Vermarktung hybrider Leistungsbündel
Klaus Backhaus • Jörg Becker Daniel Beverungen • Margarethe Frohs Ralf Knackstedt • Oliver Müller Michael Steiner • Matthias Weddeling
Vermarktung hybrider Leistungsbündel Das ServPay-Konzept
1C
Prof. Dr. Dr. h. c. Klaus Backhaus Westfälische Wilhelms-Universität Münster Institut für Anlagen und Systemtechnologien Am Stadtgraben 13-15 48143 Münster
[email protected] Dr. Ralf Knackstedt Westfälische Wilhelms-Universität Münster ERCIS Leonardo-Campus 3 48149 Münster
[email protected] Prof. Dr. Jörg Becker Westfälische Wilhelms-Universität Münster ERCIS Leonardo-Campus 3 48149 Münster
[email protected] Dipl. Wirt-Inf. Oliver Müller Westfälische Wilhelms-Universität Münster ERCIS Leonardo-Campus 3 48149 Münster
[email protected] Dr. Daniel Beverungen Westfälische Wilhelms-Universität Münster ERCIS Leonardo-Campus 3 48149 Münster
[email protected] Prof. Dr. Michael Steiner Westfälische Wilhelms-Universität Münster Juniorprofessur für Marketing Am Stadtgraben 13-15 48143 Münster
[email protected] Dr. Margarethe Frohs Westfälische Wilhelms-Universität Münster Institut für Anlagen und Systemtechnologien Am Stadtgraben 13-15 48143 Münster
[email protected] Dr. Matthias Weddeling Westfälische Wilhelms-Universität Münster Institut für Anlagen und Systemtechnologien Am Stadtgraben 13-15 48143 Münster
[email protected] ISBN 978-3-642-12829-5 e-ISBN 978-3-642-12830-1 DOI 10.1007/978-3-642-12830-1 Springer Heidelberg Dordrecht London New York Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Einbandentwurf: WMXDesign GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier Springer ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media (www.springer.com)
Die vorliegende Arbeit wurde im Rahmen des Forschungs- und Entwicklungsprojekts ServPay mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmenkonzept „Forschung für die Produktion von morgen“ (Förderkennzeichen 02PG1010) gefördert und vom Projektträger Karlsruhe (PTKA) betreut. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autoren.
Vorwort Die Vermarktung hybrider Leistungsbündel, also Kombinationen aus Sachgütern und Dienstleistungen zur Lösung von Kundenproblemen, spielt in der Praxis eine zunehmend bedeutsame Rolle. Der Bedeutungszuwachs wird durch zahlreiche empirische Untersuchungen belegt. Als wesentliche Gründe werden von Unternehmen die Differenzierung von Wettbewerbern und eine Individualisierung des Angebots genannt. Allerdings werden in der Praxis – gerade was den Dienstleistungsanteil betrifft – Entscheidungen zur Vermarktung hybrider Leistungsbündel oftmals intuitiv getroffen, ohne dass entsprechende Informationen für eine rationale Entscheidungsfindung vorliegen. Diese unsystematische, intuitive Vorgehensweise stößt angesichts der Komplexität der Gestaltung kundenindividueller Problemlösungen schnell an ihre Grenzen. Eine methodische Unterstützung von Entscheidungen zur Vermarktung hybrider Leistungsbündel stellt daher eine Grundvoraussetzung da, um die Potenziale hybrider Leistungsbündel ausschöpfen zu können. Das ServPay-Konzept beschreibt ein integriertes Vorgehen, mit dem Unternehmen ihr Dienstleistungsangebot in Kombination mit Sachleistungen wirtschaftlichkeitsorientiert ausrichten können. Auf der Basis des Konzeptes wurde mit H2ServPay eine integrierte Softwareunterstützung entwickelt, die den Nutzen der methodischen Bausteine konkret erfahrbar macht. Adressaten des Konzepts und seiner softwaretechnischen Umsetzung sind interessierte Praktiker, die eine strukturierte Entscheidungssituation bei der Vermarktung hybrider Leistungsbündel anstreben. Diese soll diese Entscheider in die Lage versetzen, durch das Angebot hybrider Leistungsbündel einen komparativen Konkurrenzvorteil (KKV®) zu realisieren. Damit liefert das Buch einen Beitrag für all diejenigen, die sich bei der Konfiguration und Bepreisung hybrider Leistungsbündel nicht mehr nur auf ihr „Bauchgefühl“ verlassen wollen, weil sie ständig von der Frage gequält werden: „Warum sollte man seinem Bauch mehr trauen, als seinem Kopf?“. Diese „Kopfgeburt“ stellt insbesondere in den Kapiteln 4 im Hinblick auf methodisch konzeptionelle Überlegungen und 5 hinsichtlich der softwaretechnischen Umsetzung zwangsläufig auch gewisse kopfbezogene Anforderungen. Aber unseres Erachtens lohnt es sich, sich diesen zu stellen. Den Kern des ServPay-Konzepts bilden auf der einen Seite die Ermittlung der Zahlungsbereitschaften von Kunden für hybride Leistungsbündel (Nachfragerperspektive) und auf der anderen Seite der Vergleich mit den Kosten für die Umsetzung einer gewählten Lösung (Anbieterperspektive). Die Softwareunterstützung H2-ServPay stellt die Integration der Anbieter- und Nachfragerperspektive sicher. Ferner stellt H2-ServPay zusätzliche Funktionalitäten zur modellgestützten Beschreibung hybrider Leistungsbündel, zur Leistungskonfiguration sowie zur Un-
VIII Vorwort
terstützung von Investitionsentscheidungen auf der Basis von Kennzahlen bereit. Ein Ausblick beschreibt verschiedene Ansätze zur Verbesserung der Erlössituation. Ohne die Hilfe vieler Beteiligter hätten die vorgestellten Lösungsbeiträge nicht entwickelt werden können. Unser besonderer Dank gilt dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), das durch die finanzielle Förderung des Projekts „ServPay – Zahlungsbereitschaften für Geschäftsmodelle produktbegleitender Dienstleistungen“ (Förderkennzeichen 02PG1010) diese Arbeit erst ermöglicht hat. Dabei haben wir in der Ausführungsphase ganz besonders Frau Dipl.Ing. Barbara Mesow, Dresden, und Herrn Dipl.-Soz. Helmut Mense, Karlsruhe, vom Karlsruher Institut für Technologie (Projektträger Karlsruhe (PTKA)) zu danken, die uns mit konstruktiven Anregungen über die gesamte Forschungszeit begleitet haben. Wir danken zudem unseren Praxispartnern, der Braunschweigischen Maschinenbauanstalt AG, der E-T-A Elektrotechnische Apparate GmbH sowie der Gildemeister AG, für die stets effiziente und effektive Kooperation. Für ihr Engagement bei der Programmierung von H2-Servpay-Softwarekomponenten danken wir Cedric Berlin, Christian Brune, Michael Bunge, Alexander Busch, Robin Fischer, Björn Meschede, Steffen Müller, Konstantin Stepanow und Konrad Wolf. Für die Weiterentwicklung des H2-Toolsets gilt unser besonderer Dank Herrn Dipl.-Wirt.-Inform. Stefan Fleischer. Ferner bedanken wir uns insbesondere auch bei Herrn Dipl.-Kfm. Christian Thywissen, der mit seiner Diplomarbeit einen wesentlichen Beitrag zur Betrachtung der Anbieterperspektive beigesteuert hat. Beim Korrekturlesen unterstützten uns Herr Sebastian Alexander Bräuer, Frau Anne Kranzbühler und Frau Jana Pellert. Ganz besonders möchten wir zudem Herrn Oliver Behrla, Herrn Jan Böyng, Frau Kristina Heck, Herrn Tim Hempelmann, Herrn Manuel Kollmeyer und Frau Katharina Lodde für ihr Engagement bei der Betreuung von Layout und Formatierung danken. Trotz aller Hilfestellungen gehen natürlich alle Fehler zu Lasten der Autoren.
Münster, im April 2010 Klaus Backhaus Jörg Becker Daniel Beverungen Margarethe Frohs Ralf Knackstedt Oliver Müller Michael Steiner Matthias Weddeling
Inhaltsübersicht 1
Hybride Leistungsbündel.............................................................................1 1.1 Vermarktungsherausforderungen und ServPay-Konzept ......................1 1.2 Grundlagen hybrider Leistungsbündel ..................................................5
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Der KKV® als Orientierungsrahmen für das Management hybrider Leistungsbündel..........................................................................13 2.1 Kundenvorteil, Netto-Nutzen-Vorteil, Value Proposition, USP oder KKV®? ................................................................................................13 2.2 Die Marketing-Navigatoren im Vergleich...........................................17 2.3 Vermarktung hybrider Leistungsbündel als Management von KKVs®18
3
Vermarktung hybrider Leistungsbündel: Die Anbieterperspektive......29 3.1 Angebot hybrider Leistungsbündel: Status quo...................................29 3.2 Anbieterseitige Erfolgsfaktoren beim Angebot hybrider Leistungsbündel ....................................................................37 3.3 Kalkulation hybrider Leistungsbündel ................................................50
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Vermarktung hybrider Leistungsbündel: Die Nachfragerperspektive .75 4.1 Das klassische Geschäftsmodell: Zahlungsbereitschaftsmessung für einzelne und gebündelte Leistungsangebote..................................75 4.2 Innovative Geschäftsmodelle: Performance Contracting und seine Anwendungsfelder.............................................................................143
5
Integrierte Softwareunterstützung der Vermarktung hybrider Leistungsbündel........................................................................163 5.1 Integrationsanforderungen.................................................................163 5.2 Abbildung der Leistungsbündelstruktur ............................................170 5.3 Abbildung der ökonomischen Konsequenzen ...................................204 5.4 Integrierte Workbench zur Entscheidungsunterstützung ...................244
6
Verbesserung der Erlöse: Nutzenkommunikation für hybride Leistungsbündel..........................................................................269 6.1 Der Value Calculator.........................................................................270 6.2 Das ServPay Recommender-Konzept ...............................................277
7
Management Summary............................................................................299
Anhang ...............................................................................................................305 Literaturverzeichnis ..........................................................................................309 Stichwortverzeichnis .........................................................................................331
Inhaltsverzeichnis 1
Hybride Leistungsbündel............................................................................. 1 1.1 Vermarktungsherausforderungen und ServPay-Konzept ...................... 1 1.2 Grundlagen hybrider Leistungsbündel .................................................. 5
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Der KKV® als Orientierungsrahmen für das Management hybrider Leistungsbündel.......................................................................... 13 2.1 Kundenvorteil, Netto-Nutzen-Vorteil, Value Proposition, USP oder KKV®? ................................................................................................ 13 2.2 Die Marketing-Navigatoren im Vergleich........................................... 17 2.3 Vermarktung hybrider Leistungsbündel als Management von KKVs®18
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Vermarktung hybrider Leistungsbündel: Die Anbieterperspektive...... 29 3.1 Angebot hybrider Leistungsbündel: Status quo................................... 29 3.2 Anbieterseitige Erfolgsfaktoren beim Angebot hybrider Leistungsbündel.................................................................... 37 3.2.1 Problemstellung und Grundlagen der Erfolgsmessung ........... 37 3.2.2 Gestaltung und Durchführung der empirischen Untersuchung .......................................................................... 38 3.2.3 Ergebnisse der empirischen Untersuchung ............................. 40 3.2.4 Anbieterseitige Handlungsempfehlungen ............................... 48 3.3 Kalkulation hybrider Leistungsbündel ................................................ 50 3.3.1 Kostenrechnerische Spezifika hybrider Leistungsbündel ....... 50 3.3.2 Prozesskostenrechnung für hybride Leistungsbündel ............. 54 3.3.3 Simulation der Prozesskosten hybrider Leistungsbündel........ 61
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Vermarktung hybrider Leistungsbündel: Die Nachfragerperspektive . 75 4.1 Das klassische Geschäftsmodell: Zahlungsbereitschaftsmessung für einzelne und gebündelte Leistungsangebote ....................................... 75 4.1.1 Besonderheiten der Deckungsbeitragsermittlung von hybriden Leistungsangeboten ................................................. 76 4.1.2 Vergleich möglicher Preismodelle.......................................... 78 4.1.2.1 Klassische Möglichkeiten zur Bepreisung produktbegleitender Dienstleistungen ....................... 80 4.1.2.2 Nachfragerorientierte Bündelung .............................. 83 4.1.2.3 Preismodelle und Innovationsgrad ............................ 84 4.1.3 Methoden zur Erfassung von Zahlungsbereitschaften ............ 86 4.1.3.1 Befragungsmethode................................................... 87 4.1.3.2 Art der Skala: Kauf- oder Preisabfrage ..................... 91
XII
Inhaltsverzeichnis
4.1.3.3 Die ServPay Conjoint-Analyse.................................. 97 Empirische Untersuchung ..................................................... 107 4.1.4.1 Festlegung der zu untersuchenden Dienstleistungen sowie deren Ausprägungen...................................... 107 4.1.4.2 Beschreibung der Stichprobe................................... 110 4.1.5 Ergebnisdarstellung............................................................... 113 4.1.5.1 Bestimmung von Zielgruppen bei der Analyse sämtlicher Dienstleistungsangebote ........................ 113 4.1.5.2 Analyse potenzieller Bündelangebote und Vergleich der Zahlungsbereitschaften bei Einzelverkauf der Leistungen ............................................................... 128 4.1.6 Fazit ...................................................................................... 140 Innovative Geschäftsmodelle: Performance Contracting und seine Anwendungsfelder ........................................................... 143 4.2.1 Problemstellung und Grundlagen des Geschäftsmodells Performance Contracting ...................................................... 143 4.2.2 Empirische Analyse der Wahl des Geschäftsmodells Performance Contracting ...................................................... 147 4.2.2.1 Gestaltung und Durchführung der Untersuchung.... 147 4.2.2.2 Ergebnisse der empirischen Untersuchung.............. 150 4.2.3 Anbieterbezogene Handlungsempfehlungen......................... 160 4.1.4
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Integrierte Softwareunterstützung der Vermarktung hybrider Leistungsbündel........................................................................ 163 5.1 Integrationsanforderungen................................................................. 163 5.2 Abbildung der Leistungsbündelstruktur ............................................ 170 5.2.1 Definition der Modellierungssprache mit dem H2-Toolset .. 170 5.2.2 Beschreibung eines Lösungsraums für hybride Leistungsbündel aus Anbietersicht .......................... 177 5.2.3 Konfiguration eines hybriden Leistungsbündels aus Nachfragersicht............................................................... 192 5.3 Abbildung der ökonomischen Konsequenzen ................................... 204 5.3.1 Kostenkalkulation hybrider Leistungsbündel aus Anbietersicht................................................................... 204 5.3.2 Total Cost of Ownership hybrider Leistungsbündel aus Kundensicht.................................................................... 229 5.3.3 Zahlungsbereitschaftsmessung für hybride Leistungsbündel....................................................... 241 5.4 Integrierte Workbench zur Entscheidungsunterstützung................... 244 5.4.1 Zusammenfassender Überblick............................................. 244 5.4.2 Anpassungspotenziale........................................................... 251
Inhaltsverzeichnis XIII
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Verbesserung der Erlöse: Nutzenkommunikation für hybride Leistungsbündel..........................................................................269 6.1 Der Value Calculator.........................................................................270 6.2 Das ServPay Recommender-Konzept ...............................................277 6.2.1 Möglichkeiten des Einsatzes von Recommender Systemen für die Vermarktung hybrider Leistungsbündel ....................277 6.2.2 Konzeption des ServPay Recommenders..............................278 6.2.3 Empirische Anwendung und Überprüfung des ServPay Recommenders .......................................................287 6.2.4 Möglichkeiten der Berücksichtigung von Profitabilitätsaspekten bei der Ableitung von Empfehlungen ....................288 6.2.5 Vorgehen beim Einsatz des ServPay Recommenders in der Praxis ..........................................................................290
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Management Summary............................................................................299
Anhang ...............................................................................................................305 Literaturverzeichnis ..........................................................................................309 Stichwortverzeichnis .........................................................................................331
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Hybride Leistungsbündel
1.1 Vermarktungsherausforderungen und ServPay-Konzept Unternehmen müssen ihren Kunden ein Leistungsangebot zur Verfügung stellen, das aus Kundensicht einen Mehrwert gegenüber konkurrierenden Leistungsangeboten liefert. Dieser Mehrwert kann in einem Nutzenvorteil und/oder einem Preisvorteil bestehen. Die deutsche Investitionsgüterindustrie hat lange Zeit erfolgreich versucht, diesen Differenzierungsvorteil durch technologisch überlegene Produkte (Sachgüter) zu schaffen. Im Zeitalter eines verstärkten Wettbewerbs und immer schnellerer Imitation technologischer Innovationen hat die Produktqualität als wettbewerbsrelevanter und differenzierender Faktor auf Industriegütermärkten allerdings mehr und mehr an Bedeutung verloren (Matthyssens, Vandenbempt 2008; Ploetner 2008).1 Während die technische und qualitative Austauschbarkeit der Industriegüter in weitestgehend reifen Märkten dem Nachfrager die „Qual der Wahl“ bietet, resultiert aus dem Mangel an produktbezogenen Differenzierungsmöglichkeiten auf Anbieterseite ein immer stärker werdender Kampf um den Kunden, der sich häufig in aggressiven Preiskämpfen niederschlägt, ohne dass eine entsprechende Kostensituation vorliegt (Belz, Bieger 2006, S. 146). Professionelle Nachfrager nutzen den Stellhebel Preis dabei nicht selten, um potenzielle Anbieter zu Gunsten eines eigenen Preisvorteils gegeneinander auszuspielen (Lurie, Kohli 2002). In Folge dieses massiven Preis- und Margendrucks starteten viele Unternehmen umfangreiche Kostensenkungsprogramme (Fischer et al. 2003), die zwar kurzfristig eine Margenverbesserung herbeiführen konnten, langfristig aber keinen nachhaltigen Ausweg aus dem Preiskampf darstellen. Aus diesem Grund sind seit Mitte der 1990er Jahre viele Industrieunternehmen dazu übergegangen, dem Preiskampf aktiv durch eine Vorwärtsstrategie zu begegnen (Engelhardt, Reckenfelderbäumer 2006). Dabei hat sich das Angebot produktbegleitender Dienstleistungen2 in vielen Unternehmen als ein strategisches Managementinstrument mit 1
Die zunehmende Austauschbarkeit der Produkte wird häufig auch als „Commoditisierung“ bezeichnet (Pasternack 1985 oder Regan 1963). 2 Die Begriffe „produktbegleitende Dienstleistung“ und „industrielle Dienstleistung“ werden in diesem Buch synonym verwendet. In der Literatur findet sich mitunter die Auffassung, dass industrielle Dienstleistungen – im Gegensatz zu produktbegleitenden Dienstleistungen – auch selbstständig (d.h. ohne eine Sachleistung) marktfähig sind (Homburg, Garbe 1996; Garbe 1998, S. 21).
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1 Hybride Leistungsbündel
wachsender Bedeutung und dem primären Ziel der Wettbewerbsdifferenzierung etabliert (Nippa 2005). Durch die Übernahme von Nachfragerprozessen sowie die darüber hinaus gehende Vermarktung von Mehrwertleistungen zur Prozessoptimierung auf Nachfragerseite generieren Industrieunternehmen mittlerweile einen nennenswerten Teil ihres Umsatzes, der nach Expertenschätzungen in Zukunft noch weiter zunehmen wird.3 Den Nachfragern, die das umfassende Dienstleistungsangebot mittlerweile als wichtigen Entscheidungsparameter des Kaufprozesses sehen (Fiege et al. 2004), bietet sich dadurch die Möglichkeit, sich auf die Kernkompetenzen zu konzentrieren und die eigene Wertschöpfungsarchitektur schlanker zu gestalten (Kleinaltenkamp et al. 2004). Bei der konkreten Auswahl und Erbringung der produktbegleitenden Dienstleistungen mangelt es den anbietenden Unternehmen jedoch in vielen Fällen an einer strikt marktorientierten und damit gewinnoptimierenden Perspektive, sodass die margenträchtigen Potenziale produktbegleitender Dienstleistungen derzeit nur in geringem Maße ausgeschöpft werden. Dies ist deshalb verwunderlich, weil Wettbewerbsvorteile im Bereich produktbegleitender Dienstleistungen häufig auf dem Faktor „Personal“ basieren und daher schwieriger zu kopieren sind. Dienstleistungen sind in diesem Fall durch das spezifische und personengebundene Know-how deutlich schwerer zu imitieren als Produktleistungen, sodass aus produktbegleitenden Dienstleistungen potenziell nennenswerte Wettbewerbsvorteile resultieren können. Ein Grund für die unzureichende Realisierung dieser Potenziale liegt in der konkreten Auswahl und Bepreisung von produktbegleitenden Dienstleistungen begründet. Hierbei mangelt es vielen Unternehmen an einer fundierten Entscheidungsgrundlage. Vielmehr gehen zahlreiche Anbieter bei der Entscheidungsfindung eher intuitiv vor. Preise werden entweder durch Kosten-Plus-Ansätze oder aufgrund von reinen „Bauchentscheidungen“ festgelegt. Wegen der schwachen Margen im Industriegüterbereich ist es jedoch für den Erfolg der Anbieter unabdingbar, auf dem Gebiet der Produktleistungen verlorene Margen durch margenträchtige produktbegleitende Dienstleistungen auszugleichen. Hierzu ist neben der Kenntnis der Kostensituation bei der Dienstleistungserbringung und der Wettbewerbspreise vor allem die Kenntnis der Zahlungsbereitschaften der Kunden für die unterschiedlichen produktbegleitenden Dienstleistungen erforderlich.
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Bedingt durch Zu- und Berechnungsproblematiken differieren die genannten Zahlen in der Literatur zum Teil deutlich. Während des Statistische Bundesamt in einer Pressemitteilung aus dem Jahre 2004 beispielsweise von einem Umsatzanteil von 3,8% (52,6 Mrd. €, vgl. Statistisches Bundesamt 2004) ausgeht, wird der wachsende Anteil in weiteren Studien mit 18,5% (VDMA 2001) bzw. 23,3% (Backhaus et al. 2007) deutlich höher eingeschätzt. Kleinaltenkamp schätzt aufgrund dessen den Anteil der Arbeitsplätze in spezifischen westlichen Industriesektoren, die primär der Dienstleistungserbringung zugeteilt werden können, auf knapp 70% (Kleinaltenkamp 2007b). Der VDMA sowie das IMT kommen in ihren Untersuchungen zu vergleichbaren Werten (VDMA 2002, IMT 2002).
1.1 Vermarktungsherausforderungen und ServPay-Konzept
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Zusätzliche Probleme treten dadurch auf, dass die lediglich separate Dienstleistungsvermarktung in vielen Fällen nicht zu der erwarteten Renditesteigerung auf Anbieterseite führt (Cova, Salle 2008; Matthyssens, Vandenbempt 2008; Tuli et al. 2007). Auch wenn für einzelne innovative Dienstleistungen mit Differenzierungspotenzial überdurchschnittliche Renditen erzielt werden können, sehen sich die Industriegüterhersteller in Bezug auf ihr mittlerweile ausuferndes Angebot an leicht imitierbaren Standarddienstleistungen wie der Wartung und Inbetriebnahme in vielen Fällen gezwungen, diese Dienstleistungen aufgrund ihrer Austauschbarkeit sowie des hohen Wettbewerbs- und Kundendrucks „kostenlos“ mit dem Kernprodukt anzubieten.4 In diesem Zusammenhang kommt die langfristig gewachsene Erwartungshaltung der Nachfrager zum Tragen, wonach Basisangebote bei produktbegleitenden Dienstleistungen häufig als obligatorischer und kostenfreier Bestandteil des Kernleistungsangebotes vorausgesetzt werden. Das ursprüngliche Ziel, durch das Angebot dieser Dienstleistungen einen Ausweg aus dem kernproduktbezogenen Preiskampf zu finden, resultiert demzufolge in vielen Fällen in einem sich verstärkenden Effekt, die äußerst geringe Produktmarge auch für die Kostendeckung der Dienstleistungserbringung verwenden zu müssen. Ein Ansatzpunkt für die Lösung dieses Problems wird in einem konsequenten Wandel von einer separaten Produkt- und Dienstleistungsvermarktung hin zu einer kundenlösungs- und vollständig serviceprozessorientierten Denkweise gesehen. Dieser Denkweise, die in Theorie und Praxis mehr und mehr gefordert wird, wird ein hohes Potenzial für eine erfolgreiche Differenzierung im Wettbewerb sowie eine Nachhaltigkeit des Unternehmenserfolgs auf Investitionsgütermärkten zugesprochen.5 Umgesetzt werden kann dies durch die nachfragerorientierte Gestaltung von Geschäftsmodellen, in denen das Investitionsgut als materieller Kern der Leistung mit industriellen Dienstleistungen zu individualisierten und integrierten Kundenlösungen oder sog. hybriden Leistungsbündeln kombiniert wird. Ein hybrides Leistungsbündel stellt eine auf die Bedürfnisse des Kunden ausgerichtete Problemlösung dar, indem Sach- und Dienstleistungsanteile integriert werden, wobei die angestrebte Lösung die zu verwendenden und aufeinander abzustimmenden Sach- und Dienstleistungsanteile determiniert. Dabei kann die Möglichkeit der Substitution der Sach- und Dienstleistungsanteile unter Beibehaltung der Problemlösung bestehen. Ziel ist es, dass aus Sicht des Anbieters und/oder aus Sicht des Kunden im Vergleich zum Angebot nicht integrierter Sachund Dienstleistungsanteile ein zusätzlicher, wahrnehmbarer Nutzen entsteht (DIN 4
Bspw. werden Kundenschulungen mittlerweile von ca. 98% aller Produzenten – häufig als standardisierte Leistungen – angeboten, was dem Nachfrager die Möglichkeit bietet, zwischen einer Vielzahl von Anbietern wählen zu können (Voeth, Gawantka 2005). 5 Bspw. proklamieren Vargo & Lusch „Service“ als maßgebliche Größe für die Wertschöpfung in Volkswirtschaften, wobei sich unter „Service“ sowohl Dienstleistungen, als auch Produkte subsummieren lassen, da Produkte gegenständliche Dienstleistungen seien. Diese Sichtweise wird auch als Wandel von der „goods-dominant logic“ zur „service-dominant logic of Marketing“ proklamiert (Vargo, Lusch 2004).
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1 Hybride Leistungsbündel
2009). So soll ein im Markt als überlegen empfundener Kundennutzen generiert werden, der potenziell zu einer Differenzierung im Wettbewerb sowie zur Erzielung überdurchschnittlicher Renditen für das anbietende Unternehmen beitragen kann. In Folge der ihr zugesprochenen Potenziale hat diese Lösungsorientierung in der Praxis in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen,6 wobei festgestellt werden kann, dass die einzelnen Industrieunternehmen diesem geforderten Reifeprozess bisher auf unterschiedliche Art und Weise gefolgt sind. Während sich viele Unternehmen aufgrund ihrer traditionellen Ausrichtung noch sehr stark produktorientiert präsentieren, ist es Unternehmen wie IBM oder GENERAL ELECTRIC, die vor einigen Jahren aufgrund des hohen Margen- und Kostendrucks vor existenziellen Problemen standen, durch einen Wandel zur Dienstleistungs- und Lösungsorientierung gelungen, sich am Markt erfolgreich zu behaupten.7 Als Ausdruck des unternehmensspezifisch unterschiedlichen Reife- und Kundenorientierungsgrades ist in der industriellen Praxis derzeit eine Vielzahl an Geschäftsmodellen verbreitet, die von einer einfachen Anreicherung des Produktes um Einzeldienstleistungen (tendenziell eher klassische Produktorientierung) bis hin zu komplexen Performance Contracting-Angeboten (Extremform der Kundennutzen- und Lösungsorientierung) reichen (DIN 2009). Industrieunternehmen stehen diesbezüglich vor der Aufgabe, dem Kunden genau das Geschäftsmodell anzubieten, welches bei einer ausreichenden Wettbewerbsdifferenzierung die individuellen und situationsbedingten Kundenpräferenzen bestmöglich befriedigen kann. Gleichzeitig gilt es, für dieses ausgewählte Geschäftsmodell einen adäquaten Preis zu definieren, der auf Basis eines Vergleichs mit den Kosten der anbieterseitigen Leistungserbringung zu einer akzeptablen Rendite für das anbietende Unternehmen führen kann. Um in diesem Zusammenhang von der weit verbreiteten Vorgehensweise einer intuitiven oder kostenorientierten Bepreisung abzuweichen und potenziell vorhandene Preisspielräume bestmöglich auszuschöpfen, ist die Ermittlung der maximalen Zahlungsbereitschaft der Kunden unabdingbar. Um eine systematische Ausgestaltung dieser Informationsbeschaffung der notwendigen Daten auf Anbieterseite zu gewährleisten, soll im Folgenden ein Ansatz dargestellt werden, der eine wirtschaftlichkeitsorientierte Entscheidungsunterstützung bei der geschäftsmodellspezifischen Vermarktung produktbegleitender Dienstleistungen bietet. Dieses Entscheidungsunterstützungskonzept wurde im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Forschungsprojektes ServPay erarbeitet. Teile des Konzeptes werden durch das Soft6
In einer deutschlandweiten Studie aus dem Jahre 2007 geben nahezu 98% der befragten Unternehmen an, dass kundenspezifische Produkt-Dienstleistungskombinationen für den Markterfolg wichtig sind (Sturm et al. 2007). In einer weiteren internationalen Studie geben 63% der Unternehmen an, dass sie bereits integrierte Lösungen anbieten (Day 2004; Sharma et al. 2002). 7 Für weitere Informationen zu den angegebenen Beispielen vgl. z. B. Gerstner Jr., Gerstner 2004 (IBM) und Tichy, Sherman 2001 (GENERAL ELECTRIC).
1.2 Grundlagen hybrider Leistungsbündel
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waretool H2-ServPay unterstützt, das auf der Webpräsenz des Projektes http://www.servpay.de zur Verfügung steht. H2-ServPay berücksichtigt im Rahmen einer modellbasierten Integration die zentralen entscheidungsrelevanten Größen einer wirtschaftlichkeitsorientierten Dienstleistungsvermarktung, die in den prozess- und geschäftsmodellbezogenen Kosten der Dienstleistungserbringung sowie in den dazugehörigen nachfragerseitigen Präferenzen und Zahlungsbereitschaften begründet liegen. Der Ansatz richtet sich an alle Industriegüterunternehmen, die an einer wirtschaftlichkeitsorientierten und geschäftsmodellspezifischen Vermarktung industrieller Dienstleistungen interessiert sind. Die in diesem Zusammenhang relevanten Erkenntnisse werden auf der Grundlage einer breiten empirischen Basis dargestellt und erläutert. Darüber hinaus werden geeignete Methoden und Instrumente zur Umsetzung der Erkenntnisse vorgestellt, die zum Beispiel die Ermittlung geschäftsmodellspezifischer Zahlungsbereitschaften, die Visualisierung geschäftsmodellspezifischer Dienstleistungsprozesse sowie die Berechnung relevanter Prozesskosten ermöglichen. Auf Basis dieser – auch auf der Projektwebseite bereitgestellten – Informationen sowie des H2-ServPay-Softwaretools können schließlich konkrete preispolitische Maßnahmen für nachfrageradäquate Geschäftsmodelle produktbegleitender Dienstleistungen erarbeitet werden, die zu einer stärkeren Wettbewerbsdifferenzierung und Wirtschaftlichkeitsorientierung der Industriegüterunternehmen – insbesondere bei der Vermarktung hybrider Leistungsbündel – beitragen sollen.
1.2 Grundlagen hybrider Leistungsbündel In der Praxis werden häufig Kombinationen von Investitionsgütern, also materiellen Gebrauchsgütern wie Maschinen und Anlagen, die beim Abnehmer meist mit dem Zweck der langfristigen Unterstützung der Leistungserstellung beschafft werden, und industriellen Dienstleistungen in unterschiedlichen Geschäftsmodellen vermarktet.8 Demnach sollen diese Kombinationen im Folgenden auch den Fokus der weiteren Untersuchung bilden. Die Investitionsgüter, die auch als Sachleistung, Produkt oder Kernprodukt bezeichnet werden können, bilden dabei den physischen Kern der investiven Leistung (Forschner 1989, S. 9). Die Geschäftsmodelle können auf einem Kontinuum von einer einfachen Anreicherung des Produktes um Einzeldienstleistungen (tendenziell eher klassische Produktorientierung) bis hin zu komplexen Performance Contracting-Angeboten 8
Sofern Kombinationen von industriellen Leistungen am Markt angeboten werden, so stellt eine Anreicherung von Produktionsgütern, also materiellen Verbrauchsgütern in Form von Roh-, Hilfs-, Betriebs- und Einsatzstoffen, um industrielle Dienstleistungen eher den Ausnahmefall dar. Im Folgenden wird deshalb auf die Betrachtung dieser Kombinationen aus Produktionsgütern und industriellen Dienstleistungen verzichtet.
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1 Hybride Leistungsbündel
(Extremform der Kundennutzen- und Lösungsorientierung) reichen. Als Geschäftsmodell kann in diesem Zusammenhang das „Ergebnis eines komplexen Planungsprozesses zur Etablierung einer Geschäftstätigkeit“ bezeichnet werden, das durch die drei Bestandteile (Kunden-) Nutzenstiftung, Erlösmodell und Architektur der Wertschöpfung beschrieben werden kann (Ahlert et al. 2001; Stähler 2002, S. 41 ff). Die Architektur der Wertschöpfung gibt Auskunft über die Gestaltung der Produkt-, Leistungs- und Informationsströme zur Realisierung des Geschäftsmodells und beinhaltet somit die am Markt angebotenen Kombinationen aus Investitionsgütern und industriellen Dienstleistungen. Führt eine dieser Kombinationen zu einem im Wettbewerb überlegenen Nutzen für den Kunden (Nutzenstiftung), so äußert sich darin der angestrebte Wettbewerbsvorteil des Geschäftsmodells. Dieser Wettbewerbsvorteil kann wiederum durch ein adäquates Erlösmodell in einmalige oder wiederkehrende Erlöse für das Unternehmen überführt werden, wodurch aus Sicht des Anbieters der Wert und die Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells determiniert wird. Die Architektur der Wertschöpfung kann dabei so ausgestaltet sein, dass Investitionsgüter und industrielle Dienstleistungen ausschließlich getrennt voneinander angeboten werden. Will ein Nachfrager neben einem Investitionsgut ebenfalls industrielle Dienstleistungen in Anspruch nehmen, so muss er diese Leistungen eigenständig zu einem Leistungsbündel integrieren. Diese Form der Vermarktung stellte zu Beginn der Verbreitung industrieller Dienstleistungen am Anfang der 1990er Jahre zunächst noch den Regelfall dar. Aus diesem Grund soll diese Angebotsform im Folgenden auch als klassisches Angebot bezeichnet werden. Wie Abb. 1.1 zeigt, handelt es sich hierbei um ein produktorientiertes Geschäftsmodell, in dem die industriellen Dienstleistungen vom Anbieter lediglich parallel zu den Investitionsgütern angeboten werden. Aufgrund der in der Vergangenheit zu beobachtenden zunehmenden Vergleichbarkeit und Austauschbarkeit von Einzelleistungen geht dieses klassische Geschäftsmodell mit einem hohen Wettbewerbsund Margendruck einher, der sich bei vielen Einzeldienstleistungen in einem tendenziell geringen Kundennutzen und folglich in niedrigen oder z. T. sogar nicht vorhandenen Zahlungsbereitschaften niederschlägt.9
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Dies gilt mittlerweile sowohl für Investitionsgüter als auch für klassische industrielle Dienstleistungen (Matthyssens, Vandenbempt 2008; Ploetner 2008 sowie Voeth, Gawantka 2005).
1.2 Grundlagen hybrider Leistungsbündel
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Abb. 1.1: Stufenmodell für Geschäftsmodelle industrieller Leistungen (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Meier et al. 2005.)
Im Gegensatz dazu erfolgt die gezielte Kombination von Investitionsgut10 und industriellen Dienstleistungen bei den hybriden Leistungsbündeln durch den Anbieter der Leistungen (Burianek et al. 2007, S. 2; Spath, Demuß 2006; Stauss, Bruhn 2007).11 Primäres Ziel der Anbieter ist es dabei, durch die individualisierte und kundenorientierte Entwicklung, Modifikation oder Integration materieller oder immaterieller Bündelbestandteile die Summe des separaten Kundennutzens der einzelnen Leistungsbestandteile zu steigern (Johansson et al. 2003; Kersten et al. 2006).12 So soll eine kundenspezifische Lösung geschaffen werden, die dem Anbieter einen Ausweg aus der wachsenden Vergleichbarkeit von Produkten und Dienstleistungen bietet und dem Kunden die Konzentration auf seine Kernkompetenzen sowie die Verschlankung seiner Wertschöpfungsarchitektur ermöglicht. Die Integrativität stellt dabei nicht nur die technisch-organisatorische Zusammenführung einzelner Leistungsbestandteile, sondern auch deren Einbettung in die Wertschöpfungsprozesse des Kunden sicher und bildet somit die Basis für die Ge10
Hierbei kann der Begriff „Investitionsgut“ potenziell auch mehrere Maschinen oder Anlagen umfassen und ist somit gleichbedeutend mit den materiellen Leistungsbestandteilen des hybriden Produkts. 11 Für einen Überblick über weitere und z. T. abweichende Definitionen des Begriffs hybride Produkte vgl. Schmitz 2008. 12 Die Individualisierung kann aus diesem Grund als ein konstitutives Merkmal hybrider Produkte festgesetzt werden.
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1 Hybride Leistungsbündel
nerierung eines umfangreichen Kundennutzens. Aus Anbietersicht kann dieser wiederum einen Wettbewerbsvorteil mit sich bringen, der sich in einem umfangreichen Erlöspotenzial niederschlagen kann (Johansson et al. 2003). Dieses Potenzial kann durch die Gewährung zusätzlicher Leistungsgarantien, wie sie in den verfügbarkeits- und ergebnisorientierten Geschäftsmodellen vorzufinden sind, weiter gesteigert werden (Backhaus, Kleikamp 2001; Böhmann, Krcmar 2006; Linder 2004). Folgt man dem Kontinuum vom produkt- hin zum ergebnisorientierten Geschäftsmodell, so steigt das Ausmaß organisatorischer Herausforderungen kontinuierlich an und kann in erster Linie durch die Ausweitung des Angebots industrieller Dienstleistungen begründet werden. Industrielle Dienstleistungen umspannen mittlerweile den gesamten Lebenszyklus der materiellen Leistungsbestandteile und gehen zum Teil auch darüber hinaus (Blinn et al. 2008; Meier et al. 2006),13 sodasss das materielle Kernangebot bis hin zum ergebnisorientierten Geschäftsmodell zunehmend von immateriellen Leistungsbestandteilen dominiert wird. Deren spezifische Vermarktungscharakteristika erfordern von den traditionell produktgeprägten Industrieunternehmen den Aufbau neuartiger Kompetenzen. Können diese nicht oder nicht in ausreichendem Umfang aufgebaut und umgesetzt werden, so können durch die Immaterialität der Leistungen Probleme hervorgerufen werden: Aufgrund des hohen Anteils an Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften kann der Nachfrager die Qualität immaterieller Leistungen vor dem Kauf kaum zuverlässig beurteilen, sodass hierdurch ein erhöhtes Kaufrisiko beim Nachfrager resultiert (Engelhardt et al. 1993). Anbieterseitig gilt es, dieser Unsicherheit und der dadurch bedingten Informationsasymmetrien durch geeignete Marketingmaßnahmen wie beispielsweise glaubhaft gemachter Zusicherungen von Leistungsversprechen oder Referenzdarstellungen zu begegnen. Eine weitere herausfordernde Leistungseigenschaft hybrider Leistungsbündel resultiert aus dem konstitutiven Merkmal der Integration der nachfragenden Organisation als externer Faktor (Engelhardt, Reckenfelderbäumer 2006). Die Integration der nachfragenden Organisation wirkt aus Sicht des Anbieters komplexitätssteigernd, da die industriellen Dienstleistungen im Erstellungsprozess in die laufenden Wertschöpfungsprozesse des Nachfragers integriert werden müssen (Engelhardt et al. 1993; Kleinaltenkamp 1996; Reckenfelderbäumer 2002).14 Obwohl die Bestrebungen der Praxis auch in Richtung Standardisierung und Automatisierung von Dienstleistungen gehen (Dienstleistungseffizienz) (Böhmann,
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Dabei erfolgt häufig eine Unterscheidung in Pre-, At- und After-Sales Services (Kleinaltenkamp et al. 2004). Diese können z. B. Leistungen für die Integration, die Wartung, den Betrieb oder die Finanzierung von Investitionsgütern umfassen. 14 Die integrative Leistungserstellung von Anbieter und Nachfrager wird auch als „Co-Creation of Value“ bezeichnet (Gronroos 2006).
1.2 Grundlagen hybrider Leistungsbündel
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Krcmar 2007 oder Scheer et al. 2006),15 ergibt sich aus der Integration des Nachfragers in der Regel eine auftragsindividuelle Ausgestaltung der immateriellen Leistungsbestandteile. Besondere Relevanz erhält diese Integration bei der Erbringung hybrider Leistungsbündel dadurch, dass der Kunde bereits in die dem Kauf vorgelagerten Planungs- und Entwicklungsphasen einbezogen werden muss, um eine entsprechende Anpassung des Leistungsbündels an die spezifischen Kundenbedürfnisse sicherzustellen (Mack, Mildenberger 2003; Reichwald, Piller 2002). Weitere Probleme ergeben sich aus der Eigenschaft, dass die immateriellen Leistungsbestandteile eines hybriden Leistungsbündels im Gegensatz zu den materiellen Bestandteilen nicht lagerfähig sind. Die Endkombination von materiellen und immateriellen Leistungsbestandteilen durch den Anbieter und die Leistungsinanspruchnahme durch den Nachfrager müssen aus diesem Grund zeitgleich erfolgen (Uno-acto-Prinzip) (Spath, Demuß 2006), wodurch die Verfügbarkeit der immateriellen Leistungen als ein zentraler Erfolgsfaktor identifiziert werden kann. Zusammenfassend werden den Geschäftsmodellen hybrider Leistungsbündel aufgrund des hohen Individualisierungsgrades umfangreiche Potenziale zur Erlösund Kundennutzengenerierung, aber auch zahlreiche Probleme bei der Umsetzung zugesprochen. Aus diesem Grund kann bei einzelnen industriellen Dienstleistungen mit Differenzierungspotenzial aus Wirtschaftlichkeitsgründen auch die separate Leistungserbringung durchaus sinnvoll sein. Aufgrund des hohen Margenund Konkurrenzdrucks bei den produktorientierten Geschäftsmodellen wird allerdings in vielen Fällen das Angebot hybrider Leistungsbündel als der einzig zielführende Weg zur nachhaltigen Unternehmenssicherung gesehen, sodass die Vermarktung hybrider Leistungsbündel in der Praxis zunehmend an Bedeutung gewonnen hat (Lay, Schröter 2006; Meier et al. 2006 oder Tuli et al. 2007). So gaben beispielsweise in einer deutschlandweiten Untersuchung über 90% der befragten Unternehmen an, dass das Angebot kundenspezifischer ProduktDienstleistungskombinationen sowohl ein Differenzierungsinstrument im Wettbewerb als auch einen zentralen Treiber des Markterfolges darstellt (Sturm et al. 2007, S. 18 ff.). Nahezu 90% gehen zudem davon aus, dass diese individuellen Lösungen zukünftig noch stärker nachgefragt werden. Auch wenn die kundenindividuelle Vermarktung hybrider Leistungsbündel somit in der Theorie als „State-of-the-Art“ eingestuft wird, hat sich die Umsetzung dieser Denkweise aufgrund der zahlreichen Problembereiche in der Praxis noch nicht umfassend etabliert. So geben in der gleichen Untersuchung nur ca. ein Drittel der Befragten an, dass sie sich selbst uneingeschränkt als Lösungsanbieter verstehen, während bei weiteren knapp 50% zumindest eine Tendenz in diese Richtung besteht. Auch wenn die Potenziale hybrider Leistungsbündel folglich
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Beispielsweise wird die Anreicherung des Kernprodukts um standardisierte Dienstleistungen von PILLER im Rahmen der Mass Customization, also der „maßgeschneiderten Massenfertigung“ (Pine 1994, S. 7), als Soft Customization bezeichnet (Piller 2006, S. 219).
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1 Hybride Leistungsbündel
weitgehend erkannt wurden, ist der Weg zur Realisierung dieser Potenziale von den Unternehmen erst teilweise beschritten worden. Ein Grund hierfür dürfte darin liegen, dass es vielen Unternehmen schwer fällt, das eigene Dienstleistungsangebot systematisch zu beschreiben (Backhaus et al. 2007a). Diese Feststellung erscheint angesichts des derzeitigen Stands der Entwicklung von Modellierungstechniken zur Beschreibung hybrider Leistungsbündel durchaus plausibel. Die methodische Unterstützung der Spezifikation von Sachleistungen ist seit langem Gegenstand der Ingenieurswissenschaften, was sich insbesondere in einem hohen Standardisierungsgrad ausgewirkt hat. Für die Beschreibung von Sachleistungen hat insbesondere STEP (ISO 10303-41: Fundaments of Product Description and Support; ISO 10303-42: Geometric and Topological Representation; ISO 10303-46: Visual Presentation) besondere Bedeutung erlangt (Anderl, Trippner 2000; ProSTEP 2007). Eine Übertragung der Prinzipien der Produktentwicklung auf den Bereich der Dienstleistungen wird erst seit den 1990er -Jahren unter dem Schlagwort „Service Engineering“ verstärkt verfolgt. Seitdem sind eine Vielzahl von Modellierungstechniken für Dienstleistungen vorgeschlagen worden (Klein 2007; Kunau et al. 2005; Corsten, Gössinger 2003; Klein et al. 2003; Winkelmann, Luczak 2006; Luczak 1991; Dangelmaier, Hamoudia 2002; Shostack 1982; für eine ausführliche Übersicht Becker et al. 2010; Emmrich 2005). Eine mit dem Bereich der Sachleistungsentwicklung vergleichbare Konsolidierung der Spezifikationsansätze kann für den Dienstleistungsbereich nicht erkannt werden. Die Modellierung hybrider Leistungsbündel kann als nächste Stufe dieser Entwicklung angesehen werden, auf der die Ansätze der Entwicklung von Sachgütern und Dienstleistungen integriert werden. Die unterschiedlichen Entwicklungsgrade der zugrunde liegenden Modellierungsbereiche erschweren dabei die Herausbildung allgemein akzeptierter Ansätze für die Modellierung hybrider Leistungsbündel, woraus sich die Schwierigkeiten der Praxis bei der Beschreibung hybrider Leistungsbündel plausibilisieren lassen. Zwar wurden in jüngerer Vergangenheit vermehrt entsprechende Modellierungsansätze vorgestellt, jedoch fehlt ihnen in der Regel noch die Erprobung bzw. Etablierung in der unternehmerischen Praxis (Botta 2007; Emmrich 2005; Shostack 1977; Scheer et al. 2006; Morelli 2002; Meiren 2001). Mit H2-ServPay wird im Folgenden ein softwarewerkzeugunterstützter Modellierungsansatz vorgestellt, der es der Unternehmenspraxis ermöglicht, hybride Leistungsbündel facettenreich zu beschreiben. Damit wird die Grundlage für eine strukturierte Planung der Vermarktung hybrider Leistungsbündel gelegt.H2ServPay zeichnet sich gegenüber anderen Modellierungsansätzen dadurch aus, dass die Leistungsbündelstruktur integriert aus Anbieter und Nachfragersicht abgebildet wird. Die Fortschrittlichkeit des Ansatzes zeigt sich insbesondere darin, dass er sich nicht auf die Darstellung struktureller Aspekte beschränkt, sondern die Nutzung der Modelle zur Abbildung der ökonomischen Konsequenzen ermög-
1.2 Grundlagen hybrider Leistungsbündel
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licht, um eine umfassende Entscheidungsunterstützung der wirtschaftlichkeitsorientierten Vermarktung hybrider Leistungsbündel zu gewährleisten. Die Erweiterbarkeit von H2-ServPay stellt zudem sicher, dass sich zusätzlich abzubildende Aspekte, z. B. die Wettbewerbersicht, verhältnismäßig unproblematisch ergänzen lassen.
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Der KKV® als Orientierungsrahmen für das Management hybrider Leistungsbündel
In hybriden Leistungsbündeln werden industrielle Dienstleistungen genutzt, um das Gesamtleistungsangebot gegenüber der Konkurrenz zu differenzieren und gleichzeitig Markteintrittsbarrieren für neue Wettbewerber aufzubauen (Homburg et al. 2000). Der Prozess der Gestaltung hybrider Leistungsbündel mit dem Ziel der Erstellung eines Lösungsangebots erfolgt in der Praxis – Ausnahmen bestätigen die Regel – noch weitgehend unsystematisch und reaktiv. Für hybride Leistungsbündel gilt aber, dass sich Markterfolge nur dann erzielen lassen, wenn durch die Verknüpfung von Investitionsgütern und industriellen Dienstleistungen eine Vorteilsposition erzeugt werden kann. Wird die Vorteilsposition hingegen durch die separate Vermarktung einzelner Dienstleistungen erzeugt, so kann auch das klassische, produktbegleitende Dienstleistungsangebot zielführend sein. Im Folgenden soll dargestellt werden, woran dieser Vorteil konkret festgemacht werden kann (Backhaus 2006).
2.1 Kundenvorteil, Netto-Nutzen-Vorteil, Value Proposition, USP oder KKV®? Es ist unbestritten: Die erfolgreiche Vermarktung hybrider Leistungsbündel erfordert eine ausgeprägte Kundenorientierung. Die Literatur hat gezeigt, dass Kundenorientierung ein theoretisches Konstrukt ist, das in vielfältiger Weise interpretiert werden kann (Albers, Eggert 1988). Die Forderung nach Kundenorientierung manifestiert sich meistens darin, dass alle marktrelevanten Maßnahmen unter dem Postulat der Verbesserung des Kundennutzens gesehen werden (Hanan, Karp 1991). Ziel ist es, einen Kundenvorteil zu erlangen (Große-Oetringhaus 1990; Plinke 2000). Der Kundenvorteil ist dann gegeben, wenn der Nutzen, den ein Nachfrager aus dem hybriden Leistungsangebot zieht, größer ist als der Preis, den er dafür zahlen muss. Plinke (2000) bezeichnet dies als Netto-Nutzen-Vorteil. In einer Welt mit dynamischem Wettbewerb reicht ein so definierter NettoNutzen-Vorteil jedoch nicht aus, um erfolgreich zu bestehen. Vielmehr erfordert das Konstrukt des Netto-Nutzens eine Erweiterung um die Wettbewerbskomponente. Der positive Netto-Nutzen für den Nachfrager ist eine notwendige Bedingung, damit das Angebot des betrachteten Anbieters A überhaupt als kaufrelevant betrachtet wird. Ob der Netto-Nutzen-Vorteil hinreichend ist, wird durch einen Vergleich mit den Netto-Nutzen-Vorteilen der relevanten Konkurrenzangebote bestimmt. Ein Nachfrager wird sich nämlich für den Anbieter entscheiden, der den höchsten Netto-Nutzen-Vorteil glaubhaft vermitteln kann. Das entscheidende Merkmal für das erfolgreiche Bestehen im Wettbewerb ist somit nicht der Kun-
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2 Der KKV® als Orientierungsrahmen
den- oder Netto-Nutzen-Vorteil, sondern der relative Kundenvorteil, oder die Netto-Nutzen-Differenz. Abb. 2.1 stellt die Überlegung in Anlehnung an Plinke (2000) noch einmal grafisch dar.
Abb. 2.1: Relativer Kundenvorteil/Netto-Nutzen-Differenz zweier Konkurrenzalternativen
Aus der Sicht des Kunden wird in Abb. 2.1 dem empfundenen Nutzen des Angebots eines hybriden Leistungsbündels (Nutzenlinie) der zu zahlende Preis gegenübergestellt. Dabei wird deutlich: K liegt im Angebotspreis leicht höher als A. Die relevanten Nachfrager empfinden einen Nutzen bei K genau in Höhe der entstehenden Kosten, sodass K mit den Kosten seiner Gesamtleistung beim Kunden exakt den empfundenen Nutzen „abschöpft“. Das Angebot von A erzeugt dagegen einen höheren Nutzen bei niedrigeren Gesamtkosten. Die Netto-Nutzen-Differenz zwischen A und K entspricht somit dem grau unterlegten Bereich. Die Trennlinie im grau unterlegten Bereich zeigt, dass sich der Netto-Nutzen-Vorteil aus zwei Komponenten zusammensetzt: Aus einer Netto-Nutzen-Differenz im engeren Sinne und einer vom Käufer empfundenen Kostendifferenz. Die Idee, das Konstrukt des Kundenvorteils zum zentralen Effektivitätskriterium für die Gestaltung von hybriden Leistungsbündeln zu machen und ihm damit die Navigatorfunktion im Marketing zuzuweisen, ist im Prinzip nicht neu, sondern wurde schon 1960 von Reeves (1963, dt. Fassung) mit dem Begriff „USP“ und später von Ries und Trout (1981) in den 1980er-Jahren aufgegriffen. Das Akronym USP, das für das Konstrukt der Unique Selling Proposition steht, beschreibt
2.1 Kundenvorteil, Netto-Nutzen-Vorteil, Value Proposition, USP oder KKV®?
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die Suche nach den Alleinstellungsmerkmalen eines Leistungsangebotes. Da eine USP in der Wahrnehmungswelt der Nachfrage bestehen muss, beschreibt das Konstrukt der Unique Selling Proposition im Prinzip nichts anderes als eine Komponente des Netto-Nutzen-Differenz-Konzepts, nämlich die Nutzendifferenz. Der Vergleich zu dem dafür zu zahlenden Preis bzw. der entstehenden Folgekosten fehlt jedoch. Wir halten deshalb fest: Kundenvorteil und Netto-Nutzen beschreiben identische Sachverhalte. Sie sind dem Konstrukt der USP insofern überlegen, als dass sie nicht nur auf die Einzigartigkeiten eines Leistungsangebotes abstellen, sondern zusätzlich den notwendigen Preisvergleich mit einbeziehen. In einer Welt mit Wettbewerb reicht jedoch ein Kundenvorteil bzw. positiver Netto-Nutzen nicht aus: Der Kundenvorteil bzw. Netto-Nutzen muss größer sein als der des besten Wettbewerbers. Die Netto-Nutzen-Differenz oder der relative Kundenvorteil sind also kaufentscheidend. Das Konstrukt der USP betont zwar diesen Wettbewerbsbezug, berücksichtigt aber nicht die für den Kunden dafür aufzubringenden entscheidungsrelevanten Kosten. Seit einiger Zeit beschäftigt sich die Literatur mit einem neuen theoretischen Konstrukt, das als Value Proposition bezeichnet wird. Anderson, Narus, Narayandas (2008, S. 6) definieren präzise, was eine Value Proposition ausdrückt: „Value [..] ist der Wert von ökonomischen, technischen, dienstleistungsbezogenen und sozialen Nutzenelementen, die ein Nachfrager im Austausch für den gezahlten Preis bekommt – ausgedrückt in Geldeinheiten“. Nach Anderson et al. definieren drei Merkmale das neue Value Konzept: 1. Der Wert des Leistungsangebotes wird in Geldeinheiten gemessen: „Economists may care about ‚utils’, but we have never met a manager who did.“ (Anderson et al. 2008, S. 6). 2. „Value is what a customer gets in exchange for the price it pays” (Anderson et al. 2008, S. 6). Ein Marktangebot besteht somit aus zwei Elementen: Value und Preis und entspricht damit dem Kunden- bzw. Netto-Nutzen-Vorteil. 3. Für eine Wettbewerbssituation ist diese Value Proposition noch zu relativieren. Im Wettbewerbsfall lautet die fundamentale Value-Gleichung: (Value(A) Preis(A)) > (Value(K) - Preis(K)). Dies entspricht dem Konstrukt des relativen Konkurrenzvorteils bzw. der Netto-Nutzen-Differenz. Versucht man, das Konstrukt der kaufrelevanten Value Proposition in unsere Überlegungen zu integrieren, dann wird deutlich, dass die Neuerung dieses Konstrukts nicht in der Grundüberlegung selbst begründet ist – es geht um die konkurrenzbezogene, wahrgenommene (Mehr-) Nutzenstiftung eines Leistungsangebots im Vergleich zu den entstehenden Kosten für den Nachfrager –, sondern vielmehr darin, dass der Anbieter aufgefordert wird, sich explizit Gedanken darüber zu machen, worin der durch das hybride Leistungsbündel zur Verfügung gestellte Nutzen besteht und was er in metrischen Größen, nämlich Geldeinheiten, für den Kunden wert ist. Gelingt dies, dann kann der Anbieter dem Nachfrager „argu-
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2 Der KKV® als Orientierungsrahmen
mentspezifisch vorrechnen“, was ihm die jeweiligen Teilleistungen quantitativ erbringen, sodass der relative Konkurrenzvorteil quantifizierbar wird. Die Bedeutung des Value-Konzeptes steht und fällt damit mit der Möglichkeit, den gelieferten Value dem Kunden gegenüber quantifizieren und glaubhaft vermitteln zu können. Anderson et al. entwickeln zu diesem Zweck eine Toolbox, die zur ValueQuantifizierung eingesetzt werden kann (Anderson et al. 1993). Es ist insbesondere der Verdienst von Plinke (2000), darauf hingewiesen zu haben, dass für Zwecke der marktorientierten Unternehmensführung die Kundenperspektive um eine Anbieterperspektive zu ergänzen ist. Dazu führt er den Begriff des Wettbewerbsvorteils ein. Ein Wettbewerbsvorteil setzt sich nach Plinke aus einem Kunden- und einem Anbietervorteil zusammen. Der Anbietervorteil bei Plinke ist ebenfalls eine relative Größe. Ist ein Anbieter in der Lage, ein gegebenes Leistungsangebot günstiger zu erbringen als die relevanten Konkurrenten, so verfügt dieser Anbieter über einen Anbietervorteil. „Ein Anbieter, der einen Kostenvorteil hat, wird bei gleichen Preisen höhere Gewinne erzielen als seine Wettbewerber, er wird bei niedrigeren Preisen den Marktanteil vergrößern, was wiederum seinen Kostenvorteil festigt und die Voraussetzungen für höhere Gewinne schafft.“ (Plinke 2000, S. 81 f.). Allerdings: Anbietervorteile verbessern die Wettbewerbsposition in Bezug auf die Kunden nicht unmittelbar. Die Wettbewerbsposition bleibt in den Augen der Nachfrager unverändert. Erst wenn der Anbieter seinen Anbietervorteil zumindest partiell an die Kunden weitergibt, ergibt sich eine Verbesserung der Position gegenüber dem Kunden. Dann muss aber sichergestellt sein, dass der (relative) Anbietervorteil auch in absoluten Größen wirtschaftlich ist (absoluter Effizienzvorteil). Ist dies der Fall, verfügt ein Leistungsangebot über einen Komparativen Konkurrenzvorteil (KKV®). Das Konstrukt des KKVs® stellt also auf das Spannungsverhältnis zwischen Effektivitäts- und Effizienzdimension ab (Backhaus, Voeth 2007, S. 23 ff.). Es adressiert damit die zentrale dauerhafte Existenzgrundlage eines Unternehmens. Nur wer im Wettbewerb hocheffektiv und gleichzeitig effizient ist, wird den Wettbewerb überleben. Der KKV® wird damit zum Navigator im dynamischen Wettbewerb. Effektiv zu sein heißt, dem (potenziellen) Kunden quantifizierbare (Mehr-) Werte anzubieten, also kaufrelevante Value Propositions aufzubauen, die aber preislich so abgeschöpft werden können, dass ein Netto-Nutzen-Vorteil für den Nachfrager verbleibt und gleichzeitig der Anbieter entsprechende Gewinne erzielt. Ein Unternehmen ohne Effektivität beim Kunden, also ohne signifikanten Value Proposition-Vorteil, begibt sich in die Gefahr eines Preiskampfes, der sowohl bei zahlreichen Investitionsgütern als auch bei vielen separat vermarkteten produktbegleitenden Dienstleistungen vorzufinden ist. Dieser Preiskampf kann so ruinös werden, dass er die Effizienzbasis eines Unternehmens zerstört. Aber Unternehmen, die über einen positiven Value Proposition-Vorteil verfügen, müssen auch die Effizienzseite beherrschen, sonst verschenken sie möglicherweise Erlöspotenzial.
2.2 Die Marketing-Navigatoren im Vergleich
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2.2 Die Marketing-Navigatoren im Vergleich In vielen Literaturbeiträgen wird Marketing immer noch mit dem Konstrukt Kundenorientierung umschrieben. Manche Autoren erheben gar die Erfüllung der Kundenwünsche zum generellen Leitprinzip (Nagel, Rasner 1996, S. 16). Dies beschreibt aber nur eine Seite der Medaille, die Effektivitätsdimension. Das Konzept der Value Proposition hat die Effektivitätsdiskussion insofern bereichert, als Methoden hervorgebracht wurden, die es dem vermarktenden Unternehmen ermöglichen, die bereit gestellten Werte für den Nachfrager argumentativ zu differenzieren und zu quantifizieren. Diese in Geldeinheiten gemessene Value Proposition kann nun direkt zu den dem Nachfrager entstehenden Kosten in Beziehung gesetzt werden, um die Vorteilhaftigkeit für den Kunden deutlich zu machen (Kundenvorteil). Dies schafft eine Brücke zur Effizienzüberlegung, bei der die Wirtschaftlichkeit des Leistungsangebotes aus Anbietersicht sichergestellt wird. Die gleichzeitige Betrachtung von Effektivitäts- und Effizienzdimension bei der Vorteilsdimension bezeichnen wir als KKV®-Perspektiven. Warum ist diese Abgrenzung wichtig? Sie ist wichtig, weil sie den Blick dafür schärft, worauf der Fokus bei der Vermarktung von hybriden Leistungsbündeln liegen sollte: Es sollte eben nicht nur um die Maximierung der Effektivität des Mitteleinsatzes, sondern gleichzeitig um die Beachtung der Effizienzbedingungen gehen. Insbesondere im Zuge des verschärften Margendrucks im eigentlichen Kerngeschäft – der Investitionsgüter – wird die Forderung nach einer effizienten Erbringung der bisher oftmals kostenlos erbrachten industriellen Dienstleistungen laut. So sieht sich die Dienstleistungssparte in vielen Unternehmen zunehmend der Forderung gegenüber, den Wertbeitrag der eigenen Aktivitäten zu belegen und kundenseitig in entsprechende Einzahlungen zu überführen. Dazu leistet das Konstrukt der Value Proposition einen wichtigen Beitrag, in dem es den relativen Kundenvorteil argumentativ zu differenzieren und zu quantifizieren versucht. Dies wiederum schafft die Basis dafür, quantifizierte Netto-Nutzen-Differenzen z. B. preispolitisch besser auszunutzen. Abb. 2.2 zeigt im Vergleich zu Abb. 2.1 den Preisspielraum bei quantifizierten Netto-Nutzen-Differenzen. Es geht darum, so viel von den Netto-Nutzen-Differenzen abzuschöpfen, dass die verbleibenden NettoNutzen-Differenzen noch so groß sind, dass die Nachfrager das Angebot als deutlich vorteilhaft ansehen (vgl Abb. 2.2).
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2 Der KKV® als Orientierungsrahmen
Abb. 2.2: Abschöpfung des Netto-Nutzen-Vorteils
Unternehmen, die ihre Vermarktungsanstrengungen an dem in Abb. 2.2 dargestellten und beschriebenen Navigator orientieren, bezeichnen wir als Unternehmen, die konsequent marktorientiert handeln. In Bezug auf die Vermarktung hybrider Leistungsbündel kann somit festgehalten werden: industrielle Dienstleistungen sollten in Kombination mit den Investitionsgütern genau in dem Geschäftsmodell angeboten werden, bei dem sichergestellt ist, dass hierdurch eine KKV®-Position des Unternehmens erreicht werden kann.
2.3 Vermarktung hybrider Leistungsbündel als Management von KKVs® Die Managementausrichtung auf Entwicklung, Ausbau und Verteidigung von KKV®-Positionen stellt im Regelfall eine große marktpolitische Herausforderung dar. Das liegt im Wesentlichen an der notwendigen Balance zwischen der Effektivitäts- und Effizienzdimension. Es ist eben relativ leicht, Kundenwünsche besser als die Wettbewerber zu erfüllen, wenn man nicht auf die Ergebniswirkungen achten muss. Erst die gleichzeitige Betrachtung von Kundenwunscherfüllung und Erfüllung der Wirtschaftlichkeitsziele macht das KKV®-Management bei der Vermarktung hybrider Leistungsbündel zu einer Gratwanderung.
2.3 Vermarktung hybrider Leistungsbündel als Management von KKVs®
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Was ist zu tun, um bei der Vermarktung hybrider Leistungsbündel eine KKV®Position mit einem positiven Ergebnis für das Unternehmen (Effizienz) und einer positiven Nettonutzendifferenz für den Nachfrager (Effektivität) zu erreichen? Die Beantwortung dieser Frage erfordert die Operationalisierung der KKV®Anforderungen. Abb. 2.3 zeigt in diesem Zusammenhang, welche Merkmale einen KKV® bestimmen.
Abb. 2.3: Anforderungen an einen KKV
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Betrachten wir zunächst die Effektivitätsdimension und damit primär die Nachfragerseite, dann wird deutlich, dass wir von der Existenz eines KKVs® nur dann sprechen können, wenn das hybride Leistungsbündel vom Nachfrager in für ihn bedeutsamen Dimensionen vorteilhafter als die Wettbewerbsangebote wahrgenommen wird. Darüber hinaus muss unter Effizienzgesichtpunkten und damit aus Anbietersicht dieser Vorteil verteidigungsfähig und wirtschaftlich sein. Nur wenn diese anbieter- und nachfragerbezogenen Kriterien gleichzeitig erfüllt sind, sprechen wir von der Existenz eines KKVs® (Backhaus, Voeth 2007, S. 25 ff.). Um aus Nachfragerperspektive eine effektive KKV®-Position zu begründen, muss der Nutzen des Leistungsangebotes eines Anbieters A folglich für den Nachfrager so bedeutsam sein, dass er den Nutzenentgang durch die Kosten, die er aufwenden muss, um die Verfügbarkeit über das Leistungsangebot von A zu erhalten (Kundenvorteil A), größer ist als der Kundenvorteil aller anderen Anbieter. Eine solche Netto-Nutzen-Differenz ist nur dann zu erlangen, wenn das Leistungsangebot den (zentralen) Anforderungen der Kunden Rechnung trägt. Damit sind zwei Problemkreise angesprochen. Zum einen ist dies die Mehrdimensionalität von Kundenanforderungen. Die Anforderungen eines einzelnen Kunden an ein Leistungsangebot werden in aller Regel nicht eindimensional, son-
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2 Der KKV® als Orientierungsrahmen
dern durch die Parallelität mehrerer Anforderungen gekennzeichnet sein, insbesondere bei der komplexen Zusammenstellung von industriellen Dienstleistungen und Investitionsgütern zu hybriden Leistungsbündeln. So wird der Kunde beim Kauf eines hybriden Leistungsbündels neben den für ihn bedeutsamen Anforderungen an die Produktausgestaltung auch Anforderungen an die Ausgestaltung der notwendigen Dienstleistungen (wie bspw. Inbetriebnahme plus 2 Tage Anlaufbetreuung, Ersatzteilverfügbarkeit in 12 Stunden und Intensivschulung) haben. Zum anderen spielt die Heterogenität von Kundenanforderungen eine bedeutsame Rolle. Da Nachfrager auf Industriegütermärkten im Hinblick auf ein spezifisches Leistungsangebot häufig sehr unterschiedliche Anforderungen haben, wird ein Leistungsangebot unter Bedeutsamkeitsaspekten wenig KKV®-Potenzial besitzen, wenn es diesen Heterogenitätsanforderungen nicht Rechnung trägt. Aus diesem Grund wird es im Folgenden die Aufgabe sein, mögliche Geschäftsmodellangebote hybrider Produkte vor dem Hintergrund von Heterogenitätsaspekten zu beurteilen. In diesem Zusammenhang wird im weiteren Verlauf des Buches der Marktsegmentierung und der Zusammenstellung kundenindividueller Angebote eine zentrale Rolle zukommen. Ein Produktvorteil wird darüber hinaus allerdings nur dann zu einem KKV®, wenn er einen wahrgenommenen (deutlichen) Vorteil in mindestens einer für den Kunden bedeutsamen Nutzendimension adressiert. Mit anderen Worten: der Wert einer noch so gut erbrachten industriellen Dienstleistung geht verloren, wenn er vom Nachfrager nicht entsprechend wahrgenommen wird. Offensichtlich ist dabei für die KKV®-Position eines Anbieters nicht die objektive, sondern die informatorische Wahrnehmungsdimension entscheidend. Die Wahrscheinlichkeit einer Abweichung zwischen objektiven Leistungsmerkmalen und der Wahrnehmung dieser Merkmale durch potenzielle Kunden wird dabei von vielen Parametern beeinflusst. So sind beispielsweise Einstellungen als wertende Meinungen gegenüber einem Anbieter zeitlich relativ stabil (Kroeber-Riel et al. 2009, S. 225), was dazu führen kann, dass das aktuelle Leistungsangebot eines Unternehmens unter Umständen deutlich von der durch die Vergangenheit geprägte Einstellung abweicht. Dies ist bei industriellen Dienstleistungen insbesondere durch die Kundenforderungen nach einer kostenlosen Erbringung zu beobachten, weil diese StandardDienstleistungen „in der Vergangenheit schon immer kostenlos erbracht worden sind“. Eine andere Ursache für Abweichungen zwischen objektiver und informatorischer Wahrnehmungsdimension erwächst aus der grundsätzlichen Schwierigkeit für Kunden, den objektiven Leistungsumfang eines Angebots zu beurteilen. Dies ist insbesondere bei hybriden Leistungsbündeln der Fall, die einen hohen Anteil von Erfahrungs- oder Vertrauenseigenschaften aufweisen, d.h. Merkmale besitzen, deren Ausprägung für den Kunden erst nach dem Kauf respektive überhaupt nicht bewertbar ist (Kaas, Busch 1996; Weiber, Adler 1995). Insofern kommt insbesondere bei hybriden Leistungsbündeln der Glaubwürdigkeit des Leistungsverspre-
2.3 Vermarktung hybrider Leistungsbündel als Management von KKVs®
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chens für die Wahrnehmung des Nutzenangebotes eine entscheidende Bedeutung zu. Die Wahrnehmungsdimension des Nutzenvorteils ist aus diesem Grund von zentraler Bedeutung, weil Wahrnehmungsprozesse selektiv und teilweise auch verzerrend sind. Diese Erkenntnis gilt ebenso für Wahrnehmungsprozesse von Anbieterleistungen auf Industriegütermärkten. Nicht die Anbietersicht bzw. die objektiv existierenden Unterschiede von Investitionsgütern oder industriellen Dienstleistungen sind für den KKV® ausschlaggebend, sondern die Kundensicht. Ob und in welcher Höhe ein Kunde wirklich einen Wert (Value) bei einem Leistungsangebot empfindet, ist durch seinen subjektiven Wahrnehmungsprozess gesteuert. Vor diesem Hintergrund gilt es insbesondere auf technisch getriebenen Industriegütermärkten, immer wieder sorgfältig zu prüfen, ob durch die Angabe und Kommunikation technischer Daten wirklich ein KKV® definiert wird oder lediglich ein Produktvorteil. Ein Produktvorteil kennzeichnet eine (technische) Überlegenheit eines Leistungsangebotes gegenüber vergleichbaren Alternativen. Dieser Produktvorteil wird aber erst dann zu einem KKV®, wenn er auch vom Kunden als signifikant nutzenstiftend(er) wahrgenommen wird. Aus Marketingsicht reicht es nicht aus, mögliche Abweichungen zwischen objektiven Leistungsmerkmalen und Kundenwahrnehmung zu beklagen. Vielmehr ist es im Kontext der Wahrnehmungsdimension des KKVs® eine zentrale Aufgabe, das Verhältnis zwischen objektiver und informatorischer Wahrnehmungsdimension systematisch zu analysieren und darauf aufbauend zu managen. In Bezug auf die nachfragerseitige Forderung nach einer kostenlosen Erbringung von industriellen Dienstleistungen kann gefolgert werden, dass der wahre Wert der Dienstleistungen mit hoher Wahrscheinlichkeit oberhalb vom durch den Nachfrager wahrgenommenen Wert liegen wird. Dies kann unmittelbar damit zusammenhängen, dass die kommunikative Aufgabe des Anbieters, dem Kunden den wahren Wert der industriellen Dienstleistungen glaubhaft zu kommunizieren, nicht zufriedenstellend gelöst wurde. Die industrielle Dienstleistung oder das hybride Leistungsbündel leistet also tatsächlich mehr als vom Kunden wahrgenommen wird. Abhilfe kann in diesem Zusammenhang beispielsweise ein Value Calculator schaffen. Hierbei wird versucht, den Kunden durch eine quantitative Nutzenargumentation von der Vorteilhaftigkeit eines Dienstleistungsangebotes zu überzeugen und so gegebenenfalls seine Zahlungsbereitschaft zu erhöhen. Mithilfe eines Value Calculators wird dem Kunden auf Basis von Marktforschungsdaten, Algorithmen und eigenen Angaben der monetäre zeitraumbezogene Nutzen der Inanspruchnahme einer produktbegleitenden Dienstleistung vorgerechnet. Der angegebene Nutzen bietet dem Nachfrager bei Verwendung in einem Verkaufsgespräch einen Referenzpunkt für die eigene Zahlungsbereitschaft und ist bei vorhandener Glaubwürdigkeit des Anbieters in der Lage, das Kaufrisiko beim Nachfrager zu verringern und somit die Zahlungsbereitschaft sowie die
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2 Der KKV® als Orientierungsrahmen
Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme einer Dienstleistung aktiv zu erhöhen. Eine weitere Möglichkeit zur Stärkung der Wahrnehmungsposition hybrider Leistungsbündel in den Augen des Nachfragers stellt der Einsatz von Recommender Systemen dar. Diese individuellen Entscheidungsunterstützungs-Systeme dienen in erster Linie dazu, den Nachfrager durch die Unterbreitung von individuell ausgestalteten Dienstleistungsangeboten und die Versorgung mit personalisierten Informationen bei seiner Kaufentscheidung zu unterstützen und bieten damit eine weitere Möglichkeit zur aktiven Kommunikation und zur Verbesserung der Wahrnehmung produktbegleitender Dienstleistungen. Die Ideen des Value Calculators und der Recommender Systeme als Vermarktungstools werden im weiteren Verlauf des Buches vertieft und an geeigneter Stelle aufgegriffen. Sind die Voraussetzungen in Bezug auf die Wahrnehmungsdimension und die Bedeutsamkeit erfüllt, so ergibt sich für den Anbieter immer dann eine KKV®Position, wenn dieses effektive Leistungsangebot auch effizient ist. Das erfordert einerseits die Verteidigungsfähigkeit des relativen Kundenvorteils, sodass der KKV® dauerhaft ist, verbunden mit einer entsprechenden Wirtschaftlichkeit, die i.d.R. mit dem Grad der Dauerhaftigkeit ansteigt. Damit ein relativer Kundenvorteil für einen Anbieter zum strategischen Vorteil wird, muss dieser Vorteil so weit schützbar sein, dass er nicht kurzfristig erodiert bzw. von der Konkurrenz imitiert wird. So ist eine Preissenkung, die nicht auf einer im Vergleich zum Wettbewerb wesentlich günstigeren Kostenstruktur beruht, kein dauerhafter Konkurrenzvorteil, da Wettbewerber in der Regel sehr schnell und vehement zu reagieren in der Lage sind (Backhaus, Voeth 2007, S. 45). Die Verteidigungsfähigkeit eines KKVs® ist oftmals die Basis dafür, dass dem Effizienzprinzip überhaupt Rechnung getragen werden kann. Verteidigungsfähig sind relative Kundenvorteile immer dann, wenn sie schwer oder gar nicht imitierbar sind. Das gilt bei Investitionsgütern z.B. für Produktinnovationen, die patentrechtlich geschützt sind. Faktisch ist der Schutz dieser Produktinnovation langfristig allerdings kaum möglich, wie es derzeit im Zuge der stark verbreiteten asiatischen Produkt- oder Maschinenpiraterie festzustellen ist. Aus diesem Grund kann die Verteidigungsfähigkeit vielmehr insbesondere durch einzigartige historische Kontextbedingungen sowie durch eine kausale und soziale Komplexität der Leistung positiv beeinflusst werden (Barney 1991). Der einzigartige historische Kontext beschreibt dabei den langfristigen und vergangenheitsbezogenen Prozess, in dem ein KKV® entstanden ist. Der KKV® kann demnach z.B. durch situationsbedingte Lerneffekte in der Vergangenheit wesentlich geprägt worden sein. Versucht ein Konkurrent, die zeitlichen Effekte des somit als pfadabhängig zu bezeichnenden KKVs® in einem kurzen zeitlichen Ablauf zu imitieren, so kann dies zu erheblichen beschleunigungsbedingten Zusatzkosten und höheren Fehlerwahrscheinlichkeiten für die KKV®-Imitation führen (Freiling 2001, S. 139). Weiterhin kann die Verteidigungsfähigkeit in einer kausalen Komplexität begründet liegen. Sofern ein Unternehmen die Imitation eines
2.3 Vermarktung hybrider Leistungsbündel als Management von KKVs®
23
KKVs® anstrebt, bedarf es im Vorfeld der Imitation einer genauen Kenntnis über die kausalen Zusammenhänge zwischen benötigten Ressourcen wie z.B. dem Wissen des Personals oder dem Einsatz von Maschinen oder Spezialwerkzeug und den daraus resultierenden Wettbewerbsvorteilen. Da diese Zusammenhänge meist mehrdeutig sind und selbst durch den KKV®-Eigner nicht oder nur hypothetisch nachvollzogen werden können, wird eine KKV®-Imitation durch Dritte deutlich erschwert. Dies gilt insbesondere bei hybriden Leistungsbündeln, die durch einen hohen Dienstleistungsanteil geprägt sind. Wettbewerbsvorteile basieren in diesem Fall häufig auf dem Faktor Personal und sind daher wesentlich schwieriger zu kopieren als reine Produktleistungen. Das spezifische sowie personen- oder unternehmensgebundene Know-how kann demnach bei der Erbringung hybrider Leistungsbündel einen wesentlichen Beitrag zur Verteidigungsfähigkeit eines KKVs® leisten. Die soziale Komplexität adressiert darüber hinaus das Ausmaß der Interdependenzen zwischen den in einem hybriden Leistungsbündel kombinierten Ressourcen. Ein hohes Ausmaß führt zu einer deutlich erschwerten Imitation der Anbieterleistung, insbesondere bei Leistungen, die sich auf Basis sozialer Beziehungen entwickelt haben. Ein Beispiel für eine häufig genannte sozial komplexe Ressource stellt die Unternehmenskultur dar, die auf vielfältigen sozialen Interaktionsprozessen beruht, nur langfristig verändert werden kann und in Folge nur äußerst schwer imitierbar ist. Ist die Unternehmenskultur dienstleistungs- oder lösungsorientiert ausgerichtet, so kann daraus folglich ein potenziell besonders verteidigungsfähiger KKV® bei der Erbringung hybrider Leistungsbündel resultieren. Eine weitere Möglichkeit zur Sicherung einer umfangreichen Verteidigungsfähigkeit stellen Geschäftsmodellinnovationen dar (Für Beispiele vgl. Grant, Nippa 2006, S. 293 ff.). Relative Kundenvorteile, die durch eine Modifikation eines gesamten Geschäftsmodells entstehen, beinhalten immer mehrdimensionale Vorsprünge. Es entsteht somit nicht nur ein neuer Produktnutzen. Vielmehr unterscheiden sich die Wertschöpfungsarchitekturen zur Generierung dieses Nutzens und unter Umständen auch die Erlösmodelle von denen der Konkurrenz und bieten somit mehrere Vorteile gleichzeitig. Zusammenfassend kann in Bezug auf die Verteidigungsfähigkeit eines industriellen Angebots die folgende Grundregel definiert werden: Je vielschichtiger die Basis des relativen Kundenvorteils ist, desto schwieriger ist er zu imitieren. Diese Grundregel ist an sich allerdings noch zu wenig handfest, um Anbietern von hybriden Leistungsbündeln konkrete Empfehlungen für die Ausgestaltung des Leistungsangebots zu geben. Neben der Definition nachfragergerechter und wettbewerbsdifferenzierender Geschäftsmodelle spielen hierbei vor allem auch solche Erfolgsfaktoren eine Rolle, die mit den einzigartigen historischen Kontextbedingungen und der kausalen und sozialen Komplexität eines Leistungsangebots zusammenhängen. Da der Einfluss derartiger Erfolgsfaktoren auf den tatsächlichen (wirtschaftlichen) Dienstleistungserfolg von Unternehmen bisher noch nicht empi-
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2 Der KKV® als Orientierungsrahmen
risch untersucht worden sind, sollen in Kapitel 3.2 dieses Buches die Ergebnisse einer empirischen Untersuchung zum Thema „Erfolgsfaktoren beim Angebot hybrider Leistungsbündel“ vorgestellt werden. Hieraus können für einen Anbieter wertvolle Stellhebel für die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen für die Erbringung und die Sicherung der Verteidigungsfähigkeit hybrider Leistungsbündel abgeleitet werden. Die Sicherung der Verteidigungsfähigkeit eines KKVs® ist in der Regel Voraussetzung dafür, dass die Effizienzanforderung gewährleistet ist. Die Wirtschaftlichkeitsanforderungen bei der Ausgestaltung eines relativen Kundenvorteils, der ja zunächst alle Ressourcen auf den Kunden ausrichtet, sollen darüber hinaus sicherstellen, dass der Gegenwert, den der Anbieter vom Kunden für seinen Nutzenbeitrag erhält, so groß ist, dass sich das gesamte Angebot hybrider Leistungsbündel rechnet. Denn nur wenn ein angemessener Ergebnisüberschuss erzeugt wird, liegt neben einem Kunden- auch ein Anbietervorteil vor. Dazu vergegenwärtigen wir uns noch einmal einen simplen Zusammenhang: Die Wirtschaftlichkeit für den Anbieter bestimmt sich aus der Differenz zwischen erzielbarem Preis und relevanten Kosten. Die Preisobergrenze wird bestimmt durch die Zahlungsbereitschaft der Nachfrager („bei höheren Preisen steigt der Nachfrager aus!“), während die Preisuntergrenze durch die relevanten Kosten determiniert ist („liegt der Preis unter den Kosten, steigt der Anbieter aus!“). Wie Abb. 2.4 zeigt, gilt es, diesen Preiskorridor unter Berücksichtigung der Wettbewerberpreise auszunutzen. Während die Wettbewerberpreise beobachtbar sind, ist die Kostensituation auf Anbieterseite zu definieren und die Zahlungsbereitschaft als theoretisches Konstrukt zu operationalisieren und empirisch zu ermitteln.
2.3 Vermarktung hybrider Leistungsbündel als Management von KKVs®
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Abb. 2.4: Schema zur Herleitung eines relevanten Preiskorridors
Expertengespräche haben gezeigt, dass aus Sicht vieler Anbieter hybrider Leistungsbündel schon die Schaffung einer ausreichenden Kostentransparenz zur Bestimmung der Preisuntergrenze für die Erbringung industrieller Dienstleistungen eine praktische Herausforderung darstellt. Aus diesem Grund haben wir im Rahmen des ServPay-Projektes ein Softwaretool zur systematischen Unterstützung der Kostenbestimmung produktbegleitender Dienstleistungen entwickelt, dessen Funktionsweise in Kapitel 3.3 dieses Buches dargestellt wird. Um der Wirtschaftlichkeitsprämisse des KKVs® gerecht werden zu können, wird in der industriellen Praxis der Preis häufig durch einen prozentualen Aufschlag auf die ermittelten Kosten bestimmt. Dass durch diese Preisbestimmung allerdings Ergebnispotenziale verloren gehen, wird mit Blick auf Abb. 2.4 unmittelbar deutlich: Führt der prozentuale Aufschlag auf die Kosten zu einem Preis, der weit unterhalb des niedrigsten Wettbewerberpreises (2) und somit auch unter den Zahlungsbereitschaften des Nachfragers liegt, so hätte auf dem Markt bei gleichbleibender Absatzmenge ein höherer Preis und somit eine höhere Rendite erzielt werden können. Liegt der Preis durch den prozentualen Aufschlag auf die Kosten demgegenüber oberhalb der Zahlungsbereitschaft des Nachfragers, so wird der Nachfrager von einem Kauf des hybriden Leistungsbündels absehen und das Leis-
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2 Der KKV® als Orientierungsrahmen
tungsbündel von einem Wettbewerber beziehen, sodass dies zu Umsatzeinbußen führen würde. Dieses kleine Beispiel macht deutlich, dass die Wirtschaftlichkeitsperspektive des KKVs® nur dann bestmöglich befriedigt werden kann, wenn die kostenorientierte Preisbestimmung (Inside-Out-Perspektive) durch eine marktorientierte Preisbestimmung (Outside-In-Perspektive) ergänzt wird. Unterstellt man dabei, dass ein Nachfrager zwischen verschiedenen Alternativen hybrider Leistungsbündel wählen kann, so wird er sich für die Alternative entscheiden, die aus seiner Sicht den höchsten Netto-Nutzen (also die Differenz aus der Summe der Nutzenelemente und dem Preis) generiert. Die Preissetzung des Anbieters sollte also zu einer vom Nachfrager wahrgenommenen Netto-Nutzen-Differenz gegenüber den relevanten Konkurrenzangeboten führen. Eine optimale Preissetzung verbindet folglich die Aufrechterhaltung einer positiven Netto-Nutzen-Differenz mit einer möglichst hohen Abschöpfung der Konsumentenrente. Somit sollte die Preisbestimmung neben der Kostenkalkulation an zwei weiteren Größen ausgerichtet sein: Dem wahrgenommenen Wert eines hybriden Produktes aus Nachfragersicht (Value), der sich aus ökonomischen, technischen, dienstleistungsbezogenen oder sozialen Nutzenelementen zusammensetzen kann (Anderson et al. 2008, S. 6) und dem Wettbewerberpreis für ein vergleichbares Angebot. Während der Wettbewerberpreis für ein vergleichbares hybrides Leistungsbündel in vielen Fällen am Markt beobachtet werden kann, muss der wahrgenommene Wert des Angebots direkt beim Kunden – bspw. mithilfe einer nachfragerseitigen Erhebung von Zahlungsbereitschaften – erfasst werden. Durch die Verknüpfung dieser beiden Größen können Rückschlüsse auf die individuellen Preisobergrenzen der Nachfrager für einzelne hybride Leistungsbündel gezogen werden. Zunächst einmal kann dabei festgestellt werden, dass das Angebot eines hybriden Leistungsbündels nicht sinnvoll ist, wenn die Zahlungsbereitschaft oder der Wettbewerberpreis unterhalb der eigenen Kosten liegt. In diesem Fall kann das Angebot dem Wirtschaftlichkeitspostulat des KKVs® nicht gerecht werden. Liegen sowohl die Zahlungsbereitschaft des Nachfragers als auch der Preis des Wettbewerbers über den eigenen Kosten, so lassen sich zwei Fälle unterscheiden: Ist der Wettbewerberpreis höher als die Zahlungsbereitschaft des Nachfragers (Fall 1 in Abb. 2.4), so wird die Preisobergrenze durch die Zahlungsbereitschaft des Nachfragers bestimmt. Der positive Preiskorridor bei Alternative 1 ist in diesem Fall ein Indikator für das Vorliegen eines Netto-Nutzen-Vorteils. Der Wettbewerberpreis wirkt sich in diesem Fall nicht auf die Preissetzung aus. Der Preiskorridor verkleinert sich jedoch immer dann, wenn der Wettbewerbspreis unterhalb der Zahlungsbereitschaft des Nachfragers liegt (Fall 2). In den meisten Fällen lässt sich bei einer derartigen Konstellation nur der Wettbewerberpreis am Markt realisieren, sodass der maximale Zahlungsbereitschaftsspielraum nicht ausgenutzt werden kann.
2.3 Vermarktung hybrider Leistungsbündel als Management von KKVs®
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Es sind somit neben den individuell zu bestimmenden Wettbewerberpreisen vor allem nachfrager- (Zahlungsbereitschaften) und anbieterbezogene (Kosten) Merkmale, die in ihrem Zusammenwirken die Vorteilhaftigkeit eines Leistungsangebots unter ökonomischen Gesichtspunkten bestimmen. Da sich die industrielle Praxis bisher äußerst selten mit einer Beschaffung von Informationen über diese Merkmale beschäftigt hat, sollen im weiteren Verlauf des Buches geeignete Methoden und Entscheidungsunterstützungstools vorgestellt werden, die zu einer systematischen Informationsbeschaffung in Bezug auf die wirtschaftlichkeitsorientierte Erbringung hybrider Leistungsbündel beitragen können. Greift man die vier Operationalisierungsbestandteile eines KKVs® noch einmal zusammenfassend auf, so kann für das Management von hybriden Leistungsbündeln konkret festgehalten werden: x Bedeutsamkeit: Der Kauf eines hybriden Leistungsbündels stellt eine komplexe Kaufentscheidung dar, die durch Mehrdimensionalität und Heterogenität gekennzeichnet ist. Diesbezüglich gilt es aus Anbietersicht, die bedeutsamsten Kaufkriterien in der Ausgestaltung des hybriden Leistungsbündels kundenoder segmentspezifisch zu bestimmen. Wie diese Bestimmung geschäftsmodellspezifisch erfolgen kann, wird in Kapitel 4 dargestellt. x Wahrnehmung: Ein Vorteil bei einem bedeutsamen Kaufkriterium wird erst dann zu einem KKV®, wenn er auch vom Kunden als signifikant nutzenstiftend(er) wahrgenommen wird. Die dafür notwendige Nutzenkommunikation kann beispielsweise durch Recommender Systeme oder einen Value Calculator unterstützt werden, die in Kapitel 6 näher betrachtet werden. x Verteidigungsfähigkeit: Ein hybrides Leistungsbündel kann langfristig nur erfolgreich angeboten werden, wenn der zugrunde liegende KKV® nicht imitiert werden kann. In diesem Zusammenhang sind zahlreiche Erfolgsfaktoren bei der Erbringung hybrider Leistungsbündel relevant, die in Kapitel 3.2 erörtert werden. Da die Verteidigungsfähigkeit zudem durch innovative Geschäftsmodelle hervorgerufen werden kann, erfolgt in Kapitel 4.2 eine Analyse, die Empfehlungen darüber generiert, in welchen Situationen das Angebot innovativer Geschäftsmodelle aus Nachfragerperspektive besonders Erfolg versprechend ist. x Wirtschaftlichkeit: Die Preisbestimmung für ein hybrides Leistungsbündel sollte neben einer Kosten- (Kapitel 3.3) vor allem auch eine Zahlungsbereitschaftsperspektive beinhalten. Welche Methode insbesondere bei der Zahlungsbereitschaftsmessung für hybride Leistungsbündel verwendet werden sollte, wird in Kapitel 4.1 dargestellt. Hier werden zudem die Ergebnisse einer Zahlungsbereitschaftsmessung in unterschiedlichen Geschäftsmodellen am Beispiel des Werkzeugmaschinenbaus dargestellt. Darüber hinaus wird in Kapitel 6.2 mit dem ServPay Recommender ein Entscheidungsunterstützungstool vorgestellt, welches für eine kundenorientierte Vermarktung hybrider Leistungsbündel unter Berücksichtigung der Kosten- und Zahlungsbereitschaftsperspektive verwendet werden kann.
3
Vermarktung hybrider Leistungsbündel: Die Anbieterperspektive
3.1 Angebot hybrider Leistungsbündel: Status quo Um einen besseren Überblick über den Status quo der anbieterseitigen Erbringung hybrider Leistungsbündel im Allgemeinen und produktbegleitenden Dienstleistungen im Speziellen zu erlangen, wurde in einem ersten Schritt ein umfassender Dienstleistungskatalog erhoben. Hierbei konnten durch Internetrecherchen, Literaturrecherchen, Katalogeinsichten und Experteninterviews 86 unternehmensspezifische bestehende und potenziell denkbare produktbegleitende Dienstleistungen ermittelt werden. Die Konsolidierung dieser unternehmensspezifischen Leistungen auf letztlich 67 Dienstleistungen macht die große Komplexität und Heterogenität des Dienstleistungsanteils hybrider Leistungsbündel deutlich. In Verbindung mit der Erstellung einer Kurzbeschreibung dieser produktbegleitenden Dienstleistungen konnte ein umfassender Dienstleistungskatalog inkl. Glossar erstellt werden, der auf der projekteigenen Internetseite (http://www.servpay.de) zum Download bereitsteht. Über die Erstellung des Dienstleistungskatalogs hinaus wurden zusätzlich breit angelegte Anbieterbefragungen durchgeführt, um die anbieterseitige Bedeutung der einzelnen industriellen Dienstleistungen als Bestandteil hybrider Leistungsbündel in der Praxis zu ermitteln. Dazu wurde in einem ersten Schritt ein relativ offen gestalteter Fragebogen entwickelt, in dem insbesondere Aspekte bzgl. der Ausgestaltung des bestehenden und zukünftigen Angebots produktbegleitender Dienstleistungen, ihrer Kommunikation gegenüber den Kunden sowie der Prozessperspektive adressiert wurden. Weiterhin sollten durch diesen Fragebogen Aspekte wie Wichtigkeiten, Erfolgsfaktoren, die Preisfindung, die Wirtschaftlichkeit oder die Geschäftsmodelle näher analysiert werden. Der entwickelte Fragebogen wurde in einer ersten Voruntersuchung innerhalb einer computergestützten telefonischen Befragung (CATI) über ein externes Marktforschungsinstitut mit 100 Probanden getestet.16 Da die bisherigen Studien nahezu ausschließlich auf vorgegebene, weitgehend geschlossene Fragen zurückgreifen, ist davon auszugehen, dass das Evoked-Set17 der Anbieter durch die Vorgabe bestimmter produktbegleitender Dienstleistungen „gesteuert“ wurde. Wir wollten jedoch wissen, welche produktbegleitenden Dienstleistungen dem Befrag16
Zu den Vor- und Nachteilen einer CATI-Befragung vgl. Homburg, Krohner 2008. Unter dem Evoked-Set wird in diesem Zusammenhang die Menge der relevanten Dienstleistungen verstanden, die dem Anbieter tatsächlich bewusst ist.
17
30
3 Die Anbieterperspektive
ten spontan einfallen, wenn er zu seinem Angebot befragt wird. Durch die weitgehend offen gestaltete Vorstudie sollten daher auf Basis von 100 befragten Anbietern sozusagen explorativ Vermutungstatbestände generiert und Verständnisprobleme zu Tage gefördert werden. Die Ergebnisse aus der Voruntersuchung wurden im Anschluss dazu genutzt, um den Fragebogen noch einmal anzupassen. Dieser modifizierte Fragebogen wurde dann für eine umfangreiche empirische Untersuchung mit Anbietern des deutschen Maschinenbaus genutzt. Die Datenerhebung erfolgte erneut im Rahmen einer CATI-Befragung und wurde von einem professionellen Marktforschungsinstitut vorgenommen. Die Befragung richtete sich wie auch die Voruntersuchung vorwiegend an Entscheider der Führungsebene in mittelständischen Unternehmen der Industriegüterproduktion (Maschinen- und Anlagenbau, Elektrotechnik, Herstellung von Büromaschinen, EDV). Um die Repräsentativität der Stichprobe und damit die Übertragbarkeit der Ergebnisse sicherzustellen, wurde bei der Auswahl der Stichprobe darauf geachtet, dass diese in Bezug auf die Branchenzugehörigkeit als national repräsentativ für den Maschinenbau eingestuft und gleichzeitig eine gleichmäßige Abdeckung verschiedener Unternehmensgrößen (Umsatz und Mitarbeiteranzahl) gewährleistet werden kann.18 Von 585 kontaktierten Unternehmen konnten insgesamt 401 Interviews durchgeführt werden, was einer als sehr gut zu bewertenden Ausschöpfungsquote von 68,5% entspricht. Bevor aus den generierten Ergebnissen der Untersuchungen in Kapitel 3.2 die zentralen Erfolgsfaktoren des Angebots produktbegleitender Dienstleistungen abgeleitet werden, sollen im Folgenden einige deskriptive Ergebnisse dargestellt werden, die einen Überblick über die aktuelle anbieterseitige Erbringung einzelner produktbegleitender Dienstleistungen geben. Zunächst kann dabei festgestellt werden, dass der Anteil des Dienstleistungsbereichs am Gesamtumsatz der befragten Unternehmen derzeit bei etwa durchschnittlich 17,7% liegt. Die befragten Anbieterunternehmen gehen allerdings davon aus, dass dieser Anteil in den nächsten fünf Jahren auf ca. 22% steigen wird, sodass dem Dienstleistungsbereich in Zukunft eine weiterhin steigende Bedeutung zukommen wird. Wie bereits dargestellt, wurden die Anbieter innerhalb der Untersuchungen ohne die Vorlage einer Liste gebeten, die von ihnen erbrachten produktbegleitenden Dienstleistungen zu nennen. Als erstes bemerkenswertes Ergebnis ist festzuhalten, dass im Durchschnitt lediglich 2,6 produktbegleitende Dienstleistungen genannt wurden (maximal wurden 7 genannt). Dies ist zunächst ein Indikator dafür, dass das praktisch relevante Dienstleistungsspektrum derzeit noch relativ begrenzt ist. Vergleicht man diesen Wert von 2,6 zudem mit dem Wert aus einer Untersuchung aus dem Jahr 2001 (Homburg et al. 2000), in der Anbietern ein geschlossener Dienstleistungskatalog mit 31 Dienstleistungen vorgelegt wurde und ein durchschnittlicher Angebotswert von 13 ermittelt werden konnte, so resultiert aus dieser 18
Die Ziehung der Stichprobe erfolgte auf Basis der Umsatzsteuerstatistik 2005 des Statistischen Bundesamts.
3.1 Angebot hybrider Leistungsbündel: Status quo
31
Tatsache ein bedenklich stimmender Zusammenhang: Viele Unternehmen sind offensichtlich nur begrenzt in der Lage, ihr Dienstleistungsangebot systematisch zu beschreiben, wenn sie nicht durch geschlossene Fragen „geführt“ werden – oder die geschlossenen Fragen haben zu einer Überschätzung geführt.
Abb. 3.1: Wichtigkeit ausgewählter produktbegleitender Dienstleistungen
Dies zeigte sich im Rahmen der Untersuchungen zudem darin, dass von vielen befragten Anbietern – insbesondere von denen mit einer schwach ausgeprägten Dienstleistungskultur – der undifferenzierte Begriff „Service“ als Dienstleistungsart genannt wurde (Abb. 3.1). Auf Basis einer derartigen Zusammenfassung einzelner Dienstleistungen zu der übergreifenden Gattung „Service“ scheint es für das Dienstleistungsgeschäft auf Anbieterseite äußerst fraglich, ob diese Perspektive genügend Differenzierungspotenzial ermöglicht. Ebenso verstellt diese zusammenfassende Betrachtung die Konzentration auf die aus Kundensicht bedeutsams-
32
3 Die Anbieterperspektive
ten sowie aus Anbietersicht wirtschaftlichsten Einzeldienstleistungen. Eine systematische und differenzierte Aufarbeitung des Dienstleistungsportfolios scheint demzufolge in zahlreichen Unternehmen dringend geboten. Die weiteren 21 am häufigsten genannten Dienstleistungen sind aus Abb. 3.1 ersichtlich und entsprechend ihrer momentanen Bedeutung aus Anbietersicht geordnet.19 Die Häufigkeit der Nennung der einzelnen Dienstleistungen ist durch das „N“ dargestellt. Dabei wird deutlich, dass die klassischen Dienstleistungen Präventive Wartung und Inspektionen (86), Beratung (80), Instandsetzung (75), Montage (68) und Schulungen/Seminare/Fachvorträge (63) mit großem Abstand am häufigsten genannt wurden. Als aus Anbietersicht bedeutsamste Dienstleistungen können die Lohnfertigung und der TeleService eingestuft werden. Der Zertifizierung und Abnahme wird demgegenüber die geringste Bedeutung zugesprochen, auch wenn die Bedeutung dieser Dienstleistung in Zukunft stark steigen könnte. Zukünftig besonders bedeutsam werden zudem die Ersatzteil-Lagerhaltung sowie die Inbetriebnahme und das Revamping/Refurbishing.
Abb. 3.2: Verbreitung der Geschäftsmodelle produktbegleitender Dienstleistungen
19
Alle weiteren Dienstleistungen, die jeweils nur maximal 3 Mal genannt wurden, sollen hier nicht weiter betrachtet werden. Diese sind Bestandteil des Dienstleistungskatalogs auf www.servpay.de. Da beispielsweise eine Mittelwertbildung bei der Bestimmung der Wichtigkeiten dieser Dienstleistungen kaum aussagekräftigen Ergebnissen führen würde, ist eine Betrachtung der Dienstleistungen hier wenig sinnvoll.
3.1 Angebot hybrider Leistungsbündel: Status quo
33
Fragt man die Anbieter, in welchen Geschäftsmodellen produktbegleitende Dienstleistungen derzeit angeboten werden, so fällt in Abb. 3.2 positiv auf, dass diese nach Aussage der Anbieter mit dem Kernprodukt hauptsächlich zu individualisierten Bündeln oder kundenorientierten Lösungen kombiniert werden. Die klassischen Angebotsformen der separaten Vermarktung sowie der Vermarktung in standardisierten Bündeln werden demnach nur in etwa in 25% der Fälle gewählt. Darüber hinaus wählen nach eigener Aussage knapp 7% innovative Performance Contracting-Modelle, bei denen die individualisierte Kombination von Investitionsgütern und industriellen Dienstleistungen durch vertraglich abgesicherte Leistungsversprechen und variable Vergütungsmodelle begleitet wird.20 Greift man in Bezug auf die Preisermittlung bei produktbegleitenden Dienstleistungen auf die Einflussfaktoren des Preiskorridors (Abb. 2.4) zurück, so wird aus Abb. 3.3 deutlich, dass in der Praxis die kostenorientierte Preisbestimmung am weitesten verbreitet ist. Auf Basis der Anbieterbefragung liegt die Bedeutung der Kostenorientierung bei der Preisbestimmung bei etwa 50%, während die Betrachtung der Wettbewerberpreise mit etwa 20% den zweitgrößten Einfluss auf die Preisbildung ausübt. Innerhalb der Kostenorientierung wird dabei hauptsächlich auf eine vollkostenorientierte Zuschlagskalkulation zurückgegriffen – ein Verfahren, das im Zuge der Bestimmung von Kosten für Dienstleistungsprozesse eher als kritisch eingestuft wird.21 Der Preisbildung anhand der Zahlungsbereitschaften der Nachfrager kommt hingegen mit 12% nur eine untergeordnete Bedeutung zu, die sogar noch geringer ist als die intuitive Preisfindung. Legt man das Schema zur Definition des möglichen Preiskorridors zugrunde, so liegt hier die Vermutung nahe, dass durch diese geringe Zahlungsbereitschaftsorientierung umfangreiche Wertschöpfungspotenziale ungenutzt bleiben.
20 21
Vgl. dazu auch Kapitel 4.2. Vgl. dazu auch Kapitel 3.3.
34
3 Die Anbieterperspektive
Abb. 3.3: Methoden der Preisermittlung produktbegleitender Dienstleistungen
Ein weiterer Fragebogenblock beschäftigte sich mit der Kalkulation und Inrechnungstellung einzelner produktbegleitender Dienstleistungen. Abb. 3.4 zeigt in diesem Zusammenhang, dass die separate Kalkulation der Einzeldienstleistungen bei einer Angebotserstellung mit 58,6% durchaus noch als relativ gering einzustufen ist. Demgegenüber erscheint die gesonderte Inrechnungstellung der Einzeldienstleistungen mit über 70% relativ hoch. Die in der Praxis häufig anzutreffende Klage einer nicht möglichen Inrechnungstellung wirkt auf Basis dieser Ergebnisse sicherlich zu undifferenziert, zumal für einzelne Dienstleistungen sogar eine nahezu vollständige Inrechnungstellung möglich erscheint.
3.1 Angebot hybrider Leistungsbündel: Status quo
35
Abb. 3.4: Kalkulation und Inrechnungstellung produktbegleitender Dienstleistungen
Dass diese relativ umfassende Inrechnungstellung allerdings nicht zwangsläufig in hohe Renditen überführt werden kann, kann auf Basis von Abb. 3.5 gefolgert werden. Demnach führt die Zahlungsbereitschaft der Nachfrager nach Einschätzung der Anbieter bis auf Revamping/Refurbishing bei allen Dienstleistungen gerade zu einer Kostendeckung und somit zu einer Rendite unterhalb der Rendite des Kernprodukts.
36
3 Die Anbieterperspektive
Abb. 3.5: Rendite produktbegleitender Dienstleistungen
Festzuhalten bleibt auf Basis dieser Durchschnittsbetrachtung, dass die Zahlungsbereitschaft der Nachfrager nach Einschätzung der Anbieter nicht ausreichend ist, um eine zufriedenstellende Rendite zu erzielen. Daher wird von den Befragten die fehlende Zahlungsbereitschaft neben den hohen Kosten als eines der beiden Haupthemmnisse bei der Vermarktung produktbegleitender Dienstleistungen angesehen. Kapitel 4.1 soll daher Anhaltspunkte bieten, an welchen Stellen überdurchschnittliche Zahlungsbereitschaften der Nachfrager gewinnbringend genutzt werden können. Bemerkenswert scheint in diesem Zusammenhang allerdings auch die Tatsache, dass die undifferenzierte Betrachtung des Bereichs „Service“ mit einer besonders schlechten Rendite verbunden ist, die lediglich von der Gewährleistungserweite-
3.2 Anbieterseitige Erfolgsfaktoren
37
rung unterboten wird (Abb. 3.5). Die Vermutung liegt somit nahe, dass die undifferenzierte Erbringung des Dienstleistungsgeschäfts dauerhaft kaum erfolgversprechend sein kann. Daher sollen im folgenden Kapitel 3.2 Erfolgsfaktoren erarbeitet werden, die Unternehmen helfen können, optimale Rahmenbedingungen für ein erfolgreiches Dienstleistungsgeschäft zu schaffen.
3.2 Anbieterseitige Erfolgsfaktoren beim Angebot hybrider Leistungsbündel
3.2.1
Problemstellung und Grundlagen der Erfolgsmessung
Für ein dauerhaft erfolgreiches Angebot hybrider Leistungsbündel ist neben der konkreten Ausgestaltung und Zusammenstellung von attraktiven Leistungsangeboten auch die Schaffung von adäquaten, unternehmensinternen Rahmenbedingungen von hoher Relevanz. Diese stellen quasi die Voraussetzung dafür dar, dass der mit hybriden Leistungen erzielbare KKV® langfristig Bestand hat und so nachhaltig zur Sicherung des Unternehmenserfolgs beitragen kann. Aufgrund der spezifischen Besonderheiten industrieller Dienstleistungen als immaterielle Bestandteile hybrider Leistungsbündel ist jedoch nicht davon auszugehen, dass sich die aus dem Sachleistungsgeschäft bekannten Erfolgsfaktoren ohne Weiteres auf das Angebot hybrider Leistungsbündel übertragen lassen. So nimmt bspw. der „Faktor Mensch“ im Zusammenhang mit der Dienstleistungserbringung einen weitaus höheren Stellenwert ein als dies bei der Vermarktung von Sachleistungen, die sich vergleichsweise mehr an technischen und objektiven Kriterien orientiert, der Fall ist. Aus diesem Grund wird im Rahmen dieses Kapitels explizit auf die spezifischen Erfolgsfaktoren eines erfolgreichen Dienstleistungsangebots eingegangen, da diese besondere Herausforderungen an die vorwiegend produktionsorientierten Industriegüterunternehmen stellen. Ziel dieses Kapitels ist es folglich, die im Zusammenhang mit der Dienstleistungserbringung relevanten Erfolgsfaktoren zu identifizieren, um Anbietern konkrete Handlungsempfehlungen für die Ausgestaltung genereller Rahmenbedingungen, die zu einem erfolgreichen Angebot produktbegleitender Dienstleistungen führen, geben zu können. Hierbei stellt sich im ersten Schritt die Frage, wie überhaupt ein erfolgreiches Angebot produktbegleitender Dienstleistungen definiert und folglich gemessen werden kann. Die Antwort auf diese Frage lässt sich unmittelbar aus den Zielen ableiten, die mit dem Angebot von Dienstleistungen verfolgt werden. Diese reichen von der Generierung eines zusätzlichen Kundennutzens und der Differenzierung vom Wettbewerb, über die Möglichkeit zur Schaffung von Kundenzufriedenheit und Stärkung der Kundenbeziehungen bis hin zur Erschließung einer
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3 Die Anbieterperspektive
stabilen Einnahmequelle mit vergleichsweise hohen Deckungsbeiträgen.22 Fasst man diese vielfältigen Motive zusammen, lässt sich festhalten, dass mit dem Angebot produktbegleitender Dienstleistungen kunden- und wettbewerbsbezogene Ziele verfolgt werden, die die wirtschaftliche Situation der Anbieter verbessern sollen. Um messen zu können, inwieweit die durch das Angebot produktbegleitender Dienstleistungen verfolgten Ziele nach Ansicht der befragten Anbieterunternehmen erreicht werden, betrachten wir im Folgenden zwei Erfolgsgrößen: den mit Dienstleistungen erzielten Markterfolg und den wirtschaftlichen Erfolg (Homburg et al. 2005). Hierbei umfasst der Markterfolg die „vor-monetären“ Markterfolgsgrößen. Neben kundenbezogenen Zielen wie bspw. dem Erreichen von Kundenzufriedenheit und Kundenbindung zählen zu diesen Erfolgsgrößen auch wettbewerbsbezogene Ziele wie die Möglichkeit zur Differenzierung von der Konkurrenz (Schweiger, Müller 2004). Der wirtschaftliche Erfolg hingegen umfasst alle direkten monetären Erfolgswirkungen und wird bspw. daran gemessen, inwieweit der Anbieter durch das Angebot von Dienstleistungen einen zunehmenden Preiswettbewerb vermeiden und einen angemessenen Deckungsbeitrag erzielen konnte. Diese beiden Größen können jedoch nicht völlig unabhängig voneinander betrachtet werden, da ein hoher Markterfolg langfristig auch zu einer Verbesserung des wirtschaftlichen Erfolgs beitragen kann. So ist es bspw. denkbar, dass durch eine verstärkte Marktposition ein zunehmender Preiswettbewerb vermeidbar ist, der sich in Folge positiv auf die Höhe der Deckungsbeiträge auswirkt. Im Folgenden werden im Detail diejenigen Faktoren erläutert, die nachweislich einen Einfluss auf jeweils eine oder beide genannten Erfolgsgrößen haben. Dabei handelt es sich ausschließlich um Rahmenbedingungen des Angebots, nicht aber um die Ausgestaltung einzelner Dienstleistungen bzw. hybrider Leistungsbündel. 3.2.2
Gestaltung und Durchführung der empirischen Untersuchung
Auf Basis konzeptioneller Überlegungen, einer umfassenden Literaturanalyse sowie durchgeführter Experteninterviews konnten zahlreiche Faktoren identifiziert werden, die den Erfolg des Angebots produktbegleitender Dienstleistungen potenziell beeinflussen können. Bei einer systematischen Betrachtung dieser Faktoren können grundsätzlich zwei Kategorien von Einflussgrößen unterschieden werden: Anbieterseitige Rahmenfaktoren: Zu den anbieterseitigen Faktoren zählen allgemein all diejenigen Einflussgrößen, die in Bezug zu den Ressourcen des Anbieterunternehmens stehen. Unter Res22
Zu den Zielen des Angebots produktbegleitender Dienstleistungen vgl. bspw. Engelhardt, Paul 1998; Fleig, Schneider 1999; Graßy 1998; Günther 2001, S. 14 ff.
3.2 Anbieterseitige Erfolgsfaktoren
39
sourcen werden hierbei all diejenigen spezifischen Mittel und Fähigkeiten eines Unternehmens verstanden, durch deren Nutzung ein nachhaltiger Wettbewerbsvorteil erreicht werden kann, der den Unternehmenserfolg positiv beeinflusst (Barney et al. 2001; Peteraf 1993). Um als Wettbewerbsvorteil nutzbar zu sein, sollte eine Ressource wertvoll (d.h. einen entscheidenden Nutzen generieren könnend), knapp (d.h. nicht alle Wettbewerber können sie ohne weiteres erlangen) und nicht vollkommen imitierbar oder substituierbar (d.h. Wettbewerber können diese Ressource nicht ohne weiteres kopieren) sein (Barney 1991). Man unterscheidet i. d. R. zwischen physischen (z. B. spezielle Anlagen, Zugang zu Rohstoffen), finanziellen (z. B. Liquidität), personellen (z. B. Wissen der Mitarbeiter) und organisationalen (z. B. Organisationsstruktur) Ressourcen (Bamberger, Wrona 1996; Chatterjee, Wernerfelt 1991). Es wird vermutet, dass insbesondere die personellen und organisationalen Ressourcen wie bspw. eine dienstleistungsorientierte Unternehmenskultur oder eine klare organisatorische Verankerung des Dienstleistungsgeschäfts zentrale Treiber für die erfolgreiche Vermarktung hybrider Leistungsbündel darstellen, da sie i. d. R. historisch gewachsen und häufig durch die „Ressource Mensch“ beeinflusst sind, sodass sie nur schwer von der Konkurrenz imitiert werden können. Nachfragerbezogene Handlungsfaktoren: Aufgrund ihres immateriellen Charakters kann die Qualität von Dienstleistungen – wenn überhaupt – oftmals erst dann beurteilt werden, wenn diese bereits erbracht sind (Kleinaltenkamp 1992; Malicha 2005, S. 31). Nachfrager wissen vor Vertragsabschluss deshalb oftmals zu wenig über den Nutzen und die Qualität einer Dienstleistung und empfinden daher ihren Kauf als vergleichsweise riskant. Um die daraus möglicherweise folgende Kaufzurückhaltung zu adressieren, muss es dem Anbieter durch das Einleiten geeigneter Maßnahmen gelingen, die bestehenden Informationsmängel und Unsicherheiten beim Nachfrager zu reduzieren und die Bedeutsamkeit und Qualität der Leistung bereits vor dem Kauf wahrnehmbar zu machen. Solche Maßnahmen, wie bspw. der Aufbau einer engen Kundenbeziehung oder die aktive Nutzenkommunikation, können dabei helfen, den Nutzen von Dienstleistungen besser einzuschätzen und das Vertrauen der Nachfrager in den Anbieter zu stärken und sind damit potenziell in der Lage, den Erfolg des Dienstleistungsgeschäfts zu steigern. Um überprüfen zu können, welche der vermuteten Faktoren den Dienstleistungserfolg von Unternehmen in der subjektiven Wahrnehmung der Anbieter beeinflussen, wurde die in Kapitel 3.1 beschriebene Hauptuntersuchung mit 401 Anbietern des deutschen Maschinenbaus durchgeführt. Von den 401 erhobenen Fällen gingen letztlich 372 als verwertbare Fragebögen in die finale Analyse ein.23 23
Es wurden 8 Fälle ausgeschlossen, da sie mehr als 10% fehlender Werte bei den für die Untersuchung relevanten Variablen enthielten. Darüber hinaus wurde der Datensatz um weitere 22 Unternehmen bereinigt, die 100% ihres Umsatzes mit Dienstleistungen erzielen und damit der Gruppe der reinen Dienstleistungsunternehmen zuzurechnen sind.
40
3.2.3
3 Die Anbieterperspektive
Ergebnisse der empirischen Untersuchung
Im Anschluss an die Datenerhebung erfolgte die Auswertung im Rahmen einer Partial Least Square (PLS) Pfadanalyse (Hulland 1999; Lohmöller 1989; Panten, Boȕow-Thies 2007; Wold 1982) mit dem Statistikpaket SmartPLS 2.0 M3. Die Ergebnisse der Untersuchung sind in Abb. 3.6 schematisch dargestellt. Berücksichtigt werden in der Abbildung sowie im Folgenden nur die Faktoren, von denen auf Basis der durchgeführten Analyse ein signifikanter Einfluss auf den Dienstleistungserfolg ausgeht.
Abb. 3.6: Erfolgsfaktoren des Angebots produktbegleitender Dienstleistungen
Die Pfeile in Abb. 3.6 stehen für einen positiven Zusammenhang zwischen dem Einflussfaktor und der jeweiligen Erfolgsgröße. So kann Abb. 3.6 bspw. entnommen werden, dass sich eine stark ausgeprägte Dienstleistungskultur positiv auf den mit Dienstleistungen erzielten Markterfolg eines Unternehmens auswirkt. Ein gestrichelter Pfeil bedeutet, dass die hier aufgezeigte Erfolgswirkung nicht für alle betrachteten Unternehmen, sondern nur für ausgewählte Anbieter Gültigkeit besitzt. Warum die in Abb. 3.6 dargestellten Effekte genau auftreten, soll im Folgenden für die einzelnen Einflussfaktoren konkret erörtert werden.
3.2 Anbieterseitige Erfolgsfaktoren
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1. Anbieterseitige Rahmenfaktoren Dienstleistungskultur Die Dienstleistungskultur übt neben der Relationship-Orientierung von allen untersuchten Faktoren den größten Einfluss auf den Dienstleistungserfolg eines Unternehmens aus. Unter der Dienstleistungskultur wird hierbei das im Unternehmen vorherrschende Selbstverständnis, die Gewohnheiten und das gewachsene Muster des akzeptierten und erwarteten Verhaltens im Hinblick auf die Dienstleistungserbringung verstanden (Drennen 1993, S. 3). Da die Kultur das Resultat eines langfristigen Lernprozesses auf organisationaler Ebene darstellt und somit die im Unternehmen vorhandene Wertestruktur beschreibt, ist sie nur schwer imitierbar und kann daher bei einer ausgeprägten dienstleistungsorientierten Ausrichtung tendenziell zu einer dauerhaften KKV®-Position bei der Erbringung hybrider Leistungsbündel führen. Auf die Rolle der dienstleistungsorientierten Unternehmenskultur als zentralen Treiber für den Erfolg produktbegleitender Dienstleistungen wurde in der Literatur bereits mehrfach hingewiesen (Backhaus, Weddeling 2007; Bowen et al. 1989; Homburg, Garbe 1999; Homburg et al. 2003; Kleinaltenkamp 2007a). Trotzdem ist in der Praxis häufig zu beobachten, dass die Unternehmenskultur produzierender Unternehmen traditionell produktorientiert geprägt ist und sich die Mitarbeiter dieser Unternehmen nach wie vor über die materiellen Erzeugnisse und deren Qualität definieren (Homburg, Garbe 1999). Um jedoch Dienstleistungen erfolgreich anbieten zu können, ist zusätzlich ein prozessorientierter Ansatz notwendig (Bieberstein 2006, S. 31): Da Dienstleistungen nur durch Integration des Kunden erbracht werden können, ist es essentiell, dass sich Anbieter nicht nur als reine Lieferanten verstehen, sondern die Zusammenarbeit mit dem Kunden, das Eingehen auf dessen Bedürfnisse und die Bereitschaft, tatsächlich zu „dienen“ in die Arbeitsmentalität der Mitarbeiter einfließen lassen (Grönroos 1990, S. 244). Unternehmen, die dies berücksichtigen und Dienstleistungen nicht nur als notwendiges Übel, sondern als Chance begreifen, können die Kundenzufriedenheit mit den erbrachten Dienstleistungen steigern und so nachweislich den als stark kundenbezogen definierten Markterfolg produktbegleitender Dienstleistungen positiv beeinflussen (Homburg et al. 2002). Dies gilt in besonderer Weise für solche Anbieter, die ihre Kernleistungen für den anonymen Markt produzieren. Hierzu wurde im Rahmen der Anbieteruntersuchung zwischen solchen Unternehmen unterschieden, die ihre Kernleistungen primär auf den Einzelkunden ausrichten und diese folglich stark individualisieren, und solchen, deren Produkte weitgehend auf anonymen (Massen-)Märkten vertrieben werden und somit weniger kundenspezifische Anpassungen aufweisen.24 24
Hierzu wurden die Befragten anhand der Frage „Auf wen ist das Kernangebot Ihres Unternehmens ausgerichtet?“, welche mit „individuell auf einzelne Kunden“ oder mit „auf den anonymen Massenmarkt“ beantwortet werden konnte, in zwei Gruppen aufgeteilt.
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3 Die Anbieterperspektive
Diese Unternehmen zeichnen sich durch eine vergleichsweise geringe Kundeninteraktion aus und können folglich besonders stark davon profitieren, das unternehmerische Selbstverständnis auf Dienstleistungen auszuweiten. Für einzelkundenorientierte Anbieter hingegen ist anzunehmen, dass die für Dienstleistungen notwendige Kundeninteraktion bereits während des gemeinsamen Individualisierungsprozesses der Kernleistungen stattfindet und der Einfluss einer dienstleistungsorientierten Kultur daher vergleichsweise schwächer ausfällt. Systematische Dienstleistungsentwicklung Die systematische Dienstleistungsentwicklung stellt einen weiteren Erfolgsfaktor dar, der auf die spezifischen Ressourcen eines Unternehmens zurückzuführen ist. Hierbei konnte im Rahmen unserer Untersuchung festgestellt werden, dass ein formaler, strukturierter und transparenter Dienstleistungsentwicklungsprozess, der alle involvierten Unternehmensbereiche einbezieht und systematisch Informationen über die Bedürfnisse der Marktteilnehmer berücksichtigt, unmittelbar in einem höheren Markterfolg des Dienstleistungsgeschäfts resultiert. Für die Entwicklung kundenorientierter Dienstleistungen sind insbesondere zwei Aspekte relevant: 1. Der aktive Einbezug der Kundenbedürfnisse bei der Entwicklung der Dienstleistung bewirkt, dass keine Leistungen am „Markt vorbei“ konzipiert werden. Dies führt dazu, dass für diese Dienstleistungen ein ausreichendes Absatzpotenzial entsteht (Alam 2006; de Brentani, Ragot 1996; Friedli, Gebauer 2003). Das gilt insbesondere für die Integration von Lead Usern während der Entwicklungsphase (de Brentani 1995; Matthyssens, Vandenbempt 1998; Reckenfelderbäumer, Busse 2006). Als Lead User werden Kunden bezeichnet, deren derzeitige starke Bedürfnisse sich zukünftig zu generellen Marktbedürfnissen entwickeln werden (von Hippel 1986). 2. Die Integration von Mitarbeitern aus allen am späteren Dienstleistungsprozess beteiligten Bereichen stellt sicher, dass die Dienstleistungen in hoher Qualität erbracht werden können, da eventuell auftretende Probleme oftmals schon im Entwicklungsprozess identifiziert und entsprechend gelöst werden können (de Brentani 1989). Durch eine integrierte Entwicklung von Produkt und Dienstleistung können beide Leistungskomponenten von Beginn an aufeinander abgestimmt werden und erhöhen damit den späteren Kundennutzen des angebotenen hybriden Leistungsbündels (Backhaus, Weddeling 2007; Kleinaltenkamp 2007a). Darüber hinaus ist zu vermuten, dass die Einbindung aller relevanten Unternehmensbereiche zu einer Sensibilisierung der Mitarbeiter bezüglich der Dienstleistungserbringung führt und so langfristig die Etablierung einer dienstleistungsorientierten Unternehmenskultur begünstigt. Unternehmen, die diese beiden Aspekte berücksichtigen und eine systematische, kundenorientierte und integrierte Dienstleistungsentwicklung betreiben, können folglich einen höheren Markterfolg in Form einer gesteigerten Kundenzufriedenheit und Kundenbindung aufweisen.
3.2 Anbieterseitige Erfolgsfaktoren
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Klare organisatorische Verankerung Die Art der organisatorischen Verankerung der Dienstleistungssparte im Unternehmen ist ein weiterer Faktor, der den Markterfolg des Dienstleistungsangebots nachweislich beeinflusst. Hierbei zeigt unsere Untersuchung, dass eine klare, transparente und effiziente Regelung bezüglich der Verantwortlichkeiten für Dienstleistungen einen positiven Einfluss auf deren Vermarktung hat (Matthyssens, Vandenbempt 1998; Steven et al. 2002). Dieses Ergebnis ist sowohl auf unternehmensinterne als auch -externe Gründe zurückzuführen: Intern kann eine unklare Zuständigkeitsverteilung dazu führen, dass sich Unternehmen weiterhin fast ausschließlich auf das Angebot von Sachleistungen konzentrieren, wodurch ein systematisches Dienstleistungsgeschäft verhindert wird (Nippa 2005). Darüber hinaus steigt bei einer unklaren Aufgabenverteilung der Koordinationsbedarf und führt aufgrund von möglicherweise auftretenden Doppel- und Nacharbeiten zu einer verminderten Effizienz der Dienstleistungserbringung (Homburg et al. 2002). In Folge dessen können die beiden genannten Aspekte dazu führen, dass Dienstleistungen nicht konsequent genug vermarktet und die Potenziale des Dienstleistungsangebots nicht ausgeschöpft werden. Auf externer Seite bewirkt eine unklare Regelung, dass Kunden bei Fragen und Problemen mit Dienstleistungen schlechter einen Ansprechpartner finden, was die Interaktion erschwert und die Zufriedenheit verringert (Homburg et al. 2002; Reckenfelderbäumer 2004). Um diese negativen Auswirkungen zu vermeiden und den Markerfolg mit produktbegleitenden Dienstleistungen zu steigern, müssen Anbieter folglich darauf achten, klare Zuständigkeiten für das Dienstleistungsgeschäft festzulegen. Nur so können ein reibungsloser Ablauf der Dienstleistungserstellungsprozesse und eine kundenorientierte Erbringung von Dienstleistungen gewährleistet und so letztlich auch die Kundenzufriedenheit und -bindung gesteigert werden. Eigenständigkeit des Geschäftsbereichs Bei hybriden Leistungsangeboten dominiert in der Praxis häufig die Sachleistungsorientierung. Um Dienstleistungen die zugehörige Bedeutung zu verschaffen, stellt sich unmittelbar die Frage, wie durch eine klare organisatorische Verankerung die Dienstleistungsorientierung im Unternehmen sichergestellt wird. Hierbei sind grundsätzlich zwei Wege denkbar: 1. Eine Ausgliederung von Dienstleistungen und ihre Verankerung in einer eigenständigen und eigenverantwortlichen Geschäftseinheit und 2. die Integration des Dienstleistungsgeschäfts in die bestehende Organisation.
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3 Die Anbieterperspektive
Ein Vorteil der separaten und eigenständigen Organisation von Dienstleistungen liegt darin, dass diese Form der organisatorischen Verankerung quasi „automatisch“ die geforderte klare Regelung von Verantwortlichkeiten mit sich bringt. Das Dienstleistungsgeschäft bekommt einen eigenen Fokus, was das proaktive Entwickeln und Anbieten von produktbegleitenden Dienstleistungen fördert und das Annehmen einer Dienstleistungsmentalität in dieser Einheit erleichtert (Gebauer et al. 2005; Oliva, Kallenberg 2003). Die organisatorische Ausgliederung der Dienstleistungssparte geht zudem i. d. R. mit der Implementierung interner Verrechnungspreise für Dienstleistungen einher. Für die Festlegung von angemessenen Verrechnungspreisen sind jedoch fundierte Kenntnisse der Kosten der Dienstleistungserbringung unabdingbar. Damit erleichtern Verrechnungspreise nicht nur die interne Steuerung des Dienstleistungsaustausches, sondern fördern gleichzeitig die Durchsetzung adäquater Dienstleistungspreise beim Nachfrager und begünstigen auf diese Weise eine stärkere Berücksichtigung der wirtschaftlichkeitsorientierten Perspektive des KKVs®. Auf der anderen Seite steht eine separate Organisation jedoch dem Gedanken der Integration von Sach- und Dienstleistung und dem ganzheitlichen Angebot hybrider Leistungsbündel entgegen (Backhaus, Weddeling 2007; Lorenz-Meyer 2004, S. 88). Cross-Selling-Effekte und Know-how-Transfer zwischen den Leistungsarten werden tendenziell erschwert, sodass das Kundenbedürfnis nach einer abgestimmten Kombination aus Produkt und Dienstleistung tendenziell schlechter erfüllt werden kann. Die vorangehenden Ausführungen machen deutlich, dass beide Formen der organisatorischen Gestaltung aufgrund ihrer spezifischen Vor- und Nachteile ihre Berechtigung haben und je nach Anwendungszusammenhang potenziell zielführend sein können. Diese Vermutung wird auch durch die Ergebnisse unserer Untersuchung gestützt, die keine generelle, unternehmensübergreifende Empfehlung bezüglich der Organisationsform zulassen. Eine differenzierte Analyse in Abhängigkeit vom jeweiligen Geschäftstyp des Anbieters hat jedoch ergeben, dass insbesondere solche Unternehmen, deren Kernleistungen auf den anonymen Markt zugeschnitten sind, auf eine organisatorische Trennung verzichten sollten, da hier die negativen Auswirkungen einer organisatorischen Trennung, die bspw. in der fehlenden Integriertheit der Leistungen oder begrenzten Cross-SellingMöglichkeiten liegen, die positiven Effekte der Eigenständigkeit übertreffen. 2. Nachfragerbezogene Handlungsfaktoren Relationship-Orientierung Bei der Vermarktung von Dienstleistungen hat die Relationship-Orientierung, also der Aufbau einer langfristigen Geschäftsbeziehung, einen großen Stellenwert: Wiederholte Transaktionen sind üblicher als im Sachleistungsbereich und die im Erstellungsprozess notwendige Kundenintegration wird durch persönliche und langfristige Beziehungen erleichtert (Grönroos 1998; Meffert, Bruhn 2006, S. 73).
3.2 Anbieterseitige Erfolgsfaktoren
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Für viele produzierende Unternehmen bedeutet diese Anforderung eine Umstellung vom eher transaktionsorientierten Ansatz hin zu einer beziehungsorientierten Sichtweise des Kundenverhältnisses (Oliva, Kallenberg 2003; Gebauer et al. 2005). Diejenigen Unternehmen, die die Absicht haben, dauerhafte Geschäftsbeziehungen mit Kunden zu unterhalten und diese sogar über den gesamten Produktlebenszyklus des Kernprodukts hinaus aktiv zu begleiten, sind eher in der Lage, das mit dem Dienstleistungskauf verbundene wahrgenommene Risiko abzubauen und das Kundenvertrauen zu erlangen, welches notwendig ist, um Dienstleistungen zu verkaufen und Kunden zufriedenzustellen (Matthyssens, Vandenbempt 1998). Es ist daher wenig verwunderlich, dass die Relationship-Orientierung im Vergleich zu den anderen von uns untersuchten Erfolgsfaktoren den stärksten Einfluss auf den Markterfolg eines Unternehmens ausübt. Offensichtlich kann die Fokussierung auf langfristige Geschäftsbeziehungen – sofern sie dem Kunden glaubhaft vermittelt werden kann – das Vertrauen der Kunden in den Anbieter stärken. Dies kann die Vermarktung von Dienstleistungen, deren Qualität aufgrund des immateriellen Charakters häufig nicht unmittelbar eingeschätzt werden kann, nachhaltig fördern. Aktive Nutzenkommunikation Die Ausführungen in Kapitel 2 dieses Buches machen deutlich, dass eine Preisbestimmung, die sich an den Zahlungsbereitschaften des Nachfragers orientiert, einen wesentlichen Stellhebel für die Ausschöpfung vorhandener Preisspielräume und damit die Erzielung eines wirtschaftlichkeitsorientierten KKVs® darstellt. In der Praxis ist jedoch häufig zu beobachten, dass die Zahlungsbereitschaften für produktbegleitende Dienstleistungen nach wie vor relativ gering sind und dass Kunden aufgrund einer gewachsenen Erwartungshaltung vielfach von einer kostenlosen Dienstleistungserbringung ausgehen. Hierauf können Anbieterunternehmen in zweierlei Weise reagieren: 1) Sie können innerhalb einer reaktiven Strategie diese (niedrigen) Zahlungsbereitschaften akzeptieren und versuchen, die Dienstleistungen kostenmäßig so anzupassen, dass sie wirtschaftlich erbracht werden können (Backhaus et al. 2007a). 2) Sie können jedoch auch eine Veränderung dieser Zahlungsbereitschaften anstreben (proaktive Strategie) und sich bemühen, den “Value added” der Dienstleistung deutlich zu kommunizieren (Backhaus 1999, S. 36). Es wurde bereits ausgeführt, dass der Nutzen produktbegleitender Dienstleistungen von Seiten der Nachfrager oftmals unterschätzt wird. Gründe dafür sind u.a., dass der Nutzen vieler Dienstleistungen nicht unmittelbar, sondern erst durch Betrachtung einer längeren Zeitspanne deutlich wird: Dienstleistungen, die bspw. die Verfügbarkeit einer Maschine verbessern (z. B. Engineering-Leistungen), können die Gesamtausfallkosten und damit die Lebenszykluskosten dieser Maschine reduzieren (Seinschedt et al. 2003). Eine Möglichkeit, um den bestehenden
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3 Die Anbieterperspektive
Nutzen zu verdeutlichen, stellen softwaregestützte Kommunikationsinstrumente wie bspw. der lebenszykluskostenbasierte Value Calculator dar, der in der Lage ist, den Dienstleistungsnutzen monetär zu bewerten.25 Durch diese aktive Kommunikation des Nutzens einer Dienstleistung ist es somit potenziell möglich, das Kaufrisiko beim Nachfrager zu verringern und damit sowohl die Zahlungsbereitschaft als auch die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme der betrachteten Dienstleistung aktiv zu erhöhen. Dieser Zusammenhang wird auch durch die Ergebnisse unserer Untersuchung bestätigt. Hierbei zeigte sich, dass die aktive Vermarktung produktbegleitender Dienstleistungen, die den Kundennutzen der Dienstleistung in den Vordergrund stellt und kommuniziert, den wirtschaftlichen Dienstleistungserfolg eines Anbieters maßgeblich beeinflusst. Darüber hinaus kann der Einsatz nutzenkommunikativer Maßnahmen bei Anbietern anonymer Kernleistungen zusätzlich auch den Markterfolg, d.h. die Kundenzufriedenheit und Kundenbindung, steigern. Um Nachfrager zum Kauf zu bewegen, müssen der Nutzen und die Qualität dieser Leistungen deshalb aktiv kommuniziert werden (Backhaus 1993; Backhaus, Mühlfeld 2004; Weiber 1997). Für produktbegleitende Dienstleistungen ist es also elementar, dass diese als Zusatzleistung besonders intensiv kommuniziert werden. Erst so ist aus einer standardisierten Leistung eine individuelle Nutzenerwartung beim Kunden zu erzeugen, die zu einer höheren Kauf- und Zahlungsbereitschaft führen und die Erfolgsgrößen positiv beeinflussen kann. Individualisierte Preismodelle Grundsätzlich ergeben sich für produktbegleitende Dienstleistungen verschiedene Preismodelle der Vermarktung, die sich hinsichtlich des Bündelungsgrades, der Kommunikation der Einzelpreise und des für die Zusammenstellung der Komponenten verantwortlichen Unternehmens unterscheiden:26 Die standardisierte Bündelung umfasst diejenigen „klassischen“ Vermarktungsformen, bei denen die Zusammenstellung der Einzelbestandteile ausschließlich durch den Anbieter erfolgt. Hierbei bezeichnet das „pure Bundling“ eine Vermarktungsmöglichkeit, bei der die Dienstleistung nur gemeinsam mit dem Kernprodukt gekauft werden kann. Die Preise für die einzelnen Komponenten werden nicht bekannt gegeben, da das gesamte Leistungsbündel nur durch die Zahlung eines Paketpreises zu erwerben ist (Jung Erceg 2003). Im Gegensatz dazu werden die Dienstleistungen beim „mixed Bundling“ sowohl separat als auch in vorab zusammengestellten Bündeln angeboten, sodass sowohl Einzelpreise als auch Bündelpreise offengelegt werden. Eine weitere Vermarktungsform, die zu den klassischen, standardisierten Preismodellen zu zählen ist, ist die reine Entbündelung (pure components), bei der alle Leistungsbestandteile separat angeboten und individuell bepreist werden (Kleinaltenkamp et al. 2004). 25 26
Vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 6.1 dieses Buches. Für eine ausführliche Erläuterung der hier genannten Preismodelle vgl. Kapitel 5.1.2.
3.2 Anbieterseitige Erfolgsfaktoren
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Während das Angebot produktbegleitender Dienstleistungen bei den hier vorgestellten standardisierten Preismodellen ausschließlich vom Anbieter festgelegt wird, bestimmt bei der individualisierten, nachfragerorientierten Bündelung der Kunde die Zusammenstellung der Leistungen wesentlich mit. Die individuelle, nachfragerorientierte Bündelung verspricht durch ihre inhärente Flexibilität zahlreiche Vorteile: So können zum einen Preisbereitschaften gezielt abgeschöpft und zum anderen Kunden für den Wert einer Leistung sensibilisiert werden, die bisher nur geringe Zahlungsbereitschaften für die in standardisierten Komplettpaketen enthaltenen Dienstleistungen aufwiesen. Die Individualisierung kann bis zur Integration von Dienstleistungen gehen, die nach Identifikation der Kundenbedürfnisse speziell angepasst werden (Tuli et al. 2007). In diesem Fall kann das Leistungsbündel optimal auf die Nutzenvorstellung des Kunden abgestimmt werden, was tendenziell nicht nur positiv auf die Zufriedenheit des Kunden, sondern ebenfalls direkt auf die zu generierenden Zahlungsbereitschaften wirkt (Tillmann, Herrmann 2004). Dies wird auch im Rahmen unserer Untersuchung deutlich. Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Abkehr von den standardisierten, klassischen Preismodellen hin zur individualisierten, nachfragerorientierten Zusammenstellung der Einzelkomponenten sowohl in einem höheren Markterfolg als auch in einem gesteigerten wirtschaftlichen Erfolg niederschlägt. Individualisierte Rabattgestaltung In Bezug auf die Durchsetzung von Preisen kann ebenfalls zwischen standardisierten und individualisierten Ansätzen unterscheiden werden: Die standardisierte Preisdurchsetzung beschreibt den Fall, bei dem Dienstleistungen einheitlich zu Listenpreisen angeboten werden, woraus zweierlei Konsequenzen resultieren: Einerseits wird bei den Kunden, deren Zahlungsbereitschaft über dem Listenpreis liegt und die somit auch einen höheren Preis akzeptieren würden, Zahlungsbereitschaftspotenzial verschenkt. Während die Kunden demnach einen Nutzenvorteil daraus erzielen, dass sie für die Dienstleistungen weniger bezahlen als sie zu zahlen bereit wären, entsteht für den Anbieter gleichzeitig ein Nutzennachteil in Form von entgangenem Erlös. Liegt der Listenpreis hingegen über der Zahlungsbereitschaft, wird der Kunde von einem Kauf der Dienstleistung absehen, sodass auch in diesem Fall aus Anbietersicht das Zahlungsbereitschaftspotenzial des Nachfragers ungenutzt bleibt. Abhilfe kann der Ansatz der Preisdifferenzierung schaffen, bei dem verschiedenen Kunden identische Dienstleistungen zu unterschiedlichen Preisen angeboten werden. Da die Preisdifferenzierung im Idealfall auf die individuelle Befriedigung der heterogenen Kundenbedürfnisse ausgerichtet ist, können dadurch auch die ungenutzten Zahlungsbereitschaftspotenziale der einheitlichen Listenpreissetzung besser – weil spezifisch – abgeschöpft werden (Backhaus, Voeth 2007; Coulter 2001). Da beim Vertrieb von industriellen Leistungen häufig der Verhandlungscharakter vorherrscht (Voeth, Rabe 2004; Backhaus et al. 2007b), bietet sich in diesem Zusammenhang insbesondere die individualisierte Rabattgestaltung als ak-
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3 Die Anbieterperspektive
tives Instrument der Preisdifferenzierung – und damit der differenzierten Kundenbearbeitung – an. Bei den Ergebnissen der Studie zeigt sich, dass die von uns befragten Anbieterunternehmen einen umso höheren Markterfolg mit Dienstleistungen erzielen konnten, je aktiver sie das Instrument der Rabattgestaltung einsetzten und je mehr sie die Rabattgewährung an die jeweilige Verkaufssituation anpassten. Die individuelle Rabattgewährung übt folglich durch die kundenspezifische Abschöpfung von Zahlungsbereitschaften einen direkten Einfluss auf den wirtschaftlichen Erfolg der Anbieter aus. Ferner entsteht durch diese Individualisierung eine bessere Bedürfnisbefriedigung der Nachfrager, die als Schlüssel für die Schaffung von Kundenzufriedenheit und Kundenbindung angesehen werden kann (Avlonitis, Indounas 2005), wodurch in der durchgeführten Untersuchung auch ein positiver Einfluss auf den Markterfolg der Anbieterunternehmen resultierte. 3.2.4
Anbieterseitige Handlungsempfehlungen
Die vorliegende Untersuchung hatte die Zielsetzung, anbieterseitige Erfolgsfaktoren für die Rahmenbedingungen des Angebots produktbegleitender Dienstleistungen zu ermitteln und diese empirisch zu überprüfen. Zu diesem Zweck wurde eine Umfrage unter 401 mittelständischen Unternehmen der Industriegüterproduktion durchgeführt. Dabei konnten zahlreiche Erkenntnisse gewonnen werden, die Anbietern dabei helfen können, ihr Dienstleistungsangebot zielgerichtet, d.h. erfolgsorientiert auszurichten. Für produzierende Industriegüterunternehmen gibt es eine Vielzahl von Gründen, ihr Leistungsportfolio um zusätzliche produktbegleitende Dienstleistungen bzw. hybride Leistungsbündel anzureichern. Sie reichen von der Differenzierung vom Wettbewerb über den Aufbau von Markteintrittsbarrieren bis hin zur Steigerung der Kundenzufriedenheit und der Stärkung von Kundenbeziehungen. Die Erfüllung solcher kunden- und wettbewerbsbezogenen Ziele stellt jedoch keinen „Selbstzweck“ dar, sondern muss letztlich immer vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Gesichtspunkte und dem Ziel der langfristigen Sicherung des Unternehmenserfolgs betrachtet werden. Die Ergebnisse unserer Untersuchung zeigen, dass das adäquate Angebot produktbegleitender Dienstleistungen auf zweierlei Weise zur Steigerung des Unternehmenserfolgs beitragen kann: während die nachfragerseitigen Handlungsfaktoren unmittelbar zur Steigerung des wirtschaftlichen Dienstleistungserfolgs beitragen können, wirken sich die anbieterseitigen Rahmenfaktoren nur indirekt, d.h. über den „Umweg“ eines gesteigerten Markterfolgs auf die finanziellen Erfolgsgrößen aus. Dies ist insofern nicht überraschend, als dass die nachfragerseitigen Handlungsfaktoren all diejenigen Maßnahmen umfassen, die die kundenorientierte Vermarktung der Dienstleistungsangebote betreffen. Diese Maßnahmen tragen unmittelbar zu einem verbesserten kundenseitigen Nutzenverständnis gegenüber Dienstleistungen sowie einem stärkeren Vertrauen der Nachfrager in den
3.2 Anbieterseitige Erfolgsfaktoren
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Anbieter bei und sind damit in der Lage, den finanziellen Erfolg des Dienstleistungsgeschäfts direkt zu steigern. Die adäquate Ausgestaltung der anbieterseitigen Rahmenfaktoren hingegen begünstigt die Schaffung dienstleistungsorientierter Strukturen innerhalb der jeweiligen Unternehmung. Diese fördern vorrangig die Erreichung kunden- und wettbewerbsbezogener Ziele und damit indirekt die langfristige Verbesserung der wirtschaftlichen Situation des Anbieters. x Betrachtet man die Einflussfaktoren im Einzelnen, kann zusammenfassend festgestellt werden, dass der kundenseitig definierte Markterfolg insbesondere durch eine ausgeprägte Dienstleistungskultur und die RelationshipOrientierung im Unternehmen positiv beeinflusst werden kann. Aber auch für die systematische Entwicklung produktbegleitender Dienstleistungen und die klare organisatorische Verankerung des Dienstleistungsgeschäfts konnten positive Effekte identifiziert werden. x Bezüglich der konkreten Ausgestaltung der organisatorischen Verankerung konnten hingegen keine eindeutigen Empfehlungen abgeleitet werden. Dieses Ergebnis ist darauf zurückzuführen, dass sowohl die Organisation des Dienstleistungsgeschäfts in einer eigenständigen Geschäftseinheit als auch dessen Integration in die bestehende Organisation spezifische Vor- und Nachteile aufweisen, die je nach Zielsetzung in den Vordergrund treten können. Dies gilt jedoch nicht für Unternehmen, deren Kernleistungen vorwiegend auf den anonymen Massenmarkt zugeschnitten sind. In diesem Fall überwiegen die Vorteile der Integration des Dienstleistungsgeschäfts, da diese eine ganzheitliche Betrachtung von Sach- und Dienstleistung ermöglichen und so die Ausschöpfung von Cross-Selling-Effekten und den Transfer von Know-how begünstigen können. x Der Ansatz, das Angebot zu individualisieren, wirkt sowohl förderlich auf den Markterfolg als auch direkt auf den wirtschaftlichen Erfolg, den Anbieter mit produktbegleitenden Dienstleistungen erzielen. Dabei steigern die individualisierten Modelle der Bündelung besonders den Markterfolg, während die individualisierte Rabattgestaltung unmittelbar dem wirtschaftlichen Erfolg zu Gute kommt. Dieser wird darüber hinaus maßgeblich durch eine aktive Kommunikation des Nutzens produktbegleitender Dienstleistungen gefördert, da die Zahlungsbereitschaften der Nachfrager auf diese Weise aktiv gesteigert werden können. Grundsätzlich kann festgestellt werden, dass die Vermarktung hybrider Leistungsbündel aufgrund ihres Dienstleistungsanteils besondere Herausforderungen an die Anbieter stellt, die nur bedingt mit denen des Sachgütergeschäfts vergleichbar sind. Es reicht eben nicht, Dienstleistungen nur „nebenher“, d.h. als „Zugabe“ zur Kernleistung, zu vertreiben, wie es von vielen Unternehmen der Industriegüterbranche nach wie vor praktiziert wird. Hingegen besteht die Notwendigkeit, das Dienstleistungsgeschäft zu professionalisieren und es ebenso systematisch auszugestalten, wie es bei Sachleistungen schon lange üblich ist. Ein zentraler Stellhebel ist dabei zum einen die Schaffung adäquater interner Rahmenbedingungen wie
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3 Die Anbieterperspektive
bspw. eine geeignete organisatorische Einbindung der Dienstleistungssparte, die Förderung einer dienstleistungsorientierten Mentalität im Unternehmen, sowie die systematische, an den Kundenproblemen ausgerichtete Dienstleistungsentwicklung. Zum anderen sind auch unmittelbar kundenorientierte und vertrauensbildende Maßnahmen zu treffen, die die beim Dienstleistungskauf bestehenden Informationsmängel und Unsicherheiten beim Nachfrager reduzieren und die Bedeutsamkeit und Qualität der Leistung bereits vor dem Kauf wahrnehmbar machen. Es muss jedoch ebenso betont werden, dass es sich bei den hier identifizierten Erfolgsfaktoren nur um die Rahmenbedingungen eines erfolgreichen Angebots handelt, die eine langfristige Verteidigungsfähigkeit eines dienstleistungsorientierten KKVs® sicherstellen sollen. Für die konkrete Ausgestaltung und die optimale Bepreisung von Dienstleistungsangeboten hingegen sind zusätzlich Informationen über die Kostensituation des jeweiligen Anbieters und die individuellen Anforderungen des Kunden, d.h. den wahrgenommenen Wert des Leistungsangebots, vonnöten. Auf diese Aspekte wird deshalb in den folgenden Kapiteln 3.3 und 4.1 näher eingegangen.
3.3 Kalkulation hybrider Leistungsbündel
3.3.1
Kostenrechnerische Spezifika hybrider Leistungsbündel
Um die untere Grenze des Preiskorridors für die wirtschaftliche Vermarktung hybrider Leistungsbündel bestimmen zu können, sind die für den Anbieter entstehenden Kosten zur Fertigung von Sachleistungsanteilen bzw. zur Erbringung begleitender Dienstleistungsanteile zu kalkulieren. Eine solche Kalkulation ist Teil der Kostenrechnung. Die Kostenrechnung dient der Informationsbereitstellung für die operative Planung, Steuerung und Kontrolle des Güterverbrauchs eines Unternehmens. Sie ist als Gegenstück zur outputorientierten Erlösrechnung inputorientiert konzipiert (Schweitzer, Küpper 2003, S.11). Zentraler Bestandteil der Kostenrechnung sind Kostenrechnungsverfahren, auch Kostenrechnungssysteme genannt. Es handelt sich dabei um Methoden, mit deren Hilfe der tatsächliche oder geplante Güterverbrauch, also die angefallenen bzw. kalkulierten Kosten, unter spezifischen Zielsetzungen geeigneten Bezugsobjekten zugerechnet werden können (Schweitzer, Küpper 2003, S.11). In unserem Fall handelt es sich bei diesen Bezugsobjekten um die Sach- und Dienstleistungsanteile eines hybriden Leistungsbündels. Dienstleistungen fanden in der Kostenrechnung erst spät Beachtung (Gerling et al. 2004). So beschäftigte sich erst im Jahre 1979 Lachhammer als einer der ersten
3.3 Kalkulation hybrider Leistungsbündel
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Autoren mit den Besonderheiten der Kostenrechnung im Dienstleistungsbetrieb (Lachhammer 1979). Folglich sind für den Einsatz im Dienstleistungsbereich traditionelle Kostenrechnungsverfahren, die für den Einsatz in der Fertigung von Sachleistungen konzipiert wurden, an die Spezifika von (produktbegleitenden) Dienstleitungen anzupassen. In der Literatur werden insbesondere zwei konstituierende Merkmale von Dienstleistungen herausgestellt, aus denen Konsequenzen für die Kostenrechnung entstehen (Reckenfelderbäumer 1995, S.10 ff.): Immaterialität und Integrativität. Im Gegensatz zu Sachleistungen, als Leistungen in Form weitgehend materieller „Dinge“, handelt es sich bei Dienstleistungen um Leistungen in Form weitgehend immaterieller Prozesse. Aus dieser Eigenschaft resultiert die fehlende Lagerfähigkeit von Dienstleistungen. Erbringung und Absatz fallen zeitlich zusammen („Uno-actu-Prinzip“) und sind stark an den Zeitpunkt der Kundennachfrage gebunden. Um dennoch schnell auf auftretende Kundennachfragen reagieren zu können, ist es erforderlich, statt des fertigen Leistungsergebnisses die notwendigen Produktionsfaktoren zu „lagern“ (Gerling et al. 2004). Die Folge sind hohe Bereitschaftskosten für die Vorhaltung von Leistungspotential beispielsweise in Form von Personal und Maschinen. Diese Bereitschaftskosten fallen weitgehend unabhängig von der erbrachten Menge an Dienstleistungen an und sind daher als Fixkosten einzuordnen. Ein Beispiel für Bereitschaftskosten mit Fixkostencharakter sind Abschreibungen für im Rahmen der Dienstleistungserbringung notwendige Maschinen oder Werkzeuge. Zudem haben Bereitschaftskosten häufig Gemeinkostencharakter, da die vorgehaltenen Produktionsfaktoren in der Regel für eine Vielzahl verschiedener Leistungen eingesetzt werden. Ein Beispiel für Bereitschaftskosten mit Gemeinkostencharakter sind Lohnkosten für Servicetechniker, die in der Regel für die Erbringung von mehr als einer Dienstleistung zuständig sind. Das skizzierte Problem der Dominanz von Bereitschaftskosten hat zur Folge, dass ein Großteil der anfallenden Kosten nicht verursachungsgerecht einzelnen Dienstleistungen zugerechnet werden kann. Aus der eingeschränkten Lagerbarkeit von Dienstleistungen resultiert zudem eine hohe Anfälligkeit für auftretende Nachfrageschwankungen. Orientiert sich der Anbieter bei seiner Kapazitätsplanung am Spitzenbedarf, so nimmt er mögliche Leerkosten durch Unterauslastung in Kauf. Kalkuliert der Anbieter stattdessen seine Planung auf einem durchschnittlichen Bedarf, riskiert er aufgrund möglicher Kapazitätsengpässe, bestehende Kundennachfrage nicht bedienen zu können und somit potenzielle Erlöse zu verlieren. Neben der Immaterialität stellt die Integrativität von Dienstleistungen, also die Integration des externen Faktors „Kunde“ in den Leistungserstellungsprozess, eine weitere zu berücksichtigende Problematik dar. Die Entscheidung wann und in welcher Form eine Dienstleistung erbracht wird, hängt maßgeblich vom Kunden ab. Zudem kann die Intensität und Qualität seiner Co-Produktion kostensenkend, kostenneutral oder kostensteigernd wirken (Gerling et al. 2004). Aufgrund ihrer
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3 Die Anbieterperspektive
Immaterialität und ihres Prozesscharakters sind Dienstleistungen zudem vergleichsweise schwer einer direkten und systematischen Beobachtung zugänglich, was nicht selten dazu führt, dass das für gängige Kostenrechnungsverfahren notwendige Zeit- und Mengengerüst nicht zur Verfügung steht. Dieses Dokumentationsproblem verstärkt sich durch die Integration des Kunden in die Dienstleistungserbringung. Zum einen werden durch den Kunden eingebrachte Ressourcen häufig nicht ausreichend dokumentiert. Zum anderen entstehen häufig individuelle Ergebnisse, teilweise mit der Stückzahl von „eins“, was zu einer mangelnden Vergleichbarkeit von selbst einzelnen Instanzen derselben Dienstleistung und somit zu Problemen bei der Auswahl geeigneter Kostenträger führen kann. Neben den oben diskutierten Problemen, die in mehr oder weniger starker Ausprägung für Dienstleistungen im Allgemeinen gelten, resultiert aus den besonderen Spezifika produktbegleitender Dienstleistungen eine Reihe weiterer Anforderungen an eine adäquate Kostenrechnung. Die Kosten, die im Rahmen der Erbringung einer produktbegleitenden Dienstleistung anfallen, können wesentlich durch die jeweilige Kernleistung beeinflusst werden. So kann sich beispielsweise die Komplexität einer Maschine auf den benötigten Schulungsaufwand oder ihre Robustheit auf die zu erwartende Wartungsintensität auswirken. Diese Abhängigkeit zwischen Kernleistung und produktbegleitender Dienstleistung verstärkt das bereits erläuterte Gemeinkostenproblem, d. h. die für eine Dienstleistung anfallenden Kosten (und Erlöse) lassen sich häufig nicht verursachungsgerecht auf die Dienstleistung selber zurückführen. Ähnlich verhält es sich bei Interdependenzen zwischen verschiedenen Leistungen eines hybriden Leistungsbündels. Beispielsweise können umfangreiche Schulungen zu geringeren Ausfallzeiten führen und somit die für die Instandhaltung anfallenden Kosten und Erlöse beeinflussen. Auch dies verschärft das Gemeinkostenproblem. Des Weiteren ist zu beachten, dass produktbegleitende Dienstleistungen teilweise durch Drittanbieter oder den Kunden selbst durchgeführt werden, ohne dass der eigentliche Anbieter davon in Kenntnis gesetzt wird. Aufgrund der mangelnden Dokumentation entstehen Probleme bei der Quantifizierung des für eine effektive Planung produktbegleitender Dienstleistungen notwendigen Zeitund Mengengerüsts. Als Zwischenfazit lässt sich festhalten, dass aus den Spezifika Immaterialität und Integrativität sowie existierenden Interdependenzen zur Kernleistung und anderen produktbegleitenden Dienstleistungen kostenrechnerische Herausforderungen x bei der Zuordnung von Fix- und Gemeinkosten, x Berücksichtigung von Leerkosten, x Quantifizierung des Zeit- und Mengengerüsts und x Auswahl von Kostenträgern entstehen.
3.3 Kalkulation hybrider Leistungsbündel
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Wie bereits erläutert und in Abb. 3.3 illustriert, dominieren in der Kostenrechnungspraxis Vollkostenrechnungsverfahren. Lachhammer (1979) kritisiert bereits früh die Eignung der traditionellen Vollkostenrechnung für den Dienstleistungsbereich. Aufgrund der Dominanz von Fix- und Gemeinkosten bei der Erbringung von Dienstleistungen lieferten Verfahren, die auf Vollkosten basieren, keine sinnvollen Informationen für zielbezogene, operative Entscheidungen. Sie seien durch eine Teilkostenrechnung zu ersetzen. Lachhammer diskutiert in diesem Zusammenhang die Grenzplankostenrechnung (Kilger et al. 1961) sowie die relative Einzelkostenrechnung nach Riebel (1972). Die Grenzplankostenrechnung ist eine Teilkostenrechnung auf Basis variabler Kosten. Das bedeutet, dass lediglich variable Kosten auf die einzelnen Kostenträger, z. B. gefertigte Produkte, verrechnet werden und somit in die kurzfristige Kalkulation bspw. von Preisuntergrenzen einfließen. Die Grenzplankostenrechnung wurde für den Fertigungsbereich entwickelt und unterscheidet folglich explizit Materialeinzelkosten, Lohneinzelkosten sowie Sondereinzel- und Ausschusskosten. Für die Planung beispielsweise der Materialeinzelkosten werden die Ergebnisse der Produktionsprogrammplanung herangezogen. Über Berechnungen auf Basis von Stücklisten, Rezepturen oder Produktionskoeffizienten wird der geplante mengenmäßige Materialverbrauch festgestellt. Die spätere Kontrolle erfolgt über die Auswertung von Materialentnahmescheinen oder eine automatisierte Betriebsdatenerfassung. Für variable Gemeinkosten (z. B. Energie) werden für alle Kostenstellen und Kostenarten Kostenfunktionen inklusive geeigneter Bezugsgrößen durch eine analytische Planung aufgestellt. Durch die Differenzierung einer Vielzahl unterschiedlicher direkter und indirekter Bezugsgrößen soll eine möglichst genaue Abbildung der Gemeinkostenbeziehungen erreicht werden. Bei der relativen Einzelkostenrechnung nach Riebel (1972) werden hingegen sämtliche Kosten als „relative“ Einzelkosten der jeweiligen Bezugsobjekte (Kostenträger) erfasst. Nach Riebel stellen betriebliche Entscheidungen die Quellen von Kosten und Erlösen dar. Nach dem sogenannten Identitätsprinzip werden jeweils nur die Kosten und Erlöse einander gegenübergestellt, die durch dieselbe identische Entscheidung über ein Objekt verursacht wurden. Dazu werden Hierarchien von Bezugsobjekten, z. B. Produkten oder Organisationseinheiten, angelegt. Anfallende Kosten werden „an der untersten Stelle in der jeweiligen Hierarchie betrieblicher Bezugsobjekte, an der man sie gerade noch als Einzelkosten erfassen kann“ (Riebel 1972, S. 239) angerechnet. Auf eine Schlüsselung von Gemeinkosten wird vollkommen verzichtet. Im Allgemeinen gilt die relative Einzelkostenrechnung als der Grenzplankostenrechnung theoretisch überlegen, sie wird jedoch aufgrund des erforderlichen Erhebungs- und Aufbereitungsaufwands als praxisuntauglich eingestuft. Dementsprechend analysierten und erweiterten zahlreiche Autoren zunächst das Verfahren der Grenzplankostenrechnung im Hinblick auf die Anwendbarkeit im Dienstleistungsbereich.
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3 Die Anbieterperspektive
Männel und Estorff (1987) befürworten den Einsatz der Grenzplankostenrechnung im Dienstleistungsbereich, weisen jedoch darauf hin, dass nicht alle Bereitschaftskosten a priori als fix angesehen werden können. Beispielsweise sind Personalkosten für Lohnarbeit mittelfristig als variable Kosten anzusehen. Die Autoren schlagen deshalb eine gesonderte Berücksichtigung sogenannter dynamischer Bereitschaftskosten vor. Auch Vikas (1988) empfiehlt die Anwendung der Grenzplankostenrechnung. Dabei setzt er den Schwerpunkt auf die Planung von Personalkosten und schlägt bei der Zuordnung von Kosten auf Kostenträger eine Trennung in standardisierte und individuelle Dienstleistungen vor. Nur für hinreichend standardisierte Dienstleistungen sei eine Planung von Kosten überhaupt realistisch, da nur für diese die Möglichkeit der Abschätzung des zur Kalkulation unverzichtbaren Zeit- und Mengengerüsts gegeben ist. Küpper (1992) favorisiert für kurzfristige Entscheidungen im Dienstleistungsbereich die Grenzplankostenrechnung. Er weist jedoch darauf hin, dass für langfristige Entscheidungen zusätzlich eine Vollkostenrechnung sowie eine mehrdimensionale Deckungsbeitragsrechnung unter Einbeziehung von Fixkosten notwendig sind. Wie die obigen Literaturbeispiele zeigen, wurde bis Anfang der 1990er Jahre die Grenzplankostenrechnung als geeignetes Verfahren für den Dienstleistungsbereich empfohlen (Gerling et al. 2004). Mit dem Aufkommen einer verstärkten Prozessorientierung in der Betriebswirtschaftslehre änderte sich dies jedoch. So wird heute häufig die Prozesskostenrechnung als das Verfahren angesehen, das den mit der Planung, Steuerung und Kontrolle von Dienstleistungsunternehmen verbundenen Informationsbedarf am besten zu decken vermag. 3.3.2
Prozesskostenrechnung für hybride Leistungsbündel
Die Prozesskostenrechnung zielt auf eine erhöhte Transparenz und „gerechtere“ Verrechnung von Gemeinkosten ab. Im Gegensatz zur traditionellen Zuschlagskalkulation werden inhaltlich zusammenhängende Tätigkeiten über Kostenstellengrenzen hinweg zu Prozessen zusammengefasst. Ein Prozess stellt die inhaltlich abgeschlossene, zeitliche und sachlogische Folge von Aktivitäten dar, die zur Bearbeitung eines betriebswirtschaftlich relevanten Objektes notwendig ist (Becker, Kahn 2005). Üblicherweise werden Prozesse für die Prozesskostenrechnung in Hierarchien angeordnet. Man unterscheidet zwischen Geschäftsprozessen (Kernaufgaben eines Unternehmens, deren Erfüllung kostenstellenübergreifend abläuft), Hauptprozessen (Unterteilung von Geschäftsprozessen in Folgen von Aktivitäten, die demselben Kostentreiber unterliegen) und Teilprozessen (Unterteilung von Hauptprozessen in Folgen von Aktivitäten, die innerhalb einer Kostenstelle ablaufen).
3.3 Kalkulation hybrider Leistungsbündel
55
Geschäftsprozesse
Im Dienstleistungskontext entsprechen Geschäftsprozesse üblicherweise angebotenen Dienstleistungen. Abb. 3.7 zeigt exemplarisch eine Prozesshierarchie für die Dienstleistung Ersatzteilmanagement. Der Geschäftsprozess Ersatzteilmanagement ist in die Hauptprozesse Auftragsannahme, Ersatzteilbeschaffung, Auftragsüberwachung und Ersatzteilaustausch untergliedert. Die Abgrenzung der Hauptprozesse wurde anhand der Kostentreiber (Fall, Auftrag und Statusanfrage) vorgenommen. Die Hauptprozesse sind im Weiteren in Teilprozesse, die in den einzelnen Kostenstellen (Kundendienst, Beschaffung und Außendienst) ablaufen, eingeteilt. Aus inhaltlichen Gründen wurden für einige Kostenstellen mehrere Teilprozesse definiert (z. B. ist die Ersatzteilbeschaffung in die Teilprozesse Verwalte Lieferanten, Prüfe Verfügbarkeit und Beschaffe Ersatzteil untergliedert).
Ersatzteilmanagement
Hauptprozesse
Auftragsannahme
Ersatzteilbeschaffung
Teilprozesse
Fall
Analysiere Fall
Verwalte Lieferanten
Kundendienst
Auftragsüberwachung
Auftrag
Prüfe Verfügbarkeit
Beschaffe Ersatzteil
Ersatzteilaustausch Auftrag
Statusanfrage
Beantworte Statusanfrage
Beschaffung
Fahre zum Einsatzort
Kundendienst
Tausche Ersatzteil
Außendienst
Abb. 3.7: Prozesshierarchie für die Dienstleistung Ersatzteilmanagement
Die traditionelle Prozesskostenrechnung läuft in vier Schritten ab. Im ersten Schritt sind die zu betrachtenden Geschäftsprozesse anhand ihrer Kostentreiber in Hauptprozesse zu unterteilen. Daraufhin erfolgt im zweiten Schritt die sogenannte Tätigkeitenanalyse in den Kostenstellen, die die Identifikation der in den Kostenstellen ablaufenden Teilprozesse und die Ermittlung der verfügbaren und beanspruchten Kostenstellenkapazitäten sowie angefallenen Kostenstellenkosten umfasst. Im dritten Schritt sind für die identifizierten Teilprozesse geeignete Prozessgrößen (insb. Mengen und evtl. Zeiten) zu quantifizieren. Abschließend erfolgen die Bewertung der Teilprozesse anhand der zuvor erhobenen Daten und eine eventuelle Verdichtung von Kennzahlen für Haupt- und Geschäftsprozesse. Aufgrund der aus den Dienstleistungsmerkmalen Immaterialität und Integrativität erwachsenden Besonderheiten rät Reckenfelderbäumer (1995) von einer unreflektierten Übernahme der ursprünglich für den Produktionsbereich konzipierten Prozesskostenrechnung ab und entwickelt eine modifizierte Vorgehensweise, die die Spezifika von Dienstleistungen explizit berücksichtigt.
56
3 Die Anbieterperspektive
Der Aufbau der Prozesskostenrechnung für den Dienstleistungsbereich nach Reckenfelderbäumer (1995) ist in Abb. 3.8 zusammengefasst und soll im Folgenden erläutert werden. Grundrechnung Einzelkosten
Gemeinkosten
Prozesskostenrechnung i.e.S.
direkte Zurechnung
Kosten der Prozesse 1. Grades
Kosten der Prozesse 3. Grades
Kosten der Prozesse 2. Grades
integrativ
autonom
integrativ
autonom
lmi
lmn
lmi
lmn
direkte Zurechnung
Schlüsselung
direkte Zurechnung
Schlüsselung
Rest-Gemeinkosten
Schlüsselung
Kalkulationsobjekt (z.B. Dienstleistung, Kernprodukt)
Abb. 3.8: Prozesskostenrechnung für Dienstleistungen nach Reckenfelderbäumer (1995)
Auf Basis einer herkömmlichen Kostengrundrechnung werden zunächst die von einem Geschäftsprozess, beispielsweise einer bestimmten Dienstleistung, verursachten Einzelkosten dem Geschäftsprozess direkt zugerechnet. Im betrachteten Beispiel Ersatzteilmanagement umfassen die Einzelkosten beispielsweise Materialeinzelkosten für ausgetauschte Ersatzteile. Alle dem Geschäftsprozess nicht unmittelbar zurechenbaren Kosten (Gemeinkosten) gehen in die Prozesskostenrechnung im engeren Sinne ein. Hierzu müssen, wie in der traditionellen Prozesskostenrechnung, die in den Kostenstellen ablaufenden Teilprozesse sowie die zugehörigen Kostenstellenkosten, Kostenstellenkapazitäten und Prozessgrößen erfasst und dokumentiert werden. Diese Aufgabe stellt den bei weitem aufwändigsten Teil der Prozesskostenrechnung dar und erfordert daher ein systematisches Vorgehen. Methodisch bietet sich in diesem Schritt die Anwendung von Methoden der Geschäftsprozessmodellierung wie beispielsweise das Service Blueprinting (Shostack 1982) oder die Ereignisgesteuerte Prozesskette (Scheer 2002) an.
3.3 Kalkulation hybrider Leistungsbündel
57
Die identifizierten Teilprozesse werden im nächsten Schritt hinsichtlich ihres Bezugs zum Kalkulationsobjekt in Prozesse ersten, zweiten und dritten Grades klassifiziert. Hier stellt sich die Frage, welches Bezugsobjekt für die Einteilung der Teilprozesse gewählt werden sollte. Reckenfelderbäumer (1995) bezieht sich in seinen Ausführungen vorwiegend auf reine Dienstleistungsunternehmen, bei denen Dienstleistungen das alleinige Absatzobjekt darstellen, und schlägt daher eine Differenzierung der Teilprozesse nach ihrem Bezug zur Dienstleistung vor. Als Beispiel wird die Transportdienstleistung als Absatzobjekt einer Spedition angeführt, bei der die Durchführung der Fahrt sowie die Beladung und Entladung Prozesse ersten Grades, die Fahrzeugwartung und das Auftanken Prozesse zweiten Grades und schließlich allgemeine Tätigkeiten, wie die Speisenzubereitung der Kantine, Prozesse dritten Grades darstellen. Eine andere Möglichkeit zeigen Möller und Cassack (2008) auf, die sich explizit mit den Besonderheiten der Kalkulation produktbegleitender Dienstleistungen befassen. Sie schlagen das Kernprodukt als geeignetes Bezugsobjekt der Dienstleistungsprozesse vor. Prozesse ersten Grades sind diejenigen Prozesse, die eine direkte Verbindung zur Sachleistung aufweisen. Eine Veränderung der Sachleistung würde hier eine unmittelbare Auswirkung auf die Prozesse und das Ergebnis der Dienstleistung haben. Beispiele für Prozesse ersten Grades sind Inbetriebnahme, Wartung oder Demontage. Prozesse zweiten Grades stehen hingegen nur indirekt im Bezug zur Sachleistung. Veränderungen der Kernleistung haben nicht zwangsläufig oder nur indirekt Auswirkungen auf die begleitenden Dienstleistungen. Es kann sich hierbei beispielsweise um Beratungs- oder Marketingleistungen handeln. Prozesse dritten Grades weisen schließlich gar keine oder eine nur sehr lose Verbindung zum Kernprodukt auf. Beispielsweise kann es sich hierbei um Führungsprozesse handeln. Die von Möller und Cassack (2008) vorgeschlagene Vorgehensweise trägt der Besonderheit der engen Kopplung von Sach- und Dienstleistung Rechnung und ermöglicht damit eine explizite Berücksichtigung des Einflusses der Sachleistung auf die Kosten der Dienstleistungserbringung. Unabhängig vom gewählten Bezugsobjekt stellen die Kosten der Prozesse dritten Grades, die keinerlei Bezug zum Kalkulationsobjekt aufweisen, „Rest“Gemeinkosten dar und werden mit einem traditionellen Schlüssel auf das Kalkulationsobjekt verrechnet. Die Kosten der Teilprozesse ersten und zweiten Grades werden hingegen im weiteren Verlauf detailliert analysiert. Durch diese differenzierte Betrachtung der Prozesse wird im Vergleich zur herkömmlichen Prozesskostenrechnung zusätzliche Transparenz geschaffen. So können beispielsweise explizit die Kosten des Frontstage-Bereichs (Prozesse ersten Grades) und Backstage-Bereichs (Prozesse zweiten und dritten Grades) ausgewiesen und verglichen werden. Um der Integration des externen Faktors in den Dienstleistungsprozess Rechnung zu tragen, unterteilt Reckenfelderbäumer ferner die identifizierten Teilprozesse ersten und zweiten Grades hinsichtlich des Kundeneinflusses in integrative und autonome Prozesse. Im Gegensatz zu autonomen Prozessen sind integrative
58
3 Die Anbieterperspektive
Prozesse durch ein hohes Maß an Kundenintegration gekennzeichnet und unterliegen folglich einer erhöhten Unsicherheit. Durch diese bei der traditionellen Prozesskostenrechnung nicht vorgenommene Klassifizierung wird zusätzliche Transparenz geschaffen. Somit lässt sich beispielsweise der Anteil der Kosten ermitteln, der auf integrative Teilprozesse entfällt und daher nicht autonom geplant werden kann. Auf der nächsten Ebene wird – wie in der klassischen Prozesskostenrechnung – zwischen leistungsmengeninduzierten (lmi) und leistungsmengenneutralen (lmn) Teilprozessen unterschieden. Während erstere direkt vom Leistungsvolumen der Kostenstelle abhängen und somit als variabel einzustufen sind, fallen letztere als Grundlast unabhängig vom Leistungsvolumen der Kostenstelle an. Die lmiTeilprozesse werden über geeignete Prozessgrößen, die die Abhängigkeit der Kosten des Teilprozesses vom Leistungsvolumen der Kostenstelle beschreiben, quantifiziert. Für lmn-Teilprozesse ist dies nicht möglich; ihre Kosten werden über traditionelle Schlüssel verrechnet. Für die Hauptprozesse sind zudem sogenannte Kostentreiber zu ermitteln, die als Bezugsobjekte für die Verrechnung der Gemeinkosten auf die Prozesse dienen. Die Kostentreiber stellen gesamtunternehmerische Maßgrößen zur Quantifizierung des Outputs der Hauptprozesse dar. Idealerweise korrespondieren sie mit den Prozessgrößen der Teilprozesse; dies ist jedoch nicht immer möglich. Mithilfe der Kostentreiber der Hauptprozesse und der Prozessgrößen der Teilprozesse lässt sich schließlich ein vollständiges Mengengerüst unter Beachtung der Kostenstellenkapazitäten aufstellen. Ist das Mengen- und Kostengerüst für alle Haupt- und Teilprozesse erhoben, lassen sich die Prozesskostensätze ermitteln. Der Prozesskostensatz eines Prozesses ergibt sich aus der Division der Prozesskosten durch die Prozessmenge. Er beschreibt die durchschnittlichen Kosten für die einmalige Durchführung eines Prozesses. Je nach Ausgestaltung der Prozesskostenrechnung werden Prozesskostensätze häufig nur für die leistungsmengeninduzierten Teilprozesse ermittelt. Die Kosten der leistungsmengenneutralen Teilprozesse werden dann entweder innerhalb der Kostenstelle auf die lmi-Teilprozesse umgelegt oder später gesammelt auf die Geschäftsprozess- oder Hauptprozesskosten verteilt. Im Folgenden soll die Funktionsweise der Prozesskostenrechnung für hybride Leistungsbündel in Anlehnung an Reckenfelderbäumer (1995) anhand eines Rechenbeispiels (siehe Abb. 3.9) demonstriert werden. Dabei wird nach dem Vorschlag von Cassak & Möller (2008) als Bezugsobjekt nicht die betrachtete Dienstleistung, sondern das materielle Kernprodukt des Leistungsbündels gewählt. Das Beispiel knüpft an die in Abb. 3.7 gezeigte Prozesshierarchie an. Die Dienstleistung Ersatzteilmanagement wurde bereits in Abb. 3.7 in ihre Haupt- und Teilprozesse untergliedert. Ebenfalls sind Kostentreiber auf Ebene der
3.3 Kalkulation hybrider Leistungsbündel
59
Hauptprozesse sowie die Kostenstellen, in denen die Teilprozesse ablaufen, bereits annotiert. Als nächster Schritt müssen die Teilprozesse in Prozesse ersten, zweiten und dritten Grades eingeteilt werden. Die Teilprozesse Analysiere Fall und Tausche Ersatzteil wurden als Prozesse ersten Grades klassifiziert, da ihre Ausführung Wissen über die konkrete Kernleistung verlangt. Alle weiteren Teilprozesse hängen nur indirekt von der Kernleistung ab und wurden deshalb als Prozesse zweiten Grades eingeordnet. Anschließend sind die einzelnen Teilprozesse hinsichtlich der Integrationstiefe zu klassifizieren. Die Teilprozesse Prüfe Verfügbarkeit, Beschaffe Ersatzteil und Verwalte Lieferanten können ohne Einbindung des Kunden durchgeführt werden und sind deshalb als autonome Prozesse gekennzeichnet. Alle weiteren Prozesse werden mehr oder weniger stark durch den Kunden beeinflusst und sind deshalb als integrativ einzuordnen. Zudem sind leistungsmengeninduzierte und leistungsmengenneutrale Teilprozesse zu unterscheiden. Im Beispiel ist der Teilprozess Verwalte Lieferanten als ein lmn-Prozess klassifiziert worden, da die durch diesen Prozess verursachten Kosten weitgehend losgelöst vom Leistungsvolumen der Kostenstelle Beschaffung anfallen. Alle weiteren Teilprozesse wurden als lmi-Prozesse eingestuft. Nach der Aufstellung des Prozessmodells folgt die Tätigkeitsanalyse in den Kostenstellen. Dazu sind zunächst die anfallende Kostenstellenkosten sowie die verfügbaren Kostenstellenkapazitäten zu ermitteln. Im Anschluss sind jedem Teilprozess die von ihm beanspruchten Kapazitäten zuzuordnen. Im Beispiel beansprucht der Teilprozess Analysiere Fall 922 Stunden der monatlich verfügbaren 1.024 Stunden Personalkapazität der Kostenstelle Kundendienst. Die übrigen 102 Stunden entfallen auf den Teilprozess Beantworte Statusanfrage. Sind alle Kosten und Kapazitäten ermittelt, erfolgt die Quantifizierung der Prozessgrößen aller Teilprozesse. So sind beispielsweise für die Teilprozesse Fahre zum Einsatzort und Tausche Ersatzteil des Hauptprozesses Ersatzteilaustausch die Prozessgrößen Entfernung (30.000 gefahrene Kilometer) bzw. Anzahl Aufträge (150 Aufträge pro Monat) maßgeblich. Für den lmn-Teilprozess Verwalte Lieferanten ist die Quantifizierung geeigneter Prozessgrößen nicht notwendig. Abschließend wird die Kostenbewertung der Teilprozesse vorgenommen. Zunächst werden die Kostellenkosten proportional zur beanspruchten Kapazität auf die Teilprozesse zugeordnet. Auf den Teilprozess Analysiere Fall entfallen z. B. 90% (922 h / 1.024 h) der Kosten der Kostenstelle Kundendienst, während auf den Teilprozess Beantworte Statusanfrage die übrigen 10% (102 h / 1.024 h) entfallen. Für den lmn-Teilprozess Verwalte Lieferanten wurden die angefallenen 1.260 € auf die übrigen Teilprozesse der Kostenstelle Beschaffung verteilt. Abschließend werden für alle Teilprozesse Prozesskostensätze durch Division der zugeordneten Prozesskosten durch die angefallenen Prozessmengen ermittelt. Dabei können
60
3 Die Anbieterperspektive
entweder nur die leitungsmengeninduzierten, also variablen Kosten oder die Gesamtkosten berücksichtigt werden. Demnach fallen für die einmalige Durchführung des Teilprozesses Prüfe Verfügbarkeit 50,40 € bzw. 56,00 € an. Mit der Berechnung der Prozesskostensätze ist die eigentliche Prozesskostenrechnung abgeschlossen. Prozessgrößen"Ersatzteilmanagement" 1.600 Störungen(Anzahl) 150 Aufträge(Anzahl) 50 Statusanfragen(Anzahl) 30.000 Entfernung(km) Kostenstelle"Kundendienst" 45.000,00€ Kostenstellenkosten 1.024 Kostenstellenkapazität(h) Kostenstelle"Beschaffung" 12.600,00€ Kostenstellenkosten 256 Kostenstellenkapazität(h) Kostenstelle"Außendienst" 36.660,00€ Kostenstellenkosten 256 Kostenstellenkapazität(h) HauptͲ prozesse AuftragsͲ annahme
ErsatzteilͲ beschaffung
KostenͲ treiber
Teilprozesse Beanspruchte Kostenstelle Grad int./aut. lmi/lmn Kapazität(h)
Störungen AnalysiereFall Kundendienst
Aufträge
AuftragsͲ StatusͲ überwachung anfragen ErsatzteilͲ austausch
Bezeichnung
Aufträge
Prüfe Verfügbarkeit Beschaffe Ersatzteil Verwalte Lieferanten Beantworte Statusanfrage Fahrezum Einsatzort Tausche Ersatzteil
Beschaffung
Prozessgrößen Art Menge
lmi
Prozesskosten lmn gesamt
1
int.
lmi
922
Störungen
2
aut.
lmi
154
Aufträge
1.600 40.500,00€ 150
7.560,00€
Ͳ
Prozesskostensatz lmi gesamt
40.500,00€ 25,31€
25,31€
840,00€
8.400,00€
50,40€
56,00€ 28,00€
Beschaffung
2
aut.
lmi
77
Aufträge
150
3.780,00€
420,00€
4.200,00€
25,20€
Beschaffung
2
aut.
lmn
26
Ͳ
Ͳ
Ͳ
1.260,00€
Ͳ
Ͳ
Ͳ
Kundendienst
2
int.
lmi
102
StatusͲ anfragen
50
4.500,00€
Ͳ
4.500,00€
90,00€
90,00€
Ͳ
18.330,00€
0,61€
0,61€
Ͳ
18.330,00€ 122,20€ 122,20€
Außendienst
2
int.
lmi
128
Außendienst
1
int.
lmi
128
Entfernung 30.000 18.330,00€ Aufträge
150
18.330,00€
Abb. 3.9: Rechenbeispiel zur Prozesskostenrechnung (Teil 1/2)
Die Ergebnisse der Prozesskostenrechnung, d. h. die Prozesskostensätze, können im Weiteren für die Kalkulation der Dienstleistungsanteile des hybriden Leistungsbündels verwendet werden. Abb. 3.10 zeigt dies exemplarisch. Durch Prognose der Prozessmengen und Multiplikation mit den ermittelten Prozesskostensätzen lassen sich Prozesskosten für die einmalige Durchführung der Dienstleistung Ersatzteilmanagement ableiten. Im Beispiel ergeben sich Gemeinkosten von 108.602 €. Daraus ergeben sich Prozesskosten pro einmaliger Durchführung bei einer Bezugsgröße von 160 Aufträgen in Höhe von 678,76 € (exklusive Einzelkosten und „Rest“-Gemeinkosten, siehe Abb. 3.8). Dieser Wert stellt einen wichtigen Anhaltspunkt für das Setzen der kurzfristigen Preisuntergrenze der Dienstleistung dar.
61
3.3 Kalkulation hybrider Leistungsbündel
Hauptprozesse
Teilprozesse Bezeichnung Grad int./aut. lmi/lmn
AuftragsͲ annahme
AnalysiereFall
Prüfe Verfügbarkeit ErsatzteilͲ Beschaffe beschaffung Ersatzteil Verwalte Lieferanten AuftragsͲ Beantworte überwachung Statusanfrage Fahrezum ErsatzteilͲ Einsatzort austausch Tausche Ersatzteil
Kalkulierte Prozessmengen
Prozesskostensatz lmi
gesamt
Prozesskosten lmi
gesamt
1
int.
lmi
2.000
25,31€
25,31€
50.625,00€ 50.625,00€
2
aut.
lmi
160
50,40€
56,00€
8.064,00€
8.960,00€
2
aut.
lmi
160
25,20€
28,00€
4.032,00€
4.480,00€
2
aut.
lmn
160
Ͳ
Ͳ
Ͳ
Ͳ
2
int.
lmi
40
90,00€
90,00€
3.600,00€
3.600,00€
2
int.
lmi
35.000
0,61€
0,61€
21.385,00€ 21.385,00€
1
int.
lmi
160
122,20€
122,20€
19.552,00€ 19.552,00€
Summe
107.258,00€ 108.602,00€
ProzesskostenproeinmaligeDurchführung:108.602,00€/160=678,76€
Abb. 3.10: Rechenbeispiel zur Prozesskostenrechnung (Teil 2/2)
3.3.3
Simulation der Prozesskosten hybrider Leistungsbündel
Wie bereits verdeutlicht wurde, ist ein charakteristisches Merkmal von Dienstleistungen die Integration des Kunden in die Leistungserbringung. Dadurch sind bei der Kostenkalkulation für Dienstleistungen verschiedene Arten von kundeninduzierter Variabilität zu berücksichtigen, z. B. (Frei 2006): x Variabilität der Ankunft: Kunden verlangen Dienstleistungen zu unterschiedlichen und nur teilweise vorherzusehenden Zeitpunkten. Wie bereits angedeutet wurde, erschwert dies eine bedarfsgerechte Bereitstellung der zur Dienstleistungserbringung notwendigen Faktoren, wie z. B. Personal. Ein Beispiel zur Handhabung der Ankunftsvariabilität ist etwa der Einsatz von Warteschlangen oder Self-Service Konzepten. x Variabilität der Nachfrage: Im Dienstleistungsgeschäft fragen Kunden häufig nicht nach Standardleistungen, sondern erwarten eine Leistungserstellung, die speziell auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten ist. Diese Bedürfnisse und die daraus erwachsenden Konsequenzen für die Erbringungsprozesse können im Voraus der Leistungserstellung nicht vollständig vom Anbieter vorausgesehen werden. x Variabilität der Fähigkeiten: Da Kunden in der Dienstleistungserbringung eine aktive Rolle spielen, hängt das Ergebnis der Zusammenarbeit auch wesentlich von der Güte der Mitarbeit des Kunden ab. Kunden bringen allerdings unterschiedliche Fähigkeiten und Erfahrungen in die Leistungserstellung ein. Folglich kann sich die Co-Produktion des Kunden kostensenkend, kostenneutral oder kostensteigernd auswirken.
62
3 Die Anbieterperspektive
x
Variabilität der Einsatzbereitschaft: Unabhängig von den Fähigkeiten des Kunden zur Mitwirkung in Dienstleistungsprozessen besteht ferner Variabilität in Bezug auf den Willen zur Mitarbeit. Dies kann sich bspw. in einer unterschiedlichen Informationsbereitstellung seitens des Kunden niederschlagen, welche positive oder negative Effekte auf den Aufwand auf Anbieterseite haben kann.
Die vorgestellten Arten von Variabilität führen zu Unsicherheit, die sich unmittelbar auf die Kosten der Leistungserbringung auswirkt. Um eine Kalkulation erwarteter Kosten durchführen zu können, reicht deshalb eine statische Prozesskostenrechnung häufig nicht aus. Eine Möglichkeit, Kosten dennoch näherungsweise einschätzen zu können, bietet die Simulation von Dienstleistungsprozessen. Im Gegensatz zur Abbildung eines Prozesses in einem einfachen Informationsmodell, welches stets nur eine statische „Momentaufnahme“ eines Prozesses darstellt, erlaubt ein Simulationsmodell die Nachbildung des dynamischen Verhaltens eines Prozesses. In der Prozesssimulation kann das Verhalten von Prozessen zur Ausführungszeit untersucht werden, ohne diese real ausführen zu müssen. Durch die anschließende Analyse einer großen Anzahl simulierter Prozesse kann der Einfluss der Input-Parameter auf relevante Prozesskennzahlen, wie z. B. Durchlaufzeit, Ressourcenauslastung oder eben Prozesskosten, ermittelt werden. Im Allgemeinen können mit einer Simulationsstudie folgende Ziele verfolgt werden (Neumann et al. 2005): x Besseres Verständnis der Prozesse durch Konkretisierung und Animation ihres Ablaufs x Unterstützung der Präsentation von Prozessmodellen x Bestimmung von Gesamtdurchlaufzeiten und -prozesskosten auf der Basis einer Zuordnung von Zeiten und Kosten zu einzelnen Funktionen x Unterstützung der Kapazitätsplanung durch die Möglichkeit, alternative Personalausstattungen und -zuordnungen zu simulieren und ihre Auswirkungen auf Durchlaufzeiten und Auslastungen zu betrachten x Prognose der Effekte eines veränderten Auftragsvolumens auf die Prozesszielgrößen x Bewertung alternativer Prozessstrukturen Für eine Simulation sind Prozessmodelle mit stochastisch verteilten InputParametern zu versehen. Bei den Input-Parametern handelt es sich bspw. um: x Ausführungshäufigkeit des Prozesses x Zeitpunkte der Prozessinitiierung x Bearbeitungszeit einzelner Aktivitäten x Wahrscheinlichkeit des Durchlaufs verschiedener Prozesspfade x Verfügbarkeit von Ressourcen Um die Variation dieser Parameter zu modellieren, sind Wahrscheinlichkeitsverteilungen zu verwenden (Neumann et al. 2005). Durch die Ermittlung und Angabe dieser Verteilungen lässt sich auch die explizite Modellierung von Ablaufvarian-
3.3 Kalkulation hybrider Leistungsbündel
63
ten vermeiden, da die Varianz durch Wahrscheinlichkeiten repräsentiert werden kann. Zur Laufzeit der Simulation werden entsprechend verteilte Zufallszahlen für die Ausprägungen der Parameter einer Instanz, z. B. die Bearbeitungsdauer einer Aktivität, erzeugt. Abb. 3.11 zeigt einige Beispiele für gängige und einfach zu bestimmende bzw. zu schätzende Verteilungen. Die Gleichverteilung wird durch Angabe des Mindest- und des Höchstwertes definiert. Dazwischen wird jeder Wert mit derselben Wahrscheinlichkeit angenommen. Die Verwendung der Gleichverteilung ist zu empfehlen, wenn für eine Bearbeitungs- oder Übertragungszeit Mindest- und Höchstwerte, aber keine plausiblen Mittelwerte angegeben werden können, oder Instanziierungen eines Prozesses unabhängig voneinander und zu beliebigen Zeitpunkten innerhalb eines festgelegten Zeitraums zu erwarten sind. So können Aufträge kontinuierlich während eines gesamten Arbeitstages eingehen. Die Auftragseingänge sind unabhängig voneinander und häufen sich nicht zu bestimmten Tageszeiten. Die Normalverteilung wird durch die Angabe des Erwartungswertes und der Standardabweichung definiert. Sie ist zu wählen, wenn der Mittelwert mit gleicher Wahrscheinlichkeit um denselben Wert unter- wie überschritten wird. Zu einer Log-Normalverteilung werden ebenfalls Erwartungswert und Standardabweichung angegeben. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Erwartungswert überschritten wird, ist dabei größer als die, dass er unterschritten wird. Die Dreiecksverteilung wird durch einen Mindestwert, einen Höchstwert und einen Wert mit größter Wahrscheinlichkeit definiert. In der Realität findet sich die Verteilung in dieser Form zwar kaum wieder, die anzugebenden Werte eignen sich jedoch gut als „Eckwerte“, die von Fachvertretern im Rahmen der Datenerhebung oftmals geschätzt werden können.
64
3 Die Anbieterperspektive
Abb. 3.11: Bearbeitungszeit einer Aktivität mit verschiedenen Wahrscheinlichkeitsverteilungen (Neumann et al. 2005)
Bevor eine Prozesssimulation durchgeführt werden kann, sind vorhandene Prozessmodelle, wie z. B. die Prozesshierarchie in Abb. 3.7, in der Regel zu erweitern (Neumann et al. 2005). Dabei ist vor allem der Detaillierungsgrad an das Ziel der Simulation anzupassen. Bisher nur zu Dokumentationszwecken abgebildete Sachverhalte können häufig vereinfacht werden. Andere Elemente sind hingegen hinzuzufügen. So sind beispielsweise die für die Simulation relevanten stochastischen Input-Parameter (siehe oben) zu erheben und in dem Modell zu hinterlegen, Startund Endereignisse sind einzufügen, Aktivitäten sind mit Ressourcen zu versehen und relevante Prozessverzweigungen sind zu modellieren. Zudem muss die syntaktische Korrektheit des Modells sichergestellt werden, damit eine fehlerlose automatisierte Ausführung erfolgen kann. Der genaue Ablauf einer Simulationsstudie kann in neun Phasen unterteilt werden (Kersten 1996, S. 31 ff). Diese Phasen werden nicht notwendigerweise sequenziell, sondern im Regelfall unter Rücksprüngen zu bereits durchlaufenen Phasen bearbeitet. Welche Phasen in einem konkreten Anwendungsfall relevant sind, hängt von der verfolgten Zielsetzung ab. So ist beispielsweise die Animation eines Prozesses zur Präsentationsunterstützung schneller und mit erheblich geringerem Aufwand möglich als eine simulationsbasierte Analyse von Prozesskennzahlen. Im Einzelnen sind folgende Phasen zu durchlaufen (siehe Neumann et al. (2005) für eine detaillierte Darstellung): 1. In der Phase der Planung wird das Ziel der Simulationsstudie formuliert. Es wird bewertet, ob eine Simulation grundsätzlich möglich ist, ob sie zur Problemlösung beiträgt und ob Nutzen und Aufwand der Simulation in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Es werden darauf
3.3 Kalkulation hybrider Leistungsbündel
2.
3.
4.
5.
6.
65
folgend realistische Ziele sowie Kennzahlen zur Alternativenbeurteilung definiert. In der Phase der Analyse werden die zu simulierenden Prozesse abgegrenzt und in grober Form ihre Struktur sowie die benötigten Ressourcen modelliert. Liegen bereits Prozessmodelle vor, sind die bestehenden Modelle hinsichtlich ihrer Korrektheit, ihres Detaillierungsgrades und ihrer allgemeinen Eignung für die Simulation zu beurteilen. Simulationsrelevante Prozessvarianten sind zu identifizieren. In dieser Phase muss des Weiteren geprüft werden, ob die gewählte Modellierungssprache die für die Simulation erforderliche Ausdrucksmächtigkeit besitzt und ein adäquates Simulationswerkzeug zur Verfügung steht. Im Anschluss finden die Datendefinition und die Datenerhebung für die Input-Parameter des Modells statt. Für stochastische Input-Daten sind durch die Fachvertreter geeignete „Eckwerte“ anzugeben, aus denen realistische Wahrscheinlichkeitsverteilungen abgeleitet werden können. Darauf aufbauend ist durch Überarbeitung der Modellstruktur die Konstruktion des Simulationsmodells bzw. die Anpassung eines bestehenden Modells für die Simulation vorzunehmen. Dies schließt sowohl die Anreicherung des Modells um weitere relevante Daten als auch die Reduktion des Modells auf die als relevant erachteten Prozesspfade und Ressourcen ein. In Anbetracht des Aufwandes für die Datenerhebung und -eingabe sowie der erforderlichen Rechnerleistung für die Simulation sind Modellelemente zu entfernen, die für die Erreichung der anfangs definierten Simulationsziele nicht einbezogen werden müssen. So sollte sich die Simulation auf die (hinsichtlich der Durchlaufzeit, Kapazitätsbedarfe etc.) kritischen Prozessabschnitte konzentrieren. Bei Funktionen mitwirkende Stellen, deren Auslastung unkritisch und für die Auswertung nicht von Belang ist, sollten beispielsweise entfernt werden. Auch bei der Konstruktion von Simulationsmodellen sind spezifische Modellierungsrichtlinien zu beachteten, die noch zu formulieren sind. Bei der Simulationsdurchführung ist zunächst ein Prozessdurchlauf im Einzelschrittmodus bzw. animiert zu simulieren, um die modellierte Ablauflogik zu überprüfen und ggf. den Prozessbeteiligten zu verdeutlichen. Die aktuell bearbeiteten Funktionen und aktivierten Ereignisse werden bei der Animation grafisch hervorgehoben, sodass die Ausführung des Prozesses verfolgt werden kann. Die Ausführung kann im Einzelschrittmodus, automatisch und halbautomatisch erfolgen, wobei der Anwender die Animation an beliebigen Stellen unterbrechen und aufzeichnen und an „Oder“-Verzweigungen den zu wählenden Prozessstrang selbst bestimmen kann. Auf diese Weise kann auch ein komplexer Kontrollfluss transparent dargestellt werden. Besteht die Zielsetzung in einer Auswertung und Optimierung von Prozesskennzahlen, ist anschließend der Prozess über einen ausreichend langen Zeitraum zu simulieren. Die Modellüberprüfung umfasst zwei Schritte: Die Verifizierung betrifft die Richtigkeit der Transformation des bestehenden Prozessmodells in ein Simulationsmodell, während im Rahmen der Validierung die Abbil-
66
3 Die Anbieterperspektive
dungstreue des Modells und die Genauigkeit der ermittelten Simulationsparameter anhand der Plausibilität der erzielten Ergebnisse überprüft werden. 7. Bei der Ergebnisinterpretation werden die Kennzahlen des Prozesses und möglicher Alternativen ermittelt und Schwachstellen des modellierten Prozesses identifiziert. Dazu sind für die Prozesse Durchschnittsgrößen, Minimal- und Maximalwerte sowie weitere relevante statistische Maße anzugeben. Von besonderem Interesse ist dabei die dynamische Wartezeit als Funktionsattribut, da eine hohe Wartezeit einen Engpass charakterisiert. 8. In gezielten Berechnungsexperimenten werden alternative Prozesse simuliert bzw. Parameterkonfigurationen (z. B. Ressourcenzuweisung, Durchführungshäufigkeit, Wahrscheinlichkeiten an Verzweigungen) verändert. 9. Bei der abschließenden Ergebnisdarstellung ist auf eine problem- und zielgruppengerechte Aufbereitung der Simulationsergebnisse zu achten. Grafische Darstellungen erlauben eine transparente Erläuterung der Ergebnisse. Die zugrunde liegenden Simulationsdaten (Zeitraum etc.) und Prämissen sind dabei stets anzugeben. Abb. 3.12 zeigt am bereits bekannten Beispiel des Ersatzteilmanagements, wie ein herkömmliches Prozessmodell für die Simulation zu erweitern ist. Der Prozess wird durch die Meldung eines Kunden initiiert. Im Beispiel wird angenommen, dass der Zeitraum zwischen zwei gemeldeten Fällen normalverteilt mit einem Erwartungswert von 6 Minuten und einer Standardabweichung von 1 Minute ist. Die darauf folgende Aktivität befasst sich mit der Analyse des gemeldeten Falls. Die Dauer dieser Aktivität ist mittels einer Dreiecksverteilung modelliert. Es wird angenommen, dass die Aktivität zwischen 5 und 45 Minuten in Anspruch nimmt, wobei ein Wert von 15 Minuten als am wahrscheinlichsten gilt. Der Aktivität ist zudem eine ausführende Ressource zugeordnet. Es stehen 2 Mitarbeiter der Kostenstelle Kundendienst werktags von 09:00 bis 17:00 Uhr zur Verfügung. Die Analyse führt in der überwiegenden Zahl der Fälle (90%) zu dem Ergebnis, dass der Kunde das Problem selber beheben kann und kein Einsatz vor Ort notwendig ist. In 10% der Fälle wird jedoch ein Vor-Ort Einsatz veranlasst. Dann wird geprüft, ob eventuell notwendige Ersatzteile auf Lager sind (80% der Fälle) oder erst noch beschafft werden müssen (20% der Fälle). Die Prüfung inklusive Auftragseröffnung nimmt zwischen 1 und 5 Minuten (gleichverteilt) in Anspruch und wird durch einen Mitarbeiter der Beschaffung ausgeführt.
3.3 Kalkulation hybrider Leistungsbündel
Fall wird gemeldet
67
Zeitraum zwischen zwei Ereignissen: normalverteilt(e=6; stdabw=1)
Bearbeitungsdauer: dreiecksverteilt(a=5; b=45; c=15)
Anzahl: 2 Schichtenkalender: Werktags 9-17 Analysiere Fall
Wahrscheinlichkeit: 0.9
Mitarbeiter Kundendienst
Wahrscheinlichkeit: 0.1
Einsatz ist nicht notwendig
Einsatz ist zu veranlassen Anzahl: 2 Schichtenkalender: Werktags 9-17
Bearbeitungsdauer: gleichverteilt(min=1; max=5)
Wahrscheinlichkeit: 0.2
Ersatzteil ist zu beschaffen
Prüfe Verfügbarkeit
Mitarbeiter Beschaffung
Wahrscheinlichkeit: 0.8
Ersatzteil ist auf Lager
Abb. 3.12: Erweiterung des Prozessmodells Ersatzteilmanagement für die Simulation (Ausschnitt)
Nach der Anreicherung des Modells um die dargelegten simulationsrelevanten Parameter kann der Prozess über einen längeren Zeitraum simuliert und während des Simulationslaufs mehrfach instanziiert werden. Anschließend lassen sich Prozesskennzahlen und Erkenntnisse zur Kapazitätsauslastung gewinnen. Auf aggregierter Ebene können mengen- und wertmäßige Prozesskennzahlen betrachtet werden. Mengenmäßig sind u. a. die Häufigkeit der Aktivierung von Ereignissen und der Bearbeitung von Aktivitäten sowie die Anzahl der insgesamt gestarteten und beendeten Prozesse aufschlussreich. Wertmäßig lassen sich die statistischen Verteilungen und Maße der zu untersuchenden Zielgrößen ermitteln und visualisieren, beispielsweise zu minimalen, maximalen oder mittleren Durchlaufzeiten sowie Kosten einzelner Aktivitäten und des gesamten Prozesses. Zudem können die anfallenden Bearbeitungszeiten und Kosten je beteiligter Kostenstelle oder Ressour-
68
3 Die Anbieterperspektive
ce aufgezeigt werden. Aus der Gesamtbearbeitungszeit jeder Stelle können Rückschlüsse auf ihre Auslastung gewonnen werden. Im Folgenden soll die Simulation von Prozesskosten anhand eines Beispiels demonstriert werden. Das bereits bekannte Prozessmodell des Ersatzteilmanagements (siehe Abb. 3.7) wurde dazu, wie oben erläutert, in ein Simulationsmodell überführt. Die Tabellen 3.1 bis 3.3 fassen die stochastisch verteilten InputParameter des Simulationsmodells zusammen. Bei der Bestimmung der Parameter wurde auf die Ergebnisse der im Rahmen der Prozesskostenrechnung durchgeführten Prozessdokumentation zurückgegriffen. Zusätzlich wurden die Kapazitäten, Verfügbarkeiten und Kostensätze aller beteiligten Ressourcen bestimmt und in dem Simulationsmodell hinterlegt (siehe Tabelle 3.4). Auch hierbei wurde auf Informationen aus der Kostenstellenanalyse der Prozesskostenrechnung zurückgegriffen. Ereignis
Zeitraum zwischen zwei Ereignissen (min)
Fall geht ein
normalverteilt(e=6; stdabw=1)
Statusanfrage geht ein
exponentialverteilt(180)
Tabelle 3.1: Wahrscheinlichkeitsverteilungen für den Zeitraum zwischen Ereignissen
Aktivität
Bearbeitungsdauer (min)
Analysiere Fall
dreicksverteilt(a=5; b=45; c=15)
Eröffne Auftrag
gleichverteilt(min=1;max=5)
Beschaffe Ersatzteil
gleichverteilt(min=90;max=210)
Warte auf Ersatzteillieferung
dreicksverteilt(a=720; b=2880; c=1080)
Beantworte Statusanfrage
dreicksverteilt(a=15; b=60; c=20)
Fahre zum Einsatzort
dreicksverteilt(a=15; b=90; c=30)
Tausche Ersatzteil
dreicksverteilt(a=60; b=240; c=120)
Fahre zurück
dreicksverteilt(a=15; b=90; c=30)
Tabelle 3.2: Wahrscheinlichkeitsverteilungen für die Bearbeitungsdauer von Aktivitäten
Entscheidung Einsatz notwendig?
Wahrscheinlichkeit ja: 10% nein: 90%
Ersatzteil auf Lager?
ja: 80% nein: 20%
Tabelle 3.3: Wahrscheinlichkeit für Entscheidungen
3.3 Kalkulation hybrider Leistungsbündel
Ressource
Kapazität
Verfügbarkeit
Kostensatz (in Euro)
Kundendienst
8
werktags, 09:00-17:00
42,16
Beschaffung
2
werktags, 09:00-17:00
47,74
Außendienst
2
werktags, 09:00-17:00
143,56
69
Tabelle 3.4: Kapazitäten, Verfügbarkeiten und Kostensätze für Ressourcen
Die eigentliche Simulation wurde mithilfe der Software Arena 10.0 durchgeführt. Der Ersatzteilmanagementprozess wurde über einen Zeitraum von 30 Tagen simuliert. Um einen stationären Zustand vor der Erfassung der eigentlichen Statistiken sicherzustellen, wurde zusätzlich eine Initialisierungsphase von 2 Tagen eingefügt. Die Simulation wurde insgesamt 10 Mal wiederholt, um verlässliche Statistiken zu erzeugen. Tabelle 3.5 zeigt die Ausführungshäufigkeit der einzelnen Teilprozesse. So wurde im angenommenen Zeitraum beispielsweise der Teilprozess Analysiere Fall 1.442 Mal, der Teilprozess Eröffne Auftrag 142 Mal und der Teilprozess Beantworte Statusanfrage 50 Mal ausgeführt. Ausführungshäufigkeit
Mittelwert
Halbe Breite des Konfidenzintervalls
Minimum i. D.
Maximum i. D.
Analysiere Fall
1441,80
6,59
1428,00
1458,00
Beantworte Statusanfrage
49,70
7,57
35,00
66,00
Beschaffe Ersatzteil
32,00
4,60
20,00
43,00
Eröffne Auftrag
142,40
6,57
129,00
155,00
Fahre zum Einsatzort
63,20
1,00
61,00
65,00
Fahre zurück
63,10
0,98
61,00
65,00
Tausche Ersatzteil
63,30
1,01
62,00
66,00
Warte auf Ersatzteillieferung
29,90
2,58
23,00
35,00
Tabelle 3.5: Ausführungshäufigkeit je Teilprozess
Tabelle 3.6 zeigt die durchschnittliche Bearbeitungsdauer der einzelnen Teilprozesse. Es zeigt sich, dass der Teilprozess Warte auf Ersatzteillieferung mit ca. 25 Stunden den deutlich größten Anteil in Anspruch nimmt. Zudem wird deutlich, dass die Dauer dieses Teilprozesses erheblichen Schwankungen unterliegt – die minimale gemessene Dauer lag bei 13 Stunden und die maximale Dauer bei 46 Stunden. Ähnlich verhält es sich mit dem Teilprozess Tausche Ersatzteil, welcher zwischen 1 und 5 Stunden in Anspruch nehmen kann.
70
3 Die Anbieterperspektive
Bearbeitungsdauer
Mittelwert
Minimum
Maximum
Analysiere Fall
0,36
0,09
0,74
Beantworte Statusanfrage
0,52
0,26
0,98
Beschaffe Ersatzteil
2,12
1,18
2,99
Eröffne Auftrag
0,05
0,02
0,08
Fahre zum Einsatzort
0,73
0,23
1,48
Fahre zurück
0,76
0,26
1,47
Tausche Ersatzteil
2,65
1,07
4,71
Warte auf Ersatzteillieferung
25,31
12,89
46,34
Tabelle 3.6: Bearbeitungsdauer (in Stunden) je Teilprozess
In Tabelle 3.7 und Abb. 3.13 ist der kumulierte monatliche Zeitbedarf der einzelnen Teilprozesse abgebildet. Dieser ergibt sich aus der Multiplikation der Ausführungshäufigkeit mit der Bearbeitungsdauer eines Teilprozesses. Auch hier nimmt der Teilprozess Warte auf Ersatzteillieferung den größten Zeitanteil in Anspruch. Es wird jedoch auch deutlich, dass der recht kurze (22 min) Teilprozess Analysiere Fall aufgrund der sehr hohen Ausführungshäufigkeit (1.442 Mal) einen erheblichen Anteil an Ressourcen bindet. An der Statistik lässt sich zudem die Schwankung der Kennzahl kumulierte Bearbeitungsdauer in Form des 95%-Konfidenzintervalls ablesen. Dieses Intervall – häufig auch Vertrauensbereich genannt – schließt einen Bereich um den geschätzten Wert ein, in welchem mit einer Wahrscheinlichkeit von 95% der wahre Wert der Kennzahl liegt. Für die kumulierte Bearbeitungsdauer bspw. des Teilprozesses Warte auf Ersatzteillieferung ergibt sich eine halbe Breite (half width) von 60,26 Stunden. Das bedeutet, dass in 95% aller Fälle die monatliche Bearbeitungszeit in einem Bereich von +/- 60 Stunden um den erwarteten Mittelwert von 755 Stunden schwankt. In den übrigen 5% der Fälle treten noch größere Abweichungen auf. Generell ist eine kleine Breite des Konfidenzintervalls wünschenswert, da dies aussagt, dass die simulierten Werte eine hohe Glaubwürdigkeit besitzen. Dies ist beispielsweise bei dem Teilprozess Eröffne Auftrag mit einer halben Breite des Konfidenzintervalls von 0,28 Stunden zu beobachten.
3.3 Kalkulation hybrider Leistungsbündel
Bearbeitungsdauer (kumuliert)
Mittelwert
71
Halbe Breite des Konfidenzintervalls
Minimum i. D.
Maximum i. D. 528,99
Analysiere Fall
520,28
4,28
509,69
Beantworte Statusanfrage
26,03
4,18
16,61
36,10
Beschaffe Ersatzteil
67,56
8,69
42,35
87,40
Eröffne Auftrag
7,08
0,28
6,42
7,80
Fahre zum Einsatzort
45,79
1,17
42,94
47,56
Fahre zurück
47,70
1,20
45,31
50,25
Tausche Ersatzteil
167,79
2,55
163,07
173,60
Warte auf Ersatzteillieferung
755,49
60,26
582,66
870,78
Tabelle 3.7: Kumulierte Bearbeitungsdauer (in Stunden) je Teilprozess
800,000
AnalysiereFall
700,000
BeantworteStatusanfrage
600,000
BeschaffeErsatzteil
500,000
EroeffneAuftrag
400,000
FahrezumEinsatzort
300,000
Fahrezurueck
200,000
TauscheErsatzteil
100,000 0,000
Abb. 3.13: Kumulierte Bearbeitungsdauer (in Stunden) je Teilprozess
Bewertet man den Ressourcenbedarf der einzelnen Teilprozesse mit den jeweiligen Kostensätzen der eingesetzten Ressourcen (siehe Tabelle 3.4) so ergeben sich die Prozesskosten je einmaliger Durchführung eines Teilprozesses. Diese sind in Tabelle 3.8 dargestellt. Hier zeigt sich, dass Tausche Ersatzteil mit einem Prozesskostensatz von 380,76 € aufgrund des hohen Kostensatzes der Ressource Außendienst (143,56 €) der aufwändigste Teilprozess ist. Die Analyse eines Falls kostet hingegen nur 15,21 €. Zudem wird deutlich, dass der Teilprozess Warte auf Ersatzteillieferung keine direkten Kosten verursacht, da er keine Ressourcen in Anspruch nimmt. Aus den Statistiken lassen sich zudem die durch die Kundenvariabilität verursachten Schwankungen der Prozesskosten ablesen. So bewegen sich beispielsweise die Kosten für den Ersatzteilaustausch zwischen 153,66 € und 676,14 €.
72
3 Die Anbieterperspektive
Prozesskosten
Mittelwert
Minimum
Maximum
Analysiere Fall
15,21
3,69
31,54
Beantworte Statusanfrage
22,05
10,87
41,37
Beschaffe Ersatzteil
101,18
56,14
142,93
Eröffne Auftrag
2,10
0,71
3,51
Fahre Zum Einsatzort
104,04
36,85
212,12
Fahre zurück
108,59
37,71
211,03
Tausche Ersatzteil
380,67
153,66
676,14
Warte auf Ersatzteillieferung
0,00
0,00
0,00
Tabelle 3.8: Prozesskosten (in EUR) je Teilprozess
Neben diesen detaillierten Kostenbetrachtungen einzelner Prozessvarianten ermöglicht die Prozesssimulation des Weiteren die explizite Analyse der Ressourcenauslastung und aus eventueller Unterauslastung entstehender Leerkosten. Wie bereits geschildert (siehe Kapitel 3.3.1), stellt sich die Problematik der Leerkosten bei der Kalkulation von Dienstleistungen als besonders schwerwiegend dar. Dieses Problem wird von der klassischen Prozesskostenrechnung nicht adressiert (Kaplan, Cooper 1998), denn sie unterscheidet nicht zwischen den Kosten genutzter und ungenutzter Kapazitäten. Der für die Kalkulation relevante Prozesskostensatz wird durch Division der einmalig berechneten Hauptprozesskosten durch die Kostentreibermenge errechnet. Damit schwankt der Prozesskostensatz mit der angenommenen Kostentreibermenge – eine sinkende Kostentreibermenge führt zu einem erhöhten Prozesskostensatz und somit zu einer steigenden Preisuntergrenze (vgl. Kalkulation in Abb. 3.10). Übersteigt die Zahlungsbereitschaft der Kunden die gestiegene Preisuntergrenze nicht, sinkt die Nachfrage und damit die Kostentreibermenge. Dies führt wiederum zu einem steigenden Prozesskostensatz und somit zu einer erhöhten Preisuntergrenze. Die einsetzende Spirale birgt die Gefahr, sich aus dem Markt zu kalkulieren – ein Effekt, der in der Praxis häufig auftritt.
3.3 Kalkulation hybrider Leistungsbündel
73
Auslastung
Mittelwert
Halbe Breite des Konfidenzintervalls
Minimum i. D.
Maximum i. D.
Außendienst
100%
0,00
100%
100%
Beschaffung
32,55%
0,03
24,08%
40,18%
Kundendienst
50,37%
0,01
49,59%
51,59%
Tabelle 3.9: Auslastung (in Prozent) je Ressource
1,0000 0,9000 0,8000 0,7000 0,6000
Aussendienst
0,5000
Beschaffung
0,4000
Kundendienst
0,3000 0,2000 0,1000 0,0000
Abb. 3.14: Auslastung (in Prozent) je Ressource
Tabelle 3.9 und Abb. 3.14 zeigt die Ressourcenauslastung der am Ersatzteilmanagement beteiligten Kostenstellen. Die Kostenstelle Außendienst ist zu 100% ausgelastet. Die Kostenstellen Kundendienst (50,37%) und Beschaffung (32,55%) weisen hingegen eine erhebliche Unterauslastung auf. Die aus dieser Unterauslastung resultierenden Leerkosten können aus Tabelle 3.10 und Abb. 3.15 entnommen werden. Von den insgesamt verursachten monatlichen Kosten in Höhe von 103.749 € werden nur 70.369 € durch tatsächlich genutzte Ressourcen (busy cost) verursacht. Die übrigen 33.380 € stellen Leerkosten (idle cost) dar. Die Abbildung zeigt zusätzlich, dass von den Kosten der genutzten Ressourcen 6.303 € auf nicht-wertschöpfende Tätigkeiten (non-value added cost), z. B. Pausen, entfallen.
74
3 Die Anbieterperspektive
Prozesskosten gesamt Alle Teilprozesse
Mittelwert
nicht-wertschöpfende Kosten
6.303,-
wertschöpfende Kosten
64.066,-
Gesamt
70.369,-
Alle Ressourcen
Mittelwert
Ressourcenverbrauch
70.369,-
Leerkosten
33.380,-
Gesamt
103.749,-
Tabelle 3.10: Übersicht der Prozesskosten (in EUR) nichtͲ wertschöpfend Leerkosten
RessourcenͲ verbauch
wertschöpfend
Abb. 3.15: Verhältnis der Prozesskosten
Berücksichtigt man – wie von Kaplan und Cooper (1998) vorgeschlagen – für die Berechnung der Prozesskostensätze nun nur die durch die tatsächlich beanspruchten Ressourcen verursachten Kosten (70.369,00 €) und dividiert diese durch die Menge des Kostentreibers Auftrag (142), so erhält man einen Prozesskostensatz (495,56 €), der unter dem durch die traditionelle Prozesskostenrechnung ermittelten Prozesskostensatz (678,76 €, vgl. Abb. 3.10) liegt. Sinkt die Nachfrage nach der Dienstleistung, so verringern sich bei der Gleichung für die Berechnung dieses Kostensatzes nun sowohl der Zähler (Kosten der beanspruchten Ressourcen) als auch der Nenner (Kostentreibermenge) der Gleichung. So wird die zuvor geschilderte Preissteigerungsspirale unterbrochen. Neben den so ermittelten Kosten als Preisuntergrenze des Anbieters ist für eine wirtschaftliche Bepreisung von Dienstleistungsangeboten auch die Preisobergrenze zu bestimmen, die sich aus der Zahlungsbereitschaft des Nachfragers ableiten lässt. Wie diese zuverlässig erhoben werden kann ist Gegenstand des folgenden Kapitels 4.
4
Vermarktung hybrider Leistungsbündel: Die Nachfragerperspektive
4.1 Das klassische Geschäftsmodell: Zahlungsbereitschaftsmessung für einzelne und gebündelte Leistungsangebote Die potenziellen produktbegleitenden Dienstleistungen werden nur dann erfolgreich zu vermarkten sein, wenn es gelingt, die Kosten (K) für das Angebot von produktbegleitenden Dienstleistungen so zu gestalten, dass die Zahlungsbereitschaft (ZB) höher ist als die entsprechenden Kosten. Es muss also gelten: ZBpbDl > KpbDl (notwendige Bedingung). Diese Bedingung für das Verhältnis von Preisobergrenze (ZB) und Preisuntergrenze (K) gilt aber nur für den Fall, dass die Zahlungsbereitschaft unterhalb des Wettbewerbspreises liegt (vgl. Abb. 4.1). Die Preisobergrenze entspricht nicht der Zahlungsbereitschaft, wenn der Wettbewerbspreis unterhalb der maximalen Zahlungsbereitschaft liegt. In diesem Fall bedeutet der Wettbewerbspreis (2) die Preisobergrenze. Unabhängig davon, welche Situationen nun relevant sind, ist die Zahlungsbereitschaft ein Konstrukt, dessen Höhe dem Anbieter bekannt sein sollte, um zielgerichtete Entscheidungen treffen zu können. Wir haben im Rahmen des durch das BMBF geförderten Projekts das H2ServPay Tool entwickelt, mithilfe dessen sich Zahlungsbereitschaften ermitteln lassen. Da es sich bei der Zahlungsbereitschaft um ein nicht direkt beobachtbares theoretisches Konstrukt handelt, ist eine Operationalisierung dieses Konstrukts notwendig. Das ist die Zielsetzung dieses Kapitels.
76
4 Die Nachfragerperspektive
Abb. 4.1: Erfassung der Zahlungsbereitschaft als Obergrenze bei der Ermittlung des Preiskorridors
4.1.1
Besonderheiten der Deckungsbeitragsermittlung von hybriden Leistungsangeboten
Bei hybriden Leistungsbündeln, die ja aus verschiedenen Teilleistungen bestehen, kommt bei der Bestimmung der Zahlungsbereitschaften erschwerend hinzu, dass hier verschiedene Preismodelle relevant sind. Als Preismodell bezeichnen wir verschiedene Arten der Preisdarstellung wie die Einzelbepreisung der verschiedenen Dienstleistungsarten versus einer Bündelbepreisung. Es ist dabei davon auszugehen, dass die Wahl des Preismodells einen Einfluss auf die realisierten Erlöse ausübt, d.h. die Zahlungsbereitschaften der Nachfrager variieren je nach Preismodell. Darüber hinaus ist es schwierig, die Qualität der Dienstleistungselemente im hybriden Leistungsbündel so zu definieren, dass je nach (subjektiver Qualitätsbeurteilung) heterogene Zahlungsbereitschaften realisierbar sein dürften. Im folgenden Abschnitt werden die bisher in der Literatur diskutierten und z.T. in der Praxis angewendeten Verfahren zur Erfassung von Zahlungsbereitschaften
4.1 Das klassische Geschäftsmodell
77
vorgestellt und ihre Anwendbarkeit auf hybride Leistungsangebote untersucht. Diese Besonderheit hybrider Leistungsbündel hat uns veranlasst, eine neuartige Methode – die ServPay Conjoint-Analyse – zu entwickeln, die in einer empirischen Studie zur Ermittlung von Zahlungsbereitschaften für verschiedene Preismodelle getestet wird.27 Die empirischen Ergebnisse bieten Anbietern von produktbegleitenden Dienstleistungen im Werkzeugmaschinenbau konkrete Ansatzpunkte zur Vermarktung und Bepreisung der eigenen Leistungen. Praktiker aus anderen Branchen können die hier präsentierte Vorgehensweise für eigene Studien nutzen und auf Basis der gewonnenen Daten eine KKV®-orientierte Vermarktungsstrategie für produktbegleitende Dienstleistungen entwickeln.
27
Da es in diesem Kapitel um die Operationalisierung des theoretischen Konstrukts Zahlungsbereitschaft geht, sind die Analysen in diesem Kapitel stärker methodisch ausgerichtet. Für den an methodischen Fragen weniger interessierten Leser sei auf die Zwischenfazite verwiesen.
4 Die Nachfragerperspektive
78
Abb. 4.2 zeigt die Struktur dieses Kapitels im Überblick.
Abb. 4.2: Aufbau des Kapitels zur Analyse der Zahlungsbereitschaften der Kunden
4.1.2
Vergleich möglicher Preismodelle
Bei der Wahl eines Preismodells stehen Anbieter generell vor der Frage, ob eine Leistung einzeln oder im Bündel angeboten werden sollte. Als (Preis-)Bündel wird dabei eine anbieter- oder nachfragerseitige Zusammenstellung mehrerer identifizierbarer Teilleistungen zu einem Angebotspaket mit Ausweis eines Gesamtpreises verstanden (Diller 2008, S. 242; Simon, Fassnacht 2009, S. 296; Priemer 2000, S. 31).
4.1 Das klassische Geschäftsmodell
79
Voraussetzung für eine Preisbündelung ist allerdings: x die Existenz heterogener Nachfragergruppen (z.B. Kundengruppen, die nur die Kernleistung nachfragen und andere Kunden, die neben der reinen Kernleistung auch weitere Leistungen im Bündel kaufen), x die Entbündelbarkeit bzw. Bündelbarkeit der Leistungen (d.h. es muss ein sinnvolles Bündel aus z.B. komplementären Produkten generiert werden können) und x kein starker Wettbewerb mit Spezialanbietern im Bereich der produktbegleitenden Dienstleistungen (ein Reparaturservice für eine Maschine wird im Idealfall nur vom Hersteller der Maschine selbst, aber nicht von weiteren Unternehmen angeboten) (Diller 2008, S. 242). Für die Vermarktung von Dienstleistungen im hybriden Leistungsbündel sind drei verschiedene Dimensionen28 zu beachten:
1. eine Dienstleistung kann einzeln oder als Komponente eines Bündels verkauft werden, 2. werden die Dienstleistungen als Bündel verkauft, kann der Anbieter die Preise der Komponenten für den Nachfrager transparent machen oder nicht und 3. im Bündelfall stellt sich die Frage, wer das Bündel zusammenstellt, d.h. der Hersteller oder der Nachfrager. Die daraus resultierenden Optionen sind in Abb. 4.3 dargestellt. 28
Neben den drei hier präsentierten Dimensionen und Bündelarten könnte auch nach Grad der Unterschiedlichkeit der Komponenten, deren Verwendungszusammenhang, der Anzahl am Bündelprozess beteiligten Anbieter, der Art des Anbieters (z.B. Hersteller vs. Händler) oder der Dauer der geplanten Marktpräsenz (siehe dazu auch Priemer 2000, S. 53ff.) unterschieden werden.
80
4 Die Nachfragerperspektive
Abb. 4.3: Optionen beim Vertrieb von produktbegleitenden Dienstleistungen
Im Folgenden werden zunächst die grundlegenden Formen der Einzelbepreisung sowie des Pure- und Mixed-Bundling beschrieben. Bei den „klassischen“ Varianten der Produktbündelung (Pure- und Mixed-Bundling) erfolgt die Zusammenstellung der Komponenten durch den Hersteller. Bei Investitionsgütern ist häufig zu beobachten, dass die konkrete Ausgestaltung der Kernleistung, als auch der weiteren Dienstleistungen durch den Nachfrager festgelegt bzw. diese auf Basis einzelner Dienstleistungsangebote selbst zu einem Bündel zusammengestellt wird. Auch hier ist ein Bündelangebot denkbar, d.h. ein Nachfrager definiert die Komponenten eines Bündels und erhält für dieses Anforderungspaket vom Hersteller ein Angebot mit dem Gesamtpreis. Diese Variante wird im Folgenden als nachfragerorientiertes Bundling bezeichnet. 4.1.2.1
Klassische Möglichkeiten zur Bepreisung produktbegleitender Dienstleistungen
Zunächst werden die „klassischen“ Varianten der Preisdarstellung vorgestellt; dabei handelt es sich um die Einzelbepreisung, sowie das mixed und pure Bundling (Priemer 2000, S. 49ff.).
(1) Einzelbepreisung („pure components“)
–
Es erfolgt keine Bildung von Produktbündeln, d.h. jede Leistung wird separat vom Kunden nachgefragt und vom Anbieter in Rechnung gestellt.
(2) klassisches mixed Bundling (gemischte Preisbündelung, optionales Bundling)
–
Die Komponenten des Bündels können auch separat erworben werden. Die Einzelpreise der Komponenten eines Bündels werden angegeben und auf deren Basis ein Gesamtpreis bestimmt; dieser ist oft subadditiv, d.h. der Bündelpreis ist niedriger als die Summe der Einzelleistungen der Komponenten eines Pakets.
(3) klassisches pure Bundling (reine Preisbündelung)
–
Die verschiedenen Leistungen werden nur als Bündel verkauft, wobei Einzelpreise nicht separat angegeben werden. Da die einzelnen Komponenten nicht separat am Markt angeboten werden, kann der Kunde keine Einzelpreise bestimmen.
81
Kommunikation der Einzelpreise
Bündelung (durch den Anbieter)
4.1 Das klassische Geschäftsmodell
Abb. 4.4: Überblick über klassische Varianten der Preisdarstellung
Einzelbepreisung Bezogen auf den Kontext des Werkzeugmaschinenbaus entspricht die Einzelbepreisung (1) einer Situation, in der der Nachfrager eine Kernleistung sowie verschiedene zusätzliche produktbegleitende Dienstleistungen selektiert und alle gewählten Leistungen vom Anbieter separat in Rechnung gestellt werden. Ein solcher separater Verkauf der Leistungen ist aus Anbietersicht immer dann sinnvoll, wenn der Gesamtpreis des Bündels eine absolute Preisschwelle überschreiten könnte, d.h. der Nachfrager das Gefühl hat, dass das Angebot insgesamt „zu teuer“ ist und deshalb das Angebot nicht kauft. Ein hoher Gesamtpreis führt somit u.U. beim Nachfrager im Rahmen der Kaufentscheidung zu einer Fokussierung auf den Preis. Präsentiert man dagegen eine Reihe von geringeren Einzelpreisen der Komponenten, könnte diese Art der Darstellung zu einer insgesamt höheren Zahlungsbereitschaft führen (Backhaus, Voeth 2007, S. 447).
82
4 Die Nachfragerperspektive
Anbieterseitige Bündelung von Einzelleistungen Ein typisches Merkmal der „klassischen“ Bündel-Varianten ist, dass die Zusammenstellung der Einzelkomponenten allein durch den Anbieter erfolgt.29 Typische Gründe für die Bündelung von Leistungen sind erhoffte Kostenersparnisse bei der Produktion auf Anbieterseite (Realisierung von Economies of Scale). Dies bedeutet, dass durch eine Bündelung verschiedener Leistungen eine höhere Kapazitätsauslastung möglich ist. So kann die Bündelung einer häufig nachgefragten Dienstleistung mit einer weniger häufig angeforderten Leistung ggf. die Absatzmenge für die weniger häufig nachgefragte Komponente erhöhen. Eine solche Steigerung der Absatzmenge ermöglicht mittelfristig die Realisierung von Erfahrungs- und Lerneffekten und damit eine Kostensenkung bei der Erstellung der Leistungen. Zudem können durch Bündelung auch Cross-Selling Potenziale realisiert werden. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn vergleichbare Leistungen bisher von anderen Unternehmen erbracht wurden und durch eine Bündelung nun sämtliche Dienstleistungen von einem Anbieter bezogen werden müssen. Allerdings ist ein solches Ziel nur dann realisierbar, wenn die Nachfrager bei einer bestimmten Leistung eine starke Präferenz für einen Anbieter haben und dieser diese Leistung mit weiteren Komponenten kombiniert (Diller 2008, S. 244f.). Schließlich ist mit sinkenden Kosten für die Anbahnung und die Abwicklung von Verkäufen zu rechnen, da die Anzahl der Einzelverkäufe zu wenigen (z.B. einer einzigen) Transaktionen zusammengefasst wird. Auch auf Nachfragerseite ist eine Bündelung verschiedener Leistungen ggf. vorteilhaft. Hier können ebenfalls die Anzahl der Einzeltransaktionen reduziert und Kosten für die Anbahnung und die Abwicklung von Käufen gespart werden. Mixed Bundling (2) beschreibt eine spezielle Form der Bündelung, bei der die verschiedenen Leistungen sowohl einzeln, als auch in einem Bündel angeboten werden (Backhaus, Voeth 2007, S. 255). Die Zusammenstellung des Bündels obliegt weiterhin dem Anbieter, der neben dem Gesamtpreis auch die Preise der Komponenten angibt. Typischerweise ist der Gesamtpreis des Bündels deshalb niedriger als die Summe der Einzelpreise, d.h. im Vergleich zum Einzelkauf wird dem Kunden ein Rabatt gewährt. Auch beim Pure Bundling (3) (Backhaus, Voeth 2007, S. 255) erfolgt die Zusammenstellung des Bündels durch den Anbieter. Dieses kann vom Nachfrager nur in dieser Form und nur komplett angenommen (bzw. abgelehnt) werden. Dabei handelt es sich somit um ein standardisiertes Leistungsbündel mit einem Fokus auf einen anonymen Markt bzw. auf ein bestimmtes Marktsegment. Die Kernleistung bzw. die verschiedenen Komponenten (z.B. produktbegleitenden Dienstleistungen) können demnach nicht separat erworben werden.
29
Die Autonomie der Leistungszusammenstellung liegt somit allein bei dem jeweiligen Anbieter (siehe dazu auch Zerr 1995).
4.1 Das klassische Geschäftsmodell
83
Durch das Pure Bundling verschiedener Leistungen kann versucht werden, die Preiselastizität der Nachfrager zu senken; dies ist beispielsweise möglich, wenn Produkte, die stark im Preiswettbewerb stehen mit anderen Komponenten kombiniert werden, bei denen der Preiswettbewerb geringer ist. Ziel ist es somit insbesondere, durch die Bündelung verschiedener Einzelleistungen die Preise für die Komponenten zu verschleiern. So lassen sich möglicherweise auch Preiserhöhungen besser an die Nachfrager kommunizieren.30 Die Bündelung von Leistungen ist somit eine Möglichkeit zur „Preisberuhigung“ in stark preisgetriebenen Märkten (Diller 2008, S. 243; Simon, Fassnacht 2009, S. 297). Gerade Dienstleistungen werden häufig als Bündel ohne Nennung der Einzelpreise vermarktet (ein typisches Beispiele dafür sind die Leistungen von Unternehmensberatungen). Pure Bundling ist insbesondere dann sinnvoll, wenn die Anbieter davon ausgehen, dass für bestimmte Einzelleistungen nur geringe Zahlungsbereitschaften bestehen bzw. der mit bestimmten Einzelleistungen verbundene Aufwand (bzw. die damit verbundenen Kosten auf Anbieterseite) vom Nachfrager nicht bzw. schlecht eingeschätzt werden kann (Priemer 2000, S. 88f.). Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass durch den Verzicht der Nennung der Komponentenpreise die Vergleichbarkeit verschiedener Angebote bewusst erschwert wird (Priemer 2000, S. 109) und so erreicht werden kann, dass die Nachfrager die Komponenten der verschiedenen Bündel stärker vergleichen müssen und weniger auf den Preis als alleiniges Entscheidungskriterium fokussieren können. 4.1.2.2
Nachfragerorientierte Bündelung
Nachfragerorientiertes Bundling bezeichnet eine Vermarktungsform, bei der auf Basis der Kundenpräferenzen bzw. -anforderungen ein individuelles Bündel erstellt und dem Nachfrager unter Nennung eines Gesamtpreises angeboten wird. Die Einzelpreise der verschiedenen Komponenten des Pakets werden dem Kunden nicht kommuniziert. Wie im vorangegangenen Kapitel aber bereits angedeutet, handelt es sich bei dieser Form der Preisdarstellung um eine typische Situation für den Investitionsgüterbereich, d.h. ein Kunde definiert seine Anforderungen und erhält ein Angebot mit Nennung des Gesamtpreises.
30
Eine mögliche Argumentation wäre dabei beispielsweise, dass das Paket zwar teurer geworden ist, aber auch zusätzliche Komponenten beinhaltet. Siehe für weitere Beispiele auch Priemer 2000, S. 89 oder Backhaus, Voeth 2007, S. 255ff.).
84
4 Die Nachfragerperspektive
Zwischenfazit Je nach Branche und Zielsetzung des Unternehmens sind unterschiedliche Arten der Preisdarstellung relevant. Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der verschiedenen Optionen werden in Tabelle 4.1 zusammengefasst: Ziele
Anbieterorientierte Bündelung
Standardisierung und Economies of Scale Befriedigung individueller Kundenanforderungen „Verschleierung“ der Einzelpreise
Nachfragerorientierte Bündelung
Einzelbepreisung
MixedBundling
Pure Bundling
–
+
++
–
++
–
–
++
–
–
++
++
Tabelle 4.1: Überblick über Zielsetzungen verschiedener Formen der Preisdarstellung („-“ schlecht möglich; „+“ gut möglich; „++“ sehr gut möglich)
Bezogen auf den Markt der Werkzeugmaschinen erscheinen insbesondere die Formen der Einzelbepreisung und der nachfragerorientierten Bündelung vielversprechend. Mixed-Bundling und Pure-Bundling sind dagegen vermutlich nur begrenzt realisierbar, da die Anforderungen der Kunden in diesem Markt äußerst heterogen sind und eine völlige Standardisierung bzw. vergleichsweise „starre“ und anbietergetriebene Gestaltung des Angebotsprogramms deshalb nicht sinnvoll erscheint. Darüber hinaus hat die bisher dominante Praxis, die Kosten der produktbegleitenden Dienstleistungen über die Marge der Sachleistung zu verdienen, dazu geführt, dass Kunden u.U. nicht bereit sind, Leistungen, die bisher als „kostenlos“ empfunden wurden, zu bezahlen. Deshalb müssen Hersteller ihren Kunden mehr als nur „Standardlösungen“ anbieten. Individualisierte und innovative Angebote sind dabei eine Möglichkeit, Erlöspotenziale zu realisieren. 4.1.2.3
Preismodelle und Innovationsgrad
Zerr (1995) geht davon aus, dass vor allem bei hoch innovativen Leistungen, bei denen der Kunde vorab den Nutzen der einzelnen Komponenten nicht abschätzen kann, Pure Bundling sinnvoll ist. Beispielsweise könnte eine völlig neue Technologieart einer Werkzeugmaschine es erforderlich machen, gleichzeitig auch eine entsprechende Schulung als Pure-Bundle anzubieten. Er geht zudem davon aus, dass bei weniger innovativen Leistungen eher ein Einzelverkauf gewählt werden sollte. Dies gilt insbesondere für Leistungen, die u.U. auch vom Nachfrager selbst erbracht bzw. einfach von anderen Anbietern bezogen werden können. Zerr (1995)
4.1 Das klassische Geschäftsmodell
85
vermutet somit, dass bisherige Kundenerfahrungen der zentrale Treiber für die Entscheidung sind, ob eine Alternative als Bündel bzw. einzeln verkauft werden sollte. Je geringer beispielsweise der Innovationsgrad eines konkreten Dienstleistungsangebots ist, desto eher sollte demnach Unbundling gewählt werden. Auch Priemer (2000, S. 37) vermutet, dass die Lebenszyklusphase, in der sich eine Leistung befindet, Einfluss auf die Vorteilhaftigkeit eines Bündels bzw. der Einzelbepreisung hat. Demnach sollten innovative Leistungen ebenfalls eher als Bündel, Leistungen in der Reifephase dagegen eher einzeln bepreist werden. Die Autorin geht dabei davon aus, dass innovative Angebote hohe Informationssuchkosten sowie Kosten für die Anbahnung und Abwicklung von Käufen verursachen, die durch eine Bündelung mit anderen Leistungen verringert werden könnten. Eine Bündelung wäre deshalb aus Sicht der Nachfrager vorteilhaft, weil „Laien“ sich nicht selbst ein sinnvolles Angebot aus verschiedenen Komponenten zusammenstellen müssen. Nagle, Hogan (2006, S. 75) vermuten im Gegensatz zu Zerr (1995) oder Priemer (2000), dass Ausprägungen, mit denen eine Differenzierung vom Wettbewerb möglich ist (d.h. es handelt sich tendenziell eher um innovative Leistungen), besser einzeln bepreist werden sollten. Allerdings wird diese Annahme nicht weiter (z.B. durch eine empirische Studie) belegt. Auch die Vermutungen von Zerr (1995) und Priemer (2000) basieren auf Plausibilitätsannahmen, sodass offen bleibt, welchen Einfluss der Innovationsgrad von Dienstleistungsausprägungen tatsächlich auf die Art der Preisdarstellung ausüben. Die Auswahl eines konkreten Preismodells sollte auf Basis der untersuchten Zahlungsbereitschaften erfolgen. Die Entscheidung für einen Einzel- bzw. Bündelverkauf sollte danach getroffen werden, bei welchem Modell ein höherer Deckungsbeitrag erwartet werden kann. Dafür ist es zunächst notwendig, die Zahlungsbereitschaften der Nachfrager zu erfassen. Zu diesem Zweck steht eine Vielzahl an potenziell relevanten Erhebungsmethoden zur Verfügung. Diese werden im folgenden Kapitel kurz beschrieben und eine geeignete Vorgehensweise vorgeschlagen.
86
4.1.3
4 Die Nachfragerperspektive
Methoden zur Erfassung von Zahlungsbereitschaften
Preise für hybride Leistungen werden in der Praxis häufig auf Basis von Beobachtungen bzw. Erwartungen der Manager, aber insbesondere auch unter Berücksichtigung der unternehmensinternen Kosten festgelegt, auf die dann ein unternehmensinterner Gewinnaufschlag und ggf. ein Verhandlungsaufschlag addiert werden. Zahlungsbereitschaften von Nachfragern werden dagegen nur sehr selten berücksichtigt. Die in Kapitel 3.1 berichteten Ergebnisse unserer Anbieter-Studie und weitere empirische Studien (Kossmann 2008) im Industriegüterbereich zeigen, dass nur wenige Investitionsgüterhersteller Preise primär auf Basis der Nutzenstiftung beim Kunden festlegen (Kossmann 2008).31 Damit werden möglicherweise Preisspielräume verschenkt, denn Hersteller verzichten durch diese Art der Preisfindung vermutlich auf potenzielle Kunden (der selbst gesetzte Preis war zu hoch) oder auf zusätzliches Erlöspotenzial (der festgelegte Preis war zu niedrig). Die Zahlungsbereitschaften der potenziellen Nachfrager stehen deshalb im Folgenden im Mittelpunkt der Untersuchung. Sie werden überwiegend durch Kundenbefragungen erfasst. Vor der Ermittlung von Zahlungsbereitschaften sind zunächst zwei grundlegende Entscheidungen zu treffen: 1. Auswahl einer Befragungsmethode (Welche Befragungsmethode [unter Berücksichtigung des Untersuchungskontextes] ist am besten geeignet, um Zahlungsbereitschaften zu erfassen?) und 2. Nutzung von Preis- oder Kaufabfragen (Auf welcher Skala sollen Zahlungsbereitschaften erfasst werden?). 31
Allerdings werden in vielen Branchen die Zahlungsbereitschaften der Kunden zu wenig bei der Preisbildung berücksichtigt, siehe dazu auch Hofstetter, Miller 2009.
4.1 Das klassische Geschäftsmodell
4.1.3.1
87
Befragungsmethode
Um Zahlungsbereitschaften von Nachfragern zu erheben, stehen verschiedene Optionen zur Verfügung. Bei der Auswahl von geeigneten Verfahren müssen sowohl das Ziel der Untersuchung als auch die Besonderheiten des Untersuchungsobjekts oder der Branche berücksichtigt werden (Backhaus et al. 2005; Steiner 2007, S. 78 ff.). Die Anforderungen an eine solche Methode zur Erfassung von Zahlungsbereitschaften werden in Abb. 4.5 zusammengefasst.
Abb. 4.5: Ziel und daraus abgeleitete Anforderungen an ein Verfahren zur Erfassung von Zahlungsbereitschaften
Bei Kundenbefragungen kann grundsätzlich zwischen kompositionellen, dekompositionellen und hybriden Verfahren unterschieden werden. Kompositionelle Ver-
88
4 Die Nachfragerperspektive
fahren beruhen auf einer separaten Erfassung der Zahlungsbereitschaften für die einzelnen Komponenten, d.h. die Befragungsteilnehmer werden gebeten, die untersuchten Dienstleistungsausprägungen (z.B. die Vorteilhaftigkeit eines 24h VorOrt-Services) direkt einzuschätzen. Bei dekompositionellen Methoden bewerten die Befragungsteilnehmer vollständige Leistungsangebote – in diesem Fall stets Bündel aus verschiedenen Dienstleistungen. Hybride Verfahren stellen eine Kombination aus kompositionellen und dekompositionellen Methoden dar und verfolgen das Ziel, möglichst viele Dienstleistungen zu untersuchen. Im Folgenden wird die grundlegende Vorgehensweise bei diesen drei möglichen Verfahrensgruppen zur Erfassung von Zahlungsbereitschaften beschrieben. Kompositionelle Verfahren Ein typisches Merkmal der kompositionellen Verfahren (diese werden auch als Self-Explicated Analyse bezeichnet) ist, dass die zu untersuchenden Dienstleistungen und Dienstleistungsausprägungen vom Befragungsteilnehmer direkt und separat bewertet werden. Aufgrund der Darstellungsform (separate Einschätzung jeweils einzelner Ausprägungen) können mit kompositionellen Methoden allerdings lediglich Zahlungsbereitschaften für den Einzelverkauf erfasst werden. Die einfachste Möglichkeit besteht darin, die zu untersuchenden Eigenschaften (Dienstleistungsarten) und Ausprägungen (die konkreten Dienstleistungen) einzeln zu bewerten. Der Vorteil der kompositionellen Verfahren ist, dass die Beantwortung aus Sicht der Befragungsteilnehmer vergleichsweise leicht möglich ist und deshalb eine Vielzahl an Eigenschaften und Ausprägungen auf individueller Ebene untersucht werden kann. Nachteilig sind zu erwartende „strategische“ Antworten, d.h. der beantwortende wird versuchen, seine Interessenslage ins Spiel zu bringen („im Zweifel werde ich nicht zu hoch schätzen“). Sollen Zahlungsbereitschaften für produktbegleitende Dienstleistungen für Werkzeugmaschinen erfasst werden, so sollte – wie bereits beschrieben – eine Vielzahl an potenziell relevanten Leistungen berücksichtigt werden. Dabei kann allerdings nicht davon ausgegangen werden, dass für jeden Befragungsteilnehmer sämtliche Dienstleistungen relevant sind. Um den Befragungsaufwand zu minimieren, könnten deshalb analog zu Voeth, Bornstedt (2007) in einem ersten Schritt die relevanten Eigenschaften (Dienstleistungsarten) bestimmt werden. Im Folgenden (zweite Hierarchiestufe) werden genauere Bewertungen nur für die Dienstleistungsarten erfasst, die für den jeweiligen Nachfrager zumindest für einen Kauf in Betracht gezogen werden. Diese Vorgehensweise könnte deshalb auch als hierarchische Self-Explicated Methode bezeichnet werden. Dekompositionelle Verfahren - Bewertung verschiedener Alternativen Sollen die Preisbereitschaften der Kunden durch die Bewertung verschiedener Alternativen (d.h. Bündel) erhoben werden, stehen generell zwei Möglichkeiten zur Verfügung. Einerseits besteht die Möglichkeit, dass die Befragungsteilnehmer lediglich eine einzige Produktalternative bzw. andererseits eine Reihe von systema-
4.1 Das klassische Geschäftsmodell
89
tisch konstruierten Produkten/Bündeln bewerten (diese werden auch als dekompositionelle Verfahren bezeichnet). Die einfachste und häufig genutzte Möglichkeit zur Erfassung von Bewertungen besteht darin, nur ein Produkt bzw. Dienstleistungsbündel zu untersuchen und für dieses Zahlungsbereitschaften zu ermitteln.32 Da die Anforderungen der Nachfrager im Werkzeugmaschinenbau allerdings äußerst heterogen sind, können diese Methoden in diesem Befragungskontext nicht angewendet werden. Conjoint-Analysen sind dekompositionelle Verfahren zur Erfassung von Zahlungsbereitschaften. Während der Befragung werden die Probanden gebeten, verschiedene, systematisch konstruierte Alternativen (z.B. Dienstleistungsbündel) zu bewerten. Auf Basis dieser Einschätzungen kann der Nutzenbeitrag für jede Teilleistung (konkrete Dienstleistungsausprägung) bestimmt werden; d.h. die Gesamteinschätzungen werden in die Teilnutzen der untersuchten Komponenten „dekomponiert“, also zerlegt. Sollen Zahlungsbereitschaften erfasst werden, wird der Preis häufig als separates Merkmal in die Analyse aufgenommen, was vom Marktforscher die Vorabfestsetzung konkreter Preise, zu denen die Alternativen (z.B. Dienstleistungsbündel) verkauft werden sollen, erfordert.33 Im Gegensatz zu den kompositionellen Verfahren werden bei den dekompositionellen Methoden alle zu untersuchenden Dienstleistungen stets simultan, d.h. im Bündel, bewertet. Hybride Verfahren Ein gravierender Nachteil aller „klassischer“ Varianten der Conjoint-Analyse ist, dass nur eine geringe Anzahl an Eigenschaften simultan untersucht werden kann. Häufig wird davon ausgegangen, dass (je nach Komplexität der Untersuchungsaufgabe und Vorwissen der Entscheider) lediglich drei bis fünf Merkmale untersucht werden sollten.34 Hybride Verfahren mindern dieses Problem, indem kompositionelle und dekompositionelle Verfahren der Präferenzmessung miteinander kombiniert werden. Dabei werden in einem ersten Schritt die wichtigsten Merkmale mithilfe einer kompositionellen Methode ermittelt; lediglich diese werden in der zweiten, dekompositionellen Phase im Rahmen der Conjoint-Analyse weiter untersucht.35 In der folgenden Tabelle 4.2 wird die Eignung der kompositionellen, dekompositionellen und hybriden Verfahren anhand der vorab definierten Anforderungen 32
Für einen Überblick über verschiedene Varianten dieser Vorgehensweise, die auch als „Contingent Valuation Methods“ bezeichnet werden, siehe Jedidi, Jagpal 2009. 33 Für einen Überblick für verschiedene Varianten, den Preis als Eigenschaftsmerkmal in die Conjoint-Analyse aufzunehmen, siehe Orme (2007). 34 Für eine Diskussion dieser Problematik siehe Steiner (2007), S. 90 ff. 35 Für einen Überblick verschiedener hybrider Verfahren siehe Steiner (2007), 52 ff.
90
4 Die Nachfragerperspektive
im Überblick eingeschätzt. Es wird deutlich, dass auf Basis der Ergebnisse von kompositionellen Methoden keine Zahlungsbereitschaften für Bündelangebote erhoben werden können. Allein auf Basis der dekompositionellen Verfahren können nur Bündelangebote untersucht werden. Allerdings ist es bei dieser Verfahrensgruppe nicht möglich, eine Vielzahl an Dienstleistungsarten zu berücksichtigen. Deshalb ist die Anwendung von hybriden Verfahren sinnvoll. Durch Nutzung von hybriden Conjoint-Analysen ist es möglich, eine Vielzahl an Dienstleistungen zu erfassen und individuelle Zahlungsbereitschaften für die Preismodelle „Einzelpreis“ und „Bündelung“ zu bestimmen. Anforderung
Kompositionelle Methoden
Hybride Methoden
Dekompositionelle Methoden
Analyse einer Vielzahl an Dienstleistungsarten
+
+
–
Erfassung von Zahlungsbereitschaften für Einzelpreise bzw. Bündelverkauf
nur Einzelbepreisung
Einzelbepreisung und Bündelverkauf
nur Bündelverkauf
Bestimmung individueller Zahlungsbereitschaften
+
+
+ (außer Conjoint-Analyse auf Basis von Auswahlentscheidungen)
Tabelle 4.2: Einschätzung der Eignung verschiedener Arten von Präferenzmessverfahren („-“ nicht geeignet; „+“ geeignet)
Typische hybride Conjoint-Analysen sind die Adaptive Conjoint-Analyse (ACA) und die Hierarchische Individualisierte Limit Conjoint-Analyse (HILCA).36 Bei beiden Varianten erfolgt die Bewertung der Alternativen ausschließlich auf Basis von Rating-Skalen.37 Zahlungsbereitschaften für verschiedene Produktalternativen können damit nur durch Kaufabfragen erfasst werden. Dabei wird der Preis als separates Merkmal in die Untersuchung aufgenommen. Die Varianten der ACA oder der HILCA sind somit nur anwendbar, wenn Kaufabfragen sinnvoll eingesetzt werden können.
36
Die HILCA wurde von Voeth (2000) vorgeschlagen und am Lehrstuhl von Prof. Backhaus entwickelt. 37 Rating-Skalen werden zur Einschätzung der Alternativen genutzt. Im Rahmen der HILCA handelt es sich um eine 100-Punkte Rating-Skala, d.h. der Befragungsteilnehmer wird beispielsweise gebeten, einer Alternative je nach Vorziehenswürdigkeit einen Punktwert von 0 bis 100 zuzuweisen. Je stärker eine Alternative bevorzugt wird, umso höher ist dabei der Punktwert, mit der ein Produkt bewertet wird.
4.1 Das klassische Geschäftsmodell
4.1.3.2
91
Art der Skala: Kauf- oder Preisabfrage
Kaufabfragen Bei Kaufabfragen werden die Befragungsteilnehmer gebeten, Dienstleistungsbündel inkl. des Preises (dekompositionelles Verfahren z.B. Conjoint-Analyse) oder eine einzelne Dienstleistungsausprägung inkl. des Preises (kompositionelles Verfahren) zu bewerten. So könnten den Befragungsteilnehmern verschiedene Produktalternativen inklusive des Preises präsentiert werden. Die Entscheider wählen im Folgenden die Alternative aus, die ihren Anforderungen am besten entspricht (siehe folgendes Beispiel). Beispiel 1 – Einschätzung einer einzelnen Dienstleistungsausprägung: Wären Sie bereit, die Dienstleistung Inbetriebnahme + 2 Tage vor Ort für 5.000 € zu kaufen? ż ja ż nein
Beispiel 2 – Einschätzung eines Dienstleistungsbündels: Wären Sie bereit, das folgende Dienstleistungsbündel für 12.000 € zu kaufen? Bündel bestehend aus - Inbetriebnahme + 2 Tage vor Ort ż ja - 4 Jahre Preisstabilitätsgarantie für Erż nein satzteile - Bereitstellung der 3D-CADMaschinendaten - Basis Maschinenschulung Eine Besonderheit von Kaufabfragen ist somit immer, dass der Preis vom Marktforscher vorgegeben wird. Dies entspricht letztlich am stärksten der Realität, denn auch hier werden vom Anbieter Preisangebote unterbreitet und der Nachfrager kann entscheiden, ob er dieses oder das Angebot der Konkurrenz annimmt. Alternativ ist es möglich, verschiedene Produkte entsprechend ihrer Attraktivität auf einer Skala einzuschätzen. Ergebnis der Kaufabfragen ist somit in jedem Fall eine Bewertung des PreisLeistungsverhältnisses einer Dienstleistung oder eines Dienstleistungsbündels (d.h. es erfolgt eine Einschätzung des Nutzens im Vergleich zu dem jeweils geforderten Preis). Aussagen bzw. Prognosen über die Zahlungsbereitschaften sind dabei immer nur innerhalb der vom Marktforscher vorab vorgegebenen Bandbreite der untersuchten Preise möglich. Insofern ist eine Kaufabfrage nur dann sinnvoll, wenn vorab bereits ausreichend Informationen über Zahlungsbereitschaften vor-
92
4 Die Nachfragerperspektive
handen sind und somit das Ziel der Studie nicht primär die Erfassung der möglichen Zahlungsbereitschaften, sondern eine Segmentierung der Befragten entsprechend der bekannten Bandbreiten der Zahlungsbereitschaften ist. Bei der Festlegung der zu untersuchenden Preis-Ausprägungen sind folgende Anforderungen zu erfüllen: 1. es muss eine Bandbreite der Preis-Ausprägungen untersucht werden, die für alle Befragten relevant ist; völlig unakzeptable Preis-Ausprägungen müssen vermieden werden, 2. es können nicht „zu viele“ Preis-Ausprägungen untersucht werden, zudem sind diese so zu wählen, dass zwischen den Ausprägungen ein linearer Zusammenhang vermutet werden kann und 3. unrealistische Alternativen sollten vermieden werden. Festlegung der Bandbreite Die folgenden Beispiele sollen zunächst Probleme bei der Festlegung von Bandbreiten verdeutlichen. Beispiel: Ein Marktforscher nimmt an, dass für die Dienstleistungsausprägung Bereitstellung der 3D-CAD-Maschinendaten ein Preis von 2.500 bis 7.500 € realistisch ist. Entsprechend werden die Ausprägungen 2.500 €; 5.000 € und 7.500 € untersucht. Beispiel 1: Angenommen, ein Unternehmen ist bereit, für diese Dienstleistung 12.500 € zu bezahlen. Dieser Befragungsteilnehmer wird deshalb sämtliche Angebote, die ihm unterbreitet werden, akzeptieren. Bei Kaufangeboten wird (implizit) davon ausgegangen, dass der maximale Preis, der akzeptiert wird, der maximalen Zahlungsbereitschaft entspricht. In diesem Fall würde man davon ausgehen, dass die maximale Zahlungsbereitschaft 7.500 € beträgt, was deutlich unter der tatsächlichen Zahlungsbereitschaft liegt. Beispiel 2: Ein Unternehmen ist bereit, für die Dienstleistung Bereitstellung der 3D-CADMaschinendaten 2.000 € zu bezahlen. Dieser Preis liegt unter der untersuchten Bandbreite [2.500 bis 7.500], deshalb wird der Entscheider sämtliche Angebote ablehnen. In diesem Fall sind keinerlei Aussagen über Zahlungsbereitschaften des Entscheiders möglich.
Beispiel 1 zeigt, dass bei der Anwendung von Kaufabfragen nicht sichergestellt
4.1 Das klassische Geschäftsmodell
93
ist, dass maximale Zahlungsbereitschaften erfasst werden. Beispiel 2 verdeutlicht das Problem von völlig unakzeptablen (Preis-)Ausprägungen. Gerade diese Situation ist insbesondere für Conjoint-Analysen relevant. Eine grundlegende Anwendungsvoraussetzung dieser Methoden ist, dass keine unakzeptablen Preisausprägungen untersucht werden dürfen. Dies bedeutet, dass die untersuchten PreisAusprägungen letztlich so festgelegt werden müssten, dass jeweils alle befragten Unternehmen alle Preise akzeptieren. In diesem Fall (Orientierung an den Unternehmen mit den geringsten Zahlungsbereitschaften) könnten allerdings keine maximalen Zahlungsbereitschaften erfasst werden. Insofern können Kaufabfragen nur genutzt werden, wenn die Zahlungsbereitschaften der untersuchten Befragungsteilnehmer vergleichsweise homogen sind. Dies trifft für die Werkzeugmaschinenbau-Branche gerade nicht zu. Hier ist vielmehr mit äußerst heterogenen Anforderungen der Nachfrager zu rechnen. Festlegung der Anzahl an Ausprägungen Die Anzahl der untersuchten Ausprägungen je Eigenschaft (z. B. Preis) sollte bei Anwendung der Conjoint-Analyse möglichst klein sein, da die Anzahl der zu untersuchenden Alternativen exponentiell steigt. Häufig werden deshalb lediglich drei bis fünf Preis-Ausprägungen berücksichtigt. Zwischen den untersuchten Ausprägungen wird dabei (mangels Informationen) ein linearer Zusammenhang (Jedidi, Jagpal 2009) vermutet (siehe durchgezogene Linie in Abb. 4.6), tatsächlich könnte aber ein völlig anderer Zusammenhang vorliegen (siehe als Beispiel die gestrichelte Linie in Abb. 4.6).
Abb. 4.6: Beispiel für einen Nutzenverlauf zwischen verschiedenen Ausprägungen der Eigenschaft „Preis“
Unterscheiden sich die vermuteten und realen Funktionsverläufe deutlich, ist mit verzerrten Schätzungen der Zahlungsbereitschaften zu rechnen.
94
4 Die Nachfragerperspektive
Vermeidung unrealistischer Alternativen Schließlich sollten unrealistische Dienstleistungskombinationen in Studien zur Erfassung von Zahlungsbereitschaften vermieden werden. Unrealistisch sind beispielsweise Dienstleistungsbündel, die jeweils „hochpreisige“ Dienstleistungsausprägungen aber den geringsten Preis aufweisen. Innerhalb von Conjoint-Analysen werden die zu untersuchenden Alternativen systematisch gebildet, sodass unrealistische Alternativen nicht ausgeschlossen werden können. Zwischenfazit Kaufabfragen Kaufabfragen sind nur bei bestimmten Untersuchungsobjekten sinnvoll anwendbar. Dies gilt beispielsweise, wenn vorab bereits ausreichend Informationen über die Zahlungsbereitschaften der Nachfrager vorliegen, sodass eine aus Sicht der Befragungsteilnehmer sinnvolle Bandbreite der untersuchten Preise sowie bestimmte Preisausprägungen festgelegt werden können. Dies ist nur dann möglich, wenn die Zahlungsbereitschaften der berücksichtigten Unternehmen vergleichsweise homogen sind. Preisabfragen Preisabfragen werden in der Marktforschungspraxis und -forschung häufig zur Erfassung von Zahlungsbereitschaften genutzt. Dabei wird der Befragungsteilnehmer gebeten, selbst einen (maximalen) Preis zu nennen,38 zu dem er ein bestimmtes Produkt (eine Dienstleistungsausprägung oder ein Dienstleistungsbündel) kaufen würde. Der Hauptnachteil dieser Methode besteht darin, dass bei realen Kaufentscheidungen die potenziellen Kunden vorab gerade nicht ihre (maximalen) Zahlungsbereitschaften offenbaren müssen, sondern aus verschiedenen Angeboten auswählen. Zudem ist eine offene Abfrage der Preisbereitschaften für die Befragungsteilnehmer schwieriger, weil diese sich zunächst an frühere Käufe oder mögliche Marktpreise (z.B. der Wettbewerber) erinnern und die eigene Nutzenstiftung berücksichtigen müssen. Preisabfragen sollten deshalb nur genutzt werden, wenn es sich um ein Untersuchungsobjekt handelt, bei dem typischerweise vor dem Kauf intensiv Informationen gesucht werden und: x die Befragungsteilnehmer kurz vor dem Kauf stehen und deshalb realistische Marktpreise kennen (Gierl 1995, S. 165) oder x Einkäufer bzw. Entscheider befragt werden, die „regelmäßig“ bzw. vor kurzem entsprechende Kaufentscheidungen treffen oder getroffen haben (für ein Beispiel siehe Gierl 1995, S. 604 ff.) und deshalb über eine entsprechende Kenntnis der Marktpreise verfügen.
38
In der Literatur wird deshalb diese Skalenart auch als Dollar-Metrik bezeichnet (Gierl 1995, S. 604).
4.1 Das klassische Geschäftsmodell
95
Preisabfragen werden trotz der oben genannten Nachteile häufig in der Praxis und Forschung genutzt. Der Vorteil dieser Skalenart ist deren einfache Anwendbarkeit und ein vergleichsweise geringer Auswertungsaufwand (Hofstetter, Miller 2009; Jedidi, Jagpal 2009). Zudem handelt es sich um eine „nach oben offene“ Skala, d.h. die Befragungsteilnehmer können innerhalb der Befragung beliebig hohe Werte angeben. Bandbreiten für mögliche Preis-Ausprägungen müssen demnach nicht vorab definiert werden. Preisabfragen eignen sich deshalb insbesondere für Märkte mit heterogenen Zahlungsbereitschaften der Nachfrager.39 Zudem ist – im Gegensatz zu anderen Skalenarten wie beispielsweise Rating-Skalen – davon auszugehen, dass alle Befragungsteilnehmer diese Skala (Preise) ähnlich interpretieren und sie somit eindeutig ist (Schweikl 1985, S. 120f.). In Tabelle 4.3 werden die Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Kauf- und Preisabfragen im Überblick dargestellt.
39
Ein weiterer Vorteil dieser Vorgehensweise ist, dass so letztlich eine Eigenschaft zusätzlich untersucht werden kann. Dies ist insbesondere bei der Anwendung von Conjoint-Analysen relevant, da mit der Anzahl der untersuchten Eigenschaften ebenfalls die Anzahl der Alternativen, die von den Befragten eingeschätzt werden sollen, steigt.
96
4 Die Nachfragerperspektive
Vorgabe von Preisen Art der Frage (und Art der Entscheidung) Fokus des Entscheiders Prognosen über Zahlungsbereitschaften
Art des Vermuteten Zusammenhangs zwischen Preis und Nutzen Anforderungen an die Befragten Ergebnis
Ziel der Untersuchung
Kaufabfragen ja geschlossene Frage (Auswahlentscheidung [Kauf/Nicht-Kauf] oder Bewertung auf einer Rating-Skala) auf die gesamte Entscheidungssituation nur innerhalb der Bandbreite der untersuchten Preise möglich; völlig unakzeptable Preis-Ausprägungen müssen bei Anwendung der Conjoint-Analyse vermieden werden zwischen den vom Marktforscher vorgegebenen Preis-Ausprägungen wird ein linearer Verlauf angenommen relativ geringe kognitive Belastung, da Preise vorgegeben sind Zahlungsbereitschaft lässt sich nur approximativ bestimmen, d.h. es wird angenommen, dass diese dem höchsten, gerade noch akzeptierten Preis entspricht Ziel ist die Erfassung des PreisLeistungsverhältnisses
Preisabfragen nein offene Frage im Hinblick auf die Antwortmöglichkeiten (Nennung der maximalen Zahlungsbereitschaft) stärker auf den Preis als bei Kaufabfragen keine Vorgabe von Preisen, d.h. keine Einschränkungen
keine Annahmen über Funktionsverläufe notwendig hohe kognitive Belastung, da sich der Befragte an frühere Käufe erinnern und selbst Preise benennen muss Ergebnis ist ein konkreter (individueller) Preis als Ausdruck für die Zahlungsbereitschaft Ziel ist die Erfassung eines „fairen“ Preises unter Berücksichtigung von Marktpreisen (Referenzpreis ist z.B. der zuletzt gezahlte Preis)
Tabelle 4.3: Überblick über typische Merkmale von Kauf- und Preisabfragen
Kauf- und Preisabfragen sind zusammenfassend zur Ermittlung von Zahlungsbereitschaften geeignet. Kaufangebote sollten vorgezogen werden, wenn bereits Informationen über Zahlungsbereitschaften vorliegen und die untersuchten Zielgruppen vergleichsweise homogen sind. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, sind Preisabfragen vorzuziehen, die in der Praxis und Forschung ebenfalls häufig genutzt werden. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass beide Varianten zur Erfassung von Zahlungsbereitschaften nicht „anreizkompatibel“ sind. Dies bedeutet, dass die Befragungsteilnehmer keinen Anreiz haben, ihre „wahre“ Zahlungsbereitschaft zu offenbaren, d.h. die Antworten haben keine unmittelbaren finanziellen Auswirkungen für den Befragten. Anreizkompatibilität ließe sich nur sicherstellen, wenn jeder Entscheider am Ende der Studie das jeweilige Bündel bzw. die untersuchte Dienstleistungsausprägung zu dem von ihm genannten Preis tatsächlich erwerben müsste. Solche Kaufexperimente werden deshalb lediglich bei Gütern mit geringen Preisen – z.B. Konsumgütern – genutzt. Die Ergebnisse von Studien zur Erfassung von Zahlungsbereitschaften sollten deshalb immer vom Management kritisch hinterfragt werden. Dies betrifft insbesondere die absolute Höhe der genannten Zahlungsbereitschaften. Aber selbst wenn man davon ausgehen würde, dass sich die Befragungsteilnehmer strategisch verhalten und generell zu niedrige
4.1 Das klassische Geschäftsmodell
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Zahlungsbereitschaften angeben, liefern Studienergebnisse immer noch wichtige Informationen über die relative Bedeutung verschiedener Dienstleistungsangebote sowie einen Ansatz zur Segmentierung der Nachfrager. 4.1.3.3
Die ServPay Conjoint-Analyse Anhand der Erläuterungen in Kapitel 4.1.3.1 wurde deutlich, dass es mit einer Methode zur Erfassung von Zahlungsbereitschaften im Werkzeugmaschinenbau möglich sein muss, eine Vielzahl an Dienstleistungen zu berücksichtigen. Zudem sollte das Verfahren es ermöglichen, Zahlungsbereitschaften sowohl für das Preismodell der Einzelbepreisung, als auch bei einem Bündelverkauf, Zahlungsbereitschaften zu erfassen. Diese Anforderungen erfüllen nur hybride Verfahren der Präferenzmessung. In Abb. 4.7 wird ein Überblick über die verschiedenen Möglichkeiten zur Erfassung von Zahlungsbereitschaften auf Basis von Kundenbefragungen gegeben. Anhand dieser Darstellung wird deutlich, dass sämtliche hybride Verfahren, die bisher genutzt wurden, auf Kaufabfragen basieren.
98
4 Die Nachfragerperspektive
Abb. 4.7: Überblick der Verfahren zur Erfassung von Zahlungsbereitschaften auf Basis von Kundenbefragungen
4.1 Das klassische Geschäftsmodell
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Wie wir gezeigt haben, sind Preisabfragen zur Bestimmung der Zahlungsbereitschaften für unsere Problemstellung vorteilhaft. Dazu musste eine neuartige Methode – die ServPay Conjoint-Analyse (SPCA) – entwickelt werden. Die SPCA ist die erste hybride Conjoint-Analyse auf Basis von Preisbereitschaften, bei der die Befragungsteilnehmer gebeten werden, Zahlungsbereitschaften für einzelne Dienstleistungen als auch für Dienstleistungsbündel anzugeben. Die Einschätzung der Zahlungsbereitschaften erfolgt dabei – wie oben erläutert – immer mit Bezug auf die Werkzeugmaschine. Aufgrund dieser Besonderheiten entsteht eine mehrstufige Vorgehensweise: 1. dem Befragungsteilnehmer wird zunächst das Befragungsziel und das Untersuchungsobjekt (sowie die untersuchten Dienstleistungsarten und Dienstleistungsausprägungen) vorgestellt [ Warm-up Task ], 2. alle nicht relevanten Dienstleistungen werden eliminiert (Ziel ist eine Vereinfachung der Entscheidungssituation), 3. die Zahlungsbereitschaft für alle relevanten Dienstleistungsangebote wird kompositionell erhoben (Einzelbepreisung) und 4. auf Basis einer Conjoint-Analyse wird die Zahlungsbereitschaft für Bündelangebote erfasst. (1) Warm-up Task Im Rahmen eines Warm-up Tasks werden zunächst verschiedene Fragen zu dem nächsten geplanten Kauf gestellt. Ziel ist es, den Befragungsteilnehmer in die entsprechende Kaufsituation zu versetzen. Zudem wird der Preis für die als nächstes geplante Werkzeugmaschine (ohne jegliche produktbegleitende Dienstleistungen) erfragt. Dieser Preis dient als Anker für die späteren Einschätzungen.
Abb. 4.8: Erfassung der Kosten für die Kernleistung
(2) Eliminierung der nicht-relevanten Dienstleistungen Um den Befragungsaufwand zu minimieren, werden in einem zweiten Schritt der Präferenzmessung zunächst die Dienstleistungen ausgeschlossen, die aus Sicht des Entscheiders nicht relevant sind und für die deshalb keinerlei Zahlungsbereitschaften bestehen.40 Die Relevanz der untersuchten Dienstleistungsarten kann vom Entscheider auf Basis der untersuchten Ausprägungen (der konkreten Dienstleis40
Dabei wurde eine Vorgehensweise analog zu Voeth, Bornstedt (2007) genutzt.
100
4 Die Nachfragerperspektive
tungsangebote) bestimmt werden. Besteht bei einer Dienstleistungsart für sämtliche Dienstleistungsangebote keine Zahlungsbereitschaft, so ist diese nicht relevant. In der folgenden Abb. 4.9 wird ein Beispiel für eine solche Vorgehensweise dargestellt.
Abb. 4.9: Beispiel für die Bestimmung der relevanten Dienstleistungsarten
(3) Schritt: Preisabfrage - Einzelbepreisung Im dritten Schritt werden die Befragungsteilnehmer gebeten, für die Dienstleistungsausprägungen (d.h. die konkreten Angebote) Zahlungsbereitschaften anzugeben. Eine Besonderheit bei der Erfassung von Zahlungsbereitschaften von produktbegleitenden Dienstleistungen besteht – wie bereits beschrieben – darin, dass diese nicht losgelöst von der Kernleistung eingeschätzt werden können, d.h. der Nutzen bestimmter Dienstleistungsangebote ist von der untersuchten Werkzeugmaschine abhängig. Um in allen folgenden Befragungsschritten den Bezug zur Werkzeugmaschine sicherzustellen, wurden die Befragungsteilnehmer deshalb jeweils gebeten, relative Zahlungsbereitschaften anzugeben (d.h. den Wert eines Dienstleistungsangebots als prozentualer Aufschlag auf den Preis der Werkzeugmaschine). Simultan zur Eingabe der Werte werden dem Befragungsteilnehmer dabei die absoluten Zahlungsbereitschaften präsentiert (siehe Abb. 4.10). Diese können auf Basis des in der Warm-Up Phase erhobenen Maschinenpreises bestimmt werden. Ziel ist es, die Beantwortung für den Befragungsteilnehmer so einfach wie möglich zu gestalten. Die Präsentation der absoluten Zahlungsbereitschaften dient dabei der vereinfachten Kontrolle der eigenen Einschätzungen.
4.1 Das klassische Geschäftsmodell
101
Abb. 4.10: Kompositionelle Erfassung der Zahlungsbereitschaften
Am Ende dieses Erhebungsschritts liegen für alle Dienstleistungen entsprechende Zahlungsbereitschaften vor, die im Folgenden als Segmentierungsbasis bzw. zur Bestimmung von (zielgruppenspezifischen) Preisen dienen. Eine Besonderheit der ServPay Conjoint-Analyse ist, dass sowohl absolute als auch relative Zahlungsbereitschaften erfasst werden. Besonderheit der Erfassung absoluter und relativer Zahlungsbereitschaften Die Erfassung von Zahlungsbereitschaften erfolgt im Rahmen von empirischen Studien in der Regel mithilfe relativer oder absoluter Werte, wobei zumeist letztere verwendet werden. Ziel der absoluten Erfassung ist es, die Zahlungsbereitschaft in Form eines bestimmten Geldbetrags für eine konkrete Leistung wie bspw. ein konkretes hybrides Leistungsbündel oder eine konkrete industrielle Dienstleistung zu ermitteln. Der Vorteil dieser absoluten Erfassung kann vor allem darin gesehen werden, dass die gewonnenen Informationen unmittelbar für Wirtschaftlichkeitsberechnungen sowie preispolitische Maßnahmen verwendet werden können. In Bezug auf die Erbringung industrieller Dienstleistungen oder hybrider Leistungsbündel kann unter Rückgriff auf den Preiskorridor aus Abb. 4.1 beispielsweise ein Abgleich mit den Kosten erfolgen, um der Wirtschaftlichkeitsperspektive des KKVs® gerecht werden zu können. Gleichzeitig kann unter Rückgriff auf Wettbewerberpreise unmittelbar auf die Preisobergrenze der betrachteten Leistung geschlossen werden.
102
4 Die Nachfragerperspektive
Bei der Erfassung relativer Zahlungsbereitschaften ist vom Befragungsteilnehmer der von ihm akzeptierte prozentuale Preisaufschlag auf eine zugrunde gelegte Kernleistung anzugeben. Bei der Betrachtung hybrider Leistungsbündel kann beispielsweise eine „nackte“ Werkzeugmaschine (also eine Maschine ohne jegliche produktbegleitende Dienstleistungen) als Bezugsbasis gewählt werden. Darauf aufbauend wird der prozentuale Preisaufschlag erfasst, den der Befragungsteilnehmer für eine zusätzlich zur Maschine angebotene Dienstleistung zu zahlen bereit ist. Ein zentraler Nachteil dieser Erfassung liegt darin begründet, dass ohne die Kenntnis weiterer Informationen (z. B. des absoluten Preises der Kernleistung) keine konkreten Empfehlungen für die Preisgestaltung abgeleitet werden können. Diese Problematik wird verstärkt, wenn dem Befragungsteilnehmer die Wahl der Kernleistung als Bezugsbasis freigestellt wird. In diesem Fall kann allein auf Basis relativer Zahlungsbereitschaften nicht abgeleitet werden, ob bestimmte Kunden für eine bestimmte Dienstleistungsausprägung absolut gesehen „mehr“ oder „weniger“ bezahlen würden als andere Nachfragergruppen. In der Möglichkeit, dem Befragungsteilnehmer die Festlegung der Kernleistung zu überlassen, liegt jedoch bei einer Untersuchung eines heterogenen Leistungsspektrums auch ein zentraler Vorteil der relativen Zahlungsbereitschaften begründet. In Abhängigkeit vom Wert der jeweiligen Kernleistung erlauben diese somit eine fallspezifische Berechnung der konkreten absoluten Zahlungsbereitschaft und sind somit flexibel einsetzbar. Weiterhin sind relative Zahlungsbereitschaften im Gegensatz zu den absoluten Zahlungsbereitschaften dazu geeignet, um Aussagen über die Dienstleistungsaffinität bestimmter Kunden oder Kundensegmente abzuleiten. So ist es mittels relativer Zahlungsbereitschaften bspw. möglich, Kunden zu identifizieren, bei denen der Kauf produktbegleitender Dienstleistungen einen hohen Anteil am Gesamtbudget eines Werkzeugmaschinenkaufs ausmacht. Vor dem Hintergrund der Nutzung von Cross-Selling-Potenzialen sind relative Zahlungsbereitschaften daher beispielsweise auch für den Einsatz in Recommender Systemen gut geeignet (vgl. dazu Kapitel 6.2). In Tabelle 4.4 werden die Unterschiede zwischen absoluten und relativen Zahlungsbereitschaften zusammengefasst.
4.1 Das klassische Geschäftsmodell
103
Zahlungsbereitschaften absolut
relativ
Aussagekraft
Geldbetrag „x“ für eine Leistung „y“
Prozentualer Aufschlag für eine Leistung „y“ im Vergleich zu einer anderen Leistung „z“
Beispielfrage
Bitte geben Sie an, wie viel Sie maximal für Leistung „y“ bezahlen würden.
Bitten geben Sie an, welchen prozentualen Aufschlag auf den Kaufpreis der Maschine z Sie für die Leistung „y“ bereit wären, zu bezahlen.
Bestimmung konkreter Maximalpreise
Bestimmung der Kunden, die tendenziell eher produktbegleitende Dienstleistungen kaufen
Ziel
Tabelle 4.4: Vergleich zwischen absoluten und relativen Zahlungsbereitschaften
Innerhalb des ServPay Projekts wurden beide – sowohl relative als auch absolute – Zahlungsbereitschaften erhoben. Zu diesem Zweck wurden die Probanden zunächst gebeten, an einen konkreten, in Zukunft geplanten Maschinenkauf zu denken und den Preis für diese Maschine (ohne jegliche produktbegleitende Dienstleistungen) in Euro anzugeben. Im Anschluss erfolgte die Erfassung relativer Zahlungsbereitschaften für die angegebenen produktbegleitenden Dienstleistungen. Auf Basis des am Anfang der Umfrage erfassten absoluten Maschinenpreises wurde dabei simultan zur Eingabe der relativen Zahlungsbereitschaften durch den Probanden ebenfalls der absolute Wert angegeben. Im Rahmen der in den weiteren Kapiteln folgenden Analysen stehen somit sowohl relative als auch absolute Werte zur Verfügung. (4) Preisabfrage - Bündelfall Damit die Befragungsteilnehmer bei der Einschätzung der Bündel nicht überfordert werden, wählen wir jedes Bündel aus maximal vier Dienstleistungsarten,41 die in Kombinationen zu maximal 16 Dienstleistungsbündeln führen, die dann bewertet werden. Da die Einschätzung von Dienstleistungsbündeln eine kognitiv anspruchsvolle Aufgabe darstellt, werden zunächst nicht alle, sondern lediglich drei individuell konstruierte Alternativen präsentiert. Diese wurden auf Basis der bisher erfassten Zahlungsbereitschaften so gestaltet, dass es sich um die Dienstleistungsbündel mit der vermutlich „geringsten“, einer „mittleren“ und der „höchsten“ Zahlungsbereitschaft handelt (siehe Abb. 4.11).
41
Wurden von einem Entscheider weniger als vier Dienstleistungsarten als relevant bewertet, ergibt sich ein entsprechend weniger komplexes Bündel bestehend aus drei oder minimal zwei Dienstleistungsarten. Neben den untersuchten Dienstleistungsarten wird somit auch die Anzahl der Eigenschaften (zumindest teilweise) individualisiert.
104
4 Die Nachfragerperspektive
Abb. 4.11: Erste Bewertungsaufgabe innerhalb des dekompositionellen Befragungsteils
Diese drei Alternativen bilden die vermutete Bandbreite der folgenden (Preis-) Einschätzungen und dienen dem Befragten als Referenzpunkte bei der Bewertung der restlichen 13 Alternativen (in diesem Fall ergibt sich eine vermutete Bandbreite der Zahlungsbereitschaften für die anderen untersuchten Alternativen von 1.000 € bis 4.600 €). Innerhalb der ServPay Conjoint-Analyse werden die noch verbliebenen 13 Alternativen (d.h. die Bündel) einzeln bewertet (siehe Abb. 4.12). Die bereits eingeschätzten Dienstleistungsbündel werden dabei im unteren Bildschirmbereich dargestellt und dienen somit als „gedankliche Stütze“ bei der Bewertung der restlichen Angebote (oberer Bildschirmbereich).
Abb. 4.12: Bewertungsaufgabe innerhalb der Conjoint-Analyse
4.1 Das klassische Geschäftsmodell
105
Bestimmung der Zahlungsbereitschaften für die Dienstleistungsangebote Die Zahlungsbereitschaften für einzelne Dienstleistungen werden im kompositionellen Befragungsteil direkt erhoben (3. Schritt). Sollen auf Basis dieser Daten die Zahlungsbereitschaften für verschiedene Bündel mit Einzelbepreisung bestimmt werden, kann ein linear additives Nutzenmodell genutzt werden. Ein Beispiel für ein solches linear additives Nutzenmodell, auf dessen Basis die Zahlungsbereitschaft für mehrere Dienstleistungen berechnet werden kann, wird in der Gleichung 1 vorgestellt. Die Gesamtzahlungsbereitschaft des Entscheidungsträgers i bei einem Dienstleistungsbündel m ergibt sich dabei durch Addition der jeweiligen Zahlungsbereitschaften über alle Einzeldienstleistungen k mit den Dienstleistungsarten j. J
U im
K
¦¦ E
ijk
* yijkm
Gleichung 1
j 1 k 1
mit:
J:
Geschätzte Gesamtzahlungsbereitschaft des m-ten Dienstleistungsbündels beim i-ten Entscheidungsträger geschätzte Zahlungsbereitschaft für die k-te Dienstleistungsausprägung der j-ten Dienstleistungsart beim i-ten Entscheidungsträger Binär-Codierung der j-ten Dienstleistungsart beim m-ten Stimulus für Proband i: 1 - wenn k-te Ausprägung vorhanden ist; 0 - wenn k-te Ausprägung nicht vorhanden ist Zahl der Dienstleistungsarten
K:
Zahl der Dienstleistungsausprägungen
U im : E ijk : y ijkm :
Nutzenfunktion der dekompositionellen Phase (4. Schritt) Innerhalb der dekompositionellen Befragung kommt eine vergleichbare Nutzenfunktion zur Anwendung. Innerhalb der dekompositionellen Phase werden ganze Bündel bewertet, d.h. Ergebnis der Einschätzung ist demnach die Zahlungsbereitschaft für das Bündel ( U im ). Ziel ist es danach, den Nutzenbeitrag der einzelnen Komponenten zu bestimmen, also die Teilnutzen ( E ijk ) zu schätzen. Zur Bestimmung der Zahlungsbereitschaften (der Teilnutzen) für die einzelnen Dienstleistungsausprägungen ( E ijk ) können verschiedene Schätzverfahren wie die Regression genutzt werden. Ziel ist es dabei, die Teilnutzen jeweils so zu ermitteln, dass die Summe dieser Werte den beobachteten Zahlungsbereitschaften für das Bündel ( U im ) möglichst gut entspricht.42
42
ff.
Für eine ausführliche Erläuterung der Vorgehensweise siehe u.a. Backhaus et al. 2008, S. 464
106
4 Die Nachfragerperspektive
Zwischenfazit In Abb. 4.13 wird der Ablauf der ServPay Conjoint-Analyse zusammengefasst. Die Besonderheit dieses Verfahrens besteht zum einen in einem hierarchischen sowie individualisierten Ansatz zur Präferenzmessung sowie andererseits in der Nutzung von Preisabfragen.
Abb. 4.13: Aufbau der ServPay Conjoint-Analyse
Zusammenfassend ist die ServPay Conjoint-Analyse das bisher einzige Verfahren zur Erfassung von Zahlungsbereitschaften, das eingesetzt werden kann, wenn: x eine Vielzahl potenzieller relevanter Dienstleistungsangebote untersucht werden soll, x Preisabfragen genutzt werden sollen, da vorab keine Informationen über mögliche Zahlungsbereitschaften vorliegen, x eine bezüglich der Zahlungsbereitschaften heterogene Befragungsgruppe untersucht werden soll,
4.1 Das klassische Geschäftsmodell
107
x sichergestellt werden muss, dass die Bewertung jeweils im Bezug zur Kernleistung (der Werkzeugmaschine) erfolgt und x absolute sowie relative Zahlungsbereitschaften erfasst werden sollen.
4.1.4
4.1.4.1
Empirische Untersuchung
Festlegung der zu untersuchenden Dienstleistungen sowie deren Ausprägungen Um den Einfluss der untersuchten Dienstleistungsangebote auf die Zahlungsbereitschaften zu bestimmen, wurde eine empirische Studie durchgeführt. Dabei muss zunächst bestimmt werden, welche Dienstleistungen untersucht werden sollen Die Festlegung der Dienstleistungsarten sowie deren konkreter Dienstleistungsausprägungen ist einer der wichtigsten Schritte bei der Erfassung von Kundenpräferenzen, denn letztlich können nur dann Angebote kundenorientiert entwickelt und vermarket werden, wenn deren Auswirkungen auf die Präferenz bekannt sind. Die Gesamtheit der Dienstleistungsarten (Eigenschaften) und Dienstleistungen (Ausprägungen) sollten einerseits möglichst vollständig sein und andererseits nur relevante Informationen beinhalten.
Die zu untersuchenden Eigenschaften (Dienstleistungsarten) und Ausprägungen (der konkrete Umfang der Dienstleistung) werden meist als Eigenschaftsset bezeichnet und auf Basis von Experteninterviews festgelegt. So konnte sichergestellt werden, dass möglichst nur Dienstleistungsausprägungen untersucht werden, die typischerweise Einfluss auf die Kaufent-
108
4 Die Nachfragerperspektive
scheidung ausüben und andererseits die Anforderungen auf dem Gesamtmarkt Werkzeugmaschinen möglichst gut abdecken. Experteninterviews sind auch dann sinnvoll, wenn innovative Dienstleistungen in die Analyse aufgenommen werden sollen, die so noch nicht am Markt erhältlich sind. Vorgehensweise bei der Festlegung des Eigenschaftssets In dieser Studie wurden zwei Unternehmen aus verschiedenen Bereichen des Werkzeugmaschinenbaus ausgewählt und Experten (Geschäftsführer, Abteilungsleiter und Experten aus dem Bereich Verkauf) befragt. Die konkreten Dienstleistungsangebote wurden dabei so festgelegt, dass eine Ausprägung der „Minimalanforderung“ am Markt und eine weitere der „BestPractice“ Ausprägung entspricht. Jede Dienstleistung wird somit durch mindestens zwei Ausprägungen beschrieben. Werden zusätzliche Ausprägungen am Markt angeboten, wurden diese marktüblichen Angebote möglichst vollständig berücksichtigt. Dabei wurden auch Ausprägungen untersucht, bei denen aus Anbietersicht oft die Vermutung besteht, dass die Kunden nicht bereit sind, für diese Dienstleistungen zu bezahlen. Dies gilt beispielsweise für Leistungen wie eine reine Inbetriebnahme. Um die Anforderungen möglichst vieler Nachfrager zu erfassen, wurde eine vergleichsweise hohe Anzahl an Dienstleistungen untersucht. Insgesamt wurden 17 Merkmale (Dienstleistungsarten) mit jeweils zwei bis vier Ausprägungen (konkrete Dienstleistungsangebote) in die Studie aufgenommen. In der folgenden Tabelle 4.5 werden die Eigenschaften und Ausprägungen im Überblick dargestellt.43
43
Während der Befragung wurde die Reihenfolge der Eigenschaften zufällig variiert. Durch eine solche randomisierte Darstellung können sog. Reihenfolgeeffekte vermieden werden.
4.1 Das klassische Geschäftsmodell
Eigenschaften
Ausprägungen BestPractice
Maschinenstatusabfrage (SMS/E-Mail/Online) Spezifische Softwareschulung
Individualisiert 12 Monate Verlängerung
Bereitstellung der 3DCAD-Maschinendaten
ja
Vermittlung von Maschinenkapazitäten (Ressourcenportal) Inbetriebnahme und Anlaufbetreuung
Minimalanforderung
Benachrichtigung bei Maschinenfehler u. Statusabfrage
Verlängerung der Maschinengarantiedauer
Machbarkeitsstudien
109
Fortgeschritten
Benachrichtigung bei Maschinenfehler
nein
Basis
keine
6 Monate Verlängerung
keine Verlängerung nein
Vorserienproduktion Simulation auf Testanlagen durch Virtuelle Maschine
Experteneinschätzung
ja
keine
nein
Inbetriebnahme + 2 Tage vor Ort
Inbetriebnahme + 1 Tag vor Ort
reine Inbetriebnahme
TeleService/ Fernwartung
ja
Preisstabilitätsgarantie für Ersatzteile
4 Jahre
3 Jahre
2 Jahre
keine
Instandsetzung/ Reparatur
innerhalb von 12 Std.
innerhalb von 24 Std.
innerhalb von 48 Std.
mehr als 48 Std. notwendig
Telefon-/ Service-Hotline
24/7 (7 Tage, 24 Stunden pro Tag erreichbar)
Werktags 7:00 Werktags 7:00 bis 20:00, Samsbis 17:00 tag 7:00 bis 12:00 Uhr
Maschinenrücknahmegarantie zum Marktwert
Maschinenrücknahmegarantie mit Demontage und Abtransport
reine Maschinenrücknahmegarantie
Software zur Simulation von Produktionsabläufen (Virtuelle Masch.)
ja
nein
Lösung zur Einbindung der Maschine in bestehendes Anlagenkonzept (Schnittstellenopt.)
ja
nein
Aktualisierung der Maschinensoftware
Abo (autom. Updates für einen festgelegten Zeitraum)
Maschinenschulung Ersatzteilverfügbarkeit
nein
auf Anfrage
nein
nein
Individualisiert
Fortgeschritten
Basis
keine
Konsignationslager vor Ort
innerhalb von 24 Std.
innerhalb von 48 Std.
mehr als 48 Std. notwendig
Tabelle 4.5: Eigenschaftsset der Nachfragerbefragung
110
4 Die Nachfragerperspektive
4.1.4.2
Beschreibung der Stichprobe
Um die Ergebnisse der Befragung zur Festlegung der Preise für Dienstleistungsangebote nutzen zu können, wurden Entscheider auf Kundenseite befragt, die in den letzten drei Jahren an dem Kauf mindestens einer Werkzeugmaschine beteiligt waren und in naher Zukunft erneut planen, eine Werkzeugmaschine mit einem Wert von mindestens 10.000 € zu erwerben. Zu diesem Zweck wurden 3.438 Unternehmen telefonisch kontaktiert. Aufgrund der Anforderung, dass lediglich Entscheider berücksichtigt werden sollen, die in der Vergangenheit am Kauf einer Werkzeugmaschine beteiligt waren und in den nächsten drei Jahren erneut einen konkreten Kauf planen, mussten 130 Unternehmen aus der Untersuchung ausgeschlossen werden. Von den verbliebenen 3.308 Firmen haben 519 Entscheider an der Studie teilgenommen. Nach Eliminierung von 51 Ausreißern44 verbleiben 468 Unternehmen für die Analyse. Die Struktur der befragten Firmen wird in den folgenden Abbildungen dargestellt. Umsatz
Mitarbeiterzahl
Abb. 4.14: Umsatz und Mitarbeiterzahl der befragten Unternehmen
44
Dabei wurde eine Vorgehensweise entsprechend Hair (2006) gewählt.
4.1 Das klassische Geschäftsmodell Branche
111
Maschinentyp
Abb. 4.15: Branchenzugehörigkeit der Befragungsteilnehmer
Anhand der Abbildungen ist erkennbar, dass drei Branchen die Stichprobe dominieren, dabei handelt es sich um 1. den Maschinenbau, 2. Automobilzulieferer und die Automobilindustrie sowie 3. Unternehmen der Metallerzeugung sowie Metallbearbeitung. Zudem zählen vor allem Großunternehmen mit einer Mitarbeiterzahl von mehr als 1.000 zu den Befragungsteilnehmern. Vergleicht man diese Stichprobe mit der Grundgesamtheit aller Unternehmen (VDW 2009), die Werkzeugmaschinen nachfragen, wird deutlich, dass eine hohe Übereinstimmung besteht (siehe Tabelle 4.6).
112
4 Die Nachfragerperspektive
Branche Automobilindustrie Automobilzulieferer Maschinenbau Metallerzeugung und -bearbeitung Lohnarbeit Sonstiger Fahrzeugbau, Schiffbau Elektroindustrie Luft- und Raumfahrt Feinmechanik und Optik Sonstiges
Anteil in der Stichprobe 8,3 19,2 35,0 12,8 2,1 1,1 5,6 3,0 5,3 7,5
Anteil in der Grundgesamtheit 13,6 16,9 29,5 14,5 11,6 1,5 4,1 3,4 2,3 6,0
Tabelle 4.6: Vergleich der Stichprobenzusammensetzung mit der Grundgesamtheit
Zusammenfassend ist festzustellen, dass auf Basis der vorliegenden Stichprobe eine gute Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die Unternehmen der Werkzeugmaschinenbaubranche gegeben erscheint.
4.1 Das klassische Geschäftsmodell
4.1.5
4.1.5.1
113
Ergebnisdarstellung
Bestimmung von Zielgruppen bei der Analyse sämtlicher Dienstleistungsangebote Soll eine Vielzahl an Dienstleistungen simultan analysiert werden, können – wie bereits in Kapitel 4.1.3 beschrieben – nur kompositionelle Verfahren (1. Phase der hybriden Methoden) genutzt werden. Da ein Markt mit heterogenen Nachfragern untersucht wurde, ist es nicht sinnvoll, mittlere Zahlungsbereitschaften über alle Befragungsteilnehmer zu betrachten. Vielmehr ist es notwendig, Zielgruppen zu identifizieren, die vergleichbare Anforderungen und Zahlungsbereitschaften aufweisen. Deshalb wird im Folgenden auf eine Darstellung von durchschnittlichen Zahlungsbereitschaften verzichtet. Vielmehr werden auf Basis der absoluten Zahlungsbereitschaften Zielgruppen gebildet und beschrieben. Ziel ist es, Anbietern von produktbegleitenden Dienstleistungen konkrete Hinweise für die Identifikation von Zielgruppen zu geben und diese bei der zielgruppengerechten Bepreisung segmentspezifischer Angebote zu unterstützen. Auf Basis der Befragungsdaten konnten mithilfe einer Clusteranalyse vier unterschiedliche Zielgruppen identifiziert werden. In Tabelle 4.7 werden die Segmentgrößen dargestellt.45
45
Die Gruppenbildung sollte möglichst nur auf Basis von Variablen erfolgen, die für den zu untersuchenden Sachverhalt relevant sind. Deshalb ist in einem letzten Schritt vor der Interpretation
114
4 Die Nachfragerperspektive
Segment 1
2
3
4
33
42
293
100
7,05%
8,97%
62,61%
21,37%
Tabelle 4.7: Segmentgrößen bei der Analyse der absoluten Zahlungsbereitschaften
Segment 3 umfasst mit 293 Unternehmen (62,61%) den Großteil der Befragungsteilnehmer. Segment 4 wird durch 100 Probanden gebildet, dies entspricht etwa 20% der gesamten Stichprobe. Bei den Segmenten 1 und 2 handelt es sich eher um kleinere Zielgruppen. Im Folgenden (Abb. 4.16) werden die Mittelwerte der absoluten Zahlungsbereitschaften für alle vier Gruppen grafisch dargestellt. Ziel dieser Abbildung ist, die Heterogenität der Zahlungsbereitschaften zu verdeutlichen; dies betrifft sowohl die Zahlungsbereitschaften für verschiedene Dienstleistungsarten als auch für die unterschiedlichen Segmente. Es ist erkennbar, dass es bestimmte Dienstleistungsarten gibt, für die generell hohe (beispielsweise Instandsetzung oder Schnittstellenoptimierung) bzw. niedrige (z.B. Ressourcenportal) Zahlungsbereitschaften bestehen. Andererseits sind hohe Unterschiede zwischen den Zahlungsbereitschaften der identifizierten Zielgruppen zu beobachten. In Tabelle A.1 im Anhang finden sich zudem die konkreten Zahlungsbereitschaften für alle untersuchten Dienstleistungsangebote. Diese zielgruppenspezifischen Zahlungsbereitschaften bilden den Ausgangspunkt für die Beschreibung der vier identifizierten Segmente.
der Cluster zu überprüfen, ob die untersuchten Dienstleistungsausprägungen geeignet sind, um die Unterschiede zwischen den Zielgruppen zu erklären. Zu diesem Zweck wurde im Rahmen der Clusterzentrenanalyse zusätzlich eine ANOVA (F-Statistik zur Varianzanalyse) sowie eine Diskriminanzanalyse genutzt. Beiden Analysen zeigen, dass die Dienstleistungsausprägungen, die nicht die jeweilige Minimalausprägung darstellen, einen hoch signifikanten Einfluss auf die Gruppentrennung ausüben. Die Basisausprägungen sind somit nicht zur Gruppentrennung geeignet. Zudem wurde mithilfe der Diskriminanzanalyse überprüft, ob die Mitgliedschaft in einer der vier Gruppen durch die Zahlungsbereitschaften für die einzelnen Dienstleistungsausprägungen erklärt werden kann. Anhand der ist erkennbar, dass die unterschiedlichen Zahlungsbereitschaften für die Dienstleistungsausprägungen sehr gut zur Prognose einer Gruppenzugehörigkeit geeignet sind. Insgesamt stimmen die Zuordnungen auf Basis der Clusteranalyse und der Diskriminanzanalyse zu 93% überein.
4.1 Das klassische Geschäftsmodell
115
Abb. 4.16: Grafische Darstellung der Mittelwerte der absoluten Zahlungsbereitschaften für die untersuchten Dienstleistungsausprägungen (in Euro)
116
4 Die Nachfragerperspektive
Erläuterungen zur Interpretation der Segmente Schließlich kann anhand der Abb. 4.16 ein erster Eindruck über die Relevanz der untersuchten Dienstleistungsarten gewonnen werden. Ein Indikator für die Relevanz ist dabei der Abstand (d.h. die Strecke) zwischen der am meisten bevorzugten bis zur am wenigsten bevorzugten Dienstleistungsausprägung. Um die vier Segmente im Folgenden einfacher beschreiben und interpretieren zu können, wird ein sog. Elbow-Kriterium genutzt. Dafür werden die Dienstleistungsarten zunächst entsprechend ihrer Relevanz geordnet und diese Werte grafisch dargestellt. An der Stelle, bei der die Differenz der Relevanzwerte zwischen zwei Dienstleistungsarten am größten ist, entsteht ein „Knick“ (dieser kann auch als „Elbow“ bezeichnet werden, siehe als Beispiel die linke Seite in Abb. 4.17). Bei den Dienstleistungen links von dem Knick handelt es sich um die Dienstleistungsarten, bei denen die Unterschiede zwischen am meisten und am wenigsten bevorzugter Ausprägung am größten sind. Eine Verbesserung des Dienstleistungsangebots führt bei dieser/diesen Dienstleistungsart/-arten somit zu einer vergleichsweise hohen Steigerung der Zahlungsbereitschaften. In linken Teil von Abb. 4.17 ist der Knick bei der zweiten Dienstleistung, d.h. der Anbieter sollte vor allem auf die wichtigste Dienstleistungsart (diese ist links vom Knick) achten. Bei den Dienstleistungsarten rechts vom Knick ist dagegen mit einer geringeren Steigerung der Zahlungsbereitschaften zu rechnen. Ein Anbieter sollte deshalb verstärkt versuchen, für die Dienstleistungen links vom Knick für die jeweilige Zielgruppe „Best Practice“ Dienstleistungen anzubieten. Ziel dieser Darstellung ist somit die Identifikation der Dienstleistungsarten, die einen herausragenden Einfluss auf die Zahlungsbereitschaften haben und deshalb zur Beschreibung der Zielgruppen besonders geeignet sind. Einschränkend ist anzumerken, dass eine solche Vorgehensweise nicht immer zu einer eindeutigen Identifikation der für eine Zielgruppe „besonderen“ Dienstleistungsarten ermöglicht. So sind Situationen denkbar, in denen die Wichtigkeitswerte zwar sinken, aber kein eindeutiger „Knick“ identifiziert werden kann (siehe rechte Seite der Abb. 4.17). Im Folgenden werden alle für eine Zielgruppe wichtigen Dienstleistungsarten beschrieben. Eine solche Auswertung erlaubt eine Einschätzung der Differenzierungsfähigkeit der Dienstleistungsarten aus Anbietersicht.
4.1 Das klassische Geschäftsmodell
117
Abb. 4.17: Beispiele für mögliche Verläufe der Wichtigkeiten je Segment
Beschreibung der Zielgruppen anhand der Zahlungsbereitschaften Im Folgenden werden die Segmente entsprechend der Reihenfolge der Gruppengröße beschrieben. Segment 3 (n=293) Die Befragungsteilnehmer der größten Zielgruppe (Segment 3) weisen im Vergleich zu den anderen Segmenten nur unterdurchschnittliche Zahlungsbereitschaften für produktbegleitende Dienstleistungen auf.46 Betrachtet man den Kurvenverlauf der Relevanz-Werte in Abb. 4.18 wird deutlich, dass keine Dienstleistungsart die Entscheidung dominiert. Wichtig sind insbesondere fünf Dienstleistungsarten (der erste relevante Knick befindet sich bei der sechsten Dienstleistung). Bei diesen fünf Angeboten handelt es sich um „klassische“ Dienstleistungen wie Instandsetzung/Reparatur (Rang 1), Inbetriebnahme (Rang 2), Maschinenschulungen (Rang 3), Garantieverlängerungen (Rang 4) oder Softwareschulung (Rang 5). Aber auch bei diesen fünf wichtigsten Angeboten ist die absolute Zahlungsbereitschaft im Vergleich zu den anderen Gruppen deutlich niedriger.
46
Für einen Überblick über die Zahlungsbereitschaften aller untersuchter Dienstleistungsangebote sowie der daraus abgeleiteten Relevanz siehe Tabelle A.1 im Anhang.
118
4 Die Nachfragerperspektive
Abb. 4.18: Darstellung der Relevanz der untersuchten Dienstleistungsarten für Segment 3
Die absoluten Zahlungsbereitschaften für die fünf wichtigsten Dienstleistungsarten werden in Tabelle 4.8 dargestellt. Bedeutung der Dienstleistungsart (Rang) 1
2
3
4
5
Instandsetzung innerhalb von 12 Stunden Instandsetzung innerhalb von 24 Stunden Instandsetzung innerhalb von 48 Stunden Instandsetzung mehr als 48 Stunden notwendig Inbetriebnahme und 2 Tage vor Ort Inbetriebnahme und 1 Tag vor Ort Reine Inbetriebnahme Maschinenschulung Individualisiert Maschinenschulung Fortgeschritten Maschinenschulung Basis Maschinenschulung Keine Garantieverlängerung um 12 Monate Garantieverlängerung um 6 Monate Keine Garantieverlängerung Individualisierte Softwareschulung Fortgeschrittene Softwareschulung Basis Softwareschulung Keine Softwareschulung
Cluster 3 1.868 1.245 299 23 2.075 859 383 1.603 1.264 608 42 1.540 408 0 1.472 1.037 507 19
Tabelle 4.8: Absolute Zahlungsbereitschaften der Befragungsteilnehmer aus Segment 3 (Angaben in Euro)47
47
Bitte beachten Sie bei der Umsetzung dieser Ergebnisse, dass Zahlungsbereitschaften immer kontingent sind, d.h. die Zahlungsbereitschaften variieren je nach befragtem Anbieter. Hier wer-
4.1 Das klassische Geschäftsmodell
119
Auf Basis der bisherigen Ergebnisse könnte diese Zielgruppe als die Traditionalisten bezeichnet werden. Segment 4 (n=100) Segment 4 ist mit 100 Unternehmen die zweitgrößte Zielgruppe. Bei der Analyse der Zahlungsbereitschaften ist erkennbar, dass die Unternehmen in diesem Cluster im Vergleich zu denen anderer Segmente für die wichtigsten Merkmale überdurchschnittlich hohe Zahlungsbereitschaften aufweisen. Eine grafische Darstellung der Relevanz der untersuchten Dienstleistungsarten soll erneut verdeutlichen, bei welchen Angeboten die bevorzugte im Vergleich zu der am wenigsten präferierten Ausprägung einen besonders hohen Zuwachs bezüglich der Zahlungsbereitschaft hervorruft (siehe Abb. 4.19).
Abb. 4.19: Darstellung der Relevanz der untersuchten Dienstleistungsarten für Segment 4
Betrachtet man die Ergebnissein Abb. 4.19, so wird deutlich, dass die wichtigste Dienstleistungsart eine herausragende Bedeutung besitzt. Dabei handelt es sich um die Dienstleistungsart Garantieverlängerungen (sieheTabelle 4.9). Weiterhin ist anhand der grafischen Darstellung erkennbar, dass die Befragungsteilnehmer auch stark auf die insgesamt wichtigsten vier Dienstleistungen achten (bei der fünften den Mittelwerte über alle Werkzeugmaschinenanbieter präsentiert. Es ist deshalb empfehlenswert, die Zahlungsbereitschaften unternehmensspezifisch mit der hier vorgestellten ServPay Conjoint-Analyse zu erfassen.
120
4 Die Nachfragerperspektive
befindet sich der „Knick“). Dabei handelt es sich neben den erwähnten Garantieerweiterungen um Leistungen wie Inbetriebnahme, Schulungen und virtuelle Maschinen. Hauptfokus dieser Unternehmen sind demnach Dienstleistungen, die eine Verlängerung der Garantie sowie Leistungen, die eine rasche Aufnahme der Produktion ermöglichen (Inbetriebnahme, Maschinenschulung). Zudem besteht – wie bereits angedeutet – eine relativ hohe Zahlungsbereitschaft für das Angebot einer virtuellen Maschine.48 Diese Zielgruppe könnte deshalb als die Ergebnissicherer bezeichnet werden. Die hohen Zahlungsbereitschaften für diese Leistungen überraschen, denn Garantieerweiterungen wurden aus Sicht der Anbieter als eine Dienstleistungsart wahrgenommen, für die vermutlich nur geringe Zahlungsbereitschaften bestehen (siehe Kapitel 3.1). Diese Wahrnehmung mag aus Anbietersicht bei einer undifferenzierten Betrachtung der Kunden zutreffen, auf Basis der Kundenbefragung wird allerdings deutlich, dass für einen Teil der Kunden ein hohes Potenzial besteht. Bedeutung der Dienstleistungsart (Rang) 1
Cluster 4 Garantieverlängerung um 12 Monate
7.882
Garantieverlängerung um 6 Monate
2.347
Keine Garantieverlängerung Inbetriebnahme und 2 Tage vor Ort 2
3
4
0 6.917
Inbetriebnahme und 1 Tag vor Ort
3.051
Reine Inbetriebnahme
1.424
Virtuelle Maschine Ja
5.145
Virtuelle Maschine Nein
0
Maschinenschulung Individualisiert
4.690
Maschinenschulung Fortgeschritten
3.538
Maschinenschulung Basis
1.972
Maschinenschulung Keine
27
Tabelle 4.9: Absolute Zahlungsbereitschaften der Befragungsteilnehmer aus Segment 4 (Angaben in Euro)
Segment 2 (n=42) Anhand der Abb. 4.20 ist erkennbar, dass für Unternehmen aus Segment 2 die wichtigste Dienstleistung die Entscheidung dominiert. Dabei handelt es sich um 48
Die Unternehmen aus dieser Gruppe weisen die höchste Zahlungsbereitschaft für diese Dienstleistung auf (siehe auch Tabelle A.1 im Anhang).
4.1 Das klassische Geschäftsmodell
121
die Dienstleistungsart Schnittstellenoptimierung (siehe Tabelle 4.10). Zudem sind Machbarkeitsstudien wichtig. Dabei handelt es sich somit vor allem um Dienstleistungen, mit denen vorab sichergestellt werden kann, dass die Maschine reibungslos in bestehende Produktionsabläufe integriert werden kann. Die Zahlungsbereitschaft für diese Dienstleistung ist im Vergleich zu den anderen Zielgruppen deutlich höher. Die Firmen aus Gruppe 2 könnten somit als die Integrierer bezeichnet werden.
Abb. 4.20: Darstellung der Relevanz der untersuchten Dienstleistungsarten für Segment 2
In Tabelle 4.10 werden die insgesamt acht wichtigsten Dienstleistungsarten dargestellt.
122
4 Die Nachfragerperspektive
Bedeutung der Dienstleistungsart (Rang) 1
2
Cluster 2 Schnittstellenoptimierung Ja Schnittstellenoptimierung Nein Machbarkeitsstudien Vorserienproduktion
6.492 2.290
Machbarkeitsstudien Experten
Instandsetzung innerhalb von 24 Stunden
2.479
Instandsetzung innerhalb von 48 Stunden
42 3.708
Maschinenschulung Fortgeschritten
2.997
Maschinenschulung Basis
1.161
6 Monate Verlängerung der Maschinengarantiedauer Keine Verlängerung der Maschinengarantiedauer
521 0 4.088
Inbetriebnahme + 1 Tag vor Ort
1.759 932
Konsignationslager vor Ort
3.061
Ersatzteilverfügbarkeit innerhalb von 24 Stunden
2.419
Ersatzteilverfügbarkeit innerhalb von 48 Stunden
465
Ersatzteilverfügbarkeit mehr als 48 Stunden notwendig
8
0 3.553
Inbetriebnahme + 2 Tage vor Ort Reine Inbetriebnahme
7
0
Maschinenschulung Individualisiert
12 Monate Verlängerung der Maschinengarantiedauer
6
0 3.983
Maschinenschulung Keine 5
745
Instandsetzung innerhalb von 12 Stunden
Instandsetzung mehr als 48 Stunden notwendig
4
0
Machbarkeitsstudien virtuelle Maschine Keine Machbarkeitsstudien
3
16.211
0
Individualisierte Softwareschulung
2.968
Fortgeschrittene Softwareschulung
3.012
Basis Softwareschulung
880
Keine Softwareschulung
0
Tabelle 4.10: Absolute Zahlungsbereitschaften der Befragungsteilnehmer aus Segment 2 (Angaben in Euro)
Segment 1 (n = 33) Segment 1 stellt mit lediglich 33 Unternehmen die kleinste Zielgruppe dar. Die Besonderheit dieses Clusters ist allerdings, dass hier die absoluten Zahlungsbereitschaften insgesamt am höchsten sind. Trotz der vergleichsweise kleinen Segmentgröße können diese Unternehmen deshalb eine äußerst interessante Zielgruppe darstellen.
4.1 Das klassische Geschäftsmodell
123
Anhand von Abb. 4.21 ist erkennbar, dass für die Befragungsteilnehmer aus Segment 1 die wichtigste Dienstleistung eine dominante Stellung einnimmt. Dabei handelt es sich um die Dienstleistung Instandsetzung/Reparatur (siehe sowie Tabelle 4.11). Im Vergleich zu Gruppe 3 ist beispielsweise die Zahlungsbereitschaft für eine Instandsetzung innerhalb von 12 Stunden mehr als 10-mal so hoch. Es ist somit offensichtlich, dass ein reibungsloser Produktionsablauf für die Unternehmen dieser Gruppe absoluten Vorrang genießt. Insgesamt könnte man die Unternehmen aus Segment 1 als die Reparierer bezeichnen.
Abb. 4.21: Darstellung der Relevanz der untersuchten Dienstleistungsarten für Segment 1
124
4 Die Nachfragerperspektive
Bedeutung der Dienstleistungsart (Rang)
1
Cluster 1 Instandsetzung innerhalb von 12 Stunden
2.0743
Instandsetzung innerhalb von 24 Stunden
6.933
Instandsetzung innerhalb von 48 Stunden
992
Instandsetzung mehr als 48 Stunden notwendig
2
8.664
Ersatzteilversorgung innerhalb von 24 Stunden
5.841
Ersatzteilversorgung innerhalb von 48 Stunden
1.693
Ersatzteilversorgung innerhalb von mehr als 48 Stunden Maschinenschulung Individualisiert 3
4
5
4.926
Maschinenschulung Basis
1.279
Maschinenschulung Keine
0
Schnittstellenoptimierung Ja Schnittstellenoptimierung Nein
7.453 0
12 Monate Verlängerung der Maschinengarantiedauer
6.945
6 Monate Verlängerung der Maschinengarantiedauer
3.205
Inbetriebnahme + 2 Tage vor Ort
7
0 8.396
Maschinenschulung Fortgeschritten
Keine Verlängerung der Maschinengarantiedauer 6
0
Ersatzteilversorgung Konsignationslager vor Ort
0 8.293
Inbetriebnahme + 1 Tag vor Ort
3.122
Reine Inbetriebnahme
1.760
Individualisierte Softwareschulung
6.055
Fortgeschrittene Softwareschulung
3.121
Basis Softwareschulung
1.128
Keine Softwareschulung
0
Tabelle 4.11: Absolute Zahlungsbereitschaften der Befragungsteilnehmer aus Segment 1 (Angaben in Euro)
Zwischenfazit Auf Basis der Zahlungsbereitschaften konnten vier Segmente identifiziert werden, die sich systematisch in ihren Zahlungsbereitschaften für produktbegleitende Dienstleistungen unterscheiden. Unternehmen können diese Informationen aktiv nutzen und ihr Angebot auf die Zielgruppen bzw. Dienstleistungen ausrichten, die sie profitabel bearbeiten können. Die Mehrzahl der Befragungsteilnehmer (Segment 3) weist nur eine geringe Zahlungsbereitschaft für produktbegleitende Dienstleistungen auf. Mögliche Ursachen können vielfältig sein. So werden von den Herstellern bisher häufig lediglich „klassische“ Dienstleistungsausprägungen angeboten, die praktisch „kostenlos“ zusammen mit der Kernleistung (der Werkzeugmaschine) vertrieben werden
4.1 Das klassische Geschäftsmodell
125
(Backhaus et al. 2007a). Insofern ist nicht verwunderlich, dass bei der Mehrzahl der befragten Unternehmen nur eine geringe Zahlungsbereitschaft besteht. Ein Ausweg besteht darin, innovative Dienstleistungsausprägungen (d.h. gerade nicht nur die Basis-Leistungen) anzubieten. Aber auch bei diesen ist die Zahlungsbereitschaft in Segment 3 eher gering. Ein möglicher Grund für diese geringen Zahlungsbereitschaften könnte darin bestehen, dass die Nachfrager den Nutzen der jeweiligen Dienstleistung für das eigene Unternehmen nicht richtig bzw. falsch einschätzen. Aus Anbietersicht ist es deshalb notwendig, den Kundennutzen stärker zu kommunizieren und so die Zahlungsbereitschaften der Nachfrager aktiv zu beeinflussen. Ein mögliches Instrument bietet beispielsweise der in Kapitel 6.1 beschriebene Value Calculator. Besonders attraktiv erscheinen die Segmente 1 und 2. Dabei handelt es sich zwar um die kleinsten Kundengruppen, die allerdings auch bereit sind, deutlich mehr für entsprechende Dienstleistungen zu bezahlen. Ebenfalls ist das Segment 4 für Anbieter relevant, da es sich dabei um die zweitgrößte Zielgruppe handelt und zudem für „klassische“ Dienstleistungen vergleichsweise hohe Zahlungsbereitschaften bestehen. Die drei Zielgruppen weisen im Vergleich zu Segment 3 höhere absolute Zahlungsbereitschaften auf und könnten deshalb – trotz der geringen Größe – für Anbieter interessante Zielgruppen darstellen. Dies gilt insbesondere, wenn diese Unternehmen als Referenzkunden für die Anbieter dienen könnten, d.h. eine erfolgreiche Vermarktung von „teureren“ Dienstleistungen an diese Zielgruppen könnte als Verkaufsargument bei dem Vertrieb von Dienstleistungen an Kunden aus dem Segment 3 dienen (vgl. Kapitel 6.1). Identifikation der Segmente Für praktische Zwecke stellt sich die Frage, woran ein Anbieter erkennen kann, welchem Segment ein bestimmter Kunde zuzurechnen ist. Wie in den meisten Segmentierungsstudien (Lilien et al. 2007, S. 62 f.) ist es auch hier nicht möglich, die Kundengruppen durch einfach zu beobachtende Indikatoren wie Branche, Mitarbeiterzahl usw. zu beschreiben. Ein Anbieter kann in solchen Situationen die Möglichkeit der Selbstselektion der Kunden nutzen. Dabei spricht nicht der Hersteller die Kunden direkt an, sondern das Unternehmen bietet jeweils auf bestimmte Zielgruppen ausgerichtete Dienstleistungsbündel an. Durch die Auswahlentscheidung der Kunden erfolgt somit eine Selbstselektion. Bezogen auf das Angebot von produktbegleitenden Dienstleistungen im Werkzeugmaschinenbau bedeutet dies, dass ein Hersteller zur Ansprache von Segment 3 nur geringe, bei den Zielgruppen 1, 2 und 4 dagegen höhere Preise verlangen sollte. Die Umsetzung einer solchen Idee ist aber aus zwei Gründen nicht unproblematisch: 1. Der Anbieter kann einen potenziellen Kunden vorab nicht einem bestimmten Segment zuordnen.
126
4 Die Nachfragerperspektive
2. Der Anbieter muss die Differenzierung der Preise durchsetzen können. Dies erfordert eine Abschottung (Fencing) der Segmente. Eine Lösung dieses Problems besteht darin, die Segmente mit höheren Zahlungsbereitschaften ausgehend von den zielgruppenspezifisch wichtigsten Dienstleistungsarten zu identifizieren. Zwischen den Segmenten 1, 2 und 4 gibt es beispielsweise bezüglich der wichtigsten Dienstleistungsarten keine Überlappungen (siehe Tabelle 4.12). Rang 1.
Segment 1 Instandsetzung/ Reparatur
Segment 2 Schnittstellenoptimierung
Segment 3 Instandsetzung/ Reparatur
Segment 4 Garantieverlängerung
Tabelle 4.12: Darstellung der beiden wichtigsten Dienstleistungsarten je Segment
Betrachtet man die absoluten Zahlungsbereitschaften in den Segmenten genauer (Tabelle 4.13), so wird deutlich, dass zumindest bei der wichtigsten Dienstleistungsart die Zahlungsbereitschaft für die Best-Practice-Ausprägung im jeweiligen Segment am höchsten ist. So weist Segment 1 für die Best-Practice Ausprägung Instandsetzung/Reparatur die höchste absolute Zahlungsbereitschaft auf. Entsprechendes gilt bei Segment 2 für eine Schnittstellenoptimierung und bei Segment 4 für eine Garantieverlängerung.
Inbetriebnahme + 2 Tage vor Ort Inbetriebnahme + 1 Tag vor Ort Reine Inbetriebnahme Konsignationslager vor Ort Ersatzteilverfügbarkeit innerhalb von 24 Stunden Ersatzteilverfügbarkeit innerhalb von 48 Stunden Ersatzteilverfügbarkeit mehr als 48 Stunden notwendig 12 Monate Verlängerung der Maschinengarantiedauer 6 Monate Verlängerung der Maschinengarantiedauer Keine Verlängerung der Maschinengarantiedauer Instandsetzung innerhalb von 12 Stunden Instandsetzung innerhalb von 24 Stunden Instandsetzung innerhalb von 48 Stunden Instandsetzung mehr als 48 Stunden notwendig Vorserienproduktion auf Testanlagen Simulation durch Virtuelle Maschine Experteneinschätzung Keine Machbarkeitsstudien Schnittstellenoptimierung Ja Schnittstellenoptimierung Nein
1 8.293 3.122 1.760 8.664 5.841 1.693 0 6.945 3.205 0 (1) 20.743 6.933 992 0 4.842 2.092 371 0 7.453 (1) 0
Segment 2 3 4.088 2.075 1.759 859 932 383 3.061 996 2.419 1.252 465 290 0 69 3.553 1.540 (1) 521
4 6.917 3.051 1.424 2.761 2.885 677 14 7.882
408
2.347
0 0 3.983 1.868 2.479 1.245 42 299 0 23 6.492 765 2.290 332 745 153 0 10 16.211 1.048 0 15
0 3.450 2.682 554 94 2.119 1.212 373 0 2.288 65
Tabelle 4.13: Überblick der Zahlungsbereitschaften je Segment und Darstellung der wichtigsten Eigenschaft (Angaben in EUR; die Wichtigkeit der Dienstleistung ist in Klammern angegeben)
4.1 Das klassische Geschäftsmodell
127
Ein Anbieter kann diese Zahlungsbereitschaften für die Best-Practice Dienstleistungsangebote nutzen, um die einzelnen Segmente zu identifizieren.49 So ist zu empfehlen, dass ein Anbieter die Preise der Best-Practice Ausprägungen für Instandsetzung/Reparatur, Schnittstellenoptimierung und Garantieverlängerung auf 12 Monate aktiv kommuniziert. Entscheidet sich der Nachfrager für eines dieser Angebote, kann der Hersteller so auf eine entsprechende Gruppenzugehörigkeit schließen und geeignete weitere Dienstleistungen anbieten. Wird dagegen keines der drei Angebote akzeptiert, ist davon auszugehen, dass der Nachfrager dem Segment 3 zugeordnet werden kann. In diesem Fall bietet es sich an, den Nutzen der angebotenen produktbegleitenden Dienstleistungen stärker zu kommunizieren. Dies kann beispielsweise durch den Einsatz eines Value Calculators erfolgen (vgl. Kapitel 6.1).
49
Zur Überprüfung dieser Aussage wurde eine Diskriminanzanalyse genutzt. Bereits eine Berücksichtigung der drei Best-Practice Ausprägungen der jeweils wichtigsten Dienstleistungsarten bei den Segmenten 1,2, und 4 ermöglicht eine Prognosegenauigkeit von über 80%. Werden die Best-Practice Ausprägungen der jeweils wichtigsten und zweitwichtigsten Dienstleistungsarten herangezogen, kann die Gruppenzugehörigkeit auf fast 90% korrekt prognostiziert werden (für eine Darstellung der Wichtigkeiten siehe Tabelle A.2 im Anhang).
128
4 Die Nachfragerperspektive
4.1.5.2
Analyse potenzieller Bündelangebote und Vergleich der Zahlungsbereitschaften bei Einzelverkauf der Leistungen Grundlage für die Analyse der bündelorientierten Zahlungsbereitschaften stellen die beschriebenen vier Zielgruppen dar. Ziel ist die Untersuchung, welche Dienstleistungsarten bzw. Ausprägungen tendenziell eher einzeln bzw. als Bündel verkauft werden sollten. Dabei ist insbesondere Gruppe 3 von Interesse, denn es handelt sich um das Segment mit den niedrigsten absoluten Zahlungsbereitschaften beim Einzelverkauf. Ein kostendeckendes Angebot von produktbegleitenden Dienstleistungen wird deshalb nicht bei jeder Dienstleistung gegeben sein. Es stellt sich somit die Frage, ob durch die Art der Darstellung von Preisinformationen als Bündel bei dieser Gruppe die Zahlungsbereitschaft erhöht werden kann.
Zahlungsbereitschaften für Bündelangebote können mithilfe der ServPay Conjoint-Analyse erfasst werden.50 Dabei werden die Zahlungsbereitschaften für die Dienstleistungsausprägungen indirekt, d.h. durch Bewertung verschiedener Produktbündel erhoben. Mithilfe der ServPay Conjoint-Analyse können auf Basis dieser Bündelbewertungen die Zahlungsbereitschaften für die Bündelkomponenten bestimmt werden. Bei der Interpretation der Cluster muss berücksichtigt werden, dass individualisierte Bündel untersucht wurden. Dies bedeutet, dass die konkrete Ausgestaltung der Bündel je nach Befragungsteilnehmer variieren kann. Deshalb soll zunächst dargestellt werden, welche Bündel je Gruppe besonders von den Befragten ausgewählt wurden. In Abb. 4.22 wird deshalb je Zielgruppe dargestellt, welche Bündel untersucht wurden. Die Bündel wurden so gebildet, dass diese die individuell (d.h. je Unternehmen) vier wichtigsten Dienstleistungsarten umfassen. 50
Siehe Kapitel 4.1.3.
4.1 Das klassische Geschäftsmodell
Abb. 4.22: Häufigkeiten (in %) der Dienstleistungsarten in den untersuchten Bündeln
129
130
4 Die Nachfragerperspektive
Ordnet man die Werte aus Abb. 4.22 entsprechend der Häufigkeit der untersuchten Bündel, so können für die Zielgruppen typische Bündel gebildet werden (siehe Tabelle 4.14). Segment
am häufigsten als Bündel untersuchte Dienstleistungsarten Instandsetzung
1
Ersatzteilverfügbarkeit Maschinengarantiedauer Schnittstellenoptimierung Schnittstellenoptimierung
2
Machbarkeitsstudien Instandsetzung Inbetriebnahme Instandsetzung
3
Inbetriebnahme Maschinenschulung Ersatzteilverfügbarkeit Maschinengarantiedauer
4
Inbetriebnahme Maschinenschulung Instandsetzung
Tabelle 4.14: Überblick der am häufigsten untersuchten Bündel je Segment
Im Folgenden werden die Zahlungsbereitschaften bei einem Einzelverkauf mit denen des Bündelverkaufs verglichen.51 Bei einem Vergleich der Ergebnisse wird Folgendes deutlich: x die Wahl des Preismodells (Art der Darstellung von Preisinformationen) hat Einfluss auf die Zahlungsbereitschaften der Nachfrager, d.h. die erfassten Zahlungsbereitschaften unterscheiden sich, x meist sind mit einer Einzelbepreisung höhere Zahlungsbereitschaften verbunden, x Bündelangebote sind allerdings bei bestimmten Dienstleistungsangeboten eine Möglichkeit, um die Zahlungsbereitschaften positiv zu beeinflussen, dies gilt insbesondere für Dienstleistungsausprägungen, die nicht der „Best-Practice“ entsprechen und x bei Zielgruppen (Segment 3), bei denen im Einzelverkauf nur geringe Zahlungsbereitschaften erhoben wurden, kann das Angebot von Dienstleistungen im Bündel die Zahlungsbereitschaft erhöhen.
51
Für einen kompletten Überblick über die Zahlungsbereitschaften aller Dienstleistungsarten im Bündelfall bzw. der Einzelbepreisung vgl. Tabelle A.3 im Anhang.
4.1 Das klassische Geschäftsmodell
131
Erläuterungen zur Einschätzung der Vorteilhaftigkeit einer Bündelung Die Vorteilhaftigkeit der Bündelung wird zunächst anhand der für eine Zielgruppe „typischen“ Bündel eingeschätzt. Dabei ist es notwendig, nicht nur Auswirkungen auf die Zahlungsbereitschaften einzelner Dienstleistungsangebote, sondern die Zahlungsbereitschaften für das Gesamtbündel zu berücksichtigen. Dies ist notwendig, da es möglich ist, dass eine Bündelung zwar bei drei Dienstleistungsarten leicht höhere, aber bei einer Dienstleistung deutlich niedrigere Zahlungsbereitschaften hervorrufen kann und deshalb der erzielbare Gesamtpreis geringer ist; eine Bündelung wäre dann nicht sinnvoll. Da individualisierte Bündel erfasst wurden, werden neben für eine Zielgruppe typischen (besonders häufig nachgefragten) Bündeln auch weitere spezifische Bündelkombinationen beschrieben, in denen eine Bündelung sinnvoll sein könnte. Vertriebsmitarbeiter können diese Informationen nutzen, um anhand der vom Kunden nachgefragten Dienstleistungsangebote zu entscheiden, ob diese einzeln oder als Bündel angeboten werden sollten. Ausgangspunkt sind dabei die Zahlungsbereitschaften für die Einzelleistungen. Es ist lediglich zu prüfen, ob die Summe dieser Zahlungsbereitschaften im Bündel höher als bei einem Einzelverkauf ist und eine entsprechende Option mit höheren Zahlungsbereitschaften auszuwählen. Im Folgenden werden zur Verdeutlichung verschiedene Beispiele dargestellt. Die Vorteilhaftigkeit ist allerdings vom Unternehmen, je nachdem, welche konkreten Leistungen vom Kunden nachgefragt werden, in jedem Einzelfall noch einmal zu überprüfen. Segment 3 - „die Traditionalisten“ (n=293) In Tabelle 4.15 werden die am häufigsten gewählten Bündelkomponenten dargestellt. In der ersten Spalte wird dabei die Häufigkeit präsentiert, mit der eine Dienstleistungsart im Rahmen der individualisierten Bündelung untersucht wurde. Von besonderem Interesse sind die letzten drei Spalten der Tabelle 4.15. Dabei wird zunächst die ermittelte Zahlungsbereitschaft für den Einzelverkauf und danach der entsprechende Wert bei einer Bündelung präsentiert. In der letzten Spalte wird die Differenz gebildet – ist diese negativ, ist eine Bündelung vorzuziehen; ist er positiv, ist ein Einzelverkauf sinnvoll. Da, wie schon erwähnt, eine Einschätzung der Vorteilhaftigkeit verschiedener Dienstleistungsangebote nur unter Berücksichtigung der Zahlungsbereitschaft für das jeweilige Gesamtbündel möglich ist, werden im Folgenden die Auswirkungen einer Bündelung anhand verschiedener Szenarien (Bündelung ist vorteilhaft bzw. nicht vorteilhaft) dargestellt.
132
4 Die Nachfragerperspektive
Cluster 3 Relative WichtigHäufigkeit keit 61,8%
1
Einzelverkauf
Bündel Differenz
Instandsetzung/ Innerhalb von 12 Stunden Reparatur
2.725
1.984
741
Innerhalb von 24 Stunden
1.771
1.546
225
Innerhalb von 48 Stunden
449
530
-81
3.048
14.47
1.601
1.136
683
453
Individualisiert
2.386
2.166
220
Fortgeschritten
1.855
1.980
-125
908
986
-78
Konsignationslager vor Ort
1.977
1.673
304
Innerhalb von 24 Stunden
2.352
1.473
880
Innerhalb von 48 Stunden
588
592
-4
Mehr als 48 Stunden notwendig 52,9%
2
Inbetriebnahme Inbetriebnahme und Anlauf+ 2 Tage vor Ort betreuung Inbetriebnahme + 1 Tag vor Ort Reine Inbetriebnahme
48,8%
3
Maschinen schulung
Basis Keine 43,69%
7
Ersatzteilverfügbarkeit
Mehr als 48 Stunden notwendig
Tabelle 4.15: Segment 3 - Überblick der „typischen“ Dienstleistungsarten und Vergleich zwischen Einzelpreis und Bündelkomponentenpreis (Angaben in Euro)
- Szenario: Bündelung ist vorteilhaft Der Unterschied zum Einzelverkauf ist bei einer Bündelung auch im (für die Bündelung) besten Szenario eher gering. Dabei handelt es sich um ein Bündel bestehend aus Instandsetzung innerhalb von 48 h, reine Inbetriebnahme, fortgeschrittene Maschinenschulung und Ersatzteilverfügbarkeit innerhalb von 48 h (siehe Tabelle 4.15). Werden diese Leistungen gebündelt angeboten, so erhöht sich die Zahlungsbereitschaft um 210 € (im Einzelverkauf ergibt sich ein Wert des Bündels von 2.892 € (= 449+0+1.855+588), dieser steigt im Bündelfall auf 3.102 € (= 530+0+1.980+592). Dies entspricht einer Erhöhung um etwa 7 %. Wird lediglich eine Basis Maschinenschulung angeboten, erhöht sich die Zahlungsbereitschaft im Bündelfall gegenüber einer Einzelbepreisung um 167 € (dies
4.1 Das klassische Geschäftsmodell
133
entspricht etwa 8,6%). Eine Bündelung bewirkt somit im besten Fall eine moderate Erhöhung der Zahlungsbereitschaft bei den Kunden. - Szenario: Bündelung ist nicht vorteilhaft Wird vom Kunden mehr als nur die reine Inbetriebnahme nachgefragt, ist eine Bündelung nicht mehr sinnvoll Durch den Vertrieb von Bündeln würde sich die Zahlungsbereitschaft in jedem Fall verringern. Beispielhaft soll dies am Angebot eines Bündels bestehend aus Instandsetzung innerhalb von 48 h, Inbetriebnahme+ 1 Tag vor Ort, fortgeschrittene Maschinenschulung und Ersatzteilverfügbarkeit innerhalb von 48 h verdeutlicht werden. Die Zahlungsbereitschaft im Einzelverkauf ist 4.028 € (449+1.136+1.855+588), im Bündelfall beträgt diese nur noch 3.785 € (530+683+1.980+592). Die Dienstleistungen sollten deshalb einzeln vermarktet werden. Zusammenfassend ist festzustellen, dass bei der Analyse der „typischen“ Bündel nur wenige Szenarien denkbar sind, in denen eine Bündelung sinnvoll erscheint. - Vorteilhaftigkeit der Bündelung bei seltener gewählten Komponenten Im Folgenden werden auch weitere, individualisierte Bündel betrachtet. Dabei handelt es sich um Bündel, die aus Dienstleistungsarten bestehen, die weniger häufig als die oben beschriebenen vier Dienstleistungen gewählt wurden (siehe Tabelle 4.16).52 Relative WichtigHäufigkeit keit 34,1%
31,7%
4
5
Einzelverkauf Verlängerung 12 Monate Verlängerung der Maschinen- 6 Monate Verlängerung garantiedauer Keine Verlängerung Spezifische Softwareschulung
Cluster 3 Bündel Differenz
3.631
2.410
1.221
1.014
1.048
-34
Individualisiert
2.697
4.016
-1.319
Fortgeschritten
1.830
3.339
-1.509
867
931
-64
Basis Keine
Tabelle 4.16: Überblick der weniger häufig gewählten Dienstleistungen mit höheren Zahlungsbereitschaften im Bündelfall (Angaben in Euro)
Anhand dieser Ergebnisse ist erkennbar, dass bei der Verlängerung der Maschinengarantiedauer auf 6 Monate eine leicht höhere Zahlungsbereitschaft im Bün52
Bei Dienstleistungsarten, die nur selten untersucht werden wurden, ist es aufgrund der wenigen Beobachtungen nicht sinnvoll, Aussagen über die Vorteilhaftigkeit eines Preismodells zu treffen. Dienstleistungsarten, die von weniger als 15% der Befragten innerhalb der individualisierten Bündel gewählt wurden, werden deshalb nicht in Tabelle 4.16 berücksichtigt. Ausgeschlossen wurden deshalb die Dienstleistungsarten Preisstabilitätsgarantie und Machbarkeitsstudien.
134
4 Die Nachfragerperspektive
delverkauf erzielt werden kann. Dieser Unterschied ist allerdings so gering, dass nicht unmittelbar auf die Vorteilhaftigkeit eines Bündels geschlossen werden kann. Fragt ein Kunde dagegen u.a. auch eine Softwareschulung nach, wendet sich das Bild. Insbesondere bei fortgeschrittenen und individualisierten Softwareschulungen kann die Zahlungsbereitschaft bei einer Bündelung deutlich gesteigert werden. Dies soll erneut anhand eines Beispiels verdeutlicht werden. - Szenario: Bündelung ist vorteilhaft Angenommen ein Unternehmen fragt eine fortgeschrittene Softwareschulung und zusätzlich (analog zu dem Beispiel vorab) Instandsetzung innerhalb von 48 h, Inbetriebnahme + 1Tag vor Ort, fortgeschrittene Maschinenschulung und Ersatzteilverfügbarkeit innerhalb von 48 h nach, so ist eine Bündelung sinnvoll. Es ergibt sich ein Bündelpreis von 7.124 € (530+683+1.980+592+3.339) während bei einem Einzelverkauf lediglich 5.858 € (449+1.136+1.855+588+1.830), erzielt werden könnte. Sogar eine Bündelung einer fortgeschrittenen Softwareschulung in Kombination mit einer Inbetriebnahme und 2 Tage Vor-Ort ist sinnvoll, d.h. hier ergäbe sich bei einer Bündelung eine Zahlungsbereitschaft von 7.888 € (530+1.447+1.980 +592+3.339), bei einer Einzelbepreisung ein Wert von 7.770 € (449+3.048+1.855 +588+1.830). - Szenario: Bündelung ist nicht vorteilhaft Erst wenn verschiedene zusätzliche Dienstleistungen nachgefragt werden, kann erneut eine Einzelbepreisung sinnvoll sein. Dies gilt beispielsweise für das Bündel Instandsetzung innerhalb von 12 Stunden, Inbetriebnahme und 2 Tage Vor-Ort, individualisierte Maschinenschulung, Konsignationslager vor Ort und fortgeschrittene Softwareschulung. Bei einer Bündelung ist ein Preis von 10.609 € möglich (1.984+1.447+2.166+1.673+3.339), dagegen ergibt sich bei einer Einzelbepreisung eine Zahlungsbereitschaft von 12.833 € (2.725+3.048+2.386+1.977 +2.697). Zwischenfazit Segment 3 Bei den am häufigsten gebündelten Dienstleistungsarten erscheint im Segment 3 eine Einzelbepreisung sinnvoll. Wird dagegen die (von den Entscheidern seltener gewählte) Dienstleistungsart Softwareschulung nachgefragt, ist eine Bündelung in deutlich mehr Fällen vorteilhaft. Segment 4 - „die Ergebnissicherer“ (n=100) Bei Segment 4 handelt es sich um die zweitgrößte Zielgruppe. Auch hier wird die Vorteilhaftigkeit der Einzelbepreisung bzw. der Bündelung anhand verschiedener Beispiele beschrieben. Dabei werden zunächst wieder typische und danach weniger häufig genutzte Bündel dargestellt.
4.1 Das klassische Geschäftsmodell
135
In Tabelle 4.17 werden die am häufigsten im Bündel untersuchten Dienstleistungsarten präsentiert. Betrachtet man die Ergebnisse, so wird deutlich, dass eine Bündelung der Dienstleistungsarten Inbetriebnahme und Maschinenschulung stets zu einer Verringerung der Zahlungsbereitschaften führt. Entsprechendes gilt für die Best-Practice Ausprägungen der Dienstleistungsarten Maschinengarantiedauer und Instandsetzung. Lediglich bei zwei Ausprägungen können höhere Zahlungsbereitschaften im Bündel erzielt werden (dabei handelt es sich um eine Verlängerung der Maschinengarantie um 6 Monate und eine Instandsetzung innerhalb von 48 Stunden). Cluster 4 Relative WichtigHäufigkeit keit 55%
53%
1
2
Einzelverkauf Verlängerung 12 Monate Verlängerung der Maschinen- 6 Monate Verlängerung garantiedauer Keine Verlängerung
Bündel Differenz
11.365
5.094
6.271
3.355
4.035
-680
8.907
4.792
4.115
3.245
2.503
742
6.456
4.539
1.917
5.091
4.258
833
2.541
1.872
669
Instandsetzung/ Innerhalb von 12 Stunden Reparatur Innerhalb von 24 Stunden
5.493
3.205
2.289
5.179
2.957
2.222
Innerhalb von 48 Stunden
680
758
-79
Inbetriebnahme Inbetriebnahme + 2 Tage vor Ort und Anlaufbetreuung Inbetriebnahme + 1 Tag vor Ort Reine Inbetriebnahme
48%
4
Maschinenschu- Individualisiert lung Fortgeschritten Basis Keine
41%
6
Mehr als 48 Stunden notwendig
Tabelle 4.17: Segment 4 - Überblick der „typischen“ Dienstleistungsarten und Vergleich zwischen Einzelpreis und Bündelkomponentenpreis (Angaben in Euro)
Betrachtet man die am häufigsten untersuchten Dienstleistungsarten im Bündel, ist anhand der in Tabelle 4.17 dargestellten Zahlungsbereitschaften kein Bündel bestehend aus vier Dienstleistungsarten sinnvoll.53
53
Nur wenn ein Kunde lediglich die zwei Dienstleistungen wie „Maschinengarantieverlängerung um 6 Monate“ und „Basis Maschinenschulung“ nachfragt, wäre eine Bündelung gerade sinnvoll, d.h. es ergäbe sich im Bündelfall ein möglicher Preis von 4.793 € (4.035+758) bei Einzelbepreisung dagegen nur ein Preis von 4.035 € (3.355+680). Insofern erscheint eine Bündelung nur in Ausnahmefällen geeignet.
136
4 Die Nachfragerperspektive
- Vorteilhaftigkeit der Bündelung bei seltener gewählten Komponenten Werden die seltener nachgefragten Dienstleistungsarten berücksichtigt (siehe Tabelle 4.18), so sind allerdings eine Reihe weiterer Kombinationsmöglichkeiten denkbar, in denen eine Bündelung Sinn macht. Dies betrifft insbesondere den Fall, wenn ein Kunde lediglich eine sechsmonatige Garantieverlängerung und eine fortgeschrittene oder Basis Softwareschulung nachfragt bzw. sich für eine Machbarkeitsstudie auf Basis von Experteneinschätzungen entscheidet (siehe dazu auch Tabelle 4.17). Entscheidet sich ein Kunde dagegen für eine zwölfmonatige Garantieverlängerung, ist ein Einzelverkauf in jedem Fall die Option, bei der höhere Zahlungsbereitschaften erzielt werden können. Cluster 4 Relative WichtigHäufigkeit keit 33%
7
Einzelverkauf Ersatzteilverfügbarkeit
Bündel Differenz
Konsignationslager vor Ort
6.050
3.611
2.439
Innerhalb von 24 Stunden
6.192
3.784
2.409
Innerhalb von 48 Stunden
1.348
1.760
-412
Mehr als 48 Stunden notwendig 31%
5
Spezifische Softwareschulung
Individualisiert
6.406
3.743
2.662
Fortgeschritten
4.771
6.716
-1.945
Basis
2.697
4.341
-1.644
Vorserienproduktion auf Testanlagen
7.765
4.493
3.272
Simulation durch Virtuelle Maschine
3.309
2.754
555
344
1.677
-1.333
Keine 17%
10
Machbarkeitsstudien
Experteneinschätzung Keine
Tabelle 4.18: Segment 4 - Überblick der weniger häufig gewählten Dienstleistungen mit höheren Zahlungsbereitschaften im Bündelfall (Angaben in Euro)
Zwischenfazit Segment 4 Auch in Segment 4 ist zu beobachten, dass eine Bündelung vor allem dann sinnvoll sein kann, wenn es sich nicht um die Best-Practice Ausprägung handelt. Dies gilt insbesondere für die Dienstleistungsangebote Basis Softwareschulungen, fortgeschrittene Softwareschulungen, Experteneinschätzungen im Rahmen von Machbarkeitsstudien, einer Verlängerung der Maschinengarantie um 6 Monate sowie einer Ersatzteilverfügbarkeit innerhalb von 48 Stunden.
4.1 Das klassische Geschäftsmodell
137
Auch bei dieser Zielgruppe sollten die „Best-Practice“ Ausprägungen stets einzeln angeboten und bepreist werden. Fragt ein Kunde beispielsweise u.a. eine 12monatige Garantieerweiterung nach, so ist die Zahlungsbereitschaft bei einem Einzelverkauf deutlich höher als bei einer Bündelung. Zur Interpretation der Segmente 2 und 1 Bei den Segmenten 1 und 2 handelt es sich um vergleichsweise kleine Zielgruppen. Deshalb werden im Folgenden lediglich die am häufigsten als Bündel untersuchten Dienstleistungsarten vorgestellt. Segment 2 – „die Integrierer“ (n=42) Wie bereits beschrieben, handelt es sich bei Segment 2 um Unternehmen, die vor allem auf eine Schnittstellenoptimierung Wert legen. Anhand von Tabelle 4.19 ist erkennbar, dass eine Einzelbepreisung bei dieser Dienstleistung zu deutlich höheren Zahlungsbereitschaften führt. Dieses Merkmal dominiert die Entscheidung der Befragten, weshalb auf eine Bündelung der Dienstleistungen in diesem Segment verzichtet werden sollte. Zwar sind bei einer Bündelung erneut für verschiedene Dienstleistungsangebote höhere Zahlungsbereitschaften zu beobachten, die Zahlungsbereitschaft für eine einzeln bepreiste Schnittstellenoptimierung ist allerdings deutlich höher, sodass der mögliche Gesamtpreis bei einer Bündelung niedriger als bei einem Einzelverkauf wäre.
138
4 Die Nachfragerperspektive
Cluster 2 Relative WichtigHäufigkeit keit
Einzelverkauf
93%
1
Lösung zur Ja Einbindung der Nein Maschine in bestehendes Anlagenkonzept (Schnittstellenoptimierung)
52%
2
Machbarkeitsstudien
Bündel Differenz
16.831
4.098
12.733
11.439
7.305
4.134
Simulation durch Virtuelle Maschine
3.623
2.774
849
Experteneinschätzung
1.423
1.822
-399
Vorserienproduktion auf Testanlagen
Keine 40%
3
Instandsetzung/ Innerhalb von 12 Stunden Reparatur Innerhalb von 24 Stunden
6.753
5.288
1.465
5.212
2.844
2.368
Innerhalb von 48 Stunden
104
544
-439
6.423
3.124
3.298
2.556
414
2.142
Konsignationslager vor Ort
7.458
6.523
934
Innerhalb von 24 Stunden
5.094
5.612
-518
Innerhalb von 48 Stunden
0
2.081
-2.081
Mehr als 48 Stunden notwendig 38%
6
Inbetriebnahme Inbetriebnahme + 2 Tage vor Ort und Anlaufbetreuung Inbetriebnahme + 1 Tag vor Ort Reine Inbetriebnahme
31%
7
Ersatzteilverfügbarkeit
Mehr als 48 Stunden notwendig
Tabelle 4.19: Segment 2 - Überblick der „typischen“ Dienstleistungsarten und Vergleich zwischen Einzelpreis und Bündelkomponentenpreis (Angaben in Euro)
Segment 1 - „die Reparierer“ (n = 33) Auch im Segment 1 dominiert eine Dienstleistungsart die Entscheidung, dabei handelt es sich um Instandsetzung/Reparatur. Wie bereits vorab beschrieben, besteht bei den Unternehmen dieser Zielgruppe bei einer Einzelbepreisung eine besonders hohe Zahlungsbereitschaft für eine Instandsetzung innerhalb von 12 Stunden. Die Zahlungsbereitschaft für diese Ausprägung sinkt bei einer Bündelung
4.1 Das klassische Geschäftsmodell
139
deutlich (siehe Tabelle 4.20). Deshalb ist bei dieser Zielgruppe zusammenfassend festzustellen, dass eine Bündelung nicht sinnvoll ist.54 Cluster 1 Relative WichtigHäufigkeit keit 97%
1
Einzelverkauf
Bündel Differenz
Instandsetzung/ Innerhalb von 12 Stunden Reparatur Innerhalb von 24 Stunden
20.985
9.253
11.732
6.744
5.649
1.094
Innerhalb von 48 Stunden
1.023
1.971
-948
Konsignationslager vor Ort
12.055
7.040
5.014
Innerhalb von 24 Stunden
7.690
6.289
1.402
Innerhalb von 48 Stunden
0
3.162
- 3.162
Mehr als 48 Stunden notwendig 64%
2
Ersatzteilverfügbarkeit
Mehr als 48 Stunden notwendig 39%
5
Verlängerung 12 Monate Verlängerung der Maschinen- 6 Monate Verlängerung garantiedauer Keine Verlängerung
11.115
4.353
6.762
5.162
2.256
2.906
36%
4
Lösung zur Ein- Ja bindung der Nein Maschine in bestehendes Anlagenkonzept (Schnittstellenoptimierung)
16.050
8.165
7.885
33%
3
Maschinenschu- Individualisiert lung Fortgeschritten
12.830
7.121
5.709
Basis
8.820
4.602
4.218
2.702
546
2.156
12.733
3.722
9.011
3.379
1.652
1.727
Keine 30%
6
Inbetriebnahme Inbetriebnahme und Anlauf+ 2 Tage vor Ort betreuung Inbetriebnahme + 1 Tag vor Ort Reine Inbetriebnahme
Tabelle 4.20: Segment 1 - Überblick der „typischen“ Dienstleistungsarten und Vergleich zwischen Einzelpreis und Bündelkomponentenpreis (Angaben in Euro)
54
Für weitere Dienstleistungsarten, bei denen eine Bündelung sinnvoll sein kann, siehe Tabelle A.3 im Anhang. Allerdings wurden diese Dienstleistungsarten weniger häufig von den befragten Unternehmen gewählt.
140
4 Die Nachfragerperspektive
Zwischenfazit Ziel dieses Abschnitts war ein Vergleich von Zahlungsbereitschaften bei einem Einzel- bzw. Bündelverkauf. Eine Erkenntnis ist, dass durch eine Bündelung der Einzelangebote die Kaufentscheidung tendenziell komplexer wird und dies Einfluss auf die Zahlungsbereitschaften hat. Die Ergebnisse des Vergleichs zwischen Einzel- und Bündelbepreisung zeigen, dass sich die Zahlungsbereitschaft je nach Vermarktung (Einzelpreis bzw. Bündelpreis) unterscheiden. Dabei wird deutlich, dass insbesondere „Best-Practice“ Ausprägungen einzeln angeboten und bepreist werden sollten. Zudem kann für das preissensible Segment 3 beobachtet werden, dass eine Bündelung die Zahlungsbereitschaften für Softwareschulungen deutlich erhöhen kann. Unternehmen, die nicht die „BestPractice“ Ausprägungen anbieten können, sollten deshalb – z.B. im Rahmen von Pilotprojekten – prüfen, ob eine Bündelung der Leistungen ein höheres Erlöspotenzial ermöglicht. 4.1.6
Fazit
Ziel dieser Studie war die Erfassung von Zahlungsbereitschaften für produktbegleitende Dienstleistungen am Beispiel des Werkzeugmaschinenbaus – einer der Komponenten für die Ermittlung der Wirtschaftlichkeitsdimension eines potenziellen KKVs®. Dieser Wirtschaftsbereich weist verschiedene Besonderheiten auf, die berücksichtigt werden müssen. So ist diese Branche dadurch gekennzeichnet, dass die Bedürfnisse der Nachfrager äußerst heterogen sind und deshalb eine Vielzahl an möglichen Dienstleistungen relevant sein kann. Andererseits liegen vorab kaum Informationen über mögliche Zahlungsbereitschaften vor. Schließlich können verschiedene Preismodelle (Einzelpreis bzw. Bündelung) relevant sein. Keines der bisher bekannten Verfahren zur Bestimmung von Zahlungsbereitschaften kann in einem solchen Untersuchungskontext sinnvoll eingesetzt werden. Da mit diesen Methoden entweder nur bestimmte (einzelne) Alternativen oder nur wenige Eigenschaften und Ausprägungen (Dienstleistungsarten und Dienstleistungsangebote) untersucht werden können bzw. a priori ausreichend Informationen über Preisbandbreiten bzw. Zahlungsbereitschaften der Nachfrager vorliegen müssen. Aus diesem Grund haben wir ein neuartiges Verfahren zur Messung von Zahlungsbereitschaften – die ServPay Conjoint-Analyse – entwickelt, die in der Lage ist, die besonderen Anforderungen an den Untersuchungskontext zu erfüllen. Diese Methode wurde innerhalb einer empirischen Studie in der WerkzeugmaschinenBranche genutzt. Als Ergebnis lassen sich vier Segmente identifizieren: Es wird deutlich, dass die überwiegende Mehrheit der Befragungsteilnehmer (Segment 3 – 62,61%) ge-
4.1 Das klassische Geschäftsmodell
141
ringe Zahlungsbereitschaften für produktbegleitende Dienstleistungen aufweist. Das lehrt uns auch die praktische Realität. Eine mögliche Erklärung für diese geringen Zahlungsbereitschaften könnte darin bestehen, dass produktbegleitende Dienstleistungen bisher häufig „kostenlos“ von den Herstellern zu der Kernleistung „dazu gegeben“ wurden und die Kunden deshalb „nicht daran gewöhnt“ sind, für diese Leistungen zu bezahlen. Andererseits könnten sich Anbieter bei einer aktiven Vermarktung von produktbegleitenden Dienstleistungen zunächst auf die drei Zielgruppen konzentrieren, die höhere Zahlungsbereitschaften aufweisen. Dazu gehört beispielsweise: x das Segment der „Ergebnissicherer“ (21,37%), die besonderen Wert auf eine 12 Monate Garantieverlängerung und auf eine virtuelle Maschine legen, x das Segment der „Integrierer“ (8,97%) die stark auf Dienstleistungen wie Schnittstellenoptimierung, Machbarkeitsstudien, Instandsetzung und Maschinenschulungen achten oder schließlich x das Segment der „Reparierer“ (7,05%) die insbesondere auf Dienstleistungen (Instandsetzung innerhalb von 12 Stunden, Versorgung mit Ersatzteilen durch Nutzung eines Konsignationslagers und Optimierung von Schnittstellen) achten, die einen problemlosen Betrieb der Maschine gewährleisten und insgesamt die höchsten absoluten Zahlungsbereitschaften aufweisen. Können die Dienstleistungen erfolgreich in diesen Segmenten vermarktet werden, erscheint auch ein Vertrieb im Segment der „Traditionalisten“ aussichtsreicher. So ist es möglich, dass die Kunden der Segmente mit höheren Zahlungsbereitschaften als sog. „Referenzkunden“ dienen, d.h. die erfolgreiche Vermarktung von Dienstleistungen bei einem Wettbewerber des nachfragenden Unternehmens könnte als Argument zur Beeinflussung der Zahlungsbereitschaften verwendet werden. Für den Fall, dass der Anbieter, die separate Bepreisung der Dienstleistungen im hybriden Leistungsbündel realisieren möchte, kann er auch verschiedene Preismodelle (Einzel- vs. Bündelpreis) in Betracht ziehen. Die Ergebnisse dieser Untersuchung zeigen, dass bei einer Einzelbepreisung tendenziell höhere Zahlungsbereitschaften zu beobachten sind. Dies gilt, obwohl die Bündel auf Basis der individuellen Anforderungen der Nachfrager erstellt wurden. Untersucht man die erfassten Zahlungsbereitschaften genauer, wird deutlich, dass insbesondere „Best-Practice“ Ausprägungen einzeln vermarktet werden sollten. Die Vermutung von Nagle, Hogan (2006, S. 75), dass insbesondere Leistungen, die zur Differenzierung vom Wettbewerb beitragen, einzeln vermarktet werden sollten, kann somit bestätigt werden. Dagegen ist bei verschiedenen Dienstleistungsangeboten, die Basis- bzw. Standardleistungen entsprechen, zu beobachten, dass eine Bündelung zu höheren Zahlungsbereitschaften führt. Vor einer Umsetzung der Ergebnisse in Dienstleistungsangebote sollten bei der Entscheidung, ob bestimmte Dienstleistungen einzeln oder als Bündel vertrieben werden, ebenfalls die identifizierten Zielgruppen berücksichtigt werden. Es zeigt
142
4 Die Nachfragerperspektive
sich, dass insbesondere bei Segment 3 (die größte Zielgruppe, deren Befragungsteilnehmer allerdings die geringsten Zahlungsbereitschaften aufweisen) eine Bündelung am vorteilhaftesten erscheint. Die Art der Vermarktung hat somit u.U. einen erheblichen Einfluss auf die Zahlungsbereitschaften der Nachfrager und damit auf das Erlöspotenzial der Hersteller. Zusammenfassend ist es den Anbietern von Werkzeugmaschinen und entsprechenden produktbegleitenden Dienstleistungen auf Basis dieser Untersuchungsergebnisse möglich, die Anforderungen der Kunden zielgerichteter (durch Fokussierung auf bestimmte Bedürfnisgruppen) zu berücksichtigen und jeweils eine Vermarktungsform zu wählen, die den Unternehmenszielen am besten entspricht. Einschränkend ist jedoch anzumerken, dass die Befragungsteilnehmer bei sämtlichen Studien, in deren Rahmen hypothetische Kaufentscheidungen untersucht werden, möglicherweise tendenziell niedrigere Zahlungsbereitschaften angeben. Dies ändert allerdings nichts an der relativen Vorziehenswürdigkeit der untersuchten Dienstleistungen. Diese Werte können somit direkt zur aktiven Dienstleistungsentwicklung genutzt werden.
4.2 Innovative Geschäftsmodelle
143
4.2 Innovative Geschäftsmodelle: Performance Contracting und seine Anwendungsfelder
4.2.1
Problemstellung und Grundlagen des Geschäftsmodells Performance Contracting
Während die Preismodelle der Einzel- und Bündelbepreisung sich noch weitgehend im klassischen Geschäftsmodell bewegen, ist das Performance Contracting einer völlig anderen Geschäftsmodellkategorie zuzuordnen. Das Performance Contracting umfasst all diejenigen Geschäftsmodelle hybrider Leistungsbündel, bei denen die individualisierte Kombination von Investitionsgütern und industriellen Dienstleistungen durch vertraglich abgesicherte Leistungsversprechen und variable Vergütungsmodelle begleitet wird. Auch wenn die ursprüngliche Idee des Performance Contracting keineswegs neu ist,55 so erlangte dieses Geschäftsmodell aufgrund der ausgeprägten Lösungsorientierung erst im Zuge der mangelnden Differenzierbarkeit der industriellen Investitionsgüter eine steigende Bedeutung bei der Generierung eines KKVs®. Bei Inanspruchnahme eines Performance Contracting-Angebotes können Kunden beispielsweise den Kauf eines Kompressors durch die variable Entlohnung genutzter Druckluft ersetzen oder die mit einer garantierten Verfügbarkeit zur Verfügung gestellte Werkzeugmaschine auf Basis der darauf gefertigten Teile bezahlen. Die zum Betrieb der überlassenen Investitionsgüter notwendigen Dienstleistungen werden dabei in den meisten Fällen vom Anbieter der Leistung koordiniert und erbracht, sodass für den Kunden ein „Rundumsorglos-Paket“ entsteht. Die Ausführungen machen deutlich, dass das Performance Contracting im Vergleich zu den klassischen Geschäftsmodellen noch stärker das eigentliche Kundenproblem in den Vordergrund stellt. Mit der gezielten Kombination von Sachund Dienstleistungen zu individuellen Lösungen und der vertraglichen Festlegung von Leistungsversprechen wird ein Mehrwert für den Kunden geschaffen, der der Effektivitätsdimension des KKVs® Rechnung trägt. Da die Umsetzung des Performance Contracting nicht nur die technischorganisatorische Zusammenführung einzelner Leistungsbestandteile, sondern auch deren Einbettung in die Wertschöpfungsprozesse des Kunden umfasst, erfordert sie ein hohes Ausmaß an neuartigen Kompetenzen auf Anbieterseite, die vom Wettbewerb nur schwer zu imitieren sind. Folglich kann die konsequente Umsetzung des Performance Contracting nicht nur in einem gesteigerten Kundennutzen
55
Die Erfinder der Dampfmaschine – James Watt und Matthew Boulton – boten bereits zur Markteinführung dieser Maschine eine Überlassung und Wartung gegen ein nutzungsabhängiges Entgelt an (Schulz et al. 2001, S. 46).
144
4 Die Nachfragerperspektive
resultieren, sondern auch einen dauerhaften Wettbewerbsvorteil begründen, der sich in einem umfangreichen Erlöspotenzial niederschlagen kann. Das Performance Contracting, das – wie zuvor erläutert – eine Erfolg versprechende Option zur Generierung eines KKVs® darstellt, soll dabei wie folgt definiert werden: Beim Performance Contracting handelt es sich um ein Geschäftsmodell hybrider Leistungsbündel, bei dem der Nachfrager auf Basis vertraglich fixierter Konditionen lediglich ein variables Entgelt für die Verfügbarkeit (Potenzial), die Nutzung (Prozess) oder das Resultat der Nutzung (Ergebnis) eines hybriden Leistungsbündels entrichtet und der Leistungsanbieter zumindest die Verfügbarkeit des zugrunde liegenden Investitionsgutes garantiert. Trotz der umfangreichen Potenziale, die dem Performance Contracting insbesondere zur Differenzierung im Wettbewerb zugesprochen werden, verhalten sich viele Investitionsgüterhersteller bei der Einführung und dem aktiven Angebot dieses Geschäftsmodells nach wie vor zurückhaltend (Lay 2007, S. 25). Vor dem Hintergrund der möglichen umfangreichen Risiken (Freiling 2004) ist diese Zurückhaltung gewiss nicht verwunderlich, zumal der Einstieg in das Performance Contracting in vielen Fällen eine fundamentale und kostspielige Transformation der Wertschöpfungsprozesse erfordert, die – wie einige gescheiterte Vorstöße bei der Vermarktung von Aufzügen, Gabelstaplern oder ganzen Maschinenstraßen zeigen – nicht in jedem Fall zu einer Verbesserung der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens beiträgt. Um Anbietern eine gesicherte Entscheidungsbasis für den gezielten Einstieg in dieses Geschäftsmodell bieten zu können, sollen daher im Folgenden diejenigen Faktoren genauer untersucht werden, die die Entscheidung eines Nachfragers für oder gegen die Wahl des Geschäftsmodells Performance Contracting negativ beeinflussen. Auf Basis der aufgestellten Definition des Performance Contracting können mit der variablen Vergütung sowie der durch den Anbieter garantierten Verfügbarkeit des Investitionsgutes zwei zentrale Charakteristika des Performance Contracting identifiziert werden. Stellt man einen Bezug zwischen diesen beiden Besonderheiten und den klassischen produktorientierten Geschäftsmodellen her, lassen sich die klassischen Angebote und das Performance Contracting anhand zweier zentraler Entscheidungsdimensionen voneinander abgrenzen: x Wer trägt das Investitionsrisiko? Während der Nachfrager im klassischen (produktorientierten) Geschäftsmodell üblicherweise im Kauf- oder Erbringungszeitpunkt eine Anschaffungsauszahlung für die materiellen (z.B. Maschine oder Anlage) oder immateriellen Leistungen (z.B. Inbetriebnahme, Maschinenschulung) tätigt, wird diese einmalige Vergütung im Geschäftsmodell Performance Contracting durch ein variables und potenzial-, prozess- oder ergebnisabhängiges Entgelt ersetzt.
4.2 Innovative Geschäftsmodelle
145
x Wer trägt das Risiko der Maschinenverfügbarkeit? Ist der Nachfrager im klassischen Geschäftsmodell für die Kombination von notwendigen Dienstleistungen (z.B. Wartungsleistungen, Vorhalten von Ersatzteilen etc.) zur Sicherstellung der Maschinenverfügbarkeit selbst verantwortlich, so übernimmt im Geschäftsmodell Performance Contracting der Anbieter diese Aufgabe. Dieser garantiert darüber hinaus die Verfügbarkeit der Maschine.
Abb. 4.23: Systematik zur Einordnung des Geschäftsmodells Performance Contracting
Abb. 4.23 stellt die betrachteten grundlegenden Unterscheidungsmerkmale des klassischen Geschäftsmodells und des Performance Contracting systematisch dar. Neben den bereits beschriebenen Extremformen resultieren aus dieser abgrenzenden Gegenüberstellung zwei weitere Zwischenformen von Geschäftsmodellen, die ebenfalls in der Praxis verbreitet sind und gegenüber dem klassischen Geschäftsmodell durchaus Potenzial zur Differenzierungsmöglichkeit auf hart umkämpften
146
4 Die Nachfragerperspektive
Industriegütermärkten bieten: der Full Service Contract sowie das Produktionskapazitätenleasing. Beim Full Service Contract tätigt der Nachfrager nach wie vor eine Anschaffungsauszahlung für alle von ihm gekauften materiellen und immateriellen Leistungen, während der Anbieter die Sicherstellung der Maschinenverfügbarkeit durch die Kombination geeigneter Dienstleistungen kombiniert (Stremersch et al. 2001). Der Nachfrager erhält somit ein „Rundum-sorglos-Paket“, für das er allerdings sofort und unabhängig von der Nutzung des Investitionsgutes sowie der durchgeführten industriellen Dienstleistungen zahlen muss. Derartige Geschäftsmodelle werden beispielsweise von der Firma Barrington Medical Imaging für medizinische Geräte, von der Firma Coperion für Compoundiersysteme zur Aufbereitung von Kunststoffen und Pulverfarben sowie von ABB für vollständige Großanlagen angeboten. Beim Produktionskapazitätenleasing ist der Nachfrager hingegen für die Kombination von industriellen Dienstleistungen zur Sicherstellung der Maschinenverfügbarkeit selbst verantwortlich. Der Anbieter stellt dem Kunden folglich nur das Investitionsgut zur Verfügung, wobei der Nachfrager wiederum lediglich ein variables Entgelt entrichtet, das entweder an das Potenzial (Verfügbarkeit), an den Prozess (Auslastungsgrad) und im theoretischen Ausnahmefall auch an das Ergebnis gekoppelt sein kann.56 Diese Form des Leasings, die auch als Contingent Leasing bezeichnet wird, wird in der prozessabhängigen Form beispielsweise von dem Unternehmen BTV Leasing für die Nutzung von Flugzeugen angeboten („pay by the hour“). Ein ähnliches Modell ist bei Volkswagen Leasing für den Vertrieb von Nutzfahrzeugen geplant (o.V. 2008). Darüber hinaus kann diese Variante grundsätzlich auch bei den führenden Leasinggesellschaften in Anspruch genommen werden. Zusätzlich zum klassischen Angebot und dem Performance Contracting sollen diese beiden Zwischenformen in die nun folgende Analyse aufgenommen werden, um Empfehlungen ableiten zu können, in welchen Fällen Performance Contracting-Angebote und in welchen Fällen risikoärmere Vorstufen des Performance Contracting den höchsten Beitrag zu einer nachfragerorientierten Differenzierung im Wettbewerb leisten können.57 Derartige Erkenntnisse sind für Industriegüterhersteller von elementarer Bedeutung, da die umfangreichen Risiken bei der internen Realisierung des Performance Contracting nicht mehr auf „gut Glück“, sondern nur in Erfolg versprechenden Fällen übernommen werden müssten. Folglich
56
Zum Produktionskapazitätenleasing vgl. z.B. Backhaus 2003, S. 633 ff.; Hermann 1984, S. 152 ff.; Saak 2007, S. 7. 57 Folglich kann ermittelt werden, ob und wann dem Nachfrager lediglich die Abdeckung des Investitionsrisikos (Produktionskapazitätenleasing) oder des Maschinenverfügbarkeitsrisikos (Full Service Contract) ausreicht oder er die Abdeckung beider Risiken (Performance Contracting) präferiert.
4.2 Innovative Geschäftsmodelle
147
soll die im weiteren Verlauf dargestellte Untersuchung den Weg für ein situationsspezifisches und aktives Angebot des Performance Contracting ebnen. 4.2.2
4.2.2.1
Empirische Analyse der Wahl des Geschäftsmodells Performance Contracting
Gestaltung und Durchführung der Untersuchung
Auf Basis theoretischer Überlegungen, einer umfassenden Literaturanalyse sowie durchgeführter Experteninterviews konnten zahlreiche Faktoren identifiziert werden, die die Präferenz des Nachfragers für das Geschäftsmodell Performance Contracting potenziell positiv oder negativ beeinflussen können. Bei einer systematischen Betrachtung dieser Faktoren können grundsätzlich drei Kategorien von Einflussfaktoren unterschieden werden: 1. Einflussfaktoren mit Bezug zu den Ressourcen der Nachfrager: Von Ressourcen ist immer dann zu sprechen, wenn ein Unternehmen über spezifische Fähigkeiten oder Mittel verfügt, zu denen die Konkurrenten des Unternehmens keinen Zugang haben. Diese Ressourcen, die physischer (z.B. Maschinen), finanzieller (z.B. liquide Mittel), organisationaler (z.B. Unternehmenskultur) oder personeller (z.B. Wissen der Mitarbeiter) Natur sein können (Barney 1995), sind demnach in der Lage, die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens nachhaltig sicherzustellen (Freiling 2001, S. 22). Besitzt ein Unternehmen eine wertvolle, knappe und schwer imitierbare Ressource, so kann die Nutzung dieser Ressource einen nachhaltigen KKV® mit sich bringen. Übertragen auf die Wahl des Geschäftsmodells bedeutet dies, dass aufgrund vorhandener Ressourcen die Wahl bestimmter Geschäftsmodelle mehr oder weniger sinnvoll sein kann. 2. Transaktionsspezifische Einflussfaktoren: Wird eines der vier Geschäftsmodelle durch den Nachfrager in Anspruch genommen, so hat dies in der Abwicklungsphase einen Austausch von Gütern oder Dienstleistungen zwischen Anbieter und Nachfrager zur Folge. Dieser Austausch, der auch als Transaktion bezeichnet werden kann, hat Abwicklungs-, Organisations- oder Absicherungskosten zur Folge, die je nach Geschäftsmodell unterschiedlich hoch ausfallen können (Ebers, Gotsch 2006). Diese Kosten können durch zahlreiche Faktoren positiv oder negativ beeinflusst werden, sodass je nach Ausgestaltung dieser Faktoren die Wahl für oder gegen ein bestimmtes Geschäftsmodell unterschiedlich ausfallen kann. 3. Interaktionseffekte: Einzelne Einflussfaktoren der beiden zuvor genannten Kategorien können darüber hinaus in einem Zusammenhang stehen. Somit ist es möglich, dass die Wirkung der Ausprägungen eines Einflussfaktors der einen
148
4 Die Nachfragerperspektive
Kategorie von den Ausprägungen eines Einflussfaktors der anderen Kategorie abhängt. Um überprüfen zu können, welche der vermuteten Faktoren tatsächlich einen Einfluss auf die Geschäftsmodellwahl ausüben, wurde eine empirische Untersuchung mit Kunden des deutschen Werkzeugmaschinenmarktes durchgeführt. Hierbei erfolgte die Datenerhebung im Rahmen einer Internetbefragung, die aufgrund des hohen Erklärungsbedarfs der Untersuchung telefonisch durch ein Marktforschungsinstitut unterstützt wurde. Im vorliegenden Fall bestand Zugriff auf eine Unternehmensdatenbank, aus der eine zufällige Stichprobe mit 1.750 namentlich bekannten Vertretern deutscher Unternehmen gezogen werden konnte, die innerhalb der letzten drei Jahre unmittelbar am Kauf einer Werkzeugmaschine beteiligt gewesen sind. Um die Repräsentativität der Stichprobe und somit die Übertragbarkeit der Ergebnisse zu gewährleisten, wurden bei der Auswahl der Stichprobe bestimmte Selektionskriterien definiert. Konkret konnte unter Rückgriff auf interne Statistiken des Datenbankinhabers sowie öffentliche Statistiken des Vereins deutscher Werkzeugmaschinenfabriken (VDW – Verein deutscher Werkzeugmaschinenfabriken 2006) eine Stichprobe erstellt werden, die in Bezug auf die Größe der nachfragenden Unternehmen (Mitarbeiteranzahl), die nachgefragte Maschinentechnologie und die Branchenzugehörigkeit der Nachfrager als national repräsentativ für den Werkzeugmaschinenbau eingestuft werden kann. In einem ersten Schritt der Untersuchung wurden die Befragten zunächst gebeten, sich genau mit den vier betrachteten Geschäftsmodellen (klassisches Angebot, Full Service Contract, Produktionskapazitätenleasing und Performance Contracting) vertraut zu machen. Die relevanten Unterscheidungsmerkmale der vier Geschäftsmodelle wurden dabei anhand des Systematisierungsrahmens aus Abb. 4.23 durch eine standardisierte Ansage der Interviewer erklärt. Der daran anschließende Schritt diente der Untersuchung des Einflusses der hergeleiteten Faktoren auf die Wahl der vier betrachteten Geschäftsmodelle. Hierzu wurden ausgewählte Einflussfaktoren auf die Geschäftsmodellwahl zu insgesamt acht Szenarien kombiniert und systematisch manipuliert. Jedes dieser Szenarien beschrieb damit eine hypothetische Kaufsituation, die jeweils durch eine unterschiedliche Kombination von Einflussfaktoren gekennzeichnet war. Die Probanden wurden in jedem Szenario gebeten, sich jeweils in die Situation des Kaufs einer Werkzeugmaschine für ihr Unternehmen zu versetzen und sich vor diesem Hintergrund das jeweilige hypothetische Szenario zunächst genau durchzulesen. Im Anschluss sollten die Befragten für jedes der gezeigten Szenarien angeben,
4.2 Innovative Geschäftsmodelle
149
welches der vier oben genannten Geschäftsmodelle sie in der jeweiligen Situation unter ansonsten identischen Bedingungen wählen würden.58
Abb. 4.24: Aufbau der Untersuchung
Wie Abb. 4.24 zeigt, musste im Anschluss an die acht Szenarien ein ergänzender Fragebogen beantwortet werden, der alle übrigen Einflussfaktoren auf die Wahl des Geschäftsmodells Performance Contracting beinhaltete, bei denen eine sinnvolle und glaubhafte Manipulation, d.h. eine Kombination zu Szenarien, nicht möglich war. Ergänzt wurde der Fragebogen um statistische Angaben zum Unternehmen sowie zur aktiven Beteiligung des Befragten an den Phasen einer Werkzeugmaschinenbeschaffung, um die Eignung der Probanden für die Befragung abschließend überprüfen zu können. Nach der Durchführung des Experiments gingen schließlich 244 sinnvoll verwertbare Bögen in die weitere Analyse ein.
58
Um die Bewertungsaufgabe zu erleichtern, erfolgte die Angabe der Wahlwahrscheinlichkeiten auf einer 7er-Likert-Skala, die von „1 = würde ich auf keinen Fall wählen“ bis „7 = würde ich auf jeden Fall wählen“ reichte.
150
4 Die Nachfragerperspektive
4.2.2.2
Ergebnisse der empirischen Untersuchung
Im Anschluss an die Datenerhebung erfolgte die weitere Datenanalyse im Rahmen einer Multilevel-Ordered-Logit-Regressionsanalyse mit dem Statistikpaket GLLAMM für Stata (Rabe-Hesketh, Skrondal 2008).59 Um die definitorischen Unterschiede zwischen dem klassischen Angebot und dem Performance Contracting aus der Systematik (Abb. 4.23) sauber unterscheiden zu können, wurden zwei Analysen durchgeführt, die jeweils dimensionsspezifisch ausgerichtet waren.60 Folglich wurde für die Dimension des Investitionsrisikos sowie des Maschinenverfügbarkeitsrisikos jeweils separat der Einfluss der betrachteten Faktoren auf die Geschäftsmodellwahl getestet,61 bevor die Ergebnisse beider Analysen im Anschluss in einer dimensionsübergreifenden Betrachtung zusammengeführt wurden. Nur durch diese Vorgehensweise kann eine aussagekräftige Überprüfung der Einflussfaktoren der Geschäftsmodellwahl bei einer gleichzeitigen Trennung der zentralen definitorischen Unterscheidungsdimensionen zwischen dem klassischen Angebot und dem Performance Contracting erfolgen. Durch diesen Aufbau kann ermittelt werden, ob und wann dem Nachfrager lediglich die Abdeckung des Investitionsrisikos (Produktionskapazitätenleasing) oder des Maschinenverfügbarkeitsrisikos (Full Service Contract) ausreicht oder er die Abdeckung beider Risiken (Performance Contracting) präferiert. Darauf aufbauend können aus Anbietersicht Empfehlungen für das situationsbedingte Angebot der Extremform Performance Contracting oder der weniger riskanten Übergangsformen abgeleitet werden.
59
Für eine ausführliche Darstellung der durchgeführten Analyse vgl. auch Weddeling (2010). Für ein ähnliches Vorgehen vgl. z.B. Ailawadi et al. 2008; Stremersch et al. 2003. 61 Dazu wurden jeweils die angegebenen Wahlwahrscheinlichkeiten der zwei Geschäftsmodelle, die einer Dimensionsausprägung zugeordnet werden können, zusammengefasst. Bspw. wurden in der Dimension Investitionsrisiko die angegebenen Wahlwahrscheinlichkeiten für das klassischen Angebot und den Full Service Contract zusammengefasst, um die Präferenz für die Anschaffungsauszahlung zu ermitteln. Dieser wurde die Präferenz für das variable Entgelt gegenübergestellt, die sich aus den Wahlwahrscheinlichkeiten für das Produktionskapazitätenleasing und das Performance Contracting zusammensetzt. 60
4.2 Innovative Geschäftsmodelle
Abb. 4.25: Dimensionsübergreifende Ergebnisdarstellung
151
152
4 Die Nachfragerperspektive
In Abb. 4.25 sind die Ergebnisse der dimensionsübergreifenden Analyse – unter Rückgriff auf die Einordnungssystematik aus Abb. 4.23 – grafisch dargestellt. Berücksichtigt werden in der Abbildung sowie im Folgenden nur die Faktoren, von denen auf Basis der durchgeführten Analyse ein relativ umfangreicher Einfluss auf die Geschäftsmodellwahl ausgeht. Die Stärke und die Richtung des Einflusses der überprüften Faktoren auf die Wahl der jeweiligen Geschäftsmodelle sind durch die angegebenen Pfeile erkennbar. Ist ein Pfeil besonders lang, so hat der zugehörige Faktor einen sehr umfangreichen Einfluss auf die Geschäftsmodellwahl. Die Faktoren mit kurzen Pfeilen sind hingegen nur relativ wenig einflussreich. Während die Zahlen an den Pfeilen darüber hinaus der Nummerierung der Einflussfaktoren dienen, zeigen die „“-Zeichen, an welchem Ende des Pfeils der Einflussfaktor besonders hoch ausgeprägt ist. Beispielsweise hat die strategische Bedeutung des hybriden Leistungsbündels, die den transaktionsspezifischen Einflussfaktoren zugeordnet werden kann, die Nummer (6). Die höchste strategische Bedeutung kann dem Ende des Pfeils zugeordnet werden, an dem das angebracht ist, sodass die strategische Bedeutung im vorliegenden Fall auf dem betrachteten Pfeil nach oben rechts hin zunimmt. Der Einfluss einer hohen strategischen Bedeutung eines hybriden Leistungsbündels auf die Geschäftsmodellwahl kann somit oben rechts an der Pfeilspitze des Einflussfaktors (6) abgelesen werden. Soll also ein Fall betrachtet werden, in dem der Nachfrager ein hybrides Leistungsbündel mit einer hohen strategischen Bedeutung erwerben will, so legt die nach oben rechts gerichtete Pfeilspitze den Schluss nahe, dass der Nachfrager in diesem Fall den Full Service Contract bevorzugen würde. Andererseits ist die strategische Bedeutung an der gegenüberliegenden Seite des Pfeils, also unten links, besonders gering. Bei einer geringen strategischen Bedeutung würde somit das Produktionskapazitätenleasing am ehesten vom Nachfrager gewünscht. Alle anderen möglichen Ausprägungen der strategischen Bedeutung würden zwischen den beiden Extrempunkten liegen. Bei Betrachtung der Einflussfaktoren wird deutlich, dass einzelne Pfeile senkrecht oder waagerecht angeordnet sind. Dies bedeutet für die waagerechten Pfeile (z.B. beim technischen Wissen (Einflussfaktor (2)), dass der betrachtete Einflussfaktor nur einen Einfluss auf die Entscheidung zwischen der Übernahme und der Auslagerung des Maschinenverfügbarkeitsrisikos ausübt (im Falle des technischen Wissens: je höher das technische Wissen (linkes Ende des Pfeils; durch das dargestellt), desto eher wünscht der Nachfrager, das Maschinenverfügbarkeitsrisiko und die damit verbundene Kombination von Produkt und Dienstleistungen selbst zu übernehmen). Verläuft der Pfeil demgegenüber senkrecht (z.B. bei der Volatilität der Nachfrage (5)), so hat der betrachtete Effekt lediglich einen Einfluss auf die Auslagerung oder Übernahme des Investitionsrisikos (im Falle der Volatilität der Nachfrage: je höher die Volatilität der Nachfrage (unteres Ende des Pfeils; durch das dargestellt), desto eher will der Nachfrager das Investitionsrisiko auf den Anbieter auslagern und somit das variable Entgelt wählen).
4.2 Innovative Geschäftsmodelle
153
Die Pfeile für das Risiko des Verlusts impliziten Wissens (3), für die die technische Volatilität (4) sowie für die strategische Bedeutung (6) laufen darüber hinaus weder senkrecht noch waagerecht. In diesen Fällen üben diese Effekte sowohl einen Einfluss auf die Übernahme oder Auslagerung des Investitionsrisikos als auch des Maschinenverfügbarkeitsrisikos aus, sodass durch die Kombination dieser dimensionsspezifischen Effekte die Pfeile nicht direkt auf einer der Achsen, sondern zwischen den Achsen verlaufen. Zu erkennen ist insgesamt, dass zahlreiche Fälle auftreten können, in denen die betrachteten Geschäftsmodelle mehr oder weniger stark vom Nachfrager gewünscht würden. Um ein besseres Gespür für diese komplexe Entscheidungssituation entwickeln zu können, sollen die Effekte der einzelnen Einflussfaktoren im Folgenden detailliert betrachtet werden. (1) Finanzielle Ressourcen Zunächst einmal kann auf Basis der Ergebnisse festgestellt werden, dass die finanziellen Ressourcen einen Einfluss auf die Übernahme oder Übertragung des Investitionsrisikos und somit auf die Wahl zwischen Anschaffungsauszahlung und variablem Entgelt ausüben. Zu den finanziellen Ressourcen können dabei neben freien liquiden Mitteln sowie der nicht ausgenutzten Fremdkapitalkapazität auch die Ressourcen gezählt werden, die über den Kapitalmarkt in Form von Einlagenoder Risikokapital gewonnen werden können. Die Besonderheit der finanziellen Ressourcen liegt darin begründet, dass diese bei Gebrauch sofort vollständig untergehen (Bamberger, Wrona 1996). Zudem sind sie extrem flexibel einsetzbar und können dadurch auch in andere Ressourcen – z.B. durch Investitionen – überführt werden. Da den meisten Unternehmen finanzielle Ressourcen nur in einem relativ stark begrenzten Umfang zur Verfügung stehen, ist es folglich die Aufgabe eines Unternehmens, diese in möglichst hoch rentable Verwendungsrichtungen zu leiten (Mahoney, Pandian 1992). Übertragen auf die Beschaffung hybrider Leistungsbündel kann auch die Investition in eine industrielle Spezialmaschine oder Anlage eine hoch rentable Verwendungsrichtung darstellen. Entscheidet sich der Nachfrager für die Übernahme des Investitionsrisikos und somit für die Anschaffungsauszahlung, so geht das Investitionsgut vollständig in den Verfügungsbereich des Nachfragers über, sodass dieses dem Nachfrager dauerhaft für beliebige Produktionsprozesse zur Verfügung steht. Fehlen die finanziellen Ressourcen, so muss die Auswahl der rentabelsten Verwendungsrichtungen wesentlich restriktiver erfolgen und konzentriert sich demnach auf die Ressourcen, die den Kernkompetenzen des Nachfragers am nächsten liegen. In Bezug auf die Unterscheidung zwischen Anschaffungsauszahlung und variablem Entgelt bedeutet dies, dass die Anschaffungsauszahlung bei begrenzt vorhandenen finanziellen Ressourcen des Nachfragers entweder nicht möglich ist oder zu einer unmittelbaren Bindung eines umfangreichen Ressour-
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4 Die Nachfragerperspektive
cenanteils führt. Beim variablen Entgelt erfolgt hingegen zunächst keine Kapitalbindung, sodass die finanziellen Ressourcen für die Verwendung in Kernkompetenzen freigesetzt werden. Aus diesem Grund wird im vorliegenden Fall von den Nachfragern mit einer geringen finanziellen Ressourcenausstattung eher das variable Entgelt gewählt, während die Unternehmen mit umfangreichen finanziellen Ressourcen eher die Anschaffungsauszahlung vorziehen. Die Präferenz für einen Kauf ist also umso größer, je besser der Nachfrager finanziell ausgestattet ist. (2) Technisches Wissen Das technische Wissen eines Unternehmens beeinflusst die Präferenz für die Übernahme des Maschinenverfügbarkeitsrisikos. Das technische Wissen beeinflusst somit die Entscheidung zwischen einer eigenständigen Kombination von Investitionsgut und Dienstleistungen sowie einer Auslagerung dieser Leistung auf den Anbieter, der gleichzeitig die Maschinenverfügbarkeit garantiert. Das den Unternehmen zur Verfügung stehende Wissen kann als zentrales Element beim Aufbau und bei der Nutzung organisationaler Kompetenzen definiert werden (Kogut, Zander 1992). Bei einer Ungleichverteilung zwischen konkurrierenden Unternehmen kann Wissen – und insbesondere implizites Wissen, das nur sehr schwer dokumentierbar ist und „implizit“ in den Fertigkeiten der Unternehmensmitarbeiter verankert ist – in unternehmensspezifische, wertvolle und schwer imitierbare Prozesse oder Prozessergebnisse münden und somit zu Wettbewerbsvorteilen für den Wissenseigner führen (Freiling 2001, S. 117). In Bezug auf die mögliche Auslagerung des Maschinenverfügbarkeitsrisikos ist dabei vor allem das Wissen über die technische Funktionsweise industrieller Investitionsgüter (technisches Wissen) relevant, da dieses für den Betrieb dieser Investitionsgüter sowie die Kombination der dafür benötigten Dienstleistungen eine Grundvoraussetzung darstellt. Besitzt ein nachfragendes Unternehmen ein hohes technisches Wissen, so kann die interne Leistungserbringung in Form der problem- und zielgerichteten Kombination von Sach- und Dienstleistungen einen Wettbewerbsvorteil für das nachfragende Unternehmen hervorrufen. Das Wissen kann in diesem Fall zu einer Kernkompetenz in Bezug auf die Sicherstellung des Maschinenverfügbarkeitsrisikos führen und zu relativ geringen Kosten genutzt werden (John et al. 1999). Die Zusammenstellung von Produkt und Dienstleistungen erfolgt demnach bei hohem technischem Wissen der Kunden eher im nachfragenden Unternehmen (Argyres 1996). Verfügt das nachfragende Unternehmen hingegen nicht über das erforderliche technische Wissen, wäre der Aufbau der für die sachgerechte Zusammenstellung von Investitionsgut und Dienstleistungen notwendigen Expertise nur sehr schwer möglich und mit hohen Kosten und einem hohen zeitlichen Aufwand verbunden (Mayer, Salomon 2006). In diesem Fall ist eine Auslagerung auf den Anbieter der Leistung vorteilhaft, da dieser in den meisten Fällen über eine hohe Erfahrung in
4.2 Innovative Geschäftsmodelle
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Bezug auf die zielgerichtete Kombination von Investitionsgut und Dienstleistung verfügt. (3) Risiko des Verlusts impliziten Wissens Verfügt ein Nachfrager eines hybriden Leistungsbündels in hohem Maße über implizites Wissen, so besteht die Gefahr, dass dieses Wissen bei der Zusammenarbeit mit dem Anbieter des Leistungsbündels an diesen abfließen kann. Da dieses implizite Wissen in besonderer Weise die Basis für einen dauerhaften und verteidigungsfähigen KKV® darstellt, wäre dieser Abfluss aus Sicht des Nachfragers äußerst problematisch (Freiling 2001, S. 117). In Abb. 4.25 wird deutlich, dass der Nachfrager im Falle eines hohen Risikos des Verlusts impliziten Wissens sowohl das Maschinenverfügbarkeitsrisiko als auch das Investitionsrisiko tendenziell selber übernehmen würde. Dies ist gleichbedeutend mit der eigenständigen Kombination von Produkt und dazugehörigen Dienstleistungen (Dimension Maschinenverfügbarkeitsrisiko) sowie der Tätigung eines Kaufs (Dimension Investitionsrisiko). Erklärt werden kann dies in erster Linie durch die Kontakt- und Abstimmungsintensität zwischen Anbieter und Nachfrager. Während diese beim klassischen Angebot eher begrenzt ist, ist beim Performance Contracting eine relativ umfangreiche Abstimmung zwischen Anbieter und Nachfrager erforderlich, um die vereinbarte Maschinenverfügbarkeit tatsächlich sicherstellen zu können. Bei Inanspruchnahme des Performance Contracting muss der Anbieter beispielsweise selbständig entscheiden können, wann Maschinenüberholungen anstehen oder in welcher Regelmäßigkeit die Maschinen gewartet werden sollen. Dies bedingt unweigerlich die Gewährung eines Zugangs zu den Wertschöpfungsprozessen des Nachfragers. In Folge der zahlreichen notwendigen Interaktionen mit dem Personal des Nachfragers wird dem Anbieter somit ein direkter Zugang zum impliziten Wissen und damit potenziell zu den Kernkompetenzen des Nachfragers gewährt. Die Imitation der Kernkompetenzen wird folglich erleichtert, wodurch die Nachhaltigkeit des wissensbasierten nachfragerseitigen Wettbewerbsvorteils gefährdet werden kann (Liebeskind 1996). Aus diesem Know-how-Zugang resultiert die Gefahr opportunistischen Verhaltens, also der Voranstellung des Eigeninteresses auf Kosten des Nachfragers durch List, Tücke oder die Zurückhaltung relevanter Informationen, in zwei möglichen Ausgestaltungsformen (Williamson 1985, S. 54): Einerseits kann der Anbieter sich ohne Gegenleistung Wissen aneignen und dieses verwenden, um die Position des Nachfragers in zukünftigen Verhandlungssituationen auszunutzen (z.B. durch Androhung der Nutzung oder Weitergabe dieses Wissens) (Williamson 1985, S. 51). Andererseits könnte der Anbieter das gewonnene Wissen bewusst oder unbewusst an seine übrigen Kunden weitergeben, wodurch die Wettbewerbsfähigkeit des Nachfragers akut gefährdet werden kann (Pisano 1990).
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4 Die Nachfragerperspektive
Problematisch ist dies vor allem deshalb, da opportunistisches Verhalten insbesondere bei implizitem Wissen aufgrund der schwierigen Kontrollierbarkeit und Nachweisbarkeit kaum vertraglich abgesichert werden kann (Hennart 1988; Williamson 1985, S. 51), sodass hieraus ein hohes Risiko des Verlusts impliziten Wissens resultiert. Die Ergebnisse zeigen sehr deutlich, dass der Nachfrager dieses Verlustrisiko dadurch zu verringern versucht, indem er das Maschinenverfügbarkeitsrisiko selber übernimmt. Bezüglich der Übertragung des Investitionsrisikos auf den Anbieter kann der beobachtbare Effekt analog erklärt werden: Der Nachfrager wählt bei einem hohen Risiko des Verlusts impliziten Wissens den Kauf, da in diesem Fall der Kontakt zwischen Anbieter und Nachfrager des hybriden Leistungsbündels auf die Verhandlungsphase und die Abwicklungsphase des Auftrags beschränkt ist und mit der Abnahme bzw. Inbetriebnahme des Investitionsgutes endet. Zu diesem Zeitpunkt geht das Investitionsgut vollständig in den Verfügungsbereich des Nachfragers über, sodass grundsätzlich kein weiterer planmäßiger Austausch mit dem Anbieter erfolgt. Demgegenüber würde der Kontakt beim variablen Entgelt nicht mit der Inbetriebnahme des Investitionsgutes enden. Bei einer nutzungsabhängigen Abrechnungsform wäre beispielsweise in regelmäßigen Abständen ein Informationsaustausch in Bezug auf die genutzten Produktionskapazitäten notwendig. Dabei wird sich der Anbieter nicht allein auf die einseitige Mitteilung dieser Kapazitäten durch den Nachfrager verlassen, da diese z.B. durch die Angabe einer unwahrheitsgemäßen Kapazitätsnutzung opportunistisch ausgenutzt werden könnte. Aus diesem Grund wird der Anbieter bei Vertragsabschluss auf Kontrollmechanismen bestehen, die ihm ebenfalls einen Überblick über die genutzten Kapazitäten ermöglichen. Die Nutzung dieser Kontrollmechanismen führt zu einem verstärkten Kontakt mit dem Nachfrager und kann potenziell auch den Zugang zu implizitem Wissen ermöglichen. Dieser Zugang kann nach obiger Argumentation wiederum opportunistisch durch den Anbieter ausgenutzt werden und resultiert in einem erhöhten Risiko des Verlusts impliziten Wissens. Dieses Risiko kann vom Nachfrager einzig durch die Wahl der Anschaffungsauszahlung vollständig ausgeschlossen werden, sodass diese im vorliegenden Fall erfolgt. (4) Technische Volatilität Die technische Volatilität bezieht sich auf das Ausmaß der Schnelligkeit und der Unvorhersehbarkeit eines technologischen Wandels und wird durch Standardisierungsprozesse, Nachfrageverschiebungen oder technologische Weiterentwicklungen beeinflusst (Stremersch et al. 2003). Schnelllebige und unvorhersehbare Märkte bringen eine rasche Veralterung bestehender Technologien mit sich, woraus bei den Nachfragern eine Investitionszurückhaltung resultieren kann (Heide, John 1990).
4.2 Innovative Geschäftsmodelle
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Übertragen auf die vorliegende Untersuchung bedeutet dies in Bezug auf die Wahl zwischen Anschaffungsauszahlung und variablem Entgelt, dass sich Nachfrager in einem schnellen und unvorhersehbaren technologischen Umfeld bei der Wahl einer Technologie möglichst nicht langfristig binden wollen, um kurzfristig und flexibel auf Technologieverschiebungen reagieren zu können. Folglich verzichten die Nachfrager auf eine Investition in Form einer Anschaffungsauszahlung, mit der sie sich langfristig für eine – unter Umständen dauerhaft unterlegene – Technologie entscheiden würden. Vielmehr wird bei einem hohen Risiko der schnellen technologischen Veralterung das variable Entgelt bevorzugt, das für den Nachfrager eine höhere Flexibilität bei der zukünftigen technischen Ausstattung des Unternehmens mit sich bringt. Analog gestaltet sich die Situation in Bezug auf das Maschinenverfügbarkeitsrisiko. In einem schnellen und unvorhersehbaren technischen Marktumfeld besteht bei einer Maschinenbeschaffung generell die Gefahr, dass auch die dazugehörigen Dienstleistungsprozesse schnell veraltet sein können. Entscheidet sich der Nachfrager dazu, das Maschinenverfügbarkeitsrisiko zu übernehmen, so ist er für die Kombination von Investitionsgut und dazu passenden Dienstleistungen eigenständig verantwortlich. Er kann hierbei nicht auf das Wissen und die Informationen über technische Neuerungen des Anbieters zurückgreifen und muss sich selbst kontinuierlich über mögliche technologische Veränderungen informieren, was mit hohen Kosten verbunden sein kann. In Folge wird es dem Nachfrager nur eingeschränkt möglich sein, technologische Verbesserungen oder Dienstleistungsprozessanpassungen umzusetzen. Demgegenüber ist bei einer Auslagerung des Maschinenverfügbarkeitsrisikos der Anbieter für die Kombination von Investitionsgut und industriellen Dienstleistungen verantwortlich. Dieser kann unter Berücksichtigung vertraglicher Anforderungen in der Regel eigenständig entscheiden, in welchem Umfang er technologische Verbesserungen in das Angebot einbringt. Das Interesse dieser technischen Aufrüstung dürfte für den Anbieter des Investitionsgutes durchaus vorhanden sein: Durch die Verfügbarkeitsgarantie ist der Anbieter dazu verpflichtet, eine bestimmte Mindestverfügbarkeit sicherzustellen. Helfen technologische Innovationen bei dieser Zielerfüllung, so kann der Anbieter diese eigenständig in das Angebot integrieren, ohne dass dem Nachfrager daraus Nachteile oder zusätzliche Kosten entstehen. Darüber hinaus ermöglicht die Einbringung technischer Innovationen eine Verkürzung des innovationsbedingten Marktreifeprozesses und bietet demzufolge Vorteile bei der Durchsetzung von Marktstandards. Die Übertragung des Maschinenverfügbarkeitsrisikos wird demnach gegenüber einer eigenständigen Kombination von Produkt und Dienstleistungen als umso vorteilhafter eingestuft, je höher die technische Volatilität ist. Zudem wird durch die Auslagerung auf den Anbieter der Leistung die Unsicherheit über eine mögliche technologische Veralterung reduziert.
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4 Die Nachfragerperspektive
(5) Volatilität der Nachfrage Die Volatilität der Nachfrage bezieht sich auf die Unvorhersehbarkeit der Nachfrage nach einem bestimmten Produktionsoutput und die damit verbundene Unfähigkeit, das benötigte Produktionsvolumen treffsicher planen und steuern zu können (Parmigiani 2007). Ist die Nachfrage auf einem Markt stark schwankend und nur schwer vorhersehbar, so ist demnach eine zuverlässige und abgestimmte Produktions- und Absatzplanung nur eingeschränkt möglich. In Folge können Kosten für die notwendige Marktanalyse und Informationsbeschaffung entstehen. Da allerdings selbst bei einer sehr umfangreichen Informationsbeschaffung keine vollständige Planungssicherheit hergestellt werden kann, fallen voraussichtlich weitere Kosten für eine Unter- (z.B. Konfliktkosten für nicht bediente Verträge) oder Überdeckung (z.B. Abwicklungskosten für die Einlagerung der produzierten Güter) der Marktnachfrage an. In Bezug auf eine langfristig ausgerichtete Beschaffung eines hybriden Leistungsbündels kann daraus gefolgert werden, dass die Amortisation des zugrunde liegenden Investitionsgutes durch schwankende Produktions- und Absatzvolumina nur noch bedingt gewährleistet werden kann. Wie die Ergebnisse zeigen, resultiert dies im vorliegenden Fall ebenfalls in einer zurückhaltenden Investitionspolitik, sodass die Anschaffungsauszahlung tendenziell eher weniger präferiert wird. Beim variablen Entgelt ist der Einfluss eines starken Einbruchs des Marktvolumens auf die Rentabilität demgegenüber geringer. Zwar ist auch hier die Vorhersehbarkeit der Marktnachfrage ebenso unsicher wie bei der Anschaffungsauszahlung, allerdings ist die Amortisation einer getätigten Investition in diesem Fall nicht notwendig. Das Amortisationsrisiko wird vielmehr auf den Anbieter der Maschine übertragen, sodass im vorliegenden Fall bei einer hohen Volatilität der Nachfrage eine höhere Präferenz für die Auslagerung des Investitionsrisikos auf den Anbieter festgestellt werden kann. (6) Strategische Bedeutung Beschafft ein Unternehmen ein strategisch bedeutsames hybrides Leistungsbündel, so nimmt die darin enthaltene Maschine oder Anlage im Produktionsprozess des Unternehmens, z.B. bei der Erstellung eines wichtigen Endproduktes, eine bedeutsame Rolle ein. Mit anderen Worten leistet das hybride Leistungsbündel in diesem Fall einen hohen Beitrag zur angestrebten Wettbewerbsdifferenzierung. In der Regel wird diese Wettbewerbsdifferenzierung durch eine unternehmensspezifische Leistung ermöglicht, mit der das Unternehmen sich von den Wettbewerbern abgrenzen kann. Handelt es sich demnach um ein hybrides Leistungsbündel, das eine besonders bedeutsame Maschine oder Anlage beinhaltet, so können Probleme bei der Nutzung dieser Maschine oder Anlage oder bei der unzureichenden Bereitstellung
4.2 Innovative Geschäftsmodelle
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notwendiger Dienstleistungen zum Betrieb der Maschine in einem großen Schaden für den Nachfrager resultieren. Verlässt sich ein Unternehmen in diesem Fall auf einen externen Anbieter und lagert eine Leistung aus, so sind auf Grund der potenziell möglichen Schäden sowie eines möglicherweise opportunistisch handelnden Anbieters umfangreiche und kostspielige Schutzmaßnahmen zu treffen (Picot 1991). Opportunistisches Verhalten kann trotz umfangreicher Kosten allerdings nicht gänzlich ausgeschlossen werden, da die Vollständigkeit der vertraglichen Absicherung nicht gewährleistet werden kann. In Folge steigt beim Nachfrager das Sicherheits- und Kontrollbedürfnis über das hybride Leistungsbündel, das bei einer innerbetrieblichen Leistungserbringung potenziell besser befriedigt werden kann (Anderson, Oliver 1987; Eisenhardt 1985). Aus diesem Grund wird im vorliegenden Fall das Investitionsrisiko bei einer hohen strategischen Bedeutung der Maschine oder Anlage durch den Nachfrager übernommen, sodass in diesem Fall eine Entscheidung für den Kauf getroffen wird. Bei der Entscheidung für die Übernahme des Maschinenverfügbarkeitsrisikos müsste nach dieser Begründung ebenfalls eine Übernahme dieses Risikos durch den Nachfrager erfolgen. Dass dies nicht der Fall ist, kann durch einen Abwägungsprozess zwischen den Absicherungskosten und den möglichen Vorteilen einer Auslagerung des Risikos begründet werden. So wird im vorliegenden Fall in Bezug auf die Sicherstellung der Maschinenverfügbarkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit beim Anbieter der Maschine eine Kernkompetenz vermutet, die das eigene technische Wissen übersteigt. Die Verfügbarkeitsgarantie des Anbieters kann zudem verstärkend wirken, sodass letztendlich bei einer hohen strategischen Bedeutung das Maschinenverfügbarkeitsrisiko tendenziell eher auf den Anbieter der Maschine ausgelagert wird. (7/8) Interaktionseffekte Zwischen den Einflussfaktoren der beiden untersuchten Oberkategorien konnten im Rahmen der Analyse zudem zwei Interaktionseffekte identifiziert werden. In diesem Zusammenhang kann auch der soeben vermutete Zusammenhang zwischen der strategischen Bedeutung eines hybriden Leistungsbündels und dem technischen Wissen eines Nachfragers bestätigt werden. Ist das technische Wissen des Nachfragers sehr hoch und handelt es sich gleichzeitig um ein strategisch bedeutsames hybrides Leistungsbündel, so kommt es zu einem sich verstärkenden Effekt. Die Präferenz für die Übernahme des Maschinenverfügbarkeitsrisikos bei einem hohen technischen Wissen wird also noch einmal erhöht, wenn das hybride Leistungsbündel strategisch besonders bedeutsam ist. Ein weiterer Interaktionseffekt kann zwischen der strategischen Bedeutung und den finanziellen Ressourcen beobachtet werden. Wenn der Nachfrager besonders gut mit finanziellen Mitteln ausgestattet und gleichzeitig die strategische Bedeu-
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4 Die Nachfragerperspektive
tung des hybriden Leistungsbündels besonders hoch ist, fällt die Präferenz für den Kauf besonders hoch aus. In Bezug auf das Performance Contracting kann auf Basis der dargestellten Einflüsse zusammenfassend festgestellt werden, dass dieses gegenüber den klassischen Geschäftsmodellen insbesondere dann bevorzugt wird, wenn das Risiko des Verlusts impliziten Wissens (3) gering sowie die technische Volatilität (4) hoch ist. Zudem ist das Performance Contracting tendenziell eine vorziehenswürdige Option, wenn die Volatilität der Nachfrage (5) hoch sowie die finanziellen Ressourcen (1) und das technische Wissen (2) jeweils in geringem Umfang im nachfragenden Unternehmen vorhanden sind. Bei den drei letztgenannten Einflussfaktoren würde allerdings auch das Produktionskapazitätenleasing (bei hoher Volatilität der Nachfrage und geringer finanzieller Ressourcenausstattung) oder der Full Service Contract (bei geringem technischem Wissen) aus Nachfragersicht gleichermaßen bevorzugt. Bzgl. der strategischen Bedeutung (6) kann festgestellt werden, dass dieser Faktor in keinem Fall die Wahl des Performance Contracting positiv beeinflusst. Zudem sprechen umfangreiche positive Interaktionen zwischen der strategischen Bedeutung und dem technischen Wissen (7) für die Wahl des klassischen Angebots oder des Produktionskapazitätenleasings sowie zwischen der strategischen Bedeutung und den finanziellen Ressourcen (8) für die Wahl des klassischen Angebots oder des Full Service Contracts.62 4.2.3
Anbieterbezogene Handlungsempfehlungen
Auf Basis der durchgeführten Analyse lassen sich für Anbieter, die Investitionsgüter und industrielle Dienstleistungen zu nachfragerspezifischen hybriden Leistungsangeboten kombinieren wollen, um sich im Wettbewerb differenzieren zu können, zahlreiche Erkenntnisse ableiten: x Die ermittelten Ergebnisse ermöglichen eine gezielte Ansprache von Kunden mit einer spezifischen Ressourcenausstattung sowie die situationsbedingte Anpassung von spezifischen Geschäftsmodellangeboten. Greift man dabei auf die in der Literatur verbreiteten Stufen- oder Reifemodelle zurück, die Empfehlungen für den sukzessiven Einstieg in das komplexe Geschäftsmodell Performance Contracting bieten, so kann auf Basis dieser Untersuchung festgestellt werden, dass eine vollständige Ausreizung dieser Reifemodelle (und somit das Angebot des Performance Contracting) in vielen Situationen weder notwendig noch ratsam ist. x Konkret kann in Bezug auf die Wahl des Geschäftsmodells Performance Contracting festgestellt werden, dass insbesondere wissensbasierte Faktoren 62
Bei umfangreichen negativen Interaktionen würden jeweils die anderen beiden Geschäftsmodelle eher gewählt.
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wie ein geringes technisches Wissen des Nachfragers sowie ein geringes Risiko des Verlusts impliziten Wissens die Wahl des Geschäftsmodells Performance Contracting aus Nachfragersicht positiv beeinflussen können. Anbieterseitig sollte in diesen Fällen der Einstieg in das Performance Contracting auf Basis einer detaillierten Kompetenz-, Risiko- und Wirtschaftlichkeitsanalyse geprüft werden. Zudem ist das Performance Contracting aufgrund der dadurch entstehenden Flexibilisierungspotenziale bei einer hohen technischen Volatilität, einer hohen Volatilität der Nachfrage sowie einer geringen finanziellen Ressourcenausstattung des Nachfragers eine vorziehenswürdige Option. Aus Sicht eines finanzstarken Anbieters gilt es diesbezüglich, z.B. in einer konjunkturellen Rezession oder Depression den Einsatz der eigenen finanziellen Ressourcen als Instrument zur Geschäftsmodellgestaltung zu prüfen. So können auch in konjunkturell schwierigen Phasen Differenzierungs-, Kundenbindungs- und Erlöspotenziale im Wettbewerb erschlossen werden. Bei einer hohen Volatilität der Nachfrage sowie einer geringen finanziellen Ressourcenausstattung der Nachfrager ist die Präferenz für das Performance Contracting allerdings einzig auf die Übertragung des Investitionsrisikos auf den Anbieter der Leistung zurückzuführen. Gelingt es dem Anbieter folglich, das Investitionsrisiko anderweitig zu übernehmen, zum Beispiel durch das Angebot eines Produktionskapazitätenleasings, so kann daraus in den genannten Fällen gegenüber dem Angebot von Performance Contracting-Lösungen ein risikoärmeres Geschäftsmodellangebot mit Differenzierungspotenzial im Wettbewerb resultieren. Gleiches gilt für den geringen Umfang technischen Wissens beim Nachfrager, bei dem dieser lediglich eine Auslagerung des Maschinenverfügbarkeitsrisikos auf den Anbieter des Investitionsgutes wünscht. Somit ist ein anbieterseitiger Einstieg in das Performance Contracting in diesem Fall nicht zwingend erforderlich. Kann dieses Risiko zum Beispiel durch das Angebot eines Full Service Contracts abgedeckt werden, so stellt ein Angebot eines derartigen Geschäftsmodells einen weniger risikoreichen Einstieg in differenzierende und nachfrageradäquate Geschäftsmodelle dar als das Performance Contracting und sollte somit ernsthaft in Erwägung gezogen werden. Würde sich ein Nachfrager nur auf Basis der strategischen Bedeutung eines Investitionsgutes für ein Geschäftsmodell entscheiden, so stellt das Performance Contracting aus Anbietersicht – auf Basis der vorliegenden Ergebnisse – ebenso keine sinnvolle Option dar. Vielmehr wäre bei einer hohen strategischen Bedeutung ein zum Full Service Contract vergleichbares Geschäftsmodell ratsam, das neben einer Übernahme des Investitionsrisikos durch den Nachfrager die Übernahme des Maschinenverfügbarkeitsrisikos durch den Anbieter vorsieht. Analog ist bei einer geringen strategischen Bedeutung eine gegensätzliche Risikoverteilung und somit beispielsweise das Angebot eines Produktionskapazitätenleasings ratsam. Einschränkend muss in diesem Zusammenhang allerdings hinzugefügt werden, dass es auf Nachfragerseite in Bezug auf das vorhandene technische Wissen
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4 Die Nachfragerperspektive
und die strategische Bedeutung eines Investitionsgutes zu einem Abgleich zwischen den Fähigkeiten des Anbieters und des Nachfragers kommt, der im Fall einer höheren Kompetenzvermutung beim Anbieter zu einer Auslagerung der Leistung führt. Diesbezüglich gilt es aus Anbietersicht, beim Angebot hybrider Leistungsbündel im Allgemeinen sowie im Speziellen beim Angebot von Performance Contracting-Lösungen die eigenen Kernkompetenzen in Bezug auf die kaufrelevanten Merkmale durch geeignete Signaling-Maßnahmen wie Referenzen oder Zertifizierungen zu dokumentieren und zu kommunizieren, um den Nachfrager – trotz vorhandener Kompetenzen – zur Wahl dieser Geschäftsmodelle bewegen zu können. Sofern diese Signaling-Maßnahmen einen vertrauensbildenden Charakter besitzen, so sind diese auch geeignet, um die vom Nachfrager wahrgenommene Gefahr opportunistischen Verhaltens zu reduzieren, die den Nachfrager beispielsweise bei einem hohen Risiko des Know-howVerlustes von einer Wahl des Performance Contracting abhält. Da diese Zurückhaltung wiederum gleichbedeutend mit einer nachfragerseitigen Präferenz für die klassischen Geschäftsmodelle wäre und für den Anbieter in einem intensiven Preiskampf resultieren würde, ist ein begleitendes Signaling somit unerlässlich, um den preisgetriebenen Kampf um den Kunden durch das Angebot wettbewerbsdifferenzierender Geschäftsmodelle möglichst dauerhaft zu vermeiden. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass vor dem anbieterseitigen Einstieg in das Performance Contracting eine Vielzahl verschiedener Parameter zu berücksichtigen sind. Wenngleich in der vorliegenden Untersuchung von produktoder anbieterspezifischen Merkmalen ebenso abstrahiert wurde wie von möglichen Preisunterschieden zwischen den einzelnen Geschäftsmodellen, so liefern die Ergebnisse dieser Untersuchung erste Anhaltspunkte, auf deren Basis Anbieter die Sinnhaftigkeit eines strategischen Einstiegs in den Vertrieb von Performance Contracting-Angeboten prüfen können. Sofern es einem Unternehmen nicht möglich ist, bestimmten Effekten Rechnung zu tragen (z.B. der Übernahme des Investitionsrisikos durch die Bereitstellung eigener finanzieller Ressourcen), so stehen mit den dargestellten Zwischenformen risikoärmere Angebote mit Differenzierungspotenzial im Wettbewerb zur Verfügung. Sind auch diese nicht realisierbar, so sollte der Versuch erfolgen, lukrative Einzeldienstleistungen in den klassischen produktbezogenen Geschäftsmodellen anzubieten.
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Integrierte Softwareunterstützung der Vermarktung hybrider Leistungsbündel
5.1 Integrationsanforderungen Kapitel 3 und 4 haben gezeigt, dass die erfolgreiche Vermarktung hybrider Leistungsbündel eines systematischen Ansatzes bedarf, bei dem sowohl die Anbieterseite (Kosten) als auch die Nachfragerseite (Zahlungsbereitschaft) zusammenhängend betrachtet werden müssen. Der ServPay Navigator KKV® bildet beide Seiten durch die Effektivitäts- und gleichzeitige Effektivitätsforderung ab. Für praktische Zwecke ist es vor diesem Hintergrund sinnvoll, die Komplexität des Entscheidungsproblems durch eine softwarewerkzeugbasierte Entscheidungsunterstützung zu berücksichtigen, deren Konzeption und Realisierung in diesem Kapitel beschrieben wird. Die Entscheidungsunterstützung muss dabei die Datenabhängigkeiten zwischen den einzelnen Analysen berücksichtigen. Durch eine integrierte Datenhaltung lässt sich z. B. sicherstellen, dass sowohl die Kostenrechnung als auch die Zahlungsbereitschaftsanalyse für die identischen hybriden Leistungsbündel durchgeführt werden. Die Integration der Softwareunterstützung für das ServPay-Konzept wird dabei von zwei wesentlichen Dimensionen geprägt (vgl. Abb. 5.1, Becker et al. 2009b, 2010): x Integrationsschichten: Die Dimension unterscheidet zwischen der Abbildung der Leistungsbündelstruktur und der Abbildung der ökonomischen Konsequenzen. Die Abbildung der Leistungsbündelstruktur ist grundlegend für die softwarebasierte Entscheidungsunterstützung. Sie beschreibt die Zusammensetzung des Leistungsbündels aus Sach- und Dienstleistungsanteilen und bestimmt dessen grundlegende Eigenschaften. Die Abbildung der Leistungsbündelstruktur stellt somit sicher, dass konsistente Beschreibungen sämtlicher Sach- und Dienstleistungen zur Verfügung stehen. Diese werden für weiterführende Wirtschaftlichkeitsanalysen genutzt, welche die ökonomischen Konsequenzen, die mit dem Angebot bzw. dem Erwerb der Leistungsbündel verbunden sind, abbilden. Die Analysen fungieren damit als spezielle Auswertungsrechnungen, die einen gemeinsamen Datenbestand zur Abbildung der Leistungsbündelstruktur nutzen. Die Unterscheidung spezifischer Schichten zur Bereitstellung einer Datenbasis einerseits und zur Unterstützung von Datenauswertungen andererseits ist kennzeichnend für viele Informationssystemarchitekturen. So wird z. B. in der DataWarehouse-Architektur (Devlin 1997, Inmon 1996) ebenfalls ein integrierter Datenbestand vorgesehen, der von unterschiedlichen Auswertungswerkzeugen verwendet wird.
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5 Integrierte Softwareunterstützung
Integrationssichten: Die Diskussion des KKV®-Managements für hybride Leistungsbündel in den vorangegangenen Kapiteln hat verdeutlicht, dass die Entscheidungsunterstützung der Vermarktung hybrider Leistungsbündel aus Nachfrager-, Anbieter- und Wettbewerberperspektive zu erfolgen hat (vgl. Kapitel 2). Die absolute Preisobergrenze stellt die Zahlungsbereitschaft des Nachfragers dar, die über einen geeigneten Methodeneinsatz zu ermitteln ist. Die Preisuntergrenze wird durch die Kosten des Anbieters zur Erstellung des hybriden Leistungsangebots festgelegt. Sofern alternative Anbieter existieren – was aufgrund der Individualität hybrider Leistungsbündel nicht selbstverständlich ist –, kann neben den oben genannten Größen der niedrigste der Wettbewerberpreise entscheidungsrelevant sein. Da jede der Sichten durch spezifische Methoden unterstützt wird, ergibt sich die Forderung nach perspektivenübergreifender Konsistenz und Integration der entscheidungsrelevanten Daten. Im Folgenden werden die Nachfragerund Anbietersicht den größten Raum der Betrachtung einnehmen, da die Wettbewerbersicht mit herkömmlichen Mitteln beobachtbar ist. Ihre Einbindung wird in Kapitel 5.4.2 skizziert.
Abb. 5.1: Integrationsdimensionen und Beschreibungsebenen
Die beiden Integrationsdimensionen sind voneinander unabhängig. Dies wird am Beispiel der im Folgenden ausführlich diskutierten Schichten und Sichten verdeutlicht: x Abbildung der Leistungsbündelstruktur aus Nachfragersicht: Es ist das jeweils konkret nachgefragte Leistungsbündel abzubilden. Ein Kunde fragt z. B. eine
5.1 Integrationsanforderungen
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bestimmte Maschine von einem bestimmten Typ in Kombination mit einem Premium-Wartungsvertrag nach. Sowohl die Sach- als auch die Dienstleistungsanteile dieses Leistungsbündels müssen nachgehalten werden. Häufig sind diese Daten in speziellen Informationssystemen vorhanden. Die Struktur von Sachleistungen wird heute in der Regel in Produktionsplanungs- und steuerungssystemen durch die Pflege von Stücklisten ausführlich beschrieben. Entsprechende Beschreibungsstrukturen für Dienstleistungen werden in diesen Systemen erst in jüngerer Zeit ergänzt. Ein integrierter Datenbestand zur Abbildung der Leistungsbündelstruktur, der im Sinne der Konsistenz betriebswirtschaftlich wichtiger Informationen und der einfachen Wartbarkeit von Informationssystemen wünschenswert ist, stellt daher keine Selbstverständlichkeit dar. x Abbildung der Leistungsbündelstruktur aus Anbietersicht: Aus Sicht des Anbieters müssen nicht allein konkrete hybride Leistungsbündel abgebildet werden, sondern es ist der gesamte Möglichkeitsraum darzustellen, aus dem hybride Leistungsbündel für spezifische Kunden oder Kundengruppen ausgewählt werden können. Der Anbieter legt in diesem Zusammenhang fest, für welche Sach- und Dienstleistungsanteile er grundsätzlich die Befähigung besitzt, diese anzubieten. Mithilfe vorab definierter Regeln lässt sich zudem festhalten, welche Sach- und Dienstleistungen in Kombination angeboten werden können bzw. sollen. Beispielsweise kann der Hersteller entscheiden, dass er technisch besonders fortschrittliche Maschinenvarianten ausschließlich mit hochwertigen Dienstleistungspaketen anbietet. x Abbildung der ökonomischen Konsequenzen aus Nachfragersicht: Aus Nachfragersicht ist ein zunehmendes Interesse an dem Ausweis der mit der Investitionsentscheidung einhergehenden ökonomischen Konsequenzen63 festzustellen (Seewöster 2006). Als spezifische Auswertungsrechnung sollte daher die Bekanntgabe der mit der Anschaffung eines bestimmten Leistungsbündels verbundenen Zahlungen im Zeitablauf und die Aggregation der Zahlungsfolge in einer investitionsrechnerischen Kennzahl unterstützt werden. Anhand dieser Daten kann die Vorteilhaftigkeit eines hybriden Leistungsbündels gegenüber einem anderen nachgewiesen werden. x Abbildung der ökonomischen Konsequenzen aus Anbietersicht: Um das angebotene Leistungsportfolio an wirtschaftlichen Überlegungen ausrichten zu können, ist es für den Anbieter wichtig, die Konsequenzen der Entscheidung, einzelne Leistungsanteile zusätzlich oder nicht mehr anzubieten, beurteilen zu können. Daher sollten für die Entscheidungsunterstützung die Kosten zusätzlicher bzw. entfallender Prozesse und deren Ressourcen in speziellen Auswertungsrechnungen ermittelt werden können.
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Siehe eine ausführlichere Darstellung der Berechnung dieser sog. Total Cost of Ownership (TCO) in Kapitel 5.3.2.
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5 Integrierte Softwareunterstützung
Die Softwareunterstützung des ServPay-Konzepts sieht die Integration der für die Definition, Konfiguration und Preisfindung hybrider Leistungsbündel relevanten Daten vor. Für die Beschreibung softwaregestützter Informationssysteme ist es üblich, verschiedene Ebenen zu differenzieren, die sich hinsichtlich ihrer Nähe zur technischen Realisierung unterscheiden. Die Architektur Integrierter Informationssysteme (ARIS) (Scheer 2001, S. 1ff.) sieht die folgenden Beschreibungsebenen vor: x Fachkonzept: Im Rahmen der Fachkonzeption werden die betriebswirtschaftlich-inhaltlichen Anforderungen an das zu entwickelnde Informationssystem dargestellt. Das Fachkonzept fungiert als Schnittstelle zwischen der Fachabteilung und der IT-Abteilung. Im Vergleich zu rein umgangssprachlichen Dokumentationen sollte das Fachkonzept bereits in einem fortgeschrittenen Grad formalisiert sein, um eine geeignete Grundlage für die softwaretechnische Umsetzung zu bilden. Zugleich sollte es jedoch auch hinreichend verständlich für die Anwender aus IT-fremden Fachabteilungen sein. x DV-Konzept: Die DV-Konzeption dient der Transformation der betriebswirtschaftlich-inhaltlichen Beschreibungen in informationstechnische Lösungskonzepte. Diese Aufgabe obliegt den Informationstechnikern. Von grundlegender Bedeutung ist es dabei, die notwendigen Software- und Hardwarekomponenten zu identifizieren und in Beziehung zu setzen. Einen weiteren Schwerpunkt der DV-Konzeption bildet die Abbildung des im Fachkonzept dokumentierten Informationsbedarfs auf das gewählte Datenbankmodell. Ein Datenbankmodell formuliert eine Sicht auf die Verwaltung von Daten in einem Datenbankmanagementsystem und bildet somit die konzeptionelle Grundlage für die Datenbankabfragesprache (z. B. die Structured Query Language, SQL). Zu den bekannten Datenbankmodellen zählen das relationale, das hierarchische, das objektrelationale, das objektorientierte und das multidimensionale Datenbankmodell (Vossen 2000). x Implementierung: Die Implementierung beinhaltet die tatsächliche Umsetzung der DV-konzeptionellen Vorgaben. Hierunter fällt der Aufbau der notwendigen Hardware ebenso wie die Erstellung eines Programmcodes. Im Folgenden wird die Softwareunterstützung des ServPay-Konzepts jeweils anhand ausgewählter Schwerpunkte vorgestellt, die sich an den Integrationsschichten und -sichten orientieren. Dabei wird in jedem Kapitel die Fachkonzeption zunächst erläutert. Es werden jeweils wesentliche Konstrukte64 eingeführt, denen zur Abbildung der aus der jeweiligen Sicht relevanten Sachverhalte besondere Bedeutungen zukommen. Um dem Anspruch der Fachkonzeption, einen ersten Formalisierungsbeitrag zu leisten, gerecht zu werden, werden die Beziehungen zwischen den Konstrukten zusätzlich durch Datenmodelle veranschaulicht. Datenmodelle 64
Konstrukte sind Symbole, die das Vokabular einer Domäne, z. B. das der hybriden Wertschöpfung, bilden (March, Smith 1995). Beispiele für Konstrukte sind etwa „hybrides Leistungsbündel“ oder „Kunde“. Modellierungskonstrukte werden zu Modellierungssprachen zusammengefasst, mithilfe derer Modelle erstellt werden können.
5.1 Integrationsanforderungen
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stellen ein wesentliches Hilfsmittel zur Datenintegration dar. Mit ihnen lässt sich die gemeinsame Entstehung und Nutzung von Daten durch unterschiedliche Systembereiche dokumentieren und gestalten. Dies ist die Voraussetzung, um Datenintegrität, -konsistenz und -aktualität sicherzustellen. Als Modellierungssprache der H2-ServPay-Datenmodelle wurden EntityRelationship(ER)-Modelle gewählt (Chen 1976).65 ER-Modelle stellen eine der verbreitetsten Datenmodellierungssprachen dar (Fettke 2009). Die Popularität des ER-Modells ist im Wesentlichen auf zwei Gründe zurückzuführen: Zum einen kommt die Sprache mit nur zwei grundlegenden Konstrukten aus, die von den meisten Nutzern als sehr natürliche Ausdrucksmittel empfunden werden. Zum anderen erlauben ER-Modelle die Darstellung mitunter komplexer konzeptioneller Zusammenhänge mittels einer leicht verständlichen, graphischen Notation. Abb. 5.2 gibt einen Überblick über die wesentlichen Symbole: x Entitätstypen: Eines der zwei Grundkonstrukte von ER-Modellen bildet der Entitätstyp. Unter Entitäten (auch: Entities) werden konkrete Objekte der realen Welt verstanden. Beispielsweise stellt ein einzelner Motor eine Entität dar. Ein Entitätstyp repräsentiert eine homogene Gruppe von Entitäten (Objekten). Der Entitätstyp Bauteil fasst zum Beispiel alle konkreten Entitäten zusammen, die in Maschinen eingebaut werden können. Der Entitätstyp Artikel kann sämtliche Objekte umfassen, mit denen ein Handelsunternehmen sein Geschäft betreibt. x Beziehungstypen: Das zweite Grundkonstrukt der ER-Modelle stellt der Beziehungstyp dar. Beziehungen verknüpfen einzelne Entitäten miteinander. Beispielsweise lässt sich durch eine Beziehung festhalten, dass ein bestimmter Motor in einer bestimmten Maschine verbaut wurde. Ein Beziehungstyp repräsentiert gleichartige Beziehungen zwischen mindestens zwei Entitätstypen. Es kann sich dabei auch um denselben Entitätstyp handeln. Mit einem Beziehungstyp lässt sich allgemein abbilden, dass Motoren (erste Gruppe von Objekten) in Maschinen (zweite Gruppe von Objekten) eingebaut werden. Der Beziehungstyp Bezugsnachweis hält fest, welche Artikel von welchen Lieferanten geliefert werden. x Beziehungstyp mit Kardinalitäten: Beziehungstypen werden über Kardinalitäten genauer beschrieben. In der im Folgenden verwendeten Variante des ER-Modells werden Kardinalitäten in (min, max)Notation dargestellt. Mit ihrer Hilfe wird spezifiziert, wie oft ein Objekt einer Menge mindestens und höchstens mit einem Objekt der anderen Menge eine Beziehung eingehen muss bzw. kann. Im Falle des Bezugsnachweises spezifizieren die Kardinalitäten, dass auch Artikel oder Lieferanten in das System aufgenommen werden dürfen, für die 65
Im Folgenden werden einige Erweiterungen des Entity-Relationship-Modells aufgegriffen, vgl. hierzu Scheer 1998, S. 35 ff.; Becker, Schütte 2004, S. 85 ff.
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5 Integrierte Softwareunterstützung
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noch keine Lieferanten bzw. Artikel angegeben worden sind (minKardinalität entspricht jeweils 0). Andererseits kann ein einzelner Artikel im günstigsten Fall von beliebig vielen Lieferanten bezogen werden und ein Lieferant kann selbst beliebig viele Artikel zur Verfügung stellen (max-Kardinalität entspricht jeweils n). Betrachtet man ausschließlich die max-Kardinalitäten, so lassen sich drei Arten von Beziehungen unterscheiden: (min, 1):(min, 1)-Beziehungen (jedes Objekt der ersten Menge steht in Beziehung zu höchstens einem (min = 0) oder genau einem (min = 1) Objekt der zweiten Menge), (min, 1): (min, n)-Beziehungen (jedes Objekt der ersten Menge geht mit höchstens einem (min = 0) oder genau einem (min = 1) Objekt der zweiten Menge eine Beziehung ein, während jedes Objekt der zweiten Menge mit mehreren Objekten der ersten Menge eine Beziehung eingehen muss (min > 0) bzw. kann (min = 0)) und (min, n):(min, n)Beziehungen (jedes Objekt der ersten Menge kann (min = 0) bzw. muss mit mindestens einem (min = 1) bzw. mehreren (min > 1) Objekten der zweiten Menge eine Beziehung eingehen und umgekehrt). Uminterpretierte Beziehungstypen: Ein uminterpretierter Beziehungstyp ist ein Beziehungstyp, der einerseits als Entitätstyp zu interpretieren ist und somit über einen weiteren Beziehungstyp mit anderen Entitätstypen oder uminterpretierten Beziehungstypen in Beziehung gesetzt werden kann und andererseits auch als Beziehungstyp fungiert und zwei Entitätstypen direkt verbindet. Die Uminterpretation eines Beziehungstypen ermöglicht es somit, Relationen zwischen einer homogenen Menge von Beziehungen (also Beziehungstypen) mit homogenen Mengen anderer Objekte (Entitäten oder Beziehungen) abzubilden. Attribute: Ein Attribut beschreibt die Eigenschaften eines Entitätsoder Beziehungstyps. Schlüsselattribute ermöglichen die eindeutige Identifikation einer Entität (eines Objekts) eines Entitätstypen (innerhalb der Objektmenge). Schlüsselattribute werden durch Unterstreichung gesondert gekennzeichnet. Generalisierungen bzw. Spezialisierungen: Eine Generalisierung fasst mindestens zwei Entitätstypen zu einem verallgemeinerten Entitätstypen zusammen. Während gemeinsame Attribute der spezifischen Entitätstypen dem verallgemeinerten Entitätstypen zugeordnet werden, verbleiben individuelle Attribute bei den spezifischen Entitätstypen. Eine Spezialisierung repräsentiert den umgekehrten Sachverhalt. Die Generalisierung bzw. Spezialisierung wird durch ein Dreieckssymbol dargestellt, das zusätzlich mit Buchstaben versehen werden kann, um die spezialisierten Entitätsmengen näher zu kennzeichnen. Im Falle disjunkter (D) Mengen enthalten die spezialisierten Entitätsmengen keine Entität gemeinsam. Nicht disjunkte (N) Entitätsmengen liegen vor, falls eine Entität in mehr als einer der spezialisierten Mengen
5.1 Integrationsanforderungen
169
vorkommt. Die Spezialisierung bzw. Generalisierung ist total (T), wenn die spezialisierten Entitätsmengen in ihrer Gesamtheit die gleichen Entitäten enthalten wie die generalisierte Menge. Enthält die generalisierte Entitätsmenge mindestens eine Entität, die in keiner der spezialisierten Mengen vorkommt, so ist die Generalisierung bzw. Spezialisierung partiell (P).
Abb. 5.2: Symbole von Entity-Relationship-Modellen
Die Integration der H2-ServPay-Datenbasis wird im Folgenden anhand von Entity-Relationship-Modellen verdeutlicht. Dabei werden alle an anderer Stelle bereits eingeführten Elemente jeweils grau hinterlegt. Fehlt die graue Hinterlegung, so werden die zugehörigen Konstrukte in dem jeweiligen Kapitel erstmalig eingeführt. Aspekte der DV-Konzeption werden in den nachfolgenden Kapiteln nur dann erläutert, wenn sie als besonders charakteristisch für H2-ServPay anzusehen sind. Deshalb stehen die Auswahl und Einbindung grundlegendender Softwarewerkzeuge im Fokus der weiteren Ausführungen. Hierzu gehören beispielsweise die Wahl des H2-Toolsets als das von H2-ServPay verwendete Modellierungswerkzeug und die Berücksichtigung zusätzlicher Prozessmodellierungs- und Prozesskostenrechungsanwendungen. Das Zusammenspiel dieser Elemente wird in Kapitel 5.4.1 zusammenfassend dargestellt. Für die Datenhaltung wird ein relationales Datenbankmanagementsystem verwendet. Auf eine Darstellung von Datenbankschemata wird im Folgenden verzichtet, da für die Überführung der fachkonzeptionellen Datenmodelle in die DV-Konzeption etablierte algorithmische Verfahren
170
5 Integrierte Softwareunterstützung
vorhanden sind und Maßnahmen zur Performancesteigerung zugunsten der Diskussion des betriebswirtschaftlichen Konzepts vernachlässigt werden. Die Implementierung wird im Folgenden anhand von Screenshots illustriert. Die Abbildungen sollen durch ihre Anschaulichkeit vorrangig dem Verständnis des ServPay-Konzepts dienen und sind nicht dafür gedacht, eine Benutzerdokumentation bzw. Schulungsunterlage zu ersetzen. Entsprechende Hilfen zur Benutzung stehen auf den Webseiten des ServPay-Projekts zur Verfügung.
5.2 Abbildung der Leistungsbündelstruktur
5.2.1
Definition der Modellierungssprache mit dem H2-Toolset
Als grundlegende Schicht benötigt die Softwareunterstützung des ServPayKonzepts ein System, welches die Abbildung der Leistungsbündelstruktur ermöglicht. Aus DV-konzeptioneller Sicht eröffnen sich diverse Alternativen, um diese Anforderung umzusetzen (vgl. Tabelle 5.1): x Datenbankanwendung: Die Umsetzung des ServPay-Konzepts als Datenbankanwendung beinhaltet das Entwickeln und Anlegen einer Datenstruktur, in der die relevanten Daten zur Entscheidungsunterstützung erfasst werden. Falls die Datenrepräsentation in Form einfacher Tabellenstrukturen vorgenommen wird, erfordert auch die Entwicklung einer eigenen Lösung für die Zwecke der Datenmanipulation keinen besonderen Aufwand. Eine grafische Darstellung der Daten ist mit dem Einsatz fortgeschrittener Programmiertechniken mit einem entsprechend höheren Aufwand realisierbar. Standardisierte Schnittstellen ermöglichen beispielsweise einen unkomplizierten Zugriff auf die Datenbankeinträge in einer relationalen Datenbank, sodass sich ergänzende Anwendungen leicht anbinden lassen. Nachträgliche Veränderungen der Implementierung, z. B. zur Ergänzung weiterer Daten, machen die Anpassung der grundlegenden Datenbankstrukturen notwendig. Außerdem sind mitunter weite Teile des Programms anzupassen, sodass entsprechende Weiterentwicklungen nur durch die Experten der datenbankgestützten Anwendungssystementwicklung vorgenommen werden können. x Grafikprogramm: Die Visualisierung der Leistungsbündelstruktur ist prinzipiell eine Stärke von Grafikprogrammenwie beispielsweise Microsoft® Office Visio. Unter Zuhilfenahme von Schablonen können festgelegte Symbole für die einzelnen Konstrukte zur Abbildung der Leistungsbündelstruktur vorgegeben und anschließend zur Modellierung genutzt werden. Inwiefern die erfassten Strukturen auch in Auswertungen einbezogen werden können, wird durch das Format der Dateien determiniert, in denen die erzeugten Abbildungen per-
5.2 Abbildung der Leistungsbündelstruktur
x
x
171
sistiert werden. Nicht in jedem Fall ist ein Auslesen und Überführen in relationale Datenbankstrukturen möglich. Die Sicherstellung der ausschließlichen Verwendung zulässiger Konstrukte innerhalb der Modelle und die Gewährleistung der gegenseitigen Konsistenz der einzelnen Grafiken in ihrer Gesamtheit erfordert die Programmierung und Einbindung von Zusatzfunktionalitäten, die sich jedoch häufig nicht adäquat in die entsprechenden Grafikprogramme einbinden lassen. Anwendungen mit einer Plug-In- oder Add-On-Architektur ermöglichen derartige Erweiterungen zumindest teilweise, auch wenn diese in der Regel mit hohem Aufwand verbunden sind. Weiterentwicklungen bzw. Anpassungen der verwendeten Konstrukte zur Abbildung der Leistungsbündelstruktur erfordern die Expertise der Entwickler derartiger Programmerweiterungen. Unternehmensmodellierungswerkzeug: Werkzeuge zur Unternehmensmodellierung unterstützen die Visualisierung betriebswirtschaftlicher Sachverhalte, wobei den entsprechenden Werkzeugen fest vorgegebene Modellierungstechniken zugrunde liegen. Die Programmlogik überprüft, ob die erstellten Modelle den Regeln der unterstützten Modellierungstechniken entsprechen. Dem Benutzer werden im Zuge der Modellierung nur diejenigen Symbole zur Verfügung gestellt, die von der Modellierungstechnik vorgesehen werden, wodurch sich Fehler vermeiden lassen. Die modellübergreifende Integration wird sichergestellt, indem der Benutzer Elemente aus anderen Modellen wiederverwenden kann. Die Modelldaten werden in sogenannten Repositories abgelegt, die häufig als relationale Datenbanken umgesetzt sind und über standardisierte bzw. offen gelegte Schnittstellen den Zugriff auf die Modelldaten ermöglichen. Die Nutzung von Werkzeugen zur Unternehmensmodellierung weist daher viele Vorteile gegenüber der Implementierung von Datenbankanwendungen bzw. der Nutzung von Grafikwerkzeugen auf. Allerdings eignen sich die üblicherweise unterstützten Techniken zur Modellierung von Geschäftsprozessen bzw. zur Datenmodellierung nur eingeschränkt für die Umsetzung des ServPay-Konzepts (Becker et al. 2010). Meta-Modellierungswerkzeug: Meta-Modellierungswerkzeuge ermöglichen es – über die Funktionalität von Werkzeugen zur Unternehmensmodellierung hinausgehend – neue bzw. eigene Modellierungssprachen zu definieren oder bereits angelegte Definitionen zu ergänzen. Die Definition der Modellierungssprachen erfordert dabei keine Implementierung eines Programmcodes, da die Festlegung der Regeln der Modellierungssprache überwiegend grafisch unterstützt erfolgt und somit der Modellierung der betriebswirtschaftlichen Sachverhalte ähnelt. Für die Abbildung der Leistungsbündelstruktur wurde daher die Verwendung eines Meta-Modellierungswerkzeugs präferiert.
172
5 Integrierte Softwareunterstützung
Realisierungsalternative
Argumente (+)
Anbindung von zusätzlichen Anwendungen über standardisierte Schnittstellen Anpassung der Tabellenstruktur und Programmierung nur durch Experten der Anwendungssystementwicklung
Datenbankanwendung (-)
aufwändige, selbst zu programmierende grafische Visualisierung, häufig lediglich Tabellenstrukturen Regeln der Datenmanipulation über Constraints (definierte Beschränkungen) abbildbar
(+) ansprechende Visualisierung mit festgelegten Symbolen Anpassung der Zusatzfunktionen erfordert informationstechnische Expertise Grafikprogramm
Anbindung von zusätzlichen Anwendungen vom Format der Grafikdateien bzw. der Unterstützung von Transfor(-) mationen abhängig Überprüfung von Modellierungsregeln nur durch Zusatzprogrammierung möglich und Einbindung abhängig von der Offenheit der Systemarchitektur (Add-On etc.) Visualisierung in Form von Diagrammtypen der Unternehmens- bzw. Informationssystemmodellierung (+)
Unternehmensmodellierungswerkzeug
Zugriff auf die Modelldatenbanken in der Regel über Schnittstellen möglich Einhaltung der Modellierungsregeln wird systemseitig geprüft
fest vorgegebene Modellierungstechniken (-) verfügbare Modellierungstechniken nur eingeschränkt adäquat Anpassung der Modellierungssprachen über die Benutzeroberfläche des Werkzeugs möglich keine Programmierung erforderlich Meta-Modellierungswerkzeug
Visualisierung entspricht derjenigen von Unterneh(+) mensmodellierungswerkzeugen Zugriff auf die Modelldatenbanken in der Regel über Schnittstellen möglich Einhaltung der Modellierungsregeln wird systemseitig geprüft
Tabelle 5.1: Argumente zur Auswahl von Softwarekomponenten für die Abbildung der Leistungsbündelstruktur
Für die Umsetzung des ServPay-Konzepts stand mit dem H2-Toolset ein am European Research Center for Information Systems (ERCIS) entwickeltes MetaModellierungswerkzeug zur Verfügung, mit dessen Hilfe die Sprachkonstrukte zur Abbildung der Leistungsbündelstruktur definiert wurden. Das H2-Toolset unterstützt das Anlegen spezifischer H2-ServPay-Modelle, wobei die syntaktische Richtigkeit durch die Prüfung der Modelle gegen die im H2-Toolset angefertigte
5.2 Abbildung der Leistungsbündelstruktur
173
Sprachdefinition sichergestellt wird. Die Modellergebnisse werden vom H2Toolset in einem zentralen Repository verwaltet, das in Form einer relationalen Datenbank realisiert ist. Auf diesen Datenbestand können die verschiedenen für die Vermarktung hybrider Leistungsbündel relevanten Auswertungsrechnungen zugreifen, welche teilweise über die Plug-In-Architektur des H2-Toolsets direkt in die Benutzeroberfläche des H2-Toolsets integriert wurden. Zudem wird der Export in andere Anwendungssysteme zur Durchführung der betriebswirtschaftlichen Analysen unterstützt. Die Bereitstellung der Basisdaten über das H2-Toolset motiviert die Benennung der vorgestellten Softwareunterstützung als H2-ServPay. Das Fachkonzept des H2-Toolsets wird vereinfachend in Abb. 5.3 beschrieben. Als zentrales Konstrukt dient die Modellierungssprache, die durch eine Menge von Kontexten beschrieben wird. Die Kontexte sind der Sprache eindeutig zugeordnet und lassen sich als Mengen von Vorschriften zur Modellerstellung interpretieren. Um ihren Aufbau zu verstehen, ist zunächst das Konstrukt des Objekttypen einzuführen. Der Objekttyp repräsentiert ein einzelnes Sprachkonstrukt, das der Modellierungssprache zugrunde liegt. Die Modellierungssprache der ER-Modelle enthält als wesentliche Sprachkonstrukte Entitätstypen und Beziehungstypen. Im Kontext der Modellierung hybrider Leistungsbündel stellen Leistungen und Module zentrale Sprachkonstrukte dar, die im Folgenden ausführlich und schrittweise eingeführt werden. Den Objekttypen im H2-Toolset lassen sich Symbole zuordnen, durch die das Sprachkonstrukt auch visuell und damit möglichst intuitiv wiedererkennbar wird. Im Falle des ER-Modells werden Kästen und Rauten als Symbole für Entitätstypen bzw. Beziehungstypen verwendet. Im H2-Toolset angelegten Objekttypen können kleine farbige Piktogramme zugeordnet werden. Die Sprachdefinition im H2-Toolset sieht vor, dass die Objekttypen in Unterordnungen zueinander in Beziehung gesetzt werden. So lässt sich der Objekttyp Leistung dem Objekttyp Modul unterordnen, um auszudrücken, dass Module aus Leistungen zusammengesetzt sind. Eine solche Regel stellt eine Beziehung eines Objekttyps zu einem anderen Objekttyp dar. Eine weitere Regel könnte z. B. lauten, dass den Leistungen Mitarbeiter zugeordnet werden, welche die Leistung erbringen. Das Sprachkonstrukt Kontextregel fasst diese in ihrer Struktur homogene Menge von Regeln zusammen. Da einzelne Objekttypen (wie beispielsweise Leistungen) diversen Objekttypen (wie möglicherweise Modulen und Bezugsnachweisen) untergeordnet werden können und gleichzeitig den Leistungen selbst ebenfalls vielfältige Objekttypen untergeordnet werden können (wie z. B. Leistungseigenschaften und notwendige Ressourcen), ergeben die durch Kontextregeln abgebildeten Objekttypenbeziehungen üblicherweise eine Netzstruktur statt einer strengen Hierarchie. Die Kardinalitäten des Beziehungstyps Kontextregel lauten daher auf beiden Seiten 0:n. Bei der eigentlichen Modellierung mit dem H2-Toolset werden einem Objekttyp konkrete Ausprägungen in Form von Modellelementen zugeordnet. Der Mo-
174
5 Integrierte Softwareunterstützung
dellierer legt beispielsweise die Leistung Versicherung sowie die Leistungen Premium-Wartung und Standard-Wartung an. Die Anordnung der Modellelemente in Unter- bzw. Überordnungen wird über die Modellstruktur im H2-Toolset abgebildet. Ein einzelnes Modellelement, z. B. die Premium-Wartung, kann dabei weiteren Modellelementen prinzipiell sowohl unter- als auch übergeordnet werden, sodass sich wiederum eine Struktur ergibt. Dass diese Struktur den über die Kontextregeln spezifizierten Beschränkungen entspricht, wird durch das H2-Toolset sichergestellt. Während der Nutzer die konkreten Modelle erstellt, wird ihm ausschließlich erlaubt, Unterordnungen von Modellelementen vorzunehmen, die für ihre jeweiligen Objekttypen auch zulässig sind. Die Modellierung der Unterordnungen konkreter Modellelemente erfolgt im H2-Toolset in einzelnen Arbeitsbereichen, die jeweils die Modellierung von Modellelementbäumen ermöglichen. Von diesen Arbeitsbereichen können parallel mehrere gleichzeitig geöffnet werden, sodass in Arbeitsbereichen getrennt, mehrere hierarchische Ausschnitte des Gesamtmodells bearbeiten werden können. Zur Abgrenzung der Arbeitsbereiche wird das Sprachkonstrukt Kontext verwendet. Diejenigen Modellausschnitte, die zugleich in einem der Modelleditoren angezeigt werden sollen, sind von der Modellierungssprache abhängig. Deshalb muss bei der Anlage einer Modellierungssprache eine Definition der Kontexte und damit eine Zuordnung von Kontextregeln in Gruppen vorgenommen werden. Eine Kontextregel ist dabei eindeutig einem Kontext zugeordnet. Ein Kontext kann jedoch mehrere Kontextregeln enthalten. Die Benennung eines Kontexts entspricht in der Regel der des obersten Objekttypen, dem wiederum als Elemente auch Modellelemente anderer Objekttypen untergeordnet werden können. Beispielsweise wird im Kontext Leistung festgelegt, dass das Wurzelelement des Modellbaumes ein Modellelement vom Objekttyp Leistung bildet. Die im Arbeitsbereich des jeweiligen Kontextes visualisierbaren Modellelementbäume werden dadurch beschrieben, dass im Kontext Leistung Kontextregeln ergänzt werden, die festlegen, dass der Leistung Modellelemente vom Typ Leistungseigenschaft und vom Typ Ressource untergeordnet werden können. In einem anderen Kontext werden wiederum beispielsweise Bezugsnachweise modelliert, wobei Leistungen und Anbieter dem Bezugsnachweis untergeordnet werden, um auszudrücken, dass die Leistungen von diesen Anbietern erworben werden können. Für den Kontext Bezugsnachweis wird bei der Definition der Sprache nicht vorgesehen, dass die Details zur Leistung auch beim Anlegen der Bezugsnachweise bearbeitet werden. Stattdessen kann jedoch zu einer bestimmten Leistung ein neuer Arbeitsbereich geöffnet werden, in dem gemäß der Kontextdefinition der Leistung die zugeordneten Leistungseigenschaften und Ressourcen dargestellt werden. Über den Beziehungstyp Regelzuordnung wird einzelnen Modellelementunterordnungen die sie legitimierende Kontextregel zugeordnet. Dies dient einerseits der oben bereits erwähnten syntaktischen Prüfung des Modells. Andererseits wird
5.2 Abbildung der Leistungsbündelstruktur
175
hierdurch auch sichergestellt, dass für jeden Modellausschnitt bekannt ist, in was für einem Arbeitsbereich (Kontext) dieser angelegt wurde, angezeigt werden soll und damit auch manipuliert werden kann. Damit ist nun auch vollständig erfasst, was im H2-Toolset unter einer Modellierungssprache zu verstehen ist. Bei einer Modellierungssprache handelt es sich um eine Sammlung von Kontexten, wobei einzelne Kontexte eindeutig einer Sprache zugeordnet sind. Eine Wiederverwendung von Kontexten über Sprachen hinweg ist nicht vorgesehen. Um den Integrationsanforderungen des ServPayKonzepts gerecht zu werden, wurde die Sprache ServPay entsprechend der aufgeführten Definition angelegt. Allerdings ist hervorzuheben, dass für einzelne Modellelemente Verweise auf Detailmodelle hinterlegt werden können, die in anderen Sprachen des H2-Toolsets konstruiert bzw. die insbesondere auch mit anderen Modellierungswerkzeugen erstellt wurden.
Sprache
(0,n)
S-KZuordnung
(1,1)
Kontext
(0,n)
K-KRZuordnung
(1,1) Kontextregel
(0,n)
(1,1)
RegelZuordnung
Modellstruktur
(0,n)
(0,n) (0,n)
Objekttyp
(0,n)
(0,n)
Ausprägung
(1,1)
Modellelement
Abb. 5.3: Fachkonzept des H2-Toolsets (Ausschnitt, vgl. ausführlich Delfmann et al. 2006)
Die einzelnen Modelle und deren zugrunde liegenden Sprachen werden im H2Toolset in so genannten Projekten verwaltet. Physisch sind diese Projekte in verschiedenen Datenbanken hinterlegt. Zunächst müssen entsprechend die Datenbanken sowie die darin enthaltenen Projekte, Sprachen und Modelle angelegt bzw. importiert werden. Der Datenbank-Explorer listet die verfügbaren Datenbanken
176
5 Integrierte Softwareunterstützung
und deren Strukturierungselemente (Projekte, Sprachen und Modelle) auf. Nach dem Auswählen bzw. Hinzufügen einer Datenbank kann ein neues Projekt hinzugefügt werden. Im aktuellen Projekt können Sprachen und Modelle angelegt werden. Der Editor zur Definition einer Sprache unterteilt sich in drei Komponenten, die durch entsprechende Reiter ausgewählt werden (vgl. Abb. 5.4). Unter dem Reiter Allgemein werden die grundlegenden Objekttypen der Sprache und deren Beziehungen zueinander definiert. Über die zusätzlichen Reiter besteht die Möglichkeit, Objekttypen Attribute zuzuordnen und den Unterordnungsbeziehungen der Objekttypen Kantentypen zuzuweisen, die auf die Darstellung der Kanten Einfluss nehmen, die zur Verbindung von Konstrukten verwendet werden.
Abb. 5.4: Überblick über die Modellierungssprache ServPay
5.2 Abbildung der Leistungsbündelstruktur
177
Darüber hinaus zeigt Abb. 5.4, dass die Objekttypen zunächst unabhängig voneinander in einer Liste hinterlegt werden (Abb. 5.4, links Objekttypen) und anschließend in Beziehung zueinander gebracht werden (Abb. 5.4, rechts: Kontexte). Abb. 5.4 gewährt außerdem einen ersten Überblick hinsichtlich der wesentlichen Sprachkonstrukte in H2-ServPay und ihre Repräsentation. Beide Aspekte werden in den nachfolgenden Kapiteln ausführlich eingeführt. Nachdem die Objekttypen angelegt und ggf. mit Symbolen versehen wurden, können sie miteinander in Beziehung gesetzt werden. Dafür wird ein neuer Kontext angelegt. Anschließend werden die Objekttypen per Drag and Drop in den Kontext gezogen, um die Beziehungsstruktur festzulegen. Nur Objekttypen, die Kontexten zugeordnet sind und in eine Unterordnungsbeziehung gebracht wurden, lassen sich im Anschluss auch analog modellieren. Die Unterordnungsbeziehungen werden bei der Anlage eines konkreten Modells jeweils überprüft und entsprechende syntaktische Fehler dadurch vermieden. Die Übersichtlichkeit der Modellsprachendefinition und der Modelle wird dadurch gesteigert, dass einzelne Knoten zugeklappt bzw. aufgeklappt werden können. Die einem Kontext bzw. Modellelement untergeordneten Elemente werden folglich wahlweise sichtbar bzw. ausgeblendet. Ein Pluszeichen vor einem Knoten deutet darauf hin, dass die hierarchische Struktur an dieser Stelle aufgeklappt werden kann, um weitere Details anzuzeigen. Ein Minuszeichen weist darauf hin, dass der Baum an dieser Stelle kontrahiert werden kann, sodass die untergeordneten Knoten ausgeblendet werden. 5.2.2
Beschreibung eines Lösungsraums für hybride Leistungsbündel aus Anbietersicht
Für die Umsetzung der geforderten methodenübergreifenden Datenintegration werden im Folgenden die notwendigen Konstrukte eingeführt, mit denen der Anbieter seinen Lösungsraum zur Erbringung hybrider Leistungsbündel beschreiben kann. Die Fachkonzeption wird ergänzt durch die Vorstellung der Implementierung mit dem H2-Toolset. Einstiegspunkt für die Modellierung hybrider Leistungsbündel ist das Konstrukt Leistungsbündeltyp. Es bildet alle Varianten bzw. Konfigurationsmöglichkeiten eines generischen Leistungsbündels (z. B. eines bestimmten Maschinenmodells und dem zugehörigen Dienstleistungsangebot) aus Anbietersicht ab (vgl. hierzu auch das Konzept des generischen Produktmodells in Scheer 2006). Dazu umfasst es die Struktur des Leistungsbündels, indem es die verfügbaren Module und Leistungen mitsamt ihrer Leistungseigenschaften und Beziehungen definiert und Regeln, die vorhandene Selektions- und Kombinationsmöglichkeiten einschränken, beinhaltet. Außerdem wird der geplante Lebenszyklus des hybriden Leistungsbündels, welcher die zeitliche Abfolge der Erbringung einzelner Leistungsanteile definiert, im Produktmodell beschrieben. Ein Leistungsbündeltyp beinhaltet somit das gesamte Konfigurationswissen bezüglich
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5 Integrierte Softwareunterstützung
eines abstrakten Leistungsbündels. Damit wird ein Möglichkeitsraum aufgespannt, aus dem während des Konfigurationsprozesses sukzessive eine individuelle Leistungsbündelkonfiguration abgeleitet werden kann. Dieser Konfigurationsprozess kann eigenständig durch einen Kunden (z. B. Mobiltelefon und Telefonvertrag), in Kooperation durch Anbieter und Kunden (z. B. Automobil und verschiedene Dienstleistungen wie Finanzierung und Gewährleistungsverlängerung) oder durch den Anbieter im Namen des Kunden (z. B. Konfiguration einer technischen Anlage mit Dienstleistungen zur Optimierung der Anlagenverfügbarkeit) durchgeführt werden. Der Unterschied zwischen dem Leistungsportfolio (Typebene) und den Leistungsbündelkonfigurationen (Instanzebene) ist in Abb. 5.5 dargestellt. Im Beispiel bietet ein fiktives Unternehmen eine Menge verschiedener Leistungen an. Zum Leistungsportfolio gehören verschiedene Drucker, Server, Mobilfunkgeräte und Dienstleistungen. In ihrer Gesamtheit bilden diese Leistungen auf Typebene (d. h. ohne Bezug zu einem speziellen Kundenauftrag) das Leistungsportfolio des Anbieters. Für jeden Kunden, der Leistungen des Unternehmens in Anspruch nimmt, wird aus dem Leistungsportfolio eine Leistungsbündelkonfiguration gebildet. Dieser Prozess wird Konfiguration bzw. Instanziierung genannt. Ergebnis ist ein Auftrag, in dem verschiedene Leistungen enthalten sind. Alle Leistungen bewegen sich dabei im Rahmen des vorgegebenen Leistungsportfolios. Im Gegensatz zu den kundenunabhängig definierten Leistungen auf Typebene sind auf Instanzebene spezielle Leistungen gemeint, nämlich genau die, die ein festgelegter Kunde erhält. Daher ist in den in Abb. 5.5 gezeigten Konfigurationen für jede Sachleistung eine Seriennummer und für jede Konfiguration eine Auftragsnummer hinterlegt.
5.2 Abbildung der Leistungsbündelstruktur
179
Abb. 5.5: Lösungsraum und Leistungsbündelkonfiguration
Um eine Wiederverwendung von Leistungsanteilen in verschiedenen hybriden Leistungsbündeln zu ermöglichen, kann ein Anbieter eine kundenindividuelle Massenfertigungsstrategie verfolgen. In diesem Fall wird ein Leistungsbündel auf Typebene durch eine Zuordnung verschiedener Module definiert. Das Konstrukt Modul stellt eine in sich abgeschlossene Einheit dar, die aus einer Menge zugeordneter Leistungen besteht und in unterschiedlichen Leistungsbündeln wiederverwendet werden kann. Damit wird das Ziel verfolgt, Modelle von Leistungsbündeln möglichst einfach und effizient aus vordefinierten Teilmodellen zusammenstellen zu können. Falls der Anbieter eine andere Strategie verfolgt und seinen Kunden etwa komplett individuell entwickelte Leistungsbündel oder lediglich vordefinierte Leistungsbündel anbieten will, kann das Konstrukt Modul entfallen (vgl. im Folgenden Abb. 5.6).
180
5 Integrierte Softwareunterstützung
Abb. 5.6: Integrierte Basiskonstrukte zur Modellierung hybrider Leistungsbündel
Module beinhalten Leistungen. Eine Leistung stellt das Ergebnis einer betrieblichen Faktorkombination dar. Dabei kann es sich sowohl um Sach- als auch um Dienstleistungen handeln. Auf eine explizite Unterscheidung wird aufgrund der oft problematischen Abgrenzung von Sach- und Dienstleistung absichtlich verzichtet (für eine Diskussion der Problematik siehe bspw. Castells 2010, S. 216 ff., Teboul 2006, S. 7 ff. oder Vargo, Lusch 2004). Insbesondere im industriellen Umfeld beinhalten Dienstleistungen (z. B. Instandsetzung) sehr häufig auch Sachleistungsanteile (z. B. Ersatzteile) und vice versa. Einem Modul zugeordnete Leistungen sind als funktional äquivalent anzusehen. Sie stellen Alternativen dar, aus denen der Kunde während des Konfigurationsprozesses auswählt. Häufig unter-
5.2 Abbildung der Leistungsbündelstruktur
181
scheiden sich Leistungen eines Moduls nur durch ihre nicht-funktionalen Eigenschaften (z. B. Qualität, Verfügbarkeit, Preis). So ist beispielsweise ein Modul Logistik denkbar, das unterschiedliche Logistikdienstleistungen (z. B. Transport per Straße, Schiene, Wasser oder Luft) beinhaltet. Leistungen können in Hierarchien angeordnet sein, d. h. Leistungen können wiederum aus Teilleistungen bestehen. Dies ermöglicht zum einen die Abbildung üblicher hierarchischer Strukturen bei Sachleistungen (z. B. Stücklisten). Zum anderen kann auf diese Weise die Prozessdimension von Dienstleistungen abgebildet werden (z. B. Instandsetzung als eine Abfolge von Fehleranalyse, Fehlerbehebung und Probelauf). Entsprechende Prozessmodule können auch zur Entwicklung modularer Prozessbibliotheken herangezogen werden (Kaiser 2009, S. 108 ff.). Leistungen werden durch Eigenschaften näher beschrieben. Bei Leistungen mit überwiegendem Sachleistungsanteil bieten sich übliche physikalische (z. B. Maße, Gewicht), mechanische (z. B. Umdrehungen pro Minute) oder technische (z. B. Bandbreite) Eigenschaften an. Aufgrund des spezifischen Charakters von Dienstleistungen (insb. Immaterialität, Heterogenität) sind diese Eigenschaften bei Leistungen mit überwiegendem Dienstleistungsanteil weniger geeignet. Hier bieten sich vor allem funktionale sowie nicht-funktionale Eigenschaften an. Funktionale Eigenschaften beschreiben die Ergebnisdimension einer Dienstleistung. Dabei kann es sich beispielsweise um eine Zustandsänderung beim Nutzer (z. B. bei einer Schulung) oder einem seiner Objekte (z. B. bei einer Instandsetzung) handeln. Nicht-funktionale Eigenschaften stellen Beschränkungen oder Konditionen bezüglich der Funktion dar. Typische Beispiele sind Qualität, räumliche und zeitliche Verfügbarkeit, Liefer- und Zahlungsbedingungen sowie Preis (für eine ausführliche Darstellung siehe O’Sullivan (2006)). Um den zeitlichen Aspekt eines Leistungsbündels abbilden zu können, werden einzelne Leistungen eines Leistungsbündels Intervallen (Tag, Kalenderwoche, Monat, Jahr), in denen sie erbracht werden sollen, zugeordnet. Intervalle werden wiederum zu Lebenszyklusphasen aggregiert, die zu einem Lebenszyklus eines bestimmten Leistungsbündels auf Typebene gehören. Um die aufgeführten Sachverhalte im H2-Toolset festhalten zu können, wurde eine Modellierungssprache ServPay angelegt. In dieser wurden die genannten Konstrukte als Kontexte definiert und zueinander in Beziehung gesetzt. Abb. 5.7 zeigt einen Ausschnitt dieser Sprachdefinition. Den Konstrukten wurden möglichst intuitiv verständliche Symbole zugeordnet. Außerdem wird festgelegt, dass Hybride Leistungsbündel auf Typebene, Module und Leistungen im H2-Toolset zunächst unabhängig voneinander angelegt werden können, weshalb sich diese Kontexte im gezeigten Ausschnitt der Sprachdefinition auf der gleichen obersten Hierarchieebene befinden. Mittels der Unterordnungsbeziehungen wird sichergestellt, dass Leistungen in Module eingehen können – aber nicht umgekehrt – und dass Leistungseigenschaften nur für Leistungen, aber nicht für z. B. für ganze Leistungsbündel oder Module, beschrieben werden können. Außerdem ist erkenn-
182
5 Integrierte Softwareunterstützung
bar, dass Lebenszyklusphasen verschiedenen Konstrukten zugeordnet werden. Deshalb sind sie in der Hierarchie der Sprachdefinition sowohl den Leistungsbündeltypen als auch den Leistungen untergeordnet.
Abb. 5.7: Modellierung eines hybriden Leistungsbündels auf Typebene
Um Selektions- und Kombinationsmöglichkeiten definieren zu können, werden zusätzlich zu den bisher eingeführten Konstukten Konfigurationsregeln benötigt (vgl. Abb. 5.8). Konfigurationsregeln besitzen mindestens eine Kondition sowie eine oder mehrere Konklusionen. Beide beziehen sich jeweils auf eine bestimmte Leistung und Leistungseigenschaft66. Verknüpfungsoperatoren (AND, OR) sowie Vergleichsoperatoren (>, =, 0,10. Für eine detaillierte Darstellung und Diskussion der Ergebnisse vgl. Frohs (2010). 92 Diese Zahl berechnet sich als Summe aus den Bewertungen aller drei Schritte der ServPay Conjoint-Analyse. Zu einer detaillierten Beschreibung dieser Schritte vgl. Abb. 4.13 in Abschnitt 4.1.3.3.
6.2 Das ServPay Recommender-Konzept
289
te entstehen kann. Der Trade-off zwischen den beiden Perspektiven wird auch in einer aktuellen Definition des Begriffs Recommender System von Martin (2009) deutlich: “A Recommender selects the product that if acquired by the buyer maximizes value of both buyer and seller at a given point in time“. Da der ServPay Recommender nicht mit einfachen Präferenzdaten sondern mit Zahlungsbereitschaften arbeitet, ergeben sich eine Reihe von Möglichkeiten zur Ausbalancierung dieses potenziellen Interessenkonfliktes. Um Profitabilitätsaspekte in das System integrieren zu können, ist neben der Ermittlung von Zahlungsbereitschaften, die die Preisobergrenze für produktbegleitende Dienstleistungen darstellen und gleichzeitig die Präferenzen des Entscheidungsträgers reflektieren, die Bestimmung der Dienstleistungserstellungskosten als Preisuntergrenze notwendig. Abb. 6.5 zeigt einige solcher Konfigurationen auf, die von einer primär kundenfokussierten Systemausrichtung (Konfiguration 1) bis hin zu einer weitgehend anbieterfokussierten Konfiguration (Konfiguration 5) reichen.
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Rangordnung
Filter
Preisstrategie
Zahlungsbereitschaft
Zahlungsbereitschaft