CECELIA HOLLAND
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Science Fiction-Roman Deutsche Erstveröffentlichung
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CECELIA HOLLAND
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WELTEN
Science Fiction-Roman Deutsche Erstveröffentlichung
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WILHELM HEYNE VERLAG MÜNCHEN HEYNE-Buch Nr. 3658 im Wilhelm Heyne Verlag, München Titel der amerikanischen Originalausgabe FLOATING WORLDS Deutsche Übersetzung von Hans Maeter Redaktion: Wolfgang Jeschke Copyright © 1975 by Cecelia Holland Copyright © 1979 der deutschen Übersetzung by Wilhelm Heyne Verlag, München Printed in Germany 1979 Umschlagbild: Christopher Foss Umschlaggestaltung: Atelier Heinrichs, München Gesamtherstellung: Mohndruck Reinhard Mohn GmbH, Gütersloh ISBN 3-453-30573-6
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INHALT ERDE Januar 1852-Januar 1853 Seite 9 MARS April 1853 Seite 55 LUNA Averellus 26. 5.1853 Seite 103 NEW YORK April-Mai 1853 Seite 110 YBIX Logbücher H 11, 523-L 1, 674 Seite 136 MATUKO-SABAS AKELLARAT In der weißen Jahreszeit Seite 184 VRIBULO-MACHOUS AKELLARAT Seite 216 MATUKO Seite 230 YEKKA-TANUOJINS AKELLARAT In der schwarzen Jahreszeit Seite 247 YBIX Logbücher M 15, 432-L 15, 434 Seite 260 CROSBYS PLANET Mai-Juni 1857 Seite 264 VRIBULO Ein Kampf vor dem Prima Akellar Seite 307 s t MATUKO Das Krita-Fest Seite 319 n e VRIBULO Nachrichten von den Mittleren Planeten Seite 325 m e 329 MATUKO Ein Sklave stirbt lSeite E YEKKA Zeit der Pala-Ernte Seite 335 VRIBULO Das Attentat Seite 344 MATUKO Mutterglück Seite 351 YBIX Logbücher L 19, 271-M 19, 469 Seite 354 DIE ERDE November 1862-März 1865 Seite 363 LUNA Martius-Averellus 1865 Seite 469 YBIX Logbücher H 21, 969-H 22, 336 Seite 508 VRIBULO Ein paar Zeremonien Seite 512 YEKKA Die Flucht der Ybicket Seite 551 VRIBULO Hundert Wachen später Seite 568 MARS August 1870. Tanoujins Empirat Seite 571 DIE ERDE Heimkehr und vielleicht ein neuer Anfang Seite 584
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ERDE Januar 1852-Januar 1853 »Diese Menschen waren Riesen«, sagte Tony. Er deutete auf die hochaufragenden Ruinen, vor denen sie standen. »Sie haben in immensen Maßstäben gebaut. Ihre Ideen waren absolut und universell…« »Sie waren Faschisten«, sagte Paula. »Man kann nicht alles haben.« Sie schlurfte mit den Schuhen über das Pflaster, zweitausend Jahre alt und mit Moos bewachsen. Geschichte war noch nie ihre Stärke gewesen. Weiter unten auf der Straße beugte sich ein Mann mit einem weißen Hut zurück, um Schnappschüsse von den Ruinen zu machen. Paula schritt die Stufen hinab und wandte den Kopf, um das Gebäude hinaufzublicken. Über dem Fries oberhalb der Tür hingen Steinmasken mit einer Ins t schrift. Sie versuchte die Wortenzu buchstabieren. BRA… e fragte Tony. Er trat hinter »Bist du noch nie hier gewesen?« m e l sie, die Hände in den Taschen. E »Einmal, als ich noch sehr klein war. Meine Mutter hat mich hergebracht. Später gab es Eis.« Warum war alles so gigantisch? Sie legte die Hand über die Augen, um die Buchstaben besser erkennen zu können. MANTE. Sie würde es später nachschlagen müssen. »Was war das Gebäude früher?« »Ein Museum. Oder eine Bibliothek. Irgend so was.« Sie blickte umher. Beide Seiten der Straße wurden von Ruinen gesäumt. Gegenüber stand noch eine Wand, deren Fensterhöhlen vom Alter weich und rundgeschliffen worden waren. »Ich mag es nicht«, sagte sie. »Es wirkt so arrogant.« »Du bist ziemlich spießig.«
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Sie gingen die Straße entlang. Ihre Schritte hallten von den zerfallenen Mauern wider. Das Pflaster war hart, und Paula taten die Füße weh. Andere Menschen gingen an ihnen vorbei, die Köpfe in den Nacken gehoben. An der Straßenecke saß eine Frau vor einer Staffelei und malte. Tony ging direkt auf sie zu. Paula folgte ihm langsamer. Gegenüber vom Museum wucherten grüne Ranken über die letzte stehende Wand eines anderen Gebäudes. Die gelben Blüten der Sweet Mary wandten sich dem Licht zu. Paula überquerte die Straße, pflückte eine der Blumen ab und saugte an ihr, um an den Honig zu kommen. Auf dem Heimweg würde sie sich ein Eis kaufen. Die Stimmen trugen weit in dieser Straße. Wahrscheinlich wurden sie von den Wänden der Ruinen reflektiert. Sie konnte s t Menschen in der anderen Straße n reden hören. Sie trat neben e Tony. m e l Er stand bei der Malerin, die Stirn kritisch gerunzelt. Amüsiert E sah sie ihn den Kopf von einer Seite auf die andere drehen, um das entstehende Gemälde aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Er war eigentlich Kritiker, und kein Schriftsteller. Er kannte jede Pose. »Die Beleuchtung ist ein interessantes Problem«, sagte er. Die Frau spülte einen Pinsel in einer farbverklebten Tasse aus. »Das Licht wechselt von Tag zu Tag, beinahe von Stunde zu Stunde.« Paula blickte zum Himmel auf. Das Licht war diffus. Es fiel in blassen Bahnen durch die Spalten der Kuppelruine, hier blau, dort definitiv mehr gelblich. Man konnte sich kaum vorstellen, daß sie sich unter dem Ozean befanden. Tony unterhielt sich
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mit der Malerin über Kunst. Er schien etwas von dem Thema zu verstehen, aber Paula begriff nicht ein Wort von dem, was er sagte. Sie überquerte die Straße. Von hier aus konnte sie durch die verfallenen Mauern die nächste Reihe von Ruinen sehen, und dahinter eine weitere. Alles Reste von riesigen Bauten, die gigantischsten, die sie jemals gesehen hatte. Die Menschen, die diese Stadt erbaut hatten, waren drei Jahrhunderte lang die Herren der Erde gewesen und hatten sie mit Geld, Gewalt und List unterdrückt. Sie hatten den Mars kolonisiert, waren sogar bis zum Uranus gekommen, hatten Atome gespalten und ganze Städte aus Polymer errichtet. Manhattan war das Herz ihres Imperiums gewesen. »Sie scheinen etwas von Kunst zu verstehen«, sagte die Malerin zu Tony. »Malen Sie auch?« Er lächelte. »Ich bin Schriftsteller. Mein Name ist Tony Ans t drea.« n e »Sehr erfreut.« Sie reichtenm einander die Hände. Paula trat e auf das Aquarell. Es gefiel ihr l langsam auf sie zu und blickte E nicht. Auf den engen Raum des Zeichenpapiers gedrängt wirkten die Gebäude klein und dürftig, wie zerbrochene Schachteln. Sie steckte die Hände in die Jackentaschen und blickte wieder an den Ruinen hinauf. »Sind Sie auch Schriftsteller?« fragte die Malerin. Paula schüttelte den Kopf. »Ich bin...« »Wir sind uns noch nicht darüber im klaren, was Paula ist«, sagte Tony, Sie gingen weiter, die Straße entlang. Ein breites, teeriges Stück Pflaster wölbte sich aus der Mitte des Fahrweges. Die Straße führte direkt auf die Ruine des Doms zu und war auf beiden Seiten von Streifen gegossenen Gesteins eingefaßt. Sie waren ein wenig erhöht, und Paula trat hinauf.
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»Warum ist dieser Teil höher als der andere?« Tony ging neben ihr auf dem tiefer gelegenen Teil. Sie blickte auf seinen zurückgehenden Haarwuchs. Vielleicht würde sie ihm einmal einen Eichenlaubkranz auf die Kopfhaut malen, wenn er schlief. »Sie sind mit ihren Wagen auf diesem Teil der Straße gefahren «, erklärte er. »Die Fußgänger sind auf dem erhöhten Randstreifen gegangen, auf dem du jetzt bist. Damit sie aus dem Weg waren, verstehst du.« »Sie sind mit Wagen auf der Erde gefahren?« Kein Wunder, daß ihre Straßen so breit waren. »Wurden sie von Pferden gezogen?« »Etwas moderner waren sie damals schon.« Voraus veränderte sich der Einfall des Lichts. Sie erreichten die Mauer des Doms. Die zerklüftetesRuine erhob sich mehret re hundert Fuß hoch und fing dienLichtstrahlen wie Glas ein. e Paula legte die Hand über die m Augen. »Es ist Glas.« Das here wie Laubwerk. »Es ist doch l einfallende Licht wirkte grünlich E blöde, ein Gebäude aus Glas zu machen.« Tony lachte. Er nahm sie um die Hüften und hob sie zu sich herunter auf die Straße. »Du bist wirklich ein hoffnungsloser Materialist.« »Haben sie hier gewohnt? In diesen Glashäusern?« »Nein. Gewohnt haben sie anderswo. Sie kamen nur tagsüber hierher.« »Stimmt das wirklich?« »Ich weiß, es klingt komisch, aber es ist die Wahrheit.« Sie blickte die Glasfassade hinauf. Vielleicht war Glas in jenen Tagen gebräuchlicher gewesen als heute, überlegte sie. Die Flächen waren von verschmiertem Schmutz bedeckt, von
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Spuren trockenen Staubes, wie Mementos jener Zeit, als diese Ruinen unter Wasser gewesen waren. »Atlantis.« »Das liegt ganz woanders. In der Ägäis.« Sie gingen zum Hafen. Das gedeckte Boot lag an der Pier im brackigen Wasser. Paula ging zwischen den Sitzreihen entlang zum Heck. Tony setzte sich neben sie. »Der Arzt hat gesagt, er würde die Operation nur vornehmen, wenn du ein Schriftstück unterzeichnest, in dem du bestätigst zu wissen, daß ich dich schwanger machen kann.« »Was?« »Ich weiß, es ist lächerlich, aber er ist ein alter Bastard. Er sagt, er hat keine Lust mehr, Männer zu naturalisieren und dann sechs Monate später Frauen den Fötus abzusaugen.« Paula blickte über die langen Sitzreihen des Bootes. Der lange Hebel, der neben dem Motor aus dem Boden ragte, war wahrs t scheinlich die Bremse. »Das gehtn ihn nichts an.« Sie hatte e war, ein Kind zu bekomnicht gewußt, daß es so kompliziert m e l men. Das Boot schaukelte. Mehrere Menschen stiegen ein. E »Gehen wir heute zusammen zum Dinner?« fragte sie. »Ich muß arbeiten«, sagte Tony. »Ich war schließlich den ganzen Tag über mit dir zusammen.« Er schrieb gerade einen metaphysischen Roman, von dem sie schon drei Entwürfe gelesen hatte. Er war ein sehr einfallsreicher Autor, ohne dabei besonders kreativ zu sein, was seine Bücher leicht lesbar machte. Er erklärte ihr, wie er das dritte Kapitel abändern wollte, in dem der Held des Buches seine Frau ermordete. Sie fragte sich, ob er die Forderung des Arztes nur erfunden hatte. Vielleicht wollte er gar kein Kind. Die Malerin schleppte ihre Staffelei durch die enge Bootstür. Hinter ihr erschien der
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Bootsmann und zog die Gangway ein. Dann trat er neben Paula an die Ruderpinne. »Halt dich fest. Es schaukelt vielleicht, wenn wir durch die Schleuse kommen.« Das Deck vibrierte unter Paulas Füßen. Sie hörte das Dröhnen des Motors. Sie blickte aus dem Fenster. Die gummibelegten Wände der Schleuse schlossen sich um das Boot und glitten feucht am Fenster vorbei. Die Lichter wurden eingeschaltet. Das Boot glitt rasch aufwärts. Dreck trieb am Fenster vorbei. So nahe bei New York war die See noch immer verschmutzt. Früher soll hier einmal eine Mülldeponie gewesen sein, und selbst nach mehreren hundert Jahren trieb noch immer Dreck umher. Tony unterhielt sich mit dem Bootsmann über Schiffsformen. Das Wasser vor dem Bootsfenster wurde allmählich heller. Paula preßte ihre Wange gegen das feuchte Plastik der s t Scheibe. n e Das Boot kam an die Oberfläche. Sie flogen über das aufgem wühlte offene Wasser. Paulalelehnte sich zurück. Die anderen E Passagiere unterhielten sich leise. Tony starrte vor sich hin und fuhr mit der Zunge über seinen Schnurrbart. Vor ihnen reflektierte das Südende des New-York-Doms das Sonnenlicht und malte einen kupferfarbenen Teppich auf das Wasser. Am westlichen Himmel, der im dicken Smog verschwand, versanken drei Sonnenscheiben hinter dem Horizont. Die Hälfte des Himmels flammte in einem kräftigen, dunklen Orange. Das Boot schaukelte im Küstenwind und sank wieder auf das Wasser. Der Bootsmann lenkte es durch die Unterwasserschleuse und an die Oberfläche des Hafenbekkens. Tony führte Paula über die Gangway. Sie betraten das Hafengebäude und fuhren mit dem überfüllten Aufzug zur Bushalte-
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stelle auf dem Dach des Gebäudes. Es war fast völlig dunkel geworden. Die blinkenden Lichter eines Airbus erschienen über den Bäumen. Tony stand neben Paula und wiegte sich auf den Hacken vor und zurück. »Schreibe irgend etwas für den Arzt auf, damit er mir den Stöpsel herausnimmt.« »Du solltest lieber zu einem Arzt gehen, der sich um seinen eigenen Kram kümmert.« Der Airbus senkte sich auf das Dach. Sie stieg die Stufen hinauf und setzte sich neben den Fahrer. Seit Tagen hatte sie nicht mehr für ihre Busfahrten bezahlt. Jetzt warf sie einen Dollar in den Zahlschlitz des Kastens. Tony trat neben sie. »Gefällt dir der Name Jennie?« fragte er. »Ich finde Jennifer hübscher.« s t »Jennifer Mendoza klingt entsetzlich.« n e Sie blickte ihn an. Seine blauen Augen standen im scharfen m e l Kontrast zu der braunen Hautfarbe. Ihr Kind würde keine E blauen Augen haben. »Andrea ist ein Mädchenname.« Es war Mode geworden, Kinder nach ihren Vätern zu benennen. »Darüber habe ich auch nachgedacht«, sagte er. Der Bus wurde langsamer und schwebte auf ein Hausdach hinab. Die Lichter blinkten. »Hobold Building«, rief der Fahrer. »Umsteigen nach Crosstown. Nächster Halt Universität.« »Und was ist, wenn es ein Junge wird?« fragte Paula. Tony zuckte die Achseln. »Bei Jungennamen habe ich keine besonderen Vorlieben.« Der Bus beschrieb eine scharfe Kurve. Paula umklammerte das Geländer, um nicht zu stürzen. Vor dem Fenster sah sie
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das blaue Domlicht, das vom Wasser reflektiert wurde. Der Bus überflog einen bewaldeten Hügel und schwebte wieder zu Boden. Sie stieg beim Turm der Biochemie aus. Auf einem pfeilförmigen Schild standen die Worte CELESTIAL MECHANICS CONFERENCE. Sie überquerte den Campus. Der größte Teil der Universität befand sich unter der Erde. Am Silo der Technologie befand sich ein zweites pfeilförmiges Schild. Ihr gefiel der Ausdruck CELESTIAL MECHANICS. Vielleicht würde sie das Kind so nennen. Sie durchquerte den Park. Es war dunkel unter den Bäumen, und sie hielt sich außerhalb der Schatten. Eine Eule schrie. Sie blieb stehen und lauschte, aber es blieb still. Die oberen drei Stockwerke ihres Hauses lagen über der Oberfläche. sins oberste Stockwerk. t Sie trat hinein und fuhr mit dem Lift n e Im runden Mittelraum der Kommune warteten bereits mehrere m e Sie blieb beim Videone stel Menschen auf ihren Dinner-Reis. E hen und sah nach, ob irgend welche Nachrichten für sie abgegeben worden waren. Sie fand nichts. Sie ging in ihr Zimmer im rückwärtigen Teil der Wohnung, warf ihre Handtasche auf das ungemachte Bett und klopfte an die Verbindungstür zum Nebenzimmer. »Wer ist da?« Sie öffnete die Tür und trat in ein winziges, vollgestelltes Zimmer. An Chu stand vor ihrem Zeichenbrett und arbeitete an einer Skizze. Paula zog die Jacke aus, warf sie auf das Bett und streckte sich daneben aus. »Wir waren in Manhattan. Bist du auch schon einmal dortgewesen?«
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An Chus scharfe Aztekennase war nur wenige Zentimeter von dem Zeichenpapier entfernt. »Ich bekomme Zustände unter Wasser. Die Liste liegt neben dir auf dem Bett.« Genau wie Paula war auch An Chu zur Zeit arbeitslos. Paula richtete sich auf. Sie schob einen Haufen zusammengelegter Wäsche zur Seite und fand den langen Bogen mit den Stellenausschreibungen. Draußen in der Halle rief jemand: »Der Reis ist gekommen.« An Chu nahm eine Schüssel und ging hinaus, um ihr Essen zu holen. Paula streifte die Schuhe von den Füßen. Sie stand auf und warf einen Blick auf die Skizze eines langen, armlosen Kleides, an dem An Chu arbeitete. Die Wände des kleinen Raums waren mit Skizzen von Kleidern vollgehängt. An Chu brachte den Duft von Reis mit sich ins Zimmer. s t »Hier ist etwas«, sagte Paula und n setzte sich wieder auf das e Bett. »Reiniger für eine Bar. Vorzugsweise Nichttrinker.« m e und ein Messer aus dem l An Chu nahm ein Schneidebrett E Schrank und begann Gemüse zu zerkleinern. »Du trinkst doch.« Ein Stück Sellerie segelte auf Paulas Schoß, und sie aß es. »Ich könnte ja aufhören. Ich bin froh, daß ich nicht Maschine schreiben kann.« Sie überflog die langen Reihen von Stellenangeboten, bei denen Maschineschreiben gefordert wurde. Sie sah An Chu zu, die grüne und orangefarbene Gemüseschnitzel auf dem Schneidbrett stapelte. An Chus Haut war goldfarben, sie hatte volle Lippen und pechschwarze, schrägstehende Augen. Sie warf die Gemüseschnitzel in einen Topf. »Ich muß morgen früh raus«, sagte Paula. »Wirst du mich wekken?« »Klar. Warum?«
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»Morgen sind die mündlichen Prüfungen. Für das Komitee.« »Mein Gott. Bist du noch immer dabei?« »Es ist ein Job wie jeder andere. Und sie zahlen besser als alle anderen. Mit Ausnahme der Marsianer.« »Wenn du mich fragst«, sagte An Chu und rührte das Gemüse um, »gibt es keinen Unterschied zwischen dem Komitee und den Marsianern. Sie nehmen einen nur aus.« Paula faltete den Bogen zusammen und steckte ihn in eine Ritze in der Wand. Dann kauerte sie sich auf den Boden, um zu essen. An Chu hatte natürlich recht wegen des Komitees. Es war ein weltweites Unternehmen, das Kontrakte aushandelte und diplomatische Laufburschendienste für die Mittleren Planeten versah. s t Sie hatte sich aus reiner Neugier gemeldet, und die Tests wan e ren für sie eine amüsante Unterhaltung geworden. Man hatte m e l sie nach Erfahrungen im interplanetarischen Recht gefragt, die E sie nicht besaß, man hatte sie in Mathematik und Naturwissenschaften geprüft, und sie wußte, daß sie durchgefallen war. Es war amüsant, möglichst geistreiche Antworten auf ihre dummen Fragen zu finden. An Chu löffelte Reis und Gemüse in eine Schüssel, und Paula spürte plötzlich, wie hungrig sie war. Das Revolutionskomitee hatte sein New Yorker Büro zwischen dem Universitäts-Campus und dem See. Das Gebäude war nur ein Stockwerk hoch. Drei oder vier Air-Cars waren auf seinem Dach geparkt. Als Paula eintraf, war der Warteraum bereits gedrängt voll. Sie schob sich durch die Menge zum Anschlagbrett und warf einen Blick auf die ausgehängte Liste. Ihr Name war der dritte. Sie konnte also nicht noch einmal verschwinden, um zu frühstücken, wie sie es eigentlich
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geplant hatte. Es gab keinen Platz zum Sitzen. Sie lehnte sich neben dem Schreibtisch an die Wand. Die meisten der anwesenden Menschen hatte sie schon bei den schriftlichen Prüfungen kennengelernt. Fast alle waren fünf oder sechs Jahre jünger als sie. Sie hatten ihre Köpfe über Notizhefte gebeugt oder starrten blicklos vor sich hin. Sie nahmen alles furchtbar ernst. Es war warm in dem Raum. Sie roch ihren eigenen Körper. Sie fragte sich, warum sie als einer der ersten bei der mündlichen Prüfung drankommen sollte. Sie spürte plötzlich einen leichten Druck im Magen. Auf dem Papier konnte man leicht spöttisch und sarkastisch sein. Die Tür öffnete sich und eine große, rothaarige Frau trat heraus. Ihr folgte ein Mann mit einem weißen Baumwollpullover, auf dem die Worte NEW YORK LIBRARY aufgedruckt waren. s t Das war Michalski, der Sekretär des n Komitees. Alle Menschen e im Wartezimmer blickten ihn m an. Er sagte: »Carlos Sahedi?«, e trat auf ihn zu. Michalski und ein junger, pickeliger lMann E winkte ihn heraus und schloß die Tür hinter ihm. Das rothaarige Mädchen atmete tief durch. »Leute, bin ich froh, daß ich es überstanden habe.« »Was hat man Sie gefragt?« bestürmten sie einige der Wartenden. Paula verschränkte die Arme über der Brust. Jemand brachte dem rothaarigen Mädchen einen Pappbecher mit Wasser. Das Mädchen trank. »Hat gar keinen Zweck, sich groß vorzubereiten. Es geht gar nicht um das Wissen. Die stellen Fragen wie >warum kauen Sie an Ihren Fingernägeln?wäre zu machen< zahlen wir nicht viel.« Er schob die Fotos zusammen und ließ sie wieder unter der Theke verschwinden. Selbst hier auf der Erde, wo es keine Gesetze und keine Polizei gab, schien ihm Vorsicht geboten zu sein, und sie fragte sich, wer seine Feinde waren. Vielleicht andere Schmuggler. Er sagte: »Meine Verbindungen reichen bis nach Saturn-Keda.« Die Türglocke schrillte. Paula wandte den Kopf und sah eine Frau mit einem weißen Hund in den Laden treten. Overwood kam hinter der Theke hervor. »Kann ich Ihnen helfen?«
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»Ich habe mir gerade ihre herrlichen Gläser im Fenster angesehen.« Glaswaren waren auch in mehreren Vitrinen entlang den Wänden ausgestellt. Paula entdeckte ganze Reihen von Weihrauchschalen, Platten und Tierfiguren. Darüber hing eine Korkplatte, an der mehrere Zettel festgesteckt waren. Kommune Anteil 25/mo. Drogen-Scheck, Kinderzuteilung Overwood sprühte Schaum um eine venezianische Glasschale. Während der schützende Schaum trocknete, zahlte die Frau, und er gab ihr Wechselgeld heraus. Als sie den Laden verlassen hatte, sagte er zu Paula: »Eine Nachricht nach Saturn-Keda kostet fünfzehnhundert Dollar. Zahlbar im voraus.« »Für ein >wäre zu machen