrzucker) einen weiteren erheblichen Anteil an den Kohlenhydraten der Nahrung. Sie ist ein Disaccharid aus Glucose und Fructose. Die Anteile anderer Kohlenhydrate, wie das Glykogen tierischer Gewebe oder monomere Glucose oder Fructose, sind demgegenüber gering. In der Muttermilch ist Lactose, ein Disaccharid aus Glucose und Galaktose, das wichtigste Kohlenhydrat.
12.1.2 Verdauung der Kohlenhydrate
12.1.2 Verdauung der Kohlenhydrate
α-Amylase in Speichel und Pankreassaft
α-Amylase in Speichel und Pankreassaft
Kohlenhydrate werden größtenteils in Form von Stärke (bestehend aus Amylose und Amylopektin, S. 39) aufgenommen.
Saccharose ist ein Disaccharid aus Glucose und Fructose.
▶ Merke.
▶ Merke.
Die Verdauung der Polysaccharide beginnt mit der α-Amylase des Speichels (Ptyalin) und der α-Amylase des Pankreas. α-Amylasen sind Endohydrolasen, d. h. sie hydrolysieren spezifisch die α1→ 4-glykosidischen Bindungen innerhalb der Polysaccharidketten. Endständige Glucosemonomere werden hingegen nicht abgelöst.
Aus Polysacchariden entstehen zunächst Dextrine, bei längerer Einwirkzeit der α-Amylasen Maltose, Maltotriose und Isomaltose (Abb. A 12.1). Saccharose und Lactose werden von α-Amylasen nicht hydrolysiert.
Die Polysaccharide (Stärke und Glykogen) werden zunächst in Oligosaccharide aus 3 – 10 Glucoseeinheiten zerlegt, die sog. Dextrine (α-Grenzdextrine). Bei längerer Einwirkungszeit entsteht eine Mischung der folgenden Bestandteile (Abb. A 12.1): Maltose, α-Glucosyl-1,4-glucosid, ist das wichtigste Disaccharid, das beim Abbau der Polysaccharide im Darm entsteht. Charakteristisch für die Maltose ist die α1 → 4-glykosidische Bindung zwischen zwei Glucose-Einheiten, die auch die Strukturen der pflanzlichen Stärke und des tierischen Glykogens weitgehend bestimmt. Maltotriose: Trisaccharid aus α1→ 4-glykosidisch verbundener Glucose, Isomaltose: α-Glucosyl-1,6-glucosid = die Reste der Verzweigungsstellen. Saccharose und Lactose werden von α-Amylase nicht hydrolysiert.
Enzyme im Bürstensaum der Enterozyten
Enzyme im Bürstensaum der Enterozyten
▶ Merke. Die beiden wichtigsten Enzyme:
▶ Merke.
Oligosaccharide und Disaccharide werden erst am Bürstensaum der Enterozyten in monomere Zucker gespalten. Die apikale Membran der Enterozyten bildet eine große Zahl an zottenförmigen Ausstülpungen (Mikrovilli). In die Membranen der Mikrovilli sind u. a. zwei Enzyme eingelagert, die in der Verdauung der Kohlenhydrate eine entscheidende Rolle spielen:
A
Maltose, Maltotriose und Isomaltose
A-12.1
CH2OH O
H H OH
H
A-12.1
CH2OH
CH2OH H
O
H
1(α)
4
H OH
O
H H OH
OH
H
O
HO H
201
12.1 Aufnahme der Kohlenhydrate aus der Nahrung
H
H
1(α) 6
O
HO
OH
H
OH
H
OH
CH2 O
H
Maltose
H OH
H
H
OH
OH
HO CH2OH O
H H OH
H
HO
CH2OH
CH2OH H
O
H
1(α)
4
H OH
H
1(α)
OH
4
H OH
H
H
OH
OH
Isomaltose
O
O H
O
H
H
H
OH
Maltotriose
Die mit ~OH bezeichnete Hydroxygruppe kann in α- oder β-Stellung vorliegen.
Die Maltase-Glucoamylase (MAG) spaltet von verschiedenen Poly- und Oligosacchariden Glucose von den nicht reduzierenden Enden der Glucoseketten ab. Glucose wird also von den Ketten-Enden abgelöst, die einen Glucosylrest mit freier OH-Gruppe am C-Atom 4 exponieren. Substrate der Maltase-Glucoamylase sind: – Amylose und Amylopektin, – Dextrine, – Maltotriose, – nur in geringerem Umfang auch Maltose. Die Saccharase-Isomaltase (SI, engl. sucrase-isomaltase; früher als Saccharase bezeichnet) hydrolysiert verschiedene Disaccharide: – etwa 80 % der im Darm anfallenden Maltose, – die gesamte Isomaltose, – die gesamte Saccharose. Die Aminosäuresequenzen von MAG und SI sind sehr ähnlich. Sie sind offenbar während der Evolution durch Verdoppelung eines Gens entstanden und haben so einen gemeinsamen Ursprung. Beide Enzyme hydrolysieren nur α-glykosidische Bindungen.
▶ Merke.
Stärke wird in zwei Schritten verdaut: 1. Spaltung in verschiedene Oligosaccharide durch α-Amylase. 2. Spaltung der Oligosaccharide in Glucosemonomere unter Beteiligung zweier verwandter Enzyme, der Maltase-Glucoamylase und der Saccharase-Isomaltase.
Ein weiteres Enzym ist im Darm des Säuglings für die Spaltung von Lactose (= Milchzucker) in Galaktose und Glucose erforderlich. In der Lactose ist die OH-Gruppe des C 1-Atoms der Galaktose nämlich β-glykosidisch mit dem C 4-Atom der Glucose verbunden (Abb. A 12.2), β-glykosidische Bindungen werden von der Saccharase aber nicht erkannt. Das Enzym Lactase (= β-Galaktosidase) wird bei den meisten Völkern der Erde nur in den ersten Lebensjahren exprimiert, bei den Europäern und einigen afrikanischen Völkern ist sie jedoch in der Regel auch noch im Erwachsenenalter aktiv.
▶
Klinik. Ein Mangel an Lactase äußert sich beim Konsum größerer Mengen an
Milchprodukten in Verdauungsstörungen wie Durchfall und Blähungen. Das Phänomen wird als Lactose-Intoleranz bezeichnet. Eine Diät mit Vermeidung des unverträglichen Kohlenhydrats führt zur unmittelbaren Besserung der Beschwerden.
Die Maltase-Glucoamylase (MAG) spaltet von verschiedenen Poly- und Oligosacchariden Glucose von den nicht reduzierenden Ketten-Enden ab.
Die Saccharase-Isomaltase (SI, früher als Saccharase bezeichnet) hydrolysiert verschiedene Disaccharide (nicht nur Saccharose, sondern auch den größten Teil der Maltose). Beide Enzyme hydrolysieren nur α-glykosidische Bindungen.
▶ Merke.
Lactase (= β-Galaktosidase) spaltet im Darm des Säuglings Lactose (Milchzucker) in Galaktose und Glucose. Lactose enthält eine β1,4-glykosidische Bindung (Abb. A 12.2)
▶
Klinik.
202
A
12 Speicherung und Bereitstellung von Kohlenhydraten
A-12.2
A-12.2
Lactose CH2OH O
H 4
CH2OH Galaktose (epimer zu Glucose in Position 4)
4
O
O
HO H OH
H
H
OH
H OH
H
H
OH
OH
Glucose
1(β)
H
H
Die mit 〰OH bezeichnete Hydroxygruppe kann in α- oder β-Stellung vorliegen.
12.1.3 Resorption der Kohlenhydrate im Darm Die Aufnahme der monomeren Kohlenhydrate in die Enterozyten wird an der apikalen Zellmembran von zwei Transportsystemen vermittelt (Abb. A 12.3): GLUT 5 (Glucose-Transporter) vermittelt die Aufnahme von Fructose durch erleichterte Diffusion.
12.1.3 Resorption der Kohlenhydrate im Darm Die Aufnahme der monomeren Kohlenhydrate in die Enterozyten wird an der apikalen Zellmembran von zwei verschiedenen Transportsystemen vermittelt (Abb. A 12.3): GLUT 5 und SGLT 1. GLUT 5 (GLUT = Glucose-Transporter) vermittelt die Aufnahme von Fructose. GLUT 5 ist Mitglied einer Familie von Membranproteinen (S. 349, Tab. B-4.1). Alle dieser Transporter sind über 12 membranspannende α-Helices (Exkurs auf S. 69) in die jeweilige Membran eingebettet (Abb. A 12.4 a). Die GLUT-Familie umfasst 13 Mitglieder, deren Funktionen teilweise noch unbekannt sind. GLUT 5 ist ein spezifischer Fructose-Transporter, Glucose wird von GLUT 5 nicht transportiert. GLUT 5 erleichtert die Diffusion der Fructose. Die Aufnahme der Fructose in den Enterozyten ist also ausschließlich eine Folge des Konzentrationsgradienten zwischen dem Darmlumen und dem Zytosol.
A-12.3
A-12.3
Resorption der Monosaccharide im Darm
3 Na+ ATP ADP + Pi 2 Na+ Glucose
SGLT 1
Na+-K+ATPase
2 K+ GLUT 2
2 Na+ Galaktose
SGLT 1
GLUT 2
Fructose
GLUT 5
GLUT 2
luminale Seite
▶ Merke.
▶ Merke.
basolaterale Seite
GLUT-Proteine ermöglichen ihren Substraten eine erleichterte Diffusi-
on. SGLT 1, der Sodium Glucose Transporter 1, vermittelt die Na+-gekoppelte Aufnahme von Glucose und Galaktose (Na+-Symport, 1 Kohlenhydratmolekül + 2 Na+) gegen einen Konzentrationsgradienten. Die Natrium-Ionen folgen dabei ihrem Konzen-
SGLT 1(Sodium Glucose Transporter 1) vermittelt die Na+-gekoppelte Aufnahme von Glucose und Galaktose gegen einen Konzentrationsgradienten. SGLT 1 ist über 14 membranspannende α-Helices in die Membran eingebettet, eine signifikante Ähnlichkeit zu den GLUT-Proteinen ist nicht gegeben. SGLT 1 ist ein Symportcarrier, er koppelt den passiven Na+-Einstrom an die Aufnahme der Monosaccharide.
A
A-12.4
203
12.1 Aufnahme der Kohlenhydrate aus der Nahrung
Struktur und Funktion von GLUT 4 Insulin
außen Membran
Insulin-abhängige Fusion intrazellulärer Vesikel mit der Plasmamembran
Glucose
Insulinrezeptor
innen
GLUT4
COOH H 2N
intrazelluläre Vesikel
a
Bildung intrazellulärer Vesikel bei fallenden Insulinkonzentrationen Plasmamembran
b
a Struktur von GLUT 4. b Induktion des GLUT 4-vermittelten Glucosetransports durch Insulin.
Ein Kohlenhydratmolekül wird jeweils zusammen mit zwei Natrium-Ionen aufgenommen. Die Natrium-Ionen folgen dabei ihrem Konzentrationsgefälle und gleichzeitig dem Membranpotenzial. Sowohl der Konzentrationsgradient als auch das Membranpotenzial werden von der Na+-K+-ATPase der basolateralen Membran aufrechterhalten. Die Na+-K+-ATPase erzeugt eine natriummotorische Kraft (engl. sodium motive force). Der Transporter SGLT 1 arbeitet, da er indirekt von der ATP-Hydrolyse durch die Na+-K+-ATPase abhängt, sekundär-aktiv. Alle genannten Zucker, also Glucose, Galaktose und Fructose, verlassen die Enterozyten an der basolateralen Zellmembran unter Vermittlung des Transporters GLUT 2 und gelangen so in den Blutkreislauf (Abb. A 12.3). Triebkraft ist allein das Konzentrationsgefälle.
▶ Merke.
Weder die aktive Aufnahme der Monosaccharide in die Enterozyten noch ihre Abgabe an das Blut durch erleichterte Diffusion werden von Insulin kontrolliert: Die Resorption erfolgt insulinunabhängig.
trationsgefälle, das von der Na+-K+-ATPase der basolateralen Membran aufrechterhalten wird. SGLT 1 arbeitet somit sekundäraktiv.
Glucose, Galaktose und Fructose gelangen an der basolateralen Zellmembran vermittelt von GLUT 2 in den Blutkreislauf (Abb. A 12.3).
▶ Merke.
12.1.4 Transport in Hepatozyten
12.1.4 Transport in Hepatozyten
Die Monosaccharide gelangen über die Pfortader zur Leber, wo sie unter Vermittlung von GLUT 2-Proteinen von den Hepatozyten aufgenommen werden.
Die Monosaccharide gelangen mithilfe von GLUT 2-Proteinen in die Hepatozyten.
▶ Merke.
Die Aufnahme der Monosaccharide in die Leber erfolgt insulinunabhän-
▶ Merke.
gig. Der Stoffwechsel der verschiedenen Zucker ist im Kapitel A-6 (S. 70) bereits erläutert worden. Da Galaktose und Fructose weitgehend in der Leber metabolisiert werden, sind sie im Blut der V. cava inferior und im peripheren Kreislauf kaum noch zu finden. Die Hepatozyten geben nur noch Glucose an das Blut ab.
12.1.5 Transport der Glucose in die Zellen extrahepatischer Gewebe
12.1.5 Transport der Glucose in die Zellen extrahepatischer Gewebe
Transport in Skelettmuskel- und Fettzellen
Transport in Skelettmuskel- und Fettzellen
▶ Merke.
Der Transport der Glucose aus dem Blut in die Zellen der Skelettmuskulatur und des Fettgewebes wird von GLUT 4-Proteinen (Abb. A 12.4) vermittelt und ist insulinabhängig.
Wenn nur wenig Glucose in diese Gewebe gelangen soll, enthält die Plasmamembran der entsprechenden Zellen auch nur wenige GLUT 4. Ein großer Teil der GLUT 4 befindet sich stattdessen in den Membranen intrazellulärer Vesikel. Das Signal zu einer erhöhten Glucoseaufnahme erreicht die Zellen in Form von Insulin. Dieses bindet an ein bestimmtes Rezeptorprotein der Plasmamembran, den Insulin-
▶ Merke.
Insulin bewirkt eine Fusion intrazellulärer GLUT 4-Vesikel mit der Plasmamembran (Abb. A 12.4 b). Dadurch steigt die Aufnahmekapazität der Zelle für Glucose.
204
A
12 Speicherung und Bereitstellung von Kohlenhydraten
rezeptor, der daraufhin eine intrazelluläre Signalkaskade auslöst. Zu den Konsequenzen der Signalübertragung gehört eine Fusion der GLUT 4-Vesikel mit der Plasmamembran (Abb. A 12.4 b). Innerhalb kurzer Zeit steigt dadurch die Zahl der GLUT 4 in der Plasmamembran stark an und mit ihr die Transportkapazität für Glucose. Insulin kann auf diese Weise den GLUT 4-vermittelten Glucosetransport um das 10- bis 20-fache steigern. Transport in die Zellen des ZNS und in Erythrozyten
▶ Merke.
Mit seiner hohen Affinität zur Glucose ermöglicht GLUT 1 den Zellen eine konstante Versorgung, die von Schwankungen der Glucose-Konzentration im Blut weitgehend unabhängig ist. Die GLUT 2-Proteine des Darms und der Leber haben mit ihrer geringeren Affinität hingegen die Möglichkeit, ihre Transportaktivität abhängig vom jeweiligen Glucoseangebot erheblich zu variieren.
Rückresorption der Glucose in den Nierentubuluszellen Der Glucose-Transport ist auch in der Niere von großer Bedeutung. Die im Primärharn gelöste Glucose wird nahezu vollständig rückresorbiert (ca. 160 g Glucose/Tag).
Die Rückresorption der Glucose erfolgt weitgehend im ersten Abschnitt des proximalen Tubulus mithilfe des sekundär-aktiven Na+Glucose-Symporters SGLT 2. SGLT 2 transportiert Glucose in einer Stöchiometrie von 1 Na+/1 Glucose. Im S 3-Segment des proximalen Tubulus transportiert SGLT 1 Glucose in einer Stöchiometrie von 2 Na+/1 Glucose.
Die Nierenschwelle für Glucose liegt bei 10 mM (180 mg/100 ml).
▶
Klinik.
Transport in die Zellen des ZNS und in Erythrozyten
▶ Merke.
Die Zellen des ZNS und die Erythrozyten sind unter allen Stoffwechselbedingungen auf Glucose als Energielieferant angewiesen. Das ZNS kann keine Fettsäuren aufnehmen, die Erythrozyten können Fettsäuren nicht abbauen. Die Aufnahme von Glucose in die Zellen des ZNS und in Erythrozyten erfolgt insulinunabhängig: in Erythrozyten, Endothelzellen und Astrozyten via GLUT 1, in Nervenzellen via GLUT 3. Ein Maß für die Affinität der Glucosetransporter zu ihren jeweiligen Substraten ist die Michaelis-Menten-Konstante, Km (s. a. S. 26). Der Km-Wert bezeichnet in diesem Fall die Glucosekonzentration des Blutes, bei der die Hälfte der Transportproteine in der Plasmamembran mit Glucose beladen ist. Unter diesen Bedingungen arbeiten die Transportproteine mit halbmaximaler Geschwindigkeit. Der Km-Wert des GLUT 1 ist niedrig, er liegt bei 1,5 mM, die Affinität des GLUT 1 für Glucose ist also recht hoch. Da die Konzentration der Glucose im Blut stets über 3,5 mM liegt, arbeitet GLUT 1 ständig mit nahezu maximaler Geschwindigkeit vmax. Interessanterweise ist der Km-Wert von GLUT 2 wesentlich höher, es wurden unter verschiedenen Bedingungen Werte zwischen 17 und 66 mM gemessen. Offenbar ist GLUT 1 auf einen konstanten Fluss von Glucose eingestellt, während die GLUT 2-Proteine des Darms und der Leber die Möglichkeit haben, auf ein erhöhtes Angebot an Glucose unmittelbar mit einer entsprechend gesteigerten Transportaktivität zu reagieren.
Rückresorption der Glucose in den Nierentubuluszellen Der Glucose-Transport ist auch in der Niere von großer Bedeutung. Das Blutplasma des Menschen (Volumen ca. 3 l) wird in den Glomeruli der Niere täglich etwa 60mal filtriert, woraus sich für den Primärharn ein Volumen von 180 l ergibt. Aus diesen 180 l wird die in einer Konzentration von durchschnittlich 5 mM gelöste Glucose nahezu vollständig rückresorbiert. Dies entspricht einer Menge von ca. 160 g Glucose pro Tag. In der Niere muss also jeden Tag immerhin etwa halb so viel Glucose resorbiert werden wie im Dünndarm. Glucose wird zu etwa 95 % bereits im ersten Abschnitt des proximalen Tubulus, dem S 1-Segment (im Pars convoluta) rückresorbiert. Auch hier erfolgt die Resorption mithilfe eines sekundär-aktiven Na+-Glucose-Symporters. Der Symporter des proximalen Tubulus hat Ähnlichkeit mit dem SGLT 1 des Dünndarms (59 % der Aminosäuresequenzen stimmen überein), weshalb er den Namen SGLT 2 erhalten hat. SGLT 2 transportiert jedoch nicht 2 Na+, sondern 1 Na+ zusammen mit 1 Glucosemolekül. Die Reste an Glucose, die der Resorption durch den SGLT 2 entgehen, werden in den weiter distal gelegenen Tubulusanteilen, im S 3-Segment (im Pars recta des proximalen Tubulus), mithilfe von SGLT 1 aus dem Primärharn aufgenommen. Die Energie für die Rückresorption der Glucose durch SGLT 2 und SGLT 1 stammt letztlich aus der Hydrolyse des ATP durch die Na+-K+-ATPasen in der basolateralen Membran der Tubuluszellen, die den Konzentrationsgradienten der Natriumionen aufrecht erhalten. Das System der Glucoserückresorption der Nierentubuli arbeitet sehr effizient. Glucose erscheint erst im Urin, wenn die Glucoseplasmakonzentration etwa 10 mM (180 mg/100 ml) überschreitet (Glucosurie durch Überschreiten der Nierenschwelle).
▶
Klinik. Spezifische nicht toxische SGLT 2-Hemmer stehen derzeit kurz vor der
Zulassung als neue Wirkstoffe zur Behandlung des Diabetes mellitus. In großen klinischen Studien wird momentan insbesondere der Hemmstoff Dapagliflozin auf seine langfristigen Wirkungen und Nebenwirkungen überprüft. Eine entscheidende Ursache der Komplikationen des Diabetes besteht in überhöhten Konzentrationen
A
205
12.2 Glykogensynthese
der Glucose im Blut, die schwer zu kontrollieren sind. Durch Hemmung der SGLT 2 wird in den Nieren die Rückresorption der Glucose blockiert, die Glucose verlässt den Körper mit dem Urin, die Konzentration der Glucose im Blut nimmt ab. Patienten können nun vergleichsweise problemlos Kohlenhydrate aufnehmen und dabei dennoch ihr Gewicht reduzieren. Anders als in der Niere wird die Resorption der Glucose im Darm nicht behindert, da der SGLT 1 der Enterozyten nicht gehemmt wird. Zunächst waren verschiedene Komplikationen befürchtet worden, die mit einem Einsatz von SGLT 2-Hemmern verbunden sein könnten: Die Hemmstoffe könnten langfristig toxische Nebenwirkungen haben, aufgrund der Glucosurie könnte die Häufigkeit von Harnwegsinfektionen zunehmen, als Folge des reduzierten Na+-Symports könnten sich Störungen im Elektrolytstoffwechsel ergeben, und schließlich ist zu befürchten, dass die Einführung der neuen SGLT 2-Hemmer eine problematische Sorglosigkeit in den Ernährungsgewohnheiten zur Folge haben könnte. In den bisherigen klinischen Studien sind die ersten drei befürchteten Komplikationen nicht beobachtet worden. Die letztgenannte Möglichkeit wird weiterhin als problematisch angesehen.
12.2 Glykogensynthese ▶ Definition.
Glykogen ist die Speicherform der Glucose in Pilzen, Tieren und im Menschen. (Pflanzen speichern stattdessen Stärke.) Im Glykogen sind die Glucosemonomere meist α1→4-glykosidisch verknüpft, lediglich an den Verzweigungsstellen (im Abstand von je ca. 10 Glucosemonomeren) finden sich α1→6-glykosidische Bindungen (S. 39). Glykogen wird in nahezu allen Zellen des Körpers gebildet, aber nur in der Leber und der Skelettmuskulatur in größeren Mengen gespeichert: ca. 150 g in der Leber (bis zu 10 % des Lebergewebes können aus Glykogen bestehen). Das Leberglykogen dient der Aufrechterhaltung einer ausreichenden Glucosekonzentration im Blut. ca. 300 g in der Skelettmuskulatur (bis zu 1 % der Skelettmuskulatur kann aus Glykogen bestehen). Das Muskelglykogen dient als Glucosespeicher zur Selbstversorgung.
12.2.1 Mechanismus der Glykogensynthese
12.2
Glykogensynthese
▶ Definition. Glykogen wird in fast allen Körperzellen gebildet, in größeren Mengen gespeichert aber nur in der Leber (ca. 150 g) zur Aufrechterhaltung einer hinreichenden Blutglucosekonzentration und in der Skelettmuskulatur (ca. 300 g) zu deren Selbstversorgung.
12.2.1 Mechanismus der Glykogensynthese
Die Glykogensynthese besteht in den meisten Fällen nicht in einer Neubildung, sondern lediglich in einer Vergrößerung bereits vorhandener Glykogenmoleküle. Alle Glykogenmoleküle enthalten in ihrem Kern ein Glykoprotein, das Glykogenin, das auch bei weitreichendem Abbau der Kohlenhydratseitenketten übrig bleibt (s. u.).
Bei einer Glykogensynthese handelt es sich in den meisten Fällen lediglich um eine Vergrößerung bereits vorhandener Glykogenmoleküle.
Einbau von Glucose in Glykogenmoleküle
Einbau von Glucose in Glykogenmoleküle
▶ Überblick.
Für den Einbau in ein Glykogenmolekül muss freie Glucose phosphoryliert und aktiviert werden, d. h. es muss ihr Energie zugeführt werden. Dieses erfordert drei Reaktionsschritte (Abb. A 12.5 a): 1. Phosphorylierung der Glucose zu Glucose-6-phosphat, 2. Isomerisierung zu Glucose-1-phosphat, 3. Reaktion von Glucose-1-phosphat mit UTP (Uridintriphosphat) unter Bildung von UDP-Glucose. In der UDP-Glucose sind UDP und Glucose durch eine energiereiche Esterbindung miteinander verbunden. Die Spaltung dieser Esterbindung liefert die Energie für den letzten Reaktionsschritt, die Übertragung der Glucose auf das Glykogenmolekül unter Bildung einer α1→4-glykosidischen Bindung (Abb. A 12.5 b).
▶ Überblick.
206
A
12 Speicherung und Bereitstellung von Kohlenhydraten
A-12.5
A-12.5
UDP-Glucose als Ausgangsverbindung der Glykogensynthese
ATP
UTP
ADP
Glc a
Glc–6–P Hexokinase (Leber: Glucokinase)
nicht reduzierendes Ende
OH
HO
CH2OH O
OH
O
OH
OH
Glykogen O
OH
HN P
P
CH2
O O
N
OH UDP-Glucose
UDP HO
HO b
UDP–Glc Glucose-1-phosphatUTP-Transferase
CH2OH O
O
HO
P
Glc–1–P Phosphoglucomutase
CH2OH O
P
OH CH2OH O
CH2OH O
CH2OH O
OH
OH
OH
O OH
O OH
Glykogen O
OH
a Bildung von UDP-Glucose. b Einbau von Glucose in ein Glykogenmolekül.
Schritt 1: Glucose → Glucose-6-phosphat
▶ Merke.
Schritt 2: Glucose-6-phosphat → Glucose-1-phosphat Die Isomerisierung wird von der Phosphoglucomutase katalysiert.
Schritt 3: Glucose-1-phosphat → UDP-Glucose Die Bildung von Glykogen ist energieaufwendig. Deshalb wird das Glucosemolekül aktiviert, indem Glucose-1-phosphat mit Uridintriphosphat (UTP) reagiert, katalysiert von der Glucose-1-phosphat-UTP-Transferase. Das anfallende Pyrophosphat wird zu 2 Phosphaten hydrolysiert.
Schritt 4: Übertragung der Glucose auf das Glykogenmolekül Die Glucose wird vom UDP abgelöst und reagiert mit der 4’-OH-Gruppe einer Glucose des Glykogens. Die Reaktion wird von der Glykogen-Synthase katalysiert. Bei der Glykogen-
Schritt 1: Glucose → Glucose-6-phosphat
▶ Merke. Glucose wird unter Aufwendung von ATP zu Glucose-6-phosphat phosphoryliert. Die Reaktion wird in den meisten Zellen des Körpers von dem Enzym Hexokinase katalysiert, in der Leber überwiegend von der Glucokinase (S. 81). Schritt 2: Glucose-6-phosphat → Glucose-1-phosphat Glucose-6-phosphat wird auch für die Glykolyse sowie für den Pentosephosphatweg benötigt. Sofern es der Glykogensynthese zugeführt werden soll, ist eine Isomerisierung zu Glucose-1-phosphat erforderlich. Diese wird von dem Enzym Phosphoglucomutase katalysiert.
Schritt 3: Glucose-1-phosphat → UDP-Glucose Die Bildung von Glykogen ist energieaufwendig. Deshalb wird das Glucosemolekül aktiviert, indem Glucose-1-phosphat mit Uridintriphosphat (UTP) reagiert: Glucose-1-phosphat + UTP → UDP-Glucose + Pyrophosphat Die Reaktion wird von der Glucose-1-phosphat-UTP-Transferase katalysiert. Das chemische Gleichgewicht dieser Reaktion liegt unter Standardbedingungen bei einem Konzentrationsverhältnis von ungefähr 1:1, d. h., das ΔG der Reaktion liegt bei 0. Unter physiologischen Bedingungen liegt das Gleichgewicht der Reaktion gleichwohl ganz auf der Seite der UDP-Glucose, da das anfallende Pyrophosphat umgehend zu 2 Phosphaten hydrolysiert wird. Die Spaltung des Pyrophosphats wird von einer Pyrophosphatase katalysiert. In der UDP-Glucose stammt eines der beiden Phosphoratome aus dem Glucose-1-phosphat, das andere Phosphoratom stammt aus dem UTP.
Schritt 4: Übertragung der Glucose auf das Glykogenmolekül Die Glucose wird vom UDP abgelöst und reagiert mit der 4’-OH-Gruppe einer Glucoseeinheit des Glykogens. Die Reaktion wird von der Glykogen-Synthase katalysiert. Die von der Glykogen-Synthase verlängerten 4’-OH-Enden werden auch als die nicht reduzierenden Enden der jeweiligen Glucoseeinheiten bezeichnet. Zum
A
Begriff „nicht reduzierend“ s. S. 40. Die bäumchenartige Struktur des Glykogens bringt es mit sich, dass für die Reaktion sehr viele nicht reduzierende Enden zur Verfügung stehen. Die Bildung einer neuen α(1→4)-glykosidischen Bindung ist eine endergone Reaktion. Sie ist bei der Glykogensynthese nur möglich, weil die Esterbindung zwischen UDP und Glucose sehr viel Energie enthält, und diese Energie bei der Übertragung der Glucose freigesetzt wird. Das freigesetzte UDP kann mithilfe von ATP zu UTP regeneriert werden: UDP + ATP → UTP + ADP
▶
Klinik.
Glykogenspeicherkrankheiten (Glykogenosen) sind seltene Erkrankungen, die durch angeborene Defekte einzelner Enzyme des Glykogenstoffwechsels verursacht werden (s. a. S. 217, Tab. A 12.1). Bei der Glykogenose Typ 0 ist die Aktivität der Glykogen-Synthase erheblich vermindert. Bis zum Jahr 2010 waren weltweit nur 22 Patienten bekannt, die von dieser Krankheit betroffen waren. Der Enzymdefekt äußert sich in einem reduzierten Glykogengehalt der Leber, in einer Hyperglykämie kurz nach den Mahlzeiten („postprandial“) und einer Hypoglykämie im Hunger. In den meisten bislang bekannten Fällen war die Symptomatik nur schwach ausgeprägt. Bislang sind 15 unterschiedliche Glykogenosen beschrieben worden (s. Tab. A 12.2). Bei den meisten Glykogenosen ist ein Bezug zum Glykogenstoffwechsel nur indirekt gegeben. Die Häufigkeit aller Glykogenosen zusammen beträgt ca. 1:25 000. Eine aktuelle Zusammenstellung aller bekannten angeborenen Stoffwechselkrankheiten ist im Internet zugänglich über http://omim.org.
A-12.1
Die häufigsten Störungen des Kohlenhydratstoffwechsels bei Kindern und Jugendlichen
Stoffwechselkrankheit
Ursache bzw. betroffenes Enzym
207
12.2 Glykogensynthese
synthese reagiert UDP-Glucose mit den nicht reduzierenden Enden des Glykogens.
Das freigesetzte UDP kann mithilfe von ATP zu UTP regeneriert werden.
▶
Klinik.
A-12.1
Häufigkeit
erworbene Stoffwechselstörungen Diabetes mellitus Typ 1
Insulinmangel
1:350 (bis zum 18. Lebensjahr)
angeborene Stoffwechselstörungen Fructoseintoleranz
Aldolase B
1:20 000
Galaktosämie
Galaktose-1-phosphat-Uridyltransferase
1:40 000
Typ I (Gierke)
Glucose-6-phosphatase des ER
< 1:100 000
Typ II (Pompe)
α-Glucosidase der Lysosomen
< 1:100 000
Glykogenosen:
Typ III (cori)
Glykogen-Debranching-Enzyme
< 1:100 000
Typ VI (Hers)
Glykogen-Phosphorylase der Leber
1:100 000
Neubildung von Glykogen
Neubildung von Glykogen
Für die Neubildung von Glykogen ist Glykogenin erforderlich, es bildet den Kern jedes Glykogenmoleküls. Glykogenin ist ein Glykoprotein von 37 kDa mit Glucosyltransferase-Aktivität. Es bildet Homo-Dimere, in denen sich die Untereinheiten gegenseitig glucosylieren. Wie die Glykogen-Synthase benötigt auch Glykogenin als Substrat UDP-Glucose. Das erste Glucosemonomer wird auf das Tyrosin der Position 194 übertragen. An dieses werden dann – katalysiert von Glykogenin – weitere Glucosemonomere angehängt, bis ein Oligosaccharid von 8 Glucoseeinheiten entstanden ist. Dieses Oligosaccharid bleibt mit dem Tyrosin des Glykogenins kovalent verbunden und dient nun als Starter (Primer) für die Glykogen-Synthase (Abb. A 12.6 a).
Für die Neubildung von Glykogen ist Glykogenin erforderlich. Dieses Glykoprotein mit Glucosyltransferase-Aktivität bildet Dimere, die sich gegenseitg glucosylieren. Substrat ist UDP-Glucose. Die Glucose-Oligosaccharide dienen als Starter (Primer) für die GlykogenSynthase (Abb. A 12.6 a).
208 A-12.2
A
12 Speicherung und Bereitstellung von Kohlenhydraten
Glykogenosen (Glykogenspeicherkrankheiten)
Typ
Name
Enzymdefekt
0
Defekt der Glykogen-Synthase
I
von Gierke:
Genlokus
Organbefall
Symptome
Häufigkeit unter den Glykogenosen
12p12.2
Leber
postprandiale Hyperglykämie, Hypoglykämie im Hunger
selten
Ia
Glukose-6-Phosphatase
17q21
Leber
Hepatomegalie, Hyperlipidämie, Urikämie, Hypoglykämie
25 %
Ib
Glukose-6-phosphat-Transporter
11q23
Leber
ähnlich wie bei Typ I a, außerdem Neutropenie
selten
II
Pompe
lysosomale 1,4-Glukosidase
17p25
generalisiert
Kardiomegalie, Herzinsuffizienz, Muskelschwäche, Hypotonie
15 %
III
Forbes Cori
Amylo-1,6-Glukosidase
1p21
Leber
mäßige Hepato- und Kardiomegalie, Epilepsie
20 %
IV
Andersen (Amylopektinose)
Amylo-1,4-1,6Transglukosidase
3p12
Leber, Herz
Leberzirrhose
selten
V
McArdle
Muskelphosphorylase
11q13
Skelettmuskulatur
Muskelschwäche
selten
VI
Hers
Leberphosphorylase
14q21-22
Leber
Hepatomegalie
35 %
VII
Tarui
Phosphofructokinase
12q13.3
Skelettmuskulatur
schnelle Muskelerschöpfung Störung der Glykolyse
selten
VIII
wurde inzwischen umbenannt in Glykogenose Typ IX a
IX
Defekte der Untereinheiten der Phosphorylase-Kinase:
IX a
Untereinheit α
Xp22
Leber
Hepatomegalie
selten
IX b
Untereinheit β
16q12
Leber
Hepatomegalie
selten
IX c
Untereinheit γ
16q11
Leber
Hepatomegalie
selten
X
Defekt der Phosphoglycerat-Mutase (PGM)
7p13
Muskel, Leber
schnelle Muskelerschöpfung Myalgie, Hepatomegalie
selten
XI
Defekt der Lactat-Dehydrogenase (LDH-Isotyp M, LDH-A)
11p15
Muskel
schnelle Muskelerschöpfung
selten
XII
Defekt der Aldolase A
16p11
Muskel
schnelle Muskelerschöpfung chronische Hämolysen
selten
XIII
Defekt der β-Enolase (Enolase der Muskulatur)
17p13
Muskel
schnelle Muskelerschöpfung Myalgie
selten
XIV
Defekt der Phosphoglucomutase-1
1p31
Muskel
Muskelkrämpfe
selten
XV
Defekte des Glykogenins
3q24
generalisiert
Muskelschwäche, Herzrhythmusstörungen
selten
▶ Merke.
Ausgehend von Glykogenin bilden sich Glykogengranula von 20 – 30 nm Durchmesser, die β-Granula (Abb. A 12.7 a). β-Granula enthalten bis zu 50 000 Glucosemonomere
▶ Merke.
Die Verzweigungen des Glykogenmoleküls entstehen unter Katalyse der Amylo-1,4→1,6-Transglucosylase (Glykogen-Verzweigungsenzym, engl. Branching Enzyme). Das Enzym bindet an lineare Ketten, die mindestens 11 Glucosemonomere umfassen, und löst ein endständiges Oligosaccharid von 7 Glucosemonomeren ab. Dieses Oligosaccharid überträgt es auf die C 6-OH-Gruppe eines Glucoserests der gleichen oder einer anderen Glucosekette (Abb. A 12.6 b). Das Enzym arbeitet so, dass die Verzweigungspunkte innerhalb eines Glykogenmoleküls durch mindestens 4 Glucosemonomere voneinander getrennt sind. Ausgehend von Glykogenin bilden sich im Zytosol vieler Zellen auf diese Weise Glykogengranula, die bis zu 50 000 Glucosemonomere enthalten. Die Granula erreichen einen Durchmesser von 20 – 30 nm und damit die Größe von Ribosomen. Ähnlich den Ribosomen sind sie im Elektronenmikroskop nachweisbar, sie werden
A
209
12.2 Glykogensynthese
Neubildung von Glykogen ausgehend von Glykogenin
A-12.6
8 UDP-Glc
Tyr194 –OH
8 UDP
Tyr194 –O-Glc-Glc-Glc-Glc-Glc-Glc-Glc-Glc
katalysiert vom Glykogenin Glykogenin UDP-Glc
UDP Tyr194 –O-Glc-Glc-Glc-Glc-Glc-Glc-Glc-Glc-Glc . . .
katalysiert von der Glykogen-Synthase a mindestens 11 Glucoseeinheiten CH2OH O OH
CH2OH O 1 OH O
HO
α
OH
CH2OH O OH
OH
CH2OH O OH O
HO OH
CH2OH O OH
4
O
O n
OH
OH
CH2OH O OH O
Ablösung eines Oligosaccharids (7 Glucoseeinheiten), Übertragung auf C6–OH-Gruppe
Glykogen
CH2OH O OH O
CH2OH O OH O
OH
OH
CH2OH O OH O
CH2OH O OH
1
O
OH
OH
OH
α
O 6
CH2OH O OH HO
CH2OH O OH O
OH
b
CH2 O OH O
OH
CH2OH O OH O
O n
OH
Glykogen
OH
a Glykogenin. b Funktion der Amylo-1,4→1,6-Transglucosylase (Branching Enzyme).
traditionell als β-Granula bezeichnet. Mit den Glykogengranula sind Enzyme assoziiert, die für die Synthese und für den Abbau des Glykogens benötigt werden (Abb. A 12.7 b). In Hepatozyten lagern sich die Glykogengranula überwiegend zu größeren rosettenförmigen Aggregaten zusammen, die als α-Granula bezeichnet werden, ihr Durchmesser beträgt ca. 150 nm (Abb. A 12.7 a).
Glykogengranula
A-12.7
A-12.7
Mi
rER α
a
sowie die für die Synthese und für den Abbau des Glykogens benötigten Enzyme (Abb. A 12.7 b). In Hepatozyten findet man größere rosettenförmige α-Granula.
b
a Rosettenförmige Glykogengranula (α-Granula) in einem Hepatozyten (Ratte). Elektronenmikroskopische Darstellung. Mi: Mitochondrien, rER: raues endoplasmatisches Retikulum (aus Lüllmann-Rauch, Taschenlehrbuch Histologie, Thieme, 2009). b Schematische Darstellung der Struktur des Glykogens (nach Doenecke et al., Karlsons Biochemie und Pathobiochemie, Thieme, 2005).
210
A
12.2.2 Regulation der Glykogensynthese
12.2.2 Regulation der Glykogensynthese
▶ Merke.
A-12.8
12 Speicherung und Bereitstellung von Kohlenhydraten
▶ Merke. Das Schlüsselenzym der Glykogensynthese ist die Glykogen-Synthase. Sie steht unter dem Einfluss der Hormone Glukagon, Adrenalin und Insulin und wird durch Phosphorylierung bzw. Dephosphorylierung reguliert (Abb. A 12.8): Glukagon und Adrenalin induzieren die Phosphorylierung = Inaktivierung der Glykogen-Synthase. Insulin induziert die Dephosphorylierung = Aktivierung der Glykogen-Synthase.
A-12.8
Inaktivierung der Glykogen-Synthase und Aktivierung der GlykogenPhosphorylase nach Ausschüttung von Adrenalin Adrenalin
Rezeptor
Adenylatzyklase Adenin
PPi
GTP
ATP
O
cAMP –
O
aktiviert allosterisch Glykogen-Synthase-Kinase-3, GSK-3
P
O
OH
O
Proteinkinase A, PKA
phosphoryliert GlykogenSynthase
O
CH2
phosphoryliert
phosphoryliert P
GlykogenPhosphorylase b inaktiv
inaktiv
Phosphorylase-Kinase
P
P GlykogenPhosphorylase a aktiv UDP-Glucose
Glykogen
Glucose-1-phosphat
Die entscheidenden Komponenten sind orange markiert.
Regulation bei steigendem Bedarf an Glucose Adrenalin und Glukagon lösen eine Aktivierung der cAMP-abhängigen Proteinkinase A (PKA) aus (Abb. A 12.8). Die PKA phosphoryliert die Glykogen-Synthase und inaktiviert sie (Glykogensynthese ↓) und außerdem die Phosphorylase-Kinase. Diese phosphoryliert daraufhin die Glykogen-Phosphorylase, die dadurch aktiviert wird (Glykogenabbau ↑).
Neben der PKA sind weitere Kinasen an der Inaktivierung der Glykogen-Synthase beteiligt, z. B. die Glykogen-Synthase-Kinase 3 (GSK-3) (Abb. A 12.8).
Regulation bei steigendem Bedarf an Glucose Adrenalin und Glukagon werden ausgeschüttet, wenn der Energieumsatz in den Zellen gesteigert werden soll. Beide Hormone lösen in ihren Zielzellen eine Aktivierung der Adenylatzyklase aus. Die Konzentration des intrazellulären Hungersignals cAMP nimmt zu. Das cAMP aktiviert die cAMP-abhängige Proteinkinase A (PKA) (Abb. A 12.8). Die PKA katalysiert die Phosphorylierung der Glykogen-Synthase an mehreren Serinresten. Das Enzym wird dadurch inaktiviert, die Glykogensynthese wird gestoppt. Die PKA phosphoryliert zudem die Phosphorylase-Kinase. Diese phosphoryliert und aktiviert dadurch die Glykogen-Phosphorylase, die den Glykogenabbau katalysiert (S. 88). Indem die Glykogensynthese blockiert und gleichzeitig der Glykogenabau gesteigert wird, steht daraufhin wieder mehr Glucose für die Energiegewinnung zur Verfügung. Neben der PKA greifen auch andere Kinasen in die Regulation der Glykogensynthese ein. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Glykogen-Synthase-Kinase 3 (GSK-3), die sich parallel zur PKA an der Phosphorylierung und Inaktivierung der Glykogen-Synthase beteiligt (Abb. A 12.8).
Regulation bei Überangebot an Glucose
Regulation bei Überangebot an Glucose
Insulin bewirkt eine Dephosphorylierung und damit eine Aktivierung der GlykogenSynthase durch (Abb. A 12.9)
Insulin vermittelt in den Zielzellen eine Dephosphorylierung und damit eine Aktivierung der Glykogen-Synthase (Abb. A 12.9):
A
A-12.9
211
12.2 Glykogensynthese
Aktivierung der Glykogensynthese durch Insulin
A-12.9
Insulin
Rezeptor
Phosphodiesterase Adenin
O –
cAMP
Proteinkinase B
O
P
CH2
HO
P inaktiv
Glykogensynthase b
O
PKA
P inaktiv
O
O–
AMP
phosphoryliert GSK-3
P
OH
inaktiv
GlykogenPhosphorylase b
inaktiv
Phosphoprotein-Phosphatase 1, PP-1
allosterisch durch Glucose-6-phosphat aktiviert Glykogensynthase a aktiv UDP-Glucose Glykogen
Glucose-1-phosphat
Die Phosphoprotein-Phosphatase 1 (PP-1) dephosphoryliert sowohl die Glykogen-Synthase als auch die Glykogen-Phosphorylase. Die entscheidenden Komponenten sind orange markiert.
Insulin bewirkt eine erhöhte Aktivität der Phosphodiesterase, die das cAMP in den Zellen hydrolysiert. Die Konzentration des intrazellulären Hungersignals cAMP nimmt ab, die PKA wird inaktiv und die Phosphorylierung der GlykogenSynthase wird eingestellt. Insulin bewirkt eine Aktivierung der Proteinkinase B. Diese phosphoryliert und inaktiviert die GSK-3.
▶ Merke.
Die Steigerung der Glykogensynthese durch Insulin beruht im Wesentlichen auf einer Aktivierung der Proteinkinase B. Diese inaktiviert die GSK-3 und hebt damit die GSK-3-vermittelte Blockade der Glykogen-Synthase auf.
Die entscheidende Dephosphorylierung und damit die Aktivierung der GlykogenSynthase wird letztlich von der Phosphoprotein-Phosphatase 1 (PP-1) katalysiert. Parallel dephosphoryliert die PP-1 auch die Glykogen-Phosphorylase und inaktiviert sie dadurch. Die PP-1 ist ein dimeres Enzym, das aus einer regulatorischen Untereinheit G und einer katalytischen Untereinheit besteht. Die Untereinheit G vermittelt als Adapterprotein die Bindung an das Glykogen der Glykogengranula. Speziell im Muskelgewebe wird die Aktivität der PP-1 über die Bindung an das Glykogen reguliert. Eine Ausschüttung von Insulin führt über Prozesse, die im Detail noch umstritten sind, zu einer verstärkten Assoziation der PP-1 mit dem Glykogen und damit auch zu einer erleichterten Wechselwirkung mit den glykogengebundenen Enzymen: Die Entfernung der Phosphatgruppen von der Glykogen-Synthase und von der Glykogen-Phosphorylase wird erleichtert (Abb. A 12.10). Bei Ausschüttung von Adrenalin wird die Untereinheit G der PP-1 von der PKA an zwei Serinresten phosphoryliert. Die katalytische Untereinheit wird daraufhin abgelöst (Abb. A 12.10). Indem sie die Glykogengranula verlässt, verliert sie ihre Interaktionsmöglichkeiten mit den dort vorhandenen Enzymen. Diese behalten also ihre Phosphatgruppen. Da die Glykogen-Phosphorylase im phosphorylierten Zustand aktiv ist (Abb. A 12.8), kann sie den Abbau des Glykogens unter diesen Bedingungen uneingeschränkt fortführen. Glucose-6-phosphat ist ein allosterischer Aktivator der PP-1. Wenn die Konzentration des Glucose-6-phosphats in der Zelle steigt, kommt es – indirekt vermittelt durch die verstärkte Aktivität der PP-1 – sowohl zu einer vermehrten Glykogensynthese, als auch zu einer Hemmung des Glykogenabbaus.
Aktivierung der Phosphodiesterase → PKA inaktiv Aktivierung der Proteinkinase B → GSK-3 inaktiv
▶ Merke.
Phosphoprotein-Phosphatase 1 (PP-1) → Glykogen-Synthase aktiv → Glykogen-Phosphorylase inaktiv Die PP-1 hat eine katalytische und eine regulatorische Untereinheit. Mit der regulatorischen Untereinheit G bindet die PP-1 an die Glykogengranula. Insulin erleichtert die Bindung der PP-1 an das Glykogen und damit auch die Wechselwirkung mit den anderen glykogengebundenen Enzymen.
Adrenalin bewirkt eine Phosphorylierung der Untereinheit G. Die katalytische Untereinheit der PP-1 wird daraufhin abgelöst und sie verliert den Kontakt zu den phosphorylierten Proteinen der Umgebung (Abb. A 12.10). → Glykogen-Synthase und Glykogen-Phosphorylase bleiben phosphoryliert. Glucose-6-phosphat ist ein allosterischer Aktivator der PP-1.
212 A-12.10
A
12 Speicherung und Bereitstellung von Kohlenhydraten
Katalytische und regulatorische Untereinheit der Phosphoprotein-Phosphatase 1 (PP-1)
A-12.10
Ausschüttung von Insulin (niedrige cAMP-Konzentration):
Ausschüttung von Adrenalin (hohe cAMP-Konzentration): PKA-katalysierte Phosphorylierung zweier Serinreste der Untereinheit G P
regulatorische Glykogen Untereinheit G der PP-1
regulatorische Glykogen Untereinheit G der PP-1 katalytische Untereinheit der PP-1
12.3
Gluconeogenese
▶ Definition.
12.3.1 Funktion der Gluconeogenese im Stoffwechsel
P
dephosphoryliert die Glykogen-gebundene Glykogen-Synthase und Glykogen-Phosphorylase
katalytische Untereinheit der PP-1
12.3 Gluconeogenese ▶ Definition.
Als Gluconeogenese bezeichnet man die Bildung von Glucose aus Metaboliten, die keine Kohlenhydrate sind.
12.3.1 Funktion der Gluconeogenese im Stoffwechsel
Energie wird in der Gluconeogenese nicht gewonnen.
Die Gluconeogenese ermöglicht die Aufrechterhaltung einer Blutglucosekonzentration von ca. 3,5 mM (ca. 60 mg/100 ml) auch während Hunger- und Fastenphasen, also unter Bedingungen, unter denen die Kohlenhydrate der letzten Mahlzeit bereits verdaut und resorbiert sind und die Glykogenvorräte der Skelettmuskulatur und der Leber bereits zur Neige gehen. Diese Blutglucosekonzentration darf nicht unterschritten werden, weil das ZNS und die Erythrozyten auf Glucose als Energielieferanten angewiesen sind (S. 778). Während das ZNS, vor allem das Gehirn, bei normaler Ernährung pro Tag etwa 150 g Glucose verbraucht, ist der Verbrauch im Fasten durch partielle Umstellung des Stoffwechsels auf die Verwertung von Ketonkörpern auf ca. 50 g pro Tag reduziert. Die Erythrozyten sind unter allen Stoffwechselbedingungen auf einen Verbrauch von etwa 50 g pro Tag angewiesen. Im Fasten müssen somit täglich ca. 100 g Glucose synthetisiert werden. Man kann die Gluconeogenese als anabolen oder als katabolen Stoffwechselweg bezeichnen. Isoliert betrachtet handelt es sich sicherlich um einen anabolen Stoffwechselweg, auf dem ein wertvoller Energieträger gebildet wird. Im Kontext des gesamten Stoffwechsels hingegen stellt die Gluconeogenese lediglich einen Umweg beim Abbau von Energiespeichern und in diesem Sinne einen katabolen Stoffwechselweg dar. Die stoffwechselphysiologische Funktion der Gluconeogenese besteht darin, in einer Zeit des Mangels den Abbau der Energiespeicher in einer Weise zu ermöglichen, die auch die besonderen Bedürfnisse des Gehirns und der Erythrozyten berücksichtigt. Energie wird in der Gluconeogenese nicht gewonnen, vielmehr muss Energie aufgewendet werden (s. S. 217).
12.3.2 Ort der Gluconeogenese
12.3.2 Ort der Gluconeogenese
Die Gluconeogenese findet überwiegend in der Leber statt. Im Fasten können 25 – 50 % der Glucose von der Niere (den Zellen des proximalen Tubulus) beigesteuert werden.
Die Gluconeogenese findet überwiegend in der Leber statt. Neuere Untersuchungen haben allerdings gezeigt, dass der Beitrag der Niere zur Gluconeogenese wesentlich größer ist, als traditionell angenommen wurde. Im Fasten können 25 – 50 % der Glucose von der Niere beigesteuert werden. Die Gluconeogenese ist dabei auf den proximalen Tubulus beschränkt. Die Zellen des proximalen Tubulus sind zur Glykolyse nicht in der Lage; ihre entscheidende Energiequelle sind Fettsäuren und Ketonkörper. Innerhalb der Niere wird Glucose von den Zellen des distalen Tubulus verwertet sowie in größerem Umfang vom Nierenmark. Die Zellen des Nierenmarks enthalten kaum Mitochondrien, sodass die ATP-Synthese hier ähnlich wie in den Erythrozyten ausschließlich durch Substratkettenphosphorylierung in der Glykolyse erfolgt. So wird ein Teil der in den proximalen Tubuli produzierten Glucose bereits im Nierenmark wieder verbraucht. Umso bemerkenswerter ist es, dass gleichwohl
Gluconeogenese ermöglicht die Aufrechterhaltung einer Blutglucosekonzentration von ca. 3,5 mM (ca. 60 mg/100 ml). Da das ZNS und die Erythrozyten auf Glucose als Energielieferanten angewiesen sind, müssen im Fasten täglich ca. 100 g Glucose synthetisiert werden.
Isoliert betrachtet stellt die Gluconeogenese einen anabolen Stoffwechselweg, im Kontext des Gesamtstoffwechsels aber nur einen Umweg beim Abbau von Energiespeichern, d. h. einen katabolen Stoffwechselweg dar, der die besonderen Bedürfnisse von ZNS und Erythrozyten berücksichtigt.
A
213
12.3 Gluconeogenese
bereits nach kurzem Fasten (z. B. über Nacht) ein erheblicher Teil der Glucose, die im systemischen Blutkreislauf nachweisbar ist, aus der Niere stammt.
12.3.3 Mechanismus der Gluconeogenese
12.3.3 Mechanismus der Gluconeogenese
Im Prinzip handelt es sich bei der Gluconeogenese um eine rückwärts laufende Glykolyse: Während in der Glykolyse Glucose zu Pyruvat abgebaut wird, entsteht in der Gluconeogenese aus Pyruvat Glucose. Allerdings sind drei Reaktionen der Glykolyse irreversibel (stark negatives ΔG, vgl. S. 77), müssen also bei der Gluconeogenese umgangen und von anderen Enzymen katalysiert werden: (I) Phosphoenolpyruvat (PEP) → Pyruvat (Pyruvat-Kinase-Reaktion). Die Phosphatgruppe ist im PEP durch eine ausgesprochen energiereiche Esterbindung gebunden (ΔG°’ = – 61,9 kJ/Mol). Um das energiereiche PEP ausgehend von Pyruvat zu synthetisieren, wird dieses in der Gluconeogenese zunächst in einer ATP-abhängigen Reaktion zu Oxalacetat carboxyliert. Über weitere Zwischenschritte wird dann GTP-abhängig das PEP erhalten (Abb. A 12.11).
Im Prinzip handelt es sich bei der Gluconeogenese um eine rückwärts laufende Glykolyse. Lediglich drei Reaktionen der Glykolyse sind irreversibel und müssen deshalb bei der Gluconeogenese umgangen und von alternativen Enzymen katalysiert werden.
A-12.11
Reaktionsschritte der Gluconeogenese (rot) und der Glykolyse (grün)
Enzyme, die irreversible Schritte der Glykolyse katalysieren: Hexokinase
Gluconeogenesespezifische Enzyme:
Glucose ATP
Pi
Glucose-6-Phosphatase H2O (im ER)
ADP Glucose-6-phosphat
Fructose-6-phosphat Phosphofructo- ATP kinase-1 ADP
Pi
Fructose-1,6-Bisphosphatase H2O (im Zytosol)
Fructose-1,6-bisphosphat Dihydroxyacetonphosphat Glycerinaldehyd-3-phosphat NAD+
Pi
NADH + H+ 1,3-Bisphosphoglycerat ADP ATP 3-Phosphoglycerat
2-Phosphoglycerat – H 2O
+ H2O
Phosphoenolpyruvat
CO2 GDP
Pyruvat-Kinase
GTP
ADP
PhosphoenolpyruvatCarboxykinase (PEPCK) (im Zytosol)
Oxalacetat
ATP
ADP Pyruvat
ATP CO2
Pyruvat-Carboxylase (in Mitochondrien)
Die Reaktion der Pyruvat-Kinase ist irreversibel, weil die Phosphatgruppe im PEP durch eine außerordentlich energiereiche Esterbindung gebunden ist (Abb. A 12.11).
A-12.11
214
Die Synthese von Fructose-1,6-bisphosphat und Glucose-6-phosphat ist in der Glykolyse irreversibel, da sie an eine Hydrolyse von ATP gebunden ist (Abb. A 12.11).
A
12 Speicherung und Bereitstellung von Kohlenhydraten
(II) Fructose-6-phosphat → Fructose-1,6-bisphosphat (Phosphofructokinase-Reaktion). (III) Glucose → Glucose-6-phosphat (Hexokinase-Reaktion). Die Synthese von Glucose-6-phosphat und Fructose-1,6-bisphosphat ist in der Glykolyse mit einer Hydrolyse von ATP verbunden. Eine einfache Umkehr dieser Reaktionen würde somit eine Synthese von ATP erfordern, dazu fehlt den beteiligten Enzymen aber die Energie. In den entsprechenden Schritten der Gluconeogenese werden deshalb Enzyme verwendet, die von den Metaboliten einfach eine Phosphatgruppe abspalten (Abb. A 12.11).
Die Reaktionen der GAPDH und der Phosphoglycerat-Kinase sind reversibel.
Hinweis: Die Glycerinaldehyd-3-phosphat-Dehydrogenase (GAPDH) und die Phosphoglycerat-Kinase katalysieren in der Glykolyse die Bildung des NADH bzw. die Bildung von ATP durch Substratkettenphosphorylierung. Interessanterweise arbeiten diese beiden Enzyme in der Zelle nahe dem chemischen Gleichgewicht (!). Die Reaktionen sind also durchaus reversibel, sodass beide Enzyme auch in der Gluconeogenese verwendet werden können.
Reaktionsschritte
Reaktionsschritte
Schritte 1 und 2: Pyruvat → Oxalacetat → Phosphoenolpyruvat
Schritte 1 und 2: Pyruvat → Oxalacetat → Phosphoenolpyruvat
Die Bildung von Phosphoenolpyruvat (PEP) aus Pyruvat führt über Oxalacetat, das aus den Mitochondrien ins Zytosol transportiert werden muss.
Die Bildung von Phosphoenolpyruvat (PEP) aus Pyruvat ist der aufwendigste Teil der Gluconeogenese, denn Pyruvat wird in den Mitochondrien zu Oxalacetat carboxyliert, Oxalacetat wird in das Zytosol transportiert, im Zytosol wird Oxalacetat zu PEP decarboxyliert.
Schritt 1: Pyruvat → Oxalacetat (im Mitochondrium). Enzym: Pyruvat-Carboxylase. Fest gebundenes Coenzym ist Biotin, das in einer ATP-abhängigen Reaktionssequenz CO2 bindet und es auf die Methylgruppe des Pyruvats überträgt (Abb. A 12.12).
Schritt 1: Pyruvat → Oxalacetat. Dieser Schritt findet in den Mitochondrien statt, katalysiert von der Pyruvat-Carboxylase. Die Carboxylierung wird vom Coenzym Biotin (Vitamin H, s. S. 114) vermittelt, das mit einem Lysinrest der Pyruvat-Carboxylase kovalent verbunden ist. Der Lysinrest ist mehrere C-Atome lang, sodass Biotin am Ende eines 1,4 nm langen beweglichen Arms sitzt. Es bindet in einer ATP-abhängigen Reaktionssequenz CO2: Zunächst reagiert ATP mit Bicarbonat (HCO3–). Die endständige Phosphatgruppe löst sich als Carboxyphosphat ab und ADP bleibt zurück. Vom Carboxyphosphat wird dann ein CO2-Molekül auf eines der Stickstoffatome des Biotins übertragen. Anschließend überträgt Biotin das CO2-Molekül auf die Methylgruppe von Pyruvat (Abb. A 12.12).
A-12.12
Übertragung von CO2 auf Pyruvat durch Biotin
A-12.12
O HN
NH
S
C
H N
COOH Lys
Pyruvat-Carboxylase
C
O
CH2
O
COOH
Biotin HCO3– + ATP
Oxalacetat
O –
OOC
N
ADP + Pi
NH
S
COOH C
C
H N
Lys
Pyruvat-Carboxylase
O
CH3 Pyruvat
O
Man kann die Bereitstellung des Oxalacetats in der Gluconeogenese als Abzweigung des Citratzyklus ansehen. Jede anaplerotische Reaktion kann zur Gluconeogenese beitragen.
Oxalacetat ist ein Metabolit des Citratzyklus. Man kann die Bereitstellung des Oxalacetats in der Gluconeogenese deshalb auch als Abzweigung des Citratzyklus ansehen. In dieser Perspektive handelt es sich bei der Carboxylierung von Pyruvat zu Oxalacetat um eine anaplerotische Reaktion (S. 114), durch die dem Citratzyklus
A
215
12.3 Gluconeogenese
das verloren gegangene Oxalacetat wieder zugeführt wird. Tatsächlich kann auch jede andere anaplerotische Reaktion zur Gluconeogenese beitragen. Diese Möglichkeit wird insbesondere in der Niere genutzt, indem Glutamin und Glutamat zu αKetoglutarat abgebaut werden (S. 140). Export des Oxalacetats aus den Mitochondrien in das Zytosol:
Export des Oxalacetats aus den Mitochondrien:
▶ Merke.
Oxalacetat kann die mitochondriale Innenmembran nicht passieren, da die Membran kein Protein enthält, das den Transport vermitteln könnte. Deshalb muss Oxalacetat in einen anderen Metaboliten umgewandelt werden, für den ein Translokatorprotein existiert. Aus dem exportierten Metaboliten wird anschließend im Zytosol Oxalacetat regeneriert.
Oxalacetat kann in drei unterschiedliche membrangängige Metabolite umgewandelt werden (Abb. A 12.13): 1. Oxalacetat → Malat: Die Reduktion des Oxalacetats zu Malat wird von der MalatDehydrogenase des Citratzyklus katalysiert. Malat wird in das Zytosol exportiert. Dort katalysiert eine zytosolische Malat-Dehydrogenase die Oxidation des Malats zu Oxalacetat. In dieser Reaktion wird NADH gewonnen, welches von der Glycerinaldehyd-3-phosphat-Dehydrogenase (GAPDH) benötigt wird, um im Rahmen der Gluconeogenese die Bildung des Glycerinaldehyd-3-phosphats katalysieren zu können. 2. Oxalacetat → Aspartat: Die Reaktion wird von der mitochondrialen AspartatAminotransferase (ASAT) katalysiert, indem die Aminogruppe von Glutamat auf Oxalacetat übertragen wird (S. 148). Nach dem Export in das Zytosol wird Aspartat von einer zytosolischen Aspartat-Aminotransferase wieder zur Bildung von Oxalacetat verwendet. In diesem Fall wird die Aminogruppe des Aspartats auf zytosolisches α-Ketoglutarat übertragen. Hierbei wird im Gegensatz zu Exportweg 1 kein NADH produziert. Der Aspartat-Aminotransferase-Weg setzt deshalb voraus, dass im Zytosol bereits hinreichend NADH für die Gluconeogenese zur Verfügung steht. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Lactat als Ausgangs-
A-12.13
Bereitstellung von Oxalacetat in der Gluconeogenese
GTP
zytosolische AspartatAminotransferase
CitratLyase
GDP CO2 Phosphoenolpyruvat
Pyruvat CO2 α-Ketoglutarat
ATP
Glutamat
Aspartat
CoA, NAD+
CO2, NADH + H+ ADP + Pi Acetyl-CoA CitratSynthase NADH + H+
Oxalacetat AsparatAminotransferase
Citrat
Malat-Dehydrogenase NAD+ Malat
Es gibt drei Exportwege (Abb. A 12.13): 1. Oxalacetat → Malat: Enzym: Malat-Dehydrogenase des Citratzyklus. Im Zytosol katalysiert ein Isoenzym die Rückreaktion, in der NADH gewonnen wird.
2. Oxalacetat → Aspartat: Enzym: mitochondriale Aspartat-Aminotransferase. Im Zytosol katalysiert ein Isoenzym die Rückreaktion. Hierbei wird kein NADH gewonnen. Deshalb setzt dieser Exportweg voraus, dass im Zytosol bereits hinreichend NADH vorhanden ist, v. a. bei Verwendung von Lactat als Ausgangsstoff der Gluconeogenese.
A-12.13
Oxalacetat zytosolische MalatDehydrogenase
▶ Merke.
Isocitrat Citratzyklus
Die entscheidenden Metabolite sind grün markiert. Die Enzyme, die im Zytosol die Bildung von Oxalacetat katalysieren, sind rot markiert.
216
A
3. Oxalacetat + Acetyl-CoA → Citrat: Enzym: Citrat-Synthase des Citratzyklus. Die Rückreaktion im Zytosol katalysiert die ATP-abhängige Citrat-Lyase.
stoff für die Gluconeogenese dient, denn Lactat muss zu Pyruvat oxidiert werden, wobei NADH gebildet wird. 3. Oxalacetat + Acetyl-CoA → Citrat: Die Reaktion wird durch die Citrat-Synthase des Citratzyklus katalysiert. Citrat wird aus den Mitochondrien in das Zytosol exportiert. Dort wird die Rückreaktion von einer ATP-abhängigen Citrat-Lyase katalysiert. Hierbei wird neben Oxalacetat auch Acetyl-CoA gebildet, das im Zytosol u. a. zur Fettsäuresynthese verwendet werden kann (S. 226).
Schritt 2: Oxalacetat → Phosphoenolpyruvat (PEP): Enzym: PhosphoenolpyruvatCarboxykinase (PEPCK). Die Reaktion ist mit einer Freisetzung von CO2 und mit der Hydrolyse von GTP zu GDP verbunden.
Schritte 3 bis 7: PEP → Fructose-1,6bisphosphat Dies sind Schritte der Glykolyse, die in umgekehrter Richtung ablaufen. Bei der Reaktion 3-Phosphoglycerat → 1,3-Bisphosphoglycerat wird ATP verbraucht. Für die Synthese des Fructose-1,6-bisphosphats werden zwei Moleküle Glycerinaldehyd-3-phosphat benötigt.
Schritt 8: Fructose-1,6-bisphosphat → Fructose-6-phosphat Diesen Schritt katalysiert die Gluconeogenese-spezifische Fructose-Bisphosphatase.
Schritt 9: Fructose-6-phosphat → Glucose6-phosphat
12 Speicherung und Bereitstellung von Kohlenhydraten
Schritt 2: Oxalacetat → Phosphoenolpyruvat (PEP): Die Bildung von Phosphoenolpyruvat aus Oxalacetat wird im Zytosol von der Phosphoenolpyruvat-Carboxykinase (PEPCK) katalysiert. In dieser Reaktion wird die Carboxylgruppe, die zuvor in den Mitochondrien unter Beteiligung der Pyruvat-Carboxylase eingefügt worden war, in Form von CO2 abgespalten. Parallel wird das Molekül phosphoryliert, wobei die Phosphatgruppe von GTP geliefert wird. So entstehen neben dem Phosphoenolpyruvat 1 CO2 und 1 GDP.
Schritte 3 bis 7: PEP → Fructose-1,6-bisphosphat Die Schritte bis zum Fructose-1,6-bisphosphat entsprechen Reaktionen der Glykolyse, die nun in umgekehrter Richtung ablaufen. Dies gilt auch für den Schritt vom 3-Phosphoglycerat zum 1,3-Bisphosphoglycerat, der von der Phosphoglycerat-Kinase katalysiert wird. Während dieses Enzym in der Glykolyse die Bildung von ATP durch Substratkettenphosphorylierung katalysiert, wird vom gleichen Enzym nun ATP verbraucht, um die Reaktion in umgekehrter Richtung ablaufen zu lassen. Für die Synthese der Hexose Fructose-1,6-bisphosphat werden zwei Moleküle Glycerinaldehyd-3-phosphat benötigt. Dazu kann Dihydroxyacetonphosphat durch die Triosephosphat-Isomerase in Glycerinaldehyd-3-phosphat umgewandelt werden.
Schritt 8: Fructose-1,6-bisphosphat → Fructose-6-phosphat Hier weicht die Gluconeogenese von der Glykolyse ab, da die PhosphofructokinaseReaktion der Glykolyse nicht umkehrbar ist: Die Gluconeogenese-spezifische Fructose-Bisphosphatase spaltet die Phosphatgruppe am C-Atom 1 von Fructose1,6-bisphosphat ab.
Schritt 9: Fructose-6-phosphat → Glucose-6-phosphat
Enzym: Glucose-6-phosphat-Isomerase (s. Glykolyse!). Schritt 10: Glucose-6-phosphat → Glucose
Diesen Schritt katalysiert das Glykolyseenzym Glucose-6-phosphat-Isomerase.
Die Gluconeogenese-spezifische Glucose-6Phosphatase katalysiert die Dephosphorylierung von Glucose-6-phosphat. Sie kommt in Hepatozyten und den Zellen des proximalen Tubulus, nicht aber in Skelettmuskelzellen vor.
Hier weicht die Gluconeogenese wiederum von der Glykolyse ab, weil die Hexokinase-Reaktion der Glykolyse irreversibel ist: Die Gluconeogenese-spezifische Glucose-6-Phosphatase katalysiert die Dephosphorylierung von Glucose-6-phosphat. In Hepatozyten und in den Zellen des proximalen Tubulus der Niere kommt das Enzym in großen Mengen vor. In Skelettmuskelzellen dagegen fehlt es, weshalb die Skelettmuskulatur trotz ihrer oft sehr umfangreichen Glykogenvorräte keinen Beitrag zur Aufrechterhaltung der Glucosekonzentration im Blut leisten kann. Die Glucose-6-Phosphatase ist ein integrales Protein der Membran des endoplasmatischen Retikulums (ER). Bei der Gluconeogenese muss das gesamte Glucose-6phosphat unter Beteiligung eines Translokatorproteins in das Lumen (in den Innenraum) des ER transportiert werden. Nur hier kann die Phosphatgruppe vom Glucose-6-phosphat abgelöst werden. Anschließend verlässt die entstandene Glucose mithilfe eines weiteren Translokators das ER, diffundiert durch das Zytosol und verlässt die Zelle schließlich mithilfe eines Glucosetransporters der GLUT-Familie, z. B. GLUT 2.
Die Glucose-6-Phosphatase ist ein Membranprotein des ER. Glucose-6-phosphat wird in das Lumen des ER importiert und dort dephosphoryliert. Die entstandene Glucose wird dann zurück ins Zytosol transportiert.
▶ Merke.
Schritt 10: Glucose-6-phosphat → Glucose
▶ Merke.
An der Gluconeogenese sind Enzyme aus drei verschiedenen Zellkompartimenten beteiligt: Mitochondrien, Zytosol und ER.
A
▶ Klinik. Bei der Glykogenspeicherkrankheit (Glykogenose) Typ I (von Gierke) ist im klassischen Fall die Aktivität der Glucose-6-Phosphatase reduziert (Typ Ia). Ursache kann aber auch ein Defekt im Gen des Glucose-6-phosphat-Transporters sein (Typ Ib). Bei beiden Krankheitsformen kann Glucose-6-phosphat in den Hepatozyten und in den Zellen des proximalen Tubulus nicht hinreichend effizient dephosphoryliert werden, sodass es akkumuliert. Die Folge ist eine übermäßige Glykogensynthese vor allem in der Leber, die schon in den ersten Lebensmonaten zu einer ausgeprägten Hepatomegalie führt ( Abb. A 12.14). Oft sind auch die Nieren vergrößert, in denen bei dieser Krankheit ebenfalls Glykogen akkumuliert. Charakteristisch ist bei den Kindern das ausgeprägte Puppengesicht, das eine Folge der Stoffwechselstörung ist. Da in Leber und Nieren trotz hoher Konzentrationen an Glucose-6-phosphat keine Glucose synthetisiert werden kann, entwickeln sich zwischen den Mahlzeiten schwere Hypoglykämien, die Krampfanfälle auslösen können. Die Prognose ist gut, wenn Hypoglykämien durch häufige kohlenhydrathaltige Mahlzeiten vermieden werden. Die Glykogenose Typ I ist (nach Typ VI, Hers) die zweithäufigste Glykogenose. Sie wurde 1929 als erste Glykogenose von dem Pathologen Edgar von Gierke beschrieben.
A-12.14
217
12.3 Gluconeogenese
▶
Klinik.
6-jähriges Mädchen mit Glykogenose Typ I (von Gierke) (aus Sitzmann, Duale Reihe Pädiatrie, Thieme, 2007)
Energiebilanz
Energiebilanz
Für die Synthese von 1 Mol Glucose werden in der Gluconeogenese 6 Mol energiereicher Verbindungen benötigt: Pyruvat-Carboxylase:1 ATP → ADP + Pi Phosphoenolpyruvat-Carboxykinase (PEPCK)1 GTP → GDP + Pi Phosphoglycerat-Kinase1 ATP → ADP + Pi Da zur Synthese von 1 Mol Glucose 2 Mol Pyruvat benötigt werden, muss insgesamt eine Energie aufgewendet werden, die der Hydrolyse von 6 Mol ATP entspricht.
Zur Synthese von 1 Mol Glucose muss in der Gluconeogenese eine Energie aufgewendet werden, die 6 Mol ATP entspricht.
▶ Merke.
Die Bildung von 1 Glucose aus 2 Pyruvat erfordert 6 ATP. Da in der Glykolyse ausgehend von 1 Mol Glucose nur 2 Mol ATP gewonnen werden können, lässt sich auch aus einer Kombination von Gluconeogenese und Glykolyse kein Perpetuum mobile zusammenstellen.
12.3.4 Ausgangsstoffe der Gluconeogenese Zur Gluconeogenese werden zahlreiche Metabolite herangezogen. Ihre Anteile an der Gluconeogenese hängen von der jeweiligen Stoffwechsellage und vom Glucose synthetisierenden Gewebe ab. Die entscheidenden Ausgangsstoffe der Gluconeogenese sind: Lactat (über die Bildung von Pyruvat), Alanin (über die Bildung von Pyruvat), Glutamin und Glutamat, andere glucogene Aminosäuren, Glycerin.
▶ Merke.
12.3.4 Ausgangsstoffe der Gluconeogenese
218 Lactat entsteht in der Skelettmuskulatur bei Sauerstoffmangel, außerdem ständig in Erythrozyten. Es gelangt mit dem Blut zur Leber, wo es zu Glucose umgesetzt wird (→ CoriZyklus, S. 87).
▶ Merke.
A
12 Speicherung und Bereitstellung von Kohlenhydraten
Lactat entsteht in der Skelettmuskulatur bei anaerober Glykolyse, also bei Mangel an Sauerstoff, aus Pyruvat. Die Einstellung des Gleichgewichts zwischen Lactat und Pyruvat wird von der Lactat-Dehydrogenase (LDH) katalysiert (S. 86). ständig in Erythrozyten, da diese keine Mitochondrien enthalten und deshalb ausschließlich anaerobe Glykolyse betreiben. Beide Zellarten geben Lactat an das Blut ab, mit dem es in die Leber gelangt. Dort wird es zu Pyruvat oxidiert, das zu Glucose umgesetzt wird. Die Glucose gelangt mit dem Blut zu den Muskelzellen und Erythrozyten. Der Kreislauf aus Lactatbildung in der Peripherie und Gluconeogenese in der Leber wird als Cori-Zyklus bezeichnet (S. 87).
▶ Merke.
Lactat ist in Leber und Niere der quantitativ wichtigste Ausgangsstoff der Gluconeogenese.
Alanin: Die Skelettmuskulatur gibt erhebliche Mengen an Alanin an das Blut ab. In der Leber wird Alanin durch Transaminierung in Pyruvat umgewandelt, das der Gluconeogenese zugeführt wird.
Alanin: In den Geweben des Körpers werden ständig Proteine abgebaut und wieder aufgebaut. In diesem Zusammenhang gibt insbesondere die Skelettmuskulatur erhebliche Mengen an Alanin an das Blut ab, das zur Leber transportiert wird. Dort wird es zu Pyruvat transaminiert, das der Gluconeogenese zugeführt wird. Glucose bildet zusammen mit Alanin den Alaninzyklus (S. 138). Alanin ist also ein lebertypisches Substrat der Gluconeogenese, sein Beitrag zur Gluconeogenese ist jedoch weit geringer als der des Lactats.
Glutamin und Glutamat: In der Niere wird Glutamin zur Gluconeogenese herangezogen. Es wird in Glutamat umgewandelt, aus dem α-Ketoglutarat, ein Metabolit des Citratzyklus, entsteht. Diese anaplerotische Reaktion ermöglicht im weiteren Verlauf des Citratzyklus die Abzweigung von Oxalacetat als Vorstufe der Gluconeogenese.
Glutamin und Glutamat: In der Niere wird weniger Alanin zur Gluconeogenese herangezogen, dafür aber umso mehr Glutamin. Es wird in den Zellen des proximalen Tubulus mithilfe der Glutaminase durch hydrolytische Desaminierung in Glutamat umgewandelt. Das dabei gewonnene Ammoniak dient zur Neutralisation der Säuren im Urin (S. 760). Aus Glutamat entsteht durch Transaminierung oder oxidative Desaminierung α-Ketoglutarat, ein Metabolit des Citratzyklus (S. 107). In gleichem Umfang wie α-Ketoglutarat dem Citratzyklus zugeführt wird (anaplerotische Reaktion), kann Oxalacetat aus dem Citratzyklus abgezweigt und der Gluconeogenese zugeführt werden. Glutamin ist zwar ein nierentypisches Substrat der Gluconeogenese, aber auch in der Niere ist Lactat die quantitativ wichtigste Vorstufe der Gluconeogenese. Grundsätzlich können alle Aminosäuren, die zu Pyruvat oder zu Metaboliten des Citratzyklus abgebaut werden, einen Beitrag zur Gluconeogenese leisten (sog. glucogene Aminosäuren). Dies sind alle proteinogenen Aminosäuren mit Ausnahme von Lysin und Leucin (S. 52).
Außer Lysin und Leucin sind auch die anderen proteinogenen Aminosäuren glucogen.
Glycerin entsteht in großen Mengen beim Abbau der Triacylglycerine. Es wird über Glycerin-3-phosphat und Dihydroxyacetonphosphat der Gluconeogenese zugeführt.
Glycerin entsteht in großen Mengen beim Abbau der Triacylglycerine. Das Fettgewebe gibt Glycerin an das Blut ab, mit dem es in die Leber gelangt. Im Zytosol der Hepatozyten katalysiert eine Glycerin-Kinase unter ATP-Verbrauch die Phosphorylierung des Glycerins zu Glycerin-3-phosphat. Dieses wird mithilfe von NAD+ zu Dihydroxyacetonphosphat (= Glyceron-3-phosphat) oxidiert. Damit ist bereits ein Metabolit der Gluconeogenese entstanden. Sofern Glucose ausgehend von Glycerin gebildet wird, brauchen pro Mol Glucose also nur 2 Mol ATP aufgewendet zu werden.
12.3.5 Regulation der Gluconeogenese
12.3.5 Regulation der Gluconeogenese
Die vier Schlüsselenzyme der Gluconeogenese sind: Pyruvat-Carboxylase, PEPCK, Fructose-1,6-Bisphosphatase, Glucose-6-Phosphatase.
Die Gluconeogenese hat vier Schlüsselenzyme. Sie werden zur Umgehung der irreversiblen Glykolyseschritte benötigt: Pyruvat-Carboxylase, Phosphoenolpyruvat-Carboxykinase (PEPCK), Fructose-1,6-Bisphosphatase, Glucose-6-Phosphatase. Die Regulation dieser Schlüsselenzyme erfolgt Allosterisch: Auf diese Weise sind kurzfristig Wirkungen zu erzielen. Hormonell: Hormone (Glukagon, Adrenalin, Glucocorticoide, Insulin) stimulieren oder hemmen die Transkription der Gene der Schlüsselenzyme. Hier ist die Latenz bis zum Wirkungseintritt, aber auch die Wirkungsdauer größer (längerfristige Wirkung).
Ihre Regulation erfolgt allosterisch: kurzfristige Wirkungen hormonell: längerfristige Wirkungen
A
219
12.3 Gluconeogenese
Allosterische Regulation
▶ Merke.
Wichtigster allosterischer Regulationsmechanismus ist die Hemmung der Fructose-1,6-Bisphosphatase, des zentralen Schlüsselenzyms der Gluconeogenese, durch Fructose-2,6-bisphosphat. Dieses ist gleichzeitig der wichtigste allosterische Aktivator der Phosphofructokinase-1 (PFK-1), des zentralen Schlüsselenzyms der Glykolyse. So ist sichergestellt, dass in einer Zelle entweder die Glykolyse oder die Gluconeogenese stimuliert wird, nie beide Prozesse gleichzeitig.
Allosterische Regulation
▶ Merke.
Die Pyruvat-Carboxylase wird durch Acetyl-CoA allosterisch aktiviert. Der Einstieg in die Gluconeogenese wird in den Mitochondrien also bei hohen Acetyl-CoA-Konzentrationen erleichtert. Diese Situation ist vor allem im Hunger und im Fasten gegeben, wenn der Abbau der Fettsäuren durch β-Oxidation in den Mitochondrien gesteigert wird. Das dabei anfallende Acetyl-CoA aktiviert die Pyruvat-Dehydrogenase (PDH)-Kinase, die die PDH durch Phosphorylierung inaktiviert (S. 102). Dadurch wird der Umsatz des Citratzyklus gedrosselt, und das Acetyl-CoA wird vermehrt zur Bildung von Ketonkörpern verwendet.
Die Pyruvat-Carboxylase wird durch AcetylCoA allosterisch aktiviert.
Hormonelle Regulation
Hormonelle Regulation
Das Peptidhormon Glukagon wird von den A-Zellen des Pankreas ausgeschüttet, wenn die Konzentration der Glucose im Blut sehr niedrig ist. Glukagon entfaltet seine Wirkungen vor allem in der Leber. Hier stimuliert es die Gluconeogenese durch zwei Mechanismen: 1. Es induziert die Transkription aller vier Schlüsselenzyme der Gluconeogenese. 2. Es senkt die intrazelluläre Fructose-2,6-bisphosphat-Konzentration: Diese Wirkung wird durch cAMP vermittelt: cAMP stimuliert die cAMP-abhängige Proteinkinase A (PKA), und diese phosphoryliert das bifunktionelle Enzym der Hepatozyten (S. 82). Hierdurch wird die Fructose-2,6-Bisphosphatase-Aktivität des Enzyms stimuliert, die Domäne mit Kinaseaktivität (Phosphofructokinase-2 = PFK-2) aber gehemmt. Beide Effekte haben zur Folge, dass Fructose-2,6-bisphosphat abgebaut wird. Dadurch wird die Hemmung der Fructose-1,6-Bisphosphatase aufgehoben und die Phosphofructokinase-1 (PFK-1) nicht mehr aktiviert.
Glukagon stimuliert die Gluconeogenese in der Leber durch 1. Induktion der Transkription aller Schlüsselenzyme der Gluconeogenese, 2. Senkung der intrazellulären Fructose2,6-bisphosphat-Konzentration Angriffspunkt ist das bifunktionelle Enzym der Hepatozyten. Die Wirkung wird von cAMP vermittelt.
▶ Merke.
Glukagon stimuliert in der Leber die Gluconeogenese und hemmt die Glykolyse. Der entscheidende Schalter ist dabei die Abnahme der Konzentration an Fructose-2,6-bisphosphat.
▶ Merke.
Adrenalin, das wichtigste Hormon aus der Gruppe der Katecholamine (S. 569), wird vom Nebennierenmark freigesetzt, um kurzfristig die Bereitstellung von ATP zu erleichtern. Es hat generell eine Erhöhung der intrazellulären cAMP-Konzentration zur Folge. In der Leber wirkt es dadurch synergistisch mit Glukagon Es stimuliert dort also die Gluconeogenese und hemmt die Glykolyse. Wie wird verhindert, dass Adrenalin die Glykolyse auch in der Skelettmuskulatur hemmt? Im Skelettmuskel wird eine Isoform des bifunktionellen Enzyms exprimiert, der PKA-Phosphorylierungsstellen fehlen. Deshalb hat Adrenalin hier keinen Effekt. Bei der Isoform des bifunktionellen Enzyms im Herzmuskel stimuliert die Phosphorylierung die Domäne mit Kinaseaktivität, sodass verstärkt Fructose-2,6bisphosphat gebildet und die Glykolyse beschleunigt wird.
Adrenalin steigert die intrazelluläre cAMPKonzentration. In der Leber wirkt es dadurch synergistisch mit Glukagon: Es stimuliert dort die Gluconeogenese und hemmt die Glykolyse.
Glucocorticoide: Auch Glucocorticoide steigern die Transkription der vier Schlüsselenzyme der Gluconeogenese. Der wichtigste Vertreter der Glucocorticoide, Cortisol, wird bei länger anhaltendem Nahrungsmangel von der Zona fasciculata der Nebennierenrinde freigesetzt und ist generell für die Koordination des Stoffwechsels in Hunger- und Fastenzeiten von zentraler Bedeutung. So induziert Cortisol auch einen vermehrten Abbau von Muskelproteinen. Die dabei freigesetzten Aminosäuren können dann zur Gluconeogenese verwendet werden. Unter dem Einfluss von Cortisol werden vermehrt Aminotransferasen gebildet, sodass die Einspeisung der Aminosäuren in die Gluconeogenese erleichtert wird. Cortisol verstärkt also in der Muskulatur den katabolen Stoffwechsel, während es in der Leber und in der Niere die Gluconeogenese stimuliert.
Glucocorticoide: Auch Glucocorticoide (wichtigster Vertreter: Cortisol) induzieren die Schlüsselenzyme der Gluconeogenese. Cortisol induziert außerdem den Abbau von Muskelproteinen und erleichtert die Verwertung der freigesetzten Aminosäuren in der Gluconeogenese.
Der Isoform des bifunktionellen Enzyms im Skelettmuskel fehlen Phosphorylierungsstellen, Adrenalin ist hier wirkungslos. Im Herzmuskel beschleunigt es die Glykolyse, weil Phosphorylierung die Kineaseaktivität der dortigen Isoform stimuliert.
220
A
Insulin signalisiert das Ende einer Hungerphase. Somit wirkt es antagonistisch zu Glukagon und Cortisol.
Insulin wird von den B-Zellen des Pankreas ausgeschüttet, wenn ein Überangebot an Glucose vorhanden ist. Es signalisiert also das Ende einer Hungerphase, und wirkt dementsprechend auch antagonistisch zu Glukagon und zu Cortisol.
▶ Merke.
CREB ist ein Transkriptionsfaktor, der bei der cAMP-induzierten Induktion der Transkription eine entscheidende Rolle spielt. CREB wird von der PKA phosphoryliert und dadurch aktiviert.
▶ Merke.
12 Speicherung und Bereitstellung von Kohlenhydraten
▶ Merke.
Insulin reprimiert (hemmt) die Transkription aller vier Schlüsselenzyme der Gluconeogenese. Gleichzeitig aktiviert es in der Leber die Glykogen-Synthase und induziert die Transkription mehrere Enzyme der Glykolyse. CREB: Das cAMP-responsive Element-binding Protein (CREB) ist ein Transkriptionsfaktor, der bei der cAMP-induzierten Induktion der Transkription eine entscheidende Rolle spielt. Als cAMP-responsive Element wird der kurze Sequenzabschnitt der DNA in der Promotorregion der Gene bezeichnet, an die der Transkriptionsfaktor CREB bindet. CREB wird bei steigenden cAMP-Konzentrationen von der PKA phosphoryliert und dadurch aktiviert. CREB ist nicht nur an der Regulation der Gluconeogenese beteiligt, insgesamt werden ca. 100 Gene CREB-abhängig transkribiert.
▶ Merke.
Die Proteinkinase A (PKA) wird von cAMP aktiviert und phosphoryliert daraufhin verschiedene Proteine. Auf diese Weise werden bestimmte Enzyme unmittelbar aktiviert bzw. inaktiviert (= Enzymregulation durch Interkonvertierung). Zum anderen greift die PKA aber auch in die Genexpression ein, z. B. durch Phosphorylierung des Transkriptionsfaktors CREB.
A
13.2 Aufnahme der Lipide aus der Nahrung
13 Die Bereitstellung von
Fettsäuren, Triacylglycerinen und Ketonkörpern 13.1 13.2 13.3 13.4 13.5 13.6 13.7
Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufnahme der Lipide aus der Nahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fettsäuresynthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Woher stammt das NADPH für die Fettsäuresynthese? . . . . . . . . . . . . . . . . Lipogenese: Biosynthese der Triacylglycerine (TAG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ketonkörpersynthese (Ketogenese) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lipoproteine: Transport von Lipiden im Blut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
221 221 225 234 239 242 243
13.1 Überblick Triacylglycerine (TAG, Triglyceride, TG) entstehen durch Veresterung von Glycerin mit drei Fettsäuren. Die TAG sind der Hauptbestandteil der tierischen und pflanzlichen Fette und spielen im Energiestoffwechsel eine wichtige Rolle als Energiespeicher (S. 116). Ausschlaggebend sind dabei die Fettsäuren, denn in ihnen sind ca. 95 % der beim Abbau der TAG frei werdenden Energie gespeichert. Ketonkörper werden normalerweise nur bei länger anhaltendem Hunger und im Fasten gebildet. Sie stellen dann ebenfalls eine wichtige Energiequelle dar (S. 118). Sowohl Fettsäuren als auch Ketonkörper werden ausgehend von Acetyl-CoA synthetisiert. Da Acetyl-CoA beim Abbau von Kohlenhydraten entsteht, können im Prinzip jederzeit Fettsäuren aus Kohlenhydraten gebildet werden. Bei der in den Industrieländern üblichen Ernährung spielt dieser Weg allerdings nur eine untergeordnete Rolle, da mit der Nahrung ohnehin übermäßig viele TAG aufgenommen werden. Infolgedessen handelt es sich bei den Fettsäuren und TAG der Energiespeicher nahezu ausschließlich um Stoffe, die aus den Fetten der Nahrung bezogen werden. Das zur Synthese der Ketonkörper benötigte Acetyl-CoA wird überwiegend durch den Abbau der Fettreserven (S. 124) bereitgestellt.
13.2 Aufnahme der Lipide aus der Nahrung
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13.1
Überblick
Triacylglycerine (TAG, Triglyceride, TG) entstehen durch Veresterung von Glycerin mit drei Fettsäuren. Sie sind wichtige Energiespeicher.
Ketonkörper sind im Fasten eine wichtige Energiequelle. Fettsäuren und Ketonkörper werden ausgehend von Acetyl-CoA synthetisiert. TAG können über den Abbau von Kohlenhydraten gewonnen werden, stammen in den Industrieländern jedoch zu fast 100 % aus der Nahrung. Das Acetyl-CoA für die Ketonkörpersynthese entstammt dem Abbau von TAG des Fettgewebes.
13.2
Aufnahme der Lipide aus der Nahrung
Ein Erwachsener in den Industrieländern nimmt täglich ca. 100 g Lipide mit der Nahrung auf. Etwa 90 % hiervon sind TAG, die übrigen 10 % entfallen im Wesentlichen auf Membranlipide sowie auf die fettlöslichen Vitamine E, D, K und A (Merkwort: EDeKA).
Ein Erwachsener in den Industrieländern nimmt pro Tag ca. 100 g Lipide auf. Ca. 90 % hiervon sind TAG.
13.2.1 Verdauung der Lipide
13.2.1 Verdauung der Lipide
Der Speichel enthält eine Lipase (sog. Zungengrundlipase), deren physiologische Bedeutung nicht hinreichend geklärt ist. Offenbar ist sie bei Säuglingen in größerem Umfang an der Verdauung der Lipide der Milch beteiligt, denn während der ersten Lebensmonate bilden Säuglinge nur wenig Pankreaslipase. Bei Erwachsenen ist sie für die Hydrolyse von ca. 10 % der Lipide verantwortlich. Da die Speichel-Lipase auch bei niedrigen pH-Werten aktiv ist, kann sie im Magen ihre Wirkung entfalten. An der Verdauung der Lipide im Magen ist darüber hinaus eine Magenlipase (engl. gastric lipase) beteiligt, die von den Hauptzellen der Magendrüsen produziert wird, also von den gleichen Zellen, die auch Pepsinogen (S. 252) bilden. Neuere Untersuchungen an freiwilligen Probanden haben gezeigt, dass Fette bereits im Magen weitgehend in eine Emulsion überführt werden. Unter einer Emulsion versteht man eine Mischung kleiner Fett- oder Öl-Tröpfchen in Wasser. Lange Zeit war man davon ausgegangen, dass die Emulgierung der Fette erst im Duodenum stattfindet.
Der Speichel enthält eine Lipase („Zungengrundlipase“), die bei Säuglingen in größerem Umfang an der Verdauung der Lipide der Milch beteiligt ist. Sie kann ihre Wirkung auch im Magen entfalten.
Die Magenlipase stammt aus den Hauptzellen der Magendrüsen. Bereits im Magen werden Lipide weitgehend in eine Emulsion überführt.
222 Die Emulgierung der Lipide wird im Dünndarm vollendet: Die Gallensäuren der Gallenflüssigkeit spalten die Lipidtröpfchen in winzige Lipidaggregate auf. Durch Einwirkung der Pankreaslipase werden die TAG zu 2-Monoacylglycerinen abgebaut. Diese bilden zusammen mit anderen amphipathischen Stoffen Mizellen (Abb. A 13.1 a).
A
13 Die Bereitstellung von Fettsäuren, Triacylglycerinen und Ketonkörpern
Die Emulgierung der Lipide wird im Dünndarm vollendet. Dabei sind Gallenflüssigkeit und die Enzyme des Pankreassafts von entscheidender Bedeutung: Die Gallensäuren der Gallenflüssigkeit wirken als Detergenzien, d. h. sie lösen alle Lipide effizient aus den Nahrungsbestandteilen heraus und emulgieren sie. Es bilden sich winzige Lipidaggregate, die im Wesentlichen aus Gallensäuren, TAG, Phospholipiden und Cholesterin bestehen, eingelagert sind fettlösliche Vitamine und andere hydrophobe Stoffe. Unter der Einwirkung der Pankreaslipase werden die TAG weitgehend zu 2-Monoacylglycerinen abgebaut. Diese enthalten zum einen zwei hydrophile OH-Gruppen, zum anderen enthalten sie eine lange hydrophobe Acyl-Gruppe. Damit haben sie einen amphipathischen Charakter. Zusammen mit den Phospholipiden bilden sie kugelförmige Aggregate, sog. Mizellen, die nur noch den Durchmesser einer Lipidmembran haben (ca. 5 nm; Abb. A 13.1 a). Wegen ihrer heterogenen Zusammensetzung werden die bei der Verdauung entstehenden Lipidaggregate oft als gemischte Mizellen bezeichnet. (Abb. A 13.1 a).
A-13.1
Mizellen
A-13.1
Cholesterin
langkettige freie Fettsäure Phospholipid
–
O
P
OO C
OH
OH
CO O–
OH OH
P
O
OH OH
–
P
H OO O C
OH
P
OH OH
C
2-Monoacylglycerin
Phospholipid fettlösliches Vitamin (E, D, K oder A)
a
b
a Struktur der Mizellen. b Kegelform der 2-Monoacylglycerine
Die Pankreaslipase hydrolysiert die TAG der Nahrung. Die Pankreaslipase bildet zusammen mit dem kleinen Hilfsprotein Colipase einen Komplex. Sie baut TAG überwiegend zu 2-Monoacylglycerinen (= β-Monoacylglyceriden) ab. Als weitere Hydrolyseprodukte fallen Glycerin und freie Fettsäuren an.
2-Monoacylglycerine sind annähernd kegelförmige Moleküle, die leicht Mizellen bilden (Abb. A 13.1 b).
Die Pankreaslipase, ein Enzym von etwa 50 kDa, ist im Pankreassaft enthalten und hydrolysiert die in den Lipidaggregaten enthaltenen TAG an der Grenzfläche zwischen der wässrigen und der Lipidphase. Da sie nicht in das Innere der Aggregate eindringen kann, wird der Zugang der Pankreaslipase zu ihren Substraten durch die Bildung kleinerer Lipidaggregate wesentlich erleichtert. Pankreaslipase wird zusammen mit einem kleinen Hilfsprotein von ca. 10 kDa sezerniert, das als Colipase bezeichnet wird. Beide Proteine bilden einen 1:1-Komplex. Die Bindung der Colipase hat in der Lipase eine erhebliche Konformationsänderung zur Folge, durch die das aktive Zentrum der Lipase für Substrate zugänglich wird. Zusammen mit Gallensäuren bildet sich ein ternärer (drei Komponenten enthaltender) Komplex. Die Pankreaslipase hydrolysiert bevorzugt die Esterbindungen der TAG in den Positionen 1 und 3. So werden TAG überwiegend zu 2-Monoacylglycerinen (= β-Monoacylglyceriden) abgebaut. Als weitere Hydrolyseprodukte fallen Glycerin und freie Fettsäuren an. In den 2-Monoacylglycerinen ist jeweils eine einzelne Acylgruppe mit einem Glycerin, d. h. mit einem vergleichsweise großen hydrophilen Teil verbunden. Die 2Monoacylglycerine sind dadurch annähernd kegelförmige Moleküle, die eine besondere Neigung zur Bildung kleiner kugeliger Aggregate zeigen. Sie erleichtern damit die Bildung der Mizellen (Abb. A 13.1 b). Ähnliche Mizellen werden in wässriger Lösung von allen Detergenzien (= Seifen und seifenähnlichen Stoffen) gebildet, sobald deren Konzentration einen für das jewei-
A
lige Detergens charakteristischen Schwellenwert, die kritische Mizellenkonzentration (CMC), überschreitet. Neben der Pankreaslipase sind bei der Verdauung der Lipide im Dünndarm zwei weitere Enzyme des Pankreassafts von größerer Bedeutung: Phospholipase A2 Cholesterin-Esterase Die Phospholipase A2 hydrolysiert spezifisch in Position 2 die Esterbindungen glycerinhaltiger Phospholipide (= Phosphoglyceride = Glycerophospholipide), z. B. in Phosphatidylcholin (= Lecithin, Abb. A 13.2). Dieses ist Hauptbestandteil der biologischen Membranen (S. 328) und auch in der Gallenflüssigkeit enthalten. Das entstehende Lysophosphatidylcholin wirkt seinerseits als Detergens (daher der Name!) und unterstützt als solches die Lipidverdauung.
A-13.2
223
13.2 Aufnahme der Lipide aus der Nahrung
Auch die Pankreasenzyme Phospholipase A2 und Cholesterin-Esterase spielen eine Rolle bei der Lipidverdauung. Die Phospholipase A2 hydrolysiert spezifisch in Position 2 die Esterbindung glycerinhaltiger Phospholipide, z. B. von Phosphatidylcholin (Abb. A 13.2), dem Hauptbestandteil der biologischen Membranen.
Beispiel einer Phospholipase-A2-katalysierten Reaktion
A-13.2
16
Phosphatidylcholin (=Lecithin) Palmitinsäure
10
9
C
O
CH2
O
CH
O
H2C O
P
O C O
Cholin CH3 O
O 18
CH2
CH2
–
+
N
CH3
CH3
Ölsäure H2O Phospholipase A2
C
OH
O C
O
CH2
O HO Lysophosphatidylcholin
CH
O
H2C O
P
CH3 O
–
O
CH2
CH2
+
N
CH3
CH3
Das Enzym katalysiert spezifisch die Hydrolyse der Esterbindung in Position 2 der Phosphoglyceride. Anstelle von Palmitinsäure und Ölsäure kann Phosphatidylcholin auch andere Fettsäuren enthalten.
▶
Klinik. Die Giftdrüsen der Schlangen haben sich in der Evolution aus Speichel-
▶
Klinik.
drüsen entwickelt, die ursprünglich lediglich Enzyme für die Verdauung produzierten. So erklärt sich, dass viele Schlangengifte u. a. Phospholipase A2 enthalten. In der Bissstelle entsteht dadurch sehr viel Lysophosphatidylcholin, das als aggressives Detergens die Gewebe zerstört. Phospholipase A2 ist auch eine der wichtigsten Komponenten der Gifte der Bienen, Wespen und Hornissen. In diesen Giften ist die Lipase zudem das wichtigste Allergen. In den Lipiden der Nahrung befinden sich u. a. auch Ester, in denen Cholesterin über seine OH-Gruppe mit einer Fettsäure verbunden ist. Diese Verbindungen werden bei der Verdauung von der Cholesterin-Esterase hydrolysiert. Anders als ihr Name es vermuten lässt, ist sie ausgesprochen unspezifisch, d. h. auch viele andere Lipidester werden von ihr hydrolysiert. Darunter z. B. auch die 2-Monoacylglycerine, die von der Pankreaslipase übrig gelassen werden.
13.2.2 Resorption der Lipid-Hydrolyseprodukte Die Verdauung der Lipid-Aggregate führt zur Bildung von Mizellen, die neben langkettigen Fettsäuren und kleinen Mengen verschiedener anderer Lipide im Wesentlichen 2-Monoacylglycerine enthalten. Glycerin und kurzkettige Fettsäuren liegen frei in Lösung vor (Abb. A 13.3). Die Hydrolyseprodukte werden von den Enterozyten des oberen Dünndarms resorbiert. Vermutlich erfolgt die Resorption weder
Die Cholesterin-Esterase ist eine unspezifische Lipase, die neben Cholesterinestern auch viele andere Lipidester hydrolysiert.
13.2.2 Resorption der LipidHydrolyseprodukte Langkettige Fettsäuren, 2-Monoacylglycerine und kleine Mengen anderer Lipide liegen im Darmlumen in Mizellen vor, Glycerin und kurzkettige Fettsäuren dagegen frei in Lösung
224 A-13.3
A
13 Die Bereitstellung von Fettsäuren, Triacylglycerinen und Ketonkörpern
A-13.3
Aufnahme der Lipide aus der Nahrung
Speicheldrüsen (seröse Anteile) Zungengrundlipase
Triacylglycerine, Cholesterinester, Phospholipide fettlösliche Vitamine der Nahrung
Magen Magenlipase der Hauptzellen Pankreas Pankreaslipase + Colipase, Phospholipase A2, Cholesterin-Esterase Leber Gallensäuren
Enterozyten 2-Monoacylglycerin, langkettige Fettsäuren, Cholesterin, fettlösliche Vitamine in Mizellen
Resynthese von Triacylglycerinen und Cholesterinestern
Abgabe von Chylomikronen an die Lymphe (→ D. thoracicus)
kurzkettige Fettsäuren Glycerin Abgabe an das Blut (→ Pfortader, → Leber)
(Abb. A 13.3). Sie alle werden durch die Enterozyten des oberen Dünndarms resorbiert.
Kurzkettige Fettsäuren lagern sich spontan in die Plasmamembran der Enterozyten ein. Dort werden sie von verschiedenen Enzymen aufgenommen und chemisch modifiziert.
Langkettige Fettsäuren gelangen überwiegend unter Vermittlung von Transportproteinen in die Enterozyten. Am bekanntesten ist das Fettsäure-Transportprotein 1 (fatty acid transport protein 1, FATP1). In den Enterozyten werden Fettsäuren sofort chemisch modifiziert.
Die Resorption des Glycerins wird von Aquaporin AQP10 vermittelt.
Transporter für Cholesterin ist das Protein Niemann-Pick C 1 like 1 (NPC1L 1).
Im endoplasmatischen Retikulum (ER) der Enterozyten werden die Hydrolyseprodukte der Fette wieder zu TAG zusammengesetzt. Zusammen mit anderen Lipiden lagern sie sich an Apolipoprotein B-48 (ApoB-48) an.
durch Pinozytose noch durch Endozytose vollständiger Mizellen, sondern ausschließlich durch Aufnahme einzelner Moleküle. Die Resorption findet überwiegend unter Beteiligung mehrerer Proteine der Zellmembran statt, teilweise aber auch über einen proteinunabhängigen Mechanismus: Kurzkettige Fettsäuren lagern sich spontan in die äußere Schicht der Plasmamembran der Enterozyten ein. Sobald die Carboxylgruppe einer Fettsäure ein Proton bindet, liegt sie in ungeladenem Zustand vor und kann sich mühelos in die benachbarte innere Schicht der Enterozytenmembran bewegen („Flip-Flop“-Mechanismus). Dort wird sie von verschiedenen Enzymen aufgenommen und auf Coenzym A übertragen oder auf andere Weise chemisch modifiziert. In jedem Fall wird sie dadurch im Enterozyt festgehalten und in den Stoffwechsel einbezogen. Langkettige Fettsäuren gelangen überwiegend unter Vermittlung von Transportproteinen in die Enterozyten. Am bekanntesten ist das Fettsäure-Transportprotein 1 (fatty acid transport protein 1, FATP1). Fünf homologe Proteine sind in anderen Geweben identifiziert worden, die ebenfalls den Transport von Fettsäuren vermitteln. Auch der Transport der langkettigen Fettsäuren ist an eine sofortige Übertragung auf Coenzym A oder andere chemische Modifizierungen gekoppelt. Offenbar wird dadurch verhindert, dass Fettsäuren, die im Rahmen eines Verteilungsgleichgewichts in die Enterozyten gelangen, zurück in das Darmlumen diffundieren. Viele Transportproteine der Enterozyten sind erst in jüngerer Zeit identifiziert worden. So ließ sich nachweisen, dass in der apikalen Membran der Enterozyten das Aquaporin AQP10 für die Resorption von Glycerin verantwortlich ist. Die Familie der Aquaporine wurde ursprünglich als Gruppe von Membranproteinen bekannt, die spezifisch die Diffusion von Wasser vermitteln. Inzwischen wurden 12 Mitglieder der Aquaporin-Familie charakterisiert (AQP1–AQP12). Mindestens vier dieser Proteine sind nicht nur für Wasser, sondern auch für Glycerin permeabel. Als Transporter für Cholesterin wurde in der apikalen Membran das Protein Niemann-Pick C 1 like 1 (NPC1L 1) nachgewiesen. Diese Entdeckung ist insofern von klinischem Interesse, als sich über eine Blockierung dieses Transporters der Cholesterinspiegel des Blutes senken lässt. In den Enterozyten werden aus den Hydrolyseprodukten der Fette erneut TAG synthetisiert und diese zusammen mit anderen Lipiden zu Protein-Lipid-Komplexen zusammengelagert, den Chylomikronen, die zur Gruppe der Lipoproteine gehören (S. 243). Die Synthese der TAG findet am endoplasmatischen Retikulum (ER) statt.
A
Sie wird dadurch erleichtert, dass die Fettsäuren bereits im Zusammenhang mit der Aufnahme in die Zelle durch Übertragung auf Coenzym A aktiviert werden. Am ER sind auch die Ribosomen gebunden, die das Apolipoprotein B-48 (ApoB-48) synthetisieren. Die Bindung der TAG an das neu synthetisierte ApoB-48 findet im Lumen des ER statt. In den Komplex werden sukzessive auch andere Lipide eingelagert, u. a. Phospholipide, Cholesterin und fettlösliche Vitamine. Der Protein-LipidKomplex wird dann in Vesikeln zum Golgi-Apparat und von dort zur basolateralen Seite der Enterozyten transportiert. Die Komplexe verlassen die Zellen als Chylomikronen von 75 – 500 nm Durchmesser.
▶ Merke.
Chylomikronen werden nicht unmittelbar an das Blut abgegeben, sondern an die Lymphflüssigkeit (Abb. A 13.3).
Diese wird im Ductus thoracicus gesammelt, sodass die Chylomikronen den Blutkreislauf erst im linken Venenwinkel erreichen, wo sie mit der Lymphe in die linke V. subclavia gespült werden. Das resorbierte Glycerin, das nicht zur Synthese von TAG verwendet wird, gelangt an der basolateralen Seite der Enterozyten unmittelbar in das Blut (Abb. A 13.3). Der Transport wird hier vermutlich vom Aquaporin AQP3 vermittelt. Zusammen mit den resorbierten Aminosäuren und Zuckern gelangt Glycerin durch die Portalvene zur Leber. Fettsäuren, die in den Enterozyten nicht zur Synthese von TAG Verwendung finden, gelangen ebenfalls zum großen Teil direkt in das Blut. Dies gilt insbesondere für Fettsäuren mittlerer oder geringerer Kettenlänge (Abb. A 13.3). Langkettige freie Fettsäuren werden überwiegend an die Lymphe abgegeben.
13.3 Fettsäuresynthese
Die Protein-Lipid-Komplexe verlassen die Enterozyten in Form von Chylomikronen (= Untergruppe der Lipoproteine).
▶ Merke. Die Chylomikronen gelangen über den Ductus thoracicus in den Blutkreislauf. Resorbiertes, nicht zur TAG-Synthese verwendetes Glycerin und Fettsäuren geringer oder mittlerer Kettenlänge gelangen an der basolateralen Seite der Enterozyten unmittelbar in das Blut (Abb. A 13.3).
13.3
Fettsäuren werden in verschiedenen Geweben, vor allem in der Leber und im Fettgewebe synthetisiert. Bei einem ausreichenden Angebot an TAG in der Nahrung wird die Fettsäuresynthese im Organismus weitgehend gehemmt. Sofern Fettsäuren nicht in anderen Stoffwechselwegen Verwendung finden, werden sie in den Zellen sehr schnell mit Glycerin zu TAG umgesetzt. TAG akkumulieren in der Leber nur unter pathologischen Bedingungen, etwa bei permanentem übermäßigem Alkoholkonsum (Exkurs auf S. 131). Eine chronische Verfettung der Leber (Abb. A 8.3 d, S. 117, und 225) kann langfristig zu einer Zerstörung des Lebergewebes führen (Leberzirrhose). Normalerweise werden neu gebildete TAG von der Leber in Form von VLDL (Very low Density Lipoproteins) an das Blut abgegeben und dann im Fettgewebe gespeichert (S. 245).
A-13.4
225
13.3 Fettsäuresynthese
Fettsäuresynthese
Fettsäuren werden überwiegend in der Leber und im Fettgewebe synthetisiert und dort zu TAG umgesetzt. In der Leber akkumulieren TAG nur unter pathologischen Bedingungen (→ Fettleber bei Alkoholabusus, Abb. A 13.4). Normalerweise gelangen sie als Bestandteil der VLDL (Very low Density Lipoproteins) in das Blut und werden im Fettgewebe gespeichert.
Normale Leber (a) und Fettleber (b) im Ultraschall (aus Delorme, Debus; Duale Reihe Sonographie, Thieme, 2005)
Leber Kolon Niere
M. psoas
a
b
Eine verfettete Leber ist wesentlich schalldichter und zeichnet sich deshalb bei einer Sonografie wesentlich deutlicher ab als eine normale Leber.
226 ▶ Merke.
A
13 Die Bereitstellung von Fettsäuren, Triacylglycerinen und Ketonkörpern
▶ Merke.
Ort der Fettsäuresynthese in den Zellen ist das Zytosol. Somit finden Synthese und Abbau der Fettsäuren in unterschiedlichen Zellkompartimenten statt, denn der Abbau der Fettsäuren, die β-Oxidation, ist ein Stoffwechselweg in der Matrix der Mitochondrien (S. 122). Ausgangssubstanz der Fettsäuresynthese ist Acetyl-CoA. Fettsäuren werden also aus der gleichen Substanz aufgebaut, zu der sie bei der β-Oxidation abgebaut werden.
Daraus ergeben sich 2 Fragen: 1. Wie wird im Zytosol das Acetyl-CoA bereitgestellt, das für die Fettsäuresynthese benötigt wird? 2. Wie werden ausgehend von Acetyl-CoA die Fettsäuren synthetisiert?
Daraus ergeben sich zwei Fragen: 1. Wie wird im Zytosol das Acetyl-CoA bereitgestellt, das für die Fettsäuresynthese benötigt wird? 2. Wie werden ausgehend von Acetyl-CoA die Fettsäuren synthetisiert? Das Prinzip ist einfach: Fettsäuren werden dadurch gebildet, dass nach und nach mehrere Acetylgruppen aneinander gehängt werden. Die überzähligen Sauerstoffatome der Acetylgruppen werden jeweils durch gezielte Reduktion entfernt. Als Reduktionsmittel dient dabei NADPH.
13.3.1 Bereitstellung von Acetyl-CoA
13.3.1 Bereitstellung von Acetyl-CoA
Beim Abbau der Kohlenhydrate wird AcetylCoA in den Mitochondrien gebildet.
Beim Abbau der Kohlenhydrate wird Acetyl-CoA in den Mitochondrien gebildet: Endprodukt der Glykolyse ist Pyruvat, das durch die Pyruvat-Dehydrogenase (PDH) unmittelbar zu Acetyl-CoA umgesetzt werden kann. Dieses Enzym gibt es aber nur in Mitochondrien. Pyruvat wird deshalb in die Mitochondrien transportiert und hier von der PDH zur Bildung von Acetyl-CoA verwendet (S. 97). Doch wie gelangt das Acetyl-CoA aus den Mitochondrien zum Ort der Fettsäuresynthese, also in das Zytosol? CO2 und O2 können leicht durch die mitochondrialen Membranen diffundieren, alle anderen Moleküle aber benötigen dazu spezifische Transportsysteme.
▶ Merke.
Die mitochondrialen Membranen enthalten für Acetyl-CoA kein Transportsystem. Deshalb wird in den Mitochondrien aus Acetyl-CoA zunächst Citrat synthetisiert (Enzym: CitratSynthase). Das Citrat wird in das Zytosol exportiert und dort in Acetyl-CoA und Oxalacetat gespalten (Enzym: Citrat-Lyase).
Damit der Citratzyklus durch den Verlust des Citrats nicht zum Erliegen kommt, ist eine anaplerotische Reaktion nötig: die Carboxylierung von Pyruvat zu Oxalacetat. Enzym: Pyruvat-Carboxylase. Prosthetische Gruppe: Biotin. Energiequelle: ATP.
▶ Merke.
Die mitochondriale Außenmembran enthält porenbildende Proteine (Porin = VDAC, vgl. Exkurs zu β-Barrel-Proteinen auf S. 67, und TOM-Komplex, vgl. S. 364), die kleine Moleküle wie Acetyl-CoA, NADH und ATP leicht passieren lassen. Die Innenmembran muss hingegen den mitochondrialen Protonengradienten aufrechterhalten, weshalb sie derartige Poren nicht enthalten kann. Nahezu der gesamte Stofftransport über die Innenmembran ist nur durch die Vermittlung spezifischer Transportproteine möglich. Da die Innenmembran für AcetylCoA keinen Transporter enthält, wird in den Mitochondrien ausgehend von AcetylCoA zunächst Citrat synthetisiert, und zwar unter Ausnutzung des ersten Schrittes des Citratzyklus, katalysiert von der Citrat-Synthase. Das entstandene Citrat wird dann unter Vermittlung des Citrat-Translokators der mitochondrialen Innenmembran exportiert. Im Zytosol wird aus Citrat erneut Acetyl-CoA gebildet, das dann in der Fettsäuresynthese Verwendung findet. Die Bildung des Acetyl-CoA wird im Zytosol von der Citrat-Lyase katalysiert. Neben Acetyl-CoA entsteht dabei Oxalacetat. Damit der Citratzyklus durch den Verlust des Citrats nicht zum Erliegen kommt, ist eine den Citratzyklus auffüllende anaplerotische Reaktion nötig. Dabei handelt es sich in diesem Fall um die Carboxylierung von Pyruvat zu Oxalacetat. Die PyruvatCarboxylase überträgt das benötigte CO2 unter Vermittlung des Coenzyms Biotin, das als prosthetische Gruppe kovalent mit dem Enzym verbunden ist. Als Energiequelle dient bei der Carboxylierung ATP. Da die gleiche Reaktion auch an der Gluconeogenese beteiligt ist (S. 214), ist die Carboxylierung von Pyruvat zu Oxalacetat eine besonders wichtige anaplerotische Reaktion.
13.3.2 Mechanismus der Fettsäuresynthese
13.3.2 Mechanismus der Fettsäuresynthese
Prinzip
Prinzip
Die Fettsäuresynthese erfordert die Bildung der aktivierten Verbindung Malonyl-CoA. Die Decarboxylierung des Malonyl-CoA liefert die Energie, die für die Bildung der C-C-Bindungen erforderlich ist.
Die Bildung einer C-C-Bindung ist ein endergoner Prozess und benötigt deshalb eine aktivierte Ausgangsverbindung. Die aktivierte Ausgangsverbindung der Fettsäuresynthese ist das Malonyl-CoA. Es entsteht durch ATP-abhängige Carboxylierung von Acetyl-CoA. Die Decarboxylierung des Malonyl-CoA ist eine exergone Reaktion. Sie
A
227
13.3 Fettsäuresynthese
liefert in der Fettsäuresynthese die Energie, die für die Bildung der C-C-Bindungen erforderlich ist. In jedem Reaktionszyklus der Fettsäuresynthese wird ein Malonyl-CoA aufgenommen, decarboxyliert, und die dabei übrig bleibende -CH2-CO-Gruppe wird zur Verlängerung der entstehenden Fettsäure verwendet. Indem der Reaktionszyklus wiederholt durchlaufen wird, werden in der Regel acht Acetylgruppen miteinander verbunden. Da jede Acetylgruppe zwei Kohlenstoffatome beisteuert, entsteht so eine Fettsäure, die 16 Kohlenstoffatome enthält, die Palmitinsäure bzw. das Palmitat.
In jedem Reaktionszyklus wird die Fettsäure um eine -CH2-CO-Gruppe verlängert. Es werden mehrere Reaktionszyklen durchlaufen. In der Regel wird anschließend Palmitinsäure freigesetzt.
▶ Merke.
▶ Merke.
Die Fettsäure-Synthase liefert ausschließlich gesättigte Fettsäuren. Ihr bei Weitem wichtigstes Produkt ist Palmitinsäure (16 Kohlenstoffatome). Kürzere Fettsäuren werden von der Fettsäure-Synthase nur in geringem Umfang synthetisiert. Stearinsäure, eine Fettsäure, die 18 Kohlenstoffatome enthält, wird ebenfalls nur in geringem Umfang gebildet. Längere Fettsäuren werden von der Fettsäure-Synthase nicht gebildet.
Eine Kettenverlängerung (Elongation) ist unabhängig voneinander sowohl in den Mitochondrien als auch im ER möglich. Die Elongation betrifft stets das COOH-Ende der Fettsäure. Ungesättigte Fettsäuren entstehen durch nachträgliche Einführung von Doppelbindungen im ER (S. 233).
Kettenverlängerung erfolgt in den Mitochondrien oder im ER. Ungesättigte Fettsäuren entstehen durch Einfügen von Doppelbindungen im ER (S. 233). Die Acetyl-CoA-Carboxylase als Schrittmacherenzym der Fettsäuresynthese
Die Acetyl-CoA-Carboxylase als Schrittmacherenzym der Fettsäuresynthese Der Kohlenstoff der Carbonylgruppe (C = O) des Acetyl-CoA ist recht reaktionsfreudig. Die Methylgruppe hingegen ist sehr reaktionsträge und in dieser Form für die Fettsäuresynthese nicht geeignet. Deshalb besteht der erste Schritt der Fettsäuresynthese in einer Aktivierung des Acetyl-CoA durch Carboxylierung der Methylgruppe (Abb. A 13.5). Das Reaktionsprodukt wird als Malonyl-CoA bezeichnet. Die Reaktion wird von der Acetyl-CoA-Carboxylase katalysiert.
A-13.5
Erster Schritt zur Bildung der C-C-Bindung ist die Aktivierung des Acetyl-CoA durch Carboxylierung zu Malonyl-CoA, katalysiert durch die Acetyl-CoA-Carboxylase (Abb. A 13.5).
Aktivierung des Acetyl-CoA durch Bildung von Malonyl-CoA O –
O
ATP
O H3C
C
ADP + Pi
S
CoA
Acetyl-CoA a
OOC
Acetyl-CoACarboxylase (enthält Biotin)
C
O –
+ CO2
CH2
S
N
NH
O
C
O
CoA
(CH2)4
S
Malonyl-CoA b
CO2
C
N
(CH2)
Acetyl-CoA-Carboxylase
H Biotin
Lysinrest
a Reaktionsschema. b Bindung des CO2 an die Biotingruppe der Acetyl-CoA-Carboxylase. Die Reaktion verläuft ähnlich wie die Carboxylierung von Pyruvat zu Oxalacetat (Abb. A 12.12, S. 214). Die Übertragung des CO2 auf das Biotin ist ATP-abhängig.
▶ Merke.
Die Acetyl-CoA-Carboxylase ist das Schrittmacherenzym der Fettsäuresynthese. Ähnlich wie die mitochondriale Pyruvat-Carboxylase (S. 214) enthält auch die Acetyl-CoA-Carboxylase Biotin als prosthetische Gruppe und benötigt ATP als Energiequelle.
Der Sinn der Carboxylierung des Acetyl-CoA zu Malonyl-CoA zeigt sich im Rahmen des anschließenden Reaktionszyklus: Hier wird die Carboxylgruppe abgelöst und hinterlässt ein freies Elektronenpaar. Dieses stellt die Verbindung zum Carbonylkohlenstoff der zu verlängernden Fettsäure her.
▶ Merke.
228
A
Der Reaktionszyklus der Fettsäuresynthese
Der Reaktionszyklus der Fettsäuresynthese
Enzym: Fettsäure-Synthase.
Die Reaktionen des Zyklus werden von der Fettsäure-Synthase katalysiert.
Der Aufbau der Fettsäure-Synthase
Der Aufbau der Fettsäure-Synthase
Die Fettsäure-Synthase besteht aus zwei identischen Untereinheiten, die einen X-förmigen homodimeren Komplex bilden (Abb. A 13.6 ). In jeder der beiden Untereinheiten sind alle für eine Fettsäuresynthese erforderlichen katalytischen Zentren in einem Halbkreis angeordnet.
Die Fettsäure-Synthase des Menschen besteht aus zwei identischen Untereinheiten von jeweils 270 kDa, die sich zu einem homodimeren Komplex zusammengelagert haben. Die genaue Struktur des Komplexes war bis vor wenigen Jahren unbekannt. Erst 2008 gelang es einer Arbeitsgruppe an der ETH in Zürich, die Röntgenkristallstruktur der Fettsäure-Synthase aufzuklären. Der dimere Komplex ähnelt in seiner Struktur einem asymmetrischen Buchstaben X (Abb. A 13.6 ). Die beiden identischen Untereinheiten sind in sich U-förmig gebogen und gleichsam Rücken an Rücken miteinander assoziiert. An einer schmalen Stelle in der Mitte sind die beiden Polypeptidketten miteineinder verhakt. In jeder der beiden Untereinheiten sind die für eine Fettsäuresynthese erforderlichen sieben aktiven Zentren in einem Halbkreis angeordnet. Der Reaktionsmechanismus des Enzyms lässt sich nunmehr recht genau rekonstruieren.
Struktur der Fettsäure-Synthase SH
SH
SH
SH
C-terminale Domänen mit Phosphopantethein
N-terminale Domänen mit „peripheren“ SH-Gruppen
Untereinheit
A-13.6
Untereinheit
A-13.6
13 Die Bereitstellung von Fettsäuren, Triacylglycerinen und Ketonkörpern
NH2 HS
KS MAT
β-Ketoacyl-Synthase (enthält die „periphere” SH-Gruppe) Malonyl-CoA-ACP-Transacylase (katalysiert die Aufnahme der Malonylgruppen)
DH
Dehydratase (katalysiert die Abspaltung von H2O)
ER
Enoyl-Reduktase (katalysiert die zweite NADPH-abhängige Reduktion)
KR
β-Ketoacyl-Reduktase (katalysiert die erste NADPH-abhängige Reduktion)
ACP
Acyl-Carrier-Protein (trägt den Phosphopantethein-Arm)
HS
Thioesterase (katalysiert die Freisetzung der Palmitinsäure) COOH
TE
a Struktur des dimeren Enzyms (vereinfachtes Schema). b Anordnung der Domänen in der Polypeptidkette einer Untereinheit.
Die Substrate werden als Thioester gebunden. Die Schwefelatome werden von zwei SH-Gruppen beigesteuert: Die zentrale SH-Gruppe ist Teil einer prosthetischen Gruppe (Phosphopantethein, Abb. A 13.7). Die Enzymdomäne, in der das Phosphopantethein verankert ist, heißt Acyl-Carrier-Protein (ACP) und befindet sich jeweils in der Mitte der U-förmig gebundenen Untereinheiten. Hier trägt das Phosphopantethein die Zwischenprodukte der Fettsäuresynthese wie ein lang gestreckter Arm von einem Reaktionszentrum zum nächsten.
Die periphere SH-Gruppe ist Teil eines Cysteins in der N-terminalen Domäne jeder Untereinheit. Sie nimmt kurzzeitig die zu verlängernde Fettsäure auf, während der Phosphopantethein-Arm mit einer neuen Malonylgruppe beladen wird.
Während der Fettsäuresynthese muss das Enzym gleichzeitig die zu verlängernde Fettsäure und die neu hinzutretende Malonylgruppe binden. Beide Reaktionspartner werden als Thioester gebunden. Die dazu benötigten Schwefelatome werden von zwei SH-Gruppen beigesteuert: Die zentrale SH-Gruppe ist Teil einer prosthetischen Gruppe, die als Phosphopantethein bezeichnet wird. Das Phosphopantethein ist ein organisches Molekül von 2 nm Länge, das über eine Phosphatgruppe mit dem Enzym verbunden ist und an seinem Ende die entscheidende SH-Gruppe trägt (Abb. A 13.7). Die Domäne des Enzyms, in der das Phosphopantethein verankert ist, wird in der englischsprachigen Literatur als Acyl-Carrier-Protein (ACP) bezeichnet. Das ACP ist also kein eigenständiges Protein, sondern eine Proteindomäne der Untereinheiten. Die Domäne liegt in der Mitte der U-förmig gebogenen Untereinheiten. Hier trägt das Phosphopantethein die Zwischenprodukte der Fettsäuresynthese (die Acylgruppen) ähnlich wie ein lang gestreckter Arm von einem Reaktionszentrum zum nächsten. Die periphere SH-Gruppe wird von einem Cystein des Enzyms exponiert. Sie ist also lediglich Teil eines Aminosäurerests. Die periphere SH-Gruppe befindet sich in der aminoterminalen Domäne jeder Untereinheit. Sie nimmt in der Sequenz der Reaktionsschritte kurzzeitig die zu verlängernde Fettsäure auf, während der Phosphopantethein-Arm mit einer neuen Malonylgruppe beladen wird (s. u.).
A
A-13.7
Phosphopantetheingruppe des Acyl-Carrier-Proteins (ACP) und des Coenzyms A (CoA)
zentrale SH-Gruppe der Fettsäure-Synthase H
H
229
13.3 Fettsäuresynthese
A-13.7
Verankerung des Phosphopantheins in der ACP-Domäne der Fettsäure-Synthase OH CH3
O
HS CH2 CH2 N C CH2 CH2 N C C C CH2 O P O CH2 Ser ACP O H CH3
O Cysteamin
O–
prosthetische Phosphopantetheingruppe des ACP H
H
OH CH3
O
O
Adenin O
HS CH2 CH2 N C CH2 CH2 N C C C CH2 O P O P O CH2 O H CH3
O
O–
O–
H
H
O
OH
H
Cysteamin Phosphopantetheingruppe des CoA –
H
O P O O–
Die Schritte des Reaktionszyklus Die Synthese einer neuen Fettsäure beginnt stets mit Acetyl-CoA. Das ist insofern bemerkenswert, als alle weiteren C2-Einheiten in einer aktivierten Form, nämlich als Malonyl-CoA eingeführt werden. Acetyl-CoA wird nur deshalb als erstes Substrat aufgenommen, weil seine Methylgruppe in allen weiteren Schritten, wie auch in der letztlich gebildeten Fettsäure, die endständige Methylgruppe bilden wird. Sie braucht also nie eine Reaktion einzugehen. Die Acetylgruppe wird vom Coenzym A zunächst auf die SH-Gruppe des Phosphopantethein-Arms der Fettsäure-Synthase und von dort gleich weiter auf die periphere SH-Gruppe der gegenüberliegenden Seite übertragen. Interessanterweise ist Phosphopantethein nicht nur eine prosthetische Gruppe der Fettsäure-Synthase, sondern auch ein wesentlicher Teil des Coenzym A (Abb. A 13.7). Wenn die Acetylgruppe vom Coenzym A auf die Fettsäure-Synthase übertragen wird, wechselt sie also lediglich den Phosphopantethein-Arm, an den sie gebunden ist. Erst jetzt wird das erste Malonyl-CoA benötigt. Die Malonylgruppe wird auf die SH-Gruppe des Phosphopantethein-Arms übertragen. Dazu muss der Phosphopantethein-Arm innerhalb des Enzyms zu einem aktiven Zentrum hinüberschwenken, das sich in einer gegenüberliegenden Proteindomäne befindet. Nachdem das Phosphopantethein die Malonylgruppe aufgenommen hat, bewegt es sich zur Acetylgruppe weiter, die in der Nähe an die periphere SH-Gruppe gebunden ist. Nun findet der entscheidende Schritt der Kettenverlängerung statt: Die Malonylgruppe wird decarboxyliert. Bei der Abspaltung des CO2 bleibt von der COO–-Gruppe ein Elektronenpaar zurück. Dieses stellt nun eine Bindung zum Carbonylkohlenstoff der Acetylgruppe her. Daraufhin löst sich die Acetylgruppe vom Schwefelatom der peripheren SH-Gruppe ab und ersetzt das soeben am Phosphopantethein-Arm abgespaltene CO2 (Abb. A 13.8). Der Phosphopantethein-Arm schwenkt zurück, und das Substrat wird mit NADPH reduziert. Dadurch entsteht aus der Carbonylgruppe in Position 3 (= am β-CAtom) des Substrates eine CH2-Gruppe. Die Reduktion verläuft in drei Schritten (Abb. A 13.9) und unter Beteiligung von drei verschiedenen katalytischen Zentren: – Zunächst entsteht durch Reduktion mit NADPH eine OH-Gruppe. – Anschließend wird durch Abspaltung von H2O (Dehydratisierung) eine Doppelbindung gebildet. – Schließlich wird nochmals mit NADPH reduziert, mit dem Ergebnis, dass an der Stelle der ursprünglichen Carbonylgruppe eine CH2-Gruppe erscheint. Die Acylgruppe (-CO-CH2-CH2-CH3) wird dann von der SH-Gruppe des Phosphopantethein-Arms auf die periphere SH-Gruppe der gegenüberliegenden Seite der Untereinheit übertragen. Auf die SH-Gruppe des Phosphopantethein-Arms wird die Malonylgruppe eines Malonyl-CoA übertragen, und der Reaktionszyklus beginnt von neuem.
Die Schritte des Reaktionszyklus Die Synthese einer neuen Fettsäure beginnt stets mit Acetyl-CoA (nicht mit Malonyl-CoA!). Die Acetylgruppe wird vom Coenzym A zunächst auf die SH-Gruppe des Phosphopantethein-Arms der Fettsäure-Synthase und von dort gleich weiter auf die periphere SH-Gruppe übertragen.
Jetzt wird das erste Malonyl-CoA benötigt. Die Malonylgruppe wird auf die SHGruppe des Phosphopantethein-Arms übertragen. Der Phosphopantethein-Arm bewegt sich mit der Malonylgruppe zur Acetylgruppe an der peripheren SH-Gruppe. Die Malonylgruppe wird decarboxyliert und das CO2 durch die Acetylgruppe ersetzt, die sich von der peripheren SH-Gruppe gelöst hat (Abb. A 13.8).
Der Phosphopantethein-Arm schwenkt zurück und das Substrat wird mit NADPH reduziert, sodass aus der Carbonylgruppe in Position 3 (= am β-C-Atom) des Substrates eine CH2-Gruppe entsteht (Abb. A 13.9): – Reduktion → OH-Gruppe, – Dehydratisierung → Doppelbindung, – 2. Reduktion → CH2-Gruppe.
Die Acylgruppe wird auf die periphere SHGruppe übertragen. Auf die zentrale SH-Gruppe wird eine Malonylgruppe übertragen → neuer Zyklus.
230
A
13 Die Bereitstellung von Fettsäuren, Triacylglycerinen und Ketonkörpern
A-13.8
Mechanismus der Kettenverlängerung in der Fettsäuresynthese
A-13.8
CO2 CH3 –
COO
C
CH2
S
C
CH3
O
C Cystein
O
CH2
O
C
S
Malonylgruppe an zentraler SH-Gruppe
Cystein
S
Kettenverlängerung
Phosphopantethein
HS
O
Phosphopantethein freie periphere SH-Gruppe
verlängerte Acylgruppe an zentraler SH-Gruppe
Acetylgruppe (bzw. die zu verlängernde Fettsäure) an peripherer SH-Gruppe
Reduktion mit 2 NADPH
H2O
CH3 CH2 CH2 COO–
C
CH2
S
C
CH3
O
CH2 Cystein
HS
CH2
O
C
S
Cystein
O
S CoA
MalonylCoA
· Übertragung der Acylgruppe auf die SH-Gruppe des Cysteins · Übertragung einer neuen Malonylgruppe auf den Phosphopantethein-Arm
Im entscheidenden Schritt wird die Carboxylgruppe der neu aufgenommenen Malonylgruppe gegen die zu verlängernde Acylgruppe (die Acetylgruppe bzw. die zu verlängernde Fettsäure) ausgetauscht.
Die Reduktionsschritte des Fettsäuresynthese-Zyklus
A-13.9
β-Ketogruppe
Phosphopantethein O S Bezeichnung der C-Atome
C 1
O CH2 2
C 3
α
β
β-Ketoacylgruppe
CH3
NADPH + H+ NADP+
O S
β-KetoacylReduktase
C
H2O
OH CH2
CH CH3
β-Hydroxyacylgruppe
NADPH + H+ NADP+
S Dehydratase
C
CH
CH CH3
Enoylgruppe
O S
Enoyl-Reduktase
O
C
CH2
CH2
CH3
Übertragung auf SH-Gruppe des Cysteins
Acylgruppe
Freisetzung der synthetisierten Fettsäure
Freisetzung der synthetisierten Fettsäure
Die Fettsäuresynthese endet mit der Freisetzung der fertigen Fettsäure durch Hydrolyse des Thioesters.
Die Fettsäuresynthese endet mit der Freisetzung der synthetisierten Fettsäure – meist Palmitat (eine Fettsäure mit 16 C-Atomen; s. Abb. A 4.13) – durch Hydrolyse des Thioesters. Das entsprechende katalytische Zentrum liegt auf der Seite des ACP in der Nähe der Verankerung des Phosphopantetheins.
▶ Merke.
▶ Merke.
Die Fettsäure reagiert meist sehr schnell mit Coenzym A und steht dann in Form eines Acyl-CoA für verschiedene Synthesen zur Verfügung.
A
231
13.3 Fettsäuresynthese
Energiebilanz
Energiebilanz
Zur Synthese von Palmitat wird der Reaktionszyklus insgesamt 7-mal durchlaufen. Dabei werden benötigt: 1 Acetyl-CoA, 7 Malonyl-CoA und 14 NADPH. Die Synthese der 7 Malonyl-CoA ist mit einer Hydrolyse von 7 ATP verbunden; außerdem werden durch Carboxylierung von Acetyl-CoA 7 CO2 fixiert, die aber während der Zyklusdurchgänge wieder freigesetzt werden.
Zur Synthese von Palmitat wird der Reaktionszyklus 7-mal durchlaufen. Dabei werden 1 Acetyl-CoA, 7 Malonyl-CoA (→ 7 ATP) und 14 NADPH benötigt.
Physiologische Funktionen der Fettsäuren
Physiologische Funktionen der Fettsäuren
Aus der Perspektive des Energiestoffwechsels stellen TAG und ihre Fettsäuren vor allem ein Lager für Elektronen dar. Die Elektronen werden bei der Fettsäuresynthese in den beiden Reduktionsschritten eingebracht, in denen mithilfe von NADPH das Sauerstoffatom vom C-Atom 3 der entstehenden Fettsäure entfernt wird. Aus der Perspektive des Energiestoffwechsels dienen diese Reduktionsschritte primär dazu, überschüssige Stoffwechselenergie in Form von Elektronen in einem Substrat zu speichern, aus dem diese Elektronen bei Energiemangel wieder herausgelöst werden können. Der Entzug von Elektronen findet im Zuge der β-Oxidation der Fettsäuren statt. Dabei laufen die oben beschriebenen Reaktionen am C-Atom 3 der Fettsäure in umgekehrter Richtung ab (S. 122), und zwar an der Phosphopantetheingruppe von Coenzym A. Im Unterschied zur Fettsäuresynthese, bei der in jedem Reaktionszyklus 2 NADPH verbraucht werden, werden bei der β-Oxidation allerdings je 1 NADH und 1 FADH2 gebildet. Aus der Perspektive der Strukturbildung haben Fettsäuren als Bestandteile von Membranlipiden die wichtige Funktion, den uneingeschränkt hydrophoben Kern der Membranen zu bilden. Diese Funktion können Fettsäuren nur durch ihre rein apolaren Kohlenstoffketten ausüben. Jede Carbonylgruppe würde durch die polare Verteilung der Elektronen innerhalb der C = O-Bindung die Hydrophobizität der Membran vermindern. Viele Stoffe würden die Membran daraufhin unkontrolliert überqueren, und die Membran wäre zur Abgrenzung von Zellkompartimenten unbrauchbar. Aus der Perspektive der zellulären Strukturen ist es also durchaus essenziell, dass die Sauerstoffatome bei der Fettsäuresynthese aus den entstehenden Kohlenstoffketten entfernt werden.
Aus der Perspektive des Energiestoffwechsels stellen Triglyceride und ihre Fettsäuren vor allem ein Lager für Elektronen dar. Die Elektronen werden bei der Synthese der Fettsäuren in den beiden Reduktionsschritten eingebracht, in denen mithilfe von NADPH das Sauerstoffatom vom C-Atom 3 der entstehenden Fettsäure entfernt wird.
13.3.3 Regulation der Fettsäuresynthese
13.3.3 Regulation der Fettsäuresynthese
Im Kontext des Energiestoffwechsels ist es sinnvoll, dass Fettsäuren nur bei einem erhöhten Angebot an Ausgangsverbindungen gebildet werden, also bei einem Überschuss energiereicher Substrate. Andererseits sollte die Fettsäuresynthese blockiert werden, sobald das Reaktionsprodukt, also das Palmitoyl-CoA, in der jeweiligen Zelle im Übermaß akkumuliert. Tatsächlich wird die Fettsäuresynthese über das Schrittmacherenzym, die Acetyl-CoA-Carboxylase, im Sinne dieser Anforderungen reguliert: Die Acetyl-CoA-Carboxylase wird allosterisch von Citrat stimuliert. Bei ausreichender Energieversorgung der Zelle steigt in den Mitochondrien die Konzentration des ATP. Dieses hemmt mehrere Enzyme des Citratzyklus, sodass die Oxidation des Citrats im Citratzyklus blockiert wird. Die Citratkonzentration steigt, und es wird vermehrt Citrat in das Zytosol exportiert. Hier wird das Citrat von der Citrat-Lyase zu Acetyl-CoA und Oxalacetat umgesetzt. Parallel erleichtert das Citrat über die Stimulierung der Acetyl-CoA-Carboxylase den weiteren Umsatz des Acetyl-CoA. Die Acetyl-CoA-Carboxylase wird allosterisch von Palmitoyl-CoA und anderen langkettigen Acyl-CoA-Verbindungen gehemmt. Die Aktivität der Acetyl-CoA-Carboxylase unterliegt zudem einer hormonellen Kontrolle. Adrenalin und Glukagon lösen eine Phosphorylierung und damit eine Inaktivierung der Acetyl-CoA-Carboxylase aus. Insulin löst über eine Dephosphorylierung eine Aktivierung der Acetyl-CoA-Carboxylase aus. Im Gesamtzusammenhang der Stoffwechselregulation ist bemerkenswert, dass Malonyl-CoA, das Reaktionsprodukt der Acetyl-CoA-Carboxylase, die Carnitin-Acyltransferase 1 (= Carnitin-Palmityltransferase 1) hemmt, die in der Regulation der β-Oxidation der Fettsäuren von entscheidender Bedeutung ist. Der Carnitin-abhängige Eintritt der Fettsäuren in die Mitochondrien ist der geschwindigkeitsbestim-
Das Schrittmacherenzym, die Acetyl-CoACarboxylase, wird so reguliert, dass Fettsäuren gebildet werden, solange energiereiche Substrate, nicht jedoch Palmitoyl-CoA im Überschuss in der Zelle vorliegen:
Aus der Perspektive der Strukturbildung haben Fettsäuren als Bestandteile von Membranlipiden die wichtige Funktion, den uneingeschränkt hydrophoben Kern der Membranen zu bilden. In diesem Zusammenhang ist es essenziell, dass die Fettsäuren durch die Entfernung der Sauerstoffatome einen rein apolaren Charakter haben.
Citrat ist ein allosterischer Aktivator der Acetyl-CoA-Carboxylase.
Palmitoyl-CoA ist ein allosterischer Inhibitor. Adrenalin und Glukagon lösen eine Phosphorylierung und damit die Inaktivierung des Enzyms aus. Insulin veranlasst die Dephosphorylierung und damit die Aktivierung des Enzyms. Malonyl-CoA, das Reaktionsprodukt der Acetyl-CoA-Carboxylase, hemmt die Carnitin-Acyltransferase 1, das Schrittmacherenzym der β-Oxidation. Synthese und
232 Abbau der Fettsäuren werden also koordiniert reguliert. Insulin induziert die Synthese des Transkriptionsfaktors SREBP-1c. Dieser ist zunächst als inaktives Vorstufenprotein in die Membran des ER eingelagert. Nach Transport zum Golgi-Apparat wird die N-terminale Domäne als aktiver Transkriptionsfaktor SREBP-1 c abgespalten (Abb. A 13.10). SREBP-1 c aktiviert im Zellkern die Transkription der Gene der Acetyl-CoA-Carboxylase und der Fettsäure-Synthase.
A-13.10
A
13 Die Bereitstellung von Fettsäuren, Triacylglycerinen und Ketonkörpern
mende Schritt der β-Oxidation (S. 122). Synthese und Abbau der Fettsäuren werden damit koordiniert reguliert. Insulin aktiviert die Fettsäuresynthese in der Leber und im Fettgewebe, indem es – indirekt – die Synthese der Acetyl-CoA-Carboxylase und der Fettsäure-Synthase induziert. Über eine Signalkaskade aktiviert Insulin in den Zielzellen zunächst die Transkription des Gens, das den Transkriptionsfaktor SREBP-1c kodiert. Dieser Transkriptionsfaktor wird als Vorstufe (engl. precursor protein) pSREBP-1 c synthetisiert, die sich in die Membran des endoplasmatischen Retikulums (ER) einlagert. Durch vesikulären Transport gelangt pSREBP-1 c zum Golgi-Apparat, wo mithilfe der beiden Proteasen S1P und S2P die N-terminale Domäne des Proteins als aktiver Transkriptionsfaktor SREBP-1 c (Abb. A 13.10) abgespalten wird. Dieser gelangt dann durch Kernporen in den Zellkern, wo er an bestimmte Sequenzabschnitte in den Promotorregionen der Gene der Acetyl-CoA-Carboxylase und der Fettsäure-Synthase bindet und deren Transkription auslöst.
A-13.10
Der Transkriptionsfaktor SREBP-1c Golgi-Komplex
S1P COOH
S2P
NH2 COOH vesikulärer Transport
SREBP-1c
NH2
NH2 NH2 COOH
pSREBP-1c
ER
Kernpore Zellkern mRNA DNA SRE (Sterol regulatory Element)
S1P und S2P sind Proteasen, die das reife SREBP-1 c vom Vorstufenprotein pSREBP-1 c abspalten. SREBP-1 c induziert die Transkription mehrerer Gene, u. a. der Acetyl-CoACarboxylase und der Fettsäure-Synthase.
Die DNA-Sequenzen, an die SREBP-1 c in den Promotorregionen bindet, werden als Sterol regulatory Element (SRE) bezeichnet. SREBP-1c ist das SRE-binding Protein 1c.
Die DNA-Sequenzen, an die SREBP-1 c in den Promotorregionen bindet, werden als Sterol regulatory Element (SRE; Sterinregulationselement) bezeichnet. (Die Bezeichnung hat historische Gründe. Die ersten SRE wurden in den Promotorregionen von Genen gefunden, die für die Cholesterin-Biosynthese von Bedeutung sind.) SREBP-1c ist das SRE-binding Protein 1c. Bislang sind drei verschiedene SREBP bekannt, die in unterschiedlicher Weise an der Regulation des Lipidstoffwechsels beteiligt sind. Der entscheidende Transkriptionsfaktor des Cholesterin-Stoffwechsels ist SREBP2.
A
▶ Merke.
Insulin löst eine verstärkte Fettsäuresynthese aus, indem es die Synthese des Transkriptionsfaktors SREBP-1 c induziert. Glukagon, Gegenspieler des Insulins, hemmt die Synthese des SREBP-1c.
Neben dem Transkriptionsfaktor SREBP-1 c spielt in der Regulation der Fettsäuresynthese die AMP-aktivierte Protein-Kinase (AMPK) eine zentrale Rolle. Die AMPK ist eine heterotrimere Serin/Threonin-Kinase im Zytosol, die aus einer katalytisch aktiven α-Untereinheit und zwei regulatorischen Untereinheiten β und γ besteht. Wenn in einer Zelle die Konzentration an ATP abfällt und die Konzentration an AMP zunimmt, bindet AMP an die γ-Untereinheit und aktiviert damit die Kinaseaktivität der AMPK. Diese phosphoryliert dann u. a. die Acetyl-CoA-Carboxylase (ACC), die dadurch inaktiviert wird. AMP, als Signal für einen akuten Energiemangel, schaltet auf diese Weise die Fettsäuresynthese ab. Gleichzeitig wird – über die reduzierte Konzentration an Malonyl-CoA – die Aktivität der Carnitin-Acyltransferase gesteigert und die β-Oxidation der Fettsäuren entsprechend erleichtert (Abb. A 13.11).
A-13.11
Regulation der Acetyl-CoA-Carboxylase H2C
COO
–
C
COO–
H2C
COO–
HO
Citrat Acetyl-CoA CO2
233
13.3 Fettsäuresynthese
▶ Merke.
In der Regulation der Fettsäuresynthese hat die AMP-Kinase (AMPK) eine zentrale Funktion. Bei Energiemangel steigt in der Zelle die Konzentration an AMP. Dieses aktiviert die AMPK. Die AMPK phosphoryliert und inaktiviert die Acetyl-CoA-Carboxylase. Dadurch wird indirekt die Fettsäuresynthese blockiert, die β-Oxidation der Fettsäuren erleichtert (Abb. A 13.11).
A-13.11
Insulin stimuliert die Dephosphorylierung und damit die Aktivierung des Enzyms
stimuliert
Acetyl-CoA-Carboxylase OH
Acetyl-CoA-Carboxylase
P
hemmt Malonyl-CoA hemmt die CarnitinAcyltransferase 1 (und damit die β-Oxidation)
O C
CoA
Palmitoyl-CoA
AMP-aktivierte Proteinkinase (AMPK) katalysiert die Phosphorylierung und damit die Inaktivierung des Enzyms
Die AMPK wird nicht nur durch AMP stimuliert, sondern auch durch eine Phosphorylierung des Threonins der α-Untereinheit in Position 172. Die Kinase, die diese Phosphorylierung katalysiert, ist die LKB1. Bislang ist noch unklar, in welcher Weise die Phosphorylierung der AMPK zur Regulation der Fettsäuresynthese beiträgt.
Die AMPK wird nicht nur durch AMP stimuliert, sondern auch durch Phosphorylierung. Die Rolle dieses Effekts in der Regulation der Fettsäuresynthese ist ungeklärt.
13.3.4 Bildung ungesättigter Fettsäuren
13.3.4 Bildung ungesättigter Fettsäuren
Die Bildung ungesättigter Fettsäuren wird in Säugerzellen von Desaturasen des ER katalysiert. Der Reaktionsmechanismus der Desaturasen erinnert an die Monooxygenasen (S. 719). Beide Gruppen von Enzymen nehmen O2 auf und übertragen dann eines der beiden Sauerstoffatome auf das Substrat, während das zweite Sauerstoffatom mit Protonen zu Wasser reagiert. Die dazu benötigten Elektronen werden von assoziierten Proteinen geliefert. Im Fall der Desaturasen stammen die Elektronen ursprünglich von NADPH. Die Übertragung der Elektronen auf die Desaturase wird von Cytochrom b5 vermittelt. Die Desaturasen binden den Sauerstoff in ihrem aktiven Zentrum mithilfe zweier Eisenionen, die von Histidinresten fixiert werden. Das auf die Fettsäure übertragene Sauerstoffatom löst sich unter Bildung von H2O schnell wieder ab und hinterlässt dabei eine Doppelbindung.
Ungesättigte Fettsäuren entstehen, indem Desaturasen des ER O2 aufnehmen und eines der beiden O-Atome auf eine gesättigte Fettsäure übertragen. Das O-Atom löst sich anschließend unter Bildung von H2O ab und hinterlässt eine Doppelbindung. Parallel reagiert das zweite O-Atom des O2 unmittelbar mit 2 H+ zu Wasser. Die Elektronen der Desaturase-Reaktion stammen ursprünglich von NADPH und werden von Cytochrom b5 auf die Desaturase übertragen.
▶ Merke.
Desaturasen können Doppelbindungen nur zwischen den ersten 10 CAtomen der Fettsäuren einführen. Linolsäure und Linolensäure müssen deshalb als essenzielle Fettsäuren mit der Nahrung aufgenommen werden.
▶ Merke.
234 Ein wichtiges Beispiel ist die Stearoyl-CoADesaturase, die die Bildung von Ölsäure katalysiert.
13.4
Woher stammt das NADPH für die Fettsäuresynthese?
NADPH ist dem NADH strukturell sehr ähnlich, steht aber in einem anderen funktionellen Zusammenhang:
NADH transportiert Reduktionsäquivalente zur Atmungskette (→ Energiestoffwechsel). NADPH ist das wichtigste Reduktionsmittel bei Biosynthesen.
▶ Merke.
13.4.1 Das Malat-Enzym als Quelle von NADPH für die Fettsäuresynthese Das Malat-Enzym ist eine Malat-Dehydrogenase des Zytosols. Es katalysiert die Umwandlung von Malat in Pyruvat und liefert dabei unmittelbar NADPH. Malat entsteht im Zuge der Bereitstellung von Acetyl-CoA für die Fettsäuresynthese (Abb. A 13.12). Durch Bildung und Oxidation des Malats wird 1 NADH verbraucht und 1 NADPH gebildet.
A-13.12
A
13 Die Bereitstellung von Fettsäuren, Triacylglycerinen und Ketonkörpern
Eine besonders wichtige Funktion hat die Stearoyl-CoA-Desaturase, ein integrales Membranprotein des ER. Das Enzym katalysiert die Bildung von Ölsäure (18:1) durch Einführung einer Doppelbindung in Stearinsäure (18:0). Ölsäure ist die häufigste Fettsäure in Position 2 der TAG.
13.4 Woher stammt das NADPH für die
Fettsäuresynthese? Bei der Fettsäuresynthese dient NADPH als Reduktionsmittel. NADPH ist ein Coenzym, das dem NADH in seiner Struktur sehr ähnlich ist. Der einzige Unterschied zwischen beiden Verbindungen besteht darin, dass im NADPH eine Phosphatgruppe mit der 2’-OH-Gruppe des Adenosins verbunden ist. NADH und NADPH sind Reduktionsmittel in unterschiedlichen funktionellen Zusammenhängen: NADH transportiert Reduktionsäquivalente (Elektronen) von katabolen (abbauenden) Stoffwechselwegen, z. B. der Glykolyse, zur Atmungskette und dient damit dem Energiestoffwechsel. NADPH hingegen ist für die Atmungskette unbrauchbar. Es ist aber das wichtigste Reduktionsmittel bei Biosynthesen, also bei anabolen (aufbauenden) Stoffwechselwegen.
▶ Merke. NADPH stammt aus zwei Quellen: 1. aus der Reaktion des Malat-Enzyms und 2. aus dem Pentosephosphatweg.
13.4.1 Das Malat-Enzym als Quelle von NADPH für die Fettsäuresynthese Als Malat-Enzym bezeichnet man eine bestimmte Malat-Dehydrogenase des Zytosols. Das Malat-Enzym katalysiert im Zytosol die Umwandlung von Malat in Pyruvat und liefert dabei unmittelbar NADPH. Malat entsteht im Zuge der Bereitstellung von Acetyl-CoA für die Fettsäuresynthese (Abb. A 13.12): Das aus den Mitochondrien exportierte Citrat wird im Zytosol in Acetyl-CoA und Oxalacetat gespalten. Letzteres wird mithilfe von NADH zu Malat reduziert. Das Malat wird anschließend unter Bildung von NADPH und Pyruvat am Malat-Enzym oxidiert und decarboxyliert (Abb. A 13.12). Das Pyruvat wird wieder von den Mitochondrien aufgenommen. Im Endeffekt wird also 1 NADH verbraucht und 1 NADPH gebildet. Das verbrauchte NADH entstammt überwiegend der Glykolyse, wodurch eine Abhängigkeit der Fettsäuresynthese vom Kohlenhydratstoffwechsel gegeben ist. A-13.12
Umsetzung von Malat zu Pyruvat durch das Malat-Enzym im Rahmen der Bereitstellung von Acetyl-CoA
Fettsäuresynthese
NADPH + H+ CO2 NADP+ Pyruvat
NAD+
Glykolyse
Fettsäuresynthese
NADH + H+
AcetylCoA
CoA
Malat Oxalacetat Malat-Enzym Citrat-Lyase Malat-Dehydrogenase (zytosolisch) Zy tosol Mitochondrium NADH Acetyl+ H+ NAD+ CoA CoA
Citrat
Citrat Malat Oxalacetat Citrat-Synthase Malat-Dehydrogenase (mitochondrial) Citratzyklus
A
235
13.4 Woher stammt das NADPH für die Fettsäuresynthese?
13.4.2 Der Pentosephosphatweg
13.4.2 Der Pentosephosphatweg
▶ Synonym. Hexosemonophosphatweg
▶ Synonym.
Grundlagen
Grundlagen
Der Pentosephosphatweg ist ein von der Glykolyse abzweigender alternativer Abbauweg der Glucose im Zytosol. Der Pentosephosphatweg beginnt mit Glucose-6phosphat, also gleich nach dem ersten Schritt der Glykolyse.
Der Pentosephosphatweg ist ein von der Glykolyse abzweigender alternativer Abbauweg der Glucose im Zytosol.
▶ Merke.
Der Pentosephosphatweg hat zwei entscheidende Funktionen: Bereitstellung von NADPH für Reduktionsschritte in verschiedenen Biosynthesen Bereitstellung von Ribosephosphaten für Nukleotidsynthesen
Im Unterschied zur Glykolyse, die primär der Energiegewinnung dient (kataboler Stoffwechsel → Übertragung der anfallenden Elektronen durch NADH), ist der Pentosephosphatweg primär Teil des anabolen Stoffwechsels. Die bei den Oxidationen des Pentosephosphatweges anfallenden Elektronen werden in Form von NADPH gespeichert und können dann bei verschiedenen Biosynthesen genutzt werden. Das im Pentosephosphatweg bereitgestellte NADPH wird insbesondere für folgende Prozesse benötigt: Eine entscheidende Rolle spielt der Pentosephosphatweg in Geweben, die in großem Umfang Fettsäuren synthetisieren. Dies gilt z. B. für die laktierende Brustdrüse, in der die TAG der Milch synthetisiert werden. Das dabei benötigte NADPH stammt überwiegend aus dem Pentosephosphatweg. Synthese von Cholesterin Der Pentosephosphatweg ist insbesondere in allen Zellen von Bedeutung, in denen Steroidhormone synthetisiert werden, z. B. in der Nebennierenrinde, da alle Steroidhormone ausgehend von Cholesterin gebildet werden. Fast alle Schritte im Stoffwechsel der Steroidhormone können nur in Gegenwart von NADPH ablaufen. Cytochrom P-450 ist ein Protein, das im Rahmen der Entgiftung vieler Stoffe eine wichtige Rolle spielt. Es katalysiert u. a. die Einführung von OH-Gruppen (S. 719). Die dabei benötigten Elektronen stammen stets von NADPH. Alle Zellen enthalten ein System zur Aufrechterhaltung reduzierender Bedingungen. Eine wichtige Funktion kommt dabei dem Glutathion zu (S. 737). Glutathion ist ein cysteinhaltiges Tripeptid. Es ist z. B. in den Erythrozyten in hoher Konzentration enthalten. Wenn Glutathion oxidiert wird, kann es anschließend mithilfe von NADPH wieder reduziert und somit regeneriert werden. Quantitativ ist der Pentosephosphatweg allerdings in den meisten Zellen im Vergleich zur Glykolyse nur von untergeordneter Bedeutung.
Abschnitte des Pentosephosphatwegs Der Pentosephosphatweg gliedert sich in zwei Abschnitte: Der oxidative Abschnitt umfasst die ersten 4 Reaktionen des Pentosephosphatweges. Hier wird die Hexose Glucose-6-phosphat zur Pentose Ribose-5-phosphat abgebaut (daher die Bezeichnungen des Stoffwechselweges). Das dabei verloren gegangene Kohlenstoffatom wird in Form von CO2 freigesetzt (Abb. A 13.13). Ribose-5-phosphat ist ein wichtiger Baustein in der Synthese der Nukleotide und damit auch bei der Synthese der Nukleinsäuren von Bedeutung. Zwei der vier Reaktionsschritte sind Oxidationen (daher der Ausdruck „oxidativer Abschnitt“). Das Oxidationsmittel ist NADP+. Es entstehen also 2 NADPH.
▶ Merke. NADPH entsteht ausschließlich im oxidativen Abschnitt des Pentosephosphatweges. Werden in einer Zelle NADPH und Ribose-5-phosphat in gleichem Umfang benötigt, beschränkt sich der Pentosephosphatweg auf den oxidativen Abschnitt und endet mit der Bildung des Ribose-5-phosphats. Der oxidative Abschnitt des Pentosephosphatweges ist irreversibel. Im Stoffwechsel des Menschen besteht also keine Möglichkeit, etwa über eine Aufnahme von CO2 aus Pentosen Hexosen zu synthetisieren.
▶ Merke.
Die Glykolyse ist primär ein kataboler, der Pentosephosphatweg primär ein anaboler Stoffwechselweg. Deshalb werden die bei Letzterem anfallenden Elektronen in Form von NADPH gespeichert. Das im Pentosephosphatweg bereitgestellte NADPH wird insbesondere für folgende Prozesse benötigt: Fettsäuresynthese,
Cholesterinsynthese, Synthese der Steroidhormone
Entgiftungsreaktionen unter Beteiligung von Cytochrom P-450, Regeneration von Glutathion.
Abschnitte des Pentosephosphatwegs Im oxidativen Abschnitt wird die Hexose Glucose-6-phosphat zur Pentose Ribose5-phosphat abgebaut und CO2 freigesetzt (Abb. A 13.13). Dabei wird zweimal mithilfe von NADP+ oxidiert, sodass 2 NADPH entstehen.
▶ Merke.
236 A-13.13
A
13 Die Bereitstellung von Fettsäuren, Triacylglycerinen und Ketonkörpern
A-13.13
Überblick über den Pentosephosphatweg 2 NADP+ CO2
Glucose-6-phosphat
2 NADPH + H+
oxidativer Abschnitt
Ribose-5-phosphat Ribulose-5-phosphat
irreversibel Xylulose-5-phosphat Fructose-6-phosphat
nicht oxidativer Abschnitt reversibel Pentosephosphate
Reaktionen der Glykolyse
Pentosephosphatweg (= Hexosemonophosphatweg)
Die beiden wichtigsten Reaktionsprodukte sind orange markiert.
Der nicht oxidative Abschnitt schließt sich an, wenn wesentlich mehr NADPH als Ribose-5-phosphat benötigt wird. Ribose5-phosphat wird in Metabolite umgewandelt, die in die Glykolyse eingespeist werden können (Abb. A 13.13).
▶ Merke.
Der nicht oxidative Abschnitt läuft in umgekehrter Richtung ab, wenn z. B. in einer Muskelzelle sehr viel ATP gänzlich neu synthetisiert wird.
Der nicht oxidative Abschnitt schließt sich an den oxidativen Abschnitt nur an, wenn wesentlich mehr NADPH als Ribosephosphat benötigt wird. Er dient dazu, das im oxidativen Abschnitt anfallende Ribose-5-phosphat in Metabolite umzuwandeln, die in die Glykolyse eingespeist werden können. Ribose-5-phosphat wird zu diesem Zweck teilweise zu Glycerinaldehyd-3-phosphat abgebaut, parallel aber auch über Fructose-6-phosphat zu Glucose-6-phosphat (Abb. A 13.13), also zu dem Metaboliten, mit dem der gesamte Stoffwechselweg begonnen hat.
▶ Merke. Der nicht oxidative Abschnitt des Pentosephosphatweges ist vollständig reversibel. Dies gibt dem Stoffwechsel die Möglichkeit, ausgehend von Glycerinaldehyd-3-phosphat und Fructose-6-phosphat bei Bedarf Ribosephosphate (aber kein NADPH) zu synthetisieren. Der nicht oxidative Abschnitt ist dabei vom oxidativen Abschnitt unabhängig. Der nicht oxidative Abschnitt läuft in umgekehrter Richtung ab, wenn z. B. in einer Muskelzelle in außerordentlichem Umfang ATP gänzlich neu synthetisiert wird. Zur Synthese des ATP wird Ribose-5-phosphat benötigt, aber kein NADPH (S. 405). Deshalb werden Fructose-6-phosphat und Glycerinaldehyd-3-phosphat aus der Glykolyse abgezweigt und über den nicht oxidativen Abschnitt zu Ribose-5-phosphat umgesetzt.
Reaktionsschritte des Pentosephosphatwegs
Reaktionsschritte des Pentosephosphatwegs
Oxidativer Abschnitt (Abb. A 13.15)
Oxidativer Abschnitt (Abb. A 13.15)
1. Schritt: Glucose-6-phosphat ↓ Oxidation durch NADP+ 6-Phosphogluconolacton + NADPH Enzym: Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase
1. Schritt: Glucose-6-phosphat wird durch das Enzym Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase oxidiert. Das Oxidationsmittel ist NADP+. Oxidiert wird das anomere Kohlenstoffatom, also das C-Atom der Position 1, das in der üblichen HaworthProjektion ganz rechts steht. Dabei entsteht ein Lacton, also ein innerer Ester. Entsprechend handelt es sich bei dem Reaktionsprodukt um 6-Phosphogluconolacton. Außerdem entsteht NADPH.
▶
Klinik.
▶ Klinik. Ein Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase-Mangel ist in Europa vergleichsweise selten, in einigen Regionen Afrikas, Asiens und der Mittelmeerländer ist es aber die häufigste Erbkrankheit. Sie bietet einen geringfügigen, aber offenbar signifikanten Schutz gegen Plasmodium, den Erreger der Malaria. Der genetische Defekt wird X-chromosomal vererbt, sodass fast ausschließlich Männer erkranken. Der durch den Defekt bedingte Mangel an NADPH macht sich in der Regel erst bei einem erhöhten Bedarf an NADPH bemerkbar. Dann führt ein Versagen des GlutathionSystems der Erythrozyten – oxidiertes Glutathion kann nicht mehr hinreichend reduziert werden – zu einer Lyse der Erythrozyten. So kommt es zu einer hämolytischen Krise, die mit Schmerzen und Schüttelfrost verbunden ist. In den geschädigten Erythrozyten ist aggregierendes Hämoglobin in Form sog. Heinz-(Innen-) Körper mikroskopisch nachweisbar (Abb. A 13.14). Als Auslöser einer hämolytischen Krise wirken meist Medikamente, z. B. Acetylsalicylsäure oder Sulfonamide,
A
237
13.4 Woher stammt das NADPH für die Fettsäuresynthese?
A-13.14
Heinz-Körper in geschädigten Erythrozyten eines Patienten mit Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase-Mangel (aus Baenkler et al., Duale Reihe Innere Medizin, Thieme, 2009)
mitunter auch Infektionen. Ein weiterer bekannter Auslöser sind Inhaltsstoffe der sog. Saubohne (Vicia faba). Die durch Verzehr der Bohnen ausgelöste Symptomatik wird als Favismus bezeichnet.
2. Schritt: Ähnlich wie die Ester können auch Lactone durch Hydrolyse gespalten werden. Die Hydrolyse des 6-Phosphogluconolactons wird durch eine spezifische Lactonase katalysiert. Dabei öffnet sich der Ring und es entsteht 6-Phosphogluconat. Der Name bezeichnet das Anion der Zuckersäure 6-Phosphogluconsäure. In den ersten beiden Schritten des Pentosephosphatwegs wird also eine Aldose (Glucose-6-phosphat ist in der geöffneten Form ein Aldehyd) am C-Atom 1 zu einer Carbonsäure oxidiert. 3. Schritt: Das Kohlenstoffatom an Position 3 des 6-Phosphogluconats wird oxidiert. Die Reaktion wird wiederum von einer NADP+-abhängigen Dehydrogenase katalysiert. Das Reaktionsprodukt enthält eine Carbonylgruppe. Es ist instabil und zerfällt spontan in Ribulose-5-phosphat und CO2. Das freigesetzte CO2 enthält das C-Atom der Position 1, das zu Beginn des Pentosephosphatwegs oxidiert wurde. 4. Schritt: Ribulose-5-phosphat ist eine Ketose. Die Isomerisierung zur entsprechenden Aldose wird von einer Isomerase katalysiert und führt zur Bildung von Ribose-5-phosphat, dem Endprodukt des oxidativen Abschnitts des Pentosephosphatwegs.
3. Schritt: 6-Phosphogluconat ↓ Oxidation mit NADP+ Instabiles Zwischenprodukt ↓ – CO2 Ribulose-5-phosphat 4. Schritt: Isomerisierung zu Ribose-5-phosphat
Die Reaktionen des oxidativen Abschnitts des Pentosephosphatwegs
A-13.15
O P
CH2
2. Schritt: 6-Phosphogluconolacton ↓ Hydrolyse 6-Phosphogluconat Enzym: Lactonase
NADP+
OH
O P
2. Oxidation
COO–
OH
HO
NADP+
NADPH + H+
HO GluconolactonHydrolase
OH
6-PhosphogluconatDehydrogenase
OH 6-Phosphogluconat
6-Phosphogluconolacton
Glucose-6phosphat
O P OH
H2O
O
OH
Glucose-6-phosphatDehydrogenase
OH
CH2
Hydrolyse des Lactonringes
O
NADPH + H+
OH
HO
CH2
1. Oxidation
O
OH CH2
H2C OH
O P
C
OH COO–
CO2
O
HC OH
HC OH
HC OH
HC OH
HO O
OH
3-Keto-6-phospho-gluconat (instabil)
spontane Decarboxylierung
H2C O P
CH2
HC
Isomerase
Ribulose-5phosphat
O P OH
O O
=
HC H 2C O P
HO
OH
Ribose-5-phosphat
Streng genommen endet der oxidative Abschnitt mit dem Ribulose-5-phosphat. Oft wird jedoch Ribose-5-phosphat als Endprodukt bezeichnet.
Die beiden Reaktionsschritte, die mit einer Bildung von NADPH verbunden sind, werden von Dehydrogenasen katalysiert. In beiden Fällen wird eine H-C-OH-Gruppe zu einer C = O-Gruppe oxidiert. Der Reaktionsmechanismus ist identisch mit dem
Die beiden mit der Bildung von NADPH verbundenen Reaktionsschritte werden von Dehydrogenasen katalysiert. Diese oxidieren
238
A
13 Die Bereitstellung von Fettsäuren, Triacylglycerinen und Ketonkörpern
eine H-C-OH-Gruppe zu einer C = O-Gruppe. NADP+ nimmt von der H-C-OH-Gruppe ein Hydrid-Ion (H–) auf, anschließend löst sich das Proton von der OH-Gruppe (daher wird die Reaktion auch als Dehydrierung bezeichnet) und eine C = O-Gruppe bleibt übrig.
der NAD+-abhängigen Dehydrogenasen (S. 104): NADP+ nimmt von der H-C-OHGruppe ein Hydrid-Ion (H–) auf, anschließend löst sich das Proton von der OHGruppe und eine C = O-Gruppe bleibt übrig. Da die Oxidation mit einem Verlust von Wasserstoffatomen verbunden ist, bezeichnen manche Autoren die Reaktion als Dehydrierung der Substrate. Da neben dem NADPH auch ein Proton freigesetzt wird, findet man mitunter auch die Schreibweise „NADPH2“. Dabei ist zu beachten, dass das Proton (H+) zwar zur gleichen Zeit gebildet wird wie das NADPH, dass aber beide nie chemisch miteinander verbunden sind. „NADPH2“ ist lediglich eine vereinfachende Schreibweise für „NADPH + H+“.
Nicht oxidativer Abschnitt
Nicht oxidativer Abschnitt
Der nicht oxidative Abschnitt benötigt nur zwei Schritte, um überschüssiges Ribose-5phosphat in die Glykolyse einzuspeisen (Abb. A 13.16). Dabei werden Teile von Zuckerphosphaten untereinander ausgetauscht:
Der nicht oxidative Abschnitt benötigt im Grunde genommen nur zwei Schritte, um überschüssiges Ribose-5-phosphat in die Glykolyse einzuspeisen (Abb. A 13.16). In einem ersten Schritt wird Ribose-5-phosphat zur Synthese von Sedoheptulose-7phosphat verwendet. Dabei handelt es sich um ein Zuckerphosphat mit 7 Kohlenstoffatomen. In einem zweiten Schritt wird Sedoheptulose-7-phosphat verwendet, um Fructose-6-phosphat zu bilden. Fructose-6-phosphat ist bereits ein Metabolit der Glykolyse. Komplex sind lediglich die Details der beiden Reaktionen. In beiden Schritten werden Teile von Zuckerphosphaten untereinander ausgetauscht:
A-13.16
A-13.16
Die wichtigsten Reaktionen des nicht oxidativen Abschnitts des Pentosephosphatwegs
Ribulose-5-phosphat Epimerase Isomerase
Xylulose-5phosphat
Ribose-5phosphat
1. Schritt: Ribose-5-phosphat → Seduheptulose-7-phosphat (durch Übertragung einer C2-Einheit). Enzym: Transketolase
▶ Merke.
2. Schritt: Sedoheptulose-7-phosphat → Fructose-6-phosphat (durch Übertragung einer C3-Einheit). Enzym: Transaldolase Um alle Endprodukte in die Glykolyse einspeisen zu können, ist noch ein weiterer Schritt notwendig (Abb. A 13.17): 3. Schritt: Erythrose-4-phosphat → Fructose6-phosphat. Enzym: Transketolase
Glycerinaldehyd3-phosphat
Glycerinaldehyd3-phosphat
Sedoheptulose-7phosphat
Transketolase (Coenzym: Thiaminpyrophosphat =Thiamindiphosphat)
Erythrose-4phosphat
Transaldolase
Fructose-6phosphat
1. Schritt: Sedoheptulose-7-phosphat entsteht durch Übertragung einer C2-Einheit von Xylulose-5-phosphat auf Ribose-5-phosphat. Die Übertragung wird von der Transketolase katalysiert. Vom Xylulose-5-phosphat bleibt in diesem Schritt Glycerinaldehyd-3-phosphat übrig. (Xylulose-5-phosphat entsteht parallel zu Ribose-5-phosphat durch Isomerisierung aus Ribulose-5-phosphat).
▶ Merke.
Coenzym der Transketolase ist Thiaminpyrophosphat (Vitamin B1). Thiaminpyrophosphat ist auch in der Pyruvat-Dehydrogenase und der α-Ketoglutarat-Dehydrogenase der Mitochondrien enthalten. 2. Schritt: Fructose-6-phosphat wird gebildet, indem eine C3-Einheit von Sedoheptulose-7-phosphat abgelöst und auf Glycerinaldehyd-3-phosphat übertragen wird. Vom Sedoheptulose-7-phosphat bleibt dabei Erythrose-4-phosphat übrig. Die Reaktion wird vom Enzym Transaldolase katalysiert. Wenn der Pentosephosphatweg dauerhaft mit diesem Schritt endete, ergäbe sich allerdings eine Anhäufung von Erythrose-4-phosphat. Um alle Endprodukte des Weges in die Glykolyse einspeisen zu können, ist deshalb noch ein weiterer Schritt notwendig (Abb. A 13.17): 3. Schritt: Erythrose-4-phosphat nimmt von Xylulose-5-phosphat eine C2-Einheit auf. Die Reaktion wird von der gleichen Transketolase katalysiert wie die Bildung des Sedoheptulose-7-phosphats. Durch die Umsetzung wird nun auch das Erythrose-4-phosphat in Fructose-6-phosphat umgewandelt und kann in die Glykolyse eingespeist werden. Vom Xylulose-5-phosphat bleibt dabei Glycerinaldehyd3-phosphat übrig.
A
A-13.17
239
13.5 Lipogenese: Biosynthese der Triacylglycerine (TAG)
Vollständiges Schema der Reaktionen des nicht oxidativen Abschnitts des Pentosephosphatwegs CH2OH H
Ribulose-5phosphatIsomerase
C
O
O
CH2OH
C
H
C
O
HO
C
H
H
C
OH
H
C
OH
O
H
H
C
OH
H
C
OH
H
C
OH
H
C
OH
H
C
OH
H
C
OH
H
C
OH
H
C
OH
CH2OPO32–
CH2OH C
O
H
C
OH
Ribose-5phosphat +
H
C
OH
CH2OH
CH2OPO32– Ribulose-5phosphat
HO
C
Ribulose-5- HO phosphatH Epimerase
C
O
C
H
C
OH
C
CH2OPO32– Sedoheptulose-7 -phosphat + Transketolase Transaldolase
CH2OPO32– Xylulose-5phosphat
CH2OPO32–
H
C
H
C
OH
CH2OPO32– Glycerinaldehyd-3phosphat
CH2OPO32– Fructose-6phosphat
Erythrose-4phosphat + CH2OH C
O
Transketolase
+ O
O
HO
C
H
H
C
OH
H
C
OH
H
C C
H OH
CH2OPO32– Glycerinaldehyd-3phosphat
CH2OPO32–
zur Glykolyse
Fructose-6phosphat zur Glykolyse
▶ Merke.
Reaktionsprodukte des Pentosephosphatweges sind letztlich Fructose-6phosphat und Glycerinaldehyd-3-phosphat. Beide Reaktionsprodukte sind Metabolite der Glykolyse.
Regulation
▶ Merke.
Schrittmacherenzym des Pentosephosphatwegs ist die Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase. Ihre Aktivität wird über das Konzentrationsverhältnis von NADP+ und NADPH reguliert. NADP+ aktiviert, NADPH hemmt die Glucose-6phosphat-Dehydrogenase.
Zudem wird der gesamte Pentosephosphatweg durch Ausschüttung von Insulin stimuliert, indem die beteiligten Enzyme vermehrt gebildet werden (Insulin induziert die Transkription der Enzym-Gene). Dabei zeigt sich die Funktion des Insulins als Signalstoff, der in den Geweben bei einem erhöhten Angebot an Nahrungsstoffen eine vermehrte Bildung der Energiespeicher stimuliert.
13.5 Lipogenese: Biosynthese der
Triacylglycerine (TAG)
▶ Merke.
Regulation
▶ Merke.
Zudem wird der gesamte Pentosephosphatweg durch Insulin stimuliert (Induktion der Transkription der Enzym-Gene).
13.5
Lipogenese: Biosynthese der Triacylglycerine (TAG)
13.5.1 Reaktionsschritte der TAG-Synthese
13.5.1 Reaktionsschritte der TAG-Synthese
TAG und Phospholipide haben grundsätzlich unterschiedliche Funktionen (Energiespeicher/Membranlipide). Gleichwohl sind die ersten Schritte ihrer Biosynthese identisch: Fettsäuren werden durch Bildung von Acyl-CoA aktiviert. Glycerin wird in der Regel durch Bildung von Glycerin-3-phosphat aktiviert. Übertragung von Fettsäuren auf Glycerin-3-phosphat. Dabei entsteht als Zwischenprodukt Phosphatidsäure (= Glycerin, verbunden mit zwei Fettsäuren sowie mit einer Phosphatgruppe). Die Bildung des Acyl-CoA wird von mehreren Acyl-CoA-Synthetasen katalysiert, die sich in ihrer Spezifität für Fettsäuren unterscheiden. Die Synthetasen sind im ER
Die ersten Schritte gleichen denen der Phospholipidsynthese: Aktivierung der Fettsäuren → Acyl-CoA, Aktivierung des Glycerins → Glycerin-3phosphat, Übertragung von Fettsäuren auf Glycerin3-phosphat. Dabei entsteht das Zwischenprodukt Phosphatidsäure.
240
A
13 Die Bereitstellung von Fettsäuren, Triacylglycerinen und Ketonkörpern
A-13.18
A-13.18
Bereitstellung von Acyl-CoA und Glycerin-3-phosphat, den Ausgangsverbindungen der TAG-Synthese 2 Pi Pyrophosphatase
H2O PPi
O R
+ ATP
C
O R
C
O–
NADH + H+ NAD+
O
H 2C O
▶ Merke.
Der Transfer einer Fettsäure auf die OHGruppe in Position 1 des Glycerins liefert Lysophosphatidsäure (Lysophosphatidat) (Abb. A 13.19). Auf die OH-Gruppe in Position 2 wird meist Ölsäure oder eine andere ungesättigte Fettsäure übertragen. Reaktionsprodukt ist Phosphatidsäure (Phosphatidat).
Der Phosphatrest wird abgelöst (→ 1,2-Diacylglycerin) und durch eine Fettsäure ersetzt (→ Triacylglycerin) (Abb. A 13.19).
O
Adenosin
O R
C
CoA + AMP Acyl-CoA
ATP H2C OH
ADP
Dehydrogenase
H2C O
P
H2C OH HC OH
HC OH
P
Dihydroxyacetonphosphat b
Glycerin-3-phosphat entsteht auf zwei Wegen (Abb. A 13.18 b): Reduktion von Dihydroxyacetonphosphat Phosphorylierung von Glycerin
P
Acyladenylat
H2C OH
Die Bildung des Acyl-CoA wird von spezifischen Acyl-CoA-Synthetasen katalysiert und erfolgt in zwei Schritten: Bildung von Acyladenylat unter Hydrolyse von ATP Übertragung der Fettsäure von Acyladenylat auf Coenzym A (Abb. A 13.18 a)
O
O–
Fettsäure a
C
CoA
O
GlycerinKinase
H2C OH Glycerin
Glycerin-3-phosphat
und in der äußeren Membran der Mitochondrien lokalisiert. Im ersten Schritt reagieren die Fettsäuren mit ATP zu Acyladenylat (Abb. A 13.18 a). Dabei wird Pyrophosphat (PPi) freigesetzt, das anschließend sofort zu zwei Phosphat-Ionen (Pi) hydrolysiert wird. Von Acyladenylat werden die Fettsäuren auf Coenzym A übertragen. Ein erheblicher Teil der Energie, die bei der Hydrolyse des ATP freigesetzt wurde, ist nun in der energiereichen Thioesterbindung des Acyl-CoA gespeichert. Dem Acyl-CoA stehen grundsätzlich zwei Wege offen: In einer katabolen Stoffwechsellage reagiert das Acyl-CoA an der Außenseite der Mitochondrien mit der Carnitin-Acyltransferase 1. Damit wird die Fettsäure der β-Oxidation in der mitochondrialen Matrix zugeleitet. Im anabolen Stoffwechsel bleibt das Acyl-CoA hingegen im Zytosol, wo es zur Synthese von TAG verwendet wird. Zu diesem Zweck werden die Fettsäuren von Acyl-CoA schrittweise auf Glycerin-3-phosphat übertragen. Zwei Wege führen zur Bildung von Glycerin-3-phosphat (Abb. A 13.18 b): Dihydroxyacetonphosphat (= Glyceron-3-phosphat, Zwischenprodukt der Glykolyse) kann von einer NADH-abhängigen Dehydrogenase zu Glycerin-3-phosphat reduziert werden. Glycerin kann mithilfe einer Glycerin-Kinase (= Glycerokinase) zu Glycerin-3phosphat phosphoryliert werden.
▶ Merke.
Der geschwindigkeitsbestimmende Schritt in der Synthese der TAG und der Phospholipide besteht in einer Übertragung einer Fettsäure von AcylCoA auf die OH-Gruppe von Glycerin-3-phosphat in Position 1. In der Regel wird dabei eine langkettige gesättigte Fettsäure übertragen. Die Reaktion wird von Glycerin-3-phosphat-Acyltransferasen katalysiert, die sich wiederum sowohl im ER als auch in der mitochondrialen Außenmembran nachweisen lassen. Das Reaktionsprodukt wird als Lysophosphatidsäure bzw. als Lysophosphatidat bezeichnet (Abb. A 13.19). Acyltransferasen mit einer Spezifität für Lysophosphatidsäure katalysieren anschließend die Veresterung der OH-Gruppe in Position 2. In diesem Schritt wird meist Ölsäure oder eine andere ungesättigte Fettsäure übertragen. Das Reaktionsprodukt ist die Phosphatidsäure bzw. das Phosphatidat, aus dem je nach Bedarf TAG oder auch Phospholipide gebildet werden können. Eine Phosphatidat-Phosphatase kann den Phosphatrest an Position 3 ablösen und damit die Bildung von 1,2-Diacylglycerinen (engl. Diacylglycerol, DAG) katalysieren. Durch Übertragung einer weiteren Acylgruppe entstehen aus Diacylglycerinen die Triacylglycerine (TAG = Triglyceride, TG) (Abb. A 13.19). In der Darmschleimhaut und in der Leber werden die TAG zum größten Teil im Lumen des ER auf Apolipoproteine übertragen (S. 243) und dann in Form von Lipo-
A
A-13.19
241
13.5 Lipogenese: Biosynthese der Triacylglycerine (TAG)
Reaktionsschritte der TAG-Synthese
H2C OH HO
C
H2 C O O R
C
O
H
Glycerin-3-phosphat
2-Monoacylglycerin (aus der Verdauung im Darm)
P
R
C
CoA H2C O C
C
R
H
H 2C O
P
Lysophosphatidsäure
C
C
H
2-MonoacylglycerinAcyltransferase
CoA
O
O R'
H2C OH O
H2C OH
CoA O
HO
C
O
Glycerin-3-phosphatAcyltransferase
CoA
R'
CoA
CoA
1-Acylglycerin-3-phosphatAcyltransferase
O R'
C
H 2C O O
C
C
O R
H
H2C O
P
Phosphatidsäure
O
Pi
R'
C
H2C O O
C
C
R
H
H2C OH
PhosphatidsäurePhosphatase
Diacylglycerin O
R''
C
CoA
DiacylglycerinAcyltransferase
CoA
Synthese der Phospholipide
O O Triacylglycerin
R'
C
H 2C O O
C
C
R
H O
H2C O
C
R''
proteinen sezerniert. In Adipozyten werden die TAG in Form kleiner Fett-Tröpfchen im Zytosol gespeichert.
13.5.2 Regulation der TAG-Synthese
13.5.2 Regulation der TAG-Synthese
Die TAG-Synthese steht in den verschiedenen Organen in unterschiedlichen physiologischen Zusammenhängen und wird deshalb unterschiedlich reguliert: In der Darmmukosa werden aus den resorbierten 2-Monoacylglycerinen, aus freien Fettsäuren sowie teilweise auch aus freiem Glycerin abhängig vom Fettgehalt der Nahrung oft in großem Umfang TAG resynthetisiert. Das Ausmaß der TAG-Synthese wird hier im Wesentlichen vom Substratangebot bestimmt. Auch in Adipozyten findet eine Resynthese statt: In den Fettgeweben werden die Lipoproteine (Chylomikronen und VLDL) des Blutes von der Lipoproteinlipase zu Glycerin und freien Fettsäuren hydrolysiert. Die Hydrolyseprodukte werden von den Adipozyten resorbiert und zur Resynthese von TAG verwendet. Zudem kann in den Adipozyten aber auch eine erhebliche Neusynthese von TAG stattfinden. Diese wird bei Ausschüttung von Insulin massiv stimuliert. Insulin erleichtert über den Einbau von GLUT 4 in die Plasmamembran die Aufnahme von Glucose. Über den Abbau der Glucose wird im Zytosol das für die TAG-Synthese benötigte Glycerin-3-phosphat bereitgestellt. In den Mitochondrien wird mithilfe der Pyruvat-Dehydrogenase das zur Synthese der Fettsäuren erforderliche Acetyl-CoA synthetisiert. Auch in der Leber hängt das Ausmaß der TAG-Neusynthese von den stoffwechselphysiologischen Bedingungen ab. Wenn der Organismus mit der Nahrung sehr viele Fettsäuren aufnimmt, wird eine TAG-Neusynthese in der Leber weitgehend unterdrückt. Wenn die Nahrung nur wenig Fett enthält, werden TAG in der Leber hingegen in erheblichem Umfang synthetisiert. Auch hier werden Glycerin und Acetyl-CoA zu diesem Zweck aus dem Kohlenhydratstoffwechsel bezogen. Über die Regulation der Enzyme, die unmittelbar an der Bildung der TAG beteiligt sind, ist bislang erst wenig bekannt. Neuere Untersuchungen lassen darauf schließen, dass zumindest in der Leber die Stearoyl-CoA-Desaturase eine wichtige Rolle spielt. Das Enzym katalysiert am ER die Bildung der einfach ungesättigten Ölsäure (18:1) aus Stearinsäure (18:0). Wenn die Desaturase gehemmt wird, fehlt daraufhin die wichtigste Fettsäure für die Acylierung der Position 2 der Lysophosphatidsäure und die TAG-Synthese ist blockiert.
Die TAG-Synthese wird je nach Art der synthetisierenden Zelle unterschiedlich reguliert: In der Darmmukosa wird das Ausmaß der TAG-Resynthese im Wesentlichen vom Substratangebot bestimmt.
In Adipozyten wird die Neusynthese von TAG durch Insulin massiv stimuliert.
In der Leber hängt das Ausmaß der TAGNeusynthese von den stoffwechselphysiologischen Bedingungen ab: Bei fettreicher Nahrung wird die Neusynthese weitgehend unterdrückt, bei fettarmer Nahrung hingegen stimuliert. Zumindest in der Leber scheint die StearoylCoA-Desaturase eine wichtige Rolle in der Regulation zu spielen: Ist sie gehemmt, fehlt Ölsäure und die TAG-Synthese ist blockiert.
242
A
13.6
13.6 Ketonkörpersynthese (Ketogenese)
Ketonkörpersynthese (Ketogenese)
13.6.1 Grundlagen
13.6.1 Grundlagen
▶ Definition.
A-13.20
13 Die Bereitstellung von Fettsäuren, Triacylglycerinen und Ketonkörpern
▶ Definition. Als Ketonkörper bezeichnet man die drei Metabolite Acetoacetat, βHydroxybutyrat und Aceton (s. Abb. A 13.20).
Ketonkörpersynthese
O 2 H3C
C
O CoA
Acetyl-CoA
H3C CoA
O H 3C
Thiolase
C
O CH2
C
C
CoA
Acetyl-CoA
CoA
OH
O
CoA
CH2
C –
HMG-CoA-Synthase
Acetoacetyl-CoA
O
C
C –
NAD+
OH
O CH2
CH
CH3
O β-Hydroxybutyrat
▶ Merke.
β-HydroxybutyratDehydrogenase
C
CoA
C
CH2
β-Hydroxyβ-methylglutaryl-CoA (= HMG-CoA)
O H 3C
C
O Acetoacetat
C
CoA CO2
O
O –
CH2
CH3
HMG-CoA-Lyase NADH + H+
O
CH3
O H3C
spontane Decarboxylierung
C
CH3
Aceton
▶ Merke. Bildungsort der Ketonkörper sind die Mitochondrien der Hepatozyten. Ketonkörper werden synthetisiert, wenn die Konzentration an Acetyl-CoA im Hepatozyten erhöht ist. Dies ist bei länger anhaltendem Nahrungsmangel, aber auch bei Diabetes mellitus der Fall.
Acetoacetat und β-Hydroxybutyrat sind im Fasten/Hunger die entscheidende Energiequelle des Gehirns. Aceton wird unverändert ausgeschieden (v. a. abgeatmet).
13.6.2 Die Reaktionen der Ketonkörpersynthese
▶ Merke.
Synthese von Acetoacetat: 2 Acetyl-CoA→ Acetoacetyl-CoA + CoA: Enzym: Thiolase.
Acetoacetyl-CoA + Acetyl-CoA → CoA + 3-Hydroxy-3-methylglutaryl-CoA (β-Hydroxy-β-methylglutaryl-CoA = HMGCoA). Enzym: mitochondriale HMG-CoA-Synthase
Acetoacetat und β-Hydroxybutyrat sind bei Nahrungsmangel wichtige Energielieferanten, insbesondere in der Skelettmuskulatur und im Herzmuskel. Im Fasten sind sie außerdem als Energiequelle des Gehirns von entscheidender Bedeutung. Aceton hat im Stoffwechsel hingegen keine Funktion. Es wird mit dem Urin und mit der Atemluft unverändert ausgeschieden. Nach einem halben Tag ohne Nahrungsaufnahme ist die Konzentration der Ketonkörper im Blutplasma noch gering. Im Fasten kann die Ketonkörperkonzentration innerhalb weniger Tage auf 8 mM steigen.
13.6.2 Die Reaktionen der Ketonkörpersynthese ▶ Merke. Primäres Reaktionsprodukt der Ketonkörpersynthese ist Acetoacetat. Aus ihm entsteht durch Reduktion β-Hydroxybutyrat, durch spontane Decarboxylierung Aceton (Abb. A 13.20). Synthese von Acetoacetat: 2 Acetyl-CoA reagieren unter Freisetzung von 1 CoA zu Acetoacetyl-CoA. Die Reaktion wird von dem Enzym Thiolase katalysiert und entspricht einer Umkehrung des letzten Schrittes der β-Oxidation. (Im letzten Schritt der β-Oxidation wird Acetoacetyl-CoA mithilfe von CoA in 2 Acetyl-CoA gespalten.) Acetoacetyl-CoA reagiert mit einem weiteren Acetyl-CoA zu 3-Hydroxy-3-methylglutaryl-CoA (β-Hydroxy-β-methylglutaryl-CoA = HMG-CoA). Dieser Schritt wird von der mitochondrialen HMG-CoA-Synthase katalysiert. HMG-CoA ist auch ein Zwischenprodukt der Cholesterinsynthese (S. 336). Zu beachten ist allerdings, dass HMG-CoA bei der Ketonkörpersynthese in Mitochon-
A
243
13.7 Lipoproteine: Transport von Lipiden im Blut
drien gebildet wird. Das HMG-CoA der Cholesterinsynthese hingegen wird im Zytosol synthetisiert.
▶ Merke.
HMG-CoA ist ein Zwischenprodukt sowohl der Ketonkörpersynthese als auch der Cholesterinsynthese.
Von HMG-CoA wird Acetyl-CoA abgespalten, dabei bleibt Acetoacetat übrig. Die Reaktion wird von einer HMG-CoA-Lyase katalysiert. Synthese von β-Hydroxybutyrat: Ein großer Teil des Acetoacetats wird mit NADH durch die β-Hydroxybutyrat-Dehydrogenase zu β-Hydroxybutyrat reduziert. Sowohl β-Hydroxybutyrat als auch Acetoacetat wird an das Blut abgegeben. Im Blut ist β-Hydroxybutyrat der Ketonkörper mit der höchsten Konzentration.
▶
Klinik.
Da es sich bei Acetoacetat und β-Hydroxybutyrat um Carbonsäuren handelt, ist die verstärkte Synthese der Ketonkörper sowohl im Fasten als auch bei Diabetes mellitus mit einer Ansäuerung des Blutes, also mit einer Azidose verbunden.
13.7 Lipoproteine: Transport von Lipiden im
Blut ▶ Definition.
Als Lipoproteine bezeichnet man bestimmte Aggregate aus Lipiden und Proteinen des Blutplasmas. Ihre entscheidende Funktion besteht im Transport der hydrophoben Lipide in der wässrigen Umgebung des Blutes.
▶ Merke. HMG-CoA → Acetoacetat + Acetyl-CoA: Enzym: HMG-CoA-Lyase Synthese von β-Hydroxybutyrat: Acetoacetat wird mithilfe von NADH reduziert. Enzym: β-Hydroxybutyrat-Dehydrogenase
▶
Klinik.
13.7
Lipoproteine: Transport von Lipiden im Blut
▶ Definition.
13.7.1 Aufbau und Einteilung
13.7.1 Aufbau und Einteilung
Lipoproteine enthalten neben den Lipiden, die den hydrophoben Kern des Aggregats bilden, spezifische Proteine, die als Apolipoproteine bezeichnet werden. Diese weisen vielfach amphiphile α-Helices auf: An der den Lipiden zugewandten Seite exponieren sie überwiegend hydrophobe Aminosäuren, während die übrigen Aminosäuren hydrophil sind und so die Löslichkeit der Lipoproteine in der wässrigen Umgebung vermitteln. Apolipoproteine binden Lipide (ApoB-48 und ApoB-100), vermitteln die Bindung an Lipoprotein-Rezeptoren der Zielzellen (ApoB-100, ApoA-I und ApoE), aktivieren die Lipoprotein-abbauenden Enzyme (ApoA-I aktiviert die LCAT, ApoCII aktiviert die Lipoproteinlipase) (Tab. A 13.1). Lipoproteine unterscheiden sich in Zusammensetzung und Anteil ihrer Lipide und Apolipoproteine. Unterschiede im Lipid- bzw. Proteinanteil führen zu Dichteunterschieden, anhand derer sich fünf Lipoproteinklassen abgrenzen lassen (Tab. A 13.1). In der klinischen Chemie werden Lipoproteine in der Regel durch ElektrophoreseVerfahren analysiert. Zu diesem Zweck werden nicht die sonst in der Biochemie üblichen SDS-Polyacrylamid-Gelelektrophoresen (SDS-PAGE) durchgeführt, sondern vereinfachte Techniken unter Verwendung kommerziell erhältlicher Agarosegele oder Celluloseacetatfolien. Die Lipoproteine lassen sich dann bestimmten Fraktionen der Serumproteine zuordnen, die willkürlich mit griechischen Buchstaben bezeichnet wurden. So sind die LDL ein Bestandteil der β-Fraktion (Tab. A 13.1).
Lipoproteine enthalten neben den Lipiden, die den hydrophoben Kern bilden, spezifische sog. Apolipoproteine. Letztere binden Lipide, vermitteln die Bindung an Lipoprotein-Rezeptoren der Zielzellen, aktivieren die Lipoprotein-abbauenden Enzyme (Tab. A 13.1).
13.7.2 Der Stoffwechsel der Lipoproteine
Lipoproteine unterscheiden sich in ihrer Dichte, anhand der sie in fünf Klassen eingeteilt werden (Tab. A 13.1). In der klinischen Chemie werden Lipoproteine in der Regel durch Elektrophorese-Verfahren analysiert (Tab. A 13.1).
13.7.2 Der Stoffwechsel der Lipoproteine
Chylomikronen
Chylomikronen
Chylomikronen bestehen zu etwa 90 % aus den TAG, die in der Darmmukosa im Zusammenhang mit der Verdauung der Nahrugslipide resynthetisiert wurden. Da TAG eine geringe Dichte haben („Fett schwimmt oben“), ist auch die Dichte der Chylomikronen gering. Sie entstehen in den Enterozyten im Lumen des ER durch Anlagerung von TAG und geringen Mengen weiterer Lipide an das ApoB-48.
Chylomikronen bestehen zu ca. 90 % aus den TAG, die nach der Lipidverdauung in der Darmmukosa resynthetisiert und an ApoB48 gebunden wurden. Ihre Dichte ist gering.
244
A
A-13.1
13 Die Bereitstellung von Fettsäuren, Triacylglycerinen und Ketonkörpern
Übersicht über die Lipoproteine
Lipoproteinklasse
Funktion
wichtige Apolipoproteine
Durchmesser
TAGAnteil
Dichte
Verhalten bei der Elektrophorese
Chylomikronen
Transport der Lipide (insbes. TAG) der Nahrung
ApoB-48 (bindet die Lipide), ApoC-II (Cofaktor der Lipoproteinlipase → Hydrolyse der TAG) ApoE (vermittelt die Endozytose der Chylomikronen-Reste in der Leber)
75 – 500 nm
~90 %
< 0,95 g/ml
wandern nicht
VLDL (Very low Density Lipoproteins) (Abb. A 13.21 a)
Transport von in der Leber synthetisierten TAG und Cholesterin zu den extrahepatischen Geweben
ApoB-100 (bindet die Lipide), ApoC-II (Funktion s. o.)
30 – 70 nm
55 %
ca. 0,95 g/ml
prä-β-Fraktion
IDL (Intermediate Density Lipoproteins)
entstehen beim Abbau von VLDL
ApoB-100 (Funktion s. u.)
20 – 30 nm
20 %
1,01 – 1,02 g/ml
β-Fraktion
LDL (Low Density Lipoproteins) (Abb. A 13.21 b)
entstehen beim Abbau von IDL, enthalten hohen Cholesterinanteil (45 %) und verteilen Cholesterin im Körper
ApoB-100 (bindet die Lipide und löst in den peripheren Geweben durch Bindung an den LDL-Rezeptor die Aufnahme des Cholesterins durch Endozytose aus)
20 nm
6%
1,02 – 1,06 g/ml
β-Fraktion
HDL (High Density Lipoproteins) (Abb. A 13.21 c)
Aufnahme von Cholesterin in peripheren Geweben und Transport zur Leber
ApoA-I (aktiviert die Lecithin-Cholesterin-Acyltransferase, die das in Lipoproteinen enthaltene Cholesterin mit Fettsäuren verestert), ApoE (vermittelt die Übergabe von Cholesterinestern an die Leber)
< 10 nm
4%
bis zu 1,2 g/ml
α-Fraktion
A-13.21
a
Humane Lipoproteine (elektronenmikroskopische Aufnahmen, Negativfärbung, Vergr. 1:270 000)
b
a VLDL. b LDL. c HDL. (aus Riede, Werner, Schaefer; Allgemeine und spezielle Pathologie, Thieme, 2004)
c
A
Die Chylomikronen gelangen in die Lymphe und über den Ductus thoracicus in den Blutkreislauf. Im Anschluss an eine fettreiche Mahlzeit werden in kurzer Zeit sehr viele Chylomikronen in das Blut geschwemmt. Wenn in dieser Phase Blutplasma aus Blutproben gewonnen wird, zeigt dieses eine deutliche Trübung (Abb. A 13.22). Im Blutkreislauf nehmen die Chylomikronen von HDL ApoC-II und ApoE auf.
A-13.22
245
13.7 Lipoproteine: Transport von Lipiden im Blut
Blutseren mit verschiedenen Lipidkonzentrationen
Sie gelangen über die Lymphe in den Blutkreislauf, wo sie von HDL ApoC-II und ApoE aufnehmen. Chylomikronenreiches Blutplasma ist trüb (Abb. A 13.22).
A-13.22
Linkes Röhrchen: Gesamtcholesterin 173 mg/dl, Triglyceride 121 mg/dl. Mittleres Röhrchen: Gesamtcholesterin 370 mg/dl, Triglyceride 897 mg/dl. Rechtes Röhrchen: Gesamtcholesterin 1008 mg/dl, Triglyceride 9294 mg/dl. (mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. Füeßl, Haar)
▶ Merke.
ApoC-II ist Cofaktor der Lipoproteinlipase. Dieses Enzym befindet sich auf der Außenseite der Endothelzellmembran der Blutkapillaren. Hier spaltet es die TAG der Chylomikronen in Glycerin und Fettsäuren. Während das Glycerin mit dem Blut zur Leber transportiert wird, werden die Fettsäuren von den Zielzellen resorbiert.
Entgegen früheren Vermutungen erfolgt die Aufnahme langkettiger Fettsäuren in den Zellmembranen der peripheren Gewebe nicht spontan, sondern unter Vermittlung mehrerer Transportproteine (FATP, FAT/CD 36 und FABPpm). Durch den weitgehenden Verlust ihrer TAG werden die Chylomikronen zu Chylomikronen-Resten (Remnants) und weisen nun in der Zusammensetzung ihrer Lipide einen erhöhten Cholesterinanteil auf. Sie gelangen in die Leber, wo ApoE ihre Aufnahme in die Hepatozyten durch Endozytose vermittelt. ApoE bindet an zwei Rezeptorproteine, die unabhängig voneinander in der Plasmamembran der Hepatozyten verankert sind und die Endozytose der Remnants auslösen. Dies sind der LDL-Rezeptor (LDLR) und das LDL-Rezeptor-verwandte Protein 1 (LDLR-related Protein, LRP1). Beide gehören zu derselben Proteinfamilie. Sie sind mit einer membranspannenden Domäne in der Plasmamembran verankert und exponieren an der Außenseite der Zelle eine große Domäne, die der Bindung der Liganden dient.
▶ Merke.
Durch die Hydrolyse der TAG weisen die Chylomikronen-Reste (Remnants) einen höheren Cholesterinanteil auf. Sie gelangen in die Leber, wo ApoE durch Bindung an den LDL-Rezeptor (LDLR) und das LDL-Rezeptor-verwandte Protein (LRP) ihre Aufnahme in die Hepatozyten durch Endozytose vermittelt. Zum Mechanismus der Endozytose s. S. 351.
VLDL (Very low Density Lipoproteins)
VLDL (Very low Density Lipoproteins)
VLDL werden in der Leber gebildet. Sie enthalten vor allem TAG, die in der Leber synthetisiert wurden. In ihrer Zusammensetzung ähneln sie somit den Chylomikronen. Da sie neben den TAG auch einen vergleichsweise hohen Cholesterinanteil (ca. 20 %) enthalten, ist ihre Dichte geringfügig höher. Vor dem Einbau in die VLDL wird das Cholesterin in den Hepatozyten unter Vermittlung der Acyl-CoA-CholesterinAcyltransferase (ACAT) weitgehend mit Fettsäuren verestert und liegt somit in Form von Cholesterinestern vor. Das Apolipoprotein, an das sich die Lipide während der Biogenese der VLDL anlagern, ist das ApoB-100. Dieses besteht aus 4 536 Aminosäuren und zählt mit einer Masse von 513 kDa zu den größten Proteinen, die vom Genom des Menschen kodiert werden. Es wird vom gleichen Gen kodiert wie ApoB-48 und von derselben mRNA translatiert. In den Enterozyten wird das Cytidin in Nukleotidposition 6 666 der mRNA desaminiert, wodurch das Codon CAA, das Glutamin kodiert, zum Stoppcodon UAA wird (C-to-U-RNA-Editing, S. 454). Dadurch entsteht in Enterozyten die verkürzte Version ApoB-48. In Hepatozyten bleibt die mRNA unverändert und es wird das vollständige ApoB-100 synthetisiert (Abb. A 13.23).
VLDL werden in der Leber gebildet. Sie enthalten vor allem TAG, aber auch ca. 20 % Cholesterin. Dieses ist durch die ACAT weitgehend mit einer Fettsäure verestert.
Die Lipide lagern sich an ApoB-100 an. ApoB100 und das ApoB-48 der Enterozyten werden von derselben mRNA translatiert. In Enterozyten wird aufgrund von C-to-U-RNAEditing nur ein Teil der mRNA, in Hepatozyten dagegen die komplette mRNA translatiert (Abb. A 13.23).
246 A-13.23
A
13 Die Bereitstellung von Fettsäuren, Triacylglycerinen und Ketonkörpern
A-13.23
VLDL und Chylomikronen und die bei ihrer Biogenese in der Leber bzw. im Darm entscheidenden Apolipoproteine (aus Faller, Schünke; Der Körper des Menschen, Thieme, 2008)
VLDL ApoB-100
Abbau zu LDL
Chylomikronen ApoB-48
Abbau zu Remnants
Wie Chylomikronen nehmen VLDL im Blut ApoC-II von HDL auf → Hydrolyse der gebundenen TAG durch die Lipoproteinlipase. So werden VLDL über IDL zu LDL abgebaut. Dabei steigt der relative Anteil des Cholesterins. Das Cholesterin der VLDL wird größtenteils durch die Lecithin-Cholesterin-Acyltransferase (LCAT) des Blutplasmas in Cholesterinester überführt: Das Enzym überträgt eine Fettsäure auf die OH-Gruppe des Cholesterins. Die Fettsäuren stammen vom Lecithin u. a. Phospholipiden der VLDL.
Cholesterinester sind hydrophob und akkumulieren im Kern der VLDL und LDL.
Wie die Chylomikronen nehmen auch VLDL während der Zirkulation im Blut Apoproteine von HDL auf, u. a. ApoC-II. Dieses vermittelt an den Endothelzellen der Kapillaren die Hydrolyse der in VLDL enthaltenen TAG durch die Lipoproteinlipase. Auf diese Weise werden VLDL rasch zu IDL und dann zu LDL abgebaut. Die durchschnittliche Überlebenszeit der VLDL im Blut beträgt nur ca. 20 Minuten. Da sie TAG schneller abgeben als Cholesterin, steigt dabei der relative Anteil des Cholesterins. Der Anteil des Cholesterins, der noch nicht verestert ist, wird durch die LecithinCholesterin-Acyltransferase (LCAT) des Blutplasmas in Cholesterinester überführt. Die LCAT bindet reversibel an VLDL und katalysiert die Übertragung von Fettsäuren des Lecithins (= Phosphatidylcholin, das häufigste Membranlipid) auf die OH-Gruppen des Cholesterins: Cholesterin + Lecithin ⇌ Cholesterinester + Lysolecithin Quelle der von der LCAT übertragenen Fettsäuren sind die Phospholipide, die sich in der äußeren Schicht der VLDL befinden. In der Regel spaltet die LCAT die Fettsäure von der Position 2 ab. Dabei bleibt vom Lecithin Lysolecithin übrig. Da sich in der Position 2 der Phospholipide meist eine ungesättigte Fettsäure befindet, sind die Cholesterinester der VLDL und LDL reich an ungesättigten Fettsäuren, insbesondere an Linolsäure. Da die hydrophile OH-Gruppe des Cholesterins nun durch eine hydrophobe Fettsäure blockiert ist, geht der amphiphile (= sowohl polare als auch hydrophobe) Charakter des Cholesterins verloren. Deshalb verlassen die Cholesterinester die Oberfläche der VLDL und akkumulieren im hydrophoben Kern der Partikel.
LDL (Low Density Lipoproteins)
LDL (Low Density Lipoproteins)
LDL haben bis auf ApoB-100 alle Apolipoproteine verloren. Ihr Anteil an Cholesterinestern beträgt bis zu 50 %. LDL verteilen Cholesterin im Körper. Für die Verteilung des Cholesterins ist der LDL-Rezeptor entscheidend. Er wird in unterschiedlichem Ausmaß von sämtlichen Zellen des Körpers gebildet und vermittelt die Endozytose des kompletten LDL-Partikels.
LDL haben bis auf ApoB-100 alle Apolipoproteine verloren. Sie enthalten kaum noch TAG, dafür aber Cholesterinester in hoher Konzentration. Der Anteil der Cholesterinester an den Lipiden der LDL beträgt bis zu 50 %, und die wichtigste Funktion der LDL besteht in ihrem Beitrag zur Verteilung des Cholesterins im Körper. Während die TAG der VLDL nach und nach durch die Aktivität der Lipoproteinlipase abgegeben werden, ist für die Verteilung des Cholesterins der LDL-Rezeptor von entscheidender Bedeutung. Er vermittelt eine Endozytose des kompletten LDL-Partikels. TAG und Cholesterin(ester) werden in den Zielorganen also durch grundsätzlich unterschiedliche Mechanismen aufgenommen. Der LDL-Rezeptor wird in unterschiedlichem Ausmaß von sämtlichen Zellen des Körpers gebildet. Über die kontrollierte Expression des LDL-Rezeptors können die Zellen bestimmen, wie viele LDL und damit wie viel Cholesterin sie aufnehmen wollen. LDL, die von den Geweben der peripheren Organe nicht resorbiert werden, binden nach einiger Zeit an LDL-Rezeptoren der Leber und werden von den Hepatozyten aufgenommen. Der LDL-Rezeptor erkennt sowohl das ApoB der LDL als auch das ApoE der HDL.
▶ Merke.
▶ Merke.
Die Bindung der LDL an den LDL-Rezeptor wird durch ApoB-100
vermittelt. Die rezeptorvermittelte Endozytose der LDL (Abb. A 13.24) verläuft mithilfe von Clathrin. Die Inhaltsstoffe der LDL werden in Lysoso-
Die rezeptorvermittelte Endozytose der LDL (Abb. A 13.24) ist an die Beteiligung von Clathrin gebunden. Clathrin ist ein Protein, das sich in Bereichen hoher Rezeptordichte an die zytosolische Seite der Zellmembran anlagert und dann die Bildung
A
A-13.24
247
13.7 Lipoproteine: Transport von Lipiden im Blut
Rezeptorvermittelte Endozytose von LDL
Phospholipid LDL
freies Cholesterin Cholesterinester
LDL
Triacylglycerin extrazellulärer Raum Zelle ApoB-100
vesikulärer Transport
Rezeptorvermittelte Endozytose
NH2
LDLRezeptor
Lysosom
Kohlenhydratseitenketten
Endosom
Plasmamembran Fettsäuren
Ribosom
Aminosäuren
endoplasmatisches Retikulum, LDL-Rezeptor-Synthese
Cholesterin
a
COOH
b
Golgi-Apparat, Glykosylierung des LDL-Rezeptors
Zellkern
a LDL-Rezeptor. b Endozytose. (a+b: nach Biesalski, Grimm; Taschenatlas Ernährung, Thieme, 2011)
eines Vesikels auslöst, indem es eine korbartige Struktur bildet. Die auf diese Weise entstandenen Vesikel werden als Endosomen bezeichnet. Nach Fusion der Endosomen mit primären Lysosomen dissoziieren die LDL im sauren Milieu der Lysosomen, und ihre Inhaltsstoffe werden den hydrolytischen Enzymen der Lysosomen ausgesetzt. Eine lysosomale Lipase hydrolysiert die Cholesterinester. Cholesterin wird freigesetzt und aus den Lysosomen ausgeschleust. Im Zytosol hemmt Cholesterin die HMG-CoA-Reduktase, das Schlüsselenzym der Cholesterinbiosynthese. Je mehr Cholesterin eine Zelle von außen aufnimmt, desto weniger Cholesterin braucht sie selber zu synthetisieren. Cholesterin wird in die Membranen der Zelle eingelagert oder durch die Acyl-CoA-Cholesterin-Acyltransferase (ACAT) erneut mit Fettsäuren (pro Cholesterinmolekül eine Fettsäure) verestert und in Lipidtröpfchen gespeichert. Die ACAT bezieht die Fettsäuren nicht von Phospholipiden (wie die LCAT des Blutplasmas), sondern von Acyl-CoA, überwiegend von Palmitoyl-CoA. Die ACAT ist ein Enzym des Endoplasmatischen Retikulums. Der LDL-Rezeptor ist gegen die hydrolytischen Enzyme der Lysosomen hinreichend resistent und wird mithilfe von Vesikeln zurück zur Plasmamembran transportiert. Der Weg eines LDL-Rezeptors von der Zelloberfläche zu einem Lysosom und zurück benötigt nur etwa 10 Minuten.
▶
Klinik. HMG-CoA-Reduktasehemmer (Statine) sind kompetitive Inhibitoren der
zytosolischen HMG-CoA-Reduktase, des Schrittmacherenzyms der Cholesterinsynthese (S. 336). Sie bewirken eine erhebliche Absenkung der intrazellulären Cholesterinkonzentration. Diese Wirkung der Statine macht man sich bei erhöhtem Blutcholesterinspiegel (Hypercholesterinämie) zunutze (s. u.). Bei einer Therapie mit Statinen wird der Blutcholesterinspiegel zum einen gesenkt, weil weniger Cholesterin synthetisiert wird, aber zum anderen auch, weil LDL aus dem Blut aufgenommen wird. Die Ursache der vermehrten Aufnahme ist eine gesteigerte Synthese des LDL-Rezeptors: Das Gen des LDL-Rezeptors wird unter Beteiligung des Transkriptionsfaktors SREBP2 reguliert. Ähnlich wie SREBP-1 c entsteht auch SREBP2 durch proteolytische Abspaltung von einem Vorstufenprotein, das sich zunächst in der Membran des endoplasmatischen Retikulums (ER) befindet. Die Abspaltung des reifen SREBP2 wird in der ER-Membran bei hohen Cholesterin-Konzentrationen des Cholesterin-bindenden Membranproteins SCAP (= SREBP-cleavage-activating protein) verhindert. SCAP ist der zentrale Cholesterin-Sensor der Zellen. Wenn die
men hydrolysiert. Cholesterin wird freigesetzt und aus den Lysosomen exportiert. Im Zytosol hemmt Cholesterin die HMGCoA-Reduktase, das Schlüsselenzym der Cholesterinbiosynthese. Cholesterin wird in die Membranen der Zelle eingelagert oder durch die Acyl-CoA-Cholesterin-Acyltransferase (ACAT) erneut mit Fettsäuren verestert
Der LDL-Rezeptor gelangt zurück in die Plasmamembran.
▶
Klinik.
248
A
13 Die Bereitstellung von Fettsäuren, Triacylglycerinen und Ketonkörpern
Cholesterin-Konzentrationen sinken, z. B. bei einer Therapie mit Statinen, löst sich das Cholesterin von SCAP ab, SCAP ändert seine Konformation und das SREBP2-Vorstufenprotein wird freigegeben. Von diesem kann nun der reife Transkriptionsfaktor SREBP2 abgespalten werden, der dann in den Zellkern wandert und dort die Transkription des LDL-Rezeptors initiiert. Wegen ihrer Bedeutung in der Herzinfarktprophylaxe sind Statine derzeit die umsatzstärksten Medikamente des gesamten Weltpharmamarkts. Der HMG-Reduktase-Hemmer Atorvastatin (Lipitor) war bis 2011 mit einem Jahresumsatz von mehr als 10 Mrd. $ der umsatzstärkste Wirkstoff der Welt; Ende 2011 ist das Patent ausgelaufen. HDL (High Density Lipoproteins)
HDL (High Density Lipoproteins)
Die Biogenese der HDL ist nicht befriedigend geklärt. Vermutlich entstehen sie in folgenden Schritten:
HDL haben unter den Lipoproteinen die höchste Dichte. Ihre Biogenese ist nicht befriedigend geklärt. Man geht davon aus, dass sie nicht intrazellulär entstehen (wie die Chylomikronen und die VLDL), sondern sich ausgehend von dem Apolipoprotein ApoA-I erst im Blut bilden: In der Leber und im Darm wird ApoA-I an das Blut abgegeben.
In Leber und Darm wird ApoA-I ins Blut abgegeben. ApoA-I nimmt aus Zellen peripherer Gewebe Phospholipide auf → scheibchenförmige Prä-β-HDL. In die Phospholipide lagert sich Cholesterin aus Zellen peripherer Gewebe ein. Den Export von Phospholipiden und Cholesterin aus den Zellen peripherer Gewebe vermittelt das Protein ABCA1.
ApoA-I aktiviert die LCAT, wodurch kugelförmige reife α-HDL entstehen.
Die HDL nehmen aus der Umgebung ApoE auf.
▶ Merke.
Zielzellen sind: Steroidhormon-produzierende Zellen Hepatozyten
▶
Klinik.
ApoA-I zirkuliert mit dem Blut und nimmt von den Zellen der peripheren Gewebe Phospholipide auf. Die entstehenden Aggregate aus Phospholipiden und ApoAI sind scheibchenförmig und werden als Prä-β-HDL bezeichnet. In die Phospholipide der Prä-β-HDL lagert sich Cholesterin aus den Zellen peripherer Gewebe ein. Den Export von Phospholipiden und Cholesterin aus den Zellen peripherer Gewebe vermittelt das Protein ABCA1 (ATP-binding cassette transporter A1), das in die Plasmamembran der Zellen eingelagert ist. ABCA1 ist von fundamentaler Bedeutung für die Fähigkeit extrahepatischer Gewebe, überschüssiges Cholesterin an die HDL des Blutes abgeben zu können. Das ApoA-I aktiviert die LCAT des umgebenden Blutplasmas, die das von den HDL aufgenommene Cholesterin mit Fettsäuren verestert. Die Cholesterinester akkumulieren im Inneren der Partikel. Aus den scheibchenförmigen Prä-β-HDL entstehen so die kugelförmigen reifen α-HDL. Die HDL tauschen mit anderen Lipoproteinen sowohl Lipide als auch Apolipoproteine aus. U.a. nehmen die HDL dabei ApoE auf, das sie benötigen, um ihre Cholesterinester abgeben zu können.
▶ Merke.
Im Gegensatz zu den Remnants und den LDL, die von ihren Zielzellen als vollständige Partikel aufgenommen werden, geben HDL meist lediglich ihre Cholesterinester ab. Dazu binden sie an der Oberfläche der Zielzellen an den Scavenger Receptor Class B Type 1 (SR-B1). Eine SR-B1-vermittelte Übergabe von Cholesterinestern ist nur möglich, wenn die HDL sowohl ApoA-I als auch ApoE enthalten. Nach der Übergabe gelangt das ApoA-I zurück in den Blutkreislauf. Zielzellen, die von den HDL Cholesterinester aufnehmen, sind: Zellen, die Steroidhormone produzieren, Hepatozyten, die überschüssiges Cholesterin an die Gallenflüssigkeit abgeben. Bislang ist noch unklar, in welchem Umfang HDL auch als vollständige Partikel von den Hepatozyten aufgenommen werden.
▶
Klinik. In den Industrieländern wird mit der Nahrung übermäßig viel Choleste-
rin aufgenommen, das im Körper akkumuliert, weil es nicht abgebaut werden kann und wie die Gallensäuren einem enterohepatischen Kreislauf unterliegt (S. 197). Cholesterin trägt erheblich zum Arteriosklerose-Risiko bei. Eine besondere Rolle spielen dabei Makrophagen, die im Endothel der großen Arterien Cholesterin akkumulieren und dabei zu „Schaumzellen“ werden. Die Makrophagen nehmen das Cholesterin dabei nicht mithilfe von LDL-Rezeptoren auf, sondern unter Beteiligung von besonderen „Scavenger-Rezeptoren“. Dabei handelt es sich nicht um SR-B1, sondern um Rezeptoren, die normalerweise bei Entzündungsprozessen eine Rolle spielen. Je effizienter überschüssiges Cholesterin von den HDL zur Leber transportiert wird, desto langsamer entwickeln sich die Makrophagen zu Schaumzellen. Deshalb ist eine hohe Konzentration an HDL im Blut prognostisch günstig. Eine
A
249
13.7 Lipoproteine: Transport von Lipiden im Blut
hohe Konzentration an LDL hingegen ist prognostisch ungünstig. Patienten mit einem hohen Herzinfarktrisiko erhalten HMG-CoA-Reduktase-Hemmer (Statine, s. o.), um den Cholesterinspiegel des Blutes drastisch zu senken. Die physiologische Relevanz der verschiedenen Komponenten des Systems aus Lipoproteinen und Lipoproteinrezeptoren wird durch eine Reihe von Erbkrankheiten demonstriert. Zwei Krankheiten haben in jüngerer Zeit besondere Aufmerksamkeit erfahren, obwohl sie extrem selten sind: Bei der Hyperlipoproteinämie Typ II (familiäre Hypercholesterinämie) ist der LDLRezeptor defekt. Unter 1 Million Menschen ist etwa 1 homozygoter Merkmalsträger. Folge des Defekts ist eine erheblich erhöhte Serumcholesterinkonzentration. Bei vollständigem Fehlen des LDL-Rezeptors entwickelt sich bereits im Kindesalter eine schwere Arteriosklerose. Als Ursache der Tangier-Krankheit wurde in den 90er-Jahren ein angeborener Defekt des ABCA1-Proteins nachgewiesen. Im Blut der Patienten ist die Beladung von ApoA-I mit Phospholipiden und Cholesterin gestört und damit die Biogenese der HDL gehemmt. Im Blut der Patienten sind kaum noch HDL nachweisbar. Die Konsequenz ist eine massive Akkumulation von Cholesterin in den peripheren Geweben. In der medizinischen Literatur sind bislang nur ca. 100 Krankheitsfälle beschrieben. Tangier ist der Name einer kleinen Insel vor der Küste Virginias/Nordamerikas, auf der die beiden 1961 erstmals beschriebenen Patienten beheimatet waren.
▶ Überblick:
A-13.25
▶ Überblick:
Abb. A 13.25.
Überblick über den Stoffwechsel der Lipoproteine
LDLRezeptor
SR-B1
Remnants
A-13.25
LCAT des Blutplasmas: † Bildung von Cholesterinestern in Lipoproteinen
LDL AQP VLDL
Chylomikronen
ApoC-II LPL periphere Gewebe
Glycerin Fettsäuren
HDL Cholesterin und Phospholipide
ApoC-II LPL
FAT, FATP (Aufnahme von Fettsäuren)
LDLRezeptor Endozytose
ABCA1 (Export von Lipiden)
Cholesterin Cholesterinester ACAT
ABCA1: ATP-binding Cassette Transporter A1; AQP: Aquaporin; FAT, FATP: Transportproteine für Fettsäuren in der Plasmamembran; LPL: Lipoproteinlipase der Endothelzellen; SR-B1: Scavenger Receptor Class B Type 1; weitere Abkürzungen s. Text.
250
A
13 Fallbeispiel
▶ Fallbeispiel: Diabetes mellitus Typ 1 (Ketoazidose) Anamnese: Herr Andreas Kerkhoff wurde durch seine Hausärztin stationär eingewiesen, die er aufgrund eines anhaltenden Schwächegefühls mit erhöhter Müdigkeit und Konzentrationsschwierigkeiten aufgesucht hatte. Am Montagmorgen war es dem 29-jährigen Sportreporter nach einem zur Erholung geplanten Wochenende immer noch nicht besser gegangen. Auf genauere Nachfrage hin hatte er bereits bei der Hausärztin einen Gewichtsverlust von ca. 4 kg im letzten halben Jahr berichtet, jedoch Fieber und nächtliches starkes Schwitzen verneint. Auch berufliche oder private Belastungssituationen sind nicht zu eruieren. Vegetative Anamnese: Bei der Frage nach Stuhl- und Urinauffälligkeiten erwähnt der Patient, dass er seit einiger Zeit häufiger als früher Wasser lassen müsse. Dem habe er aber keine Bedeutung zugemessen, da er auch viel mehr trinken würde als gewöhnlich. Seit wann dies so sei, könne er nicht angeben, jedoch habe er früher nie ein so starkes Durstgefühl wie in letzter Zeit verspürt. Schlafstörungen verneint er bis auf die Unterbrechung der Nachtruhe durch Toilettengänge. Persönliche Anamnese: Schwerwiegende frühere Erkrankungen sind nicht bekannt, einzige Operation war bisher die Entfernung der Gaumenmandeln im Alter von 8 Jahren wegen immer wiederkehrender eitriger Mandelentzündungen. Körperliche Untersuchung: Bis auf einen etwas fruchtigen Geruch der Ausatemluft bei vertiefter Atmung zeigen sich keine auffälligen Befunde. Größe 185 cm, Gewicht 71 kg. Laboruntersuchungen (Angabe der jeweiligen Normwerte in Klammern): Blut: Kalium 5,7 mmol/l (3,5 – 5,0 mmol/l), HbA1 c (glykosyliertes Hämoglobin) 7,9 % (4,0 – 6,0 %), Blutzucker bei Aufnahme 354 mg/dl (60 – 100 mg/dl) bzw. 19,7 mmol/l (2,5 – 5,5 mmol/l) (Abb. A 13.26), pH-Wert bei der Blutgasanalyse aus Kapillarblut 7,15 (7,37 – 7,43). Im Urinstatus Glucose ca. 300 mg/dl (negativ), Ketonkörper (Abb. A 13.27) ++ (negativ). Mikroalbumin im Urin negativ (negativ).
A-13.26
Blutzucker-Messung: Beispiel für ein BlutzuckerMessgerät (aus Köther, THIEMEs Altenpflege, Thieme, 2005)
A-13.27
Mit Harnteststreifen können verschiedene Werte des Urins analysiert werden, u. a. auch der pHWert und die Ketonkörper-Konzentration (aus Köther, THIEMEs Altenpflege, Thieme, 2011)
Verlauf: Da die Hausärztin den Patienten nach Messung eines deutlich erhöhten Blutzuckers sowie des auffälligen Teststreifen-Ergebnisses im Urin bereits mit der Diagnose eines Diabetes mellitus Typ 1 eingewiesen hatte, war Herr Kerkhoff schon auf die Einleitung einer Insulintherapie vorbereitet. Auf der internistischen Normalstation ist mit einer Insulinbehandlung nach dem Basis-Bolus-Konzept mit einem über 24 h wirkenden Basalinsulin und jeweils direkt zu den Mahlzeiten in individueller Dosierung gespritztem, gentechnisch hergestelltem Insulin (Lispro) begonnen worden (Abb. A 13.28). Während des stationären Aufenthaltes erhält der Patient durch eine Ernährungsberaterin eine Diabetesberatung und -schulung, sodass er den Blutzucker eigenständig messen und die notwendige Dosis des kurz wirksamen Insulins anhand der Höhe des Blutzuckers und der aufgenommenen Nahrungsmenge selbst abschätzen kann. Darüber hinaus findet eine sorgfältige Aufklärung über Langzeitrisiken der Erkrankung und notwendige Kontrolluntersuchungen statt und der Patient kann nach 10-tägigem Aufenthalt in gutem Allgemeinzustand entlassen werden.
A-13.28
Insulininjektion mit Insulinpen; der Pen enthält eine Ampulle mit Insulin
Die individuelle Dosis kann einfach eingestellt werden und auch die Applikation ist einfach durchführbar (aus Köther, THIEMEs Altenpflege, Thieme, 2005).
▶
A
Fragen mit biochemischem Schwerpunkt: 1. Was ist der prinzipielle Unterschied zwischen einem Diabetes mellitus Typ 1 und 2 bei der Diagnosestellung (also im Anfangsstadium)? 2. Welche Substanzen werden unter dem Begriff “Ketonkörper” zusammengefasst? 3. Wie, wo und warum werden Ketonkörper gebildet? 4. Welchen Vorteil bietet in der Sequenz geringfügig verändertes sog. Analog-Insulin (Lispro) gegenüber Humaninsulin bei der subkutanen Verabreichung? 5. Bei Diabetikern kann – selbst während einer laufenden Insulintherapie – die körpereigene Rest-Insulinausschüttung gemessen werden. Wie ist dies möglich? Antwortkommentare: Zu 1. Der Typ-1-Diabetes zeichnet sich durch einen absoluten Insulinmangel aus, der Typ-2 jedoch durch eine Insulinresistenz. Die Ursache für den überwiegend bei jungen, schlanken Patienten auftretenden Typ-1 ist in den meisten Fällen eine Zerstörung der β-Zellen in den Langerhansschen Inseln des Pankreas durch Autoimmunprozesse. Beim Typ-2-Diabetes kommt es zunächst durch Übergewicht und genetische Faktoren zu einer verminderten Insulinwirkung, die dann in der Anfangsphase gegenregulatorisch mit einer erhöhten Insulinausschüttung einhergeht. Erst nach jahrelangem Krankheitsverlauf kommt es zu einer Art Erschöpfung der β-Zellen, sodass neben dem relativen auch ein absoluter Insulinmangel auftreten kann.
13 Fallbeispiel
251
Zu 2. Acetessigsäure, β-Hydroxybuttersäure und Aceton werden unter dem Begriff „Ketonkörper“ zusammengefasst. Zu 3. Ketonkörper werden in den Mitochondrien der Leberzellen gebildet, im sog. HMG-CoA-Zyklus aus Acetyl-CoA. Auslöser ist die vermehrte Lipolyse im Fettgewebe. Ursache hierfür ist der Insulinmangel bei Diabetes mellitus, die vermehrte Glucose (Blutzucker erhöht) ist damit nicht verwertbar, sodass der Körper auf die Energiebereitstellung durch den Abbau von Fettreserven zurückgreift. Zu 4. Durch das Umtauschen zweier Aminosäuren (Lysin und Prolin, daher der Name Lispro) im Insulinmolekül wird ein schnellerer Wirkungseintritt erreicht, sodass kein Spritz-Ess-Abstand eingehalten werden muss, sondern direkt nach der Insulininjektion mit dem Essen begonnen werden kann. Zu 5. Bei der Umwandlung von Proinsulin in Insulin wird in den β-Zellen eine Aminosäuresequenz zwischen der A- und B-Kette des Insulins durch Peptidasen herausgeschnitten. Dabei entsteht das C-Peptid, das in äquimolarem Verhältnis zu Insulin ebenfalls ins Blut ausgeschüttet wird und gemessen werden kann.
A
A
14 Proteine als Nahrungsmittel
14 Proteine als Nahrungsmittel 14.1 14.2
Verdauung der Proteine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 Proteasen und ihre Reaktionsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255
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14.1
Verdauung der Proteine
Aminosäuren sind eine essenzielle Quelle organischer Stickstoffverbindungen. Proteine sind die wichtigste Quelle für die acht essenziellen Aminosäuren.
Es wird empfohlen, täglich etwa 0,5 – 1 g Protein/kg Körpergewicht zu sich zu nehmen. In den Industrieländern ist der Proteingehalt der Nahrung der meisten Menschen deutlich höher.
14.1.1 Hydrolyse der Proteine durch Proteasen Im Magen werden die Nahrungsproteine durch die Magensäure denaturiert. Die Hydrolyse wird eingeleitet durch Pepsin, eine Gruppe von Endopeptidasen, die im Magenlumen durch Abspaltung eines Peptids aus ihrer inaktiven Vorstufe Pepsinogen entstehen. Pepsin A spaltet Proteine an der aminoterminalen Seite von Phenylalanin und Tyrosin.
Im Lumen des oberen Dünndarms werden die Polypeptide der Nahrung von den Proteasen des Pankreas hydrolysiert. Es lassen sich zwei Gruppen unterscheiden:
A. Serin-Proteasen:
Trypsin wird von der Enteropeptidase der Bürstensaummembran aktiviert. Es spaltet Proteine an der C-terminalen Seite von Lysin und Arginin.
14.1 Verdauung der Proteine Der Körper ist auf Proteine aus der Nahrung angewiesen: Aminosäuren, die Proteinbausteine, sind eine essenzielle Quelle organischer Stickstoffverbindungen. Diese werden zur Synthese von Proteinen, Aminoalkoholen (Bestandteile der Phospholipide) sowie Purinen und Pyrimidinen (Bestandteile von Nukleotiden) benötigt und liefern den Stickstoff, der in Form von Ammoniak zur pH-Neutralisation an den Harn abgegeben wird. Proteine sind die wichtigste Quelle für die acht essenziellen Aminosäuren Valin, Leucin, Isoleucin, Lysin, Phenylalanin, Tryptophan, Methionin und Threonin. Deshalb wird empfohlen, täglich etwa 0,5 – 1 g Protein/kg Körpergewicht zu sich zu nehmen. In den Industrieländern liegt der Proteingehalt der Nahrung meist bei 100 g/Tag und damit deutlich über diesem Wert. Bei der Verdauung gelangen zudem in Form von Verdauungsenzymen sowie mit den ständig von der Darmschleimhaut abgegebenen Zellen weitere ca. 70 g Protein in das Darmlumen. Auch diese Proteine werden weitgehend in die Verdauung einbezogen. Täglich gehen dem Körper nur etwa 10 g Protein mit dem Stuhl verloren.
14.1.1 Hydrolyse der Proteine durch Proteasen Im Magen werden die in der Nahrung enthaltenen Proteine der Magensäure ausgesetzt. Dabei denaturieren die meisten Proteine, d. h. sie verlieren ihre native Struktur (S. 63). Zu einer vollständigen Entfaltung der Polypeptidketten kommt es im Magen nicht. Manche Proteine zeigen im denaturierten Zustand eine wesentlich erhöhte Sensitivität gegenüber Proteasen. Die Hauptzellen des Magens geben eine Gruppe inaktiver Protease-Vorstufen (Zymogene) ab, die gemeinsam als Pepsinogen bezeichnet werden. Durch Abspaltung aminoterminaler Fragmente werden die Vorstufen im Magenlumen zu aktiven Endoproteasen aktiviert, dem Pepsin. Die Aktivierung erfolgt durch Autokatalyse und wird durch das saure Milieu des Magenlumens ausgelöst. Endopeptidasen hydrolysieren ihre Substrate innerhalb der Aminosäurekette, endständige Aminosäuren werden hingegen nicht hydrolysiert. Pepsin A, das wichtigste Pepsin, hydrolysiert bevorzugt an der aminoterminalen Seite der Aminosäuren Phenylalanin und Tyrosin. Im Lumen des oberen Dünndarms werden die Polypeptide der Nahrung von den Proteasen des Pankreas hydrolysiert. Im Gegensatz zum Pepsin des Magens haben diese ein pH-Optimum ihrer Aktivität im alkalischen Bereich. Der Pankreassaft enthält > 100 mM HCO3-, der pH liegt zwischen 8,0 und 8,4. Alle Proteasen des Pankreas werden als Zymogene sezerniert. Es lassen sich zwei Gruppen von Proteasen unterscheiden: Serin-Proteasen und Carboxypeptidasen. A. Serin-Proteasen: Bei ihnen spielt ein Serinrest im katalytischen Zentrum eine entscheidende Rolle. Zu den Serin-Proteasen des Pankreas zählen drei Endopeptidasen: Trypsin wird von der Enteropeptidase der Bürstensaummembran der Mukosazellen im Duodenum aktiviert. Die Enteropeptidase wirkt als sequenzspezifische Endopeptidase und entfernt spezifisch die aminoterminalen sechs Aminosäuren des Trypsinogens. Trypsin spaltet seine Substrate an der carboxyterminalen Seite der positiv geladenen Aminosäuren Lysin und Arginin.
A
▶ Merke.
Trypsin aktiviert auch die Vorstufen des Chymotrypsins und der Carboxypeptidasen.
Chymotrypsin spaltet bevorzugt an der carboxyterminalen Seite hydrophober Aminosäuren. Elastase hydrolysiert u. a. das Protein Elastin, das im Bindegewebe elastische Fasern bildet. Trypsin, Chymotrypsin und Elastase sind homologe Proteine. In ihren Primärstrukturen zeigen sie ca. 40 % identische Aminosäuren. B. Carboxypeptidasen: Die Carboxypeptidasen A und B sind Exopeptidasen. Sie spalten von ihren Substraten jeweils die carboxyterminale Aminosäure ab. Im Reaktionsmechanismus der Carboxypeptidasen spielt ein Zink-Ion eine entscheidende Rolle. Hydrolyseprodukte der Serin-Proteasen und Carboxypeptidasen sind überwiegend Oligopeptide, teilweise aber auch bereits freie Aminosäuren. Ähnlich wie bei der Verdauung der Kohlenhydrate erfolgen die letzten Hydrolyseschritte auch bei der Verdauung der Proteine erst an der Membran der Enterozyten. Der Bürstensaum enthält mehrere Peptidasen, bei denen es sich überwiegend um Aminopeptidasen und um Dipeptidasen handelt (Abb. A 14.1).
A-14.1
Verdauung der Proteine
Die Enteropeptidase der Bürstensaummembran im Duodenum katalysiert die Aktivierung von Trypsinogen zu Trypsin
253
14.1 Verdauung der Proteine
▶ Merke. Chymotrypsin: Spaltstelle C-terminal von hydrophoben Aminosäuren. Elastase hydrolysiert u. a. Elastin.
B. Carboxypeptidasen: Die Carboxypeptidasen A und B sind Exopeptidasen. Sie spalten jeweils die C-terminale Aminosäure vom Substrat ab. Hydrolyseprodukte der Pankreas-Proteasen sind überwiegend Oligopeptide. Die Bürstensaummembran enthält mehrere Aminopeptidasen und Dipeptidasen (Abb. A 14.1).
A-14.1
Pepsin
HCl
Hauptzellen sezernieren Pepsinogen
Pankreas sezerniert Vorstufen (Zymogene) der Zn2+-abhängigen Carboxypeptidasen sowie der Serin-Proteasen Trypsin, Chymotrypsin und Elastase
Die Bürstensaummembran des oberen Dünndarms enthält Aminopeptidasen und Dipeptidasen
14.1.2 Resorption der Hydrolyseprodukte
14.1.2 Resorption der Hydrolyseprodukte
An der Resorption der Hydrolyseprodukte im Dünndarm sind mehrere unterschiedliche Systeme beteiligt: Die von den Proteasen und Peptidasen freigesetzten Aminosäuren werden wie die Monosaccharide sekundär-aktiv in einem Symport mit Na+-Ionen transportiert (Abb. A 14.2). Dabei folgen die Na+-Ionen ihrem Konzentrationsgradienten und dem Membranpotenzial. Indirekt ist der Prozess von der Na+-K+-ATPase der basolateralen Membran abhängig. Für Aminosäuren existieren mehrere Transportproteine (engl. carrier), die jeweils bestimmte Gruppen von Aminosäuren transportieren. So wurde ein Transportsystem identifiziert, das spezifisch den Trans-
Daran sind mehrere Systeme beteiligt: Aminosäuren werden sekundär-aktiv in einem Symport mit Na+-Ionen transportiert (Abb. A 14.2): Mehrere Transportproteine transportieren jeweils bestimmte Gruppen von Aminosäuren. Das Transportsystem für Tryptophan u. a. neutrale Aminosäuren wurde durch die HartnupKrankheit bekannt.
A-14.2
Resorption der Hydrolyseprodukte der Proteine luminal
A-14.2
basolateral
Na+ Aminosäuren
H+ Di- und Tripeptide; Penicilline
erleichterte Diffusion
verschiedene Transporter 3Na+ Pept1
Na+- K+ATPase
2K+
254
A
14 Proteine als Nahrungsmittel
port der sauren Aminosäuren Aspartat und Glutamat vermittelt. Das Transportsystem für Tryptophan u. a. neutrale Aminosäuren wurde durch die HartnupKrankheit bekannt.
▶
Klinik.
▶
Klinik. Die Hartnup-Krankheit wurde 1956 nach einer englischen Familie be-
nannt, in der mehrere Mitglieder von der Krankheit betroffen waren. Als Krankheitsursache wurde ein Defekt in der Resorption von Tryptophan u. a. neutralen Aminosäuren im Darm und im proximalen Tubulus der Niere nachgewiesen. Die Beobachtung weist darauf hin, dass im Darm und in der Niere weitgehend die gleichen Aminosäuretransporter exprimiert werden. Erst 2004 wurde das Gen SLC6A19 identifiziert, das den betroffenen Aminosäuretransporter kodiert. Das Protein ist mit Transportern verwandt, die im Nervensystem die Aufnahme von Neurotransmittern (Aminosäurederivate wie Serotonin und Katecholamine) aus dem synaptischen Spalt vermitteln. Die Krankheit ist sehr selten, sie wird autosomal-rezessiv vererbt. Die Symptome sind klinisch meist inapparent. Der Oligopeptid-Translokator, Pept1, vermittelt einen H+-Symport von Di- und Tripeptiden (Abb. A 14.2). Der Transporter akzeptiert Peptide unterschiedlicher Aminosäurezusammensetzung und arbeitet sehr effizient. Pept1 vermittelt auch die Resorption von β-Lactam-Antibiotika, also von Cephalosporinen und Penicillinen. (β-Lactam-Antibiotika sind Derivate eines Dipeptides aus Cystein und Valin.)
Vollständige Proteine werden im Darm nur in extrem geringen Mengen aufgenommen. Die Aufnahme von Proteinen oder größeren Peptiden ist im Zusammenhang immunologischer Prozesse von Bedeutung.
▶
Klinik.
Der Oligopeptid-Translokator Pept1 vermittelt den H+-Symport von Di- und Tripeptiden (Abb. A 14.2). Der Transporter akzeptiert Peptide unterschiedlicher Aminosäurezusammensetzung und arbeitet sehr effizient. So können bei Ausfall eines der Aminosäuretransporter, etwa bei der Hartnup-Krankheit, Fragmente der Nahrungsproteine unter Beteiligung des Pept1 zum größten Teil resorbiert werden. Die Menge der normalerweise in Form von Di- und Tripeptiden resorbierten Aminosäuren ist nicht bekannt. Es ist aber bemerkenswert, dass etwa 25 % aller resorbierten Aminosäuren in Form von Di- bzw. Tripeptiden an das Blut der Portalvene abgegeben werden. Interessanterweise vermittelt Pept1 im Darm auch die Resorption von β-Lactam-Antibiotika, also von Cephalosporinen und Penicillinen. β-Lactam-Antibiotika sind Derivate eines Cystein-Valin-Dipeptides. Offenbar sind sie den gewöhnlichen Dipeptiden hinreichend ähnlich, um von Pept1 akzeptiert zu werden. Nur in äußerst geringen Mengen werden auch vollständige Proteine aufgenommen. So befinden sich zwischen den Enterozyten der Darmschleimhaut Dendritische Zellen, die aus dem Darmlumen Proteine aufnehmen können. Dendritische Zellen spielen eine zentrale Rolle in der Auslösung von Immunreaktionen, aber auch in der Entwicklung einer Toleranz gegenüber bestimmten Antigenen. Die Vermutung liegt nahe, dass sie auch bei der Entwicklung von Nahrungsmittelallergien eine Rolle spielen. Im Ileum sind die Enterozyten in kleinen Bereichen von M-Zellen ersetzt, die Proteine aus dem Darmlumen aufnehmen und durch Transzytose an die Immunzellen von Lymphfollikeln weiterleiten können (PeyerPlaques).
▶
Klinik. Die Zöliakie (Glutensensitive Enteropathie, einheimische Sprue) ist mit
einer Häufigkeit von > 1:1000 eine vergleichsweise häufige Nahrungsmittelunverträglichkeit, die sich gegen eine Gruppe bestimmter Proteine, das Gluten richtet. Gluten ist der Name mehrerer Speicherproteine, die im Mehl von Weizen, Gerste, Roggen und Hafer enthalten sind. Weizenmehl besteht zu mehr als 10 % aus Gluten. Es gibt dem Teig die klebrige Konsistenz, weshalb es auch als Klebereiweiß bezeichnet wird. Die Zöliakie tritt häufig bereits in der frühen Kindheit auf. Sie äußert sich in chronischen Durchfällen und allgemeinen Gedeihstörungen. Die Therapie besteht in einer lebenslangen glutenfreien Diät. Die Zöliakie ist nur in eingeschränktem Maße als Nahrungsmittelallergie zu bezeichnen. Die klinische Symptomatik ist primär von einer Autoimmunreaktion bestimmt, die sich gegen ein Enzym der Darmschleimhaut, die Tissue-Transglutaminase (tTg; = Transgutaminase 2, TG2) richtet. Gluten enthält ungewöhnlich viele Prolinreste, weshalb es schlecht verdaulich ist. Als Abbauprodukte des Glutens akkumulieren im Darmlumen Peptide verschiedener Länge. Vermittelt von der tTg werden Glutaminreste der Peptide deamidiert, d. h. in Glutamatreste umgewandelt. Die auf diese Weise kovalent modifizierten Peptide lösen dann vor allem im oberen Dünndarm eine Entzündung aus. Es bilden sich Antikörper sowohl gegen die körpereigene tTg, als auch gegen das Gluten. Langfristig kommt es zu einem ausgeprägten Verlust von Dünndarmzotten. Bislang ist ungeklärt, auf welche Weise Gluten die Bildung der Autoimmunreaktion gegen die tTg auslöst.
A
255
14.2 Proteasen und ihre Reaktionsmechanismen
14.2 Proteasen und ihre
Reaktionsmechanismen 14.2.1 Vorkommen und Aufgaben der Proteasen
14.2
Proteasen und ihre Reaktionsmechanismen
14.2.1 Vorkommen und Aufgaben der Proteasen
Im Extrazellulärraum sind Proteasen nicht nur an der Verdauung der Proteine im Magen und im Darmlumen beteiligt. Weitere wichtige Aufgaben sind die Auslösung der Blutgerinnung (s. S. 704), die Auflösung von Thromben (Fibrinolyse, s. S. 711), die Abwehr von Krankheitserregern durch das unspezifische Immunsystem (Komplementsystem, s. S. 657) und die Bildung von Angiotensin I und II aus Angiotensinogen (s. S. 617). Im Intrazellulärraum sind Proteasen an der Bildung der Peptidhormone beteiligt, indem sie die posttranslationale Prozessierung der Prohormone (Hormonvorstufen) katalysieren (s. S. 264), entfernen Peptidasen im endoplasmatischen Retikulum (ER) und in den Mitochondrien die aminoterminalen Zielerkennungssignale von den importierten Proteinen (s. S. 366 und S. 470), spielen Caspasen eine entscheidende Rolle in der Auslösung des programmierten Zelltods (Apoptose) (s. S. 507), bauen Cathepsine u. a. Proteasen in den Lysosomen zelleigene und Fremdproteine ab (s. S. 371), baut Elastase in neutrophilen Granulozyten toxische Proteine und pathogene Mikroorganismen ab, werden im Zytosol aller Zellen des Körpers Proteine durch Proteasomen (Komplexe aus Proteasen) abgebaut (s. S. 373). Die Substrate der Proteasomen werden zuvor mit dem kleinen Protein Ubiquitin markiert (s. S. 374). Das Ubiquitin-Proteasom-System ist u. a. dafür verantwortlich, dass antigene Proteine vom Immunsystem erkannt werden können. Eine entscheidende Funktion kommt den Proteasomen auch in der Regulation des Zellzyklus zu. In Mitochondrien bauen Proteasen fehlgefaltete (nicht native) Proteine ab. Proteasen werden auch von manchen Bakterien sezerniert. Zu den häufigsten Virulenzfaktoren pathogener Bakterien gehören IgA-Proteasen, die spezifisch die Immunglobuline vom Typ IgA hydrolysieren, die von den Schleimhäuten in großen Mengen zur Abwehr von Mikroorganismen produziert werden (s. S. 665). Proteasen spielen auch im Entwicklungszyklus vieler Viren eine entscheidende Rolle (s. S. 373).
Im Extrazellulärraum sind Proteasen außer an der Verdauung der Proteine beteiligt an der Auslösung der Blutgerinnung, Auflösung von Thromben, Immunabwehr (Komplementsystem) und Bildung von Angiotensin I und II.
14.2.2 Reaktionsmechanismen
14.2.2 Reaktionsmechanismen
Trotz dieser Vielfalt an Proteasen gibt es nur wenige Typen von Reaktionsmechanismen. Am häufigsten wirken Proteasen als Serin-Proteasen oder als Metall-abhängige Proteasen.
Am häufigsten wirken Proteasen als Serinoder als Metall-abhängige Proteasen.
Serin-Proteasen
Serin-Proteasen
Bei diesen Proteasen greift ein Serin im katalytischen Zentrum die zu hydrolysierende Peptidbindung (-NH-CO-) des Substrates an und hält das Substrat fest, während die Peptidbindung gespalten wird. An der Hydrolyse ist auch der Imidazolring eines Histidins im katalytischen Zentrum wesentlich beteiligt, wie das Beispiel des Chymotrypsins zeigt. In diesem Molekül hat das entscheidende Serin die Position 195, das entscheidende Histidin die Position 57. Die Hydrolyse der Peptidbindung läuft in folgenden Reaktionsschritten ab (Abb. A 14.3): Das Serin 195 gibt das Proton seiner OH-Gruppe an die Imidazolgruppe des benachbarten Histidins 57 ab. Von der OH-Gruppe bleibt ein sehr reaktives negativ geladenes Sauerstoffatom zurück, das die Peptidbindung angreift. Der Sauerstoff des Serins 195 bindet kovalent an das C-Atom der zu hydrolysierenden Peptidbindung -NH-CO-. Dadurch wird die Peptidbindung gespalten. Der N-terminale Teil des Substrats bleibt über das C-Atom der gespaltenen Peptidbindung kovalent mit dem Enzym verbunden.
Bei diesen Proteasen greift ein Serin im katalytischen Zentrum die zu hydrolysierende Peptidbindung des Substrates an und hält das Substrat fest, während die Peptidbindung gespalten wird. Auch der Imidazolring eines Histidins ist an der Reaktion beteiligt. Bei Chymotrypsin befinden sich diese Aminosäuren in Position 195 bzw. 57. Folgende Reaktionsschritte laufen ab (Abb. A 14.3): Der Sauerstoff des Serins 195 bindet kovalent an das C-Atom der zu hydrolysierenden Peptidbindung. Dies spaltet die Peptidbindung. Über das CAtom der Peptidbindung bleibt ein Teil des Substrats kovalent mit dem Enzym verbunden.
Im Intrazellulärraum katalysieren Proteasen die posttranslationale Prozessierung der Peptidprohormone, entfernen Peptidasen in ER und Mitochondrien Zielerkennungssignale von importierten Proteinen, lösen Caspasen die Apoptose aus, bauen Cathepsine in den Lysosomen Proteine ab, baut Elastase in neutrophilen Granulozyten Toxine und pathogene Mikroorganismen ab, werden Proteine durch Proteasomen (Komplexe aus zytosolischen Proteasen) abgebaut und bauen Proteasen in Mitochondrien fehlgefaltete (nicht native) Proteine ab.
Pathogene Bakterien sezernieren häufig IgAProteasen. Auch im Entwicklungszyklus vieler Viren spielen Proteasen eine entscheidende Rolle.
256
A
A-14.3
Der Reaktionsmechanismus der Serin-Proteasen am Beispiel des Chymotrypsins O
Ser 195
14 Proteine als Nahrungsmittel
CH2
OH
H
C N
R1
O CH2
R2
O H
N ImidazolH ring
Das N-Atom der Peptidbindung nimmt ein Proton von Histidin 57 auf und der entsprechende Substratteil löst sich vom Enzym. Ein OH–-Ion hydrolysiert die Bindung zwischen Enzym und C-terminalem Substratteil, indem die C = O-Gruppe zu einer COOH-Gruppe ergänzt wird.
Serin-Proteasen spalten ihre Substrate also mithilfe der OH-Gruppe ihres Serins.
C
R1
R2
+ H2N
R2
O
H N
N CH2
O CH2
N
Substrat
His 57
R1
C
CH2
CH2
CH2
N H
OH
C
R1
N
H CH2
N H
O
+
H
O
N
OH
H2N
R2
N H
Im anderen Teil des Substrats nimnt der Stickstoff der gespaltenen Peptidbindung das Proton von der Imidazolgruppe des Histidins 57 auf. Anschließend löst sich dieser Teil des Substrats vom Enzym ab. Nun lagert sich ein Wassermolekül in das katalytische Zentrum ein. Das Histidin 57 löst ein Proton ab, und vom Wassermolekül bleibt ein reaktives OH–-Ion übrig. Dieses verdrängt nun das Enzym vom zurückgebliebenen Teil des Substrats, indem es an das C-Atom der gespaltenen Peptidbindung bindet. Dadurch wird die C = O-Gruppe zu einer COOH-Gruppe ergänzt und auch dieser Teil des Substrats löst sich vom Enzym ab. In diesen Reaktionsschritten sind zwei Eigentümlichkeiten auffällig: Die Spaltung der Peptidbindung wird streng genommen nicht von H2O oder von einem OH–-Ion ausgelöst, sondern erfolgt vielmehr durch die OH-Gruppe des Serins. Das H2O, das zur Hydrolyse benötigt wird, dient hingegen der Ablösung eines Teils des Substrates vom Enzym.
Metall-abhängige Proteasen
Metall-abhängige Proteasen
In den Carboxypeptidasen lagert sich ein H2O an ein Zink-Ion (Zn2+) an und zerfällt in H+ und ein Zink-gebundenes OH--Ion. Letzteres hydrolysiert die Peptidbindung (Abb. A 14.4).
Im Reaktionsmechanismus dieser Proteasen spielt ein zweiwertiges Metall-Ion eine entscheidende Rolle. Bei den Carboxypeptidasen, z. B. Carboxypeptidase A, ist es ein Zink-Ion (Zn2+). An dieses Zink-Ion lagert sich ein Wassermolekül an, das dadurch polarisiert wird und in ein Proton und ein Zink-gebundenes OH--Ion zerfällt. Das OH--Ion reagiert dann sofort mit der zu hydrolysierenden Peptidbindung. Diese wird gespalten, indem die C = O-Gruppe zu einer COOH-Gruppe ergänzt wird (Abb. A 14.4).
A-14.4
Der Reaktionsmechanismus der Carboxypeptidase A
A-14.4
R1
R2
H
C
O
O H
R2
R1
N H
H
C
N
O
O H
H Zn2+ His
Glu
His
Zn2+ His
Glu
His
Bei der Spaltung des H2O kooperiert eine COOH-Gruppe eines Glutamats mit dem Zink-Ion.
Das Zink-Ion wird in der Carboxypeptidase A von drei Aminosäureresten fixiert: zwei Histidinresten und einem Glutamatrest. Eine Carboxylgruppe eines weiteren Glutamats kooperiert mit dem Zink-Ion bei der Spaltung des Wassermoleküls. Im Vergleich zu den Serin-Proteasen fällt auf: Die Peptidbindung wird unmittelbar von einem H2O (bzw. einem OH–) gespalten. Eine kovalente Bindung zwischen Enzym und Substrat ist am Reaktionsmechanismus nicht beteiligt.
14.2.3 Proteaseinhibitoren
14.2.3 Proteaseinhibitoren
α-Makroglobulin und α1-Antitrypsin sind Proteaseinhibitoren, die im Blutplasma enthalten sind. α1-Antitrypsin ist teilweise auch außerhalb der Blutgefäße von Bedeutung.
In den Zellen und Geweben werden übermäßige Aktivitäten der Proteasen durch natürliche Proteaseinhibitoren verhindert. Zu diesen zählen das α-Makroglobulin und das α1-Antitrypsin des Blutplasmas. In beiden Fällen handelt es sich um Proteine, die viele unterschiedliche Proteasen binden und dadurch deren Aktivität
A
257
14.2 Proteasen und ihre Reaktionsmechanismen
unterdrücken können. α1-Antitrypsin blockiert u. a. die Elastase, die von neutrophilen Granulozyten in Entzündungsherden an die Umgebung abgegeben wird.
▶ Klinik. Bei manchen Menschen zeigt das α1-Antitrypsin aufgrund einer angebo-
▶
Klinik.
renen genetischen Variation eine reduzierte Aktivität, sodass die nicht hinreichend gehemmte Elastase Gewebeschädigungen verursacht. Charakteristisch für den angeborenen α1-Antitrypsin-Mangel ist ein Lungenemphysem (eine irreversible Schädigung und unnatürliche Erweiterung der Wände der Alveolen, Abb. A 14.5). Schwere Formen des α1-Antitrypsin-Mangels haben in der Bevölkerung eine Prävalenz von etwa 1:10 000.
A-14.5
Lungenemphysem bei α1-AntitrypsinMangel (Röntgenaufnahme nach Formalindampffixation des Lungengewebes) Charakteristisch ist die Bildung großer Kammern, die auf die Zerstörung von Alveolen durch die ungehemmte Aktivität verschiedener Proteasen zurückzuführen ist (aus Riede, Werner, Schaefer; Allgemeine und spezielle Pathologie, Thieme, 2004).
Da Proteasen in allen Geweben weit verbreitet sind, werden sie bei einem Aufschluss im biochemischen Labor oft in beträchtlichen Mengen freigesetzt und die Proteine der Zellfraktionen können unkontrolliert abgebaut werden. Da chemische Reaktionen bei niedrigen Temperaturen verlangsamt ablaufen, ist es üblich, Laborarbeiten mit Proteinen in einem Kühlraum durchzuführen, oder zumindest die Proben gekühlt zu halten. Zudem werden Inhibitoren zugesetzt, die bestimmte Gruppen von Proteasen inaktivieren: Phenylmethylsulfonylfluorid, weltweit unter der Abkürzung PMSF bekannt, reagiert kovalent mit dem Serin der Serin-Proteasen. Oftmals ist es ausreichend, Proben zu Beginn der Arbeiten mit PMSF zu versetzen, um die meisten proteolytischen Aktivitäten zu unterbinden. Viele der übrigen Proteasen enthalten in ihrem aktiven Zentrum ein Zink-Ion oder ein anderes zweiwertiges Metall-Ion. Derartige Proteasen lassen sich in der Regel durch Zugabe von EDTA (N,N-Ethylendiamintetraessigsäure) inaktivieren, das mit den Metall-Ionen stabile Komplexe bildet. EDTA wirkt also als ChelatBildner.
▶ Klinik. In jüngster Zeit wurden Proteaseinhibitoren entwickelt, die zur Bekämpfung viraler Infektionen eingesetzt werden. Im Entwicklungszyklus bestimmter Viren werden zunächst große Polypeptide synthetisiert, die dann nachträglich mithilfe einer viralen Protease in kleinere funktionelle Proteine zerlegt werden. Eine Inaktivierung der viralen Proteasen blockiert eine weitere Vermehrung der Viren. Berühmt wurden die Proteaseinhibitoren Saquinavir, Indinavir, Ritonavir und Nelfinavir, die mit beachtlichem Erfolg gegen die Vermehrung der AIDS-Viren (HIV) eingesetzt werden. Momentan zählen diese Inhibitoren in der AIDS-Therapie zu den wichtigsten Wirkstoffen. Unter dem Namen AG-7088 war vor einigen Jahren ein Wirkstoff in der klinischen Prüfung, der die Protease 3C der Rhinoviren blockiert. Leider zeigte der Wirkstoff nicht die erhoffte Wirksamkeit.
Laborarbeiten mit Proteinen werden bei niedrigen Temperaturen durchgeführt, um proteolytische Aktivitäten zu reduzieren. Zudem werden Proteaseinhibitoren zugesetzt: PMSF hemmt Serin-Proteasen. EDTA hemmt Metall-abhängige Proteasen.
▶
Klinik.
A © Klaus Eppele – Fotolia
15.1
Einführung
Dieses Kapitel stellt die Regulation der Energiestoffwechselwege in folgenden Situationen dar: 1. kurzfristig erhöhter Energiebedarf 2. längerfristig erhöhter Energiebedarf 3. Nahrungsmangel 4. nach einer Mahlzeit
15.2
Regulation bei kurzfristig erhöhtem Energiebedarf
Eine kurzfristige körperliche Anstrengung bringt unmittelbar einen erhöhten ATP-Verbrauch mit sich. Die ATP-Vorräte der Skelettmuskulatur entsprechen jedoch nur dem Bedarf von etwa 2 Sekunden. Das vermehrt benötigte ATP wird zunächst unter Hydrolyse von Kreatinphosphat gewonnen (Abb. A 15.1). Unter Ausnutzung dieser Energiequelle können Muskelzellen etwa 20 Sekunden lang arbeiten.
Zur weiteren Energiegewinnung wird die Glykolyse intensiviert. Pyruvat wird zu
A-15.1
A
15 Regulation des Energiestoffwechsels
15 Regulation des
Energiestoffwechsels 15.1 15.2 15.3 15.4 15.5 15.6 15.7
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regulation bei kurzfristig erhöhtem Energiebedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regulation bei Ausdauerleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regulation bei Nahrungsmangel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regulation im Anschluss an eine Mahlzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schlüsselenzyme des Energiestoffwechsels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zentrale Kontrollpunkte in der Regulation des Energiestoffwechsels . . .
258 258 259 261 264 266 269
15.1 Einführung Die vorangegangenen Kapitel haben gezeigt, wie im Stoffwechsel durch Zusammenspiel anaboler und kataboler Stoffwechselwege der zentrale Energieträger ATP bereitgestellt wird und wie die einzelnen Stoffwechselwege reguliert werden. Dieses Kapitel stellt die Regulation des Energiestoffwechsels im Zusammenhang dar, und zwar anhand von vier unterschiedlichen Stoffwechselsituationen: 1. kurzfristig erhöhter Energiebedarf (kurze körperliche Anstrengung), 2. längerfristig erhöhter Energiebedarf (Ausdauerleistungen), 3. Nahrungsmangel (Hunger oder Fasten) und 4. nach einer Mahlzeit.
15.2 Regulation bei kurzfristig erhöhtem
Energiebedarf Eine kurzfristige körperliche Anstrengung, z. B. ein 100-Meter-Lauf, bringt unmittelbar einen erhöhten ATP-Verbrauch mit sich. Bei intensiver Arbeit verbraucht die Skelettmuskulatur etwa 10-mal so viel ATP wie in Ruhe. Da die Vorräte an ATP sehr gering sind, entsprechen sie unter diesen Bedingungen nur dem Bedarf von etwa 2 Sekunden. In dieser kurzen Zeit kann die Synthese des ATP weder im Rahmen der Glykolyse noch in den Mitochondrien hinreichend gesteigert werden. Das vermehrt benötigte ATP wird deshalb zunächst unter Hydrolyse von Kreatinphosphat aus ADP gewonnen (Abb. A 15.1). Vom Kreatinphosphat bleibt dabei Kreatin übrig, das später unter Hydrolyse von ATP wieder zu Kreatinphosphat phosphoryliert werden kann. Die Reaktion ist also reversibel. Sie wird von dem Enzym Kreatin-Kinase katalysiert. In Skelettmuskelzellen ist wesentlich mehr Kreatinphosphat als ATP enthalten. Unter Ausnutzung dieser Energiequelle können Muskelzellen deshalb immerhin etwa 20 Sekunden lang arbeiten. Im Muskelgewebe ist nicht nur die Menge an ATP erstaunlich gering, sondern auch die Menge an Sauerstoff. Innerhalb der Zellen ist Sauerstoff überwiegend an Myo-
A-15.1
H3C H2N
Synthese von ATP mithilfe von Kreatinphosphat
COO–
COO–
CH2
CH2
N C
ATP NH2
+
Kreatin
C
HN –
O
P
O –
O
C
H3C
O
NH
N
H3C N
ADP
Kreatin-Kinase
H2C C
NH2+
+
NH2
spontane Nebenreaktion
Kreatinphosphat (Hydrolyseenergie DG0I = –43kJ/Mol)
Kreatinin
Urinausscheidung
A
259
15.3 Regulation bei Ausdauerleistungen
globin gebunden. Wenn sich der Bedarf plötzlich vervielfacht, hat das Myoglobin den Sauerstoff bereits nach wenigen Sekunden weitgehend abgegeben. Die Glykolyse wird nun zwar intensiviert, das dabei anfallende Pyruvat kann aber in den Mitochondrien nicht mehr oxidiert werden. So wird eine anaerobe Glykolyse durchgeführt, das Pyruvat zu Lactat reduziert, und dann von der Zelle exportiert. Normalerweise liegt die Konzentration des Lactats im Blut bei etwa 1 mM. Bei maximaler Muskelarbeit kann sie zeitweilig auf über 8 mM ansteigen. Wie wird die Glykolyse intensiviert? Das entscheidende Schrittmacherenzym der Glykolyse ist die Phosphofructokinase-1 (S. 81). Es katalysiert die Phosphorylierung von Fructose-6-phosphat zu Fructose-1,6-bisphosphat. Die durch die Muskelarbeit gesteigerte Hydrolyse von ATP löst zwei allosterische Regulationsmechanismen aus: 1. Die erhöhte ADP-Konzentration aktiviert die Phosphofructokinase-1. 2. Durch die sinkende ATP-Konzentration wird die Hemmung des Enzyms durch ATP aufgehoben. Die Verwertung des Lactats erfolgt im Wesentlichen innerhalb der Skelettmuskulatur, im Herzmuskel und in der Leber. In der Skelettmuskulatur entsteht das Lactat überwiegend in den sog. weißen Muskelfasern. Teilweise wird das von ihnen freigesetzte Lactat in unmittelbarer Nachbarschaft von roten Muskelfasern aufgenommen. Ihre rötliche Farbe beruht auf ihrem wesentlich größeren Gehalt an Mitochondrien. Sobald im Zuge der körperlichen Anstrengung die Durchblutung der Skelettmuskulatur steigt und somit die Sauerstoffzufuhr verbessert wird, können die roten Muskelfasern vermehrt Lactat oxidieren. Es wird in Pyruvat umgewandelt und dieses in den Mitochondrien zu CO2 oxidiert. Im Herzmuskel wird Lactat ebenfalls in größeren Mengen aufgenommen und zu CO2 oxidiert. Im Arbeitsmyokard wird mehr als 1/3 des Zellvolumens von Mitochondrien eingenommen. Die Anteile der verschiedenen Substrate, die im Herzmuskel oxidiert werden, sind variabel. Normalerweise stellen die freien Fettsäuren etwa 50 %, Glucose 30 % und Lactat 20 %. Bei körperlicher Anstrengung kann der Anteil des Lactats auf über 50 % steigen. In der Leber wird Lactat nur zu einem geringen Teil oxidiert. Überwiegend wird das aufgenommene Lactat zur Gluconeogenese verwendet. Indem die dabei gebildete Glucose an das Blut abgegeben und damit auch der Muskulatur zur Verfügung gestellt wird, ergibt sich ein Kreislauf, der als Cori-Zyklus bekannt ist (S. 87). Es fällt auf, dass alle Stoffwechselprozesse, die bei einer kurzfristig erhöhten körperlichen Aktivität als Erstes zur Deckung des Energiebedarfs herangezogen werden, ausnahmslos von Sauerstoff unabhängig sind.
▶ Merke.
In den Zellen der Skelettmuskulatur kann die Leistung für eine halbe Minute extrem gesteigert werden, ohne dass dazu zusätzlicher Sauerstoff aufgenommen werden müsste.
Die entscheidenden Prozesse dabei sind die gesteigerte Hydrolyse von ATP, die Regeneration des verbrauchten ATP mithilfe von Kreatinphosphat und die Regeneration des verbrauchten ATP durch anaerobe Glykolyse. Während eines 100-m-Laufs kann die zusätzlich benötigte Energie im Wesentlichen durch diese drei Prozesse bereitgestellt werden.
15.3 Regulation bei Ausdauerleistungen Bei Ausdauerleistungen ist der aerobe Energiestoffwechsel von entscheidender Bedeutung. Beim Gehen ist der Energieverbrauch und mit ihm der Sauerstoffverbrauch gegenüber dem ruhigen Sitzen bereits verfünffacht, bei gemächlichem Laufen verzehnfacht. Die Durchblutung der Skelettmuskulatur und mit ihr die Sauerstoffzufuhr steigt, bei maximaler Muskelarbeit kann sie sogar um das 100-Fache gesteigert werden. Der zusätzliche Sauerstoff wird ausschließlich von der Atmungskette in den Mitochondrien benötigt und somit vollständig zu Wasser umgesetzt. Die für den Betrieb der Atmungskette notwendigen Elektronen stammen letztlich aus dem Abbau von Kohlenhydraten und Triacylglycerinen (TAG).
Lactat reduziert (anaerobe Glykolyse), da die Sauerstoffmenge in Skelettmuskelzellen bei intensiver Muskelarbeit zu gering für den oxidativen Abbau von Pyruvat ist. Lactat wird exportiert, weshalb die Lactatkonzentration im Blut ansteigt.
Das entscheidende Schrittmacherenzym der Glykolyse, die Phosphofructokinase-1, wird durch die erhöhte ADP-Konzentration aktiviert, die sinkende ATP-Konzentration enthemmt.
Lactat wird v. a. verwertet in Skelettmuskulatur Herzmuskel Leber In der Skelettmuskulatur entsteht das Lactat überwiegend in den sog. weißen Muskelfasern. Teilweise wird das von ihnen freigesetzte Lactat in unmittelbarer Nachbarschaft von roten Muskelfasern aufgenommen.
Herzmuskel: Im Arbeitsmyokard wird mehr als 1/3 des Zellvolumens von Mitochondrien eingenommen. Bei körperlicher Anstrengung kann der Anteil des Lactats an den oxidierten Substraten auf > 50 % steigen.
In der Leber wird das aufgenommene Lactat v. a. zur Gluconeogenese verwendet.
▶ Merke.
Unabhängig von Sauerstoff sind: Hydrolyse von ATP Regeneration des ATP mithilfe von Kreatinphosphat anaerobe Glykolyse
15.3
Regulation bei Ausdauerleistungen
Bei Ausdauerleistungen ist der aerobe Energiestoffwechsel von entscheidender Bedeutung. In gleichem Maße wie der Energieverbrauch steigt der Sauerstoffverbrauch. Um den Sauerstoffbedarf zu decken, nimmt die Durchblutung der Skelettmuskulatur zu. Der zusätzliche Sauerstoff wird ausschließlich von der Atmungskette in den Mitochondrien benötigt.
260
In der ersten halben Stunde intensiver Muskelarbeit kommt es zu verstärktem Abbau von Glykogen sowie zunehmendem Abbau von TAG und Aufnahme freier Fettsäuren durch die Skelettmuskulatur.
▶ Merke.
Die Glykogen-Phosphorylase wird durch Phosphorylierung aktiviert. Diese wird induziert durch das Katecholamin Adrenalin. Die Wirkung wird durch β2-Rezeptoren vermittelt. In der Leber wirkt Adrenalin synergistisch mit Glukagon und das Peptidhormon Glukagon. Dieses wirkt vornehmlich in der Leber. Hier fördert es den Abbau des Glykogens und die Gluconeogenese.
Beide Hormone bewirken in den Zielzellen einen Konzentrationsanstieg des Hungersignals cAMP, das die Proteinkinase A aktiviert. Diese phosphoryliert und aktiviert die Phosphorylase-Kinase (Abb. A 15.2). Parallel wird die Glykogen-Synthase phosphoryliert und inaktiviert.
A-15.2
A
15 Regulation des Energiestoffwechsels
Abhängig von Dauer und Intensität der körperlichen Aktivität kommt es im Energiestoffwechsel zu erheblichen Verschiebungen. Während der ersten halben Stunde intensiver Muskelarbeit wird in Skelettmuskulatur und Leber der Abbau der Glykogenvorräte gesteigert. Eine Schlüsselfunktion kommt dabei der Glykogen-Phosphorylase zu, die den Abbau des Glykogens zu Glucose-1-phosphat katalysiert (S. 88). wird in den Zellen der Skelettmuskulatur der Abbau der TAG gesteigert und es werden vermehrt freie Fettsäuren aus dem Blutplasma aufgenommen.
▶ Merke. Bei Ausdauerleistungen sind in der ersten Phase Kohlenhydrate die wichtigste Energiequelle. So wird bei einem Dauerlauf von einer halben Stunde ein erheblicher Teil der Glykogenspeicher abgebaut, die TAG im Fettgewebe aber werden nur in sehr geringem Umfang mobilisiert. Die Glykogen-Phosphorylase wird durch Phosphorylierung aktiviert und dann als Phosphorylase a bezeichnet. Die Aktivierung wird von zwei Hormonen induziert: Adrenalin, das wichtigste Katecholamin, wird ausgehend von Tyrosin im Nebennierenmark synthetisiert. Es löst in nahezu allen Organen vielfältige Wirkungen aus, wobei die Wirkung davon abhängt, welchen Katecholaminrezeptor die Zielzelle exponiert. Die Signale zur Steigerung des katabolen Energiestoffwechsels werden generell von Rezeptoren des Typs β2 vermittelt. In der Leber wirkt Adrenalin synergistisch mit Glukagon. Glukagon ist ein Peptidhormon aus 29 Aminosäuren, das in den A-Zellen des Pankreas synthetisiert wird. Glukagon wirkt wesentlich spezifischer als Adrenalin, und zwar vornehmlich in der Leber. Hier fördert es den Abbau des Glykogens und die Gluconeogenese, also die beiden Prozesse, durch die die Leber Glucose bereitstellt. Dem Glukagon kommt dadurch eine wichtige Funktion in der Regulation des Hungerstoffwechsels zu (S. 263). Beide Hormone lösen in ihren jeweiligen Zielzellen einen Konzentrationsanstieg des Hungersignals cAMP aus. Der Abbau des Glykogens wird dann in jedem Fall durch die folgende Signalkaskade aktiviert (Abb. A 15.2): cAMP aktiviert die Proteinkinase A (PKA). Die PKA katalysiert die Phosphorylierung der Phosphorylase-Kinase, die dadurch aktiviert wird. Die Phosphorylase-Kinase phosphoryliert und aktiviert die Glykogen-Phosphorylase. Die PKA phosphoryliert parallel auch die Glykogen-Synthase. Diese wird durch die Phosphorylierung jedoch inaktiviert.
A-15.2
Aktivierung der Glykogen-Phosphorylase cAMP aktiviert die Proteinkinase A (PKA) phosphoryliert und aktiviert Phosphorylase-Kinase phosphoryliert und aktiviert Glykogen-Phosphorylase a
Glykogen
Glucose-1-phosphat P
Im Verlauf mehrerer Stunden intensiver Muskelarbeit gewinnt der Abbau von TAG zunehmend an Bedeutung. Adrenalin bindet an β2- und β3-Rezeptoren der Fettzellen und aktiviert die hormonsensitive Lipase des Fettgewebes durch Phosphorylierung. Vermittler ist cAMP, das die PKA aktiviert.
Aufnahme anorganischen Phosphats
Im Verlauf mehrerer Stunden intensiver Muskelarbeit gewinnt der Abbau von TAG zunehmend an Bedeutung. Die Steigerung der Lipolyse im Fettgewebe wird ebenfalls von Adrenalin vermittelt (S. 119): Bindung des Adrenalins an β2- und β3-Rezeptoren der Fettzellen vermehrte Bildung von cAMP („Hungersignal“) Aktivierung der PKA Die PKA katalysiert die Phosphorylierung des Perilipins und der hormonsensitiven Lipase und stimuliert dadurch die Lipolyse.
A
▶ Zusammenfassung.
Im Verlauf mehrerer Stunden intensiver Muskelarbeit greift der Stoffwechsel nacheinander auf die folgenden Energiequellen zurück (Abb. A 15.3): erste halbe Minute: anaerober Stoffwechsel erste Stunde: Abbau von Glykogen, Energiegewinnung durch aeroben Abbau von Kohlenhydraten. Langsam zunehmender Abbau von TAG im Fettgewebe (Lipolyse) u. a. durch Aktivierung der hormonsensitiven Lipase der Fettzellen. zweite Stunde: weitere Steigerung der Lipolyse. Die Produkte der Lipolyse, Glycerin und Fettsäuren, werden an das Blut abgegeben. Glycerin wird von der Leber aufgenommen und dient (neben anderen Stoffen) als Ausgangsstoff der Gluconeogenese. Die Fettsäuren werden im Blut an Albumin gebunden und zu den Zielorganen gebracht, die sie aufnehmen und oxidieren. Sobald die Glykogenreserven erschöpft sind, wird die Gluconeogenese gesteigert.
A-15.3
261
15.4 Regulation bei Nahrungsmangel
▶ Zusammenfassung.
Energiestoffwechsel bei Ausdauerleistungen anaerober Stoffwechsel, Hydrolyse von Kreatinphosphat
20 s
Abbau von Glykogen, langsam zunehmende Lipolyse (Abbau von TAG)
A-15.3
weitere Steigung der Lipolyse, zunehmende Gluconeogenese
1h
2h
15.4 Regulation bei Nahrungsmangel Normalerweise wird durch ein Zusammenspiel von Hungergefühl und Nahrungsaufnahme verhindert, dass der Stoffwechsel in größerem Umfang auf seine Energiespeicher zurückgreifen muss. Das Hungergefühl signalisiert vor allem, dass die Glykogenvorräte langsam zur Neige gehen und es Zeit wird, diese wiederaufzufüllen. Wenn die Nahrungsaufnahme dennoch längere Zeit ganz oder weitgehend unterbleibt, kommt es im Verlauf von etwa 3 – 4 Tagen zu einer radikalen Umstellung des Energiestoffwechsels. Das Hungergefühl verliert sich, der Mensch fastet. Basis des gesamten Energiestoffwechsels sind jetzt nur noch die Energiespeicher. Die Energiespeicher eines gesunden und normal ernährten Menschen reichen aus, um ohne Nahrungsaufnahme 2 – 3 Monate überleben zu können, vorausgesetzt, dass ausreichend viel Wasser getrunken wird. Empfohlen werden 3 Liter Wasser pro Tag. Der Umfang der Energiespeicher ist überaus variabel, insbesondere der Umfang der Triacylglycerin(TAG)-Speicher des Fettgewebes (Triacylglycerine = TAG). Bei einem normal ernährten Menschen umfassen die Energiespeicher ca. 12 kg TAG (ca. 500 000 kJ), ca. 400 g Glykogen (ca. 7000 kJ), ca. 50 % der 6 – 7 kg Protein im Körper (ca. 50 000 kJ). Aus diesen Zahlen ist ersichtlich, dass allein der Energiegehalt der TAG ein längeres Fasten ermöglicht.
▶ Merke.
15.4
Regulation bei Nahrungsmangel
Wenn die Nahrungsaufnahme längere Zeit unterbleibt, stellt sich der Energiestoffwechsel innerhalb von ca. 3 Tagen radikal um: Im Fasten sind die Energiespeicher die einzige Energiequelle.
Ein Gesunder, normal Ernährter kann dank seiner Energiespeicher ohne Nahrungsaufnahme ca. 2 Monate überleben. Der Umfang der im Fettgewebe gespeicherten Triacylglycerine (TAG) ist überaus variabel. In jedem Fall sind es jedoch vor allem die TAG-Speicher, die ein längeres Fasten ermöglichen.
▶ Merke.
Im Fasten sind die TAG der entscheidende Energieträger. Da Insulin alle Prozesse stimuliert, die einen Aufbau der Energiespeicher erleichtern, wird seine Ausschüttung im Fasten gehemmt. Nur so können die Energiespeicher in kontrollierter Weise abgebaut werden.
Da der Organismus normalerweise auf ca. 180 g Glucose pro Tag angewiesen ist, sind die Glykogenreserven selbst bei geringer körperlicher Aktivität schnell erschöpft. Der Organismus meldet oft schon wenige Stunden nach Beendigung einer Mahlzeit erneut ein Hungergefühl, um die inzwischen angegriffenen Glykogenreserven erneut aufzufüllen. Wenn eine baldige Aufnahme von Kohlenhydraten un-
Da der Organismus normalerweise auf ca. 180 g Glucose pro Tag angewiesen ist, sind die Glykogenreserven selbst bei geringer körperlicher Aktivität schnell erschöpft. Unterbleibt die Aufnahme von Kohlenhydraten (trotz Hungergefühls), beginnt die Gluco-
262
A
15 Regulation des Energiestoffwechsels
neogenese. Erreicht sie größere Ausmaße, spricht man von Hungerstoffwechsel. Die für die Gluconeogenese nötige Energie liefert der Abbau von TAG. Er stellt außerdem freie Fettsäuren für diejenigen Gewebe zur Verfügung, die diese verwerten (β-oxidieren) können.
terbleibt, beginnt nach einigen Stunden die Synthese von Glucose durch Gluconeogenese. Sie wird in dem Maße gesteigert, wie die Zufuhr von Glucose aus dem Abbau von Glykogen abnimmt. Sobald die Gluconeogenese einen größeren Umfang erreicht, spricht man von Hungerstoffwechsel. Es ist zu betonen, dass mit der Gluconeogenese kein unmittelbarer Energiegewinn verbunden ist. Vielmehr erfordert die Synthese von 1 Mol Glucose einen Aufwand von 6 Mol ATP (S. 217). Die zur Gluconeogenese erforderliche Energie wird im Wesentlichen durch β-Oxidation der Fettsäuren, also durch den Abbau von TAG gewonnen.
Funktion der Gluconeogenese bei Nahrungsmangel: Durch die Gluconeogenese werden bei Nahrungsmangel die Zellen mit Glucose versorgt, die sich nicht oder nicht ganz auf die Verwertung von TAG umstellen können und somit auf Glucose angewiesen sind: die Nervenzellen im ZNS (140 – 150 g Glucose pro Tag), Erythrozyten (ca. 40 g Glucose pro Tag) und die Zellen des Nierenmarks.
Funktion der Gluconeogenese bei Nahrungsmangel: Durch die Gluconeogenese werden bei Nahrungsmangel die Zellen mit Glucose versorgt, die sich nicht oder nicht ganz auf die Verwertung von TAG umstellen können und deshalb auf Glucose angewiesen sind: Die Nervenzellen im ZNS, insbesondere im Gehirn, benötigen im Hungerstoffwechsel insgesamt 140 – 150 g Glucose pro Tag. Die Erythrozyten besitzen keine Mitochondrien und können deshalb keine oxidative Phosphorylierung betreiben und auch keine Fettsäuren verwerten. Sie benötigen unter allen Stoffwechselbedingungen ca. 40 g Glucose pro Tag. Die Zellen des Nierenmarks enthalten nur wenige Mitochondrien. Ähnlich wie die Erythrozyten sind sie deshalb ebenfalls auf eine permanente Zufuhr von Glucose angewiesen. Die dazu ggf. erforderliche Gluconeogenese findet in erheblichem Umfang in der Nierenrinde statt. Durch Gluconeogenese können zeitweise bis zu 180 g Glucose pro Tag gebildet werden. Bei längerem Nahrungsmangel stellt sich der Stoffwechsel nochmals erheblich um, indem nun vermehrt Ketonkörper gebildet werden. Je mehr Ketonkörper gebildet werden, desto mehr kann dann die Gluconeogenese wieder reduziert werden. Bei längerem Fasten brauchen pro Tag nur noch etwa 80 g Glucose synthetisiert zu werden.
Durch Gluconeogenese können zeitweise bis zu 180 g Glucose pro Tag gebildet werden. Bei längerem Fasten brauchen wegen der Umstellung auf die Verwertung von Ketonkörpern pro Tag nur noch etwa 80 g Glucose synthetisiert zu werden. Ort und Ausgangsstoffe der Gluconeogenese: Die Gluconeogenese findet in Leber und Niere statt. Ausgangsstoffe sind Glycerin, Lactat und Aminosäuren.
Ort und Ausgangsstoffe der Gluconeogenese: Die Gluconeogenese findet sowohl in der Leber als auch in der Niere statt (S. 212). Ausgangsstoffe der Gluconeogenese sind Glycerin aus dem Abbau der TAG, Lactat aus dem Abbau der Glucose in den Erythrozyten und Aminosäuren aus dem Abbau von Proteinen in der Skelettmuskulatur.
Stimulation der Gluconeogenese in der Leber: Die Hormone Adrenalin und Glukagon senken die Konzentration von Fructose-2,6bisphosphat. Dies geschieht wie folgt: gesteigerte Bildung von cAMP, cAMP aktiviert die PKA, die PKA phosphoryliert das bifunktionelle Enzym der Hepatozyten. Dies aktiviert die Phosphataseaktivität des bifunktionellen Enzyms und Fructose-2,6bisphosphat wird abgebaut.
Stimulation der Gluconeogenese in der Leber: In der Leber wird die Gluconeogenese durch die beiden Hormone Adrenalin und Glukagon stimuliert, die bei Nahrungsmangel aus dem Nebennierenmark bzw. dem Pankreas freigesetzt werden. Sie senken die Konzentration von Fructose-2,6-bisphosphat, des wichtigsten allosterischen Regulators von Gluconeogenese und Glykolyse. Dies geschieht wie folgt: Adrenalin und Glukagon lösen in den Hepatozyten einen Anstieg des Hungersignals cAMP aus. cAMP aktiviert die PKA. Die PKA phosphoryliert das bifunktionelle Enzym der Hepatozyten. Dadurch wird die Phosphataseaktivität des bifunktionellen Enzyms aktiviert, und Fructose-2,6-bisphosphat wird zu Fructose-6-phosphat abgebaut. Die Abnahme der Fructose-2,6-bisphosphat-Konzentration hat zwei Konsequenzen (Abb. A 15.4): 1. Fructose-2,6-bisphosphat ist der wirkungsvollste allosterische Aktivator der Phosphofructokinase-1 (des zentralen Schlüsselenzyms der Glykolyse) in Hepatozyten. Da dieser Aktivator nun entfällt, wird die Aktivität der Phosphofructokinase-1 und damit die Aktivität der Glykolyse reduziert. 2. Fructose-2,6-bisphosphat hemmt die Fructose-1,6-Bisphosphatase, das zentrale Schlüsselenzym der Gluconeogenese (S. 219). Da diese Hemmung entfällt, wird die Gluconeogenese wesentlich erleichtert. Es ist in diesem Zusammenhang zu betonen, dass diese Regulationsmechanismen nur in der Leber angetroffen werden. Eine Umstellung des Stoffwechsels auf konsequentes Fasten erfordert mehrere Tage. Entscheidend ist dabei die Zunahme der Synthese von Ketonkörpern (Acetoacetat und β-Hydroxybutyrat). Nach einem halben Tag ohne Nahrungsaufnahme liegt die Konzentration der Ketonkörper im Blutplasma nur bei etwa 0,1 mM, nach 3 Tagen bereits bei 3 mM. Nach dreiwöchigem Fasten kann die Ketonkörperkonzentration
Dadurch wird 1. die Phosphofructokinase-1 nicht mehr aktiviert, d. h. die Glykolyse abgeschaltet, und 2. die Fructose-1,6-Bisphosphatase nicht mehr gehemmt, d. h. die Gluconeogenese wesentlich erleichtert (Abb. A 15.4).
Eine Umstellung des Stoffwechsels auf konsequentes Fasten erfordert mehrere Tage. Entscheidend ist dabei die Zunahme der Synthese von Ketonkörpern (Acetoacetat und β-Hydroxybutyrat). Von besonderer Bedeutung ist die Umstellung des Stoffwech-
A
A-15.4
263
15.4 Regulation bei Nahrungsmangel
Stimulation der Gluconeogenese in der Leber
Glucose
A-15.4
Glucose Fructose-2,6-bisphosphat
Glykolyse
aktiviert Phosphofructokinase-1
Pyruvat
Gluconeogenese
hemmt Fructose-1,6Bisphosphatase
Pyruvat cAMP, PKAaktiv, Phosphorylierung des bifunktionellen Enzyms
Glucose
Glucose Gluconeogenese
Glykolyse Phosphofructokinase-1 (inaktiv)
Pyruvat
Fructose-1,6Bisphosphatase (aktiv)
Pyruvat
8 mM erreichen. Bei übergewichtigen Probanden, die an einer längeren Fastenkur teilnahmen, wurde in einer Studie die Synthese von durchschnittlich 150 g Ketonkörper/Tag nachgewiesen. Die Ketonkörper werden von verschiedenen Geweben verwertet, u. a. vom Herz und von der Skelettmuskulatur. Von besonderer Bedeutung ist die Umstellung des Stoffwechsels im Gehirn auf Verwertung der Ketonkörper, denn dadurch kann das Gehirn seinen Bedarf an Glucose von täglich ca. 140 g auf 40 – 50 g reduzieren. Die Fettsäuren für die Ketonkörpersynthese liefert der Abbau von ca. 200 g TAG pro Tag. Bei längerem Fasten werden die Fettsäuren der TAG etwa zu gleichen Teilen zur β-Oxidation und zur Ketonkörperproduktion verwendet. Das freigesetzte Glycerin wird in Leber und Niere zur Gluconeogenese verwendet. Bei längerem Fasten werden außerdem jeden Tag ca. 20 g Protein abgebaut. Die freigesetzten Aminosäuren dienen als Ausgangsstoffe der Gluconeogenese, als Stickstoffquelle für verschiedene Synthesen und der Bildung von Ammoniak zur Neutralisation des Harns in der Niere.
▶ Merke.
Die Einschränkung des Proteinabbaus auf ein Mindestmaß bringt es mit sich, dass die Proteinreserven des Menschen auch bei sehr langem Fasten ausreichend sind.
Bei Adipositas ermöglicht das Fasten eine signifikante und berechenbare Gewichtsreduktion. In den ersten Tagen kann ein konsequentes Fasten („Nulldiät“) recht unangenehm sein: Man fühlt sich schwach, unwohl und hat einen unangenehmen Geschmack im Mund. Spätestens nach etwa 5 Tagen legt sich das Hungergefühl, man ist aber weiterhin nur eingeschränkt leistungsfähig. Bei längerem Fasten werden nicht nur Energiespeicher abgebaut, sondern auch Zellen und Gewebe. Dabei gehen u. a. auch entsprechende Mengen an Wasser verloren, sodass es zu einer Gewichtsreduktion von ca. 350 g pro Tag kommt.
▶ Merke.
Bei der Umstellung des Stoffwechsels im Zuge längeren Fastens spielen die Hungerhormone Glukagon und Cortisol eine entscheidende Rolle.
Wirkungen des Glukagons: Im Fettgewebe stimuliert Glukagon die Lipolyse. In der Leber erhöht Glukagon die cAMP-Konzentration. Dadurch stimuliert es den Glykogenabbau, die Gluconeogenese sowie die β-Oxidation der Fettsäuren. Die vermehrte β-Oxidation führt zu einer gesteigerten Produktion von Acetyl-CoA und ermöglicht so die zunehmende Bildung von Ketonkörpern.
sels im Gehirn auf Verwertung der Ketonkörper, denn dadurch sinkt der Glucosebedarf von ca. 140 g auf 40 – 50 g/Tag.
Die Fettsäuren für die Ketonkörpersynthese liefert der Abbau von ca. 200 g TAG pro Tag.
Bei längerem Fasten werden ca. 20 g Protein pro Tag abgebaut und die Aminosäuren zur Gluconeogenese, als Stickstoffquelle und zur Ammoniaksynthese eingesetzt.
▶ Merke.
Bei längerem Fasten werden nicht nur Energiespeicher abgebaut, sondern auch Zellen und Gewebe. Dabei gehen u. a. auch entsprechende Mengen an Wasser verloren, sodass es zu einer Gewichtsreduktion von ca. 350 g pro Tag kommt.
▶ Merke.
Wirkungen des Glukagons: Lipolyse↑ Bereitstellung von Glucose↑ Bildung von Ketonkörpern↑
264 Wirkungen des Cortisols: Cortisol stimuliert die Transkription der Gene von Enzymen kataboler Stoffwechselwege.
Die Wirkungen im Einzelnen sind: Gesteigerter Abbau von Proteinen (Proteolyse) und Hemmung der Proteinbiosynthese. Gesteigerte Synthese der Aminotransferasen, die benötigt werden, um die bei der Proteolyse anfallenden Aminosäuren der Gluconeogenese zuzuführen. Gesteigerte Synthese der Gluconeogenese-Enzyme in der Leber. Hemmung der Synthese der GlykolyseEnzyme.
15.5
Regulation im Anschluss an eine Mahlzeit
Nach einer Nahrungsaufnahme (postprandial) beginnt die Resorption der Nahrungsbestandteile (Resorptionsphase).
▶ Merke. Insulin ist ein Peptidhormon, das aus einer Aund einer B-Kette besteht. Die Ketten werden durch zwei Disulfidbrücken zusammengehalten. Insulin wird im Pankreas von den B-Zellen der Langerhans-Inseln gebildet. Die Freisetzung beginnt, sobald die extrazelluläre Glucosekonzentration einen Wert von etwa 5 mM (90 mg/100 ml) überschreitet. Sie wird außerdem von verzweigtkettigen Aminosäuren und von gastrointestinalen Hormonen (z. B. GIP) stimuliert. An den Zielzellen bindet Insulin an einen Insulinrezeptor der Plasmamembran.
In der Skelettmuskulatur und im Fettgewebe löst Insulin innerhalb kurzer Zeit eine Translokation des Glucose-Transporters GLUT 4 in die Plasmamembran aus und erleichtert so die Glucoseaufnahme.
Im Fettgewebe hemmt Insulin die Lipolyse, stimuliert es die Synthese der Lipoproteinlipase der Endothelzellen. Diese Induktion fördert die Hydrolyse von TAG der Lipoproteine und damit die Resynthese von TAG aus den Hydrolyseprodukten.
A
15 Regulation des Energiestoffwechsels
Wirkungen des Cortisols: Cortisol ist ein Steroidhormon, das in der Zona fasciculata, der mittleren Zone der Nebennierenrinde, gebildet wird. Wie alle Steroidhormone bindet es an spezifische intrazelluläre Rezeptoren, die in den Zellkernen als Transkriptionsfaktoren wirken. Generell aktiviert Cortisol die Transkription von Genen, die Enzyme kodieren, die im Hunger und im Fasten in besonderem Maße benötigt werden. Dabei werden dem Cortisol insbesondere die folgenden Wirkungen zugeschrieben: Gesteigerter Abbau von Proteinen (Proteolyse) und Hemmung der Proteinbiosynthese. Eine indirekte Konsequenz der gesteigerten Proteolyse ist ein deutliches Ansteigen der Konzentrationen der Aminosäuren Alanin und Glutamin im Blut. Dies bestätigt die Schlüsselfunktion dieser beiden Aminosäuren im Aminosäurestoffwechsel und im Austausch von Metaboliten zwischen den Organen (S. 136). Gesteigerte Synthese der Aminotransferasen, die benötigt werden, um die bei der Proteolyse anfallenden Aminosäuren der Gluconeogenese zuzuführen. Gesteigerte Synthese der Gluconeogenese-Enzyme in der Leber (Pyruvat-Carboxylase, Phosphoenolpyruvat-Carboxykinase [PEPCK], Fructose-1,6-Bisphosphatase und Glucose-6-Phosphatase). Cortisol und das nahe verwandte Cortison werden deshalb auch als Glucocorticoide bezeichnet. Hemmung der Synthese der Glykolyse-Enzyme.
15.5 Regulation im Anschluss an eine Mahlzeit Nach einer Nahrungsaufnahme (postprandial) beginnt im Verdauungstrakt sehr schnell die Resorption der Nahrungsbestandteile und damit die Resorptionsphase. In dieser Phase besteht die Aufgabe des Stoffwechsels darin, die nun im Überschuss im Blut vorliegenden Energieträger möglichst schnell den Energiespeichern zuzuführen.
▶ Merke.
Das in der postprandialen Resorptionsphase entscheidende Hormon ist Insulin. Es stimuliert alle Prozesse, die dem Aufbau der Energiespeicher dienen. Insulin ist ein Peptidhormon, das aus einer A-Kette mit 21 Aminosäuren sowie einer B-Kette mit 30 Aminosäuren besteht. Die Ketten werden durch zwei Disulfidbrücken zusammengehalten. Insulin wird im Pankreas von den B-Zellen (β-Zellen) der Langerhans-Inseln gebildet. Beide Ketten des Insulins sind Abschnitte eines gemeinsamen Vorläuferproteins, des Proinsulins. Sie bleiben übrig, nachdem im GolgiKomplex das C-Peptid (connective peptide) aus dem Proinsulin herausgeschnitten wird. Vor der Freisetzung wird das Insulin intrazellulär in sog. β-Granula in Form Zink-bindender Hexamere gespeichert. Nach der Freisetzung ins Blut zerfallen die Hexamere. Die Freisetzung beginnt, sobald die extrazelluläre Glucosekonzentration einen Wert von etwa 5 mM (90 mg/100 ml) überschreitet. Die Insulinfreisetzung wird außerdem von verzweigtkettigen Aminosäuren und von gastrointestinalen Hormonen wie z. B. dem GIP (gastric inhibitory peptide) stimuliert. An den Zielzellen bindet Insulin an einen Insulinrezeptor der Plasmamembran. Der Insulinrezeptor ist ein tetrameres Protein aus zwei α- und zwei β-Untereinheiten (α2β2). Bei Bindung von Insulin werden die β-Untereinheiten zu aktiven Tyrosinkinasen, und es werden mehrere Signalkaskaden ausgelöst (s. S. 559). In der Skelettmuskulatur und im Fettgewebe löst Insulin innerhalb kurzer Zeit eine Translokation des Glucose-Transporters GLUT 4 in die Plasmamembran aus. Außerdem stimuliert Insulin eine vermehrte Synthese von GLUT 4. Beide Effekte erleichtern den Geweben die Glucoseaufnahme. In der Skelettmuskulatur wird die Glucose überwiegend in Form von Glykogen gespeichert. Im Fettgewebe wird die Glucose zum größten Teil zur Synthese von Glycerin verwendet, das dann mit Fettsäuren zu TAG verestert wird. Im Fettgewebe hemmt Insulin die Synthese der hormonsensitiven Lipase und damit die Lipolyse, stimuliert Insulin die Synthese der Lipoproteinlipase der Endothelzellen. Eine hormonabhängige Steigerung der Synthese eines Enzyms bezeichnet man als Induktion. Die Induktion der Lipoproteinlipase erleichtert die Hydrolyse der TAG, die von den Chylomikronen und VLDL zum Fettgewebe transportiert wer-
A
den. Die Hydrolyseprodukte werden von den Fettzellen aufgenommen und zur Resynthese von TAG verwendet. In der Leber hemmt Insulin die β-Oxidation der Fettsäuren. Diese ist die entscheidende Quelle des Acetyl-CoA, des Ausgangsstoffes der Ketonkörpersynthese. Somit hemmt Insulin auch die Bildung von Ketonkörpern. In der Leber akkumulierende Fettsäuren und TAG werden in Form von VLDL an das Blut abgegeben. In der Resorptionsphase ist es generell das Ziel des Fettstoffwechsels, überschüssige TAG als Energiespeicher im Fettgewebe zu deponieren. Auf den Kohlenhydratstoffwechsel der Leber hat Insulin mehrere Wirkungen: Stimulation der Phosphorylierung von Glucose zu Glucose-6-phosphat durch Induktion des Enzyms Hexokinase. Dies steigert indirekt die Aufnahme von Glucose in die Hepatozyten: Die frei in die Hepatozyten diffundierende Glucose wird intrazellulär durch die Umsetzung zu Glucose-6-phosphat gleichsam aus dem Diffusionsgleichgewicht herausgenommen und akkumuliert in der Zelle. Auf den Glucose-Transporter in der Plasmamembran der Hepatozyten, GLUT 2, hat Insulin jedoch keinen Einfluss. Induktion der Schlüsselenzyme der Glykolyse. Mithilfe der gesteigerten Glykolyse und der mitochondrialen Pyruvat-Dehydrogenase kann überschüssige Glucose zu Acetyl-CoA abgebaut werden, das dann zur Synthese von Fettsäuren verwendet wird. So dient auch die Glykolyse in diesem Fall einem anabolen Stoffwechselweg und dem Aufbau der Energiespeicher. Stimulation der Glykogensynthese Hemmung der Gluconeogenese In der Regulation des Kohlenhydratstoffwechsels der Leber ist Insulin der Gegenspieler des Glukagons. In der Skelettmuskulatur stimuliert Insulin u. a. die Aufnahme von Aminosäuren.
▶
Klinik. Die zentrale Funktion des Insulins in der Koordina-
tion des anabolen Stoffwechsels wird durch die Symptome des Diabetes mellitus illustriert. Diabetes mellitus ist in den Industrieländern die wichtigste Stoffwechselkrankheit. Sie ist durch eine grundsätzliche Störung des gesamten anabolen Stoffwechsels gekennzeichnet. Auch im Anschluss an eine Mahlzeit, wenn alle Energieträger im Überschuss vorliegen, erinnert der Stoffwechsel der Diabetiker in mancher Hinsicht an den Hungerstoffwechsel. Man unterscheidet zwei Typen der Erkrankung: Typ-1-Diabetes: Hier ist die Insulinausschüttung im Pankreas vermindert. Ursache ist eine Zerstörung der B-Zellen durch eine Autoimmunkrankheit (Abb. A 15.5). Betroffen sind im typischen Fall junge Patienten. Die Prävalenz liegt in Deutschland bei 0,6 %. Typ-2-Diabetes: Hier ist die Insulinwirkung in den Zielzellen vermindert („relativer Insulinmangel“ aufgrund von „Insulin-
A-15.5
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15.5 Regulation im Anschluss an eine Mahlzeit
In der Leber hemmt Insulin die β-Oxidation der Fettsäuren und damit indirekt auch die Bildung von Ketonkörpern. In der Leber akkumulierende Fettsäuren und TAG werden in Form von VLDL an das Blut abgegeben.
Auf den Kohlenhydratstoffwechsel der Leber hat Insulin mehrere Wirkungen: Die vermehrte Phosphorylierung von Glucose durch Induktion der Hexokinase steigert indirekt die Aufnahme von Glucose in die Hepatozyten. Auf deren Glucose-Transporter GLUT 2 hat Insulin jedoch keinen Einfluss. Induktion der Schlüsselenzyme der Glykolyse. Die Stimulation der Glykolyse liefert Acetyl-CoA zur Fettsäuresynthese. Stimulation der Glykogensynthese Hemmung der Gluconeogenese
In der Skelettmuskulatur stimuliert Insulin die Aufnahme von Aminosäuren.
resistenz“). Ursache ist meistens starkes Übergewicht (Adipositas, s. S. 121). Typ-2-Diabetes tritt überwiegend bei älteren Menschen auf. Die Erkrankung ist dabei im typischen Fall mit Adipositas, Bluthochdruck, Arteriosklerose und Hypertriglyceridämie verbunden, die gemeinsam als metabolisches Syndrom bezeichnet werden. Nahezu 20 % der über 70-Jährigen in Mitteleuropa haben einen Typ-2-Diabetes. Man geht davon aus, dass bei ca. 7 % der erwachsenen deutschen Bevölkerung ein Diabetes mellitus vorliegt. Etwa 95 % der Betroffenen sind Typ-2-Diabetiker. Da bei diesem Diabetestyp Symptome oft erst nach mehreren Jahren auftreten, wissen etwa 50 % der 55- bis 75-jährigen Typ-2-Diabetiker nicht, dass sie erkrankt sind. Kohlenhydratstoffwechsel bei Diabetes. „Diabetes mellitus“ bedeutet wörtlich übersetzt „honigsüßer Durchfluss“. Dies bezieht sich auf die Beobachtung, dass der Harn der Diabetiker oft Glucose enthält. Ab einer Blutglucosekonzentration von
Typ-1-Diabetes bei chronischem Krankheitsverlauf (immunhistochemischer Hormonnachweis) a Die insulinbildenden Zellen (rot) sind reduziert. b Die glucagonbildenden Zellen (blau) sind in normaler Häufigkeit vorhanden. (aus Riede, Werner, Schaefer; Allgemeine und spezielle Pathologie, Thieme, 2004)
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15 Regulation des Energiestoffwechsels
180 mg/100 ml (10 mM) wird Glucose in den Nierentubuli nicht mehr vollständig rückresorbiert (die „Nierenschwelle wird überschritten“). Die erhöhte Blutglucosekonzentration (Hyperglykämie) hat mehrere Gründe: Es wird weniger Glucose in die Zellen aufgenommen. Auch bei kohlenhydratreicher Ernährung wird in der Leber weder die Glykogenolyse noch die Gluconeogenese gehemmt. Die mit dem Diabetes verbundene Hyperglykämie hat indirekt eine erhebliche Störung des Wasser- und Elektrolythaushalts zur Folge. Es wird ungewöhnlich viel Harn gebildet (Polyurie), sodass es zu massiven Wasserverlusten kommt. Entsprechend spüren die Patienten heftigen Durst. Ihre Haut ist warm, aber trocken. Die Polyurie ist mit einem Verlust von Kalium- und Natriumionen verbunden. Die Störungen des Elektrolythaushalts können sich z. B. in nächtlichen Wadenkrämpfen bemerkbar machen.
15.6
Schlüsselenzyme des Energiestoffwechsels
Fettstoffwechsel. Bei Insulinmangel werden in der Leber kaum TAG gebildet, vielmehr werden sowohl TAG als auch Glucose zu Acetyl-CoA abgebaut, das in den Zellen akkumuliert. Auch im Fettgewebe werden vermehrt TAG abgebaut. Die Folge ist eine vermehrte Bildung von Ketonkörpern (Acetoacetat, β-Hydroxybutyrat und Aceton). Das Aceton verleiht dem Atem einen eigentümlich fruchtigen Geruch. (Dieser sollte nicht mit einem Geruch nach Alkohol verwechselt werden. Dieser diagnostische Fehler unterläuft gelegentlich bei der Ersten Hilfe oder bei der Polizei.) Mit der Abgabe der Ketonkörper an das Blut ist eine Ansäuerung verbunden, es kommt also zu einer metabolischen Azidose. Bei schwerem Insulinmangel kann dieses zu einem ketoazidotischen Koma führen. Eiweißstoffwechsel. Bei Insulinmangel wird in der Muskulatur und in der Leber vermehrt Protein abgebaut. Während für den Typ-2-Diabetes Übergewicht charakteristisch ist, gehört die Magerkeit zu den Kennzeichen des Typ-1-Diabetes.
15.6 Schlüsselenzyme des
Energiestoffwechsels
Viele Regulationsmechanismen beziehen sich auf bestimmte Schlüsselenzyme, die von zentraler Bedeutung sind. Die wichtigsten Transportprozesse und Schlüsselenzyme sollen hier kurz rekapituliert werden. Zur Übersicht s. Tab. A 15.1.
In der Erforschung des Stoffwechsels hat sich das Konzept der Schlüsselenzyme und der geschwindigkeitsbestimmenden Schritte auch in der aktuellen Forschung weiterhin als sehr hilfreich erwiesen. Zwar wird auf der Ebene der Genexpression die Konzentration jedes einzelnen Enzyms sehr genau reguliert, viele Regulationsmechanismen beziehen sich aber lediglich auf bestimmte Schlüsselenzyme, die offenbar von zentraler Bedeutung sind. Das betrifft insbesondere die Regulation über allosterische Aktivierung bzw. Hemmung sowie die Interkonvertierung, also die Regulation über eine reversible Phosphorylierung. Die wichtigsten Transportprozesse und Schlüsselenzyme sollen hier kurz rekapituliert werden. Eine kompakte Übersicht bietet auch Tab. A 15.1.
Glucoseaufnahme: Der GLUT 4-vermittelte Transport von Glucose in die Zellen der Skelettmuskulatur und des Fettgewebes ist insulinabhängig.
Glucoseaufnahme: Die Glucose wird im Darm sekundär aktiv unter Vermittlung von SGLT 1 aufgenommen. In der Niere wird Glucose sekundär aktiv weitgehend unter Vermittlung von SGLT 2 rückresorbiert. Verschiedene Glucose-Transporter aus der GLUT-Familie vermitteln den Transport der Glucose in die Zellen der peripheren Gewebe. Limitierend für die Menge der aufgenommenen Glucose ist in bestimmten Zellen der Glucose-Transporter GLUT 4: Der GLUT 4-vermittelte Transport von Glucose in die Zellen der Skelettmuskulatur und des Fettgewebes ist insulinabhängig. Insulin steigert die Zahl der GLUT 4 in der Plasmamembran dieser Zellen.
Glykogensynthese: Die Glykogen-Synthase wird von der Phosphoprotein-Phosphatase 1 (PP-1) durch Dephosphorylierung aktiviert. Bei erhöhtem Energiebedarf wird die Glykogen-Synthase von den Kinasen GSK-3 und PKA durch Phosphorylierung inaktiviert.
Glykogensynthese: Glykogen wird ausgehend von UDP-Glucose synthetisiert. Limitierend ist die Aktivität der Glykogen-Synthase. Diese ist nur aktiv, wenn ein Überschuss an Glucose vorhanden ist. Unter diesen Bedingungen wird Insulin ausgeschüttet, und die Glykogen-Synthase wird von der Phosphoprotein-Phosphatase 1 (PP-1) durch Dephosphorylierung aktiviert. Bei erhöhtem Energiebedarf wird die Glykogen-Synthase insbesondere von zwei Kinasen durch Phosphorylierung inaktiviert: von der Glykogen-Synthase-Kinase 3 (GSK-3) sowie von der Proteinkinase A (PKA). Der entscheidende Second Messenger, der die PKA aktiviert, ist cAMP, das als intrazelluläres Hungersignal verstanden werden kann.
Glykogenabbau: Die Glykogen-Phosphorylase wird aktiviert, indem sie von der Phosphorylase-Kinase phosphoryliert wird.
Glykogenabbau: Bei Energiebedarf wird Glykogen mithilfe der Glykogen-Phosphorylase zu Glucose-1-phosphat abgebaut. Die Glykogen-Phosphorylase wird aktiviert, indem sie von der Phosphorylase-Kinase phosphoryliert wird. Die Phosphorylase-Kinase wird aktiviert, indem sie von der PKA phosphoryliert wird.
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15.6 Schlüsselenzyme des Energiestoffwechsels
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Glykolyse: Zwei bzw. drei Enzyme sind bei der Regulation der Glykolyse am wichtigsten: Die Hexokinase katalysiert den ersten Schritt, die Bildung des Glucose-6-phosphats. Hier liegt ein klassischer Fall von Produkthemmung vor. Glucose-6-phosphat hemmt die Hexokinase. Das gilt z. B. für die Verhältnisse in der Skelettmuskulatur. In der Leber wird der erste Schritt der Glykolyse von der Glucokinase katalysiert. Diese wird von Glucose-6-phosphat nicht gehemmt. Die Leber ist deshalb in der Lage, überschüssige Glucose in großem Umfang aus dem Blut aufzunehmen und in Form von Glykogen zu speichern. Die Phosphofructokinase-1 (PFK-1) katalysiert die Bildung des Fructose-1,6bisphosphats. Hier ist der klassische Fall einer Feed-forward-Regulation gegeben: Je mehr Ausgangsprodukte vorhanden sind, desto mehr Fructose-2,6-bisphosphat wird gebildet, dieses ist ein allosterischer Aktivator der Phosphofructokinase-1. Das Enzym wird von ATP und von Citrat gehemmt. Die Regulation der Phosphofructokinase erfolgt unter Vermittlung verschiedener Isoenzyme des bifunktionellen Enzyms. Dieses enthält in einer Polypeptidkette sowohl die Kinase, die ausgehend von Fructose-6-phosphat die Bildung des Fructose2,6-bisphosphats katalysiert, als auch die Phosphatase, die dieses wieder zu Fructose-6-phosphat abbaut. In der Leber und in der Skelettmuskulatur gibt es unterschiedliche Isoenzyme des bifunktionellen Enzyms, die konträr agieren: Bei gesteigertem Energiebedarf wird in den Zellen beider Organsysteme die PKA aktiviert, diese phosphoryliert das jeweilige Isoenzym. Das bifunktionelle Enzym der Skelettmuskulatur vermittelt daraufhin eine Steigerung der Glykolyse, das bifunktionelle Enzym der Leber vermittelt hingegen eine Hemmung der Glykolyse.
Glykolyse: Die Hexokinase wird von Glucose-6-phosphat gehemmt. Die Glucokinase der Leber wird von Glucose-6-phosphat nicht gehemmt. Die Phosphofructokinase-1 wird von Fructose-2,6-bisphosphat stimuliert, von ATP und Citrat gehemmt.
Pentosephosphatweg: Dieser Stoffwechselweg wird über das Enzym der ersten Reaktion reguliert, die Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase. Diese wird von NADP+ aktiviert, von NADPH gehemmt.
Pentosephosphatweg: Die Glucose-6phosphat-Dehydrogenase wird von NADP+ aktiviert und von NADPH gehemmt.
Pyruvat-Dehydrogenase (PDH): Die PDH katalysiert in den Mitochondrien die Umsetzung von Pyruvat zu Acetyl-CoA unter Bildung von NADH. Die PDH enthält mehrere Untereinheiten, u. a. eine Kinase und eine Phosphatase, die für die Regulation des Enzyms verantwortlich sind: Wenn bereits hohe Konzentrationen an Acetyl-CoA und NADH vorhanden sind, wird die Kinase aktiviert und sie phosphoryliert die E1-Untereinheit der PDH. Die PDH wird durch die Phosphorylierung gehemmt. Unter Vermittlung der Phosphatase kann die PDH wieder aktiviert werden.
Pyruvat-Dehydrogenase (PDH): Die PDH wird durch Phosphorylierung gehemmt. Die dafür zuständige Kinase ist Teil der PDH, sie wird durch Acetyl-CoA und durch NADH stimuliert.
Citratzyklus: Er dient primär der Bereitstellung von NADH für die Atmungskette. Die Aktivität der Atmungskette ermöglicht der mitochondrialen ATP-Synthase die Synthese von ATP. Die Aktivität des Citratzyklus wird über das quantitative Verhältnis von ADP zu ATP und von NAD+ zu NADH reguliert: ADP und NAD+ stimulieren, ATP und NADH hemmen. Die Regulation betrifft vor allem die Isocitrat-Dehydrogenase.
Citratzyklus: Die Aktivität des Citratzyklus wird über das quantitative Verhältnis von ADP zu ATP und von NAD+ zu NADH reguliert.
Gluconeogenese: Sie wird vor allem über die Aktivität der Fructose-1,6-bisphosphatase reguliert. Fructose-2,6-bisphosphat, das die Glykolyse stimuliert, ist ein Hemmstoff der Fructose-1,6-bisphosphatase. Wenn der Körper Glucose benötigt, stimuliert Glukagon die Gluconeogenese in der Leber über zwei Mechanismen: Unter Vermittlung der PKA und des bifunktionellen Enzyms wird die Konzentration an Fructose-2,6-bisphosphat gesenkt. Unter Vermittlung der PKA wird der Transkriptionsfaktor CREB aktiviert und damit die Synthese der für die Gluconeogenese benötigten Enzyme induziert (CREB = cAMP-responsive element-binding protein).
Gluconeogenese: Fructose-2,6-bisphosphat, das die Glykolyse stimuliert, ist ein Hemmstoff der Fructose-1,6-bisphosphatase der Gluconeogenese. Unter Vermittlung der PKA wird der Transkriptionsfaktor CREB aktiviert.
Fettsäuresynthese: Sie dient primär der Synthese von Palmitat. Die Fettsäuresynthese wird über das Schlüsselenzym Acetyl-CoA-Carboxylase reguliert, welches ausgehend von Acetyl-CoA das benötigte Malonyl-CoA bereitstellt. Acetyl-CoA wird im Zytosol ausgehend von Citrat gebildet. Die Acetyl-CoA-Carboxylase wird allosterisch von Citrat stimuliert, von Palmityl-CoA und anderen langkettigen Acyl-CoA-Molekülen gehemmt. Wenn Citrat und Acetyl-CoA bei Energiemangel für den Citratzyklus benötigt werden, wird die Acetyl-CoA-Carboxylase durch Phosphorylierung gehemmt. Die Phosphorylierung wird von der AMP-aktivierten Kinase (AMPK) katalysiert. Bei Bedarf wird die Fettsäuresynthese über eine vermehrte Synthese der
Fettsäuresynthese: Sie wird über die AcetylCoA-Carboxylase reguliert: Citrat stimuliert, Palmityl-CoA hemmt. Bei Energiemangel wird die Acetyl-CoA-Carboxylase durch Phosphorylierung gehemmt. Die entscheidende Kinase ist dabei die AMPK. Der Transkriptionsfaktor SREBP-1 c stimuliert die Transkription der Gene der Acetyl-CoACarboxylase und der Fettsäure-Synthase.
Die Phosphofructokinase wird unter Vermittlung verschiedener Isoenzyme des bifunktionellen Enzyms reguliert.
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15 Regulation des Energiestoffwechsels
Acetyl-CoA-Carboxylase und der Fettsäure-Synthase gesteigert. Die Transkription der entsprechenden Gene wird von dem Transkriptionsfaktor SREBP-1c induziert. Insulin löst in den Zielzellen eine vermehrte Synthese dieses Transkriptionsfaktors aus. β-Oxidation: Geschwindigkeitsbestimmend für die β-Oxidation ist der Transport der Fettsäuren in die Mitochondrien. Die Carnitin-Acyltransferase 1 wird von Malonyl-CoA gehemmt.
β-Oxidation: Die β-Oxidation der Fettsäuren wird über den Transport der Fettsäuren in die Mitochondrien reguliert. Geschwindigkeitsbestimmend ist die Aktivität der Carnitin-Acyltransferase 1 (= Carnitin-Palmityltransferase 1). Diese wird durch Malonyl-CoA gehemmt. Indirekt ist damit auch die Acetyl-CoA-Carboxylase (ACC) an der Regulation der β-Oxidation beteiligt. Wenn die ACC aktiv ist, wird viel MalonylCoA synthetisiert und damit die Fettsäuresynthese erleichtert, die β-Oxidation aber gehemmt.
Lipolyse: Die PKA stimuliert die Lipolyse zum einen durch Phosphorylierung der hormonsensitiven Lipase und des Perilipins.
Lipolyse: Die Lipolyse, also der Abbau der Triacylglycerine (TAG), wird von der Adipozyten-Triacylglycerinlipase (ATGL), der hormonsensitiven Lipase (HSL) und der Monoacylglycerin-Lipase (MGL) katalysiert. Von entscheidender Bedeutung
A-15.1
A-15.1
Wichtige Transportprozesse und Schlüsselenzyme des Energiestoffwechsels und deren Regulation
Prozess/Schlüsselenzym
Regulation
Glucoseaufnahme
GLUT 4 vermittelt in Skelettmuskulatur und Fettgewebe den Insulin-abhängigen Glucose-Transport, entscheidend ist die Zahl der GLUT 4-Moleküle in der Plasmamembran
Glykogensynthase
Aktivierung durch Dephosphorylierung (PhosphoproteinPhosphatase 1, PP-1) Inaktivierung durch Phosphorylierung (durch GSK-3 und PKA)
Glykogenphosphorylase
Aktivierung durch Phosphorylierung (PKA aktiviert die Phosphorylase-Kinase)
Glykolyse
Hexokinase: Hemmung durch Glucose-6-phosphat Phosphofructokinase-1: Aktivierung durch Fructose-2,6phosphat, Hemmung durch ATP und Citrat
Pentosephosphatweg
Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase: Aktivierung durch NADP+, Hemmung durch NADPH
Pyruvat-Dehydrogenase (PDH)
Hemmung durch Phosphorylierung (die verantwortliche Kinase ist Teil der PDH und wird von Acetyl-CoA und NADH aktiviert)
Citratzyklus
Stimulation durch ADP und NAD+, Hemmung durch ATP und NADH; wichtigster Regulator: Isocitrat-Dehydrogenase
Gluconeogenese
Fructose-1,6-bisphosphatase: Hemmung durch Fructose2,6-bisphosphat Glucagon stimuliert die Gluconeogenese in der Leber über zwei Mechanismen: Senkung der Fructose-2,6-bisphosphat-Konzentration unter Vermittlung der PKA und des bifunktionellen Enzyms Induktion der Genexpression durch den Transkriptionsfaktor CREB
Fettsäuresynthese
Acetyl-CoA-Carboxylase (ACC): Stimulation durch Citrat, Hemmung durch langkettige Acyl-CoA Energiemangel blockiert die Fettsäuresynthese (Phosphorylierung der ACC durch die AMPK) ein hohes Energieangebot intensiviert die Fettsäuresynthese (Insulin induziert die SREBP-1c-Synthese)
β-Oxidation
Geschwindigkeitsbestimmend ist die Aktivität der CarnitinAcyltransferase 1, die durch Malonyl-CoA gehemmt wird.
Lipolyse
Regulation über die Zugänglichkeit der Triacylglycerine in den Lipidtröpfchen: PKA phosphoryliert Perilipin; PKA phosphoryliert auch die hormonsensitive Lipase
Harnstoffzyklus
Carbamoylphosphat-Synthetase-1 (Aktivierung durch NAcetylglutamat)
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15.7 Zentrale Kontrollpunkte in der Regulation des Energiestoffwechsels
sind die ATGL und die HSL. Die Aktivität dieser Enzyme wird nicht zuletzt über die Zugänglichkeit zu den TAG reguliert, die in den Zellen in Form von Lipidtröpfchen gespeichert sind. Die PKA stimuliert die Lipolyse zum einen durch Phosphorylierung der HSL, zum anderen aber auch durch Phosphorylierung des Perilipins, das zu den Lipidtröpfchen-assoziierten Proteinen gehört. Die ATGL wird möglicherweise unter Beteiligung der AMPK reguliert. Harnstoffzyklus: Der Harnstoffzyklus ermöglicht beim Abbau von Proteinen die Elimination von überschüssigem Stickstoff in Form von Harnstoff. Der Harnstoffzyklus wird über die Aktivität der Carbamoylphosphat-Synthetase 1 reguliert, ein Enzym der mitochondrialen Matrix. Die Carbamoylphosphat-Synthetase 1 wird allosterisch von N-Acetylglutamat aktiviert.
Harnstoffzyklus: Die CarbamoylphosphatSynthetase 1 des Harnstoffzyklus wird allosterisch von N-Acetylglutamat aktiviert.
15.7 Zentrale Kontrollpunkte in der Regulation
15.7
des Energiestoffwechsels 15.7.1 Die Koordination des Energiestoffwechsels in den peripheren Organen
Zentrale Kontrollpunkte in der Regulation des Energiestoffwechsels
15.7.1 Die Koordination des Energiestoffwechsels in den peripheren Organen
Regulatorisch wichtige Hormone wie Adrenalin, Glukagon und Insulin sind bereits seit vielen Jahrzehnten bekannt. Offensichtlich spielen sie in der Koordination des Energiestoffwechsels in den peripheren Organen eine bedeutende Rolle. Die Erforschung ihrer intrazellulären Effekte ist bis heute nicht zum Abschluss gekommen. Inzwischen zeichnet sich ein Netzwerk regulatorischer Prozesse ab, das kaum noch zu überblicken ist. Einige Komponenten dieses Netzwerks haben in der aktuellen Forschung besondere Beachtung gefunden:
Adrenalin, Glukagon und Insulin sind Hormone, die in einem Netzwerk vielfältiger regulatorischer Prozesse stehen. Einige Komponenten dieses Netzwerks haben in der aktuellen Forschung besondere Beachtung gefunden:
Die Proteinkinase K (PKA) ist das klassische Beispiel für eine Kinase, die an der Regulation mehrerer Stoffwechselwege beteiligt ist. Substrate der PKA sind u. a. Enzyme des Glykogenstoffwechsels, das bifunktionelle Enzym, das an der Regulation von Glykolyse und Gluconeogenese beteiligt ist sowie die hormonsensitive Lipase und das Perilipin. Über die Phosphorylierung des Transkriptionsfaktors CREB greift die PKA auch in die Regulation bestimmter Gene ein, etwa bei der Stimulation der Gluconeogenese. Bis vor wenigen Jahren wurde angenommen, dass auch die Acetyl-CoA-Carboxylase über die PKA reguliert wird. Inzwischen wurde nachgewiesen, dass die entscheidende Kinase in der Regulation dieses Enzyms die AMPK ist.
Die Proteinkinase K (PKA) ist ein klassisches Beispiel für eine Kinase, die an der Regulation mehrerer Stoffwechselwege beteiligt ist.
Die AMP-aktivierte Kinase (AMPK) reguliert über die Phosphorylierung der AcetylCoA-Carboxylase sowohl die Fettsäuresynthese als auch die β-Oxidation der Fettsäuren. Interessanterweise phosphoryliert die AMPK auch CRTC 2, ein Partnerprotein des CREB. Die AMPK ist damit auch an der Regulation der Genexpression beteiligt. Neuere Daten lassen vermuten, dass die AMPK in der Regulation des Energiestoffwechsels eine größere Bedeutung haben könnte als die PKA.
AMP-aktivierte Kinase (AMPK): Neuere Daten lassen vermuten, dass die AMPK in der Regulation des Energiestoffwechsels eine größere Bedeutung haben könnte als die PKA.
Die Proteinkinase B (PKB = Akt) wird in der Signalkaskade aktiviert, die von Insulin ausgelöst wird. Viele Effekte des Insulins lassen sich auf die Aktivität der PKB/Akt zurückführen. Eines der wichtigsten Substrate der PKB/Akt ist die Phosphodiesterase 3B, die in den Zellen cAMP abbaut. Über die Senkung der cAMP-Konzentration wird nicht zuletzt die Aktivität der PKA reduziert. Ein Substrat der PKB/Akt ist auch das Protein mTOR.
Proteinkinase B (PKB): Viele Effekte des Insulins lassen sich auf die Aktivität der PKB (= Akt) zurückführen. Ein Substrat der PKB/Akt ist auch das Protein mTOR.
Das Mammalian Target of Rapamycin (mTOR) ist eine Kinase, die eine Schlüsselfunktion in der Regulation der Proteinbiosynthese und des Zellwachstums hat. Ein Substrat des mTOR ist z. B. das eIF4E-bindende Protein (eIF4E-BP), das zusammen mit anderen Proteinen an die Cap-Struktur am 5'-Ende der mRNA bindet. Rapamycin ist ein Naturstoff, der von bestimmten Pilzen synthetisiert wird und durch Bindung an mTOR das Wachstum eukaryontischer Zellen hemmt. Die Stents, die in der Kardiologie zur Stabilisierung von Herzkranzgefäßen eingesetzt werden, sind heute oft mit Rapamycin (= Sirolimus) beschichtet um einen erneuten Verschluss der Gefäße zu verhindern. In geringen Dosen wird Rapamycin nach Organtransplantationen eingesetzt, um Abstoßumgsreaktionen zu unterdrücken. Rapamycin wirkt bevorzugt auf bestimmte Zellen des Immunsystems.
Das Mammalian Target of Rapamycin (mTOR) ist eine Kinase, die eine Schlüsselfunktion in der Regulation der Proteinbiosynthese und des Zellwachstums hat. Viele Stents, die in der Kardiologie zur Stabilisierung von Herzkranzgefäßen eingesetzt werden, sind zur Hemmung des mTOR mit Rapamycin (= Sirolimus) beschichtet.
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15 Regulation des Energiestoffwechsels
Sirtuine: SIRT 1 –SIRT 7 sind überwiegend Deacetylasen, die an der Regulation des Stoffwechsels beteiligt sind. Die Aktivität vieler Enzyme und Transkriptionsfaktoren wird über eine reversible Acetylierung reguliert. Sirtuine werden vermehrt synthetisiert, wenn das Nahrungsangebot signifikant reduziert wird („caloric restriction“). Eine Aktivierung der Sirtuine ist in unterschiedlichen Organismen mit einer deutlichen Verlängerung der durchschnittlichen Lebenszeit verbunden. Ein potenter Aktivator des SIRT 1 ist das im Rotwein enthaltene Resveratrol.
Sirtuine (silent information regulators) sind keine Kinasen, sondern Deacetylasen oder ADP-Ribosyltransferasen, die an der Regulation des Stoffwechsels beteiligt sind. Im Genom des Menschen wurden sieben Sirtuine identifiziert (SIRT 1–SIRT 7). Erst in jüngster Zeit ist entdeckt worden, dass die Aktivität überraschend vieler Enzyme und Transkriptionsfaktoren über eine reversible Acetylierung reguliert wird. Substrate der Sirtuine sind u. a. die Histone H3 und H4, die AMPK, die Acetyl-CoA-Synthetase, Isocitrat-Dehydrogenase, Carbamoylphosphat-Synthetase 1 sowie mehrere Transkriptionsfaktoren, z. B. SREBP-1 c und PPARγ. Die meisten Sirtuine werden vermehrt synthetisiert, wenn das Nahrungsangebot signifikant reduziert wird („caloric restriction“). Dieser Effekt wurde insbesondere für die Deacetylase Sirtuin 1 gezeigt. Die Sirtuine haben einen wesentlichen Anteil an der Umstellung des gesamten Stoffwechsels auf vermehrte Gluconeogenese, Lipolyse und Ketogenese. Eigenartigerweise ist eine Aktivierung der Sirtuine in ganz unterschiedlichen Organismen mit einer deutlichen Verlängerung der durchschnittlichen Lebenszeit verbunden (S. 825). Dieser Effekt wurde etwa für die Fruchtfliege Drosophila melanogaster und für den kleinen Wurm Caenorhabditis elegans nachgewiesen. Ein potenter Aktivator des Sirtuin 1 ist das pflanzliche Polyphenol Resveratrol, das in Weintrauben und im Rotwein enthalten ist (s. S. 184 und S. 825).
Transkriptionsfaktoren: Für den Energiestoffwechsel relevante Vertreter sind CREB, SREBP-1 c und PPARγ.
Transkriptionsfaktoren sind oft an der Regulation mehrerer Gene beteiligt, die in einem funktionellen Zusammenhang stehen. Im Kontext des Energiestoffwechsels sind von besonderer Bedeutung: CREB (cAMP-responsive element-binding protein) wird von der PKA phosphoryliert und dadurch aktiviert. Ca. 100 Gene werden CREB-abhängig transkribiert. SREBP-1c (sterol regulatory element-binding protein 1c) ist ein Transkriptionsfaktor, dessen Synthese von Insulin induziert wird. PPARγ (peroxisome proliferator-activated receptor γ) ist ein Transkriptionsfaktor, der an der Aktivierung einer Vielzahl von Genen beteiligt ist, die für Fettzellen charakteristisch sind. Bei der Entstehung von Fettgewebe scheint PPARγ eine entscheidende Rolle zu spielen.
15.7.2 Die Regulation des Hungergefühls
15.7.2 Die Regulation des Hungergefühls
Das metabolische Syndrom umfasst Adipositas, Typ 2 Diabetes, Bluthochdruck und Hypertriglycerinämie.
Diabetes mellitus tritt in den meisten Fällen als Teil des metabolischen Syndroms auf. Das metabolische Syndrom (mitunter als „Wohlstandssyndrom“ bezeichnet) ist durch das Quartett Adipositas, Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck (mit Neigung zur Entwicklung einer Arteriosklerose) und Hypertriglycerinämie definiert. Charakteristisch ist die Insulinresistenz, die in der Regel von Anfang an mit dem metabolischen Syndrom verbunden ist. Adipositas (Fettsucht) wird über den Body Mass Index, BMI (Körpermassenindex) definiert:
Body Mass Index (BMI):
BMI ¼
Körpergewicht in kg ðKörpergröße in mÞ2
Die Einheit des BMI ist kg/m2. Als normal gelten Werte von 20 – 25 kg/m2. Bei einem BMI > 30 liegt eine Adipositas vor.
BMI ¼
Körpergewicht in kg ðKörpergröße in mÞ2
Die Einheit des BMI ist also kg/m2. BMI-Werte von 20 – 25 gelten als normal, Werte von 25 – 30 als Zeichen von Übergewicht. Bei einem BMI über 30 spricht man von Adipositas. Im Sinne dieser Definition sind in Deutschland derzeit 51 % der Erwachsenen übergewichtig, bei 16 % der Erwachsenen liegt Adipositas vor (in Schweden bei 9 %, in den USA bei > 30 %).
Leptin
Leptin
Leptin ist ein Peptidhormon, das vom Fettgewebe produziert wird (Abb. A 15.6). Es besteht aus 167 Aminosäuren und wird vom ob-Gen kodiert. Leptin gelangt mit dem Blut zum Hypothalamus, wo es eine appetithemmende Wirkung hat.
Eine signifikante Gewichtsreduktion mit langfristigem Erfolg gelingt erstaunlich selten. Es wurde darauf hingewiesen, dass Programme zum Heroinentzug oft erfolgreicher sind als Programme zur Gewichtsreduktion. In der biochemischen Grundlagenforschung wird deshalb seit einiger Zeit mit großem Aufwand untersucht, wie das Hungergefühl und die Entwicklung der Fettgewebe auf molekularer Ebene reguliert werden. 1994 wurde das Peptidhormon Leptin entdeckt, das vom Fettgewebe produziert und sezerniert wird (Abb. A 15.6). Leptin ist ein Polypeptid aus 167 Aminosäuren, das vom ob-Gen kodiert wird (obesity = engl. Fettleibigkeit). Je mehr TAG im Fettgewebe akkumulieren, desto mehr Leptin wird sezerniert. Leptin ge-
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A-15.6
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15.7 Zentrale Kontrollpunkte in der Regulation des Energiestoffwechsels
Die Wirkungen des Leptins
A-15.6
Leptin (Polypeptid aus 167 Aminosäuren)
Hypothalamus Leptin stimuliert hier die Freisetzung von α-MSH = α-Melanozyten-stimulierendes Hormon (α-MSH senkt den Appetit); Leptin hemmt die Freisetzung von NPY und AgRP (auch dadurch wird der Appetit gesenkt)
Fettgewebe
Sättigungsgefühl
Histologische Abbildung des Fettgewebes aus Lüllmann-Rauch, Taschenlehrbuch Histologie, Thieme, 2009. Grafik des Hypothalamus aus Faller, Schünke; Der Körper des Menschen, Thieme, 2004.
langt mit dem Blut zum Hypothalamus, wo es den Appetit und damit indirekt auch die Nahrungsaufnahme hemmt. Die Hoffnung, über eine einfache Leptintherapie das Körpergewicht reduzieren zu können, wurde allerdings bald enttäuscht. Bei Adipositas ist nicht die Leptinproduktion des Fettgewebes gestört, sondern die Signalverarbeitung im Hypothalamus. Adipositas ist also mit einer Leptinresistenz verbunden. Leptin bindet an einen Leptinrezeptor, der in der Plasmamembran bestimmter Neurone verankert ist. Der Leptinrezeptor exponiert eine große zytosolische Domäne, die eine Signaltransduktion (über den JAK/STAT-Weg) ermöglicht. Der Leptinrezeptor ist ein Tyrosinkinase-gekoppelter Rezeptor. Die Signaltransduktion greift letztlich in die Regulation der Synthese und der Freisetzung mehrerer Peptide ein, die im Hypothalamus als Neurotransmitter wirken. Innerhalb des Hypothalamus kommt dabei zwei Gruppen von Neuronen des Nucleus arcuatus eine entscheidende Funktion zu: Bestimmte Neurone des Nucleus arcuatus synthetisieren und sezernieren Neuropeptid Y (NPY), ein Peptid aus 36 Aminosäuren, und Agouti-related Peptide (AgRP), ein Peptid aus 132 Aminosäuren. Beide Polypeptide sind als Neurotransmitter an Regelkreisen beteiligt, die das Hungergefühl und den Appetit steigern. Der bekannteste Effekt des Leptins ist die Hemmung der Synthese und der Freisetzung dieser beiden Neuropeptide, also des NPY und des AgRP. Leptin wirkt im Nucleus arcuatus zudem auf eine Gruppe von Neuronen, in denen das Protein Proopiomelanocortin (POMC) synthetisiert wird. Die POMC-Synthese wird von Leptin gesteigert. Vom POMC wird in den Neuronen das Peptid α-MSH abgespalten und als Neurotransmitter freigesetzt. α-MSH vermittelt eine Hemmung des Appetits. Im Hypothalamus wird die Synthese der Neurotransmitter NPY und AgRP nicht nur über das Leptin reguliert (Abb. A 15.7): Bei Nahrungsmangel werden in den Neuronen des Nucleus arcuatus mehrere Signale koordiniert, zu denen u. a. das Peptidhormon Ghrelin beiträgt. Ghrelin ist ein appetitsteigerndes („orexigenes“) Peptidhormon aus 28 Aminosäuren, das in der Magenschleimhaut synthetisiert und an das Blut abgegeben wird. Im Nucleus arcuatus verstärkt Ghrelin Effekte, die durch den allgemeinen Energiemangel in den Neuronen hervorgerufen werden. Dieser führt – ähnlich wie in den Organen der Peripherie – auch in den Neuronen des Nucleus arcuatus zu einer Aktivierung der AMPK. Diese vermittelt daraufhin eine gesteigerte Synthese der Neuropeptide NPY und AgRP. Diese werden nun von den Neuronen vermehrt
Leptin bindet an einen Leptinrezeptor, der in der Plasmamembran bestimmter Neurone des Hypothalamus verankert ist. Der Leptinrezeptor ist ein Tyrosinkinase-gekoppelter Rezeptor. Leptin wirkt auf zwei Gruppen von Neuronen: Neuronen, die das Hungergefühl und den Appetit steigern: Leptin hemmt dort die Freisetzung des Neurotransmitter NPY und AgRP. Neuronen ist, die den Appetit hemmen: Leptin stimuliert die Freisetzung des Neurotransmitters α-MSH.
Die Synthese des NPY und des AgRP wird über mehrere Signale reguliert: Bei Nahrungsmangel wird (ähnlich wie in den peripheren Organen) in den Neuronen die AMPK aktiviert. Diese spielt eine entscheidende Rolle in der Aktivierung der NPY- und AgRP-Synthese. Die Ausschüttung von NPY und AgRP vermittelt über nachgeschaltete Neurone das Hungergefühl.
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Bei hohem Energieangebot wird die AMPK in den Neuronen des Nucleus arcuatus inaktiviert. Die Synthese und die Freisetzung von NPY und AgRP werden gehemmt und es stellt sich ein Sättigungsgefühl ein. Dieser Effekt wird durch Leptin verstärkt.
A-15.7
A
15 Regulation des Energiestoffwechsels
ausgeschüttet und wirken ihrerseits als orexigene Signale, d. h. sie lösen unter Vermittlung nachgeschalteter Neurone ein Gefühl von Hunger aus, das Bedürfnis nach Nahrungsaufnahme wird gesteigert. Bei hohem Energieangebot werden die anorexigen wirkenden Hormone Leptin und Insulin ausgeschüttet, die dazu beitragen, dass sich ein Sättigungsgefühl einstellt. Ohnehin kommt es bei einem hohen Angebot von Energieträgern in den Neuronen des Nucleus arcuatus zu einer Inaktivierung des AMPK. Dadurch werden die Synthese und die Freisetzung von NPY und AgRP blockiert. Dieser Effekt wird durch Leptin nachhaltig verstärkt.
A-15.7
Leptin
Wirkungen des Leptins und des Ghrelins im Nucleus arcuatus
Stimulation
α-MSH Sättigungsgefühl
Hemmung Ghrelin
Stimulation
NPY, AgRP
Aktivierung der AMPK bei Energiemangel
appetitsteigernd
Der Nucleus arcuatus (lat. arcuatus, gebogen) wird auch als Nucleus infundibularis bezeichnet, da er am Boden des III. Ventrikels in unmittelbarer Nähe des Hypophysenstiels (lat. infundibulum, Trichter) liegt. Die Neurone des Nucleus arcuatus exponieren Rezeptoren für verschiedene Peptidhormone, u. a. auch den Insulinrezeptor. Insulin überwindet die Blut-Hirn-Schranke durch rezeptorvermittelte Transzytose und verstärkt die anorexigenen Signale des Leptins (griech. leptos, dünn, schlank). Das wichtigste orexigene Peptidhormon ist das Ghrelin (griech. Orexis, Appetit; vgl. griech. Kali Orexi, Guten Appetit!). Ungeklärt ist bislang, auf welchen Wegen Leptin und Ghrelin die Blut-Hirn-Schranke überwinden.
Verschiedene Hormone greifen in die Regulation ein: Ghrelin wirkt orexigen (= appetitanregend), Leptin und Insulin wirken anorexigen, sie verstärken das Sättigungsgefühl. Auch der Nervus vagus leitet dem Gehirn Signale zu, die das Hungergefühl beeinflusssen. Zentral im Hypothalamus wird der Energiestoffwechsel vermutlich in ähnlicher Weise koordiniert, wie in den Geweben der peripheren Organe. Hier wie dort scheint die AMPK als Sensor für den aktuellen Energiebedarf eine entscheidende Rolle zu spielen.
Letztlich werden im Gehirn bei der Regulation des Hungergefühls Signale aus drei unterschiedlichen Systemen koordiniert: Offensichtlich dienen die Hormone Ghrelin, Leptin und Insulin als Signalstoffe, die im Gehirn auf die Gefühle von Appetit und von Sättigung Einfluß nehmen. Parallel werden dem Gehirn über den Nervus vagus Signale zugeleitet, die vom Füllungszustand des Magens und vom Angebot an Nahrungsstoffen im Verdauungstrakt abhängig sind. Zudem nehmen die Neurone des Nucleus arcuatus die aktuelle Lage ihres eigenen Energiestoffwechsels als Indiz für den Zustand des Energiestoffwechsels auch aller übrigen Organe und Gewebe des Organismus. Zentral im Hypothalamus wird der Energiestoffwechsel vermutlich in ähnlicher Weise koordiniert, wie in den Zellen der peripheren Organe. Hier wie dort scheint die AMPK als Sensor für den aktuellen Energiebedarf eine entscheidende Rolle zu spielen. So gibt das weit verzweigte Netzwerk regulatorischer Prozesse bei aller Komplexität zuletzt doch wieder ein einheitliches Prinzip zu erkennen.
A
16.1 Grundlagen
16 Vitamine 16.1 16.2 16.3
A
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 Fettlösliche Vitamine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 Wasserlösliche Vitamine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283
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16.1 Grundlagen
16.1
Grundlagen
Vitamine sind Substanzen, die unser Körper für die Erhaltung seiner Lebensfunktionen benötigt. Mikroorganismen und Pflanzen können diese Verbindungen selbst synthetisieren. Den höheren Organismen sind im Laufe der Evolution die dazu benötigten Enzyme verloren gegangen. Vitamine sind für den Menschen also essenziell und müssen mit der Nahrung aufgenommen werden. Eine Ausnahme ist Vitamin D (Cholecalciferol), das aus Cholesterin synthetisiert wird (S. 624). Vitamine werden nur in ganz geringen Mengen benötigt. Sie haben regulatorische und katalytische Funktion und wirken als Cofaktoren von Enzymen, Transkriptionsfaktoren, Antioxidanzien und als Bestandteile von Signaltransduktionsketten (Tab. A 16.1).
Vitamine sind essenzielle Substanzen, die vom Körper in geringen Mengen zur Erhaltung der Lebensfunktionen benötigt werden. Sie haben katalytische und regulatorische Funktion als Cofaktoren von Enzymen, Transkriptionsfaktoren, Antioxidanzien und als Bestandteile von Signaltransduktionsketten (Tab. A 16.1).
16.1.1 Vitaminbedarf
16.1.1 Vitaminbedarf
Der tägliche Bedarf an Vitaminen hängt von individuellen Gegebenheiten ab und kann in den meisten Fällen nicht genau angegeben werden. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat deshalb Empfehlungen für die wünschenswerte tägliche Zufuhr an Vitaminen herausgegeben (Tab. A 16.1). Dabei sind individuelle Schwankungen, erhöhter Bedarf bei körperlicher Arbeit, Wachstum, Schwangerschaft und Stillzeit berücksichtigt. Zusätzlich sind Verluste zu beachten, die durch industrielle Nahrungsprozessierung, Lagerung und Zubereitung (Erhitzen) entstehen.
Der tägliche Vitaminbedarf hängt von individuellen Gegebenheiten ab. Tab. A 16.1 gibt einen Überblick über die von der DGE empfohlenen Mengen der täglichen Zufuhr.
16.1.2 Vitaminosen
16.1.2 Vitaminosen
▶ Definition. Vitaminosen sind Erkrankungen infolge einer Fehlversorgung mit Vitaminen. Man unterscheidet: Hypovitaminose: Erkrankung aufgrund einer leichten Vitamin-Unterversorgung Avitaminose: Erkrankung aufgrund des Fehlens eines Vitamins Hypervitaminose: Erkrankung aufgrund einer Vitamin-Überversorgung
▶ Definition.
Hypo- und Avitaminosen
Hypo- und Avitaminosen
Hypo- und Avitaminosen sind die häufigsten Formen der Vitaminose. Vitaminmangel hat verschiedene Ursachen: Die primäre Ursache ist eine unzureichende orale Zufuhr des Vitamins. Man kann dies besonders in den Ländern der Dritten Welt beobachten. In den westlichen Industrienationen kommt diese Art der Unterversorgung nur sehr selten vor. Kommt es trotz ausreichender Vitaminzufuhr zu Mangelerscheinungen, spielen sekundäre Ursachen eine Rolle. Dazu gehört z. B. eine gestörte intestinale Resorption. Dies betrifft besonders die fettlöslichen Vitamine, die mithilfe von Gallensalzen aus der Leber in Mizellen gelöst werden. Fehlen die Gallensalze (z. B. bei einem Gallengangverschluss), können die Vitamine nicht mehr gelöst und damit nicht mehr
Hypo- und Avitaminosen sind die häufigsten Formen der Vitaminose. Ursachen eines Vitaminmangels können sein: unzureichende orale Zufuhr (in Industrieländern selten) gestörte intestinale Resorption (besonders bei fettlöslichen Vitaminen, die wie Lipide über Gallensalze und Mizellenbildung aufgenommen werden) fehlende oder unzureichende Umwandlung des Vitamins in seine aktive Form
274 A-16.1
A
16 Vitamine
Funktion, Vorkommen und empfohlene Tagesdosis von Vitaminen
Vitamin
aktive Form
Funktion(en)
Vorkommen
empfohlene Tagesdosis*
fettlöslich (lipophil) A – Retinol
Retinol, Retinal, Retinsäure
Sehvorgang (Retinal) Entwicklung (Retinsäure) Epithelschutz (Retinol)
Fisch, Provitamin (β-Carotin) in vielen Pflanzen
0,8 – 1,1 mg
D – Cholecalciferol
1,25-Dihydroxycholecalciferol (Calcitriol), 1,25-Dihydroxyergocalciferol
Hormon des Ca2+-Stoffwechsels
Lebertran, Eier, Leber, Milch Synthese aus Cholesterin (s. u.)
5 μg
E – Tocopherol
Tocopherol-Hydrochinon
Oxidationsschutz ungesättigter Fettsäuren
Getreidekeime, Pflanzenöle
12 – 15 mg
K – Phyllochinon
Difarnesylnaphtochinon
Coenzym von γ-Carboxylierungen
Gemüse, tierische Gewebe Synthese durch Darmbakterien
60 – 80 μg
wasserlöslich (hydrophil) B1 – Thiamin
Thiaminpyrophosphat
dehydrierende Decarboxylierungen
Nüsse, Keime, Schweinefleisch
1,0 – 1,4 mg
B2 – Riboflavin
FAD, FMN
Protonenübertragung, Elektronenübertragung
Aal, Hefe, Käse, Hühnerbrust, Milch
1,2 – 1,5 mg
(B3 –) Niacin
NAD+, NADP+
Protonenübertragung, Elektronenübertragung
Nüsse, Fleisch, Fisch Synthese aus Tryptophan (s. u.)
13 – 17 mg
B6 – Pyridoxin
Pyridoxalphosphat
Transaminierungen, Decarboxylierungen
Leber, Fisch, Erbsen, Walnüsse, Bierhefe
1,2 – 1,6 mg
B12 – Cobalamin
5’-Desoxyadenosylcobalamin Methylcobalamin
Alkyl-Umlagerungen, C1-Gruppen-Übertragungen
Fisch, Fleisch Synthese durch Darmbakterien
3 – 3,5 μg
(B9 –) Folsäure
Tetrahydrofolsäure
C1-Gruppen-Übertragungen
frisches, grünes Gemüse Synthese durch Darmflora
400 μg
B5 – Pantothensäure
Phosphopantethein (in Coenzym A und im Acyl-Carrier-Protein der Fettsäure-Synthase)
Acylübertragungen
Eier, Fleisch, Erdnüsse
6 mg
(H –) Biotin
Biotinyllysin
Carboxylierungen
Synthese durch Darmbakterien
30 – 60 µg
C – Ascorbinsäure
Ascorbinsäure
Redoxsystem, Hydroxylierungen
Obst und Gemüse
100 mg
* Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE, Stand 2008) Die eingeklammerten Bezeichnungen werden heute von der DGE nicht mehr verwendet. Diese Vitamine sind nur noch unter ihren Trivialnamen bekannt.
Die Symptome eines Vitaminmangels sind in der Regel unspezifisch, da Vitamine an vielen unterschiedlichen Stoffwechselwegen beteiligt sind.
resorbiert werden. Cobalamin (Vitamin B12) ist bei der Resorption auf den Intrinsic Factor aus den Belegzellen des Magens (S. 190) angewiesen. Daher kann es bei chronisch atrophischer Gastritis (aufgrund einer Atrophie der Magendrüsen) oder nach einer Magenresektion zu einem resorptionsbedingten Cobalaminmangel kommen. Eine weitere sekundäre Ursache für einen Vitaminmangel ist eine fehlende oder unzureichende Umwandlung des Vitamins in seine aktive Form. Zum Beispiel wird die Umwandlung von Thiamin in das aktive Thiaminpyrophosphat (TPP) durch Alkohol gestört, sodass ein Thiaminmangel bei Alkoholikern dadurch noch verstärkt werden kann. Die Symptome von Hypovitaminosen sind in der Regel unspezifisch. Da Vitamine am Intermediärstoffwechsel beteiligt sind, sind oft Organe mit einer hohen Stoffwechselrate (z. B. Herz, Darm) betroffen. Auch Gewebe mit starker Zellproliferation (z. B. Knochenmark während der Blutbildung) sind anfällig für einen Vitaminmangel. Außerdem zeigt der Körper unter bestimmten Umständen einen erhöhten Vitaminbedarf.
A
▶
275
16.2 Fettlösliche Vitamine
Klinik.
Während einer Schwangerschaft besteht ein erhöhter Folsäurebedarf. Studien haben gezeigt, dass es einen Zusammenhang zwischen einem Folsäuremangel der Mutter und dem Auftreten von Neuralrohrdefekten (z. B. Spina bifida) beim Kind gibt. Deshalb wird vor und während einer Schwangerschaft eine Substitution mit Folsäure empfohlen.
▶
Klinik.
Hypervitaminosen
Hypervitaminosen
Hypervitaminosen kommen selten vor. Sie werden in der Regel durch fettlösliche Vitamine hervorgerufen, da diese nicht so einfach aus dem Körper entfernt werden können. Wasserlösliche Vitamine werden auch bei hohem Überschuss mit dem Urin ausgeschieden.
Hypervitaminosen kommen fast nur bei fettlöslichen Vitaminen vor, da diese nicht einfach ausgeschieden werden können.
16.1.3 Einteilung der Vitamine
16.1.3 Einteilung der Vitamine
▶ Merke.
Die Vitamine werden in fettlösliche und wasserlösliche Vitamine eingeteilt. Zu den fettlöslichen Vitaminen gehören die Vitamine A, D, E und K („EDeKA“), zu den wasserlöslichen die Vitamine der B-Gruppe und das Vitamin C (Tab. A 16.1).
▶ Merke.
Diese Einteilung erfolgt lediglich aufgrund der chemischen Eigenschaften der Vitamine und hat nichts mit ihrer Funktion zu tun.
▶ Tipp.
Heute werden in der Regel die Trivialnamen der Vitamine benutzt, nicht mehr die Buchstabenbezeichnung (z. B. Tocopherol statt Vitamin E). Es empfiehlt sich also, sich die Trivialnamen der Vitamine einzuprägen.
▶ Tipp.
16.2 Fettlösliche Vitamine
16.2
16.2.1 Retinol – Vitamin A
16.2.1 Retinol – Vitamin A
Vitamin A wird hauptsächlich in Form seiner Vorstufe β-Carotin (Provitamin A) aufgenommen. Dieses kann nur von Pflanzen synthetisiert werden und kommt in hohen Konzentrationen in gelbem Obst und Gemüse vor (z. B. Pfirsiche oder Karotten). In tierischem Gewebe findet man außer in der Leber, in der es gespeichert wird, nur geringe Mengen an Vitamin A. Vitamin A spielt eine wichtige Rolle beim Sehvorgang und bei der Regulation von Wachstumsprozessen.
Vitamin A wird hauptsächlich als β-Carotin (Provitamin A) aufgenommen, das in Obst, Gemüse und Leber vorkommt.
Struktur und Stoffwechsel Vitamin A existiert in verschiedenen Formen, die alle aus β-Carotin entstehen können (Abb. A 16.1): all-trans-Retinal all-trans-Retinol all-trans-Retinsäure Retinol ist ein Alkohol, der aus vier Isopreneinheiten besteht. Er wird entweder direkt mit der Nahrung zugeführt oder aber in Form seiner Vorstufe β-Carotin (Provitamin A) aufgenommen. Retinol bzw. seine Vorstufe β-Carotin werden im Rahmen der Fettresorption mithilfe von Gallensäuren in die Enterozyten des Darms aufgenommen. Dort wird βCarotin durch eine Dioxygenase unter Verbrauch von molekularem Sauerstoff in zwei Moleküle des Aldehyds all-trans-Retinal gespalten. Durch eine Isomerase wird das all-trans-Retinal in 11-cis-Retinal umgewandelt, das eine wichtige Rolle beim Sehvorgang spielt. Durch eine Retinol-Dehydrogenase kann das all-trans-Retinal reversibel zu all-trans-Retinol reduziert werden. Es kann aber auch irreversibel zu all-trans-Retinsäure oxidiert werden. Diese hat zusammen mit 9-cis-Retinsäure, die durch Isomerisierung entsteht, eine wichtige Funktion bei der Kontrolle von Wachstum und Entwicklung.
Fettlösliche Vitamine
Vitamin A spielt eine wichtige Rolle beim Sehvorgang und bei der Regulation von Wachstumsprozessen. Struktur und Stoffwechsel Vitamin A existiert in verschiedenen Formen, die alle aus β-Carotin entstehen können (Abb. A 16.1): all-trans-Retinal all-trans-Retinol all-trans-Retinsäure
β-Carotin wird durch eine Dioxygenase in zwei Moleküle all-trans-Retinal gespalten. Dieses kann weiter zu all-trans-Retinol reduziert oder zu all-trans-Retinsäure oxidiert werden.
276 A-16.1
A
16 Vitamine
Die verschiedenen Formen des Vitamin A und seine Reaktionen
A-16.1
H3C
CH3
CH3
H3C
CH3
β-Carotin CH3 O2
H3C
CH3
Dioxygenase
H3C
CH3 CH3
CH3
CH3
CH3
CH3
CH3
NADH + H
NAD+ COO–
all-trans-Retinsäure
CH3
CHO
CH3
CH3
H3C
H3C
CH3 CH3
all-trans-Retinal +
CH3
CH3 CH2OH all-trans-Retinol
Aus β-Carotin entsteht durch Oxidation das all-trans-Retinal, das in all-trans-Retinol umgewandelt werden kann. Diese Reaktion ist reversibel. Die Reaktion von all-transRetinal zu all-trans-Retinsäure dagegen ist irreversibel.
Speicherung
Speicherung
Vitamin A wird als Retinylpalmitat in den ItoZellen der Leber gespeichert. Bei Bedarf wird Retinol durch eine Esterase freigesetzt. Der Transport im Blut erfolgt mithilfe von Retinolbindeproteinen.
Zur Speicherung wird das Retinal in Chylomikronen über das Blut in die Leber transportiert. Dort wird es zu Retinol reduziert und dann mit Palmitat zu Retinylpalmitat verestert. In dieser Form wird es in den Ito-Zellen (neue Bezeichnung: hepatische Sternzellen) der Leber gespeichert. Die gespeicherte Vitamin-A-Menge in der Leber sichert den Bedarf an Vitamin A über mehrere Monate. Bei Bedarf wird das Retinol durch eine Esterase freigesetzt. Da Retinol nur schwer wasserlöslich ist, wird es im Blut mithilfe von Retinolbindeproteinen an seinen Bestimmungsort transportiert.
Funktion
Funktion
▶ Merke.
▶ Merke.
Vitamin A hat verschiedene Funktionen: Retinal ist das erste Glied in der Signalkette beim Sehvorgang. Retinol und Retinsäure beeinflussen die Genexpression und haben so Einfluss auf Entwicklung, Wachstum und viele andere Prozesse im Körper.
Retinal und der Sehvorgang
Retinal und der Sehvorgang
11-cis-Retinal bildet zusammen mit dem Protein Opsin das Fotopigment. Die lichtinduzierte Umlagerung zu all-trans-Retinal ist der erste Schritt der Signaltransduktion des Sehvorgangs.
In den Scheibchenmembranen der Stäbchen und Zapfen der Retina (daher hat das Retinal auch seinen Namen) bildet 11-cis-Retinal zusammen mit dem heptahelikalen Membranprotein Opsin das Fotopigment (das Rhodopsin der Stäbchen bzw. die drei Zapfenopsine, die sich in der Primärstruktur des Opsins unterscheiden). Die lichtinduzierte Umlagerung von 11-cis-Retinal zu all-trans-Retinal ist der erste Schritt in der Signaltransduktionskette des Sehvorgangs (S. 811).
Retinol und Retinsäure
Retinol und Retinsäure
Retinol erhält die strukturelle Integrität und normale Permeabilität von Membranen. Außerdem ist es wichtig für eine normale Entwicklung von Skelett und Bindegewebe
Die allgemeine Bedeutung von Retinol liegt wahrscheinlich in der Erhaltung der strukturellen Integrität und einer normalen Permeabilität von Membranen. Es ist unerlässlich zum Erhalt von Epithelzellen und man weiß auch, dass die innere Mitochondrienmembran unter Vitamin-A-Mangel instabil wird und die Atmungskette dadurch nicht mehr richtig funktioniert. Außerdem hat Retinol Einfluss auf das Skelett und das Bindegewebe, deren normale Entwicklung bei Vitamin-A-Mangel gestört ist. Man vermutet, dass diese Wirkungen von Retinol darauf zurückzuführen sind, dass Retinol in Retinsäure umgewandelt wird. Retinsäure wirkt als Transkriptionsfaktor und hat somit Einfluss auf Gene, die über Retinsäure-Rezeptoren (RAR/RXR; s. u. und S. 555) reguliert werden. Dazu gehören u. a. manche Gene, die an der Knochen-
Die Funktion von Retinol wird darauf zurückgeführt, dass es in Retinsäure umgewandelt wird und so als Transkriptionsfaktor wirkt. All-trans-Retinsäure und 9-cis-Retinsäure induzieren die Transkription z. B. von
A
277
16.2 Fettlösliche Vitamine
bildung und der Bildung von Epithelien beteiligt sind. Auch manche Gene für den Intermediärstoffwechsel und die Funktion der Mitochondrien werden so reguliert. Dadurch können die Effekte von Retinol auf die Mitochondrienmembran erklärt werden. Durch all-trans-Retinsäure und 9-cis-Retinsäure werden außerdem folgende Gene reguliert: Die Gene der Zytokine, die vor allem im Immunsystem das Wachstum von Zellen fördern. Differenzierungsgene, die vor allem in stark proliferierenden Geweben wie Epithelien exprimiert werden und diese so vor Tumoren schützen. Gene, die während der Embryogenese exprimiert werden und die Morphogenese verschiedener Organsysteme sowie die Ausbildung der Längsachse induzieren. Retinsäure wirkt über einen intrazellulären Rezeptor (RAR für all-trans-Retinsäure, RXR für 9-cis-Retinsäure), der sich bereits an der DNA gebunden im Kern befindet. Die Retinsäure diffundiert durch das Zytosol in den Zellkern und bindet dort an den Rezeptor. Der Komplex aus Retinsäure und Rezeptor entfaltet als Heterodimer mit einem zweiten Rezeptor-Hormon-Komplex seine Aktivität als Transkriptionsfaktor (S. 555).
Zytokingenen, Differenzierungsgenen und embryonalen Genen, die die Morphogenese von Organen und Ausbildung der Längsachse induzieren.
Retinsäure bindet an einen intrazellulären Rezeptor. Der Retinsäure-Rezeptor-Komplex wirkt dann als Transkriptionsfaktor.
Vitaminosen
Vitaminosen
Hypovitaminose
Hypovitaminose
Das erste Symptom eines Vitamin-A-Mangels ist die Nachtblindheit (Hemeralopie). Sie ist auf eine ungenügende Regeneration des Rhodopsins (Mechanismus s. S. 814) zurückzuführen. Bei länger anhaltendem Vitamin-A-Mangel trocknen die Schleimhäute aufgrund des fehlenden Epithelschutzes aus und verhornen. Am Auge führt dies zur Xerophthalmie (Abb. A 16.2). Unterbleibt die Substitution von Vitamin A, kommt es schließlich durch Verhornung der Kornea zur Erblindung. Die Xerophthalmie aufgrund primären Vitamin-A-Mangels ist in den Ländern der Dritten Welt der häufigste Grund für die Erblindung von Kleinkindern. Neben der Schleimhautverhornung kommt es auch zur Atrophie der Speicheldrüsen und des Darmepithels. Bei Jugendlichen treten außerdem Wachstumsstörungen und Knochenbildungsstörungen auf.
Erstes Symptom ist die Nachtblindheit (Ursache: ungenügende Rhodopsinregeneration). Länger anhaltender Vitamin-A-Mangel führt aufgrund fehlenden Epithelschutzes zu Austrocknung und Verhornung von Schleimhäuten, z. B. am Auge. Die Xerophthalmie (Abb. A 16.2) ist in Entwicklungsländern die häufigste Ursache für die Erblindung von Kleinkindern.
A-16.2
Xerophthalmie
a
b
a Bitot-Fleck im temporalen Lidspaltenbereich bei Bindehautxerose infolge Vitamin-A-Mangels. Bitot-Flecken bestehen aus abgestorbenen Bindehaut-Epithelzellen, die durch den Lidschlag angehäuft werden (aus Sachsenweger, Duale Reihe Augenheilkunde, Thieme, 2003). b Irreversible Keratinisierung der Hornhaut mit Ulzerationen bei ausgeprägtem, lang anhaltendem Vitamin-A-Mangel (aus Biesalski, Köhrle, Schümann; Vitamine, Spurenelemente und Mineralstoffe, Thieme, 2002).
In den westlichen Industrieländern ist ein primärer Vitamin-A-Mangel so gut wie unbekannt. Tritt hier eine Hypovitaminose A auf, handelt es sich in der Regel um einen sekundären Mangel, der durch Resorptionsstörungen, z. B. nach einer Darmresektion, oder durch ein Speicherdefizit der Leber, z. B. bei Leberzirrhose, entsteht.
In westlichen Industrieländern ist der (sehr seltene) Vitamin-A-Mangel auf eine sekundäre Ursache (Resorptionsstörungen, Leberzirrhose) zurückzuführen.
Hypervitaminose
Hypervitaminose
Sehr hohe Vitamin-A-Dosen können vor allem bei Kindern und Jugendlichen zu Kopfschmerzen, Erbrechen und Schwindel führen. Weitere Symptome einer Vitamin-A-Hypervitaminose sind Haarausfall und Hautaustrocknung. Außerdem kann es zu überschüssiger Knochenbildung (Hyperostose) kommen.
Symptome sind Kopfschmerzen, Erbrechen, Schwindel, Haarausfall, Hautaustrocknung und Hyperostose.
278
A
16 Vitamine
Beim Embryo führt Vitamin-A-Überschuss u. a. zu Skelettfehlbildungen.
Während der Schwangerschaft dürfen keine hochdosierten Vitamin-A-Präparate eingenommen werden, da Vitamin-A-Überschuss beim Embryo u. a. zu Fehlbildungen des Skeletts (Störung der Ausbildung der Längsachse!) führen kann.
16.2.2 Calciferole – Vitamin D
16.2.2 Calciferole – Vitamin D
Calciferole sind Hormone, die den Körper mit Ca2+ versorgen. Die wichtigsten sind Cholecalciferol (Vitamin D3) mit der biologisch aktiven Form 1,25-Dihydroxycholecalciferol (Calcitriol) und Ergocalciferol (Vitamin D2) mit der biologisch aktiven Form 1,25-Dihydroxyergocalciferol.
Calciferole wirken im Körper als Hormone. Sie sind für die Versorgung des Körpers mit Ca2+ zuständig: Sie steigern die Ca2+Resorption aus dem Darm und fördern den Einbau von Ca2+ in den Knochen. Die beiden wichtigsten Vertreter sind Cholecalciferol (Vitamin D3), das in größeren Mengen in Lebertran vorkommt, und Ergocalciferol (Vitamin D2), das in Pflanzen und Speisepilzen enthalten ist. Ihre biologisch aktive Form ist 1,25-Dihydroxycholecalciferol (Calcitriol) bzw. 1,25-Dihydroxyergocalciferol.
Struktur, Biosynthese und Funktion
Struktur, Biosynthese und Funktion
Calciferole sind Steroide (Abb. A 16.3). Cholecalciferol kann im Körper synthetisiert werden. Details zur Biosynthese und Funktion s. S. 624.
Die Calciferole sind Steroide (Abb. A 16.3), bei denen der B-Ring des Sterangerüsts durch UV-Strahlung gespalten wurde. Über 50 % des Cholecalciferols synthetisiert der Mensch selbst aus Cholesterin über die Zwischenstufe 7-Dehydrocholesterin. Näheres zur Struktur, Biosynthese und Funktion der Calciferole s. S. 624.
A-16.3
A-16.3
Struktur der Calciferole CH3 H3C CH3
H3C CH3
CH3 CH3
C
CH3
D
C
CH2 A HO
CH3
D
CH2 Ergocalciferol
A
Cholecalciferol
HO
Vitaminosen
Vitaminosen
Hypovitaminose
Hypovitaminose
Zur Unterversorgung kommt es dann, wenn dem Körper zur Biosynthese des Cholecalciferols nicht genügend UV-Strahlung zur Verfügung steht. Ein Mangel an Vitamin D führt bei Kindern zur Rachitis (Abb. A 16.4), bei Erwachsenen zur Osteoporose und Osteomalazie, da die Knochen nicht mehr genügend mineralisiert werden.
Obwohl Vitamin D in Form von Cholecalciferol vom Körper selbst synthetisiert werden kann, kann es zu einer Unterversorgung mit Vitamin D kommen. Dies liegt daran, dass vor allem im Winter der Körper einer zu geringen UV-Strahlung ausgesetzt ist, sodass der erste Schritt der Biosynthese des Calciferols nicht mehr ausreichend schnell vollzogen werden kann. Da Vitamin D bei der Knochenmineralisierung eine wichtige Rolle spielt, führt ein Mangel zu Mineralisierungsstörungen des Skeletts. Im Säuglings- und Kindesalter äußert sich dies im Krankheitsbild der Rachitis. Dabei kommt es zu einer Störung der enchondralen Ossifikation mit schweren Knochendeformationen, z. B. Auftreibungen an der Knorpel-Knochen-Grenze der Rippen (rachitischer Rosenkranz, Abb. A 16.4 a), X- oder O-Beinen (Abb. A 16.4 b). In besonders schweren Fällen können auch Tetanien und Krampfanfälle auftreten. Nach Abschluss des Längenwachstums (Schluss der Epiphysenfugen) äußert sich der Vitamin-D-Mangel als Osteoporose oder Osteomalazie. Bei Ersterer führt die mangelhafte Mineralisierung der Knochengrundsubstanz zu Spontanfrakturen, bei Letzterer zusätzlich zu Deformationen.
Hypervitaminose
Hypervitaminose
Zu viel Vitamin D führt zur Knochenentkalkung und als Folge davon zur Hyperkalzämie und Hyperkalzurie.
Eine ernährungsbedingte Hypervitaminose D ist nicht bekannt. Durch zu hoch dosierte Gabe von Vitamin-D-Präparaten kommt es zu einer Knochenentkalkung, da Calciferole die Differenzierung der Osteoklasten fördern (S. 626). Die Folge davon ist eine Hyperkalzämie, die zu Kalkablagerungen in den Gefäßen führen kann. Da Ca2+
A
A-16.4
279
16.2 Fettlösliche Vitamine
Rachitis
A-16.4
a a Stark ausgeprägter rachitischer Rosenkranz (aus Sitzmann, Duale Reihe Pädiatrie, Thieme, 2007). b O-Beine bei einem Kleinkind mit Rachitis. Am Femur finden sich beidseits periostale Knochenappositionen (Pfeil) aus unverkalkter Knochengrundsubstanz (aus Thurn et al., Einführung in die radiologische Diagnostik, Thieme, 1998).
b
über die Nieren ausgeschieden wird, kommt es zur Hyperkalzurie. Fällt das Calcium aufgrund zu hoher Konzentrationen in den Tubuli aus, kann Nierenversagen resultieren.
16.2.3 Tocopherol – Vitamin E
16.2.3 Tocopherol – Vitamin E
Die wichtigste Form des Vitamin E ist das α-Tocopherol, das in Membranen als Radikalfänger fungiert. Es kommt ausschließlich in Pflanzen vor. Wichtige Vitamin-E-Quellen sind deshalb pflanzliche Öle wie Weizenkeim-, Sonnenblumenoder Olivenöl.
Die wichtigste Form des Vitamin E ist α-Tocopherol. Es kommt in pflanzlichen Ölen vor.
Resorption und Speicherung
Resorption und Speicherung
Die Resorption des Vitamin E erfolgt zusammen mit den Lipiden aus der Nahrung im Dünndarm mithilfe von Gallensäuren. Über Lipoproteine (S. 243) wird es dann im Körper verteilt und in die Membranen seiner Zielzellen eingebaut. Dort wirkt es als Radikalfänger (s. u.). Gespeichert wird Vitamin E in Form von α-Tocopherol im Fettgewebe und in der Muskulatur.
Vitamin E wird zusammen mit den Lipiden aus der Nahrung resorbiert und als Radikalfänger in die Membranen der Zielzellen eingebaut. Die Speicherung erfolgt im Fett- und Muskelgewebe.
Struktur
Struktur
Die Tocopherole sind eine größere Gruppe von Substanzen, deren gemeinsames Merkmal ein Chromanring (Benzodihydropyran) mit einer gesättigten isoprenoiden Seitenkette ist (Abb. A 16.5). Die einzelnen Tocopherole unterscheiden sich in der Stellung und der Anzahl der Methylgruppen am Chromanring. Für die Wirkung als Vitamin sind der Chromanring und die Hydroxylgruppe entscheidend (s. u.).
Tocopherole enthalten einen Chromanring mit einer isoprenoiden Seitenkette (Abb. A 16.5). Der Chromanring und seine Hydroxylgruppe sind wichtig für die Funktion des Vitamins.
A-16.5
Struktur von α-Tocopherol
A-16.5
CH3 HO H3C
O CH3
CH3
Die für die Funktion wichtige Hydroxylgruppe am Chromanring ist farbig hervorgehoben.
Funktion
Funktion
Vitamin E ist ein Antioxidationsmittel, das mehrfach ungesättigte Fettsäuren vor einer Schädigung durch Radikale schützt. Hydroxylradikale können an einer Doppelbindung einer ungesättigten Fettsäure unter Bildung von H2O ein Wasserstoffatom abziehen. Dabei entsteht ein Per-
Vitamin E wirkt als Antioxidationsmittel. Es schützt ungesättigte Fettsäuren vor einer Oxidation mit Hydroxylradikalen, indem es die Kettenreaktion stoppt, die durch die Ra-
280
A
16 Vitamine
A-16.6
Die Lipidoxidationskette
A-16.6
H
H
OH H2O
H
H
Fettsäure
FettsäurePerhydroxylradikal H H
OO
H
HOO
FettsäurePeroxylradikal
FettsäureHydroperoxid
An einer Doppelbindung einer ungesättigten Fettsäure entzieht ein Hydroxylradikal ein Wasserstoffatom. Dabei entsteht ein Perhydroxylradikal. Dieses Radikal reagiert mit molekularem Sauerstoff zum Peroxylradikal. Dieses reaktive Radikal entzieht wiederum einer anderen Fettsäure ein Wasserstoffatom und bildet ein Fettsäure-Hydroperoxid. Es kommt zu einer Kettenreaktion, während der die Doppelbindungen der Fettsäuren alle zu Fettsäure-Hydroperoxiden oxidiert werden.
dikalisierung der Fettsäuren (Abb. A 16.6) ausgelöst wird.
hydroxylradikal (R-H•, Abb. A 16.6). Dieses Radikal reagiert mit molekularem Sauerstoff zum Peroxylradikal (R-OO•). Peroxylradikale sind sehr reaktiv und können unter Bildung eines Fettsäure-Hydroperoxids (R-OOH) einer anderen Fettsäure ein Wasserstoffatom entziehen. So kommt es zu einer Kettenraktion, an deren Ende die Doppelbindungen der Fettsäuren alle zu Fettsäure-Hydroperoxiden oxidiert sind. Diesen Kreislauf durchbricht das Tocopherol, indem es mit dem Fettsäure-Peroxylradikal reagiert, sodass dieses keine weitere Fettsäure mehr oxidieren kann. Man spricht dabei auch von einer nicht enzymatischen Unterbrechung der Lipidoxidationskette.
Wirkungsmechanismus
Wirkungsmechanismus
α-Tocopherol wird durch Wasseranlagerung in α-Tocopherol-Hydrochinon überführt (Abb. A 16.7). Dieses kann mit einem Fettsäure-Peroxylradikal reagieren und es un-
Durch Wasseranlagerung wandelt sich α-Tocopherol in α-Tocopherol-Hydrochinon um (Abb. A 16.7). Dieses kann mit dem Fettsäure-Peroxylradikal (ROO•) reagieren, indem es selber zum Radikal wird: ROO• + α-Tocopherol-Hydrochinon → α-Tocopheryl-Radikal + R-OOH
A-16.7
α-Tocopherol als Radikalfänger ROO (Fettsäure-Peroxylradikal)
CH3
CH3 HO H3C
ROOH (Fettsäure-Hydroperoxid)
O CH3 α -Tocopherol
R CH3
H2O
HO
H2O
H3C
CH3 O OH HO
CH3
R CH3
H3C
α -TocopherolHydrochinon
R CH3
α -TocopherylRadikal
Ascorbyl-Radikal H+, e–
OH HO CH3
CH3
H+, e–
O
H+, e–
H3C
O HO CH3
R CH3
α -Tocochinon
Ascorbinsäure
Dehydroascorbinsäure
2H+, 2e–
α-Tocopherol kann in Form des α-Tocopherol-Hydrochinons ein Fettsäure-Peroxylradikal zum Fettsäure-Hydroperoxid reduzieren. Dadurch unterbricht es auf nicht enzymatische Weise die Fettsäure-Oxidationskette. Dabei entsteht das α-Tocopheryl-Radikal, das entweder zum α-Tocochinon weiter oxidiert oder durch Vitamin C wieder zu α-Tocopherol-Hydrochinon reduziert wird.
A
281
16.2 Fettlösliche Vitamine
schädlich machen. Das dabei entstehende αTocopheryl-Radikal wird durch Vitamin C zu α-Tocopherol-Hydrochinon reduziert oder es reagiert weiter zum α-Tocochinon.
Damit ist das Fettsäure-Peroxylradikal unschädlich gemacht und kann keine weiteren Fettsäuren mehr oxidieren. Das α-Tocopheryl-Radikal wird dann entweder mithilfe von Ascorbinsäure (Vitamin C, S. 301) wieder zum α-Tocopherol-Hydrochinon reduziert oder es reagiert durch Abgabe eines Protons und eines Elektrons weiter zum α-Tocochinon.
▶ Merke.
▶ Merke.
α-Tocopherol und Vitamin C wirken als Radikalfänger.
16.2.4 Vitaminosen
16.2.4 Vitaminosen
Hypovitaminose
Hypovitaminose
Zu einem Vitamin-E-Mangel kommt es äußerst selten, da im Fettgewebe so viel αTocopherol gespeichert ist, dass der Körper weit über 1 Jahr damit auskommt. Kommt es doch zu Mangelerscheinungen, äußern diese sich in der Regel durch oxidativen Stress. Es kann zu einer hämolytischen Anämie kommen, die wahrscheinlich auf eine Schädigung der Erythrozytenmembranen durch Radikale zurückzuführen ist.
Vitamin-E-Mangel ist selten, da der Körper genügend Tocopherol speichern kann. Mangelerscheinungen äußern sich in oxidativem Stress und evtl. in einer hämolytischen Anämie.
Hypervitaminose
Hypervitaminose
Hypervitaminosen sind bei Vitamin E nicht bekannt.
Unbekannt.
16.2.5 Phyllochinon – Vitamin K
16.2.5 Phyllochinon – Vitamin K
Man unterscheidet bei den Phyllochinonen Vitamin K1 und Vitamin K2. Vitamin K1, das Phyllochinon, kommt nur in Pflanzen vor. Dort ist es ein Teil der Elektronentransportkette der Fotosynthese (daher auch sein Name). Vitamin K2, das Menachinon (auch Difarnesylnaphtochinon genannt), wird von den Bakterien der Darmflora synthetisiert. Wie alle fettlöslichen Vitamine werden auch die Phyllochinone zusammen mit den Lipiden unter Zuhilfenahme der Gallensäuren im Dünndarm resorbiert. Die biologisch aktive Form ist das Difarnesylnaphtochinon (Vitamin K2). Sein Difarnesylrest wird in der Leber angehängt, nachdem etwaige andere Seitenketten abgespalten wurden.
Man unterscheidet Vitamin K1 = Phyllochinon, das in Pflanzen vorkommt, und Vitamin K2 = Menachinon (Difarnesylnaphtochinon), das von der Darmflora synthetisiert und in der Leber modifiziert wird. Es stellt die aktive Form des Vitamins dar.
Struktur
Struktur
Die Grundstruktur der Phyllochinone ist das Menadion (2-Methyl-1,4-naphtochinon, Abb. A 16.8), das in der Natur nicht vorkommt. Vitamin K1 enthält einen Phytylrest als Seitenkette, Vitamin K2 einen Difarnesylrest. Wichtig für die Funktion des Vitamin K ist die Methylgruppe am C 2-Atom des Naphtochinonrings (Abb. A 16.8).
Phyllochinone enthalten einen substituierten Naphtochinonring (Menadion), an dem je nach Vitamin eine andere Seitenkette hängt (Abb. A 16.8).
A-16.8
Struktur der Phyllochinone O
O
O Menadion
O CH3
CH3
O
CH3
O Vitamin K1 (Phyllochinon)
2
Vitamin K2 (Menachinon)
Menadion ist das Grundgerüst der beiden K-Vitamine Phyllochinon und Menachinon. Die für die Funktion wichtige Methylgruppe am C 2Atom des Naphtochinonrings ist farbig hervorgehoben.
Funktion
Funktion
Vitamin K ist Cofaktor bei der γ-Carboxylierung von Glutamatresten. Die Proteine, deren Glutamatreste γ-carboxyliert werden, fasst man als Vitamin-K-abhängige Proteine (VKD[vitamin K-dependent]-Proteine) zusammen. Von besonderer Bedeutung ist die γ-Carboxylierung der Gerinnungsfaktoren II, VII, IX und X. Diese werden erst durch die Carboxylierung eines Glutamatrests aktiviert (S. 281). Andere VKDProteine sind Protein C und Protein S, die beide an der Fibrinolyse beteiligt sind.
Vitamin K ist Cofaktor bei der γ-Carboxylierung von Glutamatresten. Wichtige Beispiele für γ-carboxylierte, also Vitamin-K-abhängige (VKD)-Proteine sind Gerinnungsfaktoren II, VII, IX und X, Protein C und Protein S, Osteocalcin und Matrix-GLA-Protein.
282
A
16 Vitamine
Außerdem werden Osteocalcin und Matrix-GLA-Protein, die Teil der organischen Knochengrundsubstanz sind, Vitamin-K-abhängig γ-carboxyliert.
▶ Merke.
▶ Merke. Durch die Vitamin-K-abhängige γ-Carboxylierung eines Glutamatrests werden die Gerinnungsfaktoren II, VII, IX und X aktiviert.
Wirkungsmechanismus
Wirkungsmechanismus
Vitamin K2 wird zum Vitamin-K2-Hydrochinon reduziert. Über die Zwischenstufe Vitamin-K-Alkoxid, die die Anlagerung von CO2 an das C-Atom des Glutamylrests des VKD-Proteins ermöglicht, entsteht Vitamin-K2Epoxid, aus dem eine Epoxid-Reduktase Vitamin K2 regeneriert (Abb. A 16.9).
Durch eine NADPH-abhängige Chinon-Reduktase wird das Vitamin K2 zum VitaminK2-Hydrochinon reduziert ([1] in Abb. A 16.9). Durch O2-Anlagerung entsteht aus dem Vitamin-K2-Hydrochinon das Vitamin-K-Alkoxid, eine starke Base, die dem Glutamylrest eines VKD-Proteins ein Wasserstoffatom entziehen kann. Dadurch kann die entsprechende Carboxylase am γ-C-Atom des Glutamylrests CO2 anlagern (2). Bei dieser Reaktion entsteht Vitamin-K2-Epoxid, das durch die Epoxid-Reduktase wieder in Vitamin K2 zurückverwandelt wird. Die Epoxid-Reduktase steuert bei dieser Redoxreaktion die Wasserstoffe zweier Sulfhydrylgruppen bei, die dabei zu einer Disulfidbrücke oxidiert werden (3).
A-16.9
Wirkungsmechanismus von Vitamin K NADPH/H+
O H2O + S
OH
CH3 1
R
S
O
Vitamin K2-Hydrochinon
O
CH3
SH
O R
COO–
Glutamylrest
C HC
H2O
Vitamin K2-Epoxid
O
CH2
2
O HS
CH2
NH
OH
Vitamin K2
C HC
CO2
R
NADP+
O 3
O2
CH3
NH
COO– CH2
CH
COO–
Bei der γ-Carboxylierung von Glutamylresten durchläuft Vitamin K2 einen Kreislauf, in dem es zuerst reduziert und dann wieder oxidiert wird. Einzelheiten siehe Text.
Vitamin-K-Antagonisten
Vitamin-K-Antagonisten
Cumarinderivate (Abb. A 16.10) hemmen die Chinon- und die Epoxid-Reduktase kompetitiv und bewirken so eine Zunahme der Blutgerinnungszeit.
Cumarinderivate wirken aufgrund ihrer strukturellen Ähnlichkeit mit Vitamin K als kompetitive Inhibitoren der Chinon- und der Epoxid-Reduktase. Dadurch wird der Vitamin-K-Kreislauf unterbrochen und die Blutgerinnungszeit verlängert sich. Deshalb werden Cumarinderivate als Vitamin-K-Antagonisten bezeichnet. Die heute verwendeten Cumarine sind Derivate des 4-Hydroxycumarins (Abb. A 16.10).
A-16.10
A-16.10
Struktur von Cumarinderivaten
OH
O
OH
O
4-Hydroxycumarin
▶
Klinik.
▶
Die heute eingesetzten Cumarine, z. B. Phenprocoumon (Marcumar), leiten sich von 4-Hydroxycumarin ab.
O
O
Marcumar
Klinik. Cumarinderivate werden zur Thrombose- und Infarktprophylaxe einge-
setzt. Es dauert einige Tage, bis sie ihren Maximaleffekt erreichen, da erst dann die Plasmakonzentration der carboxylierten Vitamin-K-abhängigen Gerinnungsfaktoren unter den kritischen Wert sinkt. Ist eine rasche Gerinnungshemmung nötig, wird deshalb überlappend Heparin eingesetzt. Bei Überdosierung von Cumarinderivaten kann es zu einer erhöhten Blutungsneigung kommen. Meist betrifft dies Hohlorgane (Magen-Darm-Trakt, ableitende Harnwege) und das Subkutangewebe.
A
283
16.3 Wasserlösliche Vitamine
Der Mangel an funktionsfähigen Vitamin-K-abhängigen Gerinnungsfaktoren kann durch hochdosierte Gabe von Vitamin K1 behoben werden. Allerdings tritt die Wirkung von Vitamin K1 wiederum erst nach einiger Zeit ein (s. o.). Um den Mangel an gerinnungsaktiven Substanzen sofort zu beheben, muss man daher ein Gerinnungsfaktoren-Konzentrat verabreichen. Protein C und die anderen Vitamin-K-abhängigen Gerinnungsfaktoren werden unterschiedlich schnell nachsynthetisiert. So kann es nach einer angestrebten Antagonisierung der Cumarinwirkung durch Vitamin K1 zu einem Überschuss an gerinnungsfördernden Faktoren kommen. Dadurch kann eine vorübergehende Hyperkoagulabilität auftreten. Vor einem operativen Eingriff sollte deshalb kein Vitamin K gegeben, sondern das Abklingen der Cumarinwirkung abgewartet werden.
Vitaminosen
Vitaminosen
Hypovitaminose
Hypovitaminose
Da Vitamin K ausreichend in der Nahrung vorhanden ist und außerdem durch die Darmflora synthetisiert wird, ist ein Vitamin-K-Mangel äußerst selten. Er kommt lediglich vor bei einer länger dauernden oralen Antibiotikatherapie, weil die Darmflora zerstört wird, bei Gallen- oder Pankreaserkrankungen, Malabsorptionssyndrom oder nach Darmresektion, weil die Resorption gestört ist. Bei Vitamin-K-Mangel sinkt als Erstes der Prothrombinspiegel im Blut. Die Blutgerinnungszeit verlängert sich und es kommt zu einer Blutungsneigung der Haut, der Schleimhäute und der inneren Organe. Frühsymptom eines Vitamin-K-Mangels ist Zahnfleischbluten.
Ein Mangel an Vitamin K kommt nur nach einer lang andauernden oralen Antibiotikatherapie oder resorptionsbedingt vor. Er bewirkt eine Blutungsneigung der Haut, der Schleimhäute und der inneren Organe. Frühsymptom ist Zahnfleischbluten.
Hypervitaminose
Hypervitaminose
Eine Überversorgung ist selten und normalerweise nicht ernährungsbedingt. Sie kann auftreten, wenn Vitamin-K-Supplemente in hohen Dosen zur Therapie von Gallen- und Pankreaserkrankungen sowie Blutgerinnungsstörungen eingesetzt werden. Symptome sind hämolytische Anämie, Erbrechen und Thrombose.
Hohe Dosen von Vitamin K können zu hämolytischer Anämie, Erbrechen und Thrombose führen.
16.3 Wasserlösliche Vitamine
16.3
16.3.1 Thiamin – Vitamin B1
16.3.1 Thiamin – Vitamin B1
Thiamin ist weit verbreitet, kommt aber immer nur in geringen Mengen vor. In Pflanzen findet man es vor allem in den Randschichten von Getreidekörnern, also im Vollkornmehl. Tierische Quellen sind Innereien (Herz, Leber, Niere) und mageres Schweinefleisch. Als Thiaminpyrophosphat ist es an der Decarboxylierung von αKetosäuren beteiligt.
Thiamin kommt in Vollkornprodukten, Innereien und magerem Schweinefleisch vor. Als Thiaminpyrophosphat ist es an der Decarboxylierung von α-Ketosäuren beteiligt.
Struktur und Stoffwechsel
Struktur und Stoffwechsel
Thiamin besteht aus einem mehrfach substituierten Thiazolring, der über eine Methylgruppe mit einem Pyrimidinring verbunden ist (Abb. A 16.11). Wichtig für die Funktion des Vitamins ist der Thiazolring.
Thiamin enthält einen Thiazolring und einen Pyrimidinring (Abb. A 16.11). Wichtig für die Funktion ist der Thiazolring.
A-16.11
Struktur von Thiamin
A-16.11
NH2 +
N
N H 3C
N
H3 C
Thiamin besteht aus einem Thiazolring (rot) und einem Pyrimidinring. Der für die Funktion wichtige Teil ist farbig hervorgehoben.
S CH2
CH2
Wasserlösliche Vitamine
OH
284
A
A-16.12
16 Vitamine
Die Umwandlung von Thiamin in Thiaminpyrophosphat
NH2 N
N H3C
NH2 +
N
H 3C
ATP
S CH2
CH2
OH
AMP
Thiamin-Kinase
Thiamin
+
N
N H3C
N
H3C
S CH2
CH2
O
P
P
Thiaminpyrophosphat
Vitamin B1 kann nur in Form von Thiamin aufgenommen werden. In den Lebermitochondrien wird Thiamin dann durch die Thiamin-Kinase in die aktive Form Thiaminpyrophosphat umgewandelt.
Vitamin B1 wird als Thiamin aufgenommen und durch die Thiamin-Kinase in den Mitochondrien der Leber in Thiaminpyrophosphat (TPP) umgewandelt (Abb. A 16.12).
In den meisten Nahrungsmitteln liegt Vitamin B1 in seiner aktiven Form Thiaminpyrophosphat (TPP) vor. Da es in dieser Form nicht resorbiert werden kann, wird der Pyrophosphatrest im Darm durch Pyrophosphatasen abgespalten. Als Thiamin wird es dann aktiv aufgenommen. In den Mitochondrien der Leber wird das Thiamin dann durch die Thiamin-Kinase wieder in TPP umgewandelt (Abb. A 16.12).
Funktion
Funktion
TPP wirkt als Cofaktor von Enzymen, die dehydrierend (oxidativ) decarboxylieren: Pyruvat-Dehydrogenase α-Ketoglutarat-Dehydrogenase
TPP ist Cofaktor der Pyruvat-Dehydrogenase (PDH, S. 98) und der α-KetoglutaratDehydrogenase (S. 108). Diese Enzyme katalysieren die dehydrierende (oxidative) Decarboxylierung von α-Ketosäuren. Außerdem sind an dieser Reaktion die Coenzyme Liponamid, Coenzym A, FAD und NAD+ beteiligt. Ein weiteres Enzym, das TPP als Cofaktor benötigt, ist die Transketolase aus dem Pentosephosphatweg (S. 238). Bei Thiaminmangel steigt die Konzentration von Pentosephosphaten im Gewebe an. Dies ist ein relativ frühes Symptom des Vitamin-B1Mangels und kann für diagnostische Zwecke benutzt werden, indem man die Pentosephosphatkonzentration in Erythrozyten misst.
Außerdem ist es Cofaktor der Transketolase im Pentosephosphatweg.
▶ Merke.
▶ Merke.
Vitamin B1 (Thiamin) ist in seiner aktiven Form Thiaminpyrophosphat (TPP) Coenzym der Pyruvat-Dehydrogenase, α-Ketoglutarat-Dehydrogenase und Transketolase.
Vitaminosen
Vitaminosen
Hypovitaminose
Hypovitaminose
Dort, wo in der Dritten Welt polierter Reis das Hauptnahrungsmittel ist, tritt die BeriberiKrankheit auf. Symptome sind Appetitmangel, Müdigkeit, Erbrechen sowie Störungen der Nerven-, Muskel- und Herzfunktion.
In Ländern der Dritten Welt, in denen polierter Reis das Hauptnahrungsmittel ist, tritt die sog. Beriberi-Krankheit auf. Zur Unterversorgung mit Thiamin kommt es, weil polierter Reis keine thiaminhaltige Schale mehr enthält. Da bei einem Thiaminmangel die PDH und die α-Ketoglutarat-Dehydrogenase nicht mehr richtig arbeiten, sind vor allem Gewebe mit einem hohen Glucoseumsatz betroffen. Die Symptome sind relativ unspezifisch: Appetitmangel, Müdigkeit, Erbrechen, schwere Störungen der Muskel- und Nervenfunktion, Störungen der Herztätigkeit und manchmal Enzephalopathie. In den westlichen Industrieländern ist ein ernährungsbedingter Thiaminmangel in dieser Form nicht zu finden. Bei nahezu 30 % der bundesdeutschen Bevölkerung wurde jedoch eine kritische Thiaminversorgung mit leichten Mangelerscheinungen nachgewiesen. Thiaminmangel ist häufig eine Folge von einseitiger KohlenhydratDiät, körperlicher Überbelastung, stärkerem Alkoholgenuss oder Störungen des Darmtraktes.
In den westlichen Ländern ist Thiaminmangel häufig eine Folge von einseitiger Kohlenhydrat-Diät, körperlicher Überbelastung, stärkerem Alkoholgenuss oder Störungen des Darmtrakts.
Hypervitaminose
Hypervitaminose
Unbekannt.
Hypervitaminosen kommen bei Vitamin B1 als wasserlöslichem Vitamin nicht vor.
A
285
16.3 Wasserlösliche Vitamine
16.3.2 Riboflavin – Vitamin B2
16.3.2 Riboflavin – Vitamin B2
Riboflavin ist Bestandteil der sog. Flavoproteine. Diese sind Enzyme, die Elektronen aufnehmen und abgeben können. Sie spielen eine wichtige Rolle als wasserstoffübertragende und elektronentransferierende Proteine. Riboflavin ist in der Natur weit verbreitet. Es kommt vor allem in Milch und Milchprodukten und in Innereien wie Herz, Nieren und Leber vor.
Riboflavin ist Bestandteil der elektronenübertragenden Flavoproteine. Es kommt in Milchprodukten und Innereien vor.
Aufnahme
Aufnahme
Riboflavin wird dem Körper vor allem in Form von Flavoproteinen zugeführt. Im Darm wird aus diesen das Riboflavin abgespalten und von den Mukosazellen aufgenommen. Dort wird es zu seiner aktiven Form Riboflavinphosphat (FMN, Flavinmononukleotid) phosphoryliert. Diese Phosphorylierung ist eine Voraussetzung für die Resorption des Riboflavins, da sie das Gleichgewicht in den Mukosazellen auf die Seite des Riboflavinphosphats verschiebt und so die Aufnahme des Riboflavins erleichtert. Das Riboflavin wird also aktiv unter Energieverbrauch aufgenommen. Im Blut wird Vitamin B2 wieder als Riboflavin, gebunden an Albumin, transportiert.
Riboflavin wird von den Mukosazellen des Darms aufgenommen und dort zu Riboflavinphosphat (FMN, Flavinmononukleotid) phosphoryliert. Im Blut wird Vitamin B2 als Riboflavin an Albumin gebunden transportiert.
Struktur
Struktur
Das Riboflavin besteht aus einem Isoalloxanring, der am N10-Atom mit einem Ribitolrest substituiert ist (Abb. A 16.13). Es wird vor allem in der Leber und in der Muskulatur in die aktiven Formen Flavinmononukleotid (FMN) und Flavinadenindinukleotid (FAD) umgebaut (Abb. A 16.14). Diese aktiven Formen sind Bestandteil und Cofaktor z. B. des Komplexes I der Atmungskette (FMN, s. u.) bzw. FAD-abhängiger Dehydrogenasen wie der Acyl-CoA-Dehydrogenase der β-Oxidation. Alle drei Formen des Riboflavins (Riboflavin, FMN und FAD) werden als Vitamin B2 bezeichnet.
Riboflavin besteht aus einem Isoalloxanring, der am N10-Atom mit einem Ribitolrest substituiert ist (Abb. A 16.13). Seine aktiven Formen sind Flavinmononukleotid (FMN) bzw. Flavinadenindinukleotid (FAD) (Abb. A 16.14).
A-16.13
Struktur von Riboflavin
A-16.13
O 5
N
H3C
Am Isoalloxanring des Riboflavins hängt ein Ribitolrest. Die für die Funktion wichtige Struktur ist farbig hervorgehoben.
NH
10
H3C
N
N
O
CH2 HC OH HC OH HC OH Riboflavin
A-16.14
CH2OH
Struktur der Flavinnukleotide FMN und FAD
A-16.14
O H3 C
N
H 3C
N
NH N
O
CH2 HC OH
NH2
HC OH
N
N
HC OH H2C O
P
P
Riboflavinmonophosphat = FMN = Flavinmononukleotid
O
CH2 H
N
O H
H HO
H OH
Flavinadenindinukleotid = FAD
N
Das Flavinmononukleotid FMN entspricht dem Riboflavinphosphat, das Flavinadenindinukleotid FAD enthält zusätzlich noch ein Adenosinmonophosphat. Das FMN heißt Flavinmononukleotid, weil es eine Phosphatgruppe enthält, das FAD heißt Flavinadenindinukleotid, weil es zwei Phosphatgruppen enthält.
286
A
Funktion
Funktion
▶ Merke.
16 Vitamine
▶ Merke.
Flavoproteine katalysieren folgende Reaktionen: Dehydrierungen von -CH2-CH2-Einfachbindungen zu -CH = CH-Doppelbindungen (Acyl-CoA-Dehydrogenase, β-Oxidation, S. 122) oxidative Desaminierungen, z. B. von D- und L-Aminosäuren im Peroxisom (Aminosäureoxidasen) Oxidation von Aldehyden zu Säuren (Xanthin-Oxidase, Purinabbau, S. 409) Transhydrogenierungen (Dihydroliponamid-Dehydrogenase der PDH, S. 99) Außerdem ist FMN ein Bestandteil des Komplexes I der Atmungskette und des elektronentransferierenden Flavoproteins ETF (S. 169).
Mechanismus der Wasserstoffübertragung
Mechanismus der Wasserstoffübertragung
Flavinnukleotide durchlaufen einen Kreislauf, bei dem sie zwei Protonen und zwei Elektronen aufnehmen und wieder abgeben. Als Zwischenstufe entsteht dabei ein Semichinon (Abb. A 16.15).
Flavinnukleotide nehmen zwei Protonen und zwei Elektronen auf und werden dabei über ein intermediäres Semichinon zum Flavinnukleotid-H2 reduziert (Abb. A 16.15). FMNH2 und FADH2 geben die beiden Wasserstoffatome dann wieder in Form von zwei Elektronen und zwei Protonen ab. Die beiden Elektronen gehen an die Elektronentransportkette der Atmungskette, die beiden Protonen werden dabei über die innere Mitochondrienmembran aus der Matrix in den Intermembranraum gepumpt (S. 166). Die Flavinnukleotide werden dabei wieder zu FMN und FAD oxidiert.
Reduktion von FMN zu FMNH2
A-16.15
O H 3C
N
H 3C
N
NH N
O
H3C
H N
H3C
N
O NH N
CH2 HC OH
+
H ,e
HC OH
HC OH
HC OH H2C O
P
FMN
H N
H3C
N CH2
HC OH
–
HC OH H2C O
O
CH2
H3C
+
–
H ,e
O NH N H
O
HC OH HC OH HC OH
P
intermediäres Semichinon
H2C O
P
FMNH2
FMN nimmt je ein Elektron und ein Proton auf. Dabei wird es zum intermediären Semichinon reduziert. Durch die Aufnahme eines weiteren Elektrons und Protons wird es dann zu FMNH2 reduziert.
Vitaminosen
Vitaminosen
Hypovitaminose
Hypovitaminose
Riboflavinmangel tritt selten isoliert auf, da Flavoproteine auch am Stoffwechsel von Niacin, Folsäure und Pyridoxin beteiligt sind. Symptome eines isolierten Riboflavinmangels sind: Wachstumsstörungen Gewichtabnahme Entzündungen gestörte Nervenfunktion
Ein Riboflavinmangel tritt selten isoliert auf, da Flavoproteine auch in den Stoffwechselwegen von Niacin, Folsäure und Pyridoxin eine Rolle spielen. Da Riboflavin überall im Stoffwechsel vorkommt, sind auch die Mangelerscheinungen unspezifisch. Ein isolierter Riboflavinmangel führt zu Wachstumsstörungen, Gewichtabnahme sowie Entzündungen von Haut und Schleimhäuten. Im Bereich des Magen-DarmTraktes führen die Entzündungen zu Durchfällen, an den Mundwinkeln zu Rissen und auf der Haut zur Schuppenbildung. Bei einer Entzündung der Hornhaut kann es zu Sehstörungen kommen. Die Fingernägel werden brüchig und glanzlos. Auch die Nervenfunktion kann durch einen Riboflavinmangel beeinträchtigt sein. Ausgeprägte Mangelerscheinungen wie Hautentzündungen, Abbau des Nervengewebes und Blutarmut kommen bei einer gemischten Kost nur vereinzelt vor.
Hypervitaminose
Hypervitaminose
Unbekannt.
Hypervitaminosen kommen bei Vitamin B2 als wasserlöslichem Vitamin nicht vor.
A
287
16.3 Wasserlösliche Vitamine
16.3.3 Niacin
16.3.3 Niacin
Unter Niacin werden die beiden Substanzen Nicotinsäure und Nicotinamid (Synonym: Nicotinsäureamid) (Abb. A 16.16) zusammengefasst. Sie wurden früher auch als Vitamin B3 bezeichnet. Niacin kommt vor allem in tierischem Gewebe und Fisch vor. Auch Hefe und gerösteter Kaffee enthalten beträchtliche Mengen an Niacin. Das Nicotinamid hat als NADH oder NADPH eine außerordentlich große Bedeutung bei sehr vielen Redoxredaktionen im Körper.
Zur Niacingruppe gehören Nicotinsäure und Nicotinamid (Abb. A 16.16). Sie kommen in tierischem Gewebe, Fisch, Hefe und Kaffee vor. Nicotinamid ist Bestandteil von NADH und NADPH.
Die Stuktur von Nicotinsäure und Nicotinamid
A-16.16
O
A-16.16
O
C
C
O–
+
Das für die Funktion wichtige Ringsystem ist farbig hervorgehoben.
NH2
+
N
N
Nicotinsäure
Nicotinamid
Stoffwechsel und Biosynthese
Stoffwechsel und Biosynthese
In der Regel wird Niacin als Nicotinsäure passiv von den Darmzellen aufgenommen und über die Leber an alle Gewebe des Körpers verteilt. Diese bauen die Nicotinsäure in die Nicotinamidnukleotide NAD+ und NADP+ um (Abb. A 16.17). Dabei tritt Nicotinsäuremononukleotid als Zwischenprodukt auf. Dieses kann auch aus dem Tryptophanabbau rekrutiert werden. Dort entsteht bei der Abspaltung des Benzol-
Niacin wird passiv als Nicotinsäure aufgenommen. In den Zielgeweben wird es dann in NAD+ und NADP+ umgewandelt (Abb. A 16.17).
Die Bildung von NAD+ und NADP+
A-16.17
A-16.17
P O CH2
O C Zytosol
N O C
O
5'-Phosphoribosylpyrophosphat (PRPP)
Nicotinsäure
+
O
–
O P P HO
OH O
Nukleolus
C
O–
O–
PPi
+
+
N
PPi
HO
N
ATP
OH
O
HO
O
CH2 O P P Adenosin Desamino-NAD
C
ATP
Glutamat
ADP + Pi
CH2 O P
O
+
Glutamin
OH
Nicotinsäuremononukleotid
NH2
+
N HO
NH2
OH
C
NH2
O
+
N HO
N
N
O
ATP
OH
ADP
O– CH2 O
P
O
O
P
O
CH2
O
CH2 O P P Adenosin NAD+
O O
HO O
N
N
O–
NAD+ NADP+
NAD+ und NADP+ entstehen in allen Geweben aus Nicotinsäure.
O
P O–
O–
288
A
16 Vitamine
A-16.18
A-16.18
COO–
O HC
CH
CH
HC C
C
C +NH
=
H
Die Rekrutierung von Nicotinsäuremononukleotid aus dem Tryptophanabbau
CH
C
COO
–
COO– 3
H2O
C COO– O H 3N +
Acroleyl-β-aminofumarat
COO– N
COO–
PRPP
COO–
PPi
CO2
N Ribose
Chinolsäure
P
Nicotinsäuremononukleotid
Acroleyl-β-Aminofumarat zyklisiert unter Wasserabspaltung spontan zu Chinolsäure. Aus dieser entsteht durch die Chinolat-Phosphoribosyl-Transferase Nicotinsäuremononukleotid. Dabei wird ein CO2 abgespalten. PRPP = 5’-Phosphoribosylpyrophosphat.
Nicotinamid und Nicotinsäure können auch aus Acroleyl-β-Aminofumarat, einem Metaboliten des Tryptophanstoffwechsels, rekrutiert werden (Abb. A 16.18).
rings das Acroleyl-β-Aminofumarat, das unter Abspaltung von Wasser spontan zu Chinolsäure zyklisieren kann. Die Chinolat-Phosphoribosyl-Transferase bildet daraus unter CO2-Abspaltung Nicotinsäuremononukleotid (Abb. A 16.18; deshalb können Nicotinamid und Nicotinsäure auch durch Tryptophan ersetzt werden). Das Nicotinsäuremononukleotid wird in den Nukleolus transportiert und dort in NAD+ umgewandelt (vgl. S. 362).
Funktion
Funktion
NAD+ und NADP+ spielen eine wichtige Rolle bei wasserstoffübertragenden Reaktionen.
NAD+ und NADP+ spielen eine wichtige Rolle bei wasserstoffübertragenden Reaktionen. Sie sind an zahlreichen Reaktionen in vielen Stoffwechselwegen beteiligt. Der Reaktionsmechanismus der Wasserstoff- bzw. Elektronenübertragung wird im Detail auf S. 75 beschrieben (im Exkurs „Der Reaktionsmechanismus der NAD+-vermittelten Oxidation“).
▶ Merke.
NAD+ kann auch als Substrat für enzymatische Reaktionen dienen: Umwandlung zu zyklo-ADP-Ribose durch die ADP-Ribosylzyklasen. Die zyklo-ADP-Ribose aktiviert den Ryanodinrezeptor im Herzen. ADP-Ribosylierung: Der ADP-Ribosylrest des NAD+ wird auf ein Protein übertragen. Die Funktion dieser ADP-Ribosylierung ist nicht bekannt.
▶
Klinik.
▶ Merke. Niacin ist Bestandteil der häufigsten Reduktionsäquivalente NAD+ und NADP+ und in dieser Form an zahlreichen Redoxreaktionen des Stoffwechsels beteiligt. Außer als Reduktionsäquivalent kann NAD+ auch als Substrat für enzymatische Reaktionen dienen: Es kann durch ADP-Ribosylzyklasen zu zyklo-ADP-Ribose umgewandelt werden. Die zyklo-ADP-Ribose aktiviert den Ryanodinrezeptor im Herzmuskel und induziert so eine Erhöhung der zytosolischen Calciumkonzentration (S. 539). Bei der ADP-Ribosylierung wird der ADP-Ribosylrest des NAD+ durch eine ADPRibosyltransferase auf bestimmte Aminosäurereste in Proteinen übertragen. Die biologische Funktion dieser ADP-Ribosylierung in eukaryontischen Zellen ist nicht bekannt. Man hat aber Poly-ADP-Ribosylgruppen bei chromatinassoziierten Zellkernproteinen gefunden. Dies deutet darauf hin, dass die ADP-Ribosylierung für die funktionelle Regulation nukleärer Prozesse von Bedeutung sein kann.
▶
Klinik. Das Toxin des Corynebacterium diphtheriae ist eine ADP-Ribosyltrans-
ferase, die die α-Untereinheit des eukaryontischen (also auch humanen) Elongationsfaktors eEF2 (ein G-Protein) ADP-ribosyliert. Dadurch wird die Fortbewegung des Ribosoms auf der mRNA (Translokation, S. 460) gehemmt. Ein Molekül Diphtherietoxin reicht aus, um alle Elongationsfaktoren einer Zelle zu blockieren. Die Proteinbiosynthese fällt komplett aus, die Zelle stirbt. Deshalb wirken bereits sehr geringe Mengen dieses Toxins letal. Auch das Choleratoxin (aus Vibrio cholerae) ist eine ADP-Ribosyltransferase. Sie überträgt ADP-Ribose auf die α-Untereinheit stimulatorischer heterotrimerer G-Proteine (s. auch S. 541) und führt über eine Daueraktivierung der Adenylatzyklase zu massiver Chloridsekretion in den Darm und somit zu schweren Durchfällen und Erbrechen.
A
289
16.3 Wasserlösliche Vitamine
Vitaminosen
Vitaminosen
Hypovitaminose
Hypovitaminose
Eine Niacin-Hypovitaminose kommt besonders bei Bevölkerungsgruppen vor, die eine maisreiche Nahrung zu sich nehmen. Mais enthält wenig Tryptophan, sodass das Niacinsäuremononukleotid nicht selbst synthetisiert werden kann. Außerdem kann eine Unterversorgung bei Alkoholikern (als Folge einer Mangelernährung) auftreten. Folgen eines leichten Niacinmangels sind Appetitlosigkeit, Wachstumsstillstand und Gewichtsverlust. Ein ausgeprägter Niacinmangel führt zu einer Entzündung der Schleimhäute des Verdauungstraktes und der Haut sowie zu psychischen Veränderungen, die sich in Diarrhö, Dermatitis (Hyperkeratose, Hyperpigmentierung und Schuppenbildung an sonnenlichtexponierten Stellen) und Demenz äußern. Dieses Krankheitsbild wird als Pellagra bezeichnet.
Eine Niacin-Hypovitaminose kommt v. a. bei maisreicher (tryptophanarmer) Ernährung vor. Symptome eines leichten Niacinmangels sind Appetitlosigkeit, Wachstumsstillstand und Gewichtsverlust. Ausgeprägter Niacinmangel führt zu Pellagra, die durch Diarrhö, Dermatitis und Demenz gekennzeichnet ist.
Hypervitaminose
Hypervitaminose
Hypervitaminosen kommen bei Niacin als wasserlöslichem Vitamin nicht vor.
Unbekannt.
16.3.4 Pyridoxin – Vitamin B6
16.3.4 Pyridoxin – Vitamin B6
Zur Gruppe der Pyridoxine gehören das Pyridoxal (Vitamin-B6-Aldehyd), das Pyridoxamin (Vitamin-B6-Amin) und das Pyrodoxol (Vitamin-B6-Alkohol, Abb. A 16.19). Die aktive Form des Vitamin B6 ist das Pyridoxalphosphat (PALP), ein wichtiges Coenzym im Aminosäurestoffwechsel. Man findet Vitamin B6 in hoher Konzentration in Leber, Geflügel, Mais und Hefe. In etwas geringeren Mengen kommt es auch in Eiern, Milch und grünem Gemüse vor.
Vitamin B6 kommt als Pyridoxal, Pyridoxamin und Pyrodoxol vor (Abb. A 16.19). Seine aktive Form ist das Pyridoxalphosphat (PALP). Vitamin B6 kommt in Leber, Geflügel, Mais, Hefe und grünem Gemüse vor.
Struktur der Pyridoxine
A-16.19
H
C
O
HO H3C
A-16.19
H2CNH2 CH2OH
+
N H
H2COH
HO H3C
Pyridoxal
CH2OH
HO
+
N H
CH2OH +
H3C
N H
Pyridoxamin
Pyridoxol
Zur Vitamin-B6-Gruppe gehören Pyridoxal, Pyridoxamin und Pyridoxol.
Aufnahme und Stoffwechsel
Aufnahme und Stoffwechsel
Die Resorption vom Pyridoxal und Pyridoxol erfolgt passiv über den Dünndarm. Im Gewebe wird das Vitamin B6 dann von der ATP-abhängigen Pyridoxal-Kinase zu Pyridoxalphosphat (PALP) phosphoryliert (Abb. A 16.20). Ausgeschieden wird PALP mit dem Urin. Dazu wird es vorher dephosphoryliert und in der Leber durch die Aldehyd-Oxidase zur Pyridoxinsäure oxidiert.
Nach passiver Resorption entsteht im Gewebe durch die Pyridoxal-Kinase PALP (Abb. A 16.20). Zur Ausscheidung mit dem Urin wird PALP zu Pyridoxinsäure oxidiert.
A-16.20
Synthese des Pyridoxalphosphats
A-16.20
CHO HO
CHO HO
CH2OH ATP
H3C
+
N H
Pyridoxal
ADP
Pyridoxalphosphat PALP
H3C
CH2
O
P
+
N H
Durch die ATP-abhängige Pyridoxal-Kinase wird Pyridoxal in Pyridoxalphosphat umgewandelt.
290
A
Funktion
Funktion
▶ Merke.
▶ Merke. PALP ist das wichtigste Coenzym vieler Enzyme im Aminosäurestoffwechsel. Es katalysiert vor allem Transaminierungen und Decarboxylierungen. Transaminierung: Übertragung einer Aminogruppe von einer Aminosäure auf eine α-Ketosäure (S. 146). Decarboxylierung: Bildung biogener Amine aus Aminosäuren durch Abspaltung von CO2 (S. 157). Weitere Enzyme, die PALP als Coenzym benötigen: Glykogen-Phosphorylase (Glykogenabbau, S. 88) δ-Aminolävulinsäure-Synthase (Hämbiosynthese, S. 739) Lysyl-Oxidase (Kollagenbiosynthese, S. 389) Chinolat-Phosphoribosyltransferase (Niacinbiosynthese, S. 287)
PALP katalysiert Transaminierungen und Decarboxylierungen. Es ist außerdem Coenzym der Glykogen-Phosphorylase, δ-Aminolävulinsäure-Synthase, Lysyl-Oxidase und Chinolat-Phosphoribosyl-transferase.
Mechanismus der PALP-abhängigen Reaktionen
Mechanismus der PALP-abhängigen Reaktionen PALP bildet mit seiner Aldehydgruppe und der Aminogruppe der Aminosäure eine Schiff-Base. Die starke Elektronegativität des Stickstoffs im Pyridinring des PALP bewirkt Elektronenverschiebungen innerhalb des Enzym-Substrat-Komplexes. Dies wiederum führt zur Destabilisierung einzelner Bindungen am α-C-Atom der Aminosäure. Welche der Bindungen destabilisiert wird, hängt vom Enzym ab. Transaminasen schwächen die Bindung zur Aminogruppe, Decarboxylasen die Bindung zur Carboxylgruppe, sodass die jeweilige Gruppe leicht abgespalten werden kann (Abb. A 16.21). Bei einer Transaminierung (unten in Abb. A 16.21) entsteht am Ende Pyridoxaminphosphat (PAMP), das dann mit einer α-Ketosäure eine Schiff-Base bilden kann und durch eine Umkehrung der Reaktion seine Aminogruppe an die Ketosäure abgibt. PAMP wird dabei zu PALP regeneriert und aus der α-Ketosäure entsteht die dazugehörige Aminosäure.
PALP bildet mit der Aminosäure eine SchiffBase. Die starke Elektronegativität des Stickstoffs im Pyridinring des PALP bewirkt Elektronenverschiebungen, die zur Abspaltung der Carboxylgruppe (Decarboxylierung) oder Aminogruppe (Transaminierung) führen (Abb. A 16.21). Bei Transaminierungen entsteht PAMP, das durch die Umkehrung der Reaktion seine Aminogruppe an eine Ketosäure abgibt und wieder zu PALP regeneriert wird.
Der Reaktionsmechanismus PALP-abhängiger Reaktionen
A-16.21
H H –OOC
16 Vitamine
C
α
Decarboxylierung
R
C
H+
R
H
CH
N
N
CH
CH CH2
HO
O
P
R
H2O
H2N
CH2 H
CH2
HO
O
C
R O
CH2
HO
P
biogenes Amin
O
P
N CO2
CH HO H3C
CH2
O
P
+
N H
Schiff-Base zwischen PALP und Aminosäure
H3C
H+
–OOC
+
N H
C
H3C
H+
R
–
OOC
N Transaminierung
H3C
C
H2O
R
–
OOC
O
P
N H
HO H3C
+
C
R
PALP
α-Ketosäure
CH2 CH2
N H
N H
O NH2
CH2 CH2
+
H3C
N
CH HO
+
N H
O
P
HO H3C
CH2
O
P
+
N H
PAMP
Die Aldehydgruppe des PALP bildet mit der α-Aminogruppe der Aminosäure eine Schiff-Base. Durch Elektronenverschiebungen kommt es zur Destabilisierung von Bindungen am α-C-Atom der Aminosäure. Je nach Enzym kommt es dann zur Abspaltung der Aminogruppe oder der Carboxylgruppe. Weitere Erklärung siehe Text.
Vitaminosen
Vitaminosen
Hypovitaminose
Hypovitaminose
Vitamin-B6-Mangel ist selten. Symptome sind: Wachstumsstörungen Dermatitis, Glottitis Infektanfälligkeit
Vitamin-B6-Hypovitaminosen sind selten, da dieses Vitamin in allen Grundnahrungsmitteln enthalten ist. Die Symptome eines Vitamin-B6-Mangels sind unspezifisch, da PALP an vielen Reaktionen beteiligt ist: Wachstumsstörungen, Dermatitis, Glottitis und Infektanfälligkeit. Außerdem kann eine Anämie auftreten, da PALP an
A
291
16.3 Wasserlösliche Vitamine
der Hämbiosynthese beteiligt ist. Auch der Glutamatstoffwechsel ist bei Vitamin-B6Mangel beeinträchtigt. Es kann kein GABA (Neurotransmitter) mehr gebildet werden und es kommt zu zentralnervösen Störungen.
Anämie zentralnervöse Störungen
Hypervitaminose
Hypervitaminose
Hypervitaminosen sind bei Vitamin B6 als wasserlöslichem Vitamin nicht bekannt.
Unbekannt.
16.3.5 Pantothensäure
16.3.5 Pantothensäure
Pantothensäure gehört ebenfalls zur Gruppe der B-Vitamine. Sie ist Bestandteil des Coenzym A und des Acyl-Carrier-Proteins der Fettsäure-Synthase (S. 228). Pantothensäure kommt in fast allen tierischen und pflanzlichen Nahrungsmitteln vor. Besonders reich an Pantothensäure sind Nieren, Leber, Eigelb und Hefe. Außerdem wird Pantothensäure von Darmbakterien gebildet.
Pantothensäure ist Bestandteil des Coenzym A und des Acyl-Carrier-Proteins. Sie kommt in Nieren, Leber, Eigelb und Hefe in besonders hoher Konzentration vor.
Struktur und Stoffwechsel
Struktur und Stoffwechsel
Pantothensäure besteht aus β-Alanin und 2,4-Dihydroxy-3,3-dimethylbutyrat (Pantoinsäure) (Abb. A 16.22). Die Aufnahme mit der Nahrung erfolgt entweder in Form von Coenzym A oder eingebaut in die Fettsäure-Synthase. Im Darm werden diese Moleküle zerlegt und die Pantothensäure von den Darmzellen aufgenommen. In der Zelle wird Pantothensäure in die aktive Form Coenzym A umgewandelt: Zuerst wird sie mit ATP zum Pantothensäurephosphat aktiviert und dann mit Cystein zum Pantetheinphosphat gekoppelt. Nach Abspaltung eines CO2 und Kopplung mit einem zusätzlich 3’-phosphorylierten ATP entsteht Coenzym A (Abb. A 16.23).
Pantothensäure besteht aus β-Alanin und 2,4-Dihydroxy-3,3-dimethylbutyrat (Pantoinsäure) (Abb. A 16.22). Sie wird im Darm resorbiert und im Gewebe mit Cystein und ATP zu Coenzym A (Abb. A 16.23) umgewandelt.
A-16.22
Struktur der Pantothensäure
Pantoinsäure
HO
CH2
A-16.22
CH3
O
C
C
CH
H3C OH
N H
CH2
β-Alanin
COO–
CH2
Pantothensäure besteht aus Pantoinsäure (2,4-Dihydroxy-3,3-dimethylbutyrat) und β-Alanin.
A-16.23
Struktur von Coenzym A
A-16.23
NH2 N
N O HS
CH2
CH2
Cysteamin
N C H
O CH2
CH2
β-Alanin
N C H
CH
CH3
O–
C
P
CH2 O
OH CH3 Pantoinsäure
O
O
P
O CH2
O
O
O Pantothensäure
N
N
O–
O P
Pantethein
OH O–
OH
Coenzym A entsteht durch Kopplung von Pantothensäure mit Cystein und ATP.
Funktion
▶ Merke.
Funktion des Coenzym A ist die Aktivierung von Carbonsäuren (Abb. A 16.24). Die SH-Gruppe des Coenzym A, die ursprünglich aus dem Cystein stammt, bildet mit der Carboxylgruppe der Säure eine energiereiche Thioesterbindung, deren Energie etwa so groß ist wie die der Phosphorsäureanhydridbindung der γ-Phosphatgruppe des ATP.
Funktion
▶ Merke.
292
A
16 Vitamine
A-16.24
Die Aktivierung von Carbonsäuren durch Coenzym A
A-16.24
H2O
O
O R
CH2
+ H+
C
+
HS
CoA
R
O–
Carbonsäure
Coenzym-A
CH2
C
SCoA
aktivierte Carbonsäure
Die Funktion des Coenzym A ist die Aktivierung von Carbonsäuren (Abb. A 16.24). Seine wichtigsten Substrate sind Acetyl-CoA, Succinyl-CoA und Acyl-CoA.
Die wichtigsten Coenzym-A-aktivierten Substrate sind Acetyl-CoA, das wichtigste Substrat des Intermediärstoffwechsels. Bei ihm enden und beginnen zahlreiche Stoffwechselwege, sodass es als zentrales Molekül diese Stoffwechselwege miteinander verbindet. Succinyl-CoA, ein Intermediat des Citratzyklus, das als Ausgangssubstrat der Hämbiosynthese dient (S. 739). Acyl-CoA-aktivierte Fettsäuren dienen als Substrat bei der TAG-Synthese (S. 239).
Vitaminosen
Vitaminosen
Hypovitaminose
Hypovitaminose
Pantothensäuremangel ist sehr selten. Symptome sind: Wachstumsstillstand Polyneuropathie
Ein Pantothensäuremangel ist sehr selten, da dieses Vitamin ubiquitär in der Nahrung vorkommt. Kommt es doch einmal zu einem Mangel, sind davon vor allem Fettstoffwechsel, Proteinbiosynthese und Nervensystem betroffen (Acetyl-CoA ist Ausgangsprodukt der Acetylcholinbiosynthese). Symptome sind u. a. Wachstumsstillstand und Polyneuropathie.
Hypervitaminose
Hypervitaminose
Unbekannt.
Hypervitaminosen kommen bei Pantothensäure wie bei allen wasserlöslichen Vitaminen nicht vor.
16.3.6 Folsäure
16.3.6 Folsäure
Folsäure wird nur von Pflanzen und Mikroorganismen synthetisiert. Sie kommt hauptsächlich in Spinat und Salat, Spargel, Getreide und Hefe vor.
Folsäure gehört ebenfalls zur Gruppe der B-Vitamine (manchmal als Vitamin B9 bezeichnet). Sie kann nur von Mikroorganismen und Pflanzen synthetisiert werden. Besonders reiche Quellen sind deshalb auch Blattgemüse wie Spinat und Salat (daher kommt auch der Name, „folium“ = das Blatt), Spargel, Getreide und Hefe. Fleisch, Fisch und Obst enthalten nur wenig Folsäure. Die Folsäure ist Coenzym für Reaktionen, bei denen C1-Gruppen übertragen werden.
Sie ist Coenzym für C1-Gruppen-Übertragungen. Struktur und Stoffwechsel
Struktur und Stoffwechsel
Folsäure besteht aus einem Pteridinringsystem, p-Aminobenzoesäure und Glutamat (Abb. A 16.25).
Folsäure besteht aus einem Pteridinringsystem, das über p-Aminobenzoesäure mit Glutamat verbunden ist (Abb. A 16.25). Die für die Funktion wichtige Struktur des Moleküls sind die beiden Stickstoffatome N5 und N10.
A-16.25
A-16.25
Struktur der Folsäure
OH N H2N
N
Folsäure wird im Jejunum resorbiert, im Blut an Transportproteine gebunden und über einen Rezeptor in die Zielzellen aufgenommen.
CH2
10
N H
C
N
Pteridinring
COO–
O
5
N
N H
CH CH2 CH2
p-Aminobenzoesäure
COO– Glutamat
Folsäure wird vor allem im oberen Jejunum spezifisch in die Enterozyten aufgenommen. Im Blut erfolgt der Transport an verschiedenen Proteinen. Die Aufnahme in der Peripherie wird durch einen Rezeptor vermittelt, der die Folsäure entlang ihres Konzentrationsgradienten in die Zelle schleust. Die biologisch aktive Form der Folsäure ist die Tetrahydrofolsäure (THF). Die Reduktion der Folsäure erfolgt unter NADPH-Verbrauch in zwei Schritten. Die beiden
A
A-16.26
Reduktion der Folsäure zu Tetrahydrofolsäure OH
Folsäure
CH2 HC
H2N
N
Glutamat
O
5
CH2 HCH
N
10
N H
C
Glutamat
N H NADPH + H+
Dihydrofolsäure-Reduktase
NADP+ OH
H N5
CH CH2 HCH
N H2N
C
N
N
N
Tetrahydrofolsäure
N H
NADP+ OH
H2N
10
NADPH + H+
Folsäure-Reduktase ( +Vitamin C)
Dihydrofolsäure
A-16.26
O
5
N
N
293
16.3 Wasserlösliche Vitamine
N
O 10
N H
C
Glutamat
N H
Die Reduktion der Folsäure erfolgt in zwei Schritten. Die Vitamin-C-abhängige Folsäure (Folat)-Reduktase reduziert Folsäure zu Dihydrofolsäure, die Dihydrofolsäure(Dihydrofolat)Reduktase reduziert die Dihydrofolsäure weiter zur Tetrahydrofolsäure. Bei jeder Reduktion wird ein NADPH verbraucht.
daran beteiligten Enzyme sind die Folsäure(Folat)-Reduktase, die Vitamin-C-abhängig ist, und die Dihydrofolsäure(Dihydrofolat)-Reduktase (Abb. A 16.26).
Folsäure wird in zwei Schritten zu ihrer aktiven Form Tetrahydrofolsäure (THF) reduziert (Abb. A 16.26).
THF spielt eine wichtige Rolle bei der Übertragung von C1-Gruppen. Diese werden am N5- und N10-Atom des Pteridinrings zwischengelagert und dann auf das Akzeptormolekül übertragen. Dabei gibt es verschiedene Zwischenstufen der Folsäure, abhängig von der C1-Gruppe, die übertragen wird (Abb. A 16.27). Diese Zwischenstufen können ineinander umgewandelt werden. N5,N10-Methylen-THF spielt dabei eine zentrale Rolle. Sie entsteht durch die Übertragung einer Hydroxymethylgruppe aus Serin auf THF mit anschließender Wasserabspaltung (vgl. Abb. A 16.29).
Bei der Übertragung der C1-Gruppe wird diese am N5- oder am N10-Atom der THF zwischengelagert. Dabei entstehen verschiedene Formen der THF, die ineinander umgewandelt werden können (Abb. A 16.27). So entsteht N5,N10-Methylen-THF durch Übertragung einer CH2OH-Gruppe von Serin auf THF (vgl. Abb. A 16.29).
Funktion
Funktion
▶ Merke.
Folsäure ist das Coenzym für die Übertragung von folgenden C1-Grup-
▶ Merke.
pen: Methylgruppen (-CH3) Formylgruppen (-CHO) Formiminogruppen (-CH ═ NH) Hydroxymethylgruppen (-CH2OH) Die Träger der C1-Gruppen sind das N5- und das N10-Atom des Pteridinringsystems (Abb. A 16.27). Die einzige C1-Gruppe, die nicht von THF übertragen wird, ist die Carboxylgruppe (-COOH). Sie wird von Biotin übertragen (S. 300).
Die C1-Gruppen stammen aus verschiedenen Reaktionen im Stoffwechsel (s. u.).
Die einzelnen Reaktionen
Die einzelnen Reaktionen
Methylierung von Homocystein zu Methionin: Homocystein entsteht bei der Übertragung von Methylgruppen durch S-Adenosylmethionin (S. 158). Durch Aufnahme einer Methylgruppe kann es wieder in Methionin umgewandelt werden. Die Methylgruppe dazu liefert N5-Methyl-THF (Abb. A 16.28). Cofaktor der Methionin-Synthase ist Vitamin B12.
Bei der Methylierung von Homocystein zu Methionin werden N5-Methyl-THF und Vitamin B12 benötigt (Abb. A 16.28).
294
A
16 Vitamine
A-16.27
Die verschiedenen Folsäurederivate und ihre Umwandlung ineinander
A-16.27
OH CH2 N5
CH3 N5
10
CH
CH2
N H
10
CH
N5-Hydroxymethyl-THF
CH2
N H
N5-Methyl-THF NAD+ CH2
NADH + H+
5
N
H2O NADP+
CH
CH2
10
N
N5, N10-Methylen-THF NADPH + H+
5
N
CH
HN
NH3
CH CH2
N
CH N5
10
N5, N10-Methenyl-THF
10
CH
CH2
N H
N5-Formimino-THF
H+
H2O
H2O
H+ H5 N
C CH
CH2
10
N
O
O
C
H
N5
H CH
N10-Formyl-THF
A-16.28
A-16.28 – +
O
H3 N
C
O
CH CH2
NH3 10
CH2
N H
N5-Formyl-THF
Remethylierung von Homocystein zu Methionin CH3 N
5
CH
CH2
10
N H
H5 N
–O
CH
CH2
10
N H
+
H3N
SH
O
CH CH2 CH2
CH2 Homocystein
C
S
Methionin-Synthase (+ Vitamin B12) Methionin
CH3
Die Methionin-Synthase überträgt eine Methylgruppe von N5-Methyl-THF auf Homocystein. Als weiterer Cofaktor dient Methylcobalamin (Vitamin B12).
Bei der Umwandlung von Serin in Glycin bzw. umgekehrt entsteht N5-Hydroxymethyl-THF als Zwischenstufe bei der Katalyse (Abb. A 16.29).
Umwandlung von Serin in Glycin bzw. von Glycin in Serin: Die Umwandlung der Aminosäuren erfolgt durch Übertragung und Akzeptanz von Hydroxymethylgruppen mithilfe der N5-Hydroxymethyl-THF. Die N5-Hydroxymethyl-THF entsteht durch Wasseranlagerung aus N5, N10-Methylen-THF (Abb. A 16.29).
Im Histidinstoffwechsel wird aus THF N5Formimino-THF (Abb. A 16.30).
Histidinstoffwechsel: Beim Abbau von Histidin entsteht Formiminoglutamat, das mithilfe von THF in Glutamat umgewandelt wird. Dabei entsteht N5-FormiminoTHF (Abb. A 16.30).
Bei der Purinsynthese dient N10-Formyl-THF als C1-Gruppen-Donor.
Purinsynthese: Bei der Synthese von Adenin und Guanin werden die Kohlenstoffatome C2 und C8 des Purinrings über N10-Formyl-THF eingeführt (S. 407).
Bei der Pyrimidinsynthese dient N5,N10-Methylen-THF als C1-Gruppen-Donor (Abb. A 16.31). Bei Prokaryonten ist N-FormylmethionintRNA die Starter t-RNA bei der Translation.
Pyrimidinsynthese: Bei der Synthese von dTMP aus dUMP liefert N5,N10-MethylenTHF die Methylgruppe am Pyrimidinrig (Abb. A 16.31 und S. 415). Synthese von N-Formylmethionin-tRNA: Bei Prokaryonten startet die Proteinbiosynthese nicht wie bei Eukaryonten mit Methionin-tRNA als erster Aminosäure-tRNA,
A
H5 N
CH
Glycin OH
OH
CH2
H5 N COO–
CH2
CH H
N5-Hydroxymethyl-THF
CH
CH
10
N H
10
CH2
N H
COO– +H N 3
THF
CH CH2
Formiminoglutamat
CH2
N5
N -Formimino-THF CH2
Formiminoglutamat entsteht beim Abbau von Histidin. Es überträgt seine Formiminogruppe auf THF und reagiert dabei zu Glutamat. Die THF wird zu N5Formimino-THF.
CH2
5
CH
CH CH2
Glutamat
HN CH
COO–
A-16.31
+H N 3
Das Serin überträgt seine Hydroxymethylgruppe auf THF und wird dabei zu Glycin. Die Reaktion ist reversibel, sodass die N5-Hydroxymethyl-THF die Hydroxymethylgruppe wieder auf Glycin übertragen kann und dabei Serin entsteht.
Die Umwandlung von Formiminoglutamat in Glutamat
A-16.30
NH
COO–
Serin
CH2
HN
N H
THF
N5
HC
10
CH2
CH
COO– 3N
295
Umwandlung von Serin in Glycin und umgekehrt
A-16.29
+H
16.3 Wasserlösliche Vitamine
COO–
10
N H
Reaktion von dUMP zu dTMP O
Bei der Reaktion von dUMP reagiert N5, N10-Methylen-THF zu Dihydrofolsäure, indem es eine Methylgruppe an dUMP abgibt. Dabei entsteht dTMP. Die Dihydrofolsäure wird durch die Dihydrofolsäure-Reduktase zu THF reduziert und dann mithilfe von Serin über N5-Hydroxymethyl-THF wieder zu N5,N10-Methylen-THF regeneriert (vgl. auch Abb. A 16.29).
HN O
O– –
O
P
O
CH2
O
N O
CH2
dUMP N
HO
CH
H 2O
CH2
Glycin
N Serin
H N5, N10-Methylen-THF
H N
CH
CH2 THF
N O
O
–
O
P
O
CH2
O HO
dTMP
H
N H
Dihydrofolsäure
N O
CH2
NADP+
CH3
HN O–
C
NADPH + H+
N H
296
A
Die Formylgruppe stammt von N10-FormylTHF.
sondern mit N-Formylmethionin-tRNA. Die Formylgruppe zur Synthese des N-Formylmethionins aus Methionin stammt aus N10-Formyl-THF.
Im Lipidstoffwechsel entsteht bei der Synthese von Phosphatidylcholin Homocystein. Dieses wird mithilfe von N5-Methyl-THF zu Methionin regeneriert.
Lipidstoffwechsel: Phosphatidylcholin kann durch dreifache Methylierung aus Ethanolamin entstehen (S. 335). Die Methylgruppen stammen von S-Adenosylmethionin, das nach Abspaltung der Methylgruppe in Adenosin und Homocystein zerfällt. Homocystein kann mithilfe von N5-Methyl-THF wieder zu Methionin regenerieren (s. o.).
▶
Klinik.
16 Vitamine
▶
Klinik. Da Bakterien Folsäure selbst synthetisieren, können Substanzen, die die
Folsäuresynthese hemmen, zur antibiotischen Therapie eingesetzt werden. Sulfonamide (wie z. B. Sulfanilamid) sind p-Aminobenzoesäure-Analoga (Abb. A 16.32), die die Folsäuresynthese hemmen, indem sie anstelle von p-Aminobenzoesäure in Folsäure eingebaut werden. Das dabei entstehende Produkt ist nicht funktionell. So genannte Folsäureantagonisten werden zur zytostatischen Therapie eingesetzt. Zu diesen gehören z. B. Dihydrofolat-Reduktase-Hemmer wie Amethopterin = Methotrexat (Abb. A 16.32). Sie hemmen die Dihydrofolat-Reduktase kompetitiv und blockieren so die Purin- und Pyrimidinsynthese. Die DNA kann nicht mehr repliziert werden, und die Zellteilung kommt zum Erliegen.
A-16.32
A-16.32
Substanzen, die in den Folsäurestoffwechsel eingreifen OH
H2 N
N
N
COOH H2N
N
O CH2
N H Folsäure
CH3 SO2
Sulfanilamid a
Glutamat
N
p-Aminobenzoesäure
H2N
C
NH2
N
N H2N b
N
N
CH2
CH3
O
N
C
Glutamat
4-Amino-N10-methylfolsäure (Amethopterin, Methotrexat)
a Sulfanilamid ist ein Analoges der p-Aminobenzolsäure. b 4-Amino-N10-methylfolsäure ist ein Analoges der Folsäure. Beide Substanzen hemmen den Folsäurestoffwechsel.
Vitaminosen
Vitaminosen
Hypovitaminose
Hypovitaminose
Folsäuremangel äußert sich in einer megaloblastären Anämie. Die Erythrozyten-Vorstufen im Knochenmark und die Erythrozyten im peripheren Blut sind stark vergrößert (Abb. A 16.33).
Folsäure ist ein wichtiges Coenzym bei der Purin- und Pyrimidinsynthese. Es spielt also eine Rolle beim Zellwachstum. Bei einem Folsäuremangel sind demnach zuerst Gewebe mit einer hohen Mitoserate betroffen. Dazu gehören die Zellen des blutbildenden Systems im Knochenmark. Ein Mangel an Folsäure äußert sich in einer megaloblastären Anämie, d. h. die Erythrozyten-Vorstufen im Knochenmark und die Erythrozyten im peripheren Blut sind stark vergrößert (Abb. A 16.33). Bei länger andauerndem Folsäuremangel ist aber auch der Phospholipid- und der Aminosäurestoffwechsel beeinträchtigt.
▶
Klinik.
▶ Klinik. Auch ein Vitamin-B12-Mangel (s. u.) äußert sich in einer megaloblastären Anämie. Dieser kann aber nur durch Gabe von Vitamin B12 (Cobalamin) behoben werden, nicht durch Gabe von Folsäure. Deshalb muss bei einer megaloblastären Anämie immer sowohl der Folsäure- als auch der Cobalaminspiegel im Blut bestimmt werden. Einen reinen Folsäuremangel kann man durch den Histidinbelastungstest nachweisen. Dabei wird eine gesteigerte Formiminoglutamat-Ausscheidung im Urin gemessen, die eine direkte Folge des Folsäuremangels ist.
A
A-16.33
297
16.3 Wasserlösliche Vitamine
Knochenmarkbefund bei Folsäuremangel
A-16.33
Zahlreiche vergrößerte Erythrozyten-Vorstufen mit großen, aufgrund des hohen RNA-Gehalts stark basophilen Zellkernen (aus THIEMEs Innere Medizin – TIM, Thieme, 1999).
Hypervitaminose
Hypervitaminose
Erkrankungen durch einen Folsäureüberschuss sind wie bei allen wasserlöslichen Vitaminen nicht bekannt.
Unbekannt.
16.3.7 Cobalamin – Vitamin B12
16.3.7 Cobalamin – Vitamin B12
Cobalamin kann weder von Pflanzen noch von Tieren synthetisiert werden. Nur Mikroorganismen sind in der Lage, dieses Vitamin zu bilden. Deshalb kommt Cobalamin auch nur in tierischen Nahrungsmitteln vor, da die Darmflora der Tiere das Cobalamin bilden kann. Besonders reich an Vitamin B12 sind Leber, Eier und Milchprodukte. Cobalamin hat eine wichtige Funktion bei der Remethylierung von Homocystein zu Methionin und bei der Umlagerung von Alkylresten.
Cobalamin kommt nur in tierischen Nahrungsmitteln vor, besonders in Leber, Eiern und Milchprodukten. Es hat eine wichtige Funktion bei der Remethylierung von Homocystein und bei der Umlagerung von Alkylresten.
Struktur
Struktur
Das Cobalamin ist die einzige natürlich vorkommende Substanz, in der Cobalt enthalten ist. Daher kommt auch sein Name. Das Cobalt-Ion sitzt im Zentrum eines Tetrapyrrolringsystems. Im Gegensatz zum Tetrapyrrolringsystem in der Hämgruppe (S. 739) sind beim Cobalamin zwei der vier Pyrrolringe direkt miteinander verbunden (Corrin, Abb. A 16.34). Das Cobalt-Ion hat sechs freie Valenzen. Vier davon binden die vier Stickstoffatome des Tetrapyrrolsystems, die fünfte trägt ein 5,6Dimethylbenzimidazolribosid. Die letzte Bindungsstelle kann mit verschiedenen Liganden besetzt sein: 5’-Desoxyadenosylcobalamin trägt ein 5-Desoxyadenosin als Liganden. Methylcobalamin hat eine Methylgruppe als Rest. Cyanocobalamin hat einen Cyanidrest gebunden (in dieser Form kommt Cobalamin in der Natur allerdings nicht vor).
Cobalamin besteht aus einem Tetrapyrrolringsystem (Corrin) mit einem zentralen Cobalt-Ion (Abb. A 16.34). Vier der freien Bindungen des Co2+ sind mit den Stickstoffatomen des Corrins verbunden, die fünfte trägt ein 5,6-Dimethylbenzimidazolribosid. Die sechste Bindungsstelle kann verschiedene Liganden tragen: 5’-Desoxyadenosin (5-Desoxyadenosylcobalamin) Methylgruppe (Methylcobalamin) Cyanidrest (Cyanocobalamin)
Aufnahme und Resorption
Aufnahme und Resorption
Cobalamin gelangt proteingebunden in den Körper. Im Magen und im Darm wird es vom Protein abgespalten. In dieser Form wird es auch als Extrinsic Factor bezeichnet. Um resorbiert werden zu können, muss es an den sog. Intrinsic Factor, ein kleines Glykoprotein, das von den Belegzellen des Magens gebildet wird, gebunden werden. Nur im Komplex mit dem Intrinsic Factor kann das Cobalamin resorbiert werden. Die Resorption geschieht im unteren Ileum. Dort sitzt in der Zellmembran der Mukosazellen ein Rezeptor, über den der Komplex aus Cobalamin und Intrinsic Factor endozytotisch aufgenommen wird (rezeptorvermittelte Endozytose, S. 352). In den Lysosomen der Mukosazellen wird Cobalamin dann vom Intrinsic Factor getrennt. Das freie Cobalamin wird zum Transport im Blut an Transcobalamin II gebunden. Der Komplex aus Cobalamin und Transcobalamin II kann von allen Zellen im Körper über rezeptorvermittelte Endozytose aufgenommen werden. Die Umwandlung des Cobalamins in Methylcobalamin erfolgt im Zytosol, da hier die Remethylierung des Homocysteins zu Methionin stattfindet. 5’-Desoxyadenosylcobalamin wird im Mitochondrium gebildet, denn dort wird es als Coenzym für die Umlagerung von Alkylresten benötigt.
Cobalamin wird im unteren Ileum mithilfe des Intrinsic Factor, der von den Belegzellen des Magens gebildet wird, resorbiert. Die Resorption erfolgt über rezeptorvermittelte Endozytose.
Nach Trennung des Cobalamins vom Intrinsic Factor wird dieses an Transcobalamin II im Blut transportiert. Der Cobalamin-Transcobalamin-II-Komplex wird ebenfalls durch rezeptorvermittelte Endozytose in die Zellen der Peripherie aufgenommen.
Im Zytosol wird Methylcobalamin gebildet, im Mitochondrium 5’-Desoxyadenosylcobalamin.
298 A-16.34
A
16 Vitamine
A-16.34
Struktur des Cobalamins CH2OH O
H3C
H
O
H H
5,6-Dimethylbenzimidazolribosid H
P O O – O HO CH
N
CH3
CH2
N
CH3
HN C
O
H2C
O H3C
H2C
H
CH2
CH2
NH2
C H H2N
CH2 C
N
C
C N
CH3
CH2 O
N
N
H
R
H2N
▶ Merke.
H
CH2
C NH2
C CH3
CH2
CH2 C
H2N
C
O CH2
H3C
CH2
Corrin
CH3
Co2+
O CH3
H2N
CH3
H3C H
C
O
O
▶ Merke. Cobalamin wird im unteren Ileum resorbiert. Die Resorption erfolgt im Komplex mit dem Intrinsic Factor über rezeptorvermittelte Endozytose.
Funktion
Funktion
Nur 5’-Desoxyadenosylcobalamin und Methylcobalamin sind biologisch aktiv. Cyanocobalamin wird zur Vitamin-B12-Supplementierung verwendet.
Nur die beiden Vitamin-B12-Formen 5’-Desoxyadenosylcobalamin und Methylcobalamin sind biologisch aktiv. Das Cyanocobalamin wird therapeutisch zur VitaminB12-Supplementierung verabreicht. Allerdings ist dabei der Cyanidrest, der weder im Tier- noch im Pflanzenreich natürlicherweise vorkommt, toxikologisch bedenklich, denn der Organismus muss sich dieses Giftes entledigen.
Remethylierung
Remethylierung
Homocystein wird durch die MethioninSynthase zu Methionin remethyliert (Abb. A 16.28 auf S. 294). Sie benötigt dazu Methylcobalamin und N5-Methyl-Tetrahydrofolsäure.
Die Methionin-Synthase wandelt Homocystein in Methionin um (Abb. A 16.28 auf S. 294). Sie benötigt Methylcobalamin als Cofaktor. Die Methylgruppe für die Methylierung des Homocysteins wird von N5-Methyl-Tetrahydrofolsäure geliefert. Diese wird dabei wieder zur biologisch aktiven Tetrahydrofolsäure regeneriert (S. 293).
▶ Merke.
▶ Merke.
Bei der Remethylierung von Homocystein arbeitet Cobalamin eng mit dem Vitamin Folsäure zusammen.
Alkylumlagerung
Alkylumlagerung
5’-Desoxyadenosylcobalamin ist Cofaktor bei Alkylumlagerungen (Abb. A 16.35). Der Mechanismus läuft über die Bildung eines -CH·-Radikals.
5’-Desoxyadenosylcobalamin ist Cofaktor bei Alkylumlagerungen, wie z. B. bei der β-Oxidation ungeradzahliger Fettsäuren. Dort wird L-Methylmalonyl-CoA durch die Methylmalonyl-CoA-Mutase cobalaminabhängig in Succinyl-CoA umgelagert (Abb. A 16.35). Der Mechanismus der Umlagerung läuft über eine -CH·-Radikalbildung, die durch die starke Elektronegativität des Cobaltatoms begünstigt wird.
Vitaminosen
Vitaminosen
Hypovitaminose
Hypovitaminose
Vitamin-B12-Mangel ist entweder resorptionsbedingt oder entsteht durch einen erhöhten Cobalaminverbrauch, da dieses Vitamin in fast allen tierischen Nahrungsmitteln
Vitamin-B12-Mangel ist entweder resorptionsbedingt (fehlender Intrinsic Factor bei chronisch atrophischer Gastritis, Entzündung des Ileums) oder entsteht durch einen erhöhten Cobalaminverbrauch. Ein ernährungsbedingter Mangel ist selten, da die-
A
A-16.35
Umlagerung von Methylmalonyl-CoA in Succinyl-CoA O
H
299
16.3 Wasserlösliche Vitamine
H
R
H
C
C
C
C
H
R
H
H
H
SCoA
H
C
C
C
H
C
O
OO C
H
–O O L-Methylb Malonyl-CoA
a
–
H
O
SCoA C
C
C
H
H
O C
H
Succinyl-CoA
H3C
c
SCoA
C
CH
CH2
COO–
CH2
L-MethylMalonyl-CoA
SCoA
COO– Succinyl-CoA
a Schematische Darstellung der cobalaminabhängigen intramolekularen Alkylumlagerung b Umlagerung von L-Methylmalonyl-CoA zu Succinyl-CoA durch die Methylmalonyl-CoA-Mutase c Reaktion b in übersichtlicherer (gewohnter) Schreibweise.
ses Vitamin in praktisch allen tierischen Nahrungsprodukten einschließlich Eiern und Milch vorkommt. Ein Mangel an Vitamin B12 aufgrund unzureichender Zufuhr tritt meist erst nach 1 – 2 Jahren auf, denn eine gesunde Leber ist in der Lage, etwa die tausendfache Menge des täglichen Bedarfs an Vitamin B12 zu speichern. Ein Vitamin-B12-Mangel äußert sich in einer megaloblastären Anämie. Sie entsteht, weil bei Mangel an Methylcobalamin die Regeneration von Tetrahydrofolsäure gestört und dadurch die Synthese der Purine und Pyrimidine beeinträchtigt ist. Deshalb kommt es insbesondere bei schnell proliferierenden Zellen wie den Blutzellen zu verzögerter Reifung und dadurch zur Größenzunahme der Zellen. Die Reifungsstörung betrifft bei der Vitamin-B12-Mangelanämie, der sog. perniziösen Anämie, nicht nur Erythrozyten, sondern auch Granulo- und Thrombozyten (Abb. A 16.36). Auch die Epithelzellen des Verdauungstraktes proliferieren schnell, weshalb atrophische Schleimhautveränderungen (Zungenbrennen bei der sog. Hunter-Glossitis) auftreten. Vitamin-B12-Mangel kann zum Zerfall der Markscheiden von Hinter- und Seitensträngen des Rückenmarks führen. Dies äußert sich in Sensibilitätsstörungen der distalen Extremitätenabschnitte und Reflexabschwächung bei spastischer Lähmung der Beine. Die neurologischen Symptome des Vitamin-B12-Mangels werden als funikuläre Myelose zusammengefasst.
A-16.36
Blutausstrich bei perniziöser Anämie (a) und zum Vergleich beim Gesunden (b)
a
vorhanden ist. Außerdem kann die Leber eine erhebliche Menge Cobalamin speichern. Cobalaminmangel führt zu perniziöser Anämie (Abb. A 16.36) und funikulärer Myelose.
A-16.36
b
a Blutausstrich bei perniziöser Anämie: Typische große ovaläre Erythrozyten und ein übersegmentierter neutrophiler Granulozyt. b Normales rotes Blutbild. (aus Siegenthalers Differenzialdiagnose, Thieme, 2005)
Hypervitaminose
Hypervitaminose
Eine Vitamin-B12-Hypervitaminose ist wie bei allen wasserlöslichen Vitaminen nicht bekannt.
Unbekannt.
300
A
16.3.8 Biotin
16.3.8 Biotin
Für Biotin gibt es tierische und pflanzliche Quellen, zudem wird es von der Darmflora produziert. Es ist das Coenzym bei Carboxylierungsreaktionen.
Biotin (früher Vitamin H) wird von der Darmflora des Menschen produziert. Es kommt außerdem in Leber, Nüssen, Sojabohnen, Eigelb und in Schokolade vor. Es ist das Coenzym bei Carboxylierungsreaktionen.
Struktur und Stoffwechsel
Struktur und Stoffwechsel
Biotin ist ein Harnstoffderivat. Es ist über die ε-Aminogruppe eines Lysinrests kovalent an sein Enzym gebunden (Biotinyllysin, Abb. A 16.37).
Biotin ist ein Derivat des Harnstoffs. Es ist als prosthetische Gruppe kovalent an sein Enzym gebunden. Die Bindung erfolgt dabei über die ε-Aminogruppe eines Lysinrests der Peptidkette (Biotinyllysin, Abb. A 16.37).
16 Vitamine
A-16.37
A-16.37
Struktur von Biotinyllysin
O HN
NH H N S
Lys
Enzym
C O
Funktion
▶ Merke. Biotin nimmt einen Carboxylrest auf (→ Carboxy-Biotin) und überträgt ihn auf das Substrat (Abb. A 16.38).
Funktion
▶ Merke. Biotin ist der Cofaktor für alle Carboxylierungsreaktionen, die nicht Vitamin-K-abhängig sind. Unter ATP-Verbrauch nimmt Biotin an seinem N1-Atom einen Carboxylrest auf und wird dabei zum Carboxy-Biotin. Das Carboxy-Biotin überträgt den Carboxylrest dann auf das jeweilige Substrat (Abb. A 16.38).
A-16.38
A-16.38
Funktion des Biotins O HN
NH
Biotin H N
S
O R
R
CH2
Lys
Enzym
C
C
O
ATP + HCO3–
O–
CH3
ADP + Pi
O O C
N
NH
–O
H N S Carboxy-Biotin
Lys
Enzym
C O
An seinem N1-Atom nimmt Biotin unter ATP-Verbrauch einen Carboxylrest auf und überträgt diesen auf das Substrat seines Enzym.
Die wichtigsten biotinabhängigen Enzyme im Intermediärstoffwechsel sind: Acetyl-CoA-Carboxylase Pyruvat-Carboxylase Propionyl-CoA-Carboxylase
Die wichtigsten biotinabhängigen Enzyme im Intermediärstoffwechsel sind: Acetyl-CoA-Carboxylase: In der ersten Reaktion der Fettsäurebiosynthese wird Acetyl-CoA durch Carboxylierung zu Malonyl-CoA aktiviert (S. 227). Pyruvat-Carboxylase: Im ersten Schritt der Gluconeogenese wird Pyruvat zu Oxalacetat carboxyliert (S. 214). Diese Reaktion dient auch als anaplerotische Reaktion zur Auffüllung des Citratzyklus mit Oxalacetat. Propionyl-CoA-Carboxylase: Beim Abbau ungeradzahliger Fettsäuren bleibt Propionyl-CoA übrig, das zu Malonyl-CoA carboxyliert und dann in Succinyl-CoA umgewandelt und so in den Citratzyklus eingeschleust wird (S. 127).
A
301
16.3 Wasserlösliche Vitamine
Vitaminosen
Vitaminosen
Hypovitaminose
Hypovitaminose
Da Biotin von der Darmflora synthetisiert wird, kommt es nur dann zu Mangelerscheinungen, wenn die Darmflora durch eine lang anhaltende Antibiotikatherapie zerstört wird. Auch beim Verzehr von übermäßig viel rohem Eiweiß kann es zu Biotinmangel kommen, da Eiweiß Avidin enthält, das Biotin bindet und somit an der Resorption hindert. Mangelerscheinungen können sich in schuppigen Hautveränderungen, Depressionen, Muskelschmerzen und Hyperästhesie äußern.
Sie tritt bei Zerstörung der Darmflora auf und bei Verzehr von zuviel rohem Eiweiß (Avidin bindet Biotin und verhindert die Resorption). Symptome sind Dermatitis, Depression, Muskelschmerzen und Hyperästhesie.
▶
Klinik. Beim Abbau der biotinhaltigen Carboxylasen bleibt als Endprodukt Bio-
▶
Klinik.
tinyllysin (Biocytin) übrig. Aus dem Biocytin wird das Biotin durch eine Biotinidase freigesetzt und so dem Körper zurückgewonnen, da es ansonsten über die Nieren ausgeschieden würde. Fehlt die Biotinidase, spricht man vom Biotinidasemangel (auch spät einsetzender multipler Carboxylasemangel genannt), einer seltenen Stoffwechselstörung, die autosomal-rezessiv vererbt wird. Dem Körper geht dabei so viel Biotin verloren, dass der Bedarf nicht mehr alleine durch die Aufnahme über die Nahrung ausgeglichen werden kann. Eine Therapie besteht in einer lebenslangen medikamentösen Biotinzufuhr von außen. In Deutschland ist der Test auf Biotinidasemangel standardmäßiger Bestandteil des Neugeborenen-Screenings.
Hypervitaminose
Hypervitaminose
Eine Biotin-Hypervitaminose ist wie bei allen wasserlöslichen Vitaminen nicht bekannt.
Unbekannt.
16.3.9 Ascorbinsäure – Vitamin C
16.3.9 Ascorbinsäure – Vitamin C
Vitamin C kommt in großen Mengen in Zitrusfrüchten vor sowie in Paprika, Tomaten, Spinat und Rosenkohl. Der Name Ascorbinsäure kommt daher, dass Vitamin C die Krankheit Skorbut (s. u.) verhindern kann. Vitamin C kann von allen Lebewesen außer Primaten und Meerschweinchen selbst hergestellt werden. Primaten und Meerschweinchen fehlt das Enzym L-Gluconolacton-Oxidase, welches Gluconolacton zu α-Ketogluconolacton oxidiert, aus dem dann spontan die Ascorbinsäure entsteht. Durch Kochen und Oxidation wird Ascorbinsäure leicht zerstört. Deshalb sollten Obst und Gemüse möglichst frisch verzehrt werden. Vitamin C hat eine wichtige Funktion als Antioxidationsmittel und ist Cofaktor verschiedener enzymatischer Reaktionen.
Vitamin C kommt in Zitrusfrüchten, Paprika, Tomaten, Spinat und Rosenkohl vor. Es kann von allen Lebewesen außer Primaten und Meerschweinchen synthetisiert werden. Vitamin C ist ein Antioxidationsmittel.
Struktur und Stoffwechsel
Struktur und Stoffwechsel
Chemisch gesehen handelt es sich bei Vitamin C um 2,3-Endiol-L-Gluconsäurelacton. Seine für die Funktion wichtige Struktur ist der Lactonring (Abb. A 16.39). Die Aufnahme des Vitamin C erfolgt bereits im Mund, hauptsächlich aber im Jejunum und im Ileum, vermutlich über einen natriumabhängigen aktiven Transport. Im Blut wird es als Dehydroascorbinsäure vorwiegend in freier Form transportiert. Ein kleinerer Teil ist an Plasmaproteine gebunden. Im Gewebe wird die Dehydroascorbinsäure wieder zu Ascorbinsäure reduziert.
Vitamin C enthält einen funktionell wichtigen Lactonring (Abb. A 16.39). Die Aufnahme erfolgt bereits im Mund, v. a. aber im Jejunum. Der Transport im Blut erfolgt vorwiegend frei als Dehydroascorbinsäure. Im Gewebe wird diese zu Ascorbinsäure reduziert.
A-16.39
Struktur von Vitamin C
HO
CH2
HO
CH
O O
HO
OH
A-16.39
Der für die Funktion wichtige Lactonring des Vitamin C ist farbig hervorgehoben.
302
A
Funktion
Funktion
▶ Merke.
16 Vitamine
▶ Merke. Ascorbinsäure kann Elektronen abgeben und wirkt dadurch als Antioxidationsmittel. Sie wird dabei zur Dehydroascorbinsäure oxidiert. Als Zwischenstufe entsteht das Ascorbyl-Radikal (Abb. A 16.40). Bei elektronenübertragenden Reaktionen oder Reaktionen, bei denen Radikale entstehen können, hat Ascorbinsäure Schutzfunktion, indem sie als Elektronenakzeptor bzw. -donor oder als Radikalfänger fungiert. Zum Beispiel kann Ascorbinsäure Methämoglobin (Fe3+-haltiges Hämoglobin) zu Hämoglobin (Fe2+-haltig) reduzieren.
A-16.40
Die Funktion der Ascorbinsäure
A-16.40
HO
CH2
HO
CH O
Ascorbinsäure
Ascorbinsäure kann durch zweimalige Elektronenabgabe zu Dehydroascorbinsäure oxidiert werden. Durch Elektronenaufnahme wird diese dann wieder zu Ascorbinsäure reduziert.
O HO
H+, e–
OH
HO
CH2
HO
CH O
2H+, 2e– HO
CH2
HO
CH O
Als Cofaktor von Hydroxylasen ist Vitamin C beteiligt an: Steroidhormonsynthese: 11,18,21-Hydroxylase Serotoninbiosynthese: Tryptophan-Hydroxylase Kollagenbiosynthese: Prolyl- bzw. LysylHydroxylase Als Cofaktor von Oxygenasen ist es beteiligt an: Carnitinbiosynthese: Trimethyllysin-α-Ketoglutarat-Dioxygenase, γ-Butyrobetain-αKetoglutarat-Dioxygenase Noradrenalinsynthese: Dopamin-β-Monooxygenase Als Cofaktor anderer Reaktionen: Regeneration des Tocopheryl-Radikals Steigerung der Eisenresorption im Darm Reduktion der Folsäure zur Dihydrofolsäure
O H+ AscorbylRadikal O
O O
O
O
H+, e–
Dehydroascorbinsäure
Als Cofaktor von Hydroxylasen ist Vitamin C beteiligt an: Steroidhormonsynthese, und zwar als Coenzym der 11,18,21-Hydroxylase (Abb. D-3.25 auf S. 591). In der Nebennierenrinde herrscht die höchste Konzentration an Vitamin C im Körper. Serotoninbiosynthese (Tryptophan-Hydroxylase): Hydroxylierung von Tryptophan zu 5-Hydroxytryptophan (S. 639) Kollagenbiosynthese (Prolyl- bzw. Lysyl-Hydroxylase): Hydroxylierung von Prolin- und Lysinresten im Kollagen (S. 389) Als Cofaktor von Oxygenasen ist es beteiligt an: Carnitinbiosynthese (Trimethyllysin-α-Ketoglutarat-Dioxygenase, γ-Butyrobetain-α-Ketoglutarat-Dioxygenase): Hydroxylierung von Trimethyllysin und γ-Butyrobetain (Deoxycarnitin) zu L-Carnitin Noradrenalinsynthese (Dopamin-β-Monooxygenase): Hydroxylierung von Dopamin zu Noradrenalin Als Cofaktor anderer Reaktionen: Regeneration des Tocopheryl-Radikals (S. 281) Steigerung der Eisenresorption im Darm Reduktion der Folsäure zur Dihydrofolsäure (S. 293)
Vitaminosen
Vitaminosen
Hypovitaminose
Hypovitaminose
Lang anhaltender Vitamin-C-Mangel führt zu Skorbut: Zahnfleischbluten Haut- und Knochenveränderungen Muskelschwäche Gelenkschmerzen Leichter Vitamin-C-Mangel: Schwäche, Ermüdbarkeit Zahnfleischschwellungen Infektanfälligkeit
Ein lang anhaltender Vitamin-C-Mangel führt zu Skorbut. Die ersten Symptome, die meist erst nach monatelanger Latenzzeit auftreten, sind Störungen des Bindegewebsstoffwechsels. Sie sind darauf zurückzuführen, dass Kollagen nicht mehr ausreichend hydroxyliert wird und dadurch seine Stabilität verliert. Infolgedessen verliert das Binde- bzw. Stützgewebe seine Festigkeit, es kommt zu Zahnfleischbluten, Haut- und Knochenveränderungen, Muskelschwäche und Gelenkschmerzen. Die lange Latenzzeit wird, da Vitamin C nur in geringen Mengen im Körper gespeichert wird, durch die lange Halbwertszeit des Kollagens erklärt.
A
303
16.3 Wasserlösliche Vitamine
Ein leichter Vitamin C-Mangel äußert sich in unspezifischen Symptomen wie Schwäche, Ermüdbarkeit, Zahnfleischschwellungen und verminderter Widerstandsfähigkeit gegen Infektionen. Gefährdet sind mit Kuhmilch oder Sterilmilch ernährte Säuglinge. Bei ihnen kann durch Vitamin-C-Mangel die Knochenbildung gestört sein.
Bei mit Kuh- oder Sterilmilch ernährten Säuglingen kann durch Vitamin-C-Mangel die Knochenbildung gestört sein.
Hypervitaminose
Hypervitaminose
Vitamin-C-Hypervitaminosen sind wie bei allen wasserlöslichen Vitaminen unbekannt.
Unbekannt.
A
A
17 Spurenelemente
17 Spurenelemente 17.1 17.2
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 Die einzelnen Spurenelemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305
© Scanrail – Fotolia
17.1
Grundlagen
17.1 Grundlagen
Spurenelemente sind fast alle Metall-Ionen und in der Regel Cofaktor von Enzymen.
Spurenelemente sind fast alle Metall-Ionen. Sie kommen in äußerst geringen Mengen im Körper vor und haben in der Regel eine Funktion als Cofaktor von Enzymen.
17.1.1 Einteilung der Spurenelemente
17.1.1 Einteilung der Spurenelemente
Es gibt essenzielle Spurenelemente, möglicherweise essenzielle Spurenelemente, nicht essenzielle (oder toxische) Spurenelemente (Tab. A 17.1).
Man teilt die Spurenelemente entsprechend ihrer biologischen Notwendigkeit in drei Gruppen ein: essenzielle Spurenelemente, möglicherweise essenzielle Spurenelemente, nicht essenzielle (oder toxische) Spurenelemente. Ob ein Spurenelement essenziell ist oder nicht, ist experimentell schwierig nachzuweisen, da sie nur in den geringsten Mengen vorhanden sein müssen, um einen normalen Stoffwechsel zu ermöglichen. Oft reichen schon die Mengen aus, die z. B. im Plastik der Versuchskäfige enthalten sind, in denen die Versuchstiere gehalten werden. Es ist extrem aufwendig, eine komplett spurenelementfreie Umgebung für solche Untersuchungen zu schaffen. Zu den mit Sicherheit essenziellen Spurenelementen gehören Chrom, Cobalt, Eisen, Fluor, Iod, Kupfer, Mangan, Molybdän, Nickel, Selen, Vanadium, Zink und Zinn. Sicherlich nicht essenziell sind Blei und Quecksilber (Tab. A 17.1). In diesem Kapitel werden außerdem auch Magnesium und Schwefel besprochen, die nicht zu den Spurenelementen, sondern zu den Elektrolyten gerechnet werden.
A-17.1
A-17.1
Einteilung der Spurenelemente
essenziell
Tagesbedarf Erwachsener*
möglicherweise essenziell
nicht essenziell
Chrom
30 – 100 μg
Aluminium
Antimon
Cobalt
k.A.
Arsen
Blei
Eisen
10 – 15 mg
Barium
Quecksilber
Fluor
3,1 – 3,8 mg
Brom
Iod
200 μg
Cadmium
Kupfer
1 – 1,5 mg
Silicium
Magnesium
300 – 350 mg
Mangan
2 – 5 mg
Molybdän
50 – 100 μg
Nickel
k.A.
Selen
30 – 70 μg
Vanadium
k.A.
Zink
7 – 10 mg
Zinn
k.A.
Strontium
* Empfohlen von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE); k.A. = keine Angabe
A
305
17.2 Die einzelnen Spurenelemente
Zu den Elektrolyten gehören außerdem Kalium (S. 621), Calcium (S. 622), Natrium (S. 617) und Phosphor (als Phosphat, S. 622).
17.1.2 Bedarf an Spurenelementen
17.1.2 Bedarf an Spurenelementen
Der tägliche Bedarf an Spurenelementen liegt im μg- bis mg-Bereich. Während der Schwangerschaft und Stillzeit kann sich der Bedarf an Spurenelementen verdoppeln. Für die meisten Spurenelemente gibt es Empfehlungen der DGE für die Menge, die dem Körper täglich zugeführt werden sollte (Tab. A 17.1). Besonders bei älteren Menschen oder bei einer länger andauernden parenteralen Ernährung kann es aufgrund einer zu niedrigen Zufuhr zu Mangelerscheinungen kommen. Diese führen zu manchmal erheblichen Stoffwechselstörungen (Iodmangelstruma, Eisenmangelanämie). Auch eine gestörte Resorption oder eine vermehrte Ausscheidung kann zu Mangelzuständen führen.
Der tägliche Bedarf an Spurenelementen liegt im μg- bis mg-Bereich. Während der Schwangerschaft und Stillzeit kann sich der Bedarf an Spurenelementen verdoppeln. Mangel an Spurenelementen kann zu erheblichen Stoffwechselstörungen (Iodmangelstruma, Eisenmangelanämie) führen.
17.2 Die einzelnen Spurenelemente
17.2
17.2.1 Eisen
17.2.1 Eisen
Eisen ist das häufigste Übergangsmetall (d. h. es kann verschiedene stabile Oxidationsstufen bilden) auf der Erde und im menschlichen Körper. Der gesamte Pool an Eisen beträgt beim gesunden Menschen 45 – 60 mg/kg Körpergewicht. Davon sind etwa 65 % im Hämoglobin und 20 % als Depot (Ferritin, Hämosiderin) gebunden (Tab. A 17.2). In der Nahrung kommt Eisen besonders in Fleisch, Innereien, Getreide, Gemüse, Hülsenfrüchten, Nüssen und Eiern vor. Zur Deckung des Eisenbedarfs müssen täglich 10 mg Eisen oral aufgenommen werden.
Der Mensch enthält 45 – 60 mg Eisen/kg Körpergewicht. Davon sind etwa 65 % im Hämoglobin und 20 % als Depot (Ferritin, Hämosiderin) gebunden (Tab. A 17.2). Eisen kommt u. a. in Fleisch, Innereien, Getreide, Gemüse, Nüssen und Eiern vor.
A-17.2
Verteilung von Eisen im Körper
Die einzelnen Spurenelemente
A-17.2
Fraktion
Anteil in %
Hämoglobin-Eisen
65
Myoglobin-Eisen
4
Speicher-Eisen (Ferritin, Hämosiderin)
20
Nicht-Häm-Enzyme
10
Häm-Enzyme (Cytochrome, Katalasen, Peroxidasen)
80 % Männer, bei etwa 10 000 der Infizierten hatte sich bereits AIDS entwickelt. Aufgrund der ständig optimierten Hochaktiven Antiretroviralen Therapie (HAART) sterben derzeit in Deutschland an AIDS nur etwa 650 Menschen pro Jahr. Das durchschnittliche Sterbealter liegt derzeit bei etwa 50 Jahren. Aktuelle Zahlen werden regelmäßig vom Robert-Koch-Institut in Berlin veröffentlicht: www.rki.de. HIV dringt mithilfe seiner Glykoproteine gp120 und gp41 in Zielzellen ein, die CD4 exponieren: Gp120 bindet an das CD4-Protein, Gp41 dient der anschließenden Fusion des Virus mit der Plasmamembran der Zielzelle. Da CD4 der entscheidende Virusrezeptor ist, werden vorwiegend T-Helferzellen infiziert. Die infizierten Zellen sterben in der Regel nach einiger Zeit ab. Der Mangel an T-Helferzellen ist dann die Ursache der Immundefizienz und der erhöhten Anfälligkeit gegenüber Infektionen. Infizierte Zellen können aber auch längere Zeit überleben und stellen dann ein bleibendes Reservoir der Viren dar. Innerhalb der Zellen sind die Viren u. a. vor den Antikörpern des Immunsystems geschützt. Das Immunsystem reagiert mit zwei Abwehrmechanismen: Humorale Immunantwort: Es werden Antikörper gegen das Virus gebildet. Freie Viren werden opsoniert, von Makrophagen aufgenommen und abgebaut. Zelluläre Immunantwort: Es entstehen zytotoxische T-Zellen (CD8+), die an HIVinfizierte Zellen binden und deren Apoptose auslösen. Die Immunantwort kann die Zahl der HI-Viren für einige Jahre drastisch reduzieren, sie kann die Infektion aber nicht beenden. Zunächst bleibt die Zahl der T-Helferzellen noch ausreichend. Die Patienten sind HIV-infiziert, aber noch nicht AIDS-krank. Durch geeignete Kombination verschiedener Medikamente kann diese Zeit erheblich verlängert werden. Die Patienten können das Virus aber weiterhin übertragen, z. B. über ihr Blut oder durch Geschlechtsverkehr. AIDS ist das Endstadium der HIV-Infektion. Bei weniger als 200 CD4-Zellen/μl Blut (normal: > 1000 CD4-Zellen/μl Blut)
E
681
1.3 Das adaptive Immunsystem
kommt es vermehrt zu opportunistischen Infektionen. Darunter versteht man Infektionen durch Viren oder Mikroorganismen, die bei gesunden Menschen keine Krankheiten hervorrufen, da sie auf ein geschwächtes Immunsystem angewiesen sind, um ihre Pathogenität entfalten zu können. Nicht zuletzt sind für AIDS-Patienten bestimmte Pilzinfektionen typisch. Eine überraschende Infektion durch den Hautpilz Candida albicans ist für HIV-Infizierte oft der erste Anlass, ärztlichen Rat zu suchen. Seit 1987 sind bereits mehr als 30 verschiedene potentielle Impfstoffe entwickelt worden, die nach erfolgversprechenden Vorversuchen in klinischen Studien getestet wurden. Leider ist es bislang nicht gelungen, eine Immunisierung gegen das HIVirus zu etablieren. Die Erfahrungen weisen darauf hin, dass eine Immunisierung nur erfolgreich sein kann, wenn sowohl eine humorale (Antikörper-abhängige), als auch eine zelluläre Immunantwort (durch zytotoxische T-Zellen) induziert wird. Das größte Problem besteht darin, dass die Viren die Strukturen ihrer immunogenen Proteine durch häufige Mutationen permanent variieren. Konstante Strukturen, sind in den viralen Proteinen kaum vorhanden. Immerhin wurde 2009 ein zumindest 31 %iger Schutz gegen die Infektion in einem neuartigen Impfprogramm in Tailand erreicht (the RV144 trial). Weitere Impfstrategien sind in Vorbereitung.
Bislang ist es nicht gelungen, eine Immunisierung gegen das HI-Virus zu etablieren. Das größte Problem besteht darin, dass die Viren die Strukturen ihrer immunogenen Proteine durch häufige Mutationen permanent variieren. Ein zumindest 31 %iger Schutz gegen die Infektion wurde 2009 mit einem neuartigen Impfprogramm in Tailand erreicht.
1.3.5 Allergie
1.3.5 Allergie
▶ Synonym. Überempfindlichkeitsreaktion, Hypersensitivitätsreaktion.
▶ Synonym.
Eine Allergie liegt vor, wenn ein normalerweise harmloses Antigen eine Überreaktion des Immunsystems auslöst. Der allergisch sensibilisierte Organismus reagiert anders als normal (allos = griech. anders, ergon = Arbeit). Traditionell definiert man anhand der beteiligten Reaktionsmechanismen vier Typen von Überempfindlichkeitsreaktionen, die in einem weiten Sinne des Wortes auch als allergische Reaktionen bezeichnet werden (Abb. E 1.25): Typ I, die Allergie im engeren Sinne, ist definiert durch eine IgE-abhängige Freisetzung von Histamin und eine innerhalb sehr kurzer Zeit einsetzende Symptomatik. Typ I wird deshalb auch als Soforttyp-Allergie bezeichnet. Charakteristische Beispiele sind der Heuschnupfen, Asthma bronchiale und juckende Schwellungen der Haut (Urtikaria). Auch die atopische Dermatitis („Neurodermitis“) wird diesem Formenkreis zugerechnet, stellt allerdings in mancher Hinsicht einen Sonderfall dar. Schwere Sofortreaktionen, etwa bei plötzlichem Kontakt mit großen Mengen eines allergenen Stoffes, werden als Anaphylaxie bezeichnet. Typ II ist eine durch Antikörper ausgelöste zytotoxische Reaktion. Ein klassisches Beispiel ist die Hämolyse, die bei einer Bluttransfusion ausgelöst wird, wenn der Spender nicht kompatibel ist. Typ III ist eine durch Immunkomplexe (= Komplexe aus löslichen Antigenen und Antikörpern) ausgelöste Entzündungsreaktion. Beispiel: Schädigung der Glomeruli der Niere durch Immunkomplexe nach einer Mandelentzündung. Typ IV wird durch T-Zellen ausgelöst. Symptome treten erst nach 1 – 2 Tagen auf, weshalb Typ IV auch als Reaktion vom verzögerten Typ (Delayed Type Hypersensitivity, DTH) bezeichnet wird. Beispiel: Abstoßung des Transplantates nach einer Organtransplantation.
Eine Allergie liegt vor, wenn ein normalerweise harmloses Antigen eine Überreaktion des Immunsystems auslöst.
E-1.25
Überempfindlichkeitsreaktionen
Man unterscheidet vier Typen von Überempfindlichkeitsreaktionen (Abb. E 1.25): Typ I (Allergie im engeren Sinne) entsteht durch IgE-abhängige Freisetzung von Histamin. Symptome treten sofort auf (Soforttyp-Allergie). Typ II ist eine durch Antikörper (IgM, IgG) ausgelöste zytotoxische Reaktion. Typ III ist eine durch Immunkomplexe ausgelöste Entzündungsreaktion. Typ IV ist durch T-Zellen bedingt. Symptome treten nach ≥ 24 h auf (verzögerter Typ).
E-1.25
IgE
T-Zelle
Mastzelle Zielzelle
Histamin
Zytotoxizität durch AK
Entzündung durch Immunkomplex
Schädigung
Typ I
Typ II
Typ III
Typ IV
An Reaktionen des Typs II und III sind oft Komponenten des Komplementsystems beteiligt, die sich an die Antikörper (AK) anlagern.
682
E
1 Molekulare Immunologie
Überempfindlichkeitsreaktion vom Typ I (Allergie im engeren Sinn)
Überempfindlichkeitsreaktion vom Typ I (Allergie im engeren Sinn)
Molekulare Mechanismen der allergischen Reaktion
Molekulare Mechanismen der allergischen Reaktion
Histamin als Mediator allergischer Reaktionen: Histamin gilt als der wichtigste Mediator allergischer Typ-I-Reaktionen. Es wird aus den Granula der Mastzellen freigesetzt (Abb. E 1.26).
Mastzellen binden IgE an Fc-Rezeptoren.
▶ Merke.
E-1.26
Histamin als Mediator allergischer Reaktionen: Neben mehreren anderen Signalstoffen ist Histamin der wichtigste Mediator der Typ-I-Reaktionen. Histamin wird durch Decarboxylierung der Aminosäure Histidin gebildet, zusammen mit anderen Stoffen in den Granula der Mastzellen gespeichert und aus diesen bei einer allergischen Reaktion freigesetzt. Mastzellen entstehen aus den gleichen Vorläuferzellen wie basophile Granulozyten. Ihren Namen erhielten sie in Anspielung auf die große Zahl an Granula, die sie aussehen lassen, als seien sie mit Granula „gemästet“ worden (Abb. E 1.26 a). Mastzellen besitzen Fc-Rezeptoren für Immunglobuline vom Typ IgE. Allergische Typ-I-Reaktionen sind nur möglich, wenn in einem Gewebe IgE vorhanden sind, die eine Spezifität für die jeweiligen allergenen Stoffe haben. Die IgE binden dann an die Fc-Rezeptoren der Mastzellen. Bei Kontakt mit dem passenden Allergen kommt es sofort zu einer Degranulation der Mastzellen (Abb. E 1.26 b).
▶ Merke.
Die Überbrückung zweier IgE auf einer Mastzelle durch ein Antigen („bridging“) löst einen Anstieg der zytosolischen Ca2+-Konzentration aus und wirkt dabei als Signal zur Exozytose von Histamin.
E-1.26
Mastzelle
Mastzellen setzen frei: Histamin, Leukotrien C4 (LTC4), Prostaglandin D2, Proteasen, IL-4 und IL-5
a Mikroskopische Aufnahme (aus Oberholzer, Pathologie verstehen, Thieme, 2001).
Die Wirkungen des Histamins bei Allergie werden von H1-Rezeptoren vermittelt. Ihre Reizung bewirkt Juckreiz, Stimulation der Schleimbildung im oberen und unteren Respirationstrakt, Bronchokonstriktion (→ Asthma-Anfall), Ödembildung (→ Asthma-Anfall, Quaddelbildung), Vasodilatation von Arteriolen und Venolen (lokal, z. B. in der Nasenschleimhaut bei Heuschnupfen, systemisch → anaphylaktischer Schock).
b Freisetzung von Mediatoren.
Für die Wirkungen des Histamins bei allergischen Reaktionen sind H1-Rezeptoren von entscheidender Bedeutung (s. S. 637). Die Reizung von H1-Rezeptoren hat mehrere Konsequenzen: Histamin löst den Juckreiz aus, der für allergische Reaktionen charakteristisch ist. Stimulation der Schleimbildung im oberen und unteren Respirationstrakt, In der Wand der Bronchiolen und in den Alveolar-Azini löst Histamin eine Kontraktion der glatten Muskelzellen und damit eine Bronchokonstriktion aus. Dieser Effekt ist wesentlich an der Pathogenese eines Asthma-Anfalls beteiligt. In den kleinen Gefäßen bewirkt Histamin eine Kontraktion der Endothelzellen, mit der Folge, dass sich in ihrem Zellverband Lücken bilden, durch die Flüssigkeit aus den Kapillaren in das Gewebe austreten kann und sich ein Ödem bildet. Derartige Ödeme bilden sich bei einem Asthma-Anfall in den Bronchien, bei einer Urtikaria in der Haut (Quaddelbildung, S. 658). Gleichzeitig wird in den Arteriolen und Venolen eine Vasodilatation ausgelöst. In der Nasenschleimhaut führt dieses bei Heuschnupfen zur verstopften Nase. Eine Typ-I-Reaktion kann in extremen Fällen zu Kreislaufversagen führen (anaphylaktischer Schock). Auch an diesem systemischen Effekt ist Histamin beteiligt, indem es synergistisch mit anderen Mediatoren eine Vasodilatation der Arteriolen auslöst.
E
683
1.3 Das adaptive Immunsystem
Synthese von Eikosanoiden: Einige Minuten nach der Freisetzung des Histamins wird in der Mastzelle die Phospholipase A2 aktiviert, die aus Lipiden der Plasmamembran Arachidonsäure freisetzt. Aus Arachidonsäure entstehen dann mehrere pharmakologisch aktive Eikosanoide (Prostaglandine und Leukotriene, S. 627). Unter diesen wird im Zusammenhang allergischer Reaktionen dem Leukotrien C4 (LTC4) derzeit die größte Bedeutung zugesprochen. Leukotrien C4 scheint nahezu alle der für Histamin beschriebenen Wirkungen synergistisch zu unterstützen. Insbesondere wirkt Leukotrien C4 extrem bronchokonstriktorisch.
Synthese von Eikosanoiden: Aktivierung der Phospholipase A2 führt zur Freisetzung von Arachidonsäure und ermöglicht so die Synthese von Leukotrien C4 (LTC4). Dieses wirkt in jeder Hinsicht synergistisch mit Histamin und extrem bronchokonstriktorisch.
Pharmakologische Konsequenzen: Zur symptomatischen Therapie allergischer Reaktionen werden mehrere Wirkstoffe eingesetzt, die in verschiedenen Phasen in das Geschehen eingreifen: Cromoglykat erschwert bei regelmäßiger lokaler Anwendung die Freisetzung der Mediatoren aus den Mastzellen. Möglicherweise beruht der membranstabilisierende Effekt des Cromoglykats auf einer Hemmung bestimmter Ca2+-Kanäle in der Plasmamembran. Antihistaminika (H1-Blocker) verhindern die Bindung des freigesetzten Histamins an die H1-Rezeptoren. Antihistaminika sind insbesondere beim Heuschnupfen wirksam, weniger beim Asthma, da dort das Geschehen weniger durch Histamin als vielmehr durch Leukotriene und Prostaglandine bestimmt wird. Antileukotriene (Leukotrienrezeptor-Antagonisten) sollten deshalb eine wesentlich bessere Wirkung zeigen. Tatsächlich sind die Erfahrungen mit den ersten Wirkstoffen dieser Gruppe jedoch enttäuschend gewesen. Cortison reduziert die Aktivität der Phospholipase A2 und hemmt die Biosynthese der Interleukine. Welches der entscheidende Wirkungsmechanismus des Cortisons ist, gilt als ungeklärt. Cortison wirkt allerdings sehr effektiv. Bislang ist Cortison in der symptomatischen Therapie des Asthma bronchiale weiterhin der wichtigste Wirkstoff.
Pharmakologische Konsequenzen: Cromoglykat erschwert die Freisetzung der Mediatoren aus den Mastzellen. Antihistaminika (H1-Blocker) verhindern die Bindung des freigesetzten Histamins an die H1-Rezeptoren. Antileukotriene sind Antagonisten der Leukotrienrezeptoren. Cortison reduziert die Aktivität der Phospholipase A2 und hemmt die Biosynthese der Interleukine. Welcher dieser Mechanismen entscheidend ist, ist bislang ungeklärt.
▶ Exkurs. Die physiologische Funktion der Mastzellen Im Zusammenhang der Allergien scheinen Mastzellen nur schädliche Effekte hervorzurufen. Was aber ist ihre physiologische Funktion? Es ist schon lange bekannt, dass Mastzellen an der Abwehr von Infektionen durch Parasiten beteiligt sind, z. B. an der Immunantwort gegen Würmer (Abb. E 1.27). Diese wird vorwiegend von bestimmten Oligosacchariden der Würmer ausgelöst, in denen u. a. α-L-Fucose enthalten ist, einer der seltenen Zucker in L-Konfiguration. In der Folge werden hohe Titer an spezifischen IgE sowie eine Rekrutierung von Mastzellen und eosinophilen Granulozyten beobachtet. Die eosinophilen Granulozyten geben das basische Protein (Major basic Protein) ab, das für Würmer toxisch ist. Es ist monomer und vergleichsweise klein (ca. 14 kDa), seinen basischen Charakter hat es durch seine große Zahl an Argininresten. Der molekulare Mechanismus der Toxizität ist unbekannt.
E-1.27
▶ Exkurs.
Immunreaktionen bei Wurminfektionen Histamin, IL-4, IL-5
IgE
C3a, C5a
Mastzelle
eosinophiler Granulozyt
basisches Protein, für Würmer toxisch
IgG Aktivierung des Komplementsystems
C1
Schistosoma mansoni, Pärchenegel
Die hier gezeigten Reaktionen des Immunsystems wurden für Infektionen durch den Pärchenegel Schistosoma mansoni, den Erreger der Bilharziose, besonders intensiv untersucht, sie treten aber auch bei anderen Wurminfektionen auf.
Entstehungsmechanismus der Allergie
Entstehungsmechanismus der Allergie
Das Ausmaß der Neigung zu allergischen Reaktionen wird wesentlich von den THelferzellen bestimmt. Diese entwickeln sich nach Aktivierung durch eine dendritische Zelle entweder zu TH1- oder zu TH2-Zellen (S. 677). Wird das immunologische
Die Neigung zu Allergie wird wesentlich von T-Helferzellen bestimmt. Sie ist groß, wenn TH2-Zellen das immunologische Milieu be-
684 stimmen, gering bei Vorherrschen von TH1Zellen. Die Differenzierungsrichtung der T-Helferzelle hängt von der Art des ihr präsentierten Antigens ab: bakterielle Antigene → TH1-Zelle Wurm- oder Hausstaub-Antigene → TH2Zelle
TH1-Zellen geben IFN-γ ab (Abb. E 1.28), das allergische Reaktionen unterdrückt. TH2Zellen geben IL-4, IL-5 und IL-13 ab (Abb. E 1.28), die eine Einwanderung von Mastzellen auslösen und B-Zellen der Umgebung zur IgE-Synthese anregen.
E-1.28
E
1 Molekulare Immunologie
Milieu eines Gewebes überwiegend von TH1-Zellen bestimmt, können allergische Reaktionen normalerweise unterdrückt werden. Wird es jedoch überwiegend von TH2-Zellen bestimmt, besteht eine große Neigung zur Bildung von IgE und zur Etablierung einer Allergie. Wie aber wird bestimmt, ob sich eine T-Helferzelle zur TH1- oder zur TH2-Zelle entwickelt? Die Differenzierungsrichtung der T-Helferzelle hängt entscheidend von der Art des durch die dendritische Zelle präsentierten Antigens ab: Bakterielle Antigene induzieren bevorzugt eine Entwicklung zu TH1Zellen. Antigene, die aus Würmern oder aus Hausstaub stammen, induzieren bevorzugt eine Entwicklung zu TH2-Zellen. Die TH-Zellen wandern dann in Schleimhäute und Lymphfollikel, wo sie unterschiedliche Mediatoren freisetzen (Abb. E 1.28): TH1-Zellen geben IFN-γ ab, das allergische Reaktionen unterdrückt und die Bildung von IgA und IgG erleichtert. TH2-Zellen geben IL-4, IL-5 und IL-13 ab, die eosinophile und basophile Granulozyten sowie Mastzellen anlocken und die B-Zellen der Umgebung zur Bildung von IgE anregen. So schaffen sie die entscheidenden Voraussetzungen für die Etablierung einer Allergie.
E-1.28
TH1
▶ Merke. Die meisten Allergene sind lösliche Proteine. Eines der häufigsten Allergene ist das Protein Der p1 von Dermatophagoides pteronyssinus, einer Hausstaubmilbe (Abb. E 1.29). Der p1 ist eine Protease, die von der Milbe mit dem Kot abgegeben wird.
E-1.29
Mediatoren der TH1- und der TH2-Zellen IFN-γ (unterdrückt Allergien), IL-2
IL-4 (begünstigt Allergien), IL-5, IL-6, IL-13
▶ Merke.
An der Entstehung von Allergien sind wesentlich die Interleukine IL-4, IL-5 und IL-13 beteiligt. Inzwischen ist die Struktur vieler Allergene aufgeklärt worden. Die meisten Allergene sind lösliche Proteine. Eines der wichtigsten ist das Protein Der p1 von Dermatophagoides pteronyssinus, einer mikroskopisch kleinen Milbe aus dem Hausstaub (Abb. E 1.29). Der p1 ist eine Protease, die von der Milbe mit dem Kot abgegeben wird. Die proteolytische Aktivität trägt wesentlich zur Antigenität des Proteins bei. Vermutlich erleichtert sie die Überquerung der Schleimhäute. Allergien gegen Katzen richten sich normalerweise gegen das Protein Fel d1 (Felis domesticus), Allergien gegen Birkenpollen gegen das Protein Bet v1 (Betula verrucosa).
E-1.29
Die Hausstaubmilbe Dermatophagoides pteronyssinus und das Allergen Der p1 (nach Röcken, Taschenatlas der Allergologie, Thieme, 2008)
Hausstaubmilbe Dermatophagoides pteronyssinus, Größe: 250–450 mm, Nahrung: Mensch- und Tierepithelien, Schimmelpilz u. a.
Die dramatische Zunahme der Allergien in den Industrieländern wird derzeit mit zwei Theorien erklärt. Beide Theorien lassen vermuten, dass Allergien letztlich ein Preis der Sauberkeit sind.
TH2
Allergen: Der p1, eine Protease (mit Ähnlichkeit zum Papain), ca. 25 kDa, vermutlich ein Verdauungsenzym der Milben
Allergien zählen offensichtlich zu den Zivilisationskrankheiten. Mitunter wird vermutet, dass sich Allergien primär gegen Verunreinigungen der Luft richten, die sich z. B. auf den Blütenpollen ablagern könnten. Tatsächlich lassen sich aber alle allergischen Reaktionen auch mit hoch gereinigten Proteinen evozieren, bei denen es sich um reine Naturstoffe handelt. Wie ist dann die dramatische Zunahme der Allergien in den Industrieländern zu erklären? Derzeit werden zwei Theorien diskutiert. Beide Theorien gehen von der Beobachtung aus, dass sich Allergien auf der Basis eines bestimmten Musters an Mediatoren des Immunsystems entwickeln.
E
Beide Theorien lassen vermuten, dass Allergien letztlich ein Preis der Sauberkeit sind. Die Theorie des gestörten TH1-TH2-Gleichgewichts geht davon aus, dass die Perfektion der hygienischen Bedingungen dazu geführt hat, dass bereits Neugeborene wesentlich seltener von Infektionskrankheiten betroffen sind als noch vor wenigen Jahrzehnten. Insbesondere sind auch bakterielle Infektionen sehr selten geworden. Damit entfällt im Immunsystem ein wesentlicher Stimulus zur Entwicklung von TH1Zellen. Bei der Immunantwort auf Antigene wie Hausstaubmilben und Blütenpollen, die weiterhin in großen Mengen auf die Schleimhäute gelangen, dominieren also TH2-Zellen. Diese schaffen die Voraussetzungen für eine generelle Neigung, auf antigene Reize mit Allergien zu reagieren. Die Theorie des Fehlens der Parasiten macht darauf aufmerksam, dass Wurminfektionen zwar eine ausgeprägte TH2-Antwort auslösen, bestehende allergische Dispositionen dabei aber gleichwohl abgeschwächt werden. Das Phänomen wird in der Immunologie als Helminth Paradox (helminth = engl. Wurm) diskutiert. Neuere Untersuchungen lassen vermuten, dass allergische Reaktionen bei Wurminfektionen durch das dabei ausgeschüttete Interleukin IL-10 unterdrückt werden. IL-10 ist allgemein als Hemmstoff von Immunreaktionen bekannt. (Bei den TH2-Antworten allergischer Reaktionen wird aus nicht hinreichend verstandenen Gründen kein IL-10 produziert.)
▶
685
1.3 Das adaptive Immunsystem
Klinik. Wenn diese Vermutungen richtig sind, sollte es möglich sein, eine Imp-
Die Theorie des gestörten TH1-TH2-Gleichgewichts besagt, dass der Rückgang bakterieller Infektionen zu einem Mangel an Stimuli zur Entwicklung von TH1-Zellen führt. Somit dominieren bei der Immunantwort gegen Antigene wie Hausstaubmilben und Blütenpollen die allergiefördernden TH2Zellen.
Die Theorie des Fehlens der Parasiten betont, dass Wurminfektionen eine ausgeprägte TH2-Antwort auslösen und gleichwohl allergische Dispositionen abschwächen. Für diesen Effekt ist offenbar das IL-10 verantwortlich, das bei parasitischen Infektionen sezerniert wird.
▶
Klinik.
fung gegen Allergien zu entwickeln. Tatsächlich wurde in den vergangenen Jahren unter dem Namen allergenspezifische Immuntherapie (SIT) ein Verfahren eingeführt, nach dem die Empfindlichkeit eines Patienten durch kontrollierte Stimulation mit dem jeweiligen Allergen reduziert werden kann. Das Verfahren wurde auf rein empirischem Wege gefunden, die molekularen Mechanismen der Therapie sind bislang ungeklärt.
Überempfindlichkeitsreaktionen des Typs II bis IV Typ-II-Reaktionen werden durch Bindung von IgM oder IgG (nicht IgE!) an eine Zelloberfläche ausgelöst. Anschließend kommt es durch Aktivierung des Komplementsystems (→ Bildung des MAC, S. 658) oder einer NK-Zelle zur Abtötung der Zelle (zytotoxische Reaktion). Die IgM oder IgG richten sich z. B. gegen Spender-Erythrozyten bei Transfusion von Blut einer nicht kompatiblen Blutgruppe (→ Hämolyse), Zellen, auf deren Oberfläche sich Abbauprodukte des Penicillins abgelagert haben. Es ist üblich, auch solche Reaktionen dem Typ II zuzuordnen, bei denen die Bindung spezifischer Antikörper an Zellen pathologische Konsequenzen hat, die Zellen aber nicht absterben. Beispiele sind Morbus Basedow: Hier führt die Bindung von Auto-Antikörpern an die TSH-Rezeptoren der Thyreozyten zu einer permanenten Schilddrüsenüberfunktion (s. S. 586). Myasthenia gravis (s. a. S. 792): Auto-Antikörper binden an die α-Untereinheit der nicotinischen Acetylcholinrezeptoren der motorischen Endplatte. Dies löst zunächst lediglich eine verstärkte Endozytose mit anschließendem lysosomalem Abbau der Acetylcholinrezeptoren aus. Die Zahl der Rezeptoren in der postsynaptischen Membran wird dadurch erheblich reduziert. Später kommt es durch Aktivierung des Komplementsystems auch zu zytotoxischen Reaktionen. Beide Effekte haben eine allgemeine Muskelschwäche zur Folge. Typ-III-Reaktionen sind Immunkomplexreaktionen. Bei manchen Infektionskrankheiten lagern sich Komplexe aus löslichen Antigenen und Antikörpern in verschiedenen Geweben ab und lösen Entzündungsreaktionen aus. Für die Schädigung der Gewebe ist dabei meist eine Aktivierung des Komplementsystems verantwortlich. Beispiele für Immunkomplexreaktionen sind Poststreptokokken-Glomerulonephritis: Im Anschluss an eine Infektion mit Gruppe-A-Streptokokken, typischerweise eine Mandelentzündung, können sich IgGAntikörper auf den Membranen der Glomeruli der Nieren ablagern und hier eine Entzündung auslösen.
Überempfindlichkeitsreaktionen des Typs II bis IV Typ-II-Reaktionen werden durch Bindung von IgM oder IgG (nicht IgE!) an eine Zelloberfläche ausgelöst. Die Bindung der Antikörper aktiviert das Komplementsystem oder eine NK-Zelle → Tod der gebundenen Zelle (zytotoxische Reaktion). Es kann aber auch zu pathologischen Konsequenzen ohne Zelltod kommen. Beispiele: Hämolyse nach Transfusion von Blut einer nicht kompatiblen Blutgruppe Morbus Basedow: Bindung von Auto-Antikörpern an TSH-Rezeptoren der Thyreozyten → Schilddrüsenüberfunktion Myasthenia gravis: Bindung von AutoAntikörpern an die α-Untereinheit der Acetylcholinrezeptoren der motorischen Endplatte
Typ-III-Reaktionen werden ausgelöst durch Ablagerung von Komplexen aus löslichem Antigen und Antikörper (Immunkomplexe) mit nachfolgender Aktivierung des Komplementsystems. Beispiele: Poststreptokokken-Glomerulonephritis postinfektiöse Arthritis manche Formen einer Arzneimittelreaktion (Abb. E 1.30)
686 E-1.30
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1 Molekulare Immunologie
E-1.30
Arzneimittelreaktion nach intramuskulärer Injektion eines Penicillinpräparats
Quaddelbildung an der Injektionsstelle 5 Tage nach i. m.-Injektion. Arzneimittelreaktionen werden oft pauschal als Typ-III-Reaktionen klassifiziert. Untersuchungen zu Reaktionen auf Penicilline zeigen allerdings, dass die zugrunde liegenden Pathogenitätsmechanismen sehr heterogen sind. In etwa 75 % aller Fälle angeblicher „Penicillinallergie“ liegt tatsächlich gar keine Allergie vor. Mitunter sind T-Zellen beteiligt, sodass eine Typ-IV-Reaktion vorliegt. Dabei richtet sich die Reaktion gegen Penicilline oder deren Abbauprodukte, die als Haptene z. B. an Serumproteine binden (aus Jung, Moll; Duale Reihe Dermatologie, Thieme, 2003).
postinfektiöse Arthritis (Ablagerung von Immunkomplexen in Gelenken), manche Formen einer Arzneimittelreaktion (Abb. E 1.30). Typ-IV-Reaktionen umfassen alle T-Zell-abhängigen allergischen Reaktionen. Beispiele: Transplantatabstoßung unter Beteiligung zytotoxischer T-Zellen. Allergisches Kontaktekzem, z. B. gegen Nickel oder gegen Inhaltsstoffe von Kosmetika.
1.4
Entzündung
Typ-IV-Reaktionen umfassen alle T-Zell-abhängigen allergischen Reaktionen. Beispiele: Transplantatabstoßung unter Beteiligung zytotoxischer T-Zellen. Die T-Zellen erkennen die MHC-Klasse-I-Proteine des Organtransplantats als fremd. Allergisches Kontaktekzem, z. B. gegen Nickel, Salbengrundlagen oder Inhaltsstoffe von Kosmetika. Kontaktallergene lagern sich in der Haut an epidermale Peptide an, werden von Makrophagen präsentiert und lösen dann eine gemeinsame Reaktion der Makrophagen mit TH1-Zellen aus. Beide Zellen schütten eine Vielzahl von Mediatoren und toxischen Substanzen aus, was sich lokal als sehr unangenehme Entzündung bemerkbar machen kann.
1.4
Entzündung
1.4.1 Grundlagen
1.4.1 Grundlagen
Die klassischen Zeichen einer Entzündung wurden von dem römischen Arzt Celsus im 1. Jahrh. n. Chr. definiert: Rötung (Rubor) Hitze (Calor) Schwellung (Tumor) Schmerz (Dolor) gestörte Funktion (Functio laesa) Alle diese Anzeichen lassen sich heute durch ein vielfältiges Wechselspiel von Zellen und Mediatoren erklären.
Auslöser einer Entzündung sind in der Regel Mikroorganismen oder Viren. Entzündungen können aber auch durch Fremdkörper, durch eine Gewebezerstörung oder im Rahmen einer Allergie verursacht werden. Die klassischen Zeichen einer Entzündung wurden von dem römischen Arzt Celsus im 1. Jahrhundert n. Chr. definiert: Rötung (Rubor) Hitze (Calor) Schwellung (Tumor) Schmerz (Dolor) gestörte Funktion (Functio laesa) Alle diese Anzeichen lassen sich heute durch ein vielfältiges Wechselspiel von Zellen und Mediatoren erklären. Man unterscheidet dabei lokale Reaktionen (vermehrte Durchblutung, Einwanderung von Leukozyten, Ödembildung) und allgemeine Entzündungsreaktionen (Fieber, Kreislaufversagen). Wie kommt es zur Entzündung? Hier kann man grundsätzlich zwei Wege unterscheiden: bakterielle Infektionen: Der Organismus kann molekulare Strukturen, die für viele Bakterien typisch sind, mithilfe verschiedener Rezeptoren erkennen (s. S. 658). Eine Entzündung wird induziert, sobald derartige Pathogen-associated
Wie kommt es zur Entzündung? Bei bakteriellen Infektionen führt die Aktivierung entsprechender Rezeptoren dazu, dass an den Zelloberflächen der infizierten Gewebe neue Proteine exponiert und lösliche Mediatoren freigesetzt werden. Beides
E
687
1.4 Entzündung
molecular patterns (PAMPs) in einem Gewebe wahrgenommen werden. Die Aktivierung der Rezeptoren führt dazu, dass an den Zelloberflächen neue Proteine exponiert und lösliche Mediatoren (s. S. 627) freigesetzt werden. Beides zusammen löst die Einwanderung von Leukozyten in das infizierte Gewebe aus. Unabhängig von bakteriellen Komponenten kann eine Entzündung vom Komplementsystem ausgelöst werden, z. B. indem das Komplementprotein C3 an einen Fremdkörper bindet (s. S. 658). Im Verlauf der Aktivierung des Komplementsystems werden u. a. die Polypeptide C3a und C5a gebildet, die chemotaktisch auf Leukozyten wirken. Einwandernde Leukozyten geben im Entzündungsherd weitere Mediatoren ab, die dann für alle weiteren Entzündungsreaktionen verantwortlich sind. Die an diesen Prozessen beteiligten Mechanismen werden nun näher erläutert.
zusammen löst die Einwanderung von Leukozyten aus. Unabhängig von bakteriellen Komponenten kann eine Entzündung vom Komplementsystem ausgelöst werden.
1.4.2 Die Aktivierung der Leukozyten
1.4.2 Die Aktivierung der Leukozyten
Bei einer Infektion kommt es zu Wechselwirkungen der Leukozyten des Blutes mit den Endothelzellen der Blutgefäße, die letztlich dazu führen, dass Leukozyten die Blutgefäße verlassen und in die umgebenden Gewebe eindringen. Man unterscheidet dabei zwei Phasen: Selektinphase: Die Endothelzellen der Blutgefäße exponieren u. a. Toll-like-Rezeptoren (TLR), durch die sie von charakteristischen Bestandteilen der verschiedensten Bakterien, z. B. dem Lipopolysaccharid (LPS) der äußeren Schicht gramnegativer Bakterien, gereizt werden können. Auf diesen Reiz reagieren Endothelzellen mit der Exposition von Selektinen an ihrer Oberfläche. (In den Endothelzellen wird insbesondere die Exposition von E- und P-Selektinen induziert.) Die Selektine sind Rezeptorproteine mit einer Affinität für bestimmte Oligosaccharide. Tatsächlich ermöglichen sie nun die Bindung von Leukozyten, die mit dem Blut durch die Gefäße gespült werden. Die Leukozyten exponieren nämlich an ihrer Oberfläche stets Glykoproteine, deren Oligosaccharidseitenketten passende Liganden für Selektine sind. Unter Vermittlung ihrer Glykoproteine bleiben nun Leukozyten selektiv an den Selektinen der Endothelzellen haften. Hier rollen sie zunächst langsam auf deren Oberfläche (Abb. E 1.31). Integrinphase: Integrine sind Proteine, die in der Plasmamembran der Leukozyten verankert sind. Sie bestehen aus einer α- und einer β-Kette. An der Oberfläche der Endothelzellen erkennen sie das Protein ICAM-1. Die Bindung der Integrine an ICAM-1 leitet die Integration der Leukozyten in die Schicht der Endothelzellen ein sowie die Überquerung der Endothelschicht einschließlich der Basalmembran (Abb. E 1.31). Der gesamte Prozess wird als Diapedese bezeichnet. Durch Blockierung einzelner Untereinheiten der Integrine kann die Diapedese verhindert werden. In der Therapie der Multiplen Sklerose wird neuerdings der monoklonale Antikörper Natalizumab verwendet, der gegen eine Integrin-α-Untereinheit gerichtet ist und die Einwanderung von Leukozyten in das neuronale Gewebe verhindert.
Bei einer Entzündung verlassen Leukozyten die Gefäße und wandern in die umgebenden Gewebe ein:
E-1.31
Leukozytenadhäsion am Endothel und Diapedese
Oligosaccharid
α
β
Integrin
IL-8 Selektin Endothelzelle Toll-like-Rezeptoren erkennen Infektionen † Signal zur Expression der E- und P-Selektine Selektinphase
Integrinphase: Integrine sind Proteine der Leukozyten, die an der Oberfläche der Endothelzellen u. a. das Protein ICAM-1 erkennen und die Diapedese (Durchquerung des Endothels und der Basalmembran) einleiten (Abb. E 1.31).
E-1.31
Leukozyt
Leukozyt
Selektinphase: Als Antwort auf eine Stimulation durch LPS u. a. Bestandteile von Bakterien exponieren Endothelzellen an ihrer Oberfläche Selektine. Diese dienen der Bindung von Oligosacchariden, die sich an der Außenseite der Leukozyten befinden. Die Leukozyten bleiben daraufhin selektiv an den Endothelzellen haften und rollen auf deren Oberfläche (Abb. E 1.31).
ICAM-1
Diapedese
Endothelzelle IL-8 löst eine verstärkte Bindung der Integrine an ICAM-1 aus † Beginn der Diapedese Integrinphase
688 ▶ Merke.
Pathogene induzieren in Epithelien die Sekretion des Interleukins IL-8. IL-8 lockt Leukozyten an (chemotaktische Wirkung) und es erleichtert die Diapedese, indem es in Leukozyten eine erhöhte Affinität der Integrine für ICAM-1 auslöst.
▶ Merke.
E
1 Molekulare Immunologie
▶ Merke.
Pathogene induzieren an der Oberfläche der Endothelzellen die Exposition von Selektinen, die der Bindung von Leukozyten dienen. Die Selektine erkennen dabei bestimmte Oligosaccharide der Leukozytenoberfläche. Bei der anschließenden Diapedese spielen Integrine der Leukozyten eine wesentliche Rolle. Parallel induzieren die Pathogene auch die Sekretion von Mediatoren. Auch in diesem Fall spielen TLR u. a. Rezeptoren des angeborenen Immunsystems eine entscheidende Rolle in der Wahrnehmung der Pathogen-associated molecular patterns. Einer der wichtigsten Entzündungsmediatoren mit lokaler Wirkung ist das Zytokin IL-8. Es wird von infizierten Epithelien u. a. Geweben freigesetzt und hat zwei wesentliche Funktionen: IL-8 lockt Leukozyten an, löst also Chemotaxis aus und wird deshalb zur Gruppe der Chemokine gezählt. Es erleichtert die Diapedese: Es bindet an Rezeptoren der Leukozyten und löst eine Signalkaskade aus, die zu einer Konformationsänderung in den Integrinen führt. Dabei wird die Affinität der Integrine für ICAM-1 erhöht, sodass Leukozyten umso leichter von den Endothelien festgehalten werden können.
▶ Merke.
Eine Infektion von Epithelien hat stets eine Ausschüttung von IL-8 zur Folge. IL-8 ist dann wesentlich an der Auslösung einer Einwanderung von Leukozyten beteiligt.
Formylpeptidrezeptoren erleichtern Leukozyten das Auffinden von Bakterien.
Leukozyten sind zudem mithilfe ihrer Formylpeptidrezeptoren in der Lage, bakterielle Peptide zu erkennen, was ihnen im Anschluss an die Diapedese das Auffinden der Bakterien erleichtert.
1.4.3 Die Leukozyten im Entzündungsherd
1.4.3 Die Leukozyten im Entzündungsherd
Neutrophile Granulozyten
Neutrophile Granulozyten
Neutrophile Granulozyten (= polymorphkernige Granulozyten) haben einen Durchmesser von 12 – 15 μm und einen Zellkern mit 2 – 5 Segmenten (Abb. E 1.32). Sie bilden den Hauptbestandteil des Eiters. Ihre Funktionen sind die Phagozytose und Abtötung von Mikroorganismen.
In einem Entzündungsherd sind es unter den Leukozyten vor allem die neutrophilen Granulozyten, die durch Diapedese die Gefäße verlassen und in die infizierten Gewebe einwandern. Sie bilden den größten Teil des Eiters. Neutrophile Granulozyten (= polymorphkernige Granulozyten = Neutrophile) haben einen Durchmesser von 12 – 15 μm. Im histologischen Bild fallen sie durch ihren Zellkern auf, der aus 2 – 5 Segmenten besteht (Abb. E 1.32). Ihre Aufgabe besteht primär darin, Mikroorganismen aufzunehmen und abzutöten.
E-1.32
E-1.32
Neutrophiler Granulozyt (aus Kühnel, Taschenatlas Histologie, Thieme, 2008)
Mechanismen zur Identifizierung der zu phagozytierenden Mikroorganismen: Scavenger-Rezeptoren Komplementrezeptoren Fc-Rezeptoren
Mechanismen zur Identifizierung der zu phagozytierenden Mikroorganismen: Scavenger-Rezeptoren erkennen Pathogen-associated molecular patterns wie z. B. Lipopolysaccharid (LPS, S. 660). Der Komplementrezeptor CR1 erkennt C3b-markierte Partikel (Mikroorganismen oder Fremdkörper, → Opsonierung, S. 658). Fc-Rezeptoren binden Antikörper.
Die Abtötung der Mikroorganismen wird ermöglicht durch α-Defensine, Sauerstoffradikale und H2O2, Elastase und durch den Abbau in Lysosomen.
Mechanismen zur Abtötung von Mikroorganismen durch Phagozyten: Sekretion von α-Defensinen Synthese von Sauerstoffradikalen (z. B. O2–) und H2O2 (Respiratory Burst wie bei Makrophagen, S. 677) Bildung von Elastase (einer Protease, s. S. 252 f) Abbau der Mikroorganismen in Lysosomen
E
689
1.4 Entzündung
Monozyten und Makrophagen
Monozyten und Makrophagen
In einer zweiten Phase der Entzündung wandern nun in größerer Zahl auch Monozyten ein. Monozyten sind die größten Leukozyten des Blutes, ihr Durchmesser liegt bei 12 – 20 μm. Aus diesen entwickeln sich in den Geweben Makrophagen, teilweise auch dendritische Zellen (diese entstehen sowohl aus Monozyten als auch direkt aus Stammzellen des Knochenmarks; zu ihrer Funktion s. S. 670). Der Kern der Monozyten und Makrophagen ist nierenförmig.
In einer zweiten Entzündungsphase wandern Monozyten ein. Aus ihnen entwickeln sich Makrophagen, z. T. auch dendritische Zellen (Funktion).
▶ Merke.
Makrophagen und dendritische Zellen sind (neben den B-Zellen) die wichtigsten antigenpräsentierenden Zellen des Immunsystems.
Als antigenpräsentierende Zellen sind Makrophagen für die Regulation der Immunantwort von großer Bedeutung. Wichtig sind sie zudem als Quelle der drei wichtigsten Entzündungsmediatoren, die für die systemischen Effekte einer Entzündung verantwortlich sind: IL-1β, IL-6 und TNFα (TNF = Tumornekrosefaktor; der Name ist aber nur von historischer Bedeutung). IL-1β, IL-6 und TNFα zeigen ähnliche Effekte in mehreren Organen (Tab. E 1.3).
E-1.3
▶ Merke. Makrophagen helfen durch Phagozytose bei der Elimination von Pathogenen und geben die drei wichtigsten Entzündungsmediatoren mit systemischer Wirkung ab: IL-1β, IL-6 und TNFα (Tab. E 1.3).
Zielorgane und Funktionen der Entzündungsmediatoren IL-1β, IL-6 und TNFα
Zielorgan
Funktion
Hypothalamus
Auslösung von Fieber
Leber
Bildung der „Akute-Phase-Proteine“, die bei Infektionskrankheiten in hoher Konzentration an das Blut abgegeben werden, z. B. Komplementproteine, C-reaktives Protein (CRP), Fibrinogen
Knochenmark
vermehrte Bildung von Leukozyten
Blutgefäße
E-1.3
lokal vermehrte Durchblutung und Ödembildung (→ Rubor, Calor, Tumor) bei Sepsis Ursache von Kreislaufversagen (das Blut „versackt“ in den peripheren Geweben, s. a. folgenden Text „Klinik“)
▶ Klinik. Wenn bakterielle Infektionen trotz antibiotischer Therapie tödlich enden,
▶
Klinik.
handelt es sich häufig um eine nicht mehr rechtzeitig einzudämmende Sepsis (sog. Blutvergiftung). Bei einer Sepsis sind die Folgen einer Infektion nicht mehr lokal begrenzt, sondern es ist der gesamte Organismus betroffen. Eine Sepsis hat charakteristische Folgen: Freisetzung von IL-1β, IL-6 und TNFα Erweiterung peripherer Gefäße erhöhte Permeabilität der Gefäßwände, Freisetzung von Blutplasma in die umgebenden Gewebe Septischer Schock (Kreislaufversagen), oft verbunden mit intravasaler Blutgerinnung und Bildung kleiner Thrombosen, die zu einer Minderdurchblutung der Organe führen. Experimente mit Mausmutanten haben gezeigt, dass es bei einem Defekt des TNFαRezeptors nie zum septischen Schock kommen kann. Zumindest in Mäusen kommt dem TNFα bei der Auslösung von Kreislaufversagen offenbar eine Schlüsselfunktion zu. Derartige Mausmutanten sind allerdings auch nicht in der Lage, eine lokale Infektion einzudämmen.
1.4.4 Entzündung als zentrales Konzept der molekularen Pathologie
1.4.4 Entzündung als zentrales Konzept der molekularen Pathologie
Der Begriff der Entzündung war 2000 Jahre lang durch die Definition des Celsus, also über Rubor, Calor, Tumor, Dolor und Functio laesa eingegrenzt. Über die Aufklärung der molekularen Mechanismen der Entzündung hat sich überraschend gezeigt, dass Entzündungsprozesse auch an vielen pathologischen Veränderungen beteiligt sind, die zu einer Entzündung zunächst keinerlei Bezug zu haben scheinen.
Über die Aufklärung der molekularen Mechanismen der Entzündung hat sich überraschend gezeigt, dass Entzündungsprozesse auch an vielen pathologischen Veränderungen beteiligt sind, die zu einer Entzündung zunächst keinerlei Bezug zu haben scheinen.
690
Erst in neuerer Zeit wurde zunehmend berücksichtigt, dass eine Arteriosklerose stets mit Entzündungsprozessen verbunden ist.
Vom Fettgewebe werden bei Adipositas in erheblichen Mengen die Entzündungsmediatoren IL-1β, IL-6 und TNFα freigesetzt. Diese können in den Herzkranzgefäßen die Entwicklung einer Arteriosklerose stimulieren, im Fettgewebe können sie die Entwicklung einer Insulinresistenz verursachen und damit die Entstehung eines Diabetes Typ II.
Die Alzheimer-Krankheit geht einher mit einem Verlust von Nervenzellen im Gehirn. Zum Untergang der Nervenzellen trägt nicht zuletzt die Entzündung bei, die im Gehirn von den Aggregaten des Aβ-Peptids ausgelöst wird.
Migräne-Anfälle haben ihre Ursache in einer neurogenen Entzündung, die von dem Neuropeptid CGRP vermittelt wird. CGRP wird vom Nervus trigeminus freigesetzt und aktiviert dann Gliazellen. Dabei kommt es zu einer massiven Reizung nozizeptiver Neurone.
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1 Molekulare Immunologie
Vor allem hat sich gezeigt, dass Entzündungsprozesse auch unabhängig von einer Infektion initiiert werden können. Ein Beispiel dafür ist z. B. die COPD, bei der es durch den chronischen Entzündungsprozess langfristig zu erheblichen Organschäden kommen kann (s. hierzu Fallbeispiel auf S. 697). So ist das Konzept der Entzündung (engl. Inflammation) zu einem zentralen Konzept der aktuellen medizinischen Forschung geworden: Herzinfarkt und Schlaganfall sind mögliche Folgen einer Arteriosklerose. Als Ursachen der Arteriosklerose wurden bis Ende des 20. Jahrhunderts zum einen minimale mechanische Defekte der Gefäßwände angenommen, die sich etwa bei Bluthochdruck ergeben können (Response-to-Injury-Hypothese), zum anderen eine Störung des Fettstoffwechsels, die zur Einlagerung von Cholesterin in die Gefäßwände führt. Erst in neuerer Zeit wurde zunehmend berücksichtigt, dass eine Arteriosklerose stets mit Entzündungsprozessen verbunden ist (S. 713). Die Wirkung, die etwa Acetylsalicylsäure bei der Vorbeugung von Herzinfarkt und Schlaganfall hat, wird nicht nur der Hemmung der Thrombozytenaggregation, sondern auch der Hemmung von Entzündungsprozessen zugeschrieben. Adipositas erhöht nicht nur die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Typ-II-Diabetes entwickelt, sondern auch die Entwicklung einer Arteriosklerose. Es zählt zu den überraschenden Entdeckungen der vergangenen Jahre, dass vom Fettgewebe mehrere Signalstoffe produziert und an das Blut abgegeben werden, u. a. IL-1β, IL-6 und TNFα (S. 692). Diese drei Stoffe sind die wichtigsten systemisch wirkenden Entzündungsmediatoren, und man geht inzwischen davon aus, dass eine Adipositas mit einer permanenten „low grade inflammation“ einhergeht. Eine der Konsequenzen besteht darin, dass Entzündungsprozesse in weit entfernt liegenden Organen, etwa in den Herzkranzgefäßen stimuliert werden können. Die Entzündungsmediatoren können aber auch in die Signaltransduktion der Adipozyten eingreifen und die Insulinresistenz auslösen oder verstärken, die dann die Ursache des Typ-II-Diabetes ist. Sowohl der Herzinfarkt, als auch der Typ-II-Diabetes scheinen – zumindest zu einem erheblichen Teil – eine Folge von Entzündungsprozessen zu sein. Die Alzheimer-Krankheit ist die Ursache von etwa ⅔ aller Demenzen alter Menschen (S. 803). Sie geht einher mit einem zunehmenden Verlust von Nervenzellen im Gehirn. Pathologisch sind bei der Alzheimer-Krankheit vor allem die Aggregate des Aβ-Peptids (β-Amyloid-Plaques) auffällig, die sich zwischen den Nervenzellen bilden. Zum Untergang der Nervenzellen trägt nicht zuletzt die Entzündung bei, die von diesen Aggregaten ausgelöst wird. Im Rahmen der Entzündung werden Gliazellen aktiviert, die dann Sauerstoffradikale und Proteasen abgeben, die zunächst die Funktion der Nervenzellen beeinträchtigen und schließlich zu deren Untergang beitragen. Migräne-Anfälle sind verbunden mit der Freisetzung eines Neuropeptides von 37 Aminosäuren, dem CGRP (calcitonin-gene related peptide) aus Neuronen des Nervus trigeminus. Derzeit geht man davon aus, dass CGRP bei der Entwicklung der Migräne-Anfälle der entscheidende Mediator ist. So löst CGRP in den Blutgefäßen der Umgebung die Vasodilatation aus, die bereits seit vielen Jahren als typisches Kennzeichen der Migräne bekannt ist. CGRP aktiviert in der unmittelbaren Nähe der Neurone aber auch die Gliazellen und löst eine Freisetzung verschiedener Mediatoren aus, u. a. von IL-1β und IL-6, es entsteht dabei eine vorübergehende lokale sterile Entzündung. Dabei werden in den Hirnhäuten und in den Blutgefäßen nozizeptive (schmerzleitende) Neurone gereizt und somit die Migräne-typischen Kopfschmerzen ausgelöst. Auch in den Forschungsprojekten zur Migräne spielt das Konzept der Entzündung eine zentrale Rolle.
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1.5
691
1.5 Mediatoren des Immunsystems
Mediatoren des Immunsystems
1.5
Mediatoren des Immunsystems
Im Immunsystem wird die Kommunikation zwischen den Zellen und Geweben sowohl von membranständigen Rezeptorproteinen als auch von löslichen Signalstoffen vermittelt. Die löslichen Signalstoffe des Immunsystems werden auch Mediatoren genannt. Die meisten Mediatoren sind parakrin oder autokrin wirkende Proteine und zählen damit zu den Zytokinen. Andere Mediatoren können auch zu den Lipiden oder zu anderen Gruppen von Stoffen gehören. Sie lassen sich nach unterschiedlichen Kriterien verschiedenen Gruppen zuordnen. Die wichtigsten Mediatoren, die in diesem Kapitel zur Sprache kamen, sollen hier nochmals in einer Übersicht präsentiert werden.
Mediatoren sind lösliche Signalstoffe. Die meisten Mediatoren des Immunsystems sind Zytokine, d. h. überwiegend parakrin oder autokrin wirkende Proteine. Dieses Unterkapitel bietet eine Übersicht über die verschiedenen Mediatorgruppen.
Interferone (IFN)
Interferone (IFN)
Interferon-α und Interferon-β (IFN-α und IFN-β) werden vor allem von virusinfizierten Zellen gebildet und sezerniert. Sie binden an Interferonrezeptoren derselben Zelle und der möglicherweise noch nicht infizierten Nachbarzellen und lösen eine Signalkaskade aus (über den JAK/STAT-Weg, S. 552), sodass mehrere Transkriptionsfaktoren aktiviert werden, die für Immunreaktionen von Bedeutung sind, u. a. NFκB. Die wichtigsten Effekte der Interferone α und β sind: Hemmung der Zellteilung, d. h. die Vermehrung der Wirtszellen des Virus wird verhindert, vermehrte Bildung der MHC-Klasse-I-Proteine, d. h. die Erkennung und damit auch die Abtötung der infizierten Zellen durch zytotoxische T-Zellen wird erleichtert, generelle Stimulation des Immunsystems. Beide Interferone vermitteln damit eine Resistenz gegen die weitere Replikation der Viren. Interferon-γ (IFN-γ) wird vorwiegend von T-Helferzellen gebildet. Es hat keine Ähnlichkeit mit IFN-α und -β, weder in seiner Struktur (es besteht aus zwei identischen glykosylierten Proteinuntereinheiten) noch in seiner Funktion: IFN-γ aktiviert Makrophagen und beeinflusst den Klassenwechsel in B-Zellen (Hemmung des Klassenwechsels zu IgE, Stimulation des Klassenwechsels zu IgG2 und IgG3). Darüber hinaus aktiviert es NK-Zellen und neutrophile Granulozyten.
IFN-α und IFN-β werden von virusinfizierten Zellen sezerniert. Sie binden an Interferonrezeptoren derselben Zelle und der Nachbarzellen. Die wichtigsten Effekte der beiden Interferone sind Hemmung der Zellteilung, vermehrte Bildung der MHC-Klasse-I-Proteine und generelle Stimulation des Immunsystems. Ziel dieser Effekte ist eine Resistenz gegen die weitere Replikation der Viren.
Interleukine
Interleukine
Die Interleukine regulieren die Kommunikation zwischen Makrophagen, B- und TZellen und anderen an der Immunantwort beteiligten Zellen. Einige von ihnen fördern die Entwicklung einer Entzündung. Die Interleukine sind auch an der Bildung der Blutzellen aus Vorläuferzellen im Knochenmark beteiligt (s. S. 648). IL-1β und IL-6 sind zusammen mit TNFα die wichtigsten Entzündungsmediatoren, die auch systemische Effekte wie z. B. Fieber oder Kreislaufversagen hervorrufen. Sie werden überwiegend von aktivierten Makrophagen abgegeben. IL-2 ist der wichtigste T-Zell-Wachstumsfaktor. IL-2 wird von den T-Zellen abgegeben, um das eigene Wachstum zu stimulieren. Da die IL-2 sezernierenden Zellen auch den IL-2-Rezeptor besitzen, kann IL-2 autokrin wirken. Auf diese Weise aktivierte Zellen können sich über mehrere Tage hinweg zwei- bis dreimal pro Tag teilen, sodass ein Zellklon entsteht. Parakrin können im Prinzip auch andere aktivierte T-Zellen mit anderer Spezifität zur Teilung stimuliert werden. IL-2 wirkt darüber hinaus auch als Wachstumsfaktor für B-Zellen und NK-Zellen. IL-2 steigert nicht nur seine eigene Biosynthese, sondern auch die Produktion anderer Zytokine wie IFN-γ und IL-4 in T-Zellen. IL-4 ist das wichtigste Stimulans der Differenzierung von T-Helferzellen zu TH2-Zellen. Es hemmt die Aktivierung von Makrophagen durch IFN-γ. Darüber hinaus ist IL-4 für den Klassenwechsel zu IgE erforderlich, die eine Rolle bei der Abwehr von Parasiten und bei Allergien spielen (S. 668). IL-5 stimuliert Wachstum und Differenzierung eosinophiler Granulozyten, lockt eosinophile und basophile Granulozyten sowie Mastzellen an (gehört also zu den Chemokinen) und stimuliert den Klassenwechsel zu IgE. Zusammen mit IL-4 und IL-13 zählt es zu den wichtigsten Auslösern einer Allergie. IL-8 wird von infizierten Epithelien gebildet und wirkt chemotaktisch auf neutrophile Granulozyten.
Die Interleukine regulieren die Kommunikation zwischen Makrophagen, B- und T-Zellen und anderen an der Immunantwort beteiligten Zellen.
IFN-γ hat keine Ähnlichkeit mit IFN-α und -β. Es wird vorwiegend von T-Helferzellen gebildet, aktiviert Makrophagen, NK-Zellen und neutrophile Granulozyten und beeinflusst den Klassenwechsel in B-Zellen.
IL-1β, IL-6 und TNFα sind die wichtigsten Entzündungsmediatoren, die auch systemische Effekte hervorrufen. IL-2 ist der wichtigste T-Zell-Wachstumsfaktor. Es wirkt sowohl autokrin (stimuliert das Wachstum der sezernierenden Zelle) als auch parakrin.
IL-2 steigert die Biosynthese von IFN-γ und IL-4 in T-Zellen. IL-4 ist das wichtigste Stimulans der Differenzierung von T-Helferzellen zu TH2-Zellen und fördert den Klassenwechsel zu IgE (→ Förderung von Allergien). IL-5 lockt Eosinophile, Basophile und Mastzellen an und stimuliert die Bildung von IgE, fördert also die Entstehung von Allergien. IL-8 ist ein Chemokin neutrophiler Granulozyten.
692 IL-10 ist das wichtigste immunsuppressiv wirkende Interleukin.
IL-12 fördert T-Zell-abhängige Immunantworten. IL-17 ist das namengebende Interleukin der TH17-Zellen.
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1 Molekulare Immunologie
IL-10 ist das wichtigste immunsuppressiv wirkende Interleukin. Es hemmt die Synthese von IL-12 und anderen proinflammatorischen Zytokinen. Die Produktion durch aktivierte Makrophagen kann eine Immunreaktion durch negative Rückkopplung begrenzen. IL-12 stimuliert die Differenzierung von T-Helferzellen zu TH1-Zellen und fördert die Aktivität zytotoxischer T-Zellen, begünstigt also die zellvermittelte Immunantwort. IL-17 ist streng genommen der Name einer Gruppe mehrerer Zytokine (IL-17A bis IL-17F). IL-17A ist das charakteristische Interleukin der TH17-Zellen, dem die Zellen ihren Namen verdanken. Es wirkt primär proinflammatorisch (d. h. es verstärkt Entzündungsprozesse).
TNFα
TNFα
TNFα zählt zu den wichtigsten Entzündungsmediatoren. Er aktiviert Monozyten und neutrophile Granulozyten, wirkt chemotaktisch und stimuliert die Chemokinproduktion durch Endothelzellen und Makrophagen. TNFα spielt eine zentrale Rolle bei der Auslösung des septischen Schocks.
TNFα (Tumornekrosefaktor alpha) zählt zu den wichtigsten Entzündungsmediatoren. Er aktiviert Monozyten und neutrophile Granulozyten und lockt sie zum Infektionsherd. Außerdem stimuliert er die Chemokinproduktion durch Endothelzellen und Makrophagen. Er spielt eine zentrale Rolle bei der Auslösung des septischen Schocks. Der irreführende Name leitet sich aus der Entdeckungsgeschichte des Faktors ab: Serum von Versuchstieren, die an einer massiven Infektion litten, war in der Lage, Tumorzellen abzutöten; als aktive Substanz wurde TNFα isoliert. Diese unter spezifischen experimentellen Bedingungen beobachtete Wirkung ist aber keineswegs die typische Funktion.
TGF-β
TGF-β
Während TNFα Entzündungen verstärkt, hat TGF-β in der Regel eine entzündungshemmende Funktion.
Während TNFα Entzündungen verstärkt, hat TGF-β (transforming growth factor beta) in der Regel eine entzündungshemmende Funktion. In jüngster Zeit hat TGFβ vor allem im Zusammenhang mit der Differenzierung der Tregs und der TH17Zellen zunehmende Beachtung gefunden. In Gegenwart von IL-2 stimuliert TGF-β die Differenzierung von CD4+-Zellen zu (imunsuppressiven) Tregs. In Gegenwart hoher Konzentrationen an IL-6 kann TGF-β allerdings auch eine Differenzierung der CD4+-Zellen zu TH17-Zellen unterstützen, die generell eine Verstärkung von Immunreaktionen vermitteln.
Weitere Mediatoren
Weitere Mediatoren
Anaphylatoxine: C3a und C5a locken Makrophagen und neutrophile Granulozyten in infizierte Gewebe.
Anaphylatoxine: Die Komplementproteinfragmente C3a und C5a wirken chemotaktisch auf Makrophagen und neutrophile Granulozyten. Sie unterstützen so die Einwanderung von Leukozyten in infizierte Gewebe.
Eikosanoide: LTC4 und PGD2 werden bei Entzündungsprozessen u. a. aus Mastzellen freigesetzt.
Eikosanoide: Leukotrien C4 (LTC4) und Prostaglandin D2 (PGD2) werden bei Entzündungsprozessen u. a. aus den Granula der Mastzellen ausgeschüttet. Sie wirken vielfach synergistisch mit Histamin. Leukotrien C4 wirkt stark bronchokonstriktorisch. Prostaglandin D2 ist bei Anaphylaxie und Sepsis an der Auslösung von Kreislaufversagen (Schock) beteiligt.
Biogene Amine: Histamin löst allergische Reaktionen aus.
Biogene Amine: Histamin ist der wichtigste Mediator allergischer Reaktionen (s. S. 637). Serotonin ist bei Entzündungen ggf. an einer Aktivierung von Thrombozyten beteiligt.
Cortison begrenzt Immunreaktionen.
Cortison begrenzt Immunreaktionen. Es ist einer der wichtigsten Wirkstoffe, die zur Hemmung von Entzündungsprozessen eingesetzt werden.
E
1.6
693
1.6 Immunologie der Blutgruppenantigene
Immunologie der Blutgruppenantigene
1.6
Immunologie der Blutgruppenantigene
Wenn bei einer Bluttransfusion das Spenderblut und das Blut des Empfängers in ihren Blutgruppen nicht kompatibel sind, binden Antikörper des Empfängers an die Erythrozyten und an andere Zellen des Spenderbluts und bringen diese zur Agglutination (Aggregation). Eine derartige Unverträglichkeit kann von unterschiedlichen Blutgruppensystemen verursacht werden. Unter diesen kommt dem AB0-System und dem Rhesus-System die größte Bedeutung zu.
Blutgruppen entscheiden über die Kompatibilität von Blut bei Transfusionen. Bei Unverträglichkeit kommt es zur Agglutination. Die bedeutendsten Blutgruppensysteme sind das AB0- und das Rhesus-System.
1.6.1 Das AB0-System
1.6.1 Das AB0-System
Einteilung, Antigene: Die Einteilung der Blutgruppen im AB0-System basiert auf bestimmten Antigeneigenschaften der Erythrozyten. Bei den Blutgruppen A, B und AB sind dies die beiden Antigene A und B, die aus Tetrasacchariden bestehen. Diese Antigene kommen aber nicht nur auf Zellen des Blutes vor, sondern auch auf Endothelzellen. Sie sind teilweise an Proteine gebunden, teilweise auch an Lipide der Zellmembranen. Bei der Blutgruppe 0 besteht das Antigen aus einem Trisaccharid (aus Galaktose, NAcetylglucosamin und Fucose), das als H-Antigen bezeichnet wird. Das H-Antigen ist auch der Grundkörper der Tetrasaccharide vom Typ A und B. Für die individuellen Unterschiede in den Blutgruppenantigenen sind zwei Glykosyltransferasen verantwortlich, die in den Zellen an der Modifikation von Oligosaccharidseitenketten beteiligt sind.
Einteilung, Antigene: Die Einteilung der Blutgruppen im AB0-System basiert auf bestimmten Antigeneigenschaften der Erythrozyten. Bei den Blutgruppen A, B und AB gibt es die beiden Antigene A und B (beides Tetrasaccharide), bei der Blutgruppe 0 besteht das Antigen aus einem Trisaccharid und wird als H-Antigen bezeichnet.
Antikörper: Antikörper, die sich gegen Antigene des AB0-Systems richten, entwickeln sich nicht erst im Anschluss an eine Bluttransfusion, sondern sind bereits vorher im Blut vorhanden. Sie entstehen beiläufig als Antwort auf Kohlenhydrate, die von verschiedenen Darmbakterien exponiert werden (und zufällig ähnliche Antigeneigenschaften wie die AB0-Antigene haben). Die in diesem Zusammenhang gebildeten Antikörper richten sich ausschließlich gegen Antigene fremder Blutgruppen, da B- und T-Zellen, die Reaktionen gegen körpereigene Strukturen vermitteln könnten, im Immunsystem generell eliminiert werden (Tab. E 1.4).
Antikörper gegen Antigene des AB0-Systems entwickeln sich nicht erst im Anschluss an die Bluttransfusion, sondern sind bereits vorher im Blut vorhanden. Sie entstehen als Antwort auf Kohlenhydrate, die von verschiedenen Darmbakterien exponiert werden.
E-1.4
Eigenschaften der Blutgruppen
E-1.4
Blutgruppe (Häufigkeit)
Antigen
Antikörper im Plasma
Kommentar
A (40 %)
A
Anti-B
B (16 %)
B
Anti-A
AB (4 %)
A und B
keine
Es werden weder gegen A noch gegen B Antikörper gebildet, weil beide Antigene/Tetrasaccharide in den körpereigenen Geweben enthalten sind.
0 (40 %)
H
Anti-A und Anti-B
Diese Antikörper verursachen keine Probleme, weil die körpereigenen Gewebe weder Antigen A noch Antigen B synthetisieren.
▶ Merke.
Im AB0-System bezieht sich die jeweilige Bezeichnung der Blutgruppe auf die aus Oligosacchariden bestehenden Antigene, die von den körpereigenen Zellen exponiert werden, nicht auf die Antikörper, die der Betroffene bildet.
Mischung nicht kompatibler Blutgruppen: Werden nicht kompatible Blutgruppen im Rahmen einer Bluttransfusion gemischt, reagieren die Antigene (Tetrasaccharide) im Spenderserum mit den Antikörpern des Empfängers und lösen eine Agglutination aus. Die für die Agglutination verantwortlichen Antikörper werden deshalb
▶ Merke.
Mischung nicht kompatibler Blutgruppen: Die für die Agglutination verantwortlichen Antikörper des AB0-Systems, die Agglutinine, sind IgM-Antikörper. Bei Bindung an Erythrozyten aktivieren sie das Komplement-
694 system und führen zu Hämolyse → klassische Typ-II-Reaktion.
Zu den Eigenschaften der einzelnen Blutgruppen s. Tab. E 1.4.
▶ Merke.
E
1 Molekulare Immunologie
traditionell als Agglutinine bezeichnet. Es handelt sich um Antikörper vom Typ IgM. Da IgM überaus effektive Aktivatoren des Komplementsystems sind, folgt auf die Agglutination innerhalb weniger Stunden eine massive Lyse der Erythrozyten (Hämolyse). Dies ist der klassische Fall einer Überempfindlichkeitsreaktion vom Typ II. Glücklicherweise passieren IgM die Plazenta nicht. Bei einer Schwangerschaft hat eine Inkompatibilität der AB0-Blutgruppen von Mutter und Kind deshalb normalerweise keine gravierenden Konsequenzen. Zu den Eigenschaften der einzelnen Blutgruppen s. Tab. E 1.4.
▶ Merke. Bei einem Spender der Blutgruppe 0 weisen die Blutzellen keine der relevanten Tetrasaccharide auf. Wird Blut eines Spenders der Blutgruppe 0 auf einen Empfänger der Blutgruppe A, B oder AB übertragen, finden die Antikörper des Empfängers keine Bindungspartner (keine Antigene), sodass es nicht zur Agglutination kommt. Deshalb sind Personen der Blutgruppe 0 die idealen Spender. Personen der Blutgruppen A und B können nur Patienten der jeweils gleichen Blutgruppe sowie der Blutgruppe AB Blut spenden. Um sicherzugehen, dass die AB0-Blutgruppen von Spender und Empfänger kompatibel sind, muss ihre Kompatibilität direkt vor einer Transfusion (auch vor einer Notfalltransfusion) erneut überprüft werden (Abb. E 1.33).
E-1.33
E-1.33
Blutgruppentestung vor einer Transfusion
Bestimmung der AB0-Blutgruppe; Ergebnis: Blutgruppe A, wie der Spender → Transfusion kann durchgeführt werden (aus Baenkler et al., Duale Reihe Innere Medizin, Thieme, 2001).
1.6.2 Das Rhesus-System
1.6.2 Das Rhesus-System
Im Rh-System ist ein bestimmtes Protein als Antigen entscheidend.
Während die Blutgruppen des AB0-Systems durch ein bestimmtes Oligosaccharid definiert sind, ist im Rhesus-System ein bestimmtes Protein entscheidend. Dieses wurde erstmals bei Rhesus-Affen entdeckt und daraufhin als Rhesus-Antigen bezeichnet.
▶ Merke.
▶
Klinik.
▶ Merke.
84 % aller Europäer weisen auf ihren Erythrozyten das D-Antigen (ein Protein von 417 Aminosäuren) auf und sind damit Rhesus-positiv. Dieser Status wird dokumentiert als „Rh+“ oder „D“. Bei Rh-negativen Personen ist das RhesusD-Gen deletiert (Status „Rh–“, „rh“ oder „d“).
▶
Klinik. Eine Inkompatibilität des Rhesus-Status kann z. B. zu Problemen führen,
wenn eine Rh-negative Schwangere ein Rh-positives Kind zur Welt bringt. Während der Geburt können Erythrozyten des Kindes in den Kreislauf der Mutter gelangen und die Bildung von Anti-D-Antikörpern auslösen. Zunächst ist dies ohne negative Konsequenzen. Bei einer erneuten Schwangerschaft mit einem Rh-positiven Kind können jedoch Anti-D-IgG aus dem Blut der Mutter über die Plazenta in das Kind übertreten und dessen Erythrozyten schädigen, sodass es zu Hämolyse kommt (sog. Rh-Erythroblastose = fetale Erythroblastose = Morbus haemolyticus neonatorum). Bei der Konstellation Rh-negative Schwangere/Rh-positives Kind ist es deshalb üblich, innerhalb von 72 Stunden nach Geburt des Kindes der Mutter humane monoklonale Anti-D-Antikörper zu verabreichen (sog. Rhesus-Prophylaxe, wird auch nach Fehlgeburt oder Schwangerschaftsabbruch durchgeführt). In das Blut der Mutter geratene
E
695
1.7 Tumorimmunologie
Erythrozyten des Kindes werden daraufhin innerhalb weniger Tage abgebaut, und die Mutter bildet keine Anti-D-Antikörper. Seit Einführung dieses Verfahrens sind Komplikationen durch Rhesus-Inkompatibilitäten sehr selten geworden.
1.7
Tumorimmunologie
1.7
Infektionen durch Viren und Mikroorganismen können durch Erkennung von Pathogen-associated molecular patterns (PAMPs) in der Regel mit Erfolg abgewehrt werden. Nicht befriedigend geklärt ist die Frage, wie das Immunsystem das Wachstum maligner Zellen und Tumoren abwehrt. Nach der Theorie der Immunüberwachung (Immune Surveillance) von Frank Macfarlane Burnet (1899 – 1985) entstehen im Körper häufig unbemerkt Krebszellen, die aber in der Regel vom Immunsystem sehr schnell eliminiert werden. Tatsächlich beobachtet man bei Patienten mit einer wesentlichen Störung des Immunsystems eine erhöhte Neigung zur Bildung von Tumoren, allerdings nicht in dem Ausmaß, wie nach der Theorie der Immune Surveillance zu erwarten wäre. Während Infektionen durch Mikroorganismen oft eine heftige Entzündung zur Folge haben, fällt die Reaktion auf maligne Tumoren oft schwach aus. Gleichwohl hat sich die Tumorimmunologie zu einem wichtigen Zweig der Krebsforschung entwickelt. Wesentliche Einsichten in die Abwehr maligner Tumoren wurden durch Untersuchungen an Mäusen gewonnen. Zwischen Stämmen genetisch identischer Mäuse können Tumoren transplantiert werden. Die Mäuse können zudem gegen den Tumor geimpft werden, z. B. durch Injektion von Tumorgewebe, dessen Zellen zuvor durch eine Bestrahlung abgetötet wurden. Der transplantierte Tumor wird in den immunisierten Mäusen durch NK-Zellen und zytotoxische T-Zellen abgetötet, die sich gegen tumorspezifische Transplantationsantigene (TSTA) richten. Diese Antigene zeigen eine große Heterogenität. Gemeinsam ist ihnen nur, dass sie im jeweiligen Gewebe oder im Ausmaß ihrer Expression ungewöhnlich sind. Da viele dieser für Tumorzellen charakteristischen Antigene auch von normalen Zellen gebildet werden, bevorzugt man inzwischen den Ausdruck tumorassoziierte Antigene (TAA). Wichtige TAA zeigt Tab. E 1.5.
E-1.5
Tumorimmunologie
Nach der Theorie der Immunüberwachung (Immune Surveillance) entstehen im Körper häufig unbemerkt Krebszellen, werden aber in der Regel vom Immunsystem sehr schnell eliminiert. Tatsächlich ist bei wesentlichen Störungen des Immunsystems die Neigung zur Tumorbildung erhöht, allerdings nicht in dem Ausmaß, wie nach dieser Theorie zu erwarten wäre. Gleichwohl hat sich die Tumorimmunologie zu einem wichtigen Zweig der Krebsforschung entwickelt.
Mäuse können erfolgreich gegen bestimmte Tumoren geimpft werden. Die Immunantwort richtet sich dann gegen tumorspezifische Transplantationsantigene (TSTA). Da viele dieser Antigene auch von normalen Zellen gebildet werden, bevorzugt man heute den Ausdruck tumorassoziierte Antigene (TAA). Wichtige TAA zeigt Tab. E 1.5.
Wichtige tumorassoziierte Antigene
Antigen-exprimierender Tumor
tumorassoziiertes Antigen
Funktion des Antigens
malignes Melanom
Tyrosinasepeptide
Biosynthese des Pigments Melanin
Mammakarzinom
MUC-1
Glykoprotein des Schleims verschiedener Schleimhäute
in Krebszellen ist der Glykosylierungsgrad des MUC-1 oft herabgesetzt.
HER-2/neu
EGF-Rezeptor-ähnlicher Rezeptor (Rezeptortyrosinkinase) vieler normaler Epithelzellen
in ca. 30 % aller Mammakarzinome ist das Onkogen amplifiziert (s. S. 523) und HER-2/neu dadurch überexprimiert.
B-Zell-Lymphome
CD20
unbekannt
CD20 wird nur von reifen B-Zellen exprimiert.
Zervixkarzinom
Peptide der humanen Papillomaviren HPV 16 und 18
Segmente viraler Strukturproteine
Impfung gegen HPV 6, 11, 16, 18 (s. S. 519).
Zu den erfolgreichsten Ansätzen der Tumorimmunologie gehört die Entwicklung monoklonaler, gegen TAA gerichteter Antikörper. Es werden Maus-Human-Antikörper verwendet, da reine Maus-Antikörper im Menschen eine Immunreaktion hervorrufen. Nach Isolierung monoklonaler TAA-spezifischer Antikörper aus Maus-Hybridomen (s. S. 670) werden die Gene der H- und L-Ketten des Antikörpers kloniert. Anschließend stellt man Hybrid-Gene her. Diese bestehen aus den Gensegmenten, die den variablen Anteil der jeweiligen Kette des MausAntikörpers kodieren sowie aus Gensegmenten, welche die konstanten Domänen menschlicher IgG1 kodieren.
Kommentar
Zu den erfolgreichsten Ansätzen der Tumorimmunologie gehört die Entwicklung monoklonaler, gegen TAA gerichteter Antikörper. Es werden Maus-Human-Antikörper verwendet. Diese enthalten zur Bindung an das TAA den variablen Teil eines monoklonalen MausAntikörpers. Die übrigen Teile des Antikörpers entsprechen den konstanten Teilen eines humanen IgG1.
696 Im Patienten binden die Antikörper an Tumorzellen und aktivieren das Komplementsystem sowie NK-Zellen.
Solche Antikörper sind Trastuzumab (Mamma-CA mit Überexpression von HER-2) und Rituximab (B-Zell-Lymphome).
Derzeit werden Verfahren optimiert, die das Ziel haben, Patienten mithilfe dendritischer Zellen zu impfen. Aus dem Patientenblut isolierte Monozyten differenzieren in Kultur bei Zugabe geeigneter Zytokine zu dendritischen Zellen, die nach Inkubation mit TAA dem Patienten injiziert werden.
E
1 Molekulare Immunologie
Diese Hybrid-Gene werden in Zellkulturen exprimiert, die Antikörper isoliert und dem Patienten i. v. injiziert. Die Hybridantikörper werden in der Regel vom Immunsystem des Patienten toleriert, da sie weitgehend den körpereigenen Antikörpern ähneln. Sie binden im günstigsten Fall ausschließlich an Tumorzellen. Da es sich um IgG1 handelt, zeigen sie eine besonders lange Halbwertszeit im Blut (ca. 3 Wochen). Sie aktivieren das Komplementsystem (IgG1!) und können nach Bindung an die Zielzelle NK-Zellen aktivieren und zytotoxische Reaktionen auslösen. In dieser Weise wird bei Mammakarzinomen mit Überexpression des HER-2-Proteins der monoklonale Antikörper Trastuzumab (Herceptin) eingesetzt (s. S. 523), bei B-Zell-Lymphomen der gegen das Protein CD20 gerichtete Antikörper Rituximab (Rituxan). Beide Verfahren haben bereits Eingang in den klinischen Alltag gefunden. In vielen Forschungsprojekten werden derzeit Verfahren optimiert, die das Ziel haben, Patienten mithilfe dendritischer Zellen zu impfen. Zu diesem Zweck isoliert man aus dem peripheren Blut der Patienten Monozyten. Aus diesen entwickeln sich in einer Zellkultur bei Zugabe von GMCSF und IL-4 dendritische Zellen. Nach Inkubation mit tumorspezifischen Antigenen injiziert man die Zellen wieder dem Patienten (autologe Transplantation). In einigen Projekten ist es bereits gelungen, auf diese Weise eine Entwicklung zytotoxischer T-Zellen und eine Remission des Tumorwachstums zu induzieren.
E
697
1 Fallbeispiel
▶ Fallbeispiel: COPD Anamnese: An einem Samstagabend wird Herr Eberhard Brennschmidt vom Notarzt wegen zunehmender Atemnot stationär eingeliefert. Bei Herrn Brennschmitt ist seit über 10 Jahren eine chronisch-obstruktive Lungenerkrankung bekannt. Am Donnerstag vor Aufnahme fühlte er sich schwach und leicht „grippig“, hat diese Symptome aber nicht ernst genommen. Am Freitag tritt dann verstärkt Husten auf, am Samstag Fieber, starker Husten mit gelb-grünem Sputum und eine zunehmend schlimmer werdende Dyspnoe. Außer an der COPD leidet Herr Brennschmidt ab und zu unter Gichtanfällen. Trotz der Lungenkrankheit hat er es noch nicht geschafft, das Rauchen aufzugeben. Medikamentenanamnese: Wegen der Gicht nimmt er 300 mg Allopurinol am Tag. Für die COPD hat er ein Salbutamol-Spray und ein Dosieraerosol mit Tiotropiumbromid, außerdem inhaliert er zweimal täglich das lang wirksame β2-Sympathomimetikum Formoterol. Familienanmnese: Auch sein Vater war starker Raucher und ist mit 65 Jahren an einem Bronchialkarzinom verstorben. Körperliche Untersuchung: 71jähriger, adipöser Patient (175 cm, 92 kg) in deutlich reduziertem Allgemeinzustand. Blutdruck 155/85 mm Hg (< 130/85 mm Hg), Puls 90/min (50 – 100/min), Körperkerntemperatur 38,9 °C (36 – 38 °C). An den Händen fallen Uhrglasnägel und Trommelschlegelfinger (Abb. E 1.34) auf, die Lippen sind bläulich, der Brustkorb ist fassförmig. Bei der Auskultation sind die Herztöne nur leise zu hören, auch das Atemgeräusch ist auf der linken Seite und der rechten Lungenspitze leise, mit vereinzelt leisem ex- und inspiratorischem Pfeifen. Ab dem rechten Mittelfeld sind feuchte Rasselgeräusche hörbar.
E-1.34
Laboruntersuchungen (Angabe der jeweiligen Normwerte in Klammern): Kalium 5,2 mmol/l (3,5 – 5 mmol/l), Albumin 3,3 g/dl (3,6 – 5,5 g/dl), CRP 68 mg/l (< 10 mg/l), Fibrinogen 605 mg/ dl (180 – 450 mg/dl), Interleukin-6 86 pg/ml (< 10 pg/ml), Blutsenkung 40/65 mm (< 10/20 mm nach 1 h/2 h). Hämoglobin 18,1 g/dl (13 – 18 g/dl), Leukozyten 16,2 Mio/ml (4 – 11 Mio/ml), Differenzialblutbild: neutrophile Granulozyten 84 % (45 – 74 %), eosinophile 0 % (0 – 7 %), basophile 0 % (0 – 2 %), Lymphozyten 12 % (16 – 45 %), Monozyten 4 % (4 – 10 %). Die anderen Laborparameter, insbesondere Natrium, Kreatinin und Harnstoff, liegen im Normbereich. Arterielle Blutgasanalyse: pO2 54 mmHg (71 – 104 mmHg), pCO2 53 mmHg (32 – 43 mmHg), pH 7,33 (7,37 – 7,45), Standardbikarbonat 31 mmol/l (22 – 26 mmol/l), Basenexzess +5 mmol/l (−3 bis +3). 12-Kanal-EKG: Leichte Sinustachykardie (92/min), S1-S3Sagittaltyp, verbreiterte P-Welle, Rechtsherzhypertrophie, keine Erregungsrückbildungsstörungen. Röntgenaufnahme des Thorax in zwei Ebenen: Rechtsverbreitertes Herz, Lungenemphysem in beiden Lungenoberfeldern, im rechten Unter- und Mittellappen großfleckige pneumonische Infiltrate als Zeichen einer Pneumonie der rechten Lunge (Abb. E 1.35).
E-1.35
Bronchopneumonische Infiltrate beidseits (aus Reiser, Kuhn, Debus; Duale Reihe Radiologie, 2011)
Trommelschlegelfinger (aus Füeßl, Middeke; Duale Reihe Anamnese und klinische Untersuchung, Thieme, 2010)
▶
698
E
1 Fallbeispiel
Verlauf: Wegen seines schlechten Allgemeinzustandes und der respiratorischen Azidose mit niedrigem pO2-Wert kommt Herr Brennschmitt auf die Intensivstation. Bronchoskopisch wird aus seiner Lunge viel Schleim abgesaugt und eine Probe zur Mikrobiologie geschickt. Er erhält Infusionen mit dem Antibiotikum Piperacillin kombiniert mit dem β-LaktamaseHemmstoff Tazobactam, sein Allgemeinzustand wird in der Nacht zunächst weder besser noch schlechter. Da der Interleukin-6-Wert am nächsten Morgen gefallen ist, wird die antibiotische Therapie fortgeführt. Als Erreger wird Pseudomonas aeruginosa festgestellt, sensibel auf Piperacillin. Langsam bessern sich alle Entzündungsparameter und auch der Allgemeinzustand des Patienten. Die Genesung verläuft aber schleppend und Herr Brennschmitt bleibt insgesamt drei Wochen stationär. In den nächsten Jahren kommt es wiederholt zu Infektexazerbationen der COPD und die Lungenfunktionen verschlechtern sich. Erst als die Blutgase so schlecht werden, dass die Indikation für eine ständige Sauerstofftherapie besteht, hört Herr Brennschmitt mit dem Rauchen auf. Fragen mit biochemischem Schwerpunkt: 1. Was sagt ein erhöhtes CRP über den Ursprung einer Entzündung aus? 2. Warum ist die Blutsenkungsgeschwindigkeit bei einer Entzündung erhöht? 3. Welche wichtige systemische Wirkung rufen die Akut-Phase-Proteine hervor? 4. Warum richten sich die Ärzte auf der Intensivstation nach dem Interleukin-6-Wert? Antwortkommentare: Zu 1. Das C-reaktive Protein (CRP) gehört wie IL-1, IL-6 und TNF-α ebenfalls zu den Akut-Phase-Proteinen. Es heißt so wegen seiner Fähigkeit, bei Pneumokokken an das C-Kapsel-
protein zu binden. Bei bakteriellen Infektionen ist es in der Regel erhöht, manchmal – zum Beispiel bei einer Lobärpneumonie – kann es auf Extremwerte ansteigen. Bei Infekten, die durch Viren ausgelöst werden, beobachtet man dagegen häufig keinen Anstieg. Deshalb kann man mit dem CRP-Wert oft virale von bakteriellen Infekten unterscheiden.
Zu 2. Wie hoch die Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) ist, wird – neben anderen Faktoren – auch von zwei Proteinen bestimmt, die in der Leber produziert werden: Fibrinogen und Albumin. Die Synthese von Albumin, dem Hauptprodukt der Leber, fällt in der Akut-Phase-Reaktion zu Gunsten der Akut-Phase-Proteine ab, das Fibrinogen wird dagegen vermehrt gebildet. Das Verhältnis von Fibrinogen zu Albumin verschiebt sich so zum Vorteil des Fibrinogens. Dadurch sinken die Blutzellen in der stehenden Blutprobe rascher und die BSG steigt an. Zu 3. Die Temperatur unseres Körpers wird über ein Zentrum gesteuert, dessen Zellen im Hypothalamus liegen. Hier setzen die Akut-Phase-Proteine IL-1, IL-6 und TNF-α an: Sie bewirken, dass hypothalamische Zellen vermehrt Prostaglandine produzieren und es so zu einer Temperatur-Sollwertverstellung kommt – die Körpertemperatur steigt an und es entsteht Fieber. IL-1, IL-6 und TNF-α bezeichnet man deshalb als endogene Pyrogene. Zu 4. Wenn eine Entzündung abklingt, zeigt der IL-6-Wert das Abklingen am schnellsten an. Andere Entzündungsparameter, wie die Leukozytenzahl oder CRP, können in dieser Phase noch steigen, während IL-6 schon wieder fällt. Auf Intensivstationen wird dieser Parameter deshalb zur Kontrolle von Entzündungsreaktionen bestimmt.
E
2.2 Blutstillung: Aktivierung und Aggregation von Thrombozyten
2
Blutstillung und Blutgerinnung
2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Blutstillung: Aktivierung und Aggregation von Thrombozyten . . . . . . . . . Blutgerinnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fibrinolyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hemmung der Blutgerinnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thrombusbildung und Ischämie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.1
699 699 704 711 711 713
Einführung
Verletzungen von Blutgefäßen müssen schnell und sicher abgedichtet werden, damit der Blutverlust in möglichst engen Grenzen bleibt. Die Prozesse, die an der Beendigung einer Blutung beteiligt sind, werden unter dem Begriff Hämostase zusammengefasst. Dabei unterscheidet man zwei Phasen: Die Blutstillung (primäre Hämostase) erfolgt in kleinen Wunden bereits innerhalb von 1 – 3 Minuten. In dieser Phase sind die Thrombozyten (= Blutplättchen) entscheidend, die in der Wunde aggregieren und dabei einen weißen Thrombus bilden. Die Thrombozyten lösen in ihrer unmittelbaren Umgebung zudem eine Vasokonstriktion aus. An die primäre Hämostase schließt sich ohne scharfe Abgrenzung die Blutgerinnung (sekundäre Hämostase) an, die einen stabilen Verschluss der Wunde zum Ziel hat. Bei der Blutgerinnung handelt es sich um die Bildung eines festen Fasernetzes aus polymerisiertem Fibrin. Dieses entsteht innerhalb von etwa 10 Minuten ausgehend von Fibrinogen, einem löslichen Protein des Blutserums.
2.2
E
Blutstillung: Aktivierung und Aggregation von Thrombozyten
2.1
Einführung
Bei einer Verletzung erfolgt die Blutstillung (primäre Hämostase) durch Aggregation von Thrombozyten. Bei der Blutgerinnung (sekundäre Hämostase) wird Fibrinogen in Fibrin umgewandelt.
2.2
Blutstillung: Aktivierung und Aggregation von Thrombozyten
2.2.1 Thrombozytenadhäsion
2.2.1 Thrombozytenadhäsion
Thrombozyten sind keine Zellen, sondern runde, scheibchenförmige Zellfragmente von 2 – 3 μm Durchmesser. Sie werden im Knochenmark gebildet, wo sie von Megakaryozyten an das Blut abgegeben werden. Megakaryozyten sind große, polyploide Zellen von 30 – 150 μm Durchmesser. Während ihrer Reifung finden 3 – 6 Mitosen statt, ohne dass es dabei zu einer Zellteilung kommt. Nach Abschnürung von ihrer Mutterzelle können Thrombozyten ca. 8 – 10 Tage überleben. Thrombozyten enthalten zwar keinen Zellkern, aber Mitochondrien, sodass sie Glucose und Fettsäuren abbauen und dabei sehr effizient ATP produzieren können. In einem Mikroliter Blut befinden sich normalerweise etwa 150 000 – 300 000 Thrombozyten. Ihre entscheidende physiologische Aufgabe ist der schnelle Verschluss von Blutgefäßschäden. Thrombozyten exponieren in ihrer Plasmamembran mehrere Rezeptorproteine, durch die sie Defekte im Endothel der Blutgefäße detektieren können. Die Rezeptorproteine binden spezifisch an Komponenten der extrazellulären Matrix, die normalerweise von den Endothelzellen überdeckt sind. Die wichtigste Komponente, die eine Bindung (Adhäsion) von Thrombozyten auslösen kann, scheint das Kollagen zu sein, das sich unterhalb der Basalmembran in der subendothelialen Schicht befindet. Sobald Kollagen bei einer Verletzung des Endothels freigelegt wird, wird es sofort vom Von-Willebrand-Faktor (vWF) markiert. Der vWF ist ein lösliches Protein des Blutes, das bei Assoziation mit Kollagen zu einem Adapterprotein wird, das die Bindung von Thrombozyten vermittelt (Abb. E 2.1). Der vWF besteht aus mehreren Domänen. Indem eine dieser Domänen an Kollagen bindet, kommt es zu einer erheblichen Konformationsänderung im gesamten Protein. Dabei wird eine weitere Domäne des Faktors exponiert, die nun an eines der Rezeptorproteine der Thrombozyten binden kann. Bei diesem Rezeptor handelt es sich um das Glykoprotein GP Ib.
Thrombozyten sind keine Zellen, sondern scheibchenförmige Zellfragmente von 2 – 3 μm Durchmesser. Sie werden im Knochenmark gebildet, wo sie von Megakaryozyten an das Blut abgegeben werden. Thrombozyten enthalten keinen Zellkern. Ihre entscheidende physiologische Aufgabe ist der schnelle Verschluss von Blutgefäßschäden.
Thrombozyten exponieren in ihrer Plasmamembran mehrere Rezeptorproteine, durch die sie Defekte im Endothel der Blutgefäße detektieren können. Die wichtigste Komponente, die eine Bindung von Thrombozyten auslösen kann, scheint das Kollagen in der subendothelialen Schicht zu sein. An das Kollagen bindet der Von-Willebrand-Faktor (vWF) (Abb. E 2.1). An diesen bindet dann das Glykoprotein GP Ib der Thrombozyten.
700
E
E-2.1
2 Blutstillung und Blutgerinnung
E-2.1
VIII vWF
Bindung eines Thrombozyten an subendotheliales Kollagen
Thrombozyt
· Thrombozyt bindet über sein GP Ib und das Adapterprotein vWF an subendotheliales Kollagen
GP Ib vWF Endothelzelle subendotheliales Kollagen Aktivierung des Thrombozyten · Formveränderung des Thrombozyten · Konformationsänderung in GP IIb/IIIa Thrombozyt GP Ib
GP IIb/ GP IIIa
vWF
vWF
· Bindung an RGD-Motiv des vWF und · Bindung an RGD-Motiv des Fibronektins
· Quervernetzung des Thrombozyten im weißen Thrombus
Der von-Willebrand-Faktor (vWF) ist ein lösliches Protein des Blutes, das bei Assoziation mit Kollagen zu einem Adapterprotein wird, das die Bindung von Thrombozyten vermittelt. GP: Glykoprotein
vWF wird überwiegend von Endothelzellen sezerniert, er ist aber auch in den α-Granula der Thrombozyten enthalten. vWF bildet im Blut Komplexe mit dem Gerinnungsfaktor VIII.
▶
Klinik.
vWF wird überwiegend von Endothelzellen sezerniert, er ist aber auch in den αGranula der Thrombozyten enthalten. Der Faktor bildet im Blut kettenförmige Oligomere, deren Strukturen an unregelmäßige Wollknäuel erinnern. Bestandteil dieser Komplexe ist außerdem der Faktor VIII des Blutgerinnungssystems. Durch die Bindung an den vWF wird der Faktor VIII stabilisiert. Die Komplexe des vWF gehören zu den größten Proteinkomplexen des Blutplasmas. Entdeckt wurde der Faktor von dem finnischen Arzt Erik von Willebrand (1870 – 1949).
▶
Klinik. Bei einem angeborenen Mangel oder Defekt des vWF ist die Blutstillung
verzögert. Das Krankheitsbild ist als Von-Willebrand-Syndrom bekannt. Es handelt sich um die häufigste angeborene Gerinnungsstörung. Die Prävalenz in der Bevölkerung liegt bei 1 %. In den meisten Fällen ist die Konzentration des Faktors glücklicherweise nur wenig erniedrigt, sodass die klinischen Konsequenzen vergleichsweise gering sind. Bei einem kompletten Mangel des Faktors ist allerdings die Halbwertszeit des Faktor VIII im Blut erheblich reduziert und es besteht eine ausgeprägte Blutungsneigung.
2.2.2 Thrombozytenaggregation
2.2.2 Thrombozytenaggregation
Die Bindung des vWF an GP Ib ist mit einer Aktivierung der Thrombozyten verbunden.
Thrombozyten werden in einer Verletzungsstelle durch die Bindung des vWF an GP Ib nicht nur verankert, sondern auch aktiviert. Die Aktivierung der Thrombozyten hat dramatische Folgen: Formänderung: Die Thrombozyten verlieren ihre flache Scheibenform und runden sich stattdessen ab, um dann dünne Fortsätze zu bilden, die mehrere Mikrometer lang werden können (Abb. E 2.2). An dieser Formänderung ist insbesondere Aktin beteiligt, das in Thrombozyten in außerordentlich hoher Konzentration enthalten ist. Konformationsänderung des Glykoproteins GP IIb/IIIa in der Plasmamembran der Thrombozyten: GP IIb/IIIa ist daraufhin entscheidend an der Aggregation der Thrombozyten beteiligt. Freisetzung der Inhaltsstoffe aus den Granula der Thrombozyten, Sekretion von Thromboxan A2 (TXA2) und Plättchen-aktivierendem Faktor (PAF). Einbau negativ geladener Phospholipide in die äußere Schicht der Plasmamembran der Thrombozyten. Die Plasmamembran wird dadurch zur Plattform für die Assoziation und Kooperation der Ca2+-bindenden Proteine, die für die Blutgerinnung verantwortlich sind.
Folgen der Aktivierung: Formänderung der Thrombozyten Konformationsänderung des Membranproteins GP IIb/IIIa → Aggregation der Thrombozyten an der verletzten Gefäßwand Degranulierung Abgabe von TXA2 und PAF Einbau negativ geladener Phospholipide in die äußere Schicht der Plasmamembran = Voraussetzung für die Blutgerinnung
E
E-2.2
701
2.2 Blutstillung: Aktivierung und Aggregation von Thrombozyten
Aktivierte Thrombozyten
E-2.2
Kolorierte rasterelektronenmikroskopische Aufnahme von aktivierten Thrombozyten (© Steve Gschmeissner – Science Photo Library).
Das Glykoprotein GP IIb/IIIa besteht aus einer α- und einer β-Kette und zählt zur Familie der Integrine. Bei der Aktivierung der Thrombozyten wird im GP IIb/IIIa eine Konformationsänderung induziert und der Proteinkomplex dabei in den aktiven Zustand versetzt. Ähnlich wie andere Integrine zeigt das aktivierte GP IIb/IIIa eine Affinität für Proteine, die ein Arginin-Glycin-Aspartat-= RGD-Sequenzmotiv enthalten. Dieses Sequenzmotiv ist z. B. im vWF enthalten. Dadurch kann die Bindung der Thrombozyten an das subendotheliale Kollagen von nun an durch GP Ib und GP IIb/ IIIa vermittelt werden. Ein RGD-Motiv ist aber auch in dem Glykoprotein Fibronektin enthalten, das in Form kleiner Fibrillen in den subendothelialen Schichten einschließlich der Basalmembranen enthalten ist. Durch Bindung an Fibronektin können aktivierte Thrombozyten auch unabhängig vom vWF an defekte Stellen der Gefäßwände binden. Im Blutplasma ist eine lösliche Form des Fibronektins enthalten, das von der Leber produziert wird. Durch Bindung an GP IIb/IIIa trägt dieses zur Quervernetzung und Stabilisierung des wachsenden Thrombus bei. GP IIb/IIIa bindet auch Fibrinogen und Fibrin, das bei der Blutgerinnung aus Fibrinogen gebildet wird. Fibrinogen ist immer schon im Blutplasma enthalten, es wird aber auch von den aktivierten Thrombozyten gebildet. Vermittelt von Fibrinogen und GP IIb/IIIa werden die Thrombozyten untereinander quervernetzt und zudem von Anfang an in das entstehende Fibrin-Netzwerk eingebunden. Der nunmehr stabilisierte Thrombozytenpfropf wird als weißer Thrombus bezeichnet. In kleinen Wunden ist der weiße Thrombus normalerweise bereits hinreichend, um die Blutung innerhalb weniger Minuten zu beenden. Er definiert somit den Abschluss der Blutstillung.
▶ Klinik. Ein angeborener Mangel oder auch ein vollständiges Fehlen des GP IIb/IIIa ist als Morbus Glanzmann bekannt. Die Krankheit äußert sich in einer Neigung zu spontanen Schleimhautblutungen, vor allem in Form von schwerem Nasenbluten. Bei schweren Formen können Operationen oder Entbindungen bedrohliche Blutungen zur Folge haben. Morbus Glanzmann zählt zu den seltenen Erbkrankheiten. GP-IIb/IIIa-Rezeptor-Antagonisten werden in der Kardiologie als als Plättchenaggregationshemmer verwendet. Nach Aufweitung verengter Herzkranzgefäße mithilfe einer Ballondilatation können GP-IIb/IIIa-Rezeptor-Antagonisten zur Verhinderung einer plötzlichen Thrombozytenaggregation eingesetzt werden. Häufig verwendete Wirkstoffe sind: Abciximab (Handelsname ReoPro) ist das in großen Mengen hergestellte Fab-Fragment eines monoklonalen Antikörpers, der gegen den GP-IIb/IIIa-Rezeptor gerichtet ist. Eptifibatide (Handelsname Integrilin) ist ein Heptapeptid, das kompetitiv die Bindung von Proteinen hemmt, die ein Arg-Gly-Asp (RGD)-Sequenzmotiv enthalten.
Durch eine Konformationsänderung erhält GP IIb/IIIa eine Affinität für Proteine mit RGD-Sequenzmotiv und vermittelt daraufhin eine zusätzliche Bindung der Thrombozyten an vWF (und damit auch an Kollagen).
GP IIb/IIIa bindet auch an Fibronektin, das sowohl in der subendothelialen Schicht als auch im Blutplasma enthalten ist. Aggregierende Thrombozyten werden durch das Fibronektin quervernetzt.
GP IIb/IIIa bindet auch Fibrinogen und Fibrin. Dadurch werden die Thrombozyten zusätzlich quervernetzt und in das entstehende Fibrin-Netzwerk eingebunden.
Der stabilisierte Thrombozytenpfropf wird als weißer Thrombus bezeichnet. Er definiert den Abschluss der Blutstillung.
▶
Klinik.
702
E
2 Blutstillung und Blutgerinnung
Tirofiban (Handelsname Aggrastat) ist ein „kleines Molekül“, das als GP-IIb/IIIaAntagonist wirkt. Zur längerfristigen Prophylaxe einer koronaren Rethrombose sind diese Substanzen allerdings nicht geeignet. Deshalb werden zur Langzeittherapie derzeit bevorzugt Acetylsalicylsäure sowie bestimmte Inhibitoren der thrombozytären ADP-Rezeptoren eingesetzt (z. B. Clopidogrel, s. u.).
2.2.3 Freisetzung von Inhaltsstoffen aus aktivierten Thrombozyten Der Inhalt der α- und δ-Granula wird durch Exozytose freigesetzt. α-Granula enthalten u. a. vWF, Faktor VIII, Faktor V, Fibrinogen, Fibronektin und Wachstumsfaktoren, z. B. PDGF.
δ-Granula (elektronendichte Granula) enthalten ADP, Serotonin und Ca2+-Ionen.
▶
Klinik.
TXA2 und PAF werden unabhängig von Granula sezerniert. TXA2 aktiviert weitere Thrombozyten (Abb. E 2.3), wirkt vasokonstriktorisch (Abb. E 2.4). Die Synthese lässt sich durch Acetylsalicylsäure hemmen.
2.2.3 Freisetzung von Inhaltsstoffen aus aktivierten Thrombozyten Im Anschluss an die Aktivierung fusionieren die in den Thrombozyten enthaltenen α- und δ-Granula mit der Plasmamembran, und ihre Inhaltsstoffe werden freigesetzt. Es gibt Hinweise darauf, dass die Inhaltsstoffe der α-Granula durch rezeptorvermittelte Endozytose aus dem Blutplasma aufgenommen werden, um sie dann bei Bedarf freisetzen zu können. α-Granula enthalten u. a. vWF, Gerinnungsfaktor VIII, Gerinnungsfaktor V, Fibrinogen (= Gerinnungsfaktor I), Fibronektin und mehrere Wachstumsfaktoren, z. B. Platelet-derived Growth Factor (PDGF), die benachbarte Zellen zur Zellteilung anregen. Die Inhaltsstoffe der α-Granula erleichtern nach ihrer Freisetzung zum einen die Aggregation und Quervernetzung der Thrombozyten, zum anderen schaffen sie auch günstige Voraussetzungen für die einsetzende Blutgerinnung und die nachfolgende Wundheilung. δ-Granula sind etwas kleiner als die α-Granula und erscheinen in elektronenmikroskopischen Bildern auffällig dunkel, weshalb sie auch als elektronendichte Granula bezeichnet werden. Zu ihren Inhaltsstoffen gehören ADP, Serotonin und Ca2+-Ionen: ADP (Adenosindiphosphat) erleichtert die Aktivierung und Bindung weiterer Thrombozyten in der unmittelbaren Umgebung. Serotonin (ein biogenes Amin, das aus Tryptophan gebildet wird) wirkt vasokonstriktorisch, d. h. es löst eine lokale Verengung der Blutgefäße aus, wodurch die Blutstillung erleichtert wird. Ca2+-Ionen sind ein wichtiger Cofaktor der Blutgerinnung. Sie vermitteln die Anheftung der Gerinnungsfaktoren an die Membranen der Thrombozyten.
▶ Klinik. Spezifische Inhibitoren thrombozytärer ADP-Rezeptoren sind von großer Bedeutung in der langfristigen Verhinderung einer erneuten Thrombusbildung nach einem Herzinfarkt. Der bekannteste Wirkstoff dieser Gruppe ist Clopidogrel, weitere Wirkstoffe sind Ticlopidin und Prasugrel. Alle diese Inhibitoren blockieren irreversibel den P2Y12-Rezeptor in der Plasmamembran der Thrombozyten, einen bestimmten Purin-Rezeptor aus der Gruppe der P2Y Rezeptoren. Bei den Wirkstoffen handelt es sich um inaktive Vorstufen („Prodrugs“). Die Aktivierung erfolgt durch Cytochrom-P-450-Enzyme in der Leber. Kürzlich wurde mit dem Ticagrelor erstmals ein P2Y12-Inhibitor eingeführt, der bereits ohne hepatische Modifikation aktiv ist. Die Standardtherapie beim akuten Koronarsyndrom und nach einer Ballondilatation eines Herzkranzgefäßes (perkutane Koronarintervention, PCI) besteht in einer dualen Plättchenaggregationshemmung mit 100 mg (täglich) Acetylsalicylsäure in Kombination mit einem P2Y12-Inhibitor, z. B. Clopidogrel, täglich 75 mg. Thromboxan A2 (TXA2) und der Plättchen-aktivierende Faktor (PAF) werden unabhängig von Granula sezerniert. TXA2 wird ausgehend von Arachidonsäure gebildet und hat zwei Effekte: Synergistisch mit ADP verstärkt es die Aktivierung weiterer Thrombozyten (Abb. E 2.3). Synergistisch mit Serotonin wirkt es vasokonstriktorisch (Abb. E 2.4). Die Synthese des TXA2 findet an der Plasmamembran der Thrombozyten statt. An der Synthese ist das Enzym Zyklooxygenase beteiligt. Das Enzym wird von Acetyl-
E
E-2.3
Aktivierung ruhender Thrombozyten durch verschiedene Mediatoren
Acetylsalicylsäure Thromboxan A2
Prostazyklin (PGI2) hemmt die Aktivierung des Thrombozyten
PAF (ein Phospholipid)
E-2.4
E-2.3
Thrombin (aus der Blutgerinnung)
(ein Eikosanoid)
aktivierter Thrombozyt
703
2.2 Blutstillung: Aktivierung und Aggregation von Thrombozyten
ADP (ein Nukleotid)
ruhender Thrombozyt
Auslösung einer Vasokonstriktion durch aktivierte Thrombozyten
E-2.4
Serotonin Thromboxan A2
Vasokonstriktion
glatte Muskelzellen ziehen sich zusammen aktivierte Thrombozyten
salicylsäure (z. B. Aspirin) inaktiviert (s. S. 704). Die verlängerten Blutungszeiten nach Einnahme von Acetylsalicylsäure können somit auf eine Hemmung der Synthese von TXA2 zurückgeführt werden. Auch der PAF (platelet-activating factor) trägt, wie sein Name andeutet, zur Aktivierung von Thrombozyten bei. PAF ist zudem ein Entzündungsmediator, er wirkt nämlich auch chemotaktisch: PAF induziert eine Einwanderung von Makrophagen und neutrophilen Granulozyten. PAF ist kein Metabolit des Arachidonsäurestoffwechsels, sondern ein Phospholipid (1-Octadecyl-2-Acetyl-Phosphatidylcholin).
▶ Merke.
Thrombozyten werden in zwei Schritten aktiviert: primär durch Kontakt der Plättchen mit Kollagen des Subendothels (s. o.), Thrombin, das bei der Auslösung einer Blutgerinnung gebildet wird (s. S. 707), und sekundär durch Stoffe, die von bereits aktivierten Thrombozyten abgegeben werden: ADP TXA2 PAF
Aktivierte Thrombozyten geben Ca2+-Ionen und mehrere Proteine ab, die bereits die Blutgerinnung, also die nächste Phase der Hämostase einleiten. Die Blutgerinnung wird dann unmittelbar auf der Oberfläche der Thrombozyten initiiert, indem die Bindung Ca2+-bindender Proteine an negativ geladene Membranlipide erleichtert wird. Zu diesem Zweck werden nach Aktivierung der Thrombozyten bestimmte negativ geladene Phospholipide durch einen sog. Flip-Flop-Mechanismus von der inneren Schicht der Plasmamembran in die äußere Schicht verschoben.
PAF aktiviert weitere Thrombozyten, ist ein Entzündungsmediator (wirkt chemotaktisch) und ist ein Phospholipid.
▶ Merke.
Aktivierte Thrombozyten geben Ca2+ und Proteine ab und bauen bestimmte negativ geladene Phospholipide in die äußere Schicht der Plasmamembran ein. An diese binden dann Ca2+-bindende Proteine und leiten so die Blutgerinnung ein.
704
E
2.2.4 Hemmung der Thrombozytenaggregation am intakten Endothel
2.2.4 Hemmung der Thrombozytenaggregation am intakten Endothel
Die Thrombozytenaggregation wird von intakten Endothelzellen normalerweise unterdrückt: Prostazyklin (Prostaglandin PGI2) bewirkt Vasodilatation und hemmt die Thrombozytenaktivierung.
▶
Klinik.
2 Blutstillung und Blutgerinnung
Die Thrombozytenaggregation wird von intakten Endothelzellen normalerweise unterdrückt, um eine Bildung von Thromben in den Blutgefäßen zu verhindern. Eine wichtige Rolle spielt dabei das Prostazyklin. Ähnlich dem Thromboxan A2 zählt auch das Prostazyklin zu den Eikosanoiden, d. h. es wird unter Beteiligung der Zyklooxygenase ausgehend von Arachidonsäure gebildet. Prostazyklin wird auch als Prostaglandin I2 (PGI2) bezeichnet. Trotz der chemischen Ähnlichkeit haben TXA2 und Prostazyklin gegenteilige Funktionen: TXA2 ist ein potenter Vasokonstriktor und fördert die Thrombozytenaggregation. Prostazyklin bewirkt eine Vasodilatation, hemmt die Aktivierung der Thrombozyten, und hemmt damit auch die Thrombozytenaggregation.
▶
Klinik. Warum überwiegt bei Einnahme niedriger Dosen von Acetylsalicylsäure
die Hemmung der TXA2-Synthese? Wenn Patienten Acetylsalicylsäure einnehmen, wird dieses im Magen und im oberen Dünndarm sehr schnell resorbiert und führt in den Thrombozyten des Blutes zu einer irreversiblen Hemmung der Zyklooxygenase. Da Thrombozyten keinen Zellkern haben, können sie neue Zyklooxygenase nicht mehr synthetisieren und die Synthese von TXA2 bleibt blockiert. Wenn die Mengen an Acetylsalicylsäure hinreichend niedrig sind, wird die Zyklooxygenase der Endothelien nur geringfügig gehemmt. Zudem wird das Enzym in den Endothelien durch Neusynthese schnell ersetzt. Entsprechend wird auch die Produktion des Prostazyklins kaum gehemmt.
2.3
Blutgerinnung
2.3
Blutgerinnung
2.3.1 Das Prinzip
2.3.1 Das Prinzip
Die Blutgerinnung führt letztlich zur Umwandlung von Fibrinogen (= Gerinnungsfaktor I) zu Fibrin, welches gemeinsam mit den Thrombozyten die Wunde verschließt.
Der weiße Thrombozytenthrombus bringt die Blutung zum Stillstand, ist aber noch sehr instabil. Aufgabe der eigentlichen Blutgerinnung ist es, den Zustand der Blutstillung zu stabilisieren und damit die Gefahr einer erneuten Blutung zu reduzieren. Die Blutgerinnung führt letztlich zur Umwandlung von Fibrinogen (= Gerinnungsfaktor I) zu Fibrin, welches dann ein dreidimensionales Netzwerk bildet, das gemeinsam mit den Thrombozyten die Wunde verschließt.
▶ Merke. Die Umwandlung des Fibrinogens in Fibrin erfolgt durch Abspaltung von zwei kleinen Peptiden. Als spezifische Protease dient dabei Thrombin (= Gerinnungsfaktor II), das seinerseits durch Proteolyse aus Prothrombin entsteht (Abb. E 2.5).
Alle proteolytisch aktiven Gerinnungsfaktoren sind Serin-Proteasen und mit dem Verdauungsenzym Trypsin verwandt.
E-2.5
▶ Merke.
Das Ziel der Blutgerinnung ist die Bildung eines stabilen Aggregates aus Fibrin und Thrombozyten. Die Umwandlung des Fibrinogens in Fibrin erfolgt durch Abspaltung von zwei kleinen Peptiden. Als spezifische Protease dient dabei Thrombin (= Gerinnungsfaktor II). Das Thrombin entsteht seinerseits durch proteolytische Prozessierung aus Prothrombin. Die Prozessierung wird vom Faktor X (= Stuart-Prower-Faktor) katalysiert. Indem die Gerinnungsfaktoren mit römischen Zahlen bezeichnet und jeweils die aktivierten Faktoren mit einem „a“ gekennzeichnet werden, ergibt sich somit das in Abb. E 2.5 gezeigte Schema. Wie Fibrin und Thrombin wird auch der Faktor X durch proteolytische Prozessierung aktiviert. Gerinnungsfaktoren, die durch einen derartigen Mechanismus aktiviert werden, bezeichnet man in Analogie zu den inaktiven Vorstufen mancher Verdauungsenzyme als Zymogene. Die Ähnlichkeit zwischen den Gerinnungsfak-
E-2.5
Umwandlung von Fibrinogen in Fibrin
Stuart-Prower-Faktor (= Faktor X)
Xa
Prothrombin (= Faktor II) Fibrinogen (= Faktor I)
Thrombin (= IIa) Fibrin
E
705
2.3 Blutgerinnung
toren und den Enzymen des Verdauungstrakts geht sogar noch weiter: Alle proteolytisch aktiven Gerinnungsfaktoren sind Serin-Proteasen (s. S. 255). Sie ähneln in ihrer Struktur den Verdauungsproteasen Trypsin und Chymotrypsin des Pankreas. Vermutlich haben sich die Gene aller dieser Proteasen in der Evolution aus einem gemeinsamen Vorläufer-Gen entwickelt.
2.3.2 Die Blutgerinnung im Detail
2.3.2 Die Blutgerinnung im Detail
Auslösung und Beschleunigung der Gerinnung
Auslösung und Beschleunigung der Gerinnung
Bei der Blutgerinnung agieren zwei unterschiedliche Proteinkomplexe als Faktor-Xspezifische Proteasen. Beide Proteasen binden unter Vermittlung von Ca2+-Ionen an die Phospholipide der Plasmamembran aktivierter Thrombozyten, wo sie in eine enzymatisch aktive Form gebracht werden. Die Proteasen sind die „extrinsische Xase“ (Komplex aus Thromboplastin und Faktor VIIa): Dieser Komplex ist verantwortlich für die Auslösung einer Blutgerinnung (Abb. E 2.6). die „intrinsische Xase“ (Komplex aus den Faktoren VIIIa und IXa): Der VIIIa-IXaKomplex dient der Beschleunigung der Blutgerinnung, nachdem diese durch Thromboplastin/Faktor VIIa ausgelöst wurde. Der VIIIa-IXa-Komplex dient also der Verstärkung des Signals zur Blutgerinnung. Beide Komplexe sollen hier näher erläutert werden.
Das Modell des intrinsischen und extrinsischen Systems Intrinsisches System: Dieses System wurde in der Frühzeit der Forschung aufgrund der Beobachtung definiert, dass frisch gewonnenes Blut z. B. in einem Glasgefäß (in vitro) nach einiger Zeit gerinnt. Da die Gerinnung nach einigen Minuten einsetzt, ohne dass der Prozess von außen durch Zusatz besonderer Aktivatoren ausgelöst werden müsste, bezeichnete man das System der beteiligten Stoffe als intrinsisches System der Blutgerinnung (= endogenes System= intravaskuläres System= KontaktSystem). Später entdeckte man, dass im Blut mehrere Proteine enthalten sind, die an der glatten Wand der jeweiligen Reaktionsgefäße miteinander reagieren und dabei die Gerinnung des Blutes auslösen. Die wichtigsten Komponenten dieses Systems sind die Faktoren XII (= Hageman-Faktor) und XI sowie Präkallikrein und hochmolekulares Kininogen. Möglicherweise lagern sich diese Proteine unter physiologischen Bedingungen an die negativ geladenen Lipide aktivierter Thrombozyten an. Tatsächlich ist die physiologische Relevanz dieser Stoffe als Auslöser der Blutgerinnung aber bis heute nicht geklärt. Individuen, die den Faktor XII nicht bilden können, zeigen bei der Blutgerinnung keine Defekte und benötigen auch keinerlei Therapie! Extrinsisches System: Dieses System wird aktiviert, wenn die Blutgerinnung von Stoffen ausgelöst wird, die im Blut normalerweise nicht enthalten sind. In dieser Funktion kommt dem Gewebe-Thromboplastin die entscheidende Bedeutung zu. Thromboplastin (= CD142 = Gerinnungsfaktor III= engl. Tissue Factor, in der klinischen Chemie deshalb auch als Gewebefaktor bezeichnet) ist ein in den Geweben weit verbreitetes Membranprotein von ca. 45 kDa. Von Endothelzellen wird Thromboplastin normalerweise nicht exponiert. Die im Blutserum enthaltenen Faktoren des Gerinnungssystems kommen deshalb nur infolge einer Gefäßverletzung mit Thromboplastin in Berührung. Bei einer Verletzung bindet Faktor VII (alte Bezeichnung: Proconvertin; ein lösliches Protein des Blutplasmas) an Thromboplastin. Faktor VII wird durch die Komplexbildung mit Thromboplastin aktiviert und in dieser Form als Faktor VIIa bezeichnet. Der Faktor VIIa hat im Komplex mit Thromboplastin Serin-Protease-Aktivität und ist nun in der Lage, den Stuart-Prower-Faktor, also den Faktor X der Blutgerinnung, durch proteolytische Prozessierung zu aktivieren (Abb. E 2.6). Der Komplex aus Thromboplastin und Faktor VIIa hat somit die Funktion einer „Xase“. Da der Komplex ursprünglich als Teil des extrinsischen Systems der Blutgerinnung identifiziert wurde, kann man den Komplex als „extrinsische Xase“ bezeichnen. Seine volle Aktivität gewinnt der Komplex allerdings erst im Ca2+-vermittelten Kontakt mit den Phospholipiden, die an der Verletzungsstelle von den dort aktivierten Thrombozyten exponiert werden (Abb. E 2.6).
Als Faktor-X-spezifische Proteasen agieren auf der Oberfläche aktivierter Thrombozyten: die „extrinsische Xase“ (Komplex aus Thromboplastin und Faktor VIIa) → Auslösung einer Blutgerinnung (Abb. E 2.6) die „intrinsische Xase“ (Komplex aus den Faktoren VIIIa und IXa) → Verstärkung des Signals zur Blutgerinnung Beide Komplexe werden im Folgenden näher erläutert.
Das Modell des intrinsischen und extrinsischen Systems Das intrinsische System löst eine Blutgerinnung in vitro aus.
Die wichtigsten Komponenten sind: Faktor XII (= Hageman-Faktor), Faktor XI, Präkallikrein und hochmolekulares Kininogen. Die physiologische Relevanz dieser Stoffe als Auslöser der Blutgerinnung ist bis heute nicht geklärt. Individuen, die den Faktor XII nicht bilden können, zeigen eine normale Blutgerinnung. Das extrinsische System ist normalerweise Auslöser einer Blutgerinnung. Entscheidende Komponenten sind: Gewebe-Thromboplastin (= Gerinnungsfaktor III = Gewebefaktor) ist ein weit verbreitetes Membranprotein. Bei Verletzungen des Endothels bindet Faktor VII an Gewebe-Thromboplastin. Faktor VIIa hat im Komplex mit Thromboplastin Serin-Protease-Aktivität und kann den Faktor X aktivieren (Abb. E 2.6). Der Komplex aus Thromboplastin und Faktor VIIa hat somit die Funktion einer „Xase“.
706 ▶ Merke.
E
2 Blutstillung und Blutgerinnung
▶ Merke. Die Unterscheidung von extrinsischem und intrinsischem System ist veraltet. Das sog. intrinsische System einschließlich des Faktors XII (Hageman-Faktor) scheint unter physiologischen Bedingungen als Auslöser einer Blutgerinnung irrelevant zu sein. Nach derzeitigem Stand der Forschung wird eine Blutgerinnung unter physiologischen Bedingungen vom Membranprotein Thromboplastin ausgelöst. Thromboplastin aktiviert den Faktor VII der Blutgerinnung. Beide Proteine zählen traditionell zum extrinsischen System.
„Prothrombinase“: Komplex aus den Faktoren Xa und Va. Xa ist eine Serin-Protease, die inaktives Prothrombin in aktives Thrombin überführt (Abb. E 2.6). Va ist dabei Cofaktor.
E-2.6
Der Komplex aus Thromboplastin und Faktor VIIa überführt den Faktor X in die XaForm. Der Faktor Xa assoziiert daraufhin mit Gerinnungsfaktor Va. Auch dieser Komplex bildet sich nur in Gegenwart von Ca2+-Ionen an der Oberfläche der Thrombozyten. Er hat die Funktion einer „Prothrombinase“ und überführt das inaktive Prothrombin in das aktive Thrombin (= Faktor IIa), das dann das Fibrinogen prozessiert (Abb. E 2.6).
E-2.6
Schema der wichtigsten Prozesse bei der Auslösung der Blutgerinnung
Phospholipide an der Oberfläche aktivierter Thombozyten Ca2+
Ca2+
Faktor VIIa Gewebefaktor = Thromboplastin
Faktor VIIIa
Faktor IXa = intrinsische Xase, verstärkt das Signal zur Blutgerinnung
= extrinsische Xase
Ca2+
aktiviert Faktor X
Ca2+
Bildung von Thrombin
aktiviert
assoziiert mit Faktor Va
Fibrinogen
aktiviert
Fibrin
Das Gewebe-Thromboplastin ist ein in allen Geweben weit verbreitetes Membranprotein, das bei einer Gefäßverletzung Faktor VII bindet und aktiviert.
Die Funktionen des Thrombins
Die Funktionen des Thrombins
Thrombin (= Faktor IIa) hat eine Vielzahl wichtiger Funktionen: Thrombin überführt Fibrinogen in Fibrin, es aktiviert u. a. den Faktor V, der als Cofaktor des Faktors X dient. Thrombin beschleunigt dadurch seine eigene Aktivierung. Thrombin aktiviert die Faktoren VIII und IX; diese bilden einen Komplex, der als „intrinsische Xase“ parallel zum Thromboplastin-VIIa-Komplex den Faktor X aktiviert. → Beschleunigung der Thrombusbildung
Neuere Untersuchungen haben gezeigt, dass Thrombin nicht nur die Funktion hat, Fibrinogen in Fibrin zu überführen. Vielmehr zeigt Thrombin eine ausgeprägte „Promiskuität“. Inzwischen sind bereits 20 verschiedene Partnerproteine des Thrombins identifiziert worden. Thrombin kommt innerhalb der gesamten Blutgerinnungskaskade insofern eine zentrale Rolle zu, als es auf mehreren Stufen eine verstärkende Rückkopplung vermittelt: Thrombin prozessiert u. a. den Faktor V, der als Cofaktor des Faktors X dient (s. o.). Thrombin beschleunigt dadurch seine eigene Aktivierung. Besonders wichtig ist die Funktion des Thrombins als Aktivator der Faktoren VIII und IX. Der Faktor VIII ist zunächst mit dem vWF des Blutplasmas assoziiert. Bei der Bildung eines Thrombus wird Faktor VIII freigesetzt, von Thrombin aktiviert und bildet dann in Gegenwart von Ca2+-Ionen an der Oberfläche der aktivierten Thrombozyten einen Komplex mit dem Faktor IXa (alte Bezeichnung: ChristmasFaktor). Der VIIIa-IXa-Komplex wurde ursprünglich als Teil des intrinsischen Systems entdeckt. Er hat parallel zur „extrinsischen Xase“ (Thromboplastin-VIIa-Komplex) die Aufgabe, den Faktor X zu aktivieren. Deshalb kann man den VIIIa-IXa-Komplex als „intrinsische Xase“ neben der „extrinsischen Xase“ bezeichnen. Tatsäch-
E
707
2.3 Blutgerinnung
lich dient der VIII-IX-Komplex in der Regel der weiteren Beschleunigung einer Thrombusbildung, nachdem diese durch Thromboplastin einmal eingeleitet wurde. Der Faktor IX wird nicht nur von Thrombin zu IXa aktiviert, sondern auch vom Faktor XIa. Die Aktivierung des Faktors XI zu XIa wird aber ebenfalls von Thrombin katalysiert. Durch Aktivierung des Faktors XIII unterstützt Thrombin eine Quervernetzung des Fibrins (s. u.). Besonders aktiv ist Thrombin als weiterer Aktivator von Thrombozyten. Gemeinsam mit ADP und Thromboxan A2 beschleunigt Thrombin dadurch eine Vielzahl von Prozessen, die für die Bildung und die Verdickung eines Thrombus von Bedeutung sind.
Durch Aktivierung des Faktors XIII unterstützt Thrombin die Quervernetzung des Fibrins. Besonders aktiv ist Thrombin als Aktivator von Thrombozyten (gemeinsam mit ADP und Thromboxan A2).
▶ Merke.
▶ Merke.
▶
▶
Thrombin (= Faktor II) ist eine Serin-Protease mit struktureller Ähnlichkeit zu Trypsin. Thrombin ist bei der Blutgerinnung von zentraler Bedeutung: Einbeziehung eines Systems der Signalverstärkung: – durch Aktivierung der Faktoren VIII und IX – durch Aktivierung des Faktors XI (XIa aktiviert IX) Katalyse der Fibrinbildung (s. u.) Einleitung der Fibrinquervernetzung durch Aktivierung des Faktors XIII Thrombozytenaktivierung
Klinik. Ein Ausfall eines der Faktoren VIII oder IX hat eine Hämophilie, d. h. eine
Klinik.
schwer wiegende Blutungsneigung zur Folge. Die Hämophilien A und B werden Xchromosomal-rezessiv vererbt, sie treten deshalb bei Männern wesentlich häufiger auf als bei Frauen. Hämophilie A, Mangel an Faktor VIII, ist „die klassische Bluterkrankheit“. Sie tritt bei Männern mit einer Prävalenz von ca. 1:10 000 auf. Bei etwa der Hälfte aller Betroffenen liegt eine „schwere“ Hämophilie A vor, d. h. die Restaktivität des Faktors VIII liegt unter 1 %. Charakteristisch sind Blutungen in die großen Gelenke. Blutungen treten aber auch in anderen Organen auf. Durch regelmäßige i. v. Injektionen von rekombinantem Faktor VIII kann die Blutgerinnung weitgehend normalisiert werden. Hämophilie B ist auf einen Mangel an Faktor IX zurückzuführen. Hämophilie B ist deutlich seltener als Hämophilie A, die Prävalenz liegt bei 1:35 000, die Symptome sind weitgehend identisch. Eine effektive Therapie der Hämophilie B ist mit rekombinantem Faktor IX möglich. Ein Mangel an Faktor XI betrifft ebenfalls das intrinsische System. Spontane Blutungen treten bei Faktor-XI-Mangel normalerweise nicht auf. Allerdings kann es bei größeren Wunden, etwa bei Operationen, zu heftigen Blutungen kommen. Offenbar ist der Faktor XI ähnlich den Faktoren VIII und IX an der Verstärkung der Gerinnungskaskade beteiligt. Wie diese wird auch Faktor XI von Thrombin aktiviert.
Die Bildung von Fibrin
Die Bildung von Fibrin
Hauptziel der Blutgerinnung ist die Bildung von Fibrin, das den Thrombus stabilisiert und so eine erneute Blutung verhindert. Die entscheidende Rolle spielt dabei das Thrombin. Es katalysiert als Protease die Umwandlung des Fibrinogens in Fibrin. Bei Fibrinogen handelt es sich um symmetrisch aufgebaute längliche Hexamere. Je eine α-, eine β- und eine γ-Untereinheit lagern sich parallel zu einem Trimer zusammen. Zwei derartige Trimere bilden ein stäbchenförmiges Hexamer (Abb. E 2.7). Dabei zeigen die C-Termini aller Untereinheiten zu den äußeren Enden der Hexamere, die N-Termini liegen hingegen alle in der Mitte der Hexamere. Wegen dieser symmetrischen Struktur werden die Fibrinogen-Hexamere oft auch als „Dimere“ bezeichnet. Die Nomenklatur ist in dieser Hinsicht uneinheitlich. Innerhalb des Fibrinogens sind alle Untereinheiten durch Disulfidbrücken miteinander quervernetzt. Thrombin (Faktor IIa) spaltet das Fibrinopeptid A vom N-terminalen Ende der α-Ketten ab, das Fibrinopeptid B vom N-terminalen Ende der β-Ketten ab (Abb. E 2.7). Dabei werden in den zentral gelegenen Teilen der Fibrinogen-Hexamere hydrophobe
Fibrin entsteht aus Fibrinogen. Ein Fibrinogenmolekül besteht aus stäbchenförmigen Hexameren (zwei αβγ-Trimere, Abb. E 2.7). Alle Trimer-Untereinheiten sind durch Disulfidbrücken miteinander quervernetzt.
Thrombin (= Faktor IIa) spaltet das Fibrinopeptid A von der α-Kette und das Fibrinopeptid B von der β-Kette ab (Abb. E 2.7). Dadurch werden in der Mitte der Hexamere
708 E-2.7
E
2 Blutstillung und Blutgerinnung
E-2.7
Fibrinogen und Fibrin α
FibrinogenHexamer
γ β Thrombin Fibrinopeptide A und B
Fibrin
Polymerisation
Bindestellen freigelegt, und die Fibrinmoleküle aggregieren. Der durch Thrombin aktivierte Faktor XIIIa katalysiert nun eine kovalente Quervernetzung (Abb. E 2.9). Hierbei reagiert jeweils ein Lysinrest mit einem Glutaminrest (Abb. E 2.8).
E-2.8
Bindestellen zugänglich. Diese verbinden sich nun mit den C-terminalen Enden benachbarter Hexamere und es entsteht ein netzartiges Fibrin-Aggregat (Abb. E 2.8). Das Aggregat wird anschließend durch kovalente Quervernetzung stabilisiert (Abb. E 2.9). Dieser Prozess wird vom Faktor XIIIa katalysiert, der von Thrombin aktiviert wird. Bei der Quervernetzung reagiert jeweils die Aminogruppe eines Lysinrests mit einem Glutaminrest. Im Zuge dieser Reaktionen werden die Wundränder zusammengezogen, was die anschließende Wundheilung erleichtert.
E-2.8
Blutgerinnsel Kolorierte elektronenmikroskopische Abbildung eines Blutgerinnsels. Erkennbar sind die netzförmig angeordneten Fibrinfäden (weiß), in denen Blutzellen (überwiegend Erythrozyten, rot) fixiert sind (© Susumu Nishinaga – Science Photo Library).
E-2.9
E-2.9
Kovalente Quervernetzung des Fibrins O
Fibrin
CH2
CH2
C
+
H3N
+
NH2
CH2
CH2
CH2
CH2
Fibrin
Faktor XIIIa (von Thrombin aktiviert) NH4+ O Fibrin
CH2
CH2
C
N
CH2
CH2
CH2
CH2
Fibrin
H
Zusammenfassung und Überblick
Zusammenfassung und Überblick Zusammenfassend ergibt sich damit folgendes Bild: Traditionell wurde die Blutgerinnung als eine Reaktionskaskade löslicher Komponenten vorgestellt. Ausgelöst entweder durch das extrinsische System (Thromboplastin) oder durch das intrinsische System (Faktor XII) wurde eine gemeinsame Endstrecke der Reaktionskaskade definiert, die ausgehend vom Faktor X zur Bildung des Fibrins führt.
2.3 Blutgerinnung
709
Die neueren Forschungen haben dieses Schema erheblich modifiziert: Unter physiologischen Bedingungen gibt es im Wesentlichen nur ein System der Auslösung: die Bildung eines Komplexes aus Gewebefaktor und Faktor VIIa. Es schließt sich ein System der Signalverstärkung an, bestehend aus den Faktoren VIIIa und IXa, ergänzt durch den Faktor XIa. In der Blutgerinnung kommt dem Thrombin eine Schlüsselfunktion zu. Thrombin ist an der Aktivierung aller wichtigen Teilschritte direkt beteiligt. Auch das System der Ausführung enthält als wichtigste Komponente das Thrombin. Es katalysiert die Umwandlung von Fibrinogen zu Fibrin. Thrombin aktiviert auch den Faktor XIII, der abschließend die Quervernetzung katalysiert. Letztlich sind bei der Blutgerinnung fast alle entscheidenden Komponenten an Zellmembranen gebunden, überwiegend an aktivierten Thrombozyten. Blutgerinnung ist ein Prozess, der an Oberflächen abläuft (S. 712). Ähnlich dem Thrombin kooperieren auch andere Gerinnungsfaktoren mit sehr vielen Partnerproteinen. Lineare Modelle einer Reaktionskaskade stellen eine grobe Vereinfachung der tatsächlich vielfach verwobenen Wechselwirkungen dar.
Neuere Forschungen haben das klassische Schema der Blutgerinnung erheblich modifiziert: Es gibt unter physiologischen Bedingungen im Wesentlichen nur ein System der Auslösung (Gewebefaktor + Faktor VIIa). Es schließt sich ein System der Signalverstärkung an (Faktoren VIIIa und IXa, ergänzt durch den Faktor XIa). In der Blutgerinnung kommt dem Thrombin eine Schlüsselfunktion zu (Aktivierung aller wichtigen Teilschritte). Thrombin ist auch die wichtigste Komponente des Systems der Ausführung (Katalyse der Fibrinsynthese, Aktivierung des Faktors XIII). Blutgerinnung ist ein Prozess, der an Oberflächen abläuft.
Die meisten Gerinnungsfaktoren sind Proteasen, einige sind aber nur Cofaktoren ohne eigene enzymatische Aktivität, oder sie haben eine andere Funktion (Tab. E 2.1).
Gerinnungsfaktoren wirken meist als Proteasen, selten als Cofaktoren oder in anderer Funktion (Tab. E 2.1).
E
E-2.1
Gerinnungsfaktoren
E-2.1
Faktor
Synonym
Funktion
I
Fibrinogen/Fibrin
Gerinnselbindung
II
Prothrombin/Thrombin
Serin-Protease
III
Gewebefaktor/Thromboplastin
Cofaktor
IV
Ca2+-Ionen
Cofaktor
V
(Proakzelerin)
Cofaktor
VI
= Faktor Va
VII
(Prokonvertin)
Serin-Protease
VIII
(Antihämophiliefaktor A)
Cofaktor
IX
(Antihämophiliefaktor B, Christmas-Faktor)
Serin-Protease
X
Stuart-Prower-Faktor
Serin-Protease
XI
(Rosenthal-Faktor)
Serin-Protease
XII
(Hageman-Faktor)
Serin-Protease
XIII
(Fibrin-stabilisierender Faktor)
Transglutaminase
Die in Klammern angegebenen Namen der Faktoren werden nur noch selten verwendet.
Vitamin K, γ-Carboxylierung und Calcium-Ionen Bei der Blutgerinnung binden im Verletzungsgebiet mindestens vier Gerinnungsfaktoren an Zellmembranen: Faktor VII (Auslösung der Blutgerinnung) Faktor IX (Verstärkung des Signals) Faktor X (Aktivierung des Thrombins) Faktor II (Thrombin selbst) Darüber hinaus binden die regulatorisch wichtigen Proteine C und S an Zellmembranen. Die Anlagerung aller dieser Proteine an die Zellmembranen wird von Ca2+-Ionen vermittelt. Die Ca2+-Ionen treten dabei in Wechselwirkung mit den negativ geladenen Phospholipiden. Währenddessen werden die Ca2+-Ionen von γ-Carboxyglutaminsäure-Gruppen der Proteine festgehalten.
Vitamin K, γ-Carboxylierung und CalciumIonen Bei der Blutgerinnung binden im Verletzungsgebiet mindestens vier der Gerinnungsfaktoren an Zellmembranen (VII, IX, X und II), sowie die Proteine C und S.
Alle diese Proteine enthalten γ-Carboxyglutaminsäure-Gruppen, die Ca2+ binden. Die Ca2+-Ionen vermitteln die Bindung der Gerinnungsfaktoren an die Membranen.
710
E
2 Blutstillung und Blutgerinnung
E-2.10
E-2.10
Glutamat und Carboxyglutamat
COO– +
H3 N
C
H
COO– +H
3N
CH2 CH2 COO– Glutamat
Alle Ca2+-bindenden Gerinnungsfaktoren werden in der Leber gebildet. Die γ-Carboxyglutaminsäure-Reste entstehen durch post-translationale Modifikation, indem bestimmte Glutaminsäurereste der Gerinnungsfaktoren eine zusätzliche COOHGruppe erhalten (Abb. E 2.10).
▶ Merke.
▶ Exkurs.
C
H
CH2 –OOC
CH COO–
γ-Carboxyglutamat (vermittelt Bindung von Ca2+-Ionen)
Alle Ca2+-bindenden Gerinnungsfaktoren werden in der Leber gebildet. Die γ-Carboxyglutaminsäure-Reste entstehen durch posttranslationale Modifikation der Gerinnungsfaktoren in den Hepatozyten. Dabei ist Vitamin K (Phyllochinon) ein essenzieller Cofaktor. Die γ-Carboxyglutaminsäure-Gruppen werden gebildet, indem bestimmte Glutaminsäurereste der Gerinnungsfaktoren eine zusätzliche COOH-Gruppe erhalten (Abb. E 2.10). Im Prothrombin werden z. B. bis zu 14 Glutaminsäurereste carboxyliert. Die Reaktion wird von einer Carboxylase katalysiert. Das Enzym benötigt für die Reaktion Vitamin K sowie CO2, O2 und NADPH.
▶ Merke.
Vitamin K (S. 281) ist an der Blutgerinnung also nicht direkt beteiligt, sondern nur ein essenzieller Cofaktor bei der γ-Carboxylierung der Gerinnungsfaktoren in der Leber.
▶ Exkurs.
Diagnostik von Gerinnungsstörungen Sowohl zur Diagnose von Gerinnungsstörungen als auch zur Kontrolle der Effizienz gerinnungshemmender Medikamente werden standardisierte Tests durchgeführt: Der Quick-Test zur Bestimmung der Thromboplastinzeit wurde 1936 von dem amerikanischen Arzt Armand Quick entwickelt. Unter definierten Bedingungen wird zu einer PlasmaProbe Thromboplastin (Faktor III) zusammen mit Phospholipiden und Ca2+-Ionen zugegeben. Es wird dann die Zeit (in Sekunden) bis zur Fibrinbildung gemessen. Die Zeit, die mit Plasmaproben von „Normalspendern“ gemessen wird, liegt im typischen Fall bei etwa 20 Sekunden und definiert den 100 %-Wert. Geschwindigkeitsbestimmend ist beim Quick-Test die Verfügbarkeit der Faktoren des extrinsischen Systems, also der Faktoren VII, X, V und II. Ein Quickwert von z. B. 70 % besagt, dass mit dem zugegebenen Thromboplastin in der Plasma-Probe nur 70 % der Aktivität erreicht wurde, die mit der gleichen Menge an Thromboplastin in der Kontrollprobe gemessen wurde. Je niedriger der Quick-Wert, desto schlechter ist die Gerinnungsfunktion (und desto höher ist das Blutungsrisiko). Seit einigen Jahren wird der Quick-Test zunehmend durch die Bestimmung des INR-Wertes (International Normalized Ratio) ersetzt. Auch bei diesem Verfahren wird die Zeit gemessen, die verstreicht, bis unter definierten Bedingungen nach Zugabe von Thromboplastin zu einer Plasma-Probe die Gerinnung einsetzt. Als Referenz dient ein „Normalplasma“. Nicht nur die Reaktionsbedingungen, sondern auch die eingesetzten Reagenzien, einschließlich des Thromboplastins, sind international vereinheitlicht worden und erlauben deshalb eine quantitative Bestimmung, die (anders als der Quick-Wert) zwischen allen klinischen Laboratorien der Welt vergleichbar ist. Der INR-Wert gibt unmittelbar an, in welchem Verhältnis zum Normalwert die Gerinnung verzögert ist. Bei einer Cumarintherapie ist die Zeit bis zum Einsetzen der Gerinnung um das 2- bis 3-Fache verlängert, entsprechend liegen die INRWerte bei 2,0 – 3,0. Ein hoher INR-Wert entspricht also einem niedrigen Quick-Wert. Die Bestimmung der aktivierten partiellen Thromboplastinzeit (aPTT) ist eine wertvolle Ergänzung des Quick-Tests bzw. der Bestimmung der INR. Sie ist der klassische Test des intrinsischen Systems und erlaubt damit auch den Nachweis von Defekten der Faktoren VIII, IX und XI. So lässt sich mit diesem Verfahren eine Hämophilie vom Typ A (Mangel an Faktor VIII) oder B (Mangel an Faktor IX) nachweisen, die vom Quick-Test und von der INR nicht erfasst wird. In der Klinik dient der aPTT-Test auch der Beurteilung einer Therapie mit Heparin. Der Test besteht darin, dass die Gerinnungskaskade in einer Plasmaprobe in Gegenwart von negativ geladenen Oberflächen, Phospholipiden, und Ca2+-Ionen aktiviert und dann die Zeit bis zum Einsetzen der Gerinnung gemessen wird. Der Ausdruck „partielles Thromboplastin“ bezeichnet im Zusammenhang dieses Verfahrens die zugesetzten Phospholipide, die keinen Gewebefaktor enthalten. Der Ausdruck ist insofern irreführend, als das Wort „Thromboplastin“ normalerweise – etwa im Kontext des Quick-Wertes – als alternativer Name des gereinigten Gewebefaktors verwendet wird. Das Wort „Thromboplastin“ hat also zwei unterschiedliche Bedeutungen.
E
2.4
Fibrinolyse
2.4
Während des Heilungsprozesses einer Wunde wird das Fibrin wieder abgebaut. Für diese sog. Fibrinolyse ist die Serin-Protease Plasmin verantwortlich, die Fibrin in wasserlösliche Abbauprodukte spaltet. Plasmin wird aus der Vorstufe Plasminogen gebildet, einem Protein des Blutplasmas. Die Bildung des Plasmins kann von zwei unterschiedlichen Plasminogenaktivatoren katalysiert werden (Abb. E 2.11): Gewebe-Plasminogenaktivator (Tissue Plasminogen Activator, t-PA) wird von Endothelzellen freigesetzt. Urokinase ist ein Plasminogenaktivator, der in der Niere produziert wird.
E-2.11
711
2.5 Hemmung der Blutgerinnung
Fibrinolyse
Für die Auflösung von Fibrin ist die SerinProtease Plasmin verantwortlich, die Fibrin in wasserlösliche Abbauprodukte spaltet. Plasmin wird aus der Vorstufe Plasminogen gebildet. Zwei Plasminogenaktivatoren sind beteiligt (Abb. E 2.11): Gewebe-Plasminogenaktivator (t-PA) aus Endothelzellen Urokinase aus der Niere
Aktivierung des Plasmins und Fibrinolyse durch Plasmin
E-2.11
Gewebe-Plasminogenaktivator (t-PA) oder Urokinase Plasminogen (ein Protein des Blutplasmas)
Plasmin (eine Serin-Protease)
baut Fibrin ab (Fibrinolyse)
▶ Klinik. Mit molekularbiologischen Methoden hergestellte („rekombinante“) Deri-
▶
Klinik.
vate des Gewebe-Plasminogenaktivators werden seit einigen Jahren bei Herzinfarkt mit großem Erfolg zur Auslösung einer Fibrinolyse eingesetzt (z. B. r-PA, Handelsname Reteplase). Auf diesem Wege können ca. 80 % aller stenosierten Koronararterien bei rechtzeitiger intravenöser Injektion wieder geöffnet werden. Um einen erneuten Verschluss der Gefäße zu verhindern, kommen anschließend Plättchenaggregationshemmer (Acetylsalicylsäure; Clopidogrel) und Inhibitoren der Blutgerinnung zum Einsatz.
2.5
Hemmung der Blutgerinnung
2.5
Hemmung der Blutgerinnung
2.5.1 Mechanismen in vitro
2.5.1 Mechanismen in vitro
Um die Gerinnung von Blut in vitro zu verhindern, kann man Chelatoren zusetzen, die Komplexe mit den Ca2+-Ionen des Blutes bilden. Üblich ist die Verwendung von Citrat oder EDTA (Ethylendiamintetraessigsäure). So kann die Gerinnung nach einer Blutentnahme durch Citrat zunächst unterdrückt, zur Bestimmung der Gerinnungszeit dann aber durch Zusatz von Ca2+-Ionen wieder gestartet werden.
Die Chelatoren Citrat und EDTA bilden mit den Ca2+-Ionen des Blutes Komplexe.
2.5.2 Mechanismen in vivo
2.5.2 Mechanismen in vivo
Antithrombin, α2-Makroglobulin, α1-Antitrypsin
Antithrombin, α2-Makroglobulin, α1-Antitrypsin
Im Organismus wird die Blutgerinnung unter physiologischen Bedingungen dadurch verhindert, dass die entscheidenden Gerinnungsfaktoren als inaktive Zymogene (Proenzyme) vorliegen. Gelegentlich werden einzelne Zymogenmoleküle unspezifisch gespalten und dadurch aktiviert. Wenn diese Moleküle nicht umgehend inaktiviert würden, käme es durch die Aktivität des Verstärkungssystems der Blutgerinnung (Faktoren VIII, IX und XI) in allen Gefäßen sofort zu einer massiven Blutgerinnung. Antithrombin, in der älteren Literatur als Antithrombin III bezeichnet, ist offenbar der entscheidende Faktor, der eine übermäßige Blutgerinnung verhindert. Mäuse, die kein Antithrombin bilden können, sterben bereits intrauterin an massiver Thrombose. Antithrombin ist ein Protein von 58 kDa, das in der Leber synthetisiert wird. Es bindet und inaktiviert mit großer Effizienz Faktor Xa und Thrombin, mit geringerer Effizienz auch die meisten anderen Gerinnungsfaktoren, indem es stabile 1:1-Komplexe bildet. Da Antithrombin ausschließlich Serin-Proteasen hemmt, wurde vorgeschlagen, es als „Serpin“ zu bezeichnen. Eigentümlicherwei-
Die Blutgerinnung wird durch unspezifische Protease-Hemmer im Blutplasma gehemmt: Antithrombin: Synthese in der Leber, bindet und inaktiviert mit großer Effizienz Faktor Xa und Thrombin, mit geringerer Effizienz auch die meisten anderen Gerinnungsfaktoren. α2-Makroglobulin α1-Antitrypsin
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2 Blutstillung und Blutgerinnung
se reagiert Antithrombin nur mit Substraten in Lösung. Membrangebundene Gerinnungsfaktoren kann Antithrombin nicht inaktivieren. α2-Makroglobulin inaktiviert durch Bildung von 1:1-Komplexen relativ unspezifisch Proteasen, die bei vielen verschiedenen Prozessen ins Blut gelangen. U.a. wird auch Thrombin gebunden. α2-Makroglobulin ist ein vergleichsweise großes Protein (ca. 800 kDa), seine Struktur erinnert an den Buchstaben H. Bei Bindung einer Protease schnappt das Protein zusammen, es funktioniert also ähnlich einer Mausefalle. α1-Antitrypsin bindet ebenfalls unspezifisch verschiedene Proteasen. Für das Hämostasesystem scheint es nur eine geringe Bedeutung zu haben. Heparin
Heparin
Prinzip: Heparin bindet an Antithrombin und erhöht dessen Affinität für seine Substrate. Das in der Klinik (zur Prophylaxe der intravasalen Blutgerinnung) eingesetzte Heparin wird aus tierischen Geweben gewonnen.
Prinzip: Heparin ist eine Mischung von Kohlenhydraten (s. u.), die in der Klinik in großem Umfang zur Verhinderung einer intravasalen Blutgerinnung eingesetzt wird. Heparin bindet an Antithrombin und induziert dabei eine Konformationsänderung, durch die das Antithrombin schlagartig eine etwa 1000-fach erhöhte Affinität für seine Substrate Faktor Xa und Thrombin erhält. Das in der Klinik eingesetzte Heparin wird aus tierischen Geweben gewonnen, z. B. aus Schweinedarmmukosa oder aus Rinderlunge.
Struktur: Heparin ist ein Polysaccharid aus Uronsäuren (→ COOH-Gruppen), Glucosaminderivaten (→ NH2-Gruppen) und es enthält viele Sulfatgruppen.
Struktur: Heparin ist ein Polysaccharid, das aus Disaccharid-Einheiten aufgebaut ist (s. S. 393). Jede Disaccharid-Einheit enthält: ein Zuckerderivat, das in Position 6 eine Carboxylgruppe exponiert (eine Uronsäure: entweder D-Glucuronsäure oder L-Iduronsäure), einen Zucker, der in Position 2 eine Aminogruppe trägt (ein Derivat des D-Glucosamins). In unregelmäßigen Abständen sind im Heparin-Molekül zudem sehr viele Sulfatgruppen verteilt. Sulfatgruppen können mit Carboxylgruppen, mit Aminogruppen und in Position 3 auch mit OH-Gruppen verbunden sein. Um die Affinität des Antithrombins für Thrombin zu erhöhen, muss Heparin eine Kettenlänge von mindestens 18 Monosaccharid-Einheiten haben. Aufgrund der zahlreichen Carboxyl- und Sulfatgruppen enthält Heparin außerordentlich viele negative Ladungen. In der Bindung an das Antithrombin sind innerhalb des Heparinmoleküls Gruppen von fünf Monosaccharid-Einheiten entscheidend. In der Mitte dieser Pentasaccharide befindet sich im typischen Fall ein Glucosamin, dessen CAtom der Position 3 eine Sulfatgruppe trägt. Im Menschen ist Heparin in Mastzellen enthalten. In diesen Zellen wird ein Proteoglykan synthetisiert, das aus einem kleinen Polypeptid und einem größeren Kohlenhydrat (einem Glykosaminoglykan) besteht. Das Proteoglykan wird in bestimmten Vesikeln der Mastzellen unter Einwirkung des Enzyms Heparanase zu Fragmenten abgebaut, die dann als Heparin bezeichnet werden. Das Heparin der Mastzellen scheint an der Regulation der Blutgerinnung nicht beteiligt zu sein. Vermutlich hat es innerhalb der Mastzellen eine Funktion in der Aktivierung verschiedener Proteasen.
Um die Affinität des Antithrombins für Thrombin zu erhöhen, muss Heparin eine Kettenlänge von mindestens 18 Monosaccharid-Einheiten haben.
Im Menschen ist Heparin in Mastzellen enthalten. Das Heparin der Mastzellen scheint aber an der Regulation der Blutgerinnung nicht beteiligt zu sein.
Heparansulfat
Heparansulfat
In den Gefäßen wird die Blutgerinnung vom intakten Endothel gehemmt. U.a. wird diese Aktivität dem Heparansulfat zugeschrieben, das alle Endothelzellen an ihrer Oberfläche exponieren. Heparansulfat zeigt ausgeprägte Ähnlichkeiten zum Heparin.
In den Gefäßen wird die Blutgerinnung vom intakten Endothel gehemmt. U.a. wird diese Aktivität dem Heparansulfat zugeschrieben, das alle Endothelzellen an ihrer Oberfläche exponieren. Das Heparansulfat der Endothelzellen ist ein verzweigtes Proteoglykan, das mit seinem Polypeptidanteil in den Plasmamembranen verankert ist. Heparansulfat zeigt ausgeprägte Ähnlichkeiten zum Heparin und ist in der Lage, Antithrombin zu binden. Ob es dadurch an den Oberflächen der Blutgefäße auch einen wesentlichen Anteil an der Hemmung der Blutgerinnung hat, ist bislang noch nicht endgültig geklärt.
Thrombomodulin
Thrombomodulin
Thrombomodulin bindet an der Oberfläche der Endothelzellen Thrombin (Abb. E 2.12). Thrombin aktiviert daraufhin Protein C und dieses inaktiviert daraufhin die Gerinnungsfaktoren Va und VIIIa. Cofaktor des Proteins C ist das Protein S.
Wenn Prothrombin zu Thrombin aktiviert wird, bindet dieses an den Membranen der Endothelzellen an das Rezeptorprotein Thrombomodulin (Abb. E 2.12). Durch die Bindung an Thrombomodulin erhält Thrombin eine veränderte Spezifität. Es ist nun nicht länger der zentrale Auslöser der Blutgerinnung, sondern aktiviert nun spezifisch das Protein C, einen Hemmstoff der Blutgerinnung.
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E-2.12
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2.6 Thrombusbildung und Ischämie
Hemmung der Blutgerinnung am Endothel durch Thrombomodulin
E-2.12
Protein S Protein C
Protein Ca
Thrombin Thrombomodulin
inaktiviert durch Proteolyse Faktor Va und Faktor VIIIa hemmt Blutgerinnung
Endothelzelle
Protein C wird dabei zu einer Serin-Protease, die nun die Gerinnungsfaktoren Va und VIIIa inaktiviert und abbaut. Ein wichtiger Cofaktor des Proteins C ist das Protein S. Beide Proteine gehören zur Gruppe der Vitamin-K-abhängigen Komponenten des Blutgerinnungssystems.
▶ Merke.
▶ Merke.
▶
▶
Endothelzellen unterdrücken Blutgerinnung und Plättchenaggregation durch mindestens vier Mechanismen: Prostazyklin (das Eikosanoid PGI2) hemmt die Plättchenaggregation. Heparansulfat erhöht (vermutlich) die Affinität von Antithrombin zu Thrombin und Faktor X. Thrombomodulin bindet Thrombin und verändert dessen Spezifität. Thrombin aktiviert daraufhin das Protein C und dieses katalysiert den Abbau der Gerinnungsfaktoren Va und VIIIa. Gewebe-Plasminogenaktivator (t-PA), der von den Endothelien freigesetzt wird, aktiviert Plasminogen zu Plasmin, das bereits gebildetes Fibrin schnell wieder abbaut.
Klinik. Pharmakologische Bedeutung hat das kleine Protein Hirudin. Es besteht
Klinik.
aus nur 65 Aminosäuren. Gebildet wird es von dem Blutegel Hirudo medicinalis. Hirudin bildet spezifisch 1:1-Komplexe mit Thrombin, das dadurch inaktiviert wird. Es ist der stärkste selektive Hemmstoff des Thrombins, der bislang gefunden wurde. Mit anderen Gerinnungsfaktoren reagiert Hirudin nicht. Rekombinant hergestellte Hirudinpräparate werden derzeit zur Prophylaxe postoperativer venöser Thrombosen z. B. bei Patienten mit Hüftgelenkersatzoperation eingesetzt.
2.6
Thrombusbildung und Ischämie
Wenn es in Blutgefäßen zu einer Thrombusbildung kommt, hat das unmittelbar eine Minderdurchblutung (Ischämie) der vom jeweiligen Gefäß versorgten Gewebe zur Folge. In den Zellen hat dieses umgehend charakteristische Konsequenzen: Der Mangel an Sauerstoff führt zu einer reduzierten Aktivität der mitochondrialen ATP-Synthase. Bei länger anhaltendem Sauerstoffmangel bilden sich Nekrosen, d. h. verschiedene unspezifische Prozesse führen zum Absterben der Zellen. Kurzzeitig bilden sich bei Sauerstoffmangel am Komplex III der Atmungskette der Mitochondrien vermehrt Sauerstoffradikale. Diese sind schädlich für die Zellen, insbesondere schädigen sie die Membranen. Toxische Effekte von Sauerstoffradikalen gelten als eines der Hauptprobleme bei Störungen der Mikrozirkulation. Sauerstoffradikale können auch Apoptose, also einen programmierten Zelltod auslösen (s. S. 506). Hinzu kommen Defekte, die sich aus der besonderen Funktion der betroffenen Organe ergeben, z. B. akutes Nierenversagen durch Blockade der glomerulären Filtration.
2.6
Thrombusbildung und Ischämie
Konsequenzen einer Thrombusbildung in Blutgefäßen sind Ischämie, reduzierte ATP-Synthese, Nekrosen, Bildung toxischer Sauerstoffradikale, Apoptose und Defekte, die sich aus der besonderen Funktion der betroffenen Organe ergeben, z. B. akutes Nierenversagen.
714 ▶
E
2 Blutstillung und Blutgerinnung
▶ Klinik. Ursache einer disseminierten (an vielen Stellen gleichzeitig auftretenden)
Klinik.
intravasalen Gerinnung (DIC) kann eine Sepsis sein, also eine sich im gesamten Organismus ausbreitende erregerbedingte Entzündung. Gramnegative Bakterien geben das Endotoxin (LPS, s. S. 660) ab, das in Endothelzellen einen dramatischen Effekt auf die Genregulation ausübt. Vermittelt von Toll-like-Rezeptoren (TLR, s. S. 660) induziert Endotoxin u. a. die Expression des Gewebefaktors (= Thromboplastin). Der Gewebefaktor initiiert die Bildung von Thrombin und damit eine intravasale Gerinnung mit Thrombusbildung. Da bei derartigen Prozessen viele Gerinnungsfaktoren verbraucht werden, spricht man in diesem Zusammenhang auch von einer Verbrauchskoagulopathie. Herzinfarkt und Schlaganfall haben eine weitgehend identische Pathogenese. Akut besteht das entscheidende Ereignis in der Bildung eines intravasalen Thrombus. In der Regel entwickelt sich der jeweilige Thrombus auf der Grundlage einer Arteriosklerose – in den westlichen Industrieländern eine der häufigsten Todesursachen.
Die Entwicklung, die letztlich in einem Herzinfarkt bzw. in einem Schlaganfall kulminiert, beginnt vermutlich mit geringfügigen Schädigungen des Endothels der großen Arterien. Weitere Schritte: Einwanderung von Monozyten in die Intima, Differenzierung zu Makrophagen (Abb. E 2.13 a). Einwanderung glatter Muskelzellen aus der Media in die Intima, hier Umwandlung von Makrophagen und glatten Muskelzellen in Schaumzellen durch Aufnahme von oxidiertem LDL. Bildung eines Atheroms (Abb. E 2.13 b), das u. a. extrazelluläres Cholesterin enthält.
E-2.13
Atherosklerose fibröse Deckplatte (Bindegewebe, eingewanderte Muskelzellen)
Endothel Intima Media Adventitia
Herzinfarkt und Schlaganfall haben eine weitgehend identische Pathogenese. Akut besteht das entscheidende Ereignis in der Bildung eines intravasalen Thrombus, bei Herzinfarkt in einer der Herzkranzgefäße, bei Schlaganfall meist in den Aa. carotes internae. Jede derartige Thrombusbildung hat aber eine lange Vorgeschichte. In der Regel entwickelt sich der jeweilige Thrombus auf der Grundlage einer Arteriosklerose – in den westlichen Industrieländern eine der häufigsten Todesursachen. Die Mechanismen, die der Arteriosklerose zugrunde liegen, sind bis heute nur unvollständig geklärt. Offenbar sind zwei Aspekte von besonderer Bedeutung: Traditionell wird in der Pathogenese der Arteriosklerose dem Cholesterinstoffwechsel (s. S. 336) eine entscheidende Rolle zugeschrieben. In neuerer Zeit ist deutlich geworden, dass an der Entstehung einer Arteriosklerose viele Prozesse beteiligt sind, die für eine Entzündung (s. S. 686) charakteristisch sind. Die Entwicklung, die letztlich in einem Herzinfarkt bzw. in einem Schlaganfall kulminiert, beginnt vermutlich mit geringfügigen Schädigungen des Endothels der großen Arterien. So ist auffällig, dass die Pathogenese bevorzugt bei Bluthochdruck einsetzt: An Stellen mit hoher mechanischer Belastung binden Monozyten an das Endothel und dringen in die Intima ein. Hier entwickeln sie sich zu Makrophagen (Abb. E 2.13 a). Diese geben – wie bei einer Entzündung – Sauerstoffradikale und H2O2 ab. LDLPartikel, die sich im betroffenen Areal anlagern, werden von diesen Stoffen oxidiert und daraufhin von den Scavenger-Rezeptoren (s. S. 661) der Makrophagen gebunden. Die oxidativ modifizierten LDL-Partikel werden phagozytiert und die Makrophagen wandeln sich zu Schaumzellen um. Makroskopisch fallen Ansammlungen von Schaumzellen in der Intima als sog. Fettstreifen auf. Parallel binden im Gebiet der Endothelschäden Thrombozyten.
nekrotischer Kern (Schaumzellen, Zelltrümmer, Cholesterinkristalle)
Endothelschaden Schaumzellen und -dysfunktion (Fetteinlagerung) in der Intima Lumen
DP 1 normale Gefäßwand 2 Fettstreifen a Stadien der Gefäßwandveränderung
3 fibröse Plaque (Atherom)
b Atherotische Lipidplaque der A. carotis. Pfeile: atheromatöser Fettkern, DP: fibröse Deckplatte
(a: nach Silbernagl, Lang; Taschenatlas der Pathophysiologie, Thieme, 2005. b: aus Riede, Werner, Schaefer; Allgemeine und spezielle Pathologie, Thieme, 2004)
E
Makrophagen und Thrombozyten geben Entzündungsmediatoren ab. Diese lösen die Einwanderung glatter Muskelzellen aus der Media in die Intima aus. Auch die eingewanderten glatten Muskelzellen nehmen oxidierte LDL auf und entwickeln sich zu Schaumzellen. Die akkumulierenden Zellen bilden vermehrt Proteine der extrazellulären Matrix, z. B. Proteoglykane und Kollagen. Die in der Intima langsam wachsenden Aggregate werden als Plaques oder als Atherome bezeichnet. Die Atherome bleiben weitgehend vom Endothel überdeckt. Die Verdickung der Intima engt aber das Lumen des Gefäßes ein (Abb. E 2.13 b). Zudem kommt es zu einer Versteifung der Gefäßwand. Auf diesen Prozess bezieht sich der Ausdruck „Arteriosklerose“. Präziser ist der Ausdruck „Atherosklerose“, beide Worte werden aber oft synonym verwendet. Mit der Zeit bilden sich in den Atheromen Verkalkungen sowie extrazelluläre Ablagerungen von Cholesterinkristallen. Eine Arteriosklerose der Koronargefäße hat zur Folge, dass die Durchblutung des Herzmuskels bei erhöhter Belastung nicht mehr dem erhöhten O2-Bedarf angepasst werden kann. Es liegt damit eine koronare Herzerkrankung vor (Abb. E 2.14). Bei körperlicher oder psychischer Belastung bemerkt der Patient in diesem Stadium charakteristische Schmerzen, die Ausdruck einer Angina pectoris sind. Die innerhalb des Atheroms freigesetzten Entzündungsmediatoren induzieren u. a. eine vermehrte Expression des Gewebefaktors (Thromboplastin) durch Endothelzellen und Makrophagen. Bei Ruptur eines Atheroms bildet sich deshalb sehr leicht ein Thrombus. Die damit einher gehende Ischämie kann sich je nach der Lokalisation als Herzinfarkt oder als Schlaganfall äußern.
E-2.14
a
715
2.6 Thrombusbildung und Ischämie
Auslösung einer lokalen Entzündung. Erhöhte Expression des Gewebefaktors Thromboplastin in Endothelzellen und Makrophagen, bei Aufbrechen des Atheroms bildet sich lokal ein Thrombus.
Koronarangiogramm bei Atherosklerose der Koronargefäße (a) und (zum Vergleich) beim Gesunden (b)
b
a Die Röntgenkontrastdarstellung der Koronararterien zeigt, dass der Ramus interventricularis anterior (RIVA) und der Ramus circumflexus (CFX) verschlossen sind. b HST = Hauptstamm der linken Koronararterie. (aus Baenkler et al., Duale Reihe Innere Medizin, Thieme, 2001)
▶ Klinik. Durch eine rechtzeitige Reperfusionstherapie (Lysetherapie) kann die Durchlässigkeit des Gefäßes in den meisten Fällen wieder hergestellt werden: Zur „Lyse“ des Thrombus werden die Patienten mit Derivaten des Gewebe-Plasminogenaktivators (t-PA) behandelt. Alternativ wird auch Streptokinase verwendet, ein bakterielles Protein, das einen ähnlichen Wirkmechanismus hat wie t-PA. Eine Fibrinolyse innerhalb der ersten 1 – 3 Stunden nach Infarktbeginn ist in 70 – 80 % der Fälle erfolgreich. Die Mortaliät kann auf diese Weise um > 50 % gesenkt werden. In kardiologischen Zentren können Thromben der Koronararterien mechanisch, mithilfe eines Herzkatheters geöffnet werden (Ballondilatation, percutaneous transluminal coronary angioplasty, PTCA). Die Gefahr der erneuten Bildung eines Thrombus lässt sich durch eine Kombination verschiedener Medikamente erheblich reduzieren (z. B. Acetylsalicylsäure, Cumarine, Clopidogrel).
▶
Klinik.
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2 Fallbeispiel
▶ Fallbeispiel: Lungenembolie Anamnese: Nikola Herrmann kommt wegen akut aufgetretener Atemnot zur stationären Aufnahme. Die Einweisung erfolgte durch den Hausarzt, der trotz Protest der Patientin auf den Krankenhausaufenthalt bestanden hatte. Die Beschwerden sind am Morgen des Aufnahmetages beim Treppensteigen erstmals aufgetreten. Sonst litt die Patientin allenfalls unter leicht ausgeprägter Belastungsdyspnoe (Atemnot unter Belastung), die nun plötzlich in zuvor unbekanntem Ausmaß aufgetreten und von Schmerzen in der linken Brustkorbhälfte begleitet ist. Laut Patientin hatten sich die „tief sitzenden“ Schmerzen beim Einatmen auf der Treppe noch verstärkt. In der Vorgeschichte sind bei Frau Hermann Meniskusprobleme am linken Knie bekannt, weshalb vor 4 Tagen eine Arthroskopie (Gelenkspiegelung) durchgeführt worden war. Medikamentenanamnese: Anti-Baby-Pille seit 7 Jahren, nach der Arthroskopie einmalig 400 mg Ibuprofen gegen Schmerzen. Kein Noxenkonsum (insbesondere kein Nikotin, aber auch kein Alkohol oder andere Drogen). In der Familie sind keine frühzeitigen Herzinfarkte, Thrombosen oder Embolien bekannt. Körperliche Untersuchung (Angabe der jeweiligen Normwerte in Klammern): 32-jährige, etwas übergewichtige Patientin. Blutdruck 140/ 85 mm Hg (< 130/85), Puls 112/min. (50 – 100), Körperkerntemperatur 37,6 °C (36 – 38). Atemfrequenz 26/min. (ca. 12 – 16), pulsoxymetrische Sauerstoffsättigung 89 % (94 – 98 %). Auffällig ist die Umfangsdifferenz zwischen beiden Unterschenkeln (Umfang links 4 cm größer als rechts, Abb. E 2.15), ein Wadendruckschmerz links und leichte Schmerzen bei Druck auf die linke Fußsohle. Schmerzen bei Dorsalextension des linken Fußes verneint die Patientin.
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Ausgeprägtes klinisches Erscheinungsbild bei linksseitiger tiefer Venenthrombose Der weitere körperliche Untersuchungsbefund, insbesondere auch von Lunge und Herz, ist unauffällig (aus Thiemes Pflege, Thieme, 2009).
Laboruntersuchungen (Angabe der jeweiligen Normwerte in Klammern): D-Dimere 2,28 mg/l (< 0,5), CRP (C-reaktives Protein) 0,8 mg/dl (< 0,5), alle anderen Parameter, insbesondere auch Troponin T, im Referenzbereich. Arterielle Blutgasanalyse: pO2 51 mmHg (71 – 104), pCO2 29 mmHg (32 – 43), pH 7,47 (7,37 – 7,45), Base Excess – 1,0 mmol/l (– 2 bis + 3) 12-Kanal-EKG: Sinusrhythmus, 105/min., Indifferenztyp mit angedeutetem S in Ableitung I und Q in Ableitung III, keine Erregungsrückbildungsstörungen. Röntgenaufnahme des Thorax in zwei Ebenen: Altersentsprechend unauffälliger Befund. Ultraschall-Untersuchung: In der Farbduplex-Sonografie der Beinvenen erfolgt der Direktnachweis eines Thrombus im Bereich der Vena poplitea und Vena femoralis links. Bei der Ultraschalluntersuchung des Herzens (TTE = transthorakale Echokardiografie) zeigt sich ein Normalbefund außer einem leicht erhöht geschätzten pulmonal-arteriellen Druck (ca. 32 mmHg). Thorakale CT-Angiografie: Nachweis eines Embolus im Pulmonalarterienhauptstamm links und am Abgang der linken Unterlappenarterie (Abb. E 2.16). Verlauf: Frau Herrmann wird mit der Diagnose einer tiefen Beinvenenthrombose (tiefe Venenthrombose = TVT) links und Verdacht auf Lungenembolie auf die Intensivstation aufgenommen. Sie wird zunächst mit subakutan verabreichtem niedermolekularem Heparin (Enoxaparin) behandelt, später mit einer anderen gerinnungshemmenden Substanz (Phenprocoumon = Marcumar) als Tablette. Bei der weiterführenden Gerinnungsdiagnostik zeigt sich eine Resistenz gegen aktiviertes Protein C (APC-Resistenz 1,7, Referenzbereich 2 – 5). Der Verdacht auf eine heterozygote Mutation im Faktor-V-Gen („Faktor V Leiden“) bestätigt sich in der molekulargenetischen Analyse durch PCR.
▶
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E-2.16
2 Fallbeispiel
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Thorakale CT-Angiografie bei Lungenembolie
Auf den beiden axialen Aufnahmen erkennt man eine deutliche Kontrastmittelaussparung im Pulmonalarterienhauptstamm links (Pfeil) und am Abgang der Unterlappenarterie links (Doppelpfeil) (aus Baenkler et al., Duale Reihe Innere Medizin, Thieme, 2009).
Fragen mit biochemischem Schwerpunkt: 1. Was sind D-Dimere? 2. Was genau versteht man unter einem „Faktor V Leiden“? 3. Wie funktioniert eine „orale Antikoagulation“, z. B. mit Phenprocoumon = Marcumar? Antwortkommentare: Zu 1. Unter „D-Dimeren“ versteht man Fibrinspaltprodukte, die in dimerer Form vorliegen. Bei gesteigerter intravasaler Fibrinolyse (z. B. bei Thrombose/Embolie) sind diese in erhöhter Konzentration im Venenblut messbar. Für eine Erhöhung der D-Dimere gibt es eine Vielzahl von Gründen: neben thrombembolischen Erkrankungen gehören dazu u. a. maligne Tumoren, Entzündungen oder Schwangerschaft. Zu 2. Es handelt sich bei dieser Faktor-V-Mutation um eine Punktmutation (in Codon 506 des Faktor-V-Gens, durch die
die Aminosäure Glutamin statt Arginin codiert wird). Sie kann daher relativ leicht mit molekularbiologischen Methoden (Polymerasekettenreaktion, PCR) nachgewiesen werden. Die Mutation wurde zuerst in Leiden (Niederlande) beschrieben, daher die Bezeichnung „Faktor V Leiden“. Sie ist klinisch insbesondere relevant, wenn sie auf beiden Allelen (homozygot) vorliegt.
Zu 3. Die oralen Antikoagulanzien sind Vitamin-K-Antagonisten. Sie hemmen in der Leber kompetitiv die Vitamin-Kabhängige Synthese der Gerinnungsfaktoren II, VII, IX und X (auch von Protein C und Protein S, was ein diagnostisches Problem darstellt). So kommt es insbesondere zu einer Beeinträchtigung des extrinsischen Gerinnungswegs, der sich in der Verlängerung der Thromboplastinzeit bemerkbar macht (niedriger Quick-Wert, hoher INR-Wert).
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3 Entgiftung
3 3.1 3.2
Entgiftung Entgiftung organischer Fremdstoffe: Biotransformation . . . . . . . . . . . . . . . 718 Entgiftung anorganischer Fremdstoffe: Stoffwechsel der Schwermetalle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 724
© José M. Dominguez – Fotolia
3.1
Entgiftung organischer Fremdstoffe: Biotransformation
3.1
Entgiftung organischer Fremdstoffe: Biotransformation
▶ Definition.
▶ Definition. Stoffe, die aus der Umwelt aufgenommen werden und nicht unmittelbar als Nahrungsstoffe Verwendung finden können, werden vom Organismus nach Möglichkeit ausgeschieden oder metabolisiert. Der Stoffwechsel derartiger Stoffe wird als Biotransformation bezeichnet.
▶ Merke.
▶ Merke. Die Biotransformation umfasst enzymatisch katalysierte Reaktionen, die überwiegend die Funktion haben, Fremdstoffe wasserlöslich zu machen und damit ihre Sekretion zu ermöglichen.
Die meisten Reaktionen der Biotransformation finden in der Leber statt.
Die meisten Reaktionen der Biotransformation finden in der Leber statt, zu einem geringeren Teil auch in der Lunge, im Darm, in der Niere sowie in anderen Organen. Tatsächlich ist der Stoffwechsel der Fremdstoffe vom Stoffwechsel endogener Metabolite nicht immer klar unterschieden. Reaktionen der Biotransformation sind stets auch am Abbau und an der Ausscheidung verschiedener körpereigener Stoffe beteiligt.
Reaktionstypen bei der Biotransformation: Phase-I-Reaktionen (Umwandlungsreaktionen) Phase-II-Reaktionen (Bildung von Konjugaten) Die Sekretion erfolgt anschließend über die Galle oder über die Niere.
Reaktionstypen bei der Biotransformation: Phase-I-Reaktionen (Umwandlungsreaktionen): Unter dieser Bezeichnung fasst man eine Fülle sehr unterschiedlicher Reaktionen zusammen. In der Regel handelt es sich um vergleichsweise geringfügige kovalente Modifizierungen einzelner funktioneller Gruppen, die aber erhebliche Folgen haben können. In vielen Fällen sind diese Modifizierungen die Voraussetzung für eine anschließende Phase-IIReaktion. Berühmt sind die Phase-I-Reaktionen, die von der Gruppe der P-450Cytochrome katalysiert werden. Phase-II-Reaktionen (Bildung von Konjugaten): Im typischen Fall wird der zu sezernierende Stoff mit einer hydrophilen Gruppe verbunden und dadurch wasserlöslich. Als hydrophile Gruppe dient z. B. Glucuronsäure. Die Sekretion erfolgt anschließend über die Galle oder über die Niere. Die meisten Substrate der Biotransformation sind hydrophob (und damit lipophil): körpereigene Stoffe: Steroidhormone, Gallenfarbstoffe Fremdstoffe: Medikamente, Alkaloide, Konservierungsstoffe, Farbstoffe und Pestizidrückstände aus Lebensmitteln; Bestandteile des Tabakrauchs, Umweltgifte Die Biotransformation ist in der Regel mit einer Inaktivierung der biologisch aktiven oder giftigen Substrate verbunden. Es sind aber auch Stoffe bekannt, die erst durch die chemische Modifikation im System der Biotransformation in giftige Stoffe umgewandelt werden. Das berühmteste Beispiel dieser Art ist das Benzpyren aus dem Tabakrauch.
Die meisten Substrate der Biotransformation sind hydrophob: körpereigene Stoffe: Steroidhormone, Gallenfarbstoffe, Fremdstoffe: Medikamente, Alkaloide, Konservierungsstoffe, Umweltgifte.
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3.1.1 Phase-I-Reaktionen
3.1.1 Phase-I-Reaktionen
▶ Definition.
Phase-I-Reaktionen sind Oxidationen, Reduktionen und HydrolyseReaktionen. Da durch Phase-I-Reaktionen an der Ausgangsverbindung funktionelle Gruppen eingeführt oder freigelegt werden können, spricht man auch von Funktionalisierungsreaktionen. In den meisten Fällen handelt es sich um eine Oxidation durch eine Monooxygenase. Die Enzyme dieser Gruppe binden molekularen Sauerstoff (O2), und übertragen dann eines der beiden Sauerstoffatome auf das jeweilige Substrat, während das zweite Sauerstoffatom unter Bildung von Wasser freigesetzt wird (Abb. E 3.1). Monooxygenasen werden auch als mischfunktionelle Oxygenasen bezeichnet, da sie parallel sowohl mit O2 als auch mit dem Substrat reagieren.
E-3.1
719
3.1 Entgiftung organischer Fremdstoffe: Biotransformation
▶ Definition.
Monooxygenasen (= mischfunktionelle Oxygenasen) binden O2 und übertragen dann eines der beiden O-Atome auf das Substrat. Das zweite O-Atom wird unter Bildung von Wasser freigesetzt (Abb. E 3.1).
Reaktionsmechanismus der Monooxygenasen Cytochrom P-450
NADPH
NADP+ + H+
Cytochrom P-450Reduktase
R
e–
E-3.1
Substrat
CH3
Fe2+ O O + 2 H+
R
CH2OH + H2O
Hämgruppe Monooxygenase
Cytochrom-P-450-Enzyme
Cytochrom-P-450-Enzyme
Die meisten Monooxygenasen sind Cytochrom-P-450-Enzyme. In den Geweben des Menschen sind ca. 60 Cytochrom-P-450-Enzyme (Abkürzung: CYP) identifiziert worden. Die molekulare Masse dieser Proteine liegt bei ca. 50 kDa. (Der Ausdruck „P-450“ bezieht sich auf das Absorptionsmaximum bei einer Wellenlänge von 450 nm, das isolierte Cytochrom P-450-Enzyme zeigen, die Kohlenmonoxid [CO] gebunden haben.) Die verschiedenen P-450-Enzyme unterscheiden sich vor allem in ihrer Substratspezifität.
Die meisten Monooxygenasen sind Cytochrom-P-450-Enzyme (CYP). Sie unterscheiden sich in ihrer Substratspezifität.
Spezifität: Cytochrom-P-450-Enzyme mit breiter Spezifität: Etwa 50 % der P-450-Enzyme zeigen eine vergleichsweise breite Spezifität. Die Vielzahl der homologen Enzyme ermöglicht es dem Organismus, entsprechend vielfältige Substrate in die Phase-IReaktionen einzubeziehen. Die P-450-Enzyme dieser Gruppe sind zu mehr als 90 % in der Leber enthalten. Bei etwa 30 % der P-450-Enzyme der Leber handelt es sich um den häufigsten Vertreter der Enzym-Familie, das Isoenzym CYP3A4. Man vermutet, dass 60 % aller therapeutisch eingesetzten Wirkstoffe CYP-3A4Substrate sind. Die Expression der meisten P-450-Enzyme wird durch akkumulierende Substrate induziert.
Spezifität: CYP mit breiter Spezifität: Etwa 50 % dieser Enzyme sind an Phase-I-Reaktionen beteiligt. Die Expression der meisten P-450-Enzyme wird durch akkumulierende Substrate induziert.
▶ Klinik. So sind Barbiturate als potente Induktoren des CYP3A4 bekannt. Barbiturate wurden in früheren Zeiten in großem Umfang als Schlafmittel eingesetzt. Inzwischen finden sie nur noch in bestimmten Situationen, z. B. als injizierbare Kurznarkotika häufige Anwendung. Als stärkster Induktor unter den Arzneistoffen gilt das Antibiotikum Rifampicin. Neben dem CYP3A4 induziert es auch andere Enzyme der Biotransformation. Angeborene und erworbene Unterschiede in der Expression der verschiedenen P-450-Isoenzyme sind einer der wichtigsten Gründe für individuellen Unterschiede in der Sensitivität gegenüber Medikamenten und Anästhetika. CYP mit höherer Substratspezifität: Die übrigen P-450-Enzyme zeigen eine höhere (weniger breite) Substratspezifität und sind am normalen Metabolismus der Steroidhormone, der Arachidonsäure und anderer Fettsäuren beteiligt.
▶
Klinik.
CYP mit höherer Substratspezifität sind am Steroidhormon- und ArachidonsäureMetabolismus beteiligt.
720
E
Aufbau und Reaktionsprinzip: P-450-Enzyme tragen an ihrem N-Terminus eine hydrophobe Aminosäuresequenz, mit der sie in der Regel in der Membran des endoplasmatischen Retikulums (ER) verankert sind. Wenn Zellen im Labor aufgebrochen werden, zerfällt das ER in kleine Vesikel, die als Mikrosomen bezeichnet werden. Durch bestimmte Zentrifugationstechniken kann man die Mikrosomen isolieren. Mit Bezug auf diese Methode sagt man, P-450-Enzyme seien in der mikrosomalen Fraktion enthalten. Einige P-450-Enzyme sind allerdings auch mit der mitochondrialen Außenmembran assoziiert. Die enzymatisch aktive Domäne scheint bei allen P-450-Enzymen zum Zytosol hin exponiert zu sein. Für die Funktion entscheidend ist eine Hämgruppe mit einem zentral gebundenen Eisen-Ion, das O2 binden kann. Die Hämgruppe hat die gleiche Struktur wie die Hämgruppe des Hämoglobins (s. S. 730) (Typ Häm b). Der Reaktionszyklus beginnt mit der Aufnahme des Substrats, während das Eisen-Ion als Fe3+ vorliegt. Fe3+ wird dann zu Fe2+ reduziert und kann daraufhin O2 binden. Eines der beiden Sauerstoffatome reagiert mit dem Substrat, das zweite Sauerstoffatom wird freigesetzt und bildet unter Aufnahme von zwei Protonen ein H2O-Molekül. Der vollständige Reaktionszyklus benötigt nur 2 Elektronen. P-450-Enzyme erhalten ihre Elektronen von einer Cytochrom-P-450-Reduktase, mit der sie an der Membran verbunden sind. Die Reduktasen wiederum nehmen ihre Elektronen von NADPH auf. Um die Elektronen übertragen zu können, enthalten NADPH-Cytochrom-P-450-Reduktasen ein FMN oder ein FAD, es handelt sich also um Flavoproteine.
Aufbau und Reaktionsprinzip: Die meisten P-450-Enzyme sind in der Membran des ER verankert (= mikrosomale Fraktion). Für die Funktion entscheidend ist eine Hämgruppe mit einem zentral gebundenen EisenIon, das O2 binden kann. Reaktionszyklus: Aufnahme des Substrats, während das Eisen-Ion als Fe3+ vorliegt, Reduktion des Fe3+ zu Fe2+ und Bindung des O2. Ein O-Atom reagiert dann mit dem Substrat, das zweite bildet unter Aufnahme von 2 H+ ein H2O. Der gesamte Reaktionszyklus benötigt nur 2 Elektronen.
P-450-Enzyme erhalten ihre Elektronen von NADPH unter Vermittlung eines Flavoproteins, der Cytochrom-P-450-Reduktase.
Beispiele für Cytochrom-P-450-katalysierte Reaktionen: Hydroxylierungen (Einführung einer OH-Gruppe) aliphatischer und aromatischer Verbindungen. Hydroxylierungen sind die bekanntesten P-450-katalysierten Reaktionen. Beispiel: Bildung von Phenol aus Benzol. Epoxidierung: Einfügung eines Sauerstoffatoms mit Bildung einer Ringstruktur aus drei Atomen. Derart kleine Ringe stehen unter einer erheblichen Spannung, weshalb sie außerordentlich reaktiv sind. Am bekanntesten ist die Bildung eines Epoxids aus dem Benzpyren (Benzo[a]pyren) des Tabakrauchs (Abb. E 3.2). Das Epoxid kann mit Purinen der DNA reagieren und dabei Mutationen und Lungenkrebs (Bronchialkarzinom, Abb. E 3.3) verursachen. Nicht das Benzpyren selber, sondern das Epoxid des Benzpyrens ist das letztlich aktive Kanzerogen. Auch die hepatokanzerogene Wirkung von Aflatoxin B1 beruht auf der Bildung eines Epoxids und nachfolgender Reaktion mit den Purinen der DNA. Aflatoxin B1 ist ein Stoffwechselprodukt des Schimmelpilzes Aspergillus flavus. Es zählt zu den stärksten bisher identifizierten Kanzerogenen. Oxidation von Heteroatomen (Schwefel, Stickstoff). Oxidationen mit nachfolgender Entfernung einer Methylgruppe.
Beispiele für Cytochrom-P-450-katalysierte Reaktionen: Hydroxylierungen, Epoxidierung (Einfügung eines Sauerstoffatoms mit Bildung einer Ringstruktur aus drei Atomen, Abb. E 3.2). Epoxide sind mitunter Kanzerogene. So reagieren die Epoxide des Benzo[a]pyrens des Tabakrauchs und des Aflatoxins B1 von Aspergillus flavus mit Purinen der DNA und verursachen dadurch Mutationen. Oxidation von Heteroatomen und Oxidationen mit nachfolgender Entfernung einer Methylgruppe.
E-3.2
3 Entgiftung
Reaktion des Benzpyrens mit Cytochrom-P-450 O N
HN H2N Übertragung eines O-Atoms durch Cytochrom P-450, Bildung eines Epoxids
H Benzo[a]pyren
Hydrolyse
H O
H
HO
H OH
N
reagiert mit Guanin der DNA
erneute Reaktion mit Cytochrom P-450
H H HO
N
O
H
H
OH
Diolepoxid, das letztlich aktive Kanzerogen
Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe zählen zu den besonders potenten Kanzerogenen. Prototyp dieser Gruppe ist das Benzpyren (Benzo[a]pyren), das im Zigarettenrauch enthalten ist, aber auch beim Grillen entsteht. Das aktive Kanzerogen entsteht erst durch die Reaktion mit Cytochrom-P-450-Enzymen, die in diesem Fall keine Entgiftung, sondern eine Giftung katalysieren.
E
E-3.3
a
721
3.1 Entgiftung organischer Fremdstoffe: Biotransformation
Bronchialkarzinom
E-3.3
b
a Röntgenbild eines Bronchialkarzinoms im linken Unterlappen (anterior-posteriore Thoraxaufnahme) (aus Schumpelick, Kurzlehrbuch Chirurgie, Thieme, 2004). b Bronchoskopisches Bild eines Bronchialkarzinoms mit hochgradiger Stenose des Hauptbronchus (aus Baenkler et al., Duale Reihe Innere Medizin, Thieme, 2001).
▶ Klinik. Bei Leberzirrhose ist die Aktivität der P-450-Enzyme vermindert. Deshalb
▶
Klinik.
kann u. a. der Stoffwechsel der Steroidhormone gestört sein. Bei Männern kommt es zu einer Abnahme der Sekundärbehaarung (Bildung einer Bauchglatze).
▶ Exkurs.
Bakterielles Cytochrom-P-450 Cytochrom-P-450-Enzyme sind auch in Bakterien gefunden worden. Sie sind also in der Evolution sehr früh entstanden. Auch in Bakterien haben sie eine Funktion als Monooxygenasen. U.a. sind sie am Abbau von Pestiziden in Ackerböden und am Abbau von Ölverschmutzungen nach einer Tankerhavarie beteiligt.
▶ Exkurs.
Weitere Enzyme der Phase-I-Reaktionen
Weitere Enzyme der Phase-I-Reaktionen
Katalyse von Oxidationen: FAD-haltige Monooxygenasen sind an der Oxidation mancher Amine beteiligt. Sie ermöglichen eine Oxidation bestimmter Substrate ohne Beteiligung des Cytochrom-P-450-Systems. Ähnlich wie diese benötigen sie für ihre Funktion O2 und NADPH. Alkohol-Dehydrogenasen (ADH): Bislang sind 12 verschiedene Gene bekannt, die Alkohol-Dehydrogenasen kodieren. Die Enzyme dieser Gruppe katalysieren nicht nur die Oxidation von Ethanol, sondern auch vieler anderer primärer und sekundärer Alkohole. Alkohol-Dehydrogenasen sind dimere zytosolische Enzyme, die NAD+ als Coenzym benötigen. Die NAD+-abhängige Oxidation von Ethanol zu Acetaldehyd wird von den Isoenzymen der Subfamilie I (ADH 1, 2 und 3) katalysiert. (Zu einem geringeren Teil wird Ethanol auch durch ein P-450-Isoenzym [2E1], oxidiert, S. 131). Aldehyd-Dehydrogenasen (ALDH): Auch die Oxidation von Aldehyden zu Carbonsäuren wird von mindestens 12 Isoenzymen katalysiert. Alle Aldehyd-Dehydrogenasen benötigen entweder NAD+ oder NADP+ als Coenzyme. Xanthin-Oxidase katalysiert die Oxidation von Coffein u. a. Purinen zu Derivaten der Harnsäure. Monoaminoxidasen sind an der mitochondrialen Außenmembran lokalisiert und am Abbau von Katecholaminen beteiligt.
Katalyse von Oxidationen: FAD-haltige Monooxygenasen Alkohol-Dehydrogenasen (ADH) Aldehyd-Dehydrogenasen (ALDH) Xanthin-Oxidase Monoaminoxidasen
Katalyse von Reduktionen: Reduktasen des Phase-I-Stoffwechsels gehören ebenfalls zu den Cytochrom-P-450-Enzymen. Ein klassisches Beispiel ist der Abbau des Narkosegases Halothan durch reduktive Dehalogenierung (Abspaltung von Fluor).
Katalyse von Reduktionen: Reduktasen des Phase-I-Stoffwechsels gehören ebenfalls zu den P-450-Enzymen.
Katalyse von Hydrolysen: Esterasen: Ein klassisches Beispiel ist der Abbau des Acetylcholins durch Acetylcholin-Esterase nach Freisetzung in den synaptischen Spalt (s. S. 791).
Katalyse von Hydrolysen: Esterasen, Epoxid-Hydrolasen sind teilweise mit Cytochrom-P-450 assoziiert und katalysieren
722
E
eine schnelle Aufspaltung neu gebildeter Epoxide.
3 Entgiftung
Epoxid-Hydrolasen sind teilweise mit Cytochrom-P-450 assoziiert und katalysieren eine schnelle Aufspaltung neu gebildeter Epoxide. An der Stelle der Epoxidringe entstehen dabei im typischen Fall zwei OH-Gruppen. Epoxid-Hydrolasen verhindern in vielen Fällen toxische Reaktionen, die andernfalls bei der Biotransformation durch die Epoxide verursacht würden.
3.1.2 Phase-II-Reaktionen
3.1.2 Phase-II-Reaktionen
▶ Definition.
▶ Definition.
Phase-II-Reaktionen sind Konjugationsreaktionen, d. h. die Substrate werden mit zusätzlichen chemischen Gruppen verbunden. Konjugation mit Glucuronsäure (vermutlich die quantitativ wichtigsten Phase-IIReaktionen): In enzymatisch katalysierten Reaktionen kann Glucuronsäure von UDP-Glucuronsäure auf Hydroxy-, Carboxy-, Amino- und SH-Gruppen übertragen werden (Abb. E 3.4). Substrate sind sowohl körpereigene Stoffe (Steroidhormone, Bilirubin) als auch Fremdstoffe. Die Reaktionsprodukte, Glucuronide, werden in der Regel über die Galle ausgeschieden. Ein Beispiel ist Bilirubin, das in der Galle vorwiegend als Diglucuronid, teilweise aber auch als Monoglucuronid vorliegt. Glucuronyltransferasen werden in vielen Organen exprimiert, ihr Gehalt ist aber in der Leber am höchsten. Innerhalb der Zellen findet man sie mit dem ER assoziiert.
Konjugation mit Glucuronsäure (vermutlich die quantitativ wichtigsten Phase-II-Reaktionen): Glucuronsäure wird von UDP-Glucuronsäure auf OH-, COOH-, NH2- und SH-Gruppen körpereigener Stoffe (Steroidhormone, Bilirubin) oder Fremdstoffe übertragen (Abb. E 3.4). Die Konjugate (Glucuronide) werden in der Regel über die Galle ausgeschieden.
E-3.4
Reaktion von Paracetamol mit UDP-Glucuronsäure
E-3.4
O
COO– O
HO
NH
C
CH3
OH HO
O
+
UDP
Paracetamol
NH
C
CH3
HO
OH
OH
UDP-Glucuronsäure
Glucuronid
+
UDP
Konjugation mit Glutathion: Glutathion ist ein Tripeptid (Glu-Cys-Gly), das in allen Zellen vorkommt und sie vor Sauerstoffradikalen schützt. Es ist u. a. das wichtigste Antioxidans der Erythrozyten. Im Rahmen der Biotransformation wird Glutathion von der Glutathion-S-Transferase (GST) auf verschiedene Substrate übertragen und erhöht deren Wasserlöslichkeit. Die Konjugation wird von der SH-Gruppe des zentralen Cysteins vermittelt (Abb. E 3.5). Von den meisten Glutathionkonjugaten werden Glutamin und Glycin anschließend enzymatisch abgespalten. Die Aminogruppe des übrig gebliebenen Cysteins wird acetyliert. Damit ist aus Glutathion Mercaptursäure entstanden. Mercaptursäurekonjugate werden über die Niere ausgeschieden.
Konjugation mit Glutathion: Glutathion, ein Tripeptid (Glu-Cys-Gly), wird von der Glutathion-S-Transferase (GST) auf verschiedene Substrate übertragen (Abb. E 3.5). Anschließend wird Glutathion meist in Mercaptursäure umgewandelt. Mercaptursäurekonjugate werden über die Niere ausgeschieden.
E-3.5
O
COO– O O OH
Epoxidierung und anschließende Konjugation eines aromatischen Kohlenwasserstoffs (Naphthalin) mit Glutathion (Glu-CysGly) und Abbau des Konjugats zu Mercaptursäure (N-acetyliertes Cystein) O
H
Glu O
P-450
Naphthalin
Cys
Gly
SH
Konjugation mit Acetylgruppen: Sulfonamide und INH werden durch Transfer von
Cys
H
S
Gly H
Cys Acetyl-CoA
OH
H
Epoxid
Glu
Glutathion-STransferase
Glutathionkonjugat
CoA
H
C
CH3
S Mercaptursäure
Glu Gly
Konjugation mit Acetylgruppen: Acetylgruppen werden in Phase-II-Reaktionen auf Aminogruppen übertragen. Katalysiert werden diese Reaktionen von N-Acetyltransferasen. Die Acetylgruppen werden von Acetyl-CoA bereitgestellt. Inaktiviert wer-
E
723
3.1 Entgiftung organischer Fremdstoffe: Biotransformation
den auf diese Weise z. B. die Sulfonamide, sowie das wichtige Tuberkulostatikum Isoniazid (INH).
Acetylgruppen (aus Acetyl-CoA) auf Aminogruppen inaktiviert.
Konjugation mit Sulfatgruppen: Sulfotransferasen benötigen als Quelle der Sulfatgruppen 3'-Phosphoadenosin-5'-phosphosulfat (PAPS). Diese Verbindung wird ausgehend von ATP synthetisiert, indem von der Triphosphatgruppe des ATP zwei Phosphate abgespalten und durch eine Sulfatgruppe ersetzt werden. In Position 3' der Ribose wird eine Phosphatgruppe eingefügt. PAPS wird auch als aktives Sulfat bezeichnet. Vom PAPS werden die Sulfatgruppen auf OH-Gruppen und auf Aminogruppen der Phase-II-Substrate übertragen (Abb. E 3.6).
Konjugation mit Sulfatgruppen: Sulfotransferasen benötigen als Quelle der Sulfatgruppen 3'-Phosphoadenosin-5'-phosphosulfat (PAPS). Die Sulfatgruppen werden auf OHund Aminogruppen der Phase-II-Substrate, z. B. Östrogene, übertragen (Abb. E 3.6).
E-3.6
Aktives Sulfat (3'-Phosphoadenosin-5'-phosphosulfat [PAPS])
E-3.6
NH2 N O –
O
S O
O O
P
N
5'
O
CH2
O–
N
O
H
N
H
3'
O Aktives Sulfat (PAPS) = Phospho-adenosinphospho-sulfat
–
O
P
OH O
O–
Konjugation mit Methylgruppen: Methylgruppen werden auf manche N-, O- und SAtome übertragen. Die Methylgruppen werden dabei von S-Adenosylmethionin (S. 158) bezogen.
Konjugation mit Methylgruppen: Die Methylgruppen werden von S-Adenosylmethionin geliefert.
Konjugation mit Glycin oder Glutamin: Die erste Reaktion der Biotransformation, die in der Literatur beschrieben wurde, war 1842 die Konjugation von Benzoesäure mit Glycin. Das Reaktionsprodukt ist die Hippursäure.
Konjugation mit Glycin oder Glutamin: Die erste in der Literatur beschriebene Reaktion der Biotransformation war die Konjugation von Benzoesäure mit Glycin.
Reaktionsmechanismus: Es fällt auf, dass in den meisten Phase-II-Reaktionen Gruppen übertragen werden, die zuvor aktiviert wurden: Glucuronsäure → UDP-Glucuronsäure Acetylgruppen → Acetyl-CoA Sulfatgruppen → 3'-Phosphoadenosin-5'-phosphosulfat (PAPS) Methylgruppen → S-Adenosylmethionin Die Aktivierung erfolgt durch Bindung an ein Coenzym. Die jeweilige Verbindung hat dann ein hohes Gruppenübertragungspotenzial, d. h. bei Spaltung der Bindung wird sehr viel Energie frei, ΔG ist negativ. Durch energetische Kopplung wird die frei werdende Energie zur Übertragung auf die verschiedenen Substrate der Biotransformation genutzt. Alle Konjugationsreaktionen werden von Transferasen katalysiert.
Reaktionsmechanismus: Damit eine chemische Gruppe in einer Phase-II-Reaktion übertragen werden kann, muss sie durch Bindung an ein Coenzym aktiviert worden sein. Die jeweilige Verbindung hat ein hohes Gruppenübertragungspotenzial, sodass die bei der Spaltung der Bindung frei werdende Energie zur Übertragung der chemischen Gruppe auf die Substrate genutzt werden kann. Alle Konjugationsreaktionen werden von Transferasen katalysiert.
724
E
3 Entgiftung
3.2 3.2
Entgiftung anorganischer Fremdstoffe: Stoffwechsel der Schwermetalle
Schwermetalle sind unscharf als Metalle größerer Dichte definiert. Manche Schwermetalle sind wichtige Spurenelemente. Die Schwermetalle Quecksilber, Cadmium, Blei und Arsen sind in Form ihrer Ionen außerordentlich gefährlich. Ihre Toxizität wird vor allem darauf zurückgeführt, dass sie mit SH-Gruppen reagieren und dadurch viele Proteine denaturieren bzw. inaktivieren.
Schwermetalle induzieren die Expression der Metallothioneine, kleiner Proteine von ca. 6 kDa, die sehr viele Cysteine enthalten und dadurch eine hohe Affinität zu SchwermetallIonen haben. In der Niere gelangen Metallothionein-Komplexe in den Primärharn, werden aber im proximalen Tubulus rückresorbiert. Die Schwermetall-Ionen werden in den Tubuluszellen freigesetzt und führen zu charakteristischen Nierenschäden.
▶
Klinik.
Entgiftung anorganischer Fremdstoffe: Stoffwechsel der Schwermetalle
Schwermetalle sind unscharf als Metalle größerer Dichte definiert. Meistens zieht man die Grenze bei einer Dichte von 5 g/ml. Metalle geringerer Dichte werden als Leichtmetalle bezeichnet (z. B. Na, K, Mg, Al). Zu den Schwermetallen zählen verschiedene Spurenelemente, wie z. B. Kupfer, Eisen und Zink, die im Stoffwechsel als Komponenten verschiedener Enzyme eine wichtige Funktion haben (s. S. 305). In höheren Konzentrationen sind diese Metalle allerdings giftig. Sie werden dann überwiegend über die Niere ausgeschieden. Die Schwermetalle Quecksilber, Cadmium, Blei und Arsen sind als Bestandteile mancher organischer Verbindungen, vor allem aber in Form ihrer Ionen außerordentlich gefährlich. Ihre Toxizität wird vor allem darauf zurückgeführt, dass sie mit SH-Gruppen reagieren und dadurch viele Proteine denaturieren bzw. inaktivieren. Manche Metall-Ionen wirken auch durch Redoxreaktionen toxisch. In den meisten Geweben induzieren Schwermetalle die Expression der Metallothioneine. Dies sind kleine Proteine von ca. 6 kDa, die sehr viele Cysteine enthalten und dadurch eine hohe Affinität zu Schwermetall-Ionen haben. Schwermetall-Ionen binden bevorzugt an die Metallothioneine, sodass andere Proteine vor ihnen geschützt sind. Besonders hohe Konzentrationen der Metallothioneine findet man in der Leber und in der Niere. Manche Schwermetalle, die zunächst in der Leber akkumulieren, werden mit der Zeit zur Niere transportiert. Man vermutet, dass der Transport über den Blutkreislauf von Metallothionein-Komplexen vermittelt wird. In der Niere gelangen Metallothionein-Komplexe in den Primärharn, werden aber bereits im proximalen Tubulus wieder resorbiert. Die Schwermetall-Ionen werden in den Lysosomen der Tubuluszellen freigesetzt und führen dann zu charakteristischen Nierenschäden. Für Schwermetalle existieren im Menschen offenbar keine effektiven Mechanismen der Ausscheidung. Die Schwermetalle lagern sich in Form verschiedener Verbindungen in der Niere, in den Knochen und in anderen Organen ab.
▶ Klinik. Zur Therapie von Schwermetallvergiftungen werden Chelatbildner eingesetzt. Dabei handelt es sich um künstlich hergestellte organische Verbindungen, die mit Metallen Komplexverbindungen eingehen. Manche Chelatstrukturen erinnern entfernt an eine Krebsschere (griech. chele). Die Chelatbildner lösen die Schwermetalle aus den Geweben, und die entstandenen Komplexe werden über die Niere ausgeschieden. Wichtigster Chelatbildner zur Behandlung von Metallvergiftungen ist derzeit Dimercaptopropansulfonsäure (DMPS).
F
Blut, Leber und Niere
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F
1 Biochemie des Blutes
727
2 Biochemie der Leber
745
3 Biochemie der Niere
750
F
1 1.1 1.2 1.3 1.4
1.2 Transport von O2 und CO2 im Blut
Biochemie des Blutes Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Transport von O2 und CO2 im Blut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erythropoese und Porphyrinstoffwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Proteine des Blutserums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
F
727 727 738 744 © V. Yakobchuk – Fotolia
1.1
Einführung
Im Organismus wird die Verteilung von Stoffen zwischen den verschiedenen Organen im Wesentlichen vom Blut vermittelt. Dieses transportiert nicht nur eine Vielzahl unterschiedlicher Nährstoffe, sondern auch die Gase O2 und CO2, Elektrolyte sowie die meisten Hormone. Vielfach nimmt das Blut auch Stoffe auf, die im Stoffwechsel nicht mehr benötigt werden oder die sogar schädlich sind. Derartige Stoffe werden überwiegend über die Niere an den Urin abgegeben oder sie werden in der Leber chemisch modifiziert (Biotransformation, s. S. 718) und gelangen mit der Gallenflüssigkeit in den Darm. Blut ist eine Suspension zellulärer Bestandteile (davon ca. 99 % Erythrozyten, ca. 1 % Leukozyten und Thrombozyten) in Blutplasma.
▶ Klinik. Der Volumenanteil der Blutzellen am Gesamtvolumen des Blutes wird als Hämatokrit bezeichnet. Der Wert lässt sich durch Zentrifugation einer kleinen Blutmenge in einer Glaskapillare, einem sog. Hämatokritröhrchen, bestimmen. Der Hämatokrit liegt bei Frauen zwischen 33 und 43 %, bei Männern zwischen 39 und 49 %. Das Blutplasma enthält neben vielen anderen Proteinen das Fibrinogen, das bei der Gerinnung des Blutes in Fibrin umgewandelt wird (s. S. 704). Nach Abtrennung des Fibrinogens bzw. des Fibrins bleibt vom Blutplasma das Blutserum übrig (s. S. 744).
1.2
Transport von O2 und CO2 im Blut
1.1
Einführung
Blut ist eine Suspension von Zellen (zu ca. 99 % Erythrozyten) in Blutplasma.
▶
Klinik.
Blutplasma enthält u. a. Fibrinogen, die Vorstufe des Fibrins. Entfernt man das Fibrinogen, erhält man das Blutserum.
1.2
Transport von O2 und CO2 im Blut
Im Blut wird nahezu der gesamte Sauerstoff (O2), zu einem kleinen Teil auch das Kohlendioxid (CO2), unter Beteiligung des Hämoglobins der Erythrozyten transportiert.
O2, in geringem Maß auch CO2, wird im Blut an Hämoglobin gebunden transportiert.
1.2.1 O2-Transport durch Hämoglobin
1.2.1 O2-Transport durch Hämoglobin
Die Menge an O2, die Hämoglobin in der Lunge aufnimmt, hängt vom Partialdruck des Sauerstoffs in Atemluft bzw. Blut ab, von dem Druck also, unter dem O2 in dem Gasgemisch Luft bzw. Blut steht. O2 diffundiert in Richtung des niedrigeren Drucks, bis die Druckdifferenz ausgeglichen ist. Der O2-Partialdruck in der Alveolarluft (PAO2) beträgt 13,3 kPa = 100 mm Hg. In der kurzen Zeit, in der das Blut während eines Luftzuges an den Alveolen entlangfließt (ca. 0,5 s), steigt der O2-Partialdruck im Blut (PO2) auf ca. 12 kPa = 90 mm Hg. Dieser schnelle nahezu vollständige Ausgleich der Partialdrücke ist möglich, weil die Diffusionswege in der Lunge außerordentlich kurz sind (1 – 2 μm) und die für den Gasaustausch zur Verfügung stehende Fläche sehr groß ist (rund 100 m2!). Aufgrund der großen Menge an Hämoglobin, das in den Erythrozyten enthalten ist, kann 1 Liter Blut (1000 ml) bis zu 200 ml Sauerstoff (O2) transportieren.
Wie viel O2 Hämoglobin in der Lunge aufnimmt, hängt vom O2-Partialdruck in Alveolarluft bzw. Blut ab.
▶ Merke.
Das Hämoglobin im Lungenvenenblut ist zu 97 %, d. h. bis nahe an die Grenze seiner Kapazität mit O2 gesättigt.
In den peripheren Geweben wird dem Blut O2 entzogen, denn der PO2 beträgt dort nur noch ca. 5,3 kPa = 40 mm Hg, also weniger als 50 % des Wertes in der Lunge.
Die kurzen Diffusionswege und die große Gasaustauschfläche in der Lunge ermöglichen es, die O2-Partialdrücke in Alveolarluft bzw. Blut in nur 0,5 s Kontaktzeit nahezu auszugleichen.
▶ Merke. Bei der Abgabe des O2 in den peripheren Geweben gleichen sich die Partialdrücke
728 wieder nahezu an. Dennoch sinkt die O2-Sättigung im venösen Blut nur auf 75 %. Eine Erklärung für diesen Sachverhalt bietet die O2-Bindungskurve des Hämoglobins (Abb. F 1.1): Sie zeigt einen sigmoiden Verlauf.
F
1 Biochemie des Blutes
Wiederum kommt es zu einem nahezu vollständigen Ausgleich der Partialdrücke. Dabei sinkt die O2-Konzentration im Blut nur um ca. 25 %. Dem entspricht eine O2Sättigung im venösen Blut von 75 %. Eine Erklärung für diesen Sachverhalt bietet die O2-Bindungskurve des Hämoglobins, die die O2-Sättigung (SO2) in Abhängigkeit vom O2-Partialdruck (PO2) darstellt (Abb. F 1.1). Sie zeigt einen S-förmigen = sigmoiden Verlauf. Im Bereich der hohen PO2-Werte verläuft die Kurve flach, d. h. die SO2 ändert sich nur geringfügig. Im Bereich der niedrigen PO2-Werte dagegen verläuft die Kurve steil, d. h. eine geringe Abnahme des PO2 führt zu einer deutlichen Abnahme der SO2. Bei niedrigen PO2Werten, wie sie in den peripheren Geweben herrschen, gibt Hämoglobin den gebundenen Sauerstoff also besonders leicht ab.
F-1.1
F-1.1
O2-Bindungskurven von Hämoglobin und Myoglobin
1,0
In den peripheren Geweben wird die Ablösung des O2 vom Hämoglobin durch Protonen, 2,3-BPG und CO2 erleichtert. Die O2-Bindungskurve verschiebt sich dadurch nach rechts (Abb. F 1.7 S. 733). Zu Myoglobin s. S. 735.
Myoglobin 0,8
O2-Sättigung
0,6 Hämoglobin
0,4
0,2
0,0
Die strukturellen Grundlagen der O2Bindung des Hämoglobins Hämoglobin besteht aus mehreren O2-bindenden Untereinheiten.
▶ Merke.
0
1,3
0
10
3,46 20 30 O2-Partialdruck
kPa 40 mmHg
Die strukturellen Grundlagen der O2-Bindung des Hämoglobins Eine wesentliche Voraussetzung für den sigmoiden Verlauf der O2-Bindungskurve besteht darin, dass jedes Hämoglobinmolekül mehrere Untereinheiten besitzt, die jeweils O2 binden.
▶ Merke.
Die Bindung des ersten O2-Moleküls an eine der Untereinheiten des Hämoglobins verändert die räumliche Struktur sämtlicher Untereinheiten des Hämoglobins mit der Folge, dass die anderen Untereinheiten jedes weitere O2Molekül mit erhöhter Aufnahmebereitschaft binden: Die Untereinheiten des Hämoglobins zeigen Kooperativität.
Die Kooperativität der Untereinheiten ermöglicht es, dass Hämoglobin bereits bei mittleren PO2-Werten weitgehend mit O2 beladen ist.
Die Kooperativität der Hämoglobin-Untereinheiten ist der Grund dafür, dass Hämoglobin in einer Umgebung mit sehr niedrigem PO2 zunächst kaum O2 aufnimmt, dass aber bereits mittlere Partialdrücke ausreichen, um Hämoglobin zu einem großen Anteil mit O2 zu beladen.
Die Struktur des Hämoglobins
Die Struktur des Hämoglobins
Hämoglobin ist ein Tetramer. Die häufigste Form, HbA1, besteht aus zwei α- und zwei β-Untereinheiten (Abb. F 1.2). Hämoglobin ist das klassische Beispiel für ein Protein, das weitgehend aus α-Helices besteht. Jede Untereinheit kann ein O2 binden.
Hämoglobin ist ein Tetramer. Die häufigste Form, HbA1, besteht aus zwei α- und zwei β-Untereinheiten von jeweils 141 bzw. 146 Aminosäuren (Abb. F 1.2), etwa 80 % der Aminosäuren bilden α-Helices. Das komplette Hämoglobinmolekül ist annähernd kugelförmig und hat einen Durchmesser von ca. 5,5 nm.
In den Bindestellen lagert sich O2 jeweils an ein Fe2+ im Zentrum eines Porphyrinrings an
Jede Untereinheit kann ein O2-Molekül binden. Die Bindestellen befinden sich im äußeren Bereich des Hämoglobins und sind dabei relativ weit voneinander entfernt. Es kann also zu keinen unmittelbaren Wechselwirkungen zwischen den Bindestellen kommen. In den Bindestellen lagert sich O2 jeweils an ein zweiwertiges Eisen-Ion (Fe2+) an, das sich im Zentrum eines Porphyrinrings befindet (Abb. F 1.2). Dabei wird das
F
F-1.2
β
α
729
1.2 Transport von O2 und CO2 im Blut
Struktur des Hämoglobins (HbA1) +
NH3
–
OOC
COO–
H 3N
COO– H3N+
+
F-1.2
β
Je zwei α-Untereinheiten und zwei β-Untereinheiten sind zu einem Tetramer verbunden. Jede Untereinheit kann ein O2-Molekül binden (aus Doenecke et al., Karlsons Biochemie und Pathobiochemie, Thieme, 2005).
α
zentrale Eisen-Ion nicht oxidiert, sondern bleibt als Fe2+ erhalten. Entsprechend handelt es sich bei der Beladung mit O2 auch nicht um eine Oxidation des Hämoglobins, sondern nur um eine Oxygenierung. Ein Porphyrinring mit einem eingelagerten Eisen-Ion wird als Hämgruppe bezeichnet. Hämgruppen sind als prosthetische Gruppen nicht nur im Hämoglobin, sondern auch in den Cytochromen der Atmungskette (s. S. 171) und im Cytochrom P450 des endoplasmatischen Retikulums (s. S. 719) enthalten. Während die Hämgruppe im Cytochrom c durch kovalente Bindungen mit dem Polypeptid verbunden ist, werden die Hämgruppen im Hämoglobin lediglich durch nicht kovalente Bindungen in hydrophoben Taschen des Proteins festgehalten. Die Aminosäureketten der Untereinheiten bilden den Globin-Anteil des Hämoglobins.
▶ Klinik. In die O2-Bindestelle kann sich auch Kohlenmonoxid (CO) einlagern. Da die Affinität des CO für die Bindestelle 200- bis 300-mal höher ist als die des O2, können bereits geringe CO-Mengen zu einer erheblichen Vergiftung führen. Ein HbCO-Anteil von weniger als 10 % bleibt oft unbemerkt, höhere Konzentrationen führen zu Kopfschmerzen, schließlich zu Bewusstlosigkeit und Kreislaufkollaps. Die Bindung des CO ist vollständig reversibel. Zur Therapie ist deshalb in vielen Fällen ein rasches Verbringen in CO-freie Luft hinreichend. Lebensgefährlich sind in der Regel erst Hb-CO-Anteile von über 60 %. Die Ultrastruktur der O2-Bindestellen In der Erforschung der Funktionen des Hämoglobins war die Röntgenkristallstruktur von entscheidender Bedeutung. Eine erste, allerdings noch nicht hoch auflösende Röntgenkristallstruktur des Hämoglobins veröffentlichte 1959 in Cambridge der Biochemiker Max Perutz. Später wurde die Methode so verfeinert, dass sie ein präzises Bild der genauen räumlichen Anordnung sämtlicher Atome des Proteins lieferte. Es zeigte sich, dass jede Hämgruppe des Hämoglobins O2 nur an einer Seite des Fe2+ binden kann. Auf der anderen Seite wird das Fe2+ von der Imidazolgruppe eines Histidins festgehalten (Abb. F 1.3). Dieses „proximale“ Histidin gehört zu einer αHelix, die zur Unterscheidung von den anderen α-Helices des Hämoglobins als Helix F bezeichnet wird. Da das Histidin innerhalb dieser Helix an Position 8 steht, wird es als Histidin F8 bezeichnet. Auf der gegenüberliegenden Seite des Fe2+ befindet sich ein „distales“ Histidin E7, welches aber weiter von der Hämgruppe entfernt ist und auch keinen direkten Kontakt zum Fe2+ hat. Dadurch ist auf der Seite des Histidin E7 hinreichend Raum für die Bindung des O2 gegeben.
(Abb. F 1.2). Fe2+ wird dabei nicht oxidiert, sondern nur oxygeniert. Fe2+ und Porphyrinring bilden zusammen eine Hämgruppe. Die Hämgruppen sind mit den Aminosäureketten (dem Globin) nicht kovalent verbunden.
▶
Klinik.
Die Ultrastruktur der O2-Bindestellen
Die Hämgruppen sind im Hämoglobin so angeordnet, dass O2 nur an einer Seite des Fe2+ binden kann.
Auf der anderen Seite des Fe2+ bindet die Imidazolgruppe des proximalen Histidins F8 (Abb. F 1.3).
730 F-1.3
F
1 Biochemie des Blutes
F-1.3
Struktur der Sauerstoffbindestelle Helix F
CH2
proximales NH Histidin F8
N
H2C A
H 3C
N N
HC D
C H
Bindet O2, werden Fe2+ und Histidin F8 in die Ebene der Hämgruppe gezogen. Die Helix F folgt dieser Bewegung (Abb. F 1.4). Durch Wechselwirkungen zwischen den Untereinheiten kommt es daraufhin zu Verschiebungen im gesamten Hämoglobinmolekül, die letztlich zum entspannten R-Zustand und einer erhöhten O2-Affinität aller vier Untereinheiten führen.
Das HbA1-Molekül besteht aus zwei α/β-Dimeren, die über Kreuz aufeinander liegen. Bei der Oxygenierung drehen sich die Dimere relativ zueinander um ca. 15 °. Die Drehung entspricht dem Wechsel zwischen dem Tund dem R-Zustand (Abb. F 1.5).
F-1.4
C
Häm
CH3
COOH
O2
H el ix
Die Imidazolgruppe des proximalen Histidin F8 zieht das Fe2+ an, sodass sich die gesamte Hämgruppe dem Histidin F8 entgegenwölbt. Hämoglobin befindet sich dadurch in einem Spannungszustand (T-Zustand, Abb. F 1.4).
CH N
N
H3C
Auswirkungen der O2-Bindung auf die Ultrastruktur des Hämoglobins
B
Fe2+
HOOC
CH2
CH3
H C
E
Auswirkungen der O2-Bindung auf die Ultrastruktur des Hämoglobins Porphyrinringsysteme sind normalerweise planare, d. h. ebene Strukturen. Im Hämoglobin übt die Imidazolgruppe des Histidins F8 jedoch eine Kraft auf das Fe2+ aus, die dieses ca. 0,06 nm aus dem Porphyrinring herauszieht. Die gesamte Hämgruppe wölbt sich dem Histidin F8 entgegen. Das Hämoglobin befindet sich dadurch in einem Spannungszustand, der als T-Zustand bezeichnet wird (von engl. tense = gespannt) (Abb. F 1.4). Bindet an der anderen Seite der Hämgruppe ein O2, zieht dieses das Fe2+ in die Ebene des Porphyrinrings zurück, und die Hämgruppe ist wieder planar. Dieser Bewegung folgt das Histidin F8, und mit diesem Histidin biegt sich die gesamte Helix F in Richtung der Hämgruppe (Abb. F 1.4). Die durch die O2-Bindung in einer der Untereinheiten ausgelöste Konformationsänderung hat dann weitreichende Verschiebungen im gesamten Hämoglobinmolekül zur Folge, sodass sich letztlich in allen vier Untereinheiten eine entspanntere Konformation einstellt. Auch in den O2-freien Untereinheiten bewegen sich die F-Helices in Richtung der Hämgruppen. Das gesamte Hämoglobinmolekül befindet sich daraufhin im sog. R-Zustand (von engl. relaxed = entspannt). Für die Funktion des Hämoglobins ist es nun von fundamentaler Bedeutung, dass mit dem R-Zustand auch eine erheblich erhöhte O2Affinität aller vier Untereinheiten verbunden ist. Ein Meilenstein in der Erforschung des Hämoglobins war der Vergleich der Röntgenkristallstrukturen des Hämoglobins im O2-freien und im vollständig oxygenierten Zustand. Ein HbA1-Molekül besteht aus zwei α/β-Dimeren, die über Kreuz aufeinander liegen. Der Vergleich der Röntgenkristallstrukturen zeigt, dass sich die innere Struktur der Dimere bei der Oxygenierung nur wenig ändert. Allerdings
F-1.4
Strukturelle Änderungen im Hämoglobin bei Bindung von O2 His F8
O2
Fe2+
Fe2+ O2
sauerstofffreier gespannter Zustand (T = tense)
His F8
O2 oxygeniertes entspanntes Hämoglobin (R = relaxed)
Die O2-Bindung führt zu einer Konformationsänderung mit erhöhter O2-Affinität.
F
F-1.5
Struktur des HbA1-Moleküls im O2-freien (T) und im vollständig oxygenierten Zustand (R)
geringe O2-Affinität +
[H ] hoch [CO2] hoch [2,3-BPG] hoch
T
R
hohe O2-Affinität [H+] niedrig [CO2] niedrig [2,3-BPG] niedrig
15° α2 α1
731
1.2 Transport von O2 und CO2 im Blut
F-1.5
Im O2-freien Zustand T ist die O2-Affinität niedrig, bei Oxygenierung (R-Stellung) ist die O2-Affinität erhöht.
β1 β2
drehen sich die beiden Dimere relativ zueinander um ca. 15 °. Das Hämoglobinmolekül scheint demnach wie ein Schalter zu funktionieren (Abb. F 1.5): Im O2-freien Zustand T ist die O2-Affinität niedrig, bei Oxygenierung drehen sich die Dimere relativ zueinander, der Schalter nimmt die R-Stellung ein, und die O2-Affinität ist erhöht. Moleküle sind ständig in Bewegung, und so wechselt auch jedes Hämoglobinmolekül in großer Geschwindigkeit ständig zwischen dem T- und dem R-Zustand hin und her. Mit der Beladung der ersten O2-Bindestelle steigt aber die Wahrscheinlichkeit, dass das Hämoglobinmolekül den R-Zustand einnimmt. Bei Oxygenierung weiterer Bindestellen nimmt diese Wahrscheinlichkeit nochmals zu. Die O2-Affinität erhöht sich dabei um bis zu drei Größenordnungen. Indem die Bindung eines O2-Moleküls an eine der Hämoglobin-Untereinheiten die Konformation und damit auch die Eigenschaften der anderen Bindestellen verändert, zeigt das Hämoglobin allosterische Eigenschaften. Allosterische Effekte sind dadurch definiert, dass lokalisierte Wechselwirkungen mit einem Liganden zu funktionellen Konsequenzen an einer anderen Stelle des Proteins führen. Ein Protein kann nur Kooperativität zeigen, wenn die Bindung von Liganden mit allosterischen Effekten verbunden ist.
Die Regulation der O2-Bindung des Hämoglobins
Jedes Hämoglobinmolekül wechselt ständig zwischen T- und R-Zustand hin und her. Mit der Beladung der ersten O2-Bindestelle steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es den R-Zustand einnimmt.
Die erhöhte O2-Affinität ist das Ergebnis allosterischer Effekte. Diese sind dadurch definiert, dass lokalisierte Wechselwirkungen mit einem Liganden zu funktionellen Konsequenzen an einer anderen Stelle des Proteins führen.
Die Regulation der O2-Bindung des Hämoglobins
Die drei wichtigsten Faktoren, die die O2-Affinität des Hämoglobins regulieren, sind: die Protonenkonzentration, also der pH-Wert, der CO2-Partialdruck (PCO2) und 2,3-Bisphosphoglycerat.
Die wichtigsten Regulatoren sind: pH-Wert PCO2 2,3-Bisphosphoglycerat
pH-Wert
pH-Wert
1904 entdeckte Christian Bohr (der Vater des berühmten dänischen Atomphysikers Niels Bohr), dass Hämoglobin den gebundenen Sauerstoff abgibt, wenn Säuren zugegeben werden. Dieser Bohr-Effekt kann inzwischen auf die reversible Anlagerung von Protonen an eine bestimmte Aminosäure der β-Ketten des Hämoglobins HbA1 zurückgeführt werden: Es handelt sich um das Histidin in Position 146 der βUntereinheit, also die letzte Aminosäure dieser Polypeptidkette. Wenn ein Proton an das jeweilige Histidin 146 der β-Untereinheiten bindet, wird der T-Zustand des Hämoglobins stabilisiert. Im T-Zustand ist das Histidin 146 über ein Proton mit der Carboxylgruppe des Aspartat 94 der gleichen Aminosäurekette verbunden. Je höher die Protonenkonzentration in der Umgebung ist, desto leichter kann sich diese Verbindung ausbilden und desto leichter stabilisiert sich der TZustand. Im T-Zustand aber ist die O2-Affinität vermindert, und sofern noch O2 gebunden war, löst sich dieses nun schnell ab.
Bei Zugabe von Säuren gibt Hämoglobin den gebundenen O2 ab (Bohr-Effekt). Ursache ist die Anlagerung eines Protons an die letzte Aminosäure der β-Untereinheit, das Histidin in Position 146.
▶ Merke.
Bei niedrigen pH-Werten ist die O2-Affinität des Hämoglobins vermindert, was die Abgabe des O2 in den peripheren Geweben erleichtert.
Die Anlagerung eines Protons an dieses Histidin stabilisiert den T-Zustand des Hämoglobins. Da im T-Zustand die O2-Affinität des Hämoglobins vermindert ist, löst sich das O2 schnell ab.
▶ Merke.
732
F
1 Biochemie des Blutes
In der Lunge wird die O2-Aufnahme u. a. durch einen leicht steigenden pH-Wert erleichtert.
Beim etwas höheren pH-Wert in der Lunge gibt Hämoglobin die an das Histidin 146 angelagerten Protonen ab, wodurch die Stabilisierung des T-Zustands aufgehoben wird. Dadurch steigt die O2-Affinität des Hämoglobins, was die Aufnahme von O2 in der Lunge erleichtert.
PCO2
PCO2
Die kovalente Bindung von CO2 an Hämoglobin stabilisiert den T-Zustand und erleichtert somit die O2-Freisetzung.
Etwa 5 % des in den peripheren Geweben produzierten CO2 wird im Blut kovalent an die jeweils erste Aminosäure einer Untereinheit des Hämoglobins gebunden. Die chemische Modifizierung der betroffenen Aminosäure (Bildung einer Carbamatgruppe) hat wiederum Konformationsänderungen im Hämoglobin zur Folge, die durch Stabilisierung des T-Zustandes zu einer Freisetzung von O2 beitragen.
▶ Merke.
▶ Merke.
Bei hohen PCO2-Werten kann CO2 kovalent an Hämoglobin binden. Die O2-Affinität des Hämoglobins wird dabei vermindert. Dies begünstigt die Abgabe von O2 an stoffwechselaktive Gewebe.
Die Freisetzung des CO2 in der Lunge erleichtert die O2-Aufnahme.
In der Lunge wird das CO2 aus der Carbamatgruppe wieder freigesetzt und damit die O2-Aufnahme erleichtert.
2,3-Bisphosphoglycerat
2,3-Bisphosphoglycerat
Zur effizienten Abgabe von O2 muss Hämoglobin 2,3-Bisphosphoglycerat (2,3-BPG, Abb. F 1.6) binden.
Sehr reines Hämoglobin hält O2 sehr fest gebunden. Um O2 nicht nur effizient aufnehmen, sondern auch effizient abgeben zu können, muss Hämoglobin 2,3Bisphosphoglycerat (2,3-BPG) binden. Dieses wird im Stoffwechsel der Erythrozyten ausgehend von Glucose gebildet (in einem Nebenweg der Glykolyse, Abb. F 1.6).
F-1.6
F-1.6
Synthese von 2,3-Bisphosphoglycerat (2,3-BPG) in Erythrozyten
Glucose
H H
C C
Pyruvat
Pi + NAD+
O OH
H2 C O
NADH + H+
P
O H
P
Glycerinaldehyd3-phosphat
C C
O
ADP
–O
ATP
OH
H2 C O
H P
C C
O OH
H2C O
1,3-Bisphosphoglycerat
P
3-Phosphoglycerat
Bisphosphoglycerat-Mutase –O
H
C
O O
P
H2C O
P
C
2,3-Bisphosphoglycerat (2,3-BPG) bindet an Hämoglobin, stabilisiert den T-Zustand, erleichtert dadurch die Abgabe von O2
2,3-BPG kann durch Abbau zu 2-Phosphoglycerat wieder in die Glykolyse eingeschleust werden.
Die nicht kovalente Bindung eines 2,3-BPGMoleküls stabilisiert den T-Zustand des Hämoglobins und senkt so die O2-Affinität aller Untereinheiten: 2,3-BPG ist ein allosterischer Effektor des Hämoglobins.
In der Lunge wird die O2-Aufnahme durch Freisetzung des 2,3-BPG erleichtert. In den peripheren Geweben beginnt Hämoglobin, verstärkt zwischen T- und R-Zustand zu wechseln. 2,3-BPG verschiebt gemeinsam mit Protonen und CO2 das Gleichgewicht in Richtung T-Zustand.
An jedes Hämoglobin-Tetramer kann maximal ein Molekül 2,3-BPG binden. Es lagert sich zwischen zwei β-Untereinheiten ein (nicht kovalente Bindung!) und stabilisiert dadurch den T-Zustand des Hämoglobins. Die Bindung des 2,3-BPG an einer Stelle des Tetramers führt also zu einer erniedrigten O2-Affinität in allen vier Untereinheiten. 2,3-BPG ist somit neben O2 und Protonen ein weiterer allosterischer Effektor des Hämoglobins. Wenn Hämoglobin in der Lunge vollständig mit O2 gesättigt wird, geht es in den RZustand über und 2,3-BPG verlässt seine Bindestelle. In den peripheren Geweben lösen sich anfangs nur wenige O2-Moleküle vom Hämoglobin ab. Das Hämoglobin beginnt daraufhin aber, verstärkt zwischen dem Tund dem R-Zustand hin und her zu pendeln. In das Gleichgewicht zwischen den beiden Zuständen greift 2,3-BPG gemeinsam mit Protonen und CO2 ein. Alle diese Stoffe binden bevorzugt an das Hämoglobin im T-Zustand und haben dabei die Tendenz, es in diesem T-Zustand festzuhalten.
F
F-1.7
733
1.2 Transport von O2 und CO2 im Blut
Regulation der Sauerstoffbindung des Hämoglobins
F-1.7
1,0
0,8
2,3-BPG, Protonen und CO2 stabilisieren den T-Zustand und vermindern dadurch die O2-Affinität. Die Folge ist eine Rechtsverschiebung der Sauerstoffbindungskurve.
Hämoglobin (Hb)
O2-Sättigung
0,6 Hb + CO2
0,4
Hb + CO2 + 2,3-BPG
0,2
0,0
Rechtsverschiebung der O2-Sättigungskurve † erleichterte Freisetzung des O2 0
1,3
0
10
3,46 20 30 O2-Partialdruck
kPa 40 mmHg
▶ Merke.
2,3-BPG, Protonen und CO2 wirken synergistisch: Sie alle stabilisieren den T-Zustand, vermindern dadurch die O2-Affinität des Hämoglobins und erleichtern so die Abgabe weiterer O2-Moleküle. In den üblichen grafischen Darstellungen drückt sich dies als Rechtsverschiebung der Sauerstoffbindungskurve des Hämoglobins aus (Abb. F 1.7).
▶ Merke.
1.2.2 Transport von CO2
1.2.2 Transport von CO2
Transportformen
Transportformen
Als Endprodukt der Oxidation der Nahrungsstoffe wird in erheblichem Umfang CO2 gebildet, welches in der Lunge an die Atemluft abgegeben wird. Im Blut wird CO2 auf drei Arten transportiert: zu ca. 90 % in Form von Bicarbonat (Hydrogencarbonat, HCO3–), zu ca. 5 % physikalisch als CO2 gelöst und zu ca. 5 % an Hämoglobin gebunden. Bicarbonat entsteht in einer Reaktion von CO2 mit Wasser: CO2 + H2O ⇌ HCO3– + H+ Die Reaktion verläuft normalerweise nur sehr langsam. Erythrozyten enthalten aber ein Enzym, die Carboanhydrase, welches die Reaktion dramatisch beschleunigt. Ein Molekül Carboanhydrase kann pro Sekunde 600 000 Moleküle CO2 zu HCO3– umsetzen. Das entstehende HCO3– wird von den Erythrozyten weitgehend an das Blutplasma abgegeben. Die Reaktion ist reversibel. In der Lunge ist die Carboanhydrase entscheidend an der Mobilisierung des CO2 aus dem HCO3– beteiligt. Bicarbonat liegt im Blut in einer Konzentration von ca. 24 mmol/l vor und leistet den größten Beitrag zur Stabilisierung des physiologischen pH-Wertes bei 7,4. Zusammen mit dem physikalisch gelösten CO2 repräsentiert es den Bicarbonat-Puffer des Blutes. Der zweitwichtigste Faktor für die Aufrechterhaltung des pH-Wertes ist das Hämoglobin mit seinem Protonenakzeptor/-donator Histidin 146 der β-Untereinheit. Diesen Beitrag kann Hämoglobin nur leisten, weil es im Blut in außerordentlich hoher Konzentration (160 g/l) vorhanden ist.
CO2 wird im Blut zu ca. 90 % in Form von Bicarbonat transportiert. Ca. 5 % sind physikalisch gelöst. Nur ca. 5 % des CO2 sind an Hämoglobin gebunden.
Transport gebunden an Hämoglobin
Transport gebunden an Hämoglobin
Die α-Aminogruppe der jeweils ersten Aminosäure jeder Untereinheit des Hämoglobins kann kovalent ein CO2 binden: Hb-NH2 + CO2 ⇌ Hb-NHCOO– + H+ Die entstandene NHCOO–-Gruppe wird als Carbaminogruppe oder auch als Carbamatgruppe bezeichnet. Nach Bildung der negativ geladenen Carbamatgruppen nimmt das Hämoglobinmolekül bevorzugt die Konformation des T-Zustandes, also die O2-freie Konformation ein. Dieses hat eine bemerkenswerte Konsequenz:
Jede Hämoglobin-Untereinheit kann kovalent ein CO2binden: Hb-NH2 + CO2 ⇌ Hb-NHCOO– + H+
Die Bildung des Bicarbonats (HCO3–) wird in den Erythrozyten von der Carboanhydrase katalysiert. Diese erleichtert in der Lunge anschließend die Freisetzung des CO2 aus HCO3–.
HCO3– spielt eine zentrale Rolle in der Aufrechterhaltung des physiologischen BlutpH-Wertes (HCO3– + physikalisch gelöstes CO2 = Bicarbonat-Puffer des Blutes). Den zweitgrößten Beitrag hierzu leistet das Hämoglobin.
Die NHCOO–-Gruppe wird als Carbaminooder Carbamatgruppe bezeichnet. Sie begünstigt den Übergang des Hämoglobins in den T-Zustand.
734 ▶ Merke.
F
1 Biochemie des Blutes
▶ Merke.
Hämoglobin bindet bevorzugt entweder CO2 oder O2 (Haldane-Effekt).
Bei niedriger O2-Konzentration bindet Hämoblobin bevorzugt CO2, bei hoher O2-Konzentration bevorzugt O2.
Eine niedrige O2-Konzentration (in O2-armen Geweben) begünstigt die Bindung von CO2. Bei hoher O2-Konzentration (Sättigung des Hämoglobins mit O2 in der Lunge) dagegen ist die Abgabe des CO2 erleichtert.
1.2.3 Die verschiedenen Hämoglobine des Menschen
1.2.3 Die verschiedenen Hämoglobine des Menschen
Nach der Zusammensetzung der Untereinheiten = Globinketten lassen sich verschiedene Hämoglobine unterscheiden (Tab. F 1.1).
Das Genom des Menschen kodiert α-, β-, γ- und δ-Globinketten, wobei die γ- und δ-Ketten den β-Ketten strukturell sehr ähnlich sind. Zwei α-Ketten lagern sich mit zwei identischen anderen Ketten zu einem Hämoglobin-Tetramer zusammen, sodass es drei Hämoglobin-Formen gibt (Tab. F 1.1).
F-1.1
F-1.1
Hämoglobin-Formen
Hämoglobin-Form
Zusammensetzung
Anteil am Gesamt-Hämoglobin
HbA1
α2β2
97,5 %
HbA2
α2δ2
2,5 %
Erwachsener
Fetus bzw. Neugeborenes HbF
▶ Merke.
▶
Klinik.
α2γ2
beim Fetus 100 %, beim Neugeborenen noch ca. 75 % (den Rest stellt HbA1)
▶ Merke.
Das HbF des Fetus hat im Vergleich zu HbA1 eine geringere Affinität zu 2,3-BPG und damit eine wesentlich höhere O2-Affinität, was die Umverteilung von O2 vom mütterlichen in den fetalen Kreislauf begünstigt.
▶
Klinik. Weltweit treten in regional unterschiedlichen Häufigkeiten Störungen
der Hämoglobinsynthese auf. Bei den Thalassämien ist die Synthese einer der Globinketten (= Untereinheiten) reduziert, diese Kette wird in unzureichender Menge oder gar nicht produziert. Bei β-Thalassämien ist die Synthese der β-Kette reduziert und die der γ- und δKetten kompensatorisch erhöht. β-Thalassämien sind in den Mittelmeerländern relativ häufig. Sofern der jeweilige genetische Defekt auf einen der beiden Chromosomensätze beschränkt ist, sind die Symptome oft geringfügig. Bei homozygoten Merkmalsträgern entwickelt sich allerdings eine schwere hämolytische Anämie, d. h. die Überlebenszeit der Erythrozyten (normalerweise ca. 120 Tage) ist drastisch verkürzt, was auch die Lebenserwartung des Patienten erheblich verkürzt. α-Thalassämien sind wesentlich seltener als β-Thalassämien und haben generell eine ungünstigere Prognose, da ein Fehlen der α-Kette nicht adäquat kompensiert werden kann. Bei manchen Patienten bilden sich Homo-Tetramere von β-Untereinheiten (HbH). Auch hier kommt es zur Hämolyse der Erythrozyten. Bei anomalen Hämoglobinen ist die Aminosäuresequenz der Globinketten verändert. Bislang sind bereits ca. 300 verschiedene anomale Hämoglobine identifiziert worden, die meisten dieser Anomalien sind sehr selten. Die Sichelzellanämie hingegen beruht auf einer Strukturveränderung des Hämoglobins, die im tropischen Afrika weit verbreitet ist. Ursache ist eine Punktmutation im Gen der β-Kette (Abb. F 1.8 a). Sie hat zur Folge, dass in Position 6 Glutaminsäure gegen Valin ausgetauscht wird. Dieses veränderte Hämoglobin wird als HbS bezeichnet. In einigen Regionen Afrikas sind 1/3 der Bevölkerung heterozygote Anlagenträger. Sie weisen normalerweise keinerlei Krankheitssymptome auf (!) und sind sogar gegenüber Malaria wesentlich resistenter als die übrige Bevölkerung. Offenbar liegt hierin der Grund für die Häufigkeit dieser Mutation. Bei Homozygoten hingegen tritt bereits im Säuglingsalter eine hämolytische Anämie auf. Der Grund hierfür ist, dass HbS ca.
F
735
1.2 Transport von O2 und CO2 im Blut
80 % des Gesamthämoglobins stellt, der Rest ist auch bei Erwachsenen überwiegend HbF. HbS bildet im deoxygenierten Zustand kleine Kristalle. Dadurch verlieren die Erythrozyten ihre Flexibilität und verformen sich zu sog. Sichelzellen (Abb. F 1.8 b). Diese sichelförmigen, starren Erythrozyten können die Kapillaren verschiedener Gewebe verstopfen (Sichelkrise, korrespondierender Blutausstrich s. Abb. F 1.8 b). Der Verlauf der Krankheit ist unterschiedlich, manche Patienten sterben früh, andere erreichen das Erwachsenenalter.
F-1.8
Sichelzellanämie
Codon im Gen
Aminosäure in Position 6 der β-Untereinheit
Phänotyp
GAG
Glutamat
normal
Valin
Sichelzellanämie
Mutation a
b
GTG
1. normaler Blutausstrich
2. Sichelzellen
3. Sichelzellkrise
a Entstehung des Sichelzellhämoglobins (HbS). b Normaler Blutausstrich (1) und Blutausstrich eines homozygoten HbS-Anlagenträgers (2), Blutausstrich bei Sichelzellkrise (3) (1: aus Theml, Diem, Haferlach; Taschenatlas der Hämatologie, Thieme, 2002; 2: aus Greten, Rinninger, Greten; Innere Medizin, Thieme, 2010; 3: aus Löscher, Burchard; Tropenmedizin in Klinik und Praxis, Thieme, 2010).
▶ Exkurs. Myoglobin Myoglobin ist ein kleines Protein von 154 Aminosäuren, das zu den Untereinheiten der Hämoglobine große Ähnlichkeiten zeigt. Es enthält auch das gleiche Porphyrinringsystem. Allerdings vermittelt es einen O2-Transport nicht im Blut, sondern innerhalb der Muskelzellen der Skelettmuskulatur und des Herzmuskels. Es ist im Zytosol frei beweglich und erleichtert den intrazellulären Transport des O2 zu den Mitochondrien. Die rote Farbe des Muskelgewebes beruht auf dem hohen Gehalt an Myoglobin. Anders als die Hämoglobine liegt Myoglobin aber stets als Monomer vor. Deshalb ist seine O2-Bindungskurve nicht S-förmig wie die der Hämoglobine, sondern eine Hyperbel (s. Abb. F 1.1 auf S. 728). Seine O2-Affinität ist deutlich höher als die der Hämoglobine. Die Kapazität des Myoglobins ist allerdings begrenzt, es ermöglicht eine Aufrechterhaltung eines aeroben Stoffwechsels allenfalls für wenige Sekunden. (Wale sind Säugetiere, die Myoglobin in ihrer Muskulatur in außerordentlich hohen Konzentrationen enthalten, sodass sie große Mengen an O2 auch für längere Tauchgänge speichern können.) Myoglobin kann nicht nur O2 binden, sondern auch Stickoxid (NO), das in den Wänden der Blutgefäße der Muskulatur synthetisiert wird. In einer Reaktion mit Myoglobin-gebundenem O2 wird NO zu Nitrat umgesetzt. Wahrscheinlich verhindert das Myoglobin, dass NO zu den Mitochondrien vordringt und die Atmungskette blockiert. NO ist ein potenter Inaktivator des Komplexes IV der Atmungskette.
1.2.4 Schutz des Hämoglobins vor Oxidation Isoliertes Hämoglobin färbt sich in Gegenwart von O2 mit der Zeit schokoladenbraun. Ursache der Verfärbung ist eine langsame Oxidation der Eisen-Ionen der Hämgruppen von Fe2+ zu Fe3+. Die oxidierte Form des Hämoglobins wird als Methämoglobin (Met-Hb) bezeichnet. Methämoglobin kann keinen Sauerstoff mehr binden.
▶ Exkurs.
1.2.4 Schutz des Hämoglobins vor Oxidation Wenn die Fe2+-Ionen des Hämoglobins zu Fe3+ oxidiert werden, entsteht dunkel gefärbtes Methämoglobin. Methämoglobin kann keinen Sauerstoff binden.
736
F
Auslöser der Hämoglobin-Oxidation
Auslöser der Hämoglobin-Oxidation
Methämoglobin entsteht in den Erythrozyten, wenn Hämoglobin-gebundener O2 vom Fe2+-Ion ein Elektron aufnimmt und sich als Superoxidanion (O2– ) ablöst.
In den Erythrozyten liegt normalerweise etwa 1 % des Hämoglobins als Methämoglobin vor. Dieses entsteht überwiegend, indem Hämoglobin-gebundener O2 vom Fe2+-Ion ein Elektron aufnimmt und sich als Superoxidanion (O2– ) ablöst. In der Hämgruppe bleibt dabei ein Fe3+-Ion zurück. In diesem Fall wird das Hämoglobin tatsächlich oxidiert und nicht nur oxygeniert. Das Superoxidanion, O2– , ist ein Sauerstoffradikal, es wird zu den reaktiven Sauerstoffspezies gezählt (reactive oxygen species = ROS, Abb. F 1.9 a). O2– entsteht auch in anderen Nebenreaktionen des Stoffwechsels, indem ein einzelnes Elektron auf molekularen Sauerstoff übertragen wird. O2– reagiert spontan mit verschiedenen organischen Verbindungen der unmittelbaren Umgebung und schädigt dadurch die Zellen. Wenn zwei Superoxidradikale aufeinander treffen, reagieren sie sofort unter Bildung eines reduzierten und eines oxidierten Reaktionsprodukts (Disproportionierung), nämlich O2 und H2O2 (Wasserstoffperoxid, Abb. F 1.9 b). H2O2 ist ein aggressives Oxidationsmittel, das die Zellen ebenfalls erheblich schädigen kann. Ausgehend von Superoxidradikalen kann neben H2O2 auch das elektrisch neutrale, aber außerordentlich aggressive Hydroxylradikal (·OH) entstehen (Abb. F 1.9 c).
Das Superoxidanion, O2– , ist ein Sauerstoffradikal, das zu den reaktiven Sauerstoffspezies zählt (reactive oxygen species = ROS, Abb. F 1.9). O2– entsteht auch in anderen Nebenreaktionen des Stoffwechsels, indem ein einzelnes Elektron auf molekularen Sauerstoff übertragen wird. O2– bildet durch Disproportionierung Wasserstoffperoxid (H2O2). Ausgehend von O2– können auch Hydroxylradikale (·OH) entstehen.
1 Biochemie des Blutes
F-1.9
F-1.9
Sauerstoffradikale e
a
O2
O2
+
O2
O2
+
Superoxidradikal
OH
2H Disproportionierung
O2
OH
+ H2O2 Wasserstoffperoxid
b
c
Hydroxid-Ion (entsteht bei der Dissoziation des Wassers in H + OH ) Hydroxylradikal (ungeladen, aber sehr reaktiv; entsteht in mehreren Schritten ausgehend von einem Superoxidradikal)
a Superoxidradikal. b Wasserstoffperoxid. c Hydroxylradikal.
▶
Klinik.
▶ Klinik. Eine Bildung von Methämoglobin wird auch von einer Reihe toxischer Verbindungen ausgelöst. Nitrat (NO3–) wird im Darm von Bakterien in Nitrit (NO2–) umgewandelt, das Hämoglobin zu Methämoglobin oxidieren kann. Nitrat kann in erheblichen Konzentrationen in Gemüse enthalten sein, das auf gut gedüngten Böden gewachsen ist. Das Risiko einer vermehrten Methämoglobinbildung (Methämoglobinämie) ist bei Säuglingen besonders hoch, da HbF leichter oxidiert wird als HbA und die Methämoglobin-Reduktase (s. u.) noch nicht voll aktiv ist. Bei Säuglingen kann es deshalb bereits durch Trinkwasser mit erhöhtem Nitratgehalt zu Vergiftungen kommen. Auch aromatische Amino- und Nitroverbindungen (z. B. Anilin oder Nitrobenzol) bewirken eine Methämoglobinämie. Wenn der Anteil des Methämoglobins auf > 10 % steigt, entwickelt sich zunehmend eine graue Hautfarbe, die Lippen können blau verfärbt sein (Zyanose). Es kommt zu Kopfschmerzen, Unwohlsein, Herzklopfen, und Schwindel. Ein Anteil des Methämoglobins von > 60 % ist lebensgefährlich.
Schutzmechanismen
Schutzmechanismen
Die Methämoglobin-Reduktase katalysiert die Reduktion des Fe3+ zu Fe2+ (Abb. F 1.10 a). Als Reduktionsmittel dient dabei NADH.
Methämoglobin wird in den Erythrozyten auch unter physiologischen Bedingungen immer wieder neu gebildet. Zum größten Teil wird es dann aber von der Methämoglobin-Reduktase wieder in intaktes Hämoglobin umgewandelt, indem das zentrale Eisen-Ion der Hämgruppen wieder zu Fe2+ reduziert wird (Abb. F 1.10 a). Als Reduktionsmittel dient dabei NADH, das in den Erythrozyten von der Glykolyse bereitgestellt wird.
F
737
1.2 Transport von O2 und CO2 im Blut
Reduktion von Methämoglobin
F-1.10
Methämoglobin
F-1.10
NADH + H+ Fe3+
Hämoglobin
Glykolyse NAD+
Fe2+
Methämoglobin-Reduktase
a durch NADH Pentosephosphatweg NADP+ + H+
2 GSH Fe3+
NADPH GlutathionReduktase
GSSG
Enzym-unabhängige Reaktion
Fe2+
b durch Glutathion (GSH)
Zum Schutz des Hämoglobins gegen Oxidation trägt auch das Glutathion (GSH) bei, das in den Erythrozyten in besonders hohen Konzentrationen (ca. 2,5 mM) enthalten ist. Glutathion ist ein Tripeptid aus den Aminosäuren Glutamat, Cystein und Glycin (Glu-Cys-Gly). Das Cystein exponiert die funktionell entscheidende SHGruppe. Glutathion ist in allen Zellen des Körpers an der Aufrechterhaltung reduzierender Bedingungen beteiligt. In den Erythrozyten kann es Methämoglobin reduzieren, indem es direkt (enzymunabhängig) mit den Eisen-Ionen der Hämgruppen reagiert. Primär dient das Glutathion aber dem Schutz der SH-Gruppen des Hämoglobins und anderer Proteine. Wenn die SH-Gruppe des Glutathions oxidiert wird, lagern sich zwei Glutathionmoleküle über eine Disulfidbrücke zusammen (Bildung von GSSG aus 2 GSH, Abb. F 1.10 b und Abb. F 1.11). Glutathion wird anschließend von einer Glutathion-Reduktase regeneriert. Das Enzym verwendet dazu NADPH, das aus dem Pentosephosphatweg der Erythrozyten stammt.
Zum Schutz des Hämoglobins gegen Oxidation trägt auch das Glutathion bei, das in den Erythrozyten enthalten ist. Glutathion ist ein Tripeptid (Glu-Cys-Gly) (Abb. F 1.11). Es kann Methämoglobin reduzieren, indem es direkt mit den Eisen-Ionen der Hämgruppen reagiert. Primär dient es aber dem Schutz der SH-Gruppen des Hämoglobins. Glutathion wird von einer Glutathion-Reduktase regeneriert. Das Enzym verwendet dazu NADPH.
Glutathion
F-1.11
H Glu
Cys
H –OOC
C +
NH3
O (CH2)2
C
Gly
H O N
C
C
H
CH2 SH
Glutathion (GSH)
▶
–OOC
+NH
Oxidation N H
CH2
COO–
O
C
(CH2)2
C
3
H O N
C
H
CH2
+ –
OOC
Klinik. Die Arbeit der Glutathion-Reduktase wird erschwert, wenn der Pentose-
phosphatweg aufgrund eines Defekts der Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase nicht genügend NADPH liefern kann. Beeinträchtigt ist dann nicht nur die Reduktion des Methämoglobins, sondern vor allem auch der Schutz der SH-Gruppen des Hämoglobins. Charakteristisch für den Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase-Mangel ist eine Bildung unlöslicher Hämoglobin-Aggregate (Bildung von Heinz-Körpern; s. S. 237).
NH3 C
(CH2)2
H
C O
▶
Klinik.
N
CH2
COO–
CH2
COO–
H
S
Glutathion-Disulfid (GSSG) Reduktion
C
S H
CH2
H
N
C
N
C
H O
738 Superoxidradikale, H2O2 und Hydroxylradikale werden in Erythrozyten beseitigt durch: Antioxidanzien: Glutathion, Vitamin C und Vitamin E, Bilirubin Kooperation der Superoxid-Dismutase und Katalase: Die Superoxid-Dismutase katalysiert die Reaktion von zwei Superoxidanionen (O2-) zu O2 und H2O2. Das H2O2 wird dann mithilfe der Katalase zu O2 und H2O disproportioniert (Abb. F 1.12).
F
1 Biochemie des Blutes
Superoxidanionen, H2O2 und Hydroxylradikale werden in den Erythrozyten durch Glutathion und verschiedene andere Antioxidanzien inaktiviert, teilweise auch enzymatisch: Wichtige Antioxidanzien sind neben dem Glutathion die Vitamine C (Ascorbinsäure) und E (Tocopherol) (s. S. 279), sowie das beim Häm-Abbau anfallende Bilirubin. In Erythrozyten wie auch in allen anderen Zellen des Körpers ist zudem die Kooperation der Enzyme Superoxid-Dismutase und Katalase von Bedeutung. Beide Enzyme katalysieren Disproportionierungen (Abb. F 1.12): Die SuperoxidDismutase katalysiert die Reaktion von zwei Superoxidradikalen (O2-) zu O2 und H2O2. Das H2O2 wird dann mithilfe der Katalase zu O2 und H2O disproportioniert.
F-1.12
F-1.12
Reaktionen der Superoxid-Dismutase und der Katalase Superoxid-Dismutase
O2
+
O2
+
2H
O2
+
O2
+
H2O2
Disproportionierung
a
Katalase H2O2 + H2O2
2 H 2O
Disproportionierung
b
a Superoxid-Dismutase. b Katalase.
1.3
Erythropoese und Porphyrinstoffwechsel
1.3
Erythropoese und Porphyrinstoffwechsel
1.3.1 Erythropoese
1.3.1 Erythropoese
Die Erythropoese wird im Knochenmark von Erythropoetin (EPO) stimuliert. EPO wird überwiegend in der Niere unter dem Einfluss des O2-Partialdrucks gebildet.
Täglich wird ca. 1 % der Erythrozyten neu gebildet. Bei einer Gesamt-Erythrozytenzahl von 25 Billionen sind das 2,4 Millionen Erythrozyten pro Sekunde. Die Erythropoese wird im Knochenmark von Erythropoetin (EPO) stimuliert, einem Glykoprotein, das zu den Zytokinen gezählt wird (s. S. 648). EPO wird überwiegend in peritubulären Zellen der Nierenrinde gebildet. Die Menge des dort synthetisierten Erythropoetins hängt in erster Linie vom O2-Partialdruck ab. Wenn der O2-Partialdruck in der Niere sinkt (Hypoxie), wird die Synthese des EPO gesteigert. Der letzte Schritt der Erythropoese, der noch im Knochenmark stattfindet, ist die Extrusion des Zellkerns. Die Kernlosigkeit erleichtert es den Erythrozyten, sich zu verformen (eine Voraussetzung für die Passage durch Kapillaren). Die Zellen gelangen als Retikulozyten ins Blut. Diese unreifen Erythrozyten enthalten noch Mitochondrien und Ribosomen (ihr „Retikulum“ besteht im Wesentlichen aus ribosomaler RNA) und synthetisieren zunächst noch Hämoglobin. Im Verlauf von 2 – 3 Tagen werden die Ribosomen sowie die inneren Membransysteme einschließlich der Mitochondrien enzymatisch abgebaut, und aus den Retikulozyten entstehen die reifen Erythrozyten. Im Rahmen der Erythropoese werden im Knochenmark jeden Tag ca. 6 g Hämoglobin synthetisiert. Das dazu benötigte Eisen, etwa 20 mg, stammt überwiegend aus dem Abbau von Erythrozyten in der Milz und in der Leber. Von dort wird das Eisen in Form von Transferrin mit dem Blut zum Knochenmark transportiert (s. S. 306).
Direkte Vorläufer der Erythrozyten sind die Retikulozyten. Diese besitzen keinen Zellkern mehr, aber zunächst noch Mitochondrien und Ribosomen. Bei der Reifung zu Erythrozyten werden Ribosomen und Mitochondrien abgebaut.
Im Knochenmark werden täglich ca. 6 g Hämoglobin synthetisiert. Das dabei benötigte Eisen wird in Form von Transferrin mit dem Blut zum Knochenmark transportiert.
▶
Klinik.
▶
Klinik. Die Synthese des für die Erythropoese benötigten EPO kann bei Nieren-
erkrankungen erheblich vermindert sein, sodass sich eine renale Anämie entwickelt. Zur Therapie wird rekombinant hergestelltes EPO verwendet. Nachdem Sportler EPO zur Steigerung ihrer Leistungskraft eingesetzt hatten, wurde die Verwendung von EPO als Dopingsubstanz verboten.
F
739
1.3 Erythropoese und Porphyrinstoffwechsel
1.3.2 Hämbiosynthese
1.3.2 Hämbiosynthese
An der Hämbiosynthese sind vier mitochondriale und vier zytosolische Enzyme beteiligt (Abb. F 1.13). Da reife Erythrozyten keine Mitochondrien besitzen, kann die Hämbiosynthese nur in den Vorläuferzellen stattfinden. Andererseits ist die Hämbiosynthese nicht auf die Erythropoese beschränkt: Alle Zellen, die Mitochondrien enthalten, benötigen Hämgruppen für die Biogenese der Cytochrome der Atmungskette. In der Leber wird ca. ⅔ des gebildeten Häms zur Synthese von Cytochrom P450 genutzt, das am Fremdstoffwechsel beteiligt ist. Hämgruppen sind auch Bestandteile der Monooxygenasen, die an der Biosynthese der Steroidhormone beteiligt sind, der Katalase und verschiedener anderer Enzyme. Eine Hämbiosynthese findet deshalb in unterschiedlichem Ausmaß in nahezu allen Zellen des Körpers statt.
An der Hämbiosynthese (Abb. F 1.13) sind sowohl mitochondriale, als auch zytosolische Enzyme beteiligt. Während der Erythropoese ist eine Hämbiosynthese deshalb nur in den Vorstufen der Erythrozyten möglich. Eine Hämbiosynthese findet in nahezu allen Zellen des Körpers statt.
Hämbiosynthese (Details s. Text)
F-1.13
COO– CH2
Citratzyklus
Succinyl-CoA
C
~
CH2 C
CoA δ-ALA-Synthase –
H 2C +
S
COO
–
CH2
HS-CoA + CO2
CH2 O
COO–
COO–
Kondensation zweier Moleküle 5-Aminolävulinat
O
CH2
CH2
H2N
5-Aminolävulinat
NH3
CH2
H2C H2C
NH2
Glycin
OOC
N H
Porphobilinogen COO–
H2C
CH3
H3C N
H2C
CH2
COO–
CH3
CH2 H3C
H3C
Fe2+
N
CH3 NH
NH HN
N
Fe N
N
H 3C
CH3
OOC
COO–
–
Häm
Ferrochelatase
N
NH HN
HN
H3C
CH3
OOC
COO–
–
Protoporphyrin
▶ Merke.
Der erste Schritt der Hämbiosynthese besteht in einer Reaktion der Aminosäure Glycin mit dem Succinyl-CoA des Citratzyklus. Unter Decarboxylierung des Glycins und Freisetzung des Coenzym A entsteht δ-Aminolävulinsäure (δ-ALA= 5-Aminolävulinat). Coenzym der δ-Aminolävulinsäure (δ-ALA)-Synthase ist Pyridoxalphosphat.
δ-ALA wird dann in das Zytosol exportiert, wo das aromatische Ringsystem der späteren Hämgruppe entsteht: 2 Moleküle δ-ALA kondensieren unter Abspaltung von H2O zu Porphobilinogen. Dieses enthält bereits einen Pyrrolring. In vier Schritten entsteht im Zytosol aus dem Porphobilinogen schließlich Koproporphyrinogen III, eine Tetrapyrrolverbindung, die dem Porphyrin der Hämgruppen bereits sehr ähnlich, aber noch farblos ist. Koproporphyrinogen III wird wieder von Mitochondrien aufgenommen. Hier wird es in der Matrix decarboxyliert und oxidiert. Dabei entsteht ein ausgedehntes System konjugierter Doppelbindungen, das sämtliche Pyrrolringe des Moleküls einschließt. Die konjugierten (stets im Wechsel mit Einfachbindungen vorliegenden) Doppelbindungen absorbieren sehr effektiv einen kurzwelligen Teil des sichtbaren Lichts und sind damit der Grund der intensiven roten Farbe aller Hämgruppen. Die Mitochondrien enthalten eine Ferrochelatase, die den entstandenen Porphyrinring mit einem Fe2+-Ion belädt. Damit ist die Hämbiosynthese abgeschlossen.
H3C
CH3
OOC
COO–
–
Koproporphyrinogen III
▶ Merke.
δ-Aminolävulinsäure (δ-ALA) entsteht in den Mitochondrien und wird in das Zytosol exportiert. Dort entsteht das Ringsystem der Hämgruppe: 2 Moleküle δ-ALA kondensieren zu Porphobilinogen. Im Verlauf mehrerer Schritte entsteht Koproporphyrinogen III, eine Tetrapyrrolverbindung. Koproporphyrinogen III wird wieder von Mitochondrien aufgenommen. Hier entsteht daraus die Hämgruppe. Die Einfügung des Fe2+-Ions wird von einer mitochondrialen Ferrochelatase katalysiert.
740 ▶ Merke.
▶
Klinik.
F
1 Biochemie des Blutes
▶ Merke.
Der geschwindigkeitsbestimmende Schritt der Hämbiosynthese ist die Reaktion der δ-ALA-Synthase. Das Enzym wird von Häm gehemmt. Häm hemmt außerdem die Biosynthese des Enzyms.
▶ Klinik. Porphyrien haben ihre Ursache in Störungen der Hämbiosynthese. In den weitaus meisten Fällen ist ein angeborener (= hereditärer) Defekt eines der vier zytosolischen Enzyme der Hämbiosynthese für die Porphyrie verantwortlich. Da die Konzentration des Häms in den Mitochondrien aufgrund des jeweiligen Enzymdefekts vermindert ist, wird das geschwindigkeitsbestimmende Enzym der Hämbiosynthese, die δ-ALA-Synthase, nicht mehr gehemmt. Die Vorstufen des Häms werden deshalb vermehrt synthetisiert. Die erhöhte Konzentration der entsprechenden Porphyrine ist dann die wesentliche Ursache der Symptome der Porphyrie. Am häufigsten (Prävalenz ca. 20/100 000 Einwohner) ist ein Defekt der zytosolischen Uroporphyrinogen-Decarboxylase (Porphyria cutanea tarda). Charakteristisches Symptom ist eine Fotodermatose (eine ausgeprägte Lichtempfindlichkeit der Haut, Abb. F 1.14), die ihre Ursache in der Akkumulation der Porphyrine hat. Oft ist der Urin dunkel gefärbt. Im Blutplasma sind die Aktivitäten typischer Leberenzyme (Transaminasen und γ-GT) erhöht. Porphyrien können auch mit neurologisch/psychiatrischen Symptomen verbunden sein. Auslösender Anlass einer akuten Krise ist oft ein Alkoholexzess. Eine therapeutische Option ist auch heute noch der Aderlass. Dabei werden den Patienten zeitweilig jede Woche 500 ml Blut abgenommen.
F-1.14
Fotodermatose bei Porphyria cutanea tarda (aus Moll, Duale Reihe Dermatologie, Thieme, 2010)
a
b
1.3.3 Häm-Abbau
1.3.3 Häm-Abbau
Der Häm-Abbau erfolgt durch Makrophagen in Milz, Leber und Knochenmark.
Erythrozyten leben durchschnittlich 120 Tage, bevor sie in Milz, Leber und Knochenmark durch Makrophagen eliminiert werden. Hämoglobin, das bei einer Hämolyse außerhalb dieser Organe in der Blutbahn freigesetzt wird, bildet mit Haptoglob(ul)in, einem Glykoprotein des Blutplasmas, Komplexe und wird dann in dieser Form von der Leber aufgenommen. Die beim Abbau von Hämoglobin und anderen Häm-haltigen Proteinen freigesetzten Hämgruppen können nicht wieder verwendet werden. Die Ringsysteme werden deshalb gespalten und zu Bilirubin abgebaut. Dieses wird in der Leber mit Glucuronsäure verbunden und an die Galle abgegeben (Abb. F 1.15 und Abb. F 1.16):
Hämgruppen aus Hämoglobin und anderen Hämproteinen werden zu Bilirubin abgebaut, das mit Glucuronsäure konjugiert und über die Galle ausgeschieden wird (Abb. F 1.15 und Abb. F 1.16):
F
741
1.3 Erythropoese und Porphyrinstoffwechsel
Der Abbau wird von der Häm-Oxygenase eingeleitet. Diese katalysiert die Oxidation einer Methinbrücke; Cofaktoren sind NADPH und O2. Dabei wird der Porphyrinring geöffnet und Kohlenmonoxid freigesetzt. Reaktionsprodukt ist blaugrünes Biliverdin. Katalysiert von der Biliverdin-Reduktase wird das Biliverdin NADPH-abhängig zu orangegelbem Bilirubin reduziert.
Der Abbau der freigesetzten Hämgruppen beginnt mit der Oxidation einer Methinbrücke (-CH =), die im Porphyrinring zwei Pyrrolringe miteinander verbindet. Die Reaktion wird von der Häm-Oxygenase katalysiert, die in der Membran des Endoplasmatischen Retikulums verankert ist und zur Gruppe der Monooxygenasen gehört. Die Reaktion benötigt sowohl NADPH als auch O2. Der Kohlenstoff der Methinbrücke wird als Kohlenmonoxid (CO) freigesetzt (!). Dabei wird der Porphyrinring gesprengt und das Eisen-Ion freigesetzt. Dieses bindet dann innerhalb der Zellen an das Protein Ferritin. Die übrig bleibende Kette von 4 Pyrrolringen hat eine blaugrüne Farbe und wird als Biliverdin bezeichnet. Die Reaktion der Häm-Oxygenase ist der geschwindigkeitsbestimmende Schritt des Häm-Abbaus. Biliverdin wird NADPH-abhängig von der zytosolischen Biliverdin-Reduktase zu Bilirubin reduziert. Die Reduktion betrifft die Methinbrücke in der Mitte des Moleküls, die in eine CH2-Gruppe umgewandelt wird. Damit wird das System konjugierter Doppelbindungen an dieser Stelle unterbrochen und die Farbe schlägt von Blaugrün in Orangegelb um.
▶ Klinik. Ein frischer Bluterguss, ein Hämatom, hat zunächst eine rötliche Farbe, insbesondere, wenn das Hämoglobin nahe der Hautoberfläche freigesetzt wurde. Sobald das Hämoglobin von der Methämoglobin-Reduktase und vom Glutathion der Erythrozyten nicht mehr geschützt wird, bildet es aber bald Aggregate, die Fe2+-Ionen werden zu Fe3+ oxidiert, und die Farbe wird dunkler. Unter Beteiligung von Makrophagen werden die Hämgruppen langsam abgebaut. Im typischen Fall bildet sich zunächst ein „blauer Fleck“. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch das intakte Hämoglobin im Wechselspiel von Absorption, Streuung und Reflexion des Lichts in tieferen Gewebeschichten dunkelblau erscheinen kann. So zeichnen sich auch die Venen unter der Haut in bläulicher Farbe ab, obwohl das venöse Blut nachweislich rot ist. Beim Abbau der Hämgruppen entsteht zunächst grünes Biliverdin, aus diesem entsteht dann im Verlauf von etwa zwei Wochen das gelbe Bilirubin.
▶
Bilirubin enthält zwar zwei Carboxylgruppen (Abb. F 1.15), es liegt aber in einer Konformation vor, in der es an der Außenseite überwiegend hydrophobe Gruppen exponiert. Bilirubin ist deshalb trotz seiner beiden Carboxylgruppen wasserunlöslich. Im Blut ist ein Transport des Bilirubins nur im Komplex mit Albumin möglich (im klinischen Sprachgebrauch als indirektes Bilirubin bezeichnet). In der Leber wird es resorbiert und im endoplasmatischen Retikulum der Hepatozyten mithilfe
F-1.15
Klinik.
Im Blut ist Bilirubin an Albumin gebunden („indirektes Bilirubin“). In der Leber wird Bilirubin mithilfe von UDP-Glucuronsäure zu Bilirubin-Diglucuronid umgesetzt (konjugiertes = „direktes“ Bilirubin) und gelangt durch aktiven Transport in die Galle.
Häm-Abbau O H2C CH3
H2C H3C
H2C
NH
H3C CH2
NH
H3C
H3C
H3C N
N
N
NADPH + H+ + O2
Fe 2⊕ H3C
O
N
–
N
CH3 COO–
OOC
NADP+ + H2O + CO + Fe3+
Häm-Oxygenase
–
OOC
OOC
–
OOC NH H 3C H2C H3C
Häm (rot)
NH
–
NH
– OOC NADPH + + NADP +H
BiliverdinReduktase
NH H3C
H2C
NH
H3C
O
Biliverdin (blaugrün)
O
Bilirubin (gelb) 2 UDP-Glucuronsäure 2 UDP
UDP-GlucuronylTransferase
Bilirubin-Diglucuronid
Details s. Text.
742
F
F-1.16
Konjugation des Bilirubins in der Leber und Abbau des konjugierten Bilirubins im Kolon Transport und Konjugation des Bilirubins
Abbau des Bilirubin-Diglucuronids im Kolon
Freisetzung von Bilirubin aus Makrophagen
Bilirubin-Diglucuronid
COOH OH HO
1 Biochemie des Blutes
2 Glucuronsäure
Albumin
O
Bilirubin
Bilirubin (gelb)
O UDP OH
UDP-Glucuronsäure
bakterielle Enzyme
bakterielle Enzyme
Leber Bilirubin
Stercobilinogen, Urobilinogen (farblos)
2 UDP-Glucuronsäure 2 UDP
molekularer Sauerstoff
BilirubinDiglucuronid
Gallenblase a
b
Dünndarm c
Stercobilin, Urobilin (dunkel gefärbt)
a Strukturformel der UDP-Glucuronsäure. b Transport und Konjugation des Bilirubins. c Abbau des Bilirubin-Diglucuronids.
von UDP-Glucuronsäure von einer UDP-Glucuronyltransferase zu Bilirubin-Diglucuronid umgesetzt (s. S. 741). Die Glucuronsäure wird dabei über Esterbindungen mit den Carboxylgruppen des Bilirubins verbunden. Das Bilirubin-Diglucuronid, auch als konjugiertes (= mit Glucuronsäure verbundenes) oder direktes Bilirubin bezeichnet, gelangt durch aktiven Transport in die Galle.
▶ Merke.
Im Kolon wird das konjugierte Bilirubin durch Einwirkung bakterieller Enzyme deglucuronidiert und in farbloses Stercobilinogen bzw. Urobilinogen umgewandelt. Beide Verbindungen werden teilweise in den enterohepatischen Kreislauf einbezogen, zum größten Teil werden sie im Kolon in Stercobilin bzw. Urobilin umgewandelt.
Bei verstärktem Häm-Abbau wird rotbraunes Urobilin zunehmend auch renal ausgeschieden.
▶ Merke.
Bilirubin wird in der Leber mit Glucuronsäure konjugiert. Glucuronsäure ist ein Derivat der Glucose, in der das C-Atom in Position 6 zu einer Carboxylgruppe oxidiert ist. Glucuronsäure sollte nicht mit der 6-Phosphogluconsäure verwechselt werden, die im Pentosephosphatweg gebildet wird. In der 6-Phosphogluconsäure ist das C-Atom in Position 1 zur Carboxylgruppe oxidiert. Im Dünndarm bleibt das konjugierte Bilirubin zunächst weitgehend erhalten. Im Kolon treten aber durch den Stoffwechsel der dort wachsenden Bakterien verschiedene Effekte auf: – Die Glucuronsäure wird abgelöst, sodass wieder freies, deglucuronidiertes Bilirubin entsteht. Wenn der Nahrungsbrei den Darm sehr schnell passiert, haben die Faeces die gelbe Farbe des unveränderten Bilirubins. – Normalerweise wird das Bilirubin im Darm durch bakterielle Stoffwechselprozesse an mehreren Positionen reduziert, die konjugierten Doppelbindungen gehen verloren, und es entstehen die farblosen Verbindungen Stercobilinogen und Urobilinogen. Diese werden in unterschiedlichen Anteilen (ca. 20 %) resorbiert und in den enterohepatischen Kreislauf einbezogen. – Der Großteil des Stercobilinogens und Urobilinogens wird im Kolon in Stercobilin bzw. Urobilin umgewandelt, die für die dunkle Farbe der Faeces verantwortlich sind. Wird besonders viel Häm abgebaut, gelangt Urobilin zunehmend auch in den Urin, der sich dann entsprechend rotbraun und dunkel färbt. Die gelbe Farbe, die für den normalen Urin typisch ist, beruht auf einer Mischung unterschiedlicher Häm-Abbauprodukte, die in der Leber und im Rahmen des enterohepatischen Kreislaufs in das Blut gelangen.
F
743
1.3 Erythropoese und Porphyrinstoffwechsel
▶ Klinik. Normalerweise wird im Organismus täglich ca. 250 mg Bilirubin gebildet, davon entstehen ca. 85 % im Abbau von Hämoglobin. Dabei bleibt die Konzentration des Bilirubins im Blutplasma unter physiologischen Bedingungen in der Regel unter 1 mg/100 ml. Bei einer Plasmakonzentration von > 2 mg/100 ml diffundiert Bilirubin aus den Blutgefäßen ins Interstitium und lagert sich dort ab, sodass es zur Gelbverfärbung der Haut und der Skleren kommt (Ikterus, Gelbsucht). Eine erhöhte Bilirubinkonzentration im Blut (Hyperbilirubinämie) kann unterschiedliche Ursachen haben: Hämolytische Anämie (vermehrter Abbau von Hämoglobin). Die Ursache eines Ikterus liegt unter dieser Voraussetzung vor der Aufnahme des Bilirubins durch die Leber, es ist somit ein prähepatischer Ikterus gegeben. Im Blutplasma ist die Konzentration an unkonjugiertem Bilirubin erhöht. Lebererkrankungen (Hepatitis, Leberzirrhose) können einen intrahepatischen Ikterus auslösen. Das Bilirubin kann sowohl konjugiert wie unkonjugiert in seiner Konzentration erhöht sein. Ein Verschluss des Ductus choledochus durch einen kleinen Gallenstein (Cholestase) führt zu einem posthepatischen Ikterus. Hierbei steigt die Plasmakonzentration des konjugierten Bilirubins stark an, und konjugiertes Bilirubin wird – zusammen mit anderen Abbauprodukten des Häms – renal ausgeschieden (→ Stuhl hell, Urin dunkel). Ein Gallenwegsverschluss durch einen Gallenstein ist die häufigste Ursache eines Ikterus. Ursache des Morbus Meulengracht (Gilbert-Meulengracht-Syndrom) ist ist eine angeborene aber in der Regel nur geringfügig verminderte Aktivität der UDP-Glucuronyltransferase. Betroffen sind ca. 5 % der Bevölkerung. Der Morbus Meulengracht ist in der Regel harmlos.
F-1.17
Fototherapie (aus Sitzmann, Duale Reihe Pädiatrie, Thieme, 2007)
Der Neugeborenenikterus ist eine vorübergehende und meist harmlose Hyperbilirubinämie, die bei vielen Neugeborenen auftritt, da die UDP-Glucuronyltransferase kurz nach der Geburt noch nicht voll aktiv ist. Eine zeitweilige Bilirubinkonzentration von bis zu 15 mg/100 ml gilt als physiologisch. Bei einer Rhesusinkompatibilität zwischen Mutter und Kind, bei Frühgeborenen oder kranken Neugeborenen kann die Plasmakonzentration des unkonjugierten Bilirubins allerdings so stark ansteigen, dass sich freies Bilirubin im Gehirn, vor allem den Basalganglien ablagert (Kernikterus) und irreversible neurologische Störungen verursacht. Als problematisch gelten Bilirubinkonzentrationen > 20 mg/100 ml. Zur Prophylaxe des Kernikterus wird eine Fototherapie mit blauem Licht eingesetzt. Das kurzwellige Licht löst in den Bilirubinmolekülen eine Isomerisierung aus, durch die sich die Konformation ändert und das Bilirubin auch in unkonjugierter Fom hinreichend wasserlöslich und somit nierengängig ist.
▶
Klinik.
744
F
1.4
1.4
Die Proteine des Blutserums
Blutserum enthält über 100 verschiedene Proteine. Insgesamt sind in 1 Liter Serum ca. 70 g Protein gelöst. In der klinischen Chemie werden die Serumproteine traditionell fünf Gruppen zugeordnet. Ihr relatives Verhältnis lässt sich durch Serumelektrophorese ermitteln (Abb. F 1.18):
F-1.18
1 Biochemie des Blutes
Die Proteine des Blutserums
Im Blutplasma sind u. a. mehr als 100 verschiedene Proteine gelöst. 1 Liter Plasma enthält ca. 70 g Protein. Das häufigste Protein ist Albumin (35 – 55 g/Liter). Fibrinogen (Gerinnungsfaktor I) ist in einer Konzentration von 2 – 4 g/Liter enthalten. Blutserum enthält demnach nur unwesentlich weniger Protein als Blutplasma. In der klinischen Chemie werden die Serumproteine traditionell in fünf Gruppen eingeteilt, nach den Banden, die bei der Serumelektrophorese entstehen. Zur Analyse sind wenige Mikroliter eines Serums ausreichend. Die Proben werden nach standardisierten Verfahren auf kleine Folien aufgetragen und es wird eine elektrische Spannung angelegt. Anschließend werden die Proteine angefärbt (Abb. F 1.18).
F-1.18
Elektrophoretische Trennung der Serumproteine
Albumin α1-Antitrypsin, HDL u. a. α2-Makroglobulin, Plasminogen, Haptoglobulin u. a. LDL u. a.
α1
Die erste Bande enthält Albumin, ein Protein von 66 kDa. Seine Funktionen sind: Aufrechterhaltung des kolloidosmotischen Drucks. Transport von – freien Fettsäuren, – Bilirubin und – ca. 50 % der Ca2+-Ionen des Plasmas.
Zu den α1-Globulinen zählen u. a. α1-Antitrypsin und HDL.
α2-Globuline umfassen u. a. α2-Makroglobulin, Plasminogen und Haptoglobulin.
Zu den β-Globulinen zählen u. a. Fibrinogen und LDL. γ-Globuline sind die Immunglobuline.
α2
β
Unten: angefärbte Folie, oben: photometrische Auswertung (nach Doenecke et al., Karlsons Biochemie und Pathobiochemie, Thieme, 2005).
Immunglobuline γ
Die erste Bande enthält Albumin, ein Protein von 66 kDa. Durch seine hohe Blutkonzentration ist Albumin ein wichtiger Faktor für die Aufrechterhaltung des physiologischen kolloidosmotischen (onkotischen) Drucks. Es bestimmt indirekt die Verteilung des Wassers zwischen Plasma und Interstitium und damit auch das Plasmavolumen. Wie viele andere Serumproteine wird Albumin von der Leber an das Blut abgegeben. Ist die Albuminsynthese in der Leber reduziert (z. B. bei Proteinmangelernährung oder Leberzirrhose infolge Alkoholismus), fällt der onkotische Druck und Wasser tritt vermehrt ins Interstitium über (→ Ödembildung; s. S. 182). Albumin ist außerdem ein wichtiges Transportprotein. Es bindet in erheblichem Umfang freie Fettsäuren, außerdem Bilirubin sowie etwa 50 % der Calcium-Ionen des Plasmas. Andere Salz-Ionen, z. B. Na+ und Cl–, liegen im Plasma praktisch vollständig frei vor. An Albumin schließt sich die Bande der α1-Globuline an. Hierzu gehören u. a. α1-Antitrypsin, ein natürlicher Inhibitor von Proteasen, die z. B. aus Entzündungsherden in das Blut geschwemmt werden (s. S. 257), und High Density Lipoprotein (HDL), das im Cholesterintransport eine entscheidende Rolle spielt (s. S. 248). Zu den α2-Globulinen zählen u. a. α2-Makroglobulin, ein weiterer Protease-Inhibitor, Plasminogen, das Proenzym des Plasmins, das für die Auflösung von Blutgerinnseln verantwortlich ist. Deshalb wird bei Herzinfarkt und Schlaganfall rekombinanter Plasminogenaktivator (r-PA) injiziert (s. S. 711). Haptoglobulin, das mit freigesetztem Hämoglobin Komplexe bildet. β-Globuline umfassen u. a. das Fibrinogen, das im Plasma, nicht aber im Serum enthalten ist, sowie die Low Density Lipoproteins (LDL, s. S. 246). γ-Globuline sind die Immunglobuline (s. S. 663). Serum enthält überwiegend IgG.
F 2.1 Einführung
Biochemie der Leber
2 2.1 2.2 2.3 2.4
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stoffwechselfunktionen der Leber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Produktion von Serumproteinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausscheidungsfunktion der Leber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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745 746 748 748 © Sebastian Kaulitzki – Fotolia
2.1
Einführung
2.1
Die Leber wiegt ca. 1500 g und macht damit 2 – 3 % der Körpermasse des Menschen aus. Die außerordentliche Intensität des Leberstoffwechsels bringt es mit sich, dass die Leber etwa ¼ des Herzminutenvolumens in Anspruch nimmt und auch einen entsprechenden Anteil am gesamten O2-Verbrauch des Körpers hat. Die Leber wird über zwei Gefäßsysteme versorgt: 25 % des Zustroms erfolgen über Aorta, Truncus coeliacus und A. hepatica (systemischer Kreislauf). 75 % des Zustroms erfolgen über venöse Splanchnikusgefäße und die Pfortader (portaler Kreislauf). Die Leber ist in charakteristische Einheiten von ca. 1 mm Durchmesser und 2 mm Höhe untergliedert, die als Leberläppchen bezeichnet werden (Abb. F 2.1 a). Äste der beiden Gefäßsysteme verlaufen zwischen den Leberläppchen in enger Nachbarschaft. Innerhalb der Leberläppchen vereinigen sich die Gefäße, ihr Blut mischt sich, wird in der Mitte des jeweiligen Leberläppchens von einer V. centralis aufgenommen und schließlich der V. cava inferior zugeleitet.
F-2.1
Einführung
Aufgrund der außerordentlichen Intensität des Leberstoffwechsels beansprucht die Leber ca. ¼ des Herzminutenvolumens. Ihre O2- und Nährstoffzufuhr erfolgt zu 25 % über Aorta, Truncus coeliacus und A. hepatica (systemischer Kreislauf), zu 75 % über venöse Splanchnikusgefäße und die Pfortader (portaler Kreislauf).
Die Leber ist in Leberläppchen gegliedert (Abb. F 2.1 a).
Leberläppchen
metabolische Zonierung des Leberparenchyms
Liponeogenese
Tight Junction (Desmosom)
Zentralvene
Gluconeogenese
Erythrozyt Sinusoid Sinusendothel Hepatozyten
Gallenkanälchen
Disse-Raum
Ast der Leberarterie (A. hepatica) Hepatozyten Ast der Pfortader (V. portae)
Gallenkanälchen
b
Kupffer-Zelle
Gallengang Periportalfeld mit Glisson-Trias a Struktur
Die Hohlräume, in denen das Blut in den Leberläppchen zwischen Wänden aus Hepatozyten zur V. centralis fließt, sind die Sinusoide. Ähnlich den Kapillaren anderer Organe sind auch die Sinusoide von Endothelzellen ausgekleidet. In den Leberläppchen lassen diese aber große Poren frei und bilden auch keine Basalmembran. Zwischen dem Netzwerk der Endothelzellen und den Hepatozyten liegt der schmale Disse-Raum, der für alle löslichen Komponenten des Blutes frei zugänglich ist (Abb. F 2.1 b). Zwischen den Hepatozyten liegen kleine Gallenkanälchen, in denen sich die von den Hepatozyten sezernierte Gallenflüssigkeit (Galle) sammelt. Diese fließt (relativ zum Blut in entgegengesetzter Richtung) zu den Gallengängen, die gemeinsam mit
Sinuslumen b Ausschnittsvergrößerung
In den Leberläppchen bilden die Hepatozyten schmale Wände, zwischen denen Sinusoide frei bleiben.
Zwischen den Hepatozyten sammelt sich die Galle in Gallenkanälchen und schließlich in den Gallengängen, die Teil der Glisson-Trias im Periportalfeld sind (Abb. F 2.1).
746
Die Leberläppchen weisen eine metabolische Zonierung auf. So findet die Gluconeogenese überwiegend in den äußeren, die Liponeogenese in den inneren Bereichen statt.
2.2
Stoffwechselfunktionen der Leber
2.2.1 Konstanthaltung des Blutzuckerspiegels Überschüssige Glucose gelangt Insulin-unabhängig mithilfe von GLUT2 in die Hepatozyten. GLUT2 vermittelt auch die Aufnahme von Galaktose. Fructose wird hingegen durch GLUT5 in die Hepatozyten transportiert. Beide Zucker werden zu Glucose umgesetzt.
Glucose wird in Form von Glykogen gespeichert.
Bei Bedarf wird aus dem Glykogen wieder Glucose freigesetzt. Das dabei entstehende Glucose-1-phosphat wird zu Glucose-6-phosphat isomerisiert. Dieses wird durch die Glucose-6-Phosphatase im ER der Hepatozyten in Glucose umgewandelt.
Bei Nahrungsmangel wird Glykogen abgebaut. Sinkt die Blutglucosekonzentration unter 5 mM, beginnen die Hepatozyten mit der Gluconeogenese.
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2 Biochemie der Leber
den Ästen der Pfortader und der A. hepatica die Glisson-Trias bilden (Abb. F 2.1 a). Der Raum, in dem die Glisson-Trias in histologischen Schnitten zu sehen ist, wird als Periportalfeld bezeichnet. Innerhalb eines Leberläppchens lassen sich erhebliche Unterschiede in der Enzymausstattung der Hepatozyten nachweisen (metabolische Zonierung des Leberparenchyms). So findet die Gluconeogenese überwiegend in den äußeren Bereichen der Leberläppchen in der Nähe der Periportalfelder statt. Dort stellt das Blut der A. hepatica genügend Sauerstoff zur Verfügung, um die energieaufwendige Gluconeogenese durchführen zu können. Das hierzu benötigte ATP kann nur durch oxidative Phosphorylierung in den Mitochondrien bereitgestellt werden. Eine besondere ATPAbhängigkeit ist möglicherweise der Grund dafür, dass auch die Harnstoffsynthese überwiegend in der Nähe der Periportalfelder abläuft. Die Liponeogenese ist demgegenüber energetisch wesentlich anspruchsloser. Sie läuft überwiegend in den inneren Bereichen, in der Nähe der V. centralis ab.
2.2
Stoffwechselfunktionen der Leber
2.2.1 Konstanthaltung des Blutzuckerspiegels Die Leber nimmt unter Vermittlung von Glucosetransportern des Typs GLUT2 unabhängig von Insulin überschüssige Glucose aus dem Blut auf. GLUT2 vermittelt auch die Aufnahme der Galaktose, die mit dem Blut aus dem Verdauungstrakt in die Leber gelangt. Eine permanente Galaktosämie ist lebensgefährlich. Galaktose wird deshalb in der Leber vollständig zu Glucose metabolisiert (s. S. 93). Fructose wird unter Vermittlung von GLUT5 aufgenommen. Auch Fructose wird von der Leber sehr effizient in Glucose umgewandelt (s. S. 91). Unabhängig vom Gehalt dieser Zucker in der Nahrung enthält das Blut der Peripherie deshalb normalerweise weder Galaktose noch Fructose. Das aus der Glucose gebildete Glucose-6-phosphat wird überwiegend zu Glucose-1phosphat isomerisiert, mit Uridintriphosphat (UTP) zu UDP-Glucose umgesetzt und dann zur Bildung von Glykogen verwendet (s. S. 205). Die Leber eines Erwachsenen kann bis zu 150 g Glykogen speichern. (Weitere ca. 300 g Glykogen können in der Skelettmuskulatur gespeichert werden.) Bei Bedarf wird aus dem Glykogen wieder Glucose freigesetzt. Dabei wird phosphorolytisch (d. h. unter Aufnahme anorganischen Phosphats) Glucose-1-phosphat gebildet. Beim Abbau des Glykogens entsteht also phosphorylierte Glucose, ohne dass dazu ATP oder UTP aufgewendet werden müsste. Aus Glucose-1-phosphat entsteht durch Isomerisierung wiederum Glucose-6-phosphat. Die Glucose-6-Phosphatase der Hepatozyten ermöglicht die Bildung von Glucose. Da das Enzym in der Membran des endoplasmatischen Retikulums (ER) lokalisiert ist, entsteht die Glucose im Lumen des ER. Mit Hilfe eines Glucosetransporters der ER-Membran gelangt sie in das Zytosol und von hier aus unter Beteiligung von GLUT2 ins Blut. Neuere Daten haben gezeigt, dass Glucose auch unabhängig von GLUT2 in das Blut gelangen kann. Der entsprechende Transportweg konnte aber noch nicht aufgeklärt werden. Da Muskelzellen keine Glucose-6-Phosphatase enthalten, können sie beim Abbau ihres Glykogens keine Glucose an das Blut abgeben. Bei anhaltendem Nahrungsmangel wird das Glykogen weitgehend abgebaut. Dabei bleibt aber stets der Kern des Glykogens, das Glykoprotein Glykogenin, erhalten. Es dient der Glykogen-Synthase bei erneuter Glucosezufuhr als Startermolekül. Durch Abbau des Glykogens wird nach Möglichkeit eine Blutglucosekonzentration von ca. 5 mM aufrechterhalten. Normalerweise signalisiert ein Hungergefühl rechtzeitig die Notwendigkeit erneuter Nahrungsaufnahme. Wenn diese unterbleibt, stellen die Hepatozyten nach Abbau der Glykogenreserven die benötigte Glucose zunehmend durch Gluconeogenese bereit. Bei Nahrungsmangel leistet auch die Niere einen bedeutenden Beitrag zur Gluconeogenese (s. S. 752). Das Ausmaß und damit auch die Relevanz der Gluconeogenese in den Zellen des proximalen Nierentubulus ist experimentell schwierig zu bestimmen und deshalb in der Forschung umstritten. In jedem Fall scheint aber die Leber den bei weitem wichtigsten Beitrag zur Aufrechterhaltung der Blutglucosekonzentration zu leisten.
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747
2.2 Stoffwechselfunktionen der Leber
2.2.2 Synthese von Ketonkörpern, Triacylglycerinen und Cholesterin Parallel zur Gluconeogenese wird in der Leber bei Nahrungsmangel die Ketonkörpersynthese gesteigert. Ausgangsverbindung ist Acetyl-CoA. Die entscheidenden Ketonkörper, die von der Leber an das Blut abgegeben werden, sind Acetoacetat und 3-Hydroxybutyrat. Sie sind dann für viele Gewebe, beim Fasten auch für das Gehirn, wichtige Energieträger. Aceton, der dritte Ketonkörper, ist hingegen ein wertloses Nebenprodukt und wird über die Lunge abgeatmet oder mit dem Urin ausgeschieden. Acetyl-CoA ist auch die Ausgangsverbindung für den intensiven Fettstoffwechsel der Leber. Es kann durch die Pyruvat-Dehydrogenase (PDH) in den Mitochondrien bzw. durch die Citrat-Lyase im Zytosol gebildet werden. Ausgehend von Acetyl-CoA werden im Zytosol der Hepatozyten u. a. Fettsäuren synthetisiert. Sie werden in der Leber mit Coenzym A zu Acyl-CoA umgesetzt und dann zusammen mit Glycerin-3phosphat zur Synthese von Triacylglycerinen (TAG = Triglyceride = TG = Neutralfette) verwendet. Die Leber ist zudem der wichtigste Syntheseort für Cholesterin, das ebenfalls aus Acetyl-CoA entsteht. Im ER der Hepatozyten assoziieren TAG und Cholesterin mit dem Apolipoprotein ApoB-100, und die entstandenen Lipid-Protein-Aggregate werden als VLDL an das Blut abgegeben. In den peripheren Geweben werden die TAG von der Lipoproteinlipase hydrolysiert, die auf der inneren Oberfläche der Blutkapillaren lokalisiert ist. Die freien Fettsäuren und das Glycerin werden dann von den jeweiligen Geweben aufgenommen. Im Fettgewebe dienen sie der erneuten Bildung von TAG. Es ist bemerkenswert, dass im Fettgewebe zwar täglich in großen Umfang TAG synthetisiert und gespeichert werden, eine Neusynthese von Fettsäuren dabei jedoch nur eine untergeordnete Rolle spielt. Die Fettsäuren stammen vielmehr aus der Nahrung oder aus der Neusynthese der Leber. Die Synthese der TAG und des Cholesterins in der Leber orientiert sich am Angebot dieser Stoffe aus der Nahrung. So ist bei der in Industrieländern üblichen Ernährung das Angebot an TAG in der Nahrung so hoch, dass in der Leber nur wenig Fettsäuren synthetisiert werden. Der Tagesbedarf an Cholesterin liegt bei ca. 1 g. In den Industrieländern wird etwa die Hälfte des benötigten Cholesterins über die Nahrung aufgenommen, die andere Hälfte wird zum weitaus größten Teil in der Leber synthetisiert. In jüngster Zeit wird vermehrt darauf hingewiesen, dass eine Einschränkung der Cholesterinaufnahme mit der Nahrung aufgrund der physiologischen Regulationsmechanismen (s. S. 339) nur geringfügig verringerte Cholesterin-Blutspiegel zur Folge hat.
2.2.3 Aufgaben der Leber im Aminosäurestoffwechsel In unterschiedlichem Ausmaß nimmt die Leber aus dem Blut ständig Aminosäuren auf. Alanin stellt dabei den größten Anteil (s. S. 137). Im Aminosäurestoffwechsel der Leber sind insbesondere die folgenden Prozesse bemerkenswert: Unter Beteiligung verschiedener Aminotransferasen (Transaminasen) wird u. a. Glutamin produziert. Es wird an das Blut abgegeben und in größerem Umfang von der Niere aufgenommen, wo es zur Bildung von Ammoniak benötigt wird.
▶ Klinik. Die Transaminasen GPT (ALAT = ALT) und GOT (ASAT = AST; s. S. 147) gehören zu den am häufigsten bestimmten Leberenzymen. Sie werden generell bei einer Schädigung von Hepatozyten an das Blut abgegeben. Harnstoff, das Endprodukt des Aminosäurestoffwechsels, wird zum größten Teil in der Leber gebildet (s. S. 139). Im Hunger und im Fasten werden von der Leber aufgenommene glucogene Aminosäuren verstärkt zur Gluconeogenese herangezogen.
2.2.2 Synthese von Ketonkörpern, Triacylglycerinen und Cholesterin Parallel zur Gluconeogenese wird in der Leber bei Nahrungsmangel die Ketonkörpersynthese (aus Acetyl-CoA) gesteigert.
Acetyl-CoA ist auch die Ausgangsverbindung für den intensiven Fettstoffwechsel der Leber. Es wird zu Fettsäuren umgesetzt, die wiederum in Acyl-CoA umgewandelt und mit Glycerin-3-phosphat zur Synthese von Triacylglycerinen (TAG) verwendet werden. Die Leber ist zudem der wichtigste Syntheseort für Cholesterin. TAG und Cholesterin assoziieren im ER der Hepatozyten mit ApoB-100 und gelangen als VLDL ins Blut.
Die Synthese der TAG und des Cholesterins orientiert sich am Angebot dieser Stoffe aus der Nahrung.
2.2.3 Aufgaben der Leber im Aminosäurestoffwechsel Die Leber nimmt aus dem Blut ständig Aminosäuren auf, v. a. Alanin. Daraus bildet sie: Mithilfe von Transaminasen Glutamin, das in der Niere zur Bildung von Ammoniak benötigt wird.
▶
Klinik.
Das Ausscheidungsprodukt Harnstoff. Zudem verwendet sie glucogene Aminosäuren zur Gluconeogenese.
748
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2.3
2.3
Produktion von Serumproteinen
Der Großteil der Serumproteine wird in der Leber synthetisiert, z. B. Albumin, Komponenten des Blutgerinnungssystems wie Prothrombin, Fibrinogen und Plasminogen, Proteine des Komplementsystems. Sie sind Teil des angeborenen, unspezifischen Immunsystems und gehören zu den Akute-Phase-Proteinen.
2.4
Ausscheidungsfunktion der Leber
2 Biochemie der Leber
Produktion von Serumproteinen
Ein großer Teil der Serumproteine wird in der Leber synthetisiert. Dies gilt z. B. für Albumin, das im Blut bei der Aufrechterhaltung des kolloidosmotischen Drucks eine wichtige Rolle spielt und als Transportprotein für freie Fettsäuren und Bilirubin dient (s. S. 741), Komponenten des Blutgerinnungssystems wie Prothrombin, Fibrinogen und Plasminogen (s. S. 711), Proteine des Komplementsystems (s. S. 657), die als Teil des angeborenen, unspezifischen Immunsystems an der Abwehr von Mikroorganismen beteiligt sind. Sie gehören zu den Akute-Phase-Proteinen, einer größeren Gruppe von Proteinen, die bereits kurz nach Einsetzen einer Infektion in erheblich gesteigertem Ausmaß von den Hepatozyten synthetisiert und sezerniert werden. Als Signalmoleküle an die Hepatozyten dienen dabei die Proteine IL-1, IL-6 und TNF-α, die bei Infektionen von Makrophagen und neutrophilen Granulozyten abgegeben werden, in den Blutkreislauf gelangen und vielfältige systemische Effekte hervorrufen (s. S. 659).
2.4
Ausscheidungsfunktion der Leber
Mit der Bildung der Galle hat die Leber eine wichtige Ausscheidungsfunktion.
Mit der Bildung der Galle hat die Leber eine wichtige Ausscheidungsfunktion. Die Bestandteile der Galle werden teilweise von den Hepatozyten synthetisiert, teilweise aber auch aus dem Blut der Sinusoide aufgenommen und lediglich modifiziert oder sogar unverändert in die Gallenkanälchen sezerniert.
2.4.1 Bestandteile der Galle
2.4.1 Bestandteile der Galle
Cholesterin und Gallensäuren: Cholesterin wird z. T. unverändert sezerniert, z. T. zur Synthese von Gallensäuren verwendet, die für die Fettverdauung von Bedeutung sind. Da der größte Teil der Gallensäuren im Ileum reabsorbiert wird, verlässt nur ein kleiner Teil des Cholesterins den Körper mit den Faeces (etwa so viel, wie täglich in der Leber neu synthetisiert wird).
Cholesterin und Gallensäuren: Die Leber ist nicht nur das Organ, in dem am meisten Cholesterin synthetisiert wird, sie ist auch das einzige Organ, das eine Abgabe von Cholesterin vermitteln kann. Sie nimmt täglich große Mengen an Cholesterin auf, nämlich von den LDL und HDL des Blutes, aus den Chylomikronen-Resten/Remnants (also aus der Nahrung) und im Rahmen des enterohepatischen Kreislaufs. Das Cholesterin wird teilweise unverändert sezerniert, teilweise zur Synthese von Gallensäuren verwendet, die für die Fettverdauung von Bedeutung sind (s. S. 195 und S. 221). Da der größte Teil der Gallensäuren im Ileum reabsorbiert wird, verlässt nur ein kleiner Teil des in der Galle befindlichen Cholesterins den Körper mit den Faeces. Dieser Anteil entspricht in etwa der Cholesterinmenge, die in der Leber neu synthetisiert wird.
Phospholipide: Phosphatidylcholin (Lecithin) hält Cholesterin in der Galle in Lösung.
Phospholipide: Vor allem Phosphatidylcholin (Lecithin) ist in der Galle in erheblichen Mengen enthalten (zur Synthese s. S. 335). Als amphiphile Verbindung hält es Cholesterin in der Galle in Lösung. Im Darm wird es durch Einwirkung von Phospholipasen zu Lysophosphatidylcholin abgebaut, das als starkes Detergens die Lipidverdauung unterstützt (s. S. 221).
Bilirubin, das Abbauprodukt des Häms, liegt in der Galle überwiegend als Bilirubin-Diglucuronid vor.
Bilirubin, das Abbauprodukt des Häms (s. S. 740), entsteht in Makrophagen, die alternde oder defekte Erythrozyten abbauen. Dieser Prozess läuft normalerweise zum überwiegenden Teil in der Milz ab. Die Makrophagen geben das Bilirubin an das Blut ab, wo es an Albumin bindet. Hepatozyten nehmen Bilirubin auf und setzen es mit UDP-Glucuronsäure weitgehend zu Bilirubin-Diglucuronid um (= konjugiertes Bilirubin). Das Bilirubin-Diglucuronid ist gut wasserlöslich und wird an die Galle abgegeben, die dadurch ihre charakteristische gelbe Farbe bekommt. Die Gruppe der Gallenfarbstoffe umfasst auch verschiedene andere farbige Abbauprodukte des Häms, die normalerweise aber nur in geringen Mengen in der Galle enthalten sind. Ihrer chemischen Struktur nach handelt es sich dabei um offenkettige Tetrapyrrole.
Fremdstoffe: Mit der Galle ausgeschieden werden z. B.: Toxine aus der Nahrung viele Wirkstoffe
Fremdstoffe: Viele Stoffe, die nicht unmittelbar als Nahrungsstoffe Verwendung finden, werden von den Hepatozyten aus dem Blut aufgenommen und chemisch so modifiziert, dass sie mit der Galle, oder auch in der Niere mit dem Urin ausgeschieden werden können. Derartige Prozesse werden als Biotransformation be-
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749
2.4 Ausscheidungsfunktion der Leber
zeichnet (s. S. 718). Offensichtlich ist es von Vorteil, dass z. B. Toxine der Nahrung nach Resorption im Verdauungstrakt über die Pfortader sofort zur Leber gelangen, wo sie nach Möglichkeit abgefangen werden, bevor sie mit dem Blut weiter verteilt werden. Die Biotransformation in der Leber betrifft aber auch viele Wirkstoffe, weshalb das Thema in der gesamten Pharmakologie von außerordentlicher Bedeutung ist.
▶ Klinik. Den beschleunigten Abbau von Medikamenten nach oraler Gabe bezeich-
Oft geht der Ausscheidung eine chemische Modifizierung durch Biotransformation voraus.
▶
Klinik.
net man als First-Pass-Effekt, sofern der Abbau auf eine Biotransformation beim ersten Durchgang durch die Leber zurückzuführen ist.
2.4.2 Gallesekretion
2.4.2 Gallesekretion
Die Inhaltsstoffe der Galle werden von den Hepatozyten überwiegend durch aktiven Transport sezerniert. Mehrere spezifische Transporter konnten in den Plasmamembranen der Hepatozyten identifiziert und biochemisch charakterisiert werden. So wird die Aufnahme von Gallensäuren aus dem Blut von einem sekundär-aktiven Na+-Symport vermittelt (NTCP, Na+-Taurocholate cotransporting Polypeptide). Die Abgabe der Gallensäuren in die Gallenkanälchen erfolgt mithilfe direkt ATP-getriebener Transporter (BSEP, Bile Salt Export Pump). Pro Tag werden in der Leber ca. 600 ml Primärgalle (Lebergalle) gebildet (Zusammensetzung s. Abb. F 2.2). In der Gallenblase wird diese durch Rückresorption von Na+ und Cl– und passiv nachfolgende Resorption von Wasser auf 1/5 bis 1/10 ihres Volumens eingedickt und dann als Blasengalle an das Duodenum abgegeben. Unter den organischen Bestandteilen der Blasengalle stellen die Gallensäuren bei weitem den größten Anteil, gefolgt von Phospholipiden und Cholesterin. Bilirubin ist nur in vergleichsweise geringen Mengen enthalten. Der pH-Wert ist neutral oder leicht alkalisch.
Die Inhaltsstoffe der Galle werden von den Hepatozyten überwiegend durch aktiven Transport sezerniert.
F-2.2
Zusammensetzung der Primärgalle
Pro Tag werden in der Leber ca. 600 ml Primärgalle (Lebergalle) gebildet (Zusammensetzung s. Abb. F 2.2). Die Primärgalle wird in der Gallenblase zur Blasengalle eingedickt. Den größten Anteil der Blasengalle stellen Gallensäuren, gefolgt von Phospholipiden und Cholesterin.
F-2.2
Gallenkanälchen Galle enthält: 75 mM Gallensäuren, 25 mM Phosphatidylcholin (Lecithin) u. a. Phospholipide, 10 mM Cholesterin, 5 mM Bilirubin-Diglucuronide, sowie Produkte der Biotransformation
Elektronenmikroskopisches Bild eines quer angeschnittenen Gallenkanälchens (GK); 14 000-fache Vergrößerung (aus Lüllmann-Rauch, Histologie, Thieme, 2009).
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3.1
Einführung
Die Nieren haben mehrere Aufgaben: Ausscheidung von Wasser Ausscheidung wasserlöslicher, nicht mehr benötigter oder toxischer Stoffe Regulation des Elektrolyt- und Säurehaushalts Ausschüttung des Enzyms Renin Ausschüttung des Hormons Erythropoetin Hydroxylierung von 25-Hydroxycholecalciferol zu 1α,25-Dihydroxycholecalciferol, der aktiven Form des Vitamin D Gluconeogenese
Die Bau- und Funktionseinheit der Niere ist das Nephron (Abb. F 3.1). Jedes Nephron besteht aus Nierenkörperchen, und Nierentubulus.
F-3.1
F
3 Biochemie der Niere
Biochemie der Niere
3 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ultrafiltration im Nierenkörperchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktionen des proximalen Tubulus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktionen der Henle-Schleife . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktion des distalen Tubulus und des Sammelrohrs . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regulation der Nierenfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben der Niere im Säure-Basen- und Stickstoffhaushalt . . . . . . . . . . .
3.1
750 751 752 755 756 757 758
Einführung
Die Nieren üben eine Reihe z. T. sehr unterschiedlicher Funktionen aus: Ausscheidung von Wasser Ausscheidung wasserlöslicher Stoffe, die vom Organismus nicht benötigt werden bzw. für den Organismus toxisch sind Regulation des Elektrolyt- und Säurehaushalts Über die Ausschüttung des Enzyms Renin aus Zellen des juxtaglomerulären Apparates bestimmt die Niere die Geschwindigkeit, mit der im Blutkreislauf Angiotensinogen in Angiotensin I umgewandelt wird. Fibrozyten (bestimmte Bindegewebszellen) im Interstitium der Nierenrinde bilden das Hormon Erythropoetin (EPO), ein Glykoprotein, das im Knochenmark die Bildung neuer Erythrozyten stimuliert (s. S. 648 und S. 738). Die Zellen des proximalen Tubulus enthalten das Enzym 1α-Hydroxylase, das die Hydroxylierung von 25-Hydroxycholecalciferol zu 1α,25-Dihydroxycholecalciferol (Calcitriol), der aktiven Form des Vitamin D, katalysiert (s. S. 624). Im proximalen Tubulus der Niere findet unter allen Stoffwechselbedingungen Gluconeogenese statt. Die Bau- und Funktionseinheit der Niere ist das Nephron. Eine Niere enthält ca. 1 Million Nephrone. Jedes Nephron besteht aus einem Nierenkörperchen (Glomerulus und Bowman-Kapsel) und einem anschließenden Nierentubulus, über den der im Nephron aufgefangene Harn dem Sammelrohrsystem zugeleitet wird (Abb. F 3.1).
F-3.1
Aufbau des Nephrons Vas efferens Sammelrohr
Vas afferens Glomerulus Bowman-Kapsel
Verbindungstubulus
Pars convoluta und Pars recta des proximalen Tubulus
HenleSchleife
absteigender Teil des Intermediärtubulus
Pars convoluta und Pars recta des distalen Tubulus
peritubuläres Kapillarnetz
Vasa recta
aufsteigender Teil des Intermediärtubulus
Blase
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Die Nierentubuli haben eine Länge von 3 – 5 cm und zeigen drei charakteristische Abschnitte: proximaler Tubulus, überwiegend gewunden (Pars convoluta) in der Nierenrinde, Intermediärtubulus, der in das Nierenmark absteigt, dort eine haarnadelförmige Biegung macht und wieder in Richtung Nierenrinde aufsteigt, und distaler Tubulus, der in die Nierenrinde führt. Die Pars recta des proximalen Tubulus, der Intermediärtubulus und die Pars recta des distalen Tubulus werden als Henle-Schleife bezeichnet. Der gewundene Teil des distalen Tubulus geht in einen kurzen Verbindungstubulus über, der in ein Sammelrohr einmündet. Verbindungstubulus und Sammelrohr bilden das Sammelrohrsystem.
3.2
751
3.2 Ultrafiltration im Nierenkörperchen
Ultrafiltration im Nierenkörperchen
Die Nierenkörperchen aller Nephrone befinden sich in der Nierenrinde. In den Nierenkörperchen wird das Blut unter hohem Druck durch ein kleines Kapillarknäuel, den Glomerulus, gepresst. Sämtliche Zellen des Blutes sowie 80 % des Blutplasmas verlassen den Glomerulus über das efferente Blutgefäß (Vas efferens; das zuführende Gefäß wird als Vas afferens bezeichnet).
▶ Merke.
Die Nieren beanspruchen 20 – 25 % des Herzzeitvolumens, d. h. das gesamte Blut des Körpers wird etwa alle 5 Minuten durch die Nieren gepumpt.
Allerdings beanspruchen die Nieren nur etwa 7 % des gesamten O2-Verbrauchs. Die intensive Durchblutung dient primär der Erzielung einer hohen Filtrationsrate als erstem Schritt der Harnbildung. 20 % des durch den Glomerulus fließenden Blutplasmas werden unter hohem Druck durch die Wände der Kapillaren hindurchgepresst (filtriert). Das Filtrat, der Primärharn, wird vom oberen Ende des Nierentubulus, der Bowman-Kapsel, aufgefangen, in die der Glomerulus gleichsam hineingedrückt ist. Beide Nieren zusammen bilden täglich ca. 180 Liter Primärharn. Das Volumen des pro Zeiteinheit (meist wird die Minute eingesetzt) gebildeten Primärharns bezeichnet man als glomeruläre Filtrationsrate (GFR). Als physiologisch gilt eine GFR von 120 ml/min. Der glomeruläre Filter (die Blut-Harn-Schranke) besteht aus drei Komponenten: Die Endothelzellen enthalten Fenster von 50 – 100 nm Durchmesser, die klein genug sind, um den Austritt von Blutzellen zu verhindern. Indem der Glomerulus in das obere Ende des Tubulus hineingedrückt ist, sind die Kapillaren zudem von Tubuluszellen umhüllt, die sich hier zu Podozyten differenzieren. Die Podozyten bilden eine Vielzahl kleiner Zellausläufer, die jede Kapillarschlinge korbartig umgeben. Zwischen den Podozyten und den Endothelzellen liegt die glomeruläre Basalmembran, durch die hindurch die Filtration des Blutplasmas erfolgt. Diese Basalmembran ist ca. 300 nm dick und besteht u. a. aus Typ-IV-Kollagen und Glykoproteinen, die eine filzartige Matte bilden. Sie bestimmt letztlich, welche Stoffe in den Primärharn gelangen. Die Basalmembran wirkt nicht nur als mechanischer Filter, sondern auch über elektrostatische Wechselwirkungen: Die Glykoproteine enthalten in ihren Kohlenhydratanteilen u. a. Heparansulfat (s. S. 712) und exponieren dadurch zahlreiche negative Ladungen.
▶ Merke.
Salz-Ionen und kleine organische Moleküle, wie z. B. Harnstoff, Harnsäure, Zucker und Aminosäuren, sind im Primärharn in den gleichen Konzentrationen enthalten wie im Blutplasma. Proteine hingegen sind im Primärharn nur in sehr geringen Mengen enthalten.
Mit dem Albumin verbleiben auch alle Albumin-gebundenen Stoffe im Blut. Aus diesem Grund enthält der Primärharn z. B. keine Fettsäuren. Auch Bilirubin gelangt nur in Spuren in den Harn. Die gelbe Farbe des Harns beruht auf geringen Mengen verschiedener Abbauprodukte des Hämoglobins, die überwiegend im Rahmen des enterohepatischen Kreislaufs in das Blut gelangen (s. S. 197).
Die Nierentubuli haben eine Länge von 3 – 5 cm und zeigen drei charakteristische Abschnitte: proximaler Tubulus Intermediärtubulus distaler Tubulus Der Intermediärtubulus und die benachbarten geraden Tubulusabschnitte bilden die Henle-Schleife. Das Sammelrohrsystem besteht aus Verbindungstubulus und Sammelrohr.
3.2
Ultrafiltration im Nierenkörperchen
Das die Nieren erreichende Blut wird durch die Kapillaren des Glomerulus gepresst.
▶ Merke. Die intensive Durchblutung dient primär der Erzielung einer hohen Filtrationsrate. 20 % des den Glomerulus passierenden Blutplasmas werden durch die Kapillarwände gepresst und gelangen in das obere Tubulusende, die Bowman-Kapsel. Die Nieren bilden zusammen täglich ca. 180 Liter dieses Primärharns (GFR = 120 ml/min).
Der glomeruläre Filter (Blut-Harn-Schranke) besteht aus gefenstertem Endothel, den Ausläufern der Podozyten (spezialisierter Zellen der Bowman-Kapsel) und der glomerulären Basalmembran. Sie ist sowohl ein mechanischer als auch elektrischer Filter und bestimmt letztlich, welche Stoffe in den Primärharn gelangen.
▶ Merke.
Mit dem Albumin verbleiben auch alle Albumin-gebundenen Stoffe im Blut.
752 F-3.1
F
Rückresorption verschiedener Stoffe aus dem Primärharn
anorganische Stoffe
rückresorbierter Anteil
organische Stoffe
rückresorbierter Anteil
H2O
fast alles (ca. 99 %)
Glucose
̴ 100 %, sofern [Glucose] < 10 mM
Na+
fast alles
Aminosäuren
fast alles
K+
> 80 %, sehr variabel
Lactat
fast alles
Ca2+
fast alles
Glycerin
fast alles
Mg2+
> 80 %
Ketonkörper
normalerweise fast alles, im Fasten 60 – 80 %
Cl–
fast alles
Harnstoff
̴ 60 %
HCO3–
fast alles
Kreatinin
0%
Phosphat
> 80 %
Sulfat
> 80 %
In den Abschnitten des Tubulus- und Sammerlrohrsystems werden alle Stoffe rückresorbiert, die der Organismus behalten möchte (Tab. F 3.1). Der Endharn (Sekundärharn) entsteht dabei durch Konzentrierung auf ca. 1 % der ursprünglichen GFR.
3.3
3 Biochemie der Niere
Funktionen des proximalen Tubulus
Über den Tubulus gelangt das abgepresste Blutplasma zu den Sammelrohren und von dort schließlich in die Blase. In den verschiedenen Abschnitten des Tubulus und des Sammelrohrsystems werden alle Stoffe rückresorbiert, die der Organismus behalten möchte. Der Endharn (Sekundärharn) entsteht dabei durch Konzentrierung auf ca. 1 % der ursprünglichen GFR. Die genaue Zusammensetzung des Endharns hängt davon ab, in welchem Ausmaß die verschiedenen Stoffe in den Tubuli und in den Sammelrohren rückresorbiert bzw. sezerniert werden (Tab. F 3.1).
3.3
Funktionen des proximalen Tubulus
3.3.1 Gluconeogenese
3.3.1 Gluconeogenese
Die Niere leistet einen wichtigen Beitrag zur Glucosehomöostase.
Generell gilt mit Recht die Leber als das entscheidende Organ in der Aufrechterhaltung der Glucosehomöostase des Organismus. Aber auch die Niere leistet hierzu einen bedeutenden Beitrag.
▶ Merke.
▶ Merke.
Nach Fasten über Nacht stammen etwa 50 % der Glucose des Blutes aus dem Glykogen der Leber, 30 % werden in der Leber durch Gluconeogenese synthetisiert, die restlichen 20 % stammen aus der Gluconeogenese der Niere. Die Niere kann somit 40 % der durch Gluconeogenese neu synthetisierten Glucose des Blutes beisteuern. Die Relevanz der Niere in der Glucosehomöostase wurde in der Vergangenheit wiederholt in Frage gestellt. Um so bemerkenswerter sind deshalb neuere Untersuchungen aus der Klinik:
▶
Klinik.
Die Zellen des proximalen Tubulus verwenden als Ausgangsstoff der Gluconeogenese überwiegend Lactat, außerdem Glutamin. Sie produzieren unter allen Stoffwechselbedingungen Glucose. Glukagon stimuliert die renale Gluconeogenese nicht.
▶ Klinik. Nach Untersuchungen während einer Lebertransplantation nimmt die Menge der während der anhepatischen Phase produzierten Glucose lediglich um 35 % ab. Offenbar sind die Kapazitäten der extrahepatischen Gluconeogenese größer, als allgemein angenommen wird. Die Gluconeogenese läuft in der Niere ausschließlich in den Zellen des proximalen Tubulus ab. Neuere Studien zeigten, dass dabei als Ausgangsstoff überwiegend Lactat verwertet wird. Daneben wird auch Glutamin herangezogen, das stets benötigt wird, um Ammoniak bilden und sezernieren zu können (s. S. 760). Anders als in der Leber läuft die Gluconeogenese im proximalen Tubulus nicht nur bei Nahrungsmangel ab, sondern unter allen Stoffwechselbedingungen. Eine Stimulation der Gluconeogenese durch Glukagon erfolgt in der Niere nicht. Im Fasten wird die Glucosesynthese gleichwohl um ein Vielfaches gesteigert. Die daran beteiligten hormonellen Regulationsmechanismen sind noch nicht hinreichend geklärt, vermutlich ist Cortison ein wesentlicher Faktor.
F
753
3.3 Funktionen des proximalen Tubulus
3.3.2 Resorption und Sekretion
3.3.2 Resorption und Sekretion
Resorption
Resorption
▶ Merke.
Der größte Teil des Wassers, der Salze und der organischen Stoffe wird aus dem Primärharn bereits im proximalen Tubulus rückresorbiert.
Da diese Prozesse außerordentlich energieaufwendig sind, enthalten die Zellen des proximalen Tubulus sehr viele Mitochondrien, die lichtmikroskopisch als basale Streifung nachweisbar sind. Als Substrate der oxidativen Phosphorylierung dienen hier vor allem Fettsäuren. Glucose wird hier hingegen nicht verwertet (!), vielmehr wird Glucose durch Gluconeogenese produziert. Eine reichlich vorhandene Na+-K+-ATPase dient im proximalen Tubulus vor allem dazu, einen Na+-Gradienten aufrecht zu erhalten, der die Rückresorption vieler Stoffe durch sekundär-aktiven Na+-Symport ermöglicht.
▶ Merke.
In der gesamten Niere wird ca. 80 % der Energie allein für die Rückresorption von Na+-Ionen aufgewendet.
▶ Merke. Die Zellen des proximalen Tubulus sind reich an Mitochondrien. Als Substrate der oxidativen Phosphorylierung dienen v. a. Fettsäuren (nicht Glucose!). Große Mengen an Na+-K+-ATPase bauen einen Na+-Gradienten auf, der sekundär-aktiven Transport ermöglicht.
▶ Merke.
Die wichtigsten im proximalen Tubulus rückresorbierten Stoffe sollen hier kurz vorgestellt werden:
Rückresorbierte Stoffe:
Glucose: Bei physiologischen Blutglucosekonzentrationen (ca. 5 mM) wird die gesamte Glucose resorbiert. Bei einer Glucosekonzentration über 10 – 15 mM, z. B. bei Diabetes mellitus, erscheint Glucose im Endharn.
Glucose: Bei physiologischem Blutglucosespiegel wird Glucose in der Niere zu 100 % rückresorbiert.
▶ Merke.
Der weitaus größte Teil der Glucose wird bereits im S1-Segment aufgenommen, also im ersten der drei Segmente des proximalen Tubulus. Der Transport erfolgt an der luminalen Seite sekundär-aktiv unter Beteiligung von Transportern des Typs SGLT2 (sodium glucose luminal transporter 2; Stöchiometrie: 1 Glucose/1 Na+). Im Prinzip ist es möglich, überhöhte Glucose-Konzentrationen mithilfe spezifischer SGLT 2-Hemmer (z. B. Dapagliflozin) effektiv zu senken. Derzeit wird in klinischen Studien geprüft, ob derartige Hemmstoffe zur Therapie des Diabetes mellitus geeignet sind.
▶ Merke.
Normalerweise bleiben im Tubuluslumen nur sehr geringe Mengen an Glucose übrig. Diese werden im S3-Segment mithilfe von SGLT1 rückresorbiert. SGLT1 arbeitet nur mit einer geringen Kapazität, aber mit einer sehr hohen Affinität, die durch eine Stöchiometrie von 1 Glucose/2 Na+ ermöglicht wird. An der basolateralen Seite wird die rückresorbierte Glucose über GLUT2 an das Blut weitergeleitet.
Reste von Glucose werden im S 3-Segment des Tubulus mithilfe von SGLT1 rückresorbiert. Aus den Tubuluszellen gelangt die Glucose mithilfe von GLUT2 ins Blut.
Aminosäuren werden zu 100 % rückresorbiert, ebenfalls sekundär-aktiv im Na+Symport.
Aminosäuren werden zu 100 % sekundäraktiv rückresorbiert.
Harnsäure (Urat) wird zu über 90 % resorbiert. Sie wird auch sezerniert (s. u.), aber die Resorption überwiegt.
Harnsäure wird zu über 90 % resorbiert.
▶
Klinik. Wenn die Rückresorption gestört ist, bildet
die Harnsäure im Tubuluslumen Kristalle und es entstehen Nierensteine (Abb. F 3.2). Harnsäuresteine sind die zweithäufigsten Nierensteine (10 %). Die weitaus meisten Nierensteine bestehen aus Calciumoxalat (60 %). Ähnlich wie Harnsäure wird auch Oxalsäure in der Niere sowohl sezerniert als auch rückresorbiert. (An dritter Stelle stehen Calcium- und Magnesiumphosphatsteine, gefolgt von Cystin- und Xanthinsteinen.)
F-3.2
Sonogramm eines Nierensteins Im Sinus renalis zeigt sich ein reflexreiches Konkrement (Pfeil) mit dorsalem Schallschatten (gebogener Pfeil) (aus Reiser, Kuhn, Debus; Duale Reihe Radiologie, Thieme, 2006).
754 Anorganische Salze und Wasser: Anorganische Salze werden zu ca. 60 % rückresorbiert. Wasser diffundiert teils parazellulär, teils mithilfe von Aquaporinen des Typs AQP1 (Abb. F 3.4) aus dem Tubuluslumen.
▶ Merke.
F
3 Biochemie der Niere
Anorganische Salze und Wasser: Den zu 60 – 70 % rückresorbierten anorganischen Salzen folgen durch Osmose ca. 65 % des Wassers. Die passive Diffusion des Wassers erfolgt im proximalen Tubulus teilweise parazellulär (zwischen den Tubuluszellen), teilweise wird sie von Aquaporinen des Typs AQP1 in der Plasmamembran der Tubuluszellen vermittelt (Abb. F 3.4). Ein einziges Aquaporinmolekül lässt pro Sekunde ca. 3 Milliarden Wassermoleküle passieren. Triebkraft ist dabei lediglich der Konzentrationsunterschied osmotisch wirksamer Teilchen, primär der Na+- und der Cl–-Ionen.
▶ Merke.
Aquaporin-vermittelter Transport von Wasser ist stets ATP-unabhängig. Ein aktiver Transport von Wasser ist bislang in keinem biologischen System gefunden worden.
Aquaporine (ca. 30 kDa) bilden in den Membranen Homotetramere. Jede Untereinheit enthält sechs membranspannende α-Helices sowie zwei kürzere α-Helices, die im Inneren des Proteins eine Pore bilden.
Aquaporine sind Proteine von ca. 30 kDa, die sich in den Membranen zu Homotetrameren zusammenlagern. Jede Untereinheit enthält sechs membranspannende αHelices sowie zwei kürzere α-Helices, die im Inneren des Proteins eine enge Pore bilden, die von hydrophilen Aminosäureresten umgeben ist (s. Abb. B-4.3 auf S. 349). Die durchtretenden Wassermoleküle bilden nacheinander zahlreiche Wasserstoffbrücken aus. Protonen, H3O+ oder Salz-Ionen können nicht passieren.
Oligopeptide werden im Tubuluslumen gespalten und die Aminosäuren resorbiert.
Oligopeptide werden an der luminalen Seite der Tubuluszellen durch Peptidasen gespalten, die freigesetzten Aminosäuren werden resorbiert. Manche Dipeptide werden zusammen mit Protonen von den Symport-Translokatoren PepT1 und PepT 2 in die proximalen Tubuluszellen transportiert und dort hydrolysiert.
Manche Dipeptide werden zusammen mit H+ sekundär-aktiv rückresorbiert.
Proteine werden zu 100 % durch rezeptorvermittelte Endozytose rückresorbiert.
Proteine des Primärharns werden zu 100 % durch rezeptorvermittelte Endozytose von den Tubuluszellen aufgenommen und schließlich in Lysosomen abgebaut. Steigt bei Defekten der glomerulären Filtration die Proteinkonzentration im Tubuluslumen an, ist das System allerdings schnell überfordert und Albumin u. a. Proteine erscheinen im Endharn.
Sekretion
Sekretion
Im proximalen Tubulus können bestimmte Stoffe durch einen tertiär-aktiven Transport sezerniert werden.
Im proximalen Tubulus werden verschiedene Stoffe aktiv sezerniert, u. a. viele Medikamente. Man hat zwei Typen tubulärer Sekretionssysteme identifiziert, die einen tertiär-aktiven Transport ermöglichen: Das eine System transportiert organische Anionen (Säuren), das andere organische Kationen (Basen). Die dazu benötigte Energie wird letztlich von der basolateralen Na+-K+-ATPase bereitgestellt. Das System zur Sekretion organischer Anionen (Säuren, Abb. F 3.3) nutzt den Na+Gradienten der Tubuluszellen aus, um zunächst sekundär-aktiv α-Ketoglutarat (= 2-Oxoglutarat) jeweils zusammen mit 3 Na+ aus der Umgebung aufzunehmen.
Das System zur Sekretion organischer Anionen (Säuren, Abb. F 3.3) nimmt α-Ketoglutarat im Na+-Symport auf und tauscht es an der basolateralen Seite durch den Organic Anion Transporter (OAT) gegen orgaF-3.3
F-3.3
Sekretion organischer Anionen (Säuren) im proximalen Tubulus
2K
ATP
Na+-/K+-ATPase +
3 Na
hNaDC: human Na+-Dicarboxylate Transporter 1, OAT 1: Organic Anion Transporter 1, OA–: organische Anionen, z. B. Harnsäure, Lactat, Penicillin oder das Schleifendiuretikum Furosemid.
+
3 Na
ADP + Pi +
hNaDC-1 α-Ketoglutarat
α-Ketoglutarat
OAT-1 OA– baso-lateral (Blut)
OA– luminal (Harn)
F
Der dadurch etablierte Konzentrationsgradient wird ausgenutzt, um an der basolateralen Seite im Austausch gegen α-Ketoglutarat verschiedene organische Anionen aufzunehmen. Der Import wird von einem Organic Anion Transporter (OAT) ermöglicht. Dieser vermittelt eine intrazelluläre Akkumulation der Anionen, die dann an der apikalen Seite passiv in das Tubuluslumen diffundieren.
▶
755
3.4 Funktionen der Henle-Schleife
Klinik. Das OAT-System vermittelt u. a. eine sehr effiziente tubuläre Sekretion
nische Anionen aus. Diese diffundieren dann passiv ins Tubuluslumen.
▶
Klinik.
der Penicilline. Das natürliche Antibiotikum Penicillin G hat dadurch eine Plasmahalbwertszeit von nur 30 Minuten. Endogene Metabolite, die über das OAT-System sezerniert werden, sind Harnsäure und Lactat. Eine Aufnahme organischer Kationen wird an der basolateralen Seite von einen Organic Cation Transporter (OCT) vermittelt. In der apikalen Membran werden die Kationen anschließend über einen Kationen-H+-Antiporter wieder exportiert. Die nötige Energie entstammt der Kopplung an den Einstrom der Protonen: Ein Na+H+-Antiporter vermittelt eine Ansäuerung des Harns, sodass die Protonen einem Konzentrationsgefälle folgen. Parallel findet aber auch eine Sekretion durch primär-aktiven Transport statt, der von bestimmten ATP-hydrolysierenden Membranproteinen, den Multidrug Resistance Proteinen MDR1 und MRP2, vermittelt wird.
3.4
Funktionen der Henle-Schleife
Die Abschnitte der Henle-Schleife dienen primär einer weiteren Konzentrierung des Harns. Im absteigenden Teil der Henle-Schleife wird Wasser (etwa ¼ der GFR) rückresorbiert. Zu diesem Zweck enthalten die Membranen Aquaporin-1. Interessanterweise sind im Intermediärtubulus kaum Mitochondrien nachweisbar. Auch ist die Sauerstoffsättigung im Nierenmark sehr gering. ATP wird hier im Wesentlichen durch anaerobe Glykolyse bereitgestellt. Das Wasser folgt im Nierenmark passiv einem beachtlichen osmotischen Gradienten. Dieser wird von den Tubuluszellen des aufsteigenden Teils der Henle-Schleife etabliert. Sie enthalten in ihrer apikalen Membran einen Na+-K+-2 Cl–-Symportcarrier (BSC 1, Bumetanid-sensitiver Cotransporter, Abb. F 3.4). Der Transporter arbeitet sekundär-aktiv, die Energie liefert auch hier die basolaterale Na+-K+-ATPase. Cl–- und K+-Ionen verteilen sich unter Vermittlung unabhängiger Ionenkanäle. Letztlich werden in der Henle-Schleife ca. ⅓ der Na+- und der Cl–-Ionen resorbiert. Der Harn wird dabei hypoton (ca. 100 mOsm/kg H2O), andererseits steigt die Konzentration der Salz-Ionen außerhalb der Tubuli enorm an. Während die Osmolalität in der Nierenrinde bei 300 mOsm/kg H2O liegt, findet man im Interstitium des inneren Nierenmarks ein hypertones Milieu von bis zu 1200 mOsm/kg H2O. Da der aufsteigende Teil der Henle-Schleife kaum Aquaporine enthält, kann Wasser nur den absteigenden Teil verlassen (Abb. F 3.4). Es wird von Blutgefäßen, den Vasa recta, aufgenommen.
▶ Klinik. Bluthochdruck und Ödeme sind die häufigsten Indikationen zum Einsatz von Schleifendiuretika, in beiden Fällen mit dem Ziel, das Extrazellulärvolumen zu verringern. Schleifendiuretika, z. B. Furosemid, hemmen spezifisch den Na+-K+-2 Cl–Symportcarrier (BSC1) der Henle-Schleife und damit einen erheblichen Teil (bis zu 25 %) der tubulären Na+-Resorption. Da die Schleifendiuretika zu den Medikamenten gehören, die im proximalen Tubulus sezerniert werden, erreichen sie die luminale Seite der Tubuluszellen in der Henle-Schleife in Konzentrationen, die 10- bis 20-mal höher sind als die Plasmakonzentrationen. Indem die Resorption von NaCl reduziert wird, kommt es in der Henle-Schleife und im Sammelrohr (auf dem Weg durch das Nierenmark) indirekt auch zu einer verminderten Rückresorption von Wasser. Entsprechend nimmt das Volumen des Endharns zu. In kurzer Zeit verliert der Patient somit nicht nur Salz, sondern auch Wasser, maximal 20 – 25 % der GFR (!).
Endogene Substrate des OAT-Systems: Harnsäure und Lactat. An der basolateralen Seite werden organische Kationen (Basen) durch den Organic Cation Transporter (OCT) aufgenommen und dann an der apikalen Seite durch einen Kationen-H+-Antiporter exportiert.
Parallel findet durch MDR1 und MRP2 eine Sekretion durch primär-aktiven Transport statt.
3.4
Funktionen der Henle-Schleife
Im absteigenden Teil der Henle-Schleife wird Wasser (etwa ¼ der GFR) mithilfe von AQP1 rückresorbiert.
Wasser folgt im Nierenmark passiv einem osmotischen Gradienten. Er wird von den Tubuluszellen des aufsteigenden Teils der HenleSchleife etabliert, und zwar mithilfe eines Na+-K+-2 Cl–-Symportcarriers (BSC 1, Abb. F 3.4) in der apikalen Membran. Da der aufsteigende Teil der Henle-Schleife kaum Aquaporine enthält, kann Wasser nur den absteigenden Teil verlassen (Abb. F 3.4).
▶
Klinik.
756 F-3.4
F
3 Biochemie der Niere
F-3.4
Rückresorption von Wasser und Natrium-Ionen Thiazide
luminale Seite: Na+--Symport, + + Na -H -Austauscher
+
Na -Cl–-Symport
Schleifendiuretika
H2O (~ 65% der GFR), + ~ 65% des Na AQP1-vermittelte H2O-Rückresorption (ADH-unabhängig)
H2O (~15–25% der GFR)
300 mosm/kg H2O
AQP2-vermittelte H2O-Rückresorption, ausgelöst durch ADH (=Vasopressin) an V2-Rezeptoren
Na+-2Cl–-K+Symport H 2O 25% des Na+
H2O-undurchlässig, keine AQP
Na+-Kanäle (ENaC) (~5% des Na+)
1200 mosm/kg H2O gesteigerte Synthese der Na+-Transportproteine in Gegenwart von Aldosteron
Na+-Ionen werden in allen Abschnitten des Tubulus- und Sammelrohrsystems resorbiert. Über die luminale Seite erfolgt der Na+-Transport passiv, unter Beteiligung unterschiedlicher Systeme. Die Triebkraft liefert die basolaterale Na+-K+-ATPase.
3.5
Funktion des distalen Tubulus und des Sammelrohrs
In distalem Tubulus und Sammelrohr wird nur noch relativ wenig Salz und Wasser resorbiert, die Resorption aber genau reguliert. Die Zellen der Pars convoluta des distalen Tubulus resorbieren Na+ und Cl– mittels eines Na+-Cl–-Symportcarriers (TSC, Abb. F 3.4).
▶ Klinik.
Die Hauptzellen des Sammelrohrsystems enthalten an der luminalen Seite Na+-Kanäle (ENaC), die zusammen mit der Na+-K+-ATPase Na+-Resorption ermöglichen. Durch die Aufnahme von Na+ sinkt das Membranpotenzial der Hauptzellen und das Lumen der Sammelrohre wird negativ aufgeladen. Die entstandene elektrische Potenzialdifferenz treibt die Resorption von Cl– und die Sekretion von K+ an.
▶ Merke.
3.5
Funktion des distalen Tubulus und des Sammelrohrs
Im distalen Tubulus und im Sammelrohr wird nur noch vergleichsweise wenig Salz und Wasser resorbiert. Im Gegensatz zu den vorhergehenden Tubulusabschnitten wird die Resorption hier aber genau reguliert. Für die Regulation des Elektrolytund Wasserhaushaltes sind distaler Tubulus und Sammelrohr von entscheidender Bedeutung. In der Pars convoluta des distalen Tubulus werden Na+- und Cl–-Ionen gemeinsam mittels eines Na+-Cl–-Symportcarriers (TSC, Thiazid-sensitiver Cotransporter) resorbiert (Abb. F 3.4). Das ATP für die Na+-K+-ATPase wird hier u. a. durch Glykolyse und oxidative Phosphorylierung bereitgestellt.
▶ Klinik.
Thiaziddiuretika sind spezifische Inhibitoren des Na+-Cl–-Symportcarriers (TSC). Ihre diuretische Wirkung ist wesentlich schwächer als die der Schleifendiuretika, hält dafür aber länger an. Die luminale Plasmamembran der Hauptzellen von Verbindungstubulus und Sammelrohr enthält Na+-Kanäle (ENaC, epithelial Na+-channel), die in Kooperation mit der basolateralen Na+-K+-ATPase nochmals eine Resorption von Na+-Ionen ermöglichen. Bei Bedarf kann die Na+-Konzentration des Harns in den Sammelrohren auf wenige mM gesenkt werden. Durch die Aufnahme der Na+-Ionen wird das Membranpotenzial der Hauptzellen reduziert, gleichzeitig wird das Lumen der Sammelrohre negativ aufgeladen. Die entstandene elektrische Potenzialdifferenz erzeugt eine Triebkraft, die die Resorption von Cl–-Ionen antreibt. Zudem treibt die Potenzialdifferenz die K+-Ionen (die von der Na+-K+-ATPase ständig in die Zellen gepumpt werden) durch K+-Kanäle in das Lumen der Sammelrohre.
▶ Merke. sezerniert.
In den Sammelrohren werden Na+-Ionen resorbiert, K+-Ionen werden
F
Im Gegensatz zu den aufsteigenden Abschnitten der Henle-Schleife enthalten sowohl der Verbindungstubulus als auch das Sammelrohr wieder Aquaporine. Für die Regulation des Wasserhaushaltes des Menschen sind letztlich die Aquaporine der Sammelrohre entscheidend. AQP1 wird hier nicht gefunden. In die basolaterale Membran der Hauptzellen sind AQP3, in den innermedullären Abschnitten auch AQP4 eingelagert. Sie sind nicht nur für Wasser, sondern auch für einige andere kleine ungeladene Teilchen durchlässig, z. B. für Glycerin. In der apikalen Membran befinden sich in unterschiedlicher Anzahl AQP2. Gleichzeitig befindet sich AQP2 auch in intrazellulären Vesikeln.
3.6
Regulation der Nierenfunktionen
3.6.1 Das antidiuretische Hormon ADH (Vasopressin) Antidiuretisches Hormon (ADH= Adiuretin= Vasopressin) wird in Reaktion auf eine steigende Osmolarität des Blutes aus der Neurohypophyse freigesetzt (s. S. 615). Es bindet an basolaterale V2-Rezeptoren der Hauptzellen, löst einen Anstieg der intrazellulären cAMP-Konzentration aus und initiiert dadurch eine Fusion der intrazellulären AQP2-Vesikel mit der Plasmamembran. Dadurch steigt die Zahl der AQP2 in der Plasmamembran, und in den Sammelrohren wird vermehrt Wasser rückresorbiert (antidiuretische Wirkung: die Harnmenge wird reduziert).
▶ Merke.
ADH erhöht die Wasserdurchlässigkeit der Sammelrohre.
Wird die ADH-Sekretion gehemmt, bildet die Plasmamembran der Hauptzellen analog einer Endozytose erneut AQP2-haltige Vesikel, und die Wasserresorption sinkt. Entscheidend für die Regulation der Diurese durch ADH ist, dass die Tight Junctions der Sammelrohre wasserdicht sind. Die Wasserresorption ist also ganz von AQP2 abhängig. Da die Sammelrohre das gesamte Nierenmark durchziehen, steht der Resorption auch die Triebkraft des gesamten Osmolaritätsgradienten des Interstitiums zur Verfügung.
▶
757
3.6 Regulation der Nierenfunktionen
Klinik. Eine pathologisch verminderte Rückresorption von Wasser in den Sam-
Für die Regulation des Wasserhaushaltes sind letztlich die Aquaporine der Sammelrohre entscheidend. Die apikale Membran der Hauptzellen enthält AQP2.
3.6
Regulation der Nierenfunktionen
3.6.1 Das antidiuretische Hormon ADH (Vasopressin) Antidiuretisches Hormon (ADH = Adiuretin = Vasopressin) bindet an basolaterale V2Rezeptoren der Hauptzellen, aktiviert die Adenylatzyklase und steigert so den Einbau von AQP2 in die Plasmamembran.
▶ Merke. In Abwesenheit von ADH werden AQP aus der Plasmamembran entfernt, die Wasserresorption sinkt.
▶
Klinik.
melrohren kann eine extrem gesteigerte Diurese zur Folge haben (Diabetes insipidus, „geschmackloser Durchfluss“, im Gegensatz zum „honigsüßen Durchfluss“ = Diabetes mellitus). Ursache ist meist ein ADH-Mangel (z. B. aufgrund eines Schädel-Hirn-Traumas, Tumors oder einer Infektion). Selten liegt ein angeborener Defekt des V-Rezeptors oder des AQP2 vor.
3.6.2 Aldosteron
3.6.2 Aldosteron
Aldosteron ist das wichtigste Mineralocortico(stero)id des Menschen. Es wird in der äußeren Schicht der Nebennierenrinde, der Zona glomerulosa, synthetisiert (s. S. 619). Aldosteron bewirkt im aufsteigenden Teil des Intermediärtubulus, im distalen Tubulus und im Sammelrohr vor allem eine verstärkte Na+-Resorption, aber auch eine Steigerung der damit einhergehenden K+-Sekretion. Aldosteron greift ähnlich den anderen Steroidhormonen in die Genexpression der Zielzellen ein. Generell stimuliert Aldosteron in den genannten Geweben die Synthese der Na+-Transportproteine (u. a. ENac und Na+-K+-ATPase) sowie der K+-Kanäle. Unabhängig von den Aktivitäten im Zellkern hat Aldosteron auch Effekte auf bestimmte Signalwege im Zytosol. Indirekt wird dabei u. a. der proteolytische Abbau der Na+-Transportproteine verzögert (schneller Effekt, s. S. 619). Beide Effekte führen zu einer gesteigerten Na+-Resorption.
Aldosteron stimuliert im aufsteigenden Teil des Intermediärtubulus, im distalen Tubulus und im Sammelrohr die Synthese der Na+Transportproteine und bewirkt damit eine gesteigerte Na+-Resorption.
3.6.3 Funktionen des juxtaglomerulären Apparates Als juxtaglomerulären Apparat fasst man drei Strukturen zusammen, die an der Kontaktstelle des distalen Tubulus mit dem Gefäßpol des Glomerulus liegen: An der Kontaktstelle dicht gedrängte Tubuluszellen bilden die Macula densa. Diese Zellen überwachen permanent die NaCl-Konzentration des vorbeifließenden Harns.
3.6.3 Funktionen des juxtaglomerulären Apparates Bestandteile des juxtaglomeruläre Apparats: Macula densa des distalen Tubulus (→ Überwachung der NaCl-Konzentration des vorbeifließenden Harns)
758 granulierte Zellen (Epitheloidzellen) in der Wand des benachbarten Vas afferens (→ Freisetzung des Enzyms Renin) Mesangiumzellen
Beitrag des juxtaglomerulären Apparates zur Regulation der Diurese: Bei erhöhter NaCl-Konzentration im Harn kommt es zur Konstriktion des Vas afferens → GFR ↓. Bei Blutdruckabfall und/oder sinkender NaCl-Konzentration im Blut setzen die granulierten Zellen Renin frei, das Angiotensinogen in Angiotensin I umwandelt. Dieses wird durch das ACE zu Angiotensin II umgesetzt, das blutdrucksteigernd wirkt und die Na+-Rückresorption steigert.
3.6.4 Das atriale natriuretische Peptid und andere Peptidhormone Das atriale natriuretische Peptid (ANP, Atriopeptin) steigert in der Niere die GFR und hemmt die Reninsekretion. Außerdem hemmt es in Hypophyse bzw. Nebennierenrinde die Sekretion von ADH bzw. Aldosteron. Eine ähnliche Wirkung hat das mit ANP verwandte BNP.
Auch Uroguanylin (intestinales natriuretisches Peptid) stimuliert die Diurese.
3.7
Aufgaben der Niere im Säure-Basenund Stickstoffhaushalt
Aufgaben im Säure-Basen-Haushalt: Der pH des Blutes wird wesentlich durch den Bicarbonat-Puffer bestimmt. Deshalb muss das HCO3– des Primärharns möglichst vollständig rückresorbiert werden. HCO3– reagiert im proximalen Tubulus mit H+ zu CO2 + H2O. CO2 diffundiert in die Tubuluszellen und wird in Form von HCO3– an das Blut abgegeben (Abb. F 3.5).
F
3 Biochemie der Niere
In der Nähe der Kontaktstelle liegen in der Wand des Vas afferens einige granulierte Zellen (Epitheloidzellen), die gemeinsam das Polkissen bilden. In ihren Vesikeln speichern sie das Enzym Renin und geben es bei Bedarf an das Blut ab. Zwischen den Glomeruluskapillaren liegen bestimmte Bindegewebszellen, die Mesangiumzellen, die untereinander durch Gap Junctions verbunden sind. Sie ähneln in mancher Hinsicht glatten Muskelzellen (sie können kontrahieren), in anderer Hinsicht Makrophagen (sie können phagozytieren und sich an Entzündungsprozessen beteiligen). Die extraglomerulär liegenden Mesangiumzellen, die in der Nähe des benachbarten distalen Tubulus lokalisiert sind, zählen ebenfalls zum juxtaglomerulären Apparat. Der juxtaglomeruläre Apparat registriert Schwankungen der NaCl-Konzentration sowohl im Harn des distalen Tubulus als auch im Blut des Vas afferens: Erkennt die Macula densa eine erhöhte NaCl-Konzentration im Harn, wird über noch unbekannte Transduktionswege eine Konstriktion des Vas afferens und damit eine Reduktion der GFR ausgelöst. Bei niedrigen NaCl-Konzentrationen wird die GFR durch Vasodilatation wieder erhöht. Bei Blutdruckabfall und/oder bei sinkender NaCl-Konzentration im Blut setzen die granulierten Zellen Renin frei. Diese hochspezifische Peptidase spaltet aus dem Plasmaprotein Angiotensinogen das Angiotensin I ab, ein Peptid, das lediglich aus 10 Amionosäuren besteht. An der Oberfläche von Endothelzellen wird dieses durch das Angiotensin converting Enzyme (ACE) um zwei Aminosäuren verkürzt und damit in das biologisch aktive Oktapeptid Angiotensin II umgewandelt. Dieses wirkt stark vasokonstriktorisch und antidiuretisch (Reduktion der GFR durch Konstriktion des Vas afferens, Steigerung der ADH-Sekretion) und bewirkt so eine Blutdrucksteigerung. Außerdem steigert es die Na+-Rückresorption u. a. durch Stimulation der Aldosteronsynthese.
3.6.4 Das atriale natriuretische Peptid und andere Peptidhormone Das atriale natriuretische Peptid (ANP, Atriopeptin) wird von myoendokrinen Zellen vor allem des rechten Vorhofs bei Dehnung der Vorhöfe (erhöhtes Plasmavolumen!) freigesetzt. Es bindet an eine membranständige Guanylatzyklase (s. S. 621) und bewirkt in der Niere eine Dilatation des Vas afferens, wodurch die GFR steigt. Zudem hemmt es die Freisetzung von Renin. in der Hypophyse eine Abnahme der ADH-Sekretion und in der Nebenniere eine Abnahme der Aldosteronsekretion. An den ANP-Rezeptor bindet auch das in Struktur und Wirkung mit ANP verwandte Peptid BNP (brain natriuretic peptide), das in den Ventrikeln des Herzens freigesetzt wird (s. S. 621). Offensichtlich sind noch weitere Peptidhormone an der Regulation der Diurese beteiligt. So setzen die Enterozyten des Jejunums bei erhöhter Salzkonzentration in der Nahrung Uroguanylin (intestinales natriuretisches Peptid) frei, das die Diurese in der Niere stimuliert.
3.7
Aufgaben der Niere im Säure-Basen- und Stickstoffhaushalt
Aufgaben im Säure-Basen-Haushalt: Der pH des Blutes wird wesentlich durch den Bicarbonat-Puffer (HCO3– und gelöstes CO2) bestimmt. Deshalb ist es essenziell, dass das HCO3– des Primärharns möglichst vollständig rückresorbiert wird. Ca. 90 % des HCO3– reagieren im proximalen Tubulus mit den dort sezernierten Protonen und zerfallen daraufhin sofort zu CO2 und H2O. Das CO2 diffundiert zurück in die Tubuluszellen und reagiert dort, katalysiert durch die zytoplasmatische Carboanhydrase, erneut mit H2O zu H+ + HCO3–. Die H+-Ionen werden erneut sezerniert, die HCO3–Ionen hingegen werden basolateral unter Vermittlung des Transporterproteins kNBC1 (Electrogenic Kidney Na+-Bicarbonat Cotransporter) im Cotransport mit Na+
F
F-3.5
759
3.7 Aufgaben der Niere im Säure-Basen- und Stickstoffhaushalt
Sekretion von H+ und Rückresorption von HCO3–
basolateral (Blut)
F-3.5
luminal (Harn) ATP H+
V-Typ-ATPase ADP + Pi
HCO3–
Na+ Na+-H+-Antiporter H+ H2O CO2
CO2 + H2O
Carboanhydrase
HCO3– + H+
HCO3– kNBC1 Na+
an das Blut abgegeben (Abb. F 3.5). Transportiert wird vom kNBC1 jeweils 1 Na+ zusammen mit 3 HCO3–.
▶ Merke.
Bicarbonat wird im proximalen Tubulus in Form von CO2 rückresorbiert, dann aber in Form von HCO3– an das Blut abgegeben.
Für den Säure-Basen-Haushalt ist die Sekretion von Protonen im proximalen Tubulus von fundamentaler Bedeutung, denn auf diese Weise wird aus dem HCO3– das CO2 freigesetzt, das die Tubuluszellen aufnehmen. Die Protonen werden über zwei Mechanismen sezerniert, primär-aktiv und sekundär-aktiv: Primär-aktiv arbeiten die V-Typ-ATPasen, die in großer Zahl in der apikalen Membran der Tubuluszellen verankert sind. Die V-Typ-ATPasen ähneln in ihrer Struktur weitgehend den ATP-Synthasen der Mitochondrien. V-Typ-ATPasen und mitochondriale ATP-Synthasen haben sich in der Evolution wahrscheinlich aus der gleichen urtümlichen ATPase entwickelt. Während die mitochondriale ATP-Synthase aus einem F1-Teil und einem F0-Teil besteht, zeigen die V-Typ-ATPasen entsprechend einen Aufbau aus einem V1-Teil und einem V0-Teil. Der entscheidende Unterschied besteht lediglich darin, dass die ATP-Synthasen einen Protonengradienten nutzen, um ATP zu synthetisieren, während die V-Typ-ATPasen gleichsam rückwärts laufen. Sie hydrolysieren ATP, um einen Protonengradienten aufzubauen. V-Typ-ATPasen sind auch für die Ansäuerung des Lumens der Lysosomen und der Endosomen verantwortlich (s. a. S. 759). Sekundär-aktiv arbeitet in der apikalen Membran der Na+-H+-Antiporter (NHE3), der den Konzentrationsgradienten der Na+-Ionen nutzt, um Protonen aus der Zelle zu pumpen. Die Energie für die Protonensekretion wird auch in diesem Fall von ATP bereitgestellt, aber nur indirekt, über die ATP-Abhängigkeit der Na+-K+-ATPase, die den Konzentrationsgradienten der Na+-Ionen aufrecht hält. Bei einer Alkalose kann der pH-Wert des Blutes über eine verminderte Rückresorption von HCO3– wieder normalisiert werden. Zu diesem Zweck wird die H+-Sekretion der Tubuluszellen bei einer Alkalose gesenkt. Somit wird im Tubuluslumen weniger HCO3– zu CO2 und H2O gespalten, und es steigt der Anteil des HCO3–, der unverändert im Harn bleibt und ausgeschieden wird. Der pH-Wert des Harns kann dabei bis auf 8 ansteigen.
▶ Merke. Für den Säure-Basen-Haushalt ist die Sekretion von Protonen im proximalen Tubulus von fundamentaler Bedeutung, denn auf diese Weise wird aus dem HCO3– das CO2 freigesetzt, das von den Tubuluszellen aufgenommen werden kann. Die apikale Membran der Tubuluszellen enthält: V-Typ-ATPasen: Sie ähneln in ihrer Struktur der mitochondrialen ATP-Synthase, laufen aber gleichsam rückwärts, indem sie ATP hydrolysieren, um aktiv H+ über die Membran zu pumpen. Na+-H+-Antiporter: Sie arbeiten sekundär aktiv, indem sie mit der Na+-K+-ATPase kooperieren.
Bei einer Alkalose kann der pH-Wert des Blutes über eine verminderte Sekretion von Protonen in der Niere wieder normalisiert werden. Dabei wird HCO3– vermehrt ausgeschieden.
760 Bei normaler Ernährung ergibt sich im Stoffwechsel ein Überschuss an Protonen. Diese werden weitgehend über die Niere ausgeschieden, der Urin ist normalerweise schwach sauer.
Der überwiegende Teil der Protonen liegt im Harn vor als Phosphat-Ionen (H2PO4–) und Ammonium-Ionen (NH4+). Diese entstehen aus Ammoniak (NH3), das im proximalen Tubulus durch Abbau von Glutamin gewonnen wird. NH3 diffundiert in das Tubuluslumen, wo es ein H+ bindet.
Aufgaben im Stickstoffhaushalt: Die Niere ist das Hauptausscheidungsorgan stickstoffhaltiger Verbindungen. Stickstoff wird überwiegend in Form von Harnstoff ausgeschieden. Weitere stickstoffhaltige Verbindungen im Harn sind Kreatinin, Harnsäure und NH4+.
▶
Klinik.
F
3 Biochemie der Niere
Bei normaler Ernährung ergibt sich im Stoffwechsel stets ein Überschuss an Protonen. Diese werden weitgehend über die Niere abgegeben. Der pH-Wert des Primärharns wird dabei von 7,4 auf ca. 6,6 erniedrigt. Protonen werden auch im Verbindungstubulus und im Sammelrohr sezerniert. Der pH-Wert des Endharns kann dabei bis auf 4,5 gesenkt werden. Normalerweise ist der Urin allerdings nur schwach sauer. Fast alle Protonen, die von der Niere ausgeschieden werden, liegen als Phosphatoder Ammonium-Ionen vor (der Rest bindet an Harnsäure oder andere organische Säuren): Phosphat-Ionen werden im Tubulus zwar zum größten Teil rückresorbiert, etwa 5 – 20 % erscheinen aber im Endharn. Die Phosphat-Ionen nehmen im sauren Milieu des Tubulus Protonen auf, indem HPO42 – zu H2PO4– protoniert wird. Ammonium-Ionen (NH4+) entstehen aus Ammoniak (NH3), das im proximalen Tubulus im Wesentlichen durch Abbau von Glutamin gewonnen wird. Die Tubuluszellen nehmen Glutamin sekundär-aktiv im Na+-Symport auf. In den Mitochondrien wird es von der Glutaminase zu NH4+ und Glutamat gespalten. Glutamat wird anschließend von der Glutamat-Dehydrogenase unter Freisetzung eines weiteren NH4+ zu α-Ketoglutarat abgebaut (s. S. 140). Die NH4+-Ionen dissoziieren zu NH3 + H+, und NH3 diffundiert in das Tubuluslumen, wo es erneut ein Proton bindet. Im Nierenmark zirkulieren erhebliche Mengen an NH3 zwischen den verschiedenen Kompartimenten. Letztlich akkumuliert NH3 jedoch in den Sammelrohren, da es dort aufgrund des niedrigen pH-Wertes effektiv protoniert wird, die Wände der Sammelrohre aber für NH4+ undurchlässig sind. Aufgaben im Stickstoffhaushalt: Die Niere ist das Hauptausscheidungsorgan stickstoffhaltiger Verbindungen. In diesem Zusammenhang sind die NH4+-Ionen des Harns allerdings nur von untergeordneter Bedeutung. Stickstoff wird im Harn in Form unterschiedlicher Verbindungen ausgeschieden, wobei Harnstoff quantitativ bei weitem überwiegt: 24-h-Urin enthält ca. 25 g Harnstoff (bei einem Proteingehalt der Nahrung von 70 g), ca. 2 g Kreatinin (entsteht beim Abbau von Kreatin in der Muskulatur), ca. 0,5 g Harnsäure (Abbauprodukt des Purinstoffwechsels) und ca. 0,5 g NH4+.
▶ Klinik. Da Kreatinin nur in geringem Maße rückresorbiert wird, kann man durch Bestimmung der Menge des Kreatinins im 24-h-Urin und Vergleich mit der Kreatininkonzentration im Blut die Menge des in den Nieren gebildeten Primärharns berechnen. Die Bestimmung der GFR über die Kreatininmenge ist eine der wichtigsten Methoden zur Kontrolle der Nierenfunktion.
Harnstoff wird im proximalen Tubulus zu ca. 50 % rückresorbiert, gelangt im absteigenden Teil der Henle-Schleife aber z. T. wieder ins Tubuluslumen. Der aufsteigende Teil der Henle-Schleife und der distale Tubulus sind für Harnstoff impermeabel. Erst in den Sammelrohren kann Harnstoff wieder aus dem Harn herausdiffundieren. Im Endharn ist Harnstoff etwa 60-mal so konzentriert wie im Blutplasma.
Harnstoff diffundiert im proximalen Tubulus passiv über die Membranen und folgt dabei (langsam) der Rückresorption des Wassers. Auf diese Weise werden hier ca. 50 % des Harnstoffs rückresorbiert. Im absteigenden Teil der Henle-Schleife gelangt Harnstoff jedoch z. T. wieder ins Tubuluslumen. Da der Harn in diesem Tubulussegment nur noch wenig Salze enthält, trägt Harnstoff hier wesentlich zur Osmolarität des Harns bei. Der aufsteigende Teil der Henle-Schleife und der distale Tubulus sind für Harnstoff impermeabel. Erst in den Sammelrohren kann Harnstoff wieder aus dem Harn herausdiffundieren. Die Diffusion wird hier sogar durch Harnstoff-Transporter (Urea Transporter Typ 1 und Typ 2) erleichtert. Letztlich ergeben sich die folgenden Werte: Konzentration des Harnstoffs im Blutplasma: 5 mM, Rückresorption in Tubulus und Sammelrohr: ca. 60 %, Konzentration des Harnstoffs im Endharn: ca. 300 mM. Im Endharn ist Harnstoff somit etwa 60-mal so konzentriert wie im Blutplasma.
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761
3 Fallbeispiel
▶ Fallbeispiel: Nierenversagen Anamnese: An einem heißen Vormittag im Sommer wird Theresa Walter wegen akuter Verwirrtheit von ihren Verwandten ins Krankenhaus gebracht. Die sonst geistig noch völlig klare 88-Jährige hatte auf ihrer Terrasse gesessen und immer wieder nach ihrem vor 15 Jahren verstorbenen Ehemann gerufen. Bisher konnte sie sich und ihren Haushalt noch selber versorgen. In der Vorgeschichte sind an Krankheiten nur eine Hepatitis A in den 1940er-Jahren und eine schwere rechtsseitige Pneumonie in den 1950er-Jahren bekannt. Außerdem besteht eine zunehmend schlimmer werdende Arthrose in beiden Händen. Medikamentenanamnese: Bei Bedarf nimmt sie gegen die Arthroseschmerzen Diclofenac 75 mg, in den letzten zwei Wochen fast täglich. Beide Eltern sind im Zweiten Weltkrieg gestorben, zwei Schwestern sind ebenfalls über achtzig und noch sehr rüstig. Körperliche Untersuchung: 88-jährige, normalgewichtige Patientin (154 cm, 51 kg) in leicht reduzierten Allgemeinzustand, Blutdruck 90/60 mmHg (< 130/85 mmHg), Puls 88/min (50 – 100/min), Körperkerntemperatur 38,1 °C (36 – 38 °C). Das korrekte Datum fällt ihr nicht ein, sie versteht nicht, warum sie ins Krankenhaus gebracht worden ist und möchte, dass ihr Mann sie abholt. Zu ihrer Person ist sie orientiert. Auffällig sind eine trockene Zunge und stehende Hautfalten (Abb. F 3.6), die übrige körperliche Untersuchung ist bis auf ein 2/6-Systolikum mit Punctum maximum im 2. ICR rechts unauffällig.
F-3.6
Stehende Hautfalten bei Exsikkose (aus Füeßl, Middeke; Duale Reihe Anamnese und klinische Untersuchung, Thieme, 2010)
Laboruntersuchungen: Kalium 5,8 mmol/l (3,5 – 5 mmol/l), Natrium 134 mmol/l (135 – 145 mmol/l), Chlorid 95 mmol/l (98 – 112 mmol/l), Harnstoff 128 mg/dl (10 – 55 mg/dl), Harnsäure 9,1 mg/dl (2,5 – 7 mg/dl), Kreatinin 3,4 mg/dl (0,5 – 1,4 mg/dl). Die übrigen Laborparameter, einschließlich Blutzucker und TSH, sind im Normbereich. Im Urin ist die Osmolalität 748 mOsm/l (750 – 1400 mOsm/ l) und das spezifische Gewicht 998 g/l (1002 – 1035 g/l). 12-Kanal-EKG: Normofrequenter Sinusrhythmus, Linkstyp, keine Rhythmusstörungen, keine Erregungsrückbildungsstörungen. Röntgenaufnahme des Thorax in zwei Ebenen: Am Aufnahmetag: Leicht elongierter und verkalkter Aortenbogen, diskret linksverbreitertes Herz, ansonsten altersentsprechend unauffälliger Befund. In der Nacht zum 2. Tag: Beidseits basal pulmonale Infiltrate mit kleinem Pleuraerguss links, Verdacht auf kardiopulmonale Stauung mit Lungenödem beidseits basal (Abb. F 3.7). Am 4. Tag: Keine Stauungszeichen oder Infiltrate mehr.
F-3.7
a
Röntgenaufnahme des Thorax
b
a Lungenödem mit beidseitigen Infiltraten (v. a. basal). b Zustand nach kardialer Rekompensation. (aus Baenkler et al., Duale Reihe Innere Medizin, Thieme, 2001)
▶
762
F
3 Fallbeispiel
Verlauf: Frau Walter wird mit der Diagnose eines beginnenden prärenalen Nierenversagens bei Volumenmangel wegen Exsikkose stationär aufgenommen. Sie bekommt Infusionen mit NaCl 0,9 %, scheidet in den nächsten sechs Stunden aber zunächst nur 120 ml Urin aus. Die Patientin ist sehr müde und schläft viel, am späten Abend scheint sie schwerer zu atmen. Im daraufhin gemachten Röntgenbild zeigt sich ein Lungenödem. Frau Walter erhält eine Infusion von 500 mg Furosemid in 250 ml NaCl 0,9 % – und die Diurese springt endlich an: In den nächsten 24 Stunden produziert die Niere 2,5 l Urin. Unter ständiger Elektrolyt- und Flüssigkeitsbilanzierung normalisiert sich die Nierenfunktion allmählich. Am 4. Tag ist die Patientin wieder voll orientiert und wach. Die Werte der Elektrolyte, Harnstoff, Harnsäure und Kreatinin sinken. Bei der Entlassung nach zweieinhalb Wochen liegen sie nur noch knapp oberhalb des Referenzbereiches. Zu Hause nimmt Frau Walter täglich 20 mg Furosemid oral. Wegen ihrer Arthroseschmerzen ist sie jetzt auf das Schmerzmittel Tramadol eingestellt und braucht das Nieren-schädigende Diclofenac nicht mehr zu nehmen. Eine Verwirrtheit trat während des stationären Aufenthaltes nicht mehr auf.
Antwortkommentare:
Fragen mit biochemischen Schwerpunkt: 1. Wann läuft die Patientin Gefahr, wieder schnell eine Hyperkaliämie zu bekommen? 2. Wenn die Niereninsuffizienz chronisch wird, was hat das für Auswirkungen auf den Knochenstoffwechsel? 3. Warum kommt es bei einer Nierenschädigung auf Dauer oft zu einem Hypertonus?
Zu 3. Das verbliebene, gesunde Restgewebe versucht, durch eine Steigerung des Druckes in den Glomeruli die Restfiltration möglichst hoch zu halten – das Renin-AngiotensinSystem wird aktiviert: Über das mehr produzierte Renin der Niere entsteht mehr Angiotensin I. Das Angiotensin-Konvertierungsenzym hat also mehr zu tun, proteolysiert verstärkt Angiotensin I zu Angiotensin II und das bewirkt einmal über die direkte Wirkung an den Gefäßen und über die Freisetzung von Aldosteron den Blutdruckanstieg. Zwei Mittel gegen die Hypertonie greifen in diese Kaskade ein: die ACE-Hemmer und die Angiotensin-Rezeptor-Antagonisten (AT 1-Blocker). Wenn die Clearance-Funktion der Niere unter einen bestimmten Wert sinkt, sind ACE-Hemmer aber relativ kontraindiziert, da die Niere nur so ihre Restfunktion aufrechterhalten kann.
Zu 1. Einmal bei zuviel Kaliumzufuhr mit der Nahrung, wenn sie zum Beispiel sehr viel Obst – wie Kirschen aus dem Glas – oder Ähnliches isst. Auf keinen Fall darf sie mit ihrer vorgeschädigten Niere auch kaliumsparende Diuretika oder Aldosteronantagonisten bekommen. (Aldosteron erhöht die Kalium-Ausscheidung.) Schnell gefährlich kann es für sie auch werden, wenn bei einer katabolen Stoffwechsellage vermehrt Zellkalium freigesetzt wird oder viele Zellen zerfallen, etwa bei bösartigen Tumoren. Zu 2. Die Niere scheidet weniger Phosphat aus, deshalb steigt das Phosphat im Serum an und das Calcium sinkt. Außerdem bildet sie weniger Calcitriol (= aktives Vitamin D3), was normalerweise dafür sorgt, dass Calcium aus dem Darm resorbiert wird. Das Calcitriol ist der Gegenspieler des Parathormons, das nun ansteigt und zusätzlich Calcium aus dem Knochen mobilisiert. All das führt zu einer Entmineralisierung der Knochen – zur so genannten renalen Osteopathie. Als Therapie substituiert man das Calcitriol und gibt Phosphatbinder.
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Muskulatur und Nervensystem
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G
1 Biochemie der Muskulatur 2 Neurochemie
778
765
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1 1.1 1.2 1.3 1.4
1.2 Muskelgewebe
Biochemie der Muskulatur Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Muskelgewebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Molekulare Mechanismen der Muskelkontraktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Muskelkrankheiten (Myopathien) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1.1
Übersicht
1.1
Übersicht
1.2
Muskelgewebe
Gegenstand dieses Kapitels sind in erster Linie die molekularen Mechanismen der Muskelkontraktion. Die Mechanismen, durch die das für die Muskelkontraktion benötigte ATP bereitgestellt wird, sind in anderen Kapiteln des Buches erläutert: Energiestoffwechsel: s. S. 161 Kreatinphosphat: s. S. 258 Myoglobin: s. S. 735
1.2
Muskelgewebe
1.2.1 Einteilung und Aufbau
1.2.1 Einteilung und Aufbau
Man unterscheidet drei Arten von Muskelgewebe: Skelettmuskulatur Herzmuskulatur glatte Muskulatur
Es gibt Skelett-, Herzmuskulatur und glatte Muskulatur.
Skelettmuskulatur
Skelettmuskulatur
Die Skelettmuskulatur wird über α-Motoneurone erregt, die über motorische Endplatten mit den einzelnen Muskelfasern (= Myozyten = Muskelzellen) verbunden sind. Muskelfasern sind Synzytien. Sie entstehen durch Verschmelzung mehrerer hundert einkerniger Myoblasten und enthalten entsprechend viele Zellkerne. Die Muskelfasern sind oft mehrere Zentimeter lang. Das mikroskopische Bild zeigt eine charakteristische Querstreifung. Eine einzelne Skelettmuskelzelle enthält Hunderte parallel angeordneter Myofibrillen. Diese haben einen Durchmesser von ca. 1 μm und lassen sich weiter in Sarkomere unterteilen.
Die Skelettmuskulatur wird über α-Motoneurone erregt. Deren Verbindung zu den einzelnen Muskelfasern (= Myozyten = Muskelzellen) sind die motorischen Endplatten. Muskelfasern sind Synzytien und oft mehrere cm lang. Mikroskopisch erkennt man die Querstreifung der Myofibrillen.
Aufbau eines Sarkomers
Aufbau eines Sarkomers
Das Sarkomer ist die funktionelle Grundeinheit einer Myofibrille. Die Sarkomere bestehen v. a. aus Myofilamenten, die sich in Aktin-, Myosin- und Titinfilamente unterteilen lassen. Begrenzt werden die einzelnen Sarkomere durch quer stehende Z-Scheiben. In den Z-Scheiben sind sowohl die Aktin-, als auch die Titinfilamente verankert (Abb. G 1.1). Die Z-Scheiben bestehen vorwiegend aus dem Protein αAktinin. Außerdem enthalten sie das Protein CapZ (Details s. u.).
Im Sarkomer kommen drei Arten von Myofilamenten vor: Aktinfilamente, Myosinfilamente und Titinfilamente. Die Aktin- und die Titinfilamente sind in Z-Scheiben verankert (Abb. G 1.1). Die Z-Scheiben enthalten neben α-Aktinin das Protein CapZ, das eine Kappe bildet, in der die Aktinfilamente verankert sind.
Aktinfilamente („dünne Filamente“): Die Aktinfilamente der Sarkomere sind aus Aktin-Monomeren mit einem Molekulargewicht von 42 kDa aufgebaut. Dabei handelt es sich um ein muskelspezifisches Aktin, das von einem eigenen Gen kodiert wird. In ihrer Struktur ähneln die Aktinfilamente der Sarkomere aber weitgehend dem filamentösen F-Aktin, das als Komponente des Zytoskeletts auch in anderen Zellen enthalten ist. Die Länge der Aktinfilamente in den Sarkomeren wird vom Protein Nebulin bestimmt, das als eine einzelne, extrem lange Polypeptidkette jeweils ein Aktinfilament in seiner gesamten Länge begleitet. Das Nebulin dient gleichsam als molekulares Lineal, das bestimmt, bis zu welcher Länge Aktin-Monomere polymerisieren. Das freie Minus-Ende der Aktinfilamente wird dann durch Anlagerung von Tropomodulin stabilisiert. Mit ihrem Plus-Ende sind die Aktinfilamente
Aktinfilamente („dünne Filamente“): Grundbausteine sind muskelspezifische Aktin-Monomere. Die Länge der Aktinfilamente wird vom Protein Nebulin bestimmt, das als eine einzelne extrem lange Polypeptidkette jeweils ein Aktinfilament in seiner gesamten Länge begleitet. Tropomodulin stabilisiert die Aktinfilamente am Minus-Ende, CapZ am Plus-Ende.
766
G 1 Biochemie der Muskulatur
G-1.1
Anordnung der Myofilamente im Sarkomer Sarkomer
Z-Scheibe
Myosinfibrillen
M-Linie
CapZ
Z-Scheibe
Titin
Myosinfilament
α-Aktinin Nebulin
Z I-Bande
A-Bande
I-Bande b
I-Bande
a
Aktinfilament
M
A-Bande
Z
I-Bande
a Elektronenmikroskopisches Bild (nach Lüllmann-Rauch, TLB Histologie, Thieme, 2009); b Schematische Darstellung.
über das Protein CapZ in der Z-Scheibe verankert (s. o.). CapZ bildet eine Kappe (engl. cap) und verhindert so die Depolymerisation der Aktinfilamente am Plus-Ende. Myosinfilamente („dicke Filamente”) (Abb. G 1.2): Das für die Muskelkontraktion entscheidende Protein ist Myosin. Muskelzellen enthalten ein Myosin vom Typ II, von dem es unterschiedliche Isoformen gibt. Myosin ist das am häufigsten vorkommende Protein in der Muskulatur.
▶ Merke.
Myosinfilamente („dicke Filamente”) (Abb. G 1.2): Das für die Kontraktion der Muskelzellen entscheidende Protein ist Myosin. Es hydrolysiert ATP, das bei der Muskelkontraktion die Energie liefert. In den Geweben gibt es mehrere unterschiedliche Myosin-Typen. Die Myosinfilamente der Muskelzellen enthalten ein Myosin vom Typ II. Dieses liegt, ähnlich wie Aktin, in unterschiedlichen Isoformen vor. So wird das Myosin der Herzmuskulatur von einem anderen Gen kodiert als das Myosin der Skelettmuskulatur. Myosin ist das am häufigsten vorkommende Protein in der Muskulatur. Die myosinhaltigen Bereiche der Sarkomere sind deshalb bereits lichtmikroskopisch als dunkle A-Banden sichtbar. Im polarisationsmikroskopischen Bild erscheinen sie als anisotrope (aufleuchtende) A-Banden, die übrigen Bereiche als isotrope I-Banden.
▶ Merke.
Die dunklen Querstreifen der quergestreiften Muskulatur entsprechen den A-Banden. Sie bestehen v. a. aus Myosin.
G-1.2
G-1.2
Aufbau des Myosins II und eines Myosinfilaments ATPase-Domäne
Aktin-Bindungs-Domäne
schwere Ketten ATP-Bindungsstelle leichte Ketten Aktin-Bindungs-Domäne
ATPase-Domäne Schaft
Hals (biegsam)
a Myosinköpfe
Kopf
kopffreie Zone
b
a Myosin II (nach Königshoff, Brandenburger; Kurzlehrbuch Biochemie, Thieme, 2007). b Myosinfilament (nach Klinke et al., Physiologie, Thieme, 2010).
G
767
1.2 Muskelgewebe
Myosin ist im Wesentlichen aus zwei identischen großen Untereinheiten aufgebaut, die in ihrer Struktur an einen Golfschläger erinnern, die sog. schweren Ketten (jeweils 205 kDa). Der lang gestreckte Teil einer schweren Kette besteht lediglich aus einer langen α-Helix. Diese umwindet nahezu in ihrer gesamten Länge die entsprechende α-Helix der zweiten schweren Kette. Beide Ketten bilden damit eine typische Coiled-Coil-Struktur. Am N-terminalen Ende jeder schweren Kette befindet sich eine globuläre Struktur, der Myosinkopf, der die ATP-Bindungsstelle enthält. Assoziiert sind hier zwei unterschiedliche kleine Proteine, die sog. leichten Ketten (jeweils 20 kDa). Sie stabilisieren das α-helikale Segment der schweren Kette, das als Hebelarm den Myosinkopf mit der Coiled-Coil-Struktur des Myosins verbindet. Myosin bildet somit hexamere Komplexe (2 schwere + 2 × 2 leichte Ketten). Myosinfilamente bestehen jeweils aus ca. 150 solcher Hexamere.
Das Myosin der Muskelzellen ist in Hexameren organisiert (2 schwere + 2 x 2 leichte Ketten): Jeder hexamere Komplex enthält zwei schwere Ketten, die in ihrer Struktur an einen Golfschläger erinnern und eine CoiledCoil-Struktur bilden. Das N-terminale Ende jeder schweren Kette bildet einen Myosinkopf, der eine ATP-Bindungsstelle enthält. Assoziiert sind hier zwei leichte Ketten. Ein Myosinfilament besteht aus ca. 150 derartigen Hexameren.
Titin: Auch dieses Protein ist in den Z-Scheiben verankert. Es reicht bis in die Mitte des Sarkomers, wo es in der M-Linie endet (Abb. G 1.1). Titin ist das größte Protein des Menschen. Es ist ca. 1 μm lang und enthält ca. 30 000 Aminosäuren. Zwar wird es nur von einem einzigen Gen kodiert, durch alternatives Splicen (s. S. 452) wird es aber in verschiedenen, unterschiedlich großen Isoformen exprimiert. Die größten Isoformen haben eine Masse von 3800 kDa. Titin bestimmt die Länge des gesamten Sarkomers, indem es sowohl in der Z-Scheibe als auch in der M-Linie verankert ist. In Ruhestellung beträgt die Länge etwa 2,2 μm. Ähnlich dem Nebulin hat es damit eine Funktion als molekulares Lineal. Der größte Teil des Titins ist jeweils mit einem Myosinfilament assoziiert, das dadurch in der Mitte des Sarkomers fixiert wird.
Titin ist das größte Protein des Menschen (bis 3800 kDa), > 1 μm lang und enthält ca. 30 000 Aminosäuren. Indem Titin sowohl in der Z-Scheibe, als auch in der M-Linie verankert ist (Abb. G 1.1), bestimmt es die Länge des gesamten Sarkomers. Der größte Teil des Titins ist jeweils mit einem Myosinfilament assoziiert, das dadurch in der Mitte des Sarkomers fixiert wird.
▶ Merke.
Die wichtigste Funktion des Titins ist die Bestimmung der Elastizität der Muskelfasern.
▶ Merke.
Die Segmente des Titins, die sich in der I-Bande befinden (in der Nähe der ZScheiben) bestehen aus einer Aneinanderreihung von Domänen, die sich entfalten, wenn auf Titin eine Zugspannung ausgeübt wird und sich schnell wieder zurückfalten, wenn die Zugspannung nachlässt. Bei mäßigen Kräften leistet zu dieser Eigenschaft die sog. PEVK-Region den wichtigsten Beitrag. Dabei handelt es sich um einen längeren Abschnitt des Titins, der nach seinen Hauptbestandteilen, den Aminosäuren Prolin (P), Glutamat (E), Valin (V) und Lysin (K), benannt ist. Bei stärkeren Kräften spielen Titin-Segmente mit einer charakteristischen β-Faltblattstruktur eine Rolle. Die Proteindomänen dieser Bereiche zeigen eine deutliche Ähnlichkeit zu den Domänen der Immunglobuline (Ig-like domains). Auch diese Domänen des Titins zeigen eine reversible Faltung. Das Titin wirkt damit ähnlich einer elastischen Feder.
Titin wirkt ähnlich einer elastischen Feder. Voraussetzung dieser Eigenschaft ist die Fähigkeit vieler Domänen des Titins, sich reversibel zu entfalten.
Herzmuskulatur
Herzmuskulatur
Die Herzmuskulatur ist wie die Skelettmuskulatur quergestreift und lässt sich ebenfalls in Sarkomere unterteilen (s. o.). Im Gegensatz zur Skelettmuskulatur besitzt sie jedoch keine motorischen Endplatten und bildet auch keine vielkernigen Synzytien. In der Regel enthalten die Herzmuskelzellen nur einen einzigen Zellkern. Die Erregungsausbreitung innerhalb des Herzmuskels wird von Gap Junctions ermöglicht. Diese bestehen aus porenbildenden Proteinen (Connexinen) in der Plasmamembran. An Kontaktstellen benachbarter Zellen können sich zwei Halbkanäle zu einer Gap Junction zusammenlagern und dabei eine Pore bilden, durch die beide Zellen elektrisch miteinander verbunden sind. Da auf diese Weise alle Herzmuskelzellen untereinander in Verbindung stehen, ist das Herz ein funktionelles Synzytium.
Auch die Herzmuskulatur ist quergestreift und weist Sarkomere auf. Dagegen enthält sie keine motorischen Endplatten und auch keine vielkernigen Synzytien. Die Erregungsausbreitung innerhalb des Herzmuskels wird von Gap Junctions ermöglicht, das Herz ist daher ein funktionelles Synzytium.
Glatte Muskulatur
Glatte Muskulatur
Die glatte Muskulatur besteht aus spindelförmigen einkernigen Zellen, die keine Querstreifung aufweisen. Die Erregung kann von vegetativen Nerven ausgehen, aber auch autonom innerhalb der Zelle entstehen. Eine koordinierte Kontraktion erfolgt teilweise unter Vermittlung von Gap Junctions. Glatte Muskelzellen enthalten zwar keine Sarkomere, aber ähnlich aufgebaute Strukturen, bei denen die ZScheiben durch sog. Dense Bodies ersetzt sind. Wie bei Skelett- und Herzmuskelzellen kommt die Kontraktion durch ein Ineinandergleiten der Aktin- und der Myosinfilamente zustande.
Die glatte Muskulatur besteht aus spindelförmigen einkernigen Zellen ohne Querstreifung. Sie weist als Baueinheit zwar keine Sarkomere auf, mit den sog. Dense Bodies enthält sie aber ähnliche Strukturen.
768 1.3
Molekulare Mechanismen der Muskelkontraktion
G 1 Biochemie der Muskulatur
1.3
Molekulare Mechanismen der Muskelkontraktion
1.3.1 Querbrückenzyklus
1.3.1 Querbrückenzyklus
Zur Muskelkontraktion kommt es, indem die Myosinfilamente ATP-abhängig an den Aktinfilamenten entlang gleiten (Gleitfilamentmechanismus). Die entscheidende Struktur sind dabei die Köpfe der schweren Ketten der Myosinfilamente. Sie binden reversibel an die Aktinfilamente und durchlaufen einen Reaktionszyklus, den sog. Querbrückenzyklus, mit folgenden Reaktionsschritten (Abb. G 1.3):
In den Sarkomeren sind die Filamente immer sehr regelmäßig angeordnet: ein (dickes) Myosinfilament ist stets hexagonal von 6 (dünnen) Aktinfilamenten umgeben. Zur Muskelkontraktion kommt es dadurch, dass die Myosinfilamente ATP-abhängig an den Aktinfilamenten entlang gleiten. Dabei verkürzt sich das Sarkomer, die einzelnen Filamente hingegen bleiben in ihrer Länge unverändert (Gleitfilamentmechanismus). Die entscheidenden Strukturen sind dabei die Köpfe der schweren Ketten der Myosinfilamente. Sie binden reversibel an die Aktinfilamente und durchlaufen ATP-abhängig einen Reaktionszyklus, den sog. Querbrückenzyklus. Ein einzelner Myosinkopf kann den Reaktionszyklus bei einer Muskelkontraktion 10 – 100-mal pro Sekunde durchlaufen. Die einzelnen Reaktionsschritte des Querbrückenzyklus wurden erstmals von den Autoren Lymn und Taylor postuliert (Lymn-Taylor-Modell). Das von Ihnen erarbeitete Schema hat sich seitdem weitgehend bestätigt (Abb. G 1.3): ATP-Bindung: Ein ATP-Molekül bindet im Komplex mit einem Mg2+-Ion an die ATP-Bindungsstelle des Myosinkopfs. Dieser löst sich daraufhin vom Aktinfilament ab. Generell verliert das Myosin durch Bindung von ATP seine Affinität zum Aktin. Die Aktin- und Myosinfilamente können daraufhin vergleichsweise leicht aneinander entlanggleiten: „Weichmacherwirkung des ATP“. Hydrolyse des ATP: Das ATP wird in der Bindungsstelle des Myosins sehr schnell hydrolysiert. Die Hydrolyseprodukte ADP und Phosphat bleiben in der Bindungsstelle gebunden. Konsequenzen der ATP-Hydrolyse: – Konformationsänderung: Der Hebelarm, durch den der Myosinkopf mit dem länglichen Teil des Myosins verbunden ist, klappt nach vorne. – Affinitätsänderung: Der Myosinkopf hat nun eine niedrige, aber hinreichende Affinität für das Aktin der benachbarten Aktinfilamente. Zwischenbemerkung zur Regulation des Querbrückenzyklus: Um eine Bindung zu ermöglichen, müssen in den Aktinfilamenten zunächst die Bindungsstellen für die
ATP-Bindung: Ein ATP bindet im Komplex mit Mg2+ an die ATP-Bindungsstelle des Myosinkopfs. Dieser löst sich daraufhin vom Aktinfilament ab („Weichmacherwirkung des ATP“). Hydrolyse des ATP: Das ATP wird hydrolysiert, ADP und Phosphat bleiben am Myosinkopf gebunden. Dieser klappt nach vorne und hat nun eine niedrige Affinität für Aktin.
Regulation: An den Aktinfilamenten werden die Bindungsstellen für die Myosinköpfe erst
G-1.3
G-1.3
Querbrückenzyklus (nach Königshoff, Brandenburger; Kurzlehrbuch Biochemie, Thieme, 2007) ATPase P ADP Troponin
Myosin
ATPase P ADP
Bindung von Ca2+ an Troponin C
Tropomyosin
Aktin
Ca2+ Ruhestellung
Aktin-Myosin-Bindung Kraftschlag: Freisetzung des Pi, verstärkte Bindung des Myosins an das Aktin, Kippen der Myosinköpfe
Hydrolyse des ATP, Aufrichten der Myosinköpfe
P ATP
„Weichmacherwirkung des ATP“
ATP ADP
ADP (ohne Nukleotid: Rigorkomplex)
769
G 1.3 Molekulare Mechanismen der Muskelkontraktion
Myosinköpfe freigegeben werden. Solange keine Kontraktion erfolgen soll, sind diese durch einen Proteinkomplex (aus Tropomyosin und Troponin) blockiert. Die Bindungsstellen werden erst bei einem Anstieg der Ca2+-Konzentration in den Sarkomeren freigegeben. Die Ca2+-Ionen binden dann an eine Untereinheit des Troponin-Komplexes, das Troponin C (s. u.). Freisetzung des Pi und Kraftschlag: Sobald der Myosinkopf ans Aktin gebunden hat, werden die weiteren Schritte des Reaktionszyklus ausgelöst: Freisetzung des Phosphations, festere Bindung des Myosinkopfs ans Aktin und Kippung um 60 – 70° nach hinten. Die Kippung des Myosinkopfs – auch als „Rotation“ bezeichnet – repräsentiert den Kraftschlag der Kontraktion. In diesem Moment wird auf die Aktin- und Myosinfilamente relativ zueinander eine Zugkraft ausgeübt.
▶ Merke.
Der Kraftschlag wird im Querbrückenzyklus nicht durch die Hydrolyse des ATP, sondern durch die Ablösung des Phosphats vom Myosinkopf ausgelöst.
Ablösung des Mg2+ und des ADP: Anschließend werden auch Mg2+ und ADP vom Myosinkopf abgelöst. Dieser bleibt aber mit hoher Affinität mit dem Aktin verbunden. Wenn kein weiteres ATP vorhanden ist, kann dieser Zustand längere Zeit anhalten.
▶ Klinik. Als Totenstarre (= Rigor mortis) bezeichnet man die Erstarrung der Muskulatur, die sich nach dem Tod eines Menschen einstellt. Eine der Ursachen ist das Ausbleiben der ATP-Synthese. Mg2+ und ADP lösen sich vom Myosin ab und das Myosin bleibt stabil mit den Aktinfilamenten verbunden. Außerdem werden in den Zellen auch Ca2+-Ionen freigesetzt, die an die Troponin-Komplexe binden, wodurch die Myosinköpfe ungehinderten Zugang zu ihren Bindestellen an den Aktinfilamenten erhalten. Die Totenstarre setzt etwa 2 Stunden nach dem Tod ein, beginnend mit den Augenlidern und den Kaumuskeln. Eine vollständige Starre ist nach etwa 8 Stunden gegeben. Im Verlauf von 2 – 4 Tagen kommt es in den Zellen zunehmend zu Abbauprozessen und die Totenstarre löst sich wieder.
bei einem Anstieg der Ca2+-Konzentration freigegeben.
Freisetzung des Pi und Kraftschlag: Sobald der Myosinkopf ans Aktin gebunden hat, wird das Phosphation freigesetzt. Es verstärkt sich die Affinität des Myosins für das Aktin und der Myosinkopf kippt um etwa 60 – 70° nach hinten (Kraftschlag).
▶ Merke. Ablösung des Mg2+ und des ADP: Erst dann werden auch das Mg2+ und das ADP vom Myosinkopf abgelöst. Dieser bleibt mit hoher Affinität mit dem Aktin verbunden.
▶
Klinik.
1.3.2 Kontrolle der Aktin-Myosin-Bindung
1.3.2 Kontrolle der Aktin-Myosin-Bindung
Quergestreifte Muskulatur: Die Aktinfilamente der Muskulatur sind nicht nur mit einem langen Nebulin-Molekül assoziiert, sondern auch mit dem Protein Tropomyosin. Dieses bildet lang gezogene Homo-Dimere, die sich an der Oberfläche der Aktinfilamente zu langen Ketten verbinden. Im ruhenden Muskel blockiert Tropomyosin die Bindungsstellen für die Myosinköpfe. Tropomyosin ist seinerseits mit Troponin-Komplexen verbunden (Abb. G 1.4). Diese bestehen jeweils aus drei Komponenten: dem unmittelbar mit dem Tropomyosin assoziierten Troponin T (TnT), dem Ca2+-bindenden Troponin C (TnC), und dem inhibitorischen Troponin I (TnI). Troponin C kann bis zu 4 Ca2+-Ionen binden. Dabei ändert sich die Konfiguration des gesamten Komplexes und das Tropomyosin wird beiseite geschoben. Dadurch wird die Bindungsstelle für die Myosinköpfe frei und der Querbrückenzyklus kann ungehindert ablaufen. Sobald die Ca2+-Konzentration sinkt, stellt sich wieder die ursprüngliche Struktur des Komplexes ein und weitere Kontraktionen sind blockiert.
Quergestreifte Muskulatur: Die potenziellen Bindungsstellen für die Myosinköpfe werden in den Aktinfilamenten durch lang gezogene Ketten des Proteins Tropomyosin blockiert. Die genaue Position des Tropomyosins wird von dem trimeren Protein Troponin (TnT, TnC, TnI) bestimmt (Abb. G 1.4). Bei Bindung von Ca2+ an Troponin C werden die MyosinBindungsstellen freigegeben.
▶ Merke.
▶ Merke.
▶
▶
Die Kontraktion der Skelett- und der Herzmuskulatur wird durch Bindung von Ca2+-Ionen an Troponin C ausgelöst.
Klinik. Troponin T und Troponin I werden im Herzmuskel in besonderen Isofor-
men exprimiert. Bei einem Herzinfarkt sind diese Isoformen im Blut nachweisbar. Die kardialen Troponine T und I gelten derzeit als die zuverlässigsten diagnostischen Marker für einen Herzinfarkt. Ein Problem dieser Markerproteine besteht allerdings darin, dass sie erst 4 – 6 Stunden nach Einsetzen der Herzinfarktschmerzen in signifikant erhöhten Mengen nachweisbar sind. Für die Diagnose ist deshalb zunächst das EKG von entscheidender Bedeutung (ST-Hebung im Akutstadium).
Klinik.
770
G 1 Biochemie der Muskulatur
G-1.4
G-1.4
Tropomyosin und der Troponinkomplex leichte Ketten des Myosins
P ADP
Kopf des Myosins
+ 4 Ca2+
Myosin bindet an Aktin, Pi wird freigesetzt
P ADP Tropomyosin
T I C Aktin
Aktin Bindungsstelle für den Myosinkopf
a Troponinkomplex b
Ca2+-Ionen
T C I
Tropomyosin-bindendes Troponin T
T C I
Ca2+-bindendes Troponin C inhibierendes Troponin I
a Funktion des Tropomyosins und des Troponinkomplexes. b Aufbau des Troponinkomplexes.
Glatte Muskulatur: Die Kontrolle der AktinMyosin-Bindung erfolgt hier Troponin-C-unabhängig, die Kontraktion wird aber ebenfalls durch Ca2+-Ionen ausgelöst. Diese binden intrazellulär an Calmodulin, das die Kontraktion der Muskelzelle über zwei Mechanismen ermöglicht: Aktivierung der MLCK (Myosin light Chain Kinase): Die MLCK phosphoryliert die „regulatorische leichte Kette“, eine der beiden leichten Ketten, die an den Hebelarm der Myosinköpfe gebunden sind. Bindung des Ca2+-Calmodulin-Komplex an Caldesmon, das in den glatten Muskelzellen anstelle von Troponin die Freigabe der Myosin-Bindungsstellen auf den Aktinfilamenten reguliert.
▶ Merke.
Glatte Muskulatur: In ihr wird die Wechselwirkung zwischen den Myosin- und den Aktinfilamenten unabhängig von Troponin C reguliert. Allerdings wird die Kontraktion auch hier durch Ca2+-Ionen ausgelöst. Diese binden in den glatten Muskelzellen an das Protein Calmodulin, das die Kontraktion der Muskelzelle auf zwei Wegen ermöglicht: Der Ca2+-Calmodulin-Komplex aktiviert eine Kinase, die MLCK (Myosin light Chain Kinase/Myosin-leichte-Ketten-Kinase) . Die MLCK phosphoryliert die „regulatorische leichte Kette“, eine der beiden leichten Ketten, die an den Hebelarm der Myosinköpfe gebunden sind (s. S. 773). Die Phosphorylierung erleichtert dann den Eintritt in den Querbrückenzyklus. Die potenziellen Myosin-Bindungsstellen auf den Aktinfilamenten sind zunächst durch Tropomyosin blockiert. Dessen Position in den glatten Muskelzellen wird aber nicht durch Troponin, sondern durch das Protein Caldesmon reguliert. Erst wenn sich der Ca2+-Calmodulin-Komplex an das Caldesmon anlagert, gibt dieses zusammen mit dem Tropomyosin die Myosin-Bindungsstelle frei.
▶ Merke.
In der glatten Muskulatur wird die Bindung der Myosinköpfe an die Aktinfilamente sowohl auf der Seite der Myosinfilamente als auch auf der Seite der Aktinfilamente reguliert.
Die Proteine Calmodulin und Troponin C sind sich in ihrer Struktur sehr ähnlich.
Calmodulin ist ein vergleichsweise kleines Protein (17 kDa), das in allen Geweben nachweisbar ist und bei der Regulation vieler Prozesse eine Rolle spielt (s. S. 544). So aktiviert es z. B. im Komplex mit Ca2+-Ionen auch die NO-Synthasen (s. S. 633). Interessanterweise zeigt das Troponin C der Skelettmuskulatur große Ähnlichkeiten zum Calmodulin. Troponin C kann streng genommen als eine Sonderform des Calmodulins aufgefasst werden, die spezifisch mit den Proteinen Troponin T und Troponin I kooperiert.
1.3.3 Elektromechanische Kopplung
1.3.3 Elektromechanische Kopplung
▶ Definition.
▶ Definition.
Unter elektromechanischer Kopplung versteht man die Mechanismen, durch die ein elektrischer Reiz (etwa ein Aktionspotenzial) eine mechanische Reaktion (Kontraktion) auslöst.
771
G 1.3 Molekulare Mechanismen der Muskelkontraktion
Grundlagen
Grundlagen
Ca2+-Ionen
In den Muskelzellen lösen die Kontraktion aus (s. S. 772). Sie strömen teils von außen über die Plasmamembran in die Zellen ein, teils stammen sie aber auch aus dem Endoplasmatischen Retikulum. Diese beiden Strukturen sind deshalb für die Auslösung einer Muskelkontraktion von entscheidender Bedeutung.
Die Ca2+-Ionen, die in den Muskelzellen die Kontraktionen auslösen, strömen z. T. von außen in die Zellen ein, z. T. stammen sie auch aus dem Endoplasmatischen Retikulum.
Plasmamembran: Die Plasmamembran der Muskelzellen wird auch als Sarkolemm bezeichnet – offenbar in Anspielung auf das alte griechische Wort σαρξ ´ („Sarks“) für „Fleisch“. Sie enthält einen 3 Na+-Ca2+-Antiporter, der den von der Na+-K+-ATPase aufgebauten Na+-Gradienten ausnutzt, um jeweils ein Ca2+-Ion im Austausch gegen drei einströmende Na+-Ionen aus der Zelle hinaus zu transportieren. In der Skelettmuskulatur bildet die Plasmamembran Einstülpungen, die tief in die Myozyten hinein reichen. Die Einstülpungen bilden das transversale Röhrensystem (T-System, T-Tubulus-System). Es enthält in den Membranen spannungsabhängige L-Typ-Ca2+-Kanäle, die sich durch sog. Calcium-Antagonisten vom Typ der Dihydropyridine blockieren lassen (s. S. 772). Die L-Typ-Ca2+-Kanäle bestehen aus fünf verschiedenen Untereinheiten (α1S, α2, β, γ, δ). Die Untereinheit, die innerhalb dieses Proteinkomplexes den ionenleitenden Kanal bildet, ist die Untereinheit 1S. Sie enthält auch die Bindestelle für die Calcium-Antagonisten und wird deshalb auch als Dihydropyridin-Rezeptor (DHPR) bezeichnet. Die Ca2+-Kanäle öffnen sich, wenn über die motorischen Endplatten ein Aktionspotenzial ausgelöst wird.
Die Plasmamembran der Muskelzellen wird auch als Sarkolemm bezeichnet. Sie enthält einen 3 Na+-Ca2+-Antiporter, der im Austausch gegen 3 einströmende Na+ 1 Ca2+ aus der Zelle hinaus transportiert.
Endoplasmatisches Retikulum (ER): Das ER der Muskelzellen wird auch sarkoplasmatisches Retikulum (SR) genannt. Es bildet netzartige Röhrensysteme, die als longitudinales System (L-System) sämtliche Myofibrillen umkleiden. Im Lumen dieses Systems ist die Konzentration der Ca2+-Ionen mit ca. 1 mM (10– 3 M) recht hoch. Verantwortlich für die Akkumulation der Ca2+-Ionen ist eine Ca2+-Pumpe (= Ca2+ATPase), die ATP-abhängig Ca2+ aus dem Zytosol ins sarkoplasmatische Retikulum hinein pumpt. Die gleichen Membranen enthalten außerdem einen ligandengesteuerten Ca2+-Kanal, den Ryanodin-Rezeptor. Ryanodin ist ein potenter Hemmstoff des Ionenkanals. In der Skelettmuskulatur ist die Isoform RyR1 exprimiert (Type 1 Ryanodine sensitive Ca2+ Release Channel), im Herzmuskel die Isoform RyR2. Durch den Ryanodin-Rezeptor können Ca2+-Ionen aus dem sarkoplasmatischen Retikulum ins Zytosol freigesetzt werden.
Das endoplasmatische Retikulum (ER) der Muskelzellen wird auch sarkoplasmatisches Retikulum genannt. Es bildet netzartige Röhrensysteme, die als longitudinales System die Myofibrillen umkleiden. Die Membranen dieses Systems enthalten einen Ca2+Kanal, den Ryanodin-Rezeptor (RyR1 in der Skelettmuskulatur, RyR2 im Herzmuskel), durch den Ca2+-Ionen aus dem sarkoplasmatischen Retikulum ins Zytosol abgegeben werden können.
▶ Exkurs.
Ryanodin Ryanodin ist ein giftiges Alkaloid der Pflanze Ryania speciosa, die in den tropischen Regionen Südamerikas wächst. Wenn es an den Ryanodin-Rezeptor im sarkoplasmatischen Retikulum bindet, wird dieser geöffnet und damit eine Kontraktion der Muskelzellen ausgelöst. Ryanodinhaltige Extrakte der Pflanze wurden von Einheimischen zeitweise als Insektizid gegen Küchenschaben (Kakerlaken) verwendet. Zu medizinischen Zwecken ist Ryanodin nie eingesetzt worden.
Skelettmuskulatur
In der Skelettmuskulatur bildet die Plasmamembran Einstülpungen, die tief in die Myozyten hinein reichen. Die Einstülpungen bilden das transversale Röhrensystem (= TTubulus-System). Es enthält spannungsabhängige L-Typ Ca2+-Kanäle. Die Untereinheit α1S der L-Typ-Ca2+-Kanäle enthält die Bindungsstelle für Calcium-Antagonisten vom Typ der Dihydropyridine und wird deshalb als Dihydropyridin-Rezeptor bezeichnet. Die Ca2+-Kanäle öffnen sich, wenn über die motorischen Endplatten ein Aktionspotenzial ausgelöst wird.
▶ Exkurs.
Skelettmuskulatur
Ca2+-Ionen-Konzentation
Im Ruhezustand eines Skelettmuskels liegt die im Zytosol der Muskelzellen unter 100 nM (< 10-7 M). Bei Eintreffen eines Aktionspotenzials erhöht sie sich schlagartig um etwa das 100-Fache auf ca. 10 μM (10-5 M). Dabei stammen fast alle Ca2+-Ionen aus dem sarkoplasmatischen Retikulum: Bei Eintreffen eines Aktionspotenzials führen die L-Typ-Ca2+-Kanäle der T-Tubuli durch direkte Protein-Protein-Wechselwirkungen zu einer Konformationsänderung und damit zu einer Öffnung der Ryanodin-Rezeptoren. Die über die Ryanodin-Rezeptoren RyR1 freigesetzten Ca2+-Ionen lösen dann die Muskelkontraktion aus. Voraussetzung für das Funktionieren dieses Systems ist die unmittelbare Nachbarschaft der beiden beteiligten Membransysteme: Ein T-Tubulus steht über Protein-ProteinWechselwirkungen in der Regel an zwei Seiten mit dem sarkoplasmatischen Retikulum in Kontakt und bildet damit eine funktionelle Triade (Abb. G 1.5).
Bei Eintreffen eines Aktionspotenzials erhöht sich die Konzentration der Ca2+-Ionen im Zytosol der Skelettmuskelzellen etwa um das 100-Fache auf ca. 10 μM (10-5 M). Dabei stammen fast alle Ca2+-Ionen aus dem sarkoplasmatischen Retikulum: Die L-Typ-Ca2+-Kanäle der T-Tubuli bewirken über direkte Protein-Protein-Wechselwirkungen eine Öffnung der Ryanodin-Rezeptoren. Die dabei freigesetzten Ca2+-Ionen lösen die Muskelkontraktion aus. Eine entscheidende Struktur ist dabei die sog. Triade (Abb. G 1.5).
Herzmuskulatur
Herzmuskulatur
Ca2+
Auch im Herzmuskel wird das überwiegend aus dem sarkoplasmatischen Retikulum freigesetzt. Ähnlich wie in den Skelettmuskelzellen stehen sich auch hier LTyp-Ca2+-Kanäle und Ryanodin-Rezeptoren unmittelbar gegenüber. Die Aktivierung der Ryanodin-Rezeptoren vom Typ RyR2 des Herzmuskels erfolgt aber nicht durch
Im Herzmuskel strömen durch die L-Typ-Ca2+Kanäle zunächst Ca2+-Ionen aus den T-Tubuli ins Zytosol.
772 G-1.5
G 1 Biochemie der Muskulatur
G-1.5
Triade einer Skelettmuskelfaser
Plasmamembran = Sarkolemm
transversales Röhrensystem (T-Tubulus-System)
Zytosol Ca2+
ATP
ADP + Pi
Ca2+-ATPase
Ca2+ Ca2+ Ryanodin-Rezeptor (RyR1) spannungsabhängiger L-Typ-Ca2+-Kanal (Dihydropyridin-Rezeptor, DHPR)
longitudinales System (sarkoplasmatisches Retikulum, SR) Ca2+
Troponin C
Eine Triade besteht aus einem T-Tubulus und zwei Zisternen des sarkoplasmatischen Retikulums, die an zwei Seiten mit dem T-Tubulus assoziiert sind.
Die Ca2+-Ionen binden dann an die RyanodinRezeptoren (RyR2) des sarkoplasmatischen Retikulums und führen zu deren Öffnung.
▶ Merke.
direkte Protein-Protein-Wechselwirkungen mit den L-Typ-Ca2+-Kanälen. Im Herzmuskel strömen zunächst Ca2+-Ionen durch die L-Typ-Ca2+-Kanäle aus den T-Tubuli ins Zytosol. Diese Ionen binden dann an die Ryanodin-Rezeptoren des sarkoplasmatischen Retikulums und bewirken deren Öffnung.
▶ Merke. Charakteristisch für die Auslösung der Kontraktion des Herzmuskels ist eine Ca2+-induzierte Ca2+-Freisetzung.
Glatte Muskulatur
Glatte Muskulatur
Auch in glatten Muskelzellen erhöht sich die Ca2+-Konzentration teilweise durch eine Ca2+-induzierte Ca2+-Freisetzung aus dem sarkoplasmatischen Retikulum. Die meisten Ca2+-Ionen gelangen aber direkt unter Vermittlung der L-Typ Ca2+-Kanäle aus dem Extrazellularraum ins Zytosol.
In glatten Muskelzellen ist ein T-Tubulus-System nicht vorhanden. Gleichwohl kann auch in diesen Zellen eine Kontraktion unter Beteiligung spannungsgesteuerter LTyp-Ca2+-Kanäle der Plasmamembran ausgelöst werden. Auch in glatten Muskelzellen spielen Ryanodin-Rezeptoren bei der Auslösung von Kontraktionen eine Rolle, indem sie eine Ca2+-induzierte Ca2+-Freisetzung aus dem sarkoplasmatischen Retikulum vermitteln. Die meisten Ca2+-Ionen gelangen aber unter Vermittlung der L-Typ-Ca2+-Kanäle aus dem Extrazellularraum ins Zytosol.
▶ Exkurs.
▶ Exkurs. Pharmakologische Beeinflussbarkeit der Muskelkontraktion Die Muskelkontraktion kann durch verschiedene Pharmaka verhindert werden. Diese binden entweder an die nikotinischen Acetylcholinrezeptoren (Muskelrelaxanzien), an die L-Typ Ca2+Kanäle (Calcium-Antagonisten) oder an die Ryanodin-Rezeptoren (Dantrolen). Einige wichtige Pharmaka mit hemmender Wirkung auf die Muskelkontraktion sind im Folgenden näher erläutert. Muskelrelaxanzien: Sie werden oft bei Operationen eingesetzt, um eine Kontraktion der Skelettmuskulatur zu verhindern. Dabei handelt es sich um Stoffe, die in der motorischen Endplatte an die α-Untereinheit der nikotinischen Acetylcholinrezeptoren binden und diese dadurch blockieren (s. S. 791). Fast alle Muskelrelaxanzien verhindern im Acetylcholinrezeptor durch ihre Bindung die Öffnung des Ionenkanals, sie sind also "nicht depolarisierende Muskelrelaxanzien". Zu dieser Gruppe zählt z. B. das Atracurium. Es ist ein entfernter Verwandter des (+)-Tubocurarins aus dem pflanzlichen Curare, dem Pfeilgift südamerikanischer Indianer. (+)-Tubocurarin wird heute in der Klinik nicht mehr angewendet. Calcium-Antagonisten: Calcium-Antagonisten blockieren die L-Typ-Ca2+-Kanäle der Plasmamembranen und der T-Tubuli. Lang wirksame Calcium-Antagonisten wie Amlodipin werden in der Therapie des Bluthochdrucks eingesetzt. Amlodipin zählt zu den Dihydropyridin-Derivaten, die dem Dihydropyridin-Rezeptor, der entscheidenden Untereinheit der L-Typ-Ca2+-Kanäle, den Namen gegeben haben. Bei niedriger Dosierung werden vorwiegend die L-Typ-Ca2+-Kanäle der glatten Muskulatur der Gefäßwände blockiert, sodass es zu einer Relaxation und damit zu einer allgemeinen Blutdrucksenkung kommt.
G 1.3 Molekulare Mechanismen der Muskelkontraktion
Ein weiterer Calcium-Antagonist ist Verapamil. Es zählt nicht zu den Dihydropyridin-Derivaten, wirkt aber ebenfalls durch Hemmung von L-Typ-Ca2+-Kanälen. Im Gegensatz zu Amlodipin hemmt es L-Typ-Ca2+-Kanäle nicht nur in den Gefäßwänden, sondern auch im Herzmuskel. Hier wirkt es insbesondere auf die Zellen des Sinus- und des AV-Knotens, die zur autonomen Reizbildung befähigt sind. So senkt Verapamil durch die Wirkung auf die Gefäße und durch Senkung der Herzfrequenz den Blutdruck, zudem kann es als Klasse-IV-Antiarrhythmikum auch zur Verhinderung von Vorhofflimmern eingesetzt werden, da es die AV-Überleitung verlangsamt. Herzglykoside (Digitalisglykoside): Herzglykoside sind Steroide aus dem roten Fingerhut Digitalis purpurea (Abb. G 1.6), die mit Kohlenhydrat-Seitenketten verbunden sind. Sie hemmen primär die Na+-K+-ATPase. Dadurch erhöhen sie die intrazelluläre Na+-Konzentration und erschweren indirekt die Arbeit des Na+Ca2+-Antiporters, der den Na+-Gradienten benötigt, um Ca2+-Ionen aus der Zelle heraus zu pumpen. So erklärt sich die durch Herzglykoside bedingte Erhöhung der intrazellulären Ca2+Konzentration. In höheren Konzentrationen sind Herzglykoside deshalb hoch giftig. In niedrigeren, pharmakologisch relevanten Konzentrationen bewirken sie eine Steigerung der Kontraktilität des Herzens.
G-1.6
Roter Fingerhut (Digitalis purpurea)
Dantrolen: Dantrolen ist ein Hemmstoff der Ryanodin-Rezeptoren, der in der Anästhesie bei maligner Hyperthermie eingesetzt wird. Der malignen Hyperthermie liegt eine erbliche Anomalie des Ryanodin-Rezeptors RyR1 (seltener des Dihydropyridin-Rezeptors) zugrunde. Ihre Prävalenz beträgt 1:10 000. Im Alltag sind die betroffenen Patienten symptomfrei. Die maligne Hyperthermie kann u. a. durch eine Narkose mit volatilen (= gasförmigen) Anästhetika oder durch das depolarisierende Muskelrelaxans Succinylcholin ausgelöst werden. Aus nicht geklärten Gründen kommt es unter der Narkose zu einer übermäßigen Akkumulation von Ca2+-Ionen im Zytoplasma der Muskelzellen. Diese kontrahieren krampfartig (Rigor der Muskulatur) und der Energiestoffwechsel der betroffenen Zellen wird extrem belastet. Neben dem charakteristischen Temperaturanstieg (Hyperthermie) entwickelt sich u. a. eine Laktatazidose. Dantrolen kann eine weitere Freisetzung von Ca2+-Ionen aus dem sarkoplasmatischen Retikulum unterbinden. Lange war die maligne Hyperthermie der am häufigsten tödlich verlaufende Narkosezwischenfall. Seit der Einführung des Dantrolens konnte die Letalität der malignen Hyperthermie auf unter 5 % gesenkt werden. Nitrovasodilatatoren (NO-Donatoren): Glycerintrinitrat (Glyceroltrinitrat) ist auch heute noch das Mittel der Wahl zur kurzfristigen Therapie eines Angina-pectoris-Anfalls. Die Schmerzen der Angina pectoris haben ihre Ursache in einer Verengung der Herzkranzgefäße. Aus dem Glycerintrinitrat wird Stickoxid (NO) freigesetzt, das eine Relaxation und somit eine Erweiterung der glatten Gefäßmuskulatur auslöst. NO bindet im Zytosol der glatten Muskelzellen an die Häm-Gruppe einer löslichen Guanylatzyklase (s. S. 546). Diese synthetisiert daraufhin cGMP, welches die Proteinkinase G (PKG) aktiviert. Die PKG hemmt die Muskelkontraktion über die Phosphorylierung zweier Substratproteine: Myosinphosphatase (Myosin light Chain Phosphatase, MLCP): Sie dephosphoryliert die regulatorische leichte Kette des Myosins und wird durch die PKG-vermittelte Phosphorylierung aktiviert. Inositoltriphosphat (IP3)-Rezeptor: Er bildet in der Membran des sarkoplasmatischen Retikulums der glatten Muskelzellen einen eigenständigen Ca2+-Kanal, der bei PKG-vermittelter Phosphorylierung geschlossen wird. Eine ähnliche Wirkung wie Glycerintrinitrat hat Isosorbiddinitrat. PDE5-Hemmer: Sildenafil, bekannt unter dem Firmennamen Viagra, hemmt gewebespezifisch die Phosphodiesterase PDE5, die in glatten Muskelzellen den Abbau des cGMP katalysiert. Sildenafil vermittelt dadurch eine Verstärkung der NO-abhängigen Gefäßdilatation. Inzwischen sind weitere PDE5Hemmer auf dem Markt.
773
774
G 1 Biochemie der Muskulatur
1.4
1.4
Muskelkrankheiten (Myopathien)
Muskelkrankheiten (Myopathien)
1.4.1 Myasthenia gravis
1.4.1 Myasthenia gravis
Bei der Myasthenia gravis kommt es aufgrund einer Autoimmunreaktion gegen die Acetylcholinrezeptoren der motorischen Endplatten zu einer Störung der neuromuskulären Übertragung.
Muskelkrankheiten können ihre Ursache in einer Störung der neuromuskulären Übertragung haben. Ein klassisches Beispiel ist die Myasthenia gravis, die sich in einer ungewöhnlichen Ermüdbarkeit der Muskeln äußert. Bei den meisten – aber nicht bei allen – Patienten treten die Symptome zuerst an den Augenmuskeln auf. Ursache ist eine Immunreaktion gegen die nikotinischen Acetylcholinrezeptoren der motorischen Endplatte (s. S. 789), woraufhin die Rezeptoren beschleunigt abgebaut werden. Myasthenia gravis ist also eine Autoimmunkrankheit. Im Blut zirkulieren IgG-Antikörper, die gegen den Rezeptor gerichtet sind.
1.4.2 Muskeldystrophien
1.4.2 Muskeldystrophien
Bei einer Duchenne-Dystrophie fehlt in den Muskelfasern das Protein Dystrophin, das normalerweise die Verankerung der Muskelfibrillen an der Plasmamembran der Muskelfasen vermittelt (Abb. G 1.7). Da sich das Gen des Dystrophins auf dem X-Chromosom befindet, sind von der Krankheit fast nur Jungen betroffen. Dystrophin ist ein extrem großes Protein von 427 kDa. Es ist Bestandteil eines größeren Komplexes mehrerer Proteine unmittelbar an der Plasmamembran. Siehe hierzu auch Fallbeispiel auf S. 774.
Die Muskeldystrophie vom Typ Duchenne ist wahrscheinlich die bekannteste erbliche Muskelkrankheit. Eine Muskeldystrophie äußert sich generell in einer fortschreitenden Degeneration der Muskelfasern. Bei einer Dystrophie vom Typ Duchenne fehlt in den Muskelfasern das Protein Dystrophin, das normalerweise die Verankerung der Muskelfibrillen an der Plasmamembran der Muskelfasern vermittelt (Abb. G 1.7). Da sich das Gen des Dystrophins auf dem X-Chromosom befindet, sind von der Krankheit fast nur Jungen betroffen. Dystrophin ist ein extrem großes Protein von 427 kDa. Es ist Bestandteil eines größeren Komplexes mehrerer Proteine unmittelbar an der Plasmamembran. Mit dem Dystrophin verbunden ist fibrilläres Aktin, das keine Funktion bei der Muskelkontraktion hat, sondern lediglich an der stabilen Verankerung der Muskelfibrillen innerhalb der Zellen beteiligt ist. Es bindet die Muskelfibrillen am äußeren Rand der Z-Scheiben. Wenn Dystrophin fehlt, ist zunächst die Funktion der Zellen beeinträchtigt, langfristig kommt es zu deren Untergang (Nekrose). Zur Muskeldystrophie vom Typ Duchenne siehe auch Fallbeispiel auf S. 774. Bei einer Muskeldystrophie vom Typ Becker ist Dystrophin zwar vorhanden, aber nur eingeschränkt funktionsfähig. Der Verlauf der Krankheit ist vergleichsweise gutartig.
Bei einer Becker-Dystrophie ist eingeschränkt funktionsfähiges Dystrophin vorhanden (Verlauf relativ gutartig).
G-1.7
G-1.7
Funktion des Proteins Dystrophin
integrale Membranproteine Plasmamembran
Dystrophin F-Aktin
Z-Scheibe
Myofibrille
Dystrophin dient der Verankerung der Muskelfibrillen an der Plasmamembran der Muskelfasern. Durch Mutationen im Dystrophin-Gen kann das Dystrophin komplett fehlen (DuchenneMuskeldystrophie) oder nur eingeschränkt funktionsfähig sein (Becker-Muskeldystrophie).
775
G 1.4 Muskelkrankheiten (Myopathien)
1.4.3 Metabolische Muskelkrankheiten
1.4.3 Metabolische Muskelkrankheiten
Zu den metabolischen Muskelkrankheiten zählen die Glykogenosen (s. S. 207). So war die erste exakt definierte metabolische Myopathie das McArdle-Syndrom, ein angeborener Defekt der Glykogenphosphorylase. Alle Glykogenosen äußern sich u. a. in einer Muskelschwäche. Myopathien können aber auch durch angeborene Störungen im Fettstoffwechsel verursacht sein, z. B. durch einen Defekt der Carnitin-Acyltransferase 1 oder 2. Mitunter liegt die Ursache einer Myopathie auch in einer Mutation im mitochondrialen Genom. Die Krankheit wird dann maternal vererbt.
Beispiele metabolischer Muskelkrankheiten sind die Glykogenosen.
1.4.4 Dilatative Kardiomyopathie
1.4.4 Dilatative Kardiomyopathie
▶ Definition.
Als Kardiomyopathien werden alle Erkrankungen des Herzmuskels bezeichnet, die mit einer Funktionsstörung einhergehen. Die dilatative Kardiomyopathie ist die bei Weitem häufigste Form der Kardiomyopathie. Im typischen Fall ist dabei v. a. der linke Ventrikel deutlich erweitert (dilatiert), oft sind aber auch der rechte Ventrikel und die Vorhöfe betroffen (Abb. G 1.8). In der Folge sind die Kontraktion und damit auch die Pumpfunktion des Herzens gestört. Oft lässt sich keine Ursache ermitteln. Vermutlich geht die Myopathie häufig auf eine Infektion des Herzmuskels zurück (Myokarditis). Als Erreger kommen sowohl Viren als auch Bakterien infrage. Neuere Untersuchungen haben gezeigt, dass dem Titin bei einer dilatativen Kardiomyopathie oft eine entscheidende Rolle zukommt: Im Herzmuskel der Patienten ist weniger Titin enthalten als im Herzmuskel gesunder Probanden. Außerdem werden die unterschiedlichen Isoformen des Titins bei dilatativer Kardiomyopathie in veränderten Mengenverhältnissen exprimiert (Titin-Isoform Shift). Wahrscheinlich spielen bei Veränderungen der Titin-Elastizität auch kovalente Modifikationen, etwa durch Phosphorylierungen, eine Rolle. Über die Aufklärung der Regulation dieser Prozesse sollte es in Zukunft möglich sein, auch die
G-1.8
Dilatative Kardiomyopathie
▶ Definition. Bei der dilatativen Kardiomyopathie sind Ventrikel und oft auch Vorhöfe des Herzens deutlich erweitert (Abb. G 1.8). Dadurch ist die Kontraktion und damit auch die Pumpfunktion des Herzens gestört. Oft findet man bei Betroffenen eine verminderte Titinexpression oder ein gegenüber Nichtbetroffenen verändertes Expressionsmuster der verschiedenen Titin-Isoformen.
G-1.8
Stark vergrößertes Herz mit Erweiterung aller Herzhöhlen (RöntgenThorax-Aufnahme, a.-p.-Strahlengang) (aus Baenkler et al., Duale Reihe Innere Medizin, Thieme, 2009).
Ursachen der dilatativen Kardiomyopathie besser zu verstehen.
776
G 1 Fallbeispiel
▶ Fallbeispiel: Muskeldystrophie Anamnese: Sebastian Neugebauer, ein 7-jähriger Junge, kommt mit seiner 35-jährigen Mutter in die Sprechstunde der Abteilung für Neuropädiatrie einer Kinderklinik. Sie stellen sich vor wegen nachlassender Leistung im Schulsport und zunehmenden Schwierigkeiten beim Treppensteigen, sodass Sebastian die elterliche Wohnung in der 2. Etage nur noch mit großer Mühe erreichen kann. Schmerzen hat Sebastian nicht. Die Beschwerden haben schleichend begonnen und sich über mehrere Jahre verstärkt, sind jedoch bisher nie ärztlich abgeklärt worden. Schwangerschafts- und Geburtsverlauf beschreibt die Mutter als unauffällig, wesentliche Vorerkrankungen sind nicht bekannt. Bei den bisherigen kinderärztlichen Vorsorgeuntersuchungen, von denen die letzte kurz vor Sebastians 2. Geburtstag stattgefunden hat (U7), war lediglich eine leichte motorische Entwicklungsverzögerung aufgefallen. Die vorgesehenen Untersuchungen im Alter von 4 und 6 Jahren (U8 und U9) wurden nicht wahrgenommen. Die Dokumentation der Entwicklung von Körperlänge und -gewicht zeigt einen Verlauf knapp unterhalb der 50. Perzentile mit geringen Schwankungen. Der Mutter ist aufgefallen, dass Sebastian – im Gegensatz zu seiner gesunden 6-jährigen Schwester – erst mit 2 Jahren Laufen gelernt hat. Noch heute fällt er häufiger hin. Zudem beschreibt sie ein ungewöhnliches Gangbild („Entengang“). Im Schulsport war Sebastian von Anfang an schlechter als die anderen Jungen der Klasse, jedoch war der Sportlehrerin die zunehmende Verschlechterung so auffällig vorgekommen, dass sie Frau Neugebauer zu einem Gespräch gebeten und ihr einen Besuch beim Kinderarzt empfohlen hatte. Körperliche Untersuchung: (Pseudo-)Hypertrophie der Wadenmuskulatur beidseits mit Verhärtung (Induration, Abb. G 1.9 c). Atrophie der Muskulatur im Bereich des Schulter- und Beckengürtels. Beim Aufstehen aus der Rückenlage dreht sich Sebastian zunächst auf den Bauch, nimmt eine Vierfüßlerstellung ein und stützt sich während des Aufrichtens mit den Händen an den Beinen ab (Gowers-Zeichen, Abb. G 1.9 a). Das Besteigen eines Hockers (in Höhe einer Treppenstufe) bereitet ihm große Mühe und ist nur mit Hilfestellung zum Abstützen möglich. Das Gangbild erscheint watschelnd und mühevoll. Die Wirbelsäule zeigt eine verstärkte Lendenlordose (Abb. G 1.9 b).
G-1.9
Beispiele für klinische Befunde bei DuchenneMuskeldystrophie (aus Sitzmann, Duale Reihe Pädiatrie, Thieme, 2007)
a
b
c
Laboruntersuchungen (Angaben der jeweiligen Normwerte in Klammern): Kreatinkinase (CK) 12 180 U/l (Normalbereich 31 – 152), entsprechend 203 μkatal/l; AspartatAminotransferase (AST = GOT) 942 U/l (Normalbereich < 50), entsprechend 15,7 μkatal/l; Alanin-Aminotransferase (ALT = GPT) 138 U/l (Normalbereich < 40), entsprechend 2,3 μkatal/l; Lactat-Dehydrogenase (LDH) 780 U/l (141 – 237) bzw. 13 μkatal/l.
▶
G
Elektromyografie (EMG): Verkürzte und erniedrigte, teils polyphasische Einzelpotenziale mit deutlicher Spontanaktivität auch in Ruhe, bereits bei leichter Anspannung dichtes Aktivitätsmuster. Bei maximaler Anspannung deutlich verminderte Amplitude des Summenpotenzials. Muskelbiopsie: Die einzelnen Muskelfasern unterscheiden sich deutlich in ihrem Kaliber. Ihre Form ist abgerundet, teilweise sind Kerne in Zellmitte zu sehen. Insgesamt sind relativ wenige Muskelfasern vorhanden, dafür deutlich verbreiterter Interzellularraum, teils mit Fettgewebseinsprengseln. Immunhistochemisch ist kein Dystrophin nachweisbar (Abb. G 1.10 b).
G-1.10
Immunhistochemischer Dystrophinnachweis (Immunfluoreszenz) (aus Sitzmann, Duale Reihe Pädiatrie, Thieme, 2007)
1 Fallbeispiel
777
Fragen mit biochemischem Schwerpunkt: 1. Wie lautet Sebastians genaue Diagnose? 2. Wie wird diese Krankheit vererbt? 3. Können auch Mädchen an einer Dystrophinopathie erkranken? 4. Inwiefern lassen die Laborwerte vermuten, dass es sich um eine Skelettmuskelerkrankung handelt? Antwortkommentare:
zu 1. Die Krankheit, an der Sebastian leidet, nennt man Muskeldystrophie Typ Duchenne. Es handelt sich um eine Mutation im Dystrophin-Gen, die dazu führt, dass kein oder nur noch sehr wenig Dystrophin in den Muskelzellen gebildet wird. Davon zu unterscheiden ist die Muskeldystrophie Typ Becker, die durch einen wesentlich milderen Verlauf, einen späteren Erkrankungsbeginn und eine höhere RestExpression von Dystrophin in den Muskelzellen gekennzeichnet ist. Da beide Krankheiten durch Mutationen im Dystrophin-Gen verursacht sind, fasst man sie auch als Dystrophinopathien zusammen. zu 2. Das Dystrophin-Gen ist auf dem X-Chromosom lokalisiert. Zum Ausbruch der Krankheit kommt es nur, wenn kein intaktes Dystrophin-Allel mehr vorhanden ist. Dies ist bei Söhnen einer Konduktorin mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa 50 % der Fall (X-chromosomal-rezessiver Erbgang).
a
b a Bei normalen Muskelfasern ist Dystrophin als heller Randsaum nachweisbar. b Bei Duchenne-Muskeldystrophie fehlt Dystrophin.
zu 3. Dies ist praktisch nahezu unmöglich. Es müssten dafür ein erkrankter männlicher Jugendlicher und eine Konduktorin eine Tochter zeugen, die dann mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa 50 % erkrankt wäre. Aufgrund der geringen Lebenserwartung der betroffenen Jungen (Tod meist im 2. Lebensjahrzehnt) haben diese meist keine Nachkommen. zu 4. Einen wichtigen Hinweis gibt bereits die stark erhöhte CK-Aktivität. Diese kann durch einen Herzmuskelschaden wegen der geringen Masse nicht erzeugt werden. Zu erwarten ist bei Sebastian, dass fast die gesamte CK-Aktivität dem Isoenzym MM (für Muskel) zuzuordnen ist. Die LDH und GOT sind bei Skelettmuskelerkrankungen ebenfalls erhöht, jedoch typischerweise in geringerem Ausmaß als die CK. Besonders starke CK-Erhöhungen kommen neben der Muskeldystrophie bei anderen Erkrankungen mit starker Muskelfaserschädigung oder -untergang (Rhabdomyolyse, Krampfanfall, Polytrauma) sowie bei Muskelentzündungen (Myositiden) vor.
G © Sebastian Kaulitzki – Fotolia
G 2 Neurochemie
2 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7 2.8 2.9
2.1
Einführung
▶ Definition. Die Erforschung des Nervensystems ist das Projekt der Neurowissenschaften.
2.2
Energiestoffwechsel des Nervensystems
Das Gehirn hat am Körpergewicht einen Anteil von 2 %, verbraucht aber 15 % des vom Organismus aufgenommenen Sauerstoffs. Als Energielieferant dient bei normaler Ernährung fast ausschließlich Glucose (120 – 140 g pro Tag).
▶ Merke. Bei längerem Hungern stellt sich der Stoffwechsel des Gehirns um und deckt dann einen Teil seines Energiebedarfs über den Abbau von Ketonkörpern. Fettsäuren werden vom Stoffwechsel des Gehirns weder bei normalen Ernährungsbedingungen noch im Fasten zur Energiegewinnung genutzt. Der Energieumsatz des gesamten Gehirns beträgt etwa 15 Watt.
Der für den Energiestoffwechsel des Gehirns entscheidende Transport von Glucose wird in den Membranen der Endothelzellen von GLUT1 vermittelt. Insulin hat auf die Transportkapazität des GLUT1-Systems keinen Einfluss.
2.1
Neurochemie Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Energiestoffwechsel des Nervensystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gliazellen und Myelin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schrankensysteme des ZNS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ionenkanäle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Synapsen, motorische Endplatte und nicotinischer Acetylcholinrezeptor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neurotransmitter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wichtige Erkrankungen des ZNS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sinnesorgane und Sinneszellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
778 778 779 781 782 789 793 802 809
Einführung
▶ Definition.
Neurochemie ist die Biochemie des Nervensystems.
Das Nervensystem des Menschen ist das komplizierteste Objekt, das im Universum bekannt ist. Niemand weiß, wie die ca. 1014 Synapsen des Gehirns miteinander verschaltet sind, und es wird einem Menschen niemals möglich sein, sich die 1014 Verschaltungen seines Gehirns mit einem Schema so vor Augen zu führen wie etwa die Reaktionen der Glykolyse. Die Erforschung des Nervensystems ist das Projekt der Neurowissenschaften, Vertreter vieler unterschiedlicher Fachbereiche sind daran beteiligt, u. a. auch Biochemiker. Einige molekulare Aspekte des Themas sollen hier in ihren Grundzügen erläutert werden.
2.2
Energiestoffwechsel des Nervensystems
Das Gehirn hat am Körpergewicht des Menschen zwar nur einen Anteil von 2 %, es verbraucht aber 15 % des vom Organismus aufgenommenen Sauerstoffs. Als Substrat der Energiegewinnung dient im Gehirn bei normaler Ernährung nahezu ausschließlich Glucose. Pro Tag werden vom Gehirn 120 – 140 g Glucose benötigt, was etwa 40 % der mit der Nahrung aufgenommenen Kohlenhydrate entspricht. Die Glucose wird durch Glykolyse und Citratzyklus bis zum CO2 oxidiert.
▶ Merke.
Das Gehirn besitzt nur geringe Glykogenreserven und ist deshalb auf eine permanente Zufuhr von Glucose angewiesen. Bei längerem Hungern stellt sich der Stoffwechsel des Gehirns teilweise um und deckt dann einen erheblichen Teil seines Energiebedarfs über den Abbau von Ketonkörpern (Acetoacetat und β-Hydroxybutyrat, s. S. 242). Der Verbrauch an Glucose wird dadurch auf ca. 80 g/Tag reduziert. Wenn die benötigten Mengen an Glucose weder durch die Verdauung noch durch den Abbau der Glykogenspeicher der Leber bereitgestellt werden können, müssen entsprechende Glucosemengen von der Leber und von der Niere durch Gluconeogenese gebildet werden. Fettsäuren können die Blut-Hirn-Schranke (s. S. 781) nicht passieren und werden vom Stoffwechsel des Gehirns weder bei normalen Ernährungsbedingungen noch im Fasten zur Energiegewinnung genutzt. Der Energieumsatz des gesamten Gehirns beträgt etwa 15 Watt (dies entspricht dem Energiebedarf einer durchschnittlichen Kühlschrankinnenbeleuchtung). Der für den Energiestoffwechsel des Gehirns entscheidende Transport von Glucose wird in den Membranen der Endothelzellen von GLUT1 vermittelt (s. S. 781). Die Affinität des GLUT1 für Glucose ist relativ hoch, eine halbmaximale Sättigung des Proteins ist bereits bei einer Glucosekonzentration von ca. 1 mM erreicht. Da die Glucosekonzentration im Blut bei 5 mM liegt, arbeitet GLUT1 ständig mit maxima-
G
ler Transportgeschwindigkeit. Insulin hat auf die Transportkapazität dieses Systems keinen Einfluss. Auch die Astrozyten, die Glucose an die Nervenzellen weiterleiten, besitzen GLUT1Proteine. Teilweise wird die aufgenommene Glucose in den Astrozyten in Form von Glykogen gespeichert. Beim Abbau von Glucose beschränken sich Astrozyten weitgehend auf die Glykolyse. Das gebildete Lactat wird von ihnen an die benachbarten Nervenzellen abgegeben, wo es in den Mitochondrien zu CO2 oxidiert wird. Nervenzellen nehmen als Grundlage ihres Energiestoffwechsels sowohl Lactat als auch Glucose auf. Als Transportsystem für Glucose dient ihnen GLUT3.
2.3
779
2.3 Gliazellen und Myelin
Gliazellen und Myelin
Astrozyten besitzen ebenfalls GLUT1. Nervenzellen haben GLUT3-Proteine.
2.3
Gliazellen und Myelin
Das Nervensystem setzt sich aus Nervenzellen (Neuronen; im ZNS ca. 1011) und Gliazellen (im ZNS ca. 1012) zusammen.
Das Nervensystem besteht aus Nervenzellen und Gliazellen.
2.3.1 Gliazellen
2.3.1 Gliazellen
▶ Definition.
Gliazellen bilden das Hüll- und Stützgewebe des Nervensystems und sind auch nach der Pränatalperiode vermehrungsfähig (im Gegensatz zu den Nervenzellen).
▶ Definition.
Gliazellen im peripheren Nervensystem sind im Wesentlichen Schwann-Zellen. Diese bilden die Myelinscheiden der Neurone. Eine Schwann-Zelle umhüllt das Axon eines Neurons auf einer Länge von 0,5 – 2 mm. Benachbarte Schwann-Zellen reihen sich nicht unmittelbar aneinander sondern sind durch kleine Zwischenräume voneinander abgetrennt (Ranvier-Schnürringe).
Gliazellen im peripheren Nervensystem: v. a. Schwann-Zellen.
Gliazellen im zentralen Nervensystem: Astrozyten sind die häufigsten Gliazellen des ZNS. Mithilfe ihrer vielen dünnen Fortsätze stellen sie Verbindungen zwischen Neuronen und Blutkapillaren her. Sie vermitteln den Transport vieler Stoffe und kontrollieren die Zusammensetzung der Extrazellularflüssigkeit. Besonders wichtig ist ihr Beitrag zur Aufrechterhaltung physiologischer K+-Konzentrationen, die für die Funktion der Neurone essenziell sind. Astrozyten sind zudem fähig, durch Endozytose verschiedene Stoffe und Partikel aufzunehmen. Oligodendrozyten bilden die Myelinscheiden des ZNS. Im Gegensatz zu den Schwann-Zellen ist ein Oligodendrozyt durch die Bildung mehrerer langer Zellfortsätze in der Lage, sich an der Bildung der Myelinscheiden mehrerer nahe beieinander liegender Neurone zu beteiligen. Ependymzellen bilden das Epithel, das die inneren Hohlräume des ZNS auskleidet. Die meisten Ependymzellen tragen Kinozilien. Spezielle Ependymzellen bilden das Epithel der Plexus choroidei. Diese sind zarte, zottenreiche Gebilde, die in den Ventrikeln des Gehirns den Liquor cerebrospinalis bilden. Mikroglia ist der übliche Name für die Makrophagen des Gehirns. Da andere Leukozyten normalerweise im Gehirn nicht vorhanden sind, repräsentiert die Mikroglia das Immunsystem des Gehirns. Lymphozyten wandern nur bei Entzündungen in das neuronale Gewebe ein.
Gliazellen im ZNS: Astrozyten stellen Verbindungen zwischen Neuronen und Blutkapillaren her. Funktionen: Transport vieler Stoffe, Kontrolle der Zusammensetzung der Extrazellularflüssigkeit, Phagozytose.
2.3.2 Myelin
2.3.2 Myelin
Das Myelin der Axone wird im zentralen Nervensystem von Oligodendrozyten gebildet. Diese bilden große Zellausläufer, die sich vielfach um die benachbarten Axone winden. Die Myelogenese beginnt zwar in der Fetalzeit, zieht sich dann aber über viele Jahre hin. Bei der Geburt sind viele Faserzüge noch unreif oder gar nicht myelinisiert. Erst nach etwa 2 Jahren ist die Myelogenese weitgehend abgeschlossen. Die Membranen, aus denen die Myelinscheiden aufgebaut sind, enthalten einen auffällig geringen Anteil an Proteinen. Während der Anteil der Proteine an der Trockenmasse der meisten Plasmamembranen bei 50 % liegt, beträgt der Anteil in den Myelinscheiden nur 20 %. In elektronenmikroskopischen Bildern erscheinen die Membranen deshalb als helle Linien, das proteinreiche Zytosol der Oligoden-
Das Myelin der Axone wird im zentralen Nervensystem von Oligodendrozyten gebildet. Die Myelogenese beginnt zwar in der Fetalzeit, zieht sich dann aber über viele Jahre hin. Bei der Geburt sind viele Faserzüge noch nicht myelinisiert. Der Anteil der Proteine an der Trockenmasse der Myelinscheiden beträgt nur 20 % (in den meisten Plasmamembranen hingegen 50 %), weshalb Myelinscheiden im Elektronenmikroskop hell erscheinen (Abb. G 2.1).
Oligodendrozyten bilden die Myelinscheiden des ZNS.
Ependymzellen kleiden die inneren Hohlräume des ZNS aus und bilden als Epithel der Plexus choroidei den Liquor cerebrospinalis. Mikroglia sind die Makrophagen des Gehirns.
780 G-2.1
G 2 Neurochemie
G-2.1
Proteine der Myelinscheide Zytosol Membran Proteolipid-Protein (PLP) Membran Zytosol
Basische Myelinproteine (MBP)
Membran Myelin-assoziiertes Glykoprotein (MAG) Membran Zytosol Streifung in EM-Aufnahmen
Lokalisation der Proteine
drozyten erscheint hingegen als dunkle Linie (Abb. G 2.1). Der Abstand der Plasmamembranen beträgt in der Myelinscheide nur ca. 12 nm, sodass der Raum für das Zytosol sehr eng begrenzt ist. Proteine des ZNS-Myelins: Proteolipid-Protein (PLP) ist das häufigste Protein der Myelinmembranen. Homophile Bindungen zwischen den PLP gegenüberliegender Membranen tragen zum Zusammenhalt der Myelinscheide bei. Myelin-assoziiertes Glykoprotein (MAG) Myelin-Oligodendrozyten-Glykoprotein (MOG) Die basischen Myelinproteine (MBP) sind zytosolische Proteine. Sie stellen ca. 1/3 des Myelinproteins. Nogo-Protein (s. Exkurs). Das Myelin des peripheren Nervensystems enthält z. T. die gleichen Proteine (z. B. MBP) wie das des ZNS. Die Funktion des PLP wird vom Protein P0 wahrgenommen.
▶ Exkurs.
Wichtige Proteine des ZNS-Myelins: Das Proteolipid-Protein (PLP) ist das bei weitem häufigste Protein der Myelinmembranen. Es ist mit vier α-Helices in den Membranen verankert und zum extrazellulären Raum exponiert. Die Proteolipid-Proteine einander gegenüberliegender Membranen bilden homophile Bindungen und tragen so zum Zusammenhalt der Myelinscheide bei. Das Myelin-assoziierte Glykoprotein (MAG) stellt demgegenüber nur einen kleinen Teil des Myelinproteins. Das Myelin-Oligodendrozyten-Glykoprotein (MOG) stellt ebenfalls nur einen kleinen Teil des Myelinproteins. Die basischen Myelinproteine (myelin basic proteins, MBP) sind die bekanntesten Proteine des Myelins. Im Gegensatz zu den zuvor genannten Proteinen sind sie zytosolische Proteine und somit an der Außenseite der Membranen nicht zugänglich. Sie stellen etwa 1/3 des gesamten Myelinproteins. Das Nogo-Protein ist an der Regulation der Regeneration von Nervenzellen beteiligt (s. Exkurs). Das Myelin des peripheren Nervensystems enthält teilweise die gleichen, teilweise aber auch andere Proteine. So sind die basischen Myelinproteine in allen Teilen des Nervensystems enthalten, hingegen ist das PLP auf das ZNS beschränkt. Die Funktion des PLP wird im peripheren Nervensystem von dem Protein P0 (Protein zero) wahrgenommen.
▶ Exkurs.
Regeneration von Nervenzellen Wenn im ZNS Axone durchtrennt werden, bilden sich zwar neue Axone, diese können ihre Zielorgane aber nicht erreichen, da ihr Wachstum bei Kontakt mit dem Protein Nogo unterdrückt wird. Nogo aktiviert in der Membran der Nervenzellen einen Nogo-Rezeptor, der unter Vermittlung des GTP-bindenden Proteins RhoA das Axon-Wachstum hemmt. Die Entdeckung des Nogo-Proteins wirft die Frage auf, ob bei einer Querschnittlähmung eine Regeneration der Bahnen des Rückenmarks durch Inaktivierung von Nogo induziert werden könnte. Tatsächlich lässt sich in Versuchstieren durch Injektion von Antikörpern gegen Nogo eine Regeneration von Neuronen des Rückenmarks auslösen. An der Regulation der Axone sind allerdings noch weitere Proteine beteiligt. So erkennt der Nogo-Rezeptor neben Nogo auch das Myelin-assoziierte Glykoprotein (MAG) und das Myelin-Oligodendrozyten-Glykoprotein (MOG). Jedes dieser Proteine ist in der Lage, in den Nervenzellen eine Aktivierung von RhoA und eine Hemmung des Wachstums auszulösen. Die Schwann-Zellen des peripheren Nervensystems üben auf wachsende Neurone keine Hemmung aus. Nach einer Verwundung orientieren sich die vom Zellkörper neu auswachsenden Axone vielmehr an den Schwann-Zellen der Nerven. Wenn durch Schwann-Zellen eine kontinuierliche Verbindung vorgegeben ist, werden die Zielorgane nach einiger Zeit wieder innerviert.
781
G 2.4 Schrankensysteme des ZNS
2.4
Schrankensysteme des ZNS
2.4.1 Blut-Hirn-Schranke
Schrankensysteme des ZNS
2.4.1 Blut-Hirn-Schranke
▶ Definition. Als Blut-Hirn-Schranke (engl. blood-brain barrier, BBB) fasst man die Strukturen zusammen, die das neuronale Gewebe des Gehirns vom Blut trennen. Aufbau: Lange Zeit nahm man an, dass die Blut-Hirn-Schranke von Astrozyten gebildet wird. Grundlage dieser Vermutung war die Beobachtung, dass die Astrozyten mit ihren Fortsätzen sämtliche Blutkapillaren des Gehirns lückenlos umschließen. Im lichtmikroskopischen Bild erscheint die Umhüllung durch die dünnen Ausläufer der Astrozyten wie eine dichte Membran (Membrana limitans gliae perivascularis). Inzwischen geht man davon aus, dass die Blut-Hirn-Schranke tatsächlich ausschließlich von den Endothelzellen der Blutkapillaren gebildet wird (Abb. G 2.2). Die Endothelien des Gehirns sind ungefenstert, und alle Endothelzellen sind untereinander durch Tight Junctions miteinander verbunden. Die Kapillaren des Gehirns haben insgesamt eine Länge von ca. 650 km sowie eine Oberfläche von ca. 12 m2.
G-2.2
2.4
▶ Definition.
Aufbau: Die Blut-Hirn-Schranke wird von den Endothelzellen der Blutkapillaren gebildet (Abb. G 2.2). Die Endothelien des Gehirns sind ungefenstert und alle Endothelzellen sind durch Tight Junctions miteinander verbunden.
Blut-Hirn-Schranke (nach Klinke et al., Physiologie, Thieme, 2010)
G-2.2
Blut
Tight Junction Basalmembran Astrozytenfortsatz
Blut
Endothelzellen enthalten: · P-Glykoprotein · Multi-drug Resistance Proteins · Enzyme der Biotransformation · GLUT-1 (→ Transport von Glucose) · weitere Transportproteine, u. a. für Aminosäuren (→ Transport von L-DOPA)
Hirngewebe
▶ Klinik. In der Klinik ist es in vielen Situationen ein Problem, dass das Gehirn für
▶
Klinik.
viele Medikamente nicht in dem Maße zugänglich ist wie andere Gewebe des Körpers. Die Blut-Hirn-Schranke ist sehr dicht, sodass viele Medikamente trotz dieser großen Oberfläche aus dem Blut nicht in das neuronale Gewebe vordringen können. Bei den meisten Medikamenten, für die eine hinreichende Permeabilität gegeben ist, handelt es sich um lipidlösliche Stoffe von vergleichsweise geringer Masse. Eine wichtige Ausnahme ist das L-DOPA, ein ausgesprochen hydrophiler Stoff, der als Vorstufe von Dopamin zur Therapie der Parkinson-Krankheit eingesetzt wird (s. S. 806). Der Transport des L-DOPA wird von Membranproteinen ermöglicht, die normalerweise den Transport von Aminosäuren vermitteln. Auch einige Transportproteine (Multidrug Transporters) in der Plasmamembran der Endothelzellen spielen eine wichtige Rolle. Viele Stoffe, die von den Endothelzellen aufgenommen werden, gelangen nicht (!) ins Nervengewebe, da sie mithilfe dieser Transportproteine schnell wieder an das Blut abgegeben werden: P-Glykoprotein (Pgp): Das P-Glykoprotein ist ein vergleichsweise großes Protein (170 kDa). Es ist mit 12 membranspannenden α-Helices in die Plasmamembran eingebettet und enthält zudem zwei ATP-bindende Domänen. Das P-Glykoprotein nutzt die Energie des ATP, um Stoffe aktiv aus der Zelle herauszupumpen. Nachdem die Funktion des P-Glykoproteins erkannt worden war, erhielt das kodierende Gen den Namen MDR1 (Multidrug Resistance 1). Multidrug Resistance Proteins (MRP): Auch die Proteine der MRP-Familie sind am ATP-abhängigen Export von Medikamenten aus Endothelzellen beteiligt. In ihren
Viele Stoffe werden von den Endothelzellen aufgenommen, jedoch von Transportproteinen schnell wieder an das Blut abgegeben: P-Glykoprotein (Pgp) besitzt 12 membranspannende α-Helices und zwei ATPbindende Domänen. Es nutzt die Energie des ATP, um Stoffe aktiv aus der Zelle herauszupumpen.
Multidrug Resistance Proteins (MRP) zeigen Ähnlichkeiten zum P-Glykoprotein,
782 in der Primärstruktur sind aber nur 15 % der Aminosäuren identisch.
G 2 Neurochemie
Zum Glucosetransport s. S. 778.
Strukturen zeigen sie Ähnlichkeiten zum P-Glykoprotein. In der Primärstruktur sind allerdings nur 15 % der Aminosäuren identisch. Einige der Multidrug Resistance Proteins sind auch unter dem Namen „multispecific organic anion transporters“ (MOAT) bekannt. P-Glykoprotein und Multidrug Resistance Proteins werden auch in vielen anderen Geweben exprimiert. Viele Tumorzellen zeigen aufgrund einer erhöhten Expression derartiger Proteine eine verringerte Empfindlichkeit gegenüber Zytostatika. Die Endothelzellen des Gehirns enthalten zudem viele Enzyme der Biotransformation, die einen intrazellulären Abbau vieler Stoffe ermöglichen (s. S. 718). U.a. findet man Cytochrom-P-450-Isoenzyme, UDP-Glucuronyltransferase und Glutathion-STransferase. Zum Transport von Glucose s. S. 778.
2.4.2 Blut-Liquor-Schranke (inkl. Liquor)
2.4.2 Blut-Liquor-Schranke (inkl. Liquor)
P-Glykoprotein und MRP werden auch in vielen anderen Geweben exprimiert. Die Endothelzellen des Gehirns enthalten zudem viele Enzyme der Biotransformation.
▶ Definition. Der Liquor cerebrospinalis wird von den Plexus choroidei gebildet und ähnelt in der Zusammensetzung seiner Ionen dem Blutplasma. Die Proteinkonzentration ist gering, die Glucosekonzentration beträgt ca. 3,3 mM.
Die Blut-Liquor-Schranke wird von den Ependymzellen und ihren Tight Junctions gebildet.
▶
2.5
Klinik.
Ionenkanäle
2.5.1 Struktur und Funktion der Ionenkanäle Das Ruhepotenzial entsteht auf der Grundlage selektiver Ionenpermeabilitäten der Plasmamembran. K+-Ionen folgen ihrem Konzentrationsgefälle und diffundieren von der Innenseite zur Außenseite der Plasmamembran. Die Selektivität der Ionenkanäle bringt es mit sich, dass nicht im gleichen Umfang negativ geladene Ionen folgen können.
▶ Definition.
Als Blut-Liquor-Schranke fasst man die Strukturen zusammen, die die liquorgefüllten Hohlräume des Gehirns vom Blut trennen. Der Liquor cerebrospinalis (Gesamtvolumen ca. 140 ml) ist eine klare Flüssigkeit, die alle Ventrikel und den Subarachnoidalraum ausfüllt sowie Gehirn und Rückenmark umgibt. Er wird in den Plexus choroidei produziert und täglich etwa 4-mal erneuert (Tagesproduktion ca. 600 ml). In der Zusammensetzung seiner Ionen ähnelt der Liquor dem Blutplasma. Die Konzentration an Proteinen beträgt hingegen weniger als 1 % des Plasmaproteingehaltes. Glucose ist im Liquor in einer Konzentration von ca. 3,3 mM gelöst (ca. 66 % des Blutglucosespiegels). Die Blut-Liquor-Schranke wird nicht von den Endothelien gebildet (in den Plexus choroidei ist das Endothel der Blutgefäße gefenstert!), sondern von den Ependymzellen und ihren Tight Junctions.
▶ Klinik. Für diagnostische Untersuchungen gewinnt man Liquor im Rahmen einer Lumbalpunktion. Dazu wird zwischen den Lendenwirbeln 3 und 4 eine dünne Kanüle bis in den Subarachnoidalraum eingeführt. Liquor muss z. B. bei Verdacht auf eine Hirnhautentzündung untersucht werden. Der Liquor kann dann neutrophile Granulozyten (Eiter-Zellen), Bakterien oder Viren enthalten. Liquor kann auch maligne Zellen enthalten, die Hinweise auf einen Tumor geben. Vom Liquor können Stoffe leichter in das Nervengewebe übertreten als vom Blut. Die Liquor-Hirn-Schranke ist also vergleichsweise durchlässig. Diesen Umstand nutzt man z. B. bei der Behandlung von Primärtumoren und Tumormetastasen des Gehirns aus, indem man die Zytostatika durch Lumbalpunktion in den Liquorraum injiziert („intrathekal“).
2.5
Ionenkanäle
2.5.1 Struktur und Funktion der Ionenkanäle Neurone zeigen ein Ruhepotenzial von ca. – 70 mV, wobei das Zellinnere relativ zur Außenseite negativ geladen ist. Das Ruhepotenzial entsteht auf der Grundlage selektiver Ionenpermeabilitäten der Plasmamembran. Die Na+-K+-ATPase ist zunächst erforderlich, um Na+-Ionen aus der Zelle heraus- und K+-Ionen hineinzupumpen. Entscheidend ist nun das Gefälle zwischen der hohen intrazellulären K+-Konzentration (ca. 150 mM) und der niedrigen extrazellulären K+-Konzentration (ca. 4 mM). K+-Ionen folgen dem Konzentrationsgefälle und diffundieren von der Innenseite zur Außenseite der Plasmamembran. Die Selektivität der Ionenkanäle bringt es mit sich, dass nicht im gleichen Umfang negativ geladene Ionen folgen können. So kommt es zu einer negativen Aufladung der Innenseite, während die Außenseite der Membran eine positive Ladung erhält. An der für das Membranpotenzial entscheidenden Verteilung der Ionen an der Membran ist die Na+-K+-ATPase unmittelbar nicht mehr beteiligt. Ihr Beitrag zum Ruhepotenzial ist nahezu vernachlässigbar. Auch der Beitrag der Na+-Ionen zum Ruhepotenzial ist vergleichsweise gering.
G
▶ Merke.
783
2.5 Ionenkanäle
Das Ruhepotenzial ist im Wesentlichen ein Kaliumdiffusionspotenzial.
▶ Merke.
Folgende Typen von Ionenkanälen sind an den physiologischen Reaktionen beteiligt: spannungsunabhängige Kaliumkanäle spannungsgesteuerte Natriumkanäle spannungsgesteuerte Kaliumkanäle spannungsgesteuerte Ca2+-Kanäle
Typen von Ionenkanälen: spannungsunabhängige Kaliumkanäle spannungsgesteuerte Kanäle für Na+, K+, Ca2+
Spannungsunabhängige Kaliumkanäle (= Leckkanäle = Sickerkanäle) ermöglichen die Diffusion der K+-Ionen. Sie bestehen aus Dimeren von zwei unterschiedlichen α-Untereinheiten, die sich in ihrer Struktur aber sehr ähnlich sind (Abb. G 2.3). Jede α-Untereinheit ist mit vier Transmembransegmenten in der Plasmamembran verankert. N- und C-Terminus befinden sich im Zytosol.
Spannungsunabhängige Kaliumkanäle ermöglichen die Diffusion der K+-Ionen. Es sind Dimere homologer α-Untereinheiten (Abb. G 2.3). Jede Untereinheit enthält vier Transmembransegmente.
G-2.3
Struktur spannungsunabhängiger Kaliumkanäle
G-2.3
P-Schlaufen (P-Loops)
außen
Transmembransegmente (α-Helices) innen C N
C
N
Spannungsunabhängige Kaliumkanäle sind Dimere zweier homologer α-Untereinheiten. Jede α-Untereinheit enthält vier Transmembransegmente. Die vier dunkel gezeichneten Helices sind vermutlich unmittelbar an der Bildung der Pore beteiligt (vgl. Abb. G 2.6, S. 786). Die P-Schlaufen bestimmen die Spezifität für Kalium-Ionen.
▶ Merke.
Für das Membranpotenzial sind nur die Ionen entscheidend, die sich in unmittelbarer Nähe der Innen- und Außenseite der Membran befinden. Ihre Zahl ist verschwindend gering gegenüber der Gesamtzahl der Ionen in einer Zelle. In einer kugeligen Zelle von 10 μm Durchmesser fließen bei einer Membranpotenzialänderung von 100 mV nur 1 Hunderttausendstel der Kalium-Ionen durch die Kanäle der Plasmamembran. Die intrazellulären Ionenkonzentrationen bleiben dabei praktisch unverändert!
Spannungsgesteuerte (voltage-gated = spannungsabhängige) Natriumkanäle: Wenn das Membranpotenzial durch einen Eingriff von außen von – 70 mV auf einen Schwellenwert (engl. threshold) von etwa – 50 mV erniedrigt wird, antwortet ein intaktes Neuron mit einem Aktionspotenzial. Dabei öffnen sich spannungsgesteuerte Natriumkanäle kurzzeitig und erlauben für weniger als 1 ms den Einstrom von Na+-Ionen (Abb. G 2.4 a). Die Na+-Ionen folgen dabei ihrem Konzentrationsgradienten (außen ca. 150 mM, innen ca. 12 mM). Das Membranpotenzial geht durch den Einstrom der Na+-Ionen sofort verloren und kehrt sich für einen kurzen Moment sogar um, da die positiv geladenen Na+-Ionen die Innenseite der Plasmamembran positiv aufladen (ca. +50 mV). Die Phase zwischen dem Überschreiten des Schwellenwertes und dem Maximum des Aktionspotenzials wird in der Elektrophysiologie als Aufstrich bezeichnet. Die Kanäle bestehen aus einer kanalbildenden großen α-Untereinheit sowie einer oder auch mehreren kleinen regulatorischen β-Untereinheiten. Die α-Untereinheit enthält vier Domänen, die jeweils mit sechs membranspannenden α-helikalen Segmenten in der Membran verankert sind (Abb. G 2.4 b). Sie besteht aus 1800 – 2000 Aminosäuren. Durch einen kurzzeitigen Wechsel im Membranpotenzial kann in einem spannungsgesteuerten Natriumkanal ein kleines ionenpermeables Tor (engl. gate) geöffnet werden, das sich dann aber schnell wieder schließt. Das Öffnen und Schließen der Ionenkanäle wird als Gating bezeichnet.
▶ Merke.
Spannungsgesteuerte (voltage-gated) Natriumkanäle: Wenn das Membranpotenzial von – 70 mV auf einen Schwellenwert von etwa – 50 mV erniedrigt wird, antwortet ein Neuron mit einem Aktionspotenzial. Dabei öffnen sich spannungsgesteuerte Natriumkanäle kurzzeitig. Die Na+-Ionen folgen ihrem Konzentrationsgradienten und strömen in die Zelle ein (Abb. G 2.4 a).
Die Kanäle bestehen aus einer kanalbildenden großen α-Untereinheit sowie einer oder auch mehreren kleinen regulatorischen βUntereinheiten. Die α-Untereinheit enthält vier Domänen, die jeweils mit sechs membranspannenden Segmenten in der Membran verankert sind (Abb. G 2.4 b). Sie besteht aus 1800 – 2000 Aminosäuren.
784
G 2 Neurochemie
G-2.4
Spannungsgesteuerte Natriumkanäle
G-2.4
Zeit (ms) 1 2
0
3
4
5
Aktionspotenzial 0
a
Kalium-Leckleitfähigkeiten
– 70
Repolarisation
– 40
Depolarisation
repolarisierende depolarisierende Membranpotenzial (mV) Leitfähigkeiten Leitfähigkeiten (g)
+ 40
gNa
6
a Zeitlicher Verlauf eines Aktionspotenzials in einer Nervenzelle sowie der zugrundeliegenden relativen Ionenleitfähigkeiten (nach Klinke, Pape, Silbernagl; Physiologie, Thieme, 2005).
gCa
gK
V
gKCa
gK2P
gK IR
P-Schlaufen bestimmen in der Pore die Selektivität für Natrium-Ionen I
II
III
IV außen Membran
N b
Das S4-Segment jeder Domäne dient als Spannungssensor, das S6-Segment jeder Domäne ist unmittelbar an der Bildung der Pore beteiligt.
innen C Die Schlaufe zwischen den Domänen III und IV blockiert die Pore während der Refraktärzeit von innen.
Die Kanäle durchlaufen drei Zustände: geschlossen (aber aktivierbar) offen inaktiv
Spannungsgesteuerte Natriumkanäle durchlaufen dabei drei Zustände: In der Phase des Ruhepotenzials sind die Kanäle geschlossen, potenziell aber aktivierbar. Die Öffnung des Na+-Kanals wird durch einen depolarisierenden Spannungssprung induziert. Der Kanal bleibt für etwa 1 ms geöffnet. Während dieser Zeit strömen 5000 – 10 000 Na+-Ionen durch den Kanal in die Zelle. Der Kanal schließt sich und geht für eine Refraktärzeit von ca. 2 ms in einen inaktiven Zustand über. Während dieser Zeit lässt sich der Kanal nicht erneut öffnen. Damit ist auch die Reizbarkeit des Neurons blockiert. Eine erneute Reizung ist erst anschließend wieder möglich.
Spannungsgesteuerte Kaliumkanäle sind maßgeblich an der Repolarisation beteiligt und bestehen aus vier α-Untereinheiten, die jeweils sechs membranspannende α-Helices besitzen (Abb. G 2.5).
Spannungsgesteuerte Kaliumkanäle: Die Rückkehr der Zelle zum Ruhepotenzial wird als Repolarisation bezeichnet. Sie wird zum einen durch die Inaktivierung der Natriumkanäle, zum anderen durch die verzögert einsetzende Öffnung spannungsgesteuerter Kaliumkanäle hervorgerufen. Diese bestehen aus vier α-Untereinheiten, die jeweils mit sechs membranspannenden α-Helices in der Membran verankert sind. Sie repräsentieren also einen anderen Typ als die α-Untereinheiten der spannungsunabhängigen Kaliumkanäle. Es fällt auf, dass sich bei der Zusammenlagerung der vier α-Untereinheiten der spannungsgesteuerten Kaliumkanäle letztlich eine Struktur ergibt, die den spannungsgesteuerten Natriumkanälen sehr ähnlich ist (Abb. G 2.5).
G
G-2.5
Untereinheiten eines spannungsgesteuerten Kaliumkanals
I
II
III
785
2.5 Ionenkanäle
G-2.5
IV außen
innen C
C N
N
C
C N
N
Spannungsgesteuerte Kaliumkanäle bestehen aus vier α-Untereinheiten. Die globulären Strukturen der N-Termini verschließen gegen Ende des Aktionspotenzials kurzzeitig den Eingang der Pore.
Spannungsgesteuerte Calciumkanäle: Wenn Aktionspotenziale eine Synapse erreichen, lösen sie dort an der präsynaptischen Membran die Öffnung spannungsgesteuerter Ca2+-Kanäle aus. Die intrazellulär steigende Ca2+-Konzentration dient dann als Auslöser für die Ausschüttung von Neurotransmittern (s. S. 793). Die Struktur spannungsgesteuerter Ca2+-Kanäle hat große Ähnlichkeit mit der spannungsgesteuerter Na+-Kanäle. Ihre α-Untereinheiten enthalten vier Domänen, die jeweils mit sechs membranspannenden α-helikalen Segmenten in der Membran verankert sind.
2.5.2 Röntgenkristallstrukturen der Ionenkanäle In den vergangenen Jahren ist es gelungen, für mehrere Ionenkanäle Bedingungen zu finden, unter denen sich die Proteine kristallisieren und die Röntgenkristallstruktur bestimmen ließen. Interessanterweise bestehen zwischen den Strukturen der bakteriellen und der eukaryontischen Ionenkanäle große Ähnlichkeiten. 1998 wurde als erste Röntgenkristallstruktur eines Ionenkanals die Struktur des spannungsunabhängigen Kaliumkanals von Streptomyces lividans veröffentlicht (Abb. G 2.6). Der Kaliumkanal dieser Bakterien wird von vier identischen Untereinheiten gebildet, die jeweils mit zwei α-Helices (= „Segmente“ S1 und S2) in der Plasmamembran der Bakterien verankert sind. Offenbar repräsentiert dieses System von 4 × 2 α-Helices das urtümlichste Bauprinzip aller Ionenkanäle. (In den spannungsunabhängigen K+-Kanälen des Menschen sind zwei derartige Untereinheiten zu einem Polypeptid von vier Transmembransegmenten fusioniert, sodass jeweils ein Dimer einen ionenleitenden Kanal bilden kann.) Die Kristallstruktur des bakteriellen K+-Kanals zeigt eine wassergefüllte Röhre, die im Wesentlichen von den C-terminalen α-Helices (S2) der vier Untereinheiten gebildet wird. Diese werden deshalb auch als die inneren Helices bezeichnet. Die N-terminale α-Helix (S1) jeder Untereinheit liegt parallel zur C-terminalen Helix weiter außen. Die ionenleitende Röhre wird an einem Ende von einem Selektivitätsfilter begrenzt, der bestimmt, welche Art von Ionen durchgelassen werden sollen. Am anderen Ende der Röhre kann der Kanal abwechselnd geöffnet und geschlossen werden. Art und Zahl der durchgelassenen Ionen werden also von unterschiedlichen Strukturen bestimmt: Für die Selektivität ist der engste Bereich der Pore entscheidend. Dieser Bereich ist mit seinem Durchmesser von 0,35 nm so eng, dass die Kalium-Ionen erst nach Abstreifen ihrer Hydrathülle hindurchtreten können. Der Selektivitätsfilter wird von den vier Schlaufen (Pore Loops, P-Schlaufen) gebildet, die in den Untereinheiten die beiden α-Helices miteinander verbinden. Sie ragen von außen in die Öffnung des Kanals hinein. Diese Struktur ist grundsätzlich unbeweglich und am Gating nicht beteiligt. An der engsten Stelle ragen keine Aminosäurereste, sondern die Sauerstoffatome der Peptidbindungen in die Pore hinein. Außerhalb der Pore sind Kalium-Ionen hydratisiert und dabei direkt von den Sauerstoffatomen der umgebenden Wassermoleküle umgeben. Indem Kalium-Ionen in die Pore eintauchen, werden diese
Spannungsgesteuerte Calciumkanäle (aktiviert durch ein Aktionspotenzial) lösen an Synapsen die Ausschüttung von Neurotransmittern aus. Sie haben im Prinzip den gleichen Aufbau wie spannungsgesteuerte Na+-Kanäle.
2.5.2 Röntgenkristallstrukturen der Ionenkanäle 1998 wurde als erste Röntgenkristallstruktur eines Ionenkanals die Struktur des spannungsunabhängigen Kaliumkanals von Streptomyces lividans veröffentlicht: Vier identische Untereinheiten, die jeweils mit zwei α-Helices in der Plasmamembran verankert sind. Die C-terminale Helix liegt jeweils innen und ist direkt an der Bildung der Pore beteiligt (Abb. G 2.6). Offenbar repräsentiert dieses System von 4 × 2 α-Helices das urtümliche Bauprinzip aller Ionenkanäle.
Art und Zahl der durchgelassenen Ionen werden von unterschiedlichen Strukturen bestimmt:
Der Selektivitätsfilter wird von den vier Schlaufen gebildet (Pore Loops, P-Schlaufen), die in den Untereinheiten die beiden α-Helices miteinander verbinden. Sie ragen von außen in die Öffnung des Kanals hinein.
786
G 2 Neurochemie
G-2.6
Spannungsunabhängiger Kaliumkanal von Streptomyces lividans
G-2.6
Selektivitätsfilter,gebildet von den P-Schlaufen: nur K+-Ionen können passieren äußere S1-Helix 1
2
innere S2-Helix, vermittelt das Öffnen und Schließen der Pore (“Gating“)
1
2
wassergefüllter Hohlraum H N
N
a
H
H O
O H K+
C C
H O
hydratisiertes Kalium-Ion
O H
H
H P-Schlaufe
außen Plasmamembran
C
O
C
O
O
C
O
C
K+ innen N b
K+
N C
C C
C
C
O
O
C
C
O
O
C
c
a Schematische Darstellung von zwei der vier Untereinheiten. b Struktur des vollständigen Tetramers. c Struktur des Selektivitätsfilters.
Das Gating, also das Öffnen und Schließen des Kanals, wird an der anderen Seite des Kanals von den vier α-Helices vermittelt, die auch die Wand der wassergefüllten Pore bilden. Die Helices sind in der Membran schräg angeordnet und bilden eine Irisblende.
Für die Aufklärung der Struktur des spannungsunabhängigen Kaliumkanals von Streptomyces lividans erhielt 2003 Roderick MacKinnon den Nobelpreis für Chemie.
2003 wurde als erste Röntgenkristallstruktur eines spannungsgesteuerten Ionenkanals die Struktur des K+-Kanals aus Aeropyrum pernix veröffentlicht: Der innere Bereich der Pore ist ähnlich aufgebaut wie der spannungsunabhängige K+-Kanal von Streptomyces lividans. Der Kanal ist ein Tetramer identischer Untereinheiten, die allerdings jeweils sechs
Sauerstoffatome offenbar gegen die Sauerstoffatome der Peptidbindungen ausgetauscht. Dadurch wird der Prozess energetisch wesentlich erleichtert. NatriumIonen sind kleiner als Kalium-Ionen. Sie können deshalb mit den Sauerstoffatomen der Pore keine passenden Komplexe bilden. Somit fehlt ihnen auch die Möglichkeit, durch Eintritt in die Pore ihre Hydrathülle abzustreifen. So können sie, obgleich kleiner als Kalium-Ionen, die Pore gleichwohl nicht passieren. Das Gating, also das Öffnen und Schließen des Kanals, wird an der anderen Seite des Kanals von den vier α-Helices vermittelt, die auch die Wand der wassergefüllten Röhre bilden. Die Helices sind in der Membran schräg angeordnet und bilden eine Irisblende. Diese kann sich zusammenziehen und dadurch den Zugang zum Kanal versperren. Aus elektrophysiologischen Untersuchungen ist bekannt, dass sich der Kanal in der Membran unregelmäßig, aber mit hoher Frequenz ständig öffnet und schließt. Die Offenwahrscheinlichkeit bestimmt, wie viele Ionen maximal durch die Pore hindurchgelassen werden können. Die Aufklärung der Struktur des spannungsunabhängigen Kaliumkanals von Streptomyces lividans im Jahr 1998 war für die gesamten Neurowissenschaften ein spektakuläres Ereignis. Auf der Basis dieser Struktur war es nun erstmals möglich, detaillierte Untersuchungen zu den molekularen Mechanismen eines Ionenkanals durchzuführen. Der Entdecker, der Amerikaner Roderick MacKinnon, erhielt 2003 den Nobelpreis für Chemie. Auch die erste Röntgenkristallstruktur, die von einem spannungsgesteuerten Ionenkanal erhalten wurde, ergab sich aus der Charakterisierung eines bakteriellen Proteins. 2003 wurde von der Arbeitsgruppe MacKinnon die Struktur des spannungsgesteuerten K+-Kanals aus dem thermophilen Archaebakterium Aeropyrum pernix veröffentlicht. In der Struktur fiel sofort auf, dass der innere Bereich der Pore nach dem gleichen Prinzip aufgebaut ist wie der spannungsunabhängige K+-Kanal von Streptomyces lividans. Auch der spannungsgesteuerte K+-Kanal des Archaebakteriums wird von einem Tetramer gebildet. Die Untereinheiten enthalten allerdings nicht nur zwei,
G
sondern jeweils sechs membranspannende α-Helices (= Segmente S1 –S6). Sie folgen damit dem gleichen Strukturprinzip wie die spannungsgesteuerten K+-Kanäle des Menschen. Dabei entsprechen die Helices 5 und 6 den Helices der spannungsunabhängigen K+-Kanäle. Die jeweils 6. Helix jeder Untereinheit ist unmittelbar an der Bildung der Pore beteiligt. Die Helices 1 – 4 vermitteln die Spannungsabhängigkeit. Überraschend wurde bei der Auswertung der Röntgenkristallstruktur entdeckt, dass die Helix 4, die vier positive Ladungen trägt und als Spannungssensor dient, an der Außenseite des Kanals liegt. In der Membran bewegen sich diese Helices (zusammen mit einem Teil der Helix 3) an der Außenseite der Untereinheiten hebelartig abwechselnd nach oben und nach unten. Ist das Ruhepotenzial etabliert, werden die Helices innerhalb der Membran von ihren vier Ladungen zur Seite der negativen Ladung gezogen. Dabei überträgt sich eine Konformationsänderung auf die zentral gelegenen porenbildenden Helices und die Pore schließt sich. Bei Verlust des Membranpotenzials heben sich die Helices und die Pore öffnet sich (Abb. G 2.7). Der spannungsabhängige K+-Kanal zeigt in der Membran ein ständiges Öffnen und Schließen. Das Membranpotenzial bestimmt dabei die Wahrscheinlichkeit, mit der der Kanal im geöffneten bzw. im geschlossenen Zustand vorliegt. Aufgrund ausgeprägter Sequenzhomologien kann man davon ausgehen, dass alle spannungsgesteuerten Ionenkanäle des Menschen weitgehend die gleiche Struktur haben wie dieser bakterielle Kanal.
G-2.7
787
2.5 Ionenkanäle
membranspannende α-Helices (= Segmente S1 –S6) enthalten. Die Helices 5 und 6 entsprechen den Helices der spannungsunabhängigen K+-Kanäle. Die Helices 1 – 4 vermitteln die Spannungsabhängigkeit. Helix 4 trägt mehrere positive Ladungen und dient als Spannungssensor. Sie liegt an der Außenseite des Kanals und kann sich dort spannungsabhängig wie ein Hebel bewegen (Abb. G 2.7).
Die S4-Helices als Spannungssensoren des spannungsgesteuerten Kaliumkanals von Aeropyrum pernix
G-2.7
Pore offen
S4
S4
Pore geschlossen
Wesentliche Komponenten und Strukturen, die für die spezifischen Funktionen des Nervensystems von grundlegender Bedeutung sind, lassen sich also bereits in Bakterien nachweisen. Die Ionenkanäle, die im Nervensystem die Voraussetzung der Erregbarkeit und der Aktionspotenziale bilden, sind in der Evolution offenbar aus dem System des kontrollierten Ionenaustauschs zwischen dem Innenraum der Bakterien und ihrer Umwelt hervorgegangen.
▶ Klinik. Mutationen in Genen humaner Ionenkanäle sind für viele neurologische Erkrankungen verantwortlich, die inzwischen als Ionenkanalkrankheiten (Channelopathies) bezeichnet werden. Unter anderem haben bestimmte Formen von Epilepsie ihre Ursache in angeborenen Defekten spannungsgesteuerter Na+-Kanäle. Besonders Aufsehen erregend war die Entdeckung, dass manche Formen von Migräne sich auf Mutationen im Gen CACNA1A zurückführen lassen. CACNA1A kodiert einen spannungsgesteuerten Ca2+-Kanal, der wahrscheinlich in bestimmten Synapsen des ZNS die Freisetzung der Neurotransmitter reguliert. An Migräneanfällen sind mehrere pathophysiologische Prozesse beteiligt: übermäßige Freisetzung von Serotonin, Dilatation von Ästen der Arteria carotis, Freisetzung mehrerer Neuropeptide, lokale Freisetzung von Entzündungsmediatoren, perivaskuläre Entzündung mit Ödembildung und Degranulation von Mastzellen, Reizung von Ästen des Nervus trigeminus, dabei Wahrnehmung heftiger Kopfschmerzen (vgl. S. 690). Auf welche Weise die defekten CACNA1A-kodierten Ca2+-Kanäle diese Prozesse auslösen, ist bislang unbekannt. Es ist aber zu hoffen, dass die Identifizierung des CACNA1A-Kanals dabei helfen wird, die Ursachen der Migräne weiter aufzuklären.
Wesentliche Komponenten und Strukturen, die für die spezifischen Funktionen des Nervensystems von grundlegender Bedeutung sind, haben in der Evolution offenbar einen bakteriellen Ursprung.
▶
Klinik.
788 ▶ Exkurs.
G 2 Neurochemie
▶ Exkurs.
Pharmakologie und Toxikologie der spannungsgesteuerten Natriumkanäle Lokalanästhetika blockieren spezifisch die spannungsgesteuerten Natriumkanäle (Abb. G 2.8 a). Klassische Lokalanästhetika sind z. B. Procain und Lidocain (Abb. G 2.8 b). Beide Stoffe sind tertiäre Amine, die bei neutralen pH-Werten teilweise in ungeladener Form vorliegen, teilweise aber auch ein Proton aufnehmen und damit eine positive Ladung tragen. In ungeladener Form können sie nach Injektion in ein Gewebe in das Innere der Neurone vordringen. Hier können sie dann ein Proton aufnehmen, sich in geladener Form von der Innenseite her in die Natriumkanäle einlagern und diese dadurch blockieren. Um das blockierende Molekül aufnehmen zu können, muss der Kanal geöffnet sein. Andere Lokalanästhetika folgen dem gleichen Prinzip. Die Entwicklung der Lokalanästhetika geht auf die Beobachtung zurück, dass Cocain (Kokain, Abb. G 2.8 b), Hauptalkaloid in den Blättern des südamerikanischen Cocastrauchs Erythroxylum coca, zur lokalen Anästhesie verwendet werden kann. Procain wurde 1905 als erstes chemisches Derivat des Cocains entwickelt, das zur Anästhesie geeignet ist, ohne die vielfältigen Nebenwirkungen des Cocains zu haben.
G-2.8
Hemmstoffe spannungsgesteuerter Natriumkanäle
H2N
C
O
CH2
CH2
O
CH2
CH3
CH2
CH3
N
Procain CH3
Tetrodotoxin, Saxitoxin
NH Außenseite
CH3
C
CH2
CH2
CH3
CH2
CH3
N
O
Lidocain
O H3C O Zytosol a
Lokalanästhetika
C b
O
C
CH3 N Cocain
O
a Die Angriffspunkte der Hemmstoffe. b Strukturformeln.
Ein berühmtes Gift, das die spannungsgesteuerten Natriumkanäle blockiert, ist das Tetrodotoxin (TTX) des Kugelfischs. Tetrodotoxin blockiert die Natriumkanäle an der extrazellulären Seite (Abb. G 2.8 a). Es zählt zu den stärksten bekannten Nicht-Protein-Toxinen. In Japan wird der Kugelfisch (japanisch Fugu) als Delikatesse gegessen. Von 1974 – 1983 wurden in Japan 646 Fälle von Fugu-Vergiftungen gemeldet, davon endeten 179 tödlich. Seit 1983 benötigen Köche in Japan eine spezielle Ausbildung, um eine Lizenz zur Zubereitung zu erhalten. 2003 kam es durch Fugu-Verzehr nur noch zu 3 Todesfällen. Tetrodotoxin wurde auch in verschiedenen anderen Tieren nachgewiesen, u. a. in einem kalifornischen Molch. Keines der Tiere synthetisiert das Gift jedoch selbst. Vielmehr wird Tetrodotoxin ausschließlich von symbiontischen Bakterien produziert, im Kugelfisch z. B. von Vibrio alginolyticus. Der Kugelfisch ist gegen das Gift immun, da sein spannungsgesteuerter Natriumkanal aufgrund einer Mutation kein Tetrodotoxin mehr binden kann. Saxitoxin blockiert spannungsgesteuerte Natriumkanäle an der gleichen Stelle wie Tetrodotoxin. Es ist in verschiedenen Meeresmuscheln enthalten, die es aber wiederum nicht selbst produzieren. Sie nehmen es vielmehr mit dem Plankton auf, wo es in Dinoflagellaten (einzelligen Algen) enthalten ist. Innerhalb der Dinoflagellaten wird es von endosymbiontischen Bakterien der Gattung Moraxella produziert. Viele Skorpione bilden α-Neurotoxine (Peptide von 60 – 70 Aminosäuren), die von außen an spannungsgesteuerte Natriumkanäle binden und diese geöffnet halten. Als Bindestelle wurde die extrazelluläre Schlaufe identifiziert, die in der Domäne IV der Natriumkanäle die Segmente S3 und S4 verbindet (Abb. G 2.9 a). Die α-Neurotoxine der Skorpione binden also direkt an den Spannungssensor der Kanäle. Die Folge ist eine permanente Depolarisation der betroffenen Neurone. α-Neurotoxine zeigen also eine dem Tetrodotoxin entgegengesetzte Wirkung. In Mexiko werden jedes Jahr ca. 200 000 Menschen von Skorpionen gestochen, in etwa 100 Fällen mit Todesfolge. Auch das Batrachotoxin der südamerikanischen Pfeilgiftfrösche (Abb. G 2.9 b) arretiert spannungsgesteuerte Natriumkanäle im offenen Zustand. Es wurde berechnet, dass ein Frosch der Art Phyllobates terribilis in seinen Sekreten eine Menge an Batrachotoxin enthält, die 10 Menschen töten könnte.
G
789
2.6 Synapsen, motorische Endplatte und nicotinischer Acetylcholinrezeptor
DDT (Dichlordiphenyltrichlorethan, Abb. G 2.9 c) bindet ebenfalls an spannungsgesteuerte Natriumkanäle und hält diese in einem geöffneten Zustand. DDT wurde nach 1939 weltweit in großem Umfang als Insektizid eingesetzt. Größte Erfolge wurden bei der Bekämpfung von Wanzen, Flöhen und Kleiderläusen als Überträgern von Rickettsien, den Erregern des Fleckfiebers, erzielt. DDT akkumuliert im Fettgewebe vieler Tiere und es kommt zu einer Anreicherung in der Nahrungskette. In Ackerböden erfolgt der mikrobiologische Abbau nur langsam. Der Einsatz von DDT wurde deshalb 1972 in der Bundesrepublik verboten. Toxische Wirkungen durch Rückstände in der Nahrung wurden zwar beim Menschen nicht beobachtet, DDT wurde jedoch in steigenden Mengen z. B. in Muttermilch nachgewiesen. Der Gehalt der Muttermilch an DDT und ähnlichen Chlorkohlenwasserstoffen lag 1974 in Deutschland bei 3,5 mg/kg Fett. Bis 1994 war er auf 0,3 mg/kg gesunken.
G-2.9
Toxine, die spannungsgesteuerte Natriumkanäle in einem geöffneten Zustand halten α-Neurotoxine der Skorpione
S4
S4 Membran
Kanal bleibt geöffnet
Zytosol
Na+
a Angriffspunkt der a-Neurotoxine der Skorpione
Cl
H C
Cl
Cl C Cl Cl
b Pfeilgiftfrosch (enthält Batrachotoxin)
c DDT
(b: © Digitalpress - Fotolia.com)
2.6
Synapsen, motorische Endplatte und nicotinischer Acetylcholinrezeptor
2.6
Synapsen, motorische Endplatte und nicotinischer Acetylcholinrezeptor
2.6.1 Synapsen
2.6.1 Synapsen
Synapsen zählen zu den Strukturen, die einen Informationsaustausch zwischen zwei unmittelbar benachbarten Zellen ermöglichen. Es ist üblich, elektrische und chemische Synapsen zu unterscheiden:
Synapsen ermöglichen einen Informationsaustausch zwischen zwei unmittelbar benachbarten Zellen.
Elektrische Synapsen werden von dem Protein Connexin (= Konnexin) gebildet. In einer Plasmamembran lagern sich jeweils sechs Connexinmoleküle ringförmig zu einem Connexon (= Konnexon) zusammen. Dieser Komplex kann sich an einen gleichartigen Komplex einer benachbarten Zelle anlagern, sodass eine Pore entsteht, die beide Zellen miteinander verbindet. Die Plasmamembranen beider Zellen liegen dadurch stellenweise sehr eng aneinander und bilden eine Gap Junction (s. Abb. B-4.11 auf S. 357). Die verbindende Pore hat einen Innendurchmesser von 1 – 1,5 nm. Sie erlaubt den Austausch von Salz-Ionen und vermittelt dadurch eine elektrische Kopplung. Auf diese Weise sind z. B. die Myozyten des Herzmuskels miteinander verbunden. Auch kleine Moleküle wie etwa das ATP können die Poren passieren. Für größere Moleküle ist die Pore zu eng.
Elektrische Synapsen werden von dem Protein Connexin gebildet. Jeweils sechs Connexinmoleküle lagern sich ringförmig zu einem Connexon zusammen. Dieser Komplex kann sich an einen gleichartigen Komplex einer benachbarten Zelle anlagern, sodass eine Pore entsteht, die beide Zellen miteinander verbindet → Bildung einer Gap Junction.
790 Chemische Synapsen sind wesentlich kompliziertere Strukturen. In ihnen wird die Signalübertragung durch einen chemischen Stoff vermittelt: erregend: Acetylcholin, Glutamat, Serotonin inhibitorisch: γ-Aminobuttersäure (GABA), Glycin
2.6.2 Acetylcholinrezeptoren der motorischen Endplatte
▶ Definition. Der Neurotransmitter der motorischen Endplatte ist Acetylcholin. Es bindet im synaptischen Spalt an nicotinische Acetylcholinrezeptoren. Die Gewebe des Körpers weisen unterschiedliche Acetylcholinrezeptoren auf: N-Cholinozeptoren (nicotinische Acetylcholinrezeptoren) M-Cholinozeptoren (muskarinische Acetylcholinrezeptoren)
Die Rezeptoren der motorischen Endplatte sind N-Cholinozeptoren. Diese bestehen aus fünf homologen Untereinheiten: α2βγδ (Abb. G 2.10). Jede Untereinheit enthält vier membranspannende α-Helices (M1 –M4). Die Helix M2 jeder Untereinheit ist unmittelbar an der Bildung der Pore beteiligt. Die beiden α-Untereinheiten enthalten jeweils eine Acetylcholin-Bindestelle. Die Pore ist für Na+-, K+-, und Ca2+-Ionen permeabel.
G-2.10
G 2 Neurochemie
Chemische Synapsen sind wesentlich kompliziertere Strukturen. In ihnen wird die Signalübertragung durch einen chemischen Stoff vermittelt, z. B. durch einen Neurotransmitter. Synapsen können nicht nur Erregungen übertragen, sondern auch inhibitorische Signale: Exzitatorische (erregende) Neurotransmitter öffnen Kationenkanäle. Dadurch kommt es zu einem Einstrom von Na+-Ionen und zur Auslösung eines Aktionspotenzials. Als exzitatorische Neurotransmitter dienen meist Acetylcholin, Glutamat oder Serotonin (s. S. 793ff.). Inhibitorische Neurotransmitter öffnen Cl–- oder K+-Kanäle und erschweren dadurch die Bildung eines Aktionspotenzials. Wichtige inhibitorische Neurotransmitter sind γ-Aminobuttersäure (GABA) und Glycin (s. S. 798ff.).
2.6.2 Acetylcholinrezeptoren der motorischen Endplatte ▶ Definition.
Die motorische Endplatte ist die Synapse zwischen einem Motoneuron und einer Skelettmuskelzelle. Neurotransmitter der motorischen Endplatte ist Acetylcholin. Es bindet im synaptischen Spalt an nicotinische Acetylcholinrezeptoren, die in der Plasmamembran der Muskelzelle eingelagert sind. Der Acetylcholinrezeptor der motorischen Endplatte ist das berühmteste Beispiel eines transmitterkontrollierten Ionenkanals. In den Geweben des Körpers werden unterschiedliche Acetylcholinrezeptoren gefunden: N-Cholinozeptoren (nicotinische Acetylcholinrezeptoren) binden Nicotin, das Alkaloid des Tabaks. Nicotin hat an den Rezeptoren die gleiche Wirkung wie das Acetylcholin. Man unterscheidet zwei Typen von N-Cholinozeptoren: Nerventyp NN an den Enden des ersten Neurons von Sympathikus und Parasympathikus, Muskeltyp NM an der motorischen Endplatte. M-Cholinozeptoren (muscarinische Acetylcholinrezeptoren) binden Muscarin, eines der Toxine des Fliegenpilzes. Es gibt fünf Typen von M-Cholinozeptoren (M1–M5). Die Rezeptoren der motorischen Endplatte sind N-Cholinozeptoren. Sie bestehen aus fünf homologen Untereinheiten, mit der Zusammensetzung α2βγδ (Abb. G 2.10). Jede Untereinheit enthält vier membranspannende α-Helices (M1 –M4). In der Membran lagern sich die Untereinheiten ringförmig zusammen und bilden dabei eine ionenleitende Pore, wobei die Helix M2 jeder Untereinheit unmittelbar an der Bildung der Pore beteiligt ist. Die beiden α-Untereinheiten enthalten jeweils eine Acetylcholin-Bindestelle. Wenn Acetylcholin an beide α-Untereinheiten bindet, löst dies für etwa 1 ms eine Öffnung der Pore aus. Die Pore ist für Na+- und K+-Ionen, in geringerem Umfang auch für Ca2+-Ionen permeabel, eine ausgeprägte Selektivität wird nicht beobachtet. Unter den gegebenen Konzentrationsverhältnissen strömen primär Na+-Ionen ein, sodass in der Muskelzelle ein Aktionspotenzial ausgelöst wird.
Der nicotinische Acetylcholinrezeptor
G-2.10
α
γ
α
β
Bindestellen für Acetylcholin
Bindestellen für Acetylcholin H2N
COOH
Außenseite Membran
γ 1
2
3
α
Zytosol
a Querschnitt durch den Rezeptor. b Struktur einer einzelnen Untereinheit. c Anordnung der Untereinheiten in der Ansicht von oben.
β δ
M2-Helices Na+, K+, Ca2+ a (überwiegend strömen Na+-Ionen ein) b
α
4
c
G
791
2.6 Synapsen, motorische Endplatte und nicotinischer Acetylcholinrezeptor
Die Pore ist hinreichend groß, um in einer Millisekunde den Einstrom von ca. 30 000 Na+-Ionen zu erlauben. Um ein Aktionspotenzial auszulösen, müssen in einer Synapse allerdings parallel mehr als 200 000 Kanäle geöffnet werden. Die inhibitorischen Neurotransmitter GABA und Glycin binden an transmitterkontrollierte Ionenkanäle, die ebenfalls Pentamere bilden und nach dem gleichen Prinzip aufgebaut sind wie die N-Cholinozeptoren. Es gibt zahlreiche Giftstoffe, die ihre toxische Wirkung über die Interaktion mit N-Cholinozeptoren oder anderen Strukturen der motorischen Endplatte entfalten (Abb. G 2.11 und Abb. G 2.12, Details s. Exkurs).
Hemmstoffe des nicotinischen Acetylcholinrezeptors
G-2.11
Unter den gegebenen Konzentrationsverhältnissen strömen primär Na+-Ionen ein. Die toxische Wirkung zahlreiche Giftstoffe geht auf die Reaktion mit N-Cholinozeptoren (bzw. anderen Strukturen der motorischen Endplatte) zurück (Abb. G 2.11 und Abb. G 2.12).
G-2.11
Acetylcholin
α
α
γ
β
kompetitive Hemmung durch · Curare (eine Gruppe giftiger Alkaloide), · Muskelrelaxanzien (künstliche Derivate des D-Tubocurarins) irreversible Hemmung durch · α-Bungarotoxin (von Bungarus spec.), · α-Neurotoxine verwandter Schlangen (Kobras, Seeschlangen)
Acetylcholin wird im synaptischen Spalt durch das Enzym Acetylcholin-Esterase sehr schnell abgebaut (Abb. G 2.12). Die Acetylcholin-Esterase besteht aus mehreren Untereinheiten und ist in der postsynaptischen Membran verankert. Die Wechselzahl des Enzyms ist sehr hoch, in einer Sekunde kann ein Molekül des Enzyms rund 10 000 Moleküle Acetylcholin hydrolysieren. Das bei der Hydrolyse anfallende Acetat bzw. Cholin wird etwa zur Hälfte von der präsynaptischen Membran des Motoneurons aufgenommen und dann zur erneuten Synthese von Acetylcholin verwendet.
G-2.12
Die Acetylcholin-Esterase
O H3C a
C
CH2
CH2
Acetylcholin
+
N
O
CH3
CH3
AcetylcholinEsterase Serin OH b
G-2.12
CH3 O
postsynaptische Membran
AcetylcholinEsterase
Acetylcholin wird im synaptischen Spalt durch die Acetylcholin-Esterase abgebaut (Abb. G 2.12). Acetat und Cholin werden von der präsynaptischen Membran aufgenommen und zur erneuten Synthese von Acetylcholin verwendet.
H3C
C
CH3 OH + H3C
Acetat
E605, Tabun und Sarin (Organophosphate) phosphorylieren den Serin-Rest † Inaktivierung des Enzyms
+
Cholin
H5C2O S P O H5C2O c
CH2
+
N
CH3
CH3
NO2
E605 (Parathion)
a Reaktion der Acetylcholin-Esterase. b Inaktivierung der Acetylcholin-Esterase. c Strukturformel des Acetylcholin-Esterase-Hemmstoffs E605.
▶ Exkurs.
Gifte mit Wirkung an der motorischen Endplatte Das Nervengift E605 (Parathion) blockiert im aktiven Zentrum der Acetylcholin-Esterase durch Phosphorylierung einen Serinrest und unterdrückt so den Abbau des Acetylcholins. E605 wurde in Deutschland während des 2. Weltkrieges als Insektizid für die Landwirtschaft entwickelt. Mehrere Derivate sind bis heute in der Landwirtschaft von erheblicher Bedeutung. Unter strenger Geheimhaltung wurden in den 30er-Jahren die potenziellen Kampfstoffe Tabun und Sarin synthetisiert, bei denen es sich ebenfalls um Derivate des E605 und damit um Organophosphate handelt. 1995 wurde Sarin in terroristischer Absicht im U-BahnSystem von Tokyo ausgebracht. Dabei kam es zu 5500 Vergiftungen, in 12 Fällen mit Todesfolge.
▶ Exkurs.
792
G 2 Neurochemie
Curare ist der Name einer Gruppe giftiger Alkaloide, die von südamerikanischen Indianern aus bestimmten Pflanzen gewonnen und als Pfeilgift verwendet werden. Curare hemmt kompetitiv die Bindung von Acetylcolin an die N-Cholinozeptoren (Abb. G 2.12). Das von den Indianern erlegte Wild stirbt an der Lähmung der Atemmuskulatur. Es ist dann aber ohne Gefahr verzehrbar, da Curare aus dem Verdauungstrakt nicht resorbiert wird. Atracurium u. a. Derivate eines dieser Alkaloide (D-Tubocurarin) kommen bei Operationen als Muskelrelaxanzien zum Einsatz (S. 772). α-Bungarotoxin ist ein Neurotoxin, das Giftnattern (Elapiden) der Gattung Bungarus in ihren Speicheldrüsen produzieren. Das basische Peptid von ca. 7 kDa bindet irreversibel an den NCholinozeptor (Abb. G 2.11) und verhindert dadurch die Bindung des Acetylcholins. Die meisten α-Bungarotoxin-bildenden Arten leben in den Regenwäldern Südostasiens, werden bis zu 2 m lang und ernähren sich überwiegend von anderen Schlangen. Mit den BungarusArten ist auch die indische Kobra Naja Naja (eine Brillenschlange) verwandt. Sie produziert ein α-Neurotoxin, das dem α-Bungarotoxin sehr ähnlich ist. Ein hoch potentes α-Neurotoxin der gleichen Klasse wird auch von Seeschlangen synthetisiert. Die Botulinumtoxine A und B sind Proteasen, die von Bakterien der Art Clostridium botulinum gebildet werden. Die Toxine enthalten ein Zink-Ion im aktiven Zentrum und wirken als hochspezifische Endopeptidasen. Sie dringen in α-Motoneurone ein und inaktivieren an der präsynaptischen Membran der motorischen Endplatte die für die Exozytose des Acetylcholins essenziellen SNARE-Proteine (s. Abb. G 2.13 a und S. 353). Die Konsequenz ist eine schlaffe Lähmung. Die Aufnahme der Toxine aus dem Darm nach Verzehr mit Clostridium botulinum kontaminierter Wurstkonserven (botulus = lat. Wurst) kann je nach Toxindosis zum Tod durch Atemlähmung führen. Botulinustoxin A (Botox) wird therapeutisch lokal in kleinen Dosen z. B. bei schmerzhaften spastischen Lähmungen eingesetzt. Die Entspannung der Muskulatur hält ca. 3 Monate an, dann werden die SNARE-Proteine zunehmend regeneriert und der Effekt lässt nach. Die Patienten können dann eine erneute Botox-Injektion erhalten.
▶
Klinik.
▶
Klinik. Myasthenia gravis ist eine Autoimmunkrankheit mit Bildung von Anti-
körpern gegen den N-Cholinozeptor (s. Abb. G 2.13 a und S. 790). Die Prävalenz liegt bei 10 pro 100 000 Einwohner. Erstes Anzeichen der Erkrankung ist in den meisten Fällen eine Ptosis, also ein Herabhängen des Oberlids durch Lähmung des M. levator palpebrae superioris (Abb. G 2.13 b). Die Symptome der Erkrankung können sich ausbreiten und dann auch andere Muskeln betreffen. Zur Therapie ist der Acetylcholin-Esterase-Hemmer Pyridostigmin geeignet. Längerfristig wirken sich Immunsuppressiva günstig auf den Krankheitsverlauf aus. Eine Autoimmunkrankheit mit ähnlicher Symptomatik wie bei Myasthenia gravis ist das Lambert-Eaton-Syndrom (Abb. G 2.13 a). Dabei richten sich die Antikörper nicht gegen die postsynaptischen Rezeptoren der motorischen Endplatte, sondern gegen spannungsabhängige Ca2+-Kanäle der präsynaptischen Membran. Die Folge ist eine reduzierte Freisetzung von Acetylcholin.
G-2.13
Erkrankungen mit Angriffspunkt an der motorischen Endplatte
Vergiftung mit Botulinum-Toxin (Botulismus): Proteolyse von SNARE-Proteinen der α-Motoneurone
Lambert-Eaton-Syndrom: Autoimmunkrankheit gegen spannungsabhängige Ca2+Kanäle der motorischen Endplatte Ca2+
SNAREProteine
a
Acetylcholin
Myasthenia gravis: Autoimmunkrankheit gegen N-Cholinorezeptoren der motorischen Endplatte Motoneuron
N-Cholinorezeptoren
b
a Schematische Darstellung der Pathogenese von Botulismus, Myasthenia gravis und Lambert-Eaton-Syndrom. b Okuläre Myasthenie mit ausgeprägter, linksseitig betonter Ptosis beidseits (aus Mattle, Mumenthaler; Kurzlehrbuch Neurologie, Thieme, 2011).
G
2.7
793
2.7 Neurotransmitter
Neurotransmitter
2.7
▶ Merke.
Fast alle Stoffe, die in Synapsen als Neurotransmitter ausgeschüttet werden, sind Produkte des Aminosäurestoffwechsels oder Peptide.
Neurotransmitter
▶ Merke.
2.7.1 Acetylcholin (ACh)
2.7.1 Acetylcholin (ACh)
Acetylcholin ist von der im obigen Merksatz genannten Regel eine Ausnahme. Es wird im Zytoplasma der an Synapsen beteiligten Nervenendigungen aus Cholin und Acetyl-CoA synthetisiert. Die Reaktion wird von der Cholin-Acetyltransferase katalysiert (Abb. G 2.14).
Acetylcholin entsteht im Zytoplasma der an Synapsen beteiligten Nervenendigungen unter Katalyse der Cholin-Acetyltransferase aus Cholin und Acetyl-CoA (Abb. G 2.14).
G-2.14
Synthese von Acetylcholin Citrat
G-2.14
Acetyl-CoA + Oxalacetat
Citrat-Lyase CH3
Cholin
HO
CH2
CH2
+
N
Cholin-Acetyltransferase
CH3
CH3 O Acetylcholin
H3C
C
CH3 O
CH2
CH2
+
N
CH3
+
Coenzym A
CH3 Import in Speichervesikel im Austausch gegen H+
Cholin wird von den Neuronen aus der Umgebung, überwiegend aus dem synaptischen Spalt aufgenommen, wo es beim Abbau des zuletzt ausgeschütteten Acetylcholins anfällt. Die Aufnahme wird von einem Na+-Cholin-Cotransporter vermittelt. Eine Neusynthese von Cholin findet in Neuronen kaum oder gar nicht statt. Zellen, die Cholin synthetisieren, führen eine dreifache Methylierung von Ethanolamin durch, wobei die Methylgruppen von S-Adenosylmethionin bezogen werden. Acetyl-CoA wird in den Mitochondrien von der Pyruvat-Dehydrogenase bereitgestellt. Da Acetyl-CoA die mitochondriale Innenmembran nicht überqueren kann, wird es zunächst in den Citratzyklus eingespeist, wo es mit Oxalacetat zu Citrat reagiert. Das Citrat wird dann ins Zytosol exportiert und hier von der Citrat-Lyase wieder gespalten, wobei erneut Oxalacetat und Acetyl-CoA entstehen. Das neu synthetisierte Acetylcholin wird sekundär-aktiv im Austausch gegen Protonen in die neurosekretorischen Vesikel transportiert. Basis des Transports über die Membran ist die hohe Protonenkonzentration in den Speichervesikeln, die von V-Typ-ATPasen etabliert wird. V-Typ-ATPasen sind mit den ATP-Synthasen der Mitochondrien verwandt, arbeiten aber umgekehrt. Während in den Mitochondrien ein Protonengradient ausgenutzt wird, um ATP zu synthetisieren, wird von den VTyp-ATPasen ATP hydrolysiert und die anfallende Energie genutzt, um einen Protonengradienten aufzubauen. V-Typ-ATPasen sind nicht nur für den niedrigen pHWert der Vesikel in den Synapsen verantwortlich, sondern auch für das saure Milieu der Endosomen und der Lysosomen (S. 759). In den Synapsen wird der Protonengradient der Speichervesikel genutzt, um in jedes Vesikel bis zu 10 000 Acetylcholinmoleküle zu importieren. Nach Ausschüttung in den synaptischen Spalt bindet Acetylcholin an N-Cholinozeptoren (z. B. in der motorischen Endplatte) oder an M-Cholinozeptoren (z. B. im Herzen).
Cholin wird von den Neuronen überwiegend aus dem synaptischen Spalt aufgenommen (Na+-Cholin-Cotransport), wo es beim Abbau des zuletzt ausgeschütteten Acetylcholins anfällt.
Acetyl-CoA wird in den Mitochondrien von der Pyruvat-Dehydrogenase bereitgestellt.
Acetylcholin wird sekundär-aktiv im Austausch gegen Protonen in neurosekretorische Vesikel transportiert. Basis des Transports über die Membran ist die hohe Protonenkonzentration in den Speichervesikeln, die von V-Typ-ATPasen etabliert wird.
794
G 2 Neurochemie
2.7.2 Glutamat (Glu)
2.7.2 Glutamat (Glu)
▶ Merke. Die Aminosäure Glutamat wird aus α-Ketoglutarat synthetisiert. Die meisten glutamatergen Synapsen besitzen sowohl AMPAals auch NMDA-Rezeptoren (Abb. G 2.15).
▶ Merke. Glutamat ist im Zentralnervensystem der wichtigste erregende Neurotransmitter. Die Aminosäure Glutamat wird im Stoffwechsel aus α-Ketoglutarat synthetisiert (s. S. 794). Aus dem synaptischen Spalt wird Glutamat nicht nur von Neuronen, sondern auch von Gliazellen zusammen mit Na+-Ionen aufgenommen. Glutamat bindet im Nervensystem an unterschiedliche Rezeptoren. Die meisten glutamatergen Synapsen besitzen sowohl AMPA- als auch NMDA-Rezeptoren (Abb. G 2.15).
G-2.15
G-2.15
Glutamatrezeptoren COO– +
H3 N
C H
AMPA-Rezeptoren sind unspezifische Kationenkanäle. NMDA-Rezeptoren sind ebenfalls unspezifische Kationenkanäle, jedoch mit Besonderheiten: Glycin ist obligatorischer Cotransmitter. Sie haben eine hohe Leitfähigkeit nicht nur für Na+- und K+-Ionen, sondern auch für Ca2+-Ionen (→ Vielzahl zusätzlicher Effekte). Sie sind relevant beim Lernen und für das Gedächtnis. Sie sind von entscheidender Bedeutung bei der Exzitotoxizität (toxische Wirkung einströmender Ca2+-Ionen).
▶
Klinik.
CH2
CH2
COO–
Glutamat
Glycin
AMPA-Rezeptor
NMDA-Rezeptor
Na+, K+
Na+, K+, Ca2+
AMPA-Rezeptoren sind unspezifische Kationenkanäle, die v. a. einen schnellen Strom von Na+- und K+-Ionen vermitteln und dadurch ein Aktionspotenzial auslösen können. NMDA-Rezeptoren sind in jüngster Zeit außerordentlich intensiv erforscht worden. Benannt wurden sie nach der künstlichen Verbindung N-Methyl-D-Aspartat, von der sie aktiviert werden können. Ähnlich den AMPA-Rezeptoren sind sie unspezifische Kationenkanäle. Dabei zeigen sie aber einige Besonderheiten: Sie öffnen sich nur, wenn sie nicht nur von Glutamat, sondern gleichzeitig auch von Glycin aktiviert werden. Glycin ist für NMDA-Rezeptoren ein obligatorischer Cotransmitter. Sie zeigen eine hohe Leitfähigkeit nicht nur für Na+- und K+-Ionen, sondern auch für Ca2+-Ionen und vermitteln dadurch eine Vielzahl zusätzlicher Effekte. Verschiedene Befunde zeigen, dass NMDA-Rezeptoren beim Lernen und für das Gedächtnis von besonderer Bedeutung sind. Unter manchen Bedingungen, z. B. bei einem Schlaganfall, kann außerordentlich viel Glutamat im extrazellulären Raum akkumulieren. Dieses führt zu einer permanenten Aktivierung der NMDA-Rezeptoren und zu einem übermäßigen Einstrom von Ca2+-Ionen. Die Ca2+-Ionen wirken dann toxisch und scheinen auch an der Auslösung von Apoptose beteiligt zu sein. Das Phänomen wird als Exzitotoxizität bezeichnet.
▶
Klinik. Die Exzitotoxizität lässt sich teilweise durch den Wirkstoff Memantine
unterdrücken, der nicht kompetitiv an NMDA-Rezeptoren bindet und den Ca2+-Einstrom hemmt. Rezeptorfunktionen, die bei Gedächtnisleistungen eine Rolle spielen, werden dabei nicht behindert. In der Behandlung der Alzheimer-Demenz hat man in jüngster Zeit mit Memantine ermutigende Erfahrungen machen können. Der Na+-Einstrom lässt sich durch den NMDA-Rezeptor-Antagonisten Felbamat hemmen, der bei bestimmten Formen von Epilepsie gute Wirkungen zeigt. Wegen gravierender Nebenwirkungen wird Felbamat allerdings nur selten eingesetzt.
2.7.3 Katecholamine
2.7.3 Katecholamine Zu den Katecholaminen zählen die Neurotransmitter Dopamin, Noradrenalin und Adrenalin.
G
795
2.7 Neurotransmitter
Noradrenalin
Noradrenalin
▶ Merke.
Noradrenalin ist der entscheidende Neurotransmitter in den postganglionären Neuronen des sympathischen Nervensystems.
Synthese und Speicherung: Noradrenalin wird im Zytosol der Neurone ausgehend von der Aminosäure Tyrosin synthetisiert. Anschließend wird es im Austausch gegen Protonen in Speichervesikel transportiert. In den synaptischen Spalt freigesetztes Noradrenalin wird an der präsynaptischen Membran wiederaufgenommen (Reuptake, Abb. G 2.16) und überwiegend erneut in Vesikeln gespeichert. Das für den Reuptake verantwortliche Transportprotein der Plasmamembran heißt Norepinephrine Transporter 1 (NET1) und vermittelt einen Cotransport mit Na+-Ionen.
▶ Klinik. Bestimmte Hemmstoffe von NET1 sind als trizyklische Antidepressiva von
▶ Merke. Die Synthese geht von Tyrosin aus. Der Transport in Speichervesikel erfolgt im Austausch gegen Protonen. In den synaptischen Spalt freigesetztes Noradrenalin wird an der präsynaptischen Membran im Cotransport mit Na+ wiederaufgenommen (Reuptake, Abb. G 2.16).
▶
Klinik.
großer Bedeutung. Zu diesen gehört z. B. Imipramin, das nicht nur die Wiederaufnahme von Noradrenalin, sondern auch von Serotonin hemmt. Abbau: Nur ein kleiner Teil des wiederaufgenommenen Noradrenalins wird abgebaut (Abb. G 2.16), teils in den Neuronen, teils in Gliazellen: Die Monoaminoxidase (MAO) existiert in zwei Isoformen, MAO-A und MAO-B. Beide sind an der äußeren Membran der Mitochondrien lokalisiert und katalysieren eine Desaminierung ihrer Substrate. MAO-A oxidiert sowohl Noradrenalin als auch Serotonin. In der Behandlung von Depressionen werden neben trizyklischen Antidepressiva auch MAO-A-Hemmer eingesetzt. Beide Wirkstoffgruppen haben letztlich einen ähnlichen Effekt: eine erhöhte Konzentration von Noradrenalin und Serotonin im synaptischen Spalt. MAO-B zeigt eine breitere Substratspezifität und wird in größerem Umfang im Gehirn (Merkhilfe: „MAO-B im brain“), aber auch im Darm und in der Leber gebildet. Die Catechol-O-Methyltransferase (COMT) wird v. a. in den Zellen der Zielorgane, aber auch in Darm und Leber gebildet. Sie katalysiert die Übertragung einer Methylgruppe von S-Adenosylmethionin (SAM) auf eine der beiden OH-Gruppen der Phenylgruppe.
▶
Klinik. Bei Verdacht auf Katecholamin-produzierende Tumoren (Phäochromozy-
Abbau (Abb. G 2.16): Desaminierung durch die Monoaminoxidase (MAO) an der äußeren Mitochondrienmembran: Das Isoenzym MAO-A oxidiert Noradrenalin und Serotonin. Das Isoenzym MAO-B zeigt eine breitere Substratspezifität und wird insbesondere im Gehirn gebildet.
Übertragung einer Methylgruppe von SAM durch die Catechol-O-Methyltransferase (COMT).
▶
Klinik.
tom) wird die Konzentration des wichtigsten Katecholamin-Abbauprodukts, der Vanillinmandelsäure (Abb. G 2.16), im Urin bestimmt.
Reuptake und Abbau von Noradrenalin
G-2.16
H2N HO
G-2.16
CH2
Abbau von Noradrenalin im Neuron:
C
Monoaminoxidase (MAO): H2N CH2 COO–
H
R1 HO
MAO
R1
Hemmstoff der MAO-A: Moclobemid
OH Noradrenalin
Catechol-O-Methyltransferase (COMT): R2 R2
COMT
HO
H3C O OH
OH NET1
wichtigstes Abbauprodukt:
COO– HO
C
Vanillinmandelsäure Hemmstoff der Wiederaufnahme an NET1: trizyklische Antidepressiva, z. B. Imipramin
H3C O OH
H
796
G 2 Neurochemie
Dopamin
Dopamin
In dopaminergen Neuronen wird die Biosynthese der Katecholamine auf der Stufe des Dopamins abgebrochen. Dieses spielt eine Rolle bei der Empfindung von Lust und Freude: Viele abhängigkeitserzeugende Stoffe (z. B. Ethanol, Nicotin) aktivieren das mesolimbische Dopaminsystem. Regulation von Bewegungen (nigrostriatales Dopaminsystem). Neuronales Dopamin wird durch MAO-B inaktiviert, extraneuronales durch COMT.
Dopamin entsteht in dopaminergen Neuronen, indem die Biosynthese der Katecholamine auf der Stufe des Dopamins abgebrochen wird. Man unterscheidet fünf unterschiedliche Dopaminrezeptoren, D1–D5. Bei Bindung von Dopamin wirken die Rezeptoren teilweise aktivierend (D1 und D5), teilweise aber auch hemmend (D2, D3, D4). Dopamin ist als Neurotransmitter im Gehirn nicht gleichmäßig verteilt, sondern in bestimmten Funktionskreisen konzentriert. So hat man ein mesolimbisches Dopaminsystem identifiziert, das in der Empfindung von Lust und Freude vermehrte Aktivitäten zeigt. Viele abhängigkeitserzeugende Stoffe wie Ethanol, Nicotin und Morphin steigern in den limbischen Innervationsgebieten die Freisetzung von Dopamin. Andererseits spielt Dopamin bei der Regulation von Bewegungen eine wichtige Rolle (nigrostriatales Dopaminsystem). Störungen im Dopaminstoffwechsel können sich deshalb in verschiedenen Bewegungsstörungen äußern. Dopamin wird in den Neuronen durch MAO-B inaktiviert, extraneuronal durch COMT.
▶
Klinik.
▶
Klinik. Bei zwei außerordentlich häufigen Krankheiten sind dopaminerge Neu-
rone von zentraler Bedeutung: Parkinson-Krankheit (s. S. 806) Die Symptome der Schizophrenie können mit erstaunlicher Effizienz durch Pharmaka unterdrückt werden, die in bestimmten Teilen des Gehirns als spezifische Antagonisten von Dopamin-D2-Rezeptoren wirken (Abb. G 2.17). Berühmtestes Beispiel ist Haloperidol, das als Neuroleptikum zur Behandlung von Psychosen eingesetzt wird. Haloperidol ist außerordentlich potent und hat deshalb starke Nebenwirkungen. Charakteristisch sind Dyskinesien, d. h. unwillkürliche, stereotype Bewegungen, vorwiegend der Zungen-, Mund- oder Gesichtsmuskulatur. U.a. können sich auch Parkinson-ähnliche Symptome einstellen. Bevorzugt setzt man deshalb mildere Neuroleptika ein. Besonders bewährt hat sich Clozapin, das spezifisch D4Rezeptoren blockiert (Abb. G 2.17). Die Wirkung des Clozapins beruht offenbar auf Wechselwirkungen mit den D4-Rezeptoren des mesolimbischen Dopaminsystems. Die Therapie der Schizophrenie besteht somit in einer Hemmung dopaminerger Aktivitäten.
G-2.17
Wirkungsmechanismus der Neuroleptika zur Behandlung der Symptome der Schizophrenie H2N
CH2 Neuron des mesolimbischen Dopaminsystems
CH2
HO OH Dopamin Haloperidol: Blockade von D2-Rezeptoren
Clozapin: Blockade von D4-Rezeptoren D2
D4
2.7.4 Serotonin
2.7.4 Serotonin
▶ Synonym.
▶ Synonym. 5-Hydroxytryptamin, 5-HT.
Serotonin ist enthalten in Neuronen des ZNS (insbesondere in den Raphe-Kernen), in enterochromaffinen Zellen des Gastrointestinaltrakts, in Thrombozyten.
Serotonin wirkt in vielen Neuronen im gesamten ZNS als Transmitter. In besonders hohen Konzentrationen wird es in den Raphe-Kernen gespeichert. 90 % des Serotonins, das sich im Körper befindet, ist allerdings nicht in Neuronen, sondern in den enterochromaffinen Zellen des Gastrointestinaltrakts enthalten. Auch Thrombozyten enthalten Serotonin (s. S. 702). Vermutlich nehmen sie das Serotonin auf, wäh-
G
797
2.7 Neurotransmitter
rend sie die intestinalen Blutgefäße passieren, sodass ihr Serotonin ebenfalls aus der Produktion der enterochromaffinen Zellen stammt.
▶
Klinik. Serotonin spielt eine wesentliche Rolle bei der Auslösung von Brechreiz
▶
Klinik.
durch Zytostatika oder Bestrahlung. Hierbei wird Serotonin aus den enterochromaffinen Zellen freigesetzt, gelangt mit dem Blutkreislauf zum Gehirn und wirkt in der Area postrema als Signal zur Auslösung von Übelkeit und Erbrechen. Als entscheidender Rezeptor wurde der Serotoninrezeptor 5-HT3 identifiziert. Inzwischen werden in der Tumortherapie mit Erfolg 5-HT3-Antagonisten (z. B. Zofran) eingesetzt, die diese Effekte unterdrücken und somit als sog. Antiemetika wirken. Synthese und Speicherung: Serotonin ist ein biogenes Amin, das in zwei Schritten aus Tryptophan synthetisiert wird (s. S. 639): 1.) Hydroxylierung des aromatischen Ringsystems des Tryptophans in Position 5 2.) Decarboxylierung Serotonin wird in Vesikeln gespeichert. Nach Freisetzung in den synaptischen Spalt wird Serotonin an der präsynaptischen Membran in einem Cotransport mit Na+-Ionen wiederaufgenommen (Reuptake) und dann entweder erneut in Vesikeln gespeichert oder abgebaut.
▶
Klinik.
Selektive Serotonin-Reuptake-Inhibitoren (SSRI) sind die wichtigsten nicht trizyklischen Antidepressiva (zu den trizyklischen Antidepressiva s. S. 795). Ihre stimmungsaufhellende Wirkung demonstriert die bedeutende Rolle des Serotonins in der Regulation des affektiven Gleichgewichts. Lysergsäure sowie das potente Derivat LSD (Lysergsäurediethylamid) sind als Auslöser von Halluzinationen bekannt. Die Wirkungen des LSD sind auf seine Ähnlichkeit mit Serotonin zurückzuführen. Im Gehirn bindet LSD an Serotoninrezeptoren vom Typ 5-HT2A. Lysergsäure ist ein Alkaloid, das von dem Pilz Claviceps purpurea produziert wird. In Deutschland sind mitunter Ähren des Roggens mit Claviceps purpurea infiziert. In Folge der Infektion bilden sich in der Ähre große dunkel gefärbte „Mutterkörner“, in denen Sporen des Pilzes bis zur nächsten Vegetationsperiode überdauern (Abb. G 2.18).
G-2.18
Synthese und Speicherung: Serotonin ist ein biogenes Amin, das aus Tryptophan synthetisiert wird. Es wird in Vesikeln gespeichert. Nach Freisetzung in den synaptischen Spalt wird Serotonin an der präsynaptischen Membran wiederaufgenommen und erneut gespeichert oder abgebaut.
▶
Lysergsäure und ihr potentes Derivat LSD lösen Halluzinationen aus. LSD bindet an Serotoninrezeptoren vom Typ 5-HT2A. Das Alkaloid Lysergsäure wird von dem Pilz Claviceps purpurea produziert, der mitunter Roggen infiziert (Abb. G 2.18).
Mutterkörner (Pfeil) in einer Roggen-Ähre (© Andrea Tanja - Fotolia.com)
Abbau: Serotonin wird durch die Monoaminoxidase, v. a. MAO-A, desaminiert und durch die Aldehyd-Dehydrogenase oxidiert, wodurch 5-Hydroxyindolessigsäure entsteht (bzw. das Anion Hydroxyindolacetat; s. Abb. D-4.9 auf S. 639), die mit dem Urin ausgeschieden wird.
▶ Klinik. Bei der Diagnose Serotonin-produzierender Tumoren des Gastrointestinaltrakts (Karzinoid) ist der Nachweis einer erhöhten Konzentration von 5-Hydroxyindolessigsäure im Urin ein wichtiges Hilfsmittel.
Klinik.
G-2.18
Abbau: Desaminierung durch Monoaminoxidase und Oxidation durch Aldehyd-Dehydrogenase zu 5-Hydroxyindolessigsäure.
▶
Klinik.
798
G 2 Neurochemie
2.7.5 GABA
2.7.5 GABA
▶ Synonym.
▶ Synonym. γ-Aminobuttersäure, γ-Aminobutyrat.
▶ Merke.
▶ Merke.
GABA ist im ZNS neben Glycin der wichtigste Transmitter hemmender Synapsen. Etwa 1/3 aller Synapsen des Gehirns enthalten GABA.
Synthese: GABA entsteht durch Decarboxylierung aus Glutamat (Abb. G 2.19). Cofaktor ist Pyridoxalphosphat.
Synthese: GABA ist ein biogenes Amin, das in den Neuronen durch Decarboxylierung aus Glutamat gebildet wird (Abb. G 2.19). Die Reaktion ist Pyridoxalphosphatabhängig und wird von einer Glutamat-Decarboxylase katalysiert.
Abbau: Oxidation zu Succinat (Abb. G 2.19).
Abbau: Überschüssiges GABA wird zu Succinat oxidiert (Abb. G 2.19). Ausgehend von Succinat kann erneut Glutamat gebildet werden. Die Reaktionssequenz ist unter dem Namen GABA-Shunt bekannt.
G-2.19
Synthese und Abbau von GABA
G-2.19
+NH
COO– +
H3N
C
– CO2
H
CH2 –
Pyridoxalphosphat
Glutamat
Rezeptoren: GABAA-Rezeptoren sind ligandengesteuerte Anionenkanäle für Cl–-Ionen. Sie sind Pentamere und ähneln in ihrer Struktur NCholinozeptoren. GABA bindet an die βUntereinheit und bewirkt einen Einstrom von Cl– (Abb. G 2.20). Benzodiazepine binden an die α-Untereinheit und verstärken die GABA-Wirkung.
GABAB-Rezeptoren vermitteln eine erhöhte Leitfähigkeit für K+-Ionen.
G-2.20
COO–
CH2
CH2 COO
3
CH2
CH2 Abbau zu
CH2
CH2
COO–
COO–
γ-Aminobutyrat = GABA
Succinat
GABA-Shunt: † Citratzyklus † α-Ketoglutarat (= 2-Oxoglutarat)
Rezeptoren: Man unterscheidet GABAA- und GABAB-Rezeptoren: GABAA-Rezeptoren sind ligandengesteuerte Anionenkanäle für Chlorid-Ionen. Sie bestehen aus fünf Untereinheiten und ähneln in ihrer Struktur den N-Cholinozeptoren. Die Bindung von GABA an die β-Untereinheit erhöht die Offenwahrscheinlichkeit des Kanals und bewirkt so einen Einstrom von Cl–-Ionen (Abb. G 2.20). Die Folge ist eine Hyperpolarisation, die Entstehung von Aktionspotenzialen wird also erschwert. GABAA-Rezeptoren sind pharmakologisch außerordentlich interessant. Alle Wirkstoffe aus der Gruppe der Benzodiazepine binden nämlich an die α-Untereinheit der GABAA-Rezeptoren und verstärken dabei die GABA-Wirkung (Abb. G 2.20). Benzodiazepin-sensitive GABAA-Rezeptoren befinden sich in besonders hoher Zahl in Synapsen des limbischen Systems. GABAB-Rezeptoren vermitteln in der postsynaptischen Membran eine erhöhte Leitfähigkeit für K+-Ionen und erschweren dadurch die Auslösung eines Aktionspotenzials.
G-2.20
GABAA-Rezeptor
GABA bindet an β-Untereinheiten
Cl–
β
α
Benzodiazepine binden an die α-Untereinheit der GABAA-Rezeptoren und verstärken die GABA-Wirkung Bsp.: Diazepam (Valium) Lorazepam (Tavor)
Zytosol
Einstrom von Chlorid-Ionen erschwert die Bildung von Aktionspotentialen
G
▶
799
2.7 Neurotransmitter
Klinik.
Benzodiazepine sind mit Abstand die wichtigsten und am häufigsten eingesetzten Beruhigungsmittel (Tranquilizer). Sie wirken angstlösend, entspannend und dämpfen Aggressionen. In höheren Dosen wirken sie als Schlafmittel. Die bekanntesten Benzodiazepine sind Diazepam (Valium) und Midazolam (Dormicum). Es wurden Derivate entwickelt, die kaum sedierend wirken, aber trotzdem eine angenehm angstlösende Wirkung entfalten. Ein Beispiel ist das Lorazepam (Tavor). Für die angstlösende Wirkung der Benzodiazepine ist eine Affinität für den Subtyp α2 der Untereinheiten entscheidend, der bei etwa 15 % der GABAARezeptoren vertreten ist. Kurzfristig treten normalerweise keine gravierenden Nebenwirkungen auf. Problematisch ist allerdings das große Abhängigkeitsrisiko aller Benzodiazepine.
▶
Klinik.
2.7.6 Glycin
2.7.6 Glycin
Glycin ist ebenfalls ein Neurotransmitter mit hemmender Wirkung. Ähnlich den GABAA-Rezeptoren erhöhen Glycinrezeptoren die Leitfähigkeit für Chlorid-Ionen. Beide Rezeptoren sind sich in ihren Strukturen sehr ähnlich, beide sind sie pentamere ligandengesteuerte Anionenkanäle. Strukturell verwandt sind auch die nicotinischen Acetylcholin-Rezeptoren (nAChR) der motorischen Endplatte.
Glycin hat eine hemmende Wirkung. Glycinrezeptoren erhöhen die Leitfähigkeit für Cl–.
▶ Klinik. Bei Wundstarrkrampf (Tetanus) kommt es zu einer Blockade der Glycinfreisetzung aus den hemmenden Interneuronen des Rückenmarks. Ursache ist das Tetanustoxin, eine Zink-abhängige Protease, die von dem Bakterium Clostridium tetani produziert wird. Hat Clostridium tetani (das mit Clostridium botulinum verwandt ist) eine Wunde infiziert, wird das Tetanustoxin freigesetzt und zunächst von α-Motoneuronen aufgenommen. Durch retrograden Transport gelangt es in die Synapsen des Rückenmarks und schließlich in die dortigen Interneurone. An der präsynaptischen Membran der Interneurone spaltet und inaktiviert es das für die Exozytose des Glycins essenzielle SNARE-Protein Synaptobrevin (= v-SNARE, s. Abb. G 2.21 a und S. 353). Dadurch kann nicht mehr genügend Glycin ausgeschüttet werden und die Hemmung der α-Motoneurone entfällt. Die Folge ist eine spastische Lähmung (Abb. G 2.21 b).
Hemmstoffe der Neutrotransmitterwirkung des Glycins
G-2.21
COO– +
H3N
C H
Glycin
H
hemmendes Neuron Tetanustoxin von Clostridium tetani spaltet SNARE-Proteine in Interneuronen des Rückenmarks (→ spastische Lähmung)
Strychnin, Alkaloid aus dem indischen Baum Strychnos nux-vomica, ist kompetitiver Antagonist am Glycinrezeptor (→ spastische Lähmung) a
b
a Wirkungsmechanismen. b Wirkungen des Tetanustoxins: Opisthotonus (Kontraktion der Streckmuskulatur des Rumpfes) und Risus sardonicus (Kontraktion der Gesichtsmuskulatur) bei einem Jugendlichen mit einer Hautverletzung in der Leistenregion (aus Hof, Dörries; Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie, Thieme, 2009).
Strychnin, ein Alkaloid aus den Samen des indischen Baumes Strychnos nux-vomica („Brechnuss“), ist ein kompetitiver Antagonist am Glycinrezeptor, verhindert also die Wirkung des Glycins auf die Motoneurone des Rückenmarks. In Europa ist es in den vergangenen Jahren verschiedentlich im Rahmen von Cocainabusus zu Strychninver-
▶
Klinik.
800
G 2 Neurochemie
giftungen gekommen, weil Cocain mit Strychnin gestreckt war. Ähnlich dem Tetanustoxin löst Strychnin heftige Krämpfe aus. Da Strychnin in der Leber schnell abgebaut wird und auch über den Urin leicht ausgeschieden werden kann, gilt die Prognose der Strychninvergiftung als vergleichsweise günstig.
2.7.7 Neuropeptide
2.7.7 Neuropeptide
Die meisten Neurone schütten neben einem niedermolekularen Transmitter auch Peptide aus. Inzwischen sind über 50 verschiedene Peptide identifiziert worden, die in Synapsen eine erregende bzw. hemmende Wirkung ausüben. Die Peptide entstehen, indem Endopeptidasen größere Polypeptide spalten. So ist das Polypeptid Proopiomelanocortin (POMC) Vorläufer acht verschiedener Neuropeptide.
Die meisten Neurone schütten neben einem niedermolekularen Transmitter auch Peptide aus. Oft wirken beide Substanzen synergistisch. Inzwischen sind bereits über 50 verschiedene Peptide identifiziert worden, die in Synapsen eine erregende bzw. hemmende Wirkung ausüben. Die Peptide entstehen durch proteolytische Spaltung größerer Polypeptide. So entstehen aus dem Polypeptid Proopiomelanocortin (POMC) letztlich acht verschiedene Neuropeptide. Die Vorstufenpeptide werden innerhalb der Neurone durch vesikulären Transport in die Synapsen transportiert. In den Vesikeln werden die Vorstufenproteine durch Endopeptidasen in Neuropeptide zerlegt. Die Vesikel sind in elektronenmikroskopischen Aufnahmen als relativ große „large dense core vesicles“ von 100 – 150 nm Durchmesser nachweisbar. Die Vesikel der niedermolekularen Neurotransmitter haben in der Regel einen Durchmesser von nur ca. 40 nm. Da die verschiedenen Neurone mit unterschiedlichen Endopeptidasen ausgestattet sind, können die Vorstufenproteine unterschiedlich prozessiert werden.
Opioide
Opioide
Opioide sind Neuropeptide, deren Vorstufen von drei unterschiedlichen Genen kodiert werden und die eine ähnliche Wirkung haben wie das Morphin aus dem Opium: Endorphine (entstehen aus Proopiomelanocortin) Enkephaline Dynorphine
Opioide sind eine Gruppe unterschiedlicher Neuropeptide, deren Vorstufen von drei unterschiedlichen Genen kodiert werden. Gleichwohl haben alle Opioidpeptide eine ähnliche Wirkung wie die Alkaloide, die im Opium enthalten sind. Endorphine sind die bekanntesten Opioide. Sie entstehen durch Spaltung des bereits genannten Proopiomelanocortins (POMC), aus dem auch andere Neuropeptide entstehen, wie z. B. das ACTH (adrenocorticotropes Hormon). Enkephaline sind Neuropeptide, die durch proteolytische Prozessierung des Vorläufers Proenkephalin gebildet werden. Sie sind ubiquitär im ZNS verbreitet. Dynorphine sind Neuropeptide, die durch Prozessierung des Vorläufers Prodynorphin entstehen. Sie sind ebenfalls im ZNS weit verbreitet. Für Opioide existieren drei miteinander verwandte Rezeptortypen, die alle zu den Rezeptoren mit sieben membranspannenden α-Helices gehören. Sie sind an inhibitorische G-Proteine (Gi) gekoppelt, die bestimmte K+-Kanäle öffnen, Ca2+-Kanäle schließen und die Adenylatzyklase hemmen. Generell haben Opioide dadurch auf Neurone eine hemmende Wirkung. μ-Rezeptoren hemmen die Schmerzempfindung überwiegend auf supraspinaler Ebene (oberhalb des Rückenmarks, im Gehirn). Außerdem vermitteln sie eine euphorische Stimmung, eine Hustendämpfung und verschiedene andere Effekte. δ-Rezeptoren hemmen die Schmerzempfindung vorwiegend im Rückenmark. κ-Rezeptoren zeigen eine ähnliche Wirkung wie die δ-Rezeptoren. Einzelne Opioide können an mehrere dieser Rezeptoren binden. So aktiviert βEndorphin sowohl μ- als auch δ-Rezeptoren.
Für Opioide existieren drei miteinander verwandte Rezeptortypen, die alle zu den Rezeptoren mit sieben membranspannenden αHelices gehören: μ-Rezeptoren δ-Rezeptoren κ-Rezeptoren Generell haben Opioide auf Neurone eine hemmende Wirkung → Hemmung der Schmerzempfindung.
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Klinik.
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Klinik. Opium wird durch Trocknen eines milchigen Saftes hergestellt, der aus
unreifen Fruchtkapseln des Schlafmohns Papaver somniferum gewonnen wird. In Opium lassen sich ca. 25 verschiedene Alkaloide nachweisen. Etwa 10 % der Trockenmasse des Opiums besteht aus Morphin. Es wurde erstmals Anfang des 19. Jahrhunderts in Paderborn von dem Apotheker Adam Sertürner isoliert. Erst um 1900 entdeckte man, dass sich aus dem Morphin durch Acetylierung ein Derivat herstellen lässt, das Diacetylmorphin (Heroin), das aufgrund einer erhöhten Lipidlöslichkeit nach intravenöser Gabe sehr schnell in das Gehirn gelangen kann. Heroin ist als solches weitgehend unwirksam. Im Gehirn wird es aber zu Morphin deacetyliert und entfaltet dann seine euphorisierende Wirkung. Die Verwendung von Heroin führt sowohl zu einer psychischen als auch zu einer physischen Abhängigkeit. Eine Therapie mit Morphin-Antagonisten ist nicht ungefährlich, da es bei einer plötzlichen Überdosierung zu einem überaus heftigen Entzugssyndrom kommen kann.
G
801
2.7 Neurotransmitter
Methadon ist ein Wirkstoff, der die Entzugssymptome unterdrückt und wird deshalb vielfach bei Entzugsprogrammen eingesetzt. Methadon ist ein vollsynthetisches Opioid, das in seiner chemischen Struktur zum Morphin nur geringe Ähnlichkeit hat. Codein hingegen ist ein Derivat des Morphins. Es hat eine ausgeprägte hustendämpfende Wirkung. Da es aus dem Verdauungstrakt gut resorbiert wird und die Suchtgefahr gering ist, findet es als Bestandteil von Hustensaft Verwendung.
Purine
Purine
Ähnlich den Neuropeptiden wird auch ATP (Adenosintriphosphat) vielfach zusammen mit Neurotransmittern ausgeschüttet. Im synaptischen Spalt wird ATP teilweise zu Adenosin abgebaut. An den Membranen der Synapsen bindet Adenosin an eine Gruppe unterschiedlicher Purinrezeptoren vom Typ P1, ATP bindet an Purinrezeptoren vom Typ P2. Purinrezeptoren vermitteln im Gehirn auch die Wirkungen des Coffeins. Unterschiedliche und mitunter widersprüchliche Wirkungen des Coffeins haben ihre Ursache in der Vielfalt der Purinrezeptoren. Kaffee- und Teesträucher synthetisieren Coffein (1,3,7-Trimethylxanthin, Abb. G 2.22) im Rahmen ihres Purinstoffwechsels. Coffein ist in vielen Getränken enthalten. Eine Tasse Kaffee enthält ca. 100 mg Coffein, eine Tasse Tee ca. 50 mg, ein Glas Coca-Cola 40 mg, eine Tasse Kakao 10 mg. Theophyllin und Theobromin sind Dimethylxanthine, die in den genannten Getränken in Spuren ebenfalls vorhanden sind. Die wichtigsten Wirkungen der Getränke sind aber allein auf ihren Gehalt an Coffein zurückzuführen. Es wirkt im Gehirn als kompetitiver Inhibitor der Bindung von Adenosin an P1-Rezeptoren (= A1-Rezeptoren). In der Bundesrepublik Deutschland liegt der durchschnittliche Verbrauch an Kaffee bei 180 Liter/Kopf/Jahr (Bier: 130 Liter/Kopf/Jahr). Coffein ist damit das meistgebrauchte Pharmakon.
ATP wird im Nervensystem vielfach zusammen mit Neurotransmittern ausgeschüttet. Freigesetztes ATP wird extrazellulär teilweise zu Adenosin abgebaut. ATP und Adenosin binden an verschiedene Purinrezeptoren.
G-2.22
Coffein
O H3C
G-2.22
CH3 N
N3
7 1
N
O
Purinrezeptoren vermitteln im Gehirn auch die Wirkungen des Coffeins. Das von Kaffeeund Teesträuchern synthetisierte Coffein (Abb. G 2.22) wirkt im Gehirn als kompetitiver Inhibitor der Bindung von Adenosin an P1-Rezeptoren.
N
CH3 Coffein (1,3,7-Trimethylxanthin) O N
HN O
a
N H Xanthin
N H b
a Strukturformeln von Coffein und Xanthin. b Kaffeesträucher (© Cornelia Pithart - Fotolia.com).
▶ Exkurs.
Anästhesie Prämedikation: In der Regel werden im Vorfeld einer Operation Medikamente eingesetzt, die den Patienten die Angst nehmen (anxiolytische Wirkung) und sedierend (beruhigend) wirken. Üblich sind Benzodiazepine, z. B. Midazolam (z. B. Dormicum). Zielstruktur der Benzodiazepine sind bestimmte Subtypen der GABA A-Rezeptoren, sie erhöhen also in den Neuronen die Leitfähigkeit für Cl–-Ionen. Lokalanästhetika: Bei kleineren Eingriffen ist eine Narkose oft nicht erforderlich. Man beschränkt sich darauf, die Aktivität peripherer schmerzleitender Neurone (überwiegend C-Fasern, teilweise auch Aδ-Fasern) zu blockieren. Alle dazu verwendeten Lokalanästhetika (etwa Procain, Lidocain, oder das neuere Bupivacain) blockieren spannungsgesteuerte Na+-Kanäle. Bei einer Spinalanästhesie (SPA) wird ein Lokalanästhetikum in den Liquor des Rückenmarkkanals injiziert (unterhalb des Lendenwirbels L3, im Bereich der Cauda equina). Durch Injektion in den Periduralraum ist mit den gleichen Lokalanästhetika eine Periduralanästhesie möglich.
▶ Exkurs.
802
G 2 Neurochemie
Die Narkoseeinleitung wird über einen Venenzugang mit einem schnell wirksamen Hypnotikum durchgeführt, der Patient verliert dabei sein Bewusstsein (gr. Hypnos = der Schlaf). Verwendung findet teilweise auch heute noch Thiopental (z. B. Trapanal), vielfach wird derzeit bevorzugt Propofol (z. B. Disoprivan) eingesetzt. Der Wirkmechanismus dieser Stoffe war lange Zeit unbekannt. Erst kürzlich (2011) wurde über eine Röntgenkristallstruktur gezeigt, dass Propofol an eine bestimmte Stelle eines bakteriellen pentameren ligandengesteuerten Ionenkanals (GLIC von G. violaceus) binden kann. Der Ionenkanal gehört zur gleichen Gruppe wie der GABA A-Rezeptor und der Glycin-Rezeptor des Menschen. Die neuen Daten lassen vermuten, dass Propofol wesentlich als Aktivator derartiger Rezeptoren und damit ähnlich den Benzodiazepinen wirkt. Volatile Anästhetika sind gasförmige Narkotika, die dem Patienten über die Atemluft zugeführt werden. Häufig wird derzeit Desfluran verwendet, eine Etherverbindung, die mehrere Fluoratome enthält. Interessanterweise scheint Desfluran an die gleiche Stelle pentamerer Ionenkanäle zu binden wie Propofol. Vermutlich haben unterschiedliche Anästhetika eine Affinität für die gleiche „general anaesthetic binding site“. Opioide haben eine besonders ausgeprägte analgetische (Schmerzen hemmende) Wirkung. Sie werden oft zusammen mit volatilen Anästhetika eingesetzt. Während Lokalanästhetika die Reizleitung in der Peripherie blockieren, wirken Opioide in den Synapsen des Rückenmarks und im Gehirn. Für die Anästhesie ist entscheidend die Bindung der Opioide an die μ-Rezeptoren (μ1 und μ2) im Gehirn (u. a. im Thalamus). Das Standardopioid der Anästhesie ist das Fentanyl. Für bestimmte Zwecke, etwa in der Kardioanästhesie, wird als neueres Derivat mit verbesserten Eigenschaften das Remifentanil eingesetzt.
2.8
Wichtige Erkrankungen des ZNS
2.8
Wichtige Erkrankungen des ZNS
2.8.1 Multiple Sklerose (MS)
2.8.1 Multiple Sklerose (MS)
Die MS ist eine Autoimmunkrankheit, bei der sich aus unbekannten Gründen eine Immunreaktion gegen mehrere Proteine der Myelinscheiden des ZNS entwickelt (Abb. G 2.23). Oft sind die basischen Myelinproteine betroffen. In einigen Bereichen des Gehirns bilden sich Entzündungsherde, in denen die Myelinscheiden geschädigt werden.
Die MS ist eine Autoimmunkrankheit, bei der sich aus unbekannten Gründen eine Immunreaktion gegen mehrere Proteine der Myelinscheiden des ZNS entwickelt (Abb. G 2.23). Oft richtet sich die Immunreaktion insbesondere gegen die basischen Myelinproteine. In einigen Bereichen des Gehirns bilden sich Entzündungsherde, die nicht nur aktivierte Mikrogliazellen enthalten, sondern auch T- und B-Zellen, die aus den Gefäßen in das umgebende neuronale Gewebe einwandern. Im Liquor findet man erhöhte Immunglobulinkonzentrationen. Da bislang ein Transport von Immunglobulinen aus dem Blut über die Blut-Hirn-Schranke nicht sicher nachgewiesen werden konnte, ist zu vermuten, dass die Autoantikörper von B-Zellen im Gehirn produziert werden. In den Entzündungsherden kommt es zu einer Schädigung der Myelinscheiden und dabei auch zu einer Beeinträchtigung der neuronalen Funktionen. Die Krankheitsverläufe sind sehr uneinheitlich, auch die neurologischen Ausfälle (Lähmungen, Sensibilitätsstörungen) der einzelnen Patienten sind variabel. Charakteristisch ist ein schubförmiger Verlauf. Innerhalb kurzer Zeit treten klinische Symptome auf, die nach einigen Tagen wieder abklingen.
G-2.23
a
Multiple Sklerose
b
c
a Venöses Gefäß (rot gefärbt) mit perivaskulär eingewanderten Lymphozyten (kleine dunkel gefärbte Punkte) (aus Limmroth, Sindern, Multiple Sklerose, Taschenatlas spezial, Thieme, 2004). b Magnetresonanztomografie (aus Grehl, Checkliste Neurologie, Thieme, 2008). c Pathologischer Befund: Aufsicht von hinten auf stirnparallele temporale Schnitte. Lachsrote, bis erdnussgroße, frische Entmarkungsherde der weißen Substanz (aus Masuhr, Neumann; Duale Reihe Neurologie, Thieme, 2005).
803
G 2.8 Wichtige Erkrankungen des ZNS
Für die Zerstörung der Myelinscheiden können bei MS unterschiedliche Mechanismen verantwortlich sein. Letztlich werden die lysierten Membranen von Mikrogliazellen phagozytiert. Diese werden von T-Helferzellen vom Typ TH1 durch Ausschüttung von IFN-γ aktiviert (s. S. 674). An der Entzündungsreaktion können zytotoxische T-Zellen, Antikörper und das Komplementsystem beteiligt sein. Obwohl primär die Myelinscheiden zerstört werden, kann es auch zu einer axonalen Schädigung oder Axonverlust kommen.
▶ Exkurs. Therapie der Multiplen Sklerose In der Klinik versucht man, den immunologischen Mechanismus möglichst genau zu bestimmen, der in einem gegebenen Fall für die Symptome verantwortlich ist, um dann eine möglichst gezielte Therapie durchführen zu können. Neuere Verfahren ermöglichen es zunehmend, die Therapie auf bestimmte Komponenten des Immunsystems zu fokussieren. Basistherapie: Hierzu stehen drei Therapieoptionen zur Verfügung: Hochdosierte Glucocorticoide werden auch heute noch in vielen Fällen eingesetzt, um bei einem Schub die Rückbildung der Symptome zu beschleunigen. Glucocorticoide wirken über eine vergleichsweise allgemeine Unterdrückung von Immunreaktionen. Interferon-β (IFN-β) wird zur Dauertherapie eingesetzt, um die Zahl der Schübe zu vermindern. Die für die MS-Therapie relevanten Wirkungsmechanismen des IFN-β sind nicht befriedigend geklärt. Offenbar hat das IFN-β eine insgesamt immunsuppressive Wirkung. Glatirameracetat ist der Name einer künstlich hergestellten Mischung unterschiedlicher Peptide, die in variabler Sequenz die Aminosäuren Glutaminsäure, Lysin, Alanin und Tyrosin (GLAT) enthalten. Wenn die Peptidmischung den Patienten injiziert wird, lassen sich damit Immunreaktionen gegen das Myelin abschwächen. Der Effekt wurde bereits 1995 entdeckt, der immunologische Mechanismus ist bis heute ungeklärt. Weitere Therapiemöglichkeiten: Hierzu zählen u. a. die Plasmapherese und die Therapie mit monoklonalen Antikörpern. Eine Plasmapherese wird mitunter durchgeführt, wenn Glucocorticoide keine ausreichende Wirkung gezeigt haben. Bei diesem Verfahren wird dem Patienten Blut abgenommen, die Zellen des Blutes werden vom Blutplasma getrennt und dem Patienten zusammen mit einem Plasmaersatz zurückgegeben. Auf diese Weise können gegebenenfalls Antikörper abgetrennt werden, die für den Schub verantwortlich sind. Monoklonale Antikörper: Natalizumab ist ein monoklonaler Antikörper (die Silbe „mab“ steht für monoclonal antibody), der zur Therapie aggressiver Formen der MS eingesetzt wird. Der Antikörper bindet an α4-Integrin, ein Protein, das in der Plasmamembran vieler Leukozyten verankert ist (vgl. Abb. 687). Indem Natalizumab das α4-Integrin blockiert, wird verhindert, dass Leukozyten im Gehirn die Blutgefäße verlassen und in das neuronale Gewebe einwandern. Rituximab ist ein monoklonaler Antikörper, der spezifisch gegen das Protein CD20 gerichtet ist. CD20 wird von B-Zellen exponiert. Durch die Bindung des Antikörpers wird eine Komplement-vermittelte Lyse und eine Zell-vermittelte Zytotoxizität vermittelt, sodass sämtliche B-Zellen des Blutes effizient eliminiert werden. Entsprechend effizient können antikörperabhängige Prozesse bei einem Schub unterdrückt werden. Daclizumab ist gegen die α-Kette des IL-2-Rezeptors gerichtet und hemmt die Aktivierung der T-Zellen. In schweren Fällen kann es sinnvoll sein, die Aktivität des Immunsystems mithilfe von Zytostatika drastisch zu unterdrücken (Eskalationstherapie). Angewendet werden u. a. die Zytostatika Mitoxantron und Cyclophosphamid.
Letztlich werden die lysierten Myelinscheiden von Mikrogliazellen phagozytiert. Diese werden von T-Helferzellen vom Typ TH1 durch Ausschüttung von IFN-γ aktiviert. An der Entzündungsreaktion können zytotoxische T-Zellen, Antikörper und das Komplementsystem beteiligt sein.
▶ Exkurs.
2.8.2 Alzheimer-Krankheit
2.8.2 Alzheimer-Krankheit
▶ Synonym. Morbus Alzheimer, Alzheimer Disease, AD.
▶ Synonym.
Die Alzheimer-Krankheit zählt zur Gruppe der neurodegenerativen Erkrankungen, die auch die Prionen-Krankheiten (s. S. 466), die Parkinson-Krankheit, die Chorea Huntington sowie die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) umfasst. Mitunter wird auch die MS zu den neurodegenerativen Erkrankungen gezählt. Typisch für diese Erkrankungen ist ein langsamer, aber unaufhaltsamer Untergang bestimmter Neurone. Die Alzheimer-Krankheit (AD) wurde erstmals 1907 von Alois Alzheimer (1864 – 1915) beschrieben, der zu dieser Zeit Mitarbeiter der Königlich Psychiatrischen Klinik in München war. AD beginnt mit einem Verlust des Kurzzeitgedächtnisses und führt im Verlauf mehrerer Jahre zu Gedächtnis- und Wortfindungsstörungen und zunehmender Demenz. Allgemein sind Demenzen als sekundär erworbener, längere Zeit anhaltender Verlust der intellektuellen Fähigkeiten bei erhaltenem Bewusstsein definiert. Etwa ⅔ aller Demenzen alter Menschen sind vom Alzheimer-Typ. Für weitere 20 % der Demenzen wird eine Durchblutungsstörung des
Die Alzheimer-Krankheit (AD) zählt zur Gruppe der neurodegenerativen Erkrankungen. Sie beginnt mit einem Verlust des Kurzzeitgedächtnisses und führt im Verlauf mehrerer Jahre zu progressiver Abnahme der intellektuellen Fähigkeiten bei erhaltenem Bewusstsein (Demenz). Eine AD liegt bei etwa ⅔ aller Demenzen alter Menschen vor.
804
Charakteristische Prozesse im Gehirn: Zwischen den Zellen bilden sich β-Amyloid-haltige Plaques (Abb. G 2.24 a). Innerhalb der Neurone bilden sich Fibrillen, die aus dem Protein tau bestehen. Folge: Untergang vieler Neurone mit Atrophie des Großhirns (Abb. G 2.24 b).
G 2 Neurochemie
Gehirns aufgrund von Arteriosklerose verantwortlich gemacht. Vom 80. Lebensjahr an sind mehr als 10 % der Menschen von AD betroffen. Im Gehirn der Patienten laufen dabei charakteristische Prozesse ab: Zwischen den Zellen bilden sich β-Amyloid-haltige Plaques (Abb. G 2.24 a), die einen Durchmesser von 10 bis mehreren 100 μm erreichen. Innerhalb der Neurone bilden sich Fibrillen, die aus dem Protein tau bestehen. Letztlich kommt es zu Funktionsstörungen und zum Untergang vieler Neurone und zu einer Atrophie des Großhirns (Abb. G 2.24 b).
G-2.24
G-2.24
Alzheimer-Krankheit
b γ-Secretase Presenilin 1 Presenilin 2
β-AmyloidVorstufe
Proteolyse
H2N
COOH β-Amyloid (42 Aminosäuren)
a c
Aggregation
Zellmembran
Zytosol
a Alzheimer-Plaque mit diffuser Ablagerung von β-Amyloid (A). Gallyas-Versilberung; Vergr. 1:200. b Kortikale Atrophie mit verschmälerten Gyri und entsprechend verbreiterten Sulci im gesamten Großhirnbereich (rechte Hemisphäre, nach Meningenentfernung) c Das β-Amyloid entsteht durch Aggregation des Peptids Aβ1-42. Dieses entsteht, wenn die β-Amyloid-Vorstufe im Transmembransegment von der γ-Secretase und innerhalb der N-terminalen Domäne von der β-Secretase gespalten wird. (a+b: aus Riede, Werner, Schaefer; Allgemeine und spezielle Pathologie, Thieme, 2004)
Die weitaus meisten Fälle von AD treten sporadisch auf. Erblichen Formen der Krankheit lassen sich auf Mutationen in den Genen dreier Proteine zurückführen: β-Amyloid-Vorstufe (APP) Presenilin 1 Presenilin 2 β-Amyloid-Vorstufe (APP) ist das Protein, aus dem durch proteolytische Spaltung im Gehirn der Alzheimer-Patienten das β-Amyloid (Aβ) der Plaques entsteht (Abb. G 2.24). Die β-Amyloid-Vorstufe ist mit einem membranspannenden Segment in der Plasmamembran der Neurone verankert. Die N-terminale Domäne der β-Amyloid-Vorstufe ist an der Außenseite der Zellen exponiert. Ein bestimmtes Fragment von 42 Aminosäuren der N-terminalen Domäne bildet das β-Amyloid der Plaques.
Die weitaus meisten Fälle von AD treten sporadisch auf. Weder bestimmte Umweltfaktoren, noch bestimmte genetische Defekte lassen sich als Ursache der Erkrankung ausfindig machen. In manchen Familien tritt AD allerdings auffällig häufig auf. Es wurden inzwischen Mutationen in drei Genen identifiziert, die für eine derartige Familial Alzheimer Disease (FAD) verantwortlich sind. Diese Gene kodieren die Proteine β-Amyloid-Vorstufe (β-Amyloid Precursor, APP), Presenilin 1 (PS1) und Presenilin 2 (PS2). Interessanterweise handelt es sich bei der β-Amyloid-Vorstufe um das Protein, aus dem durch proteolytische Spaltung im Gehirn der Alzheimer-Patienten das Peptid Aβ entsteht, das der Hauptbestandteil des β-Amyloids der Plaques ist (Abb. G 2.24). Die β-Amyloid-Vorstufe wird von einem Gen des Chromosoms 21 kodiert. Es handelt sich um ein Protein von 695 Aminosäuren, das von Neuronen, in geringerem Umfang auch von Glia-Zellen synthetisiert wird. Die physiologische Funktion des Proteins ist bislang unbekannt. Mäuse, die keine β-Amyloid-Vorstufe synthetisieren können, sind lebensfähig, lediglich ihr Erinnerungsvermögen ist eingeschränkt. Die β-Amyloid-Vorstufe ist mit einem membranspannenden Segment in der Plasmamembran der Neurone verankert. Der C-Terminus ist kurz und ragt in das Zytosol, die große N-terminale Domäne ist an der Außenseite der Zellen exponiert. Unter der Einwirkung bestimmter Proteasen wird die N-terminale Domäne an mehreren Stellen geschnitten, sodass sich kleine Peptide ablösen. Die meisten Peptide haben nur ein geringes pathologisches Potenzial. Ein bestimmtes Peptid von 42 Aminosäuren, das Aβ1-42, bildet jedoch sehr leicht Aggregate, es bildet im Gehirn das β-Amyloid der Plaques.
G 2.8 Wichtige Erkrankungen des ZNS
β-Amyloid-haltige Plaques bilden sich häufig auch bei Trisomie 21 (Down-Syndrom). Vermutlich kommt es aufgrund des überzähligen Chromosoms 21 zu einer Überexpression der β-Amyloid-Vorstufe und daraufhin zu einer vermehrten Bildung des Aβ. Presenilin 1 und Presenilin 2 sind homologe Proteine, die in der Plasmamembran der Neurone verankert sind. Beide Proteine sind Untereinheiten eines größeren Proteinkomplexes, der als γ-Secretase bezeichnet wird. Die γ-Secretase ist die Protease, die in der Plasmamembran das Transmembransegment der β-Amyloid-Vorstufe spaltet (Abb. G 2.24 c). Es hängt entscheidend von der Aktivität der γ-Secretase ab, ob β-Amyloid gebildet wird und welche Länge die β-Amyloid-Peptide haben. Die Disposition zur Entwicklung der Krankheit hängt u. a. vom jeweiligen Allel des Apolipoprotein-E-Gens ab. Apolipoprotein E wird nicht nur im Darm und in der Leber, sondern auch von Astrozyten sezerniert. Das Gehirn enthält nahezu 25 % des gesamten Cholesterins des Körpers, dieses Cholesterin wird ausschließlich im Gehirn synthetisiert. Apolipoprotein E ist am Transport des Cholesterins beteiligt. Möglicherweise ist es von Bedeutung, dass die β-Amyloid-Vorstufe und die γ-Secretase in Cholesterin-reichen Bereichen (sog. lipid rafts) der Plasmamembranen lokalisiert sind. Für Menschen mit einem APOE2-Allel ist das Risiko der Entwicklung einer AD vergleichsweise gering, das APOE4-Allel ist hingegen mit einem deutlich erhöhten AD-Risiko verbunden, insbesondere, wenn das APOE4-Allel homozygot vorliegt. Diese Konstellation ist bei etwa 2 % der Bevölkerung gegeben. Etwa 10 % der β-Amyloid-Vorstufe (APP) wird im Gehirn unter physiologischen Bedingungen täglich abgebaut und neu synthetisiert. Mehrere Proteasen wurden identifiziert, die am Abbau des APP beteiligt sind. Bislang ist ungeklärt, unter welchen Voraussetzungen es bei manchen Menschen irgendwann zu einer Aggregation von Aβ kommt. In vitro (im Reagenzglas) ließ sich zeigen, dass sich Aβ-Peptide in höheren Konzentrationen von alleine zu kleinen Komplexen (Oligomeren) und zu größeren fibrillären (fadenförmigen) Aggregaten zusammenlagern. Interessanterweise liegen die aggregierenden Aβ-Peptide weitgehend in β-Faltblatt-Strukturen vor, ähnlich dem PrPsc, das für die Prionenkrankheiten verantwortlich ist (s. S. 466). Ähnlich den Prionenkrankheiten kann auch die AD als Proteinfaltungskrankheit verstanden werden. Ungeklärt ist auch, welches der entscheidende Mechanismus ist, durch den die AβKomplexe die Neurone schädigen. Zwei Prozesse scheinen beteiligt zu sein: Aβ-Oligomere können sich in Membranen einlagern und Poren bilden. Durch unkontrollierten Einstrom von Ca2+ können die zellulären Funktionen gestört werden. Zellen können auf diese Weise auch zugrunde gehen. Aβ-Komplexe lösen im Gehirn eine Entzündung (Neuroinflammation) aus. Die Aβ-Komplexe der Plaques können das Komplementprotein C1q binden und damit eine Antikörper-unabhängige Komplementreaktion auslösen. Zudem werden in der Umgebung des Amyloids die Mikrogliazellen aktiviert, vermutlich über eine Bindung von Aβ an Toll-like Rezeptoren wie CD14/TLR4 (s. S. 660). Die von der Mikroglia ausgeschütteten Proteasen, Sauerstoffradikale u. a. Stoffe, die für eine Entzündung charakteristisch sind, könnten zum Untergang der Neurone beitragen. Im Gegensatz zum extrazellulären β-Amyloid bildet das Protein tau bei AD Fibrillen, die innerhalb der Neurone akkumulieren. Protein tau (benannt mit dem griechischen Buchstaben τ) ist normalerweise mit den Mikrotubuli der Neurone assoziiert. Bei AD wird es unter Beteiligung mehrerer Enzyme vielfach phosphoryliert. Es dissoziiert daraufhin von den Mikrotubuli ab und bildet im Zytosol der Perikaryen und Dendriten fibrilläre Strukturen (engl. tangles), die dann zum Untergang der Neurone beitragen. Der pathophysiologische Zusammenhang zwischen der Aggregation des tau-Proteins und der Bildung des β-Amyloids ist bislang noch nicht geklärt. In der klinischen Grundlagenforschung werden derzeit zwei Strategien verfolgt: Nachdem mehrere Proteasen identifiziert wurden, die unter physiologischen Bedingungen am Abbau des β-Amyloid-Vorstufenproteins APP beteiligt sind, versucht man, Aktivatoren dieser Enzyme zu entwickeln, die als Medikamente eingesetzt werden können. Derzeit sind mehrere Aβ-Immuntherapien bereits in der klinischen Prüfung. Das Ziel ist es, eine Immunantwort gegen das toxische Aβ1-42-Peptid auszulösen, die
805 β-Amyloid-haltige Plaques bilden sich auch bei Trisomie 21 (Down-Syndrom).
Presenilin 1 und Presenilin 2 sind homologe Untereinheiten der γ-Secretase, einer Protease, die in der Plasmamembran das Transmembransegment der β-Amyloid-Vorstufe spaltet (Abb. G 2.24 c).
Die Disposition zur Entwicklung der AD hängt u. a. vom jeweiligen Allel des Apolipoprotein-E-Gens ab. Apolipoprotein E ist im Gehirn am Transport von Cholesterin beteiligt.
Bislang ist ungeklärt, unter welchen Voraussetzungen es zu einer Aggregation von Aβ kommt. In vitro ließ sich zeigen, dass sich AβPeptide in höheren Konzentrationen von alleine zu kleinen Komplexen (Oligomeren) und zu größeren Aggregaten zusammenlagern. Ähnlich den Prionenkrankheiten kann die AD als Proteinfaltungskrankheit verstanden werden.
Ungeklärt ist auch, welches der entscheidende Mechanismus ist, durch den die Aβ-Komplexe die Neurone schädigen. Zwei Prozesse scheinen beteiligt zu sein: Aβ-Oligomere können sich in Membranen einlagern und Poren bilden. Aβ-Komplexe können im Gehirn eine Entzündung auslösen. Dabei werden von der Mikroglia Sauerstoffradikale u. a. Stoffe ausgeschüttet, die zum Untergang der Neurone beitragen.
Im Gegensatz zum extrazellulären β-Amyloid bildet das Protein tau bei AD Fibrillen, die innerhalb der Neurone akkumulieren. Das Protein tau ist normalerweise mit den Mikrotubuli der Neurone assoziiert.
In der klinischen Grundlagenforschung werden derzeit zwei Strategien verfolgt: Entwicklung von Aktivatoren der Proteasen, die unter physiologischen Bedingungen am Abbau des β-Amyloid-Vorstufenproteins APP beteiligt sind. Immuntherapien zur Auslösung einer Immunantwort gegen das Aβ1-42.
806
G 2 Neurochemie
dazu führt, dass die Peptide z. B. mithilfe spezifischer Antikörper entfernt werden, bevor sich pathologische Prozesse entwickeln.
2.8.3 Parkinson-Krankheit
2.8.3 Parkinson-Krankheit
▶ Synonym.
▶ Synonym. Morbus Parkinson, Parkinson Disease, PD.
Die Parkinson-Krankheit (PD) ist nach dem englischen Arzt James Parkinson benannt. Symptome sind Tremor, Rigor und Akinese.
Die Parkinson-Krankheit (PD) ist nach dem englischen Arzt James Parkinson benannt, der die Symptome 1817 unter dem Titel „An Essay on the shaking Palsy“ erstmals beschrieb. Die Krankheit wird traditionell mit drei Begriffen charakterisiert: Tremor: In vielen Fällen, aber nicht immer, wird von den Patienten zunächst ein Zittern einer Hand beobachtet. Der Ruhetremor ist auch in fortgeschrittenen Stadien der Krankheit auf einer Körperseite besonders ausgeprägt („unilateral“). Rigor: Bei der neurologischen Untersuchung fällt eine eigentümliche Steifigkeit der Extremitäten und des Rumpfes auf. Die Bewegungsabläufe sind verlangsamt, der Oberkörper ist nach vorne gebeugt, der Gang ist kleinschrittig. Akinese: Zu den Symptomen der PD gehört eine zunehmende Unbeholfenheit der Patienten im Beginnen von Bewegungsabläufen, etwa beim Gehen, die als Starthemmung charakterisiert wird. Die Patienten sind nahezu ausschließlich ältere Menschen. Bis zum 85. Lebensjahr entwickelt sich eine Parkinson-Krankheit bei 4 – 5 % der Bevölkerung.
Die Patienten sind nahezu ausschließlich ältere Menschen. Bis zum 85. Lebensjahr entwickelt sich eine PD bei 4 – 5 % der Bevölkerung. Die Ursache der Erkrankung ist in etwa 90 % der Fälle unbekannt. Die PD ist eine Basalganglienerkrankung mit Untergang dopaminerger Neurone in der Substantia nigra (Abb. G 2.25 a und Abb. G 2.25 b). Deshalb ist die dopaminerge Hemmung nachgeschalteter Neurone im Striatum ungenügend.
G-2.25
Die Ursache der Erkrankung ist in etwa 90 % der Fälle unbekannt („idiopathisch“). 1960 entdeckte der Pathologe Oleh Hornykiewicz in Wien, dass es sich bei der PD um eine Basalganglienerkrankung handelt. In der Substantia nigra des Mittelhirns befinden sich normalerweise ca. 450 000 dopaminerge Neurone, die überwiegend zum Striatum (genauer: zum Putamen) ziehen (Abb. G 2.25 a). Im Stoffwechsel dieser Zellen wird ausgehend von Tyrosin nicht nur Dopamin produziert, sondern auch Melanin, das die Zellkörper dunkel färbt. Im Alter nimmt die Zahl dieser Neurone
Parkinson-Krankheit
dopaminerges nigrostriatales Neuron
cholinerges Interneuron
Putamen
GABAerges Projektionsneuron (hemmend)
Substantia nigra
Umschaltung im Globus pallidus → Thalamus, → Cortex
c a
Cortex Substantia nigra
Putamen Thalamus Globus pallidus
extrapyramidales System (→ unbewusste Regulation von Bewegungsabläufen) b
d
Pyramidenbahn, Tractus corticospinalis (Bahnen der Willkürmotorik) Interneurone des Rückenmarks und α-Motoneurone
a Normale Substantia nigra mit halbmondförmiger bräunlicher Pigmentierung (Pfeil). b Ausgeprägte Depigmentierung der Substantia nigra bei einem Parkinson-Patienten. c Verschaltung dopaminerger Neurone der Substantia nigra. d Die Substantia nigra im Kontext der subkortikalen Kerne. (a+b: aus Riede, Werner, Schaefer; Allgemeine und spezielle Pathologie, Thieme, 2004)
G 2.8 Wichtige Erkrankungen des ZNS
aus unbekannten Gründen ab (Abb. G 2.25 b). Wenn weniger als ca. 150 000 Neurone übrig geblieben sind, ist die dopaminerge Hemmung nachgeschalteter Neurone im Striatum ungenügend. Bei den nachgeschalteten Neuronen handelt es sich u. a. um GABAerge Neurone, die zum Thalamus ziehen (Abb. G 2.25 c und Abb. G 2.25 d). Dort greifen sie in die Regulation von Bewegungsabläufen ein, indem sie durch Ausschüttung von GABA eine hemmende Wirkung ausüben. Da sie normalerweise ihrerseits durch das Dopamin der nigrostriatalen Neurone gehemmt werden, ist ihre hemmende Wirkung im Thalamus normalerweise gering. Die Aktivität der GABAergen Neurone wird parallel auch von cholinergen Neuronen kontrolliert. Das Acetylcholin hat auf die GABAergen Neurone des Striatums eine aktivierende Wirkung. Sobald nun die Dopaminvermittelte Hemmung unterbleibt, überwiegt im Striatum die cholinerge Aktivierung, und die GABAergen Neurone vermitteln über den Thalamus eine permanente und generelle Hemmung aller Körperbewegungen. So führt ein Verlust der dopaminergen Neurone der Substantia nigra letztlich zu einer allgemeinen Hemmung der Willkürmotorik. Bereits in den 60er-Jahren wurde gezeigt, dass sich viele Symptome der PD durch Behandlung mit L-DOPA erheblich lindern lassen. L-DOPA wirkt insbesondere dem Rigor und der Akinese entgegen. Dopamin ist als Medikament ungeeignet, da es die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden kann und in der Peripherie erhebliche Nebenwirkungen auslöst. Die Vorstufe des Dopamins, das L-DOPA, kann hingegen unter Vermittlung eines Aminosäuretransporters in das neuronale Gewebe vordringen, wo es zu Dopamin decarboxyliert wird. Um eine unerwünschte Decarboxylierung des L-DOPA in der Peripherie zu verhindern, wird L-DOPA in den Tabletten mit einem Decarboxylase-Hemmer (Benserazid oder L-Carbidopa) kombiniert. Beide Komponenten werden im Verdauungstrakt schnell resorbiert. Da die Wirksamkeit des L-DOPA im Laufe einiger Jahre abnimmt, hat man mehrere alternative Medikamente entwickelt: Zur initialen Monotherapie in frühen Stadien der Erkrankung: Dopaminrezeptor-Agonisten (z. B. Pramipexol) ersetzen fehlendes Dopamin im Striatum. MAO-B-Hemmer (Selegilin und Rasagilin) hemmen den Abbau des Dopamins, das von den übrig gebliebenen dopaminergen Neuronen ausgeschüttet wird. Weitere Optionen, zusätzlich zum L-DOPA: Entacapon hemmt den Abbau der Katecholamine durch die Catechol-O-MethylTransferase (COMT, s. S. 795). L-DOPA wird deshalb in der Therapie immer häufiger nicht nur mit einem Decarboxylase-Hemmer, sondern auch mit Entacapon kombiniert. Amantadin hemmt an den GABAergen Neuronen des Striatums die Freisetzung von Acetylcholin. Auf diese Weise wirkt man dem Überwiegen der cholinergen Aktivierung entgegen, das sich bei fehlender Dopamin-Ausschüttung einstellt. Anticholinergika (z. B. Biperiden) wirken ebenfalls dem Überwiegen der cholinergen Aktivierung entgegen. Derzeit bemüht man sich intensiv, die Ursache der Degeneration der dopaminergen Neurone aufzuklären. Der Ausgangspunkt vieler aktueller Projekte bestand in der genetischen Untersuchung von Familien, in denen die PD gehäuft auftrat. Inzwischen wurden 11 PARK-Gene identifiziert, die an erblichen Formen der Krankheit beteiligt sind. Drei Produkte der PARK-Gene, α-Synuclein, Parkin sowie das Produkt des Gens PINK1 haben in jüngster Zeit besondere Beachtung gefunden (Abb. G 2.26): α-Synuclein ist ein Protein von 140 Aminosäuren, das von dem Gen PARK1 kodiert wird. α-Synuclein wurde in der Substantia nigra der PD-Patienten als Bestandteil der Lewy-Körper (Lewy Bodies) nachgewiesen. Lewy-Körper sind Protein-Aggregate, die in den dopaminergen Neuronen der Patienten akkumulieren. Sie können auch entstehen, wenn eine Mutation in PARK1 nicht vorhanden ist. Parkin, das Produkt von PARK2, ist ein Protein von 465 Aminosäuren. Seiner enzymatischen Funktion nach ist Parkin eine Ubiquitin-Ligase. Parkin ist also ein Enzym, das daran beteiligt ist, bestimmte Substratproteine mit Ubiquitin zu markieren und dem Abbau durch Proteasomen zuzuführen (s. S. 373). Genprodukt von PINK1 (= PARK6) ist eine mitochondriale Serin/Threonin-Kinase.
807
Nachgeschaltet sind u. a. GABAerge Neurone zum Thalamus (Abb. G 2.25 c und Abb. G 2.25 d), die übermäßige Körperbewegungen hemmen. Diese Neurone werden von Dopamin gehemmt, von Acetylcholin aktiviert. Bei Verlust der dopaminergen Neurone der Substantia nigra überwiegt die cholinerge Aktivierung, und die GABAergen Neurone vermitteln über den Thalamus eine allgemeine Hemmung der Willkürmotorik.
Viele Symptome der Parkinson-Krankheit lassen sich durch Behandlung mit L-DOPA erheblich lindern. L-DOPA kann unter Vermittlung eines Aminosäuretransporters in das neuronale Gewebe vordringen, wo es zu Dopamin decarboxyliert wird. Um die Decarboxylierung des L-DOPA in der Peripherie zu verhindern, wird L-DOPA mit einem Decarboxylase-Hemmer kombiniert.
Alternative Medikamente: Dopaminrezeptor-Agonisten und MAO-B-Hemmer (Selegilin, Rasagilin) verstärken die Dopaminwirkungen, Entacapon als Hemmstoff der COMT, Amantadin (hemmt im Striatum die Freisetzung von Acetylcholin) und Anticholinergika hemmen die Wirkungen des Acetylcholins → Wiederherstellung des Gleichgewichts zwischen Dopamin und Acetylcholin.
Untersuchungen zur Ursache der Degeneration der dopaminergen Neurone haben 11 PARK-Gene identifiziert, die an erblichen Formen der PD beteiligt sind. Drei Genprodukte sind von besonderem Interesse (Abb. G 2.26):
α-Synuclein, kodiert von PARK1, ist Bestandteil der Lewy-Körper. Lewy-Körper sind Protein-Aggregate, die in defekten dopaminergen Neuronen der Substantia nigra akkumulieren. Parkin, kodiert von PARK2, ist eine Ubiquitin-Ligase. Parkin ist vermutlich daran beteiligt, Substratproteine dem Abbau durch Proteasomen zuzuführen. Genprodukt von PINK1 (= PARK6) ist eine mitochondriale Kinase.
808 G-2.26
G 2 Neurochemie
G-2.26
Lewy-Körper (aus Riede, Werner, Schaefer; Allgemeine und spezielle Pathologie, Thieme, 2004)
Lewy-Körper, enthält α-Synuclein
Es ist auffällig, dass die PARK-Gene Proteine kodieren, die weder für dopaminerge Neurone noch für das Nervensystem charakteristisch sind. Die PARK-Gene lassen sich zwei Funktionskreisen zuordnen:
Viele PARK-Gene kodieren Proteine, die einen Bezug zur Proteinfaltung oder zum Abbau falsch gefalteter Proteine haben. Es gibt viele Hinweise, dass in der Pathogenese der PD die Mitochondrien eine wichtige Rolle spielen.
Kürzlich wurde entdeckt, dass sich Parkin an die Außenseite von Mitochondrien anlagert und dann in Kooperation mit PINK1 eine Autophagie (= Autophagozytose) auslösen kann. Durch Autophagie werden Proteinaggregate oder auch ganze Mitochondrien innerhalb der Zellen zu Lysosomen transportiert und dann in den Lysosomen vollständig abgebaut.
Es ist auffällig, dass die verschiedenen PARK-Gene ausnahmslos Proteine kodieren, die weder für dopaminerge Neurone noch für das Nervensystem charakteristisch sind. Bislang kann nur spekuliert werden, warum von den genetischen Defekten primär die Substantia nigra betroffen ist. Offenbar reagieren die dopaminergen Neurone hier außerordentlich empfindlich auf die mit den Mutationen verbundenen Störungen. Die meisten PARK-Gene lassen sich zwei Funktionskreisen zuordnen: Viele PARK-Gene kodieren Proteine, die einen Bezug zur Proteinfaltung oder zum Abbau falsch gefalteter Proteine haben. Ein Beispiel ist mit dem Parkin gegeben, das an der Proteolyse in der Zelle beteiligt ist. Bemerkenswert ist, dass zu den typischen Kennzeichen der betroffenen Neurone bei den sporadischen Formen der PD die Lewy-Körper zählen, bei denen es sich um Aggregate von α-Synuclein u. a. aggregierten Proteinen im Zytosol handelt. Zumindest teilweise scheint auch die PD eine Proteinfaltungskrankheit zu sein. Zudem gibt es viele Hinweise, dass in der Pathogenese der PD die Mitochondrien eine wichtige Rolle spielen. So ist z. B. das Protein PINK1 eine mitochondriale Kinase. Kürzlich wurde entdeckt, dass sich Parkin an die Außenseite von Mitochondrien anlagert und dann eine Autophagie (= Autophagozytose) auslösen kann. Durch Autophagie werden Proteinaggregate oder auch ganze Mitochondrien innerhalb der Zellen zu Lysosomen transportiert und dann in den Lysosomen vollständig abgebaut. Neue Mitochondrien entstehen durch Wachstum und Teilung der noch vorhandenen Mitochondrien. Durch Autophagie werden v. a. Mitochondrien abgebaut, die ihr Membranpotential verloren haben und nicht mehr funktionsfähig sind. An der Oberfläche derartiger Mitochondrien akkumuliert auch das Protein PINK1. Wahrscheinlich vermittelt Parkin die Autophagie in Kooperation mit PINK1. Offenbar führen Störungen dieses Systems in den dopaminergen Neuronen besonders leicht zum Untergang der Zellen. Die Parkinson-Krankheit wäre damit die Folge einer fehlenden Regeneration der Mitochondrien.
2.8.4 Chorea Huntington
2.8.4 Chorea Huntington
Chorea Huntington zählt zu den hyperkinetischen Basalganglienkrankheiten. Ursache ist ein irreversibel fortschreitender Untergang GABAerger striataler Neurone. Der Verlust der Neurone führt zu einer Enthemmung von Neuronen des Thalamus.
Die Chorea Huntington zählt zu den hyperkinetischen Basalganglienkrankheiten. Ursache ist ein irreversibel fortschreitender Untergang GABAerger striataler Neurone. Der Verlust der Neurone führt zu einer Enthemmung von Neuronen des Thalamus. Die Krankheit äußert sich in plötzlichen, regellosen und unwillkürlichen Bewegungen, in fortgeschrittenem Stadium auch in Demenz. Das Krankheitsbild ist damit teilweise komplementär zum Erscheinungsbild der PD, bei der es sich um eine hypokinetische Basalganglienerkrankung handelt. In allen Fällen von Chorea Huntington liegt dem Untergang der Neurone ein Defekt in einem bestimmten Gen zugrunde. Das betroffene Genprodukt hat den Namen Huntingtin bekommen. Es enthält ein Segment, in dem normalerweise 11 – 34 Glutaminreste unmittelbar nebeneinander vorkommen. Geht die Zahl der Glutaminreste darüber hinaus, kommt es zu den Symptomen der Chorea Huntington. Manche Patienten enthalten das Glutamin-kodierende Triplett CAG mehr als 100-mal. Man bezeichnet dieses Phänomen als Trinukleotidexpansion. Die physiologische Funk-
Ursache ist eine Trinukleotidexpansion im Huntingtin-Gen mit der Folge einer erhöhten Zahl von Glutaminresten im Protein Huntingtin.
G
809
2.9 Sinnesorgane und Sinneszellen
tion des Huntingtins ist bislang ungeklärt. Glücklicherweise ist Chorea Huntington eine sehr seltene Krankheit, die Prävalenz liegt bei 5 pro 100 000 Einwohner.
2.9
Sinnesorgane und Sinneszellen
2.9
Sinnesorgane und Sinneszellen
2.9.1 Riechsinneszellen
2.9.1 Riechsinneszellen
Anatomie: Die Riechschleimhaut, Regio olfactoria, befindet sich im Bereich der oberen Nasenmuscheln und des oberen Teils des Nasenseptums. Das Riechepithel enthält Stützzellen, Basalzellen sowie insgesamt ca. 20 Millionen Riechsinneszellen (Abb. G 2.27 a). Diese tragen an ihrer Oberfläche jeweils 6 – 8 modifizierte unbewegliche Kinozilien (Riechgeißeln), in denen die Chemorezeptoren lokalisiert sind. An ihrem basalen Ende bilden die Zellen ein Axon, das eine Verbindung zum Bulbus olfactorius, dem Riechkolben des Gehirns, herstellt. Die Riechsinneszellen werden deshalb auch als olfaktorische Neurone bezeichnet. Das Genom des Menschen enthält ca. 350 Gene, die funktionsfähige Riechrezeptoren kodieren. In jeder Riechsinneszelle wird jeweils nur eines dieser Gene exprimiert. Zudem enthält das Genom weitere 700 – 800 ähnliche Rezeptor-Gene, die aber keine funktionsfähigen Proteine kodieren und somit Pseudogene sind. Gleichwohl ergibt sich bei einer Gesamtzahl von maximal 25 000 Genen, dass im Genom des Menschen über 1 % der Gene Riechrezeptoren kodieren. Da einzelne Geruchsstoffe an mehrere Rezeptorproteine binden können, ist die Zahl der unterscheidbaren Gerüche für den Menschen wesentlich größer. Es wird vermutet, dass Menschen etwa 10 000 Gerüche unterscheiden können.
Anatomie: Riechsinneszellen tragen an ihrer Oberfläche jeweils 6 – 8 modifizierte unbewegliche Kinozilien, in denen die Chemorezeptoren lokalisiert sind (Abb. G 2.27 a). An ihrem basalen Ende bilden sie ein Axon, das zum Bulbus olfactorius zieht.
Reaktionsmechanismus: Alle Riechrezeptoren sind miteinander verwandt und zeigen im Prinzip den gleichen Reaktionsmechanismus. Riechrezeptoren sind mit sieben membranspannenden α-Helices in der Membran der Kinozilien verankert. Sobald ein Geruchsstoff an einen Rezeptor bindet, wird ein riechspezifisches G-Protein (Golf) freigesetzt, das dann die Adenylatzyklasen der Zelle aktiviert. Die steigende cAMP-Konzentration löst einen Einstrom von Na+- und Ca2+-Ionen durch cAMP-kontrollierte Kationenkanäle und damit ein Aktionspotenzial aus.
Reaktionsmechanismus: Heptahelikaler Rezeptor → Freisetzung eines riechspezifischen G-Proteins Golf → Aktivierung der Adenylatzyklase → cAMP↑ → Einstrom von Na+ und Ca2+ → Aktionspotenzial
Regeneration: Die Riechsinneszellen des Menschen werden etwa alle 1 – 2 Monate vollständig ersetzt. Als Stammzellen dienen dabei die Basalzellen des Riechepithels. Die täglich in großer Zahl neu entstehenden Sinneszellen bilden neue Axone aus. Die Axone aller Sinneszellen, die das gleiche olfaktorische Rezeptor-Gen exprimieren, steuern im Bulbus olfactorius den gleichen Glomerulus (Abb. G 2.27 b) an. Beachtlich ist zum einen die außerordentliche Regenerationsfähigkeit der olfaktorischen Neurone, zum anderen aber auch die Zielsicherheit, mit der die vielen neu gebildeten Axone die passenden Glomeruli erreichen. In den Glomeruli bilden die Axone Synapsen mit Mitralzellen, deren Axone dann gemeinsam als Tractus olfactorius bis zum primären olfaktorischen Cortex ziehen.
Regeneration: Die Riechsinneszellen des Menschen werden etwa alle 1 – 2 Monate vollständig ersetzt. Die Axone aller Sinneszellen, die das gleiche olfaktorische RezeptorGen exprimieren, steuern im Bulbus olfactorius den gleichen Glomerulus (Abb. G 2.27 b) an.
G-2.27
Das Genom des Menschen kodiert maximal 25 000 Proteine, darunter ca. 350 Riechrezeptoren, d. h. > 1 % aller Gene kodiert Riechrezeptoren.
Riechepithel
Fila olfactoria olfaktorische Gila Sinneszelle
Kinozilien
Riechkolben
Stützzelle Basalzelle a
Schleimfilm
b
a Zellen des Riechepithels (aus Lüllmann-Rauch, Histologie, Thieme, 2009). b Glomerulus im Bulbus olfactorius einer Maus (Foto: J. Strotmann, T. Feistel, H. Breer; Universität Hohenheim).
810
G 2 Neurochemie
2.9.2 Geschmackssinneszellen
2.9.2 Geschmackssinneszellen
Im Gegensatz zu den Riechrezeptoren zeigen die Geschmacksrezeptoren mehrere unterschiedliche Systeme der Signaltransduktion.
Geschmackssinneszellen sind chemosensible Schleimhautzellen, die in Gruppen von etwa 50 Zellen in den Geschmacksknospen der Zunge, teilweise auch im Gaumen und im Pharynx liegen. Im Gegensatz zu den Riechrezeptoren zeigen die Geschmacksrezeptoren mehrere unterschiedliche Systeme der Signaltransduktion. Sie bilden keine eigenen Axone aus, sondern werden becherartig von Nervenenden umgeben, die zu drei verschiedenen Hirnnerven gehören: N. facialis (VII), N. glossopharyngeus (IX), N. vagus (X).
2.9.3 Das Ohr: Hören und Gleichgewicht
2.9.3 Das Ohr: Hören und Gleichgewicht
Anatomie: Gehörorgan und Gleichgewichtsorgan befinden sich im Innenohr. Dieses enthält ein Schlauchsystem, das mit Endolymphe gefüllt und von Perilymphe umgeben ist. Die Endolymphe enthält KaliumIonen in einer ungewöhnlich hohen Konzentration und nur wenig Natriumionen. Sie umspült die Sinnesepithelien des Gehörorgans in der Cochlea (Abb. G 2.28 a) und des Gleichgewichtsorgans im vestibulären Labyrinth.
Anatomie: Gehörorgan und Gleichgewichtsorgan des Menschen befinden sich im Innenohr. Dieses enthält ein Schlauchsystem, das mit Endolymphe gefüllt ist. Wegen seiner komplizierten Struktur wird das System als „häutiges Labyrinth“ bezeichnet. Es liegt im knöchernen Labyrinth, einem System von Hohlräumen des Felsenbeins und ist von Perilymphe umgeben. Die Perilymphe ähnelt in ihrer Zusammensetzung den extrazellulären Flüssigkeiten anderer Gewebe. Die Endolymphe hingegen enthält Kalium-Ionen in einer ungewöhnlich hohen Konzentration von ca. 140 mM und nur wenig Natriumionen. Die Ionenzusammensetzung ist somit ähnlich wie im Zytosol. Die Endolymphe umspült die Sinnesepithelien: Die Cochlea (Schnecke) enthält das Sinnesepithel des Gehörorgans (Abb. G 2.28 a). Das vestibuläre Labyrinth enthält die Sinnesepithelien des Gleichgewichtsorgans.
Reaktionsmechanismus: Die Reizwahrnehmung erfolgt durch Haarzellen, die an ihrer apikalen Seite Stereozilien exponieren. Dies sind ca. 200 nm dicke Mikrovilli, die mehrere Mikrometer lang sind. Wenn Haarzellen bei Verletzungen oder durch Toxine untergehen, können sie nicht mehr ersetzt werden.
Reaktionsmechanismus: In beiden Systemen erfolgt die Reizwahrnehmung durch Haarzellen, die an ihrer apikalen Seite Stereozilien exponieren. Jede Zelle trägt ca. 80 Stereozilien unterschiedlicher Länge, die wie Orgelpfeifen angeordnet sind. Stereozilien sind ca. 200 nm dicke Mikrovilli, die mehrere Mikrometer lang sind. Sie sind von der Zellmembran umgeben und enthalten in ihrem Inneren einen Kern aus quervernetzten Aktinfilamenten. Der Ausdruck „Stereozilien“ weist darauf hin, dass es sich um ungewöhnlich steife Mikrovilli handelt (griech. stereos, starr). Die Haarzellen des Innenohrs müssen im Gegensatz zu den Riechzellen das ganze Leben lang erhalten bleiben. Wenn Haarzellen bei Verletzungen oder durch Toxine untergehen, können sie nicht mehr ersetzt werden. Bislang ist es rätselhaft, was bei der Reizung der Haarzellen genau passiert. Bei der Schallwahrnehmung werden die Luftschwingungen unter Vermittlung von Trommelfell und Gehörknöchelchen, ovalem Fenster und Perilymphe, häutigem Labyrinth und Sinnesepithel auf die Stereozilien übertragen. Die Auslenkungen, die letztlich auf die Stereozilien übertragen werden, liegen in der Größenordnung von 10– 10m; dies entspricht dem Durchmesser eines Wasserstoffatoms. Die Bewegung
Bei der Schallwahrnehmung wird eine Bewegung auf die Stereozilien übertragen. Die Bewegung der Stereozilien führt zur Öffnung mechanosensitiver Ionenkanäle mit einer Spezifität für K+-Ionen → Bildung eines Rezeptorpotenzials → Öffnung von Ca2+-Kanälen an der basolateralen Seite → Ausschüt-
G-2.28
G-2.28
Haarzellen des Innenohrs Vorhoftreppe (Scala vestibuli)
Perilymphe
Reissner-Membran Endolymphe
Deckplatte (Membrana tectoria) Sinneszellen (Haarzellen)
Knochen des Felsenbeins Schneckengang (Ductus cochlearis)
Stereozilien TipLinks
bipolare Nervenzellen im Ganglion spirale cochleae Paukentreppe (Scala tympani)
Stützzellen a
b
Basilarmembran (Lamina basilaris)
a Schnitt durch eine Schneckenwindung des Innenohrs (aus Faller, Schünke; Der Körper des Menschen, Thieme, 2008). b Tip Links an den Stereozilien der Haarzellen (nach Silbernagl, Despopoulos; Taschenatlas Physiologie, Thieme, 2007).
G
811
2.9 Sinnesorgane und Sinneszellen
der Stereozilien führt zur Öffnung mechanosensitiver Ionenkanäle mit einer Spezifität für K+-Ionen und zur Bildung eines Rezeptorpotenzials. Daraufhin öffnen sich an der basolateralen Seite Ca2+-Kanäle und als Neurotransmitter wird Glutamat ausgeschüttet. Das Signal wird von bipolaren Nervenzellen aufgenommen. Diese bilden die Radix cochlearis und Radix vestibularis des VIII. Hirnnervs. Die Ionenkanäle, die für die Bildung des Rezeptorpotenzials verantwortlich sind, liegen offenbar an der Basis feiner extrazellulärer Härchen, die einzeln jeweils die oberen Enden zweier benachbarter Stereozilien miteinander verbinden (Abb. G 2.28 b). Die Härchen werden als Tip Links bezeichnet (engl. tip = Endstück, Spitze; link = Verbindung). Tip Links sind ca. 5 nm dick und 200 nm lang und bestehen aus zwei sich helikal umwindenden Proteinfäden. Vermutlich öffnen sich die Ionenkanäle bei Kippbewegungen der Tip Links an der Plasmamembran. Obwohl die Ionenkanäle der Stereozilien elektrophysiologisch bereits vor vielen Jahren charakterisiert wurden, konnten die Proteine, welche die ionenleitenden Poren bilden und damit den Menschen die Welt der Töne und Geräusche öffnen, bislang (2012) noch nicht identifiziert werden.
tung von Glutamat → Aktivierung bipolarer Nervenzellen des VIII. Hirnnerven.
2.9.4 Das Auge
2.9.4 Das Auge
Grundlagen
Grundlagen
Das Sehen wird von Fotorezeptoren in der Netzhaut des Auges vermittelt (Abb. G 2.29 a): das Hell-dunkel-Sehen von etwa 120 Millionen Stäbchen, das Farbensehen von ca. 6 Millionen Zapfen.
Das Sehen wird von den Fotorezeptoren (Stäbchen und Zapfen) der Netzhaut vermittelt (Abb. G 2.29 a).
Die Ionenkanäle, die für die Bildung des Rezeptorpotenzials verantwortlich sind, liegen offenbar an der Basis feiner extrazellulärer Tip Links, die einzeln jeweils die oberen Enden zweier benachbarter Stereozilien miteinander verbinden (Abb. G 2.28 b). Vermutlich öffnen sich die Ionenkanäle bei Kippbewegungen der Tip Links. Die kanalbildenden Proteine sind noch unbekannt.
Stäbchen
Stäbchen
Die Stäbchen enthalten in ihrem Außensegment einen Stapel von Scheibchenmembranen, in die das Fotopigment Rhodopsin eingelagert ist. Rhodopsin besteht aus zwei Komponenten: Das Protein Opsin ist mit sieben membranspannenden α-Helices in die Membranen eingelagert, zählt also zu den heptahelikalen Rezeptoren. Die molare Masse des Opsins liegt bei 40 kDa. 11-cis-Retinal, ein Derivat des Vitamin A, ist kovalent mit einem Lysin des Opsins verbunden. Die chemische Verbindung, die durch die Reaktion der Aldehydgruppe des Retinals mit der ε-Aminogruppe des Lysins zustande kommt, entspricht einer Schiff-Base (Abb. G 2.29 b).
Das Fotopigment Rhodopsin der Stäbchen besteht aus zwei Komponenten: Das Protein Opsin ist mit sieben membranspannenden α-Helices in die Membranen eingelagert. 11-cis-Retinal ist kovalent mit einem Lysin des Opsins verbunden (Abb. G 2.29 b).
▶ Merke.
Die primäre fotochemische Reaktion besteht in der Isomerisierung des 11-cis-Retinal zu all-trans-Retinal durch Drehung um die Doppelbindung zwischen den C-Atomen 11 und 12 (Abb. G 2.29 b).
▶ Merke.
Zapfen
Zapfen
Zapfen zeigen grundsätzlich einen ähnlichen Aufbau. Sie enthalten ebenfalls 11-cisRetinal, das aber nicht an Opsin, sondern an Zapfenopsine gebunden ist. Es gibt drei Typen von Zapfenopsinen (und damit drei Zapfentypen), die sich in ihrer Primärstruktur geringfügig voneinander und von der Primärstruktur des Opsins unterscheiden. Da das Absorptionsmaximum des 11-cis-Retinals im Protein von seiner Umgebung beeinflusst wird, die je nach Zapfenopsin unterschiedlich ist, zeigen die drei Zapfentypen verschiedene, spezifische Absorptionsmaxima: 420 nm: Empfindlichkeit für blaues Licht 535 nm: Empfindlichkeit für grünes Licht 565 nm: Empfindlichkeit für rotes Licht Die Membranen der Zapfen, in denen das Licht absorbiert wird, sind einfache Einstülpungen der Plasmamembran. Darin unterscheiden sie sich von den Scheibchenmembranen der Stäbchen, die sich von der Plasmamembran vollständig abgeschnürt haben.
Zapfen enthalten ebenfalls 11-cis-Retinal, das jedoch nicht an Opsin, sondern an unterschiedliche Zapfenopsine gebunden ist. Da das Absorptionsmaximum des 11-cis-Retinals im Protein von seiner Umgebung beeinflusst wird, lassen sich drei Zapfentypen mit unterschiedlichen Absorptionsmaxima unterscheiden: blau rot grün
Genloci der Opsine
Genloci der Opsine
Die Gene der verschiedenen Opsine liegen auf unterschiedlichen Chromosomen: Das Gen des Stäbchen-Opsins liegt auf Chromosom 3, das des Blau-Opsins auf Chromosom 7.
Die Gene der verschiedenen Opsine liegen auf unterschiedlichen Chromosomen. Auf dem X-Chromosom liegen drei Gene für Grün-Opsin und ein Gen für Rot-Opsin eng
812
G 2 Neurochemie
G-2.29
Fotorezeptorzellen Mü
PE
IS AS
a Ultrastruktur der Fotorezeptorzellen. Oben Zapfenzelle, unten Stäbchenzelle. AS: Außensegment, IS: Innensegment, Mü: äußere Fortsätze der Müller-Zellen, PE: Pigmentepithel mit Melaningranula (braun) und phagozytierten Außensegment-Fragmenten (ASF), BL: Basallamina, Kap: Kapillare (gefenstertes Endothel) der Choriokapillaris (aus LüllmannRauch, Taschenlehrbuch Histologie, Thieme, 2009). b Isomerisierung von 11-cis-Retinal zu all-trans-Retinal an Opsin.
ASF
Kap tj
ASF a
H 3C
IS
Mü
CH3
CH3
AS
BL
H3C
11
CH3
CH3
11
12
CH3
12
H 3C
11-cis-Retinal
CH3 H
C
O
Opsin (Lysinrest)
N
CH HN+
+ H
H 3C
11-cis-Retinal Rhodopsin (Schiff-Base)
H
(CH2)4 Opsin
(CH2)4 Isomerisierung der Doppelbindung zwischen C11 und C12 durch Licht
Opsin
H3C
CH3
CH3
b
CH3
CH3 11 12
H C
+
N H
(CH2)4
Opsin
all-trans-Retinal
nebeneinander. Rekombinationsfehler können zur Folge haben, dass Rot und Grün nicht mehr unterschieden werden können.
Auf dem X-Chromosom liegen drei Gene für Grün-Opsin und ein Gen für Rot-Opsin eng nebeneinander. Dadurch kommt es auf dem X-Chromosom leicht zu Rekombinationsfehlern. Defekte der X-chromosomalen Gene können zur Folge haben, dass Rot und Grün nicht mehr unterschieden werden können. Die Prävalenz angeborener Farbsinnstörungen liegt bei Männern bei 8 %, bei Frauen bei 0,4 %. Am häufigsten ist eine Grünschwäche.
Der Mechanismus der Fotorezeption
Der Mechanismus der Fotorezeption
Funktionsprinzip
Funktionsprinzip
Stäbchen und Zapfen zeigen bereits in der Dunkelheit eine Depolarisation (– 30 mV), die von Natriumkanälen verursacht wird, die in der Dunkelheit geöffnet sind (Abb. G 2.30), weil sie cGMP binden. Die Depolarisation löst die Öffnung spannungsgesteuerter Ca2+-Kanäle aus → Ausschüttung von Glutamat = Signal „dunkel“.
Das Funktionsprinzip ist in Stäbchen und Zapfen grundsätzlich identisch. Beide Zelltypen zeigen eigenartigerweise bereits in der Dunkelheit eine Depolarisation (– 30 mV), die von Natriumkanälen verursacht wird, die in der Dunkelheit geöffnet sind (Abb. G 2.30). Die Natriumkanäle binden cGMP (zyklisches Guanosinmonophosphat, 3',5'-cGMP), das die Kanäle in einem geöffneten Zustand hält. Die Kanäle sind auch für Ca2+-Ionen permeabel, die die Zelle aber sofort wieder verlassen. Die Depolarisation hat allerdings eine Öffnung von spannungsgesteuerten Calciumkanälen zur Folge, und damit auch eine Ausschüttung des Neurotransmitters Glutamat. Die nachgeschalteten Bipolarzellen geben daraufhin ein Signal weiter, das im Gehirn letztlich als „Dunkel“-Signal interpretiert wird. Eine Absorption von Licht hat in der Zelle eine Hyperpolarisation (– 70 mV) zur Folge, verbunden mit einer Hemmung der Glutamatfreisetzung.
Licht hemmt die Glutamatausschüttung → Signal „Hell“.
▶ Merke.
▶ Merke.
In diesem Reaktionszyklus produzieren weder Stäbchen noch Zapfen Aktionspotenziale. Vielmehr wird die Offenwahrscheinlichkeit der entscheidenden cGMP-bindenden Natriumkanäle über die intrazelluläre Konzentration an cGMP reguliert. Absorbiert eine Zelle Licht, hat dies indirekt eine Hydrolyse von cGMP zu GMP zur Folge. Dabei löst sich das cGMP von den Natriumkanälen ab und die Kanäle schlie-
G
G-2.30
Fotorezeption
G-2.30
cGMPPhosphodiesterase inaktiv
Dunkelheit
813
2.9 Sinnesorgane und Sinneszellen
Na+
Dunkelheit: → cGMP an Na+-Kanäle gebunden → Na+-Kanäle offen → geringes Membranpotenzial (~ – 30 mV) → Glutamat wird ausgeschüttet
cGMP
Rhodopsin
= Signal „dunkel“ Licht
Na+ cGMP
Metarhodopsin II
Licht: → Isomerisierung des 11-cis-Retinals zu all-trans-Retinal → Rhodopsin im Zustand “Metarhodopsin II“ → Beladung von Transducin mit GTP
α GTP
Opsin
βγ
Transducin cGMPPhosphodiesterase aktiv GMP cGMP α wird GTP hydrolysiert
Auslösung der Hyperpolarisation: α-Untereinheit des Transducins bindet an cGMP-Phosphodiesterase → cGMP wird hydrolysiert → Na+-Kanäle schließen sich → Membranpotenzial erreicht – 70 mV → Glutamat wird nicht mehr ausgeschüttet
P P P Arrestin
= Signal „hell“
all-trans-Retinal wird exportiert und zu 11-cis-Retinal regeneriert
ßen sich. Ein einziges Photon kann in einer Stäbchenzelle die Hydrolyse von nahezu 1 Million cGMP-Molekülen pro Sekunde auslösen. Die Amplifikation des Signals ist so stark, dass einige wenige Photonen ausreichend sind, um eine elektrische Antwort auszulösen. Zapfen sind demgegenüber deutlich unempfindlicher. Sie reagieren erst auf eine Anregung durch mehrere Hundert Photonen.
An der Signalübertragung beteiligte Proteine (Abb. G 2.30) Vorgänge nach Lichtreiz: Sobald in Rhodopsin (bzw. in einem Zapfenfotopigment) eine Licht-induzierte Umlagerung von 11-cis-Retinal zu all-trans-Retinal stattgefunden hat, kommt es im Opsin zu kleinen, aber signifikanten Veränderungen in der Lage der Polypeptidketten. Das Rhodopsin liegt dann als Metarhodopsin II vor. Metarhodopsin II bindet an ein trimeres G-Protein, das Transducin (GT). Metarhodopsin II löst an der α-Untereinheit des Transducins (GαT) den Austausch von GDP gegen GTP aus. GTP-GαT löst sich von β/γ. Gα aktiviert eine cGMP-Phosphodiesterase der Scheibchenmembranen. Das Enzym spaltet nun sehr schnell das cGMP der Zelle. Dabei löst sich das cGMP von den Natriumkanälen ab und diese schließen sich. Erst jetzt kann sich ein normales Kaliumgleichgewichtspotenzial einstellen. Es kommt zur Hyperpolarisation und das Membranpotenzial erreicht einen Wert von – 70 mV. Unter diesen Bedingungen schließen sich an der basolateralen Seite der Sinneszellen die spannungsgesteuerten Calciumkanäle. Dadurch wird eine weitere Freisetzung von Glutamat blockiert. Bei Belichtung wird also die Ausschüttung des Neurotransmitters Glutamat verringert.
Absorbiert eine Zelle Licht, hat dies indirekt eine Hydrolyse von cGMP und die Schließung der Na+-Kanäle zur Folge.
An der Signalübertragung beteiligte Proteine (Abb. G 2.30) Vorgänge nach Lichtreiz: Umlagerung von 11-cis-Retinal zu all-transRetinal → Umlagerung im Opsin → Metarhodopsin II Metarhodopsin II bindet an das trimere GProtein Transducin (GT). Metarhodopsin löst an der α-Untereinheit des Transducins (GαT) den Austausch von GDP gegen GTP aus. GTP-GαT aktiviert eine cGMP-spaltende Phosphodiesterase. cGMP löst sich von den Na+-Kanälen ab und diese schließen sich. Hyperpolarisation (→ – 70 mV) Spannungsgesteuerte Ca2+-Kanäle schließen sich. Weniger Glutamat wird ausgeschüttet.
814 Nach Beendigung des Lichtreizes hydrolysiert GαT das GTP und Transducin liegt wieder im inaktiven GDP-Zustand vor. Während der Regeneration des Transducins wird das Opsin von Rhodopsin-Kinase phosphoryliert. An den phosphorylierten Teil des Opsins bindet das Protein Arrestin.
Während Opsin mit Rhodopsin-Kinase und Arrestin einen Komplex bildet, kann sich alltrans-Retinal aus Opsin herauslösen.
G 2 Neurochemie
Nach Beendigung des Lichtreizes hydrolysiert die intrinsische GTPase-Aktivität der aktivierten GαT das gebundene GTP zu GDP + Phosphat. GDP-GαT bildet daraufhin erneut einen Komplex mit β/γ und das regenerierte trimere G-Protein steht für einen neuen Reaktionszyklus zur Verfügung. Das Opsin bindet während der Regeneration des Transducins das Protein Rhodopsin-Kinase. Dieses Enzym phosphoryliert das C-terminale, im Zytosol gelegene Ende des Opsins an bis zu drei Serinresten. An den phosphorylierten Teil des Opsins bindet dann das Protein Arrestin. Der Name des Proteins weist darauf hin, dass Arrestin die Aufgabe hat, das Rhodopsin zu arretieren (festzuhalten). Es verhindert nämlich einstweilen eine erneute Bindung von Transducin. Während Opsin gleichzeitig mit Rhodopsin-Kinase und Arrestin einen Komplex bildet, kann sich all-trans-Retinal aus Opsin herauslösen. Um anzuzeigen, dass das durch die Lichtreaktion verbrauchte Retinal das Opsin verlassen hat, wird das Opsin wieder dephosphoryliert. Es ist nun bereit, neues 11-cis-Retinal aufzunehmen.
Regeneration von 11-cis-Retinal
Regeneration von 11-cis-Retinal
Aus freigesetztem all-trans-Retinal wird in mehreren Schritten 11-cis-Retinal regeneriert. Die Regeneration erfolgt weitgehend außerhalb der Stäbchen in Zellen des Pigmentepithels.
Aus freigesetztem all-trans-Retinal wird in mehreren Schritten 11-cis-Retinal regeneriert: All-trans-Retinal wird zu all-trans-Retinol reduziert. All-trans-Retinol wird von den Zellen abgegeben. Extrazellulär bindet es an das interstitielle Retinoid-bindende Protein (IRBP). all-trans-Retinol wird von Zellen des Pigmentepithels aufgenommen und hier in 11-cis-Retinal umgewandelt. Mithilfe des IRBP gelangt das regenerierte 11-cis-Retinal wieder zu den Stäbchen und Zapfen.
Anpassung an unterschiedliche Lichtverhältnisse Die Empfindlichkeit der Stäbchen passt sich den jeweils gegebenen Lichtverhältnissen an (Adaptation): Bei hellem Licht werden viele RhodopsinMoleküle phosphoryliert und dadurch inaktiviert. Außerdem wandert über 80 % des Transducins aus den äußeren Segmenten in die inneren Bereiche der Stäbchen.
▶
Klinik.
Anpassung an unterschiedliche Lichtverhältnisse Die Empfindlichkeit der Stäbchen passt sich den jeweils gegebenen Lichtverhältnissen an. Dabei kann sich die Sensitivität der Stäbchen um das 100 000-fache erhöhen bzw. erniedrigen. An dieser Adaptation sind unterschiedliche Prozesse beteiligt: Bei hellem Licht werden viele Rhodopsinmoleküle phosphoryliert und dadurch inaktiviert. Die Lichtempfindlichkeit nimmt ab. In der Dämmerung liegt Rhodopsin hingegen nahezu vollständig in der dephosphorylierten Form vor, die Lichtempfindlichkeit ist maximal. Bei hellem Licht wandert über 80 % des Transducins aus den äußeren Segmenten in die inneren Bereiche der Stäbchen. Die Sensitivität wird dadurch erheblich reduziert.
▶ Klinik. Bei Vitamin-A-Mangel kann 11-cis-Retinal nicht in ausreichender Menge regeneriert werden, sodass die Lichtempfindlichkeit der Stäbchen herabgesetzt ist. Dies führt zu Nachtblindheit, dem Erstsymptom des Vitamin-A-Mangels (weitere Symptome s. S. 277).
G
2 Fallbeispiel
815
▶ Fallbeispiel: Parkinson-Syndrom Anamnese: Bei einem seiner regelmäßigen Hausarzt-Besuche berichtet der 79-jährige Hans Keller zum ersten Mal über Beschwerden, die ihn schon seit Monaten beschäftigen: Er komme nur noch ganz schlecht aus dem Sessel hoch und hätte beim Aufstehen oft das Gefühl, gleich „vorne überzukippen“. Auch mit seinen Händen sei etwas nicht in Ordnung: In Ruhe zitterten sie in letzter Zeit öfter und seine sonst so schöne, geschwungene Schrift sei jetzt am Ende eines Briefes klein und fast krakelig. Nach der klinischen Untersuchung weist der Hausarzt den Patienten mit dem Verdacht auf Morbus Parkinson in die Klinik ein. Herr Keller leidet an einem leicht erhöhten Blutdruck und hatte mit 63 Jahren einen kleinen Schlaganfall im Versorgungsgebiet der linken A. cerebri media, der ohne Folgeschäden geblieben ist. Seitdem er aufgehört hat zu rauchen und als Rentner zur Ruhe gekommen ist, geht es ihm gut. Nur die gutartig vergrößerte Prostata macht sich manchmal bemerkbar. Medikamentenanmnese: Seit dem Schlaganfall nimmt er zur „Blutverdünnung“ 100 mg Acetylsalicylsäure. Der Blutdruck ist mit dem ACE-Hemmer Lisinopril (10 mg/d) eingestellt. Für die Prostata hat er ein pflanzliches Mittel. In seiner Familie sind keine Parkinson-Erkrankungen bekannt. Seine Mutter ist fast 90 Jahre alt geworden, der Vater starb mit 73 Jahren an einem Schlaganfall, seine Geschwister sind alle einige Jahre jünger als er. Körperliche Untersuchung (Angabe der jeweiligen Normwerte in Klammern): Normalgewichtiger Patient in altersentsprechendem Allgemeinzustand. Blutdruck 140/80 mmHg (< 130/85 mmHg), Puls 80/min (50 – 100/min). Alle peripheren Pulse sind tastbar. Die Reflexe sind unauffällig. Auffällig ist ein leichter Tremor der Hände in Ruhe, rechts stärker als links, der bei gezielten Bewegungen verschwindet. Im Vergleich zu früher ist seine Gesichtsmimik weniger lebhaft. Wenn er vom Stuhl aufsteht, kommt er nur schwer und langsam hoch, beugt den Oberkörper vor und trippelt beim Gehen zuerst, bis er sich aufrichtet und normal große Schritte geht (Abb. G 2.31). Bei der passiven Streckung der Arme und Beine zeigt sich ein Zahnradphänomen (Abb. G 2.32). Ein sehr schnelles Hin- und Herdrehen (Pronation und Supination) der Hände gelingt ihm nicht mehr, die rechte Hand ist dabei noch langsamer als die linke. Der weitere körperliche Untersuchungsbefund ist bis auf die Prostatahyperplasie unauffällig. Laboruntersuchungen (Angabe der jeweiligen Normwerte in Klammern): Cholesterin 287 mg/dl (< 200 mg/dl), alle anderen Parameter im Referenzbereich.
G-2.32
„Zahnrad-Phänomen“ – bei passiver Gelenkbewegung fällt eine rhythmische Unterbrechung des Dehnungswiderstands auf
G-2.31
„Starthemmung“ – der Patient kann sich nur mit viel Mühe vom Stuhl erheben. Für das ParkinsonSyndrom typisch ist auch die sog. gebundene Körperhaltung
▶
816
G 2 Fallbeispiel
12-Kanal-EKG: Normofrequenter Sinusrhythmus, Linkstyp, keine Erregungsrückbildungsstörungen. Röntgenaufnahme des Thorax in zwei Ebenen: Altersentsprechend unauffälliger Befund. Elektroenzephalogramm (EEG): Altersentsprechender Befund. Computertomografie des Schädels: Diskrete Ventrikelerweiterung und diskrete kortikale Atrophie, am ehesten Ausdruck des Alterungsprozesses. Dopamin-Test: Innerhalb von 24 Stunden erhält der Patient 3 × 20 mg Domperidon und dann 200 mg L-Dopa oral. Danach bessern sich seine Symptome innerhalb der nächsten zwei Stunden diskret, aber deutlich. Verlauf: Durch die klinische Untersuchung und den positiven L-Dopa-Test wird in der Klinik ein Morbus Parkinson diagnostiziert. Herr Keller erhält als Therapie L-Dopa kombiniert mit dem Decarboxylasehemmer Benserazid, zunächst einschleichend eine niedrige Dosierung, dann L-Dopa 3 × 125 mg pro Tag. Seine Beschwerden bessern sich unter dieser Medikation deutlich. Nach knapp drei Jahren muss die Dosis erhöht werden auf schließlich 3 × 250 mg pro Tag. Mit 83 Jahren verschlechtert sich der Allgemeinzustand des Patienten nach einer Lungenentzündung, er erleidet kurz darauf einen großen Media-Infarkt links und verstirbt daran. Fragen mit biochemischen Schwerpunkt: 1. Wozu dient das Domperidon im Dopamin-Test? 2. Welche Nebenwirkung kann durch Domperidon auftreten? 3. Warum gibt man bei der Therapie L-Dopa kombiniert mit Benserazid und nicht einfach Dopamin? 4. Warum muss die Dosis später erhöht werden?
Antwortkommentare:
Zu 1. Das Domperidon blockiert die Dopamin-D2-Rezeptoren in der Peripherie, nicht jedoch die zentralen DopaminRezeptoren. Dadurch treten bei der Gabe von L-Dopa danach keine peripheren, sondern – wie gewünscht – nur zentrale Wirkungen ein. Zu 2. Durch die Blockade von peripheren Dopamin-D2-Rezeptoren werden die Darmperistaltik und die Magenentleerung gesteigert, es kann eine Diarrhoe auftreten. Wegen dieser Wirkung wird das Domperidon aber auch zur Therapie von Übelkeit und diabetischer Gastroparese verwendet. Bei dieser Indikation wird besonders gern noch ein anderer Dopamin-Antagonist eingesetzt: das Metoclopramid. Metoclopramid wirkt auch auf die zentralen Dopamin-Rezeptoren und hat deshalb zusätzlich eine dämpfende Wirkung. Zu 3. Dopamin gelangt nicht durch die Blut-Hirn-Schranke, deshalb wird eine Vorstufe gegeben, die diese Hürde überwindet – das Levodopa (L-Dopa). Dieses wird zusätzlich mit einem Decarboxylasehemmstoff, wie Benserazid oder Carbidopa, kombiniert. Der Decarboxylasehemmer verhindert in der Peripherie die Metabolisierung des L-Dopa und verringert so die kardialen und gastrointestinalen Nebenwirkungen. Dopamin gibt man, wenn eine kardiale Wirkung gewünscht wird, zum Beispiel in der Intensivmedizin bei der kurzzeitigen Therapie einer Herzinsuffizienz nach einer Herzoperation. Zu 4. Die Degeneration der dopaminergen Neurone der Substantia nigra schreitet weiter fort und das vom Patienten selber noch gebildete Dopamin wird immer weniger. Neben L-Dopa und Decarboxylasehemmer gibt es als Alternativen aber noch eine Reihe anderer Parkinson-Medikamente, die an einem anderen Wirkmechanismus ansetzen, zum Beispiel COMT-Hemmer, Dopaminagonisten, MAO-BHemmer und Anticholinergika.
H
Ausblick
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H
1 Biochemie des langen Lebens
Biochemie des langen Lebens
1 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7 1.8
© PhotoDisc
1.1
H
Hat sich der Einzug der Wissenschaften in die Medizin gelohnt?
Bis weit ins 19. Jahrhundert war die Lebenszeit der allermeisten Menschen in Europa durch Infektionskrankheiten begrenzt.
H-1.1
Hat sich der Einzug der Wissenschaften in die Medizin gelohnt? . . . . . . Gibt es Unsterblichkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Was setzt dem Leben der Zellen höherer Eukaryonten ein Ende? . . . . . . Was schädigt die Zellen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geht die Zellalterung von den Mitochondrien aus? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlebensstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlebensmutanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Was kann man tun? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.1
818 819 820 821 822 823 824 825
Hat sich der Einzug der Wissenschaften in die Medizin gelohnt?
Heute mag es selbstverständlich sein, dass es medizinische Forschung und somit auch kontinuierlichen Fortschritt in der Medizin gibt. Dieses Konzept wurde allerdings erst in der Zeit um 1800 in Europa allgemein anerkannt. Es ist weitgehend in Vergessenheit geraten, dass die Lebenserwartung der meisten Menschen in Europa noch um 1800 durch Infektionskrankheiten begrenzt war. Viele Menschen erlagen den Infektionskrankheiten bereits im Kindesalter. Nur wenige erreichten ein höheres Alter und auch dann starben sie in der Regel an einer Infektionskrankheit. Zu den wenigen Ausnahmen gehörte etwa Johann Wolfgang von Goethe, der 1832 im Alter von 82 Jahren vermutlich an einem Herzinfarkt starb (Abb. H 1.1). Bereits 1805 war sein berühmter Schriftsteller-Kollege Friedrich Schiller (Abb. H 1.1), der übrigens auch promovierter Arzt war, mit 45 Jahren an Tuberkulose gestorben. Derselben Krankheit erlag auch Novalis im Jahre 1801 im Alter von 29 Jahren. Der Arzt, Physiologe und Dichter Georg Büchner wurde nur 23 Jahre alt, ehe er 1837 an Typhus verstarb. Immerhin 51 Jahre alt wurde der Philosoph Johann Gottlieb Fichte, der 1814 wahrscheinlich ebenfalls an Typhus starb. Georg Wilhelm Friedrich Hegel kam 1831 mit 61 Jahren bei einer großen CholeraEpidemie in Berlin ums Leben, die in der Stadt innerhalb kurzer Zeit insgesamt 1462 Opfer forderte. Die Cholera war zuvor bereits in den großen Städten Russlands aufgetreten, woraufhin die preußischen Behörden durch massive Reisebeschränkungen vergeblich versucht hatten, die Ausbreitung der Krankheit nach Westen zu verhindern. Zu dieser Zeit war die Ätiologie der Cholera noch gänzlich ungeklärt. In
H-1.1
Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller Goethe-Schiller-Denkmal auf dem Theaterplatz vor dem Deutschen Nationaltheater in Weimar (© MEV).
819
H 1.2 Gibt es Unsterblichkeit?
der Tradition der antiken Miasmentheorie vermutete man nicht näher definierte Ausdünstungen als Ursache. Bakterien als Krankheitserreger waren um 1831 noch unbekannt. Im Laufe des 19. Jahrhunderts gelang es dann durch intensive Forschung, die Ursachen der verschiedenen Infektionskrankheiten zu ermitteln und Wege zu finden, um ihre Ausbreitung effektiv zu verhindern. Im 20. Jahrhundert gelang es durch die Entdeckung der Antibiotika schließlich, bakterielle Infektionen wirksam zu bekämpfen. Darüber hinaus konnten virale Infektionen durch groß angelegte Impfprogramme zunehmend unterbunden werden. In den Industrieländern sind die Infektionskrankheiten inzwischen als Todesursache nur noch von untergeordneter Bedeutung. Heute sind hier Herz-KreislaufErkrankungen gefolgt von Krebserkrankungen die häufigsten Todesursachen und das durchschnittliche Lebensalter der Menschen hat drastisch zugenommen (Abb. H 1.2). Oft mögen sie dabei das angenehme Gefühl haben, lange Zeit auch ohne medizinische Hilfe gut durchs Leben gekommen zu sein. Tatsächlich wären die meisten Menschen aber längst an einer Infektionskrankheit gestorben, wenn die Medizin nicht durch umfassende Präventionsmaßnahmen dafür gesorgt hätte, dass man – zumindest in den Industrieländern – vor den gefährlichsten Erregern weitgehend geschützt ist.
77,2 82,4
77,3 82,5
2006/08
2007/09
70,2 76,9 1980/82
74,0 80,3
68,6 75,2 1975/77
1996/98
67,4 73,8 1970/72
59,9 62,8
72,5 79,0
67,6 73,6 1965/67
47,4 50,7 1910/11
1991/93
66,9 72,4 1960/62
44,8 48,3 1901/10
37,2 40,3 1881/90
40,6 44,0
35,6 38,5 1871/81
60
56,0 58,8
Mädchen
70
40
64,6 68,5
Jungen
80
50
1949/51
Lebensjahre 90
72,2 78,7
Entwicklung der Lebenserwartung Neugeborener seit 1871/81
1986/88
H-1.2
Im Laufe des 19. Jahrhunderts gelang es, schrittweise die Ursachen der verschiedenen Infektionskrankheiten zu ermitteln und durch die Einführung geeigneter Präventionsmaßnahmen ihre Ausbreitung zu verhindern.
30 20
1932/34
1924/26
0
1891/1900
10
Seit 1871/81 ist die Lebenserwartung Neugeborener in Deutschland kontinuierlich gestiegen auf 77,3 Jahre (Jungen) bzw. 82,5 Jahre (Mädchen) im Jahre 2007/09 (© Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 2011; aus Fachserie 1, Reihe 1.1).
1.2
Gibt es Unsterblichkeit?
Mitunter können Menschen ihren 100. Geburtstag feiern, aber man hat noch nie gehört, dass jemand z. B. 150 Jahre alt geworden wäre. Es scheint eine natürliche Altersgrenze unabhängig von allen Krankheiten zu geben. Kann man auf eine neue Revolution der Medizin hoffen, durch die sich diese natürliche Grenze überwinden ließe? Wäre es denkbar, dass Menschen irgendwann in der Zukunft zu einer irdischen Form von Unsterblichkeit gelangen? Ist die Sterblichkeit ein Naturgesetz? Interessanterweise gibt es durchaus Organismen, die in gewisser Weise unsterblich sind. So können sich beispielsweise Amöben unter geeigneten Bedingungen immer wieder teilen, ohne dass eine innere natürliche Grenze erkennbar wäre. Sie scheinen vor hunderten Millionen von Jahren entstanden zu sein und seitdem in einer Art von Unsterblichkeit zu existieren.
1.2
Gibt es Unsterblichkeit?
Interessanterweise gibt es Organismen, die in gewisser Weise unsterblich sind. So können sich Amöben unter geeigneten Bedingungen unbegrenzt vermehren.
820
Viele Krebszellen scheinen auf eine ähnliche Weise unsterblich zu sein wie Amöben.
1.3
Was setzt dem Leben der Zellen höherer Eukaryonten ein Ende?
In einer Zellkultur können sich Zellen lange Zeit vermehren. Allerdings stellen sie ihre Teilungsaktivität in der Regel nach einer gewissen Zeit ein.
Als limitierend gilt dabei die Aktivität der Telomerasen, die im Zellzyklus für die Aufrechterhaltung der Struktur der Chromosomenenden verantwortlich sind.
Die reduzierte Aktivität der Telomerasen mit zunehmendem Lebensalter ist in den Zellen eine Konsequenz genereller Veränderungen in den Genaktivitäten. Offenbar spielen dabei Veränderungen im Methylierungsmuster der Chromosomen eine bedeutende Rolle.
Krebszellen unterscheiden sich vom gesunden Gewebe durch viele Tausend Mutationen. Nur wenige dieser Mutationen scheinen für die maligne Entartung verantwortlich zu sein.
H
1 Biochemie des langen Lebens
Sollte es nicht möglich sein, den Amöben ihr Geheimnis zu entreißen? Wäre das nicht eine lohnende Aufgabe biochemischer Grundlagenforschung? Im Grunde sind unsere eigenen Zellen von diesem Geheimnis gar nicht so weit entfernt, denn viele Krebszellen scheinen auf eine ähnliche Weise unsterblich zu sein wie Amöben. Sie können theoretisch ebenfalls unbegrenzt wachsen und sich unendlich oft teilen. Die Voraussetzungen für ein unbegrenztes Leben scheinen also in den Zellen des Menschen immer schon bereit zu stehen. Paradoxerweise wird eine Zelle für das Leben eines Menschen aber eben in dem Moment zur Bedrohung, in dem dieses Programm der Unsterblichkeit in die Tat umgesetzt wird.
1.3
Was setzt dem Leben der Zellen höherer Eukaryonten ein Ende?
Schon vor mehreren Jahrzehnten wurden Methoden entwickelt, die es ermöglichen, Zellen aus menschlichem Gewebe zu isolieren und dann in einem mehr oder weniger künstlichen Nährmedium wachsen zu lassen. In einer derartigen Zellkultur können viele Zellen lange Zeit überleben, wachsen und sich vermehren. Allerdings stellen die Zellen ihre Teilungsaktivität in der Regel nach einer gewissen Zeit ein. Anders als Krebszellen zeigen normale Zellen eine ähnliche innere Begrenzung ihrer Lebensspanne wie der menschliche Organismus als Ganzer. Als limitierend für die Anzahl der Zellteilungen gilt dabei die Aktivität der Telomerasen, die im Zellzyklus für die Aufrechterhaltung der Struktur der Chromosomenenden verantwortlich sind (S. 430). In embryonalen Zellen ist die Aktivität der Telomerasen sehr hoch, sodass die Chromosomen bei jeder Zellteilung in ihrer vollen Länge erhalten bleiben. Mit zunehmendem Lebensalter nimmt die Aktivität der Telomerasen ab und die Enden der Chromosomen werden in jeder Runde des Zellzyklus etwas kürzer. Die eukaryontische Zelle kann sich nach dem Ausbleiben der Telomerase-Aktivität nur noch etwa 60-mal teilen, bis die Chromosomen schließlich derart verkürzt sind, dass wichtige Teile der Erbinformation fehlen und die Zellen nur noch eingeschränkt funktionsfähig sind. Es ist nicht geklärt, in welchem Umfang dieser Effekt tatsächlich für die Alterungsprozesse verantwortlich ist, aber die reduzierte Telomerase-Aktivität gilt als einer der plausibelsten Gründe für die begrenzte Teilungsfähigkeit normaler eukaryontischer Zellen. Die reduzierte Aktivität der Telomerasen mit zunehmendem Lebensalter ist eine Konsequenz genereller Veränderungen in den Genaktivitäten der Zellen, wie sie für alternde Gewebe charakteristisch sind. Die Mechanismen dieser Veränderungen sind ein hochaktuelles Forschungsgebiet. Offenbar spielen dabei Veränderungen im Methylierungsmuster der Chromosomen eine bedeutende Rolle (S. 448). Zudem dürften in diesem Zusammenhang auch kleine regulatorisch aktive RNAMoleküle, sog. miRNAs involviert sein (S. 436). Da es Tausende unterschiedlicher miRNAs gibt, sind ihre vielfältigen Funktionen bislang kaum überschaubar. Krebszellen zeigen im Gegensatz zu gesunden Zellen nach der malignen Entartung ein erneutes Ansteigen der Telomerase-Aktivitäten und sind deshalb von einer Limitierung der Zellteilung nicht betroffen. Derzeit werden weltweit in zahlreichen Forschungseinrichtungen komplette Genome vieler Krebszellen sequenziert. Das Ziel ist es, zu ermitteln, welche genetischen Veränderungen sich in diesen entarteten Zellen gegenüber den gesunden Zellen des gleichen Individuums nachweisen lassen. Die bislang vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass sich Krebszellen vom gesunden Gewebe durch viele Tausend Mutationen unterscheiden. Die meisten davon sind für die besonderen Eigenschaften der Krebszellen vermutlich irrelevant (z. B. weil sie in Abschnitten der Chromosomen lokalisiert sind, die weder eine RNA kodieren noch eine offensichtliche regulatorische Funktion haben). Nur wenige Mutationen scheinen unmittelbar für die maligne Entartung und für die unbegrenzte Teilungsfähigkeit von Krebszellen verantwortlich zu sein. Obwohl die Analyse der ermittelten DNA-Sequenzen erst begonnen hat, zeichnet sich bereits ab, dass sich sowohl die Entartung als auch die Alterungsprozesse einer Zelle auf mehreren Ebenen abspielen. Daran beteiligt sind zum einen Mutationen in der chromosomalen DNA, zum anderen Änderungen im Methylierungsmuster der Gene und schließlich Änderungen in der Regulation der Translation der mRNAs, die u. a. von miRNAs vermittelt wird.
H
1.4
Was schädigt die Zellen?
Man könnte vermuten, dass die Zellen der Gewebe im Laufe der Zeit durch eine Akkumulation verschiedener Stoffe geschädigt werden, für die es keine effizienten Abbau- oder Eliminationsmechanismen gibt. Unbegrenzt wachsende Krebszellen zeigen allerdings, dass dies nicht zwingend der Fall sein muss. Unter optimalen Bedingungen scheinen sämtliche anfallenden Stoffwechselprodukte abbau- oder ausscheidbar zu sein. Denkbar wäre es allerdings, dass die Entgiftungskapazitäten der Zellen auch überschritten werden können, z. B. durch Industrieprodukte der modernen Welt. Tatsächlich wurden im Zuge der Industrialisierung viele chemische Verbindungen produziert und in die Umwelt freigesetzt, die sich nachträglich als hochgiftig erwiesen. Die Suche nach Gefahrenquellen in den Produkten und in den Produktionsprozessen der Industriegesellschaft ist bis heute nicht zum Abschluss gekommen. Es ist die Aufgabe der Arbeitsmedizin, der Epidemiologie und der Toxikologie, diese Arbeit fortzuführen. Man kann aber davon ausgehen, dass der weitaus größte Teil der wesentlichen Gefahrenquellen inzwischen identifiziert und eingedämmt wurde. Zumindest in den höher entwickelten Industrieländern spielen Umweltgifte in der Regel nur noch eine vergleichsweise untergeordnete Rolle. Das mit Abstand bedeutendste Umweltgift ist hier inzwischen der Tabakrauch. Welche Prozesse spielen nun bei der Alterung der Zellen und Gewebe die größte Rolle? Streng genommen kann diese Frage derzeit nicht mit Sicherheit beantwortet werden. Möglicherweise sind Mechanismen entscheidend, die bisher noch gar nicht bekannt sind. Die meisten Forschungsprojekte zu diesem Thema konzentrieren sich bislang auf die Rolle der reaktiven Sauerstoffspezies (reactive oxygen species, ROS), die in der deutschsprachigen Literatur oft nicht ganz präzise als „Sauerstoffradikale“ bezeichnet werden. Konkret handelt es sich dabei um die Verbindungen O2- (Superoxidanion, Superoxidradikal), H2O2 (Wasserstoffperoxid, Wasserstoffsuperoxid), •OH (Hydroxylradikal) und •NO (Stickoxid, Stickstoffmonoxid) (Tab. H 1.1, S. 822 und 823).
H-1.1
Reaktive Sauerstoffspezies (ROS)
Verbindung
821
1.4 Was schädigt die Zellen?
1.4
Was schädigt die Zellen?
Die Suche nach Gefahrenquellen in den Produkten und in den Produktionsprozessen der Industriegesellschaft ist Aufgabe der Arbeitsmedizin, der Epidemiologie und der Toxikologie. Das mit Abstand bedeutendste Umweltgift ist inzwischen der Tabakrauch.
Die Frage nach den Prozessen, die bei der Alterung der Zellen und Gewebe die größte Rolle spielen, kann derzeit nicht mit Sicherheit beantwortet werden.
H-1.1
Entstehung −
Superoxidanion (O2 )
Reaktion der NADPH-Oxidase Nebenreaktion der Atmungskette
Wasserstoffperoxid (H2O2, H-O-O-H)
2 O2− + 2 H+ → H2O2 + O2
Hydroxylradikal (•OH)
Fenton-Reaktion: Fe2+ + H2O2 → Fe3+ + •OH + OH−
Stickoxid (•NO)
Oxidation von Arginin mithilfe der NOSynthase
Peroxynitritanion (ONO2−, O=N-O-O−)
•O2− + •NO → O=N-O-O−
Das Superoxidanion hat im Zusammenhang mit den Alterungsprozessen vermutlich die größte Bedeutung. Es ist ausgesprochen reaktiv, reagiert mit einer großen Zahl unterschiedlicher Moleküle und kann auf diese Weise unmittelbar viele verschiedene Schäden verursachen. So können Superoxidanionen zelluläre Proteine inaktivieren oder – vermutlich noch wichtiger – auch die Zellmembranen schädigen. Alle diese Effekte sollten allerdings weitgehend korrigierbar sein, solange die Zelle hinreichende Kapazitäten hat, die geschädigten Komponenten abzubauen und durch eine Neusynthese zu ersetzen. Darüber hinaus können Superoxidanionen allerdings auch mit der DNA reagieren. Besonders leicht kommt es zu einer Oxidation der Base Guanin in Position 8 (Abb. H 1.3). Wenn das gebildete 8-Oxo-Guanin nicht rechtzeitig durch ein geeignetes DNA-Reparatur-System erkannt wird (S. 822), entsteht eine Mutation. Je mehr Mutationen in einer Zelle auftreten, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass irgendwann Gene betroffen sind, die für das Überleben der Zelle oder für die Regulation des Zellzyklus essenziell sind. Durch Sauerstoffradikale
Die meisten Forschungsprojekte zu diesem Thema haben sich bislang auf die Rolle der reaktiven Sauerstoffspezies konzentriert (reactive oxygen species, ROS), insbesondere auf die Rolle der Superoxidanionen. Möglicherweise sind durch Sauerstoffradikale ausgelöste Mutationen einer der wichtigsten Gründe für die irreversiblen Alterungsprozesse der Zellen.
822 H-1.3
H
1 Biochemie des langen Lebens
H-1.3
Entstehung von 8-Oxo-Guanin O
HN H2N
Zu einem Modellsystem der Schädigung und der Regeneration von Zellen hat sich die Parkinson-Krankheit entwickelt.
1.5
Geht die Zellalterung von den Mitochondrien aus?
Es wurden mehrere Gene identifiziert, die bei erblichen Formen der Parkinson-Krankheit von Bedeutung sind. Es ist auffällig, dass die meisten dieser Gene mitochondriale Proteine kodieren.
O N
N
Oxidation durch reaktive Sauerstoffspezies
N H
HN H2N
H N O
N
N H
Guanin
8-Oxo-Guanin
bildet bei der Replikation der DNA ein Basenpaar mit Cytosin
bildet bei der Replikation der DNA ein Basenpaar mit Adenin
hervorgerufene Mutationen gehören möglicherweise zu den wichtigsten Gründen für die irreversiblen Alterungsprozesse der Zellen. Zu einem Modellsystem derartiger Prozesse der Schädigung und der Regeneration hat sich in jüngster Zeit die Parkinson-Krankheit entwickelt. Bekanntlich liegt die Ursache der Symptome dieser Krankheit in einem Absterben dopaminerger Neurone, deren Zellkörper in der Substantia nigra des Mittelhirns liegen. Vermutlich sind diese Neurone gegenüber einer Schädigung durch Sauerstoffradikale besonders empfindlich. Die Proteine Parkin und PINK1 (S. 807) scheinen von entscheidender Bedeutung zu sein, um das Überleben der Neurone auch bei aufgetretenen Schädigungen zu ermöglichen. Interessanterweise wurde kürzlich nachgewiesen, dass diese Proteine am Abbau geschädigter Mitochondrien beteiligt sind. Dieser Prozess wird als Autophagie bezeichnet. Wenn Parkin oder PINK1 aufgrund einer angeborenen Mutation defekt sind, können in den Neuronen die Mitochondrien, die z. B. durch Sauerstoffradikale geschädigt wurden, nicht mehr abgebaut und durch neue ersetzt werden. So akkumulieren funktionslose Mitochondrien und die Zellen sterben nach einiger Zeit ab. Die Parkinson-Krankheit scheint somit die Folge einer begrenzten Kapazität dopaminerger Neurone zu sein, geschädigte zelluläre Komponenten zu regenerieren.
1.5
Geht die Zellalterung von den Mitochondrien aus?
Die Untersuchungen zu den molekularen Ursachen der Parkinson-Krankheit haben bestätigt, dass die Mitochondrien bei Alterungsprozessen eine wichtige – wenn nicht entscheidende – Rolle spielen. Tatsächlich sind in den vergangenen 10 Jahren mehrere Gene identifiziert worden, die bei erblichen Formen der Parkinson-Krankheit von Bedeutung sind. Dabei fällt auf, dass die meisten dieser Gene mitochondriale Proteine kodieren (S. 807). In den Mitochondrien entstehen in der Atmungskette Superoxidanionen, indem Sauerstoff (O2) ein zusätzliches Elektron aufnimmt. Dabei handelt es sich interessanterweise nicht um unvollständig reduzierte O2-Moleküle im aktiven Zentrum des Komplex IV (S. 172), vielmehr werden die einzelnen Elektronen von Ubisemichinon (einer reduzierten Form des Ubichinons) in Nebenreaktionen der Atmungskette auf Sauerstoff übertragen (Abb. H 1.4). In verschiedenen Untersuchungen wurde gefunden, dass 0,1 bis 1 % der Elektronen, die durch die Atmungskette fließen, in Nebenreaktionen zur Bildung von Superoxidanionen beitragen. Die Vermutung liegt nahe, dass Superoxidanionen im Laufe der Zeit für eine zunehmende Schädigung der mitochondrialen DNA und anderer Komponenten der Mitochondrien verantwortlich sind. Ob den Mitochondrien allerdings tatsächlich dadurch eine Schlüsselfunktion bei der Zellalterung zukommt, ist nicht geklärt. Möglicherweise üben die in den Mitochondrien gebildeten Superoxidanionen ihre entscheidenden Effekte überwiegend außerhalb der Mitochondrien aus.
H
H-1.4
823
1.6 Überlebensstrategien
Entstehung von Superoxidanionen in Mitochondrien
H-1.4
Übertragung eines Elektrons (e–) von Ubisemichinon (•QH) auf O2
Ubichinon (Q) und Ubichinol (QH2) im Q-Zyklus 2 H+
1 H+ •O2–
O2 Intermembranraum
Intermembranraum
Komplex I
2 e–
Komplex I
QH2
2 H+
1 H+
•QH + 1e–
QH2 Q
2 e–
1e–
Komplex III
Q
2 e–
Matrix
2 H+
Komplex III Matrix
Reaktive Sauerstoffspezies entstehen nicht nur in den Mitochondrien, sondern auch im Zytosol und in den Peroxisomen. Mithilfe der Superoxiddismutase und der Katalase werden sie innerhalb kurzer Zeit weitgehend inaktiviert. Es ist deshalb schwierig, ihren Anteil an den Zellalterungsprozessen abzuschätzen. Außerordentlich große Mengen an reaktiven Sauerstoffspezies werden bei Entzündungsprozessen gebildet. So geben neutrophile Granulozyten und Makrophagen erhebliche Mengen an Superoxidanionen ab, aus denen dann teilweise Wasserstoffperoxid entsteht. Zudem wird von diesen Zellen auch das sehr reaktive Stickoxid abgegeben. Die Aufgabe dieser reaktiven Moleküle besteht eigentlich darin, gefährliche Krankheitserreger abzutöten bzw. zu inaktivieren. Unvermeidlich werden dabei aber auch körpereigene Zellen geschädigt und es entstehen unter Umständen Mutationen. Vermutlich sind reaktive Sauerstoffspezies dafür verantwortlich, dass es bei einer chronischen Infektion der Magenschleimhaut mit dem Bakterium Helicobacter pylori nicht nur zu einer Entzündung, sondern mitunter auch zur Entstehung von Magentumoren kommt.
1.6
Überlebensstrategien
Die DNA der Zellen wird nicht erst durch Superoxidanionen, Umweltgifte oder die Strahlung radioaktiver Stoffe geschädigt. In jeder Zelle kommt es – auch unter physiologischen Bedingungen – täglich zu mehreren tausend Schädigungen der DNA. Die häufigste Veränderung der chromosomalen DNA entsteht durch einen spontanen Verlust einer Purinbase, der zweithäufigste Defekt ist die Folge einer spontanen Desaminierung von Cytosin zu Uracil (S. 494). Als spontane Prozesse sind diese Schädigungen von äußeren Faktoren gänzlich unabhängig. Die Zellen können nur deshalb überleben, weil alle diese Defekte in der Regel sehr schnell durch die vielfältigen DNA-Reparatursysteme rückgängig gemacht werden. So wird z. B. der häufige Purinverlust mithilfe des Systems der Basen-Exzisionsreparatur korrigiert (S. 496). Es zeichnet sich ab, dass Alterungsprozesse eher als unzureichende Kapazität eines Reparatursystems aufzufassen sind als als Folge bestimmter Schädigungen. Bekanntlich reagieren Menschen auf bestimmte Toxine recht unterschiedlich. Aus dem Benzpyren des Tabakrauchs entsteht in den Zellen ein potentes Kanzerogen. Dennoch können auch starke und langjährige Raucher ein hohes Lebensalter erreichen. Teilweise spielt hier der Zufall eine wesentliche Rolle, da die vom Benzpyren ausgelösten Mutationen auch lange Zeit harmlos sein können, sofern sie nicht das System der Regulation des Zellzyklus betreffen. Wesentlicher scheint aber zu sein, dass es teilweise erhebliche individuelle Unterschiede in der Aktivität zellulärer
1.6
Überlebensstrategien
In jeder Zelle kommt es unter allen Lebensbedingungen täglich zu mehreren tausend Schädigungen der DNA, u. a. durch einen spontanen Verlust einer Purinbase. Die Zellen können nur deshalb überleben, weil diese Defekte in der Regel sehr schnell durch DNA-Reparatursysteme rückgängig gemacht werden.
Aus dem Benzpyren des Tabakrauchs entsteht in den Zellen ein potentes Kanzerogen, dennoch erreichen viele Raucher ein hohes Lebensalter. Wesentlicher scheint dabei zu sein, dass es erhebliche individuelle Unterschiede in der Aktivität bestimmter Enzyme gibt.
824
H
1 Biochemie des langen Lebens
Enzyme gibt. Zunächst ist das kanzerogene Potenzial des Benzpyrens nur gering. Zu einem hochpotenten Kanzerogen wird es erst durch eine Reaktion mit molekularem Sauerstoff, die von einem Cytochrom-P-450 katalysiert wird (S. 720). Die entstehende kanzerogene Verbindung ist ein außerordentlich reaktives Epoxid (S. 720), das durch Reaktion z. B. mit Glutathion inaktiviert werden kann (S. 722). Geschieht dies nicht, kann es unter Ausbildung einer kovalenten Bindung mit der Base Guanin in der DNA reagieren. Somit ist die Wahrscheinlichkeit, mit der Benzpyren eine Krebserkrankung auslöst, offenbar von folgenden Faktoren abhängig: Aktivität der Cytochrom-P450-Enzyme Effizienz der Inaktivierung des Epoxids Effizienz der DNA-Reparaturenzyme Die Kanzerogenität des Benzpyrens ist also nicht nur eine Konsequenz seiner chemischen Eigenschaften, sondern in erheblichem Maße auch abhängig von individuellen Unterschieden in den Aktivitäten metabolisierender Enzyme.
1.7
Überlebensmutanten
Organismen, die aus genetischen Gründen wesentlich länger leben als ihre Artgenossen, zeichnen sich in der Regel durch eine vergleichsweise geringe Proteinsynthese oder durch eine reduzierte Stoffwechselaktivität aus.
H-1.5
a
Überlebensmutanten
1.7
Im Zeitalter der Molekularbiologie ist es nahe liegend, mit geeigneten Modellorganismen genetische Untersuchungen durchzuführen, um die Gene zu identifizieren, die für ein langes Leben von besonderer Bedeutung sind. Tatsächlich sind mehrere derartige Gene bereits identifiziert worden. Als Modellorganismen waren dabei insbesondere die Fruchtfliege Drosophila melanogaster, der kleine Fadenwurm Caenorhabditis elegans (C. elegans) und die Hausmaus Mus musculus von Bedeutung (Abb. H 1.5). Trotz der großen Heterogenität der Organismen und der eingesetzten genetischen Methoden zeichnet sich in diesem Forschungsgebiet bereits seit längerer Zeit ein überraschendes Prinzip ab: Organismen, die aus genetischen Gründen wesentlich länger leben als ihre Artgenossen, zeichnen sich in der Regel durch eine vergleichsweise geringe Proteinsynthese oder durch eine reduzierte Stoffwechselaktivität aus. Außerdem findet man immer wieder auch Bezüge zum System der Bildung bzw. Inaktivierung von reaktiven Sauerstoffspezies. Zwei Beispiele verdeutlichen dieses Prinzip: Rolle der Proteinsynthese: Bestimmte Mutanten von C. elegans weisen in ihren Zellen eine reduzierte Menge des eukaryontischen Initiationsfaktors eIF4E auf. Das Protein eIF4E bindet an die Cap-Struktur der reifen mRNA und vermittelt dann zusammen mit weiteren Proteinen den Transport der mRNA zur kleinen Untereinheit der Ribosomen (S. 458). Mutanten von C. elegans, die weniger eIF4E enthalten, zeigen nicht nur eine verlangsamte Proteinsynthese, sondern erreichen dabei auch ein deutlich höheres Lebensalter als ihre Artgenossen.
Modellorganismen der Entwicklungsbiologie
b
c
a Fruchtfliege (Drosophila melanogaster). b Kleiner Fadenwurm (Caenorhabditis elegans). c Hausmaus (Mus musculus). (a + b: kolorierte elektronenmikroskopische Aufnahmen, mit freundlicher Genehmigung von J. Berger, MPI für Entwicklungsbiologie, Tübingen; c: © ccvision)
H
Rolle der Stoffwechselaktivität: Mäuse mit einer Mutation im Gen des Rezeptors für das Wachstumshormon (GH; S. 608) sind nicht nur ungewöhnlich klein, sie akkumulieren auch weniger Fett und leben deutlich länger als ihre WildtypArtgenossen. Generell sind Störungen in den Signalwegen stoffwechselaktivierender Hormone oft mit einer Verlängerung der Lebenszeit verbunden. Große Beachtung fand auch die Entdeckung, dass Mäuse bei guter Gesundheit eine durchschnittlich um nahezu ein Drittel verlängerte Lebenszeit aufweisen, wenn ihnen das Protein p66shc fehlt. Das Adaptorprotein p66shc ist Bestandteil verschiedener Signalkaskaden, u. a. im Signalweg des Insulins, und hat offenbar eine Funktion im Energiestoffwechsel. Über p66shc ist aber auch ein unmittelbarer Bezug zu den Mitochondrien und den reaktiven Sauerstoffspezies gegeben. Unter bestimmten Bedingungen wird p66shc nämlich in Mitochondrien importiert, wo es Elektronen vom Cytochrom c der Atmungskette aufnimmt und auf Sauerstoff (O2) überträgt, wodurch Superoxidanionen entstehen. Fehlt nun das Protein p66shc, können auf diesem Weg keine Superoxidanionen mehr gebildet werden. Das Phänomen, dass Organismen bei geringerem Energieumsatz länger leben, wird seit einiger Zeit unter dem Stichwort „caloric restriction“ diskutiert. Für unterschiedliche Tierarten – von Drosophila und C. elegans bis hin zu Ratten und Mäusen – liegen gut dokumentierte Beobachtungen vor, dass die Tiere älter werden, wenn sie weniger Nahrung zu sich nehmen. Man geht davon aus, dass ein derartiger Zusammenhang auch für den Menschen gegeben ist. Interessanterweise lassen sich wesentliche Effekte der reduzierten Nahrungsaufnahme bei Mäusen durch Verabreichen von Resveratrol (einem Polyphenol der Weintrauben und des Rotweins; Abb. H 1.6) reproduzieren. Als Zielstrukturen der Resveratrols wurden in den Geweben die regulatorisch wichtigen Sirtuine identifiziert (S. 270). Die Sirtuine sind Deacetylasen, die an Proteinen eine Ablösung von Acetylgruppen katalysieren. Sie greifen damit direkt in die Aktivität bestimmter Schlüsselenzyme ein, die durch posttranslationale Acetylierung aktiviert bzw. gehemmt werden. Darüber hinaus deacetylieren sie aber auch Histone und beeinflussen damit die Regulation der Genaktivitäten. Allerdings ermöglicht eine Caloric Restriction unter optimalen Bedingungen allenfalls eine Verlängerung der Lebenszeit um etwa 50 %. Eine Perspektive auf eine prinzipielle Unsterblichkeit wird durch dieses System nicht eröffnet. Aus biochemischer Sicht stellt sich die Frage, welche Mechanismen den Zusammenhang zwischen der Aktivität des Energiestoffwechsels und der Lebenszeit vermitteln. Bislang werden auf diese Frage v. a. zwei Antworten gegeben: Bei Nagetieren stellen sich bei übermäßiger Nahrungsaufnahme nach einiger Zeit ähnliche Effekte ein wie beim Menschen: Es bildet sich eine Adipositas, die mit einem erheblich erhöhten Risiko für die Ausbildung von Bluthochdruck, Arteriosklerose, koronarer Herzkrankheit und Diabetes mellitus vom Typ II verbunden
H-1.6
825
1.7 Überlebensmutanten
Rotwein
Vermutlich hat man mit den Sirtuinen ein Regulationssystem des Stoffwechsels identifiziert, das auch im Hinblick auf die Länge der Lebenszeit von Bedeutung ist.
H-1.6
In den vergangenen Jahren wurden viele Studien zu den Wirkungen des Resveratrols durchgeführt, einem im Rotwein enthaltenen Polyphenol. Resveratrol ist ein Aktivator mehrerer Sirtuine, die als Deacetylasen in die Regulation des Stoffwechsels eingreifen. Vermutlich hat man mit den Sirtuinen ein Regulationssystem des Stoffwechsels identifiziert, das indirekt auch im Hinblick auf die Lebenszeit von Bedeutung ist (© PhotoDisc).
826 H-1.7
H
1 Biochemie des langen Lebens
H-1.7
Kaffeetrinken als lebensverlängernde Maßnahme Kaffee ist bekannt für seinen Gehalt an Coffein, einem methylierten Purin, das mit bestimmten Purinrezeptoren in Wechselwirkung tritt. Im Kaffee sind aber auch erhebliche Mengen an Polyphenolen enthalten. Eine Tasse Kaffee enthält etwa 100 mg Coffein und etwa 200 mg Polyphenole (© Stockbyte).
ist. Offensichtlich verhindert eine reduzierte Nahrungsaufnahme dieses sog. metabolische Syndrom (S. 560) mit allen seinen Folgen. Es scheint aber auch Mechanismen zu geben, die über diesen Zusammenhang hinausgehen. Wahrscheinlich ist ein erhöhter Energieumsatz auch mit einer vermehrten Bildung von reaktiven Sauerstoffspezies, insbesondere von Superoxidanionen verbunden, wobei auch in diesem Kontext die Mitochondrien als Hauptquelle vermutet werden. Man nimmt an, dass sie bei erhöhtem Energieumsatz nicht nur größere Mengen an ATP, sondern auch an Superoxidanionen liefern.
1.8
Was kann man tun?
In einer großen Studie von 1986 – 2006 zeigte sich, dass ein vergleichsweise hoher Kaffeekonsum mit einer um 20 % verringerten Mortalität verbunden war.
1.8
Was kann man tun?
Welche Schlüsse lassen sich nun aus alledem ziehen? Zunächst sei daran erinnert, dass der wichtigste Ertrag der modernen Medizin, wie sie sich in den vergangenen 200 Jahren entwickelt hat, im Grunde nicht in der Entwicklung bestimmter Medikamente oder spektakulärer Operationsmethoden bestand. Die größte Errungenschaft der modernen Medizin sind vielmehr die auf den ersten Blick unscheinbaren Präventionsmaßnahmen, die dazu geführt haben, dass die Menschen heute vor den gefährlichsten Infektionskrankheiten weitgehend geschützt sind. Inzwischen ist in den Industrieländern die koronare Herzkrankheit, die meist mit dem metabolischen Syndrom assoziiert ist, die häufigste Todesursache. Wahrscheinlich könnte die Medizin auch hier am meisten bewirken, wenn es ihr gelingen würde, sinnvolle Maßnahmen der Prävention zu initiieren. Gleiches gilt für eine der wichtigsten Todesursachen unter den Krebserkrankungen, das Lungenkarzinom, das im Grunde durch eine einfache Präventionsmaßnahme sehr effizient zurückgedrängt werden könnte. Die Diskussion über die von der Europäischen Union veranlassten Rauchverbote zeigt allerdings, dass in gesundheitspolitischen Fragen nicht nur die wissenschaftlichen Erkenntnisse maßgeblich sind, sondern auch die Freiheit des Individuums zu berücksichtigen ist. Paradoxerweise zeichnet sich ab, dass die Lebenszeit der Menschen im Industriezeitalter eben durch Umstände begrenzt wird, die sich die Menschheit immer erträumt hatte: die unbegrenzte Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln und die Möglichkeit, das Leben zu genießen. Vor diesem Hintergrund ist es erfreulich, dass zumindest das Kaffeetrinken (Abb. H 1.7) auch nach aktuellem Stand der Wissenschaft weiterhin befürwortet werden kann: Im Rahmen einer großen Studie wurden von 1986 – 2006 insgesamt 86 214 Frauen und 47 911 Männer nach ihrem Kaffeekonsum befragt und es wurde untersucht, wie sich dieser auf ihre Gesundheit auswirkte. Sowohl bei den Frauen als auch bei den Männern zeigte sich, dass ein geringer Kaffeekonsum keine signifikanten Folgen hatte und ein höherer Kaffeekonsum sogar mit einer Verringerung der Mortalität um 20 % verbunden war. Die genauere Auswertung der Daten ergab, dass Männer, die über viele Jahre täglich mehr als fünf Tassen Kaffee tranken, ein um 60 % reduziertes Risiko für die Entwicklung eines letalen Prostatakarzinoms aufwiesen. Der Effekt trat auch mit entkoffeiniertem Kaffee auf und könnte somit auf die Polyphenole des Kaffees zurückzuführen sein (Lopez-Garcia et al., Ann. Intern. Med. 148, 904-914, 2008; Wilson et al., J. Natl. Cancer Inst., May 17, 2011).
Sachverzeichnis
827
Sachverzeichnis Fette Seitenzahl: Bei mehreren Fundstellen kennzeichnet diese Angabe die Seite, auf der das Stichwort ausführlicher besprochen oder ein Überblick gegeben wird. Bei gleichwertigen Einträgen ist die Hervorhebung unterlassen.
A
A-(Aminoacyl-)Stelle 459 A-Banden 766 A-Kette (Insulin) 557 A-Konformation (Doppelhelix) 421 AB0-System 693 ABCA1 = ATP-binding cassette transporter A1 248 ABCD 1-Protein 129 Abciximab 701 Abl-Tyrosinkinase 513 ACAT = Acyl-CoA-Cholesterin-Acyltransferase 247 ACE = Angiotensin converting Enzyme 617 ACE-Hemmer 619 – Wirkung auf Kinine 637 Acetaldehyd 132 – aktiviertes 100 – Ethanolabbau 131 Acetat-CoA-Ligase 131 Acetoacetat 116 – Abbau 130 – Synthese 243 Acetoacetyl-CoA – Abbau Ketonkörper 130 – Cholesterinbiosynthese 336 – Ketonkörpersynthese 242 Aceton 116, 130 Acetyl-CoA 97 – β-Oxidation 122 – Acetylcholinsynthese 793 – Biotransformation 722 – Citratzyklus 106 – Fettsäuresynthese 226, 229 – Ketonkörpersynthese 242 Acetyl-CoA-Carboxylase 227, 564 – Regulation 231, 267 – – durch Insulin 563 Acetylcholin 793 – Pankreassekretproduktion 194 – Salzsäureproduktion 192 Acetylcholin-Esterase 791 Acetylcholin-Esterase-Hemmer 792 Acetylcholinrezeptoren – muscarinische 790 – nicotinische 790 Acetylierung (Proteine) 471 Acetylsalicylsäure 25 – Hemmung der TXA2-Synthese 704 – Schädigung der Magenschleimhaut 193 – Wirkung als COX-Hemmstoff 632 – Wirkungsmechanismus 29 ACF-Kompetenzfaktor 454 Achondroplasie 647 Aconitase 107 – zytosolische (Eisenstoffwechsel) 308 Aconitat(-Hydratase) 107 ACP = Acyl Carrier Protein 228 Acquired Immunodeficiency Syndrome = AIDS 484 Acrodermatitis enteropathica 313 Acroleyl-β-Aminofumarat 288 ACTH = Hormon, adrenocorticotropes 577 Actinomycin D 431, 449 Acyl-Adenylat 123
Acyl-AMP 123 Acyl-Carrier-Protein = ACP 228 Acyl-CoA 123 – Triacylglycerinsynthese 239 Acyl-CoA-Cholesterin-Acyltransferase = ACAT 247 Acyl-CoA-Dehydrogenase 125 Acyladenylat 240 Acylcarnitin 124 1-Acylglycerin-3-phosphat-Acyltransferase 335 Acylgruppe, Definition 44 Acylierung (Proteine) 471 ADAMTS-I-Proteinase 606 Adaptation – Lichtempfindlichkeit 814 – Rezeptor, G-Protein-gekoppelter 537 Adaptin 352, 369 ADAR = Adenosin-Desaminase an RNA 454 Addison, Morbus 596 Addison-Krise 596 Adenin 401 Adenin-Phosphoribosyltransferase = APRT 411 Adenohypophysenhormone 578 Adenosin 402 – als Neurotransmitter 801 Adenosin-Desaminase 409 – an RNA = ADAR 454 – Mangel 415 Adenosinmonophosphat = AMP 407 – Muskulatur 144 Adenosindiphosphat = ADP 4 Adenosintriphosphat = ATP 4 – als Neurotransmitter 801 – Citratzyklus-Regulation 114 – Glykolyse-Regulation 81 – Struktur 402 – Weichmacherwirkung 768 Adenylatzyklase 538 – Hemmung durch Gi-Proteine 540 Adenylsuccinat-Synthase (Purinnukleotidsynthese) 409 ADH = Alkoholdehydrogenase 131 ADH = Hormon, antidiuretisches 615, 577 – Regulation der Nierenfunktion 757 Adhäsin 476 Adhäsionsverbindung 354 Adipokin 120 Adiponektin 121 Adipose Triglyceride Lipase = ATGL 119 Adipositas 121, 270 – Entzündungsmediator 690 Adipozyten 117, 122 Adiuretin = ADH 757 ADP = Adenosindiphosphat 4 ADP-Ribosylierung 288, 541 ADP/ATP-Translokator 175, 364 – Apoptose 509 Adrenalin – Abbau 571 – Auslösung des Hungersignals 260 – Biosynthese 569 – Regulation der Fettsäuresynthese 231 – Regulation der Gluconeogenese 219
– Regulation der Lipolyse 119 – Regulation der PP-1 211 – Rezeptoren (Tabelle) 572 – Sekretion 571 – Wirkungen 572 Adrenogenitales Syndrom = AGS 590 Adrenozeptoren 572 Advanced Glycation End Products = AGE 565 Agarose-Gelelektrophorese 484 AGE = Advanced Glycation End Products 565 Agglutination – Blutgruppen 693 – IgM 667 Aggrastat 702 Aggrecan 386, 395 Aggregation (Blut) 693 Ago2-RNase 465 Agouti-related Peptide = AgRP 271, 614 AgRP = Agouti-related Peptide 271, 614 AGS = Syndrom, adrenogenitales 590 Ahornsirup-Krankheit 154 AIDS = Aquired Immundeficiency Syndrome 680 – Nachweis 484 Akinese (Parkinson) 806 Akkumulationsgift 316 Akt-Kinase 560 Aktin 376 – in Thrombozyten 700 – Typ γ 377 α-Aktinin 765 Aktinfasern 356 Aktinfilamente 376, 765 Aktionspotenzial 783 Aktivator 32 Aktivierungsenergie 22 Aktivin 605, 646 Aktivität – katalytische 28 – optische 35 Akute-Phase-Proteine 660, 748 δ-ALA = δ-Aminolävulinsäure 739 Alanin 53 – Abbau 151 – Gluconeogenese 218 – Stoffwechsel 137 β-Alanin 158, 413 Alanin-Aminotransferase = AL(A)T 147, 327 Alaninzyklus 138 Alarmone 405 AL(A)T = Alanin-Aminotransferase 147, 327 Albumin 744 Aldehyd-Dehydrogenase 131 – Biotransformation 721 – Inaktivierung von Serotonin 639 – Serotoninabbau 797 ALDH = Aldehyd-Dehydrogenase 721 Aldolase – Typ A (Glucoseabbau) 73 – Typ B (Fructoseabbau) 92 Aldolspaltung 73 Aldosteron 619 – Regulation der Nierenfunktion 757 – Regulation des Kaliumhaushalts 621
Alkaloid 184 Alkalose 759 Alkohol-Dehydrogenase = ADH 131 – Biotransformation 721 Alkohol-Oxidase, mikrosomale 132 Alkoholismus 132 Alkylanzien 522 Alkylierung (DNA-Basen) 495 Alkylumlagerung 298 All-trans-Retinal 275, 811, 814 All-trans-Retinol 275, 814 All-trans-Retinsäure 275 Allergie 681 – Auslöser 684 – Desensibilisierung 685 – Entstehungsmechanismus 683 – T-Zell-abhängige 686 Allodynie 631 Allolactose 444 Allopurinol 410 Allosterie 32 – Hämoglobin 32, 731 ALT = Alanin-Aminotransferase 147 Alveolar-Makrophagen 657 Alzheimer, Alois 803 Alzheimer-Krankheit = Morbus Alzheimer 466, 510, 794, 803 – Verlust von Nervenzellen 690 Alzheimer-Plaque 804 α-Amanitin 437 Amantadin 807 Amenorrhoe 611 Amethopterin 296 Amin, biogenes 157 Aminoacyl-tRNA(-Synthetase) 456 γ-Aminobuttersäure = GABA 158, 798 Aminogruppe 50 – pK-Wert 51 β-Aminoisobutyrat 413 δ-Aminolävulinsäure = δ-ALA 739 δ-Aminolävulinsäure-Synthase (Eisenstoffwechsel) 308 Aminopeptidasen 253 Aminopropanol 158 Aminosäure – Abbau 150 – Aktivierung (Translation) 456 – Decarboxylierung 157 – Definition 50 – essenzielle 57, 181 – Funktion im Energiestoffwechsel 59 – glucogene 150 – im Primärharn 752 – ketogene 150 – L- und D-Isomere 52 – nicht essenzielle 57 – nicht proteinogene 58 – proteinogene 52 – Pufferkapazität 51 – Rückresorption in der Niere 753 – Struktur 11, 50 – Titrationskurve 50 Ammoniak 138, 143 – Entgiftung 145 – im Urin 760 – Pyrimidinnukleotidsynthese 411 – in der Niere 760 AMP = Adenosinmonophosphat 407 AMP-aktivierte Kinase = AMPK 269 AMP-Desaminase 144
828 AMP-Kinase 561 AMPA-Rezeptoren 794 Amplifizierung von DNA (PCR) 482 β-Amyloid 690, 804 Amylo-1,4→1,6-Transglucosylase 208 Amylopektin 40 – in der Nahrung 200 α-Amylase – im Pankreassekret 194, 200 – im Speichel 200 Amylose 40 – in der Nahrung 200 Anämie – hämolytische 281, 283 – hyperchrome 416 – megaloblastäre 160, 296, 299, 416 – mikrozytäre, hypochrome 309 – perniziöse 128, 299 – renale 738 Anaphase 502 Anaphylatoxine 660 – als Entzündungmediator 692 Anaphylaxie 681 Androgen-bindendes Protein 602 Androgene 596, 601 Androstendion 596 Aneuploidie 492 Angina pectoris 715, 773 Angiogenese (Kanzerogenese) 521 Angiotensin converting Enzyme = ACE 617 Angiotensin 617 Angiotensin-Rezeptor (Kanzerogenese) 513 Angiotensinogen 617 Angiotensinrezeptoren = AT 618 Anhydrid, gemischtes 75 Anionenkanal, ligandengesteuerter (GABA-Rezeptor) 798 Ankerproteine 355 Annealing (PCR) 483 Anomere 37 ANP = Peptid, atriales natriuretisches 621, 758 Anti-Müller-Hormon = AMH 600 Anti-Onkogene 512 Antibiotikum 431, 449 – Resistenzplasmide 475 Anticholinergika 807 Anticodon-Schleife 435 Antidepressiva – nicht trizyklische 797 – trizyklische 795 Antigen – Definition 657 – Präsentation – – Lysosomen 371 – – B-Zellen 673 – – dendritische Zellen 671 – – MHC-Klasse-I-Proteine 678 – – MHC-Klasse-II-Proteine 677 – – tumorassoziiertes = TAA 695 Antigenbindestelle 663 Antigenprozessierung 671 Antihistaminika (H1-Blocker) 683 Antikörper 663, 667 – gegen AB0-System 693 – Hypermutation, somatische 670 – Klassen (Isotypen) 663 – Klassenwechsel 670, 674 – lösliche 674 – monoklonale 523, 663, 670, 695 – polyklonale 670 – primärer 533 – Rekombination, somatische 668 – sekundärer 533 Antileukotriene 683 Antimycin A 171 Antioxidationsmittel 738 – Tocopherol 279 – Vitamin C 301
Sachverzeichnis
Antiphlogistika, nichtsteroidale = NSAP 632 Antiport 348 Antithrombin 711 α1-Antitrypsin – Hemmung der Blutgerinnung 712 – Mangel 257 Aortendissektion 392 Aortenektasie 392 ApnA (Diadenosinoligophosphate) 405 AP = Apurin 497 AP-Endonuklease 497 Apaf-1 = Apoptotic Protease activating Factor 1 509, 516 APC-Tumorsuppressor 516 Äpfelsäure (Malat) 111 Apo = Apoprotein – Typ A-I 248 – Typ B-48 243 – – RNA-Editing 454 – Typ B-100 (Apoprotein B-100) 245, 747 – – RNA-Editing 454 – Typ C-II 245 – Typ E 245 – – Rolle bei Alzheimer-Krankheit 805 Apocaeruloplasmin 311 Apolipoprotein 243 Apoptose 506 – Auslösung durch zytotoxische T-Zellen 679 – Eliminierung von B-Zellen 673 – Fehlregulation 510 – Induktion 508 – Kanzerogenese 512 – Regulation 507 – Selektion von T-Zellen 676 – Signalweg – – extrinsischer 508 – – intrinsischer 509 – übermäßige 510 Apoptose-Mediatorproteine, mitochondriale 509 Apoptosekörper 506 Apoptosom 509 Apoptotic Protease activating Factor 1 = Apaf-1 509 Apotransferrin 306 Apparat, juxtaglomerulärer 757 Appetit-Regulation 614 APRT = Adenin-Phosphoribosyltransferase 411 APTT = Thromboplastinzeit, aktivierte partielle 710 AQP siehe Aquaporin Aquaporin = AQP 224, 754 – AQP1 – – in der Niere 754 – – Struktur 348 – AQP2 – – Induktion durch ADH 757 – AQP3 757 – AQP4 757 – AQP10 224 Aquired Immunodeficiency Syndrome = AIDS 680 Äquivalent, kalorisches 186 Arachidonsäure 46 – Allergie 683 – Eikosanoidsynthese 627 Arbeitsumsatz 185 Archaebakterien 323 Area postrema 797 Arginase 142 Arginin 55 – Abbau 152 – Harnstoffzyklus 141 – NO-Synthese 633 Argininosuccinat 141 Aromatase 590
– Östrogenbildung 605 Arrestin 814 Arteria hepatica 745 Arteriosklerose 48 – bei Adipositas 121 – Pathogenese 714 – Ursache 690 Arthritis – postinfektiöse 686 – urica 410 Arthroskopie 716 Arzneimittelreaktion 686 ASAT = Aspartat-Aminotransferase 147 Ascorbinsäure 183, 274, 281, 301 Ascorbyl-Radikal 302 Asialoglykoproteinrezeptor 345 Asparagin 54 – Abbau 156 – Desaminierung, hydrolytische 149 Asparaginsäure 55 Aspartat 56 – Abbau 154, 156 – Gluconeogenese 215 – Harnstoffzyklus 141 – Purinnukleotidsynthese 406 – Pyrimidinnukleotidsynthese 411 Aspartat-Aminotransferase = AST 143, 147, 327 – Malat-Aspartat-Shuttle 176 Aspartat-Carbamoyltransferase 412 Aspartat-Glutamat-Translokator 176 Aspirin 29 AST = Aspartat-Aminotransferase 147 Asthma bronchiale 681 – Anfall 682 – Prophylaxe 633 Astral-Mikrotubulus 383 Astrozyt 779 – Glutaminsynthese 145 Aszites 132, 134 AT = Angiotensinrezeptor 618 – Antagonist 619 Ataxia telangiectasia mutated = ATM 516 ATGL = Adipose Triglyceride Lipase 119 Atherom 715 Atherosklerose siehe auch Arteriosklerose 715 – Schutz durch ω3-Fettsäuren 48 ATM = Ataxia telangiectasia mutated 516 ATM- and Rad3-related = ATR 516 Atmungskette 8, 163 – bakterielle 178 – Cyanid-Vergiftung 173 – Defekte, angeborene 178 – Einschleusung von FADH2 126 – Entkopplung 177, 585 – – partielle 585 – Komplex I 164 – Redoxpotenziale 173 – Regulation 174 Atorvastatin 248 ATP = Adenosintriphosphat 4 ATP-binding cassette transporter A1 = ABCA1 248 ATP-Synthase 6, 161 – angeborene Defekte 178 ATPase-Typen 350 – an Synapsen 793 ATR = ATM- and Rad3-related 516 Atractylosid 175 Atracurium 792 Atriopeptin 621 Atriumpeptid, natriuretisches = ANP 621 Atrophie, kortikale 804 Atropin 184 Autophagozytose 353 Autophosphorylierung – JAK-Kinase 552
– Rezeptortyrosinkinase 549 Avery, Oswald 417 Avidität 667 Avitaminose 273 Axin 517 Axon-Wachstum 780 Axonverlust 803 Azidose 243 – metabolische 565 Azinuszellen 194
B
B-Konformation (Doppelhelix) 420 B-Zell-Lymphom 695 – Entstehung 514 B-Zell-Rezeptor 673 B-Zelle 673 – Aktivierung 674 – Antikörperklassenwechsel 674 – Insulinausschüttung 81 – naive 673 – Plasmazellen 675 – Reifung 673 – Selektion im Knochenmark 673 B-(Kinin-)Rezeptor 636 Bakterien, kompetente 480 Bakterienzellwand 41 Bakteriophage 480 Ballaststoff 183 Ballondilatation (Thrombozytenaggregationshemmer) 701 Barbiturat-Abbau 719 β-Barrel-Proteine 67, 342 Basalkörper 382 Basallamina 386, 395 Basalmembran, glomeruläre 751 Basedow, Morbus 586, 685 Basen, komplementäre 419 Basen-Exzisionsreparatur 496 Basenanaloga 495 Basenstapelung 420 Basentriplett 455 Batrachotoxin 788 Bauchglatze 721 Bax-Protein 509, 516 BBB = Blood-brain barrier 781 Bcl-2-Protein 507, 509 – Kanzerogenese 513 Bcr = Breakpoint Cluster Region 514 Bcr-Abl-Tyrosinkinase 514 Becker-Muskeldystrophie 774 Behring, Emil von 653 Belastungsdyspnoe 716 Belegzellen 190 Bence-Jones-Proteine 663 Benserazid 807 Benzbromaron 410 Benzodiazepine 798 Benzodihydropyran 279 Benzpyren 720 Beriberi-Krankheit 284 Bernsteinsäure (Succinat) 110 Beruhigungsmittel 799 Betaglykan 395 Betula verrucosa 684 Bicarbonat – Rückresorption 758 – Salzsäureproduktion 190 – CO2-Transport733 Bicarbonat-Puffer (Blut) 733 Bid-Protein 508 Bienengift 223 Bilayer 329 Bile Salt Export Pump = BSEP 749 Bilirubin 740 – als Antioxidans 738 – direktes (konjugiertes) 742 – indirektes 741 – Konjugation in der Leber 748
Sachverzeichnis
Bilirubin-Diglucuronid 742 Biliverdin 741 Bindehautxerose 277 Bindung – energiereiche 71 – – Acetyl-CoA 97 – glykosidische 39 – – im Nukleotid 401 – – in Glykosaminoglykanen 392 Biotin 274, 300 – Propionyl-CoA-Carboxylase 127 – Pyruvat-Carboxylase 114, 214 Biotin-Hypervitaminose 301 Biotinmangel 301 Biotinyllysin 274, 300 Biotransformation 718, 723 – im Gehirn 782 Biperiden 807 Birkenpollen-Allergie 684 1,3-Bisphosphoglycerat – Glykolyse 73 – Phosphatgruppen-Übertragungspotenzial 404 2,3-Bisphosphoglycerat (Hämoglobin) 732 Bitot-Fleck 277 Blasengalle 195, 749 Blastozyste 607 Blau-Opsin 811 Blaualgen 323 Bleivergiftung 316, 410 Blood-brain barrier = BBB 781 Blotting 485 Blunt End 477 Blut 727 – pH-Wert-Regulation 733 – Sauerstoffsättigung 728 Blut-Harn-Schranke 751 Blut-Hirn-Schranke 781 Blut-Liquor-Schranke 782 Bluterguss 741 Bluterkrankheit, klassische 707 Blutgerinnung 704 – extrinsische 705 – Gerinnungsfaktoren (Tabelle) 709 – Hemmung 711, 713 – intravasale 689 – intrinsische 705 – Rolle des Kallikrein 636 Blutglucosekonzentration 746 – Insulin 562 – Glucoseaufnahme in Hepatozyten 83, 746 – Glykogenabbau 90 Blutgruppen – AB0-System 693 – Rhesus-System 694 Bluthochdruck 618 Blutlipidspiegel (Fibrate) 556 Blutplasma 727 – Zusammensetzung 744 Blutserum 727 – Proteinzusammensetzung 744 Blutstillung 699 Blutungsneigung, erhöhte 282 Blutvergiftung 689 Blutzuckerspiegel 746 BMI = Body Mass Index 270 BMP = Bone morphogenetic Protein 553, 646 BNP = Brain natriuretic Peptide 621, 758 Body Mass Index = BMI 270 Bohr – Christian 731 – Niels 731 Bohr-Effekt 731 Bone morphogenetic Protein = BMP 553, 646 Bordetella pertussis 541 Botenstoff – Hormone 529
– Second Messenger 537 Botox 792 Botulinumtoxin 353 – Wirkung 792 Bowman-Kapsel 751 Bradykinin 635 Brain natriuretic Peptide = BNP 621, 758 Branching Enzyme 208 BRE = TFIIB Recognition Element 440 Breakpoint Cluster Region = bcr 514 Brechreiz 641, 797 Brennwert – physiologischer 186 – pysikalischer 186 Brenztraubensäure (Pyruvat) 76 Bridging 682 Brillenschlange 792 Bromuracil 495 Bronchialkarzinom 720 – kleinzelliges 515 – Metastasen 521 Bronchiektasen 382 Bronchokonstriktion 682 Brown'sche Molekularbewegung 358 Brunner-Drüsen 199 BSC 1 = Bumetanid-sensitiver Cotransporter 755 BSE = Enzephalopathie, bovine spongiforme 467 BSEP = Bile Salt Export Pump 749 Bufadienolide 589 Bulbus olfactorius 809 Bumetanid-sensitiver Cotransporter = BSC1 755 α-Bungarotoxin 792 Burkitt-Lymphom 514 Burnet, Frank Macfarlane 695 Bürstensaum (Enterozyten) 200 Busulfan 522 γ-Butyrobetain 302
C
C-Domäne (Antikörper) 664 C-Gensegment 668 C-Peptid (Insulin) 557 C-Proteine (Komplementsystem) 657 – Porenbildung im MAC 658 Ca2+-ATPase 544, 771 Ca2+-Cycling (Skelettmuskel) 586 Ca2+-Kanal, IP3-gesteuerter 544 CAAT-Box 440 CAD = DNase, Caspase-aktivierte 510 CAD-Multienzymkomplex 411 Cadherin 355 – in Metastasen 521 Cadmium 316 Caeruloplasmin 307 – Kupferspeicher 311 CAK = CDK-activating Kinase 503 Calciferol 278, 624 Calcitonin 624 Calcitonin-Gene related Peptide = CGRP 640, 690 Calcitriol 274, 278 – Wirkungen als Hormon 625 Calcium – als Second Messenger 544 – bei der γ-Carboxylierung 709 – bei der Thrombozytenaktivierung 702 – Inaktivierung als Second Messenger 545 Calcium-Antagonisten 772 Calciumhaushalt 622 Calciumhomöostase 622 Calciumkanal, spannungsgesteuerter 785 – Autoantikörper 792 – Fotorezeption 812
– Migräne 787 Calciumphosphat-Kopräzipitationsmethode 481 Calciumphosphatsteine 753 Calciumsensorprotein 623 Calciumspeicher 365, 367 Calciumsteine 753 Caldesmon 770 Calmodulin = CaM 544, 770 Calor 686 Caloric Restriction 185, 270, 825 CaM = Calmodulin 544 CaM-Kinasen 544 CAMP – Inaktivierung 540, 547 – Lipolyse 120 – PKA-Aktivierung 539 – Regulation durch Insulin 562 – Second Messenger 538 – Synthese 538 CAMP-responsive Element (binding) Proteins = CRE(B) 540 Camptothecin 431 Canaliculi (Belegzellen) 190 Cannabinoidrezeptor 46 CAP = Catabolite activating Protein 443 19S-Capkomplex 373 Capping 450 Carbamatgruppe 733 Carbaminsäure 412 Carbamoylaspartat 412 Carbamoylphosphat – Harnstoffzyklus 141 – Pyrimidinsynthese 412 Carbamoylphosphat-Synthetase = CPS – Regulation 269 – Harnstoffzyklus 141 – Pyrimidinsynthese 412 Carbanion, Thiaminpyrophosphat 100 Carboanhydrase – Erythrozyten 733 – Lunge 733 – Salzsäureproduktion 190 – Tubuluszellen 758 – Wechselzahl 28 Carboplatin 522 Carboxy-Biotin 300 Carboxylgruppe 50 – pK-Wert 51 γ-Carboxylierung – Gerinnungsfaktoren 710 – Vitamin-K-abhängige 282 Carboxypeptidase 253 – Pankreassekret 193 Carboxyphosphat 412 Carcinoma in situ (Portio) 519 Cardenolide 589 Cardiolipin 333, 362 – Biosynthese 336 – Struktur 330 Carnitin-Acylcarnitin-Translokase 124 Carnitin-Acyltransferase 1 124 – Regulation 268 – Regulation des Fettsäure-Stoffwechsels 231 β-Carotin 275 Carrier 174 CART = Transkript, Cocain- und Amphetamin-reguliertes 614 Caspase 508 Catabolite activating Protein = CAP – mRNA 433, 450 – Proteasom 373 Catechol 569 Catechol-O-Methyltransferase = COMT 571, 795 Catenin 355 – Typ β (Kanzerogenese) 513, 517 CBF-Transkriptionsfaktor 440 CD = Cluster of Differentiation 659
829 CD 4-Zelle – Bindung an MHC-II 677 – Bindung von HIV 680 CD 8-T-Zelle 677 – Bindung an MHC-I 678 Cdc25-Phosphatase 504 CDK = cyclin-dependent kinase 503 CDK-activating Kinase = CAK 503 CDK-Inhibitor p21Cip1 516 CDK-Inhibitor-Proteine = CKI 504 Cdk7-Transkriptionsfaktor 441 CDNA 481 – Synthese bei der RT-PCR 484 CDP-Cholin 335 CDP-Diacylglycerin-Inositol-3-Phosphatidyltransferase 335 CDP-Ethanolamin 335 Celecoxib 632 Cellulose 40 Cephalosporin – Resorption 254 – Wirkungsmechanismus 42 Ceramid 331 – Biosynthese 336 Cerebroside 333 – Biosynthese 336 – Struktur 331 Cetuximab 523 CF = Cleavage Faktor 453 CFTR-Kanal – PKA-Aktivierung 540 – Mukoviszidose 656 – Bronchialschleim 655 CFU = Colony forming Unit 648 CGMP – Phosphodieseterase 813 – – Inhibitor 548 – Inaktivierung 547 – Synthese 547 – Second Messenger 547 CGRP = Calcitonin-Gene related Peptide 641, 690 Channelopathies 787 Chaperone 468 – mitochondriale 365 Chargaff-Regel 419 Chelatbildner 724 Chemokine 650 – Komplementsystem 660 Chemorezeptoren 809 Chemotaxis 688 Chenodesoxycholsäure 196 Chimäre 491 Chinin 184 Chinolat-Phosphoribosyl-Transferase 288 Chinolsäure 288 Chinon-Reduktase 282 Chiralität 35 Chlor-Rückresorption 755 Chloramphenicol-Acetyltransferase 475 Chloridkanal (GABA-Rezeptor) 798 Cholecalciferol 274, 278, 624 Cholecystokinin = CKK 614 – Pankreassekretproduktion 195 Cholelithiasis 198 Cholera 541 Choleratoxin 288 Cholesterin 332 – Abbau 340 – Arteriosklerose 248 – Biosynthese 336 – – Energiebilanz 339 – Kreislauf, enterohepatischer 340 – Leber 747 – Membranfluidität 341 – Steroidhormonbiosynthese 589 – Struktur 14, 332 – Tagesbedarf 747 – VLDL 246 Cholesterin-Desmolase 590
830 Cholesterin-Esterase 589 – im Pankreassekret 193 – Verdauung von Lipiden 223 Cholesterinester-Hydrolase 589 Cholesterinsteine 198 Cholesterol 15, 332 Cholin 333, 793 Cholin-Acetyltransferase 793 Cholsäure 196 Chondrodysplasie 647 Chondroitinsulfat 43, 386, 393 Chondrozyten 398 Chorea Huntington 466, 510, 808 Choriogonadotropin, humanes = hCG 607 Christmas-Faktor 706 Chrom 316 Chromanring 279 Chromasthma 316 Chromatin 361, 421 – Transkriptions-Regulation 449 – Zellzyklus 505 Chromekzem 316 Chrommangel 316 Chromosom (Zellzyklus) 502 Chromosomenmutation 492 Chylomikronen 224, 243 Chymotrypsin 253 – Pankreassekret 193 – Reaktionsmechanismus 255 Ciclosporin A 677 Cimetidin 192 CIN = Neoplasie, zervikale intraepitheliale 519 Cineol 184 Cip/Kip-Familie 504 Ciprofloxacin 431 Cisplatin 522 Citrat 106 – Fettsäurebiosynthese 226 – Gluconeogenese 216 – Glykolyse-Hemmung 82 – Isomerisierung 107 – Fettsäuresynthese 231 Citrat-Synthase 106 Citrat-Translokator 226 Citratzyklus 103 – Energiebilanz 113 – Reaktionen, anaplerotische 114 – Regulation 113, 267 – Stoffwechselfunktion 103 Citrullin 59 – Harnstoffzyklus 141 Citryl-CoA 107 CKI = CDK-Inhibitor-Proteine 504 CKK = Cholecystokinin 614 Clathrin 352, 368 Claudin 354 Claviceps purpurea 797 Clearance-Rezeptor 609 Cleavage and Polyadenylation Specificity Factor = CPSF 453 Cleavage Stimulation Factor = CstF 453 Cleavage-Faktor = CF 453 Clopidogrel 702 Clostridium – botulinum 792 – tetani 799 Clozapin 796 Cluster of Differentiation = CD 659 CMC = Mizellenkonzentration, kritische 223 CNP-Peptid 621 CO2 = Kohlendioxid 733 CO2-Partialdruck (Hämoglobin) 732 Co-Chaperone 467 CO = Kohlenmonoxid 729 CO-Vergiftung 729 Coated Pit 352 Coated Vesicle 352 Coating Protein = COP
Sachverzeichnis – Typ I = COPI 369 – Typ II = COPII 367 Cobalamin 274, 296 – Methylmalonyl-CoA-Mutase 128 Cobalaminmangel 298 Cobalt 313 – im Cobalamin 297 Cocain 184, 788 Cochlea 810 Cockayne-Syndrom 499 Code, genetischer 455 Codein 801 Codon, synonymes 455, 482 Coenzym 166 – Typ A 291 – – Citratzyklus 110 – Typ Q 168 Coffein 801 – Phosphodiesterase-Hemmstoff 548 Coiled-Coil-Struktur 767 Colchicin 184, 379 Colipase 222 Colony forming Unit = CFU 648 COMT = Catechol-O-Methyltransferase 571, 795 Conn-Syndrom 620 Connexin 356 – Synapsen, elektrische 789 Connexon 356 COP = Coating Protein – Typ I 369 – Typ II 367, 369 Core – Glycosid 343 – Proteasom 373 Cori-Krankheit 89 Cori-Zyklus 87 Corpus luteum (Gelbkörper) 607 Corrin 297 Corticoliberin 577 Cortisol 592 – beim Fasten 263 – Gluconeogenese 219 Cortison 592, 620 – als Antiallergikum 683 Corticotropin-Releasing-Hormon = CRH 577 Cos-Sequenz 481 Cosmid 481 Cotransporter, Thiazid-sensitiver = TSC 756 COX = Zyklooxygenase 628 COX-2-Inhibitoren 632 CP-Transkriptionsfaktor 440 CpG-Inseln 448 CPS 2 = Carbamoylphosphat-Synthetase 2 412 CPSF = Cleavage and Polyadenylation Specificity Factor 453 CREB = cAMP-responsive elementbinding protein 270 – PKA-Aktivierung 540 Creutzfeld-Jakob-Krankheit 466 CRH = Corticotropin-Releasing-Hormon 577 Crick, Francis Harry 419 Cristae 362 Crohn, Morbus 662 Cromoglykat 683 CRP = Protein, C-reaktives 659 CstF = Cleavage Stimulation Factor 453 CTD-Phosphatase (Fcp1) 441 CTF-Transkriptionsfaktor 440 CTP = Cytidin-5’-triphosphat 413 CTR1 (Cu2+-ATPase) 311 Cu-Zentrum 172 Cu2+-ATPase (CTR1) 311 Cumarin 184 Cumarinderivate 282 Curare 792 Cushing-Syndrom 595, 596, 598
Cyanidvergiftung 173 Cyanocobalamin 297 Cycle-Sequencing 489 Cyclin-dependent kinase = CDK 503 Cyclophosphamid 522 CYP = Cytochrom-P-450-Enzyme 719 Cysteamin 158 Cystein 55 – Abbau 152 – Desaminierung, eliminierende 149 – Disulfidbrücken-Bildung 69 Cysteinylleukotriene 629 – Wirkungen 633 Cystic Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator-Canal = CFTRKanal 539 Cystinsteine 753 Cytidin 402 Cytidin-5’-triphosphat = CTP 413 Cytidin-Desaminase Apobec-1 454 Cytidyltransferase 335 Cytochalasine 377 Cytochrom – Typ a 172 – Typ a3 172 – Typ b 170 – Typ b5 233 – Typ c 171 – – Apoptose 509 Cytochrom-bc1-Komplex 170 Cytochrom-c-Oxidase 172 Cytochrom-P-450-Enzyme = CYP 719 – bakterielle 721 – Reaktionsmechanismus 720 – Reduktasen 721 – Steroidhormonbiosynthese 590 Cytochrom-P-450-Reduktase 720 Cytosin 401 Cytosinarabinosid 431, 522
D
D-Antigen 694 D-Galaktose 38 D-Gensegment 668 D-Glucose 38 D-Glycerinaldehyd-Struktur 12 D-Mannose 38 D-Ribose 401 D-Segment 668 D-Tubocurarin 792 D/L-Nomenklatur 35 Dactinomycin 522 DAG = Diacylglycerin 240, 335 Dantrolen 773 Dapagliflozin 204 DATP-Synthese 413 Daunorubicin 522 DBP = Vitamin-D-Bindeprotein 624 DC = Zellen, dendritische 670 DCTP-Synthese 413 DdNTP = Didesoxynukleotidtriphosphat 489 DDT = Dichlordiphenyltrichlorethan 789 Death-inducing signalling Complex = DISC 508 Debranching Enzyme 89 Decarboxylierung – oxidative 104 – PALP-abhängige, Mechanismus 290 Decorin 395 Defensine 655, 677 Dehydroalanin 582 Dehydroascorbinsäure 301 7-Dehydrocholesterin 624 Dehydroepiandrosteron = DHEA 596 Dehydrogenase 104 – FAD-abhängige 105 – NAD+-abhängige 104 Deiodase 583
– Typ 2 574 Deletion 492, 514 Demenz 803 Denaturierung (PCR) 483 Dense Bodies 767 Deoxycarnitin 302 Depolarisation (Membranpotenzial) 783 Depurinierung, thermische 494 Der p = Dermatophagoides pteronyssinus 684 Der p1-Allergen 684 Dermatansulfat 386 Dermatitis, atopische 681 Dermatophagoides pteronyssinus = Der p 684 Desaminierung – eliminierende 149 – hydrolytische 149 – oxidative 148 – – DNA-Basen 494 Desaturase 47, 233 Desensibilisierung (Allergie) 685 Desmin 385 Desminfilamente 385 Desmocollin 355 Desmoglein 355 Desmosom 355 5'-Desoxyadenosylcobalamin 274, 297 Desoxycholsäure 197 2-Desoxy-D-Ribose 401 Desoxyribonuklease (Pankreassekret) 194 Desoxyribonukleinsäure = DNS/DNA 417, 419 – mitochondriale (mtDNA) 362, 420 – superspiralisierte 427 – Syntheserate 426 Desoxyribonukleotidsynthese 413 – thyminhaltige 415 Desoxyribose 401 Dextrin 200 DGTP-Synthese 413 DHEA = Dehydroepiandrosteron 596 DHEAS = DehydroepiandrosteronSulfat 596 Diabetes – insipidus 617, 757 – mellitus 265, 270, 560 – – Behandlung 204 Diacetylmorphin (Heroin) 800 Diacylglycerin = DAG 240, 335 – Synthese aus PIP2 541 – Second Messenger 542 1,2-Diacylglycerin-Cholin-Phosphotransferase 335 1,2-Diacylglycerin-EthanolaminPhosphotransferase 335 Diadenosinoligophosphate (ApnA) 405 Diapedese 687 Diastereomere 36 Diauxie 444 Diazepam 799 DIC = Gerinnung, disseminierte intravasale 714 Dicer 465 Dichlordiphenyltrichlorethan = DDT 789 Dickdarm-Adenom 517 Dickdarmkrebs, erblicher nichtpolypöser 500 Dickdarmtumor 516 Diclofenac (Magenulkus) 193 Didesoxymethode nach Sanger 488 Didesoxynukleotid = ddNTP 489 Difarnesylnaphtochinon 274, 281 Diffusion – erleichterte 346 – freie 346 Digitalisglykoside 773 Digoxin 589
Sachverzeichnis
Dihydrofolat-Reduktase 293 – dTMP-Synthese 416 Dihydrofolat-Reduktase-Hemmer 296 – Tumortherapie 522 Dihydroliponamid-Acetyltransferase 99, 101 Dihydroliponamid-Dehydrogenase 99, 101 Dihydroorotase 412 Dihydroorotat-Dehydrogenase 413 Dihydropyridin-Rezeptor 771 Dihydrotestosteron 601 Dihydrouridin-Schleife 435 Dihydroxyaceton 35 – Struktur 12 Dihydroxyacetonphosphat – Fructoseabbau 92 – Glycerin-3-phosphat-Shuttle 176 – Glycerinabbau 121 – Glykolyse 73 – Triacylglycerinsynthese 240 1,2-Dihydroxybenzol (Catechol) 569 1,25-Dihydroxycholecalciferol 274, 278 2,4-Dihydroxy-3,3-dimethylbutyrat 291 1,25-Dihydroxyergocalciferol 278 3,4-Dihydroxyphenylalanin (Dopa) 569 Diiodtyrosin = DIT 581 Diktyosom 368 Dimercaptopropansulfonsäure = DMPS 724 5-Dimethylallyldiphosphat 338 Dimethylbenzimidazolribosid 297 Dimethylquecksilber 317 Dimethylxanthin 801 2,4-Dinitrophenol 177 Dinukleotid 418 Dioxygenase 154 Dipeptidase 253 Diphosphatidylglycerin 330 5-Diphosphomevalonat 337 Diphtherietoxin 288 Disaccharid 39 DISC = Death-inducing signalling Complex 508 Discrimination, self/non-self 654 Dishevelled 518 Disse-Raum 745 Disulfidbrücke 69 – Proteinfaltung 469 DIT = Diiodtyrosin 581 DMPS = Dimercaptopropansulfonsäure 724 DMT 1-Transporter 306 DNA – Abbau durch Restriktionsendonukleasen 476 – Amplifizierung (PCR) 482 – Auftrennung in Agarosegelen 484 – Klonierung 478 – Methylierung 476 – – Kanzerogenese 522 – Nachweis im Southern-Blot 485 – Plasmid 474 – Quervernetzung 522 – Satelliten-DNA 487 DNA = Desoxyribonukleinsäure 417 DNA-Doppelhelix 419 – Entwindung 427 DNA-Glykosylase 497 DNA-Ligase (Gentechnik) 478 DNA-Looping 448 DNA-Methylierung 448 DNA-Photolyase 496 DNA-PK = Proteinkinase, DNAabhängige 516 DNA-Polymerase – Eukaryont 430 – Gentechnik 478 – PCR 483
– RNA-abhängige 430 – Typ α 428 – – Primasefunktion 427 – Typen, weitere 428 – – DNA-Reparatur 497 DNA-Profilanalyse 487 DNA-Reparatur 498 – direkte 496 – Doppelstrangbruch 500 – transkriptionsgekoppelte = TCR 498 DNA-Schadens-Kontrollpunkte 503 DNA-Sequenzierung 488 DNA-Synthese (PCR) 483 DNA-Transfer 480 DnaA (Initiationsprotein) 426 DnaB (Helikase) 426 DnaG (Primase) 427 DNase, Caspase-aktivierte = CAD 510 DNS = Desoxyribonukleinsäure 417 Docetaxel 522 Docosahexaensäure 48 Döderlein-Stäbchen 86 Dogma, zentrales 423 Dolicholphosphat 343 Dolor 686 Domäne – konstante 664 – variable 664 Dopa 569 Dopa-Decarboxylase 570 Dopamin 158, 569 – Abbau 796 – als Neurotransmitter 796 Dopamin-Hydroxylase 570 Dopaminrezeptoren – Agonisten 807 – Antagonisten 796 Dopaminsystem – mesolimbisches 796 – nigrostriatales 796 Doping 602 Doppelbindungscharakter, partieller 63 Doppelhelix (DNA) 419 Doppelstrangbruch 495 – DNA-Reparatur 500 DOTMA-Lipid 481 Down-Syndrom 805 Downstream Promoter Element = DPE 440 Doxorubicin 522 DPE = Downstream Promoter Element 440 Drosha-RNase 465 Druck, kolloidosmotischer/onkotischer 744 Drüsen, endokrine 529 DTMP-Synthese 416 Duchenne-Muskeldystrophie 774, 776 Ductus thoracicus 225 Dünndarmsekret 199 – Zusammensetzung 188 Duplikation 492 DUTP-Synthese 415 DUTP-Diphosphohydrolase 415 Dynamin 352 Dynein 380, 382 Dynorphine 800 Dysplasie, primäre ziliäre 382 Dystrophin 774
E
E-(Exit-)Stelle 459 E/Z-Nomenklatur 48 E-Enzym 374 E605 (Parathion) 791 EBK = Eisenbindungskapazität 307 EBP-Transkriptionsfaktor 441 Echokardiografie 60
EDTA = Ethylendiamintetraessigsäure 257 EF = Elongationsfaktor 460 EF-Motiv (EF-Hand) 544 Effektor-Caspasen 508, 510 Effektor-T-Zelle 673 Effektorhormon 531, 576 EGF = Epidermal Growth Factor 646 EGFR-ähnlicher WachstumsfaktorRezeptor 513, 523 Ehrlich, Paul 653, 657 Eicosapentaensäure 48 Eikosanoide 627 – Rolle bei Allergien 683 Eikosatetraensäure 627 Einnistung (Eizelle) 607 Einzelstrangbindeprotein 426 Einzelstrangbruch 497 Eisen 305 – Speicherung 307 Eisen-Schwefel-Zentrum (Fe/S-Zentrum) 166 Eisenbindungskapazität = EBK – latente 307 – totale 307 Eisenhut 107 Eisenhydroxid 308 Eisenmangel 309 Eisenresorption 306 Elastase 253 – Immunantwort 677 Elastin 391 Elektrolythaushalt 615 Elektrophorese 484 – Blutserum 744 Elektroporation – Bakterien 480 – Eukaryonten 481 ELISA = Enzyme-linked immunosorbent Assay 533 – HIV-Nachweis 484 Elongation – Fettsäuresynthese 227 – Transkription – – Eukaryonten 441 – – Prokaryonten 439 – Translation 460 Elongationsfaktoren = EF 460 Embryogenese (Retinsäure) 277 Embryonalentwicklung – Fibronektin 397 – Hyaluronidasen 394 – Wachstumsfaktoren 645 ENaC = epithelial Na+-Channel 619, 756 Enantiomere 36 Ende (Polysaccharid) – nicht reduzierendes 40 – reduzierendes 40 Endergon 17 Endharn 752 2,3-Endiol-L-Gluconsäurelacton (Vitamin C) 301 Endocannabinoid 46 Endolymphe 810 Endonuklease G 509 Endorphine 578, 800 Endosom – frühes 352 – spätes 352 Endosymbiontentheorie 363 Endotoxin (Lipopolysaccharid) 660 Endozytose 351 – rezeptorvermittelte 352 Endplatte, motorische 765, 790 – Erkrankungen 792 – Hemmung durch Botulinumtoxin 792 – Myasthenia gravis 685 – Rezeptoren 790 Energie, freie 16, 18
831 Energiebilanz – β-Oxidation 129 – Cholesterinbiosynthese 339 – Citratzyklus 113 – Fettsäuresynthese 231 – Fructoseabbau 92 – Gluconeogenese 217 – Glykolyse 77 – Harnstoffzyklus 143 – Purinnukleotidsynthese 407 Energiediagramm 16 – mit Enzym 23 – Übergangszustand 22 Energieerhaltungssatz 20 Energieladung 405 Energiespeicher 261 Energiestoffwechsel 258 – aerober 259 – bei Nahrungsmangel 261 – Schlüsselenzym 266 Energieumsatz 185 Enkephaline 578, 800 Enolase 76 Enoyl-CoA-Hydratase 126 Enteroglukagonpeptide 614 Enterokinase 199 Enteropeptidase 252 – im Dünndarmsekret 199 Enthalpie 20 – freie 16 Entkoppler (Atmungskette) 177 Entkopplerprotein 573 Entropie 20 Entzündung 686 – Hemmung durch Glucocorticoide 595 – Konzept 690 – Rolle der Kinine 637 – Rolle der Prostaglandine 631 Entzündungsmediatoren 688 – Herzinfarkt 49 – im Komplementsystem 660 Entzündungszeichen, klassische 686 Enzephalomyopathie, mitochondriale 363 Enzephalopathie – hepatische 145 – spongiforme bovine = BSE 467 Enzym – Affinität 26 – Aktivität, katalytische 28 – bifunktionelles – – Debranching Enzyme 89 – – Fructose-2,6-bisphosphat-Interkonvertierung 82 – Gleichgewichtseinstellung 23 – Hemmung – – kompetitive 30 – – nicht kompetitive 31 – – reversible 29 – – unkompetitive 32 – isosterisches 33 – Klassifizierung 24 – Wechselzahl 28 Enzyme-linked immunosorbent Assay = ELISA 484, 533 Enzymhemmung 29 Enzymkinetik 24 EP-Rezeptoren 629 EPAC-Aktivierung 540 Ependymzellen 779, 782 Epidermal Growth Factor = EGF 646 Epidermolysis bullosa simplex 385 Epigenetik 449 Epilepsie 787 Epimere 36, 38 Epimerisierung (UDP-Galaktose) 93 Epiphysenfuge 584, 595 – geschlossene 602 Epitop 663 EPO = Erythropoetin 648, 738
832 Epoxid-Hydrolasen (Biotransformation) 722 Epoxid-Reduktase 282 Epoxidierung 720 Eptifibatide 701 ER = Retikulum, endoplasmatisches 366 Erb-Protoonkogen 513 Erbitux 523 Erbrechen 797 ERF-Terminationsfaktoren 462 Ergocalciferol 278, 624 Erkältungskrankheit (Vitamin C) 183 Erkrankung – mitochondriale 363 – neurodegenerative 803 Ernährung – parenterale 185 – vegane 183 Erythroblastose, fetale 694 Erythropoese 738 Erythropoetin = EPO 648, 738 Erythrose-4-phosphat 238 Erythrozyt – Bildung 738 – Blutgruppenantigene 693 ES-BP = Protein, eisensensorisches 308 Essigsäure, aktivierte 97 Esterbindung 44 – in Nukleotiden 402 – tRNA 435 ETF = Flavoprotein, Elektronen-transferierendes 126, 169 ETF-Ubichinon-Oxidoreduktase 126, 169 Ethanol – Abbau 131 – Energiestoffwechsel 132 – Gärung, alkoholische 85 Ethanolamin 158, 333 Ethidiumbromid 484 Etoposid 522 Euchromatin 361 Eukaryont, urtümlicher 363 Eukaryontenzelle 324 Exekutor-Caspasen 507 Exergon 17 Exon 433, 450 3'-5'-Exonuklease-Aktivität 499 Exophthalmus 586 Exozytose 353 Export (Zellkern) 361 Exportrezeptor 360 Expression, monoallelische 448 Extrinsic Factor 297 Exzisionsreparatur 496, 498 Exzitotoxizität 794 EZM = Matrix, extrazelluläre 386
F
F’-Plasmid 475 F-Teil (ATP-Synthase) 161 F-Aktin 376 F-dUMP = Fluordesoxyuridylat 416 F-Plasmid = Fertilitätsplasmid 474 F-Typ-ATPase 350 Fab-Fragment 664 FAD = Flavinadenindinukleotid 169, 274 – Elektronenübertragung 105 FADD = Fas-associated Death Domain Protein 508 FADH2 – β-Oxidation 125 – Citratzyklus 110 – – Ausbeute 113 – Pyruvat-Dehydrogenase 102 Faeces-Zusammensetzung 187 Faktor
Sachverzeichnis – Blutgerinnung 704 – M-Phase-stimulierender 505 β-Faltblatt 66 FAP = Polyposis coli, familiäre adenomatöse 517 Farbsinnstörungen 812 Farnesyldiphosphat 338 Farnesylierung 472 Fas 508 Fas-associated Death Domain Protein = FADD 508 Fas-Ligand 508, 679 Fasern, elastische 391 Fasten 261 – GH-Wirkung 610 – Hormonwirkung 264 FAT(P) = Fatty Acid Transport Protein 224, 245 Fatty Acid Transport Protein = FAT(P) 224, 245 Favismus 237 FBP-2 = Fructose-Bisphophatase-2 82 Fc-Fragment 664 Fc-Rezeptoren (Plazenta) 665 Fc-Teil 664 Fcp1 (CTD-Phosphatase) 441 Fe/S-(Eisen-Schwefel-)Zentrum 169 Feedback Inhibition (Produkthemmung) 82 Feedforward-Regulation 82 Fehlpaarungs-Reparatur 499 Felbamat 794 Felis domesticus (Protein) 684 FEN1-Endonuklease 497 Ferrioxidase I 307 Ferrireduktase 306 Ferritin 306 Ferritin-Reduktase 307 Ferrochelatase 739 Fertilitätsplasmid = F-Plasmid 474 Fes-Protoonkogen 513 Fett 180 Fettgewebe – braunes 117 – Lipolyse 119 – weißes 117 Fettleber 117, 132, 225 Fettleberhepatitis 132 Fettreserve 116 Fettsäure – Abbau 122 – Aktivierung 123 – Definition 13 – essenzielle 181 – Funktion, physiologische 231 – Grundstruktur 13 – Nomenklatur 45 – Transport ins Mitochondrium 123 – Typ ω3 48 – ungesättigte 233 Fettsäure-Hydroperoxid 280 Fettsäure-Synthase 564 – Aufbau 228 Fettsäure-Transportprotein 1 224 Fettsäuresynthese 225 – in der Leber 747 – Regulation 231, 267 – – durch Insulin 563 Fettspeicherkrankheiten 340 Fettstoffwechsel (GH-Wirkung) 610 Fettstreifen 714 Fettsucht 270 FGF = Fibroblast Growth Factor 646 FGF-related Growth Factor 513 FGF23-Wachstumsfaktor 626 Fibrate 556 Fibrillin 391 Fibrin 707 – Bindung an GP IIb/IIIa 701 – Umwandlung von Fibrinogen 704 Fibrin-Aggregat 708 Fibrinogen 707
– Umwandlung zu Fibrin 704 Fibrinolyse 711 Fibrinopeptide 707 Fibroblast Growth Factor = FGF 646 Fibronektin 396 – lösliches 701 – RGD-Motiv 701 – Thrombozytenaggregation 701 Fibrose, zystische 656 Fieber (Prostaglandine) 631 Filamente – dicke 766 – dünne 765 Filtrationsrate, glomeruläre = GFR 751 – Bestimmung 760 Fingerabdruck, genetischer 487 Fingerhut, roter 773 First Pass Effect 592, 749 Fischer-Projektion 38, 52 Flagellen 382 Flavinadenindinukleotid = FAD – Atmungskette 169 – Vitamin B2 285 Flavinmononukleotid = FMN (Atmungskette) 166 Flavoprotein 170 – Elektronen-transferierendes = ETF 126, 169 – Funktion 286 Fließgleichgewicht 19 Flip-Flop – Mechanismus (Lipidresorption) 224 – Membranlipide 341 – Thrombozytenaktivierung 703 – Transportprotein 346 Flippasen 340 Floxazine 449 Flucloxacillin 476 Fluor 314 Fluorapatit 315 Fluordesoxyuridylat = F-dUMP 416 Fluormangel 315 Fluoruracil 416, 522 FMN = Flavinmononukleotid 166, 274 Fms-Protoonkogen 513 Fokaladhäsion 356 Folgestrang 427 Follikelphase 605 Follikelreifung 605 Folsäure 274, 292 Folsäure(Folat)-Reduktase 293 Folsäure-Hypervitaminose 297 Folsäuremangel 296, 416 Forbes-Krankheit 89 Forkhead box P3 679 Formiminoglutamat 294, 296 Formylpeptidrezeptor 661 – auf Leukozyten 688 Fos-Protoonkogen 513 Fotorezeptoren 811 FoxP3-Transkriptionsfaktor 679 Frame Shift Mutation 493 Frizzled-Rezeptor 518 Fructokinase 92 Fructose 36 – Abbau 91 – Aufnahme – – Enterozyten 202 – – Leber 746 Fructose-1,6-bisphosphat (Glykolyse) 72 Fructose-1,6-Bisphosphatase 564 – Regulation, allosterische 219 Fructose-1-phosphat (Fructoseabbau) 92 Fructose-2,6-bisphosphat (Regulation) – Fructose-1,6-bisphosphatase 219 – Gluconeogenese 262 – Glykolyse 82
Fructose-6-phosphat – Glykolyse 72 – Pentosephosphatweg 238 – Phosphorylierung 72 Fructose-Bisphosphatase 216 – Typ 2 = FBP-2 82 Fructose-Intoleranz 92 FSH = Hormon, Follikel-stimulierendes 577, 601 Fucose 343 – in Blutgruppenantigenen 693 – Typ α-L 683 Fugu 788 Fumarat – Citratzyklus 110 – Harnstoffzyklus 141, 143 Fumarat-Hydratase 111 Functio laesa 686 Funktionalisierungsreaktionen 719 Furanose 37 Furche (DNA) – große 420 – kleine 420 Furosemid 755 Furunkel 475 Fusionsprotein (Kanzerogenese) 514
G
G-Aktin 376 G-Protein – heterotrimeres – – Aktivierung 536 – – Aufbau 536 – – Effektormoleküle 537 – – Inaktivierung 537 – – inhibitorisches (Gi) 540 – – Transducin 813 – kleines 550 – riechspezifisches 809 G-Protein-Rezeptor, gekoppelter 535 G-Strophanthin 589 G-Zellen 191, 612 G-Phasen (Zellzyklus) 501 – G1-Restriktionspunkt 504 – G1/S-Übergang 504 – G2/M-Übergang 505 GABA = γ-Aminobuttersäure 158, 798 GABA-Rezeptoren 798 GABA-Shunt 798 GAG = Glykosaminoglykane 392 Gal-Operon 443 Galaktokinase 93 Galaktopoese 611 Galaktosämie 94 Galaktose – Abbau 93 – Auflnahme in die Enterozyten 202 – Aufnahme in die Leber 746 – Epimere 38 – im Keratansulfat 393 – in Blutgruppenantigenen 693 – N-Glykosylierung 343 Galaktose-1-phosphat-Uridyltransferase 93 β-Galaktosidase 201 – in pUC 18 479 – lac-Operon 443 Galaktosylcerebrosid 331 Gallenblase 749 Gallenfarbstoffe 748 Gallengang 745 Gallenkanälchen 745 Gallensalze 195 Gallensäure – konjugierte 195 – primäre 196 – sekundäre 197 – Sekretion 749 – Synthese 196 – Zusammensetzung 188, 195, 748
Sachverzeichnis
Gallensteine 198 Ganciclovir 491 Ganglioside 333 – Biosynthese 336 – Struktur 332 – Typ GM2 371 Gap Junction 356 – Synapsen, elektrische 789 GAP = Protein, GTPase-aktivierendes 537 GAPDH = Glycerinaldehyd-3-phosphat-Dehydrogenase 73 Gärung, alkoholische 85 Gasaustausch (Lunge) 727 Gaskonstante 18 Gastrin 612 – Pankreassekretproduktion 195 – Salzsäureproduktion 191 Gastrin-Cholecystokinin-B-Rezeptor 612 Gastrin-releasing Peptide = GRP 612 Gastrinom 195, 613 Gastritis 192 Gating 783, 786 GC-Gehalt (DNA) 419 GCSF = Granulozyte Colony stimulating Factor 648 GDP-Man (Core-Glykosid-Synthese) 343 Gedächtnis (Histamin) 638 Gedächtniszellen 662, 675 GEF = Guaninnukleotid-Austauschfaktor 550 Gehirn (Energiestoffwechsel) 778 Gehörknöchelchen 810 Gehörorgan 810 Gelbkörper 607 Gelbsucht 132, 743 Gelelektrophorese 484 Gelenkregion 664 Gen 422 – Definition 417 Genamplifikation 514 Genbank – cDNA 481 – genomische 481 Genexpression 432 – monoallelische 448 – Regulation 442 – – durch miRNA 464 – – posttranskriptionelle 464 – – translationale 464 Genmutation 493 Genom 422 – E. coli 425 – humanes 422, 425 – mitochondriales 363 – prokaryontisches 324 – retrovirales 423, 477 – virales 419 Genommutation 492 Genomreparatur, globale = GGR 498 Gentechnik 473 Gentherapie, somatische 473 Gentransfer, horizontaler 475 Geranyldiphosphat 338 Gerbsäure 306 Gerinnung, disseminierte intravasale = DIC 714 Gerinnungsfaktoren – Hemmung (Cumarinderivate) 282 – Übersichtstabelle 709 – Konzentrat 283 Gerinnungsstörungen – Diagnose 710 – Hämophilien 707 – von-Willebrand-Syndrom 700 Geschlechtsmerkmale, sekundäre 602 Geschlechtsorgane (Reifung) 601 Geschmackssinneszellen 810 Geschwindigkeitskonstante 21, 25 Gestagene 602
Gewebe-Plasminogenaktivator 711 Gewebe-Thromboplastin 705 Gewebefaktor 705 Gewebshormone 627, 529 Gewebskallikrein 635 GFR = Filtrationsrate, glomeruläre 751 GGR = Genomreparatur, globale 498 GH = Growth Hormone 577 Ghrelin 271, 608, 614 GHRH = Growth-Hormone-ReleasingHormon 577, 608 Gibbs, Edward 16 Gicht 410 Gichtanfall, akuter 379 Gichtknoten 410 Gichttophi 410 Gilbert-Meulengracht-Syndrom 743 GIP = Peptid, gastroinhibitorisches 613 Glanzmann, Morbus 701 GLDH = Glutamat-Dehydrogenase 327 Gleevec 54 Gleichgewicht, chemisches 17 Gleichgewichtsorgan 810 Gleitfilamentmechanismus 768 Gliafaserproteine, saure 385 Gliazellen 779 Glisson-Trias 746 Glivec 54 Globulin – Thyroxin-bindendes = TBG 583 – Typ α 744 – Typ β 744 Glomerulus 751 – im Bulbus olfactorius 809 GLP = Glucagon-like Peptide 567, 614 Glucagon-like Peptide = GLP 567 Glucocorticoid-Rezeptor = GR 593 Glucocorticoide 592 – Biosynthese 592 – Immunsuppressiva 594 – Katecholaminsbiosynthese 570 – Phospholipase-A2-Hemmung 628 – Prostaglandinsynthese-Hemmung 594 Glucokinase 71, 81 – Regulation 267 Gluconeogenese 212, 216 – im Hungerstoffwechsel 262 – in der Leber 262, 746 – in der Niere 752 – Regulation 218, 267 Glucosamin (Heparansulfat) 393 Glucose 36 – Abbau 70 – Anomere 38 – Aufnahme – – Regulation 266 – – Enterozyten 202 – – Erythrozyten 204 – – Gewebe, extrahepatische 203 – – ZNS 204 – Epimere 38 – Glykogensynthese 206 – im Endharn 753 – im Gehirn 778 – im Primärharn 752 – N-Glykosylierung 343 – Phosphorylierung 4, 16, 71 – Rückresorption in der Niere 204, 753 – Stoffwechsel in Leber 746 – Bedarf, täglicher 212 – Typ α-D 38 Glucose-1-phophat-UTP-Transferase 206 Glucose-1-phosphat – Glykogenabbau 88 – Glykogensynthese 206 Glucose-6-phosphat 4, 16, 71 – Glykogensynthese 206 – Pentosephosphatweg 236
– Regulation der PP-1 211 Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase 236 – Mangel 236, 737 Glucose-6-phosphat-Isomerase 72 Glucose-6-Phosphatase 216 – in den Hepatozyten 746 Glucose-Toleranz-Faktor = GTF 316 Glucosehomöostase (Niere) 752 Glucosetransporter = GLUT 202, 349 – Typ 1 204 – – Gehirn 778 – Typ 2 203, 746 – – Niere 753 – Typ 3 204 – – Nervenzellen 779 – – Regulation durch Insulin 562 – Typ 4 203, 564 – – Regulation 80 – Typ 5 202, 746 Glucosurie 564 Glucosylcerebrosid 331 Glucuronide 722 Glucuronsäure 392 Glukagon 566 – Auslösung des Hungersignals 260 – beim Fasten 263 – Fettsäuresynthese-Regulation 231 – Gluconeogenese-Regulation 219 GLUT = Glucosetransporter 349 Glutamat 56 – Abbau 152 – Desaminierung, oxidative 148 – Neurotransmitter 794 – – Fotorezeption 812 – – im Ohr 811 – GABA-Synthese 798 – Gluconeogenese 218 – Folsäure 292 Glutamat-Dehydrogenase = GLDH 145, 148, 327 Glutamat-Oxalacetat-Transaminase = GOT 148 Glutamat-Pyruvat-Transaminase = GPT 148 Glutamatrezeptor (RNA-Editing) 454 Glutamatrezeptoren 794 Glutamin 54 – Abbau 152 – Desaminierung, hydrolytische 149 – Gluconeogenese 218 – Produktion in der Leber 747 – Purinnukleotidsynthese 406 – Stoffwechsel 138 Glutamin-Phosphoribosyl-Amidotransferase 409 Glutamin-Synthetase 145, 149 Glutaminsäure 55 γ-Glutaryltransferase = γ-GT 327 Glutathion = GSH 737 – Biotransformation 722 Glutathion-S-Transferase = GST 722 Glutathionkonjugate 722 Gluten 254 Glyceral-3-phosphat 73 Glycerin 333 – Abbau 121 – Gluconeogenese 218 – im Primärharn 752 – in Glycerophospholipiden 330 – Resorption 224 – Triacylglycerinsynthese 240 Glycerin-3-phosphat – Glycerophospholipid-Biosynthese 333 – Lipolyse 121 Glycerin-3-phosphat-Acyltransferase 335 Glycerin-3-phosphat-Dehydrogenase 122 – Atmungskette 170 – mitochondriale 176
833 – zytosolische 176 Glycerin-3-phosphat-Shuttle 176 Glycerin-Kinase 218, 240 Glycerinaldehyd 35 – Fructoseabbau 92 Glycerinaldehyd-3-phosphat – Glykolyse 73 – Oxidation 74 – Pentosephosphatweg 238 Glycerinaldehyd-3-phosphatDehydrogenase 73 Glycerinaldehyd-Kinase 92 Glycerintrinitrat 773 Glycerokinase 240 Glyceroltrinitrat 773 Glyceron-3-phosphat 73 Glycerophosphatid 329 Glycerophospholipide 329 – Abbau 339 – Biosynthese 333 Glycin 53 – Abbau 152 – Biotransformation 723 – Co-Transmitter (NMDA-Rezeptor) 794 – Hämbiosynthese 739 – Neurotransmitter 799 – Purinnukleotidsynthese 406 – Umwandlung in Serin 294 Glycinrezeptor-Antagonist 799 Glycocholsäure 197 Glykan 392 Glykogen 205 – Abbau 88 – – Regulation 90, 266 – Speicherung 87 – – Vergleich mit TAG 118 – Stoffwechsel in der Leber 746 – Struktur 39 – Synthese-Regulation 266 Glykogen-Phosphorylase 88 – Ausdauerleistung 260 – Regulation 266 Glykogen-Phosphorylase-Kinase 544 Glykogen-Synthase 206 – Typ 3 = GSK 3 210 – – Regulation durch Insulin 560 – Typ 3β = GSK 3β 517 – Regulation 210, 266 Glykogengranula 208 Glykogenin 205, 207 Glykogenosen 88, 207, 217, 775 Glykogensynthese 205 – Regulation 210 Glykokalix 343 Glykolipid 331 Glykolyse 70 – aerobe 78 – anaerobe 79 – – Regulation im Muskel 259 – Energiebilanz 77 – Regulation 79, 267 – – durch Glukagon 567 – – durch Insulin 562 – Schlüsselenzyme 79 Glykoprotein = GP 41 – GP II 699 – GP IIb 700 – GP IIIa 700 – gp41 680 – gp120 680 – Myelin-assoziiertes = MAG 780 Glykosaminoglykane = GAG 43, 392 – Biosynthese 394 – Funktion 394 Glykosylierung 41 – Kollagen 388 – Membranlipide 368 – Proteine 343, 368 Glykosylphosphatidylinositol = GPIAnker 472 Glykosyltransferase 343, 394
834 GMCSF = Granulocyte Macrophage Colony stimulating Factor 648 GMP = Guanosinmonophosphat 407 GnRH = Gonadotropin-ReleasingHormon 577, 601 – Ausschüttung 606 Golgi-Apparat 368 Gonadoliberin 577 Gonadotropin-Releasing-Hormon = GnRH 577 Gonadotropine 579 GOT = Glutamat-Oxalacetat-Transaminase 148 GP = Glykoprotein 41 GPI-Anker 472 GPR54-Rezeptor 600 GPT = Glutamat-Pyruvat-Transaminase 148 Gq-Protein 541 Graaf-Follikel 606 Granula – elektronendichte (δ-Granula) 702 – Typ α (Thrombozyten) 700 – – Inhaltsstoffe 702 – Typ β 209 – Typ δ (Thrombozyten) 702 Granulocyte Colony stimulating Factor = GCSF 648 Granulocyte Macrophage Colony stimulating Factor = GMCSF 648 Granulom 678 Granulozyten – eosinophile 683 – neutrophile 688 Granzyme 679 GRB2-Protein 550 Griffith, Frederick 417 Growth Hormone = GH 577 – Releasing-Hormon = GHRH 577 GRP = Gastrin-releasing Peptide 612 Grün-Opsin 812 Grundumsatz 185 Grünschwäche 812 Gruppe, prosthetische 166, 170 Gruppenübertragungspotenzial, hohes 72 GSH = Glutathion 737 GSK 3 = Glykogen-Synthase-Kinase 3 210, 560 GSSG = Glutathion-Disulfid 737 GST = Glutathion-S-Transferase 722 γ-GT = γ-Glutaryltransferase 327 GTF = Glucose-Toleranz-Faktor 316 GTP = Guanosintriphosphat (Citratzyklus) 110 GTPase-aktivierendes Protein = GAP 537, 550 Guanin 401 – Typ 8-Oxo 496 Guanin-7-methyltransferase 450 Guanine Nucleotide Exchange Factor = GEF 550 Guanosin 402 – methyliertes (mRNA) 433, 450 Guanosinmonophosphat = GMP 407 Guanosintriphosphat = GTP 110 Guanylatzyklase – lösliche (zytosolische) 546 – – Aktivierung durch NO 634 – membrangebundene 546 Guanylyltransferase 450 Guldberg 18 Gyrasehemmer 431, 449
H
H1-Blocker (Antihistaminika) 683 H+-ATPase, lysosomale 370 H-Antigen 693 H-Kette (Immunglobulin) 663 – Rekombination, somatische 668
Sachverzeichnis
H-Ras-Protoonkogen 513 Haarzellen 810 Haemophilus influenzae 666, 676 Hageman-Faktor (Faktor XII) 705 Halbacetal 37 Halbketal 37 Haldane-Effekt 734 Haloperidol 796 Halothan-Abbau 721 Häm-a-Gruppe 172 Häm-Abbau 740 Häm-Oxygenase 741 Hämatokrit 727 Hämatom 741 Hämatopoese (Zytokine) 648 Hämatopoetine 645, 647 Hämbiosynthese 739 Hämgruppe – Abbau 741 – Hämoglobin 729 – Import ins Lysosom 373 – P-450-Enzyme 720 Hämochromatose 308 Hämoglobin = Hb – Abbau 740 – Allosterie 32 – anomales 734 – Bohr-Effekt 731 – CO2-Bindung 734 – Effekte, allosterische 731 – fetales 728, 734 – HbA1 734 – HbA2 734 – HbF 734 – HbH 734 – HbS 734 – Helix F 729 – Kooperativität 731 – Mechanismus der O2-Bindung 730 – Methämoglobin 735 – neonatales 734 – Oxidationsschutz 737 – oxidiertes 735 – Oxygenierung 729, 731 – Quartärstruktur 68 – R-Zustand 730 – Röntgenkristallstruktur 729 – Sauerstoffbindungskurve 728 – Sichelzellanämie 734 – Synthese 738 – T-Zustand 730 Hämolyse 694 Hämophilie 707 Hämosiderin 307 Hämosiderose 308 Hämostase 699 Hanf 46 Hapten 675 – Hib-Impfung 676 Haptoglobulin 740 Harn, hypotoner 617 Harnsäure 139, 410 – im Urin 760 – Rückresorption in der Niere 753 Harnsäuresteine 753 Harnstoff 139 – im Primärharn 752 – im Urin 760 – Rückresorption in der Niere 760 Harnstoff-Transporter 760 Harnstoffzyklus 139 – 143 – Energiebilanz 143 – Regulation 143, 269 – Verbindung zum Citratzyklus 115 Hartnup-Krankheit 254 Haschisch 46 Hauptzellen 190 Hausstaub 684 Haworth-Projektion 39 HbA1c 565 Hb = Hämoglobin 734
HCG = Choriogonadotropin, humanes 607 HDL = High Density Lipoprotein 248 Heavy Chain (Antikörper) 663 Hedgehog-Protein 645 Heinz-Körper 236 Helicobacter pylori 192 Helikase 426 Helix – amphiphile 365 – Membrananker 69 – Typ α 65 – Typ F (Hämoglobin) 729 Helminth Paradox 685 Hemeralopie 277 Hemidesmosom 355 Hemmung – irrreversible 29 – isosterische 33 – kompetitive 30 – nicht kompetitiv 31 – reversible 29 – unkompetitive 32 Henle-Schleife 751 – Funktion 755 Henseleit, Kurt 104, 140 Heparanase 712 Heparansulfat 386, 393, 395 – Hemmung der Blutgerinnung 712 Heparin 393, 716 – Hemmung der Blutgerinnung 712 – Struktur 41 Hepatomegalie 217 Hepatozyt 745 Hephaestin 306 Her-2-Tumorantigen 523, 695 Herceptin 523, 696 Hereditary nonpolyposis colorectal Carcinoma = HNPCC 500 Heroin 800 Hers-Krankheit 88 Herzerkrankung, koronare 715 Herzglykoside 184, 773 Herzinfarkt 48 – GP-IIb/IIIa-Rezeptor-Antagonisten 701 – Pathogenese 714 – Therapie 715 – – Plasminogenaktivatoren 711 – – Thrombozytenaggregationshemmer 702 Herzinsuffizienz (BNP-Diagnostik) 621 Herzkatheteruntersuchung 60 Herzmuskulatur-Aufbau 767 Herzzeitvolumen, gesteigertes 584 Heterochromatin 361 Heterodimerisierung (Rezeptor, intrazellulärer) 553, 555 Heuschnupfen 681 HEV = High endothelial Venules 672 Hexokinase 71 – Regulation 80, 267 – Typ II 564 Hexosaminidase A 371 Hexose 36 Hexosemonophosphatweg 235 Hfr = High Frequency of Recombination 474 HGF-Rezeptor 513 HGH = Human Growth Hormone (Gentechnik) 482 HGPRT = Hypoxanthin-Guanin-Phosphoribosyltransferase 411 Hib-Impfung 676 High Density Lipoprotein = HDL 248 High endothelial Venules = HEV 672 High Frequency of Recombination = Hfr 475 Hinge Region 664 Hippursäure 723 Hirninfarkt 95
Hirudin 713 Hirudo medicinalis 713 Histamin 158, 637 – als Antiallergikum 639 – als Neurotransmitter 638 – Allergien 682 – Regulation der Salzsäureproduktion 192 Histaminfreisetzung (C 3 a und C5a) 660 Histaminrezeptoren 638 Histidin 55 – Abbau 152 – Decarboxylierung zu Histamin 637 – im Hämoglobin 729 – pK-Wert 51 – Typ E7 (Hämoglobin) 729 – Typ F8 (Hämoglobin) 729 Histidinbelastungstest 296 Histon-Deacetylase = HDAC 448 – Rolle im Zellzyklus 505 Histon-Oktamer 421 Histone 421 – Modifikation 448 Hitzeschockproteine = Hsp 467 – Steroidhormonrezeptor 554 HIV = Human Immunodeficiency Virus 484 HLA = Human Leucocyte Antigen 671 HMG-CoA = β-Hydroxy-β-methylglutaryl-CoA 242 HMG-CoA-Reduktase 336, 339 – Interkonvertierung 339 HMG-CoA-Reduktasehemmer 247 HMWK = Kininogen, hochmolekulares 635 HNPCC = Hereditary nonpolyposis Colorectal Carcinoma 500 HnRNA = RNA, heteronukleäre 422 – Prozessierung 450 – RNA-Editing 454 – Struktur 433 Hodentumor 521 Homocystein 159 – Remethylierung 293, 298 Homodimerisierung – Rezeptor, intrazellulärer 553 – Steroidhormonrezeptor 555 Homogenisator 325 Homogentisat(-Dioxygenase) 154 Homöostase (Zellzahl) 507 Hormon-Substanzklassen 530 Hormon(e) 529, 557 ff – adrenocorticotropess = ACTH 577 – aglanduläre 529 – Aminosäurederivate (Eigenschaften) 530 – antidiuretische = ADH 579 – effektorische 531 – Einteilung 529 – Follikel-stimulierendes = FSH 577, 601 – gastrointestinale 611 – glandotrope – – Funktion 579 – – Struktur 578 – glanduläre 529 – hydrophile 530 – hydrophobe 530 – lipophile 553 – Melanozyten-stimulierendes = MSH 578 – Nachweismethoden 532 – Regelkreise 531 – Sekretion, pulsatile 577 – somatotropes = STH 608 – Thyreoidea stimulierendes = TSH 582 – Wasser-, Elektrolythaushalt 615 – Wirkprinzip 530 Hormon-responsives Element = HRE 553
Sachverzeichnis
Hornhaut 654 Hornissengift 223 Hornykiewicz, Oleh 806 HPV = Papillomaviren, humane 695 – Impfung 519, 695 HRE = Hormon-responsives Element 553 HSL = Lipase, hormonsensitive 119 Hsp = Hitzeschockproteine 467 – Hsp60 468 – Hsp70 365, 468 – Hsp90 468, 554 5-HT1-Rezeptor-Agonisten (Migräne) 642 5-HT 3-Antagonisten 797 5-HT-Rezeptoren 640 – Klassifizierung 641 Human Growth Hormone = hGH 482 Human Immunodeficiency Virus = HIV 484, 680 Human Leucocyte Antigen = HLA 671 Hungergefühl-Regulation 270, 614 Hungerstoffwechsel 262 Hunter-Glossitis 299 Huntingtin 808 Hyaluronat 386, 392, 395 Hyaluronidasen 394, 476 Hyaluronsäure 43, 392 Hybridisierung 485 – PCR 483 – Southern-Blot 486 Hybridom 670 Hydrid-Ion (NAD+-Reduktion) 75 Hydrochinon 274 Hydrolase, saure 370 Hydrophobizität – Plot 69 – von Aminosäuren 69 3-Hydroxyacyl-CoA(-Dehydrogenase) 126 3-Hydroxyanthranilat 156 Hydroxybutyrat 116 3-Hydroxybutyrat(-Dehydrogenase) 130 β-Hydroxybutyrat-Dehydrogenase 243 4-Hydroxycumarin 282 Hydroxyethyl-Thiaminpyrophosphat 100 Hydroxyharnstoff 415 Hydroxyindolacetat 639, 797 5-Hydroxyindolessigsäure 797 Hydroxylapatit 398 1α-Hydroxylase 624 Hydroxylase-Mangel 590 Hydroxylierung 720 – von Kollagen 388 Hydroxylradikal 279, 736 Hydroxylysin 387, 391 β-Hydroxy-β-Methylglutaryl-CoA = HMG-CoA – Cholesterinbiosynthese 336 – Ketonkörpersynthese 242 Hydroxyprolin 387, 391 Hydroxysteroid-Dehydrogenase – Typ 3β 590 – Typ 11β 620 5-Hydroxytryptamin 639 5-Hydroxytryptophan (Serotoninbiosynthese) 639 Hyperaldosteronismus – primärer 620 – Sekundärer 620 Hyperalgesie 631 Hyperammonämie 143 – Therapie 146 Hyperbilirubinämie 743 Hypercholesterinämie 247 – familiäre 249 Hyperglykämie, diabetische 564 Hyperinsulinämie 560 Hyperkaliämie (Insulinmangel) 565
Hyperkalzämie 278 Hyperkalzurie 279 Hyperkoagulabilität 283 Hyperlipoproteinämie Typ II 249 Hypermutation, somatische 670 Hyperosmolarität 615 Hyperostose 277 Hyperplasie, kongenitale lipoide adrenale 590 Hyperprolaktinämie 611 Hypersensitivitätsreaktion 681 Hyperthermie, maligne 586 Hyperthyreose 586 Hypertonie – arterielle 618 – hypokaliämische 620 Hypertriglyceridämie 556 Hyperurikämie – primäre 410 – sekundäre 410 Hypervitaminose 273, 275 Hypoosmolarität 615 Hypophyse 578 Hypophysenhinterlappen 578 Hypophysenvorderlappen 578 Hypothalamisch-hypophysäres System 531 Hypothalamus 576 Hypothyreose 586 Hypovitaminose 273 Hypoxanthin 402, 410 Hypoxanthin-Guanin-Phosphoribosyltransferase = HGPRT 411
I
I-Banden 766 I-Zellen 614 IAP = Inhibitor of Apoptosis Proteins 508 Ibuprofen-Magenulkus 193 ICAD-Protein 510 ICAM-1-Protein 687 Iccosomen (Immune-complex-coated bodies) 672 Iduronsäure 392 IF = Initiationsfaktor 458 IFN = Interferone 650, 678 – IFN-γ 675 Ig = Immunglobuline (Antikörper) 663 IGF = Wachstumsfaktor, Insulinähnlicher 608, 646 IGF-Bindungsproteine 609 IGF-Rezeptoren 609 Ikterus 132, 743 IL = Interleukine 648 Iminosäure 55 Imipramin 795 Immotile-Cilia-Syndrom 382 Immune Surveillance 695 Immune-complex-coated bodies (Iccosomen) 672 Immunglobulin = Ig 657, 663 – Aufbau 663 – Hypermutation, somatische 670 – IgA 665 – – Dimere 665 – – Mangel, selektiver 666 – – Proteasen 666 – – Rezeptor 666, 682 – IgD 667 – IgE 667 – IgG 663, 665 – – Funktionen 665 – – Komplementsystem-Aktivierung 657 – – Subklassen 665 – IgM 666 – – Komplementsystem-Aktivierung 657
– – Pentamere 666 – Klassenwechsel 670, 674 – Übersichtstabelle 668 Immunisierung 663 Immunkomplexreaktion 685 Immunschwächesyndrom, erworbenes = AIDS 484, 680 Immunsystem – adaptives 654, 662, 670 – angeborenes 654 – – Rezeptoren 660 – im ZNS 779 – Mediatoren 691 – Überreaktion, allergische 681 – Glucocorticoid-Wirkung 594 – Zytokin-Wirkung 650 Immuntherapie, allergenspezifische = SIT 685 Immuntoleranz (Apoptose) 507 Immunüberwachung 695 IMP = Inosinmonophosphat 406 IMP-Dehydrogenase 409 Import (Zellkern) 361 Importrezeptor 360 Impotenz 611 Imprinting 448 Inaktivator 29 Indinavir 257 Induktion (Transkription) 442 Infektionen, nosokomiale 655 Infertilität 382 Inhibin – im Follikel 606 – im Hoden 601 Inhibitor 32 – kompetitiver 30 Inhibitor of Apoptosis Proteins = IAP 508 Initiation – Replikation (Prokaryonten) 426 – Transkription – – Eukaryonten 441 – – Prokaryonten 438 – Translation 458 Initiationsfaktor = IF (Translation) 458 Initiationskomplex 458 – offener 441 Initiator = Inr 440 Initiator-Caspasen 507 Initiator-Methionyl-tRNA 458 Ink4-Familie 504 Inosin 402 Inosinmonophosphat = IMP 144, 406 Inositol 333 Inositol-1,4,5-trisphosphat = IP3 335 Inositoltriphosphat-Rezeptor = IP3Rezeptor 773 Inr = Initiator 440 INR-Wert = International Normalized Ratio 710 Insertion 492, 514 Instabilität, dynamische 379 Insulin 557 – Abbau 559 – Biosynthese 557 – Fettsäuresynthese-Regulation 231 – Genexpression-Regulator (Tabelle) 564 – Gluconeogenese-Regulation 220 – Hungergefühl-Regulation 272 – Kaliumhaushalt-Regulation 621 – Lipolyse-Regulation 119 – PP-1-Regulation 211 – Sekretion 558 – Signaltransduktion 559 – Speicherung 557 – Struktur 557 – Resorptionsphase 264 – Wirkungen – – molekulare 559 – – zelluläre 561 Insulin-like Growth Factor = IGF 646
835 Insulinmangel (Klinik) 560 Insulinresistenz 121, 265, 560, 610 Insulinrezeptor 559 – Signaltransduktion 560 Insulinrezeptorsubstrat = IRS 559 Insulinsensitizer 556 int-2-Protoonkogen 513 Integration (Plasmid) 475 Integrilin 701 Integrin 355, 396 – Bindung an ICAM-1 (Diapedese) 687 – Glykoproteine GP I-III 701 Integrinphase 687 Interferon = IFN 650, 691 – IFN-α 678, 691 – IFN-β 678, 691 – IFN-γ 675, 684, 691 Interkalierung 449, 495 – Ethidiumbromid 484 Interkonvertierung 84 – Pyruvat-Dehydrogenase 102 Interleukin = IL 648, 650, 691 – Aktivierung von B-Zellen 674 – Allergien 684 – IL-1 689 – IL-1β 691 – IL-2 677, 691 – IL-4 691 – IL-5 691 – IL-6 689, 691 – IL-8 650, 688, 691 – IL-10 685, 692 – IL-12 692 – IL-17 692 Intermediärfilamente 355, 383 Intermediärtubulus 751 Intermembranraum (Mitochondrium) 362 International Normalized Ratio = INR 710 Intoxikation (Knollenblätterpilz) 437 Intrinsic Factor 297 – im Magensaft 190 – Mangel (Anämie, perniziöse) 128 Intron 433, 450 Inversion 493 Invertzucker 91 Iod – als Spurenelement 315 – Schilddrüsenhormone 581 Ionenkanal – cAMP-regulierter 540 – ligandenaktivierter 545 – mechanosensitiver (Ohr) 811 – Membranen, biologische 348 – spannungsgesteuerter 783 – – Röntgenstruktur 786 – spannungsunabhängiger 783 Ionenkanalkrankheiten 787 Ionenpumpe 350 IP3 = Inositoltriphosphat 335 – Synthese aus PIP2 541 – Wirkungen als Second Messenger 544 IP3-Rezeptor 544, 546 IRBP = Protein, interstitielles Retinoid-bindendes 814 IRE = Iron Response Element 308 Irinotecan 431, 523 Iron Response Element = IRE 308 IRS = Insulinrezeptorsubstrat 559 Ischämie 713 Isoalloxanring 285 Isocitrat(-Dehydrogenase) 107 Isoenzym 26 – Diagnostik 86 – Lactat-Dehydrogenase 86 Isoleucin 53 – Abbau 153 Isomaltose 200 Isomerase (Oxidation) 127
836 Isomere 35 – Aminosäuren 52 Isomerisierung – 3-Phosphoglycerat 76 – Citrat 107 – Glucose 17 – von Glucose-6-phosphat 72 Isoniazid 723 Isopreneinheit, aktivierte 338 Isoprenylierung 472 Isosorbidmononitrat 635 Isosterie 33 Isotyp (Antikörper) 663 Isoxazolylpenicillin 476 Ito-Zellen 276
J
J-Gensegment 668 J-Kette – IgA 665 – IgM 666 JAK = Janus-Kinase 552 JAK-STAT-Proteine 553 Janus-Kinase = JAK 552 Jenner, Edward 653 Joining Chain 665 Juckreiz 682 Jun 513
K
Kaffee 826 Kalium-Sekretion, renale 756 Kaliumdiffusionspotenzial 783 Kaliumhaushalt 621 Kaliumkanal – spannungsgesteuerter 784 – – Röntgenstruktur 786 – spannungsunabhängiger 783 – – Röntgenstruktur 785 Kallidin 635 Kallikreine 635 Kamel (Wasserspeicherung) 130 Kanalprotein 347 Kanzerogenese 512 Kardiomyopathie – hypertrophe 124 – dilatative 775 Karies 91 – Prophylaxe 315 Kartagener-Syndrom 382 Karzinoid 643, 797 Katabolit-Aktivator-Protein = CAP 443 Katabolit-Repression (lac-Operon) 444 Katal 28 Katalase 128, 373 – in Erythrozyten 738 Katarakt, diabetische 565 Katecholamine 569 – Abbau 571 – als Neurotransmitter 794 – Sekretion 571 – Wirkungen 572 Kationenkanal, mechanosensitiver 615 Katzen-Allergie 684 Kayser-Fleischer-Kornealring 311 KDEL-Rezeptor 369 Keimbahnmutation 492 Keratansulfat 393, 395 Keratin 384 Keratinfilamente 355, 384 Kernantigen proliferierender Zellen 428 Kerne, subkortikale 806 Kernexport 359 Kernexportrezeptor 360 Kernhülle 359 Kernikterus 743
Sachverzeichnis
Kernimport 359 Kernimportrezeptor 359 20S-Kernkomplex 373 Kernkörperchen 360 Kernlamina 359, 385 Kernlokalisierungssequenz = NLS 359 – Zykline 503 Kernmembran 359 Kernplasma 359 Kernpore 359 Kernteilungsspindel 383 Keto-Enol-Tautomerie (DNA-Basen) 494 3-Ketoacyl-CoA 126 Ketoazidose 250 Ketogenese 242 α-Ketogluconolacton 301 α-Ketoglutarat – Citratzyklus 108 – Decarboxylierung, oxidative 109 – Dehydrogenase 108 Ketonkörper 118 – Abbau 130 – Definition 116, 242 – im Primärharn 752 Ketonkörpersynthese 242 – in der Leber 747 Ketonurie (Diabetes mellitus) 565 3-Keto-Thiolase – β-Oxidation 126 – Ketonkörperabbau 131 Kettenabbruchmethode 488 Kettenverlängerung (Fettsäuresynthese) 230 17-Ketosteroide 592 Keuchhusten 541 Kidney Na+-Bicarbonat Cotransporter = kNBC 758 Kinase – mitochondriale (PINK1-Genprodukt) 807 – Zyklin-abhängige 503 Kinesin 380 Kinetochor-Mikrotubulus 383 Kinin-Rezeptoren 636 Kininase II 635 Kinine – Verbindung zum RAAS 635 – Wirkungen 636 Kininogen 635 – hochmolekulares = HMWK 635 – – Blutgerinnung 705 – niedermolekulares = LMWK 635 Kinozilien 382 – Ependymzellen (ZNS) 779 – Riechsinneszellen 809 Kisspeptin 600 Klassenwechsel (Immunglobuline) 670 Kleeblattstruktur (tRNA) 435 Klonierung, molekulare 478 Klonierungsvektor 478 – Bakteriophage 480 KNBC = kidney Na+-Bicarbonat Cotransporter 758 Knochen 386, 398 – Glucocorticoidwirkung 595 Knock-out-Tier 490 Knollenblätterpilz-Vergiftung 437 Knoop, Franz 123 Knorpel 386, 395, 398 Kohlendioxid = CO2 (Transport im Blut) 733 Kohlenhydrate 12, 34 – Abbau 70 – als Hapten 675 – als Membranbaustein 343 – als Nahrungsstoff 180 – Funktion im Energiestoffwechsel 43 – Matrix, extrazelluläre 386 – Nahrung 200
– komplexe 343 – β-Konfiguration 37 – Nomenklatur 35 – Stoffwechsel (GH-Wirkung) 610 Kohlenmonoxid = CO 729 Kohlenstoffatom – anomeres 37 – asymetrisches 35 Köhler, Georges 670 Kokain 788 Kollagen 387 – fibrilläres 387 – Schmelzpunkt 389 – Thrombozytenaggregation 699 – Typen 386 Kollagen-Kette 387 Kollagen-Helix 66 Kollagenase 398 Kollagenfaser 391 Kollateralkreislauf 133 Kolonkarzinom 471, 631 Kompartimentierung, Vorteile 325 Kompetenz, natürliche 480 Kompetenzfaktor ACF 454 Komplementaktivierung 657 – alternativer Weg 658 – durch CRP 659 – klassischer Weg 657 – Lektin-Weg 659 Komplementkaskade 658 Komplementrezeptoren 658, 660 Komplementsystem 657 – Aktivierung – – alternative 658 – – bei Allergie 685 – – klassische 657 – Entzündungsreaktion 687 – Proteinkomponenten 657 Komplex – Atmungskette 166 – ternärer 428 Komponente, sekretorische 666 α-Konfiguration (Kohlenhydrat) 37 Konfigurationsisomere 36 Konformere 36 Konjugation 474 Konjugationsreaktionen 722 Kontakt-System 705 Kontaktallergen 686 Kontaktekzem, allergisches 686 Kontrazeption, hormonelle 607 Konzentrationsverhältnis 18 Kooperativität 32 – Hämoglobin 731 – – Sauerstoffbindung 728 Kopplung – elektromechanische 770 – energetische 3, 110 – – Biotransformation 723 Kopplungstetrasaccharid 394 Koproporphyrinogen III 739 Koprosterin 340 Koronarangiografie 60 Koronarintervention, perkutane = PCI 702 Koronarsyndrom, akutes 702 Korsakow-Syndrom 109 Kraft, protonenmotorische = PMF 163 Kraniosynostosis 647 K-Ras-Protoonkogen 513 Kreatin-Kinase 92, 148, 258 Kreatinin 139 – im Primärharn 752 – im Urin 760 Kreatinphosphat 258 – Phosphatgruppen-Übertragungspotenzial 404 Krebs, Hans 104, 140 Krebsentstehung 512 Krebserkrankung (bei Adipositas) 121 Krebszelle 511
Kreislauf – enterohepatischer 197 – portaler 745 – systemischer 745 Kreislaufversagen 689 Kretinismus 586 Kropf 586 Kugelfisch 788 Kupfer 310 – Verteilungsstörung, intrazelluläre 311 Kuru 466 Kwashiorkor 182 Kynurenin 156
L
L-Carbidopa 807 L-Carnitin 302 L-DOPA – Blut-Hirn-Schranke 781 – Parkinson-Krankheit 807 L-Gluconolacton-Oxidase 301 L-Kette (Immunglobulin) 664 – Rekombination, somatische 668 L-Struktur (tRNA) 436 L-System 771 L/D-Nomenklatur 35 Labyrinth (Ohr) – häutiges 810 – knöchernes 810 – vestibuläres 810 Lac-Operon 443 β-Lactamase 475 Lactase 93, 201 Lactat – Abbau 87 – Cori-Zyklus 87 – Gluconeogenese 218 – Glykolyse, anaerobe 85 – Herzmuskel 259 – Leber 259 – Primärharn 752 – Skelettmuskulatur 259 Lactat-Dehydrogenase 86 Lactatgärung 85 Lactoferrin 656 Lactonase 237 Lactonring 301 Lactose 93 – lac-Operon 443 – Verdauung 201 Lactose-Intoleranz 201 Laktogenese 610 Lambert-Eaton-Syndrom 792 Lamin 385 Laminfilamente 385 Laminin 397 Lanosterin 338 Lariat 451 LCAT = Lecithin-Cholesterin-Acyltransferase 246 LDH = Lactat-Dehydrogenase 86 LDL = Low Density Lipoprotein 246 LDL-Rezeptor = LDLR 245 LDLR = LDL-Rezeptor 245 LDLR-related Protein = LRP1 245 Leber 745 – Aminosäurestoffwechsel 747 – Biotransformation 718 – Fettleber 117 – Kohlenhydratstoffwechsel 746 – Kreislauf 745 – Produktion von Serumproteinen 748 – Regulation der Blutglucosekonzentration 83 – TAG-Bildung bei Alkoholabusus 118 Leber’s hereditary optic neuropathy = LHON 167, 178
Sachverzeichnis
Leber-Optikusatrophie 167, 178 Lebergalle 195, 749 Leberläppchen 745 Leberzirrhose 132, 134, 721 Lecithin 14, 330 – im VLDL 246 Lecithin-Cholesterin-Acyltransferase = LCAT 246 Leckkanal 783 Leistungsumsatz 185 Leitenzym 326 Leitstrang 427 Lektin, Mannan-bindendes = MBL 659 Lektin-Weg (Komplementsystem) 659 Lepra 678 Leptin 121, 270, 614 Leptinrezeptor 271 Lernen – Histamin 638 – Serotonin 641 Lesch-Nyhan-Syndrom 411 Leserasterverschiebung 493, 522 Leucin 53 – Abbau 152 Leukämie – lymphatische 410 – myeloische 54, 410, 514 Leukokorie 515 Leukotrien-Rezeptor-Antagonisten 633 Leukotriene = LT 629 – LTC4 (Entzündungsmediator) 692 – Rezeptoren 632 Leukotrienrezeptor-Antagonisten 683 Leukozyten – Aktivierung 687 – Diapedese 687 – Entzündungen 688 – Monozyten 689 Lewy-Körper 808 Leydig-Zwischenzellen 579, 601 LH = Luteotropin 577, 579, 601 LH-Surge 604 LHON = Leber’s hereditary optic neuropathy 167, 187 Lichtempfindlichkeit (Adaptation) 814 Lidocain 788 α-L-Iduronidase-Mangel 371 Light Chain (Antikörper) 663 Lineweaver-Burk-Diagramm 28 Lingua franca 322 Linker-DNA 421 Linolensäure 47 Linolsäure 45 Lipase 118 – Adipose Triglyceride Lipase = ATGL 119 – hormonsensitive = HSL 119, 260 – Monoacylglycerin-Lipase 119 Lipid 13 – Membranen 329 – Nahrungsstoff 180 – Resorption 223 Lipidanker 342 Lipiddoppelschicht 329 Lipidose 340 Lipidoxidationskette 280 Lipidtransferproteine 341 Lipidtröpfchen 117 Lipofektion 481 Lipogenese 239 Lipolyse 119 – Regulation 119, 268 – – durch Insulin 563 Liponamid 101 Lipopolysaccharid = LPS 660 Lipoprotein 243 β-Lipotropin = β-LPH 578 Lipoproteinlipase 118, 245, 564 Lipotoxizität 560
5-Lipoxygenase (Leukotriensynthese) 629 Lipoxygenasehemmer 633 Liquor cerebrospinalis 782 LMWK = Kininogen, niedermolekulares 635 Lokalanästhetika 788 Long Feedback-Loop 580 Long Patch Repair 497 Lorazepam 799 Low Density Lipoprotein = LDL 246 β-LPH = β-Lipotropin 578 LPS = Lipopolysaccharid 660 LRP = LDLR related protein 245 LRP-Korezeptor 518 LSD = Lysergsäurediethylamid 797 LT = Leukotriene 629 Lumbalpunktion 782 Lunge (Gasaustausch) 727 Lutealphase 607 Luteotropin = LH 577 17,20-Lyase 590 Lymn-Taylor-Modell 768 Lynch Syndrom 500 Lynen, Feodor 97 Lyse (Pathogene) 658 Lysergsäure 797 Lysergsäurediethylamid = LSD 797 Lysetherapie 715 Lysin 55 – Abbau 152 – Kollagen 387 – pK-Wert 51 – Titrationskurve 51 Lysolecithin 246 Lysophosphatidat 335 – Triacylglycerinsynthese 240 Lysophosphatidylcholin (Lipidabbau) 223 Lysophospholipase 339 Lysophospholipid 339 Lysosom 370 – Biogenese 372 – primäres 351, 372 – sekundäres 351, 372 Lysozym 371, 656 Lysyl-Hydroxylase 388 Lysyl-Oxidase 389
M
M-Cholinozeptoren 790 MAC = Membrane Attack Complex 657 MacKinnon, Roderick 786 Macrophage Colony stimulating Factor = MCSF 648 Macula densa 757 MAG = Glykoprotein, Myelin-assoziiertes 780 Magenkrebs (Heliobacter pylorus) 520 Magenlipase 221 Magensaft 190 – Zusammensetzung 188 Magenschleimhaut 190 Magersucht 109 Magnesium 309 – Mangel 310 Magnesiumphosphatsteine 753 MAG = Maltase-Gucoamylase 201 Major basic Protein 683 Major Histocompatibility Complex = MHC 671 Makroangiopathie, diabetische 566 α2-Makroglobulin 712, 744 Makrophagen – Aktivierung durch TH1-Zellen 677 – alveoläre 657 – Mikroglia 779 – Entzündungen 689
Makrosatelliten 487 Malariaresistenz (HbS) 734 Malat – Citratzyklus 111 – Gluconeogenese 215 Malat-Aspartat-Shuttle 176 Malat-Dehydrogenase 111 Malat-Enzym 234 Malat/α-Ketoglutarat-Translokator 176 Malonat (Atmungskette) 169 Malonyl-CoA – aktiviertes 227 – Fettsäuresynthese 227, 229 – Pyrimidinnukleotidabbau 413 Maltase-Glucoamylase = MAG 201 Maltose 200 Maltotriose 200 Mammakarzinom 695 Mammalian Target of Rapamycin = mTOR 269 Mammogenese 610 Mangan 313 Mannose – Epimere 38 – N-Glykosylierung 343 Mannose-6-phosphat-Rezeptor 369 MAO = Monoaminoxidase 571, 795 MAO-A 795 MAO-A-Hemmer 795 MAO-B 795 MAO-B-Hemmer 807 MAP-Kinase 551 – Kanzerogenese 514 MAPK = Mitogen-activated Protein Kinase 552 Marcumar 282 Marfan-Syndrom 392 Marginalisation 633 Marihuana 46 Mas-Protoonkogen 513 Massenwirkungsgesetz 18 Mastzelle 682 Matrix – extrazelluläre = EZM 386 – – Abbau 397 – Knochen 398 – Knorpel 398 – mitochondriale 362, 365 Matrix-GLA-Protein 282, 398 Matrix-Metalloproteinase = MatrixMetalloprotease = MMP 397 – Angiogenese, tumoröse 521 – MMP7 518, 606 Maturation promoting Factor = MPF 505 MBL = Lektin, Mannan-bindendes 659 MBP = Myelin basic proteins 780 MC-Rezeptoren 578 McArdle-Krankheit 88 McArdle-Syndrom 775 MCSF = Macrophage Colony stimulating Factor 648 MCSF-Rezeptor 513 Mdm2-Ubiquitin-Ligase 516 Mediatoren 529, 627 – Entzündung 689 – Genexpression 448 – Immunsystem 691 Megakaryozyten 699 Melanin 154 Melanom, malignes 695 Melatonin 157 Memantine 794 Membran, biologische 328 – Biosynthese 340 – Funktion 346 – Transportmechanismen 348 Membrana limitans gliae perivascularis 781 Membrananker (α-Helix) 69
837 Membrane Attack Complex = MAC 657 Membranfluidität 341 Membranfluss 354 Membranlipide 329 – Glykosylierung 368 – Grundstruktur 14 Membranpotenzial – ATP-Synthase 163 – Nervenzellen 782 – Schwellenwert 783 Membranproteine – β-barrel 342 – Einteilung 342 – integrale 341, 369 – periphere 342 – Wechselwirkungen, hydrophobe 69 Membranvesikel (Transport) 350 Memory Cells 675 Menachinon 281 Menadion 281 Menkes-Krankheit 311 Menstruationszyklus 604, 607 Menthol 184 Mercaptopurin 522 Mercaptursäure(-konjugate) 722 Mesangiumzellen 758 Messenger – primärer 537 – retrograde 46 – sekundärer 537 Messenger-RNA (mRNA) 422 Met-Protoonkogen 513 Met-Hb = Methämoglobin 735 Metallothionein 312, 316, 724 Metaphase 502 Metarhodopsin II 813 Metastase 511 Metastasierung 521 Methadon 801 Methämoglobin = Met-Hb 735 Methämoglobin-Reduktase 736 Methämoglobinämie 736 Methionin 55 – Abbau 153, 158 Methionin-Synthase 160, 293, 298 Methioninzyklus 158 Methotrexat 296, 522 – Hemmungsmechanismus 30 3-Methoxy-4-hydroxymandelsäure 571 Methylbindungsproteine 448 Methylcobalamin 274, 297 5-Methylcytosin 448 6-O-Methylguanin (Thymin-Basenpaarung) 495 Methylierung (DANN) 448 Methylmalonyl-CoA – β-Oxidation 127 – Pyrimidinnukleotidabbau 413 Methylmalonyl-CoA-Mutase 298 2-Methyl-1,4,-naphtochinin 281 Mevalonat 336 MHC = Major Histocompatibility Complex 671 MHC-Gene 671 MHC-I-Komplex (Proteasom) 374 MHC-II-Komplex (Lysosom) 371 MHC-Klasse-I-Proteine 671 – Antigenpräsentation 678 – Bindung an CD 8 678 – Erkennung durch zytotoxische Zellen 678 MHC-Klasse-II-Proteine 671 – Antigenpräsentation 678 – auf B-Zellen 674 – auf Makrophagen 677 – Bindung an CD 4 677 Michaelis, Leonor 24 Michaelis-Menten-Kinetik 24 Micro RNA (miRNA) 422, 436 – Tumorentstehung 518
838 Mifepriston 607 mIgD 673 mIgM 673 Migräne 642, 787 – Entzündung 690 Mikroangiopathie, bei Diabetes mellitus 565 Mikrofibrillen, elastischen Fasern 391 Mikrofilamente 355, 376 Mikroglia 779 – aktivierte (Alzheimer-Krankheit) 805 β2-Mikroglobulin 671 Mikroprozessor 465 Mikrosatellit 487 Mikrosomen 720 Mikrotubuli 378, 380, 383 Mikrotubuli-Organisations-Zentrum = MTOC 379 Mikrotubulidublett 382 Mikrotubulitriplett 381 Mikrovilli-Struktur 378 Milchzucker 201 Milstein, César 670 Mineralocorticoid-Rezeptor = MR 593 Minisatellit 487 Minus-Ende – Aktinfilament 376 – Mikrotubulus 379 MiRNA = Micro-RNA 422, 436 – Funktion 465 – Genexpression 464 – Tumorentstehung 518 Mismatch-Reparatur 499 Missense-Mutation 493 MIT = Monoiodtyrosin 581 Mitochondrium 362 – Fettsäuretransport 123 – Membran, innere 363 – Rolle bei der Apoptose 509 Mitogen-activated Protein Kinase = MAPK 552 Mitomycin C 431, 449, 522 Mitose 502 Mitoxantron 522 Mitralzellen 809 Mizelle 329 – gemischte 222 Mizellenkonzentration, kritische = CMC 223 MLCK = Myosin light Chain Kinase 770 MOAT = Multispecific organic Anion Transporters 782 Mob-Gene 474 Mobilferrin 306 Modifikation (Proteine) 470 MOG = Myelin-OligodendrozytenGlykoprotein 780 Molekularbewegung, Brown’sche 358 Molybdän 316 Mondscheinkinder 499 2-Monoacylglycerin 222, 335 Monoacylglycerin-Lipase 119 Monoaminoxidase = MAO 571, 721, 795 – Serotonin-Inaktivierung 639 Monocarboxylat-Transporter 130 Monoiodtyrosin = MIT 581 Monolayer 329 Monooxygenase 154, 157 – Cytochrom-P-450-haltige 719 – FAD-haltige 721 – Reaktionsmechanismus 719 Monosaccharid 34 Monozyten 689 Montelukast 633 Moraxella 788 Morbus – Addison 596 – Alzheimer 466, 510, 690, 794, 803 – Basedow 586, 685
Sachverzeichnis – Crohn 662 – Glanzmann 701 – haemolyticus neonatorum 694 – Meulengracht 743 – Niemann-Pick 340, 371 – Parkinson 466, 510 – Pfaundler-Hurler 371 – Pompe 89, 371 – Tay-Sachs 371 – Wilson 311 Morphin 800 Motorproteine 380 MPF = Maturation promoting Factor 505 mRNA = messenger RNA 422 – Capping 450 – RNA-Editing 454 – Struktur 433 MRP = Multidrug Resistance Protein 781 MRSA = Staph. Aureus, methicillinresistenter 476 MS = Multiple Sklerose 802 α-MSH = Hormon, Melanozytenstimulierendes 271, 578, 614 mtDNA 362, 420 MTOC = Mikrotubuli-OrganisationsZentrum 379 MTOR = Mammalian Target of Rapamycin 269 MUC = Mucin – Typ 1 695 – Typ 2 188 Mucine = MUC 188, 655 Mukopolysaccharide 392 – saure 43 Mukopolysaccharidosen 371, 394 Mukosablock 306 Mukoviszidose 656 Müller-Zellen 812 Multi-Drug-Resistenz 475 Multidrug Resistance Proteins = MRP 781 Multiple Cloning Site 479 Multiple Sklerose = MS 802 Multispecific organic Anion Transporters = MOAT 782 Murein 41 Muskeldystrophie – Fallbeispiel 776 – Typ Becker 774 – Typ Duchenne 774 Muskelgewebe (Typen) 765 Muskelkontraktion 768 – Beeinflussbarkeit, pharmakologische 772 – Mechanismen, molekulare 768 Muskelkrankheiten 774 Muskelrelaxanzien 772 Muskulatur, glatte 767 Mutarotation 37 Mutation 492 – Entstehung 494, 514 – somatische 492 – – Kanzerogenese 513 – – Retinoblastom 515 – stille (neutrale, synonyme) 493 Mutterkorn 797 Myasthenia gravis 774, 792 – Typ-II-Reaktion 685 Myasthenie, okuläre 792 Myb-Protoonkogen 513 Myc-Protoonkogen 513 Mycobacterium tuberculosis 678 Myelin 779 Myelin basic proteins = MBP 780 Myelin-Oligodendrozyten-Glykoprotein = MOG 780 Myelinproteine, basische = MBP 780 – Multiple Sklerose 802 Myelinscheide 779 – Multiple Sklerose 802
Myelogenese 779 Myelomzellen 670 Myelose, funikuläre 299 Mykobakterien 678 Myofibrillen 765 Myoglobin 735 – Sauerstoffbindungskurve 728 – Tertiärstruktur 68 Myokardinfarkt 48, 60, 714 Myopathien 774 Myosin 766 Myosin light Chain Kinase = MLCK 770 Myosin light Chain Phosphatase = MLCP 773 Myosinfilamente 766 Myosinkopf 767 Myosinphosphatase 773 Myristoylierung 471 Myt1-Kinase 503 Myxothiazol 171
N
N5,N10-Methylen-THF 293 N5- Methyl-Tetrahydrofolsäure 298 N5-Formimino-THF 294 N5-Hydroxymethyl-THF 294 N5-Methyl-Tetrahydrofolat 159 N5-Methyl-THF 294 N10-Formyl-THF 294, 296 N,N-Ethylendiamintetraessigsäure = EDTA 257 N-Acetylgalaktosamin – Chondroitinsulfat 393 – Glykosaminoglykanen 392 N-Acetylglucosamin – Blutgruppenantigene 693 – Hyaluronat 392 – Keratansulfat 393 – Glykosaminoglykane 392 – N-Glykosylierung 343 N-Acetylglutamat (Harnstoffzyklus) 143 N-Acetylmuraminsäure 42 N-Acetylneuraminsäure = NANA 345 – N-Glykosylierung 343 N-Arachidonylethanolamid 46 N-CAM = Zelladhäsionsmolekül, neurales 345 N-Cholinozeptor 790 – Autoantikörper 792 – Toxine792 N-Formylmethionin – Komplementsystem 661 – tRNA 296 N-Glykosylierung 343 – Erkennungsmotiv 344 N-Methyl-D-Aspartat = NMDA 794 N-Ras-Protoonkogen 513 Na+-Ca2+-Antiporter 771 Na+-Cl–-Symportcarrier 756 Na+-Glucose-Symporter (Niere) 204 Na+-H+-Antiporter = NHE3 759 Na+-K+-2 Cl–-Symportcarrier 755 Na+-K+-ATPase 350 – Niere 753, 756 – Induktion duch Aldosteron 757 – Struktur 350 – ZNS 782 Na+-Taurocholate cotransporting Polypeptide = NTCP 749 Na+-Cholin-Cotransporter 793 Nachtblindheit 277 Nachweismethoden (Hormone) 532 Nacktmaus 676 NAD+-Nikotinamidnukleotid274 – Hydridion-Übertragung 104 – Mechanismus der Hydrid-Ion-Aufnahme 75 – Reaktionen, enzymatische 288
– Struktur 75 – Synthese 287, 362 – Hydridion-Übertragung 104 NADH-Nikotinamidnukleotid – β-Oxidation 126, 129 – Citratzyklus 103, 114 – – Ausbeute 113 – Glykolyse 74, 77 – Lactatgärung 85 – Pyruvatdehydrogenase 102 – Redoxpotenzial 173 NADH-Ubichinon-Oxidoreduktase 166 NADP+ (Niacin) 274 – Synthese 287 Nahrung – Energiegehalt 186 – Zusammensetzung 180 Naja Naja 792 Nalidixinsäure 431 NANA = N-Acetylneuraminsäure 343 Natrium-Rückresorption 755 Natriumhaushalt 617 – Angiotensin II-Wirkung 618 Natriumkanal – epithelialer = ENaC 756 – renaler 756 – spannungsgesteuerter 783 – – Toxikologie 788 Natriumresorption – Aldosteronwirkung 619 – Stimulation 620 NDP = Nukleosiddiphosphat 404 Nebennierenrinde – Hormone 588, 601 – Insuffizienz, primäre 596 Nebenschilddrüse (Parathormon) 623 Nebenzellen 190 Nebulin 765 Nedd4 – 2 (Ubiquitin-Ligase) 619 Nekrose 506 Nelfinavir 257 neoR-Gen 491 Neomycin-Phosphotransferase (Knock-out-Marker) 490 Neoplasie, zervikale intraepitheliale = CIN 519 Nephron 750 Nerve Growth Factor = NGF 645 Nervensystem 778 – peripheres – – Gliazellen 779 – – Myelin 780 – zentrales = ZNS 779 – – Erkrankungen 802, 805 – – Gliazelle 779 – – Glucocorticoidwirkung 595 Nervenzelle 780 NES = nuclear export sequence 359 NET 1 = Norepinephrine Transporter 1 795 neu (her2)-Protoonkogen 513 Neugeborenenikterus 743 Neuraminidase 345 Neuroblastom 514 Neurodermitis 681 Neurofilamente = NF 385 Neurohypophyse 578 – Hormone 579 Neuron – cholinerges (Parkinson-Krankheit) 807 – dopaminerges 796 – – Parkinson-Krankheit 806 – – Substantia nigra 806 – GABAerges – – Chorea Huntington 808 – – Parkinson-Krankheit 807 – olfaktorisches 809 – – Regeneration 809 – Regeneration 780 – Ruhepotenzial 782
Sachverzeichnis
Neuropeptide 800 – Typ Y 271, 614 α-Neurotoxine 788 Neurotransmitter 793 – exzitatorische 790 – Histamin 638 – inhibitorische 790 Neutralfett 44 Neutrophile 688 Nexin 382 NF = Neurofilament 385 NFκB-Transkriptonsfaktor – NOD-Protein-Aktivierung 662 – Toll-like-Rezeptoren-Aktivierung 660 NGF = Nerve Growth Factor 645 NHE3 (Na+-H+-Antiporter) 759 Niacin 287 – Hypervitaminose 289 – Hypovitaminose 289 – Mangel 289 Nicotinamid 287 Nicotinamidadenindinukleotid = NAD+/NADH 75 Nicotinsäureamid 287 Nicotinsäuremononukleotid 287 Nidation 607 Niemann-Pick – C 1 like 1 = NPC 1 L 1 224 – Morbus 340, 371 Niere 750 – Gluconeogenese 752 – Ionen-Rückresorption 760 – Proton-Sekretion, 759 – Tubulus, proximaler 754 Nierenkörperchen 750 Nierenschwelle (Glucose) 266 Nierensteine 753 Nierentubulus 751 Nikotin 184 Nitrat 736 – organisches 635 Nitrat-Atmung 179 Nitrit 736 Nitrocellulose 485 Nitrolingual 635 Nitrotyrosin 634 Nitrovasodilatatoren 773 NK-Zelle = Killerzelle, natürliche 679 NLS = nuclear localization sequence 359 NMDA = N-Methyl-D-Aspartat 794 NMDA-Rezeptoren 794 NMN+ = Nikotinsäuremononukleotid 362 NMP = Nukleotidmonophosphat 404 NO = Stickstoffmonoxid 157, 633 NO-Donatoren 773 NO-Synthase 157, 633 NOD-Protein 661 Nogo-Protein 780 Nogo-Rezeptor 780 Nomenklatur – Aminosäure 52 – E/Z- 48 – Fettsäure 45 – Kohlenhydrate 35 Nonsense-Mutation 493 Noradrenalin – Abbau 571, 795 – Biosynthese 569 – Neurotransmitter 795 – Rezeptoren (Tabelle) 572 – Sekretion 571 – Thermogenese 573 – Wirkungen 575 Norepinephrine Transporter 1 = NET 1 795 Northern-Blot 486 NOS = NO-Synthase 633 Notch-Protein 645 Novobiocin 431
NSAP = Antiphlogistika, nichtsteroidale 632 NSF-Protein 353 NTCP = Na+-Taurocholate cotransporting Polypeptide 749 Nuclear export sequence = NES 359 Nuclear localization sequence = NLS 359 Nucleotide Oligomerization Domain 662 Nukleinsäure 417 Nukleolus 360 Nukleosid 401 Nukleosid-Phosphorylase 410 Nukleosidanaloga 431 Nukleosid(-mono)phosphat-Kinase 404 Nukleosom 421 Nukleotid 401 – Verknüpfung 418 Nukleotid-Exzisionsreparatur 498 Nukleotidase 409
O
O-Beine 278 O-Glykosylierung 344 OAT = Organic Anion Transporter 755 Ob-Gen 270 Occludin 354 1-Octadecyl-2-Acetyl-Phosphatidylcholin 703 Ödem 682 Offenwahrscheinlichkeit (Kanal) 786 Okazaki-Fragmente 427 Oligodendrozyt 779 Oligomerisierung (Proteine) 67 Oligonukleotid 418 Oligopeptid-Translokator Pept1 254 Oligosaccharylrest 344 Olivenöl 48 Ölsäure 45 – Bildung 234 Omeprazol 192 2'-O-Methyltransferasen 450 OMP = Orotidin-5’-monophosphat 413 Onkogen 513 – virales 519 Onkologie, molekulare 511 Onkoprotein 513 Operator 443 Operon 443 Opioide 800 Opisthotonus 799 Opium 800 Opoidrezeptoren 800 Opsin 811 Opsoni(si)erung – durch Antikörper 665 – durch Komplementsystem 658 Opsonin 658 ORC = Origin Recognition Complex 505 Organic Anion Transporter = OAT 755 Organum vasculosum laminae terminalis = OVLT 631 Origin of Replication = ori 425 – im Klonierungsvektor 479 – Zellzyklus 505 Origin Recognition Complex = ORC 505 OriT 474 Ornithin 59 – Harnstoffzyklus 141 Ornithin-Carbamoyl-Transferase 141 Orotat 413 Orotidin-5’-monophosphat = OMP 413 Orotidylat 413 Osmolarität-Regulation 615
Ösophagogastroduodenoskopie 134 Ösophagusvarizen 134 Osteocalcin 282, 398 Osteogenesis imperfecta 390 Osteomalazie 278 Osteoporose 278, 595 – Östrogen-Prophylaxe 603 Östradiol 602 Östrogene 602, 605 Östrogenrezeptoren 603 Ouabain 589 OVLT = Organum vasculosum laminae terminalis 631 Ovulation 606 Oxalacetat – Citratzyklus 106, 111 – Gluconeogenese 214 – Malat-Aspartat-Shuttle 176 – Mitochondrienmembran-Transport 215 Oxalsäure 306 Oxalsuccinat (Citratzyklus) 107 Oxidase, peroxisomale 372 Oxidation (DNA Basen) 496 β-Oxidation 122 – Energiebilanz 129 – Fettsäuren – – geradzahlige 124 – – gesättigte 124 – – ungeradzahlige 127 – – ungesättigte 127 – peroxisomale 128, 373 – Regulation 130, 268 – – durch Insulin 563 – Schlüsselenzym 130 – Wassergewinnung 130 2-Oxoglutarat 108 2-Oxoglutarat-Dehydrogenase 109 OXPHOS = Phosphorylierung, oxidative 161 Oxygenase, mischfunktionelle 719 Oxygenierung (Hämoglobin) 729, 731 Oxyntomodulin 614 Oxytocin 577 – Struktur 579
P
P-(Peptidyl-)Stelle 459 p-Aminobenzoesäure 292 P-Glykoprotein = Pgp 781 P-Schlaufen (Ionenkanal) 785 P-Typ-ATPase 350 p21Cip1-CDK-Inhibitor 516 p53-Tumorsuppressor 516 – Beeinflussung durch E6 (Papillomaviren) 519 PABP = poly(A)-Bindeprotein 459 Paclitaxel 522 PAF = Faktor, Plättchen-aktivierender 700 Palindrom – Hormonrezeptor-Bindung 555 – Restriktionsendonuklease 477 – RNA-Synthese-Termination 439 Palmitinsäure 45, 227 – Energibilanz β-Oxidation 129 PALP = Pyridoxalphosphat 146 PAMP = Pyridoxaminphosphat 147 PAMPs = Pathogen-associated molecular patterns 660 Pankreas-Polypeptid = PP 614 Pankreaslipase 118, 193, 222 Pankreassekret 193 – Produktion 194 – Zusammensetzung 188 Pankreatitis, akute 194 Pantetheinphosphat 291 Pantoinsäure 291 Pantoprazol 192 Pantothensäure 274, 291
839 – Hypervitaminose 292 – Mangel 292 Pantothensäurephosphat 291 Papain 664 Papaver somniferum 800 Papillomavirus, humans = HPV 519, 695 PAPS = 3’-Phosphoadenosin-5’-phosphosulfat 723 Parasitenabwehr 683 – IgE 667 Parathion (E605) 791 Parathormon = PTH 623 Parathormon related Peptide = PTHrP 623 Paratop 663 Parietalzellen 190 PARK-Gene 807 Parkin 807 Parkinson, James 806 Parkinson-Krankheit = Morbus Parkinson 466, 510, 806 Parkinson-Syndrom 815 Pars convoluta 756 Pathogen-associated molecular patterns = PAMPs 660 Pavlov, Ivan Petrovic 199 PC = Prohormon-Konvertase 578 PCI = Koronarintervention, perkutane 702 PCNA = Proliferating Cell nuclear Antigen 428, 497 PCR = Polymerasekettenreaktion 482 PDE = Phosphodiesterase 548, 560 PDE5-Hemmer 773 PDGF = Platelet-derived Growth Factor 646 PDGF-B-Kette 513 PDH = Pyruvat-Dehydrogenase 98 PDI = Proteindisulfid-Isomerase 469 PDK = PIP3-dependent Kinase 560 Pellagra 156, 289 Pendrin 581 Penicillin – Nierensekretion 755 – Reaktion, allergische 686 – Resorption 254 – Wirkungsmechanismus 42 Penicillinase 475 Pentosephosphatweg 235 – nicht oxidativer 238 – oxidativer Teil 236 – Regulation 239, 267 PEPCK = Phosphoenolpyruvat-Carboxykinase 216 Pepsin 190, 252 – IgG-Spaltung 664 Pepsinogen 252 – im Magensaft 190 – Typ A 190 PepT-Translokator 754 Peptid 11 – atriales natriuretisches = ANP 120, 617 – bakterizides 654 – Definition 62 – gastroinhibitorisches = GIP 613 – Glukagon-ähnliches = GLP 567 – intestinales natriuretisches 758 – Typ Aβ (Aggregat) 690 – Typ PYY 614 – vasoaktives intestinales = VIP 194, 613 Peptidbindung 62 – Bildung am Ribosom 460 Peptidhormone, Eigenschaften 529 Peptidyl-Prolyl-cis/trans-Isomerase 469 Peptidyl-tRNA 460 Peptidyltransferase-Reaktion 460 Perforin 679 Perhydroxylradikal 280
840 Perilipin 260 – Lipolyse-Regulation 120 Perilymphe 810 Peripherine 385 Periportalfeld 746 Peristaltik (Serotonin) 641 Perlecan 395 Permeabilitäts-Transitions-Poren 509 Permease-Mechanismus 347 Peroxidase – Ethanolabbau 132 – Prostaglandinsynthese 628 Peroxinitrit 634 Peroxisom 372 – β-Oxidation 128 – Ethanolabbau 132 Peroxylradikal 280 Pertussistoxin 541 Perutz, Max 729 PEVK-Region 767 Pfaundler-Hurler, Morbus 371 Pfeilgiftfrosch 788 PFK = Phosphofructokinase 73, 82 Pflanzenstoff, sekundärer 183 Pfortader 746 Pfortaderhochdruck 133 Pfu-Polymerase 483 PG = Prostaglandine 628 PGH2 628 PGH-Synthase 628 Pgp = P-Glykoprotein 781 Phage, bakterieller 480 Phagosom 351 Phagozytose 351, 378 – nach Opsonierung 658 Phalloidin 377 Phänotyp 492 Phäochromozytom 795 Phase – gastrische 195 – intestinale 195 – kephale 194 Phase-I-Reaktion 719 Phase-II-Reaktion 722 – Reaktionsmechanismus 723 Phenol 184 Phenprocoumon 282 Phenylalanin 53 – Abbau 154 Phenylalanin-Hydroxylase 154 Phenylethanolamin-N-Methyltransferase 570 Phenylketonurie 155 Phenylmethylsulfonylfluorid = PMSF 257 Phenylpyruvat 155 Philadelphia-Chromosom 514 Phorbolester (Tumorpromotor) 543 Phosphat-Translokator 175, 364 Phosphatase – saure 370 – Gentechnik 478 Phosphatgruppenübertragungspotenzial 403 Phosphathaushalt 622 Phosphatidat 335 – Triacylglycerinsynthese 240 Phosphatidat-Phosphatase 240, 335 Phosphatidylcholin 333 – Biosynthese 335 – Struktur 14, 330 Phosphatidylethanolamin 333 – Biosynthese 335 – Struktur 330 Phosphatidylinositol 333 – als Vorstufe von IP3 und DAG 541 – Biosynthese 335 – Struktur 330 Phosphatidylinositol-4,5-bisphosphat = PIP2 335, 541 Phosphatidylinositol-4-phosphat = PIP 335
Sachverzeichnis
Phosphatidylserin 333 – Biosynthese 335 – Struktur 330 Phosphatidylserin-Decarboxylase 335 Phosphatidylserin-Synthase 335 3'-Phosphoadenosin-5'-phosphosulfat = PAPS 723 Phosphodiesterase = PDE 548, 560 – cGMP-spezifische 541 Phosphoenolpyruvat – Gluconeogenese 216 – Glykolyse 76 – Phosphatgruppen-Übertragungspotenzial 404 Phosphoenolpyruvat-(PEP-)Carboxykinase 216, 564 Phosphofructokinase = PFK – PFK-1 73, 564 – – Regulation 81, 259, 267 – PFK-2 82 – – Regulation 83 Phosphoglucomutase 206 6-Phosphogluconat 237 6-Phosphogluconolacton 236 Phosphoglycerat (Glykolyse) 76 Phosphoglycerid 329 Phospholamban 544, 574 Phospholipase = PL – PLA1 339 – PLA2 339 – – Abbau von Lipiden 223 – – Aktivierung durch Histamin 683 – – Eikosanoidsynthese 627 – – Pankreassekret 193 – PLC 541, 550 Phospholipid 329 5-Phosphomevalonat 337 Phosphopantethein 274 – Fettsäre-Synthase = ACP 228 Phosphoprotein-Phosphatase 1 = PP-1 211, 562 Phosphoribomutase 410 Phosphoribosylamin 407 Phosphoribosylpyrophosphat = PRPP 406 – Pyrimidinnukleotidsynthese 413 Phosphorsäure-Carbonsäure-Anhydrid, gemischtes 75 Phosphorsäurediester, im Dinukleotid 418 Phosphorylase – Typ a 90 – Typ b 90 Phosphorylase-Kinase 90 – Glykogensynthese 210 – Hunger-Signal 260 Phosphorylierung – oxidative 76, 161 – Substratkette 161 Photoreaktivierung 496 Photorezeptoren 812 Phyllobates terribilis 788 Phyllochinon 274, 281 Phytinsäure 306 PI3-Kinase 550, 559 Pichia pastoris 480 PIF = Prolaktin inhibiting Factor 576 Pigmentzirrhose 309 PIH = Prolaktin-Release-inhibiting Hormon 576 PIK = Präinitiationskomplex PIK-Transkription 441 PIK-Translation 458 Ping-Pong-Mechanismus (Transaminierung) 147 PINK1-Gen 807 Pinozytose 352 Pioglitazon 556 PIP = Phosphatidylinositol-4-phosphat 335 PIP2 = Phosphatidylinositol-4,5bisphosphat 335, 541
PIP3-dependent Kinase = PDK 560 pK-Wert (Aminosäure) 50 PKA = Proteinkinase A 120 PKB = Proteinkinase B 550 PKC = Proteinkinase C 542 PLA = Phospholipase 339, 627 Plaques – Alzheimer-Krankheit 804 – Arteriosklerose 715 – atherosklerotische 48 Plasmakallikrein 635 Plasmalogene 373 Plasmazellen 675 Plasmid 324, 474 – Klonierungsvektor 479 – konjugatives 475 – metabolisches 476 – mobilisierbares 475 Plasmin 711 Plasminogen 711 Plasminogenaktivator 711 Platelet-activating Factor = PAF 703 Platelet-derived Growth Factor = PDGF 646 Platinverbindungen 522 Plättchen-aktivierender Faktor = PAF 700 – Freisetzung 702 – Funktionen 703 Plättchenaggregationshemmer 701 PLC = Phospholipase C 541, 550 Plexus choroidei 779, 782 PLP = Proteolipid-Protein 780 Plus-Ende – Aktinfilament 376 – Mikrotubulus 379 PMCA = Plasmamenbran-Ca-ATPase 545 PMF = Kraft, protonenmotorische 163 PMSF = Phenylmethylsulfonylfluorid 257 Podozyten 751 Pol-Mikrotubulus 383 Polarität (Aktinfilament) 376 Polkissen 758 Poly(A)-Bindeprotein = PABP 459 Poly(A)-Polymerase 453 Poly(A)-Schwanz 433, 453 Polyacrylamid-Gelelektrophorese 484 Polyadenylierung 453 Polymerase Chain Reaction = PCR 482 Polymerasehemmer 449 Polymerasekettenreaktion = PCR 482 – RT-PCR 484 – STR-Typisierung 488 Polynukleotid 418 Polynukleotidkinase (Gentechnik) 478 Polypeptid 62 Polyploidie 492 Polyposis coli, familiäre adenomatöse = FAP 517 Polysaccharid-Ende 39 – nicht reduzierendes 40 – reduzierendes 40 Polysom 462 Polyubiquitin 374 POMC = Proopiomelanocortin 271, 578, 800 Pompe-Krankheit = Morbus Pompe 89, 371 Porin 348 – Apoptose 509 – β-barrel 67 Porphobilinogen 739 Porphyria cutanea tarda 740 Porphyrie 740 Porphyrinring (Hämoglobin) 728 Portio (Carcinoma in situ) 520 Postprandial-Phase 264 Postresorptionsphase 44
Poststreptokokken-Glomerulonephritis 685 Potenz 601 PP = Pankreas-Polypeptid 614 PP-1 = Phosphoprotein-Phosphatase 1 211, 562 PPARγ = Peroxisome Proliferator-activated Receptor γ 270 PPAR-Rezeptoren – Prostaglandin-Bindung 630 – Thiazolidindion-Stimulation 561 Präalbumin, Thyroxin-bindendes = TBPA 583 Prä-β-HDL 248 prä-miRNA 465 Präinitiationskomplex = PIK – Transkription 441 – Translation 458 Präkallikrein 635 – Blutgerinnung 705 Pramipexol 807 Präproglukagon 566 Präproinsulin 557 Präreplikationskomplex 505 Prasugrel 702 Pregnenolon 590 Presenilin = PS – PS 1 804 – PS 2 804 pri-miRNA 465 Pribnow-Box 438 Primärgalle 749 Primärharn 751 – pH-Wert 760 Primärspeichel 189 Primärstruktur (Protein) 64 Primase 427 Primer 427 – bei der PCR 482 Prion Protein – cellular = PrPc 467 – Scrapie = PrPsc 467 Prionenkrankheiten 466 Procain 788 Procaspase 507 – Typ 8 508 – Typ 9 509 Proconvertin 705 Produkthemmung 82 – Hexokinase 80 Prodynorphin 800 Proenkephalin 800 Progesteron 602 Progesteronrezeptor-Antagonisten 607 Prohormon-Konvertase = PC 557, 578 Proinsulin 557 Prokaryontenzelle 323 Prokollagen 388 Prolaktin 577, 610 Prolaktin Inhibiting Faktor = PIF 576 Prolaktin-Release-Inhibiting Hormon = PIH 576 Prolaktinom 611 Proliferating Cell nuclear Antigen = PCNA 428 Prolin 55 – Abbau 152 – Helixbrecher im Kollagen 66 – Proteinfaltung 469 Prolyl-Hydroxylase 388 Promoter – Clearance 441 – Struktur 440 Promotorelement 440 – distales (Hormonbindung) 553 Promotorkomplex – geschlossener 438 – offener 438 Proopiomelanocortin = POMC 271, 578 Propeptid (Kollagen) 388
Sachverzeichnis
Prophase 502 Propionibacterium acnes 655 Propionyl-CoA-Carboxylase 127 Prorenin 617 Prostaglandine = PG 628 – PGD 2 692 – PGE2 628 – 631 – PGH2 628 – Salzsäureproduktion 193 – Schutz der Magenschleimhaut 193 – Wirkungen 629, 631 Prostaglandin-D-Rezeptor 630 Prostanoide 627 Prostazyklin = PGI – Thrombozytenaggregationshemmung 704 – PGI2 628, 630 Protease 255 – metallabhängige 256, 398 Proteaseinhibitor 257 – Virusinfektion 257 Proteasom 373 – Antigenfragmentierung 678 – Typ 26S 373 Protein 11, 62 – Androgen-bindendes = ABP 602 – basisches (Major basic Protein) 683 – Bcl2-Familie 507 – Bence-Jones-Protein 663 – Cap-bindendes 458 – C-reaktives = CRP 659 – eisensensorisches = ES-BP 308 – ER-residentes 369 – Funktion 12 – Glykosylierung 343, 368 – Hydrolyse 252 – im Primärharn 754 – in der extrazellulären Matrix 386 – interstitielles Retinoid-bindendes = IRBP 814 – lysosomales 369 – mitochondriales 362 – Modifikation, co- und posttranslational 470 – Nachweis 486 – Nahrungsmittel 181, 252 – native Struktur 63 – peroxisomales 373 – Primärstruktur 64 – Quartärstruktur 67 – Resorption 253 – sekretorisches 366, 368 – Sekundärstruktur 64 – Sexualhormon-bindendes = SHBG 601 – Tertiärstruktur 67 – vimentinähnliches 385 – Vitamin-K-abhängiges 281 Protein C 712 Protein Folding 64 Protein H 659 Protein zero = P0 780 Protein Rho 439 Protein S 713 Protein Trafficking 368 Proteinkinase = PK – AMP-aktivierte 233 – DNA-abhängige = DNA-PK 516 – Regulation der Glykogensynthese 211 – Typ A = PKA – – Aktivierung durch cAMP 539 – – Glykogensynthese 210 – – Hungersignal 260 – – Ionenkanal-Aktivierung 539 – – Lipolyse 120 – Typ B = PKB 269, 550, 560 – Typ C = PKC 543 – – Aktivierung durch DAG und Calcium 542 – – Isoformen 542 – Typ G = PKG
– – Aktivierung durch cGMP 547 – – Substrate 773 – Typ K = PKA 269 Proteinbiosynthese – GH-Wirkung 610 – Regulation 269 Proteindisulfid-Isomerase = PDI 469 Proteindomäne 63 Proteinfaltung 466 Proteinfaltungskrankheit (Alzheimer) 805 Proteinsortierung 368 Proteintransport – cotranslationaler ins ER 470 – in den Zellkern 359 – ins Mitochondrium 365 Proteoglykan 42 – Definition 41, 394 Proteolipid-Protein = PLP 780 Proteolyse, limitierte 471 Prothrombin 704, 706 Prothrombinase 706 Protofilament – Intermediärfilament 383 – Mikrotubulus 378 Proton motive force 163 Protonen-Sekretion, renale 759 Protonengradient (ATP-Synthase) 163 Protoonkogen 512 – Tabellenübersicht 513 – zelluläres 519 Provitamin A 275 Prozessierung, proteolytische 471 PrP = Prion-Protein 466 PrP-Komplex 466 PRPP = Phosphoribosylpyrophosphat 406 PS = Presenilin 804 Pseudohypoaldosteronismus Typ II 620 Pseudomonas aeruginosa 656, 658 Pseudosubstratstelle (der PKC) 542 Pseudouridin 435 Psoriasis 410 Pteridinringsystem 292 PTH = Parathormon 623 PTH-rP = Parathoron related Peptide 623 Ptosis 792 Ptyalin 189, 200 Pubertät 600 pUC 18 479 Pufferkapazität (Aminosäure) 51 Punkt, isoelektrischer 51 Punktmutation 493, 514 Purin 401 Purin-Rezeptor 702 Purinanaloga 522 Purinnukleotid – Abbau 409 – Neurotransmitter 801 – Salvage Pathway 411 – Synthese 406 – – Energiebilanz 407 – – Regulation 409 Purinrezeptor (Synapse) 801 Pyranose 37 Pyridinring (Funktion im NADH) 75 Pyridostigmin 792 Pyridoxal(-Kinase) 289 Pyridoxalphosphat 274, 289 – Transaminierung 146 Pyridoxamin 289 Pyridoxaminphosphat 290 – Transaminierung 147 Pyridoxin 274, 289 Pyridoxinsäure 289 Pyrimidin 401 Pyrimidinanaloga 522 Pyrimidinnukleotid – Abbau 413 – Synthese 411
Pyrimidinring (Thiamin) 283 Pyrococcus furiosus 483 Pyrodoxol 289 Pyrosequenzierung 490 Pyruvat – Abbau, oxidativer 97 – Carboxylierung zu Oxalacetat 114 – Desaminierung, eliminierende 150 – Glukoneogenese 214 – Glykolyse 76 – Reduktion zu Lactat 85 Pyruvat-Carboxylase 114, 214, 564 – Regulation, allosterische 219 Pyruvat-Dehydrogenase = PDH 98, 104, 564 – Coenzyme 99 – Produkthemmung 103 – Regulation 102, 267 – – durch Insulin 563 Pyruvat-Dehydrogenase-Kinase = PDH-Kinase 564 Pyruvat-Kinase 77, 564 – Regulation 84 Pyruvat-Translokator 364 PYY = Peptid YY 614
Q
Q-Zyklus 170 QH2 (Ubichinon) 168 Qualitätskontrolle (ER) 367 Quartärstruktur (Protein) 67 Quecksilber(-vergiftung) 317 Querbrückenzyklus 768 Querstreifung 765 Quick, Armand 710 Quick-Test 710
R
r-PA-Plasminogenderivat 711 R-(Resistenz-)Plasmid 475 R-Smads = Receptor-regulated SmadProteine 553 RAAS = Renin-Angiotensin-Aldosteron-System 617, 635 Rab-G-Protein 353, 369 Racemat 36 Rachitis 278, 626 Radikalfänger – Tocopherol 279 – Vitamin C 302 Radioimmunoassay = RIA 532 Raf-Protoonkogen 513 Ran-GTPase 360 Ranitidin 192, 638 Ranvier-Schnürringe 779 Rapamycin 269 Raphe-Kern 796 RAR = all-trans-Retinsäure-Rezeptor 555 Ras-Protein – Aktivierung durch Rezeptortyrosinkinasen 550 – MAP-Kinase-Kaskade 552 – Kanzerogenese 472, 514 Rasterschubmutation 493 Raum, periplasmatischer 323 Rb = Retinoblastomprotein 504, 515 Rb-Beeinflussung durch E7 (Papillomaviren) 519 Reaktion – anaplerotische 114 – fotochemische, primäre 811 – Ordnung – – erster 21, 27 – – pseudo-erster 21 – – zweiter 21 Reaktionsgeschwindigkeit – Definition 21
841 – vmax 24 Reaktionskinetik 21 Reaktionswärme 20 Receptor-regulated Smad-Proteine = R-Smads 553 Reduktase – β-Oxidation 127 – Biotransformation 721 Reduktionsäquivalent 175 Refraktärzeit 784 Regelkreis – biologischer 531 – hormoneller 531 – hypothalamisch-hypophysärer 531 Regio olfactoria 809 Region, untranslationierte = UTR 433 Registerpeptid 388 Regulation – allosterische 33 – Stoffwechsel, allgemeiner 84 Reihe, elektrochemische 174 Reisediarrhö 547 Rekombination, somatische – Immunglobuline 668 – T-Zell-Rezeptoren 676 Rel-Protoonkogen 513 Relaxasen 474 Release-Inhibiting-Hormone 576 Releasing-Hormone 577 Remethylierung (von Homocystein) 293, 298 Remnant 245 Renin 617 – Nierenfunktion 758 Renin-Angiotensin-Aldosteron-System = RAAS 617 Reninsekretion 617 ReoPro (Abciximab) 701 Reperfusionstherapie 715 Replikation 425 – bidirektionale 425 – Fehlerrate 499 – Hemmstoffe 431 – Initiation (Prokaryonten) 426 – Kontrolle 499 – Rolling Circle 474 – unidirektionale 425 Replikationsfaktor C = RFC 428 Replikationsgabel 425 Replikon 425 Repolarisation (Membranpotenzial) 784 Repression (Transkription) 442 Repressorprotein (lac-Operon) 443 RER = Retikulum, raues endoplasmatisches 366 Resistenzplasmid = R-Plasmid 475 Resorption, renale 753 Resorptionsphase 43, 264 Respirasom 164 Respirationstrakt – Oberfläche 654 – Schleimhaut 655 Respiratory Burst 677 Restriktions-Fragment-Längen-Polymorphismus = RFLP 486 Restriktionsendonukleasen 476, 479 Restriktionsenzyme 476 Restriktionsfragment 476 Restriktionspunkte im Zellzyklus 502 – G1-Phase 504 Resveratrol 184, 270, 825 Reteplase 711 Retikulozyt 738 Retikulum – endoplasmatisches = ER 366 – – Ethanolabbau 132 – – glattes = gER 367 – – raues = rER 366 – – Transport, cotranslationaler 470 – sarkoplasmatisches = SR 771
842 Retinal 274, 276 – 11-cis15, 275, 811 Retinoblastom 515 – familiäres 515 – hereditäres 515 – sporadisches 515 Retinoblastoma-Protein = Rb 504, 515 Retinol 274 Retinolbindeprotein 276 Retinsäure 274 – Rezeptor 555 Retinylpalmitat 276 Retroviren 518 – Lebenszyklus 519 – Struktur 519 Rezeptor – adrenerger 572 – enzymgekoppelter 546 – G-Protein-gekoppelter 535 – – Adaptation 537 – intrazellulärer 553 – – Struktur 554 – ionotroper 545 – Komplementrezeptoren 660 – membranständiger 535 – mit assoziierter Tyrosinkinase 551 – Opiate 800 – Retinsäure 555 – Scavenger-Rezeptor 661 – Schilddrüsenhormone 555 – Serin/Threoninkinase-Rezeptor 553 – Steroidhormone 554 – 7-TM 535 – Typ α1 575 – Typ β2 575 – Toll-like-Rezeptor 660 – Tyrosinkinase-Rezeptor 549 – – Aktivierung 549 – – Effektormoleküle 550 – – Insulin 559 – Vitamin D 555 β1-Rezeptor-Antagonisten 576 Rezeptor-Dimerisierung 549, 552 Rezeptor-Serin/Threoninkinasen 553 γ,δ-Rezeptor-T-Zellen 676 RFC = Replikationsfaktor C 428 RFC 2 497 RFLP = Restriktions-Fragment-Längen-Polymorphismus 486 RGD-Motiv – Fibronektin 701 – Hemmung, medikamentöse 701 – von-Willebrand-Faktor 701 RGD-Regel 396 Rh-Erythroblastose 694 Rhesus-D-Gen 694 Rhesus-Prophylaxe 694 Rhesus-System 694 Rho-Protein 439 RhoA-Protein 780 Rhodanase 173 Rhodanid 173 Rhodopsin(-Kinase) 814 Rhythmik – pulsatile 577 – zirkadiane (Cortisol) 592 RIA = Radioimmunoassay 532 Ribitol 285 Riboflavin 106, 285 Riboflavinmangel 286 Riboflavinphosphat 285 Ribonucleoprotein, small nuclear = snRNP 450 Ribonuklease (Pankreassekret) 194 Ribonukleinsäure = RNA/RNS 417, 421 – heterogene nukleäre = hnRNA 422 – ribosomale = rRNA 422 – short interfering = siRNA 422 – small cytoplasmic = scRNA 422 – small nuclear = snRNA 422 – small nucleolar = snoRNA 422
Sachverzeichnis
Ribonukleotid-Reduktase 413, 415 Ribose 401 Ribose-5-phosphat – Pentosephosphatweg 237 – Purinnukleotidsynthese 406 Ribosephosphat-Pyrophosphokinase 406 – Regulation 407 Ribosom – mitochondriales 362 – Präinitiationskomplex 458 – rRNA-Zusammensetzung 434 – Synthese der Untereinheiten 362 Ribozym 434 – 28S-rRNA 460 Ribulose-5-phosphat 237 Ribonukleinsäure = RNA 417 – heterogene nukläre = hnRNA 433 – messenger RNA = mRNA 433 – Micro-RNA = miRNA 436 – Nachweis – – RT-PCR 484 – – Northern-Blot 486 – ribosomale = rRNA 434 – 23 S RNA 435 – 28 S RNA 435 – short interfering = siRNA 436 – 7SL-RNA 422, 436 – small cytoplasmic = scRNA 436 – small nuclear = snRNA 436 – small nucleolar = snoRNA 436 – Transfer-RNA = tRNA 435 Riechrezeptoren 809 Rieske-Eisen-Schwefel-Protein 170 Rifampicin 449 – Induktor von P-450-Enzymen 719 Rigor – Parkinson 806 – mortis = Totenstarre 769 Ring, kontraktiler 378 Ringschluss, Kohlenhydrate 37 RISC-Ribonukleotidproteinkomplex 465 Risus sardonicus 799 Ritonavir 257 Rituximab (Rituxan) 696 RNA = Ribonukleinsäure 417 RNA-DNA-Hybrid, reverse Transkription 478 RNA-Editing 453 – A(denosin) zu I(nosin) 454 – C(ytosin) zu U(racil) 454 RNA-Helikase 458 – Splicing 451 RNA-Interferenz = RNAi 436, 490 RNA-Polymerase – σ-Faktoren 437 – eukaryontische 437 – mitochondriale 438 – prokaryontische 437 – Typ I 438 – Typ II 438 – – Transkription von Strukturgenen 440 – Typ III 438 RNA-Polymerasehemmer 449 RNA-Synthese 361 – Mechanismus 439 RNAi = RNA-Interferenz 436 RNAse – Typ H 477 – Typ P 434 RNS = Ribonukleinsäure 417 Rofecoxib 632 Röhrensystem – longitudinales = L-System 771 – transversales = T-System 771 Rohrzucker 91, 200 Rolling-Circle-Replikation 474 ROMK = renal outer medullary potassium channel 619 Rosenkranz, rachitischer 278
Rosiglitazon 556 Rot-Grün-Blindheit 812 Rot-Opsin 812 Rotor (ATP-Synthase) 161 rRNA = RNA, ribosomale 422, 434 RNA-Polymerasen, zuständige 438 rRNA-Gene 361 RT-PCR 484 – HIV-Nachweis 484 RT 3 583 RU 486 (Mifepriston) 607 Rübenzucker 200 Rubor 686 Rückkopplung – einfache 531 – negative, Hypophyse/Hypothalamus 580 Rückresorption, renale753 Ruhepotenzial 782 RXR (9-cis-Retinsäure-Rezeptor) 555 Ryanodin 771 Ryanodinrezeptor 771 – PKA-Aktivierung 539
S
S-Adenosylhomocystein-Capping (mRNA) 451 S-Adenosylmethionin = SAM 158 – Biotransformation 723 – Capping (mRNA) 451 S-Phase 502 – Kontrolle 505 S-Zellen 613 Saccharase 91, 201 Saccharase-Isomaltase = SI 201 Saccharomyces cerevisiae 480 Saccharose 91 – in der Nahrung 200 SAH = S-Adenosylhomocystein 451 Salvage Pathway 411 Salzsäure-Produktion 190, 612 – Histamin-Stimulation 638 – Sekretin-Hemmung 614 SAM = S-Adenosylmethionin 158 Sammelrohr 751 – Funktion 756 Sanger (DNA-Sequenzierung) 488 Saquinavir 257 Sar1-G-Protein 367, 369 Sarin 791 Sarkolemm 771 Sarkomer-Aufbau 765 Satelliten-DNA 487 Sauerstoff 9 – Radikale – – Arteriosklerose 714 – – Hämoglobinoxidation 736 – – Immunantwort 677 – Sauerstoffspezies, reaktive = ROS 736, 821 – 826 – Redoxpotenzial 173 – Transport im Blut 727 Sauerstoffbindung (Hämoglobin) 730 – Regulation durch – – 2,3-Bisphosphoglycerat 732 – – CO2-Partialdruck 732 – – pH-Wert 731 Sauerstoffbindungskurve – Hämoglobin 728 – Myoglobin 728 – Rechtsverschiebung 733 Sauerstoffmangel (Thrombusbildung) 713 Sauerstoffpartialdruck – Alveolarluft 727 – Blut 727 Sauerstoffsättigung (Blut) 728 Säure-Basen-Haushalt, renaler 758 Säureanhydridbindung (Nukleotide) 403
Saxitoxin 788 Scanning (Translationsstart) 458 SCAP-Membranprotein 247 Scavenger Receptor Class B Type 1 = SR-B1 248 Scavenger-Rezeptoren 661 SCF = Stem Cell Factor 648 Schallwahrnehmung 810 Scharnierregion 664 Schaumzellen 248, 714 Scheibchenmembranen 811 Schienentransport 380 Schiff-Base 147 – Kollagen 389 – Rhodopsin 811 – Transaminierung 146, 290 Schilddrüsenhormone 530, 581 – Abbau 583 – Anpassung von Organ- und Gewebefunktion 584 – Biosynthese 582 – Rezeptor 555 – Stoffwechselprozesse 584 – Thermogenese 573, 585 – Transport 583 – Wachstumsprozesse 584 – Wirkungen 583 Schilddrüsenhormonrezeptor (Kanzerogenese) 513 Schizophrenie 796 Schlafmittel 799 Schlaganfall 48 – Pathogenese 714 Schlangengift 792 Schleiden, Matthias Jacob 321 β-Schleife 67 Schleifendiuretika 755 Schleim 655 Schleimhaut (Infektionsabwehr) 655 Schleimhautverhornung 277 Schlüsselenzym (Eigenschaften) 79 Schmelzpunkt (Kollagen) 389 Schmerz – Hemmung durch Glucocorticoide 595 – Kinine 637 – Prostaglandine 631 Schnecke 810 Schock – anaphylaktischer 682 – septischer 689 Schrödinger 20 Schwangerschaftsabbruch 607 Schwangerschaftsnachweis 607 Schwann, Theodor 321 Schwann-Zellen 779 Schwefel 314 Schwellenwert (Membranpotenzial) 783 Schwermetalle – Stoffwechsel 724 – Vergiftung 724 Schwesterchromatiden 502 Scrapie 467 scRNA = small cytoplasmic RNA 422, 436 Second Messenger – Calcium 544 – cAMP 538 – cGMP 547 – DAG 541 – IP3 541 – – Wirkungen 544 γ-Secretase 805 Sedoheptulose-7-phosphat 238 Sekretin 613 – Pankreassekretproduktion 195 – Wirkung 613 Sekretion – autokrine 529 – endokrine 528 – parakrine 528
Sachverzeichnis – pulsatile (GnRH) 603 Sekundärharn 752 Sekundärspeichel 189 Sekundärstruktur – tRNA 435 – Protein 64 Sekundärtumor 521 Selegilin 807 Selektine 345 – Bindung von Leukozyten 687 Selektinphase 687 Selektion – negative 677 – positive 676 Selektionsmarker 479 Selen(-mangel) 315 Selenocystein – mRNA-Codierung 455 – Deiodase 583 – Synthese 58 Semichinon 168, 286 Sepsis 689 Sequenzen, repetitive 487 SERCA-Ca2+-ATPase 545 Serin 54, 333 – Abbau 152 – Desaminierung, eliminierende 149 – Umwandlung in Glycin 294 Serin-/Threoninkinasen (Proteinkinase C) 542 Serin-Hydroxymethyltransferase 416 Serin-Protease 252 – Reaktionsmechanismus 255 Serinkinase-Rezeptor 553 Serotonin 158, 639 – Abbau 797 – Blutstillung 702 – Darmmotilität 640 – Neurotransmitter 796 Serotonin-Reuptake-Inhibitoren, selektive = SSRI 640, 797 Serotoninmangel 640 Serotoninrezeptoren 640 – Klassifizierung 641 – RNA-Editing 454 Serpin 711 Sertoli-Zellen 601 Sertürner, Adam 800 Serum- and Glucocorticoid-inducible Kinase = SGK 619 Serumelektrophorese 744 Serumproteine 744 – Produktion in der Leber 748 Sesselform 38 Sexpilus 474 Sexualhormone 600 Sexualverhalten 601 SGK = Serum- and Glucocorticoidinducible Kinase 619 SGLT = Sodium glucose luminal transporter 202, 753 – Hemmer (Diabetes mellitus) 204 SH-Gruppe – periphere (Fettsäure-Synthase) 228 – zentrale (Fettsäure-Synthase) 228 SH2-Domäne 550, 552 SHBG = Protein, Sexualhormonbindendes 601 Short Feedback-Loop 580 Short Patch Repair 497 Short Tandem Repeats = STR 487 shRNA = small hairpin RNA 490 Shuttle-Vektor 479 Shuttleprotein 360 SI = Saccharase-Isomaltase 201 Sialinsäure 345 Sichelkrise 735 Sichelzellanämie 734 – Nachweis über RFLP 487 Sickerkanal 783
Signal Recognition Particle = SRP 367, 436, 470 Signal Transducer and Activator of Transcription = STAT 552 Signalerkennungspartikel = SRP 470 Signalpeptidase 470 – mitochondriale 365 Signalsequenz – Proteintransport, cotranslationaler 470 – Protein, sekretorisches 367 Signaltransduktion 534 Signalübertragung 527 – autokrine 529 – endokrine 528 – parakrine 528 Signalweg – extrinsischer – – Apoptose 508 – – Blutgerinnung 705 – intrinsischer – – Apoptose 509 – – Blutgerinnung 705 Sildenafil (Viagra) 548, 773 Silent Mutation 493 Single Strand binding Protein = ssb 426 Sinneszellen – Auge 811 – Geschmack 810 – Gleichgewichtsorgan 810 – Nase 809 – Ohr 810 Sinusitis, chronische 382 Sinusoide 745 siRNA = short interfering RNA 422, 436 – endogene 465 Sirtuin 270, 825 – Typ 1 185 Sis-Protoonkogen 513 SIT = Immuntherapie, allergenspezifische 685 Situs inversus 382 Skelettmuskulatur-Aufbau 765 Skorbut 302 Skorpion-Toxin 788 Smac/Diablo 509 Smad 4-Protein 553 SNAP-Protein 353 SNARE-Protein 353 snoRNA = small nucleolar RNA 422, 436 snRNA = small nuclar RNA 436 snRNPs = small nuclear Ribonucleoproteins 450 Snurps = small nuclear Ribonucleoproteins 450 Sodium glucose luminal transporter = SGLT 753 – Typ SGLT 1 202 Sofortreaktion, allergische 681 Solenoid 421 Somatoliberin 577 Somatostatin (Salzsäureproduktion) 193 Somatotropin 577 Sonde (Nukleinsäure) 486 Sorbit 36 – bei Fructose-Intoleranz 93 – Struktur Sorbitol 36 SOS-Austauschfaktor 550 Southern-Blot 485 SOX9-Transkriptionsfaktor 600 Sp1-Transkriptionsfaktor 441 Spaltung, thioklastische – -Oxidation 126 – Ketonkörperabbau 131 Spannungssensor 787 Speichel – Primärspeichel 189
– Sekundärspeichel 189 – Zusammensetzung 188 Speicheldrüsen 189 Speichenproteine 382 Speicherkrankheiten, lysosomale 371 Spermatogenese 579, 601 Sphingolipide – Abbau 340 – Biosynthese 336 Sphingolipidosen 371 Sphingomyelin 333 – Abbau 340 – Biosynthese 336 – Struktur 14, 331 Sphingomyelinase 340 Sphingophospholipid 331 Sphingosin 331 – Struktur 14 Spider nävi 134 Spiegelbildlichkeit 36 Spindelpol 383 Spironolactone 618 Splanchnomegalie 609 Spleißen 450 Spleißosom 451 Splicing 450, 452 – alternatives 452 Spurenelemente 304 – Bedarf, täglicher 305 Squalen 338 Squalenepoxid 338 SR = Retikulum, sarkoplasmatisches 771 SR-B1 = Scavenger Receptor Class B Type 1 248 Src-Thyrosinkinase 471 – Kanzerogenese 513 SREBP = Sterol Response Element binding Protein 339 SREBP-1 c 270, 563 SREBP-2 247 SRP = Signal Recognition Particle 367, 436, 470 SRP-Rezeptor 367, 470 SRY 600 Ssb = Single Strand binding Protein 426 SSRI = Serotonin-Reuptake-Inhibitoren, selektive 797 Stäbchen(-Opsin) 811 Stacking energy 420 Stammzellfaktor 648 Standardbedingungen 17 Staphylococcus – aureus 475 – – α-Toxin 67 – – methicillinresistenter = MRSA 476 – epidermidis 655 Staphylokokkenpenicillin 476 StAR = Steroidogenic acute regulatory Protein 590 Stärke – Nahrung 200 – Struktur 40 Startcodon 458 Starthemmung 806 STAT = Signal Transducer and Activator of Transcription 552 STAT-Proteine 552 Statine 49, 247, 336 Stator (ATP-Synthase) 162 Steady State 19 Stearinsäure 45, 227 Stearoyl-CoA-Desaturase 234 Stem Cell Factor = SCF 648 Stercobilin 742 Stercobilinogen 742 Stereoisomere 35 Stereozilien 378, 810 Steroid, cardiotones 589
843 Steroidhormone 589, 592 – Eigenschaften 530 Steroidhormonrezeptor 554 Steroidogenic acute regulatory Protein = StAR 590 Sterol Carrier Protein = SCP 590 Sterol Response Element binding Protein = SREBP 339 – SREBP1 c 563 STH = Hormon, somatotropes 608 Stickoxide 677 Stickstoff-Transport (Blut) 136 Stickstoffmonoxid = NO 157, 633 – Induktion durch Kinine 636 – Wirkungen 634 Sticky End 477 Stillen 610 Stoffwechselregulation 84 Stoppcodon 455 – Leserasterverschiebung 493 STR = Short Tandem Repeats 487 STR-Typisierung 488 Strangbruch 431, 449, 522 Stratum corneum 654 Stress – Cortisolwirkung 595 – genotoxischer 516 Stresshormone 592 Striatum 806 Strobilurine 171 Struktur, lassoähnliche 451 Struma 586 Strychnin 799 Stuart-Prower-Faktor (Faktor X) 704 Substantia nigra 806 Substitution 514 – bei Mutationen 493 Substratkettenphosphorylierung 76, 110, 161 Succinat (Citratzyklus) 110 Succinat-CoA-Ligase 110 Succinat-Dehydrogenase 110 – Atmungskette 168 Succinat-Ubichinon-Oxidoreduktase 168 Succinyl-CoA – β-Oxidation 127 – Citratzyklus 109 – Hämbiosynthese 739 Succinyl-CoA-Synthetase 110 Suizid-Substrat 416 Sulfanilamid 296 Sulfat-Atmung 179 Sulfonamide 296 – Inaktivierung 723 Sulfonylharnstoffe 561 Sumatriptan 642 Superoxid-Dismutase (Erythrozyten) 738 Superoxidradikal (Hämoglobinoxidation) 736 Svedberg-Einheit 434 Symport 348 Synapse – chemische 790 – elektrische 789 Synaptobrevin 799 Syndrom – adrenogenitales = AGS 590 – metabolisches 265, 270, 560 Synovia 386 α-Synuclein 807 Synzytium 358 – funktionelles (Herzmuskulatur) 767 – Muskelfaser 765 System – Blutgerinnung – – extrinsisches 705 – – intrinsisches 705
844 System – hypophysäres, hypothalamisches 576 – – Regelkreis 531 – – Rückkopplungsmechanismen 580 – offenes 19 – sympathoadrenerges 569
T
TΨC-Schleife 435 T 4-DNA-Ligase 480 T-B-Konjugat 674 T-Effektorzelle 677 T-Helferzelle = TH-Zelle 677 T-PA = Tissue Plasminogen Activator 711 t-SNARE 353 T-System 771 T-Zell-Rezeptor 676 T-Zell-Vorläufer 676 T-Zell-Wachstumsfaktor 691 T-Zelle 676 – Aktivierung 673 – – durch MHC-Klasse-II 677 – Bindung von MHC-Klasse-II 677 – reife naive 677 – Reifung 676 – Selektion im Thymus 676 – zytotoxische 678 T 3 = Thyronin 581 T 4 = Thyroxin 581 TAA = Antigene, tumorassoziierte 695 Tabakrauch 720 Tabun 791 TAF = TBP-associated Factor 441 TAG = Triacylglycerin 44 Tamoxifen 523 Tandem Repeats (Genetik) 487 Tangier-Krankheit 249 Taq-Polymerase 483 TATA-binding Protein = TBP 441 TATA-Box 438, 440 Tau-Protein 804 – Fibrillenbildung 805 Taurocholsäure 197 Tautomerisierung 494 Tavor 799 Taxane 522 Taxol 184, 379 Tay-Sachs, Morbus 371 TBG = Globulin, Thyroxin bindendes 583 tBid-Protein 508 TBP = TATA-binding Protein 441 TBP-associated Factor = TAF 441 TBPA = Präalbumin, Thyroxin-bindendes 583 TCR = Reparatur, transkriptionsgekoppelte 498 Telomerase 430, 820 Telomere 430 Telopeptid 388 Telophase 502 Temperatur, absolute 18 Template 482 Teniposid 522 Termination – ρ-abhängige 439 – intrinsische (ρ-unabhängige) 439 – Transkription – – Eukaryonten 442 – – Prokaryonten 439 – Translation 462 Terminationsfaktoren (eRF) 462 Terminator – lac-Operon 443 – RNA-Synthese 439 Terpenoid 184
Sachverzeichnis
Tertiärstruktur – tRNA 435 – Protein 67 Testosteron 601 Tetanus 799 Tetanustoxin 476, 799 Tetrahydrocannabinol 46 Tetrahydrofolat 274 Tetrahydrofolsäure = THF 292 – Purinnukleotidsynthese 406 3',5,5'-Tetraiodthyronin 581 Tetrapyrrolringsystem (Cobalamin) 297 Tetrazyklin-Resistenz 475 Tetrodotoxin 788 TF = Transkriptionsfaktor 440 TfR = Transferrinrezeptor 307 TGF = Transforming Growth Factor 553 TGF-β 692 TGF-Familie 646 TGN = Trans-Golgi-Netzwerk 368 TH = Hormon, Thyreoidea-stimulerendes 577 TH1-Zelle – Allergien 684 – B-Zelle-Aktivierung 675 – Makrophagen-Aktivierung 677 – Mediatoren 684 – Sekretion von Interferon-β 675 TH2-Zelle – Allergien 684 – B-Zellen-Aktivierung 674, 677 – Interleukinproduktion 675 – Mediatoren 684 TH17-Zelle 680 Thalassämien 734 Thekazellen 605 Theobromin 801 Theophyllin 801 Therapie, antibiotische 296 Thermodynamik 21 Thermogenese – Fettgewebe, braunes 573 – Schilddrüsenhormone 585 Thermogenin 177 – UCP1 573 Thermus aquaticus 483 THF = Tetrahydrofolsäure 292 Thiamin 274, 283 – Wernicke-Enzephalopathie 109 Thiamin-Kinase 284 Thiamin-Mangel 284 Thiaminpyrophosphat = TPP 274, 284 – Carbanion 100 Thiaziddiuretika 756 Thiazolidindione 556, 561 Thiazolring (Thiamin) 283 Thiocyanat 173 Thioester 74 – Acetyl-CoA 97 Thioguanin 522 Thiohalbacetal 74 Thiol-Disulfid-Austauschreaktion 469 Thiolase 126, 242 Thioredoxin-Reduktase 413 Threonin 54 – Abbau 152 – Desaminierung, eliminierende 149 Threoninkinase-Rezeptor 553 Thrombin (Faktor IIa) 706 – Hemmung durch – – Antithrombin 711 – – Hirudin 713 – Modifikation durch Thrombomodulin 712 Thrombomodulin 712 Thromboplastin 705 – Gewebe-Thromboplastin 705 – partielles 710 Thromboplastinzeit 710 – aktivierte partielle = aPTT 710
Thrombopoetin = TPO 648 Thrombose 283 Thromboxan A2 = TXA2 628 – Thrombozyten-Aktivierung 700 – Freisetzung 702 – Wirkungen 630 Thrombozyten 699 – α-Granula 700 – Aktivierung 699 Thrombozytenadhäsion 699 Thrombozytenaggregation 700 – Hemmung 701, 704 – – Herzinfarkt 702 – NO-Einfluss 634 – Serotonin 642 – Thromboxan-Wirkung 630 Thrombozytenaktivierung 703 Thrombus, weißer 701 TH = Somatotropin 577 Thymidin 402 Thymidinkinase (Knock-out-Marker) 491 Thymidylat-Synthase 416 – Hemmung 416 – – Tumortherapie 522 Thymin 401 Thymindimer 495 Thymulin 312 Thymus 676 Thymusstroma 676 Thyreoglobulin 581 Thyreoliberin 577 Thyreoperoxidase 581 Thyreotropin-Releasing-Hormon = TRH 577 Thyronin = T 3 581 Thyroxin = T 4 581 Ticagrelor 702 Ticlopidin 702 Tier – chimäres 491 – transgenes 490 Tight Junction 354 TIM = Translocase of the inner Membrane 365 Tip Links 811 Tirofiban 702 Tissue Factor 705 Tissue Plasminogen Activator = t-PA 711 Tissue-Transglutaminase 254 Titin 767, 775 Titrationskurve (Aminosäuren) 50 Tk-Gen 491 TLR = Toll-like-Rezeptor 660 TNF = Tumornekrosefaktor 508, 650 TNFα 650, 689 α-Tocochinon 281 Tocopherol 274 α-Tocopherol-Hydrochinon 280 Todesrezeptoren 508 Toll-like-Rezeptor = TLR 660 – Entzündungsreaktionen 687 – TLR4 – – Aktivierung durch β-Amyloid 805 – – Lipopolysaccharid-Bindung 660 Toll-like-Rezeptor = TLR9 660 TOM = Translocase of the outer Membrane 365 Topoisomerase 439 – Hemmung (Tumortherapie) 522 Topoisomerase 427 – Hemmstoffe 431, 449 Topotecan 431 Totenstarre 769 α-Toxin 67 TPO = Thrombopoetin 648 TR = Schilddrüsenhormonrezeptor 555 Tr1-Zelle 680
Tra-Region 474 Traberkrankheit 467 Tractus olfactorius 809 TRAIL-Rezeptoren 508 Tranquilizer 799 Trans-Enoyl-CoA 126 Trans-Golgi-Netzwerk = TGN 368 Transaldolase 238 Transaminierung 57, 146 – Mechanismus 290 – Reaktionsmechanismus 146 Transcobalamin II 297 Transcortin – Progesterontransport 603 – Steroidhormontransport 592 Transcuprein 311 Transducin 813 Transduktion 480 Transfektion 481 Transfer-RNA = tRNA 422, 435 Transferrin 306 Transferrinrezeptor = TfR 307 Transformation – Kanzerogenese 512 – bakterielle 480 Transforming Growth Factor = TGF – Signalweg 553 – TGF-β 692 Transgen 490 Transition 493 Transketolase 238 Transkript, Cocain- und Amphetaminreguliertes = CART 614 Transkriptase, reverse 477 – RT-PCR 484 – Telomerase 430 Transkription 433, 438 – Eukaryonten 440 – – Elongation 441 – – Initiation 441 – – Regulation 446 – – Termination 442 – Hemmstoffe 449 – Kontrollelement, distales 446 – Prokaryonten 438 – – Elongation 439 – – Initiation 438 – – Regulation 443 – – Termination 439 – Regulation 442 – – Hormon-Rezeptor-Komplex 553 – – Histon-Modifikation 448 – reverse 423 Transkriptionsblase 438 Transkriptionsfaktor 440, 446 – E2F im Zellzyklus 505 – ligandenabhängiger 553 – NFκB 660 Transkriptionskontrolle – negative 443 – positive 443 Transläsions-Synthese 430 Translation 455 – Abbruch, mutationsbedingte 493 – Elongation 460 – Initiation 458 – Hitzeschockproteine 468 – Termination 462 Translocase of the inner Membrane = TIM 365 Translocase of the outer Membrane = TOM 365 Translokase 460 Translokation 493, 514 Translokatorprotein 174 Transmembranhelix 341 Transpeptidase 42 Transplantatabstoßung 686 Transplantation, autologe 696 Transplantationsantigene, tumorspezifische 695
845
Sachverzeichnis
Transport – cotranslationaler ins ER 470 – entlang von Mikrotubuli 380 – in den Zellkern 359 – in Membranvesikeln 350 – ins Mitochondrium 365 – passiver 346 – primär-aktiver 346 – retrograder 366 – sekundär-aktiver 346, 348 – über Membranen 346 Transport-ATPase 350 Transporter, membranöser 348 Transversion 493 Transzytose 353 Trastuzumab (Herceptin) 523, 696 Treg-Zelle 679 Tremor (Parkinson) 806 Tretmühlenmechanismus 376 TRH = Thyreotropin-Releasing-Hormon 577, 582 Triacylglycerin 13 – Definition 44, 116 – Energiestoffwechsel 49 – Speicherung 117 – – Vergleich mit Glykogen 118 – Synthese 239, 241 Triacylglycerol 13 Triade 771 Trichothiodystrophie 499 Triglycerid 13 3,3',5-Triiodthyronin 581 Trimethyllysin(-α-Ketoglutarat-Dioxygenase) 302 1,3,7-Trimethylxanthin (Coffein) 801 Trimming (Glykoproteine) 344 Trinukleotidexpansion 808 Triokinase 92 Triose-Kinase 92 Triosephosphat-Isomerase 73 Tripelhelix (Kollagen) – Assemblierung 389 – Struktur 387 Triplett (Code, genetischer) 455 Trisaccharid 39 Trisomie 21 (Down-Syndrom) 805 Trk-Protoonkogen 513 TRNA = Transfer-RNA 418, 422 – Aktivierung mit Aminosäure 456 – Struktur 435 Trommelfell 810 Tropoelastin 391 Tropokollagen 387, 389 Tropomodulin 765 Tropomyosin 769 Troponin 60, 769 – Herzinfarkt 769 Truncus coeliacus 745 Trypsin 252 Trypsinogen (Pankreassekret) 193 Tryptophan 53 – Abbau 156 – Mangel 156 – Serotoninbiosynthese 639 TSC = Cotransporter, Thiazid-sensitiver 756 TSH = Hormon, Thyreoidea stimulierendes 582 TSPO = Translocator Protein 590 Tuberkulose 678 Tubocurarin 184 Tubuli, mitochiondrale 362 Tubulin 378 Tubulus – distaler 751 – – Funktion 756 – proximaler 751 Tumor 511 – benigner 511 – Dickdarm 516 – Entstehung 512 – Immunologie 695
– Entzündungszeichen, klassische 686 – maligner 511 Tumor Necrosis Factor Superfamilie 650 Tumorentstehung 512 Tumorentwicklung 520 Tumornekrosefaktor = TNF 689 – Entzündungsmediator 692 – Rezeptor = TNFR 508 Tumorpromotoren 543 Tumorsuppressor(-gen) 512, 515 – p53 516 Tumortherapie 522 – Zytostatika 522 Tumorviren 518 β-turn 67 TXA2 = Thromboxan A2 628 Typ-1-Diabetes 560 Typ-2-Diabetes 560 – bei Adipositas 121 – Ursache 690 Tyrosin 53 – Abbau 154 – pK-Wert 51 – Schilddrüsenhormone 581 Tyrosin-Hydroxylase 569 Tyrosinkinase 551 Tyrosinkinaserezeptor 549 Tyrosinmangel 155
U
Übelkeit 797 Überempfindlichkeitsreaktion, allergische 681 Übergangszustand 22 Übergewicht 270 Ubichinol = QH2 168, 170 Ubichinol-Cytochrom-c-Oxidoreduktase 170 Ubichinon-Oxidoreduktase 166 Ubiquitin 374 – Parkinson-Krankheit 807 Ubiquitinsystem 374 UCP = Uncoupling Protein 177 UCP1 = Thermogenin 573 UDP-Galaktose (Cerebrosidsynthese) 336 UDP-Galaktose-4-Epimerase 93 UDP-GlcNAc (Core-GlykosidSynthese) 343 UDP-Glucose – Cerebrosidsynthese 336 – Gangliosidsynthese 336 – Glykogensynthese 207 UDP-Glucuronsäure (Biotransformation) 722 UDP-Glucuronyltransferase 742 Ulkus 192 Ultrafiltration (Nierenkörperchen) 751 Ultrazentrifugation 326 UMP = Uridin-5’-monophosphat 413 Umwandlungsreaktionen 718 Uncoupling Protein = UCP 177 Uniport 348 Uracil 401 Uracil-DNA-Glykosylase 497 Urat 410 Uratnephropathie 410 Urea-Transporter 760 Uridin 402 Uridin-5’-monophosphat = UMP 413 Uridindiphosphat-(UDP-)Galaktose (Galaktoseabbau) 93 Urikosurika 410 Urin – 24-Stunden-Urin 139, 760 – Zusammensetzung 139 Urobilin 742
Urobilinogen 742 Uroguanylin 758 Urokinase 711 Uronidase 394 Uronsäure 43, 392 Urtikaria 639, 681 Usher-Syndrom 378 Uterusschleimhaut – Einnistung 607 – Proliferation 605 UTR = Region, untranslationierte 433
V
V1-Rezeptoren 616 V-(D-)J-C-System 668, 670 V-Domäne (Antikörper) 664 V-Gensegment 668 V-Segment 668 v-SNARE-Protein 353 V-Typ-ATPase 350, 759 Valin 53 – Abbau 153 Valium 799 Van-der-Waals-Kräfte 69 Vancomycin (Wirkungsmechanismus) 42 Vanillinmandelsäure 571 – Phäochromozytom-Diagnose 795 Variable Number of Tandem Repeats = VNTR 487 Varizenblutungen 133 Vascular endothelial Growth Factor = VEGF 645 Vasodilatation 575 Vasokonstriktion 575 Vasopressin (Primärstruktur) 64 Vasopressin = ADH 579 VDAC = Voltage-dependent Anion Channel (Apoptose) 509 VDR = Vitamin-D-Rezeptor 555 VEGF = Vascular endothelial Growth Factor 645 Vektor 478 – integrativer 479 Vena – cava inferior 745 – centralis 745 Venole, hochendotheliale = HEV 672 Verbindungstubulus 751 Verbrauchskoagulopathie 714 Verdauung 187 Verdauungssekret 188 – Regulation der Produktion 611 Verdauungstrakt – Oberfläche 654 – Motilität 611 – Schleimhaut 655 Vergiftung (Knollenblätterpilz) 437 Verhornung 384 Very low Density Lipoprotein (VLDL) 245, 747 Verzweigtkettenkrankheit 154 Vesikel 329 Vesikelfluss 354 Vesikeltransport 350 Viagra 773 – Wirkmechanismus 548 Vibrio – alginolyticus 788 – cholerae 541 Vimentin(-filamente) 385 Vinblastin 379, 522 Vinca-Alkaloide 522 Vincristin 379, 522 VIP = Peptid, vasoaktives intestinales 613 VIPom 195 Virulenzplasmid 476 Virusinfektion (Proteaseinhibitor) 257 Vitamin A 274, 275
– Hypervitaminose 277 – Mangel 277 Vitamin B1 274, 283 – Hypervitaminose 284 – Mangel 284 – Wernicke-Enzephalopathie 109 Vitamin B2 274, 285 – Hypervitaminose 286 – Mangel 286 Vitamin B6 274, 289 – Hypervitaminose 291 – Mangel 290 Vitamin B9 292 Vitamin B12 159, 274, 296 – Hypervitaminose 299 – Mangel 296, 298 – Resorption 190 Vitamin C 183, 274, 301 – Regeneration von Tocopherol 281 Vitamin D 274 – Rezeptor 555 – Hormon 624 Vitamin D2 278 Vitamin D3 278 Vitamin E 274, 279 Vitamin H 300 Vitamin K 274 – Blutgerinnung 710 Vitamin K1 281 Vitamin K2 281 Vitamin C – Hypervitaminose 303 – Mangel 302 Vitamin D – Bindeprotein = DBP 624 – Hypervitaminose 278 – D-Mangel 278 Vitamin E – Hypervitaminose 281 – Mangel 281 Vitamin K – Antagonisten 282 – Hypervitaminose 283 – Mangel 283 Vitamin-K-Alkoxid 282 Vitamin-K2-Epoxid 282 Vitamin-K2-Hydrochinon 282 Vitaminbedarf 273 Vitamine 273 – Einteilung 275 – fettlösliche 275 – hydrophile 274 – lipophile 274 – wasserlösliche 283 Vitaminmangel 183 Vitaminose 273 VKD-Protein 281 VLDL = Very low Density Lipoprotein 245 VMAT 2-Transporter 637 VNP-Peptid 621 VNTR = Variable Number of Tandem Repeats 487 – RFLP-Analyse 488 VNTR-Typisierung 488 Von-Gierke-Glykogenose Typ I 217 Von-Willebrand-Faktor = vWF 699 Von-Willebrand-Syndrom 700 VWF = von-Willebrand-Faktor 699
W
Waage 18 Wachstum, postnatales 609 Wachstumsfaktor 645, 647 – Embryonalentwicklung 645 – Insulin-ähnlicher = IGF 608 – Rezeptor, NGF-ähnlicher 513 – Tabellenübersicht 646 Wachstumshormon = GH 608 Wanderung, zelluläre 378
846 Warburg, Otto 104 Wärme 177 Wärmebildung, zitterfreie 573 Wasser-Rückresorption, renale 755 Wasserhaushalt 615 Wasserstoffperoxid 128, 132 – in Erythrozyten 736 Wasserstoffübertragung 286 Watson, James Dewey 419 Wechselwirkungen – hydrophobe 68 – – Membranproteine 69 – ionische 69 Wechselzahl 28 Wee1-Kinase 503 Weg – Blutgerinnung – – extrinsischer 705 – – intrinsischer 705 – Komplementsystem – – alternativer 658 – – klassischer 657 Wernicke-Enzephalopathie 109 Wespengift 223 Western-Blot 486 Willebrand, Erik von 700 Wilson, Morbus 311 Winterschlaf (Wasserhaushalt) 130 WNK-Kinase 620 Wnt-Protein 645 – Kanzerogenese 517 Wobble-Theorie 455 Wöhler, Friedrich 139 Wundstarrkrampf 799 Wurminfektion (Abwehr) 683
Sachverzeichnis
X
X-Beine 278 Xanthin 402 Xanthin-Dehydrogenase 411 Xanthin-Oxidase 410 – Biotransformation 721 – Hemmung durch Allopurinol 410 Xanthin-Oxidoreduktase 411 Xanthinsteine 753 Xanthosin 402 Xase – extrinsische 705 – intrinsische 705 Xeroderma pigmentosum 499 Xerophthalmie 277 Xylulose-5-phosphat 238
Y
Y-Rezeptoren 614
Z
Z-Scheibe 765 Zahnbelag 91 Zahnschmelzfluorose 315 Zapfen(-opsine) 811 Zell-Zell-Kontakte 354 Zellaufschluss 325
Zellen – B-Zelle, antigenpräsentierende 673 – dendritische = DC 670, 689 – – als Impfstoff gegen Tumore 696 – – follikuläre 672 – – interdigitierende 671, 673, 677 – Gastrin-produzierende 612 – muköse 190 Zellfraktionierung 326 Zellkern 358 – Proteinexport 359 – Proteinimport 359 Zellorganellen 358 Zellproliferation, unkontrollierte 512 Zelltod, programmierter 506 Zellwachstum 269 Zellwand, bakterielle 41 Zellweger-Syndrom 129, 373 Zellzyklus 501 – Regulation 502 – Restriktionspunkte 503 Zentrifugation 326 Zentriol 381 Zentrosom 379 Zentrum – chirales 35 – katalytisches 23 Zervixkarzinom 519 – Antigen 695 – Impfung 519 Zileuton 633 Zink 311 Zink-Finger (Steroidhormonrezeptor) 555
Zinkfingerproteine 312 Zinkmangel 313 Zisterne 368 Zitronensäure 106 ZNS = Nervensystem, zentrales 778 Zofran 797 Zöliakie 254, 672 Zollinger-Ellison-Syndrom 195, 613 Zonula – adhaerens 354 – occludens 354 Zungengrundlipase 221 Zwitterion (Aminosäuren) 52 Zykline 503 Zyklo-ADP-Ribose 288 Zyklooxygenase = COX 628 – Hemmer 632 Zymogene (Magensaft) 190 Zymogengranula 194 Zytokeratin 384 Zytokine 645 – Definition 532 – Immunsystem 650 – Hämatopoese 648 Zytokinese 502 Zytokinrezeptor 551, 645 Zytoplasma 358 Zytoskelett 376 Zytosol 358 Zytostatikum 431, 449 – Tumortherapie 522 Zytotoxizität 679
Stoffwechselweg-Animationen online – hier wird Biochemie lebendig! Mit den Animationen erleben Sie die Biochemie auf eine ganz neue und besonders anschauliche Weise an Ihrem PC, auf Ihrem Smartphone oder Ihrem Tablet-PC. Vier wichtige Stoffwechselwege wurden eindrucksvoll „zum Leben erweckt“ – so können Sie sich die einzelnen Schritte spielerisch leicht einprägen und nachvollziehen, wie die Reaktionen im Detail ablaufen. Gleichzeitig erklärt Ihnen ein Sprecher die dargestellten Prozesse ausführlich und fundiert. Ideal zum Lernen und zum Wiederholen vor Prüfungen – die perfekte Ergänzung zum Lehrbuch! Unter www.dualereihe.thieme.de oder per QR-Code (s. u.) stehen Animationen zu folgenden Themen für Sie zur Verfügung: ■ ■ ■ ■
Glykolyse Pyruvatdehydrogenase-Reaktion Citratzyklus Atmungskette
Auch im Buch werden Sie an den entsprechenden Stellen in der Randspalte auf die Animationen hingewiesen. Animation zum Thema unter www.dualereihe.thieme.de oder
Ungeladene (neutrale) Aminosäuren Aliphatische Aminosäuren Glycin Gly
Alanin G
COO H3N
C
Ala
Valin A
–
V
–
COO
H
H 3N
H
C
Leucin
Val
COO
H
C
H3N
CH3
Leu
Isoleucin L
Ile
I
–
–
COO–
COO H3N
H
H
C
CH2
CH H3C CH3
H3N
C
H
H3C
C
H
CH2
essenziell
essenziell
CH3 essenziell
Aromatische Aminosäuren Phenylalanin Phe
Tyrosin
F
Tyr
–
C
Trp
W
–
COO H3 N
Tryptophan Y
COO
COO
H
H3 N
C
CH2
H3N
H
C
CH2
H
CH2
N H Indolring
OH essenziell
essenziell
Amide
Serin und Threonin
Asparagin Asn
Glutamin
N COO
H3N
C
Gln
COO
H
H3N
C
C NH2
H H3 N
H 3N
C
C
H
C
H
OH
Prolin Prolin
M
H3 N
C
H3C
essenziell
Pro
C
COO–
H
CH2
SH
CH2
vereinfachte Schreibweise
P
COO–
H
H3N
NH2
CH2
T COO–
H
OH
Met
COO–
C
CH2
Methionin C
Thr
COO–
Schwefelhaltige Aminosäuren Cystein
S
CH2
O
Cys
Threonin
Ser
–
CH2
CH2 O
Serin
Q
–
H2N H 2C
C C H2
H
COO– H2N Pyrrolidinring
CH2 HN
S
Pyrrolidin
CH3 essenziell
Geladene Aminosäuren Aspartat Asp
D
Glutamat Glu
COO– H3N
C
H
E
Histidin His
COO– H3 N
C
H
CH2
CH2
COO–
CH2 COO–
H
Lysin Lys
C
H
CH2 HN HC
CH N
Imidazolring
Arg
COO–
COO H3N
Arginin K
H3N
C
H
H3 N
C
H
CH2
CH2
CH2
CH2
CH2
CH2
CH2
NH C
NH3 ε-Aminogruppe saure Aminosäuren
R COO–
H2N
basische Aminosäuren essenziell
NH2
proteinogene Aminosäuren
CH H3C CH3