Jeannine Sterzel Bewertungs- und Entscheidungsrelevanz der Humankapitalberichterstattung
GABLER RESEARCH
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Jeannine Sterzel Bewertungs- und Entscheidungsrelevanz der Humankapitalberichterstattung
GABLER RESEARCH
Jeannine Sterzel
Bewertungs- und Entscheidungsrelevanz der Humankapitalberichterstattung Eine experimentelle Analyse aus der Perspektive privater Anleger Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Thomas M. Fischer
RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, 2010
1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Stefanie Brich | Stefanie Loyal Gabler Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-2834-4
Geleitwort
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Geleitwort In den vergangenen Jahrzehnten hat weltweit ein Wandel von der sog. Industrie- zur Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft stattgefunden. Die Wettbewerbsvorteile von Unternehmen beruhen immer mehr auf der Nutzung des vorhandenen intellektuellen Kapitals. Eine wesentliche Komponente des intellektuellen Kapitals stellt das sog. Humankapital dar. Dessen Entwicklung besitzt – neben der finanziellen Performance – als zukunftsbezogenes Erfolgspotenzial erheblichen Einfluss auf die Wettbewerbsvorteile und damit auch auf den Wert eines Unternehmens. Die zunehmende Bedeutung von Humankapital hat u. a. zu neuen Regelungen in der Lageberichterstattung von deutschen Unternehmen geführt. Darin werden z. B. Angaben zu wesentlichen Änderungen von nicht-finanziellen Leistungsindikatoren des Humankapitals empfohlen. Welche Bewertungs- und Entscheidungsrelevanz die Humankapitalberichterstattung in Kombination mit der Finanzberichterstattung bei Anlageentscheidungen von (privaten) Investoren besitzt, wird in der vorliegenden Dissertationsschrift von Frau Dr. Jeannine Sterzel erstmals mit einer umfassenden empirisch-experimentellen Studie untersucht. Auf der Basis einer sehr umfassenden und sorgfältigen Literaturanalyse entwickelt Frau Dr. Sterzel verschiedene Forschungshypothesen. Diese werden durch eine experimentelle Studie mit 342 Probanden empirisch überprüft. Als Gesamtfazit der empirischen Befunde ist festzuhalten, dass durch Humankapitalinformationen zum einen die Urteile privater Anleger in Bezug auf die Bewertung eines Unternehmens beeinflusst werden und sich zum anderen daraus Auswirkungen auf die Entscheidungen im Hinblick auf eine (langfristige) Aktienanlage ergeben. Gleichwohl sind die Finanzinformationen weiterhin die wichtigsten Entscheidungsgrößen für die Unternehmensbewertung und Investitionsentscheidungen. Positive Humankapitalinformationen zeigen Potenziale für zukünftige Steigerungen des Unternehmenswertes an und verbessern deshalb das Bewertungsurteil. Umgekehrt wird das Bewertungsurteil durch negative Humankapitalinformationen verringert. Falls bei den beiden Informationskategorien unterschiedliche Performanceniveaus vorliegen, führen positive Finanzinformationen in Kombination mit negativen Humankapitalinformationen zu höheren Bewertungsurteilen als positive Humankapitalinformationen, die zusammen mit negativen Finanzinformationen publiziert werden. Die Wahrscheinlichkeit für eine kurzfristige Investitionsentscheidung ist höher (niedriger), wenn positive (negative) Finanzinformationen vorliegen. Die Bereitschaft der privaten Anleger, eine langfristige Investitionsent-
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Geleitwort
scheidung zu treffen, wächst (sinkt) mit positiven (negativen) Humankapitalinformationen. Das von den Versuchspersonen gezeigte Investitionsverhalten stimmt mit den in der Studie zusätzlich erhobenen Relevanzeinschätzungen im Hinblick auf die einzelnen Berichtselemente der Finanz- und Humankapitalinformationen überein. Die Finanzinformationen werden bei einem kurzfristigen Anlagehorizont signifikant stärker in die Entscheidungsfindung einbezogen. Dagegen nimmt bei einem langfristigen Anlagehorizont die Bedeutung der Humankapitalinformationen erheblich zu. Diejenigen Befragten, die die Humankapitalinformationen bereits bei einer kurzfristigen Investition berücksichtigt haben, tun dies auch bei ihrer langfristigen Anlageentscheidung. Insgesamt hat die Verfasserin eine sehr gelungene Dissertation verfasst. Die Ausführungen beinhalten eine Fülle innovativer Fragestellungen, die auf einem methodisch anspruchsvollen Niveau untersucht werden. Mit der Analyse von Auswirkungen unterschiedlicher Performanceniveaus bei Finanz- und Humankapitalinformationen wird eine bislang vorhandene Forschungslücke mit signifikanten Erkenntnisgewinnen geschlossen. Die empirische Studie liefert zahlreiche wichtige und neue Erkenntnisbeiträge im Hinblick auf die Bewertungs- und Entscheidungsrelevanz der Humankapitalberichterstattung aus der Perspektive von (privaten) Investoren. Durch das gewählte experimentelle Design können die Auswirkungen bestimmter Informationen auf Bewertungs- und Investitionsentscheidungen deutlich besser herausgearbeitet werden als durch Befragungsstudien. Insofern ergeben sich aus den Befunden wichtige Implikationen für die betriebliche Praxis sowie für die Standardsetter der Unternehmenspublizität. Ich wünsche der Dissertationsschrift eine erfolgreiche Aufnahme am Markt und bin sicher, dass hierdurch die Diskussion über die Gestaltung und betriebswirtschaftlichen Auswirkungen insbesondere der nichtfinanziellen Unternehmenspublizität in Theorie und Unternehmenspraxis wichtige neue Impulse erhalten wird. Prof. Dr. Thomas M. Fischer
Vorwort
VII
Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Rechnungswesen und Controlling, der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und wurde im November 2010 von der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät als Dissertation angenommen. An dieser Stelle möchte ich all denjenigen danken, die mich bei der Erstellung dieser Arbeit begleitet und unterstützt haben. Mein Dank gilt zunächst meinem verstorbenen akademischen Lehrer Professor Dr. Wolfgang Männel, der mich in meinem Interesse für Forschung und Lehre bestärkt und bereits im Rahmen der Betreuung meiner Diplomarbeit sowie dem ersten Jahr meiner Lehrstuhltätigkeit den Anstoß zu der Themenstellung gegeben hat. Weiterer Dank gebührt Professor Dr. Thomas M. Fischer für die Möglichkeit zur Promotion und sein großes Interesse an dem Forschungsprojekt. Bedanken möchte ich mich auch bei Professor Dr. Klaus Henselmann für die interessierte und freundliche Übernahme des Zweitgutachtens sowie bei Professor Dr. Harald Hungenberg für seine Mitwirkung in der Prüfungskommission. Ein besonderes Dankeschön geht an die Hermann Gutmann Stiftung, Weißenburg, für die Auszeichnung der Arbeit mit dem großzügig dotierten Promotionspreis. Viele Kollegen und Freunde am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften haben dazu beigetragen, dass ich die Promotionszeit in schöner Erinnerung behalten werde. Ihnen sei von Herzen gedankt. Besonders hervorheben möchte ich an dieser Stelle Benedikt Brauch, der durch seine moralische Unterstützung, seine stete Hilfsbereitschaft, zahlreiche fachliche Diskussionen, aber auch durch viele heitere Stunden während und außerhalb unserer gemeinsamen Zeit am Lehrstuhl einen wesentlichen Beitrag zum Gelingen der Arbeit geleistet hat. Für die angenehme, kollegiale Zusammenarbeit am Lehrstuhl danke ich zudem insbesondere Martin Haas, Robert Huber, Christian Müller, Angelika Sawczyn, Dr. Stefanie Trost und Elfriede Wagner. Meinen „MarketingKolleginnen“ Dr. Katharina Oldenkotte und Isabel Stefan sei herzlich für die Diskussionsbereitschaft bei methodischen Fragestellungen und Dr. Andrea Prinz für das Korrekturlesen von weiten Teilen der Arbeit und die damit verbundenen wertvollen Anregungen gedankt. Bei den studentischen Hilfskräften des Lehrstuhls, darunter namentlich Janine Heidel, Julia Popp und Nadine Winkler, bedanke ich mich vielmals für die engagierte, großartige Unterstützung bei der Beschaffung von Literatur, der Organisa-
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Vorwort
tion und Durchführung der Experimente sowie der Dateneingabe und -auswertung. Ohne die zahlreichen Teilnehmer der experimentellen Studie, deren gewissenhafte, motivierte Bearbeitung der Fragebögen und das damit zum Ausdruck gebrachte Interesse für angewandte Forschung hätte diese Arbeit in der vorliegenden Form nicht realisiert werden können – ihnen ein aufrichtiges Dankeschön. Mein größter Dank gilt meiner Familie, die mir während der gesamten Ausbildung den notwendigen Rückhalt, vielfältige Unterstützung und vor allem Motivation gegeben hat. Die Arbeit sei meinen lieben, verstorbenen Großeltern gewidmet, die meinen bisherigen Lebensweg in besonderer Weise geprägt und gefördert haben und jetzt sicherlich sehr stolz auf mich wären. Dr. Jeannine Sterzel
Inhaltsverzeichnis
IX
Inhaltsverzeichnis Geleitwort ......................................................................................................................V Vorwort ...................................................................................................................... VII Inhaltsverzeichnis ....................................................................................................... IX Abbildungsverzeichnis...............................................................................................XV Tabellenverzeichnis.................................................................................................. XIX Abkürzungsverzeichnis ........................................................................................ XXIII Symbolverzeichnis................................................................................................XXVII 1
Einleitung ................................................................................................................ 1 1.1 Ausgangssituation und Relevanz des Themas ................................................. 1 1.2 Zielsetzung der Arbeit ....................................................................................... 3 1.3 Gang der Untersuchung .................................................................................... 5
2
Humankapital und Humankapitalberichterstattung ......................................... 9 2.1 Definitionen und Begriffsverständnis des Humankapitals ............................ 9 2.2 Humankapital als Bestandteil des intellektuellen Kapitals ......................... 15 2.2.1 Begriffsabgrenzung des intellektuellen Kapitals ...................................... 15 2.2.2 Einordnung des Humankapitals in Ansätze zur Kategorisierung des intellektuellen Kapitals.............................................................................. 18 2.2.3 Betriebswirtschaftliche Charakteristika des intellektuellen Kapitals und Humankapitals ........................................................................................... 21 2.3 Normen und Konzepte für die Humankapitalberichterstattung ................ 25 2.3.1 Normen für die Humankapitalberichterstattung ....................................... 25 2.3.1.1 Bilanzielle Erfassung von Humankapital ............................................. 25 2.3.1.1.1 Bilanzierung von Humankapital nach HGB .................................. 25 2.3.1.1.2 Bilanzierung von Humankapital nach IFRS .................................. 28 2.3.1.2 Humankapital in der Lageberichterstattung nach HGB und DRS ........ 31 2.3.1.2.1 (Konzern-)Lagebericht gemäß §§ 289, 315 HGB ......................... 31
X
Inhaltsverzeichnis
2.3.1.2.2 Lageberichterstattung gemäß DRS 15 ........................................... 34 2.3.1.3 Exposure Draft (ED) „Management Commentary“ ............................. 37 2.3.2 Konzepte für die Humankapitalberichterstattung ..................................... 39 2.3.2.1 Intellectual Capital Statement ............................................................... 39 2.3.2.2 Personalbericht, Personalwertbericht und Personalbilanz .................... 45 3
Bewertungs- und Entscheidungsrelevanz als theoretischer Bezugsrahmen .. 48 3.1 Bewertungsrelevanz von Humankapitalinformationen ............................... 48 3.1.1 Begriff der Bewertungsrelevanz ............................................................... 48 3.1.2 Zwecke und Anlässe von Unternehmensbewertungen ............................. 51 3.1.3 Bestimmungsfaktoren des Unternehmenswerts ........................................ 55 3.1.4 Bedeutung von Humankapital als Werttreiber .......................................... 60 3.2 Entscheidungsrelevanz von Humankapitalinformationen .......................... 62 3.2.1 Begriff der Entscheidungsrelevanz ........................................................... 63 3.2.2 Entscheidungsrelevanz im Kontext von Kapitalanlageentscheidungen.... 65 3.2.3 Ausgewählte empirische Befunde zur Entscheidungsrelevanz von Humankapitalinformationen ..................................................................... 66 3.3 Bezugsrahmen für die empirische Studie und Ableitung von Hypothesen 73 3.3.1 Judgment and Decision Making Research im Rahmen des Behavioral Financial Accounting ................................................................................ 73 3.3.2 Integrierter Judgment and Decision Making-Forschungsansatz ............... 79 3.3.3 Privatanleger als Untersuchungsgruppe .................................................... 83 3.3.4 Ableitung von Hypothesen zur Bewertungs- und Entscheidungsrelevanz der Humankapitalberichterstattung ........................................................... 86 3.3.4.1 Hypothesen zur Bewertungsrelevanz ................................................... 87 3.3.4.2 Hypothesen zur Entscheidungsrelevanz ............................................... 92
4
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung........ 98 4.1 Zielsetzungen der Untersuchung .................................................................... 99 4.2 Methodische Grundlagen .............................................................................. 100 4.2.1 Auswahl des Forschungsdesigns und Abgrenzung zu anderen empirischen Untersuchungsmethoden .................................................... 101
Inhaltsverzeichnis
XI
4.2.2 Begriff und Merkmale von Experimenten .............................................. 102 4.2.2.1 Begriffsdefinition ................................................................................ 102 4.2.2.2 Merkmale von Experimenten.............................................................. 103 4.2.2.2.1 Arten von Variablen und Variablenbeziehungen in einem Experiment .................................................................................. 103 4.2.2.2.2 Kausalbeziehung als Untersuchungsgegenstand ......................... 107 4.2.2.2.3 Variation unabhängiger Variablen .............................................. 109 4.2.3 Gütekriterien von Experimenten und Methoden zur Kontrolle von Störfaktoren ............................................................................................. 110 4.2.3.1 Gütekriterien von Experimenten ......................................................... 110 4.2.3.1.1 Interne und externe Validität ....................................................... 110 4.2.3.1.2 Kontrolle von Störfaktoren .......................................................... 113 4.2.3.2 Methoden zur Kontrolle von Störfaktoren .......................................... 116 4.2.3.2.1 Elimination, Konstanthaltung und Parallelisierung..................... 116 4.2.3.2.2 Randomisierung, Ausbalancieren und Umwandlung .................. 118 4.2.4 Arten von Experimenten und experimentelle Versuchspläne ................. 121 4.2.4.1 Arten von Experimenten ..................................................................... 122 4.2.4.1.1 Feldexperiment ............................................................................ 122 4.2.4.1.2 Laborexperiment.......................................................................... 123 4.2.4.2 Experimentelle Versuchspläne und Designs ...................................... 124 4.2.4.2.1 Vor- und quasi-experimentelle Designs ...................................... 124 4.2.4.2.2 Echte experimentelle Designs ..................................................... 125 4.2.5 Kritische Würdigung des Experiments als Untersuchungsmethodik...... 129 4.2.5.1 Vorteile des Experiments .................................................................... 130 4.2.5.2 Grenzen des Experiments ................................................................... 132 4.2.6 Zusammenfassende Begründung zur Eignung des Laborexperiments als Methodik im Rahmen der vorliegenden Untersuchung ..................... 133 4.3 Ausgestaltung und Inhalte der empirischen Untersuchung ...................... 134 4.3.1 Design des Experiments .......................................................................... 135 4.3.2 Design und Inhalte der experimentellen Fragebögen ............................. 137 4.3.3 Operationalisierung der Variablen .......................................................... 141 4.3.3.1 Grundlagen der Operationalisierung von Variablen ........................... 142 4.3.3.2 Operationalisierung der unabhängigen Variablen .............................. 143
XII
Inhaltsverzeichnis
4.3.3.2.1 Unabhängige Variable „finanzielle Informationen“.................... 143 4.3.3.2.2 Unabhängige Variable „Humankapitalinformationen” ............... 145 4.3.3.3 Operationalisierung der abhängigen Variablen .................................. 148 4.3.3.3.1 Abhängige Variable „Unternehmensbewertung” ........................ 148 4.3.3.3.2 Abhängige Variable „kurzfristige Investitionsentscheidung” ..... 152 4.3.3.3.3 Abhängige Variable “langfristige Investitionsentscheidung” ..... 153 4.3.4 Versuchsplanung und Datenerhebung..................................................... 153 4.3.4.1 Pre-Test ............................................................................................... 154 4.3.4.2 Stichprobenbildung, Rekrutierung und Incentivierung der Versuchsteilnehmer ............................................................................ 155 4.3.4.2.1 Stichprobenbildung...................................................................... 155 4.3.4.2.1.1 Grundlagen der Bildung von Stichproben ............................. 156 4.3.4.2.1.2 Auswahl und Umfang der Stichprobe .................................... 156 4.3.4.2.1.3 Diskussion der Adäquanz von studentischen Versuchspersonen .................................................................. 159 4.3.4.2.2 Rekrutierung der Versuchsteilnehmer ......................................... 161 4.3.4.2.3 Incentivierung .............................................................................. 163 4.3.4.3 Maßnahmen zur Kontrolle von Störfaktoren ...................................... 164 4.3.4.3.1 Randomisierung der Versuchspersonen ...................................... 165 4.3.4.3.2 Kontrolle von Versuchsleitereffekten und Veränderungen im Messinstrument............................................................................ 165 4.3.4.3.3 Kontrolle von zeitlich bedingten Störfaktoren ............................ 167 4.3.4.3.4 Kontrolle von räumlich bedingten Störfaktoren .......................... 167 4.3.4.4 Durchführung und Ablauf der experimentellen Studie ...................... 168 4.3.5 Methodik der Datenauswertung .............................................................. 171 4.3.5.1 Grundlagen der Varianzanalyse .......................................................... 171 4.3.5.2 Prämissen für die Anwendung der Varianzanalyse ............................ 173 4.3.5.3 Theoretische Grundlagen der Varianzzerlegung und des varianzanalytischen F-Tests ................................................................ 176 4.3.5.4 Mehrfaktorielle univariate Varianzanalyse......................................... 178 4.3.5.5 Mehrfaktorielle multivariate Varianzanalyse ..................................... 178 4.3.5.6 Profil-Diagramme zur graphischen Darstellung und Analyse von Haupt- und Interaktionseffekten ......................................................... 179
Inhaltsverzeichnis
XIII
4.4 Darstellung und Analyse der Ergebnisse ..................................................... 182 4.4.1 Stichprobe und personenbezogene Merkmale der Versuchspersonen .... 183 4.4.1.1 Demographische Merkmale der Versuchspersonen ........................... 183 4.4.1.2 Studienbezogene Merkmale der Versuchspersonen ........................... 185 4.4.1.3 Vertrautheit der Versuchspersonen mit Aktienanlagen ...................... 192 4.4.1.4 Themenbezogenes Interesse sowie theoretische und praktische Kenntnisse der Versuchspersonen ...................................................... 201 4.4.1.5 Abschließende Beurteilung der Merkmale und Eignung der Stichprobe ........................................................................................... 212 4.4.2 Manipulation Checks .............................................................................. 213 4.4.2.1 Begriffsklärung und Relevanz von Manipulation Checks .................. 213 4.4.2.2 Manipulation Check für die Variable “finanzielle Informationen“ .... 216 4.4.2.3 Manipulation Check für die Variable „Humankapitalinformationen” 222 4.4.2.4 Manipulation Check für den Anlagehorizont ..................................... 225 4.4.3 Prüfung der Anwendungsprämissen für die univariate und multivariate Varianzanalyse ........................................................................................ 227 4.4.3.1 Prüfung der Anforderungen hinsichtlich der Skalierung der unabhängigen und abhängigen Variablen ........................................... 227 4.4.3.2 Prüfung der Prämisse der Normalverteilung der abhängigen Variablen ............................................................................................. 228 4.4.3.3 Prüfung der Prämisse der Varianzhomogenität .................................. 243 4.4.4 Ergebnisse der multivariaten und univariaten Varianzanalyse ............... 246 4.4.4.1 Deskriptive Statistiken der abhängigen Variablen ............................. 246 4.4.4.2 Ergebnisse der multivariaten Varianzanalyse ..................................... 256 4.4.4.3 Ergebnisse der univariaten Varianzanalyse ........................................ 262 4.4.4.3.1 Univariate Varianzanalyse der abhängigen Variable „Unternehmensbewertung“ ......................................................... 263 4.4.4.3.2 Univariate Varianzanalyse der abhängigen Variable „kurzfristige Investitionsentscheidung“ ...................................... 270 4.4.4.3.3 Univariate Varianzanalyse der abhängigen Variable „langfristige Investitionsentscheidung“ ...................................... 277 4.4.4.4 Ergebnisse der Post-hoc-Tests ............................................................ 283 4.4.5 Analyse der Einstellungen hinsichtlich der Bewertungs- und Entscheidungsrelevanz von Humankapitalindikatoren ........................... 289
XIV
Inhaltsverzeichnis
4.4.5.1 Einstellungen hinsichtlich der Bewertungsrelevanz von Humankapitalindikatoren.................................................................... 289 4.4.5.2 Einstellungen hinsichtlich der Entscheidungsrelevanz von Humankapitalindikatoren.................................................................... 295 4.4.5.2.1 Experimentalgruppe A1B2 .......................................................... 296 4.4.5.2.2 Experimentalgruppe A1B3 .......................................................... 301 4.4.5.2.3 Experimentalgruppe A2B2 .......................................................... 304 4.4.5.2.4 Experimentalgruppe A2B3 .......................................................... 307 4.5 Zusammenfassung und Würdigung der empirischen Befunde ................. 310 4.5.1 Zusammenfassung der empirischen Befunde.......................................... 311 4.5.2 Erkenntnisbeitrag für Theorie und Praxis ............................................... 317 4.5.3 Restriktionen und weiterer Forschungsbedarf ........................................ 318 5
Schlussbemerkung ............................................................................................. 322
Verzeichnis der Gesetze, Richtlinien und sonstiger Rechtsquellen...................... 327 Literaturverzeichnis ................................................................................................. 329
Abbildungsverzeichnis
XV
Abbildungsverzeichnis Abb. 1.1:
Ablauf eines empirischen Forschungsprozesses ......................................... 5
Abb. 1.2:
Gang der Untersuchung ............................................................................... 8
Abb. 2.1:
Komponenten des Humankapitals ............................................................. 14
Abb. 3.1:
Zwecke der Unternehmensbewertung ....................................................... 54
Abb. 3.2:
Shareholder Value-Netzwerk nach RAPPAPORT ........................................ 57
Abb. 3.3:
Beeinflussung des Unternehmenswertes durch Humankapital ................. 59
Abb. 3.4:
Bereiche der Behavioral Accounting-Forschung ...................................... 76
Abb. 3.5:
Integrierter Judgment and Decision Making-Forschungsansatz ............... 80
Abb. 3.6:
Forschungsmodell für die empirische Studie ............................................ 82
Abb. 3.7:
Forschungsmodell für die empirische Studie mit Hypothesen .................. 97
Abb. 4.1:
Moderatorbeziehung in Kausalmodellen ................................................. 106
Abb. 4.2:
Mediationsbeziehungen in Kausalmodellen ............................................ 106
Abb. 4.3:
Design des Experiments .......................................................................... 137
Abb. 4.4:
Struktur der experimentellen Fragebögen ............................................... 141
Abb. 4.5:
Operationalisierung der UV „finanzielle Informationen“ innerhalb der experimentellen Fragebögen ............................................................. 145
Abb. 4.6:
Operationalisierung der UV „Humankapitalinformationen“ innerhalb der experimentellen Fragebögen ............................................................. 147
Abb. 4.7:
Operationalisierung der AV „Unternehmensbewertung“ ....................... 151
Abb. 4.8:
Prinzip der Varianzzerlegung im zweifaktoriellen Design ..................... 177
Abb. 4.9:
Absolute Verteilung der Vpn nach Geschlecht (N = 342) ...................... 184
Abb. 4.10: Prozentuale Verteilung der Vpn nach Alter ............................................ 185 Abb. 4.11: Prozentuale Verteilung der Vpn nach Studiengängen ............................. 188 Abb. 4.12: Prozentuale Verteilung der Vpn nach Fachsemestern ............................. 192 Abb. 4.13: Prozentuale Verteilung der Vpn in Bezug auf Aktienbesitz ................... 195 Abb. 4.14: Prozentuale Verteilung der Vpn in Bezug auf getätigte Aktieninvestitionen .................................................................................. 196 Abb. 4.15: Prozentuale Verteilung der Vpn in Bezug auf geplante Aktieninvestitionen .................................................................................. 198 Abb. 4.16: Prozentuale Verteilung der Vpn in Bezug auf die Investition in Aktienfonds.............................................................................................. 199 Abb. 4.17: Prozentuale Verteilung der Vpn in Bezug auf Risikofreude bei Geldanlagen ............................................................................................. 201
XVI
Abbildungsverzeichnis
Abb. 4.18: Prozentuale Verteilung der Vpn in Bezug auf inhaltliches Interesse ...... 203 Abb. 4.19: Prozentuale Verteilung der Vpn in Bezug auf theoretische Erfahrungen in den Bereichen Unternehmensbewertung und Kapitalmarkt ................ 205 Abb. 4.20: Prozentuale Verteilung der Vpn in Bezug auf praktische Erfahrungen in den Bereichen Unternehmensbewertung und Kapitalmarkt ................ 206 Abb. 4.21: Prozentuale Verteilung der Vpn in Bezug auf theoretische Erfahrungen in den Bereichen Rechnungslegung und Unternehmenspublizität .......... 208 Abb. 4.22: Prozentuale Verteilung der Vpn in Bezug auf praktische Erfahrungen in den Bereichen Rechnungslegung und Unternehmenspublizität .......... 209 Abb. 4.23: Prozentuale Verteilung der Vpn in Bezug auf theoretische Erfahrungen im Bereich Personalwesen ....................................................................... 211 Abb. 4.24: Prozentuale Verteilung der Vpn in Bezug auf praktische Erfahrungen im Bereich Personalwesen ....................................................................... 212 Abb. 4.25: Q-Q-Normalverteilungsdiagramm für die AV „langfristige Investitionsentscheidung“ in der Kontrollgruppe A1B1 ......................... 236 Abb. 4.26: Q-Q-Normalverteilungsdiagramm für die AV „langfristige Investitionsentscheidung“ in der Experimentalgruppe A1B2 ................. 236 Abb. 4.27: Q-Q-Normalverteilungsdiagramm für die AV „langfristige Investitionsentscheidung“ in der Kontrollgruppe A2B1 ......................... 237 Abb. 4.28: Q-Q-Normalverteilungsdiagramm für die AV „langfristige Investitionsentscheidung“ in der Experimentalgruppe A2B3 ................. 237 Abb. 4.29: Q-Q-Normalverteilungsdiagramm für die AV „kurzfristige Investitionsentscheidung“ in der Kontrollgruppe A1B1 ......................... 241 Abb. 4.30: Q-Q-Normalverteilungsdiagramm für die AV „kurzfristige Investitionsentscheidung“ in der Experimentalgruppe A1B2 ................. 241 Abb. 4.31: Q-Q-Normalverteilungsdiagramm für die AV „kurzfristige Investitionsentscheidung“ in der Kontrollgruppe A2B1 ......................... 242 Abb. 4.32: Q-Q-Normalverteilungsdiagramm für die AV „kurzfristige Investitionsentscheidung“ in der Experimentalgruppe A2B2 ................. 242 Abb. 4.33: Q-Q-Normalverteilungsdiagramm für die AV „kurzfristige Investitionsentscheidung“ in der Experimentalgruppe A2B3 ................. 243 Abb. 4.34: Profil-Diagramme für die AV „Unternehmensbewertung“ ..................... 268 Abb. 4.35: Profil-Diagramme für die AV „kurzfristige Investitionsentscheidung“.. 273 Abb. 4.36: Profil-Diagramme für die AV „langfristige Investitionsentscheidung“ .. 280 Abb. 4.37: Bewertungsrelevanz finanzieller und humankapitalbezogener Indikatoren aus Sicht der Experimentalgruppe A1B2 ............................. 291
Abbildungsverzeichnis
XVII
Abb. 4.38: Bewertungsrelevanz finanzieller und humankapitalbezogener Indikatoren aus Sicht der Experimentalgruppe A1B3 ............................. 292 Abb. 4.39: Bewertungsrelevanz finanzieller und humankapitalbezogener Indikatoren aus Sicht der Experimentalgruppe A2B2 ............................. 293 Abb. 4.40: Bewertungsrelevanz finanzieller und humankapitalbezogener Indikatoren aus Sicht der Experimentalgruppe A2B3 ............................. 295 Abb. 4.41: Prozentuale Gewichtung der Informationsarten in Abhängigkeit des Anlagehorizonts aus Sicht der Experimentalgruppe A1B2 ..................... 298 Abb. 4.42: Entscheidungsrelevanz finanzieller und humankapitalbezogener Indikatoren aus Sicht der Experimentalgruppe A1B2 ............................. 300 Abb. 4.43: Prozentuale Gewichtung der Informationsarten in Abhängigkeit des Anlagehorizonts aus Sicht der Experimentalgruppe A1B3 ..................... 302 Abb. 4.44: Entscheidungsrelevanz finanzieller und humankapitalbezogener Indikatoren aus Sicht der Experimentalgruppe A1B3 ............................. 304 Abb. 4.45: Prozentuale Gewichtung der Informationsarten in Abhängigkeit des Anlagehorizonts aus Sicht der Experimentalgruppe A2B2 ..................... 305 Abb. 4.46: Entscheidungsrelevanz finanzieller und humankapitalbezogener Indikatoren aus Sicht der Experimentalgruppe A2B2 ............................. 306 Abb. 4.47: Prozentuale Gewichtung der Informationsarten in Abhängigkeit des Anlagehorizonts aus Sicht der Experimentalgruppe A2B3 ..................... 308 Abb. 4.48: Entscheidungsrelevanz finanzieller und humankapitalbezogener Indikatoren aus Sicht der Experimentalgruppe A2B3 ............................. 309
Tabellenverzeichnis
XIX
Tabellenverzeichnis Tab. 2.1:
Standard-Einflussfaktoren des Humankapitals nach dem ARBEITSKREIS WISSENSBILANZ ......................................................................................... 45
Tab. 4.1:
Deskriptive Statistiken zum Alter der Vpn.............................................. 184
Tab. 4.2:
Absolute und prozentuale Verteilung der Vpn nach Alter ...................... 185
Tab. 4.3:
Deskriptive Statistiken zum Studiengang der Vpn .................................. 186
Tab. 4.4:
Absolute und prozentuale Verteilung der Vpn nach Studiengängen....... 187
Tab. 4.5:
Absolute und prozentuale Verteilung der Vpn nach Studienschwerpunkten ............................................................................. 189
Tab. 4.6:
Deskriptive Statistiken zur Fachsemesterzahl der Vpn ........................... 190
Tab. 4.7:
Absolute und prozentuale Verteilung der Vpn nach Fachsemestern....... 191
Tab. 4.8:
Deskriptive Statistiken zu den Erfahrungen mit Aktienanlagen ............. 193
Tab. 4.9:
Absolute und prozentuale Verteilung der Vpn in Bezug auf Aktienbesitz ............................................................................................. 194
Tab. 4.10: Absolute und prozentuale Verteilung der Vpn in Bezug auf getätigte Aktieninvestitionen .................................................................................. 196 Tab. 4.11: Absolute und prozentuale Verteilung der Vpn in Bezug auf geplante Aktieninvestitionen .................................................................................. 197 Tab. 4.12: Absolute und prozentuale Verteilung der Vpn in Bezug auf die Investition in Aktienfonds ....................................................................... 198 Tab. 4.13: Deskriptive Statistiken zur Risikofreude der Vpn ................................... 200 Tab. 4.14: Absolute und prozentuale Verteilung der Vpn in Bezug auf Risikofreude bei Geldanlagen ................................................................. 200 Tab. 4.15: Deskriptive Statistiken zum inhaltlichen Interesse der Vpn.................... 202 Tab. 4.16: Absolute und prozentuale Verteilung der Vpn in Bezug auf inhaltliches Interesse ................................................................................................... 203 Tab. 4.17: Deskriptive Statistiken zu Erfahrungen der Vpn in den Bereichen Unternehmensbewertung und Kapitalmarkt ............................................ 205 Tab. 4.18: Deskriptive Statistiken zu Erfahrungen der Vpn in den Bereichen Rechnungslegung und Unternehmenspublizität ...................................... 207 Tab. 4.19: Deskriptive Statistiken zu Erfahrungen der Vpn im Bereich Personalwesen.......................................................................................... 210 Tab. 4.20: Deskriptive Gruppenstatistiken des Manipulation Checks für die Variable „finanzielle Informationen“ ...................................................... 217 Tab. 4.21: T-Test-Ergebnis des Manipulation Checks für die Variable „finanzielle Informationen“ ......................................................................................... 219
XX
Tabellenverzeichnis
Tab. 4.22: K-S-Test und Shapiro-Wilk-Test auf Normalverteilung des Manipulation Checks für die Variable „finanzielle Informationen“ ....... 220 Tab. 4.23: Mann-Whitney-Test des Manipulation Checks für die Variable „finanzielle Informationen“ ..................................................................... 221 Tab. 4.24: Deskriptive Gruppenstatistiken des Manipulation Checks für die Variable „Humankapitalinformationen“.................................................. 223 Tab. 4.25: T-Test-Ergebnis des Manipulation Checks für die Variable „Humankapitalinformationen“ ................................................................ 223 Tab. 4.26: Mann-Whitney-Test des Manipulation Checks für die Variable „finanzielle Informationen“ ..................................................................... 224 Tab. 4.27: Deskriptive Statistiken des Manipulation Checks für den langfristigen Anlagehorizont ........................................................................................ 226 Tab. 4.28: Deskriptive Statistiken des Manipulation Checks für den kurzfristigen Anlagehorizont ........................................................................................ 226 Tab. 4.29: Ergebnisse des K-S-Tests für die AV „Unternehmensbewertung“ (Teil I) ...................................................................................................... 230 Tab. 4.30: Ergebnisse des K-S-Tests für die AV „Unternehmensbewertung“ (Teil II)..................................................................................................... 231 Tab. 4.31: Ergebnisse des K-S-Tests für die AV „langfristige Investitionsentscheidung“ (Teil I) ........................................................... 233 Tab. 4.32: Ergebnisse des K-S-Tests für die AV „langfristige Investitionsentscheidung“ (Teil II) .......................................................... 234 Tab. 4.33: Ergebnisse des K-S-Tests für die AV „kurzfristige Investitionsentscheidung“ (Teil I) ........................................................... 239 Tab. 4.34: Ergebnisse des K-S-Tests für die AV „kurzfristige Investitionsentscheidung“ (Teil II) .......................................................... 240 Tab. 4.35: Ergebnisse des Levene-Tests auf Gleichheit der Fehlervarianzen der abhängigen Variablen .............................................................................. 244 Tab. 4.36: Ergebnisse des Box-Tests auf Gleichheit der Kovarianzenmatrizen der abhängigen Variablen .............................................................................. 245 Tab. 4.37: Zwischensubjektfaktoren der untersuchten Versuchsgruppen ................ 247 Tab. 4.38: Deskriptive Statistiken für die AV „Unternehmensbewertung“ ............. 247 Tab. 4.39: Deskriptive Statistiken für die AV „kurzfristige Investitionsentscheidung“ ........................................................................ 251 Tab. 4.40: Deskriptive Statistiken für die AV „langfristige Investitionsentscheidung“ ........................................................................ 253 Tab. 4.41: Teststatistiken der multivariaten Varianzanalyse .................................... 259
Tabellenverzeichnis
XXI
Tab. 4.42: Teststatistik der univariaten Varianzanalyse für die AV „Unternehmensbewertung“ ..................................................................... 264 Tab. 4.43: Teststatistik der univariaten Varianzanalyse für die AV „kurzfristige Investitionsentscheidung“ ........................................................................ 271 Tab. 4.44: Teststatistik der univariaten Varianzanalyse für die AV „langfristige Investitionsentscheidung“ ........................................................................ 277 Tab. 4.45: Post-hoc-Tests für die UV „Finanzielle Informationen“ ......................... 285 Tab. 4.46: Post-hoc-Tests für die UV „Humankapitalinformationen“ ..................... 287 Tab. 4.47: Ergebnisse des T-Tests für die Gewichtung der Informationsarten im Vergleich der Anlagehorizonte (Experimentalgruppe A1B2) ................. 299 Tab. 4.48: Ergebnisse des T-Tests für die Entscheidungsrelevanz der Humankapitalindikatoren im Vergleich der Anlagehorizonte (Experimentalgruppe A1B2) ................................................................... 301 Tab. 4.49: Ergebnisse des T-Tests für die Gewichtung der Informationsarten im Vergleich der Anlagehorizonte (Experimentalgruppe A1B3) ................. 302 Tab. 4.50: Ergebnisse des T-Tests für die Entscheidungsrelevanz der Humankapitalindikatoren im Vergleich der Anlagehorizonte (Experimentalgruppe A1B3) ................................................................... 304 Tab. 4.51: Ergebnisse des T-Tests für die Gewichtung der Informationsarten im Vergleich der Anlagehorizonte (Experimentalgruppe A2B2) ................. 306 Tab. 4.52: Ergebnisse des T-Tests für die Entscheidungsrelevanz der Humankapitalindikatoren im Vergleich der Anlagehorizonte (Experimentalgruppe A2B2) ................................................................... 307 Tab. 4.53: Ergebnisse des T-Tests für die Gewichtung der Informationsarten im Vergleich der Anlagehorizonte (Experimentalgruppe A2B3) ................. 308 Tab. 4.54: Ergebnisse des T-Tests für die Entscheidungsrelevanz der Humankapitalindikatoren im Vergleich der Anlagehorizonte (Experimentalgruppe A2B3) ................................................................... 310
Abkürzungsverzeichnis
XXIII
Abkürzungsverzeichnis Abb.
Abbildung
ABl.
Amtsblatt
a. F.
alte Fassung
AG
Aktiengesellschaft
ANCOVA
Analysis of Covariance
Anm. d. Verf.
Anmerkung des Verfassers
ANOVA
Analysis of Variance
Aufl.
Auflage
AV
Abhängige Variable
BGBl.
Bundesgesetzblatt
BilMoG
Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz
BilReG
Bilanzrechtsreformgesetz
BMWA
Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit
BMWI
Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie
bspw.
beispielsweise
BT-Drs.
Bundestagsdrucksache
BWL
Betriebswirtschaftslehre
bzw.
beziehungsweise
CF
Cash flow
DAX
Deutscher Aktienindex
d. h.
das heißt
Dipl.-Kff.
Diplom-Kauffrau
Dr.
Doktor
DRÄS
Deutscher Rechnungslegungs Änderungsstandard
Dr. rer. pol.
Doktor der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften
DRS
Deutscher Rechnungslegungs Standard
DRSC
Deutsches Rechnungslegungs Standards Commitee
E-Business
Electronic Business
XXIV
ED
Abkürzungsverzeichnis
Exposure Draft
E-Mail
Electronic Mail
engl.
englisch
EPS
Earnings per share
Erg. d. Verf.
Ergänzung des Verfassers
et al.
et alii
e. V.
eingetragener Verein
f.
folgende
FACT
Finance, Auditing, Controlling and Taxation
FASB
Financial Accounting Standards Board
ff.
fortfolgende
Fn.
Fußnote
gem.
gemäß
ggf.
gegebenenfalls
GuV
Gewinn- und Verlustrechnung
H
Hypothese
H0
Nullhypothese
HGB
Handelsgesetzbuch
Hrsg.
Herausgeber
IAS
International Accounting Standard(s)
IASB
International Accounting Standards Board
IBS
International Business Studies
IBWL
Internationale Betriebswirtschaftslehre
i. d. R.
in der Regel
i. e. S.
im engeren Sinne
IFRS
International Financial Accounting Standard(s)
IT
Informationstechnologie
i. V. m.
in Verbindung mit
IVWL
Internationale Volkswirtschaftslehre
Abkürzungsverzeichnis
XXV
JDM
Judgment and Decision Making
Jg.
Jahrgang
KMU
Kleine und mittelständische Unternehmen
K-S-Test
Kolmogorov-Smirnov-Test
MA
Mitarbeiter
MANCOVA
Multivariate Analysis of Covariance
MANOVA
Multivariate Analysis of Variance
Max.
Maximum
MC
Management Commentary
Mgmt.
Management
Min.
Minimum
n. F.
neue Fassung
PASW
Predictive Analytics Software
Prof.
Professor
PublG
Publizitätsgesetz
Q-Q-Diagramm
Quantil-Quantil-Diagramm (Normalverteilungsdiagramm)
QQS
Qualität, Quantität und Systematik
RGBl.
Reichsgesetzblatt
s.
siehe
S.
Seite
Sig.
Signifikanz
sog.
sogenannt / sogenannte / sogenannter
SoWi
Sozialwissenschaften
SozÖk
Sozialökonomik
SPSS
Statistical Package for the Social Sciences
Tab.
Tabelle
XXVI
Abkürzungsverzeichnis
u. a.
unter anderem / unter anderen
UV
Unabhängige Variable
Vgl.
Vergleiche
Vl
Versuchsleiter
Vpn
Versuchspersonen
vs.
versus
VWL
Volkswirtschaftslehre
WACC
Weighted Average Cost of Capital
WiInf
Wirtschaftsinformatik
WiMath
Wirtschaftsmathematik
WING
Wirtschaftsingenieurwesen
WiPäd
Wirtschaftspädagogik
WiWi
Wirtschaftswissenschaften
z. B.
zum Beispiel
Symbolverzeichnis
XXVII
Symbolverzeichnis *
signifikanter Effekt (Signifikanzniveau: 5 %)
D
Signifikanzniveau
D*
empirisches Signifikanzniveau
p²
Partielles Eta-Quadrat (Effektstärkemaß)
a b c df F G M N O p R R² s s² Sig. SSA
Pfadkoeffizient a Pfadkoeffizient b Pfadkoeffizient c Freiheitsgrade F-Wert (Prüfwert der Varianzanalyse) Experimentalgruppe Mediatorvariable Stichprobenumfang / Anzahl der Beobachtungswerte Beobachtung (engl.: observation) Irrtumswahrscheinlichkeit (engl.: probability) Randomisierte Versuchsgruppe Bestimmtheitsmaß Standardabweichung Varianz Signifikanz Streuung durch Faktor A
SSA u B
Streuung durch Wechselwirkung der Faktoren A und B
SSb
Summe der quadrierten Abweichungen zwischen den Gruppen
SSB SSw
(engl.: sum of squares between groups) Streuung durch Faktor B Summe der quadrierten Abweichungen innerhalb der Gruppen
SSt
(engl.: sum of squares within groups) Summe der quadrierten Gesamtabweichungen (engl.: total sum of
T U W X
squares) T-Wert (Prüfwert des T-Tests) Mann-Whitney-U (Prüfwert des Mann-Whitney-U-Tests) Wilcoxon-W (Prüfwert des Wilcoxon-Tests) Experimenteller Stimulus
XXVIII
Y Z
Symbolverzeichnis
Experimenteller Stimulus (bei zweifaktoriellem Design) Z-Wert
1
1 Einleitung Eine Themeneinführung bedingt zunächst die Beschreibung der Ausgangssituation, aus der sich die Relevanz des zu untersuchenden Forschungsobjektes ableiten lässt (Abschnitt 1.1). Auf dieser Basis werden nachfolgend Zielsetzungen für die vorliegende Arbeit herausgearbeitet (Abschnitt 1.2) und anschließend der Gang der Untersuchung (Abschnitt 1.3) beschrieben.
1.1 Ausgangssituation und Relevanz des Themas In den letzten Jahren hat die Thematik der Erfassung, Steuerung, Bewertung sowie Berichterstattung des Intellektuellen Kapitals vor dem Hintergrund der Entwicklung von einer Industrie- zu einer Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft verstärkt Eingang in die betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis gefunden.1 Mit diesem Wandel geht die Erkenntnis einher, dass traditionelle Produktionsfaktoren wie Anlagen und Finanzkapital für die Erzielung von Wettbewerbsvorteilen zunehmend an Bedeutung verlieren. Vielmehr stellt das in Unternehmen vorhandene intellektuelle Kapital, welches sich beispielsweise in der Markenreputation, Produktinnovationen oder dem Wissen der Mitarbeiter konkretisiert, zunehmend einen entscheidenden Erfolgsfaktor für den Aufbau und Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen dar.2 Dem Humankapital als einer Komponente des intellektuellen Kapitals wird in diesem Kontext eine bedeutende Stellung eingeräumt.3 Durch handelsgesetzliche Regelungen werden im (Konzern-)Lagebericht unter anderem nicht-finanzielle Informationen über Arbeitnehmerbelange, d. h. über Aspekte des Humankapitals gefordert, „soweit sie für das Verständnis des Geschäftsverlaufs oder der Lage von Bedeutung sind.“4 Eine
1
Vgl. bspw. GÜNTHER, T. (2001), S. 53; SCHÜTTE, M. (2005), S. 240; HALLER, A./DIETRICH, R. (2001), S. 1046; DÜRNDORFER, M. (2004), S. 120.
2
Vgl. DÜRNDORFER, M. (2004), S. 120; BUKH, P. N. et al. (2005), S. 714; ABHAYAWANSA, S./ABEYSEKERA, I. (2009), S. 294; FREY, H./OEHLER, A. (2009), S. 316.
3
Vgl. u. a. SCHÜTTE, M. (2005), S. 240.
4
§ 289 Abs. 3 HGB (für große Kapitalgesellschaften gemäß § 267 Abs. 3 HGB), § 315 Abs. 1 HGB (für Konzerne); Vgl. diesbezüglich auch FISCHER, T. M./KLÖPFER, E. (2005), S. 2704.
J. Sterzel, Bewertungs- und Entscheidungsrelevanz der Humankapitalberichterstattung, DOI 10.1007/978-3-8349-6205-8_1, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
2
Einleitung
Konkretisierung erfährt die Berichterstattung über diese nicht-finanziellen Leistungsindikatoren durch die Regelungen des DRS 15 „Lageberichterstattung“.5 Durch diese Publizitätsnormen wird ein Beitrag zur Schließung der Informationslücke zwischen Unternehmensleitung und Adressaten der Berichterstattung geleistet.6 Diese ergibt sich daraus, dass allein durch die traditionelle finanzielle Berichterstattung in Form des Jahresabschlusses aufgrund der inadäquaten Abbildung von immateriellen Werttreibern, wie z. B. Humankapital, den Anspruchsgruppen entscheidungsnützliche Informationen nur unvollständig zur Verfügung gestellt werden.7 Daraus entsteht die Forderung der Investoren nach einer umfassenderen Publizität nicht-finanzieller Informationen. Denn nur eine integrierte Berichterstattung über das vorhandene bilanzielle (Rein-)Vermögen und die zukünftigen Wertsteigerungspotentiale des Unternehmens, die sich unter anderem durch das betriebliche Humankapital ergeben, ermöglicht den Investoren eine umfassende Bewertung des Unternehmens und letztlich eine adäquate Beurteilung der Rendite ihrer Investition. Insofern trägt die Lageberichterstattung bedeutend zur Annäherung der Einschätzungen des Unternehmenswerts durch die Unternehmensleitung auf der einen Seite und den Kapitalmarkt auf der anderen Seite, sowie zur Reduktion der Informationsasymmetrien bei.8 Damit einher geht aus Investorenperspektive die Forderung nach verlässlichen und für ihre Ziele relevanten Informationen, die auch die Bestandteile des intellektuellen Kapitals umfassen.9
5
Vgl. auch FISCHER, T. M./KLÖPFER, E. (2005), S. 2705. Gemäß DRS 15.1 konkretisiert der Standard „die Anforderungen an die Lageberichterstattung von Konzernen nach § 315 HGB“ und ist somit für Mutterunternehmen, die einen Konzernlagebericht aufzustellen haben oder freiwillig aufstellen, verpflichtend anzuwenden (DRS 15.4). Eine Anwendung auf den Lagebericht gemäß § 289 HGB wird entsprechend empfohlen (DRS 15.5).
6
Vgl. WENZEL, J. (2005), S. 110; DRS 15.3.
7
Vgl. ABHAYAWANSA, S./ABEYSEKERA, I. (2009), S. 294f.; BUKH, P. N. et al. (2005), S. 714; LEE, L. L./GUTHRIE, J. (2010), S. 8.
8
Vgl. DRS 15.3; PELLENS, B./HILLEBRANDT, F./TOMASZEWSKI, C. (2000), S. 178ff.; HEUMANN, R. (2006), S. 262f.; SCHMEISSER, W. (2007), S. 14. Vgl. allgemein zum Abbau von Informationsasymmetrien durch die Rechnungslegung bzw. durch Maßnahmen der Investor Relations BAETGE, J. et al. (2010), S. 68; BASSEN, A./BASSE MAMA, H./RAMAJ, H. (2010), S. 50.
9
Vgl. BUKH, P. N. (2003), S. 50; GARCÍA-MECA, E. (2005), S. 427; HEUMANN, R. (2006), S. 263; GHOSH, D./WU, A. (2007), S. 217; AX, C./MARTON, J. (2008), S. 434.
Zielsetzung der Arbeit
3
Die zentrale Komponente des intellektuellen Kapitals bildet das Humankapital.10 Das darin verkörperte Wissen, Können und die Ideen der Mitarbeiter sichern die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und wirken sich als zukunftsbezogene Erfolgspotentiale auf den Unternehmenswert aus.11 Eine Berichterstattung über diesen Werttreiber ermöglicht Investoren daher eine präzisere Unternehmensbewertung, die wiederum die Grundlage für die nachfolgende Investitionsentscheidung bildet.
1.2 Zielsetzung der Arbeit Das übergeordnete Forschungsziel der vorliegenden Arbeit liegt in der empirischen Untersuchung der Bewertungs- und Entscheidungsrelevanz der Humankapitalberichterstattung aus der Perspektive privater Anleger. Unter Bewertungsrelevanz ist zu verstehen, ob und inwiefern ein Einbezug von Humankapitalinformationen in die Unternehmensbewertung erfolgt. Demgegenüber zielt die Entscheidungsrelevanz auf die Bedeutung der Humankapitalberichterstattung für von Privatinvestoren zu treffende Anlageentscheidungen ab. Aus dem übergeordneten Forschungsziel lassen sich im Detail die folgenden Zielsetzungen ableiten: Das erste Ziel der Arbeit besteht darin, einen geeigneten theoretischen Bezugsrahmen für die empirische Untersuchung zu konzipieren. In diesem Zusammenhang ist es notwendig, die Bedeutung von Humankapital als Werttreiber aufzuzeigen und Ansatzpunkte für die Berücksichtigung von Humankapitalinformationen in der externen Unternehmensberichterstattung zu identifizieren. Ausgehend von der Erarbeitung der Kriterien der Bewertungs- und Entscheidungsrelevanz aus theoretischer Perspektive mündet dies in der Ableitung von zu prüfenden Hypothesen und der Konzeption eines geeigneten Forschungsmodells.
10
Vgl. EDVINSSON, L./MALONE, M. S. (1997), S. 35, 43.
11
Vgl. EDVINSSON, L./MALONE, M. S. (1997), S. 11; ABHAYAWANSA, S./ABEYSEKERA, I. (2008), S. 51f.; AX, C./MARTON, J. (2008), S. 434; COENENBERG, A. G./HALLER, A./SCHULTZE, W. (2009), S. 1180f.
4
Einleitung
Die zweite wesentliche Zielsetzung liegt in der empirischen Überprüfung des im Rahmen der Hypothesenbildung postulierten Zusammenhangs, ob, und wenn ja, in welchem Ausmaß zusätzlich zur Finanzberichterstattung verfügbare Informationen über das betriebliche Humankapital die aus der Perspektive privater Anleger vorgenommene Bewertung eines Unternehmens beeinflussen. In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu analysieren, wie sich die Bewertungsurteile privater Anleger verändern, wenn die publizierten finanziellen Informationen sowie die ergänzenden Humankapitalinformationen jeweils differierende Performanceniveaus (positive vs. negative Entwicklung) indizieren. Drittens wird in Analogie zur vorhergehenden Zielsetzung untersucht, ob, und wenn ja, in welchem Ausmaß Privatinvestoren neben der Finanzberichterstattung zusätzlich verfügbare Informationen über das betriebliche Humankapital in ihre Entscheidungsfindung im Hinblick auf eine mögliche Investition in Aktien eines Unternehmens einbeziehen. Da eine unterschiedliche Entscheidungsrelevanz der Humankapitalberichterstattung in Abhängigkeit von der Länge des gewählten Anlagehorizonts vermutet wird, erfolgt die Untersuchung des Entscheidungsverhaltens von Privatinvestoren im Hinblick auf Investitionsentscheidungen jeweils getrennt für einen kurzfristigen und einen langfristigen Investitionshorizont. Hierbei wird im Einzelnen untersucht, welche unterschiedlichen Effekte sich durch eine Kombination differierender Leistungsniveaus (positive vs. negative Entwicklung) der finanziellen und humankapitalbezogenen Berichtselemente ergeben. Ein viertes wesentliches Ziel der Untersuchung besteht in der vergleichenden Analyse von Einschätzungen der Befragten im Hinblick auf die Relevanz von Humankapitalinformationen für Bewertungs- und Investitionsentscheidungen und deren tatsächlich beobachtetem Verhalten in Entscheidungssituationen. Zum einen soll hiermit erhoben werden, ob Informationen, die im Rahmen einer Einschätzungsabfrage als relevant erachtet werden, auch tatsächlich anlässlich der Investitionsentscheidungen einbezogen werden oder ob im Umkehrschluss möglicherweise Differenzen zwischen Einstellungen und beobachtetem Verhalten bestehen. Ein mit dieser zusätzlichen Erhebung verbundenes, weiteres Ziel liegt zudem darin, Aufschluss über die Bewertungs- und Entscheidungsrelevanz einzelner humankapitalbezogener Indikatoren zu erhalten, während diese Einzelindikatoren anlässlich der Untersuchung des beobachteten Anlageverhaltens zunächst nur in ihrer Gesamtheit als Humankapitalinformationen betrachtet werden.
Gang der Untersuchung
5
1.3 Gang der Untersuchung Die vorliegende Untersuchung orientiert sich an dem typischen Ablauf eines empirischen Forschungsprozesses (vgl. Abb. 1.1), welcher nachfolgend zunächst allgemein vorgestellt werden soll. Demnach erfolgt ausgehend von einer theoretischen Fundierung des Forschungsfeldes die Ableitung von Hypothesen, welche es empirisch zu prüfen gilt. Als Voraussetzung dafür ist es erforderlich, die postulierten Hypothesen in Form empirisch überprüfbarer Sachverhalte zu formulieren. An diesen Schritt, mit dem die Bildung des theoretischen Bezugsrahmens zunächst abgeschlossen ist, schließt sich die Planung der durchzuführenden Untersuchung an. In diesem Zusammenhang muss zunächst eine für die Ziele des Forschungsvorhabens geeignete Forschungsmethodik ausgewählt und entsprechend auf das Untersuchungsziel angepasst werden. Im nachfolgenden Prozessschritt schließen sich die Durchführung der Untersuchung sowie die damit einhergehende Datenerhebung an. Nach Abschluss der Datenerhebung gilt es, die Daten entsprechend zu erfassen. Zu diesem Zweck erfolgt der Einsatz von statistischer Software. Die sich anschließende statistische Datenauswertung setzt zunächst die Auswahl geeigneter Verfahren der Inferenzstatistik voraus. Die Entscheidung für eine spezifische Auswertungsmethodik bzw. für anzuwendende Signifikanztests ist im Wesentlichen durch das vorliegende Datenniveau determiniert. Im Anschluss an die Datenauswertung erfolgt abschließend eine Analyse und Interpretation der Ergebnisse. Theorie (aus Alltagswissen oder Erfahrung)
Hypothesen
Umformung der Hypothesen in empirisch prüfbare Sachverhalte
Planung der Untersuchung
Durchführung der Untersuchung
Datenerhebung
Datenerfassung
Statistische Datenanalyse Interpretation der Analyseergebnisse
Abb. 1.1: Ablauf eines empirischen Forschungsprozesses (Quelle: KÄHLER, W.-M. (2002), S. 4)
6
Einleitung
Der Gang der vorliegenden Untersuchung gestaltet sich konkret wie folgt: Im Anschluss an die Einführung (Kapitel 1), welche die Relevanz des Themas, die Zielsetzungen sowie den Gang der Untersuchung aufzeigt, werden in Kapitel 2 grundlegende Ausführungen zu der Thematik des Humankapitals und der Humankapitalberichterstattung vorgenommen. Ausgehend von einer Begriffsabgrenzung und Einordnung des Themenfelds Humankapital wird erläutert, inwiefern sich Humankapital in den Kontext des intellektuellen Kapitals einordnen lässt. Da in diesem Zusammenhang die Kommunikation von Informationen über das betriebliche Humankapital an die Rechnungslegungsadressaten als relevant identifiziert wird, erfolgt daran anknüpfend die Analyse von Normen und Konzepten für die Bilanzierung und Berichterstattung von Humankapital im Rahmen der externen Rechnungslegung. Dabei erfolgt eine Unterscheidung der Bilanzierungs- und Berichterstattungsvorschriften nach HGB und DRS sowie nach internationalen Rechnungslegungsvorschriften (IFRS). In diesem Zusammenhang wird insbesondere die Einbettung von Humankapitalinformationen in die Lageberichterstattung in den Fokus der Betrachtung gestellt. Kapitel 3 ist der Erarbeitung eines Bezugsrahmens für die empirische Studie gewidmet. Dabei erfolgt zum einen die Analyse der Bewertungsrelevanz der Humankapitalberichterstattung. Zunächst wird der Begriff der Bewertungsrelevanz definiert. Es schließt sich eine Darstellung der grundlegenden Zwecke von Unternehmensbewertungen an. In diesem Kontext wird gezeigt, dass Unternehmensbewertungen stets zweckbezogen erfolgen und als Basis für die Fundierung von Entscheidungen dienen. In einem weiteren Abschnitt erfolgt die Darstellung von Bestimmungsfaktoren des Unternehmenswerts. Daran anknüpfend wird ein besonderer Fokus auf das Humankapital als einer der Bestimmungsfaktoren von Unternehmenswerten gelegt. Im Anschluss an die Analyse der Bewertungsrelevanz wird die Relevanz der Humankapitalberichterstattung für Entscheidungen von Rechnungslegungsadressaten, insbesondere Kapitalmarktteilnehmern, näher beleuchtet. Nach einer einführenden Begriffsklärung der Entscheidungsrelevanz erfolgt eine Analyse der Entscheidungsrelevanz im Kontext von Kapitalanlageentscheidungen. Ausgehend von diesen theoretischen Vorüberlegungen werden im Anschluss ausgewählte empirische Befunde zur Entscheidungsrelevanz von Humankapitalinformationen vorgestellt, welche als Anknüpfungspunkt für die Gestaltung der empirischen Untersuchung dienen sollen. Im dritten Unterabschnitt des Kapitels wird schließlich der Bezugsrahmen für die empirische Analyse aufgespannt. Zu diesem Zweck erfolgt zunächst eine Aufarbeitung des Forschungsfelds Be-
Gang der Untersuchung
7
havioral Accounting, in welches sich die vorliegende Arbeit thematisch einordnen lässt. Ausgehend von dieser theoretischen Bezugsbasis erfolgt anschließend die Erarbeitung eines integrierten Judgment and Decision Making (JDM)-Forschungsansatzes, welcher das grundlegende Konzept für die Erarbeitung des Forschungsdesigns darstellt. Im sich anschließenden Abschnitt wird die ausgewählte Untersuchungsgruppe der Privatanleger näher spezifiziert. Dabei erfolgt eine Aufarbeitung charakteristischer Merkmale von Privatanlegern, die es bei der Gestaltung und Konzeption der empirischen Untersuchung zu berücksichtigen gilt. Der letzte Abschnitt in diesem Kapitel widmet sich der Ableitung von Hypothesen, die nachfolgend im Rahmen der empirischen Untersuchung zu prüfen sind. Entsprechend der Trennung zwischen Bewertungsrelevanz und Entscheidungsrelevanz der Humankapitalberichterstattung werden Hypothesen zur Bewertungs- und Entscheidungsrelevanz voneinander unterschieden. Die empirische Analyse zur Bewertungs- und Entscheidungsrelevanz der Humankapitalberichterstattung wird aufbauend auf dem konzipierten Bezugsrahmen in Kapitel 4 vorgestellt. Zunächst werden die konkreten Zielsetzungen, welche mit der Untersuchung verbunden sind, formuliert. Anschließend werden theoriegeleitet die methodischen Grundlagen des anzuwendenden experimentellen Forschungsdesigns erörtert. In diesem Zusammenhang wird detailliert auf methodische und versuchsplanerische Prämissen experimenteller Forschung eingegangen, da diese die Validität und letztlich die Generalisierbarkeit der erzielten Ergebnisse wesentlich determinieren und daher als entscheidende Voraussetzung für das Gelingen der Untersuchung gelten. Anschließend werden die Ausgestaltung und die Inhalte der konzipierten Studie detailliert ausgearbeitet. In diesem Zusammenhang wird neben der Konzeption des Forschungsinstruments und der Operationalisierung der eingesetzten Variablen ausführlich auf die anlässlich der Planung und Durchführung der Studie angewandten Methoden zur Kontrolle von Störfaktoren eingegangen. Die Kontrolle störender Einflüsse ist eine unabdingbare Voraussetzung dafür, dass aus den erzielten Ergebnissen letztlich Kausalzusammenhänge abgeleitet werden können. An die Darstellung der Ausgestaltung der Studie schließt sich die umfassende Auswertung und Analyse der Ergebnisse an. Neben Auswertungen zu personenbezogenen Merkmalen der Stichprobe und deskriptiven Auswertungen steht die Aufarbeitung und Analyse der Ergebnisse aus der multivariaten und univariaten Varianzanalyse im Mittelpunkt. Das Kapitel schließt mit einer zusammenfassenden Darstellung der Ergebnisse sowie deren Implikationen für For-
8
Einleitung
schung und Praxis. In diesem Zusammenhang wird auch kritisch auf die Limitationen der Untersuchung eingegangen. Die Arbeit schließt in Kapitel 5 mit einer zusammenfassenden Schlussbemerkung. Der Gang der vorliegenden Untersuchung wird in Abb. 1.2 überblicksartig systematisiert. 1 Einführung 1.1 Ausgangssituation und Relevanz des Themas 1.2 Zielsetzung der Arbeit 1.3 Gang der Untersuchung
2 Humankapital und Humankapitalberichterstattung
3 Bewertungs- und Entscheidungsrelevanz als theoretischer Bezugsrahmen
2.1 Definitionen und Begriffsverständnis von Humankapital 2.2 Humankapital als Bestandteil des Intellektuellen Kapitals 2.3 Normen und Konzepte für die Humankapitalberichterstattung
3.1 Bewertungsrelevanz von Humankapitalinformationen 3.2 Entscheidungsrelevanz von Humankapitalinformationen 3.3 Bezugsrahmen für die empirische Studie und Ableitung von Hypothesen
4 Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5
Zielsetzungen der Untersuchung Methodische Grundlagen Ausgestaltung und Inhalte der empirischen Untersuchung Darstellung und Analyse der Ergebnisse Zusammenfassung und Würdigung der empirischen Befunde
5 Schlussbemerkung
Abb. 1.2: Gang der Untersuchung (Quelle: Eigene Darstellung)
9
2 Humankapital und Humankapitalberichterstattung Der vorliegende Abschnitt dient zum einen der Erarbeitung eines grundlegenden Begriffsverständnisses für das Humankapital (Abschnitt 2.1). In diesem Zusammenhang wird weiterhin aufgezeigt, wie sich Humankapital in den Kontext des intellektuellen Kapitals eingliedert (Abschnitt 2.2). Zum anderen werden in Abschnitt 2.3 Ansätze diskutiert, inwiefern eine Abbildung des Humankapitals innerhalb des Jahresabschlusses und des Lageberichts erfolgen kann.
2.1 Definitionen und Begriffsverständnis des Humankapitals Bislang existiert in der einschlägigen Literatur keine einheitliche und allgemein anerkannte Definition für Humankapital12. Stattdessen erfolgt dessen inhaltliche Abgrenzung überwiegend durch eine deskriptive Aufzählung einzelner Bestandteile, wie beispielsweise Wissen, Fähigkeiten, Motivation und Qualifikation der Mitarbeiter eines Unternehmens. Es bestehen daneben terminologische Unterschiede, sodass für „Humankapital“ beispielsweise die Begriffe „Humanvermögen“ oder „Human Assets“ weitgehend synonym verwendet werden.13 Nachfolgend sollen stellvertretend einige Definitionsansätze herausgegriffen werden, um die Bandbreite der vorherrschenden Konzeptualisierungen aufzuzeigen. Gemäß dem ARBEITSKREIS „IMMATERIELLE WERTE IM RECHNUNGSWESEN“ DER SCHMALENBACH-GESELLSCHAFT FÜR BETRIEBSWIRTSCHAFT E. V. umfasst das Humankapital „die immateriellen Werte im Personalbereich. Hierzu zählen das im Personal und Management inhärente Wissen (z. B. Ausbildung und Experten-know-how der Mitarbeiter), deren Kompetenz (z. B. Führungsqualität) sowie sonstige immaterielle Werte im Personalbereich, wie etwa ein gutes Betriebsklima oder eine KnowledgeDatenbank.“14
12
Zu dieser Feststellung kommen u. a. auch LENGNICK-HALL, M. L./LENGNICK-HALL, C. A. (2002), S. 45; SCHÄFER, H./LINDENMAIER, P. (2004), S. 13.
13
Vgl. u. a. SCHÄFER, H./LINDENMAIER, P. (2004), S. 13.
14
ARBEITSKREIS "IMMATERIELLE WERTE IM RECHNUNGSWESEN" DER SCHMALENBACH GESELLSCHAFT FÜR BETRIEBSWIRTSCHAFT E. V. (2001), S. 990.
J. Sterzel, Bewertungs- und Entscheidungsrelevanz der Humankapitalberichterstattung, DOI 10.1007/978-3-8349-6205-8_2, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
10
Humankapital und Humankapitalberichterstattung
EDVINSSON und BRÜNIG verstehen Humankapital als „das gesamte [vorhandene sowie bereits genutzte, Erg. d. Verf.] geistige und körperliche Potenzial der Mitarbeiter eines Unternehmens“15 und subsumieren unter diesem Begriff alle individuellen Fähigkeiten und Erfahrungen der Mitarbeiter einer Unternehmung, erweitert durch die der Organisation inhärente Kreativität und Innovationskraft als Zukunftskomponenten. Auf den Potentialcharakter stützt sich auch die Definition nach SCHÜTTE, der Humankapital als das Wertschöpfungspotential der Mitarbeiter beschreibt, das in ihren „Kompetenzen, Einstellungen und Verhaltensweisen [liegt; Erg. d. Verf.] wie z. B. ihr Wissen, ihre Erfahrung, Motivation (…) oder auch Führungsfähigkeiten.“16 Eine eher allgemeine Definition liefern GIERLINGER ET AL., wonach sich Humankapital aus den „Fähigkeiten, Erfahrungen, Wissen und Kompetenzen jedes einzelnen Unternehmensmitgliedes“17 zusammensetzt. In der Definition von DAUM umfasst Humankapital das Wissen, die Erfahrungen, Kompetenzen und Fähigkeiten der Angestellten und Manager eines Unternehmens, durch welche ein Mehrwert für die Stakeholder geschaffen werden kann.18 Der ARBEITSKREIS WISSENSBILANZ bezeichnet Humankapital als „Oberbegriff für Kompetenzen, Fertigkeiten und Verhaltensweisen der einzelnen Mitarbeiter. Das Humankapital einer Organisation umfasst alle Eigenschaften und Fähigkeiten, die die einzelnen Mitarbeiter in die Organisation einbringen. Es ist im Besitz des Mitarbeiters und verlässt mit ihm die Organisation.“19 DAVENPORT beschreibt das eingesetzte Humankapital jedes Mitarbeiters mittels einer formalen Gleichung („Human Capital Equation“). Demnach ergibt sich das vom Mitarbeiter einzubringende Humankapital („Human Capital Investment“20) aus der Sum-
15
EDVINSSON, L./BRÜNIG, G. (2000), S. 28.
16
SCHÜTTE, M. (2005), S. 241.
17
GIERLINGER, P. et al. (2003), S. 37.
18
Vgl. DAUM, J. H. (2002), S. 34.
19
ARBEITSKREIS WISSENSBILANZ (2008), S. 18.
20
Unter „Human Capital Investment“ wird hier die Investition verstanden, die ein Mitarbeiter in den Aufbau seines individuellen Humankapitals einbringt. Dies ist zu unterscheiden von den Investitionen, die ein Unternehmen z. B. durch Weiterbildungs- und Schulungsmaßnahmen in seinen Humankapitalbestand tätigt.
Definitionen und Begriffsverständnis des Humankapitals
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me der individuellen Fähigkeiten („Ability“) und des Verhaltens („Behavior“), multipliziert mit den Faktoren Anstrengung („Effort“) und der aufgebrachten Zeit („Time“). Dabei beinhaltet „Ability“ die drei Unterkomponenten Wissen, Fertigkeiten und Begabung.21 Die vorgestellten Definitionsansätze haben gemeinsam, dass Humankapital überwiegend anhand von allgemeinen Begriffen wie Wissen, Erfahrungen, Kompetenzen und Fähigkeiten umschrieben wird. Dabei ist zu beachten, dass nur diejenigen individuellen Fähigkeiten, Erfahrungen und Kompetenzen im Humankapital eines Unternehmens ökonomisch verwertbar sind, welche für die betriebliche Wertschöpfung von Bedeutung sind und potentiell einen Mehrwert für das Unternehmen und seine Stakeholder stiften. Nicht zur Wertschaffung beitragende Fähigkeiten, Erfahrungen oder Kompetenzen der einzelnen Mitarbeiter sind zwar den Humanressourcen, jedoch nicht dem Humankapital zuzuordnen.22 Darüber hinaus ist festzuhalten, dass sich das Humankapital nicht nur auf Investitionen eines Unternehmens in das Wissenskapital der Mitarbeiter gründet, sondern gleichermaßen auf „den weit greifenden Bereich der privaten und öffentlichen vorberuflichen Bildung“.23 Der dem Humankapital eines Unternehmens zugehörige Wissens- und Erfahrungsschatz der Mitarbeiter ist jedoch nicht ausschließlich unternehmensgebunden. Nach dem jeweiligen Bezugsrahmen kann das Humankapital durch drei Komponenten klassifiziert werden: Allgemeines, unternehmensspezifisches und branchenspezifisches 21
DAVENPORT definiert Humankapital im Vergleich zu den anderen aufgeführten Autoren nicht aus der Unternehmensperspektive, sondern aus der Sicht des Individuums. Er sieht Angestellte als Investoren an („Worker-Investor“), welche durch gezielten Einsatz und Aufbau der einzelnen genannten Komponenten einen persönlichen Humankapitalwert generieren. Die Ermittlung dieses Human Capital Investment erfolgt multiplikativ, um einerseits der hohen Bedeutung von Anstrengungen sowie der zeitlichen Komponente Rechnung zu tragen. Andererseits ist durch diese multiplikative Beziehung zwischen den einzelnen Elementen gewährleistet, dass ein hoher Wert eines Faktors einen niedrigen Wert eines anderen Faktors nicht kompensieren kann. Vgl. DAVENPORT, T. O. (1999), S. 19ff.
22
Vgl. zu dieser von vielen Autoren vernachlässigten Einschränkung DAUM, J. H. (2002), S. 34. Zur Wertschaffung beitragende Kompetenzen sind jedoch nicht immer klar abgrenzbar. So können selbst individuelle Fähigkeiten dem Humankapital eines Unternehmens zugeordnet werden, welche keinen direkten Bezug zu dem Aufgabengebiet des jeweiligen Mitarbeiters haben. „(…) an employee’s music skills may not be typically considered as directly relevant to effective job performance for many jobs. (…) Developing musical skills (…) may allow an employee to design more creative solutions to a problem, or may develop a habit of disciplined rehearsal“. LENGNICKHALL, M. L./LENGNICK-HALL, C. A. (2002), S. 47.
23
BECKER, M. (2009), S. 188.
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Humankapital und Humankapitalberichterstattung
Humankapital. Diese Unterteilung entspricht einer volkswirtschaftlichen Sichtweise der Humankapital-Theorie. Zu den allgemeinen Kompetenzen zählen Inhalte der formellen Ausbildung (wie z. B. Lesen und Schreiben) sowie selbsterlernte Fähigkeiten und Verhaltensweisen. Diese sind nicht nur für das den Mitarbeiter beschäftigende Unternehmen von grundlegender Bedeutung, sondern können bei nahezu allen anderen Arbeitgebern Verwendung finden.24 Unternehmensspezifisches Humankapital beinhaltet dagegen ausschließlich diejenige Kompetenz- und Wissensbasis, welche in direktem Zusammenhang mit dem Unternehmen steht, in welchem diese aufgebaut wurde. Hierunter fallen z. B. Anwenderkenntnisse einer firmeneigenen Software oder Knowhow bezüglich eines speziellen Produkts. Ein aus dem Unternehmen ausscheidender Mitarbeiter wird derartige spezielle unternehmensspezifische Fähigkeiten in einer anderen Organisation nicht oder nur bedingt einsetzen können. „Zentrales Ziel ist es [hierbei, Erg. d. Verf.], die Arbeitsproduktivität des Mitarbeiters in der konkreten Arbeitssituation zu steigern.“25 Derartige Spezialkenntnisse sind oft die Basis von Wettbewerbsvorteilen und werden vereinzelt schließlich in Form eines Patents oder Urheberrechts kodifiziert. Dagegen lassen sich bestimmte Kenntnisse der Mitarbeiter, wie z. B. technisches Fachvokabular, branchenweit einsetzen. In diesem Fall spricht man von branchenspezifischen Kompetenzen26. Wird ein Mitarbeiter mit diesen Fähigkeiten von einem anderen Unternehmen derselben Branche abgeworben, entsteht auf dieser Basis für den neuen Arbeitgeber ein Mehrwert, welcher sich u. a. in niedrigeren Einarbeitungskosten für den neuen Mitarbeiter niederschlägt.27 Eine weitere Möglichkeit zur Aufspaltung des Humankapitals ergibt sich, sofern dieses im Sinne von „Wissen“ verstanden wird. Grundsätzlich ist Humankapital sehr eng an Wissen gekoppelt und führt in diesem Kontext drei Kernfunktionen aus: Humankapital ist die Basis für die Produktion und die Nutzung von Wissen und dient überdies hinaus als Träger von Wissen.28 Je nach Bezugsrahmen kann zwischen implizitem
24
Vgl. sinngemäß REGNET, E. (2004), S. 53.
25
REGNET, E. (2004), S. 53.
26
STEWART verwendet in diesem Zusammenhang die etwas breiter gefasste Bezeichnung „tätigkeitsbezogene Fähigkeiten“. Vgl. STEWART, T. A. (1998), S. 96.
27
Vgl. zu den Ausführungen des vorangegangenen Absatzes LENGNICK-HALL, M. L./LENGNICK-HALL, C. A. (2002), S. 48f.; GIERLINGER, P. et al. (2003), S. 37f.; STEWART, T. A. (1998), S. 96f.; BLECHINGER, D./PFEIFFER, F. (1997), S. 197f.
28
Vgl. DORÉ, J./CLAR, G. (1997), S. 160.
Definitionen und Begriffsverständnis des Humankapitals
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(„tacit knowledge“) und explizitem Wissen („codified knowledge“) unterschieden werden. Implizites Wissen beinhaltet jenes Know-how, welches die dem Unternehmen zugehörigen Mitarbeiter in sich tragen. Diesem vielfältigen, internalisierten Wissen sind unter anderem die persönliche Intuition und die Kenntnis von ungeschriebenen Gesetzen und Regeln, unbewusste Verhaltensweisen oder Einstellungen, sowie die individuelle Erfahrung der Mitarbeiter zuzurechnen. Dabei ist das implizit vorhandene Wissen jedoch kaum eindeutig zu erkennen, schwer erfassbar und kann somit nicht rechtlich geschützt oder patentiert werden.29 Wird dieses den Mitarbeitern inhärente implizite Wissen „greifbar“ gemacht, d. h. in Form von z. B. Patenten, Datenbanken, Arbeitsplänen oder Prozessabläufen kodifiziert, so spricht man von explizitem Wissen. Dieses kann genau beschrieben, definiert und systematisiert werden, bleibt aber dennoch weiterhin in impliziter Form vorhanden.30 Das Hauptanliegen des Wissensmanagements besteht darin, implizites Wissen in explizites Wissen umzuwandeln, dieses also für das Unternehmen nutzbar zu machen und letztendlich einen Wert zu schaffen.31 STEWART hingegen beschränkt seine Ausführungen nicht auf die einseitige Umwandlung von implizitem in explizites Wissen und merkt treffend an: „Dies ist ein immerwährender Kreislauf: Implizites Wissen erkennen, es explizit machen, damit es eine Struktur erhalten kann, es greifbar machen und es nutzbringend dort einsetzen, wo es fehlt, damit es sich dort ’setzt’ und wieder zu implizitem Wissen wird.“32 Die Kodifizierung von Mitarbeiter-Know-how birgt für jedes Unternehmen drei wesentliche Vorteile in sich. Zum einen ist das in die Unternehmung eingebrachte Wissen der Mitarbeiter nur dann langfristig, d. h. auch nach dem Ausscheiden dieser Mitarbeiter, nutzbar, wenn es in Form von z. B. Arbeitsplänen, Dateien, Datenbanken oder Prozessen festgeschrieben ist. Zum anderen ist nur explizit vorhandenes Wissen auch für andere Mitarbeiter zugänglich, also teilbar, und kann somit von diesen genutzt, internalisiert und ggf. weiterentwickelt werden. Der dritte Vorteil der Schaffung expliziten Wissens betrifft den eigentumsrechtlichen Aspekt. Das Wissen der Mitarbeiter steht nur dann im Eigentum eines Unternehmens, wenn es in kodifizierter Art vorliegt, sprich von Human- in Strukturkapital umgewandelt wurde. Die Umwandlung in kodifiziertes Wissen ist deshalb bedeutsam, da ein Unternehmen sein Humankapital und
29
Vgl. STEWART, T. A. (1998), S. 78ff.
30
Vgl. SULLIVAN, P. H. (2000), S. 56f.
31
Vgl. DICK, M./WEHNER, T. (2001), S. 20; KARNER, H. F. (1996), S. 122.
32
STEWART, T. A. (1998), S. 82.
14
Humankapital und Humankapitalberichterstattung
somit auch das implizite Wissen nicht besitzen kann, sondern lediglich einen vertraglich festgelegten Anspruch auf die Leistungserbringung durch die Beschäftigten hat. Abgeleitet aus den zuvor angeführten Definitionsansätzen wird im Rahmen dieser Arbeit unter dem Begriff Humankapital die Kombination aus Leistungsfähigkeit und Leistungsergebnis der Mitarbeiter eines Unternehmens verstanden, welche als Erfolgspotentiale zur Erreichung der Unternehmensziele und zur nachhaltigen Sicherung des Unternehmenswertes beitragen. Auf die Leistungsfähigkeit und das Leistungsergebnis wirken in diesem Kontext einerseits individuelle Merkmale der einzelnen Mitarbeiter und andererseits unternehmensspezifische Merkmale ein, welche in den organisationalen Strukturen und (Management-) Prozessen begründet liegen (vgl. Abb. 2.1).33 Individuelle Merkmale
Organisationale Rahmenbedingungen
Wissen
Ausbildung
Fähigkeiten
Fort- und Weiterbildung Leistungsfähigkeit
Qualifikationen
Gesundheitsförderung
Erfahrungen
Altersstruktur der MA
Gesundheit
Humankapital
„AUFBAU“
„KOMPETENZ“
Fluktuationsrate
Motivation
Leistungsergebnis
Führungsstil
„PERFORMANZ“
Anreizsysteme
Einstellung
„ABLAUF“
Unternehmenskultur Arbeitszufriedenheit
Verhaltensweisen
Abb. 2.1: Komponenten des Humankapitals (Quelle: Eigene Darstellung)
33
Eine in weiten Teilen sinngemäße Systematisierung nehmen GÜNTHER und NEUMANN vor, welche die Komponenten des Humankapitals einem humankapitaltheoretischen, motivationstheoretischen und fluktuationstheoretischen Segment zuordnen. Vgl. GÜNTHER, T./NEUMANN, P. (2005), S. 9ff.
Humankapital als Bestandteil des intellektuellen Kapitals
15
Individuelle Merkmale der Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter liegen demnach in deren Wissen, Fähigkeiten, Qualifikationen, Erfahrungen sowie auch der Gesundheit34. Die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter in Bezug auf diese individuellen Merkmale ist aus Unternehmenssicht durch organisationale Rahmenbedingungen zu erhalten bzw. weiter auszubauen. Wissen, Fähigkeiten und Qualifikationen der Mitarbeiter können demnach durch gezielte Maßnahmen der Ausbildung sowie Fort- und Weiterbildung beeinflusst werden. Für die Gewährleistung der Gesundheit der Mitarbeiter sind betriebliche Maßnahmen im Bereich der Gesundheitsförderung zu implementieren. Daneben wird die Leistungsfähigkeit des Humankapitals auf organisationaler Ebene wesentlich durch die Altersstruktur der Belegschaft sowie die Fluktuation bestimmt. Beide Elemente können durch gezieltes Personalmanagement gesteuert werden. Neben der Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter kommt dem Leistungsergebnis als zweite Determinante des Humankapitals entscheidende Bedeutung zu. Leistungsfähigkeit ist in diesem Sinne als grundlegende Voraussetzung zur Erzielung von Leistungsergebnissen zu verstehen. Auf individueller Ebene ist das Leistungsergebnis im Wesentlichen durch die Motivation, Zufriedenheit, Einstellung und Verhaltensweise der Mitarbeiter determiniert. Diese individuellen Merkmale werden von Seiten des Unternehmens durch die Unternehmenskultur, den Führungsstil sowie durch Anreizsysteme beeinflusst.
2.2 Humankapital als Bestandteil des intellektuellen Kapitals Humankapital stellt einen wesentlichen Bestandteil des intellektuellen Kapitals von Unternehmen dar. Daher soll das intellektuelle Kapital nachfolgend inhaltlich abgegrenzt und in diesem Zusammenhang aufgezeigt werden, wie sich Humankapital in dessen Kontext einordnen lässt. 2.2.1 Begriffsabgrenzung des intellektuellen Kapitals Da es sich bei der Erfassung, Bewertung und Entwicklung von intellektuellem Kapital um ein vergleichsweise junges betriebswirtschaftliches Forschungsgebiet handelt, existiert hierzu bis dato noch keine allgemein anerkannte und konsequent angewandte 34
Vgl. zur Relevanz des Faktors Gesundheit als wesentlicher Determinante der Leistungsfähigkeit des Humankapitals aus volkswirtschaftlicher Perspektive u. a. die Ausführungen bei SCHULTZ, T. W. (1981), S. 34ff.
16
Humankapital und Humankapitalberichterstattung
Terminologie. Vielmehr herrscht in der Literatur eine Vielzahl unterschiedlicher Begrifflichkeiten vor, welche von den einzelnen Autoren meist synonym verwendet werden.35 So wird intellektuelles Kapital im deutschen Schrifttum häufig auch als „Immaterielle Werte“, „Immaterielle Wirtschaftsgüter“, „Immaterielle Vermögenswerte“, oder „Wissenskapital“ bezeichnet. In der internationalen Literatur sind die Bezeichnungen “Intellectual Capital“, „Intangible Assets“ oder kurz „Intangibles“, „Knowledge-based Assets“ und „Intellectual Property“ gebräuchlich. Diese Begriffe sind zwar inhaltsähnlich, nicht jedoch inhaltsgleich; gleichwohl bemühen sich nur wenige Autoren um eine trennscharfe Unterscheidung.36 SULLIVAN dagegen betrachtet das Intellectual Capital als Oberbegriff und unterteilt dieses in die Komponenten Human Capital, Intellectual Assets und Intellectual Property.37 Wird das implizite Wissen der Mitarbeiter eines Unternehmens (Human Capital) in explizites, also kodifiziertes Wissen in Form von z. B. Prozessabläufen, Methoden oder Datenbanken umgewandelt, spricht man demnach von „Intellectual Assets“. Intellectual Property als Unterkategorie der Intellectual Assets umfasst ausschließlich jene immateriellen Werte, welche rechtlich geschützt sind, wie beispielsweise Patente, Copyrights oder Markenrechte.38 COENENBERG, HALLER und SCHULTZE nehmen indes eine inhaltliche Unterscheidung zwischen den Begriffen „Intangibles“ (immaterielle Werte) und „Intellectual Capital“ vor. Demnach verfügt jedes Unternehmen über Intangibles; diese müssen jedoch erst in Intellectual Capital umgewandelt werden, um für das Unternehmen ein Wertschöpfungspotential darzustellen und Wettbewerbsvorteile zu generieren.39 Die Begriffe „Immaterielle Vermögenswerte“ und „Immaterielle Wirtschaftsgüter“ entstammen dem deutschen Handels- bzw. Steuerrecht und stehen hier ausschließlich 35
Vgl. SCHÄFER, H./LINDENMAIER, P. (2004), S. 10; MÖLLER, K./GAMERSCHLAG, R. (2009), S. 5.
36
EDVINSSON und BRÜNIG bemerken hierzu: “Wissenskapital wird hier synonym gesetzt mit dem (…) Begriff des intellektuellen Kapitals.” EDVINSSON, L./BRÜNIG, G. (2000), S. 13. Ebenso konstatiert LEV: „Throughout this volume I use the terms intangibles, knowledge assets, and intellectual capital interchangeably.“ LEV, B. (2001), S. 5.
37
Vgl. SULLIVAN, P. H. (2000), S. 17f.
38
Vgl. u. a. ARBEITSKREIS "IMMATERIELLE WERTE IM RECHNUNGSWESEN" DER SCHMALENBACH GESELLSCHAFT FÜR BETRIEBSWIRTSCHAFT E. V. (2003), S. 1234; LEV, B. (2001), S. 5.
39
Vgl. COENENBERG, A. G./HALLER, A./SCHULTZE, W. (2009), S. 1182.
Humankapital als Bestandteil des intellektuellen Kapitals
17
für abstrakt aktivierungsfähige immaterielle Werte. Aufgrund ihrer zu engen Definition sind sie für die Zwecke dieser Diskussion eher ungeeignet.40 In dieser Arbeit wird im weiteren Verlauf der Mehrheit der Autoren gefolgt und der am häufigsten41 gebrauchte Begriff „Intellectual Capital“ bzw. „Intellektuelles Kapital“ verwendet. Bislang existiert, wie bereits erwähnt, keine einheitliche positive Definition für den Begriff des intellektuellen Kapitals. Vielmehr hat sich für dessen Definition die Form einer Negativabgrenzung durchgesetzt. Im betrieblichen Rechnungswesen unterscheidet man allgemeinhin zwischen materiellen, finanziellen und immateriellen Vermögenswerten.42 Im Gegensatz zu materiellen Vermögenswerten, wie Anlagen, Gebäuden oder Vorräten, ist das intellektuelle Kapital im Besonderen durch seine fehlende körperliche Substanz gekennzeichnet.43 Einen Sonderfall bilden diejenigen Werte, die sich sowohl aus einer materiellen als auch einer immateriellen Komponente zusammensetzen. So ist beispielsweise Software, welche auf einer Diskette gespeichert ist und somit in materieller Form vorliegt, dennoch dem Bereich des Intellectual Capital zuzuordnen, „wenn die materielle Komponente nur untergeordnete Bedeutung hat und vornehmlich Transport-, Dokumentations-, Speicherungs- oder Lagerungszwecken dient.“44 Finanzielle Vermögenswerte weisen zwar ebenso keine physische Substanz auf, können von den immateriellen Werten jedoch eindeutig durch das Kriterium „monetär“ abgegrenzt werden. Folglich zählt das intellektuelle Kapital weder zum Sachanlagevermögen eines Unternehmens, noch zu dessen Finanzkapital und umfasst also diejenigen Vermögenswerte, die weder physischen noch monetären Charakter besitzen. Mit vereinfachenden Worten kann also festgestellt werden, dass das Intellectual Capital jene Vermögensgegenstände beinhaltet, welche nicht in der Unternehmensbilanz auf-
40
Vgl. ARBEITSKREIS "IMMATERIELLE WERTE IM RECHNUNGSWESEN" DER SCHMALENBACH GESELLSCHAFT FÜR BETRIEBSWIRTSCHAFT E. V. (2001), S. 990; COENENBERG, A. G./HALLER, A./SCHULTZE, W. (2009), S. 1181.
41
Vgl. SCHÜTTE, M. (2005), S. 240.
42
Vgl. u. a. KEITZ, I. von (1997), S. 5.
43
Vgl. HALLER, A./DIETRICH, R. (2001), S. 1045; ARBEITSKREIS "IMMATERIELLE WERTE IM RECHNUNGSWESEN" DER SCHMALENBACH GESELLSCHAFT FÜR BETRIEBSWIRTSCHAFT E. V. (2001), S. 990.
44
ARBEITSKREIS "IMMATERIELLE WERTE IM RECHNUNGSWESEN" DER SCHMALENBACH GESELLSCHAFT FÜR BETRIEBSWIRTSCHAFT E. V. (2001), S. 990.
18
Humankapital und Humankapitalberichterstattung
geführt werden (können), aber dennoch – meist sogar erheblichen – Anteil am Gesamtwert eines Unternehmens besitzen. LEV ergänzt diese Umschreibung durch das Erfordernis, dass die betrachteten immateriellen Werte einen zukünftigen Nutzenbeitrag stiften müssen und definiert Intellectual Capital insgesamt als „nonphysical claim to future benefits.“45 2.2.2 Einordnung des Humankapitals in Ansätze zur Kategorisierung des intellektuellen Kapitals Die zuvor dargestellte Definition mittels Negativabgrenzung beschreibt den Begriff des intellektuellen Kapitals lediglich sehr allgemein und noch wenig aussagekräftig. Ergänzend zu dieser abstrakten Begriffsdefinition liegen im Schrifttum zahlreiche Ansätze vor, um die immateriellen Werte in Form einer Unterteilung in unterschiedliche Komponenten exemplarisch zu umschreiben. Nachfolgend werden die inzwischen etablierten Kategorisierungsvorschläge näher erläutert und die Einordnung des Humankapitals aufgezeigt. Der ARBEITSKREIS „IMMATERIELLE WERTE IM RECHNUNGSWESEN“ DER SCHMALENempfiehlt bis dato die breiteste und ausführlichste Kategorisierung für immaterielle Werte und unterteilt diese in sieben Komponenten: Human Capital, Customer Capital, Supplier Capital, Process Capital, Innovation Capital, Location Capital und Investor Capital.46 Diese umfassende Umschreibung ermöglicht die Zuordnung von einzelnen immateriellen Werten zu mindestens einer Kategorie.47 Unter dem Begriff Human Capital sind alle „immateriellen Werte eines Unternehmens im Personalbereich“48 zusammengefasst, so z. B. das Wissen und die Fähigkeiten der Mitarbeiter. Der Bereich Customer Capital beinhaltet unsichtbare Werttreiber des Absatzbereichs, wie Kundenbeziehungen und –zufriedenheit, aber auch Kundenlisten und Marktanteile. Markenwerte und -bekanntheit, welche
BACH-GESELLSCHAFT FÜR BETRIEBSWIRTSCHAFT E. V.
45
LEV, B. (2001), S. 5.
46
Vgl. im Folgenden ARBEITSKREIS "IMMATERIELLE WERTE IM RECHNUNGSWESEN" DER SCHMALENBACH GESELLSCHAFT FÜR BETRIEBSWIRTSCHAFT E. V. (2001), S. 990f.
47
Hierbei ist jedoch keine Überschneidungsfreiheit gewährleistet, z. B. kann ein gut ausgebautes Vertriebsnetz sowohl dem Customer Capital als auch dem Process Capital zugerechnet werden. Vgl. HALLER, A. (2009), S. 100; WILL, M. (2007), S. 110.
48
ARBEITSKREIS "IMMATERIELLE WERTE IM RECHNUNGSWESEN" DER SCHMALENBACH GESELLSCHAFT FÜR BETRIEBSWIRTSCHAFT E. V. (2001), S. 990f.
Humankapital als Bestandteil des intellektuellen Kapitals
19
gerade bei Markenartikelunternehmen oftmals starken positiven Einfluss auf die Marktkapitalisierung haben, bilden einen weiteren Bestandteil dieser Kategorie. Auf der Beschaffungsseite des Unternehmens lassen sich Wettbewerbsvorteile insbesondere durch gute Beziehungen zu Lieferanten oder vorteilhaft ausgehandelte Lieferverträge erzielen, welche ebenfalls immaterielle Werte darstellen und dem Supplier Capital zuzuordnen sind. Intellectual Capital, welches im Organisationsbereich der Unternehmung vorzufinden ist, wird unter dem Begriff Process Capital zusammengefasst. Hierunter fallen alle festgelegten Abläufe innerhalb der einzelnen Funktionsbereiche (z. B. Auftragsabwicklung, Qualitätssicherung), jedoch ebenso strukturelle Organisationsbestandteile (z. B. Vertriebsnetz). Eine weitere Komponente des Intellectual Capital stellt das Innovation Capital dar, welches diejenigen immateriellen Werte umfasst, die im Rahmen der Innovationstätigkeit der Unternehmung entstehen. Dies können sowohl Produkt- oder Dienstleistungsinnovationen sein, als auch neuartige Technologien oder Verfahrensabläufe. Einen grundlegenden Bestandteil des Innovation Capital bilden Patente oder selbsterstellte neue Software. Die Kategorie Location Capital umfasst diejenigen Wettbewerbsvorteile, die ein Unternehmen aufgrund seines Standorts erlangt. Neben einer günstigen Infrastruktur und räumlicher Nähe zu wichtigen Kunden oder Lieferanten fallen in diese Kategorie ebenso finanzielle Vorteile, wie sie beispielsweise durch niedrige regionale Steuersätze oder niedrige tarifliche Lohnvereinbarungen entstehen können. Der Begriff Investor Capital umfasst die immateriellen Werte eines Unternehmens im Finanzbereich. Damit sind die Beziehungen des Unternehmens zu seinen Eigen- und Fremdkapitalgebern zu verstehen, bzw. sein Potential, günstige Finanzierungskonditionen zu realisieren. Eine vergleichsweise engere, jedoch mehrstufige Unterteilung der immateriellen Werte nimmt das schwedische Versicherungsunternehmen SKANDIA im Rahmen seiner bereits seit 1995 zusätzlich zum Jahresabschluss im Geschäftsbericht veröffentlichten Intellectual Capital-Jahresberichte vor.49 Da dieses Unternehmen eine weltweite Vorreiterrolle in Bezug auf die Berichterstattung über intellektuelles Kapital innehat, ist diese Kategorisierung mittlerweile im Schrifttum häufig zitiert.50
49
Vgl. SCHOLZ, C./STEIN, V./BECHTEL, R. (2006), S. 112.
50
Vgl. hierzu u. a. PROBST, G./RAUB, S./ROMHARDT, K. (1999), S. 333; SCHOLZ, C./STEIN, V./BECHTEL, R. (2006), S. 116.
20
Humankapital und Humankapitalberichterstattung
SKANDIA unterteilt seine immateriellen Werte in die beiden Hauptbereiche „Humankapital“ und „Strukturkapital“. Ersteres umfasst das Wissen, die Erfahrungen und die Fähigkeiten der Mitarbeiter, welche zur vergangenen, aktuellen und zukünftigen Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens beitragen.51 Neben dieser individuellen Komponente wird dem Bereich Humankapital ebenso die durch die Gesamtheit der Mitarbeiter geprägte Unternehmenskultur und -philosophie zugerechnet.52 Alle übrigen immateriellen Werte werden zunächst dem Strukturkapital zugeordnet. Da die hierin enthaltenen Werte jedoch stark heterogen sind, wird eine weitere Unterteilung des Strukturkapitals in Kunden- und Organisationskapital vorgenommen. Auf der nächsten Unterstufe wird das Organisationskapital wiederum in Innovations- und Prozesskapital aufgespalten. Somit wird – wie bei der Kategorisierungsempfehlung des Arbeitskreises der Schmalenbach-Gesellschaft – eine möglichst genaue Zuordnung aller immateriellen Werte zu einer bestimmten Kategorie angestrebt. Ähnlichkeiten zu dem Konzept von SKANDIA weist der Kategorisierungsvorschlag von SVEIBY auf. Dieser hebt jedoch das Humankapital als bedeutenden Bestandteil des Intellectual Capital noch stärker hervor. Nach SVEIBY werden die immateriellen Werte in drei Komponenten unterteilt: Kompetenz der Mitarbeiter, interne Struktur und externe Struktur.53 Hierbei wird betont, dass alle immateriellen und materiellen Vermögenswerte und somit auch die interne und externe Struktur ausschließlich das Ergebnis von Handlungen der Mitarbeiter sind.54 Abgeleitet aus dieser Erkenntnis definiert SVEIBY die Kompetenz der Mitarbeiter sehr allgemein als die Fähigkeit, materielle und immaterielle Vermögenswerte zu schaffen.55 Grundsätzlich können Mitarbeiter in zwei Richtungen agieren: Innerhalb des Unternehmens oder mit dem externen Unternehmensumfeld. Die Handlungen der Mitarbeiter können nach innen oder nach außen gerichtet sein. Immaterielle Werte, welche aus der Interaktion der Mitarbeiter mit dem externen Unternehmensumfeld hervorgehen, werden mit dem Begriff „externe Struktur“ umschrieben. Darunter sind vorrangig Beziehungen zu Kunden und Lieferanten zu verstehen, aber auch Markennamen oder das Image des Unternehmens. Im Gegensatz dazu beinhaltet die „interne Struktur“ die Gesamtheit derjenigen immateriellen 51
Vgl. EDVINSSON, L./BRÜNIG, G. (2000), S. 28.
52
Vgl. EDVINSSON, L./BRÜNIG, G. (2000), S. 19.
53
Vgl. SVEIBY, K. E. (1998), S. 28; GÜNTHER, T. (2001), S. 54.
54
Vgl. SVEIBY, K. E. (1998), S. 26.
55
Vgl. SVEIBY, K. E. (1998), S. 28.
Humankapital als Bestandteil des intellektuellen Kapitals
21
Werte, welche sich aus den nach innen gerichteten Bemühungen der Mitarbeiter entwickeln. Beispiele hierfür sind Patente, Konzepte oder Computersysteme, die von den Mitarbeitern entwickelt werden, ebenso wie die Unternehmensorganisation und -kultur. Kennzeichnend für diese Kategorisierung nach SVEIBY ist, dass die einzelnen Komponenten keiner isolierten Betrachtung unterliegen, sondern die Kompetenz der Mitarbeiter explizit die Grundlage für die Entstehung der beiden anderen Komponenten bildet. Dennoch bleiben die interne und externe Struktur größtenteils auch dann erhalten, wenn Mitarbeiter das Unternehmen verlassen.56 2.2.3 Betriebswirtschaftliche Charakteristika des intellektuellen Kapitals und Humankapitals Immaterielle Werte weisen einige Besonderheiten auf, die von den ökonomischen Charakteristika materieller Vermögenswerte abweichen, bzw. teilweise sogar gegensätzlich sind. Ein wichtiger Aspekt sind die das intellektuelle Kapital kennzeichnenden Netzwerkeffekte.57 Je mehr Kunden ein Wissensprodukt nutzen bzw. je mehr Personen oder Firmen an einem bestimmten Programm teilnehmen, desto höher steigt der Nutzen aller involvierten Parteien. In Branchen wie Telekommunikation, Software, Elektronik, aber auch der Pharmaindustrie ist die Existenz solcher Netzwerkeffekte vorherrschend.58 LEV merkt an, dass das Phänomen der Netzwerkeffekte in nahezu allen Branchen zu beobachten ist und nicht ausschließlich in wissens- und dienstleistungsintensiven Branchen auftritt. Die Nutzer materieller Produkte59 können ebenfalls von Netzwerkeffekten profitieren. Zumeist liegt diesen Produkten jedoch eine Innovation zugrunde,
56
Vgl. SVEIBY, K. E. (1998), S. 27.
57
Vgl. LEV, B. (2001), S. 26ff.; DAUM, J. H. (2002), S. 246; SERVATIUS, H.-G. (2004), S. 86.
58
Eines der prägnantesten Beispiele hierfür liefern die Software-Produkte der Firma Microsoft. Um Kompatibilität zwischen einzelnen Programmen, jedoch auch zwischen den Nutzern zum Austausch von Wissen und Informationen zu gewährleisten, bleibt dem Kunden aufgrund des hohen Marktanteils der Microsoft-Office-Produkte oft keine andere Möglichkeit, als ebenfalls ein derartiges Software-Produkt aus dem Hause Microsoft zu erwerben. Je mehr Software-Nutzer also bereits Microsoft-Produkte verwenden, umso höher ist folglich die Wahrscheinlichkeit, dass Microsoft neue Kunden hinzugewinnt. Vgl. zu diesem Beispiel auch DAUM, J. H. (2002), S. 55; SVEIBY, K. E. (1998), S. 44.
59
Wie z. B. Transportnetze, Faxgeräte oder VHS-Videorecorder.
22
Humankapital und Humankapitalberichterstattung
welche oft sogar in Form eines Patents rechtlich geschützt ist und somit auf Wissen basiert, d. h. dem immateriellen Vermögen zuzurechnen ist.60 Die a priori vielfach nicht beschränkte Möglichkeit zur Vervielfältigung des Nutzens immaterieller Werte ist ebenfalls ein nicht zu vernachlässigender Aspekt.61 Dieses Charakteristikum resultiert aus zwei Feststellungen: Zum einen bleibt veräußertes, also weitergegebenes Wissen dem Unternehmen bzw. der Person dennoch erhalten, was bei materiellen Gütern und Dienstleistungen naturgemäß nicht der Fall ist.62 Immaterielle Werte zeichnen sich im Allgemeinen durch fehlende Nutzungsrivalität aus und können sich somit häufig im gleichzeitigen Besitz mehrerer Parteien befinden (z. B. Kunde und Unternehmen).63 Zum anderen kann Wissen beliebig oft vervielfältigt werden, ohne dass sich sein Vorrat erschöpft. In anderen Worten weist die Ressource Wissen im Gegensatz zu anderen, traditionellen industriellen Produktionsfaktoren64 keine Engpasseigenschaften auf, so dass folglich das Prinzip vom abnehmenden Grenzertrag65 auf wissensbasierte Geschäftszweige nicht mehr zutrifft. Im Gegenteil: Sind die anfänglich hohen Ausgaben für die Entwicklung des Wissensprodukts erst einmal gedeckt, so steigt der Ertrag pro Exemplar mit steigender Stückzahl an. Im Umkehrschluss kann dieses Phänomen als Prinzip vom zunehmenden Grenzertrag bezeichnet werden.66 Die wachsenden Grenzerträge bei steigender Produktionsstückzahl sind auf die typische Kostenstruktur für die Herstellung wissensintensiver Güter und Dienstleistungen zurückzuführen. Diese zeichnen sich durch einen hohen Anteil an Fixkosten aus, z. B.
60
Vgl. zu dieser Anmerkung LEV, B. (2001), S. 29.
61
In diesem Zusammenhang wird in der Literatur auch oftmals der Begriff „unbegrenzte Multiplizierbarkeit“ eingesetzt. Vgl. SERVATIUS, H.-G. (2004), S. 86; STEWART, T. A. (1998), S. 168.
62
Vgl. SVEIBY, K. E. (1998), S. 45.
63
Vgl. LEV, B. (2001), S. 22ff.; MOHR, H. (1997), S. 14.
64
Eine ausführliche Darstellung betrieblicher Produktionsfaktoren liefert u. a. WÖHE, G. (2005), S. 46.
65
Dieses auf Gutenberg zurückgehende Gesetz besagt, dass der Gesamtertrag bei steigendem Produktionsausstoß ab einem bestimmten Punkt wieder abnimmt, d. h. die Stückkosten wieder ansteigen. Zur ausführlichen Erläuterung der Produktionsfunktion nach dem Ertragsgesetz vgl. WÖHE, G. (2005), S. 375ff.
66
Vgl. zu dieser Formulierung DAUM, J. H. (2002), S. 55f.
Humankapital als Bestandteil des intellektuellen Kapitals
23
Kosten für Forschung und Entwicklung, jedoch durch niedrige variable Herstellungskosten.67 Die potentiell unbegrenzte Multiplizierbarkeit von Wissen und Wissensprodukten ist durch die Marktgröße bzw. das Marktwachstumspotential begrenzt. Um die typischerweise hohen Anfangsinvestitionen amortisieren zu können und einen eventuellen Verlust zu vermeiden, ist eine umfangreiche Marktforschung zur Ermittlung des Marktpotentials für Wissensprodukte unerlässlich.68 Ein weiterer wesentlicher Unterschied zwischen materiellen und immateriellen Werten ist in Bezug auf die Eigentums- und Verfügungsrechte des Unternehmens festzustellen.69 Die Frage nach Eigentums- und Verfügungsrechten spielt insbesondere im Hinblick auf die Klassifizierung von Humankapital als immateriellem Vermögensgegenstand eine wesentliche Rolle. Betrachtet man die in der Bilanz aufgeführten materiellen und auch finanziellen Vermögenswerte, so ist eindeutig nachweisbar, dass sich diese im Eigentum des Unternehmens befinden. Im Gegensatz dazu bestehen zwischen einem Unternehmen und seinem intellektuellen Kapital nur teilweise klar definierte Eigentumsrechte. Rechtlich geschützte immaterielle Werte, wie Patente oder gewerbliche Schutzrechte, sind eindeutig Eigentum des Unternehmens. Ebenso stehen die dem Strukturkapital zugeordneten immateriellen Werte größtenteils im Eigentum und in der Verfügungsmacht des Unternehmens. Doch in Bezug auf Humankapital oder auch Kundenbeziehungen existieren keine klaren Verfügungsrechte.70 Ein Unternehmen kann seine Mitarbeiter und deren Wissen nicht besitzen, es hat lediglich einen vertraglich festgelegten Anspruch auf deren Leistung. Bei Ausscheiden eines Mitarbeiters aus dem Unternehmen verbleibt lediglich das explizite Wissen im Firmenbesitz, nicht jedoch das implizite, individuelle Wissen, welches der Mitarbeiter in sich trägt.71 Ebenso sind Kundenbeziehungen oft an bestimmte Mitarbeiter gebunden und gehen dem Unternehmen im Falle eines Ausscheidens der Mitarbeiter verloren. Hier zeigt sich deutlich einer der möglicherweise wertvernichtenden Aspekte des intellektuellen Kapitals.
67
Vgl. LEV, B. (2001), S. 22; DAUM, J. H. (2002), S. 245; STEWART, T. A. (1998), S. 170; SVEIBY, K. E. (1998), S. 44.
68
Vgl. DAUM, J. H. (2002), S. 246; LEV, B. (2001), S. 32.
69
Vgl. SPECKBACHER, G./GÜLDENBERG, S./RUTHNER, R. (2004), S. 441.
70
Vgl. SPECKBACHER, G./GÜLDENBERG, S./RUTHNER, R. (2004), S. 441.
71
Vgl. ARBEITSKREIS WISSENSBILANZ (2008), S. 18.
24
Humankapital und Humankapitalberichterstattung
Während der Nutzen an materiellen Vermögensgegenständen allein dem Eigentümer zukommt, lässt sich bei Besitz immaterieller Werte kaum ausschließen, dass auch andere Parteien, vorrangig Wettbewerber, von deren Existenz profitieren. Dieses Phänomen bezeichnet man als Spillover-Effekte.72 Investiert ein Unternehmen in die Fortbildung seiner Mitarbeiter, könnte diese Investition im Falle des Abwanderns der Mitarbeiter einem Konkurrenzunternehmen zugutekommen. Hauptsächlich betreffen Spillover-Effekte den Innovationsbereich der Unternehmen. Die Imitation von Produkt-, Dienstleistungs- oder Verfahrensinnovationen durch Wettbewerber lässt sich kaum vermeiden. Selbst wenn eine Innovation patentierbar ist, steht diese nach Ablauf der Patentlaufzeit auch deren Nichteigentümern zur freien Verfügung. Im Vergleich zu den meisten materiellen und finanziellen Vermögenswerten liegt ein weiterer charakteristischer Aspekt des intellektuellen Kapitals in dessen Nichthandelbarkeit.73 Das Fehlen organisierter und kompetitiver Märkte für immaterielle Werte impliziert stets ein gewisses Risiko, da selbst erstellte immaterielle Werte somit nur innerhalb der eigenen Organisation verwertet werden können. Die begrenzte Handelbarkeit resultiert insbesondere aus der mangelnden Existenz von Marktpreisen, begründet durch die eingeschränkten Möglichkeiten einer objektiven monetären Bewertung immaterieller Werte. Zusätzlich ist Intellectual Capital oft an ein bestimmtes Unternehmen gebunden bzw. nur in Verbindung mit dessen übrigen Intellectual Capital-Komponenten oder Unternehmensstrukturen und -prozessen wertschöpfend und somit für andere Unternehmen von geringem bzw. keinem Nutzen. Dies trifft insbesondere auch auf das betriebliche Humankapital zu, da Mitarbeiter u. a. umfangreiches unternehmensspezifisches Wissen aufweisen, welches oftmals nicht in anderen Unternehmungen einsetzbar ist. Die Absenz von Märkten bzw. Marktpreisen für zahlreiche Intangibles hat weit reichende Konsequenzen. So finden Investitionen in das intellektuelle Kapital vor allem im Kontext der finanziellen Jahresberichterstattung oft nur dann als Vermögensgegenstände Berücksichtigung, wenn sich für diese objektive Wertmaßstäbe ermitteln lassen können.74
72
Vgl. LEV, B. (2001), S. 33ff. In Anlehnung an LEV vgl. auch DAUM, J. H. (2002), S. 246; SERVATIUS, H.-G. (2004), S. 86.
73
Vgl. SERVATIUS, H.-G. (2004), S. 86; DAUM, J. H. (2002), S. 247f.
74
Vgl. LEV, B. (2001), S. 43.
Normen und Konzepte für die Humankapitalberichterstattung
25
2.3 Normen und Konzepte für die Humankapitalberichterstattung Im folgenden Abschnitt sollen zum einen die Möglichkeiten und Grenzen einer Bilanzierung von intellektuellem Kapital mit besonderem Fokus auf Humankapital aufgezeigt werden. In diesem Zusammenhang werden weiterhin Normen und Ausgestaltungsformen der Berichterstattung über Humankapital im Rahmen des Lageberichts aufgezeigt. Zum anderen erfolgt eine Darstellung von spezifischen Konzepten für die Ausgestaltung der Humankapitalberichterstattung. 2.3.1 Normen für die Humankapitalberichterstattung Unter dem Begriff der Humankapitalberichterstattung werden im Folgenden alle Publizitätselemente eines Unternehmens innerhalb des Jahresabschlusses bzw. Konzernabschlusses, des Lageberichts sowie weiterer Berichtsformate verstanden, welche den Adressaten Informationen hinsichtlich des betrieblichen Humankapitals zur Verfügung stellen. Normen für die Humankapitalberichterstattung manifestieren sich zum einen in bilanzierungsrechtlichen Vorschriften hinsichtlich der Aktivierung von Humankapital als immateriellem Vermögensgegenstand bzw. -wert, zum anderen wird die Berichterstattung über Humankapital durch die Vorschriften bzw. Empfehlungen zur Lageberichterstattung geregelt. 2.3.1.1 Bilanzielle Erfassung von Humankapital Im vorliegenden Abschnitt werden die Möglichkeiten und Grenzen einer bilanziellen Erfassung von Humankapital aufgezeigt. Dabei werden sowohl die nationalen Normen des HGB als auch internationale Rechnungslegungsvorschriften nach IFRS hinsichtlich der Regelungen zur Bilanzierungsfähigkeit von Humankapital untersucht. 2.3.1.1.1 Bilanzierung von Humankapital nach HGB Durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) erfährt das Gläubigerschutzprinzip, dem die Rechnungslegung nach dem deutschen Handelsrecht (HGB) unterliegt75, eine geringfügige Abmilderung zugunsten einer verbesserten Informationsver-
75
Vgl. SCHRUFF, L./HAAKER, A. (2009), S. 51.
26
Humankapital und Humankapitalberichterstattung
sorgung der Adressaten.76 Wie im Folgenden zu zeigen sein wird, erfolgt dennoch weiterhin eine unzureichende Berücksichtigung des Humankapitals im Jahresabschluss. In seiner alten Fassung enthielt das HGB aus Gründen des Vorsichtsprinzips und der Objektivität in § 248 Abs. 2 HGB a. F. ein Aktivierungsverbot von selbst erstellten immateriellen Vermögensgegenständen des Anlagevermögens.77 Für deren objektive Bewertung fehlten die Stofflichkeit, ein freier Markt zur Ermittlung eines Betrags zur Schuldendeckung des Unternehmens und die Sicherheit über die Dauer der zukünftigen Nutzung.78 Daher war auch der originäre Geschäfts- oder Firmenwert, der u. a. durch Investitionen in das Humankapital, wie die Einstellung qualifizierten Personals, Aus- und Weiterbildung oder Maßnahmen zur Verringerung der Fluktuation geschaffen wurde, nicht aktivierbar.79 Seit dem 01.01.2010 haben zahlreiche Rechnungslegungsvorschriften des HGB, darunter auch § 248 Abs. 2 HGB a. F., durch das BilMoG tiefgreifende Anpassungen erfahren.80 Das Aktivierungsverbot des § 248 Abs. 2 Satz 1 HGB a. F. wurde durch ein Aktivierungswahlrecht selbst geschaffener immaterieller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens ersetzt.81 Allerdings enthält § 248 Abs. 2 Satz 2 HGB jedoch weiterhin ein konkretes Aktivierungsverbot für „selbst geschaffene Marken, Drucktitel, Verlagsrechte, Kundenlisten oder vergleichbare immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens.“82 Begründet wird dieses Aktivierungsverbot mit dem Vorsichtsprinzip, da bei den im Gesetzestext genannten immateriellen Vermögensgegen76
Vgl. BT-Drs. 16/10067 (2008), S. 50; WULF, I. (2010), S. 332. Dennoch bleibt das Gläubigerschutzprinzip, welches sich unter anderem im Vorsichtsprinzip konkretisiert, weiterhin ein tragender Grundsatz der handelsrechtlichen Rechnungslegung. Vgl. KAHLE, H./HAAS, M. (2010), S. 39; BAETGE, J./KIRSCH, H.-J./SOLMECKE, H. (2009), S. 1214; HALLER, A./LÖFFELMANN, J. V./ETZEL, B. (2009), S. 225.
77
Vgl. ARBEITSKREIS "IMMATERIELLE WERTE IM RECHNUNGSWESEN" DER SCHMALENBACH GESELLSCHAFT FÜR BETRIEBSWIRTSCHAFT E. V. (2001), S. 989, 992; KAHRE, B./SCHWETJE, J.-N. (2003), S. 124; SCHÄFER, H./LINDENMAIER, P. (2004), S. 23f.; MADEJA, F./ROOS, B. (2008), S. 344; COENENBERG, A. G./HALLER, A./SCHULTZE, W. (2009), S. 175.
78
Vgl. KAHRE, B./SCHWETJE, J.-N. (2003), S. 124; STOI, R. (2003), S. 177; BT-Drs. 16/10067 (2008), S. 49f.
79
Vgl. WUCKNITZ, U. D. (2009), S. 133.
80
Vgl. WUCKNITZ, U. D. (2009), S. 135.
81
Vgl. § 248 Abs. 2 HGB; ERNST, C./SEIDLER, H. (2009), S. 767.
82
§ 248 Abs. 2 S. 2 HGB; vgl. auch BAETGE, J./KIRSCH, H./THIELE, S. (2009), S. 163.
Normen und Konzepte für die Humankapitalberichterstattung
27
ständen keine eindeutige Abgrenzung der Herstellungskosten von den Aufwendungen zur Entwicklung des Gesamtunternehmens und damit dem originären Geschäfts- oder Firmenwert möglich sei.83 Zur Entwicklung des Unternehmens tragen auch Investitionen in die Qualifikation des Personals oder die Mitarbeiterbindung bei. Insofern gehören Investitionen in das Humankapital zu den weiteren, in § 248 Abs. 2 Satz 2 HGB nicht näher bezeichneten, nicht aktivierungsfähigen immateriellen Vermögensgegenständen. Falls Humankapital von einem Unternehmen dagegen durch eine Akquisition entgeltlich erworben wird, würde dieser Wert prinzipiell nicht mehr dem Aktivierungsverbot des § 248 Abs. 2 Satz 2 HGB unterliegen.84 Der Akquisiteur müsste das Humankapital daher – auch im Fall der vorherigen Selbsterstellung durch das akquirierte Unternehmen – entsprechend des Vollständigkeitsgebots des § 246 Abs. 1 HGB bilanzieren, sofern seine abstrakte Aktivierungsfähigkeit als Vermögensgegenstand gegeben ist.85 In diesem Fall wäre das Humankapital nach § 266 Abs. 2 HGB als entgeltlich erworbener Wert zu bilanzieren.86 Die Prüfung der konkreten Aktivierungsfähigkeit entfällt dagegen, da das nur noch in § 248 Abs. 2 Satz 2 HGB enthaltene ausdrückliche Ansatzverbot auf erworbene immaterielle Vermögensgegenstände keine Anwendung findet.87 Für die abstrakte Aktivierungsfähigkeit wird in erster Linie die selbständige Verwertbarkeit des Vermögensgegenstands, d. h. die monetäre Veräußerbarkeit des aus der Sache erwachsenden wirtschaftlichen Vorteils zur Schuldendeckung des Unternehmens durch seinen Verkauf oder die Gewährung von Nutzungsrechten gefordert.88 Diese Voraussetzung erfüllt das Humankapital regelmäßig nicht, da Unternehmen im juristischen Sinne weder ein Eigentum Mitarbeitern noch an deren Wissen begründen 83
Vgl. BT-Drs. 16/10067 (2008), S. 50; OSER, P. et al. (2009), S. 577.
84
Vgl. BAETGE, J./KIRSCH, H./THIELE, S. (2009), S. 164; COENENBERG, A. G./HALLER, A./SCHULTZE, W. (2009), S. 180.
85
Vgl. BAETGE, J./KIRSCH, H./THIELE, S. (2009), S. 154.
86
Vgl. Artikel 1 Nr. 18 Doppelbuchstabe a BilMoG; § 266 Abs. 2 HGB verpflichtet Kapitalgesellschaften fortan zu einem getrennten Ausweis von selbst geschaffenen und entgeltlich erworbenen immaterieller Vermögensgegenstände auf der Aktivseite. Vgl. hierzu WUCKNITZ, U. D. (2009), S. 135.
87
Vgl. MADEJA, F./ROOS, B. (2008), S. 345; BAETGE, J./KIRSCH, H./THIELE, S. (2009), S. 163f.
88
Vgl. BAETGE, J./KIRSCH, H./THIELE, S. (2009), S. 158f.
28
Humankapital und Humankapitalberichterstattung
können, welches darüber hinaus beispielsweise durch eine Kündigung von Mitarbeitern jederzeit verloren gehen kann.89 Dies entspricht auch dem Verständnis früherer Überlegungen von BRUMMET, FLAMHOLTZ und PYLE und insbesondere EDVINSSON und MALONE, die den Charakter des Humankapitals als Leihgabe der Arbeitskraft durch die Mitarbeiter betonen.90 Da Humankapital somit generell nicht als Vermögensgegenstand klassifizierbar ist, darf auch akquiriertes Humankapital nicht separat aktiviert werden. Es ist aber – allerdings meist ohne näheren Ausweis und daher für Investoren nicht eindeutig ersichtlich – in dem nach § 246 Abs. 1 Satz 4 HGB de facto als fiktiven Vermögensgegenstand bewerteten und daher nach dem Vollständigkeitsgebot des § 246 Abs. 1 Satz 1 HGB aktivierungspflichtigen derivativen Geschäfts- oder Firmenwert enthalten.91 Durch das fehlende Eigentumsrecht des Unternehmens am Humankapital wird dessen Ausweis in der Bilanz generell verhindert. Die Ausgaben zum Auf- und Ausbau des Humankapitalstamms finden sich daher weiterhin nur als Personalaufwand in der Gewinn- und Verlustrechnung der entsprechenden Periode wieder.92 In Folge des begrenzten Informationsgehalts des Jahresabschlusses im Hinblick auf das Humankapital sollte auf diesen für Investoren bedeutsamen Werttreiber daher in den weiteren Teilen des Geschäftsberichts, insbesondere dem Lagebericht, eingegangen werden. 2.3.1.1.2 Bilanzierung von Humankapital nach IFRS Gemäß dem Grundsatz der „fair presentation“93 soll der Jahresabschluss nach IFRS seine Adressaten wirklichkeitsgetreu und periodengerecht über die herrschende Ver-
89
Vgl. WUCKNITZ, U. D. (2009), S. 131f.
90
Vgl. BRUMMET, R. L./FLAMHOLTZ, E./PYLE, W. C. (1968), S. 218; EDVINSSON, L./MALONE, M. S. (1997), S. 11, 43.
91
Vgl. BAETGE, J./KIRSCH, H./THIELE, S. (2009), S. 166f. Der derivative Geschäfts- oder Firmenwert resultiert aus dem positiven Unterschiedsbetrag des Gesamtkaufpreises des erworbenen Unternehmens und der Summe der Zeitwerte aller vorhandenen Aktiva vermindert um die Schulden zu Zeitwerten. Vgl. COENENBERG, A. G./HALLER, A./SCHULTZE, W. (2009), S. 181.
92
Vgl. BT-Drs. 16/10067 (2008), S. 50; COENENBERG, A. G./HALLER, A./SCHULTZE, W. (2009), S. 175; WUCKNITZ, U. D. (2009), S. 131.
93
Dieser auch als „Generalnorm“ bezeichnete Grundsatz ist in IAS 1.19 verankert.
Normen und Konzepte für die Humankapitalberichterstattung
29
mögens- und Ertragslage informieren.94 Ziel ist die Bereitstellung entscheidungsnützlicher Informationen.95 Durch die Inhalte des International Accounting Standard (IAS) 38 „Immaterielle Vermögenswerte“96 wird nach den IFRS eine bilanzielle Erfassung des Humankapitals nicht grundsätzlich ausgeschlossen.97 Für die Bilanzierung immaterieller Vermögenswerte setzt IAS 38 die abstrakte und konkrete Aktivierungsfähigkeit als immaterieller Vermögenswert voraus.98 Gemäß IAS 38.8 ist ein immaterieller Vermögenswert „ein identifizierbarer, nicht monetärer Vermögenswert ohne physische Substanz.“ Ein Vermögenswert wiederum ist eine Ressource, die ein Unternehmen aufgrund vergangener Ereignisse beherrscht und aus der ihm ein künftiger wirtschaftlicher Nutzen zufließt.99 Konkret aktivierungsfähig wäre das Humankapital, wenn neben der kumulativen Erfüllung der genannten Voraussetzungen auch seine Anschaffungs- oder Herstellungskosten verlässlich bewertbar sind.100 Die geforderte Identifizierbarkeit immaterieller Vermögenswerte setzt entweder die Unterscheidbarkeit des Vermögenswerts vom Goodwill durch die Möglichkeit der Separierung und Einzelveräußerung oder die Entstehung aus vertraglichen oder sonstigen Rechten voraus.101 Damit müsste das Humankapital in verschiedene Teile differenziert werden, da sein Ausweis als Ganzes nicht möglich ist.102
94
Vgl. BAETGE, J./MATENA, S./ZÜLCH, H. (2002), S. 79; SCHMEISSER, W. (2007), S. 3.
95
Vgl. BAETGE, J./MATENA, S./ZÜLCH, H. (2002), S. 79; MADEJA, F./ROOS, B. (2008), S. 344.
96
Anders als etwa nach US-GAAP ist die Bilanzierung immaterieller Vermögenswerte in den IFRS in einem einzigen Standard, IAS 38, geregelt. Vgl. HAGER, S./HITZ, J.-M. (2007), S. 207.
97
Vgl. SCHMEISSER, W. (2007), S. 3.
98
Vgl. MADEJA, F./ROOS, B. (2008), S. 342.
99
Vgl. IAS 38.8 sowie zur Beherrschung IAS 38.13-16 und zum künftigen wirtschaftlichen Nutzen IAS 38.17.
100
Vgl. IAS 38.21 (b); IAS 38.22-24. Vgl. grundlegend auch CASTEDELLO, M./BEYER, S. (2009), S. 153f.
101
Vgl. IAS 38.11-12.
102
Vgl. WUCKNITZ, U. D. (2009), S. 135.
30
Humankapital und Humankapitalberichterstattung
Als problematisch erweist sich in diesem Zusammenhang jedoch die Erfüllung des Kriteriums der Beherrschung.103 Laut IAS 38.15 mangelt es einem Unternehmen mit Blick auf das Humankapital im Regelfall an einem juristisch durchsetzbaren Anspruch zur Erlangung des resultierenden künftigen wirtschaftlichen Nutzens, sowohl aus einem Team von Fachkräften, einer Management- oder fachlichen Begabung als auch aus Aus- und Weiterbildungen.104 Durch Maßnahmen der Personalentwicklung verbessert ein Unternehmen zwar die Fähig- und Fertigkeiten seiner Mitarbeiter, besitzt aber dennoch keinen rechtlichen Anspruch auf den Menschen und das ihm innewohnende Wissen, sondern nur auf dessen Leistungserbringung.105 Einzig eine rechtliche Absicherung zur Nutzung und zum Erhalt der Rückflüsse durch das Unternehmen könnte hier Abhilfe schaffen.106 Unter dieser Bedingung wäre die Aktivierung des Humankapitals somit grundsätzlich möglich, indem sich der Mitarbeiter beispielsweise verpflichtet, nach einer Weiterbildungsmaßnahme für eine bestimmte Zeit weiter im Unternehmen tätig zu bleiben.107 Insgesamt wird durch IAS 38 die Bilanzierung des Humankapitals, anders als nach HGB, nicht explizit ausgeschlossen, sondern ist an Bedingungen geknüpft, die in der Praxis jedoch nicht erfüllbar sind.108 In allen anderen Fällen werden die Investitionen zum Erhalt und Aufbau von Humankapital – entsprechend zum HGB – als Aufwand der entsprechenden Periode ausgewiesen.109 Erwirbt ein Unternehmen das Humankapital durch eine Akquisition, so zählen die darauf entfallenden Ausgaben zu dem zum Erwerbszeitpunkt angesetzten derivativen Geschäfts- oder Firmenwert.110
103
Vgl. KIRSCH, H. (2009), S. 186.
104
Vgl. auch IAS 38.13; zur Nichtaktivierbarkeit von Aus- und Weiterbildungsaktivitäten und zur Verrechnung als Aufwand in der entsprechenden Periode vgl. auch IAS 38.69 (b).
105
Vgl. SCHÄFER, H./LINDENMAIER, P. (2004), S. 17; SCHMEISSER, W. (2007), S. 12.
106
Vgl. IAS 38.15.
107
Vgl. WUCKNITZ, U. D. (2009), S. 136.
108
Vgl. MENNINGER, J. (2009), S. 354; WUCKNITZ, U. D. (2009), S. 136.
109
Vgl. IAS 38.10; IAS 38.68; IAS 38.69 (b); ARBEITSKREIS "IMMATERIELLE WERTE IM RECHNUNGSWESEN" DER SCHMALENBACH GESELLSCHAFT FÜR BETRIEBSWIRTSCHAFT E. V. (2001), S. 995; HEUMANN, R. (2006), S. 262; WUCKNITZ, U. D. (2009), S. 131.
110
Vgl. IAS 38.10; IAS 38.68 (b).
Normen und Konzepte für die Humankapitalberichterstattung
31
Damit besteht nach den IFRS faktisch keine Möglichkeit zur Aktivierung des Humankapitals im Jahresabschluss. 2.3.1.2 Humankapital in der Lageberichterstattung nach HGB und DRS Die Berichterstattung über Humankapital erfolgt in der Regel innerhalb des (Konzern-) Lageberichts sowie darüber hinaus ggf. zusätzlich im freien Teil des Geschäftsberichts. Dieser Abschnitt dient dazu, die Vorschriften und Empfehlungen der Lageberichterstattung nach nationalen Normen aufzuzeigen. Im deutschen Handelsrecht sind Regelungen zum (Konzern-)Lagebericht in den §§ 289 und 315 HGB enthalten. Eine Konkretisierung der Ausgestaltung der Lageberichterstattung liefert DRS 15. 2.3.1.2.1 (Konzern-)Lagebericht gemäß §§ 289, 315 HGB Der Pflicht zur Erstellung eines Lageberichts unterliegen neben großen und mittelgroßen Kapitalgesellschaften111 weiterhin auch Genossenschaften112 sowie Unternehmen, die nach § 5 Abs. 2 PublG rechnungslegungspflichtig sind.113 Kleine Kapitalgesellschaften114 sind dagegen von der Pflicht zur Lageberichterstellung befreit.115 Zur Erstellung eines Konzernabschlusses verpflichtete Kapitalgesellschaften unterliegen der
111
Die Umschreibung der Größenkriterien für mittelgroße Kapitalgesellschaften erfolgt in § 267 Abs. 2 HGB. Gemäß § 267 Abs. 3 HGB liegt bei Überschreiten von mindestens zwei der in § 267 Abs. 2 HGB angeführten Kriterien eine große Kapitalgesellschaft vor. Kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften im Sinne des § 264d HGB sind demnach stets als große Kapitalgesellschaften zu klassifizieren.
112
Vgl. § 336 Abs. 1 HGB.
113
Vgl. COENENBERG, A. G./HALLER, A./SCHULTZE, W. (2009), S. 929. Gemäß § 5 Abs. 2 PublG gilt die Erstellungspflicht für den Lagebericht allerdings nicht für Unternehmen, die in der Rechtsform einer Personenhandelsgesellschaft oder des Einzelkaufmanns geführt werden. Eine Ausnahmeregelung besteht für Personenhandelsgesellschaften, bei denen nicht mindestens ein Gesellschafter eine natürliche Person ist. Diese unterliegen gemäß § 264a Abs. 1 HGB der Pflicht zur Erstellung eines Lageberichts.
114
Die Umschreibung der Größenkriterien für kleine Kapitalgesellschaften beinhaltet § 267 Abs. 1 HGB.
115
Vgl. § 264 Abs. 1 Satz 4 HGB.
32
Humankapital und Humankapitalberichterstattung
Pflicht zur Erstellung eines Konzernlageberichts.116 Dies gilt gleichermaßen für deutsche Konzernmuttergesellschaften, die einen IFRS-Abschluss erstellen.117 Der Lagebericht besitzt eine Rechenschafts- und Informationsfunktion, indem er den Jahresabschluss aus Sicht des Managements als zweites eigenständiges Rechnungslegungsinstrument analysiert und verbal kommentiert.118 Durch die Bereitstellung bewertungsrelevanter Informationen soll der Lagebericht den Rechnungslegungsadressaten die Unternehmensbeurteilung erleichtern und bestehende Informationsasymmetrien zwischen diesen und der Unternehmensleitung reduzieren. Der Lagebericht ist damit ein wichtiges Instrument der wertorientierten Berichterstattung, das aufgrund seiner Losgelöstheit vom Vorsichts- und Objektivierungsprinzip – anders als der Jahresabschluss – prinzipiell auch eine Berichterstattung über immaterielle Werte erlaubt.119 Derartige Aspekte wurden durch die Richtlinie 2003/51/EG erstmals explizit in den Lagebericht integriert120: Artikel 46 I Buchstabe b 2. Halbsatz der Richtlinie 78/660/EWG wurde in der Form geändert, dass fortan nicht-finanzielle Leistungsindikatoren, wie Umwelt- und Arbeitnehmerbelange, in die im Lagebericht enthaltene Analyse einzubeziehen sind, sofern sie „für die betreffende Geschäftstätigkeit von Bedeutung sind“.121 Diese Anforderung wurde national durch das Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG) vom 04.12.2004 umgesetzt und die Regelungen des § 289 HGB zum Lagebericht ebenso wie die des § 315 HGB zum Konzernlagebericht entsprechend angepasst.122 Gemäß § 289 Abs. 1 Satz 1 HGB und § 315 Abs. 1 Satz 1 HGB hat der (Konzern-)Lagebericht den Geschäftsverlauf, das Geschäftsergebnis und die Lage der
116
Vgl. § 290 Abs. 1 HGB. Gemäß § 315 Abs. 3 HGB i. V. m. § 298 Abs. 3 besteht jedoch für Konzernmutterunternehmen die Möglichkeit eines Zusammenfassung von Konzernlagebericht und Lagebericht. Allerdings wird in DRS 15.21 die Empfehlung ausgesprochen, aus Gründen der Klarheit und Übersichtlichkeit von einer derartigen Zusammenfassung abzusehen.
117
Vgl. § 315a Abs. 1 HGB.
118
Vgl. RUHNKE, K. (2008), S. 680; COENENBERG, A. G./HALLER, A./SCHULTZE, W. (2009), S. 930; EWELT, C./KNAUER, T./SIEWEKE, M. (2009), S. 707.
119
Vgl. MÜßIG, A. (2008), S. 189, 192f.; BAETGE, J./KIRSCH, H./THIELE, S. (2009), S. 727; COENENBERG, A. G./HALLER, A./SCHULTZE, W. (2009), S. 930.
120
Vgl. DIETSCHE, M./FINK, C. (2008), S. 250.
121
Vgl. auch Art. 1 Nr. 14 Absatz a RICHTLINIE 2003/51/EG; SCHÄFER, H./LINDENMAIER, P. (2004), S. 45; SCHMEISSER, W. (2007), S. 13; BAETGE, J./HEUMANN, R. (2006), S. 39.
122
Vgl. Art. 1 Nr. 9 Absatz c BilReG; Art. 1 Nr. 19 Absatz a BilReG; FINK, C./KECK, B. (2005), S. 137f.; SCHMEISSER, W. (2007), S. 13.
Normen und Konzepte für die Humankapitalberichterstattung
33
Kapitalgesellschaft bzw. des Konzerns „so darzustellen, dass ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermittelt wird.“123 Aufgrund der zunehmenden Bedeutung immaterieller Werte für die Geschäftstätigkeit sollte der Lagebericht daher auch Informationen zu diesen beinhalten. Jedoch sind nur große Kapitalgesellschaften im Sinne des § 267 Abs. 3 HGB und Konzernmutterunternehmen im Sinne des § 290 Abs. 1, Abs. 2 HGB zur Abbildung nicht-finanzieller Leistungsindikatoren wie Umwelt- und Arbeitnehmerbelange im (Konzern-)Lagebericht verpflichtet, „soweit sie für das Verständnis des Geschäftsverlaufs oder der Lage von Bedeutung sind.“124 NichtKapitalgesellschaften sowie kleine und mittelgroße Kapitalgesellschaften im Sinne des § 267 Abs. 1, Abs. 2 HGB unterliegen dieser Pflicht hingegen nicht.125 In derartige Gesellschaftsformen bzw. Größenklassen sind i. d. R. auch Start-Ups einzuordnen, wobei deren zukünftige Erfolge jedoch häufig stark auf immateriellen Werten gründen. Investoren dieser Unternehmen werden daher über mitarbeiterbezogene Belange nur im Rahmen einer freiwilligen, ergänzenden Berichterstattung informiert.126 Begründet wird diese Beschränkung mit dem zu hohen Aufwand einer ständigen Anpassung an die Neuerungen der Rechnungslegung, insbesondere für kleinere Unternehmen.127 In Richtlinie 2003/51/EG wird allerdings nicht konkretisiert, was unter dem im Gesetzestext angeführten Begriff Arbeitnehmerbelange zu subsumieren ist. In der Begründung zum Gesetzesentwurf des BilReG wird explizit auch das Humankapital als weiterer nicht-finanzieller Leistungsindikator angeführt128, somit sind die beiden Begriffe offenbar nicht deckungsgleich. Durch die Nennung des Humankapitals dürfte jedoch
123
§ 289 Abs. 1 S. 1 HGB; § 315 Abs. 1 S. 1 HGB.
124
Art. 1 Nr. 9 Absatz c BilReg; Art. 1 Nr. 19 Absatz a BilReG; § 289 Abs. 3 HGB; § 315 Abs. 1 Satz 4 HGB.
125
Einschränkend sei hier auf § 264a Abs. 1 HGB verwiesen, wonach Personenhandelsgesellschaften, bei denen nicht mindestens ein Gesellschafter eine natürliche Person ist, der Pflicht zur Erstellung eines Lageberichts unterliegen. Vgl. diesbezüglich auch die Ausführungen in Fn. 113.
126
So ist die freiwillige, über die gesetzlichen Verpflichtungen hinausgehende wertorientierte Kapitalmarktkommunikation gerade für Wachstumsunternehmen der New Economy von hoher Relevanz. Vgl. ACHLEITNER, A.-K./BASSEN, A./PIETZSCH, L. (2001), S. 40.
127
Vgl. Erwägungsgrund 9 RICHTLINIE 2003/51/EG; Art. 1 Nr. 14 Absatz b RICHTLINIE 2003/51/EG; Artikel 46 IV RICHTLINIE 78/660/EWG: Den Mitgliedsstaaten steht die Forderung nach der Veröffentlichung nicht-finanzieller Informationen in den Lageberichten anderer Unternehmen frei. Deutschland macht von dieser Wahlfreiheit demnach Gebrauch.
128
Vgl. BT-Drs. 15/3419 (2004), S. 31.
34
Humankapital und Humankapitalberichterstattung
ein erster Schritt zu einem gesetzlich verpflichtenden Ausweis derartiger fundamentaler Werttreiber im Lagebericht getan sein.129 Eine stärkere Detaillierung der Bestandteile des Humankapitals beinhaltet der Deutsche Rechnungslegungs Standard (DRS) 15 zur Lageberichterstattung. 2.3.1.2.2 Lageberichterstattung gemäß DRS 15 Im Zuge der Reform des § 315 HGB durch die Richtlinie 2003/51/EG erarbeitete das Deutsche Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC) den Rechnungslegungsstandard DRS 15 „Lageberichterstattung“, welcher zu Beginn des Jahres 2005 durch das Bundesministerium der Justiz bekannt gemacht wurde.130 Er gilt für alle Mutterunternehmen, die verpflichtend oder freiwillig einen Konzernlagebericht nach § 315 HGB aufstellen131, unabhängig davon, ob sie darüber hinaus nach IFRS bilanzieren.132 Auch wird die Anwendung des DRS 15 auf den Lagebericht gemäß § 289 HGB bei einem Einzelabschluss sowie auf den Zwischenbericht empfohlen.133 Der DRS 15 dient somit zur Konkretisierung der Regelungen von § 289 HGB und § 315 HGB.134 Im Jahr 2010 erfolgte angesichts der durch die Einführung des BilMoG bedingten neueren Entwicklungen eine Überarbeitung von Regelungen des DRS 15, welche im Rahmen des Deutschen Rechnungslegungs Änderungsstandards (DRÄS) 5 veröffentlicht wurden. Wie der Lagebericht nach § 289 HGB hat auch der Konzernlagebericht, ergänzend zum Konzernabschluss, „ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild des Geschäftsverlaufs und der Lage des Konzerns zu vermitteln.“135 Das Ziel liegt in der Bereitstellung entscheidungsrelevanter und verlässlicher Informationen für seine Adressaten, dargestellt aus Sicht des Managements.136
129
Vgl. FISCHER, T. M./WENZEL, J. (2004), S. 314.
130
Vgl. SCHMEISSER, W. (2007), S. 13.
131
Vgl. DRS 15.1; DRS 15.4; DRS 15.6.
132
Vgl. FINK, C./KECK, B. (2005), S. 139.
133
Vgl. DRS 15.5; DRS 15.7.
134
Vgl. MÜßIG, A. (2008), S. 196; BAETGE, J./KIRSCH, H./THIELE, S. (2009), S. 725.
135
DRS 15.2.
136
Vgl. DRS 15.3.
Normen und Konzepte für die Humankapitalberichterstattung
35
Insgesamt orientiert sich der DRS 15 am Leitbild einer wertorientierten Berichterstattung durch den Grundsatz der Konzentration auf die nachhaltige Wertschaffung.137 Wertorientierte Berichterstattung (sog. Value Reporting) dient im Allgemeinen zur Bereitstellung sowohl von gesetzlich normierten Berichtselementen als auch von über die verpflichtende Unternehmensberichterstattung hinausgehender, unternehmenswertrelevanter Informationen, welche im Sinne einer erhöhten Transparenz dazu beitragen, die Wertlücke zwischen dem Unternehmenswert aus Managementsicht und dem Unternehmenswert aus Sicht des (Kapital-)Marktes zu erklären.138 Die wertorientierte Berichterstattung richtet sich somit vorrangig an Investoren; jedoch gelten daneben auch die übrigen Stakeholdergruppen als Adressaten bzw. Interessenten139 unternehmenswertrelevanter Publizitätselemente.140 Im Kontext der wertorientierten Berichterstattung wird die Berichterstattung über Humankapital dem Teilbereich Strategic Advantage Reporting zugerechnet.141 In Kongruenz mit § 315 Abs. 1 Satz 4 HGB sieht DRS 15.31 den verpflichtenden Einbezug nicht-finanzieller Leistungsindikatoren vor, „sofern diese Faktoren a) regelmäßig von der Unternehmensleitung beurteilt werden und b) als zu den nichtfinanziellen Leistungsindikatoren zugehörig anzusehen sind, welche für die Geschäftstätigkeit und für die Einschätzung des Geschäftsverlaufs oder der Lage von Bedeutung sind.“142 Zu diesen nicht-finanziellen Leistungsindikatoren zählen gemäß DRS 15.145 beispielsweise auch Arbeitnehmerbelange. Im Hinblick auf die Berichterstattung wird auf die 137
Vgl. DRS 15.30; FINK, C./KECK, B. (2005), S. 140.
138
Vgl. u. a. ARBEITSKREIS "EXTERNE UNTERNEHMENSRECHNUNG" DER SCHMALENBACH GESELLSCHAFT FÜR BETRIEBSWIRTSCHAFT E. V. (2002), S. 2337; BAETGE, J./HEUMANN, R. (2006), S. 40; HENSELMANN, K. (2005), S. 296.
139
Vgl. zur begrifflichen Abgrenzung der Adressaten- bzw. Interessentendimension WÜSTEMANN, J. (1999), S. 132f. Demnach ist ein Berichterstattungsadressat im Gegensatz zu einem Interessenten durch seinen vertraglich oder gesetzlich begründeten Anspruch auf bestimmte Unternehmensinformationen charakterisiert.
140
Vgl. zu dieser Erweiterung der Adressaten- bzw. Interessentendimension ausführlich BANZHAF, J. (2006), Kapitel 10. Der explizite Einbezug der Gesamtheit der Kapitalmarktteilnehmer, insbesondere der Konkurrenten, als Interessenten des Value Reporting findet sich u. a. bei RIEGLER, C. (2005), S. 568; HENSELMANN, K. (2005), S. 296ff.
141
Vgl. BANZHAF, J. (2006), S. 142f., 166f.; WENZEL, J. (2005), S. 224f. Im Rahmen des Value Reporting werden die drei Bereiche Total Return Reporting, Value Added Reporting und Strategic Advantage Reporting unterschieden. Vgl. hierzu allgemein FISCHER, T. M./WENZEL, J. (2004), S. 305. Vgl. ähnlich auch ARBEITSKREIS "EXTERNE UNTERNEHMENSRECHNUNG" DER SCHMALENBACH GESELLSCHAFT FÜR BETRIEBSWIRTSCHAFT E. V. (2002), S. 2338.
142
DRS 15.31.
36
Humankapital und Humankapitalberichterstattung
Wesentlichkeit von deren Einfluss auf die wirtschaftliche Lage des Unternehmens abgestellt. Daher müssen die Informationen über derartige nicht-finanzielle Leistungsindikatoren auch tatsächlich in Bezug zur wirtschaftlichen Situation, zu den Prozessen und der Strategie des Unternehmens gesetzt werden. Nur so ist den Investoren eine realistische Einschätzung im Hinblick auf die Erreichung ihrer finanziellen Ziele und auch des zukünftigen Leistungspotentials des Unternehmens möglich.143 Für die immateriellen Werte des Konzerns enthalten DRS 15.169-173 zwar einen separaten Abschnitt, allerdings nur als Teil der Anlage „Empfehlungen für die Lageberichterstattung“.144 Hierbei wird das Humankapital explizit einbezogen.145 Gemäß DRS 15.32 sind die Angaben zu den nicht-finanziellen Leistungsindikatoren „grundsätzlich qualitativer Natur. Soweit qualitative Aussagen alleine nicht ausreichend sind, um ein Verständnis über die Lage und den Geschäftsverlauf herzustellen, sind zusätzlich quantitative Angaben notwendig.“146 In Bezug auf Humankapital sollte nach Möglichkeit explizit eine Angabe in quantifizierter Form, ggf. durch Indikatoren, erfolgen.147 Dabei soll auch ein Bezug zur voraussichtlichen Entwicklung des Konzerns mit den bedeutendsten Chancen und Risiken hergestellt werden148 und Änderungen des Humankapitals „erläutert werden, wenn sie wesentliche Auswirkungen auf die wirtschaftliche Lage haben können.“149 Auch hier wird das Kriterium der Wesentlichkeit zugrundegelegt, was dazu beiträgt, den Nutzen dieser Angaben für die Adressaten zu erhöhen. Zur Konkretisierung enthält DRS 15.173 mit „Angaben zu Fluktuation, Mitarbeiterqualifikation, Weiterbildungsaufwendungen pro Mitarbeiter, Entlohnungssystemen und Vergütungsregelungen sowie wesentlichen Änderungen der tariflichen und betrieblichen Vereinbarungen“ schließlich konkrete Empfehlungen, welche Indikatoren unter das Humankapital zu subsumieren sind. Beispiele für zu berichtende Leistungs-
143
Vgl. KAHRE, B./SCHWETJE, J.-N. (2003), S. 126; HEUMANN, R. (2006), S. 263; MÜßIG, A. (2008), S. 200f.
144
Vgl. Anlage zu DRS 15, welche die Teilziffern 144-180 umfasst.
145
Vgl. DRS 15.170, DRS 15.172, DRS 15.173.
146
DRS 15.32.
147
Vgl. DRS 15.171.
148
Vgl. DRS 15.169.
149
DRS 15.172.
Normen und Konzepte für die Humankapitalberichterstattung
37
indikatoren bezogen auf die Belange von Arbeitnehmern sind ferner in DRS 15.146 angeführt. Gemäß DRS 15.147 in Verbindung mit DRS 15.145 sind diese angeführten Beispiele allerdings nicht als Mindestkatalog für angabepflichtige Leistungsindikatoren zu verstehen. Vielmehr soll eine Anpassung der berichteten Indikatoren auf unternehmensspezifische Gegebenheiten erfolgen. Im Zuge der Berichterstattung über immaterielle Werte und damit auch des Humankapitals werden im Allgemeinen überwiegend verbale und eher vage Aussagen getätigt.150 Grundsätzlich würden verpflichtende, standardisierte Vorgaben den tatsächlichen Nutzen der Informationen erhöhen.151 Gleichzeitig birgt dies jedoch das Risiko einer uniformen Berichterstattung von Seiten der Unternehmen, das wiederum die Relevanz der Informationen für die wichtigsten Zielgruppen senkt.152 Denn obwohl die Angaben des Managements im (Konzern-)Lagebericht eine gewisse Subjektivität der Berichterstattung mit sich bringen, treffen die Investoren u. a. auf dieser Basis Investitionsentscheidungen, die sich letztlich auch im Unternehmenserfolg und -wert widerspiegeln.153 Da Lagebericht und Konzernlagebericht der Prüfungspflicht nach § 316 Abs. 1, Abs. 2 HGB unterliegen, sind die darin enthaltenen wertorientierten Informationen jedoch als verlässlich zu beurteilen.154 2.3.1.3 Exposure Draft (ED) „Management Commentary“ Innerhalb der IFRS existiert bislang noch kein eigener Standard zur Lageberichterstattung.155 Folglich liegt bislang auch keine verbindliche Norm zur Berichterstattung über Humankapital im Lagebericht vor. Am 23.06.2009 hat das International Accounting Standards Board (IASB) jedoch den Standardentwurf ED/2009/6 „Management Commentary“ zur Lageberichterstattung für – nicht näher spezifizierte – börsennotierte Un150
Vgl. MÖLLER, K./PIWINGER, M. (2009), S. 88; WULF, I./NIEMÖLLER, J. (2009), S. 165f.; HALLER, A./DIETRICH, R. (2001), S. 1049. Zu einem ähnlichen Ergebnis in Bezug auf die Berichterstattung zum Kundenkapital kommen auch HEIDEMANN, J./HOFMANN, M. (2009), S. 86.
151
Vgl. HALLER, A./DIETRICH, R. (2001), S. 1051f.; FISCHER, T. M./WENZEL, J. (2004), S. 314.
152
Vgl. STAUBUS, G. J. (2000), S. 26; FLÖSTRAND, P./STRÖM, N. (2006), S. 582.
153
Vgl. HALLER, A./DIETRICH, R. (2001), S. 1047; MÜßIG, A. (2008), S. 198.
154
Vgl. FINK, C./KECK, B. (2005), S. 140; MÜßIG, A. (2008), S. 195.
155
Vgl. KAJÜTER, P./BACHERT, K./BLAESING, D. (2010), S. 183; FINK, C. (2009), S. 608; UNREIN, D. (2009), S. 259; BAETGE, J./KIRSCH, H./THIELE, S. (2009), S. 774; FINK, C./KECK, B. (2005), S. 139.
38
Humankapital und Humankapitalberichterstattung
ternehmen veröffentlicht.156 Als wesentliche Nutzer sollen aktuelle und potentielle Kapitalgeber dadurch in einem eigenständigen, den IFRS-Abschluss ergänzenden Berichtsformat, entscheidungsnützliche vergangenheits- und zukunftsbezogene Informationen über die finanzielle Lage, deren Veränderungen sowie die Ergebnisse der Geschäftstätigkeit aus Sicht des Managements erhalten.157 Der Kreis der Adressaten ist damit – im Unterschied zu der breiter gefassten Adressatenorientierung des Lageberichts u. a. auch auf Kunden, Mitarbeiter und Lieferanten158 – im Wesentlichen auf die aktuellen und potentiellen Investoren begrenzt, deren Informationsbedürfnisse den Impuls für den Inhalt des Management Commentary geben.159 In diesem Zusammenhang wird – abweichend zum DRS 15 – vom Management auch explizit gefordert, Ziele und Strategien darzulegen, um die Entscheidungsnützlichkeit der Informationen zu erhöhen und die Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Unternehmens zu verbessern.160 Das IASB erkennt zudem ausdrücklich an, dass der Abschluss nach IFRS das Informationsbedürfnis seiner Adressaten hinsichtlich nicht-finanzieller Indikatoren der zukünftigen Leistungsfähigkeit wie dem Humankapital nicht befriedigt.161 Daher sind im Management Commentary Angaben über finanzielle und nicht-finanzielle Leistungsmaßstäbe und -indikatoren, anhand derer das Management die Erreichung seiner Unternehmensziele bestimmt, zu machen.162 Darüber hinaus sind auch finanzielle und nicht-finanzielle Ressourcen und deren Verwendung zur Verwirklichung der Unternehmensziele sowie die finanzielle und nicht-finanzielle Leistungsfähigkeit des Unternehmens anzugeben.163 Ob und welche Angaben dabei zum Humankapital gemacht werden sollen, bleibt im Exposure Draft dagegen offen.
156
Vgl. ED MC.4-5; KAJÜTER, P./GUTTMEIER, M. (2009), S. 2333.
157
Vgl. ED MC.1-2; ED MC.6-7; ED MC.9-14; ED MC.17-18; ED MC.20; ED MC.BC 3; ED MC.BC 16; ED MC.BC 18; ED MC.BC 21; ED MC.BC 39; KAJÜTER, P./GUTTMEIER, M. (2009), S. 2334; UNREIN, D. (2009), S. 260.
158
Vgl. KAJÜTER, P./BACHERT, K./BLAESING, D. (2010), S. 185.
159
Vgl. ED MC.9; ED MC.BC 42; KAJÜTER, P./GUTTMEIER, M. (2009), S. 2334f.
160
Vgl. ED MC.2; ED MC.12; ED MC.17; ED MC.27; ED MC.BC 42.
161
Vgl. ED MC.BC 2 (Fn. †).
162
Vgl. ED MC.16; ED MC.36-39; KAJÜTER, P./GUTTMEIER, M. (2009), S. 2337.
163
Vgl. ED MC.29; ED MC.33.
Normen und Konzepte für die Humankapitalberichterstattung
39
Der Entwurf des Management Commentary wird voraussichtlich nicht zu einem verpflichtenden Standard führen.164 Es soll dem Ermessen der nationalen Gesetzgebung bzw. Standardsetter obliegen, den Anwenderkreis und die Prüfungspflichten festzulegen.165 Daher haben deutsche Kapitalgesellschaften, auch wenn sie nach IFRS bilanzieren, weiterhin einen Lagebericht nach § 289 HGB respektive § 315 HGB zu erstellen166, in dem unter den bereits erläuterten Voraussetzungen auch Arbeitnehmerbelange enthalten sind. Da die Regelungen nach HGB bzw. DRS und IFRS somit noch nicht obligatorisch ein vollständiges Bild des im Unternehmen vorhandenen Humankapitals vermitteln können, bleiben Investoren diesbezüglich auf eine erweiterte freiwillige Berichterstattung angewiesen. Den Unternehmen steht es im (Konzern-)Lagebericht frei, die gesetzlich vorgegebenen Mindestangaben um weitere freiwillige Informationen zu ergänzen, um den Informationsbedürfnissen der Adressaten gerecht zu werden.167 Dabei können sie sich beispielsweise an den humankapitalbezogenen Angaben des DRS 15.173 orientieren oder zusätzliche Informationen in weiteren Konzepten der Humankapitalberichterstattung darstellen. 2.3.2 Konzepte für die Humankapitalberichterstattung Im Hinblick auf die externe Darstellung von Humankapitalinformationen im Rahmen der (Lage-)Berichterstattung wurden in den letzten Jahren verschiedenartige Vorschläge entwickelt. So bietet das Intellectual Capital Statement einen möglichen Gestaltungsansatz, um über Humankapital zu berichten. Allerdings erfolgt hierbei eine Einbettung der Humankapitalberichterstattung in die Gesamtheit des Intellektuellen Kapitals. Dagegen widmen sich Personalberichte, Personalwertberichte und Personalbilanzen der eigenständigen Berichterstattung über betriebliches Humankapital. 2.3.2.1 Intellectual Capital Statement Bei Intellectual Capital Statements handelt es sich um Berichterstattungsinstrumente, welche Investoren, Finanzanalysten und andere Rechnungslegungsadressaten mit In164
Vgl. ED MC, S. 4; KAJÜTER, P./GUTTMEIER, M. (2009), S. 2333.
165
Vgl. ED MC.BC 10; KAJÜTER, P./GUTTMEIER, M. (2009), S. 2333.
166
Vgl. FINK, C. (2009), S. 608.
167
Vgl. BAETGE, J./KIRSCH, H./THIELE, S. (2009), S. 727.
40
Humankapital und Humankapitalberichterstattung
formationen über das nicht im Jahresabschluss abgebildete Potenzial der immateriellen Werte eines Unternehmens informieren.168 Die Zielsetzung eines Intellectual Capital Statement liegt darin, die Beziehungen zwischen den einzelnen Elementen des Intellektuellen Kapitals eines Unternehmens in strukturierter Form darzustellen und das sich daraus ergebende Zukunftspotential für das Unternehmen aufzuzeigen.169 In der Praxis beinhalten Intellectual Capital Statements eine Vielzahl an finanziellen und nicht-finanziellen Informationen, wie bspw. Angaben zu Mitarbeiterfluktuation und – zufriedenheit, Aus- und Weiterbildungsaufwendungen, kundenbezogenen Umsätzen, Kundenzufriedenheit etc., sowie einen ergänzenden verbalen Teil, in welchem die einzelnen Indikatoren und die Beziehungen zwischen diesen beschrieben und in ein strategisches Rahmenwerk eingeordnet werden.170 Unter den zahlreichen, in den letzten Jahren vorgeschlagenen Ausgestaltungsformen für Intellectual Capital Statements171 werden nachfolgend der Ansatz des ARBEITSKREISES „IMMATERIELLE WERTE IM RECHNUNGSWESEN“ DER SCHMALENBACHGESELLSCHAFT FÜR BETRIEBSWIRTSCHAFT E. V. sowie die „Wissensbilanz – made in Germany“ des ARBEITSKREISES WISSENSBILANZ im Detail vorgestellt. Der Vorschlag des ARBEITKREISES „IMMATERIELLE WERTE IM RECHNUNGSWESEN“ den Aufbau eines Intellectual Capital Statements wurde 2003 veröffentlicht. Er basiert zum einen auf der Auswertung anderer Ansätze und Kennzahlen, wie bspw. der „Guideline for Intellectual Capital Statements“172 der DANISH AGENCY FOR TRADE AND INDUSTRY, und zum anderen auf Praxiserfahrungen der Mitglieder.173 Dem Vorschlag des Arbeitskreises liegt ein Indikatormodell zu Grunde. Als Ziel der freiwilligen Berichterstattung über das Intellektuelle Kapital wird die Darstellung des strategischen Mana-
DER SCHMALENBACH-GESELLSCHAFT FÜR BETRIEBSWIRTSCHAFT E. V. für
168
Vgl. DAUM, J. H. (2003), S. 152; WAGNER, M. (2006), S. 90.
169
Vgl. DAUM, J. H. (2003), S. 144, 146.
170
Vgl. BUKH, P. N. et al. (2005), S. 715.
171
Vgl. unter vielen bspw. DANISH MINISTRY OF SCIENCE TECHNOLOGY AND INNOVATION (Hrsg.) (2003); MERITUM PROJECT (Hrsg.) (2002). Diesen Ansätzen, welche ursprünglich zum Zwecke der Schaffung von Transparenz hinsichtlich der in Unternehmen vorhandenen immateriellen Werte entwickelt wurden, wird inzwischen eine entscheidende Rolle zur gezielten Beeinflussung von Marktwerten zugesprochen, insbesondere auch bedingt durch die Darstellung von Werten für das Humankapital. Vgl. ALMQVIST, R./HENNINGSSON, J. (2009), S. 46.
172
Vgl. DANISH AGENCY FOR TRADE AND INDUSTRY (Hrsg.) (2000).
173
Vgl. HALLER, A. (2009), S. 101.
Normen und Konzepte für die Humankapitalberichterstattung
41
gements der Intangibles und die Identifikation von Werttreibern angegeben.174 Die Empfehlungen des Arbeitskreises bestehen aus zehn allgemeinen Grundsätzen, einer Grundlage zum Aufbau des Statements und konkreten Empfehlungen zum Intellectual Capital-Reporting.175 Der grundlegende Aufbau des Intellectual Capital Statements nach dem Vorschlag des ARBEITSKREISES „IMMATERIELLE WERTE IM RECHNUNGSWESEN“ beginnt mit einer Einführung über die allgemeine Strategie hinsichtlich des Managements der Intangibles sowie deren Wirkung auf den langfristigen Unternehmenserfolg. Danach folgt die Berichterstattung über das Intellektuelle Kapital in den sieben vorgegebenen Kategorien, wobei sich diese jeweils aus den folgenden vier Elementen zusammensetzt: 1. Strategie, 2. Katalog der Indikatoren, 3. Definition und Wechselwirkung der Indikatoren und 4. Kommentar. Den Abschluss bildet eine Zusammenfassung, welche die sieben Kategorien des Intellectual Capital in ihrer Gesamtheit beurteilt.176 Zur Verbesserung der Verständlichkeit der Indikatoren wird eine Dreiteilung in die Untergruppen „Input“, „Prozess“ und „Output“ vorgeschlagen. Die „Input“-Indikatoren geben dabei Auskunft über den Ressourcenmix der Intangibles, „Prozess“-Indikatoren veranschaulichen Veränderungen während der Berichtsperiode und die „Output“-Indikatoren informieren über den Einfluss der immateriellen Werte auf den Unternehmenserfolg. Weiterhin sollen sowohl monetäre als auch nichtmonetäre Kennzahlen Verwendung finden. Zu jeder Kennzahl sind der aktuelle Wert, Vorjahreswerte und Zielwerte anzugeben, ebenso wie eine Erklärung und exakte Definition der Indikatoren und deren Differenzierung. Als Definition wird für jede Kennzahl die Angabe der Berechnungsformel erwartet. Die letzte Empfehlung zu den Indikatoren ist die Darstellung der Wechselwirkungen zu anderen Indikatoren.177 Entsprechend der allgemeinen Berichtsgrundsätze wird der Management Approach als Basis für die Auswahl relevanter Indikatoren vorgegeben. Einerseits obliegt demnach die Auswahl der Berichtskennzahlen der Unternehmensleitung, andererseits sind folglich jene Größen zu wählen, welche auch zur internen Unternehmenssteuerung dienen. Dadurch werden Erweiterungen der Indikatoren bspw. anhand branchenspezifischer
174
Vgl. ARBEITSKREIS "IMMATERIELLE WERTE IM RECHNUNGSWESEN" DER SCHMALENBACH GESELLSCHAFT FÜR BETRIEBSWIRTSCHAFT E. V. (2003), S. 1234.
175
Vgl. GÜNTHER, T./KIRCHNER-KHAIRY, S. (2005), S. 7.
176
Vgl. ARBEITSKREIS "IMMATERIELLE WERTE IM RECHNUNGSWESEN" DER SCHMALENBACH GESELLSCHAFT FÜR BETRIEBSWIRTSCHAFT E. V. (2003), S. 1235.
177
Vgl. ARBEITSKREIS "IMMATERIELLE WERTE IM RECHNUNGSWESEN" DER SCHMALENBACH GESELLSCHAFT FÜR BETRIEBSWIRTSCHAFT E. V. (2003), S. 1234f.
42
Humankapital und Humankapitalberichterstattung
Kennzahlen ermöglicht. Der Grundsatz der Stetigkeit des Reporting verlangt, dass über die einmal ausgewählten Indikatoren kontinuierlich berichtet werden soll. Ein weiterer Grundsatz behandelt die Interpretation der Indikatoren. Diese ist zwar dem Adressaten selbst überlassen, dennoch werden Kommentierungen und Einschätzungen der bereitgestellten Informationen durch das Management gefordert. Unter dem Grundsatz der Klarheit wird zudem für die Informationen im Personalbereich eine Differenzierung nach Segmenten bspw. nach Mitarbeiterkategorien oder nach Funktionsbereichen empfohlen.178 Zur Berichterstattung über das Humankapital werden im Einzelnen folgende Indikatoren vorgeschlagen und hinsichtlich ihrer konkreten Darstellung näher präzisiert:179 Altersstruktur der Mitarbeiter: Klassifizierung nach Altersgruppen in Jahren (54); Unternehmenszugehörigkeit: Klassifizierung der Zugehörigkeitsdauer nach Jahren (15); Fluktuation: Anzahl der Mitarbeiter, die in der Berichtsperiode das Unternehmen verließen, im Verhältnis zur Anzahl der Mitarbeiter (gesamt); Mitarbeiterqualifikation: Mitarbeiter mit Hochschulabschluss bzw. Lehre/Ausbildung im Unternehmen im Verhältnis zur Anzahl der Mitarbeiter (gesamt); Weiterbildung: Angabe der Ausgaben pro Mitarbeiter und der Weiterbildungstage pro Mitarbeiter in der Berichtsperiode; Mitarbeiterzufriedenheit: Offenlegung der Methode, auf deren Basis die Mitarbeiterzufriedenheit ermittelt wird180; Fehlzeiten: Angabe der Fehltage pro Mitarbeiter in der Berichtsperiode;
178
Vgl. ARBEITSKREIS "IMMATERIELLE WERTE IM RECHNUNGSWESEN" DER SCHMALENBACH GESELLSCHAFT FÜR BETRIEBSWIRTSCHAFT E. V. (2003), S. 1234f.
179
Vgl. im Folgenden ARBEITSKREIS "IMMATERIELLE WERTE IM RECHNUNGSWESEN" DER SCHMALENBACH GESELLSCHAFT FÜR BETRIEBSWIRTSCHAFT E. V. (2003), S. 1236.
180
In der Praxis kommt insbesondere der schriftlichen, anonymen Befragung zur Messung der Mitarbeiterzufriedenheit eine hohe Bedeutung zu. Darüber hinaus lässt sich die Mitarbeiterzufriedenheit durch Interviews erheben oder anhand von Verhaltensweisen (z. B. Fehlzeiten) indirekt ableiten. Vgl. WUNDERER, R./JARITZ, A. (2006), S. 123.
Normen und Konzepte für die Humankapitalberichterstattung
43
Wertbeitrag: Berechnet als (Wertschöpfung pro Mitarbeiter – Personalkosten pro Mitarbeiter) u Mitarbeiteranzahl. Als weiterer Ansatz zur Erstellung eines Intellectual Capital Statements wird der Vorschlag des ARBEITSKREISES WISSENSBILANZ untersucht. Das Projekt „Wissensbilanz – Made in Germany“ wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWI) bereits seit dem Jahr 2003 gefördert. Den Gegenstand der Untersuchung bilden die 2. Auflage des Leitfadens (Version 2.0), welche 2008 veröffentlicht wurde, und die Wissensbilanz-Toolbox, eine Lernsoftware zur Erstellung einer Wissensbilanz, die auf der Homepage des BMWI zum Download frei verfügbar ist. Der Leitfaden wurde primär für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) erstellt. Die Wissensbilanzierung ist vor allem für KMUs zur Generierung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile entscheidend. Diesen Unternehmen stehen allerdings im Gegensatz zu großen Organisationen i. d. R. weniger finanzielle Ressourcen zur Umsetzung zur Verfügung. Aus diesem Grund wurde die Wissensbilanz-Toolbox als kostengünstiges, einfaches und effizientes Hilfsmittel zur Erstellung einer Wissensbilanz entwickelt.181 Die Wissensbilanz des ARBEITSKREISES WISSENSBILANZ ist sowohl zur internen Steuerung der immateriellen Werte als auch zur externen Kommunikation anwendbar. Hierbei wird die Wissensbilanz als Mittel zur gezielten Darstellung und Entwicklung des Intellektuellen Kapitals eines Unternehmens verstanden.182 Es sollen zum einen die Zusammenhänge zwischen den Unternehmenszielen, den Geschäftsprozessen, dem Intellektuellen Kapital und dem Unternehmenserfolg aufgezeigt und zum anderen eine Beschreibung dieser Elemente mit Hilfe von Indikatoren abgegeben werden.183 Das Intellectual Capital wird im Rahmen dieses Ansatzes in die drei Kategorien Humankapital, Strukturkapital und Beziehungskapital unterteilt.184 Für die Erstellung einer Wissensbilanz wird eine detaillierte Abfolge von Prozessen angegeben. Bevor eine fertige Dokumentation der Wissensbilanz vorliegt, sind acht Arbeitsschritte in der Wissensbilanz-Toolbox zu durchlaufen.185 Im ersten Schritt wird das Geschäftsmodell des Unternehmens be-
181
Vgl. MERTINS, K./WILL, M. (2007), S. 39ff.
182
Vgl. ARBEITSKREIS WISSENSBILANZ (2008), S. 8.
183
Vgl. ARBEITSKREIS WISSENSBILANZ (2008), S. 10.
184
Vgl. ARBEITSKREIS WISSENSBILANZ (2008), S. 10.
185
Vgl. hierzu und im Folgenden MERTINS, K./WILL, M. (2007), S. 40; ARBEITSKREIS WISSENSBILANZ (2008), S. 12ff.; BUNDESMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT UND TECHNOLOGIE (Hrsg.) (2008), S. 16ff.
44
Humankapital und Humankapitalberichterstattung
schrieben. Die Analyse des Geschäftsumfelds und die Zusammenfassung der strategischen Ziele bilden sodann die Grundlage zur Bewertung des Intellectual Capital. Der zweite Schritt beinhaltet die Identifikation der erfolgskritischen Geschäftsprozesse und der Einflussfaktoren des Intellektuellen Kapitals. Jeder Einflussfaktor wird anschließend bzgl. seiner Quantität, Qualität und Systematik (QQS) bewertet. Im vierten Schritt werden zur Unterstützung der Selbsteinschätzung Indikatoren gewählt. Diese Indikatoren sollen eine bessere Überprüfbarkeit und höhere Legitimation der Bewertungen garantieren, da mit ihrer Hilfe die aktuellen Zustände der Einflussgrößen und ihre Veränderungen objektiv belegbar werden. Der nächste Arbeitsschritt besteht darin, Interdependenzen abzubilden. In einer Sensitivitätsanalyse werden dabei sowohl die Steuerbarkeit der Einflussfaktoren als auch die zeitliche Wirkungsverzögerung der Initiativen beurteilt. Im sechsten Schritt werden die Ergebnisse der vorangegangenen Schritte mit der Toolbox graphisch in fünf verschiedenen Diagrammen aufbereitet. Die Visualisierung hilft bei der Ableitung, welche Einflussfaktoren aufgrund ihrer hohen Gesamtwirkung und ihres schlechten Abschneidens bei der QQS-Bewertung besonders stark gefördert werden müssen. Die Maßnahmen zur Förderung dieser Faktoren werden dann im siebten Schritt entwickelt. Der letzte Schritt stellt die Ergebniszusammenfassung der vorherigen Schritte in einer Wissensbilanz zur externen Kommunikation dar. Bei der unternehmensexternen Publizität von Indikatoren wird vorausgesetzt, dass diese absoluten oder relativen Kennzahlen eindeutig definiert sind, identisch berechnet werden und ein Interpretationsrahmen angegeben wird. Für die Indikatoren ist daher eine Kontextbeschreibung und Interpretation erforderlich. Des Weiteren ist möglichst die zeitliche Entwicklung der Kennzahlen aufzuzeigen.186 Mit diesen Vorgaben für die Darstellung der Indikatoren kann die Betrachtung des Inhalts und Aufbaus einer Wissensbilanz abgeschlossen werden. Für die humankapitalbezogenen Elemente des Leitfadens bzw. der Checklisten in der Toolbox wird betont, dass es sich lediglich um Beispiele handelt. Wenngleich diese Vorschläge von den Unternehmen bei der Erstellung ihrer eigenen Wissensbilanz beliebig an die Unternehmenssituation angepasst werden können, stellen sie dennoch typische Einflussfaktoren und Indikatoren des Humankapitals dar.187 Unter Einfluss186
Vgl. ARBEITSKREIS WISSENSBILANZ (2008), S. 27ff.
187
Vgl. ARBEITSKREIS WISSENSBILANZ (2008), S. 18.
Normen und Konzepte für die Humankapitalberichterstattung
45
faktoren werden in diesem Ansatz allgemein Faktoren verstanden, deren Veränderungen eine Wirkung auf den Unternehmenserfolg und die Erreichung der Unternehmensziele haben. Die Einflussfaktoren können sowohl einen Bezug zu materiellen, finanziellen als auch immateriellen Sachverhalte haben.188 Als Einflussfaktoren werden für das Humankapital die Fachkompetenz, die sozialen Kompetenzen, die Mitarbeitermotivation sowie die Führungskompetenzen vorgeschlagen. Diese StandardEinflussfaktoren des Humankapitals sowie zugehörige Indikatoren zu deren Messung und Berichterstattung sind zusammenfassend in Tab. 2.1 dargestellt. Einflussfaktor
Indikatoren
Fachkompetenz (Qualifikation)
Gesamtanzahl der Mitarbeiter; Mitarbeiter mit Hochschulausbildung, Mitarbeiter mit Berufsausbildung; ungelernte Mitarbeiter; Auszubildende; Anzahl der Weiterbildungstage
Fachkompetenz (Erfahrung)
Durchschnittsalter;Altersdistribution (unterteilt in verschiedene Altersklassen); durchschnittliche Betriebszugehörigkeit in Jahren
Soziale Kompetenzen
Anzahl der gemeldeten Konfliktfälle; Qualität der sozialen Kompetenzen (erhoben in einer Mitarbeiterbefragung)
Mitarbeitermotivation
Anzahl der Mitarbeiterbefragungen pro Jahr; Mitarbeiterzufriedenheit; Teilnahmequote bei Mitarbeiterbefragung; Zugänge; Abgänge; Krankenstand
Führungskompetenzen
Anzahl der Führungskräfte; Führungskräftequalität (erhoben in einer Mitarbeiterbefragung); Führungskräfte mit Führungskräfteschulung; Anzahl der Weiterbildungstage für Führungskräfteschulung
Tab. 2.1: Standard-Einflussfaktoren des Humankapitals nach dem ARBEITSKREIS WISSENSBILANZ (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an ARBEITSKREIS WISSENSBILANZ (2008), S. 30)
2.3.2.2 Personalbericht, Personalwertbericht und Personalbilanz Nach WUCKNITZ haben sich in der Praxis drei wesentliche Formen der freiwilligen Berichterstattung über das Humankapital entwickelt: Der Personalbericht, der Personalwertbericht und die Personalbilanz.189 Die Veröffentlichung erfolgt zumeist als Bestandteil der Lageberichterstattung im Geschäftsbericht, als dem wichtigsten Kommu-
188
Vgl. ARBEITSKREIS WISSENSBILANZ (2008), S. 19.
189
Vgl. WUCKNITZ, U. D. (2009), S. 121.
46
Humankapital und Humankapitalberichterstattung
nikationsinstrument der Unternehmensleitung mit den Kapitalgebern190, oder aber anlassbezogen, z. B. im Rahmen einer Unternehmensbewertung.191 Dadurch wird dem zunehmenden Bedürfnis externer Anspruchsgruppen, neben quantitativen Angaben wie der Anzahl der Mitarbeiter oder den Personalkosten auch qualitative Informationen zu den Kompetenzen der Mitarbeiter oder den Maßnahmen der Personalentwicklung zu erhalten, in unterschiedlichem Umfang entsprochen.192 Der Personalbericht enthält vornehmlich qualitative Informationen über die Mitarbeiter, ausgewählte Aktivitäten des Personalmanagements sowie Schlüsselmessgrößen wie Mitarbeiterzahl, -struktur und Personalaufwand.193 Dabei werden die Interdependenzen zwischen einzelnen Elementen jedoch nur unzureichend oder gar nicht berücksichtigt.194 Auch eine Aussage zum monetären Wert des Humankapitals erfolgt nicht.195 Deshalb kann folglich auch kein Zusammenhang zwischen dem Marktwert des Unternehmens und seinem Humankapital hergestellt werden196, was den Nutzen des Personalberichts für Investoren einschränkt. Der ausführlichere Personalwertbericht umfasst qualitative und quantitative Maße zur Bestimmung des gegenwärtigen Werts des Humankapitals und des Personals.197 Durch die Angabe von Soll- und Ist-Größen oder historischer und zukünftiger Entwicklungen erhöht er die Transparenz und das Verständnis für den Beitrag der Mitarbeiter zum Unternehmenserfolg durch externe Anspruchsgruppen.198 Die Personalbilanz setzt als Vermögensbilanz das Personal und den Unternehmenserfolg in einer gemeinsamen monetären Messdimension zueinander in Beziehung und macht das Humankapital dadurch messbar: Während der Unternehmenserfolg in Geldeinheiten ermittelt wird, resultiert das Humankapital aus der quantitativen Gegenüber-
190
Vgl. AX, C./MARTON, J. (2008), S. 434.
191
Vgl. WUCKNITZ, U. D. (2009), S. 122f., 137f.
192
Vgl. WUCKNITZ, U. D. (2009), S. 128.
193
Vgl. WUCKNITZ, U. D. (2009), S. 121; BECKER, M. (2008), S. 311.
194
Vgl. KAHRE, B./SCHWETJE, J.-N. (2003), S. 126.
195
Vgl. SCHÄFER, H./LINDENMAIER, P. (2004), S. 47; SCHMEISSER, W. (2007), S. 15.
196
Vgl. SCHÄFER, H./LINDENMAIER, P. (2004), S. 47; BECKER, M. (2008), S. 312.
197
Vgl. BECKER, M. (2008), S. 312.
198
Vgl. WUCKNITZ, U. D. (2009), S. 123, 129f.
Normen und Konzepte für die Humankapitalberichterstattung
47
stellung des personalbezogenen und personengebundenen betrieblichen Vermögens auf der Aktivseite sowie der personellen Verbindlichkeiten auf der Passivseite.199 Subjektiven Interpretationen der Wertentwicklung durch die Adressaten wird so entgegengewirkt200, was die Personalbilanz zur Berichtsform mit dem höchsten Informationsgehalt macht. Bislang ist noch keine dieser drei Formen der Berichterstattung über das betriebliche Humankapital gesetzlich bzw. durch Normen geregelt. In der Frage, ob und wie eine derartige freiwillige Publizitätsform die Entscheidungen von Anlegern beeinflusst, liegt das Untersuchungsziel der vorliegenden Arbeit.
199
Vgl. WUCKNITZ, U. D. (2009), S. 130f., 137f.; BECKER, M. (2008), S. 313.
200
Vgl. SCHÄFER, H./LINDENMAIER, P. (2004), S. 53.
48
3 Bewertungs- und Entscheidungsrelevanz als theoretischer Bezugsrahmen Im vorliegenden Kapitel soll die Relevanz der Humankapitalberichterstattung für die Unternehmensbewertung und für Investitionsentscheidungen aufgezeigt werden. Demnach ist in einem ersten Schritt zu klären, ob und inwieweit betriebliches Humankapital als Werttreiber Eingang in Modelle zur Bewertung von Unternehmen findet und inwieweit diese Art von Informationen für Rechnungslegungsadressaten bewertungsrelevant sind (Abschnitt 3.1). In einem zweiten Schritt soll aufgezeigt werden, wie Entscheidungen insbesondere von Kapitalmarktteilnehmern durch humankapitalbezogene Unternehmensinformationen beeinflusst werden (Abschnitt 3.2). Das diesbezüglich heranzuziehende Kriterium liegt in der Entscheidungsnützlichkeit (decision usefulness) von Humankapitalinformationen. Ausgehend von diesen theoretischen Überlegungen lässt sich schließlich ein Bezugsrahmen ableiten (Abschnitt 3.3), welcher die Grundlage für die Konzeption der empirischen Studie bildet.
3.1 Bewertungsrelevanz von Humankapitalinformationen Der Einbezug von Humankapitalinformationen anlässlich von Unternehmensbewertungen durch Kapitalmarktakteure wird mit dem Begriff der sog. Bewertungsrelevanz umschrieben. In Abschnitt 3.1.1 wird daher zunächst das Begriffsverständnis der Bewertungsrelevanz geklärt und eine Abgrenzung zum Begriff der Wertrelevanz vorgenommen. Da eine Unternehmensbewertung keinen Selbstzweck verfolgt, sondern stets zweckbezogen vorgenommen wird, werden in Abschnitt 3.1.2 Zwecke und Anlässe der Unternehmensbewertung vorgestellt. Abschnitt 3.1.3 widmet sich der Identifikation von Bestimmungsfaktoren des Unternehmenswerts. Daran anknüpfend ist im abschließenden Abschnitt 3.1.4 insbesondere die Frage zu klären, ob Humankapital als Bestimmungsfaktor des Unternehmenswertes gelten kann, d. h. welche Bedeutung Humankapital als Werttreiber zukommt. 3.1.1 Begriff der Bewertungsrelevanz Die Klärung des Begriffs der Bewertungsrelevanz erfordert zunächst ein Begriffsverständnis der Unternehmensbewertung. Im Allgemeinen besteht das Ziel der Unternehmensbewertung darin, einem Unternehmen oder Anteilen eines Unternehmens ei-
J. Sterzel, Bewertungs- und Entscheidungsrelevanz der Humankapitalberichterstattung, DOI 10.1007/978-3-8349-6205-8_3, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Bewertungsrelevanz von Humankapitalinformationen
49
nen bestimmten Wert zuzuordnen.201 Dieser Wert kann im Sinne eines Preises verstanden werden. Der Wert eines Unternehmens ist dabei determiniert durch einen zukünftigen Nutzen, den ein Eigentümer oder Investor aus prognostizierten Rückflüssen erzielen kann.202 Der Begriff der Bewertungsrelevanz wird in der Literatur nicht einheitlich verwendet und demzufolge ist dieser Begriff oftmals mit mehreren verschiedenartigen Bedeutungen belegt. Für die Zwecke dieser Arbeit wird der Begriff der Bewertungsrelevanz mit einem sehr spezifischen Verständnis unterlegt und ist folglich zunächst zu definieren und von anderweitigen Begriffsverständnissen abzugrenzen. Im Kontext dieser Arbeit sollen publizierte Unternehmensinformationen als bewertungsrelevant gelten, wenn diese aus der Perspektive von Nutzern der Unternehmensberichterstattung Eingang in die Unternehmensbewertung finden. Diese Interpretation des Begriffes der Bewertungsrelevanz ist demnach konsistent mit der von FLÖSTRAND und STRÖM203 propagierten Begriffsauffassung. Anhand des dargelegten Begriffsverständnisses, welches eine Nutzerperspektive zugrunde legt, wird deutlich, dass Informationen nicht per se bewertungsrelevant sind. Vielmehr basiert das Merkmal der Bewertungsrelevanz auf subjektiven Beurteilungen von Rechnungslegungsadressaten. Eine Information kann zwar objektiv als relevant für die Bewertung von Unternehmen gelten, beispielsweise weil sie als Kennzahl Eingang in klassische Unternehmensbewertungsverfahren findet. Eben diese Information gilt jedoch gemäß dem zuvor formulierten Begriffsverständnis nur dann auch als bewertungsrelevant, sobald sie aus der Adressatenperspektive tatsächlich Eingang in den Bewertungsprozess findet. Ein ähnliches Verständnis liefert auch STAUBER, der allerdings den Begriff „Bewertungsrelevanz“ nicht explizit formuliert sondern diesen unter dem Begriff der Entscheidungsrelevanz subsumiert. Nach Stauber werden Informationen als entscheidungsrelevant angesehen, sofern sie „entweder einen direkten Beitrag zur Schätzung
201
Vgl. MATSCHKE, M. J./BRÖSEL, G. (2007), S. 3; NÖLLE, J.-U. (2005), S. 15.
202
Vgl. NÖLLE, J.-U. (2005), S. 15.
203
Vgl. FLÖSTRAND, P./STRÖM, N. (2006), S. 580. Demnach sind Informationen bewertungsrelevant, “if it is used by analysts or other users of financial reports in the valuation process.” FLÖSTRAND, P./STRÖM, N. (2006), S. 580.
50
Bewertungs- und Entscheidungsrelevanz als theoretischer Bezugsrahmen
des Unternehmenswertes leisten oder sie indirekt, also über die Beurteilung des Wertsteigerungsmanagements, zur Wertbestimmung nützlich sind.“204 Das aufgezeigte Begriffsverständnis der Bewertungsrelevanz ist eindeutig von dem Konzept und Begriff der Wertrelevanz abzugrenzen.205 Wertrelevanz beschreibt einen statistischen Beziehungszusammenhang zwischen Rechnungslegungsinformationen und Kapitalmarktvariablen, wie bspw. Aktienkursen.206 In diesem Sinne stellen auch BARTH, BEAVER und LANDSMAN fest, „an accounting amount is deemed as value relevant, if it has a predicted association with equity market values.”207 Es existiert eine Fülle an Wertrelevanzstudien208, die Zusammenhänge zwischen Informationen aus der Rechnungslegung und Kapitalmarktvariablen analysieren. Dadurch sollen Rückschlüsse gezogen werden, inwiefern Kapitalmarktakteure auf Informationen aus der Unternehmenspublizität reagieren bzw. inwieweit diese Informationen Erklärungen in Bezug auf die Preisbildung auf Kapitalmärkten liefern und somit die Bestimmung innerer Unternehmenswerte erleichtern.209 Zu unterscheiden ist bei den Wertrelevanzstudien zwischen Ereignis- und Assoziationsstudien. In Ereignisstudien werden Marktreaktionen in Form von Kursveränderungen untersucht, die auf ein bestimmtes Ereignis zu einem bestimmten Zeitpunkt zurückzuführen sind.210 Bei derartigen Ereignissen handelt es sich vorwiegend um die Publikation von Quartalsberichten oder unterjährige Gewinnmeldungen. Es erfolgt somit eine zeitpunktbezogene Untersuchung von abnormalen Kursreaktionen, die auf eine Veröffentlichung von Rechnungslegungsinformationen zurückzuführen sind.211 Dagegen erfolgt in zumeist auf Regressionen basierenden Assoziationsstudien die Un-
204
STAUBER, J. (2003), S. 67.
205
Vgl. zu diesem Abgrenzungserfordernis auch FLÖSTRAND, P./STRÖM, N. (2006), S. 581.
206
Vgl. THINGGAARD, F./DAMKIER, J. (2008).
207
BARTH, M. E./BEAVER, W. H./LANDSMAN, W. R. (2001), S. 79.
208
Vgl. für einen Überblick über Wertrelevanzstudien die Beiträge von WALLMEIER, M. (2009) und MÖLLS, S. H./STRAUß, M. (2007a), S. 959ff. sowie stellvertretend die Studien von AMIR, E./LEV, B. (1996); MURRAY, A. et al. (2006); BANGHOJ, J./PLENBORG, T. (2008); HASSAN, O. A. G. et al. (2009).
209
Vgl. RUHWEDEL, F./SCHULTZE, W. (2002), S. 605.
210
Vgl. SCHULTZE, W./DINH THI, T./STEEGER, L. (2009), S. 319; WALLMEIER, M. (2009), S. 215.
211
Vgl. LINDEMANN, J. (2006), S. 971; MÖLLS, S. H./STRAUß, M. (2007b), S. 81.
Bewertungsrelevanz von Humankapitalinformationen
51
tersuchung von Zusammenhängen zwischen Informationen aus der Unternehmensberichterstattung und Kapitalmarktgrößen über einen längeren Zeitraum hinweg. Diese Art von Zusammenhängen wird mittels einer Korrelation der betrachteten Größen ausgewiesen, jedoch sind daraus keine Kausalzusammenhänge ableitbar.212 Im Vergleich zu Ereignisstudien erfolgt bei Assoziationsstudien demnach keine Untersuchung von Kursreaktionen, sondern eine Gegenüberstellung von Rechnungslegungsdaten und Kapitalmarktvariablen zum Zwecke der Bildung von statistischen Korrelationen.213 Bei Assoziationsstudien erfolgt ein indirekter Einbezug der Bewertungsrelevanz von Informationen in dem Sinne, „dass sich die am Markt widergespiegelte Preisentwicklung auf Handlungen von Investoren begründet, und diese Handlungen wiederum durch Rechnungslegungsereignisse induziert werden“.214 Wohingegen Wertrelevanz somit statistische Zusammenhänge zwischen Unternehmensinformationen und Kapitalmarktvariablen beschreibt und folglich als „statistical definition of information usefulness“215 umschrieben werden kann, ist der Begriff der Bewertungsrelevanz als verhaltenswissenschaftlich orientiertes Konzept der Nützlichkeit von Informationen zu verstehen. Folglich bietet das Konzept der Bewertungsrelevanz einen alternativen Erklärungsansatz, um den Nutzen von Informationen aufzuzeigen. Für den Fortgang dieser Arbeit soll der Begriff der Bewertungsrelevanz auf humankapitalbezogene Informationen aus der Unternehmensberichterstattung Anwendung finden. In diesem Zusammenhang geht es darum, aufzudecken, ob und inwieweit diese Informationen Einbezug in die Bewertung von Unternehmen finden. 3.1.2 Zwecke und Anlässe von Unternehmensbewertungen Unternehmenswerte sind stets zweckbezogen. Dies bedeutet, dass für ein Unternehmen kein objektiver Wert216 ermittelt werden kann, sondern der Unternehmenswert im
212
Vgl. hierzu ausführlich WALLMEIER, M. (2009), S. 216; MÖLLS, S. H./STRAUß, M. (2007a), S. 958.
213
Vgl. LINDEMANN, J. (2006), S. 971f.
214
Vgl. MÖLLS, S. H./STRAUß, M. (2007a), S. 958.
215
FLÖSTRAND, P./STRÖM, N. (2006), S. 581.
216
Vgl. für einen Überblick zu der bis 1960 in der Literatur vorherrschenden „objektiven Unternehmensbewertung“ MATSCHKE, M. J./BRÖSEL, G. (2007), S. 14ff.
52
Bewertungs- und Entscheidungsrelevanz als theoretischer Bezugsrahmen
Sinne eines Entscheidungswerts variieren kann, je nachdem, welcher Zweck mit einer Unternehmensbewertung verfolgt wird und welche Entscheidungen auf Grundlage der Bewertung zu treffen sind.217 Unternehmenswerte sind der heutigen Auffassung nach subjektiv, d. h. die Höhe des Unternehmenswerts kann je nach individueller Zielsetzung des Bewertenden unterschiedlich sein. Dabei ist der subjektive Unternehmenswert determiniert „durch die vom Bewertungssubjekt verfolgten Ziele, durch die aus dem Entscheidungsfeld des Subjekts verfügbaren finanz- und realwirtschaftlichen Handlungsmöglichkeiten und Handlungsbeschränkungen sowie durch die vom Bewertungssubjekt für das Unternehmen geplante Verwendung“218. Entsprechend der vorgebrachten Argumente verfolgt die Unternehmensbewertung per se keinen Selbstzweck sondern ist stets als Instrument zur Erreichung bestimmter Zwecke und im engeren Sinne zur Vorbereitung von Entscheidungen zu verstehen.219 Dieses als Zweckadäquanz bezeichnete Prinzip der Unternehmensbewertung ist in der Literatur weitestgehend unumstritten.220 Hinsichtlich der Bewertungszwecke existieren jedoch unterschiedliche Klassifizierungsansätze. Nach der sog. Kölner Funktionenlehre wird klassischerweise eine Unterteilung der Bewertungszwecke in Haupt- und Nebenfunktionen des Unternehmenswerts vorgenommen.221 Die Hauptfunktionen als grundlegende Funktionen beschreiben dabei Unternehmensbewertungen, „die vornehmlich auf eine Änderung der Eigentumsverhältnisse am zu bewertenden Unternehmen ausgerichtet sind“.222 Hierunter sind die Beratungs-, Argumentations- und Vermittlungsfunktion zu subsumieren.223 Dagegen geht es bei den Nebenfunktionen in erster Linie gerade nicht um Bewertungen, die anlässlich der Änderung von Eigentumsverhältnissen vorgenommen werden.224 Als Nebenfunktionen im Rahmen der 217
Vgl. hierzu sinngemäß und weiterführend im Hinblick auf die Ermittlung von Entscheidungswerten im Rahmen der typisierenden Unternehmensbewertung HENSELMANN, K. (2006), S. 144ff.
218
MATSCHKE, M. J./BRÖSEL, G. (2007), S. 18.
219
Vgl. sinngemäß BALLWIESER, W. (2007), S. 1; COENENBERG, A. G./SCHULTZE, W. (2002), S. 597; PORÁK, V./FIESELER, C. (2005), S. 30.
220
Vgl. DRUKARCZYK, J. (2003), S. 128f.; COENENBERG, A. G./SCHULTZE, W. (2002), S. 599; BALLWIESER, W. (2007), S. 3; SEPPELFRICKE, P. (2007), S. 7.
221
Vgl. BRÖSEL, G. (2006), S. 128; NÖLLE, J.-U. (2005), S. 19ff.
222
BRÖSEL, G. (2006), S. 128.
223
Vgl. COENENBERG, A. G./SCHULTZE, W. (2002), S. 599.
224
Eine Klassifikation und Zuordnung verschiedener Bewertungsanlässe nach dem Kriterium der Änderung von Eigentumsverhältnissen findet sich bei BRÖSEL, G. (2006), S. 133.
Bewertungsrelevanz von Humankapitalinformationen
53
klassischen Funktionenlehre sind Aufgaben wie Bilanzierung, Steuerbemessung und Vertragsgestaltung zu nennen.225 Die klassischen Funktionen der Unternehmensbewertung wurden von verschiedenen Autoren weiter verfeinert bzw. unterschiedlich klassifiziert. Im Folgenden sollen daher exemplarisch derartige Klassifikationsansätze herausgegriffen und im Kontext der vorliegenden Arbeit relevante Bewertungszwecke beleuchtet werden. Nach dem Klassifizierungsansatz von BALLWIESER können für die Unternehmensbewertung folgende Zwecke genannt werden:226 Vorbereitung eigener oder fremder Entscheidungen, Unterstützung von Argumentationen, Vermittlung zwischen streitenden Parteien, Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen, Ermittlung von Bilanzwerten. Vor dem Hintergrund der Zielsetzung dieser Arbeit, die Relevanz von Humankapitalinformationen für Bewertungs- und Investitionsentscheidungen zu analysieren, scheint der erstgenannte Bewertungszweck der Vorbereitung eigener oder fremder Entscheidungen hier relevant.227 Unter eigenen oder fremden Entscheidungen ist etwa der Erwerb oder Verkauf von Unternehmen(santeilen) zu subsumieren. Ferner dient die Unternehmensbewertung bspw. auch als Grundlage für Investitionsentscheidungen von Kapitalmarktakteuren, Kreditwürdigkeitsentscheidungen oder Entscheidungen hinsichtlich der Sanierungsfähigkeit eines Unternehmens.228 In Bezug auf Entscheidungen von Eigen- und Fremdkapitalgebern lässt sich mit der Marktwertermittlung ein weiterer Zweck der Unternehmensbewertung anführen, welcher von MANDL und RABEL geäußert wird. Demnach ist der Marktwert eines Unternehmens als Unternehmenswert aus der Perspektive des Kapitalmarktes, d. h. der Gesamtheit der Kapitalmarktakteure,
225
Vgl. COENENBERG, A. G./SCHULTZE, W. (2002), S. 599; NÖLLE, J.-U. (2005), S. 19.
226
Vgl. nachfolgend BALLWIESER, W. (2007), S. 1.
227
Demnach sei für die Erklärung der weiteren angeführten Zwecke auf die zugehörigen Erläuterungen bei BALLWIESER, W. (2007), S. 1f. verwiesen.
228
Vgl. BALLWIESER, W. (2007), S. 1.
54
Bewertungs- und Entscheidungsrelevanz als theoretischer Bezugsrahmen
zu verstehen.229 Dieser Bewertungszweck spielt eine bedeutende Rolle für die Zielsetzung der vorliegenden Arbeit, da im empirischen Teil darauf abgezielt wird, das Entscheidungsverhalten kapitalmarktorientierter Eigenkapitalgeber zu analysieren. Für diese sollte somit die den Investitionsentscheidungen zugrundeliegende Unternehmensbewertung den Zweck einer Marktpreisermittlung verfolgen. Einen weiteren Klassifizierungsansatz für die Zwecke der Unternehmensbewertung stellen COENENBERG und SCHULTZE vor. Entsprechend der Argumentation der Autoren sind Fragen bezüglich der Bewertung von Unternehmen in der jüngeren Vergangenheit neben den klassischen bewertungsrelevanten Bereichen Investitionsrechnung und Rechnungswesen in den Blickpunkt weiterer Teildisziplinen, wie bspw. dem wertorientierten Controlling, der strategischen Unternehmensführung und der Rechnungslegung, gerückt.230 Diese Entwicklung macht es erforderlich, die Zwecke der Unternehmensbewertung entsprechend neu zu ordnen und zu ergänzen, wie Abb. 3.1 zeigt.
Zwecke der Unternehmensbewertung
Gutachterliche Bewertung
Beratungsorientierte Bewertung bei Unternehmenskäufen
Relative Bewertung am Kapitalmarkt
Bewertung für das wertorientierte Controlling
Fair ValueErmittlung im Reporting
Abb. 3.1: Zwecke der Unternehmensbewertung (Quelle: COENENBERG, A. G./SCHULTZE, W. (2002), S. 599)
Die gutachterliche Bewertung und die beratungsorientierte Bewertung bei Unternehmenskäufen sind dabei als Basisfunktionen der Unternehmensbewertung anzusehen.231 Innerhalb der letztgenannten Funktion sind sowohl die Beratungs- als auch die Argumentationsfunktion der klassischen Funktionenlehre zu subsumieren. Die Ergänzung dieser klassischen Zwecke um die Funktionen der relativen Bewertung am Kapitalmarkt, der Bewertung für das wertorientierte Controlling und der Fair ValueErmittlung im Reporting liegt insbesondere in der zunehmenden Shareholder-ValueOrientierung begründet. In diesem Zusammenhang erscheint eine stärkere Ausrichtung 229
Vgl. MANDL, G./RABEL, K. (1997), S. 18.
230
Vgl. COENENBERG, A. G./SCHULTZE, W. (2002), S. 598.
231
Vgl. SCHULTZE, W. (2003), S. 10.
Bewertungsrelevanz von Humankapitalinformationen
55
an den Interessen der Kapitalgeber notwendig und wirkt sich demnach auch auf die Zwecke der Unternehmensbewertung aus.232 Angesichts des Untersuchungsfeldes der vorliegenden Arbeit scheint die Funktion der relativen Bewertung am Kapitalmarkt hier eine besondere Bedeutung zu erlangen. Diese Funktion ist insofern von der beratungsorientierten Bewertungsfunktion abzugrenzen, als dass auf Kapitalmärkten nicht auf den Kauf ganzer Unternehmen abgestellt wird, sondern eher auf einen Vergleich der relativen Vorteilhaftigkeit von Investitionsobjekten.233 Insofern kann die relative Bewertung am Kapitalmarkt als Beurteilungskriterium bzw. Entscheidungsgrundlage für Investoren gelten, um Anlageentscheidungen entsprechend zu fundieren. Durch diese Argumentation wird deutlich, dass die Bewertung von Unternehmen stets mit bestimmten Entscheidungen, die basierend auf den sich ergebenden Werturteilen getroffen werden, verknüpft ist. 3.1.3 Bestimmungsfaktoren des Unternehmenswerts Die Ausrichtung der Unternehmensführung und -strategie am Unternehmenswert erfährt in Deutschland seit Beginn der 1990er Jahre aufgrund der Globalisierung der Kapitalmärkte und dem damit einhergehenden verstärkten Wettbewerb um internationales Kapital einen zunehmenden Bedeutungszuwachs.234 In diesem Kontext steht die Befriedigung der Interessen der Kapitalgeber zunehmend im Fokus von Unternehmen. „Die Maximierung des Wertes des Eigenkapitals [sog. Shareholder Value, Anm. d. Verf.] wird dabei zur kardinalen monetären Zielgröße.“235 Ausgehend von diesen sich verändernden Rahmenbedingungen wurden verschiedene Konzepte zur wertorientierten Unternehmensführung entwickelt, welchen im Wesentlichen das Ziel gemeinsam ist, unternehmensbezogene Stellhebel (sog. Werttreiber) für die Steigerung des Shareholder Value bzw. des Unternehmenswerts236 aufzuzeigen. Nachfolgend werden aus-
232
Vgl. COENENBERG, A. G./SCHULTZE, W. (2002), S. 599f.
233
Vgl. COENENBERG, A. G./SCHULTZE, W. (2002), S. 600.
234
Vgl. HAHN, D./HINTZE, M. (2006), S. 83.
235
HAHN, D./HINTZE, M. (2006), S. 83. Vgl. sinngemäß auch BALLWIESER, W. (2009), S. 94.
236
Der Unternehmenswert ergibt sich durch Addition des Shareholder Value und des Werts des Fremdkapitals.
56
Bewertungs- und Entscheidungsrelevanz als theoretischer Bezugsrahmen
gewählte Bewertungsansätze skizziert, um wesentliche Bestimmungsfaktoren des Unternehmenswerts zu identifizieren.237 Die Grundidee des sog. Shareholder-Value-Netzwerkes nach RAPPAPORT (vgl. Abb. Abb. 3.2) besteht darin, den Beziehungszusammenhang zwischen der Unternehmenszielsetzung der Wertschaffung und relevanten Werttreibern, d. h. grundlegenden Bewertungsfaktoren, aufzuzeigen.238 Als Werttreiber werden demnach die folgenden Größen identifiziert: Wachstumsrate des Umsatzes, Betriebliche Gewinnmarge, Gewinnsteuersatz, Investitionen in das Umlaufvermögen, Investitionen in das Anlagevermögen, Kapitalkosten sowie Dauer der Wertsteigerung.
237
Die Identifikation von Bestimmungsfaktoren des Unternehmenswerts ist in diesem Zusammenhang von hoher Relevanz für die Konzeption der durchzuführenden empirischen Studie. Die Ausführungen im vorliegenden Abschnitt bilden die Ausgangsbasis für die Operationalisierung der in der empirischen Studie eingesetzten Variablen „finanzielle Informationen“ und „Unternehmensbewertung“ (vgl. Abschnitt 4.3.3).
238
Vgl. RAPPAPORT, A. (1999), S. 67f.
Bewertungsrelevanz von Humankapitalinformationen
Zielsetzung des Unternehmens
Bewertungskomponenten
Werttreiber
Führungsentscheidungen
57
Geschaffener Shareholder Value
Eigentümerrendite •Dividenden •Kursgewinne
Free Cash flow
Diskontierungszins
• Dauer der Wertsteigerung
Fremdkapital
• Umsatzwachstum • Investitionen UV • Kapitalkosten • Betriebliche • Investitionen AV Gewinnmarge • Gewinnsteuersatz
Operativ
Investition
Finanzierung
Abb. 3.2: Shareholder Value-Netzwerk nach RAPPAPORT (Quelle: In enger Anlehnung an RAPPAPORT, A. (1999), S. 68)
Nach RAPPAPORT gilt es, diese Werttreiber durch entsprechende Führungsentscheidungen gezielt so zu beeinflussen, dass daraus eine Steigerung des Unternehmenswerts resultiert. Führungsentscheidungen lassen sich in operative Entscheidungen, Investitionsentscheidungen und Finanzierungsentscheidungen differenzieren.239 Die Werttreiber Umsatzwachstum, betriebliche Gewinnmarge und Gewinnsteuersatz können durch operative Entscheidungen, die das laufende Geschäft betreffen (wie bspw. Entscheidungen hinsichtlich Leistungsprogramm, Preispolitik oder Vertrieb) beeinflusst werden. Investitionsentscheidungen konkretisieren sich in den Werttreibern Investitionen in das Anlagevermögen (AV) und Umlaufvermögen (UV). Dabei kann es sich bspw. um Entscheidungen hinsichtlich Kapazitätserweiterungen handeln. Betrachtet man das betriebliche Humankapital im Sinne eines Vermögenswertes, so sind unter Investitionsentscheidungen ebenfalls Entscheidungen in Bezug auf den Auf- und Ausbau des Humankapitals, bspw. durch gezielte Weiterbildungsmaßnahmen, zu subsumieren. Diese wirken sich ebenfalls auf die Generierung zukünftiger Cash flows aus und tra-
239
Vgl. RAPPAPORT, A. (1999), S. 68; MEYER, C. A. (2007), S. 140.
58
Bewertungs- und Entscheidungsrelevanz als theoretischer Bezugsrahmen
gen somit zu einer Wertsteigerung bei.240 Schließlich werden die Kapitalkosten als weiterer Werttreiber maßgeblich durch die Finanzierungsentscheidungen des Unternehmens bestimmt. Diese beinhalten neben der gezielten Beeinflussung der Kapitalstruktur auch die Wahl geeigneter Finanzierungsinstrumente.241 Der Werttreiber Dauer der Wertsteigerung erfordert eine Prognose der Unternehmensleitung hinsichtlich des Zeitraums, in welchem eine Investition eine den Kapitalkostensatz übersteigende Rendite erzielen wird. Als Bewertungskomponenten für den Shareholder Value gelten neben den prognostizierten Free Cash flows der Diskontierungssatz sowie der Wert des Fremdkapitals. Der Unternehmenswert wird typischerweise durch die Diskontierung von Free Cash flows bestimmt. Durch Subtraktion des Werts des Fremdkapitals ausgehend vom ermittelten Unternehmenswert ergibt sich der Shareholder Value.242 Die Free Cash flows werden maßgeblich durch die – unter anderem auch humankapitalbezogenen – Werttreiber der operativen und investitionsorientierten Ebene sowie durch die Dauer der Wertsteigerung beeinflusst. Diese Werttreiber gehen somit unmittelbar in die Prognose der Free Cash flows ein, indem diese die strategischen Führungsentscheidungen quantifizieren.243 Der Diskontierungszins ergibt sich aus Schätzungen der Kapitalkosten. Anhand dieser Systematik wird somit der unmittelbare Einfluss der Werttreiber auf die Bewertungskomponenten des Unternehmenswerts deutlich. Wesentliche Bestimmungsfaktoren der Eigentümerrendite, wie Dividenden und Kursgewinne, werden letztlich durch den Shareholder Value determiniert. Eine alternative Darstellungsform der Bestimmungsfaktoren des Unternehmenswerts wird von COENENBERG, HALLER und SCHULTZE vorgeschlagen. Der Wert eines Unternehmens umfasst demnach das Anfangsvermögen im Bewertungszeitpunkt und den sog. Geschäftswert. Letzterer wird als Barwert aller zukünftig realisierbaren Residual-
240
In diesem Kontext ist auch die Berichterstattung über Humankapital als – bislang jedoch noch nicht im Modell von Rappaport enthaltener – zusätzlicher Werttreiber zu verstehen, sofern ein Zusammenhang zwischen der Berichterstattung und der Senkung von Informationsasymmetrien nachgewiesen werden kann. Vgl. LABHART, P. A. (1999), S. 71; ACHLEITNER, A.-K./BASSEN, A./PIETZSCH, L. (2001), S. 40.
241
Vgl. RAPPAPORT, A. (1999), S. 68f. Darüber hinaus werden die Kapitalkosten auch durch das Geschäftsrisiko determiniert.
242
Vgl. MEYER, C. A. (2007), S. 139; NOWAK, K. (2003), S. 49.
243
Vgl. LATTWEIN, J. (2002), S. 144.
Bewertungsrelevanz von Humankapitalinformationen
59
gewinne244 verstanden und kann zum Zwecke einer strategischen, d. h. langfristig orientierten Ressourcenanalyse in einen kurzfristigen und einen nach dem detaillierten Prognosehorizont möglicherweise zusätzlich realisierbaren, langfristigen Geschäftswert aufgespalten werden (vgl. Abb. 3.3).245
UW
n 1
RGt RG 1 u t 1(1 WACC ) WACC g (1 WACC )n
V0 ¦ Anfangsvermögen
Kurzfristiger Geschäftswert
Langfristiger Geschäftswert
Bilanzielle Vermögenswerte
Bilanziell nicht erfasste immaterielle Vermögenswerte
Intellectual Capital, u. a. Humankapital
Mit: UW: Unternehmenswert; V0: Anf angsvermögen; RG: Residualgewinn; WACC: Weighted Average Cost of Capital; g: Wachstumsrate des Residualgewinns nach dem Prognosehorizont
Abb. 3.3: Beeinflussung des Unternehmenswertes durch Humankapital (Quelle: COENENBERG, A. G./HALLER, A./SCHULTZE, W. (2009), S. 1180)
Während der kurzfristige Geschäftswert auf bereits vorhandenen, nicht bilanzierungsfähigen immateriellen Vermögenswerten, wie beispielsweise selbst erstellten Patenten, basiert, beruht die Erzielung eines positiven langfristigen Geschäftswertes auf der unternehmensinhärenten Fähigkeit, auf Basis der vorhandenen immateriellen Ressourcen in der Zukunft potentielle strategische Wettbewerbsvorteile erzielen zu können. Der Umfang des langfristigen Geschäftswertes wird maßgeblich durch die Nutzung von
244
Unter bestimmten Voraussetzungen (Erfüllung der Prämissen des sog. Preinreich-Lücke Theorems) führt die Berechnung des Unternehmenswerts auf Basis der Barwerte von Free Cash flows oder Residualgewinnen bzw. Wertbeiträgen zum identischen Ergebnis. Vgl. COENENBERG, A. G./FISCHER, T. M./GÜNTHER, T. (2009), S. 825, 827; LÜCKE, W. (1955), S. 310ff. Vgl. zu den unterschiedlichen Bewertungskonzepten und zugrunde liegenden Berechnungsmethodiken weiterführend u. a. YOUNG, S. D./O'BYRNE, S. E. (2001); STEWART, G. B. (1999); RAPPAPORT, A. (1999); KRUSCHWITZ, L./LÖFFLER, A. (2006).
245
Vgl. COENENBERG, A. G./HALLER, A./SCHULTZE, W. (2009), S. 1180f.
60
Bewertungs- und Entscheidungsrelevanz als theoretischer Bezugsrahmen
unternehmensbezogenem Intellectual Capital bestimmt.246 Durch die Analyse des unternehmensspezifischen Humankapitals als wesentlicher Komponente des Intellectual Capital wird dessen Einfluss auf den zu ermittelnden Unternehmenswert aus Sicht des Bewertenden deutlich. Dem Humankapital kommt folglich die Eigenschaft eines zukunftsbezogenen Wertschaffungspotentials zu. Somit besitzt die unternehmensindividuelle Entwicklung des Humankapitals eine Signalwirkung in Bezug auf die Erzielung zukünftiger Unternehmensperformance. 3.1.4 Bedeutung von Humankapital als Werttreiber Humankapital in seiner Eigenschaft als zukunftsbezogenes Erfolgspotential gilt, wie immaterielle Werte im Allgemeinen247, als entscheidender Faktor für die Generierung von zukünftigem Unternehmenswert.248 Für die Prognose der Entwicklung von Unternehmenswerten wird daher dem Humankapital neben den Elementen des Jahresabschlusses in der Berichterstattung eine besondere Bedeutung beigemessen.249 Durch die externe Berichterstattung über Humankapital werden demnach den unternehmerischen Anspruchsgruppen Erklärungen hinsichtlich der Struktur des zukünftig generierbaren Unternehmenswerts geliefert.250 Den einzelnen Angaben zum Humankapital kommt folglich die Eigenschaft zukunftsweisender Indikatoren (engl.: leading indicators) zu, da diese als Schlüssel für das Potential eines Unternehmens angesehen werden, zukünftige Wertsteigerungen zu generieren. Der Begriff „leading indicator“ lässt sich in diesem Kontext wie folgt definieren: „A leading indicator is a value driver that logically occurs before another. Its value in the current period correlates with the value of the other measure in the future.” 251
246
Vgl. COENENBERG, A. G./HALLER, A./SCHULTZE, W. (2009), S. 1180f.; COENENBERG, A. G./SALFELD, R. (2007), S. 112f.
247
Vgl. ITTNER, C. D./LARCKER, D. F. (1998), S. 2; GHOSH, D./WU, A. (2007), S. 216f.; LUFT, J. L. (2009), S. 308; SCHRUFF, L./HAAKER, A. (2009), S. 50.
248
Vgl. BRÜHL, R./ORTH, M. (2008), S. 28. Die herausragende Bedeutung des Human Capital als Erfolgsfaktor für die Unternehmensperformance wird bspw. in der folgenden Studie belegt: GÜNTHER, T./BEYER, D./MENNINGER, J. (2005), S. 114.
249
Vgl. GUTHRIE, J./PETTY, R./JOHANSON, U. (2001), S. 371.
250
Vgl. sinngemäß MARSCHLICH, A./MENNINGER, J. (2006), S. 32; BRÜHL, R./ORTH, M. (2008), S. 28.
251
ECCLES, R. G. et al. (2001), S. 14. Vgl. zu nicht-finanziellen Informationen im Allgemeinen als leading indicators u. a. auch ITTNER, C. D./LARCKER, D. F. (1998), S. 1ff.; LUFT, J. L. (2009), S. 311f.
Bewertungsrelevanz von Humankapitalinformationen
61
Es besteht weitgehend Konsens, dass Humankapital in den Zeiten des Wandels von der Industrie- zur Wissensgesellschaft stark an Bedeutung gewinnt. Demnach wird auch der Unternehmenswert zunehmend von der Entwicklung des Humankapitals und weniger von bilanziellen Werten für Grundstücke, Gebäude oder andere physische Werte bestimmt.252 Dies wird durch die Differenz von Markt- und Buchwerten von ganzen Unternehmen verdeutlicht, welche bereits seit den 1980er Jahren deutlich zugenommen hat.253 Diese Marktwert-Buchwert-Differenzen werden typischerweise auf die Existenz von immateriellen Werten zurückgeführt.254 Die große Bedeutung des intellektuellen Kapitals bzw. Humankapitals wird zudem seit den 1990er Jahren bis heute durch Unternehmensverkäufe bestätigt, bei denen Käufer oftmals ein Vielfaches des Buchwertes für das erworbene Unternehmen zahlten. Dies gilt insbesondere für Unternehmen, deren entscheidender Wettbewerbsvorteil in dem Wissen der Mitarbeiter begründet liegt.255 Hierdurch wird deutlich, dass sich das Humankapital von Unternehmen zu den wichtigsten Quellen von Wettbewerbsvorteilen entwickelt.256 Ein Erklärungsansatz ist darin zu sehen, dass eine erfolgreiche Innovationstätigkeit die treibende Kraft für den unternehmerischen Erfolg darstellt. Für erfolgreiche Innovationen wird wiederum die Entwicklung des Humankapitals, d. h. die Qualifikation und Motivation der Beschäftigten und deren Wissen, als wichtigster Bestimmungsfaktor angesehen.257 Empirische Studien, die den Einfluss von Humankapital auf den Unternehmenswert untersuchen, sind bislang nur beschränkt verfügbar.258 Bisherige diesbezügliche Studien fokussieren ausschließlich auf Humankapital im Bereich des Topmanagements bzw. auf Unternehmer. So kommt PENA zu dem Ergebnis, dass Bildungsniveau, Erfah-
252
Vgl. JAEGER, B. (2004), S. 2.
253
Vgl. LEV, B. (2001), S. 8.
254
Vgl. GARCÍA-AYUSO, M. (2003), S. 57. Allerdings ist hierbei einschränkend zu bemerken, dass positive Marktwert-Buchwert-Differenzen nicht vollständig Intellektuellem Kapital zugeschrieben werden können, sondern ferner durch stille Reserven im bilanziellen (Rein-)Vermögen oder durch Marktanomalien bedingt sein können. Vgl. u. a. ABOODY, D./LEV, B. (1998), S. 166.
255
Vgl. BRADLEY, K. (1997), S. 55.
256
Vgl. BARTLETT, C. A./GHOSHAL, S. (2002), S. 34; MARSCHLICH, A./MENNINGER, J. (2006), S. 32; SCHNEIDER, M. (2008), S. 13; WEISS, M./STERZEL, J. (2007), S. 24.
257
Vgl. FALCK, O./KIPAR, S./WÖßMANN, L. (2008), S. 10; MÖLLER, K./PIWINGER, M. (2009), S. 74.
258
Vgl. ABHAYAWANSA, S./ABEYSEKERA, I. (2008), S. 52.
62
Bewertungs- und Entscheidungsrelevanz als theoretischer Bezugsrahmen
rung und Motivation von Entrepreneuren positiv mit der Performance eines neu gegründeten Unternehmens korreliert sind.259 DEDMAN und LIN kommen zu dem Schluss, dass das Ausscheiden eines CEO aus einem Unternehmen mit negativen Marktreaktionen verbunden ist.260 Als Anhaltspunkt für die Bewertungsrelevanz von Humankapital aus der Perspektive von Kapitalmarktakteuren können empirische Studien dienen, in welchen analysiert wird, wie die von Unternehmen publizierten Humankapitalinformationen in Berichte von Finanzanalysten einbezogen werden. So kommen u. a. FLÖSTRAND sowie GARCÍA-MECA, aber auch ARVIDSSON nahezu einheitlich zu dem Ergebnis, dass publizierte Humankapitalinformationen in Analystenberichten enthalten sind und somit als bewertungsrelevant eingeschätzt werden können. Allerdings sind Humankapitalinformationen innerhalb von Analystenberichten bisher im Vergleich zu Informationen in Bezug auf andere Kategorien des Intellektuellen Kapitals tendenziell unterrepräsentiert.261
3.2 Entscheidungsrelevanz von Humankapitalinformationen Wie zuvor ausgeführt erfolgen Unternehmensbewertungen zweckbezogen und dienen im Allgemeinen dazu, von Bewertungsinteressenten zu treffende Entscheidungen zu fundieren. Im Kontext dieser Arbeit wird auf Kapitalanlageentscheidungen von Investoren abgezielt. In diesem Zusammenhang stellt sich insbesondere die Frage, inwiefern Humankapitalinformationen für Investoren als entscheidungsrelevant gelten. Zu diesem Zweck erfolgt nach einer einführenden Begriffsklärung die Beschreibung der Entscheidungsrelevanz im Kontext von Kapitalanlageentscheidungen. Der Abschnitt schließt mit der Aufarbeitung wesentlicher empirisch-experimenteller Befunde hinsichtlich der Entscheidungsrelevanz von Humankapitalinformationen. Die vorgestellten Studien dienen dabei als Anknüpfungspunkt für die Konzeption der eigenen empirischen Untersuchung.
259
Vgl. PENA, I. (2002), S. 180ff.
260
Vgl. DEDMAN, E./LIN, S. (2002), S. 81ff.
261
Vgl. diesbezüglich die Befunde von FLÖSTRAND, P. (2006); GARCÍA-MECA, E. (2005); ARVIDSSON, S. (2003).
Entscheidungsrelevanz von Humankapitalinformationen
63
3.2.1 Begriff der Entscheidungsrelevanz Der Begriff der Entscheidungsrelevanz lässt sich insofern von dem Begriff der Bewertungsrelevanz abgrenzen, als dass die Bewertung eines Unternehmens per se noch keine Entscheidung darstellt. Jedoch ist anzunehmen, dass die Unternehmensbewertung die Basis für Entscheidungen bildet, da diese, wie oben ausgeführt, stets zweckbezogen erfolgt. Im Kontext dieser Arbeit werden Entscheidungen eingegrenzt auf Investitionen in Aktien eines Unternehmens. Sämtliche Stakeholder eines Unternehmens nutzen Unternehmensinformationen, um darauf basierend Entscheidungen zu treffen. Die Fundierung der Entscheidungsnützlichkeit von Informationen kann zum einen mittels der neoklassischen Kapitalmarkttheorie262 und zum anderen mit Hilfe des sog. decision usefulness approach der Accounting Theory erfolgen.263 Bei diesem Ansatz werden die Informationsbedürfnisse der Rechnungslegungsadressaten in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt.264 Aus der Perspektive der kapitalmarktorientierten Rechnungslegung besteht das grundlegende Ziel in diesem Zusammenhang in der Gewährleistung der decision usefulness, d. h. dem Nutzen der bereitgestellten Informationen für die jeweiligen Entscheidungen der Rechnungslegungsadressaten. Informationen gelten dann als nützlich für Entscheidungen, „wenn sie in der Lage sind, Erwartungen über künftige Zustände bzw. Überschüsse zu ändern, so dass daraus wiederum andere Entscheidungen der Nutzer folgen.“265 Die Entscheidungsnützlichkeit von Informationen wird dabei im Sinne eines deduktiven Vorgehens aus den Anforderungen bzw. Informationsbedürfnissen der Rechnungslegungsadressaten abgeleitet.266 Die Messung der Wertrelevanz267 von Informationen stellt dabei eine mögliche Operationalisierung der Entscheidungsnützlichkeit von Informationen dar.268
262
Zur Einordnung und Abgrenzung der neoklassischen Kapitalmarkt- bzw. Finanzierungstheorie vgl. weiterführend PERRIDON, L./STEINER, M./RATHGEBER, A. (2009), S. 538ff.
263
Vgl. VELTE, P. (2008), S. 24.
264
Vgl. diesbezüglich auch HITZ, J.-M. (2005), S. 147.
265
WAGENHOFER, A./EWERT, R. (2007), S. 105.
266
Vgl. ZÜLCH, H. (2003), S. 204ff.; HEPERS, L. (2005), S. 96.
267
Vgl. hierzu die Ausführungen in Abschnitt 3.1.1 hinsichtlich der Abgrenzung der Begriffe Bewertungsrelevanz und Wertrelevanz.
268
Vgl. VELTE, P. (2008), S. 24; LINDEMANN, J. (2006), S. 968.
64
Bewertungs- und Entscheidungsrelevanz als theoretischer Bezugsrahmen
An die Erwartungsbildung von Informationsnutzern ist die Voraussetzung geknüpft, dass die Unternehmensinformationen zukunftsgerichtet, relevant und verlässlich sein müssen.269 Das Kriterium der Relevanz ist erfüllt, wenn Informationen zum einen geeignet für die Bildung von Prognosen sind und zum anderen rechtzeitig vor einer zu treffenden Entscheidung verfügbar sind.270 Die Zuverlässigkeit von Informationen ist insbesondere von Bedeutung, da die Nutzer ein gewisses Maß an Vertrauen in die Informationen aufbauen müssen, damit sich mögliche Erwartungsänderungen tatsächlich einstellen können.271 Besteht also die Intention bspw. eines berichterstattenden Unternehmens oder Standardsetters darin, die Entscheidungsnützlichkeit von Informationen zu messen, so sind zu diesem Zweck die Kriterien der Relevanz und Zuverlässigkeit heranzuziehen.272 Ergänzend zu diesen beiden Kriterien wird eine Information im Allgemeinen als wesentlich bezeichnet, wenn dem Adressaten ein Nachteil entstehen würde, falls dieser die Information nicht erhalten hätte. Wichtig ist also die Beeinflussung der Entscheidungssituation des Adressaten.273 Oftmals ist in der Literatur ein synonymer Gebrauch der Begriffe Entscheidungsnützlichkeit und Entscheidungsrelevanz zu erkennen.274 Zum Begriff der Entscheidungsrelevanz konstatiert LOPATTA: „Die Entscheidungsrelevanz betrifft die grundsätzliche Relevanz einer Information aufgrund ihrer Eigenschaft als Parameter im Entscheidungskalkül des Informationsadressaten.“275 GASSEN beschreibt die Entscheidungsrelevanz als „the ability of financial accounting information to provide information that is relevant for decision making in the valuation process.“276 Dieses Begriffsverständnis lässt sehr gut erkennen, dass die Entscheidungsrelevanz von Informationen in
269
Vgl. MÖLLS, S. H./STRAUß, M. (2007b), S. 80; LINDEMANN, J. (2006), S. 968; BENTELE, M. (2004), S. 12ff.
270
Vgl. WAGENHOFER, A./EWERT, R. (2007), S. 105; LINDEMANN, J. (2006), S. 968.
271
Vgl. LINDEMANN, J. (2006), S. 968.
272
Vgl. WAGENHOFER, A./EWERT, R. (2007), S. 105.
273
Vgl. LOPATTA, K. (2006), S. 20.
274
So bestätigt auch HUSCHKE, dass der Begriff der Entscheidungsrelevanz mit dem Begriff der Entscheidungsnützlichkeit nahezu gleichgesetzt werden kann. Vgl. HUSCHKE, C. (2007), S. 10. Müller und Kreipl konstatieren hierzu: „Im Kontext empirischer Untersuchungen ist die Entscheidungsrelevanz mit der Entscheidungsnützlichkeit gleichzusetzen“. MÜLLER, S./KREIPL, M. (2010), S. 322.
275
LOPATTA, K. (2006), S. 20.
276
GASSEN, J. (2008), S. 14.
Entscheidungsrelevanz von Humankapitalinformationen
65
sehr enger Verbindung mit der Unternehmensbewertung zu sehen ist. Dies stützt die These, dass einer Entscheidung über eine Investition in ein Unternehmen stets eine Bewertung desselben vorausgeht und damit Bewertungs- und Entscheidungsrelevanz im Prinzip als Einheit zu sehen sind. 3.2.2 Entscheidungsrelevanz im Kontext von Kapitalanlageentscheidungen Grundsätzlich stellt das Konzept der Entscheidungsrelevanz Kapitalanlageentscheidungen in den Mittelpunkt der Betrachtung. Unternehmensinformationen werden demnach als relevant angesehen, wenn sie die (potentiellen) Kapitalgeber unterstützen, Beurteilungen im Hinblick auf Anlageentscheidungen vorzunehmen. Dies ist der Fall, wenn bisherige Einschätzungen durch die bereitgestellten Informationen entweder bestätigt werden oder die Adressaten zu deren Revidierung veranlassen. Da nicht nur aktuelle sondern auch potentielle Kapitalgeber im Fokus des Postulats der Entscheidungsnützlichkeit stehen, wird in der Literatur auch von einer retro- und prospektiven Komponente der Entscheidungsnützlichkeit gesprochen.277 Bezogen auf Anlageentscheidungen wird die Entscheidungsrelevanz von Informationen danach gemessen, inwieweit sie dient, Vorhersagen über zukünftige Ein- und Auszahlungen für den Kapitalgeber zu ermöglichen.278 Da die Rechnungslegung stets an unterschiedliche Adressaten gleichzeitig gerichtet ist und lediglich bspw. im Rahmen von Investor-Relations-Maßnahmen eine gezielte Ansprache ausgewählter Adressaten erfolgt, spielt der individuelle Informationsbedarf eines Entscheiders eine wichtige Rolle. Der jeweilige Nutzen von Informationen lässt sich also immer nur für einen speziellen Entscheidungskontext bestimmen.279 So kann z. B. eine bestimmte Information von einem Analysten als höchst relevant eingestuft werden, während ein Privatanleger dieselbe Information als eher unbedeutend einordnen würde. Informationen müssen folglich einen individuellen Entscheidungsnutzen generieren, um von den Nutzern tatsächlich in Entscheidungen einbezogen zu werden.280 Weiterhin hängt die Entscheidungsrelevanz einer Information auch davon ab, 277
Vgl. COENENBERG, A. G./STRAUB, B. (2008), S. 20.
278
Vgl. BÖCKING, H.-J./BENECKE, B. (1998), S. 94f.
279
Vgl. WAGENHOFER, A./EWERT, R. (2007), S. 80.
280
Vgl. MÖLLS, S. H./STRAUß, M. (2007b), S. 80. Demnach kommt der Rechnungslegung neben den klassischen Funktionen der Rechenschaftslegung und Dokumentation auch eine Entscheidungsfunktion zu.
66
Bewertungs- und Entscheidungsrelevanz als theoretischer Bezugsrahmen
inwiefern ein Informationsnutzer befähigt ist, eine bestimmte Information richtig zu interpretieren. In diesem Kontext ist zu berücksichtigen, dass die “usefulness of financial information for credit and investment decisions depends upon a user’s ability to interpret and mentally represent that information properly.”281 Allgemein orientiert sich die Entscheidungsrelevanz bestimmter Informationen an zwei grundlegenden Zielen der Rechnungslegung, welche stets mit der Informationsfunktion zusammenhängen. Die Informationsfunktion ist dabei zum einen dahingehend zu verstehen, bestimmte Informationen für Prognosezwecke aufzubereiten. Zum anderen ist die Informationsfunktion im Hinblick auf das Erfordernis der Rechenschaftslegung zu interpretieren.282 Der Zweck der Rechenschaftslegung zielt darauf ab, den Kapitalgebern Informationen dahingehend zu vermitteln, wie das Management eines Unternehmens in der Vergangenheit das ihm zur Verfügung gestellte Kapital eingesetzt hat.283 Das Interesse von aktuellen oder potentiellen Anlegern besteht in der Prognose der zukünftigen Ertragslage eines Unternehmens, um Potentiale für Rückflüsse in Form von Dividenden und Kursgewinnen zu bestimmen.284 Die Funktion der Rechenschaftslegung spielt daher gegenüber der Entscheidungsrelevanz von Informationen für Prognosezwecke in dieser Arbeit nur eine untergeordnete Rolle. 3.2.3 Ausgewählte empirische Befunde zur Entscheidungsrelevanz von Humankapitalinformationen Die Entscheidungsrelevanz von nicht-finanziellen Informationen im Allgemeinen und Humankapitalinformationen im Speziellen wurde vielfach empirisch untersucht. Die nachfolgend dargestellten empirischen Befunde stützen sich dabei ausschließlich auf die Untersuchung des Einflusses der Publizität nicht-finanzieller bzw. humankapitalbezogener Informationen auf Investitionsentscheidungen. Bewertungsurteile, welche – wie oben erläutert – die Basis für Investitionsentscheidungen bilden und diesen somit vorausgehen, werden jedoch in den bisherigen Forschungsarbeiten durchgängig vernachlässigt. Daraus ergibt sich, wie noch im Detail zu zeigen sein wird, ein wesentlicher Ansatzpunkt für die vorliegende Studie.
281
AMER, T. (1991), S. 18.
282
Vgl. LOPATTA, K. (2006), S. 21.
283
Vgl. COENENBERG, A. G./STRAUB, B. (2008), S. 17.
284
Vgl. MÖLLS, S. H./STRAUß, M. (2007a), S. 966.
Entscheidungsrelevanz von Humankapitalinformationen
67
Die am häufigsten eingesetzten Methodiken zur Untersuchung der Entscheidungsrelevanz nicht-finanzieller Berichterstattung sind Befragungen hinsichtlich der Informationsbedürfnisse von Kapitalmarktakteuren sowie kapitalmarktbasierte Wertrelevanzanalysen. Befragungsstudien können zwar Anhaltspunkte im Hinblick auf die Informationsbedürfnisse von befragten Rechnungslegungsadressaten liefern,285 allerdings spiegeln diese Befunde lediglich Meinungen und Einschätzungen der Befragten wider. Aus Befragungsstudien lässt sich folglich nicht darauf schließen, ob und inwieweit nicht-finanzielle Informationen von den Adressaten tatsächlich im Rahmen ihrer Anlageentscheidungen einbezogen werden. Im Vergleich dazu versuchen Wertrelevanzstudien die Konsequenzen eines tatsächlichen Verhaltens von Kapitalmarktteilnehmern abzubilden, indem Zusammenhänge zwischen Rechnungslegungsinformationen und Kapitalmarktvariablen, wie bspw. Aktienkursen, analysiert werden.286 Diese Zusammenhänge werden durch statistische Korrelationen abgebildet, welche Anhaltspunkte dafür geben können, ob die betreffenden Informationen einen Einfluss auf die Preisbildung auf dem Kapitalmarkt bewirken bzw. ob die auf dem Kapitalmarkt agierenden Kapitalgeber die betreffenden Informationen tatsächlich in die Entscheidungsfindung einbezogen haben.287 In diesem Zusammenhang ist jedoch anzumerken, dass Wertrelevanzstudien nicht dazu dienen können, im Sinne eines Kausalzusammenhangs auf das Verhalten von Anlegern zu schließen, da statistische Korrelationen zwischen Rechnungslegungsdaten und Kapitalmarktvariablen kausale Zusammenhänge nicht abzubilden vermögen. Neben Befragungs- und Wertrelevanzstudien kommt zur Untersuchung der Entscheidungsrelevanz nicht-finanzieller Rechnungslegungsinformationen desweiteren die Methodik der Inhaltsanalyse zur Anwendung. So wird die Inhaltanalyse beispielsweise auf Analystenberichte angewandt, um daraus Rückschlüsse auf die Entscheidungsrelevanz von Informationen aus der Unternehmensberichterstattung für Finanzanalysten ziehen zu können.288 Aus Inhaltsanalysen kann, wie auch bei Befragungen und Wertre285
Vgl. diesbezüglich den Forschungsbeitrag von PETTY, R./RICCERI, F./GUTHRIE, J. (2008).
286
Vgl. zu Wertrelevanzstudien im Kontext nicht-finanzieller Informationen stellvertretend die Arbeiten von ABOODY, D./LEV, B. (1998); AMIR, E./LEV, B. (1996); GELB, D. S. (2002); LEV, B./ZAROWIN, P. (1999). Vgl. zum Begriff der Wertrelevanz und zu den Zielen der Wertrelevanzforschung auch Abschnitt 3.1.1.
287
Vgl. FRANCIS, J./SCHIPPER, K. (1999), S. 320f.
288
Vgl. diesbezüglich bspw. die Studien von GARCÍA-MECA, E. et al. (2005) sowie GARCÍAMECA, E./MARTÍNEZ, I. (2007).
68
Bewertungs- und Entscheidungsrelevanz als theoretischer Bezugsrahmen
levanzstudien, jedoch kein kausaler Zusammenhang zwischen Rechnungslegungsinformationen und tatsächlichem Entscheidungsverhalten abgeleitet werden. Die effektivste Methodik, um das tatsächliche Entscheidungsverhalten von Rechnungslegungsadressaten zu analysieren, ist das Experiment. Experimentelle Forschungsansätze fokussieren auf kognitive Entscheidungsprozesse von Individuen und dienen dazu, zu analysieren, wie Informationen aus der Rechnungslegung Investitionsentscheidungen beeinflussen. Eine Auswahl an relevanten experimentellen Studien zur Entscheidungsrelevanz von nicht-finanziellen bzw. humankapitalbezogenen Rechnungslegungsinformationen wird im Folgenden vorgestellt. Bereits seit Ende der 1960er Jahre beschäftigt sich das Human Resource Accounting289 innerhalb des Forschungsstrangs des Behavioral Financial Accounting mit der Frage, „ob und inwieweit die Fähigkeiten, Erfahrungen und Potentiale der Mitarbeiter als Aktiva oder Humanvermögen auf den Kapitalmärkten bei Anlageentscheidungen berücksichtigt werden.“290 In der ersten empirisch-experimentellen Forschungsarbeit zu dieser Fragestellung konnte ELIAS einen schwach signifikanten Zusammenhang zwischen der Aktivierung von Humanvermögen in der Bilanz und Eigenkapitalinvestitionen in das betreffende Unternehmen durch eine Versuchsgruppe, u. a. bestehend aus Finanzanalysten und Studenten, aufdecken.291 HENDRICKS ermittelte eine signifikant höhere Anlageempfehlung durch die von ihm befragten Probanden für ein Unternehmen, welches Humankapitalinvestitionen tätigte und diese als bilanzielle Aktiva erfasste, im Vergleich zu einem Unternehmen, welches Humankapitalinvestitionen als Aufwand in der Gewinn- und Verlustrechnung auswies.292 Dabei bezeichnete HENDRICKS den seinem Experiment zugrunde liegenden Anlagehorizont zwar als kurzfristig, begründete seine Wahl aber damit, dass eine Erhöhung oder Verminderung der Investitionen in das Humanvermögen während dieser
289
Vgl. grundlegend zum Human Resource Accounting bspw. FLAMHOLTZ, E. (1999).
290
SÜßMAIR, A. (2000), S. 9. Vgl. weiterhin auch BRUMMET, R. L./FLAMHOLTZ, E./PYLE, W. C. (1968), S. 217ff.; ABHAYAWANSA, S./ABEYSEKERA, I. (2008), S. 52f.
291
Vgl. ELIAS, N. (1972), S. 217f., 220ff.
292
Vgl. HENDRICKS, J. A. (1976), S. 293f., 297.
Entscheidungsrelevanz von Humankapitalinformationen
69
Zeit die Leistungsfähigkeit des Unternehmens beeinflusst haben sollte.293 Da Investitionen in das Humankapital als zukunftsbezogenes Erfolgspotential ihre Wirkung jedoch nicht notwendigerweise zum aktuellen Investitionszeitpunkt entfalten294, ist dieser Befund gleichermaßen für einen langfristigen Anlagehorizont relevant. Bei der experimentellen Untersuchung von SCHWAN bewerteten die befragten Manager und Analysten von Banken die Fähigkeiten des Managements, zukünftigen Herausforderungen und Chancen begegnen zu können, signifikant unterschiedlich, wenn ein Unternehmen den Personalaufwand über mehrere Jahre abschrieb und in einem eigenen Bilanzposten aktivierte. Die Bewertung des Managements durch die Befragten fiel bei diesem Unternehmen im Vergleich zu einem weiteren Unternehmen, das den Personalaufwand periodisch verrechnete, höher aus.295 Darüber hinaus konnte ACLAND zeigen, dass die Berichterstattung von Indikatoren des Humankapitals in einem separaten Bericht Finanzanalysten dazu veranlasst, die Investition in ein Unternehmen zu bevorzugen, das sich trotz schlechterer Entwicklung der Kennzahlen in Bezug auf sein Humankapital stabil entwickelt hat. Dieser Effekt war am stärksten, wenn der von ACLAND entworfene fiktive Bericht auch die Ursachen der Entwicklung der Humankapitalindikatoren anführte.296 Wie die Ergebnisse dieser frühen Forschungsbeiträge belegen, geht von der Humankapitalpublizität demnach ein erheblicher Einfluss auf die kurz- und langfristigen Investitionsentscheidungen von Investoren aus. Seit Beginn der 1980er Jahre beschäftigt sich das Behavioral Financial Accounting vermehrt mit der Entscheidungswirkung weiterer nicht-finanzieller Informationen, insbesondere der Umweltberichterstattung. Da die Ziele, Problem- und Aufgabenstellungen dieser Forschungsarbeiten denen des Human Resource Accounting sehr ähnlich sind, werden die wesentlichen Ergebnisse im Rahmen dieser Arbeit nachfolgend kurz vorgestellt.
293
Vgl. HENDRICKS, J. A. (1976), S. 294.
294
Vgl. BRUMMET, R. L./FLAMHOLTZ, E./PYLE, W. C. (1968), S. 217f.
295
Vgl. SCHWAN, E. S. (1976), S. 220, 223f.
296
Vgl. ACLAND, D. (1976), S. 139ff.
70
Bewertungs- und Entscheidungsrelevanz als theoretischer Bezugsrahmen
Im Hinblick auf die Umweltberichterstattung hat BELKAOUI bereits 1980 erhoben, dass die Aktivierung von Aufwendungen zur Reinhaltung der Umwelt in der Bilanz nicht nur eine signifikante Wirkung auf die Investitionsentscheidungen privater Anleger ausübt, sondern diese auch von der Länge des Anlagehorizonts beeinflusst wird.297 Die weiteren empirischen Befunde über die Publizität positiver und negativer Umweltinformationen in Abhängigkeit des Anlagehorizonts sind nicht eindeutig: CHAN und MILNE fanden lediglich für den Fall der qualitativen Berichterstattung über ein schwach ausgeprägtes Umweltbewusstsein eine signifikante Wirkung auf eine langfristige Eigenkapitalinvestition durch Investmentanalysten und Buchhalter, die in diesem Fall wesentlich weniger in das betreffende Unternehmen investierten.298 Dagegen ergab das Experiment von MILNE und CHAN mit den gleichen Berufsgruppen, unabhängig vom Anlagehorizont, keine signifikante Wirkung einer umfangreichen Publizität des Unternehmens über Faktoren wie Umwelt, Kundenbeziehungen und Mitarbeiter.299 Eine signifikante Wirkung der Berichterstattung über hohe Umweltrisiken ergab sich bei MILNE und PATTEN sowohl bei zugrundeliegendem kurzfristigen als auch bei einem langfristigen Anlagehorizont, bei LIYANARACHCHI und MILNE dagegen nur bei einer langfristigen Investition.300 In beiden Experimenten neigten die befragten Buchhalter beziehungsweise Studenten kurzfristig zu einer höheren, langfristig dagegen zu einer niedrigeren Investition in das betreffende Unternehmen im Vergleich zu einem umweltbewussteren Unternehmen. Eine ergänzende Berichterstattung positiver, den negativen Effekt mindernder Informationen erzeugte dagegen keine signifikante Änderung der Investitionsentscheidung.301 Die Entscheidungswirkung der Publizität von ausschließlich positiven verbalen Umweltinformationen und quantitativen Umweltleistungsindikatoren untersuchten HOLM und RIKHARDSSON sowie RIKHARDSSON und HOLM. In der ersten Studie wurde durch den Einsatz von Studenten und erfahrenen Investoren als Experimentteilnehmer fest297
Vgl. BELKAOUI, A. (1980), S. 277.
298
Vgl. CHAN, C. C. C./MILNE, M. J. (1999), S. 268, 272.
299
Vgl. MILNE, M. J./CHAN, C. C. C. (1999), S. 447, 449f.
300
Vgl. MILNE, M. J./PATTEN, D. M. (2002), S. 384, 386ff.; LIYANARACHCHI, G. A./MILNE, M. J. (2005), S. 126ff.
301
Vgl. MILNE, M. J./PATTEN, D. M. (2002), S. 384, 387ff.
Entscheidungsrelevanz von Humankapitalinformationen
71
gestellt, dass die Wirkung einer solchen Berichterstattung in Abhängigkeit vom Anlagehorizont variiert, aber insbesondere bei einer kurzfristigen Investitionsentscheidung von höherer Bedeutung ist.302 Dagegen wurde im zweiten Experiment mit Studenten nur eine signifikante Wirkung positiver qualitativer Umweltinformationen bei einer kurzfristigen Anlage ermittelt, während quantitative nicht-finanzielle Informationen oder eine Kombination aus verbalen Darstellungen und Kennzahlen keinen signifikanten Effekt erzeugten.303 Stattdessen führte die Publizität quantitativer Informationen kurzfristig zu einer niedrigeren Investition als eine qualitativ-verbale Darstellung; erst langfristig bewirkte sie eine höhere Investition.304 Von GHOSH und WU wurden neben den nicht-finanziellen auch die finanziellen Informationen variiert, um die Entscheidungswirkung einer Kombination verschiedener Leistungsniveaus festzustellen. Dabei unterschieden sich die Anlageempfehlungen der befragten Finanzanalysten bei allen möglichen Kombinationen der Leistungsniveaus finanzieller und nicht-finanzieller Indikatoren im Vergleich zum Branchendurchschnitt signifikant voneinander. Bei zusätzlichem Einbezug des Investitionshorizonts wurde nur dann signifikant mehr investiert, wenn bei einem langfristigen Anlagehorizont alle Indikatoren über dem Durchschnitt lagen. Bei allen anderen Kombinationen wurde kurzfristig mehr investiert, jedoch nicht auf signifikantem Niveau.305 Ein weiteres, inhaltsähnliches Experiment wurde von PricewaterhouseCoopers UK durchgeführt. Im Rahmen dieses sog. „Schroder’s Test“ oder auch „Schroder’s Experiment“ wurde durch Analysten der Investmentbank Schroder für das dänische Unternehmen Coloplast u. a. eine Gewinnprognose erstellt. Hierzu erfolgte eine Einteilung der Versuchspersonen in zwei Experimentalgruppen, wobei einer der beiden Gruppen zusätzlich zu finanziellen Unternehmensinformationen relevante nicht-finanzielle Daten zur Verfügung gestellt wurden. Als ein wesentliches Ergebnis des Experiments konnte festgehalten werden, dass die Streuung hinsichtlich der ermittelten prognostizierten Gewinne in der Experimentalgruppe, welcher sowohl finanzielle als auch
302
Vgl. HOLM, C./RIKHARDSSON, P. (2008), S. 546, 548ff.
303
Vgl. RIKHARDSSON, P./HOLM, C. (2008), S. 390ff.
304
Vgl. RIKHARDSSON, P./HOLM, C. (2008), S. 393f.
305
Vgl. GHOSH, D./WU, A. (2007), S. 219, 228f.
72
Bewertungs- und Entscheidungsrelevanz als theoretischer Bezugsrahmen
nicht-finanzielle Daten zur Verfügung standen, erheblich geringer war als in der Vergleichsgruppe.306 Diese Forschungsergebnisse legen nahe, dass die Publizität nicht-finanzieller Informationen die kurz- und langfristigen Investitionsentscheidungen von Anlegern sowie auch die Gewinnprognosen von Finanzanalysten beeinflusst, wobei die Berichterstattung bei einer langfristigen Investitionsentscheidung an Bedeutung gewinnen und die positive Entwicklung der Informationen zu einer höheren Investition führen sollte. Allerdings liegt der Fokus der bisherigen Forschung vor allem auf Investitionsentscheidungen und dem diesbezüglichen Nutzen der Berichterstattung nicht-finanzieller Informationen, d. h. ihrer decision usefulness.307 Vor einer Entscheidung für oder gegen eine Investition nehmen Investoren auf Basis verschiedener Informationen jedoch zunächst eine Unternehmensbewertung vor.308 Für diejenigen Informationen, die die Anleger dabei als nützlich betrachten und in ihre Bewertung einbeziehen, verwendeten FLÖSTRAND und STRÖM den Begriff der „valuation relevance“ als „behavioral definition of information usefulness“309. Insgesamt umfasst die Entscheidungsrelevanz finanzieller und insbesondere nichtfinanzieller Informationen, wie Humankapitalinformationen, daher für die Investitions- und Bewertungsentscheidungen privater Anleger zwei Komponenten: Zunächst erfolgt eine Unternehmensbewertung (Judgment), für die diejenigen Informationen herangezogen werden, die „valuation relevance“ besitzen. Erst im Anschluss wird die Investitionsentscheidung (Decision Making) getroffen, für die die „decision usefulness“ der Informationen von Bedeutung ist. Im Rahmen des Behavioral Financial Accounting lässt sich dies empirisch mit einem integrativen Ansatz des Judgment and Decision Making (JDM), der diese beiden Komponenten vereint, untersuchen.
306
Vgl. hierzu ausführlich THOMAS, A. (2003), S. 79f.
307
Vgl. DIERKES, M./ANTAL, A. B. (1985), S. 30; CHAN, C. C. C./MILNE, M. J. (1999), S. 265; MILNE, M. J./CHAN, C. C. C. (1999), S. 443; GILLENKIRCH, R. M./ARNOLD, M. C. (2008), S. 130; HOLM, C./RIKHARDSSON, P. (2008), S. 541; RIKHARDSSON, P./HOLM, C. (2008), S. 384.
308
Vgl. SCHWAN, E. S. (1976), S. 220; GHOSH, D./WU, A. (2007), S. 220.
309
FLÖSTRAND, P./STRÖM, N. (2006), S. 581.
Bezugsrahmen für die empirische Studie und Ableitung von Hypothesen
73
3.3 Bezugsrahmen für die empirische Studie und Ableitung von Hypothesen Wie bereits angedeutet, ist die vorliegende Arbeit thematisch in den Forschungsstrang des Behavioral Financial Accounting einzuordnen. Innerhalb dieses Forschungsfeldes lässt sich eine weitere Einordnung in den Bereich der Judgment and Decision Making Research vornehmen, d. h. der Untersuchung von Urteilen und Entscheidungen von Rechnungslegungsadressaten. Zunächst erfolgt daher in Abschnitt 3.3.1 eine Charakterisierung dieses Forschungsfeldes. Auf dieser Basis erfolgt die Erarbeitung eines Bezugsrahmens für die empirische Studie (Abschnitt 3.3.2). In diesem Zusammenhang wird auch eine Charakterisierung der Untersuchungsgruppe der Privatanleger vorgenommen (Abschnitt 3.3.3). Abschließend erfolgt die Ableitung von Hypothesen, welche Kausalzusammenhänge hinsichtlich der Bewertungs- und Entscheidungsrelevanz von Humankapitalinformationen für private Anleger formulieren (Abschnitt 3.3.4). 3.3.1 Judgment and Decision Making Research im Rahmen des Behavioral Financial Accounting Im Allgemeinen befasst sich das Behavioral Accounting mit der Untersuchung der Zwecke, Aufgaben und Instrumente des Rechnungswesens aus einer verhaltens- und entscheidungsorientierten Perspektive.310 Es handelt sich dabei um einen interdisziplinären, verhaltenswissenschaftlich geprägten Gestaltungsansatz des Rechnungswesens mit Schnittstellen zur Psychologie und Soziologie, welcher sich von der ausschließlichen Fokussierung auf die Gewinnung und Bereitstellung von unternehmensbezogenen Informationen löst, sondern darüber hinausgehend die Wirkung der Informationen auf Informationsempfänger bzw. deren Verwendung durch Rechnungslegungsadressaten zum Gegenstand der Betrachtung macht.311 Wie auch bei anderen verhaltenswissenschaftlichen Ansätzen312 liegt der Grundgedanke der Behavioral Accounting-Forschung, welche seit den 1980er Jahren einen stetigen Bedeutungszuwachs erfährt313, darin, menschliche Verhaltensweisen nicht ausschließlich
310
Vgl. WILLIAMS, P. F./JENKINS, G. J./INGRAHAM, L. (2006), S. 787; GILLENKIRCH, R. M./ARNOLD, M. C. (2008), S. 128.
311
Vgl. sinngemäß auch ASHTON, R. H. (2010), S. 5.
312
Exemplarisch seien an dieser Stelle die Ansätze Behavioral Economics, Behavioral Finance und Behavioral Marketing genannt, bei denen es sich gleichermaßen um interdisziplinäre Forschungsansätze an der Schnittstelle zwischen Ökonomie und Verhaltenswissenschaften handelt.
313
Vgl. MEYER, M./RIGSBY, J. T. (2001), S. 275; DYCKMAN, T. R. (1998), S. 2.
74
Bewertungs- und Entscheidungsrelevanz als theoretischer Bezugsrahmen
aus dem Blickwinkel ökonomischer Ansätze zu erklären, sondern hierfür insbesondere auf psychologische und soziologische Erklärungsansätze zurückzugreifen.314 „Behavioral“ steht dabei für Verhaltensannahmen über die Informationsempfänger des Rechnungswesens, welche sich von der Annahme eines streng rationalen und ausschließlich eigennützig handelnden Homo Oeconomicus lösen.315 Es geht hierbei darum, die Entscheidungsprozesse von Informationsempfängern zu untersuchen und dabei insbesondere deren Informationsaufnahme, Informationsverarbeitung, Entscheidungsbildung und die daraus resultierende Entscheidungsfindung zu analysieren.316 Ein bedeutender Unterschied zwischen den Annahmen der neoklassischen Kapitalmarkttheorie, der ökonomischen Theorie und der Principal-Agent-Theorie auf der einen Seite und den Annahmen des Behavioral Accounting auf der anderen Seite liegt in der sog. Bounded Rationality begründet. Nach diesem Konzept werden Entscheidungen zwar von einem grundsätzlich rational agierenden Menschen getroffen, der jedoch durch bestimmte Ursachen auch fehlerhafte Entscheidungen treffen kann. Diesbezüglich werden in der Literatur drei wesentliche Ursachen für Fehlentscheidungen hervorgehoben: Erstens ein eingeschränkter Informationsstand, zweitens eine limitierte kognitive Fähigkeit und drittens eine Limitierung im motivationalen und emotionalen Bereich.317 In diesen Phänomenen, welche Erklärungsansätze für die Abweichung von einem streng rationalen Verhalten liefern, lässt sich ein entscheidender Unterschied zur Annahme der vollkommenen Informationsverarbeitung der Principal-Agent-Theorie318 erkennen. Investoren handeln demnach nicht mehr streng rational, sondern sind durch eine heterogene, unvollständige und begrenzte Informationsaufnahme- und verarbeitungskapazität charakterisiert.319 Aus dieser Annahme ergeben sich notwendigerweise Folgen für die Entscheidungsnützlichkeit von Informationen. Informationen des Rechnungswesens müssen unter den Restriktionen der begrenzten Informationsaufnahme- und -verarbeitungskapazität der Adressaten angemessen dosiert und über314
Vgl. GILLENKIRCH, R. M./ARNOLD, M. C. (2008), S. 128.
315
Vgl. GILLENKIRCH, R. M./ARNOLD, M. C. (2008), S. 128.
316
Vgl. sinngemäß BOES, F./SCHNEIDER, S. (2006), S. 402ff.
317
Vgl. RUMMER, M. (2006), S. 32. Für eine ausführliche Erklärung der Ursachen derartiger Fehlentscheidungen vgl. RUMMER, M. (2006), S. 32ff.
318
Unterstellt wird hierbei ein vollkommen rationales Handeln der Akteure im Sinne des Konstrukts des sog. „homo oeconomicus“. Vgl. VELTE, P. (2010), S. 285; STEFANI, U. (2008), S. 12; DIERKES, S./SCHÄFER, U. (2008), S. 19f.
319
Vgl. OEHLER, A. (2000), S. 981; BOES, F./SCHNEIDER, S. (2006), S. 402; HIRSCH, B. (2009), S. 168f.
Bezugsrahmen für die empirische Studie und Ableitung von Hypothesen
75
sichtlich präsentiert werden, um ihre Entscheidungsnützlichkeit zu wahren. Informationsempfänger sind in der heutigen Zeit, nicht zuletzt aufgrund der rasanten Entwicklungen im Bereich der Informationstechnologie und der zunehmenden Vernetzung, oftmals einer Informationsüberflutung (engl.: information overload) ausgesetzt, wodurch Entscheidungen unter Umständen sogar negativ beeinflusst werden können bzw. sich die Entscheidungsqualität mit zunehmender Informationsmenge verringert.320 Das primäre Ziel des Behavioral Accounting-Forschungsansatzes liegt in der Erklärung der „Auswirkungen der Ausgestaltung des Rechnungswesens auf menschliches Verhalten“321. Mit anderen Worten liegt das Ziel darin, unter entscheidungs- und verhaltensorientierten Gesichtspunkten die Effekte der Ausgestaltung des Rechnungswesens auf das Verhalten und Handeln von internen und externen Anspruchsgruppen zu erklären und zu prognostizieren, um Rückschlüsse auf dessen Gestaltung zu ziehen.322 Aus dem Blickwinkel dieser Zielsetzung kommt der Behavioral AccountingForschung daher insbesondere eine erklärende und beratende Funktion zu. Diese birgt Implikationen beispielsweise für die Regulierung der Rechnungslegung, für die Gestaltung von Beziehungen zwischen Unternehmen und deren Investoren sowie auch für die Ausgestaltung der Investor-Relations-Funktion.323 Legt man die vorherigen Ausführungen zugrunde, so liegt der Untersuchungsgegenstand der Behavioral Accounting-Forschung zum einen in der Entscheidungsunterstützung und zum anderen der Verhaltenssteuerung durch Informationen aus dem betrieblichen Rechnungswesen. Die Behavioral Accounting-Forschung lässt sich in drei wesentliche Bereiche untergliedern (vgl. Abb. 3.4): Behavioral Financial Accounting, Behavioral Tax Accounting und Behavioral Management Accounting. Diese Unterteilung lässt sich dabei jeweils in weitere Unterbereiche verfeinern.
320
Vgl. GUO, Z. (2002), S. 44; SCHÜTZ, T./SCHWAIGER, M. (2007), S. 193; VOLNHALS, M./HIRSCH, B. (2008), S. 50f.; HIRSCH, B./SCHNEIDER, Y. (2010), S. 15.
321
GILLENKIRCH, R. M./ARNOLD, M. C. (2008), S. 128.
322
Vgl. SCHÖNBRUNN, N. (1988), S. 83.
323
Vgl. GILLENKIRCH, R. M./ARNOLD, M. C. (2008), S. 128.
76
Bewertungs- und Entscheidungsrelevanz als theoretischer Bezugsrahmen JDM = Judgment and Decision Making
Behavioral Financial Accounting
Behavioral Accounting
Research Methodology
Behavioral Tax Accounting
Behavioral Management Accounting
JDM by Investors and Analysts
JDM by Taxpayers
JDM by Managers
JDM by Auditors
JDM by Tax Advisors
Incentives and Control
Tax Rules and Standards
Management Control Systems
Disclosure and Market Efficiency Managers and Auditors: Incentives and Control
Abb. 3.4: Bereiche der Behavioral Accounting-Forschung (Quelle: GILLENKIRCH, R. M./ARNOLD, M. C. (2008), S. 129)
Die vorliegende Arbeit lässt sich in den Bereich des Behavioral Financial Accounting einordnen und darunter im Speziellen in den Unterbereich des Judgment and Decision Making (JDM) by Investors and Analysts.324 Demzufolge wird dieser Bereich der Behavioral Accounting-Forschung im Folgenden einer ausführlichen Erklärung unterzogen, während auf die Forschungsgebiete Behavioral Tax Accounting und Behavioral Management Accounting nur in der gebotenen Kürze eingegangen wird. Als einer der drei Forschungszweige des Behavioral Accounting untersucht das Behavioral Financial Accounting die Verhaltenssteuerungs- und Entscheidungsunterstützungsfunktion der externen Rechnungslegung in Bezug auf die Urteilsbildung und Entscheidungsfindung von Anlegern, das sogenannte Judgment and Decision Making (JDM). Dazu wird ausgehend von Annahmen über das Verhalten der Adressaten der Einfluss der externen Berichterstattung anhand von Änderungen ihres Inhalts, ihrer Form oder ihres Umfangs auf das menschliche Entscheidungsverhalten und die zu-
324
Vgl. zur Klassifizierung des Judgment and Decision Making als Subkategorie des Behavioral Accounting auch ASHTON, R. H. (2010), S. 5.
Bezugsrahmen für die empirische Studie und Ableitung von Hypothesen
77
grunde liegenden Entscheidungsprozesse empirisch untersucht.325 In anderen Worten fokussiert die Forschung darauf, wie Adressaten ihre Wünsche, Erwartungen und ihr Wissen kombinieren, um darauf aufbauend bestimmte Handlungsoptionen zu wählen. Eine Entscheidung wird dabei stets als gut interpretiert, wenn unter den gegebenen Umständen effektive Wege gewählt wurden, um die Ziele und Wünsche des Entscheiders zu erreichen.326 Der hier besonders interessierende Forschungsstrang des JDM by Investors and Analysts untersucht die Entscheidungsrelevanz der externen Unternehmensrechnung aus der Perspektive von Kapitalgebern und Finanzanalysten. In diesem Kontext wird untersucht, welche Rolle die Rechnungslegung für die Urteilsbildung und Entscheidungen von Investoren und Analysten spielt. Eine zentrale Frage im Zusammenhang mit dem JDM by Investors and Analysts ist somit die Frage nach dem Informationswert der Rechnungslegung für deren Adressaten, vor allem für Kapitalgeber und Finanzintermediäre. Weiterhin wird in diesem Bereich erforscht, ob die Regulierung der Rechnungslegung und das Wissen von Beteiligten den Informationsgehalt und die Interpretation der Rechnungslegung beeinflussen.327 Vor allem Fragen nach dem Informations- und Entscheidungswert sind im vorliegenden Kontext interessant, da hier analysiert werden soll, inwiefern eine externe Berichterstattung die Entscheidungen von Investoren beeinflusst. In Analogie zum JDM by Investors and Analysts hat der Bereich des JDM by Auditors zum Ziel, Verhaltens- und Entscheidungswirkungen der Rechnungslegung aus der Perspektive von Wirtschaftsprüfern zu analysieren.328 Unter dem Forschungsbereich der Disclosure and Market Efficiency werden Untersuchungen zur Entscheidungsrelevanz der Rechnungslegung im Gefüge der Informati-
325
Vgl. SCHÖNBRUNN, N. (1988), S. 26; MAINES, L. A. (1995), S. 76f., 86ff.; GILLENKIRCH, R. M./ARNOLD, M. C. (2008), S. 128ff.
326
Vgl. HASTIE, R. (2001), S. 655f.
327
Vgl. GILLENKIRCH, R. M./ARNOLD, M. C. (2008), S. 130f.
328
Zu dem Bereich JDM by Auditors sei auf den Beitrag von NELSON, M./TAN, H.-T. (2005) verwiesen. Die Autoren geben einen ausführlichen Überblick zum Untersuchungsgegenstand des JDM im Bereich der Wirtschaftsprüfung und gehen in diesem Zusammenhang auch umfassend auf die Merkmale und Ziele von Wirtschaftsprüfern ein. Weiterhin werden auch Wechselbeziehungen zu anderen Adressatengruppen der Rechnungslegung aufgezeigt.
78
Bewertungs- und Entscheidungsrelevanz als theoretischer Bezugsrahmen
onsverarbeitung an Kapitalmärkten subsumiert.329 In diesem Zusammenhang rückt die Untersuchung der Informationseffizienz des Kapitalmarktes in den Mittelpunkt des Interesses. In diesem Sinne liegt Informationseffizienz eines Kapitalmarktes dann vor, wenn dieser in der Lage ist, Informationen korrekt zu verarbeiten.330 Weitergehend wird untersucht, wie bestimmte Informationen in die Marktpreise einzelner Wertpapiere einfließen. Während die neoklassische Kapitalmarkttheorie von einem komplett informationseffizienten Kapitalmarkt ausgeht, werden im Rahmen neuerer Untersuchungen drei Grade der Informationseffizienz unterschieden. Bei schwacher Informationseffizienz wird von einer verfügbaren Informationsmenge ausgegangen, die sich auf alle bisherigen beobachtbaren Marktpreise von Wertpapieren bezieht und welche keine Überrenditen durch Auswertung vergangener Marktpreise erwirtschaften lässt. Mittelstrenge Informationseffizienz liegt vor, wenn eine verfügbare Informationsmenge jegliche Informationen beinhaltet, welche zum aktuellen Zeitpunkt öffentlich verfügbar sind. Bei einer strengen Informationseffizienz beinhaltet die verfügbare Informationsmenge sämtliche Informationen, die in der gesamten Ökonomie an irgendeinem Ort auffindbar wären. Zumindest im Zusammenhang mit der Rechnungslegung wird allgemeinhin eher eine mittelstrenge Informationseffizienz angenommen.331 Der zweite Bereich des Behavioral Accounting, das Behavioral Tax Accounting, beschäftigt sich vor allem mit Anreiz- und Kontrollproblemen und den damit verbundenen Einflussfaktoren auf Steuervermeidung, Steuerhinterziehung sowie Steuerflucht. Es sollen Antworten zur Ausgestaltung von gesetzlichen Regelungen gegeben werden, die das Verhalten der Steuerzahler beeinflussen.332 Im Behavioral Management Accounting als drittem Forschungsstrang werden verhaltenswissenschaftliche Erkenntnisse der Psychologie und Soziologie auf Gebiete des internen Rechnungswesens angewendet. Hierbei sollen beispielsweise Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie sich das Verhalten der Mitarbeiter im Unternehmen zielkonform steuern lässt. Dabei wird unterstellt, dass die Ausgestaltung des internen Rechnungswesens und dessen Einsatz nicht verhaltensneutral sei, sondern sich unterschiedlich auf das individuelle Verhalten bzw. auf das Gruppenverhalten auswirkt. Einschlä329
Vgl. GILLENKIRCH, R. M./ARNOLD, M. C. (2008), S. 129.
330
Vgl. WAGENHOFER, A./EWERT, R. (2007), S. 122.
331
Vgl. WAGENHOFER, A./EWERT, R. (2007), S. 92ff.
332
Vgl. GILLENKIRCH, R. M./ARNOLD, M. C. (2008), S. 129.
Bezugsrahmen für die empirische Studie und Ableitung von Hypothesen
79
gige Forschungsarbeiten beschäftigen sich beispielsweise mit der Untersuchung der Motivationswirkung von Budgets, der Gestaltung von Verrechnungspreissystemen oder der Eignung von Anreizsystemen.333 Im Behavioral Accounting finden eine Vielzahl verschiedener Forschungsmethoden Anwendung. Diese umfassen sowohl modelltheoretische Analysekonzepte als auch empirische Ansätze. Im Bereich des Behavioral Financial Accounting kommen insbesondere Kapitalmarktstudien zur Untersuchung der Wertrelevanz von Rechnungslegungsinformationen im Rahmen des Disclosure and Market EfficiencyForschungsstrangs, sowie experimentelle Methoden zum Einsatz. Insbesondere experimentelle Forschungsmethoden haben für die Entwicklung des Behavioral Financial Accounting eine hohe Bedeutung erlangt.334 3.3.2 Integrierter Judgment and Decision Making-Forschungsansatz Aufbauend auf den vorangegangenen Überlegungen zur Bewertungs- und Entscheidungsrelevanz der Humankapitalberichterstattung sowie der Einordnung der vorliegenden Arbeit in den Forschungsbereich des Behavioral Financial Accounting soll nachfolgend der entwickelte Forschungsansatz aufgezeigt werden. Eine Visualisierung liefert Abb. 3.5.
333
Vgl. diesbezüglich stellvertretend die Studien von ARNOLD, M. C./PONICK, E. (2006); BUDDE, J./GÖX, R. F./LUHMER, A. (1998); GHOSH, D. (2000); HARBRING, C./IRLENBUSCH, B. (2004).
334
Vgl. GILLENKIRCH, R. M./ARNOLD, M. C. (2008), S. 130.
80
Bewertungs- und Entscheidungsrelevanz als theoretischer Bezugsrahmen Behavioral Financial Accounting-Forschung
Judgment and decision making by investors and analysts
Bewertungsrelevanz der Humankapitalberichterstattung.
Entscheidungsrelevanz der Humankapitalberichterstattung
JUDGMENT: „Unternehmensbewertung“
DECISION: „Investitionsentscheidung“
Untersuchung des Bewertungs- und Entscheidungsverhaltens privater Anleger Forschungsmethodik: Experiment
Untersuchung der Relevanzeinschätzungen privater Anleger Forschungsmethodik: Post-experimentelle Befragung
Abb. 3.5: Integrierter Judgment and Decision Making-Forschungsansatz (Quelle: Eigene Darstellung)
Angesichts des Untersuchungsziels lässt sich die vorliegende Arbeit in den Forschungsbereich des Behavioral Financial Accounting einordnen. Im Speziellen ist hierbei der Unterbereich des Judgment and Decision Making by Investors and Analysts als Anknüpfungspunkt zu identifizieren, da die Studie auf das Bewertungs- und Entscheidungsverhalten von (privaten) Investoren abzielt. Im Vergleich zu bisherigen Forschungsarbeiten335 wird hier ein integrierter Ansatz gewählt, welcher sowohl die Urteile von Privatanlegern in Bezug auf die Bewertung eines Unternehmens als auch die darauf basierenden Entscheidungen in Form von Investitionsentscheidungen untersucht.336 Es erfolgt somit in einem ersten Schritt die Analyse der Bewertungsrelevanz der Humankapitalberichterstattung in dem Sinne, ob und in welchem Ausmaß Humankapitalinformationen Eingang in die von Privatanlegern vorgenommene Unternehmensbewertung finden. Da die Unternehmensbewertung stets zweckgerichtet erfolgt, 335
Vgl. die diesbezüglichen Ausführungen in Abschnitt 3.2.3.
336
Die Mehrzahl der JDM-Forschungsarbeiten fokussiert entweder auf Urteile (judgments) oder auf Entscheidungen (decisions). Vgl. KOTCHETOVA, N./SALTERIO, S. (2004), S. 556. Um einer integrierten Betrachtung des Judgment and Decision Making Rechnung zu tragen, wird in der vorliegenden Studie sowohl auf Bewertungsurteile als auch auf darauf basierende Investitionsentscheidungen abgezielt.
Bezugsrahmen für die empirische Studie und Ableitung von Hypothesen
81
bildet diese die Ausgangsbasis für zu treffende Investitionsentscheidungen. Darauf aufbauend erfolgt in einem zweiten Schritt die Analyse der Entscheidungsrelevanz von Humankapitalinformationen für kurz- und langfristig orientierte Investitionsentscheidungen privater Anleger. Zum Zwecke der Untersuchung dieser Kausalzusammenhänge hinsichtlich der Bewertungs- und Entscheidungsrelevanz von Humankapitalinformationen wird das Experiment als geeignete Forschungsmethodik identifiziert.337 Wie angedeutet bieten Experimente die Möglichkeit, das Bewertungs- und Entscheidungsverhalten privater Anleger zu untersuchen. Im Interesse der vorliegenden Arbeit steht jedoch zusätzlich die Frage, inwiefern sich das Verhalten privater Investoren mit deren Einstellungen deckt. So wird ergänzend zu der experimentellen Methodik ein Befragungsdesign angewandt. Dabei werden individuelle Einschätzungen privater Anleger hinsichtlich der Relevanz von Humankapitalinformationen in Bezug auf deren Bewertungsurteile und Investitionsentscheidungen erhoben. Im Vergleich mit dem experimentell ermittelten Bewertungs- und Entscheidungsverhalten der Anleger kann folglich ein Vergleich gezogen werden, ob und inwieweit sich deren individuelle Relevanzeinschätzungen mit dem im Experiment gezeigten Verhalten decken. Diese Fragestellung scheint interessant, da somit aufgedeckt werden kann, ob Anleger ihre Entscheidungen bewusst treffen oder ob diese möglicherweise durch andere Einflussfaktoren determiniert sind. Das in der empirischen Untersuchung einzusetzende Forschungsmodell ist in Abb. 3.6 dargestellt.
337
Die Begründung für die Eignung der experimentellen Forschungsmethodik zur Untersuchung von Kausalzusammenhängen und deren Abgrenzung zu anderen Methoden der empirischen Forschung wird in Abschnitt 4.2.1 vorgenommen.
82
Bewertungs- und Entscheidungsrelevanz als theoretischer Bezugsrahmen Einflussfaktor
(Moderierender) Einflussfaktor
Humankapitalinformationen
Finanzielle Informationen
Wirkung
Unternehmensbewertung
Kurzfristige Investitionsentscheidung
Langfristige Investitionsentscheidung
Abb. 3.6: Forschungsmodell für die empirische Studie (Quelle: Eigene Darstellung)
Zum Zwecke der Analyse des Bewertungs- und Entscheidungsverhaltens von Anlegern werden drei Messvariablen eingesetzt: Die Unternehmensbewertung, die kurzfristige Investitionsentscheidung und die langfristige Investitionsentscheidung. Entsprechend der vorherigen Ausführungen bilden finanzielle Unternehmensinformationen die wesentliche Basis für Unternehmensbewertungen und Anlageentscheidungen. Daher wird der Einfluss der finanziellen Informationen sowohl auf Bewertungsurteile als auch auf kurz- und langfristige Entscheidungen von Anlegern untersucht. Den zweiten Einflussfaktor bilden Humankapitalinformationen. Da diese annahmegemäß keine alleinige Grundlage für Bewertungsurteile und Investitionsentscheidungen bilden, sondern im Zusammenspiel mit finanziellen Informationen als Bewertungs- und Entscheidungsgrundlage dienen sollen, werden diese in Form einer sog. moderierenden Einflussvariable in das Modell integriert. Es wird demnach postuliert, dass durch Humankapitalinformationen die Wirkung von finanziellen Informationen auf Bewertungsurteile und Investitionsentscheidungen beeinflusst wird. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass finanzielle Informationen und Humankapitalinformationen als sog. unabhängige Variablen in das Modell eingehen, deren Wirkung untersucht werden soll. Die Unternehmensbewertung, die kurzfristige Investitionsentscheidung und die langfristige Investitionsentscheidung werden als sog. abhängige Variablen in das Modell einge-
Bezugsrahmen für die empirische Studie und Ableitung von Hypothesen
83
bracht. Das Ziel besteht darin, die vermuteten Kausalzusammenhänge von den unabhängigen auf die abhängigen Variablen zu untersuchen. In diesem Kontext ist die Untersuchungsgruppe näher zu spezifizieren. Unter den zahlreichen Adressaten der Rechnungslegung wurden zu diesem Zweck Privatanleger als interessierende Untersuchungsgruppe gewählt. 3.3.3 Privatanleger als Untersuchungsgruppe Die Kapitalmarktforschung im Allgemeinen stützt sich traditionellerweise auf die Analyse des Verhaltens institutioneller Investoren oder Finanzanalysten, während der Untersuchung des Verhaltens privater Anleger nur vergleichsweise wenig Bedeutung beigemessen wird.338 Für den Einbezug von Privatanlegern in die Kapitalmarktforschung spricht jedoch zum einen, dass diese in der Lage sind, das Marktgeschehen, d. h. Aktienkurse zu beeinflussen.339 Weiterhin konnte durch Studien belegt werden, dass gewisse wiederkehrende Marktanomalien auf die Existenz und Marktteilnahme privater Anleger zurückzuführen sind.340 Ursächlich für diese beobachteten Effekte sind unter anderem einerseits die hohe Loyalität privater Anleger und andererseits die einer Aktienanlage von Privatanleger zumeist zugrundeliegende Langfristorientierung.341 Obwohl sich durch diese Ergebnisse das Interesse an der Erforschung des Entscheidungsverhaltens privater Anleger verstärkt hat, so sind diesbezügliche Forschungsbeiträge im Schrifttum bislang nur begrenzt verfügbar. Auch die Judgment and Decision Making-Forschung im Bereich des Behavioral Financial Accounting befasst sich vorwiegend mit den Investitionsurteilen professioneller Investoren, wie Finanzanalysten oder Börsenmakler.342 In den wenigen existierenden Studien zum Investitionsverhalten privater Investoren wurde entweder deren Er338
Vgl. LIPE, M. G. (1998), S. 626.
339
So kann bspw. eine große Anzahl privater Anleger zu dem positiven Effekt einer Verstetigung des Aktienkurses führen. Vgl. HOCKER, U. (2001), S. 442.
340
Vgl. bspw. RITTER, J. R. (1988), welcher den sog. turn-of-the-year-Effekt nachweislich auf Markttransaktionen privater Anleger zurückführen konnte. Vgl. desweiteren auch die Studie von HAND, J. R. M. (1990).
341
Vgl. WEBER, J. et al. (2004), S. 300; ACHLEITNER, A.-K./BASSEN, A./FIESELER, C. (2008), S. 273; ROSEN, R. von (2010), S. 253.
342
Für einen umfassenden Überblick zu empirischen Forschungsarbeiten im Bereich des rechnungswesenorientierten Judgment and Decision Making vgl. insbesondere MAINES, L. A. (1995).
84
Bewertungs- und Entscheidungsrelevanz als theoretischer Bezugsrahmen
fahrung mit Aktienanlagen nicht erhoben oder es wurde auf Studenten als Surrogate zurückgegriffen, welche keinerlei Erfahrung mit Aktienanlagen aufwiesen. Insgesamt ist daher festzuhalten, dass es bislang nur eine begrenzte Anzahl an Forschungsarbeiten gibt, welche aussagefähige Erkenntnisse zum Entscheidungsverhalten und der Informationsnutzung durch private Anleger liefern können.343 Die Anlageentscheidungen privater Aktionäre sind dadurch gekennzeichnet, dass hierfür zumeist kein komplexes analytisches Modell zugrundegelegt wird. Vielmehr sind die Gründe für Anlageentscheidungen privater Anleger oftmals in deren subjektiver Bindung zu einem Unternehmen oder in der generellen Reputation eines Unternehmens zu finden.344 So unterliegen die Entscheidungen privater Anleger einem vergleichsweise wenig standardisierten Entscheidungsprozess, welcher i. d. R. zudem einen geringen Grad an Professionalisierung aufweist.345 Im Vergleich zu institutionellen Investoren, die in der Regel einem hohen Performancedruck ausgesetzt sind, sind Privatanleger zumeist durch eine hohe Loyalität sowie durch eine Langfristorientierung gekennzeichnet.346 Daher haben Aktienkäufe und -verkäufe privater Anleger in der Regel kaum Einfluss auf das Kursgeschehen auf Kapitalmärkten. Dies führt dazu, dass Privatanlegern sowohl in Forschung als auch Praxis insgesamt vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird.347 Da langfristig orientierte (Privat-)Anleger jedoch die Basis für eine stabile Kapitalstruktur bilden, sind Unternehmen angehalten, die Kommunikation mit Privatanlegern explizit in die Gestaltung der Investor Relations-Maßnahmen einzubeziehen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Privatanleger in der Regel weniger fundierte Fachkenntnisse in den Gebieten Rechnungswesen, Finanzierung und Unternehmensbewertung als professionelle Investoren und Informationsintermediäre aufweisen.348 Entsprechend sind Unternehmensinformationen so zu ge-
343 344
Vgl. zu diesen Ausführungen LIPE, M. G. (1998), S. 626. Vgl. ACHLEITNER, A.-K./BASSEN, A./FIESELER, C. (2008), S. 273. Gleichlautend erzielen
CLARK-MURPHY und LIPE in ihrer empirischen Studie zum Verhalten von Privatanlegern folgenden Befund: „The results obtained suggest financial measures (…) are less important to individual investors than (…) the investor’s perception of the company‘s management.“ CLARKMURPHY, M./SOUTAR, G. N. (2004), S. 551. 345
Vgl. WEBER, J. et al. (2004), S. 300.
346
Vgl. ERNST, E./GASSEN, J./PELLENS, B. (2009), S. 24; HOCKER, U. (2001), S. 448.
347
Vgl. ACHLEITNER, A.-K./BASSEN, A./FIESELER, C. (2008), S. 273.
348
Vgl. ACHLEITNER, A.-K./BASSEN, A./FIESELER, C. (2008), S. 273.
Bezugsrahmen für die empirische Studie und Ableitung von Hypothesen
85
stalten und aufzubereiten, dass diese zur Entscheidungsfindung privater Anleger dienen können. Nach GÖRGEN können für Privatanleger im Sinne von Kleinaktionären, welche als sehr heterogene und zahlenmäßig große Gruppe angesehen werden, die folgenden charakterisierenden Merkmale angeführt werden:349 Geringes Anlagepotential des einzelnen Investors, wenig detaillierte Analyse und Auswertung von Informationen, starkes Vertrauen auf Empfehlungen von Banken bei Investitionsentscheidungen, eher langfristiger Anlagehorizont, nur eingeschränkte Möglichkeit zur Diversifizierung des Aktienportfolios aufgrund geringer Investitionssummen. Hinsichtlich des Verhaltens und der Informationspräferenzen von Privatanlegern gibt eine vom Deutschen Aktieninstitut im Jahr 2009 herausgegebene Studie umfassend Aufschluss. Demnach orientieren sich Privatanleger bei ihren Anlageentscheidungen vorwiegend an historischen Kursverläufen sowie realwirtschaftlichen Daten.350 Unter den verschiedenen verfügbaren Informationsmedien wird von den befragten Privatanlegern dem Geschäftsbericht inklusive des Jahresabschlusses nach Informationskanälen wie Presse und Fernsehen die zweithöchste Bedeutung für die Fundierung von Anlageentscheidungen zugesprochen.351 In Bezug auf die einzelnen Bestandteile des Geschäftsberichts wurde weiterhin die Nutzungsintensität im Zuge der Entscheidungsfindung abgefragt. Dabei erlangt die Gewinn- und Verlustrechnung gefolgt von der Bilanz aus der Perspektive der Befragten die höchste Bedeutung. Intensiv genutzt werden weiterhin die Eigenkapitalveränderungsrechnung an dritter Position sowie an vierter Stelle der Lagebericht. Die weiteren Bestandteile des Geschäftsberichts werden von den Befragten eher weniger zur Entscheidungsfindung genutzt. Das diesbezüglich am wenigsten relevante Element ist aus Sicht der befragten Privatanleger der Anhang.352
349
Vgl. im Folgenden GÖRGEN, F. (2005), S. 164.
350
Vgl. ERNST, E./GASSEN, J./PELLENS, B. (2009), S. 27.
351
Vgl. ERNST, E./GASSEN, J./PELLENS, B. (2009), S. 29. Als weitere Informationskanäle wurden dabei der Quartalsbericht, die Beratung durch eine Bank oder Sparkasse, die Aktionärszeitung des Unternehmens, Internetseiten des Unternehmens sowie Freunde, Familie und Bekannte untersucht.
352
Vgl. ERNST, E./GASSEN, J./PELLENS, B. (2009), S. 30.
86
Bewertungs- und Entscheidungsrelevanz als theoretischer Bezugsrahmen
Die Befunde verdeutlichen, dass den finanziellen Informationen, welche im Jahresabschluss enthalten sind, bei der Fundierung von Entscheidungen privater Anleger offenkundig die höchste Bedeutung zukommt. Insbesondere die vergleichsweise hohe Nutzungsintensität des Lageberichts durch Privatanleger lässt darauf schließen, dass diese auch die darin enthaltenen Informationen zum Humankapital im Zuge der Entscheidungsfindung berücksichtigen. 3.3.4 Ableitung von Hypothesen zur Bewertungs- und Entscheidungsrelevanz der Humankapitalberichterstattung Im typischen Ablauf eines Forschungsprozesses schließt sich an die Identifikation von Forschungslücken, die Formulierung von Forschungsfragen und die darauf basierende Erarbeitung eines literaturbasierten, theoretischen Bezugsrahmens die Ableitung von Hypothesen an.353 Mithilfe statistischer Methoden können ausschließlich Hypothesen, nicht jedoch Forschungsfragen per se überprüft werden. Im Allgemeinen ist unter einer Hypothese eine Aussage zu verstehen, die einen Beziehungszusammenhang zwischen mehreren Variablen postuliert und dazu bestimmt ist, empirisch überprüft zu werden.354 Dabei müssen Hypothesen stets derart formuliert sein, dass sie unter Anwendung probater statistischer Testmethoden entweder eindeutig bestätigt oder eindeutig zurückgewiesen werden können.355 Entsprechend des zuvor gebildeten Bezugsrahmens für die empirische Untersuchung wird im Folgenden eine Unterteilung in Hypothesen, die sich auf die Bewertungsrelevanz von finanziellen und humankapitalbezogenen Informationen beziehen (Abschnitt 3.3.4.1) und Hypothesen, welche sich mit der Entscheidungsrelevanz von finanziellen und humankapitalbezogenen Berichtselementen befassen (Abschnitt 3.3.4.2), vorgenommen.
353
Vgl. CHRISTENSEN, L. B. (2007), S. 119.
354
Vgl. FOSCHI, M. (2007), S. 114; DIEKMANN, A. (2008), S. 124; SCHNELL, R./HILL, P. B./ESSER, E. (2008), S. 53. Hinsichtlich der Abgrenzung zwischen Definitionen und Hypothesen konstatieren SCHNELL, HILL und ESSER: „Im Gegensatz zu Definitionen sind Hypothesen (…) allgemeine Aussagen über Zusammenhänge zwischen empirischen oder logischen Sachverhalten (…).“ SCHNELL, R./HILL, P. B./ESSER, E. (2008), S. 53.
355
Vgl. CHRISTENSEN, L. B. (2007), S. 119. Dabei gibt es im Wesentlichen zwei Möglichkeiten der Formulierung von Hypothesen: Zum einen können diese in Form von „Wenn-dann-Aussagen“ formuliert werden, zum anderen können in Hypothesen auch „Je-desto-Aussagen“ abgebildet werden. Vgl. SCHNELL, R./HILL, P. B./ESSER, E. (2008), S. 53. Für eine ausführliche Darstellung zu diesen Arten von Hypothesen vgl. auch DIEKMANN, A. (2008), S. 125ff.
Bezugsrahmen für die empirische Studie und Ableitung von Hypothesen
87
3.3.4.1 Hypothesen zur Bewertungsrelevanz Die Ableitung der im Rahmen der empirischen Untersuchung nachfolgend zu prüfenden Hypothesen zur Bewertungsrelevanz der Humankapitalberichterstattung basiert zum einen auf den zuvor dargelegten theoretischen Überlegungen, zum anderen auf den Forschungslücken, die anhand der Analyse bisheriger empirischer Forschungsarbeiten identifiziert wurden. Die diesbezüglichen Ausführungen erfolgten bereits in den vorangegangenen Abschnitten dieser Arbeit. Demzufolge sollen diese Überlegungen im Folgenden nochmals in prägnanter Form aufgegriffen werden, um die einzelnen Hypothesen darin entsprechend einzubetten. Das primäre Ziel der kapitalmarktorientierten Rechnungslegung liegt in der Vermittlung entscheidungsrelevanter Informationen.356 Bezugnehmend auf die Theorie der Entscheidungsrelevanz von Rechnungslegungsinformationen aus der Perspektive von Investoren als Adressaten der Rechnungslegung formuliert STAUBUS folgende generelle Zielsetzung: “The objective of accounting to investors is to provide financial information regarding an enterprise for use in making investment decisions.”357 Während sich STAUBUS hierbei lediglich auf die Entscheidungsrelevanz finanzieller Rechnungslegungsdaten stützt, so kommt daneben auch nicht-finanziellen Informationen eine entscheidende Bedeutung im Hinblick auf deren Relevanz für Entscheidungen von Rechnungslegungsadressaten zu. Die Entscheidungsrelevanz von finanziellen sowie auch nicht-finanziellen Elementen der Rechnungslegung wurde bislang zum Gegenstand zahlreicher empirischer Forschungsarbeiten erklärt.358 Dabei erfolgte die Untersuchung der Entscheidungsrelevanz vorwiegend aus der Perspektive von Kapitalmarktteilnehmern als Adressaten der kapitalmarktorientierten Rechnungslegung. Bewertungsurteile von Investoren bilden – wie zuvor bereits ausgeführt – die Grundlage für eine nachfolgende Investitionsentscheidung.359 Die Unternehmensbewertung
356
Vgl. unter vielen WAGENHOFER, A./EWERT, R. (2007), S. 5, 105; LIPE, M. G. (1998), S. 625. Vgl. sinngemäß auch HOLLAND, J./JOHANSON, U. (2003), S. 466. Vgl. mit Bezug auf die IFRS-Rechnungslegung PELLENS, B. et al. (2008), S. 112, 115.
357
STAUBUS, G. J. (2000), S. 5.
358
Für einen breiten Überblick zu diesbezüglichen empirischen Forschungsarbeiten im Bereich des Behavioral Financial Accounting sei an dieser Stelle auf den Beitrag von MCEWEN, R. A./WELSH, M. J. (2001) verwiesen. Siehe stellvertretend auch die richtungsweisende Studie von AMIR, E./LEV, B. (1996).
359
Vgl. SCHWAN, E. S. (1976), S. 220; GHOSH, D./WU, A. (2007), S. 220.
88
Bewertungs- und Entscheidungsrelevanz als theoretischer Bezugsrahmen
stützt sich dabei typischerweise auf finanzielle Daten, wie bspw. Ergebnis- oder Cash flow-Größen, Kennzahlen zur Dividendenausschüttung oder Kapitalkosten, welche aus Sicht von Investoren als besonders relevant für die Prognose zukünftiger Erträge und damit für die Fundierung von Bewertungsurteilen gelten.360 Finanzielle Daten gehen somit als dominierende Kenngrößen in die Bestimmung des Unternehmenswerts ein.361 Die Höhe des ermittelten Unternehmenswerts wird dabei wesentlich durch das Leistungsniveau determiniert, welche die finanziellen Daten einem Unternehmen attestieren. Die Theorie der Entscheidungsrelevanz von Rechnungslegungsinformationen postuliert diesbezüglich die Annahme, dass Investoren hinsichtlich ihrer Bewertungsurteile und Anlageentscheidungen in eine durch die zur Verfügung stehenden Informationen vorgegebene Richtung reagieren, je nachdem, ob die entscheidungsrelevanten Informationen entweder auf eine positive oder auf eine negative Unternehmensperformance schließen lassen.362 So stellt auch PAPE fest, dass „Informationen, die eine positive Beeinflussung des Bruttounternehmenswertes bewirken, (…) sämtlichen Anspruchsgruppen eine Erhöhung des zur Erfüllung ihrer Ansprüche verfügbaren Potenzials an finanziellen Mitteln“363 signalisieren. Ausgehend von den bisherigen Überlegungen wird Hypothese 1 (H1) daher wie folgt formuliert: H1: Private Anleger beziehen Finanzdaten und -kennzahlen in die Unternehmensbewertung ein. Das Bewertungsurteil wird bei positivem finanziellem Leistungsniveau höher ausfallen als bei negativem finanziellem Leistungsniveau. Wie bereits ausgeführt wurde, kann immateriellen Vermögenswerten, und darunter im Speziellen auch Humankapital, eine wesentliche Bedeutung für die Ermittlung von Unternehmenswerten beigemessen werden. Zur Reduktion von Informationsasymmetrien zwischen den Erstellern und den Adressaten der Rechnungslegung ist folglich die Ergänzung der finanziellen Informationen in der Unternehmenspublizität um Informationen, welche das Humankapital eines Unternehmens angemessen abzubilden vermö360
Vgl. PELLENS, B./HILLEBRANDT, F./TOMASZEWSKI, C. (2000), S. 178f.; HEUMANN, R. (2006), S. 262; GHOSH, D./WU, A. (2007), S. 219f.
361
Vgl. GHOSH, D./WU, A. (2007), S. 220.
362
Vgl. STAUBUS, G. J. (2000), S. 333.
363
PAPE, U. (2004), S. 180.
Bezugsrahmen für die empirische Studie und Ableitung von Hypothesen
89
gen, notwendig.364 Allerdings unterliegen derartige nicht-finanzielle Informationen über Humankapital aus der Perspektive von Investoren größeren Unsicherheiten hinsichtlich des Potentials zur Realisierung zukünftiger Rückflüsse, die sich aus einer Anlageentscheidung ergeben.365 Die Publizität humankapitalbezogener Informationen ermöglicht es den Investoren, die Fähigkeiten des Managements zu beurteilen, auf zukünftige Risiken und Chancen angemessen reagieren zu können.366 Dies sollte sich auch in der Unternehmensbewertung widerspiegeln. So deuten auch bisherige empirische Befunde darauf hin, dass die Berichterstattung über Humankapital die Entscheidungen von Anlegern signifikant beeinflusst.367 Da neben der finanziellen Unternehmenspublizität somit auch der Berichterstattung über das betriebliche Humankapital Bewertungsrelevanz beizumessen ist, postuliert Hypothese 2 (H2): H2: Private Anleger beziehen Humankapitalinformationen in die Unternehmensbewertung ein. Das Bewertungsurteil wird bei positivem humankapitalbezogenen Leistungsniveau höher ausfallen als bei negativem humankapitalbezogenen Leistungsniveau. Die Hypothesen H1 und H2 beschreiben jeweils isoliert den Beziehungszusammenhang zwischen finanziellen Informationen (H1) und Humankapitalinformationen (H2) und deren Relevanz für die Bewertungsurteile privater Anleger. Neben der Aufstellung eines Jahresabschlusses, welcher sich aus Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung zusammensetzt368 und damit finanzielle Informationen abbildet, sind deutsche Kapi-
364
Vgl. HEUMANN, R. (2006), S. 262f.
365
Vgl. BRUMMET, R. L./FLAMHOLTZ, E./PYLE, W. C. (1968), S. 217f.; GHOSH, D./WU, A. (2007), S. 219f.
366
Vgl. SCHWAN, E. S. (1976), S. 223f.
367
Vgl. hierzu stellvertretend die empirisch-experimentellen Befunde der Studien von ELIAS, N. (1972), S. 221ff.; ACLAND, D. (1976), S. 139ff.; HENDRICKS, J. A. (1976), S. 297.
368
Vgl. § 242 Abs. 3 HGB. Für Kapitalgesellschaften ist der Jahresabschluss zusätzlich um einen Anhang zu ergänzen. Vgl. § 264 Abs. 1 HGB. Kapitalgesellschaften, welche keiner Pflicht zur Erstellung eines Konzernabschlusses unterliegen, haben den Jahresabschluss darüber hinaus um eine Kapitalflussrechnung und einen Eigenkapitalspiegel zu erweitern. Daneben kann eine Segmentberichterstattung ergänzt werden. Vgl. § 264 Abs. 1 HGB.
90
Bewertungs- und Entscheidungsrelevanz als theoretischer Bezugsrahmen
talgesellschaften i. d. R.369 darüber hinaus zur Erstellung eines Lageberichts verpflichtet.370 Dieser soll u. a. humankapitalbezogene Informationen enthalten, sofern diese für das Verständnis des Geschäftsverlaufs bedeutsam sind.371 Unabhängig von der Verpflichtung zur Integration humankapitalbezogener Informationen innerhalb des Lageberichts zeigt die Analyse von Geschäftsberichten kapitalmarktorientierter Unternehmen, dass diese neben finanziellen Informationen zumeist relativ umfangreiche Informationen über Humankapital zur Verfügung stellen. Rechnungslegungsadressaten können daher zur Fundierung der individuellen Bewertung eines Unternehmens auf eine Vielzahl von publizierten finanziellen und nicht-finanziellen Informationen zurückgreifen. Es wird daher im Folgenden davon ausgegangen, dass Privatanleger ihre Bewertungsurteile nicht ausschließlich auf einen einzelnen Informationstypus stützen, sondern vielmehr auf eine Kombination aus finanziellen und nicht-finanziellen, im Speziellen humankapitalbezogenen Publizitätselementen zurückgreifen.372 Entsprechend lautet die zugehörige Hypothese H3: H3: Die Bewertungsurteile privater Anleger variieren in Abhängigkeit von der spezifischen Kombination der Leistungsniveaus von finanziellen Informationen und Humankapitalinformationen. Hypothese H3 ist dabei im Sinne einer übergreifenden Hypothese zu verstehen, welche durch die nachfolgend postulierten Hypothesen H3a und H3b näher präzisiert wird.373 Diese Präzisierung erfolgt dabei durch Annahmen, die hinsichtlich der Wirkungsrich369
Kleine Kapitalgesellschaften i. S. d. § 267 Abs. 1 HGB sind von der Pflicht zur Erstellung eines Lageberichts befreit. Vgl. § 264 Abs. 1 HGB.
370
Vgl. § 264 Abs. 1 HGB.
371
Gemäß § 289 Abs. 3 HGB soll der Lagebericht großer Kapitalgesellschaften auch Informationen zu nicht-finanziellen Leistungsindikatoren, wie Umwelt- und Arbeitnehmerbelange, enthalten, sofern diese für das Verständnis des Geschäftsverlaufs bedeutsam sind. Darunter zu subsumieren sind humankapitalbezogene Informationen.
372
So kommen auch GHOSH und WU in ihrer empirischen Studie zu dem Befund, dass sich Anlageempfehlungen von befragten Finanzanalysten in Abhängigkeit der spezifischen Kombination von finanziellen und nicht-finanziellen Informationen signifikant unterscheiden. Vgl. GHOSH, D./WU, A. (2007), S. 228f. Demnach ist zu unterstellen, dass sich die spezifische Kombination finanzieller und nicht-finanzieller Bewertungsurteile entsprechend auf die Unternehmensbewertung auswirkt.
373
Dementsprechend wird H3 im Rahmen der empirischen Studie nicht explizit einem statistischen Signifikanztest unterzogen. Vielmehr werden im weiteren Verlauf der Arbeit die gerichteten Hypothesen H3a und H3b explizit auf ihre Gültigkeit hin untersucht.
Bezugsrahmen für die empirische Studie und Ableitung von Hypothesen
91
tung der unterschiedlichen Leistungsniveaus der Informationen getroffen werden. In diesem Zusammenhang ist auf die oben bereits dargelegte Theorie der Entscheidungsrelevanz von Rechnungslegungsinformationen zu verweisen, wonach Investoren hinsichtlich ihrer Bewertungsurteile in die jeweils durch das Leistungsniveau der Informationen vorgegebene Richtung reagieren werden.374 Dies bedeutet konkret, dass Bewertungsurteile im Falle positiv gerichteter Informationen entsprechend höher ausfallen werden als für den Fall, dass die Informationen eine schlechte Performance des betreffenden Unternehmens vermitteln. Dies ist auch für den Fall einer Kombination verschiedener Leistungsniveaus von finanziellen und humankapitalbezogenen Informationen anzunehmen. So zeigte sich anhand der empirischen Befunde in der Studie von GHOSH und WU, dass bei Vorliegen einer überdurchschnittlich positiven Entwicklung sowohl von Finanzdaten als auch von Kennzahlen des intellektuellen Kapitals die betragsmäßig vergleichsweise höchste Investition getätigt wurde; dagegen war die investierte Summe für jene Bedingung am niedrigsten, in welcher alle Kennzahlen eine unterdurchschnittliche Entwicklung aufwiesen.375 Da Investitionsentscheidungen unmittelbar mit einer vorherigen Bewertung eines Unternehmens zusammenhängen, werden diese Befunde nachfolgend auf Bewertungsurteile projiziert. Für Hypothese H3a, die auf das Zusammenwirken jeweils positiver bzw. jeweils negativer Leistungsniveaus von finanziellen Informationen und Humankapitalinformationen abstellt, folgt somit: H3a: Die Bewertungsurteile privater Anleger fallen am höchsten aus, wenn sowohl finanzielle Informationen als auch Humankapitalinformationen ein positives Leistungsniveau anzeigen. Dagegen fallen die Bewertungsurteile privater Anleger am niedrigsten aus, wenn sowohl finanzielle Informationen als auch Humankapitalinformationen ein negatives Leistungsniveau aufweisen.
Im Zuge der Fundierung von H1 wurde bereits festgestellt, dass sich die Unternehmensbewertung typischerweise vorwiegend auf finanzielle Daten stützt und diesen aus Investorenperspektive im Vergleich zu nicht-finanziellen Informationen nach wie vor eine vergleichsweise höhere Bedeutung für die Bildung von Bewertungsurteilen zu-
374
Vgl. hierzu STAUBUS, G. J. (2000), S. 333.
375
Vgl. GHOSH, D./WU, A. (2007), S. 228f.
92
Bewertungs- und Entscheidungsrelevanz als theoretischer Bezugsrahmen
kommt.376 Es ist dementsprechend davon auszugehen, dass Bewertungsurteile vorrangig durch das Leistungsniveau, welches durch die finanziellen Informationen angezeigt wird, zustande kommen. Aus empirischer Sicht ist hier wiederum die Studie von GHOSH und WU als relevant heranzuziehen. Demnach zeigte sich eine signifikant höhere Anlageempfehlung durch Finanzanalysten, wenn sich die Finanzdaten überdurchschnittlich, das intellektuelle Kapital dagegen unterdurchschnittlich entwickelte im Vergleich zu der entgegengesetzten Kombination von Leistungsniveaus der beiden Informationsarten.377 Aus diesen Überlegungen heraus stellt sich der in Hypothese H3b postulierte Zusammenhang wie folgt dar: H3b: Private Anleger bilden Bewertungsurteile primär auf Basis finanzieller Informationen. Folglich fallen Bewertungsurteile privater Anleger bei einer Kombination von positiven finanziellen Informationen mit negativen Humankapitalinformationen vergleichsweise höher aus, als bei einer Kombination negativer finanzieller Informationen mit positiven Humankapitalinformationen.
3.3.4.2 Hypothesen zur Entscheidungsrelevanz Die im vorherigen Abschnitt dargestellten Hypothesen formulieren Kausalzusammenhänge hinsichtlich der Bewertungsrelevanz von Finanz- und Humankapitalinformationen. Im Einklang mit dem zugrundeliegenden integrierten Judgment and Decision Making-Ansatz ist anzunehmen, dass die Bewertungsurteile privater Anleger die Basis für zu treffende Investitionsentscheidungen bilden. Finanzielle Informationen stellen die dominierenden Einflussfaktoren für Investitionsentscheidungen dar.378 Folglich ist davon auszugehen, dass Anlageentscheidungen sowohl bei kurzfristigem als auch bei langfristigem Anlagehorizont primär durch die Finanzberichterstattung determiniert sind. Dabei sollte eine positive Entwicklung der finanziellen Unternehmensperfor-
376
Vgl. PELLENS, B./HILLEBRANDT, F./TOMASZEWSKI, C. (2000), S. 178f.; HEUMANN, R. (2006), S. 262; GHOSH, D./WU, A. (2007), S. 219f.
377
Vgl. GHOSH, D./WU, A. (2007), S. 228f.
378
Vgl. GHOSH, D./WU, A. (2007), S. 219f.
Bezugsrahmen für die empirische Studie und Ableitung von Hypothesen
93
mance eine höhere Wahrscheinlichkeit für eine Anlageentscheidung nach sich ziehen.379 Entsprechend folgt für Hypothese H4: H4: Private Anleger beziehen Finanzdaten und -kennzahlen in ihre kurzfristigen und langfristigen Investitionsentscheidungen ein. Bei einem positiven Leistungsniveau finanzieller Informationen besteht eine höhere Wahrscheinlichkeit für eine Investition als bei einem negativen Leistungsniveau finanzieller Informationen. Wie nicht-finanzielle Informationen im Allgemeinen gelten auch Humankapitalinformationen als leading indicators, da diese als Schlüssel für das Potential eines Unternehmens angesehen werden, zukünftige Wertsteigerungen generieren zu können.380 Aus diesem Grund ist anzunehmen, dass Humankapitalinformationen langfristige Investitionsentscheidungen privater Anleger beeinflussen, demgegenüber jedoch keinen Einfluss auf spekulativ motivierte Anlageentscheidungen zeigen. Diese Annahme ist dem Grunde nach konsistent mit den empirischen Befunden von CHAN und MILNE381 sowie MILNE und CHAN382, welche in ihren Forschungsbeiträgen die Entscheidungsrelevanz sozialer und umweltbezogener Berichterstattung untersuchten. Dabei analysierten diese Forscher das Entscheidungsverhalten von Finanzanalysten und stellten diesen Informationspakete zur Verfügung, welche zum Teil Informationen aus der Sozialund Umweltberichterstattung beinhalteten. Die von MILNE und CHAN erzielten Ergebnisse deuten darauf hin, dass soziale Berichtselemente innerhalb von Geschäftsberichten die Allokationsentscheidungen beeinflussen. Dabei konnte kein signifikanter Effekt für zugrundeliegende kurzfristige Anlagestrategien nachgewiesen werden, jedoch zeigte sich ein vergleichsweise stärkerer Effekt für den Fall eines zugrundeliegenden langfristigen Anlagehorizonts.383 Da die soziale Berichterstattung im Wesentlichen
379
Vgl. GHOSH, D./WU, A. (2007), S. 228f.
380
Vgl. ECCLES, R. G. et al. (2001), S. 14; ITTNER, C. D./LARCKER, D. F. (1998), S. 1ff.; LUFT, J. L. (2009), S. 311f.; GHOSH, D./WU, A. (2007), S. 220.
381
Vgl. die empirische Studie zur Relevanz umweltbezogener Berichtselemente von CHAN, C. C. C./MILNE, M. J. (1999).
382
Vgl. die empirische Studie zum Einfluss der Berichterstattung über soziale Belange von MILNE, M. J./CHAN, C. C. C. (1999).
383
MILNE, M. J./CHAN, C. C. C. (1999).
94
Bewertungs- und Entscheidungsrelevanz als theoretischer Bezugsrahmen
Humankapitalindikatoren beinhaltet, scheint die Übertragbarkeit der zuvor dargestellten empirischen Befunde auf die vorliegende Studie an dieser Stelle gerechtfertigt. In Übereinstimmung mit den vorgebrachten Argumenten hinsichtlich der Entscheidungsrelevanz der Humankapitalberichterstattung für kurz- und langfristige Anlageentscheidungen stellt sich Hypothese 5 folgendermaßen dar: H5: Die Relevanz von Humankapitalinformationen für Investitionsentscheidungen privater Anleger variiert in Abhängigkeit von dem zugrundeliegenden Anlagehorizont. Analog zu Hypothese H3384 ist auch H5 im Sinne einer übergreifenden Hypothese zu verstehen, die mittels der nachfolgenden Hypothesen H5a und H5b näher präzisiert wird.385 Diese Präzisierung erfolgt dabei durch Annahmen, die hinsichtlich der Wirkungsrichtung der unterschiedlichen Leistungsniveaus der Informationen getroffen werden. In seiner Eigenschaft als leading-Indikator und der damit verbundenen Fähigkeit, zukünftige unternehmensbezogene Erfolgspotentiale anzuzeigen, stellt Humankapital einen geeigneten Indikator dar, um auf die zukünftige finanzielle Leistungsfähigkeit eines Unternehmens schließen zu können.386 Mit einer kurzfristigen, spekulativ motivierten Anlage, bei welcher insbesondere Risikogesichtspunkte im Vordergrund stehen, wird das Ziel verfolgt, kurzfristig möglichst hohe Renditen zu erzielen. Das Ziel eines langfristigen Vermögensaufbaus wird dagegen mit kurzfristigen Anlagen nicht verfolgt. Das mit dem Auf- und Ausbau des betrieblichen Humankapitals verbundene Erfolgspotential entfaltet sich in der Regel erst bei einer längerfristigen Betrachtungsperspektive. In einer Kurzfristperspektive wirken sich Humankapitalinvestitionen, bspw. in Form von Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen oder umfangreichen Recruitingaktivitäten, aufgrund der zusätzlichen Aufwendungen jedoch zunächst ergebnismindernd aus. Dies veranlasst zu der Annahme, 384
Vgl. hierzu die Ausführungen in Abschnitt 3.3.4.1.
385
Dementsprechend wird H5 im Rahmen der empirischen Studie nicht explizit einem statistischen Signifikanztest unterzogen. Vielmehr werden im weiteren Verlauf der Arbeit die Hypothesen H5a und H5b explizit auf ihre Gültigkeit hin untersucht.
386
Vgl. ITTNER, C. D./LARCKER, D. F. (1998), S. 1; HEUMANN, R. (2006), S. 263.
Bezugsrahmen für die empirische Studie und Ableitung von Hypothesen
95
dass private Anleger Investitionen in das betriebliche Humankapital bei kurzfristiger Betrachtung als reinen Kostenfaktor und damit als vermeidbare Erfolgsminderung betrachten. Demnach wird eine kurzfristige Investition in ein Unternehmen mit hohen Humankapitalinvestitionen weniger attraktiv sein.387 Stattdessen ist anzunehmen, dass private Investoren ihre Entscheidungen in der kurzfristigen Betrachtungsperspektive insbesondere auf Basis der finanziellen Performance von Unternehmen treffen. So kommen auch CHAN und MILNE388 sowie MILNE und PATTEN389 anhand empirischer Befunde zu dem Schluss, dass Investoren ein Unternehmen, das in sein Humankapital investiert, aufgrund der als unnötig empfundenen zusätzlichen Aufwendungen kurzfristig nicht als geeignete Investition betrachten und daher eher meiden. Verzichtet ein Unternehmen auf derartige Investitionen, so werten Anleger dies dagegen als positives Renditesignal.390 Bei einem kurzfristigen Anlagehorizont sollte die Humankapitalpublizität daher keinen signifikanten Einfluss auf die Investitionsentscheidung haben. Dies belegen daneben auch die unter Annahme eines kurzfristigen Investitionshorizonts nicht signifikanten Ergebnisse der Studien von LIYANARACHCHI und MILNE391 sowie RIKHARDSSON und HOLM392. Hypothese H5a wird daher wie folgt (als Nullhypothese) formuliert: H5a: Bei einem kurzfristigen Anlagehorizont wird die Wahrscheinlichkeit einer Investitionsentscheidung privater Anleger durch Humankapitalinformationen nicht beeinflusst. Der zukunftsorientierte Charakter des Humankapitals im Sinne eines langfristigen Wertschaffungspotentials lässt bei einem langfristigen Anlagehorizont dagegen Auswirkungen auf die Investitionsneigung privater Anleger erwarten. Ein negatives Leis387
Vgl. CHAN, C. C. C./MILNE, M. J. (1999), S. 272; MILNE, M. J./PATTEN, D. M. (2002), S. 393; HEIDECKER, M. (2003), S. 6.
388
Vgl. CHAN, C. C. C./MILNE, M. J. (1999).
389
Vgl. MILNE, M. J./PATTEN, D. M. (2002).
390
Vgl. CHAN, C. C. C./MILNE, M. J. (1999), S. 274; MILNE, M. J./PATTEN, D. M. (2002), S. 390f.
391
Vgl. LIYANARACHCHI, G. A./MILNE, M. J. (2005), S. 130f.
392
Vgl. RIKHARDSSON, P./HOLM, C. (2008), S. 393ff. Lediglich bei einem kurzfristigen Anlagehorizont und positiven qualitativen Umweltinformationen fanden RIKHARDSSON und HOLM eine signifikante Wirkung auf die Investitionsentscheidung.
96
Bewertungs- und Entscheidungsrelevanz als theoretischer Bezugsrahmen
tungsniveau der Humankapitalinformationen, welches bspw. in einer abnehmenden Mitarbeiterzufriedenheit oder steigenden Fluktuationsrate zum Ausdruck kommen kann, stellt eine Gefährdung der zukünftigen Leistungsfähigkeit eines Unternehmens dar393 und sollte daher die Wahrscheinlichkeit einer langfristigen Anlageentscheidung verringern. So zeigen auch die empirischen Befunde von CHAN und MILNE394, MILNE und PATTEN395 sowie LIYANARACHCHI und MILNE396 eine signifikante langfristige Wirkung negativer Umweltinformationen: In allen Fällen wurde dem jeweils mit größeren Umweltrisiken behafteten Vergleichsunternehmen eine geringere Investitionssumme zugewiesen. Im Hinblick auf die Wirkung positiver nicht-finanzieller Informationen bei einer langfristigen Anlage ermittelten BELKAOUI397 sowie HOLM und RIKHARDSSON398 jeweils signifikante Effekte. Auch aus den Befunden von GHOSH und WU399 geht hervor, dass positive nicht-finanzielle Kennzahlen bei einer langfristigen Investitionsentscheidung signifikant an Bedeutung gewinnen. Angesichts der dargelegten Argumente und empirischen Befunde beschreibt Hypothese H5b folgenden Kausalzusammenhang: H5b: Die Wahrscheinlichkeit einer Investitionsentscheidung privater Anleger wird bei Zugrundeliegen eines langfristigen Anlagehorizonts durch Humankapitalinformationen beeinflusst. Bei einem positiven Leistungsniveau der Humankapitalinformationen besteht eine höhere Wahrscheinlichkeit für eine Investition als bei einem negativen Leistungsniveau der Humankapitalinformationen.
Das der empirischen Studie zugrundeliegende Forschungsmodell unter Einbezug der postulierten Hypothesen wird zusammenfassend in Abb. 3.7 visualisiert.
393
Vgl. BRUMMET, R. L./FLAMHOLTZ, E./PYLE, W. C. (1968), S. 219; ACLAND, D. (1976), S. 137.
394
Vgl. die entsprechenden Befunde bei CHAN, C. C. C./MILNE, M. J. (1999), S. 272ff.
395
Vgl. die Befunde bei MILNE, M. J./PATTEN, D. M. (2002), S. 386ff.
396
Vgl. die empirischen Befunde bei LIYANARACHCHI, G. A./MILNE, M. J. (2005), S. 129ff.
397
Vgl. die Befunde bei BELKAOUI, A. (1980), S. 276f.
398
Vgl. die empirischen Ergebnisse bei HOLM, C./RIKHARDSSON, P. (2008), S. 548ff.
399
Vgl. GHOSH, D./WU, A. (2007), S. 228f.
Bezugsrahmen für die empirische Studie und Ableitung von Hypothesen Einflussfaktor
(Moderierender) Einflussfaktor
Humankapitalinformationen
97 Wirkung
H2
Unternehmensbewertung
H3ab
H1 Finanzielle Informationen
H5a
H4 H5b
Kurzfristige Investitionsentscheidung
Langfristige Investitionsentscheidung
Abb. 3.7: Forschungsmodell für die empirische Studie mit Hypothesen (Quelle: Eigene Darstellung)
Die Überprüfung der abgeleiteten Hypothesen erfolgt durch die nachfolgend dargelegte empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung.
98
4 Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung Die bisherigen Ausführungen haben verdeutlicht, dass betriebliches Humankapital einen immateriellen Werttreiber darstellt, welcher sowohl Berücksichtigung bei der Bewertung von Unternehmen findet als auch in seiner Eigenschaft als zukunftsgerichteter Indikator für das Wertgenerierungspotential von Unternehmen Relevanz für langfristig orientierte Investitionsentscheidungen aufweist. Der Bedeutung von humankapitalbezogenen Informationen für die Entscheidungen von Kapitalmarktteilnehmern wird zudem dadurch Ausdruck verliehen, dass die Berichterstattung über Humankapital von Gesetzgebern und Standardsettern, deren deklariertes Ziel insbesondere in der Gewährleistung der Entscheidungsrelevanz von Rechnungslegungsinformationen liegt, teilweise verpflichtend gefordert wird oder zumindest Empfehlungscharakter besitzt. Gleichzeitig wurde deutlich, dass die Bewertungs- und Entscheidungsrelevanz der Humankapitalberichterstattung aus der Perspektive von Privatanlegern bislang nur lückenhaft erforscht ist. Wenngleich die Frage nach der Relevanz von Humankapitalinformationen für Investitionsentscheidungen bereits in vergleichsweise frühen Forschungsarbeiten aus den 1970er Jahren Gegenstand empirischer Untersuchungen war, so existiert bisweilen keine Studie, die einen integrierten Ansatz des Judgment and Decision Making zugrundelegt, d. h. sowohl auf die Bewertungs- als auch auf die Entscheidungsrelevanz von Humankapitalinformationen abstellt. Entsprechend der vorherigen Ausführungen ist jedoch davon auszugehen, dass einer Investitionsentscheidung stets eine Bewertung des betreffenden Investitionsobjekts, d. h. des Unternehmens, vorausgeht. Zum anderen ist die existierende Forschungslücke damit zu begründen, dass sich die Anforderungen und Ausgestaltungsformen der Berichterstattung über Humankapital gerade in jüngerer Zeit durch neuere Regelungen und Empfehlungen zur Lageberichterstattung wesentlich weiterentwickelt haben. Bei Betrachtung bisheriger empirischer Forschungsarbeiten lässt sich ferner erkennen, dass die Erforschung des Verhaltens von Privatanlegern zugunsten der Untersuchung des Verhaltens von institutionellen Investoren oder auch Finanzanalysten als Informationsintermediären zwischen Investoren und börsennotierten Unternehmen generell etwas in den Hintergrund tritt. Die vorgebrachten Argumente geben Anlass, die Bewertungs- und Entscheidungsrelevanz der Humankapitalberichterstattung aus der Perspektive privater Anleger im Folgenden einer empirischen Analyse zu unterziehen. Dabei wird wie folgt vorgegangen: Im Anschluss an die Herausarbeitung der Zielsetzungen der empirischen J. Sterzel, Bewertungs- und Entscheidungsrelevanz der Humankapitalberichterstattung, DOI 10.1007/978-3-8349-6205-8_4, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Zielsetzungen der Untersuchung
99
Untersuchung (Abschnitt 4.1) werden in Abschnitt 4.2 methodische Grundlagen aufgezeigt, die als Basis für die konkrete Ausgestaltung und die Konzeption der einzelnen Inhalte der Studie (Abschnitt 4.3) dienen. In Abschnitt 4.4 wird schließlich eine umfassende Darstellung und Analyse der Ergebnisse vorgenommen, welche durch deren kritische Würdigung sowie einen Ausblick auf weitere Forschung abgerundet wird.
4.1 Zielsetzungen der Untersuchung Unter Bezugnahme auf einen integrierten Judgment and Decision Making-Ansatz, welcher den konzeptuellen Rahmen für die empirische Untersuchung bildet, besteht das primäre Ziel der vorliegenden Studie darin, zum einen die Bewertungsrelevanz und zum anderen die Entscheidungsrelevanz der Berichterstattung über Humankapital aus Sicht privater Anleger empirisch zu validieren. Dementsprechend liegt der Fokus sowohl auf der Erhebung von Urteilen hinsichtlich der Bewertung eines Unternehmens als auch auf der Frage nach Investitionsentscheidungen. Im Detail lassen sich daraus die folgenden Zielsetzungen ableiten: Die erste Zielsetzung der empirischen Untersuchung besteht in der Prüfung des Kausalzusammenhangs, ob, und wenn ja, in welchem Ausmaß zusätzlich zur Finanzberichterstattung verfügbare Informationen über das betriebliche Humankapital die aus der Perspektive privater Anleger vorgenommene Bewertung eines Unternehmens beeinflussen. In diesem Zusammenhang ist insbesondere von Interesse, inwiefern sich die Bewertungsurteile privater Anleger verändern, wenn die publizierten Humankapitalinformationen sowie auch die zugrundeliegenden finanziellen Informationen jeweils differierende Performanceniveaus (positive vs. negative Entwicklung) indizieren. Zweitens soll analog zur ersten Zielsetzung untersucht werden, ob, und wenn ja, in welchem Ausmaß Privatinvestoren neben der Finanzberichterstattung zusätzlich verfügbare Informationen über das betriebliche Humankapital in ihre Entscheidungsfindung im Hinblick auf eine mögliche Investition in Aktien eines Unternehmens einbeziehen. Da eine unterschiedliche Entscheidungsrelevanz der Humankapitalberichterstattung in Abhängigkeit von der Länge des gewählten Anlagehorizonts vermutet wird, soll die Untersuchung des Entscheidungsverhaltens von Privatinvestoren im Hinblick auf Investitionsentscheidungen jeweils getrennt für einen kurzfristigen und einen langfristigen Investitionshorizont erfolgen. Hierbei
100
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
besteht das Ziel zusätzlich darin, Aussagen dahingehend zu treffen, welche unterschiedlichen Effekte sich durch eine Kombination differierender Leistungsniveaus (positive vs. negative Entwicklung) der finanziellen und humankapitalbezogenen Berichtselemente ergeben. Ein drittes Ziel der Untersuchung besteht in der vergleichenden Analyse von Einschätzungen der Befragten im Hinblick auf die Relevanz von Humankapitalinformationen für Bewertungs- und Investitionsentscheidungen und deren tatsächlich beobachtetem Verhalten in Entscheidungssituationen. Zum einen soll hiermit geklärt werden, ob Informationen, die im Rahmen einer Einschätzungsabfrage als relevant erachtet werden, auch tatsächlich anlässlich der Investitionsentscheidungen einbezogen wurden oder ob im Umkehrschluss möglicherweise Differenzen zwischen Einstellungen und beobachtetem Verhalten bestehen. Ein weiteres, mit dieser zusätzlichen Erhebung verbundenes Ziel liegt zudem darin, Aufschluss über die Bewertungs- und Entscheidungsrelevanz einzelner humankapitalbezogener Indikatoren zu erhalten, während diese Einzelindikatoren anlässlich der Untersuchung des beobachteten Anlageverhaltens zunächst nur in ihrer Gesamtheit als Humankapitalinformationen untersucht werden.
4.2 Methodische Grundlagen Im Anschluss an die Darstellung der Untersuchungsziele werden zunächst methodische Grundlagen erarbeitet, welche die theoretische Basis für die konkrete Ausgestaltung der empirischen Studie und das Vorgehen bei der Versuchsplanung und durchführung bilden. In diesem Kontext wird zunächst die Auswahl des Forschungsdesigns begründet und dessen Abgrenzung zu anderen empirischen Untersuchungsformen erörtert (Abschnitt 4.2.1). Da als Forschungsdesign ein experimenteller Ansatz gewählt wird, wird in Abschnitt 4.2.2 dementsprechend eine begriffliche Abgrenzung des Experiments vorgenommen sowie dessen charakteristische Merkmale aufgezeigt. Dabei wird verdeutlicht, dass Experimente der Untersuchung von vorab theoretisch formulierten Kausalzusammenhängen dienen. Abschnitt 4.2.3 widmet sich der Analyse von Gütekriterien, die im Rahmen experimenteller Forschung zum Zwecke der Erzielung der Ergebnisvalidität zu erfüllen sind. Im diesem Zusammenhang kommt der Anwendung von speziellen Techniken zur Kontrolle von Störfaktoren eine besondere Bedeutung zu. Hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung von Experimenten erfolgt
Methodische Grundlagen
101
daran anknüpfend eine Beschreibung von verschiedenen Arten experimenteller Forschungsdesigns und Versuchspläne (Abschnitt 4.2.4). Den Abschluss dieser theoriegeleiteten Ausführungen bilden eine kritische Würdigung experimenteller Untersuchungsdesigns (Abschnitt 4.2.5) sowie die zusammenfassende Beurteilung der Eignung eines Laborexperiments für die Zwecke der vorliegenden empirischen Studie (Abschnitt 4.2.6). 4.2.1 Auswahl des Forschungsdesigns und Abgrenzung zu anderen empirischen Untersuchungsmethoden Die Auswahl eines Forschungsdesigns stützt sich im Allgemeinen auf die Art der zu prüfenden Hypothesen und der zu diesem Zweck erforderlichen Datentypen.400 Für die vorliegende empirische Untersuchung wurde als Forschungsmethodik auf ein Experiment zurückgegriffen. Die Eignung der experimentellen Methodik für die Untersuchung der zugrundeliegenden Fragestellungen wird im Verlauf dieses Abschnitts begründet. Experimente bieten neben anderen Forschungsdesigns eine Möglichkeit, empirische Daten zu erheben. Nicht-experimentelle Datenquellen beinhalten Befragungsdaten, Feldstudiendaten und Archivdaten. Wie auch experimentell erhobene Daten existieren Befragungs- und Feldstudiendaten im Vorfeld der Forschung noch nicht. Forscher gewinnen Befragungsdaten, indem Stichproben von Probanden einer relevanten Gruppe ausgewählt werden und diese gebeten werden, Fragen zu spezifischen Situationen oder Problemfeldern zu beantworten. Daten aus Feldstudien resultieren aus direkten Beobachtungen real existierender Organisationen (z. B. Unternehmen). Im Vergleich zu Experimenten sind in Befragungen oder Feldstudien keine manipulierten Variablen enthalten. Schließlich repräsentieren Archivstudien gesammelte Informationen von Organisationen oder Individuen, typischerweise für andere als Forschungszwecke.401 Der wesentliche unterscheidende Vorteil der experimentellen Methode im Vergleich zu anderen empirischen Methoden liegt in der Kontrolle des Forschers über die Variablen. Im Vergleich dazu spiegeln andere empirische Methoden die Daten, wie sie na-
400
Vgl. DIEKMANN, A. (2008), S. 328.
401
Eine ausführliche Darstellung von gängigen, nicht-experimentellen Forschungsmethoden in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften findet sich u. a. bei WEBSTER, M., Jr./SELL, J. (2007), S. 9ff.
102
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
türlich in der Welt vorkommen, wider. Forscher haben keine Kontrolle über diese Variablen, da diese entweder bereits vorhanden sind oder inhärent nicht manipulierbar sind. Während experimentelle Erhebungen in den Bereichen der Natur- und Sozialwissenschaften und der Psychologie ein häufig eingesetztes und mittlerweile ausgereiftes Instrumentarium darstellen402, findet diese Methode der empirischen Forschung in der Betriebswirtschaftslehre bis dato noch keine weite Verbreitung.403 Das Gebiet der experimentellen Wirtschaftsforschung stellt ein vergleichsweise jüngeres Themenfeld der empirischen Forschung in der Ökonomie dar, welches beispielsweise das Verhalten von Subjekten auf Märkten untersucht oder Verhandlungen zwischen Tarifparteien simuliert.404 Die Anwendung experimenteller Methodiken im Bereich des Rechnungswesens ist dagegen – zumindest in Deutschland – noch kaum verbreitet. Diese in der vorliegenden Arbeit eingesetzte Forschungsmethodik ist demnach durchaus als innovativer Ansatz zur Untersuchung der Fragestellung hinsichtlich der Bewertungsund Entscheidungsrelevanz von Humankapitalinformationen anzusehen. 4.2.2 Begriff und Merkmale von Experimenten Nach einer Begriffsklärung (Abschnitt 4.2.2.1) werden im Anschluss die kennzeichnenden Merkmale von Experimenten vorgestellt (Abschnitt 4.2.2.2). So sind Experimente zunächst durch bestimmte Variablenbeziehungen gekennzeichnet (Abschnitt 4.2.2.2.1). Das wesentliche Charakteristikum von Experimenten liegt in der Möglichkeit, Kausalbeziehungen zu prüfen (Abschnitt 4.2.2.2.2). Zu diesem Zweck bedarf es einer gezielten Variation der zu untersuchenden Einflussfaktoren (Abschnitt 4.2.2.2.3). 4.2.2.1 Begriffsdefinition Unter einem Experiment ist eine empirische Untersuchung zur Überprüfung von Hypothesen zu verstehen, die auf kausale Zusammenhänge abstellen. Ein Experiment
402
So bezeichnet unter anderen STIER das Experiment in den Naturwissenschaften „als die Prüfungsinstanz für Hypothesen und Theorien bzw. als Basis für Kausalschlüsse.“ STIER, W. (1999), S. 207f. (Hervorhebungen im Original). Vgl. sinngemäß auch WEBSTER, M., Jr./SELL, J. (2007), S. 6.
403
Vgl. RACK, O./CHRISTOPHERSEN, T. (2009), S. 17, 30; DIEKMANN, A. (2008), S. 22; STIER, W. (1999), S. 207f.
404
Vgl. DIEKMANN, A. (2008), S. 21.
Methodische Grundlagen
103
dient somit der Validierung von hypothetisierten Ursache-Wirkungs-Beziehungen.405 Bei einem Experiment handelt es sich um eine quantitativen Untersuchungsansatz, bei welchem durch gezielte Manipulation von Einflussvariablen406 die Effekte auf interessierende Untersuchungsvariablen407 beobachtet werden, während andere Einflussvariablen konstant gehalten oder randomisiert werden.408 Daher wird das Experiment auch als ideales Instrument zur Prüfung von Kausalhypothesen anerkannt.409 4.2.2.2 Merkmale von Experimenten Gekennzeichnet ist ein Experiment typischerweise durch das Vorliegen einer (oder mehrerer) Kausalhypothese(n), die Überprüfung des Einflusses einer oder mehrerer unabhängiger Variable(n) auf eine oder mehrere abhängige Variable(n) sowie die aktive Manipulation von unabhängigen Variablen durch den Experimentator (Versuchsleiter) bei gleichzeitiger Elimination bzw. Kontrolle von Störfaktoren.410 4.2.2.2.1 Arten von Variablen und Variablenbeziehungen in einem Experiment Wie bereits angedeutet, sind in jedem Experiment die folgenden Arten von Variablen zu unterscheiden:411 Unabhängige Variable (UV): Dabei handelt es sich um jene Variable, deren Einfluss untersucht werden soll. Zu diesem Zweck nimmt der Experimentator eine gezielte Manipulation der unabhängigen Variable vor.412 Diese wird also planmäßig über verschiedene sog. Faktorstufen bzw. Variablenausprägungen hinweg variiert.413 Die unabhängige Variable wird synonym auch als Ursache, erklärende Va-
405
Vgl. KAYA, M. (2009), S. 57f.; CHRISTENSEN, L. B. (2007), S. 75.
406
Sog. unabhängige Variablen; zu deren Konkretisierung siehe Abschnitt 4.2.2.2.1.
407
Sog. abhängige Variablen; deren Konkretisierung erfolgt ebenfalls in Abschnitt 4.2.2.2.1.
408
Vgl. CHRISTENSEN, L. B. (2007), S. 75; MAINES, L. A./SALAMON, G. L./SPRINKLE, G. B. (2006), S. 94; HÜTTNER, M./SCHWARTING, U. (2002), S. 168; STIER, W. (1999), S. 211.
409
Vgl. DIEKMANN, A. (2008), S. 330.
410
Vgl. KAYA, M. (2009), S. 57f. Vgl. sinngemäß auch CHRISTENSEN, L. B. (2007), S. 81ff.
411
Vgl. zu dieser Unterteilung in drei Arten von Variablen STELZL, I. (1995), S. 108; STIER, W. (1999), S. 210.
412
Vgl. STIER, W. (1999), S. 210; CHRISTENSEN, L. B. (2007), S. 183.
413
Vgl. STELZL, I. (1995), S. 108; RACK, O./CHRISTOPHERSEN, T. (2009), S. 19.
104
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
riable, Prädiktorvariable oder experimenteller Faktor bezeichnet.414 In einem Experiment können eine oder mehrere unabhängige Variablen Berücksichtigung finden. Abhängige Variable (AV): Die abhängige Variable ist der eigentliche Gegenstand der Untersuchung. Ihre Abhängigkeit von der bzw. den unabhängigen Variablen steht dabei im Mittelpunkt des Interesses.415 Untersucht wird folglich die Wirkung der (potentiell) ursächlichen unabhängigen Variablen auf die abhängige Variable, sodass in diesem Kontext eine Validierung von Ursache-Wirkungs-Beziehungen erfolgt.416 Als synonyme Bezeichnungen für die abhängige Variable werden in der Literatur auch Wirkung, Untersuchungsvariable, Prognosevariable oder Messgröße eingesetzt.417 So wie eine oder mehrere unabhängige Variablen Eingang in ein Experiment finden können, kann auch die Wirkung auf eine oder mehrere abhängige Variablen untersucht werden. Störvariable: Neben den planmäßig und gezielt manipulierten unabhängigen Variablen können noch weitere Variablen (potentiell) eine Wirkung auf die abhängige Variable ausüben. Diese Variablen werden als Störvariablen (Störfaktoren) bezeichnet.418 Als Beispiele können u. a. das Alter oder Geschlecht der Versuchspersonen angeführt werden. Im Vergleich zur unabhängigen Variable erfolgt jedoch keine Manipulation dieser Störvariablen.419 Da mit dem Experiment das Ziel verfolgt wird, auf einen eindeutigen und nicht verzerrten Zusammenhang zwischen unabhängigen und abhängigen Variablen abzustellen, müssen (potentielle) Störvariablen kontrolliert werden, da andernfalls keine eindeutige Interpretation des Ursache-Wirkungs-Zusammenhangs möglich ist (interne Validität).420 Von einer Konfundierung, d. h. Vermischung der Effekte wird gesprochen, wenn die Variation der abhängigen Variablen sowohl auf die unabhängige Variable als auch auf Störeffekte zurückzuführen ist.421 In anderen Worten bedeutet dies, dass sowohl die
414
Vgl. KAYA, M. (2009), S. 58.
415
Vgl. CHRISTENSEN, L. B. (2007), S. 183; STIER, W. (1999), S. 210.
416
Vgl. STELZL, I. (1995), S. 108; RACK, O./CHRISTOPHERSEN, T. (2009), S. 19.
417
Vgl. KAYA, M. (2009), S. 58.
418
Vgl. RACK, O./CHRISTOPHERSEN, T. (2009), S. 19; STELZL, I. (1995), S. 108.
419
Vgl. STIER, W. (1999), S. 210.
420
Vgl. STELZL, I. (1995), S. 108.
421
Vgl. STIER, W. (1999), S. 210.
Methodische Grundlagen
105
unabhängige(n) Variable(n) als auch einer oder mehrere Störfaktoren für eine Veränderung der Messwerte der abhängigen Variable verantwortlich sind.422 Dieser Fall tritt ein, wenn eine (ausreichende) Kontrolle der Störvariablen nicht als gegeben erachtet werden kann. Bei dem zwischen unabhängiger (UV) und abhängiger Variable (AV) unterstellten Kausalzusammenhang muss es sich dabei nicht zwingend um einen direkten Zusammenhang handeln. Abgesehen von unerwünschten Wirkungen von Störvariablen, die es weitestgehend auszuschalten bzw. zumindest konstant zu halten gilt, kann der Beziehungszusammenhang zwischen UV und AV durch Drittvariablen beeinflusst sein.423 Bei diesen Drittvariablen werden je nach Art der Beeinflussung des Zusammenhangs zwischen UV und AV Moderatorvariablen und Mediatorvariablen unterschieden. Während Moderatorvariablen einen Einfluss auf die Richtung oder die Stärke des Zusammenhangs zwischen UV und AV ausüben424, kann ein zunächst nicht statistisch signifikanter bzw. nicht direkt beobachtbarer Zusammenhang zwischen UV und AV durch den Einbezug von Mediatorvariablen nachweisbar werden.425 Ein von Moderatorvariablen ausgehender Einfluss wird dabei als Interaktionseffekt bzw. Moderatoreffekt bezeichnet.426 Dieser Interaktionseffekt kann dann auftreten, wenn die Wirkungsintensität einer UV auf die AV von der Ausprägung einer Moderatorvariablen, die dem Charakter nach als weitere unabhängige Variable klassifiziert werden kann, abhängt.427 Folgt man einer graphischen Darstellung des zugrundeliegenden Kausalmodells, so kann der Einfluss einer Moderatorvariablen durch einen von ihr ausgehenden Pfeil symbolisiert werden, welcher auf die Beziehung zwischen der UV und der AV weist (vgl. Abb. 4.1).428
422
Vgl. SCHNELL, R./HILL, P. B./ESSER, E. (2005), S. 219.
423
Vgl. RACK, O./CHRISTOPHERSEN, T. (2009), S. 19.
424
Vgl. RACK, O./CHRISTOPHERSEN, T. (2009), S. 19; MÜLLER, D. (2009), S. 237f.
425
Vgl. RACK, O./CHRISTOPHERSEN, T. (2009), S. 19.
426
Vgl. MÜLLER, D. (2009), S. 237.
427
Vgl. MÜLLER, D. (2009), S. 237.
428
Vgl. MÜLLER, D. (2009), S. 239. Vgl. für ein Anwendungsbeispiel zu Moderatorvariablen u. a. auch KOSCHATE, N. (2002), S. 105ff.
106
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
X2
X1
O
Mit: X1 :ExperimentellerStimulus,unabhängigeVariable1 X2 :ExperimentellerStimulus,unabhängigeVariable2(Moderatorvariable) O:Beobachtung,abhängigeVariable
Abb. 4.1: Moderatorbeziehung in Kausalmodellen (Quelle: In Anlehnung an MÜLLER, D. (2009), S. 239)
Im Gegensatz zu Moderatorvariablen, welche den Zusammenhang zwischen UV und AV sozusagen „moderieren“, dienen Mediatorvariablen als Bindeglied zwischen der UV und der AV und weisen somit ihrerseits einen direkten Effekt auf die Prognosevariable auf. Die zu untersuchende UV bewirkt somit zunächst einen Effekt auf die Mediatorvariable, welche wiederum die AV beeinflusst.429 Bei der Analyse von Mediationsbeziehungen ist danach zu unterscheiden, ob die Wirkung der UV vollständig oder nur teilweise über die Mediatorvariable übertragen wird. Beide Arten von Mediationsbeziehungen werden in Abb. 4.2 visualisiert. 1) a
X
M
b
O
M b
a 2) X
c
Mit: X:ExperimentellerStimulus, unabhängigeVariable M:Mediatorvariable O:Beobachtung,abhängigeVariable a,b,c:Pfadkoeffizienten(hier:Effekte)
Abb. 4.2: Mediationsbeziehungen in Kausalmodellen (Quelle: In Anlehnung an MÜLLER, D. (2009), S. 246)
429
Vgl. MÜLLER, D. (2009), S. 245.
O
Methodische Grundlagen
107
Die obere Beziehung (1) in der Abbildung kennzeichnet eine Situation, in welcher die Wirkung der unabhängigen Variable (X) auf die abhängige Variable (O) gänzlich über die Mediatorvariable (M) übertragen wird. Ein direkter Zusammenhang zwischen der unabhängigen und der abhängigen Variable lässt sich in diesem kausalen Beziehungsgeflecht theoretisch nicht fundieren. Demgegenüber existieren gleichermaßen auch Mediationsbeziehungen, in welchen nur ein Teil des Effekts der unabhängigen Variable über die Mediatorvariable übertragen wird, teilweise jedoch auch ein direkter Einfluss auf die abhängige Variable nachgewiesen werden kann.430 Eine solche Mediationsbeziehung ist im unteren Teil (2) der Abbildung modelltheoretisch visualisiert. Neben dem durch die Mediatorvariable M sozusagen „mediierten“ Effekt von X auf O besteht zudem auch ein direkter Einfluss (c) der Prädiktorvariable (X) auf die Prognosevariable (O). 4.2.2.2.2 Kausalbeziehung als Untersuchungsgegenstand Das Ziel experimenteller Untersuchungsformen besteht in der Überprüfung und Analyse von Ursache-Wirkungs-Beziehungen zwischen Variablen, sodass Experimente als Tests für das Vorliegen von Kausalzusammenhängen betrachtet werden können. Indem eine gezielte Manipulation unabhängiger Variablen erfolgt, während Störfaktoren konstant gehalten oder randomisiert werden, kann die Überprüfung eines möglichen Kausalzusammenhangs zwischen den unabhängigen und den abhängigen Variablen getestet werden.431 Wesentlich dabei ist, dass die zu untersuchenden Kausalhypothesen nicht durch bloße Beobachtung formuliert werden, sondern aus Theorien abgeleitet werden müssen und anschließend deren Überprüfung durch eine methodisch strenge Beobachtung, also durch das Experiment, erfolgt.432 In diesem Zusammenhang erscheint es wichtig, zu betonen, dass Kausalität generell ein komplexes Konzept ist433 und im wissenschaftlichen Sinne im Vergleich zum Alltagsverständnis etwas anders zu interpretieren ist.434 So wird dem wissenschaftlichen
430
Vgl. MÜLLER, D. (2009), S. 245.
431
Vgl. MAINES, L. A./SALAMON, G. L./SPRINKLE, G. B. (2006), S. 94.
432
Vgl. STAPF, K. H. (1995), S. 236.
433
Eine ausführliche Begriffsabgrenzung des Kausalitätskonzepts sowie der Begriffe Ursache und Wirkung findet sich bspw. bei CHRISTENSEN, L. B. (2007), S. 75ff.
434
Vgl. STIER, W. (1999), S. 208.
108
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
Verständnis nach ein Einflussfaktor in der Regel nicht als alleinige Ursache für eine beobachtete Wirkung angesehen. Ferner postuliert die wissenschaftliche Sicht, dass eine bestimmte Ursache nicht stets sondern nur wahrscheinlich eine bestimmte Wirkung auslöst. Zuletzt wird sich entgegen dem Alltagsverständnis aus wissenschaftlicher Sicht niemals abschließend und definitiv beweisen lassen, dass eine beobachtete Wirkung tatsächlich von einem bestimmten Einflussfaktor verursacht wird.435 Für den Nachweis eines mit gewisser Sicherheit bestehenden kausalen Beziehungszusammenhangs müssen die folgenden Bedingungen für Kausalität als erfüllt gelten:436 Es besteht ein Zusammenhang zwischen der unabhängigen und der abhängigen Variable, d. h. zwischen Ursache und Wirkung. Die Änderung der unabhängigen Variable erfolgt zeitlich vor der Änderung der abhängigen Variable. Ausgenommen der unabhängigen Variable(n) bleiben alle übrigen Einflussfaktoren während des Untersuchungszeitraums unverändert, d. h. es darf außer der unabhängigen Variable keine alternativen Erklärungsmöglichkeiten für die Beeinflussung der abhängigen Variable geben. Auch bei Erfüllung der genannten Bedingungen bleibt es letztendlich diskussionswürdig, ob ein direkter Kausalzusammenhang durch ein Experiment nachgewiesen werden kann. So legt STIER dar, dass „ein stringenter Kausalitätsbeweis nicht möglich“437 sei, selbst wenn wissenschaftliche Experimente kontrolliert vorgenommen werden. Denn auch für den Fall, dass alle Gütekriterien für ein Experiment als erfüllt gelten sollten, kann ein potentieller Einfluss von anderen Faktoren als der unabhängigen Variable nicht gänzlich ausgeschlossen werden.438 Jedoch gilt es zu betonen, dass sich Experimente im Vergleich zu anderen Methoden aufgrund der kontrollierten Durchführung dennoch sehr gut zur Untersuchung von Kausalzusammenhängen eignen. Mit nichtexperimentellen Daten (sog. Passiv-Daten) lässt sich ein Kausalitätsbeweis unter keinen Umständen führen. Vielmehr ist es hier nur möglich, auf Korrelationen zu schlie-
435
Vgl. STIER, W. (1999), S. 208.
436
Vgl. nachfolgend KAYA, M. (2009), S. 58; STAPF, K. H. (1995), S. 236; STIER, W. (1999), S. 208.
437
STIER, W. (1999), S. 209.
438
Vgl. STIER, W. (1999), S. 209.
Methodische Grundlagen
109
ßen. So kann etwa durch Regressionsanalysen festgestellt werden, ob und inwieweit sich eine beobachtete Wirkung durch einen bestimmten Einflussfaktor erklären lässt.439 4.2.2.2.3 Variation unabhängiger Variablen Unter der Variation440 ist allgemeinhin die gezielte Bildung verschiedener Stufen der unabhängigen Variable(n) im Zusammenhang mit deren Operationalisierung zu verstehen.441 Die Variation der unabhängige(n) Variable(n) setzt eine Unterteilung der Untersuchungsobjekte in mehrere Versuchsgruppen voraus. Die gebildeten Versuchsgruppen werden verschiedenen Behandlungen (sog. treatments) unterzogen. Unter der Voraussetzung, dass die Bildung der Versuchsgruppen per Zufallsprinzip (sog. Randomisierung)442 erfolgt – wodurch deren Vergleichbarkeit als gegeben angesehen werden kann – und der Einfluss der unabhängigen Variablen durch Elimination bzw. Kontrolle von sonstigen Einflussgrößen isoliert werden kann, können die Reaktionen der Versuchsgruppen auf die unterschiedlichen Behandlungen festgestellt und auf mögliche kausale Effekte hin untersucht werden.443 Im Hinblick auf die Variation der unabhängigen Variablen können im Wesentlichen drei Möglichkeiten unterschieden werden:444 Erstens kann eine Variation dadurch erreicht werden, dass die unabhängige Variable innerhalb einer experimentellen Bedingung präsent ist, innerhalb einer zweiten experimentellen Bedingung jedoch absent ist. Dies wird auch als Präsenz- vs. Absenztechnik bezeichnet. Eine Versuchsgruppe wird somit einem experimentellen Stimulus ausgesetzt, während eine andere Versuchsgruppe diesen experimentellen Stimulus nicht erhält. Letztere dient demnach als Kontrollgruppe. Durch einen Vergleich der Gruppen ist es folglich möglich, die Wirkung des Stimulus zu erforschen. Eine zweite Möglichkeit der Variation besteht darin, die Versuchsgruppen unterschiedlichen Mengen bzw. Umfängen der unabhängigen Variable
439
Vgl. STIER, W. (1999), S. 209.
440
Synonym auch: Manipulation.
441
Vgl. FOSCHI, M. (2007), S. 122.
442
Vgl. zum Begriff und dem Erfordernis der Randomisierung die Ausführungen in Abschnitt 4.2.3.2.1.
443
Vgl. KAYA, M. (2009), S. 58.
444
Vgl. hierzu im Folgenden CHRISTENSEN, L. B. (2007), S. 185ff.
110
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
auszusetzen. Beispielsweise können dies in medizinischen Experimenten unterschiedliche Mengen eines Medikaments sein. Aber auch in betriebswirtschaftlichen Experimenten kann eine Variation der unabhängigen Variable im Hinblick auf die Menge erfolgen, beispielsweise, indem Versuchspersonen unterschiedliche Mengen an Informationen erhalten. Schließlich kann eine Variation der unabhängigen Variable drittens auch dadurch erfolgen, dass der Variablentypus gezielt verändert wird. In der vorliegenden experimentellen Studie geschieht dies dadurch, dass Informationen in der einen experimentellen Bedingung eine positive Entwicklung aufweisen, in der anderen dagegen eine negative Entwicklung kennzeichnen. Wie noch zu zeigen sein wird, erfolgt dabei eine Kombination mit der zuvor erwähnten Präsenz-Absenz-Technik. 4.2.3 Gütekriterien von Experimenten und Methoden zur Kontrolle von Störfaktoren Die Beurteilung der Validität und Generalisierbarkeit der durch Experimente erzielten Ergebnisse ist eng verknüpft mit dem Erfordernis, im Vorfeld sowie während der Durchführung des Experiments die Erfüllung bestimmter Gütekriterien zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang kommt der Kontrolle von Störfaktoren eine besondere Bedeutung zu, um letztlich eindeutig auf Kausalzusammenhänge zwischen den interessierenden Variablen schließen zu können, ohne dass diese durch unerwünschte Störvariablen verzerrt werden. 4.2.3.1 Gütekriterien von Experimenten Gütekriterien dienen der Beurteilung von Experimenten hinsichtlich der Validität der beobachteten Ergebnisse. Zu diesem Zweck kann zwischen interner Validität und externer Validität unterschieden werden. Das Ausmaß der internen und externen Validität kann durch Störfaktoren beeinflusst werden, die mit der Wirkung der unabhängigen auf die abhängigen Variablen konfundiert sind. Daher kommt der Kontrolle von Störfaktoren als Gütekriterium eine entscheidende Bedeutung zu. 4.2.3.1.1 Interne und externe Validität Der Begriff der Validität bezeichnet allgemein das Ausmaß, in dem ein Messinstrument in der Lage ist, das zu messen, was mit der Messung tatsächlich beabsichtigt wird.445 Ein Messinstrument ist dabei umso valider, je weniger Fehler die Messung 445
Vgl. SCHNELL, R./HILL, P. B./ESSER, E. (2008), S. 154.
Methodische Grundlagen
111
systematisch beeinflussen. Experimentelle Untersuchungen können nach dem Ausmaß ihrer internen und externen Gültigkeit oder Validität beurteilt werden. Interne Validität eines Experiments liegt vor, wenn die Variation der zu untersuchenden abhängigen Variablen ursächlich auf die (gezielte) Variation der unabhängigen Variablen zurückzuführen ist.446 Dies setzt voraus, dass andere potentielle Einflussfaktoren durch spezifische Kontrolltechniken gezielt eliminiert bzw. konstant gehalten werden. Das Ausmaß der internen Validität wird folglich wesentlich dadurch determiniert, inwiefern es dem Forscher gelingt, andere Einflussfaktoren zu kontrollieren.447 Sofern Konfundierung der Effekte vorliegt, ist das Gütekriterium der internen Validität nicht erfüllt.448 Externe Validität kann als gegeben erachtet werden, wenn ein aus der experimentellen Erhebung ermittelter Kausalzusammenhang als generalisierbar gilt, d. h. auf andere Personengesamtheiten, Situationen und Zeitpunkte übertragbar ist.449 Zur Beurteilung des Vorliegens externer Validität müssen somit weitreichende Schlussfolgerungen gezogen werden, für die als Basis jedoch nur begrenzte Informationen zur Verfügung stehen.450 Die Ableitung von Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen ist jedoch zumeist schon allein deshalb notwendig, da es nur selten möglich sein wird, eine interessierende Grundgesamtheit vollständig untersuchen zu können und aus diesem Grund eine Stichprobenbildung notwendig ist.451 Aus den für die Stichprobe beobachteten Ergebnissen können dann mittels inferenzstatistischer Tests Rückschlüsse auf die Grundgesamtheit gezogen werden. Eng verbunden mit dem Begriff der externen Validität ist daher der Begriff der Populationsvalidität. Darunter ist die Eignung der Stichprobe zu verstehen, Rückschlüsse auf die Gesamtpopulation zu ermöglichen.452 Dies
446
Vgl. COOK, T. D./CAMPBELL, D. T. (1979), S. 38, 50; STAPF, K. H. (1995), S. 237; STREET, D. L. (1995), S. 171; STIER, W. (1999), S. 210; CHRISTENSEN, L. B. (2007), S. 217.
447
Vgl. STREET, D. L. (1995), S. 174; CHRISTENSEN, L. B. (2007), S. 217. Vgl. sinngemäß auch BERG, J./COURSEY, D./DICKHAUT, J. (1989), S. 839.
448
Vgl. STIER, W. (1999), S. 210.
449
Vgl. COOK, T. D./CAMPBELL, D. T. (1979), S. 39; STAPF, K. H. (1995), S. 237; STREET, D. L. (1995), S. 175; STIER, W. (1999), S. 210.
450
Vgl. CHRISTENSEN, L. B. (2007), S. 247.
451
Vgl. zur Stichprobenbildung ausführlich Abschnitt 4.3.4.2.1.
452
Vgl. hierzu ausführlich STREET, D. L. (1995), S. 175, 179; CHRISTENSEN, L. B. (2007), S. 248.
112
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
setzt wiederum eine strenge Einhaltung der Kriterien zur Stichprobenbildung voraus, wie u. a. das Erfordernis der Randomisierung453. Das Ausmaß der externen und der internen Validität bedingt sich gegenseitig und steht in wechselseitiger Beziehung, d. h. je höher die interne Validität, umso geringer die externe Validität et vice versa.454 Obwohl beide Kriterien also oftmals nicht miteinander vereinbart werden können, sind sie dennoch beide bedeutsam. Der internen Validität ist jedoch Priorität einzuräumen. Diese wird daher auch als notwendige, jedoch nicht hinreichende Bedingung für externe Validität angesehen.455 Aus diesem Grund ist insbesondere im Bereich der psychologischen Forschung eine Tendenz hin zu Laborexperimenten456 zu beobachten, da diese in der Lage sind, eine hohe interne Validität zu erzielen.457 Aus Gründen der Vollständigkeit sind die Gütekriterien interne Validität und externe Validität von der sog. Konstruktvalidität abzugrenzen. Während sich die externe Validität, wie oben bereits angeführt, auf die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere situative und personenbezogene Rahmenbedingungen bezieht, zielt die Konstruktvalidität auf die „Interpretation der Operationalisierung von unabhängiger und abhängiger Variable“458 ab. Dies ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn es sich bei den Variablen um latente Variablen handelt, also Variablen, welche nicht direkt beobachtbar sind und aus diesem Grund mittels eines aus verschiedenen Eigenschaftsdimensionen bestehenden Konstrukts operationalisiert werden müssen. Konstruktvalidität liegt vor, wenn es möglich ist, Zusammenhänge zwischen dem betrachteten Konstrukt und anderen Konstrukten theoretisch herleiten und empirisch nachweisen zu können.459
453
Vgl. zur Technik der Randomisierung die Ausführungen in Abschnitt 4.2.3.2.2.
454
Vgl. RACK, O./CHRISTOPHERSEN, T. (2009), S. 28; KAYA, M. (2009), S. 59; CAMPBELL, D. T./STANLEY, J. C. (1963), S. 175.
455
Vgl. CAMPBELL, D. T./STANLEY, J. C. (1963), S. 175; STIER, W. (1999), S. 210.
456
Zur Charakterisierung von Laborexperimenten und deren Abgrenzung zu Feldexperimenten siehe Abschnitt 4.2.4.1.2.
457
Vgl. STAPF, K. H. (1995), S. 237.
458
STAPF, K. H. (1995), S. 237. Vgl. sinngemäß auch CHRISTENSEN, L. B. (2007), S. 233.
459
Vgl. BALDERJAHN, I. (2003), S. 132; SCHNELL, R./HILL, P. B./ESSER, E. (2008), S. 156.
Methodische Grundlagen
113
4.2.3.1.2 Kontrolle von Störfaktoren Als Störfaktoren460 werden bekannte oder unbekannte Einflussgrößen bezeichnet, welche neben der unabhängigen Variable ursächlich für eine Variation der zu untersuchenden abhängigen Variable sind und demnach einen Einfluss auf diese ausüben.461 Es existieren allgemeinhin unterschiedliche Arten von Störgrößen, welche möglicherweise einen Einfluss auf den zu untersuchenden Kausalzusammenhang ausüben können.462 Diese können beispielsweise danach unterschieden werden, ob sie primär die interne Validität oder die externe Validität reduzieren.463 Die Reduzierung der internen Validität kann einerseits durch zwischenzeitliches Geschehen (engl. history) begünstigt werden.464 Dies ist insbesondere für den Fall relevant, dass eine Messung der abhängigen Variablen zu mehreren Zeitpunkten erfolgt (sog. Repeated Measurement Design oder Pre-Test-/Post-Test-Design) und zwischen den Messungen Ereignisse eintreten, die das Verhalten der Versuchspersonen zu den unterschiedlichen Messzeitpunkten beeinflussen können.465 Im Bereich der Konsumentenforschung können beispielsweise Unterschiede im Ausmaß der Kaufpräferenz für ein Produkt zwischen zwei Messpunkten neben einer Verkaufsförderungsmaßnahme unabhängig von dieser dadurch verstärkt werden, dass zwischenzeitlich ein Konkurrenzprodukt vom Markt genommen wurde.466 Die Reifung (engl. maturation) bezeichnet einen weiteren Störeinfluss, welcher primär die interne Validität von Experimenten tangiert. Hierbei handelt es sich um vorwiegend biologisch-psychologische Veränderungen der Probanden, sodass die Varianz der abhängigen Variable neben dem Stimu-
460
Synonym auch: Störvariablen, Störeffekte bzw. Störgrößen.
461
Vgl. RACK, O./CHRISTOPHERSEN, T. (2009), S. 18; CAMPBELL, D. T./STANLEY, J. C. (1963), S. 5.
462
Vgl. hierzu ausführlich RACK, O./CHRISTOPHERSEN, T. (2009), S. 28f.; CAMPBELL, D. T./STANLEY, J. C. (1963), S. 5f.; STAPF, K. H. (1995), S. 238f.
463
Vgl. zu dieser Klassifikation von Störfaktoren originär COOK, T. D./CAMPBELL, D. T. (1979), S. 51, 73; CAMPBELL, D. T./STANLEY, J. C. (1963), S. 5. Weiterhin auch SCHNELL, R./HILL, P. B./ESSER, E. (2005), S. 219; RACK, O./CHRISTOPHERSEN, T. (2009), S. 28f.
464
Vgl. COOK, T. D./CAMPBELL, D. T. (1979), S. 51; RACK, O./CHRISTOPHERSEN, T. (2009), S. 28; SCHNELL, R./HILL, P. B./ESSER, E. (2005), S. 217.
465
Vgl. SCHNELL, R./HILL, P. B./ESSER, E. (2005), S. 217; STIER, W. (1999), S. 211; FIELD, A./HOLE, G. (2003), S. 59.
466
Vgl. STIER, W. (1999), S. 211.
114
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
lus durch Reifungsprozesse, also intrapersonale Prozesse beeinflusst werden kann.467 Als Beispiele können gerade bei zeitlich länger andauernden Experimenten eine zurückgehende Konzentrationsleistung oder auch Faktoren wie Müdigkeit oder Hunger der Versuchspersonen angeführt werden.468 Daneben gibt es sog. Messeffekte als Störvariablen, die auch unter dem Begriff der Testung bekannt sind. Wie auch die Zeiteffekte können diese insbesondere bei Experimenten mit mehreren Messungen zum Tragen kommen.469 Diese Störeffekte resultieren aus Auswirkungen des ersten Messgangs auf nachfolgende Messgänge, welche vor allem bei kognitiven Versuchen zu erwarten sind.470 Es handelt sich primär um Lerneffekte der Probanden aus dem ersten Messgang, die sich beispielsweise darin äußern, dass sich die Probanden richtige Lösungen merken oder zwischenzeitlich über ihr Antwortverhalten nachdenken und somit in der Lage sind, ihr Resultat bei folgenden Messungen zu verbessern.471 Ein weiterer die interne Validität beeinflussender Störfaktor kann durch die beim Experiment eingesetzten Instrumente bzw. Hilfsmittel entstehen. So können Veränderungen im Messinstrument, wie beispielsweise geänderte Fragen oder unterschiedliche Antwortvorgaben, ungewollte Einflüsse auf die abhängige Variable ausüben.472 Dies schließt auch Veränderungen bei den Hilfsmitteln mit ein, unter denen auch etwa unterschiedliche Versuchsleiter oder Interviewleiter zu subsumieren sind. Versuchsleiterbezogene Effekte können nicht nur aus dem Einsatz verschiedener Versuchsleiter über die experimentellen Situationen hinweg resultieren, sondern auch aus deren Verhalten. So kann sich das Verhalten und Auftreten des Versuchsleiters auf die Motivation der Teilnehmer auswirken.473 Eine Rolle spielt in diesem Zusammenhang auch, ob gewisse Ergebnisse durch den Versuchsleiter erwünscht sind und dieser unbeabsichtigt, z. B. durch Wortwahl, Gestik oder Mimik, die Reaktion der Versuchspersonen auf die vari-
467
SCHNELL, R./HILL, P. B./ESSER, E. (2005), S. 217; STIER, W. (1999), S. 211.
468
Weitere Beispiele für Reifungseffekte liefern u. a. FIELD, A./HOLE, G. (2003), S. 59.
469
Vgl. RACK, O./CHRISTOPHERSEN, T. (2009), S. 28; STIER, W. (1999), S. 212.
470
Vgl. CAMPBELL, D. T./STANLEY, J. C. (1963), S. 5; SCHNELL, R./HILL, P. B./ESSER, E. (2005), S. 218.
471
Vgl. COOK, T. D./CAMPBELL, D. T. (1979), S. 52; SCHNELL, R./HILL, P. B./ESSER, E. (2005), S. 218.
472
Vgl. RACK, O./CHRISTOPHERSEN, T. (2009), S. 28; SCHNELL, R./HILL, P. B./ESSER, E. (2005), S. 218.
473
Vgl. FIELD, A./HOLE, G. (2003), S. 82; RACK, O./CHRISTOPHERSEN, T. (2009), S. 28.
Methodische Grundlagen
115
ierte Variable beeinflusst.474 Zur Gewährleistung interner Validität können desweiteren die Auswahl sowie Ausfälle der Versuchspersonen Störeffekte generieren. Bei der Auswahl der Versuchspersonen können heterogene Zusammensetzungen der Experimental- und Kontrollgruppe beispielsweise hinsichtlich des Geschlechts oder anderer personenbezogener Merkmale Einflüsse auf die abhängige Variable ausüben, die nicht ausschließlich auf die Variation der unabhängigen Variablen zurückzuführen sind.475 Darüber hinaus können auch verzerrende Effekte entstehen, je nachdem, ob die Probanden freiwillig oder auf Anweisung an der Untersuchung teilnehmen.476 Ausfälle, sog. Drop-Outs, können die Resultate des Experiments ebenfalls beeinflussen. Diese entstehen dann, wenn Versuchspersonen bei Experimenten mit mehreren Messungen an der ersten Messung teilnehmen, bei folgenden Messungen jedoch aus diversen Gründen nicht mehr zur Verfügung stehen bzw. den Versuch abbrechen.477 Erfolgen diese Ausfalleffekte nicht zufällig, sondern systematisch, wird von Mortalitätseffekten gesprochen. Letztere resultieren aus allgemeinen Durchführungsbedingungen des Experiments oder auch aus dem Verhalten des Versuchsleiters.478 In Bezug auf die Gewährleistung der externen Validität müssen folgende störende Einflussfaktoren Berücksichtigung finden: Fehlende Stichprobenrepräsentativität: Ist die Stichprobe beispielsweise hinsichtlich personenbezogener Merkmale stark homogen, so kann die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere Stichproben erschwert sein.479 Die Ergebnisse wären somit unter Umständen nicht generalisierbar. Interaktion zwischen der Experimentalsituation und der AV: Störeffekte können daraus resultieren, dass sich die Situation, in welcher das Experiment durchgeführt
474
Vgl. SCHNELL, R./HILL, P. B./ESSER, E. (2005), S. 218; STIER, W. (1999), S. 212.
475
Vgl. SCHNELL, R./HILL, P. B./ESSER, E. (2005), S. 218; STIER, W. (1999), S. 212.
476
Vgl. RACK, O./CHRISTOPHERSEN, T. (2009), S. 28.
477
Vgl. COOK, T. D./CAMPBELL, D. T. (1979), S. 53; SCHNELL, R./HILL, P. B./ESSER, E. (2005), S. 218; RACK, O./CHRISTOPHERSEN, T. (2009), S. 28; FIELD, A./HOLE, G. (2003), S. 60.
478
Vgl. STIER, W. (1999), S. 213.
479
Vgl. RACK, O./CHRISTOPHERSEN, T. (2009), S. 28.
116
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
wird, auf die abhängige Variable ausübt. Exemplarisch könnte sich der Arbeitsort auf die Leistung einer Versuchsgruppe auswirken.480 4.2.3.2 Methoden zur Kontrolle von Störfaktoren Da es sich bei Störfaktoren nicht um die interessierenden, planmäßig manipulierten Variablen handelt, sollte deren Einfluss entweder eliminiert oder zumindest gezielt kontrolliert werden.481 Bei der Klassifizierung der nachfolgend näher spezifizierten Kontrolltechniken wird entsprechend unterschieden, ob die Störvariablen dem Forscher zum Zeitpunkt der Versuchsplanung bekannt sind oder ob diese nicht (vollständig) identifizierbar sind. Dabei handelt es sich bei den im Folgenden aufgezeigten Kontrolltechniken um sog. versuchsplanerische Methoden zur Kontrolle von Störfaktoren. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass deren Anwendung bereits im Vorfeld der Durchführung des Experiments erfolgen kann.482 4.2.3.2.1 Elimination, Konstanthaltung und Parallelisierung Die Techniken der Elimination, Konstanthaltung und Parallelisierung beziehen sich auf den Fall, dass die Störvariablen dem Versuchsplaner vorab bekannt sind. In diesem Fall besteht zum einen die Möglichkeit der Elimination der Störfaktoren. Sind Störfaktoren dem Versuchsleiter vorab bekannt, besteht die naheliegendste Lösung darin, diese auszuschalten, sprich zu eliminieren. Die Elimination der den Ablauf eines Experiments beeinträchtigenden externen Einflüsse, wie beispielsweise störende Außengeräusche oder Störungen durch dritte Personen, lässt sich bei einem Laborexperiment, welches in speziell gestalteten Versuchsräumen durchgeführt wird, am ehesten erreichen.483 Demgegenüber ist die Ausschaltung derartiger störender Einflüsse bei 480
Vgl. RACK, O./CHRISTOPHERSEN, T. (2009), S. 28f.
481
Vgl. RACK, O./CHRISTOPHERSEN, T. (2009), S. 19.
482
Vgl. RACK, O./CHRISTOPHERSEN, T. (2009), S. 29. Daneben besteht auch die Möglichkeit, im Anschluss an die Datenerhebung statistische Verfahren, wie z. B. die Kovarianzanalyse, einzusetzen, um den Einfluss von Störfaktoren zu berücksichtigen. Vgl. hierzu STREET, D. L. (1995), S. 171; STIER, W. (1999), S. 215, 270ff. Die Anwendung statistischer Verfahren zur nachträglichen Berücksichtigung von Störeffekten sollte jedoch idealerweise nicht notwendig werden. Dies kann und sollte durch eine sorgfältige Versuchsplanung unter Einbezug von Kontrolltechniken für (potentielle) Störfaktoren im Vorfeld weitgehend vermieden werden. Vgl. RACK, O./CHRISTOPHERSEN, T. (2009), S. 29.
483
Vgl. STIER, W. (1999), S. 214.
Methodische Grundlagen
117
Feldexperimenten, welche in der Alltagsumgebung der Probanden durchgeführt werden, kaum zu realisieren.484 Die Konstanthaltung als weitere Kontrolltechnik sollte dann zum Einsatz kommen, wenn entweder die Elimination der Störeinflüsse nicht möglich ist oder die Störfaktoren versuchsbedingt auftreten.485 In den Charakteristika der Versuchspersonen liegende Störvariablen, wie beispielsweise deren Qualifikation, welche eine potentielle Wirkung auf das Verhalten (abhängige Variable) ausüben können, werden konstant gehalten, indem nur Versuchspersonen mit gleichen Charakteristika, also z. B. gleichartiger Qualifikation, zur Teilnahme am Experiment zugelassen werden. Somit werden Störvariablen über die einzelnen Versuchsgruppen konstant gehalten und üben annahmegemäß einen betragsmäßig konstant bleibenden Einfluss auf die abhängige Variable aus, sodass demzufolge die Vergleichbarkeit zwischen den Gruppen gegeben ist.486 Bei versuchsbedingt auftretenden Störeinflüssen, wie beispielsweise einer speziellen Behandlung von Probanden der Experimentalgruppen, sollte ebenfalls eine Konstanthaltung erfolgen. Diese kann dadurch erzielt werden, dass die Kontrollgruppen denselben Treatments ausgesetzt werden wie die Experimentalgruppen, selbst wenn bei den Kontrollgruppen keine explizite Messung erfolgt.487 Eine weitere versuchsbedingte Störvariable kann beispielsweise in der Person des Versuchsleiters liegen, der durch sein Auftreten und Verhalten die Entscheidungen der Versuchsteilnehmer möglicherweise beeinflussen kann. Diesem potentiellen Störfaktor kann dadurch begegnet werden, indem über alle Experimental- und Kontrollgruppen hinweg stets derselbe Versuchsleiter eingesetzt wird.488 Zudem sollte der Versuchsleiter auf einen identischen Ablauf der Experimente achten, was beispielsweise auch ein möglichst identisches Auftreten hinsichtlich Wortwahl, Gestik, Mimik etc. beinhalten sollte. Mit der Technik der Parallelisierung wird ebenfalls das Ziel verfolgt, Vergleichbarkeit der verschiedenen Versuchsgruppen bezüglich des Einflusses von Störfaktoren zu erzielen. Wird, wie bereits oben im Beispiel angeführt, die Qualifikation der Versuchs484
Vgl. STAPF, K. H. (1995), S. 240.
485
Vgl. STAPF, K. H. (1995), S. 240.
486
Vgl. STAPF, K. H. (1995), S. 240.
487
Vgl. STAPF, K. H. (1995), S. 240. Als Beispiel hierfür kann im Bereich pharmakologischer Experimente die Vergabe eines Placebo-Medikaments an Probanden der Kontrollgruppe angeführt werden. Vgl. u. a. STIER, W. (1999), S. 214.
488
Vgl. STIER, W. (1999), S. 214.
118
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
teilnehmer als potentielle Störvariable identifiziert, ist es jedoch nicht möglich oder unökonomisch, ausschließlich Probanden mit gleichartiger Qualifikation zum Versuch zuzulassen, so kann eine Vergleichbarkeit der Gruppen mittels Parallelisierung hergestellt werden. Parallelisierung meint in diesem Kontext die gleichmäßige Verteilung von Probanden mit gleichen Eigenschaften (hier: gleicher Schulbildung) auf die unterschiedlichen Gruppen, sodass die Zusammensetzung aller Versuchsgruppen hinsichtlich des betrachteten Charakteristikums der Schulbildung identisch ist.489 Die Anwendung dieser Technik setzt natürlich voraus, dass Versuchspersonenmerkmale identifiziert werden müssen, die einen erwiesenen oder zumindest vermuteten Einfluss auf die abhängige Variable haben. Zum Zwecke der Parallelisierung können demnach nicht beliebige personenbezogene Charakteristika herangezogen werden.490 4.2.3.2.2 Randomisierung, Ausbalancieren und Umwandlung Die Randomisierung, das Ausbalancieren und die Umwandlung zählen zu den Techniken der Kontrolle von Störfaktoren bzw. der Bildung von Experimental- und Kontrollgruppen für den Fall, dass die Störvariablen nicht vorab durch den Forscher identifiziert werden können. Dies birgt insbesondere im Vergleich mit der oben beschriebenen Technik der Parallelisierung gewissermaßen den Vorteil, dass die nachfolgend dargestellten Methoden nicht mit der Schwierigkeit belastet sind, zunächst diejenigen Merkmale identifizieren zu müssen, welche einen (Stör-)Einfluss auf die abhängige Variable ausüben.491 Randomisierung bezeichnet die Auswahl der Versuchsteilnehmer aus der Population sowie deren Verteilung auf die experimentellen Bedingungen per Zufallsprinzip.492 Die Stichproben-Ziehung erfolgt also per Zufallsauswahl, so dass die Stichprobe stellvertretend, also repräsentativ für die Grundgesamtheit steht.493 Da anhand eines Vergleichs der Versuchs- und Kontrollgruppen – die im Idealfall exakt identischen Rahmenbedingungen ausgesetzt sein sollen – Rückschlüsse auf die Wirkung der unabhän-
489
Vgl. STAPF, K. H. (1995), S. 240.
490
Vgl. STIER, W. (1999), S. 215.
491
Vgl. STIER, W. (1999), S. 216.
492
Vgl. RACK, O./CHRISTOPHERSEN, T. (2009), S. 28; SCHNELL, R./HILL, P. B./ESSER, E. (2005), S. 223; BORTZ, J./DÖRING, N. (2006), S. 54.
493
Vgl. HÜTTNER, M./SCHWARTING, U. (2002), S. 169; CHRISTENSEN, L. B. (2007), S. 264.
Methodische Grundlagen
119
gigen Variablen im Experiment gezogen werden, kommt der Vorgehensweise bei der Bildung dieser unterschiedlichen Gruppen eine entscheidende Bedeutung zu.494 Im Falle der Einteilung der Versuchsteilnehmer in eine oder mehrere Kontroll- und Experimentalgruppe(n) schließt dies auch die zufällige Verteilung der Versuchsteilnehmer auf diese beiden Gruppenarten mit ein, wodurch die Vergleichbarkeit der Gruppen hinsichtlich des möglichen Einflusses potentieller Störvariablen gewährleistet wird.495 Durch zufällige Zuweisung der Probanden zu den einzelnen experimentellen Bedingungen („Zellen“) können systematische Unterschiede496 in der Gruppenzusammensetzung nahezu ausgeschlossen werden.497 Mögliche Dritt- bzw. Störvariablen wirken somit in den unterschiedlichen Gruppen gleichartig, sodass Veränderungen der abhängigen Variablen mit großer Sicherheit auf den Stimulus, d. h. die Variation der unabhängigen Variable(n), zurückgeführt werden können.498 Die Randomisierung basiert auf dem sog. Prinzip des statistischen Fehlerausgleichs.499 Dieses Prinzip besagt in dem hier angewandten Kontext, dass sich Charakteristika von Personen in einer Gruppe mit personenbezogenen Merkmalen der Probanden einer anderen Gruppe ausgleichen und es somit durch die zufällige Zuweisung der Probanden auf einzelne Gruppen – unter der Voraussetzung einer ausreichenden Gruppengröße – zu einer „Neutralisierung personenbezogener Störvariablen kommt.“500 Die Vergleichbarkeit der Gruppen in Bezug auf potentielle Störvariablen wird demzufolge statistisch realisiert. Aus sta-
494
Vgl. SCHNELL, R./HILL, P. B./ESSER, E. (2005), S. 221f.
495
Vgl. HÜTTNER, M./SCHWARTING, U. (2002), S. 169.
496
Systematische Unterschiede können dadurch hervorgerufen werden, dass Versuchspersonen mit gleichartigen personalen Merkmalen, d. h. soziologischen, psychologischen oder biologischen Kriterien (z. B. Geschlecht, Alter, Bildung, Vorkenntnisse), anhand dieser Kriterien systematisch auf Gruppen zugeteilt werden. Vgl. hierzu auch SCHNELL, R./HILL, P. B./ESSER, E. (2005), S. 223. Würde bei der Bildung von Experimental- und Kontrollgruppen beispielsweise eine Aufteilung der Probanden nach Geschlecht erfolgen, könnte nicht beurteilt werden, ob ein Effekt der zu untersuchenden unabhängigen Variablen auf den Stimulus (d. h. die Variation der unabhängigen Variablen) oder zusätzlich auch auf das Geschlecht zurückzuführen ist. Beispielsweise wurde ein Einfluss des Geschlechts auf die Risikobereitschaft im Kontext von Anlageentscheidungen empirisch validiert. Vgl. DORN, D./HUBERMAN, G. (2010), S. 156.
497
Vgl. SCHNELL, R./HILL, P. B./ESSER, E. (2005), S. 223f.; STAPF, K. H. (1995), S. 241; STIER, W. (1999), S. 216.
498
Vgl. SCHNELL, R./HILL, P. B./ESSER, E. (2005), S. 224; RACK, O./CHRISTOPHERSEN, T. (2009), S. 29; BORTZ, J./DÖRING, N. (2006), S. 54; STIER, W. (1999), S. 216; FIELD, A./HOLE, G. (2003), S. 71. Sinngemäß auch RASCH, B. et al. (2006), S. 30.
499
Vgl. BORTZ, J./DÖRING, N. (2006), S. 54.
500
BORTZ, J./DÖRING, N. (2006), S. 54.
120
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
tistischer Sicht ist bei zufällig zugewiesenen Gruppenzusammensetzungen anzunehmen, dass auch die für die Untersuchung (potentiell) relevanten Kontroll- bzw. Störvariablen gleichmäßig innerhalb der einzelnen Gruppen verteilt sind.501 Zu beachten ist bei der Randomisierung jedoch, dass die Stichprobe eine ausreichende Größe aufweisen muss.502 Das heißt, dass die Anzahl der Versuchspersonen nicht zu klein sein darf, da sich die zufällig gebildeten Gruppen annahmegemäß nur „im Durchschnitt“ hinsichtlich der Ausprägungen von Drittvariablen gleichen.503 Insgesamt betrachtet gilt die Zufallszuweisung bzw. Randomisierung „als das wirksamste methodische Hilfsmittel zur Kontrolle störender Bedingungen.“504 Die große Bedeutung dieser Technik für sozial- und wirtschaftswissenschaftliche Experimente ist nicht zuletzt auch dadurch begründet, dass die Randomisierung als wesentliches Unterscheidungsmerkmal zwischen echten experimentellen und quasi-experimentellen Untersuchungsanordnungen herangezogen wird.505 Aufgrund der fehlenden Zufallszuweisung sind quasiexperimentelle Untersuchungen im Vergleich zu echten Experimenten annahmegemäß durch eine geringere interne Validität gekennzeichnet.506 Die Ausbalancierung stellt eine weitere Möglichkeit zur Kontrolle jener Störfaktoren, die dem Experimentator nicht vorab bekannt sind, dar. Die Anwendung dieser Methodik ist insbesondere dann sinnvoll, wenn es sich um experimentelle Versuchspläne mit wiederholten Messungen handelt, d. h. bei denselben Versuchspersonen mehrere zeitlich nacheinander folgende Messungen einer abhängigen Variable vorgenommen werden, während die Probanden zwischen den einzelnen Messungen verschiedenen experimentellen Stimuli ausgesetzt werden.507 In einem solchen experimentellen Design können Störfaktoren dadurch auftreten, dass „frühere experimentelle Bedingungen Einfluss auf die Ergebnisse nachgelagerter Bedingungen nehmen“.508 Dabei kann es
501
Vgl. BORTZ, J./DÖRING, N. (2006), S. 54.
502
Vgl. zur Stichprobengröße die Ausführungen in Abschnitt 4.3.4.2.1.2.
503
Vgl. STIER, W. (1999), S. 216. Zu detaillierteren Ausführungen hinsichtlich der Bildung von Stichproben siehe Abschnitt 4.3.4.2.1.
504
STAPF, K. H. (1995), S. 241; sinngemäß auch STREET, D. L. (1995), S. 171.
505
Vgl. STAPF, K. H. (1995), S. 241.
506
Vgl. DIEKMANN, A. (2008), S. 357. Eine ausführlichere Beschreibung von quasi-experimentellen Designs erfolgt in Abschnitt 4.2.4.2.1.
507
Vgl. CHRISTENSEN, L. B. (2007), S. 277f.
508
RACK, O./CHRISTOPHERSEN, T. (2009), S. 26.
Methodische Grundlagen
121
sich bspw. um von den Versuchspersonen zwischenzeitlich erzielte Lerneffekte hinsichtlich der zu bearbeitenden Aufgabenstellungen handeln. Zur Kontrolle derartiger Störfaktoren kann auf die Technik der Ausbalancierung zurückgegriffen werden. Darunter ist zu verstehen, dass die einzelnen experimentellen Bedingungen (bspw. Aufgabenstellungen) in jeder möglichen Reihenfolge erzeugt und schließlich miteinander kombiniert werden, sodass die Versuchspersonen den experimentellen Bedingungen nicht allesamt in der gleichen Reihenfolge ausgesetzt werden, sondern diesbezüglich variiert wird.509 Somit kann von einer Ausbalancierung möglicher Störeffekte gesprochen werden. Ferner besteht die Möglichkeit, Störvariablen, deren Wirkung auf die abhängige Variable identifiziert wurde, durch Umwandlung in den experimentellen Versuchsplan einzubeziehen. Dies geschieht, indem die identifizierten Störvariablen nachträglich in unabhängige Variablen umgewandelt werden und deren Einfluss zum Gegenstand der Untersuchung erklärt wird.510 So wird in psychologischen Experimenten beispielsweise häufig die Störvariable „Geschlecht“ zur unabhängigen Variablen deklariert und deren Wirkung auf die Untersuchungsvariable geprüft.511 4.2.4 Arten von Experimenten und experimentelle Versuchspläne Grundsätzlich besteht eine Vielzahl von unterschiedlichen Möglichkeiten der Planung und Durchführung von Experimenten, die zum einen im Hinblick auf die Versuchsumgebung und zum anderen hinsichtlich der zugrundeliegenden Versuchsanordnung klassifiziert werden können. Die in Bezug auf die Versuchsumgebung unterscheidbaren Arten von Experimenten werden im nachfolgenden Abschnitt 4.2.4.1 vorgestellt, entsprechend voneinander abgegrenzt und kritisch gewürdigt. Anschließend gibt Abschnitt 4.2.4.2 einen Überblick über mögliche experimentelle Versuchspläne. In diesem Zusammenhang erfolgt eine Trennung zwischen sog. vor- und quasi509
Als Beispiel kann hier ein Experiment herangezogen werden, in welchem von den Probanden drei Aufgaben A, B und C zu bearbeiten sind. Im Falle einer vollständigen Ausbalancierung existieren folglich sechs verschiedene Möglichkeiten, die drei Aufgaben in jeder möglichen Kombination in einer Reihenfolge anzuordnen (ABC, ACB, BAC, BCA, CAB und CBA). Der mit der Technik der Ausbalancierung verbundene Nachteil besteht in einer sehr hohen Anzahl benötigter Versuchspersonen, wenngleich jedoch damit der Vorteil einer Kontrolle möglicher Störeffekte einhergeht. Vgl. auch die diesbezüglichen Ausführungen bei RACK, O./CHRISTOPHERSEN, T. (2009), S. 29f.; CHRISTENSEN, L. B. (2007), S. 282.
510
Vgl. STAPF, K. H. (1995), S. 241.
511
Vgl. STAPF, K. H. (1995), S. 241.
122
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
experimentellen Designs und „echten“ experimentellen Designs. Letztere sind für den Fortgang dieser Arbeit von besonderer Relevanz. 4.2.4.1 Arten von Experimenten Hinsichtlich der Experimentalsituation wird zwischen Feldexperimenten und Laborexperimenten unterschieden. 4.2.4.1.1 Feldexperiment Feldexperimente512 sind jene Experimente, welche ohne das Wissen der Versuchspersonen, an der Durchführung eines Experiments beteiligt zu sein, in deren natürlicher Umgebung und somit unter realistischen Bedingungen in einer vom Untersucher möglichst nicht beeinflussten Umgebung durchgeführt werden.513 Für den Fall der Untersuchung zweier kontrastierender Probandengruppen setzt dies voraus, dass eine dieser Gruppen (sog. Experimental- oder auch Versuchsgruppe) innerhalb ihrer natürlichen Umgebung dem (vermuteten) Kausalfaktor ausgesetzt ist, die andere Gruppe (sog. Kontrollgruppe) jedoch nicht.514 Da innerhalb dieser Experimentalsituation eine vollständige Kontrolle der unabhängigen Variablen aufgrund von Störfaktoren faktisch nicht gewährleistet werden kann515, weisen Feldexperimente im Vergleich zu Laborexperimenten i. d. R. eine geringere interne Validität, dafür jedoch eine höhere externe Validität auf.516 Dagegen ist aufgrund des Vorliegens realistischer Experimentierbedingungen, d. h. der Durchführung des Experiments in einem realen Umfeld der Probanden, die Generalisierbarkeit der Ergebnisse möglich.517 Bezüglich der Durchführung des Experiments ist ferner anzumerken, dass sich eine Wiederholung des Experiments unter exakt gleichen Rahmenbedingungen sehr schwierig darstellt. Als weitere Nachteile werden die i. d. R. tendenziell hohen Kosten der Durchführung sowie der relativ hohe zeitliche Aufwand angeführt, da sich der Versuchsleiter mitsamt aller 512
Synonym auch: Marktexperimente, vgl. KAYA, M. (2009), S. 59.
513
Vgl. KAYA, M. (2009), S. 59; BORTZ, J./DÖRING, N. (2006), S. 57; HÜTTNER, M./SCHWARTING, U. (2002), S. 170. Vgl. sinngemäß auch CHRISTENSEN, L. B. (2007), S. 87f.
514
Vgl. ATTESLANDER, P. (2006), S. 168.
515
Vgl. stellvertretend für viele CHRISTENSEN, L. B. (2007), S. 88.
516
Vgl. BORTZ, J./DÖRING, N. (2006), S. 57; KAYA, M. (2009), S. 59.
517
Vgl. KAYA, M. (2009), S. 59.
Methodische Grundlagen
123
notwendigen Hilfsmittel in das Feld, sprich an den Ort der Versuchspersonen begeben muss.518 4.2.4.1.2 Laborexperiment Laborexperimente werden dagegen in einer für das Experiment gestalteten, künstlichen Umgebung durchgeführt.519 Der zu untersuchende Forschungsgegenstand wird also aus seiner natürlichen Umgebung herausgelöst und in einer künstlich konstruierten Situation („Labor“) unter bewusst und planmäßig vereinfachten Bedingungen untersucht. Diese „reinen“ Laborbedingungen sollen eine möglichst isolierte – d. h. unter weitgehender Elimination bzw. Kontrolle von Störfaktoren – Analyse der Wirkung des zu untersuchenden Faktors (unabhängige Variable) ermöglichen.520 Der entscheidende Vorteil des Laborexperiments liegt im Vergleich zum Feldexperiment in der Erzielung einer hohen internen Validität, da hinsichtlich des Einflusses der unabhängigen Variable sowie möglicher Störgrößen eine weitgehende Kontrollmöglichkeit besteht. Die Kontrolle bezieht sich insbesondere auf untersuchungsbedingte Störfaktoren, während die Randomisierung eine Technik zur Kontrolle personenbezogener Störvariablen darstellt.521 Die interne Validität von Laborexperimenten ist jedoch auch nur unter der Bedingung gegeben, dass eine weitgehende Kontrolle von Störfaktoren gelingt.522 Feldexperimente weisen zwar aufgrund des Vorliegens realistischer Umfeldbedingungen allgemeinhin eine höhere externe Validität auf, jedoch kann diese beispielsweise durch Randomisierung523 sowie eine repräsentative Stichprobengröße ebenso bei Laborexperimenten erzielt werden. Umgekehrt ist auch die externe Validität von Feldexperimenten nicht a priori gewährleistet, da auch hier Eingriffe in die natürliche Umge518
Vgl. KAYA, M. (2009), S. 59; STIER, W. (1999), S. 225.
519
Vgl. unter vielen z. B. STAPF, K. H. (1995), S. 228; KAYA, M. (2009), S. 58f.; RACK, O./CHRISTOPHERSEN, T. (2009), S. 18f.; ATTESLANDER, P. (2006), S. 168; STIER, W. (1999), S. 225.
520
Vgl. ATTESLANDER, P. (2006), S. 168; CHRISTENSEN, L. B. (2007), S. 89.
521
Vgl. BORTZ, J./DÖRING, N. (2006), S. 57. Personenbezogene Störvariablen liegen in besonderen Charakteristika der Probanden begründet, wie beispielsweise Geschlecht oder fachspezifische Vorkenntnisse, soweit diese für die Untersuchung potentiell relevant sind. Im Vergleich dazu handelt es sich bei untersuchungsbedingten Störvariablen um (externe) Einflüsse, die eine verzerrende Wirkung auf den Kausalzusammenhang der zu untersuchenden Variablen haben können, wie z. B. Lärm.
522
Vgl. STIER, W. (1999), S. 226.
523
Vgl. SCHNELL, R./HILL, P. B./ESSER, E. (2005), S. 213, 223; KAYA, M. (2009), S. 58.
124
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
bung der Versuchspersonen vorgenommen werden, die unnatürliche Reaktionen zur Folge haben können.524 Fraglich ist aufgrund der unnatürlichen, künstlich geschaffenen Umgebung in Laborsituationen die Generalisierbarkeit der Ergebnisse, da diese eben nicht innerhalb der natürlichen Umgebung der Probanden erzielt werden.525 4.2.4.2 Experimentelle Versuchspläne und Designs In Bezug auf die versuchsplanerische Anordnung von Experimenten ist zwischen vorexperimentellen Designs, quasi-experimentellen Designs und echten experimentellen Designs zu unterscheiden.526 Das wesentliche Unterscheidungsmerkmal zwischen diesen Designs liegt in der Art und dem Ausmaß der vorgenommenen Varianzkontrolle begründet.527 4.2.4.2.1 Vor- und quasi-experimentelle Designs Bei vor-experimentellen Designs handelt es sich um Versuchspläne, die das Kriterium einer experimentellen Versuchsanordnung im engeren Sinne nicht erfüllen.528 Eine Abgrenzung wird hier dennoch vorgenommen, um die im Folgenden darzustellenden Charakteristika höherwertiger Anordnungsformen von Versuchsplänen deutlich zu machen. Gekennzeichnet sind vor-experimentelle Design – wie alle experimentellen Versuchsanordnungen – durch den Einbezug eines experimentellen Stimulus, dessen Einfluss auf eine zu untersuchende abhängige Variable untersucht wird. Die Bildung von Vergleichsgruppen oder Kontrollgruppen erfolgt bei dieser Art von Design allerdings nicht.529 Folglich ermöglichen vor-experimentelle Designs keinen Vergleich der Reaktionen von Versuchspersonen auf den experimentellen Stimulus mit Versuchsper524
Vgl. STIER, W. (1999), S. 226.
525
Vgl. BORTZ, J./DÖRING, N. (2006), S. 57; sinngemäß auch STIER, W. (1999), S. 225.
526
Daneben werden in der Literatur gelegentlich noch sog. Ex-post-facto-Designs unterschieden. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass die Bildung von Vergleichsgruppen, d. h. die Zuweisung der Versuchspersonen auf die verschiedenen Kategorien der unabhängigen Variablen, erst im Anschluss an die Erhebung der Daten erfolgt. Vgl. DIEKMANN, A. (2008), S. 329. Da bei experimentellen Erhebungen die Zuweisung der Probanden i. d. R. ex-ante erfolgt, wird auf eine detaillierte Beschreibung von Ex-post-facto-Designs im Rahmen dieser Arbeit verzichtet.
527
Bei der Varianzkontrolle handelt es sich um „die Bestimmung von Vergleichsgruppen und den Modus der Aufteilung von Untersuchungspersonen auf die Vergleichsgruppen.“ DIEKMANN, A. (2008), S. 329 (Hervorhebungen im Original).
528
Vgl. RACK, O./CHRISTOPHERSEN, T. (2009), S. 20.
529
Vgl. CAMPBELL, D. T./STANLEY, J. C. (1963), S. 7; DIEKMANN, A. (2008), S. 331f.
Methodische Grundlagen
125
sonen, die dem Stimulus nicht ausgesetzt waren. Somit kann auf Basis eines vorexperimentellen Designs streng genommen keine Prüfung von Kausalzusammenhängen erfolgen. Mangels Vergleichsgruppen erfolgt keine Zufallszuweisung der Probanden, sodass Störeinflüsse nicht kontrolliert werden.530 Neben vor-experimentellen Designs stellen quasi-experimentelle Designs eine weitere Gruppe von Versuchsanordnungen dar. Im Gegensatz zu vor-experimentellen Designs erfolgt bei Quasi-Experimenten eine Bildung von Vergleichs- bzw. Kontrollgruppen, sodass die kausaltheoretische Aussagekraft dieser Art von Versuchsanordnung höher einzustufen ist als die der vor-experimentellen Designs.531 Grundlegend erfolgt in quasi-experimentellen Designs ein Einbezug von experimentellen Stimuli, zu untersuchenden abhängigen Variablen und Versuchspersonen. Quasi-Experimente sind im strengen Sinne allein durch fehlende Randomisierung gekennzeichnet.532 Dies hat zur Folge, dass die gebildeten Versuchs- und Kontrollgruppen nicht zwingend als äquivalent erachtet werden können, d. h. diese unterscheiden sich abgesehen von der Ausprägung des experimentellen Stimulus, dessen Einfluss geprüft werden soll, in verschiedenster Art und Weise.533 Einer etwas weiteren Auffassung folgend sind QuasiExperimente dadurch charakterisiert, dass keine vollständige Kontrolle gewährleistet wird. Demzufolge können Einflüsse von einer oder mehreren Störvariablen nicht ausgeschlossen werden, wodurch die interne Validität insgesamt nur eingeschränkt angenommen werden kann.534 Der entscheidende Faktor zur Unterscheidung von “echten” und Quasi-Experimenten liegt somit im Ausmaß der Kontrolle begründet.535 4.2.4.2.2 Echte experimentelle Designs Ein echtes experimentelles Design ist an das Vorliegen der folgenden drei Bedingungen geknüpft:536
530
Vgl. DIEKMANN, A. (2008), S. 332.
531
Vgl. RACK, O./CHRISTOPHERSEN, T. (2009), S. 21.
532
Vgl. COOK, T. D./CAMPBELL, D. T. (1979), S. 6; HÜTTNER, M./SCHWARTING, U. (2002), S. 169; DIEKMANN, A. (2008), S. 330.
533
Vgl. COOK, T. D./CAMPBELL, D. T. (1979), S. 6.
534
Vgl. DIEKMANN, A. (2008), S. 357; RACK, O./CHRISTOPHERSEN, T. (2009), S. 21.
535
Vgl. HÜTTNER, M./SCHWARTING, U. (2002), S. 169.
536
Vgl. DIEKMANN, A. (2008), S. 337; STIER, W. (1999), S. 219.
126
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
Es erfolgt die Bildung von mindestens zwei experimentellen Gruppen. Die Zuweisung der Versuchspersonen zu den experimentellen Bedingungen erfolgt zufällig, d. h. nach der Technik der Randomisierung. Der Forscher manipuliert die unabhängige(n) Variable(n), d. h. diese wird (werden) gezielt und planmäßig über ihre verschiedenen Ausprägungen hin variiert. Das wesentliche Unterscheidungsmerkmal von echten experimentellen Designs im Vergleich zu Quasi-Experimenten liegt in der zweiten der oben angeführten Bedingungen, der Randomisierung begründet. Mit dem dritten oben angeführten Kriterium ist gemeint, dass der Versuchsleiter verschiedene experimentelle Stimuli präsentiert.537 Bei einem klassischen Experiment beispielsweise aus der Psychologie mit insgesamt zwei Gruppen wird die Gruppe, welche dem Stimulus ausgesetzt ist, als Versuchsgruppe, Experimentalgruppe oder treatment group bezeichnet. Dagegen wird die Vergleichsgruppe, welche den Stimulus nicht erhält, als Kontrollgruppe oder Vergleichsgruppe bezeichnet.538 Dieses klassische Design mit Versuchs- und Kontrollgruppe539 wird üblicherweise in der folgenden Form dargestellt, wobei X für den experimentellen Stimulus, O für die Beobachtung bzw. Reaktion oder allgemein die Messung der abhängigen Variable und R für die Randomisierung der verschiedenen Gruppen steht:540 R
X
R
O
Versuchsgruppe
O
Kontrollgruppe
Im dargestellten klassischen Design weist der experimentelle Stimulus die beiden Ausprägungen Anwesenheit (X) und Abwesenheit auf. Dabei wird unterstellt, dass sich die beiden untersuchten Gruppen aufgrund der vorgenommenen Randomisierung in Bezug auf die abhängige Variable vor dem treatment nicht unterscheiden.541 In einem allgemeineren Fall kann die unabhängige Variable jedoch auch mehrere Merk537
Vgl. DIEKMANN, A. (2008), S. 337.
538
Vgl. DIEKMANN, A. (2008), S. 337.
539
Synonym auch „Post-Test-Design mit Kontrollgruppe“, vgl. STIER, W. (1999), S. 221. Engl. posttest only/control group design, vgl. FIELD, A./HOLE, G. (2003), S. 77.
540
Vgl. CAMPBELL, D. T./STANLEY, J. C. (1963), S. 8; DIEKMANN, A. (2008), S. 338; FIELD, A./HOLE, G. (2003), S. 77.
541
Vgl. STIER, W. (1999), S. 222.
Methodische Grundlagen
127
malsausprägungen annehmen, sodass eine Aufteilung in eine Versuchs- und eine Kontrollgruppe nicht sinnvoll ist. Allgemein kann ein Experiment also so angelegt sein, dass mehrere Versuchsgruppen den Behandlungen (treatments) X1, X2,…, Xm unterzogen werden und deren Reaktionen auf die abhängige Variable O1, O2,…, Om gemessen werden. Das experimentelle Design kann dann formal wie folgt präzisiert werden:542 R
X1
O1
Versuchsgruppe 1
R
X2
O2
Versuchsgruppe 2
}
}
Xm
Om
R
Versuchsgruppe m
In einem derartigen experimentellen Design können die Unterschiede in den Beobachtungen O1, O2,…, Om für die korrespondieren Versuchsgruppen direkt auf die Variation der Ausprägungen der experimentellen Stimuli X1, X2,…, Xm kausal zurückgeführt werden. An dieser Stelle wird nochmals der entscheidende methodische Vorteil der Randomisierung in echten Experimenten deutlich, da durch die Randomisierung der Einfluss möglicher Drittvariablen neutralisiert wird und somit die Unterschiede in der abhängigen Variable, abgesehen von Zufallsvariationen, eindeutig auf die Wirkungen der zeitlich vorhergehenden Variation der unabhängigen Variablen zurückzuführen sind.543 Neben dem dargestellten Standarddesign für experimentelle Untersuchungen existieren noch weitere Anordnungsformen wie die sog. Vorher-Nachher-Messung und der Vier-Gruppen-Versuchsplan nach Solomon. Das Design der Vorher-NachherMessung544 ist dadurch gekennzeichnet, dass die Messung der abhängigen Variablen nicht ausschließlich im Anschluss an das experimentelle Treatment erfolgt, sondern
542
Vgl. DIEKMANN, A. (2008), S. 338.
543
Vgl. DIEKMANN, A. (2008), S. 339.
544
Synonym auch “Design mit Kontrollgruppe und Pre-/Post-Test-Messung“, vgl. STIER, W. (1999), S. 220. Engl. Pretest-Posttest Control Group Design, vgl. CAMPBELL, D. T./STANLEY, J. C. (1963), S. 8; FIELD, A./HOLE, G. (2003), S. 78.
128
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
zusätzlich bereits auch vorher. Formal konkretisiert sich diese Versuchsanordnung wie folgt:545 R R
O1 O3
X
O2 O4
Versuchsgruppe Kontrollgruppe
Wenngleich in diesem Fall durch die vorherige und nachherige Messung der abhängigen Variablen auf den ersten Blick eine bessere Validierung des Kausalzusammenhangs zwischen Ursache und Wirkung erzielt werden kann, da jeweils das Ausgangsniveau O1 bzw. O3 kontrolliert wird546, so ist dennoch zu beachten, dass die zweifache Messung möglicherweise Störfaktoren in Form von Lerneffekten der Probanden erzeugen kann.547 Diese durch das Messinstrument erzeugten Effekte versucht der VierGruppen-Versuchsplan nach Solomon zu isolieren, jedoch geht mit dieser Versuchsanordnung ein ungleich größerer Aufwand einher.548 Dieser Versuchsaufbau kann in der folgenden Form dargestellt werden:549 R
O1
X
O2
R
O3
X
O4
X
O5
R R
O6
Neben der Isolierung von durch das Messinstrument bedingten Effekten liegt ein weiterer Vorteil des Solomon’schen Designs darin, dass der vermutete Einfluss der unabhängigen Variable X mehrfach und dadurch insgesamt strenger geprüft wird.550 Nach-
545
Vgl. DIEKMANN, A. (2008), S. 343; STIER, W. (1999), S. 220.
546
Dies bietet den Vorteil, die Gleichartigkeit der beiden Gruppen im Vorfeld der Vergabe des Stimulus überprüfen zu können. Vgl. FIELD, A./HOLE, G. (2003), S. 78.
547
Vgl. FIELD, A./HOLE, G. (2003), S. 78; DIEKMANN, A. (2008), S. 343f.
548
Vgl. DIEKMANN, A. (2008), S. 344; STIER, W. (1999), S. 221.
549
Vgl. STIER, W. (1999), S. 221; CAMPBELL, D. T./STANLEY, J. C. (1963), S. 8.
550
Vgl. DIEKMANN, A. (2008), S. 344.
Methodische Grundlagen
129
teilig ist jedoch der vergleichsweise hohe Aufwand, aufgrund dessen der Versuchsaufbau nach Solomon in der Praxis nur selten Anwendung erfährt.551 Die dargestellten Versuchspläne beziehen sich in ihrer Grundform auf einfaktorielle experimentelle Designs, bei welchen der Einfluss einer unabhängigen Variable, d. h. eines experimentellen Stimulus, auf die abhängige Variable untersucht wird. Multifaktorielle Designs erlauben dagegen die Untersuchung des Einflusses von mehreren unabhängigen Variablen auf die abhängige Variable.552 Ein exemplarischer Versuchsaufbau für ein 2 u 2-faktorielles Design mit zwei experimentellen Stimuli X und Y und jeweils zwei Ausprägungen (0 und 1) kann unter Bezugnahme auf vier Experimentalgruppen (G1, …, G4) wie folgt dargestellt werden:553 R
G1
X0
Y0
O1
R
G2
X0
Y1
O2
R
G3
X1
Y0
O3
R
G4
X1
Y1
O4
Da in dieser Art von experimentellem Design jede Gruppe jeweils unterschiedlichen Ausprägungen der experimentellen Stimuli ausgesetzt ist, können sog. „carry-overEffekte“554 ausgeschlossen werden.555 4.2.5 Kritische Würdigung des Experiments als Untersuchungsmethodik Ausgehend von diesen theoretischen Überlegungen soll die Methodik des Experiments nachfolgend einer kritischen Würdigung unterzogen werden.
551
FIELD und HOLE argumentieren, dass sich die Kosten der Durchführung einer Studie bei Zugrundelegung dieses Versuchsplans praktisch verdoppeln würden, da neben einem höheren Zeitaufwand auch entsprechend mehr Versuchspersonen benötigt werden. Vgl. FIELD, A./HOLE, G. (2003), S. 79.
552
Vgl. FIELD, A./HOLE, G. (2003), S. 86ff.; HÜTTNER, M./SCHWARTING, U. (2002), S. 180; STELZL, I. (1995), S. 115f.
553
Vgl. OBERMAIER, R./MÜLLER, F. (2008), S. 334.
554
Darunter sind Effekte zu verstehen, die dann resultieren, wenn Versuchspersonen sukzessive verschiedenartigen Ausprägungen der experimentellen Stimuli ausgesetzt werden.
555
Vgl. OBERMAIER, R./MÜLLER, F. (2008), S. 336.
130
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
4.2.5.1 Vorteile des Experiments Gegenüber anderen empirischen Datenerhebungsmethoden, wie der klassischen Befragung oder Beobachtung, können für das Experiment die nachfolgenden entscheidenden Vorteile im Hinblick auf dessen Eignung zur Untersuchung von Kausalbeziehungen angeführt werden. Ein bedeutender Vorteil des Experiments liegt in der aktiven Möglichkeit des Experimentators der gezielten Manipulation und Kontrolle der experimentellen Bedingungen. Dies bietet die Möglichkeit, Ursache und Wirkung gezielt zu unterscheiden.556 So können Versuchspersonen und -gegenstände in eine künstlich gestaltete Umgebung557 eingebracht werden und somit werden Beziehungszusammenhänge in einem ständig kontrollierten Umfeld dargestellt.558 Dies bietet zudem den Vorteil einer Reproduzierbarkeit der experimentellen Bedingungen.559 Die gezielte Manipulation von Variablen ermöglicht es, in einem Experiment Extremsituationen560 abzubilden. Die diesbezüglich formulierten Hypothesen können somit unter strengen Bedingungen der Prüfung getestet werden.561 Zudem kann durch eine drastischere Manipulation der unabhängigen Variable(n) eine Verbesserung der Test-
556
Vgl. STELZL, I. (1995), S. 108; CHRISTENSEN, L. B. (2007), S. 84f.
557
Das Merkmal der künstlich gestalteten Umgebung trifft für das Laborexperiment zu. Bei Feldexperimenten erfolgt die Untersuchung demgegenüber in der natürlichen Umgebung der Versuchspersonen bzw. -gegenstände. Jedoch gilt es auch hier, die unabhängigen Variablen gezielt zu manipulieren und Störvariablen so weit wie möglich konstant zu halten bzw. durch Randomisierung auszuschalten. Aus diesem Grund kann auch Feldexperimenten in gewisser Weise das Charakteristikum einer künstlich gestalteten Umgebung zugesprochen werden.
558
Vgl. WEBSTER, M., Jr./SELL, J. (2007), S. 11.
559
Vgl. ATTESLANDER, P. (2006), S. 166; WEBSTER, M., Jr./SELL, J. (2007), S. 13.
560
In diesem Zusammenhang mag es möglicherweise fragwürdig erscheinen, eine Extremsituation zu unterstellen, da diese eventuell nicht realitätsgetreu ist. Zum einen lassen sich jedoch UrsacheWirkungs-Beziehungen in diesem Fall besser validieren. Zum anderen muss in der experimentellen Untersuchung sichergestellt werden, dass die Manipulation der unabhängigen Variable(n) von den Versuchspersonen als solche wahrgenommen wird und demnach die experimentellen Bedingungen klar unterscheidbar sind. Durch eine „extreme“ Manipulation kann dies besser gewährleistet werden. Ob die Manipulation greift, d. h., ob die Probanden die Art der gewünschten Manipulation als solche wahrgenommen haben, wird üblicherweise anhand sog. Manipulation Checks bei den Probanden abgefragt. Vgl. zur Begriffsklärung und Relevanz von Manipulation Checks ausführlich Abschnitt 4.4.2.1.
561
Vgl. ATTESLANDER, P. (2006), S. 166.
Methodische Grundlagen
131
stärke des Experiments erzielt werden, da damit der experimentelle Effekt erhöht wird.562 Schließlich kann als bedeutender Vorteil gegenüber anderen Methoden festgehalten werden, dass Experimente als das sicherste Verfahren der empirischen Sozialforschung gelten, um kausale Beziehungen zwischen Variablen zu validieren.563 Im Zuge der Interpretation kausaler Zusammenhänge ist dabei zwischen kausaler Beschreibung (engl.: causal description) und kausaler Erklärung (engl.: causal explanation) zu unterscheiden. Erstere zielt dabei auf die Beschreibung von Konsequenzen ab, die der gezielten Variation des experimentellen Stimulus, d. h. der unabhängigen Variable zuzuschreiben sind. Es erfolgt somit eine Identifikation des kausalen Beziehungszusammenhangs zwischen einer Ursache und der daraus folgenden Wirkung.564 Experimente werden in diesem Kontext als probate Methode angesehen, um UrsacheWirkungs-Zusammenhänge zu validieren, indem diese auf ihre statistische Signifikanz getestet werden.565 Dadurch kann jedoch keine Erklärung dahingehend geliefert werden, weshalb ausgehend von einer bestimmten Ursache eine beobachtete Wirkung erzielt wurde. Unter dem Begriff der kausalen Erklärung ist demnach die Identifikation der zugrundeliegenden Wirkungsmechanismen zu verstehen, um Erklärungsansätze hinsichtlich der Gründe für die Entstehung von Kausalzusammenhängen zu liefern.566 Wenngleich es durch Experimente per se nicht möglich ist, Erklärungsansätze für kausale Zusammenhänge zu liefern, sondern deren Erklärung vielmehr der Formulierung von entsprechenden Theorien bedarf, so sind Experimente dennoch ein wertvolles Instrument, um statistisch signifikante Kausalzusammenhänge zwischen Variablen überhaupt erst identifizieren zu können.567
562
Vgl. STELZL, I. (1995), S. 122.
563
Vgl. ATTESLANDER, P. (2006), S. 166. Diese Sicherheit ist insbesondere durch die Möglichkeit der Kontrolle von Störfaktoren sowie die gezielte Manipulierbarkeit von Einflussfaktoren gegeben. Dagegen bieten andere Datenerhebungsmethodiken, wie bspw. Befragungen, nicht die Möglichkeit, anderweitige Einflüsse gezielt ausschalten zu können. Dies hat zur Konsequenz, dass die Ableitung von kausalen Zusammenhängen nicht erfolgen kann.
564
Vgl. ELLIOTT, J. (2005), S. 112; CHRISTENSEN, L. B. (2007), S. 84.
565
Vgl. ELLIOTT, J. (2005), S. 112.
566
Vgl. CHRISTENSEN, L. B. (2007), S. 84; ELLIOTT, J. (2005), S. 112.
567
Vgl. SHADISH, W. R./COOK, T. D./CAMPBELL, D. T. (2002), S. 11.
132
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
4.2.5.2 Grenzen des Experiments Neben den Vorteilen des Experiments im Vergleich zu anderen empirischen Forschungsmethoden existieren gleichwohl Grenzen hinsichtlich der Aussagefähigkeit von experimentell erhobenen Daten. Ein erster Einwand ist in der Selektivität des Experiments zu sehen. Darunter ist zu verstehen, dass Experimente aufgrund der isolierten Betrachtung eng abgegrenzter Bereiche des menschlichen Verhaltens die soziale Realität nur unvollkommen abzubilden vermögen.568 Diese Einschränkung führt dazu, dass die zu prüfenden Hypothesen bei einer Übertragung auf die Realität in der Regel versagen werden, da im Experiment nur ausgewählte Faktoren Berücksichtigung finden können, in der Realität jedoch typischerweise eine vielfältige Anzahl von Faktoren wirksam ist.569 Eng verbunden mit dem zuvor formulierten Einwand ist die Künstlichkeit der Umgebung (engl.: artificiality), in welcher Laborexperimente typischerweise durchgeführt werden. Dadurch ist eine Übertragbarkeit der Ergebnisse auf reale Situationen und damit deren uneingeschränkte Generalisierbarkeit praktisch ausgeschlossen.570 Insofern ist der Forscher angehalten, die Generalisierbarkeit der durch das Experiment erzielten Befunde generell kritisch zu hinterfragen. Das mögliche Eintreten einer sog. self-fulfilling prophecy kann als weitere Grenze experimenteller Forschung angeführt werden. Der Effekt, welcher sich einstellt, wenn die Handlung der Versuchspersonen im Sinne der zugrundeliegenden Hypothesen herbeigeführt wird, wird als self-fulfilling prophecy bezeichnet.571, 572 Im Sinne der ethi568
Vgl. ATTESLANDER, P. (2006), S. 176.
569
Vgl. ATTESLANDER, P. (2006), S. 176. Dieses Argument kann jedoch nur insofern zutreffend sein, als dass Experimente für bestimmte Forschungsfragen kein angemessenes Instrument darstellen. So ist das Experiment nicht geeignet, um Eigenschaften einer natürlichen Umgebung an sich zu analysieren. Jedoch stellen Experimente ein geeignetes Forschungsdesign dar, um Theorien zu untersuchen, in denen Eigenschaften natürlicher Umgebungen abstrakt formuliert werden. Vgl. zu diesem Argument WEBSTER, M., Jr./SELL, J. (2007), S. 13.
570
Vgl. CHRISTENSEN, L. B. (2007), S. 85.
571
Vgl. STAPF, K. H. (1995), S. 242f.; ATTESLANDER, P. (2006), S. 175.
572
Daneben wird die sog. self-destroying prophecy als weiteres Problemfeld angeführt. Diese wird jedoch im Rahmen des vorliegenden Experiments als weniger relevant angesehen. Ein Beispiel ist die polizeiliche Berichterstattung im Vorfeld einer Festnahme eines Verbrechers, durch welche dieser möglicherweise vorab gewarnt werden und sich der Festnahme entziehen könnte. Vgl. ATTESLANDER, P. (2006), S. 175.
Methodische Grundlagen
133
schen Verantwortung des Experimentators ist es als selbstverständlich anzusehen, die Versuchspersonen im Vorfeld über das mit ihnen durchzuführende Experiment zu unterrichten.573 Dabei muss jedoch sichergestellt werden, gegenüber den Versuchspersonen vorab keine Aussagen hinsichtlich der experimentellen Situation bzw. der zugrundeliegenden Zielsetzungen und Hypothesen verlauten zu lassen. Dadurch könnten sich die Probanden vorab mit der Situation auseinandersetzen und somit könnte ihr Handeln unbewusst beeinflusst sein. Zuletzt können auch ethische Vorbehalte als Einwände für die Durchführung von Experimenten vorgetragen werden. Dies trifft jedoch vorwiegend für Experimente im Bereich der Medizin oder ggf. auch in der Psychologie zu, bei welchen die Versuchspersonen möglicherweise physische oder psychische Schäden zu befürchten hätten.574 Bei Experimenten im Bereich der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften ist durch den Forscher jedoch ebenfalls sicherzustellen, dass soziale Normen und Distanzregeln eingehalten werden.575 4.2.6 Zusammenfassende Begründung zur Eignung des Laborexperiments als Methodik im Rahmen der vorliegenden Untersuchung Im Rahmen des Forschungsprojekts wird das Laborexperiment zur Validierung der Forschungshypothesen aus den folgenden Gründen als geeignet erachtet:576 Bei der Untersuchung der Wirkung der Berichterstattung über Humankapital auf die Bewertung eines Unternehmens handelt es sich um einen Kausalzusammenhang. Das Experiment gilt als die zuverlässigste Methode der Messung derartiger UrsacheWirkungs-Beziehungen.577 Die experimentelle Datenerhebung gewährleistet im Vergleich zu anderen Erhebungsformen (wie z. B. der klassischen Befragung) eine tendenziell höhere interne Validität durch die Möglichkeit der weitgehenden Ausschaltung bzw. Kontrolle sogenannter Störgrößen. 573
Vgl. ATTESLANDER, P. (2006), S. 175.
574
Vgl. CHRISTENSEN, L. B. (2007), S. 134.
575
Vgl. FIELD, A./HOLE, G. (2003), S. 101; ATTESLANDER, P. (2006), S. 177.
576
Vgl. allgemein zum Einsatz von Laborexperimenten in der rechnungswesenorientierten Forschung den Beitrag von ASHTON, R. H. (1982).
577
Vgl. ATTESLANDER, P. (2006), S. 166,198; KAYA, M. (2009), S. 57.
134
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
Unter der Prämisse der sorgfältigen Planung und Durchführung des Experiments sind die überprüften Kausalzusammenhänge gleichwohl durch externe Validität gekennzeichnet. Die der Studie zugrundeliegende Zielsetzung der Untersuchung des Einflusses der Humankapitalberichterstattung auf Bewertungsurteile und Investitionsentscheidungen privater Anleger bedingt die Durchführung des Experiments in einem Labor. In einer natürlichen Versuchsumgebung, wie sie durch ein Feldexperiment gegeben wäre, sind Anleger einer Vielzahl von Informationen ausgesetzt. Demnach ist eine isolierte Untersuchung des Einflusses der Humankapitalberichterstattung in einem Feldexperiment nicht möglich. Ferner könnte hier auch keine gezielte Manipulation der Variablen erfolgen, in dem Sinne, dass Rechnungslegungsinformationen eines bestimmten Unternehmens verändert werden könnten. Dies lässt sich ausschließlich mittels eines Laborexperiments realisieren. Aus den vorgenannten Gründen wird nachfolgend das Instrument des Laborexperiments eingesetzt.
4.3 Ausgestaltung und Inhalte der empirischen Untersuchung Die bislang dargestellten theoretischen Ausführungen zu der Methodik und den Anforderungen an experimentelle Forschung dienen als Grundlage für die konkrete Ausgestaltung der vorliegenden empirischen Untersuchung. Dabei erfolgt zunächst die Darstellung des zugrundeliegenden Versuchsdesigns (Abschnitt 4.3.1) sowie des Aufbaus und der Inhalte der eingesetzten experimentellen Fragebögen (Abschnitt 4.3.2). Im sich daran anschließenden Abschnitt 4.3.3 wird die vorgenommene Operationalisierung der im Modell enthaltenen Variablen erläutert. Dabei wird eine Untergliederung in unabhängige und abhängige Variablen gewählt. Abschnitt 4.3.4 widmet sich der Versuchsplanung und Datenerhebung, wobei hier u. a. im Detail auf die angewandten versuchsplanerischen Techniken zur Kontrolle von Störfaktoren sowie auf die Rekrutierung der Versuchsteilnehmer und die Stichprobenbildung eingegangen wird. Die Ausführungen schließen mit der Aufarbeitung von relevanten theoretischen Grundlagen der anzuwendenden Datenauswertungsmethodik (Abschnitt 4.3.5).
Ausgestaltung und Inhalte der empirischen Untersuchung
135
4.3.1 Design des Experiments Wie an anderer Stelle bereits ausgeführt, ist experimentelle Forschung im Vergleich zu anderen Forschungsmethoden dadurch gekennzeichnet, dass dem Experiment eine im Vorfeld formulierte Theorie zugrunde liegt, deren Ursache-WirkungsZusammenhänge überprüft werden sollen. Im Zuge des Designs eines Experiments geht es folglich darum, „to translate the conceptual terms in which the theory is couched into a realistic, although not usually real-world, situation where the experimenter controls many of the elements.”578 Das Design einer realistischen Situation meint dabei jedoch keine natürliche Umgebung.579 Vielmehr ist darunter zu verstehen, dass die künstlich geschaffene Situation für die Versuchspersonen verständlich und nachvollziehbar ist.580 Je realistischer die vorgefundene Umgebung für die Versuchspersonen erscheint, desto wahrscheinlicher ist es, dass sich die Versuchspersonen innerhalb dieser Situation wie gewohnt verhalten.581 Unter Einbezug dieser Überlegungen wird nachfolgend das Design des im Rahmen der vorliegenden Studie durchgeführten Experiments vorgestellt. Wie in Abschnitt 4.2.4.2 bereits erläutert wurde, wird angesichts des dem Experiment zugrundeliegenden Versuchsplans zwischen vor-experimentellen Designs, quasiexperimentellen Designs und echten Experimenten unterschieden. Bei dem vorliegenden Experiment handelt es sich um ein echtes experimentelles Design, da die Möglichkeit der Randomisierung der Versuchspersonen auf die einzelnen experimentellen Bedingungen gegeben war und dementsprechend vorgenommen wurde. Im Detail weist das vorliegende Experiment ein mehrfaktorielles, multidimensionales between subjects-Design auf. Das Design ist mehrfaktoriell, da zwei unabhängige Variablen in das Modell integriert werden, deren Wirkung untersucht werden soll. Der Begriff multidimensional nimmt Bezug darauf, dass eine Messung von mehreren abhängigen Variablen erfolgt. Schließlich weist der Begriff des between subjects-Designs darauf hin, dass die Kombinationen der jeweiligen Ausprägungen der unabhängigen Variab-
578
RASHOTTE, L. S. (2007), S. 227.
579
Sofern eine Überprüfung der Theorie in einer natürlichen Umgebung möglich wäre, wäre die Durchführung eines Experiments gar nicht erst notwendig. Vgl. RASHOTTE, L. S. (2007), S. 227.
580
So ist beispielsweise auch im Forschungsfeld der Psychologie ein Trend zur Abkehr von abstrakten experimentellen Stimuli hin zu dem Einsatz konkreter, „real-world“-bezogener experimenteller Settings zu beobachten. Vgl. HAYNES, C. M./KACHELMEIER, S. J. (1998), S. 102f.
581
Vgl. RASHOTTE, L. S. (2007), S. 227.
136
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
len „zwischen“ einzelnen Gruppen von Versuchsteilnehmern vorlagen, d. h. jede einzelne Versuchsgruppe wird nur mit jeweils einer möglichen Kombination von Ausprägungen der unabhängigen Variablen konfrontiert. Der diesbezügliche Vorteil ist darin zu sehen, dass die Probanden somit nicht direkt auf den Untersuchungszweck – hier: Der Einfluss der Humankapitalberichterstattung auf Entscheidungen – schließen können, da ihnen nicht bekannt ist, dass weitere Ausprägungen der unabhängigen Variablen existieren. Die Wirkungen spezifischer Ausprägungen der unabhängigen Variablen auf die abhängigen Variablen werden folglich jeweils nur mit Hilfe einer Versuchsgruppe analysiert. Folglich kam ein Design mit Wiederholungsmessungen (within subjects-Design) hier nicht in Frage. Bei der gewählten experimentellen Versuchsanordnung handelt es sich um ein 2×3 between-subjects-Design. Aufgrund des Einbezugs von zwei unabhängigen Variablen, „finanzielle Informationen“ und „Humankapitalinformationen“, deren Einfluss auf die abhängigen Variablen untersucht werden soll, liegt ein zweifaktorielles Design vor. Dabei weist der erste Faktor, „finanzielle Informationen” (A), die zwei Leistungsniveaus „positiv“ (A1) und „negativ“ (A2) auf und wird über diese beiden Merkmalsausprägungen (Faktorstufen) hinweg variiert. Der zweite Faktor, „Humankapitalinformationen“ (B), weist aufgrund des Einbezugs von Kontrollgruppen, welche keine zusätzlichen Humankapitalinformationen erhielten, insgesamt drei Faktorstufen auf: „keine Humankapitalinformationen“ (B1, dies entspricht der Kontrollgruppe), „positive Humankapitalinformationen“ (B2) und „negative Humankapitalinformationen“ (B3). Durch die Kombination aller möglichen Faktorstufen miteinander ergeben sich insgesamt sechs verschiedene experimentelle Bedingungen, welche aufgrund der üblicherweise vorgenommenen Darstellungsweise in Matrixform auch als sog. Zellen bezeichnet werden. Eine zusammenfassende Darstellung des experimentellen Designs liefert Abb. 4.3.
Ausgestaltung und Inhalte der empirischen Untersuchung
137
Humankapitalinformationen(B) „keine“(1)
„positiv“(2)
„negativ“(3)
„positiv“(1)
A1B1
A1B2
A1B3
„negativ“(2)
A2B1
A2B2
A2B3
Finanzielle Informationen(A)
KONTROLL GRUPPEN
EXPERIMENTAL GRUPPEN
AbhängigeVariablen(AV): „Unternehmensbewertung“,„kurzfristigeInvestitionsentscheidung“, „langfristige Investitionsentscheidung“
Abb. 4.3: Design des Experiments (Quelle: Eigene Darstellung)
Innerhalb jeder dieser sechs experimentellen Bedingungen erfolgt die Messung der abhängigen Variablen „Unternehmensbewertung“, „kurzfristige Investitionsentscheidung“ und „langfristige Investitionsentscheidung“. Somit kann eine isolierte Untersuchung von Kombinationen der verschiedenen Ausprägungen der unabhängigen Variablen erfolgen. Im Hinblick auf die Untersuchung der Relevanz von zusätzlich zur Finanzberichterstattung verfügbarer Humankapitalberichterstattung kommt den in die Versuchsanordnung integrierten Kontrollgruppen eine entscheidende Bedeutung zu. Durch einen abschließenden Vergleich der Ergebnisse der Kontrollgruppen, welche die experimentellen Fragestellungen ausschließlich auf der Basis von Finanzinformationen zu beurteilen hatten, mit den Ergebnissen der Experimentalgruppen wird der Einfluss zusätzlich verfügbarer Humankapitalinformationen im Zuge der Datenauswertung unmittelbar ersichtlich. 4.3.2 Design und Inhalte der experimentellen Fragebögen Für die experimentelle Datenerhebung wurden entsprechend des zugrundeliegenden Experimentaldesigns insgesamt sechs unterschiedliche Fragebögen erstellt, welche die sechs verschiedenen experimentellen Bedingungen des zugrundeliegenden Forschungsdesigns widerspiegeln. Bei der Konstruktion der Fragebögen wurde streng auf die Einhaltung gängiger Kriterien im Hinblick auf die Struktur und Formulierung von
138
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
Fragen und Antwortvorgaben582, die inhaltlich sinnvolle Abfolge der Fragen583 sowie das Design, Layout und Format584 geachtet. Den Versuchsteilnehmern wurde dementsprechend ein Fragebogen ausgehändigt, welcher die für die Bewertung des Unternehmens und die zu tätigenden Investitionsentscheidungen relevanten Daten enthielt. Das Experiment wurde somit in der Schriftform585 durchgeführt. Alle sechs Fragebögen wurden einheitlich im DIN A4-Format erstellt, umfassten elf respektive zwölf Seiten586 und waren insgesamt in jeweils fünf Abschnitte unterteilt. Nach einem Deckblatt erfolgte auf der ersten Seite zunächst eine kurze Beschreibung zum Aufbau des Frage-
582
Vgl. zu unterschiedlichen Fragetypen und Möglichkeiten der Abfrage bzw. Vorgabe von Antworten ausführlich SCHNELL, R./HILL, P. B./ESSER, E. (2008), S. 325ff.
583
Dabei ist zu berücksichtigen, dass jede Frage innerhalb eines Fragebogens nachfolgende Fragen beeinflussen kann, sodass sich die Beantwortung von Folgefragen grundsätzlich stets an bereits gegebenen Antworten orientieren wird. Dieser Effekt, welcher auch als „Halo-Effekt“ bezeichnet wird, kann bei der Fragebogenkonstruktion gezielt eingesetzt werden, indem durch die Reihenfolge der Fragen ausgehend von eher allgemeineren Fragen zunächst ein bestimmter Kontext geschaffen wird, der eine immer engere Eingrenzung des Themenfelds durch die Folgefragen ermöglicht. Vgl. SCHNELL, R./HILL, P. B./ESSER, E. (2008), S. 342f. Generell ist in diesem Zusammenhang zum einen darauf zu achten, dass inhaltlich zusammenhängende Fragen direkt nacheinander innerhalb sog. Fragenkomplexe abgefragt werden sollten. Zum anderen sollte den einleitenden Fragen eine besondere Bedeutung beigemessen werden, um den Befragten möglichst zu Beginn den Sinn und Zweck der Studie zu vermitteln und Interesse für die Bearbeitung zu wecken. Im Zuge dessen ist auch zu bedenken, dass die Konzentrationsfähigkeit der Befragten im Laufe der Bearbeitung tendenziell abnimmt und deshalb die bedeutenden Fragen möglichst zu Beginn gestellt werden sollten, wohingegen die Abfrage von z. B. demographischen Merkmale eher an das Ende des Fragebogens zu setzen ist. Vgl. diesbezüglich SCHNELL, R./HILL, P. B./ESSER, E. (2008), S. 343; CHRISTENSEN, L. B. (2007), S. 57.
584
Diese gestalterischen Kriterien sind bei der Fragebogenerstellung nicht zu vernachlässigen, da durch das Design und Layout eines Fragebogens den Befragten nicht zuletzt ein gewisser Eindruck bspw. im Hinblick auf die Seriosität der Studie vermittelt wird. Insgesamt sollte entsprechender Wert auf eine leichte Handhabbarkeit und Übersichtlichkeit gelegt werden. Ferner ist in Bezug auf die Gestaltung des Deckblatts darauf zu achten, dass hier zum einen der Titel der Studie enthalten ist und zum anderen deutlich wird, in wessen Auftrag die Studie durchgeführt wird. Vgl. SCHNELL, R./HILL, P. B./ESSER, E. (2008), S. 346f., 361f.
585
Im Englischen wird die Durchführung von Studien in Schriftform auch als pencil-and-paper bezeichnet BRYANT, S. M./HUNTON, J. E./STONE, D. N. (2004), S. 108. Diese Form lässt sich u. a. abgrenzen von Internet-basierten Experimenten (vgl. hierzu weiterführend den Beitrag von BRYANT, S. M./HUNTON, J. E./STONE, D. N. (2004)) oder solchen, die computergestützt in speziell eingerichteten Experimentallaboren durchgeführt werden. Ein solches Experimentallabor befand sich am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Universität Erlangen-Nürnberg zur Zeit der Durchführung der vorliegenden Studie gerade erst im Aufbau und konnte somit zu diesem Zweck noch nicht genutzt werden.
586
Der experimentelle Fragebogen für die Kontrollgruppen umfasste elf Seiten, der Fragebogen für die Experimentalgruppen hingegen zwölf Seiten. Dies ist damit zu begründen, dass den Kontrollgruppen neben den finanziellen Informationen kein zusätzlicher Personalbericht zur Verfügung gestellt wurde.
Ausgestaltung und Inhalte der empirischen Untersuchung
139
bogens. Ferner wurden Hinweise zur Dauer der Bearbeitung, Ausfüllhinweise sowie Instruktionen zur Beantwortung der Fragen gegeben (Vollständigkeit, Gewissenhaftigkeit etc.). Im Anschluss erfolgte eine einseitige prägnante Darstellung des Aufgabenszenarios. In diesem Kontext wurde den Probanden mitgeteilt, dass sie sich in die Rolle eines privaten Anlegers versetzen sollten, welcher ein Unternehmen zum Zwecke einer Anlageentscheidung bewerten soll.587 Das fiktive Unternehmen ANOVA AG wurde als börsennotiertes, innovatives Unternehmen der Technologiebranche beschrieben. Die Fallstudie ANOVA AG wurde auf Basis realer Daten eines deutschen DAX30-Unternehmens entwickelt. Nachfolgend erhielten die Probanden auf einer bzw. zwei Seiten komprimierte Informationen aus dem Geschäftsbericht der ANOVA AG. Den Kontrollgruppen wurden zur Bewertung der ANOVA AG respektive der Investitionsentscheidung ausschließlich finanzielle Informationen ausgehändigt, während die Experimentalgruppen zusätzlich zu den finanziellen Informationen auch auf einen Auszug aus dem Personalbericht zurückgreifen konnten. Sowohl die finanziellen als auch die humankapitalbezogenen Informationen wurden jeweils positiv bzw. negativ manipuliert, sodass sich insgesamt eine Anzahl von sechs unterschiedlich manipulierten Fragebögen ergab, welche gleichmäßig und zufällig auf die Teilnehmer verteilt wurden. Im Detail waren die experimentellen Materialien in fünf nachfolgend spezifizierte Abschnitte unterteilt (vgl. Abb. 4.4): Der erste Abschnitt des Fragebogens beinhaltete Hintergrundinformationen zum betrachteten Unternehmen ANOVA AG. Darin enthalten war ein komprimierter Finanzbericht mit ausgewählten finanziellen Indikatoren über einen Zeitraum von fünf Jahren sowie allgemeine Informationen in Bezug auf die Branche. Die Fragebögen für die Experimentalgruppen enthielten zusätzlich Informationen über das
587
Die vorgegebene Situation der Bewertung eines einzelnen Unternehmens zum Zwecke einer Anlageentscheidung im Gegensatz zu einer umfassenden, simultanen Portfoliooptimierung unter Risikogesichtspunkten ist für Privatanleger durchaus als realistisch einzuschätzen. So konstatieren DORN und HUBERMAN in diesem Zusammenhang: „investors (…) do not view portfolio risk as the relevant unit to be evaluated, nor do they seriously consider all the stocks in the market for their portfolios. They evaluate one stock at a time, or perhaps compare the relative merits of one stock versus another. (…) Investment opportunities present themselves to investors one at a time and, hence, investors are predisposed to evaluate them one at a time.” DORN, D./HUBERMAN, G. (2010), S. 157.
140
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
unternehmensspezifische Humankapital in Form eines Personalberichts als Teil des Lageberichts. Im zweiten Abschnitt des Fragebogens wurden die Versuchsteilnehmer gebeten, Urteile in Bezug auf die Bewertung der ANOVA AG zu treffen. Auf dieser Basis mussten die Probanden im dritten Teil Entscheidungen hinsichtlich kurz- und langfristiger Investitionen in Aktien der ANOVA AG treffen. Im vierten Teil des Fragebogens lag der Fokus auf den Einstellungen der Probanden in Bezug auf die Relevanz der verfügbaren Indikatoren für die Bewertungsurteile und Investitionsentscheidungen. Zu diesem Zweck sollten die Entscheidungsträger die zur Verfügung gestellten Informationen im Hinblick auf deren relative Bedeutung im Bewertungsprozess und den Investitionshorizont bewerten. Ferner enthielt dieser Teil des Fragebogens Manipulation Checks. Schließlich wurden im fünften Teil des Fragebogens diverse Vorerfahrungen und demographische Angaben der Probanden abgefragt. Dies beinhaltete zum einen Fragen nach theoretischen und praktischen Kenntnissen in Themenfeldern wie Unternehmensbewertung oder Rechnungslegung. Zum anderen wurden zudem auch die bisherigen Erfahrungen der Probanden in Bezug auf Aktienanlagen erhoben. Zuletzt sollten die Probanden personenbezogene Merkmale wie z. B. Geschlecht und Alter angeben, sowie desweiteren auch Angaben in Bezug auf das Studium, wie z. B. Semesterzahl und Schwerpunktfächer.
Ausgestaltung und Inhalte der empirischen Untersuchung
141
Abschnitt 1: Grundlegende Instruktionen und Informationen zum Unternehmen
Instruktionen und Hintergrundinformationen Finanzdaten und -kennzahlen Auszug aus dem Personalbericht (Experimentalgruppen)
Abschnitt 2: Bewertungsurteile
Multi-item Messskala zur mehrdimensionalen Abfrage der Bewertungsurteile Einsatz von 7-stufigen Likert-Skalen
Abschnitt 3: Investitionsentscheidungen
Unterschiedliche Szenarien für kurz- und langfristigen Anlagehorizont Abfrage der Wahrscheinlichkeit für eine kurz-/ langfristige Investitionsentscheidung
Abschnitt 4: Relevanzeinschätzungen und Manipulationschecks
Abfrage der Relevanzeinschätzungen zu einzelnen finanziellen und humankapitalbezogenen Indikatoren Manipulationschecks für unterschiedliche Performanceniveaus von finanziellen Informationen und Humankapitalinformationen
Abschnitt 5: Post-experimentelle Fragen und personenbezogene Angaben
Fragen zu Vorkenntnissen und Erfahrungen Persönliche und demographische Angaben
Abb. 4.4: Struktur der experimentellen Fragebögen (Quelle: Eigene Darstellung)
Die Aufgabe der Versuchspersonen bestand darin, anhand vorgegebener Daten aus der Perspektive eines Privatanlegers eine Unternehmensbewertung und sich daran anschließende kurzfristige sowie langfristige Investitionsentscheidungen vorzunehmen, wobei der Experimentalgruppe gezielt Zusatzinformationen hinsichtlich der im betrachteten Unternehmen vorhandenen Humankapitalwerttreiber zur Verfügung gestellt wurden. Das primäre Untersuchungsziel besteht darin, Aussagen hinsichtlich eines kausalen Zusammenhangs zwischen der Bereitstellung bzw. des Einbezugs humankapitalbezogener Informationen und den Bewertungsurteilen und Investitionsentscheidungen der Versuchsteilnehmer abzuleiten. 4.3.3 Operationalisierung der Variablen Die experimentell zu überprüfenden Hypothesen588 formulieren Ursache-WirkungsBeziehungen zwischen unabhängigen und abhängigen Variablen. Konkret soll in der vorliegenden Studie demnach die Relevanz von finanziellen und humankapitalbezogenen Berichtselementen für die Unternehmensbewertung auf der einen Seite, und für kurz- sowie langfristige Anlageentscheidungen auf der anderen Seite analysiert wer588
Vgl. zur Ableitung der im Rahmen der vorliegenden empirischen Untersuchung zu testenden Hypothesen die Ausführungen in Abschnitt 3.3.4.
142
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
den. Da es sich bei allen zu untersuchenden Variablen um nicht direkt messbare Konstrukte handelt, ist an die Prüfung der diesbezüglich postulierten Hypothesen zunächst das Erfordernis einer präziseren Spezifikation der Variablen geknüpft, um diese einer Messung zugänglich zu machen.589 Zu diesem Zweck wird im vorliegenden Abschnitt nach einer kurzen theoretischen Einführung die im Rahmen der Studie vorgenommene Operationalisierung der unabhängigen und der abhängigen Variablen vorgestellt. 4.3.3.1 Grundlagen der Operationalisierung von Variablen Die Überprüfung von Kausalbeziehungen durch ein Experiment bedingt zunächst, die „postulierten Variablenbeziehungen der Empirie zugänglich“590 zu machen. Im Zuge dieser als Operationalisierung591 der Variablen bezeichneten Prozedur müssen diese in sinnvoller Art und Weise derart spezifiziert werden, dass eine Beobachtung und Messung erst möglich gemacht werden kann.592 Dies ist notwendig, da es sich bei den experimentell zu untersuchenden Variablen zumeist um mehr oder weniger komplexe Konstrukte handelt, welche nicht direkt messbar sind, sondern vielmehr durch mehrere konstituierende Merkmale charakterisiert werden.593 Es bedarf somit einer Operationalisierung, um verständlich vermitteln zu können, in welcher Art und Weise ein spezifisches Konstrukt im Sinne des zugrundeliegenden Forschungsvorhabens dargestellt wird. Dennoch ist es nicht oder zumindest kaum möglich, ein zu untersuchendes Konstrukt durch die vorgenommene Operationalisierung vollständig, d. h. in all seinen Fa-
589
Vgl. RACK, O./CHRISTOPHERSEN, T. (2009), S. 19.
590
RACK, O./CHRISTOPHERSEN, T. (2009), S. 19.
591
Der Begriff der Operationalisierung ist dabei als Oberbegriff zu verstehen, während die Messung, Skalierung und Indexbildung wiederum als Unterbegriffe bzw. Spezialfälle der Operationalisierung anzusehen sind. Daher setzt die Operationalisierung zunächst nicht zwingend eine Verwendung von numerischen Operationen oder Zuweisung von Zahlen voraus. Vielmehr geht es hierbei zunächst darum, die Kategorien einer Variable zu bestimmen, welchen die Versuchspersonen später zugewiesen werden können. Exemplarisch kann hier die Variable „Schulbildung“ angeführt werden, welche in die Kategorien „Hauptschulabschluss“, „mittlere Reife“, „Abitur“ sowie „kein Abschluss“ unterteilt werden kann. Vgl. hierzu ausführlich DIEKMANN, A. (2008), S. 239.
592
Vgl. RACK, O./CHRISTOPHERSEN, T. (2009), S. 19; SCHNELL, R./HILL, P. B./ESSER, E. (2008), S. 129f.
593
Vgl. sinngemäß CHRISTENSEN, L. B. (2007), S. 21f.
Ausgestaltung und Inhalte der empirischen Untersuchung
143
cetten abzubilden.594 Es bestehen stets mehrere Möglichkeiten, ein Konstrukt zu operationalisieren und somit vermag ein gewählter Operationalisierungsansatz stets nur einen Teil des betrachteten Konstrukts abzubilden.595 Aus diesem Grund ist es sinnvoll, Konstrukte stets auf verschiedenen Wegen zu operationalisieren. Je mehr Messgrößen eingesetzt werden, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, das Konstrukt dadurch bestmöglich abzubilden. Die Anwendung mehrerer Messgrößen eines Konstrukts wird als multiple Operationalisierung bezeichnet. Diese birgt den Vorteil, dass das Ergebnis der Messung eines Konstrukts letztlich als zuverlässiger eingeschätzt werden kann, wenn dieses anhand mehrerer Messgrößen gleichermaßen bestätigt wird.596 4.3.3.2 Operationalisierung der unabhängigen Variablen Die beiden unabhängigen Variablen des Experiments werden entsprechend des Untersuchungsziels manipuliert und des Weiteren für die Zuordnung der Versuchspersonen auf die Kontroll- und Experimentalgruppen verwendet.597 4.3.3.2.1 Unabhängige Variable „finanzielle Informationen“ Da es sich bei der unabhängigen Variable „finanzielle Informationen“ um ein nicht direkt messbares, vielschichtiges Konstrukt handelt, bedarf es dessen Operationalisierung. Zu diesem Zweck erfolgt eine Auswahl als wesentlich erachteter Indikatoren, für die angenommen wird, in ihrer Gesamtheit das Konstrukt „finanzielle Informationen“ umfassend abbilden zu können. Indikatoren sind dabei als direkt beobachtbare (sog. manifeste) Variablen zu verstehen, deren Ausprägungen somit direkt messbar sind und die folglich zur Abbildung des Konstrukts dienen können.598
594
Vgl. CHRISTENSEN, L. B. (2007), S. 22. So kann bspw. das Konstrukt „Intelligenz“ durch ein anlässlich eines Intelligenztests erzielten Resultats operationalisiert werden. Obwohl das Testergebnis zwar dazu dienen kann, auf die Intelligenz einer Person zu schließen, bildet dieses jedoch nur eine von mehreren vorstellbaren Operationalisierungsmöglichkeiten. Die gewählte Operationalisierung anhand eines Testergebnisses kann damit nicht den Anspruch erheben, das Konstrukt „Intelligenz“ vollständig abzubilden.
595
Vgl. CHRISTENSEN, L. B. (2007), S. 22, 193.
596
Vgl. CHRISTENSEN, L. B. (2007), S. 23. Der korrespondierende englischsprachige Begriff lautet multiple operationalism.
597
Vgl. RASCH, B. et al. (2006), S. 29.
598
Vgl. zur Begriffsabgrenzung von Indikatoren und deren Eignung zur Operationalisierung von Konstrukten SCHNELL, R./HILL, P. B./ESSER, E. (2008), S. 131.
144
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
Die Auswahl der finanziellen Indikatoren erfolgt in Anlehnung an klassische Verfahren der Unternehmensbewertung.599 Im Finanzbericht, welcher den Teilnehmern des Experiments zur Verfügung gestellt wurde (vgl. Abb. 4.5) erfolgte dabei eine Unterteilung der Indikatoren nach Zugehörigkeit zu einzelnen Elementen des Jahresabschlusses. So wurden neben ausgewählten Indikatoren aus Gewinn- und Verlustrechnung und Bilanz weiterhin Daten aus der Kapitalflussrechnung zur Verfügung gestellt. Zudem wurden kapitalmarktbezogene Indikatoren, wie bspw. Angaben zur Dividendenentwicklung, integriert, welche aus Sicht kapitalmarktorientierter Privatanleger als wesentlich erachtet werden.600 Zum Zwecke der besseren Interpretierbarkeit wurden für die finanziellen Indikatoren jeweils Vergleichswerte über einen Zeitraum von fünf Perioden hinweg gegeben. Die Manipulation der Daten erfolgte, indem für alle Indikatoren jeweils eine vergleichbare, einheitlich positive bzw. einheitlich negative Entwicklung vorgegeben wurde.
599
Vgl. hierzu die Ausführungen zu den Bestimmungsfaktoren des Unternehmenswerts in Abschnitt 3.1.3.
600
Vgl. zu den Informationspräferenzen von Privatanlegern die Ausführungen in Abschnitt 3.3.3 sowie die empirischen Befunde von ERNST, E./GASSEN, J./PELLENS, B. (2009), S. 27.
Ausgestaltung und Inhalte der empirischen Untersuchung
145
ANOVAAG:AggregierteFinanzdatenundkennzahlen AuszugausdemGeschäftsbericht2008 Gewinn- und Verlustrechnung: Aggregierte Daten Umsatz
Mio. Euro
* Prognosedaten
2006
2007
2008
2009*
2010*
36.468
37.618
38.128
39.302
39.804 3.106
Operatives Ergebnis (EBIT)
Mio. Euro
2.598
2.838
2.898
3.025
Jahresüberschuss n. St.
Mio. Euro
2.154
2.308
2.383
2.405
2.539
in %
7,12%
7,54%
7,60%
7,70%
7,80%
2006
2007
2008
2009*
2010*
15.460
16.411
18.778
20.257
21.309 10.289
Umsatzrendite (EBIT/Umsatz)
* Prognosedaten
Bilanz: Aggregierte Daten Langfristige Vermögenswerte
Mio. Euro
Kurzfristige Vermögenswerte
Mio. Euro
7.278
9.406
9.506
10.272
Eigenkapital
Mio. Euro
6.075
6.267
6.487
7.565
7.972
Fremdkapital
Mio. Euro
16.663
19.550
21.797
22.964
23.626
Bilanzsumme
Mio. Euro
22.738
25.817
28.284
30.529
31.598
* Prognosedaten
2006
2007
2008
2009*
2010*
Operativer Cash Flow (OCF)
Mio. Euro
2.335
2.579
2.662
2.986
3.170
Investiver Cash Flow (ICF)
Mio. Euro
1.740
1.806
1.857
2.006
2.134
Free Cash Flow (Brutto) (OCF-ICF)
Mio. Euro
595
773
805
980
1.036
Liquide Mittel zum Stichtag
Mio. Euro
794
808
836
873
936
Kapitalflussrechnung: Aggregierte Daten
* Prognosedaten
2006 0,58
2007 0,62
2008 0,64
2009* 0,70
0,75
Euro
1,77
2,01
2,12
2,16
2,37
Gesamtkapitalkostensatz (WACC)
in %
8,00%
7,60%
7,50%
7,30%
7,00%
Aktienkurs (Jahresschlusskurs)
Euro
33,25
36,02
37,05
Jahreshöchstkurs
Euro
37,40
39,44
39,97
Jahrestiefstkurs
Euro
21,12
31,78
32,04
Dividende, Kapitalkostensatz und Aktienkurs Dividende je Aktie Euro Ergebnis je Aktie (EPS)
2010*
Abb. 4.5: Operationalisierung der UV „finanzielle Informationen“ innerhalb der experimentellen Fragebögen (Quelle: Eigene Darstellung)
4.3.3.2.2 Unabhängige Variable „Humankapitalinformationen” Die zweite zu untersuchende unabhängige Variable „Humankapitalinformationen“ (B) ist in ihrer Eigenschaft als Konstrukt ebenfalls nicht direkt messbar und bedarf daher der Operationalisierung mittels Zuweisung von direkt beobacht- und damit messbaren Indikatoren. Die eingesetzten Indikatoren wurden dabei im Wesentlichen aus den zuvor601 bereits dargestellten Berichterstattungsvorschlägen des ARBEITSKREISES „IMMATERIELLE 601
Vgl. Abschnitt 2.3.
146
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
WERTE IM RECHNUNGSWESEN“ DER SCHMALENBACH-GESELLSCHAFT FÜR BETRIEBS602 603 WIRTSCHAFT E. V. , des ARBEITSKREISES WISSENSBILANZ sowie aus den in DRS 15.173 angeführten Humankapitalindikatoren abgeleitet. Innerhalb der experimentellen Fragebögen wurde für die Experimentalgruppen ein einseitiger Auszug aus dem im Lagebericht der ANOVA AG enthaltenen Personalbericht integriert. Dabei erfolgten gemischt qualitative und quantitative Angaben hinsichtlich der ausgewählten Humankapitalindikatoren. Im Rahmen der Darstellung der Indikatoren wurden zum einen Zeitvergleiche berücksichtigt, welche auf die Entwicklung des Humankapitals schließen lassen. Zum anderen wurde die Humankapitalperformance auch im Vergleich mit anderen Unternehmen der Branche dargestellt. Die Manipulation der humankapitalbezogenen Daten erfolgte, indem für alle Indikatoren jeweils eine einheitlich positive bzw. einheitlich negative Entwicklung vorgegeben wurde. Abb. 4.6 zeigt den Auszug aus dem Personalbericht der ANOVA AG auf.
602
Vgl. ARBEITSKREIS "IMMATERIELLE WERTE IM RECHNUNGSWESEN" DER SCHMALENBACH GESELLSCHAFT FÜR BETRIEBSWIRTSCHAFT E. V. (2003). Vgl. hierzu weiterhin die Ausführungen in Abschnitt 2.3.2.1.
603
Vgl. ARBEITSKREIS WISSENSBILANZ (2008). Vgl. hierzu weiterhin die Ausführungen in Abschnitt 2.3.2.1, dabei insbesondere die in Tab. 2.1 aufgelisteten Humankapitalindikatoren.
Ausgestaltung und Inhalte der empirischen Untersuchung
147
ANOVAAG:Personalbericht AuszugausdemLagebericht2008 Entwicklung der Mitarbeiterzahlen Die M itarbeiterzahl hat sich im Geschäftsjahr 2008 mit 107.539 Mitarbeitern gegenüber dem Vorjahr leicht erhöht (+ 0,9%). Der Anst ieg ist überwie gend a uf die Übernahme ausgelernter Auszubildender zurückzuführen. Zudem erbringen wir bis dato extern vergebene Leistungen jetzt wieder vermehrt intern. 2004 2005 2006 2007 2008 Anzahl der Mitarbeiter am Jahresende 104.342 105.372 105.798 106.575 107.539 Entwicklung der Mitarbeiterfluktuation Verglichen mit direkten Wettbewerbern als auch branchenübergreifend liegt die Fluktuationsquote bereits seit Ja hren auf einem niedrigen Niveau. Weiterhin konnte die Fluktuationsquote im Berichtsjahr 2008 durch gezielte Mitarbeiterbindungsprogra mme weiter gesenkt werden. Wir haben zum Ausgleich der Fluktuation wieder gezielt neue Arbeitskräfte eingestellt.
Fluktuationsquote
2004 2,1%
2005 1,8%
2006 1,8%
2007 1,7%
2008 1,5%
Qualifikationsstruktur der Mitarbeiter Exzellent ausgebildete M itarbeiter sehen wir als Garant für einen nachha ltigen Unternehmenserfolg. So verfügen 60% unserer Mitarbeiter über einen Hochschulabschluss, weitere 30% der Mitarbeiter verfügen über eine fachbezogene Berufsausbildung. Lediglich 10% der Mitarbeiter sind ungelernte bzw. a ngelernte Fachkräfte. Im Branchenvergleich nehmen wir somit hinsichtlich der Qualifikationsstruktur der Mitarbeiter einen Spitzenplatz ein. Angebot an Weiterbildungsmaßnahmen Im Berichtsjahr 2008 konzentrierten sich d ie durchgeführten Weiterbildungsmaßnahmen auf ausge-wählte Schwerpunktbereiche und Zielgruppen. Wir investierten im Vergleich zum Vorjahr insgesamt 1,6 % mehr in die Aus- und Weiterbildung unserer Mitarbeiter. M it einem Weiterbildungsaufwand von rund 5.100 € pro Mitarbeiter im Berichtsjahr nehmen wir im B ranchenvergleich einen Spitzenplatz ein. Dabei haben über 80.000 Mitarbeiter im Ja hr 2008 mindestens eine Weiterbildungsmaßnahme besucht. Attraktivität als Arbeitgeber und Mitarbeiterzufriedenheit Die hohe Attraktivität der ANOVA AG als Arbeit geber spie-gelt sich in den Ergebnissen der regelmäßigen internen Mitarbeiterbefragung wider. Mehr als 95 % der teilnehmen-den Arbeitskräfte erklärten, mit ihrer Arbeit „zufrieden“ oder „sehr zufrieden“ zu sein. Im Vergleich mit Wettbewerbern sind die Zufriedenheit und Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen seit 2004 stabil auf einem sehr hohen Niveau. Die weltweite Mitar-beiterbefragung findet regelmäßig ein Mal pro Jahr statt. Gesundheitsmanagement und Krankenstand Der Krankensta nd konnte im Vergleich zu den Vorjahren sowie auch im Branchendurchschnitt auf durchschnittlich vier Krankheitstage pro Jahr und Mitarbeiter erheblich ge senkt werden. Es wurden mehrere Präventionsprogramme, welche die Mitarbeiter im verantwortungsvollen Umgang mit der eigenen Gesundheit unterstützen, neu entwickelt. Einen wichti-gen Beit rag dazu leisten die standortübergreifend etablierten Gesundheitsforen, die im Rahmen des Programms neu konzipiert wurden. An den Gesundheitsforen nahmen bisher etwa 85.000 Mitarbeiter teil.
Abb. 4.6: Operationalisierung der UV „Humankapitalinformationen“ innerhalb der experimentellen Fragebögen (Quelle: Eigene Darstellung)
148
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
4.3.3.3 Operationalisierung der abhängigen Variablen Mit der „Unternehmensbewertung“, der „kurzfristigen Investitionsentscheidung“ und der „langfristigen Investitionsentscheidung“ gehen in das experimentelle Forschungsmodell drei abhängige Variablen ein, die gemessen werden sollen.604 4.3.3.3.1 Abhängige Variable „Unternehmensbewertung” Für die Messung der abhängigen Variable „Unternehmensbewertung“ wurde darauf verzichtet, die Versuchsteilnehmer mit der Berechnung eines monetären Unternehmenswerts zu beauftragen. So sprechen sich auch LIBBY, BLOOMFIELD und NELSON dafür aus, anlässlich der Operationalisierung abhängiger Variablen generell nicht auf konkrete (monetäre) Werte abzuzielen, sondern anstelle dessen eine Wirkungsrichtung abzufragen: „Evidence consistent with point predictions (e. g. „the market price will be $5.00“) and particular parameter estimates (e. g. „managers will weight current year‘s earnings twice as heavily as prior year‘s earnings“) are unlikely to generalize to realworld environments. Directional effects are more likely to generalize (...).“605 Im Hinblick auf die zu untersuchende Gruppe der Privatanleger erscheint der Verzicht auf eine monetäre Bestimmung des Unternehmenswerts auch dahingehend angebracht, als dass ihre „Anlagestrategien (…) in der Regel nicht auf komplexen analytischen Modellen“606 basieren und Privatanleger somit eher eine qualitativ orientierte Unternehmensbewertung, welche sich auf verschiedene Leistungsmerkmale des zu bewertenden Unternehmens sowie auch auf subjektive Empfindungen stützt, vornehmen.607 Für die Messung von latenten, d. h. nicht direkt beobachtbaren Variablen empfiehlt es sich, mehrere Messgrößen einzusetzen (sog. multi-item measure).608 Als wesentlicher 604
Vgl. RASCH, B. et al. (2006), S. 29; RACK, O./CHRISTOPHERSEN, T. (2009), S. 19.
605
LIBBY, R./BLOOMFIELD, R./NELSON, M. W. (2002), S. 796.
606
ACHLEITNER, A.-K./BASSEN, A./FIESELER, C. (2008), S. 273.
607
Vgl. ACHLEITNER, A.-K./BASSEN, A./FIESELER, C. (2008), S. 273; DYCKMAN, T. R. (1964), S. 288. Im Vergleich zu quantitativen Methoden der Unternehmensbewertung erlauben qualitative Bewertungsverfahren die Verwendung von „aus den strategischen Zielen abgeleitete[n] allgemeine[n] Beurteilungskriterien (…). Damit wird es möglich, unternehmensindividuelle Eigenschaften und Besonderheiten bei der Bewertung (…) explizit zu berücksichtigen.“ BRUNNER, F. (2010), S. 184.
608
Für eine ausführliche Diskussion der Vor- und Nachteile von single-item vs. multi-item measures vgl. u. a. SARSTEDT, M./WILCZYNSKI, P. (2009); FUCHS, C./DIAMANTOPOULOS, A. (2009).
Ausgestaltung und Inhalte der empirischen Untersuchung
149
Grund wird diesbezüglich angeführt, dass ein einziger Indikator als Messgröße die inhaltliche Breite der zu messenden Variable oftmals nicht adäquat und vollumfänglich abzudecken vermag. Ferner kann Messfehlern durch eine multidimensionale Messung der latenten Variable vorgebeugt werden.609 Folglich kann durch den Einsatz multipler Messgrößen sichergestellt werden, dass diese die interessierende abhängige Variable valide und reliabel abbilden.610 Ausgehend von diesen Vorüberlegungen wird die Variable „Unternehmensbewertung“ als formatives Konstrukt611 verstanden, welches anhand mehrerer Einzelindikatoren gemessen werden soll. Nach JARVIES, MCKENZIE und PODSAKOFF sollte ein Konstrukt dann aus formativen Indikatoren entwickelt werden, wenn die folgenden Bedingungen vorherrschen:612 Die Indikatoren sind als definierende Charakteristika des Konstrukts anzusehen, Änderungen der Ausprägungen der Indikatoren verursachen erwartungsgemäß Änderungen des Konstrukts, Änderungen des Konstrukts verursachen erwartungsgemäß keine Änderungen der Ausprägungen der Indikatoren, die Indikatoren entstammen nicht notwendigerweise dem gleichen Themenfeld, die Elimination eines Indikators kann eine Änderung des Charakters des Konstrukts bewirken und
609
Vgl. MCKENZIE, S. B./PODSAKOFF, P. M./JARVIS, C. B. (2005), S. 711.
610
So konnten beispielsweise SARSTEDT und WILCZYNSKI auf Basis eines statistischen Testverfahrens nachweisen, dass multi-item measures in Bezug auf Reliabilität und Validität im Vergleich zu single-item measures signifikant bessere Ergebnisse liefern. Vgl. SARSTEDT, M./WILCZYNSKI, P. (2009), S. 219, 223.
611
Ein formatives Konstrukt ist als latente (d. h. nicht direkt beobachtbare) Variable zu verstehen, welche durch mehrere beobachtbare formative (d. h. kausal ursächliche) Indikatoren bestimmt wird. Vgl. DIAMANTOPOULOS, A./WINKLHOFER, H. M. (2001), S. 269. Diese Indikatoren sind derart auszuwählen, dass sie in der Lage sind, die latente Variable vollumfänglich zu erklären. Dementsprechend würde das Fehlen bzw. Weglassen eines der formativen Indikatoren die Bedeutung des Konstrukts verändern. Vgl. JARVIS, C. B./MCKENZIE, S. B./PODSAKOFF, P. M. (2003), S. 202; MCKENZIE, S. B./PODSAKOFF, P. M./JARVIS, C. B. (2005), S. 712.
612
Vgl. im Folgenden JARVIS, C. B./MCKENZIE, S. B./PODSAKOFF, P. M. (2003), S. 203.
150
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
die Änderung der Ausprägung eines der Indikatoren muss nicht notwendigerweise in Verbindung mit der Änderung der Ausprägungen der verbleibenden Indikatoren stehen. Da die genannten Bedingungen im vorliegenden Fall als gegeben zu betrachten sind, erscheint die Modellierung der Variable „Unternehmensbewertung“ als formatives Konstrukt angebracht. Während zur Messung reflektiver Konstrukte613 die Entwicklung von Skalen üblich ist, erfordert die Messung eines multidimensionalen, formativ gebildeten Konstrukts die Konstruktion eines Index.614 Bei der Indexkonstruktion ist insbesondere die Spezifikation der einzelnen Indikatoren, welche in den Index eingehen, von besonderer Bedeutung. So betonen DIAMANTOPOULOS und WINKLHOFER, dass „the items used as indicators must cover the entire scope of the latent variable (…).”615 Unter Rückgriff auf die vorangegangenen theoretischen Ausführungen zur Unternehmensbewertung bzw. zu den Bestimmungsfaktoren des Unternehmenswerts616 ergibt sich das zu messende Konstrukt „Unternehmensbewertung“ aus den folgenden Determinanten (vgl. Abb. 4.7): Aktuelle Leistungsfähigkeit des Unternehmens, zukünftige Leistungsfähigkeit des Unternehmens, Fähigkeit zum Aufbau strategischer Erfolgspotentiale, zukünftiges Ergebniswachstum (EBIT), Fähigkeit zur Generierung zukünftiger (Brutto) Free Cash Flows, Investitionstätigkeit sowie zukünftige Entwicklung des Gesamtkapitalkostensatzes (WACC).
613
Von formativen Indikatoren sind reflektive Indikatoren abzugrenzen. Letztere dienen ebenfalls der Erklärung einer latenten Variable, allerdings verläuft die Kausalität in umgekehrter Richtung, d. h., die latente Variable ist als ursächlich für die Ausprägungen der Indikatoren anzusehen. Vgl. JARVIS, C. B./MCKENZIE, S. B./PODSAKOFF, P. M. (2003), S. 200. Reflektive Indikatoren sind im Wesentlichen dadurch gekennzeichnet, dass sie untereinander austauschbar sind. Folglich verändert sich das Wesen des Konstrukts bei Entfernen eines der reflektiven Indikatoren nicht. Vgl. DIAMANTOPOULOS, A./WINKLHOFER, H. M. (2001), S. 271.
614
Vgl. DIAMANTOPOULOS, A./WINKLHOFER, H. M. (2001), S. 269.
615
DIAMANTOPOULOS, A./WINKLHOFER, H. M. (2001), S. 271.
616
Vgl. diesbezüglich die Ausführungen in Abschnitt 3.1.3.
Ausgestaltung und Inhalte der empirischen Untersuchung ŬƚƵĞůůĞ>ĞŝƐƚƵŶŐƐĨćŚŝŐŬĞŝƚ ĚĞƐhŶƚĞƌŶĞŚŵĞŶƐ
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Abb. 4.7: Operationalisierung der AV „Unternehmensbewertung“ (Quelle: Eigene Darstellung)
Die Einschätzungen hinsichtlich der einzelnen Einflussfaktoren des Unternehmenswerts wurden bei den Versuchspersonen jeweils auf einer 7-Punkte-Likert-Skala von 1 („sehr gering“) bis 7 („sehr hoch“ beziehungsweise „sehr positiv“) abgefragt. Die abhängige Variable „Unternehmensbewertung“ wurde im Rahmen der Datenerfassung als ungewichteter arithmetischer Mittelwert aus den Antwortwerten für die Einzeldeterminanten gebildet.617
617
In Bezug auf die Kombination der Ausprägungen der einzelnen Indexvariablen werden im Allgemeinen additive, multiplikative und gewichtete Indizes unterschieden. Vgl. SCHNELL, R./HILL, P. B./ESSER, E. (2005), S. 171ff. Im vorliegenden Fall sollte der Indexwert zum Zwecke der besseren Interpretierbarkeit entsprechend der Messung der Einzelvariablen auf einer siebenstufigen Skala ebenso Werte zwischen eins und sieben annehmen. Demzufolge wurde hier weder eine additive noch eine multiplikative Verknüpfung der Indikatoren als angemessen erachtet. Stattdessen wurde die Bildung eines (gleich)gewichteten additiven Index vorgenommen. Die Gewichtung der Ausprägungen der einzelnen Indikatoren kann grundsätzlich, jedoch eher in seltenen Fällen, empirisch gewonnen werden, beispielsweise durch Expertenschätzungen oder Faktorenanalysen. Dieses Vorgehen ist allerdings aufgrund subjektiver Einflussfaktoren oftmals problembehaftet. Gleichwohl kann eine Herleitung der Gewichtungsfaktoren nur in seltenen Fällen auf Basis theoretischer Überlegungen erfolgen. „Auf Grund der erwähnten Probleme sollten daher die Indikatoren in der Regel gleich gewichtet werden. Nur bei starken theoretischen Gegenargumenten sollte von der Möglichkeit unterschiedlicher Gewichtung Gebrauch gemacht werden.“ SCHNELL, R./HILL, P. B./ESSER, E. (2005), S. 173.
152
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
4.3.3.3.2 Abhängige Variable „kurzfristige Investitionsentscheidung” Für die abhängige Variable „kurzfristige Investitionsentscheidung“ wurde ein Anlagehorizont von einem Jahr unterstellt.618 Mit dem kurzfristigen Investitionshorizont wird das Verhalten bei unterstellten Spekulationszwecken abgebildet.619 Entsprechend der nachfolgend dargestellten konstruierten Szenarien sollten sich die Probanden in die Situation versetzen, mit einem vorgegebenen Geldbetrag über eine Investition zu entscheiden, um im Folgejahr ein Auslandssemester an einer ausländischen Hochschule finanzieren zu können.620 Das Ausgangsszenario ist im Folgenden wiedergegeben. Nehmen Sie an, Ihnen steht unerwartet ein Geldbetrag in Höhe von 15.000 € zur Verfügung. Momentan benötigen Sie das Geld nicht für die Anschaffung von Konsumgütern. Daher haben Sie beschlossen, diesen Geldbetrag zinsbringend auf dem Kapitalmarkt anzulegen. Sie entscheiden Sie sich dafür, gezielt in Aktien eines bestimmten Unternehmens zu investieren. Als potentielles Anlageobjekt haben Sie die ANOVA AG identifiziert, für die Sie nachfolgend eine Anlageentscheidung treffen möchten. Auf einer 7-Punkte-Likert-Skala von 1 („Nein, keinesfalls“) bis 7 („Ja, sehr wahrscheinlich“) sollten die Versuchspersonen die Wahrscheinlichkeit angeben, mit der sie bei Zugrundelegung eines kurzfristigen Anlagehorizonts in Aktien der ANOVA AG investieren würden. Hierzu stand ihnen im Experiment unerwartet ein Geldbetrag von 15.000 € zur Verfügung. Die Investitionsentscheidung ist daher wie in den Experimenten von ELIAS, BELKAOUI, CHAN und MILNE sowie MILNE und CHAN mit einer Eigenkapitalinvestition vergleichbar.621
618
Vgl. zur Wahl gleichlanger Anlagehorizonte z. B. HOLM, C./RIKHARDSSON, P. (2008), S. 543; RIKHARDSSON, P./HOLM, C. (2008), S. 386.
619
Vgl. zur gleichen Intention z. B. CHAN, C. C. C./MILNE, M. J. (1999), S. 268; MILNE, M. J./CHAN, C. C. C. (1999), S. 446; MILNE, M. J./PATTEN, D. M. (2002), S. 385; HOLM, C./RIKHARDSSON, P. (2008), S. 543; RIKHARDSSON, P./HOLM, C. (2008), S. 386.
620
Vgl. GHOSH, D./WU, A. (2007), S. 226: Die Forscher führen dem Beispiel ähnliche Szenarien zur Unterscheidung der Anlagehorizonte an.
621
Vgl. ELIAS, N. (1972), S. 218; BELKAOUI, A. (1980), S. 267; CHAN, C. C. C./MILNE, M. J. (1999), S. 268; MILNE, M. J./CHAN, C. C. C. (1999), S. 446.
Ausgestaltung und Inhalte der empirischen Untersuchung
153
Sie haben sich zum Ziel gesetzt, den verfügbaren Geldbetrag zunächst kurzfristig zu Spekulationszwecken über einen Zeitraum von einem Jahr zu investieren. Sie erwarten aus dieser Investition eine ausreichende Rendite, um sich aus dem gesamten Anlagebetrag (inkl. Rendite) im kommenden Jahr ein Studiensemester an einer renommierten ausländischen Universität finanzieren zu können.
4.3.3.3.3 Abhängige Variable “langfristige Investitionsentscheidung” Das zuvor dargestellte Ausgangsszenario dient gleichermaßen der Operationalisierung der abhängigen Variable „langfristige Investitionsentscheidung“. Demnach sollten die Probanden in Analogie zur zuvor zu treffenden Anlageentscheidung die Wahrscheinlichkeit auf einer siebenstufigen Skala angeben, mit der sie bei Zugrundelegung eines langfristigen Anlagehorizonts in Aktien der ANOVA AG investieren würden. Der langfristige Anlagehorizont wurde dabei mit einer Zeitspanne von fünf Jahren angegeben.622 Das entsprechende Szenario wird nachfolgend aufgezeigt. Nehmen Sie nun wie in der vorherigen Situation an, dass Ihnen ein Geldbetrag in Höhe von 15.000 € zur Verfügung steht. Jedoch überlegen Sie nun, diesen Geldbetrag langfristig (Zeitraum: 5 Jahre) in Aktien der ANOVA AG anzulegen. Von dem gesamten Anlagebetrag (inkl. Rendite) möchten Sie sich einige Zeit nach Abschluss Ihres Studiums einen Mittelklassewagen kaufen.
4.3.4 Versuchsplanung und Datenerhebung Die Validität der erzielten Ergebnisse stellt hohe Anforderungen an die Planung und Durchführung von Experimenten. Im Folgenden werden daher die einzelnen Bestandteile der Versuchsplanung, wie die Durchführung eines Pre-Tests, die Stichprobenbildung und angewandte Maßnahmen zur Kontrolle von Störfaktoren, aufgezeigt. Daran schließt sich die Beschreibung der Versuchsdurchführung an.
622
Vgl. HOLM, C./RIKHARDSSON, P. (2008), S. 543; RIKHARDSSON, P./HOLM, C. (2008), S. 386.
154
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
4.3.4.1 Pre-Test Im Anschluss an die Fertigstellung der ersten Version des experimentellen Fragebogens wurde dieser einem zwei-stufigen Pre-Test-Verfahren unterzogen. RASHOTTE beschreibt Pre-Tests als einen wichtigen Bestandteil des Designs und der Durchführung von Experimenten, die jedoch von Forschern oftmals außer Acht gelassen werden.623 Durch die Pre-Tests sollte die Adäquanz der Szenarien und Manipulationen gewährleistet werden. Neben versuchsplanerischen Kontrolltechniken, wie z. B. Randomisierung624, gilt die Durchführung und Auswertung eines Pre-Tests als Schlüsselfaktor, um eine hohe interne Validität von Laborexperimenten zu erzielen.625 Im Zuge von Pre-Tests, die von der eigentlichen Experimentalsituation zu unterscheiden sind und im Vorfeld der Experimente durchgeführt werden, agieren die Teilnehmer im Wesentlichen als Informanten. Die Pre-Test-Teilnehmer sollen dem Forscher primär aufzeigen, ob die für das Experiment entwickelten Instruktionen, Szenarien, Fragestellungen und Antwortmöglichkeiten verständlich bzw. plausibel sind. Als Untersuchungsinstrumente im Rahmen von Pre-Tests können dabei bspw. Fragebögen oder Interviews eingesetzt werden.626 Sofern die Ergebnisse der Pre-Tests darauf hinweisen, dass bspw. eine Manipulation von Variablen nicht wie vorgesehen funktioniert, so müssen entsprechende Anpassungen im experimentellen Design, der Operationalisierung der Variablen, der Gestaltung der Messinstrumente etc. vorgenommen werden oder ggf. zusätzliche Messgrößen integriert werden.627 Die Teilnehmer an den Pre-Tests wurden zum einen aus dem Kreis der wissenschaftlichen Mitarbeiter rekrutiert (Doktorandenseminar), zum anderen erfolgten diverse Tests mit ausgewählten Studierenden und studentischen Hilfskräften des Lehrstuhls. Um Störeffekte aufgrund von Lerneffekten der Teilnehmer auszuschalten, wurden die
623
Vgl. RASHOTTE, L. S. (2007), S. 234.
624
Vgl. zur Kontrolltechnik der Randomisierung die Abschnitte 4.2.3.2.2 und 4.3.4.3.1.
625
Vgl. STREET, D. L. (1995), S. 174.
626
Vgl. RASHOTTE, L. S. (2007), S. 234; KUIPERS, K. J./HYSOM, S. J. (2007), S. 306f.
627
Vgl. RASHOTTE, L. S. (2007), S. 235.
Ausgestaltung und Inhalte der empirischen Untersuchung
155
Pre-Test-Teilnehmer von der späteren Teilnahme an der Studie ausgeschlossen.628 Im Rahmen der Pre-Tests wurde die für die Durchführung der eigentlichen Studie geplante Laborsituation simuliert. Im Anschluss an die Bearbeitung der Fragebögen durch die Teilnehmer der Pre-Tests wurde ihnen ein weiterer Fragebogen ausgehändigt, in welchem Fragen zur inhaltlichen Verständlichkeit der Studie sowie auch zur optischen Aufbereitung der Studie zu beantworten waren. Im Anschluss erfolgte im Rahmen eines persönlichen Gesprächs eine Diskussion der Ergebnisse. Die Pre-Tests führten zu einem insgesamt positiven Ergebnis in Bezug auf die Verständlichkeit der Studie sowie die visuelle Aufbereitung der im Experiment eingesetzten Materialien. Im Anschluss an den Pre-Test wurden lediglich marginale Verbesserungen am Fragebogendesign vorgenommen. Die von den Pre-Test-Teilnehmern ausgefüllten Fragebögen wurden dennoch nicht bei der Gesamtauswertung der Ergebnisse berücksichtigt, da diese nicht unter den während der eigentlichen Experimente geltenden Bedingungen bearbeitet wurden.629 4.3.4.2 Stichprobenbildung, Rekrutierung und Incentivierung der Versuchsteilnehmer Nachfolgend wird erläutert, wie die Stichprobenbildung, Rekrutierung sowie Incentivierung der Teilnehmer des Experiments erfolgte. 4.3.4.2.1 Stichprobenbildung Die Auswahl geeigneter Versuchspersonen stellt einen bedeutsamen Bestandteil des Planungsprozesses eines Experiments dar, denn letztlich hängt die Generalisierbarkeit der erzielten Ergebnisse entscheidend davon ab, ob die gewählte Stichprobe als realistische Teilmenge der im Fokus des Interesse stehenden Grundgesamtheit betrachtet werden kann. Nach einer kurzen theoretischen Einführung in die Grundlagen und begriffe der Stichprobenbildung (Abschnitt 4.3.4.2.1.1) werden Auswahl und Umfang der in der vorliegenden Studie untersuchten Stichprobe beschrieben (4.3.4.2.1.2). In
628
Diese spezielle Art von Störvariable wird auch als „Interaktion von Pre-Test und unabhängiger Variable“ bezeichnet. Darunter ist zu verstehen, dass die Sensitivität der Versuchspersonen in Bezug auf die unabhängige Variable durch die vorherige Teilnahme am Pre-Test beeinflusst werden kann. Unter diesen Umständen ist die externe Validität des Experiments womöglich nicht mehr gewährleistet, da die im Experiment erzielten Ergebnisse nicht auf jene Personengesamtheit generalisierbar sind, welche nicht am Pre-Test teilgenommen hat. Vgl. zu diesem Argument auch STIER, W. (1999), S. 213.
629
Vgl. zu diesem Vorgehen auch DUNCAN, K./MOORES, K. (1988), S. 126.
156
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
einem weiteren Abschnitt (4.3.4.2.1.3) erfolgt letztlich eine kritische Diskussion der Eignung von Studierenden als Surrogate für verhaltenswissenschaftliche Experimente im Bereich des Behavioral Financial Accounting. 4.3.4.2.1.1 Grundlagen der Bildung von Stichproben Im Anschluss an die Entscheidung für eine geeignete Methodik der Datenerhebung erfolgt im Laufe eines empirischen Forschungsprozesses die Auswahl der Erhebungseinheiten, bei denen die Daten erhoben werden. Bei der Erhebung von Daten ist zwischen einer Voll- und einer Teilerhebung zu unterscheiden.630 Für den Fall, dass jedes Element der betrachteten Grundgesamtheit auf die im Fokus des Interesse liegenden Merkmale hin untersucht wird, handelt es sich um eine Vollerhebung. Wenngleich die Vollerhebung, bei welcher die Grundgesamtheit vollkommen abgedeckt wird, den Idealfall einer statistischen Datenerhebung darstellt, kann diese oftmals nur in Einzelfällen erfolgen, da dies nur bei einer relativ kleinen Grundgesamtheit möglich ist. Zudem ist der Nachteil von Vollerhebungen darin zu sehen, dass diese in der Regel technisch schwer zu realisieren sind, viel Zeit erfordern und demnach auch kostspielig sind, da eine große Zahl an Versuchsleitern bzw. Interviewern notwendig ist.631 In der Regel wird die Erhebung von Daten daher in Form einer Teilerhebung, welche auch als Stichprobenerhebung bezeichnet wird, vorgenommen.632 Unter einer Stichprobe (engl.: sample) ist demnach eine Teilmenge der Grundgesamtheit zu verstehen. Die Auswahl der Stichprobe muss jedoch nach strengen wissenschaftlichen Regeln erfolgen, sodass aus den Ergebnissen Rückschlüsse auf die Grundgesamtheit gezogen werden können. 4.3.4.2.1.2 Auswahl und Umfang der Stichprobe Die Auswahl der Versuchspersonen ist ein wichtiger Bestandteil des Experiments. Denn die Stichprobe sollte aus der Grundgesamtheit stammen, für die auch die Ergebnisse Gültigkeit besitzen sollen.633 Je stärker sich die Stichprobe entsprechend der Grundgesamtheit zusammensetzt, umso repräsentativer ist sie und desto eher können 630
Vgl. KAYA, M./HIMME, A. (2009), S. 79.
631
Vgl. KAYA, M./HIMME, A. (2009), S. 79.
632
Vgl. STIER, W. (1999), S. 113ff.; KAYA, M./HIMME, A. (2009), S. 79.
633
Vgl. BORTZ, J./DÖRING, N. (2006), S. 528.
Ausgestaltung und Inhalte der empirischen Untersuchung
157
die Ergebnisse auf die entsprechende Population verallgemeinert werden.634 Dies setzt die Auswahl einer Zufallsstichprobe voraus.635 Die für das Experiment relevante Grundgesamtheit sind private Anleger. Eine Vollerhebung aller privaten Anleger ist aus Kosten-, Verfügbarkeits- und Datenschutzgründen jedoch nicht möglich.636 Um ihr Verhalten im Experiment dennoch untersuchen zu können, müssen die Charakteristika privater Anleger zur Auswahl der Stichprobe im Vorfeld genau determiniert werden.637 Individuelle Anleger unterscheiden sich jedoch hinsichtlich zahlreicher Kriterien wie Alter, Berufs- und Familienstand oder Geschlecht erheblich voneinander. Auch kann eine Beschränkung auf eine Stichprobe die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die eigentlich zu betrachtende Grundgesamtheit beispielsweise aufgrund ihrer begrenzten Altersspanne weiter eingrenzen.638 Dennoch ist die Überprüfung von Hypothesen mit Hilfe einer Stichprobe ein gängiges Vorgehen im Rahmen empirischer Forschung.639 Bei der Auswahl der Versuchspersonen ist insbesondere die Verwendung von Studierenden in der Literatur umstritten640. Das Ziel von Experimenten liegt zumeist in der Erreichung einer hohen externen Validität, d. h. einer Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse auf andere Personen, Situationen oder Zeitpunkte.641 Eine repräsentative Stichprobe erhöht daher die externe Validität.642 Sobald jedoch Studierende als Teilnehmer eines Experiments genutzt werden, wird diese häufig sehr kritisch beurteilt.643 634
Vgl. EPSTEIN, M. J./FREEDMAN, M. (1994), S. 103; BORTZ, J./DÖRING, N. (2006), S. 395; KAYA, M./HIMME, A. (2009), S. 80; RACK, O./CHRISTOPHERSEN, T. (2009), S. 28.
635
Vgl. SCHNELL, R./HILL, P. B./ESSER, E. (2008), S. 304.
636
Vgl. BORTZ, J./DÖRING, N. (2006), S. 395; SCHNELL, R./HILL, P. B./ESSER, E. (2008), S. 267f.; KAYA, M./HIMME, A. (2009), S. 79.
637
Vgl. BORTZ, J./DÖRING, N. (2006), S. 401.
638
Vgl. ASHTON, R. H./KRAMER, S. S. (1980), S. 5; BORTZ, J./DÖRING, N. (2006), S. 401.
639
Vgl. BORTZ, J./DÖRING, N. (2006), S. 395f.
640
Vgl. z. B. BIRNBERG, J. G./NATH, R. (1968), S. 39f.; ASHTON, R. H./KRAMER, S. S. (1980), S. 1ff.; WALTERS-YORK, M./CURATOLA, A. P. (2000), S. 244; LIBBY, R./BLOOMFIELD, R./NELSON, M. W. (2002), S. 802f.; LIYANARACHCHI, G. A. (2007), S. 48ff.
641
Vgl. STAPF, K. H. (1995), S. 237, 253; WALTERS-YORK, M./CURATOLA, A. P. (2000), S. 250f.; BORTZ, J./DÖRING, N. (2006), S. 53; KUß, A. (2007), S. 149f.; RACK, O./CHRISTOPHERSEN, T. (2009), S. 27.
642
Vgl. KUß, A. (2007), S. 150.
643
Vgl. WALTERS-YORK, M./CURATOLA, A. P. (2000), S. 244f., 257; BORTZ, J./DÖRING, N. (2006), S. 75.
158
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
Gründe dafür sind die unterschiedliche Erfahrung, das Alter, die Charakteristika oder die Kenntnisse anderer Gruppen im Vergleich zu Studierenden. Dies sind Faktoren, die auch die externe Validität beeinflussen.644 Andererseits kann jedoch argumentiert werden, dass Studierende eine sehr homogene Gruppe bilden. Bei Einsatz derartiger homogener Vergleichsgruppen kann durch eine damit einhergehende Reduktion von potentiellen Störvariablen, wie bspw. Bildungsunterschieden, eine Erhöhung der Teststärke des Experiments erzielt werden.645, 646 Da die Gewinnung anderer Befragter häufig schwierig ist647, werden dank ihrer nahezu uneingeschränkten Verfügbarkeit, der geringeren Durchführungskosten des Experiments und ihrer fachbezogenen Kenntnisse daher oftmals Studierende als Versuchspersonen eingesetzt.648 In der Regel genügt es, wenn die Befragten eine ausreichende Bildung aufweisen, um das Forschungsziel erreichen zu können.649 Dies ist auch Voraussetzung für eine Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse.650 Der Stichprobenumfang wird im Allgemeinen als wesentliches Kriterium zur Erzielung einer ausreichenden Teststärke angesehen.651 Die grundsätzlich sehr große und heterogene Grundgesamtheit der privaten Anleger bedingt eine größere Stichprobe als eine homogene Population.652 Zur Absicherung eines mittleren Effekts mit = 0,05, d. h. einem Signifikanzniveau von 5%, bei einem 2u3-faktoriellen Design geben BORTZ und DÖRING 27 Versuchspersonen pro experimenteller Bedingung („Zelle“) als idealen Stichprobenumfang an, was somit als Richtwert zur Sicherstellung der Reprä-
644
Vgl. BIRNBERG, J. G./NATH, R. (1968), S. 40f.; WALTERS-YORK, M./CURATOLA, A. P. (2000), S. 247.
645
Vgl. STELZL, I. (1995), S. 122.
646
Für eine ausführlichere Diskussion der Eignung studentischer Versuchspersonen sei auf Abschnitt 4.3.4.2.1.3 verwiesen.
647
Vgl. MAINES, L. A. (1994), S. 209; LIYANARACHCHI, G. A. (2007), S. 50f.
648
Vgl. BIRNBERG, J. G./NATH, R. (1968), S. 40; LIBBY, R./BLOOMFIELD, R./NELSON, M. W. (2002), S. 802; LIYANARACHCHI, G. A. (2007), S. 49.
649
Vgl. ASHTON, R. H./KRAMER, S. S. (1980), S. 4; LIBBY, R./BLOOMFIELD, R./NELSON, M. W. (2002), S. 802f.; LIYANARACHCHI, G. A. (2007), S. 61.
650
Vgl. ASHTON, R. H./KRAMER, S. S. (1980), S. 4.
651
STELZL, I. (1995), S. 122; STIER, W. (1999), S. 224f.
652
Vgl. BORTZ, J./DÖRING, N. (2006), S. 130.
Ausgestaltung und Inhalte der empirischen Untersuchung
159
sentativität der experimentell erzielten Ergebnisse angesehen wird.653 Somit wurde die Anzahl der benötigten Versuchspersonen ursprünglich mit mindestens etwa 160 bis 180 (27u6 = 162) Studenten veranschlagt. Insgesamt nahmen jedoch 342 Studenten an dem Experiment teil. Infolgedessen wurden jeder der sechs Faktorstufen 57 Befragte zugewiesen. Der Mindestumfang der Stichprobe war demnach gewährleistet. Dabei bilden im vorliegenden Experimentaldesign zwei Drittel (vier von insgesamt sechs Zellen) die sog. Experimentalgruppen. Die sog. Kontrollgruppen, innerhalb derer die unabhängige Variable konstant gehalten wird (die also im vorliegenden Fall nicht mit zusätzlichen Humankapitalinformationen ausgestattet wurden), setzt sich aus dem verbleibenden Drittel der Versuchspersonen zusammen, wobei die Zuweisung der Teilnehmer zu den beiden Gruppen zwecks Sicherstellung der Voraussetzungen der externen Validität des Experiments zufällig erfolgt.654 4.3.4.2.1.3 Diskussion der Adäquanz von studentischen Versuchspersonen Als Surrogate für die festgelegte Zielgruppe der Privatinvestoren wurden Studierende des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg ausgewählt. Während die Rekrutierung von Studierenden für Experimente im Bereich der Psychologie oder des Marketing weitestgehend akzeptiert ist, herrscht in der Literatur zum Rechnungswesen eine anhaltende Diskussion hinsichtlich der Teilnahme studentischer Surrogate an experimentellen Studien im Bereich des Rechnungswesens und der Rechnungslegung vor. Aufgrund ihres in Bezug auf bestimmte Zielsetzungen und experimentelle Fragestellungen höheren fachlichen und praktischen Wissens mögen Spezialisten, wie beispielsweise Finanzanalysten oder professionelle Investoren, eine bessere Eignung als Probanden für experimentelle Studien zum Anlegerverhalten aufweisen. Jedoch konnte in mehreren Studien auch nachgewiesen werden, dass keine bzw. nur geringe Unterschiede im Antwortverhalten zwischen studentischen und professionellen Probanden bestehen.655 Aufgrund der aufwendigeren Rekrutierung von Spezialisten und der damit üblicherweise einhergehenden geringeren Stichprobe, empfehlen LIBBY, BLOOMFIELD und NELSON, dass “in ge653
Vgl. BORTZ, J./DÖRING, N. (2006), S. 632. Zur Sicherstellung der Repräsentativität der Untersuchungsergebnisse existiert hinsichtlich der Anzahl der an einem Experiment teilnehmenden Versuchspersonen kein allgemeingültiger Richtwert. Daher muss an dieser Stelle auf Empfehlungen aus der Literatur zurückgegriffen werden, die jedoch insgesamt nicht einheitlich sind.
654
Zur Technik der Bildung von Experimental- und Kontrollgruppe vgl. u. a. SCHNELL, R./HILL, P. B./ESSER, E. (2005), S. 213, 221ff.
655
Vgl. zu diesem Befund bspw. ELLIOTT, W. B. et al. (2007), S. 139.
160
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
neral, experimenters should avoid using professional subjects unless it is necessary to achieve their research goals”.656 Somit wird die Rekrutierung studentischer Probanden durch bisherige Forschungsarbeiten bekräftigt.657 In früheren Studien des Behavioral Financial Accounting wurden unterschiedliche Kategorien von Versuchspersonen eingesetzt: Während HENDRICKS658 sowie LIYANARACHCHI und MILNE659 sich ausschließlich auf studentische Versuchspersonen beschränkten, befragten z. B. ELIAS660, MILNE und PATTEN661 sowie GHOSH und WU662 auch Finanzanalysten, Certified Public Accountants oder Buchhalter. Obwohl private Anleger in Bezug auf ihre fachlichen Kenntnisse hinsichtlich der Themenbereiche Rechnungslegung und Kapitalmarkttheorie als eher unerfahren gelten663, wiesen alle Befragten, eine gewisse Vorbildung im Bereich des Finanz- und Rechnungswesens, z. B. durch universitäre Vorlesungen, auf.664 Auch die von HOLM und RIKHARDSSON befragten und als „Anfänger“ bezeichneten Studenten hatten bereits mindestens einen Kurs im Fachgebiet Rechnungswesen besucht.665 Auch LEE und TWEEDIE kamen zu dem Schluss, dass Befragte, die über Wissen oder Erfahrungen im Finanz- oder Rechnungswesen verfügen, Geschäftsberichte – und somit auch die Aufgabenstellungen der Experimente – gut verstehen.666 Da Studenten über eine fachspezifische Vorbildung verfügen und sich in Experimenten zum Entscheidungsverhalten zudem als geeignet erwiesen haben667, wurden diese in Anbetracht der ausgeführten Argumente in der vorliegenden experimentellen Studie als Stichprobe für die Grundgesamtheit privater Anleger ausgewählt. Da die Studie auf Bewertungsurteile und Entscheidungen von Pri656
LIBBY, R./BLOOMFIELD, R./NELSON, M. W. (2002), S. 803.
657
Vgl. diesbezüglich auch ASHTON, R. H./KRAMER, S. S. (1980), S. 12.
658
HENDRICKS, J. A. (1976), S. 293f.
659
LIYANARACHCHI, G. A./MILNE, M. J. (2005), S. 126.
660
ELIAS, N. (1972), S. 217f.
661
MILNE, M. J./PATTEN, D. M. (2002), S. 384.
662
GHOSH, D./WU, A. (2007), S. 219.
663
Vgl. LEE, T. A./TWEEDIE, D. P. (1975), S. 5.
664
Vgl. z. B. ELIAS, N. (1972), S. 217f.; HENDRICKS, J. A. (1976), S. 293f.; RIKHARDSSON, P./HOLM, C. (2008), S. 391.
665
Vgl. HOLM, C./RIKHARDSSON, P. (2008), S. 546.
666
Vgl. LEE, T. A./TWEEDIE, D. P. (1975), S. 11.
667
Vgl. ASHTON, R. H./KRAMER, S. S. (1980), S. 1ff.; WALTERS-YORK, M./CURATOLA, A. P. (2000), S. 254; LIYANARACHCHI, G. A. (2007), S. 54.
Ausgestaltung und Inhalte der empirischen Untersuchung
161
vatinvestoren fokussiert, erscheint der Einsatz von Studenten wirtschaftswissenschaftlicher Studiengänge als vertretbar. Aufgrund ihres fachspezifischen Studienschwerpunktes sind sie annahmegemäß vertraut mit Investitionsentscheidungen und Kapitalmärkten und können somit als geeignetes Proxy für Privatinvestoren gelten.668 4.3.4.2.2 Rekrutierung der Versuchsteilnehmer Die Teilnehmer für das Experiment wurden vorwiegend im Rahmen der vom FACTInstitut (Finance, Auditing, Controlling, Taxation) der Universität Erlangen-Nürnberg im Sommersemester 2009 angebotenen Lehrveranstaltungen rekrutiert. Dadurch sollte sichergestellt werden, dass alle Studenten, die zur Teilnahme eingeladen wurden, entweder im höheren Bachelor-Studium oder in Diplomstudiengängen immatrikuliert waren und bereits mehrere Prüfungsleistungen zu den Themengebieten Rechnungswesen, Controlling und Finanzierung abgelegt hatten. Folglich war davon auszugehen, dass die rekrutierten Studenten zumindest ausreichende Grundkenntnisse in diesen Themenbereichen vorweisen konnten, um als Surrogate für kompetente Privatanleger geeignet zu sein.669 Auf die Möglichkeit der Teilnahme an der experimentellen Studie wurde einerseits in den laufenden Lehrveranstaltungen der Diplom- und Bachelorstudiengänge in den Vertiefungsfächern Rechnungswesen, Controlling und Prüfungswesen hingewiesen, zudem erfolgte die Ankündigung auf den Internetseiten des Lehrstuhls für Rechnungswesen und Controlling sowie des FACT-Instituts. Durch die gezielte Auswahl der Kommunikationswege sollte sichergestellt werden, dass ausschließlich Studenten mit fach- und themenspezifischen Vorkenntnissen rekrutiert wurden. Daher wurde auch auf eine direkte Rekrutierung weiterer Studierender des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften bewusst verzichtet. Die Studenten wurden eingeladen, durch die Teilnahme an der Untersuchung die Forschungsarbeit des Lehrstuhls aktiv zu unterstützen und somit wesentlich zum Erfolg der Studie beizutragen. Im Rahmen der Ankündigung wurde explizit darauf geachtet,
668
Vgl. zum Einsatz von Studierenden als Surrogate für Privatinvestoren u. a. auch FREDERICKSON, J. R./MILLER, J. S. (2004), S. 669; KRISHNAN, R./BOOKER, D. M. (2002), S. 131.
669
Vgl. zu dieser Argumentation auch die experimentelle Studie von DUNCAN, K./MOORES, K. (1988).
162
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
die konkreten Inhalte der Studie nicht zu kommunizieren. Dadurch sollte sichergestellt werden, dass die Teilnehmer sich im Vorfeld nicht inhaltlich auf die Studie vorbereiten und insgesamt unvoreingenommen an die Bearbeitung herangehen. Aus diesem Grund erfolgte in der Ankündigung lediglich das Thema „Unternehmensanalyse“.670 Ferner wurde nicht erwähnt, dass es sich um eine experimentelle Studie handelt. Somit war den Teilnehmern im Vorfeld nicht bekannt, dass die im Fragebogen gegebenen Informationen über die Teilnehmer hinweg unterschiedlich waren. Den Studierenden wurden insgesamt 15 Einzeltermine zur Teilnahme an der Studie angeboten. Interessierte Teilnehmer konnten sich per Listeneintrag sowie per E-Mail für die Teilnahme anmelden, wobei die Teilnehmerzahl auf 25-30 Probanden pro Sitzung beschränkt wurde.671 Dadurch war es möglich, im Rahmen der Studiendurchführung eine Laborsituation zu simulieren. Mit der Durchführung der Studie im Rahmen von Lehrveranstaltungen hätte zwar eine hohe Fallzahl generiert werden können, diese Möglichkeit der Datenerhebung wurde jedoch aus den folgenden Gründen als nicht geeignet erachtet: Einerseits hätte nicht sichergestellt werden können, dass die Studierenden
670
Bei der Planung und Durchführung von Humanexperimenten sind generell auch ethische Aspekte mit einzubeziehen. So existieren u. a. von der American Psychological Association und der British Psychological Society spezielle Leitfäden zur Wahrung ethischer Prinzipien im Zusammenhang mit wissenschaftlichen Studien. Demnach gehört es üblicherweise zu den ethischen Gepflogenheiten, die Versuchsteilnehmer im Vorfeld über die Inhalte der Studie und ihre Rolle bei der Bearbeitung der Studie zu informieren. Vgl. hierzu ausführlich CHRISTENSEN, L. B. (2007), S. 149ff.; FIELD, A./HOLE, G. (2003), S. 98ff; STAPF, K. H. (1995), S. 244. Auf der anderen Seite muss jedoch auch sichergestellt werden, dass die Probanden im Vorfeld nicht über das konkrete Ziel der Studie und die zu untersuchenden Hypothesen informiert sind, um bspw. unerwünschte Effekte einer self-fulfilling prophecy zu vermeiden (siehe hierzu auch die Ausführungen in Abschnitt 4.2.5.2). Aus diesem Grund wurde für das vorliegende Experiment entschieden, dieses im eher allgemeinen Sinne als eine Studie zur „Unternehmensanalyse“ anzukündigen und somit nicht explizit auf den inhaltlichen Fokus der Relevanz der Humankapitalberichterstattung hinzuweisen. Vgl. zu diesem Vorgehen auch RASHOTTE, L. S. (2007), S. 239. Da die Bezeichnung „Unternehmensanalyse“ als globaler Oberbegriff für die Inhalte der Studie anzusehen ist, ist hier entschieden von einer „Täuschung [der Versuchspersonen] hinsichtlich des Untersuchungszieles“ (STAPF, K. H. (1995), S. 244) zu abstrahieren. Eine ausführliche Diskussion in Bezug auf die Täuschung (engl. deception) der Versuchsteilnehmer hinsichtlich des Untersuchungsziels findet sich auch bei KUIPERS, K. J./HYSOM, S. J. (2007), S. 293ff.
671
Zusätzlich wurde ein internetbasiertes Anmeldesystem entwickelt. Dabei war es den teilnahmeinteressierten Studierenden möglich, aktuell noch verfügbare Restplätze für die präferierten Einzeltermine einzusehen. Dies hatte auch für den Versuchsleiter den Vorteil, dass sich die Teilnehmer nicht zu Terminen anmeldeten, welche bereits ausgebucht waren, was wiederum eine zusätzlich notwendige Kontaktaufnahme mit einzelnen Studierenden bzgl. noch freier Termine notwendig gemacht hätte. Vgl. zu den Vorteilen internetbasierter Anmeldesysteme (engl. web-based experiment management systems) im Vergleich zum Listenaushang, durch den die Anonymität nicht gewahrt werden kann, bspw. KALKHOFF, W. et al. (2007), S. 251f.
Ausgestaltung und Inhalte der empirischen Untersuchung
163
die Instruktionen sowie die Aufgabenstellung in ausreichendem Maße verstehen und zum anderen hätte keine Kontrolle darüber erfolgen können, dass die Fragebögen gewissenhaft und vollständig bearbeitet werden. Zudem liegt der Vorteil einer Durchführung unter Laborbedingungen insbesondere in der besseren Kontrollierbarkeit möglicher Störfaktoren, welche bei einer Datenerhebung im Hörsaal kaum bzw. nicht gewährleistet hätte werden können.672 4.3.4.2.3 Incentivierung Die Incentivierung der Probanden für die Teilnahme an der experimentellen Studie erfolgte in zweifacher Hinsicht. Zur Motivation der Untersuchungsteilnehmer wurde zum einen ein finanzieller Anreiz für die Teilnahme an dem Experiment gesetzt. Der zeitliche Aufwand von ca. 30 Minuten für die Teilnahme wurde in Form einer Geldprämie in Höhe von 5,00 € vergütet.673 Die Auszahlung der Geldprämien erfolgte jeweils unmittelbar im Anschluss an die Studie in bar. Die Höhe der festgelegten Geldprämie bemaß sich dabei an der Höhe einer alternativen Vergütung unter Zugrundelegung des Stundensatzes für eine Tätigkeit als studentische Hilfskraft. Auf eine leistungsabhängige Incentivierung, wie beispielsweise in spieltheoretischen Experimenten im Bereich der Volkswirtschaftslehre, wurde hier aus folgenden Gründen verzichtet. Zum einen wurde im Rahmen des Experiments auf subjektive Bewertungsurteile und Investitionsentscheidungen der Probanden abgezielt, welche weder als gut noch als schlecht klassifiziert werden konnten und somit nicht durch eine leistungsabhängige Geldprämie verfälscht werden sollten. Zum anderen erfolgten die Bewertungsurteile und Investitionsentscheidungen rein qualitativer Natur, sodass keine objektiv vergleichbare Bemessungsgrundlage für eine leistungsabhängige Incentivierung gegeben war. 672
Vgl. zu diesem Argument auch STREET, D. L. (1995), S. 171.
673
Vgl. zur Vergabe von Geldprämien bei der Durchführung von Experimenten mit studentischen Versuchspersonen bspw. die experimentellen Untersuchungen von KOSCHATE, N. (2002); SCHÜTZ, T. (2005); KOCH, C./SCHMIDT, C. (2010). Generell wird die Incentivierung durch Geldprämien im Rahmen der Durchführung experimenteller Studien als üblich erachtet. Vgl. hierzu KUIPERS, K. J./HYSOM, S. J. (2007), S. 321. Die Höhe der Geldprämie sollte dabei derart bemessen sein, dass einerseits ein Anreiz für die Teilnahme an dem Experiment geschaffen wird. Andererseits sollte die Geldprämie jedoch nicht zu hoch ausfallen, sodass ausschließlich diejenigen Studierenden angesprochen werden, welche insbesondere eine intrinsische Motivation für die Teilnahme an dem Experiment aufweisen. Vgl. hinsichtlich verschiedenartiger Überlegungen zur Höhe der gesetzten Anreize auch DUDDA, M. et al. (2010), S. 254f.
164
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
Neben dem Erhalt einer Geldprämie wurde den Studierenden die Möglichkeit eröffnet, die Teilnahme an der experimentellen Studie auf freiwilliger Basis als Teilleistung für eine der am verantwortlichen Lehrstuhl im Sommersemester 2009 zu absolvierenden Klausuren anrechnen zu lassen.674 In diesem Fall erfolgte eine Gutschrift in Höhe von drei Punkten der maximal erzielbaren Punktzahl. Drei Punkte entsprechen hierbei einem prozentualen Anteil an der Gesamtpunktzahl eines Leistungsnachweises von ungefähr 2,5 - 3 %. Diese zusätzliche Variante der Incentivierung wurde zum einen gewählt, um einen inhaltlichen Bezug der experimentellen Studie zu den Lehrinhalten herzustellen. Zum anderen konnte dadurch eine höhere Stichprobe gewährleistet werden675 und zudem konnte somit insbesondere die gewünschte Zielgruppe der Accounting-Studenten für die Teilnahme an der Studie gewonnen werden. 4.3.4.3 Maßnahmen zur Kontrolle von Störfaktoren Wie in Abschnitt 4.2.3.2 ausführlich dargelegt, können in Experimenten Störeinflüsse auftreten, welche den Wirkungszusammenhang zwischen unabhängigen und abhängigen Variablen beeinflussen können. Liegen Störvariablen vor, so sind definitive Aussagen hinsichtlich eines kausalen Zusammenhangs zwischen den untersuchten Variablen nur noch eingeschränkt möglich, das heißt, die Ergebnisse des Experiments sind unter Umständen nicht mehr valide. Aus diesem Grund ist es notwendig, potentielle Störeinflüsse möglichst auszuschalten oder zumindest mittels bestimmter Kontrolltechniken gezielt zu kontrollieren. Im vorliegenden Abschnitt wird aufgezeigt, welche konkreten Maßnahmen zur Eliminierung bzw. Kontrolle von Störfaktoren im Rahmen der Versuchsplanung und -durchführung eingesetzt wurden.
674
Vgl. zu der Incentivierung in Form von Kreditpunkten bzw. Prüfungsteilleistungen auch KALKHOFF, W. et al. (2007), S. 247f.
675
Die Möglichkeit der Generierung einer höheren Stichprobe durch Incentivierung mittels Kreditpunkten wird auch von KALKHOFF, W. et al. (2007), S. 255 angeführt. Diese Autoren geben jedoch gleichzeitig zu bedenken, dass damit unter Umständen eine geringere Qualität der Bearbeitung der experimentellen Studie einhergehen könnte, sofern die Motivation der Probanden zur Teilnahme ausschließlich durch diese Art der Incentivierung begründet ist. Dieses Argument kann im vorliegenden Fall dadurch entkräftet werden, dass ausschließlich Studierende rekrutiert wurden, für die aufgrund ihrer Studienschwerpunkte generell ein inhaltliches Interesse in Bezug auf das Themengebiet der Studie unterstellt werden kann. Darüber hinaus entspricht der Anteil der durch die Teilnahme erzielbaren Zusatzpunkte wie bereits ausgeführt lediglich ca. 2,5-3% der in einer Klausur erzielbaren Gesamtpunktzahl, sodass diese Art von Incentive insgesamt nicht als allein ausschlaggebender Grund für die Teilnahmebereitschaft der Studierenden angesehen werden kann.
Ausgestaltung und Inhalte der empirischen Untersuchung
165
4.3.4.3.1 Randomisierung der Versuchspersonen Die Gewährleistung der internen Validität von Experimenten erfordert eine Randomisierung. Wie bereits oben angeführt, ist hierunter eine zufällige Zuteilung der Probanden auf die verschiedenen experimentellen Bedingungen zu verstehen. Im Rahmen der vorliegenden Studie wurde daher eine randomisierte Zuteilung der Versuchspersonen auf die einzelnen experimentellen Bedingungen angestrebt.676 Die Randomisierung erfolgte dadurch, dass die Teilnehmer den insgesamt 15 angebotenen Terminen nicht durch den Versuchsleiter zugewiesen wurden, sondern sich eigenständig für einen der Termine anmelden konnten. Die Anmeldung zu der Studienteilnahme erfolgte überwiegend per Listeneintrag im Hörsaal. Alternativ bestand die Möglichkeit, den Teilnahmewunsch per E-Mail an den Versuchsleiter zu adressieren. Hierbei wurden die Studenten gemäß ihrer Präferenz den einzelnen Terminen zugewiesen, wodurch eine eigenständige Selektion der Teilnehmer auf die verschiedenen Untersuchungstermine und somit die Bearbeitung unterschiedlicher Fragebögen sichergestellt wurde. Im Laborraum erfolgte die Zuteilung der verschiedenen Fragebögen, welche unterschiedliche Treatments beinhalteten, ebenfalls zufällig. Lediglich für die Bearbeitung der Fragebögen der Kontrollgruppen wurden einzelne Termine festgelegt, in welchen jeweils nur diese Fragebögen zu beantworten waren. Dies ist damit begründet, dass diese Fragebögen aufgrund des Fehlens eines Personalberichts insgesamt weniger Informationen und Fragestellungen enthielten und die Bearbeitung folglich weniger Zeit in Anspruch nahm als die Bearbeitung der Fragebögen für die Experimentalgruppen. Da somit – mit Ausnahme der Kontrollgruppen – Teilnehmer aus verschiedenen experimentellen Sitzungen auf die einzelnen „Zellen“ des Experiments zugewiesen wurden, besteht weitestgehend Sicherheit, dass die Ergebnisse des Experiments weitgehend unbeeinflusst von einer nicht-zufälligen Zuweisung der Probanden auf die experimentellen Bedingungen waren.677 4.3.4.3.2 Kontrolle von Versuchsleitereffekten und Veränderungen im Messinstrument Durch sog. Versuchsleitereffekte, d. h. unterschiedliche Versuchsleiter oder Änderungen im Verhalten des Versuchsleiters, sowie durch Änderungen des Messinstruments 676
Vgl. zu diesem Vorgehen auch die Studie von CORAM, P. J./MONROE, G. S./WOODLIFF, D. R. (2009), S. 144.
677
Vgl. CHOW, C. W./HADDAD, K./HIRST, M. (1996), S. 139.
166
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
kann eine unerwünschte Wirkung auf die abhängige Variable entstehen, die nicht ursächlich durch die unabhängigen Variablen bedingt ist.678 Zur Kontrolle dieser Art von Störvariablen wurde zum einen bei allen Experimenten zu den verschiedenen Terminen derselbe Versuchsleiter eingesetzt. Es waren neben dem Versuchsleiter ferner zu keiner Zeit andere Beobachter oder Hilfspersonen an der Durchführung der experimentellen Studie beteiligt. Daneben können Störeffekte potentiell auch dadurch entstehen, dass Versuchsleiter bestimmte Erwartungen hinsichtlich der Ergebnisse einer Untersuchung haben.679 Durch unbewusstes Verhalten des Versuchsleiters (z. B. Gestik, Mimik, Wortwahl) könnten die Probanden hinsichtlich ihrer Reaktion auf die unabhängige Variable beeinflusst werden.680 Diesem durch Unterschiede in der sozialen Interaktion zwischen Versuchsleiter und Versuchsperson potentiell entstehenden Störeffekt kann beispielsweise durch ein Konstanthalten der Instruktionen entgegengewirkt werden.681 Bei der Durchführung der Studie wurde vor diesem Hintergrund streng nach dem Prinzip vorgegangen, dass der Versuchsleiter die Instruktionen zur Bearbeitung und die inhaltliche Einführung nicht in freier Rede mitteilte, sondern durch Ablesen eines zuvor niedergeschriebenen Textes stets die gleiche Wortwahl benutzte und exakt die gleichen einführenden Hinweise gab. Zur Illustration der wichtigsten Instruktionen wurden zudem Folien auf dem Overhead-Projektor aufgelegt, sodass die Versuchspersonen zu allen Terminen exakt identische Informationen erhielten. Potentielle Störeffekte, die aus Veränderungen im Messinstrument entstehen können, wurden gänzlich ausgeschaltet. Dies erfolgte dadurch, dass das Messinstrument in Form eines Fragebogens über die verschiedenen experimentellen Sitzungen hinweg hinsichtlich der vorgegebenen Daten, Fragen und Antwortmöglichkeiten unverändert gehalten wurde.682 Die Hilfsmittel wurden ebenfalls nicht verändert. Insgesamt wurden alle Einzeltermine entsprechend eines klar festgelegten und nicht veränderten Ablauf678
Vgl. SCHNELL, R./HILL, P. B./ESSER, E. (2005), S. 218. Eine ausführliche Darstellung unterschiedlicher Arten von Versuchsleitereffekten findet sich auch bei CHRISTENSEN, L. B. (2007), S. 241ff.
679
Vgl. CHRISTENSEN, L. B. (2007), S. 241.
680
Vgl. SCHNELL, R./HILL, P. B./ESSER, E. (2005), S. 218.
681
Vgl. STELZL, I. (1995), S. 124.
682
Veränderungen im Messinstrument sind beispielsweise für den Fall eher denkbar, dass anstelle von standardisierten Fragebögen mündliche Interviews geführt werden.
Ausgestaltung und Inhalte der empirischen Untersuchung
167
schemas durchgeführt. Dies beinhaltete auch, dass die Instruktionen und sonstigen Hinweise durch den Versuchsleiter stets beibehalten wurden. 4.3.4.3.3 Kontrolle von zeitlich bedingten Störfaktoren In die Versuchsplanung und -durchführung wurde darüber hinaus auch die Möglichkeit des Auftretens von zeitlich bedingten Störfaktoren einbezogen. Das Ziel bestand vor dem Hintergrund der Sicherstellung der Ergebnisvalidität darin, diese Arten von Störfaktoren zu eliminieren bzw. möglichst gering zu halten. Eine Variante zeitlich bedingter Störeffekte kann beispielsweise in einer unbeabsichtigten Änderung im Versuchsleiterverhalten durch zunehmende Routine und Sicherheit in der Rolle des Versuchsleiters liegen.683 Dem Auftreten dieser Art von Störeffekt wurde dadurch vorgebeugt, dass alle experimentellen Sitzungen stets einem identischen Ablauf folgten. Dies wurde insbesondere auch dadurch gewährleistet, dass der Versuchsleiter die inhaltliche Einführung und die Bearbeitungsinstruktionen nicht in freier Rede formulierte, sondern sich über alle Sitzungen hinweg an einem vorformulierten Text orientierte. Ein weiterer zeitlich bedingter Störfaktor wurde in der Tatsache identifiziert, dass über die Zeitspanne der Durchführung der einzelnen Sitzungen potentiell ein Austausch der Studenten untereinander hinsichtlich der Inhalte der Studie stattfinden konnte. Zum Zwecke der Reduzierung derartig bedingter Störeffekte wurden die 15 experimentellen Sitzungen allesamt innerhalb einer möglichst geringen Zeitspanne von insgesamt zwei Wochen abgehalten. Zusätzlich wurden die Teilnehmer der jeweiligen Sitzungen explizit gebeten, den Ablauf und die Inhalte der Studie nicht an Kommilitonen zu kommunizieren, welche zu einem späteren Termin an der Studie teilnahmen. 4.3.4.3.4 Kontrolle von räumlich bedingten Störfaktoren Zum Zwecke der Konstanthaltung des Einflusses potentieller räumlich bedingter bzw. umgebungsbedingter Störfaktoren wurde das Experiment zu allen angebotenen Terminen in demselben Versuchsraum durchgeführt.684 Hierbei wurde auf einen Seminarraum innerhalb des Fakultätsgebäudes mit einem maximalen Fassungsvolumen von ca. 683
Vgl. STELZL, I. (1995), S. 123.
684
So auch STELZL, I. (1995), S. 124.
168
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
35 Personen zurückgegriffen. Bewusst wurde ein Raum gewählt, dessen Kapazität durch die Anzahl der Versuchsteilnehmer nahezu ausgeschöpft war. Der Versuchsleiter hatte somit während der Bearbeitungsphase des Experiments einen optimalen Überblick über die Versuchsteilnehmer, sodass potentiell auftretende Störeffekte beispielsweise durch eine Kommunikation der Studenten untereinander während der Studienbearbeitung vermieden werden konnten. Somit war sichergestellt, dass jeder Teilnehmer die Studie eigenständig bearbeitete. Zudem bestand die Gefahr einer unvollständigen Bearbeitung der Fragebögen, welche bei der Auswertung des Experiments einen verzerrenden Effekt auf die Untersuchungsergebnisse entfalten hätte können. Aus den angeführten Gründen kam daher die Durchführung der Studie im Rahmen einer Lehrveranstaltung, die üblicherweise in großen, schwer zu überblickenden Hörsälen stattfinden, nicht in Betracht. Weitere umgebungsbedingt Störeinflüsse wie beispielsweise Lärm, Umgebungsgeräusche oder eine Störung durch unerwartet in den Raum eindringende Personen konnten ausgeschaltet bzw. durch die Identität des Versuchsraums zumindest konstant gehalten werden. Der Versuchsraum befindet sich in einem der oberen Stockwerke des Fakultätsgebäudes, sodass praktisch keine Lärmquellen, wie z. B. Geräusche durch Pausenunterhaltung etc., existierten.685 Da die Studienteilnehmer vorab informiert wurden, dass pünktliches Erscheinen dringend erforderlich war, wurden die Bearbeiter auch nicht durch zu spät kommende Personen in der Bearbeitung gestört. 4.3.4.4 Durchführung und Ablauf der experimentellen Studie Das Experiment wurde unter Laborbedingungen zu Beginn des Sommersemesters 2009 durchgeführt. Wenige Tage vor dem jeweiligen Termin wurden die angemeldeten Teilnehmer per EMail an den Termin erinnert und es wurden kurze organisatorische Hinweise zum Ab-
685
Vgl. zur Notwendigkeit der Abschirmung des Versuchsraums auch KUIPERS, K. J./HYSOM, S. J. (2007), S. 290.
Ausgestaltung und Inhalte der empirischen Untersuchung
169
lauf sowie zu benötigten Hilfsmitteln gegeben. Insgesamt haben 342 Versuchsteilnehmer an den Experimenten teilgenommen.686 Die Durchführung der Studie begann jeweils pünktlich zum angegebenen Termin. Nicht pünktlich erscheinende angemeldete Personen wurden – um Störeffekte zu vermeiden – nicht mehr zur Teilnahme an der Studie zugelassen.687 Der Ablauf der einzelnen Untersuchungsdurchführungen orientierte sich hierbei an einem festen Schema. Zu Beginn der Studie wurde den Teilnehmern der Fragebogen sowie Stifte und Textmarker ausgehändigt. Ferner erfolgte eine kurze Einführung, um die Untersuchungsteilnehmer über organisatorische und inhaltliche Aspekte zu unterrichten und Hinweise zur Bearbeitung zu geben. Zum einen wurde auf die Dauer der Studie sowie die Möglichkeit der Verwendung ausliegender Hilfsmittel in Form von Stiften und Textmarkern, zum anderen auf das Erfordernis einer eigenständigen Bearbeitung der Fragebögen hingewiesen. Die Benutzung von Hilfsmitteln wie beispielsweise Taschenrechnern oder sonstigen Materialien war grundsätzlich erlaubt, jedoch machte keiner der Versuchsteilnehmer davon Gebrauch. Zudem wurden die Probanden darauf hingewiesen, dass Fragen zum Prozess während des Experiments erlaubt waren.688 Weiterhin wurde im Zuge der einführenden Hinweise ausdrücklich betont, dass durch den Versuchsleiter eine absolut vertrauliche Bearbeitung der erhobenen Daten gewährleistet wird und die Fragebögen zudem dem Anonymitätskriterium genügen, d. h., dass daraus keine Rückschlüsse auf die individuellen Antworten einzelner Versuchsteilnehmer gezogen werden können. Ein derartiger Vertraulichkeitshinweis sowie die
686
Die Anzahl sog. no-shows, d. h. derjenigen Teilnehmer, die trotz Anmeldung nicht zu der Studie erschienen sind und ihre Teilnahme auch nicht abgesagt hatten, lag bei knapp unter 3%. Dieser Wert ist als sehr gering anzusehen und kann zum einen auf die Incentivierung der Probanden zurückzuführen sein, zum anderen auch auf die wenige Tage vor den jeweiligen Terminen per E-Mail versandten Anmeldungserinnerungen. Vgl. zu den Implikationen von no-shows ausführlich KUIPERS, K. J./HYSOM, S. J. (2007), S. 319ff.
687
Um derartige Störeffekte durch zu spätes Erscheinen angemeldeter Probanden zu vermeiden, wird sogar empfohlen, den Laborraum zu Beginn der Studie abzuschließen. Vgl. KUIPERS, K. J./HYSOM, S. J. (2007), S. 293. Aus Sicherheitsgründen (insb. Brandschutzanweisungen) wurde dieses Vorgehen jedoch bei der Durchführung der Experimente nicht praktiziert.
688
Vgl. zu diesem Vorgehen bspw. KWOK, H. (2002), S. 352.
170
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
Gewährleistung der Anonymität werden als essentielle Bestandteile ethisch korrekter experimenteller Forschung betrachtet.689 Den Teilnehmern wurde grundsätzlich keine Zeitbeschränkung für die Bearbeitung der Studie vorgegeben. Der Versuchsleiter wies darauf hin, dass die Probanden so viel Zeit zur Bearbeitung der Studie hätten, wie sie benötigten, um Entscheidungen zu treffen. Durchschnittlich benötigten die Teilnehmer ca. 25-30 Minuten, um die Analyse der unternehmensbezogenen Informationen und die darauf basierenden Entscheidungen vorzunehmen. Bei jedem der angebotenen Termine wurde die Studie nach maximal 35 Minuten pünktlich beendet.690 Es wurde ferner explizit darauf hingewiesen, dass alle Teilnehmer bis zum Ende der Bearbeitungszeit im Raum verweilen sollten. Ferner wurden die Teilnehmer gebeten, die Inhalte des Fragebogens nicht an Dritte, d. h. Versuchsteilnehmer späterer Termine zu kommunizieren, damit diese ebenfalls unvoreingenommen an die Bearbeitung der Studie herangehen konnten und daraus resultierende Verzerrungseffekte vermieden werden konnten. Nach Beendigung der Studie erfolgten die Identitätsüberprüfung der Studenten anhand des Personal- und Studentenausweises sowie die Auszahlung der Geldprämien.691 Die Auszahlung der Geldprämien ist wesentlicher Bestandteil des sog. Debriefing. Die Art der Durchführung des Debriefing hat einen Einfluss darauf, wie die Probanden über ihre Teilnahme an dem Experiment denken. Der abschließende Erhalt der Geldprämie trägt dazu bei, die Erfahrungen der Teilnehmer positiver erscheinen zu lassen.692
689
Vgl. zur Gewährleistung von Vertraulichkeit und Anonymität als ethischen Anforderungen an experimentelle Forschungsprozesse insbesondere FIELD, A./HOLE, G. (2003), S. 100f.; CHRISTENSEN, L. B. (2007), S. 162f.
690
Um Störeffekte insb. in Bezug auf die Reifung der Probanden (dazu zählen bspw. das Entstehen von Müdigkeit, Hunger, abnehmende Konzentrationsfähigkeit etc.) zu vermeiden, sollte ein Experiment generell möglichst wenig Zeit beanspruchen. Als Richtwert wird diesbezüglich eine Dauer von maximal eineinhalb Stunden genannt, wobei jedoch bei einer Dauer von maximal einer Stunde die am meisten fokussierte Bearbeitung des Experiments durch die Teilnehmer zu erwarten ist. Vgl. KUIPERS, K. J./HYSOM, S. J. (2007), S. 299f.
691
Vgl. zur Auszahlung der Geldprämien zum Abschluss der experimentellen Sitzung KALKHOFF, W. et al. (2007), S. 257.
692
Vgl. zu diesen Argumenten KUIPERS, K. J./HYSOM, S. J. (2007), S. 291f.
Ausgestaltung und Inhalte der empirischen Untersuchung
171
4.3.5 Methodik der Datenauswertung An der experimentellen Studie haben insgesamt 342 Probanden teilgenommen und einen vollständig ausgefüllten Fragebogen abgegeben. Insofern konnten alle bearbeiteten Fragebögen für die Datenauswertung herangezogen werden. Die Erfassung, Aufbereitung und Auswertung der Daten erfolgte mit der Statistiksoftware PASW (vormals SPSS) in der Version 17. 4.3.5.1 Grundlagen der Varianzanalyse Die Auswertung experimentell erhobener Daten erfolgt klassischerweise anhand des Analyseverfahrens der Varianzanalyse (engl.: analysis of variance, abgekürzt ANOVA).693 Als statistische Datenauswertungsmethodik dient die Varianzanalyse der Untersuchung des Einflusses einer oder mehrerer unabhängiger Variablen auf eine oder mehrere abhängige Variablen.694 Dabei erfolgt die Untersuchung der Signifikanz von Mittelwertdifferenzen.695 Im Vergleich zum unabhängigen T-Test, welcher zur Überprüfung der Signifikanz des Unterschieds zweier Mittelwerte herangezogen wird, ermöglicht die Varianzanalyse die Untersuchung der Mittelwertdifferenzen multipler Vergleichsgruppen auf ihre Signifikanz.696 Die dabei untersuchte Nullhypothese unterstellt, dass die Gruppenmittelwerte der einbezogenen Variablen in der Grundgesamtheit identisch sind, also einen gleich hohen Wert aufweisen.697 Die (einfache) Varianzanalyse kann somit dann als statistische Auswertungsmethodik herangezogen werden, wenn die unabhängige Variable mehr als zwei (nominale) Ausprägungen aufweist. Somit stellt die einfache (auch: einfaktorielle) Varianzanalyse eine Verallgemeinerung des T-Tests mit unabhängigen Stichproben dar.698 Die einzelnen nominalen Merk693
Vgl. u. a. BACKHAUS, K. et al. (2008), S. 152; HÜTTNER, M./SCHWARTING, U. (2002), S. 176; STELZL, I. (1995), S. 121; STIER, W. (1999), S. 252; SCHNELL, R./HILL, P. B./ESSER, E. (2008), S. 458. So stellt die Varianzanalyse vor allem in der Psychologie das klassische Verfahren zur Auswertung und Analyse von Experimenten dar, daneben findet die Varianzanalyse jedoch auch in den Bereichen der experimentellen Wirtschaftsforschung und der Marktforschung zunehmend eine breite Anwendung. Vgl. ECKEY, H.-F./TÜRCK, M./WERNER, A. (2009), S. 573; BACKHAUS, K. et al. (2008), S. 458.
694
Vgl. BACKHAUS, K. et al. (2008), S. 152.
695
Vgl. JANSSEN, J./LAATZ, W. (2010), S. 347.
696
Vgl. JANSSEN, J./LAATZ, W. (2010), S. 347; SCHNELL, R./HILL, P. B./ESSER, E. (2005), S. 457; RASCH, B. et al. (2006), S. 1; BROSIUS, F. (2008), S. 485.
697
Vgl. BROSIUS, F. (2008), S. 485.
698
Vgl. KÄHLER, W.-M. (2002), S. 395; RASCH, B. et al. (2006), S. 1.
172
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
malsausprägungen, welche die unabhängige Variable annehmen kann, werden als Faktorstufen bezeichnet.699 Daneben ist die Anwendbarkeit auch bei Vorliegen mehrerer unabhängiger Variablen mit jeweils mehreren nominalen Ausprägungen gegeben. Aufgrund der in der vorliegenden Studie zu untersuchenden Anzahl von insgesamt sechs experimentellen Vergleichsgruppen wird die Varianzanalyse als geeignete statistische Datenauswertungsmethodik ausgewählt. Hinsichtlich der Versuchsanordnungen, welche der Varianzanalyse zugrunde liegen, kann zum einen zwischen der einfaktoriellen und der mehrfaktoriellen Varianzanalyse unterschieden werden. Die einfaktorielle Varianzanalyse700 untersucht die Wirkung einer unabhängigen Variable auf eine abhängige Variable. Es erfolgt somit lediglich die Berücksichtigung eines Faktors, welcher über mehrere Faktorstufen hinweg variiert wird.701 Im Vergleich dazu berücksichtigt die mehrfaktorielle Varianzanalyse702 mehrere Faktoren, die simultan über ihre jeweiligen nominalen Ausprägungen hinweg variiert werden können.703 Zur Erklärung der Kriteriumsvariablen werden somit zwei oder mehrere Faktoren einbezogen.704 Zum anderen ist nach der Anzahl der zu untersuchenden abhängigen Variablen zu unterscheiden. Erfolgt die Untersuchung von lediglich einer abhängigen Variablen, so kommt die sog. univariate Varianzanalyse (ANOVA705) zum Einsatz. Je nach Anzahl der Einflussvariablen kann wiederum die einfaktorielle univariate Varianzanalyse von der mehrfaktoriellen univariaten Varianzanalyse unterschieden werden. Als multivariate Varianzanalyse (engl.: multivariate analysis of variance, abgekürzt MANOVA) wird ein varianzanalytisches Verfahren bezeichnet, welches die simultane Untersuchung mehrerer abhängiger Variablen ermöglicht. Auch bei der MANOVA wird in 699
Vgl. KÄHLER, W.-M. (2002), S. 395.
700
Synonym auch „Ein-Weg-Varianzanalyse“, vgl. JANSSEN, J./LAATZ, W. (2010), S. 347.
701
Vgl. JANSSEN, J./LAATZ, W. (2010), S. 347.
702
Synonym auch „Mehr-Weg-Varianzanalyse“ oder „multifaktorielle Varianzanalyse“, vgl. JANSSEN, J./LAATZ, W. (2010), S. 347.
703
Da in der vorliegenden Studie auf eine mehrfaktorielle Varianzanalyse als Auswertungsmethodik zurückgegriffen wird, wird auf diese in Abschnitt 4.3.5.4 detailliert eingegangen.
704
Vgl. JANSSEN, J./LAATZ, W. (2010), S. 367.
705
Wenngleich der Terminus ANOVA allgemeinhin als Synonym für die Methodik der Varianzanalyse im Allgemeinen gebräuchlich ist, so wird mit ANOVA im Folgenden lediglich die univariate Varianzanalyse i. e. S. bezeichnet. Somit lässt sich der Terminus von der multivariaten Varianzanalyse (MANOVA) klar abgrenzen.
Ausgestaltung und Inhalte der empirischen Untersuchung
173
Anbetracht der Anzahl unabhängiger Variablen zwischen einfaktorieller und mehrfaktorieller MANOVA unterschieden.706 Die Ergebnisse der Varianzanalyse zeigen an, ob mindestens eine Mittelwertdifferenz zwischen den Vergleichsgruppen signifikant ausfällt. Gleichermaßen wird ermittelt, welchen Anteil der Gesamtvarianz eine oder mehrere unabhängige Variablen zu erklären vermögen. Dabei stützt sich die Methodik der Varianzanalyse auf den F-Test als Signifikanztest.707 An dieser Stelle ist anzumerken, dass die Varianzanalyse zwar ermittelt, ob eine signifikante Mittelwertdifferenz besteht, jedoch nicht anzeigt, zwischen welchen Mittelwerten respektive Vergleichsgruppen ein signifikanter Unterschied festgestellt werden kann.708 Zum detaillierten Vergleich der Gruppendifferenzen sind daher ergänzend sog. Post-Hoc-Mehrfachvergleiche bzw. a-priori-Kontraste durchzuführen. 4.3.5.2 Prämissen für die Anwendung der Varianzanalyse Die Anwendung der Varianzanalyse unterliegt mehreren Prämissen, deren Beachtung eine statistisch saubere Datenauswertung nachhaltig determiniert. Eine grundlegende Anwendungsvoraussetzung der Varianzanalyse liegt in dem (den) Skalenniveau(s) der abhängigen Variable(n). So muss das Messniveau der abhängigen Variable(n) (auch: Kriteriumsvariable, abhängiges Merkmal) mindestens auf Intervallskalenniveau oder höher liegen, da andernfalls keine sinnvolle Berechnung eines arithmetischen Mittelwertes möglich ist.709
706
Zwecks Vollständigkeit werden im Folgenden noch weitere varianzanalytische Verfahren genannt. Auf diese wird jedoch an dieser Stelle inhaltlich nicht näher eingegangen, da diese im Rahmen der vorliegenden Studie keine Anwendung erfahren. Für die Analyse kovarianzanalytischer Zusammenhänge ist zum einen die univariate Kovarianzanalyse (engl.: analysis of covariance, abgekürzt ANCOVA), zum anderen die multivariate Kovarianzanalyse (engl.: multivariate analysis of covariance, abgekürzt MANCOVA) anzuführen. Daneben existiert als spezielles Verfahren die Varianzanalyse mit Messwiederholungen (engl.: repeated-measures ANOVA), die für den Fall nicht unabhängiger Versuchsgruppen zur Anwendung kommt. Zuletzt ist noch ein gemischtes varianzanalytisches Verfahren zu nennen (engl.: mixed-design ANOVA), welches bei kombinierten Designs mit teilweise unabhängigen und teilweise abhängigen Messungen eingesetzt wird. Eine ausführliche Darstellung aller genannten Verfahren findet sich bei FIELD, A. (2009).
707
Vgl. JANSSEN, J./LAATZ, W. (2010), S. 347.
708
Vgl. JANSSEN, J./LAATZ, W. (2010), S. 347.
709
Vgl. BROSIUS, F. (2008), S. 486; JANSSEN, J./LAATZ, W. (2010), S. 347; KÄHLER, W.-M. (2002), S. 397; BACKHAUS, K. et al. (2008), S. 152.
174
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
Ferner muss mindestens eine unabhängige Variable vorliegen, welche eine Aufteilung in Vergleichsgruppen ermöglicht. In der Terminologie der Varianzanalyse wird die unabhängige Variable typischerweise als Faktor (pl.: Faktoren) bezeichnet.710 Dementsprechend wird das varianzanalytische Verfahren bei Vorliegen von nur einer unabhängigen Variablen als einfaktorielle Varianzanalyse bezeichnet. Dienen mehrere unabhängige Variablen zur Aufteilung der Versuchsgruppen, kommt die mehrfaktorielle Varianzanalyse zum Einsatz. Diese ermöglicht eine Untersuchung von komplexeren Zusammenhängen und bietet die Möglichkeit der Untersuchung des kombinierten Einflusses mehrerer unabhängiger Variablen auf eine oder mehrere abhängige Variablen.711 Hinsichtlich des Messniveaus der unabhängigen Variable(n) ist Nominalskalenniveau ausreichend.712 Im Falle einer unabhängigen Variable und entsprechend der n verschiedenen Merkmalsausprägungen (Faktorstufen) dieser unabhängigen Variable erfolgt die Einteilung der ausgewählten Stichprobenelemente (Probanden) in eine Anzahl von n Gruppen.713 Liegen hingegen mehrere unabhängige Variablen vor, so erfolgt die Aufteilung der Versuchsgruppen entsprechend der Kombination der nominal messbaren Merkmalsausprägungen der unabhängigen Variablen. So erfolgt bei zwei interessierenden unabhängigen Variablen beispielsweise eine Unterteilung in insgesamt sechs Versuchsgruppen für den Fall, dass eine unabhängige Variable zwei Merkmalsausprägungen aufweist und eine zweite unabhängige Variable drei Merkmalsausprägungen vorweist (sog. 2u3-Experimentaldesign). Diese exemplarische Aufteilung der Versuchsgruppen trifft für den gegebenen Fall des hier zu untersuchenden Experimentalaufbaus zu. Zusammenfassend kann somit in Bezug auf das Messniveau der in die Varianzanalyse Eingang findenden Variablen konstatiert werden, dass mit der Varianzanalyse als multivariatem Verfahren die Untersuchung des Einflusses einer oder mehrerer nominal 710
Vgl. ECKEY, H.-F./TÜRCK, M./WERNER, A. (2009), S. 573; RASCH, B. et al. (2006), S. 29.
711
Vgl. ECKEY, H.-F./TÜRCK, M./WERNER, A. (2009), S. 573.
712
Vgl. JANSSEN, J./LAATZ, W. (2010), S. 347; KÄHLER, W.-M. (2002), S. 397; BACKHAUS, K. et al. (2008), S. 152. Gleichermaßen können auch metrische unabhängige Variablen in der Varianzanalyse Anwendung finden. Allerdings müssen im Falle kontinuierlicher Variablen zunächst adäquate Klassen zur Aufteilung der Vergleichsgruppen gebildet werden, sodass die Variablen schließlich wie kategoriale Variablen behandelt werden. Vgl. JANSSEN, J./LAATZ, W. (2010), S. 347.
713
Vgl. sinngemäß ECKEY, H.-F./TÜRCK, M./WERNER, A. (2009), S. 574.
Ausgestaltung und Inhalte der empirischen Untersuchung
175
skalierter unabhängiger Variablen auf eine oder mehrere metrisch skalierte abhängige Variablen vorgenommen werden kann.714 Weitere wesentliche Voraussetzung ist die Normalverteilung der abhängigen Variablen in der Grundgesamtheit für alle Faktorstufen der unabhängigen Variable.715 Das heißt, die Zufallsstichprobe muss aus einer normalverteilten Grundgesamtheit gezogen worden sein.716 Während für die univariate Varianzanalyse (ANOVA) das Vorliegen univariater Normalverteilung der abhängigen Variable innerhalb der einzelnen Vergleichsgruppen vorauszusetzen ist, so muss für die Anwendung einer multivariaten Varianzanalyse (MANOVA) die Prämisse der multivariaten Normalverteilung als erfüllt gelten. Darunter ist zu verstehen, dass die abhängigen Variablen kollektiv eine Normalverteilung innerhalb der einzelnen Gruppen aufweisen müssen.717 Die Prämisse der Normalverteilung ist eine klassische Voraussetzung für die Anwendung parametrischer Tests. Da der F-Test, welcher der Varianzanalyse zugrunde liegt, zu den parametrischen Testverfahren zählt, muss die Normalverteilungsannahme hier als erfüllt gelten. Das Vorliegen einer Normalverteilung kann einerseits anhand verschiedener Signifikanztests ermittelt werden. Zu diesem Zweck wird für intervallskalierte Daten typischerweise der Kolmogorov-Smirnov-Test herangezogen. Da dieser Test jedoch vergleichsweise streng ist, empfiehlt es sich, zusätzlich Normalverteilungsplots einzusetzen. Normalverteilungsplots sind Streudiagramme, in welchen die beobachteten Werte gegen die bei Normalverteilung zu erwartenden Werte abgetragen werden. Ergibt die gemeinsame Darstellung von beobachteten und erwarteten Werten in etwa eine Gerade, so lässt sich auf Normalverteilung der Variable schließen.718 Das Vorliegen von Varianzhomogenität stellt eine weitere Anwendungsprämisse der Varianzanalyse dar.719 Dies bedeutet, dass das Quadrat der Streuung der abhängigen Variable über alle Faktorstufen der unabhängigen Variable hinweg homogen, also gleich groß ist. Die Überprüfung der Prämisse der Varianzgleichheit erfolgt beispiels-
714
Vgl. ECKEY, H.-F./TÜRCK, M./WERNER, A. (2009), S. 573.
715
Vgl. RASCH, B. et al. (2006), S. 92; BROSIUS, F. (2008), S. 486; JANSSEN, J./LAATZ, W. (2010), S. 347.
716
Vgl. BROSIUS, F. (2008), S. 486.
717
Vgl. FIELD, A. (2009), S. 603.
718
Vgl. BROSIUS, F. (2008), S. 486.
719
Vgl. JANSSEN, J./LAATZ, W. (2010), S. 347.
176
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
weise anhand des Levene-Tests. Dieser testet die Nullhypothese, ob die Varianzen der Variablen in allen Vergleichsgruppen gleich groß sind, auf Signifikanz.720 Während bei der univariaten Varianzanalyse (ANOVA) die Gleichheit der Fehlervarianzen in den Gruppen für die eine zu untersuchende abhängige Variable geprüft werden muss, so muss für die Anwendung der MANOVA zusätzlich die Prämisse erfüllt sein, dass die Korrelationen zwischen jeweils zwei der abhängigen Variablen identisch sind.721 Diese Prämisse kann untersucht werden, indem die Homogenität der VarianzKovarianz-Matrizen für die einzelnen Versuchsgruppen einem Test unterzogen wird. Da der oben genannte Levene-Test keine Kovarianzen berücksichtigt, ist für den Vergleich der Varianz-Kovarianz-Matrizen der Box-Test auszuführen.722 In Bezug auf die Zusammensetzung der Vergleichsgruppen ist die Prämisse zu erfüllen, dass es sich hierbei um unabhängige Zufallsstichproben handeln muss.723 4.3.5.3 Theoretische Grundlagen der Varianzzerlegung und des varianzanalytischen F-Tests Die Methodik der Varianzanalyse beruht auf einer rechnerischen Zerlegung der gesamten beobachteten Varianz der abhängigen Variable in eine Varianz innerhalb der Gruppen (engl.: variance within groups) und eine Varianz zwischen den Gruppen (engl.: variance between groups).724 Der Anteil der Gesamtvarianz, welcher auf die Varianz zwischen den Gruppen entfällt, entspricht der durch das Modell erklärten Varianz. Diese lässt sich auf die Variation der unabhängigen Variable entsprechend ihrer verschiedenen Faktorstufen zurückführen. Dagegen entspricht jener zweite Teil der Gesamtvarianz, welcher die Varianz innerhalb der Gruppen beschreibt, der nicht durch
720
Vgl. BROSIUS, F. (2008), S. 486.
721
Vgl. FIELD, A. (2009), S. 603.
722
Vgl. FIELD, A. (2009), S. 604.
723
Vgl. JANSSEN, J./LAATZ, W. (2010), S. 347. Handelt es sich nicht um unabhängige sondern um abhängige Stichproben, muss eine Anwendung der Varianzanalyse für abhängige Stichproben, d. h. unter Einbezug von Messwiederholungen (engl.: repeated measurement bzw. repeated-measures ANOVA) erfolgen. Dabei handelt es sich ebenso um einen parametrischen Signifikanztest, der eine Verallgemeinerung des t-Tests für abhängige Stichproben darstellt. Vgl. KÄHLER, W.-M. (2002), S. 413. Da in der vorliegenden experimentellen Studie stets unabhängige Versuchsgruppen untersucht werden, wird an dieser Stelle nicht im Detail auf die Varianzanalyse mit Messwiederholungen eingegangen. Vgl. hierzu weiterführend die umfangreichen Ausführungen bei FIELD, A. (2009); KÄHLER, W.-M. (2002).
724
Vgl. SCHNELL, R./HILL, P. B./ESSER, E. (2008), S. 457.
Ausgestaltung und Inhalte der empirischen Untersuchung
177
das Modell erklärten Varianz, welche somit auf zufällige äußere Einflüsse zurückzuführen ist.725 Je nach Anzahl der in das Modell integrierten Faktoren lässt sich die erklärte Streuung weiter zerlegen in die durch die Haupteffekte der Faktoren erklärte Streuung und jenen Anteil der Streuung, der durch einen (bzw. mehrere) Interaktionseffekt(e) zwischen den Faktoren erklärt werden kann. Das Prinzip der Varianzzerlegung, d. h. der Aufteilung der Gesamtstreuung, wird in Abb. 4.8 am Beispiel eines zweifaktoriellen Designs visualisiert.
SSt
SSb
Haupteffekte
SSA
SSw
Interaktionen
SSA u B
SSB Mit: SSt:SummederquadriertenGesamtabweichungen (Gesamtstreuung) SSb:SummederquadriertenAbweichungenzwischendenGruppen(erklärteStreuung) SSw:SummederquadriertenAbweichungeninnerhalbderGruppen(nichterklärteStreuung) SSA:StreuungdurchFaktorA SSB:StreuungdurchFaktorB SSAu B:StreuungdurchWechselwirkungvonAundB
Abb. 4.8: Prinzip der Varianzzerlegung im zweifaktoriellen Design (Quelle: Modifizierte Darstellung in Anlehnung an BACKHAUS, K. et al. (2008), S. 163, 169)
Durch die Bildung eines Quotienten zwischen der between-Varianz und der withinVarianz wird der F-Wert als Prüfgröße ermittelt, welcher als Grundlage für einen sich anschließenden Signifikanztest herangezogen wird.726 Als Maßstab für die Beurteilung des empirisch ermittelten F-Werts wird dabei die theoretische F-Verteilung herange725
Vgl. hierzu ausführlich BACKHAUS, K. et al. (2008), S. 155f. Die Autoren liefern in diesem Zusammenhang auch mathematische Darstellungen für die Erklärung der Gesamtvarianz und deren Zerlegung in einzelne Bestandteile. Darauf soll an dieser Stelle verzichtet werden, vgl. daher weiterführend BACKHAUS, K. et al. (2008), S. 155ff.
726
Vgl. SCHNELL, R./HILL, P. B./ESSER, E. (2008), S. 457.
178
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
zogen.727 Es wird die allgemeine Nullhypothese geprüft, dass bezüglich der abhängigen Variable keine Mittelwertdifferenzen zwischen den Vergleichsgruppen in der Wirkung durch die Faktorstufen der unabhängigen Variablen existieren.728 4.3.5.4 Mehrfaktorielle univariate Varianzanalyse Kennzeichnend für die mehrfaktorielle univariate Varianzanalyse ist, dass die Erklärung einer Kriteriumsvariable (abhängigen Variable) durch Einbezug von zwei oder mehreren unabhängigen Variablen erfolgt.729 Zu diesem Zweck kann zunächst der isolierte Effekt jeder einzelnen unabhängigen Variable auf die abhängige Variable gemessen werden. Diese Beiträge der jeweiligen Hauptvariablen zur Erklärung der Gesamtvariation der abhängigen Variablen werden als Haupteffekte bezeichnet.730 Daneben untersucht die mehrfaktorielle Varianzanalyse gleichermaßen die Wirkung spezifischer Kombinationen der unabhängigen Variablen. Diese Art von Effekten, welche auf Kombinationen unterschiedlicher Faktorstufen der unabhängigen Variablen beruhen, nennt man Interaktionseffekte.731 Die Anzahl der möglichen Interaktionen hängt von der Anzahl der in die Untersuchung eingehenden Faktoren ab. So existiert im Falle des Einbezugs von zwei Faktoren neben den beiden Haupteffekten ein Interaktionseffekt aus der Kombination dieser beiden Faktoren. Bei drei in die Varianzanalyse eingehenden Faktoren gibt es hingegen zusätzlich zu den drei Haupteffekten eine Zahl von drei möglichen Interaktionen, die aus den jeweiligen Kombinationsmöglichkeiten der Faktoren untereinander resultieren. 4.3.5.5 Mehrfaktorielle multivariate Varianzanalyse Im Gegensatz zur univariaten Varianzanalyse, bei der die Wirkung auf lediglich eine abhängige Variable untersucht wird, steht der Begriff der multivariaten Varianzanalyse
727
Die Signifikanzprüfung erfolgt dann durch den Vergleich des empirisch ermittelten F-Werts mit dem theoretischen F-Wert, der sich aus der Verteilungstabelle der F-Werte ergibt. In dieser Tabelle der theoretischen F-Werte werden Prüfwerte für jeweils zugrundegelegte Irrtumswahrscheinlichkeiten angezeigt. Die Nullhypothese kann auf Basis eines Vergleichs von empirischem und theoretischem F-Wert für den Fall verworfen werden, dass der empirische F-Wert den theoretischen FWert übersteigt. Vgl. BACKHAUS, K. et al. (2008), S. 159f.
728
Vgl. zur Formulierung der Nullhypothese sinngemäß BACKHAUS, K. et al. (2008), S. 159.
729
Vgl. JANSSEN, J./LAATZ, W. (2010), S. 367.
730
Vgl. JANSSEN, J./LAATZ, W. (2010), S. 367.
731
Vgl. JANSSEN, J./LAATZ, W. (2010), S. 367.
Ausgestaltung und Inhalte der empirischen Untersuchung
179
(engl.: multivariate analysis of variance, abgekürzt MANOVA) für die simultane Erklärung der Varianz von zwei oder mehreren abhängigen Variablen. Synonym zum Begriff der multivariaten Varianzanalyse findet sich häufig auch der Begriff der mehrdimensionalen Varianzanalyse.732 Der Begriff „mehrfaktoriell“ wurde bereits im vorherigen Abschnitt für den Einbezug von zwei oder mehreren unabhängigen Variablen definiert. Bei der mehrfaktoriellen multivariaten Varianzanalyse geht es demnach darum, die Wirkung von mehreren unabhängigen Variablen auf mehrere abhängige Variablen zu untersuchen. In das Modell gehen somit gleichzeitig sowohl mehrere Faktoren als auch mehrere Kriteriumsvariablen ein, sodass ein multidimensionales Modell entsteht. 4.3.5.6 Profil-Diagramme zur graphischen Darstellung und Analyse von Haupt- und Interaktionseffekten Mittels Profil-Diagrammen (engl.: profile plots) werden die gruppenspezifischen Mittelwertdifferenzen graphisch dargestellt, indem für jede Gruppe Profile mit den gruppenbezogenen Mittelwerten eingetragen werden.733 Insbesondere für die Analyse und Interpretation von möglichen Interaktionseffekten der unabhängigen Variablen wird diese Darstellungsform als besonders nützlich erachtet.734 Als zweidimensionale Diagramme beschreiben Profil-Diagramme in ihrer ursprünglichen Version graphisch den Einfluss zweier unabhängiger Variablen auf eine abhängige Variable. Demnach sind diese im Falle der Durchführung einer zweifaktoriellen univariaten Varianzanalyse als Visualisierungsinstrument einsetzbar. Die jeweilige Ausprägung des Mittelwerts der abhängigen Variable wird dabei stets auf der Ordinate abgetragen. Die Ausprägung einer der nominalen kategorialen unabhängigen Variablen wird auf der Abszisse dargestellt, während die kategoriale Ausprägung der zweiten unabhängigen Variable mittels durch Linien verbundenen Punkten innerhalb des Profildiagramms kenntlich gemacht ist.735 In anderen Worten werden also die Werte der abhängigen Variable auf der Ordinate gegen alle Stufen eines der beiden Faktoren auf der Abszisse abgetragen, während die Mittelwerte jeder Stufe des anderen Faktors
732
Vgl. bspw. BACKHAUS, K. et al. (2008), S. 153.
733
Vgl. KÄHLER, W.-M. (2002), S. 172.
734
Vgl. FIELD, A. (2009), S. 432; JANSSEN, J./LAATZ, W. (2010), S. 371.
735
Vgl. JANSSEN, J./LAATZ, W. (2010), S. 371.
180
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
durch einen Linienzug verbunden werden.736 In der Regel erfolgt in PASW die simultane Ausgabe von jeweils zwei Profilplots, sodass die beiden unabhängigen Variablen in jeweils einer Darstellung auf der Abszisse abgetragen und in der jeweils anderen Graphik als Linienverläufe innerhalb des Diagramms enthalten sind. Die gleichzeitige Analyse dieser beiden Profil-Diagramme ermöglicht eine fundiertere Interpretation von Haupt- und möglichen Interaktionseffekten. In der graphischen Darstellungsform der Profil-Diagramme lässt sich ein Interaktionseffekt stets anhand eines Vergleichs der Linienverläufe der einzelnen Profile erkennen. So lassen Profile eines Profil-Diagramms, die nicht gleichförmig verlaufen, auf einen Interaktionseffekt, d. h. eine Wechselwirkung, schließen. Der Interaktionseffekt beschreibt dabei die Wirkung auf die abhängige Variable, die nicht durch die Haupteffekte der Faktoren zu erklären ist.737 Die Wechselwirkung bzw. Interaktion ergibt sich durch die Kombinationen der einzelnen Stufen der beiden Faktoren und spiegelt somit die gemeinsame Wirkung, also das Zusammenwirken der kombinierten Faktorstufen wider.738 Damit stellt die Wechselwirkung einen eigenständigen, über die Haupteffekte hinausgehenden zusätzlichen Effekt dar, der sich aus der Kombination von Faktorstufen ergibt.739 Aus rechnerischer Perspektive wird untersucht, ob sich die Wirkung des einen Faktors über die Faktorstufen des anderen hinweg unterscheidet et vice versa. Es erfolgt somit ein Vergleich der realisierten Zellmittelwerte mit den Mittelwerten, die aufgrund der Haupteffekte zu erwarten wären.740 In der zweifaktoriellen Varianzanalyse erfolgt ein getrennter Ausweis von den beiden Haupteffekten und dem Interaktionseffekt, da diese als voneinander unabhängig gelten.741 Interaktionseffekte lassen sich danach unterscheiden, ob deren korrespondierende graphische Profile einen gleichartigen Verlauf aufweisen oder nicht. Das Kriterium der Gleichartigkeit beschreibt, dass die einzelnen Profillinien sämtlich aufsteigend oder
736
Vgl. BORTZ, J./DÖRING, N. (2006), S. 533; JANSSEN, J./LAATZ, W. (2010), S. 371, 374.
737
Vgl. RASCH, B. et al. (2006), S. 60.
738
Vgl. CHRISTENSEN, L. B. (2007), S. 313.
739
Vgl. RASCH, B. et al. (2006), S. 83.
740
Vgl. RASCH, B. et al. (2006), S. 60.
741
Vgl. RASCH, B. et al. (2006), S. 60.
Ausgestaltung und Inhalte der empirischen Untersuchung
181
sämtlich absteigend verlaufen.742 Vor diesem Hintergrund der Gleichartigkeit der Profil-Verläufe können drei Arten von Interaktionseffekten unterschieden werden:743 Ordinale Interaktion: Diese Art von Interaktion liegt vor, wenn die Profile innerhalb der beiden Profildiagramme gleichartig, also sämtlich aufsteigend oder sämtlich absteigend, verlaufen. Die Steigung der Profile weist somit das gleiche Vorzeichen auf und die Profile kreuzen sich nicht. Folglich ist die ordinale Interaktion dadurch gekennzeichnet, dass der Interaktionseffekt kleiner ist als jeder der Haupteffekte. Disordinale Interaktion: Eine disordinale Interaktion spiegelt hingegen einen nicht gleichartigen Verlauf der Profile in den beiden Profildiagrammen wider. Bei dieser Art der Interaktion ist die Wechselwirkung der Faktoren größer als beide Haupteffekte. In der graphischen Darstellung weisen die Profillinien gegensätzliche Vorzeichen auf und kreuzen sich bei beiden Anordnungsformen der Faktoren. Hybride bzw. semi-disordinale Interaktion: Liegt in einem Profil-Diagramm kein gleichartiger Verlauf der Profile vor, während in dem anderen Profil-Diagramm ein gleichartiger Verlauf erkennbar ist, so lässt dies auf eine hybride Interaktion schließen. Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass der Interaktionseffekt der beiden Faktoren kleiner ist als der Haupteffekt des einen Faktors, jedoch größer als der zweite Haupteffekt. Die Steigungen der Profillinien weisen für einen Faktor unterschiedliche Vorzeichen auf, während sie für den anderen Faktor identische Vorzeichen aufweisen. In einer der beiden Darstellungsformen (Anordnungen der Faktoren) kreuzen sich die Profillinien. Verlaufen dagegen die Profile in den Profil-Diagrammen gleichförmig und parallel, so liegt kein Interaktionseffekt vor.744 Die Gruppierungs-Merkmale (unabhängige Variablen) üben somit jeweils einen Haupteffekt745 auf die abhängige Variable aus. Man
742
Vgl. KÄHLER, W.-M. (2002), S. 173.
743
Vgl. zu den verschiedenen Arten von Interaktionseffekten im Folgenden KÄHLER, W.-M. (2002), S. 173; RASCH, B. et al. (2006), S. 86ff.
744
Vgl. RASCH, B. et al. (2006), S. 84; JANSSEN, J./LAATZ, W. (2010), S. 372.
745
Der sog. Haupteffekt eines Faktors kennzeichnet dessen systematischen Einfluss auf die abhängige Variable ungeachtet des (möglichen) Einflusses der weiteren Faktoren. Es handelt sich somit um den separierten Einfluss eines Faktors auf die Kriteriumsvariable. Dabei beschreibt der Haupteffekt die Mittelwertdifferenzen zwischen einzelnen Faktorstufen des betrachteten Faktors, gemittelt über die Stufen des anderen Faktors. Vgl. RASCH, B. et al. (2006), S. 59.
182
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
spricht in diesem Fall auch von einer additiven Wirkung der Haupteffekte der unabhängigen Variablen auf das abhängige Merkmal, welche nicht durch Interaktionseinflüsse überlagert wird.746 Weiterhin kann der Fall existieren, dass nur eine der unabhängigen Variablen einen Haupteffekt auf die abhängige Variable ausübt. In diesem Fall müssten die beiden Profile der unabhängigen Variablen parallel und waagrecht verlaufen, da Mittelwertunterschiede einzig durch eines der beiden GruppierungsMerkmale bedingt sind.747 Zuletzt ist noch der Fall zu erwähnen, dass keinerlei Effekt der beiden unabhängigen Variablen auf die abhängige Variable existiert. Dies ist dann der Fall, wenn keine Mittelwertdifferenz bei der abhängigen Variablen zu beobachten ist. In der graphischen Darstellung spiegelt sich dies in der absolut identischen und waagrechten Form der Profile wider. Diese wären somit absolut deckungsgleich (überlappend).748 Alle sich von einem parallelen oder deckungsgleichen Verlauf der Profillinien durch eine Entfernung, Näherung oder Überschneidung ergebenden Abweichungen deuten dagegen in jedem Fall immer auf einen Interaktionseffekt hin.749 Es bedarf jedoch zwingend einer varianzanalytischen Überprüfung zur Beantwortung der Frage, ob ein graphisch angezeigter Interaktionseffekt auch tatsächlich signifikant ist.
4.4 Darstellung und Analyse der Ergebnisse Nach der hinführenden Darstellung der auswertungsmethodischen Grundlagen widmet sich der vorliegende Abschnitt der Darstellung und Analyse der Ergebnisse der empirisch-experimentellen Studie. Zu diesem Zweck erfolgt in Abschnitt 4.4.1 zunächst die Beschreibung der Stichprobe, welche für die Durchführung der Studie herangezogen wurde. Es folgt die Aufbereitung und Darstellung zentraler demographischer Merkmale und anderer relevanter Charakteristika der Versuchsteilnehmer. Die Auswertung und Interpretation der Manipulation Checks, welche kennzeichnend für das Gelingen bzw. Nicht-Gelingen von Experimenten sind, wird in Abschnitt 4.4.2 vorgenommen.
746
Vgl. KÄHLER, W.-M. (2002), S. 175.
747
Vgl. KÄHLER, W.-M. (2002), S. 176.
748
Vgl. KÄHLER, W.-M. (2002), S. 176.
749
Vgl. BORTZ, J./DÖRING, N. (2006), S. 533; JANSSEN, J./LAATZ, W. (2010), S. 372; FIELD, A. (2009), S. 439.
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
183
In Abschnitt 4.4.3 erfolgt die Überprüfung der Anwendungsprämissen für die gewählte Auswertungsmethodik der Varianzanalyse. Den Kern der Studienauswertung bildet Abschnitt 4.4.4, in welchem mittels Methoden der univariaten und multivariaten Varianzanalyse die Prüfung der zuvor postulierten Hypothesen erfolgt. Daran schließt sich in Abschnitt 4.4.5 die Darstellung und Interpretation der über das eigentliche Experiment hinausgehenden sog. „post-experimental questions“ an, welche zum Ziel haben, zusätzlich zum experimentell untersuchten Verhalten der Versuchsteilnehmer deren Einstellungen im Hinblick auf die Relevanz der zur Verfügung gestellten Rechnungslegungsinformationen abzufragen. Somit kann abschließend ein direkter Vergleich zwischen diesen bekundeten Relevanzurteilen und dem tatsächlichen Verhalten im Experiment gezogen werden. Der Abschnitt schließt mit einer Zusammenfassung und kritischen Würdigung der Ergebnisse (Abschnitt 4.5). 4.4.1 Stichprobe und personenbezogene Merkmale der Versuchspersonen Die Stichprobe umfasst insgesamt eine Anzahl von 342 Teilnehmern, welche gleichmäßig auf die experimentellen Bedingungen aufgeteilt wurden. Wie bereits im Rahmen der Ausführungen zur Rekrutierung der Versuchsteilnehmer dargelegt, setzt sich die Stichprobe aus Studierenden zusammen, welche bereits Kurse in den Bereichen Rechnungswesen und Finanzen absolviert hatten. Dabei handelt es sich um Studierende, die sich im fortgeschrittenen Bachelorstudium bzw. im Hauptstudium von Diplomstudiengängen befinden und einen entsprechenden fachspezifischen Schwerpunkt gewählt hatten. 4.4.1.1 Demographische Merkmale der Versuchspersonen Exakt die Hälfte (171 Teilnehmer) der 342 Versuchspersonen (Vpn) ist weiblichen Geschlechts, die andere Hälfte männlich (siehe Abb. 4.9). In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass sich diese geschlechtsmäßig gleichmäßige Aufteilung zufällig ergeben hat und nicht im Zuge der Rekrutierung der Probanden vom Versuchsleiter beabsichtigt vorgenommen wurde.
184
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
Abb. 4.9: Absolute Verteilung der Vpn nach Geschlecht (N = 342) (Quelle: Eigene Darstellung)
Der Auswertung des Alters der Versuchspersonen liegt die vollumfängliche Stichprobe von N = 342 zugrunde. Im arithmetischen Durchschnitt weist die Stichprobe ein Alter von 23,40 Jahren auf, wobei der Modus mit 23 Jahren angegeben werden kann (siehe Tab. 4.1).
Alter Gültig
342
N Fehlend Mittelwert Modus
0 23,40 23
Tab. 4.1: Deskriptive Statistiken zum Alter der Vpn (Quelle: Eigene Darstellung)
Die Altersspanne der Versuchsteilnehmer reicht von einem Minimum von 20 Jahren bis zu einem Maximum von 31 Jahren. Die Verteilung gestaltet sich dabei derart, dass etwa drei Viertel (75,1 %) der Versuchsteilnehmer ein Alter von 24 Jahren oder jünger aufweisen. Die absolute und prozentuale Verteilung des Alters der Probanden wird in Tab. 4.2 dargestellt. Eine Visualisierung der Altersverteilung beinhaltet Abb. 4.10.
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
185
Absolute
Prozentuale
Kumulierte
Häuf igkeit
Häuf igkeit
Prozente
20
11
3,2
3,2
21
46
13,5
16,7
22
64
18,7
35,4
23
76
22,2
57,6
24
60
17,5
75,1
25
39
11,4
86,5
26
23
6,7
93,3
27
10
2,9
96,2
28
4
1,2
97,4
29
6
1,8
99,1
30
2
0,6
99,7
31
1
0,3
100,0
Gesamt
342
100,0
Alter
Tab. 4.2: Absolute und prozentuale Verteilung der Vpn nach Alter (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 4.10: Prozentuale Verteilung der Vpn nach Alter (Quelle: Eigene Darstellung)
4.4.1.2 Studienbezogene Merkmale der Versuchspersonen Die Auswertung der Versuchsteilnehmer nach Studiengängen erfolgte auf Basis von insgesamt 341 gültigen Werten und einer fehlenden Angabe. Der ermittelte Modus
186
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
zeigt an, dass die Mehrzahl der Versuchsteilnehmer im Bachelor-Studiengang Wirtschaftswissenschaften (Wiwi) mit Schwerpunkt Betriebswirtschaftslehre (BWL) immatrikuliert ist (siehe Tab. 4.3: Deskriptive Statistiken zu).
Studiengang Gültig
341
N Fehlend Modus
1 Bachelor Wiwi (BWL)
Tab. 4.3: Deskriptive Statistiken zum Studiengang der Vpn (Quelle: Eigene Darstellung)
Die absolute und prozentuale Verteilung der Versuchsteilnehmer nach Studiengängen kann Tab. 4.4 entnommen werden. 134 Teilnehmer (39,3 %) sind im BachelorStudiengang Wirtschaftswissenschaften mit Schwerpunkt Betriebswirtschaftslehre immatrikuliert. Diese bilden somit die größte Teilgruppe. 92 Probanden (27,0 %) studieren im Diplomstudiengang Betriebswirtschaftslehre (BWL) bzw. Internationale Betriebswirtschaftslehre (IBWL) und 49 Versuchsteilnehmer (14,4 %) im Diplomstudiengang Wirtschaftsingenieurwesen (WING). Die verbleibenden Teilnehmer sind in anderen wirtschaftswissenschaftlichen oder verwandten Studiengängen eingeschrieben, wie International Business Studies (IBS), Sozialökonomik (SozÖk) bzw. Sozialwissenschaften (SoWi), Volkswirtschaftslehre (VWL) bzw. Internationale Volkswirtschaftslehre (IVWL), Wirtschaftsinformatik (WiInf), Wirtschaftsmathematik (WiMath) und Wirtschaftspädagogik (WiPäd). Die prozentualen Häufigkeiten für diese Studiengänge liegen jeweils bei unter 5 %. Bei der Auswertung nach angestrebten Studienabschlüssen ergibt sich, dass 158 Probanden (46,3 %) in Studiengängen mit dem Ziel eines Bachelor-Abschlusses immatrikuliert sind, während 183 Versuchsteilnehmer (53,7 %) in Diplomstudiengängen studieren. Die Verteilung der Stichprobe hinsichtlich des angestrebten Studienabschlusses ist somit nahezu gleichmäßig in Bezug auf Bachelor- und Diplomstudierende (siehe Tab. 4.4).
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
187 Absolute
Prozentuale
Gültige
Häuf igkeit
Häuf igkeit
Prozente
Bachelor_SozÖk
1
0,3
0,3
Bachelor_WING
1
0,3
0,3
Bachelor_WiWi (WiInf )
2
0,6
0,6
Diplom_WiInf
3
0,9
0,9
Diplom_VWL/IVWL
5
1,5
1,5
Diplom_SoWi
9
2,6
2,6
Diplom_WiMath
10
2,9
2,9
Bachelor_WiWi (WiPäd)
10
2,9
2,9
Bachelor_IBS
10
2,9
2,9
Diplom_WiPäd
15
4,4
4,4
Diplom_WING
49
14,3
14,4
Diplom_BWL/IBWL
92
26,9
27,0
Bachelor_WiWi (BWL)
134
39,2
39,3
Gesamt
341
99,7
100,0
Studiengang
Gültig
Fehlend Gesamt
System
1
0,3
342
100,0
Tab. 4.4: Absolute und prozentuale Verteilung der Vpn nach Studiengängen (Quelle: Eigene Darstellung)
Die prozentuale Verteilung der Versuchsteilnehmer nach Studiengängen wird in Abb. 4.11 nochmals anhand eines Balkendiagramms visualisiert. Die Anordnung der Studiengänge erfolgt dabei von oben nach unten absteigend nach jeweiliger prozentualer Häufigkeit. Somit lässt sich auch graphisch erkennen, dass die Studierenden des Bachelor-Studiengangs Wirtschaftswissenschaften mit Schwerpunkt Betriebswirtschaftslehre die Mehrzahl der Versuchsteilnehmer bilden.
188
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
Abb. 4.11: Prozentuale Verteilung der Vpn nach Studiengängen (Quelle: Eigene Darstellung)
Zusätzlich zu der Abfrage des Studiengangs der Versuchsteilnehmer wurden die im Rahmen des Studiums gewählten Schwerpunkte erhoben. Das Ziel lag insbesondere darin, mittels Auswertung der Studienschwerpunkte auf die theoretischen Vorkenntnisse der Probanden im Bereich der Bewertung von Unternehmen auf Basis von Rechnungslegungsdaten zu schließen. Daher kommt den Studienschwerpunkten in den Bereichen Rechnungswesen, Controlling, Prüfungswesen, Finanzierung und Steuerlehre im Rahmen der vorliegenden Studie eine besondere Bedeutung zu. Die Angaben der Versuchsteilnehmer zu den belegten Studienschwerpunkten gibt Tab. 4.5 wieder. Zu beachten ist hierbei, dass die Studierenden stets mehrere Studienschwerpunkte gleichzeitig belegen können und demzufolge im Rahmen der Abfrage Mehrfachantworten zulässig waren.
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
189 Absolute
Studienabschluss
Diplom
Häuf igkeit
(Mehrf ach-
(Mehrf ach-
antworten
antworten
möglich)
möglich)
Rechnungswesen und Controlling
143
41,8
Rechnungswesen und Prüf ungswesen
19
5,6
Unternehmensf ührung
55
16,1
Internationales Management
42
12,3
Wirtschaf tsinf ormatik
17
5,0
Banken und Finanzierung
32
9,4
Steuerlehre / -recht
15
4,4
Industriebetriebslehre / Logistik
76
22,2
Studienschwerpunkt
Marketing
Bachelor
8
2,3
Gesundheitsmanagement
19
5,6
International Accounting and Controlling
150
43,9
Consulting
53
15,5
Strategisches und Internationales Management
33
9,6
Innovation und Entrepreneurship
26
7,6
Spezielle Wirtschaf tsinf ormatik
8
2,3
Finanzierung
24
7,0
Taxation
44
12,9
Operations and Logistics
16
4,7
Marketing Management / Dienstleistungsmanagement
31
9,1
IT- und E-Business Management Gesamt
Prozentuale
Häuf igkeit
1
0,3
342
237,6
Tab. 4.5: Absolute und prozentuale Verteilung der Vpn nach Studienschwerpunkten (Quelle: Eigene Darstellung)
Aus Tab. 4.5 wird ersichtlich, dass die Mehrheit der insgesamt 183 in Diplomstudiengängen eingeschriebenen Versuchsteilnehmer mindestens einen Schwerpunkt im Bereich Rechnungswesen und Controlling (143 Teilnehmer), Rechnungswesen und Prüfungswesen (19 Teilnehmer), Banken und Finanzierung (32 Teilnehmer) sowie Steuerlehre bzw. -recht (15 Teilnehmer) oder (aufgrund der Zulässigkeit von Mehrfachantworten) auch eine Kombination dieser Schwerpunkte belegt. 150 der insgesamt 158 in Bachelor-Studiengängen immatrikulierten Studierenden belegen den Studienschwer-
190
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
punkt International Accounting and Controlling. Zudem gaben 24 BachelorStudierende Finanzierung als Schwerpunkt an, während Taxation von 44 Versuchsteilnehmern in der Spezialisierung studiert wird. Für die Auswertung der studierten Fachsemester der Versuchspersonen konnte die vollumfängliche Stichprobe von N = 342 herangezogen werden, da die Gesamtzahl der Probanden hierzu Auskunft gab. In Bezug auf die Anzahl der zum Zeitpunkt der Durchführung des Experiments studierten Fachsemester ergibt sich ein arithmetischer Durchschnitt von 6,16 Fachsemestern. Demzufolge handelt es sich bei allen Versuchsteilnehmern um bereits fortgeschrittene Studierende. Der Modus kann mit dem Wert 4 angegeben werden. Dies bedeutet, dass die Mehrheit der Versuchsteilnehmer zum Zeitpunkt der Durchführung der Studie im vierten Fachsemester studierte. Die deskriptiven Statistiken zu der Anzahl der Fachsemester werden in Tab. 4.6 gezeigt.
Semesterzahl
Gültig
342
N Fehlend Mittelwert Modus
0 6,16 4
Tab. 4.6: Deskriptive Statistiken zur Fachsemesterzahl der Vpn (Quelle: Eigene Darstellung)
In der Gesamtbetrachtung reicht die Anzahl der Fachsemester der Versuchsteilnehmer vom vierten Semester als Minimum bis zum vierzehnten Semester als Maximum. 129 der 342 Versuchsteilnehmer (37,7 %) geben an, im vierten Fachsemester immatrikuliert zu sein. Bei Betrachtung der kumulierten prozentualen Häufigkeitsverteilung zeigt sich, dass etwa zwei Drittel (66,1%) der Probanden im vierten bis siebten Fachsemester studieren. Die Darstellung der absoluten und prozentualen Verteilung nach Fachsemestern erfolgt in Tab. 4.7.
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
Semester
Absolute
191
Prozentuale Kumulierte
Häuf igkeit
Häuf igkeit
Prozente
4
129
37,7
37,7
5
17
5,0
42,7
6
59
17,3
59,9
7
21
6,1
66,1
8
84
24,6
90,6
9
8
2,3
93,0
10
13
3,8
96,8
11
5
1,5
98,2
12
3
0,9
99,1
13
1
0,3
99,4 100,0
14
2
0,6
Gesamt
342
100,0
Tab. 4.7: Absolute und prozentuale Verteilung der Vpn nach Fachsemestern (Quelle: Eigene Darstellung)
Die Verteilung der Probanden nach Fachsemestern wird in Abb. 4.12 zudem graphisch illustriert. Dabei zeigt sich deutlich eine linksschiefe Verteilung der Fachsemester, die darauf zurückzuführen ist, dass etwa zwei Drittel der Versuchsteilnehmer im vierten bis siebten Fachsemester eingeschrieben sind. Die vergleichsweise höheren Ausschläge bei gerader Anzahl an Fachsemestern (viertes, sechstes, achtes und zehntes Fachsemester) ist damit zu begründen, dass der Studienbeginn in den wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen in der Regel jeweils zum Wintersemester erfolgt, die experimentelle Studie hingegen während eines Sommersemesters durchgeführt wurde.
192
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
Abb. 4.12: Prozentuale Verteilung der Vpn nach Fachsemestern (Quelle: Eigene Darstellung)
4.4.1.3 Vertrautheit der Versuchspersonen mit Aktienanlagen Neben demographischen Merkmalen und Angaben zu der Studienrichtung und -dauer wurden desweiteren die Erfahrungen der Versuchspersonen in Bezug auf Aktienanlagen abgefragt. Das Ziel dieser Abfrage bestand darin, Anhaltspunkte dafür zu erhalten, ob und inwieweit die Versuchsteilnehmer mit zielgerichteten Unternehmensanalysen zum Zwecke einer Aktienanlage und allgemein mit Kapitalmärkten vertraut sind. Die Angaben sollen letztlich dazu dienen, Rückschlüsse hinsichtlich der Eignung der Versuchsteilnehmer als Surrogate für private Investoren ziehen zu können.750 Die Abfrage erfolgte durchgängig anhand einer siebenstufigen Likert-Skala mit den Endpunkten „stimme gar nicht zu“ (1) und „stimme voll zu“ (7). Wohlwissend, dass bei einigen Fragen zwar streng genommen nur dichotome Antwortmöglichkeiten (ja/nein) möglich waren, wurde eine derartige Skala dennoch als sinnvoll erachtet, um
750
In diesem Zusammenhang ist jedoch anzumerken, dass Erfahrungen mit Aktienanlagen kein alleiniger Indikator für die Eignung der Versuchsteilnehmer als Surrogate für individuelle Investoren sein können. Vielmehr wird im Rahmen dieser Studie die Gesamtheit der personenbezogenen Charakteristika als Beurteilungskriterium für die Eignung der Stichprobe herangezogen. Daher werden im folgenden Abschnitt zusätzlich noch die Angaben der Probanden im Hinblick auf theoretische und praktische Kenntnisse in den Bereichen Unternehmensbewertung, Kapitalmärkte, Rechnungslegung u. a. analysiert, da diese fachspezifischen Kenntnisse ebenfalls als Indikatoren für die Eignung der Probanden herangezogen werden können. Eine abschließende Beurteilung auf Basis aller abgefragten personenbezogenen Merkmale wird in Abschnitt 4.4.1.5 vorgenommen.
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
193
sich die Möglichkeit des Einbezugs dieser Variablen als Kovariate751 im Rahmen der Varianzanalyse offen zu halten. Abzielend auf die Erfahrungen mit Aktienanlagen wurden in den Fragebögen insgesamt vier unterschiedliche Aussagen integriert, zu denen die Teilnehmer Stellung beziehen sollten. Eine Übersicht der diesbezüglichen deskriptiven Statistiken liefert Tab. 4.8.
„Ich besitze Aktien eines
„Ich plane, in
Vergangenheit
näherer Zukunf t
bereits gezielt in gezielt in Aktien Aktien eines
„Ich habe in
eines
Aktienf onds investiert“
bestimmten
bestimmten
Unternehmens
Unternehmens
investiert“
zu investieren“
342
342
341
0
0
1
0
3,16
2,83
3,25
3,11
Unternehmens“
Gültig
„Ich habe in der
342
N Fehlend Mittelwert Median
1
1
3
1
Modus
1
1
1
1
Tab. 4.8: Deskriptive Statistiken zu den Erfahrungen mit Aktienanlagen (Quelle: Eigene Darstellung)
Demnach ist zu konstatieren, dass die Versuchspersonen in der Gesamtheit tendenziell geringe Erfahrungen mit Aktienanlagen aufweisen. Dies zeigt sich insbesondere anhand des Modus, welcher über alle vier Aussagen hinweg einen Wert von 1 und somit den geringsten Skalenwert aufweist. Bei Betrachtung der arithmetischen Mittelwerte wird jedoch deutlich, dass diese mit Werten zwischen 2,83 und 3,25 eine Tendenz zur Skalenmitte andeuten, sodass der Betrachtung des Modus allein offensichtlich keine abschließende Aussagekraft zukommt.
751
Der Einbezug der abgefragten personenbezogenen Merkmale als Kovariate im Rahmen einer Varianzanalyse ist an das Erfordernis der metrischen Skalierung der Daten geknüpft, die bei Abfrage mittels einer siebenstufigen, lediglich an den Endpunkten beschrifteten Likert-Skala unterstellt werden kann.
194
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
Nach dieser überblicksartigen Darstellung der deskriptiven Ergebnisse wird im Folgenden eine detaillierte Analyse des Antwortverhaltens der Probanden hinsichtlich der einzelnen Aussagen zu den Erfahrungen mit Aktienanlagen vorgenommen. Die ausführliche Darstellung der absoluten und prozentualen Verteilung der Versuchspersonen in Bezug auf Aktienbesitz kann Tab. 4.9 entnommen werden.
„Ich besitze Aktien eines Unternehmens“
Absolute
Prozentuale Kumulierte
Häuf igkeit
Häuf igkeit
Prozente
205
59,9
59,9
2
9
2,6
62,6
3
2
0,6
63,2
4
3
0,9
64,0
5
6
1,8
65,8
6
10
2,9
68,7
7 stimme voll zu
107
31,3
100,0
Gesamt
342
100,0
1 stimme gar nicht zu
Gültig
Tab. 4.9: Absolute und prozentuale Verteilung der Vpn in Bezug auf Aktienbesitz (Quelle: Eigene Darstellung)
Etwas weniger als zwei Drittel (59,9 %) der Teilnehmer geben an, keine Aktien eines Unternehmens zu besitzen.752 Dagegen stimmt ein knappes Drittel der Versuchspersonen (31,3 %) der Aussage voll zu. Die verbleibenden 8,8 % der Befragten stimmen der betreffenden Aussage weder voll zu, noch geben sie jedoch an, überhaupt nicht zuzustimmen. Die prozentuale Verteilung der Versuchspersonen hinsichtlich des Besitzes von Aktien wird in Abb. 4.13 graphisch dargestellt. Anhand der Darstellung mittels eines Balkendiagramms zeigt sich nochmals anschaulich, dass die Mehrheit der Versuchsteilnehmer die ihnen vorgelegte Aussage als dichotom hinsichtlich der Antwortmöglichkeiten aufgefasst hatte und die Aussage somit überwiegend gänzlich befürwortete oder gänzlich keine Zustimmung geben. 752
Diese Aussage stützt sich auf diejenigen Versuchsteilnehmer, die der Aussage überhaupt nicht zustimmten, also den Skalenwert 1 markierten. Da es sich hier streng genommen um eine lediglich dichotome Antwortmöglichkeit handelt, werden bei der Analyse nur die Skalenpunkte 1 und 7 berücksichtigt.
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
195
Abb. 4.13: Prozentuale Verteilung der Vpn in Bezug auf Aktienbesitz (Quelle: Eigene Darstellung)
Mit 57,9 % hat die Mehrheit der studentischen Versuchsteilnehmer bisher noch nicht gezielt in Aktien eines bestimmten Unternehmens investiert (vgl. Tab. 4.10). Dagegen gibt jedoch ein Fünftel der Teilnehmer (20,5 %) an, in der Vergangenheit bereits gezielt in Aktien eines bestimmten Unternehmens investiert zu haben. Vor dem Hintergrund der Absicht, die mit dieser Fragestellung verfolgt wurde, kann somit davon ausgegangen werden, dass zumindest dieser Teil der Probanden sich bereits konkret mit der Analyse eines Unternehmens beschäftigt hatte, mit dem Ziel, Aktien zu erwerben.
196
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
„Ich habe in der Vergangenheit bereits gezielt in Aktien eines bestimmten Unternehmens investiert“ 1 stimme gar nicht zu
Absolute
Prozentuale Kumulierte
Häuf igkeit
Häuf igkeit
Prozente
198
57,9
57,9
2
21
6,1
64,0
3
15
4,4
68,4
4
11
3,2
71,6
5
12
3,5
75,1
6
15
4,4
79,5
7 stimme voll zu
70
20,5
100,0
342
100,0
Gültig
Gesamt
Tab. 4.10: Absolute und prozentuale Verteilung der Vpn in Bezug auf getätigte Aktieninvestitionen (Quelle: Eigene Darstellung)
Die Angaben der Versuchsteilnehmer in Bezug auf die gezielte Investition in Aktien eines bestimmten Unternehmens illustriert Abb. 4.14. Die graphische Darstellung mittels Balkendiagramm zeigt ein ähnliches Bild wie die vorherige Darstellung zum Aktienbesitz. Auch hier wird deutlich, dass die Mehrheit der Probanden von einer dichotom zu beantwortenden Fragestellung ausgeht, da etwa 80 % der Antworten im Bereich der Endskalenpunkte liegen.
Abb. 4.14: Prozentuale Verteilung der Vpn in Bezug auf getätigte Aktieninvestitionen (Quelle: Eigene Darstellung)
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
197
Zusätzlich zu den oben dargestellten Fragen nach tatsächlichem Aktienbesitz wurden die Teilnehmer gebeten, eine Aussage dahingehend zu treffen, ob in näherer Zukunft eine gezielte Investition in Aktien eines bestimmten Unternehmens geplant sei. Hierbei wurden den Befragten wiederum sieben Abstufungen vorgegeben, um Stellung zu dieser Aussage zu nehmen (vgl. Tab. 4.11). „Ich plane, in näherer Zukunf t gezielt in Aktien eines bestimmten Unternehmens zu investieren“ 1 stimme gar nicht zu
Absolute Häuf igkeit
Prozentuale Kumulierte Häuf igkeit
Prozente
108
31,6
31,7
2
52
15,2
46,9
3
36
10,5
57,5
4
44
12,9
70,4
5
32
9,4
79,8
Gültig 6
32
9,4
89,1
7 stimme voll zu
37
10,8
100,0
341
99,7
Gesamt Fehlend Gesamt
Antwort verweigert
1
0,3
342
100,0
Tab. 4.11: Absolute und prozentuale Verteilung der Vpn in Bezug auf geplante Aktieninvestitionen (Quelle: Eigene Darstellung)
Wie ersichtlich wird, stimmen 31,7 % der antwortenden Teilnehmer der Aussage, in näherer Zukunft gezielt in Aktien eines bestimmten Unternehmens investieren zu wollen, nicht zu, während 10,8 % hier voll zustimmen. Die Stellungnahmen der verbleibenden antwortenden Teilnehmer zeigen keine einheitliche Tendenz hin zu einem der Skalenendpunkte. So können für die mittleren Skalenpunkte 2 bis 6 jeweils weitgehend gleichmäßige prozentuale Anteile von 9,4 % bis 15,2 % ausgewiesen werden. Es zeigt sich somit, dass ein Großteil der Antwortenden hinsichtlich einer konkreten Stellungnahme zu der geplanten Aktienanlage unschlüssig zu sein scheint. In der graphischen Darstellung (vgl. Abb. 4.15) lässt sich dieses uneinheitliche Antwortmuster gut erkennen. Demnach können mehr als zwei Drittel der Teilnehmer keine definitive Tendenzaussage hinsichtlich einer in naher Zukunft geplanten Aktieninvestition treffen, während jedoch fast ein Drittel der Antwortenden von der Antwortmöglichkeit „stimme gar nicht zu“ Gebrauch macht.
198
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
Abb. 4.15: Prozentuale Verteilung der Vpn in Bezug auf geplante Aktieninvestitionen (Quelle: Eigene Darstellung)
Während die Versuchsteilnehmer anhand der vorherigen Aussagen Stellung zu Investitionen in Aktien eines bestimmten Unternehmens nehmen sollten, wurde im Folgenden zusätzlich abgefragt, ob eine Investition in Aktienfonds getätigt wurde. Die Ergebnisse sind in Tab. 4.12 dargestellt.
„Ich habe in Aktienf onds investiert“
Absolute
Prozentuale Kumulierte
Häuf igkeit
Häuf igkeit
Prozente
200
58,5
58,5
9
2,6
61,1
3
5
1,5
62,6
4
10
2,9
65,5
5
12
3,5
69,0
1 stimme gar nicht zu 2
Gültig 6
11
3,2
72,2
7 stimme voll zu
95
27,8
100,0
342
100,0
Gesamt
Tab. 4.12: Absolute und prozentuale Verteilung der Vpn in Bezug auf die Investition in Aktienfonds (Quelle: Eigene Darstellung)
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
199
So stimmen exakt 200 Befragte der Aussage, in Aktienfonds investiert zu haben, nicht zu. Dies entspricht einem Anteil von 58,5 % der Versuchsteilnehmer. Dagegen gibt ein vergleichsweise großer Anteil der Befragten (27,8 %) wiederum mit größtmöglicher Zustimmung an, bereits in Aktienfonds investiert zu haben. Die diesbezügliche graphische Illustration der Antworten der Befragten gibt Abb. 4.16 wieder.
Abb. 4.16: Prozentuale Verteilung der Vpn in Bezug auf die Investition in Aktienfonds (Quelle: Eigene Darstellung)
Neben der erzielbaren Rendite geht mit der Investition in Aktien oder Aktienfonds stets auch Risiko einher. Rendite und Risiko stehen somit typischerweise in einem engen Zusammenhang und bedingen sich in der Regel gegenseitig. Daher wurde bei den Teilnehmern zusätzlich deren individuelle Risikoneigung abgefragt. In diesem Zusammenhang wurden die Teilnehmer gebeten, Stellung zu der Aussage „In Bezug auf Geldanlagen würde ich mich tendenziell als risikofreudig einstufen“ zu nehmen. Den Befragten wurden auch hier wieder sieben mögliche Antwortstufen von „stimme gar nicht zu“ bis „stimme voll zu“ vorgegeben. Die deskriptiven Statistiken zur Risikofreude der Befragten zeigen an, dass sich die Teilnehmer in der Gesamtheit tendenziell als risikoneutral einstufen. So liegt das arithmetischen Mittel mit 3,15 knapp unterhalb der Skalenmitte mit dem Wert von 4. Blickt man hingegen auf den Modus, ist festzuhalten, dass von den Befragten am häu-
200
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
figsten der Skalenwert 2 ausgewählt wird und sich die Befragten somit mehrheitlich als risikoavers einstufen (vgl. Tab. 4.13).
Risikofreude Gültig
342
N Fehlend
0
Mittelwert
3,15
Median
3,00
Modus
2
Tab. 4.13: Deskriptive Statistiken zur Risikofreude der Vpn (Quelle: Eigene Darstellung)
Die detailliertere Aufstellung des Antwortverhaltens im Hinblick auf die Risikofreude im Zusammenhang mit Geldanlagen ist Tab. 4.14 zu entnehmen. Demnach stufen sich lediglich 5,3 % der Versuchspersonen in Bezug auf Geldanlagen mit voller Zustimmung als risikofreudig ein. Interpretiert man den Bereich zwischen dem Anfangspunkt (1) und dem Mittelpunkt (4) der Skala als risikoavers bis -neutral, so kann konstatiert werden, dass sich drei Viertel (75,1 %) der Befragten als eher risikoscheu einstufen. Absolute
Prozentuale Kumulierte
„In Bezug auf Geldanlagen würde ich mich tendenziell als risikof reudig einstuf en“
Häuf igkeit
Häuf igkeit
Prozente
1 stimme gar nicht zu
73
21,3
21,3
2
79
23,1
44,4
3
65
19,0
63,5
4
40
11,7
75,1
Gültig 5
38
11,1
86,3
6
29
8,5
94,7
7 stimme voll zu
18
5,3
100,0
342
100,0
Gesamt
Tab. 4.14: Absolute und prozentuale Verteilung der Vpn in Bezug auf Risikofreude bei Geldanlagen (Quelle: Eigene Darstellung)
Die Antworthäufigkeiten der Probanden hinsichtlich ihrer individuellen Risikoneigung sind zudem in Abb. 4.17 graphisch illustriert. Hier lässt sich eindeutig eine linksschie-
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
201
fe Verteilung erkennen, welche nochmals zum Ausdruck bringt, dass die Befragten tendenziell eher risikoneutral bis risikoavers im Hinblick auf Geldanlagen sind.
Abb. 4.17: Prozentuale Verteilung der Vpn in Bezug auf Risikofreude bei Geldanlagen (Quelle: Eigene Darstellung)
Die Angaben der Probanden im Hinblick auf die individuelle Risikoneigung sollen dazu dienen, insbesondere die experimentellen Ergebnisse in Bezug auf die zu treffenden Investitionsentscheidungen kritisch zu beleuchten. Vor dem Hintergrund der tendenziellen Risikoneutralität der Versuchsteilnehmer ist zu erwarten, dass die vorzunehmenden Investitionsentscheidungen tendenziell auch eher risikoneutral erfolgen. Diese Vermutung betrifft insbesondere die zu treffende kurzfristige Anlageentscheidung, welcher typischerweise spekulative Motive zugrunde liegen. Spekulativ motivierte Anleger sollten annahmegemäß ein risikofreudiges Verhalten in Bezug auf Geldanlagen aufweisen. Da sich die Befragten im Durchschnitt als tendenziell risikoneutral einstufen, ist demnach eine eher geringe Bereitschaft für kurzfristige Anlagen zu erwarten. 4.4.1.4 Themenbezogenes Interesse sowie theoretische und praktische Kenntnisse der Versuchspersonen Zur Beurteilung der Eignung der Probanden als Surrogate für private Anleger spielen zudem deren Interessen und theoretische und praktische Erfahrungen im Hinblick auf
202
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
die Themenbereiche Unternehmensbewertung, Kapitalmärkte und Rechnungslegung eine entscheidende Rolle. Zudem erschien es sinnvoll, bei den Experimentalgruppen, für welche ein Personalbericht in den Fragebogen integriert war, auch die theoretischen und praktischen Kenntnisse im Bereich Personalwesen abzufragen. Zunächst wurden die Versuchsteilnehmer gebeten, ihr generelles Interesse für die studienspezifischen Themenfelder Unternehmensbewertung und Kapitalmärkte einzustufen. Zu diesem Zweck sollte auf einer siebenstufigen Skala mit den Endpunkten „stimme gar nicht zu“ (1) bis „stimme voll zu“ (7) Stellung zu folgender Aussage genommen werden: „Ich interessiere mich stark für die Themenbereiche Unternehmensbewertung und Kapitalmarkt“. Die deskriptiven Auswertungen (vgl. Tab. 4.15) zeigen, dass die Befragten im Durchschnitt tendenziell ein hohes themenspezifisches Interesse bekunden (arithmetischer Mittelwert = 4,85; Median sowie Modus = 5).
Inhaltliches Interesse Gültig
342
N Fehlend
0
Mittelwert
4,85
Median
5,00
Modus
5
Tab. 4.15: Deskriptive Statistiken zum inhaltlichen Interesse der Vpn (Quelle: Eigene Darstellung)
Die detaillierte Auswertung zu der Frage nach dem Interesse in den Bereichen Unternehmensbewertung und Kapitalmarkt (Tab. 4.16) zeigt, dass lediglich 16,1 % der Antwortenden ein tendenziell geringes Interesse aufweisen (Skalenwerte 1 bis 3). 38,3 % respektive 76 von 342 Teilnehmern gaben an, ein mittelmäßiges themenspezifisches Interesse aufzuweisen (mittlerer Skalenwert von 4). Nahezu zwei Drittel der Teilnehmer (27,8 % + 21,6 % + 12,3 % = 61,7 %) stufen sich bei dieser Frage dagegen mit einem tendenziell hohen bis starken Interesse (Skalenwerte 5 bis 7) ein.
Darstellung und Analyse der Ergebnisse „Ich interessiere mich stark f ür die Themenbereiche Unternehmensbewertung und Kapitalmarkt“ 1 stimme gar nicht zu
203
Absolute
Prozentuale Kumulierte
Häuf igkeit
Häuf igkeit
Prozente
1
0,3
0,3
2
21
6,1
6,4
3
33
9,6
16,1
4
76
22,2
38,3
5
95
27,8
66,1
6
74
21,6
87,7
42
12,3
100,0
342
100,0
Gültig
7 stimme voll zu Gesamt
Tab. 4.16: Absolute und prozentuale Verteilung der Vpn in Bezug auf inhaltliches Interesse (Quelle: Eigene Darstellung)
Das Interesse der Versuchsteilnehmer in Bezug auf die Themenbereiche Unternehmensbewertung und Kapitalmarkt wird in Abb. 4.18 graphisch veranschaulicht. Die Graphik zeigt eine deutliche Tendenz der Selbsteinstufungen ausgehend von der Mitte der Skala hin zum Bereich der höheren Skalenwerte, wobei die meisten Probanden einen Wert von 5 (Modus) angeben.
Abb. 4.18: Prozentuale Verteilung der Vpn in Bezug auf inhaltliches Interesse (Quelle: Eigene Darstellung)
204
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
Insgesamt kann somit festgehalten werden, dass die Probanden in der gewählten Stichprobe mehrheitlich ein ausgeprägtes Interesse für die Themenbereiche, an welchen die vorliegende Studie ausgerichtet ist, bekunden. Dies impliziert zum einen, dass die Versuchsteilnehmer aufgrund ihrer fachlichen Interessen prinzipiell als geeignete Surrogate für private Anleger gelten können. Zum anderen können die Ergebnisse auch begründen, dass aufgrund des im Durchschnitt hohen themenspezifischen Interesses auch eine entsprechend hohe Motivation für die Bearbeitung der Studie unterstellt werden kann.753 Neben dem Interesse in den Themenbereichen Unternehmensbewertung und Kapitalmarkt wurden ferner die diesbezüglichen theoretischen und praktischen Kenntnisse der Versuchspersonen getrennt abgefragt. Das Vorliegen von Kenntnissen in den die Studie betreffenden fachspezifischen Themengebieten ist als wesentlich im Hinblick auf ein abschließendes Urteil bezüglich der Eignung der Versuchspersonen für die Zwecke der vorliegenden Studie zu erachten. Die deskriptiven Statistiken zu den theoretischen und praktischen Erfahrungen der Versuchsteilnehmer in den Bereichen Unternehmensbewertung und Kapitalmarkt sind in Tab. 4.17 wiedergegeben. Während die Teilnehmer durchschnittlich angeben, über theoretische Erfahrungen in den angezeigten Themenbereichen zu verfügen (arithmetisches Mittel = 4,53; Median sowie Modus = 5), weisen die Befragten im Durchschnitt wenig praktische Erfahrung in diesen Bereichen auf. Dies wird durch den arithmetischen Durchschnitt von 2,19 deutlich sowie durch die Tatsache, dass die Mehrheit der Befragten der zugehörigen Aussage gänzlich nicht zustimmt (Modus = 1).
753
Würde hingegen ein mehrheitlich geringes Interesse an diesen studienrelevanten Themenbereichen bestehen, so müsste unter Umständen davon ausgegangen werden, dass sich die Probanden nicht freiwillig (aus Interesse) für die Teilnahme an der Studie bereit erklärt hätten, sondern ausschließlich aufgrund der gewährten Incentives oder anderer Gründe. Dies wiederum könnte ggf. zu Problemen hinsichtlich der Validität der Ergebnisse führen.
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
Ich verf üge über theoretische
N
Gültig Fehlend
205
Ich verf üge über praktische
Erf ahrungen in den Bereichen
Erf ahrung in den Bereichen
Unternehmensbewertung und
Unternehmensbewertung und
Kapitalmarkt (z. B. durch
Kapitalmarkt (z. B. durch
Studium)
Praktika oder Beruf serf ahrung)
341
341
1
1
Mittelwert
4,53
2,19
Median
5,00
1,00
Modus
5
1
Tab. 4.17: Deskriptive Statistiken zu Erfahrungen der Vpn in den Bereichen Unternehmensbewertung und Kapitalmarkt (Quelle: Eigene Darstellung)
Dieses gegensätzliche Bild der theoretischen und praktischen Vorkenntnisse der Versuchsteilnehmer wird durch den Vergleich der Balkendiagramme in Abb. 4.19 und Abb. 4.20 deutlich. Während lediglich 2,3 % der Befragten der Aussage, über theoretische Erfahrungen in den genannten Bereichen zu verfügen, überhaupt nicht zustimmen (vgl. Abb. 4.19), so tut dies in Bezug auf die Aussage zu praktischen Erfahrungen mehr als die Hälfte der Probanden (53,4 %, vgl. Abb. 4.20).
Abb. 4.19: Prozentuale Verteilung der Vpn in Bezug auf theoretische Erfahrungen in den Bereichen Unternehmensbewertung und Kapitalmarkt (Quelle: Eigene Darstellung)
206
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
Abb. 4.20: Prozentuale Verteilung der Vpn in Bezug auf praktische Erfahrungen in den Bereichen Unternehmensbewertung und Kapitalmarkt (Quelle: Eigene Darstellung)
Ein ähnliches Antwortverhalten zeigt sich bei der Frage nach den theoretischen und praktischen Erfahrungen in den Bereichen Rechnungslegung und Unternehmenspublizität. Da die Aufgabe der Versuchsteilnehmer darin bestand, auf Basis von publizierten Unternehmensinformationen eine Bewertung respektive Investitionsentscheidung vorzunehmen, sollte mittels dieser Frage in Erfahrung gebracht werden, inwieweit die Probanden im Allgemeinen mit Publizitätselementen vertraut waren. Die deskriptiven Statistiken sind in Tab. 4.18 dargestellt. Anhand der Mittelwerte kann festgestellt werden, dass die Versuchspersonen zwar mehrheitlich über theoretische Kenntnisse, jedoch tendenziell über geringe praktische Erfahrungen in den Themenbereichen Rechnungslegung und Unternehmenspublizität verfügen.
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
Ich verf üge über theoretische Erf ahrungen in den Bereichen Rechnungslegung und Unternehmenspublizität (z. B. durch Studium)
N
Gültig Fehlend
342
207 Ich verf üge über praktische Erf ahrungen in den Bereichen Rechnungslegung und Unternehmenspublizität (z. B. durch Praktika oder Beruf serf ahrung) 342
0
0
Mittelwert
4,77
2,43
Median
5,00
1,00
Modus
5
1
Tab. 4.18: Deskriptive Statistiken zu Erfahrungen der Vpn in den Bereichen Rechnungslegung und Unternehmenspublizität (Quelle: Eigene Darstellung)
Die spezifische Analyse getrennt nach den Angaben zu theoretischen und zu praktischen Erfahrungen zeigt, dass nahezu zwei Drittel der Befragten (25,1 % + 22,2 % + 16,1 % = 63,4 %) der Aussage, über theoretische Kenntnisse in der Rechnungslegung und Unternehmenspublizität zu verfügen, tendenziell oder sogar voll zustimmen. Lediglich ein sehr geringer Anteil von 5,8 % der Versuchsteilnehmer gibt an, dieser Aussage überhaupt nicht zustimmen zu können. In Bezug auf die theoretischen Rechnungslegungskenntnisse ist somit abschließend zu konstatieren, dass diese über die Mehrzahl der Teilnehmer hinweg als vorhanden angesehen werden können. Diese Tatsache ist von hoher Bedeutung vor dem Hintergrund, dass die Stichprobe als adäquater Ersatz für die Gruppe der Privatanleger erachtet werden kann.
208
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
Abb. 4.21: Prozentuale Verteilung der Vpn in Bezug auf theoretische Erfahrungen in den Bereichen Rechnungslegung und Unternehmenspublizität (Quelle: Eigene Darstellung)
Demgegenüber stellt sich das Bild der praktischen Erfahrungen der Versuchsteilnehmer in den Bereichen Rechnungslegung und Unternehmenspublizität anders dar. 52,9 % der Befragten stimmen der diesbezüglichen Aussage nicht zu, während lediglich 6,1 % hier ihre volle Zustimmung geben (vgl. Abb. 4.22).
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
209
Abb. 4.22: Prozentuale Verteilung der Vpn in Bezug auf praktische Erfahrungen in den Bereichen Rechnungslegung und Unternehmenspublizität (Quelle: Eigene Darstellung)
Zuletzt erfolgte die Abfrage von theoretischen und praktischen Kenntnissen im Bereich Personalwesen.754 Die zugehörigen deskriptiven Statistiken sind in Tab. 4.19 ersichtlich. Die Anzahl der antwortenden Teilnehmer von 227 respektive 228 aus der Gesamtstichprobe von 342 Versuchsteilnehmern lässt sich dadurch erklären, dass die zugehörigen Fragestellungen ausschließlich in den Fragebögen der Experimentalgruppen integriert waren, welchen für die Analyse des Unternehmens zusätzlich zu finanziellen Informationen ein (verkürzter) Personalbericht vorgelegt wurde. Aus Tab. 4.19 lässt sich entnehmen, dass die Teilnehmer im Durchschnitt über eher geringe bis mittlere theoretische und praktische Erfahrungen im Bereich Personalwesen verfügen, wobei die Zustimmung zu der Aussage „Ich verfüge über theoretische Erfahrungen im Bereich Personalwesen“ im Mittel eher neutral ausfällt (arithmetischer Mittelwert = 3,63 auf einer Skala von „sehr gering“ (1) bis „sehr hoch“ (7)). Dagegen geben die Antwortenden betreffend der Aussage, über praktische Kenntnisse im Bereich Perso-
754
Erfahrungen bzw. Kenntnisse im Bereich Personalwesen werden zwar für die Bearbeitung der Studie per se nicht zwingend als notwendig erachtet. Jedoch könnte grundsätzlich unterstellt werden, dass Probanden mit Erfahrungen im Bereich Personalwesen tendenziell eine hohe Affinität bezogen auf personalwirtschaftliche Themengebiete aufweisen und dem Humankapital als Werttreiber eine entsprechende Bedeutung beimessen.
210
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
nalwesen zu verfügen, mehrheitlich keine bzw. nur geringe Zustimmung (arithmetischer Mittelwert = 2,84, Modus = 1).
Ich verf üge über theoretische
N
Ich verf üge über praktische
Erf ahrungen im Bereich
Erf ahrungen im Bereich
Personalwesen (z. B. durch
Personalwesen (z. B. durch
Studium)
Praktika oder Beruf serf ahrung)
Gültig
227
228
Fehlend
115
114
Mittelwert
3,63
2,84
Median
3,00
2,00
Modus
2
1
Tab. 4.19: Deskriptive Statistiken zu Erfahrungen der Vpn im Bereich Personalwesen (Quelle: Eigene Darstellung)
Die prozentuale Verteilung der Angaben der Probanden zu ihren theoretischen Erfahrungen im Bereich Personalwesen wird in Abb. 4.23 visualisiert. Demnach gestaltet sich die Verteilung der Antworten über die einzelnen Skalenpunkte hinweg relativ gleichmäßig. Während 16,7 % der Antwortenden angeben, über sehr geringe theoretische Kenntnisse im Personalbereich zu verfügen, stufen immerhin 9,7 % der Antwortenden ihre diesbezüglichen Kenntnisse als sehr hoch ein.
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
211
Abb. 4.23: Prozentuale Verteilung der Vpn in Bezug auf theoretische Erfahrungen im Bereich Personalwesen (Quelle: Eigene Darstellung)
Im Bereich der praktischen Erfahrungen im Personalwesen geben 43,4 % der Befragten an, über sehr geringe Erfahrungen zu verfügen. Lediglich 7,5 % der befragten Versuchspersonen verfügen demnach laut eigener Aussage über sehr hohe Erfahrungswerte. Die prozentuale Verteilung der Antworten wird in Abb. 4.24 illustriert.
212
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
Abb. 4.24: Prozentuale Verteilung der Vpn in Bezug auf praktische Erfahrungen im Bereich Personalwesen (Quelle: Eigene Darstellung)
4.4.1.5 Abschließende Beurteilung der Merkmale und Eignung der Stichprobe Die ausführliche Darstellung der personenbezogenen Merkmale, Charakteristika sowie fachspezifischen Kenntnisse und Erfahrungen in den vorangegangenen Abschnitten sollte primär dazu dienen, die Eignung der Stichprobe als Ersatz für die untersuchte Gruppe der privaten Anleger zu analysieren. Zu diesem Zweck wurden zunächst demographische Merkmale der Stichprobe, wie Alter und Geschlecht, abgefragt. Hierbei zeigte sich, dass die Versuchsteilnehmer mit einem durchschnittlichen Alter von 23,4 Jahren durchaus als Surrogate für Privatinvestoren gelten können. Die Gleichverteilung der Stichprobe hinsichtlich des Geschlechts, welches oftmals als potentieller Störfaktor in experimentellen Studien erachtet wird, ist zudem von Vorteil in Bezug auf die Validität der Ergebnisse. Vor dem Hintergrund ihres wirtschaftswissenschaftlichen Studiums, der Wahl ihrer Vertiefungsfächer, die in Bezug zum Thema des Experiments stehen, sowie ihrer stark ausgeprägten theoretischen Erfahrungen im Finanz- und Rechnungswesen stellen die ausgewählten Studenten einen guten Ersatz für private Anleger und damit geeignete Versuchspersonen für das Experiment dar.
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
213
Es scheint daher in jeder Hinsicht angemessen, auf Basis der durch die Stichprobe im Rahmen des Experiments getroffenen Bewertungs- und Investitionsentscheidungen valide Schlussfolgerungen für die Entscheidungsrelevanz von Humankapitalinformationen für private Investoren ziehen zu können. 4.4.2 Manipulation Checks Zur Vermeidung einer fehlerbehafteten Varianzanalyse sind vor der eigentlichen varianzanalytischen Untersuchung von Ursache-Wirkungsbeziehungen zwischen den unabhängigen und abhängigen Variablen sogenannte Manipulation Checks auszuführen.755 So führen u. a. BACKHAUS ET AL. die Durchführung von Manipulation Checks explizit unter den Anwendungsempfehlungen für die Varianzanalyse an und verdeutlichen damit deren uneingeschränkte Bedeutung.756 Auch FOSCHI begreift Manipulation Checks als „an essential part of an experiment“757 und verdeutlicht ebenso die Notwendigkeit, die Ergebnisse der Manipulation Checks entsprechend auszuweisen. 4.4.2.1 Begriffsklärung und Relevanz von Manipulation Checks Unter einem Manipulation Check ist eine Prüfung zu verstehen, die im Ergebnis anzeigt, ob die Faktorstufen der unabhängigen Variable als solche auch in der Stichprobe realisiert sind.758 In anderen Worten soll mit Hilfe von Manipulation Checks kontrolliert werden, ob die vorgesehene Variation der unabhängigen Variable von den Versuchspersonen auch als solche erkannt wurde.759 Folglich kann sichergestellt werden, dass die Varianz der abhängigen Variable auf die unterschiedlichen Faktorstufen der unabhängigen Variable zurückgeführt werden kann, diese also als ursächlich für die erzielte Wirkung angenommen werden können.760 Die Durchführung von Manipulation Checks ist insbesondere dann von erhöhter Relevanz, wenn es sich bei den zu un-
755
Vgl. BACKHAUS, K. et al. (2008), S. 176; ESCHWEILER, M./EVANSCHITZKY, H./WOISETSCHLÄGER, D. M. (2007), S. 546f.
756
Vgl. BACKHAUS, K. et al. (2008), S. 177. Vgl. sinngemäß auch RASHOTTE, L. S. (2007), S. 230; LIBBY, R./BLOOMFIELD, R./NELSON, M. W. (2002), S. 798.
757
FOSCHI, M. (2007), S. 129.
758
Vgl. FOSCHI, M. (2007), S. 129; BACKHAUS, K. et al. (2008), S. 176.
759
Vgl. LIBBY, R./BLOOMFIELD, R./NELSON, M. W. (2002), S. 798.
760
Vgl. ESCHWEILER, M./EVANSCHITZKY, H./WOISETSCHLÄGER, D. M. (2007), S. 549.
214
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
tersuchenden unabhängigen Variablen um latente Variablen761 handelt.762 Hinsichtlich der Abgrenzung zwischen Manipulation Checks und der Messung der abhängigen Variablen merken ELLIOTT ET AL. an, dass „Information Acquisition Measures typically are not used as dependent variables in experimental studies examining financial accounting issues; they are most commonly included as manipulation checks.“763 In Bezug auf die Konstruktion von Manipulation Checks, den Zeitpunkt der Durchführung und die Analysemethoden existieren zahlreiche unterschiedliche Möglichkeiten, die jeweils Vor- und Nachteile aufweisen. Für eine ausführliche Darstellung sei an dieser Stelle auf den Beitrag von PERDUE und SUMMER764 verwiesen. Es besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass Manipulation Checks vorzugsweise bereits im Vorfeld der experimentellen Erhebung im Rahmen von Pre-Tests durchgeführt werden sollten. Somit besteht noch die Möglichkeit, eventuell erforderliche Anpassungen vorzunehmen, sofern Verständnisprobleme bei den Teilnehmern des Pre-Tests auftreten bzw. die Manipulation der Variablen nicht wie vom Experimentator gewünscht von den Versuchspersonen erfasst wurde. Weiterhin sollten Manipulation Checks zusätzlich im Rahmen der experimentellen Erhebung durchgeführt werden.765 Hinsichtlich des Zeitpunkts der Durchführung von Manipulation Checks besteht eine Alternative darin, diese möglichst direkt im Anschluss an die experimentelle Manipulation noch vor der Messung der abhängigen Variablen zu integrieren. Dieses Vorge-
761
Latente Variablen sind dadurch gekennzeichnet, dass sich diese nicht direkt beobachten lassen und somit folglich nicht direkt messbar sind. Aufgrund dessen kann die Manipulation dieser Variablen durch den Forscher auch nur indirekt erfolgen, indem bestimmte, die latente Variable determinierende Aspekte bzw. Umfeldfaktoren der Versuchspersonen manipuliert werden. In diesem Fall kann der Experimentator jedoch nicht mit abschließender Sicherheit davon ausgehen, dass die ergriffenen Maßnahmen zur Manipulation der Variable exakt die zu untersuchenden Theorien widerspiegeln. Die Durchführung von Manipulation Checks zur Sicherstellung einer erfolgreichen Operationalisierung der latenten unabhängigen Variablen ist demnach erforderlich. Vgl. PERDUE, B. C./SUMMERS, J. O. (1986), S. 317f.
762
PERDUE, B. C./SUMMERS, J. O. (1986), S. 317.
763
ELLIOTT, W. B. et al. (2007), S. 143.
764
PERDUE, B. C./SUMMERS, J. O. (1986).
765
Der Durchführung eines Pre-Tests liegt zwar grundsätzlich eine ähnliche Zielsetzung zugrunde wie der Durchführung von Manipulation Checks im Zuge des eigentlichen Experiments. Da die Teilnehmer des Pre-Tests jedoch nicht der experimentellen Stichprobe entsprechen und daher von den Ergebnissen des Pre-Tests nicht unmittelbar auf das Verhalten der Stichprobe geschlossen werden kann, empfiehlt es sich, im Rahmen des Experiments gesonderte Manipulation Checks durchzuführen.
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
215
hen birgt den Vorteil, dass die Messung des Manipulation Checks nicht durch die vorherige Messung der abhängigen Variable verzerrt wird. Dieses Argument kann jedoch auch entsprechend umgedreht werden. Demnach könnte ein Manipulation Check auch die im Anschluss vorgenommene Messung der abhängigen Variablen verzerren. Um dies auszuschließen, ist die zweite Alternative, die Manipulation Checks innerhalb des sich an das Experiment anschließenden Fragenkomplexes (engl. post-experimental questionnaire) zu integrieren, vorzuziehen.766 Bei der Analyse bisheriger empirischer Forschungsarbeiten lässt sich feststellen, dass zahlreiche Forscher im Vorfeld experimenteller Studien Pre-Tests durchführen oder den Versuchspersonen im Zuge der Instruktionen vor Beginn des Experiments beispielsweise den Unterschied zwischen einem kurz- und langfristigen Investitionszeitraum erklären.767 Dagegen wird es von Forschern teilweise versäumt, Manipulation Checks mit den Experimentteilnehmern durchzuführen. So ließ ACLAND die Eignung der von ihm verwendeten Humankapitalindikatoren mittels der Delphi-Technik nur durch eine Expertengruppe überprüfen.768 Bei RIKHARDSSON und HOLM769 verifizierten fünf externe Personen mit Erfahrungen in der Umweltberichterstattung, ob die Umweltinformationen auch tatsächlich ein positives Bild vermittelten. Als ausreichende Anerkennung ihrer Manipulation durch die Befragten selbst werteten RIKHARDSSON und HOLM die von den Versuchspersonen angegebene höhere Eignung der Menge an Umweltinformationen für ihre Investitionsentscheidung im Vergleich zur Kontrollgruppe. Bei der tatsächlichen Investitionsentscheidung erwies sich die Interpretation quantitativer Umweltinformationen durch die Versuchspersonen jedoch offenbar als problematisch, da sie die kurzfristig signifikant positive Wirkung qualitativer Umweltinformationen konterkarierte, obwohl sowohl
766
Vgl. KUIPERS, K. J./HYSOM, S. J. (2007), S. 297. Man könnte hier zwar argumentieren, dass die Versuchspersonen sich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in ausreichendem Maße an die Manipulation erinnern können. Diesem Argument ist jedoch zu entgegnen, dass die Probanden eine entsprechend starke Manipulation der Variablen – wie sie im Rahmen eines guten Experimentaldesigns erfolgen sollte – auch zu einem späteren Zeitpunkt noch abrufen können. Vgl. KUIPERS, K. J./HYSOM, S. J. (2007), S. 297.
767
Vgl. hierzu die Forschungsarbeiten von z. B. ACLAND, D. (1976), S. 138; BELKAOUI, A. (1980), S. 270; CHAN, C. C. C./MILNE, M. J. (1999), S. 268 ; MILNE, M. J./CHAN, C. C. C. (1999), S. 446.
768
Vgl. ACLAND, D. (1976), S. 137.
769
Vgl. RIKHARDSSON, P./HOLM, C. (2008).
216
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
qualitative als auch quantitative Umweltinformationen die gleiche positive Entwicklung verzeichneten. RIKHARDSSON und HOLM schlussfolgerten daher, dass die Veröffentlichung quantitativer Umweltinformationen nur für bestimmte Zielgruppen geeignet sei.770 Der Fehler ihres Experiments lag jedoch darin, dass die befragten Studenten nicht der gleichen Gruppe entstammten wie die im Vorhinein befragten externen Dritten.771 Die vorgenannten Beispiele verdeutlichen die Relevanz von Manipulation Checks zur Sicherstellung, dass die Manipulation der unabhängigen Variablen von den Teilnehmern korrekt verstanden wird und die verschiedenen Ausprägungen der abhängigen Variablen mit Sicherheit auf die unterschiedlichen Faktorstufen zurückgeführt werden können.772 Manipulation Checks sichern somit die Güte der empirischen Untersuchung.773 Im vorliegenden Experiment wurde das Niveau der Finanz- und Humankapitalinformationen in der Weise manipuliert, dass die jeweilige Informationsart entweder eine rein positive oder eine durchgängig negative Entwicklung aufweist. Dementsprechend gilt es zu überprüfen, ob die zur Verfügung gestellten Informationen von den Probanden auch als jeweils positiv bzw. negativ aufgefasst wurden. Zu diesem Zweck enthielt der experimentelle Fragebogen mehrere zu bewertende Aussagen, die als Manipulation Checks dienten und deren Ergebnisse im Folgenden analysiert werden. 4.4.2.2 Manipulation Check für die Variable “finanzielle Informationen“ Zum Zwecke der Durchführung des Manipulation Checks für die abhängige Variable „finanzielle Informationen“ wurde der Grad der Zustimmung der Versuchsteilnehmer zu der folgenden Aussage abgefragt: „Die Finanzdaten und -kennzahlen zeigen insgesamt ein positives Bild der ANOVA AG“. Die Stellungnahme zu dieser Aussage erfolgte dabei wiederum auf einer 7-Punkte-Likert-Skala mit den Endpunkten „stimme gar nicht zu“ (1) bis „stimme voll zu“ (7).
770
Vgl. RIKHARDSSON, P./HOLM, C. (2008), S. 387, 393ff.
771
Vgl. PERDUE, B. C./SUMMERS, J. O. (1986), S. 319; RIKHARDSSON, P./HOLM, C. (2008), S. 385.
772
Vgl. PERDUE, B. C./SUMMERS, J. O. (1986), S. 317; LIBBY, R./BLOOMFIELD, R./NELSON, M. W. (2002), S. 798; BORTZ, J./DÖRING, N. (2006), S. 117.
773
Vgl. ESCHWEILER, M./EVANSCHITZKY, H./WOISETSCHLÄGER, D. M. (2007), S. 549.
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
217
Die deskriptiven Gruppenstatistiken unter Angabe von Mittelwert774, Standardabweichung (s)775 und Standardfehler des Mittelwertes776 sind in Tab. 4.20 getrennt nach den miteinander zu vergleichenden Versuchsgruppen mit positiven und negativen finanziellen Informationen wiedergegeben. Diejenigen Befragten, welche positive Finanzdaten und -kennzahlen zu beurteilen hatten, stimmen der Aussage mit einem arithmetischen Mittelwert von 5,39 bei einer Standardabweichung von 1,07 tendenziell zu. Die Versuchsgruppen mit negativen Finanzinformationen hingegen geben mit einem arithmetischen Mittelwert von 3,12 (s = 1,38) tendenziell eine eher geringe Zustimmung zu der zu beurteilenden Aussage. Diese Werte stützen sich auf insgesamt 171 Befragte, denen positive Finanzinformationen vorlagen, und ebenfalls 171 Personen, die das Experiment auf Basis von negativen finanziellen Informationen bearbeiteten. Gruppenstatistiken Finanzielle Inf ormationen
N
Mittelwert
Standardabweichung
Standardf ehler des Mittelwertes
Die Finanzdaten und -kennzahlen zeigen
1 Positiv
171
5,39
1,07
0,08
2 Negativ
171
3,12
1,38
0,11
insgesamt ein positives Bild der ANOVA AG
Tab. 4.20: Deskriptive Gruppenstatistiken des Manipulation Checks für die Variable „finanzielle Informationen“ (Quelle: Eigene Darstellung)
Im Vergleich der beiden Gruppen ist festzuhalten, dass diejenigen Probanden, welchen finanzielle Informationen mit positivem Leistungsniveau vorlagen, durchschnittlich eine weitaus höhere Zustimmung geben als solche Probanden, welchen negativ mani774
I. e. S. handelt es sich hier um einen arithmetischen Mittelwert.
775
Unter der Standardabweichung ist allgemeinhin die Wurzel aus der mittleren quadratischen Abweichung zu verstehen. Vgl. u. a. WITT, F.-J./WITT, K. (2007), S. 342.
776
Als Standardfehler des Mittelwertes wird die Standardabweichung der Stichprobenmittelwerte verstanden. Vgl. BROSIUS, F. (2008), S. 468. Diese statistische Kennzahl gibt an, in welchem Ausmaß die Stichprobenmittelwerte bei Ziehung mehrerer gleichgroßer Stichproben um den Mittelwert der Grundgesamtheit streuen. Der Standardfehler des Mittelwertes wird bei diesem Testverfahren durch die verwendete Statistiksoftware automatisch ausgewiesen, da er zur Beurteilung der Schätzgüte, d. h. der Zuverlässigkeit geschätzter Parameter, herangezogen werden kann. Vgl. hierzu wiederum BROSIUS, F. (2008), S. 468.
218
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
pulierte Finanzdaten zur Verfügung gestellt wurden. Die Differenz der entsprechenden arithmetischen Mittelwerte von 2,27 Skalenpunkten deutet darauf hin, dass die Manipulation in Form unterschiedlicher Performanceniveaus der finanziellen Informationen von den Versuchsteilnehmern auch entsprechend unterschiedlich wahrgenommen wurde. Um diese Mittelwertdifferenz auf ihre Signifikanz zu prüfen,777 werden die Daten im Folgenden einem T-Test für unabhängige Stichproben778 unterzogen. Aufgrund der Annahme der Intervallskalierung der vorliegenden Daten779 kann der T-Test als parametrischer Test Anwendung finden.780 Bei der Prozedur des T-Tests für unabhängige Stichproben erfolgt ein Vergleich von zwei Mittelwerten, wobei eine Schlussfolgerung dahingehend gezogen werden soll, ob sich die beiden anhand von Stichproben erhobenen Mittelwerte auch in der Grundgesamtheit unterscheiden.781 Die dem T-Test zugrundeliegende Nullhypothese (H0) postuliert, dass die Versuchsgruppen mit positiven und negativen finanziellen Informationen diese Informationen identisch bewertet haben, somit also keine Mittelwertdifferenz zwischen beiden Gruppen existiert. In diesem Fall würde der T-Wert den Wert Null annehmen.
777
Die Prüfung der Signifikanz der Mittelwertdifferenz ist erforderlich, um aus den Stichprobendaten auf die Grundgesamtheit schließen zu können. Vgl. BROSIUS, F. (2008), S. 460.
778
Aufgrund des between-subjects-Designs handelt es sich im vorliegenden Fall um unabhängige Stichproben, da die Versuchsteilnehmer ihre Entscheidungen entweder auf Basis positiver oder auf Basis negativer finanzieller Informationen zu treffen hatten und keinem Versuchsteilnehmer gleichzeitig beide Arten von Informationen vorlagen.
779
Da die zugrundeliegende Skala mit sieben Punkten relativ fein abgestuft ist und zudem nur die Endpunkte der Skala mit „stimme gar nicht zu“ und „stimme voll zu“ explizit deklariert wurden, ist davon auszugehen, dass die Befragten diese im Sinne einer Intervallskala – also als stetiges Kontinuum zwischen den Endpunkten – interpretiert haben. Insofern erscheint es vertretbar, hier von einer Intervallskalierung der Daten auszugehen. Vgl. diesbezüglich auch BROSIUS, F. (2008), S. 465.
780
Zwei weitere Anforderungen für die Anwendung des T-Tests bestehen in der Prämisse der Normalverteilung der Daten sowie der Varianzgleichheit der abhängigen Variable in den zu miteinander zu vergleichenden Gruppen. Vgl. ECKSTEIN, P. P. (2008), S. 112; BROSIUS, F. (2008), S. 465f. Während die eingesetzte Statistiksoftware automatisch verschiedene Teststatistiken für den Fall gleicher und ungleicher Varianzen generiert, muss die Normalverteilungsannahme separat geprüft werden. Allerdings wird diese Annahme in praxi oftmals als nicht allzu kritisch angesehen, da der T-Test vergleichsweise robust auf die Verletzung der Normalverteilungsprämisse reagiert. Weisen die beiden zu vergleichenden Zufallsstichproben jeweils einen Stichprobenumfang von größer als 50 auf, so kann der T-Test auch für nicht normalverteilte Daten Anwendung finden. Insofern liegt es im Ermessen des Anwenders, ob die Prüfung der Normalverteilungsannahme erfolgen soll. Vgl. ECKSTEIN, P. P. (2008), S. 112; BROSIUS, F. (2008), S. 465.
781
Vgl. BROSIUS, F. (2008), S. 462.
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
219
Das Ergebnis des T-Tests veranschaulicht Tab. 4.21. Levene-Test der
T-Test f ür die Mittelwertgleichheit
Varianzgleichheit
95% Konf idenzF
Sig.
T
df
Sig.
Mittlere
(2-seitig) Dif f erenz
Standardf ehler der
intervall der Dif f erenz
Dif f erenz Untere Obere
Die Finanzdaten
Varianzen
und -kennzahlen
sind gleich
7,51
0,006
17,01
340
0,000
2,27
0,13
2,01
2,53
17,01
320
0,000
2,27
0,13
2,01
2,53
zeigen insgesamt ein positives Bild der ANOVA AG
Varianzen sind nicht gleich
Tab. 4.21: T-Test-Ergebnis des Manipulation Checks für die Variable „finanzielle Informationen“ (Quelle: Eigene Darstellung)
Zunächst prüft der Levene-Test die Nullhypothese, dass die Varianzen der betrachteten Variablen in der Grundgesamtheit in beiden Stichproben gleich sind.782 Aufgrund der ausgegebenen sehr geringen Irrtumswahrscheinlichkeit von 0,6 %, die das für das Experiment gewählte Signifikanzniveau von = 0,05783 deutlich unterschreitet, wird die Annahme gleicher Varianzen zurückgewiesen und für den sich anschließenden TTest auf die Werte in der unteren Zeile „Varianzen sind nicht gleich“ zurückgegriffen.784 Die zweiseitige Signifikanz zeigt an, dass sich der T-Wert von 17,01 nur mit einer sehr geringen Wahrscheinlichkeit von unter 0,000 % ergeben kann. Dies deutet darauf hin, dass die zu prüfende Nullhypothese zurückgewiesen werden kann. Die Annahme glei782
Vgl. BROSIUS, F. (2008), S. 474; FIELD, A. (2009), S. 340.
783
Die Wahl des Signifikanzniveaus (Irrtumswahrscheinlichkeit für das Zurückweisen der Nullhypothese) von 5% wird als weithin anerkannte Faustregel angegeben. Vgl. BROSIUS, F. (2008), S. 472. Dagegen werden häufig auch Signifikanzniveaus von 1% oder 10% gewählt. Entscheidend bei der Wahl des Grenzwertes der Irrtumswahrscheinlichkeit sind die Folgen, die aus einer irrtümlich verworfenen Nullhypothese möglicherweise resultieren können. Im Falle schwerwiegender negativer Folgewirkungen (bspw. bei pharmakologischen Tests in Bezug auf Nebenwirkungen von Medikamenten) wird somit ein entsprechend niedriges Signifikanzniveau (teilweise auch unter 1 %) gefordert. Eine ausführlichere Diskussion der Wahl des Signifikanzniveaus liefert u. a. BROSIUS, F. (2008), S. 472.
784
Vgl. FIELD, A. (2009), S. 340; BROSIUS, F. (2008), S. 474.
220
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
cher Mittelwerte in der Grundgesamtheit kann somit zugunsten der Annahme verworfen werden, dass die Mittelwerte auch in der Grundgesamtheit voneinander verschieden sind.785 Das 95%-Konfidenzintervall der Differenz zeigt an, dass die Differenz der beiden Mittelwerte in der Grundgesamtheit mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 % zwischen 2,01 und 2,53 liegt. Die positiven Vorzeichen dieser Werte geben an, dass die erste betrachtete Gruppe (positive finanzielle Informationen) einen höheren Mittelwert aufweist als die zweite. Wie zuvor bereits dargelegt, stellt der T-Test für unabhängige Stichproben neben der Intervallskalierung der Daten auch die Anforderung der Normalverteilung der Daten in der Grundgesamtheit. Obwohl der Stichprobenumfang der beiden Vergleichsgruppen mit jeweils 171 Probanden die geforderte Anzahl von jeweils 50 weit überschreitet und somit die Anwendung des T-Tests auch für den Fall nicht normalverteilter Daten als probat gilt786, wurde hier auf die ordnungsgemäße Prüfung der Normalverteilung nicht verzichtet. Die Überprüfung der Normalverteilung geschieht anhand zweier Tests, dem Kolmogorov-Smirnov-Test (K-S-Test) und dem Shapiro-Wilk-Test. Den Ergebnissen zufolge muss die Nullhypothese, die Daten seien in der Grundgesamtheit normalverteilt, verworfen werden (vgl. die Signifikanzwerte von jeweils 0,000 % für beide Tests in Tab. 4.22). Tests auf Normalverteilung Finanzielle
Kolmogorov-Smirnov a
Inf ormationen
Statistik
df
Sig.
Statistik
df
Sig.
Positiv
0,206
171
0,000
0,896
171
0,000
Negativ
0,196
171
0,000
0,928
171
0,000
Shapiro-Wilk
Die Finanzdaten und -kennzahlen zeigen insgesamt ein positives Bild der ANOVA AG a. Signifikanzkorrektur nach Lilliefors
Tab. 4.22: K-S-Test und Shapiro-Wilk-Test auf Normalverteilung des Manipulation Checks für die Variable „finanzielle Informationen“ (Quelle: Eigene Darstellung) 785
Das Zurückweisen der Nullhypothese impliziert jedoch nicht, dass die Gegenhypothese uneingeschränkt als wahr erachtet werden kann. Vielmehr ist die Ablehnung der Nullhypothese dahingehend zu interpretieren, dass lediglich ein sehr geringes Risiko besteht, bei Ablehnung der Nullhypothese einen Irrtum zu begehen. Vgl. sinngemäß auch BROSIUS, F. (2008), S. 472.
786
Vgl. diesbezüglich die Ausführungen in Fn. 780.
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
221
Obwohl der T-Test relativ robust gegen Verletzungen dieser Normalverteilungsannahme reagiert, wurden die Daten zusätzlich anhand des nicht-parametrischen MannWhitney-U-Tests für unabhängige Stichproben überprüft.787 Anhand dieses Tests erfolgt – analog zum T-Test – der Vergleich zweier Gruppen hinsichtlich der Frage, ob diese einer gleichen Grundgesamtheit entstammen788, d. h. im vorliegenden Fall, ob die beiden Stichprobenmittelwerte auch in der Grundgesamtheit gleich sind. Der durchgeführte Mann-Whitney-U-Test weist einen Wert von 0,000 für die asymptotische Signifikanz aus (vgl. Tab. 4.23). Demzufolge kann angenommen werden, dass sich die Mittelwerte der Vergleichsgruppen auch in der Grundgesamtheit signifikant unterscheiden. Somit stimmt dieses Ergebnis mit dem zuvor dargestellten Befund des T-Tests überein.789 Statistik für Testa Die Finanzdaten und -kennzahlen zeigen insgesamt ein positives Bild der ANOVA AG Mann-Whitney-U
3274,50
Wilcoxon-W
17980,50
Z
-12,61
Asymptotische Signifikanz (2-seitig)
0,000
a. Gruppenvariable: Finanzielle Informationen
Tab. 4.23: Mann-Whitney-Test des Manipulation Checks für die Variable „finanzielle Informationen“ (Quelle: Eigene Darstellung)
Es ist somit festzuhalten, dass sich private Anleger, denen positive bzw. negative Finanzinformationen eines Unternehmens vorliegen, hinsichtlich der Beurteilung des Niveaus der Finanzdaten und -kennzahlen signifikant voneinander unterscheiden.790 787
Anstelle des T-Tests kann grundsätzlich immer auch der nicht-parametrische Mann-Whitney-Test durchgeführt werden (jedoch gilt diese Aussage nicht umgekehrt). Als nicht-parametrischer Test stellt der Mann-Whitney-Test geringere Anforderungen an die Daten. Somit müssen vergleichsweise weniger weitreichende Annahmen hinsichtlich der Verteilung der Werte in der Grundgesamtheit getroffen werden. Vgl. zu den Anwendungsfeldern und -erfordernissen nicht-parametrischer Tests ausführlich BROSIUS, F. (2008), S. 841ff.
788
Vgl. BROSIUS, F. (2008), S. 857.
789
Dieses übereinstimmende Ergebnis bestätigt daher die Robustheit des T-Tests gegenüber einer Verletzung der Prämisse der Normalverteilung der Daten.
790
Vgl. Umkehrschluss zu BROSIUS, F. (2008), S. 471f.
222
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
Die Ergebnisse lassen die Schlussfolgerung einer erfolgreichen Manipulation der finanziellen Informationen zu. 4.4.2.3 Manipulation Check für die Variable „Humankapitalinformationen” Im Zusammenhang mit dem Manipulation Check für die zweite unabhängige Variable „Humankapitalinformationen“ wurden die Versuchsteilnehmer gebeten, zu der folgenden Aussage auf einer siebenstufigen Likert-Skala mit den Endpunkten „stimme gar nicht zu“ (1) bis „stimme voll zu“ (7) Stellung zu nehmen: „Die Angaben aus dem Personalbericht zeigen insgesamt ein positives Bild der ANOVA AG“. Hinsichtlich des Umfangs der Stichprobe ist zu beachten, dass die Kontrollgruppen A1B1 und A2B1 hier nicht berücksichtigt sind. Diesen Kontrollgruppen stand kein Personalbericht für die Bewertung der ANOVA AG zur Verfügung. Aus diesem Grund war in den entsprechenden Fragebögen für die Kontrollgruppen der Manipulation Check nicht enthalten. Der Stichprobenumfang beläuft sich daher nur auf insgesamt 228 Versuchsteilnehmer (227 ausgewertete Datensätze, ein fehlender Wert). Die Darstellung der deskriptiven Gruppenstatistiken erfolgt getrennt nach den miteinander zu vergleichenden Versuchsgruppen mit positiven und negativen Humankapitalinformationen in Tab. 4.24. Die Experimentalgruppen mit positiven Humankapitalinformationen stimmen der o. g. Aussage im Durchschnitt sehr stark zu. Diese Zustimmung zeigt sich in dem – vor dem Hintergrund der siebenstufigen Skala als sehr hoch einzuschätzenden – arithmetischen Mittelwert von 6,22 (s = 1,03). Dagegen ist die durchschnittliche Beurteilung der vorgegebenen Aussage bei den Versuchsgruppen mit negativen Humankapitalinformationen mit einem arithmetischen Mittelwert von lediglich 2,53 (bei ähnlicher Standardabweichung von s = 1,07) deutlich schlechter. Diese Werte stützen sich auf insgesamt 114 Befragte, denen positive Humankapitalinformationen vorlagen, und 113 Personen (ein fehlender Wert), die das Experiment auf Basis von negativen humankapitalbezogenen Informationen bearbeiteten.
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
223
Gruppenstatistiken Humankapitalinf ormationen
N
Mittelwert
Standardabweichung
Standardf ehler des Mittelwertes
Die Angaben aus dem Personalbericht 1 Positiv
114
6,22
1,03
0,10
113
2,53
1,07
0,10
zeigen insgesamt ein positives Bild der
2 Negativ
ANOVA AG
Tab. 4.24: Deskriptive Gruppenstatistiken des Manipulation Checks für die Variable „Humankapitalinformationen“ (Quelle: Eigene Darstellung)
Vergleicht man die beiden Gruppen, so lässt die Differenz der zugehörigen arithmetischen Mittelwerte in Höhe von 3,69 die Vermutung zu, dass die Manipulation in Form unterschiedlicher Performanceniveaus der Humankapitalinformationen von den Versuchsteilnehmern auch entsprechend unterschiedlich wahrgenommen wurde. Die Prüfung der Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die Grundgesamtheit erfolgt analog zum zuvor dargestellten Manipulation Check anhand eines T-Tests für unabhängige Stichproben. Die dem T-Test zugrundeliegende Nullhypothese (H0) lautet, dass keine Mittelwertdifferenz zwischen der Versuchsgruppe mit positiven und der Versuchsgruppe mit negativen Humankapitalinformationen besteht. Das Ergebnis des TTests stellt Tab. 4.25 umfassend dar. Levene-Test der
T-Test f ür die Mittelwertgleichheit
Varianzgleichheit
95% Konf idenzF
Sig.
T
df
Sig.
Mittlere
(2-seitig) Dif f erenz
Standard-
intervall der
f ehler der
Dif f erenz
Dif f erenz Untere Obere
Die Angaben aus dem Personalbericht zeigen
Varianzen sind gleich
insgesamt ein
Varianzen
positives Bild der
sind nicht
ANOVA AG
1,94
0,165
26,48
225
0,000
3,69
0,14
3,41
3,96
26,48
224
0,000
3,69
0,14
3,41
3,96
gleich
Tab. 4.25: T-Test-Ergebnis des Manipulation Checks für die Variable „Humankapitalinformationen“ (Quelle: Eigene Darstellung)
224
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
Aufgrund des empirischen Signifikanzniveaus von D* = 0,165 für den Levene-Test kann die Nullhypothese gleicher Varianzen in den zu vergleichenden Gruppen ausgehend von dem gewählten Signifikanzniveau von 5 % nicht zurückgewiesen werden. Daher sind die Ergebnisse in der oberen Zeile „Varianzen sind gleich“ im Folgenden für die Interpretation der T-Test-Ergebnisse heranzuziehen. Die zweiseitige Signifikanz zeigt an, dass sich der T-Wert von 26,48 nur mit einer sehr geringen Wahrscheinlichkeit von unter 0,000 ergeben kann. Dies und auch der vergleichsweise hohe und deutlich von Null verschiedene T-Wert von 26,48 deuten darauf hin, dass die durch den T-Test zu prüfende Nullhypothese zurückgewiesen werden kann. Es wird somit die Gegenhypothese, die Mittelwerte seien auch in der Grundgesamtheit voneinander verschieden, angenommen. Das 95%Konfidenzintervall der Differenz zeigt an, dass die Differenz der beiden Mittelwerte in der Grundgesamtheit mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 % zwischen 3,41 und 3,96 liegt. Analog zum Manipulation Check der Variable „finanzielle Informationen“ wurde auch der Manipulation Check für die Variable „Humankapitalinformationen“ zusätzlich zum T-Test einem Mann-Whitney-U-Test für unabhängige Stichproben unterzogen. Die Testergebnisse zeigen für die asymptotische Signifikanz einen Wert von D* = 0,000 an (vgl. Tab. 4.26). Demzufolge kann die Nullhypothese, dass sich die Mittelwerte der Vergleichsgruppen in der Grundgesamtheit nicht unterscheiden, zurückgewiesen werden. Das Ergebnis stimmt demnach mit dem zuvor dargestellten Ergebnis des T-Tests überein. Statistik für Testa Die Angaben aus dem Personalbericht zeigen insgesamt ein positives Bild der ANOVA AG Mann-Whitney-U
309,50
Wilcoxon-W
6750,50
Z
-12,60
Asymptotische Signifikanz (2-seitig)
0,000
a. Gruppenvariable: Humankapitalinformationen
Tab. 4.26: Mann-Whitney-Test des Manipulation Checks für die Variable „finanzielle Informationen“ (Quelle: Eigene Darstellung)
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
225
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich private Anleger, denen positive bzw. negative Humankapitalinformationen eines Unternehmens vorliegen, hinsichtlich der Beurteilung des Performanceniveaus dieser Informationen signifikant voneinander unterscheiden. Aus den Ergebnissen lässt sich somit schlussfolgern, dass die Manipulation der Humankapitalinformationen erfolgreich war. 4.4.2.4 Manipulation Check für den Anlagehorizont Die Variablen „kurzfristige Investitionsentscheidung“ und „langfristige Investitionsentscheidung“ stellen jeweils auf einen unterschiedlich langen Investitionshorizont ab. Anhand der Abfrage dieser Variablen sollen im Rahmen der experimentellen Studie Aussagen dahingehend abgeleitet werden, ob die Entscheidung für eine Aktienanlage vor dem Hintergrund unterschiedlicher Anlagehorizonte unterschiedlich ausfällt. Da es sich bei diesen Variablen nicht um erklärende Variablen sondern um abhängige Variablen handelt, wäre für diese nicht zwingend ein Manipulation Check im engeren Sinne durchzuführen.791 Da das Verständnis der divergierenden Anlagehorizonte auf der Grundlage der den Versuchspersonen diesbezüglich präsentierten Szenarien jedoch für die Investitionsentscheidung zentral ist, wurde dieses im Sinne eines Manipulation Checks geprüft. Auch hier wurde für die Stellungnahme der Versuchspersonen zu den Aussagen „Bei einem Anlagehorizont von fünf Jahren handelt es sich um einen langfristigen Anlagehorizont“ und „Bei einem Anlagehorizont von einem Jahr handelt es sich um einen kurzfristigen Anlagehorizont“ eine 7-Punkte-Likert-Skala von 1 („Stimme gar nicht zu“) bis 7 („Stimme voll zu“) zugrunde gelegt. Die deskriptiven Statistiken sind in Tab. 4.27 (langfristiger Anlagehorizont) und Tab. 4.28 (kurzfristiger Anlagehorizont) wiedergegeben.
791
Dem allgemeinen Verständnis nach werden Manipulation Checks für unabhängige Variablen durchgeführt. Es ist jedoch sinnvoll, diese auch für andere Variablen einzusetzen, die in den Hypothesen enthalten sind und deren korrekte Interpretation seitens der Versuchsteilnehmer von Bedeutung für die spätere Interpretation der Ergebnisse ist. Vgl. sinngemäß FOSCHI, M. (2007), S. 130.
226
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
Deskriptive Statistiken
N
Mittelwert
Standardabweichung
Standardf ehler des Mittelwertes
Bei einem Anlagehorizont von f ünf Jahren handelt es sich um einen
342
5,42
1,39
0,08
langf ristigen Anlagehorizont
Tab. 4.27: Deskriptive Statistiken des Manipulation Checks für den langfristigen Anlagehorizont (Quelle: Eigene Darstellung)
Deskriptive Statistiken
N
Mittelwert
Standardabweichung
Standardf ehler des Mittelwertes
Bei einem Anlagehorizont von einem Jahr handelt es sich um
341
5,78
1,42
0,08
einen kurzf ristigen Anlagehorizont
Tab. 4.28: Deskriptive Statistiken des Manipulation Checks für den kurzfristigen Anlagehorizont (Quelle: Eigene Darstellung)
Hinsichtlich der Beurteilung des langfristigen Anlagehorizonts ergibt sich ein arithmetischer Mittelwert von 5,42 (Standardabweichung = 1,39). Dieser Wert lässt darauf schließen, dass die Versuchsteilnehmer der Aussage im Durchschnitt in einem relativ hohen Ausmaß zustimmen. Der arithmetische Mittelwert von 5,78 bezüglich der Aussage, dass ein einjähriger Anlagehorizont als kurzfristig anzusehen ist, weist ebenfalls auf eine durchschnittlich hohe Zustimmung der Probanden zu der zu beurteilenden Aussage hin. Die beiden Mittelwerte liegen jeweils über dem Skalenmittelpunkt mit der betragsmäßigen Ausprägung von 4.792 Es ist somit anzunehmen, dass die Länge beider Anlagehorizonte von den Versuchspersonen korrekt verstanden wurde und die Manipulation der unterschiedlichen Anlagehorizonte mittels der konstruierten Szenarien folglich gegriffen hat.
792
Vgl. zu einem ähnlichen Vorgehen in Bezug auf die Beurteilung von Manipulation Checks DILLA, W. N./STEINBART, P. J. (2005), S. 48.
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
227
In der Gesamtbetrachtung zeigen alle durchgeführten Manipulation Checks im Ergebnis an, dass die für das Experiment relevanten Manipulationen von den Probanden als solche erkannt wurden und somit erfolgreich waren. Die in der Varianzanalyse ermittelten Unterschiede (Varianzen) in den Ausprägungen der abhängigen Variablen sollten daher ausschließlich auf die Manipulation der Leistungsniveaus der finanziellen Informationen und der Humankapitalinformationen zurückzuführen sein. 4.4.3 Prüfung der Anwendungsprämissen für die univariate und multivariate Varianzanalyse Die Anwendbarkeit varianzanalytischer Verfahren unterliegt bestimmten Anwendungsprämissen, die an die zugrundeliegenden Daten gestellt werden. Diese wurden in Abschnitt 4.3.5.2 bereits theoriebasiert dargestellt und sollen in diesem Abschnitt für die erhobenen Daten überprüft werden. Dabei werden insbesondere die Anforderungen hinsichtlich der Variablenskalierung, der Normalverteilung und der Varianzhomogenität anhand der vorliegenden Daten überprüft. Die Prämisse des Vorliegens unabhängiger Stichproben wird hier keiner detaillierten Prüfung unterzogen, da sich die Erfüllung dieser Prämisse bereits aus dem between-subjects-Design des Experiments ergibt. 4.4.3.1 Prüfung der Anforderungen hinsichtlich der Skalierung der unabhängigen und abhängigen Variablen In Abschnitt 4.3.5.2 wurde bereits aufgezeigt, dass die in die Varianzanalyse eingehenden Variablen bestimmte Anforderungen hinsichtlich der Skalierung erfüllen müssen. So ist es im Falle der unabhängigen Variablen ausreichend, wenn diese zumindest Nominalskalenniveau aufweisen. Dies ist im vorliegenden Experiment dadurch gegeben, dass die unabhängigen Variablen „finanzielle Informationen“ und „Humankapitalinformationen“ jeweils entsprechend des durch sie angezeigten Performanceniveaus in die Faktorstufen „positiv“ und „negativ“ klassifiziert werden. Dies entspricht nominal skalierten Ausprägungen der Variablen. Demgegenüber stellt die Varianzanalyse an die zu messenden abhängigen Variablen das Erfordernis der Intervallskalierung.
228
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
In inhaltlich vergleichbaren früheren Experimenten z. B. von MILNE und CHAN793, MILNE und PATTEN794 oder GHOSH und WU795 wurde die Variable „Investitionsentscheidung“ durch eine ratioskalierte, investierte Summe operationalisiert, die die Voraussetzung der Intervallskalierung erfüllt.796 Anders wird dagegen im vorliegenden Experiment verfahren. Statt durch die Aufteilung einer vorgegebenen Investitionssumme werden die Bewertungs- und Investitionsentscheidungen auf einer jeweils siebenstufigen Likert-Skala getroffen.797 Allgemein wird angenommen, dass Likert-Skalen den Anforderungen an intervallskalierte Daten genügen.798 Da zudem nur der Anfangs- und Endpunkt mit einer negativen beziehungsweise positiven Aussage versehen sind, kann die Likert-Skala von den Versuchspersonen als gleich bleibendes Kontinuum zwischen diesen Punkten – und somit als Intervallskala – wahrgenommen werden.799 Damit kann die Voraussetzung der Intervallskalierung der abhängigen Variablen in der vorliegenden Studie als erfüllt betrachtet werden. 4.4.3.2 Prüfung der Prämisse der Normalverteilung der abhängigen Variablen Neben den Anforderungen an die Skalierung der abhängigen und unabhängigen Variablen liegt eine weitere Prämisse der Anwendbarkeit der Varianzanalyse in der Normalverteilung der für die abhängigen Variablen gemessenen Werte. Zur Prüfung der Normalverteilung der Daten wurde der Kolmogorov-Smirnov-Anpassungstest (K-STest) gewählt.800 Der K-S-Test überprüft durch eine Analyse auf univariate Normal-
793
Vgl. MILNE, M. J./CHAN, C. C. C. (1999), S. 446.
794
Vgl. MILNE, M. J./PATTEN, D. M. (2002), S. 385f.
795
Vgl. GHOSH, D./WU, A. (2007), S. 226f.
796
Vgl. KUß, A. (2007), S. 175.
797
Vgl. KUß, A. (2007), S. 87.
798
Vgl. KUß, A. (2007), S. 88.
799
Vgl. BROSIUS, F. (2008), S. 465.
800
Im Allgemeinen wird mit dem K-S-Test auf einem festgelegten Signifikanzniveau (hier: D = 0,05) geprüft, „ob eine hypothetisch erwartete Verteilungsfunktion [hier: Normalverteilung, Anm. d. Verf.] eines metrischen Erhebungsmerkmals als ein geeignetes theoretisches Verteilungsmodell für eine aufgrund einer Zufallsstichprobe vom Umfang n empirisch beobachtete Verteilungsfunktion angesehen werden kann.“ ECKSTEIN, P. P. (2008), S. 93.
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
229
verteilung die Nullhypothese H0, dass die Werte der untersuchten abhängigen Variablen in der Grundgesamtheit der privaten Anleger zellenweise normalverteilt sind.801 Um eine Aussage hinsichtlich der Annahme bzw. Zurückweisung der unterstellten Nullhypothese treffen zu können, ist der in der Teststatistik ausgewiesene Wert der zweiseitigen asymptotischen Signifikanz heranzuziehen. Die zweiseitige asymptotische Signifikanz gibt dabei die Wahrscheinlichkeit einer irrtümlichen Ablehnung der Nullhypothese an.802 Anhand des Signifikanztests wird dann ermittelt, ob das für die Stichprobe erhaltene Ergebnis zu dem für das Experiment im Vorhinein festgelegten Signifikanzniveau in Höhe von = 0,05 auf die Grundgesamtheit der privaten Anleger übertragbar ist.803 Überschreitet die errechnete empirische Signifikanz das 5 %Niveau, wird die Nullhypothese angenommen, d. h. es kann die Normalverteilung der Daten unterstellt werden.804 Im Folgenden werden die Teststatistiken der durchgeführten K-S-Tests auf Normalverteilung für alle drei abhängigen Variablen „Unternehmensbewertung“, „langfristige Investitionsentscheidung“ und „kurzfristige Investitionsentscheidung“ jeweils separat aufgezeigt und interpretiert. Im Anschluss erfolgt eine darauf basierende Beurteilung der Anwendbarkeit der Varianzanalyse hinsichtlich der Normalverteilungsprämisse. In den Tabellen sind die K-S-Teststatistiken für die abhängige Variable „Unternehmensbewertung“ getrennt nach den sechs verschiedenen Versuchsgruppen dargestellt. In einem ersten Schritt erfolgte die Prüfung der Normalverteilungsprämisse für die abhängige Variable „Unternehmensbewertung“. Die diesbezüglich generierten Ergebnisse des K-S-Tests sind in Tab. 4.29 und Tab. 4.30 getrennt nach Versuchsgruppen dargestellt. Tab. 4.29 zeigt zunächst die Ergebnisse des K-S-Tests für diejenigen Versuchsgruppen auf, welche finanzielle Informationen mit positivem Leistungsniveau zu beurteilen hatten. Für die Kontrollgruppe A1B1 (keine Humankapitalinformationen) ergibt sich aus dem K-S-Test demnach eine empirische Signifikanz von D* = 0,596. Die sich für die Experimentalgruppen A1B2 (positive Humankapitalinformationen) 801
Vgl. ESCHWEILER, M./EVANSCHITZKY, H./WOISETSCHLÄGER, D. M. (2007), S. 550; JANSSEN, J./LAATZ, W. (2010), S. 620; BROSIUS, F. (2008), S. 392f., 842, 855f.; FIELD, A. (2009), S. 144.
802
Vgl. BROSIUS, F. (2008), S. 856; RIESENHUBER, F. (2009), S. 9.
803
Vgl. RIESENHUBER, F. (2009), S. 9.
804
Vgl. RIESENHUBER, F. (2009), S. 9.
230
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
und A1B3 (negative Humankapitalinformationen) ergebenden empirischen Signifikanzwerte können mit D* = 0,474 (für A1B2) respektive D* = 0,481 (für A1B3) angegeben werden. Finanzielle
Humankapital-
Inf ormationen
inf ormationen
Unternehmensbewertung N
57 Mittelwert
Parameter der
Normalverteilung a,b Standardabweichung 1 Keine
Absolut
Extremste Dif f erenzen
0,07
Negativ
-0,10
Kolmogorov-Smirnov-Z
0,77 0,596 57
Mittelwert
Normalverteilung a,b Standardabweichung Absolut
Extremste Dif f erenzen
5,11 0,70 0,11
Positiv
0,06
Negativ
-0,11
Kolmogorov-Smirnov-Z
0,84
Asymptotische Signifikanz (2-seitig)
0,474
N Parameter der
57 Mittelwert
Normalverteilung a,b Standardabweichung 3 Negativ
0,10
Positiv
N
2 Positiv
0,71
Asymptotische Signifikanz (2-seitig)
Parameter der
1 Positiv
4,80
Extremste Dif f erenzen
Absolut
4,26 0,74 0,11
Positiv
0,11
Negativ
-0,08
Kolmogorov-Smirnov-Z
0,84
Asymptotische Signifikanz (2-seitig)
0,481
a. Die zu testende Verteilung ist eine Normalverteilung. b. Aus den Daten berechnet.
Tab. 4.29: Ergebnisse des K-S-Tests für die AV „Unternehmensbewertung“ (Teil I) (Quelle: Eigene Darstellung)
Die Teststatistiken des K-S-Tests für die verbleibenden drei Versuchsgruppen, denen im Rahmen des Experiments finanzielle Informationen mit negativem Performanceni-
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
231
veau zur Verfügung gestellt wurden, gibt Tab. 4.30 wieder. Aus den Ergebnissen ist für die Kontrollgruppe A2B1 (keine Humankapitalinformationen) eine asymptotische Signifikanz für den K-S-Test von D* = 0,761 zu entnehmen. Der empirische Signifikanzwert für die Experimentalgruppe A2B2 (positive Humankapitalinformationen) wird mit D* = 0,649 ausgewiesen, die empirische Signifikanz für die zweite Experimentalgruppe A2B3 (negative Humankapitalinformationen) beträgt D* = 0,539. Finanzielle
Humankapital-
Inf ormationen
inf ormationen
Unternehmensbewertung 57
N Mittelwert
Parameter der
Normalverteilung a,b Standardabweichung 1 Keine
Extremste Dif f erenzen
0,09
Positiv
0,08
Negativ
-0,09 0,67
Asymptotische Signifikanz (2-seitig)
0,761
N
57 Mittelwert
Normalverteilung a,b Standardabweichung 2 Positiv
Extremste Dif f erenzen
3,57 0,77
Absolut
0,10
Positiv
0,10
Negativ
-0,06
Kolmogorov-Smirnov-Z
0,74
Asymptotische Signifikanz (2-seitig)
0,649
N Parameter der
57 Mittelwert
Normalverteilung a,b Standardabweichung 3 Negativ
0,79
Absolut
Kolmogorov-Smirnov-Z
Parameter der
2 Negativ
3,29
Extremste Dif f erenzen
3,13 0,66
Absolut
0,11
Positiv
0,08
Negativ
-0,11
Kolmogorov-Smirnov-Z
0,80
Asymptotische Signifikanz (2-seitig)
0,539
a. Die zu testende Verteilung ist eine Normalverteilung. b. Aus den Daten berechnet.
Tab. 4.30: Ergebnisse des K-S-Tests für die AV „Unternehmensbewertung“ (Teil II) (Quelle: Eigene Darstellung)
232
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
Für alle sechs untersuchten Vergleichsgruppen lässt sich festhalten, dass die empirischen Signifikanzen für die Prüfung der Normalverteilung der abhängigen Variable „Unternehmensbewertung“ mit Werten von 47,4 % (A1B2) bis zu 76,1 % (A2B1) weit über dem vorab vereinbarten Signifikanzniveau von D = 5 % liegen. Mit anderen Worten liegt die Wahrscheinlichkeit, bei einem Zurückweisen der Nullhypothese einen Fehler zu begehen, zwischen 47,4 % und 76,1 %. Daher wird die dem K-S-Test zugrundeliegende Nullhypothese nicht zurückgewiesen und angenommen, dass die Werte der abhängigen Variable „Unternehmensbewertung“ in der Grundgesamtheit der privaten Anleger zellenweise normalverteilt sind. Die Kolmogorov-Smirnov-Teststatistiken zur Überprüfung der Normalverteilungsprämisse für die abhängige Variable „langfristige Investitionsentscheidung“ (vgl. Tab. 4.31 und Tab. 4.32) zeigen an, dass die Nullhypothese mit einer zweiseitigen asymptotischen Signifikanz von D* = 5,1 % für die Experimentalgruppe mit positiven finanziellen und negativen Humankapitalinformationen (A1B3) und D* = 13,6 % für die Experimentalgruppe mit negativen finanziellen und positiven Humankapitalinformationen (A2B2) angenommen werden kann. Die empirischen Signifikanzwerte für die verbleibenden vier Vergleichsgruppen liegen mit D* = 0,1 % (für A1B1), D* = 1,2 % (für A1B2), D* = 0,2 % (für A2B1) sowie D* = 0,7 % (A2B3) jeweils unter dem vorgegebenen Signifikanzniveau von D = 5 %. Daher kann die Nullhypothese der Normalverteilung ausgehend von den durch den K-S-Test gelieferten Ergebnissen zunächst nicht angenommen werden.
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
Finanzielle
Humankapital-
Inf ormationen
inf ormationen
233 Langf ristige Investitionsentscheidung N
57 Mittelwert
Parameter der
Normalverteilung a,b Standardabweichung 1 Keine
Absolut
Extremste Dif f erenzen
0,14
Negativ
-0,27
Kolmogorov-Smirnov-Z
2,01 0,001 57
Mittelwert
Normalverteilung a,b Standardabweichung Absolut
Extremste Dif f erenzen
4,96 1,40 0,21
Positiv
0,12
Negativ
-0,21
Kolmogorov-Smirnov-Z
1,60
Asymptotische Signifikanz (2-seitig)
0,012
N Parameter der
57 Mittelwert
Normalverteilung a,b Standardabweichung 3 Negativ
0,27
Positiv
N
2 Positiv
1,18
Asymptotische Signifikanz (2-seitig)
Parameter der
1 Positiv
4,70
Extremste Dif f erenzen
Absolut
3,82 1,39 0,18
Positiv
0,18
Negativ
-0,17
Kolmogorov-Smirnov-Z
1,36
Asymptotische Signifikanz (2-seitig)
0,051
a. Die zu testende Verteilung ist eine Normalverteilung. b. Aus den Daten berechnet.
Tab. 4.31: Ergebnisse des K-S-Tests für die AV „langfristige Investitionsentscheidung“ (Teil I) (Quelle: Eigene Darstellung)
234
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
Finanzielle
Humankapital-
Inf ormationen
inf ormationen
Langf ristige Investitionsentscheidung 57
N Mittelwert
Parameter der
Normalverteilung a,b Standardabweichung 1 Keine
Extremste Dif f erenzen
Absolut
0,25
Positiv
0,25
Negativ
-0,13
Kolmogorov-Smirnov-Z
1,87
Asymptotische Signifikanz (2-seitig)
0,002
N
57 Mittelwert
Parameter der
Normalverteilung a,b Standardabweichung 2 Negativ
2 Positiv
Extremste Dif f erenzen
3,40 1,43
Absolut
0,15
Positiv
0,15
Negativ
-0,15
Kolmogorov-Smirnov-Z
1,16
Asymptotische Signifikanz (2-seitig)
0,136
N Parameter der
57 Mittelwert
Normalverteilung a,b Standardabweichung 3 Negativ
3,18 1,51
Extremste Dif f erenzen
2,75 1,34
Absolut
0,22
Positiv
0,22
Negativ
-0,16
Kolmogorov-Smirnov-Z
1,68
Asymptotische Signifikanz (2-seitig)
0,007
a. Die zu testende Verteilung ist eine Normalverteilung. b. Aus den Daten berechnet.
Tab. 4.32: Ergebnisse des K-S-Tests für die AV „langfristige Investitionsentscheidung“ (Teil II) (Quelle: Eigene Darstellung)
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
235
Trotz der Verletzung der Normalverteilungsannahme dieser abhängigen Variable verhält sich die Varianzanalyse jedoch robust805, zumal die Stichprobengröße für die einzelnen Zellen stets 57 Versuchspersonen umfasst.806 Da der Kolmogorov-SmirnovTest zudem auf eine perfekte Normalverteilung prüft, wird durch weniger strenge Anforderungen an die Voraussetzung einer Normalverteilung der abhängigen Variablen sichergestellt, dass die für das Experiment adäquaten statistischen Verfahren dennoch angewendet werden können.807 Alternativ empfiehlt es sich, zusätzlich Normalverteilungsplots einzusetzen. Normalverteilungsplots sind Streudiagramme, in welchen die beobachteten Werte gegen die bei Normalverteilung zu erwartenden Werte abgetragen werden. Ergibt die gemeinsame Darstellung von beobachteten und erwarteten Werten in etwa eine Gerade, so lässt sich auf Normalverteilung der Variable schließen.808 Die zu diesem Zweck generierten Q-Q-Diagramme für jene Experimentalgruppen, für die angesichts der K-STestergebnisse zunächst keine Normalverteilung der abhängigen Variable „langfristige Investitionsentscheidung“ angenommen werden kann, zeigen Abb. 4.25, Abb. 4.26, Abb. 4.27 sowie Abb. 4.28 auf.
805
Die Anforderung der Varianzanalyse entsprechen weitestgehend den Anforderungen, die auch der T-Test an die Daten stellt, da es sich bei der (einfaktoriellen) Varianzanalyse um eine Verallgemeinerung des T-Tests handelt. Vgl. BROSIUS, F. (2008), S. 486. Da der T-Test allgemeinhin als relativ robust gegenüber Verletzungen der Normalverteilungsprämisse gilt (vgl. BROSIUS, F. (2008), S. 465), trifft dies ebenso auf die Varianzanalyse zu.
806
Vgl. ECKSTEIN, P. P. (2008), S. 112 sowie die diesbezüglichen Ausführungen in Fn. 780.
807
Vgl. BROSIUS, F. (2008), S. 393.
808
Vgl. BROSIUS, F. (2008), S. 486.
236
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
Abb. 4.25: Q-Q-Normalverteilungsdiagramm für die AV „langfristige Investitionsentscheidung“ in der Kontrollgruppe A1B1 (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 4.26: Q-Q-Normalverteilungsdiagramm für die AV „langfristige Investitionsentscheidung“ in der Experimentalgruppe A1B2 (Quelle: Eigene Darstellung)
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
237
Abb. 4.27: Q-Q-Normalverteilungsdiagramm für die AV „langfristige Investitionsentscheidung“ in der Kontrollgruppe A2B1 (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 4.28: Q-Q-Normalverteilungsdiagramm für die AV „langfristige Investitionsentscheidung“ in der Experimentalgruppe A2B3 (Quelle: Eigene Darstellung)
238
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
Die graphische Analyse der Q-Q-Normalverteilungsdiagramme für die AV „langfristige Investitionsentscheidung“ zeigt, dass die beobachteten Werte in allen betrachteten Experimentalgruppen überwiegend sehr eng an der Normalverteilungslinie entlang verlaufen und nur gelegentlich etwas stärkere Abweichungen festzustellen sind. Dies führt insgesamt zu dem Schluss, dass die Annahme der Normalverteilung der Variable „langfristige Investitionsentscheidung“ haltbar erscheint und somit angenommen wird. Die Kolmogorov-Smirnov-Teststatistiken zur Überprüfung der Normalverteilungsprämisse für die dritte abhängige Variable „kurzfristige Investitionsentscheidung“ (vgl. Tab. 4.33 und Tab. 4.34) zeigen an, dass die Nullhypothese lediglich für die Gruppe A1B3 (D* = 0,055) auf dem 5 %-Signifikanzniveau angenommen werden kann. Für die verbleibenden Gruppen kann die Nullhypothese der Normalverteilung ausgehend von den durch den K-S-Test gelieferten Ergebnissen zunächst nicht angenommen werden.
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
Finanzielle
Humankapital-
Inf ormationen
inf ormationen
239 Kurzf ristige Investitionsentscheidung N
57 Mittelwert
Parameter der
Normalverteilung a,b Standardabweichung 1 Keine
Absolut
Extremste Dif f erenzen
0,18
Negativ
-0,18
Kolmogorov-Smirnov-Z
1,40 0,041 57
Mittelwert
Normalverteilung a,b Standardabweichung Absolut
Extremste Dif f erenzen
3,68 1,72 0,18
Positiv
0,18
Negativ
-0,15
Kolmogorov-Smirnov-Z
1,36
Asymptotische Signifikanz (2-seitig)
0,048
N Parameter der
57 Mittelwert
Normalverteilung a,b Standardabweichung 3 Negativ
0,18
Positiv
N
2 Positiv
1,73
Asymptotische Signifikanz (2-seitig)
Parameter der
1 Positiv
3,88
Extremste Dif f erenzen
Absolut
3,86 1,64 0,18
Positiv
0,17
Negativ
-0,18
Kolmogorov-Smirnov-Z
1,34
Asymptotische Signifikanz (2-seitig)
0,055
a. Die zu testende Verteilung ist eine Normalverteilung. b. Aus den Daten berechnet.
Tab. 4.33: Ergebnisse des K-S-Tests für die AV „kurzfristige Investitionsentscheidung“ (Teil I) (Quelle: Eigene Darstellung)
240
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
Finanzielle
Humankapital-
Inf ormationen
inf ormationen
Kurzf ristige Investitionsentscheidung 56
N Mittelwert
Parameter der
Normalverteilung a,b Standardabweichung 1 Keine
Extremste Dif f erenzen
Absolut
0,24
Positiv
0,24
Negativ
-0,13
Kolmogorov-Smirnov-Z
1,80
Asymptotische Signifikanz (2-seitig)
0,003
N
57 Mittelwert
Parameter der
Normalverteilung a,b Standardabweichung 2 Negativ
2 Positiv
Extremste Dif f erenzen
2,91 1,60
Absolut
0,23
Positiv
0,23
Negativ
-0,13
Kolmogorov-Smirnov-Z
1,70
Asymptotische Signifikanz (2-seitig)
0,006
N Parameter der
57 Mittelwert
Normalverteilung a,b Standardabweichung 3 Negativ
2,95 1,76
Extremste Dif f erenzen
2,84 1,66
Absolut
0,24
Positiv
0,24
Negativ
-0,13
Kolmogorov-Smirnov-Z
1,80
Asymptotische Signifikanz (2-seitig)
0,003
a. Die zu testende Verteilung ist eine Normalverteilung. b. Aus den Daten berechnet.
Tab. 4.34: Ergebnisse des K-S-Tests für die AV „kurzfristige Investitionsentscheidung“ (Teil II) (Quelle: Eigene Darstellung)
Da die K-S-Statistiken die Annahme der Normalverteilung der Variable „kurzfristige Investitionsentscheidung“ lediglich für die Experimentalgruppe A1B3 erlauben, wird für die verbleibenden Gruppen eine graphische Analyse anhand von Q-QNormalverteilungsdiagrammen vorgenommen. Diese sind in Abb. 4.29, Abb. 4.30, Abb. 4.31, Abb. 4.32 sowie Abb. 4.33 getrennt nach den jeweiligen Experimentalgruppen dargestellt.
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
Abb. 4.29: Q-Q-Normalverteilungsdiagramm für die AV „kurzfristige Investitionsentscheidung“ in der Kontrollgruppe A1B1 (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 4.30: Q-Q-Normalverteilungsdiagramm für die AV „kurzfristige Investitionsentscheidung“ in der Experimentalgruppe A1B2 (Quelle: Eigene Darstellung)
241
242
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
Abb. 4.31: Q-Q-Normalverteilungsdiagramm für die AV „kurzfristige Investitionsentscheidung“ in der Kontrollgruppe A2B1 (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 4.32: Q-Q-Normalverteilungsdiagramm für die AV „kurzfristige Investitionsentscheidung“ in der Experimentalgruppe A2B2 (Quelle: Eigene Darstellung)
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
243
Abb. 4.33: Q-Q-Normalverteilungsdiagramm für die AV „kurzfristige Investitionsentscheidung“ in der Experimentalgruppe A2B3 (Quelle: Eigene Darstellung)
Die Q-Q-Diagramme lassen über die einzelnen Gruppen hinweg erkennen, dass die beobachteten Werte für die AV „kurzfristige Investitionsentscheidung“ weitestgehend dem Verlauf der Normalverteilungslinie folgen. Aus diesem Grund wird zu Zwecken der weiteren Analyse von einer Normalverteilung dieser abhängigen Variable ausgegangen. Da die eingesetzte Statistiksoftware darüber hinaus nicht über einen eigenen Test auf multivariate Normalverteilung verfügt, kann diese zur Durchführung der MANOVA nach erfolgreicher Anwendung des Kolmogorov-Smirnov-Tests unterstellt werden.809 4.4.3.3 Prüfung der Prämisse der Varianzhomogenität Die Prüfung der Prämisse der Varianzhomogenität erfolgt mittels des Levene-Tests. Als Signifikanztest prüft der Levene-Test die Nullhypothese, dass die Fehlervarianzen der abhängigen Variable in der Grundgesamtheit in allen Vergleichsgruppen identisch sind.810 Dabei setzt der Test eine Normalverteilung der Werte in der Grundgesamtheit
809
Vgl. FIELD, A. (2009), S. 603f.; ESCHWEILER, M./EVANSCHITZKY, H./WOISETSCHLÄGER, D. M. (2007), S. 550.
810
Vgl. BROSIUS, F. (2008), S. 394; FIELD, A. (2009), S. 150ff., 340, 609ff.
244
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
jedoch nicht voraus.811 Der Levene-Test errechnet als statistisches Prüfmaß den FWert, der einer bekannten Verteilungsfunktion unterliegt. Dadurch kann überprüft werden, mit welcher Wahrscheinlichkeit die Varianzunterschiede in den Stichproben auftreten können, wenn die Grundgesamtheit tatsächlich keine Unterschiede in den Varianzen aufweist.812 Für die Interpretation der Testergebnisse ist wiederum das ausgewiesene
empirische
Signifikanzniveau
(D*)
entscheidend.
Ein
geringer
Signifikanzwert, d. h. Sig. (D*) < 5% (D) deutet darauf hin, dass ein Unterschied zwischen den Varianzen besteht.813 Die Ergebnisse des Levene-Tests für die drei untersuchten abhängigen Variablen veranschaulicht Tab. 4.35. Die errechneten empirischen Signifikanzniveaus für den Levene-Test betragen D* = 64,5 % für die AV „Unternehmensbewertung, D* = 66,0 % für die AV „kurzfristige Investitionsentscheidung“ und D* = 31,1 % für die AV „langfristige Investitionsentscheidung“. Da die Signifikanzen für alle drei abhängigen Variablen das festgelegte Signifikanzniveau D = 5 % bei weitem überschreiten, wird hier die Nullhypothese der Homogenität der Fehlervarianzen nicht zurückgewiesen. Es kann folglich für alle abhängigen Variablen Varianzgleichheit in den Grundgesamtheiten der Vergleichsgruppen angenommen werden. Levene-Test auf Gleichheit der Fehlervarianzena
Unternehmensbewertung Investitionsentscheidung (kurzf ristig) Investitionsentscheidung (langf ristig)
F
df 1
df 2
Sig.
0,67
5
335
0,645
0,65
5
335
0,660
1,20
5
335
0,311
a. Design: Konstanter Term + VAR_A + VAR_B + VAR_A * VAR_B
Tab. 4.35: Ergebnisse des Levene-Tests auf Gleichheit der Fehlervarianzen der abhängigen Variablen (Quelle: Eigene Darstellung)
811
Vgl. ESCHWEILER, M./EVANSCHITZKY, H./WOISETSCHLÄGER, D. M. (2007), S. 550.
812
Vgl. BROSIUS, F. (2008), S. 394.
813
Vgl. BROSIUS, F. (2008), S. 394.
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
245
Dieses Ergebnis, wonach die Anwendungsprämisse der Varianzhomogenität als erfüllt gelten kann, erhöht die Verlässlichkeit der nachfolgend durchzuführenden univariaten Analysen (ANOVA) und verstärkt zudem die Annahme, dass auch die Ergebnisse der multivariaten Analyse (MANOVA) eine gewisse Robustheit aufweisen.814 Die Durchführung der MANOVA ist zusätzlich an die Prämisse der Homogenität der Varianz-Kovarianz-Matrizen geknüpft.815 Da der Levene-Test keine Kovarianzen zwischen mehreren abhängigen Variablen berücksichtigt, wird der Box-Test angewendet, der die Varianz-Kovarianz-Matrizen der abhängigen Variablen zwischen den Gruppen auf Signifikanz untersucht.816 Die dem Box-Test zugrundeliegende Nullhypothese postuliert, dass die Varianz-Kovarianz-Matrizen der abhängigen Variablen in allen Gruppen homogen sind.817 Die Ergebnisse sind in Tab. 4.36 dargestellt. Die empirische Signifikanz des Box-Tests von D* = 8,9 % führt dazu, die Nullhypothese anzunehmen, da das vorgegebene Signifikanzniveau D = 5 % überschritten wird. Somit kann die Homogenität der Varianz-Kovarianz-Matrizen auf Basis der vorliegenden Testresultate unterstellt werden.818 Box-Test auf Gleichheit der Kovarianzenmatrizena Box-M-Test
41,83
F
1,36
df 1
30
df 2
253541
Sig.
0,089
a. Design: Konstanter Term + VAR_A + VAR_B + VAR_A * VAR_B
Tab. 4.36: Ergebnisse des Box-Tests auf Gleichheit der Kovarianzenmatrizen der abhängigen Variablen (Quelle: Eigene Darstellung)
814
Vgl. FIELD, A. (2009), S. 610.
815
Vgl. FIELD, A. (2009), S. 603.
816
Vgl. FIELD, A. (2009), S. 604.
817
Vgl. FIELD, A. (2009), S. 608.
818
Vgl. FIELD, A. (2009), S. 608.
246
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
In Bezug auf die vorgenommene Überprüfung der Anwendungsprämissen für die univariate und multivariate Varianzanalyse bleibt zusammenfassend festzuhalten, dass insgesamt von einer Erfüllung der Prämissen ausgegangen werden kann. Lediglich für die Normalverteilungsannahme wird für einzelne Variablen bzw. Vergleichsgruppen ein geringerer Anspruch erhoben, da die K-S-Teststatistiken nicht durchgängig auf Normalverteilung schließen lassen. Da dieser Test jedoch als sehr streng gilt, wurde durch die zusätzliche graphische Analyse von Normalverteilungsdiagrammen bekräftigt, von einer Normalverteilung der Daten ausgehen zu können. Im Folgenden darf daher die Anwendung uni- und multivariater Verfahren der Varianzanalyse erfolgen und es kann dabei in hohem Maße von einer Robustheit der Ergebnisse ausgegangen werden. 4.4.4 Ergebnisse der multivariaten und univariaten Varianzanalyse Die Prüfung der Anwendungsprämissen für die multivariate und univariate Varianzanalyse hat gezeigt, dass diese Verfahren auf Basis der vorliegenden Datengrundlage zur Anwendung kommen können. Nach einer Darstellung der deskriptiven Statistiken getrennt für die einzelnen abhängigen Variablen werden die inferenzstatistischen Ergebnisse der Varianzanalysen aufgezeigt. Der Abschnitt schließt mit einer Zusammenfassung und kritischen Würdigung der erzielten Befunde. 4.4.4.1 Deskriptive Statistiken der abhängigen Variablen Im Vorfeld der Generierung multivariater und univariater Teststatistiken der Varianzanalyse wurden zunächst deskriptive Statistiken für die drei abhängigen Variablen „Unternehmensbewertung“, „kurzfristige Investitionsentscheidung“ und „langfristige Investitionsentscheidung“ erzeugt. Anhand von Vergleichen der für die jeweilige abhängige Variable in den einzelnen Versuchsgruppen ermittelten Mittelwerte kann für die Stichprobe untersucht werden, ob die Bewertungsurteile und Investitionsentscheidungen der Versuchspersonen voneinander abweichen, je nachdem, welche Informationstypen und -niveaus ihnen vorlagen. Tab. 4.37 weist zunächst die den Analysen zugrundeliegenden Zwischensubjektfaktoren aus. Demnach basieren die statistischen Auswertungen auf 171 Datensätzen, die auf positiven finanziellen Informationen basieren, und 170 Datensätzen basierend auf negativen finanziellen Informationen. In dieser Gesamtzahl von 341 sind 113 Daten-
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
247
sätze ohne Humankapitalinformationen und jeweils 114 Datensätze mit entweder positiven oder negativen Humankapitalinformationen enthalten.
Zwischensubjektfaktoren Wertelabel
N
1
1 Positiv
171
2
2 Negativ
170
1
1 Keine
113
2
2 Positiv
114
3
3 Negativ
114
Finanzielle Inf ormationen
Humankapitalinf ormationen
Tab. 4.37: Zwischensubjektfaktoren der untersuchten Versuchsgruppen (Quelle: Eigene Darstellung)
Zunächst erfolgt die Darstellung und Analyse der deskriptiven Statistiken für die abhängige Variable „Unternehmensbewertung“. Die zugehörigen Ergebnisse für Mittelwerte, Standardabweichungen (s) und Stichprobengröße (N) liefert Tab. 4.38. Deskriptive Statistiken
Finanzielle
Humankapital-
Informationen informationen
1 Positiv
AV “Unternehmens-
2 Negativ
bewertung”
Gesamt
Mittelwert
Standardabweichung
N
1 Keine
4,80
0,71
2 Positiv
5,11
0,70
57 57
3 Negativ
4,26
0,74
57
Gesamt
4,72
0,80
171
1 Keine
3,30
0,79
56
2 Positiv
3,57
0,77
57
3 Negativ
3,13
0,66
57
Gesamt
3,33
0,76
170
1 Keine
4,06
1,06
113
2 Positiv
4,34
1,07
114
3 Negativ
3,69
0,90
114
Gesamt
4,03
1,04
341
Tab. 4.38: Deskriptive Statistiken für die AV „Unternehmensbewertung“ (Quelle: Eigene Darstellung)
248
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
Die erste Kontrollgruppe (A1B1), welche das Bewertungsurteil ausschließlich auf der Basis positiver finanzieller Informationen zu treffen hatte, weist für die abhängige Variable einen arithmetischen Mittelwert von 4,80 (s = 0,71) auf. Im Hinblick auf die zugrundeliegende siebenstufige Likert-Skala, deren Skalenmittelpunkt mit dem Wert 4 anzugeben ist, fällt das Bewertungsurteil dieser Versuchsgruppe in der Tendenz eher positiv aus. Im Vergleich zu diesem Ergebnis der Kontrollgruppe zeigt die Statistik der Experimentalgruppe A1B2, welche zusätzlich zu den positiven finanziellen Informationen auch positiv manipulierte Humankapitalinformationen zur Verfügung hatte, an, dass das Bewertungsurteil mit einem arithmetischen Mittelwert von 5,11 (s = 0,70) deutlich besser ausfällt. Bei Betrachtung der Ergebnisse für die Experimentalgruppe A1B3, deren zugrundeliegende Humankapitalinformationen ein negatives Performanceniveau aufwiesen, kann ein mittleres Bewertungsurteil von 4,26 (s = 0,74) festgestellt werden. Der Vergleich mit der Kontrollgruppe zeigt somit, dass die Bewertung des Unternehmens bei Vorliegen zusätzlicher negativer Humankapitalinformationen schlechter ausfällt, als wenn die Bewertung ausschließlich auf Basis (positiver) finanzieller Informationen erfolgt. Betrachtet man die Gesamtheit der 171 Teilnehmer, denen finanzielle Informationen mit einem positiven Leistungsniveau vorlagen, beläuft sich der arithmetische Gesamtmittelwert auf 4,72 (s = 0,80). Insgesamt ist zu erkennen, dass sich alle Mittelwerte der drei Vergleichsgruppen mit positiven finanziellen Informationen oberhalb des Skalenmittelpunktes der siebenstufigen Bewertungsskala befinden. Somit sprechen die Probanden dem Unternehmen mit positiver finanzieller Berichterstattung eine tendenziell gute Gesamtperformance zu. Der zweite Teil der Mittelwertanalyse bezieht sich auf jene Gruppen, welche die Bewertung des Unternehmens auf Basis negativ manipulierter finanzieller Informationen durchführten. Der Mittelwert der Kontrollgruppe A2B1, die neben den negativen finanziellen Informationen keine zusätzlichen Humankapitalinformationen als Bewertungsgrundlage zur Verfügung hatte, wird mit 3,30 (s = 0,79) ausgewiesen und liegt damit unterhalb der Skalenmitte. Somit sprechen diese Versuchsteilnehmer dem Unternehmen tendenziell eher eine schlechte Gesamtperformance zu. Das Ergebnis der Experimentalgruppe A2B2 zeigt jedoch, dass das Bewertungsurteil besser ausfällt (Mittelwert = 3,57; s = 0,77), wenn im Zuge der Bewertung zusätzlich auf Humankapitalinformationen, welche dem Unternehmen ein positives Leistungsniveau bescheinigen, zurückgegriffen werden kann. Dagegen fällt das Bewertungsurteil der Experimentalgruppe A2B3 mit sowohl negativen finanziellen Informationen als auch negati-
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
249
ven Humankapitalinformationen im Vergleich zur Kontrollgruppe mit einem Mittelwert von 3,13 (s = 0,66) noch schlechter aus. Der Mittelwert, der sich für die Gesamtheit der 170 Antwortenden auf Basis negativer finanzieller Informationen ergibt, liegt bei 3,33 (s = 0,76). Insgesamt kann festgehalten werden, dass alle Mittelwerte derjenigen Versuchsgruppen, denen negative finanzielle Informationen als Bewertungsbasis vorlagen, unterhalb der Skalenmitte positioniert sind. Dies zeigt an, dass die negativen finanziellen Informationen zu einer in der Tendenz eher unterdurchschnittlichen Bewertung des Unternehmens führten. Anhand der Mittelwertstatistiken für die AV „Unternehmensbewertung“ in Tab. 4.38 kann zudem ein Vergleich der arithmetischen Mittelwerte auf Basis der jeweils vorliegenden Humankapitalinformationen gezogen werden. So ergibt sich für die Kontrollgruppen, denen kein Personalbericht vorlag, ein mittleres Bewertungsurteil von 4,06 (s = 1,06)819. Die Probanden mit zusätzlichen positiven Humankapitalinformationen bewerten das Unternehmen durchschnittlich mit dem Wert 4,34 (s = 1,07), während das Bewertungsurteil der Versuchsteilnehmer mit negativen Humankapitalinformationen durchschnittlich 3,69 (s = 0,90) beträgt. Bereits an diesem frühen Punkt der Auswertung sollte nicht unerwähnt bleiben, dass diese Ergebnisse in hohem Maße die in den Hypothesen H1 und H2 unterstellten Kausalzusammenhänge widerspiegeln. So ist aus den Ergebnissen abzuleiten, dass die Entscheidungsträger finanzielle Informationen (H1) und Humankapitalinformationen (H2) offensichtlich in ihre Bewertungsurteile einbeziehen. Dabei sind die Bewertungsurteile im Falle positiver Performanceniveaus dieser Informationstypen jeweils höher als für den Fall des Vorliegens negativer Leistungsniveaus. Unterzieht man die deskriptiven Ergebnisse für die AV „Unternehmensbewertung“ einem abschließenden Vergleich, so wird ersichtlich, dass die Bewertungsurteile der Versuchsteilnehmer am höchsten ausfallen (Mittelwert = 5,11), wenn der Bewertung sowohl positive finanzielle als auch positive Humankapitalinformationen zugrunde
819
Die zugehörige Standardabweichung, welche die durchschnittliche Streuung der Einzelurteile in Bezug auf den Gruppenmittelwert anzeigt, mag mit einem Wert von 1,06 vergleichsweise hoch erscheinen. Dies ist jedoch dadurch zu erklären, dass sich dieser Wert für die Standardabweichung auf den Gesamtmittelwert beider Kontrollgruppen bezieht. Da diesen beiden Gruppen finanzielle Informationen mit gegensätzlichen Performanceniveaus (positiv und negativ) zur Verfügung standen und hier ein Gesamtmittelwert für beide Gruppen gebildet wurde, erscheint die vergleichsweise hohe Standardabweichung vor diesem Hintergrund in jeder Hinsicht plausibel.
250
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
lagen. Dagegen wird für den Fall negativer finanzieller und negativer Humankapitalinformationen das niedrigste Bewertungsurteil (Mittelwert = 3,13) erreicht. Diese Erkenntnisse spiegeln die in H3a postulierten Zusammenhänge wider. Die Versuchsgruppe mit einer Kombination aus positiven finanziellen Informationen und Humankapitalinformationen mit negativer Performance gab im Durchschnitt ein höheres Bewertungsurteil ab (Mittelwert = 4,26) als jene Versuchsgruppe, die die Bewertung auf Basis einer Kombination aus negativen finanziellen und positiven Humankapitalinformationen durchführte (Mittelwert = 3,57). Wie in H3b postuliert lässt dies darauf schließen, dass den finanziellen Informationen bei der Bewertung eines Unternehmens eine höhere Gewichtung zuteil wird als den Informationen über das Humankapital eines Unternehmens.820 Auf Basis der deskriptiven Ergebnisse lässt sich daher auf einen Interaktionseffekt zwischen finanziellen Informationen und Humankapitalinformationen in Bezug auf Bewertungsurteile privater Anleger schließen, der jedoch nachfolgend zunächst noch mittels Methoden der Inferenzstatistik auf Signifikanz zu prüfen sein wird. Im Folgenden sollen die deskriptiven Ergebnisse für die zweite abhängige Variable, „kurzfristige Investitionsentscheidung“, aufgezeigt werden. Tab. 4.39 gibt einen Überblick über die Mittelwerte, Standardabweichungen (s) und Stichprobengrößen (N) für die einzelnen miteinander zu vergleichenden Versuchsgruppen.
820
Ghosh und Wu kommen in ihrer experimentellen Studie zu gleichartigen Ergebnissen, allerdings untersuchten die Autoren die Entscheidungsrelevanz von Intellectual Capital Informationen im Allgemeinen. Vgl. GHOSH, D./WU, A. (2007).
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
251
Deskriptive Statistiken
Finanzielle
Humankapital-
Informationen informationen
1 Positiv
AV “kurzfristige Investitions-
2 Negativ
entscheidung”
Gesamt
Mittelwert
Standardabweichung
N
1 Keine
3,88
1,73
57
2 Positiv
3,68
1,72
57
3 Negativ
3,86
1,64
57
Gesamt
3,81
1,69
171
1 Keine
2,95
1,76
56
2 Positiv
2,91
1,60
57
3 Negativ
2,84
1,66
57
Gesamt
2,90
1,66
170
1 Keine
3,42
1,80
113
2 Positiv
3,30
1,70
114
3 Negativ
3,35
1,72
114
Gesamt
3,35
1,74
341
Tab. 4.39: Deskriptive Statistiken für die AV „kurzfristige Investitionsentscheidung“ (Quelle: Eigene Darstellung)
Zunächst erfolgt eine isolierte Betrachtung derjenigen Versuchspersonen, welche die Wahrscheinlichkeit für eine kurzfristige Aktienanlage auf Basis finanzieller Informationen mit positivem Leistungsniveau angeben sollten. Die Kontrollgruppe A1B1 mit einer Stichprobengröße von N = 57 zeigt diesbezüglich einen Mittelwert von 3,88 (s = 1,73). Dieser Mittelwert, der in etwa im Bereich der Skalenmitte von 4 liegt, sowie die vergleichsweise hohe Standardabweichung lassen auf relativ inhomogene Entscheidungen innerhalb dieser Versuchsgruppe schließen, die sich letztlich auf dem neutralen Niveau in der Skalenmitte einpendeln. Die Experimentalgruppe mit zusätzlichen positiven Humankapitalinformationen (A1B2) gibt im Durchschnitt eine Wahrscheinlichkeit mit dem Wert von 3,68 an, in Aktien des Unternehmens zu investieren (bei einer wiederum vergleichsweise hohen Streuung von s = 1,72). Die inhaltliche Interpretation dieses Ergebnisses folgt zwar erst in einem späteren Abschnitt dieses Auswertungskapitels, jedoch ist bereits an dieser Stelle festzuhalten, dass der im Vergleich zur Kontrollgruppe geringere Mittelwert durchaus verwundert, da positive Humankapitalinformationen offensichtlich eine geringere Wahrscheinlichkeit für eine kurzfristige Investition in Aktien auslösen und das Urteil der Versuchspersonen somit verschlechtern. Für die Experimentalgruppe, die für die Investitionsentscheidung zusätz-
252
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
lich zu den positiven finanziellen Informationen auch negative Humankapitalinformationen zur Verfügung hatte, wird ein Mittelwert von 3,86 ausgewiesen (s = 1,64). Im Vergleich zu dem oben angeführten Mittelwert der Kontrollgruppe (3,88) ergibt sich lediglich eine marginale Änderung, die darauf schließen lässt, dass die Entscheidung hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit für eine kurzfristige Aktienanlage praktisch nicht durch zusätzliche negative Humankapitalinformationen beeinflusst wird. Für die Gesamtheit der Gruppen mit positiven finanziellen Informationen (N = 171) ergibt sich der Mittelwert 3,81 (s = 1,69). In der Gesamttendenz besteht für die Gruppen mit positiven finanziellen Informationen somit eine mittlere Tendenz für eine kurzfristige Investitionsentscheidung. Bei Betrachtung der Versuchsgruppen mit negativen finanziellen Informationen lässt sich für die Kontrollgruppe A2B1 zunächst ein Mittelwert von 2,95 bei einer wiederum vergleichsweise hohen Standardabweichung von s = 1,76 ablesen. Im Vergleich zur oben analysierten Kontrollgruppe A1B1 geben die Probanden der Kontrollgruppe A2B1 im Mittel eine geringere Wahrscheinlichkeit an, kurzfristig in Aktien des Unternehmens zu investieren. Vergleicht man die Werte der Kontrollgruppe mit der Experimentalgruppe A2B2, welche die Entscheidung auf Basis zusätzlicher positiver Humankapitalinformationen fällen sollte, so ist in Analogie zum ersten Fall festzuhalten, dass der Mittelwert mit 2,91 (s = 1,60) erneut marginal kleiner ist. Positive Humankapitalinformationen scheinen folglich die Wahrscheinlichkeit der kurzfristigen Investition zu schmälern. Für die Experimentalgruppe mit sowohl negativen finanziellen Informationen als auch negativen Humankapitalinformationen wird ein Mittelwert von 2,84 (s = 1,66) ausgewiesen. Ein Vergleich mit der Kontrollgruppe zeigt, dass negative Humankapitalinformationen die Entscheidung hinsichtlich einer kurzfristigen Aktienanlage negativ beeinflussen. Insgesamt geben die Gruppen mit negativen finanziellen Informationen die Wahrscheinlichkeit, kurzfristig in Aktien des Unternehmens zu investieren, im Mittel mit dem Wert 2,90 an (s = 1,66), während der Mittelwert für die Gruppen mit positiven Finanzinformationen wie oben dargestellt bei 3,81 liegt. Im Resultat bleibt festzuhalten, dass das Leistungsniveau der Finanzinformationen die Wahrscheinlichkeit für eine kurzfristige Aktienanlage stark beeinflusst. Zieht man einen abschließenden Vergleich der Mittelwerte auf Basis der Verfügbarkeit bzw. des Performanceniveaus der Humankapitalinformationen, so ist zu erkennen, dass der Gesamtmittelwert für die Kontrollgruppen ohne zusätzliche Humankapitalinformationen (N = 113) mit 3,42 angegeben wird (s = 1,80). Gruppen mit zusätzlichen
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
253
positiven Humankapitalinformationen (N = 114) geben im Durchschnitt eine geringere Wahrscheinlichkeit für eine kurzfristige Aktienanlage an (Mittelwert = 3,30, s = 1,70). Eine marginal höhere Wahrscheinlichkeit für eine kurzfristige Investition geht demgegenüber von den Probanden aus, welchen negative Humankapitalinformationen vorlagen (N = 114, Mittelwert = 3,35, s = 1,72). Da die Mittelwerte in Abhängigkeit der Verfügbarkeit bzw. des Niveaus der Humankapitalinformationen eine betragsmäßig lediglich sehr geringe Differenz von maximal 0,12 Skalenpunkten (= 3,42 – 3,30) aufweisen, wird ersichtlich, dass kurzfristige Investitionsentscheidungen offenbar primär durch finanzielle Informationen und kaum durch zusätzliche Humankapitalinformationen determiniert sind. Dieses Ergebnis spiegelt den in H4 dargelegten Zusammenhang wider. Die deskriptiven Statistiken für die dritte zu untersuchende abhängige Variable „langfristige Investitionsentscheidung“ sind in Tab. 4.40 dargestellt. Deskriptive Statistiken
Finanzielle
Humankapital-
Informationen informationen
1 Positiv
AV “langfristige Investitions-
2 Negativ
entscheidung”
Gesamt
Mittelwert
Standardabweichung
N
1 Keine
4,70
1,18
57
2 Positiv
4,96
1,40
57
3 Negativ
3,82
1,39
57
Gesamt
4,50
1,41
171
1 Keine
3,21
1,50
56
2 Positiv
3,40
1,43
57
3 Negativ
2,75
1,34
57
Gesamt
3,12
1,44
170
1 Keine
3,96
1,53
113
2 Positiv
4,18
1,61
114
3 Negativ
3,29
1,46
114
Gesamt
3,81
1,58
341
Tab. 4.40: Deskriptive Statistiken für die AV „langfristige Investitionsentscheidung“ (Quelle: Eigene Darstellung)
Für die Kontrollgruppe A1B1, die auf Basis positiver finanzieller Informationen zu urteilen hatte, wird der Mittelwert für die Wahrscheinlichkeit einer langfristigen Aktienanlage mit 4,70 (s = 1,18) ausgewiesen und liegt damit über dem Skalenmittel-
254
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
punkt, sodass die langfristige Investitionsentscheidung im Mittel der Probanden (N = 57) als tendenziell wahrscheinlich angegeben wird. Die vergleichsweise hohe Streuung, die durch die Standardabweichung zum Ausdruck gebracht wird, lässt auf eher inhomogene Urteile der einzelnen Probanden innerhalb der Versuchsgruppe schließen. Die mit zusätzlichen positiven Humankapitalinformationen ausgestattete Experimentalgruppe A1B2 gibt die Wahrscheinlichkeit einer langfristigen Aktienanlage im Durchschnitt mit dem Wert 4,96 (s = 1,40) an. Im Vergleich zur Kontrollgruppe bezwecken zusätzliche Humankapitalinformationen, die dem Unternehmen ein positives Leistungsniveau bescheinigen, eine höhere Tendenz der langfristigen Investition durch private Anleger. Wie jedoch im Gegensatz dazu aus den deskriptiven Statistiken für die Experimentalgruppe A1B3 ersichtlich wird, führen zusätzlich verfügbare negative humankapitalbezogene Informationen zu einer geringeren mittleren Tendenz, langfristig in das Unternehmen zu investieren (Mittelwert = 3,82, s = 1,39). Jedoch liegt dieser Wert trotz der negativen Humankapitalinformationen immer noch sehr nahe an der Skalenmitte, sodass das diesbezügliche mittlere Urteil dieser Versuchsgruppe als weitgehend neutral bezeichnet werden kann. Das Gesamturteil der mit positiven finanziellen Unternehmensinformationen ausgestatteten Vergleichsgruppen (N = 171) kann mit einem Mittelwert von 4,50 (s = 1,41) angegeben werden und fällt somit aufgrund des Überscheitens der Skalenmitte im Hinblick auf die Entscheidung über eine langfristige Aktienanlage tendenziell neutral bis positiv aus. Für die Versuchsgruppen, die die Wahrscheinlichkeit einer langfristigen Aktienanlage auf Basis negativer finanzieller Informationen zu beurteilen hatten, zeigt sich in der Tendenz ein ähnliches Muster. Die Kontrollgruppe A2B1 (N = 56) gibt die Wahrscheinlichkeit einer langfristigen Anlage im Mittel mit dem Skalenwert 3,21 (s = 1,50) an. Im Vergleich dazu fällt das Urteil der Experimentalgruppe A2B2 unter Rückgriff auf zusätzliche positive Informationen über das Humankapital des Unternehmens besser aus (Mittelwert = 3,40, s = 1,43), liegt im Durchschnitt jedoch immer noch unterhalb der Skalenmitte. Dagegen gibt die Experimentalgruppe A2B3 (zusätzliche negative Humankapitalinformationen) im Durchschnitt eine geringere Wahrscheinlichkeit an, langfristig in das Unternehmen investieren zu wollen (Mittelwert = 2,75, s = 1,34). In der Gesamtbetrachtung liegt der Mittelwert für die Teilstichprobe (N = 170), der negative finanzielle Informationen als Entscheidungsgrundlage vorlagen, mit 3,12 (s = 1,44) unterhalb der Skalenmitte und zeigt somit eine tendenziell unterdurchschnittliche Wahrscheinlichkeit für eine Aktienanlage unter einem langfristigen Investitionshori-
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
255
zont an. Durch einen Vergleich mit dem oben angezeigten Mittelwert von 4,50 für die Versuchsgruppen mit positiven Finanzinformationen lässt sich erkennen, dass das in den finanziellen Informationen widergespiegelte Leistungsniveau des Unternehmens die Wahrscheinlichkeit für eine langfristige Aktienanlage entscheidend beeinflusst. Bei der Analyse der deskriptiven Statistiken im Hinblick auf die Verfügbarkeit bzw. das Performanceniveau der humankapitalbezogenen Informationen zeigt sich ein Gesamtmittelwert von 3,96 (s = 1,53) für diejenigen Versuchsteilnehmer, welchen keine Humankapitalinformationen als Entscheidungsgrundlage vorlagen (N = 113). Die Gruppen mit zusätzlichen positiven Humankapitalinformationen (N = 114) gaben im Mittel eine vergleichsweise höhere Wahrscheinlichkeit an, langfristig investieren zu wollen (Mittelwert = 4,18, s = 1,61). Dagegen fällt die Entscheidung für eine langfristige Investition bei den Gruppen mit negativen Informationen über das Humankapital des Unternehmens (N = 114) mit einem Mittelwert von 3,29 (s = 1,46) am geringsten aus. Der Vergleich dieser Ergebnisse verdeutlicht den Einfluss, den zusätzliche Humankapitalinformationen offensichtlich auf die Entscheidung über eine langfristige Aktienanlage zu haben scheinen. Der aus den Ergebnissen resultierende Zusammenhang lässt – zumindest vorab auf Basis der Stichprobe – auf die Gültigkeit der Hypothesen H5a und H5b schließen. Insgesamt lassen die deskriptiven Statistiken für die drei abhängigen Variablen bereits eine Tendenz dahingehend erkennen, dass sich die in den zu untersuchenden Hypothesen postulierten Zusammenhänge in den Ergebnissen widerspiegeln. Deskriptive Ergebnisse eignen sich jedoch nicht dafür, über eine grundsätzliche Annahme bzw. Ablehnung von Hypothesen zu urteilen, da sich die Werte lediglich auf die untersuchten Stichproben beziehen und davon ausgehend keine Aussagen im Hinblick auf die Grundgesamtheit privater Anleger getroffen werden können.821 Für die Prüfung der Ergebnisse auf ihre Signifikanz hin werden daher in den nachfolgenden Abschnitten die Testergebnisse der multivariaten und univariaten Varianzanalyse vorgestellt. Daran anschließend werden eine inhaltliche Interpretation der Ergebnisse sowie eine Darstellung der Implikationen für Forschung und Praxis vorgenommen.
821
Vgl. sinngemäß auch RASCH, B. et al. (2006), S. 75.
256
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
4.4.4.2 Ergebnisse der multivariaten Varianzanalyse Die multivariate Varianzanalyse (MANOVA) ermöglicht es, Mittelwertdifferenzen zwischen Versuchsgruppen für mehrere abhängige Variablen simultan zu prüfen.822 Angesichts des der empirischen Studie zugrundeliegenden Bezugsrahmens eines integrierten Judgment and Decision Making-Ansatzes, wonach einer Investitionsentscheidung typischerweise ein Urteil im Hinblick auf die Bewertung eines Unternehmens vorausgeht und Bewertung und Investition somit als eine Art „Einheit“ gesehen werden, erscheint die MANOVA hier als probate Methodik.823 Diese ermöglicht es, die Variablen für die Unternehmensbewertung und die Investitionsentscheidungen in ein ganzheitliches Modell zu integrieren und somit gleichzeitig zu analysieren. Dabei bietet die MANOVA im Vergleich zu der Durchführung mehrerer separater univariater Varianzanalysen für die einzelnen abhängigen Variablen zwei entscheidende Vorteile. Zum einen liefert die MANOVA zusätzliche Informationen hinsichtlich der Beziehungen zwischen den abhängigen Variablen untereinander. So kann die MANOVA offenlegen, ob sich einzelne Gruppen in Bezug auf Kombinationen der Ausprägungen mehrerer abhängiger Variablen unterscheiden.824 Zum anderen verringert sich bei der Durchführung einer MANOVA im Vergleich zu mehreren separaten ANOVAs die Wahrscheinlichkeit, einen D-Fehler825 zu begehen. Der Grund dafür ist darin zu sehen, dass sich bei der Durchführung mehrerer Tests auf Basis der gleichen Daten die Wahrscheinlichkeit, bei der Annahme bzw. Ablehnung der Nullhypothesen einem Irrtum zu unterliegen, kumuliert.826 In das MANOVA-Modell wurden folgende Variablen integriert:
822
Vgl. FIELD, A. (2009), S. 585, 614.
823
So weist auch FIELD ausdrücklich darauf hin, dass die Durchführung einer MANOVA keinen Selbstzweck verfolgen sollte. Die gleichzeitige Analyse von mehreren abhängigen Variablen innerhalb eines MANOVA-Modells sollte vielmehr aufgrund theoretischer Überlegungen als sinnvoll erachtet werden. Vgl. FIELD, A. (2009), S. 587.
824
Vgl. FIELD, A. (2009), S. 586.
825
Der D-Fehler wird auch als Fehler ersten Grades bzw. erster Art bezeichnet und meint die Irrtumswahrscheinlichkeit, die mit einem fälschlichen Ablehnen der Nullhypothese einhergeht. Vgl. JANSSEN, J./LAATZ, W. (2010), S. 379.
826
Vgl. diesbezüglich die Forschungsbeiträge von STRAHAN, R. F. (1982); LEARY, M. R./ALTMAIER, E. M. (1980); HUMMEL, T. J./SLIGO, J. R. (1971) sowie auch die Ausführungen bei FIELD, A. (2009), S. 585f.
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
257
Die unabhängigen Variablen “finanzielle Informationen” (Faktorstufen: positiv, negative) und Humankapitalinformationen (Faktorstufen: keine, positiv, negativ) sowie die abhängigen Variablen “Unternehmensbewertung”, “kurzfristige Investitionsentscheidung” und „langfristige Investitionsentscheidung“. Die durch die MANOVA zu testende Nullhypothese besagt, dass die Mittelwerte aus der Kombination der abhängigen Variablen über alle Gruppen hinweg identisch sind, während die Alternativhypothese Unterschiede zwischen mindestens zwei Gruppen bei wenigstens einer abhängigen Variable annimmt.827 Die in Tab. 4.41 dargestellten MANOVA-Teststatistiken weisen für die beiden unabhängigen Variablen sowie für ihre Interaktion jeweils insgesamt vier unterschiedliche multivariate Omnibustests aus: Pillai-Spur828, Wilks-Lambda, Hotelling-Spur und die größte charakteristische Wurzel nach Roy.829 Alle vier Tests sind gegenüber einer Verletzung der multivariaten Normalverteilung relativ robust.830 Dies ist wichtig, da die multivariate Normalverteilung der abhängigen Variablen mangels eines eigenen Tests im Statistikprogramm PASW hier nur unterstellt werden kann.831 Es existieren zahlreiche Forschungsbeiträge, die sich mit der Untersuchung der jeweiligen Stärke der vier Teststatistiken befasst haben.832 Dabei wurde herausgefunden, dass sich die vier Teststatistiken im Hinblick auf deren statistische Teststärke sowie deren Robustheit gegenüber Verletzungen der Prämissen der multivariaten Normalverteilung und der Homogenität der Varianz-Kovarianz-Matrizen unterscheiden. Da sich 827
Vgl. ESCHWEILER, M./EVANSCHITZKY, H./WOISETSCHLÄGER, D. M. (2007), S. 551.
828
Häufig findet sich auch die ausführlichere Bezeichnung Pillai-Bartlett-Spur.
829
Vgl. ESCHWEILER, M./EVANSCHITZKY, H./WOISETSCHLÄGER, D. M. (2007), S. 551; FIELD, A. (2009), S. 603ff.
830
Vgl. FIELD, A. (2009), S. 605.
831
So konnten die abhängigen Variablen lediglich auf ihre jeweilige univariate Normalverteilung geprüft werden, vgl. die diesbezüglichen statistischen Auswertungen in Abschnitt 4.4.3.2. Dieses Vorgehen wird grundsätzlich als zweckmäßig angesehen, zumal univariate Normalverteilung eine notwendige Bedingung für das Vorliegen multivariater Normalverteilung darstellt. Es kann jedoch nicht mit abschließender Sicherheit von univariater Normalverteilung auch auf multivariate Normalverteilung geschlossen werden. Vgl. FIELD, A. (2009), S. 603f.
832
Stellvertretend sei diesbezüglich auf die Forschungsbeiträge von OLSON, C. L. (1976); STEVENS, J. (1979); OLSON, C. L. (1979) sowie MULLER, K. E./PETERSON, B. L. (1984) verwiesen. Einen Überblick über verschiedene empirische Befunde liefert FIELD, A. (2009), S. 604f.
258
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
für die verschiedenen Teststatistiken in der vorliegenden Auswertung marginal unterschiedliche Signifikanzwerte ergeben, ist es zum Zwecke einer Entscheidung über die Annahme bzw. Ablehnung der zugrundeliegenden Nullhypothese notwendig, eine Entscheidung hinsichtlich der präferierten Teststatistik zu treffen. Im vorliegenden Fall wird die Pillai-Spur als geeignetste der vier Teststatistiken erachtet, da diese im Falle gleicher Zellenbesetzungen – wie im vorliegenden Fall gegeben – als sehr robust gilt und zudem auch als robusteste Teststatistik bei Verletzungen der Prämissen multivariater Normalverteilung und Homogenität der Varianz-Kovarianz-Matrizen gilt.833 Zur abschließenden Interpretation der Ergebnisse der MANOVA werden daher im Folgenden nur die Ergebnisse der Pillai-Spur herangezogen. Die für die Analyse der Effekte in Tab. 4.41 heranzuziehende Spalte ist jene, welche die empirischen Signifikanzniveaus für die F-Werte ausweist (überschrieben mit Sig.).
833
OLSON, C. L. (1976), S. 579ff.; OLSON, C. L. (1979), S. 1350ff.; FIELD, A. (2009), S. 605, 609.
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
259
Multivariate Testsd Ef f ekt
Konstanter Term
Inf ormationen
Humankapitalinf ormationen
Finanzielle Inf ormationen
Fehler df
3546,32a
3
333
0,03
3546,32a
3
31,95
3546,32a
31,95
3546,32a
F
Pillai-Spur
0,97
Wilks-Lambda Hotelling-Spur Größte charakteristische Wurzel nach Roy
Finanzielle
Hypothese df
Wert
Sig.
Partielles Beobachtete Eta²
Schärf eb
0,000
0,97
1,00
333
0,000
0,97
1,00
3
333
0,000
0,97
1,00
3
333
0,000
0,97
1,00
Pillai-Spur
0,48
103,92a
3
333
0,000
0,48
1,00
Wilks-Lambda
0,52
103,92a
3
333
0,000
0,48
1,00
Hotelling-Spur
0,94
103,92a
3
333
0,000
0,48
1,00
Größte charakteristische Wurzel nach Roy
0,94
103,92a
3
333
0,000
0,48
1,00
Pillai-Spur
0,14
8,24
6
668
0,000
0,07
1,00
Wilks-Lambda
0,86
8,49a
6
666
0,000
0,07
1,00
Hotelling-Spur
0,16
8,74
6
664
0,000
0,07
1,00
Größte charakteristische Wurzel nach Roy
0,15
16,95c
3
334
0,000
0,13
1,00
Pillai-Spur
0,02
1,07
6
668
0,377
0,01
0,43
Wilks-Lambda
0,98
1,07a
6
666
0,376
0,01
0,43
Hotelling-Spur
0,02
1,08
6
664
0,375
0,01
0,43
0,02
2,14c
3
334
0,095
0,02
0,54
* Humankapital-
inf ormationen Größte charakteristische Wurzel nach Roy a. Exakte Statistik b. Unter Verwendung von Alpha = 0,05 berechnet
c. Die Statistik ist eine Obergrenze auf F, die eine Untergrenze auf dem Signifikanzniveau ergibt. d. Design: Konstanter Term + VAR_A + VAR_B + VAR_A * VAR_B
Tab. 4.41: Teststatistiken der multivariaten Varianzanalyse (Quelle: Eigene Darstellung)
Für die beiden unabhängigen Variablen „finanzielle Informationen“ und „Humankapitalinformationen“ weisen die Pillai-Spur (p = 0,000), Wilks-Lambda (p = 0,000), die Hotelling-Spur (p = 0,000) sowie die größte charakteristische Wurzel nach Roy (p = 0,000) jeweils empirische Signifikanzwerte aus, die unter dem vorgegebenen Signifikanzniveau D = 0,05 liegen. Für beide unabhängigen Variablen kann somit die Nullhypothese, es gäbe keine Mittelwertunterschiede der abhängigen Variablen zwischen den einzelnen Gruppen, zurückgewiesen werden. Aufgrund dieser signifikanten Haupteffekte der beiden Faktoren kann angenommen werden, dass sich jeweils mindestens zwei ihrer Faktorstufen bei mindestens einer der drei abhängigen Variablen
260
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
signifikant voneinander unterscheiden. Im Hinblick auf die Interaktion zwischen finanziellen Informationen und Humankapitalinformationen weisen die vier Teststatistiken demgegenüber nur marginal unterschiedliche empirische Signifikanzniveaus für den F-Wert aus. Folgt man – wie oben dargelegt – den Ergebnissen der Pillai-Spur (p = 0,377), so muss angenommen werden, dass kein signifikanter Interaktionseffekt der beiden Faktoren vorliegt.834 Ergänzend wird in Tab. 4.41 das Effektstärkemaß „Partielles Eta-Quadrat“ ausgewiesen.835 Bei Eta-Quadrat (²) handelt es sich im Allgemeinen um ein Maß für die Erklärungskraft von Faktoren und deren Interaktionseffekten in Bezug auf die abhängige(n) Variable(n).836 Das hier ausgewiesene partielle Eta-Quadrat (p²) gibt den Anteil der Gesamtvarianz an, der durch einen Faktor erklärt wird, wobei eine Bereinigung des jeweiligen Erklärungsanteils um die Einflüsse der übrigen Faktoren erfolgt.837 Ausgehend von den durch die Pillai-Spur ausgewiesenen partiellen Eta-Quadrat-Werten zeigt sich, dass finanzielle Informationen (p² = 0,48) einen deutlich höheren Anteil der Gesamtvarianz erklären als Humankapitalinformationen (p² = 0,07). Die Wechselwirkung aus finanziellen und Humankapitalinformationen (p² = 0,01) weist dagegen lediglich einen sehr geringen Erklärungsgehalt in Bezug auf die Gesamtvarianz der abhängigen Variablen auf. Im Hinblick auf die Stärke der untersuchten Effekte ist somit zusammenfassend festzuhalten, dass der Haupteffekt der finanziellen Informationen 834
Ebenso weisen die verbleibenden drei Teststatistiken mit empirischen Signifikanzniveaus von D* = 0,376 (Wilks-Lambda), D* = 0,375 (Hotelling-Spur) und D* = 0,095 (größte charakteristische Wurzel nach Roy) auf eine nicht statistisch signifikante Wechselwirkung zwischen den Faktoren hin. Während jedoch die erstgenannten Teststatistiken einen Signifikanzwert in vergleichbarer Höhe ausweisen, so ist der empirische Signifikanzwert nach der Roy’schen Teststatistik auf einem weitaus geringeren Niveau. Würde man sich für diese Teststatistik entscheiden und geringere Anforderungen an die Irrtumswahrscheinlichkeit stellen, d. h. das Signifikanzniveau von D = 0,10 zugrunde legen, so könnte hier sogar auf einen signifikanten Interaktionseffekt geschlossen werden. Dies zeigt nochmals eindrucksvoll die Notwendigkeit auf, vor Beginn der Analyse eine für die Daten geeignete Teststatistik auszuwählen, da die einzelnen Methoden u. U. zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen führen können. Vgl. zu dieser Argumentation auch FIELD, A. (2009), S. 609.
835
Es gilt an dieser Stelle zu betonen, dass mittels Signifikanztests generell keine Aussage über die Stärke von Effekten getroffen werden kann. Ein „signifikanter“ Effekt ist demnach keinesfalls mit einem „starken“ Effekt gleichzusetzen. Für die Beurteilung der Effektstärke müssen daher spezielle Effektstärkemaße herangezogen werden, die im Vergleich zu Signifikanztests nicht von der Anzahl der untersuchten Fälle beeinflusst sind, sondern diesbezüglich unempfindlich sind. Eta² ist ein solches Effektstärkemaß. Dieses ist als das Verhältnis der durch einen Faktor erklärten Varianz zur Gesamtvarianz zu interpretieren. Vgl. SCHNELL, R./HILL, P. B./ESSER, E. (2008), S. 453.
836
Vgl. BACKHAUS, K. et al. (2008), S. 173f.
837
Vgl. BACKHAUS, K. et al. (2008), S. 173f.; FIELD, A. (2009), S. 415.
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
261
mit einer Varianzerklärungskraft von 48 % den stärksten Effekt auf die abhängigen Variablen ausübt, während die Stärke des Haupteffekts der Humankapitalinformationen vergleichsweise geringer ausfällt, da Humankapitalinformationen lediglich 7 % der Gesamtvarianz zu erklären vermögen. Diese empirischen Erkenntnisse stützen die im Rahmen der Entwicklung eines theoretischen Bezugsrahmens formulierte These, dass private Anleger für die Bewertung von Unternehmen sowie auch für ihre Entscheidung hinsichtlich einer Aktienanlage hauptsächlich auf finanzielle Informationen als Entscheidungsgrundlage zurückgreifen, während Humankapitalinformationen eine im Vergleich dazu geringere Bedeutung zukommt. Mit dem Maß „Beobachtete Schärfe“ wird die Teststärke für einen aus den Daten abgeleiteten empirischen Effekt ausgewiesen.838 Im Allgemeinen wird die Wahrscheinlichkeit, einen in der Grundgesamtheit tatsächlich existierenden Effekt mittels statistischer Tests zu entdecken, als Schärfe bzw. Power eines Tests bezeichnet.839 Die Schärfe eines Tests kann Anhaltspunkte hinsichtlich der Höhe der Wahrscheinlichkeit, durch die fälschliche Beibehaltung der Nullhypothese einen E-Fehler840 zu begehen, d. h. tatsächlich vorhandene Effekte nicht zu entdecken, aufzeigen.841 Der Maßzahl „Beobachtete Schärfe“ liegt dabei zunächst die Annahme zugrunde, dass der beobachtete Effekt tatsächlich auch in der Grundgesamtheit vorhanden ist. Es wird folglich die Wahrscheinlichkeit ausgewiesen, mit der eine andere, aus der gleichen Population stammende Stichprobe gleicher Größenordnung diesen Effekt ebenfalls entdecken und die Nullhypothese ablehnen würde.842 Im Fall der Finanz- und Humankapitalinformationen würde eine Stichprobe gleicher Größe den Effekt mit 100 %iger Wahrschein838
Vgl. RASCH, B. et al. (2006), S. 80.
839
Vgl. BORKOWSKI, S. C./WELSH, M. J./ZHANG, Q. (2001), S. 64; JANSSEN, J./LAATZ, W. (2010), S. 379.
840
Der E-Fehler wird auch als Fehler zweiter Art bezeichnet und bezeichnet die Irrtumswahrscheinlichkeit, die mit einer fälschlichen Nicht-Zurückweisung der Nullhypothese einhergeht. Vgl. BORKOWSKI, S. C./WELSH, M. J./ZHANG, Q. (2001), S. 63, 65. Dagegen beschreibt der D-Fehler die Irrtumswahrscheinlichkeit, die mit einer fälschlichen Ablehnung der Nullhypothese verbunden ist. Der E-Fehler ist abhängig von D, der Stichprobengröße sowie der Größe des tatsächlichen Effekts. Vgl. JANSSEN, J./LAATZ, W. (2010), S. 379.
841
Die oftmals mangelnde Beachtung der statistischen Power von Signifikanztests im Forschungszweig des Behavioral Accounting wird von Borkowski, Welsh und Zhang stark kritisiert. So sei es nicht ausreichend, lediglich aus dem Signifikanzwert auf das Vorliegen eines Effekts zu schließen, ohne dabei die Teststärke zu berücksichtigen. Vgl. BORKOWSKI, S. C./WELSH, M. J./ZHANG, Q. (2001), S. 64.
842
Vgl. JANSSEN, J./LAATZ, W. (2010), S. 379.
262
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
lichkeit auch entdecken, bei der Interaktion hingegen nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 43 %.843 Aus den Ergebnissen der MANOVA lässt sich insgesamt schließen, dass die verschiedenen Faktorstufen der unabhängigen Variablen “finanzielle Informationen” und “Humankapitalinformationen” signifikante Haupteffekte auf die abhängigen Variablen „Unternehmensbewertung“, „kurzfristige Investitionsentscheidung“ und „langfristige Investitionsentscheidung“ ausüben. Jedoch ist die Natur dieser Effekte aus den multivariaten Teststatistiken nicht ersichtlich. Zum einen zeigt die MANOVA nicht an, welche Gruppen sich im einzelnen unterscheiden und zum anderen kann keine definitive Aussage dahingehend erfolgen, ob sich die signifikanten Haupteffekte der finanziellen Informationen und der Humankapitalinformationen auf die Unternehmensbewertung, die kurzfristige Investitionsentscheidung, die langfristige Investitionsentscheidung oder auf die Kombination von zwei oder sogar allen drei abhängigen Variablen beziehen.844 Um die Effekte einer detaillierten Analyse zu unterziehen, wird die MANOVA nachfolgend durch sich anschließende separate ANOVAs (engl.: follow-up ANOVAs) für die drei abhängigen Variablen ergänzt. Durch diese univariaten ANOVAs lässt sich ermitteln, auf welche der drei abhängigen Variablen die beiden Faktoren einen signifikanten Haupteffekt ausüben und ob möglicherweise für eine oder mehrere abhängige Variablen auch signifikante Interaktionseffekte der unabhängigen Variablen aufgedeckt werden können. 4.4.4.3 Ergebnisse der univariaten Varianzanalyse Im vorliegenden Abschnitt erfolgt die Darstellung und Interpretation der Ergebnisse der univariaten Varianzanalyse, welche sich an die im vorherigen Abschnitt aufgezeigte multivariate Varianzanalyse typischerweise anschließt. Die univariate Varianzanalyse ist allgemein dadurch gekennzeichnet, dass eine isolierte Untersuchung der Wirkungen von einem oder mehreren Faktoren auf eine einzige abhängige Variable erfolgt. Dementsprechend werden aufgrund des Vorliegens von drei zu untersuchenden
843
Aufgrund der niedrigen Teststärke von 43 % für den nicht-signifikanten Interaktionseffekt bleibt es fraglich, ob der Effekt einfach als unbedeutend aus dem Modell ausgeschlossen werden sollte. Vgl. analog auch JANSSEN, J./LAATZ, W. (2010), S. 379. Im vorliegenden Fall wird jedoch aus Gründen der Praktikabilität auf die durch die multivariaten Teststatistiken ausgewiesenen Signifikanzwerte vertraut und somit von einem nicht-signifikanten Interaktionseffekt ausgegangen.
844
Vgl. hierzu sinngemäß auch FIELD, A. (2009), S. 609.
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
263
abhängigen Variablen nachfolgend drei separate univariate Varianzanalysen durchgeführt und deren Teststatistiken analysiert. 4.4.4.3.1 Univariate Varianzanalyse der abhängigen Variable „Unternehmensbewertung“ Zur Überprüfung der Hypothesen H1, H2 und H3, die allesamt Wirkungszusammenhänge zwischen den unabhängigen Variablen „finanzielle Informationen“ und „Humankapitalinformationen“ und der abhängigen Variable „Unternehmensbewertung“ postulieren, wurde eine univariate Varianzanalyse für die abhängige Variable „Unternehmensbewertung“ durchgeführt. Die Teststatistik der ANOVA ist in Tab. 4.42 dargestellt. Im tabellarischen Aufbau dieser Teststatistik zeigt sich deutlich das Prinzip der Varianzzerlegung, wonach die Gesamtstreuung der abhängigen Variable in eine durch das Modell bzw. die Faktoren erklärte und eine nicht erklärte Streuung unterteilt wird.845 Die „korrigierte Gesamtvariation“ in der letzten Tabellenzeile weist die Gesamtstreuung aus. In der ersten Zeile sind unter dem Begriff „korrigiertes Modell“ Parameter und Maßgrößen für die durch das Modell erklärte Streuung angegeben. Der Begriff „Fehler“ meint dagegen die durch das Modell nicht erklärte Streuung. Die durch das Modell erklärte Streuung wird wiederum aufgegliedert in den Teil der Streuung, die durch die beiden Haupteffekte jeweils einzeln erklärt wird und die durch den Interaktionseffekt erklärte Streuung.846
845
Vgl. allgemein zum der Varianzanalyse zugrundeliegenden Prinzip der Varianzzerlegung die Ausführungen in Abschnitt 4.3.5.3.
846
Vgl. hierzu auch die Ausführungen bei BACKHAUS, K. et al. (2008), S. 173.
264
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
Tests der Zwischensubjekteffekte Abhängige Variable: Unternehmensbewertung Quelle
Quadratsumme vom Typ III
df
Mittel der Quadrate
F
Sig.
Partielles Beobachtete Eta²
Schärf eb
Korrigiertes Modell
193,38a
5
38,67
72,57
0,000
0,52
1,00
Konstanter Term
5542,32
1
5542,32
10399,55
0,000
0,97
1,00
Finanzielle Inf ormationen
166,49
1
166,49
312,40
0,000
0,48
1,00
23,91
2
11,95
22,43
0,000
0,12
1,00
2,98
2
1,49
2,79
0,063
0,02
0,55
Fehler
179,07
336
0,53
Gesamt
5914,76
342
Korrigierte Gesamtvariation
372,44
341
Humankapitalinf ormationen Finanzielle Inf ormationen * Humankapitalinf ormationen
a. R² = 0,52 (korrigiertes R² = 0,51) b. Unter Verwendung von Alpha = 0,05 berechnet
Tab. 4.42: Teststatistik der univariaten Varianzanalyse für die AV „Unternehmensbewertung“ (Quelle: Eigene Darstellung)
Aus den Ergebnissen der ANOVA für die AV “Unternehmensbewertung” ist ersichtlich, dass der F-Wert des korrigierten Gesamtmodells hochsignifikant ist (F = 72,57; Sig. (p) = 0,000). Das Gesamtmodell ist somit signifikant, d. h. die Bewertungsurteile privater Anleger hängen von mindestens einem der im Modell berücksichtigten Faktoren ab.847 Die Betrachtung des Bestimmtheitsmaßes R-Quadrat zeigt zudem, dass 52 % und damit ein beträchtlicher Anteil der Varianz in der abhängigen Variable durch das Gesamtmodell erklärt werden.848 Daraus lässt sich bereits zu Beginn der Analyse erkennen, dass sich finanzielle Informationen und Humankapitalinformationen durchaus als Erklärungsbasis für die Bewertung von Unternehmen durch private Anleger eignen. In Bezug auf die beiden unabhängigen Variablen lässt die Teststatistik desweiteren sowohl auf einen signifikanten Haupteffekt der finanziellen Informationen (F=312,40, 847
Vgl. Umkehrschluss zu BROSIUS, F. (2008), S. 616.
848
Vgl. BROSIUS, F. (2008), S. 616f.
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
265
p = 0,000) als auch auf einen signifikanten Haupteffekt der Humankapitalinformationen (F = 22,43, p = 0,000) schließen. Der hochsignifikante F-Wert für den Faktor “finanzielle Informationen” lässt sich dahingehend interpretieren, dass sich finanzielle Informationen auf die Unternehmensbewertung auswirken, d. h. private Anleger beziehen diese in ihre Bewertungsurteile mit ein, unabhängig davon, ob auch Humankapitalinformationen zur Verfügung stehen. Für den zweiten Faktor, Humankapitalinformationen, wird gleichermaßen ein hochsignifikanter F-Wert ausgewiesen (p = 0,000). Das bedeutet, dass die Verfügbarkeit bzw. das Niveau von Humankapitalinformationen unabhängig von dem Leistungsniveau finanzieller Informationen die Bewertungsurteile der Gruppe der Privatanleger beeinflusst. Die beiden signifikanten Haupteffekte lassen insgesamt den Schluss zu, dass private Anleger sowohl Finanzinformationen als auch Humankapitalinformationen in ihre Bewertungsurteile einbeziehen. Zudem besteht ein marginal signifikanter Interaktionseffekt der beiden Faktoren (F = 2,80, p = 0,063). Da das empirische Signifikanzniveau mit 6,3 % das vorgegebene Signifikanzniveau von D = 5 % nur marginal übersteigt und die beobachtete Testschärfe mit 55 % als eher schwach zu beurteilen ist, wird hier von einem signifikanten Einfluss der Wechselwirkung finanzieller Informationen und Humankapitalinformationen auf die Unternehmensbewertung ausgegangen.849 Die im Vergleich zu den beiden Haupteffekten (beobachtete Schärfe = jeweils 100 %) geringere beobachtete Schärfe für den Interaktionseffekt sagt aus, dass die Wahrscheinlichkeit dafür, mit einer anderen Stichprobe gleichen Umfangs aus der Grundgesamtheit diesen Effekt ebenfalls zu entdecken, sehr viel geringer als für die signifikanten Haupteffekte ist. Der signifikante Interaktionseffekt von finanziellen und Humankapitalinformationen auf die AV lässt sich dahingehend interpretieren, dass der Einfluss finanzieller Informationen auf die Bewertungsurteile privater Anleger unterschiedlich ausfällt in Abhängigkeit von dem jeweiligen Leistungsniveau zusätzlich bereitgestellter Humankapitalinformationen. Dies deutet darauf hin, dass zusätzliche Humankapitalinformationen eine moderierende Wirkung auf die Beziehung zwischen finanziellen Informationen und Bewertungsurteilen von Privatanlegern haben. Aus der Signifikanz der beiden Haupteffekte und des Interaktionsterms konnte bislang noch keine Aussage in Bezug auf die Stärke dieser Effekte abgeleitet werden. Zu die849
Vgl. BROSIUS, F. (2008), S. 619.
266
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
sem Zweck wurden – wie bereits bei den Teststatistiken der MANOVA – zusätzlich partielle Eta-Quadrat-Werte als Maßgrößen für die Effektstärke berechnet. Diese sind in der vorletzten Spalte von Tab. 4.42 jeweils für das Gesamtmodell, den konstanten Term, die beiden Faktoren sowie den Interaktionsterm ausgewiesen. Für das korrigierte Gesamtmodell ergibt sich diesbezüglich eine Effektstärke von p2 = 0,52. Dieser Wert lässt erkennen, dass das partielle Eta-Quadrat für das Gesamtmodell dem Wert des Bestimmtheitsmaßes R-Quadrat entspricht.850 52 % der Gesamtvarianz können somit durch das Gesamtmodell erklärt werden, d. h. die in das Modell integrierten finanziellen und humankapitalbezogenen Informationen erklären knapp über die Hälfte der beobachteten Gesamtvarianz in der abhängigen Variablen Unternehmensbewertung. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass 48 % der Gesamtvarianz nicht durch das Modell erklärt werden können und es offensichtlich noch weitere Faktoren geben muss, die die Unternehmensbewertung ebenfalls beeinflussen. Dies erscheint deshalb plausibel, da es in der Natur von Experimenten liegt, nur einen Ausschnitt der Realität abbilden zu können, um eine isolierte Untersuchung von Effekten zu ermöglichen. So lagen den Probanden lediglich verkürzte Auszüge aus Geschäftsberichten vor, während Privatanleger in der Realität für ihre Bewertungsurteile auf zahlreiche weitere Informationen zurückgreifen können. Auch spiegelt das Humankapital nur eine Komponente des intellektuellen Kapitals eines Unternehmens wider, während in der Realität bspw. auch Informationen hinsichtlich des Customer Capital oder der strategischen Ausrichtung eines Unternehmens für dessen Bewertung eine Rolle spielen. Vor diesem Hintergrund ist der Varianzerklärungsanteil des hier vorliegenden Modells mit 52 % der Gesamtvarianz sogar als relativ hoch zu beurteilen. Weiterhin ist festzuhalten, dass die Finanzinformationen mit einem partiellen Eta-Quadrat von p² = 48 % einen wesentlich höheren Varianzerklärungsgehalt besitzen als die Humankapitalinformationen, für die nur eine Effektstärke von p² = 12 % ausgewiesen wird. Der Interaktionsterm von finanziellen und humankapitalbezogenen Informationen erklärt hingegen lediglich 2 % der nicht durch die beiden einzelnen Faktoren erklärten Gesamtvarianz des Modells.
850
Dies lässt sich damit begründen, dass das Bestimmtheitsmaß R² als Quotient der Summe der Quadrate des Modells und der gesamten Summe der Quadrate definiert ist und somit dem für das Gesamtmodell ausgewiesenen partiellen Eta-Quadrat rechnerisch gleichzusetzen ist. Vgl. FIELD, A. (2009), S. 202, 389.
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
267
Aus den Ergebnissen der ANOVA lässt sich schließen, dass finanzielle Informationen für die Bewertungsurteile privater Anleger eine größere Rolle spielen als Humankapitalinformationen. Dennoch wirkt sich auch die Kombination beider Informationstypen marginal signifikant auf die Bewertung eines Unternehmens aus. Die Ergebnisse stützen die Hypothesen H1 und H2, wonach private Anleger sowohl finanzielle als auch Humankapitalinformationen bei ihrer Bewertungsentscheidung berücksichtigen. Zudem zeigt der marginal signifikante Interaktionseffekt, dass die Unternehmensbewertung von der Kombination der Leistungsniveaus beider Informationsarten abhängt (H3), wobei die Bedeutung finanzieller Informationen aufgrund ihres höheren Erklärungsgehalts überwiegt (H3a und H3b). Zum Zwecke der Visualisierung und anschaulichen Interpretation der varianzanalytischen Ergebnisse werden im Folgenden Profil-Diagramme851 eingesetzt. ProfilDiagramme eignen sich insbesondere zur Interpretation von Interaktionseffekten.852 Somit lässt sich im vorliegenden Fall das Zusammenwirken der verschiedenen Leistungsniveaus der finanziellen Informationen und der Humankapitalinformationen in Bezug auf die Bewertung von Unternehmen visuell darstellen. Die in Abb. 4.34 dargestellten Profil-Diagramme zeigen, dass die Bewertungsurteile unabhängig von der Verfügbarkeit und dem Niveau der Humankapitalinformationen bei positiven finanziellen Informationen besser ausfallen als für den Fall negativer finanzieller Informationen. Im linken Diagramm ist dies daran zu erkennen, dass alle drei Linien, welche die unterschiedlichen Niveaus der Humankapitalinformationen visualisieren, einen steigenden Verlauf von links (negative finanzielle Informationen) nach rechts (positive finanzielle Informationen) aufweisen. Im rechten Diagramm wird dieser Effekt daran verdeutlicht, dass die durch Dreiecke markierte Linie der positiven finanziellen Informationen für alle Niveaus von Humankapitalinformationen oberhalb der durch Quadrate markierten Linie der negativen finanziellen Informationen liegt. Dies deutet auf die Gültigkeit von Hypothese H1 hin, die besagt, dass ein Unternehmen bei positiver finanzieller Leistungsfähigkeit von privaten Anlegern höher bewertet wird als bei einer schlechten finanziellen Performance.
851
Synonym auch: Interaktionsdiagramme.
852
Vgl. BORTZ, J./DÖRING, N. (2006), S. 533; FIELD, A. (2009), S. 432 sowie die allgemeinen Ausführungen zu Interaktionsdiagrammen bzw. Profildiagrammen und deren Eignung für die Analyse von Haupt- und Interaktionseffekten in Abschnitt 4.3.5.6.
268
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
Abb. 4.34: Profil-Diagramme für die AV „Unternehmensbewertung“ (Quelle: Eigene Darstellung)
Wird die Betrachtung um humankapitalbezogene Angaben ergänzt, führen positive Humankapital-Informationen sowohl bei positiven als auch bei negativen Finanzinformationen im Vergleich zur Kontrollgruppe zu jeweils höheren Bewertungsurteilen. Dies lässt sich im linken Diagramm daran erkennen, dass die durch Dreiecke markierte Linie der positiven Humankapitalinformationen oberhalb der durch Kreise markierten Linie der Kontrollgruppe liegt. Private Anleger scheinen positive Humankapitalinformationen somit über die finanziellen Informationen hinaus als einen entscheidenden Werttreiber zu interpretieren, welcher in der Konsequenz zu höheren Bewertungsurteilen führt. Dagegen haben negative Humankapitalinformationen für beide Leistungsniveaus finanzieller Informationen jeweils schlechtere Bewertungsurteile zur Folge, was sich im linken Diagramm dadurch äußert, dass sich die durch Quadrate markierte Linie der negativen Humankapitalinformationen unterhalb der Kontrollgruppenlinie befindet. Bei Betrachtung des rechten Diagramms sinken die Bewertungsurteile im rechten Abschnitt beider Kurven auf das geringste Niveau. Aus der Perspektive der Privatanleger weisen diese negativen Humankapitalinformationen offensichtlich auf bestehende Risiken in Bezug auf das Vorhandensein und den Aufbau zukünftiger, mit dem Humankapital verbundener Kernkompetenzen hin, die sich möglicherweise auf den nachhaltigen Unternehmensfortbestand853 auswirken können und somit geringere Bewertungsurteile zur Folge haben. Die genauere Analyse zeigt, dass positive finanzielle Informationen in Kombination mit positiven humankapitalbezogenen Informationen zur höchsten Unternehmensbewertung in allen sechs Gruppen führen. Dagegen führt die Kombination ausschließlich negativer Leistungsniveaus der finanziellen und der 853
Engl.: going concern.
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
269
Humankapitalinformationen zur niedrigsten Unternehmensbewertung. Die in diesem Fall insgesamt schlechte Gesamtperformance des Unternehmens, die aufgrund der finanziellen Schwächen in Kombination mit einer bedenklichen Entwicklung des Humankapitals offensichtlich wird, mag private Anleger auf ein erhebliches Risiko in Bezug auf die Weiterführung bzw. sogar auf eine drohende Stilllegung des Betriebs schließen lassen und ihre Bewertungsurteile folglich weiter verschlechtern. Durch diese aufgezeigten Wirkungsbeziehungen wird der in H3a postulierte Zusammenhang bestätigt. Dies zeigt, dass Humankapitalinformationen die Beziehung zwischen finanziellen Informationen und Bewertungsurteilen moderieren. Dass positive Humankapitalinformationen aber auch unabhängig von der Verfügbarkeit und dem Niveau der finanziellen Informationen zu einer höheren Unternehmensbewertung führen, deutet auf die Gültigkeit von H2 hin. Negative HumankapitalInformationen beeinflussen die Unternehmensbewertung dagegen negativ. Die Diagramme zeigen eine ordinale Interaktion, da die Graphen in beiden Interaktionsdiagrammen gleichgerichtet, jedoch nicht parallel verlaufen.854 Nur negative Humankapitalinformationen erzeugen in beiden Diagrammen einen von der Parallelität leicht abweichenden Verlauf, der auf einen Interaktionseffekt negativer Humankapitalinformationen schließen lässt und zuvor durch die ANOVA als marginal signifikant bestätigt wurde. Wie sich im linken Diagramm gut erkennen lässt, ist bei Vorliegen positiver Finanzinformationen der (negative) Effekt durch zusätzliche negative Humankapitalinformationen stärker als der (positive) Effekt durch zusätzliche positive Humankapitalinformationen. Umgekehrt ist der (negative) Effekt durch negative Humankapitalinformationen eher schwach ausgeprägt für den Fall, dass bereits negative finanzielle Informationen vorliegen. Die zusätzlichen negativen Humankapitalinformationen korrigieren das Bewertungsurteil somit nur schwach nach unten. Insgesamt zeigt dies, dass sich die Bewertung eines Unternehmens im Wesentlichen auf das Leistungsniveau der finanziellen Informationen stützt, wohingegen Humankapitalinformationen diesen Zusammenhang zwar moderieren, jedoch den Effekt der finanziellen Informationen nicht konterkarieren. Dies spricht für die Gültigkeit der Hypothese H3b. In der Gesamtbetrachtung der univariaten Analyse der abhängigen Variable „Unternehmensbewertung“ ist festzuhalten, dass die Hypothesen H1 und H2 bereits in Teilen
854
Vgl. BORTZ, J./DÖRING, N. (2006), S. 534.
270
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
bestätigt werden können. Es wird weiterhin auch von der Gültigkeit der Hypothesen H3a und H3b ausgegangen. Eine definitive Aussage bezüglich der Annahme oder Ablehnung dieser Hypothesen kann jedoch erst im Zusammenhang mit den in Abschnitt 4.4.4.4 noch zu berechnenden Post-Hoc-Tests erfolgen. Die ANOVA liefert zwar Aussagen hinsichtlich der Signifikanz von Effekten und die partiellen Eta-Quadrat-Werte zeigen darüber hinaus die Stärke der Effekte auf, jedoch erfolgte bislang kein Signifikanztest in Bezug auf die Richtung der Effekte. Diese konnten lediglich aus dem deskriptiven Vergleich der Mittelwerte sowie aus den Interaktionsdiagrammen abgelesen werden. Post-hoc-Tests sind dagegen in der Lage, zusätzliche Informationen hinsichtlich der Signifikanz der Effektrichtung zu generieren. Aus den Ergebnissen folgt, dass Humankapitalinformationen für die Bewertungsentscheidungen privater Anleger zwar relevant sind, dennoch bleiben Finanzdaten und -kennzahlen die wichtigste Information, auf die sich private Anleger bei der Unternehmensbewertung beziehen. Dies äußert sich auch dadurch, dass ein Unternehmen nicht höher bewertet wird, wenn positive Humankapitalinformationen mit einem sich verschlechternden Niveau der finanziellen Informationen einhergehen. Die höchste Unternehmensbewertung resultiert jedoch aus einer Kombination positiver Humankapital- und Finanzinformationen. 4.4.4.3.2 Univariate Varianzanalyse der abhängigen Variable „kurzfristige Investitionsentscheidung“ Die univariate Varianzanalyse der zweiten abhängigen Variable „kurzfristige Investitionsentscheidung“ hat zum Ziel, Anhaltspunkte hinsichtlich der Gültigkeit der Hypothesen H4 und H5b zu gewinnen. Da die Hypothese H4 einen Zusammenhang zwischen finanziellen Informationen und sowohl kurz- als auch langfristigen Investitionsentscheidungen beschreibt, kann jedoch in diesem Abschnitt kein abschließendes Urteil für oder gegen die Ablehnung der zugehörigen Nullhypothese gefällt werden. Dies erfolgt dann zusammenfassend im folgenden Abschnitt 4.4.4.3.3. Tab. 4.43 zeigt die Teststatistik der ANOVA an.
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
271
Tests der Zwischensubjekteffekte Abhängige Variable: kurzfristige Investitionsentscheidung Quelle
Quadratsumme vom Typ III
df
Mittel der Quadrate
F
Sig.
Partielles Beobachtete Eta²
Schärf eb
71,75a
5
14,35
5,05
0,000
0,07
0,98
3835,04
1
3835,04
1349,07
0,000
0,80
1,00
Finanzielle Inf ormationen
70,09
1
70,09
24,66
0,000
0,07
1,00
Humankapitalinf ormationen
0,73
2
0,37
0,13
0,879
0,001
0,07
0,88
2
0,44
0,16
0,856
0,001
0,07
Fehler
952,31
335
2,84
Gesamt
4862,00
341
Korrigierte Gesamtvariation
1024,06
340
Korrigiertes Modell Konstanter Term
Finanzielle Inf ormationen * Humankapitalinf ormationen
a. R² = 0,07 (korrigiertes R² = 0,06) b. Unter Verwendung von Alpha = 0,05 berechnet
Tab. 4.43: Teststatistik der univariaten Varianzanalyse für die AV „kurzfristige Investitionsentscheidung“ (Quelle: Eigene Darstellung)
In einem ersten Schritt kann aus den Ergebnissen abgeleitet werden, dass das korrigierte Gesamtmodell wiederum hochsignifikant ist (F = 5,05, p = 0,000). Die Wahrscheinlichkeit für eine kurzfristige Aktienanlage hängt somit signifikant von mindestens einem der im Modell berücksichtigten Faktoren ab. Mit dem in der Statistik ausgewiesenen Bestimmtheitsmaß R-Quadrat von lediglich 7 % besteht jedoch nur ein schwacher Zusammenhang zwischen der Wahrscheinlichkeit für eine kurzfristige Investition durch private Anleger und den Faktoren des Modells, d. h. lediglich 7 % der Gesamtvarianz in der abhängigen Variable lassen sich durch das Gesamtmodell erklären. Offensichtlich können finanzielle und Humankapitalinformationen nur in geringem Umfang als Erklärungsbasis für das Zustandekommen kurzfristiger Anlageentscheidungen dienen. Im Umkehrschluss bleibt mit 93 % ein wesentlicher Teil der im Experiment beobachteten Unterschiede somit unerklärt.855
855
Vgl. BROSIUS, F. (2008), S. 617.
272
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
Dies zeigt sich bei weiterer Analyse der ANOVA-Teststatistik auch daran, dass sich nur für den Faktor „finanzielle Informationen“ ein signifikanter Haupteffekt ergibt (F = 24,66, p = 0,000). Damit wirkt sich ihr Performanceniveau unabhängig von der Verfügbarkeit und dem Leistungsniveau der Humankapitalinformationen signifikant auf die durch Privatanleger geäußerte Wahrscheinlichkeit einer kurzfristigen Investition aus, wenngleich die Stärke dieses Effekts mit p² = 7 % als eher gering zu beurteilen ist. Der in H4 angenommene grundlegende Zusammenhang zwischen finanziellen Informationen und durch Spekulationszwecke motivierten Anlageentscheidungen ist damit dem Grundsatz nach bestätigt, zumal die beobachtete Testschärfe mit 100 % ausgewiesen wird. Jedoch kann anhand der ANOVA-Teststatistik noch keine abschließende Aussage hinsichtlich der Richtung des Effekts856 getroffen werden. Im Gegensatz zu Finanzinformationen geht von Humankapitalinformationen kein signifikanter Haupteffekt aus (F = 0,13, p = 0,879). Spekulative Anlageentscheidungen privater Investoren hängen folglich nicht signifikant von der Verfügbarkeit von Humankapitalinformationen bzw. von deren Performanceniveau ab. Zudem geht von Humankapitalinformationen mit p² = 0,1 % lediglich ein äußerst geringer Erklärungsgehalt für die Varianz in der abhängigen Variablen aus. Ebenfalls nicht signifikant ist der aus der Wechselwirkung zwischen den beiden untersuchten Informationsarten resultierende Effekt (F = 0,16, p = 0,856). Durch diese Interaktion der beiden Faktoren kann die Varianz der abhängigen Variable zudem auch lediglich zu 0,1 % (p²) erklärt werden. Der nicht signifikante Interaktionseffekt bedeutet, dass die Wirkung finanzieller Informationen auf kurzfristige Anlageentscheidungen privater Anleger nicht signifikant unterschiedlich ist für Anleger, denen zusätzlich Humankapitalinformationen als Entscheidungsgrundlage vorliegen. Somit ändert die Publizität von Humankapitalinformationen die Wirkung finanzieller Informationen auf die Wahrscheinlichkeit einer kurzfristigen Investition nicht wesentlich. Die beobachtete Schärfe sowohl für den Test des Haupteffekts humankapitalbezogener Informationen als auch des Interaktionsterms beläuft sich zwar auf lediglich 7 %, jedoch erscheint es an dieser Stelle aufgrund der sehr hohen Signifikanzwerte keinesfalls zweckmäßig, die nicht bestehende Signifikanz dieser Effekte angesichts der geringen Testschärfe in Frage zu stellen.
856
Darunter ist – wie in H4 postuliert – zu verstehen, dass eine kurzfristige Aktienanlage im Falle positiver Finanzinformationen wahrscheinlicher ist als für den Fall einer negativen finanziellen Performance.
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
273
Mit diesen Ergebnissen kann Hypothese H5a aufgrund des nicht signifikanten Haupteffekts der Humankapitalinformationen angenommen werden, da die Berichterstattung über das betriebliche Humankapital die kurzfristige Investitionsneigung privater Anleger nicht signifikant beeinflusst. In der Gesamtbetrachtung ist festzuhalten, dass Finanzdaten und -kennzahlen bei einem kurzfristigen Anlagehorizont das wichtigste Kriterium zur Entscheidung für oder gegen eine Investition darstellen. Mit einem partiellen Eta-Quadrat von 7 % besitzen auch sie zwar nur einen geringen Erklärungsgehalt, der jedoch für die Humankapitalinformationen und den Interaktionseffekt mit je 0,1 % noch wesentlich geringer ist. Die Relevanz finanzieller Informationen als wesentliche Entscheidungsgrundlage für spekulativ motivierte Aktienanlagen wird durch die zugehörigen Interaktionsdiagramme veranschaulicht (vgl. Abb. 4.35). Aus diesen Profil-Diagrammen wird im Vergleich zur ANOVA-Teststatistik, die lediglich eine Beurteilung im Hinblick auf die Signifikanz von Effekten ermöglichen kann, auch die Wirkungsrichtung der Effekte ersichtlich.
Abb. 4.35: Profil-Diagramme für die AV „kurzfristige Investitionsentscheidung“ (Quelle: Eigene Darstellung)
Positive finanzielle Informationen führen, ungeachtet der Verfügbarkeit und des Niveaus der Humankapitalinformationen, zu einer höheren kurzfristigen Investitionsneigung als negative finanzielle Informationen, bei denen die kurzfristige Investitionsbereitschaft in hohem Maße abnimmt. Im linken Diagramm lässt sich dies an dem steigenden Verlauf der Kurven vom linken Abschnitt (negative Finanzinformationen) zum rechten Abschnitt (positive Finanzinformationen) erkennen. Im rechten Diagramm wird dieser Zusammenhang durch die insgesamt durchweg höhere Position der mit
274
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
Dreiecken markierten Kurve positiver finanzieller Informationen im Vergleich zu der mit Quadraten kenntlich gemachten Kurve für negative Finanzinformationen ersichtlich. Die höchste Wahrscheinlichkeit für eine kurzfristige Anlageentscheidung geht von der Kontrollgruppe A1B1 aus, also von jenen Versuchspersonen, die als Entscheidungsgrundlage ausschließlich finanzielle Informationen, die auf eine positive Performance hindeuten, vorliegen hatten (gekennzeichnet durch den betragsmäßig höchsten Ausschlag der Kurven in beiden Profil-Diagrammen). Dagegen geben die Probanden, welchen beide Informationsarten mit jeweils negativem Leistungsniveau vorlagen, die geringste Wahrscheinlichkeit für eine spekulative Investition an. Eine auf eine schlechte Humankapitalperformance hindeutende Berichterstattung beeinflusst die Wahrscheinlichkeit für eine kurzfristige Investition nur geringfügig, unabhängig davon, welches Leistungsniveau der finanziellen Informationen dabei gleichzeitig vorliegt. Dies wird insbesondere im linken Diagramm unmittelbar ersichtlich, denn die beiden Kurven für die Kontrollgruppe (an den Enden markiert durch Kreise) und die Experimentalgruppe mit negativen Humankapitalinformationen (Linie markiert durch Quadrate) verlaufen nahezu überlappend. Im Fall einer zugrundeliegenden schlechten Finanzperformance spielt die Verfügbarkeit bzw. das Niveau von Humankapitalinformationen so gut wie gar keine Rolle. Die Wahrscheinlichkeit für eine kurzfristige Anlage bleibt über die unterschiedlichen Niveaus der Humankapitalinformationen hinweg auf relativ stabilem Niveau. Dieser Effekt lässt sich im rechten Diagramm gut daran erkennen, dass die untere Kurve einen nahezu horizontalen Verlauf aufweist. Dagegen bietet sich bei Analyse des Einflusses positiver Humankapitalinformationen ein anderes Bild. Während positive Humankapitalberichterstattung die kurzfristige Investitionsentscheidung kaum beeinflusst, wenn dem Unternehmen eine schlechte Finanzperformance zu attestieren ist, tritt im Falle des Vorliegens einer positiven Finanzberichterstattung ein zunächst unerwarteter Effekt ein: Bei Vorliegen einer positiven Finanzperformance des Unternehmens führen zusätzliche positive Humankapitalinformationen zu einer geringeren Wahrscheinlichkeit einer kurzfristigen Investition durch private Anleger. Dieses auf den ersten Blick erstaunliche Ergebnis lässt sich jedoch bei näherer Analyse sehr plausibel interpretieren. Unternehmen können eine positive Humankapitalperformance nur dann erzielen, wenn sie auch bereit sind, in den Aufbau und Ausbau des Humankapitals zu investieren. Mit einer positiven Entwicklung des Personalbestandes gehen demnach zwingend auch zu tätigende Investitionen, bspw. für Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, einher. In einer kurzfris-
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
275
tigen Betrachtungsperspektive wirken sich diese Humankapitalinvestitionen jedoch zunächst einmal ergebnismindernd und damit aus der Perspektive von Eigenkapitalgebern negativ auf die Ausschüttungssumme aus. Zwar dienen die Investitionen in das betriebliche Humankapital langfristig gesehen der Wertsteigerung des Unternehmens, dies ist jedoch für Investoren, die aus spekulativen Motiven in Aktien investieren wollen, nicht von Interesse. Diese kurzfristig motivierten Anleger betrachten eine positive Humankapitalperformance demnach offenkundig als reinen Kostenfaktor. Damit lässt sich schließlich das Verhalten der Anleger plausibel erklären, welches zu dem oben beschriebenen Effekt führt, dass positive Humankapitalinformationen die Wahrscheinlichkeit für eine kurzfristige Anlageentscheidung bei Vorliegen guter Finanzperformance mindern. Die Analyse des Verlaufs der Graphen innerhalb der Profil-Diagramme für die AV „kurzfristige Investitionsentscheidung“ lässt auf das Vorliegen einer hybriden Interaktion schließen. Diese Art von Interaktion ist im Allgemeinen dadurch gekennzeichnet, dass die Graphen in einem Profil-Diagramm gleichgerichtet verlaufen, im anderen jedoch nicht.857 Im vorliegenden Fall trifft dies zu, da die Linien im linken Diagramm von der negativen hin zur positiven Ausprägung der finanziellen Informationen allesamt einen steigenden Verlauf aufweisen, im rechten Diagramm jedoch abschnittsweise gegengerichtet verlaufen. Die sich kreuzenden Graphen im linken Diagramm weisen aufgrund ihrer Nicht-Parallelität auf einen möglichen, durch positive finanzielle Informationen bedingten Interaktionseffekt hin858, der sich jedoch entsprechend der ANOVA-Teststatistik als nicht signifikant herausgestellt hatte (vgl. Tab. 4.43). Bei näherer Betrachtung des Diagramms erscheint dies auch plausibel, da sich die Kurve der positiven Humankapitalinformationen lediglich mit der Kurve der negativen Humankapitalinformationen schneidet, jedoch nicht mit der Linie, welche die Kontrollgruppe kennzeichnet. Bei Betrachtung der geschätzten Randmittel für die abhängige Variable zeigt sich, dass diese für alle Versuchsgruppen, also unabhängig von der jeweiligen Kombination finanzieller und humankapitalbezogener Berichterstattung, jeweils unterhalb der Skalenmitte mit dem Wert 4 liegen. Damit besteht in der Gesamtbetrachtung generell eine mittlere bis tendenziell niedrige Wahrscheinlichkeit, unter Annahme eines kurzfristi857
Vgl. BORTZ, J./DÖRING, N. (2006), S. 534.
858
Vgl. FIELD, A. (2009), S. 438f.
276
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
gen Investitionshorizonts eine positive Anlageentscheidung zu treffen. Die bei den Probanden abgefragte allgemeine Risikobereitschaft in Bezug auf Geldanlagen liefert einen möglichen Erklärungsansatz für diesen Befund.859 So stuften sich die Teilnehmer im Durchschnitt als tendenziell risikoavers bezüglich Geldanlagen im Allgemeinen ein. Das Handeln risikoaverser Personen wird in der Regel tendenziell weniger durch spekulative Motive getrieben sein und somit werden diese Personen auch eine geringere Tendenz aufweisen, positive Aktienanlageentscheidungen mit kurzfristigem Investitionshorizont zu treffen. Dieser Erklärungsansatz wird in Bezug auf die Grundgesamtheit der Privatanleger auch durch eine vom Deutschen Aktieninstitut herausgegebene Studie gestützt, die zu dem Schluss kommt, dass nur ein sehr geringer Anteil der im Rahmen der Studie befragten Privatanleger (7 %) durch spekulative Motive getrieben ist, d. h. das Ziel einer kurzfristigen Gewinnrealisierung verfolgt, während über drei Viertel der Privatanleger (76 %) angaben, Aktien zum Zweck eines langfristigen Vermögensaufbaus zu halten.860 Zusammenfassend ist für die univariate Analyse der abhängigen Variable „kurzfristige Investitionsentscheidung“ festzuhalten, dass die Hypothese H5a, wonach die ergänzende Humankapitalberichterstattung kurzfristige Anlageentscheidungen annahmegemäß nicht beeinflusst, als zutreffend erachtet werden kann. Die Hypothese H4 kann durch die ANOVA-Teststatistik an dieser Stelle lediglich in Teilen bestätigt werden. Zum einen bezieht sich H4 auf die Entscheidungsrelevanz von finanziellen Informationen für Investitionsentscheidungen im Allgemeinen, d. h. sowohl für kurzfristige als auch langfristige Anlagehorizonte. Die Analyse des Langfristhorizonts erfolgt jedoch erst im nächsten Unterabschnitt, sodass die Hypothese bislang lediglich insofern angenommen werden kann, als dass finanzielle Informationen tatsächlich einen signifikanten Einfluss auf spekulative Anlageentscheidungen privater Investoren aufweisen. Zum anderen beschreibt H4 in ihrer Eigenschaft als gerichtete Hypothese eine Wirkungsrichtung finanzieller Informationen für kurzfristige Anlageentscheidung in der Art, dass positive Finanzinformationen zu einer höheren Wahrscheinlichkeit einer
859
Für die detaillierten Auswertungsergebnisse zur allgemeinen Risikobereitschaft der Versuchsteilnehmer in Bezug auf Geldanlagen sei auf die Ausführungen in Abschnitt 4.4.1.3 verwiesen.
860
Daneben gaben 17 % der Privatanleger als Motiv für die Aktienanlage an, aus Verkäufen und Dividenden regelmäßige Einkünfte erzielen zu wollen. Vgl. ERNST, E./GASSEN, J./PELLENS, B. (2005), S. 17. Im Rahmen der Studie wurden im Herbst 2003 insgesamt etwa 800.000 Privatanleger der Deutsche Post AG befragt, der Rücklauf lag bei rund 89.000 Fragebögen. Vgl. ERNST, E./GASSEN, J./PELLENS, B. (2005), S. 16.
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
277
kurzfristigen Anlage führen als finanzielle Informationen, die dem Unternehmen eine schlechte Performance attestieren. Wie im vorherigen Abschnitt bereits erläutert, können Post-hoc-Tests (vgl. Abschnitt 4.4.4.4) Aufschluss über die Signifikanz einer Effektrichtung geben, nicht jedoch die ANOVA. 4.4.4.3.3 Univariate Varianzanalyse der abhängigen Variable „langfristige Investitionsentscheidung“ In einem dritten Schritt werden nun die Ergebnisse der univariaten Varianzanalyse für die verbleibende abhängige Variable „langfristige Investitionsentscheidung“ ausgewertet. Die berechneten ANOVA-Teststatistiken zeigt Tab. 4.44 auf. Tests der Zwischensubjekteffekte Abhängige Variable: langfristige Investitionsentscheidung Quelle
Quadratsumme vom Typ III
df
Mittel der Quadrate
F
Sig.
Partielles Beobachtete Eta²
Schärf eb
Korrigiertes Modell
217,24a
5
43,45
22,86
0,000
0,25
1,00
Konstanter Term
4949,13
1
4949,13
2603,86
0,000
0,89
1,00
Finanzielle Inf ormationen
164,24
1
164,24
86,41
0,000
0,21
1,00
48,73
2
24,36
12,82
0,000
0,07
1,00
4,28
2
2,14
1,13
0,326
0,01
0,25
Fehler
638,63
336
1,90
Gesamt
5805,00
342
Korrigierte Gesamtvariation
855,87
341
Humankapitalinf ormationen Finanzielle Inf ormationen * Humankapitalinf ormationen
a. R² = 0,25 (korrigiertes R² = 0,24) b. Unter Verwendung von Alpha = 0,05 berechnet
Tab. 4.44: Teststatistik der univariaten Varianzanalyse für die AV „langfristige Investitionsentscheidung“ (Quelle: Eigene Darstellung)
Wie aus den Teststatistiken hervorgeht, ist auch das Modell für die dritte untersuchte AV „langfristige Investitionsentscheidung“ hochsignifikant (F = 22,86, p = 0,000). Somit hängt die Wahrscheinlichkeit einer langfristigen Investition signifikant von mindestens einem der in das Modell einbezogenen Faktoren ab.
278
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
Mit dem für das Bestimmtheitsmaß ermittelten Wert von R² = 25 % ist das Modell relativ gut geeignet, die Wahrscheinlichkeit einer kurzfristigen Investition aus der Perspektive von privaten Anlegern zu erklären. Im Umkehrschluss bleiben dennoch 75 % der Varianz der AV unerklärt. Es scheint folglich weitere, nicht in das Modell integrierte Faktoren zu geben, die maßgebliche Erklärungsansätze für die Entscheidung über eine langfristige Aktienanlage liefern. Während im Modell das langfristige Entwicklungspotential des Unternehmens neben der Finanzpublizität im Wesentlichen durch das Humankapital, welches als Indikator für zukünftige Werterhaltung bzw. schaffung angesehen werden kann, zum Ausdruck gebracht wurde, existieren in der Realität zahlreiche solche sogenannte leading-Indikatoren. So mögen neben dem Humankapital eines Unternehmens gleichermaßen beispielsweise dessen strategische Ausrichtung, Beziehungen zu Kunden, Neuproduktentwicklungen oder auch marktund branchenbezogene Faktoren langfristige Anlageentscheidungen privater Investoren im Hinblick auf die Sicherung zukünftiger Renditen maßgeblich determinieren. Das zu bewertende Unternehmen, die ANOVA AG, wurde vor Beginn des Experiments als innovatives Unternehmen der Technologiebranche vorgestellt, was aus Perspektive der Versuchsteilnehmer möglicherweise ebenfalls in die Entscheidungsfindung einbezogen wurde. Vor diesem Hintergrund ist der Erklärungsgehalt des Modells mit 25 % in jedem Fall als vergleichsweise positiv zu werten. Für den Faktor „finanzielle Informationen“ ergibt sich aus den Teststatistiken ein hochsignifikanter Haupteffekt (F = 86,41, p = 0,000). Die getestete Nullhypothese, es bestehe kein durch das Niveau finanzieller Informationen bedingter Unterschied zwischen den Gruppen, wird folglich zurückgewiesen, zumal auch die Testschärfe mit 100 % die maximal mögliche Ausprägung erreicht. Das Performanceniveau der finanziellen Informationen wirkt sich somit signifikant auf die langfristige Investitionsneigung privater Anleger aus. Diese beziehen Finanzdaten und -kennzahlen damit – ungeachtet der Verfügbarkeit bzw. der durch die Humankapitalberichterstattung angezeigten Leistungsfähigkeit des Unternehmens – in ihre Entscheidungsfindung hinsichtlich einer langfristigen Aktienanlage ein. Dabei liegt die Stärke des von den Finanzinformationen ausgehenden Haupteffekts bei p² = 21 %, d. h. die Varianz in der abhängigen Variablen kann zu 21 % durch den Einfluss finanzieller Berichterstattung erklärt werden. Somit geht von den finanziellen Informationen der stärkste Effekt aus. Zusammen mit dem im vorherigen Abschnitt dargestellten signifikanten Haupteffekt finanzieller Informationen auf kurzfristige Anlageentscheidungen deutet dies insgesamt auf die Gül-
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
279
tigkeit der Hypothese H4 hin. Eine definitive Ablehnung der zugehörigen Nullhypothese kann allerdings an dieser Stelle noch nicht erfolgen, da in H4 neben der Existenz des Einflusses von finanziellen Informationen auf kurz- und langfristige Investitionsentscheidungen auch eine Richtung des Effekts (positive Finanzdaten führen zu einer höheren Investitionsbereitschaft als negative) postuliert wird. Die Wirkungsrichtung kann jedoch erst durch sich anschließende Post-hoc-Tests auf ihre Signifikanz hin getestet werden. Die ANOVA zeigt als weiteres Resultat gleichermaßen einen hochsignifikanten, von dem zweiten Faktor “Humankapitalinformationen” ausgehenden Haupteffekt an (F = 12,82, p = 0,000). Die beobachtete Testschärfe wird dabei mit 100 % ausgewiesen. Lässt man die durch finanzielle Informationen angezeigte Performance des Unternehmens außer Acht, so hat das Niveau der Humankapitalinformationen auch bei isolierter Betrachtung einen signifikanten Einfluss auf langfristige Investitionsentscheidungen privater Anleger. Die Interpretation dieses Effekts zeigt, dass private Anleger das betriebliche Humankapital offenbar als leading-Indikator für die zukünftige Generierung eines positiven Unternehmenswerts erachten und diesem daher bei langfristig orientierten Investitionsentscheidungen eine entsprechende Relevanz zugestehen. Jedoch kann die Varianz in der Variable „langfristige Investitionsentscheidung“ nur zu 7 % (p²) durch den Einfluss der Humankapitalberichterstattung erklärt werden. Diese von Humankapitalinformationen ausgehende Effektstärke auf langfristige Investitionsentscheidungen ist mit 7 % dennoch bedeutend höher als deren Erklärungsgehalt von lediglich 0,1 % im Falle des im vorherigen Abschnitt diskutierten kurzfristigen Anlagehorizonts (vgl. Tab. 4.43). Es können folglich zwei signifikante Haupteffekte nachgewiesen werden, aus denen hervorgeht, dass Privatanleger sowohl finanzielle Informationen als auch die Humankapitalberichterstattung in ihre langfristigen Investitionsentscheidungen einbeziehen. Ein signifikanter Interaktionseffekt ergibt sich wie auch schon für den kurzfristigen Anlagehorizont (vgl. Abschnitt 4.4.4.3.2) aus den Teststatistiken nicht (F = 1,13, p = 0,326). Mit 25 % ist allerdings die beobachtete Testschärfe auch als gering einzustufen. Durch die Kombination verschiedener Leistungsniveaus von finanziellen und Humankapitalinformationen ändert sich die Wahrscheinlichkeit einer langfristigen Investition damit nicht wesentlich, zumal die in der abhängigen Variable auftretende Varianz lediglich zu 1 % (p²) durch den Interaktionsterm erklärt werden kann.
280
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
Die Signifikanztests für die einzelnen Effekte lassen insgesamt erkennen, dass private Anleger ihre Entscheidungen bezüglich langfristig orientierter Aktienanlagen sowohl auf Informationen aus der Finanzberichterstattung als auch auf humankapitalbezogene Berichtselemente stützen. Dabei weisen finanzielle Informationen insgesamt eine im Vergleich zu Humankapitalinformationen bedeutend höhere Erklärungskraft für langfristige Investitionsentscheidungen auf. Aufgrund des signifikanten Einflusses von Humankapitalinformationen auf langfristige Anlageentscheidungen kann Hypothese H5b durch die ANOVA in Teilen bestätigt werden. Da die ANOVA jedoch keine Aussage hinsichtlich der Effektrichtung erlaubt, ist die Gültigkeit von H5b erst durch Posthoc-Tests (vgl. Abschnitt 4.4.4.4) abschließend zu klären. Die Wirkungsrichtung der getesteten Effekte lässt sich anhand von Interaktionsdiagrammen für die AV „langfristige Investitionsentscheidung“ (vgl. Abb. 4.36) anschaulich interpretieren.
Abb. 4.36: Profil-Diagramme für die AV „langfristige Investitionsentscheidung“ (Quelle: Eigene Darstellung)
Der steigende Verlauf der Graphen im linken Profil-Diagramm lässt erkennen, dass die Wahrscheinlichkeit, langfristig in ein Unternehmen zu investieren, generell weitaus stärker ausgeprägt ist, sofern die Finanzberichterstattung dem Unternehmen eine positive Performance attestiert. Im rechten Diagramm zeigt sich derselbe Effekt durch die Lage der durch Dreiecke markierten Kurve positiver finanzieller Informationen oberhalb der Kurve, welche negative Finanzinformationen anzeigt. Im Vergleich zu spekulativen Anlagen861 ist bei dem hier zu untersuchenden langfristigen Anlagehorizont auch wieder ein deutlicher Effekt der Humankapitalinformationen festzustellen, was in 861
Vgl. die diesbezüglichen statistischen Auswertungen in Abschnitt 4.4.4.3.2.
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
281
der graphischen Darstellung dadurch zum Ausdruck kommt, dass sich die Lage der drei Graphen im linken Diagramm deutlich unterscheidet.862 Zeugen die zusätzlich verfügbaren humankapitalbezogenen Berichtselemente von einer überdurchschnittlichen Performance, sind private Anleger eher bereit, sich für eine langfristige Anlage zu entscheiden. Dieser Effekt tritt sowohl für den Fall eines positiven als auch eines negativen Ausgangsniveaus hinsichtlich der finanziellen Performance auf und ist im linken Profildiagramm daran zu erkennen, dass sich die durch Dreiecke markierte Linie der positiven Humankapitalinformationen ausgehend von der Kontrollgruppenlinie (markiert durch Kreise) nahezu parallel nach oben verschiebt. Selbiger Effekt geht im rechts dargestellten Profildiagramm aus dem Anstieg der oberen Linie ausgehend vom linken Abschnitt (Kontrollgruppe) hin zum mittleren Abschnitt hervor. Eine als positiv zu würdigende Entwicklung des Humankapitals führt also offensichtlich zu einer höheren Bereitschaft für eine langfristige Aktienanlage und offenbart daher den Charakter des Humankapitals in seiner Eigenschaft als leading-Indikator für die Generierung zukünftigen Unternehmenswerts. Dagegen wirken sich zusätzlich zu den finanziellen Informationen bereitgestellte negative Humankapitalinformationen nachteilig auf die Entscheidung hinsichtlich einer langfristigen Investition aus. Durch diesen negativ gerichteten Effekt, welcher zudem stärker ausfällt als der durch positive Humankapitalinformationen generierte Effekt, wird wiederum der dem Humankapital inhärente Charakter eines Langfristindikators in Bezug auf die Wertschaffung deutlich. Private Anleger schätzen die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens, welches eine als negativ zu beurteilende Performance im Humankapitalbereich aufweist, und somit dessen Wertsteigerungspotential in diesem Fall offensichtlich schlechter ein und äußern aufgrund dessen eine entsprechend geringere Wahrscheinlichkeit für eine langfristig orientierte Anlage. Aus den Profil-Diagrammen wird ersichtlich, dass der Effekt einer schlechten Humankapitalperformance bei einem positiven Ausgangsniveau finanzieller Performance weitaus stärker ist, als bei Vorliegen einer schlechten Finanzperformance. Deutlich wird dieser Effekt im linken Diagramm am nicht-parallelen Verlauf der Linien der Kontrollgruppe und der Gruppe mit negativen Humankapitalinformationen. Im rechts dargestellten Diagramm ist dieser ungleiche Einfluss negativer Humankapitalinformationen bei Betrachtung des mittleren bis rechten Abschnitts an dem steileren Abfall der oberen Profillinie im Vergleich zur unten positionierten Profillinie 862
Im Vergleich dazu verliefen die drei Graphen im Profildiagramm für den kurzfristigen Anlagehorizont (vgl. Abb. 4.35) nahezu überlappend, was auf den geringen Einfluss der Humankapitalberichterstattung im Vergleich zu finanzieller Berichterstattung schließen ließ.
282
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
zu erkennen. Negative Humankapitalinformationen bedingen somit eine starke Abschwächung positiver Finanzinformationen in Bezug auf die Frage nach der Wahrscheinlichkeit einer langfristigen Investition. Dagegen wird das Urteil hinsichtlich einer langfristigen Aktienanlage durch zusätzliche negative Humankapitalinformationen nur gering nach unten korrigiert, wenn dem Unternehmen sowieso schon eine schlechte Finanzperformance zu attestieren ist. Die Nicht-Parallelität der Profillinien deutet auf das Vorliegen eines durch positive Humankapitalinformationen bedingten ordinalen Interaktionseffekts863 hin, der sich jedoch durch die Teststatistiken der ANOVA als nicht signifikant herausgestellt hat (vgl. Tab. 4.44). Neben der Wirkungsrichtung der Effekte muss schließlich noch eine Beurteilung der geschätzten Randmittel erfolgen. Dabei handelt es sich um die wertmäßigen Ausprägungen der Wahrscheinlichkeit einer langfristigen Investition, welche auf einer siebenstufigen Likert-Skala mit den Endpunkten „sehr unwahrscheinlich“ (1) bis „sehr wahrscheinlich“ (7) abgefragt wurden. Bei Vorliegen einer negativen Finanzperformance liegen die geschätzten Randmittel allesamt unterhalb des Skalenmittelwerts von 4, d. h. die Versuchsteilnehmer gaben in diesem Fall selbst bei positiver Humankapitalperformance durchschnittlich lediglich eine mittlere bis tendenziell geringe Wahrscheinlichkeit an, langfristig in Aktien des Unternehmens investieren zu wollen. Dadurch bestätigt sich die uneingeschränkte Bedeutung der finanziellen Unternehmensperformance als maßgeblicher Indikator für zukünftige Wertgenerierungspotentiale. Im Falle einer guten finanziellen Performance ergibt sich im Hinblick auf die Bereitschaft privater Anleger, langfristig zu investieren, ein differenziertes Bild. Liegen privaten Anlegern für die Entscheidung über eine langfristig orientierte Aktienanlage ausschließlich positive finanzielle Informationen vor, so liegt die mittlere Investitionsbereitschaft oberhalb der Skalenmitte. Eine langfristige Investition wird vor diesem Hintergrund folglich als tendenziell wahrscheinlich eingeschätzt. Zusätzliche positive Humankapitalberichterstattung verstärkt diesen Effekt, da sich in diesem Fall ein noch höherer Mittelwert für die Wahrscheinlichkeit einer langfristigen Investition ergibt. Beachtenswert ist jedoch der Einfluss, der von zusätzlich verfügbaren Berichtselementen ausgeht, welche dem Unternehmen eine schlechte Humankapitalperformance bescheinigen. So sinkt die von den Probanden im Durchschnitt angegebene Wahrscheinlich863
Neben dem nicht-parallelen Verlauf der Profillinien ist zudem jedoch auch die Tatsache, dass sich die Profillinien in den Diagrammen nicht kreuzen, charakteristisch für eine ordinale Interaktion. Vgl. diesbezüglich die Ausführungen zu Interaktionseffekten in Abschnitt 4.3.5.6.
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
283
keit betragsmäßig auf ein Randmittel, welches unterhalb der Skalenmitte von 4 liegt und nunmehr nur noch eine mittlere bis tendenziell geringe Investitionsbereitschaft signalisiert. Zusätzlich verfügbare negative Humankapitalberichterstattung vermag somit die auf Basis positiver finanzieller Berichterstattung durchaus bestehende Bereitschaft, langfristig in Aktien des Unternehmens zu investieren, in eine Tendenz, eher nicht investieren zu wollen, umzukehren. Zieht man ein vergleichendes Fazit, so bewirkt eine zusätzliche positive Humankapitalberichterstattung eine höhere langfristige Investitionsneigung privater Anleger im Vergleich zu einer lediglich auf Basis finanzieller Berichterstattung zu treffenden Entscheidung. Umgekehrt nimmt die Bereitschaft, langfristig in ein Unternehmen zu investieren, ab, sofern zusätzlich verfügbare Humankapitalberichterstattung auf ein schlechtes Performanceniveau des Unternehmens in Bezug auf die Entwicklung des Humankapitals hindeutet. Damit wird zum einen die Bedeutung des Humankapitals als Indikator für die Fähigkeit des Unternehmens, zukünftig Wertzuwachs zu generieren, unterstrichen. Zum anderen zeigt dies auch, dass sich der in Hypothese H5b unterstellte Einfluss humankapitalbezogener Berichterstattung auf langfristige Investitionsentscheidungen empirisch bestätigt. Eine abschließende Aussage in Bezug auf die Signifikanz der anhand der Profil-Diagramme erörterten Wirkungsrichtung der Effekte kann jedoch erst auf Basis der nachfolgend durchzuführenden Post-hoc-Tests erfolgen. 4.4.4.4 Ergebnisse der Post-hoc-Tests Wie bereits kurz erläutert, ermöglicht der F-Test der ANOVA lediglich eine Prüfung, ob mindestens eine der Faktorstufen einer unabhängigen Variable signifikant vom Mittelwert abweicht.864 Erst durch Post-hoc-Tests lässt sich feststellen, welche Gruppen sich tatsächlich signifikant voneinander unterscheiden.865 Damit lässt sich nicht nur auf die Signifikanz und die Stärke von Effekten schließen, sondern zudem auf ihre Wirkungsrichtung. Bei Post-hoc-Tests, die eine Signifikanzprüfung der Differenz der Mittelwerte von Vergleichspaaren durchführen, handelt es sich ihrem Wesen nach um modifizierte T-Tests. Diese berücksichtigen „die durch den Vergleich mehrerer Grup-
864
Vgl. RASCH, B. et al. (2006), S. 45; JANSSEN, J./LAATZ, W. (2010), S. 355, 381; ESCHWEILER, M./EVANSCHITZKY, H./WOISETSCHLÄGER, D. M. (2007), S. 552.
865
Vgl. ESCHWEILER, M./EVANSCHITZKY, H./WOISETSCHLÄGER, D. M. (2007), S. 552.
284
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
pen veränderte Wahrscheinlichkeit, einen signifikanten Unterschied zu ermitteln.“866 Wie auch beim T-Test unterstellt die zu prüfende Nullhypothese H0, dass keine Mittelwertdifferenz zwischen jeweils zwei Vergleichsgruppen vorliegt. Im vorliegenden Experiment sind alle Hypothesen mit Ausnahme der übergeordneten Hypothesen H3 und H5, die keiner eigenen Prüfung unterzogen werden, sowie auch mit Ausnahme von H5a spezifisch. Durch die spezifischen Hypothesen werden Wirkungsrichtungen der verschiedenen Leistungsniveaus von finanziellen Informationen, Humankapitalinformationen bzw. einer Kombination beider Informationsarten vorausgesagt867, die auch bereits in den Interaktionsdiagrammen ersichtlich wurden. Posthoc-Tests führen nun paarweise Vergleiche der Differenzen der Mittelwerte für die einzelnen Versuchsgruppen durch, um diese Mittelwertunterschiede auf ihre Signifikanz und Effektrichtung hin zu prüfen.868 In Tab. 4.45 werden die Ergebnisse der paarweisen Vergleiche auf Basis der unterschiedlichen Performanceniveaus finanzieller Informationen (positiv, negativ) für alle drei untersuchten unabhängigen Variablen („Unternehmensbewertung“, „kurzfristige Investitionsentscheidung“, „langfristige Investitionsentscheidung“) aufgezeigt. Da die Vergleiche der Mittelwertdifferenz zweier Vergleichsgruppen jeweils in beide Richtungen durchgeführt werden, kommt es teilweise zu redundanten Ergebnissen. Die zunächst betrachtete Spalte, welche die Mittelwertdifferenz zwischen zwei Vergleichsgruppen betragsmäßig anzeigt, ist mit dem Titel „Mittlere Differenz (I-J)“ gekennzeichnet. Die Sterne hinter den Werten der Spalte „Mittlere Differenz“ geben dabei an, dass diese auf dem 5 %-Niveau signifikant sind.869 Der berechnete Signifikanzwert ist zudem in der Spalte „Sig.“ angegeben. Die Tabelle weist darüber hinaus den Standardfehler sowie das 95 %-Konfidenzintervall aus. Letzteres zeigt in Kombination mit einer Unter- und einer Obergrenze für die Mittelwertdifferenz an, dass die Mittelwertdifferenz mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 % innerhalb der angegebenen Spanne liegt. 866
JANSSEN, J./LAATZ, W. (2010), S. 356. Die Autoren geben an dieser Stelle auch eine ausführliche Beschreibung der Art der Modifikation, die auf Basis des klassischen T-Tests vorgenommen wird.
867
Vgl. RASCH, B. et al. (2006), S. 45.
868
Vgl. ESCHWEILER, M./EVANSCHITZKY, H./WOISETSCHLÄGER, D. M. (2007), S. 552; JANSSEN, J./LAATZ, W. (2010), S. 356; FIELD, A. (2009), S. 372.
869
Vgl. JANSSEN, J./LAATZ, W. (2010), S. 356, 360.
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
285
Paarweise Vergleiche “Finanzielle Informationen” 95% Konf idenzintervall Abhängige
(I) Finanzielle
(J) Finanzielle
Mittlere
Standard-
Variable
Inf ormationen Inf ormationen
Dif f erenz (I-J)
f ehler
Unternehmens-
1 Positiv
bewertung
2 Negativ
1,39*
0,08
0,000
1,24
1,55
2 Negativ
1 Positiv
-1,39*
0,08
0,000
-1,55
-1,24
Kurzf ristige
1 Positiv
2 Negativ
0,91*
0,18
0,000
0,55
1,27
entscheidung
2 Negativ
1 Positiv
-0,91*
0,18
0,000
-1,27
-0,55
Langf ristige
1 Positiv
2 Negativ
1,37*
0,15
0,000
1,08
1,67
2 Negativ
1 Positiv
-1,37*
0,15
0,000
-1,67
-1,08
Sig.a
f ür die Dif f erenza Untergrenze Obergrenze
Investitions-
Investitionsentscheidung
Basiert auf den geschätzten Randmitteln *. Die mittlere Differenz ist auf dem 0,05-Niveau signifikant. a. Anpassung für Mehrfachvergleiche: Geringste signifikante Differenz (entspricht keinen Anpassungen).
Tab. 4.45: Post-hoc-Tests für die UV „Finanzielle Informationen“ (Quelle: Eigene Darstellung)
Die Ergebnisse zeigen für alle drei abhängigen Variablen signifikante Mittelwertdifferenzen zwischen den Vergleichsgruppen mit positiven und jenen mit negativen finanziellen Informationen an. Demnach wirkt sich das Leistungsniveau der Finanzdaten und -kennzahlen signifikant auf die Bewertungsurteile sowie die kurz- und langfristig orientierten Investitionsentscheidungen privater Anleger aus. Die mittleren Differenzen weisen immer dann ein positives Vorzeichen auf, wenn der Mittelwert der Vergleichsgruppen mit negativen finanziellen Informationen vom Mittelwert der Vergleichsgruppen mit positiven finanziellen Informationen subtrahiert wird. Im umgekehrten Fall werden negative Vorzeichen für die Mittelwertdifferenzen ausgewiesen. Die Unternehmensbewertung und die Wahrscheinlichkeit einer kurzund langfristigen Investition durch private Anleger sind folglich dann signifikant höher, wenn positive finanzielle Informationen über die ANOVA AG zur Verfügung stehen. Dieses Ergebnis, das die Interaktionsdiagramme in Abb. 4.34, Abb. 4.35 und Abb. 4.36 bereits vermuten ließen, bestätigt der Post-hoc-Test nun inferenzstatistisch. Dies führt zum einen zur Annahme von H1, denn finanzielle Informationen wirken sich durch einen signifikanten Haupteffekt auf die Unternehmensbewertung aus (vgl. Tab. 4.42), die im Fall positiver finanzieller Leistungsfähigkeit signifikant höher ist als bei negativer finanzieller Leistungsfähigkeit.
286
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
Zum anderen kann die Hypothese H4 angesichts der Post-hoc-Testergebnisse ebenfalls angenommen werden. Wie bereits durch die ANOVA-Teststatistiken (vgl. Tab. 4.43 für die kurzfristige Anlageentscheidung und Tab. 4.44 für die langfristige Anlageentscheidung) bestätigt, ist der von finanziellen Informationen ausgehende Haupteffekt sowohl für die Wahrscheinlichkeit einer kurzfristigen Investition als auch für die langfristige Investitionsentscheidung signifikant. Der Post-hoc-Test bestätigt überdies, dass ein positives finanzielles Leistungsniveau bei beiden Anlagehorizonten zu einer signifikant höheren Investitionsneigung führt als eine durch die finanzielle Berichterstattung signalisierte negative Unternehmensperformance. Eben diese Wirkungsrichtung finanzieller Informationen wurde in H4 postuliert und kann somit bestätigt werden. Private Anleger beziehen finanzielle Informationen sowohl bei einer kurz- als auch bei einer langfristigen Investition in ihre Entscheidung ein und investieren mit höherer Wahrscheinlichkeit, wenn diese dem Unternehmen eine gute Performance attestieren. In einem zweiten Schritt wurden Post-hoc-Tests für den Faktor „Humankapitalinformationen“ durchgeführt. Die Teststatistiken der paarweisen Gruppenvergleiche sind Tab. 4.46 zu entnehmen.
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
287
Paarweise Vergleiche “Humankapitalinformationen” 95% Konf idenzintervall f ür Abhängige
(I) Humankapital-
(J) Humankapital-
Variable
inf ormationen
inf ormationen
1 Keine Unternehmensbewertung
2 Positiv
3 Negativ
1 Keine Kurzf ristige Investitions-
2 Positiv
entscheidung 3 Negativ
1 Keine Langf ristige Investitions-
2 Positiv
entscheidung 3 Negativ
Mittlere
Standard-
Dif f erenz (I-J)
f ehler
Sig.a
die Dif f erenza Untergrenze Obergrenze
2 Positiv
-0,29*
0,10
0,003
-0,48
3 Negativ
0,36*
0,10
0,000
0,17
-0,10 0,55
1 Keine
0,29*
0,10
0,003
0,10
0,48
3 Negativ
0,65*
0,10
0,000
0,46
0,84
1 Keine
-0,36*
0,10
0,000
-0,55
-0,17
2 Positiv
-0,65*
0,10
0,000
-0,84
-0,46
2 Positiv
0,11
0,22
0,612
-0,33
0,55
3 Negativ
0,06
0,22
0,786
-0,38
0,50
1 Keine
-0,11
0,22
0,612
-0,55
0,33
3 Negativ
-0,05
0,22
0,814
-0,49
0,39
1 Keine
-0,06
0,22
0,786
-0,50
0,38
2 Positiv
0,05
0,22
0,814
-0,39
0,49
2 Positiv
-0,23
0,18
0,216
-0,59
0,13 1,03
3 Negativ
0,67*
0,18
0,000
0,31
1 Keine
0,23
0,18
0,216
-0,13
0,59
3 Negativ
0,89*
0,18
0,000
0,54
1,25
1 Keine
-0,67*
0,18
0,000
-1,03
-0,31
2 Positiv
-0,89*
0,18
0,000
-1,25
-0,54
Basiert auf den geschätzten Randmitteln *. Die mittlere Differenz ist auf dem 0,05-Niveau signifikant. a. Anpassung für Mehrfachvergleiche: Geringste signifikante Differenz (entspricht keinen Anpassungen).
Tab. 4.46: Post-hoc-Tests für die UV „Humankapitalinformationen“ (Quelle: Eigene Darstellung)
Für die drei untersuchten abhängigen Variablen ergibt sich dabei ein differenziertes Bild. In Bezug auf die abhängige Variable „Unternehmensbewertung“ zeigen die Posthoc-Teststatistiken an, dass alle mittleren Differenzen zwischen den durch Vorliegen unterschiedlicher Niveaus von Humankapitalinformationen gebildeten Vergleichsgruppen auf dem 5 %-Niveau signifikant sind. Die Differenz der durchschnittlichen Bewertungsurteile privater Anleger ist in den Gruppen mit positiven Humankapitalinformationen im Vergleich zu den Kontrollgruppen und den Gruppen mit negativen Humankapitalinformationen signifikant am höchsten. Positive Humankapitalinformationen führen somit zu einer signifikant höheren Unternehmensbewertung als negative Humankapitalinformationen. Dieses Ergebnis des Post-hoc-Tests in Kombination mit dem durch die ANOVA-Teststatistik (vgl. Tab. 4.42) angezeigten signifikanten Haupteffekt der Humankapitalinformationen auf die Bewertungsurteile von Privatanlegern führt abschließend zur Annahme der Hypothese H2. Für die inferenzstatistische Prüfung der Hypothesen H3a und H3b sind Post-hoc-Tests nicht geeignet, da bei diesen
288
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
Tests jeweils nur isoliert für jeden einzelnen Faktor paarweise Gruppenvergleiche anhand der verschiedenen Faktorstufen vorgenommen werden. In H3a und H3b wurden jedoch kausale Wirkungszusammenhänge zwischen einer Kombination unterschiedlicher Faktorstufen beider Faktoren – der finanziellen sowie humankapitalbezogenen Informationen – und den Bewertungsurteilen privater Anleger formuliert. Aus diesem Grund müssen die zugehörigen Interaktionsdiagramme (vgl. Abb. 4.34) sowie deskriptiven Mittelwertstatistiken (vgl. Tab. 4.38) als Entscheidungskriterien für die Annahme dieser Hypothesen herangezogen werden. Demnach konnte die Gültigkeit beider Hypothesen bereits angenommen werden (vgl. Abschnitt 4.4.4.3.1). In Übereinstimmung mit den Ergebnissen der ANOVA für die abhängige Variable „kurzfristige Investitionsentscheidung“ (vgl. Tab. 4.43), für die kein von der Humankapitalberichterstattung ausgehender signifikanter Haupteffekt nachgewiesen werden konnte, ergibt der Post-hoc-Test bei dieser abhängigen Variable ausschließlich nicht signifikante mittlere Differenzen. Die zugehörige Hypothese H5a konnte demnach bereits auf Basis der ANOVA-Teststatistiken bestätigt werden. Für die langfristige Anlageentscheidung ergibt der Post-hoc-Test dagegen zum Teil signifikante mittlere Differenzen: So ist die Investitionsneigung bei einer Veröffentlichung positiver Humankapitalinformationen signifikant höher als bei Vorliegen negativer Humankapitalinformationen. Damit führen negative Humankapitalinformationen zu einer signifikant niedrigeren Wahrscheinlichkeit langfristig ausgerichteter Investitionsaktivitäten. Dieses Ergebnis in Kombination mit dem durch die ANOVA bereits bestätigten signifikanten Haupteffekt (vgl. Tab. 4.44) führt schließlich zu einer Annahme der Hypothese H5b. Auch im Vergleich zu den Kontrollgruppen ohne jegliche humankapitalbezogene Angaben führt eine negative Humankapitalberichterstattung zu einer signifikant niedrigeren langfristigen Investitionsbereitschaft. Dagegen bewirkt die Veröffentlichung positiver Humankapitalinformationen im Vergleich zu den Kontrollgruppen keine signifikante Änderung der langfristigen Investitionsneigung. Demnach weisen die Gruppen mit positiven Humankapitalinformationen eine höhere, wenngleich nicht signifikante Bereitschaft auf, langfristig in Aktien des Unternehmens zu investieren. Die umfassende varianzanalytische Auswertung bestätigt somit in der Gesamtbetrachtung alle Hypothesen, die bezüglich der Bewertungs- und Entscheidungsrelevanz von
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
289
finanziellen und humankapitalbezogenen Informationen aus der Perspektive von Privatanlegern getroffen wurden. 4.4.5 Analyse der Einstellungen hinsichtlich der Bewertungs- und Entscheidungsrelevanz von Humankapitalindikatoren Die bisherigen Ergebnisse zur Analyse des Verhaltens privater Anleger zeigen, dass Anleger sowohl die Finanz- als auch die Humankapitalberichterstattung heranziehen, um den Wert eines Unternehmens zu bestimmen und auf dieser Basis Investitionsentscheidungen zu treffen. Die Operationalisierung der unabhängigen Variablen erfolgte dabei in den experimentellen Fragebögen durch die Bereitstellung unterschiedlicher typischer Indikatoren, welche die finanzielle bzw. humankapitalbezogene Performance des Unternehmens aufzeigen. Diese Indikatoren wurden jedoch im Rahmen des Experiments nicht einzeln, sondern nur in ihrer Gesamtheit als „finanzielle Informationen“ bzw. „Humankapitalinformationen“ gezielt manipuliert und demzufolge im Rahmen der varianzanalytischen Auswertung des Experiments nicht separat untersucht. Daher erfolgte im Rahmen der post-experimental questions eine Abfrage der Einstellungen der Versuchspersonen gegenüber der Relevanz der einzelnen Indikatoren für die Unternehmensbewertung bzw. für kurz- und langfristige Anlageentscheidungen. Das Ziel besteht darin, zu ermitteln, welche Humankapitalinformationen als besonders entscheidungsrelevant eingeschätzt wurden. Dadurch ist abschließend ein Vergleich zwischen dem im Experiment untersuchten tatsächlichen Entscheidungsverhalten privater Anleger und deren Relevanzeinschätzungen im Hinblick auf einzelne Indikatoren möglich. Dies kann zur Klärung der Frage beitragen, ob die Einstellungen privater Anleger mit deren Verhalten übereinstimmen oder ob diesbezüglich Differenzen bestehen. 4.4.5.1 Einstellungen hinsichtlich der Bewertungsrelevanz von Humankapitalindikatoren Zum Zwecke der Analyse der Bewertungsrelevanz einzelner Humankapitalindikatoren sollten die Versuchsteilnehmer im Anschluss an das Experiment die ihrer Meinung nach allgemeine Relevanz der im vorgelegten Geschäftsbericht der ANOVA AG enthaltenen finanziellen und humankapitalbezogenen Indikatoren für die Unternehmensbewertung auf einer 7-Punkte-Likert-Skala von 1 („keine Relevanz“) bis 7 („sehr hohe Relevanz“) angeben. Die Auswertung der Relevanzeinschätzungen wird nachfolgend für jede Versuchsgruppe separat vorgenommen, indem eine Rangfolgebildung ent-
290
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
sprechend der arithmetischen Mittelwerte der Relevanzurteile für die einzelnen Indikatoren erfolgt. Bei einer positiven Entwicklung aller zur Verfügung stehenden Informationen, wie sie die Experimentalgruppe A1B2 zu beurteilen hatte, schätzen die befragten Studenten die Relevanz der Humankapitalinformationen im Vergleich zu finanziellen Daten als eher gering ein (vgl. Abb. 4.37). Von den sechs im Personalbericht enthaltenen Humankapitalindikatoren werden der Qualifikationsstruktur der Mitarbeiter (Mittelwert = 4,98), der Mitarbeiterzufriedenheit (Mittelwert = 4,93) sowie den Weiterbildungsaufwendungen (Mittelwert = 4,72) eine vergleichsweise hohe Relevanz zugesprochen. Eine geringere Rolle bei der Bewertung von Unternehmen spielen dagegen die Indikatoren Mitarbeiterfluktuation (Mittelwert = 4,23), Gesundheitsmanagement und Krankenstand (Mittelwert = 3,95) sowie die Zahl der Arbeitnehmer (Mittelwert = 3,93). Die Mittelwerte der drei letztgenannten Humankapitalindikatoren liegen sehr nahe an der Skalenmitte mit dem Wert 4, sodass diese Indikatoren aus Sicht der Befragten als mittelmäßig relevant eingeschätzt werden.
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
291
Abb. 4.37: Bewertungsrelevanz finanzieller und humankapitalbezogener Indikatoren aus Sicht der Experimentalgruppe A1B2 (Quelle: Eigene Darstellung)
Die Befragten der Experimentalgruppe A1B3 schätzen die Relevanz der Humankapitalindikatoren für die Unternehmensbewertung dagegen insgesamt höher ein, wenn diese konträr zu den positiven finanziellen Informationen eine negative Entwicklung aufweisen (vgl. Abb. 4.38). Auch die Experimentalgruppe A1B3 betrachtet die Qualifikationsstruktur der Mitarbeiter (Mittelwert = 5,36), die Mitarbeiterzufriedenheit (Mittelwert = 5,07) und die Weiterbildungsaufwendungen (Mittelwert = 5,02) hierbei als bedeutendste Humankapitalindikatoren im Hinblick auf deren Relevanz für die Unternehmensbewertung. Mit Ausnahme des Indikators Anzahl der Mitarbeiter wird auch die Relevanz der verbleibenden Humankapitalindikatoren in der betrachteten Gruppe höher eingeschätzt als im Vergleich zur zuvor analysierten Experimentalgruppe. Da eine unterdurchschnittliche Entwicklung des Humankapitals die langfristige Ertragskraft des Unternehmens mindert und sich folglich wertvernichtend auswirken kann, nimmt die relative Relevanz finanzieller Informationen für die Unternehmensbewer-
292
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
tung daher ab und die nicht-finanziellen Informationen über das Humankapital rücken stärker in den Fokus privater Anleger.
Abb. 4.38: Bewertungsrelevanz finanzieller und humankapitalbezogener Indikatoren aus Sicht der Experimentalgruppe A1B3 (Quelle: Eigene Darstellung)
Weisen die finanziellen Informationen eine negative, die Humankapitalinformationen dagegen eine positive Entwicklung auf, erachten die Befragten (Experimentalgruppe A2B2) die Bedeutung der humankapitalbezogenen Indikatoren für die Unternehmensbewertung als vergleichsweise durchschnittlich bis gering (vgl. Abb. 4.39). Die Qualifikationsstruktur (Mittelwert = 4,77) bleibt der wichtigste Indikator, gefolgt von der Mitarbeiterzufriedenheit (Mittelwert = 4,41) und den Weiterbildungsaufwendungen (Mittelwert = 4,16), deren Relevanz eher durchschnittlich eingeschätzt wird. Im Vergleich mit den beiden vorhergehenden Gruppen bleibt die Rangfolge in Bezug auf die Relevanz der einzelnen Humankapitalindikatoren für die Unternehmensbewertung gleich, ihre mittlere Bedeutung für die Bewertungsentscheidung aus der Sicht der Ver-
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
293
suchspersonen ist jedoch insgesamt etwas geringer. Entsprechend des in H3b postulierten Zusammenhangs gelingt es durch die Publizität positiver humankapitalbezogener Informationen bei gleichzeitigem Vorliegen negativer finanzieller Informationen offenbar nicht, die Unternehmensbewertung stark zu beeinflussen.
Abb. 4.39: Bewertungsrelevanz finanzieller und humankapitalbezogener Indikatoren aus Sicht der Experimentalgruppe A2B2 (Quelle: Eigene Darstellung)
Auch wenn die Leistungsniveaus beider Informationsarten negativ sind (Experimentalgruppe A2B3), behalten finanzielle Informationen aus Sicht der Versuchspersonen ihre höhere Relevanz für die Unternehmensbewertung bei (vgl. Abb. 4.40). Die mit der höchsten Relevanz für die Unternehmensbewertung eingeschätzten Humankapitalindikatoren sind die Qualifikationsstruktur der Mitarbeiter (Mittelwert = 5,13), die Weiterbildungsaufwendungen (Mittelwert = 4,78), die Mitarbeiterzufriedenheit (Mittelwert = 4,67) und die Mitarbeiterfluktuation (Mittelwert = 4,48). Dagegen werden die Indikatoren Gesundheitsmanagement und Krankenstand sowie Mitarbeiterzahl mit
294
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
Durchschnittswerten unterhalb der Skalenmitte von 4 als tendenziell weniger relevant für Bewertungszwecke eingeschätzt. Verglichen mit den zuvor analysierten Relevanzeinschätzungen der anderen Experimentalgruppen werden die Weiterbildungsaufwendungen hier zur zweitwichtigsten humankapitalbezogenen Kennzahl. Die Fluktuation der Mitarbeiter ist ebenfalls von Bedeutung, da der dadurch mögliche Verlust der Kompetenzen und des Wissens der Mitarbeiter die Leistungsfähigkeit des Unternehmens beeinträchtigt.870 Dagegen wird der Anzahl der Mitarbeiter sowie dem Gesundheitsmanagement / Krankenstand für die Unternehmensbewertung die geringste Bedeutung beigemessen. Wichtiger als eine große Anzahl von Mitarbeitern ist es aus Sicht der Befragten offensichtlich, qualifizierte Arbeitnehmer zu beschäftigen bzw. deren Qualifikation durch Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen zu fördern und damit ihre Kompetenzen, Fähigund Fertigkeiten weiterzuentwickeln. Eine hohe Mitarbeiterzufriedenheit wird offenbar mit einer höheren Wahrscheinlichkeit des Verbleibs im Unternehmen assoziiert, was wiederum das Risiko des Wissens- und Kompetenzverlusts vermindert.
870
Vgl. STOI, R. (2003), S. 175f.; WUCKNITZ, U. D. (2009), S. 134.
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
295
Abb. 4.40: Bewertungsrelevanz finanzieller und humankapitalbezogener Indikatoren aus Sicht der Experimentalgruppe A2B3 (Quelle: Eigene Darstellung)
In Bezug auf die Unternehmensbewertung stimmen die Einstellungen und das beobachtete Verhalten der Befragten überein, da finanziellen Informationen für die Unternehmensbewertung eine größere Bedeutung beigemessen wird. Humankapitalinformationen werden bei der Unternehmensbewertung zwar ebenfalls berücksichtigt, jedoch ist ihre Relevanz insgesamt vergleichsweise geringer. 4.4.5.2 Einstellungen hinsichtlich der Entscheidungsrelevanz von Humankapitalindikatoren Die Analyse des beobachteten Verhaltens durch die varianzanalytischen Auswertungen zeigte, dass private Anleger sowohl finanzielle Informationen als auch die Humankapitalberichterstattung in ihre langfristigen Investitionsentscheidungen einbeziehen, wobei Finanzdaten und -kennzahlen dabei dominieren. Bei kurzfristigem Anlagehorizont ergab sich demgegenüber kein durch zusätzliche Humankapitalberichterstat-
296
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
tung bedingter signifikanter Effekt auf die Entscheidung, in Aktien eines Unternehmens zu investieren. Um ein differenzierteres Bild darüber zu erhalten, welchen Einfluss die einzelnen Finanz- bzw. Humankapitalindikatoren auf die kurz- und langfristigen Investitionsentscheidungen hatten, erfolgte wiederum eine Abfrage der Einstellungen der Versuchspersonen im Hinblick auf die den einzelnen Indikatoren beigemessene Entscheidungsrelevanz. Zu diesem Zweck enthielt der sich an das eigentliche Experiment anschließende Fragenkomplex zunächst die Frage, mit welcher prozentualen Gewichtung die Versuchsteilnehmer die Finanzdaten und -kennzahlen im Vergleich zu den Angaben aus dem Personalbericht insgesamt in ihre Investitionsentscheidungen einfließen ließen, getrennt nach den beiden Anlagehorizonten. In Bezug auf die finanziellen und humankapitalbezogenen Einzelindikatoren sollten die Befragten auf einer 7-Punkte-LikertSkala von 1 („kein Einbezug“) bis 7 („sehr starker Einbezug“) angeben, inwieweit sie die verschiedenen zur Verfügung stehenden Indikatoren bei den zu treffenden Investitionsentscheidungen tatsächlich einbezogen haben. Der in der ANOVA ermittelte nichtsignifikante Haupteffekt der Humankapitalinformationen bei einem kurzfristigen Anlagehorizont lässt bereits an dieser Stelle vermuten, dass die Relevanz der Finanzindikatoren im Falle einer spekulativen Anlageentscheidung weitaus höher eingeschätzt werden sollte als bei einer langfristigen Anlageentscheidung. Die nachfolgende Auswertung wird getrennt nach Gruppen vorgenommen. Daran lässt sich im Anschluss erkennen, ob und inwieweit sich die Einschätzungen der Probanden in Bezug auf die Entscheidungsrelevanz der Informationen in Abhängigkeit der gruppenweise jeweils zugrundeliegenden Informationsniveaus unterscheiden. 4.4.5.2.1 Experimentalgruppe A1B2 Zum Zwecke der Entscheidung über eine kurz- bzw. langfristige Investition in Aktien der ANOVA AG lagen der Gruppe A1B2 positive finanzielle Informationen sowie ebenfalls positive Humankapitalinformationen vor. Die Balkendiagramme in Abb. 4.41 veranschaulichen zunächst die prozentuale Gewichtung, welche die Versuchspersonen der Experimentalgruppe A1B2 der finanziellen Berichterstattung und den Angaben aus dem Personalbericht bei der Entscheidung über eine kurzfristige und langfristige Investition ihrer Einschätzung nach jeweils beigemessen haben. Für den im linken Diagramm abgebildeten kurzfristigen Anlagehorizont geben die Probanden an, die Finanzdaten und -kennzahlen der ANOVA AG mit einem Anteil von 83,36 % und
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
297
die Angaben aus dem Personalbericht mit dem verbleibenden Anteil von 16,64 % in die Entscheidung über eine kurzfristige Investition einbezogen zu haben. Im Gegensatz zu der Dominanz finanzieller Informationen wird die Humankapitalberichterstattung als nahezu irrelevant für spekulative Anlageentscheidungen eingeschätzt. Dies zeigte sich bereits dadurch, dass in der varianzanalytischen Auswertung des Experiments kein signifikanter Effekt der Humankapitalinformationen ermittelt werden konnte. Die abgefragte Einstellung der Probanden im Hinblick auf die Relevanz humankapitalbezogener Berichterstattung für spekulativ motivierte Aktienanlagen scheint offensichtlich mit dem während des Experiments gezeigten Verhalten übereinzustimmen und lässt sich dahingehend interpretieren, dass Humankapital in einer kurzfristigen Perspektive offenbar im Sinne eines reinen Kostenfaktors, der in der Folge ergebnismindernd wirkt, betrachtet wird. Im Vergleich dazu wird aus dem rechts dargestellten Diagramm ersichtlich, dass die Versuchsteilnehmer die Angaben aus dem Personalbericht bei der Frage nach deren relativer Bedeutung für die getroffene langfristige Anlageentscheidung vergleichsweise stärker gewichten. So bildet zwar die Finanzpublizität immer noch die wesentliche Grundlage für die Entscheidung über eine langfristig orientierte Investition in Aktien, jedoch beziehen die Probanden ihrer Einschätzung nach die Angaben aus dem Personalbericht mit einer Gewichtung von einem Drittel (33,02 %) in ihre Entscheidung mit ein. Im Vergleich zum kurzfristigen Anlagehorizont verdoppelt sich in etwa die wahrgenommene Relevanz humankapitalbezogener Berichterstattung. Der relative Einbezug der beiden Informationsarten verschiebt sich somit deutlich je nachdem, welcher Anlagehorizont zugrundegelegt wird. Die von den Versuchsteilnehmern geäußerte Einschätzung, in welchem Verhältnis sie finanzielle und humankapitalbezogene Informationen in ihre kurz- und langfristigen Anlageentscheidungen einbeziehen, ließ sich bereits vorab anhand der Auswertung der experimentellen Ergebnisse erkennen. Für die Versuchsgruppe A1B2 kann somit als Fazit festgehalten werden, dass sich die subjektiven Einstellungen eindeutig in dem während des Experiments gezeigten Verhalten widerspiegeln. Somit wird die Übereinstimmung von Einstellungen und tatsächlichem Verhalten bestätigt.871
871
Obgleich experimentelle Forschungsdesigns klassischen Befragungsstudien für die Erforschung des Entscheidungsverhaltens von Investoren aufgrund der Möglichkeit, Kausalzusammenhänge prüfen zu können, in der Regel deutlich überlegen sind (vgl. auch die diesbezüglichen Ausführungen in Abschnitt 4.2.1), deuten die Ergebnisse darauf hin, dass Befragungsstudien offensichtlich nicht gänzlich ungeeignet erscheinen, die Relevanz bestimmter Einflussindikatoren auf das Entscheidungsverhalten zu untersuchen, da die experimentellen Ergebnisse hier mit den ex-postBefragungsergebnissen übereinstimmen. Diese Schlussfolgerung ist jedoch nicht generalisierbar,
298
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
Abb. 4.41: Prozentuale Gewichtung der Informationsarten in Abhängigkeit des Anlagehorizonts aus Sicht der Experimentalgruppe A1B2 (Quelle: Eigene Darstellung)
Ob sich die dargestellte relative Gewichtung der Finanzdaten und der Humankapitalinformationen durch private Anleger bei einer kurzfristigen im Vergleich zu einer langfristigen Anlageentscheidung auch signifikant unterscheidet, wird empirisch mit einem T-Test für gepaarte Stichproben überprüft.872 Diese Art des T-Tests kommt zur Anwendung, da die Antworten derselben Befragten für die beiden Anlagehorizonte miteinander verglichen werden und es sich somit um eine verbundene Stichprobe handelt.873 Die zu testende Nullhypothese besagt, dass keine Mittelwertdifferenz zwischen der Gewichtung der jeweiligen Informationsart bei einem kurzfristigen Anlagehorizont und der Gewichtung der jeweiligen Informationsart bei einem langfristigen Anlagehorizont besteht. Wie Tab. 4.47 anzeigt, ergibt sich für beide Informationsarten, d. h. sowohl für Finanzdaten und –kennzahlen als auch für Angaben aus dem Personalbericht, für den Vergleich der Anlagehorizonte jeweils eine Signifikanz von p = 0,000. Die Versuchsda andere inhaltlich vergleichbare Studien, in welchen ebenfalls ein kombiniertes experimentelles und Befragungsdesign angewandt wurde, Inkonsistenzen zwischen den abgefragten Einstellungen der Probanden und ihrem tatsächlichem Verhalten im Experiment attestieren konnten. Vgl. diesbezüglich bspw. die Studie von HOLM, C./RIKHARDSSON, P. (2008). 872
Vgl. JANSSEN, J./LAATZ, W. (2010), S. 343; BROSIUS, F. (2008), S. 476.
873
Vgl. JANSSEN, J./LAATZ, W. (2010), S. 337; BROSIUS, F. (2008), S. 475, 867.
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
299
teilnehmer gewichten somit beide Informationsarten in Abhängigkeit des Anlagehorizonts signifikant unterschiedlich. Damit lassen sich die Ergebnisse auf die Grundgesamtheit der Privatanleger verallgemeinern. Das positive Vorzeichen für die Finanzdaten und -kennzahlen in der Spalte „Mittelwert“ zeigt an, dass diese Informationsart bei einem kurzfristigen Anlagehorizont signifikant stärker in die Investitionsentscheidung einbezogen wird als bei einer langfristigen Anlage.874 Dagegen ist die Relevanz der Angaben aus dem Personalbericht für langfristige Anlageentscheidungen im Vergleich zu kurzfristigen Anlageentscheidungen signifikant höher (gekennzeichnet durch das negative Vorzeichen in der Spalte „Mittelwert“). Die Humankapitalinformationen fließen damit stärker in eine Investitionsentscheidung privater Anleger ein, wenn diese zu Zwecken eines langfristigen Vermögensaufbaus getroffen wird. Dagegen lassen sie sich bei einer durch spekulative Gründe motivierten Anlage wesentlich mehr von den Finanzkennzahlen leiten.
Gepaarte Dif f erenzen 95%-Konf idenzStandardintervall f ehler des Mittelwerts Untere Obere
Mittelwert
Standardabweichung
Finanzdaten und -kennzahlen (kurzf ristig) Finanzdaten und -kennzahlen (langf ristig)
16,72
12,85
1,77
13,18
Angaben aus dem Personalbericht (kurzf ristig) Angaben aus dem Personalbericht (langf ristig)
-16,46
12,86
1,75
-19,97
T
df
Sig. (2-seitig)
20,26
9,47
52
0,000
-12,95
-9,40
53
0,000
Tab. 4.47: Ergebnisse des T-Tests für die Gewichtung der Informationsarten im Vergleich der Anlagehorizonte (Experimentalgruppe A1B2) (Quelle: Eigene Darstellung)
Wie stark die Befragten der Experimentalgruppe A1B2 die im Finanzbericht und im Personalbericht enthaltenen einzelnen Indikatoren nach ihren eigenen Angaben tatsächlich in ihre Investitionsentscheidungen einbezogen haben, zeigt Abb. 4.42. Bei beiden Anlagehorizonten fließen finanzielle Kennzahlen wie die Aktienkursentwicklung, die Dividende je Aktie oder die Earnings per Share (EPS) am stärksten ein und weisen die höchsten Mittelwerte auf. Die in dieser Experimentalgruppe positiv manipulierten einzelnen Humankapitalindikatoren sind bei einem kurzfristigen Anlagehorizont nur von untergeordneter Bedeutung für die Investitionsentscheidung und reihen sich in der Rangfolge aller Indikato874
Vgl. BROSIUS, F. (2008), S. 476.
300
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
ren an unterster Position ein (vgl. linkes Diagramm). Bei einer langfristigen Anlage (rechtes Diagramm) nimmt ihre Relevanz jedoch zu, wobei insbesondere die Mitarbeiterzufriedenheit (Mittelwert = 5,09), die Qualifikationsstruktur der Mitarbeiter (Mittelwert = 4,81) und die Weiterbildungsaufwendungen (Mittelwert = 4,80) am stärksten berücksichtigt werden.
Abb. 4.42: Entscheidungsrelevanz finanzieller und humankapitalbezogener Indikatoren aus Sicht der Experimentalgruppe A1B2 (Quelle: Eigene Darstellung)
Die erkennbaren Unterschiede hinsichtlich des Einbezugs der einzelnen Humankapitalindikatoren je nach Länge des Anlagehorizonts werden ebenfalls mittels eines TTests für abhängige Stichproben einer Signifikanzprüfung unterzogen (vgl. Tab. 4.48). Die Signifikanzwerte von p = 0,000 für alle betrachteten Humankapitalindikatoren sowie die durchgängig negativen Mittelwertdifferenzen zeigen, dass private Anleger alle innerhalb des Personalberichts aufgeführten Humankapitalindikatoren bei einer langfristigen Investitionsentscheidung signifikant stärker einbeziehen.
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
301 Gepaarte Dif f erenzen
Humankapitalindikator
Mittelwert
Standard- 95%-Konf idenzintervall Standard- f ehler des abweichung Mittelwerts Untere Obere
T
df
Sig. (2-seitig)
Anzahl der Mitarbeiter (kurzf ristig) Anzahl der Mitarbeiter (langf ristig)
-1,28
1,50
0,20
-1,68
-0,88
-6,46
56
0,000
Mitarbeiterf luktuation (kurzf ristig) Mitarbeiterf luktuation (langf ristig)
-1,51
1,73
0,23
-1,97
-1,05
-6,57
56
0,000
Qualif ikationsstruktur der Mitarbeiter (kurzf ristig) Qualif ikationsstruktur der Mitarbeiter (langf ristig)
-1,81
1,85
0,24
-2,30
-1,32
-7,39
56
0,000
Weiterbildungsauf wendungen (kurzf ristig) Weiterbildungsauf wendungen (langf ristig)
-2,04
1,94
0,26
-2,55
-1,52
-7,94
56
0,000
Mitarbeiterzuf riedenheit (kurzf ristig) Mitarbeiterzuf riedenheit (langf ristig)
-1,91
2,06
0,27
-2,46
-1,37
-7,02
56
0,000
Gesundheitsmgmt. u. Krankenstand (kurzf ristig) Gesundsheitmgmt. u. Krankenstand (langf ristig)
-1,56
1,93
0,26
-2,07
-1,05
-6,12
56
0,000
Tab. 4.48: Ergebnisse des T-Tests für die Entscheidungsrelevanz der Humankapitalindikatoren im Vergleich der Anlagehorizonte (Experimentalgruppe A1B2) (Quelle: Eigene Darstellung)
4.4.5.2.2 Experimentalgruppe A1B3 Auch die Experimentalgruppe, welcher für die Investitionsentscheidungen positive Finanzdaten und -kennzahlen, jedoch negative Angaben im Personalbericht vorlagen, gewichtet die prozentuale Entscheidungsrelevanz finanzieller Informationen mit 79,20 % bei einem kurzfristigen Anlagehorizont stärker als bei einer langfristigen Anlage mit 62,32 %. Dementsprechend nimmt die Bedeutung der Angaben im Personalbericht von 21,70 % auf 36,79 % zu (vgl. Abb. 4.43). Interessant erscheint an dieser Stelle ein Vergleich mit der zuvor analysierten Gruppe A1B2, welcher positive Humankapitalinformationen vorlagen. Dieser Vergleich lässt den Schluss zu, dass Humankapitalinformationen eine höhere Relevanz für Investitionsentscheidungen beigemessen wird, wenn diese eine schlechte Performance anzeigen. Dies ist nicht damit gleichzusetzen, dass die Investitionsneigung im Falle negativer Humankapitalinformationen höher ist; gerade das Gegenteil ist der Fall. Das Ergebnis zeigt jedoch an, dass Privatanleger offensichtlich sensibler mit negativen Humankapitalinformationen umgehen und diese somit stärker in Entscheidungen einbeziehen, als Humankapitalinformationen, die auf eine positive Entwicklung der Performance hindeuten.
302
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
Abb. 4.43: Prozentuale Gewichtung der Informationsarten in Abhängigkeit des Anlagehorizonts aus Sicht der Experimentalgruppe A1B3 (Quelle: Eigene Darstellung)
Der T-Test bei gepaarten Stichproben (vgl. Tab. 4.49) ergibt auch im vorliegenden Fall, dass private Anleger den quantitativen Finanzkennzahlen bei einer kurzfristigen Investitionsentscheidung signifikant mehr Bedeutung beimessen (p = 0,000), wohingegen die Inhalte des Personalberichts bei einer langfristigen Anlage signifikant stärker berücksichtigt werden (p = 0,000). Gepaarte Dif f erenzen Standard- 95%-Konf idenzintervall f ehler des Mittelwerts Untere Obere
Mittelwert
Standardabweichung
Finanzdaten und -kennzahlen (kurzf ristig) Finanzdaten und -kennzahlen (langf ristig)
17,00
16,96
2,29
12,42
Angaben aus dem Personalbericht (kurzf ristig) Angaben aus dem Personalbericht (langf ristig)
-15,25
17,46
2,33
-19,93
T
df
Sig. (2-seitig)
21,58
7,43
54
0,000
-10,57
-6,54
55
0,000
Tab. 4.49: Ergebnisse des T-Tests für die Gewichtung der Informationsarten im Vergleich der Anlagehorizonte (Experimentalgruppe A1B3) (Quelle: Eigene Darstellung)
Wie die vergleichende Gegenüberstellung der Rangfolge des Einbezugs einzelner Indikatoren bei kurz- und langfristig orientierten Investitionsentscheidungen in Abb. 4.44 anzeigt, basieren die Investitionsentscheidungen der Versuchsteilnehmer insbesondere auf finanziellen Indikatoren wie bspw. der Aktienkursentwicklung und der Dividende je Aktie. Während die einzelnen Humankapitalindikatoren wiederum nur in
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
303
sehr geringem Ausmaß in die Entscheidungsfindung hinsichtlich einer spekulativen Anlage einbezogen werden (siehe linkes Diagramm), nimmt ihre Entscheidungsrelevanz bei langfristigen Anlageentscheidungen stark zu. Auf Basis der Mittelwerte als relevantem Beurteilungskriterium sind die Qualifikationsstruktur des Personals (Mittelwert = 5,17), die Weiterbildungsaufwendungen (Mittelwert = 5,13) und die Mitarbeiterzufriedenheit (Mittelwert = 5,11) auch für diese Gruppe die wichtigsten humankapitalbezogenen Indikatoren für die langfristige Investitionsentscheidung. Ihre Entscheidungsrelevanz steigt im Vergleich zum kurzfristigen Anlagehorizont in so hohem Maße, dass sie bei einer langfristigen Entscheidung zu den insgesamt sieben bedeutendsten Indikatoren zählen. Verglichen mit der Experimentalgruppe A1B2 wird auch die Mitarbeiterfluktuation stärker berücksichtigt, die den Verlust von Humankapital nach sich ziehen kann. Auch der T-Test bei gepaarten Stichproben (vgl. Tab. 4.50) bestätigt den signifikant stärkeren Einbezug aller Indikatoren aus dem Personalbericht vor dem Hintergrund eines langfristigen Anlagehorizonts (p = 0,000 für alle Humankapitalindikatoren sowie durchgängig negative Differenzen in der Spalte „Mittelwert“). Die Generalisierbarkeit der Ergebnisse auf die Grundgesamtheit privater Anleger ist folglich gegeben. Insofern können aus den Ergebnissen Implikationen sowohl für Standardsetter als auch für berichterstattende Unternehmen hinsichtlich in besonderem Maße entscheidungsrelevanter Humankapitalindikatoren abgeleitet werden, deren Aufnahme in die Lageberichterstattung demnach empfohlen werden kann.
304
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
Abb. 4.44: Entscheidungsrelevanz finanzieller und humankapitalbezogener Indikatoren aus Sicht der Experimentalgruppe A1B3 (Quelle: Eigene Darstellung)
Gepaarte Dif f erenzen
Humankapitalindikator
Mittelwert
Standard- 95%-Konf idenzintervall Standard- f ehler des abweichung Mittelwerts Untere Obere
T
df
Sig. (2-seitig)
Anzahl der Mitarbeiter (kurzf ristig) Anzahl der Mitarbeiter (langf ristig)
-1,53
1,69
0,22
-1,98
-1,08
-6,81
56
0,000
Mitarbeiterf luktuation (kurzf ristig) Mitarbeiterf luktuation (langf ristig)
-1,86
1,71
0,23
-2,31
-1,41
-8,23
56
0,000
Qualif ikationsstruktur der Mitarbeiter (kurzf ristig) Qualif ikationsstruktur der Mitarbeiter (langf ristig)
-2,07
1,74
0,23
-2,53
-1,61
-8,98
56
0,000
Weiterbildungsauf wendungen (kurzf ristig) Weiterbildungsauf wendungen (langf ristig)
-2,35
2,03
0,27
-2,89
-1,81
-8,74
56
0,000
Mitarbeiterzuf riedenheit (kurzf ristig) Mitarbeiterzuf riedenheit (langf ristig)
-2,02
1,84
0,24
-2,50
-1,53
-8,29
56
0,000
Gesundheitsmgmt. u. Krankenstand (kurzf ristig) Gesundsheitmgmt. u. Krankenstand (langf ristig)
-1,58
1,57
0,21
-2,00
-1,16
-7,60
56
0,000
Tab. 4.50: Ergebnisse des T-Tests für die Entscheidungsrelevanz der Humankapitalindikatoren im Vergleich der Anlagehorizonte (Experimentalgruppe A1B3) (Quelle: Eigene Darstellung)
4.4.5.2.3 Experimentalgruppe A2B2 Im Gegensatz zu den beiden zuvor analysierten Experimentalgruppen lagen der Gruppe A2B2 zum Zwecke der Investitionsentscheidung finanzielle Informationen vor, welche eine negative Entwicklung der Finanzperformance der ANOVA AG signalisierten. Die zusätzlichen Angaben aus dem Personalbericht zeigten hingegen eine sehr
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
305
positive Entwicklung auf. Auch bei der Beurteilung durch die Experimentalgruppe A2B2 sinkt die Relevanz der Finanzdaten von 82,27 % bei einer kurzfristigen Investition auf 66,73 % bei einem langfristigen Anlagehorizont. Die Angaben aus dem Personalbericht werden dementsprechend mit 11,73 % beziehungsweise 33,27 % gewichtet und demzufolge bei einer langfristigen Investition stärker beachtet (vgl. Abb. 4.45). Dies entspricht in etwa dem Ergebnis der zuerst analysierten Experimentalgruppe A1B2, welcher für die Investitionsentscheidung ebenfalls negative finanzielle, allerdings positive humankapitalbezogene Berichterstattungselemente vorlagen.
Abb. 4.45: Prozentuale Gewichtung der Informationsarten in Abhängigkeit des Anlagehorizonts aus Sicht der Experimentalgruppe A2B2 (Quelle: Eigene Darstellung)
Die bedeutend höhere Gewichtung der im Lagebericht veröffentlichten Humankapitalinformationen durch private Anleger bei einem langfristigen Anlagehorizont im Vergleich zu einem kurzfristigen Anlagehorizont wird auch empirisch bestätigt (p = 0,000). Dagegen fließen die finanziellen Angaben bei einer kurzfristigen Anlage signifikant stärker in die Entscheidung ein (p = 0,000) (vgl. Tab. 4.51).
306
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung Gepaarte Dif f erenzen Standard- 95%-Konf idenzintervall f ehler des Mittelwerts Untere Obere
Mittelwert
Standardabweichung
Finanzdaten und -kennzahlen (kurzf ristig) Finanzdaten und -kennzahlen (langf ristig)
15,43
20,03
2,73
9,96
Angaben aus dem Personalbericht (kurzf ristig) Angaben aus dem Personalbericht (langf ristig)
-15,53
19,86
2,68
-20,90
T
df
Sig. (2-seitig)
20,89
5,66
53
0,000
-10,16
-5,80
54
0,000
Tab. 4.51: Ergebnisse des T-Tests für die Gewichtung der Informationsarten im Vergleich der Anlagehorizonte (Experimentalgruppe A2B2) (Quelle: Eigene Darstellung)
Auch die von den Versuchspersonen angegebene Rangordnung des Einbezugs einzelner Indikatoren in die Entscheidungsfindung hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit einer Investition zeigt die Wichtigkeit der Finanzdaten und -kennzahlen insbesondere bei einer kurzfristigen Anlage, bei der die Bedeutung der einzelnen Indikatoren aus dem Personalbericht dagegen nahezu vernachlässigbar ist (vgl. Abb. 4.46).
Abb. 4.46: Entscheidungsrelevanz finanzieller und humankapitalbezogener Indikatoren aus Sicht der Experimentalgruppe A2B2 (Quelle: Eigene Darstellung)
Allerdings sind sowohl kurz- als auch langfristig kapitalmarktbezogene Indikatoren wie die Aktienkursentwicklung, die Dividende je Aktie und die Earnings per Share (EPS) die wichtigsten Größen für die Entscheidung über eine Investition. Der Einfluss der einzelnen Humankapitalindikatoren nimmt bei einer längerfristigen Anlage wieder
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
307
zu, wobei die Qualifikationsstruktur der Mitarbeiter (Mittelwert = 4,69), die Mitarbeiterzufriedenheit (Mittelwert = 4,29) und die Weiterbildungsaufwendungen (Mittelwert = 4,29) wichtige Informationen für die Investitionsentscheidung darstellen. Dennoch werden neben diesen drei Angaben, wie die Ergebnisse der verbundenen TTests in Tab. 4.52 zeigen, auch die weiteren Indikatoren im Personalbericht von Privatanlegern zu Zwecken einer langfristigen Anlage signifikant stärker in die Investitionsentscheidung einbezogen als bei der kurzfristigen, d. h. spekulativ motivierten Anlageentscheidung. Dies zeigt sich an den zugehörigen Signifikanzwerten von jeweils p = 0,000 sowie den durchgängig negativen Differenzen in der Spalte „Mittelwert“. Gepaarte Dif f erenzen
Humankapitalindikator
Mittelwert
95%-Konf idenzStandardintervall Standard- f ehler des abweichung Mittelwerts Untere Obere
T
df
Sig. (2-seitig)
Anzahl der Mitarbeiter (kurzf ristig) Anzahl der Mitarbeiter (langf ristig)
-0,68
1,44
0,19
-1,07
-0,30
-3,58
56
0,000
Mitarbeiterf luktuation (kurzf ristig) Mitarbeiterf luktuation (langf ristig)
-1,14
1,87
0,25
-1,64
-0,65
-4,62
56
0,000
Qualif ikationsstruktur der Mitarbeiter (kurzf ristig) Qualif ikationsstruktur der Mitarbeiter (langf ristig)
-1,40
1,71
0,23
-1,86
-0,95
-6,20
56
0,000
Weiterbildungsauf wendungen (kurzf ristig) Weiterbildungsauf wendungen (langf ristig)
-1,75
2,03
0,27
-2,29
-1,22
-6,53
56
0,000
Mitarbeiterzuf riedenheit (kurzf ristig) Mitarbeiterzuf riedenheit (langf ristig)
-1,32
1,79
0,24
-1,79
-0,84
-5,54
56
0,000
Gesundheitsmgmt. u. Krankenstand (kurzf ristig) Gesundsheitmgmt. u. Krankenstand (langf ristig)
-1,28
1,60
0,21
-1,71
-0,86
-6,04
56
0,000
Tab. 4.52: Ergebnisse des T-Tests für die Entscheidungsrelevanz der Humankapitalindikatoren im Vergleich der Anlagehorizonte (Experimentalgruppe A2B2) (Quelle: Eigene Darstellung)
4.4.5.2.4 Experimentalgruppe A2B3 Für die Entscheidung hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit für eine kurz- sowie langfristige Investition in Aktien der ANOVA AG lagen der Experimentalgruppe A2B3 ausschließlich Informationen vor, die dem Unternehmen sowohl in Bezug auf dessen Finanzen als auch hinsichtlich der Entwicklung des Humankapitals eine negative Performance attestierten. Die Gewichtung der Angaben aus dem Personalbericht durch die Experimentalgruppe A2B3 nimmt von 18,96 % bei einem kurzfristigen Anlagehorizont auf 35,42 % für den langfristigen Anlagehorizont stark zu. Dennoch bleibt der Finanzbericht mit 81,04 % respektive 64,11 % die ursächliche Informationsquelle für die Investitionsentscheidung (vgl. Abb. 4.47).
308
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
Abb. 4.47: Prozentuale Gewichtung der Informationsarten in Abhängigkeit des Anlagehorizonts aus Sicht der Experimentalgruppe A2B3 (Quelle: Eigene Darstellung)
Aber auch bei einer Kombination dieser negativen Leistungsniveaus der Informationen wird den humankapitalbezogenen Angaben des Personalberichts bei einem langfristigen Anlagehorizont von den privaten Anlegern ein wesentlich höherer Einfluss auf die Investitionsentscheidung beigemessen als bei einer spekulativen Investition (p = 0,000). Beabsichtigen individuelle Investoren nur eine kurzfristige Investition, greifen sie stärker auf finanzielle Daten und Kennzahlen zurück (p = 0,000) (vgl. Tab. 4.53). Gepaarte Dif f erenzen Standard- 95%-Konf idenzintervall f ehler des Mittelwerts Untere Obere
Mittelwert
Standardabweichung
Finanzdaten und -kennzahlen (kurzf ristig) Finanzdaten und -kennzahlen (langf ristig)
16,93
18,79
2,49
11,95
Angaben aus dem Personalbericht (kurzf ristig) Angaben aus dem Personalbericht (langf ristig)
-16,46
17,27
2,29
-21,04
T
df
Sig. (2-seitig)
21,91
6,80
56
0,000
-11,87
-7,20
56
0,000
Tab. 4.53: Ergebnisse des T-Tests für die Gewichtung der Informationsarten im Vergleich der Anlagehorizonte (Experimentalgruppe A2B3) (Quelle: Eigene Darstellung)
Dieses Ergebnis spiegelt sich auch in der Bewertung der Entscheidungsrelevanz der einzelnen in den Berichten enthaltenen Indikatoren wider (vgl. Abb. 4.48). Im Hinblick auf eine kurzfristige Anlage kommt den einzelnen Finanzkennzahlen ein sehr hohes Gewicht zu, das jedoch bei einer längerfristigen Investition tendenziell ab-
Darstellung und Analyse der Ergebnisse
309
nimmt. Die wichtigsten finanziellen Größen stellen, ungeachtet des Anlagehorizonts, die Aktienkursentwicklung, die Dividende je Aktie und die Earnings per Share (EPS) dar.
Abb. 4.48: Entscheidungsrelevanz finanzieller und humankapitalbezogener Indikatoren aus Sicht der Experimentalgruppe A2B3 (Quelle: Eigene Darstellung)
Die negativen Humankapitalinformationen werden bei einer kurzfristigen Anlage hingegen – wie schon bei den zuvor analysierten Versuchsgruppen – kaum berücksichtigt. Bei einer langfristigen Anlage nimmt ihre Bedeutung jedoch zu. Wiederum sind die Qualifikationsstruktur der Mitarbeiter mit einem Mittelwert von 4,81, die Mitarbeiterzufriedenheit mit 4,65 und die Weiterbildungsaufwendungen mit 4,42 die drei wichtigsten humankapitalbezogenen Informationen für die Investitionsentscheidung. Private Anleger beziehen jedoch alle Indikatoren, die der Personalbericht enthält, bei einer langfristigen Anlage signifikant stärker in ihre Investitionsentscheidung ein (vgl. Tab. 4.54). Dies wird aus den Signifikanzwerten von jeweils p = 0,000 sowie den negativen Vorzeichen in der Spalte „Mittelwert“ deutlich.
310
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung Gepaarte Dif f erenzen
Humankapitalindikator
Mittelwert
95%-Konf idenzStandardintervall Standard- f ehler des abweichung Mittelwerts Untere Obere
T
df
Sig. (2-seitig)
-0,89
-6,25
55
0,000
-1,75
-0,82
-5,55
55
0,000
-2,05
-1,07
-6,37
56
0,000
Anzahl der Mitarbeiter (kurzf ristig) Anzahl der Mitarbeiter (langf ristig)
-1,30
1,56
0,21
-1,72
Mitarbeiterf luktuation (kurzf ristig) Mitarbeiterf luktuation (langf ristig)
-1,29
1,73
0,23
Qualif ikationsstruktur der Mitarbeiter (kurzf ristig) Qualif ikationsstruktur der Mitarbeiter (langf ristig)
-1,56
1,85
0,25
Weiterbildungsauf wendungen (kurzf ristig) Weiterbildungsauf wendungen (langf ristig)
-1,67
1,93
0,26
-2,18
-1,15
-6,52
56
0,000
Mitarbeiterzuf riedenheit (kurzf ristig) Mitarbeiterzuf riedenheit (langf ristig)
-1,38
1,95
0,26
-1,90
-0,85
-5,28
55
0,000
Gesundheitsmgmt. u. Krankenstand (kurzf ristig) Gesundsheitmgmt. u. Krankenstand (langf ristig)
-1,21
1,63
0,22
-1,64
-0,78
-5,59
56
0,000
Tab. 4.54: Ergebnisse des T-Tests für die Entscheidungsrelevanz der Humankapitalindikatoren im Vergleich der Anlagehorizonte (Experimentalgruppe A2B3) (Quelle: Eigene Darstellung)
Der bei den Versuchspersonen in den einzelnen Gruppen abgefragte tatsächliche Einbezug der Indikatoren in die Entscheidungsfindung hinsichtlich einer Aktienanlage bestätigt die bereits durch die ANOVA empirisch ermittelte, bei langfristiger Betrachtung höhere Bedeutung von Humankapitalindikatoren und die bei diesem Anlagehorizont positivere Einstellung der privaten Anleger gegenüber deren Veröffentlichung. Das Antwortverhalten der Befragten zeigt auch die im Hinblick auf eine langfristige Geldanlage größere Relevanz von Informationen über die Qualifikationsstruktur der Mitarbeiter, die Weiterbildungsaufwendungen und die Mitarbeiterzufriedenheit.
4.5 Zusammenfassung und Würdigung der empirischen Befunde Das Ziel der experimentellen Analyse bestand darin, die Wirkungen von finanziellen Informationen und Humankapitalinformationen auf die Bewertungsurteile und Investitionsentscheidungen privater Anleger einer verhaltenswissenschaftlichen Untersuchung zu unterziehen. Dabei interessierte insbesondere die Frage, ob und wenn ja, in welchem Ausmaß Humankapitalinformationen neben klassischen Finanzinformationen die Unternehmensbewertung sowie Investitionsentscheidungen beeinflussen, insbesondere für den Fall, dass Finanz- und Humankapitalinformationen jeweils unterschiedliche Leistungsniveaus aufweisen. Nachfolgend werden daher die wesentlichen empirischen Befunde zusammengefasst (Abschnitt 4.5.1), der durch die Studie generierte Erkenntnisbeitrag für Forschung und Praxis aufgezeigt (Abschnitt 4.5.2) sowie auf Limitationen der Studie hingewiesen (Abschnitt 4.5.3).
Zusammenfassung und Würdigung der empirischen Befunde
311
4.5.1 Zusammenfassung der empirischen Befunde Als Gesamtfazit der empirischen Befunde vor dem Hintergrund des primären Forschungsziels ist festzuhalten, dass Humankapitalinformationen zum einen Urteile privater Anleger in Bezug auf die Bewertung eines Unternehmens beeinflussen und sich zum anderen besonders auf Entscheidungen im Hinblick auf eine langfristige Aktienanlage auswirken. Aus den Analysen lassen sich im Detail die nachfolgend dargestellten Ergebnisse ableiten. Trotz ihres Vergangenheitsbezugs stellen finanzielle Informationen aus Sicht privater Anleger sowohl für die Bewertung eines Unternehmens als auch für die Entscheidung, in Aktien zu investieren, die entscheidende Informationsgrundlage dar. Signalisieren die Finanzinformationen ein gutes Leistungsniveau des Unternehmens, so ergeben sich bessere Bewertungsurteile und Anleger investieren mit höherer Wahrscheinlichkeit in das Unternehmen, als wenn die finanziellen Informationen eine schlechte Performance des Unternehmens widerspiegeln. Dies ist konsistent mit den in den Hypothesen H1 und H4 postulierten Zusammenhängen, welche im Rahmen der statistischen Analyse auch entsprechend bestätigt werden konnten. In Bezug auf die Bewertungs- und Entscheidungsrelevanz von Humankapitalinformationen muss anhand der empirischen Befunde ein differenzierteres Fazit gezogen werden. So lassen die empirischen Ergebnisse zum einen den Schluss zu, dass Humankapitalinformationen bei der Bewertung von Unternehmen durch private Anleger einbezogen werden und somit eine Rolle für die Höhe des Bewertungsurteils spielen. Gleichermaßen sind zusätzlich zur Finanzberichterstattung veröffentlichte Humankapitalinformationen entscheidungsrelevant im Hinblick auf eine langfristige Aktienanlage. Zum anderen zeigen die experimentellen Ergebnisse jedoch auch, dass Humankapitalinformationen für Entscheidungen privater Anleger, zu Spekulationszwecken, d. h. kurzfristig, in ein Unternehmen zu investieren, keine signifikante Rolle spielen bzw. dass positive Humankapitalinformationen eine kurzfristige, auf Basis von positiven finanziellen Informationen getroffene Anlageentscheidung mitunter sogar konterkarieren können. Nachfolgend wird die zusammenfassende Darstellung der empirisch beobachteten Relevanz der Humankapitalberichterstattung daher getrennt für die Unternehmensbewertung, die kurzfristige Investitionsentscheidung und die langfristige Aktienanlage vorgenommen.
312
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
Im Hinblick auf zusätzlich verfügbare Humankapitalinformationen, die ein positives Leistungsniveau des Unternehmens erkennen lassen, konnte ein signifikanter Einfluss auf die Bewertung von Unternehmen durch private Anleger identifiziert werden. So bewirken positive Humankapitalinformationen eine durchgängig höhere Bewertung des Unternehmens, unabhängig davon, ob diese positiven Humankapitalinformationen in Kombination mit einer guten oder schlechten finanziellen Performance des Unternehmens stehen. Dies verdeutlicht die Bedeutung des Humankapitals in seiner Eigenschaft als Treiber des Unternehmenswertes. Dagegen geht mit negativen Humankapitalinformationen stets eine schlechtere Bewertung des Unternehmens einher, sowohl für den Fall zugrundeliegender positiver finanzieller Informationen als auch bei negativer finanzieller Performance. Eine negative Humankapitalperformance wird somit von Privatanlegern offensichtlich als Risikoindikator gewertet, welcher eine potentielle zukünftige Vernichtung von Unternehmenswert signalisiert. Der in Hypothese H2 formulierte Zusammenhang für den Haupteffekt humankapitalbezogener Berichterstattung kann somit empirisch nachgewiesen werden, wodurch sich bestätigt, dass Humankapitalinformationen von privaten Anlegern bei der Bewertung von Unternehmen Berücksichtigung finden. Dabei fallen die Bewertungsurteile jeweils am höchsten aus, wenn positive finanzielle in Kombination mit positiven humankapitalbezogenen Angaben die Bewertungsgrundlage bilden. Privatanleger werten positive Humankapitalinformationen demnach offensichtlich als bedeutenden Treiber für die Schaffung von Unternehmenswert. Umgekehrt wirkt sich Humankapitalberichterstattung mit negativem Performanceniveau auch negativ auf Bewertungsurteile privater Anleger aus. Diese fallen im Gesamtvergleich am schlechtesten aus, wenn das Unternehmen sowohl im Hinblick auf die finanzielle Situation als auch im Hinblick auf das mit dem Humankapital verbundene Potential eine negative Entwicklung aufweist. Privatanleger erkennen offenkundig, dass in diesem Fall der nachhaltige Unternehmensfortbestand stark gefährdet erscheint. Diese Ergebnisse spiegeln den in Hypothese H3a formulierten Zusammenhang wider. Die statistische Signifikanz von H3a konnte im Rahmen der Analysen auch empirisch nachgewiesen werden. Zuletzt wurde noch die Frage des Zustandekommens von Bewertungsurteilen geklärt, wenn beide Informationstypen – finanzielle und humankapitalbezogene Informationen – jeweils gegensätzliche Performanceniveaus aufweisen. Diesbezüglich konnte empirisch nachgewiesen werden, dass negative Humankapitalinformationen in Kombination mit einer positiven finanziellen Performance zu höheren Bewertungsurteilen führen als positive Humankapitalinformationen, die in Kombination mit einer schlechten Finanzperformance vorliegen.
Zusammenfassung und Würdigung der empirischen Befunde
313
Privatanleger beziehen folglich sowohl finanzielle als auch Humankapitalinformationen in ihre Bewertungsurteile mit ein, sprechen jedoch der Finanzberichterstattung eine weitaus höhere Bedeutung zu. Eine mögliche Erklärung dafür ist die mit der Investition in das Humankapital verbundene größere Unsicherheit hinsichtlich der Realisierung zukünftiger Gewinne.875 Hypothese H3b, welche auf diesen Zusammenhang abzielt, konnte auf Basis der empirischen Analyse ebenfalls angenommen werden. Da die Bewertung des Unternehmens die Grundlage für die spätere Investitionsentscheidung bildet, wurde neben der Frage nach der Bewertungsrelevanz von Humankapitalinformationen desweiteren empirisch untersucht, ob und inwieweit diese eine Rolle in Bezug auf kurzfristige und langfristige Aktienanlageentscheidungen von Privatanlegern spielen. Wie aus den Ergebnissen ersichtlich wurde, haben zusätzliche Humankapitalinformationen keinen als signifikant einzustufenden Einfluss auf kurzfristige Investitionsentscheidungen privater Anleger. Bei Entscheidungen für spekulative Aktienanlagen wird von den Privatanlegern offenkundig insbesondere auf Finanzdaten zurückgegriffen, was deren uneingeschränkte Dominanz unterstreicht. Dabei ist die Wahrscheinlichkeit für eine kurzfristige Investition in Aktien höher, wenn die Finanzdaten auf eine positive Unternehmensperformance hinweisen als für den Fall, dass die finanziellen Informationen eine schlechte Performance abbilden. Durch die dargestellten Ergebnisse werden die in den Hypothesen H4 und H5a postulierten Zusammenhänge somit empirisch bestätigt. Zunächst erstaunlich mag in diesem Zusammenhang der Befund erscheinen, dass zusätzliche positive Humankapitalinformationen die Wahrscheinlichkeit für eine kurzfristige Aktienanlage sogar mindern. Dieses Ergebnis spiegelt jedoch bei näherer Betrachtung gerade den inhärenten Charakter des Humankapitals als Treiber für die Generierung von zukünftigem Unternehmenswert wider, welchem im Falle spekulativer, kurzfristiger Aktienanlagen offenbar keine entscheidende Bedeutung beigemessen wird. Eine gute Humankapitalperformance erfordert typischerweise hohe Investitionen, bspw. in Form von Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen. Diese wirken sich jedoch in einer Kurzfristperspektive zunächst einmal ergebnismindernd und damit auch wertmindernd aus. Die Ergebnisse zeigen, dass Investitionen in das betriebliche Humankapital bei kurzfristiger Betrachtung von Investoren als reiner Kostenfaktor, d. h. als vermeidbar betrachtet werden und eine spekulative
875
Vgl. BRUMMET, R. L./FLAMHOLTZ, E./PYLE, W. C. (1968), S. 217f.; GHOSH, D./WU, A. (2007), S. 219f.
314
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
Aktienanlage demnach weniger attraktiv erscheinen lassen.876 Insgesamt geben die Versuchsteilnehmer unabhängig davon, welche finanzielle und humankapitalbezogene Performance das Unternehmen aufweist, eine nur mittlere bis tendenziell geringe Wahrscheinlichkeit an, zu spekulativen Zwecken in das Unternehmen zu investieren. Einen Erklärungsansatz für diesen Befund liefert die im Rahmen der persönlichen Angaben der Versuchspersonen abgefragte Risikoneigung in Bezug auf Geldanlagen im Allgemeinen. Die diesbezüglichen Ergebnisse wurden in Abschnitt 4.4.1.3 ausführlich dargestellt. Dabei wurde ersichtlich, dass die Teilnehmer des Experiments sich im Durchschnitt als eher risikoavers einstuften. Das Handeln risikoaverser Personen ist in der Regel weniger durch spekulative Motive getrieben und somit zeigen diese Personen auch eine geringere Neigung, Aktienanlageentscheidungen mit kurzfristigem Investitionshorizont zu treffen. Zudem bestätigt auch die vom Deutschen Aktieninstitut herausgegebene Studie aus dem Jahre 2005, dass Privatanleger überwiegend nicht durch spekulative Motive getrieben sind, sondern mit Aktienanlagen insbesondere das Ziel eines langfristigen Vermögensaufbaus verfolgen.877 Die geringe Varianzerklärungskraft878 des Modells für einen kurzfristigen Anlagehorizont deutet darüber hinaus auf die Existenz weiterer Faktoren hin, die private Anleger neben den finanziellen und humankapitalbezogenen Informationen bei einer kurzfristig orientierten Investitionsentscheidung ins Kalkül ziehen. Die Analyse der Relevanz von Humankapitalinformationen für langfristige Aktienanlagen zeigte insgesamt einen von Humankapitalinformationen ausgehenden signifikanten Haupteffekt. Daraus kann geschlossen werden, dass Privatanleger diese Informationen neben klassischen finanziellen Informationen durchaus in ihre langfristigen Investitionsentscheidungen einbeziehen. Angesichts der generell höheren langfristig orientierten Investitionsbereitschaft privater Anleger für den Fall einer guten im Vergleich zu einer schlechten Finanzperformance kann zunächst Hypothese H4 durch das Experiment bestätigt werden. Zusätzlich verfügbare humankapitalbezogene Berichts876
Vgl. CHAN, C. C. C./MILNE, M. J. (1999), S. 272; MILNE, M. J./PATTEN, D. M. (2002), S. 393. So kommen auch BRAMMER und MILLINGTON bei der Untersuchung des Zusammenhangs zwischen sozialer und finanzieller Performance von Unternehmen zu dem Schluss, dass Unternehmen, welche eine schlechte Performance im sozialen Bereich aufweisen, bei kurzfristiger Betrachtungsperspektive eine vergleichsweise gute finanzielle Performance aufweisen. Vgl. BRAMMER, S./MILLINGTON, A. (2008), S. 1325.
877
Vgl. ERNST, E./GASSEN, J./PELLENS, B. (2005), S. 17.
878
R² = 7%, vgl. Abschnitt 4.4.4.3.2.
Zusammenfassung und Würdigung der empirischen Befunde
315
elemente bewirken eine Änderung der Investitionsneigung privater Anleger. Zeugt die zusätzliche Humankapitalberichterstattung von einer guten Performance, so besteht eine höhere Bereitschaft seitens privater Anleger, eine langfristige Investitionsentscheidung zu treffen. Dieses Ergebnis wird ebenfalls gestützt durch die empirischen Befunde der Studie von HOLM und RIKHARDSSON.879 Umgekehrt bewirken negative Humankapitalinformationen, dass die Wahrscheinlichkeit für eine langfristige Anlage abnimmt. Dadurch wird deutlich, dass eine negative Entwicklung des betrieblichen Humankapitals, die in einer Beeinträchtigung der zukünftigen Ertragskraft des Unternehmens resultieren kann, von Privatanlegern offenbar als Indikator für die zukünftige Wertvernichtung interpretiert wird. Zu diesem übereinstimmenden Ergebnis kommen auch die Forschungsarbeiten von CHAN und MILNE880, MILNE und PATTEN881 sowie LIYANARACHCHI und MILNE882. Hinsichtlich der Stärke des Einflusses von Humankapitalinformationen auf langfristige Investitionsentscheidungen kann festgehalten werden, dass negative Humankapitalinformationen eine vergleichsweise starke Abschwächung der Wirkung von positiven Finanzinformationen in Bezug auf die Frage nach der Wahrscheinlichkeit einer langfristigen Investition hervorrufen. Eine zunächst allein auf Basis guter finanzieller Performance geäußerte Investitionsbereitschaft kann folglich durch die zusätzliche Bereitstellung von Humankapitalinformationen, die eine negative Entwicklung signalisieren, in das Gegenteil umschlagen. Weist das Unternehmen dagegen bereits eine schlechte finanzielle Performance auf, so ist nur noch eine geringe Abnahme der Wahrscheinlichkeit für eine langfristig orientierte Anlage zu beobachten. Als weiterer Bestandteil der empirischen Studie wurde eine Überprüfung der Konsistenz des im Experiment beobachteten Verhaltens mit den Einstellungen der Befragten hinsichtlich der Relevanz der bereitgestellten Berichtselemente vorgenommen. Zu diesem Zweck wurden die Versuchsteilnehmer in einem separaten Fragenkomplex (sog. 879
Vgl. HOLM, C./RIKHARDSSON, P. (2008), S. 548ff. Diesbezüglich ist jedoch anzumerken, dass diese Autoren nicht explizit die Entscheidungsrelevanz von Humankapitalinformationen untersuchen, sondern die Wirkung von umweltbezogenen Berichtselementen analysieren. Dennoch ist ein Vergleich der Ergebnisse durchaus vertretbar, da Berichterstattung über Umweltbelange im Sinne von Corporate Social Responsibility ebenso wie Humankapitalberichterstattung zukünftige Wertschaffungspotentiale von Unternehmen aufzeigt, welche nur unvollständig durch die Finanzberichterstattung abgebildet werden können.
880
Vgl. CHAN, C. C. C./MILNE, M. J. (1999), S. 273f.
881
Vgl. MILNE, M. J./PATTEN, D. M. (2002), S. 386ff.
882
Vgl. LIYANARACHCHI, G. A./MILNE, M. J. (2005), S. 128f.
316
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
post-experimental questionnaire) gebeten, darzulegen, wie sie die Relevanz finanzieller Berichterstattung im Vergleich zu humankapitalbezogener Berichterstattung für die Bewertung von Unternehmen einschätzen und inwieweit sie einzelne finanzielle und humankapitalbezogene Indikatoren in die Entscheidungsfindung im Hinblick auf die zu treffenden kurz- und langfristigen Anlageentscheidungen einbezogen haben. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Versuchspersonen sich im Experiment tatsächlich so verhalten, wie sie es bei der Frage nach ihren Relevanzeinschätzungen gegenüber den jeweiligen Berichtselementen angegeben haben. Demnach stellt der Jahresabschluss mit seinen quantitativen Finanzdaten und -kennzahlen die wichtigste Quelle für Bewertungs- und Investitionsentscheidungen privater Anleger dar, darunter insbesondere kapitalmarktbezogene Indikatoren wie die Aktienkursentwicklung, die Dividende je Aktie und die Earnings per Share. Diese Kennzahlen beeinflussen die zu treffenden Bewertungs- und Investitionsentscheidungen am stärksten. Für die Unternehmensbewertung spielen humankapitalbezogene Angaben aus dem Lagebericht zwar ebenfalls eine Rolle, allerdings schätzen die Befragten die Relevanz dieser Informationen sehr unterschiedlich ein. So ist das Interesse an der Anzahl der Mitarbeiter und dem Gesundheitsmanagement und Krankenstand gering. Unabhängig vom Leistungsniveau der Finanzdaten und -kennzahlen erachten alle Experimentalgruppen die Relevanz der Qualifikationsstruktur der Mitarbeiter, der Weiterbildungsaufwendungen und der Mitarbeiterzufriedenheit als wesentlich höher. Auch für die Investitionsentscheidungen sind Humankapitalinformationen aus Sicht der Befragten relevant. Dennoch kommt der Finanzberichterstattung hierbei ebenfalls ein höheres Gewicht zu. Die darin enthaltenen quantitativen Daten werden jedoch insbesondere bei einem kurzfristigen Anlagehorizont, d. h. bei spekulativ motivierten Anlageentscheidungen, signifikant stärker in die Entscheidungsfindung einbezogen. Bei einem langfristigen Anlagehorizont, bei dem der langfristige Vermögensaufbau im Vordergrund steht, nimmt die Bedeutung der humankapitalbezogenen Informationen des Personalberichts erheblich zu. Dabei zeigt sich auch, dass diejenigen Befragten, die diese nicht-finanziellen Informationen bereits bei einer kurzfristigen Investition beachten, sie auch bei ihrer langfristigen Anlageentscheidung berücksichtigen. Als besonders wichtig erachten die Versuchspersonen dabei mit der Qualifikationsstruktur der Arbeitnehmer, den betrieblichen Weiterbildungsaufwendungen und der Mitarbeiterzufriedenheit die gleichen Humankapitalindikatoren wie auch bei der Unternehmensbewertung. Diese Faktoren fließen vor dem Hintergrund der Weiterentwicklung des Potentials der Mitarbeiter in besonderem Maße in das Humankapital ein und tragen damit positiv zur Erhaltung der Er-
Zusammenfassung und Würdigung der empirischen Befunde
317
tragskraft, zur Wahrung der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit und zur nachhaltigen Generierung von Unternehmenswert bei. 4.5.2 Erkenntnisbeitrag für Theorie und Praxis Die vorliegende Studie liefert mehrere Erkenntnisbeiträge im Hinblick auf den Forschungsstrang zur Bewertungs- und Entscheidungsrelevanz der Humankapitalberichterstattung aus Investorenperspektive. Zudem ergeben sich aus den empirischen Befunden Implikationen für die Praxis, wie z. B. berichterstattende Unternehmen und Standardsetter der Rechnungslegung. Ein gewichtiger Vorteil der durchgeführten Studie liegt in der angewandten Forschungsmethodik begründet. Experimentelle Untersuchungen scheinen im Vergleich zu Befragungsstudien generell besser geeignet, die Wirkung bestimmter Informationen auf Bewertungs- und Investitionsentscheidungen zu untersuchen. Im Rahmen von Befragungsstudien können zwar die Einstellungen von Befragten im Hinblick auf die Relevanz von Informationen für die Entscheidungsfindung erhoben werden. Diese Einstellungen können allerdings nicht notwendigerweise als zuverlässiger Indikator für tatsächliches Verhalten herangezogen werden, da Einstellungen nicht zwingend in einem korrespondierenden Verhalten resultieren müssen.883 Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung haben einen signifikanten Einfluss der Humankapitalberichterstattung auf die Bewertungsurteile und langfristigen Investitionsentscheidungen privater Anleger bestätigt. Privatanleger beziehen somit diese Art von nicht-finanzieller Unternehmensberichterstattung durchaus in erheblichem Umfang in ihre Bewertungskalküle und langfristigen Anlageentscheidungen mit ein. Durch eine entsprechend ausgestaltete Unternehmensberichterstattung, die ein positives Leistungsniveau des Unternehmens im Hinblick auf Humankapitalbelange dokumentiert, verbessern sich die Bewertungsurteile privater Anleger und es ist zudem eine hohe Bereitschaft vorhanden, auf dieser Basis langfristig in Aktien eines Unterneh883
Zur Verdeutlichung sei hier ein Beispiel aus dem Bereich des Konsumentenverhaltens angeführt. So ist es denkbar, dass Konsumenten anlässlich einer Marktforschungsstudie eine Kaufabsicht für ein bestimmtes Produkt äußern. Diese Kaufabsicht muss jedoch nicht zwingend auch tatsächlich in einen Kauf des Produkts münden. Es kann aus den Befragungsergebnissen also nicht auf ein tatsächliches Verhalten, in diesem Fall den Kauf eines Produkts, geschlossen werden. Somit ist generell kritisch zu hinterfragen, ob Befragungen geeignet sind, tatsächliches Verhalten zu untersuchen bzw. abzubilden. Vgl. hierzu auch die Ausführungen zur Auswahl des experimentellen Forschungsdesigns und dessen Abgrenzung zu anderen Datenerhebungsmethoden in Abschnitt 4.2.1.
318
Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
mens zu investieren. Diese Ergebnisse liefern bedeutende Implikationen für berichterstattende Unternehmen. Eine fundierte Humankapitalberichterstattung bietet somit einen Ansatzpunkt, um eine bessere Bewertung zu erzielen und Investoren langfristig an sich zu binden. Dabei sind die Berichtsinhalte derart aufzubereiten, dass aus Sicht der Adressaten durch die bereitgestellten Informationen ein hohes Maß an Entscheidungsnützlichkeit gewährleistet ist. Somit wird auch dazu beigetragen, die Allokation finanzieller Ressourcen auf den Kapitalmärkten zu verbessern884, da Investitionsentscheidungen auf Basis einer Kombination von Finanzinformationen und nichtfinanziellen Informationen (hier: Informationen über Humankapital) getroffen werden. Diese Ergebnisse hinsichtlich der Relevanz der Humankapitalberichterstattung für das Bewertungs- und Investitionsverhalten privater Anleger beinhalten zudem auch Implikationen für Gesetzgeber und Standardsetter. Diesen kommt die Aufgabe zu, entscheidungsrelevante Informationen aus Sicht von Berichterstattungsadressaten zu identifizieren und dafür Sorge zu tragen, dass diese Informationen mittels entsprechender Regelungen in der Unternehmensberichterstattung abgebildet werden. Dies kann entweder durch die Ausweitung der Vorgaben hinsichtlich verpflichtender Berichterstattungsinhalte oder auch durch ergänzende Empfehlungen zu Inhalten, Umfang und konkreter Ausgestaltung der Berichterstattung umgesetzt werden. Insgesamt liefern die Ergebnisse der Untersuchung einen Erkenntnisgewinn in Bezug auf die Frage, welche Informationen private Anleger in ihre Bewertungsurteile und Investitionsentscheidungen einbeziehen. Insbesondere konnte durch die Analyse der Auswirkungen von unterschiedlichen Performanceniveaus der Berichtselemente ein Beitrag zur Schließung der diesbezüglich bislang noch existierenden Forschungslücke geschlossen werden. 4.5.3 Restriktionen und weiterer Forschungsbedarf Die Ergebnisse der empirischen Studie sowie die daraus gezogenen Schlussfolgerungen unterliegen daneben auch gewissen Einschränkungen, woraus sich Möglichkeiten für zukünftige Forschungsarbeiten ergeben. Aufgrund des experimentellen Forschungsdesigns sind die Ergebnisse und Interpretationsansätze naturgemäß zunächst auf die dem Experiment zugrundeliegenden Rah884
Vgl. EWELT, C./KNAUER, T./SIEWEKE, M. (2009), S. 706.
Zusammenfassung und Würdigung der empirischen Befunde
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menbedingungen, Versuchsteilnehmer sowie das spezifische Umfeld beschränkt. Dies bedeutet, dass – wie bei jeder experimentellen Studie – die Ergebnisse und Schlussfolgerungen nicht auf das generelle Investitionsverhalten von anderen als der untersuchten Grundgesamtheit sowie auf sich unterscheidende Rahmenbedingungen projiziert werden sollten und damit nur beschränkt generalisierbar sind. Zudem ist die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf reale Investitionsentscheidungen auch deswegen begrenzt, da die Versuchsteilnehmer lediglich hypothetische Investitionsentscheidungen zu treffen hatten. Die experimentellen Szenarien waren zwar derart gestaltet, dass sich die Versuchsteilnehmer glaubhaft in die Rolle eines Privatanlegers hineinversetzen konnten, allerdings kann aus dem Verhalten der Versuchspersonen nicht zwingend auf das Verhalten in einer realen Entscheidungssituation, d. h. der tatsächlichen Investition von privatem Geld, geschlossen werden. Jedoch erscheint die Anwendung eines experimentellen Designs angesichts der mittels der Studie zu untersuchenden Fragestellungen als ein probates Forschungsinstrument, um Wirkungen der Humankapitalberichterstattung auf das Investitionsverhalten privater Anleger zu untersuchen. Kausalzusammenhänge im Hinblick auf die Wirkung der Berichterstattung auf Bewertungsurteile und Investitionsentscheidungen wären in einer natürlichen Umgebung, d. h. im Alltag eines privaten Anlegers, nur schwer zu untersuchen. Zudem könnten anderweitige Einflüsse nicht kontrolliert und damit nicht eindeutig auf UrsacheWirkungsbeziehungen geschlossen werden. Experimente ermöglichen dagegen die isolierte Untersuchung der Wirkung interessierender Faktoren auf das Verhalten von Investoren. Aus Praktikabilitätsgründen und um einen „information overload“ zu vermeiden, wurde darauf verzichtet, den Versuchspersonen einen kompletten Geschäftsbericht vorzulegen. Dagegen erhielten diese komprimierte Auszüge aus dem Jahresabschluss eines fiktiven Unternehmens sowie einen Personalbericht als Auszug aus dem Lagebericht. Diese bereitgestellten Unterlagen enthielten notwendigerweise weitaus weniger Informationen, als Investoren in der Praxis für ihre Entscheidungen heranziehen. Zudem beziehen gerade Privatanleger neben dem Geschäftsbericht auch andere Medien in ihre Entscheidungen ein.885 Somit kann unterstellt werden, dass die Probanden neben den verfügbaren noch weitere Informationen als potentiell relevant für die Entscheidungsfindung erachten. Dabei kann es sich beispielsweise um Informationen zu 885
Vgl. hierzu die empirische Studie zu Verhalten und Präferenzen deutscher Aktionäre von ERNST, E./GASSEN, J./PELLENS, B. (2009).
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Empirische Analyse zur Relevanz der Humankapitalberichterstattung
weiteren Kategorien des intellektuellen Kapitals handeln, sowie auch um Informationen zur strategischen Ausrichtung oder zu Investitionsaktivitäten des Unternehmens. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass das im Experiment beobachtete Verhalten nicht unmittelbar mit dem in einer natürlichen Umgebung gezeigten Verhalten übereinstimmen muss. Darüber hinaus erscheint es interessant, im Rahmen zukünftiger Forschungsarbeiten mittels einer Replikation des durchgeführten Experiments die Informationspräferenzen anderer Adressatengruppen, wie beispielsweise Fremdkapitalgeber oder Rating-Analysten, zu untersuchen, um Anhaltspunkte hinsichtlich des Einflusses der Humankapitalberichterstattung auf die jeweiligen Bewertungsurteile und Entscheidungen zu erhalten.886 Als weitere mögliche Einschränkung der vorliegenden Studie kann der Einsatz von Studierenden als Surrogate für Privatanleger gelten. In der Literatur zum Behavioral Accounting herrscht eine anhaltende Diskussion hinsichtlich des Einsatzes von Studierenden bei der Durchführung von Experimenten vor. Zum einen werden Argumente vorgebracht, nach welchen die Befragung von Spezialisten, wie bspw. Finanzanalysten oder professionelle Investoren, zu präferieren sei, da diese über höhere sowohl fachbezogene als auch praktische Erfahrungen verfügen. Jedoch konnten in mehreren Studien auch nur schwache oder keine Unterschiede im Entscheidungsverhalten von Studenten im Vergleich zu Spezialisten festgestellt werden.887 LIBBY, BLOOMFIELD und NELSON geben in diesem Zusammenhang sogar eine explizite Empfehlung, professionelle Versuchsteilnehmer nur dann einzusetzen, wenn es zur Erreichung der Forschungsziele unerlässlich ist.888 In Anbetracht dieser Argumente wurden in der durchgeführten Studie Studierende als Stichprobenelemente ausgewählt. Da die Studie nicht auf professionelle Anleger, sondern auf Privatinvestoren fokussierte, erscheint der Einsatz von Studierenden als Surrogate durchaus angemessen. Dabei wurde bewusst darauf geachtet, dass die Studierenden entsprechende Fachkenntnisse im Bereich der Unternehmensbewertung und Rechnungslegung vorweisen. Wie sich zeigte, konnte auch ein
886
So verweist auch STELZL auf die Möglichkeit, den Geltungsbereich der erzielten Ergebnisse zu erkunden bzw. zu erweitern, indem im Rahmen der weiteren Forschung versucht wird, die erzielten Ergebnisse beispielsweise unter Rückgriff auf andere Versuchspersonen zu replizieren. Vgl. STELZL, I. (1995), S. 124.
887
Vgl. hierzu den Beitrag von ELLIOTT, W. B. et al. (2007) zur Adäquanz studentischer Versuchspersonen.
888
Vgl. LIBBY, R./BLOOMFIELD, R./NELSON, M. W. (2002). Vgl. hierzu weiterführend auch ASHTON, R. H./KRAMER, S. S. (1980).
Zusammenfassung und Würdigung der empirischen Befunde
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beträchtlicher Anteil der Versuchspersonen bereits persönliche Erfahrungen mit Aktienanlagen vorweisen. Obwohl die eingesetzten Studenten demnach ein geeigneter Ersatz für Privatanleger sind, ist nicht zu vernachlässigen, dass „reale“ Investoren womöglich andere Entscheidungen getroffen hätten. Dementsprechend könnte im Rahmen zukünftiger Forschung mittels einer Replikationsstudie das Verhalten „realer“ Investoren untersucht werden.
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5 Schlussbemerkung Die betriebswirtschaftliche Forschung beschäftigt sich bereits seit Ende der 1960er Jahre mit der Erfassung des Wertes der Mitarbeiter und der Kommunikation des sog. Humankapitals an die externen Anspruchsgruppen des Unternehmens. Seitdem steht auch die Frage nach dem Beitrag des Humankapitals für den Unternehmenswert im Vordergrund. Der Fokus der entsprechenden empirisch-experimentellen Forschung lag dabei, auch in jüngeren Jahren, vorrangig auf der Relevanz von Humankapitalinformationen und weiterer nicht-finanzieller Informationen für die Investitionsentscheidungen von Investoren. Annahmegemäß gründet sich eine Investitionsentscheidung auf einer vorhergehenden Bewertung des Investitionsobjekts, wonach eine Beurteilung des Unternehmenswerts als Auslöser für oder gegen eine Investitionsentscheidung angesehen werden kann. Mit Hilfe eines integrativen Ansatzes des JDM wurde in der vorliegenden Arbeit die Relevanz von Humankapitalinformationen sowohl für die Bewertungs- als auch die Investitionsentscheidungen privater Anleger untersucht. Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass durch die Humankapitalpublizität die Vermittlung eines wirklichkeitsgetreueren Bildes des wichtigsten Vermögenswerts des Unternehmens und somit dessen Beurteilung verbessert und damit auch die nachfolgenden Investitionsentscheidungen beeinflusst werden. Humankapitalinformationen eines Unternehmens sind damit – genau wie finanzielle Informationen – entscheidungsrelevant. Sie erfüllen den Anspruch der „valuation relevance“ für die Bewertungsentscheidung privater Anleger ebenso wie die „decision usefulness“ für die Investitionsentscheidungen. Durch die aus der Perspektive von Investoren schwierigere Prognose zukünftiger Rückflüsse unterliegen Investitionen in betriebliches Humankapital und dementsprechend auch publizierte Humankapitalinformationen einer größeren Unsicherheit. Daher stellen Finanzdaten und -kennzahlen – trotz ihres Vergangenheitsbezugs – aufgrund ihrer höheren Mess-Objektivität weiterhin die wichtigste Determinante für die Bewertungs- und Investitionsentscheidungen privater Anleger dar. Wegen der zunehmenden Bedeutung des intellektuellen Kapitals, zu dem als zentrale Komponente das Humankapital zählt, ist die Aussagefähigkeit von finanziellen Jahresabschlussinformationen begrenzt. Dies lässt sich damit begründen, dass Wettbewerbsvorteile in der heutigen Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft zunehmend auf im-
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Schlussbemerkung
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materiellen Ressourcen und Potentialen beruhen und materielle Produktivfaktoren wie bspw. Maschinen und Anlagen als Basis für die Generierung von Wettbewerbsvorteilen entsprechend an Bedeutung eingebüßt haben. Eine Ergänzung der Finanzberichterstattung um Informationen über den immateriellen Leistungsindikator Humankapital bewirkt einen besseren Überblick über die Qualität der gesamten, finanziellen und nicht-finanziellen Ressourcenpotentiale eines Unternehmens und damit eine fundiertere Bewertung. Der Einfluss der Humankapitalpublizität zeigt sich bei der Unternehmensbewertung durch private Anleger insbesondere daran, dass ein Unternehmen bei einer positiven historischen und prognostizierten Entwicklung sowohl der finanziellen als auch der Humankapitalinformationen am höchsten bewertet wird. Die Investoren honorieren die dadurch implizierte langfristige Sicherung der Ertragskraft des Unternehmens, die aus den Investitionen zur Entwicklung der Ressource Mitarbeiter resultiert. Erst bei einer Investitionsentscheidung differenzieren private Anleger stärker nach dem Nutzen der Berichterstattung über das betriebliche Humankapital für ihre individuellen Ziele. Dies hat eine unterschiedliche Bedeutung der nicht-finanziellen Berichterstattung bei einem kurz- oder langfristigen Anlagehorizont zur Folge. Bei einer kurzfristigen Anlage zu Spekulationszwecken orientieren sich private Anleger vor allem an Finanzdaten und -kennzahlen des Jahresabschlusses und messen den Humankapitalinformationen nur wenig Bedeutung bei. Insgesamt präferieren private Anleger bei kurzfristigen Anlageentscheidungen eher Unternehmen, in denen nicht in Humankapital investiert wird. Die Investoren sind hierbei möglicherweise noch nicht ausreichend dafür sensibilisiert, dass auch eine kurzfristige Desinvestition in das Humankapital zu langfristig negativen Entwicklungen führen kann. Denn das Humankapital bemisst sich auch nach psychologischen Faktoren wie Motivation oder Zufriedenheit, die das (zukünftige) Verhalten der Mitarbeiter und damit die ökonomischen Erfolge des Unternehmens bestimmen. Eine höhere Bedeutung besitzt das Potential der Mitarbeiter hingegen bei einem langfristigen Anlagehorizont zu Zwecken der Kapitalmehrung, da die Humankapitalinformationen hierbei wesentlich stärker in die Investitionsentscheidung einbezogen werden. Weist ein Unternehmen hierbei eine längerfristig negative Entwicklung des Humankapitals auf, induziert dies eine Beeinträchtigung der zukünftigen Ertragskraft,
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Schlussbemerkung
was sich negativ auf die Investitionsneigung der privaten Anleger auswirkt. Die Bereitstellung positiver Humankapitalinformationen bewirkt dagegen eine signifikant höhere Investitionsbereitschaft aufgrund des erwarteten verbesserten Ertragspotentials. Weil das Wissen über das Humankapital die Bewertungs- und Investitionsentscheidungen privater Investoren beeinflusst, wächst auch der Anspruch an Unternehmen, ihre immateriellen Ressourcen durch eine umfassende Berichterstattung transparenter zu machen. Wie die Einstellungen der Teilnehmer des Experiments zeigen, sind dabei vor allem Informationen über die Qualität des Humankapitals wichtig. So legen private Anleger bei ihren Bewertungs- und Investitionsentscheidungen mehr Wert auf Informationen über die Qualifikationsstruktur der Mitarbeiter, deren Zufriedenheit, die getätigten Weiterbildungsaufwendungen und die Mitarbeiterfluktuation. Allein durch die Anzahl der Mitarbeiter kann ein Unternehmen noch keinen für Investoren substantiellen Wert schaffen. In Unternehmen vieler Branchen spielen vielmehr die fachlichen Fähig- und Fertigkeiten der Arbeitnehmer eine zentrale Rolle. Letztendlich sind es das Wissen, die Kompetenzen und die Innovationskraft der Mitarbeiter, die Wettbewerbsvorteile für das Unternehmen generieren und sein Leistungspotential sichern. Weil sich diese Erfolgsfaktoren, die den Mitarbeitern inhärent sind, jedoch nicht im Eigentum des Unternehmens befinden, ist auch für die Zukunft keine Aktivierung des Humankapitals als eigenständige Bilanzposition zu erwarten. Es wird ein für externe Dritte schwierig zu erfassender Teil des Unternehmenswerts bleiben. Daher sind die Anspruchsgruppen des Unternehmens zukünftig auf eine möglichst umfassende und präzise Humankapitalpublizität angewiesen. Diese ermöglicht es den Adressaten, wesentliche, d. h. relevante Informationen über das Humankapital als bedeutenden Werttreiber von Unternehmen zu erhalten. Mangels fehlender detaillierter Regulierung liegt es dabei jedoch weiterhin vielfach im Ermessen der Unternehmen, ob und welche Informationen über diesen Werttreiber publiziert werden. Gleichzeitig bietet dies Unternehmen aber auch die Möglichkeit, sich durch eine regelmäßige, detaillierte und wahrheitsgetreue Berichterstattung über das Humankapital von Wettbewerbern zu differenzieren. Um den Investoren verlässliche, bewertungs- und entscheidungsrelevante Informationen zu liefern und damit eine bessere Prognose der zukünftigen Ertragskraft und Leistungsfähigkeit zu erlauben, sollte die Berichterstattung über das Humankapital nicht nur Informationen über die Mitarbeiter enthalten, sondern auch die wesentlichen Interdependenzen zwischen diesem Werttreiber, der betrieblichen Wertschöpfung, der Unternehmensstrategie sowie den -prozessen herausarbeiten, um den Wert des Hu-
Schlussbemerkung
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mankapitals, aber auch den Wertbeitrag der Arbeitnehmer zu erkennen und letztlich messbar zu machen. Die Forderung der Investoren nach Humankapitalinformationen und die insbesondere langfristige Relevanz einer solchen Berichterstattung schaffen damit in mehrfacher Hinsicht Wert: Unternehmen werden dazu veranlasst, in ihr betriebliches Humankapital, d. h. das Wissen, die Fähig- und Fertigkeiten und Kompetenzen der Mitarbeiter, zu investieren. Daraus entstehen Potentiale, die sich positiv auf die Ertragskraft und den Unternehmenswert auswirken. Die externe Berichterstattung über das Humankapital baut die Informationsasymmetrien zwischen der Unternehmensleitung und den Investoren ab, indem der Wert der Mitarbeiter offengelegt wird. Die empirischen Befunde der im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten experimentellen Studie haben die Relevanz der Berichterstattung über das Humankapital als Treiber des Unternehmenswertes sowohl für die Bewertungs- als auch Investitionsentscheidungen privater Anleger bestätigt.
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