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Catherine Mann
Verlangen, das wie Feuer brennt
Baccara
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2010 by Harlequin Books S.A. Originaltitel: „Bossman’s...
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Catherine Mann
Verlangen, das wie Feuer brennt
Baccara
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2010 by Harlequin Books S.A. Originaltitel: „Bossman’s Baby Scandal“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto in der Reihe: DESIRE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. © Deutsche Erstausgabe in der Reihe: BACCARA Band 1644 (1/1) 2011 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Sabine Bauer Fotos: Harlequin Books S.A. Veröffentlicht im ePub Format in 12/2010 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein. ISBN-13: 978-3-86349-456-8 Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. BACCARA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig. Satz und Druck: GGP Media GmbH, Pößneck Printed in Germany
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PROLOG New York City – vor vier Monaten Lauren Presley fragte sich, wie ein Mann ihr einerseits so nahe sein und ihr andererseits meilenweit entfernt vorkommen konnte. Aber kein Zweifel, der halb nackte Mann, mit dem sie eng umschlungen auf der Couch in ihrem Büro lag, war gedanklich und gefühlsmäßig längst ganz woanders. Da er ohnehin nur noch körperlich anwesend war, würde Lauren, sobald sie wieder ruhig zu atmen vermochte, kurzen Prozess machen und ihn hinauswerfen. Sie trug noch ihre halterlosen Seidenstrümpfe und fühlte sich erhitzt von dem wilden leidenschaftlichen – und völlig überraschenden – Zusammensein mit ihm. Zum Glück war ihre Firma, ein aufstrebendes Grafik- und Designunternehmen, an diesem Tag geschlossen und daher keiner der Angestellten anwesend. Mit einem Mal erschien Lauren alles ungewöhnlich und irgendwie zusammenhanglos. Sie fühlte sich an die surrealistischen Bilder Salvatore Dalis erinnert und konnte es Jason nicht verübeln, wenn er bereute, was sie getan hatten. Auch sie selbst wunderte sich, dass es so weit gekommen war … Im Nu war ihr Slip auf dem Boden gelandet und das Kleid nach oben gerutscht!
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Fast im selben Moment hatte sie begonnen, ihm den Gürtel und den Reißverschluss zu öffnen … Dabei arbeitete sie oft mit Jason Reagert zusammen – eine bewährte geschäftliche Partnerschaft, die sie mit ihrem unüberlegten Verhalten nun leichtfertig aufs Spiel gesetzt hatten. Diesen schrecklichen Moment der Ernüchterung nach dem Sex musste sie schleunigst hinter sich bringen, bevor ihr Stolz darunter litt. Als in der Stille des leeren Büros plötzlich ein leises Summen erklang, sagte Lauren: „In deiner Hose vibriert etwas.“ Fragend hob Jason eine Augenbraue. Sein kurz geschnittenes dunkles Haar war noch zerzaust von Laurens Leidenschaft. „Wie meinst du das?“ Sie berührte ihn an der Hüfte, wo in der Tasche sein Handy steckte. „Im Ernst. Dein Blackberry läutet.“ „Herrje!“ Als er sich eilig aus der Umarmung löste, strich kühle Luft über Laurens nackte Haut. Jason setzte sich, und ein leises Kratzen auf dem Holzfußboden verriet, dass er mit den Füßen in die exklusiven Designerschuhe geschlüpft war. Eilig schaltete er das Handy aus. „Schlechtes Timing!“ Auch Lauren setzte sich auf. Während sie sich bemühte, ihr schwarzes Seidenkleid in Ordnung zu bringen, vermied sie es sorgfältig, Jason anzusehen. Um ihren Slip würde sie sich später kümmern. Mit dem Fuß beförderte sie das winzige Teil aus schwarzem Satin unter das Sofa. „Dein Bettge5
flüster lässt etwas zu wünschen übrig“, bemerkte sie. „Sorry.“ In der nächtlichen Stille war deutlich zu hören, wie er den Reißverschluss seiner Hose schloss. „Das war die Weckfunktion.“ „Und woran soll sie dich erinnern?“, fragte Lauren, während sie die weiße Wand aus Ziegelsteinen betrachtete, die Staffelei in der Ecke, die beleuchteten Kunstwerke … „An meinen Flug nach Kalifornien.“ Ach ja richtig. Er reiste ab. Lauren stand auf und zog sich das Kleid glatt. Dabei sah sie sich nach ihren Lieblingspumps um, Manolos mit Leopardenmuster. Nie wieder würde sie sie tragen können, ohne daran zu denken, wie unüberlegt sie in dieser Nacht gehandelt hatte … Jason und sie hatten über den letzten Einzelheiten eines Projekts gesessen, für das Lauren die Grafik ausgearbeitet hatte. Den Auftrag dafür hatte ihr die New Yorker Werbeagentur erteilt, bei der Jason – noch – beschäftigt war. Seit ein paar Wochen wusste Lauren, dass er in Kalifornien eine vielversprechende Stelle antreten würde, die ihm bessere Karrierechancen bot. Als sie sich mit einer herzlichen Umarmung von ihm verabschiedet hatte, war sie selbst über die Maßen verwundert gewesen, wie nahe ihr sein bevorstehender Umzug ging. Während sie sein schlankes und sympathisches Gesicht angesehen hatte, waren ihr Tränen in die 6
Augen gestiegen. Im nächsten Moment hatten sie einander geküsst. Wie intensiv dieser Kuss gewesen war und wie zärtlich Jason sie gestreichelt hatte. Lauren spürte, wie Schauer der Erregung sie erneut erfassten. Er hatte ihren Po umfasst und sie auf diese Weise an sich gedrückt. Ohne es zu wollen, sehnte Lauren sich bereits wieder nach Jasons körperlicher Nähe. Am liebsten hätte sie nach seiner Krawatte gegriffen, an der sie vorhin vergeblich gezerrt hatte, und ihn zu sich gezogen. Der Impuls wurde immer stärker und ließ sich kaum noch unterdrücken. Schließlich gelang es ihr, nicht ständig auf seine markanten Wangenknochen und den sinnlichen Mund zu sehen. Sie konnte sich nicht im Mindesten erklären, woher ihre heftigen Gefühle kamen – und sie wusste nicht, wie sie dagegen angehen sollte, wenn Jason erst weg war. Unter dem Schreibtisch fand sie die Schuhe mit Leopardenmuster. Erleichtert, dass sie auf diese Art mehr Abstand zwischen sich und Jason – und diese unseligen Couch – bringen konnte, kniete sie nieder und zog den ersten Schuh hervor. Ärgerlicherweise befand sich der zweite außerhalb ihrer Reichweite. „Lauren …“ Mit einem Blick auf seine Schuhe bemerkte sie, dass er seitlich hinter ihr stand, und ihr
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wurde bewusst, welch aufreizenden Anblick sie ihm vermutlich bot. „Normalerweise ist es nicht meine Art …“ „Gib dir keine Mühe!“, unterbrach ihn Lauren und setzte sich auf die Fersen. Zu ihrem hellen Hauttyp mit den kastanienbraunen Haaren gehörte leider auch, dass sie schnell errötete. „Ist schon gut. Du brauchst nichts zu erklären.“ Genauso, fast unterwürfig, hatte sich ihre Mutter bei ehelichen Schwierigkeiten angehört. „Ich rufe dich …“ „Nein!“ Brüsk erhob sich Lauren und ließ die Schuhe Schuhe sein. Unter ihren Füßen fühlte sich der Holzfußboden kühl an. „Versprich jetzt nichts, was du nicht halten wirst.“ Er nahm seine Anzugjacke von einem Stuhl aus Metall. „Dann ruf doch du mich an!“ „Wozu soll das gut sein?“ Zum ersten Mal musterte sie unverhohlen seine edlen Gesichtszüge. Und den kultivierten Ausdruck seines Gesichts, der erkennen ließ, dass er teure Privatschulen besucht hatte. Für die Spur von Härte war wohl das Jahr in der Navy verantwortlich. Jason entstammte einer traditionsreichen wohlhabenden Familie und hatte darüber hinaus bereits jede Menge eigenes Geld verdient. „Du ziehst nach Kalifornien, und ich bin hier in New York zu Hause“, fuhr Lauren fort. „Im Grunde verbindet uns nur eine Geschäftsbeziehung – abgesehen von der Tatsache, dass diese gerade zu ei8
nem unerwartet intensiven Austausch auf körperlicher Ebene geführt hat. Aber dadurch ändert sich nichts.“ Sie warf das lange Haar zurück und öffnete die Tür zu einem größeren Studio. Stühle waren auf Tische gestellt, ansonsten war es leer. Jason lehnte sich an den Türstock und zog überrascht und leicht arrogant eine Augenbraue hoch. „Heißt das, du zeigst mir die kalte Schulter?“ Ganz offenbar passierte ihm so etwas nicht oft. Mochte sein, dass Lauren eben etwas schnell nachgegeben hatte – ab sofort würde sie andere Saiten aufziehen. „Ich bin nur vernünftig, Jason.“ Sie sah ihn an, wie er groß und schlank vor ihr stand. Später, wenn er erst weg war, würde sie es sich in ihrem behaglichen Zweizimmerapartment gemütlich machen. Es lag in dem eleganten Stadtviertel Upper East Side. Nein, noch besser wäre es, den ganzen Tag im Metropolitan Museum of Art zu verbringen, in dem Kunstwerke von der Steinzeit bis in die Moderne ausgestellt waren. Lauren würde in die Welt der einzelnen Bilder eintauchen. Kunst bedeutete ihr alles und war aus ihrem Leben nicht wegzudenken. Die Eröffnung ihres eigenen Betriebes war möglich geworden, weil ihre Tante Eliza ihr überraschend Geld hinterlassen hatte. Für Lauren bedeutete die Firma die einmalige Chance, ihre Träume zu verwirklichen. Dazu gehörte auch, ihrer Mutter zu 9
beweisen, dass sie mehr konnte, als auf eine gute Partie zu warten. Lauren würde nicht zulassen, dass ein Mann ihre Pläne durchkreuzte. Schließlich nickte Jason. „Also schön. Wenn du es so haben willst, von mir aus.“ Er strich ihr das Haar zurück und berührte dabei mit dem Daumen ihre Wange. „Dann mach’s gut, Lauren.“ Sie gab sich Mühe, ernst und unnachgiebig auszusehen – ein Gesichtsausdruck, wie sie ihn oft in den Werken niederländischer Meister wahrgenommen hatte. Jason drehte sich um, warf das Jackett über die Schulter und ging. Tapfer widerstand Lauren dem Wunsch, ihm nachzurufen. Die Nachricht, dass er New York verließ, hatte sie unerwartet stark mitgenommen. Aber kein Vergleich zu ihren Gefühlen, als sie ihm nachschaute, wie er ihre Firma verließ!
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1. KAPITEL San Francisco Nicht an Lauren zu denken hatte sich als weitaus schwieriger erwiesen, als Jason angenommen hatte. Seit seiner Abreise aus New York hatte er immer wieder versucht, sie zu vergessen – und bis vor einer Minute gehofft, es eines Tages auch zu schaffen. Fröhliches Klirren der Gläser, angeregte Unterhaltung, laute Musik der Achtzigerjahre. Allmählich kam Jason wieder mehr zum Bewusstsein, was um ihn herum in der exklusiven Trendbar vor sich ging. Er sah von seinem Blackberry auf zu der Frau, mit der er die letzte halbe Stunde geflirtet hatte, und senkte wieder den Blick. Gedankenverloren betrachtete er das Bild, das er gerade empfangen hatte – und das Lauren Presley unübersehbar schwanger bei einer Silvesterparty zeigte! Ihm fehlten selten die Worte, schließlich gehörte er zu den Besten der Werbebranche, aber hierzu fiel ihm nichts ein … Was vielleicht daran lag, dass er sofort wieder an die leidenschaftliche Begegnung in Laurens New Yorker Büro denken musste. War in dieser – übrigens unvergesslichen – Überraschungsnacht ein Baby entstanden?
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Seitdem hatte er weder bei ihr noch sie bei ihm angerufen, und an eine Schwangerschaft hatte er nicht im Traum gedacht! Er blinzelte und versuchte, sich auf das Geschehen in der Bar zu konzentrieren. Doch immer wieder starrte er geschockt das Foto an, das ihm einer seiner Freunde aus New York aufs Handy geschickt hatte. Während Jason überlegte, wie er am besten Kontakt zu Lauren aufnehmen konnte, bemühte er sich, sich nichts anmerken zu lassen. Beim letzten Mal hatte sie es ziemlich eilig gehabt, ihn loszuwerden … Als einer der lebhaft tanzenden Besucher gegen ihn stieß, verdeckte Jason das Blackberry sicherheitshalber mit der Hand. Die Rosa Lounge in der Stockton Street war eine beliebte und eher kleine Bar im AchtzigerjahreRetrostil, die durch die gedämpfte Beleuchtung sehr behaglich wirkte. Mit grünen Glastischen und schwarz lackierten Stühlen war sie stilvoll und teuer eingerichtet. Zahlreiche Gäste drängten sich auf der Tanzfläche und um den weißen Marmortresen, der fast die gesamte Wandseite einnahm. Gegenüber befanden sich hohe weiße Tische. Für den Fußboden war edles dunkles Holz verwendet worden. Da die Rosa Lounge nur einen Steinwurf von Maddox Communications entfernt lag, kamen die Angestellten oft hierher, wenn sie Grund zum Feiern 12
hatten, etwa nach einem erfolgreichen Vertragsabschluss. Jason umfasste das Blackberry fester. An diesem Abend waren alle ihm zu Ehren gekommen. Ausgerechnet jetzt musste er im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses stehen! „Hallo?“, fragte Celia Taylor und schnippte mit sorgfältig manikürten Fingern vor seinem Gesicht. Ihr Key Lime Martini, ein Longdrink, der gerade besonders angesagt war, schimmerte sanft gelbgrün in dem edlen Kristallglas. „Erde an Jason … Erde an Jason!“ Er zwang sich, seine Aufmerksamkeit auf Celia zu richten. Sie war wie er bei der Madd Comm, wie die Werbeagentur intern genannt wurde, beschäftigt. Zum Glück hatte er sein Bier der japanischen Marke Sapporo noch nicht angerührt, denn ein klarer Kopf erschien ihm im Augenblick wichtiger denn je. „Sorry“, sagte er. „Tut mir leid, dass ich mit den Gedanken woanders war.“ Obwohl er das Handy in die Tasche seines Jacketts von Armani verbannte, musste er immerzu daran denken. „Kann ich dir einen neuen Drink holen?“ Eigentlich hatte er sie um ein Date bitten wollen, aber das war gewesen, bevor ihn diese Aufnahme erreicht hatte. Ironie des Schicksals … und der modernen Technik. „Nein, danke.“ Celia trommelte mit den Fingern gegen ihr Martiniglas. „Die E-Mail muss ja verdammt wichtig gewesen sein. Jetzt könnte ich ja 13
sagen, dass es unhöflich von dir ist, mich einfach so links liegen zu lassen. Aber in Wahrheit bin ich vermutlich nur neidisch, dass mein Handy nicht klingelt.“ Celia strich sich ihr langes rotes Haar zurück und stützte die Hand in die Seite. Rotes Haar. Grüne Augen. Wie Lauren … Plötzlich begriff Jason. In der Überzeugung, über die Sache mit Lauren hinweg zu sein, hatte er sich zielsicher die einzige Rothaarige dieses Abends zum Plaudern ausgesucht! Allerdings war Laurens Haar dunkler, mehr kastanienfarben … und ihre Kurven etwas voller, was ihn damals vor Verlangen ganz verrückt gemacht hatte. Entschlossen stellte er seine Flasche auf dem Tresen ab und sah Richtung Tür. Zögern brachte nichts. Er musste es wissen. Celia war eine wirklich nette Kollegin, und er wollte nicht unhöflich sein. Am Arbeitsplatz blieb sie immer sachlich, um ernst genommen zu werden. Sie hatte wahrlich etwas Besseres verdient, als nur eine Art Ersatz zu spielen. „Entschuldige, ich muss mal einen Augenblick raus und einen wichtigen Anruf erledigen.“ Überrascht neigte Celia den Kopf zur Seite. Dann sagte sie: „Klar, kein Problem. Bis gleich.“
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Mit einem angedeuteten Winken verabschiedete sie sich, wandte sich auf ihren hochhackigen Schuhen um und ging zu Gavin, einem Kollegen. Während sich Jason einen Weg durch die Menge bahnte, hoffte er, dass seine Kollegen sein Verschwinden nicht bemerkten. Nach ein paar klärenden Telefonaten würde ihm vielleicht wohler sein. Plötzlich spürte er einen kameradschaftlichen Schlag auf die Schulter. Jason drehte sich um und sah sich seinen Chefs, den Maddox-Brüdern, gegenüber: Brock und Flynn, den beiden Geschäftsführern. Mit einer ausholenden Handbewegung winkte Flynn die umstehenden Mitarbeiter herbei und hob sein Glas. „Auf Jason Reagert“, rief er, „den Mann der Stunde! Herzlichen Glückwunsch, dass du den Vertrag mit Prentice an Land gezogen hast. Madd Comm ist stolz auf dich!“ „Auf unseren neuen und brillanten Mitarbeiter“, schloss sich der Finanzchef Asher Williams an. „Auf den Erfolg von Jason“, ergänzte Gavin. „Den nichts und niemand aufhalten kann“, fügte Brock hinzu. Auch seine Sekretärin hob anerkennend ihr Glas. Alle lachten Jason zu. Ihm blieb nichts anderes übrig, als das Lächeln zu erwidern. Klar war er stolz, dass er den Vertrag mit Prentice, der größten Textilfirma des Landes, unter Dach und Fach gebracht hatte. Dabei war aber auch eine gehörige Portion Glück im Spiel gewesen. Prentice 15
war als Kunde für Werbeagenturen beinahe ein so großer Fisch wie Procter & Gamble. Gerade, als Jason im Herbst nach Kalifornien gekommen war, hatte Walter Prentice seiner bisherigen Agentur die Aufträge entzogen – weil dieses Unternehmen seiner Meinung nach moralisch nicht einwandfrei war. Der stockkonservative Prentice war bekannt dafür, dass er Partnerfirmen die Zusammenarbeit aufkündigte, nur weil zum Beispiel ein leitender Angestellter einen Nacktbadestrand besucht hatte oder Beziehungen zu zwei Frauen unterhielt. Aus den Augenwinkeln sah Jason Celia an. Mit Appetit dippte Brock ein Stück Quesadilla aus Mais in die Mangosauce. Sicher hatte er wie häufig der Arbeit wegen auf ein Mittagessen verzichtet. „Heute habe ich mit Prentice gesprochen. Er ist ja regelrecht begeistert von dir. War ein guter Schachzug, dass du ihm Geschichten aus deiner Militärzeit erzählt hast.“ Unruhig blickte Jason zur Tür. Als Schachzug würde er das nicht bezeichnen. Es war nur einfach eine Chance gewesen, Kontakt herzustellen, da Prentice’ Neffe in etwa zur selben Zeit Dienst getan hatte wie Jason. „Ich habe mich nur höflich mit ihm unterhalten.“ „Mann, du bist ein Held“, sagte Flynn begeistert und hob sein Glas. „Keine falsche Bescheidenheit. Es war einfach toll, wie du und deine Spezialeinheit diese Piraten hochgenommen …“ 16
Nach seinem Collegeabschluss hatte Jason sechs Jahre in der Navy gedient, als Offizier in einer Tauchabteilung für besondere Aufgaben, und zwar dem Entschärfen von Minen. Natürlich hatte er einige Erfolge gegen Piraten erzielt und damit Leben gerettet, aber das traf auf viele seiner Kameraden ebenfalls zu. „Ich habe nur meine Pflicht getan, wie alle anderen auch.“ Inzwischen steckte Brock den Rest seiner Quesadilla in den Mund. „Du bist eindeutig auf Prentice’ Wellenlänge. Bleib sauber, und du wirst es mit seiner Hilfe weit bringen. Sein Werbeauftrag für eine neue Modelinie kommt uns wie gerufen. Du weißt ja, wie sehr uns Golden Gate Promotions im Nacken sitzt.“ Für Madd Comm war Golden Gate der Hauptkonkurrent – ebenfalls ein traditionsreiches Unternehmen, das bis zum heutigen Tage von seinem ursprünglichen Gründer, Athos Koteas, geleitet wurde. Ein ernst zu nehmender Gegner. Für Jason bedeutete diese Chance in Kalifornien alles. Niemals würde er zulassen, dass sein Job bei Maddox durch irgendetwas in Gefahr geriet. In seiner Jacke klingelte das Handy. Kamen noch mehr Bilder? Schickte ihm sein Freund vielleicht noch ein Bild mit Ton, damit es ja jeder mitbekam? Bei der Vorstellung bekam Jason Kopfschmerzen. Sicherlich mochte er Kinder und wollte eines Tages selbst welche haben. Aber jetzt?
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Flynn beugte sich zu ihm. „Im Ernst, für uns bist du eine echte Bereicherung, nachdem wir deinen Vorgänger, diesen Lahmarsch, entlassen haben.“ Brock grinste. „Sonnengebräunter Lahmarsch wäre besser, schließlich hatte er eine Schwäche fürs Nacktbaden.“ Verhaltenes Gelächter der Kollegen erklang. Mit leichtem Unbehagen lockerte Jason seinen Hemdkragen, während er daran dachte, dass Walter Prentice angeblich seine eigene Enkelin verstoßen hatte, nur weil sie sich geweigert hatte, den Vater ihres Kindes zu heiraten. Prentice war ein Mann, dem die Familie über alles ging. Im Grunde fand Jason, dass im Beruf ausschließlich die Ergebnisse zählten. Dass er bei Maddox Communications als erfolgreicher Newcomer gefeiert wurde, hatte er seinem unermüdlichen Einsatz zu verdanken, harter Arbeit also. Er war aus eigener Kraft so weit nach oben gelangt, ohne die Hilfe der alteingesessenen Firma seines Vaters, in der er gewissermaßen aufgewachsen war. Keinesfalls würde Jason zulassen, dass die kurze Unbedachtsamkeit vor vier Monaten alles infrage stellte, was er sich aufgebaut hatte. Er wollte den Erfolg genießen, den er sich verdient hatte. Als Jugendlicher hatte er der Versuchung widerstanden, in das Werbeunternehmen seines Vaters einzutreten. Stattdessen hatte er ein Stipendium für das College erhalten und danach eine Offiziersausbildung absolviert. 18
Nach den sechs Jahren in der Navy hatte er auf eigene Faust sein Glück in der Werbebranche versucht. Als er den Job in New York angenommen hatte, war der Einfluss seines Dads für Jason noch immer zu spüren gewesen. Erst das Angebot von Madd Comm aus San Francisco hatte es Jason erlaubt, aus dem väterlichen Schatten herauszutreten, denn nun lag ein ganzer Staat zwischen ihnen. Mit einem Mal wusste Jason, was er zu tun hatte. Gleich nach der Party würde er den Nachtflug nach New York nehmen. Schon am nächsten Morgen würde er bei Lauren Presley vor der Tür stehen und von Angesicht zu Angesicht mit ihr reden. Und wenn das Baby tatsächlich von ihm war, musste sie eben ganz einfach nach Kalifornien ziehen. Wenn er sie überall als seine Verlobte vorstellte, wäre eventuellen Gerüchten von vorneherein die Grundlage entzogen. Der Januarwind war so kalt, dass die meisten Leute nicht aus dem Haus gingen. Normalerweise hätte sich auch Lauren mit dicken Socken und Pullover in ihr Apartment zurückgezogen und sich der Pflege ihrer Zimmerpflanzen gewidmet. Aber da sie fand, dass die Kälte gut gegen ihre Schwangerschaftsübelkeit half, beschloss sie, auf den gemeinschaftlichen Dachgarten zu gehen. Sie selbst hatte vor ein paar Jahren die Bepflanzung angeregt. An einem Tag wie diesem würde es sicher
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nicht schaden, nachzusehen, ob der Winterschutz der Gewächse noch in Ordnung war. Auf den Knien zog sie die Folie fester um einen Pflanzkübel. Unter ihr kündigten Motorenlärm und Hupgeräusche an, dass New York allmählich erwachte. Während der Wintermonate musste Lauren beim Anblick der Stadt immer an den amerikanischen Maler Andrew Wyeth und seine Bilder in Schwarz, Weiß, Braun und Grau denken. Durch ihre Jeans drang die Eiseskälte des Betonbodens, und vom East River wehte ein scharfer Wind. Lauren vergrub sich tiefer in ihren Wollmantel und bewegte die steifen Finger in den Gartenhandschuhen. Dass ihr Magen verrückt spielte, lag nicht nur an dem Baby … Vorhin hatte ihre Freundin Stephanie angerufen und ihr ziemlich aufgeregt gestanden, dass Jason von der Schwangerschaft wusste: Ihr Mann hatte ihm ein Foto aufs Handy geschickt, das in der Vorwoche bei einer Silvesterparty entstanden war. Mit der Folge, dass Jason auf dem Weg hierher war. Unter diesen Umständen war es kein Wunder, dass weder frische Luft noch Gartenarbeit gegen Laurens Übelkeit half. Wie sollte es auch anders sein, da ihre Welt zu zerbrechen drohte? Bald würde Jason hier sein und ihr vorwerfen, dass sie ihm nichts von dem Baby erzählt hatte, das in fünf Monaten zur Welt kom20
men würde. Doch am schlimmsten war, dass ihre Firma, die ihr so viel bedeutete, vor einem schier unlösbaren Problem stand. Müde ließ sie sich gegen die Einfassung des Springbrunnens sinken, in dem das verbliebene Wasser zu Eis gefroren war. Von der Mähne des steinernen Löwen hingen Eiszapfen herab. Als es ihr eine Zeit lang zu schlecht gegangen war, um zur Arbeit zu gehen, hatte ihr Buchhalter Dave ihre Abwesenheit genutzt und eine halbe Million Dollar veruntreut. Lauren hatte erst vor einer Woche davon erfahren: Da Dave „im Urlaub“ war, hatte sie vorübergehend ein Buchführungsbüro beauftragt, und dessen Mitarbeiterin war das Fehlen der Summe sofort aufgefallen. Egal, in welches Südseeparadies er sich mit Laurens Vermögen zurückgezogen hatte – wiederkommen würde er sicher nicht. Auch Polizei und Behörden glaubten nicht, dass sie ihn oder das Geld jemals aufspüren würden. Nachdenklich strich sie über die sanfte Wölbung ihres Bauches. In wenigen Monaten würde ein Kind auf sie angewiesen sein – und sie hatte es geschafft, ihr Leben gründlich durcheinanderzubringen. Eine schöne Mutter bin ich, dachte sie selbstkritisch. Verstecke mich auf dem Dachgarten, anstatt meine Probleme zu lösen.
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Die Tür zum Dach quietschte, und gleich darauf fiel ein Schatten in Laurens Richtung. Noch bevor sie aufsah, wusste sie, dass Jason sie gefunden hatte. Nun ließ sich das Gespräch mit ihm – und die drohende Auseinandersetzung – nicht länger aufschieben. Sie sah über die Schulter … und verspürte einen Stich im Herzen. Vor der Skyline hob sich Jasons große schlanke Gestalt ab. Die Jahre des Tauchens und Schwimmens in der Navy hatten einen muskulösen Körper geformt. Der Wind fing sich in seinen kurzen Haaren. Fordernd und unbewegt stand er da, und Lauren dachte: So wie er aussieht, denkt und fühlt er auch. Kein Mann für Kompromisse … Sie riss sich von seinem Anblick los und begann, ihre Gartenwerkzeuge einzupacken. „Hallo Jason.“ Auf dem harten Boden hörte sie ihn näherkommen, aber noch immer sagte er kein Wort. „Offensichtlich hat dir der Portier gesagt, dass ich hier oben bin“, plauderte sie los, und ihre Bewegungen wurden hastiger. Jason kniete sich neben sie. „Du solltest vorsichtiger sein.“ „Und du solltest dich nicht an Leute heranschleichen“, erwiderte sie und rückte ein Stück von ihm ab.
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„Was, wenn nicht ich es gewesen wäre, der hier hochkommt? Obwohl die Tür einen ziemlichen Krach macht, hast du mich nicht gehört.“ „Ich war mit meinen Gedanken eben woanders.“ Das stimmte leider! Bei seiner unmittelbar bevorstehenden Ankunft, bei dem Baby – und bei der unterschlagenen halben Million. Ohne viel Fantasie zu bemühen, konnte sich Lauren bereits die missbilligenden Kommentare ihrer Eltern vorstellen, wenn sie von alldem hörten. Nur von Jason würden sie gewiss begeistert sein, denn er entsprach genau dem Schwiegersohntyp, den ihre standesbewusste Mutter sich vorstellte: Er stammte aus gutem Hause, verfügte über ein dickes Finanzpolster und sah auch noch gut aus. Im Grunde dachten vermutlich alle Mütter so. Aber wenn Jason auch unbestritten über all diese Vorzüge verfügte, so war er trotzdem ziemlich stur und gab gerne den Ton an. Lauren hatte zu lange um ihre Unabhängigkeit gekämpft, um sich auf eine Beziehung mit einem Mann wie ihn einzulassen. Nur aus diesem Grund hatte sie es in den vergangenen Monaten geschafft, die Anziehung zwischen ihnen zu ignorieren. Sie drückte die Gartentasche aus Leinen an ihre Brust und fragte: „Was machst du hier? Du hättest mich doch anrufen können!“ „Und du hättest mich anrufen können!“, entgegnete er, betrachtete kurz ihr Bäuchlein und sah sie dann an. „Als ich letzte Nacht mit einem Freund 23
telefoniert habe, hat er mir erzählt, dass du zurzeit von zu Hause aus arbeitest, weil dir nicht gut ist. Ich hoffe, dir fehlt nichts! Ist mit dem Baby alles in Ordnung?“ Einfach so, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt, redete er von ihrer Schwangerschaft. Keine Vorwürfe, kein Streit – ganz anders, als Lauren es von ihren Eltern kannte, egal ob vor oder nach deren Scheidung. Dennoch zitterten ihr die Finger, als sie die Tasche über die Schulter hängte. „Mir ist nur morgens schlecht“, antwortete Lauren und steckte die Hände in die Manteltaschen. „Der Arzt sagt, alles im grünen Bereich. Ich schaffe einfach mehr, wenn ich von daheim aus arbeite. So wie es aussieht, habe ich das Schlimmste hinter mir.“ „Da bin ich aber froh.“ Ein paar Monate lang hatte Lauren die Übelkeit schlimm zugesetzt. Obwohl es ihr schwergefallen war, die täglichen Geschäfte anderen anzuvertrauen, war ihr schlichtweg keine Wahl geblieben … Nur leider hatte sie das eine halbe Million Dollar gekostet. „Seit letzter Woche gehe ich immerhin wieder halbtags in die Firma.“ „Sicher, dass das nicht zu früh ist? Du bist dünn geworden“, bemerkte Jason fürsorglich, zog einen Metallstuhl heran und bot ihn Lauren an.
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Sie setzte sich – nicht ohne ihn misstrauisch zu mustern. „Was weißt du eigentlich über meine Schwangerschaft?“ „Spielt das eine Rolle?“ Er zog seinen Trenchcoat aus und legte ihn Lauren um die Schultern. Sofort nahm sie den vertrauten Duft seines Aftershaves und die angenehme Wärme wahr. Die Verlockung war zu groß! Lauren, die entschlossen war, ihr Leben nicht noch mit weiteren Problemen zu belasten, gab den Mantel zurück. „Nein. Nicht wirklich. Hauptsache ist, dass du überhaupt Bescheid weißt.“ Als er näher kam, lag in seinen dunklen Augen ein Glanz, der Lauren erbeben ließ. An diesem Tag ebenso wie damals vor vier Monaten, als sie es nicht hatte erwarten können, Jason nahe zu sein. Da sie sich nur zu genau an diese leidenschaftliche Nacht erinnerte, zwang sie sich, zur Seite zu sehen. „Danke, dass du keine Zweifel an deiner Vaterschaft hast.“ „Jetzt würde ich gerne erwidern: Danke, dass du mir von unserem Baby erzählt hast. Aber hast du ja leider nicht!“ Zum ersten Mal klang seine Stimme leicht vorwurfsvoll. „Hätte ich schon noch.“ Vielleicht kurz bevor das Kind volljährig wurde … „Es ist ja erst in fünf Monaten soweit.“ „Ich möchte am Leben meines Kindes teilhaben und keinen Moment verpassen“, sagte Jason. „Ab jetzt ziehen wir an einem Strang.“ 25
„Heißt das, dass du wieder nach New York ziehen willst?“, fragte sie. „Nein, das nicht“, antwortete er und klappte den Mantelkragen hoch. Jasons sonnengebräuntem Gesicht war deutlich anzusehen, dass er nun schon eine Zeit lang im angenehmen kalifornischen Klima lebte. „Reden wir lieber in deiner Wohnung weiter, da ist es wärmer.“ Lauren beschlich ein Verdacht. „Du ziehst nicht nach New York, aber möchtest dich mit mir zusammen um das Baby kümmern. Du erwartest doch nicht ernsthaft, dass ich nach San Francisco komme?“ Er schwieg. Es war tatsächlich genau das, was er sich vorstellte. Wütend stellte Lauren klar: „Ich gehe mit dir nirgendwohin. Nicht in mein Apartment und schon gar nicht nach Kalifornien! Weder gebe ich meinen Betrieb auf, in den ich all mein Herzblut investiert habe, noch mein Leben hier in New York.“ Auch wenn von der Firma nicht mehr viel übrig war. „Na ja …“ Sein Atem hing wie weißer Hauch in der kalten Luft. „Ich möchte schon, dass du mitkommst. Und dass wir zusammen sind, schon wegen dem Baby. Was ist dir wichtiger? Deine Firma oder dein Kind?“ Am liebsten hätte sie laut aufgeschrien. Das Wohl des Babys war ihr wichtiger gewesen als alles andere – leider voll zu Lasten ihres Unternehmens. Und
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doch war Lauren sich sicher, dass sie jederzeit wieder so handeln würde. Hätte sie lieber etwas mehr Geld ausgegeben, damit jemand wirklich Vertrauenswürdiges in ihrer Abwesenheit auf den Laden aufpasste! Aber sie hatte ja geglaubt, Personalkosten sparen zu müssen. „Jason, warum bedrängst du mich so? Lass mir doch etwas Zeit.“ Der Gedanke an ihre betrieblichen Schwierigkeiten erfüllte sie mit Zorn und der Angst, wie es weitergehen sollte – Gefühle, die sich nun gegen Jason richteten. „Wir haben doch monatelang Zeit, über alles zu reden. Was steckt in Wahrheit dahinter?“ Seine Miene wirkte verschlossen, und er sah Lauren kühl und ausdruckslos an wie der Steinlöwe in dem eingefrorenen Brunnen. „Ich weiß nicht, was du meinst.“ „Es muss doch einen Grund geben, warum du mich auf Biegen und Brechen in deiner Nähe haben willst.“ Inzwischen pfiff der Wind so laut, dass er fast den Straßenlärm übertönte. „Wurde deine Mutter von irgendeinem Mann sitzen gelassen? Oder bist du vielleicht von einer Frau enttäuscht worden?“ Als er lachte, bildeten sich wieder weiße Wölkchen in der Luft. „Du hast ja eine lebhafte Fantasie! Ich versichere dir, dass keine deiner Vermutungen zutrifft.“
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Obwohl sein Lachen ehrlich wirkte, gab Lauren sich nicht zufrieden. „Das ist keine Antwort.“ „Ich bin nicht hier, um mit dir zu streiten“, sagte Jason und tat einen Schritt auf sie zu. Lauren, die durch die Schwangerschaft besonders sensibel war, roch den angenehm meeresfrischen Duft seines Rasierwassers. Jason schien Wärme auszustrahlen, was ihn bei der bitteren Kälte umso anziehender machte. Es musste herrlich sein, sich an seiner breiten Brust zu vergraben, seinen Körper zu spüren … Schön früher hatte Lauren in seiner Nähe ein Gefühl von Spannung und Hitze empfunden. Jetzt, da sie wusste, wie leidenschaftlich er war, empfand sie dieses Gefühl noch stärker. Sie hob die Hände, vermied es dabei aber sorgsam, seine Brust zu berühren. „Mir geht das alles zu schnell. Ich möchte in Ruhe darüber nachdenken.“ „Na gut, aber wenn du nachdenkst, solltest du eines nicht übersehen.“ Mit diesen Worten griff er in seine Jackentasche, zog eine kleine Schmuckschatulle aus schwarzem Samt heraus und klappte den Deckel auf. Darin befand sich ein Verlobungsring aus Platin mit einem funkelnden Solitärdiamanten!
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2. KAPITEL Mit der Samtschatulle in der Hand wartete Jason auf Laurens Antwort. In der Nacht einen Juwelier zu finden, um einen Verlobungsring zu kaufen, war nicht ganz einfach gewesen. Trotzdem hatte Jason es noch rechtzeitig vor dem letzten Flug nach New York geschafft. Vermutlich war der Schrecken in Laurens Gesicht nicht unbedingt ein gutes Zeichen. Aber Jason fand, dass Schwierigkeiten dazu da waren, überwunden zu werden. Der Wind blies welke Blätter vom Vorjahr zusammen. Es war ungemütlich kalt – und ganz anders als an jenem Sommerabend, an dem sie zuerst stundenlang in Laurens Büro gearbeitet hatten … Obwohl Jason wusste, dass er ungeduldig wirkte, bot er ihr den Ring an, denn unnötig Zeit zu verlieren, war nicht seine Art. „Und, was sagst du?“ „Immer mit der Ruhe!“ Sie strich sich eine Strähne ihres langen glatten Haares aus dem Gesicht und atmete tief aus. „Ich bin noch völlig perplex von deinem Vorschlag, dass ich hier alles aufgeben und dir nach Kalifornien folgen soll. Und da kommst du mit einem Verlobungsring an? Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?“ „Sehe ich aus, als würde ich Witze machen?“ In diesem Moment fiel ein Sonnenstrahl auf den Ring und brachte den dreikarätigen Diamanten zum Funkeln. 29
Die Gartentasche rutschte von Laurens Schulter und fiel zu Boden. „Wir sollen heiraten, nur weil ein Baby unterwegs ist? Findest du das nicht etwas altmodisch?“ An eine Heirat hatte er eigentlich noch gar nicht gedacht. Er wollte mit einer Verlobung Gerüchte vermeiden – was eigentlich auch in Laurens Interesse liegen dürfte. Aber das konnte er ihr unmöglich direkt sagen. „Wenn du dich nicht entschließen kannst, mich zu heiraten, wie wäre es dann mit einer Verlobung zur Probe?“ „Verlobung zur Probe?“, wiederholte sie. „Du bist ja völlig verrückt. Und außerdem friere ich.“ Sie wandte sich zur Türe. „In einem Punkt jedenfalls hast du recht: Wir sollten unsere Unterhaltung in meinem Apartment fortsetzen.“ Auch wenn sie sich unbeeindruckt gab, sein Antrag ließ sie offensichtlich nicht kalt. Immerhin hatte sie die Leinentasche auf dem Boden liegen gelassen. Jason hob sie auf und folgte Lauren durchs Treppenhaus. Obwohl Laurens Wohnung in einer der sichersten Gegenden New Yorks lag, schien Jason das irgendwie nicht genug. Und wo sollte hier ein lebhaftes Kleinkind spielen? Auf dem Flug hatte er viel Zeit zum Nachdenken gehabt, und so war Jason sich über eines klar geworden: Er wollte auf keinen Fall ein Dad sein, der von Küste zu Küste flog. Er wollte am Leben seines Kindes richtig Anteil nehmen. 30
Auch wenn er viel arbeitete, wollte er nicht den Fehler seines Vaters begehen, der in seinem Sohn im Grunde nur das Abziehbild seiner eigenen Person gesehen hatte. Nie hatte er sich die Zeit genommen, Jason besser kennenzulernen. Lauren musste mit nach Kalifornien! Und das nicht nur wegen des Vertrages mit Prentice. Jason steckte den Ring wieder in die Tasche – fürs Erste. Er kannte sein Ziel und war entschlossen, es weiter zu verfolgen. Während Lauren die beiden Schlösser aufsperrte, wartete er gespannt. In ihrer kleinen Wohnung spiegelte sich ihre gesamte Persönlichkeit. Alles wirkte schwungvoll und lebhaft. Überall standen Blumen und Grünpflanzen, an den Wänden hingen moderne Kunstwerke in bunten Rahmen. Der Sommer schien sich hierher zurückgezogen zu haben. Jeder Bereich hatte seine eigenen Farben: Das Wohnzimmer war in Gelb gehalten, die Küche in Grün. Durch die halb geöffnete Schlafzimmertür ließ sich ein rosa Schimmer erkennen. Jason war zwar mit Kollegen schon einige Male hier gewesen, aber natürlich hatten sie sich immer nur im Wohnzimmer aufgehalten. Das Schlafzimmer hatte er noch nie aus der Nähe gesehen – was er in nächster Zeit zu ändern gedachte. Jason stellte die Tasche auf ein Tischchen im Flur, streifte sich die Schuhe ab und folgte Lauren ins Wohnzimmer. „Wir sind seit Monaten befreundet, 31
und ganz offensichtlich fühlen wir uns zueinander hingezogen.“ Mit einer Geste auf ihr Bäuchlein fragte er: „Oder kannst du ehrlich sagen, dass du niemals über eine gemeinsame Zukunft nachgedacht hast?“ „Habe ich nie.“ Sie hängte ihren Mantel an die Garderobe und sah Jason über die Schulter an. „Würdest du jetzt bitte aufhören? Wir können später besprechen, wie es sein wird, wenn das Baby da ist. Aber jetzt muss ich mich anziehen und zur Arbeit gehen.“ „Klar, mach dir keine Sorgen um den Wichtigtuer von Mann, der dir mal wieder lästig fällt“, sagte er ironisch und spielte damit auf das letzte Mal an, als sie es ziemlich eilig gehabt hatte, ihn loszuwerden. Vermutlich keine sehr geschickte Bemerkung, dachte er, außerdem sieht sie müde aus. Auf ihrer Stirn ließen sich feine Linien erkennen, die auf Erschöpfung hinwiesen. Fürsorglich fragte Jason: „Geht es dir wirklich gut?“ Lauren ging zur Küchenzeile und sagte: „Ja, alles in Ordnung.“ Aber die Antwort hatte eine Sekunde zu lang auf sich warten lassen. Während sie sich ein Glas Milch eingoss, beobachtete Jason jede ihrer Bewegungen. Ihr glattes kastanienbraunes Haar reichte ihr weit den Rücken hinab. Am liebsten hätte Jason es berührt, um sicherzugehen, dass es noch immer so seidig war, wie er es in Erinnerung hatte. „Irgendetwas verschweigst du mir.“ 32
„Ich versichere dir, dass das Baby und ich völlig gesund sind.“ Dabei hob sie, ohne sich umzudrehen, ihr Glas Milch wie zu einem Trinkspruch. Da war noch etwas, dessen war Jason sich sicher. Aber ihm war klar, dass sie ihm im Moment nicht mehr erzählen würde. Vorerst würde er den Rückzug antreten – nur um es in ein paar Stunden aufs Neue zu probieren. Schließlich war er ein Fachmann für Werbung und wusste, wie er vorgehen musste. Der richtige Augenblick würde schon noch kommen. Er nahm die Schatulle wieder heraus und stellte sie auf die Arbeitsplatte. „Lass dir Zeit. Wir müssen uns ja noch nicht heute entscheiden.“ Argwöhnisch betrachtete Lauren die Schatulle, als wäre eine gefährliche Schlange darin. „Ich weiß schon jetzt, dass ich mich auf keinen Fall mit dir verlobe – von einer Heirat ganz zu schweigen.“ „Also gut“, sagte er und schob die Box bis zu einem apfelförmigen Keramikgefäß – und damit gleichzeitig näher zu Lauren. „Dann hebe den Ring eben für unser Kind auf.“ Lauren lehnte sich gegen die Arbeitsplatte. Auf ihrem T-Shirt, das über ihrem Bäuchlein – und den volleren Brüsten – etwas spannte, befanden sich Farbspritzer. „Glaubst du, es wird ein Mädchen?“ Während er unauffällig die Wölbung ihres Bauches betrachtete, stellte er sich im Geiste ein kleines Mädchen mit rötlichen Locken vor. So ein winziges Wesen wuchs in Lauren heran! 33
Jason hatte kaum Zeit gehabt, sich auf seine neue Rolle einzustellen. Aber nach allem, was er sah, bestand nicht der geringste Zweifel, dass er Vater wurde. Am liebsten hätte er Lauren berührt, um den Veränderungen ihres Körpers nachzuspüren. Und vielleicht die Bewegungen des Babys zu fühlen? Er schluckte. „Wenn es ein Junge wird, kann er eines Tages seiner Freundin den Ring schenken.“ Lauren neigte den Kopf zur Seite, und ihr seidig schimmerndes Haar fiel auf die sanft gerundeten Brüste. „Wünschst du dir einen Jungen? Ich glaube, die meisten Männer stellen sich als erstes Kind einen Sohn vor.“ „War das bei deinem Vater so?“ Bei seinem auf jeden Fall! Für ihn war Jason eine Art Miniausgabe seiner selbst gewesen, ein Spiegelbild seiner eigenen Gedanken und Ansichten. „Lass meinen Vater aus dem Spiel!“ „Ist ja gut“, sagte Jason beschwichtigend und gab der Versuchung nach, ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht zu streichen. Noch bevor Lauren protestieren konnte, zog er die Hand wieder zurück. „Du siehst wunderschön aus. Aber wenn ich mich recht erinnere, wolltest du dich für die Arbeit umziehen.“ Sanft küsste er sie auf die Stirn, schaffte es, sich von Lauren loszureißen, und ging zur Tür. „Bis dann, Lauren! Lass uns später weiterreden.“
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Während er die Wohnung verließ, meinte er, ihr überraschtes Gesicht noch immer vor sich zu sehen. Mit seinem Rückzug hatte er sie verwirrt. Offenbar hegte sie durchaus Zweifel, die sich vielleicht für seinen Plan nutzen ließen. Auch wenn sie Nein gesagt hatte – das war noch nicht das letzte Wort in dieser Sache. Für Jason stand außer Frage, dass er am Sonntagabend mit dem letzten Flug nicht allein nach Kalifornien zurückkehren würde. Lauren und das Ungeborene würden ihn begleiten! Lauren betrat ihr Grafik- und Designunternehmen im dritten Stock des Bürogebäudes. Viel Platz boten die Räumlichkeiten nicht: ein großes Zimmer mit Tischen und einem Empfangsbereich. Und ihr eigenes Büro … in dem Jason und sie das Baby gezeugt hatten. Lauren empfand das Durcheinander ihrer Gefühle wie eines der bunten Klecksbilder des Malers Jackson Pollock. Es lag wirklich nicht an der Schwangerschaft, dass ihr Magen im Augenblick verrückt spielte. Die Schatulle in ihrer Tasche schien Tonnen zu wiegen. Lauren hatte die kleine Box aus Samt mitgenommen, um Jason anzurufen, mit ihm zu Mittag zu essen und ihm dabei den Ring zurückzugeben. Diese Verlobung war wirklich eine alberne Idee!
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Lauren fand, dass sie weiß Gott genug damit zu tun hatte, ihr Unternehmen vor dem Ruin zu retten. Als sie eintrat, drückte ihr Franco, ihr Assistent, einen Stapel Papiere in die Hand. „Alles Nachrichten und Post für Sie, Miss Presley.“ „Danke, Franco“, sagte Lauren und brachte ein Lächeln zuwege. Wie sie feststellte, befanden sich im Stapel viele Anfragen potenzieller Kunden – aber leider hatten auch Gläubiger angerufen. Franco erhob sich und strich seine Krawatte glatt. Das Emblem des Footballteams New York Giants prangte groß darauf. „Bevor Sie in Ihr Büro gehen…“ „Ja?“, fragte Lauren geistesabwesend, während sie gleichzeitig die Tür öffnete – und vom Duft frischer Blumen regelrecht überwältigt wurde. „Sie wurden gerade gebracht“, sagte Franco. „Und übrigens …“ Ohne weiter zuzuhören, betrat Lauren ihr Büro, in dem sich mindestens fünf Vasen voller weißer Rosen mit rosa und hellblauen Schleifen befanden. Auf dem Schreibtisch standen ein Krug Orangensaft und ein Körbchen leckerer Muffins. Als Lauren sich fragend zu Franco umdrehte, zog eine Bewegung im Empfangsbereich ihren Blick auf sich. Jason lehnte lässig an der Wand und betrachtete Lauren sehnsuchtsvoll mit halb geschlossenen Lidern.
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Wie hatte sie ihn nur übersehen können? Mit einem Kopfnicken bat Lauren Jason in ihr Büro. „Komm rein! Ich dachte, wir treffen uns mittags?“ Als er sich langsam von der Wand abstieß, wirkte Jason geschmeidig wie eine Wildkatze. Mit unverhohlener Neugier blickten Franco, die neue Buchhalterin und die zwei Studentinnen, die hier ihr Praktikum leisteten, von Lauren zu Jason. Jason legte Lauren unbeirrt den Arm um die Taille. „Ich wollte nur sicherstellen, dass die Mutter meines Kindes glücklich ist und genug zu essen hat.“ Lauren richtete sich kerzengerade auf. Was bildete er sich eigentlich ein, einfach so die ganze Welt über ihre Beziehung ins Bild zu setzen! Na gut, vielleicht nicht die ganze Welt – aber die Angestellten und wartenden Kunden! „Wie gesagt, dem Baby und mir geht es gut.“ Schnell versuchte sie, Jason in ihr Büro zu schieben. „Bitte, könnten wir uns in meinem Büro weiter unterhalten?“ „Natürlich, Schatz“, sagte er ruhig und lächelte charmant. Die beiden Studentinnen kicherten und wurden rot. Endlich schloss Lauren die Tür hinter sich, und Jason und sie waren allein. Mit dem türkisfarbenen Sofa. Und ihren Erinnerungen … Als sie die Metalljalousie hochzog, schienen die hellen Strahlen der Wintersonne herein. So wohltuend das war, Laurens Ärger verflog dadurch nicht. „Was zum Teufel soll das?“ 37
„Ich wollte nur alle wissen lassen, dass ich mich um dich und unser Baby kümmere.“ Er nahm einen Blaubeermuffin aus dem Korb. „Wie wäre es mit Frühstück?“ „Danke, ich habe schon gefrühstückt. Du hättest mich ja wenigstens fragen können, ob ich meinen Mitarbeitern schon von der Schwangerschaft erzählt habe. Oder meinst du nicht?“ Nach kurzem Schweigen sagte er: „Bestimmt hast du es ihnen schon gesagt. Du bist ja deswegen einige Zeit nicht zur Arbeit gekommen.“ „Also gut, ich gebe es zu. Aber die Kunden, die warten, wussten es nicht. Und ich finde, es ist meine Sache, wann ich es offiziell verkünde.“ „Stimmt natürlich. Bitte entschuldige.“ Er schwenkte den Muffin vor ihrem Gesicht. Der köstliche Duft stieg in ihre Nase. „Möchtest du wirklich nichts essen? Die Muffins sind ganz frisch. Ich habe selbst gesehen, wie sie in der Bäckerei aus dem Ofen geholt wurden.“ Am liebsten hätte Lauren diesem aufdringlichen Menschen gesagt, was er sie mit seinen Muffins gern haben konnte. Aber sie kam fast um vor Hunger danach! Die Gebäckstücke wirkten ausgesprochen appetitlich: An den Seiten sah man die großen Beeren, und der Zuckerguss auf der Oberseite ließ Lauren das Wasser im Munde zusammenlaufen. Sie freute sich auf ihr Baby und liebte es. Aber durch die Hormonumstellung hatte sich einiges bei Lauren verändert. Nicht nur, dass sie Heißhunger38
attacken bekam, sie hatte auch näher am Wasser gebaut. Und dass Jason und sie mit Blumen und Gebäck die Entstehung des neuen Lebens feierten, wie es eben Eltern tun, rührte sie fast zu Tränen. Die letzten Monate waren so schwierig gewesen, ohne einen Partner an der Seite. Gar nicht auszudenken, wie hart die folgenden Monate – und Jahre – werden würden. Sie trat näher, bis sie fast auf Tuchfühlung mit Jason stand, und blinzelte, um die Tränen zurückzuhalten. Jason roch gut, die Blumen auch – und am allerbesten natürlich der Muffin! Fürs Erste würde sie ihn sich auf jeden Fall schmecken lassen. Jason brach ein Stück ab und hielt es ihr hin. Ohne nachzudenken, öffnete sie den Mund – ähnlich wie damals vor vier Monaten, hier auf diesem Sofa … Was war nur an diesem Mann, dass sie sich in seiner Nähe so anders verhielt, als sie es sonst von sich kannte? Lauren war nicht impulsiv wie ihre Mutter mit ihren ständigen Stimmungsschwankungen. Lauren hatte ihre Gefühle im Griff. Immer. Bis auf den einen denkwürdigen Fehltritt mit Jason. Als ihr der Bissen auf der Zunge zu zergehen schien, stieg ihr das süße Fruchtaroma der Blaubeeren in die Nase. Es schmeckte so gut! Plötzlich spürte sie, wie Jason mit dem Daumen ihre Lippenkonturen nachzog. Sie schnappte nach Luft, als sie so heftige Erregung verspürte, dass ih-
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re Brustspitzen sich unter der braunen Wolle ihres Pullovers aufrichteten. Ohne nachzudenken stellte sie sich auf die Zehenspitzen, bis ihr Mund fast den seinen berührte … Da klopfte es an der Tür. „Was ist?“, fragte Lauren ungeduldig und atemlos. Weder sie noch Jason bewegten sich von der Stelle. In seinen dunklen Augen lag etwas wie Hitze, was Lauren so faszinierte, dass sie nicht wegzusehen vermochte. Das Klopfen wurde hartnäckiger. Lauren räusperte sich, sagte deutlich: „Ja?“ und trat einen Schritt zurück. Insgeheim wusste sie selbst nicht, was sie damit bejaht hatte. „Was gibt es denn?“ Lächelnd sah Jason sie an. Ihm war deutlich anzumerken, was es gegeben hätte, wenn es nach ihm gegangen wäre, hier und jetzt. Mit der Hand auf dem Türknauf sammelte sich Lauren, um sich nichts anmerken zu lassen. Dann öffnete sie die Tür und fragte: „Womit kann ich helfen?“ Vor ihr stand die neue Buchhalterin, eine ältere und sehr flinke Frau, die Lauren eingestellt hatte, damit sie ihr half, die Finanzen zu ordnen. Wie unter einer kalten Dusche fühlte sich Lauren zurück in die Realität geschleudert. Diese Angelegenheit musste sie unbedingt in Ordnung bringen, aber Jason brauchte das nicht zu hören. Mit gesenkter Stimme sagte sie: „Ich bin in fünf Minuten bei Ihnen.“ 40
Die Angestellte drückte den Ordner an die Brust. Dem entschlossenen Ausdruck ihrer Augen war unmissverständlich zu entnehmen, dass unter ihrer Aufsicht niemand auch nur einen Keks aus der Dose klauen würde. „Gut! Ich schlage vor, dass wir den vorläufigen Finanzierungsplan besprechen und eine Liste der Hauptgläubiger anlegen.“ „Ja. Natürlich.“ Angespannt sah Lauren zu Jason. Sie wünschte dringend, dass er ging. „Jason, wir unterhalten uns später. Heute Abend, nach der Arbeit.“ „Gläubiger?“, fragte er stirnrunzelnd. „Nichts, was dich interessieren müsste“, antwortete sie ausweichend. Jason atmete tief ein, was seine Brust noch breiter wirken ließ, und machte so ganz den Eindruck eines Beschützers. „Du bist die Mutter meines Kindes. Was dich betrifft, betrifft auch mich!“ Zu der Angestellten gewandt sagte Lauren: „Also, es bleibt dabei, in fünf Minuten komme ich zu Ihnen.“ Dann schloss sie die Tür, lehnte sich dagegen und sah Jason an. Mit so viel ehrlicher Anteilnahme an ihren Problemen hatte sie nicht gerechnet. Ihr war so übel mitgespielt worden, dass sie darüber völlig vergessen hatte, wie hilfsbereit Jason war. Seit sie ihn kannte, hatte er sich immer wieder für andere eingesetzt: für einen Freund, der zu Unrecht entlassen worden war, oder für eine Frau, die von ihrem Exfreund belästigt wurde. Sogar einem 41
Unternehmen hatte er unentgeltlich geholfen, als er erfahren hatte, dass der Eigentümer viel Geld für die medizinische Versorgung seines kranken Kindes aufbringen musste. Auch wenn Jason Reagert ein Mann war, der so entschlossen handelte, dass Lauren es bisweilen als Drängen empfand, er hatte das Herz auf dem rechten Fleck. Kein Wunder, dass er mit diesen Eigenschaften in der Navy so erfolgreich gewesen war. Lauren würde ihm gegenüber auf der Hut bleiben, dennoch fand sie, dass er etwas Nachsicht verdient hatte. „Früher oder später wird es sowieso bekannt werden. Also warum soll ich es dir nicht sagen? Mein Buchhalter, der Vorgänger der Angestellten, die gerade hier war, hat sich mit einer halben Million Dollar aus dem Staub gemacht.“ Erschrocken zog Jason die Augenbrauen hoch. „Gütiger Gott. Und wann war das?“ „Als ich von zu Hause aus gearbeitet habe.“ Sie ging zur Couch und setzte sich. Plötzlich fühlte sie sich entsetzlich müde. Warum nicht dem Vater ihres Kindes die ganze Geschichte erzählen? „Schon in der Zeit vorher erschien Dave mir unzuverlässig. Eigentlich hatte ich vor, ihn zu entlassen. Aber die Schwangerschaft verlief am Anfang nicht so gut, deswegen musste ich für eine Woche ins Krankenhaus.“ Sie strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. „Als ich wiederkam, hatte er bereits gekündigt, und ehrlich gesagt war ich erleichtert. Da er noch zwei 42
Wochen Resturlaub hatte, kam er nicht mehr in die Firma. Inzwischen habe ich die Buchhalterin eingestellt, die ich eigentlich gleich von Anfang an hätte nehmen sollen – aber Dave hat weniger verlangt, und ich wollte möglichst niedrige Personalkosten!“ Schulterzuckend fügte sie hinzu: „Eindeutig an der falschen Stelle gespart.“ Jason setzte sich neben sie. Er wagte nicht, sie zu berühren. Zum ersten Mal seit ihrer Begegnung im Dachgarten bedrängte er sie nicht. „Lauren, das tut mir ja so leid.“ „Danke. Ja, es ist wirklich schlimm.“ „Kein Wunder, dass du heute Morgen ganz durcheinander warst.“ Als er die Ellbogen auf die Knie stützte und dabei locker die Finger verschränkte, glitzerte seine Rolexuhr in der Sonne. „Dass du dir solche Sorgen machen musst, ist nicht gut für dich. Schon gar nicht in der Schwangerschaft! Bitte lass mich dir helfen.“ So viel zum Thema Drängen. „Jetzt hör aber auf! Dass ich zurzeit in Schwierigkeiten stecke, heißt nicht, dass ich nicht klarkomme!“ „Es ist doch nichts dabei, Hilfe in Anspruch zu nehmen.“ Jason lehnte sich zurück und legte den Arm auf die Sofalehne. Auch wenn er Lauren nicht berührte, fühlte sie sich wie eingehüllt in seine angenehme Ausstrahlung. „Ehrlich gesagt bin ich genau aus diesem Grund hier. Weil ich nämlich deine Hilfe brauche.“
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„So? Und wobei?“ War das Jason, der so viel für andere tat? Oder sprach da der Werbefachmann, der nur zu genau wusste, wie man Gesprächspartner für sich einnahm? „Ich bin neu bei Maddox Communications. Und leider sind in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten Arbeitsplätze nicht sicher.“ Mit seinen dunkelbraunen Augen blickte er Lauren ernst an. „Was weißt du über Madd Comm?“ „Dass es ein Familienbetrieb ist.“ Zwar hatte sie mit Madd Comm bisher nicht selbst zusammengearbeitet, wusste aber vom Hörensagen, dass dieses Unternehmen etliche finanzkräftige Kunden hatte. „Zwei Brüder sind die Chefs, wenn ich mich nicht irre.“ „Stimmt. Brock und Flynn Maddox sind die Geschäftsführer. Madd Comm würde den Markt an der Westküste beherrschen – wäre da nicht Golden Gate Promotions.“ „Ebenfalls eine Werbeagentur in Familienhand, stimmt’s?“ Entspannt lehnte Lauren sich zurück – alles schien auf das übliche Geplauder über die Branche hinauszulaufen. „Athos Koteas hält die Fäden in der Hand. Was ich so gehört habe, darf man ihn nicht unterschätzen. Ein ziemlich rücksichtsloser Geschäftsmann.“ „Und sehr erfolgreich!“ Von Jasons Arm auf der Lehne schien wohltuende Wärme auszugehen. „Da er ursprünglich aus Griechenland stammt, hat er viele Verbindungen nach Europa, was für seine 44
Firma in diesen schwierigen Zeiten natürlich ein großes Glück ist.“ „Er hat Gerüchte in die Welt gesetzt, dass Madd Comm unzuverlässig sei und Kunden verlieren würde. Brock macht sich ganz schöne Sorgen …“, sagte Jason verärgert. „Bereust du es, dass du nach Kalifornien gegangen bist?“ „Kein bisschen. Für mich läuft alles wunderbar. Ich habe Madd Comm neue Kunden gebracht. Vor allem einen dicken Fisch habe ich an Land gezogen – vielleicht hast du schon von ihm gehört: Walter Prentice, den stockkonservativen Textilmagnaten.“ Wow! „Meinen Glückwunsch, Jason. Ist ja der Hit! Mr. Prentice ist wirklich ein dicker Fisch, um nicht zu sagen ein Wal.“ „Ein Wal mit dem Motto: ‚Ehre ist alles‘. Der letzten Agentur hat er die Zusammenarbeit aufgekündigt, weil sein Ansprechpartner zum Nacktbaden ging“, erzählte Jason kopfschüttelnd. „Seine Enkelin, die den Vater ihres Kindes nicht hatte heiraten wollen, hat er verstoßen.“ Hoppla, sollte das etwa heißen …? „Du willst mir doch nicht weismachen, du fürchtest um deine Stellung, weil deine Exfreundin schwanger ist?“ Eigentlich war sie ja nie seine Freundin gewesen. „Verschone mich mit diesem Unsinn!“ „Glaub mir, das ist kein Unsinn! Dieser Mr. Prentice möchte mit Madd Comm einen Werbevertrag abschließen, der eine siebenstellige Summe bringt. 45
Damit hat er natürlich das Sagen. Sein Wunsch zählt.“ Unauffällig sah Lauren zu ihrer Tasche mit dem Ring darin. Mit Romantik hatte Jasons Angebot also nichts zu tun, mit Ritterlichkeit auch nicht. Er wollte ganz einfach seinen Job behalten. In ihrem Herzen verbreitete sich ein Gefühl der Kälte, als sie nüchtern feststellte: „Du bist ziemlich ehrgeizig.“ „Du nicht?“, fragte er und beugte sich näher zu ihr. „Wir beide sind uns ähnlich, denn wir möchten unseren Familien beweisen, dass wir es auch ohne ihre Hilfe schaffen. Also, warum arbeiten wir nicht zusammen? Zum Wohl unseres Kindes …“ „Rede jetzt nicht von meiner Familie!“, rief Lauren aus. Irgendwie tat es weh. Klar hatte sie gewusst, dass sie von Jason nichts zu erwarten hatte. Von Gefühlen zwischen ihnen war nie die Rede gewesen. Eigentlich war sie ja froh darüber, dass ihr Leben so leidenschaftslos verlief – ganz im Gegensatz zu dem ihrer Mutter. „Du hast recht“, gab Jason zu. „Es geht jetzt nicht um unsere Eltern. Vielmehr wollen wir dem Baby eine aussichtsreiche Zukunft ermöglichen. Und das geht nur, wenn wir selbst abgesichert sind. Darum will ich, dass du einer Verlobung auf Zeit zustimmst, nur bis ich den Auftrag von Mr. Prentice erledigt habe. Und ich gebe dir das Geld, das du
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zur Überbrückung brauchst, bis du wieder festen Boden unter den Füßen hast.“ Zu ihrem eigenen Entsetzen schien Lauren das alles irgendwie recht vernünftig. Sie stand auf und ging unruhig im Zimmer hin und her. „Ich will dein Geld nicht. Alles, was ich brauche, ist Zeit.“ „Von mir aus kann ich es dir auch leihen, wenn es dir dann leichter fällt. Eine halbe Million brauchst du, richtig?“ Sie spielte mit dem Schultergurt ihrer Tasche und dachte dabei an den Ring. Dass Jason ihr Geld anbot, machte die ganze Sache schrecklich. „Willst du wissen, was du tun müsstest, damit ich mich besser fühle?“ „Was denn?“, fragte er und trat hinter sie, ohne sie zu berühren. „Was auch immer es ist …“ Lauren wandte sich um und sah ihm ins Gesicht. „Mitsamt deinem ganzen Geld verschwinden.“ „Okay, okay, ich habe verstanden. Anscheinend hast du kein Interesse, deine Firma zu retten.“ Wütend holte Lauren den Ring aus der Tasche. „Stimmt nicht! Aber ich brauche keine Almosen.“ „Von einem Almosen kann gar keine Rede sein. Es ist ein Deal, der beiden Seiten Vorteile bietet.“ Sie drückte die Schatulle gegen seine Brust. „Wieso soll dein wichtiger Kunde überhaupt mitbekommen, dass das Baby von dir ist? Wir brauchen es doch nicht an die große Glocke zu hängen.“ Jason atmete tief ein. „Auf keinen Fall werde ich mein Kind verleugnen, nicht einen einzigen Tag in 47
meinem Leben. Es mag ja stimmen, dass ich ehrgeizig bin, aber alles hat seine Grenzen. Und so weit würde ich nie gehen!“ In der Hand noch immer die Schatulle, fuhr sich Lauren mit dem Handrücken über die Stirn. „Das ist alles ein bisschen viel auf einmal. Ich weiß einfach nicht …“ Aufmunternd legte Jason ihr die Hand auf die Schulter. „Dann lassen wir das jetzt.“ Er begann, ihr den Nacken zu massieren. „Außerdem haben wir Wichtigeres vor: Pläne machen für die Zeit, wenn das Baby da ist. Nach der Arbeit hole ich dich ab.“ Lauren kostete es einige Mühe, sich nicht einlullen zu lassen, denn Jason bot ihr Zärtlichkeiten, Trost – und Hilfe. Sie war so verspannt, dass ihr beinahe der ganze Körper wehtat. „Könntest du vielleicht aufhören, mit mir im Befehlston zu reden?“ Jason strich ihr von den Schultern über die Arme nach unten, nahm ihr das Ringkästchen aus der Hand und stellte es auf den Schreibtisch. Dann verschränkte er seine Finger mit ihren – die erste wirklich verbindende Geste zwischen ihnen, seit sie vor vier Monaten miteinander geschlafen hatten. „Okay, dann eben so: Möchtest du heute Abend mit mir essen gehen?“ „Um Pläne für das Baby zu machen“, schränkte sie ein.
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Jason nickte und hielt dabei weiter ihre Hand – ohne sich zu bewegen oder Lauren zu bedrängen. Es stand einfach nur da. Was für eine Versuchung! Dabei sollte ich es besser wissen, dachte sie. Aber wir müssen wirklich dringend miteinander reden. Schließlich konnte sie ihm nicht ewig aus dem Weg gehen. „Also gut, hol mich um sieben zu Hause ab.“ Als sie ihm nachsah, wie er das Büro verließ, fragte sie sich, ob sie vielleicht eben einen noch größeren Fehler gemacht hatte als nur den, den Ring nicht zurückzugeben …
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3. KAPITEL Mit dem Telefon zwischen Kopf und Schulter geklemmt versuchte Lauren, ihre violetten Stiefel anzuziehen. „Hallo Mom“, sagte sie und ließ sich auf die Bettkante sinken. „Was gibt es denn?“ „Lauren, Schätzchen, ich versuche ständig, dich zu erreichen, aber du gehst an kein Telefon: nicht im Büro, nicht zu Hause und auch nicht ans Handy!“ Lauren spürte förmlich, wie ihre Mutter am anderen Ende der Leitung ruhelos auf und ab ging. Immer, wenn Jacqueline Presley aufgeregt war, hörte man ihren typischen nordostamerikanischen Akzent. „Allmählich glaube ich, du weichst mir aus!“ „Wie kannst du das von mir denken?“ Erst vor wenigen Tagen hatte Lauren mit ihrer Mutter gesprochen. Seitdem waren auf dem Handy siebenunddreißig Anrufe von ihr eingegangen. Selbst wenn alles normal lief, hatte Lauren Schwierigkeiten, mit den ausgeprägten Stimmungsschwankungen ihrer Mutter umzugehen. Auf Phasen übertriebener Lebhaftigkeit folgten immer wieder Zeiten, in denen sie sich über alles beschwerte. „Ich weiß ja gar nicht, was du im Augenblick so treibst. In letzter Zeit kriege ich fast nichts mehr von deinem Leben mit.“ Eine Pause entstand. Holte ihre Mutter Luft? Oder sammelte sie ihre Gedanken? „Hast du mit deinem Vater telefoniert?“
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Zum Teufel! Lauren kannte diese Frage nur zu gut – eine tickende Zeitbombe, die sofort entschärft werden musste. „Nein Mutter. Ich habe Dad nicht eine Minute mehr gewidmet als dir.“ „Sei doch nicht gleich so schnippisch! Ich weiß gar nicht, warum du immer so angespannt bist. Manchmal erinnerst du mich wirklich sehr an die Schwester deines Vaters. Am Ende war sie viel zu dick und einsam.“ Na toll! Das hatte gerade noch gefehlt: Wenn es um Laurens Figur ging, war ihre Mutter wie besessen. Schon mit zehn hatte sie ihre Tochter davor gewarnt, füllig wie die von Rubens gemalten Frauen zu werden – von diesem Thema hatten die anderen Kinder in diesem Alter noch gar keine Ahnung gehabt. „Ich wollte dich nicht kränken, Mom.“ Inzwischen hatte Lauren es geschafft, erst den einen, dann den anderen Stiefel anzuziehen. Sie sah auf die Uhr. Gleich würde Jason klingeln. Nach der Arbeit war sie ins Schlafzimmer geeilt, um ihre schwarze Stretchhose und den langen Pullover auszuziehen. Als sie ihre Tasche, die sie aus einem Wollpullover genäht hatte, auf das Bett geworfen hatte, war die Schatulle mit dem Ring herausgefallen. „Es ist nur so, dass ich bei der Arbeit gerade viel Stress habe.“ „Du brauchst nicht dein Letztes zu geben, nur um dich vor mir zu beweisen.“ Ein leises Klimpern von Schmuck verriet Lauren, dass Jacqueline Presley 51
mit einer der langen Perlenketten herumspielte, die sie immer trug. „Ich könnte deinen Vater bitten, dass er dir einen Teil deines Erbes schon jetzt auszahlt. Außerdem wäre es besser gewesen, das Geld von Tante Eliza als Sicherheit für die Zukunft zurückzulegen, während du dich mit echter Kunst versuchst.“ Lauren spürte ein Engegefühl in der Brust – eine vertraute Reaktion auf das Verhalten ihrer Mutter. „Du könntest als Künstlerin genauso erfolgreich sein wie ich damals, Lauren. Du musst dich nur anstrengen.“ Wenn ihre Mutter erst einmal dabei war, alles aufzuzählen, was Lauren ihrer Meinung nach falsch machte, endete es stets auf dieselbe Weise: Jacqueline schlug eine Reihe junger Männer vor, die Lauren einfach lieben musste. Männer wie Jason zum Beispiel. Lauren ballte die Hand zur Faust. Dass ihr Buchhalter die halbe Million veruntreut hatte, wäre nur Wasser auf die Mühlen ihrer Mutter. Lauren fühlte sich schlecht. „Mom …“ „Nächste Woche komme ich in die Stadt“, fuhr Jacqueline unbeirrt fort. „Dann können wir zusammen essen gehen.“ Mit Schrecken dachte Lauren daran, dass sie ihrer Mutter irgendwann die Schwangerschaft beichten musste.
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„Mom, es war schön, mit dir zu telefonieren“, sagte sie und stand auf, um sich fertig anzuziehen. „Aber ich muss jetzt Schluss machen.“ „Hast du etwas vor?“ Wenn sie Nein sagte, würde ihre Mutter so schnell nicht aufhören zu reden. „Ich bin zum Essen verabredet. Mit einem Mann, mit dem ich schon zusammengearbeitet habe. – Natürlich ist es nicht die Art von Verabredung, die du meinst.“ Lauren wusste, je mehr sie erzählte, desto schlimmer wurde das Ganze. Und außerdem kam sie sich dann selbst vor wie ihre Mutter. „Bitte gib dir Mühe, dich schön herzurichten, Schätzchen. Und immer daran denken: Rosa passt nicht zu dir! Also dann, mach’s gut!“ Lauren drückte so heftig auf den Auflegen-Knopf, dass ihr Nagellack splitterte. Wütend warf sie das Telefon aufs Bett. Wie um die unangenehmen Gefühle loszuwerden, ging sie durchs Zimmer und schüttelte dabei die Arme und Hände. Es tat weh. Nach all den Jahren sollte sie ihre Mutter eigentlich kennen. Trotzdem litt sie unter ihrem Verhalten. Dabei war es in der Vergangenheit schon zu bedeutend unangenehmeren Gesprächen als diesem gekommen. Auf jeden Fall war Lauren klar, dass sich bei Jacqueline einmal mehr eine übertrieben aktive Phase anbahnte. Eine Kleinigkeit würde genügen, um die Dinge eskalieren zu lassen. Seit ihre Mutter medikamentöse Behandlung und Therapien ablehnte, 53
waren das Auf und Ab, die Höhen und Tiefen noch ausgeprägter geworden. Und die Neuigkeit von dem Baby war gewiss keine Kleinigkeit. Die Unterschlagung im Übrigen auch nicht. Völlig klar, dass Jacqueline darauf alles andere als gefasst reagieren würde. Lauren trat ans Fenster. Gedankenverloren knipste sie an einem Farn einen vertrockneten Wedel ab. Wie es wohl wäre, eine verständnisvolle Mutter zu haben? Nachdenklich legte Lauren die Hand auf den Bauch. Sie jedenfalls würde sich Mühe geben, ihrem Kind stets zur Seite zu stehen und es zu unterstützen. Sie drehte den Farn ins Licht. Wenn sie doch ein paar Wochen Zeit hätte, um zu sich zu finden und ihr Leben neu in den Griff zu bekommen! Wie von selbst wanderte ihr Blick zu der Schatulle, die auf der Damastdecke auf dem Bett lag. Lauren trat näher. Vielleicht war Jasons Vorschlag mit der probeweisen Verlobung nicht einmal so schlecht. Sollte sie es wagen, mit Jason in Kalifornien zu leben? Der Gedanke hatte etwas Verführerisches – und Gefährliches. Andererseits, so wie die Dinge hier lagen – wenn sie die geschäftlichen Schwierigkeiten und ihre angeschlagene Gesundheit betrachtete –, war es vielleicht unverzeihlich, eine solche Chance auszuschlagen.
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Auf der mehrspurigen Ausfallstraße steuerte Jason den Mietwagen in Richtung einer gemütlichen Kleinstadt, die ungefähr vierzig Autominuten von New York City entfernt lag. Lauren saß auf dem Beifahrersitz. Sie hatte den Kopf zurückgelegt, die ungewöhnliche Tasche, die Jason an einen Pullover erinnerte, auf dem Schoß. Dahinter ließ sich die sanfte Wölbung ihres Bauches mit dem Baby erahnen. Immerhin wurden sie jetzt von niemandem gestört, und Jason war entschlossen, diese Gelegenheit zu nutzen. Er hatte versucht, sich an alles zu erinnern, was er von Lauren wusste, und sich auf den Abend so gut vorbereitet wie auf ein wichtiges Geschäftsessen. Die Dinge vernünftig zu betrachten, fiel ihm leichter, als sich zu fragen, warum ihm so viel daran lag, Lauren zu überzeugen. Je mehr er über die Unterschlagung nachdachte, desto mehr ärgerte er sich darüber. Lauren war so talentiert! Von Anfang an hatte Jason ihre große künstlerische Begabung erkannt. Er umfasste den Schalthebel der komfortablen Limousine fester und wünschte sich, Lauren nicht nur zu beschützen, sondern selbst aktiv zu ihrem Wohl beizutragen – ein Gefühl, stärker als alles, was er seit der Dienstzeit in der Navy erlebt hatte. Natürlich ließ sich im Augenblick nichts machen: Lauren war eingeschlafen, noch ehe sie die Stadtgrenze New Yorks hinter sich gelassen hatten. 55
Wenn sie am Zielort noch nicht wach wäre, würde er einfach so lange um den Block fahren … Bei all dem Stress, den sie zurzeit aushielt, konnte sie ihren Schlaf gut brauchen. Außerdem war es für das bevorstehende Gespräch besser, wenn sie ausgeruht war. Entlang der Strecke standen altmodische Straßenlampen, die gelbe Lichtinseln schufen. Kleinere Läden und Geschäfte tauchten auf. Es schneite. In der Stille des Fahrzeuginnenraumes erklangen plötzlich gedämpfte Klingeltöne aus der Tiefe von Laurens Tasche – ihr Handy klingelte. Einen Augenblick lang fragte sich Jason, ob er sie wecken sollte. Dann schlug sie die Augen mit den langen Wimpern auf und holte das Telefon heraus – gerade als das Klingeln aufhörte. Sie runzelte die Stirn. „Willst du zurückrufen?“, fragte Jason. „Nein, schon gut“, sagte Lauren und schüttelte den Kopf. „Das hat Zeit.“ „Ich habe volles Verständnis, wenn du geschäftlich noch etwas regeln musst.“ „Damit hat es nichts zu tun.“ Lauren spielte mit dem Schultergurt der Tasche, der aussah wie der Ärmel eines Pullis. „Es war meine Mutter. Sie ruft oft an.“ Hörte sich nicht so an, als ob sie sich darüber freute. Aber immerhin redete Lauren überhaupt mit ihrer Mutter – während Jason seit dem Streit mit dem Vater keinen Kontakt mehr zu seinen Eltern hatte. Nach allem, was seine Eltern für ihn getan 56
hatten … Seine Mutter musste sehr unglücklich sein. Aber darum ging es jetzt nicht. Es ging um Lauren. „Was hat denn deine Familie zu dem Baby gesagt?“ Lauren stellte die Tasche in den Fußraum und antwortete leise: „Ich habe es ihnen noch nicht erzählt.“ Seltsam … „Deine Mutter ruft dich an, aber sie besucht dich nicht?“ „Als wir uns das letzte Mal getroffen haben, hat man noch nichts gesehen.“ „Lange wird es kein Geheimnis mehr bleiben. Ich habe es sogar auf der anderen Seite des Kontinents mitbekommen! Sagen wir es gemeinsam deinen Eltern.“ Sie lachte. „Wer sagt dir eigentlich, dass ich dich dabeihaben will? Unter Selbstzweifeln scheinst du wahrlich nicht zu leiden. Übrigens sind sie geschieden.“ Vor einer Kurve ging Jason vom Gas. Schließlich hatte er kostbare Fracht an Bord. „Wir wollten doch zum Wohl des Babys an einem Strang ziehen, dachte ich.“ „Stimmt, sorry“, räumte Lauren ein. Sie verschränkte die Arme und sah aus dem Wagenfenster, wo inzwischen die Altstadt zu sehen war, mit Bäumen, weißen Zäunen und heimeligen Backsteinhäusern. „Ich fürchte, ich lasse den Ärger, den ich in der Arbeit habe, an dir aus.“
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Am liebsten hätte er sie erinnert, dass er ihr Problem ohne großen Aufwand aus der Welt schaffen konnte, aber Jason hielt es für besser, nicht zu drängen. Ein anderer Ansatz erschien ihm günstiger. „Du wirst doch nicht verschweigen, dass ich der Vater bin, oder? Früher oder später werden es deine Eltern doch herausfinden und sich aufregen. Treten wir lieber von Anfang an gemeinsam auf, dann nehmen wir ihnen den Wind aus den Segeln. Und bevor sie sich von ihrer Überraschung erholen und Fragen stellen können, verabschieden wir uns.“ „Klingt gut. Aber die Wahrscheinlichkeit, meine Eltern gemeinsam anzutreffen, geht gegen null. Und wer von ihnen es als Zweiter erfährt, wird sich sofort zurückgesetzt fühlen, zum Telefon greifen und Streit mit dem anderen anfangen.“ Während sie das sagte, schlug Lauren unruhig die Beine übereinander. Ihre violetten Stiefel – und erst recht die schlanken Beine – zogen Jasons Aufmerksamkeit auf sich. „Ich kann nur hoffen, dass sich das irgendwie vermeiden lässt.“ Noch nie hatte sie ihm von ihren Eltern erzählt. Meist hatten sie über die Arbeit geredet – oder darüber, wohin man in New York abends ausgeht. Er hatte sich schon immer zu Lauren hingezogen gefühlt, aber es hatte sich nie ergeben, dass mehr daraus wurde. Eine Zeit lang war sie liiert gewesen, dann er. Allerdings konnte sich Jason im Augenblick gar nicht 58
mehr daran erinnern, wer die Frau damals war. „Hört sich an, als ob deine Eltern dich seit ihrer Scheidung ziemlich verletzt hätten.“ „Das gehört der Vergangenheit an“, behauptete sie und hob den Kopf. Die Beleuchtung des Armaturenbretts ließ ihre grünen Augen glänzen. „Ich lasse nicht mehr zu, dass sie weiterhin Macht über mich haben.“ „Sicher?“, fragte Jason und sah zu der Tasche mit dem Handy. „Nur weil deine Eltern sich viel streiten, brauchen wir das nicht auch zu tun.“ Kühl blickte Lauren ihn an. „Und nur weil du mit mir geschlafen hast, brauchst du nicht zu glauben, dass du mich gut kennst und meine Gedanken und Gefühle erraten kannst.“ „Okay, okay“, beschwichtigte Jason. Sie gefiel ihm, wenn sie wütend war. Überhaupt gefiel ihm vieles an ihr: wie klug sie war, ihr Ehrgeiz – und sogar ihre Gewohnheit, die Wohnung mit Zimmerpflanzen regelrecht vollzustopfen. Doch am meisten mochte er, wenn ihre äußerliche Gelassenheit heftigen Gefühlen Platz machte. Was immer dann geschah, wenn Jason am wenigsten damit rechnete. „Soll das heißen, du gibst nach?“ Überrascht sah sie ihn mit leicht geöffnetem Mund an. Ein sehr verlockender und einladender Anblick. Wie gerne hätte Jason sich zu ihr hinübergebeugt und … Zu seiner eigenen Verblüffung stellte er sie sich plötzlich völlig nackt vor. Doch er hielt der Versuchung stand, auch wenn es schwerfiel. Auf keinen 59
Fall wollte er den Bogen überspannen und damit alles verderben. „Natürlich gebe ich nach. Wenn es für dich angenehmer ist, beschränke ich mich aufs Zuhören.“ Er würde sehr genau auf alle Einzelheiten achtgeben, denn schließlich stand sehr viel auf dem Spiel. Inzwischen waren sie fast angekommen. Jason fuhr langsamer. Nachdenklich sah sie ihn an. „Ich habe dich arbeiten sehen und weiß daher, dass du niemals aufgibst, sondern höchstens deine Strategie änderst. Erinnerst du dich an meine Tuschezeichnung eines Segelboots, die dir so gut gefallen hat? Dem Kunden schwebte für seinen Herrenduft eher etwas mit Cowboys vor. Aber du hast nicht eher Ruhe gegeben, bis in der Werbekampagne das Schiff verwendet wurde!“ Genau. Und seither zierte es Flakons auf der ganzen Welt, während der Originalentwurf gerahmt zu Hause in Jasons Arbeitszimmer hing. Aber das war jetzt nicht das Thema. Jason konzentrierte sich auf sein Vorhaben und sagte: „Hier geht es um Wichtigeres als um die Arbeit. Ich möchte, dass du dich entspannst und glücklich bist.“ Und wenn man schon der Wahrheit die Ehre gab … „Ich will dich noch immer. Du warst schon vorher sehr schön, aber jetzt bist du atemberaubend attraktiv.“ „Bitte etwas mehr Zurückhaltung, Romeo“, wehrte Lauren ab. Doch sie lächelte noch immer, als sie 60
den Parkplatz des kleinen Restaurants erreicht hatten. „Du hast es doch schon geschafft, mit mir ins Bett zu gehen.“ „Ja, aber das ist schon so lange her.“ Vier lange Monate, in denen er Lauren nicht hatte vergessen können. In dieser Zeit hatte er nicht einmal eine Frau zu einem Drink eingeladen. Von mehr ganz zu schweigen … Lauren nahm ihr Handy aus der Tasche und begann, die Tasten zu drücken. Jason sah sie an und fragte: „Wieder deine Mutter?“ „Nein. Ich schaue mir nur die Liste der Anrufe durch.“ Enttäuscht fuhr sie fort: „Hm. In mehr als fünfzehn Wochen kein einziges Lebenszeichen von dir. Sieht nicht danach aus, als ob du verrückt nach mir wärst.“ Ob sie sich über einen Anruf gefreut hätte? Einige Male war Jason versucht gewesen, zum Telefon zu greifen. Aber da Lauren es beim letzten Mal so eilig gehabt hatte, ihn loszuwerden, hatte er nichts unternommen. War es möglich, dass er sie missverstanden hatte? Eigentlich konnte Jason Menschen gut einschätzen. Dieses Mal hoffte er beinahe, sich getäuscht zu haben. Wartete sie auf eine Antwort? Ja, er begehrte Lauren, wollte mehr von ihr. Am besten gleich auf der Stelle. Er roch ihr blumiges Parfüm, das das Wageninnere erfüllte. Dabei stellte er sich vor, wie warm und weich ihre Haut sich anfühlte. Wie gerne wäre er mit ihr weggefahren, ir61
gendwohin, wo sie allein waren. Natürlich machte die Schwangerschaft die Dinge etwas kompliziert, aber alles wäre einfacher, wenn er Lauren liebte. Tiefe Sehnsucht ergriff ihn. „Du hast mir deutlich zu verstehen gegeben, dass unsere Zukunftspläne nicht zusammenpassen.“ „Daran hat sich nichts geändert.“ „Doch. Alles hat sich geändert“, widersprach er. Als er sich in seinem Sitz bewegte, um ihr näher zu sein, quietschte leise das Leder. Lauren sah ihn an und beugte sich zu ihm herüber. Noch immer wartete Jason ab. Genussvoll atmete er den herrlichen Geruch nach Grünpflanzen und Blumen ein, mit denen sie sich umgab. Dann legte er den Arm auf die Rückenlehne und berührte dabei Laurens Schulter. Eine kleine Geste, die genügte, dass er an jenen Abend zurückdachte. So wie sich ihre Schulter in seine Hand zu schmiegen schien, so hatte er damals ihren wunderschönen Körper gespürt. Lauren erschien ihm durch das Baby, das sie erwartete, etwas fülliger als sonst – und damit nur noch attraktiver. Jason zwang sich, etwas von ihr wegzurücken. „Durch das Kind werden völlig andere Dinge wichtig. Je eher du das auch so siehst, desto eher können wir uns den Annehmlichkeiten des Lebens widmen.“ Auch Lauren ließ sich in ihren Sitz zurücksinken. „Immer wieder fängst du mit diesem Thema an“, sagte sie enttäuscht. 62
Den Fehler sollte Jason besser nicht noch einmal machen. Wenn es überhaupt eine Chance gab, dass sie sich wieder auf eine Beziehung mit ihm einließ, durfte er gar keinen Fehler mehr machen. Weder durfte er zu sehr drängen, noch zu schnell aufgeben. Vielmehr war es an der Zeit, die Mutter seines Kindes zu umwerben. Er schlug den Mantelkragen hoch und stieg aus. „Weißt du was? Reden wir erst nach dem Essen weiter darüber. Ich habe eine Überraschung für dich.“ Sicher würde ihr das Restaurant gefallen, das er ausgesucht hatte. Im Übrigen konnte er nur hoffen, dass seine Überredungskünste ausreichen würden, eine distanzierte und rätselhafte Frau wie sie für sich zu gewinnen. An die Möglichkeit eines Misserfolgs mochte er nicht einmal denken. Wann hatte sie den inneren Widerstand aufgegeben? Lauren griff nach dem Geländer und ging die Treppen zu dem renovierten Sandsteinhaus nach oben, in dem ihr Apartment lag. Mit Jason zu essen, war wundervoll gewesen. Besonders hatte ihr gefallen, dass er ein kleines, üppig mit Pflanzen dekoriertes italienisches Restaurant ausgesucht hatte. Wie ein Weingarten im Süden hatte es gewirkt, warm und behaglich. Dass ihm ihre Vorliebe für Grünpflanzen aufgefallen war! Kein Zweifel, dachte Lauren, er wirbt um 63
mich. Während sie die Stufen nach oben schritt, spürte sie ihn förmlich hinter sich. Natürlich warb er um sie. Ein Mann wie er wollte immer seinen Willen durchsetzen. Und mit seiner beruflichen Erfahrung gelang ihm das in der Regel auch. Dafür hatte Lauren ihn während ihrer Zusammenarbeit oft bewundert. Nun aber stand sie selbst im Mittelpunkt seiner Bemühungen, und was ein angenehmer Abend hätte sein können, verwirrte sie nun zutiefst. Irgendwie wollte sie plötzlich mehr. Nein! So weit würde sie nicht gehen. Der Ring würde bleiben, wo er war: wohlverwahrt in ihrer Tasche. Über die Schulter sagte sie: „Danke für den herrlichen Abend. Du hast es tatsächlich geschafft, dass ich für ein paar Stunden meine Sorgen vergessen habe.“ Seine dunklen, vom Schnee feuchten Haare glänzten im Licht der Straßenlampen, als er antwortete: „Für Schwangere und ungeborene Babys ist Essen wichtig. Freut mich, dass es dir gefallen hat.“ Lauren sperrte die Haustür auf. „Ich hoffe, du wirst das nicht für deinen Plan mit der Verlobung auf Probe ausnutzen.“ „Du kennst ja meine Meinung. Im Augenblick gibt es dazu nichts mehr zu sagen.“ Wie selbstverständlich folgte er ihr in den Hausflur. Offenbar dachte er nicht im Traum daran, sich zu verabschieden.
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„Bevor du versuchst, mich loszuwerden, werde ich dich zu deiner Wohnung begleiten.“ „Aus Sicherheitsgründen?“, fragte sie lächelnd und deutete in den Hausflur. Aus einer Wohnung drangen die leisen Stimmen eines Mannes und einer Frau. Im Apartment Zwei A rief die alte Dame nach ihrem Pudel, um mit ihm spazieren zu gehen. Hier würde niemandem etwas passieren, dazu gab es zu viele Zeugen. „Schließlich muss dich jemand vor dem gefährlichen Hund beschützen.“ Jason lachte. Mit dem Funkeln in seinen Augen und dem unrasierten Gesicht – es war später Abend – wirkte er ausgesprochen anziehend. Lauren blickte nach oben und versuchte, nicht daran zu denken, wie schwer ihr schon in wenigen Wochen das Treppensteigen fallen würde. „Wenn es so ist, komm!“ Unter ihren Schritten knarrten die Holzstufen. „Keine Angst, ich werde mich nicht selbst zu einer Tasse Kaffee einladen. Aber wenn du mich hereinbittest, verspreche ich dir eine unvergessliche Nacht.“ „Fast hätte ich vergessen, wie überzeugend du sein kannst.“ „Aber ich habe nicht vergessen, wie gut du riechst“, konterte er und zog sie mit seinen Blicken förmlich aus. „Habe ich dir schon einmal gesagt, wie sehr ich dein blumiges Parfüm mag?“, fragte er mit zur
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Seite geneigtem Kopf. „Das Essen gerade bedeutet mir übrigens genauso viel wie dir.“ „Ja, es war sehr schön, und ich weiß es zu schätzen, dass du so nett mit mir flirtest. Aber ich mag es nicht, wenn jemand versucht, meine Entscheidungen zu beeinflussen.“ Jason lachte. „Manchmal vergesse ich fast, dass wir beide in derselben Branche arbeiten.“ „Sei einfach ehrlich zu mir.“ „Also gut.“ An die Wohnungstür gelehnt musterte Lauren sein Gesicht, um zu erraten, was er dachte. Was sie darin sah, war … Leidenschaft! Ehe sie sich versah, ertappte sie sich dabei, dass sie Schneeflocken von seinem Mantelkragen entfernte. „Wow!“, rief sie plötzlich und drückte die Hand auf den Bauch. Stirnrunzelnd fragte Jason: „Alles in Ordnung?“ Besorgt griff er nach Laurens Ellenbogen. „Gib mir den Schlüssel. Du musst dich hinlegen.“ „Nein wirklich, mir geht es gut.“ Um der Versuchung zu widerstehen, sich an Jason anzulehnen, ging sie einen Schritt zur Seite. „Unser Kind macht gerade seinen Abendsport.“ Interessiert blickte Jason auf ihren Bauch, wagte aber offensichtlich nicht zu fragen. Lächelnd bot Lauren ihm an: „Willst du mal fühlen?“ Als er nickte, nahm sie seine Hand und führte sie an die richtige Stelle. „Keine Ahnung, ob du es auch spürst … Eigentlich ist es noch etwas früh.“ 66
Auf keinen Fall würde sie Jason erlauben, ihre nackte Haut zu berühren. Wenn es nach ihm ginge, würde er sie womöglich noch zu den Arztterminen begleiten! Gar nicht auszudenken. „Warte, ein bisschen weiter links. Ja. Genau hier.“ Tief bewegt sah er ihr in die Augen. „Ja, ich spüre es! Wow!“ Er senkte den Blick auf ihren Bauch. „Manchmal liege ich im Bett und achte auf die Bewegungen des Babys – und wenn ich dann auf die Uhr sehe, ist eine Stunde wie im Flug vergangen. Verrückt, oder?“ „Ich hatte ja keine Ahnung, wie sich so etwas anfühlt. Das ist das erste Mal, dass ich …“ Sprachlos sah er sie an. „Danke.“ Um sie herum wurde alles still: die Gespräche in den anderen Wohnungen, das Bellen des Pudels. Lauren hörte nur noch ihr eigenes Herz klopfen. Sie legte ihre Hand auf seine und fragte sich, wie es wohl wäre, ihren Gefühlen nachzugeben. Durch ihre hohen Stiefelabsätze war ihr Gesicht fast auf einer Höhe mit seinem. Jason musste sich nur ein kleines Stück herunterbeugen – oder Lauren sich etwas auf die Zehenspitzen stellen –, damit sie einander küssen konnten. Nur ein einziger Kuss, dachte Lauren, gar nicht mehr. Nur ein leichtes Berühren der Lippen. Sie spürte bereits seinen Atem an ihrer Wange. Wie sehr sie sich nach seinen Liebkosungen sehn-
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te! Im Grunde stand außer Frage, wohin das führen sollte … Vorsichtig biss sie in seine Unterlippe. Jason stöhnte leise auf und begann, Lauren zu küssen. Unwillkürlich öffnete sie den Mund. Ihre Gefühle waren einfach zu stark. Sie küssten sich wie vor vier Monaten, als sie auf dem Sofa in Laurens Büro gelandet waren. Es war auch damals keine unpersönliche Angelegenheit gewesen. Und doch ganz anders als jetzt, da sie nach einem wunderbaren Essen im Flur vor Laurens Wohnung standen, lachten und flirteten. Irgendwie war alles so … romantisch. Am liebsten hätte Lauren sich einfach ihren Gefühlen überlassen und den Augenblick genossen. Sie strich durch sein kurz geschnittenes Haar und atmete voller Sehnsucht seinen Duft nach frischer kalter Winterluft und einem Hauch von Oregano ein. „Lauren“, flüsterte er und bedeckte ihre Wange und den Hals mit kleinen Küssen. „Ich glaube, was wir hier tun, ist nichts für einen öffentlichen Hausgang. Wollen wir reingehen?“ Gute Frage. Lauren trat einen Schritt zurück und sah Jason nachdenklich an. Plötzlich öffnete sich schwungvoll die Wohnungstür. Erschrocken drehte Lauren sich um. Jason stellte sich beschützend vor sie. Dabei fühlte sie, wie er die Rückenmuskeln anspannte.
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Lauren schob die Hand tiefer unter Jasons Mantel, sah über seine Schulter und sagte: „Hallo Mom.“
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4. KAPITEL Lauren sah ihre Mutter an, wie sie dort im Türrahmen vor ihr stand. Wie lange würde es wohl dauern, bis ihr das gewölbte Bäuchlein ihrer Tochter auffiel? Hätte ich es ihr doch bloß schon erzählt, dachte Lauren. Aber Selbstvorwürfe halfen jetzt auch nicht weiter. Nun ging es darum, mit dieser Situation fertig zu werden. Dabei half es zumeist, zuerst einmal die momentane Stimmung ihrer Mutter anhand der Kleidung einzuschätzen. Jacqueline Presleys Stil war eine seltsame Mischung aus Jugendlichkeit und Extravaganz. Wie immer trug sie ein Kostüm von Chanel, diesmal in einem dunklen Violett, dazu allerdings eine auffällige Kette mit großen Tierfiguren. Ihr smaragdgrünes Cape mit silberfarbenen Fransen hatte sie achtlos über den Arm geworfen. Offenbar war sie gerade erst angekommen. Wie sie es geschafft hatte, ins Haus zu kommen, wollte Lauren gar nicht erst wissen. Außerdem hatte sie ganz andere Sorgen. Wie sich aus Jacquelines Aufmachung ergab, erlebte sie gerade eine Hochphase. Doch die etwas zerzausten Haare, der zum Teil schadhafte Nagellack und ein leichtes Zittern der Hände verrieten, dass sie an der Grenze zur Übersteigerung stand. Mit den Jahren hatte Lauren gelernt, auf solche kleinen Zeichen zu achten. Während sie noch über70
legte, was sie sagen sollte, machte Jason einen Schritt nach vorne. „Hallo, Mrs. Presley. Ich bin Jason Reagert.“ „Reagert?“, wiederholte Jacqueline und reichte ihm die Hand. „Sind Sie mit J. D. Reagert von Reagert Comm verwandt?“ „Mein Vater, Madam.“ „Oh, bitte nennen Sie mich nicht Madam. Für Sie bin ich Jacqueline.“ Sie hing sich bei ihm ein und führte ihn in die Wohnung, ohne weiter auf Lauren zu achten. Und ich hatte Angst, dass ihr meine Schwangerschaft auffallen würde, dachte Lauren entnervt. Aber das war zumindest im Augenblick eine völlig unbegründete Furcht. Kein Wunder, schließlich entsprach Jason genau Jacquelines Idealbild von einem Schwiegersohn. Lauren ging hinter den beiden ins Wohnzimmer und schloss die Tür. Bald darauf klang Jacquelines Lachen durch das Apartment. Zu den vielen guten Eigenschaften von Laurens Mutter gehörte auch ihr Charme. Als sie noch ihre Medikamente genommen hatte, war ihr Leben in geordneten Bahnen verlaufen, ja sogar glücklich gewesen. Obwohl oder gerade weil sie sich schon immer unkonventionell verhalten hatte und sich für eine begabte Künstlerin hielt, hatte es mit ihr zusammen viele amüsante Momente gegeben.
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Lauren konnte nur hoffen, dass das so ein Moment war … Unauffällig hielt sie sich die Tasche vor den Bauch, während Jason ihrer Mutter am Esstisch einen Stuhl anbot. Zwar wunderte sich Lauren etwas, warum gerade hier und nicht auf der Couch, aber auf diese Weise würde die Tischplatte wenigstens ihren Babybauch verdecken. Plötzlich begriff Lauren: Jason hatte absichtlich diesen Platz gewählt, damit ihre Schwangerschaft nicht auffallen sollte. Während Lauren sich ebenfalls setzte, lenkte er Jacqueline ab, indem er ihr höflich das Cape abnahm und sich danach erkundigte, wie die Anreise verlaufen war. Ob das gutgeht? fragte sich Lauren und hoffte, es würde ihnen allen erspart bleiben, dass Jacqueline auf diese abrupte Art von ihrem Enkelkind erfuhr. Die Chancen standen nicht schlecht, denn Jacqueline lauschte gebannt Jasons Ausführungen über seine neue Stellung in Kalifornien. Weder er noch sie würdigten Lauren dabei eines Blickes. Ihre Mutter war so fasziniert, dass sie sogar vergaß, mit ihrer Kette zu spielen. Wie anders es doch war, wenn sich jemand Drittes um Jacqueline kümmerte! Leider hatte sich Laurens Vater schon lange den Problemen entzogen. Aber Lauren machte ihm keinen Vorwurf, schließlich waren ihre Eltern geschieden, und ihr Vater lebte sein eigenes Leben. 72
Nach fünfzehn Minuten angeregter Unterhaltung sagte Jason: „Hat mich sehr gefreut, Jacqueline, Sie kennenzulernen. Hoffentlich halten Sie mich nicht für unhöflich, aber ich bin eigens von Kalifornien hierhergekommen, um Lauren zu besuchen, und muss schon bald wieder zurückfliegen…“ Sofort erhob sich Jaqueline und warf ihr Cape über. „Ich möchte euch zwei Turteltäubchen auf keinen Fall stören.“ Sie lachte. „In diesem Fall ziehe ich mich ins Hotel Waldorf zurück, ich habe dort ein Zimmer gemietet.“ Zu Lauren sagte sie: „Wir beide essen mal gemeinsam zu Mittag, wenn Jason wieder in Kalifornien ist.“ „Ja, Mom. Wir müssen uns wirklich mal wieder unterhalten.“ Lauren atmete auf. Nun hatte sie die Chance, ihrer Mutter ein andermal in aller Ruhe von der Schwangerschaft zu berichten. „Ich kenne ein schönes Vollwertrestaurant. Das Essen dort wird dir guttun. Dein Gesicht wirkt ein wenig aufgedunsen.“ Jaqueline legte zum Abschied die Wange an die Wange ihrer Tochter und flüsterte: „Jason ist ein feiner Kerl. Verdirb bloß nicht wieder alles!“ „Nein, Mom.“ Auf keinen Fall wollte Lauren neuerliche Ratschläge, wie sie den „Richtigen“ finden konnte, schon gar in Jasons Gegenwart. Um Ärger zu vermeiden, ließ sie auch das „aufgedunsene Gesicht“ auf sich 73
sitzen. Hauptsache, dieser Blitzbesuch ihrer Mutter würde ohne Streit enden. Jacqueline würde bestimmt das Baby als Vorwand nehmen, ihrer Tochter weiter die Leviten zu lesen, damit sie endlich unter die Haube kam. Ihr ungeborenes Kind für einen solchen Zweck eingespannt zu sehen, widerstrebte Lauren zutiefst. In der Tür winkte Jacqueline noch einmal über die Schulter, drehte sich aber nicht mehr nach Lauren um, da Jason sie in den Hausflur begleitete. Als sie weg war, stellte Lauren die Tasche auf den Boden und ließ sich wieder auf ihren Stuhl sinken. Sie legte die Hand auf den Bauch und spürte die Bewegungen des Babys. Es sollte für nichts als Vorwand dienen, auch nicht für einen sozialen Aufstieg! Eine Träne lief ihr über das Gesicht. Mit dem Handrücken wischte sie sie weg. Sie hatte nicht einmal gemerkt, dass sie weinte. Die Wohnungstür fiel ins Schloss, und Jason kam zurück ins Wohnzimmer. Lauren versuchte zu lächeln. Sie wollte nicht, dass er ihre plötzlichen Tränen sah. „Ich kann dir gar nicht genug danken.“ „Wofür denn?“, fragte er, zog einen Stuhl heran und setzte sich zu Lauren an den Tisch. „Dass du Mom in ein Gespräch verwickelt hast. Und dass du ihr gegenüber weder das Baby noch die Unterschlagung erwähnt hast.“
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„Ich will einfach nur unserem Baby und uns das Leben erleichtern.“ Unserem Baby! Lauren wusste nicht, ob sie sich freuen sollte, oder ob die Angst überwog. Sie dachte an den Kuss von vorhin und begriff, dass sie jederzeit wieder in seinen Armen landen konnte. Und mit ihm im Bett. Irgendwie schaffte Jason es immer, dass sie ihren Gefühlen freien Lauf ließ, und genau das war es, womit sie schwer zurechtkam. Auch in diesem Moment spürte sie deutlich den Wunsch, seine Hand zu berühren. „Ehrlich, du hast dich einfach großartig benommen: Du bist hierhergekommen, sobald du von dem Baby erfahren hast, hast mich zum Essen eingeladen und dich sogar mit meiner Mutter angefreundet!“ Dennoch konnte sie nicht vergessen, dass er sich vier Monate lang nicht gemeldet hatte. Nicht einmal eine E-Mail hatte er geschickt. Dabei mussten sie über jene Nacht unbedingt reden. „Du hast mich nie gefragt, wieso ich eigentlich schwanger geworden bin.“ Nachdenklich rieb er sich das Kinn. „Weil das Kondom versagt hat, nehme ich an.“ Lauren dachte an den Kuss vorhin im Hausflur – und an die folgenreiche Nacht vor vier Monaten. Damals hatten sie einander wie im Rausch die Kleidung vom Leib gerissen. Ihre Küsse waren sehnsüchtig und leidenschaftlich gewesen, bis sie 75
beide nicht mehr hatten warten können. Dann das hastige Suchen in Jasons Brieftasche … „Zu dem Zeitpunkt waren wir, nun ja, sehr beschäftigt … Ich rechne dir hoch an, dass du keine Fragen gestellt hast.“ Sie betrachtete seinen Nacken, der sich stark und fest unter ihren Küssen angefühlt hatte. „Wir kannten uns damals schon ein Jahr, und ich wusste, dass du in keiner festen Beziehung warst.“ „Und unsere Beziehung war ja eher geschäftlicher Natur.“ Dennoch hatte sie mit ihm geschlafen, eine impulsive, ja wilde Vereinigung – etwas, was Lauren noch nie erlebt hatte. Bis zu jener Nacht war sie mit zwei Männern zusammen gewesen, und beides waren Beziehungen gewesen, die eigentlich zu einer Ehe hätten führen sollen. Jason rückte näher zu ihr und strich ihr über den Arm. „Stimmt zwar, aber aufgefallen bist du mir von Anfang an.“ Sein Streicheln wirkte nun nicht mehr beruhigend, sondern verführerisch. Lauren fühlte, dass ihr warm wurde. Ja, sie begehrte diesen Mann – und konnte nichts dagegen tun. Bevor sie etwas Unüberlegtes tat, wie sich zum Beispiel mit ihm auf dem Boden zu wälzen, rückte sie ein Stück von Jason ab. Gerade noch hatte sie geweint, und nun wäre sie am liebsten über ihn hergefallen. Während der Schwangerschaft schienen wirklich die Hormone verrückt zu spielen.
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Jason hörte auf, sie zu streicheln, um sie nicht zu bedrängen. Allerdings der höchst angenehme Duft seines Rasierwassers … Lauren wechselte das Thema, um ihre Gefühle nicht weiter zu vertiefen. „Wie hast du das mit meiner Mutter nur so gut hinbekommen?“ Eine Zeit lang sah er Lauren an, bis ihr regelrecht heiß wurde. Dann antwortete er: „Den Trick mit dem Tisch haben wir vor Kurzem bei Werbeaufnahmen für eine neue Make-up-Linie angewandt. Das Model war nämlich schwanger geworden, und deshalb sollte nur ihr Gesicht zu sehen sein.“ „Also nochmals vielen Dank“, sagte Lauren und spielte mit einer Pfeffermühle auf dem Tisch. Erneut spürte sie bereits Tränen aufsteigen. Vielleicht sollte sie so tun, als ob sie Pfeffer ins Auge bekommen hätte. „Im Grunde weiß ich ja, dass ich das Unvermeidliche nur hinausschiebe.“ Jason reichte ihre eine Stoffserviette. „Deiner Mutter von ihrem ersten Enkelkind zu erzählen sollte etwas Besonderes sein. Zeit und Ort bestimmst natürlich du.“ „Danke für dein Verständnis“, sagte Lauren, nahm die Serviette und wischte sich die Tränen ab. Irgendwie wurde ihr alles zu viel: Dass sie ihre Firma retten musste und allein mit einem Kind dastand, waren beides keine Kleinigkeiten. Und dann die Hormonumstellung … Aber Jason hatte ihr Hilfe angeboten.
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Was hatte sie schon zu verlieren? Warum nicht für ein paar Wochen mit ihm nach Kalifornien gehen, bis die Dinge wieder im Lot waren? Dabei konnten sie auch schon den Umgang mit dem Baby besprechen. „Okay, Jason.“ „Was ist okay?“, fragte er. Nach einem tiefen Atemzug erklärte sie: „Ich gehe für zwei Wochen mit dir nach Kalifornien und spiele deine Verlobte.“ Einen kurzen Augenblick lang wirkte er überrascht, dann fasste er sich wieder und machte einen völlig ruhigen Eindruck. „Zwei Wochen?“ Also hatte er diesen Teil nicht überhört. „Ich kann meine Firma nicht länger alleinlassen.“ Nur um mit Jason das perfekte Paar zu spielen. „Man hat ja gesehen, was dabei herauskommt. Mein Angestellter nutzt die Gelegenheit und geht mit einer halben Million Dollar auf und davon.“ „Auch ein wichtiger Punkt. Nimmst du mein Geldangebot an?“ „Als Darlehen, das ich dir mit Zinsen und einem Tilgungsplan zurückzahlen werde.“ Etwas anderes ließ ihr Stolz nicht zu. „Nur dabei habe ich ein gutes Gefühl, vor allem, weil ich ja nicht auf Dauer mit dir nach Kalifornien gehe.“ „Wir könnten das Geld ja auch als Investition in die Zukunft unseres Kindes ansehen.“ „Jason, hör auf! Und bedränge mich nicht schon wieder. Auch wenn eine halbe Million Dollar für dich nicht viel Geld ist, mir geht es ums Prinzip.“ 78
„Okay“, sagte er schließlich. „Wie du willst.“ „Ich bin mit einem niedrigen Zinssatz einverstanden.“ Übertreiben musste man den Stolz nicht, schließlich ging es um das Wohl der Firma. „Gute Entscheidung“, lobte Jason. „Ich habe nichts dagegen, da ich dir wie gesagt das Geld auch schenken würde.“ „Dieses Mal werde ich mir gut überlegen, wem ich meinen Betrieb während meiner Abwesenheit anvertraue. Ein Fehler wie beim letzten Mal passiert mir nicht wieder!“ Wie gut, dass sie diese Chance bekam! Es musste einfach klappen. Das Baby hatte ein Recht auf eine Mutter, die fest im Leben stand. Sie drückte Jason den Zeigefinger auf die Brust. „Aber das eine sage ich dir: Wenn ich zwei Wochen sage, meine ich das auch so.“ „Na gut. Wenn du danach wieder nach New York gehst, lassen wir es aber offiziell bei der Verlobung. Schon wegen deiner Mutter und meinem Kunden.“ Bei diesen Worten nahm er ihre Hand und drückte sie fest gegen seine Brust. Lauren spürte seine Wärme und sah in seine braunen Augen. „Und nach einiger Zeit können wir sagen, es ist wegen der großen Entfernung auseinandergegangen.“ „Hey! Findest du es nicht ein wenig früh, jetzt schon über eine Trennung nachzudenken?“ Ganz leicht strich er über die Innenseite ihres Handgelenks. 79
„Hör auf, du bringst mich zum Lachen.“ Oder sollte sie sagen: Hör auf, ich bekomme Lust auf dich. Während er ihr weiterhin in die Augen sah, verschränkte er ihre Finger mit seinen. „Es ist so schön, wenn du lachst, dass ich nicht genug davon bekomme.“ Lauren wusste, dass sie jetzt stark bleiben musste. Vorsichtshalber zog sie die Hand weg. „Eine Bedingung allerdings habe ich noch.“ „Daran wird es sicher nicht scheitern.“ Um die Finger von Jason zu lassen, hielt sie sich an den Armlehnen des Stuhls fest. „Auf keinen Fall schlafen wir noch einmal miteinander.“ Nach Kalifornien ging sie nur mit, um von dort aus mit etwas Abstand ihr Leben neu zu ordnen, um ihre Firma zu retten und um Jason in Bezug auf seinen Kunden zu helfen. Aber mehr auch nicht! In ihrer Situation brauchte sie einen kühlen Kopf, musste klar denken können. Mit Jason zu schlafen, hätte das genaue Gegenteil zur Folge. Mit einem sehnsüchtigen Blick auf seine breiten Schultern fragte sie sich allerdings, ob sie sich mit dieser Bedingung tatsächlich einen Gefallen tat. Zwar hatte Jason nicht daran gezweifelt, dass er Lauren schließlich überzeugen würde, dennoch war er froh, als er endlich mit ihr auf dem Beifahrersitz zu seinem Haus in San Francisco unterwegs war. Es lag im Mission District, einem der ältesten Stadtviertel. 80
Es gefiel ihm ganz und gar nicht, dass sie ihm klargemacht hatte, nicht mit ihm schlafen zu wollen. Aber er hatte den Glanz in ihren Augen gesehen. Und als er ihr Handgelenk gestreichelt hatte, hatte er bemerkt, wie sich ihre Brustspitzen unter dem Pulli aufgerichtet hatten. Er war sich sicher, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen war. Sonntagabend waren sie mit einem Charterflug von New York gekommen. Bisher hatte Jason sich sehr zurückgehalten, um nicht schon im Vorfeld einen Fehler zu machen. Schließlich lagen zwei Wochen vor ihm, in denen er Lauren für sich gewinnen konnte. Da ihr sechsstündiger Flug durch insgesamt vier Zeitzonen geführt hatte, war es noch immer Sonntag, allerdings spät in der Nacht. Im Augenblick ging es Jason daher nur darum, Lauren so schnell – und so sanft – wie möglich in seine restaurierte Villa aus dem neunzehnten Jahrhundert zu bringen, damit sie ihren dringend notwendigen Schlaf bekam. Das Licht der Straßenlampen fiel in das Innere seiner großen Saab-Limousine. „Du hast ein Haus?“, staunte Lauren ungläubig und deutete nach vorne. „Ich wohne nicht im Auto, wenn du das meinst.“ Sie lachte leise und sah interessiert aus dem Seitenfenster, während Jason in die Garage fuhr. „Ich dachte, du hättest vielleicht nur eine Eigentumswohnung. Schau mal die Blumenkästen am Nach-
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barhaus! Jetzt im Januar blühen hier schon die Blumen! Hier wirkt alles so … beschaulich.“ So hatte es Jason noch nie betrachtet. Er stellte den Wagen ab und senkte mit der Fernbedienung das Tor. „In meiner Navyzeit war ich oft auf Schiffen unterwegs, auf denen die Mannschaft nur wenig Platz hatte – oder ich wohnte in Hotelzimmern. Darum wollte ich etwas Geräumiges.“ Lauren dachte an ihr eigenes Zwei-ZimmerApartment. „Manchmal machen Babys ganz schön Lärm. Und Platz brauchen sie auch.“ „Selbst wenn du Drillinge bekommen solltest, dürfte das kein Problem werden.“ Jason lachte. Dann stieg er aus, ging um den Wagen herum und half Lauren aus dem Auto. Schließlich öffnete er die Tür der Garage und ging mit Lauren auf einem gepflasterten Weg zu dem historischen und luxuriösen Haus. Jason hatte es hauptsächlich wegen seiner Lage gekauft. Aber als er jetzt die Stufen zum Seiteneingang hinaufging, sah er die reich verzierte Fassade zum ersten Mal mit den kunstverständigen Augen Laurens. Drinnen fiel das Licht auf den dunklen Dielenboden und verlieh dem Holz einen warmen Glanz. Dazu die Fenster mit Buntglaseinsätzen … „Es ist einfach großartig“, rief Lauren und drehte sich in einem der Zimmer um die eigene Achse, dass ihr der Rock um die Beine schwang. Bewundernd ließ Jason den Blick über ihre schöne Figur gleiten, über ihren süßen Mund … 82
„Ich bin gern da, wo es schön ist“, sagte er und lockerte die Krawatte. „Außerdem ist in der Gegend immer etwas los.“ „Soll das heißen, du hast nicht mehr nur die Arbeit im Kopf?“ Bewundernd strich sie über den Kaminsims aus Marmor. Das gesamte Haus schien ihr ausnehmend gut zu gefallen, worüber Jason sich nicht wunderte. Schließlich kannte er ihren Geschmack gut genug. Plötzlich empfand er es als großes Glück, gerade dieses Haus gekauft zu haben. „Da ich nicht viel Freizeit habe, finde ich es gut, Restaurants und Bars in der Nähe zu haben.“ „Wirklich ein absoluter Glücksgriff. Wie bist du dazu gekommen?“, fragte Lauren. Als sie sich nach Jason umwandte, schwang ihr kastanienfarbenes Haar durch die Luft. Er stellte ihre Tasche an den Fuß der Treppe. „Die Vorbesitzer haben das Haus von Grund auf renoviert, allerdings offenbar kurz vor dem Ziel aufgegeben. Oben im Gästebad stehen noch Farbeimer in der Wanne.“ Vor lauter Arbeit mit dem Vertrag mit Prentice war Jason noch nicht dazugekommen, dort oben aufzuräumen. „Tut mir ein bisschen leid für die Leute. Vielleicht ist ihnen das Geld ausgegangen. Oder sie hatten persönliche Gründe“, mutmaßte Lauren. „Aber für dich war es natürlich ein Glück.“ 83
Er nickte und betrachtete insgeheim Laurens vollendete Schönheit. „Und was ist mit Möbeln?“, wollte sie wissen. Jason sah sich um: nackte Wände, fast leere Zimmer und Umzugskisten in der Ecke. Bisher hatte er immer einfach herausgenommen, was er gerade brauchte. „Weißt du, ich hatte vorher nur ein paar Stücke. Und weil mir die Zeit fehlt, habe ich vorerst nur das Allernötigste gekauft. Finde ich besser, als eine Menge Zeug anzuschaffen, und später bereut man es. Komm, gehen wir in die Küche. Da kannst du dich setzen.“ „Wie wäre es mit einem Innenarchitekten?“, fragte Lauren, während ihre Schritte auf dem Fliesenboden des geräumigen Flures hallten. Als sie einen anerkennenden Laut von sich gab, schmunzelte Jason. „Ach, ich lasse mir Zeit. Fürs Erste habe ich ja alles.“ Sie nahmen an dem hohen Tresen zwischen Küche und Essbereich Platz. „Einen bequemen verstellbaren Sessel und einen Fernseher. Im ersten Stock steht ein superbequemes großes Bett.“ Lauren stützte die Ellbogen auf die Platte aus brasilianischem Granit und fragte: „Und wo schlafe ich?“ „In meinem Bett natürlich.“ Schon bei dem Gedanken wurde ihm heiß. „Möchtest du Mineralwasser? Und Obst dazu?“, fragte er und öffnete den Kühlschrank. 84
„Ja, gern.“ Lauren stand auf und holte sich das Wasser und einige Trauben. „Dann hoffe ich für dich, dass dein Gästebett oder Sofa bequem ist.“ Jason liebte es, wie sie ihm in verfänglichen Situationen ganz lässig den Ball zurückspielte. „Leider ist das Gästezimmer noch leer. Und eine Couch gibt es auch noch nicht. Macht aber nichts: Heute schlafe ich im Sessel. Und in den nächsten Tagen wird eine Matratze geliefert.“ „Glaub jetzt bitte nicht, dass du mir leidtust und ich dich zu mir ins Bett bitte!“ „Du bist herzlos“, sagte Jason, legte den Arm um sie und hielt ihr eine Weintraube an die Lippen. „Ich habe dir von Anfang an gesagt, dass wir getrennt schlafen“, beharrte sie, nahm ihm die Traube ab und steckte sie in den Mund. „Na ja“, sagte er leise. „Man kann es ja mal probieren …“ Mit dem Daumen strich er über ihren Rücken und beobachtete, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. „Jason, in den zwei Wochen, die vor uns liegen, können wir doch nicht einfach miteinander schlafen und danach so tun, als wäre nichts gewesen. Wir müssen an das Baby denken. Dummheiten können wir uns nicht leisten.“ Da sie ihn nicht von sich gewiesen hatte, rückte er ein Stück näher zu ihr. „Unser Kind sieht uns bestimmt gerne zusammen.“ „Möchtest du plötzlich eine feste Beziehung? Ist ja ganz was Neues.“ 85
Fast unmerklich zuckte Jason zusammen. „Ja, warum eigentlich nicht?“, fragte er. „Sehr nett“, spöttelte sie, entzog sich ihm und wandte sich Richtung Treppe. „Hey!“, rief er hinter Lauren her. „Für mich ist das auch Neuland.“ Lauren griff nach ihrer Tasche und sagte: „Was soll’s, ich gehe ins Bett. Und zwar allein. Viel Spaß in deinem Sessel.“ „Danke. Und keine Angst, ich schlafe immer gut.“ Er nahm ihr die Tasche aus der Hand. „Ich kann nicht sehen, dass eine Frau – und noch dazu eine schwangere – Gepäck die Treppe hoch schleppt.“ Ohne ein weiteres Wort ging er vor ihr her. Zwei Wochen gemeinsame Zeit, in der er sie in sein Bett bekommen musste. Und wenn er sie erst so weit hatte, würde er sie so schnell nicht mehr gehen lassen.
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5. KAPITEL Plötzlich fühlte sich Lauren in dem leeren Schlafzimmer einsam. Durch die geschlossene Tür hörte sie, wie Jasons Schritte sich immer weiter entfernten. Zugegeben, sie hatte ihr kleines Apartment in New York mit Möbeln und Blumen geradezu vollgestopft, aber dieses Haus wirkte leer und riesig. Das Bett bestand nur aus einem Rahmen mit Matratze. Daneben stand ein Nachttischchen aus Glas und Messing mit einer Leselampe und einem Wecker. Die wenigen Kleidungsstücke waren fein säuberlich in den Wandschrank eingeräumt. Als Lauren ihre Tasche auf die Tagesdecke in braunen und blauen Farbtönen warf, fiel erneut die Ringschatulle heraus. Lauren stellte sie auf das Glastischchen. Sie wollte nicht zulassen, dass Jason ihr leidtat. In der Werbebranche galt er als harter Verhandlungspartner, und Lauren mochte ihm gegenüber nicht ins Hintertreffen geraten. Aber dennoch rührte sie dieses trostlose Haus: Es verlangte geradezu nach Blumen, Farben und Geräuschen. Wie anders wäre es, wenn es hier Liebe und Aufmerksamkeit, Partys mit Freunden und Familienleben geben würde! In der Küche standen zwei Barhocker am Küchentresen. Ob sie noch von den Vorbesitzern stammten? Oder hatte Jason die Stühle angeschafft und dabei an jemand Bestimmtes gedacht? 87
Lauren kniete sich vor das Bett und holte das seidene Nachthemd aus dem Koffer. Es passte noch. Noch! Liebevoll legte sie die Hand auf ihren sanft gewölbten Bauch. Für besonders verführerisch hielt sie sich in diesem Zustand allerdings nicht mehr. Nachdenklich betrachtete sie die leeren Wände und den völlig unmöblierten Erker. Hier könnten zwei Korbstühle stehen, von denen aus ein Paar gemeinsam den Sonnenaufgang genießen konnte. Doch abgesehen von den Barhockern gab es keinen Hinweis, dass Jason jemals eine Frau mit nach Hause gebracht hatte. Außer Lauren. Wie ihm aufgefallen war, hatte sie in den letzten sechs Monaten vor seinem Wegzug keinen Freund gehabt. Aber auch Jason hatte sich mit keiner Frau getroffen. Sonst hätte sich Lauren auch kaum mit ihm eingelassen, egal, wie groß die Anziehung auch sein mochte. Seufzend schlüpfte sie in das Nachthemd. Bei der sanften Berührung des kühlen Seidenstoffes richteten sich ihre Brustspitzen auf. Wie einfach wäre es doch, hinunter ins Erdgeschoss zu Jason zu gehen, um ihre schmerzliche Sehnsucht zu stillen. Lauren sah zur Tür und überlegte, ob sie es tun sollte. Zögernd tat sie einen Schritt in die Richtung. Dabei stieß sie mit der Zehe gegen ihre Notebooktasche. Ach ja richtig, der Computer!, dachte Lauren, und ihr fiel wieder ein, weswegen sie hier war: um Zeit 88
für sich selbst zu haben, um ihr Geschäft zu retten – und um sich ihren Stolz zu bewahren. Nur schade, dass das Notebook und ihr Stolz nicht wirklich aufregende Bettgenossen abgaben. Als Jason am anderen Morgen in sein Schlafzimmer kam, bemerkte er auf dem Nachttisch das Notebook und die Ringbox, beide zugeklappt. Noch immer trug Lauren den Ring nicht am Finger, und das, obwohl sie der Verlobung zugestimmt und mit nach Kalifornien gekommen war. Also war sie sich nicht zu hundert Prozent sicher. Vorsichtig stellte er das Frühstückstablett am unteren Ende des Bettes ab und betrachtete die Frau, die in seinem Bett schlief. Ihr kastanienbraunes Haar lag ausgebreitet auf dem braun bezogenen Kopfkissen, die Decke hatte sich um ihre Beine gewickelt. Das pastellgelbe Nachthemd war etwas nach oben gerutscht, und unwillkürlich dachte Jason daran, wie wunderbar weich sich ihre Schenkel angefühlt hatten. Und wie kräftig, ja fordernd Lauren sie um seine Hüften geschlungen hatte. Es fiel ihm zunehmend schwerer, in ihrer Gegenwart seine Hände bei sich zu behalten. Aber Geduld würde sich am Ende auszahlen. Er setzte sich auf die Bettkante – und ertappte sich dabei, wie er Lauren eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich. Eigentlich hatte er sie nicht wecken wollen, aber der Gedanke, dass sie allein in einem fremden 89
Haus aufwachen würde, gefiel ihm nicht. „Schlafmütze, wach auf!“, rief er leise. Lauren streckte sich, und das Nachthemd spannte über ihrem Bäuchlein. Wie faszinierend es gewesen war, die Bewegungen des Babys zu spüren. Er musste Lauren unbedingt zum Bleiben überreden. Noch im Halbschlaf lächelte sie und streckte Jason die Arme entgegen – und allen vernünftigen Überlegungen zum Trotz beugte er sich über sie und küsste sie auf beide Augenlider. Wie weich ihre Haut war! Jason küsste ihre Nasenspitze und das Kinn. Am liebsten hätte er so weitergemacht, den Hals und das Dekolleté mit Küssen bedeckt … Aber er hatte sich vorgenommen, dass Lauren es sich von ganzem Herzen wünschen sollte, wenn sie wieder miteinander schliefen. Langsam und sehr sinnlich bewegte sie sich unter ihm und seufzte leise. Sein Begehren erwachte schnell. Er lehnte die Stirn an ihre und verharrte so. Plötzlich erwachte Lauren vollends und riss die Augen auf. „Jason!“, rief sie und stieß ihn von sich. „Ich habe dir doch gesagt, dass ich dich nicht in meinem Bett haben will.“ Geduld!, ermahnte er sich und richtete sich auf. „Wenn ich dich daran erinnern darf: Du bist in meinem Bett!“ „Lass die Spitzfindigkeiten.“ Hastig zog sie sich erst das Nachthemd bis zu den Knien herunter und dann die Decke über sich. 90
„Eigentlich hatte ich dich als Morgenmensch in Erinnerung“, sagte Jason und nahm das schwarz lackierte Tablett vom Fußende des Bettes. Als Lauren das Frühstück sah – Saft, Milch, Toastbrot und Eier –, sagte sie: „Trotzdem vielen Dank. Wirklich sehr nett von dir.“ „Hoffentlich geht es dir inzwischen besser.“ „Ja. Wenigstens behalte ich jetzt das Essen bei mir.“ Sie biss in eine Scheibe Toast. Zum Glück aß sie etwas. Jason erhob sich. Zum ersten Mal in seinem Leben verspürte er wenig Lust, ins Büro zu gehen. „Ich bin zum Mittagessen wieder da.“ „Nicht nötig, wirklich. Ich komme schon zurecht.“ Sie trank ihre Milch. „Ich muss einiges erledigen, meinen Computer habe ich ja hier.“ „Na gut. Wenn es so ist, schlage ich vor, dass wir zusammen zu Abend essen. Morgen stelle ich dich meinem Chef vor, und Ende der Woche wird es eine große Feier geben.“ „Aha. Dabei lerne ich bestimmt die Leute kennen, die sich daran stören, dass deine Freundin schwanger ist. Na großartig, ich kann es kaum erwarten.“ „Nur Mr. Prentice hat damit ein Problem, meine Kollegen zum Glück nicht.“ Jason nahm eine Krawatte aus dem Schrank, klappte den Hemdkragen hoch und band sie sich um. Dann klappte er den Kragen wieder nach unten und zog ein Jackett an.
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Obwohl Lauren erst eine Nacht hier war, erschien Jason ihre Nähe angenehm vertraut. „Aber findest du nicht“, fuhr er fort, „dass unsere Verlobung glaubwürdiger wirken würde, wenn du dir einen Ruck geben und den Ring tragen würdest?“ Er nahm die Schatulle und stellte sie auf das Tablett. Auf diese Weise würde sie sich hoffentlich weniger bedrängt fühlen. Mit dem Zeigefinger berührte sie die Box. „Du erwartest aber nicht wirklich, dass eine Frau dich heiratet, nur damit dein Kunde zufrieden ist, oder?“ Nach kurzem Zögern beschloss Jason, der Wahrheit die Ehre zu geben. Schließlich war Lauren eine kluge und verständnisvolle Frau, zwei Eigenschaften, die er besonders an ihr schätzte. „Ehrlich gesagt, Lauren, weiß ich selbst nicht genau, wie weit wir gehen sollten. Eins nach dem anderen erscheint mir im Augenblick das Beste. Dabei dürfen wir nicht unser Ziel aus den Augen verlieren, nämlich die Zukunft des Babys. Und dazu müssen wir Schwierigkeiten aus dem Weg räumen – in meinem Leben wie in deinem. Mit der Verlobung lösen wir etliche Probleme auf einmal. Zum Beispiel wirst du so auch eine Zeit lang Ruhe vor deiner Mutter haben.“ Lauren stieß ihn leicht an. „Du versuchst es wohl mit allen Mitteln, was?“ „Na ja, ich bin eben zielstrebig“, antwortete er und tippte die Box an. 92
Lauren zog die Knie zum Kinn, nahm den Ring heraus und sah den lupenreinen Dreikaräter an, als wäre er eine gefährliche Schlange. Toller Erfolg, dachte Jason. Wenn es ihm nicht so ernst gewesen wäre, hätte er vermutlich gelacht. Fragend sah Lauren Jason an. „Was soll ich sagen, wenn jemand den Hochzeitstermin wissen will?“ Obwohl es noch nicht einmal sieben Uhr morgens war, fühlte Jason sich verspannt. Er kreiste mit den Schultern, um die Muskeln zu lockern. „Sag doch, dass deine Mutter die Hochzeit plant. Oder dass wir Schwierigkeiten haben, einen Tag zu finden, an dem wir beide Zeit haben. Oder dass wir sowieso nach Las Vegas fliegen und von uns hören lassen, sobald wir verheiratet sind.“ Lauren nahm den Ring heraus und hielt ihn hoch, dass er in der Morgensonne glitzerte und funkelte. „Du bist wirklich gut im Lügen.“ Im Lügen? Eigentlich war Jason stolz auf seine Wahrheitsliebe, auch wenn die Tatsachen manchmal etwas … zurechtgefeilt werden mussten. „Ich bin eben ein Werbefachmann und lasse meine Fantasie spielen.“ Lauren schwieg, doch ihr war anzusehen, was sie dachte: Nämlich dass Jason in erster Linie sich selbst etwas vormachte. Nach der warmen Dusche hing noch immer Dampf in der Luft, als Lauren das Frotteetuch fester um sich zog und eilig zum Telefon lief. Atemlos griff sie 93
nach ihrem Handy, das auf dem Nachttisch lag. Von ihren langen Haaren tropfte das Wasser. „Hallo?“ Mit völlig überdrehter Stimme meldete sich ihre Mutter. „Lauren, Tante Elizas Anwalt hat mich gerade angerufen.“ Lauren ließ sich auf die Bettkante sinken und schalt sich selbst dafür, dass sie nicht auf die Nummer des Anrufs geachtet hatte. „Warum redet er mit dir statt direkt mit mir?“, fragte sie. Stimmte vielleicht irgendetwas mit dem Nachlass nicht? Das Geld, das Tante Eliza ihr vererbt hatte, war längst auf Laurens Konto eingegangen – und von ihrem Buchhalter unterschlagen worden. „Weil er dich nicht erreicht hat. Wo bist du denn?“ „Ich bin geschäftlich unterwegs, aber ich habe mein Handy an und checke regelmäßig meine EMails. Aber gut, ich rufe ihn an. Danke, dass du mir Bescheid gesagt hast.“ Lauren hoffte, dass das Gespräch damit beendet war. „Schätzchen, er sagt, du steckst finanziell in Schwierigkeiten.“ Sorgfältig wog Lauren jedes Wort ab. Ihre Eltern waren reich, und sie halfen ihr gern und großzügig, was aber stets mit Bedingungen verknüpft war. Außerdem wollte Lauren nicht zu den jungen Menschen gehören, die immerzu den Eltern auf der Tasche lagen, ohne selbst etwas Vernünftiges auf die Beine zu stellen. „Im Augenblick ist es etwas eng, aber das kriege ich schon wieder hin.“ 94
„Die meisten Neugründungen scheitern im ersten Jahr, ist dir das eigentlich klar?“ Deutlich war das Klimpern der Perlenkette zu hören. „Weiß ich doch, Mutter“, sagte sie und hoffte inständig, dass ihre Firma nicht dazugehören würde. „Also, nochmals danke für deinen Anruf.“ Doch Jacqueline ließ nicht locker. „Ich sage meinem Buchhalter, dass er sich mit dir in Verbindung setzt. Denk daran, dass du dein Handy immer bei dir hast.“ „Nicht nötig, Mom, ich komme allein klar.“ Ja, sie würde es schaffen. Fröstelnd zog sie ihr Badetuch enger um sich. „Liebling, du konntest noch nie gut mit Geld umgehen, wenn ich dich erinnern darf.“ Lauren biss sich auf die Lippe. Warum schaffte es ihre Mutter immer wieder, ihr wehzutun? Unbeirrt fuhr Jacqueline fort: „Weißt du noch, wie du deine ganzen Ersparnisse für eine Uhr ausgegeben hast?“ „Mom …“, begann Lauren verzweifelt – dabei hätte ihr klar sein müssen, dass alles nur schlimmer wurde, wenn sie sich aufs Argumentieren einließ. „Damals war ich in der dritten Klasse. Außerdem habe ich nur ausgegeben, was in meinem Sparschwein war.“ Am anderen Ende der Leitung schien ihre Mutter zu schluchzen. „Ach so? Woher soll ich das wissen? Ich meine es ja nur gut mit dir.“ Als sie weitersprach, zitterte ihre Stimme. „Auf jeden Fall musst 95
du deswegen nicht gleich auf mich losgehen. Du bist genau wie dein Vater, immer drischst du auf mich ein, egal, was ich tue.“ „Mom, es tut mir leid …“ „Na ja, schon gut. Wenigstens weiß ich, wohin ich mich zurückziehen kann. Habe ich dir schon von meinem neuen Ferienhaus erzählt?“ Mit geschlossenen Augen beschränkte Lauren sich aufs Zuhören und machte ab und zu Hm und Oh. Obwohl es noch nicht einmal Mittag war, fühlte sie sich erschöpft. Die Stimmungsschwankungen ihrer Mutter waren entsetzlich anstrengend. Detailreich schilderte Jacqueline die Vorteile ihres neuen Domizils. In der bisherigen Ferienanlage hatte sie sich zuletzt nicht mehr wohlgefühlt – etwas, was so oder so ähnlich schon oft vorgekommen war. Während ihre Mutter erzählte, betrachtete Lauren die Samtschatulle. Auf seine ruhige und gelassene Art hatte Jason geholfen, mit Jaqueline umzugehen. Und ihre Firma unterstützte er mit seinem Darlehen. Außerdem bemühte er sich, ihr zu gefallen, wie die Blumen im Büro und der Toast an diesem Morgen deutlich zeigten. Es gab keine romantischen Gründe, den Ring zu tragen, aber was sprach letztlich schon dagegen? Wenn sich auf so einfache Weise sein Job sichern ließ? Schließlich tat auch Jason alles, damit es mit 96
ihrer Firma wieder aufwärtsging. Für die Zukunft des Babys war das nur gut. Lauren nahm die Schatulle vom Nachttisch und öffnete sie. Verführerisch glänzte der Diamant darin. Eigentlich war es ja nur eine Formsache. Ich bin hier in seinem Haus, dachte Lauren, und ich bekomme ein Kind von ihm. Was ist schon dabei, wenn ich den Ring trage? Während sie das Telefon zwischen Kinn und Schulter geklemmt hielt, steckte sie ihn an den Finger. Im selben Moment wusste sie, dass sie richtig entschieden hatte. Nur die Aussicht, allein hier herumzusitzen, machte sie nervös. Da Jason ohnehin wollte, dass seine Kollegen von der Verlobung erfuhren – nur aus Rücksicht auf sie hatte er ihr Zeit lassen wollen –, würde sie ihn in der Firma überraschen und zum Essen abholen. Entschlossen erhob sie sich. „Mom, es hat Spaß gemacht, mit dir zu reden, aber jetzt muss ich Schluss machen. Ich habe eine wichtige Verabredung.“ Neugierig sah Lauren aus dem Fenster. Das Taxi hatte die Gegend um den Union Square erreicht, eine todschicke Einkaufsmeile mit Palmen und weißen Häusern. Irgendwo hier befand sich das Bürogebäude von Maddox Communications, wie Lauren seit diesem Morgen aus dem Internet wusste. 97
Als Geschäftsfrau war sie es gewohnt, sich auf Begegnungen vorzubereiten, indem sie sich informierte. Deshalb wusste sie, dass nach dem Tod von James Maddox vor acht Jahren seine Söhne Brock und Flynn die Firma, die schon seit über fünfzig Jahren bestand, übernommen hatten. Auch über das Firmengebäude in der Powell Street hatte Lauren einiges im Internet gefunden: Es stammte aus dem Jahr 1910 und war von James Maddox in den Siebzigerjahren vor der Abrissbirne gerettet und saniert worden. Inzwischen war das Maddox Building ein Vielfaches wert. Als das Taxi vor dem Gebäude hielt, bezahlte Lauren den Fahrer und stieg aus. Leise öffneten sich die Türen des mehrstöckigen Hauses. Im Erdgeschoss befanden sich ein Restaurant einer modernen Kette und exklusive Läden. Der Beschilderung der Aufzugknöpfe entnahm Lauren, dass einige der Geschosse an andere Firmen vermietet waren. Madd Comm befand sich im vierten und fünften Stock, wobei der Kundenempfang in der fünften Etage lag. Der Aufzug bewegte sich schnell und lautlos nach oben. Als die Türen sich öffneten und Lauren ausstieg, stand sie direkt vor dem supermodernen Empfangstresen. An den nüchternen weißen Wänden hingen moderne Grafiken. Auf zwei SiebzigZoll-Monitoren liefen Werbefilme, deren Untertitel besagten, dass sie von Madd Comm stammten.
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Offenbar hatte Jason mit seinem neuen Job eine gute Wahl getroffen. Irgendwie war Lauren stolz auf ihn, vor allem weil er es ohne elterliche Hilfe so weit gebracht hatte. Sie wusste nur zu gut, wie schwierig das sein konnte. Ihre Absätze hallten auf dem glänzenden Boden. „Herzlich willkommen bei Maddox Communications“, wurde Lauren von der freundlich lächelnden Angestellten begrüßt. „Was kann ich für Sie tun?“ Auch Lauren lächelte und las das Namensschild. „Hallo Shelby, ich möchte zu Jason Reagert. Mein Name ist Lauren Presley.“ „Ja, Madam. Würden Sie bitte dort drüben Platz nehmen?“ Sie wies auf ein großes weißes Ledersofa. Lauren setzte sich und bedeckte mit der Hand ihren Verlobungsring. Unruhig stellte sie fest, dass Shelby sie neugierig beobachtete. Plötzlich erschien es ihr keine so gute Idee mehr, dass sie hergekommen war. Eigentlich hatte sie Jason beweisen wollen, dass sie die Dinge im Griff hatte – dabei wirkte sie nun bestimmt einfach nur nervös. Ob sie lieber wieder gehen sollte? Doch noch bevor sie sich erhoben hatte, stand ein schlanker, etwa vierzigjähriger Mann mit dunklen Haaren vor ihr. „Hallo, ich bin Brock Maddox“, stellte er sich vor. „Sie möchten zu unserem besten Mitarbeiter?“ Lauren reichte ihm die Hand. „Lauren Presley. Ich bin eine Freundin Jasons und ebenfalls Grafikde99
signerin. In New York haben wir öfter zusammengearbeitet.“ Einen kurzen Moment sah der Mann ihren Bauch an. War die Schwangerschaft wirklich schon so offensichtlich? „Sind Sie beruflich oder privat in San Francisco?“ „Sowohl als auch“, antwortete sie unverbindlich. „Kommen Sie mit. Ich führe Sie zu ihm. Sicher freut er sich über diese Überraschung.“ Lauren merkte, wie ihre Aufregung wuchs, aber jetzt musste sie das durchstehen. Sie folgte Brock Maddox bis zu einer Tür mit einem gravierten Messingschild, auf dem der Name Jason Reagert stand. Lauren nahm einen tiefen Atemzug, öffnete die Tür – und erstarrte. Jason stand mit dem Rücken zu ihr. Er war nicht allein. Eine lächelnde, auffällig attraktive Rothaarige hatte in einer vertraulichen Geste die Hand auf Jasons Arm gelegt. Lauren spürte, wie Anspannung und Nervosität einem Gefühl der Verärgerung und Eifersucht wichen. Gab es tatsächlich eine andere in seinem Leben? Für einen Mann, der um seinen guten Ruf fürchtete, war das unglaublich, geradezu ein Spiel mit dem Feuer. Lauren richtete sich kerzengerade auf. Plötzlich wurde sie seltsam ruhig. Wie hatte sie so dumm sein können, sich Hoffnungen zu machen? Nur weil er ihr das Frühstück ans Bett gebracht hatte!
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Wirklich, sie ließ sich zu viel gefallen: von ihrer Mutter, ihrem betrügerischen Buchhalter und jetzt von Jason. Gedankenverloren spielte sie mit dem Ring an ihrem Finger. Jason hatte sie hierher gebracht, und sie würde nicht so ohne Weiteres aufgeben. Er wollte eine Verlobte? Dann sollte er eine haben! „Hallo Liebling“, sagte Lauren und legte auffällig die Hand auf den Bauch. „Ich sterbe vor Hunger. Wollen wir zu Mittag essen?“
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6. KAPITEL Jason traute seinen Ohren nicht, als er Laurens Stimme hörte. Schnell trat er einen Schritt von Celia zurück. Warum musste gerade jetzt Lauren hereinkommen? Was machte sie überhaupt hier in seinem Büro? Zu allem Überfluss stand hinter ihr auch noch Brock und runzelte die Stirn. Was für ein dummer Zufall! Eben hatte Celia ihn gefragt, ob sie nach der Arbeit etwas trinken wollten, und Jason war gerade dabei gewesen, ihr zu erklären, dass sie sich im Hinblick auf ihn keine falschen Hoffnungen machen sollte. Dann war die Tür aufgegangen … Laurens grüne Augen funkelten, als sie das Büro betrat. Ihr türkisfarbenes Kleid schwang um ihre Beine und betonte ihre sanften Rundungen. An ihrer Hand glitzerte der Verlobungsring. „Ich bin Lauren Presley aus New York, Jasons Verlobte. Wir heiraten heute Abend.“ „Heiraten?“, fragte Celia ungläubig. „Heute Abend?“, fragte Jason überrascht. Sich auf Lauren einzustellen, war immer wieder eine Herausforderung. Brock zog eine Augenbraue hoch und lehnte sich gegen den Türstock, wie um nichts zu versäumen. Schwungvoll trat Lauren zu Jason, hängte sich bei ihm ein und erklärte: „Ich weiß, dass so eine Blitzhochzeit eigentlich geheim bleiben sollte. Tut mir leid, Schatz, aber ich bin einfach zu aufgeregt. Wir 102
fliegen nach Las Vegas. Klingt kitschig, ich weiß, aber …“ Wieder legte sie die Hand auf den Bauch. „Wie man sieht, bleibt uns nicht mehr viel Zeit, wenn ich bei der Hochzeit noch eine halbwegs gute Figur machen will.“ „Davon hatten wir ja keine Ahnung“, rief Brock. „Herzlichen Glückwunsch!“ Jason rückte seine Krawatte zurecht. „Danke.“ „Das ist meine Schuld, Mr. Maddox“, fuhr Lauren fort. „Ich mache gern ein Geheimnis aus meinem Privatleben. Aber ich arbeite daran, etwas offener zu werden.“ Dabei lächelte sie Jason an. Nur er wusste, dass ihre Freude nicht echt sein konnte, denn Lauren klammerte sich beinahe schmerzhaft an seinen Arm. „Hast du schon Bescheid gesagt, dass du morgen etwas später zur Arbeit kommst?“ „Äh, nein. Noch nicht.“ Jason tätschelte ihr die Hand, um unbemerkt den Griff etwas zu lockern. Brock richtete sich auf. „Ich denke, wir lassen das junge Paar im Augenblick allein. Auf die Feier danach freue ich mich jetzt schon. Also nochmals alles Gute.“ Mit diesen Worten hielt er Celia, die noch immer wie erstarrt wirkte, die Tür auf. Jason war klar, dass er seiner Kollegin eine Erklärung schuldete. Doch er musste auch zu Lauren stehen. Wie kam sie nur auf die Idee mit der Blitzhochzeit? Als sie alleine waren, sah Jason Lauren fragend an. Sie spielte mit dem antiken Schiffskompass, der als 103
Briefbeschwerer diente. Ein solch überstürztes Verhalten sah Lauren gar nicht ähnlich. Was hatte sie sich nur dabei gedacht? Er trat näher zu ihr, doch sie wirkte wieder völlig ruhig. „War das gerade dein Ernst?“ „Mein völliger Ernst“, bestätigte sie und stellte den Kompass ziemlich laut zurück auf den Tisch. „Ist ja toll, wirklich.“ Was hatte den Ausschlag für diesen Sinneswandel gegeben? Bemüht, Streit auf jeden Fall zu vermeiden, strich Jason Lauren eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Übrigens hast du keinen Grund, auf Celia eifersüchtig zu sein.“ „Wer sagt, dass ich eifersüchtig bin?“, fuhr sie ihn an. „Dein Verhalten lässt den Schluss zu“, sagte Jason und begann, ihr die Schultern zu massieren. Doch Lauren entzog sich ihm. „Ich lasse mich nur nicht gern zum Narren halten.“ „Glaub mir, zwischen ihr und mir ist nichts“, beteuerte Jason wahrheitsgemäß. „Weiß sie das?“ „Ich wollte ihr gerade sagen, dass sie sich keine Hoffnungen machen soll. Da bist du hereingekommen.“ „Also läuft doch etwas zwischen euch!“ Lauren kniff die Augen zusammen. „Jetzt hör aber auf“, sagte Jason und ging unruhig auf und ab. „Du bringst mich ganz durcheinander. Ich habe mir Mühe gegeben, dir zu gefallen, aber du hast mich auf Abstand gehalten, hast nicht ein104
mal meinen Ring tragen wollen. Und kaum siehst du mich mit einer anderen Frau, möchtest du mich Knall auf Fall heiraten!“ „Sobald du gepackt und den Flug gebucht hast“, bestätigte Lauren und vertrat ihm den Weg. Ihre Kinnlinie wirkte entschlossen – und die sinnliche Unterlippe lud zum Küssen ein. Lauren war ausgesprochen attraktiv, wenn sie wütend war. Ihre Augen funkelten, und selbst ihr Haar wirkte energiegeladen und schwungvoller. Obwohl er nur das Beste für das Baby wollte, konnte er Lauren scheinbar nichts recht machen. „Wenn du dich so über mich ärgerst, warum verkündest du dann unsere Hochzeit?“ Stolz hob sie das Kinn. „Bisher hatte ich ständig Angst davor, dass wir uns gefühlsmäßig aneinander binden könnten. Auf keinen Fall wollte ich eine Ehe wie meine Eltern. Aber jetzt bin ich mir absolut sicher, dass ich mich nie in dich verlieben werde. Deswegen: Auf nach Las Vegas!“ Bevor sie Maddox Communications verließen, stellte Jason Lauren seinen Kollegen vor. Sie stand es tapfer durch, beschränkte sich aber auf einsilbige Antworten. Auch während des Fluges weinte sie nicht. Und nicht einmal während der Trauzeremonie, die wie eine Farce wirkte. Und das, obwohl Jason es ihr zuliebe arrangiert hatte, in einer Hochzeitskapelle in einem Park mit üppigem Grün zu heiraten. 105
„Und damit ernenne ich euch zu Mann und Frau. Sie dürfen die Braut jetzt küssen.“ Das bunte Hawaiihemd des Standesbeamten war des Guten ein bisschen zu viel, aber irgendwie passte es zu den vielen Pflanzen und Blumen. Genauso habe ich mir meine Trauung immer gewünscht, dachte Lauren und presste die Lippen zusammen. Aber mit diesem Mann …? Jason hauchte ihr einen Kuss auf die Lippen, ohne große Dramatik, sondern sanft, so wie es sein sollte. Sofort wurde Lauren heiß. Gleichzeitig spürte sie die Tränen aufsteigen. Zärtlich legte Jason den Arm um ihre Taille und strich Lauren über den Rücken. Sie konnte nicht anders, sie schmiegte sich an Jason – bis sie sich abrupt von ihm löste. „Bitte entschuldige mich.“ Schnell ging sie zur Toilette, einem komfortabel eingerichteten Raum mit WC-Kabinen. Sie musste unbedingt verhindern, dass sie vor Jason vollends die Fassung verlor. Was für ein Tag! Ein ständiges Auf und Ab der Gefühle, ohne Pause. Eine Achterbahn des Lebens … Was in aller Welt hatte sie getan? Auch in diesem Raum standen Kübelpflanzen, vor allem Palmen. Von der Decke hingen Ampeln mit Farnen herab. Erschöpft ließ Lauren sich auf das Rattansofa sinken und griff nach der Box mit Papiertaschentüchern.
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Nun ließen sich die Tränen nicht länger zurückhalten. Zu viel hatte sich angesammelt, angefangen von der bitteren Erkenntnis, dass sie ihr Baby allein aufziehen musste, über die Besorgnis, wie ihre Mutter reagieren würde, bis zu dem Geld, das ihr unterschlagen worden war. Weinte sie auch wegen Jason? Das hier war ihre Hochzeit, ihre Hochzeitsnacht stand bevor, und wie gerne hätte sie alles, was damit zusammenhing, in vollen Zügen genossen. Aber sie schaffte es einfach nicht, die Vorsicht über Bord zu werfen. Gewiss, sie würde alles tun, um ihre Firma zu retten. Und natürlich würde sie Jason helfen, seinen Job abzusichern. Alles im Interesse des Kindes. Und danach wollte sie mit diesem Jason Reagert nichts mehr zu tun haben. Aber zuallererst musste sie die Hochzeitsnacht hinter sich bringen. Neben Jasons Sitz im Flugzeug stand wie immer sein Notebook. Normalerweise fand er es praktisch, während des Fluges seine Arbeit zu erledigen, und gerade hatte der Pilot mitgeteilt, dass ab jetzt elektronische Geräte eingeschaltet werden durften. Doch diesmal interessierte sich Jason nicht dafür. Unauffällig betrachtete er seine Braut, während das Charterflugzeug durch die Nacht glitt.
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Sie lag zurückgelehnt in dem bequemen Ledersitz und sprach über das Bordtelefon. Gerade hatte sie ihrem Vater von der Blitzhochzeit erzählt: Er hatte ihr hoch und heilig versprechen müssen, Jacqueline nicht zu erzählen, dass Lauren zuerst ihn angerufen hatte. Auch wenn das hier eine völlig ungewöhnliche Hochzeitsnacht war – Jason wünschte sich dennoch, sie mit Lauren in einer wunderbar altmodischen Honeymoon-Suite zu verbringen. An Bord der einmotorigen Maschine durfte man auf und ab gehen, und es gab sogar eine kleine Küchenzeile. Schlafen allerdings war nur in den Sitzen möglich, deren Lehne nach hinten gestellt werden konnten. Seine Frau – schon das Wort ließ Jasons Herz höher schlagen – wählte eine neue Nummer, legte die Beine hoch und zog das türkisfarbene Kleid zurecht. „Hallo Mom“, sagte sie, während sich auf ihrer Stirn feine Linien zeigten, die auf Anspannung und Erschöpfung hinwiesen. „Sorry, dass ich dich so spät am Abend noch störe, aber es gibt etwas Wichtiges zu berichten.“ Sie blickte Jason kurz an, ein Blick, der ihn tief berührte. „Du erinnerst dich doch an Jason Reagert? … Ja genau. Weißt du, er ist mehr als nur ein Freund. Wir haben gerade in Las Vegas geheiratet.“ Nachdenklich spielte Jason mit dem schmalen goldenen Ehering. Die Ringe hatte er in letzter Minute 108
gekauft, weil sie einfach dazugehörten. Nie hätte er gedacht, wie sehr ihm so etwas am eigenen Finger gefallen würde. „Ja, Mom“, sagte Lauren und nickte. „Ich weiß, dass du gern dabei gewesen wärst. Aber, hm, das war noch nicht alles. Wir hatten es nämlich eilig: Ein Baby ist unterwegs.“ Aus dem Hörer drang ein Aufschrei, gefolgt von einem wahren Redeschwall. Wieder sah Lauren Jason an und fuhr dann fort: „Ich bin im fünften Monat … Nein, wir wissen noch nicht, ob es ein Junge oder Mädchen wird … Honeymoon? Ähm, wir haben zu viel Arbeit.“ Immer wieder wurde Lauren von ihrer Mutter unterbrochen. „Mom, das ist wirklich …“ Seufzend schloss sie die Augen, während die Stimme am anderen Ende der Leitung immer lauter wurde. Da griff Jason nach dem Telefon. „Jacqueline? Hier ist Jason, Ihr frisch gebackener Schwiegersohn. Ich bin gerade dabei, meinen neuen ehelichen Pflichten nachzukommen, Sie wissen schon, was ich meine. Wir stellen jetzt bis morgen Mittag das Telefon ab.“ „Einen Augenblick noch …“ „Gute Nacht, Jacqueline“, sagte Jason und beendete damit das Gespräch. „Wow!“ Lauren atmete erleichtert auf. „Vielen Dank, Jason. Mir fällt ein Stein vom Herzen.“
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Gut so. Doch leider wusste Jason noch nicht, wie er Lauren vor künftigen Kränkungen ihrer Mutter beschützen sollte. „Gern geschehen.“ „Zum Glück habe ich das hinter mir“, sagte Lauren und lächelte tapfer. „Geht es dir gut?“ „Ja, klar“, bestätigte sie und richtete sich auf. Ihr Bemühen, ihre Ruhe wiederzuerlangen, rührte Jason so sehr, dass er Lauren am liebsten auf der Stelle an sich gezogen hätte. Doch er wusste, dass sie ihn von sich gewiesen hätte. Ohne Zweifel gab es in Laurens Familie ebenso Spannungen wie in seiner eigenen. „Was geht hier eigentlich vor?“, fragte er. „Ich weiß nicht, was du meinst“, sagte Lauren und spielte mit ihrer Tasche. „Das Gespräch hat dich sehr mitgenommen“, stellte er fest. Er berührte ihr Kinn, und Lauren sah ihn an. „Mir ist schon aufgefallen, dass deine Mutter, sagen wir mal, etwas überdreht ist.“ Sie seufzte. „Warum soll ich es dir nicht sagen? Irgendwann erfährst du es ja doch. Schließlich ist sie die Großmutter deines Kindes. Meine Mutter ist seit ihrem zweiundzwanzigsten Lebensjahr manisch-depressiv.“ „Das tut mir ehrlich leid, Lauren“, sagte Jason teilnahmsvoll. „Davon hast du nie etwas erwähnt.“ Allerdings hatte er selbst auch nie von seiner Familie gesprochen.
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„So ein Thema eignet sich nicht für Small Talk nach getaner Arbeit“, sagte Lauren lächelnd. Ob sie es ihm schon früher erzählt hätte, wenn er nur aufmerksamer zugehört hätte? Wenn er mehr auf sie eingegangen wäre? Da Jason aus seinen Fehlern lernte, fragte er: „Seit sie zweiundzwanzig gewesen ist?“ „Ja. Damals wurde die Diagnose gestellt, und seitdem war sie immer mal wieder in ärztlicher Behandlung.“ Aber nur auf Drängen ihres Mannes oder ihrer Tochter … „Als ich klein war, ging es ihr recht gut. Bis sie beschloss, die Medikamente abzusetzen.“ Überflüssigerweise ordnete Lauren den Faltenwurf ihres Kleides. „Versteh mich bitte nicht falsch, ich beklage mich nicht. Irgendwie hat der Umgang mit Moms Stimmungsschwankungen meinen Charakter gefestigt.“ „Trotzdem muss es für dich als Kind schwer gewesen sein, nie zu wissen, was gerade auf dich zukam, oder?“ „Na ja, ich hatte immer Angst, so zu werden wie sie. Sie gesteht es sich nicht ein, dass sie Probleme hat. Was wenn es bei mir genauso ist? Ich war deswegen sogar schon beim Arzt.“ „Und was hat er gesagt?“ Nach kurzem Zögern sah sie ihn vertrauensvoll an und lächelte. „Ich denke, ich bin nicht so schlimm, dass du hier gleich zur Tür rausrennst.“
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„Hier im Flugzeug wäre das auch nicht ratsam.“ Sie lachten. Jason liebte ihr Lachen. Unauffällig betrachtete er ihre schlanken Hände. In letzter Zeit erregte ihn einfach alles an ihr. Aber er würde sich beherrschen. In ihren Augen lag etwas Verletzliches, und Jason wusste, dass sie ihn jetzt brauchte. Er würde es nicht durch seine ungestüme Leidenschaft verderben. Sorgfältig wählte er seine Worte, als ginge es um ein Millionengeschäft. „Lauren … Ich bin zwar kein Fachmann auf diesem Gebiet, aber ich kenne dich seit über einem Jahr, und noch nie sind mir an dir irgendwelche Anzeichen aufgefallen.“ Lauren schluckte. „Danke, dass du das sagst. Weißt du, oft nehmen mich Menschen, die von Moms Krankheit wissen, nicht mehr für voll.“ „Hey!“ Er konnte dem Impuls, ihre Hand zu nehmen, nicht länger widerstehen. „Ich nehme dich ernst.“ Ja, er bewunderte sogar die Ruhe und Gelassenheit, die sie ausstrahlte. „Danke“, wiederholte Lauren und drückte ihm die Hand. Dabei glänzten ihr Ehering und der Verlobungsring, den sie nach amerikanischer Tradition weiterhin trug. „Die Ärzte haben gesagt, eine solche Störung tritt meist zwischen Pubertät und frühem Erwachsenenalter auf. So gesehen freue ich mich schon auf meinen dreißigsten Geburtstag.“
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Jason lachte. „Da hat das Älterwerden etwas für sich, stimmt’s?“ Lauren nickte und streichelte ihr Bäuchlein. „Aber jetzt mache ich mir die größten Sorgen, dass sich die Erkrankung auf das Baby übertragen könnte.“ Unter diesem Gesichtspunkt hatte Jason es noch nicht gesehen, bisher war es ihm um die Sicherheit und die materielle Zukunft des Ungeborenen gegangen. Sicher ließ sich vieles im Leben eines Kindes im Voraus planen, doch an alles konnte man nicht denken. „Wir werden eben beide auf der Hut sein, und wenn uns etwas auffallen sollte, nehmen wir alles in Anspruch, was helfen kann.“ Er hielt noch immer ihre Hand und spürte Laurens Puls unter seinem Daumen. Er ging ziemlich schnell – oder war es der heftige Schlag seines eigenen Herzens? „In meiner Familie gibt es Diabetes, und meine Schwester ist Legasthenikerin. So ist das nun mal.“ Lauren lief eine Träne über das Gesicht. „Du bist so vernünftig – und so süß.“ „Süß? Das hat mir ja noch niemand gesagt.“ „Stimmt aber“, sagte Lauren und umfasste sein Gesicht. „Immer sagst du genau das Richtige. Und das Schöne dabei ist, dass du es auch so meinst.“ „Heute Morgen hast du mir noch vorgeworfen, ich würde lügen.“ Jason wusste selbst nicht, wieso er das sagte, gerade jetzt, da sie begann, Vertrauen zu ihm zu fassen.
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Und dann begriff er: Lauren war ihm zu wichtig, als dass er ihr etwas vormachen konnte. Ging es ihm um mehr als nur um die Hochzeitsnacht? Plötzlich schien der Boden unter seinen Füßen zu schwanken, obwohl das Flugzeug völlig ruhig in der Luft lag. Zärtlich streichelte sie sein Gesicht. „Vielleicht höre ich jetzt mehr auf meine innere Stimme.“ Sie kam näher, küsste ihn und strich ihm durchs Haar. Jason neigte ihr den Kopf zu. Sein mühsam unterdrücktes Verlangen brach sich Bahn. Ja, er wollte sie! Seit der Nacht in ihrem Büro hatte er von ihr geträumt. Bisher hatte er der vielen Arbeit in seinem Job die Schuld gegeben, dass ihn keine andere Frau wirklich interessierte. Aber endlich begriff er. Als sie sich an ihn schmiegte, spürte er die angenehmen Rundungen, die er so sehr liebte. Wie gerne hätte er ihre zarte Haut gestreichelt und jede Linie ihres Körpers mit den Händen nachgezeichnet! Ungläubig erkannte er, dass seine Hände zitterten. Lauren lächelte ihm zu, bevor sie sich auf ihren Sitz zurückzog. Dass sie ihn geküsst hatte, machte Jason neuen Mut. „Gute Nacht, Jason“, flüsterte sie und ließ seine Hand los. Sie schloss die Lider mit den langen Wimpern und schlief fast im selben Moment ein.
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Jason dagegen war hellwach – und machtlos gegen seine Erregung. Vergeblich versuchte er, es sich bequem zu machen. Endlich war Lauren seine Frau. Und nach wie vor sehnte er sich danach, mit ihr zu schlafen. Doch die schwierigste Aufgabe stand ihm noch bevor: Nun sollte sie auch mit ihm verheiratet bleiben.
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7. KAPITEL Wie sollte sie bloß in ein paar Wochen wieder ihr altes Leben aufnehmen, so als wäre nichts gewesen? Lauren setzte sich auf die Bettkante. Sie war allein in ihrer Hochzeitsnacht. Oder was davon noch übrig war. Als sie nach der Landung vom Flughafen nach Hause gefahren waren, hatte man am Horizont bereits die gelben und orangen Farbtöne der aufgehenden Sonne gesehen. Zu gerne hätte Lauren zusammen mit Jason das Anbrechen des neuen Tages beobachtet, aber Jason stand bereits unter der Dusche, weil er einen wichtigen Termin wahrnehmen musste. Aber er hatte versprochen, früher nach Hause zu kommen. Und Lauren hatte ihm versichert, dass auch sie jede Menge zu tun hatte. Eine seltsame Hochzeit. Und eine ebenso sonderbare Hochzeitsnacht … Da an Schlafen ohnehin nicht zu denken war, zog Lauren ihre Schuhe aus und ging barfuß den Flur im ersten Stock entlang. Dabei mied sie vorsichtshalber das elegante Badezimmer, in dem Jason duschte. Zu groß wäre die Versuchung gewesen, ihm Gesellschaft zu leisten. Alles, was sie bisher von diesem Haus kannte, war luxuriös und exklusiv, angefangen von der Küche über die drei Bäder bis hin zum großen Schlafzim-
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mer. Die anderen Zimmer hatte sie bisher noch nicht in Augenschein genommen. Vorsichtig öffnete sie die erste Tür: Der Raum war leer, auf dem Holzboden standen ein paar Umzugskartons herum. Das zweite, ebenfalls leere Zimmer hatte eine hohe gewölbte Decke, und Lauren sah es sofort als Kinderzimmer mit einer Deckenmalerei von Engeln, die schützend über dem Baby schwebten. Lauren schluckte und schloss die Tür hinter sich. Im dritten Zimmer gab es immerhin einige Möbel: einen Schreibtisch aus Kirschholz mit Drucker und Computer. Als Bildschirmschoner lief ein Motiv aus der Navy. Ansonsten befand sich auch hier kaum etwas Persönliches. Auch Lauren fand, dass Arbeit durchaus Spaß machen konnte. Dennoch verspürte sie das Bedürfnis, eine schöne Rückzugsmöglichkeit zu haben. Wie wäre es, dieses große Haus mit Möbeln und Pflanzen auszustatten und dadurch Jasons Leben zu bereichern? Gemeinsam die Sonne aufgehen zu sehen … Inzwischen war es schon beinahe Tag geworden. Ich muss schlafen, ermahnte sich Lauren, wenigstens dem Baby zuliebe. Sie drehte sich um – und blieb überrascht stehen. An der Wand über dem Schreibtisch hing eine gerahmte Tuschezeichnung. Ihre Segelschiffzeichnung für den Herrenduft! Mit zitternden Händen berührte Lauren den Rahmen. Bedeutete sie Jason mehr, als sie ahnte? Hat117
te er sich nur deshalb vier Monate lang nicht bei ihr gemeldet, weil sie ihn damals weggeschickt hatte? Hatte er in dieser Zeit ebenso oft von ihr geträumt wie sie von ihm? Jason saß im Konferenzraum von Maddox Communications und wusste noch immer nicht, wie er verhindern sollte, dass Lauren San Francisco verließ. Nervös spielte er mit seinem Füller, bis Brock irritiert eine Augenbraue hochzog. Sofort hörte Jason damit auf, aber er fühlte sich aufgeregt wie ein kleiner Junge. Nur weil er es kaum erwarten konnte, nach Hause zu seiner Frau zu kommen. Stattdessen saß er hier in dieser Besprechung fest. Brock schaltete das letzte Bild seiner Präsentation aus. „Das wäre erst mal alles“, sagte er zu den Zuhörern. Zu seiner Sekretärin Elle Linton gewandt fragte er: „Sie werden die Unterlagen allen zukommen lassen?“ Pflichtbewusst nickte Elle. „Natürlich, Mr. Maddox.“ Brock drückte auf einen Knopf, und die Glaswände, die den großzügigen Raum umgaben, verloren ihre Tönung und wurden wieder hell. „Jason?“ Jason hoffte inständig, dass sein Chef nichts zum Inhalt der Präsentation wissen wollte. „Ja?“ „Ich möchte dir als Erster offiziell zur Hochzeit gratulieren. Im Namen aller hier in der Firma 118
wünsche ich dir und Lauren viele gemeinsame glückliche Jahre.“ Als der Applaus abebbte, erhob sich Flynn. „Wir freuen uns schon sehr darauf, deine Frau bei unserer Dinnerparty besser kennenzulernen.“ „Versprochen“, nickte Jason. Bei diesen Partys ging es weit förmlicher zu als bei den Treffen in der Rosa Lounge. Es wurde allgemein erwartet, dass auch die Ehefrauen teilnahmen. Gerüchten zufolge hatte Flynns Ehefrau immer sehr unter den zahlreichen Verpflichtungen gelitten, denen sie sich als Ehefrau des Geschäftsführers ausgesetzt gesehen hatte. Inzwischen lebten die zwei getrennt. Der Konkurrenzdruck war groß, und manchmal war es schwer, sich geschäftlich zu behaupten, vor allem in Zeiten wie diesen. Zum ersten Mal wurde sich Jason seiner Verantwortung Lauren und dem Baby gegenüber bewusst. Von nun an musste er für sie sorgen, was den Erfolgsdruck, unter dem er ohnehin schon stand, deutlich erhöhte. Gavin klopfte ihm auf die Schulter. „Was tust du überhaupt noch hier? Lass deine schöne Frau nicht zu lange warten.“ „Schau ja nicht meine Kundendaten im Computer durch, wenn ich weg bin“, drohte Jason halb im Scherz. „Würde ich nie wagen“, lachte Gavin. Zwischen ihm und Jason herrschte eine gewisse Rivalität, doch das gehörte dazu und hielt ein Unternehmen wie Maddox Communications an der Spitze. 119
Jason wusste, dass er sich keine Unterbrechung seiner Arbeit erlauben konnte. Andererseits würde es komisch aussehen, wenn er einen Tag nach der Hochzeit nicht früher nach Hause gehen würde. Außerdem hatte er noch alle Hände voll zu tun, Lauren zu überzeugen, dass sie mit dem Kind in San Francisco blieb. „Ich mache heute früher Schluss, denn wir wollen unsere Hochzeitsreise planen. Aber Lauren weiß, wie wichtig der Vertrag mit Prentice ist und dass ich mich in erster Linie darum kümmern muss. Sie freut sich schon darauf, Walter Prentice bei der Dinnerparty persönlich zu treffen.“ Brock sah ihn abschätzend an. „Vielleicht ergibt es sich, dass wir deine Frau schon früher besser kennenlernen, zum Beispiel in der Rosa Lounge nach der Arbeit.“ „Klar. Ich sage es ihr und gebe dir Bescheid.“ „Klingt, als hättest du mit ihr einen guten Fang gemacht. Und eine fähige Geschäftsfrau soll sie obendrein sein.“ „Danke. Ja, Lauren ist etwas ganz Besonderes. Ich bin überglücklich, dass sie mit mir in Kalifornien leben will, obwohl sie an der Ostküste eine eigene Firma hat.“ Wie versprochen hatte er vorgebaut, dass sie wieder nach New York zurückkehren würde. Nur dass er sie so leicht nicht aufgeben würde. Sie?
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Ursprünglich war es ihm nur um das Baby gegangen. Und darum, dass Jason kein Vater sein wollte, der sein Kind nur zu bestimmten Anlässen sah. Schluss mit dem Selbstbetrug!, ging es Jason durch den Kopf. Er wollte Lauren, wollte sie in seiner Nähe haben, mit ihr schlafen und sein Leben mit ihr verbringen. Es passte einfach alles. Dass sie gut zusammenarbeiteten, hatten sie schon bewiesen. Und in körperlicher Hinsicht lagen sie voll und ganz auf einer Linie. Hier in Kalifornien würden sie leben. Auf diese Weise bekam Lauren etwas Abstand zu ihrer Familie und den Problemen in ihrer Firma. Nun musste er sie nur noch überzeugen. Plötzlich begriff er, dass Lauren die mächtige Anziehung zwischen ihnen ebenso bewusst war wie ihm selbst. Bisher hatte er versucht, sie zu verführen. Doch ab jetzt würde er auf einer mehr praktischen Ebene vorgehen, indem er ihr bewies, wie gut sie zusammenpassten. Und dass sie eine wunderbare Familie abgeben würden. Vorerst also würde er seine Hände bei sich behalten, während er seine Frau umwarb. Während sie die Treppe hinunterging, zog Lauren den Gürtel ihres Bademantels enger um sich. Beim Abendessen am hohen Küchentresen hatten sich ihre Beine und die Jasons immer wieder berührt, eine Berührung, die Lauren irgendwann völlig verrückt gemacht hatte. 121
Sie hatte gehofft, eine Dusche würde die Spannung lindern. Doch vergeblich: Unter den Warmwasserdüsen der luxuriösen Wellness-Dusche hatte sie sich erst recht nach Jason gesehnt. Wasser lief von ihren Haaren herunter und in den Ausschnitt, gerade zwischen ihre Brüste, die sich schwer anfühlten und fast vor Sehnsucht schmerzten. Durch den Torbogen blickte sie in das Wohnzimmer, wo im Kamin ein kleines Feuer loderte. Davor kniete Jason und legte Brennholz nach. Er trug eine enge Jeans, die seine schmalen Hüften betonte. Am liebsten hätte Lauren seinen attraktiven Po berührt … Beim Näherkommen schienen sich die Wärme des Feuers und das Hitzegefühl, das Lauren empfand, zu verbinden. Noch immer mit dem Rücken zu ihr, erhob sich Jason, zog eine Steppdecke aus einem der Umzugskarton und breitete sie vor dem Kamin aus. „Du schläfst wohl jetzt auf dem Boden statt im Sessel?“ Über die Schulter sah er sie an und lachte. „Nachdem du beim Abendessen so munter gewirkt hast, dachte ich mir, du willst vielleicht noch etwas aufbleiben und reden.“ „Du willst reden?“ „Ja, klar. Warum nicht?“ Lauren dachte an ihr gezeichnetes Segelboot, das er über seinem Schreibtisch aufgehängt hatte. 122
Langsam begann sie sich auf den Abend zu freuen, der romantisch zu werden versprach. In der Ecke stand das Tablett aus schwarzem Lack, das Lauren vom Frühstück kannte. Eine Grillzange lag bereit, und in den Weingläsern war … „Traubensaft. So kommst du trotz der Schwangerschaft in den Genuss der wunderbaren Reben Kaliforniens.“ Lauren setzte sich auf die Decke und zog den Bademantel über den Knien zurecht. „Wie lief es auf Arbeit? Haben dir die Kollegen Löcher in den Bauch gefragt?“ „Klar wollten sie wissen, wie es in Las Vegas war. Ganz natürliche Neugier. Und jede Menge Glückwünsche.“ Nach einem schnellen Blick zu Lauren kümmerte er sich wieder um das Feuer. „Jetzt möchten alle dich kennenlernen. Am Wochenende ist eine Dinnerparty, zu der auch Mr. Prentice kommt.“ „Dahin begleite ich dich auf jeden Fall. Deswegen haben wir ja geheiratet, oder?“ Ohne zu antworten, fuhr Jason nach einer Weile fort: „Ab und zu gehen wir nach der Arbeit noch etwas trinken. Aber wenn du nicht mitmöchtest, verstehe ich das. Du arbeitest ja auch den ganzen Tag.“ „Ich komme gern mit. Ich möchte die Leute kennenzulernen, mit denen du arbeitest.“ Abgesehen von dieser Celia … Lauren zog es vor, das Thema zu wechseln. „Eigentlich kommst du auch ohne Möbel 123
recht gut zurecht. Nur deinen Arbeitsplatz hast du schon fertig eingerichtet.“ Aufmerksam beobachtete sie ihn. „Einiges habe ich aus New York mitgebracht“, erklärte er und wies auf die Kisten. „Hauptsächlich Wäsche, Küchensachen, Kleidung und Bücher.“ „Und deinen Computertisch.“ Und das Segelschiff, das sie gezeichnet hatte. „Ja. Und diese Decke hier hatte ich in New York auf meinem Bett.“ „Und da hier viel mildere Temperaturen herrschen, blieb sie bisher in der Kiste.“ „Genau“, bestätigte Jason. „Trotzdem tut an einem kühlen Abend wie heute das Kaminfeuer gut“, sagte Lauren und genoss den frischen Holzgeruch der knisternden Scheite. „Bald wird es warm genug sein, dass man den Garten auf Vordermann bringen kann. Ob du dir vielleicht einmal die Blumenbeete ansehen könntest? Bestimmt kommen dir tolle Ideen.“ Tatsächlich hatte Lauren bereits jede Menge solcher Gestaltungsideen. Aber dieses Haus gehörte ihr nicht, und sie blieb nur kurz hier. Am Ende ihrer Zeit in Kalifornien würde sie einiges zurücklassen, was ihr bereits jetzt ans Herz gewachsen war. „Wie wäre es, wenn du einen Landschaftsgärtner mit der Planung beauftragst?“ „Lieber wäre mir ein Plan meiner hochtalentierten Ehefrau, den der Gärtner dann nur noch umsetzen
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muss. Ernsthaft, ich würde mich sehr freuen. Aber natürlich nur, wenn du Zeit hast.“ Auf die Gefahr hin, es später zu bereuen, sagte Lauren: „Also gut. Ich entwerfe mal etwas.“ Mit einem Blick auf ihre beiden Ringe setzte sie hinzu: „Schließlich soll es dem Baby hier gefallen, wenn wir dich besuchen.“ Jason lächelte – auch dieses Lächeln gehörte zu den Dingen, die sie schmerzlich vermissen würde. „Und da das Baby auch etwas essen muss, habe ich uns was mitgebracht“, sagte er. Aus einer Lebensmitteltüte holte er Vollkornkekse, Marshmallows und Schokopralinen hervor. Lauren lief das Wasser im Munde zusammen, und auch das Ungeborene schien sich erwartungsvoll zu bewegen. Ohne Zweifel, das sollten S’mores werden, eine herrliche Nascherei am Lagerfeuern. „Ich hoffe, du magst S’mores“, sagte Jason lächelnd. „Sonst muss ich die Pralinen leider selbst essen.“ Er drückte die Schachtel gegen seine Brust. „Das wirst du lassen“, rief Lauren und nahm sie ihm blitzschnell weg. Beide lachten. Angelehnt an eine große Umzugskiste, saß Lauren mit gekreuzten Beinen auf der Decke. Was Jason vorbereitet hatte, erinnerte sie an Zeltlager in ihrer Teenagerzeit – sehr romantisch. Während Lauren verträumt zusah, legte Jason jeweils zwei Schokopralinen und ein Marshmallow zwischen zwei Cracker und röstete das Ganze auf dem Kamingitter. Auch wenn Lauren stolz auf ihre Unabhängigkeit 125
war und sich selbst versorgen konnte: Darauf, sich S’mores zu machen, wäre sie nie gekommen. Sie kannte ihn schon über ein Jahr, dennoch überraschte Jason sie immer wieder aufs Neue. Besonders hatte ihr das Gespräch im Flugzeug über die Krankheit ihrer Mutter gefallen. „Nochmals danke für alles.“ Über die Schulter sagte er: „Warte doch, bis du probiert hast.“ „Ich meine für dein Verständnis, was meine Mutter betrifft.“ Im Feuerschein war die Besorgnis in seinem Gesicht zu erkennen. „Wenn ich nur wüsste, was ich sonst noch tun könnte.“ „Ist schon gut. Inzwischen habe ich mich an Moms … missbilligendes Verhalten gewöhnt.“ „Aber es verletzt dich noch immer“, stellte Jason fest. „Irgendwie strebt man auch als Erwachsener nach der Anerkennung der Eltern. Das Problem ist, dass Mom will, dass ich auf ihre Art zeichne und male und ihren Träumen Ausdruck verleihe.“ Jason legte die ersten schokoladigen S’mores auf einen Teller. „Leider grenzen ihre Träume an schieren Größenwahn“, fuhr Lauren fort und bediente sich vom Teller. „Nachdem ich zwei Ballettstunden hatte, sah sie mich schon am Broadway. Wenn ich eine Runde im Pool geschwommen bin, träumte sie von der nächsten Olympiade.“ 126
„Das setzt ein Kind schon ganz schön unter Druck“, sagte Jason verständnisvoll. „Mit ihrer Kunst ist es dasselbe.“ Lauren tauchte den Finger in die geschmolzene Schokolade. „Mom hat Dad und mir immer vorgeworfen, dass sie wegen uns nicht nach Paris hatte gehen können.“ „Deine Mutter ist auch Künstlerin?“ „Und eine sehr begabte noch dazu, aber sehr von sich überzeugt. Auf mich hat sie in dieser Hinsicht leider immer nur herabgesehen.“ Lauren leckte die Schokolade vom Finger – ein ganz klein wenig tat sie es absichtlich – und beobachte amüsiert, wie Jason sich den Kragen lockerte. Nach der einsamen Dusche schöpfte sie nun neue Hoffnung. „Du bist eine erfolgreiche Geschäftsfrau.“ Mit vor Verlangen dunkel wirkenden Augen sah er sie an. Welche schwangere Frau würde sich nicht geschmeichelt fühlen, von einem Mann begehrt zu werden? „So erfolgreich, dass mein Buchhalter mit meinem Geld auf und davon ist!“ Genussvoll biss sie ein Stück ab. Hatte sie geseufzt – oder Jason? „So etwas passiert. Leider. Aber keine Angst, du kommst schon wieder auf die Füße.“ Er setzte sich ebenfalls auf die Decke und versuchte unauffällig, seine Hose glatt zu streichen – doch seine Erregung blieb Lauren nicht verborgen. Allein der Gedanke daran erregte sie.
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Nochmals schweiften ihre Gedanken zu Jacqueline. „Ab und zu frage ich mich, ob ich Fehler mache, zu wenig sorgfältig oder zerstreut bin. Wie ist es denn mit deinen Eltern? Hast du sie schon angerufen?“ „Ich rede nicht mit ihnen.“ „Oh, wie traurig.“ „Findest du? Wärst du nicht auch froh, den belastenden Situationen mit deiner Mutter aus dem Weg zu gehen?“ Trotz allem konnte Lauren es sich nicht vorstellen, mit ihrer Mutter zu brechen. Was wohl zwischen Jason und seinen Eltern vorgefallen war? „Sie ist noch immer meine Mom.“ Dennoch musste sich Lauren eingestehen, dass sie den größeren Abstand zu ihr als durchaus wohltuend empfand. „Du hast eine ziemlich versöhnliche Einstellung – außer wenn es um mich geht, wohlgemerkt.“ Schuldbewusst dachte Lauren an die Szene in seinem Büro. „Inzwischen hast du mir ja versichert, dass zwischen dir und Celia nichts war.“ „Das meine ich nicht, sondern die vier Monate, in denen ich mich nicht bei dir gemeldet habe“, sagte Jason und rückte ein Stück näher. „Damals in der Nacht in deinem Büro hätte ich mein Flugzeug Flugzeug sein lassen sollen, um mit dir zu reden.“ „Ich hatte dich gebeten zu gehen.“ Als er ihr eine Haarsträhne zurückstrich, berührte er dabei sachte ihr Gesicht. „Aber ich hätte besser nachfragen sollen, ob du das auch wirklich so meinst.“ 128
„Damals wollte ich es wirklich.“ Aus Angst vor ihren intensiven Gefühlen … Außerdem hatte sie angenommen, dass auch ihm es so lieber war. Vermutlich war es gerade die bevorstehende Abreise gewesen, weswegen sie beide so weit gegangen waren. „Und jetzt, Lauren?“ Mittlerweile konnte sie sich ein Leben ohne ihn nicht mehr vorstellen. „Nun sind wir durch unser Baby für immer verbunden.“ Lauren war heiß geworden – durch das Kaminfeuer und die Nähe Jasons. Sie atmete tief durch. Jetzt. Aus der Tasche ihres Bademantels zog sie ein Ultraschallfoto. „Ich will dir etwas zeigen.“ In ungläubigem Staunen betrachtete er das Bild. „Das ist unser Baby?“, fragte er. Lauren nickte gerührt und konnte kaum die Tränen zurückhalten. Zärtlich strich Jason über die Aufnahme. „Weißt du schon, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird?“ „Kann man noch nicht sagen. Vielleicht sieht man beim nächsten Termin mehr. Würdest du es denn gern wissen?“ „Einerseits schon“, sagte Jason und blickte ihr in die Augen, was Laurens Sehnsucht nach ihm weiter wachsen ließ. „Andererseits finde ich es wichtiger, dass das Kleine gesund ist.“
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Als er den Arm um sie legte, empfand Lauren ihr Begehren beinahe als schmerzhaft. Lust flammte in ihr auf. Sie rückte näher zu ihm. Alles, was Jason in seiner fürsorglichen Art sagte oder tat, stellte ihren Vorsatz, nach New York zurückzukehren, weiter infrage. Für diesen Mann lohnte es sich, alles, was zuvor wichtig gewesen war, stehen und liegen zu lassen. Erschreckt über diesen Gedanken, stand Lauren abrupt auf. „Dem Baby und mir geht es bestens, aber jetzt müssen wir schlafen. Danke für diesen schönen Abend.“ Jason, der ihren Konflikt durchschaut hatte, lachte leise. Noch auf der Treppe hörte sie ihn. Er hatte es geschafft, dass Lauren plötzlich ein Leben in San Francisco überaus erstrebenswert erschien. Aus diesem Dilemma gab es nur einen Ausweg: Sie musste entscheiden, ob sie es wagen würde – mit Jason.
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8. KAPITEL Zu Laurens Überraschung unterschied sich die Rosa Lounge deutlich von den Bars, die sie aus New York kannte. Nicht nur dass die Musik ziemlich laut und eingängig war, auch die Farben sprachen Lauren sehr an: Rosafarbenes bis violettes Licht sorgte für gedämpfte Atmosphäre, Schwarz-Weiß-Kontraste erzeugten Spannung. Mit den Augen einer Künstlerin nahm Lauren alles in sich auf. Und erst das Essen! Sie dippte eine Käseecke in Tomatensoße und probierte. Einfach köstlich. Endlich wurde sie für die lange Zeit der Schwangerschaftsübelkeit entschädigt. So vieles in San Francisco entpuppte sich als anders, als sie angenommen hatte. Sollte sie es wagen, sich mit Jason einzulassen? Eigentlich eine sonderbare Frage, dachte sie, schließlich erwarte ich bereits ein Kind von ihm. Und doch wusste sie nicht, wie sie ihrem Herzen einen Ruck geben sollte. Jemand tippte ihr auf die Schulter, und Lauren wurde aus ihren Träumereien gerissen. „Hallo, wir kennen uns noch nicht“, sagte eine schlanke Frau mit dunklen Haaren, die mit Haarklemmen nach hinten frisiert waren. „Ich bin Elle Linton, Brocks Sekretärin.“
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„Freut mich. Lauren Presley … ich meine Reagert. An den neuen Namen muss ich mich noch gewöhnen.“ „Natürlich.“ Elle lächelte verständnisvoll. „Die Hochzeit kam ja auch ziemlich plötzlich.“ Richtig. Und Celia hatte den Ausschlag gegeben. Lauren sah zu der attraktiven Rothaarigen hinüber, die sich, wie es schien, absichtlich von ihr fernhielt. „Jason und ich, wir kennen uns schon seit über einem Jahr“, sagte Lauren zu Elle gewandt. „Oh, ich habe es nicht abwertend gemeint“, versicherte Elle und sah Lauren mit ihren blauen Augen offen – und neugierig – an. Ohne Zweifel eine Frau, die es verstand, andere auszuhorchen. „Wir alle fragen uns, welche Lady es geschafft hat, sich Jason Reagert zu angeln.“ „Sie meinen, weil Celia das schon einmal vergeblich versucht hat?“ Lauren versuchte die aufflammende Eifersucht zu verdrängen und ergänzte entschuldigend: „Ich nehme an, dass mein Auftritt in Jasons Büro etwas theatralisch gewirkt hat. Aber wenn es um meinen Mann geht, werde ich manchmal ein bisschen kratzbürstig.“ Hatte sie das wirklich gesagt? Zu allem Überfluss stimmte es auch noch! Wieder blickte sie zu Celia hinüber, die wirklich auffallend gut aussah. Auch wenn sie einen selbstbewussten Eindruck machte, wirkte sie nicht wie eine Frau, die es gewohnt ist, aus ihrem Äußeren Nutzen zu ziehen. 132
„Lauren“, sagte Elle und legte ihr die Hand auf den Arm, während sie einem Kellner mit einem Tablett auswich. „Kein Wunder, dass Sie sich über Celia ärgern. Frauen ihres Typs schlafen sich nach oben.“ Ohne es zu wollen, empfand Lauren plötzlich Sympathie mit Celia. In der Geschäftswelt nach oben zu kommen, war nicht einfach. Oft kam es zu solchen Gerüchten. „Na, na. Das klingt ein bisschen zu hart.“ Über den Rand ihres Martiniglases sah Elle sie an. „Wenn es aber stimmt? Ich sage nur so viel: Bei Madd Comm herrscht viel Konkurrenzdenken.“ Lauren fiel auf, dass Elle aus den Augenwinkeln Brock, ihren Chef, beobachtete. Ob Elle vielleicht ihrerseits eifersüchtig war? Wie auch immer, Lauren hatte den Eindruck, dass sie hauptsächlich vor Elle auf der Hut sein musste. In diesem Augenblick näherte sich Jason. „Hallo ihr zwei. Möchtet ihr noch etwas trinken?“ Noch ehe sie ihn gesehen hatte, hatte Lauren schon den vertrauten Duft seines Rasierwassers gerochen. „Danke, ich habe noch was im Glas.“ „Ich auch“, sagte Elle. Jason legte den Arm um Lauren und fragte: „Amüsiert ihr euch?“ „Ich erfahre gerade einige interessante Details über deine Kollegen“, antwortete Lauren. „Typisch Elle“, lachte Jason.
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Auch Elle lachte kurz, dann sagte sie mit Blick auf Laurens Teller: „Jetzt werde ich mir auch etwas zum Essen holen. War nett, mit Ihnen zu plaudern, Lauren.“ Als sie weg war, schmiegte sich Lauren an Jason. „Ich finde, es läuft recht gut.“ „Mehr als das. Du hast dich wirklich wacker geschlagen. Wie wäre es, wenn wir uns ein wenig entspannen?“ Er stellte ihren Teller auf einen Tisch. „Tanzen wir?“ Lauren wollte protestieren, um in Ruhe weiterzuessen, doch dann spürte sie, dass ihre Sehnsucht nach einer Berührung weitaus größer war. Hier auf der Tanzfläche, in aller Öffentlichkeit, konnte sie ihre Gefühle auf die Probe stellen. Und was konnte dabei schon passieren? Als nach drei schnellen Stücken ein langsameres Lied gespielt wurde, zog Jason Lauren an sich. Einen kurzen Moment wirkte sie steif, dann ließ sie sich an seine Brust sinken. Ihr angenehmer Duft ließ Jason sofort an das Eine denken … wie immer, wenn er ihr nah war. Für Jason war Lauren die Versuchung in Person. Doch die Vernunft sagte ihm, dass er sein Ziel nicht aus den Augen verlieren durfte: Er wollte Lauren überzeugen, hierzubleiben. Und dazu musste er sich noch eine Zeit lang zurückhalten. Wenn sie wieder miteinander schliefen, dann dieses Mal ohne Reue. 134
Er legte die Stirn an ihre. „Nochmals danke für alles. Du hast dich heute Abend wirklich großartig verhalten.“ „Ich erfülle meinen Teil der Abmachung.“ Jason spürte ihre Beine, ihre Brüste an seinem Körper. Plötzlich gefiel ihm die Idee mit der Zurückhaltung weit weniger gut. „Du bist wirklich eine tolle Frau. Weißt du das?“, fragte er und beugte sich zu ihr. Mit seinem Mund berührte er ganz leicht ihren, ohne etwas zu fordern. Als Jason spürte, dass Lauren die Augen schloss, wuchs seine Erregung. Aber ein anderes Tanzpaar stieß sie an, und Jason musste zu seinem Bedauern den Kopf zur Seite drehen. Unter halb gesenkten Lidern sah Lauren ihn an. „Hast du vor, mich zu verführen?“, fragte sie mit rauer Stimme. Als er ihre Taille umfasste, sehnte er sich danach, die Hände tiefer gleiten zu lassen. „Ich habe dich nur geküsst.“ „Das nennst du nur einen Kuss?“ „Darf ich das als ein Kompliment verstehen?“, fragte er leise. Scherzhaft stieß sie ihn gegen die Brust. Laurens Wangen waren gerötet. „Du weißt genau, was du damit bewirkst.“ „Also hat es dir gefallen?“, fragte er und zog sie enger an sich.
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„Das war nicht schwer zu erraten. Wenn es um dich geht, nützt mir alle Selbstbeherrschung nichts. Also, willst du mich verführen?“ Doch Jason hütete sich, allzu direkt vorzugehen. Er musste es auf eine romantischere Weise schaffen. „Wegen einem Kuss muss man doch nicht gleich miteinander schlafen.“ Verblüfft und offenbar irgendwie enttäuscht schwieg Lauren. „Wie?“, fragte Jason und bewegte sich mit ihr zu einem ruhigeren Teil der Tanzfläche. „Bist du nicht dieser Ansicht?“ „Doch. Voll und ganz. Es wundert mich nur, eine Einsicht wie diese aus deinem Munde zu hören. Wo du doch ein Mann bist!“ „Ja, zweifellos bin ich einer.“ „Ich weiß“, seufzte sie und drückte die Hüften gegen ihn. „Dich zu küssen ist wunderbar“, flüsterte er und berührte verheißungsvoll ihren Mund mit den Lippen. Welch eine süße Qual … Aus den Augenwinkeln sah Jason den Finanzchef von Madd Comm an ihnen vorbeigehen, um jemanden zum Tanzen aufzufordern. Erinnerte sich Ash noch daran, dass er und Jason sich erst vor drei Wochen, hier in der Rosa Lounge, geschworen hatten, nicht zu heiraten? Allerdings hatte Ash bereits eine gescheiterte Ehe hinter sich. Jasons Gedanken schweiften zurück zu der Frau in seinen Armen. Und erneut ermahnte er sich zur 136
Geduld. Lauren hatte sich bereits einmal zurückgezogen, weil er zu ungestüm gewesen war. Den Fehler würde er kein zweites Mal begehen. Als ein schnelleres Stück gespielt wurde und sich die Tanzfläche füllte, führte Jason Lauren an der Hand ein Stück abseits. „Wie wäre es zum Abschluss des Abends mit einem kleinen Ausflug auf die Twin Peaks? Wir können von dort aus die Aussicht über die Stadt genießen. Ich verspreche dir auch, dass ich mich dir nicht ungebührlich nähern werde.“ Lauren lachte. „Darf ich dich daran erinnern, dass wir bereits miteinander geschlafen haben?“ „Keine Angst, ich habe es nicht vergessen.“ Genau das war es, was er wieder wollte. Und deshalb musste er an seinem Plan festhalten. „Das heißt also Nein. Schade.“ Verwirrt runzelte sie die Stirn. „Jason, irgendwie werde ich heute aus dir nicht schlau. Du tust, als würdest du um mich werben, und dann wieder …“ „Pst.“ Er legte ihr den Finger auf den Mund. „Du weißt doch: Werbung ist mein Beruf.“ Er trat einen Schritt zurück und küsste ihr die Hand. „Danke für diesen wunderbaren Tanz, Mrs. Reagert. Ich werde die ganze Nacht daran denken – in meinem Sessel.“ Zwei schlaflose Nächte später ging Lauren zur Dinnerparty von Madd Comm. Ein solcher geschäftlicher Anlass war ganz nach ihrem Ge137
schmack. Das Knüpfen neuer Kontakte, der Ideenaustausch mit den besten Köpfen – Lauren fühlte sich in ihrem Element. Schmerzlich wurde ihr bewusst, wie sehr sie ihr Leben als Grafikdesignerin in New York vermisste. Und doch sehnte sie sich mit jeder Faser ihres Körpers nach Jasons Nähe. Immer wieder berührte er sie wie zufällig oder küsste sie und schürte ihr Verlangen damit. Nach dem Essen wechselte die Liveband von Swing zu klassischer Rockmusik. Lauren wusste nicht, wie sie auch nur einen einzigen Tanz mit Jason durchstehen sollte. Seinen Körper zu spüren, ohne ihn wirklich haben zu können, brachte sie fast um den Verstand. Während sie sich locker zur Musik bewegte, ging sie zur Bar, um sich ein neues Mineralwasser zu holen. Dabei bedankte sie sich mit freundlichem Kopfnicken für die zugerufenen Glückwünsche zur Hochzeit. Inzwischen war die Party in vollem Gang. Am anderen Ende des Raumes sah sie Jason. Er unterhielt sich mit Kollegen, blickte aber zu ihr herüber. Laurens kupferfarbenes Satinkleid schwang schmeichelnd um ihre Beine und regte ihre ohnehin hellwachen Sinne weiter an. Jasons Blicke glaubte sie auf ihrer Haut zu spüren. Für das Essen hatte der aus Österreich stammende Starkoch Wolfgang Puck gesorgt. Durch die Glas-
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wände des Yachtclubs, in dem die Party stattfand, sah man in der Ferne die Golden Gate Bridge. Alles an diesem Abend war exklusiv, von der Speisekarte bis zur Auswahl der Gäste. Brocks Sekretärin Elle, die man ab und zu geschäftig hin- und hereilen sah, trug einen maßgeblichen Teil zum reibungslosen Ablauf dieses Abends bei. Lauren, die in Connecticut aufgewachsen war, war schon von Kindesbeinen an den Umgang mit einflussreichen Familien und Politikern gewöhnt. Dennoch beeindruckte sie dieser Abend sehr. Madd Comm hatte alle Register gezogen. Zu gerne hätte Lauren das volle Aroma der kalifornischen Weine genossen. Doch sie blieb bei ihrem fast leeren Glas Mineralwasser. „Mrs. Reagert“, hörte sie eine Stimme, „möchten Sie noch etwas trinken?“ Sie blickte über die Schulter und sah – Walter Prentice! Das Glas in seiner Hand verriet, dass Jasons wichtiger Kunde bei allen Grundsätzen offenbar einem guten Wein nicht abgeneigt war. „Vielen Dank, Mr. Prentice, ich hole mir gerade ein neues Wasser.“ „Warten Sie, ich erledige das für Sie“, sagte er und schnippte mit den Fingern. Sogleich kam ein Kellner, um Laurens Wünsche und die des Ehepaars Prentice zu erfüllen. Obwohl ihr Mann ihr aufrichtig ergeben schien, machte Mrs. Prentice keinen wirklich glücklichen Eindruck.
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Lauren nahm ein Glas Wasser vom Tablett des Kellners und lächelte dankbar. „Bei Maddox Communications arbeiten engagierte junge Leute. Ich freue mich richtig, dass ich mich für diese fähige Firma entschieden habe. Allerdings war auch Golden Gate Promotions lange im Rennen.“ „Ich kenne ja noch nicht jeden Einzelnen, aber ich wurde sehr freundlich willkommen geheißen.“ Einen Augenblick lang schauten sie dem Treiben auf der Tanzfläche zu. Dann ergriff Angela Prentice das Wort. „Wie war noch einmal Ihr Name?“, fragte sie und berührte leicht Laurens Arm. „Lauren Presley, äh, jetzt natürlich Reagert. Wobei der Name Presley nichts mit Elvis zu tun hat“, erwiderte sie schmunzelnd. Walter Prentice lachte auf. „Darauf werden Sie bestimmt oft angesprochen.“ „Allerdings.“ Lauren fiel ein, dass ihm die Familie das Wichtigste war, und sagte: „Aber meine Familie kommt aus Connecticut, hat also mit Graceland nichts zu tun.“ „Connecticut finde ich sehr schön. Dort gehört mir ein Haus am Meer.“ Sicherlich nicht das einzige, dachte Lauren bei sich. „Stimmt es, dass Sie Jason in New York kennengelernt haben?“ „Ja, ich habe dort mein Grafikbüro. Jason und ich haben ab und zu zusammengearbeitet. So sind wir uns nähergekommen.“ Wobei Mr. Prentice die Einzelheiten sicherlich entsetzt hätten. 140
„Aber wie wollen Sie Ihre Firma denn von Kalifornien aus leiten?“, fragte Angela besorgt. Auch Walter runzelte die Stirn. „Sie werden doch nicht eine dieser Ehe führen, in denen ein Partner ständig von Küste zu Küste fliegt? Das kann doch gar nicht klappen. Darum nehme ich meine Frau und die Kinder immer mit.“ Kein Wunder, dass Angela erschöpft aussah. „Im Zeitalter des Internets ist so etwas weit weniger schwierig. Und mit gutem Personal …“ Dennoch wären viele Reisen unumgänglich, vor allem in den ersten Jahren, wenn das Baby noch klein war. Dabei wollte sie mit Jason möglichst viel Zeit verbringen. Sie sah zu ihm hinüber. Gerade unterhielt er sich mit Flynn Maddox, der mit seinen breiten Schultern die Bewunderung vieler Frauen auf sich zog. Lauren bevorzugte eindeutig den schlanken, durchs Schwimmen trainierten Körper Jasons. „Sie sind eine moderne Geschäftsfrau“, sagte Walter, und Lauren wusste nicht, ob er das gut oder schlecht fand. Wieder legte Angela ihr die Hand sachte auf den Arm. „Also nochmals alles Gute, meine Liebe, für Sie beide und das Baby. Walter und ich freuen uns für Sie.“ Walter hob zustimmend sein Glas und trank ihr zu. Dann entschuldigte er sich und seine Frau. „Hat mich sehr gefreut, Sie kennenzulernen“, verabschiedete sich Lauren. Zum Glück war alles gut 141
gegangen. Nachdenklich sah sie dem Ehepaar nach. Wie es wohl sein musste, vierzig Jahre verheiratet zu sein? So lange Zeit mit einem anderen Menschen zu verbringen? Gedankenverloren wandte Lauren sich um … und sah sich Celia Taylor gegenüber! Lauren unterdrückte den Impuls, eine Entschuldigung zu murmeln und weiterzugehen, denn das hätte den Gerüchten nur neue Nahrung geboten. Und gerade über Celia wurde offenbar viel geredet. Schöne Frauen zogen oft den Neid anderer Frauen auf sich und hatten es daher beruflich nicht immer leicht. Also lächelte Lauren und sagte freundlich: „Hallo, Celia. Ich wollte Sie gerade suchen gehen. Vielleicht können Sie mir einen guten Friseur empfehlen?“ Oje, dachte Lauren, hätte ich doch lieber etwas über die Werbebranche gesagt oder nach irgendeiner Ausstellung gefragt. Sie wollte sich mit Jasons Kollegen und Kolleginnen gut stellen, aber musste sie ausgerechnet nach einem Friseur fragen? „Ja, klar“, antwortete Celia ungerührt. „Ich schicke Ihnen eine E-Mail mit der Adresse meines Salons.“ „Vielen Dank.“ Einen neuen Frauenarzt brauche ich auch, dachte Lauren, falls ich Jason wieder besuche. Oder länger bleibe … „Tut mir leid wegen neulich“, sagte Celia sanft und kam etwas näher. Ihr Parfum empfand Lauren als
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wenig angenehm. Lag es an der Schwangerschaft oder an ihrer Eifersucht? Celia hat mir nichts getan, ermahnte sich Lauren. „Aber ich bitte Sie! Da war doch gar nichts …“ „Natürlich nicht. Ich will nur sichergehen, dass Sie die Situation nicht missverstehen. Ich habe Jason nur gefragt, ob er mit mir und den anderen nach der Arbeit noch etwas trinken will.“ Hätte Celia geahnt, dass Jason bereits eine Beziehung hatte – was ja eigentlich gar nicht richtig der Fall war –, hätte sie ihn dann auch gefragt? Und was wäre gewesen, wenn Jason von der Schwangerschaft nichts erfahren hätte? Lauren wusste, dass ihre Eifersucht unbegründet war. Trotzdem konnte sie das Gefühl einfach nicht beiseitelegen. „Schon gut“, erwiderte sie und bemühte sich um einen versöhnlichen Tonfall. „Ich bin daran nicht ganz unschuldig. Ich habe Jason gebeten, unsere Beziehung geheim zu halten.“ Celia atmete hörbar aus. „Jetzt bin ich aber froh. Ich kann den Büroklatsch nicht ausstehen. Sie sind wirklich sehr nett.“ Warum möchte ich mich unbedingt mit Jasons Kollegen verstehen?, fragte sich Lauren. Weshalb meine Schwierigkeiten mit Celia? Wozu der Gedanke mit dem neuen Frauenarzt? Es half alles nichts: Ob es ihr passte oder nicht, sie fühlte sich zu Jason hingezogen. Vier Monate lang hatte sie vergeblich versucht, ihn zu vergessen.
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Am anderen Ende des Raumes sah sie ihn. Im selben Moment bemerkte er ihren Blick und wandte ihr den Kopf zu. Sie schauten einander an, bis das Kribbeln, das Lauren verspürte, nicht mehr auszuhalten war. Diesen Mann begehrte sie mehr als alles andere … Es hatte keinen Sinn, noch länger vor der Wahrheit davonzulaufen. Lauren konnte ihre Gefühle, und damit sich selbst, nicht länger verleugnen. Vielleicht machte die Hormonumstellung alles schlimmer, aber ganz sicher war die Schwangerschaft nicht der Hauptgrund für diese tiefe Sehnsucht. Denn andere Männer interessierten Lauren nicht im Geringsten. An dieser Party nahmen weiß Gott attraktive und reiche Männer teil. Aber Lauren hatte nur Augen für Jason. Ab sofort würde sie, wenn es um ihren frischgebackenen Ehemann ging, ihre Fantasie nicht mehr unterdrücken.
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9. KAPITEL Die Dinnerparty von Maddox Communications war ein voller Erfolg gewesen. Aber obwohl für Jason alles nach Plan verlaufen war, fühlte er sich merkwürdig gereizt. Daran konnte nur seine attraktive Frau Schuld haben. Nachdem er das Haus für die Nacht verschlossen hatte, betrachtete er Lauren. Auf der Fahrt hierher hatte er sie auf einige Sehenswürdigkeiten hingewiesen, aber sie war schweigsam geblieben und hatte ihn nur mit fast beunruhigender Intensität angeschaut. Nun stand sie in ihrem kupferfarbenen Abendkleid im Erker des Wohnzimmers. Im Mondlicht schimmerten die Perlen, mit denen das Oberteil bestickt war. Sie wirkte elegant – und unglaublich anziehend. In jeder Hinsicht vollkommen. Jason musste sich eingestehen, dass sich die Idee mit der Zurückhaltung längst überholt hatte. Er wollte diese Frau besitzen, und zwar jetzt auf der Stelle. Wie gut ihre vollen Brüste in dem Kleid zur Geltung kamen! Der spezielle Schnitt mit hoch angesetzter Taille ließ von ihrer Schwangerschaft kaum etwas erahnen. Der weich fließende Satinstoff reichte bis zum Boden. Dazu trug Lauren Schuhe mit halbhohen Absätzen.
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Das Haar war zu einem Knoten hochgesteckt, eine lose Strähne schien ihre Wange zu liebkosen – was auch Jason gern getan hätte. Den ganzen Abend lang hatte sie die Blicke anderer Männer auf sich gezogen. Am liebsten hätte Jason allen erzählt, dass sie ihm gehörte undsein Kind unter dem Herzen trug. Dass er so eifersüchtig sein konnte, hätte er nie gedacht! Dabei konnte er auf Lauren wirklich stolz sein. Sie war eine brillante Geschäftsfrau, die Walter Prentice um den Finger gewickelt hatte und mühelos neue Kontakte knüpfte. Die Gelassenheit, die sie dabei ausstrahlte, gefiel Jason ebenso gut wie ihre herrliche Figur. Er trat hinter sie und umfasste die unbekleideten Schultern. Mehr denn je war er entschlossen, Lauren davon zu überzeugen, wie gut sie und er zusammenpassten. „Du warst großartig heute Abend. Bei dir war Prentice zahm wie ein Lämmchen.“ Über die Schulter hinweg sah sie ihn an. „Ich finde, er ist ganz nett. Nur geht es ihn natürlich im Grunde nichts an, wie andere Menschen leben.“ „Er und seine Frau mögen dich“, sagte Jason und legte den Arm um Lauren, die nicht dagegen protestierte. Ganz leicht spürte er die Bewegungen des Babys. „Aber sie wirkt irgendwie unglücklich.“ Als Lauren sich gegen ihn lehnte, roch er ihr angenehm duftendes Shampoo. „Mir kommt es vor, als würde sie sich nach einem ruhigeren Leben sehnen.“ 146
„Und was ist mir dir? Gefallen dir Anlässe wie der heute Abend?“ Nicht allen Frauen lag der Rhythmus von angestrengter Arbeit und Dinnerpartys, wie er für Madd Comm typisch war. Offensichtlich war die Ehe von Flynn Maddox daran gescheitert. „Machst du Witze? Du kennst mich doch! Bei solchen Gelegenheiten blühe ich regelrecht auf.“ Sie drückte sich fester gegen ihn, bis Jason überzeugt war, dass sie seine pulsierende Erregung deutlich spürte. „Du schaffst es immer, gelassen zu bleiben.“ Dagegen bewegte sich sein eigener Blutdruck gerade in schwindelerregende Höhen. Er wünschte, sich mit Lauren für immer in diesem Augenblick zu verlieren. Über die Schulter fragte sie: „Woran denkst du?“ „An dich“, antwortete er wahrheitsgemäß. „Du bist einfach wunderbar.“ „Hör auf, mir zu schmeicheln.“ Sie legte die Hand auf seine, die auf ihrem Bauch ruhte. „Es ist schon Wochen her, dass ich meine Taille eingebüßt habe.“ „Du bist allen Männern aufgefallen.“ Wieder meldete sich Jasons Eifersucht. „Kein Wunder, du siehst unglaublich sexy aus. Es heißt ja oft, dass eine Schwangerschaft schön macht: Bei dir stimmt es!“ Mit dem Daumen streichelte er die Unterseite ihrer Brüste. „Die ganze Woche habe ich nur an dich gedacht.“
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Sie lachte leise, drehte sich zu ihm um und wies auf ihre Oberweite. „Das muss daran liegen, dass ich jetzt eine Körbchengröße mehr habe.“ Fasziniert betrachtete Jason ihre Brüste. Dabei stellte er sich vor, dass er Lauren auszog, um endlich alles zu betrachten, wofür er sich in jener Nacht vor vier Monaten nicht die Zeit genommen hatte. „Ich würde wer weiß was darum geben, dich ohne das Kleid zu sehen. Lauren, ich habe dir versprochen, dass wir nicht miteinander schlafen, aber ich sterbe vor Sehnsucht nach dir. Keine Ahnung, wie lange ich mich noch zurückhalten kann.“ Sie spielte mit seiner Krawatte. „Vielleicht bestehe ich inzwischen nicht mehr auf dieser Bedingung.“ Ungläubig sah er sie an. Hatte sie tatsächlich ihre Meinung geändert? Liebevoll hauchte er ihr kleine Küsse auf Wangen und Hals. „Vielleicht?“, vergewisserte er sich. Sie suchte seinen Mund mit ihrem und schlang die Arme um Jasons Schultern. „Ganz sicher sogar“, flüsterte sie. Er seufzte auf und küsste sie leidenschaftlich. Dabei spürte er, wie auch sie sich nach ihm sehnte. So lange hatte er sich beherrscht. Nacht für Nacht hatte er von ihr geträumt. Lauren hielt sich an seinen Schultern fest. Offenbar wusste sie genau, was sie wollte. Leidenschaftlich griff sie ihm ins Haar, bevor sie ihn näher an sich zog. Viel zu viel Stoff zwischen uns, dachte Jason. 148
Er ließ seine Hand tiefer gleiten bis zu ihrem Po. „Aber das Baby?“, fragte Jason. „Müssen wir nicht besonders achtgeben, dass ihm dabei nichts passiert?“ Mit einer geschickten Bewegung streifte Lauren ihm das Jackett von den Schultern. „Im fünften Monat ist das noch kein Thema. Wenn man den Büchern und Ärzten glauben darf, muss man gegen Ende der Schwangerschaft erfinderisch werden, was die Positionen betrifft. Vielleicht hätten wir schon längst üben sollen?“ „Was du sagst, ist Wasser auf meinen Mühlen.“ Er stellte sich Lauren vor … jetzt … und später. Ob sie dann immer noch zusammen waren? Nun endlich ergab sich die Gelegenheit, sie für sich zu gewinnen und ihr ohne Einschränkungen nahe zu sein. Daraus würde er das Beste machen. Lauren nur zu sehen – und zu schmecken – war ihm auf Dauer nicht genug. „Schon der Klang deiner Stimme erregt mich …“ „Aber auch bestimmte Wörter können sehr anregend wirken. Ich hätte da einige Ideen.“ Mit einer Hand griff er hinter sie und zog den Vorhang zu. „Darauf freue ich mich schon.“ Sie seufzte und knabberte erwartungsvoll an seiner Unterlippe. Jason öffnete ihren Reißverschluss und ließ das Abendkleid zu Boden gleiten. Er hielt den Atem an. In einem halterlosen Spitzen-BH und schmalem Slip stand Lauren vor ihm. Dazwischen wölbte sich leicht ihr Bauch. Die cre149
meweiße Unterwäsche war mit goldenen Perlen verziert, wodurch ihr heller Teint gut zur Geltung kam. Wie im Rausch begann Jason sie zu berühren. Lauren erschien ihm so anbetungswürdig, dass er am liebsten vor ihr auf die Knie gesunken wäre. Und sie erwartete sein Kind! In diesem Augenblick gab es für ihn nichts Kostbareres auf der Welt. Unter gesenkten Lidern sah sie ihn leidenschaftlich an. Mit wenigen Griffen zog sie die Haarnadeln aus ihrem Knoten und schüttelte das füllige Haar, dass es ihr bis über die Schultern fiel. „Einer von uns beiden hat definitiv zu viel an. Komm schon, Jason, ich brenne darauf, dass du nackt für mich posierst.“ „Ich soll für dich posieren?“, fragte er und hielt inne, während er sich das Hemd aufknöpfte. „Ja. Auf dem College habe ich nämlich den Kurs ‚Männlicher Akt‘ besucht.“ Jason runzelte die Stirn. „Ich weiß nicht, ob mir die Vorstellung gefällt … Du inmitten nackter Männer…“ Mit dem Fingernagel strich sie über seine Brust. „Jetzt mach schon, Jason“, forderte sie ihn ungeduldig auf. „Stets zu Diensten“, sagte er und sah Lauren an. Langsam zog er sich Hemd, Schuhe und Strümpfe aus. Auch wenn er es kaum noch erwarten konnte, ihr nahe zu sein, wollte er ihren Anblick so lange wie möglich genießen. 150
Dabei dachte er daran, wie wunderbar weich sie sich in seinen Armen angefühlt hatte. Nie würde er das vergessen. Nachdem er sich der Hose und seiner Boxershorts entledigt hatte, streckte er die Hand aus. Lauren ergriff sie und hielt sie fest. Mit der anderen Hand strich sie über seine Brust. Mit klopfendem Herzen zog er Lauren an sich. Als sie sich an ihn schmiegte, öffnete er ihren BH und zog ihn ihr aus. Kurz strich Jason über den feinen Satin und die Spitzen, dann warf er den Stoff beiseite. Als sie sich ihm seufzend entgegenhob, spürte er ihre vollen Brüste. „Ich glaube, ich kann nicht mehr länger warten“, flüsterte sie. „Lassen wir uns lieber beim nächsten Mal mehr Zeit, ja?“ „Aber gern.“ Beim nächsten Mal. Das bedeutete, dass sie ihn diesmal nicht so schnell wieder loswerden wollte! Angespornt von ihrem Verlangen, drückte er sie gegen die zum Glück noch undekorierte Wand. Aber selbst wenn ein wertvolles Kunstwerk dadurch zu Schaden gekommen wäre, hätte Jason dem wenig Beachtung geschenkt. Lauren küsste ihn, biss ihn zärtlich, strich ihm über den Rücken – und flüsterte ihm ihre geheimsten Fantasien ins Ohr. Erwartungsvoll zog er ihr den Slip aus, nicht ohne den kurzen Moment auszukosten, in dem er den Seidenstoff berührte, der noch warm war. 151
Als sie ein Bein um ihn schlang, brauchte Jason keine weitere Einladung. Während er sie zwischen den Oberschenkeln streichelte, war ihm unmissverständlich, wie sehr sie diesem Moment entgegengefiebert hatte. Er senkte den Kopf und begann vorsichtig an einer ihrer festen Brustspitzen zu knabbern. Tief seufzend umfasste und streichelte sie ihn. Erregt flüsterte Jason: „Hier? Sicher, dass du das willst?“ Auch wenn ihre Augen deutlich ihre Lust verrieten, musste er sich vergewissern. „Wenn du dich nicht beeilst, komme ich ohne dich – in neunzig Sekunden.“ „In neunzig Sekunden?“ „Neunundachtzig, achtundachtzig …“, zählte Lauren, während sie ihn mit kreisenden Bewegungen ihres Daumens streichelte. Er hob sie hoch, damit sie ihm auch das andere Bein um die Hüfte legen konnte. Mit den Händen unter ihrem Po half er ihr in eine bequeme Position. Sie umklammerte seine Schultern und nahm ihn in sich auf. Bewusster als vor vier Monaten genoss Jason das überwältigende Gefühl. Als sie den Kopf gegen ihn sinken ließ, fragte Jason besorgt: „Alles in Ordnung?“ Um sie herum schienen die Umrisse des Raumes zu verschwimmen. Sie hob den Kopf. Ihre Augen schimmerten vor Verlangen, als sie ihn ansah. Heftig atmend bewegte sie sich immer schneller und seufzte lustvoll.
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Auch seine Bewegungen wurden heftiger. Er sah, dass sich ihr Gesicht zu röten begann. Wie hatte er nur beim ersten Mal all diese erregenden Details ignorieren können – noch einmal würde ihm das nicht passieren. Leidenschaftlich lehnte sie den Kopf zurück, schloss die Augen, stöhnte immer lauter und biss sich in höchster Erregung auf die Unterlippe. Bis unter die hohe Zimmerdecke hallte ihr Stöhnen, als sie ihren Gefühlen freien Lauf ließ. Mit einem Aufschrei, der ihm sehr naheging, erreichte sie den Gipfel der Lust. Dass seine sonst so gelassene Frau zu solcher Leidenschaft fähig war – und vor allem, dass er derjenige war, dem ihre Hingabe galt –, erregte Jason so sehr, dass es schließlich um seine lange bewahrte Selbstbeherrschung geschehen war … Erschöpft lehnte er den Kopf gegen die Wand. Nach und nach nahm er seine Umgebung wieder wahr. Noch waren sie vereint. Doch wie lange noch? Neunzig Sekunden hatten genügt, um ihm klarzumachen, dass er Lauren niemals wieder gehen lassen wollte. Lauren wäre am liebsten davongerannt. Sie saß auf Jasons Schoß auf einem Holzsitz in seiner Wellness-Dusche. Im Sprühnebel, der aus vielen feinen Düsen kam, küsste sie Jason das Wasser von den Schultern. 153
Noch immer war sie zittrig nach dem Höhepunkt, den sie gerade erlebt hatte. Jason hatte sie mit Lippen und Händen, mit seinem ganzen Körper verwöhnt. Wieder und wieder hatte er ihr gesagt, wie sehr er sie begehrte. Und dass er nicht genug von ihr bekam. Seine Worte hatten eine ungeahnte Leidenschaft in ihr geweckt. Und genau das entsetzte sie. Allmählich wurde ihr kalt, doch sie vermochte sich nicht von Jason zu lösen. Wieder und wieder hatten sie einander geliebt. Und sie hatte sich völlig gehen lassen. Hatte sie ihr unabhängiges Leben, das sie sich mühsam aufgebaut hatte und das sie so schätzte, völlig vergessen? Es hatte sie große Anstrengungen gekostet, der Enge ihres Elternhauses zu entfliehen und auf eigenen Beinen zu stehen. Wie sollte sie sich je gegen Jason behaupten, wenn er solche Macht über ihre Gefühle hatte? Als sie gemeinsam die Dusche betreten hatten, war Lauren sich sicher gewesen, so schnell nicht wieder zu körperlicher Liebe imstande zu sein. Doch Jason hatte versprochen, noch vor Tagesanbruch eine weitere ihrer Fantasien zu verwirklichen. Und kaum hatte er sie eingeseift, hatte sie sich bereits wieder in den siebten Himmel der Lust versetzt gefühlt. Schon kurze Zeit später war ihr viel zu lautes Stöhnen von den gefliesten Wänden widergehallt.
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Damals, in ihrem Büro, war alles so schnell gegangen, dass sie sich nach mehr gesehnt hatte. Und jetzt? Nach einer erfüllten und sinnlichen Nacht hatte er sie nochmals mit gleicher Intensität zum Höhepunkt geführt. Eine Vorstellung, die Lauren völlig aus der Ruhe brachte. Sie zitterte. „Du frierst ja“, sagte er, hob sie von seinem Schoß und setzte sie auf den Holzsitz gegenüber. Dann drehte er das Wasser ab und reichte ihr ein vorgewärmtes Badetuch. „Danke.“ Lauren wickelte das Tuch um sich und genoss die Wärme. Dann ging sie zu dem Gaskamin hinüber, der eine wohlige Wärme im Badezimmer verbreitete. Lauren, die das Glück gehabt hatte, in einem wohlhabenden Elternhaus aufgewachsen zu sein, war von diesem luxuriösen Bad gleichwohl beeindruckt. Die Vorbesitzer hatten es mit viel Geschmack eingerichtet. Während Jason sich den Rücken trocknete, küsste er sie noch einmal und sagte: „Glaub mir, ich würde gerne noch bleiben, aber ich muss zur Arbeit. Sonst komme ich noch zu spät.“ „Daran habe nur ich mit meinen Fantasien schuld“, antwortete sie betont unbekümmert. Je eher er das Haus verließ, desto früher konnte sie ihre Gedanken und Gefühle ordnen und mit sich ins Reine kommen.
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Solange sie jedoch ihn – schlank und muskulös – vor sich sah, war das unmöglich. Jason hatte ihr erzählt, dass zwei Räume zusammengelegt worden waren, um dieses großzügige Bad zu schaffen. Dazu war es notwendig gewesen, eine Wand einzureißen, ohne mit letzter Gewissheit das Ergebnis vorhersehen zu können. Wie viel Mut gehörte zu einer solchen Entscheidung, die sich nicht rückgängig machen ließ … Risikobereitschaft hielt Lauren nicht gerade für eine ihrer Stärken. Sie verknotete das Tuch über der Brust und kämmte sich die Haare, während Jason sich in dem begehbaren Schrank ankleidete. „Tut mir leid, dass ich heute arbeiten muss, obwohl Samstag ist. Aber spätestens um sechs bin ich wieder zu Hause. Abends haben wir etwas vor. Also mach bitte nichts zu essen. Ich denke an dich!“ Noch einmal küsste er sie ausgiebig. Besitzergreifend? Der frische Geruch seines Mundwassers und der angenehme Duft seines Aftershaves gefielen Lauren. Und Jason konnte sehr gut küssen. Plötzlich merkte sie, dass dieser Kuss, gerade weil er zu keinem Vorspiel gehörte, ihr ungeheuer viel bedeutete. Darin lag so viel Zärtlichkeit und Vertrauen, dass ein Gefühl inniger Verbundenheit entstand. Als sie die Augen wieder öffnete, fiel gerade die Tür hinter Jason zu. Nachdenklich setzte Lauren sich 156
auf den Rand des Whirlpools. Selbst wenn sie wieder nach New York zurückkehren würde, würde sie oft mit dem Baby hierherkommen. Und Jason würde häufig an die Ostküste fliegen. Könnte sie sich je mit ihm in einem Zimmer aufhalten, ohne an Sex zu denken? Ohne ihn zu begehren? Ein so hell loderndes Feuer musste bald erlöschen. Und was, wenn nicht? Aus nächster Nähe hatte sie bei ihren Eltern mitbekommen, wie leidenschaftliche Gefühle eine Ehe zerstören konnten. Diesen Fehler würde Lauren auf jeden Fall vermeiden.
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10. KAPITEL Jason atmete die frische salzhaltige Luft in der Bucht von San Francisco ein. Zusammen mit Lauren ging er den Pier entlang, der vom Yachtclub wegführte, wo sie gerade nahezu fürstlich gespeist hatten. Er war sich sicher, Fortschritte zu machen. Leicht schuldbewusst dachte er daran, dass seine schwangere Frau wegen ihm eine geschlagene Stunde länger auf das Essen hatte warten müssen. Dabei legte er sonst großen Wert auf Pünktlichkeit. Aber an diesem Nachmittag hatte plötzlich Mr. Prentice einen Teeniestar, der für eine neue Serie Badekleidung hätte werben sollen, nicht mehr haben wollen. Und auch seine anderen Kunden durfte Jason nicht vernachlässigen. Nun lag auch das Abendessen, ein offizieller Termin, hinter ihnen, und Jason konnte Lauren endlich die angenehmen Seiten eines Lebens in San Francisco zeigen. „Du hast eine Yacht?“, rief Lauren überrascht. Über ihre Köpfe flogen laut schreiende Möwen hinweg. „Habe ich dir das noch gar nicht erzählt?“ „Bestimmt nicht, sonst hätte ich es mir gemerkt.“ Bewundernd sah sie das Segelboot an, eine sportliche und dabei komfortable Beneteau mit einer Länge von über fünfzehn Metern. „Ist sie neu?“ „Ja. Vor einem halben Jahr habe ich sie von einem Bekannten übernommen. Mit seiner Firma ging es 158
bergab, deswegen hat er sie verkauft. Sie ist eine Sonderanfertigung!“ Er zog den Reißverschluss seiner Windjacke zu und freute sich schon auf das leise Auf und Ab des Schiffes im Wellengang. Hoffentlich vertrug Lauren den Wellengang. Jason liebte es zu segeln und hätte es schade gefunden, wenn sie seekrank würde. „Wollen wir eine Runde hinausfahren?“ „Ja, klar. Warum nicht?“ Jason hatte bereits bemerkt, dass Lauren ein spontaner Typ war. Immer wieder war die Leidenschaft in ihnen aufgeflammt, und Lauren hatte sich impulsiv und ohne zu zögern hingegeben. Jason musste lächeln. Das war auch ein Grund, warum sie so spät zum Abendessen erschienen waren … Jason half Lauren an Bord. Sie wirkte keinen Moment unsicher, sondern ging mit festen Schritten zum Bug, wo sie sich erwartungsvoll in Fahrtrichtung auf das Deck setzte. Als sie den Hafen verlassen hatten, setzte Jason die Segel und schaltete den Motor ab. Wie immer fand er das Flattern und Schlagen der Segel und Leinen nach einem anstrengenden Arbeitstag ungeheuer beruhigend. Auch Lauren machte einen zufriedenen Eindruck – und sie schwieg. Es war ein angenehmes Schweigen, und Jason genoss es, dass sie nicht wie so viele Leute fortwährend redeten.
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Routiniert lenkte er das Schiff aus der Bucht hinaus. In der Dunkelheit bot sich ein prächtiger Ausblick auf die beleuchteten Geschäfte und Restaurants auf dem Fisherman’s Wharf und auf die geschichtsträchtige Insel Alcatraz. Nach einer Stunde warf er den Anker und gesellte sich zu Lauren. Leise schlugen die Wellen gegen den Schiffsrumpf. Nachdem er ihr fürsorglich eine Decke umgelegt hatte, setzte sich Jason hinter Lauren auf das Deck. „Frierst du?“ „Nein. Ich bin warm genug angezogen. Aber es scheint frischer zu werden, danke für die Decke.“ Er zog Lauren fester an sich und fragte: „Wie war dein Tag? Hattest du viel zu tun?“ „Zwar keine kreative Arbeit, wenn du das meinst, aber trotzdem wichtig. Ich habe mit einigen Gläubigern telefoniert, denn inzwischen ist dein Geld angekommen.“ Sie legte ihm die Hand auf das Knie. „Nochmals vielen Dank. Du weißt ja: Meine Firma bedeutet mir alles.“ „Du brauchst dich nicht zu bedanken. Schließlich zahlst du mir ja alles zurück.“ Sie lächelte. „Ja, mit einem bestenfalls symbolischen Zinssatz.“ Insgeheim hoffte Jason, dass die ganze leidige Angelegenheit bald ausgestanden war. Er wollte Lauren einfach nur helfen, und es war ihm nicht recht, dass sie sich zu Dank verpflichtet fühlte. Aber mit etwas Glück machte der Privatdetektiv, den er beauftragt hatte, diesen Ganoven von einem 160
Angestellten bald ausfindig. Und wenn Lauren erst wiederhatte, was ihr gehörte, war ihr Unternehmen gerettet. Vielleicht würde sie sich dann überreden lassen, sein, Jasons, Geld für das Kind zu behalten und hier in San Francisco eine Zweigstelle zu eröffnen. In ihrem kastanienfarbenen Haar spielte der Wind, als sie sagte: „War eine gute Idee von dir, hierherzukommen. In letzter Zeit war ich doch ziemlich gestresst.“ „Wasser hat etwas Beruhigendes, finde ich.“ Nur das Plätschern der Wellen und ab und zu ein springender Fisch waren zu hören. In weiter Ferne sah man die Positionslichter anderer Schiffe. „Du könntest hier leben“, schlug Lauren scherzhaft vor. „Zu Hause hast du weniger Möbel als auf diesem Schiff.“ Nur noch eine Woche blieb bis zu ihrer Abreise. Vorsichtig schlug er vor: „Morgen können wir zum Fisherman’s Wharf fahren, um einzukaufen. Du könntest Möbel aussuchen …“ „Jason, du drängst schon wieder“, stellte Lauren fest. Während sie in die Ferne sah, zog sie mit dem Finger Linien auf seinem Oberschenkel. „Wieso hast du eigentlich den Dienst in der Navy quittiert? Von Prentice weiß ich, dass du dich bei einem Einsatz gegen Piraten sehr mutig gezeigt hast. Davon hast du nie etwas erwähnt.“ Nach kurzem Zögern antwortete Jason: „Ich habe nur meine Pflicht getan. Mit Prentice habe ich 161
mich darüber unterhalten, weil sein Neffe zur selben Zeit wie ich Dienst getan hat.“ „Was war denn damals los?“ Seine Zeit in der Navy wollte Jason nicht missen, denn er hatte sich dort Disziplin und Durchhaltevermögen angeeignet – Eigenschaften, auf die sein Vater größten Wert legte, allerdings ohne sie dem Sohn jemals vorgelebt zu haben. Jason spürte unter seiner Hand die leichten Bewegungen des Babys und schwor sich, es besser zu machen. Er wollte Anteil nehmen und seinem Kind ein einfühlsamer Vater sein. „Bei einer Geiselnahme vor Malaysia wurden wir um Hilfe gerufen.“ „Wir?“ „Meine Taucheinheit mit der besonderen Aufgabe, Minen zu entschärfen.“ Lauren erschrak. „Das klingt gefährlich.“ „Ja, aber durch die Ausbildung und das ständige Training weiß man sehr genau, was man zu tun hat.“ In der Regel war ihm die Gefahr erst nach den Einsätzen ins Bewusstsein gedrungen. „Dagegen muss dir dein jetziger Job ja langweilig erscheinen.“ „Nein, das nicht. Es ist einfach nur anders. Manchmal fehlt mir das Abenteuer, aber ich bin froh, dass ich mich für mein Land einsetzen konnte. Bis die Zeit reif war für etwas Neues. Für meinen jetzigen Beruf habe ich studiert, weil ich genau das schon immer machen wollte. Dass ich vorher 162
einen anderen Weg gegangen bin, lag auch daran, dass ich mich unbedingt von meinem Vater unterscheiden wollte.“ „Inzwischen bist du längst aus dem Schatten deines Vaters herausgetreten.“ Jason freute sich, dass sie das sagte, denn für dieses Ziel hatte er hart gearbeitet. „Ich habe das Stipendium der Navy für meinen Collegebesuch in Anspruch genommen, weil ich das Erbteil meiner Großeltern erst mit fünfundzwanzig ausbezahlt bekam. Im Gegenzug für das kostenlose Studium musste ich mich zum Dienst verpflichten. Aber ich glaube, ich wäre auch zur Navy gegangen, wenn ich das Geld gar nicht gebraucht hätte.“ „Deine Eltern wollten dir dein Studium nicht finanzieren?“ „Oh doch. Aber das wollte ich nicht, weil zu viele Bedingungen damit verknüpft waren.“ „Welche zum Beispiel?“, fragte Lauren. „Ich sollte dieselbe Universität besuchen wie mein alter Herr und dann in seine Firma eintreten. Als Kind fand ich es toll, reiche Eltern zu haben, aber später hatte ich keine Lust, ihnen ständig auf der Tasche zu liegen.“ „Man möchte sich selbst beweisen.“ „Ja genau.“ Er dachte an Jacqueline, die für die künstlerische Arbeit ihrer Tochter wenig übrig hatte, nur weil sie nicht ihrem eigenen Stil entsprach. Da begann er zu ahnen, dass Lauren die Probleme mit seinen Eltern womöglich besser verstand, als 163
er geglaubt hatte. „Jedenfalls fühle ich mich in San Francisco und mit meinem neuen Job sehr wohl.“ „Das kann ich mir vorstellen. Du liebst das Wasser, und die Winter sind hier viel milder als in New York.“ „Ich tauche schon seit der Grundschule. Die Yacht hier gewissermaßen vor der Haustür zu haben, finde ich wunderbar. So spart man sich die zeitraubende Anfahrt zum Urlaubsort.“ Er legte die Wange an ihre. „Hier gibt es gesunkene Schiffe und wunderschöne Korallen zu entdecken. Wenn das Baby auf der Welt ist, nehme ich dich zum Tauchen mit.“ „Jason“, ermahnte sie ihn, „du drängst schon wieder.“ Lauren fühlte sich in seinen Armen so gut an, dass er sie noch etwas näher zu sich zog. „Wir haben ja Zeit, aber planen können wir doch schon jetzt.“ Im silbernen Mondlicht wandte sie sich ihm zu. „Ich habe schon einen tollen Plan, wie wir die Nacht verbringen können.“ Jason, der in Gedanken mit ihrer gemeinsamen Zukunft beschäftigt war, war einen winzigen Moment lang irritiert. Dann sah er das entschlossene Funkeln in ihren Augen und fand sich Sekunden später auf dem Rücken liegend wieder. Lauren hockte sich über ihn und zog die Decke über sie beide. „Sollen wir wetten, wer es zuerst vor Lust nicht mehr aushält?“
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Lauren stützte die Hände neben seinem Kopf auf das Deck und küsste Jason wild und leidenschaftlich. Sein verblüffter Gesichtsausdruck bewies ihr, dass er nicht mit ihrer Initiative gerechnet hatte. Doch er reagierte schnell, drehte sich um und presste Lauren mit seinem Körper auf die Planken. Die Vorstellung, gemeinsam Möbel kaufen zu gehen, hatte Lauren zutiefst verunsichert und spontane Fluchtgedanken geweckt. Aber sie wusste, wie sie Jason am schnellsten zum Schweigen bringen konnte, und hatte nicht lange gezögert. Sie wollte nicht reden. Eigentlich sollte er inzwischen wissen, dass sie eigene Träume hatte. Und dass sie ihren Weg gehen wollte. Dazu gehörte nun einmal, dass sie ihr Geschäft besaß und sich um ihre Mutter kümmern wollte. Es gab niemand anderen, der das Auf und Ab im Leben Jacquelines halbwegs auszugleichen vermochte. Auch wenn es noch so wehtat – aus all diesen Gründen musste sie nach New York zurückkehren. Ihre Zeit hier ging dem Ende zu. Ihr blieb noch eine Woche, um ihre Gefühle zu ordnen. Dann hieß es Abschied nehmen, damit das Kind in Harmonie aufwachsen würde. Aber jetzt im Augenblick wollte sie nur fühlen und Jasons Nähe in sich aufsaugen. Sie wollte seinen schnell gehenden Atem hören und all diese Eindrücke niemals vergessen. Während sich das Schiff auf den Wellen beständig hob und senkte, liebten sie sich an Deck. Mit hasti165
gen Bewegungen befreite Lauren sich und Jason von den Kleidungsstücken, bis sie endlich spürte, wie erregt er war, und die Hand um ihn schloss. Sanft verwöhnte sie ihn, bevor sie ihn führte. Und dann endlich spürte sie ihn in sich. Jasons angenehm würziger Duft und Laurens Parfüm mischten sich mit dem Geruch des Salzwassers. Ungeduldig umfasste sie seinen Po und bewegte sich schneller. Jason schob die Hand zwischen sich und Lauren und verwöhnte sie zusätzlich. Instinktiv nahmen sie dasselbe Tempo auf, als wüssten sie beide genau, was der andere brauchte. Es war eine Vertrautheit, die keiner Worte bedurfte, was Lauren faszinierte und zugleich verwirrte. In seiner Nähe wünschte sie sich Dinge, an die sie zuvor nicht einmal gedacht hatte. Wie dieser Liebesakt an Deck ihr nur zu deutlich bewies. Zärtlich knabberte er an ihrem Ohrläppchen, während er nicht aufhörte, sie zu liebkosen. „Was denkst du jetzt, Lauren“, fragte er, „wer es als Erstes nicht mehr aushält?“ „Keine Ahnung“, flüsterte sie, während sie ihn erneut umfasste und zu streicheln begann. „Was glaubst du?“ „So wie es aussieht“, antwortete er mit rauer Stimme, „werden wir gleichzeitig an diesem Punkt sein.“ Der Gedanke erregte sie zusätzlich. Und als Jason ihren Mund mit einem Kuss verschloss, hätte sie 166
nicht sagen können, ob dadurch ihr oder sein lustvolles Stöhnen unterdrückt wurde. Im nächsten Augenblick fühlte sie sich von einer Welle der Glücksgefühle durchströmt, die ihren gesamten Körper erfüllte. Dann sank sie erschöpft zurück. Heftig atmend ließ sich Jason neben sie sinken und zog sie wortlos an seine Brust. Unter der Decke blieben sie aneinandergekuschelt liegen. An der Küste glitzerten die Lichter von San Francisco, und mit einem Mal schien New York sehr weit weg zu sein. Mit jeder Welle, die gegen den Schiffsrumpf schlug, wurde Laurens Vorsatz, nach New York zurückzukehren, schwächer. Jason war eben ein begabter Werbefachmann, der etwas von seinem Beruf verstand. Sosehr sie Ruhe und gelassene Überlegungen sonst schätzte, im Moment vermochte sie nur an eines zu denken – dass Jason niemals das Wort Liebe erwähnt hatte. Denn sie selbst war gerade dabei, sich unwiderruflich in ihn zu verlieben.
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11. KAPITEL Nachdem er das Schiff für die Übernachtung auf See durchgecheckt hatte, sprang Jason die Treppe nach unten. Die Aussicht, Lauren die ganze Nacht für sich zu haben, gefiel ihm: Ganz sicher würde er diese Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen lassen. Falls ich mit ihr mithalten kann, dachte er und lächelte. Als er die Tür zur großen Kabine öffnete, fand er das Bett benutzt, aber leer vor. Wo war Lauren? Weit konnte sie ja nicht sein. Er kehrte um und ging zurück in die Kombüse, dieses Mal schaltete er das Licht ein. Lauren saß mit angezogenen Beinen in der Sofaecke. Sie trug ein verwaschenes T-Shirt aus seiner Navyzeit. Ihre Augen waren gerötet, in den Augenwinkeln schimmerten Tränen. „Lauren?“, fragte er behutsam. „Alles in Ordnung?“ Sofort richtete sie sich auf und antwortete schnell: „Ja, klar. Was soll schon sein? Es war wunderbar mit dir unter dem Sternenhimmel, und ebenso schön wird es in der Kabine werden.“ Daran zweifelte Jason bicht im Geringsten. Aber bevor er sich die gemeinsame Nacht auszumalen begann, musste er unbedingt wissen, was Lauren verstörte. Sie wirkte verspannt und abwehrend, daher setzte er sich mit einigem Sicherheitsabstand zu ihr. „Was hat dich aus der Fassung gebracht? 168
So, wie du aussiehst, ist dir nicht nach Sex zumute.“ „Glaub mir, es ist nichts“, log sie und spielte nervös mit dem Saum des T-Shirts – ein Verhalten, das so gar nicht zu ihrer sonst so ruhigen Art passte. „Das stimmt doch nicht“, widersprach Jason und legte beruhigend seine Hand auf ihre. „Sag es mir einfach.“ Lauren seufzte tief. Nun erst sah Jason das Handy auf dem Sofa liegen. „Meine Mutter hat angerufen.“ Wütend warf sie das Telefon in die andere Sofaecke. Ihre Mutter? Jason erschrak, denn es war bereits nach Mitternacht. In New York musste es drei Uhr morgens sein – kein guter Zeitpunkt für einen Anruf bei der Tochter. Und schon gar nicht, wenn diese ein Baby erwartete und ihren Schlaf brauchte. Dann begann er zu begreifen. Dass es Jacqueline nicht gut ging, wenn sie um diese Zeit zum Telefon griff, lag auf der Hand. Bisher wusste er wenig über manisch-depressive Menschen, aber er beschloss, dass sich das ändern musste. „Lauren, hättest du doch etwas gesagt. Du weißt doch, ich helfe dir.“ Zaghaft lächelte sie. „Danke. Ich weiß dein Angebot zu schätzen, ehrlich. Aber du kannst doch nicht immer für mich ans Telefon gehen.“ „Was hat sie denn gesagt?“
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„Nichts wirklich Schlimmes. Nur der Zeitpunkt …“ Lauren rückte näher zu ihm, und Jason legte vorsichtig einen Arm um ihre Schulter. „Sie findet das Baby schlecht geplant, aber die Hochzeit an sich ist für sie in Ordnung. Obwohl sie sich daran stört, dass wir in ihren Augen wegen dem Kind geheiratet haben.“ Zärtlich strich er ihr über das Haar. „Bist du denn auch zu Wort gekommen?“ Lauren biss die Lippen aufeinander. „Sie riet mir, bei der Scheidung auf gute Bedingungen für mich zu achten, und legte auf. Danach hat sie mir per SMS die Rufnummer ihres Anwalts geschickt.“ Jason zog es vor zu schweigen, um nicht schlecht über Laurens Mutter zu reden. Am liebsten hätte er dieses Handy ins Wasser geworfen! Nach einer Weile sagte er: „War nicht gerade das, was eine frisch verheiratete Frau von ihrer Mutter hören möchte, oder?“ „Ich weiß, es klingt seltsam“, antwortete Lauren, „natürlich haben wir nicht vor, verheiratet zu bleiben. Aber mich hat es verletzt, dass ich dich offenbar einfach so abschieben soll. Außerdem hat sie mich an die halbe Million erinnert, die du mir geliehen hast – und plötzlich erschien mir das einfach nicht mehr richtig.“ Wütend boxte sie ein Sofakissen. „Ich hätte standhaft bleiben und das Geld nicht annehmen sollen, egal, ob meine Firma das übersteht oder nicht. Es war ein Fehler.“ 170
„Warte, warte, nicht so schnell!“ Jason umfasste ihre Schultern und drehte Lauren zu sich, damit sie ihn ansah. Niemals würde er zulassen, dass sie sich solche Vorwürfe machte. Insgeheim verwünschte er Jacqueline, dass sie der gerade aufkeimenden Zuversicht ihrer Tochter derart den Garaus gemacht hatte. „So etwas will ich nie wieder hören. Erstens wurdest du bestohlen. So etwas kommt – leider – in den besten Familien vor. Und in der Geschäftswelt auch. Zweitens sind unsere Geschicke durch das Baby für immer miteinander verbunden. Darum sollten wir zusammenhalten. Wenn ich ein Problem hätte, würde ich ja auch erwarten, dass du mir zu Hilfe kommst.“ „Hallo?“ Er berührte ihr Kinn. „Hörst du mir überhaupt zu?“ Langsam nickte sie. „Ja, ich habe zugehört. Und was du sagst, klingt gut.“ „Und drittens“, fuhr er fort, „solltest du dich einfach nicht darum kümmern, was deine Mutter denkt. Ich will nämlich nicht, dass sie dich so aus dem Gleichgewicht bringt.“ Lauren schlang die Arme um seinen Hals. „Der dritte Punkt klingt nicht ganz so vernünftig wie die beiden anderen, kommt mir vor.“ Damit hatte sie nicht ganz unrecht, und Jason musste sich eingestehen, dass er sich bis zu diesem Tag an der Meinung seines alten Herrn orientierte. „Wenn es um dich geht, bin ich nicht ganz so ob171
jektiv wie sonst.“ – Welche Untertreibung, dachte Jason bei sich. „Komm, lassen wir das. Und gehen wir ins Bett.“ Endlich lächelte Lauren wieder. „Das halte ich für eine gute Idee.“ „Heißt das …“ Jason legte den Arm um sie und berührte dabei leicht ihre Brust. „… das du den Kopf jetzt wieder frei hast für andere Dinge?“ Sie knabberte an seinem Ohr. „Und woran denkst du da genau?“ Nun, wenn sie das noch nicht ahnte. „Ich will mit dir schlafen“, sagte er ohne Umschweife. „Klar, hört sich gut an“, antwortete Lauren und unterdrückte ein Gähnen. Ohne ihn anzusehen, ging sie zur Kabine. Jason schalt sich für seine Ungeduld. Aber als sie unter die Decke schlüpften und Lauren sich an seine Brust schmiegte, konnte er das Gefühl der Enttäuschung nicht mehr unterdrücken. Noch immer blieb ein Teil von ihr für ihn unerreichbar. Auch wenn sie ihre aufregendsten Fantasien mit ihm geteilt hatte. Als Jason längst eingeschlafen war, betrachtete Lauren durch das Kabinenfenster noch immer den Sternenhimmel. In jeder anderen Nacht hätte das sanfte Auf und Ab des Schiffes sie schnell in den Schlaf geschaukelt. Aber im Augenblick war sie einfach zu unruhig.
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Sie zog die Bettdecke über Jason und sich und kuschelte sich an ihn, um seine beruhigende Wärme zu genießen. Wenn sie doch für immer auf dieser Yacht bleiben könnten. Vielleicht noch etwas weiter draußen auf dem offenen Meer, wo ihr Handy keinen Empfang hatte … Lauren unterdrückte die erneut aufsteigenden Tränen. Ein nächtlicher Anruf ihrer Mutter war nichts Neues. Im Grunde hätte sie damit rechnen müssen. Sicher war sie teilweise selbst schuld, weil sie Jacqueline so lange nichts von dem Baby erzählt hatte. Nur irgendwie hatte sie gehofft, dass ihre Mutter sie dieses eine Mal verstehen würde. Sie schloss die Augen. Eigentlich hätte sie nach all den Jahren wissen müssen, dass sie nicht zu viel erwarten durfte. Sie hatte sich ausgemalt, mit ihrer Mutter Babysachen einzukaufen. Wie dumm von ihr, so schrecklich enttäuscht zu sein darüber, dass es dazu wohl nicht kommen würde. Statt nach einem Namen für das Kind zu suchen, hatte Jacqueline ihr den Namen eines Scheidungsanwaltes gegeben. Lauren schmiegte sich enger an Jason, der im Schlaf den Arm um sie legte. Mit einem tiefen Seufzer entspannte sie sich endlich. Sicher war es am besten, die Dinge leicht zu nehmen. Nur auf diese Art würde sie vielleicht ohne gebrochenes Herz nach New York zurückkehren.
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„Mann, Jason, nun halt doch mal still! Modelle dürfen sich nicht bewegen“, rief Lauren. Das stimmte natürlich. Aber Jason bezweifelte ohnehin sein Talent zum Aktmodell. Dass er aber zugleich auch die Leinwand für das Kunstwerk war, machte die Sache nicht eben einfacher. Von der Anstrengung, sich nicht zu bewegen, während Lauren ihn ansah und berührte, schmerzten ihm bereits die Muskeln. „Ist der Ahornsirup noch nicht zu Ende?“, fragte er. Lauren stand nackt vor ihm in der blau gefliesten Dusche unter Deck. Zum Frühstück hatte es belgische Waffeln gegeben, und mittendrin war Lauren plötzlich voller Freude aufgesprungen und zur Küchenzeile gegangen, wo sie eine Schüssel Sirup warm machte. Dann hatte sie Richtung Dusche gezeigt. Jason hatte nicht widersprochen … „Beweg dich nicht! Sonst höre ich auf“, drohte sie und fragte: „Wie gefällt dir, das Medium für meine Sirup-Fantasie zu sein?“ „Stets zu Diensten“, antwortete Jason und malte sich aus, was sie in ihrem Eheleben noch alles in die Tat umsetzen würden. „Ich gehöre dir.“ Als sie seine Brust mit der warmen goldenen Flüssigkeit einrieb, zogen sich Jasons Brustwarzen vor Erregung zusammen. Sein Herz pochte heftig. Am liebsten hätte er Lauren auf der Stelle gegen die geflieste Wand gedrückt und geliebt. Aber sie sah ihn
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warnend an. Ohne Zweifel würde sie ihre Drohung wahr machen, sobald er auch nur zuckte. In der Dusche verbreitete sich der süße Duft nach Zucker, während sie sich allmählich tiefer arbeitete. Als Lauren seine Hüften erreichte, biss Jason sich auf die Lippen. „Bist du kitzlig?“ „Nein“, log Jason. „Was soll dein Kunstwerk eigentlich darstellen?“ „Einen großen mächtigen Baum … Ich glaube, du bist doch kitzlig!“, sagte sie, während sie weitermachte. Unter Aufbietung all seiner Kräfte hielt Jason noch immer still. „Eine reine Frage der Willenskraft“, stieß er hervor. „Ich spiele wohl mit dem Feuer?“ Statt zu antworten, zog er eine Augenbraue hoch. Dann sah er ihre Augen glänzen und zwang sich, weiterhin ruhig zu bleiben. Mit kreisenden Bewegungen arbeitete sie sich weiter nach unten … tiefer … streichelte ihn … Nun kitzelte es nicht mehr, und doch hielt es Jason vor Verlangen kaum noch aus. Heftig atmend ließ er sich gegen die Wand sinken. Lauren lächelte – und machte weiter, bis er ganz mit der goldenen Flüssigkeit eingehüllt war. Ihr Lächeln wurde breiter, als sie vor ihm niederkniete und den Sirup mit der Zunge kostete. Jason glaubte, den Verstand zu verlieren. Genüsslich
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machte sie weiter, bis auch der letzte Tropfen des sorgfältig aufgetragenen Sirups entfernt war. Er stöhnte. Er sehnte sich fast schmerzlich nach mehr. Als sie ihn umfasste und weiterreizte, stützte er sich mit den Handflächen an der gegenüberliegenden Wand ab. Er wusste, dass ihm sonst die Knie nachgegeben hätten. Und doch wollte er sich so lange zurückhalten, bis Lauren genauso erregt war wie er. Er musste sie aufhalten, auch wenn es ihm schwerfiel, denn sonst wäre es um seine Beherrschung geschehen. Widerstrebend zog er sie hoch. An ihren Augen und der geröteten Haut sah er, wie erregt sie war. Er drehte das Wasser an, das zuerst in eiskalten Perlen auf seine erhitzte Haut fiel und dann langsam wärmer wurde. Unter dem Wasserstrahl küsste er Lauren. Sie schmeckte nach Sirup und Sehnsucht. Danach konnte er ihr vielleicht das Versprechen abnehmen, noch ein wenig länger hier in Kalifornien zu bleiben … dann noch etwas länger … und schließlich ein Leben lang. Während der Sirup das Wasser zu ihren Füßen golden färbte, legte Jason eins ihrer Beine an seine Hüfte. Sofort drückte sie mit der Ferse gegen seinen Po, um ihn an sich zu ziehen. Sehnsüchtig seufzte sie. Ohne Zweifel konnte sie es ebenso wenig erwarten wie er. „Bleib hier in San Francisco!“, hörte Jason sich plötzlich sagen. Er hätte sich ohrfeigen können. 176
Wie oft hatte er sich vorgenommen, nicht mit der Tür ins Haus zu fallen! Um sich am Reden zu hindern und um Lauren abzulenken, presste er seinen Mund auf ihre Lippen. Es war nur ein unbedachter Satz, nichts weiter. Lauren bewegte sich weiter, von ihrem Haar tropfte das Wasser. Zwischen zwei Küssen murmelte sie: „Was hast du gesagt?“ „Nichts … Später.“ Jason streichelte sie von den Schultern abwärts bis zu den Brüsten, in der Hoffnung, dass sie nicht mehr daran dachte. Wie hatte er nur so einen Unsinn reden können! Als Werbefachmann wusste er doch, wie wichtig der passende Zeitpunkt war. Lauren lehnte sich nach hinten und sah ihn an. „Ich habe dich schon verstanden.“ Plötzlich wirkte ihre Miene verschlossen. Lauren rückte von ihm ab. „Ich verstehe nicht, wieso du dich nicht an die Regeln hältst.“ „Du hast doch selbst die Regel verworfen, dass wir nicht miteinander schlafen sollten.“ Er umfasste sie, aber nicht zu fest. „Dadurch hat sich alles verändert. Ich weiß nicht, wie du darüber denkst, aber was mich angeht: Ich möchte mehr.“ Unschlüssig biss sie sich auf die Unterlippe. Jason schöpfte Hoffnung. Zärtlich berührte Lauren sein Gesicht. „Warum?“, wollte sie wissen. „Warum willst du mehr?“ Auch wenn das nicht die Antwort war, die er sich gewünscht hatte, gab Jason noch nicht auf. Fieber177
haft überlegte er. Nur leider fiel ihm nichts ein, was er hätte sagen können. Irgendwie schien es ihm, dass er im Lauf der vergangenen Woche bereits alle Argumente aufgezählt hatte. Was konnte er noch hervorbringen? In der Küche klingelte sein Blackberry, aber Jason kümmerte sich nicht darum. Kurz darauf klingelte es zum zweiten Mal. Lauren verließ die Dusche und wickelte sich in ein Badetuch. „Geh ruhig ran.“ „Nein“, sagte Jason und berührte sie am Ellbogen. „Wir sind gerade bei etwas Wichtigem. Ich will dich und das Baby um mich haben. Ich bezahle deiner Firma die Umzugskosten – und ich werde alles tun, um dir die Eingewöhnung zu erleichtern. New York ist einfach zu weit weg!“ Verzweifelt suchte er nach Worten. „Glaub mir, Lauren, es ist das einzig Vernünftige.“ Unsicher forschte er in Laurens Gesicht. Er war nicht sicher, ob er das Richtige gesagt hatte. Warum war sie so schwer zu überzeugen? War sie zu stolz? „Wir sind durchaus nicht bei etwas Wichtigem. Nicht mehr“, sagte sie, nahm sein Handy von der Küchenarbeitsplatte und hielt es ihm hin. Irritiert nahm er es, um es auszuschalten. Dann sah er auf dem Display den Absender der E-Mail: Sie kam von dem Privatdetektiv, den er beauftragt hatte. Jason klickte die Nachricht an. 178
Konnte den Mann aufspüren. Geld liegt auf Konto einer Bank in der Karibik. Ermittlungen weit genug gediehen, dass Polizei eingeschaltet werden kann. Erbitte Weisungen über weiteres Vorgehen. Er wusste, er musste Lauren die Nachricht mitteilen. Auch wenn seine Chance, sie in San Francisco zu halten, damit endgültig vertan war. Sie brauchte ihn nicht mehr. Der Fortbestand ihrer Firma war gesichert. Für Lauren gab es keinen Grund mehr zu bleiben. Offenbar liebte Jason sie nicht, und daran würde sich, so wie es aussah, auch kaum etwas ändern. Aus dem Fenster seines Wagens betrachtete sie die Häuser an der Straße. Noch wenige Hundert Meter bis zu seinem Zuhause, das auch ihres war, wenn auch nur für eine weitere Woche. Sie hatte versprochen, vierzehn Tage zu bleiben, bis der Vertrag mit Mr. Prentice unter Dach und Fach war. Und sie würde ihr Versprechen halten, selbst wenn sie auf Jasons Geld nun nicht mehr angewiesen war. Noch auf der Yacht hatte er ihr von der erfolgreichen Arbeit seines Privatdetektivs erzählt. Inzwischen war die Polizei unterwegs, um ihren Buchhalter zu verhaften. Sein nicht unerhebliches Vermögen, das er auf verschiedene Konten verteilt hatte, war eingefroren worden. Lauren würde also auf jeden Fall ihre halbe Million zurückerhalten. 179
In einer Woche würde sie wieder im kalten New Yorker Winter sitzen und ihre Firma leiten. Dank Jason und dem Detektiv würde sie ihr Leben weiterführen können wie bisher. Und schon bald würde sie Jason zurückgeben, was er ihr geliehen hatte. Im Grunde hatte sie nun alles, was sie gewollt hatte. Warum fühlte sie sich dann so leer? Die kommende Woche in Jasons Haus würde lang werden. Und traurig. Wie hatte sie nur glauben können, der Abschied würde ihr nichts ausmachen? Mit Jason hatte sie eine intensive Zeit der körperlichen Nähe gelebt – nur war das nicht möglich ohne Beteiligung des Herzens, wie sie jetzt wusste. Schweigend saß Jason am Steuer. Sein Duschgel roch angenehm frisch. Nicht der kühle Morgen hatte Schuld daran, dass Lauren fröstelte. Sie wollte jetzt einfach nur in ihrem Zimmer allein sein. Und Jason nicht sehen, um nicht der Versuchung zu erliegen, ihren Plan doch noch über den Haufen zu werfen. Nein, sie würde nicht zu einem Mann ziehen, der ihr nie gesagt hatte, dass er sie liebte. Liebe? Ja, sie liebte ihn. Das war ihr immer klarer geworden. Aber noch immer erschrak sie allein schon vor dem Wort. Sie wusste nur zu gut, wie sehr Liebe ihre Eltern hatte leiden lassen, und wollte sich niemals selbst in eine solche Situation bringen. 180
Offenbar ging Jason mit Gefühlen ebenso vorsichtig um wie sie, denn er hatte ihr gegenüber nie erwähnt, dass er etwas Kompliziertes, Unbequemes … und Wunderbares empfand. Und was, wenn sie die Chance nutzte und es ihm gestand? Vielleicht am Abend, nach dem Essen, wenn sie gemütlich vor dem Kamin saßen … Als sie sich Jasons Haus näherten, blinzelte Lauren im hellen Licht des Morgens. Täuschte sie sich oder parkte dort eine große dunkle Limousine? An den Wagen gelehnt stand ein Mann mit schwarzen Haaren. Kein Geringerer als Brock Maddox, Jasons Chef, wartete auf sie. Da er einen Anzug trug, ließ sich nicht sagen, ob er unterwegs zur Kirche oder zur Firma war. Wie auch immer, allein die Tatsache, dass er hier war, bedeutete vermutlich nichts Gutes. Jason stellte seinen Wagen hinter Brocks Limousine auf der Straße ab. „Geh schon ins Haus“, sagte er zu Lauren. „Ich komme in ein paar Minuten nach.“ Dann stieg er aus. „Guten Morgen, Brock. Was gibt es denn?“ Lauren stieg ebenfalls aus und schloss die Beifahrertür. Zögernd blieb sie stehen. Mit den Händen in den Taschen ging Brock auf Jason zu. „Mr. Prentice ist gar nicht glücklich.“ „Wovon redest du?“, fragte Jason stirnrunzelnd. „Eure Scheinehe gefällt ihm nicht.“
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Kerzengerade richtete Lauren sich auf. Auch wenn sie vorhatte, an die Ostküste zurückzukehren – eines wollte sie ganz bestimmt nicht: dass Jason seinen Job verlor. Sie trat neben ihn und legte leicht zitternd den Arm um ihn. „Wer sagt, dass es keine echte Ehe ist?“ Etwas unschlüssig sah Brock die beiden an, als wüsste er nicht, ob er Lauren in die Unterhaltung mit einbeziehen wollte. Offenbar legte er keinen Wert darauf, ins Haus gebeten zu werden. Brock Maddox war ein distanzierter, fast gefühlskalter Mann. Würde Jason auch so werden, wenn er weiterhin Erfolg hatte? Lauren rieb sich die Arme warm. Zum Glück war in der Nachbarschaft weit und breit niemand zu sehen. Nur ein Sportwagen mit lautem Motor fuhr vorbei, drei Häuser weiter stieg eine sonntäglich gekleidete Familie ins Auto, um zur Kirche zu fahren. Lauren schluckte. Mit einem härteren Gesichtsausdruck als sonst sagte Jason: „Lauren kann alles hören, was du mir zu sagen hast.“ Bei diesen Worten erinnerte Lauren sich, wie gut sie immer zusammengearbeitet hatten. Ihr Herz tat ihr weh bei dem Gedanken. „Also gut.“ Brock nickte. „Die Welt ist ein Dorf, das gilt auch in Bezug auf Finanzen. Hast du wirklich geglaubt, eine Transaktion von einer halben Million Dollar fällt nicht auf? Mal sehen, ob ich das richtig zusammenbekomme … Jedenfalls sind der 182
Führungsspitze von Golden Gate Promotions Gerüchte zu Ohren gekommen, wonach sich Laurens Buchhalter mit genau dieser Summe abgesetzt hat.“ Lauren erschrak, wie genau Brock Bescheid wusste. Hilfe suchend sah sie Jason an, doch dieser verzog keine Miene. Ganz eindeutig hatte er seine Gefühle besser im Griff als sie. Dennoch zwang sie sich, Brock weiter zuzuhören. „Was liegt da näher als der Schluss, dass du Lauren aus der Patsche geholfen hast? Im Gegenzug hat sie sich bereit erklärt, mit dir zusammen Prentice etwas vorzuspielen.“ Lauren suchte nach den passenden Worten. Wie konnte sie Jasons Karriere retten? Ironie des Schicksals, dass gerade jetzt, da ihre Existenz nicht mehr gefährdet war, Jasons bedroht zu sein schien. „Mag sein, dass unsere Anfänge nicht sehr romantisch waren, aber inzwischen hat sich unsere Beziehung weiterentwickelt.“ Außerdem ging Brock das gar nichts an. Wie konnte Jason in einer so beklemmenden Atmosphäre überhaupt arbeiten? Was sollte diese Neugierde? Einen Moment lang spielte sie mit dem Gedanken, Brock ihre Liebe zu Jason geradeheraus mitzuteilen. „Also bleibt Lauren da?“, fragte Brock Jason. Aber Jason zögerte den Bruchteil einer Sekunde zu lang. „Sie hat keinen Flug gebucht.“
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Skeptisch zog Brock eine Augenbraue hoch. „Mir machst du so leicht nichts vor. Soviel ich weiß, laufen schon polizeiliche Ermittlungen.“ „Meine Frau und ich verwalten unsere Finanzen gemeinsam. Was soll falsch daran sein, wenn ich Geld in ihre Firma investiere?“ „Leider sieht Prentice das nicht so. Einen Mann, der eine Frau bezahlt, damit sie mit ihm eine Scheinehe eingeht, findet er alles andere als vertrauenswürdig.“ Jason straffte die Schultern und fragte: „Was hast du jetzt vor?“ „Das ist deine Sache. Du hast dir die Suppe eingebrockt, jetzt musst du sie auch auslöffeln. Ich will ehrlich sein: Niemals haben wir einen Werbeauftrag so dringend gebraucht wie diesen. Du weißt ja, wie uns die Konkurrenz – allen voran Athos Koteas – im Nacken sitzt.“ „Ich weiß. Und glaub mir, ich werde mein Bestes tun.“ Brock blickte zu Lauren, dann wieder zu Jason. „Bewundernswert ist deine Idee schon, aber du hättest es geschickter einfädeln sollen. Es ärgert mich, dass ich dich nicht schon eher durchschaut habe.“ Er hat recht, dachte Lauren und kam sich plötzlich unendlich dumm vor. Wie konnte sie sich in diesen rücksichtslosen Mann verlieben, dem für seine Karriere jedes Mittel recht war? Zum Glück hatte sie ihm ihre Gefühle nicht gestanden. 184
Brock zog die Autoschlüssel aus der Tasche. „Das war alles fürs Erste. Ich wollte dir selbst Bescheid sagen, damit du Zeit hast, dir zu überlegen, wie du dich aus der Affäre ziehen kannst. Morgen Nachmittag hat Prentice eine Besprechung angesetzt. Und gleich morgen früh erwarte ich dich in meinem Büro.“ Geschäftsmäßig nickte er Lauren kurz zu, stieg in seinen Wagen ein und fuhr davon. Jason blickte der Limousine nach, wie sie in der Ferne verschwand. „Ich schätze, das war es für uns beide“, sagte er. „So wie es aussieht, brauchst du nicht noch eine Woche hierzubleiben.“ Das kam Lauren nur entgegen. Sie blickte zu dem Anwesen drei Häuser weiter. Gerade verstaute der Mann das Kleinkind im Kindersitz. Wenn alles nach Laurens Wünschen ging, warum tat dann der Anblick dieser Familie so weh?
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12. KAPITEL Am Montagmorgen verließ Jason Brocks Büro. Er hatte gemeinsam mit seinem Chef den Termin mit Prentice vorbereitet. Jetzt waren ein paar Routineaufgaben zu erledigen, zu mehr würde es an diesem Tag nicht reichen, denn von Konzentration konnte gar keine Rede sein. Er hatte Lauren verloren und würde sein Kind nur bei Besuchen sehen. In der vergangenen Nacht hatten er und sie zum ersten Mal wieder getrennt geschlafen. Wie zuvor – er im Sessel und sie im Bett. Lauren hatte ihm zu verstehen gegeben, es wäre das Beste, wenn er ginge, noch bevor sie aufwachte. Wegen des Babys würden sie in Kontakt bleiben. Sie bevorzugte einen Abschied ohne große Worte. Nun blieb Jason nur noch sein Job. Aber was durfte er in dieser Hinsicht erwarten? Nach einigen Jahren ein größeres Zimmer mit besserer Aussicht, das war alles. Um den Schaden zu begrenzen, hatte Brock ausgearbeitet, was Jason am Nachmittag sagen sollte: nichts als schlau ausgedachte Lügen, die Prentice glauben sollte. Im Empfangsbereich vor Brocks Büro saß seine Sekretärin an einem modernen Acrylglasschreibtisch. Daneben lehnte Flynn an einem Aktenschrank. 186
Freundlich ging der stellvertretende Geschäftsführer auf Jason zu und legte ihm kameradschaftlich die Hand auf die Schulter. „Komm, gehen wir ein Stück zusammen. Ich schlage vor, dass wir uns etwas zu essen holen und in mein Büro gehen.“ Jason wusste, was jetzt kam. Flynn würde den Part des guten und Brock den des strengen Chefs spielen – eine Rollenverteilung, die durchaus der Persönlichkeit der beiden Brüder entsprach. Er folgte seinem Chef zum Aufzug, und gemeinsam fuhren sie hinunter in den vierten Stock, wo sich unter anderem die Abteilungen Verwaltung und Finanzen befanden. Die moderne Einrichtung unterschied sich im Stil nicht von der des fünften Stocks, nur waren die Zimmer hier etwas kleiner. Flynn winkte lächelnd in jedes der Büros und redete mit einigen der Angestellten, die er alle mit Namen ansprach, ein paar Worte. Im Pausenraum befand sich eine Küchenzeile mit einem großen, stets gut gefüllten Kühlschrank. Brock selbst kümmerte sich darum, dass immer genug zu essen darin war, denn er wusste, dass gerade kreative Menschen ab und zu einen Snack gebrauchen können. Flynn öffnete den Kühlschrank und nahm eine Tüte mit chinesischem Essen heraus. „Das dürfte reichen. Was möchtest du trinken?“ „Wasser, bitte.“
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Ohne Zweifel verhielt Flynn sich netter als Brock, der Jason nicht einmal einen Stuhl angeboten hatte. Nachdem sie das Essen aufgewärmt hatten, fuhren sie zurück in den fünften Stock. Auch Flynns Büro wirkte weitaus behaglicher als Brocks, denn der jüngere der Maddox-Brüder hatte seinen Arbeitsbereich mit Grünpflanzen und behaglichen cremefarbenen Polstermöbeln eingerichtet. Unwillkürlich dachte Jason an Lauren: Hier würde sie sich wohlfühlen. Es gab so viele Dinge, bei denen er an sie denken musste. Würde das immer so bleiben? Wenn er heute Abend nach Hause kam, würde sie nicht mehr da sein … Wenn er nur wüsste, wie er je darüber hinwegkommen sollte! Vielleicht würde er die Nacht auf dem Sofa in seinem Büro verbringen, um nicht den verführerischen Duft ihres Parfüms in seinem Bett zu riechen. Und in nächster Zeit würde er sich in die Arbeit stürzen. Flynn nahm an seinem Schreibtisch Platz, wies auf den Stuhl gegenüber und reichte Jason einen Karton mit süß-saurem Hähnchen und ein Paar Essstäbchen. „Wie geht es dir nach der Abreibung, die mein Bruder dir erteilt hat?“ „Ist ja verständlich, dass er sich ärgert. Bei der Besprechung heute Nachmittag brauchen wir je-
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denfalls richtig Glück, damit Prentice uns nicht abspringt.“ Flynn stocherte mit den Holzstäbchen in seinem Essen. „Manchmal kann Brock ganz schön grob sein, aber er lebt eben für seine Arbeit. Da er unseren Vater aufrichtig bewundert hat, tut er alles, um das Erbe zu bewahren und die Firma voranzubringen. Madd Comm bedeutet ihm alles. Auch wenn ich mit seinem Verhalten nicht immer einverstanden bin, an sich verstehe ich ihn.“ Er legte die Beine auf die Tischkante und nahm eine Frühlingsrolle aus der Tüte. „Mir wirft er ja vor, dass ich mich nicht genug einsetze.“ Während Jason eine Flasche Wasser aufschraubte, dachte er, dass sein Vater und Brock großartig miteinander auskommen würden. Für Flynn war es sicher nicht angenehm, immer im Schatten des großen Bruders zu stehen. Aber auch wenn die Situation zwischen den Brüdern bisweilen etwas angespannt war, wollte Jason es sich nicht mit einem der beiden verderben. Daher schwieg er. Mit zwei Bissen hatte Flynn die Frühlingsrolle aufgegessen. „Auch wenn wir schwierige Zeiten haben, unsere Firma steht sicher da. Es gibt keinen Grund zur Sorge. Und wenn wir erst Koteas überflügelt haben, sind wir Marktführer in diesem Teil des Landes.“ „Wenn du meinst …“ Diese Sichtweise entsprach nicht ganz dem, was Brock gesagt hatte. 189
„Fällt es auf, das mein Bruder und ich nicht immer einer Meinung sind?“ Jason zuckte die Schultern und trank von seinem Wasser. „Brock und mir liegt sehr daran, dass man es uns nicht anmerkt. Die Firmenleitung sollte immer Geschlossenheit zeigen, alles andere wäre nicht gut fürs Geschäft.“ Mit einem entschlossenen Ruck nahm er die Füße vom Tisch. „Sicher fragst du dich, warum wir hier zusammensitzen.“ „Na ja, ich bin leider heute so etwas wie die Hauptfigur. Wenn auch nicht im positiven Sinn …“ Flynn wurde ernst – und glich damit mehr als sonst seinem Bruder. „Lassen wir doch die Firmenangelegenheiten mal beiseite.“ Plötzlich schien er nach Worten zu suchen. Nachdenklich strich er sich durchs Haar. „Ich weiß nicht, wie ich das sagen soll … Lass nicht zu, dass deine Arbeit wichtiger ist als deine Frau.“ Vorsichtig stellte Jason sein Essen weg. Mit einer solchen Äußerung hatte er nicht gerechnet. Zögernd sagte er: „Lauren fliegt heute Nachmittag nach New York zurück.“ Im Geiste hörte er schon den Widerhall seiner eigenen Schritte in dem leeren Haus. Er schluckte. „Noch ist es nicht zu spät, Mann! Noch sind keine Scheidungspapiere unterzeichnet. Glaub mir, ich spreche aus Erfahrung: Ich habe den Fehler gemacht, die Firma wichtiger zu nehmen als meine Frau, deswegen sind Renee und ich uns fremd ge190
worden. Seither ist kein Tag vergangen, an dem ich das nicht aus tiefstem Herzen bereue“, sagte er mit trauriger Stimme. „Willst du so enden wie Brock, für den es nur Arbeit und Geschäft gibt?“ Brocks Hauptwohnsitz war ein elegantes Apartment direkt im Firmengebäude in der Powell Street. Sicher nicht schlecht, aber Jason zog sein Haus mit etwas Abstand zum Büro bei Weitem vor. Sein allerdings leeres Haus, für das Lauren so viele Ideen gehabt hatte. Wie hätte sie es wohl eingerichtet? Nur sie konnte dieses Haus mit Leben füllen. „Die Angelegenheit hat sich erledigt. Lauren und ich werden uns bemühen, den Schaden zu begrenzen.“ „So kenne ich dich gar nicht! Ist das noch Jason Reagert, der nicht so schnell aufgibt?“ Was wusste Flynn schon? Jason hatte sein Bestes getan, um Lauren von den Vorzügen eines Leben hier in San Francisco zu überzeugen. Eine ganze Woche lang … Von den Vorzügen? Plötzlich begriff er. Es ging nicht um die Vorzüge, nicht um die Annehmlichkeiten, es ging darum, dass er sie liebte. Ja, er liebte sie. Er war kein so gefühlsarmer Mann wie sein Vater. Seinen Dad hätte das Ultraschallfoto seines ungeborenen Kindes wohl kaum berührt. Eine Woche war nicht eben lang, wenn es darum ging, ein gemeinsames Leben aufzubauen. Dennoch hatte Jason die Zeit gereicht, um seine wah191
ren Gefühle zu erkennen. Und jetzt wollte er aufgeben, nach nur einer Woche? Lauren und er passten in allen Bereichen wunderbar zusammen: Er wollte sie als Freundin, Geliebte, Ehefrau und Mutter seines Kindes. Mit ihr wollte er sein Leben verbringen. Flynn hatte recht: Nichts und niemand, und schon gar nicht sein Beruf, durfte sich zwischen ihn und sie drängen. Auf keinen Fall würde Jason so werden wie sein Vater und immer nur an die Arbeit denken. Endlich wusste er, was er zu tun hatte: Er würde ihr nach New York folgen. Selbst wenn es bedeutete, dort seine eigene Werbeagentur zu eröffnen, nur um bei ihr zu sein. Gleich nach dem Gespräch mit Prentice würde er sich ins Flugzeug setzen und zu seiner Frau fliegen. Im Rückspiegel des Taxis betrachtete Lauren Jasons Anwesen. Ihr Flug war gebucht, der Koffer verstaut, ihre kurze Ehe vorüber. Sogar ihrem Wunsch, ohne große Abschiedsszene auseinanderzugehen, hatte Jason entsprochen und bereits am frühen Morgen das Haus verlassen. Plötzlich fühlte sich ihr Leben an, als bestünde es aus zusammenhanglosen Bruchstücken – wie ein Bild von Picasso. Vor ihr lag die Stadt, mit der sie zahlreiche Erinnerungen an die Zeit mit Jason verbanden. Wunderschöne Erinnerungen, die sie nie vergessen würde. 192
Sie liebte ihn. Aber wie sollte sich daraus etwas entwickeln, ohne dass auch er sie liebte? Als ihr Handy klingelte, schreckte sie aus ihren Gedanken. Konnte das Jason sein? Sie nahm das Telefon aus der Tasche und sah aufs Display. Mom. Einen Moment lang spielte sie mit dem Gedanken, das Handy einfach zurück in die Tasche zu stecken. Zwar hatte sich am Tag zuvor die Stimmung gewandelt, und sie hatten über Kinderzimmereinrichtungen gesprochen, aber im Moment fühlte sich Lauren einem Gespräch mit ihrer Mutter einfach nicht gewachsen. Andererseits würde sie das ohnehin Unvermeidliche damit nur vor sich herschieben. „Hi, Mom“, meldete sie sich. „Was gibt es?“ „Ich wollte mich nur erkundigen, ob es dir gutgeht.“ Überrascht bemerkte Lauren, dass die Stimme ihrer Mutter Ruhe ausstrahlte wie schon lange nicht mehr. Doch die Erfahrung hatte Lauren gelehrt, sich keinen falschen Hoffnungen hinzugeben, wenn es um Jacquelines Befinden ging. Wahrscheinlich klang gerade nur wieder eine Hochphase ab. „Danke. Ja, mir geht es viel besser.“ Rein körperlich betrachtet stimmte das auch. „Ab jetzt kann ich wieder voll arbeiten. Ich bin gerade auf dem Weg zum Flughafen.“ Einzelheiten über die Trennung würde sie ihrer Mutter später erzählen. 193
Lauren wartete auf die üblichen Ermahnungen und Zurechtweisungen. Doch stattdessen sagte Jacqueline: „Freut mich, dass du dich wohlfühlst, Lauren.“ Nach einer kurzen Pause setzte sie hinzu: „Ich rufe aus einem besonderen Grund an.“ Lauren spürte, wie sich ihr Magen zusammenzog. Auch wenn man im Voraus nie wusste, in was ihre Mutter gerade verstrickt war, so ging es doch regelmäßig mit großen Gefühlen und vielen Tränen einher – bis sich Jacqueline wieder etwas anderem zuwandte. „Was ich dir zu sagen habe, fällt mir nicht leicht, also unterbrich mich bitte nicht dabei.“ Fast hätte Lauren laut aufgelacht. Bei ihren Telefongesprächen kam sie auch sonst kaum zu Wort. „Tue ich bestimmt nicht“, versicherte sie. „Gestern war ich beim Arzt. Nicht beim Hausarzt, sondern bei meinem anderen Arzt, den ich schon länger nicht mehr aufgesucht habe. Wir haben weitere Termine ausgemacht.“ Hoffnung keimte in Lauren auf. „Das ist ja wunderbar, Mom!“ „Nicht unterbrechen!“ „Entschuldige bitte.“ „Er hat mir ein neu entwickeltes Medikament verschrieben, und ich werde es nehmen. Die Entscheidung ist mir ziemlich schwergefallen, und ich spreche auch nicht gern darüber. Aber um eine gute Großmutter zu sein, muss ich gesund werden. Ich freue mich nämlich auf mein Enkelkind.“ 194
Das typische leise Klimpern war zu hören. Kein Wunder, wenn Jacqueline nervös mit ihrer Perlenkette spielte: Sie war über ihren eigenen Schatten gesprungen. „Du kannst jetzt etwas sagen, Schatz.“ Gewiss hatte ihre Mutter in der Vergangenheit schon häufiger Therapien begonnen und wieder abgebrochen. Aber vielleicht hielt sie dieses Mal ja durch, damit es ihr in Zukunft besser ging. „Ich kann mir vorstellen, wie viel Überwindung dich das gekostet hat. Und ich bin sehr stolz auf dich. Vielen Dank, dass du mich angerufen hast.“ Bisher hatte Jacqueline stets erwartet, dass jeder so tat, als gäbe es ihr Problem nicht. Dass sie nun von sich aus Hilfe in Anspruch nahm und zudem offen darüber sprach, bedeutete einen absoluten Neuanfang. Lauren schluckte. „Ich liebe dich, Mom.“ „Ich dich auch“, flüsterte ihre Mutter. Leise hörte man die Perlenkette. Dann brach die Verbindung ab. Lauren drückte das Telefon gegen ihre Brust, wie um das noch zarte Band zu ihrer Mutter festzuhalten. Erst nach und nach kam ihr die Tragweite dieser Veränderung zum Bewusstsein. Dann wurde sie nachdenklich: Wenn ihre Mutter es schaffte, ihr Leben zum Glücklichen zu wenden, wieso nicht auch sie selbst? Sie ließ das Handy in den Schoß sinken. Dann richtete sie sich in den Polstern des Taxis auf. Im Grunde ihres Herzens wollte sie San Francisco und 195
Jason nicht verlassen. Sie und das Baby gehörten zu ihm. Und außerdem liebte sie ihn! Warum lief sie vor einem Leben mit ihm davon? Zwar stimmte es, dass er nie von Liebe gesprochen hatte, aber Lauren hatte ihn weder gefragt noch ihm ihre eigenen Gefühle gestanden. Aus dem Wagenfenster betrachtete sie die Stadt, von der sie erst einen kleinen Teil kannte. Ein Geländewagen mit einer Familie darin und einem Boot auf dem Anhänger kam dem Taxi entgegen. Sie dachte an Jasons Yacht. Welch wunderschöne Wochenendausflüge ließen sich damit unternehmen. Auch wenn Jason immer alles in den leuchtendsten Farben beschrieben hatte, Lauren hatte es bisher einfach nicht gewagt, sich solch eine Zukunft auszumalen. Als sie ein Restaurant sah, dachte sie an das herrliche Spiel mit dem Ahornsirup. Und eine Gärtnerin ließ sie an den Garten des Hauses denken. Überall fielen ihr neue ungeahnte Möglichkeiten auf, die sie sich vorher nicht zu sehen erlaubt hatte. Wohin sie auch blickte – alles erinnerte sie an Jason, und sie wünschte sich nichts sehnlicher als eine Zukunft mit ihm. Sie hatte ihrer Beziehung nur eine einzige Woche eingeräumt. Wie feige von ihr, wegzulaufen. Ihr ganzes Leben lang hatte sie sich angestrengt, nicht zu sein wie ihre Mutter. Aber plötzlich waren die Karten neu gemischt, und sie konnte sich von Jacquelines Mut eine Scheibe abschneiden. 196
Lauren klopfte an die Scheibe, die den Rücksitz vom Fahrerbereich trennte. „Entschuldigung, würden Sie bitte wenden? Ich möchte nicht mehr zum Flughafen. Bitte fahren Sie mich in die Powell Street. Zum Maddox Building.“ In Konferenzraum von Madd Comm stand Jason am Kopfende des Tisches und dachte über das nach, was er nach Brocks Ansicht sagen sollte. Er konnte das nicht. Wenn er seine Frau zurückgewinnen wollte, musste er jetzt damit anfangen, auch wenn sie selbst seine Worte nicht hörte. „Mr. Prentice, obwohl es mich sehr freut, Sie zum Kunden zu haben, muss ich dennoch sagen, dass mir nichts mehr bedeutet als Lauren und unser Baby. Um es frei heraus zu sagen: Lieber würde ich Sie von einem Kollegen betreuen lassen, bevor ich zulasse, dass irgendetwas zwischen mir und meiner Frau steht.“ Walter Prentice lehnte sich in dem roten Ledersessel zurück und kniff die Augen zusammen. „Wissen Sie eigentlich, Reagert, dass ich das sehr wohl tun könnte? Mich von jemand anderem betreuen lassen? Ich mag nämlich keine Tatsachenverdrehungen.“ Von der Tür her war ein Seufzen zu vernehmen. Jason sah auf – und erblickte Lauren. Seine Kollegen und Walter Prentice folgten seinem erstaunten Blick. Stühle wurden gerückt, ein leises Tuscheln hob an. 197
Noch bevor Jason seine Überraschung überwunden hatte, schloss Lauren die Tür und ging selbstbewusst durch den Raum. „Mr. Prentice“, sagte sie, und hängte sich bei ihrem Mann ein, „ich versichere Ihnen, dass Jason und ich uns in jeder Hinsicht einig sind.“ Mr. Prentice’ Gesichtsfarbe rötete sich zusehends. „Haben Sie vor, diesen erfolgreichen jungen Mann nach New York zu locken?“ „Nein, durchaus nicht. Mr. Prentice, das Ganze ist natürlich eine absolut private Angelegenheit. Aber da nun einmal Gerüchte über uns kursieren, möchte ich Ihnen versichern, dass meine Ehe auf absolut festen Füßen steht. Nichts und niemand bringt mich aus San Francisco und von Jason weg.“ Meinte sie das ernst oder wollte sie sich rächen und ihn vor aller Augen bloßstellen? Jason sah ihr in die Augen. Nein, darin war kein Funken Ärger. Was er dort erblickte, war tiefe Zuneigung. Liebe. Jason glaubte zu träumen. „Was ist mit den Gerüchten von einer reinen Zweckehe?“, polterte Mr. Prentice und holte ihn unsanft in die Realität zurück. „Mrs. Reagert, haben Sie sich Ihre Rolle als Ehefrau wirklich mit einer halben Million Dollar bezahlen lassen?“ Am liebsten hätte Jason geantwortet, dass das niemanden etwas anginge, doch mit einer sachten Berührung seines Armes hielt Lauren ihn zurück und ergriff selbst das Wort. „Mr. Prentice, offenbar ist es kein Geheimnis, dass es in meiner Firma ge198
rade einen Engpass gibt. Aber Jason war bereit, mir zu helfen. Er würde alles für mich tun, genau wie ich für ihn.“ Alle hielten den Atem an und sahen zu Prentice. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können, so ruhig wurde es, während der reiche Geschäftsmann Laurens Worte auf sich wirken ließ. Dann warf er den Kopf zurück und lachte, dass das Zimmer zu dröhnen schien. Jason war auf alles vorbereitet gewesen, aber nicht auf das. Langsam fiel Jason in das Gelächter ein, als ihm klar wurde, dass Lauren die Situation souverän gerettet hatte. Anerkennend klopfte Prentice Jason auf den Rücken. „Wie sage ich immer: Familie ist alles. Ihr beide könntet richtig Werbung machen für dieses Motto.“ Dass Brock anderer Meinung war, war in seinem Gesicht deutlich abzulesen. Nie hatte er erwartet, dass Prentice seine Meinung so schnell ändern würde. Aber vor allem lebte er nach dem gegenteiligen Prinzip: Für ihn kamen die Firmenbelange zuerst. „Maddox“, befahl Prentice, „geben Sie dem frisch gebackenen Ehemann den Rest der Woche frei, damit er und seine wunderbare Frau ihr junges Glück in vollen Zügen genießen können. Was mich betrifft, nehme ich solange ausnahmsweise mit einem Vertreter vorlieb.“
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Als Applaus aufbrandete und zustimmende Rufe laut wurden, begann auch Brock langsam zu klatschen. Schließlich zog Jason sich mit Lauren in sein Büro zurück und verschloss die Tür. Lauren, deren Wangen vor Aufregung gerötet waren, strahlte, und auch Jason lachte glücklich und erleichtert, bevor er sie fest an sich zog. Wie selbstverständlich küssten sie einander, ohne Vorbehalte oder Zögern, in tiefer Verbundenheit. Jason freute sich auf die freie Zeit, die vor ihnen lag. Doch zuerst musste er noch etwas klären. „Hast du all das wirklich so gemeint, was du Prentice gesagt hast?“ „Jedes …“ Sie küsste ihn. „… einzelne …“ Wieder küsste sie ihn. „… Wort!“ „Da bin ich aber froh. Ich habe nämlich heute begriffen, dass ich dich niemals gehen lassen kann.“ „Dann trifft es sich ja, dass ich das gar nicht vorhabe.“ An der Krawatte zog sie ihn näher zu sich. „Liebe am Arbeitsplatz gehört sich nicht“, sagte Jason, obwohl er das starke Bedürfnis verspürte, die neue und wunderbare Beziehung zu besiegeln. „Ach was. Wir sind doch verheiratet!“ „Du hast recht, in diesem speziellen Fall dient es sogar meiner künftigen Karriere. Immer wenn ich an diesem Tisch sitze, werde ich an dich denken und mich beflügelt fühlen. Bestimmt arbeite ich dann noch erfolgreicher. Und umso schneller werde ich dann heimkommen zu dir …“ 200
Lauren stiegen Tränen in die Augen. „Wenn das so ist“, flüsterte sie, „dann solltest du anfangen, mich auszuziehen …“ „Wenn du weiter so redest, wird es so schnell gehen, dass niemand auch nur auf die Idee kommt, es könnte etwas gewesen sein.“ „Da du niemals Wünsche offen lässt, würde ich sagen, kein Problem für mich. Umso früher sind wir wieder zu Hause.“ „Zu Hause.“ Zärtlich strich er ihr durch das kastanienbraune Haar, das ihm glänzender und schöner erschien als je zuvor. „Sicher, dass du in San Francisco bleiben willst? Ich weiß nicht, ob du gehört hast, was ich zu Prentice gesagt habe … Nämlich dass ich dir jederzeit nach New York folgen würde, wenn es dich glücklich macht. Finanziell gesehen wäre das kein Problem für mich. Ich will dich nicht verlieren – nur wegen einem Job.“ „Oh, Jason“, sagte Lauren mit Tränen in den Augen. „Mir geht es genauso. Ständig habe ich von Unabhängigkeit und Erfolg geträumt und dabei völlig übersehen, was wirklich wichtig ist. Aber ich hatte einfach Angst vor meinen Gefühlen. Jetzt weiß ich, dass ich zu dir gehöre.“ „Ich habe dich gar nicht verdient“, flüsterte er und legte seine Wange an ihre. „Rede lieber nicht so weiter“, scherzte sie, „sonst werde ich noch eingebildet … Übrigens, ich habe nachgedacht. Wieso nehmen wir nicht das Geld, das du mir geliehen hast, und eröffnen hier in San 201
Francisco eine Zweigstelle meiner New Yorker Firma?“ „Gute Idee“, sagte er und sah ihr in die Augen. „Dann könnten wir zusammenarbeiten wie früher.“ „Genau, denn wir waren richtig gut.“ „Und sind es noch.“ Und so würde es bleiben. „Für mich warst du schon immer etwas Besonderes. Aber im Laufe der letzten Woche wurde mir klar, dass ich dich liebe und brauche. Ich freue mich riesig, dass du in San Francisco bleiben willst, aber wie gesagt, ich würde auch mit dir nach New York kommen.“ Nun kullerte die erste Träne über ihre Wange. „Ich liebe dich auch. Und wie! Wie du dich um mich kümmerst. Eigentlich hätte ich es schon früher erkennen soll, aber ich war völlig durch den Wind. Denn weißt du, du bringst mich ganz schön durcheinander.“ Endlich verstand Jason das Rätsel Lauren ein wenig besser – sie war eine Frau, die äußerlich völlig ruhig wirkte und dabei tiefe Leidenschaft empfand. Mit diesem Wissen würde es ihm leichter fallen, sie zu verstehen und auf sie einzugehen. „Das wollte ich nicht …“ „Ich bin vor den intensiven Gefühlen für dich davongelaufen, weil ich Angst hatte, dass ich wie meine Mutter werde und wir dadurch wie meine Eltern enden. Aber jetzt sehe ich klarer: Wir beide verstärken gegenseitig unsere guten Eigenschaften.“ 202
So dachte auch Jason, und er empfand eine nie gekannte Vorfreude auf seine kleine Familie. „Hört sich an, als hättest du dir richtig viele Gedanken gemacht.“ „Stimmt. Aber da ich den Teil des Tageswerkes jetzt erledigt habe …“ Jason hob sie auf den Schreibtisch. „ … ist wirklich Zeit für etwas Erholung.“
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EPILOG San Francisco, zwei Wochen später. Lauren Presley fragte sich, wie ein Mann ihr körperlich und zugleich gefühlsmäßig so nahe sein konnte. Aber kein Zweifel, ihr halb nackter Ehemann, mit dem sie eng umschlungen auf der Couch lag, war mit seinen Gedanken und Gefühlen ganz bei ihr. Sie fühlte sich erhitzt von dem wilden leidenschaftlichen Zusammensein mit ihm. Sobald sie wieder ruhig zu atmen vermochte, würde sie sich überlegen, wie sie das neu eingerichtete Wohnzimmer noch nutzen konnten. „Wie wäre es“, flüsterte Jason ihr ins Ohr, „wenn wir alle neuen Möbelstücke auf diese Art einweihen würden?“ „Bei dem antiken Klavier könnte das ziemlich schwierig werden“, erwiderte Lauren grinsend. „Vielleicht hätten wir lieber den Flügel nehmen sollen.“ „Dann werden wir uns eben ein paar neue Positionen ausdenken.“ Mit einer frischen Blume aus dem Garten strich er über die sanfte Wölbung ihres Bauches, wo das Kind gesund heranwuchs. „Die Blumen sehen toll aus. Ich kann noch immer nicht glauben, wie schnell sich dieses leere Gebäude in ein gemütliches Zuhause verwandelt hat.“
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„Dabei habe ich noch gar nicht richtig angefangen.“ In den Vorgarten hatte sie zu Kugeln geschnittenen Buxbaum gepflanzt. Außerdem hatte sie Blumenkästen mit Löwenmäulchen und Elfensporn angelegt. Für den Anfang, denn die Landschaftsplanung des restlichen Gartens stand noch bevor. Aber nun blieb ihnen alle Zeit der Welt. Gemeinsam und für immer. Für ihre Firma in New York hatte sie einen zuverlässigen Büroleiter eingestellt. Und auch im Hinblick auf die Eröffnung einer Zweigstelle in San Francisco hatte sie bereits die ersten Schritte getan. Sicher eine vorausschauende Investition in die Zukunft ihres Kindes. Lauren plante bereits, hinter dem Haus ein Bürogebäude im passenden Stil zu errichten. Alles war in Ordnung gekommen. In Jason hatte sie einen Freund und Partner gefunden, einen Ehemann – und die Liebe ihres Lebens. Sie hatten Jacqueline eingeladen, damit sie sich in der Umgebung eine Ferienwohnung suchen konnte. Auf diese Weise würde sie die Winter in der Nähe ihres Enkelkindes verbringen können. Mit Jason zusammen fiel ihr der Umgang mit ihrer Mutter fiel leichter. Obwohl Jason noch nicht zu einer Versöhnung mit seinen eigenen Eltern bereit war, gehörte Jacqueline für ihn zur Familie. Dass sie inzwischen Hilfe annahm, machte vieles leichter.
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Aber Lauren blieb realistisch: Die Beziehung zu ihrer Mutter würde schwierig bleiben. Dennoch fühlte sie sich dem gewachsen, weil sie inzwischen Grenzen zu ziehen vermochte zwischen ihrem eigenen Leben und dem ihrer Mutter. „Ich liebe dich“, flüsterte Lauren. „Ich liebe dich auch“, antwortet Jason. Nie würde Lauren davon genug bekommen. Prentice’ Ansicht, dass die Familie wichtiger war als alles andere, passte genau zu Lauren und Jason. Auch wenn sie beide anfangs zu sehr in ihre Arbeit und die damit verbundenen Probleme verstrickt gewesen waren, um das zu verstehen. Lauren setzte sich rittlings auf Jasons Schoß. „Irgendwie hätte ich jetzt Lust auf Pfannkuchen mit Ahornsirup. Wie wäre es, wenn du dich dieses Mal als Künstler betätigen würdest?“ „Mrs. Reagert, wie ich schon sagte: Mit Ihnen lässt es sich gut zusammenarbeiten. Sehr gut sogar.“
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