Hermann Knüfken
Uon Kiel bis Leningrad
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sind die Genossen Piraten I Band
l*ermann Knüfken
1
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Hermann Knüfken
Uon Kiel bis Leningrad
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sind die Genossen Piraten I Band
l*ermann Knüfken
1
ffon Kiel bis Leningrad Frinnerungen eines revolutionären Matrosen Tg17
-
1930
ir,Å{it Dokumenten, 80 Fotos und Faksimiles ,,,F{erausgegeben von Andreas }Iansen ii",
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Ztsammenarbeit mit Dieter Nelles
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BASISDRUCK
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Ðieser Band erscheint mit freundlicher lJnterstützune durch:
lnhaltsverzeichnis
Elans Böckler Stiftung, Düsseldorf
Gerda-und-Hermann-Weber Stiftung, Berlin Hermann-Weber Stiftung, Mannheim
Vorbemerkung HERMANN KNÜFKEN
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Von Kiel bis Leningrad Er'inn erøng ø n e in e s r e v o lwti
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M øtr o s e n
In der Marine-Arrestanstalt . 9 | Vermessungsarbeiten in derNord- und Ostsee. t4 lDesertionnach Dänemark'221 Rückkehr nach Kiel . 29 | Zweiter Fluchtversuch ' 34 |
Verhöre . 38 | KielerMatrosenaufstand 1918 . ó5 | Im Baltikum I9t9 . 76 | Die Schiffsentführung . 83 | l. Mai 1920 in
Murmansk. 102 | Petrograd. I09 | Komintern-VerhandIungen in Moskau . lLS I Diskussion mit Lenin . I20 | Die
Kongreßdelegierten. I25 | Zwischen Murmansk, Petrograd und Moskau . I30 | Als Komintern-Kurier ' I39 | Vertraftung und Prozeß . I52 | Gefängnisjahre in Fuhlsbüttel . 170 | Hungerstreiks . I82 | Rückkehr in die UdSSR . 207 | Leiter des Leningrader Interklub . 2I3 Ilafenstreiks . 229 I Revolutionsfeiern 1927 . 240 I Angriffe der OGPU .249 |
266 Die Wnutrennaja Tjutma Døs Geheirnd.ienstgefdngn'is d'er Løbj ønhø :'1..),
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alssdrúcküche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet,
Wryodas Teite daraus auf fotomechanischem ø& @øeæiscbem Wege zu vervielf,áltigen. W;w**ry2¡ed Sez: Eckhardt Natorp,
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(Fotokopie, Mikrokopie)
Möller ea*Aæg: FuldaerVerlagsanstalt GmbH & Co KG, Fulda
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Die Gefängnisse der OGPU . 266lIn der Butyrka ' 27I Einlieferung in die Lubjanka.273 | Zur Geschichte der Lubjanka . 280 | Die ersten drei Wochen ' 283 | Verhöre . 288 | In der Sammelzelle der Wnutrennaja ' 29.8 Na dopróss - Zumletzten Verhör . 3Ì3
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|
BEITAGEN
Dokumente 1931 bis 1945
3r9 Aus der Kaderakte der Komintern 324 ITF-Dokumente
Uorbemerkung
339 Aus den Akten der Gestapo I In schwedischer Haft 348 Ilermann Knüfken: Und was nunl Erinnerungen an Hermann Knüfken Sonja Knüfken: I{ermann Knüfken 358 Ingeborg Carsten: Meine Bekanntschaft mit
ó Ðat
Heimann Knüfken 363 Erika Thölke: Erinerungen an Onkel llermann 367 Ansprache zum Tod von llermann Knüfken AiIHANG
37r Anmerkungen 396 Nachwort Dieter Nelles: ,,Nicht betteln, nicht bitten" Das abenteuerliche Leben des llermann Knüfken 423 Chronik llermann Knüfken 433 Zur Edition
435 Abkürzungsverzeichnis 44ß Abbildungsverzeichnis 443 Kommentiertes Personenreqister
Die Erinnerun gen llermann Knüfl<ens sind ein Treib gut der Revo lutionsgeschichte. Sie erscheinen erstietzt, obwohl sie bereits vor über fünfzig Jahren als Buchmanuskript verfaßt wurden. Wo sie ursprünglich veröffentlicht werden sollten, ob in Deutschland oder in Knüfl<ens Wahlheimat England, und was die Veröffendichung zu Lebzeiten Knüfkens verhinderte) ist nicht mehr zu kldren. Etwas deutlicherwird das Bild der Bemùhungen für die |ahre nach seinem Tod. Hier scheint es, daß eine Verkettung von unterschiedlichen
Vorstellungen ìnd der Mangel an Gelegenheiten den Abdruck blockiert haben. Tatsache aber ist auch, daß seit den 90er Jahren Kopien der Aufzeichnungen in interessierten Kreisen kursierten und Teile von Kniifl<ens Erinnerungen in einigen Publikationen bereits verwendet wurden. Ebenso wie über die Gründe für diese jahrzehntelange Verzögerung der Veröffendichung \4qn man über das Motiv nur spekulieren, das Kntifken veranlaßt hat, diese Erinnerungetr zLL schreiben. Sicher ist, daß Knüfl<en gewohnt war über sein Leben Auskunft zu geben, wurde er doch aufgrund seiner politischen Biographie seit I9I7 immer wieder abgeftagt, meist unter dem Druck polizeilicher Verhöre. Aus dieser Situation des Reflektierens und Protokollierens heraus hat Knüfl<en schließlichwährend seines unfreiwilligen Aufenthalts in Schweden ( I 9 39 - 1944 ) begonnen, noch unsystematisch und der Spezialperspektive der Vernehmer geschuldet, Details und Episoden zt einzelnen Begebenheiten oder Personen aufzuschreiben. Frir die Flerausgabe der Memoiren war es aufgrund dieser Vorgeschichte wichtig, Hermann Knùfl<en endlich selbst zu Wort kommen zu lassen und nicht postum eine Biographie über ihn auf der Basis seiner Erinnerungen und anderer Dokumente zu verfassen.
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Daher steht Knüfkens Manuskript im Mittelpunkt dieses Buchs. Derüberlieferte Text erscheint ungekürzt und ist mitAbbildungen und historischen Anmerkungen versehen. Da die Aufzeichnungen im Iahr 1930 enden, wurden in den Anhang eine Chronik, Briefe, amtliche und persönliche Berichte sowie ein Nachwort gestellt, die Âuskunft geben über die weiteren Stationen seines Lebens.
Danksagung Elerausgeber und Verlag danken Dr. Ingeborg Carsren, Erika Thölke, Erna Langendorf und Staffan Lamm für ihre freundliche lJnterstützung, Cornelia Köster für die Übersetzungen aus dem Englischen und Russirchen, Stefan Hermes für seine verläßliche Mitarbeit sowie Dr. Gesine Bey; Dr. Wladislaw He deler, Dieter Kokot und Dmitrij Kostjenko für sachüche Ilinweise.
,t¡¡4erdem gilt der Dank für Bildmaterialien und andere Quellen: Arthur **nre, nita Kleen, Dr. ]ürgen Kleen, Erika und l{orst Kntifken, Renare ggd'Walter Kntifken, Ingrid Lattermann, Wilma Prahm, Dr. Roman Ritt@þr, I{ais-Dieter Schneider und Tarmo Vahter. Ðei,überhinaus danken wir einer Reihe von Institutionen, besonders Flerrn @æ¡Ttrees und den Mitarbeitern d,es Stadtarchivs Cuxhaven, dem Stadtaldås¡:BíisseldorÇ dem Einwohnermedeamt und der Heiligen- Geist- Ge@@KieL den Staatsarchiven von Bremen und Hamburg, dem Archiv der qie der Künste und dem Bundesarchiv Berlin, dem Internationalen $ [wÈn¡¡ ffi¡ Sozialgeschichte in Amsterdam, dem schwedischen Riksarkiv ..,-æ$¿ry*fq¡o sowie für die Bereitstellung der Dokumente den.{rchiven:
...-.W:"e,Fúiv der sozialen Demokratie der
Friedrich-Ebert-Stiftung,
¡-,¡1*ødÉein-Westfälisches llauptstaatsarchiv, Düsseldorf; Records Centre , University of Warwik; - Rossijskij Zentr Chranenija i Isutschenija Dokumentow &{oskau (Russisches Zentrum zur Aufbewahrung und Ð@æsqente der Neuesten Geschichte).
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Hermann Knüfken
Uon Kiel bis Leningrad
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IQel L9I7 /]^B. - Da saß ich nun in der alten Marine-Arrestanstalt lJntersuchungsgefangener des Feldkriegsgerichts der I. MarineInspektion und hatte Zeit, mrch mit mir selbst zu beschäftigen. Zeit bedeutet sehr viel, damals wußte ich das noch nicht, lernte es jedoch verstehen, je mehr die Tage, Wochen und Monate veçginals
gen. Zuerst sah ich meine Lage als vollkommen aussichtslos an. Der lkiegsgerichtsrat, der die lJntersuchung gegen mich führte, Dr. Rittweger, ein übrigens sehr freundlicher Flerr mit blondem Bart, sympathischem \Mesen und angenehmer Stimme, gab mir gleich bei den einleitenden Verhören zu verstehen, daß ,,der Sandhaufen auf mich warte".
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IN DER MARINE-ARRESTANSTALT
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IN DER MARIN E-ARRESTANSTALT
Wenn man nach fast vierzig Jahren anfángt, seine eigene Geschichte zu schreiben, erinnert man sich an die verschiedenen Episoden natürlich mit ein wenig Abgekltirtheit, man ist dlter geworden und hat eigentlich mit dem Vermessungsgast der Kaiserlichen Marine nicht mehr viel zu tun. Und doch begreife ich heute noch vollkommen den Ernst der Lage, in der ich mich damals befand. Ich befand mich in lJntersuchungshaft wegen: Fahnenflucht im Felde vor dem Feinde im l(omplott, Diebstahls kaiserlichen Eigentums, Beschädigung kaiserlichen Eigentums, Verbindung mit dem Feinde, um der eignen Kriegsmacht Schaden zuzufügen und dem Feinde Vorschub zu leisten.
-
In der Marine-Arrestanstalt war es ziemlich langweilig. Die Zellen hatten kein Licht. Die Matratzen und das Bettzeug wurden abends um ó Uhr hereingenommen und morgens riln ó Uh¡ wieder herausgegeben. Bücher oder Zeitungen gab es nicht. Mein Gesuch um Bücher und Zeitungen wurde prompt vom Festungsgouverneur abgelehnt. ,{us dem kleinen vergitterten Fenster konnte man nur ein kleines StLick Himmel sehen, soweit die verdreckten Scheiben und die Spinngewebe zwischen den Traljen es zuließen. Das Hinuntersehen "¡¿o¡n Fenster war ulmöglich gemacht durch den Blechkasten, der 'sor dem Fenster hing. Auf der Fensterseite lagen die Kasernen der I. Matrosen-Divisãoa, I. bis ó. Kompanie. In der I(aiserzeit waren die 1., 3. und ã- Kompanie die Stammkompanien für die kleinen Kreuzer und Paxzerkreuzer, die 2.,4. und ó. Kompanie frir die Linienschiffe. WsÊ.7- und 8. Kompanie lagen auf dem Mørs'tn der Wik. Einj2ihdge, Reserveoffizier-fupiranten in der 7. und Signalgäste in der &, E{*mpanie. Dazu kam noch auf dem Mørs die K.8.2., die ffifuere 9., die Vermessungskompanie, die der Nautischen AbteiWØ @ Reichsmarine-'tmtes unterstellt war.
,Aþb.llBlichøøf die l(ieler Mørinehøsernen (lin'hs)'
d.ie Gørnisioøshirche
(Mitte) wnd
døs: Mør'ineløzørett (re chts).
,{ufder anderen Seite
des Geflingnisses lag das Marinelazarett,
im
dritten und vierten IGiegsjahr Durchgangsstation für die Kriegsopfer der ,,Blauen Jungen", die von hier aus mit militárischen Efuen begraben wurden. Die immer wiederkehrende Musik (die einzige), fie ich so oft und fast regelmäßig in meiner Zelle hörte, war das .]esus, meine Zuversicht" der Divisionskapelle an der Spitze des
kichenzuges. Da hatte ich also auf der einen Seite meines Gefángnisses die Kasernen der I. M-D und das Drillen der Kriegsfreiwilligen und auf der anderen das Hospital Am Kopfende des Gefåtrgnisses, und mit ihm verbunden, lag