Nur bei dir brennt dieses Feuer
Syrie A. Astrahan
Nie wird die Rundfunkmoderatorin Diane Saint Germain diesen Abend ve...
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Nur bei dir brennt dieses Feuer
Syrie A. Astrahan
Nie wird die Rundfunkmoderatorin Diane Saint Germain diesen Abend vergessen, an dem Kent Harrison während eines TelefonQuiz anrief. Seine erotische Stimme hat sie zutiefst erregt, und als er sie zum Abendessen einlädt, kann Diane gar nicht anders – sie muß zustimmen. Kent übt eine so starke Faszination auf sie aus, daß sie schon bald seine stürmische Geliebte wird. Doch dann bittet er sie, seine Frau zu werden Diane lehnt entschieden ab. Sie will ihren Beruf nicht aufgeben…
© 1986 by Syrie Astrahan James Unter dem Originaltitel: „Songbird“ erschienen bei Silhouette Books, division of Harlequin Enterprises Limited, in der Reihe DESIRE Übersetzung: Joachim Honnef © Deutsche Erstausgabe in der Reihe TIFFANY Band 166 (142), 1986 by CORA VERLAG GmbH, Berlin
1. KAPITEL Das Lied endete. Diane Saint Germain neigte sich dicht über das Mikrofon. „Das war Rita Coolidge mit dem Hit ,Be Mine Tonight’ aus ihrem neuen Album. Davor hörten wir Johnny Mathis mit ,So in Love with You’.“ Diane warf einen Blick auf die Uhr über dem Sendepult. „Es ist fünfzehn Uhr fünfundzwanzig. Wir senden auf KICK Anaheim Kanal 102. Freuen Sie sich auf den Feierabend an diesem heißen und sonnigen Mittwochnachmittag. Ihre Diane leistet Ihnen Gesellschaft.“ Im nächsten Moment setzten die Klänge des folgenden Schlagers ein. Diane nahm die Kopfhörer ab und ließ das kastanienbraune gelockte Haar nach vorn fallen, um den kühlen Lufthauch des Ventilators auf ihrem Nacken zu spüren. Ihr Blick glitt zu dem feuerroten Aufkleber hinüber, der am Fenster über dem Sendepult befestigt war. „Erleben Sie die Nacht mit Diane – KICK 102!“ Es wird Zeit für einen neuen Werbespruch, dachte sie, löste das Papier von der Scheibe und warf es in den Abfallkorb. Sieben Jahre lang hatte sie bis spät in die Nacht hinein ihre Ansagen gemacht, und jetzt hatte sie es endlich geschafft. Man hatte ihr die Moderation für das Nachmittagsprogramm in Südkalifornien übertragen. Was immer sie tat, das durfte sie sich nicht verscherzen. Sie lehnte sich zurück, schloß die Augen und hoffte, sich beim langsamen Rhythmus der einschmeichelnden Melodie entspannen zu können. Es ist der gleiche Job wie zuvor, sagte sich Diane, nur die Sendezeit hat sich geändert. Sie mußte die Einschaltquoten vergessen, durfte nicht an die vielen anderen Diskjockeys denken, die nur darauf lauerten, daß sie Fehler machte. Ja, sie würde sich damit in Zukunft nicht mehr beschäftigen. Sie war gut, mehr noch, sie zählte zu den besten Moderatoren. Hätte Sam ihr sonst das Nachmittagsprogramm überlassen? Diane zwang sich, ruhig und gleichmäßig zu atmen. Kurz darauf wurde die Studiotür geöffnet. Diane richtete sich sofort auf und sah Tom. Er schwitzte und sein rötliches Haar hing ihm wirr in die Stirn. „Ist das draußen heiß“, sagte er statt einer Begrüßung, während er sich mit einigen Blättern Papier Luft zufächerte. „Du hast Glück, daß dein Kämmerchen hier klimatisiert ist.“ „Kämmerchen ist genau das richtige Wort.“ Diane ließ ihren Blick durch das winzige Studio schweifen, an dessen schmuddeligen beigefarbenen Wänden Poster von Elvis, den Beatles, Kenny Rogers und der Streisand hingen. „Es gibt Leute, die in Aufzügen Platzangst bekommen. Wie halte ich es hier nur vier volle Stunden aus, ohne in Panik zu geraten?“ Tom lachte. „Du liebst diesen Job über alles, Diane, das wird wohl der Grund sein.“ Er reichte ihr die Blätter mit den Meldungen. „Irgend etwas Interessantes dabei?“ „Soll das ein Witz sein?“ Diane blätterte die Zettel durch. „Neue AntiRaucherKampagne stößt auf Widerstand bei den Zigarrenherstellern“, las sie vor und schüttelte belustigt den Kopf. „Warum halten wir uns mit diesem Zeug auf? Wir sind kein Nachrichtensender.“ „Frag mich nicht.“ Tom wandte sich zum Gehen. „Sam gefällt dies offenbar. Und mit dem Programmdirektor soll man nie streiten.“ Bevor Tom die Tür hinter sich schloß, schnitt er eine Grimasse und ahmte die rauhe Stimme des Chefs nach. „Denken Sie an mein Motto – seien Sie unterhaltsam!“ Diane schmunzelte, während sie die Kopfhörer aufsetzte. „Ich werde mich bemühen.“
Sie hörte den vertrauten Refrain des Schlagers und wußte, daß er gleich zu Ende sein würde. Kurz darauf schaltete sie das Mikrofon ein. Mit einem Blick auf die Digitalanzeige stellte sie fest, daß ihr noch 15 Sekunden bis zur Ansage blieben. In diesem Moment preßte Tom das Gesicht gegen die Scheibe und schaute sie mit verzogenen, flachgedrückten Lippen und aufgerissenen Augen an. Diane unterdrückte ein Lachen, bevor sie ins Mikrofon sprach. „Sollten Sie jetzt angespannt im Verkehrsstau stecken, nenne ich Ihnen ein ausgezeichnetes Rezept, wie Sie den Streß loswerden. Stellen Sie sich einfach vor, Diane sitzt neben Ihnen auf dem Beifahrersitz und verwöhnt Sie mit einer schönen, langen Entspannungsmassage.“ Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, zuckte sie zusammen. Entspannungsmassage? Um Himmels willen! Hatte sie das wirklich gesagt? Das Rundfunkprogramm wurde nun durch Werbespots unterbrochen. Diane nahm erneut die Kopfhörer ab und schaute durch die Scheibe zu Tom, der die Augen verdrehte und das Wort „unglaublich“ mit den Lippen formte. Unglaublich! Das hatte der Kritiker der „Los Angeles Times“ über eine ihrer letzten Sendungen geschrieben. „Eine Frau mit einer unglaublich sinnlichen Stimme, bei der die Hälfte der männlichen Bevölkerung Südkaliforniens in Verzückung gerät.“ Sie lachte leise. Eine sinnliche Stimme? Wohl kaum. Zugegeben, was ihr Äußeres betraf, so hielt sie sich für einigermaßen attraktiv. Steve, ihr ExMann, hatte ihr oft genug versichert, wie gut sie aussehe. Besonders bewunderte er ihre leuchtenden Augen und ihr schmales Gesicht mit den ebenmäßigen Zügen und dem zarten Teint. Ihr Haar schien zu ihrer Persönlichkeit zu passen. Es fiel in dichten, ungebändigten Locken auf ihre Schultern und wies mehrere Schattierungen von Hellbraun über Rötlich bis zu Dunkelbraun auf. Anscheinend erwarteten die Leute wegen ihrer dunklen, leicht rauchigen Stimme eine rassige Frau mit aufregenden Kurven. Sie hatte die Hoffnung aufgegeben, jemals diesem Bild zu entsprechen. Diane besaß Rundungen an den richtigen Stellen, doch sie war klein und zierlich. In ihren 30 Lebensjahren hatte sie oft genug Scherze über das Mißverhältnis zwischen ihrer sinnlichen Stimme und ihrem Aussehen ertragen müssen. Nicht selten hatte sie den Männern die Enttäuschung angemerkt, wenn sie erkannt hatten, daß sie nicht der Typ war, den sie sich vorgestellt hatten. Ihre Stimme war beruflich ihr größtes Kapital. Sam behauptete, daß ihr vertrauliches Geplänkel höhere Einschaltquoten brachte. Die Hörer kannten sie schließlich nicht persönlich. Was schadete es also, wenn sie mitspielte? Diane überflog die Kurznachrichten, die sie ausgewählt hatte, wartete auf das Ende der Werbespots, schaltete dann das Mikrofon ein und regelte die Lautstärke. „Hier habe ich eine interessante Mitteilung für alle Limonadentrinker. Es scheint so, als ob aus der neuen DiätLimo ,Sparkle Light’ der Dampf oder besser gesagt die Kohlensäure heraus ist. Gestern teilte überraschend der Multimillionen Konzern ,Harrison Industries’ seine Entscheidung mit, die Tochterfirma ,Sparkle Light Company’ in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln.“ Diane fuhr mit Analysen von Experten fort, die ein Absinken des Limonadenkonsums voraussagten, und legte danach den Zettel mit der Meldung beiseite. „Wenn Sie schon immer vorhatten, Aktien einer LimonadenFirma zu erwerben, wäre das möglicherweise die große Chance für Sie. Hoffen wir jedoch, daß ,Sparkle Light’ rasch wieder zulegt, denn sonst könnte es passieren, daß Sie Ihr Geld in Limo investieren, aus der die Brause heraus ist!“ Diane nahm eine rosafarbene Karteikarte aus dem Kästchen über dem Sendepult
und kündigte das Ratespiel an. „Rufen Sie die Nummer KICK 555 an.“ Alle fünf Lampen der Telefonanlage im Studio leuchteten augenblicklich auf. Diane lächelte. Das sofortige Echo auf die Ankündigung von Wettbewerben und Preisfragen erstaunte sie immer wieder. Das war wirklich die beste Tageszeit für eine solche Sendung! „Der Anrufer, der die heutige Preisfrage richtig beantworten kann, wird ein Dinner für zwei im ,Maximilian’s’ in Huntington Beach gewinnen.“ Sie fügte ein paar lobende Informationen über das bekannte NobelRestaurant hinzu. „Hallo“, begrüßte Diane den Anrufer. „Mit wem spreche ich?“ „Kent Harrison“, stellte er sich vor. Die Stimme klang tief, sanft und sehr männlich. Diane straffte sich unbewußt und lauschte aufmerksam. „Hallo, Kent.“ Sie malte sich rasch sein Äußeres passend zu der Stimme aus. Sonnengebräunt… athletische Figur… um die fünfunddreißig und umwerfend gutaussehend. Nein, dachte sie, die Leute schauen selten so aus, wie ihre Stimmen klingen. Das sollte sie ja eigentlich am besten wissen. Vermutlich war er ein untersetzter Fünfzigjähriger mit Bauchansatz und einer Knollennase. „Wissen Sie, daß Sie eine ausgezeichnete Rundfunkstimme haben, Kent?“ „Danke. Ihre ist auch nicht schlecht.“ Es klang gereizt. „Hören Sie, ich rufe an, um…“ „Ist Ihr Aussehen ebenso bemerkenswert wie Ihre Stimme?“ neckte sie. Nach einer kurzen Pause erwiderte er knapp: „Das kommt auf Ihren Geschmack an. Wie ist es denn bei Ihnen?“ Zu ärgerlich, ihre Frage war zum Bumerang geworden! Sie blickte an ihrem pinkfarbenen TShirt und den Jeans hinab. Welche Art Frau stellte er sich vor? Eine hinreißende Titelbildschönheit? Diane suchte rasch nach einer passenden Entgegnung. „Lassen Sie Ihre Phantasie spielen“, forderte sie ihn auf. „Wenn Sie nur das enge blaue Seidenkleid sehen könnten, das ich heute anhabe. Am Rücken tief ausgeschnitten, schulterfrei und totschick. Dazu silberne Pumps. Wirklich ein toller Anblick.“ „Darauf gehe ich jede Wette ein.“ Er lachte. Wie tief und angenehm sein Lachen klingt, ging es Diane durch den Kopf. Vielleicht ist er ein ganz sympathischer Typ. Komm jetzt zur Preisfrage! mahnte sie eine innere Stimme. Du hast schon zu lange mit ihm gesprochen. Statt dessen neigte sie sich vor, stützte das Kinn mit einer Hand ab und erkundigte sich: „Woher stammen Sie, Kent?“ „Aus Seattle.“ „Seattle! Das ist über tausend Meilen entfernt. KICKS Reichweite muß noch größer sein, als ich dachte.“ Er lachte von neuem. „Tut mir leid, daß ich Sie enttäuschen muß. Ich bin nur etwa 30 Meilen entfernt, in der Nähe des Flughafens von Los Angeles. Im Augenblick fahre ich mit der rasanten Geschwindigkeit von drei Meilen pro Stunde im Stau über den San Diego Freeway.“ Ein AutotelefonBesitzer, dachte Diane. Einer der wenigen, die ich an die Strippe bekomme. Sofort entstand ein unvorteilhaftes Bild des Mannes vor ihrem geistigen Auge. Ein Zigarre rauchender Geschäftsmann mit Schmerbauch, dunkelblauem Anzug und protzigen Diamantringen an jeder Hand. Alter: fünfzig. Augen: wäßriggrau. Haare: keine. „Nun, Kent, ich hoffe, Sie können sich auf die Preisfrage und den Verkehr zugleich konzentrieren, denn…“ „Moment mal“, unterbrach er sie. „Ich weiß, daß dies die Leitung für Ihre Preisfrage ist, doch ich rufe aus einem anderen Grund an. Ich möchte einen
Kommentar zu der Nachricht geben, die Sie vor wenigen Minuten verlesen haben.
Es betrifft ,Sparkle Light’.“
„Sparkle Light“! Das verschlug Diane für einen Augenblick die Sprache. Ihr fiel
sein voller Name ein. Kent Harrison. „Harrison Industries“, der riesige Konzern!
Aufgeregt blätterte sie die Meldungen von der Sendezentrale durch und
versuchte sich zu erinnern, was sie über „Sparkle Light“ berichtet hatte. Etwas
über eine Investition in Limo, aus der die Brause heraus ist… War sie zu
sarkastisch gewesen?
„Die Information, die Sie gaben, war im wesentlichen richtig“, meinte Kent
Harrison. „Die ,Sparkle Light Company’ wird in eine Aktiengesellschaft
umgewandelt. Doch die sogenannten ExpertenAnalysen, die Sie erwähnten, sind
an den Haaren herbeigezogen. Als Sie dann Ihre Telefonnummer nannten, rief
ich an, um die Sache richtigzustellen.“
„Nun, ich danke Ihnen, Mr. Harrison“, sagte Diane betont locker. „Wir begrüßen
immer Fachinformationen aus der Geschäftswelt.“
Weshalb hatte sie plötzlich das Gefühl, daß sie ihn mit Mister anreden sollte und
nicht mit dem Vornamen?
„Wir gehen an die Börse, um Kapital für andere Investitionen flüssigzumachen“,
erklärte Kent Harrison. „So einfach ist das. Dieser Schritt hat nichts mit den
Umsätzen von ,Sparkle Light’ zu tun. Im Gegenteil. Das Produkt hat unsere
Verkaufserwartungen bei weitem übertroffen und…“
„Das ist wunderbar, Mr. Harrison“, unterbrach Diane ihn rasch. „Ich entschuldige
mich, wenn ich irgendeine Information gegeben habe, die irreführend war.
Unsere Nachrichten kommen direkt von UPI New York, und wir können in der Eile
manchmal nicht jede auf ihre Richtigkeit hin überprüfen…“
„Das verstehe ich. Doch Ihr Kommentar kam nicht aus New York.“
Diane schluckte. Sam wird toben. „Ich bin froh, daß Sie angerufen haben, um
den Fall zu klären. Mr. Harrison.“ Sie wollte zum nächsten Schlager überleiten
und bemühte sich um einen gelassenen Tonfall. „Und nun…“
„Ich bin jetzt bereit für die Preisfrage.“
„Wie bitte?“
„Sie hatten doch ein Ratespiel angekündigt, oder? Eine Preisfrage, bei der es ein
Dinner für zwei zu gewinnen gibt.“
„Oh! Ja.“ Ihre Finger zitterten leicht, als sie nach einem kleinen Kästchen mit der
Aufschrift „Preisfragen“ griff. Kent Harrison hatte es wirklich heraus, sie völlig
durcheinanderzubringen! Vielleicht wird er jetzt gleich in Verlegenheit kommen,
dachte sie mit boshafter Freude. Sie atmete tief durch, um sich zu beruhigen.
Schließlich zog sie eine gelbe Karte aus dem Kästchen. „Heute eine Frage aus der
Technik. Sind Sie bereit?“
„Ich höre.“
Jetzt würde sie mit ihm abrechnen. „In welchem Land wurde erste erfolgreiche
Helikopter gebaut und in welchem Jahr?“
Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, antwortete er: „In Deutschland. Der FW
61. 1936.“
Diane verschlug es vor Staunen einen Moment die Sprache. Woher wußte er das?
Der überhebliche Kerl mußte zu allem Überfluß auch noch souverän gewinnen!
„Das stimmt. Die Frage ist richtig beantwortet.“ Sie bemühte sich, begeistert zu
klingen. „Meinen herzlichen Glückwunsch. Bleiben Sie noch einen Moment am
Apparat. Gleich wird Ihnen jemand erklären, wie und wo Sie Ihren Preis in
Empfang nehmen können.“
Sie schaltete die Leitung um. Anschließend legte sie eine Platte auf.
Versuch um Himmels willen, in den nächsten Minuten nichts Witziges zu sagen,
ermahnte sie sich. „Jetzt hören Sie drei großartige Aufnahmen hintereinander von KICK Kanal 102.“ Diane atmete erleichtert auf und rief eine Assistentin an. „Barbara? Der Gewinner der Preisfrage ist auf Leitung eins. Würdest du dich bitte um ihn kümmern?“ Sie legte auf, ohne eine Antwort abzuwarten. Barbara hörte die Sendung mit und wußte Bescheid. Plötzlich wurde die Studiotür aufgerissen. Sam, der Programmdirektor, stürmte herein. „Seit wann sind Sie eine Börsenmaklerin?“ fragte er grollend. Sein sonnengebräuntes Gesicht war gerötet. Zornig blickte er sie an und fuhr sich mit einer fahrigen Bewegung durch das schüttere schwarze Haar. „Niemand hat Sie um Ihren Rat gebeten. Wir senden hier Musik und keine Börsennachrichten!“ „Ich weiß. Ich wollte nur…“ „Bleiben Sie von jetzt an bei den Sport und Wetternachrichten und Ihrem üblichen Geplauder. Überlassen Sie Wall Street den Experten, verstanden?“ Damit knallte er die Tür hinter sich zu. Na großartig! Diane seufzte. Die Tür wurde wieder aufgerissen. „Und noch eines!“ herrschte Sam sie an. „Plappern Sie nicht mit den Leuten übers Telefon. Wir sind ein Musiksender. Wenn Sie telefonieren wollen, suchen Sie sich einen Job bei einer Telefongesellschaft!“ Diane schrak zusammen, als die Tür von neuem zuknallte. Sie hätte keinen Kommentar zu den Nachrichten abgeben sollen. Und auf keinen Fall hätte sie so lange mit Kent Harrison sprechen dürfen! Was war bloß in sie gefahren? Sie konnte sich glücklich preisen, daß Sam sie nicht gefeuert hatte. Bei KICK wurde ein Diskjockey für gewöhnlich entlassen, wenn er sich solche Schnitzer erlaubte. Vermutlich brauchte sie jetzt mehr als eine gute Kritik in der Zeitung, um die Nachmittagssendung zu behalten. Niedergeschlagen schaute Diane auf die Programmfolge. Ein Hit – oder ein A Song – war als nächstes dran. Sie zog die Platte aus dem Drehständer und legte sie auf. Es war ein neuer Schlager von Anne Murray, eines ihrer Lieblingslieder, das sie einspielte. Plötzlich weckte der Text des melancholischen Songs ihre Aufmerksamkeit. Sie hatte das Gefühl, als würde die Interpretin nur für sie singen, als würde sie Dianes lange, einsame Nächte meinen. Das ist ja lächerlich, schalt sie sich. Ihre Karriere verlangte, daß sie völlig unabhängig war, und in den vergangenen fünf Jahren hatte ihr dieses Leben gefallen. Weshalb sprach sie also auf dieses Liebeslied so an? Warum wurde sie dabei so traurig? Mitten in der Sendung. Diane griff nach einem Kugelschreiber, notierte auf einem Zettel die Titel der folgenden Songs und vermerkte gleich daneben, was sie bei der Ansage darüber als Kommentar abgeben wollte. Mitten im Schreiben hielt sie inne. Sie erinnerte sich an die sanfte, tiefe Männerstimme, doch im nächsten Moment verdrängte sie den Gedanken daran. Es lohnte nicht, sich mit dem überheblichen, eingebildeten Kent Harrison auch nur einen Moment zu beschäftigen. Ein paar Minuten später eilte eine hochgewachsene, vollschlanke Brünette in einem leichten Kleid ins Studio, einen Schokoladenriegel in der Hand. „Zeit für eine kleine Stärkung. Ich weiß, daß du Erdnußbutterkekse lieber magst, aber es waren keine mehr im Automaten.“ Sie sprach mit unverkennbarem Brooklyn Akzent. „Was machst du für ein trauriges Gesicht? Hat Sam dir die Leviten gelesen?“ Diane zuckte mit den Schultern, nahm den Schokoriegel und riß die Verpackung auf. „Ja, Barbara. Doch offenbar bin ich noch angestellt. Jedenfalls heute noch.“
Sie biß ein Stück von dem Keks ab. „Hm, lecker. Danke, Barbara. Ich habe die ganze Woche nur Sellerie zu mir genommen. Wenn das so weitergeht, werde ich vermutlich selbst bald zur Selleriestange.“ „Es ist nicht zu fassen“, bemerkte Barbara kopfschüttelnd. „Als ob du dich bei deiner Figur mit dem Essen zurückhalten müßtest.“ „Das ist notwendig. Dieses Kreuz haben alle kleinen Leute zu tragen. Ihr Amazonen wißt gar nicht, wie glücklich ihr euch schätzen könnt.“ Barbara lachte und reichte ihr eine Notiz. „Ich erhielt soeben einen Anruf von ,Barneys’, dem neuen Restaurant in Orange. Man möchte wissen, ob du die Eröffnungsfeier in drei Wochen moderierst?“ „Du hast hoffentlich, wie üblich, höflich abgelehnt?“ Barbara verneinte. „Ich habe gesagt, daß du es dir überlegen wirst.“ „Was gibt es da zu überlegen?“ Diane reichte Barbara das Blatt mit der Notiz zurück, nachdem sie sie überflogen hatte. „Ich kann unmöglich hingehen. Das weißt du doch.“ „Ich weiß überhaupt nichts davon. Du mußt endlich aufhören, dich vor deinen Fans zu verstecken, Diane. Die Dame, die angerufen hat, war ganz begeistert von deiner Stimme! Es wäre eine große Publicity für dich, wenn du die Eröffnungsfeier moderieren würdest.“ „Sie erwarten einen hinreißenden Vamp und würden von mir enttäuscht sein.“ „Das ist doch nicht dein Ernst. Du bist nicht gerade groß, doch mit hochgesteckten Haaren und dem passenden Kleid siehst du bezaubernd aus! Du bist eine Schönheit. Ich wäre glücklich, würde ich so wie du ausschauen.“ Diane schnitt eine Grimasse. „Nun, ich würde alles dafür geben, wenn ich so groß wie du wäre und deine BHGröße tragen könnte.“ Barbara lachte. „Diane, sei nicht töricht. Viele Männer bevorzugen zierliche Frauen.“ „Was Männer bevorzugen, interessiert mich nicht. Ich bin völlig zufrieden mit meinem derzeitigen Leben.“ „Das glaubst du doch selbst nicht. Niemand, außer vielleicht einer Nonne, wäre mit diesem Leben glücklich. Wann hast du das letzte Mal eine Verabredung gehabt oder einen Mann zu dir eingeladen? Vor zwei oder drei Jahren?“ „Barbara, ich habe dir doch gesagt, daß ich keine feste Bindung mehr eingehen will. Dir ist bekannt, was aus meiner Ehe geworden ist. Und denk an meine Kollegen Dave, Mike und John. Alle drei sind geschieden.“ Sie aß den letzten Bissen des Schokoladenriegels und seufzte. „Glaube mir, feste Beziehungen und Rundfunkarbeit lassen sich nicht vereinbaren.“ „Wer spricht von festen Beziehungen? Ausgangspunkt war die Frage, ob du bei der Eröffnungsparty als Moderatorin erscheinen würdest.“ Barbara runzelte die Stirn. „Nur weil dein ExGemahl sich nicht gerade vorbildlich verhalten hat, heißt das nicht, daß du für den Rest deines Lebens den Männern abschwören sollst.“ Steve war nicht übel, dachte Diane. Doch es hätte keinen Sinn, mit Barbara darüber zu diskutieren. Sie warf einen Blick auf die Digitalanzeige auf dem Sendepult. „Ich bin in knapp dreißig Sekunden dran, Barbara.“ „Ich gehe ja schon.“ Barbara blieb auf der Türschwelle stehen. „Übrigens, ganz gleich, welcher Meinung Sam war, ich finde, du hast Harrison am Telefon so behandelt, wie es dir keiner so leicht nachmachen könnte.“ „Danke für die Unterstützung.“ „Ich meine es ernst. Es war hinterhältig von ihm, über die Leitung für das Ratespiel anzurufen und dich während der Sendung mit seinen Erklärungen zu überraschen. Ich verspreche dir, so unfreundlich wie nur möglich zu sein, wenn er die Karten für sein Gratisdinner abholt.“
Diane lächelte, während Barbara die Tür schloß. „Tu das.“
Bald würde Diane Feierabend haben. Zu Hause würde sie das Telefon abstellen,
ein Glas Wein trinken und es sich mit einem guten Buch im Bett gemütlich
machen.
Diane wartete auf ihren Einsatz. „Das war Barbra Streisand mit ,Songbird’“,
verkündete Diane dann. „Eines meiner Lieblingslieder.“
Sie hörte, daß hinter ihr leise die Tür geöffnet wurde. War es schon wieder
Barbara? Hatte sie nicht die rote Warnlampe gesehen? Barbara mußte doch
wissen, daß sie nicht ins Studio kommen durfte, wenn Diane auf Sendung war.
Diane sprach ins Mikrofon: „Ich hoffe, Sie nutzen das herrliche Wetter, das wir
heute haben.“ Die Tür wurde leise geschlossen. „Gehen Sie aus, und genießen
Sie diesen wunderbaren Abend. Spazieren Sie mit Ihren Lieben am Strand
entlang, und denken Sie an etwas Schönes.“
Sie nahm die Kopfhörer ab, als der Werbeblock begann. Nach drei weiteren
Platten würde sie den Verkehrslagebericht durchgeben.
„Sie machen das ausgezeichnet.“
Diane erschrak so sehr beim Klang der Stimme hinter ihr, daß sie auf ihrem
Drehstuhl herumwirbelte. Sofort hatte sie gewußt, wer es war. Denn diese tiefe
Stimme hatte sie heute schon einmal gehört.
Sie sprang auf und verharrte mit den Kopfhörern in den Händen, sprachlos vor
Überraschung. Was wollte Kent Harrison von ihr?
2. KAPITEL Diane stand reglos da, außerstande, irgend etwas zu sagen. Das Bild des fünfzigjährigen Geschäftsmannes mit Glatze, das sie sich von Kent Harrison gemacht hatte, traf keineswegs zu. Nicht einmal in ihren kühnsten Träumen hätte sie sich einen so gutaussehenden Mann vorgestellt. Er lehnte lässig mit dem Rücken gegen die Studiotür, hatte die Arme vor der Brust verschränkt und musterte sie mit einer Mischung aus Neugier und Belustigung. Sie schätzte ihn auf Mitte Dreißig. Für den Besitzer eines MultimillionenKonzerns wie „Harrison Industries“ unglaublich jung. Kent Harrison war mittelgroß, sehr schlank, hatte breite Schultern und schmale Hüften. Zu einer hellbraunen Hose trug er ein weißes Hemd mit kurzen Ärmeln, die den Blick auf seine gebräunten, muskulösen Arme freigaben. Sein modisch geschnittenes Haar war rostbraun, dicht und leicht gewellt. Den Mund hatte er zu einem kaum merklichen, spöttischen Lächeln verzogen, so, als amüsierte sich der Besucher auf ihre Kosten. „Kent Harrison“, stellte er sich vor. „Ich freue mich, mich persönlich davon überzeugen zu können, daß die schöne Stimme tatsächlich einer schönen Frau gehört.“ Diane entging nicht der bewundernde Ausdruck in seinen Augen, als er ihre Figur musterte. Sein Blick glitt von den nackten, wohlgeformten Beinen über die kurzen Jeans bis zum TShirt. „Ich befürchtete, eine ältere Dame anzutreffen, die mit technischen Tricks ihre Stimme verändert.“ Sonderbar, und ich habe mir einen bejahrten Herrn vorgestellt, dachte Diane. „Danke, daß Sie mich herkommen ließen“, fuhr er im Plauderton fort. „Damit hätte ich nicht gerechnet, nach dem, was ich während der Sendung von mir gab. Ich möchte mich dafür entschuldigen, Sie in Schwierigkeiten gebracht zu haben. Die Dame am Empfang erzählte mir, in welch unangenehme Lage Sie durch mein Verhalten während unserer Unterhaltung gekommen sind.“ Diane wollte etwas entgegnen, doch sie brachte kein Wort heraus. Weshalb sagte sie ihm nicht, daß sie ihn nicht hergebeten hatte. Das hatte sie alles Barbara zu verdanken! Das beste wäre, Diane forderte ihn auf, zu verschwinden! Ihr Blick fiel auf die krausen, braunen Haare, die durch das oben offenstehende Hemd hervorlugten. Er trägt kein Seidentuch mit Monogramm, dachte sie unwillkürlich. Wie angenehm! Kent Harrison schaute sie abwartend an. Sie erschauerte unter seinem forschenden Blick. Mit Bestürzung stellte sie fest, daß sich ihre Brustspitzen unter dem dünnen TShirt aufrichteten. Verlegen wandte sich Diane ab. Das Herz klopfte ihr bis zum Halse. Schon im nächsten Moment ärgerte sie sich über ihre Unsicherheit. Trotzig sah sie Kent Harrison in die Augen. Sie erinnerte sich an das Kompliment, das er ihr kurz zuvor gemacht hatte. Sie sei eine schöne Frau, hatte er gesagt. Zweifellos war er sehr charmant, doch von Schmeicheleien ließ sie sich nicht beeindrucken. Hoffentlich machte er keine Bemerkungen über ihr kokettes Geplänkel am Studiotelefon, wo sie vorgegeben hatte, ein enges blaues Seidenkleid und silberne Pumps zu tragen. Er erwähnte nichts davon. Kent trat einen Schritt näher und lächelte herzlich. „Ich hörte, Ihr Chef habe nach meinem Anruf fast einen Herzinfarkt bekommen und drohe, Sie nach Sibirien zu verbannen.“ Sie bemühte sich, ernst zu bleiben. Schließlich hatte sie allen Grund, zornig auf den Mann zu sein, der sie während der Sendung so in Verlegenheit gebracht hatte. Seinetwegen mußte sie sich von Sam Vorhaltungen machen lassen. Nein,
Kent Harrison würde sie nicht mit seinem Charme einwickeln können. „Ich glaube, es gibt ein paar gute Radiosender in Sibirien, bei denen Sie gut aufgehoben wären. Vorausgesetzt, man stellt in Rußland weibliche Diskjockeys ein.“ Diane konnte ein Lachen kaum noch unterdrücken. „Ich glaube nicht, daß ich sehr gut mit diesem Job zurechtkommen würde. Ich beherrsche Russisch nämlich nicht.“ Er schmunzelte. „Daran habe ich nicht gedacht.“ Sie betrachtete ihn einen Moment lang verstohlen. Sobald er lächelte, erschienen winzige Fältchen um seine Augen. Wenn er, so wie jetzt, übermütig den Kopf zurückwarf, wirkte er jungenhaft unbekümmert. Diane bemerkte, wie sein Blick von ihrem Gesicht abwärts glitt, auf ihren Brüsten haften blieb, deren harte Spitzen sich unter dem dünnen pinkfarbenen Stoff des TShirts abzeichneten. „Ich habe Sie doch nicht bei irgend etwas Wichtigem gestört, oder?“ Seine Stimme klang ein wenig belegt. Er räusperte sich. „Müssen Sie auf Sendung gehen?“ Um Himmels willen! durchfuhr es sie. Diane hastete zum Mischpult. Der Werbeteil würde in wenigen Augenblicken vorüber sein. Fünf Sekunden später, und Stille wäre eingetreten. Sie hatte ohnehin schon genug Schwierigkeiten. Rasch schaltete sie das Mikrofon ein und sagte das nächste Lied an. „Das war knapp.“ Sie atmete erleichtert auf. Diane zog die nächsten beiden Platten aus dem Drehständer. Beinahe hätte sie sie fallen lassen. Was ist nur los mit mir? wunderte sie sich. Warum hatte sie mit einemmal zwei linke Hände? „Verzeihen Sie, wenn ich Sie von der Arbeit abhalte. Ich glaube, ich dürfte mich hier nicht aufhalten.“ Diane schaute zu ihm. Er wirkte so ehrlich besorgt, daß sie rasch entgegnete: „Das geht schon in Ordnung. Ich brauche eine Weile nichts zu sagen.“ „Zu schade.“ Seine Stimme klang tief und weich. „Ich höre Sie so gern.“ Eine sonderbare, unerklärliche Hitze stieg in ihr auf. Diane sank auf den Drehstuhl. Sie konnte nicht fassen, was mit ihr geschah. Niemals hatte sie so stark auf irgendeinen Mann reagiert, nicht einmal, als sie Steve kennengelernt hatte. Offenbar deutete Kent den Grund für ihre Verwirrung falsch. Er furchte die Stirn und sah Diane prüfend an. „Wenn Sie sich Gedanken um Ihren Job machen, seien Sie unbesorgt. Ich sprach vorhin mit Ihrem Manager, und ich habe den Eindruck, Ihnen kann nichts passieren.“ „Wie meinen Sie das?“ „Ich habe soeben eine beträchtliche Anzahl von Werbeminuten für ,Sparkle Light’ gekauft. Für die nächsten drei Wochen sind die Termine fest vereinbart, und bis weit ins neue Jahr hinein sind eine Menge anderer geplant. Mit strikten Anweisungen, daß unsere Werbespots nur während Ihrer Sendung ausgestrahlt werden.“ Sie schaute ihn überrascht an. Dann schluckte sie und befeuchtete die Lippen mit der Zungenspitze, bevor sie Worte fand. „Sam wird Freudentänze aufführen.“ Und es wird gewiß meine Stellung hier festigen, fügte sie in Gedanken hinzu. Sie betrachtete ihn aufmerksam. „Warum haben Sie das getan?“ „Das war das mindeste, was ich tun konnte, nachdem ich Ihnen solche Schwierigkeiten bereitet hatte. Ich hätte Sie nicht in der Sendung anrufen sollen. Doch ich war wütend, als Sie die Nachricht brachten.“ Er zuckte mit den Schultern. „Manchmal handele ich sehr impulsiv.“ Ich auch, ging es Diane durch den Kopf. Wie konnte sie Kent jetzt noch böse
sein? Sie lächelte. Interessiert schaute er sich in dem kleinen Studio um und musterte die Ausrüstung. „Ich war seit Jahren nicht mehr in einem Rundfunkstudio. Solch ein Sender ist faszinierend. Darf ich noch ein wenig hierbleiben?“ Unwillkürlich schüttelte sie den Kopf. Kent hob beschwichtigend eine Hand. „Schon gut. Ich verstehe. Doch bevor Sie mich hinauswerfen, möchte ich Sie um einen Gefallen bitten.“ Er griff in die Hemdtasche und zog ein weißes, beschriftetes Kärtchen heraus. „Ich habe zufällig eine Freikarte für ein Dinner für zwei im…“ … „Maximilian’s“, beendete sie für ihn. Er schaute ihr in die Augen. „Werden Sie heute abend mit mir essen gehen?“ „Das wird nicht möglich sein.“ Jahrelang hatte sie Einladungen abgelehnt, und die Worte waren spontan gekommen, bevor Diane überlegt hatte. „Weshalb nicht?“ „Weil ich…“ Sie hielt inne. Er ist ein reicher Unternehmer aus Seattle, ging es ihr durch den Kopf. Du bist eine Moderatorin aus Anaheim. Sicher fragte er nur, weil sie verfügbar war und er noch keine Gesellschaft für das Gratisdinner hatte. Für gewöhnlich fand sie immer rasch eine plausible Entschuldigung. Warum fiel ihr jetzt nichts ein? „… weil ich schon etwas vorhabe“, setzte sie wenig überzeugend hinzu. „So.“ Er nickte langsam. „Es war ein Fehler, zu erwarten, daß Sie so kurzfristig abkömmlich sind. Aber ich wollte es versuchen.“ Enttäuschung stieg in Diane auf. Gab er so schnell auf? „Vielleicht können wir das Problem noch lösen. Verraten Sie mir, was Sie heute abend vorhaben.“ „Nun…“ Weshalb zögerte sie eigentlich? Es war doch wirklich nichts dabei, wenn sie mit einem attraktiven Mann ausging. „Ich verspreche, Ihnen nicht zu nahe zu treten.“ Kent Harrison lächelte sie jungenhaft an und hob die Hand zum traditionellen Pfadfindergruß. „Vertrauenswürdig, ehrbar und folgsam. Ehrenwort.“ Diane erwiderte sein Lächeln, ohne jedoch seinem Vorschlag zuzustimmen. „Haben Sie etwas so Wichtiges vor?“ drängte er. „Ich bin mir nicht sicher, ob sich…“ Es widerstrebte ihr, Barbaras Rat zu folgen, doch vielleicht hatte ihre Freundin recht. Diane sollte zur Abwechslung mal männliche Gesellschaft genießen. Da er so weit entfernt wohnte, würde alles nach ihren Vorstellungen ablaufen. Sie würden zusammen zu Abend essen, danach würde es kein Wiedersehen geben. Somit bestand keine Gefahr einer festen Bindung. Sie sah ihm in die Augen und meinte mit ernster Miene: „Ich hatte vor, nach Washington zu fliegen, um mit dem Präsidenten zu dinieren, aber ich glaube, ich kann anrufen und absagen.“ Kent brach in übermütiges Gelächter aus. „Dinner im Weißen Haus! Ist das alles? Und ich befürchtete schon, es wäre etwas wirklich Besonderes!“ Sie zuckte lächelnd die Achseln. „Sie haben recht. Solch eine Einladung ist wirklich alltäglich. Ich werde als Grund angeben, es sei etwas dazwischengekommen. Man muß doch Prioritäten setzen. Wie oft habe ich schließlich Gelegenheit, mit einem Limonadenkönig in Begleitung zum Essen zu gehen?“ Kent wartete in der Halle auf Diane, bis sie um achtzehn Uhr Feierabend hatte. Anschließend fuhren sie zu Dianes Haus in Anaheim, damit sie sich für das Abendessen umziehen konnte. Diane schloß die Tür auf, öffnete sie einen Spalt breit und spähte hinein. Sobald sie sah, in welchem Zustand sie das Wohnzimmer
heute morgen verlassen hatte, fuhr sie erschrocken zurück und zog die Tür
hastig wieder zu. Dabei stieß sie gegen Kent.
„O Verzeihung.“ Kent faßte sie sanft bei den Schultern, wich jedoch keinen
Schritt zurück.
„Sie können da nicht hinein“, erklärte Diane bestimmt. Der körperliche Kontakt
mit ihm verwirrte sie.
„Warum nicht?“ Er hielt sie noch immer an den Schultern fest und schaute auf sie
hinab.
„Es sieht in meiner Wohnung aus wie auf einem Schlachtfeld“, antwortete sie
beschämt.
Kent schmunzelte. „Ich habe bestimmt schon Schlimmeres erlebt.“
Er stand so dicht bei ihr, daß sie die Wärme seines Körpers spüren konnte. Sie
lehnte sich gegen die Tür, bog den Kopf leicht zurück und blickte zu ihm auf.
„Unmöglich. Glauben Sie mir, das ist schlimmer als alles, was Sie sich vorstellen
können.“
„Das macht nichts. Ich habe keinen roten Teppich und Champagner erwartet.“
Sein Blick verweilte einen Moment auf ihren Lippen. Als er wieder sprach, klang
seine Stimme heiser. „Ich bin Ihretwegen hier, nicht wegen Ihres Haushalts.“
Er verstärkte den Druck seiner Hände auf ihren Schultern. Die Berührung
erzeugte ein erregendes Prickeln auf ihrer Haut. Zum erstenmal nahm sie wahr,
daß er nach einem herben Rasierwasser duftete. Wenn doch nur das
Wohnzimmer aufgeräumt wäre und sie ihn hereinbitten könnte! Sie hätte ihn
gern in ihre Wohnung geführt. Vielleicht später sogar in ihr Schlafzimmer…
Diane erschrak bei diesem gewagten Gedanken. Sie mußte vernünftig bleiben.
Morgen würde Kent nach Seattle zurückfliegen und seinen gewohnten Rhythmus
wiederaufnehmen, und auch sie würde in ihren Alltag zurückkehren. Ihr
bisheriges langweiliges, einsames Leben würde sie fortführen.
Diane atmete tief durch. „Es ist… wegen des Hundes.“ Kent gab sie frei und trat
einen Schritt zurück. „Wegen des Hundes?“
„Ein bissiger Dobermann“, log sie wenig überzeugend. „Er greift jeden Fremden
an.“
„Ich bin nicht fremd. Außerdem mag ich Hunde.“ Er musterte sie sekundenlang,
während ein Lächeln seine Lippen umspielte. „Würde es Ihnen wirklich soviel
ausmachen, wenn ich sehe, wie Sie wohnen?“
„Ja, das würde es wirklich.“
„Warum?“
Sie zögerte und glaubte noch, seine Hände auf den Schultern zu spüren. „Ich
möchte nicht, daß Sie denken…“
„Daß ich was denke?“
Diane seufzte. „Daß ich eine unordentliche Person bin.“
„Das denke ich bestimmt nicht. Ich verspreche es.“ Bevor sie merkte, wie ihr
geschah, umfaßte er ihre Taille und schob Diane zur Seite. Er drehte den
Schlüssel im Schloß herum und stieß dann die Tür weit auf.
Diane wäre vor Scham am liebsten im Boden versunken. Sie wünschte, sie wäre
nicht so nachlässig. Verschiedene Sweater lagen verstreut auf dem ChintzSofa
und auf dem Teppich. Auf einem Ohrensessel lag ein Haufen frisch gewaschener
Wäsche, die gebügelt, gefaltet und eingeräumt werden mußte. Ein durchsichtiger
Slip und spitzenbesetzter BH lugten aus dem Wäschestapel hervor. Schuhe und
Sandaletten lagen unter dem Mahagonitisch und neben dem Sofa herum.
Zeitschriften und Bücher waren im ganzen Zimmer verstreut. Ein paar leere und
halbvolle Gläser standen auf dem Tisch, auf dem Bücherschrank und sogar auf
dem Kaminsims. Das reinste Chaos! Was sollte er nur von ihr denken?
Kent betrat Dianes Wohnung und schob die Hände in die Taschen. Sobald sein Blick zur Küche schweifte, wo sich das Geschirr vom letzten Abendessen stapelte, stieg Diane das Blut in die Wangen. „Ich wußte es“, sagte sie. „Sie sind gewiß ein Ordnungsfanatiker. Einer dieser Typen, die ihre Wäsche fein säuberlich gefaltet und gebügelt aufbewahren.“ Keine Bekanntschaft, nicht einmal eine von kurzer Dauer, sollte so beginnen. Ein Mann, der zum erstenmal das Heim einer Frau sieht, sollte überwältigt sein von der gepflegten Atmosphäre und der geschmackvollen Einrichtung. Nun, dachte Diana, überwältigt ist er. So sehr, daß es ihm die Sprache verschlagen hat. „Ich habe Sie vorgewarnt“, bemerkte sie. „Es tut mir leid. Hier schaut es nicht immer so schlimm aus“, versuchte sie den schlechten Eindruck zu verwischen. Er lachte. „Mir gefällt’s. Ich vermisse auch nicht den Dobermann.“ Er zwinkerte ihr zu, und es war offensichtlich, daß er dessen Existenz von Anfang an bezweifelt hatte. „Ich fühle mich direkt wie zu Hause. Ehrlich. Ich habe fünf Schwestern, und jede davon erledigt den Haushalt so ganz nebenbei, um es mal gelinde auszudrücken.“ „Fünf Schwestern?“ Wie sind Sie da nur so unglaublich männlich geworden, hatte sie auf der Zunge, doch statt dessen meinte sie scherzhaft: „Wie haben Sie das nur überlebt?“ „Das ging ziemlich gut. Als einziger Sohn wurde ich wie ein Pascha behandelt. Es war großartig.“ Diane lächelte und war denkbar für sein offenkundiges Bemühen, das Thema zu wechseln. „Ich habe nur einen Bruder. Sicher ist es sehr aufregend, in einer großen Familie aufzuwachsen.“ „Ja, das war es.“ Kent bückte sich und sammelte gedankenverloren Zeitschriften und Bücher auf, um sie ordentlich zu stapeln. „Ich genoß es, der große Bruder in einem Haus voller hübscher Mädchen zu sein. Meine Schwestern sind phantastisch. Alle fünf, besonders die Zwillinge.“ „Zwillinge! Wie wundervoll. Ich träume davon, eines Tages Zwillinge zu haben.“ Ihr Blick fiel auf seine muskulöse Brust, auf die dunklen Haare auf seinem Oberkörper. „Vielleicht werden Sie welche bekommen.“ Sie schaute auf und fühlte sich ertappt. Rasch ging Diane zur Stereoanlage und stellte die Musik von KICK ein. „Ich hoffe, Sie mögen einschmeichelnde Melodien.“ Er nickte und strich über das mit Schnitzereien verzierte Bein des Tischs. „Ihre Möbel sind schön. Ist das ein antikes Stück?“ „Ja. Es gehörte meiner Urgroßmutter. Alle diese Einrichtungsgegenstände. Gefallen Ihnen Antiquitäten?“ „Normalerweise bevorzuge ich das Moderne, doch ich bewundere die Handwerkskunst bei diesen alten Gegenständen. Besonders die Schnitzereien.“ „Wenn Ihnen Schnitzereien gefallen, sollten Sie sich die einzigartige Feinarbeit an meinem Bett anschauen. Es ist…“ Sie verstummte. Was redete sie da nur. Das klang ja beinahe wie eine Aufforderung! „Das möchte ich mir gern ansehen“, rief er erfreut. „Nein!“ stieß Diane heftiger hervor, als sie beabsichtigt hatte. Sofort versuchte sie ihrer Stimme einen weicheren Klang zu geben. „Es tut mir leid. Im Schlafzimmer schaut es noch wüster aus als hier. Ich kann Sie dort nicht hineinlassen.“ Sie ging rückwärts zur Tür. „Ich werde mich jetzt umziehen. Oh, möchten Sie etwas trinken?“ „Nein, danke.“ Er wies auf ein halbvolles Glas mit Wasser, das auf dem Tisch stand. „Wenn ich Durst bekomme, werde ich mich schon bedienen.“
„Probieren Sie das Wasser auf dem Kaminsims. Das ist vermutlich frischer.“
Diane wandte sich um und verließ fast fluchtartig das Wohnzimmer.
Wenn du diesen Abend überstehst und nicht den Verstand verlierst, sagte sich
Diane, wird das an ein Wunder grenzen.
Wenig später betrat Diane wieder das Wohnzimmer. Kent blätterte in einer
Zeitschrift. Er saß entspannt auf dem Sofa und hatte die Beine ausgestreckt, als
sei es etwas Alltägliches für ihn, im Wohnzimmer fremder Frauen zu warten,
während sie sich zum Abendessen mit einem völlig fremden Mann umzogen.
„Es freut mich, daß Sie es sich bequem gemacht haben“, bemerkte Diane
lächelnd.
Bei ihrem Eintreten legte Kent die Zeitschrift beiseite und schaute zu ihr auf. Er
stieß einen leisen Pfiff aus. „Sie sehen wundervoll aus. Das Kleid steht Ihnen
ausgezeichnet.“
Sie freute sich über das Kompliment, doch sie schaffte es nicht, seinem Blick
standzuhalten. Diane hatte ein lavendelfarbenes Sommerkleid angezogen, das
vorne geknöpft war und ihre schlanke Figur betonte.
„Das ist nicht gerade das Neueste. Es tut mir leid, daß ich nichts Schickeres
habe, aber…“
„Sie meinen, etwas in blauer Seide, am Rücken tief ausgeschnitten und
schulterfrei?“
„Ja, etwas in dieser Art.“
„Das finde ich zu auffallend. Mir gefällt besser, was Sie jetzt tragen. Es bringt
ihre Figur genau richtig zur Geltung.“ Er erhob sich vom Sofa und war mit ein
paar raschen Schritten bei ihr. Er betrachtete sie, wie ein Künstler ein Gemälde
ansehen würde. „Das ist ein wunderschönes Schmuckstück.“
„Danke.“ Sie betastete das goldene Amulett an ihrem Ausschnitt. Ihr
Lieblingsanhänger. Eine winzige Wanderdrossel auf einem Ast. Die kleinen
Diamanten, die die Augen darstellten, funkelten.
„Wenn Sie das Haar zurückgekämmt haben wie jetzt, sollten Sie Ohrringe
tragen“, meinte Kent. „Etwas, was zu dem Anhänger paßt.“
„Ich habe noch nicht das Richtige dazu gefunden. Er ist immerhin über
hundertfünfzig Jahre alt.“
„Ah, vermutlich von Ihrer Urgroßmutter.“
Diane nickte. „Ich wurde nach ihr benannt, und ich hatte das Glück, etwas von
ihren Wertsachen zu erben.“
„Sie hatte einen ausgezeichneten Geschmack und eine reizende Urenkelin.“
Er fuhr Diane mit der Hand über den Nacken, ließ das Haar durch die Finger
gleiten und beobachtete, wie die glänzende Pracht weich auf ihre Schultern
zurückfiel. Einen Moment lang verharrte er mit erhobener Hand und sah auf sie
hinab wie jemand, der mit den widerstreitendsten Gefühlen kämpfte.
Diane klopfte das Herz bis zum Hals, als sich ihre Blicke trafen.
Was ging in ihm vor? Warum schaute er sie so eigenartig an? Sie betrachtete
seine vollen, sinnlichen Lippen. Wie mochte es sein, von ihm geküßt zu werden?
Unvermittelt schob Kent die Hände in die Taschen und trat einen Schritt zurück.
Diane verspürte Erleichterung. Oder war es etwa Bedauern?
„Was halten Sie davon, wenn wir jetzt essen gehen?“ fragte er mit belegter
Stimme.
3. KAPITEL Diane und Kent saßen an einem Tisch am Fenster, das einen herrlichen Ausblick auf den breiten weißen Sandstrand und die Brandung bot. Bisher war Diane noch nie im „Maximilian’s“ gewesen, doch sie hatte die elegante Fassade des Gebäudes oft bewundert, wenn sie auf einem Spaziergang an dem Restaurant vorbeigekommen war. Es war sowohl luxuriös als auch gemütlich eingerichtet. Auf jedem Tisch standen geschmackvolle Blumenarrangements, und fast überall im Raum entdeckte man Motive aus der Seefahrt. Sie unterhielten sich angeregt. Kent konnte nicht genug über Diane erfahren, und sie war ebenfalls fasziniert von dem, was er erzählte. Jede neue Einzelheit über sein Leben erschien ihr aufregend und weckte in ihr den Wunsch, Kent noch besser kennenzulernen. „Wie lange arbeiten Sie schon für KICK?“ fragte er, nachdem der Kellner Muschelsalat als Vorspeise serviert hatte. „Seit zwei Jahren.“ „Ich habe während des Flugs heute morgen einen Artikel über Sie in der ,Los Angeles Times’ gelesen. Anscheinend sind Sie eine Berühmtheit.“ „Sie übertreiben. Ich arbeite nur bei einem kleinen Sender. Die Leute kennen meine Stimme, doch niemand weiß, wie ich aussehe. Gott sei Dank“, fügte sie halb im Spaß, halb im Ernst hinzu. „Wie meinen Sie das?“ Kent trank einen Schluck Wein. „Wollen nicht alle Künstler gern wiedererkannt werden.“ „Ich nicht. Meine Stimme.“ Diane zögerte, bevor sie fortfuhr. „Sie haben es vielleicht bemerkt… sie ist sehr dunkel. Sie paßt nicht zu meinem Aussehen. Seit meinem zwölften Lebensjahr haben mich die Leute deswegen oft aufgezogen. Offenbar erwarten die Hörer meiner Sendungen eine rassige Schönheit und sind enttäuscht, wenn sie mir dann gegenüberstehen.“ Er schwieg einen Augenblick und betrachtete sie. „Ich war nicht enttäuscht“, entgegnete er leise. Diane wich seinem Blick aus. „Sie… waren es nicht?“ „Nein.“ Es klang bestimmt. „Ich finde, die Stimme paßt sehr gut zu Ihnen.“ Diane hatte das Gefühl, Kent wollte noch etwas hinzufügen. Unbewußt hielt sie den Atem an, da sie ein Kompliment erwartete. Doch er sagte nichts dergleichen, sondern nippte an seinem Wein, und sie kämpfte gegen die Enttäuschung an. „Während Sie sich umzogen, habe ich mir Ihre Büchersammlung angeschaut“, sagte er und bestrich sich eine Scheibe Brot mit Butter. „Sehr eindrucksvoll.“ „Meine Büchersammlung?“ Sie lachte. „Von Sammlung kann eigentlich kaum die Rede sein. Meinen Sie die Bücher auf dem Tisch, auf der Couch oder die in den Regalen und im Schrank?“ „Alle. Wir mögen anscheinend die gleiche Lektüre. Ich entdeckte einige meiner Lieblingsautoren.“ Sie blickte ihn angenehm überrascht an, „Das Problem ist, daß ich alle Werke aufbewahre, selbst jene, die zur leichten Unterhaltungsliteratur gehören. Die Regale und Schränke quillen schon seit langem über, doch Bücher sind wie gute Freunde, von denen ich mich nicht trennen kann.“ „Bei mir ist es genauso. Nur habe ich mehr Platz. In meinem Wohnzimmer reichen an zwei Wänden die Regale vom Boden bis zur Decke. Bücher sind die beste Gesellschaft für jemanden, der allein lebt.“ Sie nickte. „Ich weiß, was Sie meinen. Man vergißt, wie einsam man ist. Ich lese beim Essen, vor dem Schlafen…“ „Es tröstet einen über die Einsamkeit hinweg, nicht wahr?“
Ihre Blicke trafen sich.
„Gefällt es Ihnen, allein zu leben?“ fragte Kent sanft.
Diane spielte mit der blauen Serviette, die auf ihrem Schoß lag. „Es… macht mir
nichts aus. Ich bin seit fünf Jahren allein. Ich glaube, ich habe mich daran
gewöhnt.“ Sie lachte leise. „Ich sollte mich jedenfalls daran gewöhnt haben, denn
es bleibt mir nichts anderes übrig. Ich war einmal verheiratet. Die Ehe dauerte
knapp ein Jahr. Ich werde nicht noch einmal heiraten.“
„Man soll niemals nie sagen. Sie wissen nicht, wen Sie noch kennenlernen
werden. Vielleicht hatten Sie nur den falschen Mann geheiratet.“
„Das glaube ich nicht. Das Ende der Beziehung war vorhersehbar, ganz gleich,
wen ich geheiratet hätte.“ Sie hoffte, er würde das Thema nicht weiterverfolgen.
Die letzten Monate vor der Scheidung waren ein Tiefpunkt in ihrem Leben
gewesen, und sie mochte nicht mehr daran denken.
„Und wie ist es bei Ihnen?“ fragte sie. „Waren Sie ebenfalls verheiratet?“
„Nein.“
„Erstaunlich! Anfang Dreißig und Junggeselle?“
Er lächelte. „Siebenunddreißig. Aber danke für das Kompliment.“
Sie wartete darauf, daß er noch mehr dazu sagte. Ein so gutaussehender,
charmanter und erfolgreicher Mann konnte kaum noch Junggeselle sein, wenn er
nicht grundsätzlich etwas gegen die Ehe hatte. Doch er schwieg und sah sie über
den Rand seines Weinglases hinweg an.
Ihr Puls beschleunigte sich unter seinem prüfenden Blick. Verwirrt schaute sie
aus dem Fenster.
Der Sonnenuntergang färbte den Himmel golden und purpurn. Ein paar
unermüdliche Surfer glitten elegant über die Wellenkämme.
„Ich glaube, wir beide könnten ohnehin nicht heiraten“, meinte Kent
unvermittelt.
Diane schaute ihn überrascht an.
„Wir müßten zwei Exemplare von jedem Buch im Haus haben“, erklärte er weich.
Ihr Herz klopfte heftig. „Stimmt. Es würde Probleme mit dem Platz geben.“
Sie wußte nicht, was sie als nächstes sagen sollte. Zu ihrer Erleichterung
servierte der Ober den Hauptgang. Frischen Hummer, der am Morgen aus Maine
eingeflogen worden war, wie der Kellner bei Aufnahme der Bestellung betont
hatte.
„Ah, sehen Sie sich diese Prachtexemplare an“, forderte Kent sie begeistert auf.
„Und all diese köstlichen Beilagen. Ich glaube, wir haben die richtige Wahl
getroffen.“
Er schaute ihr dabei lächelnd in die Augen, und sie fragte sich, ob seine Worte
noch eine andere, tiefere Bedeutung hatten.
Während Diane und Kent das Essen genossen, plauderten sie entspannt
miteinander. Sie stellten fest, daß sie den gleichen Geschmack hatten, was Filme
und Musik betraf, und daß sie beide gern in Musicals gingen. Diane erzählte von
ihrem wundervollen Zuhause in Pasadena und erklärte ihm, wie traurig sie
gewesen war, nachdem ihre Eltern das Anwesen verkauft hatten und nach Florida
gezogen waren. Kent hatte sein Leben lang in Seattle gewohnt. Er berichtete,
daß sein Vater und seine Mutter sowie die meisten seiner Verwandten noch dort
lebten. „Washington ist ein schöner Staat. Das ganze Jahr hindurch ist alles grün.
Von meinem Bürofenster im zehnten Stock habe ich einen phantastischen
Ausblick auf die Elliot Bay. Wenn die Sonne scheint, hat der Himmel ein so tiefes
Blau, wie Sie es noch nie gesehen haben.“
„Waren Sie schon zuvor in Südkalifornien?“ wollte Diane wissen.
„Ein paarmal. Mir ist es hier zu heiß. Und zu dunstig.“
„So ist es nicht immer. Heute hätte man zwar Pfannkuchen auf dem Asphalt backen können, aber kommen Sie mal im Frühling oder Winter hierher. Ich wette, der Himmel ist hier mindestens so blau wie in Seattle.“ „Ja, ich habe Tage erlebt, an denen es so war“, gab er zu. „Doch ich möchte Washington nicht gegen Kalifornien tauschen.“ Er faltete die Serviette, legte sie auf den Tisch und setzte sich zurück. „Ihnen gefällt es hier?“ „Sehr. Keine zehn Pferde würden mich von hier fortbekommen, und besonders nicht, seit ich meine Nachmittagssendung habe.“ „Ihre Arbeit bedeutet Ihnen viel“, stellte er fest. Diane nickte. Sie erzählte ihm von ihrer Tätigkeit im Studio, vom Konkurrenzkampf unter den Diskjockeys und vom ständigen Bemühen um bessere Einschaltquoten. Auch berichtete sie von der Schwierigkeit, einen neuen Job bei einem anderen Sender zu finden, falls man die alte Arbeitsstelle verlor. Der Kellner brachte das Dessert – köstliches ZitronenSorbet. „Jetzt habe ich viel zuviel über mich geredet“, meinte Diane, nachdem sich der Ober wieder entfernt hatte. „Sprechen wir jetzt über Sie. Erzählen Sie mir, wie Sie zu einem solch erfolgreichen Geschäftsmann geworden sind.“ Er beantwortete ihre Fragen knapp, doch verhehlte er dabei seine Begeisterung nicht. Obgleich er stolz auf seine Erfolge war, zeigte er keine Spur von Selbstgefälligkeit oder Arroganz. Nach seinem Ingenieurstudium hatte Kent eine Zeitlang bei Boeing gearbeitet und sich schließlich entschlossen, eine eigene Firma zu gründen, die Flugzeuginstrumente und teile herstellte. Das Geschäft florierte nach ein paar Jahren, und er investierte in andere Branchen. „Sparkle Light“ war seine letzte Errungenschaft. „Warum ausgerechnet eine Limonadenfirma?“ erkundigte sich Diane. „Alles andere hat im Grunde mit Technik und Flugzeugen zu tun. Die Limonade paßt doch nicht dazu.“ „Das Vorhaben versprach Profit. Es war eine Herausforderung für mich.“ „Und Sie haben praktisch mit nichts angefangen.“ Diane schüttelte verwundert den Kopf. „Beinahe habe ich den Eindruck, Sie lernten schon erfolgreich Geschäfte zu machen, während Ihre Altersgenossen noch Räuber und Gendarm spielten.“ Kent antwortete nicht. Statt dessen blickte er aus dem Fenster. Die Sonne war inzwischen untergegangen, es war dunkel geworden. Eine steife Brise wehte vom Meer her, so daß sich Schaumkronen auf den Wellen bildeten. „Um ehrlich zu sein, ich hatte nie vor, Geschäftsmann zu werden“, sagte er schließlich leise. „Seit ich Gary Grant in dem Film ,Only Angels Have Wings’ gesehen hatte, wollte ich Pilot werden. Schon als Junge war ich verrückt nach Flugzeugen, Helikoptern, Raumschiffen – nach allem, was fliegt. Ich bastelte Modelle und las jedes Buch, das ich über dieses Thema auftreiben konnte. Ich war fest entschlossen, eines Tages Pilot bei einer Fluggesellschaft oder bei der Air Force zu werden.“ „Deshalb wußten Sie die Antwort auf die schwierige Preisfrage!“ entfuhr es Diane. „Ich war überzeugt davon, daß Sie die harte Nuß nicht knacken würden.“ Er lächelte und legte eine Hand auf ihre. „Glück für mich, daß ich die Antwort wußte.“ Bei der sanften Berührung schlug Dianes Herz schneller, und sie spürte ein Prickeln auf ihrer Haut. „Warum sind Sie nicht Pilot geworden? Weshalb haben Sie sich anders entschieden?“ „Ich habe mich nicht anders entschieden.“ Zu ihrer Überraschung und Enttäuschung zog er unvermittelt seine Hand zurück. „Gewisse Umstände hielten
mich davon ab, mir diesen Berufswunsch zu erfüllen. Ich dachte, Flugzeuge zu konstruieren, oder wenigstens Teile davon, wäre ein annehmbarer Ersatz für das Fliegen, doch das hat sich als Irrtum erwiesen.“ Er schwieg und schaute in seine leere Kaffeetasse. Sie merkte, daß ihn das Thema aufwühlte. Am liebsten hätte sie ihm über die Wange gestrichen, um die Anspannung von ihm zu nehmen. Unerwartet schob er den Stuhl zurück und erhob sich. „Was halten Sie davon, wenn wir gehen, bevor man von uns Miete für diesen Tisch verlangt?“ fragte er. Die zwanzigminütige Fahrt zu Dianes Haus verlief schweigend. Diane schaute aus dem Fenster zu den dunklen Reihenhäusern, an denen sie vorbeifuhren. Was hat Kent davon abgehalten, Pilot zu werden? fragte sie sich. Er hatte ihr bereitwillig vieles andere über sich erzählt. Weshalb war er auf einmal so verschlossen gewesen, als dieser Punkt zur Sprache gekommen war? Inzwischen hatte Kent das Viertel erreicht, in dem sie wohnte. Kurz darauf hielt er in der Zufahrt vor ihrem Reihenhaus und begleitete Diane danach bis zur Tür. Sollte sie ihn noch ins Haus bitten? Nein, besser nicht, eine Einladung könnte ihn auf falsche Gedanken bringen. Sie zog den Schlüsselbund aus ihrer Handtasche. „Gute Nacht, Kent. Ich danke Ihnen für…“ „Warten Sie.“ Er legte eine Hand auf ihren Arm und nahm ihr mit der anderen die Schlüssel ab. „Wissen Sie, warum ich heute nachmittag beim Sender erschienen bin?“ Diane sah überrascht zu ihm auf. „Um die Karten für das Gratisdinner abzuholen.“ Kaum hatte sie das gesagt, wurde ihr klar, wie lächerlich es klang. Kent war nicht auf Freikarten für ein Dinner angewiesen. „Das war nur ein Vorwand. Ich kam, um Sie kennenzulernen.“ „Oh“, war alles, was sie hervorbrachte. Sie fühlte sich geschmeichelt. „Als ich Sie im Radio hörte, interessierte ich mich für Ihr Aussehen“, erklärte Kent, während er mit dem Schlüsselbund spielte. „Ich beschäftigte mich immerzu mit der Frage, wie die Frau sein mochte, der diese sinnliche Stimme gehört.“ Diane bemühte sich, die Freude über das Kompliment zu verbergen. „Ich bin nicht so, wie ich mich während der Sendung gebe, wissen Sie. Es ist nur eine Rolle, die ich spiele, weil es meinem Programmdirektor so gefällt. Er ist der Ansicht, das hält die Einschaltquoten hoch.“ „Sie brauchen sich nicht zu verteidigen. Ich finde Sie großartig in der Sendung. Jeder normale Mann in Südkalifornien empfindet es sicher genauso. Sie müssen Hunderte von Anrufen und Säcke von Verehrerpost erhalten.“ „Ja, es kommt so einiges. Auch wartet abends manchmal irgendeiner vor der Rundfunkstation, um mir anzubieten, mich heimzufahren.“ Kent legte die Hände auf ihre Hüften. „Haben Sie jemals solch eine Einladung angenommen?“ „Niemals.“ Er stand jetzt dicht bei ihr! Sie hatte den Wunsch, sich an ihn zu schmiegen und die Wärme seines Körpers zu spüren. „Eine herzlose und abweisende Frau“, scherzte er. „Das stimmt nicht. Ich begegne meinen Fans nicht sehr oft. Meistens arbeite ich bis spät abends.“ Kent lachte. „Genau das sagte die Dame am Empfang: ,Wenn Diane erfährt, daß Sie hier sind, wird sie sich bis zehn Uhr im Studio verstecken. Sie sollten besser ohne Voranmeldung hineingehen.’ Das habe ich dann getan. Ich hoffe, es hat Sie nicht zu sehr gestört?“ „Es hat mir nichts ausgemacht.“
Diane spürte, wie Kents Hand von ihrer Hüfte aufwärts zum Rücken glitt. Im nächsten Moment zog er sie an sich. Sie erbebte innerlich, als er sie an sich preßte. Sanft fuhr er mit den Fingerspitzen über die weiche Haut ihres Nackens und verweilte kurz an ihrem Ohrläppchen. Einen Augenblick lang schaute er sie stumm an, und das Licht einer Straßenlampe spiegelte sich in seinen Augen. Dianes Herz klopfte wie wild. Sie wußte, Kent würde sie gleich küssen. Und in diesem Moment erkannte sie, daß sie sich danach sehnte, seit sie ihn zum erstenmal gesehen hatte. Doch sie durfte es nicht zulassen. Löste sie sich jetzt nicht aus der Umarmung, würde das Verlangen in ihr übermächtig werden. Schon seine Berührung und seine Nähe erregten sie so sehr, daß sie sich kaum noch zurückhalten konnte. Wenn er sie küßte, würde sie wehrlos ihren Gefühlen ausgeliefert sein. Kent würde nur für wenige Tage hier sein. Es war ungewiß, ob er jemals wieder herkommen würde. Außerdem konnte sie sich mit keinem Mann einlassen, selbst dann nicht, wenn er nebenan wohnte. Wie lange würde sie bei KICK beschäftigt sein? Ein weiteres Jahr, vielleicht zwei? Danach mußte sie wie immer weiterziehen, zum nächsten Sender, in eine andere Stadt. Sie konnte nie lange genug irgendwo bleiben, um eine feste Verbindung einzugehen. Kent Harrison lebte über tausend Meilen von hier entfernt. Ganz gleich, wie sehr sie sich zu ihm hingezogen fühlte, sie wußte, daß Beziehungen über diese weiten Entfernungen zum Scheitern verurteilt waren. Sie hatte diese Erfahrung mit Steve gemacht, und der Schmerz war immer noch nicht ganz überwunden. Nein, sie würde nicht noch einmal diesen Fehler begehen. „Ich muß jetzt gehen. Es ist schon spät.“ Sie versuchte, sich aus Kents Armen zu befreien, doch er verstärkte seinen Griff. „Ist das wirklich der Grund?“ „Ja. Ich muß morgen früh zum Sender. Und Sie haben bestimmt noch eine lange Fahrt zum Hotel vor sich.“ Er zuckte gleichmütig mit den Schultern. „Vielleicht.“ „Wie meinen Sie das?“ fragte sie plötzlich alarmiert. „Haben Sie etwa keine Unterkunft?“ „Nein, ich habe noch keine. Ich hatte ein Zimmer in einem etwas außerhalb gelegenen Hotel reserviert. Ich war gerade nach einer Besprechung auf dem Weg dorthin, als ich Sie im Radio hörte.“ Funken schienen in seinen Augen zu tanzen. „Ich bin gar nicht erst zum Hotel gefahren, somit wird man das Zimmer anderweitig vergeben haben.“ Diane löste sich von ihm und wich einen Schritt zurück. Er rechnet doch nicht damit, daß er bei mir übernachten kann? durchfuhr es sie. „Bestimmt ist das Zimmer nicht an jemand anders vergeben worden. Sie können telefonisch nachfragen. Und wenn es doch belegt sein sollte, können Sie ein anderes Hotel…“ „Entspannen Sie sich. Ich finde schon irgendwo eine Unterkunft.“ Sie atmete erleichtert auf. „Sicher. Wollen Sie mein Telefon benutzen?“ „Nein, danke.“ „Wie lange, sagten Sie, bleiben Sie hier?“ fragte Diane. „Zwei Tage. Ich fliege morgen nachmittag zurück.“ „So.“ Mehr fiel ihr nicht ein. „Hätten Sie Lust, mich mal anzurufen, wenn ich in Seattle bin?“ „Natürlich“, sagte sie, doch sie wußte, daß sie es nicht tun würde. „Selbstverständlich rufe ich zuerst an.“ „Das freut mich.“ „Gut.“ Kent ergriff ihre Hand und reichte ihr den Schlüsselbund. Kurz darauf schloß sie die Tür auf. Ein schneller und endgültiger Abschied – so
wollte sie es doch, oder nicht?
„Danke für die Gesellschaft beim Essen“, meinte er. „Ich habe sie genossen.“
Diane wandte sich zu ihm um. Sie wollte ihm sagen, wie sehr es ihr gefallen
hatte und wie gern sie ihn wiedersehen würde, doch sie schwieg.
„Gute Nacht“, wünschte er.
„Gute Nacht.“
Leb wohl, fügte sie in Gedanken hinzu.
Diane wandte sich hastig um und ging ins Haus.
4. KAPITEL Diane schlief schlecht. In den wenigen Stunden, in denen sie in dieser Nacht Ruhe fand, träumte sie von Kent. Am Morgen brachte sie lustlos ihre Aerobic Übungen hinter sich und bereitete sich das übliche Frühstück zu – eine halbe Grapefruit, ein pochiertes Ei und Kaffee. Doch immer wieder kehrten ihre Gedanken zu Kent zurück. Es war nur eine einmalige Verabredung, rief sie sich in Erinnerung. Das war der einzige Grund, weshalb sie seine Einladung angenommen hatte. Somit brauchte sie nicht zu befürchten, es könnte sich eine Beziehung entwickeln. Während sie das Geschirr abräumte und in die Spülmaschine sortierte, wurde ihr bewußt, wie stark sie sich vom ersten Augenblick zu diesem Mann hingezogen gefühlt hatte. Du mußt dich ablenken, mußt Kent aus deinen Gedanken verbannen, redete sie sich ein. Plötzlich war ihr die Unordnung in ihrem Haus eine willkommene Herausforderung. Im Laufe des Vormittags räumte sie auf, saugte und schrubbte sogar den Küchenboden. Im Schlafzimmer sah es immer noch wüst aus, doch dort würde sie später Ordnung schaffen. Nach einem schnellen Mittagessen fuhr sie zum Sender. Sie betrat das Gebäude durch den Seiteneingang und hoffte, daß Barbara zu beschäftigt war, um sie zu behelligen. Leider erfüllte sich dieser Wunsch nicht. Kaum war Diane im Studio, da tauchte Barbara schon auf. „Diane! Da bist du ja! Ich bin fast vor Neugier gestorben…“ Betroffen hielt Barbara inne, sobald sie Dianes traurige Miene bemerkte. „Was ist passiert? Bist du nicht mit ihm ausgegangen?“ „Doch“, gab Diane einsilbig zur Antwort. „Und?“ „Laß mich in Ruhe“, fuhr sie Barbara an. „Was soll das heißen? Laß dir doch nicht alles aus der Nase ziehen! Was ist passiert?“ „Wir fuhren zum Essen. Anschließend brachte er mich wieder nach Hause“, erklärte Diane knapp. „Und das war alles?“ fragte Barbara ungläubig. „Das war alles“, bestätigte Diane. „Warum hast du ihn nicht zu dir hereingebeten, ihn nicht ein bißchen ermuntert? War er so ein Scheusal?“ „Nein“, erwiderte Diane heftig. „Das war er bestimmt nicht.“ „Aber dann… du wirst ihn doch wiedersehen, nicht wahr?“ „Wie soll ich das anstellen?“ Diane atmete tief durch. „Er wohnt in Seattle.“ „Na und? Wofür gibt es Flugzeuge? Himmel, Diane, welch ein faszinierender Mann! Ich war überzeugt davon, daß du verrückt nach ihm sein wirst. Und wie weltmännisch er erst die Sache mit Sam geregelt hat.“ Barbara warf Diane einen forschenden Blick zu. „Du bist mir doch nicht böse, weil ich ihn gestern zu dir geschickt habe?“ Diane zuckte mit den Schultern. „Nein, ich bin nicht böse. Ich will nur nichts mehr davon hören. In Ordnung?“ In gespielter Verzweiflung hob Barbara die Hände. „Du bist unmöglich!“ Sie wandte sich zum Gehen und stieß fast gegen Tom, der mit einem gewaltigen Strauß langstieliger roter Rosen in einer Kristallvase auf der Türschwelle aufgetaucht war. „Sind die für mich?“ rief Barbara erfreut. „Leider nicht.“ Tom schaute um die Rosen herum und grinste Diane an. „Sie sind
für die reizende Lady mit dem TShirt. Sag besser schnell, wo ich sie hinstellen soll, denn ich breche sonst unter der Last zusammen.“ Überrascht blickte Diane auf die roten Rosen. Es mußten mindestens zwei Dutzend sein, die mit Farn und Schleierkraut in einer hohen Kristallvase standen. Sie drängte sich an Barbara vorbei und nahm den kleinen Umschlag ab, der an der Vase befestigt war. Daraufhin wandte sich Diane um, zog die Karte heraus und las: „Für die schönste Frau, mit der ich jemals Hummer gegessen habe. Kent.“ Diane hatte unbewußt den Atem angehalten. Jetzt bemerkte sie, daß Barbara ihr über die Schulter spähen wollte, und drückte die Karte an ihre Brust. „Das ist etwas Privates, Barbara.“ „Nur zum Essen gefahren, wie? Ihn niemals wiedersehen, ja?“ Barbara lachte zufrieden, schüttelte den Kopf, daß ihr schwarzes Haar flog. Kurz darauf verließ sie das Studio. „Wenn du mir nicht endlich sagst, wohin damit, dann lasse ich die Vase fallen“, meinte Tom. „Entschuldigung. Ich nehme sie.“ Tom reichte sie Diane, und sie atmete den Duft der Rosen ein. „Was ist überhaupt los?“ erkundigte sich Tom. „Ist jemand gestorben?“ Auf ihren vernichtenden Blick hin grinste er und zog sich eilig mit einer übertriebenen Verbeugung zurück. Kurze Zeit später schaute Diane zur Uhr. Normalerweise verging der Nachmittag im Studio sehr rasch. Doch heute schien die Zeit stillzustehen. Der Duft der Rosen erfüllte den kleinen Raum. Sie fragte sich, ob sich Kent schon in der Maschine nach Seattle befand. Vielleicht hat er noch eine geschäftliche Besprechung und reist erst später ab, dachte Sie. Würde er sie dann vor dem Abflug anrufen? Sie konnte sich kaum konzentrieren. Irgendwie schaffte sie es dann doch, ihre Schicht zu beenden. Um achtzehn Uhr schlenderte sie betont lässig zum Empfang. Dort erkundigte sie sich, ob jemand angerufen hatte oder vorbeigekommen war und eine Nachricht für sie hinterlegt hätte. „Bedaure“, antwortete Barbara. „Kent Harrison hat sich hier nicht blicken lassen. Ich wünsche dir für morgen mehr Glück.“ Diane bemühte sich, ihre Enttäuschung zu verbergen. Kent war abgeflogen, ohne sich noch einmal bei ihr zu melden! Sie zog sich ins Tonstudio zurück, wo sie noch einige lustige Spots und Geräuscheffekte von Platten auf Band aufnahm. Gegen halb acht brachte ihr jemand einen Hamburger, den sie hungrig aß. Um halb zehn fuhr sie schließlich müde nach Hause. Wenig später war sie daheim. Sie wollte gerade das Garagentor schließen, als sie das Geräusch eines herannahenden Autos hörte. Reifen quietschten. Ein dunkelgrüner Sportwagen bog in die Zufahrt und hielt neben ihr. Kent lehnte sich aus dem offenen Fenster. „Gerade nach Hause gekommen?“ Diane war überrascht und aufgeregt zugleich. Wie freute sie sich, ihn wiederzusehen. Nachdem sie das Garagentor geschlossen hatte, ging sie zu ihm. „Danke für die Rosen“, sagte sie. „Sie sind wunderschön.“ „Es war mir ein Vergnügen.“ Im Schein der Straßenlampe erkannte sie, daß Kent einen grauen Nadelstreifenanzug, ein hellblaues Hemd und eine dazu passende Krawatte trug. Er sah umwerfend gut aus. Sein rötlichbraunes Haar war vom Wind zerzaust. Er mußte bei heruntergekurbelter Scheibe gefahren sein, wie sie es ebenfalls gern tat.
„Hatten Sie nicht vorgehabt, nach Seattle zu fliegen?“ „Die Besprechung dauerte länger, als ich gedacht hatte. Ich werde noch einen Tag länger hierbleiben. Die Kunden, mit denen ich zusammen war, bestanden darauf, mich zum Essen einzuladen. Es war ganz unterhaltsam, doch ich konnte es kaum erwarten, von dort wegzukommen. Schließlich erklärte ich, ich hätte heute abend eine Verabredung. So konnte ich mich verabschieden, ohne unhöflich zu wirken.“ „Haben Sie eine?“ erkundigte sich Diane. „Was soll ich haben?“ „Eine Verabredung für heute abend.“ „Das wollte ich Sie gerade fragen. Mögen Sie Eiscreme?“ Sie lachte. „Ich kenne niemanden, der das nicht mag.“ „Dann steigen Sie ein.“ Sollte sie? Wie gern hätte sie seine Einladung angenommen! Verbrachte sie jedoch weitere Stunden mit ihm, würde es sie am nächsten Tag noch trauriger machen, wenn er wieder aus ihrem Leben verschwand. Sie strich sich eine Haarsträhne zurück und wies auf ihr TShirt und die kurzen Jeans. „Meine Kleidung ist gut genug für die Arbeit im Studio, aber ich bezweifle, ob sie passend für einen Abend in der Stadt ist.“ Sein Blick glitt über ihre nackten Beine, und sie sah Bewunderung in seinen Augen. „Ich bin viel unpassender für den Ort gekleidet, zu dem ich Sie führen möchte. Wenn ich mich richtig erinnere, stand auf dem Schild ,Schuhe und Hemd erwünscht’. Von einem Anzug war also nicht die Rede.“ Diane lachte. „Ich weiß nicht, Kent. Ich…“ „Kommen Sie, Lady.“ Er öffnete die Beifahrertür. „Seien Sie kühn. Ich verspreche Ihnen einen vergnüglichen Abend.“ Diane vergaß alle Einwände und stieg ein. „Sie waren der letzte, den ich heute abend erwartet hatte“, erklärte sie, während er im Rückwärtsgang auf den Beach Boulevard fuhr. Kent warf ihr einen kurzen Blick zu, bevor er sich wieder auf die Straße konzentrierte. „Ich wollte nicht abfliegen, ohne Sie wiedergesehen zu haben.“ Neugierig erkundigte er sich, wie sie den Tag verbracht hatte, und schien sich für die geringfügigsten Einzelheiten zu interessieren. Anschließend erzählte Kent, er habe langweilige Besprechungen hinter sich, und der Höhepunkt seines Tages sei das Abendessen gewesen. „Aber ohne Ihre Gesellschaft schmeckte es mir nicht so gut“, fügte er charmant hinzu. Rasch schaute sie aus dem Fenster, um sich ihre Freude über seine Bemerkung auf gar keinen Fall anmerken zu lassen. Er fuhr zum Huntington Beach und parkte nur wenige Blocks von dem Restaurant entfernt, in dem sie am Vorabend gegessen hatten. Er wies zu einer kleinen Eisdiele. „Was halten Sie von einem großen Eisbecher und einem Spaziergang am Strand?“ „Phantastisch!“ Diane stieg aus dem Wagen. Die Luft war kühl und roch nach frischem, salzigem Meerwasser. Kent öffnete die Tür zur Eisdiele, und er trat mit Diane ein. Ein junges Mädchen mit weißem Kittel, das die lange Theke putzte, begrüßte sie freundlich. „Sie kommen gerade noch rechtzeitig“, meinte sie. „Ich wollte soeben schließen.“ Kent blickte Diane fragend an. „Welches Eis möchten Sie?“ Sie schaute sich einen Augenblick lang das vielfältige Angebot an und tippte dann gegen die Scheibe über einem Behälter mit Pfefferminzeis. „Obwohl mir die Wahl schwerfällt, bleibe ich heute abend bei meinem Lieblingseis.“
Rasch warf Kent einen Blick auf den Kübel mit der blaßgrünen Eiscreme. „Oh, Erdbeereis.“ Diane sah ihn überrascht an. Erdbeereis? Sollte das ein Scherz sein? „Sind Sie farbenblind?“ fragte sie. Sie hatte es im Spaß gesagt. Doch am Ausdruck seiner Augen erkannte sie, daß er es nicht so auffaßte. Sein Gesicht rötete sich leicht. Er wandte den Blick ab und preßte die Lippen aufeinander. „Warum? Was habe ich gesagt?“ „Nichts. Nur…“ Sie hätte sich ohrfeigen können. Warum war sie nicht taktvoller gewesen? „Dieses Eis schmeckt nach Pfefferminz. Es ist grün.“ „Oh.“ Er überspielte seine Verlegenheit und gab zu: „Ja, ich bin farbenblind.“ Schnell wandte er sich an das Mädchen hinter der Theke, das ihn neugierig anschaute. „Eine große Portion Pfefferminzeis.“ Danach bestellte er für sich Pfirsicheis, bezahlte und verließ mit Diane das Cafe. „Es tut mir leid, Kent“, begann Diane, sobald sie draußen waren. „Ich…“ „Vergessen Sie es.“ Mit seinem scharfen Tonfall gab er ihr zu verstehen, daß er wünschte, sie würde das Thema nicht weiter verfolgen. Sie bedauerte, daß sie ihn in Verlegenheit gebracht hatte. Aber Farbenblindheit ist doch nichts Tragisches, dachte sie. Weshalb ist er in diesem Punkt so empfindlich? „Kommen Sie“, forderte er sie unternehmungslustig auf, ergriff ihren Arm und zog sie mit. Kents Begeisterung übertrug sich auf sie. Bald entdeckten sie eine Treppe, die zum hellerleuchteten Strand führte. Hand in Hand eilten sie hinunter, schlüpften aus ihren Schuhen und ließen sie stehen. Kent rollte die Hosenbeine hoch, und Diane meinte, er sehe aus wie ein Schuljunge mit Knickerbocker. Scherzhaft drohte er ihr an, ihr den Eiscremebecher wegzunehmen, falls sie sich nicht benehmen würde. In bester Stimmung schlenderte sie den breiten Strand entlang durch den kühlen, grobkörnigen Sand, der im Licht der Laternen hellgrau schimmerte. Eine Weile gingen sie schweigend nebeneinander her. Diane genoß es, den feuchten Sand unter den nackten Füßen zu spüren, und ließ sich das Eis schmecken. „Ist es hier nicht großartig?“ fragte Kent, drückte ihre Hand und schwang die Arme. „Ja.“ Diane lachte unbeschwert. „Soviel Spaß habe ich seit langem nicht mehr gehabt. Außerhalb des Senders, meine ich.“ „Warum nicht?“ „Ich weiß es nicht. Oft habe ich bis spät in die Nacht hinein gearbeitet, so daß ich praktisch kein Privatleben hatte und ganz in meiner Arbeit aufging.“ „Man muß sich trotzdem Freizeit gönnen. Sie wirken auf mich nicht wie ein zu ernster Typ. Nach allem, was ich über Leute gelesen habe, die Unordnung mögen…“ „Unordnung mögen!“ Sie boxte ihm leicht gegen den Arm. „Seien Sie nicht unverschämt“, wies sie ihn scherzhaft zurecht. „Was kann ich dafür, daß sich mein Hausmädchen Urlaub genommen hat?“ „Leute, die sich nichts aus Ordnung machen“, fuhr er schmunzelnd fort, „sind meistens wunderbar entspannt. Sie sind aufgeschlossen für neue Ideen, phantasievoll, spontan. Sie reagieren auf die jeweilige Situation. Trifft das nicht auf Sie zu?“ „Manchmal.“ Diane spürte, daß er mit der Frage mehr beabsichtigte, als es den Anschein hatte. „Ich habe in letzter Zeit wenig spontane Leute kennengelernt.“ „Es ist an der Zeit, dies zu ändern“, meinte Kent. Der Schauer, der über Dianes Körper lief, hatte nichts mit der kühlen Brise zu
tun, die vom Meer her wehte. Sie rieb sich fröstelnd die Schultern.
„Kalt?“ fragte er.
„Nein. Der Wind ist recht angenehm“, entgegnete sie.
„Sie können mein Jackett haben, wenn Sie möchten.“ Er wollte das
Nadelstreifenjackett ausziehen.
„Nein, danke, das ist nicht nötig“, wehrte sie hastig ab. „Außerdem würde es
lächerlich aussehen. Die Ärmel würden vermutlich bis zu meinen Knien
hinunterhängen.“
„So groß bin ich nun auch wieder nicht. Gerade ein Meter achtzig.“
„Ich hätte Sie größer geschätzt.“
Kent hatte sein Eis zu Ende gegessen. „Das kommt Ihnen nur deshalb so vor,
weil Sie so eine zierliche Elfe sind.“ Als er die Betroffenheit in ihrem Gesicht
bemerkte, legte er sofort einen Arm um ihre Hüfte. „Was ist schlimm daran, klein
und zierlich zu sein?“
Diane vermochte nicht gleich zu antworten, denn sie war überwältigt von seiner
Nähe und dem weichen Klang seiner Stimme.
„Es ist ein Nachteil. Zum Beispiel reiche ich nicht ohne Leiter an die oberen
Regale in der Küche heran, und Kleidung von der Stange paßt mir erst, nachdem
ich sie kürzer gemacht habe. Wegen meiner geringen Körpergröße war ich oft
gezwungen, besondere Leistungen zu erbringen, um bemerkt und respektiert zu
werden.“
Er betrachtete sie einen Moment nachdenklich. „Sie brauchten sich nicht
anzuschauen, um meine Aufmerksamkeit zu gewinnen, Diane“, wandte er sanft
ein. „Ich finde, Sie haben genau die richtige Größe.“ Er zog sie noch näher zu
sich heran. „Können Sie sich vorstellen, welche Erleichterung es für mich ist, mit
einer Frau auszugehen, die sich keine Sorgen zu machen braucht, ob sie auch
mit hohen Absätzen der Größe nach zu mir paßt?“
Diane lachte. „Solch ein Problem hatte ich nie, ganz gleich, mit wem ich ausging.
Und Gott sei Dank sind Sie nicht höher gewachsen. Somit brauche ich mir nicht
den Hals zu verrenken, um zu Ihnen aufzuschauen.“
„Wenigstens eine Frau, die meine Größe zu schätzen weiß.“
Kent neigte sich vor und schaute in Dianes Eisbecher. „Wissen Sie, Diane, das
Pfirsich und das Pfefferminzeis sehen für mich farblich völlig gleich aus.“
Verstohlen musterte sie ihn. Sie war erleichtert, weil er ungezwungen über sein
Problem sprach, doch sie wußte nicht, was sie darauf erwidern sollte. Die Brise
hatte sein Haar zerzaust, und Diane widerstand dem Wunsch, ihm eine
Haarsträhne aus der Stirn zu streichen. „In welcher Farbe sehen Sie es?“
„So eine Art Hellbraun. Beige, glaube ich. Ich nehme an, es sind in Wirklichkeit
völlig verschiedene Farben.“
Sie nickte. „Haben Sie bei allen Farben Schwierigkeiten?“
„Nein. Hauptsächlich bei Rot und Grün.“
Dianes Eisbecher war nun ebenfalls leer. Jetzt kniete sie sich ein paar Schritte
von Kent entfernt in den Sand und spülte die Hände in den sanft ans Ufer
rollenden Wellen ab.
Plötzlich fielen ihr seine Worte vom Vorabend ein. Kent hatte sich einmal
gewünscht, Pilot zu werden, was jedoch durch gewisse Umstände verhindert
worden war.
Sie erhob sich und schüttelte das Wasser von den Händen. Zögernd fragte sie:
„Wegen Ihrer Farbblindheit konnten Sie nicht Pilot werden, nicht wahr?“
„Ja“, antwortete er knapp.
„Warum ist es so wichtig, die Farben zu unterscheiden?“
„Hauptsächlich wegen der Kontrolleuchten. In der militärischen und zivilen
Luftfahrt hat jedes Licht im Cockpit eine besondere Bedeutung. Grün bedeutet der Status quo. Gelb ist eine Warnung. Niedriger Öldruck zum Beispiel. Rot zeigt Gefahr an, eine Notsituation. An den Flügelspitzen gibt es ebenfalls Lichtsignale. In der Nacht erkennt man an den Farben, ob sich andere Maschinen nähern oder entfernen. Und wenn der Funkverkehr gestört ist, kann der Tower farbige Lichtsignale als Landeanweisungen geben. Sie sehen, wie wichtig es ist, die Signale nicht mißzuverstehen.“ Er lachte bitter auf. „All die anderen Tests habe ich mit Leichtigkeit bestanden, nur diesen nicht.“ „Es tut mir leid, daß Ihr Traum nicht in Erfüllung gegangen ist.“ „Das braucht es nicht. Ich bedaure es jetzt nicht mehr.“ Kent nahm von neuem Dianes Hand und schlenderte mit ihr weiter den Strand entlang. „Ich bin erfolgreich in meiner Arbeit, und ich habe mich nicht unterkriegen lassen. Wenn ich auch nicht für eine Fluggesellschaft oder die Air Force fliegen darf, so kann ich immer noch eine Privatmaschine steuern. Ich muß mich nur auf Tagesflüge beschränken, das ist alles.“ „Wirklich? Sie haben einen Pilotenschein?“ Er nickte. „Und eine zweimotorige Bonanza. Ich benutze sie für Ausflüge und kurze Reisen. Es ist eine großartige kleine Maschine.“ Er redete sich in Begeisterung. „Das Fliegen ist etwas besonders Aufregendes. Dort oben hat man das Gefühl, den ganzen Himmel für sich allein zu haben. Sind sie mal mit einer Privatmaschine geflogen?“ Diane erschauerte. Unangenehme Erinnerungen wurden in ihr wach. „Nein, nie. Und ich möchte es auch in Zukunft nicht. Ich bin kaum imstande, mich auf einem Linienflug zu entspannen.“ Kent wirkte enttäuscht. „Wenn Sie der Ansicht sind, daß diese kleinen Maschinen nicht sicher sind, so irren Sie sich. Es hängt alles von der Erfahrung der Mechaniker und des Piloten ab.“ „Vielleicht.“ Nach dem, was vor drei Jahren passiert war, hatte Diane geschworen, nie in einem Privatflugzeug zu fliegen. Doch daran wollte sie jetzt nicht denken. Der Abend war zu schön mit der leichten, erfrischenden Brise, dem dunklen, samtenen Himmel und dem Meer, dessen aufbrandende Wellen nur ein paar Schritte entfernt an den Strand spülten. Diane schaute zurück und betrachtete die Spuren, die sie im Sand hinterließen. Kents Fußabdrücke sahen im Gegensatz zu ihren groß und tief aus. Sie dachte einen Moment, wie wundervoll es sein würde, immer einen Mann an ihrer Seite zu haben, mit ihm spazierenzugehen, zu reden, alles mit ihm zu teilen. Nicht irgendein Mann, Kent mußte es sein. Energisch schob sie diese Gedanken beiseite, da sie wußte, daß es unmöglich war. Sie fing rasch ein anderes Thema an, um sich abzulenken. „Wie kommen Sie mit den Verkehrsampeln zurecht?“ „Das ist doch einfach. Rot ist immer oben, Grün unten.“ „Natürlich.“ Sie tippte sich an die Stirn. „Aber darüber habe ich noch nie nachgedacht.“ „Es ist nur ein Problem für mich, wenn irgendwo ein einzelnes Signal blinkt. Dann bin ich mir nie sicher, ob es rot oder gelb ist, und so rase ich einfach durch.“ Diane sah ihn bestürzt an, bis sie bemerkte, daß er nur scherzte. Sie lachte. „Sie haben sich anscheinend gut damit abgefunden.“ „Nein, das habe ich nicht.“ Er blieb stehen, nahm sie in die Arme und drückte sie fest an sich. „Wie Ihnen sicher aufgefallen ist, ist es mir immer noch peinlich.“ Ihr Puls beschleunigte sich, als sie seinen muskulösen Körper spürte. Es schien ihr nur natürlich zu sein, daß sie die Arme um seine Taille legte. „Warum ist es
peinlich?“ wollte sie wissen. „Es ist ein Mangel. Etwas ist ständig nicht in Ordnung mit mir. Wenn sich im Herbst die Blätter färben, kann ich das nicht erkennen. Das Laub sieht für mich immer gleich aus: bräunlich.“ Sie umfaßte Kents Hüften und wünschte den Mut zu haben, über seinen Rücken zu streicheln und die Muskeln zu ertasten. „Es tut mir leid, daß Sie soviel Schönes versäumen“, bemerkte sie leise. Er legte den Kopf etwas zurück und betrachtete sie. „,Alle Schönheit, die ich jemals sehen wollte, schaue ich mir in diesem Moment an.“ Zärtlich fuhr er mit dem Zeigefinger über ihre Wange. Als seine Fingerspitze an ihrem Mundwinkel verweilte, blickte er Diane zärtlich an. Sie las in seinen Augen Bewunderung und Verlangen. Diane hatte das Gefühl, daß ihr Herz einen Schlag lang aussetze, und kurz darauf klopfte es nur noch heftiger. Es wäre vernünftiger, sie würde zurückweichen und ihm nur ein freundschaftliches Lächeln schenken. Doch ihre Gefühle waren stärker. Sie schlang die Arme um seinen Nacken, fuhr ihm durch das kurze, weiche Haar und bot ihm die Lippen dar. Überwältigt vom Feuer des Verlangens, flüsterte sie. „Küß mich.“ Kent brauchte keine weitere Aufforderung. Aufstöhnend preßte er den Mund auf ihre Lippen, und sein leidenschaftlicher Kuß raubte ihr den Atem. Es war, als löste sich jetzt all die aufgestaute Spannung. Diane spürte, daß er sich ebensosehr danach gesehnt hatte wie sie. Sein Kuß war nicht sanft, sondern fordernd und besitzergreifend. Kent drückte sie so fest an sich, als wollte er sie nie wieder loslassen. Es machte ihr nichts aus. Sie wollte es nicht anders. So ähnlich mußte sich eine Gefangene fühlen, die ihre Freiheit wiedergewinnt, ein Blinder, der plötzlich wieder sehen kann. Nach einer Weile hob Kent den Kopf, beide atmeten schwer. Sekundenlang tauchten ihre Blicke ineinander, und jeder sah im Gesicht des anderen das Entzücken über diese neue Erfahrung. Diane spürte das Beben seines Körpers, so, als kämpfte Kent gegen den gleichen Aufruhr der Gefühle, der auch in ihr tobte. „Diane“, sagte er leise, und es klang beinahe andächtig. Diesmal küßte er sie zärtlich und langsam. Ihr Mund öffnete sich wie von selbst für seine erkundende Zunge. Sanft streichelte er ihr den Rücken und zog sie fester an sich. Seine Zunge bewegte sich immer fordernder in ihrem Mund auf und ab. Erregt preßte sich Diane an ihn und glaubte, daß sein Herz im Takt mit dem ihren pochte. Kent küßte ihre Wange, den Hals. Dann barg er sein Gesicht in ihrem Haar. Während er heftig atmete, hielt er sie besitzergreifend umfaßt. „Diane…“ raunte er mit belegter Stimme. „Diane. Ich wollte dich vom ersten Augenblick an küssen, als ich dich in deinem Studio sah. Und nachdem ich dich gestern abend in den Armen hielt…“ Er verstummte einen Moment, bevor er fortfuhr. „Ich spürte, daß du noch nicht bereit warst, daß ich zu schnell vorging. Ich kann dir nicht sagen, wie hart es für mich war, zu warten. Ich konnte es kaum ertragen.“ „Du brauchtest nicht lange zu warten“, erwiderte sie leise. „Falsch.“ Er knabberte zärtlich an ihrem Ohrläppchen. „Wir lernten uns gestern nachmittag um fünfzehn Uhr fünfundvierzig bei deiner Sendung kennen. Seither habe ich von dir geträumt. Das war… laß mich überlegen.“ Er schaute auf die Armbanduhr. „Vor einunddreißig Stunden. Glaub mir, das war eine Ewigkeit für mich.“ Er küßte sie erneut, heftiger diesmal. Daraufhin blickte er sie forschend an, als wollte er sich jede Einzelheit ihres Gesichts unauslöschlich einprägen.
Plötzlich schwappte eine kalte Welle über den Sand und spülte um Dianes Knöchel. Kaltes Salzwasser sprühte an ihren nackten Beinen empor. Kent ergriff ihre Hand, und sie liefen ins Trockene. „Laß uns nach Hause fahren.“ Es klang beinahe so, als hätten sie eine gemeinsame Wohnung. Aus irgendeinem Grund störte es Diane nicht. Sie gingen zum Wagen und fuhren zurück. Ihre Füße waren immer noch nackt und mit dem klebrigen Sand des Strandes bedeckt. Diane öffnete die Wagentür. „Komm mit herein, Kent, und wasch dir den Sand ab. Ich werde mexikanischen Kaffee nach meinem Spezialrezept zubereiten.“ „Wer könnte eine solche Einladung ablehnen?“ Diane schloß auf und ließ Kent zuerst eintreten. Erstaunt blieb er stehen, sobald er das blitzblanke, aufgeräumte Wohnzimmer sah. „Was ist hier in den letzten vierundzwanzig Stunden passiert? Ist das Mädchen aus dem Urlaub zurück?“ „Frühjahrsputz“, erwiderte Diane, nahm Kents Hand und zog ihn in die Diele. „Außerhalb der Saison.“ „Das wirkt ja entsetzlich ordentlich.“ „Reg dich nicht auf. In der hinteren Hälfte des Hauses herrscht noch tiefer Winter.“ Sie versuchte ihn rasch durch das Schlafzimmer zum Bad zu bugsieren, damit er nicht das Durcheinander von Kleidungsstücken, Büchern, Nagelpolitur und Parfümflaschen auf ihrem Frisiertisch bemerkte. Doch es schien ihm nicht aufzufallen. Er blieb neben dem ungemachten Bett stehen und umfaßte einen der mit Schnitzereien verzierten Pfosten. „Du hast nicht übertrieben“, stellte er fest. „Du besitzt wirklich ein wunderbares Bett.“ Sie erinnerte sich an ihre Bemerkung vom Vortag über ihr antikes Bett und folgte seinem Blick. Doch er widmete mehr Aufmerksamkeit der zurückgeschlagenen Decke und dem zerwühlten Laken als dem kunstvoll geschnitzten Mahagoni. Sie schob ihn zum Badezimmer. „Du hast keinen Respekt vor Antiquitäten.“ „Und ob!“ widersprach er. „Ich habe einen tiefen und anhaltenden Respekt vor alten Wertgegenständen.“ Er schaute noch einmal zurück, bevor er den Dusch Vorhang vor der Badewanne aufzog. „Na, da ist ja noch eine Antiquität. Eine rosafarbene Badewanne! Wo findet man heutzutage noch so etwas?“ Diane zögerte. Sollte sie es ihm sagen? Die Badewanne war grün. „Du hast recht“, entgegnete sie statt dessen. „Man sieht kaum noch pinkfarbene Wannen.“ Er bemerkte anscheinend seinen Irrtum nicht und ihre Reaktion darauf, und das freute sie. Fragend schaute Kent sie an. „Willst du baden?“ „Nein! Jedenfalls nicht mit dir.“ Sie bemühte sich um einen empörten Tonfall, scheiterte jedoch kläglich. Diane reichte ihm zwei Frotteetücher aus dem Wandschrank und drehte den Wasserhahn auf. „Ich werde mir die Füße abspülen. Oder möchtest du dich zuerst waschen?“ „Nein. Bitte nach dir.“ Sie hielt einen Fuß unter den Wasserstrahl. Dann neigte sie sich vor, wusch den Sand zwischen den Zehen ab und drehte sich, um die Prozedur mit dem anderen Fuß zu wiederholen. Bevor sie halb fertig war, erkannte sie, welch aufreizenden Anblick sie mit ihren viel zu knappen kurzen Jeans bieten mußte. Hastig richtete sie sich auf und fuhr herum. „Laß dich nicht stören“, meinte Kent. Sie sah das begehrliche Funkeln in seinem Blick, und es wallte heiß in ihr auf. „Ich bin schon fertig.“ Rasch nahm Diane das Handtuch und verließ fluchtartig
das Badezimmer. Von ihren Füßen tropfte das Wasser. Wenig später machten es sich Diane und Kent im Wohnzimmer gemütlich. „Das war köstlich“, lobte Kent und trank den Rest Kaffee, den Diane mit einem Schuß Tequila und mit Sahne angereichert hatte. Sie saß neben ihm im Wohnzimmer auf dem Sofa und hatte die nackten Füße, die jetzt sauber und trocken waren, unter sich angezogen. „Vermutlich trinkst du oben in Seattle nicht allzuoft mexikanischen Kaffee“, bemerkte sie. „Das ist ein Nachteil, wenn man im Norden wohnt, man muß auf dieses Getränk verzichten.“ Er warf ihr einen bedeutungsvollen Blick zu. „Da fallen mir noch ganz andere Nachteile ein. Wesentlich schlimmere.“ Kent stellte die Tasse ab, zog Diane an sich und drückte die Lippen auf ihr Haar. „Es war für mich ein wunderbarer Abend.“ „Für mich auch.“ Einen Augenblick lang hielt er sie in den Armen, bevor er sich zu ihr hinunterbeugte und sie zärtlich küßte. Er strich ihr sanft mit den Fingerspitzen über die Wangen, dann senkte er seinen Mund wieder auf den ihren. Eine Woge des Begehrens erfaßte sie, drohte sie mit sich fortzureißen. Erfüllt von brennendem Verlangen drängte sie sich gegen seinen harten Körper und genoß die Wärme, die sie durchflutete. Diane wäre schwach geworden, hätte sie die Stimme der Vernunft überhören können, doch es gelang ihr nicht. So umfaßte sie Kents Schultern und flüsterte: „Warte. Wir sollten…“ „Was sollten wir?“ „Uns gute Nacht sagen. Ich meine auf Wiedersehen. Du mußt morgen nach Hause fliegen und…“ „Muß ich das?“ Er küßte sie zart. „Das liegt ganz bei dir.“ „Bei mir?“ Er nickte und betrachtete sie aufmerksam. „Es hat sich einiges geändert. Ich werde morgen den ganzen Tag auf Konferenzen sein. Freitag abend und das Wochenende könnten wir uns sehen. Wenn du Interesse hast, werde ich bis zur letzten Sekunde bei dir sein, bis Montag morgen.“ Kent suchte in ihren Augen die Antwort. „Willst du, daß ich bleibe?“ Er nutzte Dianes Zögern und senkte die Lippen erneut auf die ihren. Sein Kuß entflammte ein Feuer der Leidenschaft in ihr, das sie erbeben ließ. Sanft streichelte er ihre Schultern, massierte zärtlich ihren Rücken, bevor er zu ihren Brüsten tastete. Diane versuchte zu widerstehen. Vergeblich. Aufstöhnend drängte sie sich an ihn, strich ihm mit den Fingern über den Nacken und durchwühlte sein dichtes Haar. Inzwischen umkreiste Kents Zunge ihre, erkundete jeden verborgenen Winkel ihres Mundes. Behutsam drückte er Diane auf das Sofa hinunter, so daß sie unter ihm lag. Er schob den dünnen Stoff ihres dünnen TShirts nach oben, ließ seine Hände zu ihren Brüsten gleiten und umfaßte sie. Heiße Wellen der Erregung rannen durch ihren Körper unter seinen aufreizenden Berührungen. Sie stöhnte. In stürmischem Verlangen beugte sich Kent hinunter und verschloß ihren Mund mit einem leidenschaftlichen Kuß. Sie spürte seine Erregung, was ihre Begierde nur noch steigerte. Diane war bereit, sich Kent hinzugeben, doch eine mahnende Stimme in ihr rief: Nein! Es darf nicht sein! Mit dem letzten Rest von Selbstkontrolle löste sie sich von ihm. „Kent, warte“, bat sie heftig atmend. „Dies… kommt alles zu schnell. Ich kenne dich noch nicht lange genug. Ich…“
„Ich habe das Gefühl, dich schon mein ganzes Leben lang zu kennen“, erwiderte
er mit heiserer Stimme. Zärtlich strich er ihr über die Wange, hob ihr Kinn und
zwang sie, ihn anzusehen. „Willst du, daß ich bleibe?“
Diane vermochte nicht sofort zu antworten.
5. KAPITEL „Willst du, daß ich bleibe?“ wiederholte Kent mit belegter Stimme.
„Nein!“ Diane riß sich aus Kents Umarmung und sprang auf. Ihre Finger zitterten,
als sie das TShirt hinunterzog.
Langsam setzte sich Kent auf und neigte sich vor. Einen Augenblick lang blickte
er auf den Teppich, atmete dabei tief ein und aus, als ringe er um Fassung. Kurz
darauf sprach er. Seine Haltung war angespannt, doch seine Stimme klang
freundlich.
„Meinst du mit ,nein’, daß ich nicht das Wochenende über bleiben soll, oder soll
das heißen, daß du nicht diese Nacht mit mir verbringen willst?“
Diane wandte sich ab und schaute zum Kamin. Sicher, sie hatte mit Kent
ausgehen wollen, doch sie war entschlossen gewesen, sich nicht auf ein
Liebesabenteuer mit ihm einzulassen. Weshalb waren ihr die Dinge nur so aus
der Hand geglitten?
„Nein ist die Antwort auf beide Fragen“, erklärte sie mit bebender Stimme.
Kent fuhr hoch. „Was soll das heißen?“
Sie drehte sich um und sah ihn ruhig an. „Es ist nicht nötig, daß du deine Pläne
für den Rückflug nach Seattle änderst. Ich werde dich morgen nicht wiedersehen
können.“
Verwundert hob er die Brauen. „Warum nicht? Hast du nicht um sechs frei?“
„Nein. Ich werde noch bis spät in den Abend hinein arbeiten.“
„Wie spät?“
„Das… kommt darauf an. Es müssen eine Reihe von Werbespots aufgenommen
werden. Das kann Stunden dauern. Ich hätte es heute erledigen sollen, aber…“
„Also gut, du bist morgen abend beschäftigt“, räumte er ein. „Wie steht es dann
mit Samstag?“
„Ich habe den ganzen Tag zu arbeiten. Das ganze Wochenende, genauer gesagt.“
„Das gesamte Wochenende?“ Er sah sie ungläubig an. „Was ist denn das für ein
Dienstplan? Du mußt doch irgendwann Freizeit haben!“
„Irgendwann schon“, meinte sie ausweichend. „Diese neue Schicht habe ich
gerade erst übernommen. Der Plan steht noch nicht fest.“
Kent stand auf. „Ich verstehe.“
Schuldbewußt senkte sie den Blick. Wie gern hätte sie ihn jetzt berührt! Sie
sehnte sich danach, von ihm geküßt zu werden, seinen Körper an dem ihren zu
spüren. Doch sie wußte, daß sie sich in Kents Armen und bei seinen erregenden
Zärtlichkeiten von ihren Gefühlen mitreißen lassen würde. Es würde darauf
hinauslaufen, daß er die Nacht mit ihr verbringen würde. Und wenn sie mit ihm
schliefe, würde sie sich nicht mehr gefühlsmäßig von ihm lösen können.
Sie zog sich innerlich von ihm zurück. „Danke für den Spaziergang am Strand,
Kent. Es war… wundervoll. Und nochmals vielen Dank für die Rosen. Ich…“
„Diane!“ Sie zuckte beim scharfen Klang seiner Stimme zusammen. „Ich verlasse
dieses Haus erst, wenn du mir sagst, wann ich dich wiedersehen darf.“
„Du kannst mich nicht wiedersehen.“
„Wenn du an diesem Wochenende beschäftigt bist, habe ich Verständnis dafür.
Ich werde dich anrufen, sobald ich zu Hause bin. Wir werden uns an einem
anderen Wochenende treffen. Im nächsten Monat vielleicht. Dann fliege ich her.“
„Nein!“ Sie wich zurück, als er einen Schritt näher trat, und stieß dabei gegen
den Tisch. „Es ist nicht nötig, Kent. Es war schön, dich kennenzulernen.“ Sie
schaute zu Boden. „Ich werde mich nicht mit dir einlassen… mit keinem.“
„Hör auf damit!“ Im nächsten Moment stand er dicht vor ihr und packte sie bei
den Schultern. „Wir haben uns bereits miteinander eingelassen, verdammt!“
„Nein, das haben wir nicht. Wir dürfen es auch nicht. Du wohnst zu weit fort von hier. Es ist…“ Sie vermochte nicht mehr weiterzusprechen und drehte den Kopf zur Seite, um seinem ärgerlichen Blick auszuweichen. „Es wäre falsch für mich. Für uns beide.“ „Falsch? Wie kann es falsch sein? Diana, unsere Begegnung war etwas Besonderes. Ich fühlte es sofort, als ich dich zum erstenmal sah, und jetzt bin ich mir dessen sicher. Wir sind füreinander bestimmt.“ Er schlang seine Arme um ihren Nacken, hielt sie förmlich gefangen an seiner Brust und neigte sich zu ihr hinab. Diane versteifte sich. Verzweifelt bemühte sie sich, nicht dem heißen Verlangen nachzugeben, das jedesmal ihren Körper zu entflammen schien, sobald Kent sie in seine starken Arme nahm. „Ich spürte gleich, daß du ebenso empfindest wie ich“, fuhr er fort. „Und ich fühle jetzt: Du willst mich ebenso wie ich dich. Gib es zu!“ Sie schloß die Augen und schüttelte abwehrend den Kopf, wollte Kents feurigen Blick und seine sinnlichen Lippen vergessen, die so nahe den ihren waren. „Nein, Kent! Ich…“ Im nächsten Augenblick spürte Diane Kents Mund auf dem ihren. Kent hatte sie fest an sich gepreßt und ließ keinen Widerstand zu. Voller Begehren küßte er sie, während er mit einer Hand über ihren Rücken strich und somit ihr Verlangen ins Unerträgliche steigerte. Eine innere Stimme riet ihr, sich aus Kents Armen zu befreien, sich nicht im Taumel der Leidenschaft zu verlieren. Doch Dianes Willen war ausgeschaltet. Sie schlang die Arme um Kents Nacken und schmiegte sich an ihn. Bei ihrer Reaktion stöhnte Kent auf. Er erkannte offenbar, daß sie sich nicht mehr gegen seine Liebkosungen wehren würde, lockerte leicht seinen Griff und löste sich ein wenig von ihr. Enttäuschung stieg in ihr hoch, denn sie dachte, er wolle sich zurückziehen. Noch ehe sie die Augen öffnete, spürte sie jedoch seine Lippen auf den ihren. Er küßte sie zärtlich. Dabei strich er ihr durch das seidige Haar. Sein warmer Atem streifte ihre Wange, als er liebevoll an ihrem Ohrläppchen knabberte. „Gefällt es dir, Diane?“ fragte er weich. „Ja“, flüsterte sie. Sie konnte nicht leugnen, daß sie ihn begehrte, und er empfand anscheinend das gleiche für sie. Was sie beunruhigte, war der Gedanke, daß er vielleicht nur ein WochenendAbenteuer wollte. Oder stellte er sich vor, es könnte sich mehr daraus entwickeln? Diana wußte: Eine gemeinsame Zukunft mit ihm kam nicht in Frage. Er lebte in Seattle, während sie über tausend Meilen entfernt wohnte. Sie kannte das Gefühl, von einem geliebten Menschen getrennt zu sein. Niemals würde sie die Einsamkeit dieser langen Monate ohne Steve vergessen. Wie hatte sie sich nach ihm gesehnt. Manchmal war sie mitten in der Nacht aufgewacht und hatte vergebens die Hand nach ihm ausgestreckt. War Steve schuld am Scheitern der Ehe? Oder sie? Diane war sich immer noch nicht völlig darüber im klaren. Doch ganz gleich, wer der Schuldige war, sie hatte ihre Lektion gelernt. Wenn sie eine Karriere beim Rundfunk anstrebte, mußte sie frei und unabhängig bleiben. Sie durfte sich nicht verlieben. „Kent“, begann sie zögernd und sah zu ihm auf. „Ich bin nicht in der Lage, Gefühle für dich zu verbergen. Doch eine Beziehung zwischen uns ist ausgeschlossen. Ich versuchte, es dir gestern abend zu erklären. Mein Job…“ „Ich habe nicht vergessen, was du gestern abend gesagt hast. An jedes einzelne Wort erinnere ich mich. Du hättest keine sichere Arbeitsstelle, müßtest alle paar Jahre die Rundfunkstation wechseln und umziehen. Ich habe all die Ausreden
gehört, an die du dich klammerst, um keine feste Bindung eingehen zu müssen.“ Obgleich Diane nicht die schmerzlichen Erinnerungen wecken wollte, die sie bisher verdrängt hatte, mußte sie es ihm irgendwie klarmachen. „Für einen von uns wird es am Ende schmerzlich sein“, meinte sie leise. „Ich weiß es. Ich…“ „Nein. Das kannst du nicht wissen.“ Er küßte sie von neuem zärtlich. „Ich bin nicht imstande, vorauszusagen, wie sich die Beziehung zwischen uns entwickeln wird, Diane. Lassen wir die Dinge auf uns zukommen und die Gegenwart genießen. Ich habe lange darauf gewartet, bis ich dich fand. Deshalb werde ich dich so leicht nicht aufgeben und tun, als hätte ich dich nie getroffen.“ Ein Vogel zwitscherte vor Dianes Fenster. Sie öffnete die Augen und blinzelte ins fahle Licht der Morgendämmerung. Sie erinnerte sich, viele Stunden wach im Bett gelegen und sich von einer Seite auf die andere gewälzt zu haben. Die Gedanken an Kent und seine erregenden Zärtlichkeiten ließen sie lange nicht zur Ruhe kommen. Als er nach einem letzten Kuß gegangen war, wäre sie fast doch noch schwach geworden und hätte Kent beinahe zurückgerufen. Nach den Stunden der Schlaflosigkeit war sie jetzt immer noch durcheinander. Warum wollte er nicht auf sie hören? Weshalb bestand er so beharrlich auf einem Wiedersehen? Kaum zu glauben. Sie hatte ihn erst vor zwei Tagen kennengelernt. Diane hatte das Gefühl, daß sich seither vieles verändert hatte. Das Schlafzimmer wirkte mit einemmal fremd. Und ihr Bett, in das sie sich spät abends, wenn sie müde und erschöpft von der Arbeit nach Hause kam, immer so gern gekuschelt hatte, erschien ihr jetzt kalt und leer. Ihre Reaktion auf Kents Umarmungen erfüllte sie mit Furcht und Erregung zugleich. Kein Mann hatte jemals ein solch starkes Verlangen in ihr geweckt. Doch es war mehr als nur sexuelle Begierde. Diane liebte Kents Gesellschaft, den Klang seiner Stimme, seine Gabe, ihr die Befangenheit zu nehmen, die Art, wie er über ihre Scherze lachte. In nur zwei Tagen hatte er bewirkt, daß sie sich schöner, weiblicher und begehrenswerter fühlte als je zuvor. Es war nicht schwer, sich in Kent zu verlieben. Nur, wie würde es weitergehen? Was sollte sie nur tun? Diane war ratlos. Sie warf die Decke zurück und schwang die Beine aus dem Bett. Im Badezimmer zog sie das Nachthemd aus, drehte den Duschhahn auf und trat unter die warmen Wasserstrahlen, die angenehm auf der Haut prickelten. Kent war gegangen, ohne ein einziges Wort darüber zu verlieren, ob er anrufen oder vorbeikommen würde. Nachdem sie ihm erklärt hatte, am Wochenende arbeiten zu müssen, würde er vermutlich heute abend nach Seattle zurückfliegen. Diane hatte die vage Hoffnung, er würde noch eine Weile bleiben. Der Morgen verging schnell, während Diane das Schlafzimmer aufräumte, ein paar andere Tätigkeiten im Haus verrichtete und die Blumen auf den Beeten im Vorgarten goß. Sie traf eine Stunde vor der Sendung in der Rundfunkstation ein und konnte noch drei Werbespots in Rekordzeit vorbereiten. Punkt vierzehn Uhr saß sie dann vor dem Mikrofon. Sie hatte das halbe Programm hinter sich, als Barbara ins Studio kam. „Hallo, Diane. Was gibt es Neues mit…“ Barbara verstummte und schaute Diane mit großen Augen an. „Was trägst du denn da?“ Diane warf unmutig einen Blick über die Schulter. „Hast du keine Augen im Kopf?“ „Aber das ist… das ist ein Rock!“ Barbara sprach es so ungläubig aus, als wäre so ein Kleidungsstück das letzte, was eine zierliche junge Frau tragen würde. Diane strich den engges^nittenen Rock glatt und zupfte den Ausschnitt der türkisfarbenen Bluse zurecht. Sie hatte die beiden Kleidungsstücke vor Monaten
aus einer Laune heraus gekauft und nur einmal getragen. „Was soll es sonst sein“, entgegnete sie gereizt. „Zu welchem Anlaß hast du ihn angezogen? Komm, erzähl es mir!“ drängte Barbara. „Seit zwei Jahren trägst du nichts anderes als Jeans.“ Sie überlegte kurz. „Du hast vor auszugehen?“ Ihr Blick schweifte zu den Rosen, die immer noch im Studio standen. „Ah! Kent Harrison, nicht wahr? Du magst ihn also doch!“ Sie legte einen Schokoladenriegel aufs Sendepult. „Es liegt mir fern, darauf hinzuweisen, daß ich das prophezeit habe.“ Damit eilte sie hinaus. Eine Minute später steckte Tom den Kopf zur Tür herein. „Allmächtiger, es stimmt. Sie trägt einen Rock!“ „Verschwinde!“ rief Diane erbost mit lauter Stimme. Tom betrachtete sie kopfschüttelnd. „Welch eine Frau! Vernarrt sich in einen Mann mit einem geliehenen Maserati.“ „Raus hier!“ Diane nahm ein Taschenbuch und warf es nach Tom. Gerade noch rechtzeitig zog er die Tür hinter sich zu. Diane nahm auf dem Drehstuhl Platz, setzte die Kopfhörer auf und trommelte mit den Fingerspitzen aufs Mischpult, während sie auf ihren Einsatz wartete. „KICK Kanal 102 an diesem Freitagnachmittag“, sprach sie schließlich ins Mikrofon. „Das war Kenny Rogers mit ,Why Was I So Blind?’ aus seinem neuesten Album.“ Sie kündigte die nächsten Platten an und nannte danach die Uhrzeit. Nach drei weiteren Liedern folgte ein Werbespot. Diane verlas gerade die Ankündigung einer Wohltätigkeitsveranstaltung zugunsten der „National Heart Association“, als sie hörte, daß die Tür von neuem geöffnet wurde. Sie saß regungslos da und wagte kaum zu atmen. Keiner würde das Studio betreten, wenn sie auf Sendung war. Keiner außer… „Sie können einige ausgezeichnete Preise gewinnen“, sagte sie und bemühte sich, ihrer Stimme einen festen Klang zu geben, „abgesehen davon, tun Sie ein gutes Werk und haben außerdem viel Spaß.“ Die Tür wurde leise geschlossen. „Lassen Sie sich das nicht entgehen. Besorgen Sie sich Karten für das Fest des Herzens…“ Starke Hände ruhten mit einemmal auf ihren Schultern. Sie spürte die sanfte Berührung von Lippen in ihrem Nacken. Ein wohliger Schauer rann ihr über den Rücken. „… im ,Anaheim Convention Center’…“ Ihre Arme wurden gestreichelt und sie vermochte kaum weiterzusprechen. „… am nächsten Sonnabend, dem 28. Juni.“ Ihre Brüste hoben und senkten sich unter schnellen Atemzügen, während er ihren Hals küßte. Diane spielte die nächste Platte ein und schaltete das Mikrofon aus. Daraufhin nahm sie die Kopfhörer ab und atmete erleichtert auf. Kent verschränkte die Arme unter ihren Brüsten und zog sie an sich. „Du hast mir gefehlt“, raunte er. „Weißt du nicht, was das Aufleuchten der roten Lampe bedeutet?“ Sie bemühte sich, empört zu klingen, aber die Worte kamen nur leise über ihre Lippen. „Doch“, erwiderte er leise. „Das ist ein Warnsignal, das jedesmal in meinem Gehirn aufblitzt, wenn ich dich sehe.“ Sie lehnte den Kopf gegen seine Schulter und schloß die Augen, spürte die Wärme seines Körpers und sog den Duft seines herben Rasierwassers ein. „Ich rede von der großen roten Lampe an der Wand draußen über der Tür“, erklärte sie. Er hob den Kopf. „Rot? Du meinst das grüne Licht, das mir anzeigte, daß ich eintreten durfte?“
Er war ja farbenblind! „Oh! Du dachtest, die Lampe wäre grün.“ Doch nachdem sich Diane aus der Umarmung gelöst und ihn angeschaut hatte, bemerkte sie den vergnügten Ausdruck in seinen Augen. „Lügner!“ Er lachte. „Ich nahm an, daß die Lampe rot ist. Aber es gefällt mir, dich zu überraschen, dich sozusagen von hinten zu erwischen. Das ist ungeheuer aufregend.“ „Damit mußt du aufhören. Wenn das Mikro eingeschaltet ist, hört man jedes noch so leise Geräusch.“ Er neigte sich vor, und sie spürte seinen Atem an ihrer Wange. „Jedes?“ „Jedes“, bestätigte sie. „Das auch?“ Er umfaßte sie erneut von hinten und küßte ihren Hals. „Ja“, erwiderte sie mit belegter Stimme. „Und das?“ Er ließ seine Lippen bis zu den sanften Rundungen wandern, die sich unter dem TShirt deutlich abzeichneten. „Ja… ganz bestimmt.“ „Dann werde ich mich wohl zurückhalten müssen, solange wir hier sind.“ „Das wirst du wohl.“ Ihr Atem ging rasch. „Sonst könnte ich Fehler machen, mich versprechen oder gar etwas Falsches sagen. Vielleicht sogar schrecklich klingen.“ „Im Gegenteil. Ich wette, du hast noch niemals sinnlicher geklungen als jetzt.“ Er zog sie fester an sich. „Ich helfe dir nur, dein Image zu fördern.“ „Das habe ich bisher selbst gekonnt, danke.“ Sie wußte, sie spielte mit dem Feuer. Diesmal ging es um ihren Job, nicht nur um ihre Gefühle. Jemand konnte hereinschauen und sie mit Kent überraschen. Wenn Sam sie dabei erwischte, daß sie während der Sendung im Studio mit einem Mann Zärtlichkeiten austauschte, würde er sie auf der Stelle entlassen. Rasch wand sie sich aus Kents Armen und glitt vom Drehstuhl. „Ich vermute, du hast den Flug nach Seattle verpaßt.“ „Sieht so aus. Schade, nicht wahr?“ Er verschränkte die Arme und musterte sie eingehend. Kent stieß einen leisen, anerkennenden Pfiff aus. „Du schaust heute besonders hübsch aus. Welch ein Unterschied zu deiner bisherigen Aufmachung.“ „Ich… hatte einfach Lust, mal etwas anderes anzuziehen.“ „Nur für den Fall, daß ich mich entschließen sollte, vorbeizukommen?“ „Nein!“ Diane schob ihn aus dem Weg. „Weil mir danach zumute war.“ Mit einem Blick auf die Sendefolge fuhr sie die nächsten Platten ab. Kent lachte. „Was auch immer der Grund sein mag, ich freue mich darüber. Ich dachte nämlich, du müßtest dich erst zu Hause umziehen. Nun können wir noch ein Abendessen vor der Show einplanen, wenn wir gleich um sechs von hier verschwinden.“ „Abendessen – Show?“ Ihr Blick fiel auf seinen hellbraunen Anzug mit einer dazu passenden Weste. Kent zog zwei Karten aus seiner Brusttasche. Es waren Eintrittskarten für ein Musical. „A Chorus Line“, erklärte er, „es war ziemlich schwierig, sie zu ergattern.“ Erstaunt sah sie auf die Karten. „Ich war versessen darauf, mir dieses Musical anzuschauen, doch es ist seit Wochen ausverkauft.“ „Das sagte man mir ebenfalls. Ich habe so lange auf die Dame an der Kasse eingeredet, bis sie schließlich noch zwei Karten herausrückte. Obendrein sind es auch noch sehr gute Plätze.“ „Wann hast du denn Zeit dafür gefunden? Ich denke, du hattest heute Konferenzen?“ „Die hatte ich. Aber sie waren früh zu Ende. Ich hoffe, du hast nicht ernst gemeint, was du gestern gesagt hast… ich meine, daß du bis spät abends
arbeiten mußt.“
Sie schob ihm die Karten in die Jackettasche. „Nichts kann mich hier halten,
wenn ich die Möglichkeit habe, dieses Musical zu sehen.“
Diane lehnte sich entspannt auf dem Beifahrersitz zurück. „Ich hätte nie gedacht,
daß jemand so schnell Step tanzen kann“, meinte sie. „Ich auch nicht“, stimmte
Kent ihr zu. „Welch eine Show!“ Diane vermochte sich nicht zu erinnern, jemals
einen angenehmeren Abend verbracht zu haben. Sie hatten in einem kleinen
französischen Restaurant in der Nähe des Theaters Ente Orange gegessen.
Kent hatte den Tisch reservieren lassen und auch das Essen telefonisch
vorausbestellt. Er hatte dafür gesorgt, daß die Speisen ohne die geringste
Verzögerung aufgetragen wurden. Minuten vor dem Beginn des Musicals waren
sie im Theater eingetroffen.
Das Stück zeigte eine Vielfalt von Farben und Kostümen, und es wurden
atemberaubende Tanznummern geboten.
„Unglaublich, wie der Hauptdarsteller die Treppen hinauf und hinunter steppte“,
sagte Kent. „Was meinst du, wie viele Stufen das waren?“
Diane zuckte schläfrig die Achseln und streichelte Kents Hand, die auf ihrer
Schulter ruhte. „Ich weiß es nicht. Vielleicht fünfzig. Oder hundert. Es war
jedenfalls einzigartig.“ Sie lächelte ihm zu. „Danke dafür, daß du die Karten
besorgt hast.“
Er drückte leicht ihre Schulter. „Danke, daß du mitgekommen bist.“
Sie fuhren eine Weile schweigend. Die nahezu durchwachte Nacht sowie der Tag
voller Hektik zeigten schließlich Wirkung bei Diane, und sie schlief ein.
Plötzlich schreckte Diane auf.
„Wach auf, Diane“, hörte sie schließlich Kents Stimme. „Wir sind zu Hause.“
„Schon?“ Diane öffnete die Augen und blinzelte. Mondschein fiel durch die
Windschutzscheibe, erhellte Kents Gesicht und betonte sein markantes Profil.
„Du hast eine halbe Stunde geschlafen.“ Er lehnte sich ein wenig zurück und
spielte mit einer Strähne ihres Haares. „Hat dir mal jemand gesagt, wie schön du
schlafend aussiehst? Noch schöner, als wenn du wach bist, sofern das möglich
ist.“
„Das sagst du nur, weil es stimmt“, gab sie trocken zurück.
Kent lachte. „Auch halbwach bist du noch schlagfertig.“ Er zog sie wieder in die
Arme und schaute auf sie hinab. „Ich muß schon auf Zack sein, um da mithalten
zu können.“
Sie genoß Kents Nähe und die Wärme seines Körpers. Küß mich! dachte sie.
Doch als sie die Hand hob, um seine Wange zu berühren, erfaßte sie plötzlich
eine unerklärliche Scheu. Diane fühlte sich wie ein Teenager, der den ersten Kuß
kaum erwarten konnte. Hastig ließ sie die Hand sinken und fuhr mit dem Finger
über die glatte Kante des Ledersitzes. „Seit wann verleihen Mietwagenfirmen
Maseratis?“ fragte sie.
„Die meisten tun das nicht. Aber es gibt einen Autoverleih am Flughafen, wo man
jede Marke mieten kann. Dort tauschte ich diesen Sportflitzer gegen den anderen
Wagen ein, den ich vorher hatte. Das war der mit dem Autotelefon, von dem aus
ich anrief.“
„Kann man dort auch eine CadillacLuxuslimousine mieten?“
„Natürlich. In jeder Farbe.“
„Ich wollte schon immer gern einmal in einer unglaublich langen Cadillac
Limousine mit Plüschsitzen, Bar und Fernseher fahren.“
„Das werden wir irgendwann arrangieren.“
Er küßte sie sanft. Wie von selbst öffnete sich ihr Mund und ihre Zungen trafen
sich in erregendem Spiel. Diane spürte, wie er ihre Hüften streichelte. Zärtlich
schlang sie die Arme um seinen Nacken und fuhr ihm durch das dichte Haar.
Plötzlich zuckte er zusammen und zog sich von ihr zurück.
„Was ist los?“ fragte sie atemlos.
„Ich glaube, der Schaltknüppel bohrt sich in meine Seite.“
„Oh, verzeih. Daran habe ich nicht gedacht.“
„Und die Windschutzscheibe ist beschlagen, als wäre draußen Nebel.“
Nicht mehr Nebel als in meinem Verstand, dachte sie. „Wir sollten aufhören, uns
hier im Wagen zu küssen“, stellte sie vernünftig fest. „Möchtest du… auf einen
Brandy mit hereinkommen?“
Er schaute sie lächelnd an. „Ich dachte schon, du würdest das niemals fragen.“
6. KAPITEL Diane füllte zwei Cognacschwenker mit Brandy. Sie beobachtete, wie Kent seine
maßgeschneiderte Anzugjacke auszog und ordentlich über eine Stuhllehne
hängte. Danach entledigte er sich der Krawatte und öffnete zwei Knöpfe seines
Hemdes.
„So ist es viel bequemer.“ Kent holte tief Luft und ließ sich auf das Sofa sinken.
„Es ist ein atemberaubendes Gefühl, eine Frau zu küssen, wenn einem die
Krawatte die Luft abschnürt.“
Lachend reichte Diane Kent das Glas mit Brandy.
„Danke.“ Er hob es und prostete ihr zu. „Auf den schönsten Diskjockey, den ich
jemals kennengelernt habe.“
Diane setzte sich neben ihn. „Das klang aber nicht nach einem großen
Kompliment. Wie viele Diskjockeys hast du denn schon kennengelernt?“
„Nicht allzu viele“, bekannte er schmunzelnd.
„Das dachte ich mir. Vielen Dank.“
Er wandte sich ihr zu. Sein Blick schien sie zu liebkosen, während er einen
Schluck Brandy trank. „Diane“, begann er nach einer Weile mit belegter Stimme,
„du bist eine der schönsten Frauen, die ich je gekannt habe.“
Ihr Herz schlug schneller, als sie den bewundernden Ausdruck in seinen Augen
sah. Zwar hatte man ihr schon öfter gesagt, daß sie schön sei, doch sie hatte es
nie geglaubt. Selbst bei Steve hatte sie Zweifel gehabt, ob er es ehrlich meinte.
Kent war der erste, der ihr das Gefühl gab, etwas Besonderes zu sein. Sie wollte
ihm etwas ebenso Nettes sagen, fand jedoch nicht die richtigen Worte.
„Du hast anscheinend nicht sehr viele Frauen gekannt“, bemerkte sie lachend.
„Doch, das habe ich.“ Er sah sie unverwandt an. „Jedoch keine, die zählte. Bis
jetzt.“ Er stellte das Glas ab und folgte mit den Fingerspitzen der Kontur ihres
Ohrläppchens.
„Diane, du erwähntest, daß du verheiratet warst“, fuhr er sanft fort. „Willst du
mir von deiner Ehe erzählen?“
Den Blick auf die bernsteinfarbene Flüssigkeit in ihrem Glas gerichtet, erwiderte
sie stockend: „Ich… möchte lieber nicht darüber reden.“
„Warum nicht?“
„Es ist keine angenehme Erinnerung. Obwohl es fünf Jahre her ist, schmerzt es
immer noch. Ich möchte es lieber vergessen.“
Behutsam nahm Kent ihr das Glas aus der Hand und stellte es auf den Tisch.
Während er einen Arm um ihre Schultern legte, umfaßte er mit der anderen Hand
ihr Kinn und zwang sie sanft, ihm ins Gesicht zu schauen. „Hat er dir weh getan?“
Seine Miene verhärtete sich. „Wenn er das getan hat…“
„Nein! Nicht, was du meinst. Die Narben, die ich davongetragen habe, waren
seelischer Art. Ich kann ihm nicht verübeln, daß er die Scheidung wollte. Es war
weniger seine Schuld, sondern hauptsächlich meine.“
„Das glaube ich nicht. Er muß ein Narr gewesen sein, dich aufzugeben!“
Kent küßte sie besitzergreifend und zärtlich zugleich. Seine Zunge drang tief in
ihren Mund ein, während er sie zuerst hart an sich zog und im nächsten Moment
sanft an sich drückte.
Sie schlang die Arme um Kent, bog sich ihm entgegen und gab sich dem süßen
Spiel seiner Zunge hin.
„Diane, weißt du, was du bei mir anrichtest?“ fragte er schließlich heiser. Er
küßte ihre Stirn, die Nase, die Wangen und die Ohrläppchen. „Den ganzen Abend
sehnte ich mich danach, dir so nah zu sein wie jetzt.“
Leidenschaftlich preßte er den Mund auf Dianes Lippen und streichelte ihre
Brüste. Langsam, mit kreisförmigen Bewegungen massierte er sie, bis sich die
Spitzen unter seinen erregenden Berührungen aufrichteten. Geschickt streifte er
Diane die Bluse ab.
Sobald sie seine Hand auf ihrer nackten Haut spürte, überlief sie ein wohliges
Prickeln. Langsam stand Kent auf und zog sie mit sich hoch.
Er strich ihr über den Rücken, schob die Hand unter den Rockbund, ließ sie tiefer
hinab gleiten zu den weichen Rundungen. Erneut preßte er sie an sich, und sie
spürte sein heftiges Verlangen.
„Gestern abend sagtest du mir, daß du mich nicht wiedersehen willst“, raunte
Kent mit heiserer Stimme. „War das dein Ernst? Sprachst du die Wahrheit?“
Diane schmiegte sich an Kent. „Nein, es war eine Lüge“, gestand sie.
Ohne ein weiteres Wort hob Kent Diane auf seine Arme. Die Augen geschlossen,
ließ sie sich aus dem Wohnzimmer durch die dunkle Diele zum Schlafzimmer
tragen.
Sie schlang die Arme um Kent und barg das Gesicht an seiner Schulter.
Mit einem Fuß stieß er die Schlafzimmertür auf und trat ein. Behutsam legte er
Diane aufs Bett. Kurz danach schaltete er die Nachttischlampe an, so daß der
Raum in gedämpftes Licht getaucht wurde.
Diane beobachtete, wie er die Weste abstreifte, auf einen Stuhl warf, sich
anschließend auf der Bettkante niederließ und die Schuhe auszog.
Noch in Hemd und Hose wandte sich Kent ihr zu, um ihr die Sandaletten
abzustreifen.
„Du hast so kleine, zierliche Füße“, meinte er bewundernd. „Und deine Beine sind
wunderschön geformt.“ Er strich an ihnen entlang, umfaßte die Knie.
Diane trug keine Strümpfe. Das tat sie nie im Sommer. Seine Berührung schien
eine brennende Spur auf ihrer Haut zu hinterlassen.
Sei nicht so bereitwillig, mahnte eine innere Stimme. Du wirst es bereuen!
Unter Aufbietung all ihrer Willenskräfte setzte sie sich im Bett auf, das Herz
klopfte ihr zum Zerspringen. „Kent, warte“, bat sie.
„Warum? Weshalb sollten wir warten?“ Ohne Hast legte er sich neben sie und zog
sie an sich.
„Du weißt, was ich für dich empfinde. Ich habe kein Geheimnis daraus gemacht.“
Seine Stimme klang heiser. „In deinen Augen lese ich doch, daß du mich
genauso begehrst. Sollte ich mich etwa täuschen?“
„Du weißt, was ich empfinde“, erwiderte sie leise.
„Dann laß mich dich lieben.“
„Wir sollten es nicht tun. Es ist noch zu früh.“
„Mir ist klar, daß sich unsere Gefühle zueinander schnell entwickelt haben. Nie
hätte ich mir träumen lassen, daß ich einer so wundervollen Frau wie dir
begegnen könnte.“ Kent sah ihr zärtlich und verlangend zugleich in die Augen.
„Diane, es gibt nichts Schöneres als das, was wir im Moment füreinander
empfinden.“
Im Moment! Die Worte schienen in ihr nachzuhallen und riefen all ihre Vorbehalte
und Ängste wach. Im Moment. Vorübergehend. Ein Augenblick der Lust und
danach – vorbei!
„Nein, Kent!“ stieß sie heftig hervor, während sie versuchte, sich ihm zu
entwinden.
In Sekundenschnelle packte er sie am Arm und richtete sich auf einen Ellenbogen
gestützt über ihr auf.
„Warum nicht?“ fragte er leise. „Sag es mir. Hilf mir, es zu verstehen. Wovor
hast du Angst?“
Vor dir, dachte sie. Davor, daß ich dir verfallen könnte, davor, daß ich mich in
dich verliebe und mich dir ausliefern könnte. Sie war nicht fähig, mit einem Mann zu schlafen, ohne sich ihm ganz hinzugeben, sowohl mit dem Körper als auch mit der Seele. Und sie war bereits gefährlich nahe daran, sich an Kent zu verlieren. Montagmorgen wird er fort sein, ging es ihr durch den Kopf, und dann werde ich allein sein mit meinem Schmerz. Diane wollte es ihm sagen, wollte ihm ihre Ängste erklären, doch sie brachte kein Wort heraus. „Du hast davon gesprochen, nie wieder zu heiraten“, bemerkte Kent. „Findest du nicht, daß du zu hart mit dir selbst bist? Fürchtest du dich so sehr vor einem erneuten Scheitern einer Beziehung, daß du nicht wagst, wieder einen Mann zu lieben?“ Sie schloß die Augen. „Ich weiß es nicht… ja“, brachte sie leise hervor. „Das… ist zum Teil so.“ „Hat es seither keinen Mann mehr für dich gegeben?“ fragte Kent mit weicher Stimme. Sie schüttelte den Kopf und kämpfte gegen die Tränen an. Liebevoll strich er ihr eine Haarsträhne aus der Stirn. „Hab keine Angst, Diane. Wir können nie mit Sicherheit sagen, was die Zukunft uns bringen wird. Doch das darf dich nicht davon abhalten, zu leben und zu lieben. Ich möchte dich nicht zu etwas drängen, zu dem du nicht bereit bist. Ich will dir nicht weh tun, mein Schatz. Ich begehre dich nur so sehr.“ Er küßte sie sanft auf die Stirn. Schatz! Kein Mann hatte sie je Schatz genannt. Nicht einmal Steve. Bis zu diesem Moment hatte sie nicht gewußt, wie sehr sie’ sich nach zärtlichen Worten sehnte. Diane schlang die Arme um Kents Hals. O Kent! dachte sie. Ich will mich nicht dir ausliefern. Doch ich begehre dich so sehr. Ihre Augen spiegelten ihre Empfindungen wider, während sie ihm die Lippen bot. Mit einem Aufstöhnen legte er sich auf sie, küßte sie mit einer Leidenschaft, die ihr den Atem nahm. Seine Zunge berührte rhythmisch die ihre, während er den Ansatz ihrer Brüste streichelte. Allmählich entspannte sich Diane unter seinen Liebkosungen. All ihre Bedenken und Ängste schmolzen förmlich dahin. Es wird alles gut werden, sagte sie sich. Kent schob seine Hand unter ihren spitzenbesetzten BH und umfaßte ihre Brust. Ein Wonneschauer lief durch ihren Körper. Nachdem er ihr den BH abgestreift hatte, flüsterte er heiser: „Du bist schön.“ Er küßte sie leicht und streichelte zärtlich ihre sanften Rundungen. Unter den langsam kreisenden Bewegungen seiner Hand richteten sich die rosigen Spitzen auf. Die erregende Berührung steigerte ihr Verlangen. Heiße Wellen der Lust durchliefen sie. Ungeduldig zog sich Kent das Hemd aus und warf es über eine Stuhllehne. Dann fuhr Diane erkundend über seinen Oberkörper. Er war noch muskulöser, als sie ihn sich vorgestellt hatte. Dunkle, gekräuselte Haare bedeckten keilförmig seine breite Brust und verliefen in einer schmalen Linie bis unter seinen Hosenbund. Sie tastete zögernd über die leicht gebräunte Haut und fuhr durch das weiche Brusthaar. Diane spürte, wie er unter ihren Liebkosungen erbebte. Stöhnend umschloß Kent Dianes aufgerichtete Brustspitze mit den Lippen. Mit der Zunge reizte er die Knospe, bis Diane sich vor Lust wandt. Sie fühlte, wie er ihren Rock öffnete, wie seine Hand an der Innenseite ihres Oberschenkels entlangglitt, sanft die weiche, empfindliche Haut streichelte und am Bund des Spitzenslips verweilte. „Ja“, brachte sie unter Stöhnen hervor.
Diane hob die Hüften an, so daß er den Slip über ihre Beine und die Füße streifen
konnte. Daraufhin zog er ihr den Rock aus.
„O Diane. Du bist wunderschön.“ Kents Stimme klang rauh. Er neigte sich über
sie, küßte sie in stürmischem Verlangen.
Kents gekräuselte Brusthaare kitzelten sie auf der Haut, und prickelnde Schauer
der Lust jagten durch ihren Körper. Behutsam tastete er sich an der Innenseite
ihrer Schenkel empor und fand ihre empfindlichste Stelle.
„O Kent“, seufzte sie auf. „Kent…“
In diesem Augenblick läutete das Telefon.
Diane und Kent zuckten unter dem schrillen Läuten des Telefons zusammen.
Schließlich hob Kent den Kopf. „Geh nicht ran“, verlangte er eindringlich.
Diane lag regungslos da, hoffte, das Klingeln möge aufhören. Sie warf einen Blick
zum Wecker auf ihrem Nachttisch. Es war fast Mitternacht. „Wer könnte um diese
Zeit anrufen?“
„Ist das nicht gleichgültig?“
Diane spürte Kents Wange an ihrer Brust, und sein warmer Atem streifte ihre
Haut. Sie versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. „Niemand würde so spät
anrufen, wenn es nicht wichtig wäre.“ Rasch drehte sie sich zur Seite und griff
zum Telefonhörer. Mit einem Aufstöhnen rollte sich Kent von ihr fort.
Dianes Hand zitterte leicht, als sie den Hörer abnahm und sich meldete.
„Diane? Gott sei Dank sind Sie zu Hause.“
Sie erkannte die Stimme von Sam, dem Programmdirektor der Rundfunkstation.
„Ich wurde soeben aus dem Schlaf geklingelt“, erklärte er. „John hängt auf dem
Freeway fest. Er hatte eine Autopanne. Ein Abschleppwagen ist unterwegs, aber
John weiß nicht, wann er eintrifft. Dave wird nur noch eine halbe Stunde im
Studio bleiben. Ich brauche jemanden, der einspringt, bis John erscheint.“
„Das ist eine schlechte Zeit. Ich kann jetzt wirklich nicht weg. Haben Sie es bei
Mark oder Wayne schon versucht? Vielleicht…“
„Ich konnte weder die beiden noch sonst einen Ersatzmann erreichen.
Verdammt, Diane, kommen Sie mir nicht mit irgendwelchen Ausreden. Sie sind
die einzige, auf die ich mich verlassen kann.“
Sie atmete tief durch. „Also gut, Sam. Ich werde so schnell wie möglich im
Studio sein.“ Sie legte den Hörer auf und stieg aus dem Bett.
„Was ist los?“ wollte Kent wissen.
„Der Diskjockey der Nachtschicht hatte eine Autopanne.“ Sie erklärte, was
geschehen war, während sie schnell Slip, BH, TShirt und Jeans anzog.
Kent fluchte laut und setzte sich auf die Bettkante.
„Es tut mir leid“, meinte Diane, „aber ich habe keine Wahl.“
„Ich weiß.“ Es war Kent anzumerken, daß er über diese Störung verärgert war. Er
hob sein Hemd vom Boden auf. „Darf ich dich zum Sender fahren und dort auf
dich warten?“
„Nein.“ Sie eilte ins Badezimmer und brachte ihre Frisur in Ordnung. „Ich weiß
nicht, wie lange ich einspringen muß. Es könnte ein paar Stunden dauern.“
„Dann warte ich hier auf dich.“ Er zog das Hemd an und begann mit sichtlich
verärgerter Miene es zuzuknöpfen.
„Das geht nicht!“ Diane wich seinem Blick aus, während sie die Sandaletten über
die Füße streifte. Wenn der Anruf nicht gekommen wäre, hätten sie miteinander
geschlafen. Sie war überzeugt, daß es wundervoll gewesen wäre, doch wie hätte
sie am nächsten Tag mit dem Schmerz der Trennung und der Einsamkeit fertig
werden sollen? In der nächsten Woche? Den nächsten Monat?
Selbst wenn Kent das Wochenende über blieb, würde er Montag nach Seattle
zurückfliegen. Sie wollte nicht daran denken, was während der Monate der
Trennung von Steve geschehen war. Gelegentliche WochenendAbenteuer konnten nur mit Kummer enden. Sie war schon einmal in ihren Gefühlen verletzt worden, und das wollte sie kein zweites Mal durchmachen. „Ich halte es für das beste, wenn du zum Hotel zurückfährst“, sagte sie. „Was?“ fragte er ungläubig. „Ist das dein Ernst?“ „Ja.“ „Du willst mich einfach hinauswerfen, nachdem…“ Er wies zum Bett. „Um diese Zeit?“ „Du hast ein Hotelzimmer, nicht wahr?“ „Nein. Ich habe die Reservierung heute morgen abgesagt.“ Diane schaute Kent überrascht an. „Warum denn das? Du hast die Karten für das Musical gekauft, und folglich hattest du nicht vor, heute heimzufliegen.“ „Stimmt.“ Er erhob sich und steckte das Hemd in die Hose. „Ich hatte vor, heute nacht hierzubleiben. Vielleicht das Wochenende über.“ Einen Augenblick lang sah sie ihn sprachlos an. „Du hast geplant, hier zu übernachten?“ Kent fuhr sich nervös mit einer Hand durchs Haar. „Nicht hier. In der Stadt, in Anaheim. Ich wollte mir ein Motel in der Nähe deiner Wohnung suchen.“ Sie wußte, was das bedeutete. Wenn sie fair war, mußte sie zugeben, daß sie Kent an der Nase herumgeführt hatte. Diane hatte ihn eingeladen, seine Zärtlichkeiten erwidert und ihn ermuntert. Das war ein Fehler gewesen. Würde er sie verstehen, wenn sie ihm jetzt alles über ihre Vergangenheit erzählte? Würde sie ihm ihre Ängste begreiflich machen können? Nein, sie glaubte es nicht. Also mußte sie ihn verärgern, damit er ging. Diane bemühte sich um einen sachlichen Ton. „Und wann genau hast du das geplant? Nachdem du herausgefunden hattest, daß du bei mir zum Ziel kommen wirst? Ich nehme an, nur deshalb hast du mir die Rosen geschenkt, mich zum Essen und zu dem Musical eingeladen. Damit glaubtest du bei mir leichter zum Ziel zu kommen.“ Diane hörte ihn scharf einatmen. Sie vermochte ihm nicht in die Augen zu sehen. „Treibst du dieses Spielchen auf all deinen Geschäftsreisen? Gabelst du immer die erstbeste Frau auf und wartest ab, wie lange es dauert, bis du mit ihr schlafen kannst?“ Aus dem Augenwinkel heraus beobachtete sie, wie ein Muskel an seinem Mundwinkel zuckte. „Diane“, erwiderte Kent mit ruhiger Stimme. „Ich verführe keine Frauen, weder auf Geschäftsreisen noch sonstwann. Ich ging an den letzten beiden Abenden mit dir aus, weil ich mit dir Zusammensein wollte. So einfach ist das. Ich hatte vor, heute nachmittag ein anderes Zimmer zu buchen, aber ich kam nicht dazu.“ Er fuhr sich erneut durchs Haar. „Wenn du mehr Zeit brauchst… wenn du jetzt noch nicht bereit bist, mit mir zu schlafen, dann habe ich dafür Verständnis. Ich werde auf dem Sofa übernachten und dich nicht anrühren. Es ist also nicht nötig, mich fortzuschicken.“ Auf dem Sofa schlafen? Wie lange konnte das gutgehen bei der starken gegenseitigen Anziehung? Wieviel Willenskraft hatte sie noch? „Du hast mich offenbar nicht richtig verstanden“, entgegnete Diane. „Ich brauche nicht mehr Zeit. Ich will… nicht mit dir schlafen. Weder jetzt noch ein andermal.“ Sie hatte die Worte hervorgestoßen, nun wies sie zur Tür. „Ich möchte, daß du gehst. Was vorhin passiert ist, war… ein Fehler.“ Kent war mir wenigen Schritten bei ihr, packte ihren ausgestreckten Arm und zog sie an sich. „Fehler? Das war kein Fehler, Diane, und das weißt du!“ Er blickte sie kalt an. „Was für ein Spiel treibst du mit mir? Dir ist es vom ersten
Moment unserer Begegnung an heiß und kalt geworden. An den vergangenen beiden Abenden bist du vor mir zurückgewichen wie ein verängstigtes Kaninchen. Heute nachmittag warst du nur zu bereit, dich von mir umarmen und küssen zu lassen. Vor ein paar Minuten warst du eine leidenschaftliche Frau und hast mich fast verrückt vor Verlangen gemacht. Und jetzt forderst du mich auf zu verschwinden! Was soll das alles?“ Diane setzte zu einem Protest an, doch Kent kam ihr zuvor. „Sag nichts. Ich glaube, ich durchschaue dich allmählich. Als ich dich zum erstenmal im Radio hörte, war mein erster Gedanke, du machst das sehr gekonnt mit deiner sinnlichen Stimme und diesen kleinen versteckten, vertraulichen Anspielungen. Ein Radiostar, der seine Rolle ausgezeichnet beherrscht. Bis vor wenigen Minuten glaubte ich, die wahre Diane wäre anders. Eine warme, gefühlvolle Frau, die zu echten Empfindungen fähig ist. Doch jetzt ist mir klar, daß alles nur ein Teil deines raffinierten Spiels ist.“ Dianes Wangen brannten, als hätte er sie geschlagen. Sie hatte Kent verärgern wollen, doch sie hatte nicht mit einem solchen Zornesausbruch gerechnet. „Eines muß ich dir lassen, Diane“, fuhr er fort. „Du bist ein wahrer Profi. Kein Wunder, daß du seit deiner geheimnisvollen Ehe mit keinem Mann mehr geschlafen hast. Du hast deine Strategie zu einer wahren Meisterschaft entwickelt. Du weißt, wie man einen Mann anmacht, ihn um den Finger wickelt und ihn dann fortstößt. Das brauchst du anscheinend.“ Kent riß sich von ihr los, als hätte er sich an ihr verbrannt. Dabei geriet sie ins Taumeln. Diane mußte sich am Frisiertisch festklammern, um nicht zu stürzen. Wütend zerrte er seine Weste vom Stuhl und ging zur Tür. Dort drehte er sich noch einmal um. Mit eisigem Blick musterte er Diane. „Schönes Wochenende, Diane“, wünschte er mit sarkastischem Ton. Sie hörte, wie er durch die Diele stürmte. Kurz darauf fiel die Haustür mit einem lauten Knall ins Schloß. Dianes Augen füllten sich mit Tränen. Diane setzte die Kaffeekanne lautstark auf dem Küchentisch ab. Heißer Kaffee schwappte über den Rand und spritzte auf ihre Finger. „Au, verflixt!“ Sie nahm ein Tuch und wischte die verschüttete Flüssigkeit auf. Wenig später sank sie auf einen Stuhl und sah traurig auf den Strauß langstieliger Rosen, der neben dem offenstehenden Küchenfenster stand. Die hohe Kristallvase funkelte in der Sonne. Warum habe ich mir die Mühe gemacht, sie vom Studio mit nach Hause zu nehmen? fragte sie sich. Ich hätte sie dort verblühen lassen sollen. Sie hoffte, Kent würde sofort zum Flughafen fahren, um die nächstmögliche Maschine nach Seattle zu nehmen. Ich brauche ihn nicht, redete sie sich ein. Weder jetzt noch sonstwann. Er würde nur mein Leben durcheinanderbringen. Diane sollte dankbar sein, daß sich die Dinge nicht weiterentwickelt hatten. Die Erinnerung an die vergangene Nacht ließ sie erschauern. Plötzlich hörte sie ein Motorengeräusch, das immer näherkam. Ein Wagen bog in die Zufahrt zu ihrem Haus ein. Überrascht lauschte sie. Ob Kent zurückgekommen war? Aber weshalb? Einen Augenblick lang vermochte Diane keinen klaren Gedanken zu fassen. Hatte er sich letzte Nacht nicht endgültig verabschiedet? Plötzlich erinnerte sie sich an das Jackett und die Krawatte auf dem Stuhl im Wohnzimmer. Natürlich. Deshalb kam er zurück. Es war erst halb sieben. Sie fuhr sich mit der Hand ordnend durchs Haar, dann schaute sie bestürzt auf ihre ausgebleichten Jeans und das rote TShirt. Ausgerechnet ihre ältesten Sachen hatte sie an. Er mußte es leid sein, sie immer
so anzutreffen…
Diane rief sich zur Vernunft. Warum sollte es sie interessieren, was er denkt?
Nervös ging sie im Wohnzimmer hin und her, bis es an der Tür klingelte. Bevor
sie öffnete, setzte sie eine finstere Miene auf, entschlossen, sich wegen der
frühen Störung zu beschweren. Sobald sie jedoch Kent gegenüberstand, stockte
ihr der Atem, und sie brachte kein Wort heraus.
Kent sah umwerfend attraktiv aus in seinem marineblauen Polohemd und den
weißen Shorts. Die schlanken Beine waren so muskulös und sonnengebräunt wie
seine Arme und die Brust.
Wie ein durchtrainierter Athlet, dachte Diane unwillkürlich, während sie, die Hand
auf dem Türgriff, Kent musterte. Er stand mit leicht gespreizten Beinen vor ihr
und hielt eine weiße Papiertüte im Arm.
„Guten Tag“, begrüßte er sie.
Dianes Kehle war wie zugeschnürt. „Guten Tag.“
„Ich bin froh, daß du schon aufgestanden bist. Ich befürchtete schon, dich zu
wecken.“
„Oh… nein. Ich mußte nicht so lange arbeiten. John traf bereits gegen zwei Uhr
ein.“ Diane bemerkte dunkle Ringe unter seinen Augen und fragte sich, ob er
wohl schlecht geschlafen habe. Vor Freude über das unerwartete Wiedersehen
schlug ihr das Herz bis zum Hals, doch sie bemühte sich, keine Gefühlsregung zu
zeigen. „Ich stehe ohnehin immer früh auf“, erklärte sie kühl.
„Für Samstag ist das beinahe noch mitten in der Nacht.“
„Ich sehe mir gern den Sonnenaufgang an.“
„Den beobachte ich auch gern. Allerdings nur, wenn ich im Bett liege, und zwar
mit dir.“
Er blickte ihr tief in die Augen, und plötzlich sehnte sie sich wieder danach, in
seinen Armen zu sein. Gewaltsam riß sie sich zusammen.
Kent hielt ihr die Tüte hin.
„Was ist da drin?“ fragte Diane.
„Heute morgen frisch gebacken.“
Sie nahm die Tüte und schaute hinein. „Oh, Croissants“, rief sie erfreut. „Ich
habe lange keine mehr gegessen.“
„Darf ich ein paar mit dir teilen?“
Diane ärgerte sich über ihr unhöfliches Verhalten, trat zur Seite und machte eine
einladende Handbewegung. „Natürlich, komm doch bitte herein.“
Nachdem Kent der Aufforderung gefolgt war, schloß sie die Tür.
„Möchtest du eine Tasse Kaffee?“ erkundigte sich Diane höflich.
„Gern. Den habe ich nötig heute morgen.“
Sie gingen in die Küche. Während sie Kaffee tranken und dazu die Croissants
aßen, plauderten sie über belanglose Dinge. Kent erwähnte nichts von dem
Streit, und Diane hatte keine Lust, das Thema zur Sprache zu bringen. Zwar
hätte sie ihm gern gesagt, wie leid ihr die ganze Sache tat, doch Kent wirkte
distanziert und verschlossen. Bis jetzt hatte er noch kein Wort über sein Jackett
und die Krawatte verloren. Warum war er wirklich zu ihr gekommen?
Nach dem Frühstück lehnte sich Kent auf dem Stuhl zurück, verschränkte die
Hände hinter dem Nacken und atmete tief durch.
„Wir haben gegessen und getrunken. Nun laß uns fröhlich sein.“
„Fröhlich?“
„Ja. Wir brauchen Tapetenwechsel und etwas Spaß. Ich habe alles arrangiert. In
Kürze werde ich dich entführen.“
„Wie meinst du das?“ fragte sie alarmiert.
„Ich habe eine Maschine vom ,Long Beach Pilot’s Club’ gechartert.“ Strahlend
erklärte er: „Ich fliege heute mit dir nach Catalina Island.“
7. KAPITEL „Du willst mit mir nach Catalina Island fliegen?“ Diane sah Kent ungläubig an. Sie
hatte vergessen, daß er einen Pilotenschein besaß und daß er leidenschaftlich
gern selbst flog. Vielleicht hatte sie dieses Wissen auch verdrängt, weil das
Fliegen schlimme Erinnerungen in ihr wachrief. „Das soll wohl ein Scherz sein!“
„Warum sollte ich scherzen?“ fragte Kent.
„Ich habe dir doch gesagt, daß ich nicht mit kleinen Maschinen fliege.“
„Weshalb nicht? Es wird dir gefallen, das verspreche ich.“
Sie schüttelte energisch den Kopf. „Ich werde nicht nach Catalina Island fliegen.
Ich habe von dem Flughafen dort gehört. Es ist gefährlich, dort zu landen. Viele
Unfälle haben sich da schon ereignet.“
Ärgerlich runzelte er die Stirn. „Du übertreibst. In einer Woche gibt es auf dem
SantaAnaFreeway mehr Unfälle als auf dem CatalinaAirport in einem Jahr. Ein
Flugzeugunglück macht sich nur besser in den Schlagzeilen.“
„Du magst recht haben, aber…“
„Bei allem und jedem gibt es irgendein Risiko“, unterbrach er sie scharf. „Was
hat das Leben für einen Sinn, wenn man nie etwas Neues ausprobiert und nie
irgendein Wagnis eingeht? Dann kann man sich genausogut gleich in die
Einsamkeit zurückziehen.“
Diane setzte zu einer heftigen Erwiderung an, besann sich jedoch anders.
Schweigend blickte sie an Kent vorbei.
„Sieh mal, du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Ich fliege seit dreizehn
Jahren. Und diese Route bin ich schon oft geflogen.“
„Es tut mir leid. Ich möchte nicht, Kent.“
Er verschränkte die Arme und war sichtlich bemüht, geduldig zu bleiben. „Diane,
es hat mich ziemlich viel Mühe gekostet, alles zu arrangieren. Ich habe einen
ganzen Tag für uns geplant. Das möchte ich jetzt nicht wieder absagen.“
„Tut mir leid, wenn du dir Mühe gemacht hast“, erwiderte sie gereizt. „Ist dir
überhaupt nicht in den Sinn gekommen, daß ich heute etwas anderes vorhaben
könnte? Du hättest mich wenigstens vorher fragen können.“
„Wie sollte ich das, nachdem du mich gestern hinausgeworfen hast.“ Kent zwang
sich zur Ruhe. „Außerdem sollte es eine Überraschung sein.“
„Ich komme nicht mit.“
„Verdammt!“ Kent sprang auf. „Was ist los mit dir? Kannst du nicht einmal etwas
riskieren? Hast du denn überhaupt keinen Mumm? Du hast Angst davor, dich mit
mir einzulassen. Du hast Angst davor, mit mir zu schlafen. Und du hast Angst
vorm Fliegen! Es überrascht mich, daß du dich traust, jeden Tag mit deinem
Wagen zur Arbeit zu fahren!“
„Das ist nicht fair!“ erwiderte sie heftig. „Ich habe gute Gründe, mich nicht mir
dir einzulassen. Wenn es dir gestern nacht nicht klar war, dann sollte es dir
spätestens jetzt klar sein! Und ich habe ebenso gute Gründe dafür, nicht mit
kleinen Maschinen zu fliegen.“
Kent stützte die Ellbogen auf die Tischplatte. „Zum Beispiel?“
„Meine beste Freundin kam beim Absturz einer Privatmaschine ums Leben! Und
ich wäre an diesem Tag beinahe mit ihr geflogen!“
Kent schaute Diane einen Augenblick lang stumm und betroffen an.
„Der Pilot, der die Maschine an diesem Tag flog, war der Mann meiner Freundin.
Sie waren erst ein paar Monate verheiratet. Sie war… erst 25.“
„Es tut mir leid.“
„Pam war wie eine Schwester für mich…“ Diane war so aufgewühlt, daß sie nicht
mehr weitersprechen konnte.
Sofort erhob sich Kent, ging um den Tisch herum und nahm sie in die Arme. Tröstend strich er ihr übers Haar. „Es tut mir leid, Diane. Ich wünsche, ich könnte meine Worte ungesagt machen und dir den Schmerz nehmen, den ich dir damit zugefügt habe.“ Diane kämpfte gegen die Tränen an, Tränen der Erleichterung, nicht des Kummers. Es war so tröstlich, in seinen Armen zu liegen. „Und verzeih mir wegen gestern nacht“, fügte er hinzu. „Verzeih mir alles. Ich habe häßliche Dinge gesagt, die ich nicht so meinte. Ich war in meiner Enttäuschung außer mir. Ich wollte dich nicht verlassen, wollte keine Minute mehr ohne dich sein.“ Diane schaute ihm in die Augen. „Nein, Kent. Entschuldige dich nicht. Bitte. Es war nicht deine Schuld, sondern meine. Ich weiß nicht, warum ich so unbeherrscht war. Es tut mir leid.“ Sie barg den Kopf an seiner Brust. Wie sehnte sie sich nach Kents leidenschaftlichen Küssen. Zu ihrer Enttäuschung drückte er sie nur leicht an sich, wie ein Bruder seine Schwester. „Du hattest völlig recht, so zu reagieren. Doch ich war vom ersten Augenblick an verrückt nach dir.“ Er küßte sie flüchtig auf die Stirn. „Aber ich werde nie mehr versuchen, dich zu etwas zu drängen, zu dem du nicht bereit bist. Das verspreche ich dir. Einverstanden?“ Sie lächelte schwach und versuchte, ihre Enttäuschung zu verbergen. „Natürlich.“ Kent trat einen Schritt zurück und hielt sie sanft an den Schultern fest. „Überlegst du es dir jetzt noch einmal? Fliegst du heute mit mir nach Catalina Island, willst du mir vertrauen?“ Kents gecharterte Maschine war eine weiße Cessna mit türkisfarbenen Streifen an Rumpf, Bug und Heck. Ein schickes Flugzeug, fand Diane. „Bist du sicher, daß du es mit ihr bis nach Catalina schaffst?“ fragte sie Kent dennoch besorgt. Kent lachte. „Vertrau mir.“ „Was bleibt mir anderes übrig?“ Sie lächelte gezwungen, als sie einstieg. Sie hatte zugestimmt, und jetzt mußte sie ihm beweisen, daß sie keine Spielverderberin war. Kurz darauf nahm Diane auf dem Ledersitz Platz und legte den Sicherheitsgurt an. Das Cockpit mit den unzähligen Knöpfen, Lampen und Hebeln war winzig, wie sie mit Unbehagen feststellte. Nun, es würde wenigstens ein trautes Beisammensein mit Kent werden. „Checkst du die Maschine immer so sorgfältig vor einem Flug durch?“ erkundigte sie sich. Lange hatte sie im Flughafencafe warten müssen, bis Kent mit allen Überprüfungen fertig gewesen war und sie abgeholt hatte. „Natürlich. Ich verlasse mich nicht auf das Wort von irgend jemandem, der behauptet, daß die Maschine aufgetankt und flugsicher sei. Ich will mich mit eigenen Augen davon überzeugen.“ Damit nahm Kent das Mikrofon aus der Halterung und gab durch, daß er startbereit sei. Nach einer Pause gab eine Stimme über Funk Anweisungen. Kent hängte das Mikro ein und lächelte. „Sonderbar. Irgendwie habe ich das Gefühl, du, Diane, solltest in das Mikro sprechen.“ Diane lachte. Seine entspannte Art wirkte beruhigend auf sie. „Das geht nicht. Hier ist Sachlichkeit oberstes Gebot. Was haben sie dir soeben mitgeteilt?“ „Zuerst ging es um die Wetterinformationen“, erklärte er, als sie über die Rollbahn fuhren. „Wind, Temperatur und so weiter. Anschließend gab mir die Bodenkontrolle die Startbahn an.“ „Davon hatte ich nichts verstanden.“
Er lachte leise. „Es ist das LuftfahrtAlphabet. Das hilft, einen Buchstaben vom
anderen zu unterscheiden und Mißverständnisse zu vermeiden. A ist Alfa, B ist
Bravo…“
„E ist Echo und U ist Union“, fiel sie ihm ins Wort.
„Richtig! Ich dachte mir schon, daß du schnell lernst.“ Er warf ihr einen
bewundernden Blick zu.
In diesem Moment hielt Kent an und rief über das Mikro den Tower. Diane
spürte, wie ihre Handflächen vor Aufregung feucht wurden. Es wird alles
gutgehen, sprach sie sich selbst Mut zu. Sie durfte nicht an den Flugzeugabsturz
denken, bei dem Pam ums Leben gekommen war. Es war ein Zufall gewesen,
eine Verkettung unglücklicher Umstände. Kent ist routiniert, dachte sie.
Über Funk erhielt er nun die Starterlaubnis. „Es ist soweit“, sagte er, während er
ihr aufmunternd zulächelte. „Keine Angst, Diane, es wird dir gefallen.“
Tief unter ihnen war der Ozean. Die glatte Oberfläche des dunkelblauen Wassers
glitzerte in der Sonne. Diane lehnte sich entspannt zurück und lächelte.
„Na, habe ich zuviel versprochen?“ fragte Kent und warf ihr einen raschen Blick
zu.
„Es ist wunderschön, Kent.“ Sie hoffte, er würde einen Arm um sie legen. Doch
das tat er nicht. Er schaute wieder konzentriert geradeaus und zwischendurch auf
die Kontrollanzeigen.
„Wenn du jetzt schon begeistert bist, wirst du es erst recht von Catalina sein“,
meinte er zufrieden.
Diane betrachtete nachdenklich sein markantes Profil. Er verhielt sich heute so,
als befürchtete er, sie könnte in Panik geraten, sobald er ihr zu nahe kam.
Wenn er doch nur ahnte, wie sehr ich mich nach einer Berührung von ihm sehne,
dachte sie.
Als sie die Insel erreichten, umflog Kent sie in einem weiten Bogen, und Diane
genoß staunend den atemberaubenden Anblick. Majestätisch ragte Catalina
Island aus dem tiefblauen Meer. Diane entdeckte einige kleine Häfen und weiße
Sandstrände.
„Wo ist der Flughafen?“ erkundigte sie sich.
„Direkt vor uns.“ Kent wies auf ein hohes Plateau, das von einem Asphaltstreifen
geteilt war. Die Piste, die Diane viel zu kurz fand, endete an einem steil
abfallenden Hang und begann an der Kante einer Klippe, die bis zum Meer hin
abfiel.
„Das soll die Landebahn sein?“ Dianes Mund wurde trocken. „Du scherzt wohl!“
Doch das war nicht der Fall. Sie näherten sich der Stelle. Das Motorengeräusch
wurde leiser. Die Cessna flog langsamer und senkte sich auf den Rand der Klippe
zu.
Diane saß angespannt da und schloß die Augen.
„Keine Sorge! Ich fliege doch nicht zum erstenmal, Diane.“
Sie nickte stumm. Kein Grund, sich zu fürchten, dachte sie. Ich habe keine
Angst. Das redete sie sich immer wieder ein. Plötzlich fühlte sie sich
emporgehoben, als ob die Maschine von einer starken Bö erfaßt werden würde.
Kurz darauf glitt die Maschine hinab und setzte für Dianes Empfinden
überraschend sanft auf. Sie spürte, wie die Cessna erzitterte und abgebremst
wurde. Das Herz klopfte Diane bis zum Hals. Halt an, bevor wir auf der anderen
Seite von der Klippe stürzen! dachte sie im stillen. Das Tempo wurde langsamer,
die Maschine rollte aus und kam endlich zum Stehen.
Diane öffnete die Augen, atmete tief durch und sank auf dem Sitz zusammen.
„Das war doch kein Problem, oder?“ Vergnügt schaute Kent sie an.
Sie lächelte matt zurück. „Ein Kinderspiel.“
Kent verstaute die Strandtasche, die er mitgenommen hatte, im Kofferraum des
dunkelblauen Sedan.
„Was hast du darin?“ Diane trat neugierig näher, doch Kent schlug bereits die
Kofferraumhaube zu.
„Laß dich überraschen.“
Er öffnete die Wagentür, und Diane stieg ein. Auf seinen Wunsch hin hatte sie in
einem Waschraum im Flughafengebäude ihren Bikini unter den Jeans und dem T
Shirt angezogen. Kent trug jetzt eine marineblaue Badehose zu dem Polohemd.
„Wie hast du es geschafft, diesen Wagen zu bekommen?“ fragte sie, nachdem
Kent neben ihr Platz genommen hatte. „Soweit ich weiß, gibt es auf der Insel
keinen Autoverleih.“
Kent lächelte geheimnisvoll. „Gibt es auch nicht.“
„Dann mußt du jemanden kennen, der hier lebt.“
„Ja, ich kenne hier ein paar Leute“, gab er zu. Sekunden später startete er den
Motor und fuhr vom FlughafenParkplatz.
Plötzlich bemerkte Diane, daß er nicht in die Straße eingebogen war, die nach
Avalon, der einzigen Stadt der Insel, führte. „Wohin fahren wir?“
„Du warst schon in Avalon. Das hast du mir doch unterwegs erzählt.“
„Ja.“ Sie hatte vor zwei Jahren einen Schiffsausflug nach Catalina Island
unternommen.
„Ich kenne Avalon ebenfalls. Und da es dort von Touristen wimmelt, habe ich für
uns heute etwas völlig anderes im Sinn.“
Die schmale, gewundene Straße wurde auf einer Seite von hohen Felsen und auf
der anderen von einem steil abfallenden Hang begrenzt. Die Landschaft ähnelte
einer kargen, steinigen Wüstengegend.
Schließlich fuhren sie um eine weitere Biegung. Jetzt entdeckte Diane einen
kleinen, einsam gelegenen Sandstrand unterhalb der Klippen.
Kent lenkte den Wagen auf einen Parkplatz und hielt dort neben dem anderen
Auto, dem einzigen, das dort stand.
„O Kent, wie wundervoll!“ Diane stieg aus, lief zum Rand der Klippe und genoß
die Aussicht auf die sanfte Brandung. Die Sonne schien vom wolkenlosen Himmel
auf die scheinbar endlos blaue See. Die einzigen Leute, die sie bemerkte,
packten gerade ihre Sachen zusammen und gingen den gewundenen Pfad hinauf,
der zum Parkplatz führte.
„So einen leeren Strand habe ich samstags noch nie gesehen!“ wunderte sich
Diane.
„Warum ist niemand sonst hier?“
Kent trat neben sie und legte einen Arm um ihre Schultern. „Touristen haben
nicht die Möglichkeit, einen Wagen zu mieten, deshalb kommen fast nur
Einheimische zu diesem abgelegenen Platz, und das sind nicht viele. Dieser
kleine Strand liegt am weitesten von Avalon entfernt. Deshalb dachte ich mir,
daß sich hier nicht viele Leute aufhalten.“
Er sah sie fragend an. „Gefällt es dir hier?“
„Es ist unglaublich. Wie…“ Sie hielt inne. „Ich weiß, es klingt albern. Es ist fast
so, als wäre man auf einer einsamen Insel gelandet. Ich finde es paradiesisch
hier.“
Unvermittelt zog Kent sie an sich und blickte ihr tief in die Augen. „Ich hatte
gehofft, du würdest es so sehen. Vor ein paar Jahren war ich einmal allein hier.
Seitdem habe ich immer davon geträumt, hierher zurückzukehren und dieses
Erlebnis mit jemandem zu teilen.“
Diane stellte sich auf die Zehenspitzen, schlang die Arme um Kent und küßte ihn.
„Ich bin glücklich, daß du mich hierher geführt hast.“
„Das nenne ich einen idealen Picknickplatz.“ Kent stellte die rote Kühlbox und den Proviantkorb am Fuß der Felsklippe ab und breitete die Decke im weißen Sand aus. „Ich kann es kaum erwarten, mich im Meer zu erfrischen“, meinte Diane, die in der sengenden Sonne ins Schwitzen geraten war. Kent stand mit dem Rücken zu ihr und zog sein Hemd aus. Verstohlen betrachtete sie das Spiel seiner Muskeln unter der sonnengebräunten Haut. Sie schaute zur Seite, als er sich umwandte. „Wie wäre es, wenn wir uns zuerst ein bißchen stärken?“ schlug er vor. „Das Frühstück war ja nicht sonderlich üppig.“ Erst jetzt spürte Diane, wie hungrig sie war. Erfreut stimmte sie zu und ließ sich im Schneidersitz auf der weichen Decke nieder. „Ich hoffe, du hast genug eingepackt, denn mein Appetit ist sehr groß.“ Er öffnete den Picknickkorb. „Mal schauen, allerdings badet man nicht mit vollem Magen. Aber für einen kleinen Imbiß ist alles da.“ Er holte ein Baguette heraus, Bestecke, ein Holzbrett und Plastikteller. Aus der Kühlbox entnahm er drei Sorten Käse, eine Salami, eine Dose Gänseleberpastete, Weintrauben, Äpfel und Oliven. Schließlich zog er eine Flasche Champagner und zwei Gläser hervor. „Wo hast du das alles her?“ fragte Diane erstaunt. „Ich sagte dir doch, daß ich seit sechs Uhr auf den Beinen bin und einige Telefonate führte.“ Nachdem er die Flasche entkorkt hatte, füllte er ihr Glas mit Champagner. „Der Besitzer des ,Avalon Grand Hotel’ ist ein Freund von mir“, fügte er hinzu. „Auf meine Bitte hin, stellte er dies alles für uns zusammen. Oh, und noch etwas.“ Erneut griff Kent in die Kühlbox und holte eine Sechserpackung Sparkle Light Limonade hervor. „Falls du nach dem Champagner noch Durst haben solltest“, sagte er lächelnd. Sobald Kent sein Glas ebenfalls gefüllt hatte, hob er es zu einem Toast. „Auf die reizendste Frau, die ich je kennengelernt habe, und auf vier unvergeßliche Tage.“ Unvergeßliche Tage. Diane hoffte, daß er ihre Enttäuschung bei diesen Worten nicht bemerkte. Wenn er doch von weiteren schönen, gemeinsamen Tagen gesprochen hätte! Aber hatte sie ihm nicht klargemacht, daß das unmöglich war? Diane stieß mit ihm an und lächelte gezwungen. „Auf den besten Piloten, dem ich je mein Leben anvertraut habe.“ „Woran denkst du?“ wollte Kent wissen. Seine Frage holte Diane in die Wirklichkeit zurück. Nachdem sie gegessen und zusammen Champagner getrunken hatten, hatte jeder seinen (3edanken nachgehangen. „Bitte? Oh, ich dachte gerade, wie schön es hier ist und wie sehr ich alles genossen habe.“ Er trank das Glas leer und legte es in den Korb. „Auch den Flug?“ „Ja. Sogar den Flug. Er war ungemein aufregend. Der größte Nervenkitzel, den ich je erlebt habe.“ Kent neigte sich vor und küßte sie leicht auf die Lippen. „Das freut mich. Was hältst du davon, wenn wir jetzt schwimmen gehen?“ „Gute Idee.“ Diane erhob sich. Sie fühlte sich herrlich beschwingt vom Champagner. Kaum hatte sie TShirt und Jeans ausgezogen, als sie Kents anerkennenden Pfiff hörte. „Hübscher Bikini.“ Er ließ den Blick über das knappe blauweiße Top gleiten, hinunter zu ihren Hüften und zu dem winzigen Dreieck des Unterteils. „Aber ich hätte nichts dagegen, wenn du ihn ausziehen würdest. Wir sind schließlich hier allein.“ „Kommt nicht in Frage!“ erklärte sie entschieden. „Falls du nackt baden willst, tu
das allein!“
„In Ordnung.“ Zu ihrer Bestürzung nahm er sie beim Wort. Er schlüpfte aus der
Badehose und ließ sie in den Sand fallen.
Sie hatte keine Zeit, seinen muskulösen, gebräunten Körper zu betrachten, denn
Kent ergriff ihre Hand und zog Diane zum Meer. Ihr stockte der Atem, sobald das
kalte Wasser gegen ihre Beine spritzte.
Kurz darauf umspülte eine Welle ihre Taille. Am liebsten hätte sie sich langsamer
abgekühlt, doch Kent hatte sie an der Hand gepackt und stürmte mit ihr voran.
Verstohlen schaute sie ihn von der Seite an. Welch erregenden Anblick bot er.
Diane erbebte. Sie hoffte, er würde die verräterische Reaktion ihres Körpers nicht
bemerken.
Schließlich ließ er ihre Hand los und tauchte in die Fluten. „Willst du ein Stück
hinausschwimmen?“ rief er, kaum daß er wieder an der Oberfläche war.
„Ja.“ Im nächsten Moment kraulte sie los. Sie hatte sich jetzt an das kühle
Wasser gewöhnt, und es erfrischte und belebte sie.
Eine Zeitlang schwammen sie Seite an Seite ins Meer hinaus. Als sie umkehrten,
ließen sie sich von den Wellen ans Ufer tragen. Sobald Kent Boden unter den
Füßen spürte, nahm er Diane in die Arme.
„Das Wasser ist hier phantastisch, nicht wahr?“
Sie nickte und schmiegte sich an ihn.
Ihre Blicke trafen sich. Diane spürte Kents Anspannung, so, als wolle er seine
Gefühle unter Kontrolle behalten. Dianes Atem ging schneller, während sie von
den Wellen auf und ab getragen wurden. In seinen Augen las sie sein Verlangen
und die Frage, ob sie das gleiche empfinde. Ja, wollte sie antworten. Ich begehre
dich ebenso stark. Doch sie schwieg.
Kent küßte sie zärtlich. Bereitwillig öffnete sie den Mund und genoß das
erregende Spiel seiner Zunge. Dianes Verlangen wuchs. Die Meereswellen
wogten gegen sie, und die Brandung rauschte.
„Du bist wunderbar, Diane.“ Er preßte erneut die Lippen auf die ihren, diesmal
heftiger, fordernder.
Erregt schlang sie die Beine um seine Hüften. Ein Schauer der Lust durchlief sie,
als sie sein Begehren spürte.
„Diane“, hörte sie ihn plötzlich mit rauher Stimme sagen. „Ich sehne mich so
stark nach dir.“
Und ich mich nach dir, fügte sie im stillen hinzu, wagte jedoch nicht, es
auszusprechen, da sie die Folgen fürchtete. Was hat das Leben für einen Sinn,
wenn man niemals irgendein Risiko eingeht? erinnerte sie sich plötzlich an Kents
Worte von heute morgen. Nur kurze Zeit würden sie Zusammensein, dann würde
jeder wieder sein eigenes Leben führen. Mit einemmal erschien dies Diane
unwichtig, nur der Augenblick zählte. Jetzt gehörten sie einander.
„Schlaf mit mir, Kent“, flüsterte sie.
8. KAPITEL Diane war dankbar, daß Kent nicht zögerte und ihr keine Gelegenheit gab, ihre Entscheidung in Frage zu stellen. Sofort hob er sie auf die Arme, trug sie aus dem Wasser durch den warmen Sand und legte sie im Schatten der Klippe auf die Decke. Er streckte sich neben ihr aus und hielt sie lange an sich gepreßt, bevor er sie küßte und ihr behutsam durch das nasse Haar strich. Sie genoß das Gefühl, Kents kühle Haut an ihrem Körper zu spüren. Ein lustvolles Seufzen drang über ihre Lippen, dann erwiderte sie hingebungsvoll seinen Kuß. Mit raschem Griff öffnete er den Verschluß ihres BikiniTops und streifte es ab. Sanft drehte er sie auf den Rücken, strich über ihre nackten Brüste hinab bis zu den Hüften, bevor er ihr das Bikinihöschen auszog. Diane gab sich willig seinen Liebkosungen hin. Einen Moment wunderte sie sich darüber, daß sie keinerlei Scham empfand. Nie hatte sie so offen ihre Gefühle gezeigt. „Du bist schön“, flüsterte Kent, und sie las Entzücken und Verlangen in seinen Augen. Zärtlich streichelte er die zarte Innenhaut ihrer Schenkel. Sie stöhnte auf, als er das erregende Spiel in intimeren Bereichen fortsetzte. „Ich habe mich den ganzen Tag nach dir gesehnt“, flüsterte sie. „Wie sehr habe ich mir gewünscht, deinen Körper zu berühren…“ Er lächelte und stützte sich auf einen Ellenbogen. „Bitte. Tu dir keinen Zwang an.“ Zögernd berührte sie Kents breite Brust und folgte dem keilförmigen Streifen der gekräuselten Härchen. Sie tastete sich bis zum Bauchnabel hinab und umkreiste ihn spielerisch. Diane spürte, wie sich seine Bauchmuskeln anspannten, und hörte ihn scharf einatmen. Ermuntert durch die Reaktion, ließ sie ihre Hand weiter hinuntergleiten. Ein schriller Schrei durchbrach plötzlich die Stille. Diane zuckte zusammen. „Diane? Was ist?“ fragte Kent ernsthaft besorgt. Wieder ertönte der Schrei, dieses Mal vertraut und nicht mehr furchteinflößend. Diane wandte den Kopf und sah die Möwe tief über den Klippen fliegen. Der Vogel schwebte jetzt über ihnen. Sekunden später breitete er erneut die Schwingen aus und flog so plötzlich, wie er aufgetaucht war, davon. Diane schaute Kent an und berührte seine Wange. „Die Möwe hat mich erschreckt.“ Zu ihrer Überraschung spürte Diane, daß ihr das Blut in die Wangen stieg. Warum war sie plötzlich verlegen? Liebevoll lächelnd ergriff Kent ihre Hand, hielt sie an die Lippen und küßte jeden Finger. „Hast du Angst?“ fragte er weich. Sie schwieg. Es war lange her, seit sie das letzte Mal mit einem Mann geschlafen hatte. Sie wußte, wie sehr Kent sie begehrte, und in ihr brannte das gleiche heiße Verlangen. Aber würde sie ihm geben können, was er erwartete? Das Liebesspiel mit Steve war befriedigend gewesen, doch kaum gewagt oder ungewöhnlich. Außerdem hatte sie wenig andere Erfahrungen. Würde Kent von ihr enttäuscht sein? Als ahne er ihre Besorgnis, strich er ihr zärtlich eine nasse Haarsträhne aus dem Gesicht und meinte: „Ist es die ungewohnte Situation, hier mit mir am Strand zu liegen?“ Nein, dachte sie. Es ist wunderbar. Der schattige Platz unter der überhängenden Klippe schien wie für sie beide geschaffen zu sein. „Sollen wir warten, bis wir zu Hause sind?“ erkundigte er sich leise. Ein inniges Gefühl der Zuneigung durchströmte Diane. Zweimal hatte sie ihn schon abgewiesen. Dennoch war er jetzt bereit, auf die Erfüllung seiner Wünsche
zu verzichten, wenn sie noch unsicher war. Sie hatte noch nie einen so verständnisvollen und selbstlosen Mann gekannt. Sein Blick drückte eine tiefe Sehnsucht aus, die über sexuelle Begierde hinausging. Er wollte sie. Nicht nur ihren Körper. Er respektierte sie und ihre Gefühle. „Nein, ich möchte nicht mehr warten“, antwortete sie. „Ich bin nur etwas nervös.“ „Entspanne dich. Genieß einfach, was wir einander geben können.“ Kent küßte Diane, während er erregend langsam ihre Brüste streichelte. Sie strich über seine Hüften und über die leicht behaarten Oberschenkel. Sie küßten sich leidenschaftlicher. Ihre Zungen berührten sich in rhythmischem Spiel, und der Wunsch, die so lange versagte Erfüllung zu finden, wurde übermächtig. Stöhnend preßte sich Diane an Kent, zog mit den Lippen eine heiße Spur seinen Hals hinab. „Oh, Kent.“ Sie atmeten jetzt in heftigen, schnellen Stößen, während jeder den Körper des anderen mit den Händen erkundete. Bald wurden ihre Liebkosungen kühner und intimer. Kent neigte sich zu ihr hinunter und umschloß mit dem Mund die harte Brustspitze. In wildem Verlangen fuhr sie durch sein Haar, als er zärtlich an der rosigen Knospe saugte, bis Diane es vor Wonne kaum noch ertragen konnte. Sie spürte, wie er aufreizend langsam über ihren Leib strich, weiter hinunter zu ihren Hüften und den Oberschenkeln tastete, bis er ihre intimste Stelle fand. Sie bäumte sich Kent entgegen und ließ sich von einer Woge der Leidenschaft davontragen. Diane fühlte sich wie im Rausch. Sie gab sich ganz der Wonne hin, die er ihr mit Händen und Lippen bereitete. Ihre Fingernägel gruben sich in seinen Arm. Was jeder in den Augen des anderen las, war beredter als alle Worte. Diane war bereit, Kent zu lieben. Den Blick voller Zärtlichkeit bog sie sich ihm entgegen. Kent atmete schwer, als er kraftvoll in sie eindrang. „Diane… Liebling…“ flüsterte er heiser. „Sag mir, wenn es weh tut.“ „Es tut nicht weh.“ Es war nur ein leichter, süßer Schmerz, und sie wußte, er würde nicht lange andauern. Sie paßte sich dem Rhythmus seiner Bewegungen an und nahm ihn noch tiefer in sich auf. Ströme der Lust durchzuckten sie und ließen sie vor Wonne aufstöhnen. „Es ist wunderbar“, raunte er. „Du bist so weich, so warm.“ Wieder hörte sie den Schrei einer Möwe, lauschte kurz dem Geräusch der Meeresbrandung. Einen Moment lang öffnete sie die Augen und sah den strahlendblauen Himmel, der sich über ihnen wölbte. Wie herrlich es war, hier an diesem Strand von Kent geliebt zu werden. Kent bewegte sich immer rascher, und Diane spürte die nahende Erfüllung. Kurz darauf erbebte sie und hatte das Gefühl, von einem Strudel der Leidenschaft mitgerissen und auf den Gipfel der Lust emporgetragen zu werden. Sie schrie auf und hörte gleichzeitig wie aus weiter Ferne, daß er ihren Namen rief. Gemeinsam erreichten Sie den Höhepunkt. Berauscht vor Glück umklammerte Diane ihn, während heiße Wellen der Erregung durch ihren Körper jagten und unendlich langsam abklangen. Noch lange danach hielten sie sich eng umschlungen in den Armen. Allmählich wurde ihr Atem ruhiger, und Diane öffnete die Augen. Innig lächelte sie ihn an. Ihr Blick verriet Kent die tiefen Empfindungen, die sie in diesem Moment erfüllten. Ein Tag war vergangen, seit sich Kent und Diane am Strand von Catalina geliebt
hatten. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit waren sie von der Insel zurückgekehrt und hatten in Dianes Badezimmer lange und ausgiebig geduscht. „Ich könnte dich die ganze Nacht lieben, und das wäre immer noch nicht genug“, hatte Kent gesagt, während er mit dem dicken, weichen Badetuch zärtlich ihren Körper abgetrocknet hatte. Diane hatte verführerisch gelächelt. „Probier es doch aus.“ Und das hatte er umgehend getan. Immer wieder hatten sie sich geliebt, und jedesmal hatte Diane das Gefühl gehabt, daß es noch schöner als zuvor gewesen war. Kent hatte ihr Wonnen bereitet, die sie nie für möglich gehalten hätte. Jetzt, nach dem Abendessen, saßen sie in der Hollywoodschaukel auf der Veranda. Kent hatte beim Essen behauptet, daß der Küchentisch weiß sei, und war erstaunt über Dianes Feststellung, der Tisch habe eine pinkfarbene Platte. „Wie findest du eigentlich heraus, welche Kleidungsstücke farblich zusammenpassen?“ wollte sie wissen. „Ich verlasse mich auf das, was die Verkäufer mir sagen“, erwiderte Kent. Diane schwieg einen Augenblick und trank einen Schluck Wein. „Das muß manchmal ziemlich frustrierend sein“, meinte sie nach einer Weile. „Manchmal.“ Er lächelte. „Als ich noch ein Kind war, spielten mir meine Schwestern von Zeit zu Zeit einen Streich, indem sie die zusammengehörigen Kleidungsstücke im Schrank vertauschten, so daß ich die unmöglichsten Farbkombinationen trug. Gelegentlich habe ich noch Probleme, die dunkelbraunen Socken von den schwarzen und grüner» zu unterscheiden.“ Diane lachte. „Du brauchst eine Frau, die dir bei der Wahl der Kleidung hilft.“ Im nächsten Augenblick bereute sie ihre Worte. Kent hob überrascht die Brauen und musterte sie ernst. „Vielleicht.“ Wie hatte sie nur so etwas Dummes sagen können! Hastig wich sie seinem Blick aus. „Es war aber nicht nett, was deine Schwestern mit dir anstellten“, bemerkte sie rasch. Er zuckte mit den Schultern. „Ich habe es ihnen heimgezahlt. Eines Abends saßen die vier ältesten, die damals im Teenageralter waren, im Wohnzimmer. Mit Bademänteln, Lockenwicklern und mit Gesichtsmasken. Ich rief einige meiner Freunde an und lud sie ein, sofort zu kommen. Wenig später drängelten sie sich ins Wohnzimmer. Da hättest du meine Schwestern sehen sollen. Fluchtartig verließen sie den Raum.“ Diane meinte belustigt: „Wie peinlich muß ihnen das gewesen sein!“ Er nickte. „Ich stand monatelang auf ihrer schwarzen Liste.“ „Du warst ja ein richtiger Teufel, weißt du das?“ Nachdem er einen Schluck Wein getrunken hatte, strich er ihr über den Arm. Plötzlich wurde er ernst. „Du wirst mir fehlen“, sagte er leise. Sein plötzlicher Stimmungsumschwung traf sie überraschend. Warum fängt er jetzt davon an? dachte sie. Den Gedanken daran, daß dies ihr letzter gemeinsamer Abend war, hatte sie bisher verdrängt. Genauso, wie man vermeidet, sich mit dem unausweichlichen Ende eines wundervollen Urlaubs zu beschäftigen. Obgleich man weiß, daß er bald vorüber sein wird und man heimkehren muß, will man sich jedoch nicht mit dem Gedanken daran die letzten Tage verderben. „Du wirst mir ebenfalls fehlen“, gestand sie. „Ich wünschte, ich würde nicht so weit entfernt von dir wohnen, und wir könnten…“ „Schon gut.“ Plötzlich schmeckte Diane der Wein nicht mehr. Sie stellte das Glas ab und schaute Kent ruhig an. „Du brauchst keine Erklärungen abzugeben.“
„Du sollst wissen, was dieses Wochenende für mich bedeutet hat. Du bist eine wundervolle, außergewöhnliche Frau, Diane. Ich empfinde so viel für dich. Es wird schwer für mich sein, nach Seattle zurückzukehren und den Alltagstrott wiederaufzunehmen, während du mehr als tausend Meilen von mir entfernt bist.“ Diane schwieg. Kent leerte sein Glas und stellte es neben der Hollywoodschaukel ab. Daraufhin nahm er Diane in die Arme und küßte sie. „Ich wünschte, ich könnte länger bleiben, doch das ist nicht möglich. Schon morgen nachmittag habe ich einen wichtigen Termin. Ich muß morgen in aller Frühe nach Seattle fliegen.“ Dianes Augen wurden feucht. Doch sie riß sich zusammen. „Ich… wußte, daß wir nur ein paar Tage miteinander verbringen würden. Deshalb wollte ich mich anfangs nicht mit dir einlassen, weil mir klar war, daß sich keine Beziehung zwischen uns entwickeln würde. Aber…“ „Bitte?“ Kent rückte ein Stück von ihr ab und sah sie erstaunt an. „Weshalb sollten wir keine Beziehung aufbauen?“ „Du weißt, daß es unmöglich ist. Du sagtest zu Beginn, man soll die Dinge auf sich zukommen lassen und nicht mit Gedanken an die Zukunft die Gegenwart vergessen. Das habe ich getan. Doch wie wird es jetzt weitergehen? Welche Zukunft kann es für uns geben, wenn du in Seattle bist und ich hier bin?“ „Wir werden eine Lösung finden“, erwiderte er überzeugt. Sie schüttelte den Kopf. „Welche? Wie oft könnten wir uns sehen?“ „An jedem Wochenende. Viele Paare, die in derselben Stadt leben, treffen sich nicht öfter.“ „Jedes Wochenende! Das würde ein Vermögen kosten.“ „Na und? Ich bezahle die Flugtickets und die Telefonrechnungen. Und wenn du nicht zu mir reisen willst, komme ich zu dir.“ „Du kannst doch nicht jedes Wochenende herfliegen.“ „Das kann ich, und das werde ich.“ „Wir werden uns nur gegenseitig unglücklich machen.“ „Ich rechne damit, fünf Tage der Woche unglücklich, an den Wochenenden jedoch unendlich glücklich zu sein.“ Kent rutschte näher an sie heran, nahm ihren Anhänger in die Hand und musterte den goldenen Vogel. „Und ich werde oft einen Vorwand haben, hierher zu fliegen.“ „Welchen?“ „Ich kam eigentlich mit der Absicht her, einen Kunden zu treffen. Doch während meines Aufenthalts hier entdeckte ich ein Geschäftsobjekt in Los Angeles, und ich erwäge, es zu kaufen.“ „Wirklich?“ „Ja. In zwei Wochen wird die Entscheidung fallen.“ Kent nahm ihre Hände und drückte sie sanft. „Wenn ich dieses Objekt kaufe, werde ich mich für längere Zeit hier aufhalten, bis alles reibungslos abläuft. Wir könnten uns dann häufig sehen.“ Was ändert das schon? ging es Diane durch den Kopf. Eines Tages würde er zurückkehren müssen. Und sie würde wieder allein sein. „Ganz gleich, was geschieht“, fuhr Kent fort, „ich werde dich so oft besuchen, wie es mir möglich sein wird. Glaub mir das ich mache dir nichts vor.“ „Ich weiß, daß du mir nichts vormachst. Ich bin überzeugt, unsere Bekanntschaft wird nur von kurzer Dauer sein.“ „Diane, du hast dich vom ersten Augenblick an gegen mich gewehrt“, erwiderte Kent heftig. „Warum? Hat dir dieses Wochenende denn nichts bedeutet? Empfindest du so wenig für mich, daß du nicht einmal versuchen willst, unsere Beziehung auf der im Moment einzig möglichen Ebene fortzusetzen.“ „Ich empfinde für dich mehr als für jeden anderen Mann, den ich kannte! Und ich
werde unglücklich sein, wenn du mich verläßt! Doch eine Beziehung über eine so große Entfernung kann nicht gutgehen. Das ist unmöglich!“ „Woher willst du das wissen?“ fragte er scharf. „Hast du es jemals ausprobiert?“ „Ja!“ „Wann?“ „Als ich meinen Mann verließ!“ Einen Augenblick lang herrschte Stille. Diane schaute in den dunklen Vorgarten und mied Kents Blick. „Sag mir, was geschehen ist, Diane“, forderte er sie schließlich sanft auf. Sie lehnte sich gegen Kents Arm, der auf der Rückenlehne der Hollywoodschaukel ruhte. „Als ich Steve kennenlernte, war ich gerade in Tucson eingetroffen, um eine neue Stelle als Rundfunkmoderatorin anzunehmen. Er war Anwalt, sehr erfolgreich und überdies gutaussehend. Wir verstanden uns auf Anhieb, und schon nach kurzer Zeit zogen wir zusammen. Monate später auf einer Party fragte ein Freund von Steve, halb im Scherz, wann wir heiraten würden. Steve war sofort begeistert von dieser Idee, und er wollte von mir wissen, was ich davon hielte. Mir gefiel die Vorstellung, zumal ich ihn wirklich liebte und zu diesem Zeitpunkt auch glaubte, daß Steve diese Gefühle erwiderte. Wir fuhren den weiten Weg bis Las Vegas und ließen uns um zwei Uhr morgens in einer dieser kleinen Kapellen trauen…“ Diane atmete tief durch, bevor sie weitersprach. „Ein halbes Jahr lang lief alles wunderbar, bis ich meine Arbeitsstelle als Rundfunkmoderatorin verlor. Ich versuchte es bei den anderen Sendern in Tucson, aber überall bekam ich Absagen. Schließlich erhielt ich ein Angebot aus Detroit. Das Problem war nur, daß Steve nicht mitwollte, und so…“ „… hast du ihn verlassen“, vollendete Kent. „Ja. Wir bemühten uns beide, die Ehe aufrechtzuerhalten. Abwechselnd besuchten wir uns jedes zweite Wochenende. Jeder Penny, den wir verdienten, ging für Flüge und Telefongespräche drauf. Es klappte ein paar Monate, doch dann wurden Steves Besuche seltener. Er brachte alle möglichen Ausreden und Entschuldigungen vor, weshalb er nicht zu mir und ich nicht zu ihm kommen konnte. Meistens schützte er geschäftliche Probleme vor. Schließlich fand ich heraus, daß er eine andere Frau besuchte. Ich konnte es ihm nicht verdenken. Besonders, da ich das Gefühl der Einsamkeit aus eigener Erfahrung kannte. Irgendwann rief er eines Abends an und teilte mir mit, daß er die Scheidung wollte.“ „Liebtest du ihn noch, nachdem du nach Detroit gezogen warst?“ „Ja. Sehr. Doch nicht genug, um meine Karriere aufzugeben.“ „Das hätte er nie von dir erwarten sollen. Er hätte bereit sein müssen, mit dir umzuziehen.“ „Das ist leicht gesagt, doch als Anwalt konnte er nicht so problemlos den Wohnort wechseln wie ich. Sein Patent war nur in Arizona gültig, hinzu kam, daß er sich eine feste Klientel aufgebaut hatte. Das sollte er alles im Stich lassen, nur um mir zu folgen? Wenn sich das Problem stellt, daß ein Ehepartner umziehen muß, ist der andere praktisch gezwungen, seine Karriere zu opfern. Das finde ich nicht fair, für keinen von beiden.“ Und deshalb kann ich nie wieder heiraten, wollte sie sagen, doch sie brachte es nicht über die Lippen. Kent legte den Arm fester um sie. „Ich glaube, wenn sich zwei lieben, dann finden sie immer einen Weg, um zusammenzukommen, ganz gleich, was auch geschehen mag.“ „So einfach ist das selten.“
„So kann es aber sein.“ Er streichelte zärtlich ihren Nacken. „Ich möchte das nicht noch einmal durchmachen“, bemerkte Diane leise, obwohl sie wußte, daß sie nicht imstande war, ihr Verhältnis mit Kent zu beenden. „Ich bin dafür nicht stark genüg. Es dauerte Jahre, bis ich den Kummer überwand und allein zurechtkam.“ Er küßte sie sanft. „Diane, ich brauche dich. Ich weiß, du hast schmerzliche Erfahrungen hinter dir, und es tut mir leid. Doch du mußt die Vergangenheit vergessen. Was war, bevor wir uns kennenlernten, zählt nicht mehr. Es wird nicht leicht sein, einen Schlußstrich zu ziehen. Doch wir können unsere Liebe nicht einfach begraben, ohne ihr wenigstens eine Chance gegeben zu haben. Gib mir Zeit, Liebling. Laß es uns versuchen.“ Vielleicht hat er recht, überlegte Diane, während er sie in die Arme nahm und küßte. Vielleicht geht es zwischen uns doch gut…
9. KAPITEL Diane fuhr die nächste Platte ab, schaltete das Mikrofon aus und nahm die Kopfhörer ab. Sie schloß die Augen und dachte an Kent. Der letzte Monat war wie im Flug vergangen. Kent hatte jedes Wochenende mit ihr verbracht, und zwischendurch hatte er immer wieder angerufen oder Telegramme und Geschenke geschickt. Es war eine glückliche Zeit gewesen, doch nun fiel der erste Schatten auf ihre Beziehung, und die alten Ängste, die sie schon fast überwunden geglaubt hatte, waren wieder da. Am vergangenen Wochenende hatte Kent nicht zu ihr kommen können. Ein dringender Geschäftsabschluß, hatte er am Telefon gesagt. Wie sehr hatte sie sich nach Kent gesehnt! Wenn er danach wenigstens wieder angerufen hätte! Sie hatte nach Seattle telefoniert, ihn jedoch nicht erreichen können. Erst gestern abend hatte er sich telefonisch gemeldet und ihr versprochen, am Wochenende zu ihr zu fliegen. Versprochen. Wie oft hatte Steve damals etwas versprochen, sie warten lassen und dann fadenscheinige Ausreden erfunden? Es sah ganz so aus, als würde sich alles genauso wieder abspielen wie damals. Warum habe ich mir das ein zweites Mal angetan? fragte sie sich traurig. Warum habe ich mich so hoffnungslos in Kent verliebt, obwohl ich wußte, daß die Beziehung ein rasches Ende finden wird? In diesem Augenblick flog die Studiotür auf. „Ablösung, Diane!“ Diane schreckte aus ihren Gedanken hoch und öffnete die Augen. Dave, der kahlköpfige Diskjockey der Abendschicht, war gekommen. „Was ist los, träumst du?“ fragte Dave überrascht. „Nein, nein“, antwortete sie hastig. Dave grinste breit. „Ich hab dich erwischt. Du bist mit deinen Gedanken oft woanders, seit dein Galan in seinem grünen Maserati auftauchte.“ „Er ist nicht mein… Galan“, widersprach Diane. „Nicht?“ Dave blickte sie verwundert an. „Ihr habt euch doch nicht getrennt, oder?“ „Nicht… direkt.“ Diane stammelte leicht verwirrt. Gleichmütig zuckte Dave mit den Schultern, warf einen Blick auf seine Armbanduhr und sah sich die Programmfolge an. „Gut, daß alles korrekt ausgefüllt ist“, meinte er. „Ich darf mir jetzt keinen Fehler erlauben, wenn ich den Job behalten will.“ Diane erhob sich vom Drehstuhl und nahm ihre Handtasche. „Warum nicht?“ wollte sie wissen. „Hast du nicht davon gehört?“ fragte Dave überrascht. „Wovon?“ „Der alte Westler plant, den Sender zu verkaufen und sich zur Ruhe zu setzen.“ „Zu verkaufen?“ Diane war fassungslos. „Wann?“ „Das weiß ich nicht. Er hat es noch nicht offiziell bekanntgegeben. Es sind nur Gerüchte.“ Diane schaute ihn benommen an. Angst um ihre Arbeitsstelle stieg in ihr auf. Wenn der Sender tatsächlich verkauft wurde, war damit zu rechnen, daß einige der bisherigen Mitarbeiter entlassen und durch neue ersetzt würden. Das wäre in dieser Branche nicht das erste Mal. Auch gab es eine entsprechende Klausel in den Arbeitsverträgen. „Ich fühlte mich schon miserabel genug ohne diese Hiobsbotschaft, Dave“, sagte Diane betroffen. „Mach dir nichts daraus. Es ist vielleicht nur ein Gerücht. Genieße deinen
Feierabend.“ Dave ließ sich auf den Drehstuhl sinken und nahm die Kopfhörer.
„Es erwartet dich übrigens eine Überraschung auf dem Parkplatz.“
Diane schaute Dave verständnislos an. „Eine Überraschung? Was denn?“
Ungeduldig winkte er ab. „Sieh selbst. Nun geh schon, Diane. Ich muß in
wenigen Sekunden auf Sendung sein!“ Er bedachte sie mit einem wissenden
Lächeln. „Ich gebe dir nur einen kleinen Tip. Es ist kein grüner Maserati aus
einem Autoverleih.“
Rasch verließ Diane das Studio. Wenn es Kent nicht war, wer konnte es dann
sein?
Sie lief eilig in die Halle hinunter, vorbei an der Rezeption und durch die Glastür
hinaus. Trockene Hitze schlug ihr entgegen. Der Temperaturunterschied zu
drinnen machte sich besonders kraß bemerkbar, nachdem sie sich Stunden
vorher im kühlen, klimatisierten Studio aufgehalten hatte. Doch sie kümmerte
sich nicht darum. Sie bog um die Ecke des Gebäudes, ging zum Parkplatz, wo sie
unvermittelt stehenblieb.
Vor ihrem Wagen und drei anderen parkte eine weiße CadillacLimousine und
glänzte im Sonnenschein des späten Nachmittags. Ein hochgewachsener,
dunkelhaariger Mann in blauer Uniform stand neben dem Auto, eine Hand auf
dem Griff der hinteren Tür.
Was hatte Kent getan? Ihr einen Cadillac mit Chauffeur geschickt, der sie zum
Flughafen bringen sollte, damit sie zu ihm nach Seattle fliegen konnte? Das war
ihr nicht möglich. Es war erst Donnerstag, und sie mußte morgen arbeiten.
Zögernd trat sie näher.
„Miss Saint Germaine?“ erkundigte sich der Mann in Uniform höflich.
Diane nickte.
Daraufhin öffnete er die Tür und forderte sie mit einer Geste auf, einzusteigen.
Warum nicht, dachte Diane und glitt auf den Sitz, der mit burgunderfarbenem
Velours bezogen war. Plötzlich schlang jemand die Arme um sie, zog sie an sich,
und im nächsten Augenblick spürte sie warme Lippen auf ihrem Mund.
Kent!
Diane schmiegte sich an ihn, schloß glücklich die Augen und erwiderte den Kuß
voller Leidenschaft. Nur im Unterbewußtsein hörte sie, daß eine Wagentür
zuklappte, eine andere geöffnet und der Motor gestartet wurde.
„Was tust du nur, du verrückter Kerl“, flüsterte sie und strich ihm über das Haar.
„Ich konnte nicht bis morgen warten.“ Er bedeckte ihr Gesicht mit zärtlichen
Küssen. „Ich konnte es keinen Tag mehr ohne dich aushalten.“
Sie hielten sich eng umschlungen, während der Wagen anfuhr. Diane streichelte
Kents Schultern und Rücken.
„Du hast mir so gefehlt“, bekannte sie atemlos. „Wie sehr habe ich mich nach dir
gesehnt!“
Ein wohliger Schauer überlief sie, als Kent eine Hand unter ihr TShirt schob und
über ihre erhitzte Haut strich.
„Verzeih mir, daß ich letztes Wochenende nicht herfliegen konnte“, sagte Kent.
„Es tut mir leid, daß ich nicht angerufen habe. Ich komme direkt von Tulsa. Dort
war ich die ganze Woche und und habe einen wichtigen Vertrag ausgehandelt.
Ich hatte kaum Zeit zum Essen und Schlafen.“
„Tulsa? Kent, ich bin so froh, daß du hier bist.“ Diane barg den Kopf an seiner
Schulter. „Verzeih mir, daß ich bei deinem letzten Anruf so ärgerlich war. Ich war
so enttäuscht, als du deinen Besuch absagtest. Ich sehnte mich so sehr nach
dir.“
„Ich weiß. Ich hatte auch Sehnsucht nach dir.“ Er küßte sie abermals und zog sie
fest an sich.
„Wie lange kannst du bleiben?“ fragte Diane. „Nur heute nacht.“ Sie bog den Kopf zurück und sah ihn bestürzt an. „Du bist nur für eine Nacht hergeflogen?“ Kent nickte. „Ich überließ heute nachmittag dem restlichen Team die Verhandlungen. Es sieht aus, als könnten wir morgen in Tulsa abschließen. So kann ich morgen gleich nach Seattle zurückfliegen.“ Diane bemühte sich, ihre Enttäuschung zu verbergen. „Ich will jetzt nicht daran denken, daß du nur für eine Nacht hier bist. Ich werde jede kostbare Minute genießen, die wir zusammen verbringen können.“ Neugierig schaute sich Diane im Wagen um. Tiefe, mit rotem Velours bezogene Sitze standen sich gegenüber. Der Boden war mit einem Teppich der gleichen Farbe ausgelegt. Dann entdeckte sie einen kleinen Fernseher kombiniert mit einer Stereoanlage und CBFunk. An der Wand aus genarbtem Leder befand sich eine Bar mit einer Reihe von Kristallgläsern, in die das CadillacFirmenzeichen eingeschliffen war. Auf der anderen Seite war ein Telefon und daneben ein Zeitungsständer. Der grüne Hals einer Flasche ragte aus einem Eiskübel heraus. „Phantastisch!“ rief Diane begeistert und wandte sich Kent zu. „Du hast nicht vergessen, daß ich mir schon immer gewünscht habe, einmal in einem solchen Traumwagen zu fahren.“ Kent lächelte. „Natürlich nicht.“ Seufzend schaute sie an ihren Jeans und dem lavendelfarbenen TShirt mit dem in Schwarz und Silber aufgestickten KICKFirmenzeichen hinunter. „Ich bin schrecklich unpassend gekleidet. Wenn ich gewußt hätte, daß ich in einer solchen Luxuslimousine fahren würde, hätte ich mein blaues Seidenkleid angezogen.“ „Du meinst, das…“ „… am Rücken tief ausgeschnittene, schulterfreie“, ergänzte sie. „Mach dir keine Sorgen“, meinte Kent amüsiert. „Für das, was wir vorhaben, bist du genau richtig gekleidet.“ Erst jetzt bemerkte Diane, daß er keinen Anzug trug. Er war leger gekleidet mit einem cremefarbenen Polohemd, verwaschenen Jeans und JoggingSchuhen. „Was hast du vor?“ erkundigte sie sich. „Du wirst schon sehen. Diese Nacht gehört dir.“ Sanft drückte er ihre Hand. „Du wirst erleben, daß all deine Träume wahr werden. Zuerst besuchen wir dein LieblingsRestaurant.“ Es gab vier elegante Restaurants in dieser Gegend, die ihr besonders gut gefielen, doch sie konnte sich nicht erinnern, ein Lokal erwähnt zu haben, das sie bevorzugte. Weil er sich weigerte, etwas zu verraten, lehnte sie sich entspannt zurück und genoß die Fahrt. Ein paar Minuten später hielt die weiße Luxuslimousine vor einem McNolan’s Schnellimbiß. „Das kann doch nicht dein Ernst sein!“ Sie stieß ihm leicht den Ellenbogen in die Seite. „Du bringst mich mit einer CadillacLimousine hierher?“ Der Chauffeur ging gemessenen Schrittes zur Fondtür, öffnete sie und half Diane heraus. Kent stieg ebenfalls aus und geleitete sie in das Lokal. An der Theke bestellte Kent vier Hamburger, zwei große Portionen Pommes frites und einen SchokoladenShake. „Nimmt noch jemand an dem Festmahl teil?“ erkundigte sich Diane. Er lächelte. „Nein, es ist nur für uns beide. Sagtest du nicht, daß dies dein LieblingsRestaurant sei?“ Sie lachte. „Stimmt, das sagte ich.“ „Gut. Ich möchte nicht, daß du Hunger leidest. Möchtest du sonst noch etwas zu dem Menü?“
„Nein, danke. Das wird reichen.“ Ein freundlich aussehender Mann mit grauem Haar betrat den Schnellimbiß, an seiner Seite eine Frau in etwa dem gleichen Alter. Beide blickten über die Schulter zum Cadillac hinaus. „Was meinst du, wer das ist?“ flüsterte der Mann seiner Begleiterin zu, während er mit leichtem Nicken auf die Luxuslimousine und den uniformierten Chauffeur wies. Aufmerksam musterte die Frau die Gesichter der Kunden, bevor sie sich hinter Kent und Diane in die Schlange der Wartenden reihten. „Keine Ahnung. Ich erkenne keinen Prominenten. Vielleicht…“ „Suchen Sie nicht weiter.“ Kent legte einen Arm um Diane und lächelte dem älteren Paar charmant zu. „Sie sehen hier heute kein berühmtes Gesicht, sondern hören eine berühmte Stimme. Darf ich Ihnen Diane Saint Germaine von KICK vorstellen.“ Berühmte Stimme? Diane wäre vor Verlegenheit am liebsten im Boden versunken. Doch zu ihrer Überraschung und Erleichterung sah der Mann sie mit offensichtlicher Bewunderung an. „Ist das wahr? Ich höre mir alle Ihre Sendungen an!“ „Ich auch“, sagte die Frau und strahlte vor Entzücken. „Und unser Sohn ebenfalls. Er liebt Ihre Sendungen besonders.“ Dianes Miene hellte sich auf, und impulsiv reichte sie den beiden die Hand. „Danke… ich… ich freue mich immer, wenn ich meine Hörer kennenlerne.“ Der Mann stellte seine Frau und sich vor. Anschließend nahm er eine Papierserviette aus dem Spender auf der Theke und zog einen Kugelschreiber aus der Brusttasche seines Jacketts. „Würden Sie bitte ein Autogramm für meinen Sohn geben?“ Diane lachte. „Natürlich.“ Das Paar war erfreut. Andere drängten sich heran und wollten ebenfalls ein Autogramm. Diane hatte das Gefühl, an die zwanzig Servietten und Papiertüten mit „KICK – der Sender, der Freude macht“ und ihrem Namen beschriftet zu haben, als Kent sie am Arm packte und zur Tür zog. Wenig später lehnte sich Diane in dem bequemen Sitz des Wagens zurück. „Ich konnte es erst nicht fassen, als du den Leuten sagtest, wer ich bin.“ „Warum nicht?“ Kent lächelte. „Du bist eine Berühmtheit. Sag nur, du bist vorher noch nicht um Autogramme gebeten worden.“ „Nur ein paarmal. Die Leute kennen ja nur meine Stimme. Und ich gehe nicht herum und stelle mich vor, wie du es getan hast.“ „Weshalb nicht? Das solltest du tun. Das wäre eine große Publicity.“ Von wem hatte sie das schon einmal gehört? Von Barbara. An dem Tag, an dem jemand von irgendeinem Restaurant angerufen und sie eingeladen hatte, die Eröffnungsparty zu moderieren. Plötzlich verspürte sie den Wunsch, auf viele Partys zu gehen und die Leute kennenzulernen, die ihre Arbeit ermöglichten. „Ich fühle mich so wunderbar, wenn du hier bist“, meinte sie. „Du gibst mir das Gefühl, schön, beliebt und talentiert zu sein.“ Kent sah sie zärtlich und bewundernd an. „Genau das bist du, Diane.“ Der Chauffeur fuhr sie zu einem Park, in dem sie an einem der letzten Wochenenden spazierengegangen waren. Kent reichte Diane die Tragetaschen von McNolan’s. Er holte eine Segeltuchtasche aus dem Kofferraum und nahm den Eiskübel mit der Flasche mit. Die späte Nachmittagssonne tauchte die Bäume rechts und links des Parkweges in goldenes Licht. Kent und Diane folgten dem Pfad, bis sie an einen kleinen Teich gelangten, und stiegen dann einen grasbewachsenen Hügel hinauf. Bei einem Picknicktisch blieb
Kent stehen und stellte die Segeltuchtasche ab. Nur ein paar Schritte entfernt
befand sich eine zementierte Feuerstelle.
Er zog eine rote Decke aus der Segeltuchtasche. „Ich hoffe, du magst ein Dinner
im Freien“, meinte er. „Dieser Platz ist wichtig für die Durchführung von Teil zwei
meines Plans.“
„Teil zwei?“ fragte Diane verwundert.
Kent lächelte geheimnisvoll, während er die Decke im Gras ausbreitete. „Laß dich
überraschen.“
„Wenn unser Picknick im Park so wird wie der Tag am Strand, werde ich wirklich
zutiefst beeindruckt sein“, bemerkte Diane.
„So?“
„Du bist ein Meister an Einfällen.“
Kent lachte, legte einen Arm um sie und zog sie an sich, so daß sie seinen
kräftigen Körper spürte.
Sie sah den zärtlichen Ausdruck in seinen Augen und empfand tiefe Zuneigung
für ihn.
„Es waren lange zwei Wochen, nicht wahr?“ fragte er leise.
„Sie kamen mir vor wie zwei Jahre.“ Dianes Herz schlug schneller, als er ihren
Nacken küßte. Sie wollte ihn umarmen, doch sie zögerte. Gern hätte sie ihm
gestanden, wieviel er ihr bedeutete, wie sehr sie ihn liebte. Aber war das der
richtige Zeitpunkt? Würde sie ihn damit nicht zu einem Bekenntnis zwingen, das
seinen Gefühlen vielleicht gar nicht entsprach?
Bevor sie etwas sagen konnte, verschloß Kent ihr den Mund mit einem
fordernden Kuß. Kurz darauf löste er sich unvermittelt von ihr. „Laß uns essen“,
sagte er fast schroff. Er nahm die Tüten mit dem Proviant aus der Tragetasche
und ließ sich auf der Decke nieder. Diane setzte sich neben ihn.
Nachdem sie die Hamburger und die Pommes frites gegessen hatten, war die
Sonne bereits untergegangen. Allmählich senkte sich die Dämmerung über den
Park.
Kent nahm Diane bei der Hand und führte sie zu der Feuerstelle. „Und nun zum
Dessert.“
Er stellte die Segeltasche neben der Feuerstelle ab und zog ein paar kleinere
Holzscheite, Papier und Streichhölzer aus der Tasche. Ein paar Minuten später
hatte Kent in der Mitte des Zementrings ein Feuer entfacht.
„Ich bin gespannt, was du vorhast“, bemerkte Diane.
„Ich dachte mir, wir essen zum Nachtisch Honigcracker mit heißer Schokolade“,
erklärte er. „Das magst du doch.“
„Und wie!“
Eine erfrischende Brise kam auf. Diane und Kent setzten sich ans Feuer und
genossen den süßen Nachtisch. Inzwischen war es dunkel geworden. Im Park
brannten die Laternen.
„Wie romantisch es hier ist“, meinte Diane.
Kent lachte leise. „Und jetzt ist es an der Zeit für die Verwirklichung einer meiner
Wunschträume.“ Er streckte sich auf der Decke aus und zog Diane neben sich.
„Champagner im abendlichen Park mit der Frau meiner Träume.“
Er nahm die Flasche aus dem Eiskübel und entkorkte sie.
„Eine sündhaft teure Marke“, stellte Diane fest. „Das muß aber ein besonderer
Anlaß sein.“
„So ist es. Wir feiern den Tag, an dem wir uns zum erstenmal begegnet sind.“
Er füllte ein Glas und hob es an ihre Lippen. Sie nippte an dem Champagner.
„Hm. Köstlich.“
Danach trank Kent einen Schluck aus ihrem Glas. Sie sahen sich tief in die
Augen, während sie abwechselnd aus dem Glas tranken.
Schließlich stellte Kent das leere Champagnerglas beiseite und nahm Diane in die
Arme. Sie sanken eng umschlungen auf die Decke und küßten sich voller
Leidenschaft.
Diane spürte Kents wachsende Erregung, und der Wunsch nach Erfüllung ihrer
Liebe wurde in ihr übermächtig.
Als Kent zu sprechen begann, klang seine Stimme rauh, und in seinen Augen las
Diane Zärtlichkeit und Begierde zugleich.
„Diane, ich liebe dich.“
Er hatte die Worte ausgesprochen. Ein tiefes Glücksgefühl durchströmte Diane.
Sie umarmte ihn heftig. „Ich liebe dich auch“, flüsterte sie.
Kent drehte sich auf den Rücken, bedeckte ihr Gesicht, ihren Hals mit zärtlichen
Küssen. „Diane, wenn du nur wüßtest, wie sehr ich mich danach gesehnt habe,
diese Worte von dir zu hören. Ich habe mich schon am ersten Abend unserer
Bekanntschaft in dich verliebt.“
„Mir ging es genauso“, gestand Diane. „Ich wollte es dir schon so lange sagen,
aber ich hatte Angst…“ Ihre Stimme versagte.
Sanft strich er ihr das Haar aus der Stirn. „Hattest du Angst, meine Gefühle
könnten vielleicht weniger stark sein?“
„Ja, Kent.“ Jetzt wußte sie, daß er die gleichen Befürchtungen gehabt hatte wie
sie.
„Mir scheint, wir harten die gleichen Sorgen.“ Kent betrachtete sie liebevoll und
zog mit dem Finger die Konturen ihrer Lippen nach. „Ich liebe dich, Diane. Von
ganzem Herzen.“
Ein glückliches Lächeln verklärte Dianes Züge, und sie schmiegte sich an ihn.
„Ich liebe dich.“ Sie berührte mit den Lippen zärtlich sein Kinn, die Nase, die
Augen und die Stirn.
„Diane, ich brauche dich“, sagte Kent mit belegter Stimme, und in seinen Augen
spiegelten sich seine tiefen Empfindungen wider.
„Ich will dich nie wieder verlassen“, versprach er. „Nicht mal für einen Tag. Ich
möchte mein Leben mit dir teilen, dich an meiner Seite haben, immer mit dir
Zusammensein. Willst du zu mir nach Seattle ziehen und meine Frau werden?“
10. KAPITEL Diane lag benommen unter Kent, von den widerstreitendsten Gefühlen erfüllt. Sie war bis ins Innerste aufgewühlt. Ja, sie wollte seine Frau werden, doch es war für sie unmöglich, nach Seattle umzuziehen. Aus diesem Grund würde sie Kent nicht heiraten können. „Ich… weiß nicht“, brachte sie schließlich hervor und streichelte Kents Wange. „Ich liebe dich, und ich möchte so gern mein Leben mit dir teilen. Aber…“ Sie seufzte und löste sich sanft von ihm. Dann richtete sie sich auf. „Kent, du mußt wissen, wie wichtig mir meine Karriere ist. Ich…“ „Diane“, unterbrach er sie. „Deine Karriere…“ „Bitte, laß mich ausreden“, erwiderte sie. „Laß mich dir alles erklären. Seit meinem siebten Geburtstag, seit mein Großvater mir das Transistorradio kaufte, habe ich davon geträumt, beim Rundfunk zu arbeiten. Manchmal lag ich sogar nachts wach im Bett und malte mir aus, was ich sagen und tun würde. Meine Stimme ist mein größtes Kapital. Durch meine Tätigkeit beim Rundfunk bin ich zu der Persönlichkeit geworden, die ich heute bin. Außerdem habe ich mir bestimmte Ziele gesetzt. Ich habe nicht vor, für immer Diskjockey zu bleiben. Mein Wunsch ist, einmal in Hörspielen mitzuwirken, Werbespots zu sprechen und andere Sendungen als die bisherigen zu moderieren. In Südkalifornien habe ich die besten Chancen. Und in fünf oder vielleicht zehn Jahren hoffe ich irgendwo einen Sender zu leiten.“ Diane verschränkte die Hände im Schoß, sah zu Kent auf und bat ihn mit ihrem Blick um Verständnis. „Die Rundfunkarbeit ist ein wichtiger Teil meines Lebens. Ich könnte nicht darauf verzichten.“ Auch Kent hatte sich aufgerichtet. Jetzt nahm er ihre Hände in die seinen. „Diane, ich respektiere dein Talent und deine Ziele. Ich bewundere dich. Ist dir das nicht klar? Deine Karriere bedeutet mir ebensoviel wie dir. Keinen Moment habe ich erwartet, daß du sie aufgibst.“ „Aber das müßte ich, wenn ich dich heirate.“ „Warum? Weshalb können wir nicht die Ehe und deine Karriere miteinander verbinden?“ „Weil… wir zum Beispiel über tausend Meilen voneinander entfernt leben und arbeiten!“ „Das ist jetzt noch der Fall, doch…“ Er hob ihre Hände an die Lippen und küßte die Fingerspitzen. „Ich weiß, es ist viel verlangt, wenn ich dich darum bitte, dir in Seattle eine Stellung zu suchen. Ein Talent wie du ist überall gefragt. Ich bin fest davon überzeugt, daß du auch in Seattle Karriere machen kannst. In jedem vernünftigen Sender würde man sich um dich reißen, besonders nach den letzten hervorragenden Kritiken über dich in den Zeitungen.“ „So leicht ist das nicht“, wandte Diane ein. „Gute Jobs sind schwer zu finden, besonders für Frauen.“ „Du könntest es wenigstens versuchen“, beharrte Kent. Diane war nachdenklich geworden. Nach einer Weile meinte sie zu Kent: „Ich komme hier ausgezeichnet zurecht. Die Einschaltquoten meines neuen Programms sind noch nicht ermittelt, aber ich habe Stapel von Hörerpost erhalten. Außerdem hat mir Sam, der Programmdirektor, zu verstehen gegeben, daß er mit meiner Arbeit zufrieden ist. Heute morgen war ich noch überzeugt, daß mir die Stelle bei KICK mindestens für ein weiteres Jahr garantiert ist.“ Sie seufzte. „Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher.“ „Warum nicht? Was ist passiert?“ „Gerüchten zufolge soll die Station abgegeben werden. Der Besitzer, Adam
Westler, erwarb den Sender vor ein paar Jahren. Wenn er verkauft, kann
niemand sagen, was aus den Mitarbeitern bei KICK werden wird. Der neue
Besitzer könnte zum Beispiel etwas gegen weibliche Diskjockeys haben.
Möglicherweise verliere ich den Job sofort.“
Kent lächelte breit. „Na großartig! Dann hättest du keinen Grund hierzubleiben!“
Diane boxte ihm spielerisch gegen den Arm.
„Ich rede davon, daß man mich feuern könnte. Zu wem hältst du eigentlich?“
„Zu uns. Ich möchte mit dir Zusammensein, und alles, was dies ermöglicht, ist
eine gute Nachricht für mich. Ich schlage vor, du suchst dir eine andere Stelle,
bevor der Besitzer des Senders wechselt. Du wirst ein weitaus besseres Angebot
woanders bekommen, wenn du selbst gekündigt hast.“
„Ich bezweifle, daß dies etwas ändert“, widersprach Diane. „Hier gibt es
Spitzengehälter. Kein Sender in Seattle zahlt auch nur annähernd soviel, wie ich
hier verdiene.“
„Wen interessiert das Gehalt? Ich bekomme mehr Geld, als wir jemals ausgeben
können. Ich rede nur von dem Job, der dir so wichtig ist.“
„Es wäre fast ein Wunder, wenn man mir in Seattle ein Nachmittagsprogramm
anbieten würde. Ich war noch nie dort! Ich kenne dort keinen aus dem Geschäft.“
„Aber ich.“
Diane sah Kent überrascht an.
„Im letzten Jahr habe ich ein paar größere Werbekampagnen für ,Sparkle Light’
beim Rundfunk in Auftrag gegeben.“ Kent strich über Dianes Handrücken. „Schon
seit einigen Wochen mache ich mir Gedanken darüber, wie ich dir behilflich sein
könnte. Obgleich mir klar ist, daß du es in Seattle aus eigener Kraft schaffen
würdest, leistete ich schon ein wenig Vorarbeit. So habe ich mir erlaubt, ein paar
Telefonate zu führen.“
„Und?“ fragte sie gespannt.
„Ed Alder, der Programmdirektor vom Sender KXTR in Seattle, sucht ein neues
Talent. Er möchte dich gern kennenlernen. Hast du ein Vorsprechband?“
„Ja. Es ist über ein Jahr alt, doch noch ziemlich gut.“
„Möchtest du, daß ich es ihm übermittle? Und wärest du bereit, zu einem
Vorstellungsgespräch nach Seattle zu fliegen?“
„Ich… ich glaube schon…“
„Phantastisch!“ Er sprang auf und zog sie mit sich hoch. „Ich werde dir Seattle
zeigen. Es wir dir gefallen! Ich gebe sogar eine Party im Haus meiner Eltern.
Dabei kannst du meine Familie kennenlernen. Ich habe ihnen viel über dich
erzählt. Sie freuen sich schon auf dich.“
„Deine Familie? O nein!“ Diane lachte. „Das klingt ja immer offizieller.“
„Es ist auch offiziell.“ Kent nahm sie in die Arme und küßte sie. „Wann kannst du
von hier fort? Ist es dir möglich, morgen früh mit mir zurückzufliegen?“
Diane verdrängte ihre Zweifel, als sie Kents Begeisterung sah. Wie lange würde
sie den Job in Seattle behalten, vorausgesetzt, sie fand überhaupt einen? Wann
würde sie wieder in eine andere Stadt umziehen? Denk jetzt nicht daran, sagte
sie sich. Genieße das Glück des Augenblicks, solange du kannst!
Sie schlang die Arme um Kent und lächelte ihn verliebt an.
„Morgen muß ich arbeiten, doch am Wochenende habe ich frei. Ich würde mit der
Abendmaschine fliegen. Ist es dir möglich, ein Vorstellungsgespräch für das
Wochenende zu arrangieren?“
Kent drückte sie fest an sich. „Worauf du dich verlassen kannst.“
„Zwei Dutzend Rosen!“ bemerkte Diane erfreut, nachdem Kent ihr bei ihrer
Ankunft auf dem Seattle Airport den Strauß Blumen überreicht hatte. „Du solltest
mich nicht so verwöhnen. Wieviel werden es denn beim nächstenmal sein. Drei
Dutzend?“ „Jede Braut sollte einen Strauß von mindestens drei Dutzend Rosen haben.“ Er zog Diane in die Arme. „Zieh keine voreiligen Schlüsse, Kent Harrison. Ich habe versprochen, für ein Wochenende zu dir zu kommen, aber ich habe nicht gesagt, daß ich dich heiraten werde.“ „Das wirst du, schöne Lady.“ Kent küßte sie zärtlich. „Das wirst du.“ Sie verließen das Flughafengebäude und gingen zu Kents Wagen. „Du hast offenbar eine Vorliebe für Maseratis“, meinte Diane, während er ihre Reisetasche in dem silberfarbenen Sportwagen verstaute. Kent nickte. „Ich habe es bis jetzt immer geschafft, einen zu mieten, wenn ich nach Los Angeles fliege. Das Glück hatte ich woanders nicht immer. Du hättest mal das Gefährt sehen sollen, mit dem ich eine ganze Woche in Tulsa zurechtkommen mußte.“ Auf der Fahrt über den Highway erzählte er von den Problemen, die er mit dem Mietwagen gehabt hatte, und Diane mußte mehrmals über seine witzigen Formulierungen lachen. Wenig später erreichten sie einen Komplex eleganter Bungalows in einem bewaldeten Gebiet am Rande der Stadt. Die Gebäude waren im TudorStil errichtet. Kent lenkte den Wagen in die Garage, und sie stiegen aus. „Hier ist es herrlich!“ rief Diane begeistert aus. Tief sog sie den würzigen Duft der Kiefern ein. „Kaum zu glauben, daß es nahe der City so idyllische Plätze gibt.“ „Ein paar Minuten weiter über den Freeway, und wir sind richtig im Grünen. Es wird dir im Winter gefallen. Man ist im Nu in tiefverschneiter Landschaft.“ Kent schloß die Eichentür auf, knipste das Licht an und führte Diane ins Haus. Sie betrat das große Wohnzimmer. Es war mit einem dicken beigen Teppich ausgelegt, der den Schritt dämpfte. Diane sah sich fasziniert um. Bücher und zahlreiche Kunstobjekte füllten die Teakholzregale, die an zwei Wänden des Raumes vom Boden bis zur Decke reichten. In einem der Regale standen eine Stereoanlage, ein Fernsehgerät und ein Videorecorder. Moderne, farbenfrohe Gemälde über einer langen blaugrauen Couch zeugten vom Kunstgeschmack des Bewohners, der offene Kamin und eine Bar von seinem Sinn für Gemütlichkeit. Indirektes Licht von Strahlern an der kuppelförmigen Decke erhellte den Raum. „Es ist wunderschön, Kent.“ Er ergriff Dianes Hand. „Weil du jetzt da bist. Komm, ich zeige dir den Rest.“ Eine blitzblanke, modern eingerichtete Küche grenzte an das Wohnzimmer. Diane sah noch drei kleinere, bunt tapezierte und behaglich eingerichtete Räume, zwei Badezimmer und ein großes Schlafzimmer. Außerdem gab es eine Garage, eine Waschküche und einen kleinen, eingezäunten Garten. „Es gefällt mir!“ sagte Diane, als Kent ihre Reisetasche auf einem niedrigen Tisch in einer Ecke seines großen Schlafzimmers abstellte. „Doch ich muß dir etwas gestehen. Als du dein Haus in Seattle erwähntest, habe ich mir keinen Bungalow vorgestellt. Ich dachte eher an einen gewaltigen Herrensitz mit fünf Morgen Land, Zufahrtsweg, Park und sechzehn Bediensteten.“ Kent zog sie an sich. „Ein alleinlebender Mann braucht kein großes Haus. Dieser BungalowKomplex war eine weitaus bessere Investition.“ „Dir gehört der ganze Komplex?“ fragte sie überrascht. Dann lachte sie. „Das hätte ich mir denken können.“ „Wenn wir verheiratet sind, wird das anders werden. Wir werden das größte und schönste Haus haben, das man sich vorstellen kann.“ Er küßte sie auf den Hals und berührte die empfindliche Haut hinter ihrem Ohr
mit der Zunge. „Wir werden es von einem Architekten entwerfen lassen, damit das zu all deinen schönen antiken Möbeln paßt.“ Diane spürte Kents warmen Atem auf ihrer Wange, während er ihre Brüste berührte. „Wir werden auf meine moderne Einrichtung verzichten, wenn du willst.“ Er begann die Knöpfe ihrer Bluse zu öffnen. „Wir werden ein Musikzimmer haben, ein Spielzimmer, ein Büro, eine rustikale Küche, ein riesiges Schlafzimmer mit angrenzender Sauna und Bad und einen Garten im Innenhof.“ Er streifte ihr die Bluse über die Schultern und öffnete den Verschluß ihres BHs. Dann preßte er eine Hand auf ihre Hüfte, mit der anderen umfaßte er ihre Brust. „Und fünf Schlafzimmer. Nein, sechs.“ „Sechs?“ „Klar. Ein Gästezimmer und eines für jedes unserer Kinder.“ Diane stockte der Atem, nicht nur wegen seiner erregenden Berührungen, sondern auch wegen seiner überraschenden Erklärung. „Fünf Kinder?“ fragte sie schließlich leise. „Nun, das ist doch zu schaffen, oder?“ Er lachte, schlang die Arme um ihren nackten Oberkörper und zog sie fest an sich. „Es war schön für mich, in einer großen Familie aufzuwachsen, und ich habe mir immer selbst eine große Familie gewünscht.“ Plötzlich zog sich Kent ein wenig zurück. „Du willst doch Kinder, nicht wahr?“ fragte er ernst. Diane nickte. „Ja, Kent, ich wünsche mir Kinder. Ich weiß nicht, ob fünf, aber zwei oder drei wenigstens.“ Er atmete erleichtert auf. „So viele, wie du willst. Und wir werden ein Kindermädchen, einen Koch und ein Hausmädchen einstellen, die sich um die Kinder kümmern, wenn wir arbeiten.“ „Das klingt verlockend. Fast zu verlockend. Nur, fürchte ich, würde mich ein solches Leben nicht ausfüllen.“ „Wir scharfen das, Diane“, sagte er sanft. „Zusammen schaffen wir alles. Wir müssen nur immer zusammenhalten.“ „Welch eine herrliche Aussicht!“ rief Diane begeistert, als Kent sie in sein Büro führte. Es war ein großer, heller Raum mit einer Fensterfront, die einen überwältigenden Blick auf das Geschäftsviertel und die Elliot Bay bot. Kent hatte ihr an diesem Morgen die Stadt gezeigt und war dann auf ihren Wunsch hin zum Verwaltungsgebäude der „Harrison Industries“ gefahren, damit sie sein Hauptbüro zu sehen bekam. Diane blieb neben dem großen Schreibtisch stehen, auf dem gerahmte Fotografien von lachenden Babys, Schulkindern und fünf hübschen jungen Frauen standen. „Wer ist denn das?“ fragte sie und deutete auf die Fotos der jungen Frauen. „Die Kinder? Das sind meine Nichten und Neffen.“ Kent umfaßte Diane von hinten und drängte sie gegen die Schreibtischkante. „Oder meintest du all diese hinreißenden, sexy Frauen?“ Sie warf ihm einen mißtrauischen Blick über die Schulter zu. „Nun? Wer sind sie?“ „Eifersüchtig?“ Er lachte und schlang die Arme um ihre Taille. „Das sind meine Schwestern. Du hast also nichts zu befürchten.“ „Aha.“ Diane schloß die Augen und lehnte den Kopf zurück gegen seine Brust. Sie spürte seinen muskulösen Körper, und die Berührung erregte sie. „Aber du hast etwas zu befürchten, wenn wir nicht schnell von hier verschwinden“, flüsterte Kent ihr ins Ohr. „Es sei denn, du willst, daß ich dich hier auf dem Boden im Büro liebe.“ „Deine Eltern erwarten uns um sechs zum Abendessen. Wir müssen uns bei dir
zu Hause noch umziehen.“ „Stimmt. Wir sollten…“ Plötzlich hörte sie, wie er scharf einatmete. Er griff an ihr vorbei nach einem Notizzettel, der neben dem Telefon auf dem Schreibtisch lag. „Das muß gekommen sein, bevor ich gestern das Büro verließ.“ Er nahm den Telefonhörer ab und wählte hastig eine Nummer. „Es dauert nur eine Minute.“ Diane ging zum Fenster und schaute hinaus. „Rand?“ hörte sie Kent hinter sich sagen. „Wann sind Sie eingetroffen? Wie ist es gelaufen?“ Die Sonnenstrahlen reflektierten sich auf den Fensterscheiben der Gebäude, die sich bis zur blauen Bucht hin erstreckten. Welch ein wunderbarer Ausblick, dachte Diane. Das ist etwas anderes als die Wände im Studio, die ich sonst immer sehe. „Was?“ schrie Kent. „Sie haben unsere ganze Verhandlungsposition aufgegeben? Wir können an dem Vertrag nichts mehr ändern?“ Diane warf besorgt einen Blick zu Kent. Er lehnte am Schreibtisch, hielt mit einer Hand den Hörer ans Ohr und ballte die andere zur Faust. „Kommen Sie mir nicht damit“, sagte er ärgerlich. „Sie wußten, wo Sie mich telefonisch erreichen konnten. Und ich war gestern mittag zurück im Büro. Verdammt, Sie haben diese Chance vertan!“ Er gab noch einige Anweisungen in barschem Ton und knallte den Hörer auf die Gabel. „Komm, laß uns gehen!“ Abrupt wandte er sich zur Tür. Diane folgte ihm verwirrt. Was war geschehen? Kent hatte kaum einen Blick für sie übrig, während sie mit dem Lift hinabfuhren. Auch auf dem Weg zu seinem Bungalow sprach er kein Wort. Erst nachdem er die Haustür aufgeschlossen hatte, fand Diane den Mut, ihn zu fragen, was passiert war. „Was passiert ist?“ Kent durchquerte das Wohnzimmer und ging zur Diele. „Weil ich früher aus Tulsa abgereist bin, um dich zu sehen, und weil ich die Verhandlungen einem unfähigen Trottel überließ, hat eine meiner Firmen hunderttausend Dollar verloren!“ Diane schaute Kent betroffen an. „Hunderttausend! Wie konnte das geschehen?“ Kent verharrte auf der Schwelle seines Schlafzimmers und wandte sich zu Diane um. „Der Kunde setzte uns während meiner Abwesenheit unter Druck. Mein Mitarbeiter Rand geriet in Panik. Er ließ den Preis herunterhandeln, um den Vertrag unter Dach und Fach zu bringen, und verschenkte jeden Cent vom Gewinn.“ „O Kent, das tut mir so leid.“ Diane legte die Hände auf Kents Hüften und sah ihn bedauernd an, doch er drehte sich heftig herum und entzog sich ihrer Berührung. „Es geht nicht allein um das Geld. Es geht um das Prinzip. Zweihundert Leute schuften sich ab, um einen Termin einzuhalten, und wofür? Wir werden keine zehn Cent verdienen. Wir brauchen keine Beschäftigungstherapie. Wir haben genug andere Aufträge. Welch eine Verschwendung.“ Er ging unruhig auf und ab. „Wenn ich geblieben wäre und die Verhandlung selbst zu Ende geführt hätte… Rand hätte wissen müssen, was er tut. Wenn man sich nicht mal mehr darauf verlassen kann…“ Er stolperte, bückte sich fluchend und hob etwas vom Boden auf. Eine weiße Ledersandalette. Ihre Sandalette. Er fuhr zu ihr herum und hielt den Schuh hoch. „Verdammt, Diane, mußt du immer alles herumliegen lassen? Du bist noch keine vierundzwanzig Stunden hier, und schon sieht es hier aus wie in einem Schweinestall!“ Diane konnte seinem eisigen Blick nicht mehr standhalten. Betroffen von seinem Zornesausbruch, sah sie sich im Schlafzimmer um.
Ihre Reisetasche und die Handtasche standen offen auf dem niedrigen Tisch. Einige Kleidungsstücke lagen auf dem Bett verstreut, einige hingen an einem Stuhl. Ein Glas Wasser war auf dem Nachttisch abgestellt. Die andere Sandalette lag mitten im Zimmer. Das war schon alles. Keine perfekte Ordnung, aber auch kein Schweinestall. Diane fühlte sich zu Unrecht beschuldigt. Zorn stieg in ihr auf. „Es tut mir leid, Kent, wenn ich dir nicht ordentlich genug bin“, sagte sie mit fester, ruhiger Stimme. „In Zukunft werde ich mich bemühen…“ Sie verstummte, als er fluchend die zweite Sandalette aufhob, die Kleidungsstücke von Bett und Stuhl raffte und alles in die Reisetasche warf. „Wir haben eine Viertelstunde Zeit zum Umziehen“, rief er über die Schulter, bevor er die Badezimmertür aufriß. „Ich dusche schnell. Komm mit unter die Dusche, wenn du willst.“ „Vergiß es!“ rief sie ihm nach. „Wie du möchtest.“ Er knallte die Tür hinter sich zu. Diane ließ sich auf das Bett sinken. Ihr Herz klopfte heftig. War das wirklich dasselbe Bett, in dem sie sich in der vergangenen Nacht und noch an diesem Morgen geliebt hatten? War das derselbe Mann, der sie so glücklich gemacht und sie angefleht hatte, seine Frau zu werden? Sie wußte, daß sein Zorn nicht auf das bißchen Unordnung, sondern auf den mißlungenen Geschäftsabschluß zurückzuführen war. Und diese Tatsache schmerzte sie am meisten. Hätte er ihretwegen Tulsa nicht vorzeitig verlassen und statt dessen die Verhandlungen selbst zu Ende geführt, dann hätte er nicht nur hunderttausend Dollar Gewinn gemacht, sondern vielleicht noch bessere Konditionen ausgehandelt. Sie hatte in ihm Schuldgefühle geweckt, weil er den Wochenendbesuch abgesagt hatte. Daraufhin hatte er seine Pflichten vernachlässigt, um sie nicht zu enttäuschen. Wenn man jemandem die Schuld am Verlust der hunderttausend Dollar geben konnte, dann ihr. Sie hatte Kent gesagt, daß eine Beziehung bei dieser großen Entfernung problematisch sein würde. Doch sie hatte nicht mit etwas so Schwerwiegendem gerechnet. Jetzt war sie ihm schon ein Dorn im Auge. Diane zog die Bluse aus, faltete sie und die übrigen Kleidungsstücke, die Kent wütend in die Reisetasche geworfen hatte, und verstaute sie ordentlich. Dann nahm sie die Kleidung für den Abend aus Kents Schrank. Welch ein Zeitpunkt für ein Essen im Familienkreis, dachte sie. Sie mußte hingehen. Es wäre unhöflich, jetzt noch abzusagen. Doch Kent sprach kaum mit ihr. Wie sollte sie den Abend nur durchstehen? Immer nur lächeln, sagte sie sich. Sei charmant. Stell die richtigen Fragen, erzähl ein paar nette Witze, amüsier dich. Laß dir nicht anmerken, wie elend du dich fühlst. Und flieg zurück. Morgen. Mit der ersten Maschine.
11. KAPITEL „Du sprachst von einem Essen im kleinen Familienkreis“, sagte Diane mit einem Blick auf die vielen Wagen, die auf der Zufahrt zu dem hell erleuchteten Haus parkten. „Ist es auch. Nur ein paar nahe Verwandte“, erklärte Kent. Sie hatten unterwegs kaum ein Wort gewechselt. Diane hatte versucht, Kent zu erklären, wie leid ihr alles tat, wie sehr sie den Verlust bedaure, den er erlitten hatte. Kent hatte nur mit den Schultern gezuckt. Doch was hätte sie sonst sagen können? Auf dem Weg durch den Vorgarten, in dem es herrlich nach Rosen duftete, hörte Diane fröhliches Gelächter und Stimmengewirr aus dem Haus dringen. Offenbar stand eines der Fenster offen. „Ich hoffe, ich sehe gut genug aus“, sagte sie, als sie an Kents Seite auf die Veranda zuging. Sie trug eine dunkelblaue Seidenbluse, einen engen grauen Rock und graue Pumps. Sie hatte diese Kleidungsstücke auf die Reise mitgenommen, um beim Besuch von Kents Eltern einen guten Eindruck zu machen. Kent trat auf die Veranda. „Du siehst gut aus“, sagte er, ohne sie auch nur eines Blickes zu würdigen. „Woher willst du das wissen?“ sagte Diane. „Seit du vom Duschen gekommen bist, hast du mich nicht mehr angesehen.“ Er wandte sich um, legte einen Arm um ihre Schultern und zog sie grob an sich. Seine Stimme klang leise und rauh. „Laß uns versuchen, heute abend höflich zueinander zu sein, ja? Beherrsche dich, bis wir wieder zu Hause sind.“ Diane preßte die Lippen aufeinander und unterdrückte eine sarkastische Bemerkung. Sie würde sich nicht anmerken lassen, wie nahe ihr sein Zorn ging. Es war ihre letzte Nacht mit Kent, die letzte Nacht in Seattle. Sie würde sich gutgelaunt geben, so schwer ihr das auch fiele. In diesem Augenblick tauchte ein Junge auf der Veranda auf. „Hey, Ma, Kent ist mit seiner Freundin da!“ rief er aufgeregt durch die offenstehende Tür ins Haus, aus dem Geräusche drangen. Sofort erschien eine kleine, attraktive Brünette auf der Türschwelle. Diane erkannte sie als eine der Frauen wieder, deren Fotos auf Kents Schreibtisch standen. „Endlich! Wir dachten schon, ihr beide hättet uns vergessen und euch heimlich davongemacht.“ Die junge Frau strahlte und drückte Diane herzlich die Hand. „Sie sind Diane, nicht wahr? Ich freue mich, Sie kennenzulernen. Ich bin Linda, Kents Schwester.“ Diane erwiderte das freundliche Lächeln der Frau. Linda schloß ihren Bruder in die Arme. „Wird auch Zeit, daß du mal jemanden mitbringst. Mama ist ganz aufgeregt. Sie steht schon den ganzen Tag in der Küche und hat alles vorbereitet. Kommt herein.“ Sie nahm Diane bei der Hand. „Alle warten darauf, Sie kennenzulernen.“ Diane atmete tief durch, als sie das Haus betrat. Sie bereitete sich seelisch auf die schwierige Rolle vor, die sie an diesem Abend spielen mußte. Während ihrer Zeit beim Rundfunk hatte sie Gesellschaften und Partys gemieden. Auch ihre Kindheit in einem großen, abgelegenen Haus mit nur einem Bruder und zurückgezogen lebenden Eltern hatte nicht dazu beigetragen, sie auf den Trubel einer großen Familienversammlung vorzubereiten. Und dies war eine große Familienfeier. In rascher Folge wurde sie mit vier freundlichen, hübschen Schwestern Kents,
drei Schwägern, sechs oder sieben Nichten und Neffen, einer älteren Tante, einem unverheirateten Onkel, zwei siamesischen Katzen und einem herumtollenden Hund bekannt gemacht. Zu ihrer Überraschung wurde Diane jedoch sofort von der herzlichen Stimmung angesteckt. Jeder schien sich zu freuen, sie kennenzulernen, und alle gaben ihr das Gefühl, willkommen zu sein. Bald lachte sie und erwiderte spontane Scherze. Sie fühlte sich in diesem Kreis sehr wohl und entspannte sich. Ein großer blonder Mann mit Schnurrbart, der Ehemann einer der Zwillinge, klopfte Kent auf die Schulter, zwinkerte ihm zu und sagte im Flüsterton, jedoch so laut, daß Diane es nicht überhören konnte: „Die würde ich auch nehmen. Junge, hast du einen guten Geschmack!“ Zum erstenmal seit ihrer Ankunft begegnete Diane Kents Blick. Seine Miene spiegelte eine Mischung aus Bewunderung und Stolz wider. Zugleich spürte sie, daß er sie stumm um Verzeihung bat. Sie lächelte zaghaft und hoffnungsvoll. Er wollte gerade auf sie zugehen, als ein fröhlicher Ruf das Stimmengewirr übertönte. „Da seid ihr ja!“ Eine rosawangige, zierliche Frau in einem blauen Kleid und geblümter Schürze zwängte sich zwischen den anderen hindurch. Ihr kurzes dunkelbraunes Haar war von grauen Strähnen durchzogen. Tiefe Lachfältchen um den Mund und die hellblauen Augen ließen auf ein sonniges Gemüt schließen. „Ich bin Stephanie, Kents Mutter“, sagte sie, als sie Diane die Hand schüttelte. „Ich freue mich so, daß Sie gekommen sind.“ Diane empfand sofort Sympathie für diese Frau. Als sie sich bei Stephanie für die Einladung bedankte, war Diane von Dankbarkeit für die herzliche Aufnahme in dieser Familie erfüllt. Zugleich bedauerte sie, diese netten Leute vermutlich nie wiederzusehen. „Verzeihen Sie, daß es hier so turbulent zugeht“, sagte Stephanie. „Ich habe den Mädchen geraten, wenigstens einige Kinder zu Hause zu lassen, doch alle bestanden darauf, mitzukommen.“ „Ich freue mich“, erwiderte Diane. „Bei einer so großen Familie ist es besser, gleich alle auf einmal kennenzulernen.“ „Ein tapferes Mädchen hast du da“, wandte sich Stephanie an Kent, der sich zu ihnen gesellt hatte. Sie schloß Diane herzlich in die Arme und hielt Kent dann die Wange hin. Er neigte sich hinab, gab seiner Mutter einen Kuß und legte einen Arm um ihre Schulter. „Du siehst bezaubernd aus wie immer, Mutter. Duftet es aus der Küche etwa nach Lammkeule?“ Stephanie Hanison schaute lächelnd von ihrem Sohn zu Diane. „Was sonst sollte ich für meinen Sohn anderes machen als sein Leibgericht?“ Kent drückte seine Mutter liebevoll an sich. Gleichzeitig begegnete er Dianes Blick. Jetzt war sie ganz sicher, daß sie die stumme Bitte um Verzeihung in seinen Augen las, und ihr Herz schlug schneller. In diesem Moment wurde ihr klar, daß sie gern ein Mitglied dieser glücklichen Familie wäre. Sie wußte nicht, ob es jemals der Fall sein würde, doch für heute abend wollte sie so tun als ob. Am liebsten hätte sie Kent umarmt und ihm gesagt, daß alles verziehen war. Statt dessen schenkte sie ihm ein Lächeln, das Liebe und bedingungsloses Vergeben ausdrücken sollte. Er atmete erleichtert auf, legte den anderen Arm um Diane und zog sie dicht an sich. Als er ihr ins Ohr flüsterte, klang seine Stimme bewegt. „Meinst du, es würde jemand bemerken, wenn wir uns für ein paar Minuten ins Schlafzimmer zurückziehen?“ Bevor Diane etwas erwidern konnte, wurde eine Glastür hinten im Wohnzimmer
geöffnet. „Hey, warum hat mir keiner gesagt, daß sie eingetroffen sind?“ Diane wandte sich verblüfft um. Wenn Kent nicht neben ihr gestanden hätte, dann hätte sie geschworen, daß die Stimme, die sie gehört hatte, seine war. Der Mann, der das Wohnzimmer durchquerte, war Kents Vater. Abgesehen von den Falten in dem gebräunten Gesicht und den grauen Strähnen im rötlichbraunen Haar war die Ähnlichkeit der beiden auffallend. Kents Vater war schlank und von kräftiger Statur wie Kent, hatte grüne Augen wie er, die gleichen hohen Wangenknochen und die gerade Nase. Es war Diane, als würde ihr mit dem Anblick von Kents Vater gezeigt, wie attraktiv Kent in späteren Jahren immer noch aussehen würde. „Guten Abend und herzlich willkommen“, sagte er und nahm Dianes Hand in beide Hände. „Ich bin Dan, der Alte in diesem Haus.“ „Jetzt übertreiben Sie, junger Mann“, hörte sich Diane sagen. Ringsum setzte Gelächter ein. „Ich wußte, daß sie mir gefallen wird“, sagte Dan lächelnd zu seinem Sohn und legte einen Arm um Diane. „Sagen Sie mal, hat Sie schon jemand durch das Haus geführt? Nein? Dann kommen Sie mit.“ Diane warf Kent einen entschuldigenden Blick zu, während sie Dan folgte. Kent lächelte, und sein Blick war eine stumme Botschaft, wie sehr er sein Verlangen unterdrücken mußte. Der Abend verging wie im Flug. Das Essen war köstlich, die Stimmung harmonisch und heiter. Diane hatte sich in einem größeren Kreis noch nie so wohl gefühlt wie an diesem Abend. „Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder“, sagte Stephanie, als sie Diane zum Abschied auf der Veranda in die Arme schloß. „Bestimmt, Mutter“, versprach Kent und zog Diane an sich. „Wer will mit mir um einen Dollar wetten, daß wir auf ihrer Hochzeit tanzen, bevor der Sommer vorüber ist?“ fragte Dan vergnügt. „Die Wette wirst du gewinnen.“ Kent holte einen Dollar aus der Tasche, gab ihn seinem Vater und schüttelte ihm begeistert die Hand. Diane war gerührt. Wenn sie morgen Erfolg bei der Radiostation hatte, wenn sie einen Job bekam und in Seattle bleiben konnte, dann würde sich vielleicht alles zum Guten wenden. Vielleicht… „Hat es dir gefallen?“ fragte Kent, als sie über den Highway fuhren. „Es war großartig. Deine Familie ist wundervoll. Jeder von ihnen.“ „Ah! Du hast noch nicht Tante Bernice aus Boston kennengelernt, die in einer Mansardenwohnung lebt, ShakespeareKostüme trägt und tanzende Flamingos in Ballettröckchen malt.“ Diane lachte. „Demnach paßt sie gut zu deiner Familie.“ Kent boxte ihr scherzhaft gegen den Oberschenkel. „Komm zu mir!“ Er zog sie an sich und lenkte den Wagen nur mit der linken Hand. „Ich habe mich den ganzen Abend danach gesehnt, mit dir alleinzusein. Ich wollte mich entschuldigen, weil ich mich heute nachmittag wie ein Dummkopf benommen habe. Für das, was ich gesagt habe, könnte ich mich ohrfeigen.“ „Es ist alles in Ordnung, Liebling.“ Diane strich leicht mit der Hand über Kents Brust und über seinen Hals. „Ich weiß, weshalb du so ärgerlich warst. Ein Verlust von hunderttausend Dollar ist schließlich keine Kleinigkeit. Und ich bin daran schuld, daß…“ „Nein, das bist du nicht. Du kannst überhaupt nichts dafür. Es war meine eigene Entscheidung, Tulsa früher zu verlassen, und ich hatte kein Recht, meinen Zorn an dir auszulassen. ,Harrison Industries’ wird nicht an einem lausigen Vertrag zugrunde gehen. Und ich werde es wohl ertragen, wenn ein Paar Schuhe in
meinem Schlafzimmer herumliegen.“ Er gab ihr einen Kuß auf die Stirn und strich ihr über das seidige Haar. „Verzeihst du mir?“ fragte er mit belegter Stimme. „Ich verzeihe dir. Sag mir nur, daß du mich liebst.“ „Ich liebe dich“, flüsterte er an ihrem Haar. „Ich liebe dich.“ Diane ließ die Hand über seinen Oberschenkel gleiten. Langsam und zärtlich. „Paß auf, was du da anrichtest. Du willst doch sicher auch, daß wir heil zu Hause ankommen“, sagte er mit heiserer Stimme. Sie lächelte und setzte ihr zärtliches Spiel fort. „Deine Haut ist samtweich. Glatt wie Baby haut. Du bist so sexy.“ Aufreizend langsam glitten Kents Finger über Dianes entblößte Schultern, über die straffen Brüste und die Hüften. „Wie gut du dich anfühlst.“ Diane fuhr sanft über seinen Bizeps. Kaum im Haus, hatten sie ihr Verlangen nicht mehr unterdrücken können und sich gleich auf dem Teppich im Wohnzimmer geliebt. „Du bist ganz feucht“, sagte er und strich zärtlich mit einer Fingerspitze über ihre Stirn. „Was hältst du davon, wenn wir uns duschen?“ „Das ist in der letzten halben Stunde deine zweitbeste Idee“, erwiderte Diane lächelnd. Unter der Dusche griff Diane nach der parfümierten Seife, stellte sich auf die Zehenspitzen und begann, Kent – die Schultern und die behaarte Brust einzuseifen. Mit geschickten Fingern massierte sie seinen muskulösen Körper und spülte den Schaum auf dem keilförmigen Haarstreifen ab. „Sei vorsichtig“, mahnte Kent und atmete scharf ein, „wenn du nicht willst, daß ich dich aus der Dusche zerre, bevor wir uns ganz abspülen können.“ „Das würdest du tun.“ Diane lächelte herausfordernd, richtete sich auf und zog ihn an sich. Sie rieb mit der Seife leicht über seinen Rücken, über das Gesäß und die Oberschenkel. „Denk an die Spur von Seifenwasser, die wir auf deinem schönen Teppich den ganzen Weg bis zum Schlafzimmer hinterlassen würden.“ „Na und?“ Kent Umschlag Dianes Taille und wollte mit der anderen Hand die Glastür öffnen, doch Diane wand sich aus seinem Griff und stellte sich wieder unter die warmen Strahlen der Dusche. „Dir werd ich’s zeigen!“ Sie hob die Fäuste wie ein Boxer, der sich zum Kampf stellt, und sah ihn gespielt finster an. „Es ist deine Schuld, daß ich so verschwitzt bin, und ich verlasse diese Dusche nicht eher, bis ich fertig bin.“ Er lachte, nahm ein anderes Stück Seife aus der Seifenschale und rieb Schaum in seine Hände. „Also gut, ich füge mich. Sofern ich dafür sorgen darf, daß du fertig wirst.“ Er kniete sich vor ihr nieder und begann ihre Waden mit langen, sanften Strichen einzuseifen. Sie erhob keinen Einwand. Als Kents schaumbedeckten Finger an ihren Beinen aufwärtsglitten und er ihre Schenkel aufreizend langsam einseifte, legte sie die Hände auf seine Schultern, um sich zu stützen, und stöhnte leise auf. Er schlang die Arme um ihre Taille, übersäte ihren flachen Bauch mit Küssen und schmiegte die Wange an ihre Brust. „Du bist eine wunderschöne Frau, Diane.“ Diane spürte, wie er mit der Zunge die rosige Spitze ihrer Brust mit sanftem Druck zu umkreisen begann. „O Kent!“ Sie durchwühlte sein nasses Haar und zog ihn noch fester an sich. „Weißt du, was das für ein Gefühl für mich ist.“ Anstatt zu antworten, richtete sich Kent auf und preßte den Mund auf ihren. Sie spürte seine Erregung. „Das gleiche ist es für mich, mein Liebling“, sagte er mit rauher Stimme. Er atmete heftig, lehnte sich zurück gegen die blaugekachelte Wand und sah sie mit begehrlichem Blick an. Ein Feuer schien tief in ihr
aufzulodern, und auch ihr Blick drückte heftiges Verlangen aus. Kent hob sie leicht an. „Kent…?“ sagte sie überrascht. Dann schlang sie die Arme um seinen Nacken. „Du sagtest, du würdest die Dusche nicht verlassen, bevor du fertig bist, ich erinnere mich genau an die Worte.“ „Das stimmt. Das… habe ich gesagt.“ Sie ließ sich langsam auf ihn sinken, und ihre Körper vereinten sich. „Du hast eine bemerkenswerte Technik, um das zu erreichen.“ Sie grub die Finger in das feste Fleisch seiner Oberschenkel, als er sie an sich hielt und voller Begierde küßte. Sie spürte, wie die Spannung in ihm wuchs wie ihre eigene Leidenschaft. Ihre Körper bewegten sich im selben Rhythmus, immer heftiger und drängender. Heiß pulsierte das Blut in Dianes Adern. „Ich liebe dich“, sagte sie atemlos an seinen Lippen. „Ich werde dich immer lieben.“ „Und ich liebe dich.“ Wieder küßten sie sich. Unaufhörlich bewegten sie sich in dem Gleichklang, der so zeitlos ist wie das Auf und Ab der Meereswellen. Und gemeinsam erreichten sie den Gipfel der Lust. Später lagen Diane und Kent einander zugewandt auf dem Bett, eng umschlungen in der Dunkelheit. Kent spielte sanft mit den feuchten Strähnen ihres Haars. „Heirate mich, Diane“, sagte er weich. „Ich möchte es, Kent“, erwiderte sie leise. „Das weißt du. Doch selbst wenn ich es scharfe, einen Job in Seattle zu bekommen, selbst wenn alles so wird, wie wir es wollen… glaubst du wirklich, du könntest mit einer Frau wie mir ein Leben lang zurechtkommen? Ich bin nicht sehr ordentlich.“ „Und wie ich mit dir zurechtkommen werde!“ sagte er und strich ihr zärtlich über den Nacken. „Ich war heute abend stolz auf dich. Meine Familie findet dich hinreißend, genau wie ich es vorausgesehen habe.“ Diane schmiegte sich an ihn, barg den Kopf an seiner Schulter und seufzte. „Ich wünschte, du könntest meine Familie kennenlernen. Sie würden dich ebenfalls mögen. Doch mein Bruder lebt jetzt in Denver, und meine Eltern sind nach Florida gezogen. Ich kann mir nicht mehr freinehmen, und wenn einer von ihnen vor Weihnachten herkommen kann, müßte schon ein Wunder geschehen.“ „Oder eine Hochzeit.“ Diane strich leicht mit einem Finger über Kents muskulösen Arm und blickte dann in der Dunkelheit zu ihm auf. „Oder eine Hochzeit“, wiederholte sie leise.
12. KAPITEL Kent parkte vor einem Hochhaus im Zentrum der Stadt und erklärte Diane den kurzen Weg zum Rundfunksender. „Alder und der Mann vom Empfang sind ausschließlich wegen dieses Vorstellungstermins in der Station. Sie sagten, die Tür würde offen sein. Ich warte hier auf dich.“ Er küßte sie. „Viel Glück, mein Schatz.“ „Danke. Das werde ich brauchen.“ Diane spannte den Regenschirm auf, weil es in Strömen goß, stieg aus und eilte die Straße hinauf auf die riesige Glastür des Gebäudes zu, das Kent ihr beschrieben hatte. Ein Schnellaufzug brachte sie in die oberste Etage. Ihr stockte der Atem, als sie den eleganten Vorraum betrat. Er war mit rotem Teppichboden ausgelegt und mit Sitzgruppen aus Eiche ausgestattet. Der Werbespruch der Station, „KXTR – das besondere Programm für Seattle“, prangte in goldenen Lettern auf einer Spiegelwand hinter der Rezeption. Im Vergleich dazu ist KICK ein ärmlicher Provinzsender, dachte Diane. Sie stellte sich an der Rezeption vor, und der junge Mann vom Empfang informierte telefonisch den Programmdirektor. „Mr. Alder erwartet Sie, Miss Saint Germaine“, sagte der junge Mann dann. „Wenn Sie mir bitte folgen wollen.“ Er führte sie an einer Glasvitrine mit Trophäen und Urkunden vorbei, über einen langen Korridor, an dessen Wänden gerahmte Fotos von Diskjockeys und Sprechern hingen. Dann führte er sie in einen Raum, der alle Büros bei KICK weit in den Schatten stellte. Auf die lindgrüne Strukturtapete war das Firmenzeichen der Rundfunkgesellschaft gedruckt, der diese Station gehörte. Der massive Schreibtisch entsprach modernstem Design. Und die Bar in der Ecke bewies, daß man auch die Gemütlichkeit nicht vergessen hatte. Hohe Topfpflanzen standen links und rechts neben den Fenstern, die vom Boden bis zur Decke reichten und einen herrlichen Ausblick auf die Stadt erlaubten. Heute allerdings war die Sicht durch einen grauen Regenschleier getrübt. „Mr. Alder, Miss Saint Germaine“, meldete der Mann von der Rezeption sie wie bei einem Empfang bei Hofe an. Ein schwarzhaariger Mann mit rötlichem Gesicht erhob sich aus einem Drehsessel und streckte Diane die Hand über den Schreibtisch hin. „Miss Saint Germaine. Ich freue mich, Sie kennenzulernen.“ Er lächelte freundlich, und kräftige, blendendweiße Zähne kamen zum Vorschein. Er sprach mit leichtem texanischem Akzent. Diane erwiderte sein Lächeln, während er sie mit festem Händedruck begrüßte. „Die Freude ist ganz meinerseits, Mr. Alder. Ich danke Ihnen dafür, daß Sie mich am Sonntag empfangen. Sie werden Ihr Wochenende gewöhnlich außerhalb des Senders verbringen, auch wenn er dann in Betrieb ist.“ „Kein Problem, überhaupt kein Problem! Ich verstehe, daß Sie bei Ihrem Blitzbesuch unter Zeitdruck stehen. Sie haben schließlich die Woche über im Studio zu tun.“ Er wies auf den Ledersessel vor seinem Schreibtisch. „Bitte nehmen Sie Platz.“ Er setzte sich, griff nach einem goldenen Etui und bot Diane eine Zigarette an. Nachdem sie dankend abgelehnt hatte, bediente er sich selbst. Während Diane immer noch das imposante Büro bewunderte, erzählte er ihr die Entwicklungsgeschichte der Sendestation. Sie hatte sich bereits ein wenig darüber informiert, doch die genauen Angaben über Zuhörerzahlen und den Umfang der Werbung waren ihr neu und beeindruckten sie.
„Man hat mich im letzten Jahr von der führenden Station in Houston wegengagiert“, erklärte Mr. Alder stolz, „und ich gebe mein Bestes, um diesen Sender zum meistgehörten im Nordwesten zu machen.“ Diane informierte ihn über jene Einzelheiten ihrer Karriere, die nicht in ihren Bewerbungsunterlagen erwähnt waren. Alders Zigarette war fast bis auf den Filter abgebrannt, als er ihr anbot, die Station zu besichtigen. Diane kam während des Rundgangs nicht mehr aus dem Staunen heraus. Alles war hochmodern und nahezu steril. Die Ausrüstung entsprach dem neuesten technischen Stand. Antiquiertes wie bei KICK gab es nicht. Die geräumigen, hellen Studios waren mit den besten Anlagen ausgestattet. Diane erblickte hinter einer Glasscheibe einen Diskjockey, der gerade ins Mikrofon sprach. Vor ihm lag ein Aktenhefter, ein Manuskript. Bei allen Stationen, bei denen sie bisher gearbeitet hatte, war ihr stets erlaubt gewesen, aus dem Stegreif zu sprechen. Noch nie hatte sie mit einem Skript gearbeitet. Sie fand, daß dabei die Spontanität und das Aufregende der Arbeit verlorengingen. Diane kämpfte gegen die Enttäuschung an, die plötzlich in ihr aufstieg. Man kann sich an alles gewöhnen, tröstete sie sich. „Nun, wie gefällt es Ihnen?“ fragte Mr. Alder, nachdem sie in sein Büro zurückgekehrt waren und wieder Platz genommen hatten. „Ganz nett, nicht wahr?“ „Sehr“, sagte Diane. „Es ist eine wundervolle Station.“ „Nun gut. Ich habe mir das Band angehört, das Sie schickten. Mir gefällt Ihre Stimme, und Sie haben Erfahrung in der Rundfunkarbeit. Ihre persönliche Ausstrahlung auf Sendung könnte eine Bereicherung für uns sein.“ Sie wartete angespannt, während er sich wieder eine Zigarette anzündete. „Daher möchte ich Ihnen einen Posten anbieten.“ Dianes Herz schlug schneller. War alles wirklich so einfach? „Doch ich möchte offen zu Ihnen sein“, fuhr Alder mit seinem texanischen Akzent fort. „Wir können Ihnen nicht das Gehalt zahlen, das Sie zur Zeit bekommen und in Ihren Bewerbungsunterlagen erwähnt haben. Ich biete Ihnen 2500 pro Monat. Mehr ist leider nicht möglich.“ Diane hob die Brauen. „Das ist nicht sehr verlockend. Besonders nicht, da ich noch bei KICK angestellt bin.“ „Ich weiß. Ehrlich gesagt, ich konnte zuerst nicht verstehen, weshalb Sie ein so hervorragendes Sendegebiet wie Südkalifornien verlassen wollen, um zu jedem Preis für uns zu arbeiten. Dann erklärte mir Mr. Harrison etwas von einem bevorstehenden Wechsel im Management von KICK. Aber das ist immer noch kein triftiger Grund.“ Er wedelte den Zigarettenrauch zur Seite. „Habe ich recht mit der Annahme, daß etwas anderes hinter dieser beruflichen Veränderung steckt? Vielleicht etwas zwischen Ihnen und unserem Geschäftsfreund Harrison? Eine Heirat möglicherweise?“ Diane spürte, wie ihr das Blut in die Wangen schoß. Alders lachte. „Ich glaube, ich habe richtig getippt. Nun, in diesem Fall wird das Gehalt wohl nicht das Entscheidenderem. Wenn Sie die Stelle annehmen wollen – sie ist Ihnen sicher.“ „Welche Schicht?“ fragte Diane unentschlossen. „Die Morgensendung oder das Nachmittagsprogramm?“ Diese Frage überraschte ihn offensichtlich. Er furchte die Stirn, kratzte sich am Kopf, drückte die Zigarette im Aschenbecher aus und verschränkte die Hände vor der Brust. „Lassen Sie mich das offen und ehrlich sagen“, eröffnete er ihr und lächelte verkrampft. „Wir hatten erst einen weiblichen Diskjockey bei KXTR, seit ich hier
bin, und die Dame kam nicht besonders gut an. Ich weiß nicht, wie es bei Ihnen sein wird, und die Einschaltquoten sind, wie Ihnen ja bekannt sein dürfte, das A und O. Doch Kent Harrison hat viel für Werbung bei dieser Station ausgegeben, und ich finde Ihr Band recht gut. Deshalb bin ich bereit, Ihnen eine Chance zu geben. Was jedoch die Schicht anbelangt…“ Diane spürte, wie es heiß in ihr aufwallte. Recht gut? Bereit, eine Chance zu geben? Was war das für ein dummes Gerede? „Wir können eine Stimme wie Ihre für das Nachtprogramm gebrauchen“, setzte er hinzu. „Das Nachtprogramm?“ Eine Ohrfeige hätte sie nicht schlimmer getroffen. „Ja. Von zwei bis sechs. Fünf Tage die Woche.“ Er lächelte und fügte großmütig hinzu: „Die Wochenenden sind frei. Na, wie finden Sie das?“ Diane, bemüht um einen ruhigen Tonfall, antwortete: „Mr. Alder, ich habe sieben Jahre lang abends und nachts gearbeitet. Jetzt bin ich im Nachmittagsprogramm von KICK. Meine Sendung erhält lobende Kritiken. Mit der neuen Ermittlung der Hörerzahlen erwarten wir, zur Spitze aller Programme in diesem Sendebereich zu zählen.“ „Ja, aber das ist Anaheim. Die Leute dort unten in der Nähe von Hollywood sind anders als hier. Zweifellos ist es dort weit verbreitet, auf der Heimfahrt im Auto der Stimme einer reizenden Frau wie Ihnen zu lauschen. Aber seien wir ehrlich. Sie haben eine Schlafzimmerstimme, die Art, die Männer in der Nacht hören wollen.“ Eine Schlafzimmerstimme? Diane sprang vom Sessel auf. Ihr Puls raste. „Danke für Ihr freundliches Angebot“, stieß sie hervor und funkelte ihn zornig an. „Ich werde darüber nachdenken und Ihnen meinen Entschluß mitteilen.“ Bevor er etwas erwidern konnte, hatte Diane ihre Handtasche an sich genommen und schritt hoch erhobenen Hauptes aus dem Büro. „Dieser entsetzliche Regen!“ Diane zog das nasse Kleid über den Kopf und warf es auf den Boden von Kents Badezimmer. „Der hört wohl nie auf?“ Beim überstürzten Verlassen der Station hatte sie den Regenschirm vergessen und war von dem Schauer binnen Sekunden bis auf die Haut durchnäßt gewesen. „In ein paar Stunden wird er aufhören.“ Kent warf ihr ein flauschiges Handtuch zu, und sie nibbelte sich das nasse Haar trocken. „Tut mir leid, daß ich dir nicht geraten habe, für dieses Wochenende einen Regenmantel mitzunehmen. Mir kam gar nicht in den Sinn, daß du nicht daran denken könntest.“ „Und mir ist noch nie in den Sinn gekommen, im Sommer einen Mantel zu tragen.“ Sie zog die Unterwäsche aus, trocknete sich ab und schlüpfte an Kents ausgestrecktem Arm vorbei ins Schlafzimmer. „Findest du es nicht deprimierend, wenn es so oft regnet?“ Er zuckte die Schultern. „Manchmal. Vermutlich habe ich mich daran gewöhnt. Und du? Bist du noch nicht den ständigen Sonnenschein dort unten überdrüssig geworden? Immer das gleiche. Kein Wechsel der Jahreszeiten. Kein…“ „Nein!“ fiel sie ihm heftig ins Wort. „Mir gefällt es. So ist das Wetter wenigstens vorausschaubar.“ Kent folgte ihr ins Schlafzimmer und ließ sich aufs Bett sinken. Er schaute zu, wie sie sich anzog. „Bist du sicher, daß du dich anziehen willst?“ „Ganz sicher.“ Sie streifte eine rosafarbene Bluse über den Kopf und zupfte sie hinunter. „Von einem Sommer kann man erwarten, daß er heiß ist. Ich ziehe das trockene Klima Südkaliforniens dem Regen vor.“ „Ich auch. Jedem gefällt das besser. Doch man muß dort leben, wo man seinen Lebensunterhalt verdienen kann.“ Gereizt fuhr sie zu ihm herum. „Stimmt! Und genau das werde ich tun. Ich werde
in Kalifornien bei KICK bleiben.“
Kent setzte sich auf der Bettkante auf und atmete tief durch. „Diane, du hast
jedes Recht, wütend zu sein. Es tut mir leid, daß es heute nachmittag nicht
klappte. Doch es gibt noch andere Rundfunkstationen. Ich werde anrufen und…“
„Nein! Ich möchte mir weitere Peinlichkeiten ersparen. Mir erscheint es nicht
erstrebenswert, einen Job als Gegenleistung für das viele Geld zu bekommen,
das du für Werbung bei dem jeweiligen Sender investierst.“
Sie ging zum Fenster. Noch immer trommelte der Regen gegen die Scheiben.
„Es tut mir leid, Kent. Für jemanden, der mein Talent nicht zu schätzen weiß,
werde ich nicht arbeiten. Und ich weigere mich, irgendein Nachtprogramm zu
übernehmen. Du kannst dir nicht vorstellen, wie schlimm sich die Nachtschicht
auf das Privatleben auswirkt.“
„Dann versuch es bei einer anderen Station“, beharrte Kent. „Selbst wenn du mit
einer Nachtschicht vorliebnehmen mußt, wird das nur vorübergehend sein. In ein
paar Monaten wird man wissen, was man an dir hat, und…“
„Das ist nicht sicher. Möglicherweise müßte ich wieder jahrelang nachts arbeiten.
Ich habe meine Lektion gelernt. So etwas mache ich nicht noch einmal. Um
keinen Preis der Welt!“
Diane beruhigte sich allmählich, setzte sich neben Kent aufs Bett und legte eine
Hand auf seinen Oberschenkel. „Ich liebe dich, Kent“, sagte sie leise. „Das weißt
du. Und ich möchte dich heiraten. Aber…“
Kent ergriff ihre Hand, und ihre Blicke trafen sich. „Aber was?“
„Ich möchte Kalifornien nicht verlassen.“
Kent gab ihre Hand frei und verschränkte die Arme vor der Brust. „Na
wunderbar“, bemerkte er sarkastisch.
„Laß mich erklären“, bat Diane. „Als du vorschlugst, hier nach einer Stelle zu
suchen, war ich bereit dazu. Fast fing ich an, an den Erfolg unserer Bemühungen
zu glauben. Doch ich täuschte mich. Und nicht nur der Regen oder Alders
unverschämte Bemerkung über meine Stimme sind schuld daran.“
Sie legte sich aufs Bett, drehte sich auf die Seite und zeichnete mit dem
Zeigefinger das Muster der blaubestickten Bettdecke nach.
„Du kannst dir nicht vorstellen, wie glücklich ich bin, daß ich es in Südkalifornien
beim Rundfunk geschafft habe“, fuhr sie fort. „Eines Tages werde ich
Funkwerbung machen, TVSendungen, Filme… All diese Möglichkeiten stehen mir
dort offen. Ich habe Fans und genieße einen guten Ruf. Es dauerte sieben Jahre,
bis ich eine Sendung zur besten Sendezeit bekam. Das kann ich nicht aufgeben,
nur weil die Station vielleicht verkauft wird. Ich wäre dumm, wenn ich etwas
wegwerfen würde, für das ich so hart gearbeitet habe.“
Kent ließ sich neben ihr aufs Bett fallen. Seine Miene wirkte angespannt, als er
den Blick auf sie heftete. „Du wärst dumm, wenn du aufgeben würdest, was wir
beide haben, Diane.“
„Ich rede nicht davon, unsere Beziehung zu beenden. Ich will dich ja heiraten.
Aber ich will auch bei KICK bleiben.“
„Und wie stellst du dir das vor?“ fragte er heftig. „Sollen wir in verschiedenen
Städten leben?“
„Ja.“
Enttäuscht wandte er den Blick ab.
„Sieh mal“, fuhr sie fort. „Selbst wenn wir das Glück hätten, am Anfang unserer
Ehe in derselben Stadt zu leben, gibt es keine Garantie dafür, daß wir
zusammenbleiben können. Ich habe dir doch erklärt, wie unbeständig die Arbeit
bei Rundunkstationen ist. Nach einem Jahr oder höchstens drei Jahren wäre ich
meinen Job los und müßte umziehen.“
„Du suchst nur nach Ausreden! Wenn du schon dabei bist, warum machst du dir nicht auch gleich Gedanken darüber, was alles in den nächsten fünfzig Jahren schiefgehen könnte?“ Er stand auf und fuhr sich nervös mit der Hand durchs Haar. „Und wer sagt dir, daß du keinen neuen Job bei einer anderen Station in dieser Gegend findest, wenn du den alten tatsächlich verlieren solltest?“ „Für einen entlassenen Diskjockey ist es schwer, im gleichen Sendegebiet Arbeit zu bekommen. Das ist nun mal so.“ „Wenn wir also verheiratet wären, könnten wir uns nur an Wochenenden und im Urlaub sehen. Zweimal im Monat hier, zweimal in Anaheim. Oder vielleicht kaufen wir uns ein Haus in Portland und treffen uns auf halbem Weg! Ist es das, was dir vorschwebt?“ „Warum nicht?“ sagte Diane. „Ich erinnere mich, daß du derjenige warst, der vorschlug, uns an den Wochenenden zu treffen. Du hast behauptet, eine Beziehung könne trotz der großen Entfernung gutgehen.“ „Das sagte ich, bevor wir es versuchten“, erwiderte Kent heftig. „Es geht nicht. Auch wenn ich in den letzten Wochen hier war, mit meinen Gedanken war ich woanders. Und jetzt leiden meine Geschäfte darunter.“ Diane schluckte, als er auf den schlecht ausgehandelten Vertrag anspielte. Sie kämpfte gegen Tränen an und wollte fort, irgendwohin, nur weg. Doch Kent packte sie am Arm und hielt sie fest. „Ich liebe dich, Diane“, sagte er eindringlich. „Ich will nicht Tag für Tag zwischen dir und meiner Arbeit hin und hergerissen werden. Ich will mit dir Zusammensein, im selben Haus leben, mit dir das Bett teilen. Ich möchte mir dir ein Heim haben und Kinder aufziehen. Das können wir nicht, wenn wir in verschiedenen Städten leben. Ich will eine Frau haben, die immer bei mir ist.“ Diane löste sich aus Kents Armen und erhob sich vom Bett. Das Prasseln des Regens schien sich zu steigern wie das Hämmern ihres Herzens. „Ich liebe dich, Kent“, sagte sie leise. „Aber ich kann nicht die Frau sein, die du dir wünschst. Nicht, ohne meine Karriere aufzugeben. Und das bringe ich nicht fertig. Das kann ich einfach nicht!“
13. KAPITEL Diane fröstelte in dem dünnen Sweatshirt, während sie barfuß über den nassen Sand am Strand von Santa Barbara ging. Morgennebel hing über der Bucht. Seit acht Tagen wanderte sie jetzt jeden Morgen diesen Strand entlang und versuchte, zu einer Entscheidung zu kommen. Sam, ihr Chef bei KICK, hatte ihr sozusagen einen Zwangsurlaub verordnet. „Sie machen eine Woche Ferien, Diane“, hatte er gesagt und ihren Protest im Keim erstickt. „Sie sind die beste Kraft des Senders. Aber irgend etwas quält Sie seit einer Woche. Eines Tages könnten Sie zusammenbrechen. Und ich mag Sie zu sehr, um abzuwarten, bis das passiert. Fahren Sie irgendwohin. Entspannen Sie sich. Und kommen Sie erst zurück, wenn Sie Ihr Problem gelöst haben, was auch immer es ist.“ Sie war nach Santa Barbara gefahren. Der kleine Ort an der Küste schien wie geschaffen zum einsamen Meditieren. Doch jetzt, am Tag ihrer Abreise, hatte sie noch immer keinen Seelenfrieden gefunden. Sie bereute, daß sie Kent verlassen hatte. Die Einsamkeit und das Gefühl, ihr Glück einer Karriere geopfert zu haben, schmerzten sie mehr als das Scheitern ihrer Ehe mit Steve. Immer wieder mußte sie an den Abschied von Kent denken. Kent hatte sie eindringlich gebeten, die Nacht mit ihm zu verbringen, abzuwarten und die planmäßige Maschine am nächsten Morgen zu nehmen. Doch das hatte Diane nicht gewollt. Jede weitere Minute, die sie mit ihm verbrachte, hätte ihr den Abschied nur noch schwerer gemacht. „Es tut mir leid“, hatte sie gesagt und dabei Kleidungsstücke in ihrer Reisetasche verstaut. „Hör mit dem Packen auf, verdammt!“ Kent hatte sie am Arm gefaßt, doch sie hatte sich aus seinem Griff befreit. „Diane, geh nicht so von mir fort. Außerdem regnet es in Strömen!“ „Daran sind die Leute in Seattle ja gewöhnt.“ Sie hatte die Reisetasche geschlossen. „Es ist besser, wenn ich jetzt gehe. Wir haben gesagt, was es zu sagen gibt. Ich werde ein Taxi bestellen.“ „Das wirst du nicht tun!“ Kent hatte ihr die Reisetasche aus der Hand gerissen. „Wenn du so versessen darauf bist, abzureisen, werde ich dich zum Flughafen bringen.“ Schweigend fuhren sie über die nassen Asphaltstraßen. Der Regen trommelte auf das Autodach, und die Scheibenwischer schafften kaum eine klare Sicht. Im Flughafen trug Kent Dianes Reisetasche zum Abfertigungsschalter, wartete, bis Diane umgebucht hatte, und begleitete sie zum Flugsteig. Die Passagiere wurden bereits aufgerufen. Diane spielte nervös mit dem Schulterriemen ihrer Handtasche und wich Kents Blick aus. „Kent, du sollst wissen, wie sehr ich zu schätzen weiß, was du für mich getan hast“, sagte sie bewegt. „Seit ich dich kenne, fühle ich mich wie ein anderer Mensch. Du hast mir Selbstvertrauen gegeben. Dafür werde ich dir immer dankbar sein.“ Sie sah zu ihm auf. Der schmerzliche Ausdruck in seinen Augen wühlte sie auf. Sie kämpfte gegen Tränen an und strich ihm zärtlich über die Wange. „Können wir wenigstens Freunde bleiben?“ „Freunde?“ Er schob ihre Hand von sich und sah Diane zornig an. „Freunde? Du weißt, daß das nicht genug ist.“ Dann machte er auf dem Absatz kehrt und verschwand in der Menge. Am Tag nach ihrer Rückkehr traf ein Päckchen von Kent bei Diane ein. Sie öffnete
es und las sie Karte, die er dazugelegt hatte. „Ich werde dich immer lieben, Diane. Wir gehören zusammen. Es muß eine Möglichkeit geben, alles in Ordnung zu bringen. Bitte, komm zurück zu mir.“ Wehmütig hatte sie die kleine Schachtel betrachtet. Auf rosa Samt gebettet lag ein Paar wunderschöner Ohrringe: zwei goldene Wanderdrosseln mit Diamanten als Augen. Diane war in Tränen ausgebrochen. Es waren die Ohrringe, die Kent schon vor einiger Zeit in Auftrag gegeben haben mußte. Sie würde sie niemals tragen. Der Schrei einer Seemöwe riß sie jäh aus ihren Gedanken. Er erinnerte sie an jenen idyllischen Nachmittag, den sie mit Kent am Strand von Catalina Island verbracht hatte. Jahre schienen seither vergangen zu sein. Ruf dir in Erinnerung, wie es dir ging, bevor du Kent kennenlerntest, sagte sie sich auf dem Weg zu ihrem Wagen. Hast du dich glücklich gefühlt? Hast du dich auf jeden Tag gefreut? Ja. Du warst zwar einsam wie jetzt, doch du hattest gelernt, dich damit abzufinden. Und das mußt du wieder lernen. Bevor sie losfuhr, schaltete sie das Autoradio ein. Sie lauschte der lockeren Ansage eines Sprechers. Der Rundfunk war ihr Lebensinhalt gewesen. Spannung, Dramatik, ein Gefühl der Macht in der Enge ihres kleinen Senderaums. All das hatte sie so sehr geliebt. Warum war es ihr jetzt gleichgültig geworden? Warum hatte es jeden Reiz für sie verloren.? Was bedeutet es schon, über Funk zu einem Publikum zu sprechen? Ich mache anderen Freude, doch wer kümmert sich um mich? Du Närrin! schalt sie sich. Er liebt dich. Noch beim Abschied hat er es dir gesagt. Bei ihm findest du die Erfüllung deiner Träume. Alles wird gut sein, wenn du mit ihm zusammen bist. Nichts sonst zählt. Nichts. Wie hatte sie sich nur ein Leben ohne Kent vorstellen können? Ihre Arbeit bedeutete ihr nichts, wenn sie nicht bei Kent sein konnte. Sie hielt an der nächsten Telefonzelle. Hoffentlich ist es noch nicht zu spät, dachte sie, während sie die Nummer von Kents Büro wählte. Ich werde einen Job in Seattle annehmen, sagte sie sich. Ganz gleich, welche Schicht ich bekomme und welches Opfer ich dafür bringen muß. Wir werden wenigstens Zusammensein. Ich werde mein Bestes geben, mir einen Namen machen und bald wieder oben sein. Und sollte ich den Job eines Tages verlieren und keine andere Stelle als Diskjockey finden, dann suche ich mir irgendeine andere Arbeit. Sie wußte noch nicht, was sie sonst tun konnte, und sie wollte auch gar nicht so weit vorausdenken. Sie wußte nur, daß sie Kent brauchte, daß sie sich nichts sehnlicher wünschte, als für immer bei ihm zu sein. „Harrison Industries“, meldete sich schließlich eine weibliche Stimme am anderen Ende der Leitung. „Ich möchte bitte Mr. Kent Harrison sprechen.“ Diane fand, daß ihre Stimme unnatürlich hoch und schrill klang. „Ich bedaure, Mr. Harrison ist heute nicht in der Stadt. Möchten Sie eine Nachricht für ihn hinterlassen?“ Nicht in der Stadt? Wo, um Himmels willen, hielt er sich auf? Wieder in Tulsa? „Nun, ich… hier spricht Diane Saint Germaine und…“ „Ah, Miss Saint Germaine“, sagte die Frau herzlich, als wären sie gute Bekannte. „Mr. Harrison hat oft von Ihnen gesprochen. Was kann ich für Sie tun? Ich helfe Ihnen gern weiter.“ „Ich muß mit ihm reden. Es ist sehr wichtig. Können Sie mir sagen, wo er zu erreichen ist?“
„Gewiß. Er ist in Orange County, Kalifornien. Möchten Sie die Telefonnummer von
seinem Hotel?“
Diane stockte der Atem vor Überraschung und Freude. Was tat Kent hier in
Orange Country?
„Ja. Vielen Dank.“
Sie notierte sich die Telefonnummer, verabschiedete sich und hängte ein.
Dann rief sie im Hotel an, ließ sich Kents Zimmernummer geben und sich mit ihm
verbinden. Gut fünfzehnmal ließ sie das Telefon klingeln, bevor sie aufgab. Sie
warf einen Blick auf die Uhr. Viertel nach neun. Wo konnte Kent sein?
Diane stieg wieder in den Wagen und fuhr los. Vielleicht hatte Kent im Sender
vorbeigeschaut und erfahren, daß sie heute zur Arbeit zurückkehren würde.
Möglicherweise hatte er gehofft, sie wäre schon am Abend zuvor nach Hause
zurückgekommen. Bitte, bitte, warte auf mich, Liebling, flehte sie stumm. Ich
komme zurück zu dir!
Doch er wartete nicht vor ihrem Haus.
Erneut rief Diane im Hotel an. Vergebens. Sie versuchte es noch einmal in
Seattle.
„Verzeihen Sie, daß ich Sie noch einmal störe, doch ich kann Kent… Mr. Harrison
nicht in seinem Hotel erreichen. Haben Sie eine Ahnung, wo er sich sonst
aufhalten könnte?“
„Ja. Er sagte, daß er heute morgen in einer Rundfunkstation zu erreichen sie.
KICK. Er…“
„Oh! Natürlich! Danke!“ Diane legte auf. Sie war plötzlich in Hochstimmung. Da
er sie nicht zu Hause angetroffen hatte, wartete Kent natürlich im Sender auf sie!
Ja, so mußte es sein.
„Diane! Endlich bist du da!“ begrüßte Barbara sie strahlend. Ein seltsamer
Ausdruck lag in ihrem Blick. „Wie war der Urlaub?“
„Erholsam. Hat jemand nach mir gefragt oder…“
„Diane, große Dinge haben sich ereignet während deiner Abwesenheit“,
unterbrach Barbara. „Westler stand die ganze Woche über in Verhandlungen. Und
stell dir vor – er hat die Station verkauft!“
„Verkauft? Wann?“
„Sie haben die Verhandlungen heute morgen abgeschlossen. Westler ist
abgereist, doch der neue Besitzer ist hiergeblieben. Er will sofort mit dir
sprechen. Du sollst dich beeilen. Er wartet schon seit über einer Stunde in
Westlers Büro, das heißt in seinem ehemaligen.“
Benommen machte sich Diane auf den Weg. Was wollte er von ihr? Sie
entlassen? Das wäre ihr jetzt auch schon gleichgültig. Sie wollte ohnehin nicht
länger bleiben.
Die Tür zum Büro stand offen. Diane trat ein und verharrte jäh auf der
Türschwelle. Der Mann, der hinter dem Schreibtisch saß und von einem Stapel
Papieren aufblickte, war Kent!
„Hallo, Diane“, sagte er mit ruhiger Stimme.
Diane fand keine Worte. Was tat er hier in Westlers Büro? Sollte das ein Scherz
sein? Plötzlich fügten sich all die bruchstückhaften Informationen dieses
Vormittags wie Teile eines Puzzles zusammen, und es fiel Diane wie Schuppen
von den Augen.
„Du… hast die Station gekauft?“
Kent nickte. „Mach bitte die Tür zu.“
Sie gehorchte mechanisch. Er wies auf den Stuhl vor dem Schreibtisch. „Nimm
Platz.“
Sie setzte sich, noch immer unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen.
Kent musterte sie, offensichtlich um ihre Gefühle zu ergründen. Doch sie war noch so verwirrt, daß sie seinen Blick nur stumm erwidern konnte. Er neigte sich wieder über die Papiere, machte irgendwelche Notizen und schob das Blatt zur Seite. „Ich hoffe, du hast deinen Urlaub genossen?“ Die Frage klang kühl und geschäftsmäßig. „Ja. Es war sehr schön.“ „Gut.“ Kent nahm einige Unterlagen aus einem Hefter und schob sie ihr über den Schreibtisch zu. „Es wird noch ein paar Wochen dauern, bis der Kauf endgültig abgewickelt ist“, sagte er. „Unterdessen wirst du froh sein zu wissen, daß deine Zukunft bei KICK gesichert ist. Du kannst die Station als Alleingeschäftsführerin übernehmen oder dein Programm im Sender behalten oder beides. Ganz wie du möchtest. Ich habe einen Vertrag vorbereitet, der dich zu meiner Partnerin macht. Du wirst Zeit brauchen, um dir alles genau durchzulesen. Es läuft auf eine fünfzigprozentige Beteiligung im Laufe von fünf Jahren hinaus, einen gleichbleibenden Gewinn vorausgesetzt.“ Jetzt war Diane erst recht fassungslos. „Fünfzig Prozent!“ „Ja. Du brauchst dir jetzt keine Sorgen mehr um die Sicherheit deines Arbeitsplatzes zu machen.“ Er lachte kurz auf. „Natürlich wirst du mehr Verantwortung tragen müssen als bisher, aber das dürfte dir nicht schwerfallen.“ Wie kam er auf die Idee, daß sie die ganze Station leiten wollte? Am liebsten hätte sie ihn umarmt und ihm alles erklärt, ihm zugegeben, wie falsch ihr Entschluß gewesen war, wie sehr sie ihn liebte und sich nach einer Ehe mit ihm sehnte. Doch er gab sich so kalt, berechnend und unpersönlich. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll.“ Diane war, als hätte sie einen Kloß in der Kehle. „Ich hätte nie gedacht, daß du die Station kaufen würdest. Soviel Großzügigkeit verdiene ich nicht. Ich…“ „Es ist keine Großzügigkeit.“ Abrupt stand er auf und sah Diane durchdringend an. „Ich hatte die entsprechenden Mittel zur Verfügung. Seit einem Monat suche ich nach einem geeigneten Objekt für eine Investition. Augenblicklich lassen sich mit der Station gerade die Kosten erwirtschaften. Doch du zeigst eine Hingabe für deine Arbeit. Ich bin davon überzeugt, daß du unter meiner kaufmännischen Führung, mit dem Ansporn der partnerschaftlichen Beteiligung, diesen Sender zu einer wahren Goldgrube machen wirst.“ Kent glaubte immer noch, daß nur der Job für sie zählte! Er würde ihr nie verzeihen, daß sie ihn ihrer Karriere wegen verlassen hatte. „Ich verstehe“, brachte Diane mühsam hervor, während sie aufstand. „Ich bin sicher, du wirst…“ Sie konnte nicht mehr weitersprechen. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Rasch wandte sie sich um, damit Kent es nicht bemerkte, und lief zur Tür. „Verdammt!“ Mit einem Satz war er bei ihr und zog sie in die Arme. „Willst du mich wieder verlassen wie vor zwei Wochen?“ Diane schüttelte heftig den Kopf und sah mit tränenfeuchten Augen zu ihm auf. „Ich will dich nicht verlassen, Kent. Aber ich kann es nicht ertragen, wenn du mich so ansiehst, als ob… als ob du mich haßtest.“ „Als ob ich dich haßte? Weißt du nicht, wie sehr ich dich liebe? Was soll ich denn noch tun, um es dir zu beweisen?“ Sie umarmte ihn und schmiegte den Kopf an seine Wange. „0 Kent, Kent. Ich liebe dich auch. Ich war so dumm. Weißt du, was ich heute am liebsten in die Welt hinausgeschrien hätte? Meine Karriere bedeutet mir nichts, wenn ich dich nicht haben kann! Willst du mich noch heiraten? Bitte, sag ja. Denn ich werde dich heiraten! Ich versuchte dich heute morgen telefonisch in Seattle zu erreichen, um es dir zu sagen, und dann rief ich in deinem Hotel an, als…“
„Sag das noch einmal“, verlangte er, hob ihr Kinn und zwang sie, ihn anzusehen.
Seine Augen funkelten.
„Ich versuchte, dich anzurufen und…“
„Nein, nein. Das davor. Was hast du vorher gesagt?“
„Ich sagte, ich liebe dich. Wenn du noch willst, werde ich dich heiraten.“
„Einverstanden.“ Jeder bat den anderen stumm um Verzeihung und gewährte sie.
Dann neigte sich Kent hinab und küßte sie voller Leidenschaft.
„War es für dich in diesen letzten Wochen so schwer wie für mich?“ fragte er
schließlich bewegt.
„Ja. Ich habe mich noch nie so einsam und unglücklich gefühlt.“
„Ich sehnte mich so nach dir. Ich konnte es kaum ertragen. Aber ich versprach
dir einmal, dich nie unter Druck zu setzen. Ich kaufte die Station in erster Linie,
um einen Vorwand zu haben, dich zu sehen und bei dir zu sein.“
„Ziemlich große Entfernungen, findest du nicht? Zum Glück brauchst du das nicht
vor Aktionären zu rechtfertigen. Ich kann mir denken, was sie dich auf der
Versammlung fragen würden.“ Sie senkte die Stimme. „Wer ist diese Person,
Harrison? Ist diese Frau es wirklich wert? Sind Sie sicher, daß sie Gewinn
erwirtschaften kann?“
Kent lächelte vergnügt. „Völlig sicher. Mit dir am Ruder werden wir im Nu die
erfolgreichste Station von Südkalifornien sein.“
„Nein, nein, Liebling.“ Diane schüttelte entschieden den Kopf. „Ich weiß, daß es
undankbar klingt nach allem, was du getan hast. Aber ich kann nicht hierbleiben.
Nicht, wenn du in Seattle bist.“
Kent setzte zu einem Protest an, doch sie legte ihm einen Finger auf die Lippen.
„Bitte, hör mir zu, Kent. Ich liebe meine Arbeit, doch dich liebe ich mehr. Ich will
nur bei dir sein und dir die Frau sein, die du wünschst und brauchst. Ich werde
gern nach Seattle ziehen. Und wenn ich keinen Job finde oder nur einen für kurze
Zeit, dann macht mir das nichts aus. Ich werde…“
Er brachte sie mit einem Kuß zum Schweigen, der mehr als alle Worte
ausdrückte, wie sehr er sie liebte. Als er ihr schließlich wieder in die Augen sah,
sagte er: „Du brauchst nicht nach Seattle umzuziehen, mein Schatz. Schlag dir
diese Idee sofort aus deinem hübschen Kopf.“
„Warum nicht?“
„Weil ich hierher zu dir ziehe.“
„Wie kannst du das? Das ist unmöglich. ,Harrison Industries’…“
„… siedelt nach hier um“, führte Kent ihren Satz zu Ende. „Für immer. Schließlich
besitze ich hier einen Rundfunksender, nicht wahr? Ich hätte mich um eine
Station in Seattle bemühen können, doch weil ich wußte, wie wichtig es für dich
ist, hier in Kalifornien zu bleiben, wog ich meine eigenen Interessen ab. Ich habe
nur ein paar Büros dort oben. Die Firma kann ich überall betreiben, solange es in
der Nähe einen Flughafen gibt. Die Umsiedlung wird ein paar Monate in Anspruch
nehmen, und ich werde öfter verreisen müssen als zuvor, doch die meiste Zeit
werde ich hier bei dir sein.“
Diane versuchte die ganze Tragweite seiner Worte zu erfassen. „Aber – deine
Familie! Du hast doch dein ganzes Leben in Seattle verbracht!“
„Stimmt. Grund genug für einen Wechsel. Wir werden unsere Familien im Urlaub
besuchen.“
„Wann hast du all das entschieden?“ fragte Diane benommen. „Warum hast du
mir das nicht schon eher gesagt?“
„Ich habe erst vor einer Woche Kontakt mit Westler aufgenommen. Doch zu
diesem Zeitpunkt warst du nicht in der Stadt, und keiner wußte, wo du zu
erreichen bist. Westler hatte noch ein anderes Angebot, und so war ich
gezwungen, letzte Woche eine Entscheidung zu treffen. Das tat ich und hoffte, du würdest damit einverstanden sein. Bist du das?“ „Das fragst du noch?“ Diane umarmte ihn. Sie war überglücklich. „Bist du sicher, daß du es ertragen kannst, dein ganzes Leben mit mir zu verbringen?“ fragte Kent lächelnd. „Selbst das wird nicht lang genug sein, mein Liebling“, sagte sie leise, bevor er sie innig und leidenschaftlich küßte. „Wer hätte nach den Gewitterschauern heute morgen einen solch herrlichen Nachmittag erwartet?“ sprach Diane lächelnd ins Mikrofon. Sie strich mit der Hand über das glänzende neue Mischpult, das Kent gleich bei Übernahme der Station bestellt hatte. „Wir haben blauen Himmel in ganz Orange County, Leute, am ersten Frühlingstag. Und Sie haben Diane auf KICK Anaheim.“ Sie fuhr einen Werbeblock ab, setzte sich zurück und notierte sich, was sie noch alles erledigen mußte. Es war eine der vielen nützlichen Angewohnheiten, die sie von Kent in den acht Monaten ihrer Ehe angenommen hatte. 1. Reisebüro anrufen, hatte sie vermerkt.
Im nächsten Monat hatte Kent Geburtstag, und sie hatte als Überraschung einen
Urlaub auf Tahiti geplant. Seine leitenden Angestellten wußten Bescheid. Diane
konnte es kaum erwarten, Kents Miene zu sehen, wenn sie ihn vom Büro abholte
und zum Flughafen entführte.
2. Bilanzen durchsehen. Unbedingt noch zu erledigen.
Die Station hatte den neuesten Ermittlungen zufolge die höchsten
Einschaltquoten seit ihrem Bestehen, und es war Diane gelungen, die Einnahmen
für die Werbung dementsprechend zu erhöhen. Sie hatte einen stellvertretenden
Manager eingestellt, der ihr bei den vielen Aufgaben half. Bei allen wichtigen
Entscheidungen zog sie Kent zu Rate. Und natürlich hatte sie die
Nachmittagssendung behalten. Ihr Tagesablauf war hektisch, doch die tägliche
Herausforderung reizte sie, und sie war stolz darauf, daß sie damit problemlos
fertig wurde.
3. Auswahl der Tapete für die Schlafzimmer.
Das neue Haus auf den Hügeln oberhalb von Newport Beach befand sich im Bau.
In ein paar Monaten würden sie einziehen können. Diane lächelte, als sie eine
lachende Sonne neben die letzte Notiz malte und an die andere Überraschung
dachte, die sie Kent heute beim Abendessen erzählen wollte. Verschiedene
Tapeten für jedes Schlafzimmer, schrieb sie. Für alle sechs…
Der Werbeblock endete. Diane schaltete das Mikrofon ein und stellte die Verbindung zum Verkehrsfunk her. „Und nun zur Verkehrslage. Fragen wir unseren Mitarbeiter am Himmel. Wie sieht es von dort oben aus, Dave? Gibt es irgendwelche Probleme wegen der noch nassen Straßen?“ „Keine Verkehrsbehinderungen, Diane.“ Völlig unerwartet ertönte Kents tiefe, klangvolle Stimme. Er fand doch immer wieder eine Möglichkeit, sie zu überraschen. „Ich höre, daß Killer Kent heute Deadly Dave Dawson vertritt“, sagte sie und lachte. „Was ist passiert? Ist Dave heute Mittag im Regen steckengeblieben?“ „So ist es. Ich beschloß, einzuspringen und ein paar Runden mit diesem Vogel zu drehen.“ Kent fuhr mit dem Verkehrslagebericht fort. Er sprach wie ein erfahrener Rundfunkprofi, und nichts verriet seine wahre Identität oder seinen Mangel an Routine als Sprecher.
„Danke, Kent, ich hoffe, wir werden mehr von dir hören“, sagte Diane, nachdem er geendet hatte. Sie war stolz auf Kent. „Doch bevor du abschaltest, habe ich noch eine Nachricht, die dich interessieren dürfte. Sie kam gerade frisch aus dem Ticker.“ „Ich höre.“ „Wie aus gut informierten Kreisen verlautet, wird es einen neuen kleinen Diskjockey bei KICK geben… in sieben Monaten oder so.“ Diane wartete in der folgenden Stille angespannt auf Kents Reaktion. Schließlich sagte er mit leicht belegter Stimme: „Laß mich der erste sein, der dir gratuliert… und deinem Mann. Ich bin sicher, daß er entzückt über diese Neuigkeit ist.“ Er stieß plötzlich einen Freudenschrei aus. „Ich habe schon immer gesagt, daß dieser Station neue, junge Talente guttun. Wer wettet mit mir um einen Dollar, daß es Zwillinge werden?“ Und als bei allen fünf Telefonen die Lampen aufleuchteten, schallte ihr gemeinsames glückliches Lachen durch den Äther. Noch eine geraume Zeit später war das Telefonnetz des Senders total überlastet. Hunderte von Hörern wollten ihre Wetten abgeben. ENDE