Wenn Patienten nicht zahlen
Ellen Ulbricht
Wenn Patienten nicht zahlen Forderungsbeitreibung für Ärzte, Zahnärzte und Heilberufe
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Dr. Ellen Ulbricht Beerengasse 1 2440 Gramatneusiedl Österreich
[email protected] ISBN 978-3-540-79481-3
e-ISBN 978-3-540-79482-0
DOI 10.1007/978-3-540-79482-0 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. c 2008 Springer-Verlag Berlin Heidelberg Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Herstellung: le-tex publishing services oHG, Leipzig Einbandgestaltung: deblik, Berlin Gedruckt auf säurefreiem Papier 987654321 springer.de
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Vorwort
Immer häufiger müssen sich Ärzte und Zahnärzte um andere Einnahmequellen bemühen, denn die Einnahmen aus den Kassenarztverträgen reichen bei weitem nicht mehr aus. Jetzt sind neben den medizinischen Kenntnissen auch unternehmerische Fähigkeiten gefragt. Gleichzeitig verändert sich das Verhältnis zwischen Arzt und Patient: Patienten werden zum Kunden und „kaufen“ ärztliche Dienstleistungen ein, die außerhalb der kassenärztlichen Versorgung liegen. Mit der hinzugewonnenen Freiheit als Unternehmer sind freilich gleich eine Reihe von neuen Herausforderungen verknüpft. Weder im Studium noch in der praktischen Ausbildung werden Sie darauf ausreichend vorbereitet. Wie jeder andere Unternehmer müssen Sie sich immer häufiger mit dem Beitreiben Ihrer offenen Honorarforderungen auseinandersetzen. Während anderen Unternehmern zahlreiche Instrumente zur schnellen und effektiven Durchsetzung ihrer Forderungen zur Verfügung stehen, müssen Sie als Arzt eine Gratwanderung zwischen standes- und berufsrechtlichen Vorschriften einerseits und effektiven außergerichtlichen wie gerichtlichen Maßnahmen zur Durchsetzung Ihrer Forderungen andererseits beschreiten. Ein ganz besonderes Augenmerk ist dabei auf die ärztliche Schweigepflicht zu richten. Auch als Arzt müssen Sie nicht tatenlos zusehen und sich nicht mit Forderungsausfällen und Zahlungsverzögerungen abfinden. Wie Sie diesen Weg unbeschadet und erfolgreich gehen können, zeigen Ihnen die nachfolgenden Kapitel. Juli 2008
Dr. Ellen Ulbricht
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Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Abürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIII Zeitschriften und Online-Publikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XV A. Vom Arzt zum Unternehmer – ein unaufhaltsamer Wandel? . . . . . . . . . . . 1 I. Gesundheitsreformen und ihre Nebenwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Vom Arzt zum Unternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 III. Forderungsausfälle – es trifft immer nur die anderen . . . . . . . . . . . . . . . . 5 1. Harte Fakten – der zahlungsunfähige Patient . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 2. Böse Buben gibt es überall – der zahlungsunwillige Patient . . . . . . . . 7 3. Führt auch Ihr Mahnwesen ein Stiefkinddasein? . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 4. Forderungsbeitreibung als „Kundenbindungsprogramm“ – ein Widerspruch in sich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 IV. Forderungsverluste ausgleichen – alles kein Problem? . . . . . . . . . . . . . . . 10 B. Unternehmerische Strategien und ärztliche Rechtsund Standespflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Prophylaktische Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Was lassen die Gebührenordnungen zu? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ist das Verlangen nach einer Vorauszahlung unmoralisch? . . . . . . . . . 3. Wie sollte eine korrekte Teilzahlungsvereinbarung aussehen? . . . . . . II. Unternehmerische Strategien und ärztliche Schweigepflicht – ein Konflikt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die ärztliche Schweigepflicht – eine Standes- und Rechtspflicht . . . . 2. Die Kernfrage – was ist alles geschützt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Keine Regel ohne Ausnahmen – die sogenannten Erlaubnistatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gesetzliche Vorschriften als Erlaubnistatbestand . . . . . . . . . . . . . . b) Die Einwilligung des Patienten als Rechtfertigungsgrund . . . . . . . c) Macht die Schweigepflicht des Dienstleisters eine Einwilligung überflüssig? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Raum für eine Notstandsregelung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Eine unabdingbare Voraussetzung – die Einwilligung des Patienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Was muss eine wirksame Einwilligungserklärung beinhalten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) So sollte eine wirksame Einwilligungserklärung aussehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der richtige Zeitpunkt für die Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . b) Alles bleibt im Haus – die Einziehung privatärztlicher Honorare durch den Krankenhausträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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5. Weitergabe von Patientendaten und der Datenschutz . . . . . . . . . . . . . . a) Datenschutz und ärztliche Schweigepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wer darf welche Daten erheben und nutzen? . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Liegt eine Datenübermittlung zum eigenen Geschäftszweck vor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Gold Standard für ein erfolgreiches Forderungsmanagement . . . . . . . . . . I. Wie ist es um Ihre Liquidität bestellt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kein Grund zur Besorgnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die ersten Alarmzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Jetzt wird es eng . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Von der Liquiditätskrise in die Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Vorbeugen ist leichter, als die Liquiditätskrise zu meistern . . . . . . . . . II. Wo beginnt das Forderungsmanagement? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das „Kundenportfolio“ in der Arztpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nur ein zahlender Patient ist ein guter Patient . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vertragsfreiheit oder Behandlungspflicht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Raus aus der Klemme bei neuem Behandlungsbegehren . . . . . . . . 3. Der Patient, das unbekannte Wesen – die Bonitätsprüfung im Praxisalltag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wissen nützt – Wissen schützt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Bonitätsauskunft in der Arztpraxis – Nutzen und Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Welche Informationen enthält eine Bonitätsauskunft? . . . . . . . . . . aa) Der Bonitätsindex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Score-Werte – alles nur heiße Luft? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Schlechte Bonität – keine Behandlung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Der Behandlungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Behandlungsvertrag als Dienstvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wer mit wem? Die Vertragsparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Patient oder Krankenversicherer? – das ist hier die Frage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der Ehepartner als Patient – wer wird hier verpflichtet? . . . . cc) Geschäftsunfähige und beschränkt Geschäftsfähige – wer schließt hier den Vertrag? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Einer für alle? – Wenn mehrere Ärzte zusammenarbeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Wie kommt ein Behandlungsvertrag zustande? . . . . . . . . . . . . . . . d) Alles hat ein Ende – auch der Behandlungsvertrag . . . . . . . . . . . . 5. Welchen Preis hat die Leistung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Honorarvereinbarung ohne viele Worte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Freiräume bei der Vergütungsgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gegen wen richtet sich mein Honoraranspruch? . . . . . . . . . . . . . . d) Sind alle Leistungen honorierungsfähig? – eine Frage der medizinischen Notwendigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Dokumentations- und Aufklärungspflicht auch im Forderungsmanagement? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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7. Kein Honorar ohne persönliche Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Wenn der Patient nicht zum Termin erscheint – Ansprüche aus dem Behandlungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Der Patient ist verstorben – was geschieht nun mit dem ärztlichen Honorar? . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die korrekt erstellte Rechnung – kleine Fehler, große Wirkungen . . . . . . 1. Was muss alles auf die Rechnung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. (K)Ein Stolperstein in der Praxis – die Umsatzsteuer . . . . . . . . . . . . . a) Ist die Leistung umsatzsteuerpflichtig? – Eine Frage des medizinischen Zwecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Neue Formen der Zusammenarbeit – neue umsatzsteuerliche Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Umsatzsteuer auf der Rechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Liquidation nur mit Stempel und Unterschrift? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Weshalb Sie Ihre Rechnung unverzüglich stellen sollten . . . . . . . . . . . 5. Was bedeuten Fälligkeit und Zahlungsziel? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wann ist die Rechnung fällig? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wozu dient das Zahlungsziel? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Wozu soll ich den Patienten mahnen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Rechnung ist fällig – wozu muss ich den Patienten in Verzug setzen? . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verjährung und Verwirkung – worin liegt der Unterschied? . . . . . . . . a) Wann verjährt mein Anspruch auf das Honorar? . . . . . . . . . . . . . . b) Wann ist ein Anspruch verwirkt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Das Mahnschreiben – die erste Mahnung kann auch die letzte sein . . . . . 1. Muss ich in jedem Fall mahnen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die richtige Strategie beim Mahnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mit dem Schuldner in Kontakt bleiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Klare und unmissverständliche Aussagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die einzelnen Schritte zum (Mahn-)Erfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Wie Sie sich erfolgreich von Altlasten befreien . . . . . . . . . . . . . . . VI. Weshalb Reden Geld wert ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Fallstricke bei der Zahlungsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wie sollte eine korrekte Teil- oder Ratenzahlungsvereinbarung aussehen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Richtig formuliert geben Sie der Verzögerungstaktik keine Chance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Alternative Strategien oder Sackgasse? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ist die Abtretung des Erstattungsanspruchs des Patienten gegen seinen Versicherer eine Lösung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zahlungsanweisung statt Abtretung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Pfändungsalternativen und Kuriositäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Pfändung von Erstattungsansprüchen des Patienten . . . . . . . . b) Helfen gesetzliche Pfandrechte weiter? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ist eine Strafanzeige ein wirksames Instrument zur Forderungsbeitreibung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Black List und andere Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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IX.
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Mein Patient hat ein Insolvenzverfahren eingeleitet – was ist jetzt zu tun? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Verfahrensablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Außer Spesen nichts gewesen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Erst die Leistung erschleichen und dann eine Restschuldbefreiung? . . Was ändert sich mit dem neuen Versicherungsvertragsgesetz? . . . . . . . .
D. Die gerichtliche Geltendmachung – die letzte Chance zur Einigung? . . . . . I. Wozu braucht man einen (Vollstreckungs-)Titel? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das gerichtliche Mahnverfahren – worin liegt der Unterschied zum Klageverfahren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Formalien, an die Sie sich halten sollten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die allgemeinen Prozessvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das sachlich und örtlich zuständige Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Antrag auf Erlass eines Mahn- und Vollstreckungsbescheides – Papier oder Online? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das konventionelle Mahnverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das maschinelle Mahnverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Online geht es leichter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Vorauskasse bitte – die Kosten für das Mahnverfahren . . . . . . . . . . . . . . V. In zwei Schritten zum vollstreckbaren Titel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Den Vollstreckungsbescheid in der Hand – wie geht es nun weiter? . . . . VII. Schuldner kennen keine Landesgrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Die Schuldnertricks und wie Sie damit umgehen sollten . . . . . . . . . . . . . . . I. Zahlungsunfähig oder nur zahlungsunwillig? – eine Differenzialdiagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Wie Sie Schuldnereinwänden im Vorfeld begegnen können . . . . . . . . . . 1. „Wir haben doch gar keinen Vertrag geschlossen“ . . . . . . . . . . . . . . . . 2. „Wir haben nicht über den Preis gesprochen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. „Ich habe mir das Ergebnis der Behandlung anders vorgestellt“ – Ausrede oder schlagkräftiger Einwand? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kennen Sie Ihre Patienten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. „Unbekannt verzogen“ – vorher prüfen ist besser als später suchen . . a) Die Anschriftenprüfkarte der Deutschen Post AG . . . . . . . . . . . . . b) Die Anfrage beim Einwohnermeldeamt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Rechercheprofis – was können die, was Sie nicht können? . . . 6. Von „Alles bezahlt“ bis „Buchungsfehler“ – wie man seine Gläubiger beschäftigt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Immer sind die anderen schuld – der Patient hat die Rechnung oder die Mahnung nicht erhalten . . . . . . 8. Der stets vergessliche Patient . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Raum für Schuldnertricks im gerichtlichen Mahnverfahren . . . . . . . . . . . 1. Der Patient legt prinzipiell Widerspruch oder Einspruch ein . . . . . . . . 2. Der Mahnbescheid ist zugestellt – der Patient ist plötzlich zahlungsbereit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Schuldnertricks in der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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F. Mit dem Latein am Ende – Outsourcing der Forderungsbeitreibung als Lösung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Zusammenarbeit mit einer ärztlichen Verrechnungsstelle . . . . . . . . . 1. Wie arbeiten ärztliche Verrechnungsstellen und was leisten sie? . . . . 2. Die rechtliche Ausgestaltung der Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Inkassomodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die reine Inkassodienstleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Das Vorfinanzierungsmodell – eine sichere Sache? . . . . . . . . b) Das Factoringmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Echtes und unechtes Factoring – worin liegt der Unterschied? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der Kaufvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Der Abtretungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auch beim Forderungskauf geht es um die Haftung . . . . . . . . . . . . . . 4. Drum prüfe, wer sich bindet – die Kosten für die Tätigkeit . . . . . . . . . 5. Der Patient mit Wohnsitz im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Wann ist die Zusammenarbeit mit einer Verrechnungsstelle sinnvoll? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Zusammenarbeit mit einem Inkassounternehmen . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wie finde ich ein seriöses Unternehmen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Weshalb Sie sich einen (Inkasso-)Spezialisten suchen sollten . . . . . . . 3. Was darf ein Inkassounternehmen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Auch die Inkassotätigkeit unterliegt einer Erlaubnis . . . . . . . . . . . b) Keine schrankenlose Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Was können Sie von einem Inkassodienstleister erwarten? . . . . . . . . . 5. Die Vertragsgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Dauerhafte Zusammenarbeit oder Beauftragung je nach Bedarf? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eine grundlegende Frage – treuhänderische Bearbeitung oder Forderungsabtretung? . . . . . . . c) Was sollte der Inkassovertrag alles regeln? . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Wie Sie Ihre Forderungen im Auge behalten . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Inkassokosten und -provisionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Inkassokosten und was passiert, wenn der Schuldner nicht zahlt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Erfolgsprovision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Was von der Schuldnerzahlung letztendlich für Sie übrig bleibt . . . . . III. Der Schuldner ist im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gründe, die für eine Zusammenarbeit mit einem Inkassounternehmen sprechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Die Forderungsbeitreibung durch einen Rechtsanwalt . . . . . . . . . . . . . . . VI. Wird die ärztliche Schweigepflicht durch Outsourcing verletzt? – Worauf Sie bei der Beauftragung eines Rechtsanwalts achten sollten . . . VII. Die Folgen einer fehlenden Einwilligungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die strafrechtlichen Folgen – wo kein Kläger, da kein Richter . . . . . . 2. Die zivilrechtlichen Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
a) Warum ist die Forderungsabtretung an eine ärztliche Verrechnungsstelle nichtig? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 b) Folgen bei der Beitreibung durch ein Inkassounternehmen . . . . . . 205 G. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 H. Gesetzestexte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Strafrechtliche Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bundesdatenschutzgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gebührenordnungen (Auszüge) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gebührenordnung für Ärzte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gebührenordnung für Zahnärzte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Gerichtsgebührentabelle (Auszug) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Versicherungsvertragsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
211 211 211 212 213 213 214 215 215
I. Anschriften der Mahngerichte für die Durchführung des Mahnverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Aufsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Dissertationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kommentare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Lehrbücher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Studien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
219 219 219 220 220 220
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223
Abkürzungsverzeichnis
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Abkürzungsverzeichnis
aA aaO ABl. EU Ärzte-ZV aF AG (Ort) Anm Art. ASiG BÄK BÄO Basel I und Basel II BayObLG BDSG Bez BG BFH BGB BGB-Gesellschaft BGBl I BGH BGHZ BMF BMV-Ä BPflV BRAO BR-Drucks. BStBl. I BT-Drucks. BVerfG BVerfGE DRG e. G. EBM/EBMplus EGZPO EGVVG EStG EU EuGH e. V.
anderer Ansicht am angegebenen Ort Amtsblatt der Europäischen Union Zulassungsverordnung für Vertragsärzte alte Fassung Amtsgericht (Ort) Anmerkung Artikel Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit Bezirksärztekammer Bundesärzteordnung Eigenkapitalvorschriften für Banken, die vom Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht vorgeschlagen wurden Bayerisches Oberstes Landesgericht Bundesdatenschutzgesetz Bezirksberufsgericht Bundesfinanzhof Bürgerliches Gesetzbuch Gesellschaft bürgerlichen Rechts (siehe auch GbR) Bundesgesetzblatt Teil 1, Jahr, Seite Bundesgerichtshof Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen, Band, Seite Bundesministerium der Finanzen Bundesmantelvertrag Ärzte Bundespflegesatzverordnung Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung Drucksachen des Deutschen Bundesrates Bundessteuerblatt, Teil 1 Drucksachen des Deutschen Bundestages Bundesverfassungsgericht Amtliche Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts, Band, Seite Diagnosis Related Groups eingetragene Genossenschaft Einheitlicher Bewertungsmaßstab Einführungsgesetz zur Zivilprozessordnung Einführungsgesetz zum Versicherungsvertragsgesetz Einkommensteuergesetz Europäische Union Europäischer Gerichtshof eingetragener Verein
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GbR GG GKG GmbH GmbHG GMG GOÄ GOZ GKV GVG hM HOAI HOZ InsO i. S. d. i.V. m. KBV KG Berlin KHEntgG LG LK-Bearbeiter MB/KK94 MBO-Ä MBO-ZÄ MRRG MVZ mwN nF OLG PartGG RdNr RVG SG SGB SGG StGB UStG VÄndG vgl. VVG VV-RVG ZPO ZHG ZustVV
Abkürzungsverzeichnis
Gesellschaft bürgerlichen Rechts Grundgesetz Gerichtskostengesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz – GMG) Amtliche Gebührenordnung für Ärzte Gebührenordnung für Zahnärzte Gesetzliche Krankenversicherung Gerichtsverfassungsgesetz herrschende Meinung Honorarordnung für Architekten und Ingenieure Honorarordnung der Zahnärzte (im Entwurf) Insolvenzordnung im Sinne des in Verbindung mit Kassenärztliche Bundesvereinigung Kammergericht Berlin = Oberlandesgericht Krankenhausentgeltgesetz Landegericht (Ort) Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch Musterbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung 1994 (Muster-)Berufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte Musterberufsordnung der Bundeszahnärztekammer Melderechtsrahmengesetz Medizinische Versorgungszentren mit weiteren Nachweisen neue Fassung Oberlandesgereicht (Ort) Partnerschaftsgesellschaftsgesetz Randnummer Rechtsanwaltsvergütungsgesetz Sozialgericht Sozialgesetzbuch Sozialgerichtsgesetz Strafgesetzbuch Umsatzsteuergesetz Vertragsarztrechtsänderungsgesetz vergleiche Versicherungsvertragsgesetz Vergütungsverzeichnis des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes Zivilprozessordnung Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde Verordnung zur Einführung von Vordrucken für die Zustellung im gerichtlichen Verfahren
Zeitschriften und Online-Publikationen
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Zeitschriften und Online-Publikationen
Ärzte Woche online Ärzte Zeitung Dtsch Ärztebl FINANZtest JournalMed MBZ MedR NJW NJW-RR Urologische Nachrichten online VersR
www.aerztewoche.at www.aerztezeitung.de Deutsches Ärzteblatt Jahr; Seite Jahr, Heft, Seite www.journalmed.de Mitteilungsblatt Berliner Zahnärzte Medizinrecht, Jahr, Seite Neue Juristische Wochenschrift, Jahr, Seite NJW-Rechtsprechungsreport, Jahr, Seite www.uro.de Versicherungsrecht, Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadenersatzrecht, Jahr, Seite
I. Gesundheitsreformen und ihre Nebenwirkungen
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A. Vom Arzt zum Unternehmer – ein unaufhaltsamer Wandel?
I.
Gesundheitsreformen und ihre Nebenwirkungen
Gehören Sie zu der Generation von Ärzten, die zu einer Zeit das Medizin- oder Zahnmedizinstudium abgeschlossen haben, zu der ein Vertrag als Kassenarzt noch als sichere Einkommensquelle galt, die neben einem guten Einkommen einen wohlverdienten Ruhestand nahezu garantierte? Die Realität sieht inzwischen freilich anders aus. Das durchschnittliche Honorar eines Allgemeinmediziners / Praktischen Arztes betrug im Jahr 2004 insgesamt 176.100 Euro, das der Gebietsärzte ohne Allgemeinmedizin immerhin 215.200 Euro.1 Zwar gibt es nach wie vor Spitzenverdiener unter den Ärzten. Ärztliche oder zahnärztliche Einzelpraxen, die Bruttoeinnahmen in Höhe von einer Million Euro und mehr erwirtschaften, stellen freilich eine Minderheit dar. Am anderen Ende der Einkommensliste befindet sich zudem mehr als nur eine Handvoll von Ärzten, deren Bruttoeinnahmen nicht einmal 75.000 Euro im Jahr betragen.2 Heute kann ein Arzt durchschnittlich noch ca. 65 %3 seines Umsatzes in der Praxis durch die Behandlung gesetzlich Krankenversicherter erwirtschaften. Bei den Zahnärzten fallen die Zahlen noch drastischer aus: Im Jahr 1977 entfielen noch drei Viertel des Umsatzes auf die Behandlung gesetzlich krankenversicherter Patienten, im Jahr 2004 ist dieser Anteil bereits auf knapp 53 % gesunken.4 Für die Umsatzeinbußen aus der kassenärztlichen Versorgung sind mehrere Faktoren verantwortlich. Einerseits wurden Leistungen aus dem Katalog der gesetzlichen Krankenversicherungen gestrichen. Andererseits hat, nach den Ergebnissen einer Studie5 zu urteilen, bereits die zum 01.01.2004 in Kraft getretene Gesundheitsreform6 bei den Patienten gleichzeitig zu einer veränderten Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen geführt. Sowohl aufgrund des Wegfalls der Erstattungsfähigkeit nicht verschreibungspflichtiger Medikamente als auch der Einführung der Praxisgebühr geht, den Ergebnissen der genannten Studie zufolge, mehr als jeder dritte Bundesbürger seltener zum Arzt. Während die kassenärztlichen Leistungen den Patienten eine medizinische Grundversorgung bieten, werden für Ärzte umgekehrt die Einnahmen aus der Behandlung von Kassenpatienten künftig nur noch die Basis ihres Einkommens darstellen. Wer 1
2 3 4 5
6
Angaben gemäß der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Grunddaten zur vertragsärztlichen Versorgung in Deutschland, S. 54. Angaben gemäß „Statistischem Bundesamt“, Fachserie 2, Reihe 1.6.1., S. 15. Angaben gemäß „Ärzte im Zukunftsmarkt Gesundheit 2006“, S. 8. Fedderwitz, Mitteilungsblatt Berliner Zahnärzte, 12/2006, S. 25. „Health Care Monitoring 2004“, Gesundheitsverhalten, Selbstmedikation und Krankenversicherung. Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz – GMG), BGBl I 2003, S. 2190.
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A. Vom Arzt zum Unternehmer – ein unaufhaltsamer Wandel?
als Arzt mit seiner Praxis überleben will, muss zwangsläufig andere Einnahmequellen und neue „Märkte“ erschließen. Erst die Honorare aus der Behandlung von Privatpatienten und Selbstzahlerleistungen werden das Einkommen vieler niedergelassener Ärzte künftig sichern. Selbst bei der Behandlung von Privatpatienten sind die Zeiten härter geworden. Neben den gesetzlichen Krankenversicherern setzen inzwischen auch die privaten den Rotstift an. Gleichzeitig nehmen sie die Abrechnungspraxis der Ärzte genauer unter die Lupe, als dies früher üblich war. Patienten laufen daher immer häufiger Gefahr, einzelne, von ihrem Arzt in Rechnung gestellte Abrechnungspositionen vom privaten Krankenversicherer entweder gar nicht oder nur zum Teil erstattet zu bekommen. Sozusagen als Service bietet deshalb der Verband der privaten Krankenversicherer inzwischen ein Prüfprogramm an, mit dem Patienten kontrollieren können, ob die Arztrechnung mit den Abrechnungsbestimmungen der Gebührenordnung für Ärzte im Einklang steht. Gleichzeitig wird den Patienten ausdrücklich empfohlen, Rechnungen, zu denen das Prüfprogramm Anmerkungen erstellt hat, erst dann zu begleichen, wenn der Versicherer die Rechnung vollständig überprüft und den Betrag erstattet hat. Als Arzt, der seine Leistungen termingerecht und mangelfrei erbracht hat, werden Sie schon allein aus diesem Grund in dem einen oder anderen Fall deutlich länger auf Ihr Geld warten müssen. Ein Facharzt, der sich nicht damit abfinden wollte, dass ein Versicherer seinen Versicherungsnehmern ausdrücklich empfiehlt, die Honorarnoten erst nach Überprüfung durch den Versicherer zu begleichen, setzte sich deshalb gegen diese Praxis zur Wehr. Das Landgericht München7 hat die Auffassung des klagenden Arztes jedoch nicht bestätigt. In ihrer Begründung führten die Richter aus, bei der Güterabwägung zwischen den Interessen des Arztes, seine Rechnung umgehend beglichen zu bekommen, und dem Interesse der Allgemeinheit, die Ausgaben im Gesundheitswesen einzuschränken, sei hier dem Allgemeininteresse der Vorzug zu geben. Die gründliche Überprüfung der in Rechnung gestellten ärztlichen Leistungen durch einen Fachmann vor Begleichung des Honorars sei daher legitim und rücke den abrechnenden Arzt auch nicht in ein schlechtes Licht. Der Versicherer käme damit lediglich seinen Aufklärungs- und Beratungspflichten nach. Je mehr Sparpotenzial die privaten Krankenversicherer noch entdecken werden, umso häufiger müssen Sie damit rechnen, dass eine Rechnung oder einzelne Positionen Ihrer Honorarabrechnung zurückgewiesen werden. Rechnungspositionen, für die Klärungsbedarf mit dem Versicherer entsteht, bedeuten zwangsläufig eine Zahlungsverzögerung. Hier kann nur eine Optimierung des Abrechnungswesens oder eine Auslagerung an einen Abrechnungsprofi vor längeren Zahlungsverzögerungen schützen. Selbst in der Vergangenheit mussten Sie sich mit der verspäteten Bezahlung Ihrer Honorarrechnungen und einzelnen unbezahlten Rechnungen auseinandersetzen. Das war ärgerlich und sicherlich manchmal auch schmerzhaft. Doch jetzt hat das Problem ganz neue Dimensionen erreicht. Wer 30 bis 50 % seines Praxisumsatzes 7
LG München, Urteil vom 19. Februar 2002 – 6 O 17 192/01.
II. Vom Arzt zum Unternehmer
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aus den Honoraren von Privatpatienten und Selbstzahlern lukriert, muss sich zwangläufig mit der Kehrseite der neu gewonnenen Freiheit im Unternehmen „Arztpraxis“ auseinandersetzen. Wer als Manager am freien Markt agiert, trägt zwangsläufig die damit verbundenen unternehmerischen Risiken. Zahlungsverzögerungen sind nur ein kleiner Teil davon. Womit bisher schon der kleine Handwerksbetrieb genauso gekämpft hat wie der weltweit tätige Konzern, hält nun in zunehmendem Maße Einzug in der Arztpraxis: Forderungsausfälle und Zahlungsverzögerungen gehören mittlerweile in der Arztpraxis zur Tagesordnung.
II.
Vom Arzt zum Unternehmer
Ob Handwerksbetrieb, Hersteller von komplizierter Software oder Versandhändler, jedem Unternehmer stehen je nach Branche und Tätigkeit unterschiedliche Instrumente zur Verfügung, um Forderungsausfälle und Zahlungsverzögerungen auf ein vertretbares Maß zu reduzieren. Was wäre nun naheliegender als die bewährten Sicherungsinstrumente wie eine Anzahlung, einen Eigentumsvorbehalt oder andere Maßnahmen in der Arztpraxis einzusetzen? Wie bei Rechtsanwälten, Notaren oder Steuerberatern und einigen anderen freiberuflich Tätigen lassen sich die in vielen Fällen bewährten Sicherungsinstrumente nicht ohne Weiteres auf den Einsatz beim Arzt übertragen. All den genannten Berufen ist mit dem Arztberuf eines gemeinsam: Die Beziehung zwischen dem Ratsuchenden und dem Fachmann ist in mehrfacher Hinsicht nicht mit einer gewöhnlichen „Kundenbeziehung“ zu vergleichen. „Das Verhältnis zwischen Arzt und Patient setzt ein starkes Vertrauen voraus und wurzelt in starkem Maße in der menschlichen Beziehung und ist daher weit mehr als eine juristische Beziehung.“8 So beschrieb der Bundesgerichtshof in einer frühen Entscheidung zur Sterbehilfe die Beziehung zwischen Arzt und Patient. Schließlich geht es wie bei keiner anderen Vertragsgestaltung im schlimmsten Fall um Leben und Tod. Das Vertrauen des Patienten in die ärztliche Leistung, die notwendige Sensibilität im Umgang mit schwierigen Lebenssituationen, Empathie und Zuwendung lassen sich selbst mit noch so viel juristischem Geschick nicht in Vertragsklauseln kleiden. Das Vertrauen kann nur im Laufe der „Zusammenarbeit“ zwischen Arzt und Patient wachsen. Stimmt die „Chemie“ zwischen den beiden nicht, dann wird in der Regel gar keine (neue) vertragliche Beziehung zustande kommen, sofern es sich nicht gerade um einen Notfall handelt. Seit dieser Entscheidung, die der Bundesgerichtshof bereits im Jahr 1959 gefällt hat, haben sich die Verhältnisse im Gesundheitswesen gravierend verändert. Neben dem klassischen Auftrag, den Patienten zu heilen oder ihm zumindest Lin8
BGHZ 29, S. 46 ff, S. 53 = NJW 1959, S. 811 ff, S. 813.
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A. Vom Arzt zum Unternehmer – ein unaufhaltsamer Wandel?
derung durch ärztliches Handeln zu verschaffen, nehmen weitere Dienstleistungen, die sowohl der Vorsorge als auch der ästhetischen Veränderung dienen können, einen immer breiteren Raum ein. Das hat jedoch Konsequenzen für die Beziehung zwischen Arzt und Patient. Neben dem vom Bundesgerichtshof so treffend charakterisierten Arzt-Patienten-Verhältnis tritt zunehmend die auf eine ganz bestimmte Leistung bezogene, vertragliche Komponente in den Vordergrund. Wie kaum in einem anderen Beruf stehen neben den nüchternen vertraglichen Regeln zusätzlich noch ethische wie auch moralische Verpflichtungen. Das Verhältnis zwischen (Standes-)Recht und Moral haben die Richter des Bundesverfassungsgerichts folgendermaßen beschrieben: „Die Standesethik steht nicht isoliert neben dem Recht, sie wirkt allenthalben und ständig in die rechtlichen Beziehungen des Arztes zum Patienten hinein. … Weit mehr als sonst fließt im ärztlichen Berufsbereich das Ethische mit dem Rechtlichen zusammen.“9 Zwischen diese juristischen, moralischen und ethischen Regeln drängen sich nun zunehmend wirtschaftliche Gesichtspunkte bei der Behandlung Ihrer Patienten in den Vordergrund. Mit dem Kostendämpfungsgesetz 1977 wurde Ärzten erstmals die Pflicht auferlegt, bei der Verordnung von Arzneimitteln neben der medizinischen Notwendigkeit auch finanzielle Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Die Einnahmen aus den Kassenarztverträgen reichen mittlerweile bestenfalls dazu aus, die Praxis über Wasser zu halten. Wirtschaftliches Handeln und Denken sind deshalb für Sie als niedergelassenem Arzt inzwischen genauso zum Überleben notwendig, wie für den selbstständigen Handwerker um die Ecke. Freilich ist mit dem wirtschaftlichen Denken spätestens bei der Honorarabrechnung Schluss. Das Ergebnis Ihrer kassenärztlichen Leistung wird durch Budgets limitiert. Die ärztliche bzw. zahnärztliche Gebührenordnung lässt ein sorgfältig kalkuliertes Pauschalhonorar nicht zu. Eine leistungsorientierte Bezahlung kann nur in dem engen Rahmen der Gebührenordnungen erfolgen. Gleichzeitig müssen Sie sich mit anderen, neuen Erfahrungen des Marktes auseinandersetzen: Ihre medizinische Leistung wird in vielen Fällen von den Patienten als „selbstverständlich“ vorausgesetzt. Umgekehrt nehmen es die Patienten dagegen beim Bezahlen Ihrer Honorarabrechnung nicht immer so genau. Das unternehmerische Denken und Handeln in der Arztpraxis beschert Ihnen also jetzt noch eine zusätzliche Herausforderung. Wie können Sie mit dieser Situation am besten umgehen? Sie haben zunächst einmal die Wahl zwischen zwei recht unterschiedlichen Lösungen: ⓦ
ⓦ
9
Sie können ab sofort die Leistungen an selbstzahlende Patienten oder Privatpatienten einstellen und damit dem Risiko des Forderungsausfalls und verspäteter Zahlungen aus dem Weg gehen. Das wird mit erheblichen finanziellen Einschränkungen bis hin zur Praxisaufgabe verbunden sein. Im anderen Fall lassen Sie den Selbstzahlern und dem Forderungsmanagement „freien Lauf“. Offene Rechnungen werden verwaltet und die ForderungsbeiBVerfGE 52, 131 = NJW 1979, S. 1925 ff, S. 1930 mit dem Zitat von Schmidt, Der Arzt im Strafrecht, in Ponsold, Lehrbuch der gerichtlichen Medizin, S. 2.
III. Forderungsausfälle – es trifft immer nur die anderen
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treibung beschränkt sich bestenfalls auf das gelegentliche Mahnen der Patienten. Mit einem aktiven Forderungsmanagement hat weder die eine noch die andere Lösung etwas zu tun. Wenn Sie sich auf das Abenteuer als Unternehmer einlassen (wollen), dann heißt das nicht nur, sich den Risiken zu stellen, sondern vor allen Dingen, Forderungen aktiv zu managen. Wo Sie sich auf der Skala zwischen den beiden Extremlösungen letztendlich bewegen, hängt freilich von einer ganzen Reihe von Faktoren ab: ⓦ ⓦ ⓦ
Ihrer eigenen Risikobereitschaft Ihrer „Schmerzgrenze“ was Forderungsausfälle anbelangt und letztendlich wirtschaftlichen Erwägungen.
Sie müssen daher nicht zwangsläufig sämtliche zur Verfügung stehenden Maßnahmen zur Reduzierung Ihrer Forderungsausfälle einsetzen. Deshalb gibt es auch kein Patentrezept für ein erfolgreiches Forderungsmanagement, sondern nur maßgeschneiderte Lösungen, die auf die Bedürfnisse des Einzelnen abgestimmt sind. Die Beschreibung zielführender Maßnahmen dient in erster Linie der Erleichterung Ihrer Entscheidungsfindung. Schließlich haben alle in Betracht kommenden Mittel gewisse Vor- und Nachteile. Als Arzt oder Zahnarzt bringen Sie zugleich hervorragende Eigenschaften und Fähigkeiten mit, die Ihnen den Umgang mit säumigen Zahlern erleichtern werden. Denn in Ihrem Beruf gehört es sozusagen zum Tagesgeschäft, bei Ihren Patienten bestehende Risiken zu erkennen, sie sorgfältig einzuschätzen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Sie werden deshalb sehr schnell lernen, mit den Risiken des freien Marktes umzugehen, die geeigneten Instrumente auszuwählen und zur richtigen Zeit einzusetzen, um Forderungsausfälle auf ein für Sie vertretbares Maß zu reduzieren.
III. Forderungsausfälle – es trifft immer nur die anderen 1.
Harte Fakten – der zahlungsunfähige Patient
Mit Forderungsausfällen verhält es sich ähnlich wie mit schwerwiegenden Erkrankungen: Jeder denkt, es treffe immer nur die anderen. Selbst Rechtsanwälte bleiben nicht von Forderungsverlusten verschont. Nach einer jüngst veröffentlichten Studie10 gehen ihnen rund 5 % ihres Kanzleiumsatzes verloren. Während Online-Händler bis zu 15 % der Bestellsumme als Forderungsausfall verzeichnen, muss eine Arztpraxis nach Angaben einer führenden ärztlichen Verrechnungsstelle im Durchschnitt „nur“ ca. 3 % ihres Umsatzes abschreiben.11
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Hommerich/Kilian in: Dreske/Hommerich/Kilian, Vergütungsvereinbarung deutscher Rechtsanwälte, S. 15. Laut Angaben in den „Urologische Nachrichten“ vom 05.05.2006.
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A. Vom Arzt zum Unternehmer – ein unaufhaltsamer Wandel?
Die Gründe, weshalb Patienten die Honorarnote entweder verspätet oder gar nicht begleichen, sind vielfältig. Zum einen hält sich nach wie vor das Bild vom Arzt als Spitzenverdiener hartnäckig in den Köpfen der Bevölkerung. Deshalb mag der eine oder andere Patient die Rechnung seines Arztes schon einmal ein wenig länger liegen lassen, in der Annahme, dass „der Doktor das Geld nicht so dringend braucht“, weil er die Situation aufseiten der Ärzte nicht realistisch einschätzt. Daneben spielt ein anderer, schwergewichtiger Grund eine Rolle. Die jährlich veröffentlichten Insolvenzzahlen sprechen eine deutliche Sprache. Insolvenz bedeutet, dass Unternehmen oder Privatpersonen dauerhaft ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen können. Von den insgesamt 154.404 Insolvenzfällen, die wir im Jahr 2006 in Deutschland zu verzeichnen hatten, entfielen rund 92.000 Fälle auf Privatpersonen, die eine Verbraucherinsolvenz beantragt haben12. Die eingeleiteten Verfahren sind allerdings nur die Spitze des Eisberges. Mehr als jeder zehnte erwachsene Einwohner in Deutschland galt im Jahr 2007 als überschuldet13 und weist nachhaltige Zahlungsstörungen auf, ohne dass die betroffenen Personen bisher das Insolvenzverfahren beantragt haben. Sind die Gesamtausgaben dauerhaft höher als die Einnahmen, dann ist bald der Punkt erreicht, an dem der Betroffene seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen kann. Er gilt dann als überschuldet. Sowohl unter denjenigen, die bereits das Verbraucherinsolvenzverfahren eingeleitet haben, als auch unter den Überschuldeten befinden sich zwangsläufig Menschen, die nicht mehr in der Lage sind, neben anderen Zahlungsverpflichtungen ihre längst fällige Arzt- oder Zahnarztrechnung zu begleichen. Gleichzeitig werden Patienten unfreiwillig zum „Selbstzahler“, weil sie sich die Beiträge zu einer Krankenversicherung nicht mehr leisten können oder der Versicherer den Versicherungsvertrag bereits gekündigt hat. Für diejenigen, die noch in den Genuss eines Krankenversicherungsschutzes gelangen, wird das Erstattungssystem der privaten Krankenversicherer zum Rettungsanker. Der Patient reicht die Rechnung beim Versicherer ein, kassiert den Betrag und stopft damit andere (Finanzierungs-)Löcher. Als Arzt finden Sie sich jetzt unfreiwillig in der Rolle des „Zwischenfinanzierers“ wieder. Der Patient wartet in dieser Situation schon mal die erste und die zweite Mahnung ab, bis eine Zahlung erfolgt. Diese Erfahrung machen zunehmend auch die privatärztlichen Verrechnungsstellen, die im Durchschnitt fast jede fünfte Arztrechnung anmahnen müssen.14 Häufig hat sich die Situation bei dem Patienten jedoch schon zugespitzt. Andere Gläubiger betreiben nach Erlangung eines Vollstreckungstitels die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners. Wird das Girokonto gepfändet, dann hat dies zur Folge, dass dem Schuldner zwar das Geld zum Lebensunterhalt verbleiben muss, alle darüber hinausgehenden Beträge jedoch von der Kontopfändung erfasst werden. Hat der Patient in der Zwischenzeit Ihre Rechnung bei seinem privaten Krankenversicherer eingereicht und wird der Betrag nun auf das gepfändete Konto überwiesen, dann unterliegt der Erstattungsbetrag zwangsläufig der Kontenpfän12 13 14
Angaben gemäß „Statistischem Bundesamt Deutschland“. Angaben gemäß „SchuldnerAtlas Deutschland 2007“, S. 3. journalMed, Ärzte beklagen schlechte Zahlungsmoral, Online-Beitrag vom 11.07.2007.
III. Forderungsausfälle – es trifft immer nur die anderen
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dung. Das Geld vom Krankenversicherer ist jetzt weg und Ihre Rechnung ist nach wie vor offen. Der unpfändbare Betrag, der dem Schuldner in jedem Fall verbleiben muss, wird nicht ausreichen, um Ihre Honorarnote zu begleichen. Sie werden auf Ihr Geld warten müssen. Es ist daher keine Frage mehr, ob Sie in Ihrer Praxis irgendwann einen Forderungsausfall zu verzeichnen haben werden, sondern lediglich die Frage, wann. Es gibt zahlreiche Gründe, weshalb Menschen zahlungsunfähig werden. Neben Langzeitarbeitslosigkeit gelten eine Scheidung oder Trennung und eine gescheiterte Selbstständigkeit als Hauptursachen für die Überschuldung.15 Daneben kann gerade auch eine langandauernde Erkrankung Menschen sehr schnell aus dem Erwerbsleben katapultieren und sie nahtlos in die Schuldenfalle führen. Das haben Wissenschaftler der Universität Mainz in einer Untersuchung bestätigt.16 Zahlungsverpflichtungen, die mit dem ursprünglichen Einkommen mehr oder weniger problemlos bedient werden konnten, werden durch die Krankheit oder einen frühzeitigen Renteneintritt mit gekürzten Bezügen auf Dauer zum Zahlungsproblem. 2.
Böse Buben gibt es überall – der zahlungsunwillige Patient
Neben dem Patienten, der seinen Zahlungsverpflichtungen nicht (mehr) nachkommen kann, weil er in eine finanzielle Krise geraten ist, müssen Sie sich zwangsläufig auch mit denjenigen auseinandersetzen, die zahlungsunwillig sind. Diese lassen sich erfahrungsgemäß in zwei Gruppen einteilen: Auf der einen Seite stehen diejenigen Schuldner, die aufgrund ihres Schuldenberges resigniert haben. Aus dem ursprünglich zahlungsunfähigen Patienten hat sich ein –unwilliger entwickelt, der munter weiter Schulden produziert. Daneben gibt es Personen, die bewusst einen Schuldenberg angehäuft haben, ihr Vermögen verschieben und sich als völlig „verarmt“ präsentieren. Das ist dann der Schuldner, der mit dem neuesten Fahrzeugmodell der gehobenen Mittelklasse vor Ihrer Praxis vorfährt, von Ihnen „rasch“ eine Behandlung erwartet und Ihnen gleichzeitig erklärt, dass er nun im Moment wirklich nicht zahlen könne, vielleicht in ein oder zwei Monaten, wenn seine „Geschäfte“ wieder besser laufen. Inzwischen kursieren im Internet eine Reihe von „Gebrauchsanleitungen“ von selbst ernannten „Schuldenkönigen“, die zeigen sollen, wie es funktioniert. Die Gebrauchsanleitungen haben nur eines zum Ziel: Sie als Gläubiger um Ihr wohl verdientes Geld zu bringen. Geld werden Sie von diesem Schuldnerexemplar so lange nicht bekommen, wie Sie ihm keinen Strich durch seine gut ausgeklügelte Rechnung machen.17 15
16 17
Angaben laut Pressemitteilung der „Verbraucherzentrale Bundesverband“ vom 15.02.2006 – Schuldenreport 2006. Trupke, Ärzte Zeitung vom 12.03.2008. Wie Sie den Machenschaften eines selbst ernannten Schuldenkönigs erfolgreich begegnen können, zeigt Ihnen der Abschnitt „Die Schuldnertricks und wie Sie damit umgehen sollten“ ab Seite 159.
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3.
A. Vom Arzt zum Unternehmer – ein unaufhaltsamer Wandel?
Führt auch Ihr Mahnwesen ein Stiefkinddasein?
All diesen Schuldnern kommt eines zugute: der nachlässige Umgang der Gläubiger mit ihren Forderungen: ⓦ ⓦ
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Kennen Sie das Thema „Forderungsausfälle“ auch nur vom Hörensagen? Können Sie aus dem Stand heraus die Frage beantworten, wie viele überfällige Patientenrechnungen Sie derzeit haben? Wissen Sie, ob Ihre Patienten die Rechnungen pünktlich bezahlen?
Nein? Dann befinden Sie sich in guter Gesellschaft. Meist fällt die Misere nämlich erst am Ende des Kalenderjahres oder spätestens zu Beginn des neuen Jahres auf, wenn sich viele Ärzte ans Werk machen, Ordnung in die Buchhaltung zu bringen. Der Stapel unbezahlter Patientenrechnungen lässt sich nicht verleugnen. Gemahnt wird, wenn „man gerade Zeit hat“, also genau gesagt selten und in unregelmäßigen Abständen. Schließlich gehört das Mahnwesen nicht gerade zu Ihren Kernkompetenzen als Arzt. Zumindest haben Sie das bisher geglaubt. Oder haben Sie inzwischen resigniert, weil das sporadische Mahnen nicht den gewünschten Erfolg zeigt? Schließlich ist die schlechte Zahlungsmoral der Patienten schuld daran, wenn Sie nicht pünktlich zu Ihrem Geld kommen, oder? Wenn sich schon an dem Zahlungsverhalten der Patienten nichts ändern lässt, warum sollten Sie dann zusätzlich mehr Zeit und Geld als unbedingt notwendig in die Beitreibung Ihrer offenen Patientenrechnungen investieren? Sicherlich fallen Ihnen spontan gleich mehrere Dinge ein, für die Sie gerne mehr Geld ausgeben würden. Viele Unternehmer, die diese Auffassung vertreten, bedenken freilich nicht, welchen Eindruck sie damit bei Ihren Kunden hinterlassen. Unregelmäßige Mahnläufe und hektische, unkoordinierte Aktionen bleiben nämlich nicht ohne Folgen. Kunden – und da sind die Patienten in Ihrer Praxis keine Ausnahme – reagieren recht schnell auf ein vernachlässigtes Mahnwesen. Unfreiwillig signalisieren Sie dem Patienten mit einer Rechnung, die „bei Gelegenheit“ geschrieben wird, und einer Mahnung, die irgendwann folgt, dass Sie den Rechnungsbetrag eigentlich gar nicht so dringend benötigen. Wenn dem so ist, dann kann sich der Patient mit dem Bezahlen ja noch ein wenig Zeit lassen. Die Spirale beginnt sich zu drehen. Das ist freilich nur die halbe Wahrheit: Wer seiner Buchhaltung und damit seinen offenen Forderungen keine allzu große Bedeutung beimisst, wird zwangsläufig weder Geld noch Zeit in die notwendige eigene Ausbildung, noch in die der Mitarbeiter stecken. Erst wenn die Zahlungsverzögerungen oder gar Forderungsausfälle zu einem ernsthaften Problem werden, wird händeringend nach einer rettenden Lösung gesucht. Auf die Schnelle lässt sich in dieser Situation in der Regel kaum etwas bewegen. In der Zwischenzeit wächst der Berg der unbezahlten Rechnungen munter weiter. Auf Dauer bleibt das freilich nicht ohne Folgen. Schließlich müssen Sie die Miete für die Praxisräume jeden Monat pünktlich bezahlen und Ihre Mitarbeiter erwarten am Monatsende ihr Gehalt. Da kann der von der Bank eingeräumte Überziehungskredit schnell ausgeschöpft sein. Noch etwas anderes kommt hinzu: Während andere Unternehmer bei ihrer Preisgestaltung je nach Kundenstruktur bereits einen bestimmten Prozentsatz vom Um-
III. Forderungsausfälle – es trifft immer nur die anderen
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satz an Forderungsausfällen und Zahlungsverzögerungen einkalkulieren, bleibt Ihnen als Arzt dagegen nur der schmale Spielraum, die Ihnen die GOÄ bzw. GOZ lässt. Forderungsausfälle sieht die Struktur der Gebührenordnungen nämlich nicht vor. Deshalb wiegt jede unbezahlte Rechnung doppelt schwer. Messen Sie daher Ihrem Mahnwesen den Stellenwert zu, der zwingend notwendig ist. Nehmen Sie es in die eigene Hand und erklären Sie es ab sofort zur Chefsache!
4.
Forderungsbeitreibung als „Kundenbindungsprogramm“ – ein Widerspruch in sich?
Neben den Einnahmen aus der Behandlung von Kassen- und Privatpatienten werden Selbstzahlerleistungen zunehmend an Bedeutung gewinnen. Privatpatienten und Selbstzahler sind „Kunden“ Ihres Unternehmens, deren Zahlungsfähigkeit und -willigkeit gleichzeitig ein Risikofaktor im Hinblick auf Ihre Liquidität und damit letztendlich den Fortbestand Ihrer Praxis in ihrer heutigen Form ist. Nun sollen Sie beim „Kunden“ Patient die längst fällige Zahlung Ihres Honorars anmahnen. Die neue Herausforderung als Forderungsmanager erscheint auf den ersten Blick als schier unlösbarer Rollenkonflikt. Schließlich ist die persönliche Beziehung zwischen Arzt und Patient etwas ganz Besonderes, wie der Bundesgerichtshof in einer frühen Entscheidung schon treffend ausgeführt hat, und stellt deshalb weitaus mehr als eine gewöhnliche Kundenbeziehung dar. Das Mahnen und Beitreiben der offenen Honorarnoten wird deshalb häufig als Fremdkörper in der Beziehung zwischen Kunde und Dienstleister betrachtet. Das muss freilich nicht sein. Während am Beginn der langen Kette zwischen Arzt und Patient zunächst das Ziel steht, neue Patienten für die Praxis zu gewinnen und zusätzlich Dienstleistungen außerhalb des Rahmens der gesetzlichen Krankenversicherungen anzubieten, soll das Forderungsmanagement den Patienten letztendlich zur pünktlichen Begleichung der Honorarnote bewegen. Es ist daher Teil eines umfangreichen „Kundenmanagements“. Eine vertrauensvolle Beziehung kann jedoch nur dann gedeihen, wenn der Umgang miteinander auch in unangenehmen Situationen fair und offen ist. Die umfassende medizinische Aufklärung des Patienten, damit dieser sich ein Bild über die Behandlungsrisiken machen kann, ist nur ein typisches Beispiel in Ihrem Beruf. Aus der Umgangsregel ist inzwischen eine Rechtspflicht geworden und Sie werden regelmäßig Patienten mit einer unbequemen Wahrheit konfrontieren (müssen). Auch im Forderungsmanagement geht es in erster Linie darum, klare Verhältnisse zu schaffen. Deshalb sollten Sie sich nicht scheuen, Ihre Patienten an die Begleichung der Rechnung zu erinnern. Rufen Sie bei Ihren säumigen Patienten ins Gedächtnis, dass es zu einem fairen Umgang zwischen Arzt und Patient gehört, Ihre in Rechnung gestellte Leistung fristgerecht zu honorieren. Wie lassen sich nun die unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten notwendigen Maßnahmen mit Ihren juristischen, ethischen und moralischen Verpflichtungen als Arzt in Einklang bringen? Völlig losgelöst von diesen recht unterschiedlichen Ver-
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A. Vom Arzt zum Unternehmer – ein unaufhaltsamer Wandel?
pflichtungen werden Sie einen Patienten versorgen, der aufgrund seiner Erkrankung, seines fortgeschrittenen Alters oder anderer widriger Umstände einer intensiven Betreuung und Ihrer Fürsorge bedarf, auch wenn Sie Ihr Budget für das Quartal längst ausgeschöpft haben oder Sie von vornherein wissen, dass der Patient seine Rechnung nicht umgehend begleichen kann. Sie erbringen diese Dienstleistung schon aus Ihrem Verständnis aus dem selbstgewählten Beruf als Arzt heraus, ohne dass es (standes-)rechtlicher Pflichten hierzu bedarf. Ethische sowie moralische Verpflichtungen und ein aktives Forderungsmanagement lassen sich dennoch unter einen Hut bringen. Denn auch ganz „gewöhnliche“ Geschäftsbeziehungen zeichnen sich nämlich gerade dadurch aus, dass der Kunde nicht im Stich gelassen wird, wenn er sich in finanziellen Schwierigkeiten befindet. Der Patient, der sich oft nicht nur in einer gesundheitlich, sondern gerade hieraus resultierenden finanziell schwierigen Lage befindet, wird es dauerhaft mit seiner Treue zu dieser Arztpraxis belohnen, wenn er sich in dieser für ihn doppelt belastenden Situation gut betreut fühlt. Wer in dieser Situation sein Forderungsmanagement gleichzeitig als „Kundenbindung“ versteht, der wird die einzelnen Instrumente eines aktiven Forderungsmanagements künftig zielgerichtet einsetzen. Nun kann es sein, dass Ihnen diese neue Herausforderung überhaupt nicht liegt. Schließlich ist die Forderungsbeitreibung nicht jedermanns Sache. In diesem Fall sollten Sie trotzdem die Hände nicht in den Schoß legen und den Patienten beim Bezahlen Ihrer Rechnungen alle Freiheiten lassen, sondern ernsthaft darüber nachdenken, ob Sie diese Aufgaben nicht besser einem neutralen Dritten übertragen.18
IV. Forderungsverluste ausgleichen – alles kein Problem? Haben Sie sich schon einmal Gedanken darüber gemacht, wie Sie Forderungsverluste in Ihrer Praxis ausgleichen können? Mit der Behandlung von Kassenpatienten gelingt Ihnen das nicht, weil mehr Patienten nicht zwangsläufig mehr Einnahmen bedeuten. Es bleiben daher nur die Privat- oder selbstzahlende Patienten, mit denen Sie Verluste ausgleichen könnten. Haben Sie schon einmal nachgerechnet, wie viele selbstzahlende Patienten Sie zusätzlich behandeln müssen, um einen Forderungsverlust in Höhe von 3 % Ihres Umsatzes auszugleichen? Schauen wir uns die Rechnung einmal näher an:
18
Welcher Dienstleister für Sie der Richtige ist, erfahren Sie im Abschnitt „Mit dem Latein am Ende – Outsourcing der Forderungsbeitreibung als Lösung? “ ab Seite 175.
IV. Forderungsverluste ausgleichen – alles kein Problem?
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Tabelle 1. Forderungsausfallrechner Einnahmen19 aus der Praxis gesamt
220.000 €
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davon stammen 35 % aus der Behandlung von PKV und Selbstzahlern 21
die Umsatzrendite in der Praxis beträgt Der Forderungsausfall22 beträgt, auf den PKV-Umsatz bezogen (= 2.310 €) Das macht einen Mehrumsatz notwendig i. H. v.23 Das entspricht einer Umsatzsteigerung i. H. v. bezogen auf den Gesamtumsatz oder einer Umsatzsteigerung i. H. v. bezogen auf die Einnahmen aus PKV und Selbstzahlern
77.000 € 47,2 % 3% 4.894 € 2,2 % 6,4 %
Gehen wir davon aus, dass Sie über Gesamteinnahmen in Höhe von 220.000 Euro pro Jahr in der Praxis verfügen. 35 % Ihrer Einnahmen erhalten Sie durch die Behandlung von Privatpatienten und Selbstzahlerleistungen, Ihre Umsatzrendite19 liegt bei 47,2 %. Wenn Sie nun Forderungsausfälle in Höhe von 3 %, bezogen auf den PKV-Umsatz, in Ihrer Praxis verzeichnen müssen, klingt das auf den ersten Blick nicht viel. Auch der nominale Betrag mag Sie zunächst nicht erschrecken. Um den angenommenen Forderungsausfall in diesem Kalenderjahr zu kompensieren, müssten Sie mehr als 2 % Umsatz zusätzlich in Ihrer Praxis erwirtschaften. Mit den gesetzlich krankenversicherten Patienten dürfte Ihnen eine Umsatzsteigerung nur unwesentlich gelingen, sodass Sie mehr oder weniger darauf angewiesen sind, diese durch die Behandlung privat Versicherter und von Selbstzahlern zu erwirtschaften. Berücksichtigt man diesen Umstand, dann sieht die Rechnung schon ganz anders aus: Sie müssten Ihren Umsatz aus diesen Behandlungen um satte 6 % steigern, um den genannten Forderungsausfall zu kompensieren, also wieder auf „Null“ zu kommen. Das ist zum einen ein schwieriges Unterfangen, denn Ihre Möglichkeiten, neue Patienten zu gewinnen, unterliegen schließlich auch gewissen Restriktionen. Zum anderen birgt jeder Mehrumsatz wiederum das Risiko eines Forderungsausfalls in sich, was erneut einen zusätzlichen Umsatz erforderlich macht. Die Spirale dreht sich damit munter weiter.
19
20 21 22
23 24
Die Bruttoeinnahmen der Allgemeinmediziner / Praktischen Ärzte in einer Einzelpraxis betrugen im Jahr 2003 durchschnittlich 219.000 Euro; „Statistisches Bundesamt“, Fachserie 2 Reihe 1.6.1., S. 15. Siehe Fußnote 11. Angaben gemäß „Statistischem Bundesamt“, Fachserie 2, Reihe 1.6.1., S. 31. Gemäß Angaben in den „Urologische Nachrichten“ vom 05.05.2006. Nach anderen Angaben beträgt die Ausfallquote ca. 1 %. Beide Angaben erscheinen realistisch, denn die Quote hängt in erster Linie vom Profil Ihrer „Kunden“ ab. Forderungsausfall dividiert durch Umsatzrendite. Die Umsatzrendite berechnet sich aus dem Gewinn dividiert durch den Umsatz.
I. Prophylaktische Maßnahmen
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B. Unternehmerische Strategien und ärztliche Rechtsund Standespflichten
I.
Prophylaktische Maßnahmen
Angesichts von Firmenpleiten und steigenden Privatinsolvenzen wird man jedem Unternehmer nahelegen, entsprechende Vorkehrungen gegen Forderungsausfälle und Zahlungsverzögerungen zu treffen. Lieferungen bzw. Leistungen nur gegen Barzahlung oder gar Vorkasse sind in vielen Branchen weit verbreitete und angemessene Strategien, um das Debitorenrisiko von vornherein zu mindern. Durch Vereinbarung geeigneter Sicherungsinstrumente wie beispielsweise einem Eigentumsvorbehalt kann weiterer Schaden abgewendet werden. Ihre Bank gewährt Ihnen kein größeres Darlehen, ohne auf Ihrem Hausgrundstück oder Ihrer Eigentumswohnung eine Hypothek oder eine Grundschuld einzutragen. Bei Ihrer Praxisfinanzierung lässt sie sich das von ihr finanzierte Praxismobiliar und die medizinischen Geräte sicherungshalber übereignen. Die Liste ließe sich noch beliebig verlängern. Je mehr Leistungen von Ihren Patienten aus eigener Tasche zu bezahlen sind, umso mehr sind Sie gleichzeitig den unternehmerischen Risiken ausgesetzt. Sie werden sich daher intensiver als bisher mit der Frage beschäftigen müssen, wie Sie das Debitorenrisiko in Ihrer Praxis in einem überschaubaren Rahmen halten können. Wie schwierig es ist, Forderungsausfälle durch die Behandlung zusätzlicher Patienten zu kompensieren, hat der Forderungsausfallrechner schon gezeigt.25 Was liegt also näher, wie jeder andere Unternehmer prophylaktische Maßnahmen zu ergreifen. Handwerker und andere Werkunternehmen sollen künftig durch das Forderungssicherungsgesetz26 besser vor Zahlungsausfällen geschützt werden, indem beispielsweise Abschlagszahlungen bereits vor der vollständigen Errichtung des Werkes zulässig sein sollen. Ihre Bemühungen um eine prophylaktische Risikominimierung werden indes von ethischen, moralischen und standesrechtlichen Regeln begleitet, über die sich Unternehmer aus vielen anderen Branchen nicht den Kopf zerbrechen müssen. Niemand käme daher auf die Idee, das Verlangen eines Handwerkers nach einem Vorschuss auf Material- und Arbeitsleistungen als sitten- oder standeswidrig zurückzuweisen. Wenn Sie einen Rechtsanwalt um Rat bitten, dann heißt es häufig: „Ohne (Vor-)Schuss kein Jus“. Böse Zungen behaupten sogar, ein Jurist beginne erst dann zu denken, wenn der verlangte Vorschuss auf seinem Konto eingegangen ist. Während nun vom Handwerker bis hin zum Rechtsanwalt die Vorschussleistung als Sicherungsinstrument unter bestimmten Voraussetzungen eingesetzt werden kann, ist es in der juristischen Fachliteratur dagegen nach wie vor umstritten, ob es einem 25 26
Den Forderungsausfallrechner finden Sie auf Seite 11 ff. Gesetzentwurf zum Gesetz zur Sicherung von Werkunternehmeransprüchen und zur verbesserten Durchsetzung von Forderungen – Forderungssicherungsgesetz – BT-Drucks. 16/511 vom 02.02.2006.
14
B. Unternehmerische Strategien und ärztliche Rechts- und Standespflichten
Arzt gestattet sein soll, von einem Privatpatienten oder einem Selbstzahler einen Vorschuss zu verlangen. 1.
Was lassen die Gebührenordnungen zu?
Diejenigen Stimmen in der Literatur, die das Vereinbaren einer Vorschussleistung nach wie vor als unzulässig betrachten, verweisen in ihrer Begründung sowohl auf das ärztliche Standesrecht, das Berufsethos wie auch die Bestimmungen der Gebührenordnungen. Nach ganz überwiegender Ansicht in der Rechtsprechung handelt es sich bei einem Behandlungsvertrag um einen Dienstvertrag. Im Gegensatz zum Werkvertrag schulden Sie deshalb keinen Erfolg bei der Behandlung des Patienten. Für den Dienstvertrag stellt die Vorschrift des § 614 Satz 1 BGB ausdrücklich klar, dass die Vergütung erst nach der Leistung der Dienste zu entrichten ist. Als Arzt sind Sie daher wie jeder andere Dienstleister grundsätzlich vorleistungspflichtig. Von der Zulässigkeit eines Vorschussverlangens ist in den dienstvertraglichen Normen nirgendwo die Rede. Diesen allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen gehen freilich die Vorschriften der ärztlichen bzw. zahnärztlichen Gebührenordnungen als speziellere Normen vor. Sie enthalten sowohl hinsichtlich der Fälligkeit als auch der Abrechnung von Honoraransprüchen eigene Regelungen. Von Ausnahmen einmal abgesehen, können gesetzliche Regelungen durch individuelle vertragliche Vereinbarungen ergänzt, verändert oder ersetzt werden. Was spricht also dagegen, mit dem Patienten ganz individuell, auf die Situation angepasst, einen Vorschuss zu vereinbaren? Die Regelungen der GOÄ bzw. GOZ seien zum einen zwingend und zum anderen abschließend, wird von denjenigen Stimmen in der juristischen Literatur eingewandt, die ein Vorschussverlangen grundsätzlich für nicht zulässig halten. Zur weiteren Begründung verweisen sie auf die für Rechtsanwälte geltende Gebührenordnung. Die Vorschrift des § 9 RVG27 gestattet es nämlich einem Rechtsanwalt ausdrücklich, von seinem Mandanten einen „angemessenen“ Vorschuss auf das voraussichtlich zu erwartende Honorar zu verlangen. Da Vorschüsse weder in der ärztlichen noch zahnärztlichen Gebührenordnung ausdrücklich erwähnt seien, sei ein solches Begehren nach Ansicht verschiedener Autoren folglich nicht zulässig. Diese Regelungslücke machen sich umgekehrt auch diejenigen Stimmen in der Literatur zunutze, die ein Vorschussverlangen für durchaus legitim halten. Sie argumentieren nach dem Motto „Alles, was nicht verboten ist, ist erlaubt“. Aufgrund dieser unterschiedlichen Auffassungen musste es unter gebührenrechtlicher Sicht bisher offen bleiben, ob ein Vorschuss auf die zu erbringende Leistung zulässig ist 27
Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz – RVG) vom 05.05.2004, BGBl. 2004, S. 717 ff, 788 ff.
I. Prophylaktische Maßnahmen
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oder nicht. Lediglich Krankenhäusern ist es im Rahmen des § 14 Abs. 4 BPflVO und des § 8 Abs. 7 KHEntgG ausdrücklich gestattet, für den Aufenthalt des Patienten eine Vorauszahlung zu verlangen. Das Krankenhausentgeltgesetz sieht zudem die Geltendmachung einer Abschlagszahlung nach einer gewissen Verweildauer des Patienten vor. Die unterschiedlichen Auffassungen in der juristischen Literatur helfen daher nicht weiter. Die Rechtsprechung hat sich mit dieser Frage bisher nur ein einziges Mal beschäftigt. Das OLG München28 erklärte in dieser Entscheidung das Verlangen eines Zahnarztes nach einer Vorauszahlung für die aufgewendeten Materialund Laborkosten für zulässig. Die Formulierung der Entscheidungsgründe kann freilich zu Missverständnissen führen. In dem Rechtsstreit ging es nämlich nicht darum, zu klären, ob eine Honorarforderung vor Erbringung der zahnärztlichen Leistung geltend gemacht werden darf. Vielmehr haben die Richter die Vereinbarung einer Abschlags- oder Teilzahlung im Rahmen einer langfristigen Behandlung in engen Grenzen bejaht. Die Richter argumentierten, einem Zahnarzt müsse man bei einer länger andauernden und vor allen Dingen kostspieligen Behandlung zumindest hinsichtlich der entstehenden Fremdkosten, für die der Zahnarzt bereits in Vorleistung getreten sei, einen Anspruch auf eine Abschlagszahlung in dieser Höhe einräumen. Dem stehe auch die Regelung des § 10 GOZ nicht entgegen, wonach die zahnärztliche Honorarforderung erst nach Rechnungsstellung fällig wird. Denn bei den Fremdkosten, wie beispielsweise denen eines Zahntechnikers, handele es sich eben gerade nicht um einen Vergütungsanspruch für die eigene Leistung. Die Bayerische Landeszahnärztekammer29 erklärt dagegen selbst eine Abschlagszahlung auf das Honorar in Höhe der bereits erbrachten zahnärztlichen Leistungen für zulässig. Nach Auffassung des OLG München darf sogar die weitere Behandlung des Patienten von der Zahlung des Teilbetrages abhängig gemacht werden.30 Solange es sich um die Begleichung von Fremdkosten handelt, steht der Vereinbarung einer Abschlags- oder Teilzahlung nichts im Wege. Bei der längst überfälligen Neugestaltung der Gebührenordnung für Zahnärzte konnte das Gremium der Bundeszahnärztekammer weder an der nach wie vor bestehenden rechtlichen Unsicherheit hinsichtlich der Vereinbarung von Teil- oder Vorauszahlungen, noch an der wirtschaftlichen Notwendigkeit einer klaren Regelung vorbei. Nach dem vorliegenden Entwurf soll es Zahnärzten künftig gestattet sein, mit dem Patienten entsprechende Zahlungsvereinbarungen zu treffen. In dem Entwurf 31 heißt es unter anderem
28 29 30 31
OLG München, Urteil vom 11.05.1995 – 1 U 5547/94. Bayerische Landeszahnärztekammer, GOZ-Fibel, S. 34. OLG München, Urteil vom 11.05.1995 – 1 U 5547/94. Entwurf einer Honorarordnung der Zahnärzte (HOZ) – Autonome Honorarrichtlinie – Stand August 2007.
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B. Unternehmerische Strategien und ärztliche Rechts- und Standespflichten
§ 6 Fälligkeit und Rechnungslegung (1) Das Honorar und die Auslagen werden nach der Rechnungslegung fällig. Eine Rechnungslegung ist nach Abschluss der Behandlung oder nach Erbringung einer abgeschlossenen Teilleistung möglich. …. (2) ….. (3) Der Zahnarzt kann mit dem Patienten bzw. Zahlungspflichtigen für das voraussichtlich entstehende Honorar und die Auslagen eine Vorauszahlung vereinbaren. Sollte diese Honorarordnung in der vorliegenden Fassung in Kraft treten, dann müssten sich zumindest die Zahnärzte unter Ihnen über diesen Punkt den Kopf nicht mehr zerbrechen. Sicherlich ist die Situation in der Zahnarztpraxis eine ganz Besondere. Gerade die Verauslagung von Fremdkosten sowie hohe eigene Materialkosten rechtfertigen das Verlangen nach einer angemessenen Abschlagszahlung. Solange keine neue Gebührenordnung für Zahnärzte existiert, die diesen heiklen Punkt eindeutig regelt, müssen Sie sich als Zahnarzt weiterhin auf dem juristisch dünnen Eis bewegen, wenn Sie eine Abschlags- oder Teilzahlung mit Ihrem Patienten vereinbaren wollen. Das gilt umso mehr für Ärzte, bei denen derzeit keine Neuregelung in Sicht ist. 2.
Ist das Verlangen nach einer Vorauszahlung unmoralisch?
Gleichzeitig hielt sich über einen langen Zeitraum die Auffassung, das Verlangen nach einem Vorschuss verstoße gegen Standesrecht32 und sei zudem mit dem ärztlichen Berufsethos nicht zu vereinbaren. Es gibt keine Norm, die es Ihnen ausdrücklich verbieten würde, mit dem Patienten eine Zahlungsvereinbarung zu schließen, die eine Vorschussleistung zum Inhalt hat. Im Hinblick auf die unsichere Rechtslage legen daher einige Autoren den Ärzten eine unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten absolut nachvollziehbare Empfehlung nahe33: Bei begründeten Zweifeln an der Zahlungsfähigkeit des Patienten sollten Sie von einer Behandlung absehen. Es gibt lediglich ein Ausnahme: Notfall- und akute Schmerzbehandlungen dürfen nicht von der Zahlung eines Vorschusses abhängig gemacht werden. Nach wie vor ist die Beziehung zwischen Arzt und Patient von ethischen Verhaltensgrundsätzen geprägt. Zunehmend treten freilich wirtschaftliche Gesichtspunkte in den Vordergrund. Deshalb müssen die althergebrachten, starren Verhaltensgrundsätze trotzdem nicht gleich über Bord geworfen werden. Eine Anpassung an die verän32 33
So z. B. Funke, Privatärztliches Gebührenrecht, S. 39 f. Uhlenbruck/Kern in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 82 RdNr 14 mwN.
I. Prophylaktische Maßnahmen
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derten Verhältnisse ist dagegen überfällig. Ein Schritt in die richtige Richtung ist sicherlich der Entwurf zu einer neuen Honorarordnung für Zahnärzte. Bisher wurde das Verlangen nach einem Vorschuss im Sinne einer tatsächlichen Vorleistungspflicht auch unter ethischen Gesichtspunkten abgelehnt. Es widerspräche dem vom Patienten entgegengebrachten Vertrauen, wenn die ärztliche Behandlung von der Zahlung eines Vorschusses abhängig gemacht werde. Gleichzeitig sind Sie – von einigen Ausnahmen einmal abgesehen – jedoch verpflichtet, gemäß § 28 Abs. 4 SGB V von Ihren gesetzlich versicherten Patienten eine Zuzahlung in Höhe von 10 Euro je Quartal vor der Inanspruchnahme der ärztlichen Leistung zu verlangen. Der Gesetzgeber lässt Ihnen auch keine Wahl, ob Sie die Gebühr erheben oder nicht. Schon in Ihrem eigenen Interesse werden Sie auf der Zahlung bestehen, denn letztendlich geht es um Ihr Geld. Als Vertragsarzt haben Sie einen Anspruch gegen die Kassenärztliche Vereinigung auf eine Beteiligung an dem großen Topf der Gesamtvergütung. Die Praxisgebühr ist letztendlich ein Teil dieser Vergütung. Wenn Sie die Gebühr vom Patienten kassieren, dann ist das nichts anderes als eine Sonderregelung hinsichtlich des Zahlungsweges. In der Höhe, in der Sie von Ihren Patienten die Praxisgebühr kassieren, reduziert sich nämlich Ihr Anspruch gegen die Kassenärztliche Vereinigung. Sie kassieren mit der Praxisgebühr also nichts anderes als einen Vorschuss auf den Ihnen zustehenden Anteil an der Gesamtvergütung! Zur gleichen Auffassung gelangten die Richter des Sozialgerichts Köln.34 Lässt sich nun aus dieser vom Gesetzgeber „verordneten“ Vorschusspflicht des Versicherten, generell die Zulässigkeit eines Vorschussverlangens herleiten? Sicherlich kann man es sich nicht ganz so einfach machen. Der Vorschuss in Höhe von 10 Euro kann, gemessen an dem Honorar, das Sie für die Behandlung des einzelnen Patienten am Ende des Quartals erhalten, sehr viel oder sehr wenig sein. Diese Vorschussleistung erfüllt daher nicht die Kriterien eines „angemessenen“ Vorschusses, wie er in anderen Branchen üblich ist. Das ist im Ergebnis auch richtig, denn schließlich sollte mit der Einführung der Praxisgebühr ein ganz anderer Zweck erfüllt werden: Jeder gesetzlich versicherte Patient soll in angemessener Weise an den Kosten der Behandlung beteiligt werden. Vom Sinn und Zweck der Regelung her wollte der Gesetzgeber mit Einführung der Praxisgebühr keinen Freibrief für ein Vorschussverlangen erteilen. Man mag zu dieser Regelung stehen, wie man will. Eines hat sie dennoch bewirkt: Das Argument, einen Vorschuss auf die ärztliche Leistung zu verlangen, lässt sich jetzt nicht mehr mit ethischen Grundsätzen so einfach vom Tisch wischen. Wenn nun sogar zulässig ist, die (weitere) Behandlung des Patienten von einer Abschlagszahlung abhängig zu machen, dann dürfte das Verlangen nach einem Vorschuss gegenüber der Einstellung der weiteren Behandlung aus der Sicht des Patienten das „kleinere Übel“ sein. Es spricht also Vieles dafür, dass auch in der ärztlichen Praxis der angemessene Vorschuss auf ärztliche Leistungen als Sicherungsinstrument Einzug halten wird. Solange der Gesetzgeber allerdings keine eindeutige Regelung hinsichtlich der Zulässigkeit schafft, bewegen Sie sich als Arzt mit einem 34
SG Köln, Urteil vom 10.03.2004 – S 19 KA 5/04.
18
B. Unternehmerische Strategien und ärztliche Rechts- und Standespflichten
Verlangen nach einem Vorschuss auf ziemlich dünnem Eis. Bis zu einer endgültigen Regelung durch den Gesetzgeber oder einer höchstrichterlichen Entscheidung sollten Sie von diesem Sicherungsinstrument daher besser Abstand nehmen. 3.
Wie sollte eine korrekte Teilzahlungsvereinbarung aussehen?
Es bleibt also zunächst dabei, dass Sie als Arzt oder Zahnarzt vorleistungspflichtig sind. Trotzdem können Sie Ihre Risiken reduzieren, indem Sie bereits vor Behandlungsbeginn bei einer aufwendigeren Behandlung mit dem Patienten eine Teil- oder Abschlagszahlung vereinbaren. Auf diese Möglichkeit werden Sie nicht bei jedem Patienten und jeder Gelegenheit zurückgreifen wollen. Es gibt freilich ein paar typische Situationen, in denen Sie ernsthaft darüber nachdenken sollten, ob die Vereinbarung eines Sicherungsinstruments nicht von Vorteil wäre: ⓦ ⓦ
ⓦ ⓦ
Sie behandeln einen Ihnen bislang unbekannten Patienten. Der Patient hat sich in der Vergangenheit bereits als unzuverlässig erwiesen und Sie mussten deshalb schon mehrfach auf Ihr Honorar warten oder es ist sogar noch eine Rechnung offen. Die angestrebte Behandlung wird umfangreich und kostenintensiv. Sie müssen selbst für Auslagen (Laborkosten, Material etc.) in erheblichem Umfang in Vorkasse treten.
Allerdings unterliegt eine solche Vereinbarung gewissen Einschränkungen. Sofern Sie sich für die Vereinbarung einer Teil- oder Abschlagszahlung mit Ihren Patienten entscheiden, müssen Sie sich freilich darüber im Klaren sein, dass Sie sich bis auf Weiteres auf rechtlich ungesichertem Terrain bewegen. Deshalb sollten Sie unbedingt eine schriftliche Vereinbarung mit dem Privatpatienten oder Selbstzahler treffen, die folgende Punkte beinhaltet: Führen Sie die voraussichtlichen Gesamtkosten der Behandlung detailliert auf bzw. nehmen Sie auf einen bereits erstellten Kostenvoranschlag mit Datum und Höhe der veranschlagten Kosten Bezug. Legen Sie die Termine für die zu leistenden Zahlungen unmissverständlich fest, indem Sie die Behandlungsabschnitte und die jeweils in diesem Abschnitt anfallenden Kosten klar definieren. Weisen Sie den Patienten in der Vereinbarung ausdrücklich darauf hin, dass die Regelung abweichend von den Vorschriften des Dienstvertragsrechts, insbesondere der Regelung des § 614 BGB, geschlossen wird. Ob eine solche Vereinbarung im Hinblick auf die bisherige Rechtslage letztendlich einer gerichtlichen Überprüfung standhalten wird, muss dahingestellt bleiben. Das bereits ergangene Urteil des OLG München ist keine Garantie dafür, dass in einem vergleichbaren Fall die Richter eine gleichlautende Entscheidung fällen.
I. Prophylaktische Maßnahmen
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Eine Vereinbarung mit dem Patienten können Sie wie folgt formulieren: Praxis Dr. Max Mustermann Musterstraße 3 12345 Musterort Vorauszahlungsvereinbarung Zwischen Dr. Max Mustermann, Musterstraße 3, 12345 Musterort und [Name und Anschrift Patient] wird folgende Vereinbarung getroffen: Herr / Frau [Name Patient] hat Herrn / Frau [Dr. Max Mustermann] mit einer umfangreichen [nähere Bezeichnung] Behandlung beauftragt. Die Kosten der Behandlung belaufen sich gemäß dem Kostenvoranschlag vom [Datum] auf ca. [Betrag] Euro. In Abweichung von § 614 BGB und § 10 GOZ35 bzw. § 12 GOÄ vereinbaren die Vertragsparteien im Hinblick auf die entstehenden Behandlungskosten eine Teil- / Abschlagszahlung in Höhe von [Betrag] Euro. Die Teil- / Abschlagszahlung / en ist / sind [jeweils] fällig am [Datum der einzelnen Zahlungen]. Die Vertragsparteien sind sich einig darüber, dass die Teil- / Abschlagszahlungen unabhängig von den Erstattungsleistungen des Versicherers zu leisten sind. Ort, Datum Unterschrift Dr. Max Mustermann
Unterschrift Patient
Gerade weil sich die Beziehung zwischen Arzt und Patient nicht auf eine rein geschäftliche reduzieren lässt, gehört es zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit, dass auch die finanziellen Risiken angemessen verteilt werden. Welcher Teilzahlungsbetrag im einzelnen Fall angemessen ist, liegt letztendlich in Ihrem Ermessen. Eine Orientierungshilfe bietet Ihnen einerseits die Musterberufsordnung im Zusammenhang mit der Honorarvereinbarung. Nach der Vorschrift des § 12 Abs. 1 Satz 4 MBO soll der Arzt bei einer Honorarvereinbarung die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Zahlungspflichtigen berücksichtigen. Auf der anderen Seite
35
Die Vorschrift wird möglicherweise durch eine neue Regelung in der Honorarordnung für Zahnärzte ersetzt.
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B. Unternehmerische Strategien und ärztliche Rechts- und Standespflichten
wird sich die Vereinbarung an den Risiken eines drohenden Zahlungsausfalls orientieren müssen.36
II.
Unternehmerische Strategien und ärztliche Schweigepflicht – ein Konflikt?
Unternehmerisches Denken und Handeln in der Arztpraxis hält freilich noch eine weitere Herausforderung für Sie bereit. Während andere Unternehmer erst im „Worst Case“ eine Entscheidung treffen müssen, ob und ggf. welchen Dienstleister sie mit der weiteren Forderungsbeitreibung beauftragen wollen, wenn der Kunde zum vereinbarten Termin nicht zahlt, müssen Sie als Arzt vorausschauend agieren. Solange Sie das Mahnwesen in die eigene Hand nehmen, steht einem effektiven Forderungsmanagement nichts im Wege. Bei einer Auslagerung an einen externen Dienstleister wird es dagegen schon schwieriger. Es ist dabei völlig gleichgültig, ob Sie an die Einschaltung einer ärztlichen Verrechnungsstelle, eines Inkassounternehmens oder eines Anwalts denken. Einer schnellen und unkomplizierten Forderungsbeitreibung durch Dritte steht ein grundlegender Pfeiler, auf dem die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Arzt und Patient beruht, zunächst einmal im Wege: die ärztliche Schweigepflicht.
1.
Die ärztliche Schweigepflicht – eine Standes- und Rechtspflicht
Das Vertrauen des Patienten in den Arzt und eine effektive medizinische Behandlung sind untrennbar mit dessen Verschwiegenheit verbunden. Schließlich werden regelmäßig höchstpersönliche Informationen vom Patienten an den Arzt weitergegeben. Der Eid des Hippokrates37 ist vermutlich die erste grundlegende Formulierung einer ärztlichen Standespflicht, die den Ärzten des antiken Griechenland neben der Schweigepflicht weitere Verhaltensregeln auferlegte. Die Verletzung dieser Standesregeln zog damals freilich noch keine strafrechtlichen Konsequenzen nach sich. Einer strafrechtlichen Sanktion unterliegt die Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht erstmals mit dem Inkrafttreten des Preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794.38 Knapp achtzig Jahre später wird sie als eigenständige Norm in das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich aufgenommen. In nahezu unveränderter Form unterliegt sie heute im Rahmen der Verletzung von Privatgeheimnissen gemäß
36
37
38
Wie Sie die Risiken einschätzen können, zeigt Ihnen der Abschnitt „Der Patient, das unbekannte Wesen – die Bonitätsprüfung im Praxisalltag“ ab Seite 50. Der Eid des Hippokrates ist nach dem griechischen Arzt Hippokrates von Kós benannt, wahrscheinlich ist er aber nicht der Urheber dieser Formulierungen. LK-Jähnke, Kommentar zum Strafgesetzbuch, § 203 StGB.
II. Unternehmerische Strategien und ärztliche Schweigepflicht – ein Konflikt?
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§ 203 Abs. 1 StGB der strafrechtlichen Verfolgung. Heute hat die Vorschrift folgenden Wortlaut: § 203 StGB (1)Wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis … offenbart, das ihm als 1. Arzt, Zahnarzt, Tierarzt, Apotheker oder Angehöriger eines anderen Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert … anvertraut worden oder sonst bekannt geworden ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe betraft. Zudem gilt die ärztliche Schweigepflicht als Ausfluss des Grundrechts eines jeden Patienten auf Achtung seiner Intimsphäre.39 Zusätzlich ist die ärztliche Schweigepflicht durch § 9 MBO-Ä, § 7 MBO-ZÄ bzw. den entsprechenden Regelungen der Landesärztekammern im Berufsrecht verankert. Nun ist der Zusammenhang zwischen ärztlicher Schweigepflicht und dem Beitreiben offener Forderungen auf den ersten Blick nicht unbedingt erkennbar. Zum Glück sind Strafverfahren gegen Ärzte aufgrund dieser Pflichtverletzung ausgesprochen selten. Dennoch sollten Sie die Konsequenzen aus der Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht nicht unterschätzen. Eine Pflichtverletzung kann selbst zivilrechtliche Folgen nach sich ziehen. Bisher hat sich die Rechtsprechung überwiegend mit der Frage auseinandergesetzt, unter welchen Voraussetzungen die Weitergabe von Patientendaten an eine ärztliche bzw. gewerbliche Verrechnungsstelle zu Abrechnungszwecken mit der ärztlichen Schweigepflicht in Einklang zu bringen ist.40 Daneben spielt ein weiterer zivilrechtlicher Aspekt eine Rolle: Der zwischen Ihnen und dem Patienten geschlossene Behandlungsvertrag beinhaltet nämlich unter anderem die ärztliche Schweigepflicht als Nebenpflicht. Deshalb kann die Verletzung dieser Verpflichtung neben straf- und berufsrechtlichen Konsequenzen auch zivilrechtliche Folgen in Form eines Schadensersatzanspruches nach sich ziehen. 2.
Die Kernfrage – was ist alles geschützt?
Zunächst einmal handelt es sich bei der Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht um ein strafrechtliches Sonderdelikt, denn nur die im Gesetz ausdrücklich erwähnten Berufsgruppen wie beispielsweise Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker oder An39
40
Siehe dazu die grundlegende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, BVerfGE 32, S. 373 ff, 379, 390. Welche unangenehmen Folgen eine fehlende Patienteneinwilligung haben kann, erfahren Sie im Abschnitt „Die Folgen einer fehlenden Einwilligungserklärung “ ab Seite 202.
22
B. Unternehmerische Strategien und ärztliche Rechts- und Standespflichten
gehörige eines anderen Heilberufes, für deren Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erforderlich ist, kommen als Täter dieses Deliktes überhaupt in Betracht. Neben den ausdrücklich im Gesetzestext genannten Vertretern verschiedener Heilberufe unterliegen weitere Berufsgruppen der Schweigepflicht. Dabei berücksichtigt der Gesetzgeber durchaus, dass bei den in § 203 Abs. 1 StGB genannten Berufsgruppen unterschiedliche Geheimhaltungsinteressen bestehen. So lässt die Neuregelung des § 49b Abs. 4 BRAO ausdrücklich die Abtretung einer anwaltlichen Vergütungsforderung an einen anderen Rechtsanwalt oder eine rechtsanwaltliche Berufsausübungsgemeinschaft zu. Damit macht der Gesetzgeber eines deutlich: Das Geheimhaltungsinteresse eines Patienten ist deutlich höher zu bewerten als das eines Mandaten. Die Klärung der dem Anwalt vorgelegten rechtlichen Fragen ist in der Regel „nur“ von wirtschaftlicher Bedeutung, auch wenn der Ausgang eines Rechtsstreits in dem einen oder anderen Fall existenziell sein mag. Die Geheim- und Individualsphäre des Patienten steht damit eindeutig als geschütztes Rechtsgut im Vordergrund. Damit sind nicht nur alle Informationen, die im Zusammenhang mit der ärztlichen Behandlung stehen, geschützt, wie die Art der Erkrankung und deren Verlauf, die Diagnose oder Therapie. Darüber hinaus werden all diejenigen persönlichen, familiären, beruflichen oder finanziellen Dinge, die Ihnen der Patient im Rahmen der Behandlung auch nur beiläufig mitgeteilt hat und die nicht unbedingt in einem direkten Zusammenhang mit der Erkrankung stehen, erfasst. Der Schutzzweck der Norm geht sogar noch ein Stück weiter: Er umfasst gleichzeitig ganz allgemein das Interesse aller in die Verschwiegenheit des Arztes. Eine Tathandlung im Sinne des § 203 StGB liegt also immer dann vor, wenn ein Vertreter der in der Vorschrift genannten Berufsgruppen ein Geheimnis, das dem persönlichen Lebens- und Geheimnisbereich des Betroffenen angehört, in seiner beruflichen Funktion – und nicht in der als Privatperson – anvertraut wurde, „ausplaudert“. Ein Patient erzählt Ihnen einige weniger schmeichelhafte Dinge über seine Ehefrau. Ein paar Tage später treffen Sie zufällig einen Kollegen, der die Ehefrau behandelt. Sie erwähnen dabei beiläufig ein paar harmlose Einzelheiten aus dem Gespräch, die Ihnen der Patient über seine Frau erzählt hat. Damit haben Sie bereits Ihre ärztliche Schweigepflicht in mehrfacher Hinsicht verletzt.
Bei den Geheimnissen muss es sich nämlich nicht unbedingt um gravierende Dinge handeln. Vielmehr fallen alle Tatsachen, an deren Geheimhaltung der Patient ein Interesse hat, darunter. In unserem Beispiel wird der Patient ein höchst persönliches Interesse daran haben, dass die Ihnen anvertrauten Einzelheiten nicht zum Gesprächsthema Dritter werden. Deshalb ist es auch nachvollziehbar, weshalb in der juristischen Fachliteratur und der Rechtsprechung schon allein der Name des Patienten als genauso schützenswert betrachtet wird wie der Umstand, dass der Patient Ihre Praxis aufgesucht hat.41
41
Dazu auch Ulsenheimer in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 70 RdNr 1.
II. Unternehmerische Strategien und ärztliche Schweigepflicht – ein Konflikt?
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42
Die Schweigepflicht gilt selbst gegenüber Familienangehörigen. Deshalb dürfen Sie Rechnungen, die in der Regel auch die Diagnose beinhalten, immer nur an den Patienten, nicht jedoch an den hauptversicherten Ehepartner versenden!42 Wenn Sie nun das lästige Erstellen der Rechnungen und das Mahnwesen künftig lieber Dritten überlassen wollen, dann kommen Sie nicht umhin, die wichtigsten Patientendaten wie Namen und Anschrift, den Rechtsgrund der Forderung (Behandlungsvertrag), die Diagnose und zumindest den Rechnungsbetrag an den Dienstleister zu übermitteln. Jetzt stehen Sie vor einem Problem. Auf der einen Seite haben Sie ein berechtigtes und nachvollziehbares Interesse daran, Ihr Honorar für die erbrachte ärztliche Leistung zu erhalten, auf der anderen Seite sitzt Ihnen die ärztliche Schweigepflicht als straf-, zivil- und standesrechtliche Norm im Nacken. Mit diesem Interessenkonflikt mussten sich die Gerichte schon mehrfach auseinandersetzen. Die klare Linie in den Entscheidungsbegründungen lässt sich aufgrund der vorangegangenen Ausführungen gut nachvollziehen. Der Schutz der Geheim- und Individualsphäre des Patienten hat oberste Priorität, selbst wenn es darum geht, dass Sie als Arzt Ihre berechtigen Forderungen gegen den Patienten geltend machen wollen. In das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient werde zwangsläufig eingegriffen, wenn ein Dritter die vom Arzt zum Zwecke der Abrechnung oder Beitreibung an einen Außenstehenden abgegebene Honorarforderung nun beim Patienten geltend mache. In diesem Falle könnte der Patient sowohl in einer vorgerichtlichen Auseinandersetzung als auch in einem Prozess gezwungen sein, gegenüber dem Dritten Einwände gegen die Honorarabrechnung vorzubringen und bisher lediglich dem Arzt bekannte Einzelheiten aus der Vorgeschichte oder der Behandlung offenzulegen.43 Die ärztliche Schweigepflicht lässt es daher grundsätzlich nicht zu, dass Sie Dritten personenbezogene Daten Ihrer Patienten übermitteln, und sei es auch nur, um eigene Interessen wie die Geltendmachung einer Honorarforderung durchzusetzen.
3.
Keine Regel ohne Ausnahmen – die sogenannten Erlaubnistatbestände
Selbst ein Verhalten, das grundsätzlich verboten ist, kann unter Einhaltung ganz enger Voraussetzungen verschiedene Ausnahmen zulassen. Damit sind die sogenannten Erlaubnistatbestände gemeint. Liegt ein solcher Erlaubnistatbestand vor, dann ist der an sich vom Gesetzgeber untersagte Bruch der ärztlichen Schweigepflicht gerechtfertigt oder entschuldigt und folglich nicht strafbar. Es gibt eine Reihe von Gründen, weshalb ein Bruch der Schweigepflicht vertretbar sein kann. 42 43
Schlund in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 75 RdNr 34. So die Begründung des BGH, Urteil vom 10.07.1991 – VIII ZR 296/90 = BGHZ 115, 123 = NJW 1991, S. 2955.
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B. Unternehmerische Strategien und ärztliche Rechts- und Standespflichten
So dürfen Patientendaten an Dritte weitergegeben werden, sofern dies durch eine gesetzliche Vorschrift, die beispielsweise eine ausdrückliche Meldepflicht44 beinhaltet, oder einen Rechtfertigungsgrund wie eine Einwilligung oder die mutmaßliche Einwilligung des Patienten oder einen rechtfertigenden Notstand gemäß § 34 StGB legitimiert ist.
ⓦ
ⓦ
ⓦ
a)
Gesetzliche Vorschriften als Erlaubnistatbestand
Bei der Abrechnung Ihrer ärztlichen Leistungen aus der Behandlung gesetzlich versicherter Patienten ist die Weitergabe von Patientendaten unumgänglich. Eine Reihe von gesetzlichen Vorschriften erlauben es Ihnen in diesem Fall ausdrücklich, Patientendaten zu Abrechnungszwecken weiterzugeben. Diese gesetzlichen Befugnisse finden sich unter anderem im SGB V hinsichtlich der vertragsärztlichen Versorgung, insbesondere bezüglich der Datenübermittlung an die Kassenärztliche Vereinigung und der Übermittlung der Daten an die Krankenkassen oder den medizinischen Dienst. Sofern Sie Patientendaten unter diesen Voraussetzungen an die in den verschiedenen Vorschriften genannten Einrichtungen übermitteln, befinden Sie sich auf der sicheren Seite. Die genannten Vorschriften des SGB V gelten lediglich im Hinblick auf die Abrechnung von Kassenleistungen. Weit und breit ist freilich keine gesetzliche Regelung in Sicht, die es Ihnen ausdrücklich erlauben würde, die Daten von selbstzahlenden Patienten zum Zwecke des Forderungseinzugs an Dritte weiterzuleiten. Gesetzliche Erlaubnistatbestände helfen Ihnen deshalb an dieser Stelle nicht weiter. b)
Die Einwilligung des Patienten als Rechtfertigungsgrund
Aufgrund eines fehlenden gesetzlichen Erlaubnistatbestandes bleibt Ihnen daher nichts anderes übrig, als auf die Einwilligung des Patienten in die Weitergabe seiner Daten als Rechtfertigungsgrund zu setzen. Schließlich kann der Patient über die Weitergabe der Ihnen als Arzt anvertrauten Tatsachen bestimmen und Sie von der Schweigepflicht entbinden. Das Einholen einer Patienteneinwilligung ist freilich nicht nur lästig, sondern kostet Zeit und damit letztendlich Geld. Zudem müssen Sie jeden Tag schon genug Verwaltungsaufwand in Ihrer Praxis betreiben. Was liegt daher näher, als nach Möglichkeiten zu suchen, die eine ausdrückliche Einwilligung des Patienten entbehrlich machen. Die Einwilligung muss nämlich nicht unbedingt ausdrücklich erfolgen, sondern der Patient kann auch stillschweigend in die Weitergabe seiner Patientendaten einwilligen. Selbst eine mutmaßliche Einwilligung würde Ihnen die Arbeit wesentlich erleichtern.
44
Gesetzliche Meldepflichten enthalten unter anderem das Geschlechtskrankheitengesetz, das Infektionsschutzgesetz, das Schwangerschafts-Konflikt-Gesetz, der BMV-Ä oder das SGB VII.
II. Unternehmerische Strategien und ärztliche Schweigepflicht – ein Konflikt?
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Das Problem wäre also bereits gelöst, wenn man von einer stillschweigenden Einwilligung des Patienten in die Weitergabe seiner Behandlungsdaten ausgehen könnte. Schließlich werden selbst die Daten des Kassenpatienten zu Abrechnungszwecken weitergegeben. Man könnte nun argumentieren, dass die Abrechnung privatärztlicher Leistungen durch Dienstleister außerhalb der Arztpraxis inzwischen üblich und so selbstverständlich ist, dass es keiner besonderen Erlaubnis durch den Patienten mehr bedürfe. Im Gegensatz zu kassenärztlichen Leistungen, die nur einen einzigen Abrechnungsweg erlauben, stehen Ihnen bei der Liquidation und anschließenden weiteren Verfolgung Ihrer privatärztlichen Leistungen ganz unterschiedliche Abrechnungswege zur Verfügung. Sie können die Arbeit entweder selbst erledigen, eine ärztliche Verrechnungsstelle damit beauftragen oder nach erfolgter Liquidation lediglich ausgewählte Fälle einem externen Dienstleister zur weiteren Bearbeitung übertragen. Mit der Frage, ob aus Sicht des Patienten die Auslagerung des gesamten Abrechnungs- und Mahnwesens auf einen externen Dienstleister als „Normalfall“ betrachtet werden kann, hat sich der Bundesgerichtshof bereits vor längerer Zeit auseinandergesetzt. In seiner Entscheidung45 ist der Senat letztendlich zu der Auffassung gelangt, dass ein Patient nicht ohne weiteres mit der Einschaltung einer gewerblichen Verrechnungsstelle rechnen müsse. Die Richter argumentierten, der Abrechnungsweg über einen externen Dienstleister sei bislang nicht in dem Umfang zur Regel geworden, dass von einer Verkehrssitte gesprochen werden könne. Diese grundlegende Entscheidung stammt freilich aus dem Jahr 1991. An dieser Rechtsprechung hat sich bis heute nichts geändert, obwohl die Verhältnisse heute anders sind. Die wirtschaftlichen Risiken in der Arztpraxis sind schon allein deshalb gestiegen, weil die Summe aus den Einnahmen kassenärztlicher Leistungen zurückgehen und mit dem zwangsläufig wachsenden Anteil an Erlösen aus den Privatliquidationen das Delkredererisiko steigt. Die Notwendigkeit, offene Rechnungen mit Nachdruck zu bearbeiten, ist sicherlich inzwischen weitaus größer als noch vor ein paar Jahren. Die Beauftragung eines Dienstleisters mit der Abwicklung des gesamten Abrechnungswesens dürfte deshalb heute „üblicher“ sein als zum Zeitpunkt der Urteilsbegründung. Das ändert jedoch nichts an der bestehenden Rechtsprechung. Es bleibt also dabei, dass Sie nicht von einer stillschweigenden Einwilligung des Patienten ausgehen dürfen. Nach überwiegender Auffassung in der Rechtsprechung46 gilt dies selbst dann, wenn der Patient bereits zu einem früheren Zeitpunkt Rechnungen eines Arztes durch eine Verrechnungsstelle erhalten und ohne Widerspruch bezahlt hat. Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass auch eine stillschweigende Einwilligung „eine bewusste und freiwillige Gestaltung der Weitergabe von Patientendaten“ erfordere. Dazu reiche es eben nicht aus, wenn der Patient eine Abrechnungspraktik einfach hinnehme oder bloß dulde.
45 46
BGH, Urteil vom 10.07.1991 – VIII ZR 296/90 = BGHZ 115, 123 = NJW 1991, S. 2955. BGH, Urteil vom 20.05.1992 – VIII ZR 240/91 = NJW 1992, S. 2348.
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B. Unternehmerische Strategien und ärztliche Rechts- und Standespflichten
Auf eine stillschweigenden Einwilligung des Patienten in die Weitergabe seiner Daten können Sie daher nicht setzen. Es müssen deshalb andere Maßnahmen her, um an die erforderliche Einwilligung zu gelangen. Not macht bekanntlich erfinderisch. Um sich das lästige und aufwendige Einholen einer Einwilligungserklärung von jedem einzelnen Patienten zu ersparen, schritten verschiedene Ärzte nach Bekanntwerden der ersten höchstrichterlichen Entscheidungen zu dieser Frage zur Tat. Sie hängten daraufhin in ihrer Praxis Schilder auf, auf denen sie ausdrücklich auf die Abrechnung der privat zu liquidierenden Honorare durch eine Verrechnungsstelle hinwiesen. Die Ärzte waren der Ansicht, die Patienten hätten durch diese Maßnahme ausreichend Gelegenheit, von der mit dem Outsourcing zwingend verbundenen Weitergabe ihrer Daten ausreichend Kenntnis zu erlangen. Auch mit diesem Versuch, sich die Einholung einer ausdrücklichen Einwilligung zu ersparen, sind die betroffenen Ärzte gescheitert. Das OLG Düsseldorf47 brachte erhebliche Einwände gegen diese Praktiken vor. Es wandte in seiner Begründung unter anderem ein, dass eine mutmaßliche Einwilligung schon deshalb nicht in Betracht käme, weil der Patient dazu entweder eine klare, erkennbare Äußerung abgeben müsse, kein Interesse an der Wahrung seiner Patientendaten zu haben, oder er könne, aus welchem Grund auch immer, nicht rechtzeitig zu dieser Sache befragt werden. Zudem sei es die Aufgabe des Arztes oder des Krankenhauses, die Zustimmung in eindeutiger und unmissverständlicher Weise beim Patienten einzuholen, und nicht Sache des Patienten, sich stets zu informieren und auf dem Laufenden zu halten, um gegebenenfalls der Weitergabe seiner Daten zu widersprechen. c)
Macht die Schweigepflicht des Dienstleisters eine Einwilligung überflüssig?
Nun könnte man argumentieren, eine ausdrückliche Einwilligung des Patienten sei schon deshalb entbehrlich, weil zumindest die privatärztlichen Verrechnungsstellen selbst der ärztlichen Schweigepflicht gemäß § 203 Abs. 1 Nr. 6 StGB unterliegen. Leider führt auch diese Folgerung nicht zum Ziel, denn die ärztliche Schweigepflicht gilt selbst unter Ärzten. Lediglich bei der Weiter- oder Nachbehandlung des Patienten durch einen anderen Arzt wird die bestehende Schweigepflicht durchbrochen. Sie kann sich dort ausnahmsweise sogar in eine Pflicht zur Zusammenarbeit umkehren, wo ein Informations- und Datenaustausch zwischen den beteiligten Ärzten notwendig ist.48 Die MBO-Ä stellt in § 9 Abs. 4 für die Mitbehandlung von Patienten klar: „Wenn mehrere Ärzte gleichzeitig oder nacheinander denselben Patienten untersuchen oder behandeln, so sind sie untereinander von der Schweigepflicht insoweit befreit, als das Einverständnis des Patienten anzunehmen ist.“ 47 48
OLG Düsseldorf, NJW 1994, S. 2421. Schlund in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 75 RdNr 2.
II. Unternehmerische Strategien und ärztliche Schweigepflicht – ein Konflikt?
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In diesem Fall ist ausnahmsweise von einem stillschweigenden Einverständnis des Patienten auszugehen, außer dieser hat der Weitergabe seiner Daten ausdrücklich widersprochen. Anders sieht es hingegen aus, wenn zwischen dem mit- bzw. weiterbehandelnden Arzt und dem Patienten kein Kontakt besteht. Ein typisches Beispiel aus der Praxis mag dies verdeutlichen: Sie veranlassen als behandelnder Arzt die Beauftragung eines Kollegen (Laborarzt, Pathologe), den der Patient nicht kennt, weil er dessen Praxis nie persönlich aufgesucht hat, mit einer Laboranalyse. Der Kollege rechnet seine Leistung durch eine Verrechnungsstelle ab, Sie führen hingegen Ihre Abrechnungen selbst durch. Deshalb sind Sie der Auffassung, dass eine Entbindung von der Schweigepflicht für die Abrechnung durch den Laborarzt nicht erforderlich sei.
Das LG Düsseldorf 49 sieht das anders. Es hat für die Leistungserbringung durch einen weiteren Arzt in seiner Entscheidung klargestellt, dass auch in diesem Fall der betroffene Patient ausdrücklich über die Hinzuziehung des Kollegen informiert werden muss, sofern die Proben zusammen mit den Patientendaten übermittelt werden, was meist der Fall sein wird. 50 Wenn schon die Weitergabe von patientenbezogenen Daten unter Kollegen nur unter sehr engen Voraussetzungen erlaubt ist, dann ist die Weitergabe an eine ärztliche Verrechnungsstelle ohne Einwilligung des Patienten unter dem Gesichtspunkt des § 203 Abs. 1 Nr. 6 StGB erst recht verwehrt.50 d)
Raum für eine Notstandsregelung?
Im Rahmen der Wahrung Ihrer eigenen (Vermögens-)Interessen ist es Ihnen als schweigepflichtigem Gläubiger unter ganz engen Voraussetzungen gestattet, Ihre Honorarforderung auf gerichtlichem Wege geltend zu machen.51 Diesen dürfen Sie freilich nur dann beschreiten, wenn Ihre eigenen außergerichtlichen Maßnahmen zur Durchsetzung der Forderung ohne Erfolg geblieben sind. Selbst unter diesem Gesichtspunkt muss die Offenbarung der Patientendaten ein angemessener Schritt im Verhältnis zu Ihrem Interesse als Gläubiger sein. Sozusagen als letztes Mittel zur Geltendmachung Ihrer Honorarforderung ist es Ihnen deshalb ausnahmsweise erlaubt, die Behandlungsdaten des Patienten ohne dessen Einwilligung an einen Rechtsanwalt weiterzugeben, der die Forderung in Ihrem Namen auf dem Prozessweg oder außergerichtlich geltend macht. Dies gilt auch dann, wenn Sie die Forderung selbst auf gerichtlichem Wege geltend machen wollen und hierzu die patientenbezogenen Daten an das Gericht weitergeben. Dieser „Notnagel“ hilft Ihnen jedoch nicht weiter, wenn es darum geht, eine Verrechnungsstelle mit der Abrechnung und dem anschließenden Einzug der Forderung zu beauftragen. Selbst wenn Ihre finanzielle Not groß sein sollte und Sie die offenen 49 50
51
LG Düsseldorf, Urteil vom 03.11.1995 – 20 S 58/95. Im Ergebnis bereits schon BGH, Urteil vom 10.07.1991 – VIII ZR 296/90 = BGHZ 115, 123 = NJW 1991, S. 2955. BGH, Urteil von 10.07.1991 – VIII ZR 296/90 = BGHZ 115, 123 = NJW 1991, S. 2955.
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B. Unternehmerische Strategien und ärztliche Rechts- und Standespflichten
Rechnungsbeträge so schnell als möglich auf Ihrem Konto benötigen, die Regeln über den rechtfertigenden Notstand helfen nicht weiter. Grundsätzlich ist zwar jedes Rechtsgut notstandsfähig, also auch Ihr Vermögen, zu dem die noch offenen Forderungen gegen Ihre Patienten gehören. Es fehlt allerdings an einem wesentlichen Merkmal. Ihr Rechtsgut „Vermögen“ befindet sich nämlich nicht in einer akuten Gefahr, die es rechtfertigen würde, Ihre ärztliche Schweigepflicht zu verletzen. Das klingt auf den ersten Blick ein wenig unverständlich. Schließlich müssen Sie jederzeit damit rechnen, dass einer Ihrer Patienten die Rechnung nicht begleicht. In dem Augenblick, in dem Sie die Daten an die Verrechnungsstelle weiterleiten, können Sie freilich nicht wissen, ob Ihr Patient zahlungsfähig und –willig ist. Deshalb besteht zum Zeitpunkt der Datenweitergabe zwar eine potenzielle Gefahr für Ihr Vermögen, weil die Forderung ausfallen könnte, das reicht jedoch für eine Notstandssituation im Sinne des § 34 StGB nicht aus. Die Notstandsregelung greift nämlich nur dann, wenn es sich um eine „gegenwärtige“ Gefahr handelt. 4.
Eine unabdingbare Voraussetzung – die Einwilligung des Patienten
Bevor Sie einen Dritten mit der Bearbeitung Ihrer Honorarforderungen beauftragen, bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als sich von Ihren Patienten die erforderliche Einwilligung einzuholen. Dies gilt ganz unabhängig davon, ob es sich bei dem externen Dienstleister um eine gewerbliche Abrechnungsstelle oder eine berufsständische Organisation52 handelt.53 Doch nicht jede beliebig formulierte Einwilligungserklärung ist hieb- und stichfest und schützt Sie im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung vor den unangenehmen Folgen. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat im Laufe der Jahre sehr konkrete Anforderungen an eine wirksame Einwilligungserklärung entwickelt. a)
Was muss eine wirksame Einwilligungserklärung beinhalten?
Häufig erhalten Sie von der beauftragten Verrechnungsstelle bereits vorformulierte Vordrucke. Prüfen Sie daher als Erstes, ob die von Ihnen verwendete Einwilligungserklärung den von der Rechtsprechung54 entwickelten Anforderungen entspricht. Nach diesen Grundsätzen muss der Patient ⓦ
eine im Wesentlichen zutreffende Vorstellung darüber haben, worin er einwilligt. Mit anderen Worten: Er muss konkret wissen, was mit seinen Daten geschieht.
52
Zur unterschiedlichen rechtlichen Gestaltung privatärztlicher und gewerblicher Verrechnungsstellen siehe im Abschnitt „Wie arbeiten ärztliche Verrechnungsstellen und was leisten sie?“ ab Seite 175. BGH, Urteil vom 23.06.1993 – VIII ZR 226/92. Grundlegend hierzu die Entscheidungen des BGH, Urteil vom 10.07.1991 – VIII 296/90 = BGH NJW 1991, S. 2955 = BGHZ 115, S. 123, sowie BGH, Urteil vom 20.05.1992 – VIII ZR 240/91 = ArztR 1992, S. 329, und OLG Karlsruhe, Urteil vom 15.10.1997 – 13 U 8/96.
53 54
II. Unternehmerische Strategien und ärztliche Schweigepflicht – ein Konflikt?
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die Bedeutung und die Tragweite seiner Entscheidung überblicken können. Konkret: Ein Dritter erfährt etwas über seine Erkrankungen und die Art der Behandlung. wissen, aus welchem Anlass und mit welcher Zielsetzung er welche Personen von ihrer Schweigepflicht entbindet. Konkret: Die Daten werden ausschließlich zu dem Zweck weitergegeben, um die Honorarnote zu erstellen und die Forderung, soweit erforderlich, auf dem gerichtlichen oder außergerichtlichen Weg geltend zu machen. Er muss über die Art und den Umfang der Einschaltung des Dritten unterrichtet werden. Konkret: Werden die Forderungen an die Verrechnungsstelle abgetreten55, dann ist künftig der Dienstleister Ansprechpartner in allen Abrechnungsfragen und nicht mehr der behandelnde Arzt. Werden die Patientendaten hingegen nur zum Zwecke der Abrechnung übertragen, dann kann er sich auch weiterhin in Abrechnungsfragen an Sie wenden.
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Sofern Sie die Forderung im Wege des Factorings an eine Verrechnungsstelle übertragen haben, reichen Formulierungen wie „ein Dritter sei mit der Abwicklung privatärztlicher Honorarforderungen beauftragt worden“ und „die Übertragung der Patientendaten halte sich im aufgezeigten Rahmen“56 oder die Verrechnungsstelle sei „mit der Abwicklung von Patientenrechnungen beauftragt worden“57 nicht aus. Hier fehlt nämlich der konkrete Hinweis darauf, dass die Verrechnungsstelle nicht nur mit der Rechnungsstellung beauftragt wurde, sondern die Forderung abgetreten wird. Die Tragweite der Entscheidung wird daraus nicht klar, denn der Patient kann aus der Formulierung nicht entnehmen, dass Sie im Falle einer Einwendung gegen das in Rechnung gestellte Honorar nicht mehr sein Ansprechpartner sind.58 Damit der Patient weiß, mit wem er es bei Ihrer Honorarabrechnung zu tun hat, sollten Sie daher klarstellen, welche Abrechnungsstelle Sie beauftragen werden und welche Aufgaben und Befugnisse Sie ihr erteilt haben.
ⓦ ⓦ
Dennoch reichen diese Angaben nicht in allen Fällen aus. Beabsichtigt die Verrechnungsstelle nämlich eine Weitergabe der Patientendaten an ein Drittunternehmen, dann muss die Einwilligungserklärung zusätzlich auf die Weiterleitung der personenbezogenen Daten an den Dritten ausgedehnt werden. Das AG Viersen59 hatte sich mit einem Fall zu beschäftigen, in dem eine ärztliche Verrechnungsstelle die ihr von den einzelnen Ärzten durch Factoring erworbenen 55
56 57 58 59
Was eine Forderungsabtretung konkret bedeutet und welche rechtlichen Konsequenzen damit verbunden sind, erfahren Sie im Abschnitt „Das Factoringmodell“ ab Seite 176. Siehe dazu auch die Entscheidung des OLG Karlsruhe, NJW 1998, S. 831. BGH, Urteil vom 20.05.1992 – VIII ZR 240/91 = NJW 1992, S. 2348 ff, 2350. Dazu ausführlicher im Abschnitt „Das Factoringmodell“ ab Seite 176. AG Viersen, Urteil vom 06.02.2007 – 32 C 102/04.
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B. Unternehmerische Strategien und ärztliche Rechts- und Standespflichten
Forderungen wiederum als Sicherheit an ihre Bank abgetreten hatte, welche die Vorauszahlungen an die Ärzte für den Forderungskauf finanzierte. In dem betreffenden Fall beinhaltete die Einwilligungserklärung zwar die Weitergabe der Daten an die Verrechnungsstelle. Die Patienten wurden jedoch nicht darauf hingewiesen, dass ihre Daten durch eine Forderungsabtretung an eine Bank weitergegeben wurden. Das Gericht hat aus diesem Grunde die gesamte Einwilligungserklärung als unwirksam betrachtet.60 aa)
So sollte eine wirksame Einwilligungserklärung aussehen Die Einwilligungserklärung unterliegt keinem Formzwang. Sie kann schriftlich oder mündlich61 erteilt werden und ist jederzeit widerruflich. Freilich sollten Sie schon allein aus Beweisgründen stets auf einer schriftlichen Erklärung bestehen.62
So könnte Ihre Einwilligungserklärung aussehen: Einwilligungserklärung [für eine Forderungsabtretung] Hiermit erkläre ich [Name des Patienten] ausdrücklich meine Einwilligung, dass Herr / Frau [Name des behandelnden Arztes] seine / ihre aus unseren Behandlungsverträgen entstehenden Honoraransprüche gegen mich zum Zwecke der Rechnungsstellung und Einziehung der Forderung an die [Name der Verrechnungsstelle und Anschrift] abtritt, und stimme der Mitteilung der zur Erstellung einer Honorarabrechnung erforderlichen personen- und behandlungsbezogenen Angaben, insbesondere Art und Umfang der Therapie, an die genannte Verrechnungsstelle ausdrücklich zu. Mir ist klar, dass hiermit die genannte Verrechnungsstelle Forderungsinhaberin und künftig mein ausschließlicher Ansprechpartner in allen Abrechnungsfragen ist. Meine Behandlung hängt nicht von der Erteilung der Einwilligung ab und ich kann meine Einwilligung jederzeit widerrufen. Ort und Datum Name und Unterschrift des Patienten
60
61
62
Welche Folgen eine unzureichende Einwilligungserklärung hat, erfahren Sie im Abschnitt „Die Folgen einer fehlenden Einwilligungserklärung“ ab Seite 202. Warum Sie dennoch auf einer schriftlichen Erklärung bestehen sollten, zeigt Ihnen der Abschnitt „Weitergabe von Patientendaten und der Datenschutz“ ab Seite 33. Das empfiehlt beispielsweise auch das OLG Bremen in seinem Urteil vom 18.11.1991, NJW 1992, S. 757.
II. Unternehmerische Strategien und ärztliche Schweigepflicht – ein Konflikt?
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Alternativ: Einwilligungserklärung [für die Honorarabrechnung ohne Forderungsabtretung] Hiermit stimme ich [Name des Patienten] ausdrücklich zu, dass Herr / Frau [Name des behandelnden Arztes] die zur Erstellung einer Honorarabrechnung erforderlichen personen- und behandlungsbezogenen Angaben, insbesondere Art und Umfang der Therapie, an die [Name der Verrechnungsstelle und Anschrift] weiterleitet. Meine Behandlung hängt nicht von der Erteilung der Einwilligung ab und ich kann meine Einwilligung jederzeit widerrufen. Ort und Datum Name und Unterschrift des Patienten
Nun haben Sie die Einwilligungserklärung vorbereitet und eine Verrechnungsstelle mit der anschließenden Abrechnung beauftragt. Ein Patient äußert nun Bedenken und möchte die Einwilligungserklärung nicht unterzeichnen. In diesem Fall bleibt Ihnen nur übrig, diese Abrechnung wie bisher selbst in die Hand zu nehmen. Zwar gibt es, von den Notfällen einmal abgesehen, grundsätzlich keine Behandlungspflicht beim Privatpatienten. Die Weigerung des Patienten, seine Daten zu Abrechnungszwecken an eine Verrechnungsstelle weiterzugeben, sollten Sie dennoch nicht zum Anlass nehmen, die Behandlung abzulehnen. Schließlich übt der Patient lediglich ein ihm ausdrücklich durch Gesetz eingeräumtes Recht aus! 63 bb) Der richtige Zeitpunkt für die Einwilligung
Bisher haben Sie Ihre Honorare selbst abgerechnet, Rechnungen und Mahnungen versandt. Irgendwann wird Ihnen der ganze Verwaltungsaufwand zu viel und Sie wollen auch nicht länger Ihrem Geld hinterherlaufen. Sie denken deshalb darüber nach, künftig einen externen Dienstleister mit der Abrechnung und Einziehung der Forderungen zu beauftragen. Gleichzeitig möchten Sie sich zusätzlich von den „Altlasten“ trennen, also den schon seit längerer Zeit offenen Forderungen. Schließlich verursachen sie den größten Arbeitsaufwand. Da Sie bisher Ihre Rechnungen selbst erstellt haben, brauchten Sie keine Einwilligung Ihrer Patienten zur Weitergabe ihrer Daten einzuholen. Im Rahmen des Outsourcing denken Sie nun darüber nach, ob Sie von den betroffenen Patienten im Nachhinein noch eine Einverständniserklärung einholen können. Selbst wenn Ihnen das bei den notorischen Zahlungsverzögerern gelingen sollte, macht Ihnen die Rechtsprechung einen Strich durch die Rechnung: Die Einwilligung kann nicht im Nachhinein wirksam erteilt werden.63 63
OLG Köln, Urteil vom 15.01.1992 – 27 U 98/91.
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B. Unternehmerische Strategien und ärztliche Rechts- und Standespflichten
Wenn Sie sich also erst zu einem späteren Zeitpunkt für die Zusammenarbeit mit einem externen Dienstleister entscheiden, befreit Sie das nicht von Ihren Altlasten. Auf diesen bleiben Sie zunächst einmal sitzen.64 Für die Zusammenarbeit mit einer Verrechnungsstelle müssen Sie sich zuallererst der Mühe unterziehen und vor der Behandlung eines jeden Patienten, dessen Daten Sie weiterleiten wollen, eine Einwilligungserklärung einholen. Mit dem wirksamen Einverständnis in der Hand können Sie dann die nächste Abrechnung durch die Verrechnungsstelle erstellen lassen. Hat Ihr Patient wirksam in die Abrechnung mit einer bestimmten Verrechnungsstelle eingewilligt und Sie entscheiden sich zu einem späteren Zeitpunkt zur Zusammenarbeit mit einem anderen Dienstleister, dann müssen Sie erneut tätig werden. Die vorliegende Einverständniserklärung nützt Ihnen hinsichtlich des Outsourcing an den neuen Dienstleister nichts, denn eine korrekt erstellte Einwilligungserklärung muss sich immer auf die Weitergabe der Patientendaten an eine ganz bestimmte Verrechnungsstelle beziehen. Es bleibt Ihnen daher nichts anderes übrig, als die Abrechnung der aufgelaufenen (Alt-)Rechnungen, die Sie nicht mehr an die ursprüngliche Verrechnungsstelle geben wollen, selbst vorzunehmen, denn für die neue Verrechnungsstelle hat Ihr Patient (noch) keine Einwilligungserklärung unterzeichnet. Sofern Sie die Abrechnungsstelle wechseln, müssen Sie deshalb vor der Behandlung jedes Privatpatienten bzw. Selbstzahlers eine neue Einwilligungserklärung einholen. b)
Alles bleibt im Haus – die Einziehung privatärztlicher Honorare durch den Krankenhausträger
Sofern Sie als Arzt in einem Krankenhaus tätig sind, können Sie möglicherweise Honorare für Wahlarztleistungen abrechnen. Nun stehen Sie wie Chefärzte, die ihre Honorarforderungen an das Krankenhaus zwecks Abrechnung abtreten können, vor der Frage, ob wenigstens dies ohne Einwilligung des Patienten zulässig ist. Sowohl die Vorschrift des § 22 Abs. 3 Satz 5 BPflVO als auch § 17 Abs. 3 Satz 2 KHEntgG gestattet den zur Liquidation wahlärztlicher Leistungen berechtigten Ärzten ausdrücklich, die Abrechnung der wahlärztlichen Behandlung durch das Krankenhaus durchführen zu lassen. Das LG Itzehoe65 hat den Einzug von Honoraren eines liquidationsberechtigten Krankenhausarztes durch den Krankenhausträger ohne ausdrückliche Einwilligung des Patienten für zulässig erklärt. Das Gericht begründet seine Entscheidung damit, dass in diesem Fall die Daten innerhalb des überschaubaren Bereichs des Krankenhauses verblieben und die an der Erstellung der Abrechnung beteiligten Mitarbeiter gemäß § 203 Abs. 1 StGB der Schweigepflicht unterlägen. Eine ausdrückliche Einwilligung des Patienten sei daher entbehrlich. Nach anderer Auffassung66 gehören 64
65 66
Was Sie dennoch unternehmen können, zeigen wir Ihnen im Abschnitt „Die richtige Strategie beim Mahnen“ ab Seite 112. LG Itzehoe, NJW 1993, S. 794. Schlund in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 75 RdNr 59c.
II. Unternehmerische Strategien und ärztliche Schweigepflicht – ein Konflikt?
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die Verwaltungsangestellten eines Krankenhauses nicht zwingend zu den berufsmäßig tätigen Gehilfen der dort tätigen Ärzte, was gegen eine Weitergabe der Patientendaten ohne deren Einwilligung spricht. Ganz anders sieht es hingegen aus, wenn Sie als Chefarzt ihre ambulanten privatärztlichen Leistungen, die Sie im Rahmen ihrer zulässigen (Neben-)Tätigkeit erbringen, durch den Krankenhausträger abrechnen lassen wollen. In diesem Falle stellt die durch den Chefarzt erbrachte Leistung keine Leistung des Krankenhauses dar. Folglich ist die Situation für den Patienten vergleichbar mit der ärztlichen Behandlung durch einen niedergelassenen Arzt, nur mit dem kleinen Unterschied, dass sich die Praxis eben in den Räumen eines Krankenhauses befindet. Vieles spricht deshalb dafür, bei der Abrechnung ambulanter privatärztlicher Leistungen durch Chefärzte einen strengen Maßstab anzusetzen. Zu Ihrem eigenen Schutz sollten Sie daher bei der Abrechnung ambulanter privatärztlicher Leistungen über den Krankenhausträger die gleichen Grundsätze anwenden wie bei der Rechnungserstellung durch andere Dienstleister. Patientendaten sollten Sie deshalb nur dann an den Krankenhausträger weitergeben, wenn Ihnen eine wirksame Einwilligungserklärung vorliegt. Das gilt natürlich erst recht, wenn Sie eine externe Abrechnungsstelle mit der Einziehung beauftragen wollen.
5.
Weitergabe von Patientendaten und der Datenschutz
a)
Datenschutz und ärztliche Schweigepflicht Darüber hinaus spielen bei der Weitergabe von Patientendaten zu Abrechnungszwecken neben der Strafvorschrift des § 203 StGB die Regeln des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) wie der entsprechenden Landesgesetze eine Rolle. Durch diese besonderen Regelungen sollen Daten besonders geschützt werden, wenn sie von der speichernden Stelle an einen Dritten übermittelt werden. Solange Sie die Dokumentation der Patientendaten noch auf Karteikarten vornehmen, brauchen Sie sich über die Einhaltung der entsprechenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen keine Gedanken zu machen. Wer hingegen in seiner Praxis Patientendaten in elektronischer Form nutzt und verarbeitet, der gilt als „nicht-öffentliche Stelle“ und fällt damit unter § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG. Hierdurch werden in erster Linie personenbezogene Daten geschützt, also solche, die sich auf eine bestimmte Person beziehen oder durch die sich ein Bezug zu einer Person herstellen lässt. In welchem Verhältnis stehen nun die datenschutzrechtlichen Vorschriften zur ärztlichen Schweigepflicht? Durch die Regeln des Bundesdatenschutzgesetzes und den entsprechenden Ländervorschriften bleibt die ärztliche Schweigepflicht unangetastet. Denn die Vorschriften, die eine Datenübermittlung gestatten, sind auf diejenigen Daten, welche der ärztlichen Schweigepflicht unterliegen, nicht anwendbar.67 67
Schlund in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 76 RdNr 24.
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B. Unternehmerische Strategien und ärztliche Rechts- und Standespflichten
Für die tägliche Arbeit bedeutet das: Selbst wenn das Bundesdatenschutzgesetz eine Übermittlung bestimmter Patientendaten an einen Dritten zulässt, ist aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht eine Weitergabe der Patientendaten ohne entsprechenden Rechtfertigungsgrund untersagt. Umgekehrt erhalten die Daten, die der ärztlichen Schweigepflicht unterliegen und auf elektronischem Weg übermittelt werden, durch die Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes einen zusätzlichen Schutz. b)
Wer darf welche Daten erheben und nutzen? Bevor Sie die Daten auf elektronischem Wege weitergeben, müssen Sie diese in Ihrer Praxis zunächst einmal erheben und speichern. Auch hierzu bedarf es eines besonderen Erlaubnistatbestandes. Die Erhebung und Nutzung personenbezogener Daten ist nämlich nur insoweit zulässig, wie das Bundesdatenschutzgesetz oder ein anderes Gesetz dieses erlaubt, ausdrücklich anordnet oder der Betroffene eingewilligt hat, § 4 Abs. 1 BDSG. Gesetzliche Grundlagen zur Datenspeicherung im Gesundheitswesen finden sich vor allen Dingen im SGB V, dem Infektionsschutzgesetz68, den Krebsregistergesetzen der Länder, der Röntgen- und der Strahlenschutzverordnung und dem Betäubungsmittelgesetz. Daneben enthalten die Vorschriften des § 27 Abs. 1 in Verbindung mit § 28 BDSG gleich mehrere Erlaubnistatbestände, die es Ihnen gestatten, Patientendaten in der Arztpraxis zu erheben und zu speichern. Im Rahmen der notwendigen Behandlung des Patienten ist eine Datenerhebung und Speicherung unter anderem dann zulässig, wenn dies der Zweckbestimmung eines Vertragsverhältnisses entspricht. Damit kommt der mit dem Patienten geschlossene Behandlungsvertrag ins Spiel. Denn die Vorschrift des § 28 Abs. 1 BDSG erlaubt Ihnen den Umgang mit den Patientendaten zu eigenen Zwecken erst in Verbindung mit dem Behandlungsvertrag. Im Umkehrschluss bedeutet dies freilich, dass Sie Daten, die Sie nicht für die Behandlung benötigen, nur mit der ausdrücklichen Einwilligung des Patienten speichern dürfen. Dies gilt beispielsweise für Daten, die Sie zu Forschungszwecken erheben und nutzen. c)
Liegt eine Datenübermittlung zum eigenen Geschäftszweck vor?
Von einer Datenübermittlung im Sinne des Bundesdatenschutzgesetzes kann nur dann die Rede sein, wenn gespeicherte oder mittels Datenverarbeitung gewonnene Informationen an einen Dritten weitergegeben werden. Solange Sie Ihre ärztliche Dokumentation noch in Form von Karteikarten führen, kann das Weitergeben dieser Daten die Regeln des Bundesdatenschutzgesetzes nicht verletzen, sehr wohl jedoch unter den Tatbestand des § 203 StGB fallen. Das beantwortet freilich noch nicht die Frage, ob Ihnen die Übermittlung der gespeicherten Daten an eine Verrechnungsstelle gestattet ist. Sie könnten nun argumentieren, dass die Weitergabe im Rahmen des § 28 Abs. 1 Nr. 1 BDSG der Wah68
Das Infektionsschutzgesetz (IfSG) vom 20. Juli 2000, BGBl. I 2000, S. 1045, ersetzt unter anderem das Bundesseuchengesetz.
II. Unternehmerische Strategien und ärztliche Schweigepflicht – ein Konflikt?
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rung der Zweckbestimmung eines Vertragsverhältnisses mit dem Betroffenen, womit der Behandlungsvertrag mit dem Patienten gemeint ist, dient. Die Anwendung des § 28 Abs. 1 Nr. 1 BDSG scheitert freilich gleich in mehrfacher Hinsicht: Einerseits ist der Zweck des mit dem Patienten geschlossenen Behandlungsvertrages ein völlig anderer als der mit der Verrechnungsstelle vereinbarte Dienstleistungsvertrag. Zudem kommt der Vertrag über die Abrechnung und den Einzug der Honorare zwischen Ihnen und dem Dienstleister und nicht zwischen dem Patienten und der Verrechnungsstelle zustande, sodass es an der Wahrung eines „Vertragsverhältnisses mit dem Betroffenen“ fehlt. Außerdem ist die Weitergabe der Daten an die Verrechnungsstelle nicht zwingend notwendig, denn schließlich könnten Sie die Abrechnung auch in Eigenregie erstellen. Selbst aus § 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG lässt sich keine Erlaubnis zur Weitergabe der Patientendaten herleiten. Die Vorschrift setzt zwar ein berechtigtes Interesse im Falle der Datenweitergabe voraus, welches sowohl wirtschaftlicher als auch ideeller Natur sein kann. Selbstverständlich haben Sie als Arzt ein wirtschaftliches Interesse daran, für Ihre Behandlungsleistung das entsprechende Honorar zu erhalten. Im zweiten Halbsatz der Vorschrift macht der Gesetzgeber allerdings eine herbe Einschränkung. Es darf kein Grund zu der Annahme bestehen, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an der Geheimhaltung überwiegt. Jetzt spielt die ärztliche Schweigepflicht und damit die Strafvorschrift des § 203 StGB selbst im Rahmen des Datenschutzes eine Rolle. Wie wir bereits an anderer Stelle gesehen haben, steht bei der Abwägung der Interessen die Schweigepflicht des Patienten gegenüber Ihren wirtschaftlichen Interessen an der Geltendmachung Ihrer Honorarforderungen im Vordergrund. Deshalb lässt sich auch aus § 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG keine Erlaubnis zur Weitergabe der Patientendaten an eine Verrechnungsstelle herleiten. Weitere Erlaubnistatbestände sind im Bundesdatenschutzgesetz nicht ersichtlich. Deshalb ist auch unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten die Einwilligung des Patienten in die Weitergabe seiner Abrechnungsdaten eine unabdingbare Voraussetzung. Bisher hat es die Rechtsprechung zur ärztlichen Schweigepflicht offen gelassen, ob die erforderliche Einwilligung einer Formvorschrift unterliegt. Das Bundesdatenschutzgesetz lässt Ihnen dagegen keine Wahl. Sofern Sie die Einwilligung im Rahmen des § 203 StGB bereits in Schriftform einholen, dann erfüllen Sie damit gleichzeitig auch die zwingende Formvorschrift des § 4a Abs. 1 Satz 2 BDSG. Die Formvorschrift knüpft an die Wirksamkeit der Einwilligung noch ein paar weitere Voraussetzungen: ⓦ
ⓦ
Die Einwilligung muss zum einen auf der freien Entscheidung des Patienten beruhen. Der Patient muss auf den Zweck der Datenübermittlung – und soweit erforderlich – auf die Folgen der Verweigerung der Einwilligung hingewiesen werden.
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Hier gelten im Prinzip die gleichen Regeln wie für die Einwilligung im Sinne des § 203 StGB: Gibt die Verrechnungsstelle die Daten beispielsweise zur Prüfung der (Patienten-)Bonität an eine Auskunftei oder Kreditschutzorganisation weiter, dann ist die Bonitätsprüfung nicht von der Einwilligung in die Weitergabe der Daten an die Verrechnungsstelle gedeckt.69 Auch unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten ist eine Einwilligung nämlich nur dann wirksam, wenn der Patient über alle wesentlichen Gesichtspunkte aufgeklärt wurde. ⓦ
Ist die Einwilligung im Zusammenhang mit anderen Erklärungen abzugeben, dann ist sie besonders hervorzuheben. Konkret: Die Einwilligungserklärung darf nicht irgendwo im „Kleingedruckten“ untergehen.
69
Bekanntmachung des Innenministeriums über Hinweise (Nummer 36) zum Bundesdatenschutzgesetz für die private Wirtschaft vom 13.01.1998, Az 2-0552.1/12, veröffentlicht im Anschluss an die Hinweise Nr. 35 im Staatsanzeiger für Baden-Württemberg Nr. 3 vom 27. Januar 1997, S. 8.
I. Wie ist es um Ihre Liquidität bestellt?
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C. Gold Standard für ein erfolgreiches Forderungsmanagement
I.
Wie ist es um Ihre Liquidität bestellt?
Die Freiheit als Unternehmer beschert nicht nur Gewinner, sondern auch Verlierer. Noch vor ein paar Jahren schien es nahezu undenkbar, dass eine Arztpraxis wie jedes andere Unternehmen in ernsthafte Liquiditätsprobleme geraten kann oder sogar über die Einleitung eines Insolvenzverfahrens nachgedacht werden muss. Rund 240 Praxisinhaber70 mussten allein im Jahr 2005 den bitteren Weg gehen und Insolvenz anmelden. Gemessen an der Gesamtzahl der Insolvenzen im gleichen Zeitraum nehmen Arzt- und Zahnarztpraxen nur einen verschwindend geringen Anteil ein. Die Zahlen sind freilich nur die Spitze eines Eisberges. Gleichzeitig gibt es eine hohe Dunkelziffer bei Ärzten wie Zahnärzten, die gerade noch das Schlimmste abwenden können und ihre Praxis schließen, bevor sie den Gang zum Insolvenzgericht antreten müssen. Zwar ist die Arztpraxis kein Gewerbebetrieb und die ärztliche Leistung an sich ist keine handelbare Ware. Dennoch hat jede Arztpraxis ihren „Marktwert“, der sich bewerten lässt. Im Falle einer Insolvenz unterliegt der ideelle Wert der Praxis genauso dem Beschlag durch den Insolvenzverwalter wie die Praxiseinrichtung, die Geräte und die noch offenen Forderungen gegen Patienten. Selbst der Zusammenschluß mehrerer Ärzte zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts schützt nicht vor Insolvenz, denn auch deren Gläubiger können gegen die Gesellschaft einen Insolvenzantrag stellen. Nun tritt die Insolvenz mit all ihren Folgen nicht von heute auf morgen ein. Wie jedes Unternehmen durchläuft auch eine Arztpraxis verschiedene Stadien einer Krise bis hin zum Super-GAU. 1.
Kein Grund zur Besorgnis
Solange Ihre Praxis läuft, sind Ihre Umsätze, von geringfügigen Schwankungen einmal abgesehen, konstant. Umsatz und Aufwand stehen in einem gesunden Verhältnis zueinander. Die Liquidität ist zu jeder Zeit gesichert, mit anderen Worten, Sie können ohne Probleme Ihre Rechnungen sowie Zins- und Tilgungsleistungen fristgerecht begleichen. Trotzdem sollten Sie Ihre Liquidität stets im Auge behalten, damit Sie selbst bei geringfügigen Abweichungen rasch reagieren können.
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Fissenwert, Dtsch Ärzteblatt 2006; 103, S. 16.
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2.
C. Gold Standard für ein erfolgreiches Forderungsmanagement
Die ersten Alarmzeichen
Nach einer gewissen Zeit gibt es die ersten Veränderungen. Sie beobachten entweder einen Rückgang Ihres Umsatzes oder Ihre Kosten gehen in die Höhe. Noch ist das nicht besorgniserregend, denn der Umsatz übersteigt noch immer den Aufwand. Trotzdem ist es an der Zeit, nach den Ursachen zu suchen. Hat ein neuer Kollege als Mitbewerber in der Nachbarschaft gerade eine Praxis eröffnet? Ist Ihre Praxis durch den Wegfall von Parkplätzen oder öffentlichen Verkehrsmitteln nicht mehr so gut erreichbar? Gibt es Kollegen in der Nähe, die neue Therapiekonzepte anbieten? Haben Sie neue, teure Geräte angeschafft, die Sie (noch) nicht auslasten können, oder zusätzliches Personal eingestellt? Wenn Sie jetzt die ersten Anzeichen ignorieren und darauf hoffen, dass sich schon alles wieder richten wird, verpassen Sie damit die Chance, bereits frühzeitig die Ursachen für den Umsatzrückgang oder die Kostensteigerung zu finden. Ohne Gegensteuern marschieren Sie geradewegs in die erste Phase einer handfesten Unternehmenskrise. Diese bedroht zwar noch nicht Ihre Existenz. Aber die Schere geht immer weiter auseinander. Entweder stehen den gleichbleibenden Kosten auf der einen Seite sinkende Umsätze auf der anderen gegenüber, oder die Kosten sind bei gleichbleibenden Umsätzen gestiegen. Das bleibt nicht ohne Konsequenzen: Ihre Liquidität schrumpft und hin und wieder kann es schon mal zu einem Zahlungsengpass kommen. Sie können nicht mehr alle Rechnungen fristgerecht begleichen. Damit reihen Sie sich nahtlos in das Zahlungsverhalten der meisten Handwerker, Selbstständigen, kleinen und mittelständischen Unternehmen ein. Gleichgültig, in welcher Branche die Unternehmer tätig sind, eines haben sie gemeinsam: Ihre Finanzierung basiert im Wesentlichen auf der Tatsache, dass sie ihre eigenen Lieferanten verspätet bezahlen, meist erst dann, wenn das Geld vom Auftraggeber zur Verfügung steht. Da auch der in der Regel mit Verspätung seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommt, dreht sich das Karussell munter weiter. 3.
Jetzt wird es eng
Bleiben Sie weiterhin untätig, dann wird aus dem Liquiditätsengpass ein echtes Problem. Wenn es auf dem Bankkonto eng wird, gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten, um Abhilfe zu schaffen. Sie können ⓦ ⓦ
Ihre offenen Forderungen beitreiben und / oder Ihren Kreditrahmen bei der Bank erweitern.
Obwohl Letzteres keine gute Lösung ist, greifen viele intuitiv zunächst einmal zu diesem Strohhalm, um sich zumindest für die nächste Zeit über Wasser zu halten. Die Bank an Ihrer Seite zeigt sich freilich hartnäckig. Der bisher so nette Berater spricht von Basel II und den neuen Eigenkapitalrichtlinien, denen die Bank jetzt nun mal unterworfen sei. Deshalb sei es mit der Erweiterung des Kreditrahmens jetzt nicht mehr ganz so einfach.
I. Wie ist es um Ihre Liquidität bestellt?
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Was verbirgt sich nun hinter dem Stichwort „Basel II“ und welche Auswirkungen hat das Ganze tatsächlich auf Sie als Bankkunde? Der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht hat bereits 1988 Kriterien festgelegt, unter welchen Gesichtspunkten und in welcher Höhe Banken die an ihre Kunden verauslagten Kredite mit Eigenmitteln als Sicherungsinstrument unterlegen müssen. Seit Anfang 2007 sind die überarbeiteten Vorschriften („Basel II“) trotz vielfältiger Diskussionen in Kraft. Während unter Basel I die Banken noch völlig losgelöst von der Bonität des Kreditkunden den verauslagten Kredit mit Eigenkapital absichern konnten, verlangt hingegen Basel II nun eine risikoorientierte Unterlegung der Kredite mit Eigenmitteln. Mit anderen Worten, das Kreditrisiko der Bank bewertet sich wesentlich stärker als bisher an der Risikobewertung des Kunden. Ihr „Unternehmen“ Arztpraxis muss sich deshalb als Erstes einem Rating unterziehen, wenn Sie einen neuen Kredit benötigen. Ihr Unternehmen wird auf Herz und Nieren geprüft und unter verschiedenen Gesichtspunkten bewertet. Neben Ihren Umsatzzahlen spielt ein gut aufgestellter Businessplan genauso eine Rolle wie eine vernünftige Unternehmensstrategie für die Praxis. Die Versäumnisse der Vergangenheit schlagen jetzt zu Buche: Haben Sie nicht rechtzeitig nach den Ursachen für den Umsatzrückgang oder die Kostensteigerung gesucht und Strategien entwickelt, um angemessen auf die Veränderungen reagieren zu können, dann wirkt sich das nun ungünstig auf das Rating Ihrer Praxis aus. Die Folgen eines nur mittelmäßigen Ratings werden Sie unvermittelt zu spüren bekommen: Die Bank wird vermutlich einen höheren Zinssatz von Ihnen verlangen, als wenn Ihre Praxis mit einem guten Rating bewertet wird. Ein neuer Kredit bzw. die Erhöhung des Kreditrahmens löst Ihr Problem jedenfalls höchstens kurzfristig, denn jetzt müssen Sie bei geringeren Umsätzen oder gestiegenen Kosten noch mehr Zinsen zahlen. Ohne vernünftiges Sanierungskonzept können Sie diesen Spagat nicht lange durchhalten. Von der (noch) höheren Zinsbelastung einmal ganz abgesehen, stehen Sie noch vor einem ganz anderen Problem. Die Bank möchte Sicherheiten für den eingeräumten Kreditrahmen. Damit will sie sich vor dem eigenen Risiko für einen Forderungsausfall schützen. Die Praxiseinrichtung und die Geräte sind bereits sicherungshalber an die Bank für die Finanzierung übereignet. Es bleiben also noch die Forderungen gegen Ihre Patienten aus den Behandlungsverträgen. Gerade mittelständische Unternehmen profitieren in der Regel davon, Forderungen gegen Dritte als Sicherungsinstrument für Finanzierungen einzusetzen. Meist wird die Sicherheit in Form einer Forderungsabtretung71 bereitgestellt. Sie verfügen sowohl über Forderungen gegen Ihre Privatpatienten als auch über Ansprüche aus der Behandlung Ihrer Kassenpatienten, die sich gegen die Kassenärztliche Vereinigung richten. Nach den vorangegangenen Ausführungen ist klar, dass Sie die Forderungen gegen Ihre Privatpatienten nicht ohne deren Einwilligung an die Bank als Sicherungsinstrument abtreten dürfen. Der Verwaltungsaufwand wäre immens, zumal Sie laufend neue Forderungen abtreten müssten, da bezahlte Rechnungen als Sicherheit regelmäßig wegfallen. Auch eine Forderungsverpfändung 71
Zu den Einzelheiten der Forderungsabtretung siehe unter „Echtes und unechtes Factoring – worin liegt der Unterschied?“ ab Seite 177.
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C. Gold Standard für ein erfolgreiches Forderungsmanagement
hilft nicht weiter. Zwar lässt sich an Forderungen wie an sämtlichen Rechten ein Pfandrecht bestellen, aber betroffene Patienten müssten hierzu über die Pfandrechtsbestellung informiert werden. Aber wer will schon seinem Privatpatienten mitteilen, dass man seine Honorarforderungen an die Bank verpfändet hat? Bleiben also noch die Ansprüche aus der Behandlung der Kassenpatienten. Anders als beim Privatpatienten haben Sie in diesem Fall keinen direkten Zahlungsanspruch gegen den Patienten. Die Krankenkasse des Patienten leistet im Rahmen des Gesamtvertrages für die vertragsärztliche Versorgung eine Vergütung an die Kassenärztliche Vereinigung. Gegen diese richtet sich nun Ihr Anspruch als Kassenarzt. Allerdings steht Ihnen kein konkreter Vergütungsanspruch für eine bestimmte Leistung zu, sondern lediglich ein Anspruch auf die Teilnahme an der Honorarverteilung durch die Kassenärztliche Vereinigung. Diese etwas komplizierte Konstruktion macht es möglich, dass Sie bei Abtretung Ihrer Honoraransprüche aus der Behandlung gesetzlich versicherter Patienten keine Befürchtungen hinsichtlich der Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht hegen müssen. Da Sie nicht die einzelne Forderung gegen den Patienten, sondern Ihren Anspruch auf ein Honorar aus dem großen „Topf“ der Kassenärztlichen Vereinigung abtreten, besteht keine Gefahr für schützenswerte Patientendaten. Einer Abtretung Ihrer Honorarforderungen gegen die Kassenärztliche Vereinigung steht also nichts im Wege. 4.
Von der Liquiditätskrise in die Insolvenz
Bleiben Sie weiter untätig, dann kann dies in eine handfeste Liquiditätskrise münden: Ihr Handlungsspielraum wird immer enger und eines Tages können Sie Ihre Rechnungen nicht mehr begleichen, Ihren Zins- und Tilgungsleistungen nicht mehr nachkommen. In der Folge droht Ihnen die Bank ganz unmissverständlich mit der Kündigung der laufenden Kredite. Die Insolvenz ist schon fast unausweichlich. Sofern Sie Ihre Praxis in der Rechtsform einer juristischen Person72 führen, dann ist neben der Zahlungsunfähigkeit auch die Überschuldung ein Grund für die Insolvenzeröffnung. Zwar wird eine Arztpraxis nur selten in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung geführt, sollten Sie diese Rechtsform gewählt haben, dann heißt es, im Falle einer ernsthaften Liquiditätskrise besonders wachsam zu sein. Ist die GmbH zahlungsunfähig oder überschuldet, dann ist Eröffnung des Insolvenzverfahrens umgehend, spätestens jedoch drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit zu beantragen.73 Mit der Insolvenzeröffnung verlieren Sie Ihre Entscheidungskompetenz über das weitere Geschehen in der Praxis. Der Insolvenzverwalter wacht künftig über Ihre Konten und entscheidet über den weiteren Bestand der Praxis. Ein Insolvenz72
73
Juristische Personen sind Personen- oder Sachzusammenschlüsse, um die Rechtsfähigkeit, also die Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein, zu erlangen. Eine typische juristische Person ist die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) genauso wie die Aktiengesellschaft (AG), die Stiftung, der eingetragene Verein (e. V.) oder die Genossenschaft (e. G.). Vgl. dazu § 64 Abs. 1 GmbHG.
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verfahren muss freilich nicht zwangsläufig das Ende Ihrer selbstständigen Tätigkeit als Arzt bedeuten. Bei einer günstigen Prognose und einem sinnvollen Sanierungskonzept haben Sie gute Chancen, die Praxis unter veränderten Voraussetzungen weiterzuführen und Ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen zu können. 5.
Vorbeugen ist leichter, als die Liquiditätskrise zu meistern
Nun werden Sie einwenden, dass Sie in erster Linie Arzt sind, dem die Gesundheit und das Wohlbefinden seiner Patienten am Herzen liegen. Mit der Rolle des Unternehmers, Controllers oder gar Sanierers können Sie sich nur schwer anfreunden. Bedenken Sie dabei eines: Ihre Tätigkeit als Arzt ist untrennbar mit Ihren Aufgaben als Unternehmer verbunden. Sie tragen nicht nur die Verantwortung für den „Betrieb“ Arztpraxis und die dort tätigen Mitarbeiter, sondern die Praxis sichert Ihnen und Ihrer Familie zugleich den Lebensunterhalt. Gelingt es nicht, die Praxis in absehbarer Zeit auf gesunde Beine zu stellen, dann müssen Sie sich unter Umständen auch von dem mit der Familie bewohnten Einfamilienhaus oder der Wohnung trennen, weil die Finanzierung nicht mehr gesichert oder die Miete zu hoch ist. Der Fortbestand der Praxis spielt damit eine zentrale Rolle in Ihrem Leben. Selbst für Ihr berufliches Weiterkommen ist entscheidend, ob die Sanierung gelingt. Denn eine neue selbstständige Tätigkeit scheidet in den meisten Fällen aus, weil Sie während der Zeit, in der das Insolvenzverfahren läuft, als „kreditunwürdig“ gelten. Es ist deshalb ein langer und steiniger Weg raus aus der Krise. Im Laufe meiner Tätigkeit habe ich einige Ärzte kennengelernt, die nahe daran waren, in dieser Situation das Handtuch zu werfen. Deshalb sollten Sie alles daran setzen, um es erst gar nicht so weit kommen zu lassen. Wie heißt es so schön: „Aus Schaden wird man klug.“ Das gilt für das Forderungsmanagement nur bedingt, denn aus Zahlungsausfällen wird man nicht unbedingt klüger, aber in jedem Fall ein Stück ärmer. Wie wir gesehen haben, werden Sie nicht über Nacht von der Liquiditätskrise überrascht. Vielmehr handelt es sich um einen langsamen und schleichenden Prozess, dessen Ursachen vielfältig sind. Meist ist es gleich ein ganzes Bündel von Gründen, das ein Unternehmen in die Krise geführt hat. Dies gilt für die Arztpraxis genauso wie für den Handwerksbetrieb oder das produzierende Gewerbe. ⓦ
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Häufig fehlt es schon an dem grundlegenden betriebswirtschaftlichen Knowhow. Als Arzt haben Sie zwar eine hervorragende fachliche Ausbildung genossen, das Vermitteln von betriebswirtschaftlichen Grundkenntnissen steht dagegen nach wie vor nicht auf dem Stundenplan. Es kann auch kein Trost sein, wenn andere Unternehmer mit hervorragenden Geschäftsideen aus genau demselben Grund scheitern. Aufgrund der mangelnden betriebswirtschaftlichen Kenntnisse findet entweder gar keine oder nur eine völlig unzureichende Liquiditätsplanung statt. In der Folge können Einnahmen und Ausgaben aus dem Gleis laufen, ohne dass dies
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C. Gold Standard für ein erfolgreiches Forderungsmanagement
rechtzeitig bemerkt wird. Überdurchschnittlich hohe Fixkosten für Miete, Personal oder hohe Belastungen durch Zinsen und Tilgung fallen nicht auf. Sinkende Einnahmen werden erst bemerkt, wenn es schon richtig weh tut. Wer seine Liquidität nicht plant, der hat in der Regel auch seine offenen Forderungen nicht im Griff. Selbst Veränderungen im Privatleben können erhebliche finanzielle Einschränkungen in der Praxis zur Folge haben. Eine Trennung oder Scheidung bedeutet meist zusätzliche finanzielle Verpflichtungen. War der Partner oder die Partnerin außerdem in der Praxis beschäftigt, fällt eine Arbeitskraft weg bzw. neues Personal muss möglicherweise zu höheren Kosten eingestellt werden.
Sich aus eigener Kraft aus einer ernsthaften Liquiditätskrise zu befreien ist eine echte Herausforderung. Damit es nicht so weit kommt, können Sie einige einfache, aber sehr hilfreiche Instrumente einsetzen. Sie werden nun einwenden, dass Sie schließlich Ihrem Steuerberater viel Geld dafür bezahlen, damit er „sich um alles kümmert“. Die Tätigkeit Ihres Steuerberaters ist wichtig und Sie sollten auch künftig nicht auf seine Dienste verzichten. Schließlich ist er für eine ordnungsgemäße Buchhaltung verantwortlich und Ihr Ansprechpartner in allen steuerrechtlichen Fragen. Selbstverständlich muss eine ordnungsgemäße Buchhaltung jederzeit gewährleistet sein. Das reicht aber nicht aus, um beurteilen zu können, ob Sie tatsächlich in jeder Situation liquide sind. Ihr Steuerberater liefert mit seinen Buchungsunterlagen eine verlässliche Grundlage, damit Sie Ihre Liquidität optimal einschätzen können. Er wird Ihnen in der Regel jedoch weder eine Kostenrechnung noch einen Liquiditätsplan erstellen. Für ein Unternehmen Planzahlen aufzustellen ist freilich kein purer Luxus, den man sich ausnahmsweise gönnt. Der Gesetzgeber hält die Unternehmensplanung für so wesentlich, dass er sie beispielsweise für die Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung sogar als ausdrückliche Pflicht im GmbH-Gesetz verankert hat. Umgekehrt heißt das freilich nicht, dass alle anderen Unternehmer den Dingen ihren freien Lauf lassen können. Ganz im Gegenteil. Es gehört ganz allgemein zu den Pflichten eines ordentlichen Kaufmanns, ein Budget aufzustellen und regelmäßig einen Soll / Ist-Vergleich anzustellen. Es gibt eine Reihe von Kennzahlen, mit denen sich der Grad der Liquidität eines Unternehmens beschreiben lässt. Diese Kennzahlen haben jedoch einen großen Nachteil: Zwar lässt sich damit abbilden, welche Einnahmen den Ausgaben innerhalb eines bestimmten Zeitraums gegenüberstehen, es lässt sich damit jedoch nicht feststellen, zu welchem Zeitpunkt die Einnahmen bzw. Ausgaben getätigt werden. Das ist jedoch genau das Problem. Eine „Schieflage“ in der Liquiditätsplanung werden Sie mit den Kennzahlen nicht erkennen, denn über den gesamten Analysezeitraum gesehen kann die Kennziffer durchaus positiv ausfallen. Trotzdem kann das Unternehmen zu bestimmten Terminen in einen Zahlungsengpass geraten, weil gerade dann mehr Ausgaben getätigt werden müssen, als Einnahmen zur Verfügung stehen.
I. Wie ist es um Ihre Liquidität bestellt?
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Ihre Erlöse aus der Behandlung der Kassenpatienten erhalten Sie quartalsweise und das auch noch zeitlich verzögert nach dem Erstellen der Abrechnung. Bei den Erlösen aus der Behandlung der Privatpatienten sind neben dem Zahlungsziel weitere Zahlungsverzögerungen einzuplanen. Miete, Personalkosten und einige Praxisnebenkosten müssen Sie monatlich bezahlen, andere Kosten sind hingegen nur alle zwei Monate oder nur einmal im Jahr fällig.
Diesem massiven Nachteil, den diese Kennzahlen in sich bergen, können Sie nur durch einen Liquiditätsplan begegnen, der periodengerecht sämtliche Ein- und Ausgaben auflistet. Um einen Liquiditätsplan für Ihre Praxis aufzustellen, benötigen Sie keine umfangreiche Software. Papier und Bleistift genügen, eine Excel-Liste erleichtert dagegen die Arbeit erheblich. Bevor Sie nun gleich loslegen, müssen Sie ein paar grundlegende Daten zur Hand haben: ⓦ
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Während andere Unternehmer sich an dieser Stelle fragen müssen, wann sie die Rechnung an ihre Kunden stellen können, haben Sie keine Wahl. Die Abrechnung über die Kassenärztliche Vereinigung erfolgt quartalsweise und darauf haben Sie keinen Einfluss. Bei den Privatpatienten regeln die jeweiligen Gebührenordnungen die Rechnungslegung. Sofern Sie künftig Teilzahlungen von Ihren Patienten bei bestimmten Behandlungen verlangen wollen, müssen Sie auch dies in Ihrem Liquiditätsplan berücksichtigen. Andere Unternehmer können mit dem Zahlungsziel, das sie ihren Kunden gewähren74, die Zahlungsströme beeinflussen. Das funktioniert in der Arztpraxis nur bedingt, denn die Kassenärztliche Vereinigung ist frei von marktüblichen Regularien. Sie zahlt eben dann, wenn die Abrechnungen geprüft und erledigt sind. Lediglich bei den Privatpatienten steht Ihnen die Möglichkeit offen, den Patienten einen gewissen Zeitraum zur Begleichung der Honorarnote einzuräumen. Kernpunkt Ihres Liquiditätsplans ist freilich die Einschätzung des Zeitpunktes, wann Sie realistischerweise mit dem Zahlungseingang rechnen können. Das gilt sowohl für die Beträge der Kassenärztlichen Vereinigung als auch für die Rechnungen, die Sie an Privatpatienten gestellt haben. Planen Sie dabei eher großzügig und kalkulieren Sie Zahlungsverzögerungen ein. Andernfalls wird Ihr Liquiditätsplan sehr schnell zur Makulatur. – Können Sie spontan die Frage beantworten, ob Ihre Patienten die Rechnungen pünktlich bezahlen bzw. wie viele Tage sie sich durchschnittlich mit dem Bezahlen Zeit lassen? Aus dem Bauch heraus lässt sich das nur schwer beurteilen. Verlässliche Daten bekommen Sie in der Regel aus Ihrer Praxissoftware, mit der Sie die Rechnungen erstellen und überwachen. Alles was Sie dazu benötigen, ist die Rechnungs-Nummer, den Namen des Patienten, das Rechnungsdatum, den Rechnungsbetrag und das Fälligkeitsdatum. Aus diesen Daten generieren Sie Ihre Mahnungen, jetzt helfen Ihnen die Angaben,
Wie Sie mit dem Zahlungsziel bei der Honorarabrechnung umgehen sollten, zeigt Ihnen der Abschnitt „Wozu dient das Zahlungsziel?“ ab Seite 99.
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C. Gold Standard für ein erfolgreiches Forderungsmanagement
um die Überschreitungen des Zahlungsziels in Erfahrung zu bringen. Die Liste kann beispielsweise so aussehen: Tabelle 2. Zahlungsverzögerungen berechnen RechnungsNr. 0001-2007 0053-2007 0106-2007 Gesamt
Name Patient Sommer, Max Herbst, Leo Winter, Rudi
RechnungsDatum 14.02.2007 28.02.2007 07.03.2007
Betrag in € 286,23 96,40 109,32 491,95
Fällig am 14.02.2007 14.03.2007 21.03.2007
Überfällig in Tagen 45 17 10 72
Stichtag für die Berechnung der Fälligkeit ist in diesem Beispiel der 31.03.2007. Ihren Patienten haben Sie ein Zahlungsziel von 14 Tagen gewährt. Ausgehend von diesen Daten müssen Sie also durchschnittlich mit einer Zahlungsverzögerung von 24 Tagen rechnen. Diesen Wert sollten Sie jetzt als Grundlage benutzen, um die Zahlungsverzögerungen in Ihrem Liquiditätsplan zu berücksichtigen. D. h., Sie können erst rund 24 Tage nach Ablauf des Zahlungszieles mit dem Betrag auf Ihrem Konto rechnen. ⓦ
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Widmen wir uns jetzt der Ausgabenseite: Welche Ausgaben fallen in der Praxis an? Dazu gehören die Miete für die Räume und die Nebenkosten genauso wie Personalkosten einschließlich der Sozialversicherungsbeiträge, die Leasingoder Mietkosten für Geräte oder Ihr Fahrzeug. Wie hoch sind die jeweiligen Ausgaben? Und nicht vergessen: Wann fallen die jeweiligen Kosten an? (Monatlich wie Gehälter oder Miete, nur jeden zweiten Monat wie einige Mietnebenkosten, einmal im Quartal oder nur einmal jährlich wie Versicherungen oder Kammerbeiträge?)
Ein Jahresplan kann beispielsweise so aussehen: Tabelle 3. Beispiel für einen Liquiditätsplan Liquiditätsplan Monat Einnahmen Bestand Kasse, Bank Erlöse Kassenpatienten Erlöse Privatpatienten Sonstige Erlöse Summe Einnahmen Ausgaben Löhne, Gehälter, Sozialaufwendungen Praxis- und Laborbedarf Tilgung (Praxis-)Kredite
Soll in €
Ist in €
Abweichung Abweichung in € in %
4.000,00 20.000,00 5.000,00 0,00 29.000,00
3.200,00 18.500,00 3.400,00 0,00 25.100,00
-800,00 -1.500,00 -1.600,00 0,00 -3.900,00
-20,0 -7,5 -32,0 0,0 -13,4
9.600,00
9.800,00
200,00
2,1
580,00 800,00
600,00 800,00
20,00 0,00
3,4 0,0
II. Wo beginnt das Forderungsmanagement?
Miete und Nebenkosten für Praxis 1.200,00 Leasingkosten (Geräte, PKW) 480,00 Servicekosten für Geräte usw. 300,00 KFZ-Aufwand 300,00 Versicherungen 280,00 Steuern und Abgaben (außer ESt) 80,00 Porto, Telefon 200,00 Sonstige Ausgaben (Literatur, 650,00 Buchführung etc.) Summe Ausgaben 14.470,00 Ergebnis 14.530,00
45
1.200,00 600,00 300,00 300,00 280,00 80,00 230,00 700,00
0,00 120,00 0,00 0,00 0,00 0,00 30,00 50,00
0,0 25,0 0,0 0,0 0,0 0,0 15,0 7,7
14.890,00 10.210,00
420,00
2,9
Den Liquiditätsplan sollten Sie mindestens für ein Quartal, noch besser für ein Kalenderjahr aufstellen. Je weiter Sie ihn dann verfeinern und bestenfalls die monatlichen Ein- und Ausgaben gegenüberstellen, umso eher können Sie Liquiditätsengpässe erkennen. Neben der Ursachenforschung hilft jetzt nur noch konsequentes Handeln, damit sich der Liquiditätsengpass nicht zur ernsthaften Krise ausweitet. Als Erstes steht ein konsequentes Controlling auf dem Plan, um sich einen Überblick zu verschaffen und vor allen Dingen in Zukunft zu behalten. Wo Fixkosten zu hoch sind, muss konsequent nach Einsparungspotenzial gesucht werden. Mit einem geschickten Marketingkonzept lassen sich neue Zielgruppen für die Praxis erschließen. Letztendlich sollten Sie auch darüber nachdenken, inwieweit sich Tätigkeiten aus der Praxis outsourcen lassen. Bauen Sie sich einen „Notgroschen“ für finanzielle Engpässe auf, die sich durch unvorhergesehene Ereignisse ergeben können. Legen Sie beispielsweise ein Festgeldkonto an, auf dem Sie monatlich einen bestimmten Betrag anlegen. So bleiben Sie selbst bei finanziellen „Überraschungen“ stets liquide. Sie sollten nur nicht vergessen, das Konto nach den Entnahmen wieder aufzufüllen!
II.
Wo beginnt das Forderungsmanagement?
1.
Das „Kundenportfolio“ in der Arztpraxis
Sofern Sie bisher überwiegend gesetzlich versicherte Patienten behandelt haben, waren Begriffe wie „Kundensegment“ oder „Kundenportfolioanalyse“ bei Ihrer Tätigkeit mehr oder weniger ein Fremdwort. Dennoch haben Sie indirekt bereits durch die Wahl Ihres Praxisstandortes das Segment der Patienten bestimmt, dem Sie Ihre Leistungen anbieten wollen. Mit der Behandlung von Privatpatienten können Sie sich ein zweites, mit dem Angebot von Selbstzahlerleistungen ein drittes Standbein schaffen. Jetzt müssen Sie sich nicht nur Gedanken darüber machen, welche zusätzlichen Leistungen Sie den Patienten anbieten können. Ihre berufliche Qualifikation,
46
C. Gold Standard für ein erfolgreiches Forderungsmanagement
das Umfeld, die Positionierung Ihrer Praxis und Ihre eigenen Ziele sind nur einige Punkte, von denen ein patienten- und serviceorientiertes Leistungsspektrum abhängt. Eine ganz andere, nicht zu vernachlässigende Frage ist, wo Sie in zwei, drei oder fünf Jahren mit Ihrer Praxis stehen wollen. Hierbei geht es nicht nur um den Umsatz, sondern in erster Linie um die Frage: „Welche Patienten will ich künftig behandeln“. Darauf baut nicht nur Ihr Marketingplan auf, sondern davon hängt letztendlich auch der finanzielle Erfolg Ihrer Praxis ab. Es nützt Ihnen wenig, wenn Sie Ihre medizinischen Dienstleistungen einer bestimmten Gruppe von Patienten anbieten können, Ihre „Kunden“ jedoch nicht in der Lage sind, den geforderten Preis dafür zu bezahlen. Deshalb darf das Kriterium „Zahlungsfähigkeit“75 bei den Überlegungen zwecks Erschließung neuer Zielgruppen unter den Patienten nicht außer acht gelassen werden. Wenn Sie die Bonität der Patienten im Auge behalten, dann verringern Sie damit bereits im Vorfeld das Risiko eines Zahlungsverzuges oder von Forderungsausfällen. Ein effizientes Forderungsmanagement beginnt deshalb nicht erst beim Mahnen oder bei der Rechnungserstellung, sondern schon bei der Auswahl der „Kunden“. Das ist nichts anderes als eine Kundenportfolioanalyse, die jeder Unternehmer anstellen sollte, bevor er sein Produkt oder seine Dienstleistung einem neuen Kundensegment anbietet. 2.
Nur ein zahlender Patient ist ein guter Patient
Ein Unternehmen lebt von den zahlenden Kunden, eine Arztpraxis von den liquiden und zahlungswilligen Patienten. Im Umkehrschluss heißt das: Ein Patient, der seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt, nützt Ihrer Praxis nichts! a)
Vertragsfreiheit oder Behandlungspflicht?
Patienten sind kritischer geworden und machen von ihrem Recht auf freie Arztwahl regen Gebrauch. Müssen Sie als Arzt umgekehrt jeden Patienten nehmen, der in Ihre Praxis kommt? Die Zulassung als Kassenarzt lässt Ihnen keine Wahl. Sie haben sich damit verpflichtet, an der medizinischen Versorgung der Kassenpatienten teilzunehmen. Eine Befreiung von der Behandlungspflicht ist daher nur ausnahmsweise möglich: ⓦ
Wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient grundlegend gestört ist, dann kann ein Ablehnungsgrund vorliegen, beispielsweise – bei fehlender Compliance – wenn der Patient standes- oder sittenwidrige Handlungen verlangt oder Sie als Arzt zu unzulässigen Handlungen zulasten eines Krankenversicherungsträgers oder eines anderen Kostenträgers veranlassen will
75
Zur Bonitätsprüfung erfahren Sie mehr im Abschnitt „Der Patient, das unbekannte Wesen – die Bonitätsprüfung im Praxisalltag“ ab Seite 50.
II. Wo beginnt das Forderungsmanagement?
47
– bei ständig ungerechtfertigten Beschwerden oder Strafanzeigen durch den Patienten bei akuten Terminproblemen, denn schließlich hat auch Ihr Tag nur 24 Stunden.
ⓦ
Bei der Behandlung von Privatpatienten sieht die Sache etwas anders aus. Auch im Verhältnis zwischen Arzt und Patient besteht grundsätzlich Vertragsfreiheit. Weder aus dem Berufs- noch aus dem Standesrecht lässt sich ein bedingungsloser Kontrahierungszwang ableiten. Dem Patienten obliegt daher das Recht, einen Arzt seiner Wahl aufzusuchen. Als Arzt haben Sie grundsätzlich das Recht, die Behandlung eines Patienten in einem freien Vertragsverhältnis abzulehnen, § 7 Abs. 2 Satz 2 MBOÄ. Darüber hinaus lässt sich weder aus der Verpflichtung, den Beruf nach den Geboten der ärztlichen Ethik und der Menschlichkeit auszuüben, noch aus der Standespflicht, der ärztlichen Tätigkeit gewissenhaft nachzukommen, ein Kontrahierungszwang ableiten. Trotzdem gibt es eine Einschränkung. Bei der Auswahl Ihrer Patienten dürfen Sie weder unsachlich noch willkürlich verfahren, denn als Arzt unterliegen Sie einer „allgemeinen Berufspflicht zur Übernahme der erbetenen Behandlung“.76 Deshalb können Sie die Behandlung eines Patienten nicht ohne Weiteres ablehnen, wenn bereits über viele Jahre hinweg eine vertrauensvolle und intensive Arzt-Patienten-Beziehung entstanden ist und der Patient Ihre Hilfe benötigt. Gerade in solchen Fällen muss sich der Patient darauf verlassen können, dass „sein“ Arzt zur Stelle ist, wenn er gebraucht wird. Auch die HIV-Infektion eines Patienten ist kein Grund, die Behandlung des Infizierten abzulehnen, weil sich andere Patienten an diesem Umstand „stören“ könnten.77 Die oben bereits erwähnten Gründe, die es Ihnen bei einem Kassenpatienten erlauben, die Weiterbehandlung abzulehnen, gelten im gleichem Maße für einen Privatpatienten oder Selbstzahler.78 Darüber hinaus sind Sie wie jeder andere bei einem Unglücksfall im Sinne des § 323c StGB verpflichtet, die erforderliche und zumutbare Hilfe zu leisten, damit der Verunglückte keinen weiteren Schaden erleidet. § 323c StGB Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Eine Strafbarkeit im Sinne des § 323c StGB aufgrund einer unterlassenen Hilfeleistung steht nur dann im Raum, wenn derjenige untätig bleibt, der sowohl fachlich als auch persönlich in der Lage ist, die entsprechende Hilfe zu leisten. Wenn Sie als Arzt die Behandlung eines Kranken ablehnen, dann zieht dies nicht zwangsläufig eine 76 77 78
Uhlenbruck/Laufs in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 41 RdNr 2. Uhlenbruck/Laufs in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 41 RdNr 3. Unter welchen Voraussetzungen Sie einen Behandlungsvertrag kündigen können, erfahren Sie im Abschnitt „Alles hat ein Ende – auch der Behandlungsvertrag“ ab Seite 70.
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C. Gold Standard für ein erfolgreiches Forderungsmanagement
Strafbarkeit im Sinne des § 323c StGB nach sich.79 Der Tatbestand der unterlassenen Hilfeleistung wird nämlich nur dann verwirklicht, soweit es sich um einen Unglücksfall im Sinne dieser Vorschrift handelt. Nach der langjährigen und gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelt es sich bei einem Unglücksfall um ein plötzlich eintretendes Ereignis, welches die Hilfsbedürftigkeit der betroffenen Person herbeiführt. Deshalb erfüllt nicht jede Erkrankung eines Patienten zwangsläufig dieses Tatbestandsmerkmal. Anders sieht es freilich aus, wenn die Erkrankung plötzlich auftritt, unmittelbar lebensbedrohlich ist oder sich der Zustand des Patienten rapide verschlechtert. Sowohl unter standes- als auch strafrechtlichen Gesichtspunkten besteht in diesem Fall eine Behandlungspflicht. Es stellt sich daher die Frage erst gar nicht, ob Sie den Patienten behandeln müssen. Im Praxisalltag bereiten diese Situationen die größten Probleme: Ohne den Patienten gesehen und eine Diagnose gestellt zu haben, können Sie nicht entscheiden, ob es sich um eine zwar behandlungsbedürftige, aber nicht lebensbedrohliche Erkrankung handelt. Selbst bei einem langjährigen Patienten, dessen Krankengeschichte Sie gut kennen, kann sich das Krankheitsbild unerwartet verschlechtern oder eine neue, lebensbedrohliche Erkrankung unvermittelt hinzutreten. Auch wenn faktisch kein Kontrahierungszwang besteht, wird Ihnen in vielen Fällen gar nichts anderes übrig bleiben, als sich um den Patienten zu kümmern und damit ggf. einen Behandlungsvertrag zu schließen, obwohl Sie das eigentlich gar nicht wollten. In Notfällen gibt es daher weder ein Ablehnungsrecht noch ist Raum für ein gestörtes Arzt-Patienten-Verhältnis. Die Verpflichtung zur Hilfeleistung bedeutet jedoch nicht, dass Sie hinsichtlich der weiteren Versorgung mit dem Patienten einen Behandlungsvertrag schließen müssen. In der Regel ist die Bezahlung für die Inanspruchnahme Ihrer ärztlichen Leistungen durch einen Kassenpatienten geregelt. Probleme können dann auftreten, wenn der Patient die Praxisgebühr nicht bezahlen will oder sein Versichertenstatus unklar ist, weil er keine Versichertenkarte vorlegen kann. Weigert sich der Patient die Praxisgebühr zu zahlen, dann eröffnet Ihnen die Vorschrift des § 13 Abs. 7 BMV-Ä die Möglichkeit, die Behandlung abzulehnen, sofern kein Notfall vorliegt. Mit der Frage, inwieweit eine Behandlungspflicht besteht, wenn der Patient die Versichertenkarte nicht vorlegt, hat sich das Berufsgericht für Heilberufe beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main beschäftigt und eine klare Aussage getroffen: Keine Versichertenkarte – keine Behandlungspflicht, solange es sich nicht um einen „dringenden“ Behandlungsfall handelt. In seiner Begründung hat das Gericht auf die Vorschrift des § 15 Abs. 2 SGB V verwiesen, nach welcher
79
In diesem Sinne hatte bereits das Reichsgericht entschieden. RGSt 75, S. 68 ff. Die Definition ist allerdings in der juristischen Lehre nach wie vor umstritten, siehe dazu Ulsenheimer in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 141 RdNr 20 mwN.
II. Wo beginnt das Forderungsmanagement?
49
der Patient zur Vorlage der Versichertenkarte vor Behandlungsbeginn verpflichtet sei.80 Für den Privatpatienten kann daher nichts anderes gelten. Schließlich gehört zu einer guten (Geschäfts-)Beziehung, dass die Partner ihrer Leistungs- wie auch Zahlungspflicht nachkommen. Sie geben Ihr Bestes als Arzt, dann können Sie auch erwarten, dass Ihr Patient das in Rechnung gestellte Honorar begleicht. Tut er das nicht oder nicht fristgerecht, dann ist die Arzt-Patienten-Beziehung nachhaltig gestört und Sie können im Zweifel die weitere Behandlung ablehnen, wenn sich der Patient nicht einsichtig zeigt. b)
Raus aus der Klemme bei neuem Behandlungsbegehren Sie sind der Zahlungsmoral Ihrer Patienten also nicht hilflos ausgeliefert. Das heißt gleichzeitig, dass Ihnen im Umgang mit zahlungsunwilligen oder –unfähigen Privatpatienten konkrete Maßnahmen zur Verfügung stehen.81 Schwieriger wird es dagegen bei denjenigen Kassenpatienten, die IGeL- oder andere Selbstzahlerleistungen in Anspruch nehmen und ihren Zahlungsverpflichtungen aus der Inanspruchnahme dieser Leistungen nur zögerlich nachkommen. Hier sitzen Sie nun in der Klemme, denn im schlimmsten Fall springt Ihnen der Patient auch als Kassenpatient ab, wenn Sie aufgrund seiner mangelnden Zahlungsbereitschaft keine weiteren (unbezahlten) Selbstzahlerleistungen erbringen wollen. Sie sitzen jetzt mit dem Handwerker in einem Boot, dessen Kunde schon mit einem Folgeauftrag winkt, obwohl die überfällige Rechnung für den längst abgeschlossenen Auftrag noch immer nicht beglichen ist. Auf der einen Seite möchten Sie den neuen „Auftrag“ an Land ziehen, auf der anderen Seite steht die noch offene Rechnung und das Risiko eines Forderungsausfalls im Raum. Jetzt ist nicht nur Ihr Verhandlungsgeschick gefragt, sondern vor allen Dingen konsequentes Handeln nötig. Andernfalls landen Sie nämlich in der Mühle der ewigen Ausreden, weshalb Ihr Patient die Rechnung nicht begleichen kann oder will.
Machen Sie Ihrem Patienten klar, dass Sie der Behandlung anderer selbstzahlender Patienten den Vorzug geben werden, denn auch Sie müssen Ihre Rechnungen für die Miete und das Gehalt Ihrer Mitarbeiter fristgerecht begleichen. Dem können Sie nur nachkommen, wenn die Patienten pünktlich ihre Zahlungspflicht erfüllen. Zeigt sich der Patient uneinsichtig, dann sollten Sie bis auf Weiteres von einer Selbstzahlerleistung Abstand nehmen, statt noch einen Forderungsausfall und zusätzliche Materialkosten zu riskieren.
80
81
Presseinformation des Präsidenten des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 04.11.2005, Nr. 29/2005 zum Urteil vom 18.10.2005 – 21 BG 1565/05; a.A. Uhlenbruck/ Laufs in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 41 RdNr 6. Wie Sie mit zahlungsunwilligen oder –unfähigen Privatpatienten in dieser Situation am besten umgehen, zeigt Ihnen der Abschnitt „Die Schuldnertricks und wie Sie damit umgehen sollten“ ab Seite 159.
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C. Gold Standard für ein erfolgreiches Forderungsmanagement
3.
Der Patient, das unbekannte Wesen – die Bonitätsprüfung im Praxisalltag
a)
Wissen nützt – Wissen schützt
Gerade bei zahnärztlichen Leistungen müssen selbst Kassenpatienten immer häufiger Leistungen aus eigener Tasche bezahlen. Als Arzt haben Sie den Vorteil, dass Sie im Gegensatz zu vielen anderen Selbstständigen oft sehr nahe an „Ihren Kunden dran“ sind. In vielen Fällen haben Sie eine langjährige und sehr persönliche Beziehung zu dem Patienten aufgebaut, wodurch Sie selbst Details aus deren Leben kennen. Bei langjährigen Patienten haben Sie zudem umfangreiche Erfahrungen im Hinblick auf dessen Zahlungsverhalten sammeln können: ⓦ
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Hat der Patient jahrelang seine Rechnungen pünktlich bezahlt und lässt sein Zahlungsverhalten seit geraumer Zeit zu wünschen übrig? Ist der sonst zuverlässige Patient aufgrund seines fortgeschrittenen Alters oder einer Erkrankung vergesslich geworden und bezahlt deshalb seine Rechnungen nicht immer pünktlich? Gibt es Hinweise auf gravierende Veränderungen in seinem beruflichen oder familiären Umfeld, die typischerweise Ursachen für Zahlungsschwierigkeiten sein können wie eine Scheidung / Trennung, eine Geschäftsaufgabe, eine länger andauernde Arbeitslosigkeit, oder hat die zu behandelnde Erkrankung den Patienten arbeits- oder berufsunfähig gemacht, etc.?
Setzen Sie dieses Wissen für Ihr Forderungsmanagement in geeigneter Weise ein? Solche Informationen können Ihnen zunächst einmal helfen, die Risiken besser einzuschätzen. Sie machen damit nichts anderes als jeder vernünftige Unternehmer, der das Zahlungsverhalten seiner Kunden sorgfältig beobachtet und bei den ersten Anzeichen einer deutlichen Verschlechterung die Notbremse zieht, indem er Maßnahmen zur Vermeidung eines Forderungsausfalls trifft.82 b)
Die Bonitätsauskunft in der Arztpraxis – Nutzen und Risiken Nun kennen Sie nicht alle Patienten gleich gut, manchen sehen Sie nur einmal im Jahr oder es kommt ein neuer Patient, der sowohl unter medizinischen als auch finanziellen Gesichtspunkten ein unbekanntes Wesen für Sie ist. Sind mit der Behandlung dieses Patienten zwangsläufig höhere finanzielle Risiken verbunden? Versetzen Sie sich einmal in die Lage eines Patienten, der sich in Zahlungsschwierigkeiten befindet und eine (zahn-)ärztliche Versorgung benötigt, welche die gesetzliche Krankenversicherung nur zum Teil erstattet. Bei dem Arzt, bei dem er bisher in Behandlung war, hat er aufgrund seiner Zahlungsschwierigkeiten schon eine Reihe offener Rechnungen stehen. Im schlimmsten Fall lehnt der Arzt eine weitere Behandlung ab. Also bleibt dem Patienten nichts anderes übrig, als sich einen neuen Arzt zu suchen, für den er noch „ein unbeschriebenes Blatt“ ist und der keine Ahnung von seinem Zahlungsengpass hat. 82
Welche prophylaktischen Maßnahmen Ihnen auch als Arzt oder Zahnarzt zur Verfügung stehen, zeigt Ihnen der Abschnitt „Unternehmerische Strategien und ärztliche Rechts- und Standespflichten“ ab Seite 13.
II. Wo beginnt das Forderungsmanagement?
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Den neuen Patienten werden Sie zunächst wohlwollend behandeln. Wenn es an die Begleichung Ihrer Rechnung geht, dann müssen Sie freilich feststellen, dass der Patient sein Geld für notwendigere Dinge wie seinen Lebensunterhalt, die Miete, Strom und Wasser bereits ausgegeben hat. Die Arztrechnung muss warten. Es wäre daher von Vorteil, wenn Sie bereits vor Beginn einer umfangreichen und vor allen Dingen für den Patienten kostspieligen Behandlung in Erfahrung bringen könnten, ob der Patient in der Lage sein wird, seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Sie wollen daher etwas über die Bonität Ihres „Kunden“ erfahren und machen damit nichts anderes als eine Bank, die Ihnen einen Kredit gewähren soll. Die Bonitätsprüfung hat daher längst Einzug in die Arzt- bzw. Zahnarztpraxis gehalten. Bei der Überprüfung der Bonität ist freilich Schnelligkeit gefragt. Wenn der Patient heute in Ihrer Praxis sitzt und eine kostspielige Behandlung ansteht, können Sie nicht tage- oder gar wochenlang auf das Ergebnis der Auskunftei warten. Sowohl verschiedene Anbieter von Praxissoftware als auch andere Dienstleister aus der Auskunfteibranche bieten daher Online-Bonitätsauskünfte an. Die Anbieter werben damit, dass Sie für das Erstellen einer Auskunft lediglich den vollständigen Namen, die Anschrift sowie das Geburtsdatum des Patienten benötigen und umgehend das Ergebnis der Bonitätsprüfung gegen eine mehr oder weniger geringe Gebühr erhalten. Stopp! Mit der Übermittlung der personenbezogenen Daten befinden wir uns schon mitten im Problem. Wie Sie bereits an anderer Stelle nachlesen konnten83, gehören sowohl der Name des Patienten als auch die Tatsache, dass er Ihre Praxis aufgesucht hat, zu den durch die ärztliche Schweigepflicht geschützten Rechtsgütern. Zur Frage, ob Bonitätsabfragen bei Patienten unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten zulässig sind, hat das Innenministerium Baden-Württemberg bereits im Jahr 199984 Stellung bezogen und sie unter Einhaltung datenschutz- und strafrechtlicher Vorschriften ausdrücklich für zulässig erklärt, sofern die Einwilligung des Patienten vorliege. Um Ihre ärztliche Schweigepflicht nicht zu verletzen, dürfen Sie die Daten zum Zwecke der Bonitätsprüfung daher nur mit ausdrücklicher Einwilligung des Patienten an den Dienstleister übermitteln! Nach den Regeln des Bundesdatenschutzgesetzes bedarf die Einwilligung zudem der Schriftform.
Die Einwilligungserklärung können Sie als Arzt wie folgt formulieren: 83
84
Siehe dazu ausführlich im Abschnitt „Die Kernfrage – was ist alles geschützt?“ ab Seite 21. Bekanntmachung des Innenministeriums über Hinweise (Nummer 38) zum Bundesdatenschutzgesetz für die private Wirtschaft vom 18.10.2000, Az: 2-0552.1/14, veröffentlicht im Staatsanzeiger für Baden-Württemberg Nr. 2 vom 18.01.1999.
52
C. Gold Standard für ein erfolgreiches Forderungsmanagement „Ich bin damit einverstanden, dass bei umfangreichen ärztlichen Leistungen ggf. eine Bonitätsabfrage bei einem Kreditschutzunternehmen oder einer Auskunftei eingeholt wird“.85
Für Zahnärzte eignet sich folgende Formulierung: „Ich bin damit einverstanden, dass bei umfangreichen zahnärztlichen oder zahntechnischen Leistungen, für die mein(e) Zahnarzt / Zahnärztin gegenüber dem Zahntechniker in finanzielle Vorleistungen treten muss, ggf. eine Bonitätsanfrage bei einem Kreditschutzunternehmen oder einer Auskunftei eingeholt wird“.86
Da diese Formulierungsvorschläge keinen Hinweis auf das auskunftserteilende Unternehmen enthalten, empfiehlt es sich, den Patienten auf Nachfragen auf jeden Fall das konkrete Unternehmen zu benennen. Falls Sie regelmäßig mit der gleichen Auskunftei zusammenarbeiten, können Sie die Einwilligungserklärung auch dahingehend abändern, dass Sie den Namen und die Anschrift der Auskunftei gleich in die Einwilligungserklärung mit aufnehmen. 87 Darüber hinaus muss die Einwilligungserklärung nicht nur ausdrücklich vom Patienten erteilt werden, sondern in jedem Fall getrennt vom eigentlichen Behandlungsvertrag87 rechtzeitig vor Beginn der Behandlung eingeholt werden. Für den Praxisalltag bedeutet das wieder einmal ein zusätzliches Formular: Sie dürfen die Zustimmung zur Einholung einer Bonitätsauskunft nämlich ⓦ
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weder auf dem üblichen medizinischen Fragebogen zur Erhebung von Vorerkrankungen noch auf dem Behandlungsvertrag abdrucken, sondern müssen einen eigenen Vordruck hierfür verwenden.
Andernfalls laufen Sie Gefahr, im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung den Kürzeren zu ziehen. Ist die Klausel nämlich Bestandteil des Behandlungsvertrages, dann könnten die Richter dies als Überraschungsklausel im Sinne des § 305c BGB werten, mit dem Ergebnis, dass die Einwilligungserklärung unwirksam wäre. Ist dies der Fall, dann haben Sie zwar im guten Glauben gehandelt, aber dennoch gegen die ärztliche Schweigepflicht und datenschutzrechtliche Vorschriften verstoßen. Dürfen Sie nun gnadenlos die finanziellen Verhältnisse jedes einzelnen Privatpatienten oder Selbstzahlers durchleuchten? Datenschützer sehen derzeit keinen Rechtsgrund für die prophylaktische Bonitätsauskunft, solange der Patient seinen Zahlungsverpflichtungen bisher pünktlich nachgekommen ist.88 Außerdem sollte nach deren Auffassung ein konkreter Kostenvoranschlag vorliegen, bevor Sie die Bonitätsauskunft einholen. Die datenschutzrechtlichen Einwände mögen hinsicht85
86
87 88
Formulierungsvorschlag gemäß „Bekanntmachung des Innenministeriums über Hinweise (Nummer 38) zum Bundesdatenschutzgesetz“, aaO. Formulierungsvorschlag analog der „Bekanntmachung des Innenministeriums BadenWürttemberg über Hinweise (Nummer 38) zum Bundesdatenschutzgesetz“, aaO. Vgl. dazu § 4a Abs. 1 BDSG. Durchleuchtet – Bonitätsprüfung beim Zahnarzt, FINANZ test 7/2007, S. 12 – 13.
II. Wo beginnt das Forderungsmanagement?
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lich einer prophylaktischen Bonitätsauskunft sicherlich nachvollziehbar sein. Aber was nützt Ihnen eine Bonitätsauskunft, die Sie erst dann einholen, wenn Sie bereits festgestellt haben, dass Ihr Patient seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt? Aus der übermittelten Auskunft können Sie dann – welche Überraschung – entnehmen, dass Ihr Patient in Zahlungsschwierigkeiten steckt und infolgedessen auch Ihre Rechnungen nicht begleichen kann. Ist das Kind erst einmal in den Brunnen gefallen, nützt Ihnen auch die beste Bonitätsauskunft nichts mehr. Deshalb sollten Sie sich grundsätzlich vor jeder teuren Behandlung, deren Kosten der Patient ganz oder zum Teil selbst tragen muss, ein Bild über die Bonität des Patienten machen.89 Nicht bei allen Patienten werden Sie auf Zustimmung stoßen, wenn Sie ihnen die Einwilligungserklärung für die Bonitätsauskunft zur Unterschrift vorlegen. Der eine oder andere Patient wird möglicherweise keine Einwilligung erteilen. Müssen Sie dann trotzdem das finanzielle Risiko tragen? Nach Ansicht der Rechtsberater der Landesärztekammer darf ein Arzt die Behandlung eines Privatpatienten grundsätzlich ablehnen, wenn dieser die Einwilligung zu einer Bonitätsauskunft verweigert.90 c)
Welche Informationen enthält eine Bonitätsauskunft?
aa)
Der Bonitätsindex Jetzt werden Sie sich fragen, welche Informationen Sie von einer Auskunftei erwarten können und ob Ihnen die gewonnenen Erkenntnisse tatsächlich weiterhelfen. Zunächst einmal sammeln Auskunfteien Informationen über Unternehmen und Privatpersonen, die unter anderem für die Beurteilung der Kreditwürdigkeit und Zahlungsfähigkeit relevant sind. Während bei Unternehmen zusätzlich Daten über die Branchenzugehörigkeit, die Unternehmensgröße und das Management erfasst werden, beschränkt sich bei Privatpersonen die Auskunft im Wesentlichen auf ⓦ
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den vollständigen Vor- und Zunamen, einschließlich Namenszusätzen wie jun. oder sen., abweichende Ruf- oder Künstlernamen die Überprüfung der vollständigen Wohnanschrift und die korrekte Schreibweise sowie andere personenbezogene Angaben wie die berufliche Tätigkeit und Bankverbindungen.
Für die Beurteilung der Bonität werden darüber hinaus sowohl Informationen über Grundbesitz oder Verbindlichkeiten wie auch sogenannte Negativmerkmale herangezogen. Bei den Negativmerkmalen handelt es sich um „harte“ Kriterien, die unzweifelhaft ein Hinweis darauf sind, dass die betreffende Person erhebliche Zahlungsschwierigkeiten hat oder zumindest in der jüngsten Vergangenheit hatte. Solche Kriterien sind beispielsweise: ⓦ
ein laufendes Inkassoverfahren, d. h., ein Inkassounternehmen ist mit der Beitreibung einer offenen Forderung beauftragt worden;
89
Wie Sie mit einer schlechten Bonität des Patienten umgehen können, zeigt Ihnen der Abschnitt „Schlechte Bonität – keine Behandlung?“ ab Seite 56. BÄK Südwürttemberg, Rundschreiben Nr. 2/2006 unter Punkt 1.07.
90
54 ⓦ
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C. Gold Standard für ein erfolgreiches Forderungsmanagement
eine abgegebene eidesstattliche Versicherung91, d. h., der Betreffende gilt als zahlungsunfähig und muss seine Vermögensverhältnisse offenlegen; eine Haftandrohung im Rahmen eines Zwangsvollstreckungsverfahrens, d. h., der Betroffene weigert sich, die eidesstattliche Versicherung abzugeben; ein Verbraucherinsolvenzverfahren, d. h., der Betroffene ist dauerhaft zahlungsunfähig.92
Nun ist die Frage angebracht, woher eine Auskunftei ihre Informationen gewinnt und wie zuverlässig diese Quellen sind. Die aktuelle Anschrift wird in der Regel durch eine Anfrage beim zuständigen Einwohnermeldeamt überprüft. Die meisten Negativmerkmale stammen aus öffentlich zugänglichen Quellen wie dem Schuldnerverzeichnis, in welchem die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung oder eines Haftbefehls eingetragen wird, oder den Insolvenzdateien der verschiedenen Gerichte. Es handelt sich also um seriöse Quellen, die Sie auch selbst nutzen können. Nun werden Sie darüber nachdenken, welche Vorteile Ihnen die Beauftragung einer Auskunftei überhaupt bringt, wenn die Informationsquellen öffentlich zugänglich sind. Die Frage ist schnell beantwortet: Auskunfteien verfügen über deutlich mehr Informationen, denn sie sitzen in der Regel direkt an der „Quelle“. Die meisten großen Auskunfteien sind nämlich mit Inkassounternehmen verbunden. Entweder bieten sie selbst die Inkassodienstleistung an oder haben eine Tochter- oder Partnerfirma, die ihnen letztendlich die Inkassodaten liefern. Daher wissen die Auskunfteien sehr schnell, wenn die Bank dem Patienten beispielsweise bereits den Ratenkredit gekündigt und die Forderung zum Einzug an das Inkassounternehmen abgegeben hat. Wird am Ende der außergerichtlichen Beitreibung die Beantragung eines Mahn- und Vollstreckungsbescheides notwendig, dann hat das Inkassounternehmen die Information bereits in seinem Datenbestand, bevor der Schuldner den Mahn- oder Vollstreckungsbescheid überhaupt in den Händen hält. Je mehr Kunden das Inkassounternehmen mit dem Forderungseinzug beauftragen, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass zu einem Schuldner von mehreren Auftraggebern gleichzeitig Informationen eintreffen, welche die Beurteilung der Bonität abrunden können. Der Datenpool bietet noch einen weiteren Vorteil: Hier und da taucht ein unbekannt verzogener Schuldner unverhofft mit einer neuen Anschrift auf. Davon profitieren letztendlich alle Auskunfteikunden, die bereits vergeblich nach dem „Verschollenen“ gesucht haben, weil sie beim Einwohnermeldeamt bisher nicht fündig geworden sind.93 Die beste Bonitätsauskunft nutzt freilich wenig, wenn an die Bonitätsprüfung keine Konsequenzen geknüpft werden. Deshalb geben die meisten Auskunfteien nicht nur eine Einschätzung zur Bonität des Angefragten ab, sondern verknüpfen 91 92
93
Die eidesstattliche Versicherung wurde früher auch als „Offenbarungseid“ bezeichnet. Welche Voraussetzungen an die Einleitung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens geknüpft sind und was Sie tun müssen, wenn ein Patient das Verfahren in Gang gesetzt hat, erfahren Sie im Abschnitt „Mein Patient hat ein Insolvenzverfahren eingeleitet – was ist jetzt zu tun?“ ab Seite 132. Mehr dazu im Abschnitt „Die Schuldnertricks und wie Sie damit umgehen sollten“ ab Seite 159.
II. Wo beginnt das Forderungsmanagement?
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diese Aussage gleich mit einer konkreten Handlungsempfehlung. Die Bewertung der Bonität und damit des Risikos, einen Forderungsausfall zu erleiden, erfolgt je nach Anbieter durch Symbole oder ein Notensystem. Gebräuchlich ist unter anderem das Ampel-System, wobei bei „grün“, die Wahrscheinlichkeit, dass die Forderung ausfällt, sehr gering ist, bei „gelb“ schon eher Gefahren drohen, weil einige Negativmerkmale in der Vergangenheit offenkundig geworden sind und bei „rot“ keine Kreditwürdigkeit mehr gegeben ist, weil der Betreffende beispielsweise gerade die eidesstattliche Versicherung abgegeben hat. Andere Anbieter greifen hingegen zum Schulnotensystem und bewerten die Bonität der angefragten Personen mit Noten von 1 bis 6. Das kann dann in der Praxis so aussehen: Tabelle 4. Einteilung nach Risikoklassen Risikoklasse Bedeutung 1 Sehr gute Bonität. Es liegen keine Risikowarnzeichen vor. Das Forderungsausfallrisiko ist gering.
2
Gute Bonität. Wenige, relevante Risikowarnzeichen liegen vor. Der Patient zahlt zum Zahlungsziel. Das Ausfallrisiko ist als unterdurchschnittlich zu bewerten.
3
Einige Risikowarnzeichen liegen vor. Es kommt zu geringfügigen Zahlungsverzögerungen. Das Ausfallrisiko liegt über dem Durchschnitt. Angespannte Vermögensverhältnisse. Der Patient zahlt deutlich verspätet und meist erst nach einer Zahlungserinnerung oder Mahnung. Das Ausfallrisiko liegt deutlich über dem Durchschnitt. Es gibt zahlreiche Risikowarnzeichen. Der Patient zahlt nur äußerst schleppend. Das Forderungsausfallrisiko ist sehr hoch. Massiver Zahlungsverzug. Es ist mit großer Wahrscheinlichkeit mit einem Forderungsausfall zu rechnen.
4
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Konsequenz Sie können die Behandlung ohne Bedenken übernehmen. Sicherungsinstrumente sind nicht zwingend erforderlich. Sie können die Behandlung ohne Bedenken übernehmen. Sie sollten jedoch mit dem Patienten über eine Teilzahlung sprechen. Sie können die Behandlung übernehmen, sofern Sie auf einer Teilzahlung bestehen. Sie sollten auf einer Teilzahlung bestehen.
Ohne Teilzahlungsplan müssen Sie mit Forderungsausfällen rechnen. Es kann ethische, moralische oder soziale Gründe geben, weshalb Sie diesen Patienten behandeln. Allerdings müssen Sie dauerhaft damit rechnen, kein Geld für Ihre Dienstleistung zu erhalten.
bb) Score-Werte – alles nur heiße Luft?
Neben den „harten“ Kriterien, die zu einer konkreten Person vorliegen und Anhaltspunkte für ihr Zahlungsverhalten liefern, benutzen Auskunfteien zusätzlich soge-
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C. Gold Standard für ein erfolgreiches Forderungsmanagement
nannte Score-Werte. Hierfür werden die Daten der betreffenden Person denen einer statistischen Vergleichsgruppe gegenübergestellt: Über deren Zahlungsverhalten liegen umfangreiche Informationen vor und aufgrund der Auswertungen konnten sie einer entsprechenden Risikoklasse zugeordnet werden. Deshalb wird lediglich das rein statistische Risiko eines Forderungsausfalls, das der entsprechenden Risikoklasse anhaftet, der konkret zu bewertenden Person zugeordnet. Zusätzlich können mikro-geografische Daten in die Bewertung einfließen. Jetzt spielt es zum Beispiel ein Rolle, ob die betreffende Person in einer Plattenbausiedlung oder einem Wohngebiet mit gediegenen Einfamilienhäusern wohnt. Das Ergebnis der Auswertung finden Sie schließlich auf der Bonitätsauskunft als sogenannten Score-Wert in Form einer Schulnote oder eines Prozentsatzes. Die Aussagekraft des ermittelten Score-Wertes hängt im Wesentlichen von der Qualität der in die Bewertung einbezogenen Daten ab. Je mehr Informationen über das tatsächliche Zahlungsverhalten des Einzelnen, sowie seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse in die Bewertung einfließen, umso mehr kann der Wert etwas über das zu erwartende Zahlungsverhalten aussagen. Welche Daten die Auskunftei für die Bildung des Score-Wertes heranzieht und wie sie im Einzelnen die unterschiedlichen Kriterien gewichtet, bleibt indessen ihr Betriebsgeheimnis. Aufgrund der fehlenden Transparenz der Daten sind Score-Werte daher mit Vorsicht zu genießen und sollten nur in Verbindung mit den übrigen Informationen gewertet werden. d)
Schlechte Bonität – keine Behandlung?
Jetzt haben Sie eine Bonitätsauskunft eingeholt und müssen nun feststellen, dass der Patient in erheblichen Liquiditätsproblemen steckt. Nun kommt das zum Tragen, was wir bereits im ersten Kapitel festgestellt haben: Ein aktives Forderungsmanagement besteht im Wesentlichen daraus, die Risiken rechtzeitig zu erkennen und die geeigneten Instrumente zur Schadensbegrenzung einzusetzen. Wenn Sie das Risiko nicht einschätzen können, weil der Patient keine Einwilligung zur Bonitätsabfrage erteilt, bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen und eine Teilzahlung bei aufwendigen Behandlungen zu vereinbaren oder unter Umständen die Behandlung abzulehnen, sofern es sich nicht um einen Notfall handelt. Gleiches gilt für den Patienten mit schlechter Bonität. Wenn Sie den Patienten schon länger kennen, dann fließen im Laufe der Behandlungen schließlich Ihre eigenen Zahlungserfahrungen in die Bonitätsbewertung mit ein. Das kann sowohl dazu führen, dass Sie künftig auf eine Teilzahlung verzichten, weil das Zahlungsverhalten des Patienten absolut zuverlässig ist, als auch zu einer Unterbrechung einer längeren Behandlung, weil er seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt.
II. Wo beginnt das Forderungsmanagement?
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In diesem Sinne lässt sich die Aussage der Bezirksärztekammer94 präzisieren: Sie dürfen die Behandlung eines Patienten ablehnen, wenn Ihnen keine Informationen hinsichtlich seiner Zahlungsfähigkeit vorliegen und keine geeigneten Sicherungsinstrumente zur Verfügung stehen, die Sie vor einem Forderungsausfall schützen.
4.
Der Behandlungsvertrag
a)
Der Behandlungsvertrag als Dienstvertrag
Der Behandlungsvertrag ist in der Regel ein Dienst- und kein Werkvertrag. Als behandelnder Arzt / Zahnarzt schulden Sie deshalb keinen (Behandlungs- / Heilungs-) Erfolg, sondern eine dem (zahn-)medizinischen Standard entsprechende Behandlung und Betreuung des Patienten. Ausnahmsweise kann zwischen Ihnen als Arzt / Zahnarzt und dem Patienten auch einmal ein Werkvertrag zustande kommen. Ein Zahnarzt plant die Zahnprothese und ist für die optimale Einpassung zuständig, der Zahntechniker fertigt die Prothese nach den Vorgaben des Zahnarztes. In diesem Fall kommt es zu zwei völlig voneinander unabhängigen Vertragsverhältnissen zwischen Zahnarzt und Patient: Auf der einen Seite steht der Behandlungsvertrag als Dienstvertrag und auf der anderen der Werkvertrag bezüglich der Anpassung der Prothese.94
Die Leistung als Arzt erbringen Sie selbstständig und grundsätzlich unabhängig von den Weisungen des Patienten. Allerdings gilt dies nur mit Einschränkung sowohl im Hinblick auf die Behandlungsmethode als auch der Therapie, denn das Weisungsrecht ist ein grundlegendes Recht des Dienstgebers, also des Patienten. Gerade im Bereich der kosmetischen Chirurgie spielt das Weisungsrecht eine Rolle, wenn Patienten mit konkreten Vorstellungen in die Praxis kommen und das Behandlungsbegehren im einen oder anderen Falle schon einmal die Grenze zur Sittenwidrigkeit hin überschreiten kann. Dem Weisungsrecht tragen auch die Gebührenordnungen Rechnung. Verlangt der Privatpatient nämlich eine über das Maß einer medizinisch bzw. zahnmedizinisch notwendigen Behandlung hinausgehende Versorgung, dann dürfen Sie diese Leistungen ausnahmsweise in Rechnung stellen, § 1 Abs. 2 Satz 2 GOÄ und § 2 Abs. 3 GOZ. Wie wir bereits an anderer Stelle gesehen haben, unterscheidet sich das Vertragsverhältnis zwischen Arzt und Patient gravierend von dem eines Installateurs oder Elektrikers zu seinem Auftraggeber. Das besondere Vertrauensverhältnis ist charakteristisch für das Vertragsverhältnis und damit unabdingbare Voraussetzung für die Behandlung. Dem trägt der Gesetzgeber Rechnung, indem er den Behandlungsvertrag zu den Dienstverträgen höherer Art rechnet. Grundsätzlich unterliegt der Behandlungsvertrag im Rahmen der Dienstvertragsregeln keiner besonderen Form. Wie so oft gibt auch es von dieser Regel Ausnahmen. Sämtliche Leistungen, für die generell keine Leistungspflicht der Krankenkassen besteht und die deshalb im Rahmen einer Privatbehandlung erbracht werden, 94
Siehe dazu Fußnote 90.
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C. Gold Standard für ein erfolgreiches Forderungsmanagement
müssen zwingend in Schriftform abgeschlossen werden, § 3 Abs. 1 BMV-Ä bzw. § 4 Abs. 5b BMV-Z. Das gilt für Zahnfüllungen, die über die in § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB V genannten Leistungen hinausgehen genauso, wie für die Vereinbarung von individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL). Darüber hinaus kann der Patient eine ärztliche oder zahnärztliche Leistung auch ausdrücklich verlangen, die nicht im Katalog der gesetzlichen Krankenversicherer enthalten ist. In diesen Fällen ist die schriftliche Fixierung des Behandlungsvertrages empfehlenswert.95 Der Vertrag muss zudem die Erklärung des Patienten beinhalten, dass die Behandlung auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin erfolgt. Auch wenn es für Sie einen zusätzlichen Arbeitsaufwand bedeutet, so hat die schriftliche Abfassung der Vereinbarung in zweierlei Hinsicht eine Funktion: Im Streitfall erleichtert sie Ihnen den Beweis, dass die Behandlung auf ausdrücklichen Wunsch des Patienten hin erfolgt ist. Für den Patienten hat die Schriftform gleichzeitig eine gewisse Warnfunktion, damit er sich nicht gedankenlos in größere finanzielle Verpflichtungen stürzt. Schriftform bedeutet übrigens, dass die Vereinbarung sowohl vom Arzt als auch vom Patienten eigenhändig unterschrieben werden muss, § 126 BGB. Jetzt werden Sie möglicherweise einwenden, dass es einer guten Beziehung zwischen Arzt und Patient nicht gerade zuträglich ist, wenn die einzelnen Behandlungsschritte versachlicht und in ein umfangreiches Vertragswerk gegossen werden müssen. Entgegen dieser Auffassung halte ich es für eine gute, partnerschaftliche „Zusammenarbeit“ zwischen Arzt und Patient sogar für unerlässlich, grundlegende Dinge wie die zu erbringende ärztliche Leistung und deren Preis vorab zu regeln. Das mag zu einer Veränderung in der Arzt-Patienten-Beziehung führen und fordert von beiden Seiten sicherlich eine weitaus verantwortungsbewusstere und partnerschaftlichere Zusammenarbeit, als dies bisher der Fall war. b)
Wer mit wem? Die Vertragsparteien Haben Sie sich schon einmal Gedanken darüber gemacht, mit wem Sie den Behandlungsvertrag abschließen? Wie jeder andere Unternehmer sollten Sie sich vor Beginn der Behandlung Klarheit darüber verschaffen, welche Vertragspartner beteiligt sind. Bei genauerem Hinsehen ergeben sich gleich eine ganze Reihe von Fragen, denn sowohl auf der Seite der Patienten als auch des Arztes können unterschiedliche Konstellationen auftreten. ⓦ
Auf der Seite des Patienten stellt sich zum einen die Frage, ob der Patient oder dessen Krankenversicherer aus dem Behandlungsvertrag verpflichtet wird.
95
Weshalb Sie sich den „Behandlungsauftrag“ in jedem Fall schriftlich erteilen lassen sollten, erfahren Sie im Abschnitt „Wir haben doch gar keinen Vertrag geschlossen“ ab Seite 160.
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Aus einem Behandlungsvertrag könnte sowohl der mitversicherte Patient als auch dessen hauptversicherter Ehepartner verpflichtet werden. Haben Sie folglich zwei Schuldner für Ihre Honorarforderung? Wer wird zum Vertragspartner, wenn Kinder privatversicherter Eltern behandelt werden? Auf der Seite des Arztes kann sowohl der Arzt in der Einzelpraxis tätig werden, als auch ein rechtlich sehr unterschiedlicher Zusammenschluß von Ärzten.
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aa)
Patient oder Krankenversicherer? – das ist hier die Frage Solange Sie als Arzt in einer Einzelpraxis tätig sind, haben wir es mit einer klassischen Dreiecksbeziehung zwischen Arzt, Patient und Krankenversicherer zu tun. Beim Kassenpatienten tritt dann noch die Kassenärztliche Vereinigung hinzu, sodass aus der Dreiecks- eine Vierecksbeziehung wird, die das Ganze noch ein wenig komplizierter macht. Unter abrechnungstechnischen Gesichtspunkten wäre es vorteilhaft, wenn der Krankenversicherer Ihr Vertragspartner wäre.96 Zugegeben, die rechtliche Konstruktion ist auf den ersten Blick verwirrend. Um sich Klarheit zu verschaffen, müssen zwei grundsätzliche Fragen voneinander getrennt werden: ⓦ
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Wird der Patient oder der Versicherer durch die Behandlung zum Vertragspartner? Gibt es Unterschiede zwischen Privatversicherten und Kassenpatienten?
Abb. 1. Die rechtlichen Beziehungen zwischen Arzt und Privatpatient und alternativ zwischen Arzt und Kassenpatient97
96
97
Lesen Sie dazu auch den Abschnitt „Was ändert sich mit dem neuen Versicherungsvertragsgesetz?“ ab Seite 137. Abbildung nach Quaas/Zuck, Medizinrecht, S. 242.
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Der Behandlungsvertrag kommt grundsätzlich zwischen dem Arzt auf der einen und dem Patienten auf der anderen Seite zustande. Nach überwiegender Auffassung im Zivilrecht gilt dies auch für den gesetzlich versicherten Patienten98, die Vertreter des Sozialrechts teilen diese Ansicht hingegen nicht. Gegen wen sich Ihr Honoraranspruch richtet, ist letztendlich eine ganz andere Frage.99 bb) Der Ehepartner als Patient – wer wird hier verpflichtet?
Beim volljährigen Patienten ist die Frage relativ einfach zu beantworten: Der Behandlungsvertrag wird zwischen Ihnen und dem Patienten geschlossen. Das gilt selbst dann, wenn der Patient bei seinem Ehepartner mitversichert ist, denn die rechtliche Konstellation zwischen dem Versicherer und dem Patienten hat keinen Einfluss auf das Zustandekommen des Behandlungsvertrages. Deshalb müssen Sie die Rechnung stets an denjenigen Patienten senden, den Sie behandelt haben und nicht an dessen (haupt-)versicherten Ehepartner! Jetzt stellt sich die Frage, ob der hauptversicherte Ehepartner aus einem Behandlungsvertrag, den der Mitversicherte geschlossen hat, auch zur Zahlung des Honorars mitverpflichtet werden kann. Geschäfte, die zum normalen Lebensbedarf gehören, kann jeder Ehepartner tätigen. Grundsätzlich gehört eine ärztliche Behandlung zum Lebensbedarf der Familie im Sinne des § 1357 BGB, weil sie der Gesundheit als dem „primären und ursprünglichen Lebensbedarf“ dient.100 Daher kann jeder Partner den Behandlungsvertrag abschließen. Dabei verpflichtet er den anderen mit, ohne dass es einer ausdrücklichen Regelung bedarf, vorausgesetzt, es handelt sich dabei um eine unaufschiebbare und angemessene ärztliche Behandlung. 101 In diesem Fall haften die Ehepartner als Gesamtschuldner aus dem Behandlungsvertrag. Die gesamtschuldnerische Haftung lässt sich am besten wie folgt beschreiben: Die Gesamtschuldner sitzen sozusagen in einem Boot. Sie haften alle gemeinsam für die gesamte Forderung aus dem Behandlungsvertrag. Zudem haftet jeder einzelne Gesamtschuldner für die gesamte Forderung. Der Gläubiger darf diese natürlich nur einmal geltend machen. Er kann sich dabei aussuchen, von wem er den Betrag verlangt. Wenn Sie Ihre Forderung auf gerichtlichem Wege geltend machen müssen, haben Sie daher die Wahl, ob Sie gegen die Ehegatten gemeinsam, Ihren Patienten oder dessen Ehepartner vorgehen.101 Überschreiten die Kosten für eine medizinisch dringend gebotene Behandlung unzweifelhaft die wirtschaftlichen Verhältnisse der Familie, dann scheidet eine Mit98 99 100 101
aA Krauskopf in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 25 RdNr 5. Siehe dazu im Abschnitt „Gegen wen richtet sich mein Honoraranspruch?“ ab Seite 76. So schon der BGH in seiner Entscheidung vom 27.11.1991 – XII ZR 226/90. Worauf Sie bei der gerichtlichen Geltendmachung achten müssen, zeigt Ihnen der Abschnitt „Online geht es leichter“ ab Seite 148.
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verpflichtung des anderen Ehepartners unter den gegebenen Umständen aus.102 Der Entscheidung des Bundesgerichtshofs, der diese wesentliche Einschränkung getroffen hat, lag folgender Sachverhalt zugrunde: Eine mittellose Witwe wurde von einem Krankenhaus für die Behandlung ihres inzwischen an Krebs verstorbenen Ehemanns in Höhe von rund 30.000 DM in Anspruch genommen. Eine Krankenversicherung bestand nicht, weil der Ehemann aufgrund seiner geringen Einkünfte die Beiträge zur Versicherung nicht mehr bezahlen konnte. Ist die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Familie nicht gegeben und die Behandlung nicht nur unaufschiebbar, sondern gleichzeitig dringend medizinisch indiziert, dann sollten Sie unbedingt prüfen, ob ggf. ein anderer Kostenträger für die Behandlung aufkommt, andernfalls müssen Sie damit rechnen, leer auszugehen. Anders sieht es bei Behandlungen aus, die nicht mehr zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs zählen. In diesem Fall haftet nämlich nur der zu behandelnde Ehepartner. Hierunter kann sowohl eine Vereinbarung über eine umfangreiche und kostspielige, jedoch medizinisch nicht indizierte Operation als auch eine aufwendige Zahnbehandlung einschließlich eines Zahnersatzes fallen. Die Grenze zwischen den Behandlungsalternativen ist fließend und hängt vom konkreten Einzelfall ab. Als Beurteilungskriterien müssen in diesem Fall nicht nur das Familieneinkommen und die familiäre Situation herangezogen werden, sondern auch, ob und in welchem Umfang eine Krankenversicherung besteht, die dem Betroffenen einen entsprechenden Versicherungsschutz bietet. Deshalb sollten Sie bei besonders aufwendigen und vor allen Dingen kostspieligen Behandlungen immer sicherstellen, dass der Ehepartner mit der Behandlung einverstanden ist und sich aus dem Behandlungsvertrag mitverpflichtet. Andernfalls sollten Sie andere Sicherungsinstrumente wie eine Teil- oder Abschlagszahlung vereinbaren. cc)
Geschäftsunfähige und beschränkt Geschäftsfähige – wer schließt hier den Vertrag?
Bei der täglichen Arbeit in der Praxis müssen Sie sich hin und wieder mit der Frage nach der Geschäftsfähigkeit eines Patienten auseinandersetzen. Bei einem Erwachsenen können Sie zwar grundsätzlich von der vollen Geschäftsfähigkeit ausgehen. Jedoch haben Sie es nicht immer mit einem erwachsenen, geistig gesunden Patienten zu tun, bei dem der Abschluss eines Behandlungsvertrages unproblematisch ist. Die Klärung dieser Frage ist deshalb so wichtig, weil in unserem Zivilrecht der Geschäftsunfähige einen besonderen Schutz genießt. Dieser soll gerade vor dem Abschluss solcher Geschäfte geschützt werden, deren Konsequenzen er nicht überschauen kann. Das hat zur Folge, dass die mit einem Geschäftsunfähigen geschlossene Verträge nichtig sind, § 105 Nr. 1 i. V.m. § 104 BGB. Für die Beurteilung der Geschäftsfähigkeit sind zwei Faktoren von wesentlicher Bedeutung: zum einen das Alter des zu behandelnden Patienten als auch dessen 102
BGH, Urteil vom 27.11.1991 – XII ZR 226/90.
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geistige Fähigkeiten. Geschäftsunfähig sind zunächst einmal alle Kinder, die das siebente Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Wenn der 6-Jährige Sebastian Ihre Praxis ohne elterliche Begleitung aufsucht, weil er sich beim Fußballspielen das Knie aufgeschlagen hat, dann kommt mit dem 6-Jährigen mangels Geschäftsfähigkeit kein Behandlungsvertrag zustande. Erst die Zustimmung des Erziehungsberechtigten lässt einen wirksamen Vertrag entstehen.
Meistens werden Kinder von einem Elternteil zur Behandlung in die Praxis gebracht. Dann kommt der Behandlungsvertrag mit dem Erziehungsberechtigten zustande, der das Kind begleitet hat. Nur ausnahmsweise wird man davon ausgehen können, dass der Behandlungsvertrag zwischen dem Minderjährigen und dem Arzt zustande kommt. In der Regel wird der begleitende bzw. sorgeberechtigte Elternteil den Behandlungsvertrag im eigenen Namen zugunsten des Kindes abschließen, wodurch sich die Eltern aus dem Vertrag zur Zahlung Ihres Honorars verpflichten und dem Kind damit einen Anspruch auf Behandlung verschaffen. Das ist der klassische Fall eines Vertrages zugunsten Dritter. Während grundsätzlich nur die Vertragspartner verpflichtet und berechtigt werden, können bei einem Vertrag zugunsten Dritter die Vertragsparteien abweichend vereinbaren, dass die Leistung nicht an den Vertragspartner sondern an einen Dritten zu erbringen ist. Dieser Vertragstyp taucht in vielen Varianten in unserem Geschäftsleben auf. Beispielsweise schließen Sie einen Vertrag zugunsten Dritter, wenn Sie bei einem Autohändler einen Gebrauchtwagen in Ihrem eigenen Namen kaufen mit der eindeutigen Anweisung an den Händler, dass das Fahrzeug Ihrem Sohn oder Ihrer Tochter am 18. Geburtstag ausgehändigt werden soll. Sie bezahlen den Kaufpreis, die Fahrzeugpapiere werden auf den Sohn oder die Tochter ausgestellt und nur der Sprössling ist als neuer Eigentümer berechtigt, vom Fahrzeughändler die Herausgabe des Autos zu verlangen, ohne dass zwischen dem Sohn bzw. der Tochter und dem Autohändler eine vertragliche Beziehung entstanden wäre.
Handelt es sich um eine intakte Familie mit leiblichen Kindern bzw. Adoptivkindern, dann sollten Sie stets auch an die gesamtschuldnerische Haftung beider Elternteile denken. Die meisten Jugendlichen wollen heute frühzeitig am Konsum- und Geschäftsleben teilhaben. Das birgt andererseits auch Risiken in sich, denn die im Geschäftsleben noch unerfahrenen Minderjährigen könnten sich durch Verträge verpflichten, die sie entweder nicht einhalten können oder sie finanziell belasten. Das beste Beispiel dürfte wohl die Handy-Nutzung vieler Kids sein, die Tag für Tag telefonieren, bis der Akku glüht und die Handy-Rechnung in astronomische Höhen klettert. Zudem werden die von den Sprösslingen getätigten Geschäfte bei den Eltern in manchen Fällen keine Begeisterung auslösen. Deshalb schützt das Zivilrecht die Minderjährigen in ganz besonderer Weise. Mit einem beschränkt geschäftsfähigen Patienten, also den 7 bis 18-Jährigen, kommt deshalb ein Behandlungsvertrag nur dann zustande, wenn der gesetzliche Vertreter in die Behandlung entweder vorab eingewilligt hat oder ihr nachträglich zustimmt. Solange die Genehmigung des Erziehungsberechtigten nicht vorliegt, ist der Vertrag schwebend unwirksam. Nun müssen Sie nicht bis in alle Ewigkeit warten, ob die Eltern bzw. ein anderer Erzie-
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hungsberechtigter endlich die Genehmigung erteilt. Sie können die Erziehungsberechtigten auffordern, zu erklären, ob sie den ohne Einwilligung des gesetzlichen Vertreters abgeschlossenen Vertrag genehmigen oder nicht. Innerhalb einer Frist von 14 Tagen haben diese die Gelegenheit, Stellung zu nehmen. Tun sie das nicht, dann ist der geschlossene Vertrag endgültig unwirksam. Wenn Sie einen beschränkt geschäftsfähigen Patienten ohne die erforderliche Einwilligung des gesetzlichen Vertreters behandeln, dann gehen Sie immer das Risiko ein, dass die Zustimmung verweigert wird. Infolgedessen kommt kein Vertrag zustande und Sie haben folglich auch keinen Anspruch auf ein Honorar. Kann der Minderjährige dagegen die Kosten für die Behandlung entweder aus seiner Ausbildungsvergütung selbst bestreiten, oder ist ihm der erforderliche Betrag hierfür zur Verfügung gestellt worden, dann schließen Sie mit ihm den Vertrag, ohne dass es einer Einwilligung oder Genehmigung des gesetzlichen Vertreters bedarf. Aber selbst volljährige Patienten können aufgrund einer Erkrankung dauerhaft geschäftsunfähig sein. Geschäftsunfähigkeit liegt vor, wenn sich Menschen nicht nur vorübergehend in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befinden. Der Bundesgerichtshof 103 hat die Beeinträchtigung der freien Willensbestimmung im Sinne des § 104 Nr. 2 BGB wie folgt definiert: „Ein Ausschluss der freien Willensbestimmung liegt vor, wenn jemand nicht imstande ist, seinen Willen frei und unbeeinflusst von der vorliegenden Geistesstörung zu bilden und nach zutreffend gewonnenen Einsichten zu handeln. Abzustellen ist dabei darauf, ob eine freie Entscheidung nach Abwägung des Für und Wider bei sachlicher Prüfung der in Betracht kommenden Gesichtspunkte möglich ist, oder ob umgekehrt von einer freien Willensbildung nicht mehr gesprochen werden kann, etwa weil infolge der Geistesstörung Einflüsse dritter Personen den Willen übermäßig beherrschen.“
Der Grad der Intelligenz des Patienten und die Schwierigkeit des Rechtsgeschäftes bleiben bei der Beurteilung der Geschäftsfähigkeit außer Betracht. Es gibt daher keine relative Geschäftsunfähigkeit, die sich auf den Abschluss besonders komplizierter Geschäfte bezieht. Der Betroffene kann hingegen für einen ganz bestimmten Lebensbereich für geschäftsunfähig erklärt werden. Als Beispiel einer partiellen Geschäftsunfähigkeit wird gerne der „Querulantenwahn“ herangezogen, also Menschen, die allzu gerne Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte regelmäßig mit mehr oder minder haltlosen Anzeigen bzw. Klagen überhäufen. Es kommt dabei nicht darauf an, ob Sie die zur Geschäftsunfähigkeit führende Erkrankung erkennen konnten oder nicht. Die zivilrechtlichen Vorschriften schützen ausnahmslos den geschäftsunfähigen Patienten vor den für ihn unübersehbaren Folgen seines Handelns, ohne dabei Rücksicht auf die Belange des vermeintlichen Geschäftspartners zu nehmen!
103
BGH, Urteil vom 05.12.1995 – XI ZR 70/95 (KG).
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Für die Beurteilung der Geschäftsfähigkeit ist es völlig unerheblich, unter welchen medizinischen Begriff die krankhafte Störung der Geistestätigkeit fällt. Schwere Erkrankungen wie Demenz, Schizophrenie oder endogen-depressive Psychosen können einen Ausschluss der freien Willensbestimmung zur Folge haben. Selbst eine Alkohol- oder eine andere Suchterkrankung muss nicht zwangsläufig eine Geschäftsunfähigkeit zur Folge haben. Für deren Beurteilung ist allein darauf abzustellen, inwieweit die Erkrankung bereits zu einem dauerhaften Ausschluss der freien Willensbildung geführt hat. Das kann zum einen der Fall sein, wenn die Sucht ein Symptom einer weiteren schwerwiegenden Erkrankung ist, zum anderen kann der Missbrauch des Suchtmittels bereits zu organischen Veränderungen des Gehirns geführt haben, die einen dauerhaften Abbau der Persönlichkeit zur Folge haben.104 Selbst bei einer dauerhaften Störung der Geistestätigkeit kann der Patient einen „lichten Moment“ haben. Erklärungen, die er in einer solchen Phase abgibt, sind regelmäßig wirksam. Im Zweifel müssen Sie deshalb bei einer dauerhaften Störung nachweisen, dass sich der Patient beispielsweise gerade beim Abschluss des Behandlungsvertrages in einem Zustand befunden hat, der die Geschäftsfähigkeit nicht ausschließt, was im Einzelfall ausgesprochen schwierig werden kann. Neben den Willenserklärungen, die jemand im Zuge einer „krankhaften Störung der Geistestätigkeit“ abgibt, sind auch jene, die im Zustand der Bewusstlosigkeit abgegeben werden, gemäß § 105 Abs. 2 BGB nichtig. Wahrscheinlich haben Sie den letzten Satz zweimal gelesen und schon überlegt, ob es sich dabei um einen Schreibfehler handelt. Das ist nicht der Fall! Die Formulierung des zweiten Absatzes dieser Vorschrift ist vielmehr etwas „verunglückt“. Mit „Bewusstlosigkeit“ im Sinne dieser Vorschrift ist nicht das vollständige Fehlen des Bewusstseins gemeint. Wer nicht mehr bewusst handeln kann, der ist weder in der Lage, durch Worte noch durch Zeichen seinen Willen kundzutun. Stattdessen wollte der Gesetzgeber damit eine hochgradige Bewusstseinstrübung beschreiben, also Situationen, in denen der Betroffene beispielsweise zu tief ins Glas geschaut hat und aufgrund seiner Alkoholintoxikation gerade noch ansprechbar ist. Vergleichbares gilt für Drogen aller Art. Und wie steht es mit demjenigen, der das Bewusstsein vollständig verloren hat? Allein aus der Tatsache, dass Sie die Behandlung eines Patienten übernehmen, ist noch kein Behandlungsvertrag zustande gekommen! Aus der Übernahme der Behandlung eines Patienten lässt sich nicht zwingend der Abschluss eines Behandlungsvertrages herleiten. Fehlt es an dem Willen hierzu, oder kann der Betroffene seinen Willen, sei es auch nur durch konkludentes Handeln, nicht kundtun, dann kommt mit ihm kein Behandlungsvertrag zustande, obwohl Sie ihn nach allen Regeln der ärztlichen Kunst versorgen. Trotzdem stehen Sie nicht rechtlos da. Auf diese Fälle werden nämlich die Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag angewandt. Hieraus entstehen nur selten rechtliche Probleme, weil der privat versicherte Patient, sobald sein Zustand es zulässt, die erbrachte Behandlung im 104
Siehe dazu auch: OLG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 09.12.2004 – 4 W 43/04 = NJW 2005, S. 2017 ff.
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Nachhinein genehmigen wird. Damit ist von Anfang an ein Behandlungsvertrag mit dem Patienten zustande gekommen. Genehmigt der Patient wider Erwarten die durchgeführte Behandlung nicht, dann ist folglich kein Vertrag geschlossen worden. Ohne Behandlungsvertrag steht Ihnen zwangsläufig auch kein vertraglicher Honoraranspruch gegen den Patienten zu. Dennoch müssen Sie nicht auf Ihr Geld verzichten.105 Der Abschluss eines Behandlungsvertrages ist nicht gleichzusetzen mit der Einwilligung in die Behandlung! Ein 14-Jähriger benötigt aufgrund seiner beschränkten Geschäftsfähigkeit noch der Einwilligung oder Genehmigung seiner Erziehungsberechtigten, um einen Behandlungsvertrag abzuschließen. Dennoch kann er wirksam in eine ärztliche Behandlung einwilligen, soweit er angesichts seines Alters und seiner Reife in der Lage ist, die Folgen der Behandlung zu überblicken. Anders sieht es hingegen aus, wenn der Patient unter Betreuung steht. Früher hatte eine Entmündigung wegen Geisteskrankheit stets die Geschäftsunfähigkeit zur Folge. Durch das zum 01.01.1992 in Kraft getretene Betreuungsgesetz wurde die Entmündigung abgeschafft. Die Bestellung eines Betreuers durch das Gericht hat deshalb keinen Einfluss auf die Geschäftsfähigkeit des Betreuten, außer er ist im Rahmen des § 104 Nr. 2 BGB gleichzeitig geschäftsunfähig. Die Willenserklärungen eines Betreuten bleiben deshalb, von dieser Einschränkung einmal abgesehen, nach wie vor wirksam. Der Betreute kann deshalb wirksam einen Behandlungsvertrag abschließen! Es kann daher passieren, dass ein unter Betreuung stehender Patient einen Behandlungsvertrag abschließt, der Betreuer aber damit nicht einverstanden ist und deshalb die für die Behandlung angefallenen Kosten nicht begleichen will. Dieses Ergebnis hat der Gesetzgeber ganz bewusst in Kauf genommen. Hat das Vormundschaftsgericht dagegen einen Einwilligungsvorbehalt im Sinne des § 1903 BGB angeordnet, dann ist der Betreute vergleichbar einem Minderjährigen in seiner Geschäftsfähigkeit beschränkt. Schließt der Betreute ohne Einwilligung seines Betreuers einen Behandlungsvertrag mit Ihnen, dann ist dieser Vertrag zunächst schwebend unwirksam. Ob er dann jemals wirksam wird, hängt letztendlich von der Genehmigung des Betreuers ab. Wie beim beschränkt geschäftsfähigen Minderjährigen sollten Sie daher den Betreuer auffordern, eine Erklärung abzugeben. Kommt der Betreuer Ihrer Aufforderung innerhalb der Zweiwochenfrist nicht nach oder verweigert er die Genehmigung, dann ist der Behandlungsvertrag endgültig unwirksam.
105
Mehr dazu im Abschnitt „Gegen wen richtet sich mein Honoraranspruch?“ ab Seite 76.
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Ist der Betreute gleichzeitig geschäftsunfähig, dann kann er ausschließlich durch seinen Betreuer am Geschäftsleben teilnehmen. Das hat allerdings zur Folge, dass das Rechtsgeschäft, das der geschäftsunfähige, unter Betreuung stehende Patient abschließt, nicht nachträglich vom Betreuer genehmigt werden kann. dd) Einer für alle? – Wenn mehrere Ärzte zusammenarbeiten
Zumindest auf der Patientenseite ist nun klar, wer zum Vertragspartner wird. Jetzt stellt sich nur noch die Frage, wie es gleichzeitig auf der ärztlichen Seite aussieht. Solange Sie als „Einzelkämpfer“ tätig sind, ist die Frage schnell beantwortet. Wenn sich mehrere Ärzte zusammengeschlossen haben, dann wird es schon etwas schwieriger. Die Zusammenarbeit kann nämlich unter sehr unterschiedlichen rechtlichen Gesichtspunkten erfolgen. Lange Zeit unterlagen Sie bei der Kooperation mit ärztlichen Kollegen einem erheblichen Formenzwang. Erst das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz (VÄndG)106 hat Ihnen die Zusammenarbeit im Rahmen der vertragsärztlichen Tätigkeit wesentlich erleichtert. Seither stehen Ihnen alle für den Arztberuf zulässigen Gesellschaftsformen bei der Zusammenarbeit mit Kollegen fachgleicher oder –verwandter Richtungen zur Verfügung. Neben den reinen Organisationsgemeinschaften werden die sogenannten Berufsausübungsgemeinschaften107 auch weiterhin breiten Raum in der Zusammenarbeit einnehmen. Hinter diesem etwas unhandlichen Oberbegriff können sich rechtlich sehr unterschiedliche Formen einer gemeinsamen Berufsausübung verbergen. Zum einen kann die Zusammenarbeit im Rahmen einer Gemeinschaftspraxis erfolgen. Sie lässt sich von der reinen Organisationsgemeinschaft recht klar und eindeutig durch den identischen Patientenstamm für alle an der Gemeinschaftspraxis beteiligten Ärzte abgrenzen. Die Gemeinschaftspraxis wird überwiegend in der Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)108 geführt. Das Partnerschaftsgesellschaftsgesetz (PartGG)109 ermöglicht es inzwischen auch Angehörigen freier Berufe, wie Ärzten110 und Zahnärzten111, sich in einer Partnerschaftsgesellschaft zusammenschließen. Bei der kassenärztlichen Versorgung lässt sich die Frage nach dem Vertragspartner des Patienten relativ einfach beantworten. Die Zulassungsverordnungen lassen hier gar keine Wahl: Der Behandlungsvertrag muss zwangsläufig zwischen Ihnen als Kassenarzt und dem Patienten geschlossen werden, da weder die Gesellschaft bürgerlichen Rechts noch die Partnerschaftsgesellschaft als solche zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sind. Seit Inkrafttreten des GKV-Modernisierungs106 107
108 109 110 111
BGBl. I 2006, S. 3439 ff. Siehe dazu jetzt in dem neu gefassten § 1a Nr. 11 bis 14 BMV-Ä i. d. Fassung vom 08. Juni 2007. Die GbR wird teilweise auch als BGB-Gesellschaft bezeichnet. BGBl. I 1994, S. 1744. Vgl. dazu § 1 Abs. 2 BÄO. Vgl. dazu § 1 Abs. 4 ZHG.
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gesetzes112 zum 01.01.2004 können auch medizinische Versorgungszentren (MVZ) an der ambulanten Versorgung der gesetzlich Krankenversicherten teilnehmen, § 95 Abs. 1 SGB V. Im Gegensatz zu anderen Formen des Zusammenschlusses von Ärzten kann das MVZ gemäß § 95 Abs. 1 Satz 3 SGB V in jeder zulässigen Rechtsform betrieben werden.113 Unabhängig davon, ob das MVZ in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, einer GmbH oder AG geführt wird, schließen Privatpatienten den Behandlungsvertrag stets mit der Gesellschaft ab114, woraus sich ganz neue Hürden bei der Honorarabrechnung ergeben.115 Führen Sie mit Kollegen eine Gemeinschaftspraxis, dann war lange Zeit die Rechtsform der Gesellschaft ausschlaggebend dafür, wer Vertragspartner des Privatpatienten wird. Ursprünglich wurden sämtliche Ärzte einer Gemeinschaftspraxis, die in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts geführt wurde, zum Vertragspartner, selbst wenn nur einer der Kollegen den Patienten behandelte. Das lag daran, dass die Gesellschaft bürgerlichen Rechts lange Zeit sowohl von der Rechtsprechung als auch der Lehre als nicht rechtsfähig angesehen wurde. Sie konnte daher nicht selbst Trägerin von Rechten und Pflichten sein. Im Geschäftsleben war die Gesellschaft beispielsweise nicht in der Lage, Verträge im eigenen Namen zu schließen. Bei einem Vertragsabschluß mussten sich deshalb die Gesellschafter verpflichten. Ein Urteil des Bundesgerichtshofs116 hat in diesem Punkt eine grundlegende Veränderung herbeigeführt. Sofern die Gesellschaft bürgerlichen Rechts am Geschäftsverkehr nach außen hin teilnimmt, dann ist sie anders als bisher von der Rechtsprechung angenommen, als rechtsfähig zu behandeln. Vertragspartner des Patienten wird deshalb nicht mehr der einzelne Arzt der Gemeinschaftspraxis, sondern die Gesellschaft bürgerlichen Rechts als solche. Legt ein Patient hingegen Wert darauf, einen Arzt, der an der Gesellschaft bürgerlichen Rechts beteiligt ist, als Vertragspartner für eine ganz bestimmte Behandlung in Anspruch zu nehmen, dann sollten Sie dies ausdrücklich im Behandlungsvertrag hervorheben. Die Entscheidung des BGH hat freilich nichts an der Haftung der an der Gesellschaft beteiligten Ärzte geändert! Seit der Novellierung der Musterberufsordnung ist es auch möglich, eine Teil-Gemeinschaftspraxis zu bilden. Da es sich bei der Teil-Gemeinschaftspraxis um eine echte Gemeinschaftspraxis handelt, richtet sich die Frage, wer Vertragspartner des Patienten wird, ausschließlich nach den Regeln für die Gemeinschaftspraxis. Sofern die Gemeinschaftspraxis in Form einer Partnerschaftsgesellschaft geführt wird, werden die Behandlungsverträge ebenfalls mit der Gesellschaft geschlossen117, sodass es seit der geänderten Rechtsprechung zur Gesellschaft bürger112
113
114
115 116 117
Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz – GMG), BGBl. I 2003, S. 2190 ff. Siehe dazu auch die Gesetzesbegründungen, BT-Drucks. 15/1525 vom 08.09.2003, S. 107 und 108. Thomas/Breuer/Hansen, Medizinische Versorgungszentren (MVZ) zwischen Mythos und Realität, in KVNO extra, Seite 2 ff, Seite 17. Siehe dazu auch im Abschnitt „Gegen wen richtet sich mein Honoraranspruch?“ ab Seite 76. BGH, Urteil vom 29.01.2001 – II ZR 331/00. Uhlenbruck/Schlund in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 18 RdNr 13 mwN.
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lichen Rechts keinen wesentlichen Unterschied mehr macht, in welcher Gesellschaftsform die Gemeinschaftspraxis geführt wird. Anders verhält es sich hingegen bei der Praxisgemeinschaft, die sich am besten als Organisationsgemeinschaft beschreiben lässt. Teilen Sie sich mit mehreren Kollegen zwar die Praxisräume und ggf. auch die personellen Ressourcen, jeder führt jedoch seine Praxis selbstständig und verfügt zugleich über einen eigenen Patientenstamm, dann unterhalten Sie eine Praxisgemeinschaft. Diese Form der Zusammenarbeit regelt lediglich das Innenverhältnis der an der Gemeinschaft beteiligten Ärzte untereinander. Behandlungsverträge kommen deshalb immer zwischen dem behandelnden Arzt und dem Privatpatienten zustande.118 c)
Wie kommt ein Behandlungsvertrag zustande? Sicherlich haben Sie sich schon manchmal gefragt, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Behandlungsvertrag überhaupt zustande gekommen ist. Für das Zustandekommen eines Vertrages gelten stets die gleichen Regeln. Gleichgültig, ob Sie ein Auto kaufen, eine Zeitschrift abonnieren oder eine Dienstleistung in Anspruch nehmen, der Vertrag kommt stets auf die gleiche Art und Weise zustande. Mindestens zwei Personen sind notwendig, um einen Vertrag auf die Beine zu stellen. Dabei ist es völlig unerheblich, von wem die Initiative zum Vertragsschluß ausgeht. Entweder signalisiert einer der beiden Beteiligten sein Interesse an der Dienstleistung oder dem Produkt des anderen, oder der andere bietet sein Produkt gezielt an. Angebot oder Antrag und Annahme werden die beiden für den Vertragsabschluß relevanten Handlungen genannt. Werden sich beide schließlich über den Preis und die notwendigen Details der zu erbringenden Dienstleistung oder des Produktes einig, dann ist der Vertrag zustande gekommen. Sie hängen in Ihrer Praxis ein Plakat auf, in dem auf die bevorstehende Grippezeit und dem Schutz durch eine rechtzeitige Impfung hingewiesen wird. Ein Patient liest das Plakat und bittet Sie um die entsprechende Schutzimpfung. In diesem Fall ist das Angebot vom Patienten ausgegangen und nicht von Ihnen, weil Sie das Plakat aufgehängt haben, wie man vielleicht meinen könnte. Wenn Sie hingegen im Rahmen einer ärztlichen Behandlung einem Patienten die Grippeschutzimpfung dringend empfehlen und sich der Patient Ihrem Rat folgend anschließend impfen lässt, dann ist das Angebot von Ihnen ausgegangen.
Unser Zivilrecht macht dabei freilich eine Einschränkung: Unter Anwesenden kann ein Angebot nur sofort angenommen werden, das Gleiche gilt für ein telefonisches Angebot, das Sie jedoch nicht mit der telefonischen Vereinbarung eines Behandlungstermins verwechseln dürfen.119 Ein Behandlungsvertrag kann deshalb bereits zustande kommen, wenn der Patient Sie telefonisch um einen Rat bittet. Haben Sie mit dem Patienten einen Termin vereinbart, dann kommt der Vertrag erst dann zustande, wenn Sie tatsächlich die Behandlung des Patienten übernehmen. Welchen 118 119
Ehmann, MedR 1994, S. 141 f. Welche Ansprüche Ihnen im Fall einer Terminvereinbarung zustehen, lesen Sie im Abschnitt „Wenn der Patient nicht zum Termin erscheint – Ansprüche aus dem Behandlungsvertrag“ ab Seite 84.
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Restriktionen die Vertragsfreiheit bei der ärztlichen Behandlung unterliegt, haben wir bereits an anderer Stelle erörtert.120 Weder in der Arztpraxis noch bei der Hilfeleistung außerhalb der Praxis läuft der Abschluss eines Behandlungsvertrages immer so glatt und eindeutig nach juristischen Regeln ab. Deshalb werden Sie sich sicherlich schon manchmal die Frage gestellt haben, ob in dem einen oder anderen Fall überhaupt ein Vertrag zustande gekommen ist. Denn allein aus der tatsächlichen Übernahme der Behandlung lässt sich noch lange nicht schließen, dass ein Behandlungsvertrag zustande gekommen ist. Das ist nicht ganz unerheblich, denn davon hängt es schließlich ab, ob Ihnen ein Anspruch auf das Honorar für die erbrachte Leistung zusteht. Im Praxisalltag kann der Behandlungsvertrag auf ganz unterschiedliche Weise zustande kommen. Die typischen Vertragsverhandlungen wie beispielsweise beim Autokauf mit dem Feilschen um den Preis und den Details der Leistung gehören jedenfalls nicht dazu. Behandlungsverträge kommen meist auf ganz unspektakuläre Weise zustande, nämlich durch schlüssiges Verhalten der Beteiligten. Das gilt sowohl für das Zustandekommen des Behandlungsvertrages mit einem Kassen- als auch einem Privatpatienten. Legt der Kassenpatient seine Versichertenkarte vor, erklärt er damit konkludent, als solcher Ihre ärztlichen Leistungen in Anspruch nehmen zu wollen. Solange er eine ärztliche oder zahnärztliche Leistung im Sinne des § 28 Abs. 1 bzw. 2 SGB V verlangt, sind die notwendigen Vertragsbestandteile weitgehend bestimmt. Das SGB V regelt sowohl den Umfang der zu erbringenden Leistungen unter dem Hinweis auf das Wirtschaftlichkeitsgebot, als auch die Berechnung Ihres Honorars. Mit der Übernahme der Behandlung kommt schließlich der Behandlungsvertrag im Rahmen zivilrechtlicher Regeln zustande, obwohl dessen Inhalt weitgehend im Sozialrecht geregelt ist. Daneben kann der Kassenpatient ausdrücklich eine privatärztliche Behandlung verlangen, die nach der Gebührenordnung entsprechend zu liquidieren ist. Ein Behandlungsvertrag hinsichtlich dieser Leistung kommt also nur dann zustande, wenn der Patient danach verlangt. Das kann ein aufwendigere Zahnbehandlung als notwendig sein oder eine IGeL-Leistung. Zum Schutz des Patienten gelten für diese Vereinbarungen besondere Formvorschriften.121 Beim Privatpatienten sieht die Sache anders aus. Zwar kommen auch hier die meisten Behandlungsverträge ohne viele Worte zustande. Nur aus gegebenem Anlass werden Sie mit dem Patienten umfangreiche Vertragsverhandlungen hinsichtlich der Behandlungsdetails und der daraus entstehenden Kosten führen. Meist wird auch hier der Behandlungsvertrag durch schlüssiges Verhalten zustande kommen. Ausnahmsweise kann dies auch einmal ohne direkte Beteiligung des Patienten geschehen. Die allgemeinen Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuches machen dies möglich. Stellen Sie sich vor, Sie beauftragen einen Kollegen einer anderen Fachrichtung mit der Erbringung bestimmter diagnostischer oder therapeutischer Leistungen, wobei der Patient diesen Maßnahmen nicht einmal ausdrücklich zuge120
121
Lesen Sie dazu auch im Abschnitt „Vertragsfreiheit oder Behandlungspflicht?“ auf Seite 46. Siehe dazu im Abschnitt „Der Behandlungsvertrag als Dienstvertrag“ ab Seite 57.
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stimmt haben muss. Bei der Beauftragung von Kollegen sind zwei Varianten zu unterscheiden, die letztendlich verschiedene rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Ziehen Sie den Spezialisten als Konsiliararzt hinzu, dann kommt es zwischen dem Patienten und dem beigezogenen Arzt nicht zu einem Behandlungsvertrag. Die Behandlung erfolgt vielmehr nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 677 ff BGB.122
Ähnlich verhält es sich, wenn Sie zufällig zu einem Unfall hinzukommen und dort einen nicht ansprechbaren Patienten vorfinden. Auch die Erstversorgung geschieht dann im Rahmen einer Geschäftsführung ohne Auftrag.123 Wenn Sie dagegen einen Kollegen bitten, die Behandlung des Patienten mit zu übernehmen, dann haben Sie stellvertretend für den Patienten mit dem mitbehandelnden Arzt einen eigenständigen Behandlungsvertrag durch Anwendung der allgemeinen Regeln für die Stellvertretung gemäß §§ 164 ff BGB geschlossen. Sie entnehmen bei einem in Behandlung befindlichen Patienten histologisches oder serologisches Material. Der Patient erklärt sich durch die Entnahme stillschweigend damit einverstanden, dass Sie als behandelnder Arzt die Proben an einen Spezialisten zur genaueren Analyse weiterleiten. Mit der Übersendung des Materials werden Sie als Vertreter des Patienten tätig und schließen dementsprechend in dessen Namen mit dem Spezialisten einen Behandlungsvertrag.124
d)
Alles hat ein Ende – auch der Behandlungsvertrag
Wo ein Anfang ist, muss zwangsläufig auch ein Ende sein. Nur ausnahmsweise wird sich in der Praxis des niedergelassenen Arztes das Ende einer Behandlung im Voraus zeitlich genau fixieren lassen. In diesem Fall wäre der Behandlungsvertrag mit dem Ablauf der Zeit beendet. Für gewöhnlich endet Ihre Tätigkeit als Arzt, wenn der Patient wieder gesund ist. Der Zweck des Behandlungsvertrages ist erfüllt und der Vertrag endet automatisch, ohne dass es einer besonderen Erklärung bedarf. In Ihrer Praxis werden Sie außerdem regelmäßig Patienten betreuen, die aufgrund einer chronischen Erkrankung einer dauerhaften Betreuung bedürfen. In diesem Fall schließen Sie mit dem Patienten bei jeder Konsultation einen neuen Behandlungsvertrag. Ein Dauerschuldverhältnis, wie es beispielsweise im Rahmen eines Mietvertrages entsteht, ist dem ärztlichen Gebührenrecht nämlich fremd. Wie jeder andere Vertrag kann auch ein Behandlungsvertrag durch Kündigung beendet werden. Die Kündigungsrechte für Ärzte und Patienten sind jedoch ungleich verteilt. Der Privatpatient kann den Behandlungsvertrag jederzeit kündigen. Hierfür bedarf es nicht einmal eines wichtigen Grundes. Dass Sie als Arzt die Kündigung nicht zu einem Zeitpunkt aussprechen dürfen, in dem der Patient dringend ärztlicher Hilfe bedarf, versteht sich dagegen von selbst. Im Gegensatz zum Kündi122
123 124
So auch Uhlenbruck/Laufs in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 42 RdNr 17. Siehe dazu auch die Entscheidung des OLG München vom 06.04.2006 – 1 U 4142/05. BGH Urteil vom 29.06.1999 – VI ZR 24/98 zum Behandlungsvertrag mit einem Pathologen/Labormediziner durch stellvertretendes Handeln des beauftragenden Arztes.
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gungsrecht des Patienten ist die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung durch den Arzt nämlich an das Vorliegen eines wichtigen Grundes gebunden. Dieser kann beispielsweise in der fehlenden Compliance des Patienten begründet sein. Die mangelnde Bereitschaft des Patienten an der Behandlung bzw. seiner Heilung mitzuwirken, kann es Ihnen unter Umständen unmöglich machen, Ihre Pflichten aus dem Behandlungsvertrag zu erfüllen. Nicht immer sind die Ursachen für eine Verweigerung der Mitwirkungspflicht allein beim Patienten zu suchen. Manchmal stimmt einfach die „Chemie“ zwischen Arzt und Patient nicht. Freilich hat auch die Mitwirkungspflicht des Patienten ihre Grenzen. Verweigert er die Einwilligung in eine risikoreiche diagnostische oder therapeutische Maßnahme, dann macht er damit lediglich von seinem Selbstbestimmungsrecht Gebrauch und verletzt hierdurch nicht seine Mitwirkungspflicht. Schwierig wird es dagegen, wenn der Patient nach einem Aufklärungsgespräch die weitere Behandlung ablehnt. In diesem Fall stehen dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten Ihre Verpflichtungen aus dem Behandlungsvertrag gegenüber. Hier sollten Sie keinesfalls eine fristlose Kündigung aussprechen. Schlagen Sie dem Patienten stattdessen vor, über die getroffene Entscheidung nachzudenken und / oder eine zweite Meinung einzuholen. Erst wenn das alles nichts nützt, können Sie den Patienten auffordern, sich innerhalb einer angemessenen Frist einen anderen Arzt zur weiteren Behandlung zu suchen. Sie müssen nämlich in jedem Fall sicherstellen, dass trotz Ihrer Kündigung die Fortsetzung der Behandlung durch einen anderen Arzt gewährleistet ist.125 Eine ganz andere Frage ist dagegen, inwieweit Ihnen ein Honorar für eine bereits vereinbarte und terminlich fixierte Behandlung zusteht, die durch die Kündigung nun hinfällig ist.126 Der Behandlungsvertrag endet zwangsläufig mit dem Tod des Patienten. Ihr Honoraranspruch richtet sich beim Privatpatienten bzw. beim Selbstzahler dann gegen die Erben. Dagegen beendet ein Behandlungsabbruch nicht zwangsläufig den Behandlungsvertrag. Schließlich kann die abgebrochene Behandlung durch eine andere ersetzt werden oder ein anderer Arzt führt die Behandlung fort. 5.
Welchen Preis hat die Leistung?
a)
Honorarvereinbarung ohne viele Worte
Die Gebührenordnungen gelten ausschließlich für die Behandlung von Privatpatienten bzw. Selbstzahlern. Ausnahmsweise kann die Gebührenordnung auch dann zur Anwendung kommen, wenn sich ein gesetzlich krankenversicherter Patient privat behandeln lässt oder Leistungen in Anspruch nimmt, die nicht vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherungen umfasst sind. Wie bei jedem Vertrag müssen sich die Beteiligten wenigstens über die essentialia negotii, also die notwendigen Mindestbestandteile geeinigt haben, damit dieser überhaupt zustande kommt. Beim Behandlungsvertrag müssen also zumindest 125 126
Uhlenbruck/Laufs in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 46 RdNr 7. Siehe dazu mehr im Abschnitt „Wenn der Patient nicht zum Termin erscheint – Ansprüche aus dem Behandlungsvertrag“ ab Seite 84.
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Umfang und Preis für diese ärztliche Leistung definiert sein. Auch wenn der Behandlungsvertrag ohne viele Worte zustande gekommen ist, haben Sie sich konkludent über die wesentlichen Punkte geeinigt und sind damit eine ganze Reihe von Verpflichtungen eingegangen. Als Arzt schulden Sie in erster Linie eine sorgfältige medizinische Behandlung nach dem Stand der Wissenschaft. Was schuldet Ihnen der Patient im Gegenzug? Zur Beantwortung dieser Frage müssen wir wieder auf die allgemeinen Regeln des Dienstvertragsrechts zurückgreifen. Danach gilt eine Vergütung nämlich als stillschweigend vereinbart, wenn die Beteiligten davon ausgehen können oder müssen, dass die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine entsprechende Vergütung zu erwarten ist, vgl. § 612 Abs. 1 BGB. Dass es die ärztliche bzw. zahnärztliche Leistung nicht zum Nulltarif gibt, bedarf wohl keiner weiteren Erläuterung. Jetzt wissen Sie immer noch nicht, in welcher Höhe der Patient das Honorar schuldet. Ein erneuter Blick in den Gesetzestext hilft hier weiter: Ist die Höhe der Vergütung nämlich nicht ausgehandelt worden, dann gilt beim Bestehen einer Taxe diese als vereinbart, vgl. § 612 Abs. 2 BGB. Für Ärzte und Zahnärzte stellen die entsprechenden Gebührenordnungen, die ihre Ermächtigungsgrundlage in § 11 BÄO bzw. § 15 ZHG finden, die jeweils anzuwendende Taxe dar. Die Gebührenordnungen werden daher, ohne dass es vieler Worte bedarf, konkludent zum Bestandteil des Behandlungsvertrages. Die zwingende Anwendung der Gebührenordnungen greift nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts im Übrigen nicht in die Berufsfreiheit der Ärzte ein.127 Es bleibe nämlich dem Arzt überlassen, mit dem Patienten eine im Rahmen des § 2 GOÄ abweichende Vereinbarung über die Gebührenhöhe zu treffen. Selbst medizinisch nicht notwendige kosmetische Operationen128 lassen keine andere Vergütungsvereinbarung zu, denn auch dabei handelt es sich um berufliche Leistungen im Sinne des § 1 Abs. 1 GOÄ. Deshalb ist die mündliche Vereinbarung eines Pauschalhonorars für eine Schönheitsoperation unwirksam.129 Ihre Patienten schulden demnach den korrekt130 von Ihnen gemäß GOÄ oder GOZ in Rechnung gestellten Betrag und zwar unabhängig davon, ob Sie mit dem Patienten mündlich oder schriftlich die Behandlungskosten ausdrücklich vereinbart oder überhaupt nicht über den Preis gesprochen haben. Neben der medizinischen Aufklärungspflicht obliegt Ihnen in bestimmten Fällen zusätzlich noch eine Pflicht zur wirtschaftlichen Aufklärung.131
127
128 129 130
131
BVerfGE 68, S. 319 ff, 327 = NJW 1985, S. 2185 ff. BVerfG, NJW 1992, S. 737. BVerfG, NJW 2005, S. 1036, 1037. BGH, Urteil vom 23.06.2006 – III ZR 223/05. OLG Stuttgart, Urteil vom 09.04.2002 – 14 U 90/2001. Zur Frage, inwieweit eine Zahlungsverpflichtung des Patienten durch eine zwar formal korrekte, aber inhaltlich fehlerhafte Rechnung entsteht, lesen Sie mehr im Abschnitt „Was bedeuten Fälligkeit und Zahlungsziel?“ ab Seite 97. Siehe dazu im Abschnitt „Dokumentations- und Aufklärungspflicht auch im Forderungsmanagement?“ ab Seite 79.
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Sofern Sie in Ihren schriftlichen Behandlungsverträgen die Patienten auf die unabhängig von der Erstattung durch den Versicherer bestehende Leistungspflicht hinweisen, dann ist diese Regelung unter juristischen Gesichtspunkten zwar überflüssig, weil Sie Ihren Zahlungsanspruch damit weder begründen, noch erweitern. Dennoch können Sie die Klausel beibehalten, denn sie weist den Patienten noch einmal ausdrücklich auf seine Zahlungsverpflichtung hin. b)
Freiräume bei der Vergütungsgestaltung
Die Vergütung Ihrer Leistung als Arzt oder Zahnarzt richtet sich nach § 5 GOÄ bzw. § 5 GOZ, wobei sich die beiden Regelungen inhaltlich sehr ähnlich sind. Den Steigerungssatz können Sie in dem engen, von den Gebührenordnungen vorgegebenen Rahmen beeinflussen, denn die Durchführung der gleichen Leistung kann von Patient zu Patient sehr unterschiedlich sein. Dem trägt der Verordnungsgeber Rechnung, indem er einen Gebührenrahmen vom 1 bis 3,5-fachen Gebührensatz einräumt. Haben Sie keine Honorarvereinbarung mit dem Patienten getroffen, dann sind die im Rahmen der Gebührenordnungen vorgegebenen Gebühren verbindlich. In diesem Fall können Sie nur anhand der in den Verordnungen genannten Kriterien wie Schwierigkeit, Zeitaufwand für die erbrachte Leistung sowie die Umstände des Falles den Gebührensatz bestimmen. Überwiegend wurde bisher die Ansicht vertreten, dass der Mittelsatz nur dann überschritten werden dürfe, wenn die „Besonderheiten der Bemessungskriterien“ dies rechtfertigen. Der Bundesgerichtshof, der sich inzwischen mit der Frage auseinandergesetzt hat, sieht dies anders. Der Senat ist zu der Auffassung gelangt, dass ein Arzt das vom Verordnungsgeber eingeräumte Ermessen nicht verletze, wenn er bei einer sowohl im Hinblick auf den Schwierigkeitsgrad als auch den zeitlichen Aufwand in jeder Hinsicht als durchschnittlich zu bezeichnenden ärztlichen Leistung jeweils den Höchstsatz der Regelspanne in Rechnung stellt. Zur Begründung führt der Senat an, der Verordnungsgeber habe bisher davon abgesehen, die Regelspanne deutlicher abzugrenzen und es vor allen Dingen bislang verabsäumt, eine Begründung für die Anwendung des Höchstsatzes zu verlangen.132 Eine Gebühr oberhalb des Mittelsatzes dürfen Sie übrigens in Ansatz bringen, ohne dass es einer ausdrücklichen Vereinbarung mit dem Patienten bedarf. Mehr Spielraum bei der Festlegung Ihres Honorars lassen Ihnen die beiden gebührenrechtlichen Vorschriften nicht. Von den Regelungen des § 5 GOÄ bzw. § 5 GOZ können Sie nur durch eine ausdrückliche Vereinbarung mit dem Patienten gemäß § 2 GOÄ bzw. § 2 GOZ abweichen. Eine Vereinbarung der Vergütungshöhe ist auch dann zwingend erforderlich, wenn Sie einen Steigerungsfaktor außerhalb des Gebührenrahmens im Sinne des § 5 GÖÄ bzw. GOZ in Rechnung stellen wollen. In diesem Fall stehen Sie gleich vor dem nächsten Problem. Weder die Gebührenordnungen noch die Berufsordnung legen fest, bis zu welcher Höhe Sie den Einfach132
BGH, Urteil vom 08.11.2007 – III ZR 54/07.
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C. Gold Standard für ein erfolgreiches Forderungsmanagement
satz steigern dürfen. Dies führt immer wieder zu Diskussionen und gerichtlichen Auseinandersetzungen mit privaten Krankenversicherern und Patienten, was letztendlich das Verhältnis zum Patienten belastet. Wo liegen denn nun die Grenzen für eine wirksame Honorarvereinbarung im Sinne des § 2 GOZ bzw. § 2 GOÄ? Private Krankenversicherer möchten den Rahmen gerne so eng wie möglich stecken, was unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten durchaus nachvollziehbar ist. Eine unverhältnismäßige Überschreitung des Gebührenrahmens kann nämlich schnell als wucherisch im Sinne des § 138 BGB betrachtet werden und das hätte die Nichtigkeit der Honorarvereinbarung zur Folge. Aus der Sicht der Krankenversicherer soll bereits die Vereinbarung eines siebenfachen Satzes sittenwidrig sein. Ganz so einfach kann es sich freilich selbst ein Versicherungsunternehmen nicht machen. Der Versicherer muss nämlich darlegen, weshalb zwischen der ärztlichen Leistung und dem Honorar ein derart grobes Missverhältnis besteht, welches letztendlich die Nichtigkeit der Vereinbarung rechtfertigt. Allein die Tatsache, dass der Steigerungssatz ein Mehrfaches des gesetzlich Vorgesehenen ausmacht, reicht hierfür nicht aus.133 Vielmehr muss der objektive Wert der Gegenleistung für die Beurteilung herangezogen werden. Die Rechtsprechung hat auch mit einem anderen Ansinnen verschiedener privater Versicherer endgültig aufgeräumt. Sie verlangten von Ärzten und Zahnärzten, dass sie den Steigerungssatz in der Liquidation selbst dann begründen, wenn die Erhöhung auf einer ausdrücklichen Honorarvereinbarung beruht. In diesem Zusammenhang hat das OLG Düsseldorf 134 klargestellt, dass die Überschreitung des Gebührenrahmens bei einer ausdrücklichen Honorarvereinbarung keiner Begründung bedürfe. Die Gebührenordnungen verschaffen Ihnen also einen gewissen Gestaltungsspielraum hinsichtlich einer individuellen Vereinbarung mit dem Patienten. Sie können daher festlegen, welche Leistungen Gegenstand der Honorarvereinbarung werden sollen und welchen Steigerungssatz für Ihre ärztlichen bzw. zahnärztlichen Leistungen Sie anwenden wollen.
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Lediglich Notfall- und akute Schmerzbehandlungen sind von einer abweichenden Honorarvereinbarung ausgenommen. Der Gesetzgeber hat allerdings eine Reihe zwingender formaler Anforderungen an die Wirksamkeit einer Honorarvereinbarung geknüpft. Ein Verstoß gegen die Regeln wird deshalb auch gleich geahndet! Entspricht die Honorarvereinbarung nicht den formalen Anforderungen oder enthält sie Fehler, dann ist die Vereinbarung unwirksam! Sie können in diesem Fall zwar eine neue Berechnung vornehmen, die Vergütung richtet sich dann allerdings nach den allgemeinen Bestimmungen der Gebührenordnung. Eine nachträgliche Korrektur des Formfehlers ist nämlich nicht möglich, weshalb die Höhe der Gebühr zwangsläufig auf den 2,3-fachen bzw. maximal 3,5-fachen Satz beschränkt ist! 133 134
LG Dortmund, Urteil vom 11.04.2006 – 2 O 332/05. OLG Düsseldorf, Urteil vom 14.04.2005 – I-8 U 33/04.
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Selbst die Rechtsprechung kennt bei einer nicht den Anforderungen entsprechenden Honorarvereinbarung kein Pardon, weil es sich bei den Regelungen in den Gebührenordnungen in erster Linie um Schutzvorschriften zugunsten des Patienten handelt. Deshalb sollten Sie unbedingt folgende Regeln beachten, wenn Sie eine abweichende Honorarvereinbarung schließen wollen. ⓦ
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135 136 137
Der richtige Zeitpunkt. Die Vereinbarung muss in jedem Fall schriftlich vor Beginn der Behandlung geschlossen werden. Ähnlich wie bei der medizinischen Aufklärung muss die Vereinbarung rechtzeitig getroffen worden sein. Die Rechtsprechung hat auch diesbezüglich Kriterien entwickelt, wann diese Voraussetzung erfüllt ist. Eine erst unmittelbar vor Beginn der Behandlung abgeschlossene Honorarvereinbarung ist deshalb unwirksam, weil der Patient in diesem Fall keine Möglichkeit hat, sich frei für oder gegen die Behandlung zu entscheiden.135 Persönliche Absprache. Honorarvereinbarungen können den Regeln der „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ unterliegen. Ursprünglich waren diese im „Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ (AGBG) geregelt, inzwischen sind die relevanten Normen in den §§ 305 ff BGB zu finden. Diese Regeln kommen freilich nur dann zur Anwendung, wenn die Vereinbarung nicht individuell ausgehandelt worden ist. Nach den Vorgaben des § 2 Abs. 2 GOÄ bzw. GOZ ist der Inhalt der Individualvereinbarung zwar auf die in Betracht kommenden Gebührenziffern und die in Rede stehenden Gebührensätze beschränkt.136 Daraus darf nun nicht der Schluss gezogen werden, dass es sich deshalb bei der Honorarvereinbarung um Allgemeine Geschäftsbedingungen handele. Selbst wenn Sie mit dem Patienten nicht über den Preis für die zu erbringende ärztliche Leistung gesprochen haben, ist das noch kein zwingendes Indiz für das Vorliegen Allgemeiner Geschäftsbedingungen. Die genaue Bezeichnung der Nummern, der Leistung und des Steigerungssatzes für diejenigen Leistungen, für welche die abweichende Regelung gelten soll. Daher reicht es nicht aus, einen allgemein von § 5 Abs. 1 GOZ abweichenden Gebührenrahmen zu vereinbaren.137 Die Erstattung kann eingeschränkt sein. Die Vereinbarung muss die ausdrückliche Feststellung enthalten, dass das Honorar unter Umständen nicht in vollem Umfang vom Krankenversicherer erstattet wird. Keine weiteren Erklärungen. Weitere Erklärungen darf die Honorarvereinbarung um ihrer Klarheit willen nicht enthalten. Der Gesetzgeber will damit verhindern, dass das Wesentliche der Honorarvereinbarung als Teil eines umfangreicheren Schriftstückes schlicht und einfach „untergeht“, der Patient es dadurch überliest und sich seiner finanziellen Verpflichtungen aus dieser Vereinbarung gar nicht bewusst wird. Der Bundesgerichtshof geht sogar soweit, dass er selbst eine geringfügige Ergänzung des Textes als unzulässig betrachtet, sofern das Hinzu-
So die Entscheidung des OLG Karlsruhe, Urteil vom 15.07.1999 – 12 U 288/98. So das BVerfG, Urteil vom 25.10.2004 – 1 BvR 1437/02. BGH, Urteil vom 19.02.1998 – III ZR 106/97.
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gefügte als eine Art Empfehlung zu verstehen ist, die den zahlungspflichtigen Patienten beeinflussen könnte.138 c)
Gegen wen richtet sich mein Honoraranspruch? Das Zustandekommen eines Behandlungsvertrages ist eine Sache, die Frage, gegen wen sich Ihr Honoraranspruch richtet, eine ganz andere. Wenn Sie einen Rechtsanwalt aufsuchen, um rechtlichen Rat einzuholen, machen Sie sich sicherlich keine Gedanken darüber, an wen Sie letztendlich das Honorar für die Beratung zu leisten haben. Bei einer ärztlichen Behandlung oder Beratung wird es da schon etwas schwieriger. Beim Privatpatienten haben wir es mit zwei verschiedenen Verträgen zu tun: Ihr Honoraranspruch resultiert aus dem geschlossenen Behandlungsvertrag und richtet sich direkt gegen den Patienten. Davon völlig losgelöst besteht zwischen dem Patienten und seinem privaten Krankenversicherer ein Versicherungsvertrag. Darin verpflichtet sich der Versicherer grundsätzlich gegenüber dem versicherten Patienten, die Kosten im Rahmen der vereinbarten Versicherungsleistungen zu übernehmen. Der Erstattungsanspruch des Patienten gegen seinen Versicherer erfährt zwei Einschränkungen. Zum einen werden nur solche Leistungen honoriert, die als medizinisch notwendig139 gelten, § 1 Abs. 2 Satz 1 GOÄ bzw. § 1 Abs. 2 GOZ. Deshalb erstattet der Krankenversicherer das von Ihnen in Rechnung gestellte Honorar unter Umständen nicht in voller Höhe, was beim Patienten zu ersten Irritationen führen kann. Problematisch kann es dann werden, wenn Sie den Patienten auf diesen Umstand nicht hingewiesen haben.140 Auch eine Regelung in den Musterbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung (MB / KK94) der Versicherer kann in Ausnahmefällen zum Stolperstein werden. Zwar ist es nach höchstrichterlicher Rechtsprechung zulässig, wenn sich Ärzte zu einem Medizinischen Versorgungszentrum in der Rechtsform einer GmbH zusammenschließen. Derzeit werden die von der Ärzte-GmbH in Rechnung gestellten Behandlungen von den privaten Krankenversicherern zwar erstattet, aber die Zahlung erfolgt ohne Rechtspflicht. Schuld daran ist eine Regelung in § 4 Abs. 2 Satz 1 MB / KK94. Dort heißt es unter anderem
„Der versicherten Person steht die Wahl unter den niedergelassenen approbierten Ärzten und Zahnärzten frei …“. Da der Behandlungsvertrag mit der GmbH zustande kommt141, diese aber nicht approbiert ist, braucht der private Krankenversicherer in diesem Fall nicht zu leisten.142 138 139
140
141
142
BGH, Urteil vom 09.03.2000 – III ZR 356/98. Zur Frage der medizinischen Notwendigkeit siehe im Abschnitt „Sind alle Leistungen honorierungsfähig? – Eine Frage der medizinischen Notwendigkeit“ ab Seite 78. Zur wirtschaftlichen Aufklärungspflicht siehe im Abschnitt „Dokumentations- und Aufklärungspflicht auch im Forderungsmanagement?“ ab Seite 79. Siehe dazu im Abschnitt „Einer für alle? – Wenn mehrere Ärzte zusammenarbeiten“ ab Seite 66. An dieser Rechtslage wird auch die geplante GmbH-Reform, die in der zweiten Hälfte des Jahres 2008 in Kraft treten soll, nichts ändern.
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Diese Regelung ist angesichts der ausdrücklichen Erlaubnis, Medizinische Versorgungszentren zu gründen und zu unterhalten, nicht mehr haltbar. Solange diese überholte Klausel der privaten Krankenversicherer noch in Kraft ist, müssen Sie im Rahmen Ihrer wirtschaftlichen Aufklärungspflicht den Patienten darauf hinweisen, dass es bei der Rechnungslegung durch ein in der Rechtsform einer GmbH geführten Medizinischen Versorgungszentrum zu Problemen bei der Erstattung durch den Versicherer geben kann, auch wenn die meisten Versicherer die in Rechnung gestellten Beträge großzügig erstatten. Zwar haften Sie als Gesellschafter einer Ärzte-GmbH nicht für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft, woran auch die geplante Reform des GmbH-Rechts nicht ändern wird. Die Haftungsbeschränkung der GmbH ändert aber nichts daran, dass Sie als Arzt auch weiterhin persönlich aus dem mit dem Patienten geschlossenen Behandlungsvertrag haften. Die Haftungsbeschränkung der GmbH schützt Sie deshalb nicht vor einer persönlichen Inanspruchnahme des Patienten aufgrund einer Verletzung Ihrer wirtschaftlichen Aufklärungspflicht. Anders sieht es aus, wenn kein Behandlungsvertrag zustande gekommen ist, weil der Patient zum Zeitpunkt der Behandlung entweder nicht ansprechbar oder nicht geschäftsfähig war. Trotzdem müssen Sie nicht um Ihr Geld bangen. Ihr Honoraranspruch richtet sich nämlich in diesem Fall gegen denjenigen, in dessen Interesse Sie die Behandlung erbracht haben. Das kann der Patient selbst sein oder derjenige dem die Personensorge obliegt. Im Falle einer Geschäftsführung ohne Auftrag steht dem Handelnden grundsätzlich nur ein Ersatz der Aufwendungen zu. Die Rechtsprechung lässt allerdings in den Fällen, in denen für eine vergleichbare Tätigkeit eine „übliche Vergütung“ gezahlt wird, ausnahmsweise einen Honoraranspruch zu.143 Da Sie Ihre Leistungen ausschließlich über die bestehenden Gebührenordnungen abrechnen können, haben Sie auch im Falle einer Geschäftsführung ohne Auftrag einen Anspruch gegen den Verpflichteten auf Zahlung eines Honorars und nicht auf einen Auslagenersatz. Komplizierter wird es dagegen beim gesetzlich krankenversicherten Patienten. Der gravierende Unterschied in der Vertragsbeziehung zwischen Arzt und Privatbzw. Kassenpatient liegt in den verschiedenen Adressaten des Honoraranspruchs. Behandeln Sie einen Kassenpatienten, dann erwerben Sie keinen Honoraranspruch gegen ihn144, sondern gegen die Kassenärztliche Vereinigung, § 85 Abs. 4 SGB V, solange die Behandlung in den Katalog der kassenärztlichen Leistungen fällt. Mangels ausdrücklicher Vereinbarung erwerben Sie selbst dann keinen Honoraranspruch gegen den Kassenpatienten, wenn er vor der ersten Inanspruchnahme der ärztlichen Leistung im Quartal seine Krankenversichertenkarte nicht vorlegt. Zwar räumt Ihnen die Vorschrift des § 18 Abs. 8 BMV-Ä das Recht ein, die Behandlung
143 144
MünchKomm-Seiler, § 683 RdNr 24. Uhlenbruck/Kern in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 82 RdNr 26.
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nach der für Sie gültigen Gebührenordnung abzurechnen, aus der Vorschrift lässt sich jedoch kein Zahlungsanspruch gegen den Kassenpatienten herleiten.145 Einen Anspruch auf ein Honorar gegen den Kassenpatienten erwerben Sie also nur dann, wenn Sie ausdrücklich mit ihm einen Behandlungsvertrag schließen, aus dem hervorgeht, dass der Patient die Kosten für die ärztliche Betreuung selbst trägt. Aus dem öffentlich-rechtlichen Versicherungsverhältnis zwischen Kassenpatient und Krankenversicherer ist der Versicherer seinen Mitgliedern und deren Angehörigen zur ärztlichen Versorgung verpflichtet, §§ 2, 11, 27 ff SGB V. Öffentlich-rechtliche Gesamtverträge zwischen den Krankenkassen und ihren Verbänden auf der einen und der Kassenärztlichen Vereinigung auf der anderen Seite regeln die vertragsärztliche Versorgung und Gesamtvergütung, §§ 82 ff SGB V. Durch Ihre Zulassung als Vertragsarzt ist ein öffentlich-rechtliches Mitgliedsverhältnis bei der Kassenärztlichen Vereinigung entstanden, aus dem letztendlich Ihr Honoraranspruch als Vertragsarzt resultiert, § 85 Abs. 4 SGB V. Jetzt wird auch verständlich, weshalb Streitigkeiten aus dem Behandlungsvertrag zwischen Arzt und Patient den zivilrechtlichen Regeln unterliegen, wohingegen Streitsachen aus den genannten öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehungen stets in die Zuständigkeit der Sozialgerichte fallen, § 51 Abs. 2 Satz 1 SGG. d)
Sind alle Leistungen honorierungsfähig? – eine Frage der medizinischen Notwendigkeit
Der Vertragsfreiheit zwischen Arzt / Zahnarzt und Patient sind freilich Grenzen gesetzt. Sowohl die Vorschrift des § 1 GOÄ als auch des § 1 GOZ schiebt der Honorierung ärztlicher bzw. zahnärztlicher Leistungen in gewissem Umfang einen Riegel vor. Die privaten Krankenversicherer begründen die Ablehnung von Erstattungsansprüchen ihrer Versicherten immer häufiger damit, dass die in Rechnung gestellte ärztliche Leistung medizinisch nicht notwendig gewesen sei und damit keinen Versicherungsfall im Sinne der Allgemeinen Versicherungsbedingungen aufgrund einer Erkrankung oder eines Unfalls darstelle. Inwieweit die Behandlung unter medizinischen Gesichtspunkten notwendig war, hängt ausschließlich von objektiven Maßstäben ab. Daher ist weder die Auffassung des Patienten noch Ihre Ansicht als behandelnder Arzt entscheidend, ob die Behandlung diesen Kriterien entspricht. In der Regel hängt die Beurteilung von den Umständen des Einzelfalls und / oder der angewandten Behandlungsmethode ab. In ihrer Begründung berufen sich die Versicherer meist auf die Beurteilung eines beratenden Arztes. Trotz der bestehenden Auskunftspflicht hat in der Vergangenheit nur selten jemand das entscheidende Gutachten zu Gesicht bekommen. Das zum 01.01.2008 in Kraft getretene Versicherungsvertragsgesetz regelt nun die Verpflichtungen des Versicherers in § 202 VVG neu: ⓦ
Jetzt ist der Versicherer verpflichtet, neben dem Versicherungsnehmer bzw. der
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Uhlenbruck/Kern in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 82 RdNr 1.
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versicherten Person oder einem benannten Arzt auch einem Rechtsanwalt Auskunft zu erteilen und Einsicht in diejenigen Unterlagen zu gewähren, die zur Entscheidungsfindung bei der Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit dienten. Hat der Versicherer den Versicherungsnehmer aufgefordert, das Gutachten oder die Stellungnahme einzuholen, dann muss der Versicherer auch die Kosten hierfür übernehmen.
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Ohne diese Regelung wäre der Patient dem Gutachter gegenüber zur Begleichung der entstandenen Kosten verpflichtet, hätte aber umgekehrt keinen Zahlungsanspruch gegen den Versicherer, der letztendlich die Kosten verursacht hat. Damit der Patient die Kosten für die Erstellung des Gutachtens oder der Stellungnahme bei seinem privaten Krankenversicherer geltend machen kann, müssen Sie daher Ihre Rechnung als Gutachter an den Patienten richten. Ist die Behandlung aufgrund objektiver medizinischer Befunden und Erkenntnisse vertretbar, dann ist sie gleichzeitig notwendig. Das OLG Karlsruhe146 hat es so formuliert: Ist die angewandte Behandlungsmethode dazu geeignet, die Krankheit zu heilen, zu lindern oder ihrer Verschlimmerung entgegenzuwirken, dann erfüllt sie das Kriterium der medizinischen Notwendigkeit. Sind schließlich die Methoden der Schuldmedizin ausgereizt oder stehen solche erst gar nicht zur Verfügung, dann sind selbst die Kosten für Außenseitermethoden vom Versicherer zu erstatten, sofern sie zumindest ansatzweise auf nachvollziehbaren Überlegungen beruhen.147 Verneint der Versicherer dagegen die medizinische Notwendigkeit der Behandlung, dann steht der Patient vor einem Problem. Denn Leistungen, die medizinisch nicht notwendig sind, aber auf ausdrückliches Verlangen des Patienten erbracht werden, sind nun mal gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 GOÄ von ihm zu vergüten.148 Das liegt auf der Hand, denn sowohl kosmetische Operationen, die medizinisch nicht notwendig sind, als auch die ausdrücklich vom Patienten verlangten IGeL-Leistungen, sind schließlich von ihm zu bezahlen. Nun sitzt Ihr Patient in der Klemme: Er ist auf der einen Seite zur Zahlung Ihres Honorars verpflichtet, vom Versicherer ist auf der anderen Seite kein Geld zu erwarten. Bei hohen Honorarforderungen sind Zahlungsverzögerungen oder gar Ausfälle praktisch vorprogrammiert. 6.
Dokumentations- und Aufklärungspflicht auch im Forderungsmanagement?
Um sich Klarheit darüber zu verschaffen, welche wirtschaftlichen Konsequenzen die ärztliche Behandlung für ihn hat, muss der Patient erst einmal wissen, welche finanziellen Belastungen auf ihn zukommen. Niemand kann das besser beurteilen 146 147 148
OLG Koblenz, Urteil vom 17.02.2006 – 10 U 664/05. OLG Stuttgart, Urteil vom 26.10.2006 – 7 U 91/05. OLG Stuttgart, Urteil vom 16.04.2002 – 1 (14) U 71/01.
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als der behandelnde Arzt. Deshalb nimmt der Gesetzgeber Ärzte einerseits in die Pflicht, den Patienten darauf hinzuweisen, wenn der Preis eines Medikamentes die Festbetragsgrenze überschreitet. Zugleich nimmt die Rechtsprechung Ärzte und Zahnärzte verstärkt in die (Aufklärungs-)Pflicht. Um den Patienten vor unnötigen Kosten und unverhältnismäßigen Belastungen zu bewahren149, besteht daher neben der medizinischen Aufklärungspflicht zusätzlich ein „Muss“ zur Aufklärung über die wirtschaftlichen Folgen der Behandlung. Zwei Fallkonstellationen spielen dabei eine besondere Rolle. Zum einen sind dies Behandlungen, in denen Patienten einen Teil der anfallenden Behandlungskosten selbst zu tragen haben. Von wesentlich größerer Bedeutung sind freilich diejenigen Fälle, in denen nicht ganz klar ist, ob der Versicherer die Kosten für die Behandlung tatsächlich übernehmen wird. Die wirtschaftliche Aufklärungspflicht lässt sich in erster Linie als Beratungsund damit als vertragliche Nebenpflicht150 im Sinne des § 241 Abs. 2 BGB charakterisieren. Im Gegensatz dazu stellt die medizinische Aufklärungspflicht eine Hauptpflicht aus dem Behandlungsvertrag dar. 151 Dieser kleine, aber feine Unterschied hat Konsequenzen für die Beteiligten: Im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung muss nicht der (Zahn-)Arzt die ordnungsgemäße wirtschaftliche Aufklärung beweisen, sondern der Patient muss die Pflichtverletzung darlegen!151 Anders als bei einer Aufklärung über die Heilbehandlung kann eine vertragliche Nebenpflicht auch wirksam von einem nichtärztlichen Mitarbeiter durchgeführt werden. An sich ist die wirtschaftliche Aufklärungspflicht nichts Neues. Der BGH hat bereits im Jahr 1983152 entschieden, dass ein Patient von seinem behandelnden Arzt darauf hinzuweisen ist, wenn mehrere gleich wirksame Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, die jedoch Kosten in unterschiedlicher Höhe verursachen. Dies gilt umso mehr, wenn der Arzt begründete Zweifel daran hat, ob die Kosten der von ihm vorgeschlagenen kostenintensiveren Behandlung vom privaten Krankenversicherer übernommen werden. Die Beratungspflicht geht freilich nicht so weit, dass Sie als Arzt anstelle des Patienten klären müssen, inwieweit der Kostenerstattungsanspruch gegen den Versicherer tatsächlich besteht.153 Dies ist nach wie vor alleinige Aufgabe des Patienten154, denn schließlich dürfen die Anforderungen an die wirtschaftliche Aufklärungspflicht nicht überstrapaziert werden. In erster Linie sind Sie der behandelnde Arzt und nicht der Sachwalter fremder Vermögensinteressen155, denn die Beratungspflicht erfuhr noch unter einem ganz anderen Gesichtspunkt ihre Grenzen. 149
150 151 152 153 154 155
Siehe dazu auch die Entscheidung des BGH, Urteil vom 09.05.2000 – VI ZR 173/99 mwN. Vgl. dazu das Urteil des OLG Celle vom 28.05.2001 – 1 U 28/00. Siehe die Entscheidung des OLG Celle, aaO. BGH, Urteil vom 01.02.1983 – VI ZR 104/81 = NJW 1983, S. 2630. Siehe dazu auch die Entscheidung des OLG Köln, Urteil vom 23.03.2005 – 5 U 144/04. OLG Düsseldorf, NJW-RR 2000, S. 906. So auch Laufs/Uhlenbruck in: Handbuch Arztrecht, S. 65 RdNr 17.
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Das bisher gültige Rechtsberatungsgesetz156 schob dem einen Riegel vor. Denn die aktive Beratung des Patienten hinsichtlich seiner Erstattungsansprüche oder die Korrespondenz mit einem Versicherer anstelle des Patienten konnte bereits als Besorgung einer fremden Rechtsangelegenheit gewertet werden. Bis zur Gesetzesänderung war es eine Gratwanderung zwischen dem, was Sie tun mussten und dem, was Sie durften. Die Rechtsprechung macht es Ihnen darüber hinaus nicht leicht, denn diese ändert und erweitert laufend die Anforderungen an die Beratungspflicht. 156 Grundsätzlich sollten Sie bei dem Beratungsgespräch mit dem Patienten ⓦ
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klarstellen, welche Leistungen vom gesetzlichen Krankenversicherer ohne Zusatzzahlungen gewährt werden darauf hinweisen, dass vom gesetzlichen Krankenversicherer keine Leistungen übernommen werden, welche nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung sind (beispielweise IGeL) erläutern, welche (finanziellen) Folgen die Entscheidung für die gewünschte Behandlung für ihn hat: – Bei zahnprothetischen und kieferorthopädischen Behandlungen müssen Sie den Patienten darauf aufmerksam machen, dass vom Versicherer lediglich ein Zuschuss gezahlt wird. – Bei Behandlungsalternativen müssen Sie darlegen, in welcher Höhe für die einzelnen Alternativen ein Zuschuss gewährt wird, sodass der Patient die Möglichkeit hat, zwischen den verschiedenen Varianten zu wählen. bei zahnärztlichen Leistungen stets einen Heil- und Kostenplan vorlegen, mit der Bitte, diesen dem Versicherer vorzulegen. Sie geben dem Patienten damit die Möglichkeit, die Kostenübernahme durch den Versicherer vor Beginn der Behandlung umfassend zu klären.157 Wenn der Patient die Behandlung erst nach Zusage der Kostenübernahme durch den Versicherer beginnen will, dann ist es seine Aufgabe, Sie darauf hinzuweisen.158
Weiterhin sollten Sie darauf hinweisen, dass ⓦ
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die Abrechnung ausschließlich nach der Gebührenordnung für Ärzte bzw. Zahnärzte erfolgt und Ihr Honorar unabhängig vom Erstattungsbetrag des Versicherers mit der Rechnung fällig wird und es bei bestimmten Abrechnungspositionen zu Problemen bezüglich der Erstattung durch den Versicherer kommen kann, sofern Sie begründete Zweifel an der Kostenübernahme haben.
Das Rechtsdienstleistungsgesetz tritt zum 01. Juli 2008 in Kraft. Was sich mit der Reform des Rechtsberatungsgesetzes alles ändert, erfahren Sie im Abschnitt „Auch die Inkassotätigkeit unterliegt einer Erlaubnis“ ab Seite 187. 157 Siehe dazu auch die Entscheidung des OLG Düsseldorf, NJW-RR 2000, S. 906. 158 So die Entscheidung des OLG Düsseldorf, aaO.
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Haben Sie es versäumt, den Patienten rechtzeitig auf die finanziellen Folgen der Behandlung hinzuweisen, dann wird er Ihnen jetzt möglicherweise vorhalten, er hätte die Behandlung nie in Anspruch genommen, wenn von vornherein klar gewesen wäre, dass sein Versicherer die Kosten nicht übernimmt. Im schlimmsten Fall wird er entweder die Zahlung Ihres Honorars verweigern oder, falls er die Rechnung bereits beglichen hat, von Ihnen Schadensersatz verlangen. Wie wir bereits oben gesehen haben, stellt die wirtschaftliche Aufklärungspflicht eine vertragliche Nebenpflicht dar. Aus einer Verletzung einer solchen Vertragspflicht kann dem Patienten ein Schadensersatzanspruch zustehen, soweit Sie die Ihnen obliegende Rechtspflicht aus dem Behandlungsvertrag verletzt haben. Führt die Verletzung der Beratungspflicht letztendlich zu einem Schaden beim Patienten, dann wird Ihnen dieser zugerechnet, sofern Ihr Verhalten für den Eintritt des Schadens adäquat kausal war. Spontan wird man den Schaden des Patienten in der fehlenden Kostenübernahme durch den Versicherer und die dadurch entstehende finanzielle Belastung des Patienten sehen. Das LG Karlsruhe159 geht noch einen Schritt weiter und sieht den Schaden bereits darin, dass sich der Patient gezwungen sieht, seinen Erstattungsanspruch mit ungewissem Ausgang im Klageweg bei seinem Versicherer geltend zu machen. 160 Eine Verletzung der wirtschaftlichen Aufklärungspflicht hat im schlimmsten Fall zur Folge, dass Ihr Honoraranspruch nicht durchsetzbar ist.160
7.
Kein Honorar ohne persönliche Leistung
Als niedergelassener Arzt bzw. Zahnarzt gelten Sie als Freiberufler,161 dessen Berufsausübung grundsätzlich unter die Tätigkeiten höherer Art im Sinne des Dienstvertragsrechts fällt. Zum Wesen jeder freiberuflichen Tätigkeit gehört die persönliche Erbringung der Leistung. Wer zur Verteidigung in einem komplizierten Steuerstrafverfahren einen bundesweit anerkannten Spezialisten beauftragt, der möchte schließlich von diesem Anwalt und nicht von dessen zwar talentierten, aber unbekannten Assessor vertreten werden. Die Pflicht zur persönlichen Erbringung der Dienstleistung gehört daher zum Kernbereich der ärztlichen Leistungen. Schließlich steht und fällt die Behandlung oftmals gerade mit der persönlichen Beziehung zwischen Arzt und Patient. Allerdings ist die Regelung des § 613 Satz 1 BGB unter bestimmten Voraussetzungen abdingbar, wodurch die grundsätzlich persönlich zu erbringende Dienstleistung auf Dritte delegiert werden kann. Das setzt freilich voraus, dass die Delegation vorab mit dem Patienten vereinbart wurde.
159
LG Karlsruhe, Urteil vom 15.07.2005 – 5 S 124/04. KG Berlin, Urteil vom 21.09.1999 – 6 U 261/98. 161 Zur freiberuflichen Tätigkeit des Arztes vergleiche § 1 Abs. 2 BÄO und § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. 160
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Für den Kassenarzt hat diese Verpflichtung in mehreren Vorschriften ihren Niederschlag gefunden, so unter anderem in § 32 Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV: „Der Vertragsarzt hat die vertragsärztliche Tätigkeit persönlich in freier Praxis auszuüben“, in § 19 MBO-Ä: „Ärztinnen und Ärzte müssen die Praxis persönlich ausüben“, oder in § 1a Nr. 24 BMV-Ä in Verbindung mit § 14a und § 15 BMV-Ä. Dort heißt es: „Persönliche Leistungserbringung: die durch gesetzliche oder vertragliche Bestimmungen näher geregelte Verpflichtung des Vertragsarztes bzw. angestellten Arztes zur unmittelbaren Erbringung der vorgesehenen medizinischen Leistungen, auch im Rahmen zulässiger Delegation“. Welche Anforderungen tatsächlich an die persönliche Leistungserbringung zu stellen sind, ist nach wie vor umstritten. Die GOÄ setzt in § 4 Abs. 2a S. 1 voraus, dass von einer selbstständigen Leistung auszugehen sei, wenn diese weder ein Teil noch eine besondere Ausführung einer anderen Leistung sei. Das VÄndG, das zum 01. Januar 2007 in Kraft getreten ist, hat zudem eine Reihe neuer Fragen aufgeworfen. Für die Abrechnung der Behandlung eines Privatpatienten greift der § 4 Abs. 2 GOÄ, wonach Sie nur dann liquidationsberechtigt sind, wenn Sie die Leistung entweder selbst erbracht haben oder diese unter Ihrer Aufsicht nach fachlicher Weisung erbracht worden ist. Die gebührenrechtliche Regelung beschreibt letztendlich nichts anderes als das, was § 613 BGB bereits regelt. Die beiden Vorschriften lassen eine Liquidation auch dann zu, wenn Sie Tätigkeiten delegieren, was bei ärztlichen Hilfsmaßnahmen wie den Leistungen der Arzthelferinnen oder der angestellten ärztlichen oder nichtärztlichen Mitarbeiter im Einzelfall durchaus üblich ist. Streitig ist weiterhin der Umfang der Beteiligung des Arztes, soweit er Aufgaben delegiert hat.162 Bei Laborleistungen nach Abschnitt M I der GOÄ geht der Verordnungsgeber davon aus, dass Sie diese Leistungen selbst im Praxislabor erbringen bzw. von Ihren eigenen Mitarbeitern unter Ihrer Aufsicht erbringen lassen. Als eigene Leistungen im Sinne des § 4 Abs. 2 GOÄ gelten auch diejenigen Laborleistungen des Abschnitts M II „Basislabor“, die Sie nach fachlicher Weisung unter Aufsicht eines anderen Arztes in einer Laborgemeinschaft erbracht haben. Hingegen können Leistungen des Speziallabors nach den Abschnitten M III / M IV der GOÄ nur dann in Rechnung gestellt werden, wenn Sie diese Leistungen auch selbst erbracht haben. Kompliziert wird es, wenn Sie als niedergelassener Arzt zugleich an einer Laborgemeinschaft beteiligt sind. In diesem Fall dürfen Sie die bei „Ihrer“ Gesellschaft in Auftrag gegebenen Laboruntersuchungen nur im Ausnahmefall als „eigene“ abrechnen. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn Sie Weisungen gegenüber den Labormitarbeitern erteilen können und zudem kurzfristig erreichbar sind, wenn Fragen rund um die Laboranalyse auftreten.163
162 163
Dazu ausführlich die Entscheidung des OLG Hamm, Urteil vom 26.04.1995 – 3 U 97/94. Taupitz/Neikes, MedR 2008, S. 121 ff.
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Wenn der Patient nicht zum Termin erscheint – Ansprüche aus dem Behandlungsvertrag
Wer hat das in der eigenen Praxis noch nicht erlebt: Trotz konkreter Vereinbarung kommt der Patient nicht zu dem vereinbarten Behandlungstermin. Wahrscheinlich haben Sie sich darüber geärgert und auch schon mal mit dem Gedanken gespielt, dem Patienten eine Rechnung für die versäumte Behandlung zu schicken. Nicht anders sieht es aus, wenn der Patient zwar pünktlich zum Termin erscheint, aber beispielsweise die für eine ambulante Operation notwendigen Unterlagen nicht mitbringt und der geplante Eingriff infolge dessen nicht durchgeführt werden kann. Grundsätzlich gibt es für eine Leistung, die nicht erbracht worden ist auch kein Geld. Das ist nachvollziehbar und jeder wird diese Regelung im Geschäftsleben akzeptieren. Wenn Sie jedoch gerade deshalb daran gehindert werden, Ihre Leistung zu erbringen, weil der Patient nicht zum vereinbarten Behandlungstermin erscheint, dann sollten doch wohl andere Regeln gelten. Eine Regelung im Dienstvertragsrecht gibt Ihnen unter Umstände eine Handhabe gegen den unzuverlässigen Patienten. Befindet sich der Patient nämlich mit der Annahme Ihrer Leistung im Verzug, dann können Sie unter bestimmten Voraussetzungen die vereinbarte Vergütung vom Patienten für eine nicht erbrachte Behandlung verlangen. Ob Ihr Begehren im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung Erfolg hat, wird von der Rechtsprechung allerdings sehr unterschiedlich beantwortet. Es lassen sich daher keine allgemein gültigen Regeln hierfür aufstellen. In jedem Fall setzt der Ausfall des Behandlungstermins voraus, dass Ihnen hierdurch konkret ein Schaden entstanden ist, weil Sie in dieser Zeit keinen anderen Patienten behandeln konnten. Das wird nur dann der Fall sein, wenn Sie eine Praxis mit einem Bestellsystem führen und für jeden Patienten bzw. jede Behandlung einen ganz bestimmten Zeitabschnitt reservieren. In der Rechtsprechung lassen sich zwei grundlegende Tendenzen bezüglich der rechtlichen Einordnung einer Terminvereinbarung im Rahmen eines Bestellsystems festhalten: ⓦ Ein Teil der Rechtsprechung betrachtet das Bestellsystem lediglich als Instrument zur Praxisorganisation, um den Patienten lange Wartezeiten zu ersparen. In der Vereinbarung eines Termin sei daher keine Bestimmung der Leistungszeit zu sehen. Folglich billigen die Richter, die diese Auffassung vertreten, den betroffenen Ärzten kein Ausfallhonorar zu, sofern sich problemlos ein anderer Patient in den ausgefallenen Termin „einschieben“ lässt. Außerdem stehe dem Patienten ein Kündigungsrecht zu. Von diesem könne er konkludent durch das Fernbleiben von der Behandlung Gebrauch machen. Dieser Auffassung lässt sich jedoch entgegenhalten, dass eine Kündigung nicht „aus heiterem Himmel“ erfolgen darf, sondern der Patient auf die Belange des Arztes Rücksicht nehmen muss. ⓦ
Ein anderer Teil der Rechtsprechung bejaht hingegen den Anspruch auf ein Honorar bei einem Bestellsystem sofern Sie den Patienten für eine längere Behandlung zu einer individuell festgelegten Zeit einbestellt haben und in dieser
II. Wo beginnt das Forderungsmanagement?
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Zeit auch keinen anderen Patienten behandeln können.164 Das kann beispielsweise bei einer ambulanten Operation der Fall sein oder im Rahmen einer psychotherapeutischen Behandlung. Als Ausweg aus dieser uneinheitlichen Rechtsprechung wird oftmals empfohlen, in den Behandlungsvertrag eine Klausel einzufügen, die entweder Ihren Honorarausfall konkret regelt oder zumindest auf die Folgen eines Fernbleibens von dem vereinbarten Termin hinweist. Ob die Rechtsprechung eine vertragliche Regelung als Grundlage für ein Ausfallhonorar akzeptieren wird, muss dahingestellt bleiben. Aus einer solchen Vereinbarung lässt sich nämlich kein Honoraranspruch gegen den Patienten herleiten, denn die gesetzliche Grundlage für Ihr Ausfallhonorar ist und bleibt der geschlossene Behandlungsvertrag. Sofern Sie eine solche Klausel in den Behandlungsvertrag einfügen, dann stellt dies lediglich einen Hinweis auf die Ersatzpflicht dar. Mit seiner Unterschrift bestätigt der Patient folglich nur, dass er den Hinweis zur Kenntnis genommen hat. Darüber hinaus ist von der Rechtsprechung bisher nicht geklärt, ob eine vertragliche Regelung zudem eine Klausel für den Fall enthalten muss, dass der Patient für einen unverschuldet versäumten Termin nicht in Anspruch genommen werden kann. Sofern Sie ein Ausfallhonorar von Ihrem Patienten verlangen wollen, sollten Sie daher in jedem Fall im Vorfeld alles unternehmen, um den Schaden möglichst gering zu halten. Im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung müssen Sie nämlich nicht nur die tatsächliche Vereinbarung des Termins nachweisen können, sondern auch belegen, weshalb Sie diesen Zeitraum nicht anders nutzen konnten, indem Sie beispielsweise andere Patienten behandelt oder den leidigen Papierkram in Ihrer Praxis erledigt haben. Bleibt nur noch die Frage zu klären, welchen Betrag Sie dem Patienten tatsächlich in Rechnung stellen können. In den Gebührenordnungen finden sich jedenfalls keine Positionen für versäumte Termine. In der Rechtsprechung gibt es wiederum zwei verschiedene Ansätze zur Berechnung. Sie können entweder das Honorar für die geplante und aufgrund des Versäumens nicht durchgeführte Behandlung in Rechnung stellen, müssen sich dabei allerdings ersparte Materialaufwendungen wie Verbandsmaterial etc. anrechnen lassen. Alternativ können Sie einen fixen Stundensatz geltend machen, wobei hinsichtlich der Höhe auch hier die Ansichten der Gerichte auseinandergehen. 165 Auch als Arzt können Sie in „Annahmeverzug“ geraten, wenn Sie Patienten bei einem vereinbarten Termin länger als 30 Minuten warten lassen. Eine solche vertragliche Verpflichtung sei auch dem vielbeschäftigten Arzt zuzumuten, wenn unvorhergesehene Ereignisse eine längere Wartezeit unumgänglich machen!165
164 165
So auch in einer Entscheidung des AG Wetzlar, Urteil vom 08.05.2007 – 31 C 1761/06. Uhlenbruck/Kern in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 82 RdNr 25.
86
9.
C. Gold Standard für ein erfolgreiches Forderungsmanagement
Der Patient ist verstorben – was geschieht nun mit dem ärztlichen Honorar?
Auch damit müssen Sie sich sicherlich hin und wieder beschäftigen: Ihr Patient ist verstorben, die ärztlichen Leistungen, die Sie erbracht haben, sind entweder noch nicht in Rechnung gestellt oder die Honorarnote hat den Patienten zwar noch vor seinem Ableben erreicht, aber er konnte sie nicht mehr begleichen. Im ersten Fall werden Sie sich fragen, an wen Sie jetzt die Rechnung versenden sollen. Selbst wenn sich dies schnell klären lässt, bleibt immer noch die Frage, ob und ggf. wer Ihre Rechnung letztendlich bezahlen wird. Zwar können Sie Ihre Honorarnote an die letzte bekannte Anschrift des Verstorbenen senden, in der Hoffnung, dass sich dort ein Angehöriger um die Abwicklung des Nachlasses kümmert. Spätestens dann, wenn Sie auch auf wiederholte Mahnungen keine Zahlung erhalten, wird Ihnen bei einer höheren Honorarforderung nichts anderes übrig bleiben, als sich auf die Suche nach den Erben zu machen. Mit dem Tod eines Menschen geht das gesamte Vermögen auf die Erben über. Mit dem Erbe sind freilich auch Risiken verbunden: Nicht nur die wertvolle Münzsammlung, die zum Nachlass gehört, geht auf den oder die Erben über, sondern auch die Verbindlichkeiten, die zum Zeitpunkt des Erbfalls bereits begründet worden waren. D. h., die unbezahlten Arztrechnungen fallen in die Erbmasse. Die Rechnung wird selbstverständlich auch in diesem Fall erst dann fällig, wenn Sie diese erstellt und dem Patienten übersandt haben. Solange dies noch zu dessen Lebzeiten geschehen ist, entstehen keine Probleme hinsichtlich der Zustellung. Aber an wen adressieren Sie die Rechnung, welche Sie erst nach dem Tod des Patienten erstellen? Jetzt müssen Sie sich zwangsläufig mit der Frage befassen, wer als Erbe des Verstorbenen in Betracht kommt. Solange der Patient keine letztwillige Verfügung hinterlassen hat, tritt die gesetzliche Erbfolge ein. Dann kommen neben dem Ehe- oder Lebenspartner166, sofern dieser nicht bereits vorverstorben ist, die Kinder oder weitere Verwandte in Betracht. Das gilt allerdings nur insoweit, als die Erben das Erbe ausdrücklich oder konkludent durch Beantragung eines Erbscheins angenommen haben. Gleiches gilt, wenn der Erbe die 6-wöchige Ausschlagungsfrist ab Kenntnis von dem Erbfall verstreichen lässt. Jetzt ist Geduld gefragt. Bis zur Annahme der Erbschaft können Sie den oder die Erben nämlich aufgrund einer unbezahlten Honorarnote, die in den Nachlass fällt, nicht in Anspruch nehmen. Sofern Ihnen das familiäre Umfeld des Patienten nicht bekannt ist, stehen Sie jetzt vor der Frage, wie Sie zuverlässig in Erfahrung bringen können, wer als Erbe überhaupt in Betracht kommt. Eine Anfrage beim Nachlassgericht hilft hier weiter. Zuständig ist jeweils das Amtsgericht als Nachlassgericht, in dessen Bezirk der verstorbene Patient seinen letzten Wohnsitz hatte. Dieses ist sowohl für die Testamentseröffnung als auch die Ausstellung des Erbscheins an die Erben zuständig. Das Nach166
§ 10 Lebenspartnerschaftsgesetz vom 16.02.2001, BGBl. I 2000, S. 266.
III. Die korrekt erstellte Rechnung – kleine Fehler, große Wirkungen
87
lassgericht verfügt also über genau die Informationen, wie Name und Anschrift der Erben, die Sie jetzt benötigen. Fehlt also nur noch der richtige Weg, um an die entscheidenden Informationen zu gelangen. Als Gläubiger können Sie gegenüber dem Nachlassgericht ein berechtigtes Interesse geltend machen, weshalb Ihnen entweder eine Akteneinsicht gewährt werden muss, bei der Sie Name und Anschrift der Erben ermitteln können oder Sie verlangen eine Abschrift aus der Akte. Da jeder Erbe einen Erbschein benötigt, um beispielsweise als Erbe im Grundbuch eingetragen zu werden oder das Bankkonto des Verstorbenen aufzulösen, stehen Ihre Chancen gut, an die notwendigen Informationen zu gelangen. Die Sache hat noch einen weiteren Haken: Zwar haften die Erben grundsätzlich mit ihrem eigenen Vermögen für Nachlassverbindlichkeiten. Diesen Gefahren wollen sich viele Erben verständlicherweise gerade dann nicht aussetzen, wenn der Nachlass sehr unübersichtlich oder vermutlich sogar überschuldet ist. Deshalb besteht für jeden Erben die Möglichkeit, seine Haftung auf das ererbte Vermögen zu beschränken, sofern eine Nachlasspflegschaft angeordnet oder ein Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet wird. Dazu werden die Gläubiger aufgefordert, ihre Forderungen beim Insolvenzverwalter anzumelden. Haben Sie es verpasst, Ihre Forderung rechtzeitig in dem Verfahren geltend zu machen, dann können die Erben unter dem Hinweis, der Nachlass sei durch die geltend gemachte Forderung erschöpft, die Zahlung verweigern. Wenn Ihnen selbst das Nachlassgericht bei der Erbenermittlung nicht weiterhelfen kann, weil sich entweder kein lebender Ehepartner, Verwandter oder sonstige in Frage kommenden Erben finden lassen oder sämtliche in Betracht kommenden Erben die Erbschaft ausgeschlagen haben, dann erbt der Fiskus des Bundeslandes, in dem der Verstorbene seinen letzten Wohnsitz hatte. Selbst der Fiskus will sich keine Schuldenlast auferlegen, weshalb sein Erbe regelmäßig auf den Wert des Nachlasses beschränkt ist. Erweist er sich als überschuldet, dann gehen Sie leer aus und können Ihre Forderung nur noch als uneinbringlich ausbuchen.
III. Die korrekt erstellte Rechnung – kleine Fehler, große Wirkungen 1.
Was muss alles auf die Rechnung?
Die Gebührenordnungen lassen Ihnen keine Wahl, denn sie schreiben Ihnen in § 12 Abs. 2 GOÄ bzw. § 10 Abs. 2 GOZ die einzelnen Rechnungspositionen vor. Die Rechnung muss zwingend ⓦ ⓦ
ⓦ
neben dem Datum der Leistungserbringung die GOÄ- bzw. GOZ-Gebührenposition, die Bezeichnung der einzelnen Leistungen ggf. einschließlich der Mindestdauer, soweit dies in der Leistungslegende ausdrücklich angegeben ist den Steigerungssatz i. S. d. § 5 GOÄ bzw. § 5 GOZ und den sich daraus ergebenden Betrag für die einzelne Leistung
88 ⓦ ⓦ
C. Gold Standard für ein erfolgreiches Forderungsmanagement
den Betrag und die Art der Auslage beim Auslagenersatz i. S. d. § 10 GOÄ die Beträge für Wegegelder gemäß § 8 GOÄ bzw. § 8 GOZ oder Reiseentschädigungen gemäß § 9 GOÄ, einschließlich deren Berechnung
enthalten. Bei zahnärztlichen Leistungen verlangt die Gebührenordnung ⓦ
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zudem eine verständliche Bezeichnung des Zahnes, für den die in Rechnung gestellte Leistung erbracht wurde und bei den Auslagen eine Bezeichnung, Gewicht und Tagespreis der verwendeten Legierungen. Vergessen Sie nicht, Leistungen, die auf ausdrückliches Verlangen des Patienten erbracht wurden, in der Rechnung als solche zu bezeichnen! Andernfalls besteht kein Anspruch auf das Honorar!
Die analogen Gebührenpositionen im Sinne des § 6 Abs. 2 GOÄ bzw. § 6 Abs. 2 GOZ erweisen sich häufig als Stolperstein bei der Rechnungslegung. Neu entwickelte Leistungen, die nicht in den Gebührenordnungen enthalten sind, können „analog“ berechnet werden, sofern sie bestimmte Kriterien erfüllen: ⓦ
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Es muss sich um eine selbstständige ärztliche bzw. zahnärztliche Leistung handeln, also eine Leistung, die weder in der GOÄ noch in der GOZ als Bestandteil bereits enthalten ist. Die Vorschrift des § 6 Abs. 2 GOZ verlangt darüber hinaus, dass die analog abzurechnende Leistung nach dem 01. Januar 1988 aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse entwickelt worden ist. Wollen Sie eine Leistung nach dem analogen Ansatz berechnen, dann müssen Sie die Gebührenposition dem zahlungspflichtigen Patienten verständlich beschreiben und zusätzlich mit dem Hinweis „entsprechend“ unter Angabe der Nummer und Bezeichnung der als gleichwertig angesehenen Leistung versehen.
Analogleistungen müssen zwar nicht ausdrücklich mit dem Patienten vereinbart werden. Sie sind abrechnungstechnisch genauso zu behandeln wie andere, in der jeweiligen Gebührenordnung enthaltenen Leistungen. Aber die wirtschaftliche Aufklärungspflicht spielt hierbei eine besondere Rolle. Wenn Sie bereits aus Erfahrung wissen, dass es bei bestimmten Analogberechnungen immer wieder zu Abrechnungsproblemen mit privaten Krankenversicherern kommen kann, dann sollten Sie den Patienten unbedingt rechtzeitig darauf hinweisen. Damit ersparen Sie sich anschließend Diskussionen und lassen keinen Raum für Zahlungsverzögerungen.
III. Die korrekt erstellte Rechnung – kleine Fehler, große Wirkungen
2.
(K)Ein Stolperstein in der Praxis – die Umsatzsteuer
a)
Ist die Leistung umsatzsteuerpflichtig? – Eine Frage des medizinischen Zwecks
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Die Möglichkeit, sich als niedergelassener Arzt neue Einnahmequellen zu schaffen, beschert Ihnen gleich noch ein weiteres Betätigungsfeld, mit dem Sie sich bislang nur am Rande beschäftigen mussten. Spätestens bei der ersten Honorarnote für einen Privatpatienten müssen Sie sich nämlich die Frage stellen, ob die abzurechnende Leistung der Umsatzsteuer unterliegt. Als Arzt sind Sie nämlich nicht nur in wirtschaftlichem Sinne Unternehmer, Ihre beruflich selbstständige Tätigkeit macht Sie gleichzeitig auch zum Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes gemäß § 2 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG). Aufgrund einer unternehmerischen Tätigkeit unterliegt grundsätzlich jede Dienstleistung, die gegen Entgelt erbracht wird, der Umsatzsteuer. Von dieser Regel sind Leistungen ärztlicher wie anderer in § 4 Nr. 14 UStG genannten medizinischen Tätigkeiten ausgenommen, die der Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden beim Menschen dienen167, sowie solche, die mit dem Betrieb von Krankenhäusern verbunden sind. Diese Leistungen sind umsatzsteuerfrei. Das gilt außerdem für die entgeltliche Stellung von Personal- und Sachmittel von Krankenhäusern an Chefärzte zum Betreiben einer eigenen Praxis. Dies stellt einen mit dem Betrieb eines Krankenhauses eng verbundenen Umsatz dar und ist deshalb unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 16 UStG umsatzsteuerfrei. Im Umkehrschluss heißt das, dass sämtliche ärztlichen Leistungen, die einem anderen Zweck als dem eben genannten dienen, umsatzsteuerpflichtig sind. Unter welchen Voraussetzungen eine ärztliche Leistung diese Anforderung erfüllt, ist eine Sache der Auslegung, wobei nicht mehr nur nationale Normen eine Rolle spielen. Regelungen, die eine Harmonisierung der Rechtsvorschriften innerhalb Europas zum Ziel haben, spielen in den nationalen Rechtssystemen eine immer größere Rolle. Das kann zu einer anderen Auslegung einer Norm, als dies bisher unter ausschließlich nationaler Rechtsprechung der Fall war, führen. Deshalb muss die für die Steuerbefreiung entscheidende nationale Vorschrift des § 4 Nr. 14 UStG aufgrund der vorgenommenen Umsatzsteuerharmonisierung168 in der Europäischen Union den Regelungen über die Steuerbefreiungen in den Mitgliedsstaaten entsprechen. So hatte der Europäische Gerichtshof zu klären, ob das Honorar für ein anthropologisch-erbbiologisches Gutachten der Umsatzsteuer unterliege. Die Richter des Senats hoben in ihrer Entscheidung169 hervor, dass sich die für diese Frage relevante 167
168
169
So schon das Schreiben des BMF vom 10.07.1969, BStBl. I 1969, S. 373, Abschnitt I Abs. 3. Die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 14 UStG soll im Rahmen der Umsatzsteuerharmonisierung in der Europäischen Union den Steuerbefreiungen nach „Art. 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Umsatzsteuern (77/388/EWG) entsprechen. EuGH, Urteil vom 14.09.2000 – Rs C-384/98.
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Vorschrift der Mitgliedsstaaten allein auf medizinische Leistungen beziehe, die der Gesundheit von Menschen diene. Da die Bestimmungen zur Einführung einer Umsatzsteuerbefreiung zudem eng auszulegen seien, unterlägen folglich diejenigen ärztlichen Leistungen, die keinem therapeutischen Zweck dienten, stets der Umsatzsteuer. Das Bundesministerium für Finanzen170 reagierte umgehend auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs und stellte in einem Schreiben zunächst einmal klar, dass sowohl die Erstellung von Alkoholgutachten, sowie ⓦ
ⓦ ⓦ ⓦ ⓦ
Gutachten über den Gesundheitszustand als Grundlage für Versicherungsabschlüsse – die Berufstauglichkeit – über die Minderung der Erwerbsfähigkeit in Sozialversicherungsangelegenheiten – in Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung und in Schadensersatzprozessen sowie Zeugnisse über das Sehvermögen Blutgruppenuntersuchungen im Rahmen der Vaterschaftsfeststellung anthropologisch-erbbiologische Gutachten psychologische Tauglichkeitstests, die sich ausschließlich auf die Berufsfindung erstrecken,
nicht unter die steuerbefreiende Regelung des § 4 Nr. 14 UStG fallen. In einer weiteren Entscheidung171 konkretisierte der Europäische Gerichtshof seine Rechtsauffassung. Danach unterliegt das Honorar für die Anfertigung eines Gutachtens, das in erster Linie der Krankheitsvorbeugung dient, der Steuerbefreiung. Anders sieht es hingegen bei Befundberichten aus, die von Versorgungsämtern oder Rentenversicherungsträgern angefordert werden. Bisher hatten die Versorgungsämter vehement die Umsatzsteuerpflicht für das Erstellen eines Befundberichtes bestritten. Von dem geringen Betrag, der für die Erstellung der Berichte nach dem Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz gezahlt wird, mussten die betroffenen Ärzte dann auch noch die Umsatzsteuer abführen. Das Hessische Landessozialgericht172 schob dem jetzt einen Riegel vor und entschied, dass dem befunderstattenden Arzt neben dem Honorar auch die Umsatzsteuer zu zahlen ist. Allerdings stellen die Richter einige Anforderungen an den Befundbericht: ⓦ
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170
171 172
Es muss zumindest ein zusammenfassender Bericht erstellt werden. Das Anfertigen einer Kopie der Krankenakte reicht nicht aus. Der Arzt muss umsatzsteuerpflichtig sein und dies nachweisen, sofern er die Vergütung der Umsatzsteuer verlangt.
Schreiben des BMF vom 13.02.2001, IV D 1 – S 7170 – 4 /01, Bundessteuerblatt Teil 1, Seite 157; über Detailfragen hinsichtlich der Steuerbefreiung bei gutachterlicher Tätigkeit informiert ausführlich: Berner, Dtsch Ärzteblatt 2002; 99: A 307 – 308. EuGH, Urteil vom 20.11.2003 – Rs C-307/01 mwN. Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 29.08.2007 – L 4 SB 15/07.
III. Die korrekt erstellte Rechnung – kleine Fehler, große Wirkungen
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Der Bundesfinanzhof 173 musste sich im Anschluss daran mit der Frage beschäftigen, inwieweit betriebsärztliche Leistungen dem Schutz der Gesundheit dienen und damit als steuerfreie Heilbehandlung gelten. Nach Auffassung der Richter unterstütze die Untersuchung nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 ASiG – mit Ausnahme der Einstellungsuntersuchungen – entgegen der Auffassung des beklagten Finanzamtes in erster Linie die Früherkennung von Gesundheitsgefährdungen des Arbeitnehmers und solle ihn vor arbeitsbedingten Gesundheitsschäden bewahren. Leistungen, die im Rahmen der Untersuchungen gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 ASiG erbracht werden, sind daher umsatzsteuerfrei. Aufgrund dieser Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs kommen damit sämtliche Honorare aus Tätigkeiten, die ohne medizinische Indikation erfolgen, nicht in den Genuss der Umsatzsteuerbefreiung. Konsequenterweise hält der Bundesfinanzhof 174 ästhetisch-plastische Leistungen eines Chirurgen für umsatzsteuerpflichtig, soweit keine medizinische Indikation vorliegt, während die Finanzverwaltungen bis zu der grundlegenden Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs175 noch von einer Steuerbefreiung ausgingen. Die jüngsten Entscheidungen haben weitreichende Konsequenzen für die Arbeit in der täglichen Praxis. Unter Zugrundelegung der bisherigen Rechtsprechung lässt sich nämlich gerade für die IGeL-Leistungen die Frage nach der Umsatzsteuerpflicht nicht mit einem eindeutigen „Ja“ oder „Nein“ beantworten. Vielmehr muss bei sämtlichen Selbstzahlerleistungen differenziert werden: Nur dann, wenn die Leistung einem therapeutischen Zweck und damit der Vorbeugung, Diagnose oder Behandlung dient, kommen Sie in den Genuss der Umsatzsteuerbefreiung. Die europäische Umsatzsteuerrichtlinie hat das Hessische Finanzgericht176 zum Anlass genommen, empfängnisverhütende Leistungen in der Arztpraxis generell der Umsatzsteuerpflicht zu unterwerfen, da diese ausschließlich der Vorbeugung einer ungewollten Schwangerschaft dienen, die ohne Zweifel weder eine Krankheit noch eine Gesundheitsstörung darstellt. Jetzt ist guter Rat teuer, wenn zu klären ist, für welche Leistung denn nun Umsatzsteuer in Rechnung gestellt werden muss. Einige Finanzverwaltungen haben händeringend nach einer Lösung gesucht. Das Bemühen mündete im Erstellen umfangreicher Listen. Mit diesen versuchen die Finanzverwaltungen die Leistungen nach vorgegebenen Kriterien zu ordnen, um schließlich über deren Umsatzsteuerpflicht entscheiden zu können. Das Problem lässt sich jedoch nicht mit der Katalogisierung der Leistungen lösen. Am Beispiel einer ästhetisch-plastischen Operation zeigt sich, dass die gleiche Leistung im einen Fall zu 100 % einen therapeutischen Zweck erfüllen kann, weil sie der Wiederherstellung des Patienten nach einer
173 174 175 176
BFH, Urteil vom 13. 07.2006 – V R 7/05. BFH, Urteil vom 15.07.2004 – V R 27/03. siehe Fußnote 169. Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 16.11.2006 – 6 K 1378/06.
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Krankheit oder einem Unfall dient, im anderen Fall erfolgt sie hingegen aus rein kosmetischen Gründen. Prüfen Sie deshalb in jedem Einzelfall kritisch die medizinische Indikation einer Selbstzahlerleistung und dokumentieren Sie diese sorgfältig. Die Beweislast für die medizinische Indikation liegt bei Ihnen als behandelndem Arzt! Das Auflisten der verschiedenen Leistungen führt also nicht zum Ziel. Deshalb sind andere Oberfinanzdirektionen dazu übergegangen, sich eine Argumentation einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu eigen zu machen. Bereits im Jahr 1999 hatte das Gericht177 nämlich schon dargelegt, dass die Kostenübernahme durch einen gesetzlichen oder einem privaten Krankenversicherer ein starkes Indiz für die Frage der medizinischen Indikation der ärztlichen Leistung sei. Damit stehen die Oberfinanzdirektionen freilich mit ihrer Auffassung im Widerspruch zu den vom Europäischen Gerichtshof aufgestellten Grundsätzen. Endgültige Klarheit hinsichtlich der Umsatzsteuerpflicht verschiedener ärztlicher Leistungen wird wohl erst die Rechtsprechung schaffen können. b)
Neue Formen der Zusammenarbeit – neue umsatzsteuerliche Fragen Neue Formen in der ärztlichen Zusammenarbeit werfen auch unter umsatzsteuerrechtlichen Gesichtspunkten neue Fragen auf. So hat sich neben dem Europäischen Gerichtshof auch der Bundesfinanzhof mit der Frage beschäftigt, ob die durch eine juristische Person oder eine Personengesellschaft erbrachten medizinischen Leistungen von der Umsatzsteuer befreit sind. Im ersten Fall hat der Europäische Gerichtshof 178 entschieden, dass Laborleistungen selbst dann als ärztliche Heilbehandlung gelten und folglich umsatzsteuerfrei sind, wenn das Labor in der Rechtsform einer GmbH geführt wird. Dies gelte selbst für Personengesellschaften, wie der Bundesfinanzhof 179 betont, allerdings unter der Voraussetzung, dass entweder ein Gesellschafter oder Angestellter der Gesellschaft über die entsprechende Qualifikation zur Erbringung von Heilbehandlungen verfüge. Insofern handelt es sich lediglich um eine Ergänzung, wenn das Bundesfinanzministerium180 die durch ein Medizinisches Versorgungszentrum erbrachte Leistung unabhängig von dessen Rechtsform für umsatzsteuerfrei erklärt, sofern die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit erfüllt sind. Dies gilt selbst für diejenigen Ärzte, die an einem MVZ selbstständig tätig sind und deren Patienten die Behandlungsverträge mit dem Medizinischen Versorgungszentrum schließen. Auch die Heilbehandlungen einer Praxisklinik im Rahmen der integrierten Versorgung oder eines Modellvorhabens im Sinne der §§ 63 ff, §§ 140a ff SGB V sind unter den weiteren Vo-
177 178
179 180
BVerfG, NJW 2000, S. 859, 860. EuGH, Urteil vom 08.06.2006 – Rs C-106/05 und BFH Urteil vom 25.11.2004 – V R 55/ 03. BFH, Urteil vom 26.09.2007 – V R 54/05. Siehe Schreiben des BMF vom 15.06.2006, IV A 6 – S 7170 – 39/06.
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raussetzungen steuerfrei, sofern die Praxisklinik die Behandlung der Patienten durch angestellte oder selbstständige Ärzte im eigenen Namen erbringt. c)
Die Umsatzsteuer auf der Rechnung Ob die von Ihnen erbrachte ärztliche Leistung unter die Umsatzsteuerbefreiung fällt oder nicht, hat letztendlich Einfluss auf die Gestaltung Ihrer Rechnung. Handelt es sich um die Abrechnung einer umsatzsteuerpflichtigen Leistung, dann müssen Sie Ihre Honorarnote nicht nur nach den Abrechnungsregeln der jeweiligen Gebührenordnung gestalten, sondern darüber hinaus auch noch die entsprechenden Normen des Umsatzsteuergesetzes bei der Erstellung der Rechnung beachten. Das Umsatzsteuergesetz schreibt in § 14 Abs. 4 UStG die notwendigen Bestandteile einer ordnungsgemäßen Rechnung vor. Die Rechnung muss demnach enthalten: ⓦ ⓦ
Ihren Namen und vollständige Anschrift der Praxis, § 14 Abs. 4 Nr. 1 UStG 181 den Namen und die Anschrift des behandelten Patienten, § 14 Abs. 4 Nr. 1 UStG Denken Sie daran: Die Rechnung darf nur an den Patienten, nicht etwa an den hauptversicherten Ehepartner verschickt werden!181
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Ihre Steuernummer182 (alternativ: Umsatzsteuer-Identifikationsnummer183), § 14 Abs. 4 Nr. 2 UStG. Solange Sie keine umsatzsteuerpflichtigen Umsätze tätigen, brauchen Sie die Steuernummer nicht anzugeben. Auch diejenigen unter Ihnen, die von der Kleinunternehmerregelung Gebrauch machen, müssen die Steuernummer nicht auf der Rechnung angeben.184 Die Verpflichtung trifft Sie daher nur, wenn Ihre umsatzsteuerpflichtigen Umsätze über der genannten Höchstgrenze liegen. das Ausstellungsdatum der Rechnung (= Rechnungsdatum), § 14 Abs. 4 Nr. 3 UStG eine fortlaufende Rechnungsnummer, § 14 Abs. 4 Nr. 4 UStG den Umfang und Art der Leistung, § 14 Abs. 4 Nr. 5 UStG den Zeitpunkt der Ausführung der Leistung, § 14 Abs. 4 Nr. 6 UStG die Höhe des (Netto-)Entgelts, also den Betrag ohne Umsatzsteuer, § 14 Abs. 4 Nr. 7 UStG den auf das Entgelt entfallenden Umsatzsteuersatz. Im Falle einer Steuerbefreiung darf ein Hinweis darauf, dass für die Lieferung oder sonstige Leistung
Lesen Sie dazu mehr im Abschnitt „Die Kernfrage – was ist alles geschützt?“ ab Seite 21. Die Steuernummer wird vom zuständigen Finanzamt erteilt, die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer hingegen vom Bundeszentralamt für Steuern. Die Steuernummer gilt für solche Umsätze, die im Inland getätigt werden, die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer dagegen für solche, die ein inländischer Unternehmer in einem anderen EU-Land in umsatzsteuerbefreiter Form tätigt (innergemeinschaftliche Lieferung). Siehe dazu das Schreiben des BMF vom 28.06.2002 – IV B 7 – S 7280 – 151/02.
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eine Steuerbefreiung gilt, nicht fehlen, § 14 Abs. 4 Nr. 8 UStG. Sie können beispielsweise hinzufügen: „Die Leistung ist gemäß § 4 Nr. 14 UStG als Heilbehandlung von der Umsatzsteuer befreit.“
(die Umsatzsteuer), § 14 Abs. 4 Nr. 8 UStG den Rechnungsbetrag brutto, also den Gesamtbetrag inklusive der Umsatzsteuer.
ⓦ ⓦ
Im Wesentlichen sind die Anforderungen unter umsatzsteuerlichen Gesichtspunkten identisch mit denen, die an eine Rechnung unter gebührenrechtlichen Gesichtspunkten gestellt werden. Falls Sie Selbstzahlerleistungen erbringen, die der Umsatzsteuer unterliegen, dann müssen Sie bei der jeweiligen Leistung neben dem Nettobetrag den Steuersatz, die anfallende Umsatzsteuer sowie den Bruttobetrag angeben. Bei einer Kleinbetragsrechnung, deren Gesamtbetrag 150 Euro185 nicht übersteigt, reicht es dagegen aus, wenn Sie lediglich den Steuersatz angeben. Prüfen Sie deshalb in jedem Einzelfall kritisch die medizinische Indikation einer Selbstzahlerleistung und dokumentieren Sie diese sorgfältig. Die Beweislast für die medizinische Indikation liegt bei Ihnen als behandelndem Arzt! Bedeutet das nun, dass Sie sich auch noch monatlich oder zumindest quartalsweise mit dem Erstellen der notwendigen Umsatzsteuervoranmeldungen befassen müssen? Selbst wenn Sie umsatzsteuerpflichtige Selbstzahlerleistungen anbieten, heißt das noch lange nicht, dass das Finanzamt tatsächlich die Umsatzsteuer von Ihnen fordert. In vielen Fällen kommen Sie nämlich in den Genuss der sogenannten Kleinunternehmerregelung im Sinne des § 19 UStG. Übersteigen Ihre umsatzsteuerpflichtigen Bruttoeinnahmen im laufenden Kalenderjahr 50.000 Euro nicht und die umsatzsteuerpflichtigen Bruttoeinnahmen186 aus dem Vorjahr haben die Grenze von 17.500 Euro nicht überstiegen, dann gelten Sie als Kleinunternehmer und müssen keine Umsatzsteuer abführen. Doch Vorsicht: Sobald Sie nur in einem einzigen Jahr den steuerpflichtigen Jahresumsatz überschritten haben, müssen Sie im Folgejahr die Umsatzsteuer erheben, auch wenn Ihre umsatzsteuerpflichtigen Umsätze wieder sinken sollten. Um den Überblick zu behalten, sollten Sie in jedem Fall in Ihrer Buchhaltung ein weiteres Konto für die umsatzsteuerpflichtigen Einnahmen einrichten oder von Ihrem Steuerberater einrichten lassen. Für den niedergelassenen Arzt in der Einzelpraxis dürfte die Kleinunternehmerregelung mit der 17.500 Euro-Grenze eine gute Lösung darstellen. Anders sieht es dagegen im Medizinischen Versorgungszentrum aus. Auch hier gilt die umsatz-
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Der Gesamtbetrag bezieht sich auf den Bruttopreis. Damit sind die Einnahmen einschließlich der vereinnahmten Umsatzsteuer gemeint, § 19 Abs. 1 UStG.
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steuerliche Grenze, die jedoch schnell überschritten werden kann, wenn mehrere Ärzte gleichzeitig umsatzsteuerpflichtige Leistungen anbieten. Die Kleinunternehmerregelung hat auch Auswirkungen auf die Rechnungserstellung! Machen Sie hiervon Gebrauch, dann dürfen sie weder den Steuersatz angeben noch die Umsatzsteuer in der Ausgangsrechnung ausweisen. Wenn Sie die Kleinunternehmerregelung in Anspruch nehmen, dann vergessen Sie nicht, auf Ihren Rechnungen einen Hinweis auf die Steuerbefreiung anzubringen! Umsatzsteuerfrei aufgrund der Kleinunternehmerregelung gemäß § 19 UStG.
3.
Liquidation nur mit Stempel und Unterschrift?
Ist es schon aufgrund einer fehlenden Diagnose und / oder einem Stempel und Ihrer Unterschrift auf der Rechnung zu Zahlungsverzögerungen gekommen? Private Krankenversicherer und Beihilfestellen fordern die Angabe der Diagnose, weil sich andernfalls nicht nachprüfen lässt, ob die vom Arzt in Rechnung gestellten Positionen aus Anlass einer Erkrankung entstanden sind und vor allen Dingen notwendig waren. Will der Patient seinen Erstattungsanspruch gegenüber dem Krankenversicherer oder der Beihilfestelle geltend machen, muss er sich den nachvollziehbaren Anforderungen des Erstattungsträgers beugen. Zwar kann der Erstattungsträger von Ihnen keine Rechnung verlangen, die seinen Formvorschriften entspricht, denn schließlich besteht zwischen Ihnen und dem Krankenversicherer bzw. der Beihilfestelle keine Rechtsbeziehung, wie wir an anderer Stelle bereits gesehen haben. Der Patient kann hingegen sehr wohl solche Anforderungen an Sie stellen. Diese Nebenpflicht resultiert aus dem Behandlungsvertrag. Als behandelnder Arzt sind Sie verpflichtet, dem Patienten bei der Durchsetzung seiner Ansprüche gegen den Kostenerstattungsträger behilflich zu sein. Kann der Erstattungsträger seiner Zahlungsverpflichtung ohne Kenntnis der Diagnose und der hieraus resultierenden Behandlung nicht nachkommen, dann müssen Sie Ihren Patienten durch die notwendigen Angaben auf der Rechnung bei der Geltendmachung seiner Ansprüche unterstützen. Anders sieht es im Hinblick auf einen Stempel und der Unterschrift auf der Liquidation aus. Es gibt keine gesetzliche Regelung, nach der Sie verpflichtet sind, Ihre Honorarnote zu unterzeichnen und zu stempeln.187 Weder § 12 GOÄ / § 10 GOZ noch eine andere Vorschrift der Gebührenordnung beinhalten ein solches Formerfordernis.188 Hintergrund für das vehemente Verlangen der Patienten nach einer gestempelten und unterschriebenen Arztliquidation sind diverse Beihilferegelungen. Aufgrund dieser Muss- oder Sollvorschriften sind Rechnungen nämlich nur dann erstattungsfähig, wenn sie entweder gestempelt und unterschrieben oder auf einem vorgedruckten oder sonst als Original erkennbaren Vordruck geschrieben sind. Alternativ werden die von einer privatärztlichen Verrechnungsstelle ausge187 188
So auch das LG Koblenz, Urteil vom 27.07.1989 – 3 S 18/89. AG Hildesheim, Urteil vom 28.02.1997 – 43 C 6/97.
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stellte Rechnungen akzeptiert. Kann Ihnen eine Beihilfestelle in diesem Fall Formvorschriften auferlegen, wenn weit und breit keine gesetzliche Regelung in Sicht ist? Für die rein rechtliche Argumentation müssen wir ein bisschen weiter ausholen. Soweit Beihilfevorschriften nämlich im jeweiligen Landesrecht verankert sind, die Gebührenordnungen der Ärzte / Zahnärzte hingegen im Bundesrecht, gilt der Grundsatz des Art. 31 GG: Bundesrecht bricht Landesrecht. Auf Landesebene erlassene Beihilfevorschriften können also die bundesrechtlichen Gebührenordnungen für Ärzte bzw. Zahnärzte nicht aushebeln und Formvorschriften nach eigenem Gutdünken erlassen. Ihre beihilfeberechtigten Patienten haben daher keinen Anspruch auf eine gestempelte und unterzeichnete Honorarnote, zumal es ausreichend Alternativen gibt, um dem durchaus nachvollziehbaren Ansinnen der Beihilfestellen nach einer unverfälschten Rechnung nachzukommen. Eine „fälschungssichere“ Honorarnote können Sie für beihilfeberechtigte Patienten nämlich ohne großen Aufwand produzieren, indem Sie einen vorgedruckten Briefkopf mit Ihrer Praxisanschrift verwenden und das Duplikat als solches bezeichnen.
4.
Weshalb Sie Ihre Rechnung unverzüglich stellen sollten
Von formalen Gesichtspunkten einmal abgesehen, dürfen Sie bei Ihrer Rechnungslegung eines nicht außer acht lassen: Warum sollten Ihre Patienten den Betrag pünktlich bezahlen, wenn Sie sich monate- oder gar jahrelang Zeit gelassen haben, die Honorarnote zu erstellen? ⓦ
Haben Sie Bedenken, die Rechnung unmittelbar nach Abschluss der Behandlung zu schreiben, weil bei den Patienten der Eindruck entstehen könnte, es gehe Ihnen finanziell schlecht und Sie deshalb selbst geringe Beträge umgehend in Rechnung stellen?
Von diesen Gedanken sollten Sie sich ganz schnell verabschieden! Das Gegenteil ist der Fall. Zeitverzögerungen bei der Rechnungsstellung signalisieren nämlich in erster Linie Desinteresse. Die Botschaft an den Patienten ist unmissverständlich: „Eigentlich habe ich den Rechnungsbetrag gar nicht nötig!“, auch wenn Sie aus Zeitmangel Ihre Rechnungen spät erstellt haben.189 Außerdem verblasst in der Zwischenzeit die Erinnerung des Patienten an Ihre ärztliche Leistung. Haben Sie den Patienten am Wochenende von fürchterlichen Zahnschmerzen befreit, stellen Sie die Rechnung für die Schmerz befreiende Behandlung hingegen erst Monate später, dann ist der Zahnschmerz längst vergessen und die Rechnung wird nicht mehr mit Ihrer schmerzlindernden Behandlung in Verbindung gebracht. Das gilt umso mehr für andere, weniger dramatisch verlaufende Behandlungen. Es ist leider eine Tatsache, dass „unspektakuläre“ Dienstleistungen deutlich weniger in der Erinnerung der Kunden 189
Welche weiteren Konsequenzen eine verspätete Rechnungslegung haben kann, zeigt Ihnen der Abschnitt „Verjährung und Verwirkung – worin liegt der Unterschied?“ ab Seite 106.
III. Die korrekt erstellte Rechnung – kleine Fehler, große Wirkungen
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bleiben, als die handfeste und deshalb sichtbare Tätigkeit eines Handwerkers, der gerade den Wasserrohrbruch in der Wohnung beseitigt hat. Folglich werden andere Rechnungen eher beglichen als die „bloße“ Dienstleistung des Arztes. Um erst gar keine Erinnerungslücken oder Missverständnisse aufkommen zu lassen, sollten Sie Ihre Rechnungen deshalb unverzüglich nach Abschluss der Behandlung erstellen. Vergessen Sie nicht, Ihre Bankverbindung deutlich sichtbar auf der Rechnung anzugeben. Nichts ist schlimmer, als wenn der Patient im „Kleingedruckten“ mühsam die Kontoverbindung entziffern oder sich gar in der Praxis nach der Kontonummer erkundigen muss. Für gewöhnlich werden Sie die Rechnungen mit einem einfachen Brief versenden. Damit der Patient die Rechnung begleichen kann, muss sie entweder bei ihm im Briefkasten landen oder in anderer Weise zumindest soweit in seinen Herrschaftsbereich gelangen, dass er unter gewöhnlichen Umständen vom Inhalt des Briefes Kenntnis nehmen kann. Das ist deshalb so wichtig, weil Sie im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit dem säumigen Patienten den Zugang der Rechnung oder einer Mahnung beweisen müssen. Ein Schuldner, der auf Zeit spielt, wird deshalb die Chance nutzen und behaupten, er habe die Rechnung nicht erhalten. Wie Sie diesen Schuldnerprofis entgegentreten können, zeigt Ihnen ausführlich das Kapitel „Die Schuldnertricks und wie Sie damit umgehen sollten“. 5.
Was bedeuten Fälligkeit und Zahlungsziel?
a)
Wann ist die Rechnung fällig?
Selbst wenn Sie die Rechnung unmittelbar nach Abschluss der Behandlung stellen, heißt das noch lange nicht, dass Sie den Rechnungsbetrag sofort zur Verfügung haben. Deshalb ist zunächst einmal von Interesse, wann das Honorar fällig ist. Die Fälligkeit beschreibt den Zeitpunkt, zu dem der in Rechnung gestellte Betrag vom Patienten zu bezahlen ist. Nach den allgemeinen Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuches ist eine Zahlung grundsätzlich sofort, also nach Erfüllung der vertraglich vereinbarten Leistung, fällig. Für den Dienstvertrag, zu dem der Behandlungsvertrag gehört, gilt wiederum die speziellere Regelung des § 614 Satz 1 BGB. Nach dieser Vorschrift ist die Vergütung nach der Leistung der Dienste zu entrichten. Dieser allgemeinen dienstvertraglichen Regelung gehen wiederum die der Gebührenordnungen vor, welche die Fälligkeit und Abrechnung der Vergütung ärztlicher bzw. zahnärztlicher Honoraransprüche durch die §§ 12 GOÄ bzw. 10 Abs. 1 GOZ in der jeweils gültigen Fassung190 regeln. Die Fälligkeit der Vergütung hängt also davon ab, wann dem Patienten eine 190
GOÄ in der Fassung vom 22. Oktober 1987, BGBl. I 1987, S. 2316, Stand 01.01.2002; GOZ in der Fassung vom 12. November 1982, BGBl. I 1982, S. 1522, Stand 01.01.2002.
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der Verordnung entsprechende Rechnung erteilt worden ist. Er soll zunächst die Gelegenheit erhalten, die Details der in Rechnung gestellten Positionen nachzuprüfen, bevor er den Rechnungsbetrag anweist.191 Letztendlich soll diese Regelung für den Patienten eine größere Transparenz bezüglich der Honorarabrechnung schaffen. Das hat unter anderem dazu geführt, dass die Anforderungen an die Ausgestaltung einer nachprüfbaren Rechnung im Laufe der Jahre erweitert und konkretisiert worden sind.192 Nur eine formal korrekt erstellte Rechnung löst die Fälligkeit des ärztlichen Honoraranspruchs aus. Welche Voraussetzungen hieran geknüpft sind, verrät uns der Gesetzgeber freilich nicht. Insbesondere lässt er offen, ob die Rechnung sowohl in formaler als auch inhaltlicher Hinsicht einwandfrei sein muss. Bei der Beantwortung dieser Frage schieden sich bisher die Geister. In der juristischen Fachliteratur vertrat eine Reihe namhafter Autoren die Auffassung, dass eine Rechnung die Fälligkeit herbeiführe, wenn sie den formalen Anforderungen an eine ärztliche Honorarnote im Sinne des § 12 Abs. 2 bis 4 GOÄ entspräche.193 Andere Autoren194 gingen noch einen Schritt weiter und vertraten die Ansicht, die Rechnung müsse nicht nur in formaler Hinsicht, sondern auch inhaltlich den Anforderungen der Gebührenordnung entsprechen. Sei im konkreten Fall eine Abrechnungsziffer der ärztlichen oder zahnärztlichen Gebührenordnung nicht korrekt angewendet worden, dann könne selbst eine nach formalen Kriterien einwandfrei erstellte Rechnung keine Fälligkeit auslösen. Der Bundesgerichtshof hat dieser Streitfrage nun ein Ende bereitet. In seiner Entscheidung195 hat der Senat klargestellt, dass die Übereinstimmung mit dem materiellen Gebührenrecht keine Voraussetzung für die Fälligkeit der ärztlichen Vergütung darstelle. In ihrer Begründung haben die Richter im Wesentlichen auf den Schutzweck der Norm abgestellt. Der Patient, der in der Regel nicht über gebührenrechtliche Kenntnisse verfüge, solle in erster Linie eine Grundlage zur Überprüfung der in Rechnung gestellten Leistungen erhalten. Es geht also im Wesentlichen darum, dass der Patient nachprüfen kann, ob die berechneten Leistungen tatsächlich erbracht worden sind. Schon in der Begründung zum Entwurf des § 12 GOÄ hat der Verordnungsgeber im Einzelnen hervorgehoben, welche Angaben er in der Rechnung für notwendig hält, um dem zahlungspflichtigen Patienten eine Überprüfung zu ermöglichen.196 Zwingend sei daher 191 192
193
194 195 196
Siehe dazu die Begründungen in der BR-Drucks. 295/82, S. 11 ff . Siehe dazu die „Dritte Verordnung zur Änderung der GOÄ“ vom 09. Juni 1988, BGBl. I 1988, S. 797, welche die analoge Abrechnung nicht in das Gebührenverzeichnis aufgenommener Leistungen betrifft und die „Vierte Verordnung zur Änderung der GOÄ“ vom 18. Dezember 1995, BGBl.I 1995, S. 1861, mit der unter anderem § 12 Abs. 2 Nr. 2 GOÄ geändert wurde und nunmehr auch eine in der Leistungsbeschreibung gegebenenfalls genannte Mindestdauer in der Rechnung zu bezeichnen ist. hM, dazu unter anderem Hoffmann, GOÄ, § 12 RdNr 1 unter 1. Lang/Schäfer/Stiel/Vogt, GOÄ, § 12 RdNr. 3. Vgl. dazu auch Uleer/Miebach/Patt, § 12 GOÄ, Anm 2. BGH, Urteil vom 21. Dezember 2006 – III ZR 117/06. BR-Drucks. 295/82, S. 11 ff.
III. Die korrekt erstellte Rechnung – kleine Fehler, große Wirkungen
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die genaue Bezeichnung der einzelnen in Rechnung gestellten Leistungen einschließlich der zugrunde liegenden Gebührenziffer(n) die Angabe des jeweiligen Betrages und des Steigerungssatzes.
ⓦ ⓦ ⓦ
Stelle man auf die Nachprüfbarkeit der berechneten Leistung ab, dann könne es nach Ansicht der Richter für die Fälligkeit der Forderung nicht darauf ankommen, ob die vom abrechnenden Arzt angeführten Gebührenziffern letztendlich korrekt und damit zurecht in Rechnung gestellt worden seien.197 Die Fälligkeit der ärztlichen Vergütung hängt einzig und allein davon ab, dass die Rechnung den in § 12 Abs. 2 bis 4 GOÄ genannten formalen Voraussetzungen entspricht. Dies gilt selbst dann, wenn eine falsche Gebührenziffer für die abzurechnende Leistung angewandt wird. Was bedeutet es nun konkret, wenn es heißt, der Betrag ist fällig? Muss das Geld bis zu dem genannten Termin bereits auf Ihrem Konto eingegangen sein oder reicht es aus, wenn der Patient seine Bank rechtzeitig beauftragt, den Überweisungsauftrag auszuführen, der Betrag aufgrund der Bankbearbeitungszeit jedoch erst nach dem Fälligkeitstermin auf Ihrem Konto gutgeschrieben wird? Mit dieser Frage hat sich der Europäische Gerichtshof 198 jüngst auseinandergesetzt. Die Klärung dieser Rechtsfrage ist für alle Gläubiger von Interesse, denn schließlich hing es vom Ausgang dieses Rechtsstreits ab, wann künftig die Rechtsfolgen eines Schuldnerverzugs199 eintreten. Zwar ist die Frage durch die nationale Rechtsprechung seit geraumer Zeit geklärt, durch die Vereinheitlichung der europäischen Rechtssysteme und den entsprechenden Richtlinien hierzu, hatten die Richter des Europäischen Gerichtshofs nun zu klären, wie die europäische Regelung auszulegen ist. Nach Auffassung der Richter muss künftig bei der Zahlung durch Banküberweisung der geschuldete Betrag dem Konto des Gläubigers rechtzeitig gutgeschrieben sein, wenn der Schuldner Verzugszinsen vermeiden will.200 b)
Wozu dient das Zahlungsziel?
Mit der Übermittlung einer formal korrekten Rechnung können Sie von Ihrem Patienten sofort die Zahlung verlangen. Ist es dann überhaupt notwendig, in der Rechnung ein Zahlungsziel anzugeben? In der Regel werden Sie nicht darauf bestehen, dass der Patient sofort zahlt, sondern ihm zur Begleichung der Forderung einen bestimmten Zeitraum einräumen. Sie gewähren ihm damit ein Zahlungsziel. Oder anders ausgedrückt: Sie stunden ihm die Forderung bis zu dem genannten Zeitpunkt und schieben damit die Fälligkeit der Forderung hinaus. Viele Patienten begleichen ihre Arztrechnung nicht sofort. Einige reichen die Honorarnote zunächst bei ihrem privaten Krankenversicherer oder der Beihilfestelle 197 198 199
200
BGH, aaO. EuGH, Schlussantrag des Generalanwalts in der Sache C-306/06 vom 18.10.2007. Siehe dazu den Abschnitt „Die Rechnung ist fällig – wozu muss ich den Patienten in Verzug setzen?“ ab Seite 103. EuGH, Urteil vom 03.04.2008 – C – 306/06 (Telecom)
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ein und warten die Zahlung ab, um mit dem Erstattungsbetrag ihre Arztrechnung begleichen zu können. Andere Patienten wollen dagegen verhindern, dass sie auf einem Teil der Rechnung sitzen bleiben, weil der Versicherer nicht alle Rechnungspositionen anerkennt. Umgekehrt haben Sie ein Interesse daran, Ihr Honorar für die Behandlung möglichst umgehend zu vereinnahmen, weil dies Ihre Liquidität verbessert. Anderen Unternehmern würde man an dieser Stelle jetzt zwei Alternativen empfehlen: Dem Kunden kann einerseits ein kurzes Zahlungsziel angeboten werden. Als Anreiz, innerhalb der kurzen Frist tatsächlich zu zahlen, kann er einen Skontoabzug in Anspruch nehmen, d. h., von dem Rechnungsbetrag einen vorher vereinbarten Prozentsatz abziehen. Als Alternative kommt ein langes Zahlungsziel ohne Inanspruchnahme eines Skontos in Betracht. Das ärztliche Gebührenrecht lässt Ihnen freilich keine Wahl. Zahlungsanreize für eine schnelle Begleichung der Rechnung zu schaffen, sind den ärztlichen Gebührenordnungen fremd. Dieses Instrument zur Beschleunigung fälliger Zahlungen versagt daher in der Abrechnung ärztlicher Leistungen. Wie lassen sich die gegensätzlichen Interessen trotzdem unter einen Hut bringen? Ist es sinnvoll, die Honorare für Selbstzahlerleistungen mit einem anderen Zahlungsziel zu versehen als die durch Krankenversicherer oder Beihilfestellen erstattungsfähigen Leistungen? Bei diesen ist ein Zahlungsziel von 30 Tagen sinnvoll, denn damit vermeiden Sie, den Patienten aufgrund eines zu kurz gewählten Zahlungsziels entweder bereits zu einem Zeitpunkt zu mahnen, zu dem ihm der Betrag vom Erstattungsträger noch nicht gutgeschrieben wurde oder Sie müssten die Frist in Kenntnis dieses Umstandes ungeahndet verstreichen lassen. Folglich könnten Sie bei anderen Leistungen ein kurzes Zahlungsziel einräumen. Gerade bei hohen Beträgen aus zahnärztlichen Behandlungen wird das manchen Patienten in (Zahlungs-)Schwierigkeiten bringen, sodass auch in diesem Fällen eher ein großzügiges und damit längeres Zahlungsziel angebracht ist. Bleiben also noch die Kleinbeträge. Wenn schon das Gebührenrecht keine Vorauskasse zulässt, so stellt sich doch die Frage, ob es nicht sinnvoll wäre, bei kleineren Beträgen die Rechnung sofort nach Abschluss der Behandlung auszudrucken und den Betrag beim Patienten in bar zu kassieren. Von der Praktikabilität dieser Abrechnungsweise konnte ich mich nach meinem Umzug von Deutschland nach Österreich selbst überzeugen. In Österreich kassieren die meisten Ärzte das Honorar für Leistungen, die nicht im Katalog der gesetzlichen Krankenversicherungen enthalten sind, wie beispielsweise die Kosten für eine Impfung oder bei Zahnärzten für eine Zahnreinigung, umgehend nach der Behandlung und zwar in bar. Patienten akzeptieren diese Abrechnungspraxis als völlig legitim und üblich. Ein österreichischer Arzt, den ich einmal nach dem Grund des sofortigen Kassierens befragt habe, antwortete darauf nur kurz und bündig: „Warum sollte ich Ihnen einen zinslosen Kredit über XX Euro gewähren?“201 Welche Vor- und Nachteile ergeben sich aus einer umgehenden Rechnungsstellung und dem Kassieren des Betrages? 201
Siehe dazu auch den interessanten Beitrag in der österreichischen Online-Ausgabe der Ärzte-Woche 2005 mit dem Titel „Barzahler sind die besten Patienten“.
III. Die korrekt erstellte Rechnung – kleine Fehler, große Wirkungen ⓦ
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Mit Bargeld müssen Ihre Mitarbeiter aufgrund der Vereinnahmung der Praxisgebühr in jedem Fall hantieren. Der zusätzlich Aufwand mit der täglichen Abrechnung hält sich daher bei einer unmittelbaren Rechnungsstellung in Grenzen. Sie sparen gleichzeitig Porto für das Versenden der Rechnungen und vermeiden, dass der Brief aufgrund einer falschen oder veralteten Anschrift als unzustellbar zurückkommt. Sowohl das Forderungsausfallrisiko als auch die Gefahr der Zahlungsverzögerungen fällt bei dieser Methode weg. Insgesamt reduziert sich damit Ihr Risiko. Der Aufwand für eine Mahnung ist gerade bei kleinen Beträgen unverhältnismäßig hoch. Die Einschaltung externer Dienstleister zur Beitreibung von Kleinstbeträgen ist oft nicht wirtschaftlich.
Bei Ihren Mitarbeitern wird dieser Vorschlag nicht unbedingt Begeisterung auslösen, denn die Umsetzung sieht zunächst einmal nach einem höheren Arbeitsaufwand aus. Deshalb sollten Sie gemeinsam mit Ihrem Praxispersonal anhand des Forderungsausfallrechners202 einmal durchrechnen, wie viel Sie und Ihre Mitarbeiter / innen mehr arbeiten müssen, um einen Forderungsausfall beispielsweise in Höhe von 1.000 Euro bei Selbstzahlerleistungen zu kompensieren. Gleichzeitig fällt das Mahnen und lästige Überwachen von Zahlungseingängen zumindest bei den Kleinbeträgen weg. Die notwendigen Tätigkeiten werden auf einen früheren Zeitpunkt verlagert und es fällt letztendlich keine Mehrarbeit an. Bevor Sie nun beginnen, die Sache in die Tat umzusetzen, sollten Sie einige Vorbereitungen treffen. ⓦ
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Klären Sie zunächst einmal, welche Selbstzahlerleistungen in Ihrer Praxis am häufigsten nachgefragt werden. Stellen Sie anschließend fest, welchen Betrag Sie nach der Gebührenordnung für jede einzelne der am häufigsten nachgefragten Leistungen in Rechnung stellen. Legen Sie für Ihre Mitarbeiter / innen wie auch für Ihre Patienten einen Betrag fest, bis zu dem Sie das Honorar in bar kassieren. Sie können sich dabei an der Höhe der Honorare orientieren, die Sie für die am häufigsten nachgefragten Leistungen in Rechnung stellen.
Sicherlich können Sie diese Abrechnungsmodalitäten nicht von heute auf morgen in Ihrer Praxis umsetzen. Damit Sie Ihre Patienten nicht verunsichern, sollten Sie vorab ausreichend über den veränderten Abrechnungsweg beispielsweise durch Aushänge im Wartezimmer informieren. Ihre Mitarbeiter müssen geschult werden, damit es zur Gewohnheit wird, die Kleinbetragsrechnungen sofort zu erstellen, auszudrucken und beim Patienten den Betrag zu kassieren. Sie brauchen Ihre Unterstützung und vor allen Dingen Argumentationshilfen, wenn es darum geht, hartnäckigen Zahlungsverweigerern in angemessener und geeigneter Weise gegenüberzutreten. Wer in seinem Unternehmen Barein- und Auszahlungen tätigt, der muss die Zahlungseingänge auch entsprechend dokumentieren. Die geeignete Form für die Auf202
Siehe das Beispiel für die Berechnung im Abschnitt „Forderungsverluste ausgleichen – alles kein Problem?“ ab Seite 10.
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zeichnungen ist das Kassenbuch. Als Arzt oder Zahnarzt sind sie Angehöriger eines freien Berufes und unterliegen daher nicht den Vorschriften des Handelsgesetzbuches, in denen die Buchführungspflichten für Gewerbetreibende geregelt sind. Die Gewinnermittlung bei Freiberuflern erfolgt in der Regel durch eine EinnahmenÜberschussrechnung. Solange Sie nicht aus irgendeinem anderen Grund bilanzierungspflichtig sind, müssen Sie die Bareinnahmen nicht in Form eines Kassenbuches aufzeichnen.203 Es reicht daher aus, die Belege zu sortieren und die Bareinnahmen in einer Liste zusammenzustellen. Wenn Sie sich aber für die Führung eines Kassenbuches entscheiden, dann muss es auch den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Buchführung entsprechen: ⓦ
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Alle Geschäftsvorfälle mit barem Zahlungsverkehr müssen chronologisch und lückenlos aufgezeichnet werden. Jede Bareinnahme oder –ausgabe muss dabei einzeln aufgezeichnet werden. Sie müssen jederzeit in der Lage sein, einen „Kassensturz“ vorzunehmen, d. h., der anhand der Aufzeichnungen zu ermittelnde Sollbestand muss jederzeit mit dem Ist-Bestand der Kasse übereinstimmen. Im Praxisalltag heißt das: Der Kassenbestand muss täglich ermittelt werden. Werden die Aufzeichnungen korrekt geführt, dann kann es nie vorkommen, dass der Kassenbestand negativ ist.
Wenn Ihnen die Handhabung mit Bargeld und die Führung der entsprechenden Aufzeichnungen zu aufwendig sind, dann sollten Sie über eine Abrechnung per ECKarte nachdenken. Dann entfällt zwar der Umgang mit dem Bargeld, gleichzeitig dürfen Sie die Kosten für das Lesegerät und den Abrechnungsservice nicht außer acht lassen. Beim Bezahlen mittels EC-Karte gibt es zwei unterschiedliche Systeme: Beim electronic cash wird die Zahlung durch Eingabe der PIN (= Personal Identification Number) durch den Zahlungspflichtigen legitimiert. Über eine Telefonverbindung wird bei der emittierenden Bank geprüft, ob die Karte eventuell gesperrt ist und das Kontoguthaben ausreicht, um die Zahlung zu decken. Wird ein „OK“ zurückgemeldet, dann ist Ihnen bei fristgerechter Einreichung der Rechnungs- bzw. Kundendaten die Zahlung garantiert. Anders sieht es beim elektronischen Lastschriftverfahren aus. Es ist zwar günstiger, weil sowohl die Telefonkosten für die Abfrage bei der Bank als auch weitere Kosten entfallen. Dafür sind die Risiken ungleich höher. Beim elektronischen Lastschriftverfahren werden durch das Einlesen der EC-Karte nur diejenigen Daten erhoben, die letztendlich für ein Lastschriftverfahren mit Einzugsermächtigung notwendig sind. Bei diesem Verfahren erteilen Sie als Zahlungsempfänger Ihrer Bank den Auftrag, vom Konto des Patienten einen bestimmten Betrag abzubuchen. Ist das Konto nicht gedeckt, geht der Auftrag ins Leere. Das Zahlungsausfallrisiko bleibt Ihnen bei diesem Verfahren erhalten und Sie müssen noch zusätzlich die Kosten für den Betrieb des Terminals begleichen. Das Lastschriftverfahren hat noch einen wei-
203
Siehe dazu den Beschluss des BFH vom 16.02.2006 – X B 57/05.
IV. Wozu soll ich den Patienten mahnen?
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teren Haken: Ihr Patient kann innerhalb einer Frist von 6 Wochen die Lastschrift wiederrufen. Dann müssen Sie Ihrem Geld erneut hinterherlaufen. Für den Betrieb des EC-Karten-Terminals benötigen Sie neben einem freien Telefonanschluss lediglich noch eine Steckdose und natürlich ein Girokonto, über das die Zahlungen abgewickelt werden. Hinzu kommen noch die einmaligen Kosten für die Installation, die Inbetriebnahme und die monatliche Miete. Neben einer Pauschale für jede Transaktion, die je nach Anbieter variiert, schlägt die Zahlungsgarantie beim electronic cash mit 0,3 % vom Umsatz zu Buche. Darüber hinaus müssen Sie die Telefonkosten für die Abfrage noch hinzurechnen. Da Sie die Transaktionskosten bei Ihrer „Preisgestaltung“ nicht berücksichtigen können, bleiben Sie auf diesen Kosten sitzen. Deshalb sollten Sie sehr genau nachrechnen, ob sich die Inbetriebnahme eines Terminals lohnt und prüfen, ob es bei Ihren Patienten auf die entsprechende Akzeptanz stoßen wird.
IV. Wozu soll ich den Patienten mahnen? 1.
Die Rechnung ist fällig – wozu muss ich den Patienten in Verzug setzen?
Die formal korrekte Rechnung ist versandt, die Fälligkeit längst eingetreten und trotzdem hat der Patient den Betrag nicht beglichen. Weshalb müssen Sie ihn noch in Verzug setzen? Die Frage lässt sich relativ einfach beantworten: Mit dem Eintritt des Verzuges können Sie sämtliche Vermögensschäden, die Ihnen durch die Zahlungsverzögerung entstehen, beim säumigen Patienten geltend machen. Fälligkeit und Verzug sind also zwei verschiedene Paar Schuhe. Zum Verzugsschaden gehören typische Aufwendungen wie ⓦ ⓦ
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die Portokosten für notwendige Mahnschreiben die Kosten für eine Anfrage beim Einwohnermeldeamt, weil der Patient verzogen ist, ohne eine neue Anschrift zu hinterlassen die Kosten für die Beauftragung eines Rechtsanwaltes204 die Gerichtskosten für die Beantragung eines Mahn- und Vollstreckungsbescheides205, wobei Sie die Kosten für ein gerichtliches Mahnverfahren auch dann noch als Verzugsschaden geltend machen können, wenn der säumige Patient noch zahlt, bevor der Mahnbescheid überhaupt zugestellt wurde.
Zudem können Sie ab dem Zeitpunkt des Verzuges206 5 % Verzugszinsen über dem jeweils gültigen Basiszinssatz geltend machen, da Ihr Patient ein Verbraucher im 204
205
206
Zur Geltendmachung der Kosten, die durch die Beauftragung eines Inkassounternehmens entstehen siehe im Abschnitt „Inkassokosten und -provisionen“ ab Seite 193. Zum Ablauf des gerichtlichen Mahnverfahrens siehe im Abschnitt „Die gerichtliche Geltendmachung – die letzte Chance zur Einigung?“ ab Seite 141. Zur neuesten Entwicklung hinsichtlich des Verzugszeitpunktes siehe im Abschnitt „Wann ist die Rechnung fällig?“ ab Seite 97.
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Sinne des § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB ist. Der Basiszinssatz wird von der Europäischen Zentralbank jeweils zum 01.01. und 01.07. eines jeden Kalenderjahres angepasst und von der Deutschen Bundesbank bekannt gegeben.207 Statt der genannten Verzugszinsen können Sie auch die tatsächlich entstandenen Kreditzinsen in Höhe des Zahlungsrückstandes geltend machen. Das macht nur dann Sinn, wenn Sie nachweisen können, dass Sie einen Kredit in Anspruch nehmen, weil Sie einen Teil Ihrer Praxiseinrichtung und Geräte finanziert haben und die Honorareinnahmen der Tilgung bzw. Zinszahlung dienen. Wie setzt man den Patienten nun mit seiner Zahlung im Verzug? Hier helfen die allgemeinen Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuches weiter. Grundsätzlich gibt es drei Wege, um den Patienten in Verzug zu setzen: Sie setzen bereits im Behandlungsvertrag ein fixes Datum fest, bis wann der Patient den Rechnungsbetrag spätestens zu begleichen hat. Lässt der Patient den Termin ohne zu zahlen verstreichen, dann befindet er sich mit Ablauf der Frist im Zahlungsverzug. Freilich müssen Sie ihm hierzu vorab eine formal korrekte Rechnung zukommen lassen.
ⓦ
Sie haben dem Patienten damit ein Zahlungsziel gesetzt, also eine „nach dem Kalender bestimmte Zeit für die Leistung“. Ist die Leistungszeit dagegen lediglich bestimmbar, dann tritt der Zahlungsverzug durch den von Ihnen festgelegten Zahlungstermin nicht ein. Häufig finden sich Formulierungen wie „… zahlbar innerhalb von 30 Tagen“ oder „… zahlbar nach Rechnungserhalt“. Diese Formulierung wird besonders häufig benutzt, weil in der Vorschrift des § 12 GOÄ die Rede davon ist, dass der Betrag fällig wird, wenn eine Rechnung erteilt worden ist. Bei diesen Formulierungen ist aber nicht erkennbar, wann die Frist zu laufen beginnt. Beim ersten Beispiel weiß überhaupt niemand, ab wann die Frist zu berechnen ist und beim zweiten kann niemand genau sagen, wann der Patient die Rechnung erhalten hat.
Geben Sie stattdessen die Zahlungsfrist stets mit einer konkreten Datumsangabe an. Formulieren Sie also beispielsweise „… zahlbar bis zum 31. Januar 2008“. Doch Vorsicht: Ihr Patient gerät nur dann in Verzug, wenn Sie den Leistungszeitpunkt vorab im Behandlungsvertrag vereinbart haben und das wird nur selten der Fall sein. Es reicht nicht aus, wenn Sie den Termin einseitig in der Rechnung festlegen, wie beispielsweise durch den Zusatz „zahlbar bis zum …“. Eine solche Leistungszeitbestimmung, die eben gerade nicht vertraglich vereinbart worden ist, kann im besten Fall die Fälligkeit zu dem in der Rechnung genannten Termin auslösen, nicht jedoch den Verzug. ⓦ
Haben Sie keinen konkreten Zahlungstermin vereinbart, was in der Regel der Fall sein wird, dann gerät der Patient erst mit einer Mahnung nach Fälligkeit in
207
Den jeweils aktuellen Zinssatz finden Sie auf der Homepage der Deutschen Bundesbank unter www.bundesbank.de.
IV. Wozu soll ich den Patienten mahnen?
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Verzug. Die gleiche Wirkung entfaltet übrigens die Erwirkung eines Mahnbescheides oder die Klage auf Leistung, § 286 Abs. 1 Satz 2 BGB. In der dritten Variante haben Sie dem Patienten keine Zahlungsfrist gesetzt. Vorausgesetzt, Sie haben ihn ausdrücklich in der Rechnung darauf aufmerksam gemacht, dass gemäß dem zum 01.01.2002 neu gefassten § 286 Abs. 3 BGB208 der Verzug 30 Tage nach Fälligkeit und Zugang der Rechnung eintritt, ohne dass es einer ausdrücklichen Mahnung bedarf, dann tritt der Verzug auch ohne Mahnung ein.
ⓦ
Die Klausel können Sie wie folgt formulieren: „Ich weise Sie ausdrücklich darauf hin, dass Sie gemäß § 286 Abs. 3 BGB ohne weitere Mahnung in Verzug geraten, wenn Sie diese Rechnung nicht binnen 30 Tagen ausgleichen. Der Verzugszinssatz beträgt fünf Prozentpunkte über dem jeweils gültigen Basiszinssatz.“ Da an den Zahlungsverzug verschiedene Rechtsfolgen geknüpft sind, ist es in allen drei Fällen besonders wichtig, den Zugang der Rechnung bzw. der Mahnung im Streitfall beweisen zu können.209 Unabhängig von der Fälligkeit der Forderung gerät der Patient dann nicht in Verzug, solange er aufgrund eines Umstandes nicht zahlt, den er nicht zu vertreten hat.210 Um dies zu verstehen, müssen wir noch einmal auf die jüngste Entscheidung des Bundesgerichtshofs211 zur Fälligkeit einer ärztlichen Honorarforderung zurückkehren. In der zitierten Entscheidung ging es nämlich darum, dass eine in der Rechnung aufgeführte Gebührenposition nicht berechtigt war. Die tatsächlich erbrachte Leistung konnte der Arzt jedoch nach einer anderen Gebührenziffer abrechnen, die freilich nicht auf der Rechnung stand. Konsequenterweise kamen die Richter zu dem Ergebnis, dass ein Patient mit dem Bezahlen einer ärztlichen Leistung, in diesem Fall also der korrekten Gebührenposition, nicht in Verzug geraten kann, solange sie ihm nicht in Rechnung gestellt worden ist. Im Gegensatz zur Fälligkeit hängt die Beantwortung der Frage, ob sich der betreffende Patient mit einer Zahlung im Verzug befindet, ausnahmsweise nicht nur vom formalen sondern auch korrekten Inhalt der Rechnung ab.
208
209
210 211
Die Vorschrift wurde durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts neu gefasst, BGBl. I 2001, S. 3137 ff. Wie Sie den Zugang eines Schreibens beweisen können, zeigt Ihnen der Abschnitt „Immer sind die anderen schuld – der Patient hat die Rechnung oder die Mahnung nicht erhalten“ ab Seite 169. Vgl. dazu § 286 Abs. 4 BGB. BGH, Urteil vom 21.12.2006 – III ZR 117/06.
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2.
Verjährung und Verwirkung – worin liegt der Unterschied?
a)
Wann verjährt mein Anspruch auf das Honorar?
Selbst wenn Sie es sich leisten könn(t)en, über einen längeren Zeitraum auf Ihr Geld zu warten, schweben dennoch zwei k.o-Kriterien über der Geltendmachung Ihrer Forderungen: die Verjährung und die sogenannte Verwirkung. Von der Forderungsverjährung haben Sie sicherlich schon gehört, aber wann ist ein Anspruch verwirkt? ⓦ
ⓦ
Ihre Forderung gegen den Patienten verjährt innerhalb eines bestimmten Zeitraumes, wenn Sie eine formal korrekte Rechnung im Sinne der Gebührenordnung erstellt haben. Umgekehrt kann eine Forderung, für die Sie noch keine Rechnung erstellt haben, folglich nicht verjähren. Hieraus dürfen Sie allerdings nicht den Schluss ziehen, dass Sie sich unendlich viel Zeit mit der Erstellung Ihrer Honorarnote lassen können. Haben Sie es nämlich versäumt, eine formal korrekte Rechnung zu erstellen, dann kann Ihnen die Verwirkung Ihres Zahlungsanspruchs drohen.
Welche Auswirkungen haben nun die Verjährung oder Verwirkung auf die Forderungsbeitreibung? Selbst eine bereits verjährte Forderung können Sie beim Patienten geltend machen! Sofern der säumige Patient den Rechnungsbetrag begleicht, ist die Sache für beide Seiten erledigt. Bleibt also nur zu hoffen, dass er die Verjährung vor der Anweisung seiner Zahlung nicht erkennt. Bemerkt er diesen Umstand nämlich noch vor dem Bezahlen, dann kann er die Einrede der Verjährung i. S. d. § 214 Abs. 1 BGB erheben. Meistens geschieht dies im Rahmen einer gerichtlichen Geltendmachung der Forderung. Ihre Klage auf Zahlung geht dann ins Leere und Sie bleiben letztendlich auf den Kosten des Verfahrens sitzen. Ihr Zahlungsanspruch gegen den säumigen Patienten besteht zwar trotz der Verjährung weiterhin, aber Sie können ihn nicht mehr durchsetzen. Erfährt der Patient dagegen erst nach der Zahlung von der Forderungsverjährung, dann zieht die Einrede nicht mehr und er darf den gezahlten Betrag trotzdem nicht von Ihnen zurückfordern, § 214 Abs. 2 BGB. Haben Sie eine korrekte Rechnung erstellt und Ihr Patient begleicht den Betrag nicht, dann können Sie sich mit den weiteren Beitreibungsschritten nicht unendlich viel Zeit lassen. Forderungen verjähren innerhalb einer bestimmten Frist. Diese Verjährungsfristen dienen in erster Linie dem Rechtsfrieden. Je mehr Zeit zwischen der Rechnungslegung und der Forderungsbeitreibung vergeht, umso schwieriger wird es erfahrungsgemäß für beide Seiten, die erbrachten Leistungen und ggf. Zahlungen noch nachzuvollziehen und zu beweisen. Die Verjährungsregeln dienen gleichzeitig dem Schuldnerschutz. Ein Schuldner soll ab einem gewissen Zeitpunkt die Gewissheit haben, dass er von seinem Gläubiger nicht mehr in Anspruch genommen werden kann. Den Schuldnerschutz nehmen viele Gläubiger freilich allzu wörtlich, denn jedes Jahr gehen Unternehmern mehrere Millionen Euro ihres Umsatzes verloren, weil sie die Verjährungsfristen nicht berücksichtigt haben! Denken Sie deshalb immer daran: Die regelmäßige Verjährungsfrist von Forderungen gegen Patienten beträgt seit dem 01.01.2002 drei Jahre, § 195 BGB.
IV. Wozu soll ich den Patienten mahnen?
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Diese Regelung gilt nicht nur für Arztrechnungen, sondern für alle Ansprüche, für die es keine speziellen Regelungen gibt. Bei der Berechnung der Verjährungsfrist müssen Sie eines beachten: Die Verjährungsfrist beginnt immer mit dem Schluss des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist, § 199 Absatz 1 BGB. Rechnungen, die Sie im Jahr 2005 erstellt haben, verjähren demnach am 31. Dezember 2008, wobei es völlig gleichgültig ist, ob Sie die Rechnung bereits am 02. Januar oder erst am 30. Dezember 2005 erstellt haben.
Wie können Sie nun verhindern, dass eine Forderung verjährt, weil Ihr Patient die Rechnung nicht innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist begleicht. Die mit dem Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts neu formulierten Vorschriften des § 203 und § 204 BGB geben Ihnen mehrere Möglichkeiten an die Hand, die Verjährungsfrist zu hemmen.212 Ist die Verjährung während eines bestimmten Zeitraums gehemmt, dann wird dieser Zeitabschnitt in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet, § 209 BGB. Die Verjährungsfrist wird also durch die Hemmung entsprechend verlängert. Die Verjährung kann zum einen dadurch gehemmt werden, dass Sie als Gläubiger mit Ihrem Patienten in Verhandlungen über den Rechnungsbetrag treten. Der Gesetzgeber führt allerdings nicht näher aus, was unter „Verhandeln“ genau zu verstehen ist. Deshalb hat sich inzwischen auch die Rechtsprechung mit dieser Frage beschäftigt. Der Bundesgerichtshof 213 legt den Begriff sehr weit aus und sieht bereits im Meinungsaustausch über die Zahlungsangelegenheit ein Verhandeln, sofern vom Schuldner nicht sofort und unmissverständlich die Zahlung abgelehnt wird. Erklärt Ihr Patient, er wolle die zuständige Ärztekammer einschalten, um eine in der Honorarnote streitige Gebührenposition überprüfen zu lassen, dann ist hierin nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung bereits ein „Verhandeln“ zu sehen, das die Verjährung hemmt.
Es geht also beim Verhandeln im Wesentlichen darum, zu klären, ob der Anspruch in der geltend gemachten Höhe berechtigt ist. Dabei ist es nicht erforderlich, dass einer der Beteiligten eine Bereitschaft zum Entgegenkommen oder gar seine Vergleichsbereitschaft zeigt.214 Grundsätzlich ist das Verhandeln und Klären eines Zahlungsanspruch begrüßenswert, denn es erspart so manche gerichtliche Ausein212
213
214
In der analogen Vorschrift des § 217 BGB aF war noch die Rede von der Unterbrechung der Verjährung, an die weit reichende Folgen geknüpft waren. Diese Vorschrift ist durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz zum 01.01.2002 geändert worden. Siehe dazu die grundlegenden Entscheidungen des BGH, Urteil vom 01.02.2007 – IX ZR 180/04 sowie das Urteil vom 26.10.2006 – VII ZR 194/05 jeweils mit weiteren Nachweisen. BGH, Urteil vom 20.02.2001 – VI ZR 179/00 und BGH, Urteil vom 08.05.2001 – VI ZR 208/00 mwN. Die Entscheidungen beruhen noch auf § 852 BGB aF, dessen Rechtsgedanke sich nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes in § 203 BGB wiederfindet.
108
C. Gold Standard für ein erfolgreiches Forderungsmanagement
andersetzung. Deshalb macht es Sinn, diese Verhandlungen nicht unter dem Zeitdruck der drohenden Verjährung zu führen. Umgekehrt kommt das Verhandeln manchem säumigen Patienten sehr gelegen, denn er kann damit Zeit gewinnen, um jetzt nicht bezahlen zu müssen. Das Verschleppen der Verhandlungen kann daher schlicht und einfach ein Teil der Schuldnertaktik sein215 wie auch das Verweigern jeglicher Verhandlung. Die Hemmung der Verjährung endet nämlich, wenn einer der Beteiligten die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert.
ⓦ
Kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist hat der Profi-Schuldner deshalb gar kein Interesse daran, die Verjährung durch Verhandlungen zu hemmen. Denn er sieht schon Licht am Ende des Tunnels: Die Einrede der Verjährung ist für ihn in greifbare Nähe gerückt. Folglich wird er Verhandlungen über den Zahlungsanspruch verweigern oder gar nicht auf Ihr Angebot reagieren. Dann müssen Sie zu einem anderen Instrument greifen, um die Hemmung aufrechtzuerhalten. Schlafen die Verhandlungen ein, dann ist die Hemmung der Verjährung zu dem Zeitpunkt beendet, zu dem der nächste erforderliche Schritt in der Sache nach Treu und Glauben zu erwarten gewesen wäre.216
ⓦ
Diese Formulierung ist sehr unbestimmt und kann Ihnen im Zweifelsfall eine Aufhebung der Hemmung und damit eine Verjährung Ihres Anspruchs bescheren. Deshalb sollten Sie schnellstmöglich andere Instrumente zur Aufrechterhaltung der Hemmung einsetzen, wenn die Verhandlungen ins Stocken geraten. Ein wesentlich sichereres Mittel ist nämlich die gerichtliche Geltendmachung der Forderung. Das kann in Form einer Klage gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB oder durch die Zustellung eines Mahnbescheides217 gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB geschehen. Eine Zahlungserinnerung oder selbst eine per Einschreiben versandte Mahnung hemmt die Verjährung hingegen nicht! Die Verjährung tritt frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung ein. Mit dieser Regelung soll verhindert werden, dass bereits kurze Zeit nach dem Ende der Hemmung die Verjährung eintritt und Ihnen als Gläubiger keine Gelegenheit mehr bleibt, durch eine Klageerhebung oder die Zustellung eines Mahnbescheides eine weitere Hemmung der Verjährung herbeizuführen. 215
216 217
Lesen Sie dazu auch den Abschnitt „Die Schuldnertricks und wie Sie damit umgehen sollten“ ab Seite 159. Vgl. hierzu die Rechtsprechung zur alten Regelung: BGH, NJW 1986, S. 1337. Siehe dazu den Abschnitt „Die gerichtliche Geltendmachung – die letzte Chance zur Einigung?“ ab Seite 141.
IV. Wozu soll ich den Patienten mahnen?
109
b)
Wann ist ein Anspruch verwirkt? Ein ganz anderes Thema ist hingegen die Verwirkung des Zahlungsanspruchs. Es gibt keine gesetzliche Frist innerhalb der Sie eine Rechnung stellen müssen. Da die Verjährung der Ansprüche aus einer ärztlichen Behandlung an die Erstellung einer Rechnung geknüpft ist, bedeutet das, dass die Verjährung so lange nicht zu laufen beginnt, wie Sie keine Rechnung schreiben. Im Sinne des Rechtsfriedens ist das dem Schuldner nicht zumutbar. Deshalb könnte Ihnen der Patient jederzeit eine angemessene Frist setzen, in der Sie die Rechnung erstellen müssten. Wenn Sie dieser Aufforderung nicht nachkämen, dann müssten Sie sich nach Treu und Glauben so behandeln lassen, als hätten Sie die Rechnung binnen einer angemessenen Frist bereits erstellt.218 Diese Möglichkeit ist freilich eher theoretischer Art, denn wer fordert schon seine Gläubiger auf, endlich eine Rechnung zu schreiben? Deshalb ist die Gefahr, dass Ihre Forderung gegen den Patienten verwirkt, deutlich größer, auch wenn daran enge Voraussetzungen geknüpft sind.
Ihr Recht auf Zahlung kann verwirken, wenn Sie es über einen längeren Zeitraum versäumt haben, Ihren Anspruch beim Patienten geltend zu machen und der Patient deshalb darauf vertrauen durfte, dass Sie diesen Anspruch künftig nicht mehr geltend machen werden.
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Ihre bloße Untätigkeit allein schafft also noch keinen Vertrauenstatbestand für den Patienten, von Ihnen nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Vielmehr müssen weitere Umstände hinzutreten, die für den Patienten den Schluss zulassen, Sie werden auch künftig keine Rechnung für eine bestimmte Behandlung mehr stellen.219 Können Sie beispielsweise nachweisen, dass es Ihnen nicht möglich war, dem Patienten die Rechnung zuzustellen, weil dieser unbekannt verzogen war, dann wird er sich kaum mit dem Hinweis auf eine Verwirkung aus der Affäre ziehen können. In einer neuen Entscheidung hat das OLG Frankfurt220 den Vertrauenstatbestand daran festgemacht, dass sich der Arzt mit der Rechnungsstellung länger Zeit ließ, als die Verjährungsfrist für die streitgegenständliche Forderung andauerte. In diesem Fall durfte der Patient darauf vertrauen, keine Rechnung mehr vom Arzt zu erhalten. Zwar war der Anspruch auf das Honorar noch nicht verjährt, weil die Verjährung erst mit der Rechnungserstellung zu laufen begann, aber der betroffene Arzt hatte mit der nach Ansicht der Richter viel zu spät erstellten Rechnung das Recht auf sein Honorar verwirkt. 218
So der BGH in einem ähnlich gelagerten Fall, der allerdings die HOAI betraf, nachzulesen in NJW-RR 1986, S. 1279. 219 vgl. dazu die Entscheidung des LG München, Urteil vom 18.11.2002 – 241 C 1000/01. 220 OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 22. Oktober 2004 – 2 U 12/04.
110
C. Gold Standard für ein erfolgreiches Forderungsmanagement
Im Gegensatz zur Einrede der Verjährung stellt die Verwirkung eine sogenannte Einwendung dar. Sie ist im Prozess von Amts wegen zu prüfen und zu berücksichtigen, während die Einrede der Verjährung von der Partei vorgetragen werden muss, die sich auf die Verjährung beruft. Lassen Sie sich daher mit dem Erstellen der Rechnung und dem Mahnen nicht allzu viel Zeit. Andernfalls droht Ihr Anspruch auf das wohlverdiente Honorar entweder binnen der Frist zu verjähren oder im schlimmsten Fall zu verwirken. Insbesondere für Zahnärzte gilt: Prüfen Sie, ob Sie mit dem Patienten eine Vereinbarung über Teilleistungen schließen können. Dann gelten die Verjährungsfristen nämlich für die einzelnen Rechnungen bezüglich der erbrachten Teilleistungen.
V.
Das Mahnschreiben – die erste Mahnung kann auch die letzte sein
1.
Muss ich in jedem Fall mahnen?
Um diese Frage zu beantworten, sollten Sie gedanklich nochmals zum vorangegangenen Abschnitt zurückkehren. Ihr Honorar ist mit der formal korrekt erstellten Rechnung fällig geworden. Jetzt wollen Sie den Patienten in Verzug setzen, um die Verzugsfolgen auszulösen. Dazu müssen Sie den säumigen Patienten grundsätzlich mahnen. Es gibt lediglich drei Ausnahmen von dieser Regel: ⓦ
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Sie haben bereits im Behandlungsvertrag einen konkreten Zeitpunkt für die Zahlung festgelegt oder Sie haben den Patienten ausdrücklich auf der Rechnung darauf aufmerksam gemacht, dass automatisch 30 Tage nach Fälligkeit und Zugang der Rechnung der Verzug eintritt, ohne dass es einer Mahnung bedarf. In diesem Fall müssen Sie freilich sowohl den Zugang der Rechnung beweisen als auch den Umstand, dass die Rechnung den notwendigen Hinweis enthielt. Sie brauchen auch dann nicht zu mahnen, wenn der Patient beharrlich, ernsthaft und endgültig die Zahlung verweigert, 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB, weil er beispielsweise der Ansicht ist, die erbrachte ärztliche Leistung sei mangelhaft. Bloße Meinungsverschiedenheiten über Zahlungsmodalitäten oder das Behandlungsergebnis reichen dagegen nicht aus. In der Regel werden Sie mit dem Patienten keinen Zahlungstermin im Behandlungsvertrag vereinbart haben. Er gerät daher erst mit der Mahnung in Verzug.
In den übrigen Fällen könnten Sie, ohne zu mahnen, umgehend eine Klage auf Zahlung einreichen oder einen Mahn- und Vollstreckungsbescheid beantragen. Das klingt zunächst nach einem schnellen und unkomplizierten Weg, endlich das längst überfällige Honorar zu erhalten.
V. Das Mahnschreiben – die erste Mahnung kann auch die letzte sein
111
Trotzdem sollten Sie nicht gleich „mit der Tür ins Haus fallen“ und Ihre berechtigte Forderung einklagen. Diese Vorgehensweise empfiehlt sich aus recht unterschiedlichen Gründen nicht. Zum einen sollten Sie säumige Patienten zunächst höflich an die Zahlung erinnern, weil sowohl im eigenen Haus als auch auf dem Postweg einmal eine Rechnung abhandenkommen kann. Außerdem kann selbst der verlässlichste Patient schließlich einmal eine Rechnung verlegen oder ohne böse Absichten zu hegen, die Überweisung vergessen. Dem vertrauensvollen Arzt-Patientenverhältnis wird es daher sehr abträglich sein, wenn Sie vergesslichen Patienten sofort mit härteren Bandagen begegnen. Schließlich verbirgt sich nicht hinter jedem säumigen Patienten gleich ein Schuldenprofi. Und denken Sie daran: Für Patienten wie andere Kunden gilt, einen neuen Patienten und dessen Vertrauen zu gewinnen, bedeutet deutlich mehr Aufwand und verursacht zusätzliche Kosten, als ein bestehendes Arzt-Patienten-Verhältnis zu pflegen und aufrechtzuerhalten. Das Versenden einer Zahlungserinnerung oder einer Mahnung ist freilich nicht nur ein Akt der Höflichkeit. Machen Sie die Forderung ohne Mahnung sofort auf gerichtlichem Wege geltend, dann kann Ihnen das empfindliche finanzielle Einbußen bescheren. 221 Zahlt der Patient nämlich sofort nach Zustellung der Klage und trägt er im Prozess221 vor, er hätte umgehend bezahlt, wenn er an die Zahlung erinnert worden wäre, dann wird Ihnen das Gericht die Kosten des Prozesses im Rahmen des § 93 ZPO auferlegen, weil der Patient keinen Anlass zu dem gerichtlichen Verfahren gegeben hat. Es gibt keine Formvorschriften für eine Mahnung. Deshalb könnten Sie den Patienten auch mündlich zur Zahlung auffordern222, wobei die schriftliche Mahnung die Regel ist. In jenen Fällen, in denen Sie mit der Mahnung den Verzug samt seinen Folgen auslösen wollen, ist es sinnvoll, den Brief ausnahmsweise per Einschreiben223 zu versenden, damit Sie den Zugang des Schreibens nachweisen können.
221
222 223
Ein Prozess findet statt, obwohl die Hauptsache für erledigt erklärt worden ist, weil der Patient in der Zwischenzeit gezahlt hat. Das Gericht muss nämlich noch darüber entscheiden, welche Partei die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Siehe dazu die Ausführungen im Abschnitt „Weshalb reden Geld wert ist“ Seite 119. Über die unterschiedlichen Einschreibvarianten und deren Beweiswert können Sie im Abschnitt „Immer sind die anderen schuld – der Patient hat die Rechnung oder die Mahnung nicht erhalten“ ab Seite 169 nachlesen.
112
C. Gold Standard für ein erfolgreiches Forderungsmanagement
2.
Die richtige Strategie beim Mahnen
a)
Mit dem Schuldner in Kontakt bleiben
Dem Geld hinterherzulaufen ist nicht nur lästig, sondern auch äußerst zeitaufwendig. Deshalb sollte Ihr Mahnwesen so effektiv wie möglich gestaltet sein. Jetzt werden Sie einwenden, „ Das macht doch alles meine Praxissoftware. Warum soll ich mir darüber den Kopf zerbrechen?“ Haben Sie sich die Mahntexte, die vom Hersteller Ihrer Praxissoftware zur Verfügung gestellt werden, schon einmal näher angesehen? Erhalten Ihre Patienten seit Jahren das gleiche Mahnschreiben, gleichgültig, ob eine Rechnung über 5 Euro oder 500 Euro offen ist? Dann wird es höchste Zeit, mit diesen Praktiken aufzuräumen. Aus Ihrer täglichen Arbeit wissen Sie, dass nicht alle Patienten gleich sind. Ein und dieselbe Sache müssen Sie oft auf ganz unterschiedliche Weise verschiedenen Patienten erläutern. Diesen Gedanken sollten Sie auch in Ihrem Mahnwesen beherzigen und nicht stets den gleichen Mahntext für ganz unterschiedliche Mahnsituationen verwenden. Nicht nur Patienten sind verschieden, sondern auch Ihre Forderungen unterscheiden sich zumindest im Hinblick auf Alter und Höhe. Deshalb sollten Sie Ihre Mahnstrategie zum einen an ⓦ ⓦ
der Höhe der Forderung der Beziehung zum Patienten (kommt nur selten in die Praxis, nimmt regelmäßig Ihre ärztlichen Leistungen in Anspruch, ganze Familie ist in Behandlung etc.)
festmachen. ⓦ
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Legen Sie deshalb für Forderungen gegen besonders wichtige Patienten oder bei besonders hohen Forderungen eine individuelle Vorgehensweise fest und übernehmen Sie diese Fälle nicht in den standardisierten Mahnablauf. Verwenden Sie für unterschiedliche Forderungshöhen verschiedene Mahntexte. Animieren Sie Ihre säumigen Patienten zu einer Reaktion!
ⓦ
Seien Sie kreativ und binden Sie Ihre Mitarbeiter in die Gestaltung neuer Mahntexte ein. Sie werden feststellen, dass ein und dasselbe Mahnschreiben bei unterschiedlichen Patienten ganz verschiedene Reaktionen hervorrufen kann. Experimente sind hier ausnahmsweise erlaubt, denn es gibt kein „Patentrezept“ für ein allseits einsetzbares Mahnschreiben. Probieren Sie deshalb einfach einmal unterschiedliche Mahntexte aus. Bringen Sie Ihren Patienten durch das Anbieten von Zahlungsalternativen dahin, wo Sie ihn haben wollen.
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Beschränken Sie deshalb Ihr Schreiben nicht auf einen einfachen Mahntext. Erhöhen Sie seine Zahlungsbereitschaft dadurch, dass Sie ihm mehrere Alternativen zur Begleichung der offenen Forderung anbieten. Damit vermitteln Sie dem säumigen Patienten den Eindruck, dass er selbst die Entscheidung für die Zahlungsvereinbarung getroffen hat.
V. Das Mahnschreiben – die erste Mahnung kann auch die letzte sein ⓦ
Sie können hierzu Ihrer Mahnung eine vorgefertigte Rückantwort beifügen, auf welcher der Patient zwischen verschiedenen Alternativen wählen kann. So können Sie beispielsweise formulieren: ⓦ ⓦ ⓦ
b)
113
Ich überweise den fälligen Rechnungsbetrag spätestens bis zum …. . Ich möchte den Betrag in Raten zahlen. Monatlich kann ich … Euro zahlen, beginnend am … .224 Ich möchte gerne persönlich mit Ihnen über die Begleichung der Rechnung sprechen. Bitte rufen Sie mich unter der Telefonnummer … an. Sie erreichen mich am besten in der Zeit von … bis … .
Klare und unmissverständliche Aussagen
Bei der Formulierung einer Zahlungserinnerung oder eines Mahnschreibens hat sich ein einfaches aber wirkungsvolles Schema bewährt. Wenn Sie diesen Aufbau befolgen, dann werden Sie künftig bei der Erstellung Ihrer eigenen Texte weder einen wichtigen Punkt vergessen noch unklar formulieren. ⓦ
ⓦ
ⓦ
Im ersten Schritt beschreiben Sie die Leistung: „… meine ärztliche / zahnärztliche Leistung in der Zeit vom …“. Im zweiten Schritt erinnern Sie noch einmal an die vereinbarten Zahlungsbedingungen: „ … der Rechnungsbetrag war spätestens am … fällig“. Im dritten Schritt sollten Sie unmissverständlich klarstellen, was Sie vom Patienten wollen: Entweder nennen Sie einen klaren Zahlungstermin „… den fälligen Betrag bis zum … zu überweisen“ oder stellen verschiedene Zahlungsalternativen zur Auswahl.
Eine Zahlungserinnerung kann beispielsweise so aussehen: Unser Behandlungsvertrag vom [TT.MM.JJJJ] Meine Rechnung vom [TT.MM.JJJJ] Sehr geehrte[r] [Frau / Herr Patient], sicherlich ist es Ihrer Aufmerksamkeit entgangen, dass die Bezahlung der Rechnung Nr. [Rechnungsnummer] für meine ärztlichen /zahnärztlichen Leistungen in der Zeit vom [TT.MM.JJJJ] bis [TT.MM.JJJJ] in Höhe von [Rechnungsbetrag] Euro noch offen ist. Der Rechnungsbetrag war am [TT.MM.JJJJ] fällig. Leider konnten wir bis heute keinen Zahlungseingang auf unserem Konto verbuchen. Wir geben Ihnen Gelegenheit, den noch ausstehenden Rechnungsbetrag bis spätestens TT.MM.JJJJ auf unser Konto bei der [Name der Bank] 224
Worauf Sie bei einer Ratenzahlungsvereinbarung achten sollten, erfahren Sie im Abschnitt „Fallstricke bei der Zahlungsvereinbarung“ ab Seite 123.
114
C. Gold Standard für ein erfolgreiches Forderungsmanagement [Bankleitzahl] [Kontonummer] zu überweisen. Mit freundlichen Grüßen Dr. Max Mustermann
Sie können diesem Schreiben eine Rückantwort mit den Zahlungsalternativen für den Patienten beifügen. Verwenden Sie im „Betreff“ weder das Wort „Zahlungserinnerung“ noch „Mahnung“, schließlich wollen Sie den säumigen Patienten zum Weiterlesen animieren. Schon allein einer dieser beiden Begriffe kann dazu führen, dass der Betroffene den Brief gleich weglegt. Sie wollen dagegen erreichen, dass er den Brief bis zum Ende liest und einem Ihrer Vorschläge folgt! ⓦ
Falls Sie auf die eher noch freundlich formulierte Zahlungserinnerung noch eine Mahnung folgen lassen wollen, dann sollten Sie jetzt unmissverständlich auf die Konsequenzen hinweisen, wenn der Patient nicht innerhalb der gesetzten Frist die Rechnung begleicht. – Beim ersten Mahnschreiben kann es sinnvoll sein, bereits auf den Verzugsschaden (inzwischen angefallene Zinsen, Portokosten für die Mahnung usw.) hinzuweisen, diesen aber noch nicht geltend zu machen. Sie signalisieren dem Patienten damit, dass er gerade noch „mit einem blauen Auge davonkommt“ und geben ihm einen Anreiz die Forderung umgehend zu begleichen. – Was Sie ankündigen, sollten Sie auch umsetzen. Andernfalls werden Ihre Mahnungen zum „zahnlosen Tiger“. Spätestens bei der zweiten Mahnung müssen Sie nun den Verzugsschaden berechnen und auflisten, um dem Patienten jetzt unmissverständlich klarzumachen, dass er ab sofort die Mehrkosten zu tragen hat. – Weitere Konsequenzen sollten Sie unmissverständlich ankündigen, damit der säumige Patient den Ernst der Lage erkennt. Lieferanten würden spätestens an dieser Stelle ihrem Kunden einen „Lieferstopp“ androhen und bei weiterer Zahlungsverzögerung umsetzen. Als Arzt oder Zahnarzt sind Sie in einer deutlich schlechteren Position. Ein „Behandlungsstopp“ wird nur ganz ausnahmsweise bei einer länger andauernden zahnärztlichen Behandlung in Betracht kommen.225 Freilich können Sie dem säumigen Patienten bereits zu diesem Zeitpunkt die Einschaltung anderer Dienstleister ankündigen, wenn er weiterhin seiner Zahlungsverpflichtung nicht nachkommt.226
225
Zur Vereinbarung von Teilzahlungen und den Voraussetzungen für einen zulässigen Behandlungsabbruch siehe im Abschnitt „Was lassen die Gebührenordnungen zu?“ ab Seite 14. Worauf Sie bei der Einschaltung externer Dienstleister achten sollten, erfahren Sie im Abschnitt „Mit dem Latein am Ende – Outsourcing der Forderungsbeitreibung als Lösung?“ ab Seite 175.
226
V. Das Mahnschreiben – die erste Mahnung kann auch die letzte sein
115
Eine zweite Mahnung, mit der Sie gleichzeitig Ihren Verzugsschaden geltend machen, können Sie beispielsweise wie folgt formulieren: Unser Behandlungsvertrag vom [TT.MM.JJJJ] Meine Rechnung vom [TT.MM.JJJJ] Sehr geehrte[r] [Frau Patient], leider haben Sie die Rechnung in Höhe von [Rechnungsbetrag] Euro noch nicht beglichen. Sie befinden sich jetzt mit Ihrer Zahlung im Verzug und ich werde Ihnen deshalb den gesetzlichen Zinssatz in Höhe von [Basiszins + 5 %] berechnen. Darauf habe ich Sie bereits in meiner Zahlungserinnerung vom [TT.MM.JJJJ] hingewiesen. Rechnung vom [TT.MM.JJJJ] Mahngebühr227 [Basiszins + 5 %] Zinsen für den Zeitraum vom [TT.MM.JJJJ] bis [TT.MM.JJJJ]
[Betrag] Euro 3,00 Euro [Betrag] Euro
Gesamt
[Betrag] Euro
Zahlen Sie den Gesamtbetrag umgehend auf unser Konto bei der [Name der Bank] [Bankleitzahl] [Kontonummer] ein. Spätestens am [TT.MM.JJJJ] muss das Geld auf meinem Konto eingegangen sein. Andernfalls sehe ich mich gezwungen, am [TT.MM.JJJJ + 1] die Forderung an [Name des Inkassounternehmens oder Rechtsanwalts] zur weiteren Bearbeitung abzugeben. Die hierdurch entstehenden Kosten und weitere Zinsen sind von Ihnen zu tragen.
Entweder im Anschluss an den Text des Mahnschreibens oder in der Anlage können Sie für den Patienten einen Zahlungsvorschlag vorbereiten. Wenn Ihr Patient weder auf Ihr Entgegenkommen noch auf eine härter formulierte Mahnung reagiert, dann müssen Sie leider davon ausgehen, dass Sie es mit einem zahlungsunfähigen oder gar böswilligen Schuldnerexemplar zu tun haben.228 c)
Die einzelnen Schritte zum (Mahn-)Erfolg
Bevor Sie nun mit dem Erstellen der Mahnschreiben beginnen, sollten Sie ein paar grundsätzliche Dinge klären und für Ihre Mitarbeiter / innen, die den Hauptanteil an der Tätigkeit erbringen, festschreiben. Das „Festschreiben“ sollten Sie in diesem 227
228
Die Mahngebühr beschreibt eine pauschale Bearbeitungsgebühr, die für das Mahnen in Rechnung gestellt werden kann, wenn sich der Patient im Verzug befindet. Pauschal können Sie pro Mahnung 3,00 Euro für Porto und das Mahnschreiben in Rechnung stellen. Die Mahngebühr darf nicht mit den Gerichtsgebühren im gerichtlichen Mahnverfahren verwechselt werden. Wie Sie dem begegnen sollten, erfahren Sie im Abschnitt „Die Schuldnertricks und wie Sie damit umgehen sollten“ ab Seite 159.
116
C. Gold Standard für ein erfolgreiches Forderungsmanagement
Fall wörtlich nehmen. Denn nichts ist schlimmer, als wenn Ihre Mitarbeiter immer wieder Rückfragen haben und im Monat Mai andere Kriterien für das Versenden der Mahnungen gelten als im Oktober. Säumige Kunden merken solche Ungereimtheiten sehr schnell und nutzen die Chance, sich weiterhin vor dem Bezahlen zu drücken. ⓦ
ⓦ
Legen Sie deshalb von vornherein fest, ab welchem Betrag sie überhaupt eine Zahlungserinnerung bzw. Mahnung versenden wollen. Selbstverständlich können Sie jeden noch so geringen Betrag anmahnen, denn schließlich können zahlreiche Kleinstbeträge am Jahresende einen stattlichen Betrag ausmachen. Letztendlich sollten aber wirtschaftliche Erwägungen darüber entscheiden, ob Sie eine Mahnung versenden. Die Grenze ist sicherlich erreicht, wenn Mahnschreiben und Porto letztendlich mehr Kosten verursachen als der noch offene Betrag ausmacht. Regeln Sie klar und eindeutig, wie viele Mahnungen Sie versenden wollen. Erfahrungsgemäß bringen fünf oder sechs Mahnungen nicht mehr Zahlungseingänge als zwei oder maximal drei. Insbesondere dann, wenn Sie von vornherein vorhaben, bei ergebnislosen eigenen Bemühungen anschließend einen externen Dienstleister mit der weiteren Beitreibung zu beauftragen, sollten Sie die Forderungen so frühzeitig wie möglich abgeben. Das erhöht nämlich entscheidend die Beitreibungsquote des Dienstleisters. Zügeln Sie unbedingt Ihren Ordnungssinn und nummerieren Sie die Mahnungen nicht durch, sofern Sie in der Betreffzeile Ihres Schreibens den Begriff „Mahnung“ unbedingt verwenden wollen. Nach einer zweiten Mahnung rechnet Ihr säumiger Patient nämlich mit einer dritten und kann sich ausrechnen, wie lange er sich mit dem Bezahlen weiterhin Zeit lassen kann.
Mit dem Schreiben der Mahnungen verhält es sich ähnlich wie mit den Rechnungen: Lassen Sie sich nicht allzu lange Zeit. Andernfalls riskieren Sie nämlich Ihr Geld. Ein Rechnungsbetrag, den der Patient heute vielleicht gerade noch begleichen kann, ist morgen vielleicht schon nicht mehr durchsetzbar, weil der Patient in der Zwischenzeit zahlungsunfähig ist. Denken Sie stets daran: Eine Mahnung hemmt die Verjährung nicht! Wenn Sie untätig bleiben, dann läuft die Frist munter weiter. Schon allein aus diesem Grund sollten Sie es sich zur Angewohnheit machen, nicht nur die Rechnung unverzüglich nach Abschluss der Behandlung zu stellen, sondern auch einen entsprechenden Mahnrhythmus einzurichten. Wenn Sie, je nach Anzahl der zu erstellenden Rechnungen und Mahnungen, entweder täglich oder zumindest wöchentlich die notwendigen Schreiben fertigstellen, wird es schnell zur Routine werden, ein wirksames Mahnsystem einzurichten. ⓦ
Eine Zahlungserinnerung sollten Sie spätestens 10 Tage nach Fälligkeit der Rechnung versenden. Schließlich haben Sie dem Patienten bereits ein großzü-
V. Das Mahnschreiben – die erste Mahnung kann auch die letzte sein
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117
gig bemessenes Zahlungsziel eingeräumt. Vergessen Sie nicht, einen konkreten Zahlungstermin zu nennen. Sofern Sie nach der Zahlungsaufforderung noch eine Mahnung versenden wollen, dann sollten Sie diese ca. 10 Tage nach dem Versand der Zahlungserinnerung auf den Weg bringen. Kürzere Fristen sind nicht sinnvoll, denn Sie müssen sowohl Postlaufzeiten als auch die Bearbeitungszeiten der Banken berücksichtigen.
d)
Wie Sie sich erfolgreich von Altlasten befreien Am besten beginnen Sie zu einem bestimmten Stichtag mit der Einrichtung des Mahnrhythmus. Sobald das zeitnahe Erstellen von Rechnungen und Zahlungserinnerungen zur Routine geworden ist, werden Sie feststellen, dass nur ein geringer Prozentsatz an ernsthaften Zahlungsverweigerern übrig bleibt, bei denen Sie zu anderen Maßnahmen greifen müssen.229 Geblieben sind dagegen die „Altlasten“ aus den Zeiten, in denen Sie es mit dem Mahnen noch nicht so ernst genommen haben. Deshalb sollten Sie sich jetzt um die Altfälle kümmern, die sich über Monate und nicht selten über Jahre hinweg angesammelt haben. Bevor Sie mit der Bearbeitung beginnen, ist es sinnvoll, sich als Erstes einen Überblick über die zur Mahnung anstehenden Rechnungen zu verschaffen. Das gelingt am einfachsten mit der Offenen Posten Liste. In dieser Liste sind alle bis zum Stichtag nicht beglichenen Forderungen enthalten. In der Regel kann jedes Software-Programm mit dem Sie Rechnungen erstellen, die offenen Posten darstellen. Eine Excel-Liste erfüllt den gleichen Zweck, und diese können Sie nach folgendem Schema aufbauen: Tabelle 5. Offene Posten Liste Re-Nr.
Re-Dat.
2007-001 2007-025 2007-063 2007-125
19.01.2007 24.02.2007 05.03.2007 24.03.2007
PatName Winter Frühling Sommer Herbst
Rechn. Zahlungs- Fällig Brutto Ziel i.T. am 237,40 30 18.02.07 27,40 30 24.03.07 126,40 30 04.04.07 98,27 30 23.04.07
Überfällig Gezahlt i. Tagen 73 6 30.03.07 28 9
Wie geht man nun sinnvollerweise an die Arbeit, um die Altlasten abzuarbeiten? Ihre Liste kann lang oder kurz sein und ist sowohl im Hinblick auf das Alter der Forderungen als auch der Forderungshöhe bunt gemischt. Die frischen Forderungen, die Sie bereits durch den neu eingerichteten Mahnrhythmus im Griff haben, können Sie dabei außer acht lassen. Bei den jetzt verbliebenen Forderungen müssen Sie nun entscheiden, welche Sie zuerst bearbeiten. Gefahr für einen endgültigen Verlust der Forderung droht nämlich in zweierlei Hinsicht: Zum einen können Forderungen nicht mehr durchsetzbar sein, weil sie inzwischen verjährt sind. 229
Lesen Sie dazu mehr im Abschnitt „Mit dem Latein am Ende – Outsourcing der Forderungsbeitreibung als Lösung?“ ab Seite 175.
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C. Gold Standard für ein erfolgreiches Forderungsmanagement
Deshalb sollten Sie die Offene Posten-Liste zunächst nach dem Alter der Forderungen sortieren und prüfen, ob die Forderungen noch durchsetzbar sind. Droht in Kürze die eine oder andere Forderung zu verjähren, dann müssen Sie recht schnell entscheiden, welche verjährungshemmende Maßnahme Sie ergreifen wollen. – Selbst bei einer bereits verjährten Forderung können Sie durchaus noch eine „letzte“ Mahnung versenden, denn niemand kann Ihnen verbieten, diese Forderung trotz der eingetretenen Verjährung geltend zu machen. Zahlt der Patient, dann ist die Sache erledigt. Zahlt er nicht oder erhebt er die Einrede der Verjährung, dann bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als die Forderung auszubuchen. Erfahrungsgemäß wird die Einrede der Verjährung von Schuldnern nur selten erhoben. Selbst Rechtsanwälte übersehen manchmal, dass eine Forderung bereits verjährt ist. Wenn Sie nun den Altbestand um diese Forderungen bereinigt haben, dann können Sie die restlichen offenen Honorarforderungen nach der Forderungshöhe sortieren. Das ist deshalb notwendig, weil es zielführender ist, sich intensiv mit der Beitreibung einer 1.000 Euro-Forderung zu beschäftigen als mit einer Handvoll offener Rechnungen über 10 Euro. Prüfen Sie bei den größeren Forderungen zunächst, ob es sich dabei um Patienten handelt, die noch regelmäßig in Ihre Sprechstunde kommen. In diesem Fall kann es nämlich sinnvoll sein, mit dem Patienten anlässlich seines nächsten Besuchs ein persönliches Gespräch zu führen oder ihn anzurufen.230 In allen übrigen Fällen sollten Sie Ihre säumigen Patienten zumindest (noch) einmal durch eine schriftliche Mahnung an die längst fällige Zahlung erinnern. Denken Sie daran, in Ihrem Mahnschreiben unmissverständlich auf die Konsequenzen einer weiteren Zahlungsverzögerung hinzuweisen! Sie sollten freilich bereit sein, die angekündigten Maßnahmen nahtlos umzusetzen!
Sofern Sie bisher Ihre Rechnungen und Mahnungen nur sporadisch erstellt haben und jetzt dazu übergehen, Ihre Altlasten abzuarbeiten, dann müssen Sie sich zu Beginn auf ein paar Dinge einstellen. ⓦ
Das Aufarbeiten bedeutet mehr Arbeit. Deshalb sollten Sie Ihre Mitarbeiter frühzeitig in die neue Mahnpraxis einbinden und von der Notwendigkeit überzeugen. Das gemeinsame Entwerfen und Ausprobieren von neuen Mahntexten kann eine willkommene Gelegenheit sein, um die Mitarbeiter in der Praxis in die regelmäßige Mahntätigkeit einzubinden.
ⓦ
Sie müssen mit deutlich mehr Telefonanrufen Ihrer Patienten rechnen, weil sich Rückfragen ergeben. Planen Sie deshalb die Aufarbeitung der Altlasten
230
Siehe Näheres dazu im nachfolgenden Abschnitt „Weshalb reden Geld wert ist“ ab Seite 119.
VI. Weshalb Reden Geld wert ist
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nicht gerade zu einem Zeitpunkt ein, zu dem Sie erfahrungsgemäß mit einem übervollen Wartezimmer rechnen müssen. Planen Sie in jedem Fall ausreichend Zeit zur Abwicklung Ihrer Forderungsaltbestände ein. Erfahrungsgemäß kostet die Bearbeitung der Altfälle nämlich deutlich mehr Zeit als die Durchsetzung aktueller Forderungen. Denken Sie zurück an den Beginn Ihrer beruflichen Tätigkeit als Arzt oder Zahnarzt. Wie lange haben Sie für bestimmte Handgriffe oder Erläuterungen gebraucht, die Ihnen heute „in Fleisch und Blut“ übergegangen sind. Mit dem Einrichten eines effizienten Forderungsmanagements betreten Sie mehr oder weniger Neuland. Im Umgang mit Schuldnereinwänden und –ausreden sind Sie und Ihre Mitarbeiter noch nicht so routiniert. Jedes Telefonat und jedes Gespräch mit dem Patienten kann deshalb durchaus einmal doppelt so lange dauern wie bei einem erfahrenen Forderungsmanager.
VI. Weshalb Reden Geld wert ist „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold,“ dieser Satz ist in Ihrem Beruf schon im Hinblick auf die ärztliche Schweigepflicht von ganz besonderer Bedeutung. Im Forderungsmanagement gelten dagegen andere Regeln. In diesem Fall kann Reden bares Geld bedeuten. Ein großer Teil der hoch verschuldeten Menschen steckt den Kopf in den Sand und legt Briefe, in denen sie eine Zahlungsaufforderung vermuten, ungeöffnet auf den Stapel der übrigen ungelesenen Post. Ihre Rechnungen und Mahnungen befinden sich dann meist in guter Gesellschaft zwischen Mahnbescheiden von Banken oder ultimativen Zahlungsaufforderungen von Energielieferanten. Wie können Sie nun erreichen, dass dieser Patient ausgerechnet Ihre Rechnung begleicht, wenn noch ein Dutzend andere zur Zahlung offen stehen? Zwei Wege führen zum Ziel: Entweder rufen Sie den säumigen Patienten an oder Sie sprechen ihn bei seinem nächsten Besuch in Ihrer Praxis auf die noch offene Rechnung an. Das macht natürlich nur dann Sinn, wenn der Patient regelmäßig Ihre Praxis aufsucht und nicht allzu viel Zeit bis zum nächsten Termin verstreicht. Ein erfolgreiches Schuldnertelefonat oder Gespräch kann nämlich die ins Stocken geratene Kommunikation mit dem säumigen Patienten durchaus wieder in Gang bringen. Vielleicht ist es dem Patienten unangenehm, mit Ihnen über seine bestehenden Zahlungsschwierigkeiten zu sprechen. Deshalb ist das persönliche Gespräch eine gute Gelegenheit, mehr über die Ursachen der Nichtzahlung in Erfahrung zu bringen und im Anschluss daran eine auf die Situation des Patienten zugeschnittene Lösung zu erarbeiten. Mit dem Inkassotelefonat oder Gespräch betreten Sie nun neues, ungewohntes Terrain. Deshalb sollten Sie die Gespräche mit der gleichen Sorgfalt wie Ihre ärztliche Tätigkeit planen und vorbereiten. Je nachdem wie groß der Stapel der unbezahlten Rechnungen ist, werden Sie nicht alle Patienten anrufen oder ein Gespräch führen können.
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C. Gold Standard für ein erfolgreiches Forderungsmanagement
Legen Sie deshalb die Auswahlkriterien fest. Möglicherweise haben Sie bei der Vorbereitung der schriftlichen Mahnungen bereits bei einigen Patienten entschieden, diese nicht anzuschreiben, sondern die Angelegenheit lieber in einem persönlichen Gespräch zu klären. Alternativ dazu können Sie das Telefonat auch routinemäßig als letzte Chance für säumige Patienten einsetzen, bevor Sie einen externen Dienstleister mit der weiteren Beitreibung beauftragen. Bevor Sie das Gespräch führen, sollten Sie unbedingt noch einmal abklären, ob die Ursache der Zahlungsverzögerung nicht im eigenen Haus liegt! Sind alle Zahlungseingänge gebucht? Gibt es noch ungeklärte Zahlungseingänge?
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Im nächsten Schritt sollten Sie sich in jedem Einzelfall einen Überblick verschaffen, was Sie bisher unternommen haben, um an Ihr Geld zu kommen. – Also konkret: Wann haben Sie die Rechnung und wann welche Mahnung verschickt? – Hat der Patient darauf in irgendeiner Form reagiert? – Konkret: Haben Sie schon einmal eine Zahlungsvereinbarung mit dem Patienten getroffen, die dann im Sande verlaufen ist? Auch Ihr Forderungsmanagement steht und fällt mit einer sorgfältigen Dokumentation!
Mit dem persönlichen Kontakt zum säumigen Patienten verfolgen Sie nur ein einziges Ziel: Sie wollen den Patienten zum Zahlen bringen und dazu bedarf es einer verbindlichen Zahlungsvereinbarung. ⓦ
Machen Sie sich deshalb vorab bereits Gedanken darüber, ob und inwieweit Sie bereit sind, dem säumigen Patienten entgegenzukommen. – Fixer Zahlungstermin: Legen Sie verbindlich fest, bis wann Sie die Zahlung erwarten. – Zahlungskonditionen: Bereiten Sie einen konkreten Zahlungsvorschlag vor. Sofern Sie bereit sind, dem Patienten eine Ratenzahlung oder eine Teilzahlung zu gewähren, sollten Sie festlegen, welche Mindestrate bzw. -zahlung Sie vom Patienten erwarten. – Überlegen Sie, ob es vielleicht Alternativen gibt. Könnte ggf. ein Kostenträger für die entstandenen Rechnungen einspringen? Das bedeutet nun nicht, dass Sie sich den Kopf darüber zerbrechen müssen, ob Ihr Patient eventuell einen Anspruch auf (ergänzende) Sozialhilfe hat. Es genügt, wenn Sie diese Möglichkeit sehen und ansprechen. Der Patient muss letztendlich selbst tätig werden und seine Ansprüche geltend machen.
Auch wenn der Gesprächsanlass weniger erfreulich ist, sollten Sie das Gesprächsklima höflich, aber stets bestimmt gestalten.
VI. Weshalb Reden Geld wert ist ⓦ
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Schildern Sie zunächst den Sachstand. – „Sie haben meine Behandlung am … in Anspruch genommen und ich habe Ihnen hierfür am … eine Rechnung über … Euro geschickt …“. Stellen Sie Fragen klar und präzise. Vermeiden Sie dabei Schuldzuweisungen oder Vorwürfe, auch wenn es Ihnen unter den Nägeln brennt. – Fragen Sie den Patienten deshalb nie, „Warum haben Sie noch nicht bezahlt?“. Sie treiben ihn mit dieser Formulierung lediglich in die Enge und er weicht mit einer der beliebten Ausreden aus. Letztendlich sind Sie keinen Schritt weiter. – Fragen Sie statt dessen: „Wie haben Sie sich vorgestellt, die noch offene Rechnung zu begleichen?“ Damit geben Sie dem säumigen Patienten die Chance, einen eigenen Lösungsvorschlag vorzubereiten. – Zeigen Sie dem Patienten den Nutzen Ihres Anrufes auf. Sie möchten schließlich vermeiden, dass er die Nachteile einer Zahlungsverzögerung wie Verzugszinsen, Inkassokosten oder die Zustellung eines Mahnbescheides zu spüren bekommt. Wenn der Patient auszuweichen versucht, dann müssen Sie sofort nachhaken. – Unbestimmte Äußerungen oder Unklarheiten sollten Sie sofort ansprechen. – Bestehen Sie auf klaren Aussagen hinsichtlich Terminen und Beträgen. Fragen Sie also ganz konkret: „Wann können wir mit der Zahlung rechnen?“ und lassen Sie sich nicht auf wenig konkrete Angaben wie „… wenn ich demnächst … bekomme, dann …“, ein. Einwände, wie die Unzufriedenheit des Patienten mit einer Behandlung oder Leistung, sollten Sie zur Kenntnis nehmen.231 Hinterfragen und argumentieren Sie, aber lassen Sie sich nicht auf Diskussionen ein, was jedoch nicht bedeutet, dass Sie Fragen, die der Patient zur Abrechnung hat, nicht beantworten. Unterbrechen Sie deshalb das Gespräch rechtzeitig, bevor Sie sich gegenseitig mit Argumenten und Gegenargumenten aufschaukeln, bis letztendlich gar nichts mehr geht.
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– Setzen Sie dem Patienten eine letzte kurze Frist zum Nachdenken und Bezahlen. – Kündigen Sie unmissverständlich die Konsequenzen bei weiterer Zahlungsverzögerung an. Als Arzt laufen Sie ganz besonders Gefahr, dass Ihr Patient einen „Nebenkriegsschauplatz“ eröffnet und Ihnen zum wiederholten Mal seine gesamte Leidensgeschichte erzählt. Bleiben Sie daher auf der sachlichen Ebene. Sie sollten zwar Verständnis für die Situation des säumigen Patienten zeigen, aber gleichzeitig auf einer Zahlungsvereinbarung bestehen.
Wie Sie mit diesem Einwand und anderen Schuldnertricks erfolgreich umgehen können, erfahren Sie im Abschnitt „Die Schuldnertricks und wie Sie damit umgehen sollten“ ab Seite 159.
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C. Gold Standard für ein erfolgreiches Forderungsmanagement
Nicht immer laufen die Gespräche völlig emotionslos ab. Dann sollten Sie alles daran setzen, um wieder auf eine sachliche Ebene zu gelangen. Mündet das Gespräch in einem unhöflichen Ton – auch so etwas ist nie ganz auszuschließen – dann sollten Sie Ihren Gesprächspartner schnell in die Schranken verweisen. In einer aufgeheizten Stimmung werden Sie zu keinem Ergebnis kommen, denn in den meisten Fällen hört Ihnen der Betreffende schon gar nicht mehr zu. Teilen Sie dem aufgebrachten Patienten deshalb mit, dass Sie das Gespräch jetzt beenden und zu einem anderen Zeitpunkt fortsetzen werden. Haben Sie die Situation hinreichend geklärt, dann geht es jetzt darum, eine Lösung herbeizuführen. Gegebenenfalls unterbreitet Ihnen der Patient von sich aus einen Zahlungsvorschlag. Damit geben Sie ihm die Gelegenheit, in der für ihn unangenehmen Situation doch noch das Gesicht zu wahren. Wenn Sie das Gespräch gut vorbereitet haben, dann können Sie Ihren bereits vorbereiteten Zahlungsvorschlag zur Hand nehmen und überprüfen, ob er mit dem Angebot des Patienten in Einklang zu bringen ist. Das wird nur selten der Fall sein. Jetzt ist Ihr Verhandlungsgeschick gefragt, denn es gilt nun, den bestmöglichen Kompromiss zu finden. Jetzt gilt es noch, einen fixen Zahlungstermin zu vereinbaren. – Fragen Sie deshalb, wann der Patient den Betrag konkret überweist. – Fragen Sie nach, ob er die richtige Bankverbindung hat. Gleichen Sie die Kontodaten im Zweifel mit ihm noch einmal ab. So verhindern Sie nämlich gleich den nächsten Schuldnertrick, bei dem der Patient „versehentlich“ den Betrag auf ein falsches Konto überwiesen hat. Fassen Sie zum Schluss das Ergebnis des Gesprächs noch einmal kurz zusammen. Bestätigen Sie in jedem Fall die mündlich geschlossene Zahlungsvereinbarung anschließend noch einmal schriftlich. Lässt sich der Patient trotz aller Lösungsvorschläge nicht auf eine Zahlungsvereinbarung ein, dann bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als ihn unmissverständlich auf die Konsequenzen der Zahlungsverweigerung hinzuweisen. Sie sollten dann freilich auch bereit sein, diese in die Tat umzusetzen. Bei „vergesslichen“ Patienten hilft es manchmal schon, beim nächsten Besuch an die Zahlung zu erinnern und einen vorbereiteten Überweisungsträger mitzugeben.
VII. Fallstricke bei der Zahlungsvereinbarung
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VII. Fallstricke bei der Zahlungsvereinbarung Sowohl aufgrund Ihres Mahnschreibens als auch im persönlichen Gespräch kann ganz schnell klar werden, dass Ihr Patient zwar zahlungswillig, aber vorübergehend zahlungsunfähig ist.232 Jetzt haben Sie es in der Hand: Aus einem aktiven Forderungsmanagement kann gleichzeitig ein „Kundenbindungsprogramm“ werden. Wenn Sie jetzt Ihrem Patienten ein Stück entgegenkommen, wird sich das auf Dauer durch seine Treue zur Praxis auszahlen. Schließlich kann sich aus dem vorübergehend zahlungsunfähigen Patienten, dem Sie heute den Rechnungsbetrag stunden, wieder ein zahlungskräftiger werden, der weiterhin Ihre Dienstleistungen in Anspruch nimmt. Freilich sollten Sie dabei die Risiken nicht außer acht lassen. Schließlich werden Sie neben Ihrer Tätigkeit als Arzt damit unfreiwillig zum Kreditgeber. Möglicherweise droht in der Zwischenzeit die Forderung zu verjähren. Wenn Sie das verhindern wollen, müssen Sie gleichzeitig zu einer der verjährungshemmenden Maßnahmen greifen. Das sollten Sie nicht ohne Rücksprache mit dem Patienten tun. Andernfalls könnten Sie ihn trotz der jahrelangen vertrauensvollen Konsultation mit einer unangekündigten Maßnahme vor den Kopf stoßen. Zudem sprechen sich negative Dinge über ein Produkt oder eine Dienstleistung bekanntlich wesentlich nachhaltiger herum als positive. Erklären Sie deshalb dem Patienten, dass Sie den Mahnbescheid in erster Linie deshalb beantragen, weil Sie eine Verjährung Ihrer Forderung verhindern wollen. Selbst ein rechtskräftiger Mahn- und Vollstreckungsbescheid schließt eine Ratenzahlungsvereinbarung auf freiwilliger Basis zu einem späteren Zeitpunkt nicht aus! Beantragen Sie nämlich den Mahn- und Vollstreckungsbescheid ohne Vorwarnung, dann riskieren Sie unter Umständen einen Widerspruch oder Einspruch233. In vielen Fällen wird sich im Gespräch herausstellen, dass die finanzielle Situation des Patienten sehr angespannt ist und die Zahlung der noch offenen Rechnung in einem Einmalbetrag für den Patienten eine unüberwindbare Hürde darstellt. Mit viel Mühe könnte er den Betrag jedoch über Monate hinweg „abstottern“. Darüber hinaus werden Sie hin und wieder einmal auf die weitere Geltendmachung Ihres Honorars einschließlich der angefallenen Kosten und Zinsen verzichten müssen, weil der Patient selbst bei optimistischer Betrachtung bis an sein Lebensende nicht in der Lage sein wird, seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Zwar dürfen Sie bei der Vereinbarung Ihres Honorars die Sätze der Gebührenordnungen nicht in „unlauterer“ Weise unterschreiten, die Musterberufsordnungen las-
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Was Sie im Falle einer dauerhaften Zahlungsunfähigkeit noch unternehmen können, zeigt Ihnen der Abschnitt „Mein Patient hat ein Insolvenzverfahren eingeleitet – was ist jetzt zu tun?“ ab Seite 132. Zum Ablauf des gerichtlichen Mahnverfahrens erfahren Sie mehr im Abschnitt „Die gerichtliche Geltendmachung – die letzte Chance zur Einigung?“ ab Seite 141.
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C. Gold Standard für ein erfolgreiches Forderungsmanagement
sen Ihnen allerdings insoweit freie Hand, als Sie mittellosen Patienten das Honorar ganz oder teilweise erlassen können. 1.
Wie sollte eine korrekte Teil- oder Ratenzahlungsvereinbarung aussehen?
Stundung, Raten- und Teilzahlungsvereinbarung – wo liegt der Unterschied in den Vereinbarungen? Möglicherweise haben Sie dem Patienten schon beim Abschluss des Behandlungsvertrages ein längeres Zahlungsziel eingeräumt und damit die an sich mit der Rechnungsstellung fällige Forderung für einen bestimmten Zeitraum gestundet. Vielleicht hat sich Ihr Patient noch vor Fälligkeit des Rechnungsbetrages mit der Bitte um eine Verlängerung des Zahlungsziels an Sie gewandt. In allen Fällen löst eine Stundungsvereinbarung die gleichen Rechtsfolgen aus: ⓦ
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Durch eine wirksame Stundung wird die Fälligkeit hinausgeschoben. Hierin wird der gravierende Unterschied zur Ratenzahlungsvereinbarung deutlich. Vereinbaren Sie eine Ratenzahlung, dann bleibt hiervon die Fälligkeit unberührt, sodass Sie bei Verzug auch Verzugszinsen und Kosten geltend machen können. Schieben Sie hingegen die Fälligkeit hinaus, dann können Sie vom Patienten lediglich die Zahlung zum (neuen) Fälligkeitstermin verlangen. Der Patient kann trotz der Stundungsvereinbarung den vereinbarten Betrag vorzeitig zahlen. Umgekehrt können Sie den Betrag nicht vorzeitig von ihm verlangen. Die Stundungsvereinbarung stellt nämlich eine Einrede dar und gibt dem Patienten für den Stundungszeitraum ein Leistungsverweigerungsrecht. Eine konkret abgeschlossene Stundungsvereinbarung wirkt zudem verjährungshemmend, § 205 BGB.
Eine hieb- und stichfeste Zahlungsvereinbarung hat es in sich. Sie sollten dabei eine ganze Reihe von Punkten beachten. Warum ist es so wichtig ist, diese Vereinbarung korrekt zu formulieren, lässt sich einfach erklären: Bisher bestand zwischen Ihnen und dem Patienten ein Behandlungsvertrag, der die unterschiedlichen Pflichten auf beiden Seiten regelte. Jetzt tritt neben den Behandlungsvertrag eine ganz neue Vereinbarung, die abweichend vom Inhalt des bisherigen Vertrages ausschließlich die Zahlungsmodalitäten regeln soll. Das hat noch weitere Konsequenzen, an die man im ersten Augenblick nicht denkt. Wie wir im Abschnitt über die Verjährung des Honorars bereits gesehen haben, führen Verhandlungen mit dem säumigen Patienten zunächst einmal zu einer Hemmung der Verjährung. Damit sind jedoch Verhandlungen gemeint, die letztendlich einen Streit über das Bestehen der Forderung beenden sollen. Stehen dagegen Verhandlungen über eine Stundung oder Ratenzahlung im Raum, dann führen diese nicht zu einer Hemmung der Verjährung im Sinne des § 203 BGB.
VII. Fallstricke bei der Zahlungsvereinbarung
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Mit der Anerkennung der Forderung durch eine Raten- oder Teilzahlung beginnt vielmehr die Verjährungsfrist ohne Einrechnung der bisher abgelaufenen Zeit wieder von vorn zu laufen234, § 212 BGB. Zur Anerkennung der Forderung reicht jede Handlung des säumigen Patienten aus, die auf das Bestehen der Forderung hindeutet. Zahlt der Patient spontan in der Praxis bereits die erste Rate im Rahmen einer Ratenzahlungsvereinbarung, die Sie mit ihm gerade vereinbart haben, dann reicht dies bereits aus. Er braucht dazu kein Schuldanerkenntnis im Sinne des § 781 BGB abzugeben, auch wenn die Vereinbarung einer Ratenzahlung letztendlich die Anerkennung der Schuld beinhaltet. 234 Die Vereinbarung sollten Sie unbedingt schriftlich schließen und folgende Punkte beachten: ⓦ
Geben Sie neben dem ursprünglich geschuldeten Betrag, also dem Rechnungsbetrag, die Zinsen und die Kosten an, die Sie geltend machen wollen.
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Schreiben Sie in jedem Fall fest, – wie viele Raten – in welcher Höhe – zu welchem Zeitpunkt zu zahlen sind.
Hin und wieder werden Sie ganz bewusst auf die Geltendmachung weiterer Zinsen und Kosten verzichten, weil Sie schon froh sind, wenn Sie in absehbarer Zeit den ursprünglichen Rechnungsbetrag erhalten. 2.
Richtig formuliert geben Sie der Verzögerungstaktik keine Chance
Das Forderungsmanagement ist stets ein Wettlauf gegen den Faktor Zeit. Häufig steckt deshalb hinter einem Raten- oder Teilzahlungsangebot des Patienten nichts anderes als der Versuch, die Zahlung weiter hinauszuzögern. Profis zahlen nämlich nach Abschluss der Ratenzahlungsvereinbarung brav ein oder zwei Raten und stellen ihre Zahlungen dann lautlos wieder ein. Haben Sie es im Vorfeld versäumt, geeignete Maßnahmen zu treffen, um sich vor diesem Schuldnertrick zu schützen, dann können Sie sehr lange auf die Begleichung Ihrer Forderung warten! Deshalb sollten gleich von Beginn an jeder weiteren Verzögerungstaktik einen Riegel vorschieben. ⓦ
Bietet der Patient eine Ratenzahlung an, dann sollten Sie zunächst von ihm eine Teilzahlung verlangen, die deutlich höher ist, als die nachfolgenden Raten.
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Der Neubeginn der Verjährung wurde vor Einführung des Gesetzes zur Schuldrechtsmodernisierung als „Unterbrechung“ bezeichnet.
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Warten Sie den Eingang dieser Teilzahlung ab. Erst dann schließen Sie mit ihm eine Ratenzahlungsvereinbarung mit den oben beschriebenen Zahlungsmodalitäten ab. Die Ratenzahlungsvereinbarung sollten Sie unbedingt mit einer Verfallklausel versehen.
Diese ist deshalb wichtig, weil bei einer Ratenzahlungsvereinbarung die Zahlungsverzögerung oder der Ausfall einer Rate nicht zwangsläufig zur Folge hat, dass die nachfolgenden Raten sofort zur Zahlung fällig werden. Haben Sie die Verfallklausel in der Vereinbarung vergessen, dann kann der Patient hin und wieder mal eine Rate zahlen, ohne dass Sie die Ratenzahlungsvereinbarung kündigen können. Die Verfallklausel schützt Sie deshalb nicht nur vor einer beliebten Schuldnertaktik, sondern eröffnet Ihnen gleichzeitig den Weg zur gerichtlichen Geltendmachung der gesamten, zu diesem Zeitpunkt noch offenen Forderung, wenn sich der Patient nicht an die getroffene Vereinbarung hält. So kann Ihre Ratenzahlungsvereinbarung aussehen. Ratenzahlungsvereinbarung mit Verfallklausel zwischen [Dr. Max Mustermann, Musterstraße 1, 12345 Musterstadt] (Gläubiger) und [Paul Patient, Musterweg 37, 54321 Musterdorf] (Schuldner) wird Folgendes vereinbart: Aus dem Behandlungsvertrag zwischen [Dr. Max Mustermann] und [Herrn / Frau Paul Patient] vom [Datum], Rechnungsnummer [Nummer] ist eine Forderung in Höhe von [Betrag] offen. Der Schuldner erkennt an, dem Gläubiger die Forderung zuzüglich weiterer Zinsen zu schulden. Der Schuldner verpflichtet sich zur Zahlung der Gesamtforderung in folgenden Teilbeträgen: Der erste Teilbetrag in Höhe von [Betrag] wurde am [Datum] fristgerecht beglichen. Der Restbetrag in Höhe von [Betrag] zahlt der Schuldner in gleichen Raten in Höhe von [Betrag Rate], jeweils fällig am [Datum] eines Monats. Sollte der Schuldner mit einer Rate länger als [Anzahl Tage] in Verzug geraten, dann ist die gesamte Restforderung einschließlich Zinsen und Kosten zur sofortigen Zahlung fällig. Ort, Datum Unterschrift [Dr. Max Mustermann]
Unterschrift [Paul Patient]
VIII. Alternative Strategien oder Sackgasse?
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VIII. Alternative Strategien oder Sackgasse? 1.
Ist die Abtretung des Erstattungsanspruchs des Patienten gegen seinen Versicherer eine Lösung?
Mahnungen schreiben, Ratenzahlungsvereinbarungen treffen, den Zahlungseingang überwachen ist mühselig und zeitaufwendig. Was liegt daher näher, als nach Wegen zu suchen, die nervenschonender und erfolgsversprechender sind? In der Dreiecksbeziehung zwischen Arzt, Privatpatient und Versicherer ist der Versicherer in jedem Fall der finanziell stärkere Partner. Warum sollten Sie den Umweg über den zahlungsunwilligen oder –unfähigen Patienten machen, wenn der Krankenversicherer die Kosten für die erbrachte ärztliche Behandlung erstatten muss? Wie wir gesehen haben, kommt der Behandlungsvertrag zwischen Arzt und Patient zustande235, was letztendlich zur Folge hat, dass Sie bisher keinen direkten Zugriff auf den Erstattungsanspruch des Patienten gegen seinen Versicherer hatten. Dieser stand ausschließlich dem Patienten zu. Einen Zugriff auf dessen Erstattungsanspruch hätten Sie nur im Wege einer Forderungsabtretung236 erwerben können. Dazu hätte Ihnen der Patient seinen Anspruch gegen den Versicherer abtreten müssen, damit Sie Forderungsinhaber werden. Eine Forderungsabtretung ist im Wirtschaftsleben an sich nichts Ungewöhnliches. Eine Vorschrift in den Musterbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherungen (MB / KK) macht Ihnen jedoch einen Strich durch die Rechnung. Diese untersagt nämlich eine Abtretung der Erstattungsansprüche. Zwar können Forderungen, die ein Gläubiger gegenüber seinem Schuldner – also in diesem Fall dem privaten Krankenversicherer – hat, auch ohne dessen Einwilligung abgetreten werden. Eine Abtretung ist aber unwirksam, wenn sie zuvor durch eine Vereinbarung ausgeschlossen worden ist, §§ 412, 399 BGB. Die Vorschrift des § 6 MB / KK vereitelt Ihnen deshalb eine wirksame Abtretung. Eine Direktabrechnung mit dem privaten Krankenversicherer ist Ihnen selbst dann verwehrt, wenn Ihr Patient ausdrücklich in die Forderungsabtretung einwilligt. Von dem strikten Abtretungsverbot gab es bisher nur eine einzige Ausnahme. Wollte der Patient Ihre Rechnung nur deshalb nicht begleichen, weil Sie ihn nicht ausreichend über eine mögliche Ablehnung der Kostenübernahme durch den privaten Krankenversicherer hingewiesen haben237, dann hat er ausnahmsweise einen Anspruch gegen seinen Versicherer, dass dieser auf das Abtretungsverbot verzichtet.238 235 236
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Siehe dazu ausführlich im Abschnitt „Das Factoringmodell “ ab Seite 176. Wie eine Forderungsabtretung genau funktioniert erfahren Sie im Abschnitt „Der Abtretungsvertrag“ ab Seite 178. Siehe dazu im Abschnitt „Dokumentations- und Aufklärungspflicht auch im Forderungsmanagement?“ ab Seite 79. Siehe dazu die Entscheidung des LG Karlsruhe vom 15.07.2005 – 5 S 124/04.
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C. Gold Standard für ein erfolgreiches Forderungsmanagement
Macht der Patient eine Verletzung der wirtschaftlichen Aufklärungspflicht geltend, dann können Sie sich ausnahmsweise seinen Erstattungsanspruch gegen den Versicherer von ihm abtreten lassen. Dann müssen Sie sich bezüglich der Begleichung Ihres Honorars anschließend mit dem Versicherer auseinandersetzen. Von dem strikten Abtretungsverbot sind zudem diejenigen Krankenhausleistungen ausgenommen, für die der Versicherer seinem Versicherungsnehmer / Patienten einen Krankenhausausweis oder eine –Card ausgestellt hat, die eine direkte Abrechnung zwischen dem Krankenhaus und dem Versicherer ermöglicht. Die Novellierung des Versicherungsvertragsgesetzes, die zum 01.01.2008 in Kraft getreten ist, macht es jetzt allerdings möglich, dass Sie auch als niedergelassener Arzt eine Direktabrechnung mit dem privaten Krankenversicherer vornehmen können, vorausgesetzt, der Patient hat dies ausdrücklich mit seinem Versicherer gemäß § 192 Abs. 3 Nr. 5 VVG vereinbart239. 2.
Zahlungsanweisung statt Abtretung?
Eine Abtretung des Anspruchs gegen den Versicherer lässt also der Gesetzgeber nicht zu, ebenso wenig wird regelmäßig eine Direktabrechnung in Betracht kommen. Jetzt stellt sich die Frage, ob es darüber hinaus noch andere Möglichkeiten gibt, den Honoraranspruch für die ärztliche Leistung direkt beim Versicherer geltend zu machen. Eine Zahlungsanweisung wäre eine Alternative, die Ihnen in einem anderen Zusammenhang vertraut ist. Wenn Sie einen Scheck ausstellen und beispielsweise Ihrem Autohändler übergeben, um damit den Kaufpreis Ihres neuen Fahrzeuges zu begleichen, dann weisen Sie damit Ihre Bank an, dem Händler gegen Vorlage des Schecks den auf der Urkunde genannten Betrag zu zahlen.
Wenn wir dieses Prinzip nun auf das Dreieck Arzt – Patient – Krankenversicherer anwenden, dann benötigen Sie vom Patienten nichts anderes als eine Zahlungsanweisung, mit der er seinen Krankenversicherer ermächtigt, den von Ihnen in Rechnung gestellten Betrag direkt an Sie und nicht an den Patienten auszuzahlen. Der Text für die vom Patienten zu unterzeichnende Zahlungsanweisung kann beispielsweise lauten: Ich [Paul Patient] bin damit einverstanden, dass die Zahlung des Honorars für die durch [Dr. Max Mustermann] erbrachten ärztlichen / zahnärztlichen Leistungen direkt an den liquidationsberechtigten Arzt erfolgt. Datum Unterschrift [Paul Patient] 239
Welche Vor- und Nachteile hiermit verbunden sind, erfahren Sie im Abschnitt „Was ändert sich mit dem neuen Versicherungsvertragsgesetz?“ ab Seite 137.
VIII. Alternative Strategien oder Sackgasse?
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Eine Zahlungsanweisung hilft Ihnen freilich in den Fällen nicht weiter, in denen der Patient keinen Anspruch gegen seine Krankenversicherung hat, weil er aufgrund von Zahlungsschwierigkeiten seine Versicherungsprämie nicht mehr begleichen kann und dementsprechend keinen Versicherungsschutz mehr genießt. 3.
Pfändungsalternativen und Kuriositäten
a)
Die Pfändung von Erstattungsansprüchen des Patienten
Sofern Sie bereits einen Schritt weitergegangen sind und einen Vollstreckungsbescheid oder ein Urteil gegen Ihren Patienten erwirkt haben, dann möchten Sie zumindest im Wege der Zwangsvollstreckung endlich zu Ihrem Geld kommen. Auch unter diesem Gesichtspunkt scheint der Anspruch des Patienten gegen seinen Versicherer ein erfolgversprechendes Mittel zu sein, denn schließlich ist der Versicherer eher liquide als der säumige Patient. Die auf den ersten Blick gute Idee hat wieder einmal einen Haken: Gemäß § 850 b Abs. 1 Nr. 4 ZPO gelten unter anderem Ansprüche des Versicherten gegen private Krankenversicherer grundsätzlich als unpfändbar. Solche Ansprüche unterliegen nur dann der Pfändung, wenn eine Zwangsvollstreckung in das übrige Vermögen des Patienten nicht zum Erfolg führt, Sie also leer ausgehen und die Pfändung zudem nach den Umständen des Falles der Billigkeit entspricht. Die Pfändung kann ausnahmsweise zulässig sein, wenn Ihr Patient die Honorarnote nicht beglichen, der Versicherer ihm bereits den Rechnungsbetrag erstattet und er gleichzeitig bei Kollegen eine Reihe offene Rechnungen hat. Doch die ausnahmsweise zulässige Pfändung unterliegt einer erheblichen Einschränkung, die gleich wieder alles zunichte macht. In einem solchen Fall können Sie nämlich nur diejenigen Erstattungsansprüche des Patienten aus den Behandlungen pfänden, die Sie erst künftig erbringen werden. Mit anderen Worten: Sie müssten den Patienten erneut behandeln, damit ein neuer Erstattungsanspruch entsteht, den Sie dann letztendlich pfänden könnten, um endlich Ihren Anspruch aus der alten Rechnung durchsetzen zu können! b)
Helfen gesetzliche Pfandrechte weiter?
Vielen Gläubigern steht ein weiteres Sicherungsinstrument zur Verfügung, welches vor Forderungsausfällen schützt: das gesetzliche Pfandrecht an einer Sache. Pfandrechte dienen deshalb zur Sicherung einer Forderung, weil der Gläubiger im Falle eines Forderungsausfalls berechtigt ist, sich aus dem Verwertungserlös der Pfandsache zu befriedigen. ⓦ
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Wer sein Auto in die Werkstatt zur Reparatur bringt und anschließend die Rechnung nicht begleicht, der muss mit der Geltendmachung des gesetzlichen Pfandrechts durch den KFZ-Meister als Werkunternehmer rechnen. Er kann es daher veräußern, wenn der Eigentümer trotz Aufforderung die Rechnung nicht bezahlt und sich durch den Verwertungserlös befriedigen. Haben Sie eine Eigentumswohnung oder ein Haus vermietet und der Mieter zahlt die Miete nicht, dann können Sie ein Pfandrecht an den in der Mietsache befindlichen
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pfändbaren Gegenständen begründen und diese verwerten, um die Mietrückstände damit auszugleichen. Wer abends in die Kneipe geht und spät nach Mitternacht seine Zeche nicht bezahlen kann, muss damit rechnen, dass der Gastwirt ein Pfandrecht an den vom illiquiden Gast mitgebrachten Sachen begründet. Er kann daher die teure Lederjacke genauso zurückbehalten wie die wertvolle Markenuhr des zahlungsunfähigen Gastes.
Die Liste ließ sich noch um etliche Punkte erweitern. Für einen Arzt, der fast ausschließlich Dienstleistungen erbringt, sieht die Sache schon anders aus. Nur ausnahmsweise werden Sie Gegenstände in der Hand haben, die als Pfand zur Verwertung geeignet sind. Bei einer Brille oder Kontaktlinsen, die ein Facharzt für Augenheilkunde an den Patienten veräußert, oder bei einer Zahnprothese, die ein Zahnarzt anpasst, könnte man auf die Idee kommen, sie als „Pfand“ zurückzubehalten. Selbst wenn man das Einbehalten unter Anwendung pfandrechtlicher Regeln als zulässig betrachten würde, was hier ausdrücklich dahingestellt bleiben mag, ist es unter berufsrechtlichen Aspekten nicht vertretbar.240 Dass Ärzte in anderen Ländern das „Zurückbehaltungsrecht“ etwas großzügiger auslegen als dies hierzulande der Fall ist, zeigen zwei Meldungen, die kurz hintereinander in der Presse veröffentlicht wurden: „Jakarta – Eine Klinik in Indonesien behält laut einem Zeitungsbericht seit Wochen ein Neugeborenes als Pfand ein, weil die Eltern die Rechnung für die Entbindung nicht zahlen können. …. Das Krankenhaus … habe deshalb die Mutter ohne ihr Kind nach Hause geschickt. … Die Klinik bestätigte gegenüber der „Jakarta Post“, dass die Eltern das Kind erst nach Zahlung der offenen Rechnung mitnehmen könnten. …“.241 Ähnliches wird von einem serbischen Krankenhaus berichtet.242 An dieser Stelle brauchen wir nicht allzu viele Worte darüber zu verlieren, dass weder unsere pfandrechtlichen Vorschriften noch das ärztliche Standesrecht einem solchen Ansinnen standhalten würde. Sie müssen sich deshalb damit abfinden, dass Ihnen die pfandrechtlichen Sicherungsinstrumente, die vielen anderen Unternehmern zur Absicherung im Falle eines Forderungsausfalls zur Verfügung stehen, leider verwehrt bleiben. 4.
Ist eine Strafanzeige ein wirksames Instrument zur Forderungsbeitreibung?
Auch solche Fälle kennen Sie als Arzt oder Zahnarzt inzwischen: Die Behandlung ist gerade abgeschlossen und die Rechnung kommt mit dem Vermerk „unbekannt verzogen“ zurück. Trotz intensiver Recherchen bleibt der säumige Patient verschwunden. Ist ein hoher Rechnungsbetrag offen, dann werden Sie hin und wieder 240
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Siehe dazu auch die Entscheidung des Bez BG ZÄ Mannheim, Urteil vom 13.10.1973 – BG 3/73. Meldung laut „net-tribune“ vom 25.01.2007 Ärzte Zeitung vom 12.02.2007.
VIII. Alternative Strategien oder Sackgasse?
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schon einmal mit dem Gedanken gespielt haben, gegen den verschwundenen Patienten eine Strafanzeige zu erstatten. Um es gleich vorwegzunehmen: Allein die Tatsache, dass ein Patient seine Rechnung nicht begleicht, ist für sich gesehen noch nicht strafbar. Um bewerten zu können, unter welchen Voraussetzungen ein strafbares Handeln vorliegen könnte, müssen wir uns zunächst mit den in Frage kommenden Straftatbeständen etwas näher beschäftigen. Zum Tatbestand eines Betruges im Sinne des § 263 StGB gehört es, dass sich der Täter durch eine Täuschungshandlung gegenüber seinem Opfer einen Vermögensvorteil verschafft. Wenn der Patient Ihre umfangreiche ärztliche Leistung in Anspruch nimmt, anschließend das Geld für das von Ihnen in Rechnung gestellte Honorar von seinem Krankenversicherer kassiert und Ihre Rechnung dennoch nicht bezahlt, dann ist das zwar ärgerlich, reicht aber für die Erfüllung des Betrugstatbestandes nicht aus. Zwar hat sich der Patient einen Vermögensvorteil verschafft, weil er den Betrag von seinem Versicherer erhalten, aber nicht an Sie weitergeleitet hat. Allerdings ist der Patient nicht verpflichtet, den vom Versicherer erstatteten Betrag an den behandelnden Arzt auszukehren. Es ist daher völlig unerheblich, was er mit dem Geld macht. Selbst gegenüber dem Versicherer macht er sich nicht strafbar, weil ihm der Betrag aus dem geschlossenen Versicherungsvertrag schließlich zusteht. Zudem fehlt es an einer Täuschungshandlung beim Abschluss des Behandlungsvertrages. Eine Verurteilung aufgrund eines Betruges käme deshalb nur dann in Betracht, wenn dem Patienten nachgewiesen werden kann, dass er bereits bei Beginn einer Behandlung entweder zahlungsunwillig oder -unfähig war. Unterzieht sich eine Patientin beispielsweise einer umfangreichen und kostspieligen Schönheitsoperation, für die keine medizinische Indikation vorliegt, obwohl sie kurz zuvor aufgrund ihrer bereits seit Längerem bestehenden Zahlungsunfähigkeit die eidesstattliche Versicherung abgegeben hat, dann sind die Tatbestandsvoraussetzungen für einen Betrug durchaus erfüllt.
Ob tatsächlich solche Anhaltspunkte für den Tatbestand eines Betruges bestehen, können Sie relativ einfach durch einen Blick in das Schuldnerverzeichnis klären. Dort werden nämlich vom zuständigen Amtsgericht all diejenigen Personen eingetragen, die eine eidesstattliche Versicherung abgegeben haben. Zuständig ist das Amtsgericht als Vollstreckungsgericht am Wohnort des Schuldners. Das Schuldnerverzeichnis ist öffentlich, d. h., Sie können eine Auskunft verlangen, sofern Sie darlegen können, dass Sie die Informationen beispielsweise für eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme oder die Verfolgung einer Straftat benötigen. Um eine Auskunft über die betreffende Person zu erhalten, benötigen Sie ⓦ
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den Namen, bei Geschiedenen und Verwitweten sind auch vorangegangene Namen hilfreich den Vornamen und soweit dies möglich ist, alle übrigen Vornamen, sowie einen vom Vornamen abweichenden Rufnamen (z. B. Bärbel statt Barbara) die vollständige Anschrift und ggf. vorhandene alte Anschriften das Geburtsdatum.
Sie können lediglich in Erfahrung bringen, ob und wann die betreffende Person die eidesstattliche Versicherung abgegeben hat. Eine Abschrift aus dem Schuldnerver-
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zeichnis erhalten Sie nur, wenn Sie bereits einen vollstreckbaren Titel in Händen halten. Das wird in diesem Ermittlungsstadium in der Regel nicht der Fall sein. Eine Bestrafung aufgrund einer Untreue im Sinne des § 266 StGB scheitert dagegen daran, dass es an einer für den Tatbestand erforderlichen Verfügung über fremdes Vermögen fehlt. Wenn der Patient den Erstattungsbetrag vom Krankenversicherer nämlich dazu benutzt, um andere finanzielle Löcher zu stopfen, dann verfügt er über sein eigenes Geld, wie wir schon gesehen haben. Gleiches gilt für die Unterschlagung im Sinne des § 246 StGB. 5.
Black List und andere Informationen
„Schwarze Listen“ oder „Black Lists“ gibt es für nahezu jeden Zweck. Airlines mit Flugzeugen in fragwürdigem technischen Zustand werden genauso aufgelistet, wie der ganz gewöhnliche Schuldner, der bereits auf einem Schuldenberg sitzt, aber weiter fleißig konsumiert. Häufig erfahren Unternehmer erst dann von dem schwarzen Schaf unter ihren Kunden, wenn die Zahlungen ausbleiben und mit Ernüchterung festgestellt werden muss, dass der Kunde längst pleite ist. Nicht selten erfahren Sie von einem Kollegen, dass sich Ihr säumiger Patient nun bei ihm in Behandlung begeben hat. Deshalb könnte man dem Vorbild anderer Branchen folgend, über die Erstellung einer „Black List“ nachdenken, in welche die „schwarzen Schafe“ unter den Patienten zur Warnung anderer Kollegen eingetragen werden. Wie wir gesehen haben, unterliegt schon allein die Tatsache, dass ein Patient einen Arzt / Zahnarzt aufgesucht hat, der ärztlichen Schweigepflicht. Erst recht gehört der Name des Patienten zu den geschützten Rechtsgütern. Deshalb verstößt auch ganz unabhängig vom Erstellen einer „Black List“ selbst der freundschaftliche Hinweis an Kollegen gegen die ärztliche Schweigepflicht.
IX. Mein Patient hat ein Insolvenzverfahren eingeleitet – was ist jetzt zu tun? 1.
Der Verfahrensablauf
Während in der Vergangenheit nur zahlungsunfähigen Unternehmen der Weg in ein umfangreiches Konkurs- oder Vergleichsverfahren offen stand, können seit 1999 auch Privatpersonen oder ehemals Selbstständige unter bestimmten Voraussetzungen Insolvenz anmelden. Die sogenannte Verbraucherinsolvenz ist eine vereinfachte Form des Insolvenzverfahrens und folgt daher etwas anderen Regeln als das Verfahren, an dem ein Unternehmen beteiligt ist. Ziel des Verfahrens ist es, dem Schuldner, der trotz intensiven Bemühens wirtschaftlich gescheitert ist, einen Neuanfang zu ermöglichen. Der Anteil an Privatinsolvenzen macht mittlerweile rund 60 % aller Insolvenzfälle aus. Angesichts des hohen Anteils überschuldeter Haushalte ist mit ei-
IX. Mein Patient hat ein Insolvenzverfahren eingeleitet – was ist jetzt zu tun?
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ner weiter steigenden Tendenz zu rechnen. In Zahlen ausgedrückt bedeutet das, dass insgesamt 92.310 Privatpersonen innerhalb des Jahres 2006 einen Antrag auf ein vereinfachtes Insolvenzverfahren gestellt haben, d. h., durchschnittlich entfallen 112 Insolvenzen auf 100.000 Einwohner, wobei die Zahlen von Bundesland zu Bundesland stark schwanken.243 Es ist daher nur eine Frage der Zeit, wann einer Ihrer Patienten, gegen den Sie noch eine Forderung haben, ein Insolvenzverfahren einleitet. Dem Verbraucherinsolvenzverfahren ist ein außergerichtlicher Einigungsversuch mit den Gläubigern vorgeschaltet. Der Schuldner muss sich zunächst einmal ernsthaft bemühen, mit seinen Gläubigern eine außergerichtliche Einigung herbeizuführen. Ihr Patient wird Ihnen hierzu ein konkretes Zahlungsangebot mit fixen Zahlungsterminen vorschlagen. Die Summe der angebotenen Raten- oder Teilzahlungen wird weit unter der derzeit noch offenen Forderung liegen, die Ihnen der Patient noch schuldet. Das liegt auf der Hand. Wenn dem Schuldner die finanziellen Mittel zur Verfügung stünden, um allen seinen Verbindlichkeiten nachzukommen, dann bräuchte er das Insolvenzverfahren schließlich nicht in die Wege zu leiten. In diesem Verfahrensstadium macht es auch keinen Sinn mehr, über die Höhe der zu erbringenden Ratenzahlungen zu verhandeln. Die Quote, die auf den einzelnen Gläubiger entfällt, wird nämlich immer nach dem gleichen Schema ermittelt. Dazu werden sämtliche Forderungen aufgelistet. Die Gesamtsumme entspricht 100 Prozent der Forderungen und jetzt lässt sich leicht feststellen, welchen Prozentsatz jede Einzelforderung gemessen an der Gesamtsumme ausmacht. Damit ist gleichzeitig festgelegt, welchen Anteil Sie aus dem „Topf“ der zur Verfügung stehenden Mittel bekommen. Jetzt wissen Sie freilich noch nicht, wie groß der „Topf“ ist. Damit Sie nun beurteilen können, ob das Angebot des Schuldners realistisch ist, muss er Ihnen seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse offen legen. Auf der Basis dieser Angaben können Sie nun entscheiden, ob Sie das Angebot des Patienten im Rahmen seiner Möglichkeiten die versprochenen Zahlungen zu leisten, annehmen oder nicht. Ein „Null-Plan“, also ein Plan, bei dem es nichts zu verteilen gibt, weil der Schuldner weder über Einkommen noch über Vermögen verfügt, ist allerdings keine Seltenheit. Da Schuldner häufig bei 10 bis 50 verschiedenen Gläubigern Verbindlichkeiten haben, ist die Wahrscheinlichkeit relativ groß, dass ein oder gar mehrere Gläubiger bei der außergerichtlichen Einigung nicht mitziehen und in der Zwischenzeit Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einleiten. Das außergerichtliche Einigungsverfahren gilt dann als gescheitert, auch wenn Sie sich mit dem Zahlungsplan einverstanden erklärt haben. Ist die außergerichtliche Einigung gescheitert, dann kann der zahlungsunfähige Patient, unter Nachweis des erfolglosen Versuchs, beim zuständigen Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragen. Jetzt fängt das Ganze von vorne an. Denn mit dem Eröffnungsantrag muss der Schuldner einen Schuldenbereinigungsplan vorlegen, in dem er wiederum darlegt, in welcher Höhe und innerhalb welchen Zeitraums er seine Verbindlichkeiten begleichen will.
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Angele, Insolvenzen 2006, Statistisches Bundesamt, Wirtschaft und Statistik 4/2007, S. 352 ff, S. 360.
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C. Gold Standard für ein erfolgreiches Forderungsmanagement
Sofern der Patient die offene Forderung aus dem Behandlungsvertrag ordnungsgemäß in den Schuldenbereinigungsplan aufgenommen hat, erhalten Sie in jedem Fall die Gelegenheit, zum Zahlungsvorschlag des Schuldners Stellung zu nehmen. Wenn die Angaben zur Forderung im Schuldenbereinigungsplan korrekt sind und Sie mit dem angebotenen Betrag einverstanden sind, müssen Sie nicht unbedingt eine Stellungnahme abgeben. Ihr Schweigen gilt in diesem Fall als Zustimmung. Sind Sie hingegen mit dem Vorschlag nicht einverstanden, weil Sie zum Beispiel der Ansicht sind, dass der Schuldner durchaus einer Ganztagsbeschäftigung nachgehen könnte, statt nur einen „Minijob“ auszuüben, dann müssen Sie das unmissverständlich zum Ausdruck bringen. Lehnen Sie gemeinsam mit der Mehrheit der Gläubiger den Plan ab, dann gilt dieser als gescheitert. Stimmt hingegen die Mehrheit der Gläubiger (Kopf- und Summenmehrheit) dem Schuldenbereinigungsplan zu, dann haben Sie als einzelner Gläubiger schlechte Karten, den gesamten Plan zu Fall zu bringen. Die Insolvenzordnung lässt es nämlich nur in den wenigen, im Gesetz ausdrücklich aufgeführten Fällen zu, dass eine Minderheit von Gläubigern den Schuldenbereinigungsplan verhindert. Wird der Schuldenbereinigungsplan schließlich von der Mehrheit der Gläubiger angenommen, dann entfaltet er die gleiche Wirkung wie ein gerichtlicher Vergleich. Ihr säumiger Patient muss jetzt nicht mehr den ursprünglich von Ihnen in Rechnung gestellten Betrag für die Behandlung bezahlen, sondern nur noch den gemäß Schuldenbereinigungsplan gekürzten Beitrag zur Schuldentilgung leisten. Kommt er wider Erwarten seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nach, dann können Sie aus diesem Schuldenbereinigungsplan gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung betreiben. Scheitern dagegen die Einigungsbemühungen, dann wird das vereinfachte Insolvenzverfahren eröffnet. Ein vom Gericht eingesetzter Treuhänder verwertet das pfändbare Vermögen des Schuldners. Nach Abzug der Verfahrenskosten wird der Erlös an die Gläubiger verteilt. Das Insolvenzgericht macht gleichzeitig die Durchführung des Verfahrens öffentlich bekannt. Die Veröffentlichungen können Sie heute bequem über das Internet unter www.insolvenzbekanntmachungen.de abrufen. Falls der Schuldner den Überblick über seine Forderungen verloren und er es deshalb versäumt hat, Ihre Forderung in dem Plan aufzunehmen, dann haben Sie jetzt noch die Möglichkeit, dem Verfahren beizutreten. Diese Chance sollten Sie in keinem Fall ungenutzt lassen, weil eine Forderung, die im Insolvenzverfahren nicht zur Anmeldung gelangt ist, von der quotenmäßigen Befriedigung nicht erfasst werden kann. Sie würden in diesem Fall leer ausgehen. Auf Antrag des Schuldners wird ihm schließlich die sogenannte Restschuldbefreiung erteilt. Damit ist er zwar seine Schulden nicht los, aber Sie können Ihre Forderung nach Erteilung der Restschuldbefreiung nicht mehr gegen ihn durchsetzen, wie dies auch bei der Verjährung einer Forderung der Fall ist. Die Restschuldbefreiung ist freilich an eine Reihe von Voraussetzungen geknüpft. Der Schuldner muss während einer insgesamt sechs Jahre währenden „Wohlverhaltensphase“ sein gesamtes
IX. Mein Patient hat ein Insolvenzverfahren eingeleitet – was ist jetzt zu tun?
135
pfändbares Einkommen an einen Treuhänder abliefern, der es dann an die Gläubiger verteilt. Um diesen Auflagen nachzukommen, obliegen ihm gewisse Mitwirkungsverpflichtungen. So muss er beispielsweise einer angemessenen Erwerbstätigkeit nachkommen. Wer arbeitslos ist, muss sich zumindest um einen Arbeitsplatz bemühen und darf dabei nicht wählerisch sein. Spätestens im Schlusstermin müssen Sie als Gläubiger allerdings diejenigen Gründe vorbringen, die zu einer Versagung der Restschuldbefreiung führen können. Schließlich soll nur der redliche Schuldner von der Schuld befreienden Wirkung dieses Verfahrens profitieren. Im Fokus steht dabei das Schuldnerverhalten vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens als auch während des gerichtlichen Verfahrens. Doch nicht jedes Fehlverhalten hat gleich Konsequenzen. Der Gesetzgeber hat klar geregelt, welche Verstöße zu einer Versagung der Restschuldbefreiung führen. Die Aufzählung dieser Gründe ist gleichzeitig abschließend. Selbst wenn Sie als Gläubiger das Verhalten Ihres Schuldners „haarsträubend“ finden, bleibt es ohne Konsequenzen, wenn es nicht ausdrücklich nach der im Katalog des § 290 InsO enthalten Aufzählung zu sanktionieren ist. Liegt ein Versagungsgrund für die Restschuldbefreiung vor, dann hat das Gericht keine Wahl: Es muss dem Schuldner die Restschuldbefreiung durch Beschluss versagen, was gravierende Folgen für ihn hat. Will er nämlich binnen einer Frist von 10 Jahren ein neues Insolvenzverfahren einleiten, dann haben Sie als Insolvenzgläubiger die Möglichkeit, aufgrund dieses „alten“ Versagungsgrundes erneut die Versagung der Restschuldbefreiung zu beantragen. Den Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung müssen Sie als Insolvenzgläubiger stellen! Derzeit gibt es nämlich keine Versagung „von Amts wegen“. Selbst dem Treuhänder steht nur in einem einzigen Ausnahmefall ein Antragsrecht zu. Selbst wenn ihm handfeste Hinweise für einen Versagungsgrund vorliegen, sind ihm die Hände gebunden. Zu den typischen Versagungsgründen gehört übrigens ein Wohnsitz- oder Arbeitgeberwechsel ohne Information des Treuhänders. Der Schuldner verletzt damit seine Mitwirkungspflichten im Sinne des § 295 Abs. 1 Nr. 3 und 4 InsO. Zu dem redlichen Verhalten während der Wohlverhaltensperiode gehört es genauso, dass der Schuldner weder Teile seines Vermögens verschweigt und dem Treuhänder Auskunft über seine monatlichen Bezüge erteilt. Grundsätzlich sind nach Erteilung der Restschuldbefreiung sowohl sämtliche angemeldeten als auch die nicht angemeldeten Forderungen nicht mehr durchsetzbar, selbst wenn Sie die Forderung ganz unverschuldet nicht angemeldet haben. Als Gläubiger, dessen Forderung vom Schuldner erst gar nicht angegeben wurde, haben Sie möglicherweise noch eine Chance das Wirksamwerden der Einrede zu verhindern, wenn die Voraussetzungen für die Versagung der Restschuldbefreiung aufgrund falscher oder unrichtiger Angaben im Sinne des § 305 InsO vorliegen. Das muss in jedem Einzelfall geprüft werden.
136
2.
C. Gold Standard für ein erfolgreiches Forderungsmanagement
Außer Spesen nichts gewesen?
Sie werden sich nun fragen, ob Sie jetzt endlich mit einer Zahlung rechnen können. Die Chancen, dass Sie wenigstens zu einem Teil Ihres Geldes kommen, stehen nicht besonders gut. In rund 80 % aller Verbraucherinsolvenzverfahren sind die Schuldner nämlich völlig mittellos und können weder einen Teilbetrag an die Gläubiger zahlen, noch sind sie in der Lage, die Verfahrenskosten zu tragen. Der ursprüngliche Gedanke des Insolvenzverfahrens, pfändbares Einkommen an den Schuldner zu verteilen, geht daher in den meisten Fällen ins Leere. Das ist auch der Grund, weshalb das erst vor wenigen Jahren in Kraft getretene Insolvenzrecht bereits reformiert werden soll, um in erster Linie Verfahrenskosten zu sparen. Das ändert freilich nichts an der Tatsache, dass Sie Formulare ausgefüllt, korrespondiert haben und die Schuldnerakte inzwischen immer dicker wird, Sie aber im schlimmsten Fall am Ende leer ausgehen werden. Selbst wenn eine Quote auf die Gläubiger entfällt, sollten Sie sich keine allzu großen Hoffnungen machen. Um den Aufwand möglichst gering zu halten, werden die Zahlungen an die Gläubiger nur einmal im Jahr ausgeschüttet. Ich habe selbst sehr viele Verfahren auf der Gläubigerseite abgewickelt, in denen sich die jährlich auf die Forderung entfallende Quote im Cent-Bereich bewegte. Überlegen Sie daher gut, ob Sie sich als Gläubiger an einem Verbraucherinsolvenzverfahren beteiligen. Unter wirtschaftlichen Erwägungen kann es durchaus sinnvoll sein, bei einem geringen Rechnungsbetrag auf die Forderung zu verzichten, statt über mehrere Jahre hinweg als Gläubiger an dem Verfahren teilzunehmen, den Zahlungseingang zu überwachen und zu buchen. Die Einschaltung eines Rechtsanwaltes verursacht zusätzliche Kosten, die in den meisten Fällen in keinem Verhältnis zu den zu erwartenden Beträgen stehen. In dem stark formalisierten Verfahren kann eine anwaltliche Tätigkeit ausnahmsweise sinnvoll sein, wenn konkrete Anhaltspunkte für die Versagung einer Restschuldbefreiung vorliegen.
3.
Erst die Leistung erschleichen und dann eine Restschuldbefreiung?
Wie stets gibt es auch von der gerade aufgestellten Regel wieder einmal eine Ausnahme. Als Gläubiger Stellung zum vorgelegten Schuldenbereinigungsplan zu nehmen, macht durchaus dann Sinn, wenn sich der Schuldner die ärztlichen Leistungen auf unredliche Art und Weise verschafft hat.244 Diese Schuldner können sich nicht sicher sein, ob sie nach Ablauf der Wohlverhaltensperiode auch tatsächlich von der Restschuldbefreiung profitieren. Denn diese kann ihnen, wie oben bereits darge244
Unter welchen Voraussetzungen dies der Fall sein kann und welche Straftatbestände in Betracht kommen, zeigt Ihnen der Abschnitt „Ist eine Strafanzeige ein wirksames Instrument zur Forderungsbeitreibung?“ ab Seite 127.
X. Was ändert sich mit dem neuen Versicherungsvertragsgesetz?
137
stellt, unter bestimmten Voraussetzungen vom Vollstreckungsgericht versagt werden. Bei der Erteilung einer Restschuldbefreiung werden nämlich nicht alle Forderungen umfasst. Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung werden davon nicht berührt, sofern Sie als Gläubiger die entsprechende Forderung unter Angabe dieses Grundes gemäß § 174 Abs. 2 InsO angemeldet haben. Als vorsätzlich unerlaubte Handlung im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB kommt beispielsweise ein Straftatbestand wie Betrug in Betracht. Gibt es handfeste Anhaltspunkte dafür, dass sich Ihr Patient die ärztlichen Leistungen auf unredliche Weise erschlichen hat, dann sollten Sie in einem solchen Fall den außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplan ablehnen und nach der Verfahrenseröffnung Ihr ausstehendes Honorar als „Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung“ nach § 174 InsO zur Tabelle anmelden. Fügen Sie auch die Unterlagen bei, aus der sich die unredliche Handlungsweise ergibt, also beispielsweise den Behandlungsvertrag mit dem Hinweis auf eine vorangegangene eidesstattliche Versicherung, die der Patient abgegeben hat. Sofern Sie als Gläubiger eine Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung im Insolvenzverfahren anmelden, müssen Sie damit rechnen, dass sich der Schuldner zunächst mit einem Widerspruch und schließlich mit einer Klage zur Feststellung der Forderung gemäß § 184 InsO zur Wehr setzt. Schließlich hat er ein Interesse daran, auch für diese Forderung die Restschuldbefreiung zu erlangen! Sollte die Forderung hingegen unbestritten und unwidersprochen als sogenannte deliktische Forderung in der Tabelle festgestellt worden sein, dann gilt die Tabelle als Vollstreckungstitel und der verjährt frühestens in 30 Jahren.
X.
Was ändert sich mit dem neuen Versicherungsvertragsgesetz?
Von den zahlreichen Gesetzesänderungen, die in jüngster Zeit in Kraft getreten sind, haben viele, wie zum Beispiel das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz, unmittelbaren Einfluss auf Ihre berufliche Tätigkeit. Selbst die zum 01.01.2008 in Kraft getretene Reform des Versicherungsvertragsgesetzes245 wird weitere Veränderungen nach sich ziehen. Beim Gesetzesentwurf stand für die Unabhängige Expertenkommission der Gedanke im Vordergrund, den privaten Krankenversicherern eine rechtliche Handhabe zu geben, um die Kostenentwicklung besser steuern zu können, als dies bisher möglich war. Deshalb sind vor allen Dingen die Regelungen bezüglich der vertragstypischen Leistungen des Versicherers in wesentlichen Punkten überarbeitet worden.
245
BT-Drucks. 16/3945 vom 20.12.2006.
138
C. Gold Standard für ein erfolgreiches Forderungsmanagement
So sah der Entwurf des § 192 Abs. 2 VVG zunächst vor, dass der private Krankenversicherer dann nicht zur Leistung an die versicherte Person verpflichtet sein soll, wenn „die Aufwendungen für die Heilbehandlung in einem unangemessenen Verhältnis zu den erbrachten Leistungen stehen“. Zwar ist diese Formulierung neu, der Inhalt der Regelung hätte jedoch im Wesentlichen den aktuellen Stand der Rechtsprechung widergegeben. Rechtsprechung und Literatur hielten es über einen langen Zeitraum für zulässig, den in Rechnung gestellten überhöhten Preis für eine ärztliche Leistung auf einen angemessenen Betrag zu kürzen. Der Bundesgerichtshof setzte mit einer Entscheidung246 im Jahr 2003 dieser Rechtsprechung aus formalen Gründen ein Ende. Die Richter begründeten ihre Auffassung damit, dass sich aus den Musterbedingungen der Versicherer kein Recht zur Kürzung des Rechnungsbetrages herleiten ließe. Mit dem Referentenentwurf zu § 192 Abs. 2 VVG versuchte man zunächst, den Zustand vor Änderung der Rechtsprechung durch den Bundesgerichtshof wieder herzustellen. Diesem Vorschlag ist der Gesetzgeber jedoch nicht gefolgt. Stattdessen hat er auf die jüngste Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2003 zurückgegriffen und stellt in der endgültigen Formulierung des § 192 Abs. 2 VVG auf das „auffällige Missverhältnis“ zwischen Preis und Leistung ab. Diese Formulierung entspricht letztendlich dem Wuchertatbestand des § 138 Abs. 2 BGB und ist damit nichts Neues. Die Neuregelung bedeutet daher keine Veränderung gegenüber der bestehenden Rechtslage. Mit diesem Argument will der Gesetzgeber diesen Absatz, wie die übrigen Regelungen bezüglich der Krankenversicherung, selbst auf Altverträge im Sinne des Artikels 1 Abs. 1 EGVVG anwenden. Neu hingegen ist die Vorschrift des § 192 Abs. 3 VVG. Sie wird künftig Serviceund Beratungsleistungen des Versicherers regeln, die der Versicherer im Zusammenhang mit seiner Versicherungsleistung erbringt. Während bisher nur im Rahmen der stationären Behandlung eine direkte Abrechnung zwischen der Klinik bzw. dem Krankenhaus und dem Versicherer möglich war, eröffnet der Punkt 5 in § 192 Abs. 3 VVG nun auch die Möglichkeit zwischen niedergelassenem Arzt / Zahnarzt und Versicherer direkt abzurechnen. Das klingt auf den ersten Blick ganz positiv, denn ein finanzkräftiger Versicherer als Schuldner ist doch wesentlich besser als die Privatperson, um deren Liquidität es möglicherweise nicht gut bestellt ist. Doch die Medaille hat wie immer zwei Seiten. Sie könnten Ihren Patienten auf diese Regelung aufmerksam machen und bei ihm nachfragen, ob er mit seinem Versicherer diese Klausel vereinbart hat. Wenn dem so ist, dann haben Sie mit dem privaten Krankenversicherer zwar einen liquiden Vertragspartner, aber gleichzeitig auch einen, der Ihre Rechnungen bis ins kleinste Detail hin überprüfen und hinterfragen wird. In einer gerichtlichen oder auch außergerichtlichen Auseinandersetzung werden Sie vermutlich den „Kürzeren ziehen“. Bleibt hingegen Ihr Patient zur Zahlung verpflichtet, dann muss er im Falle einer Auseinandersetzung mit seinem Versicherer Ihre Rechnung unabhängig davon in jedem Fall begleichen. 246
BGH, Urteil vom 12.03.2003 – IV ZR 278/01.
X. Was ändert sich mit dem neuen Versicherungsvertragsgesetz?
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Durch die Reform soll dem Versicherungsnehmer zudem eine Unterstützung durch den Versicherer gewährt werden können, wenn es darum geht, vermeintlich unberechtigte Honorarforderungen oder unangemessener Entgeltansprüche zu klären. Diese Regelung betrifft zwar ausschließlich das Verhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer. Aber wie wird ein Patient reagieren, dem der Versicherer klar zu verstehen gibt, dass die vorgelegte Arztrechnung nach seiner Ansicht unangemessen ist? Im besten Fall wird er den gekürzten Betrag überweisen. Eine Auseinandersetzung um das Honorar ist damit vorprogrammiert. Einige Verrechnungsstellen haben zu diesem Zweck bereits einen neuen Service ins Leben gerufen. Betroffenen Ärzten und Zahnärzten soll durch eine rechtliche Beurteilung der in Rechnung gestellten Positionen Unterstützung bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche gewährt werden. Wer letztendlich als der Stärkere in der Auseinandersetzung über die Höhe des ärztlichen Honorars hervorgeht, wird erst die Umsetzung der Reformvorschriften zeigen. Die Vorschrift des § 194 Abs. 3 VVG ist ebenfalls neu, regelt aber bis auf eine Ergänzung im Wesentlichen bereits Bekanntes. Der Verweis auf § 86 VVG, der entsprechend der alten Regelung in § 67 VVG den gesetzlichen Übergang eines Ersatzanspruches vom Versicherungsnehmer auf den Versicherer regelt, gilt grundsätzlich auch für die Krankenversicherung. Da der Inhalt des § 86 VVG nicht auf den Rückzahlungsanspruch überhöhter Entgelte anwendbar ist, bedarf es einer ausdrücklichen Regelung hinsichtlich der Bereicherungsansprüche eines Versicherungsnehmers.
I. Wozu braucht man einen (Vollstreckungs-)Titel?
141
D. Die gerichtliche Geltendmachung – die letzte Chance zur Einigung?
I.
Wozu braucht man einen (Vollstreckungs-)Titel?
Einen Vollstreckungstitel benötigen Sie, um die Zwangsvollstreckung gegen einen Schuldner betreiben zu können. Während Sie bisher die außergerichtliche Forderungsbeitreibung in „Eigenregie“ durchgeführt haben, nehmen Sie im Rahmen von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen staatliche Hilfe zur Durchsetzung Ihrer Honorarforderung gegen den säumigen Patienten in Anspruch. Da eine Zwangsvollstreckung mit erheblichen Eingriffen in die Rechte des Schuldners verknüpft ist, bedarf es strenger Regeln, um das Verfahren in Gang zu setzen. Die wichtigste Voraussetzung für eine Zwangsvollstreckung ist das Vorliegen eines Vollstreckungstitels. Das ist letztendlich nichts anderes als ein Stück Papier in Form einer öffentlich verkörperte Urkunde, aus der für jeden ersichtlich hervorgeht, dass Ihnen ein ganz bestimmter (Zahlungs-)Anspruch gegen die in der Urkunde namentlich genannte Person zusteht. Das kann ein Urteil sein, das Sie im Rahmen eines Zivilprozesses gegen den säumigen Patienten erlangt haben oder beispielsweise ein Vollstreckungsbescheid. Die Zivilprozessordnung kennt darüber hinaus eine ganze Reihe weiterer Urkunden247, aus denen unter bestimmten Voraussetzungen die Zwangsvollstreckung in die Wege geleitet werden kann. Die Urkunde alleine reicht nicht aus, um die Zwangsvollstreckung betreiben zu können. Sie muss – mit Ausnahme des Vollstreckungsbescheides – eine Vollstreckungsklausel enthalten. Auf einem Urteil finden Sie beispielsweise den vom zuständigen Rechtspfleger hinzugefügten Satz: „Die vorstehende Ausfertigung wird zum Zwecke der Zwangsvollstreckung erteilt“.
Im Umkehrschluss bedeutet das, dass Sie mit einer Ausfertigung des Urteils auf dem die Vollstreckungsklausel (noch) fehlt, die Zwangsvollstreckung nicht in Gang setzen können. Dann bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als bei dem Gericht, welches das Urteil erlassen hat, die Erteilung der Vollstreckungsklausel zu beantragen. Bei anderen Vollstreckungstiteln ist jeweils die Stelle für die Erteilung der Klausel zuständig, welche die Urkunde erlassen hat. Jetzt sind Sie noch immer nicht am Ziel. Der Vollstreckungstitel muss nämlich dem Schuldner noch in einem förmlichen Verfahren zugestellt werden. Immer wieder wird die Frage aufgeworfen, ob die Erwirkung eines Vollstreckungstitels, die zudem mit einigen Kosten verbunden ist, überhaupt sinnvoll ist. Schließlich hilft Ihnen ein Stück Papier, das Sie im Ordner abheften können, nicht 247
Dazu gehört unter anderem das notarielle Schuldanerkenntnis oder die Grundschuldbestellungsurkunde, mit der Sie sich der sofortigen Zwangsvollstreckung in Ihr gesamtes Vermögen unterworfen haben, um beispielsweise einen Bankkredit damit abzusichern.
142
D. Die gerichtliche Geltendmachung – die letzte Chance zur Einigung?
weiter, wenn Sie in der Arztpraxis dringend Geld benötigen, um Ihre eigenen Außenstände zu begleichen. In erster Linie sollten Sie diese Entscheidung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten fällen. Bei einer geringeren Forderung werden Sie eher darüber nachdenken, ob es Ihnen sowohl der zeitliche Aufwand als auch die dafür anfallenden Kosten wert sind. Die Kosten des Verfahrens müssen Sie nämlich zunächst einmal aus der eigenen Tasche vorstrecken. Zwar können Sie die Verfahrenskosten zusammen mit Ihrer Honorarforderung auf gerichtlichem Wege bei Ihrem säumigen Patienten geltend machen. Kommt der Patient aufgrund der Einschaltung gerichtlicher Hilfe seinen Zahlungsverpflichtungen nach, dann werden Sie den verauslagten Betrag neben Ihrer Forderung erstattet bekommen. Möglicherweise können Sie die Forderung einschließlich der angefallenen Kosten erst Jahre später beim Patienten im Wege der Zwangsvollstreckung beitreiben. Eines sollten Sie hingegen bei Ihren Überlegungen nicht außer acht lassen: Mit der wirksamen Zustellung eines Mahnbescheides oder einer Klage wird die Verjährung Ihres Anspruchs gehemmt. Um die Verjährung wirksam zu hemmen, reicht es aus, wenn die Klage oder das Antragsformular für den Mahnbescheid noch am letzten Tag des Jahres bei Gericht eingeht, in dem die Forderung zu verjähren droht, sofern die Zustellung des Schriftstückes an den Schuldner demnächst erfolgt.248 Das ist auch der Grund, weshalb in mancher Anwaltskanzlei kurz vor Jahresende noch hektisch gearbeitet wird. Viele Mandanten wollen jetzt schnell noch ihre Ansprüche vor der Verjährung retten und beauftragen ihren Anwalt kurzfristig mit der gerichtlichen Geltendmachung ihrer Forderungen. Selbst mit einem rechtsgültigen Vollstreckungstitel können Sie Ihre Forderung nicht bis in die Unendlichkeit hin geltend machen. Immerhin lässt Ihnen der Gesetzgeber 30 Jahre lang Zeit dafür. Das klingt zunächst sehr lange, aber Sie werden in vielen Fällen Durchhaltevermögen im Hinblick auf die weitere Beitreibung aufbringen müssen. Die Beitreibung einer titulierten Forderung erweist sich nämlich als mühsam und sehr langwierig. In diesem Zeitraum kann sich beim Patienten Vieles in seinen Lebensumständen zum Positiven wie auch zum Negativen hin verändern. Deshalb sollten Sie bei einem schon recht betagten Patienten sehr sorgfältig abwägen, ob Sie die Forderung noch durch einen vollstreckbaren Titel absichern, denn an seinen finanziellen Verhältnissen wird sich in der Regel nichts mehr ändern. Verstirbt der Patient, ohne dass es zu nennenswerten Zahlungen gekommen ist, dann können Sie den Vollstreckungstitel zwar auf die Erben umschreiben lassen, um die Forderung letztendlich bei diesen geltend zu machen. Ob Sie diesen Schritt tatsächlich unternehmen, ist letztendlich eher eine moralische denn eine rechtliche Frage. Ist Ihnen schon vor Beantragung des Mahnbescheides bekannt, dass der Patient zahlungsunfähig ist, dann sollten Sie ebenfalls gut überlegen, ob Sie die Kosten für den Mahn- und Vollstreckungsbescheid investieren wollen. Im Falle eines Verbrau248
Vgl. § 167 ZPO.
II. Das gerichtliche Mahnverfahren
143
cherinsolvenzverfahrens249 mit einer anschließenden Restschuldbefreiung können Sie die Forderung gegen den Schuldner nicht mehr geltend machen. Als Gläubiger bleiben Sie im schlimmsten Fall sowohl auf den Kosten für die Beantragung des Mahn- und Vollstreckungsbescheides oder eines Gerichtsverfahrens als auch der ursprünglichen Forderung sitzen.
II.
Das gerichtliche Mahnverfahren – worin liegt der Unterschied zum Klageverfahren?
Hat Ihr Patient trotz ordnungsgemäß erstellter Rechnung und einiger Mahnungen Ihre Honorarforderung nicht beglichen, dann können Sie die offene Forderung entweder einklagen oder im Wege eines gerichtlichen Mahnverfahrens geltend machen. Letzteres hat nichts mit dem Mahnwesen, das Sie bisher durchgeführt haben, zu tun. Vielmehr handelt es sich dabei um eine Prozessart, die sich vom Ablauf her wesentlich vom Klageverfahren unterscheidet. Das gerichtliche Mahnverfahren ist weder für die gerichtliche Geltendmachung aller Forderungen geeignet, noch kann es gegen jeden Schuldner eingeleitet werden. Deshalb müssen Sie als Erstes ein paar Einschränkungen beachten, wenn Sie diese Prozessart nutzen wollen: Das Verfahren ist ⓦ
ⓦ
ausschließlich für Geldforderungen (in Euro) zulässig. Die Herausgabe einer Sache können Sie daher nicht durch einen Mahn- und Vollstreckungsbescheid erwirken, sondern nur auf dem Weg einer Klage. Für den Fall, dass sich der Schuldner in der Zwischenzeit ins Ausland abgesetzt oder dort seinen Wohnsitz hat, sollten Sie die Regelungen hinsichtlich des neuen Europäischen Vollstreckungstitels berücksichtigen.
Zwar ist das gerichtliche Mahnverfahren250 weitgehend standardisiert, sodass im Gegensatz zum Klageverfahren bereits binnen weniger Wochen ein vollstreckbarer Titel vorliegen sollte. Allerdings beinhaltet das Verfahren auch eine Reihe von Stolperfallen. In dem streng durch Vordrucke formalisierten Verfahren machen zum einen selbst kleine Fehler umfangreiche und zeitraubende Korrekturen notwendig. Zum anderen führt das Verfahren nur dann schnell und unkompliziert zu dem erwünschten Vollstreckungstitel, wenn die Forderung unbestritten bleibt. Sollte Ihr Patient von seinem Recht Gebrauch machen, gegen den Mahn- oder Vollstreckungsbescheid Widerspruch oder Einspruch einzulegen, schließt sich ein Klageverfahren an, in dem Sie das Bestehen der Forderung beweisen müssen. 249
250
Lesen Sie dazu auch im Abschnitt „Mein Patient hat ein Insolvenzverfahren eingeleitet – was ist jetzt zu tun?“ ab Seite 132. Siehe dazu die Verordnung (EG) 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen (ABl. EU Nr. L 143 Seite 15). Die Einführung des Europäischen Vollstreckungstitels hat die gerichtliche Geltendmachung einer Forderung über die Landesgrenzen hinweg deutlich vereinfacht.
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D. Die gerichtliche Geltendmachung – die letzte Chance zur Einigung?
Bestreitet Ihr Patient die Forderung von vornherein entweder dem Grunde oder der Höhe nach, dann ist das Mahnverfahren nicht das geeignete Instrument zur gerichtlichen Durchsetzung der Forderung. Es wäre in diesem Fall nur ein Umweg, der mit zusätzlichem Zeitverlust verbunden ist. Zusätzlich gehen Sie das Risiko ein, weitere Kosten tragen zu müssen. Bevor Sie sich nun an die Arbeit machen und einen Mahn- und Vollstreckungsbescheid beantragen, sollten Sie sich zunächst vergewissern, ob Sie Ihre Forderung zumindest durch eine Rechnung und / oder durch einen schriftlich geschlossenen Behandlungsvertrag belegen können Ihnen der Aufenthaltsort (nicht unbedingt identisch mit dem Wohnort!) des Patienten bekannt ist, denn dieser ist wichtig für eine korrekte Zustellung des Mahnbescheides sich der Patient tatsächlich im Zahlungsverzug befindet; deshalb sollten Sie unbedingt Ihre Zahlungseingangsbuchungen auf den neuesten Stand gebracht haben, bevor Sie den Antrag stellen.
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Im Gegensatz hierzu kann die Geltendmachung des Anspruchs auf dem Klagewege einer obligatorischen und institutionalisierten außergerichtlichen Streitbeilegung unterliegen. Durch Landesgesetz251 kann nämlich bestimmt werden, dass die Erhebung einer Klage erst dann zulässig ist, wenn durch eine anerkannte Gütestelle versucht worden ist, den Streit einvernehmlich beizulegen. Dieses zum Teil umständliche Verfahren ist in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich geregelt und wird vor allem bei der Beitreibung geringerer Forderungen vorgeschaltet. In den meisten Bundesländern gilt eine Streitwertgrenze von 750 Euro, in einigen anderen Ländern liegt sie noch darunter. Diese zwingend durch landesrechtliche Vorschriften vorgegebene außergerichtliche Streitschlichtung können Sie sich wiederum nur durch die Einreichung eines Mahnbescheides ersparen. Im Mahnverfahren haben die beteiligten Parteien besondere prozessuale Bezeichnungen, die sich teilweise vom Klageverfahren unterscheiden. Im Klageverfahren wird der Gläubiger als Kläger und der Schuldner als Beklagter bezeichnet. In dem streng formalisierten Mahnverfahren stellen Sie als Gläubiger den Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides, weshalb Sie als Antragsteller und der Schuldner als Antragsgegner gelten. Da der Patient durch den geschlossenen Behandlungsvertrag zu Ihrem Vertragspartner wird, ist er auch der richtige Adressat für einen Mahnbescheid oder eine Klage und nicht dessen Krankenversicherer.
251
Siehe dazu § 15a EGZPO.
III. Formalien, an die Sie sich halten sollten
145
III. Formalien, an die Sie sich halten sollten 1.
Die allgemeinen Prozessvoraussetzungen
Die allgemeinen Prozessvoraussetzungen gelten sowohl für das Klageverfahren als auch für die Beantragung eines Mahn- und Vollstreckungsbescheides. Das Zivilprozessrecht ist, wie schon erwähnt, ein sehr formalistisches Verfahren, an dessen Regeln Sie sich strikt halten sollten, denn jeder Regelverstoß hat unangenehme Konsequenzen zur Folge. Im schlimmsten Fall wird Ihr Antrag abgewiesen, weil Sie beispielsweise den Namen des säumigen Patienten unvollständig oder fehlerhaft angegeben haben. Wie schnell passiert es, dass man einen Namenszusatz wie jun. oder sen. vergisst. An wen soll der Mahnbescheid zugestellt werden? An den Vater oder den Sohn? Sie wissen, welcher der beiden regelmäßig in Ihre Sprechstunde kommt und Ihnen noch Geld schuldet, der Gerichtsvollzieher oder der Postbote, der die Zustellung des Schriftstückes übernimmt, kann es freilich nicht wissen. Ihr Mahnbescheid kann deshalb nicht zugestellt werden. Ähnlich verhält es sich mit ganz banalen Schreibfehlern.
Zu den allgemeinen Prozessvoraussetzungen gehört die Prozessfähigkeit der Beteiligten, also die Fähigkeit, einen Prozess selbst oder mithilfe eines Anwaltes zu führen. Die Prozessfähigkeit ist nichts anderes als die prozessuale Geschäftsfähigkeit. Wie wir bereits gesehen haben, hat die Bestellung eines Betreuers grundsätzlich keinen Einfluss auf die Geschäftsfähigkeit des Betreuten.252 Der Betreute ist und bleibt geschäfts- und damit prozessfähig. Nur in Ausnahmefällen kann der Betreute geschäftsunfähig sein. Für diese Personen gilt dann das Gleiche wie für Kinder unter 7 Jahren, falls ausnahmsweise einmal ein Behandlungsvertrag mit dem Kind zustande kommen sollte: Die Zustellung des Mahn- und Vollstreckungsbescheides muss in diesem Fall an den gesetzlichen Vertreter erfolgen. Erfolgt die Zustellung an die nicht prozessfähige Person, dann ist diese unwirksam.253 2.
Das sachlich und örtlich zuständige Gericht
Nun kennen Sie den korrekten Adressaten für die gerichtliche Geltendmachung Ihres Anspruchs. Das Antragsformular für den Mahnbescheid oder Ihre Klage senden Sie nicht an den säumigen Schuldner, sondern an das zuständige Gericht zwecks förmlicher Zustellung. Bei welchem Gericht Sie die Klage einreichen müssen, ist sowohl eine Frage der sachlichen als auch örtlichen Zuständigkeit. Sachlich zuständig ist regelmäßig das Landgericht, soweit die Sache nicht ausdrücklich in die Zuständigkeit des Amtsgerichts fällt, § 23 GVG. Durch diese etwas umständliche Formulierung verbleiben ganz bestimmte Rechtsstreitigkeiten, unabhängig vom Streitwert bei den Landgerichten, wohingegen die „kleineren“ Fälle, wie die ebenfalls aus252
253
Lesen Sie dazu auch den Abschnitt „Geschäftsunfähige und beschränkt Geschäftsfähige – wer schließt hier den Vertrag?“ ab Seite 61. Siehe dazu § 170 ZPO nF.
146
D. Die gerichtliche Geltendmachung – die letzte Chance zur Einigung?
drücklich in der Vorschrift genannten Streitgegenstände, in den Zuständigkeitsbereich des Amtsgerichts fallen. Der Gesetzgeber hat die Streitwertgrenze bei 5.000 Euro gezogen, d. h., wenn Sie eine Klage einreichen wollen, deren Streitwert maximal diesen Betrag erreicht, ist sachlich das Amtsgericht zuständig. Bei der Beantragung eines Mahnbescheides sieht die Sache wieder etwas anders aus. Für die Durchführung des Mahnverfahrens sind ausschließlich die Amtsgerichte zuständig, und zwar völlig unabhängig vom Streitwert. Hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit wird es dagegen bei einer Klage etwas komplizierter. Die Zivilprozessordnung bezeichnet die örtliche Zuständigkeit als Gerichtsstand. Grundsätzlich ist bei der Einreichung einer Klage vom Gerichtsstand des Antragsgegners gemäß § 12 ZPO auszugehen. Das ist der allgemeine Gerichtsstand, der sich nach dem Wohnsitz des Patienten richtet. Einige Gerichte254 vertreten daher die Auffassung, dass ein Arzt seine Klage am Wohnsitz des Patienten einzureichen hat. Dem allgemeinen Gerichtsstand stehen noch besondere oder ausschließliche Gerichtsstände gegenüber. In Betracht kommt hier insbesondere der Gerichtsstand des Erfüllungsortes gemäß § 29 ZPO, also dem Ort, an dem die ärztliche Leistung zu erbringen ist. Das wird in der Regel Ihre Praxis sein. Hierauf hat das OLG Düsseldorf in zwei Entscheidungen abgestellt und zumindest für die Tätigkeit des Zahnarztes ausdrücklich festgestellt, dass die zahnärztliche Heilbehandlung an die Praxis oder Klinik gebunden sei, weshalb die vertragliche Leistung ausschließlich dort zu erbringen sei. In die gleiche Richtung geht die Entscheidung des OLG Celle.255 Danach können Chefärzte ihren Vergütungsanspruch bei dem für den Sitz des Krankenhauses zuständigen Gericht auf dem Klageweg geltend machen. Eine höchstrichterliche Entscheidung zu dieser konkreten Fragestellung steht noch aus. Hinsichtlich der Geltendmachung von anwaltlichen Honorarforderungen hat der Bundesgerichtshof 256 entschieden, dass ein Rechtsanwalt seine Forderungen in der Regel am Wohnsitz des Mandanten einzuklagen hat. Die Rechtsprechung zu dieser Streitfrage hilft Ihnen freilich nicht weiter, wenn Gefahr im Verzug ist und Ihr Honoraranspruch zu verjähren droht. Was können Sie in dieser Situation unternehmen? Eine Klage sollten Sie stets bei dem Gericht einlegen, das für den Wohnsitz des Patienten zuständig ist. Denn der allgemeine Gerichtsstand ist in jedem Fall gegeben, sodass dies der sicherste Weg ist, um schnell und ohne Gefahr zu laufen, sich in den unterschiedlichen Auffassungen der Rechtsprechung zu verstricken, eine Klage zustellen können.
254
255 256
AG Frankfurt am Main, NJW 2000, S. 1802 AG Spandau, NJW 2000, S. 1654 AG Köln, NJW-RR 1995, S. 185 LG Mainz, Urteil vom 02.04.2003 – 3 S 340/02. OLG Celle, NJW 1990, S. 777. BGH, Beschluss vom 11.11.2003 – X ARZ 91/03 = NJW 2004, S. 54.
III. Formalien, an die Sie sich halten sollten
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Bei der Beantragung eines Mahn- und Vollstreckungsbescheides haben Sie es dagegen leichter. Hier müssen Sie sich nicht den Kopf darüber zerbrechen, welches Gericht örtlich zuständig ist, denn das bestimmt die Zivilprozessordnung durch § 689 Abs. 2 ZPO: Es ist ausschließlich das Gericht zuständig, an dem der Antragsteller seinen allgemeinen Gerichtsstand im Sinne des § 12 ZPO hat. Dieser richtet sich wiederum nach dessen Wohnsitz gemäß § 13 ZPO. Doch auch hier hat der Gesetzgeber noch einen Stolperstein eingebaut. Die Landesregierungen sind nämlich ermächtigt, die Zuständigkeiten für die Durchführung von Mahnverfahren auf ganz bestimmte Gerichte zu konzentrieren, was umso mehr für die Durchführung des maschinellen Verfahrens gilt.257 Es reicht in diesem Fall aus, den allgemeinen Gerichtsstand festzustellen und dann zu ermitteln, welches Amtsgericht in diesem Bundesland für die Durchführung des maschinellen Mahnverfahrens zuständig ist. 3.
Der Antrag auf Erlass eines Mahn- und Vollstreckungsbescheides – Papier oder Online?
Nun wissen Sie also, welches Gericht grundsätzlich zuständig ist. Da die Gerichte im Laufe der Jahre in der Flut der Mahnbescheidsanträge zu ersticken drohten, gibt es inzwischen mehrere Wege, den Antrag an das Gericht zu übermitteln. a)
Das konventionelle Mahnverfahren
Für das konventionelle Verfahren benötigen Sie ein spezielles mehrblättriges Mahnformular, das als Durchschreibesatz konzipiert und im Schreibwarenhandel erhältlich ist. Falls Sie größere Menge benötigen sollten, können Sie die Formulare bei autorisierten Formularverlagen bestellen. Inzwischen gibt es im Internet auch eine Reihe von Anbietern, bei denen Sie das Formular online ausfüllen können und der Anbieter anschließend das Ausdrucken und Versenden an Ihrer Stelle übernimmt. Das ist eine interessante Variante, die Ihnen Zeit und Mühe ersparen kann. Wollen Sie das Ausfüllen dagegen selbst übernehmen, dann stehen Sie nämlich gleich vor dem nächsten Problem. Nicht in jeder Praxis steht im Zeitalter des PC noch eine Schreibmaschine zum Ausfüllen des insgesamt 6 Blätter umfassenden Durchschreibesatzes zur Verfügung. Zudem ist die Gefahr, das Formular unvollständig oder fehlerhaft auszufüllen, für Ungeübte groß. Ein einziger Tippfehler im Zahlenbereich reicht schon aus und Sie können den gesamten Durchschreibsatz entsorgen. Findige Geister könnten nun auf die Idee kommen, sich einen einzelnen Durchschreibesatz zu besorgen und die einzelnen Seiten des Antragsformulars mittels Farbkopierer beliebig zu vervielfältigen. Dieser „Sparversion“ wie auch anderen „Einzelblattlösungen“ hat die Rechtsprechung recht schnell eine Absage erteilt, weil damit der Manipulation Tür und Tor geöffnet sind. Akzeptiert werden von den Mahngerichten
257
Eine Liste der für das maschinelle Mahnverfahren zuständigen Amtsgerichte finden Sie im Abschnitt „Anschriften der Mahngerichte für die Durchführung des Mahnverfahrens“ ab Seite 217.
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D. Die gerichtliche Geltendmachung – die letzte Chance zur Einigung?
daher entweder die offiziell zugelassenen Durchschreibsätze oder eines der anderen nachfolgend beschrieben Verfahren. b)
Das maschinelle Mahnverfahren Neben dem automatisierten Mahnbescheidsverfahren, das ausschließlich für die Massenanwendung konzipiert worden ist, gibt es mittlerweile bei vielen Mahngerichten auch für den Einzelanwender die Möglichkeit, den entsprechenden Mahnbescheidsantrag in maschineller Form einzureichen. Auch hierfür existieren zwei Vordruckvarianten, die im Schreibwarenhandel oder bei entsprechenden Verlagen erhältlich sind. Dieses Verfahren ist im Wesentlichen darauf ausgerichtet, die Vordrucke am PC auszufüllen und anschließend auf dem amtlichen Formular auszudrucken. Ob das Mahnverfahren auf die konventionelle Art oder im maschinellen Verfahren eingeleitet werden kann, hängt von dem jeweiligen Gericht ab, das für Sie als Antragsteller zuständig ist. Da die Liste der Gerichte, die das maschinelle Verfahren durchführen können, ständig erweitert wird, fragen Sie am besten vor dem ersten Antrag bei dem zuständigen Amtsgericht nach. c)
Online geht es leichter Eine wesentliche Erleichterung für all diejenigen, die wenig Erfahrung im Ausfüllen von Mahnbescheidsanträgen haben, ist die in nahezu allen Bundesländern eingerichtete Online-Variante zur Erstellung der Anträge. Dort können Sie die erforderlichen Daten eingeben und entweder den amtlichen Vordruck ausdrucken oder online direkt an das zuständige Mahngericht übermitteln. Falls das Verfahren in dem Bundesland, in dem Sie den Antrag stellen wollen, noch nicht zur Verfügung steht, müssen Sie sich an das zuständige Mahngericht wenden. Über die unterschiedlichen Varianten und technischen Voraussetzungen in den einzelnen Bundesländern können Sie sich auf der Internetseite ⓦ
www.online-mahnantrag.de
informieren und gleich den Mahnbescheidsantrag erstellen. Die Anwendung ist sehr benutzerfreundlich, leitet Sie durch die einzelnen Formularfelder und ermöglicht so eine nahezu fehlerfreie Erstellung des Antrags. Je nach Variante können Sie anschließend ⓦ ⓦ ⓦ
den Antrag auf einem amtlichen Formularvordruck, alternativ auf normalem Papier mit Barcode ausdrucken, oder online direkt an das zuständige Mahngericht versenden, wofür Sie jedoch sowohl eine Signaturkarte als auch ein Kartenlesegerät benötigen.
Sie müssen sich allerdings gleich zu Beginn der Dateneingabe für eine der Varianten entscheiden. Anschließend gelangen Sie auf Übersichtsseite und von dort aus werden Sie Schritt für Schritt durch das Formular geleitet. Die einzelnen Schritte sind in „Karteikarten“ unterteilt, in die Sie je nach Gegebenheit die erforderlichen Daten eintragen müssen.
III. Formalien, an die Sie sich halten sollten ⓦ
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Als Antragsteller geben Sie zunächst Ihren Namen und Ihre Anschrift ein. Welche Angaben Sie konkret machen müssen, hängt jetzt wiederum davon ab, in welcher Rechtsform Sie Ihre Praxis führen.258 Als „Einzelkämpfer“ tragen Sie die erforderlichen Angaben in der Karteikarte „Herr / Frau“ ein, ein MVZ, das in der Rechtsform einer GmbH geführt wird, müsste hingegen in die Karteikarte „Firma“ wechseln und die entsprechende Rechtsform auswählen. Nachdem Sie Ihre Daten vervollständigt haben, werden Sie automatisch nach einem gesetzlichen Vertreter gefragt. Da Sie als Antragsteller auftreten, bezieht sich diese Frage auf Ihre Person. Sie werden diese Frage regelmäßig mit „Nein“ beantworten, da Sie weder minderjährig noch für gewöhnlich geschäftsunfähig sein werden!
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Beim Antragsgegner, also Ihrem säumigen Patienten, verfahren Sie mit den Angaben ebenso. Falls Ihr Patient einen Betreuer haben sollte und zugleich geschäftsunfähig ist, dann müssen Sie in einer gesonderten Karteikarte Angaben zu dessen Namen und Anschrift machen.
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Wenn Sie alle Angaben eingetragen haben, werden Sie gefragt, ob Sie einen weiteren Antragsgegner eingeben möchten. Jetzt kommt zum Tragen, was wir bereits beim Zustandekommen des Behandlungsvertrages259 erörtert haben. Sollte nämlich der Ehepartner aus dem mit dem jeweils anderen geschlossenen Behandlungsvertrag zur Zahlung des Honorars mitverpflichtet worden sein, dann können Sie den Mahnbescheidsantrag gleich gegen beide Ehepartner stellen. Geben Sie hierzu die notwendigen Angaben bezüglich des zweiten Partners unter der Rubrik „weiterer Antragsgegner“ ein. Vergessen Sie nicht, in der nächsten Maske das Häkchen bei der gesamtschuldnerischen Haftung zu setzen. Als Verfahrenswährung ist der Euro bereits vorgegeben, hier brauchen Sie daher keine weiteren Angaben zu machen. Beim nächsten Punkt müssen Sie auswählen, um welche Art von Mahnverfahren es sich handelt. Solange Sie eine Honorarforderung gegen Ihren säumigen Patienten geltend machen, müssen Sie das reguläre Mahnverfahren beantragen. Bei den anderen Verfahrensarten handelt es sich um Sonderformen, die recht selten vorkommen. Im nächsten Schritt geht es um das Honorar, das Sie von dem säumigen Patienten verlangen. Dazu müssen Sie nähere Angaben zu der Forderung machen. In der ersten Zeile der Eingabemaske finden Sie hierzu ein Drop-down-Feld. Gleich Siehe dazu auch im Abschnitt „Einer für alle? – Wenn mehrere Ärzte zusammenarbeiten“ ab Seite 66. Siehe dazu im Abschnitt „Der Ehepartner als Patient – wer wird hier verpflichtet? “ ab Seite 60.
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D. Die gerichtliche Geltendmachung – die letzte Chance zur Einigung?
unter der zweiten Position finden Sie die Bezeichnung „ärztliche und zahnärztliche Leistung“. Vervollständigen Sie die Eingabemaske mit den notwendigen Angaben. Vergessen Sie nicht, die bereits angefallenen Zinsen anzugeben. Haben Sie in Ihrer Mahnung bereits Mahnkosten berechnet, dann können Sie diesen Betrag jetzt im Abschnitt „andere Nebenkosten“ eintragen. Gleiches gilt auch für Kosten, die im Rahmen einer Anschriftenermittlung beispielsweise durch eine Anfrage beim Einwohnermeldeamt entstanden sind. Jetzt müssen Sie noch bei der Frage nach der Abhängigkeit von einer Gegenleistung ein Häkchen bei der ersten Variante machen, denn Ihr Anspruch auf das Honorar ist davon abhängig, dass Sie die entsprechende ärztliche Leistung bereits erbracht haben.
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Empfehlenswert ist es, bereits beim Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides den Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens zu stellen, falls der Patient gegen den Mahnbescheid Widerspruch einlegen sollte. Ist dieser Weg erst einmal eingeschlagen, dann müssen Sie in jedem Fall auch die anfallenden Gerichtskosten für die Klageerhebung verauslagen.
IV. Vorauskasse bitte – die Kosten für das Mahnverfahren Ohne Vorausleistung geht bei der Beantragung eines Mahnbescheides gar nichts. Im konventionellen Mahnverfahren müssen Sie die anfallenden Gerichtskosten vorab entrichten. Das geschieht nach wie vor entweder über Kostenmarken, die bei Gericht zu erwerben sind oder per Scheck, der dem Antrag beigefügt wird. Ohne den erforderlichen Kostennachweis können Sie den Antrag nicht bei Gericht einreichen. Beim maschinellen Verfahren werden die Gerichts- und eventuell bereits angefallenen Rechtsanwaltskosten hingegen vom Mahngericht errechnet und den übermittelten Daten zum Mahn- und Vollstreckungsbescheid hinzugefügt. Erst wenn das Mahngericht den Antrag erledigt hat, erhalten Sie eine Kostenrechnung. Die Kostenrechnung sollten Sie umgehend begleichen, denn der Erlass des auf den Mahnbescheid folgenden Vollstreckungsbescheides hängt von der fristgerechten Begleichung dieser Kosten ab, § 12 Abs. 3 Satz 2 GKG. Die Höhe der Gerichtsgebühren richtet sich nach dem Streitwert, also dem ursprünglichen Rechnungsbetrag, den Ihnen der säumige Patient schuldet. Zinsen bleiben bei der Streitwertberechnung außen vor. Welche Gerichtskosten für die Einreichung des Mahn- und Vollstreckungsbescheides anfallen, können Sie aus der Gerichtskostentabelle entnehmen.260 Von den dort aufgeführten Gebühren entsteht für das gerichtliche Mahnverfahren stets die halbe Gebühr, mindestens jedoch eine Gebühr in Höhe von 23 Euro. Jetzt können Sie auch nachvollziehen, weshalb Sie es sich gut überle260
Siehe die Tabelle unter Punkt IV im Abschnitt Gesetzestexte ab Seite 211.
V. In zwei Schritten zum vollstreckbaren Titel
151
gen sollten, Kleinstbeträge auf gerichtlichem Wege geltend zu machen. Die Gebühren steigen allerdings nicht proportional zum Streitwert, weshalb es günstiger ist, eine hohe Forderung geltend zu machen als eine geringe. Ganz anders sieht die Rechnung freilich aus, wenn Sie für die Beantragung eines Mahn- und Vollstreckungsbescheides einen Rechtsanwalt einschalten. Bei einem Rechnungsbetrag in Höhe von 100 Euro (ohne Mahnkosten und Zinsen) sieht die Honorarnote Ihres Rechtsanwaltes für die Beantragung eines Mahn- und Vollstreckungsbescheides dann wie folgt aus: Tabelle 6. Kostenrechnung für die Beantragung eines Mahn- und Vollstreckungsbescheides durch einen Rechtsanwalt bei einem Gegenstandswert von 100 Euro Honorarnote 1 2
3 4
Gerichtskosten § 11, Nr. 1100 GKG Rechtsanwaltsgebühren § 13 Nr. 3305 VV-RVG § 13 Nr. 3308 VV-RVG Auslagen § 13 Nr. 7002 VV-RVG MwSt. aus Nr. 2 und 3 Summe brutto
Kosten Mahnbescheid 23,00 €
Kosten Vollstreckungsbescheid –
25,00 €
12,50 €
5,00 €
2,50 €
5,70 €
2,85 €
58,70 €
17,85 €
Hinzu kommen noch jeweils die Kosten für die Zustellung des Mahn- und des Vollstreckungsbescheides. Während Sie bei eigener Antragstellung lediglich die Gerichtskosten zu tragen haben, verdreifachen sich die Kosten bei der Beauftragung durch einen Rechtsanwalt. Weshalb dieser Umstand eine erhebliche Rolle spielt, werden wir an anderer Stelle noch ausführlich erörtern.261
V.
In zwei Schritten zum vollstreckbaren Titel
Das gerichtliche Mahnverfahren setzt sich aus zwei Teilschritten zusammen; sind diese erledigt, dann erhalten Sie den beantragten Vollstreckungsbescheid, mit dem Sie die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners betreiben können. Diese Zweiteilung ist dafür ursächlich, dass sich das Verfahren in die Länge ziehen oder gar vereitelt werden kann. Aus dem Verfahren, das eigentlich für eine rasche und unkomplizierte Form der gerichtlichen Geltendmachung einer Forderung gedacht ist, kann deshalb unter Umständen eine langwierige und zeitaufwendige Angelegenheit werden.
261
Siehe dazu im Abschnitt „Inkassokosten und -provisionen?“ ab Seite 193.
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D. Die gerichtliche Geltendmachung – die letzte Chance zur Einigung?
Das Gericht überprüft nach Eingang des ausgefüllten Formulars lediglich die formale Richtigkeit des Antrages auf Erlass eines Mahnbescheides, nicht jedoch dessen Inhalt. Der für dieses Verfahren zuständige Rechtspfleger prüft daher nicht, ob Ihr Honoraranspruch zu Recht besteht. Enthält der Antrag hingegen einen sachlichen oder formalen Fehler, dann wird er beanstandet (moniert) und Sie erhalten die Gelegenheit, den Fehler zu bereinigen. Im konventionellen Verfahren können Sie die Monierung durch ein einfaches Antwortschreiben bearbeiten. Im automatisierten Verfahren sind selbst die Beanstandungen formalisiert. Alle notwendigen Korrekturen oder Ergänzungen dürfen Sie daher nur auf dem vom Gericht hierfür vorgesehenen Antwortblatt vornehmen. Gegenüber dem konventionellen Mahnverfahren sieht der im automatisierten Verfahren erstellte Mahnbescheid anders aus. Es handelt sich dabei um ein Formblatt, das in seinen Maßen nicht ganz einem DIN A 3-Blatt entspricht. Neben der Bezeichnung „Mahnbescheid“ enthält die Kopfzeile unter anderem das Datum. Im Übrigen finden sich in dem Formblatt sämtliche Angaben, die dem säumigen Patienten ermöglichen, den Anspruch auf seine Richtigkeit hin zu überprüfen und die nach Zustellung des Vollstreckungsbescheides für die Durchführung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen notwendig sind. Ist der Antrag fehlerfrei, dann wird er dem säumigen Patienten anschließend unter der angegebenen Adresse zugestellt. Die zustellfähige Anschrift kann die Wohnanschrift sein oder eine andere Adresse, unter der sich der Patient regelmäßig aufhält. Unterhält Ihr Patient zwar noch eine eigene Wohnung, lebt er hingegen überwiegend im Haus seiner Lebensgefährtin, dann ist die zustellfähige Anschrift in diesem Fall die Adresse der Lebensgefährtin.
Kann der Mahnbescheid nicht zugestellt werden, weil der Schuldner beispielsweise nicht unter der angegebenen Anschrift wohnt, dann erhalten Sie vom Mahngericht eine Mitteilung über den Grund der Nichtzustellung. Jetzt müssen Sie erneut tätig werden. Denn es obliegt Ihnen, eine neue Anschrift des säumigen Patienten zu ermitteln und in den vom Gericht übermittelten Vordruck einzutragen. Damit können Sie nun die Neuzustellung des Mahnbescheides unter der geänderten Anschrift beantragen. Ist der Mahnbescheid ordnungsgemäß zugestellt worden, dann erhalten Sie hierüber eine Zustellungsnachricht. Mit der Zustellung des Mahnbescheides wird eine drohende Verjährung gehemmt, § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB. Genau genommen tritt die hemmende Wirkung bereits zu dem Zeitpunkt ein, zu dem der Mahnbescheidsantrag bei Gericht eingeht, und die Zustellung „demnächst“ erfolgen wird. Mit der Zustellung beginnen gleichzeitig bestimmte Fristen zu laufen. Der Schuldner hat nach Zustellung des Mahnbescheides die Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen die Forderung entweder zu begleichen oder Widerspruch gegen den Mahn-
V. In zwei Schritten zum vollstreckbaren Titel
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bescheid einzulegen. Ein rechtzeitig eingelegter Widerspruch bewirkt, dass Ihnen der erhoffte Vollstreckungsbescheid nicht erteilt wird. Als Gläubiger können Sie nun versuchen, den Patienten zur Rücknahme des Widerspruches zu bewegen, indem Sie ihn darauf hinweisen, dass Sie die offene Rechnung einschließlich der angefallenen Kosten in jedem Fall durch eine Klage geltend machen werden. Gelingt es Ihnen nicht, den Patienten zu überzeugen und haben Sie bereits beim Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides einen Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens gestellt, dann gibt das Mahngericht den Vorgang unverzüglich von Amts wegen an das zuständige Gericht zur Durchführung des streitigen Verfahrens ab, das im Mahnantrag bereits bezeichnet worden ist. Mit diesem Schritt verlassen Sie das gerichtliche Mahnverfahren und Ihre Forderung wird jetzt auf dem Klageweg beim Patienten geltend gemacht. Das kleine Kästchen zur „Beantragung der Durchführung des streitigen Verfahrens nach Widerspruch“ kann man beim Ausfüllen des Mahnbescheidsantrages im konventionellen Verfahren leicht übersehen. Mit dem Zugang des Widerspruchs können Sie das Versäumnis nachholen und den Antrag stellen. Versäumen Sie es hingegen, die Abgabe des Verfahrens an das zuständige Prozessgericht zu beantragen, dann endet das Mahnverfahren an dieser Stelle! Sie haben dann zwar die Möglichkeit, einen neuen Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides zu stellen, die Kosten für den ersten, ergebnislosen Antrag können Sie dem Schuldner freilich nicht in Rechnung stellen. Bleibt der Patient hingegen untätig, dann können Sie als Gläubiger den Vollstreckungsbescheid bei Gericht beantragen. Hierzu erhalten Sie zusammen mit der Nachricht über die Zustellung des Mahnbescheides einen Vordruck mit dem Sie den Vollstreckungsbescheid beantragen können. Den dürfen Sie jedoch nicht sofort beantragen, sondern erst wenn die Widerspruchsfrist abgelaufen ist. Ist die Zustellung erfolgt, dann beginnt das Spiel von vorne. Der säumige Patient hat erneut zwei Wochen Zeit, um zu reagieren: Er kann das Honorar nebst sämtlichen inzwischen angefallenen Kosten begleichen oder er legt Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid ein. Wie beim Widerspruch gegen den Mahnbescheid gibt das Mahngericht den Rechtsstreit dann von Amts wegen an das zuständige Streitgericht ab. Jetzt können Sie nachvollziehen, weshalb das an und für sich schnelle und relativ unkomplizierte gerichtliche Mahnverfahren nicht für die Durchsetzung sämtlicher Forderungen gegen Patienten und andere Schuldner geeignet ist. Profischuldner nutzen nämlich sowohl die völlig legale Möglichkeit Widerspruch oder Einspruch einzulegen, nehmen dann das eingelegte Rechtsmittel zurück und haben auf diese Weise wieder ein paar Wochen Zeit gewonnen. Selbst die anschließende Geltendmachung auf dem Klageweg nutzen sie aus, denn wie jeder weiß, kann es einige Monate dauern, bis Sie endlich ein rechtskräftiges Urteil erwirkt haben. Mit wel-
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D. Die gerichtliche Geltendmachung – die letzte Chance zur Einigung?
chen Schuldnertricks Sie im Rahmen des gerichtlichen Mahnverfahrens sonst noch rechnen müssen, zeigt Ihnen der Abschnitt „Raum für Schuldnertricks im gerichtlichen Mahnverfahren“. Wenn Ihr säumiger Patient von Anfang an die Forderung bestreitet oder Sie Anhaltspunkte dafür haben, dass er nur Zeit schinden will, um jetzt nicht zahlen zu müssen, dann ist das gerichtliche Mahnverfahren nicht das geeignete Instrument zur schnellen Durchsetzung Ihrer Forderung. In diesem Fall sollten Sie besser umgehend eine Klage einreichen.
VI. Den Vollstreckungsbescheid in der Hand – wie geht es nun weiter? Der Vollstreckungsbescheid oder das Urteil eröffnet Ihnen die Möglichkeit, in das gesamte Vermögen des säumigen Patienten zu vollstrecken. Sie haben nun den Zugriff ⓦ
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auf bewegliche Sachen des Schuldners. Sie müssen dazu einen Gerichtsvollzieher beauftragen, um bewegliche Gegenständen beim Patienten gemäß §§ 803, 808 ZPO zu pfänden. Normaler Hausrat ist praktisch nicht pfändbar.262 In vielen Fällen wird der Gerichtsvollzieher deshalb unverrichteter Dinge wieder abziehen, weil der Schuldner keine pfändbare Habe hat. Verfügt der Schuldner doch einmal über einen pfändbaren Gegenstand, dann beschlagnahmt der Gerichtsvollzieher die Sache und verwertet sie anschließend. Das klingt einfach, in der Praxis ist es oft ein mühsames Unterfangen: Bei Antiquitäten, Schmuck oder wertvollen Musikinstrumenten muss zunächst eine Expertise eingeholt werden, um den Wert des Gegenstandes zu ermitteln. Häufig gelingt die Verwertung über ein Auktionshaus nicht gleich im ersten Anlauf. Weitere Versuche müssen unternommen werden, um die Sache loszuwerden und solange müssen Sie weiterhin auf ihr Geld warten. Gelingt es, den beschlagnahmten Gegenstand zu verwerten, dann erhalten Sie den Verwertungserlös umgehend nach Abzug der Gerichtsvollzieherkosten und den für die Verwertung entstandenen Kosten ausgezahlt. Dem Schuldner steht jedoch die Möglichkeit offen, die Verwertung der gepfändeten Sachen aufzuschieben, wenn er glaubhaft eine Zahlungsvereinbarung schließt. Im schlimmsten Fall kann es sich dabei um eine der beliebten Verzögerungstaktiken handeln. auf unbewegliche Sachen des Schuldners, also Grundstücke und Immobilien. Im Prinzip läuft das Verfahren ganz ähnlich wie bei der Vollstreckung in bewegliche Gegenstände ab, mit dem Unterschied, dass die Verwertung des Grundbesitzes im Wege der Zwangsversteigerung erfolgt. in Forderungen. Die klassische Forderungspfändung ist die Lohn- und Gehaltspfändung. Die Forderungspfändung ist theoretisch die schnellste Lösung, um Siehe dazu die ausführliche Liste in § 811 ZPO.
VI. Den Vollstreckungsbescheid in der Hand – wie geht es nun weiter?
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endlich an das Geld zu kommen, denn die mitunter langwierige Phase der Verwertung entfällt. Die Praxis sieht freilich anders aus: Selbst wenn der Schuldner einen Arbeitsplatz hat oder über einen Anspruch auf Rente oder Pension263 verfügt, heißt das noch lange nicht, dass Sie tatsächlich zu Ihrem Geld kommen. Denn ob das Einkommen pfändbar ist, hängt von zwei Faktoren ab: zum einen von der Höhe des Einkommens und zum anderen von der Anzahl der unterhaltsberechtigten Personen. Zu diesem Zweck gibt es Pfändungstabellen264 aus denen man ablesen kann, ob und wie viel bei einem Schuldner unter Berücksichtigung seines Einkommens sowie der Anzahl der Kinder oder anderen unterhaltsberechtigten Personen pfändbar ist. Die Anhebung der Pfändungsfreigrenzen zum 01.07.2005 hat dazu geführt, dass Lohnpfändungen heute überwiegend ins Leere gehen. Bei einem Einkommen von 2.000 Euro netto und zwei Kindern, die unterhaltsberechtigt sind, können Sie beispielsweise nichts pfänden.
Findet der Gerichtsvollzieher keine pfändbare Habe beim Schuldner vor und verfügt er zudem über kein pfändbares Einkommen, dann bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als abzuwarten und zu einem späteren Zeitpunkt die Pfändung zu wiederholen. Ist unter diesen Voraussetzungen nicht ganz klar, wovon der Schuldner überhaupt seinen Lebensunterhalt bestreitet, dann kann unter Umständen die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung Anhaltspunkte liefern. Der Schuldner ist verpflichtet, in dem Protokoll sämtliche Vermögensverhältnisse offen zu legen. Das Katz- und Maus-Spiel, das Sie beim Erlangen eines Mahn- und Vollstreckungsbescheides vielleicht schon kennengelernt haben, ist noch nicht zu Ende. Der Gesetzgeber wollte durch die Gewährung längerer Tilgungsfristen in der Zwangsvollstreckung eigentlich erreichen, dass sich hierdurch die Realisierung der Forderung erhöht. Das hat freilich gleichzeitig die Chancen der Schuldner erhöht, das Verfahren hierdurch in die Länge zu ziehen. Ein Schuldenprofi weiß zudem, wie er das System der Zwangsvollstreckung geschickt zu seinem Vorteil nutzen kann. Dies geht zu Ihren Lasten als Gläubiger, denn mit einer raschen Realisierung der Forderung können Sie nicht rechnen. Das belastet letztendlich wiederum Ihre Liquidität. Wie Sie dem Schuldenprofi auch in der Zwangsvollstreckung ein Schnippchen schlagen können, erfahren Sie im Abschnitt „Das Spiel mit dem Gerichtsvollzieher – Schuldnertricks in der Zwangsvollstreckung“. Das Verbraucherinsolvenzverfahren schafft zudem für hoch verschuldete Personen die Möglichkeit, sich unter Einhaltung strenger Regeln auf längere Sicht von ihrem Schuldenberg zu befreien.
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Neben dem Arbeitseinkommen sind unter anderem Dienst- und Versorgungsbezüge der Beamten, Arbeits- und Dienstlöhne sowie Ruhegelder nach dem einstweiligen oder dauerhaften Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gewährten Einkünfte pfändbar, siehe dazu im Einzelnen die umfangreichen Kommentierungen zu §§ 850 ff ZPO. Siehe dazu die Pfändungstabellen im Anhang zu § 850c ZPO.
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D. Die gerichtliche Geltendmachung – die letzte Chance zur Einigung?
Auch im Hinblick auf das Forderungsmanagement werden prophylaktische Maßnahmen in der Arzt- oder Zahnarztpraxis zunehmend an Bedeutung gewinnen. Ist das Kind erst einmal „in den Brunnen gefallen“, d. h., Ihr Patient kann oder will die Rechnung nicht fristgerecht begleichen, dann schwinden damit gleichzeitig die Aussichten auf eine Realisierung der Forderung.
VII. Schuldner kennen keine Landesgrenzen Schuldner sind „Weltmeister“ im Verlagern ihres Wohnsitzes. Mehrere Wohnsitzwechsel innerhalb eines Jahres sind keine Seltenheit. Landesgrenzen stellen schon lange kein unüberwindbares Hindernis mehr dar. Noch nie war es innerhalb Europas so einfach, den Wohnsitz zu verlagern und damit seine Spuren für die Gläubiger ohne große Anstrengung zu verwischen. Zum einen wird die grenzüberschreitende Suche nach verschollenen Schuldnern in einigen Ländern durch ein fehlendes Meldewesen erheblich erschwert. Die Recherche nach dem neuen Aufenthaltsort des Schuldners gleicht daher in vielen Fällen der berühmten Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. Auch wenn Ihr Patient gar nicht die Absicht hat, seinen Aufenthaltsort zu verschweigen und sich ordnungsgemäß bei seinem deutschen Einwohnermeldeamt mit der ausländischen Adresse abmeldet, ist dies noch lange keine Gewähr, dass Sie ihn auf Anhieb wiederfinden. Den „Praxistest“ konnte ich bei meinem Umzug von Deutschland nach Österreich machen. Das deutsche Einwohnermeldeamt war nämlich nicht in der Lage, die von deutschen Gepflogenheiten abweichende Adresse in einem Mehrfamilienhaus, bestehend aus Haus-, Stiegen- und Türnummer, in seiner Datei aufzunehmen. Ein Brief hätte mich mit einer solchen „verstümmelten“ Anschrift nie erreicht, weil er in Österreich nicht zustellbar wäre. In Mehrfamilienhäusern steht nämlich weder an der Klingel noch am Briefkasten der Name des Mieters. Selbst wenn die Suche erfolgreich war, ist die Durchsetzung einer Forderung im Wege der gerichtlichen Beitreibung trotz vieler Bemühungen der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union nach wie vor mit einigen Hürden verbunden. Seit Anfang des Jahres 2005 ist zumindest die länderübergreifende Zwangsvollstreckung aus einem deutschen Vollstreckungstitel innerhalb der Europäischen Union deutlich erleichtert. Viele Schuldner kamen in der Vergangenheit nur deshalb mit einem „blauen Auge“ davon, weil die Gläubiger bei geringen Forderungen aufgrund der hohen Kosten und dem zeitaufwendigen Verfahren auf die Geltendmachung der Forderung im Ausland lieber verzichtet haben. Wenn Sie heute dagegen einen Mahn- und Vollstreckungsbescheid oder ein Anerkenntnis- oder Versäumnisurteil erwirkt haben und sich der Patient in der Zwischenzeit in den sonnigen Süden abgesetzt hat, dann haben Sie es jetzt leichter. Unter bestimmten Voraussetzungen können Sie ohne großen Umweg den deutschen Vollstreckungstitel als Europäischen Vollstreckungstitel bestätigen lassen, um aus diesem anschließend in einem der EU-Mitgliedsstaaten – außer Dänemark – die
VII. Schuldner kennen keine Landesgrenzen
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Zwangsvollstreckung zu betreiben. Dies macht eine neue Verordnung der Europäischen Union möglich.265 Eine weitere Verordnung266, die Ende 2008 in Kraft treten wird, erleichtert künftig sogar über die Landesgrenzen hinweg die Erwirkung eines Vollstreckungstitels in Form eines Europäischen Zahlungsbefehls, sofern sich der Schuldner in einem der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union aufhält.
265
266
Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen, ABl. EU L 143/15 vom 30.04.2004. Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens, ABl. EU L 399/ vom 30.12.2006.
I. Zahlungsunfähig oder nur zahlungsunwillig? – eine Differenzialdiagnose
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E. Die Schuldnertricks und wie Sie damit umgehen sollten
I.
Zahlungsunfähig oder nur zahlungsunwillig? – eine Differenzialdiagnose
Not macht bekanntlich erfinderisch, deshalb wird sowohl der zahlungsunfähige als auch der –unwillige Patient nach Möglichkeiten suchen, sich noch ein bisschen länger vor dem Bezahlen der überfälligen Arztrechnung zu drücken. Die Liste der Schuldnertricks ist lang und der Fantasie beim Erfinden von Argumenten, weshalb die Rechnung noch nicht bezahlt ist, sind keine Grenzen gesetzt. Solche Ausreden haben Sie sicher schon öfter gehört. Allen gemeinsam sind drei Dinge: Ein säumiger Patient will ⓦ ⓦ
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in erster Linie Zeit gewinnen, um jetzt nicht zahlen zu müssen. Sie als Gläubiger verunsichern, damit Sie die Ursache für die noch nicht bezahlte Rechnung bei sich suchen. Sie letztendlich handlungsunfähig machen.
Im Internet kursieren seit geraumer Zeit verschiedene „Gebrauchsanleitungen“ diverser Autoren, die von sich behaupten, Tipps und Tricks zu verraten, wie man sich erfolgreich vor seinen Zahlungsverpflichtungen drücken kann.267 Den Autoren geht es nicht darum, Menschen, die unverschuldet in finanzielle Not geraten sind, wieder auf die Beine zu helfen. Die Anleitungen haben nur eines zum Ziel: sich als Schuldner auf dem Rücken seiner Gläubiger ein schönes Leben zu machen. Dagegen sollten Sie sich wappnen, denn dem typischen Exemplar eines böswilligen Schuldners können Sie jederzeit begegnen. Sie werden sich nun fragen, worin der Sinn liegen mag, zwischen zahlungsunfähigen und –unwilligen Patienten zu differenzieren, denn das Ergebnis ist für Sie in jedem Fall das Gleiche: Sie bekommen Ihr wohlverdientes Geld für die erbrachte Leistung nicht. Besinnen Sie sich an dieser Stelle Ihrer medizinischen Fähigkeiten und wenden Sie diese Prinzipien ausnahmsweise einmal auf Ihr Forderungsmanagement an: Für das gleiche Symptom können recht unterschiedliche Erkrankungen ursächlich sein, die deshalb eine differenzierte Behandlung notwendig machen.
267
So zum Beispiel: „Der Schuldenkönig“; So zahlen Sie Ihre Schulden einfach nicht zurück. Originalzitat: „Der Schuldenkönig klopft den Gläubiger so weich, dass dieser froh ist, wenn er dem Schuldenkönig einen Vergleich anbieten darf, bei dem gegen eine einmalige Zahlung von maximal 10 oder 20 % alle Schulden für immer erlassen werden“.
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E. Die Schuldnertricks und wie Sie damit umgehen sollten
Der zahlungsunwillige Patient braucht daher eine andere „Behandlung“ als derjenige, der sich verschuldet oder unverschuldet in einer ernsthaften Zahlungskrise befindet. Eine Differenzialdiagnose im Hinblick auf das Schuldnerverhalten gehört zwar nicht gerade zu Ihrem Hauptaufgabengebiet. Dennoch gibt es eine ganze Reihe von Anhaltspunkten, die Ihnen helfen, zu erkennen, ob ein Schuldner in die eine oder andere „Schublade“ gehört. Im Laufe Ihrer Berufstätigkeit haben Sie gelernt, in Ihre Patienten hineinzuhören, um zu wissen, was ihnen fehlt. Diese Fähigkeit kommt Ihnen bei den säumigen Patienten nun zugute. Schuldner verraten mehr, als ihnen lieb ist, vorausgesetzt man kennt ihre Ziele und ist mit den Strategien vertraut. Dann gelingt es Ihnen, den böswilligen Schuldner von demjenigen unterscheiden, der sich in einer Zahlungskrise befindet.
II.
Wie Sie Schuldnereinwänden im Vorfeld begegnen können
1.
„Wir haben doch gar keinen Vertrag geschlossen“
Juristische Laien – und hier sind Ihre Patienten keine Ausnahme – sind häufig der Ansicht, dass eine mündliche Vereinbarung gar kein „Vertrag“ sei. Sie verbinden den Vertragsabschluß stets mit der Unterzeichnung eines Schriftstücks. Deshalb kann es durchaus passieren, dass ein Patient seine Zahlungsverweigerung damit begründet, er habe mit Ihnen schließlich gar keinen Vertrag geschlossen. Vielmehr hätten sie sich lediglich über die Behandlung und die hierfür anfallenden Kosten „unterhalten“. Sie können jetzt nachvollziehen, weshalb der Gesetzgeber sowohl bei der Vereinbarung von IGeL-Leistungen als auch in den Fällen, in denen der Patient ausdrücklich verlangt, auf eigene Kosten behandelt zu werden, eine schriftliche Vereinbarung über die Behandlung und die daraus entstehenden Kosten verlangt. Das gibt Ihnen nicht nur die nötige Sicherheit und ein Beweismittel an die Hand, sondern macht den Patienten vor allen Dingen deutlich, dass sie einen Vertrag mit ihrem Arzt schließen, aus dem nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten resultieren.
2.
„Wir haben nicht über den Preis gesprochen“
Jetzt fallen Ihnen Versäumnisse, die möglicherweise zu Beginn des Vertragsverhältnisses unterlaufen sind, auf die Füße. Halten Sie eine schriftliche Behandlungsvereinbarung in der Hand, dann können Sie nämlich gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Sie können dem Patienten damit nicht nur belegen, dass tatsächlich ein Behandlungsvertrag geschlossen worden ist, sondern Sie ihn gleichzeitig über
II. Wie Sie Schuldnereinwänden im Vorfeld begegnen können
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die entstehenden Kosten informiert haben. Zwar war es lange undenkbar, dass Arzt und Patient im normalen Praxisalltag „Preisverhandlungen“ bezüglich einer medizinischen Behandlung führen. IGeL und andere Leistungen haben es nicht nur möglich, sondern sogar notwendig gemacht. Es zahlt sich daher aus, wenn Sie das Gespräch über die anstehenden Behandlungskosten mit dem Patienten nicht nur ordentlich geführt und dokumentiert haben, sondern die einzelnen Leistungen und die hierfür entstehenden Kosten in einem Behandlungsvertrag schriftlich fixiert haben. Dann haben zumindest diese Schuldnereinwände keine Chance. 3.
„Ich habe mir das Ergebnis der Behandlung anders vorgestellt“ – Ausrede oder schlagkräftiger Einwand?
Sie sind sich sicher, gute Arbeit geleistet zu haben und dennoch verweigert der Patient die Bezahlung mit dem Hinweis, die Leistung sei nicht vereinbarungsgemäß und vor allen Dingen nicht mängelfrei erbracht worden. Diesen Einwand bekommen nicht nur Installateure oder KFZ-Meister zu hören, sondern inzwischen auch immer mehr Ärzte und Zahnärzte. Das haben Sie vielleicht schon am eigenen Leib zu spüren bekommen. Je mehr es Patienten bei den Gesundheitsleistungen an die eigene Geldbörse geht, desto kritischer stehen sie der erbrachten Leistung gegenüber. Das gilt für den privat versicherten Patienten genauso, wie für denjenigen, der beispielsweise die Kosten für einen Zahnersatz selbst zu tragen hat. Von den klassischen Schönheitsoperationen ganz zu schweigen. Die Einzelpositionen in Arzt- oder Zahnarztrechnungen werden geprüft, hinterfragt und im Zweifelsfall wird die streitige Position schon mal zum Arzthaftpflichtfall. Die Ursachen für die Auseinandersetzung sind in der Regel woanders zu suchen. Der Patient ist mit ganz anderen Erwartungen in die Praxis gekommen und die stimmen jetzt nicht mit dem Ergebnis der erbrachten Leistung überein. Von den abweichenden Erwartungshaltungen dürften in besonderem Maße die Zahnmediziner unter Ihnen betroffen sein. Nach einer Umfrage268 eines namhaften deutschen Arzthaftpflichtversicherers scheuen knapp 5 % aller Zahnarztpatienten nicht davor zurück, einen Arzthaftpflichtfall aus dem Streit über die Behandlungskosten zu machen. Wie in anderen Bereichen gibt es auch unter Patienten solche, die sich darauf „spezialisiert“ haben, „ein Haar in der Suppe“ zu finden, um den Rechnungsbetrag entweder reduzieren oder zumindest jetzt nicht zahlen zu müssen. Wie können Sie mit dieser Situation adäquat umgehen? Zunächst sollten Sie herausfinden, „wo den Patienten der Schuh drückt“. Schließlich wollen Sie aus dem unzufriedenen Patienten wieder einen zufriedenen machen, den Sie auch weiterhin betreuen können. Das gilt umso mehr, wenn Familienangehörige des Patienten Ihre Praxis regelmäßig aufsuchen. Ohne ausführliches Gespräch wird eine Klärung kaum herbeizuführen sein. Denn die Erwartungen des Patienten an die Behandlung weichen unter Umständen erheblich von dem ab, was im Rahmen dieser Behand268
Flintrop, Dtsch Ärzteblatt 2007; 104, S. 127.
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E. Die Schuldnertricks und wie Sie damit umgehen sollten
lung tatsächlich leistbar ist. Gerade bei zahnärztlichen Behandlungen gehen Patienten häufig von einer perfekten prothetische Versorgung aus. Wenn Sie daran interessiert sind, Ihren Patienten als „Kunden“ zu behalten, dann sollten Sie mit ihm kurzfristig einen Termin vereinbaren und eine Beseitigung der Ursache anbieten, soweit dies im Rahmen Ihrer Möglichkeiten liegt. Lässt sich der Patient nicht von seinen Erwartungen abbringen, dann führt dies nicht nur zu einer mangelnden Kooperation, sondern mündet häufig in einer Trotzreaktion, nach dem Motto: „Ich bin mit der Behandlung nicht zufrieden, also zahl’ ich nicht.“ Patienten begründen ihre Auffassung in der Regel damit, dass sie die Rechnung ihrer Autowerkstatt schließlich auch nicht bezahlen, wenn der aufgetretene Fehler durch die Reparatur nicht behoben worden ist. Die juristische Differenzierung zwischen Behandlungs- und Reparaturauftrag macht es dem Patienten freilich schwer zu verstehen, warum er seine Arztrechnung begleichen muss, obwohl die Leistung nicht seinen Vorstellungen entspricht, er bei der Autoreparatur hingegen die Zahlung in angemessenem Umfang reduzieren oder gar verweigern darf: Der Behandlungsvertrag unterliegt den Regeln des Dienstvertragsrechts, das im Gegensatz zum Werkvertragsrecht, dem viele typische Handwerksleistungen unterliegen, keine Gewährleistung kennt.269 Der Zahlungsanspruch aus dem Behandlungsvertrag entsteht deshalb mit einer lege artis erbrachten Behandlung und wird mit der Rechnungsstellung fällig, völlig unabhängig davon, ob der Patient mit der Behandlung zufrieden ist oder nicht. Eine ganz andere Frage ist es, ob die erbrachte Leistung für den Patienten völlig untauglich ist, weil ein fehlerhaftes Behandlungskonzept vorgelegen hat und aus diesem Grund möglicherweise ein Rückforderungsanspruch des Patienten in Betracht kommt.270 Dann steht ihm allenfalls im Wege eines Schadensersatzes die Freistellung von dem in Rechnung gestellten Honorar zu. Das kann Ihnen unter Umständen ein Verfahren vor einer Schlichtungsstelle bescheren. Sollte der Patient trotz Ihrer ernsthaften Bemühungen nicht bereit sein, das fällige Behandlungshonorar zu begleichen, dann können Sie davon ausgehen, dass Sie es mit einem ernsthaften Zahlungsverweigerer zu tun haben. ⓦ
In diesem Fall sollten Sie Ihrem Patienten klar und eindeutig zu verstehen geben, dass der bloße Einwand, die Behandlung sei mangelhaft, nicht zur Verweigerung der Zahlung berechtigt. 271
269
Lediglich im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung tragen Zahnärzte eine zweijährige Gewährleistung für Füllungen, § 136b Abs. 2 S. 3 SGB V. Auch mit dieser Frage hat sich ausführlich das OLG Hamm in seiner Entscheidung vom 02.11.2005 – 3 U 290/04 auseinandergesetzt. Siehe dazu auch die Entscheidung des OLG Hamm, Urteil vom 02.11.2005 – 3 U 290/04 mit weiteren Hinweisen zur aktuellen Rechtsprechung.
270
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II. Wie Sie Schuldnereinwänden im Vorfeld begegnen können ⓦ
4.
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Führt dieser Hinweis nicht zum gewünschten Erfolg, dann bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als die fällige Honorarforderung auf gerichtlichem Wege geltend zu machen.272 Kennen Sie Ihre Patienten?
Der schwunghafte Handel mit Krankenversicherungskarten verursacht nach Schätzungen bei den gesetzlichen Krankenversicherern jährlich einen Schaden in Milliardenhöhe273, weil der Schwindel nicht auffliegt. Die elektronische Gesundheitskarte (eGK) soll hier durch das Patientenfoto und einer Online-Abfrage Klarheit über die aktuellen Versicherungsdaten schaffen, wenn sie einmal bundesweit eingeführt ist. Bei den privat versicherten Patienten bleibt weiterhin die Frage, ob der Patient, der in Ihre Praxis kommt, erstens derjenige ist, für den er sich ausgibt und zweitens, ob die von ihm angegebene Wohnanschrift stimmt. Der Einsatz krimineller Energie lässt sich nicht vollständig ausschließen. Sie könnten von neuen Patienten die Ausweisdaten notieren, was dem Aufbau eines Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient sicherlich nicht gerade förderlich wäre. Selbst dann können Sie nicht sicher sein, dass Ihre Rechnung oder eine darauffolgende Zahlungsaufforderung tatsächlich den Empfänger erreicht. ProfiSchuldner kennen nämlich eine Reihe von Tricks, um sich selbst in der eigenen Wohnung vor unliebsamer Post wie Rechnungen oder Ähnlichem zu „schützen“. Der Patient gibt Ihnen seine richtige Anschrift an, seinen Namen am Klingelschild und am Briefkasten überklebt er entweder mit einem Fantasienamen oder der Name fehlt ganz. Weil der Postbote den Adressaten nicht findet, erhalten Sie Ihre Briefsendungen mit dem Vermerk „Unbekannt verzogen“ zurück. Es hat auch schon Fälle gegeben, in denen die Schuldner den Vermerk selbst angebracht und die Post an den Absender zurückgesandt haben. Die Masche mit dem falschen Namen ist übrigens auch eine beliebter Trick, um es Gerichtsvollziehern schwer zu machen, den Schuldner im Rahmen eines Zwangsvollstreckungsversuches aufzufinden.
Deshalb muss eine andere Methode her, wenn Sie schnell und unkompliziert wissen wollen, ob Sie es mit dem richtigen Patienten unter der korrekten Anschrift zu tun haben. 5.
„Unbekannt verzogen“ – vorher prüfen ist besser als später suchen
Vorab eine Anschrift zu überprüfen ist einfacher, als hinterher den „verschollenen“ Patienten zu suchen. Damit erreichen Sie gleich zwei Dinge auf einmal: Zum einen wird die Anschrift auf eventuelle Schreibfehler hin überprüft. Wie schnell passiert es im Praxisalltag, dass man sich verhört oder verschreibt. Vor allem Zahlendreher in der Hausnummer können bei Straßenzügen, die in mehrere Postleitzahlen aufgeteilt 272
273
Was Sie dabei beachten sollten, zeigt Ihnen der Abschnitt „Das gerichtliche Mahnverfahren – worin liegt der Unterschied zum Klageverfahren?“ ab Seite 143. Siehe Presseinformation der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern vom 17.03.2007.
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E. Die Schuldnertricks und wie Sie damit umgehen sollten
sind, schnell zur Unzustellbarkeit führen. Zwar ist die Gefahr mit den elektronisch lesbaren Karten nicht mehr so groß, aber selbst wenn die Anschrift keine Schreibfehler enthält, gibt es immer noch eine Reihe von Ursachen, weshalb Ihr Brief seinen Adressaten nicht erreicht: Der Patient hat Ihnen von Anfang an eine Adresse genannt, unter der er vorübergehend untergetaucht ist, und hat nur den Abschluss der Behandlung abgewartet, um wieder an seinen tatsächlichen Wohnsitz zurückzukehren. Er ist umgezogen und hat im Umzugstrubel vergessen, Ihnen seine neue Anschrift mitzuteilen. Er hat sich „aus dem Staub“ gemacht und denkt gar nicht daran, Ihnen irgendeinen Hinweis auf seinen Verbleib zu liefern.
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Bei geplanten, umfangreichen Behandlungen können Sie die Anschrift noch vor Behandlungsbeginn selbst ganz einfach prüfen. Senden Sie dazu dem Patienten einfach den Kostenvoranschlag oder den Behandlungsvertrag per Post zu. Dann wissen Sie zumindest, ob die angegebene Adresse korrekt ist.
Wenn Sie bereits eine Bonitätsauskunft über den Patienten eingeholt haben, dann ist die Adresse neben anderen Daten bereits geprüft worden. Der Patient, der in der Hektik seiner Umzugsaktivitäten vergessen hat, Ihnen seine neue Anschrift mitzuteilen, wird dies möglicherweise beim nächsten Besuch in Ihrer Praxis nachholen, sofern er weiterhin in dieser Region wohnt. Solange wollen Sie freilich nicht warten. Was können Sie nun unternehmen, um den vergesslichen Patienten vom Profischuldner zu unterscheiden und vor allen Dingen, wie können Sie den verschwundenen Patienten finden? Der redliche Patient hat er ein Interesse daran, auch am neuen Wohnort seine Post zu erhalten. Er wird sich zudem beim Einwohnermeldeamt seines neuen Wohnortes anmelden. Der Schuldenprofi dagegen denkt dagegen gar nicht daran, sich seine Post nachsenden zu lassen. Wozu auch? Schließlich will er sich mit unliebsamen Briefsendungen nicht „belasten“ und das verschafft ihm zugleich einen Zeitgewinn. Das funktioniert ganz gut, denn Sie sind jetzt erst einmal damit beschäftigt, seine neue Adresse herauszufinden – und das dauert! a)
Die Anschriftenprüfkarte der Deutschen Post AG
Mit einem Service der Deutschen Post AG können Sie schnell und unkompliziert Name und Anschrift der betreffenden Person auf die korrekte Schreibweise und auf Vollständigkeit hin überprüfen lassen. Ist der Betroffene umgezogen und hat er einen Postnachsendeauftrag erteilt, wird Ihnen die neue Anschrift mitgeteilt. Die Deutsche Post AG darf Sie nur dann über eine Anschriftenänderung informieren, wenn der Antragsteller eines Postnachsendeauftrages darin eingewilligt hat. Hat der Auftraggeber der Weitergabe widersprochen, dann darf die neue Anschrift lediglich an Behörden und Gerichte weitergegeben werden. Will der Profischuldner seine neue Anschrift auf keinen Fall preisgeben, wird er der Weitergabe seiner Daten widersprechen, sofern er überhaupt einen Nachsendeantrag stellt.
II. Wie Sie Schuldnereinwänden im Vorfeld begegnen können
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Für die Beauftragung stehen Ihnen verschiedene Wege zur Verfügung: Zum einen können Sie ganz klassisch die Anschriftenprüfkarte nutzen. Den erforderlichen Vordruck erhalten Sie entweder über die Service-Hotline der Deutschen Post AG oder Sie können das Formular über die Internetseite direkt bestellen. Auf der Anschriftenprüfkarte tragen Sie neben Ihren Absenderangaben die Anschrift des Kunden ein und geben die Karte bei der Post auf. Die Anschriftenprüfung kostet derzeit 0,82 Euro, hinzu kommt noch ein Beförderungsentgelt für die Karte in Höhe von 0,45 Euro.274 Das Ergebnis der Anschriftenprüfung erhalten Sie, je nach Auftrag, entweder per e-mail oder per Post. Deutlich schneller geht es mit dem Website Check unter www.deutschepost.de/anschriftenpruefung. Den Prüfauftrag können Sie online erteilen, die Abrechnung erfolgt per Kreditkarte. Die Rückmeldung der geprüften Adresse erfolgt per e-mail. Die Anschriftenprüfung wird inzwischen zentral durchgeführt. Zum Leidwesen vieler Anschriftenermittler ist dadurch auch das Insider-Wisser der einzelnen Postzusteller verloren gegangen. Bis zur Zentralisierung hat nämlich der örtlich zuständige Postzusteller die Anschriftenprüfungen bearbeitet und konnte hin und wieder einen Tipp geben, wenn die gesuchte Person in einer bestimmten Straße oder Wohnung „untergetaucht“ war. Die Ergebnisse der Anschriftenprüfung sind nicht immer befriedigend. Sie ist deshalb zwar ein kostengünstiges Instrument, um die Schreibweise und die Anschrift auf Vollständigkeit und Richtigkeit zu überprüfen, verschwundene Schuldner lassen sich damit nur selten finden. b)
Die Anfrage beim Einwohnermeldeamt
Hat Ihnen die Anschriftenprüfkarte keine neuen Erkenntnisse gebracht, dann können Sie den zweiten Weg einschlagen und sich beim zuständigen Einwohnermeldeamt nach einer neuen Anschrift erkundigen. Das ist freilich eine mühsame und ebenfalls nicht unbedingt erfolgversprechende Angelegenheit, da es in Deutschland derzeit noch kein zentrales Melderegister gibt. Eine Reform des Meldewesens soll künftig die Suche nach verzogenen Personen einfacher machen. Ähnlich wie schon in Österreich praktiziert, soll ein Melderegister auf Bundesebene eingerichtet werden, das zentral sämtliche Meldedaten der Bürger erfassen und verwalten soll. Ob und wann das zentrale Melderegister einsatzbereit sein wird und es letztendlich zum besseren Auffinden von „verschollenen“ Schuldnern führen wird, muss die Umsetzung des Gesetzesvorhabens erst zeigen. Solange es an einem zentralen Melderegister fehlt, erhalten Sie von dem Einwohnermeldeamt, an das Sie die Anfrage gerichtet haben, stets nur die Anschrift genannt, unter der sich die gesuchte Person – wenn überhaupt – am neuen Wohnort angemeldet hat. Ist sie unter der gerade als „neu“ ermittelten Adresse schon wieder verzogen, müssen Sie weiter suchen, bis Sie endlich eine aktuelle Anschrift erhalten. Zudem erschweren Änderungen im Melderecht inzwischen die Suche nach einer aktuellen Anschrift. Für die Anmeldung an einem 274
Stand April 2008.
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E. Die Schuldnertricks und wie Sie damit umgehen sollten
neuen Wohnort ist es nämlich nicht mehr nötig, einen Nachweis des Vermieters vorzulegen. Folglich kann sich der Schuldenprofi unter beliebig vielen fiktiven Adressen anmelden, ohne jemals dort gewohnt zu haben. Bei Ihren Recherchen bekommen Sie vom Einwohnermeldeamt dann zwar eine neue Adresse genannt, die Ihnen jedoch nicht weiterhilft, weil die Post dort erneut nicht zustellbar ist. Anfragen bei Einwohnermeldeämtern können heute in vielen Städten und Gemeinden online eingeholt werden. Die gewünschte Auskunft erhalten Sie nur dann, wenn Sie neben der letzten bekannten Anschrift konkrete Angaben wie Name, Vorname(n) und das Geburtsdatum zu der gesuchten Person machen können, damit sie zweifelsfrei identifiziert werden kann. Dabei können schon die ersten Probleme auftreten. Wenn Sie beispielsweise nach der Anschrift eines Patienten mit dem Vornamen „Hans-Dieter“ fragen und dieser bei der Meldebehörde als „Hans Dieter“ ohne Bindestrich eingetragen ist, dann kann es vorkommen, dass Sie eine Negativauskunft erhalten, obwohl sich die gesuchte Person ordnungsgemäß abgemeldet hat. Wenn Sie hingegen auf konventionelle Art und Weise nach der neuen Anschrift fragen, dann sollte der zuständige Sachbearbeiter nachprüfen, ob die von Ihnen gesuchte, namensgleiche Person mit der gemeldeten identisch ist. Mit einer sogenannten erweiterten Melderegisterauskunft erhalten Sie außerdem Informationen über einen bestehenden Zweitwohnsitz. Die Städte und Gemeinden lassen sich diesen Service, gleichgültig, ob online oder konventionell natürlich etwas kosten. Mit Gebühren zwischen 4 und 10 Euro pro Auskunft müssen Sie daher in der Regel rechnen. Manchen Schuldnern gelingt es außerdem, eine Auskunftssperre beim Einwohnermeldeamt zu erwirken. Sie wollen damit verhindern, dass eine neue Anschrift an Privatpersonen oder Unternehmen, die professionell neue Anschriften recherchieren, herausgegeben werden, obwohl die Einrichtung einer Auskunftssperre lediglich für ernsthafte Fälle wie einer Gefahr für Leben, Gesundheit oder der persönlichen Freiheit gedacht ist. Das Einwohnermeldeamt darf Ihnen trotz der bestehenden Auskunftssperre die neue Anschrift nur dann mitteilen, wenn Sie ein berechtigtes Interesse nachweisen können. Das liegt beispielsweise dann vor, wenn Sie die Anschrift benötigen, um dem säumigen Kunden einen Mahnbescheid zustellen zu können. Wesentlich schwierig wird es, wenn Ihr Patient ins Ausland verzogen ist. Sofern er sich überhaupt abgemeldet hat, sind die Angaben, die Sie vom Einwohnermeldeamt erhalten, oft nur recht dürftig. Die Auskunft erschöpft sich häufig in dem Hinweis, die gesuchte Person sei beispielsweise „nach Spanien“ verzogen, ohne weitere Anhaltspunkte, wo Sie die Suche fortsetzen könnten. Trotzdem kann sich eine Anfrage beim Einwohnermeldeamt lohnen, denn es gibt schließlich nicht nur schwarze Schafe unter den Schuldnern, sondern überwiegend redliche Menschen, die einfach vergessen haben, Sie über eine neue Anschrift und / oder eine Namensänderung zu informieren.
II. Wie Sie Schuldnereinwänden im Vorfeld begegnen können
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c)
Die Rechercheprofis – was können die, was Sie nicht können? Die Suche nach einer neuen Anschrift gehört nicht gerade zu Ihrem „Kerngeschäft“. Was liegt daher näher, als einen Profi mit der Adressermittlung zu beauftragen. Im Internet finden Sie inzwischen zahlreiche Angebote zum Thema Adressrecherche. Die Preispalette ist sehr breit, die Ergebnisse sind ebenfalls von recht unterschiedlicher Qualität, denn sie hängen im Wesentlichen von den eingesetzten Recherchemethoden ab. Bei der Auswahl eines geeigneten Unternehmens sollten Sie daher folgende Kriterien zugrunde legen: ⓦ
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Wird bei der Recherche die Umzugsdatenbank der Deutschen Post AG einbezogen? In welcher Form erfolgt die Anfrage bei den Einwohnermeldeämtern? Die heute übliche Anfrage in elektronischer Form ist zwar schneller und für das recherchierende Unternehmen bequemer, kann aber häufiger zu negativen oder falschen Ergebnissen führen. Erfolgt bei bereits älteren Anschriften eine Recherche in den Archiven der Einwohnermeldeämtern? Wird in der Sterbedatenbank ermittelt, ob der Betreffende möglicherweise inzwischen verstorben ist? Bietet das Unternehmen eine Anschriftenermittlung im Ausland an, falls sich der Gesuchte in ein anderes Land abgemeldet hat? Verfügt das Unternehmen über einen hauseigenen Datenpool, mit dem die Daten des Gesuchten abgeglichen werden? Meist besteht dieser aus den bereit für andere Kunden ermittelten Melderegisterauskünften. Gibt es darüber hinaus externe Datenbanken, mit denen ein Abgleich erfolgt? Meist handelt es sich dabei um Konsumentendatenbanken anderer Unternehmen. Bietet das Unternehmen ein Monitoring an, bei dem die Daten der nach wie vor als „unbekannt verzogen“ geltenden Personen innerhalb eines bestimmten Zeitraums immer wieder mit verschiedenen Datenpools abgeglichen wird? Das ist nun einer der unschlagbaren Vorteile der Rechercheprofis. Es kommt nämlich immer wieder vor, dass sich ein Schuldner nach einer gewissen Zeit am neuen Wohnort anmeldet. Andere werden dagegen irgendwann unvorsichtig. Unter einer den Gläubigern bisher unbekannten Anschrift wird beispielsweise eine Bestellung aufgegeben oder ein neuer Vertrag mit einem Mobilfunkbetreiber geschlossen. Wenn der Adressdienstleister nun diese Daten aus einer externen Konsumentendatenbank geliefert bekommt, dann schnappt die Falle zu. Je größer der Datenpool des Adressermittlers ist, umso größer ist letztendlich die Chance, eine neue Anschrift zu ermitteln.
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Hilft das alles nicht weiter, dann bieten einige Adressdienstleister auch eine Recherche vor Ort an: Nachfragen beim ehemaligen Vermieter, Nachbarn oder beim Arbeitgeber gehören genauso dazu wie beim Postzusteller. Für diese Art der Adressermittlung sollten Sie sich jedoch rasch entschließen, denn je mehr Zeit vergeht, umso geringer ist letztendlich die Chance, dass noch Anhaltpunkte vor Ort für den Verbleib des Gesuchten gefunden werden können.
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E. Die Schuldnertricks und wie Sie damit umgehen sollten
Wollen Sie dem säumigen Patienten einen Mahn- und Vollstreckungsbescheid zustellen oder eine Klage gegen ihn erheben, dann benötigen Sie eine zustellfähige Anschrift. Unter bestimmten Voraussetzungen können Sie eine Klage auch durch eine öffentliche Zustellung erheben. Dazu müssen Sie dem Gericht allerdings glaubhaft machen, dass Sie vergeblich versucht haben, eine zustellfähige Adresse zu ermitteln. Mit der Vor-Ort-Recherche eines Adressdienstleisters können Sie diesen Nachweis erbringen. Nun werden Sie sich fragen, ob Sie die patientenbezogenen Daten zum Zwecke der Adressermittlung überhaupt an Dritte weitergeben dürfen. Schließlich haben wir in einem der vorangegangenen Kapitel festgehalten, unter welchen Voraussetzungen Sie personenbezogene Informationen an Dritte weitergeben dürfen. Eine Einwilligungserklärung für den Fall, dass eine Anschriftenermittlung erforderlich ist, wird nicht vorliegen. Dies zu verlangen, wäre sicherlich auch praxisfremd. Welche Möglichkeiten Ihnen bleiben, haben wir im Rahmen der Notstandsregelung275 bereits erörtert. Es ist Ihnen daher erlaubt, Ihre Forderung auf gerichtlichem Wege geltend zu machen, sofern die außergerichtlichen Beitreibungsversuche ohne Erfolg geblieben sind. Um eine Klage oder einen Mahnbescheid zustellen zu können, benötigen Sie zwangsläufig eine aktuelle Zustelladresse, die nicht unbedingt mit der Wohnanschrift identisch sein muss. Diese Erlaubnis zur Anschriftenermittlung setzt zeitlich freilich zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt an. Um überhaupt bis zur gerichtlichen Geltendmachung der Forderung zu gelangen, müssen Sie dem Patienten zunächst einmal eine der Gebührenordnung entsprechende Rechnung und eine verzugsauslösende Mahnung zukommen lassen. Deshalb dürfen Sie im Rahmen der Notstandsregelung diejenigen Patientendaten, die zu einer Anschriftenermittlung zwingend erforderlich sind, wie Name, Vorname, Anschrift und Geburtsdatum, bereits in diesem Stadium der Forderungsbeitreibung zu diesem Zweck an Dritte weitergeben. 6.
Von „Alles bezahlt“ bis „Buchungsfehler“ – wie man seine Gläubiger beschäftigt
Profischuldner greifen gerne in die Trickkiste, wenn es darum geht, ihre Gläubiger für eine Weile zu beschäftigen. In die Rubrik „Zeit gewinnen“ und „den Gläubiger mit unsinnigen Dingen beschäftigen“ gehört zweifelsohne die Rücksendung der Rechnung mit dem Vermerk „Bereits bezahlt“ oder „Buchungsfehler“. Wenn Sie sich auf dieses Spiel einlassen, dann können Sie nur verlieren! ⓦ
Rufen Sie deshalb Ihren Patienten unverzüglich an und bitten Sie ihn, die Kopie des Zahlscheines oder den Ausdruck der online-Übeweisung sofort zu faxen, als E-Mail-Anhang zu übermitteln oder notfalls umgehend per Post zu übersenden. Setzten Sie ihm dafür eine sehr kurze Frist!
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Siehe dazu näher im Abschnitt „Raum für eine Notstandsregelung?“ ab Seite 27.
II. Wie Sie Schuldnereinwänden im Vorfeld begegnen können
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Bedenken Sie dabei: Die Beauftragung der Bank mit der Durchführung der Überweisung bedeutet noch lange nicht, dass die Überweisung auch tatsächlich ausgeführt worden ist! Kann der Patient den Beleg nicht vorlegen, dann wissen Sie, dass er Sie an der Nase herumführt und es nun an der Zeit ist, andere Maßnahmen zu ergreifen. Legt er Ihnen den Beleg zwar vor, aber der Betrag ist dennoch nicht auf Ihrem Konto eingegangen, dann fordern Sie ihn auf, seiner Bank unverzüglich einen Rechercheauftrag zu erteilen und Sie rasch über das Ergebnis zu informieren. In dem Spiel gibt es noch eine weitere Variante: Hierbei teilt Ihnen der Patient mit, er habe den Rechnungsbetrag leider auf ein falsches Konto überwiesen, „Sie wissen schon Herr Doktor, ich bin manchmal halt ein bisschen durcheinander….“. Dann sagen Sie ihm, dass Ihnen das zwar leidtut, Sie dennoch auf der sofortigen Zahlung bestehen und deshalb um die umgehende Überweisung auf das richtige Konto bitten. Zur Sicherheit übermitteln Sie ihm nochmals die korrekte Bankverbindung. Überprüfen Sie unbedingt nach ein bis zwei Bankarbeitstagen, ob die Zahlung eingegangen ist. Ist der Betrag nicht auf Ihrem Konto gutgeschrieben, dann wissen Sie, dass Sie jetzt gerichtliche Maßnahmen ergreifen müssen. 7.
Immer sind die anderen schuld – der Patient hat die Rechnung oder die Mahnung nicht erhalten
Die beliebteste aller Ausreden dürfte wohl sein, entweder die Mahnung oder die Rechnung oder beides nicht erhalten zu haben. Mag sein, dass ein Poststück einmal verloren geht, spätestens bei Erhalt einer Zahlungserinnerung wird der redliche Patient reagieren und den Rechnungsbetrag umgehend anweisen. Im anderen Fall können Sie von der üblichen Verzögerungstaktik ausgehen. Damit diese Ausrede in Zukunft nicht mehr zieht, gibt es mehrere Möglichkeiten, um sicherzustellen, dass der Patient die Rechnung oder Mahnung nachweislich erhält. Kommt der Patient regelmäßig in die Praxis, dann bietet es sich an, ihm die Rechnung persönlich zu übergeben und sich im Zweifelsfall den Empfang des Schreibens quittieren zu lassen. Dagegen ist eine Übermittlung per Fax in zweierlei Hinsicht ein untaugliches Instrument. Der Sendebericht beweist lediglich die korrekte Übertragung, nicht hingegen den vollständigen und korrekten Ausdruck beim Empfänger.276 Zudem wissen Sie nicht, wer das Fax am anderen Ende in Empfang nimmt, deshalb scheidet dieser Übertragungsweg schon unter dem Gesichtspunkt der ärztlichen Schweigepflicht aus. Alternativ können Sie den Brief per Einschreiben versenden, das in mehreren Zustellvarianten angeboten wird. Beim sogenannten Einwurfeinschreiben werden lediglich Datum und Uhrzeit auf dem Auslieferungsbeleg eingetragen. Damit lässt sich letztendlich nur beweisen, dass das betreffende Poststück in den Briefkasten gelangt ist, nicht aber dessen Erhalt. Deshalb ist der Beweiswert des Einwurfeinschreibens umstritten und wird von den Gerichten sehr unterschiedlich beurteilt.277 Beim 276 277
BGH, Beschluss vom 23.10.1995 – II ZB 6/95. Der Nachweis des Zugangs wird durch ein Einwurfeinschreiben nicht erbracht, so das OLG Koblenz, Beschluss vom 29.11.2005 – 11 WF 1013/04.
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E. Die Schuldnertricks und wie Sie damit umgehen sollten
sogenannten Übergabeeinschreiben muss dagegen der Empfänger oder eine in diesem Haushalt lebende Person, die Entgegennahme quittieren. Trifft der Postzusteller niemanden an, dann bleibt ihm nichts anderes übrig, als einen Benachrichtigungsschein in den Briefkasten zu werfen. Dieser enthält die Aufforderung, das Schreiben innerhalb einer Frist von sieben Tagen beim zuständigen Postamt abzuholen. Nach Ablauf dieser Frist erhalten Sie den Brief zurück, wenn der Empfänger dieser Aufforderung nicht nachgekommen ist. Ein Schuldenprofi denkt deshalb gar nicht daran, das Schreiben bei der Post abzuholen. Nach einer höchstrichterlichen Entscheidung stellt die Benachrichtigung von der Hinterlegung noch keinen wirksamen Zugang dar, weil das Schreiben als solches noch nicht in den Machtbereich des Schuldners gelangt ist.278 Sie müssen deshalb einen erneuten Zustellversuch unternehmen, wenn Sie das Schreiben nach Ablauf der Lagerfrist zurückbekommen. Hat der Patient dagegen die Annahme des Schreibens verweigert, obwohl oder gerade weil er wusste, dass der Inhalt dieses Briefes mit unangenehmen Folgen für ihn verbunden ist, dann ist eine erneute Zustellung entbehrlich. Beim Einschreiben mit Rückschein wird das Poststück mit einer rosafarbenen Postkarte verbunden, auf welcher der Empfänger die Entgegennahme des Briefes quittieren muss. Die Postkarte erhalten Sie anschließend zurück, womit Sie zumindest darlegen können, dass Sie dem Patienten ein bestimmtes Poststück zukommen ließen, Sie können jedoch nicht den Inhalt beweisen. Kommt es einmal darauf an, nachzuweisen, dass ein Brief mit einem ganz bestimmten Inhalt einem Dritten zugegangen ist, dann bleibt nur eine Zustellung per Postzustellungsurkunde. Diese Zustellungsart wird Ihnen wahrscheinlich nicht sehr vertraut sein. Sie wird überwiegend von Gerichten und Behörden verwendet und nur ausnahmsweise von Privatpersonen oder Unternehmen. Früher erfolgte diese Form der Zustellung überwiegend durch die zuständigen Gerichtsvollzieher, heute übernehmen selbst private Zustelldienste diese Aufgabe. Der Aufwand für das Versenden per Postzustellung ist deutlich höher als bei einer normalen Briefsendung oder einem Einschreiben. Sie benötigen nämlich hierfür die gemäß § 1 ZustVV amtlich zugelassenen Vordrucke279: einen inneren und einen äußeren Umschlag sowie die eigentliche Zustellungsurkunde. Das zu versendende Schreiben stecken Sie in den inneren Umschlag und versehen diesen mit der Anschrift des Patienten. Zusammen mit dem ausgefüllten Formular der Postzustellungsurkunde wird der innere Umschlag in den äußeren gesteckt und an den zuständigen Dienstleister280 adressiert. In die Postzustellungsurkunde trägt der Zusteller das genaue Datum, die Uhrzeit der Zustellung sowie den Namen der Person, an die er das Poststück übergeben hat, ein. Anschließend wird Ihnen die Urkunde zum Nachweis der Zustellung übersandt. Für die Postzustellungsurkunde gilt das Gleiche wie für das Einschreiben: Niemand ist verpflichtet, die Briefsendung entgegenzunehmen. Schuldenprofis versuchen sich 278 279
280
BGH, Urteil vom 26.11.1997 – ZR 22/97 = NJW 1998, S. 976. Verordnung zur Einführung von Vordrucken für die Zustellung im gerichtlichen Verfahren vom 12. Februar 2002, BGBl. I 2002, S. 671, S. 1019. Den zuständigen Zustellstützpunkt der Deutschen Post AG können Sie bei Ihrer Postfiliale erfragen.
II. Wie Sie Schuldnereinwänden im Vorfeld begegnen können
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unter anderem vor der Zustellung durch Abschrauben des Briefkastens zu drücken, oder indem sie grundsätzlich zu den Zustellseiten nicht zu Hause sind. In solchen Fällen kann das Schreiben durch eine sogenannte Ersatzzustellung wirksam zugestellt werden. 8.
Der stets vergessliche Patient
Wie können Sie einen Patienten zum Zahlen bringen, der nach außen hin den „notorisch Vergesslichen“ mimt? Das ist der Schuldner, der stets auf Zeit spielt und regelmäßig abwartet, bis die zweite oder dritte Mahnung im Briefkasten liegt, bevor er sich bequemt, die Rechnung zu begleichen. Diesem Schuldner sollten Sie erst gar keine Gelegenheit zum Zeitgewinnen geben, indem Sie ihm den Weg von vornherein abschneiden. ⓦ
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Vereinbaren Sie mit ihm schon während des Gesprächs über die voraussichtliche Höhe der anfallenden Behandlungskosten (wirtschaftliche Aufklärung) einen konkreten Zahlungstermin. Bei einer umfangreichen und kostspieligen Behandlung sollten sie von Ihrem Recht, Teilzahlungen für die bereits erbrachten Behandlungsleistungen zu fordern, Gebrauch machen. Fixieren Sie die Zahlungsvereinbarung unbedingt schriftlich und lassen Sie die getroffene Vereinbarung zum Zeichen des Einverständnisses vom Patienten gegenzeichnen. Senden Sie ihm eine Kopie der Zahlungsvereinbarung nach dem Gespräch auf dem Postweg zu. Das ist eine zusätzliche „Erinnerungsstütze“ und kostet nicht viel. Bei der Vereinbarung von Teilzahlungen hat es sich bewährt, den „vergesslichen Patienten“ kurz vor dem Fälligkeitstermin für die nächste Zahlung an die Überweisung zu erinnern. Das können Sie im Rahmen der nächsten Behandlung erledigen oder durch einen kurzen Anruf.
Zahlt er dennoch nicht zum vereinbarten Termin, dann bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als die gerichtliche Geltendmachung anzudrohen und im Nichterfolgsfall auch durchzuführen. Gerade bei geringen Forderungen stellt sich die Frage, ob eine solche Maßnahme unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten überhaupt sinnvoll ist. Mancher Schuldner, der es in der Vergangenheit auf den Zeitgewinn angelegt hat, ist deshalb „ungeschoren“ davon gekommen. Wenn Sie unter Ihre Patienten einen solchen Schuldner haben und ihn weiterbehandeln wollen, dann können Sie sich vor weiteren Zahlungsausfällen nur schützen, indem Sie Kleinbeträge sofort nach der Behandlung in Rechnung stellen und kassieren.
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E. Die Schuldnertricks und wie Sie damit umgehen sollten
III. Raum für Schuldnertricks im gerichtlichen Mahnverfahren 1.
Der Patient legt prinzipiell Widerspruch oder Einspruch ein
Um das gerichtliche Mahnverfahren in die Länge zu ziehen, legen professionelle Schuldner Widerspruch gegen den Mahnbescheid oder Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid ein und dies stets kurz vor Ablauf der Frist. Der Schuldner hofft nämlich insgeheim, dass Ihnen der Aufwand und die Kosten für ein Klageverfahren zu groß sind und die Sache daher im Sande verlaufen wird. Mit dem Einlegen des Widerspruchs ist erst einmal Zeit gewonnen. Eine andere Variante besteht darin, den Widerspruch mit der Begründung einzulegen, die Forderungshöhe sei nicht korrekt. Ganz clevere Schuldner leisten gleichzeitig eine geringe Teilzahlung. Auf den ersten Blick klingt das recht positiv, die Zahlung zieht allerdings Konsequenzen nach sich: Sie müssen nämlich den Mahnbescheid berichtigen und erneut zustellen, was wiederum einige Wochen dauern kann. Durch die notwendige Neuzustellung beginnt das Spiel von vorne … . Damit sind Sie jedoch noch nicht am Ziel, denn mit der Zustellung des Vollstreckungsbescheides geht es in die nächste Runde. Durch Einlegen eines Einspruches hat der zahlungsunwillige Patient nochmal die Gelegenheit, die Zahlung hinauszuzögern. Da es sich hierbei um sehr beliebte Schuldnertricks handelt, sollten Sie bereits vor Einleitung des gerichtlichen Mahnverfahrens entscheiden, ob Sie im Falle eines Widerspruchs oder Einspruchs das Klageverfahren überhaupt einleiten wollen.
2.
Der Mahnbescheid ist zugestellt – der Patient ist plötzlich zahlungsbereit
Auch ohne einen Widerspruch oder Einspruch einzulegen, ist das Angebot einer Teil- oder Ratenzahlung innerhalb des Mahnverfahrens eine beliebte Schuldnermasche. Damit das Schuldnerversprechen nicht zur Gläubigerfalle wird, sollten Sie weiteren Schuldnertricks einen Riegel vorschieben. Sofern Sie sich mit dem säumigen Patienten über einen Vergleich oder eine Ratenzahlung nach Zustellung des Mahnbescheides einigen wollen, wissen Sie nicht, ob er die getroffene Vereinbarung tatsächlich einhalten wird. Um einen Vollstreckungstitel zu erlangen, müssen Sie spätestens sechs Monate nach Zustellung des Mahnbescheides den Vollstreckungsbescheid beantragen, andernfalls wird der bereits erlangte Mahnbescheid ungültig. In diesem Fall müssen Sie wieder von vorn anfangen, wenn der Patient sein Zahlungsversprechen trotz aller Beteuerungen nicht einhält. Doppelte Kosten und Zeitverlust wären die Folgen.
IV. Schuldnertricks in der Zwangsvollstreckung
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Bietet Ihnen der säumige Patient nach Zustellung des Mahnbescheides einen akzeptablen Vergleich oder eine Ratenzahlung an, dann sollten Sie unbedingt mit ihm vereinbaren, dass Sie den Vollstreckungsbescheid dennoch zustellen lassen wollen und ihn zugleich bitten, hiergegen keinen Einspruch einzulegen. Falls der Schuldner die Zahlungsvereinbarung nämlich nicht einhalten sollte, haben Sie wenigstens einen Vollstreckungstitel in der Hand, aus dem Sie die Zwangsvollstreckung betreiben können.
IV. Schuldnertricks in der Zwangsvollstreckung Selbst wenn Sie Ihren Rechtsanwalt mit der Durchführung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen beauftragt haben, werden Sie hin und wieder mit Entscheidungen im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens konfrontiert. Dass auch im Zwangsvollstreckungsverfahren Tücken lauern, zeigen Ihnen die nachfolgenden kleinen Beispiele aus dem Vollstreckungsalltag. Wenn alle außergerichtlichen Maßnahmen nicht zum Ziel geführt haben, wird ein Gerichtsvollzieher mit einem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss losgeschickt, um in der Wohnung des säumigen Patienten im Rahmen der Zwangsvollstreckung pfändbare Habe zu ermitteln. Das bedeutet freilich noch lange nicht, dass der Schuldner ihn auch einlässt. Erst ein Durchsuchungsbefehl könnte den Schuldner zwingen, ihm den Zutritt zur Wohnung zu gewähren. Bis der Durchsuchungsbefehl vorliegt, können im schlimmsten Fall einige Wochen vergehen. Genug Zeit für den Schuldenprofi, um seine Wohnung in aller Seelenruhe „gerichtsvollziehertauglich“ zu machen. Für eine „vorbeugende“ Beantragung eines Durchsuchungsbefehls fehlt es vor der konkreten Weigerung des Schuldners am entsprechenden Rechtsschutzbedürfnis des Gläubigers, sodass keine prophylaktischen Maßnahmen zur Verfügung stehen. Wenn sich der Schuldner im Vollstreckungsverfahren plötzlich kooperativ zeigt, dann sollten Sie auch hier beim Angebot einer Teilzahlung gesundes Misstrauen walten lassen. Denn nicht nur während der verschiedenen Stadien des gerichtlichen Mahnverfahrens, sondern auch in der Zwangsvollstreckung ist ein Zahlungsangebot ein legales Mittel, um das Verfahren in die Länge zu ziehen. Schon eine einzige Teilzahlung bringt die eingeleitete Zwangsvollstreckungsmaßnahme bzw. den gestellten Antrag zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung zunächst zum Stillstand. Der kundige, säumige Patient hofft nun darauf, dass Sie jetzt den entscheidenden Fehler machen und Ihren Vollstreckungsantrag aufgrund des Zahlungsangebots zurücknehmen. In diesem Fall wären Sie nämlich gezwungen, das Verfahren neu in Gang setzen, wenn der Schuldner seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt. Das würde einen erneuten Zeitverlust und wiederum Kosten bedeuten, die Sie zunächst einmal verauslagen müssen. Besser ist es daher, wenn Sie stattdessen lediglich Ihre Zustimmung zur Vertagung des Termins zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung geben, bzw. das Vollstreckungsverfahren ruhend stellen.
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E. Die Schuldnertricks und wie Sie damit umgehen sollten
Erfahrungsgemäß erscheint ein Teil der Schuldner nicht zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung, weil sie angeblich erkrankt sind und übersenden meist kurzfristig ein ärztliches Attest. Lassen Sie sich von dem Attest eines Kollegen nicht abschrecken und vereinbaren Sie mit dem zuständigen Rechtspfleger oder Gerichtsvollzieher, dass er den Schuldner in der Wohnung oder im Zweifel sogar im Krankenhaus aufsucht. Schuldner genesen auf diese Weise häufig und recht unerwartet. Verweigert er hingegen die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung, dann liegen die Voraussetzungen für einen Haftbefehl vor. Die Verweigerung kann ein Anzeichen dafür sein, dass der Schuldner etwas zu verbergen hat. Daher sollten Sie mit Ihrem Rechtsanwalt gemeinsam das gegebenenfalls unter der Haftandrohung erstellte Vermögensverzeichnis sehr genau unter die Lupe nehmen und im Zweifel sämtliche zur Verfügung stehenden Rechtsmittel einsetzen. Die kleinen Beispiele können Ihnen lediglich einen Eindruck über die zahlreichen Gelegenheiten vermitteln, die ein zahlungsunwilliger oder –unfähiger Schuldner nutzen kann, um sich mehr oder weniger erfolgreich vor dem Bezahlen zu drücken. Dieses „Spiel“ können Sie nur dann gewinnen, wenn Sie dem Schuldenprofi immer ein Stück voraus sind und seine Absichten und die daraus resultierenden nächsten Schritte bereits kennen. Jetzt sind Sie gewappnet und können sich auf den langen und manchmal auch beschwerlichen Weg der Forderungsrealisierung einlassen.
F. Mit dem Latein am Ende – Outsourcing der Forderungsbeitreibung als Lösung?
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F.
Mit dem Latein am Ende – Outsourcing der Forderungsbeitreibung als Lösung?
I.
Die Zusammenarbeit mit einer ärztlichen Verrechnungsstelle
1.
Wie arbeiten ärztliche Verrechnungsstellen und was leisten sie?
Die auf dem Markt tätigen Anbieter lassen sich in zwei große Gruppen aufteilen. Der mit Abstand größte Dienstleister rund um die Abrechnung ärztlicher und zahnärztlicher Leistungen ist der Verband der Privatärztlichen Verrechnungsstellen (PVS), in dem ca. 37.000 Mitglieder zusammengeschlossen sind. Der Verband ist als Verein eingetragen, dessen freiwillige Mitglieder ihr gesamtes Abrechnungswesen dorthin outsourcen können. Er arbeitet nach dem Genossenschaftsprinzip, d. h., die erwirtschafteten Gewinne werden entweder investiert oder durch Gebührensenkungen an die Mitglieder weitergegeben. Dem Verband sind derzeit 15 Einrichtungen angeschlossen, die selbstständig agieren, weshalb sowohl die Preise als auch die Leistungen von Anbieter zu Anbieter völlig unterschiedlich sein können. Daneben tummeln sich zahlreiche, meist überregional tätige gewerbliche Verrechnungsstellen, die ein breites Leistungsspektrum in der Abrechnung ärztlicher und zahnärztlicher Leistungen bieten. Darüber hinaus haben sich einige Verrechnungsstellen auf die Honorarabrechnung anderer Selbstständiger in den Heilberufen spezialisiert. 2.
Die rechtliche Ausgestaltung der Zusammenarbeit
Die Zusammenarbeit mit einer ärztlichen Verrechnungsstelle kann ganz unterschiedlich gestaltet sein. Angefangen bei der Auslagerung des gesamten Abrechnungswesens bis hin zur Übernahme des kompletten Forderungsausfallrisikos sind nahezu sämtliche Varianten im Dienstleistungsspektrum vorhanden. Bei der Zusammenarbeit steht in der Regel die Abwicklung der Abrechnungen im Vordergrund. a)
Das Inkassomodell
aa)
Die reine Inkassodienstleistung
Die Bezeichnung „Inkassodienstleistung“ beschreibt dieses Geschäftsmodell sehr treffend: Beginnend mit der Rechnungserstellung bis hin zum außergerichtlichen Mahnwesen werden sämtliche Dienstleistungen im Rahmen der Abrechnung von der Verrechnungsstelle übernommen. Folgende Dienstleistungen werden in der Regel erbracht: ⓦ ⓦ
die Prüfung der Abrechnungsdaten und ggf. Korrekturen eine Rechnungserstellung, die den Vorschriften der GOÄ bzw. GOZ entspricht
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das Erstellen einer Rechnungsausgangsliste der Honorareinzug die Buchung der erfolgten Zahlungseingänge die Überweisung der eingegangenen Zahlungen an den Auftraggeber zum vereinbarten Termin ggf. eine oder mehrere Mahnungen, sofern der Patient nicht fristgerecht zahlt Schriftwechsel mit Patienten und Krankenversicherern, soweit dies notwendig ist.
Bei diesem Modell bleiben Sie als Arzt für die ordnungsgemäße Rechnungserstellung und die korrekte Höhe des Honorars verantwortlich, auch wenn Sie dem Dienstleister einzelne Tätigkeiten übertragen haben. Die Rechnungserstellung erfolgt nämlich aufgrund Ihrer Angaben281 und wird vom Dienstleister lediglich unter dem Gesichtspunkt der Plausibilität noch einmal überprüft. Die Beträge werden erst dann an sie ausgeschüttet, wenn die Patienten aufgrund der von der Verrechnungsstelle erstellten Rechnung oder Mahnung gezahlt haben. Der Dienstleister nimmt Ihnen damit zwar eine Reihe von zeitaufwendigen Tätigkeiten ab, Ihre Liquidität erhöht sich dadurch freilich nicht. Zahlungsverzögerungen und –ausfälle bleiben weiterhin ein Thema. bb) Das Vorfinanzierungsmodell – eine sichere Sache?
Zumindest Zahlungsverzögerungen lassen sich mit dem Inkassomodell mit Vorfinanzierung vermeiden. Die Anbieter versprechen eine komplette Honorarüberweisung der Privatliquidation schon wenige Tage nach Übertragung der Abrechnungsdaten, also noch bevor die Patienten den Rechnungsbetrag beglichen haben. Zahlen die Patienten nicht und verhelfen selbst die Mahnungen des Dienstleisters nicht zum Zahlungseingang, dann stehen Sie vor neuen Problemen: Jetzt müssen Sie die weitere Bearbeitung entweder wieder selbst in die Hand nehmen oder sich einen Rechtsanwalt zur gerichtlichen Beitreibung der Forderung suchen. Ihre Liquidität ist nur vermeintlich gesichert. Zahlt ein Patient aufgrund der Mahnungen des Dienstleisters nicht, dann erfolgt eine Rückrechnung der ausgefallenen Beträge. Aufgrund der sich laufend verschlechternden Zahlungsmoral müssen Sie daher jederzeit mit Rückbelastungen rechnen. Den vorfinanzierten Betrag können Sie deshalb nie zu 100 % für notwendige Zahlungen oder Investitionen einplanen. Abgewickelt wird die Rückerstattung durch Verrechnung mit den Beträgen, die sich aufgrund nachfolgender Abrechnungen ergeben. b)
Das Factoringmodell
Um diese Nachteile zu vermeiden, basiert die Zusammenarbeit mit einer privatärztlichen Verrechnungsstelle überwiegend auf einem Factoringmodell. Diese Form der Zusammenarbeit unterscheidet sich grundlegend vom Inkassomodell. Beim Factoring handelt es sich nämlich um einen fortlaufenden Ankauf kurzfristiger, noch nicht fälliger Forderungen. An einem solchen Factoring-Geschäft sind zwangsläufig min281
Schlund in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 75 RdNr 52.
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destens drei Parteien beteiligt: Auf der einen Seite wollen Sie als Arzt und Forderungsverkäufer (Zedent) die Honorarforderungen gegen Ihre Patienten (die Debitoren) verkaufen. Die Verrechnungsstelle als Factor ist daran interessiert, die Forderungen anzukaufen (Zessionar). Auch innerhalb des Factorings gibt es zahlreiche Varianten, von denen zwei für die Zusammenarbeit mit einer Verrechnungsstelle von Bedeutung sind. aa)
Echtes und unechtes Factoring – worin liegt der Unterschied? Zunächst einmal lassen sich zwei rechtlich grundlegend verschiedene Konstruktionen unterscheiden: das echte und das unechte Factoring. Beim echten Factoring tritt die ärztliche Verrechnungsstelle durch den Forderungskauf in Ihre Fußstapfen und übernimmt hierdurch die unternehmerischen Risiken der Forderungsbeitreibung. D. h., sie trägt ab dem Zeitpunkt der wirksamen Abtretung auch das Risiko eines Zahlungsausfalls. Verrechnungsstellen werben mit dieser Ausfallhaftung und empfehlen daher, das Risiko bereits bei geringen Beträgen auf sie zu verlagern. Die Übernahme der Ausfallhaftung ist jedoch in der Regel an eine Voraussetzung geknüpft. Schließlich ist die Verrechnungsstelle ein Profi im Forderungskauf und will ihre Risiken dabei in Grenzen halten. Deshalb übernimmt sie die Ausfallhaftung meist nur dann, wenn Sie als potenzieller Forderungsverkäufer vor Behandlungsbeginn eine Bonitätsauskunft über den Patienten bei dem Factor eingeholt haben und diese keine Negativmerkmale282 aufweist. Viele Ärzte wiegen sich mit diesem Angebot des Factors, das schließlich auch seinen Preis hat, in Sicherheit. Ein Zahlungsausfall kann freilich dann, wenn Sie es versäumt haben, die notwendige Auskunft einzuholen, schnell zum bösen Erwachen führen. Da die Übernahme der Ausfallhaftung an eine Bedingung geknüpft war und diese durch die versäumte Bonitätsprüfung nicht eingehalten wurde, lehnt der Factor in diesem Fall die Haftung ab. Statt der Erstattung der Ausfallsumme stellt Ihnen der Factor nach einer ergebnislos verlaufenen außergerichtlichen und gerichtlichen Beitreibung zudem noch die angefallenen Kosten hierfür in Rechnung. Mit dieser Vertragsgestaltung ist ein unechter Factoringvertrag zustande gekommen, bei dem der Factor die Übernahme des Delkredererisikos, also des Forderungsausfalls, ausschließt. Zwar erhalten Sie auch bei dieser Variante den Rechnungsbetrag umgehend nach der Forderungsabtretung ausgezahlt. Lässt sich die Forderung jedoch nicht beitreiben, dann wird der Vertrag rückabgewickelt. Jetzt müssen Sie sich nicht nur selbst um die weitere Beitreibung dieser Forderung kümmern, sondern außerdem die Kosten für den Factor und die Beitreibungskosten tragen, auf die Sie keinen Einfluss nehmen konnten. Bei einer geringen Forderung lässt sich das noch verschmerzen. Aber stellen Sie sich vor, Sie haben gerade bei einer Forderung in Höhe von 10.000 Euro auf die Ausfallhaftung gesetzt. Eine Rückbelastung in dieser Höhe plus die angefallenen Kosten kann Ihre Liquidität für geraume Zeit ganz schön ins Wanken bringen. Die Ausfallhaftung greift übrigens auch
282
Zu den Negativmerkmalen können Sie mehr im Abschnitt „Der Bonitätsindex“ ab Seite 53 erfahren.
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nicht bei den Patienten, die ihren Wohnsitz im Ausland haben, wo die Durchsetzung derzeit noch deutlich schwieriger ist. Weil die uneinbringliche Forderung einerseits nicht im Bestand des Forderungsverkäufers verbleibt, Sie andererseits den Rechnungsbetrag vorab bereits vom Factor erhalten haben, wird das unechte Factoring unter rechtlichen Gesichtspunkten als Darlehnsvertrag und nicht als Forderungskauf eingeordnet. Am ehesten lässt es sich als eine Art der Zwischenfinanzierung betrachten. Diese Finanzierungsfunktion lässt sich der Factor selbstverständlich bezahlen und verlangt hierfür ca. 1 bis 1,5 % des Rechnungsbetrages als Provision für seine Tätigkeit. bb) Der Kaufvertrag
Wie wir bereits gesehen haben, erfolgt die Übertragung der Forderungen beim echten Factoring an die Verrechnungsstelle mittels eines Kaufvertrages, durch den beim Factoring letztendlich der Gläubigerwechsel herbeigeführt wird. Das klingt zunächst etwas ungewöhnlich. Ihre Honorarforderungen, die lediglich als Position in Ihrer Buchhaltung existieren, lassen sich jedoch genauso veräußern wie beispielsweise ein Auto oder andere körperliche Gegenstände. Im Gegenzug erhalten Sie von der Verrechnungsstelle den Kaufpreis für die Forderungen. Damit ist jedoch erst die Hälfte der Abwicklung zwischen dem Forderungsverkäufer und der Verrechnungsstelle erledigt. cc)
Der Abtretungsvertrag Ist der Kaufvertrag erfolgreich abgeschlossen, dann muss im nächsten Schritt der Eigentumswechsel von statten gehen. Unser Zivilrecht hält hier nämlich eine Tücke parat: Kaufvertrag und Eigentumswechsel sind zwei Paar Schuhe. In unserem täglichen Leben machen wir uns keine Gedanken darüber, weil meist beide Geschäfte in einem Akt zusammenfallen. Es gibt allerdings auch Situationen, in denen das nicht der Fall ist. Stellen Sie sich vor, Sie möchten Ihren Kindheitstraum verwirklichen und endlich einen italienischen Sportwagen eines ganz bestimmten Herstellers Ihr Eigentum nennen. Sie gehen zum Händler, lassen sich eingehend informieren und unterzeichnen schließlich den Kaufvertrag für das lang ersehnte Modell. Nun wird dieser Sportwagen nicht auf Vorrat gefertigt, sondern stets auf Bestellung und nach den Wünschen des Auftraggebers. Und das kann dauern! Nach einem Jahr ist es dann endlich soweit: Der Händler meldet Ihnen erfreut die Lieferung Ihres neuen Fahrzeuges. Sie nehmen bei ihm neben den Fahrzeugpapieren und den Schlüsseln nun auch den Sportwagen entgegen: Erst mit der Übergabe des Fahrzeuges hat ein Eigentumswechsel stattgefunden. Wie wichtig das Auseinanderhalten von Kauf- und Übertragungsvertrag ist, wird dann deutlich, wenn das Fahrzeug auf dem Transport von Italien nach Deutschland beschädigt worden wäre. Wären Sie bereits zu diesem Zeitpunkt Eigentümer des Fahrzeuges, dann wäre in diesem Fall bereits Ihr Auto demoliert worden.
Neben dem schon erwähnten Kaufvertrag brauchen wir also noch einen Übertragungsakt für die Honorarforderungen. Nun sind Forderungen keine körperlichen Gegenstände, die wir wie ein Auto einfach durch Übergabe übertragen könnten. Deshalb greift man zu einem symbolischen Übertragungsakt, der Abtretung im Sinne des
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§ 398 BGB. Die Abtretung ist ein formlos gültiger Vertrag, weshalb die Übertragung auch mündlich erfolgen könnte. In der Praxis hat sich die Schriftform bewährt, was nicht nur für die Buchhaltung auf beiden Seiten Sicherheit bringt. Die Abtretung bewirkt letztendlich, dass Sie nicht mehr Forderungsinhaber sind. Erhebt der Patient nach erfolgter Abtretung noch Einwendungen gegen die Rechnung, dann sind Sie nicht mehr sein Ansprechpartner, sondern die ärztliche Verrechnungsstelle als Erwerber und neuer Gläubiger der Forderung. 3.
Auch beim Forderungskauf geht es um die Haftung
Wer eine Sache verkauft, der haftet dem Käufer gegenüber dafür, dass der Verkaufsgegenstand zum Zeitpunkt des Kaufs frei von Mängeln ist. Wenn Sie mit dem gerade neu erworbenen italienischen Sportwagen bereits nach zwei Wochen mitten in der Nacht auf einer einsamen Landstraße mit einer Panne liegen bleiben, dann liegt der Verdacht nahe, dass das Fahrzeug einen Mangel aufweist.
Nun sind Forderungen und andere Rechte keine Sachen und können – von ganz wenigen Ausnahmen einmal abgesehen – keine „Macken“ aufweisen wie ein Auto oder der PC am Schreibtisch. Eine Forderung steht und fällt freilich mit ihrem Bestand. Existiert eine Forderung, aus welchem Grund auch immer, zum Zeitpunkt der Übertragung nicht oder nicht mehr, dann ist sie für den Käufer wertlos, denn er kann sie beim Schuldner nicht durchsetzen. Bis zur Schuldrechtsreform283 war die Haftungsfrage in solchen Fällen recht einfach zu beantworten. Der Verkäufer haftete für den Bestand der Forderung zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses. Ob der Käufer die Forderung später tatsächlich beitreiben konnte, war letztendlich sein Risiko. Seither ist das Ganze etwas komplizierter geworden, weil die alte Vorschrift ersatzlos aus dem Gesetz gestrichen wurde. Weil es seit der Schuldrechtsreform an einer gesetzlichen Regelung hinsichtlich Inhalt und Umfang der Haftung für Forderungen fehlt, sollte unbedingt eine vertragliche Regelung in den Forderungskaufvertrag aufgenommen werden. Die Reform hat noch weitere Auswirkungen auf den Forderungskauf. Jetzt sind nämlich die Rechtsfolgen der Sachmängelhaftung anwendbar, § 453 Abs. 1 BGB n. F. Als Folge hiervon kann die Verrechnungsstelle als Käuferin unter anderem anstelle der nicht (mehr) existierenden Forderung, die vermeintlich verkauft wurde, von Ihnen als Verkäufer eine bestehende Forderung in gleicher Höhe und Qualität nachfordern, §§ 437 Nr. 1, 439 BGB n. F.
283
Das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts, BGBl. I, Seite 3138, führte zu umfangreichen Änderungen im Bürgerlichen Gesetzbuch. Teilweise wird es auch als Schuldrechtsmodernisierungsgesetz bezeichnet und ist am 01. Januar 2002 in Kraft getreten.
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4.
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Drum prüfe, wer sich bindet – die Kosten für die Tätigkeit
So unterschiedlich die rechtliche Ausgestaltung in der Zusammenarbeit mit einer ärztlichen Verrechnungsstelle sein kann, so verschieden sind auch die Kosten für die Bearbeitung. Beim Inkassomodell wird sowohl ⓦ ⓦ
die reine Rechnungserstellung als auch die Rechnungserstellung einschließlich einer 100%igen Honorarauszahlung nach Rechnungsversand angeboten.
Beim Factoring hingegen erbringt die Verrechnungsstelle ⓦ
die Rechnungslegung einschließlich der Honorarvorauszahlung und übernimmt beim echten Factoring zudem das Delkredererisiko.
Für die Erstellung der Rechnung wird neben einer Umsatz-, eine Abrechnungs- oder Bearbeitungsgebühr fällig. Diese Gebühr richtet sich nach der Höhe des jeweiligen Rechnungsbetrages und kann beim einen Anbieter 0,5 % ausmachen, bei einem anderen durchaus auch einmal 5,0 %, vorausgesetzt, Sie übermitteln die Abrechnungsdaten entweder online oder zumindest auf einer Diskette. Bei allen Anbietern erhöht sich die Bearbeitungsgebühr drastisch, wenn Sie statt dessen Belege übermitteln. Haben Sie häufig höhere Beträge abzurechnen, dann kann die Bearbeitungsgebühr durchaus zu Buche schlagen. Deshalb sollten Sie bei den Anbietern nachfragen, ob sich eine Deckelung der Bearbeitungsgebühr ab einem bestimmten Betrag vereinbaren lässt. Bevor Sie nun einen Vertrag mit einer Verrechnungsstelle abschließen, sollten Sie folgende Punkte klären: ⓦ ⓦ
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Welchen Service bietet die Verrechnungsstelle für den angegebenen Preis? Werden Anfragen von Patienten direkt vom Dienstleister beantwortet und erledigt oder müssen Sie zeitraubende Patientenreklamationen am Ende doch selbst bearbeiten? Gewährt der Dienstleister eine Ratenzahlung, wenn der Patient nicht in der Lage ist, den gesamten Betrag auf einmal zu begleichen? Entstehen für die Zahlungsvereinbarung und -überwachung zusätzliche Kosten?
Mit der Bearbeitungsgebühr ist es freilich noch nicht getan. Deshalb sollten Sie jedes einzelne Angebot auf zusätzliche Kosten hin kritisch unter die Lupe nehmen. Für den Druck und das Versenden der Rechnungen berechnen manche Verrechnungsstellen zusätzlich eine Servicepauschale, die zwischen 1,30 und 2,60 Euro pro Rechnung betragen kann. ⓦ
In jedem Fall sollten Sie in Erfahrung bringen, ob auch eine neue Anschrift des Patienten ermittelt wird, falls dieser verzogen ist und welche zusätzlichen Kosten hierfür entstehen.
Viele Verrechnungsstellen werben mit einer 100%igen Honorarvorauszahlung direkt nach Rechnungsversand, obwohl Ihre Patienten noch gar nicht gezahlt haben. Die Bevorschussung ist nichts anderes als eine Zwischenfinanzierung. Hierfür müs-
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sen Sie an die Verrechnungsstelle Zinsen zahlen, die Ihnen die Gesellschaften mit 1,0 % und mehr vom Honorar in Rechnung stellen. Das klingt auf den ersten Blick nicht viel, dennoch sollten Sie einmal nachrechnen, ob ein Bankkredit nicht günstiger ist. Gehen wir von einem Vorschuss von 1,2 % für die Honorarvorauszahlung aus, welche die Verrechnungsstelle verlangt. Durchschnittlich müssen Gläubiger in Deutschland rund 37 Tage auf die Bezahlung von Rechnungen durch Privatpersonen warten.284
(Vorschuss in % × 360) : Durchschnittliche Zahlungsdauer = Zinssatz (1,2 × 360) : 37 = 11,68 % Die Verrechnungsstelle kassiert in unserem Beispiel stattliche 11,68 % Zinsen für die Bevorschussung Ihres Honorars. In der Regel wird eine Vorfinanzierung durch einen eigenen Bankkredit günstiger ausfallen. Achten Sie im Falle einer Honorarvorauszahlung unbedingt darauf, wann die Rückzahlung des Vorschusses fällig ist, falls der Patient in dem vereinbarten Zeitraum seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt. Meist ist die Rückzahlung unmittelbar nach Ablauf der Frist fällig, was zu erheblichen Rückforderungen bzw. einer Verrechnung mit neuen Honorarabrechnungen führen kann. Übernimmt die Verrechnungsstelle außerdem das Delkredererisiko, dann lässt sie sich die Übernahme des Ausfallrisikos zusätzlich etwas kosten. Sie nimmt dafür einen Abschlag auf die Summe der von Ihnen abgetretenen Forderungen in Höhe von 3,5 bis 3,75 % vor und überweist Ihnen den gekürzten Betrag. Die Höhe des Abschlags hängt im Wesentlichen von der Qualität der Forderungen ab. Knüpft die Verrechnungsstelle die Übernahme des Delkredererisikos an eine Bonitätsprüfung bei den zum Verkauf anstehenden Forderungen, dann finden Sie die Kosten für die Prüfung anschließend auf Ihrer Abrechnung. Es kann Ihnen freilich auch passieren, dass bei einer unterdurchschnittlichen Bonität des Patienten die Forderung nicht zum Ankauf übernommen wird. Gerade in diesem Fall bleiben Sie auf den damit verbundenen Risiken sitzen. Ob nun der eine oder der andere Anbieter günstiger ist, hängt nicht nur von den reinen Prozentzahlen ab, welche die Verrechnungsstellen in ihren Prospekten angeben. Sie sollten sich die Angebote verschiedener Dienstleister zusätzlich unter dem Aspekt prüfen, zu welchem Zeitpunkt die Abrechnung der eingegangenen Patientenzahlungen mit Ihnen erfolgt. Werden die Beträge nämlich zeitversetzt an Sie weitergeleitet, dann kassiert die Verrechnungsstelle die in der Zwischenzeit angefallenen Zinsen. Werden regelmäßig hohe Summen abgerechnet und pro Monat nur einoder zweimalig weitergeleitet, dann kommt auf diese Weise ein hübscher Betrag zusammen, den die Verrechnungsstelle im Zweifel für sich behält. Bei anderen Modellen gehen die Zahlungen dagegen bei der Verrechnungsstelle auf einem eigens für Sie eingerichteten Konto ein, für das Sie die Zinsen erhalten oder Sie erhalten die eingegangenen Beträge zeitnah ausgezahlt. 284
Angaben gemäß Pressemitteilung von „intrum justitia“ vom 31.05.2007.
182
5.
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Der Patient mit Wohnsitz im Ausland
Auch das ist keine Seltenheit mehr: Der ausländische Patient erkrankt entweder im Laufe eines Besuchs von Familienmitgliedern oder als Tourist und nimmt deshalb Ihre ärztliche Hilfe in Anspruch. In anderen Fällen reist der Patient aus seinem Heimatland extra für eine Behandlung an. Pech für diejenigen Ärzte, welche die Forderungsbeitreibung gegen ausländische Patienten gerne einem Profi überlassen möchten. Ärztliche Verrechnungsstellen nehmen solche Forderungen nur in Ausnahmefällen in die Bearbeitung, weil die Geltendmachung dieser Forderungen wesentlich aufwendiger und mit erheblich größeren Risiken behaftet ist. Meist beschränkt sich die Geltendmachung auf die Nachbarländer Österreich und Schweiz. Trotzdem haben Sie eine Chance, selbst in diesem Falle noch an Ihr Geld zu kommen. Die zwar langsame aber stetig fortschreitende Vereinheitlichung der europäischen Rechtssysteme macht die grenzüberschreitende Geltendmachung von unbestrittenen Forderungen wesentlich einfacher, als dies noch vor ein paar Jahren der Fall war.285 Trotzdem haben diese Verfahren ihre Tücken und so ist es manchmal einfacher und kostengünstiger, gleich einen Inkassoprofi mit der Beitreibung einer Forderung im Ausland zu beauftragen.286 6.
Wann ist die Zusammenarbeit mit einer Verrechnungsstelle sinnvoll?
Inwieweit sich die Auslagerung des gesamten Abrechnungswesens und / oder der weiteren Beitreibung für Sie lohnt, ist daher in erster Linie ein Rechenexempel. Den zusätzlichen Aufwand durch das Einholen der notwendigen Einwilligungserklärungen dürfen Sie dabei nicht vergessen. Das sind die Vorteile auf einen Blick: ⓦ
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285 286
Sie sind den lästigen Papierkram los und müssen sich weder um die Rechnungserstellung noch um Mahnungen kümmern. Der zeitliche Aufwand in der Praxis wird reduziert. Sie müssen sich nicht mit den Feinheiten der Gebührenordnung auseinandersetzen. Schließlich sitzen in der Verrechnungsstelle die Profis, welche die eingereichten Unterlagen auf Plausibilität und Vollständigkeit hin überprüfen. Das führt zu einer Verbesserung der Rentabilität. Für Ihr Geld können Sie andererseits erwarten, dass die Mitarbeiter im Hinblick auf gebührenrechtliche Fragen stets auf dem neuesten Stand sind. Eine zeitlich optimal gesteuerte Rechnungserstellung und ein konsequentes Mahnwesen verhelfen Ihnen zu mehr Liquidität, als wenn Sie nur gelegentlich Ihre Rechnungen schreiben und hin und wieder einmal die Patienten an die längst fällige Zahlung erinnern.
Siehe dazu auch im Abschnitt „Schuldner kennen keine Landesgrenzen“ ab Seite 156. Siehe dazu im Abschnitt „Der Schuldner ist im Ausland“ ab Seite 197.
II. Die Zusammenarbeit mit einem Inkassounternehmen ⓦ
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Damit können Sie Ihre eigenen Verbindlichkeiten schneller begleichen und Skonto bei Ihren Lieferanten in Anspruch nehmen. Weil die Forderungen durch die Veräußerung und Abtretung nicht mehr in Ihrer Buchhaltung erscheinen, sondern in der des Factors, verbessert sich zudem Ihr Rating. Das kann beispielsweise wichtig sein, wenn Sie mit Ihrer Bank über einen neuen Betriebsmittelkredit verhandeln wollen.
Die Einschaltung der Verrechnungsstelle hat freilich auch ihre Schattenseiten: ⓦ
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Sie haben keine Kontrolle mehr darüber, was tatsächlich abgerechnet wird. Werden Interpretationsspielräume allzu sehr ausgenutzt, um die Rechnungen zu „optimieren“, dann geht das letztendlich zu Ihren Lasten. Sie können nicht ohne weiteres eine ärztliche Verrechnungsstelle mit dem Einzug der Forderungen beauftragen.287 Bevor Sie damit beginnen können, müssen Sie zunächst einmal die Einwilligung sämtlicher Patienten, deren Forderungen Sie künftig zum Einzug abgeben wollen, einholen. Das ist ein erheblicher Mehraufwand. Hin und wieder wird diese Handhabung zu Diskussionen und Unverständnis bei den Patienten führen, womit Sie sich auseinandersetzen müssen. Denken Sie daran: Wenn Sie sich für einen Dienstleister entschieden haben, ist das eine Entscheidung für einen längeren Zeitraum, denn ein Wechsel ist erneut mit Mehraufwand verbunden.
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Der Vorteil der sofortigen Liquidität, mit dem Verrechnungsstellen gerne werben, stimmt nur bedingt. Denn die Kosten für diese Form der Liquiditätsbeschaffung lassen den Vorteil sehr schnell schrumpfen.
Angesichts der für das Factoring entstehenden Kosten sollten Sie nicht nur die einzelnen Angebote miteinander vergleichen, sondern vor allen Dingen berechnen, ob Sie für das gleiche Geld nicht eine (Teilzeit-)Mitarbeiterin mit der Abrechnung und Beitreibung Ihrer Privathonorare beschäftigen können. Bei konsequentem eigenem Mahnwesen können Sie in der Regel die Forderungen für den gleichen finanziellen Aufwand selbst bearbeiten. Soweit Verrechnungsstellen mit der Minimierung der Forderungsausfallquote durch ihre Tätigkeit werben, stimmt dies nur insoweit, als das eigene Forderungsmanagement in der Regel vernachlässigt wird.
II.
Die Zusammenarbeit mit einem Inkassounternehmen
Sofern Sie Ihre Abrechnungen und Mahnungen bisher selbst erstellt haben, dann stehen Sie spätestens bei der ersten, ohne Ergebnis angemahnten Rechnung vor der Frage, wie es jetzt weitergehen soll. Sie können jetzt die gerichtliche Beitreibung selbst durchführen oder alternativ einen anderen Dienstleister mit der weiteren Ver287
Siehe dazu ausführlich im Abschnitt „Unternehmerische Strategien und ärztliche Rechtsund Standespflichten“ ab Seite 13.
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F. Mit dem Latein am Ende – Outsourcing der Forderungsbeitreibung als Lösung?
folgung der Angelegenheit beauftragen. Zum einen steht Ihnen die fachliche Kompetenz eines Rechtsanwaltes hierfür zur Verfügung, zum andern können Sie ein Inkassounternehmen mit der weiteren Beitreibung beauftragen. Die Bezeichnung „Inkasso“ stammt wie viele andere Begriffe des Geld- und Kreditwesens aus dem Italienischen: „incassare“ bedeutet nichts anderes als das Einziehen von Geld. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Die Hauptaufgabe eines modernen Inkassounternehmens besteht im Einziehen fremder und / oder eigener Forderungen. Inzwischen kann die Inkassobranche auf eine mehr als hundertjährige Tradition zurückblicken. Auskunfteien, die bereits über Erfahrung in der Beurteilung der Kreditwürdigkeit von Unternehmen verfügten, übernahmen als Erste die Inkassotätigkeit. Die Synergien aus den Erfahrungen und dem Datenbestand einer Auskunftei einerseits und der Inkassotätigkeit andererseits tragen auch heute noch wesentlich zum Erfolg der Inkassodienstleister bei. Konkrete Angaben zum Beitreibungserfolg eines Inkassodienstleisters werden Sie nur selten finden. Unabhängig vom Bearbeitungsschwerpunkt und der Größe des Inkassounternehmens lassen sich freilich einige Trends festhalten: ⓦ
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1.
Jüngere Forderungen, die spätestens nach der zweiten Mahnung zum Inkasso abgegeben werden, lassen sich in der Regel wesentlich schneller als ältere oder ausgeklagte288 realisieren. Meist tritt der Beitreibungserfolg bei angemahnten Forderungen bereits innerhalb der ersten drei Monate der Bearbeitung ein. Dagegen dauert es durchschnittlich etwa ein halbes Jahr, bis ein Gerichtsvollzieher Ihren Pfändungsauftrag zur Erledigung in die Hand nimmt. Genug Zeit also für den säumigen Patienten, – eventuell pfändbare Habe in Sicherheit zu bringen – den Wohnort zu wechseln bzw. „unbekannt“ zu verziehen. Mit zunehmendem Alter der Forderung sinken selbst beim Inkassodienstleister die Erfolgsaussichten bei der Beitreibung. Geringe Forderungen lassen sich besser und schneller beitreiben als hohe. Wie finde ich ein seriöses Unternehmen?
Wer sich für die Zusammenarbeit mit einem Inkassounternehmen interessiert, sollte sich vorab gut informieren. Wer die Wahl hat, hat freilich auch die Qual, denn inzwischen tummeln sich ca. 700 bis 750 Inkassounternehmen289 auf dem deutschen Markt, von denen ca. 530 im Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. (BDIU) organisiert sind. Der Verband sieht seine Aufgabe darin, neben den Zulassungsbehörden über die Einhaltung der rechtsstaatlichen Verfahrensweisen der einzelnen Mitgliedsunternehmen zu wachen. Wie in jeder Branche dominieren seriös arbeitende Unternehmen, die hervorragende Arbeit leisten. Leider werfen hin und 288
289
Mit dem Begriff „ausgeklagte“ Forderung werden diejenigen bezeichnet, die bereits tituliert sind. Angaben gemäß dem Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. (BDIU), Stand Frühjahr 2007.
II. Die Zusammenarbeit mit einem Inkassounternehmen
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wieder ein paar „graue“ Schafe ein negatives Licht auf die Branchenmitglieder. So versprach in den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts der Einsatz des „Pleitegeiers“, des „Schwarzen Manns“ oder des „Schuldenhoppels“ einen schnellen Beitreibungserfolg. Diese sogenannten „Erinnerungsdienste“ machten europaweit Schlagzeigen, weil sie den Schuldnern auf Schritt und Tritt folgten, um sie zur Zahlung zu bewegen. In jüngster Zeit rühmen sich Unternehmen damit „kein herkömmliches, normales, zugelassenes Inkassounternehmen“ zu sein! Die Anbieter setzen dabei auf den Frust der Gläubiger über langwierige Gerichtsverfahren, fruchtlos verlaufende Pfändungen oder kurzfristig ergebnislose Inkassomaßnahmen, weil gerade den Schuldenprofis mit legalen Mitteln nur schwer beizukommen ist. Diese Anbieter und selbst ernannten (Nicht-)Inkassounternehmen arbeiten in der Regel in einem rechtlichen Graubereich oder schrecken selbst vor dem Einsatz von Gewalt nicht ab. Ein beliebter Werbeslogan lautet derzeit: „Ihr Schuldner muss kein russisch können, er versteht uns auch so“. Mit einer seriösen Forderungsbeitreibung hat dies nichts zu tun. Selbst wenn die „Angebote“ solcher Unternehmen zunächst sehr verlockend klingen und der eigene Frust über die noch ausstehenden Forderungen groß ist, sollten Sie von der Zusammenarbeit mit solchen Anbietern Abstand nehmen. Denn im schlimmsten Fall müssen Sie als beauftragender Gläubiger in einem Zivil- oder Strafverfahren, das der bedrängte Schuldner in Gang setzt, mit einer Verurteilung rechnen, wie jüngst ein Urteil des AG Celle290 bestätigt hat. Seriös arbeitende Inkassounternehmen distanzieren sich daher ausdrücklich von solchen Praktiken! Bei den Mitgliedsunternehmen des BDIU können Sie davon ausgehen, dass sie ihre Tätigkeit im Rahmen des gesetzlich Erlaubten ausüben. Ob sich ein Unternehmen dem Verband angeschlossen hat, können Sie direkt auf der Internetseite des BDIU in Erfahrung bringen.291 2.
Weshalb Sie sich einen (Inkasso-)Spezialisten suchen sollten
Die Liste der Verbandsmitglieder ist freilich lang. Darunter befinden sich Ein-Mann / Frau-Unternehmen genauso wie viele mittelständische Betriebe oder länderübergreifende Inkassokonzerne. Manche Unternehmen haben sich auf die Massenbearbeitung von kleineren Forderungen spezialisiert, andere treiben Großforderungen für Banken ein und verwerten Sicherheiten, weitere Unternehmen haben sich dagegen auf die Beitreibung von Forderungen aus bestimmten Branchen spezialisiert. Schließlich ist für die Bearbeitung eines komplizierten Anspruchs aus einem besicherten Bankdarlehn ein anderes Wissen erforderlich, als für die Beitreibung einer 20-Euro-Forderung, die aus einem Online-Handel resultiert. Damit wären wir auch 290 291
AG Celle, Urteil vom 29.06.2005 – 16 C 1309/05. www.bdiu.de.
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F. Mit dem Latein am Ende – Outsourcing der Forderungsbeitreibung als Lösung?
schon beim Thema: Von der rechtlichen Problematik der ärztlichen Schweigepflicht einmal ganz abgesehen, bedarf der Umgang mit Forderungen, die aus ärztlichen oder zahnärztlichen Behandlungen resultieren, einer besonderen Erfahrung. Wenn Ihre Forderungen in einem Pool aus Telekommunikations-, Banken-, Onlinehandels- und Versicherungsforderungen „mitschwimmen“, ist dies nicht unbedingt gewährleistet. Sie sollten sich vor der Beauftragung des Inkassodienstleisters daher unbedingt vergewissern, ob dieser in der Lage ist, Ihre Forderungen mit dem notwendigen Hintergrundwissen zu bearbeiten. Fragen Sie den Anbieter daher vor der Auftragserteilung ⓦ
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wie viel Erfahrung er in der Beitreibung von ärztlichen / zahnärztlichen Honorarforderungen hat. über welches Basiswissen die Mitarbeiter hinsichtlich des ärztlichen / zahnärztlichen Gebührenrechts verfügen.
Kann der Anbieter die Fragen nicht zu Ihrer vollständigen Zufriedenheit beantworten, dann sollten Sie sich einen anderen Dienstleister suchen oder gleich eines der wenigen Inkassounternehmen wie beispielsweise Medizininkasso292 auswählen, die sich auf die Beitreibung von ärztlichen bzw. zahnärztlichen Forderungen spezialisiert haben. Sofern Sie nicht nur an der aktuellen Beitreibung von ein paar Einzelforderungen, sondern an einer dauerhaften Zusammenarbeit interessiert sind, dann sollten Sie sich das Unternehmen näher ansehen. Der Dienstleister tritt in Ihrem Namen nach außen hin auf und spiegelt damit den Umgang mit der noch offenen Forderung wieder: ⓦ
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Lassen Sie sich deshalb Musterschreiben vorlegen, die der Inkassodienstleister an seine Schuldner verschickt. – Die Schreiben sollten höflich, aber bestimmt formuliert sein. Statten Sie dem Unternehmen im Zweifel einen Besuch ab. Sprechen Sie dort nicht nur mit dem Geschäftsführer, sondern vor allen Dingen mit den Sachbearbeitern, welche die Inkassoabwicklung durchführen. Ein seriöses Unternehmen wird Ihr Interesse begrüßen. Hören Sie, unter Einhaltung datenschutzrechtlicher Bestimmungen, einem Inkassotelefonat zu. – Welchen Umgangston pflegt der Mitarbeiter? – Wird das Inkassotelefonat zielführend geführt? – Steht am Ende des Telefonats eine Zahlungsvereinbarung fest? Bietet Ihnen das Unternehmen eine Schnittstelle zu Ihrer Praxissoftware an, die Ihnen die Übergabe der Forderungen zu dem Dienstleister erleichtert?
Erst wenn Sie diese Fragen zu Ihrer Zufriedenheit beantworten können, dann sollten Sie eine dauerhafte Zusammenarbeit mit dem Inkassounternehmen ins Auge fassen.
292
www.medizininkasso.de
II. Die Zusammenarbeit mit einem Inkassounternehmen
3.
Was darf ein Inkassounternehmen?
a)
Auch die Inkassotätigkeit unterliegt einer Erlaubnis
187
Das Einziehen fremder Forderungen293 ist eine besondere Vertrauenssache. Schließlich geht es darum, die Vermögensinteressen des Auftraggebers wahrzunehmen. Im juristischen Sinne stellt die Inkassotätigkeit eine Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten dar. Gerade weil es sich dabei um eine sensible Angelegenheit handelt, ist sie grundsätzlich untersagt. Eine Ausnahme von dieser Regel gibt es nur dann, wenn ein entsprechender Erlaubnistatbestand vorliegt. Damit haben wir eine Parallele zur ärztlichen Schweigepflicht, die Ihnen die Weitergabe von Patientendaten untersagt, außer Sie verfügen über eine entsprechende Erlaubnis dazu. Im Inkassowesen ist das die sogenannte Inkassoerlaubnis. Die Voraussetzungen für die Erteilung der Inkassoerlaubnis regelte bisher das im Jahre 1935 in Kraft getretene und inzwischen völlig überholte Rechtsberatungsgesetz (RBerG). Dieses ist zum 01. Juli 2008 durch das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG)294 abgelöst worden. Bislang war der Land- bzw. Amtsgerichtspräsident, in dessen Bezirk die Inkassotätigkeit ausgeübt werden soll, für die Erteilung der Inkassoerlaubnis zuständig295, künftig ist hierzu eine Registrierung im Rechtsdienstleistungsregister erforderlich. Sie können daher jederzeit feststellen, ob das Unternehmen über die notwendige Erlaubnis verfügt. Auch nach der gesetzlichen Neuregelung erhält nicht jeder ohne Weiteres eine Zulassung, denn neben der persönlichen Zuverlässigkeit muss der Antragsteller sowohl über die notwendige Eignung als auch die erforderliche Sachkunde verfügen. b)
Keine schrankenlose Tätigkeit Zwischen der Tätigkeit eines Inkassounternehmens und der eines Rechtsanwaltes gibt es eine Reihe von Berührungspunkten, weshalb es einer Abgrenzung der unterschiedlichen Aufgaben bedarf. Auch nach Inkrafttreten des Rechtsdienstleistungsgesetzes ist die Tätigkeit der Inkassounternehmen weiterhin auf die außergerichtliche Einziehung von Forderungen beschränkt.
Bisher konnten Inkassounternehmen ⓦ ⓦ ⓦ
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293
294 295
den Schuldner schriftlich und telefonisch mahnen eine neue Schuldneranschrift ermitteln Raten- und Teilzahlungsvereinbarungen schließen und den Zahlungseingang überwachen Außendienstmitarbeiter mit der Forderungsbeitreibung beauftragen.
Der Ankauf von Forderungen und deren Einzug, wie dies beispielsweise durch ärztliche Verrechnungsstellen erfolgt, unterliegt auch künftig nicht der Inkassoerlaubnis, weil der Käufer keine fremden, sondern eigene Angelegenheiten beim Forderungseinzug verfolgt. Siehe dazu auch die Entscheidung des BGH, Urteil vom 10.07.1991 – VIII ZR 296/90. Gesetz zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts, BGBl. I 2007, S. 2840. Siehe dazu § 8 der Ersten Verordnung zur Ausführung des RBerG vom 13.12.1935.
188
F. Mit dem Latein am Ende – Outsourcing der Forderungsbeitreibung als Lösung?
Grundsätzlich sind Inkassounternehmen nicht dazu verpflichtet, die Verjährung einer Forderung durch geeignete Inkassomaßnahmen zu hemmen. Einem Inkassounternehmen ist es zugleich verwehrt, ⓦ
ⓦ ⓦ
Forderungen, die von vornherein streitig sind, in die Bearbeitung zu übernehmen oder eine streitige, fremde Forderung gerichtlich geltend zu machen. Wird die Forderung erst im Laufe der Inkassobearbeitung streitig, dann muss der Inkassodienstleister die weitere Beitreibung einstellen und den Vorgang nach Rücksprache mit dem Gläubiger ggf. an einen Rechtsanwalt zur gerichtlichen Geltendmachung abgeben. Daran wird auch das neue Rechtsdienstleistungsgesetz nichts ändern.
Neu ist hingegen, ⓦ
dass es Inkassounternehmen künftig erlaubt sein wird, einen Mahn- und Vollstreckungsbescheid zu beantragen. Der Gesetzgeber betrachtet dies als weitgehend automatisierte Fortsetzung der bisher bereits erlaubten außergerichtlichen Inkassotätigkeit, weshalb er die Zulassung der Inkassounternehmen zu diesem Teil des gerichtlichen Verfahrens ausnahmsweise für gerechtfertigt und geboten hält. Legt der Schuldner Widerspruch oder Einspruch gegen den Mahnoder Vollstreckungsbescheid ein, dann darf das Inkassounternehmen auch künftig seinen Auftraggeber im streitigen Verfahren nicht vertreten.
Erlaubt ist weiterhin die außergerichtliche Beitreibung einer Forderung im nachgerichtlichen Bereich, also wenn die Forderung bereits tituliert ist und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen durchgeführt worden sind. Die Erlaubnis zur Einziehung fremder Forderungen beinhaltet seit Inkrafttreten der Insolvenzordnung zudem die geschäftsmäßige Anmeldung von Forderungen im Insolvenzverfahren durch Inkassounternehmen296. Die Insolvenzanmeldung erfolgt nämlich jetzt beim Insolvenzverwalter und nicht mehr wie früher im Rahmen der Konkursordnung beim Konkursgericht. Das Inkassounternehmen kann und darf Ihnen daher diese mühsame und zeitaufwendige Tätigkeit abnehmen. 4.
Was können Sie von einem Inkassodienstleister erwarten?
Moderne Inkassounternehmen verstehen sich als Vermittler zwischen Gläubiger und Schuldner. Im Vordergrund stehen daher in erster Linie die Vermeidung gerichtlicher Auseinandersetzungen und kostenträchtiger Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, die häufig zudem ins Leere gehen. Erst wenn alle außergerichtlichen Beitreibungsmaßnahmen ausgeschöpft sind, wird die Forderung in das gerichtliche Mahnverfahren übergeleitet, um anschließend einen Rechtsanwalt mit der Durchführung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zu beauftragen. Sollten selbst diese anwaltlichen 296
So die Entscheidung des OLG Dresden, Urteil vom 03.02.2004 – 14 U 1830/03.
II. Die Zusammenarbeit mit einem Inkassounternehmen
189
Maßnahmen nicht zum gewünschten Erfolg führen, dann übernimmt das Inkassounternehmen im sogenannten Überwachungsverfahren den weiteren außergerichtlichen Einzug der Forderung. Ein guter Inkassosachbearbeiter zeichnet sich durch ein hohes Verantwortungsgefühl, eine gute Portion Verhandlungsgeschick und einem sinnvollen Maß an Einfühlungsvermögen aus. Manchmal ist freilich eher ein „dickes Fell“ bei der Forderungsbeitreibung angebracht. Zu den typischen Inkassotätigkeiten gehört das Mahnen genauso wie die Anschriftenprüfung bzw. die Ermittlung einer neuen Schuldneranschrift, das Einholen von Auskünften aus dem Schuldnerregister, die Entscheidung über die Titulierung oder die Anmeldung der Forderung, wenn der Schuldner das Verbraucherinsolvenzverfahren beantragt hat. Befindet sich der säumige Patient tatsächlich in ernsthaften Zahlungsschwierigkeiten, dann heißt es, mit viel Verhandlungsgeschick die bestmögliche Lösung für beide Seiten zu finden. Umfangreiche und langwierige Verhandlungen mit Arbeitgebern, Schuldnerberatungsstellen oder Betreuern führen häufig zu einem von beiden Seiten tragbaren Kompromiss. Dazu benötigt der Inkassosachbearbeiter von Ihnen die notwendige Erlaubnis, um über den Bestand Ihrer Forderung entscheiden zu können.297 Am Ende sollte eine vertretbare Zahlungsvereinbarung stehen. Die „bestmögliche“ Lösung kann dabei auch so aussehen, dass Sie auf einen Teil oder ausnahmsweise sogar auf die gesamte Forderung verzichten. Gerade im nachgerichtlichen Inkasso geht meist nichts ohne Zugeständnisse. Der typische Schuldner hat nämlich nicht nur offene Forderungen bei seinem Arzt, sondern mindestens einen gekündigten Ratenkredit, offene Forderungen aus einem KFZ-LeasingVertrag und zahlreiche unbezahlte Rechnungen bei Versandhäusern neben HandyVerträgen, aus denen noch Rechnungen zu begleichen sind. Überschuldete Familien können meist ganze Ordner mit Vollstreckungsbescheiden und Gerichtsvollzieherprotokollen füllen. Das Gehaltskonto ist in der Regel bereits gepfändet, sofern der Schuldner noch einen Arbeitsplatz hat, der Haushalt besteht meist nur aus unpfändbaren Gegenständen und das Auto gehört der Bank oder der Leasing-Gesellschaft. Nur mit viel Verhandlungsgeschick lässt sich ein Schuldner in dieser Situation noch zur Zahlung bewegen, denn nicht nur die unbezahlten Rechnungen, sondern die aufgelaufenen Zinsen und die für die Titulierung und Zwangsvollstreckung angefallenen Kosten lassen den Schuldenberg täglich weiter wachsen. Daher kann der Verzicht auf die bereits aufgelaufenen und künftig noch entstehenden Zinsen der erste Schritt aus der Misere sein. Denn unter diesen Bedingungen ist eine Begleichung der offenen Forderungen meist nur in kleinsten Raten möglich. Wird die 20Euro-Rate, die der Schuldner monatlich mit Müh und Not aufbringen kann, überwiegend von den Zinsen aufgefressen, bleibt zur Schuldentilgung praktisch nichts übrig. Kann der Inkassomitarbeiter freilich sein Entgegenkommen zeigen und auf einen Teil der Forderung in Form von Zinsen und Kosten im Namen seines Auftraggebers verzichten, dann steigt die Motivation des Schuldners gleich ein ganzes 297
Worauf Sie dabei allerdings achten sollten, zeigt Ihnen der Abschnitt „Wie Sie Ihre Forderungen im Auge behalten“ ab Seite 193.
190
F. Mit dem Latein am Ende – Outsourcing der Forderungsbeitreibung als Lösung?
Stück, seinen Zahlungsverpflichtungen jetzt doch nachzukommen. Ist der Schuldenberg allerdings soweit angewachsen, dass selbst eine professionelle Schuldnerberatungsstelle nicht mehr aus der Misere helfen kann, bleibt meist nur noch die Anmeldung der Verbraucherinsolvenz. Die Anmeldung Ihrer Forderung und die Überwachung der Zahlungsvereinbarung nimmt Ihnen der Inkassosachbearbeiter dann ab. Bevor eine Zahlungsvereinbarung geschlossen werden kann, stehen meist weniger spektakuläre Tätigkeiten wie eine Adressermittlung oder das Versenden von Mahnschreiben auf dem Programm. Mahnschreiben sind bekanntlich eine sehr anonyme Angelegenheit und viele Schuldner legen sie ungeöffnet auf den Stapel der übrigen Mahnungen. Mit einem gezielten Inkassotelefonat gelingt es dagegen meist, mit dem säumigen Patienten in Kontakt zu treten. Legen Sie deshalb bei der Beauftragung eines Inkassounternehmens stets Wert darauf, dass ein Inkassotelefonat bereits frühzeitig in die Sachbearbeitung eingeplant wird! Am größten sind die Erfolge, wenn das Telefonat gleich nach dem ersten Anschreiben („Begrüßungsschreiben“) erfolgt. Erkundigen Sie sich deshalb auch, inwieweit die Sachbearbeiter im Führen von gezielten Inkassotelefonaten geschult sind. Größere Unternehmen verfügen meist über eine eigene Abteilung, deren Mitarbeiter zu verschiedenen Tageszeiten versuchen, einen telefonischen Kontakt herzustellen. Der Effekt eines persönlichen Gesprächs lässt sich durch einen Außendiensteinsatz noch steigern. Wer „Außendienst“ liest, denkt unwillkürlich an die muskelbepackten Männer der sogenannten (Nicht-)Inkassounternehmen. Damit haben seriöse Außendienstmitarbeiter freilich nichts zu tun. Außendienstmitarbeiterinnen und –mitarbeiter üben häufig recht unterschiedliche Hauptberufe aus und sind nur nebenberuflich für das Inkassounternehmen im Außendienst tätig. In einem persönlichen Gespräch vor Ort lassen sich die vorhandenen Zahlungsprobleme meist sehr schnell erörtern und in vielen Fällen gelingt es, eine Vereinbarung zu schließen. Selbst wenn aufgrund der finanziellen Verhältnisse eine Schuldenregulierung kurzfristig nicht möglich ist, so liefert ein Außendienstbesuch in der Regel viele Informationen, die durch ein Mahnschreiben nicht zu erhalten sind. Hierbei sind die weiblichen Außendienstmitarbeiter eindeutig im Vorteil: Sie bekommen nicht nur schnell und unkompliziert „einen guten Draht“ zum Schuldner und verhelfen Ihnen dadurch zu besseren Zahlungseingängen, sondern liefern zudem noch umfangreiche Hintergrundinformationen. Wer sich beim Platznehmen am Couchtisch unbeabsichtigt auf Bauklötze setzt, der fragt „ganz nebenbei“ nach den Kindern und versucht annäherungsweise deren Alter zu bestimmen. Das kann für einen später notwendigen Lohnpfändungsversuch eine wichtige Vorabinformation sein. Die Höhe des pfändbaren Betrages hängt, wie wir bereits gesehen haben, nämlich unter anderem von der Anzahl der unterhaltsberechtigten Personen ab.
II. Die Zusammenarbeit mit einem Inkassounternehmen
5.
Die Vertragsgestaltung
a)
Dauerhafte Zusammenarbeit oder Beauftragung je nach Bedarf?
191
Unter den Anbietern der Inkassodienstleistungen haben sich ganz unterschiedliche Systeme in der Zusammenarbeit mit ihren Kunden herausgebildet. Inkassounternehmen, die sich auf die Beitreibung großer, möglichst gleichartiger Forderungsbestände aus einer bestimmten Branche spezialisiert haben, werden in der Regel keine Einzelforderungen zur Beitreibung übernehmen. Dagegen gibt es zahlreiche mittelständische Unternehmen, denen Sie Einzelaufträge bereits online in die Bearbeitung übergeben können. Das ist besonders vorteilhaft, wenn sie nur hin und wieder einmal eine Forderung zum Einzug abgeben wollen. Freilich werden Sie kaum ein Inkassounternehmen finden, das gelegentlich Kleinstforderungen unter zehn Euro bearbeiten wird. Andere Unternehmen bestehen hingegen auf einer Jahresbindung, ganz unabhängig davon, wie viele Forderungen Sie von dem Dienstleister beitreiben lassen wollen. Ähnlich verhält es sich bei einem der Marktführer in Deutschland, der als eingetragener Verein (e. V.) organisiert ist. Sie müssen daher eine Mitgliedschaft beantragen, bevor Sie die Dienste in Anspruch nehmen können. Diese Unternehmen bieten zudem umfangreiche Bonitätsauskünfte an. Wer dort bereits prophylaktisch Auskünfte einholt, will schließlich die kostenpflichtige Mitgliedschaft intensiv nutzen. Deshalb wird dann gerne das angeschlossene Inkassounternehmen mit dem Forderungseinzug beauftragt, ohne zu prüfen, ob gerade dieses Unternehmen für die Beitreibung Ihrer Forderungen geeignet ist. b)
Eine grundlegende Frage – treuhänderische Bearbeitung oder Forderungsabtretung?
Wenn Sie sich nun für die Zusammenarbeit mit einem Inkassodienstleister entschieden haben, der Ihren Anforderungen entspricht, so kann die Tätigkeit, ähnlich wie bei der Beauftragung einer Verrechnungsstelle, auf recht unterschiedliche Weise ausgestaltet werden: ⓦ ⓦ
Das Inkassounternehmen kann die Forderungen treuhänderisch bearbeiten. Sie können die Forderungen an das Inkassounternehmen abtreten, wobei zwei unterschiedliche Formen der Abtretung in Betracht kommen.
Am einfachsten ist die Zusammenarbeit bei der treuhänderischen Bearbeitung ausgestaltet. Hier zieht das Inkassounternehmen die Forderung in fremdem Namen und für fremde Rechnung ein. Im Anschreiben des Inkassounternehmens an den säumigen Patienten heißt es daher im Betreff: „Forderung des / der Herrn / Frau Dr. X aus dem Behandlungsvertrag vom TT.MM.JJJJ in Höhe von ….. Euro.“
Sie bleiben deshalb als Gläubiger weiterhin Forderungsinhaber. Um gegenüber dem säumigen Patienten und Dritten wie Behörden oder beispielsweise Schuldnerberatungsstellen auftreten zu können, benötigt der Dienstleister eine Legitimation, nämlich eine Inkassovollmacht. Diese versetzt das Inkassounternehmen im Rahmen seiner Beauftragung in die Lage, nicht nur Vereinbarungen mit dem Schuldner oder
192
F. Mit dem Latein am Ende – Outsourcing der Forderungsbeitreibung als Lösung?
Dritten zu schließen, sondern auch Zahlungen mit schuldbefreiender Wirkung entgegenzunehmen. Die Abtretung haben Sie im Zusammenhang mit einem Factoring-Vertrag bei der Beauftragung einer ärztlichen Verrechnungsstelle bereits kennengelernt.298 Vergleichbares gilt für die Abtretung an ein Inkassounternehmen. Daneben wird die sogenannte Inkassozession oder fiduziarische Abtretung als Variante angeboten. Bei der Inkassozession treten Sie die Forderung ausschließlich zum Zweck der Forderungsbeitreibung an das Inkassounternehmen ab. Im Unterschied zur gewöhnlichen Abtretung tritt das Inkassounternehmen lediglich im Außenverhältnis gegenüber Dritten, wie beispielsweise dem säumigen Patienten oder Behörden, wie der Forderungsinhaber auf. Im Anschreiben des Inkassounternehmens an den säumigen Patienten heißt es deshalb im Betreff: „Wir machen gegen Sie eine Forderung in Höhe von ….. Euro, abgetreten von Herrn / Frau Dr. X, aus dem Behandlungsvertrag vom TT.MM.JJJJ geltend“.
Im Innenverhältnis, also in der vertraglichen Beziehung zwischen Ihnen und dem Inkassounternehmen, bleiben Sie – im Gegensatz zur echten Abtretung – nach wie vor wirtschaftlicher Eigentümer der Forderung. Sie tragen deshalb nach wie vor das wirtschaftliche Risiko des Forderungsausfalls. Deshalb bleibt die Forderung auch in Ihren Büchern als Forderungsposition erhalten. c)
Was sollte der Inkassovertrag alles regeln? Unabhängig davon, für welche Variante der Zusammenarbeit Sie sich entscheiden, sollten ein paar grundlegende Dinge mit dem Inkassounternehmen geregelt werden: ⓦ
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298
Um jeglicher Diskussion aus dem Weg zu gehen, sollten die zur Bearbeitung anstehenden Forderungen so konkret wie möglich beschrieben werden. Dazu gehört die Frage nach dem Bearbeitungsstand: – Wie oft haben Sie die säumigen Patienten bereits gemahnt? – In welcher Höhe bestehen die Forderungen? Dabei sollte auch geklärt werden, ob es eine Mindesthöhe für die Forderungen gibt, die in die Bearbeitung übernommen werden. – Woraus resultieren die Forderungen? In der Regel wird es der Behandlungsvertrag sein. Vielleicht geben Sie aber auch einmal eine andere Forderung zum Einzug ab. – Sofern die Forderungen bereits tituliert sind (sogenannte ausgeklagte Forderungen), sollte festgehalten werden, wie viele Zwangsvollstreckungsversuche bereits unternommen wurden. Klären Sie, auf welchem Weg die Daten an das Inkassounternehmen übermittelt werden können. Achten Sie darauf, dass die Bearbeitung auf Ihre individuellen Bedürfnisse abgestimmt ist: – Haben Sie den säumigen Patienten bereits zwei- oder dreimal ergebnislos angemahnt, dann macht es keinen Sinn, wenn das Inkassounternehmen weitere fünf oder gar sechs Mahnungen verschickt. Siehe dazu im Abschnitt „Das Factoringmodell“ ab Seite 176.
II. Die Zusammenarbeit mit einem Inkassounternehmen ⓦ
193
Klären Sie von vornherein, ob bei erfolgloser vorgerichtlicher Beitreibung umgehend ein Mahn- und Vollstreckungsbescheid beantragt wird und eine außergerichtliche Beitreibung nach der Titulierung durch das Inkassounternehmen zu neuen Konditionen fortgeführt werden soll.
d)
Wie Sie Ihre Forderungen im Auge behalten Inkassounternehmen sind Spezialisten im Rahmen der Forderungsbeitreibung. Deshalb möchte sich der Dienstleister vom Auftraggeber so wenig Vorschriften wie möglich im Hinblick auf die Bearbeitungsweise machen lassen. Das ist nachvollziehbar, denn Sie werden sich von Ihren Patienten auch nicht sagen lassen, wie die ärztliche Behandlung zu erfolgen hat. Um seiner Vermittlerrolle gerecht zu werden, benötigt ein Inkassosachbearbeiter Kompetenzen. Im Zweifel muss er auf einen Teil der Forderung verzichten, weil es unter Abwägung sämtlicher Gläubiger- und Schuldnerinteressen nicht möglich ist, die Forderung in vollem Umfang beizutreiben. Bei einer 200-Euro-Forderung wird es Ihnen noch nicht schwer fallen, dem Inkassounternehmen diese Freiheit einzuräumen. Je höher die ausstehende Forderung ist, umso mehr Kopfzerbrechen wird Ihnen die Einräumung dieser Kompetenz vermutlich bereiten. Neben der Forderungshöhe und dem Bearbeitungsstand wird der einzuräumende Forderungsverzicht manchmal auch vom Alter der Forderung abhängig gemacht. Schließlich werden Sie bei einer mehrere Jahre alten, bereits ausgeklagten Forderung eher zu Zugeständnissen bereit sein, als bei einer frischen, erst wenige Wochen oder Monate alten. Diese Punkte sind häufig im „Kleingedruckten“ des Inkassodienstleisters geregelt. Fragen Sie daher lieber nach, wenn Sie die Regelungen nicht auf Anhieb nachvollziehen können, bevor es am Ende ein böses Erwachen gibt.
6.
Inkassokosten und -provisionen
a)
Die Inkassokosten und was passiert, wenn der Schuldner nicht zahlt
Das Inkassounternehmen macht beim Schuldner Kosten geltend, die ein Teil der Vergütung sind, von dem das Unternehmen letztendlich lebt. Hinsichtlich der Inkassokosten gibt es keine festen Gebührensätze wie Sie dies von der GOÄ oder GOZ kennen. Im Prinzip ist der Satz frei aushandelbar, wobei sich in der Branche verschiedene Vergütungssysteme durchgesetzt haben. ⓦ
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299
In Ermangelung eigener Inkassokostentarife orientieren sich viele Inkassounternehmen bei der Berechnung der Inkassokosten an den Tarifen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG). Daneben kann zusätzlich eine Auslagenpauschale geltend gemacht werden. Andere Unternehmen vereinbaren dagegen einen bestimmten Prozentsatz der beizutreibenden Forderung als Inkassokostenpauschale. Üblich ist ein Satz zwischen 5 und 10 %, wobei die Ansichten darüber, welcher Satz noch als angemessen gilt, auseinandergehen.299 Das OLG Dresden, Urteil vom 01.12.1993 – 5 U 68/93 betrachtet sogar einen Satz zwischen 10 und 20 % der beizutreibenden Forderung noch als angemessen.
194
F. Mit dem Latein am Ende – Outsourcing der Forderungsbeitreibung als Lösung?
Wiederum andere Vergütungssysteme stellen auf die durchgeführten Inkassomaßnahmen ab. Jede einzelne Maßnahme, wie ein Telefonat oder ein Mahnschreiben, die Anfrage beim Einwohnermeldeamt, hat ihren „Preis“ und wird dem Schuldner entsprechend in Rechnung gestellt. Je mehr Aufwand ein Inkassosachbearbeiter treibt, umso mehr Kosten entstehen also.
ⓦ
Gerade bei geringen Forderungen können die Inkassokosten rasch die Höhe des ursprünglichen Rechnungsbetrages erreichen oder sogar übersteigen und damit unseriös werden. Um hier als Auftraggeber nicht selbst in Misskredit zu geraten, sollten Sie mit dem Inkassounternehmen einen Höchstbetrag für die Geltendmachung von Inkassokosten bei Kleinforderungen vereinbaren. Lässt sich das Unternehmen nicht darauf ein, ist es manchmal besser, die Forderung nicht weiter zu verfolgen. Dann sollten Sie künftig Ihr Augenmerk verstärkt auf die Prophylaxe legen, um Kleinforderungen erst gar nicht durch Inkassomaßnahmen verfolgen zu müssen. Als Auftraggeber des Inkassounternehmens müssen Sie zunächst für die entstehenden Beitreibungskosten einstehen, die Sie freilich als Verzugsschaden geltend machen können. Diese Aufgabe übernimmt das Inkassounternehmen und stellt die Inkassokosten dem Schuldner zusammen mit dem ursprünglichen Rechnungsbetrag und den inzwischen angefallenen Zinsen in Rechnung. Ob der säumige Patient die Inkassokosten letztendlich tragen muss, ist eine ganz andere Frage. In vielen Fällen sind Inkassokosten nämlich gerichtlich überhaupt nicht oder nicht in dieser Höhe durchsetzbar. Haben Sie bereits ein Inkassounternehmen mit der vorgerichtlichen Beitreibung beauftragt und kommt es im Rahmen dieser Beitreibung zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung, dann stellt sich die Frage, ob der säumige Patient neben den Rechtsanwaltskosten zusätzlich noch die Inkassokosten zu tragen hat. Die Chancen stehen für den Schuldner nicht schlecht, dass die Klage hinsichtlich der in Rechnung gestellten Inkassokosten abgewiesen wird. Die Begründungen für die abweisende Haltung der Rechtsprechung sind sehr unterschiedlich.300 Trotz der schuldnerfreundlichen Rechtsprechung sollten Sie beim Abschluss des Inkassovertrages darauf achten, dass der Vertrag eine Klausel enthält, die den Inkassodienstleister damit beauftragt, die Inkassokosten immer als Verzugsschaden beim Schuldner geltend zu machen. Lassen sich die Inkassokosten gerichtlich nicht durchsetzen, dann sollten Sie auf einer klaren Regelung zulasten des Inkassounternehmens bestehen, damit Sie am Ende nicht auf den Kosten sitzen bleiben. b)
Die Erfolgsprovision Die Inkassokosten stellen nur die eine Hälfte der Vergütung dar, von der die Dienstleister letztendlich leben. Während der säumige Patient mit den Inkassokosten belastet wird, müssen Sie als Auftraggeber zusätzlich eine Inkassoprovision entrichten. 300
Nach Ansicht des OLG Dresden, Urteil von 01.12.1993, NJW-RR 1994, S. 1139, gehört die Forderungsbeitreibung zu den Pflichten des Gläubigers, weshalb die Kosten nicht erstattungsfähig seien.
II. Die Zusammenarbeit mit einem Inkassounternehmen
195
Sie ist in der Regel eine reine Erfolgsprovision und wird daher nur fällig, wenn der Inkassodienstleister die Forderung oder zumindest einen Teil davon beigetrieben hat. Im vorgerichtlichen Bereich müssen Sie mit einer Provision zwischen 5 und 20 % des ursprünglichen Rechnungsbetrags zzgl. der gesetzlichen Mehrwertsteuer rechnen. Bei Forderungen, die bereits tituliert sind, sieht es schon anders aus: Solange die Beitreibung noch im außergerichtlichen Bereich erfolgt, müssen Sie mit einer Provision bis zu 30 % rechnen, sind bereits Zwangsvollstreckungsversuche unternommen worden, dann kann die Provision auf 40 bis 50 % steigen. Sofern Sie keine weiteren Zwangsvollstreckungs- und sonstigen Beitreibungskosten tragen wollen, bieten einige Inkassounternehmer an, das Kostenrisiko zu übernehmen. Dann kann die Inkassoprovision auf bis zu 60 % steigen. Achten Sie unbedingt darauf, aus welchen Beträgen sich die Provision berechnet. Häufig wird die Provision für sämtliche Zahlungen verlangt, also unabhängig davon, ob Zahlung auf den ursprünglichen Rechnungsbetrag, die angefallenen Kosten oder Zinsen verrechnet wird. Das vermeintlich günstige Angebot, das mit einem niedrigen Provisionssatz lockt, kann sich daher bei älteren Forderungen mit hohen Zinsen und Kosten ganz schnell zu Kostenfalle entwickeln.
7.
Was von der Schuldnerzahlung letztendlich für Sie übrig bleibt
Neben den Inkassokosten fallen zwangsläufig weitere Kosten an wie beispielsweise für eine Anfrage beim Einwohnermeldeamt, die Gebühren für einen Mahn- und Vollstreckungsbescheid oder die Verfahrenskosten für einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss. Weil sich Ihr säumiger Patient mit seiner Zahlung im Verzug befindet, können Sie die anfallenden Beitreibungskosten als Verzugsschaden beim Schuldner geltend machen. Das könnte Sie nun zu der Annahme verleiten, dass es Ihnen im Prinzip gleichgültig sein kann, in welcher Höhe das Inkassounternehmen Kosten verursacht, denn die muss in jedem Fall der Schuldner tragen. Im Prinzip ist das richtig. Die Höhe der angefallenen Kosten spielt allerdings dann eine Rolle, wenn Sie auf einen Teil der Forderung verzichten (müssen). Um das zu verstehen, müssen wir wieder etwas tiefer in das Zivilrecht einsteigen. Die vom Schuldner geleisteten Zahlungen werden nämlich in einer ganz bestimmten Reihenfolge verrechnet: zuerst auf die angefallenen Kosten, dann die Zinsen und erst zum Schluss auf die Hauptforderung, also dem ursprünglichen Rechnungsbetrag. Diese Verrechnungsreihenfolge sieht das Bürgerliche Gesetzbuch in § 367 GBG so vor. Sie stehen deshalb mit der Begleichung Ihrer Honorarforderung so lange in der „Warteschleife“, bis der säumige Patient sämtliche Kosten beglichen hat. Stellt der Schuldner vorzeitig und dauerhaft seine Zahlungen ein, dann bekommen Sie nur einen geringen Anteil Ihrer Forderung oder gehen im schlimmsten Fall vollkommen leer aus, obwohl der säumige Patient einen beträchtlichen Teil der Gesamtforderung gezahlt hat. Schauen wir uns diese Verrechnungsreihenfolge und die Auswirkungen einmal in der Praxis an.
196
F. Mit dem Latein am Ende – Outsourcing der Forderungsbeitreibung als Lösung? Gehen wir von einem ursprünglichen Rechnungsbetrag in Höhe von 100 Euro aus. Da Ihr säumiger Patient unbekannt verzogen ist, geben Sie zunächst eine Anschriftenprüfung bei der Deutschen Post AG und eine Anfrage beim Einwohnermeldeamt in Auftrag. Nach Ermittlung einer neuen Anschrift beauftragen Sie Ihren Rechtsanwalt mit der Zustellung eines Mahn- und Vollstreckungsbescheides. Im März 2007 beauftragen Sie schließlich ein Inkassounternehmen mit der weiteren Beitreibung der Forderung, worauf der Schuldner zweimal eine Ratenzahlung in Höhe von jeweils 30 Euro leistet. Nach erneuter Anfrage beim Einwohnermeldeamt schließt das Inkassounternehmen mit dem säumigen Patienten einen Vergleich. Nach Abzug der angefallenen Kosten bleiben Ihnen rund 70 Euro, von denen Sie noch die Inkassoprovision begleichen müssen, obwohl der Schuldner insgesamt 160 Euro gezahlt hat. 301
Tabelle 7. Forderungsaufstellung gemäß § 367 BGB Datum
Bezeichnung
Zahlung Kosten
18.06.2006 Hauptforderung 01.07.2006 Zinsänderung301 19.07.2006 Anschriftenprüfung Summe 31.07.2006 Einwohnermeldeamt Summe 31.08.2006 MB-Gerichtskosten 31.08.2006 MB-Anwaltskosten Summe 04.10.2006 VB-Anwaltskosten Summe 30.01.2007 Zinsen Summe 15.03.2007 Inkassokosten Summe 22.04.2007 Zahlungseingang -30,00 Summe 06.06.2007 Einwohnermeldeamt Summe 30.06.2007 Zahlungseingang -30,00 Summe 08.08.2007 Vergleich -100,00 Summe Saldo
301
Zinsen
Hauptforderung 100,00
0,23 1,27 1,27 13,00 14,27 23,00 35,70 72,97 17,85 90,82 90,92 19,00 109,82 79,82 13,00 92,82 62,82 62,82 0,00
0,35 0,58 0,21 0,79 0,58 1,37 0,66 2,03 2,24 4,27 0,89 5,16 0,71 5,87 0,89 6,76 0,42 7,18 0,74 7,92 0,00
100,00 100,00
100,00 100,00 100,00 100,00 100,00 100,00 100,00 100,00 70,74
Der Zinssatz beträgt zunächst 6,37 % (1,37 % Basiszins + 5 %) und ab 01.07.2006 durch Änderung des Basiszinssatzes 6,95 %.
III. Der Schuldner ist im Ausland
197
Sie sollten deshalb immer darauf achten, dass bei einem Vergleich nicht nur die entstandenen Kosten und Auslagen abgedeckt sind, sondern auch für Sie ein Anteil übrig bleibt.
III. Der Schuldner ist im Ausland Wenn Sie eine Forderung gegen einen Patienten mit Wohnsitz im Ausland beitreiben müssen, dann wird es deutlich komplizierter. Denn das bedeutet nicht nur, mit anderen gesetzlichen Vorschriften konfrontiert zu werden, sich in einer Sprache, die uns nicht immer in allen Einzelheiten vertraut ist, verständlich zu machen, sondern sich außerdem mit erheblichen Mentalitätsunterschieden im Zahlungsverhalten auseinanderzusetzen. Selbst politische und / oder wirtschaftliche Unwägbarkeiten können für die weitere Bearbeitung der offenen Forderung eine Rolle spielen. Trotz fortschreitender Vereinheitlichung der Rechtssysteme und Erleichterungen müssen Sie bei einer länderübergreifenden Forderungsbeitreibung nach wie vor zahlreiche Hürden nehmen. Deshalb ist es meist sinnvoll, gleich von Anfang an einen Profi mit dem Mahn- und Inkassowesen im Zielland zu beauftragen. Denn auch hier gilt: Je früher Sie professionell mit der Forderungsbeitreibung nach Ablauf der Fälligkeit einsetzen, umso größer ist Ihre Chance, die Forderung baldmöglichst zu realisieren. Bei einer Inlandsforderung wägen Sie sehr sorgfältig ab, ob sich die Einschaltung eines Inkassounternehmens unter Kostengesichtspunkten lohnt. Wohnt der säumige Patient im Ausland, dann sollten Sie diese Kosten-Nutzen-Analyse noch sorgfältiger vornehmen. In der Regel fallen bei der Auslandstätigkeit nämlich deutlich höhere Kosten an, die Sie nicht in jedem Fall dem Patienten in Rechnung stellen können. Ab welchem Betrag sich eine Beitreibung im Ausland lohnt, lässt sich nicht pauschal beantworten. Die Verhältnisse sind in den einzelnen Ländern so unterschiedlich, dass sich keine einheitliche Aussage hierzu treffen lässt. Wenn Sie bereits mit einem Rechtsanwalt oder einem Inkassodienstleister zusammenarbeiten, dann heißt das freilich noch lange nicht, dass dieser auch der richtige Partner für die Beitreibung Ihrer Auslandsforderungen ist. Ein im Inland ansässiger Dienstleister hat nämlich mit den gleichen Problemen zu kämpfen wie Sie selbst. Es ist daher in der Regel sinnvoller, einen Dienstleister auszuwählen, der über ein ausreichendes Netz an Kooperationspartnern im Ausland verfügt. Bei großen Anwaltssozietäten ist dies in der Regel gewährleistet. Zwar verfügen inzwischen selbst kleinere Kanzleien über gute Kontakte zu Anwälten in anderen Ländern, aber Sie sollten sich vor der Beauftragung genau erkundigen, ob Ihr Anwalt gerade in dem Zielland, in dem nun eine Forderung beigetrieben werden soll, bereits Erfahrungen mit einem ortsansässigen Kollegen gemacht hat. Gleiches gilt übrigens für die Beauftragung eines Inkassodienstleisters. Führende Unternehmen verfügen in sämtlichen europäischen Ländern über Tochtergesellschaften und haben selbst im außereuropäischen Raum langjährige Kooperationspartner, an die Forderungen zur weiteren Bearbeitung abgegeben werden können. Das hat den Vorteil, dass sich wirklich Profis vor Ort um Ihre Angelegenheit küm-
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F. Mit dem Latein am Ende – Outsourcing der Forderungsbeitreibung als Lösung?
mern. Schließlich sollten Sie den psychologischen Effekt des Einsatzes eines Dienstleisters vor Ort nicht unterschätzen. Macht bei dem deutschen Schuldner, der sich auf eine spanische Insel abgesetzt hat, plötzlich ein einheimisches Inkassounternehmen oder ein Rechtsanwalt die Forderung geltend, dann weiß er, dass seine Hinhaltetaktik jetzt nicht mehr funktioniert. Wie bei der Bearbeitung inländischer Forderungen wird bei der Beitreibung im Ausland eine Erfolgsprovision fällig. Diese ist sowohl von der Forderungshöhe als auch dem Land, in dem die Forderung beigetrieben werden soll, abhängig. Die Provisionssätze schwanken hier zwischen 8 % bei der Beitreibung in den meisten europäischen Ländern und 30 % bei der vorgerichtlichen Beitreibung im außereuropäischen Ausland. Die Provisionssätze können sowohl von Anbieter zu Anbieter als auch von Land zu Land erheblich schwanken, sodass es sich in jedem Fall lohnt, mehrere Angebote einzuholen und die Leistungen zu vergleichen! Einige Inkassodienstleister behalten neben der Erfolgsprovision zusätzlich die angefallenen Verzugszinsen ein. Gerade bei einer langwierigen Beitreibung einer hohen Auslandsforderungen kann eine beträchtliche Summe zusammenkommen, die der Dienstleister zusätzlich kassiert.
IV. Gründe, die für eine Zusammenarbeit mit einem Inkassounternehmen sprechen ⓦ
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Ist die Bonität des säumigen Patienten unterdurchschnittlich oder schlecht, dann kauft die ärztliche Verrechnungsstelle Ihre Forderung nicht an. Die Beauftragung eines Inkassounternehmens kann daher eine sinnvolle Alternative darstellen. Die vermittelnde Rolle des Inkassodienstleisters steigert die Chancen auf eine außergerichtliche Einigung mit dem säumigen Patienten. Eine IT-gestützte Prozesskette macht die Forderungsbeitreibung schnell und effektiv, wie es Ihnen selbst kaum gelingen wird. Gegenüber der hauseigenen Beitreibung ist die Tätigkeit des Inkassodienstleisters daher kostengünstiger und effizienter. Durch das Herbeiführen einvernehmlicher Lösungen steigt auch die Wahrscheinlichkeit, den Patienten als „Kunden“ zu behalten. Die hohe Erfolgsquote im vorgerichtlichen Bereich spart Gerichts- und Zwangsvollstreckungskosten. Inkassounternehmen verlangen keinen Kostenvorschuss. Lediglich beim Auslandsinkasso müssen Sie mit einer Vorschussleistung rechnen. Die Vergütung erfolgt in der Regel erfolgsorientiert.
V. Die Forderungsbeitreibung durch einen Rechtsanwalt
V.
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Die Forderungsbeitreibung durch einen Rechtsanwalt
Wenn Sie weder eine ärztliche Verrechnungsstelle noch ein Inkassounternehmen mit der weiteren Beitreibung Ihrer offenen Honorarforderungen beauftragen wollen, bleibt Ihnen nur die Zusammenarbeit mit einem Rechtsanwalt. Die anwaltliche Tätigkeit kann an der Stelle beginnen, an der ein Inkassounternehmen aufgrund gesetzlicher Vorgaben seine Tätigkeit beenden muss. Bestreitet der Patient die Forderung, macht er gar Schadensersatzforderungen wegen einer mangelhaften ärztlichen Leistung geltend oder legt er gegen eine der gerichtlich eingeleiteten Maßnahmen ein Rechtsmittel ein, dann kann die Bearbeitung nur durch einen Rechtsanwalt fortgeführt werden. Das ist mit zusätzlichen Kosten verbunden, wodurch Sie selbst bei einer erfolgreichen anwaltlichen Tätigkeit länger auf Ihr Geld warten müssen. In der Regel liegt der Beauftragung eines Rechtsanwalts ein Geschäftsbesorgungsvertrag zugrunde, der die Einziehung der Forderung zum Inhalt hat. Im Gegensatz zur Beauftragung eines Inkassounternehmens findet in der Regel weder eine Forderungsabtretung noch ein Forderungskauf statt. Zu den wichtigsten anwaltlichen Tätigkeiten gehören sämtliche verjährungshemmenden Maßnahmen. In einigen Fällen wird Ihnen außerdem gar nichts anderes übrig bleiben, als einen Rechtsanwalt mit der gerichtlichen Geltendmachung der Forderung zu beauftragen. Besteht nämlich in einem Verfahren Anwaltszwang, dann können Sie selbst weder eine Klage noch sonst irgendeinen Schriftsatz bei Gericht einreichen, weil das Gericht ihn nicht berücksichtigen könnte. In welchen Fällen ein solcher Anwaltszwang besteht, hat der Gesetzgeber in der ZPO geregelt. ⓦ
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Wird der Rechtsstreit vor einem Amtsgericht ausgetragen, dann besteht, von Familiensachen einmal abgesehen, kein Anwaltszwang. Vor den Landgerichten und allen höheren Gerichten wie den Oberlandesgerichten und dem Bundesgerichtshof besteht stets ein Anwaltszwang, weil der Gesetzgeber davon ausgeht, dass die zur Entscheidung vorgelegten Rechtsprobleme dort wesentlich komplexer sind und die beteiligten Parteien daher eines besonderen Schutzes bedürfen.
In welchem Falle das Amtsgericht und in welchem eines der höheren Gerichte für die Entscheidung zuständig ist, regelt das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG): Amtsgerichte sind immer dann zuständig, sofern der Rechtsstreit nicht einem Landgericht zugewiesen ist. Das ist unter anderem dann der Fall, wenn der Streitwert 5.000 Euro nicht übersteigt, § 23 Nr. 1 GVG. Dennoch ist die anwaltliche Tätigkeit nicht auf die gerichtliche Beitreibung beschränkt. Selbstverständlich beherrschen Rechtsanwälte die außergerichtliche Forderungsbeitreibung, auch wenn dies oftmals nicht als ihr Kerngeschäft betrachtet wird. Im Gegensatz zu Inkassounternehmen, deren Tätigkeit auf den Forderungseinzug fokussiert ist, bietet ein Rechtsanwalt in der Regel eine breite Palette an Tätigkeiten an, die bereits bei der Beratung hinsichtlich der Vertragsgestaltung beginnt. Es kann daher sinnvoll sein, sich einen Rechtsanwalt zu suchen, der sich auf die Forderungsbeitreibung spezialisiert hat und das gesamte Bearbeitungsspektrum von der vorgerichtlichen Beitreibung über die gerichtliche Geltendmachung bis hin zur
200
F. Mit dem Latein am Ende – Outsourcing der Forderungsbeitreibung als Lösung?
Langzeitüberwachung anbieten kann. Seine Mitarbeiter sind meist im Telefoninkasso bestens geschult, sodass bereits im vorgerichtlichen Bereich mit guten Ergebnissen zu rechnen ist. Freilich hat die Leistung auch ihren Preis. Rechtsanwälte rechnen, ähnlich wie Ärzte, ihre Leistungen nach einer eigenen Gebührenordnung, dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, ab. Für das anwaltliche Honorar sind zwei unterschiedliche Komponenten von Belang. Wie bei den Gerichtsgebühren richtet sich die Höhe der anwaltlichen Tätigkeit nach dem Gegenstandswert. Geht es um die Beitreibung einer Forderung, dann entspricht der Gegenstandswert Ihrer geltend gemachten Honorarforderung. Daneben spielt die ausgeführte Tätigkeit für die Berechnung eine Rolle: Handelt es sich um eine Beratung hinsichtlich der Aussichten der Durchsetzbarkeit der Forderung oder eine außergerichtliche Tätigkeit, bei der eine Zahlungsvereinbarung geschlossen werden konnte, oder hat der Rechtsanwalt die Forderung durch eine Klage geltend gemacht? Maßgeblich für die Gebühr ist der Auftrag, den Sie dem Rechtsanwalt erteilen. Für eine außergerichtliche Vertretung erteilen Sie Ihrem Anwalt einen Vertretungs-, für die gerichtliche Geltendmachung hingegen einen Prozessauftrag. Haben Sie ihm von Anfang an einen Prozessauftrag erteilt, dann berechnen sich die Gebühren allerdings nach den Vorschriften für die gerichtliche Tätigkeit, auch wenn es letztendlich zu einer außergerichtlichen Einigung noch vor Prozessbeginn kommt. Das kann recht schnell teuer werden, denn für eine außergerichtliche Tätigkeit kann ⓦ
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eine Geschäftsgebühr (0,5 bis 2,5 gemäß Nr. 2300 VV RVG aus dem Gegenstandswert) anfallen. Eine höhere Gebühr als 1,3 darf nur dann berechnet werden, wenn sich die Tätigkeit als besonders umfangreich oder schwierig erweist; eine Einigungsgebühr (1,5 gemäß Nr. 1000 VV RVG aus dem Gegenstandswert) anfallen. Schließt der Rechtsanwalt mit dem säumigen Patienten eine Ratenzahlungsvereinbarung, dann steht ihm bereits eine volle Einigungsgebühr zu.
Für die gerichtliche Tätigkeit fallen bis zu 3,5 Gebühren an. Gerade bei geringen Forderungen können die Anwaltskosten schnell die Forderungshöhe erreichen oder gar überschreiten. Im Gegensatz zu den ärztlichen bzw. zahnärztlichen Gebührenordnungen lässt das anwaltliche Gebührenrecht das Verlangen nach einem Vorschuss durchaus zu. Deshalb müssen Sie damit rechnen, dass Ihr Anwalt nicht nur die von ihm zu verauslagenden Gerichtsgebühren, sondern auch einen angemessenen Teil seines anwaltlichen Honorars noch vor Beginn seiner Tätigkeit von Ihnen als Vorschuss verlangt. Während es im Rahmen einer gerichtlichen Auseinandersetzung immer fraglich ist, ob der Schuldner die Kosten für die Beauftragung eines Inkassounternehmens als Verzugsschaden tragen muss, kommen bei den Kosten für eine anwaltliche Tätigkeit keine Diskussionen auf. Einen Wermutstropfen hat die Sache dennoch. Während die Inkassoprovision nur im Erfolgsfalle fällig wird, sitzen Sie mit Ihrem Anwalt hinsichtlich der Honoraransprüche in einem Boot. Als Dienstleister steht
VI. Wird die ärztliche Schweigepflicht durch Outsourcing verletzt?
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ihm nämlich völlig unabhängig vom Erfolg seiner Bemühungen das Honorar in vollem Umfang zu. Beide Beitreibungsmethoden haben daher ihre Vor- und Nachteile, die Sie vor einer Beauftragung sorgfältig abwägen sollten. Für welche Sie sich letztendlich entscheiden, ist in erster Linie eine Frage der persönlichen Einstellung. Die Beiziehung eines ausländischen Rechtsanwalts zwecks Beitreibung der Forderung sollten Sie sich dagegen gut überlegen. Lassen Sie sich unbedingt vorab einen Kostenvoranschlag erstellen, denn hinsichtlich der Anwaltskosten müssen Sie sich auf einige Überraschungen gefasst machen. Zum einen sind die Anwaltskosten in einigen Ländern deutlich höher als in Deutschland und zum anderen werden viele ausländische Anwälte ohne Vorschuss überhaupt nicht tätig. Hinzu kommt noch, dass Sie selbst im Erfolgsfall nicht immer damit rechnen können, Ihre Anwaltskosten ersetzt zu bekommen. In einigen Ländern, wie beispielsweise Frankreich, werden Ihnen die Kosten nicht ersetzt, obwohl Sie den Prozess gewonnen haben. Ein seriöser Anwalt wird Sie deshalb nicht nur auf diese Risiken hinweisen, sondern auch über die Höhe der Kosten umfassend informieren.
VI. Wird die ärztliche Schweigepflicht durch Outsourcing verletzt? – Worauf Sie bei der Beauftragung eines Rechtsanwalts achten sollten Selbst wenn Sie eine Verrechnungsstelle mit der Abrechnung Ihrer Honorare und dem Forderungseinzug beauftragt haben, bleiben Ihnen sowohl ein paar „Altlasten“ als auch jene Fälle, welche die Verrechnungsstelle aufgrund der schlechten Bonität des Patienten nicht übernehmen will. Darüber hinaus haben Sie möglicherweise noch Forderungen, weil die Patienten entweder einzelne Rechnungspositionen oder die ärztliche Leistung bemängeln und ihre Rechnungen deshalb nicht bezahlen wollen. Deshalb wird Ihnen nichts anderes übrig bleiben, als diese Forderungen auf gerichtlichem Wege geltend zu machen. Nach den vorangegangenen Ausführungen302 werden Sie sich nun fragen, ob Ihnen dieser Weg nur theoretisch zur Verfügung steht, weil Ihnen gerade für die Geltendmachung dieser Forderungen keine Einwilligungserklärung des Patienten vorliegt. Die Durchsetzung Ihrer Honorarforderung auf gerichtlichem Wege ist ausnahmsweise ohne die ausdrückliche Einwilligung des säumigen Patienten erlaubt.303 Die Wahrnehmung Ihrer eigenen Interessen steht in diesem Falle im Vordergrund. Sofern Sie auf diesen Forderungen nicht sitzen bleiben wollen, bleibt Ihnen nur noch die gerichtliche Geltendmachung als letzter Ausweg. Deshalb dür-
302
303
Siehe dazu ausführlich im Abschnitt „Unternehmerische Strategien und ärztliche Rechtsund Standespflichten“ ab Seite 13. Siehe dazu die Entscheidung des BGH Urteil vom 10.07.1991 – VIII ZR 296/90 = BGHZ 115, S. 123, 129 = BGH NJW 1991, S. 2955.
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F. Mit dem Latein am Ende – Outsourcing der Forderungsbeitreibung als Lösung?
fen Sie Namen, Adresse und die Behandlungsdaten bei der Beantragung eines Mahnbescheides oder der Einreichung einer Klage an das zuständige Gericht weiterleiten, soweit dies zur schlüssigen Begründung Ihres Anspruchs unbedingt erforderlich ist. Selbst die Beauftragung eines Rechtsanwalts ist zulässig, der dann die Einleitung der notwendigen Schritte für Sie vornimmt. Das gilt übrigens unabhängig davon, ob aufgrund der Höhe der Forderung ein Anwaltszwang bei Gericht besteht oder nicht. Im Gegensatz dazu stehen bei der Weitergabe der Behandlungsdaten an eine Verrechnungsstelle wirtschaftliche Gesichtspunkte im Vordergrund.304 Was im Hinblick auf die Liquidität des Unternehmens sinnvoll sein mag, ist freilich für die Durchsetzung der Honorarforderungen nicht zwingend erforderlich. Deshalb rechtfertigen ausschließlich wirtschaftliche Erwägungen die Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht nicht.
VII. Die Folgen einer fehlenden Einwilligungserklärung 1.
Die strafrechtlichen Folgen – wo kein Kläger, da kein Richter
Wie wir bereits an anderer Stelle gesehen haben, genießt der Schutz der Patientendaten oberste Priorität. Wenn Sie unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten einen Dienstleister mit der Erstellung Ihrer Honorarabrechnungen und / oder dem Einzug der Forderungen beauftragen wollen, dann sollten Sie vorab die erforderliche Einwilligung der betroffenen Patienten einholen. Mangelt es nämlich an der notwendigen Erklärung, dann zieht dies sowohl straf- als auch zivilrechtliche Folgen nach sich. Wer unbefugt Patientendaten an Dritte weitergibt, der verletzt in der Regel als Arzt seine ärztliche Schweigepflicht. Bei diesem Tatbestand handelt es sich jedoch um ein sogenanntes Antragsdelikt. Die Ermittlungsbehörden werden in diesem Fall nicht von sich aus tätig, sondern es bedarf einer entsprechenden Strafanzeige eines Geschädigten. Selbst bei einem besonderen öffentlichen Interesse an einer Strafverfolgung könnten die Ermittlungsbehörden mangels einer entsprechenden Regelung nicht einschreiten. Eine strafrechtliche Verfolgung hängt daher ausschließlich davon ab, ob der betroffene Patient als Antragsberechtigter einen Strafantrag gegen den handelnden Arzt stellt. Zugleich handelt es sich um ein Vorsatzdelikt, d. h., der handelnde Täter muss bewusst und gewollt das ihm anvertraute Geheimnis weitergegeben haben. Das wäre dann der Fall, wenn Sie die Patientendaten an einen externen Dienstleister weitergeben, obwohl Sie genau wissen, dass Ihnen hierfür die erforderliche Einwilligung des Patienten fehlt und sich trotzdem über das Verbot hinwegsetzen.
Die Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung ist relativ gering. Zum einen wird ein gewollter Geheimnisbruch nur ausnahmsweise nachweisbar sein. Zum anderen wird 304
So auch die Entscheidung des BGH, NJW 1993, S. 2371 f.
VII. Die Folgen einer fehlenden Einwilligungserklärung
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sich kaum ein Patient die Mühe machen, aufgrund einer Honorarabrechnung, die unzulässigerweise über eine Verrechnungsstelle getätigt worden ist, den Staatsanwalt zu bemühen. Weshalb müssen Sie sich dann überhaupt die Mühe machen, die Einwilligung beim Patienten einzuholen? Sie sind in jedem Fall angreifbar. Unzufriedene Patienten sind durchaus bereit, aus einer unbezahlten Rechnung einen Arzthaftpflichtfall zu machen. Immer mehr Rechtsanwälte suchen in Arzthaftungsprozessen nach „Aufhängern“, um das Ansehen eines Arztes im Vorfeld eines anstehenden Arzthaftungsprozesses zu beeinträchtigen. Haben Sie als beschuldigter Arzt ausgerechnet in dem streitbefangenen Fall eine Honorarabrechnung an eine ärztliche Verrechnungsstelle ohne Einwilligung des Patienten abgegeben, dann hat der gegnerische Anwalt bereits ein hervorragendes Argument gegen Sie in der Hand, ohne dass er auch nur einen Finger rührt. Schließlich handelt es sich bei der Verletzung der Schweigepflicht um einen Straftatbestand, den Sie kaum entkräften können. Selbst wenn es wegen dieses Deliktes nicht zu einer Verurteilung kommt, weil Ihnen kein Vorsatz nachgewiesen werden kann, ist doch Ihr Ansehen erst einmal in Mitleidenschaft gezogen.
2.
Die zivilrechtlichen Folgen
a)
Warum ist die Forderungsabtretung an eine ärztliche Verrechnungsstelle nichtig?
Hinsichtlich der strafrechtlichen Konsequenzen sind Sie „mit einem blauen Auge“ davon gekommen. Sie wollen gerade aufatmen, da holen Sie schon die zivilrechtlichen Folgen einer fehlenden Einwilligungserklärung ein, mit denen Sie gar nicht gerechnet haben. Die liegen freilich nicht unbedingt auf der Hand und können letztendlich nahezu genauso schwer wiegen wie die strafrechtlichen Konsequenzen. Solange der Patient pünktlich und in vollem Umfang an die von Ihnen beauftragte ärztliche Verrechnungsstelle zahlt, ist die Welt noch in Ordnung. Muss der Dienstleister aufgrund einer ernsthaften Zahlungsverweigerung die abgetretene Honorarforderung auf gerichtlichem Wege geltend machen, dann spielt die fehlende Einwilligungserklärung unvermittelt eine Rolle. Die Verrechnungsstelle als Erwerber der Forderung muss nun im Rahmen der gerichtlichen Auseinandersetzung beweisen, dass sie Forderungsinhaberin geworden und daher berechtigt ist, die Forderung beim Patienten geltend zu machen.305 Jetzt hat nicht nur die Verrechnungsstelle ein Problem! Auch wenn es nun darum geht, eine zivilrechtliche Frage zu klären, holt Sie jetzt durch die Hintertür die ärztliche Schweigepflicht und damit die strafrechtliche Vorschrift des § 203 StGB wieder ein! Wie wir schon gesehen haben, dient die Vorschrift in erster Linie dem Schutz der Individualsphäre des Patienten. 305
Zu den Voraussetzungen einer wirksamen Forderungsabtretung siehe im Abschnitt „Das Factoringmodell?“ ab Seite 176.
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F. Mit dem Latein am Ende – Outsourcing der Forderungsbeitreibung als Lösung?
Deshalb stellt sie im Zivilrecht ein sogenanntes Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB dar306, was letztendlich ungeahnte Konsequenzen hat. Für den Eintritt der zivilrechtlichen Folgen ist es völlig unerheblich, ob der „Täter“ wegen Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht verurteilt worden ist oder nicht. Für den betroffenen Patienten macht es nämlich keinen Unterschied, ob der Arzt das ihm obliegende Berufsgeheimnis fahrlässig, vorsätzlich zum Beispiel aus Gewinnabsicht oder schuldlos verletzt hat, weil er irrtümlich davon ausging, die Einschaltung des externen Dienstleisters wäre ohne Weiteres erlaubt. Es reicht schon völlig aus, wenn Sie als Arzt objektiv betrachtet gegen die Strafvorschrift des § 203 StGB verstoßen haben, um die gravierenden zivilrechtlichen Folgen auszulösen: 307 Aufgrund des Verstoßes gegen das Verbotsgesetz ist sowohl der mit der ärztlichen Verrechnungsstelle geschlossene Kaufvertrag bezüglich des Ankaufs der Forderung als auch die Abtretung der Forderung an den Dienstleister nichtig, § 134 BGB in Verbindung mit § 203 StGB.307 Um dieses Ergebnis besser verstehen zu können, müssen wir uns mit den Grundzügen unseres Zivilrechtes etwas näher beschäftigen. Gehen wir hierzu gedanklich noch einmal zu unserem Beispiel308 „Autokauf“ zurück. Dort haben wir festgestellt, dass Kauf- und Übertragungsvertrag zwei völlig voneinander unabhängige rechtliche Vorgänge sind. Ist nun das zugrunde liegende Verpflichtungsgeschäft, in unserem Beispiel ist dies der Kaufvertrag über das Fahrzeug, aus irgendeinem Grunde nichtig, dann bleibt grundsätzlich das Verfügungsgeschäft, also der Eigentumswechsel bei dem Fahrzeug, hiervon unberührt. Juristen nennen diese auf Anhieb nur schwer nachvollziehbare Besonderheit unseres Zivilrechts das Abstraktionsprinzip. Von dieser grundsätzlichen Regelung gibt es eine wesentliche Ausnahme, die hier zum Tragen kommt. Behielt in unserem konkreten Fall der Abtretungsvertrag, also der Übertragungsakt auf die Verrechnungsstelle, dem Abstraktionsprinzip folgend, seine Gültigkeit, dann hätte dies fatale Konsequenzen: Die Verrechnungsstelle wäre trotz des ungültigen Forderungsverkaufs nach wie vor neuer Gläubiger. Ihr stünde daher ein Anspruch auf die Erteilung sämtlicher zur Durchsetzung der Forderung notwendigen Auskünfte gegen Sie als Altgläubiger sowie ein Herausgabeanspruch der Urkunden wie zum Beispiel der Rechnung zu. Das ergibt sich aus § 402 BGB. Sie wären daher gezwungen, die ärztliche Schweigepflicht jetzt erst recht zu brechen, um den zivilrechtlichen Ansprüchen des Forderungserwerbers nachzukommen. Der Schutzzweck des § 203 StGB ginge damit völlig ins Leere. Die Nichtigkeit der Abtretung resultiert daher nicht aus der bloßen Übertragung der Forderung auf einen Dritten, sondern im Wesentlichen aus der Tatsache, dass der Verrechnungsstelle als Neugläubiger ein umfangreicher Auskunfts- und Informationsanspruch gegen Sie zustehen würde, der zwangsläufig eine Verletzung der ärztli306
BGH, Urteil vom 10.07.1991 – VIII ZR 296/90. vgl. dazu die Entscheidung des OLG Düsseldorf, NJW 1994, S. 2421. 308 Siehe dazu im Abschnitt „Der Abtretungsvertrag“ ab Seite 178. 307
VII. Die Folgen einer fehlenden Einwilligungserklärung
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chen Schweigepflicht zur Folge hätte. Deshalb lässt man es in den Fällen, in denen der vom Verbotsgesetz verfolgte Zweck durch das Abstraktionsprinzip ausgehöhlt würde, ganz ausnahmsweise zu, dass auch das Verfügungsgeschäft, in unserem Fall also die Abtretung der Forderung, nichtig ist. Die ärztliche Verrechnungsstelle ist daher nie Forderungsinhaberin geworden und kann deshalb die Forderung nicht vor Gericht geltend machen. Pfiffige Patienten, die bereits gezahlt haben, ohne dass eine entsprechende Einwilligungserklärung vorliegt, könnten jetzt auf die Idee kommen, den gezahlten Betrag von der ärztlichen Verrechnungsstelle zurückzufordern! Schließlich war die Verrechnungsstelle aufgrund der missglückten Abtretung nicht berechtigt, den Rechnungsbetrag geltend zu machen. In jedem Fall wird die Verrechnungsstelle den vermeintlichen Forderungskauf rückabwickeln und Sie haben die unbezahlte Rechnung wieder auf dem Tisch! Ein bloßer Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz führt übrigens nicht zur Nichtigkeit des gesamten Geschäftes mit der Verrechnungsstelle. Diese Vorschriften stellen nämlich kein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB309 dar, weil sie in den §§ 43 und 44 selbst Regelungen enthalten, welche die Folgen einer Gesetzesverletzung regeln. Ein Gesetz, das jedoch bereits Regelungen über den Gesetzesverstoß beinhaltet, kann nicht gleichzeitig Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB sein. Durch die Rechnungserstellung und Geltendmachung der vermeintlich abgetretenen Forderung durch die Verrechnungsstelle könnte die Forderung zudem in der Zwischenzeit verjährt sein. Schließlich löst die Rechnungserstellung die Fälligkeit des Rechnungsbetrages aus und setzt damit die Verjährungsfrist in Gang. Das OLG Karlsruhe310 verneint dies und meint, dass die Verjährung erst mit der Rechnungserstellung nach Rückabwicklung durch den Arzt beginnt. Diese Argumentation überzeugt, denn die Verrechnungsstelle war letztendlich gar nicht berechtigt, dem Patienten eine Rechnung zuerteilen, da sie nie Forderungsinhaberin war. b)
Folgen bei der Beitreibung durch ein Inkassounternehmen Ärztliche Verrechnungsstellen und Inkassounternehmen greifen mit unterschiedlichen Aufgaben und zu unterschiedlichen Zeitpunkten in das Geschehen ein. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten werden ärztliche Verrechnungsstellen in der Regel bereits mit der Rechnungserstellung und der anschließenden Forderungseinziehung beauftragt. Die Tätigkeit der Inkassounternehmen setzt erst viel später ein, dann nämlich, wenn der Patient selbst aufgrund hauseigener Mahnungen seinen Zahlungsverpflichtung nicht nachkommt. Es gleicht daher eher einem Rettungsver309 310
So auch das OLG Celle, Urteil vom 10.09.2003 – 3 U 137/03. OLG Karlsruhe, Urteil vom 05.09.2003 – 12 U 83/01.
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F. Mit dem Latein am Ende – Outsourcing der Forderungsbeitreibung als Lösung?
such, wenn Inkassounternehmen dem Auftraggeber doch noch zu dem überfälligen Honorar verhelfen. Nun lässt es die höchstrichterliche Rechtsprechung unter Abwägung der Arztund Patienteninteressen ausnahmsweise zu, dass Rechtsanwälte mit der Geltendmachung der offenen Honorarforderung beauftragt werden, ohne dass die strafbewehrten Konsequenzen einer Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht im Raum stehen. Lässt sich diese Argumentation auf die Forderungsbeitreibung durch Inkassounternehmen übertragen, wodurch Sie sich die lästige Einwilligungserklärung sparen könnten? 311 Das Innenministerium Baden-Württemberg311 vertritt hierzu die Auffassung, dass es unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden sei, wenn der Patient vor der Weitergabe seiner personenbezogenen Daten vom Arzt gemahnt und ausdrücklich auf die Folgen einer weiteren Zahlungsverweigerung hingewiesen wird. Da der Hinweis es dem Patienten ermögliche, die Datenübermittlung an das Inkassounternehmen durch Zahlung des offenen Betrages abzuwenden, bestehe kein Grund zu der Annahme, dass die schutzwürdigen Interessen des Patienten die des Arztes überwiegen. Das Innenministerium312 vertritt gleichzeitig die Ansicht, dass der Arzt mit dieser Vorgehensweise auch seine ärztliche Schweigepflicht nicht verletze, da die Wahrung seiner eigenen Interessen an der Beitreibung der offenen Forderung ausnahmsweise die Offenbarung der geschützten Patientendaten rechtfertige. Die höchstrichterliche Rechtsprechung vertritt hinsichtlich der ärztlichen Schweigepflicht allerdings eine andere Auffassung und knüpft an die vorangegangene Rechtsprechung des Senats an. Auch der Umstand, dass die Abtretung der ärztlichen Honorarforderung ohne entsprechende Einwilligungserklärung erst nach der Rechnungsübersendung an den Patienten und einer erfolglos gebliebenen Mahnung des behandelnden Arztes erfolgte, führe nicht zur Wirksamkeit der Abtretung.313 Zwar sei dem Arzt die gerichtliche Geltendmachung einer Honorarforderung zweifellos erlaubt, aber der Einsatz Dritter habe sich stets an einer am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ausgerichteten Abwägung zwischen den eigenen wirtschaftlichen Interessen und dem Interesse des Patienten, seine Daten geheim zu halten, zu orientieren. Deshalb müsse der Kreis derjenigen, denen die personenbezogenen Daten des Patienten zugänglich gemacht werden, klein gehalten werden, weshalb die Einschaltung eines Dritten nicht erforderlich sei. In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte die Beklagte bereits vor der Abtretung durch ihren Anwalt klar und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass 311
312 313
Bekanntmachung des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 18. Februar 2002 – Az. 2-0552.1/17, bereitgestellt als PDF im Internet unter www.im.bwl.de unter der Rubrik Datenschutz/Weitere Infos/Infomaterial/Hinweis 40. Bekanntmachung des Innenministerium Baden-Württemberg, aaO. So die Entscheidung des BGH, Urteil vom 23.06.1993 – VIII ZR 226/92.
VII. Die Folgen einer fehlenden Einwilligungserklärung
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sie die Zahlung aufgrund von Mängeln ablehne. Insoweit war die Einschaltung der Verrechnungsstelle gar nicht zielführend. Es bleibt daher abzuwarten, zu welchem Ergebnis die Rechtsprechung kommen wird, wenn eine unbestrittene Forderung, deren Rechnung vom Arzt erstellt und mit dem Hinweis auf die weitere Beitreibung durch ein Inkassounternehmen versehen wurde, anschließend durch den Dienstleister beigetrieben wird. Die Bekanntmachung des Innenministeriums BadenWürttemberg mag ein wichtiger Hinweis für die weitere Entwicklung der Rechtsprechung sein. Ob die entscheidenden Richter die Auffassung des Innenministeriums teilen werden, ist eine ganz andere Sache. Schließlich ist jeder Richter unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen, die Rechtsansicht eines Ministeriums ist deshalb für ihn nicht bindend. Viele Inkassounternehmen werben mit dem Hinweis auf die Bekanntmachung des Innenministeriums Baden-Württemberg. Solange keine gravierende Änderung in der Rechtsprechung eintritt, sollten Sie nur dann Forderungen an ein Inkassounternehmen zum Forderungseinzug abgeben, wenn Ihnen eine wirksame Einwilligungserklärung des Patienten vorliegt.
VII. Die Folgen einer fehlenden Einwilligungserklärung
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G. Fazit
Auch wenn Ihnen der Gesetzgeber und standesrechtliche Organisationen bei der Durchsetzung Ihrer ärztlichen Honorarforderungen zahlreiche Steine in den Weg legen, so sind Sie als Arzt oder Zahnarzt der Zahlungsmoral Ihrer Patienten nicht hilflos ausgeliefert. In der Regel ist ein unzureichendes Forderungsmanagement für Forderungsausfälle und Zahlungsverzögerungen ursächlich. Hier unterscheidet sich die Arztpraxis nicht von mittelständischen Betrieben oder anderen Selbstständigen. Während anderen Unternehmen zahlreiche Maßnahmen zur Vermeidung von Außenständen zur Verfügung stehen, müssen Sie als Arzt eine Gratwanderung zwischen dem (standes-) rechtlich Erlaubten und dem wirtschaftlich Sinnvollen absolvieren. Dennoch bietet Ihnen das Forderungsmanagement zahlreiche Möglichkeiten, durch prophylaktische Maßnahmen Forderungsausfälle und Zahlungsverzögerungen wirksam auf ein wirtschaftlich verträgliches Maß zu reduzieren. Inwieweit die Auslagerung des gesamten Abrechnungswesens und der weiteren Beitreibung an eine Verrechnungsstelle für Sie eine sinnvolle Alternative darstellt, ist in erster Linie eine Rechenaufgabe. Schließlich hat das Outsourcing seinen Preis. Die Vorteile, die aus der Zusammenarbeit mit einer Verrechnungsstelle resultieren, werden in der Regel durch ein gut organisiertes, hauseigenes Abrechnungs- und Mahnwesen aufgewogen. Denn die Abrechnung und Beitreibung Ihrer Honorarforderungen durch Dritte hat einen Haken. Die ärztliche Schweigepflicht untersagt es Ihnen, ohne Einwilligung des Patienten dessen Daten an Dritte weiterzugeben. Ein zusätzlicher Verwaltungsaufwand zur Einholung der notwendigen Einwilligung ist daher unvermeidbar. Ergänzend zur eigenen Beitreibung können sowohl Rechtsanwälte als auch Inkassounternehmen wertvolle Dienste zur Reduzierung von Außenständen liefern. Zumindest bei der Einschaltung eines Inkassounternehmens sollten Sie die ärztliche Schweigepflicht wiederum nicht außer acht lassen. Welcher Weg für Sie letztendlich der richtige ist, hängt zum einen davon ab, ob sich die Beauftragung eines externen Dienstleisters für Sie rechnet und zum anderen, wieweit Sie bereit sind, Ihr Abrechnungs- und Mahnwesen selbst in die Hand zu nehmen und zu optimieren. Gut funktionierende Instrumente hat Ihnen dieses Buch zumindest aufgezeigt.
I. Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches
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H. Gesetzestexte
I.
Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches
§ 398 BGB Eine Forderung kann von dem Gläubiger durch Vertrag mit einem anderen auf diesen übertragen werden (Abtretung). Mit dem Abschluss des Vertrages tritt der neue Gläubiger an die Stelle des bisherigen Gläubigers. § 612 BGB Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen. § 614 BGB Die Vergütung ist nach der Leistung der Dienste zu entrichten. Ist die Vergütung nach Zeitabschnitten bemessen, so ist sie nach dem Ablauf der einzelnen Zeitabschnitte zu entrichten.
II.
Strafrechtliche Normen
§ 34 StGB – Rechtfertigender Notstand Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Das gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden. § 203 StGB – Verletzung von Privatgeheimnissen (1) Wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis … offenbart, das ihm als 1. Arzt, Zahnarzt, Tierarzt, Apotheker oder Angehöriger eines anderen Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert.
212
H. Gesetzestexte
anvertraut worden oder sonst bekannt geworden ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe betraft. 323c – Unterlassene Hilfeleistung Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
III. Bundesdatenschutzgesetz § 4a Einwilligung Die Einwilligung ist nur wirksam, wenn sie auf der freien Entscheidung des Betroffenen beruht. Er ist auf den vorgesehenen Zweck der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung sowie, soweit nach den Umständen des Einzelfalles erforderlich oder auf Verlangen, auf die Folgen der Verweigerung der Einwilligung hinzuweisen. Die Einwilligung bedarf der Schriftform, soweit nicht wegen besonderer Umstände eine andere Form angemessen ist. Soll die Einwilligung zusammen mit anderen Erklärungen schriftlich erteilt werden, ist sie besonders hervorzuheben. Im Bereich der wissenschaftlichen Forschung liegt ein besonderer Umstand im Sinne von Absatz 1 Satz 3 auch dann vor, wenn durch die Schriftform der bestimmte Forschungszweck erheblich beeinträchtigt würde. In diesem Fall sind der Hinweis nach Absatz 1 Satz 2 und die Gründe, aus denen sich die erhebliche Beeinträchtigung des bestimmten Forschungszwecks ergibt, schriftlich festzuhalten. Soweit besondere Arten personenbezogener Daten (§ 3 Abs. 9) erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, muss sich die Einwilligung darüber hinaus ausdrücklich auf diese Daten beziehen. § 28 BDSG – Datenerhebung, -verarbeitung und –nutzung für eigene Zwecke (1) Das Erheben, Speichern, Verändern oder Übermitteln personenbezogener Daten oder ihre Nutzung als Mittel für die Erfüllung eigener Geschäftszwecke ist zulässig, 1. wenn es der Zweckbestimmung eines Vertragsverhältnisses oder vertragsähnlichen Vertrauensverhältnisses mit dem Betroffenen dient, 2. soweit es der Wahrung berechtigter Interessen der verantwortlichen Stelle erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Verarbeitung oder Nutzung überwiegt, oder 3. …
IV. Gebührenordnungen (Auszüge)
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IV. Gebührenordnungen (Auszüge) 1.
Gebührenordnung für Ärzte
§ 12 Fälligkeit und Abrechnung der Vergütung; Rechnung Die Vergütung wird fällig, wenn dem Zahlungspflichtigen eine dieser Verordnung entsprechende Rechnung erteilt worden ist. Die Rechnung muss insbesondere enthalten: 1. das Datum der Erbringung der Leistung, 2. bei Gebühren die Nummer und die Bezeichnung der einzelnen berechneten Leistung einschließlich einer in der Leistungsbeschreibung gegebenenfalls genannten Mindestdauer sowie den jeweiligen Betrag und den Steigerungssatz, 3. bei Gebühren für vollstationäre, teilstationäre sowie vor- und nachstationäre privatärztliche Leistungen zusätzlich den Minderungsbetrag nach § 6a, 4. bei Entschädigungen nach den §§ 7 bis 9 den Betrag, die Art der Entschädigung und die Berechnung, 5. bei Ersatz von Auslagen nach § 10 den Betrag und die Art der Auslage; übersteigt der Betrag der einzelnen Auslage 26,56 Euro, ist der Beleg oder ein sonstiger Nachweis beizufügen. Überschreitet eine berechnete Gebühr nach Absatz 2 Nr. 2 das 2,3-fache des Gebührensatzes, ist dies auf die einzelne Leistung bezogen für den Zahlungspflichtigen verständlich und nachvollziehbar schriftlich zu begründen; das gleiche gilt bei den in § 5 Abs. 3 genannten Leistungen, wenn das 1,8-fache des Gebührensatzes überschritten wird, sowie bei den in § 5 Abs. 4 genannten Leistungen, wenn das 1,15-fache des Gebührensatzes überschritten wird. Auf Verlangen ist die Begründung näher zu erläutern. Soweit im Falle einer abweichenden Vereinbarung nach § 2 auch ohne die getroffene Vereinbarung ein Überschreiten der in Satz 1 genannten Steigerungssätze gerechtfertigt gewesen wäre, ist das Überschreiten auf Verlangen des Zahlungspflichtigen zu begründen; die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend. Die Bezeichnung der Leistung nach Absatz 2 Nummer 2 kann entfallen, wenn der Rechnung eine Zusammenstellung beigefügt wird, der die Bezeichnung für die abgerechnete Leistungsnummer entnommen werden kann. Leistungen, die auf Verlangen erbracht worden sind, sind als solche zu bezeichnen. Wird eine Leistung nach § 6 Abs. 2 berechnet, ist die entsprechend bewertete Leistung für den Zahlungspflichtigen verständlich zu beschreiben und mit dem Hinweis entsprechend sowie der Nummer und der Bezeichnung der als gleichwertig erachteten Leistung zu versehen. Durch Vereinbarung mit den in § 11 Abs. 1 genannten Leistungs- und Kostenträgern kann eine von den Vorschriften der Absätze 1 bis 4 abweichende Regelung getroffen werden.
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2.
H. Gesetzestexte
Gebührenordnung für Zahnärzte
§ 10 Fälligkeit und Abrechnung der Vergütung; Rechnung Die Vergütung wird fällig, wenn dem Zahlungspflichtigen eine dieser Verordnung entsprechende Rechnung erteilt worden ist. Die Rechnung muss insbesondere enthalten: 1. das Datum der Erbringung der Leistung, 2. bei Gebühren die Nummer und die Bezeichnung der einzelnen berechneten Leistung einschließlich einer verständlichen Bezeichnung des behandelten Zahnes sowie den jeweiligen Betrag und den Steigerungssatz bei Gebühren für stationäre privatzahnärztliche Leistungen zusätzlich den Minderungsbetrag nach § 7, 3. bei Wegegeld nach § 8 den Betrag und die Berechnung, 4. bei Ersatz von Auslagen nach § 9 den Betrag und die Art der einzelnen Auslage sowie Bezeichnung, Gewicht und Tagespreis verwendeter Legierungen, 5. bei nach dem Gebührenverzeichnis geso6.ndert berechnungsfähigen Kosten Art, Menge und Preis verwendeter Materialien. Überschreitet die berechnete Gebühr nach Absatz 2 Nr. 2 das 2,3fache des Gebührensatzes, ist dies schriftlich zu begründen. Auf Verlangen ist die Begründung näher zu erläutern. Die Bezeichnung der Leistung nach Absatz 2 Nr. 2 kann entfallen, wenn der Rechnung eine Zusammenstellung beigefügt ist, der die Bezeichnung für die abgerechnete Leistungsnummer entnommen werden kann. Bei Auslagen nach Absatz 2 Nr. 5 ist der Beleg oder ein sonstiger Nachweis beizufügen. Wurden zahntechnische Leistungen in Auftrag gegeben, ist eine den Erfordernissen des Absatzes 2 Nr. 5 entsprechende Rechnung des Dentallabors beizufügen; insoweit genügt es, in der Rechnung des Zahnarztes den Gesamtbetrag für diese Leistungen anzugeben. Leistungen, die auf Verlangen erbracht worden sind (§ 1 Abs. 2 Satz 2 und § 2 Abs. 3) sind als solche zu bezeichnen. Wird eine Leistung nach § 6 Abs. 2 berechnet, ist die entsprechend bewertete Leistung für den Zahlungspflichtigen verständlich zu beschreiben und mit dem Hinweis „entsprechend“ sowie der Nummer und der Bezeichnung der als gleichwertig erachteten Leistung zu versehen. Durch Vereinbarung mit öffentlich-rechtlichen Kostenträgern kann eine von den Vorschriften der Absätze 1 bis 4 abweichende Regelung getroffen werden.
V. Gerichtsgebührentabelle (Auszug)
V.
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Gerichtsgebührentabelle (Auszug)
Gültig ab 01.01.2002 Streitwert bis … Euro 300 600 900 1200 1500 2000 2500 3000 3500 4000 4500 5000 6000 7000 8000 9000 10000 13000 16000 19000 22000 25000 30000 35000
Gebühr … Euro 25 35 45 55 65 73 81 89 97 105 113 121 136 151 166 181 196 219 242 265 288 311 340 369
Streitwert bis … Euro 40000 45000 50000 65000 80000 95000 110000 125000 140000 155000 170000 185000 200000 230000 260000 290000 320000 350000 380000 410000 440000 470000 500000
Gebühr … Euro 398 427 456 556 656 756 856 956 1056 1156 1256 1356 1456 1606 1756 1906 2056 2206 2356 2506 2656 2806 2956
VI. Versicherungsvertragsgesetz § 192 Vertragstypische Leistungen des Versicherers (1) Bei der Krankheitskostenversicherung ist der Versicherer verpflichtet, im vereinbarten Umfang die Aufwendungen für medizinisch notwendige Heilbehandlungen wegen Krankheit oder Unfallfolgen und für sonstige vereinbarte Leistungen einschließlich solcher bei Schwangerschaft und Entbindung sowie für ambulante Vorsorgeuntersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten nach gesetzlich eingeführten Programmen zu erstatten. (2) Der Versicherer ist zur Leistung nach Absatz 1 insoweit nicht verpflichtet, als die Aufwendungen für die Heilbehandlung oder sonstige Leistungen in einem auffälligen Missverhältnis zu den erbrachten Leistungen stehen.
216
H. Gesetzestexte
(3) Als Inhalt der Krankheitskostenversicherung können zusätzliche Dienstleistungen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit Leistungen nach Absatz 1 stehen, vereinbart werden, insbesondere 1. die Beratung über Leistungen nach Absatz 1 sowie über die Anbieter solcher Leistungen; 2. die Beratung über die Berechtigung von Entgeltansprüchen der Erbringer von Leistungen nach Absatz 1; 3. die Abwehr unberechtigter Entgeltansprüche der Erbringer von Leistungen nach Absatz 1; 4. die Unterstützung der versicherten Personen bei der Durchsetzung von Ansprüchen wegen fehlerhafter Erbringung der Leistung nach Absatz 1 und der sich hieraus ergebenden Folgen; 5. die unmittelbare Abrechnung der Leistungen nach Absatz 1 mit deren Erbringern. (4) … (5) …. (6) ….
VI. Versicherungsvertragsgesetz
I.
217
Anschriften der Mahngerichte für die Durchführung des Mahnverfahrens
Baden-Württemberg Landesmahngericht Stuttgart, Hauffstraße 5, 70190 Stuttgart Bayern Amtsgericht Coburg, Mahnabteilung, Heiligkreuzstraße 22, 96441 Coburg Berlin und Brandenburg Amtsgericht Wedding, Mahnabteilung, Brunnenplatz 1, 13357 Berlin Bremen Amtsgericht Bremen, Mahnabteilung, Ostertorstraße 25 – 31, 28195 Bremen Hamburg Amtsgericht Hamburg, Mahnabteilung, Max-Brauer-Allee 89, 22765 Hamburg Hessen Amtsgericht Hünfeld, Mahnabteilung, Stiftstraße 6, 36088 Hünfeld Mecklenburg-Vorpommern Für Mecklenburg-Vorpommern sind die Mahnverfahren zur zentralen maschinellen Bearbeitung beim Amtsgericht Hamburg angesiedelt. Niedersachsen Amtsgericht Uelzen, Mahnabteilung, Rosenmauer 2, 29525 Uelzen Nordrhein-Westfalen Die Mahnverfahren der Oberlandesgerichtsbezirke Hamm und Düsseldorf werden zentral maschinell vom Amtsgericht Hagen bearbeitet. Amtsgericht Hagen, Zentrale Mahnabteilung I, Hagener Straße 145, 58099 Hagen Die Mahnverfahren des Oberlandesgerichtsbezirks Köln sind beim Amtsgericht Euskirchen zentralisiert. Amtsgericht Euskirchen, Zentrale Mahnabteilung II, Kölner Straße 40 – 42, 53879 Euskirchen Rheinland-Pfalz Amtsgericht Mayen, Mahnabteilung, St.-Veith-Str. 38, 56727 Mayen
218
I. Anschriften der Mahngerichte für die Durchführung des Mahnverfahrens
Sachsen Amtsgericht Aschersleben, Zentrales Mahngericht Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen, Lehrter Str. 15, 39418 Strassfurt Sachsen-Anhalt Siehe Sachsen Schleswig-Holstein Amtsgericht Schleswig, Lollfuß 78, 24837 Schleswig Thüringen Konventionelle Anträge werden noch dezentral bei den jeweiligen Amtsgerichten bearbeitet. Maschinelle Anträge können noch nicht bearbeitet werden.
I. Aufsätze
219
Literatur
I.
Aufsätze
Ärzte im Zukunftsmarkt Gesundheit 2006, Eine Studie der Stiftung Gesundheit durchgeführt von der Gesellschaft für Gesundheitsmarktanalyse mbH, Hamburg Bonitätsprüfung beim Zahnarzt, FINANZtest 7/2007, Seite 12 f Berner, Barbara; Umsatzsteuerpflicht: Unklarheiten ausgeräumt. Dtsch Ärzteblatt 2002; 99: 307 - 308 Ehmann, Horst; Praxisgemeinschaft / Gemeinschaftspraxis, MedR 1994, Seite 141 ff Fedderwitz, Jürgen, Die zahnärztliche Kassenpraxis – Lohnt sich das noch? Mitteilungsblatt Berliner Zahnärzte (MBZ), 12/2006, S. 25. Fissenwert, Peter, Die Arztpraxis in der Insolvenz: Nicht zwangsläufig das Ende. Dtsch Ärztebl 2006; 103, Seite 16 ff Flintrop, Jens: Umfrage: Arztrechnungen werden zunehmend kritisch geprüft, Dtsch Ärzteblatt 2007; 104, S. 127 Miebach, Jürgen; Patt, Joachim., Persönliche Leistungserbringung und Vertretung des Chefarztes bei wahlärztlichen Leistungen, NJW 2000, 3377 Thomas, Axel; Breuer, Rolf; Hansen, Leonhard, Medizinische Versorgungszentren (MVZ) – zwischen Mythos und Realität, Betriebswirtschaftliche Überlegungen zur Entscheidungsfindung, in: KVNO extra, Medizinische Versorgungszentren, herausgegeben von der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, Düsseldorf 12/ 2005 Taupitz, Jochen; Neikes, Annette, Laboruntersuchungen als „eigene“ Leistung im Sinne der GOÄ, MedR 2008, S. 121 ff Trupke, Torben, Schuldner bewegen sich permanent im Teufelskreis von Armut und Krankheit, Ärzte Zeitung vom 12.03.2008 Bonitätsprüfung beim Zahnarzt, FINANZtest 7/2007, Seite 12 f
II.
Dissertationen
Funke, Astrid, Privatärztliches Gebührenrecht, Dissertation, Springer, 1988
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Literatur
III. Kommentare Bayerische Landeszahnärztekammer (Hrsg.), Körperschaft des öffentlichen Rechts, GOZ-Fibel der Bayerischen Landeszahnärztekammer (BLZK) zur Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ), bearbeitet von Dr. Peter Klotz, Dr. Hubert Heindl, Dr. Jürgen Marbaise, 5. Auflage, Stand Januar 2005 Hoffmann, Hermann, Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ), 3. Auflage, Stand Oktober 2003, Kohlhammer Quaas, Michael; Zuck, Rüdiger, Medizinrecht, 1. Auflage, C.H. Beck Verlag, München 2004 Lang, Hermann, Schäfer, Franz-Heinz, Stiel, Horst, Vogt, Wolfgang, Der GOÄKommentar, 1. Auflage, Stuttgart 1996 Laufs, Adolf; Uhlenbruck, Wilhelm, Handbuch des Arztrechts, 3. Auflage, München 2002 Leipziger Kommentar, Strafgesetzbuch, 10. Auflage, Fünfter Band, §§ 146 – 222, 1988 Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, hrsg. von Prof. Dr. Kurt Rebmann, Prof. Dr. Dr. h. c. Franz Jürgen Säcker und Prof. Dr. Roland Rixecker, Band 4: Schuldrecht Besonderer Teil II, §§ 611 – 704, 4. Auflage, München 2004 Uleer, Christoph, Miebach, Jürgen, Patt, Joachim, Abrechnung von Arzt- und Krankenhausleistungen, Erläuterungen zur Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ 1996) und zur Bundespflegesatzverordnung (BPflV 1995), 2. Auflage, München 2000
IV. Lehrbücher Ponsold, Albert, Lehrbuch der gerichtlichen Medizin einschließlich der ärztlichen Rechtskunde und der Versicherungsmedizin, 2. Auflage, Stuttgart, 1957
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Studien
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V. Studien
221
Health Care Monitoring 2004, Gesundheitsverhalten, Selbstmedikation und Krankenversicherung, herausgegeben von psychonomics AG, Köln, Juli 2004, Eigenverlag Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Grunddaten zur Vertragsärztlichen Versorgung in Deutschland, 2005 Zahlen, Fakten, Informationen SchuldnerAtlas Deutschland 2007, Verband der Vereine Creditreform e. V., Neuss 2007 Statistisches Bundesamt, Fachserie 2, Reihe 1.6.1., Unternehmen und Arbeitsstätten, Kostenstruktur bei Arzt-, Zahnarzt- und Tierarztpraxen, 2003, erschienen am 30. Juli 2006.
Sachverzeichnis
223
Sachverzeichnis
A Abschlagszahlung 15, 17, 18, 19, 61 Abtretung 22, 40, 127, 128, 177, 178, 191, 192, 204, 205, 206 Abtretung Erstattungsanspruchs 127 Angebot 68 Annahme 35, 68 Annahmeverzug 84 Anschriftenprüfkarte 164 Antragsgegner 144, 149 Antragsteller 144, 147, 148, 149 Anwaltszwang 199, 202 Anzahlung 3 Arzthaftpflichtfall 161 ärztliche Verrechnungsstellen 175, 205 Ausfallhaftung 177 Auskunftssperre 166 Auslagenersatz 77 Ausschlagungsfrist 86 Außendiensteinsatz 190 Außenseitermethoden 79 außergerichtliche Einigung 133
Black List 132 Bonität 36, 39, 46, 51, 53, 54, 56, 198, 201 Bonitätsauskunft 50, 52, 53, 54, 56, 164 Bonitätsindex 53 Bonitätsprüfung 36, 50, 51, 54, 177, 181 Bundesdatenschutzgesetz 33, 34, 35, 51, 205 Businessplan 39
C Controlling 45 D Datenschutz 33 Debitorenrisiko 13 Deckung des Lebensbedarfs 61 Delkredererisiko 25, 177, 181 Dienstvertrag 14, 57, 82, 97
E Ehepartner 23, 59, 60, 61, 87, 93, 149 eidesstattliche Versicherung 54, 55, 131, 137 eidesstattlichen Versicherung 174 B Eigenkapitalrichtlinien 38 Barzahlung 13 Eigentumsvorbehalt 3, 13 Basel II 38, 39 Einrede 106, 108, 110, 118 Basiszinssatz 103, 105 Einrede der Verjährung 106, 108, 118 Bearbeitungsgebühr 180 Einschreiben 108, 111, 169 Behandlungsabbruch 71 Einschreiben mit Rückschein 170 Behandlungspflicht 31, 46, 48 Behandlungsvertrag 14, 21, 34, 52, 57, 58, Einspruch 123, 143, 153, 172, 173, 188 60, 61, 62, 65, 66, 67, 68, 69, 70, 71, 76, Einwendung 29, 110 Einwilligung 24, 25, 26, 27, 28, 30, 31, 32, 78, 80, 82, 84, 85, 95, 97, 104, 124, 34, 35, 39, 127, 183, 203 137, 149, 160, 162, 164 Einwilligungserklärung 26, 28, 30, 31, 32, Beihilferegelungen 95 33, 36, 51, 52, 168, 201, 202, 203, 205, Beitreibungskosten 194, 195 206 berechtigtes Interesse 35 Einwilligungsvorbehalt 65 Berufsausübungsgemeinschaften 66 Einwohnermeldeamt 54, 103, 156, 164, Berufsethos 14, 16 165, 195 Bestellsystem 84 Einwurfeinschreiben 169 Betreuung 65, 66, 70 electronic cash 102 Betrug 131 elektronisches Lastschriftverfahren 102 Bewusstseinstrübung 64
224
Sachverzeichnis
Erben 71, 86, 87, 142 Erbschein 86 Erlaubnistatbestand 23, 24, 34 essentialia negotii 71 Europäischer Vollstreckungstitel 143, 156
Hauptforderung 195 Honorarvorauszahlung 180, 181
I Individualsphäre 22, 23, 203 Inkassokosten 193, 194 Inkassomodell 175, 176, 180 F Factoringmodell 176 Inkassoprovision 194, 195, 196, 200 Fälligkeit 14, 16, 44, 97, 98, 99, 103, 104, Inkassounternehmen 53, 54, 183, 184, 186, 105, 110, 116, 124 187, 198, 199, 205 Festgeldkonto 45 Inkassoverfahren 53 Forderungsabtretung 30, 39, 127, 177, 191, Insolvenz 6, 37, 40, 132 199, 203 Insolvenzdatei 54 Forderungsausfälle 3, 5 Insolvenzverfahren 6, 41, 132, 133, 188 Forderungsausfallrechner 11 Forderungskauf 30, 177, 178, 179, 199, K Kassenbuch 102 205 Forderungsmanagement 5, 37, 45, 46, 50, Kinder 59, 62, 86, 145 Klageweg 82, 146, 153 56, 79, 119, 120, 123, 125, 183 Kleinunternehmerregelung 93, 94, 95 Forderungssicherungsgesetz 13 Kostenrechnung 42, 150, 151 Forderungsverkäufer 177 krankhafte Störung der Geistestätigkeit 63 Forderungsverpfändung 39 Kreditzinsen 104 Formzwang 30 Kundenbeziehung 3, 9 Fremdkosten 15 Kundenbindungsprogramm 9, 123 Kundensegment 45 G Gebührenordnung 4, 14, 43, 57, 71, 72, 73, Kündigung 40, 70, 84 74, 75, 87, 88, 93, 96, 97 Geheimhaltungsinteresse 22 L Lastschriftverfahren 102 Geheimnis 22, 202 Leistungsverweigerungsrecht 124 Gemeinschaftspraxis 66, 67 Liquidität 9, 37, 38, 42, 100, 155, 176, 177, gerichtlicher Vergleich 134 182, 183 Gerichtskosten 103, 150 Liquiditätskrise 40, 41, 42 Gerichtskostentabelle 150 Liquiditätsplanung 41, 42 Gerichtsstand 146, 147 Lohn- und Gehaltspfändung 154 gesamtschuldnerische Haftung 60, 62 Geschäftsfähigkeit 61, 63, 64, 65, 145 Geschäftsführung ohne Auftrag 64, 70, 77 M Gesellschaft bürgerlichen Rechts 37, 66, Mahnbescheid 105, 108, 142, 150, 152, 172, 173, 202 67, 68 Mahnrhythmus 116, 117 Gewährleistungsrecht 162 Mahnung 6, 8, 97, 101, 104, 105, 108, 110, Gläubigerwechsel 178 111, 113, 114, 117, 150, 169 Gutachten 89, 90 Mahnverfahren 103, 143, 144, 147, 148, 149, 150, 151, 153, 154, 172, 188, 217 H Mahnwesen 8, 20, 23, 112, 143, 175, 183 Haftandrohung 54 Mängel 161 Haftbefehl 174
Sachverzeichnis
Marketingkonzept 45 Material- und Laborkosten 15 medizinische Indikation 91 medizinische Leistungen 90 Medizinische Notwendigkeit 4, 76, 78, 79 medizinische Versorgungszentren 67 Melderegister 165 Monitoring 167
N Nachlassgericht 86, 87 Nachlasspflegschaft 87 Nachlassverbindlichkeiten 87 Nichtigkeit der Honorarvereinbarung 74 Notstandsregelung 27, 168 Null-Plan 133 O Organisationsgemeinschaft 66, 68 P partielle Geschäftsunfähigkeit 63 Partnerschaftsgesellschaft 66, 67 Patientendaten 21, 23, 24, 25, 26, 27, 29, 32, 33, 34, 40, 202, 206 Pauschalhonorar 4 personenbezogene Daten 33 persönliche Erbringung der Leistung 82 Pfandrecht 40, 129 Pfändung von Erstattungsansprüchen 129 Planzahlen 42 Postnachsendeauftrag 164 Postzustellungsurkunde 170 Praxisgebühr 1, 17, 48, 101 Praxisgemeinschaft 68 Prozessvoraussetzungen 145 R Ratenzahlungsvereinbarung 113, 123, 124, 125, 126, 200 Rating 39, 183 Rechnung 57, 60, 81, 84, 86, 87, 91, 93, 95, 96, 97, 98, 99, 103, 105, 115, 168, 169, 179 rechtfertigenden Notstand 24, 28 Rechtfertigungsgrund 24, 34 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz 200
225
Rechtsberatungsgesetz 81, 187 Rechtsdienstleistungsgesetz 187, 188 Rechtsgut 22 Restschuldbefreiung 134, 136, 143 Rollenkonflikt 9
S sachliche und örtliche Zuständigkeit 145 schlüssiges Verhalten 69 Schriftform 58 Schuldenbereinigungsplan 133 Schuldenkönig 159 Schuldnertelefonat 119 Schuldnerverzeichnis 54, 131, 132 Schweigepflicht 20, 21, 23, 24, 26, 33, 34, 35, 40, 51, 119, 132, 168, 169, 186, 201, 203, 204, 206 Score-Werte 55, 56 Selbstzahlerleistungen 2, 6, 9, 11, 14, 45, 49, 71, 91, 94 Servicepauschale 180 Sicherungsinstrumente 3, 13, 61, 130 Sittenwidrigkeit 74 Sonderdelikt 21 Standesethik 4 Standesrecht 4, 14, 16, 47, 130 Steigerungssatz 73, 74, 87, 99 Stempel 95 Sterbedatenbank 167 Strafanzeige 130, 131, 202 Streitwert 150, 151, 199 Stundungsvereinbarung 124 T Testamentseröffnung 86 therapeutischer Zweck 90, 91 U Übergabeeinschreiben 170 Überraschungsklausel 52 Überschuldung 6, 7, 40 Übertragungsakt 178 Umsatz 9, 37, 46, 89 Umsatzsteuer 89, 90, 91, 92, 93, 94, 95 Umsatzsteuergesetz 93 Umzugsdatenbank 167 Unbekannt verzogen 163
226
Sachverzeichnis
Unglücksfall 47, 48 Unternehmenskrise 38
Vollstreckungstitel 141 Vorschuss 13, 14, 16, 17, 18, 200
V Verbraucherinsolvenz 6, 190 Verbraucherinsolvenzverfahren 54, 132, 133, 136, 155, 189 Verfallklausel 126 Vergleich 172, 173, 196, 197 Vergütung 14, 40, 72, 73, 74, 77, 91, 97, 98, 99 Verjährung 106, 107, 108, 109, 116, 118, 123, 124, 134, 142, 152, 188, 199, 205 Verjährungsfristen 106, 110 Vermögensschäden 103 Vermögensverzeichnis 174 Versicherungsvertrag 6, 76, 131 Versicherungsvertragsgesetz 128, 137 Vertrag zugunsten Dritter 62 Vertragsfreiheit 46, 47, 69, 78 Verwirkung 106, 109, 110 Verzug 84, 103, 104, 105, 110, 111, 124, 195 Verzugsschaden 103, 114, 115, 194, 195, 200 Verzugszinsen 103, 104, 124, 198 Vollstreckungsbescheid 54, 110, 123, 129, 141, 143, 150, 151, 153, 154, 156, 173, 188, 193, 195 Vollstreckungsklausel 141
W Wahlarztleistungen 32 Werkvertrag 14, 57, 162 Widerspruch 25, 123, 143, 150, 152, 153, 172, 188 wirtschaftliche Aufklärungspflicht 72, 77, 80, 82, 88, 128 Wohlverhaltensphase 134 Z Zahlungsanweisung 128 Zahlungserinnerung 108, 111, 113, 114, 116 Zahlungsmoral 8, 49 Zahlungsstörungen 6 Zahlungsunfähigkeit 5, 40, 131, 133 zahlungsunwillig 7, 159 Zahlungsvereinbarung 112, 120, 121, 122, 123, 171, 180, 190 Zahlungsverpflichtungen 6, 7, 38, 41, 49, 51, 52, 123, 159 Zahlungsverzögerungen 2, 3, 8, 9, 13, 43, 44, 55, 79, 88, 95, 101, 176, 209 Zahlungsziel 43, 44, 99, 100, 104, 124 Zustellung 142 Zwangsvollstreckungsmaßnahmen 133, 141, 173, 188