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STUDIEN ZUR GESCHICHTE UND KULTUR DES ALTERTUMS Neue Folge l. Reihe: Monographien Im Auftrag der Görres-Gesellschaft herausgegeben von HEINRICH CHANTRAINE, TONY HACKENS, HANS JüRGEN TSCHIEDEL U. ÜITO ZWIERLEIN
16. Band
Ferdinand Schöningh Paderbom · München · Wien · Zürich
•
STEFAN FREUND
Vergil •
lill
frühen Christentum Untersuchungen zu den Vergilzitaten bei Tertullian, Minucius Felix, Novatian, Cyprian und Amobius
2. Auflage 2003
Ferdinand Schöningh Paderborn · München · Wien ·Zürich
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die DeuL..che Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; derailliene bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrutbar.
Einbandgestalrung: Anna Braungan, Regensburg Gedruckt auf umweltfreundlichem, chlorfrei gebleichte m und alterungsbeständigem Papier@ ISO 9706 2., korr. u. erw. Auflage 2003
© 2000 Ferdinand Schöningh. Paderborn (Verlag Ferdinand Schöningh GmbH, Jühenplatz I, D-33098 Paderborn) Internet: www.schoeningh.de Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk sowie einzelne Teile desselben sind urheben·echtlic h geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen ist ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Verlages nicht zulässig. Printed in Germany. Herstellung: Ferdinand Schöningh, Paderborn ISBN 3-506-79066-8
Vorwort zur ersten Auflage Das vorliegende Buch ist die überarbeitete und gekürzte Fassung meiner Dissertation, die im Wintersemester 1998/99 von der Sprach- und Literaturwissenschaftlichen Fakultät der Katholischen Universität Eichstätt angenommen wurde. Wenn aus der für mich sehr lehrreichen und vergnüglichen Beschäftigung mit dem Gegenstand , wie zu hoffen, ein Erkenntnisgewinn erwachsen und in diesem Buch festgehalten ist, gebührt der Dank dafür einer Reihe von Menschen: Herr Prof. Dr. Hans J ürgen T schiedel, Eichstätt, regte die Entstehung der Arbeit an und förderte sie unermüdlich mit wissenschaftlicher und menschlicher Anteilnahme. Frau Prof. Dr. Antonie Wlosok, Mainz, zeigte von Anfang an freundliches Interesse an dem Projekt, begleitete engagiert die Arbeit mit entscheidenden Ratschlägen und scha rfsinniger Kritik, schließlich übernahm sie auch die Mühen des Korreferats. Herr Prof. Dr. Eberhard Heck, Tübingen, gab wichtige Hinweise und stellte freundlicherweise Material zur Verfügung, Herr Prof. Dr. Walter Kißel , Erlangen, ermöglichte die Präsentation und fruchtba re Diskussion des Projektes in einem Forschungskolloquium zur lntertextua Htät, Herr Prof. Dr. Peter Krafft, Eichstätt, leitete meine ersten Annäherungen an den Themenbereich an, Herr Prof. Dr. Jürgen Malitz, Eichstätt, gab vor a llem in der Anfangsphase wichtige Hilfestellungen. Herr Dr. Dietfried Krömer gewährte mir in sehr entgegenkommender Weise den Zugang zum Archiv des Thesaurus linguae Latinae. Herr Dr. Peter Grau und Herr Dr. Friedrich Heberlein, beide Eichstätt, standen mir stets mit sachkundiger Hilfsbereitscha ft und wohlwollendem Interesse bei. Unter den Freunden, welche die Arbeit durch Ermutigung, Diskussion und entsagungsvolles Korrekturlesen er- und mittrugen, seien Christian Albert M.A., Margit Glück, Dr. Peter Hefele, Klaus Meier, Christian Schöffel und Wolfram Zimek, vor allem aber Sr. M. Gratia Rotter und Wolfra m Schröttel genannt, dessen unerbittlicher Kritik ich viel verdanke. Während meines Promotionsstudiums erhielt ich über die Konrad- Adena uer- Stiftung ein Stipendium a us Bundesmitteln. Den Herausgebern dan ke ich für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe 'Studien zur Geschichte und und ihrem Präsidenten Prof. Kultur des Altertums', der Görres-Gesellschaft .. Dr. Dr. mult. h.c. Paul Mika.t für die Obernahme der Druckkosten. Herr Pcter Zimmermann, Eichstätt, half mit großer Geduld und Sachkunde bei der Erstellung der Druckvorlage. Schwabach, Allerheiligen 1999
Stefan Fre und
Vorwort zur zweiten Auflage Es ist ein Grund zur Freude, wenn ein Buch dieser Art seine zweite Auflage erlebt, denn zum einen zeigt dies dem Verfasser und allen, ohne deren Beteilig ung die Arbeit nicht entstanden wäre und denen hier nochmals ausdrücklich gedankt sei, daß der behandelte Gegenstand tatsächlich auf das erhoffte Interesse gestoßen ist. Zum anderen bietet sich die Gelegenheit , Fehler zu korrigieren, neu Erschienenes einzuarbeiten und manches im Licht der Rezensionen 1 besser oder zumindest anders zu gestalten: 1. Bekannt gewordene Fehler und Errata wurden durchgehend beseitigt.
2. Seit 1999 erschienene einschlägige Forschungsliteratm wmde berücksichtigt. Hervorzuheben sind zwei materia!J·eiche Aufsätze von Renato Uglione über Tertullians Nutzung von Vergil (1999) und anderen Dichtern (2001), eine anregende Untersuchung von Christiane Ingremeau ü ber den Umgang d es Minucius Felix mit seinen Quellen ( 1999) sowie die grundlegenden Monographien von Anto ine Foucher über den Einfluß epischer Sprache in der lateinischen Historiographie (2000) und von Gerhard Müller über die Vergilzi ta te bei Augustinus (2003). 2 3. Den Anregungen der Rezensionen wurde im Rahmen des Mögüchen Rechnwlg getragen. Natürlich konnte nicht alles, woran berecht igte Kritik geäußert wurde, geändert werden. Insbesondere sollte das Buch etwas leserfreundücher gestaltet werden, nä mlich d urch
(a) Straffungen im Anmerkungsappa rat , (b) Erweiterungen der Stellenregister , .. (c) eine kri tische Uberprüfung der Einstufung und Interpreta tion einiger Zitate, was teil weise zu einer vertieften Begründung des bisherigen Sta ndpu nktes, teilweise zu Änderungen führ te.
Besonderer Dank hat an dieser Stelle allen Rezensentinnen und Rezensenten zu gelten , vor allem auch denjenigen, die mir noch über ihre Besprechungen hina us Hinweise und Material für Verbesserungen zukommen ließen: Herrn Prof. Dr. E berhard Heck, Tü bingen, Herrn Prof. Dr. Rarner Henke, Münster, Fta u Prof. Dr. Karla Pollma nn, St . Andrews, und Frau Dr. Gud run Schickler, Tübingen. Herr Peter Zimmerma nn vom Rechenzent rum der Katholischen Universität Eichstät t- Ingolstadt half wiederum sachkundig und geduldig bei Fragen zur Textvera rbeitu ng. Für dennoch verbliebene sowie neu hinzugekommene Fehler und Unzulänglichkeiten in der Da rstellu ng ist allein der Verfasser vera ntwortlich. Eichstätt, im Mal 2003 1
2
Stefan Fre und
F . C HAPOT, REAug 47 (2001 ) 370sq. ; P.V . COVA , Athenaeum NS 90 (2002) 667-669; J. F'l LEE, L EC 69 (2001) 209sq.; Therese F'UIIRER, M H 58 (2001) 246; J. GRUBER, Plekos 3 (2001 ) http:/ f www.plekos.uni-muenchen.de/200 1/ rfreund.ht ml ; E . H ECK, demnächst i m I JCT; R . HENKE, JbAC 44 { 2001) 207- 210; G .A . MÜLLER, T hLZ 127 (2002) 409411 ; Karla POLLMANN , ZAC 7 (2003} 167sq.; U lr ike RIEIIIER, KJio 84 (2002) 240sq.; Gudrun SCHICKLER, Gymnasiu m 109 (2002) 242- 244. Siehe Literaturverzeichnis, S. 423sqq.
Inhaltsverze ichnis Vorwort zur ersten A·ufiage . Vorwort zu1· zweiten Auflage .
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I
Einleitung . . . . . . . .
1
Thematische Einordnung . .
1.1
Oie Anfänge cluistlicher Vergilrezeption
1.2
Vergil als Repräsentant paganer Kultur
•
•
5
11
•
11
•
11
15
•
Vorüberlegungen zur Methodik . .
21
2.1
Zu Begriff und Theorie des Zitates
21
2.2
Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit .
II
Ve7'-gil bei den einzelnen Autoren
1
Tertullian . . . . . .
1.1
Zur Forschungslage .
1. 2
Oie Vergilzitate . . .
41
1.2.1
Apologetische Schriften
41
1.2.2
Antihäretisch- dog matische Schriften
1.2.3
Praktisch- asketische Schriften
1.3
Exkurs: Oie namentUchen Erwähnungen von Vergil , Aeneas . und Oido •
78
1.3.1
Vergil .
78
1. 3. 2
Aeneas
80
1.3.3
Oido . .
85
1.4
Auswert ung .
90
1.4.1
Oie Zitatsegmente: Formen und Veränderungen .
1.4.2
Oie Zitate im Folgetext: Verteilu ng und Position
94
1.4.3
Oie Zitate im Prätex t: Herku nft und Thematik
97
1.4.4
Vergil bei Tertullian: Funkt ion w1d Bewertung
98
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32 32
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. . .
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32
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90
8
lnh al tsverzeich nis
101
2
Minucius Felix . . .
2. 1
Zur Forschungslage .
2.2
Die Vergilzitate .
2.3
Auswert ung . . . .
2.3.1
Die Zitatsegmente: Formen und Veränder ungen .
169
2.3.2
Die Zitate im Folgetext: Verteilung und Position
176
2.3.3
Die Zitate im Prätext: Herkunft und Thematik .
183
2.3.4
Vergil bei Minucius Felix: Funktion und Bewertung
184
3
Novatian . . . . . .
3.1
Zur Forschungslage .
3.2
Die Vergilzitate .
3.3
Auswertung . . .
3.3.1
Die Zitatsegmente: Formen und Veränderungen .
3.3.2
Die Zitate im Folgetext: Verteilung und Posit ion
3.3.3
Die Zitate im Prätext: Herkunft und Thematik
211
3.3.4
Vergil bei Novatian: Funktion und Bewertung .
212
4
Cyprian . . . . . . .
4.1
Zur Forschungslage .
4.2
Die Vergilzitate .
4.2.1
Briefe . . . . . .
.
218
4.2.2
Apo logetische Schriften
.
219
4.2.3
Biblische Testimonien, pastora le und ekklesiologische Schriften
4.3
Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.3.1
Die Zitatsegmente: Formen und Veränderungen .
249
4.3.2
Die Zitate im Folgetext: Verteilung und Posit ion
251
4.3.3
Die Zitate im Prätext: Herkunft und T hematik
4.3.4
Vergil bei Cyprian: Funkt ion und Bewertung
5
Amobius . . . . . .
5.1
Zur Forschungslage .
5.2
Die Vergilzitate . . . .
•
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193
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208
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208 210
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218
236
•
252
•
253 256
•
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. 249
•
•
215 215
•
•
192 192
•
•
114 169
•
•
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•
•
•
101
•
256 265
Inhaltsverzeichnis
9
.
5.3
Auswertung . . .
. . . . . . . . . . . . . .
333
5.3.1
Die Zitatseg mente: Formen und Veränderungen .
333
5.3.2
Die Zitate im Folgetext: Verteilung und Posit ion
•
5.3.3
Die Zitate im Prätext: He rkunft und Thema tik
•
5.3.4
Vergil bei Arnobius: Funktion und Bewer t ung .
III
Zusammen schau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343
1
Linien der Individ·u alität -
1.1
Tertullian . ..
1.2
Minucius Felix
1.3
Novatian und Cypria n
1.4
Arnobius
2
Linien der K ontinu.ität -
2.1
Die Zitatsegme nte: Form und Ver ä nderungen . .
347
2.2
Die Zita t e im Folgetext: Ve rteilung und Posit ion
350
2.3
Die Zitate im Prätext : He rkunft und Them atik .
350
2.4
Ve rgil bei de n erste n chris tliche n Autoren: Funktion und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355
3
Entwicklungslinien - Versuch eine1· abschließenden Z·u sammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359
IV
Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
Ausgeschieden e P arallelen .
1.1
Tertullia n . . .
1.2
Minucius Felix
1.3
Novatian
1.4
Cyprian .
1.5
Arnobius
. . .
. 336 •
337 339
Versuche einer Einzelcharakteristik 343 343 •
344
•
•
345
•
. . . . . . .
345
Vers·uch ein er Gesamtauswertung .
. .
.. .
. .
34 7
. . 362 362 362
•
370
373
•
•
•
382 385
10
Inhaltsverzeichnjs
389
2
Stellenregister .
2.1
Vergil . .
389
2.2
Arnobius
401
2.3
Cyprian
2.4
Minucius Felix
2.5
Novatian
2.6
Tertullian
3
Literaturverzeichnis .
3.1
Ausgaben und Kommentare .
3.2
Konkordanzen, Lexika und Handbücher
3.3
Einzelliteratur .
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410
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405 407
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411
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414
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414 421 423
Teil I
Einleitung 1
Thematische Einordnung
Die vorliegende Arbeit besteht in ihTem Kern a us der Untersuchung von ungefähr 200 Vergilzitaten aus der christlichen lateinischen Literatur der vorkonstantinischen Zeit, genauer gesagt a us den J ahren 197 bis etwa 310. Bei den meisten dieser Zitate aber wird Vergil nicht wörtlich wiedergegeben. Vielmehr liegen oft nur Textberührungen vor. Auf den ersten Blick mag daher der Eindruck einer über stilistische Fragen kaum hinausreichenden Detailinterpretation entstehen. In ihrer Gesamtheit bet rachtet weisen die Vergilbezüge jedoch weit über die Einzelstelle hina us. Zum einen nämlich zeichnet sich darin der Beginn der W irkungsgeschichte Vergils im Christentum ab. Was in den Zitaten sichtbar wird, ist also der Anfang eines Prozesses der Auseinandersetzung und Aneignung, der Literatur und Denken der Spätantike und des Mittelalters in entscheidender Weise geprägt hat . Zum anderen repräsentiert Vergil römisches Selbstverständnis und römische Kult m in solchem Maße, daß der Umgang mit ihm z ugleich als ein Paradigma für die Auseinandersetzung des frühen Christentums in der lateinischen Welt mit der röm ischen Kultu r insgesamt gelten kann . Diese beiden Aspekte beschreiben den t hematischen Rahmen der vorliegenden Arbeit und stellen gewissermaßen das obiectum m ateriale der Untersuchungen an den Vergilzitaten dar.
1.1
Die Anfänge christlicher Verg ilrezeption
In der Forschungsdiskussion über die christliche Vergilrezeption 1 in der Antike zeichnen sich deutlich zwei Schwerpunkte ab: zum einen die messianische Deut ung der vierten Ekloge durch Kaiser Konstantin und zum anderen die zwar teils kontroverse, jedenfaJls aber umfangreiche Aufnahme Vergils bei den Kirchenschriftstellern des vierten und fünften Jahrhunderts.2 Die 1
2
Zur Vergilrezeption im Überblick noch immer 0 . COMPARETTI, Virgilio nel medioevo, Fire nze 1895 2 ( Neuausgabe von G. PASQUALJ, Firenze 19432 ; de utsch von H. DüTSCHKE, Leipzig 1875; englisch von E.F.M. B ENECKE, Vergil io the Middle Ages, London 1908, ND 1966). Bei W . SUER.BAUM , Hundert Jahre Vergii- Fo rschung: Eine systematische Arbeitsbibliographie mit besonderer Berücksichtigung der Aeneis, ANRW U 31,1 (1980) 2- 358, dominiert z um Problemfeld ' Vergil im C hristentum' (312- 315; ähnlich ders. , 'Vergilius', D P 12/2 [2003] 53), obwo hl nur in Auswahl berücksichtigt, die Literatur übet· die vierte Ekloge; seitdem etwa G. RADKE , D ie Deutung der 4. Ekloge Vergils durch Kaiser
12
l. l
T hematische Eino rd nung
Vorgeschichte der Aneignung Vergils durch d as C hristentum in Spätantike und Mittelalter hingegen findet kaum Beachtung. Obwohl sich in der Rückschau der Umgang der ersten christlichen Autoren mit Vergil als Beginn einer entscheidenden Entwicklungslinie in der emopäischen Geistesgeschichte erweist, berücksichtigen die Gesamtdarstellungen zur W iTkungsgeschichte Vergils im Christentum die vorkonst ant inlsche Epoche nur a m Rande. 1 Es sind aber a uch nur wenige Einzeluntersuchungen, die sich mlt diesem Zeit raum beschäftigen: Die Arbeit von B üRNER2 kommt über den Charakter einer Materialsammlung nicht hinaus und enthält vieles Ungeprüfte und bloß Assoziierte. Immerhin knappe Darstellungen bieten in jüngerer Zeit Art ikel in der Enciclopedia Virgiliana zu den ersten Latini Christiani.3 Ausdrücklich hat bislang überhaupt nur ein Beltrag4 von H ECK den Bogen der Entwicklung
1
2
3
4
Konstantin, in: R. CHEVALLIER (ed.), Presence de Virgile, Paris 1979, 147- 174; Autonie WLOSOK, Zwei Beispiele frühchristlicher 'Vergilrezeption': Po lemik (Lact., div. inst.. 5,10} und Usurpation (Or. Const. 19--21) , in: dies., Res humanae - res divinae. Kleine Schriften, Heidelberg 1990, 437-459, erstmals in: 2000 Ja hre Vergil. Ein Symposion, hg. v. V. P öSCHL, Wiesbaden 1983, 63-86, v.a. 444-455. - Be i den Untersuchungen zur Vergilrezeption einzelner christlicher Autoren nehmen in SUER.BAUMs Bibliographie (cf. 329--334} Kirchenväter wie Ambrosius, Hieronymus, Paulinus von Nola und Augustinus - zu diesem anregend miteinem bemerkenswerten biographischen Ansatz Sabine MACCORMACK, T he Shadows of Poet ry. Vergil in t he Mind of Augustine, Berkley et al. 1998, und jüngst umfassend G.A. MÜLLER, Formen und Funktionen der Vergilzitate und -anspielungen bei Augustin von Hippo, Paderborn 2003 - den meisten Raum ein. Sie werden weder bei COMPARETTI noch, um ein Beispiel aus der neuesten Literatur zu nennen, in den Beiträgen zur Nachwirkung Vergi ls im von C. MARTINDALE herausgegebenen Garnbridge Companion to Virgil, Garnbridge 1997, zusammenhä ngend behandelt; ähnliches gilt etwa a uch für K. BüCHNERs RE-Artike l (VIII A,l !1955, Sonderdruck München 19783 ] hier 444) und A. CERESA- GASTALOO, 'Cristianesimo', EV L (1984) 934- 937. Zwei von etwa 25 Seiten seines skizzenhaften Gesamtüberblicks widmet den Auto ren der vorkonstantinischen Zeit E . GALLICET, Vergil in der christlichen Welt der ersten Jahrhunderte, in: Vergilius Romanus. Codex Vaticanus Latinus 3867 !FaksimileausgabeJ. Kommentarband , Zürich 1986, 196-232. Vor a llem eine Materialsammlung zu den Vergilzitaten aus dem sechsten Aeneisbuch bietet P. COURCELLE, Les peres de l'eglise devant les enfers virgiliens, AHDL 22 (1955) 5-74; auf die gesamte • Aeneis erweitert: Lecteurs pa'iens et chretiens de l'Eneide, Paris 1984. - Noch weniger Aufmerksamkeit schenken der Wirkung Vergils die Untersuchungen zur Auseinandersetzung der C hristen mit der paganen Literatur im a llgemeinen, etwa G. ELLSPERMANN , 'fhe Attitude of Early C hristian Latin Writers toward Pagan Literature and Learning , Washington 1949; H. HAGENOAHL, Latin Fathers and tbe C lassics , Cöteborg 1958; W . KRA USE, Die Stellung der frühchristlichen Autoren zur heidnischen Literatur, Wien 1958; H. HACENOAHL, Von Tertullian zu Cassiodor . Die profane literarische Tradition in dem lateinischen christlichen Schrifttum, Göteborg 1982. In einem umfangreichen Forschungsber icht zur frühen christlichen Latinität für die Jahre 1975 bis 1994 sind gerade drei Titel zum Stichwort 'Vergil' verzeichnet (BRAUN Chronica Tertullianea et Cyprianea 628, stat t 'SC, 26' ist 'SC, 29' zu lesen). G . BüRNER, Vergils Einfluß bei den Kirchenschriftstellern d er vornizänischen Periode, Diss. Erlangen 1902 C. CU RTI, 'Ar nobio', EV l ( 1984) 372sq. ; Maria Cra.zia f\IARA , 'Cipriano', EV 1 (1984} , 790sq.; S. P RICOCO, ' Minucio Felice', EV 3 ( 1987) 537; C. TIBILETTI, 'Tertulliano', EV 5 {1990) 14o-142. E. HECK, Vestrum est - poeta noster. Von d er Geringschätzung Vergils zu seiner Aneignung in der frühchristlichen lateinischen Apo logetik, MH 47 (1990) 102- 120.
l.l. l
Die Anfänge cluistlicher VergiJrezeption
13
"von der Geringschätzung Vergils zu seiner Aneignung in der früh chr istlichen latein ischen Apologetik" bis einschließlich Laktanz nachgezeichnet. Da her richtet sich das Augenmerk gezielt auf die Autoren der vorkonstant in ischen Zeit . Als Repräsentanten dieser ersten Phase der christlichen Latinität sollen Tert ullian, Minucius Felix, Novatian, Cyprian und Arnobius untersucht werden. Nicht berücksichtigt werden hingegen der erste christliche Dichter Commodian, den die neuere Forschung in die Mitte des dritten J ahrhunderts datiert, 1 die Pseudocyprianea aus Cyprians Zeit und Laktanz. Commodian bleibt außer acht , da er die poetische Form gewählt hat. Indem er nämlich Dichtung in lateinischer Sprache abfaßt - mag er dies a uch in auffälliger Ku nstlosigkeit t un - , stehen seine Vergilzitate unter formalen Bedingungen, die weniger mit denen der zeitgenössischen Prosaiker als vielmehr mit denen späterer christlicher Dichter zu vergleichen sind. 2 Die Auswertung der pseudo-cyprianischen Schr iften aus der Zeit Cyprians3 würde zwar die empirische Basis der Untersuchung erweitern , brächte zum einen a ber qualitativ kaum Neues und trüge zum anderen wenig zu einer Profliierung der Darstellu ng bei, da hinter den kurzen Werken unsicherer Herkunft kaum Autorenpersönlichkeiten faßbar sind, um deren Verhält nis zu Vergil es letztlich geht. Schließlich endet die Reihe der Autoren mit Arnobius und bezieht dessen Schüler Laktanz4 nicht mehr mit ein, da er schon der folgenden Epoche zuzurechnen ist: Während erstens Arnobi us stilistisch noch unter dem Einfl uß der Zweiten Sophistik steht und eher neben Apuleius und Tert ullian einzureihen ist, gehört Laktanz bereits dem von Nemesian angestoßenen Klassizismus zu, der 284 den Neubeginn paganer lateinischer Literatur nach j ahrzehntelangem Verstummen markiert. 5 Zweitens steht Laktanz auch in seinem Umgang mit Cf. E. HECK HLL 4 ( 1997) §498. 2 Insbesondere die Eutscheidung zur Verwendung einer Vergilreferenz bei Dichtern und bei Prosaikern wäre kaum systematisch zu vergleichen: Während nämlich der Dichter mit der Wa hl der Form sich bereits in die dichterische Thadition und somit in die Nachfolge Vergils begibt, ohne daß dem Einzelzitat eine besondere Aussagekra ft zukä me, kann der Prosaiker zum einen die Entscheidung für oder gegen ein Zitat im Einzelfa ll treffen und zum a nderen ausdrücklich über d as Zitat reflektieren, was in poetischen Texten nur ausnahmsweise möglich ist. - Die Rolle Vergils bei Commodian stellt HECK ( Vestrum est 112- 117) zusammenfassend dar; allgemein zur Auseinandersetzung mit den paganen poetae in der christlichen Dichtung P.- A. DEPROOST, Ficta et fa cta. La condamnation du 'mensonge des poetes ' dans Ia poesie latine cbretienne, REAug 44 (1998) 101- 121. 3 Cf. J . Do tC NON HLL 4 (1997) §480. l. 2.3. Hervorgehoben sei darunter die Predigt de laude martyrii, in der sich deutliche Spuren vergilischen Einflusses finden , daz u A. HARNACK, Eine bisher nicht erkannte Schrift Novatian 's vom Jahre 249/ 50 !'Cyprian ' de laude martyrit], TU l3,4b, Leipzig 1895 (Vergilreminiszenzen a ls Argument fUr die Verfasserschaft Novatians); BüR.NER 31 - 36. Die Schrift quod idola dii non sunt mit ihren zahlre ichen Vergilzitaten gehört ins 4 . .Ja hrhundert, cf. Antonie Wlosok, HLL 4 ( 1997) 583sq. 4 Cf. Antonie WLOSOK, HLL 5 (1989) §570. & Zur Phaseneinteilung der lat.einischen Literatur in der Spätantike R. HERZOG, HLL 5 (1989) §500, v.a.. 3G-32; zum Klassizismus des Laktanz in der f'olge des Nemesian L
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Thematische
Einordnung
Vergil am Anfang einer ne uen Phase. Sein a pologetisches Programm, das er in ausdrücklicher Abgrenzung von den früheren Christiani Latini entwickelt , deren Vorgehen er als zu esoterisch empfindet, 1 zielt darauf ab, den christlichen Glauben in die Sprache und Vorstellungswelt seiner gebildeten paganen Leser zu übertragen 2 . Das schlägt sich sowohl in seiner neuen Technik des wörtlichen3 und umfangreichen4 Zitierens als auch in einer neuen Qualität der Auseinandersetzung mit Vergil nieder: Konstantins christliche Deut ung der vierten Ekloge zeigt zahlreiche Einflüsse des von ihm zum Prinzenerzieher berufenen Laktanz. 5 Drittens erlebt Laktanz zwar selbst am Hof des Diokletia n den Beginn der letzten Verfolgungsphase im J ahre 303, durch deren Erleben das apologetische Programm der divinae institutiones noch geprägt wird , sein literarisches Schaffen umgreift aber auch schon die Phase des Umschwungs der kaiserlichen Religionspolitik unter Konstantin. Im Mittelpunkt stehen sollen also, positiv formuliert, diejenigen Autorenpersönlichkeiten der Anfangszeit, welche die gedankliche und die sprachlichliterarische Entwicklung des lateinischen C hristentums und seiner Kunstprosa in wesentlichen Zügen repräsentieren und bestimmen. Ausgehend von dieser t hematischen Grund lage ergibt sich für die folgende Untersuchung zum einen die Frage, welche Anstöße die ersten christlichen Autoren für die weitere Wirkungsgeschichte Vergils und für seine Aneignung durch das Christentum geben, und zum a nderen, wie sich die christliche VerWLOSOK H LL 5 (1989) 380. 1 Cf. La.ct. inst. 5,1 ,21. 2 Cf. WLOSOK HLL 5 (1989) 386. 3 Cf. H . HAGENDAHL, Methods of C itation in Post- C lassical Latin Prose, Eranos 45 ( 194 7) 114- 128. 1 ' Überblick im Index auctorum ( hier 266- 268) in der Gesamtausgabe von S. BRANOT, Wien 1893, CSEL 27; cf. L.J. SwJFT, Arnobius and Lactantius: Two Views of Pa.gan Poets 1 TAPhA 96 {1965) 439-448; E. MESSMER, Laktanz und die Dichtung, Diss. München 1974, i.n sbesondere 121- 126; A. GouLON, Les citations des poetes tatins d ans l'oouvre de Lactance, in: J. FONTAINE (ed.), Lactance et son temps, Paris 1978, 107156; P. MONAT, Lactance et Ia bible, Paris 1978, I 55-61; R.M . OGILVJE, The Library of Lactant ius, Oxford 1978, v.a.. 7- 19; V. B UCHHEIT, Goldene Zeit und Paradies auf Erden (Lactanz, inst. 5,5-8) , WJA NF 4 (1978) 161- 185 & 5 (1979) 219-239; L. F ERR.ERES, PresEmcia de Virgili a Lactanci , in: Studia virgiliana. Sodetat espanyola d 'estudios classics, Actes del Vle simposi, Barcelona 1983, 147- 152; WLOSOK Zwei Beispiele 437-44.4; R.M. ÜGILVtE, Vergil and Lactantius, in: Atti del coovegno mondiale scientifico di studi su Virgilio, Mil.a no 1984 , I 263-268; T . AOAMIK, Die FUnktion der Vergilzitate in La.ktanz' de mortibus persecutorum, AAASzeged 25 (1984) 85-95; GALLICET Vergi.l 198sq.; P. MONAT, ' Lattanzio', EV 3 (1987) 137sq. ; E . H ECK, Laktanz und die Klassiker, Philologus 132 (1988) 16G-l79; H ECK Vestrum est 117- 120; J. BR.YCE, The Library of Lactantius, New York / London 1990, 276-314; V. BUCHHE!T, Cicero inspira.tus - Vergiüus propheta? Zur Wertung paganer Autoren bei Laktanz, Hermes 118 ( 1990) 357- 372, v.a . 368- 372; ders. , Vergil als Zeuge der natUrlie hen Gotteserkenntnis bei Minucius Felix und Laktanz, RhM 139 ( 1996) 254- 259; demnächst eine TUbinger Dissertation von Gesine BECHTLOFF. 5 Dazu etwa WLOSOK Zwei Beispiele 454; GALLlCET Veryil 198; B. BLECKMANN, Ein Kaiser als Prediger: Zur Datier ung der Konstantiniscben "Rede an die Versammlung der Heiligen ", Hermes 125 ( 1997) 183- 202, v .a. 185 Anm. 12.
1.1.2
Vergil als Repräsentant paganer Kultur
15
gilrezeption innerhalb des untersuchten Textcorpus, also während des dritten und frühen vierten J ahrhunderts, entwickelt hat.
1.2
Vergil als Repräsentant paganer Kultur
Die Vergilzitate bei den ersten christlichen Autoren sind nicht nur als der Beginn christlicher Vergilrezeption von Interesse, sondern auch wegen ihres exemplarischen Charakters. Denn der Dichter repräsentiert in wesentlichen Aspekten die pagane Kultm und Umwelt, mit der sich die Christiani Latini konfrontiert sehen. Die Vergilzitate stellen daher konkrete Berührungspunkte in der Auseinandersetzung von Antike und Christentum dar. 1 Das wird an den folgenden vier Aspekten deutlich: 1. Veryil als Schulklassiker
Im Kaiserreich ist Vergil der wichtigste Klassiker im Kanon der schulischen Lektüre und Gegenstand des Unterrichts in allen Ausbildungsstufen: Der grammaticus erklä rt den Dichter, beim 1·hetor spielt die Schulung an Vergil eine wesentliche Rolle, a uch die wissenschaftliche Philologie setzt sich mit ihm auseinander. 2 Es spiegelt sich daher zum einen im Umgang der christlichen Autorenmit Vergilderen Haltung gegenüber paganer Rhetorik und Bildung wider. Einerseits sind sie selbst in ihrer rhetorischen Ausbildung an Vergil geschult, andererseits stehen sie als Christen der heidnischen Kunst der Verführung durch Sprache a blehnend gegenüber.3 Zum a nderen ist Vergil a uch fü r die Leserschaft der Christiani Latini 1
2
3
G rundsätzlich dazu etwa 0 . GJGON, Die a ntike Kultur und das C hristentum, G titersloh 1969 2 ; C. A NDitESEN, ' Antike und C hristentum ', TRE 3 ( 1978) 50-99; C. GNILKA. Der Begriff des rechten Gebrauchs. Xpijot ~ . Die M ethode der Kirchenväter im Umgang mit der antiken Kul tur I , Basel/ St uttgart 1984 ; ders., Kultur und Conversion . Xpi'jot~ . Die Methode der Kirchenväter im Umgang mit d er antiken Kul t w· Il , Basel / Stuttgart l993; zu GNILKAs Konzeption aber MüLLER Ver·gilz'itate 34- 39. Cf. H. ORTH, The Use of Poetry in t he 'n'ai.ning or t he Ancient Orator, 'n'aditio 8 (1952) 1- 33; H.- 1. i\IARROll , Geschichte der Erziehung im klassischen Altertum, Freiburg / Mtinchen 1957 (Original: Histoire de l 'ed ucation dans l 'ant.iquite, Paris 19553 ), v.a. 401--4 12; R. KASTER, G uardians o f Language: the Grammarian and Society in Late Antiquit.y. Berkeley 1988, v.a. 169- 196; J . C HRISTES, 'Er ziehung', DN P 4 (1998) ll ü- 120. Zur entsprechenden Stellung Homers R .F. HOCK, Homer in Greco-Roman Education, in: D .R. t-.l ACD ONA J. D (ed.), Mimesis and lnt.ertextuality in Antiquit.y and C hristianity, Harr isburg 2001 , 56-77 (mit Forschungsüberblick ). Dazu grundlegend P.G. VAN DER NAT, Zu d en Voraussetzungen der christlichen lateinischen Literat ur: Die Zeugnisse von Minucius Felix und La.ktanz, in : Ch ristianisme et formes litteraires de l 'antiquite tardive en occident, E ntretiens Fo ndation H ardt. 2.3, Vandceuvres / Ceneve 1976, 191- 234, v.a. 211 sq.; zum Umgang mit der Rhetorik im besonderen etwa A .F . MEMOLI, Diversi ta di posizioni e apparenti incoerenze degli scrittori latini cristiani di fronte alla eloquentia classica, Aevum 43 (1969) 114- 143; A . AI..BERTE, Actitud de los crist.ianos ante Ia ret6rica, Fort.unatae 1 ( 1991 ) 133-142; detailliert am Beispiel des Arnobius A . VJCIANO, Ret6rica, filosofia y grarmitica. en el ' Aduersus nationes' de A rnobio de Sicca, Frankfurt am Main et al. 1993.
16
1.1
Thematische Einordnung
in vorkonstantinischer Zeit von zunehmender Bedeutung. Da nämlich das Christentum im Verlauf des dritten Jahrhunderts immer mehr Anhänger gewinnt 1 und immer mehr - vor allem in Nordafrika, woher Tertullian , Minucius Felix, Cyprian und Arnobius stammen - in die höheren Schichten vordringt, 2 nimmt die Zahl derjenigen unter den Lesern christlicher Literatur zu, die aufgrund ihrer höheren Bildung mit Vergil vertraut sind und daher seine Benutzung nach paganem Vorbild zu schätzen wissen oder auch erwarten. Das gilt zum einen im Hinblick auf die Auseinandersetzung nach außen in Protreptik und Apologetik, die sich nun an die gebildete pagane Oberschicht richtet. 3 Zum anderen aber steigt mit dieser Ausbreitung des Christentums auch der Bildungsstand innerha lb der christlichen Gemeinden. 4 2. Vergil als Nationaldichter
Daß unter den Holztäfelchen, die sich bei Ausgrabungen in dem in Schottland gelegenen römischen Militärstützpunkt Vindolanda fanden, eines e inen Aeneisvers enthält,5 illustriert nicht nur die Bekanntheit des Schula utors Vergil sogar an den äußersten Grenzen des Imperiums, sondern deutet zugleich seine Rolle als Repräsentant des Römerturns
•
1
2
3
4
5
Durch die relat iv kurzen Verfolgungsphasen unter den Kaisern Decius {2-491250) und Valerian (257 - 259) wird das Wachstum des C hristentums nicht nachhaltig eingeschränkt, cf . HKG(J) I 260. Dazu allgemein W . EcK, Das Eindringen des C hristentums in d en Senatorenst and bis zu Konstantindem G roßen , C blron 1 (1971 ) 381-406; A.H .M. J ONES, Der soziale Hintergrund des Ka mpfes zw ischen Heidentum und C hristentum, in: R. KLEIN (Hg.), Das Crübe C hristent um im römischen Staat, Darmstadt 1982, 337- 363, erstmals: The Social Background of the Struggle between Paganism and C hristianity, in: The GonRiet between Pa.ganism a.nd C hristianity in t he Fourth Century, ed. by A. MOMICLIA NO, Oxford 1963, 17- 37; VAN DER NAT 191- 197; W . WtSCHMEYER, Von Golgatha zum Ponte Molle. Studie n zur Sozialgeschichte der Kirche im dritten Jahrhundert, Göttingen 1992, v .a. 63-90; C. MARKSCHIES, Zwischen den Welten wandern. Strukturen des antiken Christentums , Frankfurt am Main 1997, v.a. 53-68. - Insbesondere zeigt G . SCHÖLLGEN, Ecclesia sordida '? Zur Frage d er sozialen Schichtung fTiihchr istlicher Gemeinden am Beispiel Karthagos zur Zeit T ert ulUans, Münster 1984, daß sich cüe Gemeinde Karthagos schon in den ersten J ahrzehnt.e n des dritten J a hrhunderts aus a llen Schichten zusammensetzt und die Angehörigen der untersten Schicht nur in geringem Maße vertreten sind. Zur intellekt ueHen Auseinandersetzung mit dem C hristentum grundsätzlich W . NESTLE, Die Ha upte inwände d es antiken Denkens gegen das Christentum, in: J . MARTIN I Barbara. QUlNT, C hristentum und antike Gesellschaft, Darmstadt 1990, 17- 80, erstmals in: W. NESTLE, Untersuchungen zur Religion , Dichtung und Philosophie der Griechen , Stuttgart 1948, 597-660; J . WALSH I G. GOTTLIEB, Zur C hristenfrage im zweiten J a hrhundert , in : G . GOTTLIEB I P. BARCELO (Hg .), C hristen und Heiden in Staat und Gesellschaft des zweiten bis vierten J a hrhunderts, München 1992, 3-86. So beispielsweise die Märty rerin Perpetua (t7.3. 202 oder 203) , dazu P. MCK ECHNIE, St. Perpetua and Roman Educati.on in A.D. 200, AC 63 ( 1994) 279-291 ; zum theologischeil Bildungsstand in der karthagiscl1en Gemeinde zur Zeit Tertullians SCHÖLLCEN 270286; siehe unten 88 Anm. 5. Verg. Aen. 9,473, wobl eine Scbulübung, cf. A.K. B ow~tAN I J .D. T HOMAS, T he V ind ol.a.nda Writing- Tablets, London 1994, 65-67 (Nr. 118). Für den Hinweis danke ich Herrn StR Wo lfram SCHRÖTTEL, Scheinfeld.
I. l .2
Vergil als Repräsentant paganer Kultur
17
an: Insbesondere am Nationalepos Aeneis konstituiert sich römische Identität. 1 Das bedeutet freilich, daß in der Auseinandersetzung der Christen mit dem römischen Staat, vor allem in der Zeit der Verfolgungen und Repressionen,2 Vergil immer a uch als Dichter eines religiös begründeten römischen Herrschaftsanspruchs zu sehen ist. Das Verhältnis der Christen zum römischen Staat spiegelt sich also in ihrem Umgang mit Vergil , umgekehrt steht ihTe Vergilrezeption stets unter dem Vorzeichen der ideologischen Vereinnahmung des Dichters. 3. Vergil als Theologe
Vergil stellt in seinem Werk römische religio in konstitutiver Weise dar. Er verleiht älteren religiösen und theologischen Konzepten, nicht zuletzt der Unterweltsvorstellung, ihre klassische Ausprägung und gültige Begrifflicbkeit. 3 Überall dort also, wo sich .. die Christen mit den traditionellen religiösen Empfindungen und Uberzeugungen , von denen sie auch selbst geprägt sind , kritisch oder durch d ie Anknüpfung an Analoges a useinandersetzen , ist mit dem Einfluß Vergils zu rechnen. Umgekehrt muß jede christliche Annäherung an den Dichter unter dem Vorzeichen seiner Ansprüche und seiner Rezeption im römischen Verständnis von religio stehen. 4. Vergil als Poet
Vergil stell t sich mit seinen Werken in die Nachfolge Homers. Damit übernimmt er auch Tradit ionen der dichterischen Mythologie. Für den Umgang mit der poetisch- fiktionalen Deutung von Wi1·klichkeit sehen sich die christlichen Autoren einerseits mit pagan- philosophischen und Dazu beispiels weise li .J . T SCHI EDEL, Erwachendes, a ufbegehrendes und verstörtes Ich : Manifestationen de1· S ubjektivität in der römischen Literatur, in: R.L. FETZ et al. (Hg.) , Geschichte und Vorgeschichte der modernen S ubjektivität , Berlin I New York 1998, 255- 285, hier 279: "Mit der ' Aeneis' 1... ] schenkt er !sc. Vergil] seinen Mitbürgern eine gleichsam nationale ldentit.ät, die in ihrer idealisierenden Sicht a ls Aufgabe und Verpflichtung verstanden werden konnte und sollte. E r schenkt ihnen die Möglichke it , sich der faktisch errungenen G röße a uch intellektuell zu bemächt igen und zu vergew issern." Allgemein zur Suche nach historischer Begrü11dung römischen Selbstverständnisses W . EDER, Augustus and the Power of Tradition, in: K . RAAFLA US I M. TOHER (edd.) , Between Republic and Empire, Berkeley et al. 1990, 71- 122; zur Inanspruchnah me Vergils jetzt anregend R.F'. Thomas, Virgil and the Aug ustan Reception, Cambridge 2001. 2 Grundsätzlich zur Auseinandersetzung der Christen mit dem römischen Staat etwa Al1tonie WLOSOK, Rom und die C hrist en, Stuttgart 1970; die Beiträge bei K LEIN Christentum; am Beispiel Tertullians etwa R. KLEIN. Tertullian und das Römische Reich, Heidelberg 1968; E. HECI..'ten rekurriert wird , also etwa auf die Kultsprache, die Sprache des Epos oder die Dichtersprache. 6. Die argumentative Punktion des Zitates im Kontext Die in der Fo rschung mehrfach vo rgeschlagene Einteilung in die drei Funktionstypen Au toritätszitat, Argumentationszitat und Schmuckzitat 2 ließe sich prinzipiell gut a uf christliche Vergihezeption anwenden: (a) Autoritätszitat: Der Autor macht sich die unbestri ttene Autorität Vergils wesentlich zunutze. Er unte rma uert seine eigenen Kernaussagen dadurch, daß er sie a ls vergiüsche darstell t, er bringt also in einem zentralen Punk t seiner Argumentation seine und die verg ilische Aussage zur Deckung. Da bei sind drei Möglich keiten der Sinnkomplexion durch Zusatzkodierung - eine solche muß stattfinden, da die zugrunde liegenden Wi rklichkeitsmodelle ja nicht identisch sind 3 - d enkbar: i. Der Autor läßt das Vergilzitat durch Auswahl od er Kon text in einem seiner eigenen (chTistlichen) Aussageabsich t zuträgüchen Licht erscheinen ( interpr-etatio christiana). Cf U. BROICH. Zur Einzeltextreferenz, in: BROICH I PFISTER 48- 52; M . PFISTER, Zur Systemreferenz, in : 8ROICH I PFISTER 52- 58. 2 Zu dieser Unterscheidung vor a llem P LETT Poetics 73- 79; z um Aspekt der Wechselwirkung von Prätext und Folget.exL in diesem Zusammen hang B. SCHULTE- MIDDEUCH, Funkt ionen intertextueller Textkonstitution, in: BROICH I P FISTER 197- 242. 3 Obwohl sich natürlich übereinstimmend formulierte Einzelaussagen zu bestimmten Themen (E thi k, Kosmologie, Monotheismus usw.) finden lasse n, entstammen sie doch verschiedenen Grundanschauungen bzw. Weltbildern und sind daher verschieden fundiert und intendiert , a lso wese nhaft divergent. 1
30
1.2
Vorüberlegungen zur Method.ik
ü. Der Autor stellt seine eigene (christliche) Position in einer vergil-
konformen Weise dar. w. Der Autor nähert in der Darstellung sein eigenes und das vergilische Wirklichkeitsmodell einander an. (b) Argumentationszitat: Der Autor zieht eine Vergilstelle als Beleg für eine Aussage, eine Vorstellung oder einen Sachverhalt heran, mit dem er sich dann auseinandersetzt. Die Position des Autors kann positiv (affirmativ) anknüpfend, neutral oder negativ (kritisch) sein. Affirmation oder Kritik können sich auf die Form, auf den Inhalt (bzw. dessen Rezept ion) oder auf den Autor selbst beziehen. (c) Schmuckzitat: Der Autor zitiert Vergil zum Zweck der kunstvollen Ausgestaltung einer Passage. Man könnte noch unterscheiden: i. das Zitat mit offenbar gezielter Wirkung im engeren Kontext, die durch die Referenz auf den Prätext zustande kommt , ii. das Zitat einer klassischen Wendung oder eines treffenden poetischen Ausdruckes, den der Leser zumindest in seiner Klassizität gout ieren soll, iii . das produktionsästhetisch motivierte Zitat.
Die vorliegende Untersuchung befaßt sich freilich zu einem überwiegenden Teil mit Reminiszenzen, die gemäß der obigen Einteilung in die Kategorie Schmuckzitat gehören. Hier werden im Einzelfall auch weitere Kriterien wie etwa die Thematik des Zitates in die Gesamt bewertung einzubeziehen sein, die am Ende der Besprechung eines jeden Einzelzitates versucht wird. Auf die Einzeluntersuchung der Zitate eines jeden Autors folgt jeweils eine Auswertung und abschließende Bewertung d er Beobach tungen und Ergebnisse zu diesem Autor. Deren Gliederung richtet sich nach den drei Konstituenten des Zitierens, Zitatsegment - zusammengefaßt werden Beobacht ungen zu Morphologie, Veränderungen, Markierung - , Folgetext (Verteilung und Stellung der Zitate im Folgetext) und Prätext (Provenienz und T hematik der Zitate). Abschließend wird eine Typisierung der Zitate nach ihrer Funkt ion und eine Gesamtbewertung der Stellung zu Vergil versucht. Es könnte bei alldem der Eindruck einer mechanistisch- schematischen Vorgehensweise entstanden sein. Tatsächlich aber liegt die unverzichtbare methodische Grundlage dieser Arbeit in einem Interpretationsverfahren , das auf der Basis des für sich genomm en meist wenig aussagekräftigen Materials eine möglichst umfassende Annäherung an d en thematischen Rahmen der Arbeit gewährleistet, wie er im ersten Teil der Einleitung kurz umrissen wurde. Da bei soll vor allem erreicht werden, daß nicht einzelne, vielleicht angesichts der Unsicherheiten im Referenzcharakter mit einer gewissen Kühnheit a usgelegte Zitate d as a bschließende Urteil über Absichten und Tendenzen der einzelnen Autoren bestimmen, sondern daß ein so gut wie möglich fundiertes Gesamtbild entsteht. Weiteren Interpretationen, sei es zu Einzelstellen , sei es
1.2.2
Vorgehensweise und Aufba u d er Arbeit
31
zu bestimmten Fragestellungen, soll und wird das hier dargebotene Material ohne Zweifel noch offenstehen. Deshalb beschränkt sich auch die Zusammenschau im dritten und let zten Teil der Arbeit dara uf, die Ergebnisse aus den Untersuchungen zu den einzelnen Autoren nach dem Kriterium der Individualität, der Kontinuität und der Entwicklung zusammenzufassen , um Anknüpfungspunkte für weitere Studien zu bieten.
Teil II
Vergil bei den einzelnen Autoren Tert ullian
1 1.1
•
Zur Forschungslage
Der Karthager Quintus Septimius Florens Tertullianus wendet sich erst als Erwachsener nach einer gründlichen Ausbildung in Grammatik und Rhetorik dem Christentum zu.1 Der einzige chronologische Anhaltspunkt sind seine zahlreichen Schriften , die in den Zeitraum zwischen 197 und 212 fallen , aber ihrerseits oft nicht genau datierbar sind. Schon in den J a hren zwischen 203 und 207, also wohl nicht allzu lange nach seiner Bekehrung, schließt sich Tertullian der rigoristischen Sekte der Montanisten an. Die ältere Forschung hat bei der Beurteilung von Tertullians Haltung gegenüber der paganen Literatur und Bildung vor allem dessen Neigung zum Rigorismus und die polemischen Passagen im \'Verk vor Augen und folgert daraus eine grundsätzliche Ablehnung. Einige neuere Arbeiten hingegen weisen Tertullians schroffe Polemik ihrem jeweils spezifischen Kontext zu und .. stellen das Element der Ubernalune und Kontinuität, die, nach FRBDOU ILLE (1972), 'Konversion der antiken Kultur' hera us. 2 Dementsprechend ist 1
2
Zu Biographie, Datierung und Forschungsstand H. TRÄNKLE, HLL 4 (1997) §474; Eva SCHULZ- FLÜGEL, 'Tertulüan', LAC L (2002) 668-672; zur P ersönlichkeit auch T .O . BARNES, Tertullian . A Historkai and Literary Study, Oxfo rd 1985 2 ; zur Verbindung von Biographie, Persönlichkeit und Werk P. STEINMETZ, Untersuchungen zur römischen Literat ur des zweiten Jahrhunderts nach C hristi Geburt, Wiesbaden 1982, 228- 236. Der Text wird zit ie rt nach der Ausgabe im Corpus C hristia.norum (Series Latina I & 11), Quinti Sep timi Florentis Tertulliani op era. Pars 1: Opera Catholica. Adversus Marcionem, Pars ll: O pera Montanistica, Thrnbout 1954. Schon lia capta in ceteros saevitum esse Troianos, duobus, Aeneae Antenorique, et vetusti iure hospitii et quia pacis reddendaeque Helenae semper auctares fueront, omne ius belli A chivos abstinuisse {. ..}.) einer zu seiner Zeit virulenten Version vom Aeneas proditor bewußt entgegentreten. 2 Seneca koostruie.r t in seiner Schrift de beneficiis als Beisp iel rur solche Menschen , die andere erst in Not bringen , um ihnen dann ihre Hilfe anzud ienen, den folgenden Fall, benef. 6 ,36,1: Quis pium dicet Aenean, si patriam capi voluerit, ut captivitati patrem eripiat? Darin kan n m an kaum mit GALINSKY (4 Anm. 3) ein unmittelbares Indiz für ein ambivalentes Aeneas- Bild sehen: Aeneas fungiert hier j a gerade als Beis piel für pietas und ersehnt die Einnahme seiner Vaterstadt gerade nicht. Es wäre höchstens zu s pekulieren, ob nicht h inter dem Konstrukt das Wissen um eine, freilich hier von Seneca für ganz und gar absurd gehaltene, Aeneas proditof'-Yariante stehen könnte. USSANI (Eneide ll, lntroduzione XV) spricht von einer ' Anspielung'. 3 Zur Bemühung des Dictys und des Dares um eine vermeintlieb ' wahre' Thoja- ÜberHeferung W . EISENHUT, Spätantike Troja- Erzählungen - mit einem Ausblick auf die mittelalterliche Thoja- Literatu r, M LatJb 18 (1983) 1- 28, v.a. 11- 18; zum A eneas proditor darin KONOPKA 58--64; CALLU 166-171; J .G. FAR.ROW, Aeneas and Rome: Pseudepigrapha. and Politics, CJ 87 {1991) 339-359, v.a . 344- 349. 4 Servius scheint die Aeneas proditof'-Yersion als dje eigentlich h istorische anzusehen (v .a. Aen. 1,242, weitere Stellen bei H. GEORGII , Die antike Äneiskritik aus den Scholien und anderen Quellen hergestellt , Stuttgart 1891 , 72.85sq.104) , wohl da er, so WLOSOK Die Göttin Venus 49, Dictys und Dares als zuverlässige Quellen betrachtet. 5 So schon die Prophezeiung des Poseidon in der llias (20,307).
II.1.3
Exkurs: Oie na mentlichen Erwä hnungen von Vergil, Aeneas und Dido 8 3
kommt die Polemik durch die Gegenüberstellung mit der Frau des Hasdrubal zustande, die sich bei der Zerstörung Kart hagos im Dritten Punischen Krieg in die Flammen stürzt. 1 Dann (§14) zieht Tert ullia n die pietas des Aeneas in Zweifel, da dieser für seinen Sohn und seine n Vater den König Priamos und Astyanax im Stich gelassen habe. Dieses Vergehen hebt Tertullia n heraus vor dem Hintergrund einer gebräuchlichen Eidesformel, durch welche die Soldaten sich verpflichten, das Kaiserhaus höher als die eigenen Kinder z u achten. 2 Der nächste Aspekt, den Tertullian anspricht (§15), betrifft eine mythologische Unstimmigkeit der Aeneasüberlieferung, die Frage nä mlich , warum Vul~"1.n der Vergöttlichung des unehelichen Sohnes seiner Gemahlin nichts entgegengesetzt habe und Juno mit ihrer Gegnerschaft nicht durchgedrungen sei. Damit betont Tert ullian zugleich die a ußereheliebe Abstammung des Aeneas. Anband des Beispiels von Kloobis und Biton (§16) und von Pero (§17) setzt Tertullia n nochmals die pietas des Aeneas, diesmal gegenüber dem Vater, durch den Vergleich mit Taten von größerer Hingabe herab. 3 Der letzte Vorwurf (§18) gegen Aeneas bezieht sich a uf sein Verschwinden im proeli·u m Laurent'inum, das ihm Tert ullian als Desert ion anrechnet. 4 Damit kommt Tertullian a uch wieder zum Ausgangspunkt zurück, zur Verehrung des Aeneas als P ater Indiges. Was Tert ullian hier also vorlegt, ist ein polemischer Durchgang durch die Aeneas- Überlieferung von der Verwundung durch Diomedes im Kampf um Troja über die Flucht bis z um Verschwinden a us der Schlacht am Numicus. Dabei st ützt sich Tertullian gänzlich a uf die vor- und a ußervergilische 'Il·adition - eine Tatsache, die dem antiken Leser sogleich ins Auge fallen muß.
1
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4
Cf . Polyb. 38,20; Plor. 1,3 1,16sq.; BERTI 231- 238. G egenüber d iesem exemplum fortitudinis - a ls solches präsent iert Valerius Maxim us (3,2,8 ext.) die Episode - erscheint Aeneas a lles andere a ls heroisch: D er Pater lndiges muß sich ein er Frau u nd der römische Nationa lheld einer Kart hageri n an Heldenmut gesch lagen geben . Cf . HAIDENTHALLEit a.d l. 140. Nach Sueton soll C a lig ula das Heer fo lgendermaßen a uf seine Schwestern eingeschworen haben (Ca lig. 15,3): neque m e liberosque m eos cariores habebo quam Gaium habeo et sorores eius. Trotz d ieser Übertrag ung in d ie zeitgenössischen Verhä lt nisse d ürfte d ahinter letztlich eine Tertullian bere its vorliegende Tradit ion eines impius Aeneas st ehen, d ie in der Version vom Aeneas proditor ku lminiert, cf. CALLU passim; USSANI 12 1: "Una tradizione previrgilia na. doveva fare d i Enea un vile fuggiasco oltre ehe un trad itore." Zur Kri t ik a n Aeneas' pietas in der antiken Verg ilphilo logie G EORGII 565. Wiederum liegt aber, wie bei der Fra u des Hasd rubal (§13), die eigentliche p olem ische Spitze in d er Art d er Gegenbilder: Eher noch hätten d ie beiden a ls Zugtiere tätigen Söhne und die d em Vater d ie Brust reichende Tochter d ie Vergöttlicbung a ufgrund ihrer pietas verd ient als de.r Held Aeneas. Die Apotheose des Aeneas wä hrend der Schlacht findet sich hä ufiger in der Aeneas überlieferung, so etwa. bei Livi us, 1,2,6: Secun dum inde proelium Latinis, Aeneae
etiam ultimum operum mortalium fuit. situs est, quem cum que eum dici iu s fa sque est super Numicum ftumen: Iovem indigetem appellant. Da hi nter steht wohl die homerische Entriickung d es He lden a us der Schlacht nach der Verwundung du rch Diomedes (II. 5,312; cf. 20,390).
84
11.1 Tertullian
Vergil nämlich läßt die Verwundung des Aeneas mit einem Stein 1 ebenso weg wie die Tradition des Aeneas proditor und des feigen Flüchtlings, da in der Aeneis göttliches Eingreifen den Fortgang aus der zerstörten Stadt als Erfüllung einer höheren Aufgabe motiviert - vor allem in der Erscheinung Rektors, der Aeneas die Rettung der Penaten anvertraut (Aen. 2,289 295). Auch läßt der vergilische Aeneas seine Gefährten und Priamus auf jene Aufforderung hin nicht etwa zurück, sondern stürzt sich noch einmal in den Kampf (Aen. 2,336-338), bis er sieht, daß die Freunde und der greise König gefallen sind, und er sich der Seinen erinnert (Aen. 2,559- 566). 2 Der Tod des Astyana.x schließlich wird zwar in der Aeneis vorausgesetzt (Aen. 3,488sq.), a ber nicht näher ausgeführt. Überhaupt ist die Darstellung des Aeneas im Vergilischen Epos ganz a uf dessen pietas abgestellt.3 Die Entrückung aus der Schlacht schließlich kennt die Aeneis nicht, lediglich erwähnt J upiter die Bestimmung des Helden zu einer Vergöttlichung als Indiges Aeneas (Aen. 12,794). Anders als Laktanz, der sich in seiner Polemik gegen Vergils Aeneasdarstellung (inst. 5,10,1- 11) ausdrücklich auf die epische Figur bezieht,4 ignoriert Tertullian gerade Vergils kanonische Darstellung. 5 Tertullian bezieht sich ausschließlich a uf kritische Punkte in der Aeneas- Überliefenmg, die Vergil beseitigt oder bereinigt. Sicherlich zeigt sich in dieser Mißachtung eine Distanzierung von Vergil und eine Relativierung seiner Bedeut ung. Andererseits a ber bleibt auf diese Weise der literarische Aeneas des Vergilischen Epos von direkter Polemik verschont - ihn treffen die Vorwürfe nicht. Tertullian greift vielmeh1· den Aeneas der mythologisch beeinßußten historischen Tradition a uf einer rationalistischen Ebene an. In der apologetischen Auseinandersetzung geht es um die religiöse Dimension jener Gestalt. Der unmittelbaren Konfrontation mit der epischen Figur geht Tertullian hingegen aus dem Weg. Wenigstens den Rahmen seiner Aeneaspolemik, also die Erwähnung als zum Gott erhobener Mensch und die Entrückung, übernimmt Tertullian a us Van·os antiquitates rerum divinarum, der Hauptquelle des zweiten Buches ad nationes. 6 Auch den Aeneas proditor beziehungsweise den Aeneas impius 1
2
3 4
5
6
Er nimmt die Szene Il. 5,302- 310 zwar auf und verlegt sie sogar in den Entscheidungskampf zwischen Turnus und Aeneas (cf. G.N. K NAUER, Die Aeneis und Homer, Göttingen 1979 2 , 317 sq.), läßt aber d en Felsbrocken zu Boden faJien , ehe er Aeneas trifft (Aen. 12,906sq.) . Genau das von Tertullian Monierte w ird also vermieden. Zur Gestaltung der Flucht aus Troja bei Vergil grundlegend R. HEJNZE, Vlrgils epische Technik , Berlin / Leipzig 1915 3 28- 33. Das zeigt etwa C.J . MACKJE, The C haracterisation of Aeneas, Edinburgh 1988. Dazu WLOSOK Zwei Beispiele 440 444 . Diesen ganz wesentlichen Unterschied zwischen der Aeneaspolemik bei Tertullian und bei Lakta nz, der von ÜPELT ( Aeneas 92: " In ähnlicher Weise kritisiert Laktanz [... ]") beiseite gelassen ist, hebt WLOSOK Zwei Beispiele 437 sq. hervor. Cf. 8. CARDAUNS, M. Terentius Varro, Antiquitates rerum divinarum, Mainz 1976, fr . 214: Patrem lndige(n)tem Aenean ... ... proelio Laurentino nusqfuamj comparuit a us Tert. nat. 2,19, J 2. 18; zur Stelle jetzt auch (allerdings ohne nähere Berücksichtigung der vorliegenden Fragestellung) Y . LEHMANN, La figu re d 'Enee d ans l'reuvre de Varron, in : G . FREYBl/RCER / L. PERNOT, Du heros paien au saint chretien, Paris 1997, 47- 51 , hier 50. - Offen bleiben muß dabei, ob Tertullian den impius A eneas bzw. den proditor
11.1.3
Exkurs: Oie namentlichen Erwähnungen von Yergil, Aeneas und Dido 85
findet er in der Tradition vor. Auf den Apologeten selbst geht also nur derenpolemische Verwend ung und Ausgestalt ung zurück. Tert ullian t reibt hier a uch keine Polemik um der Polem ik willen, sondern zieht nach den Regeln der Rhetorik ein historisches exemplum. Die Spitze ist d abei antipolytheist isch und - dafür spricht a uch die Tatsache, daß Tertullian öfter an Stellen, wo er sich in spöttischer Weise mit dem religiösen Selbstverständnis der Römer auseinandersetzt, diese als Aeneadae bezeichnet 1 - antirömisch, aber nicht antivergilisch. 1.3.3
Dido
Die mythische Gründerin von Karthago find et bei Tertullian a n mehreren Stellen Erwä hnu ng: In der Schrift ad martyras führt er eingekerkerten Christinnen und Christen, die ihr Martyrium zu gewärtigen ha ben, eine Reihe von Männern und Fra uen vor Augen, die ihr Leben einem Ideal geopfert haben, ma rt . 4,5: Nec minus f ecerunt philosophi: Hemclitus, qui se bubuio stercore oblitum excussit; item Empedocles, qui in ignes Aetnei montis desiluit; et Pe1·egr'inus, qui non olim se rogo immisit, cum f eminae contempser'int ignes: D ido, ne post vir-um dilectissimum nubere cogeretur; item Asdrubalis uxor, quae iam ardente Carthagine, ne mar'itum suum supplicem Scipionis videret, cum filiis in incendium patriae devolavit.
Als erste nennt Tertu llia n zwei Frauen, die den Tod in den Flammen gesucht haben, Dido, um einer Wiederverheiratung nach dem Tod ihres ersten Gatten zu entgehen, und die Gema hlin des Hasdrubal, um den Untergang ihrer Heimatstadt Ka rthago nicht zu überleben. In ä hnlicher Weise erscheint Dido noch öfter im Werk des Tertullia n. Dieselben exempla wie in ad martyras gebraucht Tertullia n auch in der Schrift ad nationes, diesmal allerd ings nicht in pa ränetischem, sondern in a pologetischem Kontext: Dem von heidnischer Seite erhobenen Vorwurf der obstinatio, da die Christen weder Tod noch Schmerz flöhen, hä lt Tertullian Beispiele von Selbstau fopferungen und Selbsttötungen a us der paganen Tradition entgegen, nat. 1,18,3: Crucis ver'O novitatem numerosae, abstrusae, Regulus vester· libente1· dedicavit; regina Aegypti bestiis su·is usa est; ignes post Carthaginensem feminam Asdn.tbale marito in extremis patriae constantiorem docuerat invadere ipsa Dido .
1
eigenständig (anderswoher oder aus eigener Kennt nis) in den Varronischen Kontext hineinträgt, oder ob er ihn nicht eher bereits (dann wohl als abiehenend diskutierte Überlieferungsvariante, worauf das ac si hoc verum noltmt hindeuten kön nte) dort vorfindet. So etwa apol. 9,5; 25,8 ( cf. nat. 2, 17,6); coron. 12,2.
,
86
I 1.1
T e r t.ullian
Bemerkenswerterweise hebt er den von den Puniern getöteten Römer Regulus a ls vester ausdrücklich von den beiden Karthagerinnen ab, die ihrerseits miteinander in Zusammenhang treten, da Dido als Vorbild für den Opfertod der Frau des Hasdrubal erscheint. 1 Auch im Schlußkapitel des Apologeticum findet sich zur Widerlegung des Einwandes cur querimini, quod vos insequamur, si pati vultis [. .. j'? (apol. 50,1) eine Reihe von exempla todesbereiten Opfermutes, in der wiederum auf Dido Bez ug genommen wird , apol. 50,5: Mucius dexteram suam libens in ara reliqu.it: o sublimitas animi! Empedocles totum sese Aetnaeis incendiis donat: o vigor mentis! aliqua Carthaginis conditrix rogo secundum matrimonium evadit: o praeconium castitatis et pudicitiae!
Nun fehlt aber die Gattin des Hasdrubal , außerdem hebt TertuUia n bewundernd die Werte hervor, für die Dido ihr Leben hingibt: castitas und pudicitia. Die nächste Erwähnung der Dido findet sich in der Schrift de anima. Ausgehend vom 'fraum des Ennius, wonach Homer als Pfa u wiedergeboren sei,2 stellt Tertullian zur Widerlegung der Palingenesielehre unter a nderem die ironische Frage, welches Tier bei einer Wiedergeburt die 'I\1gend einer integra femina Dido angemessen zur Geltung bringe, anim. 33,9: Age nunc, ut poetae in pavos vel in cycnos transeant, si vel cycnis decora vox est, quod animal indues viro iusto Aeaco? quam bestiam integrae f eminae Didoni? quam volucrem patientia, quam pecudem sanctimonia, quem piscem innocentia sortientur? omnia famula sunt hominis, omnia subiecta, omnia mancipata. Si quid horum futut'ti.S est, diminoratur illic ille cui ob merita vitae imagines, statuae et tituli, honores publici, privilegia rependuntur, cui curia, cui popultLS suffragiis immolat.
Hier steht also Dido nicht mehr als exemplum für den Opfermut, sondern für die im Apologeticum bereits angeklungenen 'lUgenden castitas und pudicitia. Im let zten Kapitel seiner Eheschrift de exhortatione castitatis t rägt Tertullian Beispiele für seine Grundthese z usammen, daß eine verwitwete C hristin nicht wieder heiraten dürfe. An erster Stelle unter den paganen exempla steht Dido, castit. 13,3: Erunt nobis in testimonium et f eminae quaedam saeculares ob univiratus obstinationem f ama consecutae: aliqua Dido, quae profuga in alieno solo, ubi nuptias 1'egis ultro optasse debuerat, ne tarnen secundas experiretur, maluit e contrario uri quam nubere, vel illa Lucretia, quae etsi semel pe1· vim et invita alium virum passa est, sanguine suo maculatam carnem abluit, ne viveret iam non sibi univira. 1
2
Cf. Oros. hist. 4 ,23,4 mit Nadia BERTI, lmitatio Didonis e s uicidio rituale nella morte della moglie di Asdruba le, io: Dulce et dec01'tl.m est pro patria mori. La. morte in combattimento ne ll'a.ntichita, a cur a di Marta SORDI, Mi lano 1990, 23 1- 246, hier 245sq. Refer iert aoim. 33,8.
11.1.3 Exkurs: Die namentlichen Erwä hnungen von Yergil , Aeneas und Dido 87
Hier erscheint Dido als Vorbild , weil sie lieber stirbt, a ls nicht univira zu leben. Ganz ähnlichen C harakter hat auch ihre Erwähnung in Tertullians letzter Eheschrift de monogamia, 17,2: Solenl ethnici iudices deslinari. Exsurget regina Carthaginis et decernet in Ch1"istianas, quae profuga et in alieno solo et tantae civitatis cum maxime j ormat1"ix, cum regis nuptias ultro optasse debuisset, maluit e contrario uri quam nube1·e.
Bei all diesen Erwäh11ungen der Dido geht Tertullian nicht von Vergils Darstellung der Königin von Karthago im vierten Aeneisbuch aus, die sich aus unglücklicher Liebe zu Aeneas den Tod gibt , sondern von einer vorvergilischen Tradition, in der Ae neas nicht vorkommt. Diese andere Didoüberlieferung1 läßt sich ins vierte J a hrhundert vor Chris tus zurückverfolgen, ältester Zeuge dafür ist der hellenistische Historiker Timaios von Tauromenlon: 2 Auf der Flucht vor ihrem Bruder P ygma lion, dem Mörder ihres Gatten, sei Dido nach Libyen gekommen und habe Karthago gegründet. Als der libysche König um sie freite und die Bürger der Stadt sie zur Ehe nötigten, habe sie sich auf einen unter dem Vorwa nd eines Opfers entzündeten Scheiterhaufen gestürzt , um den Treueschwur gegenüber dem getöteten Gatten nicht zu brechen. Diese Tradition findet sich sowohl im paganen historischen Schrifttum erwähnt, so etwa bei Pompeius 'Il·ogus und später bei Solinus, 3 als auch in der christlichen Lite ratur als exemplum herangezogen, nach Tertullian et1 Daz u etwa 0 . ROSSBACH, 'Dido', RE V,1 {1903} 426-433; C . PASCAL, Didone nella letterat ura latina d ' Africa, Athenaeum 5 (1917} 285- 293; A. STUIBER, 'Dido ', RAC 3 (1957} 1013-1016; Mary L. LORD, Dido as an Example of C hastity, HLB 17 {1969} 22-44 & 216-232, v.a. 27- 40; A. LA P ENNA, ' Didone', EV 2 (1985) 48- 57, vor a llem 5{)-52; Antonie W LOSOK , Boccaccio über Dido - mit und o hne Ae neas, in: djes. Res humanae 46{)-475, hier 468- 472, erstmals in: AAntHung 30 (1988} 457-4 70; H ECK Vestrum est l08sq.; BERTI 238- 240; N.M. HORSFALL. Oido in the Lig ht of History, in: O xford Readings in Vergil 's Aeneid , ed. by R.J. HAAAISON, O xford 1990, 127144; .J .- M. P OINSOTTE, L'image de Didon dans l'Ant iquite tardive, in: Enee et O idon, edite par R. MARTIN, Paris 1990, 43- 54; A. R u1z DE ELVIRA , Dido y Eneas, C FC 24 {1990} 77- 98; ders., Hy pomnemata tria, C F'C (L) 4 ( 1993} 83- 91 ; E r ika SJMON, ' Dido', LIMC 8, 1 ( 1997} 559- 562, vor a llem 559sq.; F. GRAF, ' Dido', DNP 3 {1997} 543; G . BINDER, Vergil. die Ae neis und Dido, in: ders. {Hg.) , Dido und Aeneas. Vergils Dido-Drama und Aspekte seiner Rezeption , 'frier 2000, 9- 23, v.a . 18- 22; grundlegend zur Ko nzeption de r vergilischen D ido HEINZE Virgils epische Technik 115- 119; dazu und z u deren Re-.teption in der Dicht ung etwa Maria ADDAMO, Didone nella lettera tura lati na, Palermo 1952. 2 F'CrHist 566 F 82, zu m Kontext LORD 32- 34. 3 Ausführlich erzähl t wird d ie Version ohne Aeneas lustin . 18,4,3-6,8; Solin. 27,J0 sq. erwähnt Dido a ls CrUnderin von Karthago und fUhrt diese Nachricht a uf eine oratio senatoria des Cato z urück, Aeneas wird nicht genannt. Mac r. Sat. 5,17,4-Q stellt d ie vergilische direkt der historischen (ohne Aeneas) gegenüber. Serv. a.uct. Aen. 1,340 Dido vero nomine Elissa ante dicta est, sed post interitum a Poenis Did o appellata, id est virago Punica lingua, qv.od cum a suis sociis cogeretur cuicumque de Afris regibus nubere et prioris mariti caritate teneretur, forti se animo et interfecerit et in pyram iecerit, quam se ad expiandos prioris mariti manes extruxisse fingebat.
88
II .1
Tertullian
wa von Minucius Felix und Hieronymus. 1 Daß die Version ohne Aeneas als die historisch zutreffende gegenüber der fesselnden literarischen Version des Vergil angesehen wird, zeigt Macrobius, Sat. 5,17,5sq.:2 Quod ita elegantius auctore digessit, ut fabula lascivientis Didonis, quam falsam novit universitas, per tot tarnen saecula speciem veritatis obtineat et ita pro vero per ora omnium volitet, ut pictores fictoresque et qui figmentis liciorum contextas imitantur effigies, hac materia vel maxime in effigiandis simulacris tamquam unico argumento deco1-is utantur, nec minus histrionum pe17Jetuis et gestibus et cantibus celebretur. tantum valuit pulchritudo narrandi ut omnes Phoenissae castitatis conscii, nec ignari manum sibi iniecisse reginam, ne pateretur damnum pudoris, coniveant tarnen fabulae , et intra conscientiam veri fidem prementes malint pro vero celebrari quod pectoribus humanis dulcedo fingentis infudit. 3
Die fabula lascivientis Didonis kommt bei Tertullian nicht vor, er nimmt a usschließlich auf die sittsame und opfermütige Dido der historiographischen 'n·adition4 Bezug. Sie hält er, wie dann Macrobius, für die historisch zuverlässige und zieht sie deswegen als rhetorisches exemplum heran. Darin liegt natürlich ipso facto eine gewisse ZUTücksetzung Vergils: Dessen so überaus wirkungsvolle Dido übergeht Tertullian stillschweigend , und der Leser nimmt das sicher auch Z Ul' Kenntnis. Allerdings ist folgendes zu bedenken: 1. Tertullian kann die Bekanntheit der historischen Dido bei seinen Lesern so weit voraussetzen, daß diese deren Anführung als exemplum für Opfermut und Keuschheit ohne weiteres verstehen und von der Dido, die sich dem Aeneas hingibt, t rennen können , die mlt ihrem Selbstmord aus Liebeskummer beinahe die genau gegenläufigen Eigenschaften zu repräsentieren scheint.
2. Es ist ein primär nordafrikanisches Publikum, bei dem Tertullian die Kenntnis der a ußervergilischen Dido neben der vergilischen5 voraus1
2
Min . Fel. 20,6; Hier. adv. lovin . 1,43; epist. 123,7,2; ebenfalls in Verbindung m.it der Frau des Ha.sdruba.l, aber ohne ausdrückliche Bezugnahme a uf den Selbstmord a us pudicitia Oros. hist. 4 ,23,4. - E ine Zusammenstellung der weiter en Erwähnungen dieser Oidoversion in der (vor· allem christlichen) Literatur der Spätant ike bieten der RACArti ke l von STUIBER sowie d.ie Arbeiten von LORD (bis in die Renaissanceliteratur) und P OINSOTTE; speziell zur christlichen Dicht ung llona ÜPELT, Spiegelung und Zerspiegelung der Oido Yergils, in: dies., Paradeigma.ta Poetica Chr istiana, Düsseldor f 1988, 126-129. Aber aucb Aug. conf. 1,13,22 Ober die vergilische Oidovariante mit Aenea.s: doctiores
autem etiam negabunt verum esse. 3 4
5
Cf. POINSOTTE 53. Siehe oben 87 Anm. 3. Zur Bekanntheit Vergils in Nordafri ka etwa P. ROMANELLI, Riflessi virgiliani dei rapporti tra Roma. e l'Africa, in : Studi virgiliani I, Roma 1931 , 201- 218; V. USSANI , Virgilio e l'Africa latina, in: Atti del ll congresso nazio na.le di studi romani, Roma 1931 , lll l61-
Il.l .3 Exkurs: Die namentlichen Erwähnungen von Vergil , Aeneas und Oido 89 setzt. Das und eine Nua nce karthagischen Lokalko lorits d urch den Zusammenhang mlt der A sdrubal-is uxor (mart. 4,5; nat. 1,18,3) 1 und d urch d ie Bezeich nung als Carthaginis conditrix (apo l. 50,5) und regina Carthaginis (monog. 17 ,2) deuten d ara uf hin , daß die heroische Dido im Bereich von Kart hago eine besondere Popularität genießt. 2 3. Tertullian verwendet Dido als exem plum im Sinne der Rhetorik. 3 In dieser Eigenschaft erscheint Dido nicht nur in den a pologetischen Schrift en, wo eine bewußte Opposition zu Vergil durcha us ihren Sit z im Leben hätte, sondern sogar überwiegend in der innerchrist lichen Paränese. Die a ußervergilische Dido kann d aher nicht nm negativ, also a nt ivergilisch, besetzt sein, sondern muß auch und vor allem posit ive Assoziationen wecken. 4. Tert ullian ent hält sich, auch in den a pologet ischen Werken, jeder a usdrücklichen krit ischen Auseinandersetzung mit Vergils Didoversion, insbesondere erhebt er nicht d en bei anderen paganen und christlichen Autoren laut werdenden Vorwurf der Geschicht sklit terung. 4 5. Tert ullian greift in seinen Werken ü ber beinahe zwei J ahrzehnte a uf d as posit ive exemplttm der a ußervergilischen Dido zurück. An den Idea len, für die er Dido setzt , lä ßt sich der jeweilige Skopus seines lit erarischen Schaffens ablesen: Zum einen (ma rt. 4,5; nat. 1,18,3) nimmt er sie für den Opfermut in Anspruch , der dem von Verfolgung bedwhten C hTisten abverla ngt wird , im A pologeticum (50,5) kommen d ie für Tert ullia n offenba r bedeut enden Gesich tspunkte castitas u nd pudicitia hinzu, Dido wird zur integm femina schlecht hin (anim. 33,9) , und der Montanist , 171; T . I 118
TI .2
Minucius Felix
die d rei Elemente, paßt das Verb morphesyntaktisch an und löst durch d ie Atmosphäre schaffenden Erweiterungen curoi molliter und ite1· fab·ulis fallentibusdie Kontaktstellung auf. Diese Ergänzungen dienen einer syntaktischen und semantischen Verlangsamung, also der Übert ragung des Zitatsegment es aus dem vergilischen Kontext einer raschen Seereise a uf einen idy llischen Strandspaziergang. 1
3,5 Sed ubi eundi spatium satis iustum cum sermone consumpsimus, eandem emensi viam rursus versis vestigiis terebamus, et cum ad id loci ventum est, ubi subductae naviculae substratis roboribus a terrena labe suspensae quiescebant, pueros videmus certatim gestientes testarum in mare iaculationibus ludere. Die Wendung vestigia vertere sch eint angeregt zu sein durch Vergils Schilderung des 'frugbildes, mit dessen Hilfe Thrnus von J uno a us der Schlacht geführt wird, Aen. 10,646:
instat cui Turnus stridentemque eminus hastam conicit; illa dato vertit vestigia tergo. Auffällig ist dabei vor allem die poetische Verwendu ng von vestigium, 2 wie schon 2,4.
3,6 Is lusus est testam teretem iactatione ftuctuum levigatam legere de litore, eam testam plano situ digitis comprehensam inclinem ipsum atque humilem quantum potest super undas inrotare, ut illud iaculum vel dorsum maris raderet [velj enataret, dum leni impetu labitur, vel summis ftuc tibus tonsis emicaret emergeret, dum adsiduo saltu sublevat·u r. In d ie Schilderung des ~1toatpcx)Cl<J!!O~ läßt Minucius Felix Elemente epischer Meeresbeschreibung einfiießen: Das Bild vom dorsum maris erscheint seit Homer,3 mdere findet sich seit Vergil dichterisch für d as D ahinfliegen über die Meeresoberßäche, 4 und vor a llem dje von Vergil (Aen . 1,106 hi summo in ftuctu pendent) in die Topik der Seesturmschilderung in d ie lateinischen Epik eingebrachte Wendung summus ftuctu? läßt einen colo·r Vergilianus deutlich 1
Sollte außerdem eine asso2iative Verbindung bestehen zwischen i ter fabulis fallentibus und den nächsten beiden Georgikaversen (45sq.) non hic te carmine ficto / atque per ambages et longa exorsa tenebo? 2 Für die Junktur vestigia vertere weist das PH I 5.3-Corpus ke inen weiteren Beleg aus, FORCELLINI s.v. vestigium bietet a ls nächstliegende Parallele Ov. met. 1,372 flectunt vestigia. Für den poetischen Gebrauch von ve.stigium im Sin ne von 'Fu8i verweist HA RRISON ad l. 228 auf die vorvergilische Dichtung, nament lich Catull. 64,162 candida permulcens liqui.dis vestigia lymphis, und den wohl zugrunde liegenden Gebrauch von ix.11o< wie Eur. Bacch. 1134 lcp&p& 5' tl!L111 c!>AiYT}II, I i\ 8' tx.11o< otÖ'toti< &pßuAa. t{. 3 Horn. II. 2,159b = Od. 3,142b tlt' tup&a. IIW'ta. 9a.A6.ooT}{i lateinisch ThLL V s.v. dorsum 204.0,53-65; cf . FAUSCH ad l. 63. 4 Verg. Aen. 5,217 mdit iter liquidum celeris neque commovet alas, cf. WILLIAMS ad I. 89; Hor. sat. 2,6,25; epod. 16,53; Ov. met. 10,654, cf . FAUSC H ad l. 63. 5 T hLL VI, 1 s. v. flu ctus 946 ,44sq. mit Belegen aus der Dichtung.
II. 2.2
Die Vergil.zita te
119
werden. Wie schon im P aragraphen 3,3 übert rägt Minuci us Felix hier wiederum eine Formulierung, die im epischen Prätext das Meer als bedrohliche Naturgewalt da rstellt, in die idyllische Szenerie des Strandspazierganges.
4,5 modo in istis ad tutelam balnear'Um iactis et in altum procurrentibus petmmm obicibus residam-us, ut et requiescere de itinere possimus et intentius disputare. Die Bezeichnung der a us Steinen aufgeschüt teten Mole, petramm obices, dle Caecilius als Sitzplat z für das Gespräch vorschlägt, könnte angeregt sein von der vergilischen Beschreibung der Höhle, in der sich Proteus vor Aristaeus zu verbergen sucht , georg. 4,422 intus se vasti Proteus tegit obice saxi. 1 Zwar ist dieser apposit ive Genit iv klassisch belegt ,2 in Verbindung rnlt obiex aber findet er sich nur in der Dicht ung und vereinzelt in gehobener Prosa;3 hinzu kommt eine semantische Nähe (petrarum und saxi, Szenerie am Meer). Minucius Felix sucht an d ieser entscheidenden Stelle der Sit uierung des Gespräches einen gehobenen und poetischen Ausdruck.
5 ,6 sed quatenus indulge ntes insano atque inepto labori ultra humilitatis nostrae terminos evagarnur et in terram proiecti caelttm ipsum et ipsa sidera audaci cupiditate transcendimus, vel hunc errorem sattem non vanis et formidulosis opinionibus inplicemus. Die Formulierung des Agnostizismus, von dem ausgehend Caecilius seine pagane Argumentation ent faltet, lehnt sich an zwei Dichterstellen an: Mit d em Ausd ruck indulgere insano labori führt im sechsten Aeneisbuch die Sibylle Aeneas das Ungemach des Unterweltsganges und die Größe des Wagnisses warnend vor Augen, Aen. 6,135 (133- 136): quod si tanttts amor menti, si tanta cupido est bis Stygios innare lacus, bis nigm vide1-oe Tartara, et ins ano iuvat indulgere labori, accipe quae peragenda prius. Min ucius Felix permutiert zwar dle d rei Elemente, paßt sie mo rphesyntaktisch a n und ergänzt insano pleonastisch4 d urch atque inepto; t rotzdem bleibt 1
Cf. RICHTER ad l. 388: "obice meint nic ht, wie Ae n. 8.227 [Aen. 8,226sq. deiecit saxum [.. .} fultosque emuniit obice postis.J, e inen Stein, der den Eingang der Grotte versper rt,
wie d er in der Höhle des Polyphem oder am Grabe Christi, sondem die schützende Höhle selbst." 2 Etwa Caes. civ. 1,42,3 munitione fossa e; Cic. Verr. 2,4,1 L8 fons aquae dulcis {... }, qui ftuctu Lotus operiretur nisi munitione ac mole lapidum diiunctus esset a ma1"i; cf. KS I 419. Mit FAliSCH ad I. 70 von einem geniti1ms materiae auszuge hen , erscheint übrigens angesicht,s der Semantik von obiex problematisch ( cf . I<S I 429), PELLEGRINO ad l. 69 schlägt deshalb einen explikativen oder apposit iven Genitiv vor. 3 ThLL IX,2 s. v. obiex 66,1-9 gegen Wasser Verg. georg. 2,480 etc.; 66, 17- 20 gegen Menschen Verg. georg. 4,422; Tac. hist. 4,71,4; der Gebrauch von obiex im weitere n Sinne von agger, vallum, saeptum (65,84--66,50) scheint, a uf Vergil z urückzugehen und in Prosa vor Minucius FeUx nur von Tacit us a ufgenommen worden z u sein. 4 I NGREMEAU (13) weist mit Recht a uf eine inha lt liche Akze ntverschiebung zwischen
120
11.2
Minucius Felix
aber die singuläre Formulierung als Zitat für den Leser eindeutig erkennbar. 1 Auch wenn im übernächsten Kolon die cupiditas als Antrieb angesprochen wird, so könnte darin Vergils cupido nachklingen. Die zweite, allerdings weniger deutliche Reminiszenz in den Worten ultra humilitatis nostrae t erminos evagarnur bezieht sich auf Horazens Integer vitae-Ode, carm. 1,22,10sq.: namque me silva Lupus in Sabina, dum meam canto Lalagen et ultra terminum curis vagor expeditis, fugit inermem.
Die Substitution von vagari durch evagari hebt die Grenzüberschreitung stärker hervor, ebenso das Genitivattribut humilitatis nostrae statt curis expeditis, doch dürfte die Referenz trotz dieser Akzentverschiebung erkennbar bleiben. 2 In erster Linie dienen diese Dichterzitate sicherlich dazu, dem heidnischen Leser die Identifikation mit dem seine Position vertretenden Dialogteilnehmer zu erleichtern, der hier den Beweis seiner Bildung gegenüber den soeben (5,4) a ls studiorum rudes, litterar-um profano s, expertes artium etiam sordidarum bezeichneten Christen erbringt. Ein Blick auf die Präkontexte eröffnet aber vielleicht noch eine tiefere Deutungsebene. An beiden Stellen nämlich ist zwar von einer Gefahr und einem Wagnis die Rede, die Konfrontation damit ist aber keine vermessene Selbstüberschätzung: Der Unterweltsgang des Aeneas ist vom fatum bestimmt und im Ablauf der Ereignisse unumgänglich, bei Horaz bewiJ·kt gerade das Schwelgen des Liebesdichters in den Sphären ultra terminum das Hera usgenommensein a us der Welt und somit die Rettung vor dem Wolf. Wä hrend a lso die Zitatsegmente in ihren Präkontexten von einer Gefahr handeln, der sich ein göttlich Erwählter aussetzen kann , ja muß, ha.ben sie im Folgekontext den beinahe gegenteiligen Sinn, indem sie vor einem Wagnis
1
2
P rätext und Folgetext hin: Für Vergils Aeneas sei die xcxtaßcxtto incxvw toü 6ocxto(, Vet. Lat. spiritt's Dei super aquas f erebatur erklären müsse. Minucius Felix ·'must intend to suggest that biblical trut h is reflected in the pagan poets" (82). Auf diese Übereinstimmung könne er nicht expressis verbts hinweisen , da er sich an gebildete Römer richte, für die das Alte Testament keinerlei Autorität habe. "For Minucius' p urpose, it is sufficient to indicate tacitly to his more learned and more C hristian readers that Virgil reflects biblica l truth." (83) Auch von späteren C hristen werde der Anfang der Anchisesrede im Zusammenhang mit der Schöpfun gsle hre zitiert, nämlich Lact. inst. 1,5,llsq.; Ambros. spir. 2,5,36; Proba cento 56-59. 3 Dazu grundsätzlich W.H. SctJMJDT, 'Geist I Heiliger Geist I Geistesgaben ', TRE 12 (1984) 172, beispielsweise: Gen 6,3 LXX xcxl dltt\1 x uptO( 6 6t6(" Oö l.l.fl XCl'tCll.l.d"Tl tb ttvtÜI.I.Ii ~o~.ou Lv tot( b.v6pwnot( toutot( d( tOll cx!wvcx Öta tb dvcxt cxthou( olipxcx(, looll"tett öl cxl T!Jdpcxt cxötwv l.x atbll dxoot itn. Ps 32,6 LXX t(f) ).6-y(f) toü xuptou o! oöpcxvol Laupw6noav xal tc;> lt\IEUIJ.Clll lOÜ OlOIJ.«'tO( autoü ttäoa. ""' 00\l na.pa.Stloty) im Hintergrund? Die Passage gehört. zu den kosmologischen KernsteHen bei Vergil , die Verse 745sq. erscheinen bere its georg. 2,48l sq. im Zusammenhang mit der Idealvorstellung von Dichtung. Wie Vergil das naturphilosophische Element konzeptione ll in den Vordergrund gerückt hat, zeigt eine Beobachtung von WLOSOK ( Gemina doctrina 399): Das lopaslied entspricht de m Gesang des Demodokos in der Odyssee (8,266-366) über den Ehebruch der Aphrodite mit Ares, der schon fTüh im Sinn des Empedokles allegorisch auf das Wechselspiel von qn).ta. und vtixo~ gedeutet wird. "Vergil hat, in Kenntnis dieser Homer- A llegorese, anstelle der a llegorischen Geschichte offenbar unverhüllt d as naturphilosoph ische Gedicht gesetzt ." Cf.
RI C HTER
144
II.2
Minucius Feüx
quid tantum Oceano properent se tingere soles hibemi, vel quae tardis mora noctibus obstet; ingeminant plausu Tyrii, Troesque sequuntur.
Die Unvollständigkeit des zitierten Verses und der abrupte Wechsel des P rätextes stellt eine Schwierigkeit dar, die die frü here Forschung durch Athetese des Aeneiszitates beseitigt oder d urch dessen Vervollständigung gemildert hat, während die heutige meist am überlieferten Text festhält. Ganz kann das jedoch nicht befriedigen, da man sich eine bewußte oder verseheutliehe Verstümmelung des Hexameters durch den Autor schwerlich vorstellen kann und eher mit einer überlieferungsbedingten Verderbnis zu rechnen ist. 1 1
Die Beibehaltung von homines findet sich in den meisten Ausgaben, so etwa bei ÜEHLER, HALM , BOENlG, VALMAGGI, MARTIN, DOUGLAS SIMPSON, PELLEGRINO, BEAUJEU und KYTZLER. - Fü.r eine Athetese hat sich zuletzt BECKER ( Octavius 27 Anm. 15) mit den folgenden Argumenten ausgesprochen: (1) Der Vers ist u.nvollständig, eine Vervollständigung wäre eine sinnlose Wiederholung des oben gesagten inde hominum pecudumque genus, (2) die Einleitung alio loco läßt "nur ein Zitat, nicht einen Cento erwart en", (3) ein solcher hätte im Werk keine P arallele, (4) Laktanz (inst. 1,5,llsqq.) zitiert dieselben Vergilverse wie Minucius Felix 19,2 außer j enem letzten , (5) in der antiken Vergilerklärung werden oft Aen. 6 ,724- 729 und georg. 4,22 lsq. nebeneinandergestellt (mit Verweis auf COURGELLE Les peres 37sq. Anm 5 = Lecteurs 472 Anm. 182, der Se.rv. Aen. 6,703 und Comment. Lucan. 5,95 nennt): "So spricht alles dafür, die unmetrischen Worte - als eine unglückliche Randnotiz eines Lesers - zu tilgen-" Ebenso äußert sich SCHÖNE (186): "Dieser Vers, der in der Handschrift sich a n die beiden Vergilverse angereiht findet , ist s icher späteres E inschiebsel." Auch E. BAEHRENS ( 1886) und W .A. BAEHRENS (1912) tilgen den Vers in ihren Ausgaben. - Dagegen ist freilich zu bedenken: ( 1) Gerade durch den Wechsel in das lopas- Lied wird eine Wiederholung vermieden. (2) Auch 23,5sq. gebraucht Minucius Felix die Markierungen alibi und illic ungena u und vornehmlich dazu, einen Wechsel in der Quelle anzuzeigen (dazu PELLEGRINO und unten [l5lsqq.J ad l.). (3) Da es s ieb um das einzige wörtliche Zitat handelt, besagt das Fehlen einer Parallele für den übergangslosen Wechsel des Prätextes wenig. ( 4) Der Vergleich von Minucius Felix und Laktanz ist insofern schwierig, als deren Zitiertechnik, wie schon HAGENOAHL ( Methods passim) gezeigt hat, grundsätzlich verschieden ist: Minucius Felix greift zum Zweck sprachlieber und inhaltlicher Adaptation i.n die Texte ein, während La.ktanz sie meist wörtlich und ausführli ch wiedergibt. So wird Lact. inst. 1,5, 11 auch magno se corpore miscet zitiert, Min. Fel. 19, 1 aber, wie gezeigt, wohlweislich ausgelassen. (5) Auch das lopas- Lied gehört zu den kosmologischen Kernstellen bei Vergil, es der Anchisesrede und der Passage über die fLt9~t( der Bienen am göttlichen voü( an die Seite zu stellen , ist durchaus konsequent, zumaJ so auch die Basis der Argumentation mit Vergil verbreitert wird. - Eine Ergänzung des überliefertenhomineszu m vergilischen hominum genushat zuerst J . V AHLEN, Opuscula academica II, Leipzig 1908, 116 (erstmals: Index lectionum aestivarum Univ. Berolin . 1894 , 11 ) vorgeschlagen : "Error enim librarü manifestus est: unde homi[num geJnus et pecudes" (diesem Vorschlag folgen beispielsweise die Ausgaben von VAN WACENINGEN, 1923, und WALTZING, 19262 ), mit der Begründung "neque vero credibile vel interpola. torem, nedum Minucium ipsum, mutilum versum malui.s se qua m integrum apponere". Schon H. SAUPPE bezweifelt in der Rezension der Ausgabe von HALM, Wien 1867, GGA 129 {1867) , 1992- 2000, hier 1996, daß Minucius Felix den Text "so unmetriscb hingesetzt" habe , schlägt aber unde homines sunt et pecudes vor. Die Argumention für eine Vervollstä ndigung läßt sich folgendermaßen ergänzen: Was Zitiertechnik und Stilistik angeht, so wäre erstens die absichtliche Kürzung von hominum genus zu homines überAüssig, d a sie weder einen nennenswerten Raffungse.ffekt noch einen inhaltlichen Gewinn mit sich bringt. Zweitens beseitigt Minucius Felix bei allen untersuchten Zi-
Il.2.2
Die Yergilzitate
145
Wenn also jedenfalls die Kombination des Georgika- und des Aeneiszitates für authentisch zu erachten ist , stellt sich die Frage, ob es sich um einen Zitierfehler oder um einen bewußt zusammengestellten Cento handelt. Gegen die häufig vert retene Annahme von einer Unachtsamkeit oder Verwechslung auf Seiten des Autors 1 kann WIESEN 2 neben dem formalen Gesichtspunkt, daß ein Zitierfehler solcher Art unwahrscheinlich ist, 3 und neben den Parallelen 4 für eine theologische Argumentation anhand eines Cento vor allem a uf den .. inhaltlichen Gewinn verweisen , der mit dem Ubergang zum Vers a us dem Iopas- Lied verbunden ist: Der Vers georg. 4,222 hinc pecudes armenta viros genus omne jera1--um nämlich bringt deutlich den pantheistischen Aspekt taten - am a ugenfälligsten be i d er Para phrase der Anchisesrede: a lle Versenden sind von de n Eingriffen betroffen - stets die Hexameterschlüsse und stellt an a llen Ko lonausgänge n eine n Kla uselrhyt hmus her. Überhaupt vermeidet er streng die heroische Klausel (MOLLER Rhythmische Bemerkungen 63). Angesichts dessen erscheint es kaum d e nkbar, daß MirlUcius Felix selbst hier de n Vers zwar vorne ohne Grund verstümmeln, gerade den metrisch a uffä lligen und deswegen stilistisch problematischen Schluß aber unverändert beibehalten sollte. Das Gesamtbild der Zitiertechnik des Minucius Felix läßt hier also einen volls tändigen , aber keinen a uf die überlieferte Weise verküJ·zten Vers erwa rten . Hinzu kommt drit tens, daß die a usdrückliche Ankündigung haec en im verba sunt in einer de utlichen Spannung zur t radierten Verstümmelung des Verses steht, die Minucius Felix dem Leser doch kaum, zuma.l grundlos, zumuten dürfte. Viertens bietet VAHLEN eine befriedigende Fehlergenese. Vielleicht könnte man in diesem Zusammenhang a uch andere Stellen bedenken, a n denen im Parisinus lat. 1661 ein genus a usgefa llen zu sein scheint ( Arnob. nat. 1,39; 2,21; 4,8; 5,26.33 mit MARCHESI ad l.), und d.ie Möglichkeit einer rnißverständlichen Abkürzung für genus ( A. CAPPELLI , Lexicon a bbreviaturarum, M ila no 19906 , 153, gns, frei.lich erst ab 15. Jal1rhundert) in einer Vorlage erwägen, welch e d ie von VAHLEN (fü r diese Stelle sicher richtig) s kizzierte Fehlergenese forciert haben könnte. 1 So etwa J . VAHLEN , Opuscula academica lf, Leipzig 1908, 11 6 (erstma ls: I ndex lectionum aestiva rum Uni v. Berolin. 1894, 11 ): "Quid hic interpolati? Erravit Scriptor et ex versibus duobus qui eius menti haerebant similem sententia.m habentibus non e um posui t quem debuit sed eius comparem [... ]." WALTZING ad l. 106: "M.F . a confondu les passages"; H.J . BAYLIS, Minucius Felix and his P lace among t he Early Fathers of the Latin C hurcb, London 1928, 128; HAGENDA HL Methods lJ 7; vorsichtiger BEAUJEU ad l. 108: "Minucius se refere d e memoire a t rois textes de Virgile, avec de menues inexactit udes." 2 In d iesem Sinn auch knapp CoURCELLE Lecteu.r·s 472 Anm. 182 = Les peres 37 Anm. 5; INGREMEAU 18sq.. 3 WIESEN 85sq.: (1) Der gesamte Dialog ist sorgfä lt ig a usgestaltet und weist keine Allzeichen flü chtiger oder nachlässiger Abfassung a uf. (2) Der Autor mußte scho n bei der Abfassung mi t einem Leser rech nen , der jede Unachtsamkeit bemerkt, und s ich daher besondere Mühe um deren Vermeidung geben . (3) Es ist kein wahrscheinlicher Zit ierfehle r, in ein ganz anderes Werk zu geraten. (4) Der Zusammenhang beider kombinierten S telle n is t recht verschieden , sie habe n nur eine Gemeinsamkeit: "8oth passages touch vaguely upon cosmology" (86). 4 W IESEN 88sq.: "The use o f centos to support t heological arguments was in vogue [... ] du ring t he late and early third century." Als Argumente führt er an: (1) Tert. praescr. 38sq. (da.zu auch oben [78] ad l. ) verg leicht die Bibelstellensammlungen der Hä rektiker mit Verg il- und Homercentonen zur Unterhaltung (87sq. ). (2) Die G nostiker argumentieren mit Homercentonen ( Belege 89 Anm. 1). (3) Sowohl die pagane Antike in bezug a uf Dichtertexte a ls a uch die christliche Literatur in bezug a uf B ibeltexte verwenden Zitate in freier Kombination und o hne Rücksicht auf den Kontext (89sq.) .
146
II .2
Minucius Felix
der Weltseelenlehre zum Ausdruck und reiht den Mensch unter die übrigen Glieder der göttlichen Natur ein. Die christliche Schöpfungslehre hingegen betont die Sonderstellung des Menschen. 1 Dem wird der Vers Aen. 1,743 unde hominum genus et pecudes unde imber et ignes gerecht, da er eine vom Menschen beginnende, hierarchisch absteigende Anordnung aufweist und in den Stichworten imber et ignes dergestalt die Schöpfung in ihrer Gesamtheit miteinbezieht, daß deren Gottesbezug ( unde) nicht mehr als pa ntheistische Beseelung, sondern als Erschaffung zu verstehen ist. 2 Noch etwas weiter aber führt ein Blick a uf das hintere Glied des Aeneisverses: Unde imber et ignes impliziert ja nicht nur den Bezug auf Gott als Schöpfer der Elemente Wasser und Fe uer, sondern, durch die Bezeichnung mit deren konkreten Erscheinungsformen in imber und ignes, auch aJs Lenker der Naturgewalten Regen und Blitz3 . Das unde verweist also nicht nur auf einen Demiurgen, sondern auf ein e dauernd leitende und erhaltende Macht. Damit verliert, nicht nur für die unbelebte Welt , sondern auch für den Menschen und die übrigen Lebewesen im vorderen Verskolon, der hier ausgedrückte Schöpfungsgedanke jede Konnotation des einmaligen, abgeschlossenen Hervorgegangenseins und erweitert sich zur Perspektive einer creatio continua, a lso zur Zusammengehörigkeit von Schöpfung, Erhaltung und Leitung. Gott erscheint nicht nur a ls derjenige, der die Welt erschaffen hat, sondern zugleich auch als derjenige, der sie mit seiner providentia lenkt. Das so zusammengestellte Vergilzitat enthält a lso im Grunde genommen die Widerlegung der von Caecilius (5,8-13) vorgetragenen atheistischen Position: Dem mechanistischen Weltbild (5,8sq.) steht hier der Schöpfergott entgegen, dem Zufall, der tempestates {. ..} varias et incertas, quibus nullo ordine vel examine rerum omnium impetus volutatur und in incendiis interitum {. .. } insontium nocentiumque schickt (5,10), die providentia, die nicht nur imber et ignes lenkt, sondern auch das menschliche Leben. 4 1
So etwa grundsätzlich in der altestarnentliehen Erzählung von der Erschaffung des Menschen (Gen l ,26sq. ; 2,7). Speziell etwa Tert. a nim. 19,2 gegen die stoische, auf Aristoteles zurückgehende Position, der Mensch habe mit a llen anderen Lebewesen eine anima substantialis gemeinsam, deren besonderer i11tellectus sich erst in der Reifung bilde: fsc. animaej apu d nos in homine pri.vata res est. - Vielleicht, so vermutet W IESEN 87 Anm. 2, wendet sich Minucius Fellx auch gegen die Vorstellung von der Körperlichkeit der Seele. 2 WIESEN 87: "Virgil's meaning is subt.ly but significantly altered. The poet ma.y now be understood tobe saying, not that animals as weil as men receive a portion of the divine birth , but merely tbat God is the author of all nature. The important words are imber and ignes, for they broaden the meaning, changing the original, limited description of living creatures to a more inclusive description of the natural world. T he new meaning achieved by the replacement of line 223 eliminates from Virgil a jarring disagreement witb Scripture." 3 Jn dieser Bedeutung dichterisch öfter vor allem der Plural ignes, etwa Aen. 4, 167; zum Gedanken Hor. carm. l ,34 ,5sq. Diespiter / igni corusco nubila dividens. 4 Auch hier läßt. sich übrigens ein gewisses stoisches Element in der Dichterbenutzung konstatieren , insofern die - wenn auch mit spezifischer Ausrichtung auf einen Schöpfergott - geführten Beweisgä.nge deum esse (etwa in der Baibusrede C ic. nat. deor. 2,412) und mundum providentia gubernari (Cic. nat. deor. 2,73-153) zu den gr undlegen-
11.2.2
Oie Vergilzitate
147
19,2c Quid aliud et a nobis deus quam m ens et ratio et spiritus praedicatur'?
Mit dieser rhetorischen Frage faßt der Redner Octavius zusammen, was seine Zuhörer aus den angeführten Beispielen entnehmen sollen: Die bei Vergil entfaltete Gottesvorstellung stimme im Grunde mit der christlichen überein. Diesen Grad der Konvergenz kann Minucius Felix freilich nur hier und nur deswegen suggerieren, weil er in den vorausgehenden Zitaten durch ausgewählte Anknüpfung a n stoisch beeinflußte Theologumena bei Vergil , durch Kürzung und Zusammenstellung der Zitate einen im Sinne des christlichen Gottesbildes und der christlichen Lehre von Schöpfung und Vorsehung verstehbaren Vergil vorgeführt hat. 1 Welch entscheidende Mittlerfunktion die Stoa, insbesondere deren anima mundi-Lehre, dabei erfüllt, zeigt das Aufgreifen der Begriffe mens et ratio et spiritus in diesem Resümee der vergilischen Argumente.2 Wie schon im Überleit ungssatz zwischen den beiden Vergilzitaten greift Minucius Felix diejenigen Begriffe auf, die er im paganen Denken als Chiffren für den eigentlichen Ausdruck deus vorfindet , der den christlichen Gott bezeichnet. Diese wiederholte Betonung ist zum einen theologisch motiviert, da die vorgeführte Annäherung der stoisch- vergilischen und der christlichen Gottesvorstellung darauf beruht, daß mens und spiritus nicht als umfassende Bestimmung des Wesens Gottes, sondern als mögliche Aussageformen für das Wirken Gottes in der Immanenz verstanden und auf den übergeordneten, für TI:anszendenz und Personalität offenen Begriff de'I.Ls zurückgeführt werden. Zum anderen leiten die drei Ausdrücke mens et ratio et spiritus von den poetae zu den philosophi über, da mens und spirit'US bei beiden, ratio nur bei den philosophi als Gottesbegriff vorkommt. 3 Zwar wird a llgemein eine trinitarische Deut ung der Begriffstripel abgelehnt,4 doch fühTt sie immerhin vor Augen, daß nicht zuletzt die Aussagen der Bibel über
r:r,i,
den Anknüpfungspunkten des christlichen a n das stoische Denken gehören . 1 In diesem Sinn a uch knapp INGREMEAU (19) mit Verweis auf d as entsprechende 17,3- 10 entworfene Gottesbild. 2 Jn diese Richtung geht auch PELtECRINO (ad l. 147) mit seiner treffe nden Zusammenfassung: "Virgilio si fa eco della teoria stoica, ehe presenta Oio come l'anima, Ia mente immanente al mondo a cui communica Ia vita. Ottavio interpreta in senso crist iano tale dottrina, in qua nto insegna, secondo lui, l'uni tit e Ia spiritua lita di Oio; ma eben chiaro, da tutta le [sie] sua esp osizione, ch 'egli concepisce Dio come trascendente e personale." Zum stoischen C harakter der Begriffe m ens, ratio, spiritusetwa Sen. dial. 12,8,3sq. ld yl1.p CWiJ.6V xcxt XIVOU!J.t9cx xcx t taj.liv, xcxl 11vt' 1wv xcx9' UIJ.ä' no1T)1wv dpTjxcxatv· 1oü yap xcxt rlvo, iaj.Liv. Zu dieser vielirakt.ierten Stelle, neben den Kommentaren, L. LECRAND, Aratos est-il parmi les prophetes?, in: La vie d e Ia Parole de I' Ancien au Nouveau Testament. Melanges P . CR.ELOT, Paris 1987, 241- 258. Für das be kannte Thikolon tv cxinij) yap Cw!J.tv xal xwOVIJ.~ecx xa! ia!J.tv, eine vorlukanische Pormel unbekannter Herkunft, gilt übrigens das nämlic he, d enn eigentlic h s ind •·Le ben , Bewegung und Sein des Me nschen 'i n Gott' pantheistisch gedacht. a ls Immanenz des
w,
150
11.2
Mioucius Felix
über das im engen Sinn Gemeinte hinausweisende Formulierung für die Hinordnung des Menschen auf den einen Gott a ufgegriffen wird.
22,5 Qui d'? formae ipsae et habitus nonne arguunt ludibria et dedecora deorum vestroru.m '? Vulcanus claudus deus et debilis, Apollo tot aetati bus levis, A esculapius bene barbatus, etsi sempe1· adulescentis Apollinis filius , Neptunus glaucis oculis, Minerva caesiis, bubulis l uno, pedibus Mercurius alatis, P an ungulatis, Saturnus compeditis. In der Polemik des Octavius gegen die Darstellungsweisen der paganen Götter gebraucht Minucius Felix das in dieser Verwendung nur bei Vergil (Aen . 4,259 fsc. Cylleniusj alatis tetigit magalia plantis) und Ovid (fast. 5,666 alato qui pede carpis iter) belegte alatus.1 Allerdings fällt auf, daß sich die Attribute, die Minucius Felix in dieser Aufzählung den Göttern zuschreibt, auf die volkstümliche Ikonogra phie und Vorstellung beziehen. Davon macht auch alatus keine Ausna hme, da das Wort zum einen im Rahmen eines Epit heton für Merkur in der Dichtung nur an den beiden genannten Stellen belegt ist, sich der Sache nach a ber auf ein übliches ikonographisches Attribut bezieht 2 und da Minucius Felix zum anderen den übrigen color poeticus ( Cyllenius, plantae) durch prosaische Wörter ersetzt ( Me·rcurius, pedes - letzteres freiLich bei Ovid ). Minucius Felix scheint hier das vergilische Adjektiv weniger in der Absicht zu verwenden, damit a uf die Darstellung Merkurs in der Dicht ung anzuspielen, als vielmehr einen knappen, treffenden Ausdruck für die geflügelten Füße des Gottes in der volkstümlichen Vorstellung zu suchen. 22,7 Erigone suspensa de laequeo est, ut Virgo inter astra signata sit; Castores alternis moriuntur ut vivan t; A esculapius ut in deum surgat fulminatu?·; He1·cules u t hominem exuat Oetaeis ignibus concrematur.
In einer Aufzählung von Göt tern, die dem Mythos nach ihre Unsterblichkeit erst durch den Tod erlangen, erwähnt Octavius a uch die Dioskuren. Die Formulierung scheint von Vergils knapper Darstellung des Mythos, Aen. 6,121 fratrem Pollux alterna morte redimit, angeregt zu sein. Den Wortlaut dieses in der Dichtung oft imitierten Locus classicus gibt Minucius Felix in verba lisierter Form ( alternis moriuntur für alterna morte) und mit einem zu den übrigen Kola parallelen Finalsatz wieder. 3 Minucius Felix Liegt also Menschen in der alles durchwaltenden Gottheit" (R. P ESCH, Die Apostelgeschichte 2. EKK V /2, Zürich 1986, 138sq.). 1 Cf. T hLL I s.v. tllatus 1482,26sq. 2 Cf. G . SIEBERT, ' Hermes', LIMC S, l (1990) 383: "Les 1tup61v1a 1t'Mlta servent des l'origine ä Ia cara.cterisation iconograpbique d u dieu 1...].'' 3 Insbesondere alternus findet sich seit Vergil immer wieder in d er Dichtung für die mit Castor geteilte Unster blichkeit des Pollux , zusammengeste llt T hLL I s.v. a.lternus 1754,7Q-73 {der Beleg Min. Fel. 22,7 wird als adverbiell gebra uchter Ablativ mit einem zu ergänzenden vicibus gesondert 1757,80 a ufgefü hrt). Besonders a uffällig ist die Nachwirku ng des vergiüschen locus classicus etwa Ov. fast. 5,719 dixit fsc. Pollu::z:} et alterna fra.trem statione redemit (cf. Bö MER a.d l. 335); Macr. sat. 1,21,22 gemini autem,
B. 2.2
Die Yergilzitate
151
offensichtlich daran, die a uf Vergil zurückgehende klassische Formulierung zu verwenden, deren color poeticus durch die Verbalisierung jed och stark verblaßt ist.
23,6 (5} Alibi Hercules stercom eger'it et Apollo Admeto pecus pascit; Laomedonti vero muros N eptunus instituit, nec m ercedem operis infelix structor accipit. (6} Illic Iovis fulmen cum Aeneae armis in incude fabricatur, cum cael'um et fulmina et fulg·ura Longe ante fuerint, quam Iuppiter in Creta nasceretur, et fiammas veri fulminis nec Cyclops potuerit imitari nec ipse Iuppiter . non veren. Im Rahmen seiner Kritik an den t raditionellen religösen Vorstellungen des Heidentums wendet sich Octavius gegen die dichterische Mythologie (23 ,18). Dazu bringt Minucius Felix zunächst Beispiele aus dem ausdrücklich genannten Homer (23,3sq.) , dann scheinbar aus einer zweiten (§5 alibi) 1 , schließlich aus einer dritten (§6 illic) 2 Quelle. Die beiden letzten Beispiele (§7) fügt er ohne Markierung an 3 . Die exempla in den §§3- 5 scheint Minucius Felix von Tertullian (apol. 14,2- 4) zu übernehmen, der Mythos von de r Schmiede im Ätna hingegen, in der neben Jupiters Blitzen auch die Waffen des Aeneas hergestellt würden, findet sich dort nicht. Der mit illic bezeichnete Referenzpunkt ist die Szene des achten Aeneisbuches, in der Vulkan seine Werkstat t im Aetna betritt, um die von Venus erbetenen Waffen für Aeneas anzufert igen, Aen. 8,424- 428: ferrum excrcebant vasto Cyclopes in antro, Brontesque Stempesque et nudus membra Pymgmon. his informatum manibus iam parte polita fulmen erat, toto genitor· quae plu1'ima caelo deicit in terras, par·s imperj ecta manebat.
1
2 3
qut alternis mortibus vivere creduntur. Außerdem zitiert Hygin zweima l ( fab . 80,5 und 251,2} bei Erwä hnungen des Dioskurenstoffes das vergilische alterna morte redimere. Die Angabe b ere itet. Schwierigkeiten: Zunächst nämlich führt Oct.avius (§§2- 4 } Homer a n , den j a Platon t.rotz seines Ruhmes a us seinem Idealstaat verbannt wissen möchte , und zählt. einige E pisode n a us der llias a uf, in denen der Dichter deos [... ]in hominum rebus et actionibus miscuit (§3; im einzelnen: das Eingreifen der Götter in den Kampf, die Verwundu ng der Venus nach II. 5,33D-340, die Uberwindung des Mars nach II. 5,385sq.; 858- 861, die Befreiung des Jupiter durch Briareos nach 11. 1,393-404, Jup iters 1'ränen über den Tod des Sarpedon nach II. 16,458--461 und die Benutzung d es von Venus ausgeliehe nen G Urteis durch Juno und Jupiter als Aphrodisiakum nach Tl. 14 ,214- 35 1). Da nn scheint alibi (§5) zu nichthomer ischen Beispielen überz uleiten, tatsächlich fehlt Herkules' Säuberung des Augeiasstalles bei Homer. J edoch finden s ich d er daran syndetisch angeschlossene Mythos von Apoll als Rinderhirt und d er im fo lgenden Satz erwähnte Mythos vorn Betrug des Laomedon a n Nept.un wieder zusammen in der Ilias (2 1,443-457). Dazu P ELLEGRJNO ad l. 174: "svista dello scritt.ore o semplicemente dimenticanza de ll' alibi?" Cf. P ELLEGFU NO ad l. 175: "corrisponde ad alibi del §prec., per indicare un a.lt.ro poeta o un a.ltro luogo". Min. Fel.23,7 Quid loquar Martis et Veneris adulterium deprehensum et in Ganymedern Iovis stuprum caelo consecrotum? Die Beispiele gehen wiederum auf Homer (Od . 8,266-366; II. 20,231-235) zurtick.
152
II.2 Minucius Felix
Die Vorstellung jedoch, die Blitze würden für Jupiter im Ätna geschmiedet , erwähnt schon Cicero (div. 2,43 non enim te puto esse eum, qui Iovi fulmen fabricatos esse Cyclopas in Aetna putes) a ls einen beinahe sprichwört lichen Abergla uben im Zusammenhang mit der an sich ernstzunehmenden Frage nach der Herkunft d ieses Naturphä nomens. Auch die Weiterführung zu einer, im Sinne der Zeit , wissenschaftlichen Erklärung haben Cicero und Minucius Felix gemeinsam. Vielleicht geht von Cicero die Anregung zu dieser Vergilbenutzung aus. Dabei ist es lediglich der knappe Zusatz cum Aeneae armis, der den Leser, durch illic auf eine Dichterreferenz vorbereitet , zu der höchst kunstvoll ausgearbeiteten Aeneispassage 1 führt. Auf diese Weise wird die Vulkanusschmiede in ihrer vergilischen Ausgestalt ung, etwa mit den halbfert igen Auftragsarbeiten für andere Götter , a ls Illustration im Hintergrund evoziert. Das Vergilzitat schafft nicht nur, wie B ECKER bemerkt , "römische Atmosphä re" unter all dem Homerischen , sondern lenkt den Blick auch a uf eine Aeneispassage, in der eine traditionelle Vorstellung paganer Religiosität in kunstvoUer Weise ausgemalt wird .2 23, 11 {10} Is itaque Satumus Creta profugus Italiam metu filii saevientis
accesserat, et Iani susceptus hospitio rudes illos homines et agrestes multa docuit ut Graeculus et politus: litteras inprimere, nummos signare, instrumenta conficere. (1 1} Itaque latebram suam, quod tuto latuisset , vocari maluit Latium, et urbem Satumiam idem de s·uo nomine et Ianiculum Ianus ad memoriam uterque posteritatis reliquerunt. Im zweiten Teil des Ka pitels 23 (23,9-24,1) greift Octavius den Aspekt der veritas (23,8) der Mythologie auf: Den Mythos von der F lucht des Saturn nach Italien , seiner Aufna hme und seiner Wirkung dort s ucht er in einer euhemeristischen Argumentation zu widerlegen. Die Formu lierung dieser Überlieferung lehnt sich deutlich an die Ausführungen des Euander im achten Aeneisbuch an, zunächst an Aen. 8,322sq. (319- 323): primus ab aetherio venit Saturn:us Olympo arma I ovis fugiens et r-egnis exsul ademptis. is genus indocile ac dispersum montibus altis composuit legesque dedit, Latiumque vocari maluit, his quoniam latuisset tutus in oris. Mit nur geringen Veränderungen werden die Verse 322b.323 übernommen :3 Minucius Feli.x zieht den Ka usalsatz vor, substituiert quoniam durch quocf , 1
Cf. GRANSDEN ad Aen . 8 ,424---453 ( 140) . 2 BECKER Octavius 35 hingegen: "Sachlich ist d as kaum eine Bereicherung, da in der Aeneis die Götter nicht herabgewürdigt oder vermenschlicht werden ; a.ber Minucius will auch in solche Zusammenhänge römische Atmosphäre hereinbringen." 3 Überhaupt ge ht diese Etymol.o gie auf Verg il zurück, dazu unten (307) zu Arnob. na.t. 4,24, wo s ie ebenfa lls, jedoch mit einer geringere n sprachlich en Referent ia lität, aufgenommen wird. 4 Vielleicht um der semantischen Genauigkeit willen ? Cf. KS II 382sq.
11.2.2
153
Die Vergilzitate
tutus durch tuto und läßt, da ja keine unmittelbare Deixis mehr gegeben ist, his {.. .] in oris weg. Dessen semantische Funktion übernimmt das ergänzte, proleptisch zum Hauptsatz gestellte latebram suam. Die in Kontaktsteilung und ohne morphosyntakische Adaptation, aber mit Permutation übernommenen Elemente vocari maluit Latium1 ergeben eine kretisch- t rochäische Klausel2 . Vor dem Hintergrund dieses de ut lichen Zitates läßt sich auch die vorausgehende Schilderung von der Ankunft des Gottes in Latium und von seinem kulturbringenden Wirken als Prosaparaphrase des Vergiltextes sehen:
Aen. 8 ,316sq.; 319- 322a
M in . Fel. 23,10
Is itaque Satumus
319
Primus ab aetherio (. ..) Saturnus Olympo
Creta profugus Italiam m etu filii saevientis
320
arma Iovis fugiens et regnis exul ademptis
accessemt,
319
venit
rudes illos homines et agrestes
321
multa docuit
321a
is genus indocile ac dispersum montibus altis composuit legesque dedit
et Jani susceptus hospitio
ut Gmeculus politus: litteras imprimere, nummos signare, instrumenta conficere.
316sq.
quis neque mos neque cultus emt, nec iungere tauros / aut componere opes nomnt aut parcere parto
Was Minuci us Felix hinzufügt, sind das hospitium des Janus, die Cha rakterisierung des Saturn als Graeculus et politus, der nicht d ie Kunst des Ackerba us, sondern höher e ntwickelte Kult urtechniken wie Schreiben, Münzprägung und Werkzeugherstellung bringt. In dieser Verschiebung bereitet der Apologet schon den Boden für die euhemeristische Argumentation: So nä mlich erscheint Saturn ganz anthropomorph als Fremder, der in einem minder zivilisierten La nd Asyl gefund en hat und der , ut Graeculus et politus, aus dem Kulturgefälle Kapital schlagen kann. Aber nicht nur die Etymologie von Lat ium, sondern a uch diejenige von Satttrnia und l aniculum übernimmt Minucius Felix aus den Erklärungen des Euander, Aen. 8,357sq.: hanc Ianus pate1·, hanc Saturnus condidit arcem; Ianiculum huic, illi fuem t Saturnia nomen. 1
2
Das unnötige -que entfällt . T iito ( cf. M ÜLLER Rhythmische Bem erkungen 63) latufsset und malU{t Latiüm.
154
11.2 Minucius Felix
Die anaphorische Verflecht ung des Prä textes löst Minucius Felix in seiner schlichten Prosaparaphrase auf, bei ihm stehen die St ichwörter ( Saturnia idem (sc. Saturnusj und Ianiculum Ianus) nebeneinander. 1 Was diese Zitat e illustrieren sollen, sagt Minucius Felix dann (23,12) a usdrücklich: homo igitur utique qui fugit, homo utique qui latuit, et pater hom inis et natus ex homine. Der Apologet kehrt also im Rahmen dieser euhemeristischen Argumentatio n die urs prüngliche Intent ion der beiden bekannten Namensätiologien um: Sie belegen rucht mehr das bis in die Gegenwart wirkende göt t liche Walten in der La ndschaft um Rom, sondern den menschlichen Ursprung seiner Götter.
25,1 'At tarnen ista ipsa superstitio Romanis dedit auxit fundavit imperium, cum non tam virtute quam religione et pietate pollerent. ' Mit diesem fik t iven Einwa nd leitet Octavius in seiner Rede von der Krit ik a n der paganen Religion zur Widerlegung des von Caecilius vorgebrachten (6,2sq. ) Argumentes über, die Größe Roms liege in seiner Ftömmigkeit begründet. Die Worte des jictus interlocutor nehmen die J upiterprophezeiung des ersten Aeneisbuches auf, 279 (276- 279): Romulus excipiet gentem et Mavorti a condet moenia Romanosque suo de nomine dicet . his ego nec metas rerum nec tempom pono: imperium sine fine dedi. [. .. } Minucius Felix übernimmt mit Romanis dedit [. .. J imperium d ie entscheidenden Stichworte. Obwohl er sie pleonastisch mit auxit fundavit zu einem Trikolon erweitert, besteht doch ein deut licher Bezug nicht nur im Aus druck, sondern a uch im religiös begründeten Verständnis von der Send ung Roms.2 Bemerkenswert ist die Änderung des Subjekts: Dadurch, daß nicht, wie bei Vergil, der Göttervater, sondern ista superstitio d as imperium verleihen, ist der rejutatio schon Tür und Tor geöffnet. Die Vergilreferenz verleiht also dem fiktiven Einwurf Gewicht und Authent izität, ist a ber schon auf die Widerleg ung hin a usgerichtet. Vielleicht wird Minucius Felix zu dieser Vergilbenutzung von Tertullian a ngeregt. Der nämlich zitiert dieselbe Vergilstelle in einer ähnlichen rejutatio, wenn er unter Hinweis auf d ie Freveltaten der Römer argumen t iert , die Götter verliehen also ihren Feinden ein imperium sine fine (apol. 25,16). 3 1
Durch den unmittelbarem Zusammenhang mit dem eindeutigen Zitat in der Etymologie von Latium steht d ie Yergilreferenz a ußer Frage, isoliert findet sich d ie Etymologie von Saturnia und laniculum Arnob. nat. 1,36a, d az u unten (276) ad I. 2 Der Ausdruck imperium dare (ThLL V s. v. do 1676,33-4 1) findet sich hä ufig für die Übertragung ei.n er Vollmacht, meist aber in einem konkreten rechtl ichen Sinn , ein Verwa ltu ngsaktist etwa C ic. Phil. 11 ,20; r. gest. d iv. Aug. 1; Curt. 3,3, 1, bezeichnet, eine göttliche Herrschaftszuweisung Val. F l. 6,475sq. omne ait {sc. Venusj 'imperium natorumque arma meorum / cuncta dedi. F tir die Gelä ufigkeit der Verse in der Spätantike sprechen die Zitate Aug. civ. 2.29; 5,12; serm. 105,7,10 etc. 3 Dazu oben (54) zu Tert. apol. 25,16.
Il.2.2
Die Verg ilzitat e
155
25,3 Mox alienas virgines iam desponsatas, iam destinatas et nonnutlas de matrimonio mulierculas sine more rapuit violavit inlusit [sc. r·eligiosa civitas}, et cum earum parentibus, id est cum socer'is suis, bellum miscuit, propinquum sanguinem fudit.
Unter den Untaten der vermeintlichen religiosa civitas nennt Octavius den Ra ub der Sabinerinnen. Die Formulierung für diese Episode lehnt sich an die entsprechende Passage der Schildbeschreibung im achten Aeneisbuch an, 635 (635- 637): nec procul hinc Romam et raptas sine more Sabinas consessu caveae, magnis Circensibus actis, addiderat, [. .. ). Das Verb raper·e erscheint bei Minucius Felix in fini ter Form , das vergilische sine mor·e bleibt unverändert 1 . Die bei Vergil ausdrücklich genannten Sabinerinnen periphrasiert Minucius Felix als alienae virgines. Damit gewinnt zum einen die Anspielung auf den historischen Sachverhalt an Subtilität, zum andem hebt alien·us das Unrecht hervor. Doch ist zu fragen, ob der vergilische Einfluß soweit reicht. Minucius Fellx scheint hier nämlich ein weiteres Vorbild zu haben, Tertullians Bezugnahme auf den Ra ub der Sabinerinnen in der Schrift ad nationes, 2,9,19: Romulus et fratr-em interfecit et alienas viryines dolo rapttit.2 Was Minucius Felix von Vergil übernimmt, ist die in raptas sine more angelegte negative moralische Wertung des Vorfalls, die der Apologet in seiner Darstellung in aller Deutl ichkeit ausführt. Die formalen und intentionalen Vorgaben des Apologeten einerseits und der Schildbeschreibung andererseits sind auch kaum zu vereinbaren: Während Vergil, der eine bildnerische Darstellung beschreibt, einige Aufmerksamkeit dem Schauplatz des Raubes widmet, legt Minucius Felix den Schwerpunkt a uf den Rechtsbruch: Daher nennt er die Gera ubten a usdrücklich alienas virgines iam desponsatas, iam destinatas, fügt nonnutlas de matrimonio mul-ierculas hinzu und erweitert das von Vergil übernommene raper·e zum pleonastischen n·ikolon rapuit violavit inlusit. Auch den Fortgang des Geschehens, die sich anbahnende kriegerische Auseinandersetz ung, beschreibt Vergil unter ikonographischen Gesichtsp unkten a ls nächste Szene, während Minucius Felix das Frevelhafte des Krieges w1ter Verwandten hervorhebt, der bei Vergil keine Erwähnung findet 3 . Vergil liefert hier nicht nur eine klassische Formulierung für ein exempl·u m 1
2
3
ThLL VI II s.v. 1. mos 1528,36-42 gibt. für sine more nach Vergil Lact. mort. pers. 39,4 und spätere an; zudem Sen. dial. 5,2,5; Sil. 10,31; St.at. T heb. 1.238; 11 ,524; Tac. hist. 1,38. Auch Ovid schreibt über die Sabinerinnen (ars 1,119) timuere viros sine more 1-uentes (aber varia tectio: sine lege) . Die Junktur ist a lso nicht auf die Dichtung festgelegt, aber im Zusammenhang mit den Sabinerinnen sicher a ls Vergilzitat zu verstehen. Der Brudermord des Romulus ist auch bei Minucius Felix das vorhergehende Beispiel (25,2 i pse Romulus {. .. ] parricidiu.m jecit). - Daß Minucius Felix auch jene frühere, vermutlich unvollendete und nicht zur Veröffentlichung bestimmte Apologie kennt, ist nach ß ECJ<ER ( Tertullians Apologeticum 317) anzunehmen. Ausführlich dazu etwa Liv. 1,9-13.
156
U .2
Minucius Felix
aus der römischen Geschichte, sondern a uch den Ausgangspunkt, in gewisser Hinsicht sogar die auctoritas dafür, darin einen Schandfleck in der römischen Geschichte aufzuzeigen. 26,8 (7) Quamquam inter multa mendacia vide1·i possit industriam casus imitatus, adgrediar tarnen fontem ipsum erro1is et pravitatis, unde omnis caligo ista manavit, et altius eruere et aperire manifestius. {8) Spiritus sunt insinceri, vagi, a caelesti vigore terrenis labibus et cupiditatibus degravati. isti igitur Spiritus, posteaquam simplicitatem substantiae suae onusti et inmersi vitiis perdiderunt, ad solacium calamitatis suae non desinunt perditi iam perdere et depravati errorem pravitatis infundere et alienati a deo inductis pravis religionibus a deo segregare.
Auf den fiktiven Einwand, manchmal gebe es zutreffende Orakel, entwickelt Octavius zur Erklärung seine Dämonologie: Spi1itus seien durch das Laster aus der himmlischen Reinheit gefallen und suchten nun die Menschen durch Blendwerk und Lügen zu verwirren. 1 Den ursprünglichen Zustand der Däm
Lattv, d~ ou"to~ t~ &px_ij~ xcd 116vo~ 6
Aug. conf. 1,3,3 in einer Reflexion über Jer 23,24. Auf diese Stellen verwe ist schon PELLEGRJNO ad l. 239. Mit der Gemeinsamkeit von Titania astra und sol sollte man wohl nicht argumentieren: Zum einen ist der Wortlaut verschieden, zum zweiten besteht kein syntaktischer Zusammenbang mit infusus oder miscere im Sinne einer J unktur, zum dritten wird die Sonne bei Minucius Felix in einem ganz anderen und prägnanten Ko ntext erwähnt. Im übrigen widerspricht sich CouRCELLE hier insoweit, als er einerseits davon ausgeht, Minucius Felix habe Vergil in Seneca (epist. 41,1.5) eingeschoben , andererseits aber für diese Stelle behauptet, Vergils Titania astra rege die Verwendung d es Sonnengleichnisses an, in dem aber die Sonne auf der Sachhälfte für Gott steht, während sie in der Anchisesrede vom Göttlichen beseelt wird. Seide PrätextstelJen haben also nichts außer dem bloßen Semem 'Sonne' gemeinsam. - Immerhin könnte der Gebrauch von infusus und m iscere von Vergil angeregt sein , der zumindest für deren bei ~l i nucius FeliJ< allerdings mittelbare Verbindung das nächstliegende Vorbild zu sein scheint. So finden sich Komposita zu miscere bei Cicero in t heologisch- kosmologischem Zusammenhang (etwa nat. deor. 2,26 aquae et1am admixtum e$8€ calorem primum ipse Iiquor aqua.e declarat et fusio, quae neque conglaciaret frigoribus neque nive pruinaque concresceret, nisi eadem se admixto calore liquefa cta et dilapsa diffunderet; 3,36 Quod si ignis ex sese ipse animal est nulla se alia admiscente natura, quoniam is, cum ine$t in corporibus nostris, efficit ut sentiamus, non potest ipse esse sine sensu.), zu infusv.s verweist TbLL VII, I s.v. infundo 1508,31- 35 'de spiritu divino' auf Varro fr. Serv. georg. 1,315
11.2.2
Die Vergil.zit.ate
163
der Anchisesrede (Aen. 6,724- 727) und Iovis omnia plena (ecl. 3,60) zusammen zit iert werden, t rifft nur fü r zwei der angeführten Stellen zu , die außerdem deutlich jünger sind als Minucius Felbc 1 (b) Daß die Stichworte infusus und miscere häufig in Texten stehen, die von der Anchisesrede beeinfiußt sind , ist insofern eine wenig aussagekräftige Beobachtung, als sie in jener ja vorgegeben sind. Es wird im Grunde genommen also damit argumentiert, daß die Anchisesrede oft und unter Übernahme der den spezifischen Sinn tragenden Wörter infusus und miscere zit iert wird. Allerdings ist Minucius Felix selbst für die Rezeption der Anchisesrede der älteste Beleg,2 und bei seiner paraphrastischen Varro in libris divinarum dicit, deum esse Lactantem, qui se infundit segetibus et eas facit lactescere. Cic. nat. deor. 1,28 aut infixus aut infusus [. .. } in mundo; Manil. 2,61 infusumque deum caelo terrisquefretoque und Min. Fel. 32,7, Vergil findet sich am Ende (1508,52) eigens 'cum nota diffundendi '. Zusammen erscheinen infundere und miscenJ
1
samt Ableitungen sehr häufig technisch in Rezeptangaben, etwa Vitruv. 2,5,1; Colum. 6,5,3; 6,6,30; Cels. 4 ,26,7; 5,17,2c; 6,19.1; Plin. nat. 28,175; Scribon. 8 , ähn lich Lucan. 1,648 omnis an infusis miscebitu1· unda venenis; nat urphilosophisch Apul. mund. 3 exin inferioris aeris qualitas turbidio1· infunditur, cui permixtus est glacialis rigor. •Jedoch scheint die Verwendung von infusus und miscere für die Immanenz Gottes Vergil und Mjnucius Felix zu verbinden. Paneg. 11 (3) 14 ,2 ltaque illud quod de vestro cecinit poeta Romanus Iove: 'l ovis omnia
plena ', id scilicet animo contemplatus, quamquam ipse luppiter summum caeli verticem teneat supra nubila supraque ventos sedens in luce perpetua, numen tarnen eius ac 'mentem toto infusam' esse mundo, id nunc ego de utroque vestrum audeo praedica.re: ubicumque sitis, in unum pulatium concesseritis, divmitatem vestmm ubique versa1"i, omnes terras omniaque maria plena esse vest1'i. Auson. 419,5 nec iam mirarnur licentiam poetarum, qv.i omnia deo plena dixerunt steht weit entfernt von 419,40 et mens ita aurea quam de communi deoplus quam unus hausisti, das außerdem nicht als sichere Referenz auf Aen . 6,726sq. spiritus intus alit totamque infusa per artus I m ens agitat molem b ezeichnet werden kann. Sen ' . ecl. 3,60 zitiert unter anderem Aen . 6,726sq.: 'ab Iove principium Musae' vel Musae meae ab Iove est principium: vel o musae, sumamus ab Iove principium . est aut.em Amti [1 sq.],qui ait tx ß~i>
166
II.2
Minucius Felix
,AXEpOOalO.~ A.l~-tV1J
sehen. Das saepius bei Minucius Felix führt man öfter auf das vergilische novies Styx interfusa (georg. 4,479; Aen. 6,439, über die Abgeschlossenheit des Totenreichs) 1 zurück,2 doch liegt Platons Formulierung 1t&pL&AlX6d~ 8& 1toA.M:x L~ als Vorbild für saepius ambientis sprachlich näher , obwohl sich ambire auch in Vergils Darstellung des Phlegeton (Aen. 6,550 quae rapidus ftammis ambit torrentibus amnis) findet. Auch der Gedanke, daß der Pyriphlegethon den jenseit igen Strafort ( quae cruC'iatibus aeternis praeparata) umfließe, t rifft gleichermaßen für Vergil, bei dem sich ctie Schilderung des Tartarus anschließt , wie für Platon (Phaed. 114a) zu, der ausführt, daß diejenigen, die noch abbüßbare Verbrechen begangen hätten, xcx'tO. 'tOV Kwxo't6v in den Tartarus geworfen würden, 'tou~ 8& 1tCX'tpcxA.otcx~ xcxl ll1J'tpcxA.olcx~ xcx'tO. 'tOv llupl nvtuv-atl, 5,6a v-axcipo1 ot 1tt1vwvu~ xai öuJ>wvu~ tf}v OIXa iOOUVT]V.
2
3
4
5
LANDGRAF I WEYMAN 247: "Der metaphorische Gebrauch von materist hier sehr kühn und a uffallend wegen der Verbindung mi t deficere (in dem gewöhnlic he n Rahme n de r Metapher be wegt sich de s pect. p. 6,5 idolatriam sustulit ludorum omnium matrem): dachte N. an Aen. 6, I 96f. ?" Cf. T hLL VJII s.v. mater· 447,3- 27: Mutter met a phorisch in s ittlic hen Zusammenhängen etwa C ic. leg. 1,47 voluptas, malor'tlm {. .. } mater omnium; ac. 1,39; Tert. bapt. 17,2 schismatum mater; Arnob. nat. 1,57 die antiquitas a ls mater er-rorum. Cf. T hLL V s. v. deficio 335,47-61: ab C icero rep . fr. 8 sibi [... ) decus. Cf. ThLL V s.v. deficio 336,56 zur Vergils telle o hne Para.lleleo.
202
Il.3 Novatian
spect. 5,1 (CC IV 172,4) Plura prosequi quid est necesse vel sacrificiorum in ludis genera monstruosa describere '? Inter quae nonnumquam et homo fit hostia latrocinio sacerdotis, dum cruor etiam de iugulo calidus exceptus spumanti patera, dum adhuc fervet, et quasi sitienti i dolo in faciem iactatus crudeliter propinatur, et inter voluptates spectantium quorundam mors erogatur, ut per cruentum spectaculum saevire discatur, quasi parum sit homini privata sua rabies, nisi illam et publice discat. Unter den Gräßlichkeiten der spectacula nennt Novatian die Tötung von Menschen, deren Blut, wie beim Opfer, aufgefangen wird. Von einer spumans patera ist auch in der Aeneis die Rede, wenn Dido beim Festmahl für die 'Trojaner nach der Libation und dem ersten Schluck den Becher an den Karthagerfürsten Bi t ias weiterreicht, Aen . 1,739: (. .. j ille impiger hausit spumantem pateram et pleno se proluit auro. Die Zusammenhänge sind also verschieden: Bei Novatian geht es um das Auffangen des schäumenden Opferblutes, bei Vergil um den Trunk schäumenden Weines. Vvas beide Stellen aber verbindet, ist die singu läre Metonymie spumans patera 1 , die Novatian durch die poetische Flexion des Adjektivs noch heraushebt. 2 Auch das bei Novatian geschilderte Auffangen des Blutes in der patera, ein Teil des Opferritus, 3 wird von Vergil beschrieben. 4 So heißt es beispielsweise über d ie Opfer bei der Bestattungsfeier für Polydorus, wo in spumantia cymbia eine vergleichbare Metonymie liegt, Aen. 3,66sq.: inferimtts tepido spumantia cymbia lacte sanguinis et sacri pateras f. ..]. Ähnlich das Opfer für die Unterweltsgötter vor der X<X'taßaol~ , Aen. 6,248: supponunt alii cultros tepidumque cruorem succipiunt pateris. Novatian sucht hier also offenbar ganz bewußt den color Vergilianus, um damit seine Menschenopferschilderung auszugestalten: Der Sache nach lehnt sich Novatian in seiner Da rstellung an die Unterweltsopfer der Aeneis an. Im Totenopfer für Polydorus ist die Metonymie spumantia cymbia vorgegeben, im Opfer vor der X<X'taßaol~ der tepidus (bei Novatian: calidus) cruor. Die 1
2
3 4
Keine weiteren Belege bietet Th LL X, 1 s. v. patera. Cf. NEUE / WAGENER 11 11 1. Die Dichter wechseln nach den Erfordern issen der Metrik zwischen -e (z. B. Verg. Aen. 2,209; 12,651 etc.) und -[ (z.B. Germ. Arat. 212; Ciris 475; Lucan. 9 ,927 etc.; dazu allgemein KH 351 Anm. 7) , erster Beleg könnte Aen. 9,456 sein, wo eine varia lectio (statt pleno spumantis sanguine rivos) Iaulet plenos spumanti sanguine rivos (cf. HARDIE ad l. 156). In der Prosa hingegen wird regelmäßig -e verwendet (Sen. controv. 7,1,10; Suet. Cla ud. 30,1 etc.), allerdings ist das Partizip dort weit seltener (vor allem medizinisch Cels. 2,4,9; 2,7,16; etc.). So etwa auch Cic. div. 1,46; Brut. 43; Sall. Catil. 22,1; Val. Max. 5,6 ext. 2; Val. Fl. 8,818 ; Stat. Theb. 4,464 . Zur patero bei Vergil L. BERJNGER, Die Kultwörter bei Vergil, Diss. Erlangen 1932, 95, allgemein W . HILGERS, Lateinische Gefaßnamen , DUsseldorf 1969, 242- 245.
II.3.2
Die Vergilz itaLe
203
Junkt ur spumans patera setzt Novatian vermutlich des Fachausdruckes patera wegen ein. Zur Hervorhebung des poetischen ChaTakters dient die Form spumanti. Vergil wird als der locus classicus für pagane Opferriten zitiert. Wahrscheinlich will Novatian eher das Scha uerliche der Situation hervorheben und den aut hentischen Ton paganer Religiosität t reffen , als gezielt auf den Dichter verweisen. spect. 7,2 (CC IV 175,6) Clangares tubae bellicos alter' imitatur raucos, alter Lugubres sonos spiritu tibias inflante moderatur, alter cum choris et cum hominis canora voce contendens spiritu suo quem de visceribus suis in superiora corporis nitens hauserat tibiarum foramina modulans, feffuso etj n·unc intus recluso ac 1-epresso, nunc certis foraminibus emisso atque in aerem profu so, item in articulos sonum frangens, loqui digitis elaborat, ingratus artifici qu·i linguam dedit. Die Lächerlichkeit musikalischer Darbietungen demonstriert Novatian durch a usführliche Beschreibungen der Spielweise a uf einzelnen Instru menten. Bei der tuba greift er au f vergilische Sprache zurück: Der Ausdruck clangor tubarum erscheint erstmals und öfter bei Vergil, nämlich für den Schlachtenlärm, der sich im nächtlichen 'n·oja erhe bt (Aen. 2,313 exoritur' clamorque virum clangorque tubarum), für dle himmlischen Zeichen, mit denen Venus den Aeneas zum Aufbruch von E uander mahnt (Aen. 8,526 Tyrr'henusque tubae mugire per aethera clangor) und bei der Bestattung der gefallenen 'n·oj aner (Aen. 11 ,192 i t caelo clamorque virum clangorque tubarum). In späterer Prosa bürgert sich die Formul ierung jedoch ein. 1 Vor allem steht Vergils Beschreibung vom Ausschwärmen der Bienen , das mit einem Kriegszug unter Menschen verglichen wird, im Hintergrund , georg. 4,71 sq.: M arti·us ille aeris rauci canor increpat, et vox auditur fractos sonitus imitata tubarum. Für einen Vergil bezug bei Novatian sprechen, neben der Gemeinsamkeit von drei Worten, auch der dichterische Charakter des Gebra uchs von raucus2 und die a uffällige Verwendung von imi tari, das sich a n beiden Stellen a uf die realistische, aber nicht authentische Hervorbringung kriegerischen 'Thompeten klanges bezieht. 3 Vielleicht stellt das Motiv vom ant hropomorphen Verhalten der Bienen den Ausgangspunkt für die Vergilbenutzung dar , zu dem Novatian die bei Vergil als düster- pathetische Schilderung der Atmosphäre verwendete Junktur clangor tubarum hinzufügt. Novatian sucht den Effekt 1
2 3
Cf. ThLL lll s.v. clangor 1262,68- 84 , FOUCH ER 18lsq., bezogen a uf die tuba sim . ab Vergil in der nachklassischen Epik, ab Ende 2 . J bdt. vereinzelt in Prosa (Apul. mund . 30; Ps. Quint. decl. 9,6), hä ufig be i Amm. (14 ,1, 1 et c.) und in der Vulgata (num. 10,7 etc.) . O LD s.v. rauctLS 3 vom lns trumentenklang, nur dichterische Belege, ab Ennius arm. 520 carmen tuba sola peregit et [... ] raucum sonus aere cu currit. Cf. ThLL Vll,l s.v. imitor 434,22-42 zur schauspielerischen Nachahmung , für Töne etwa C ic. rep. 6, L8 quod hom ines ne,vis imitati atque cantibt.LS. Zum vergilischen Motiv Varro rust. 3, 16,9 duces conficiun t quaedam ad vocem ut imitatione tubae.
204
11.3
Novatian
der Tl·avestie, den die Georgikastelle d urch die Übertragung a uf den Bienenschwarm schon anzudeuten scheint: Das heroische, beinahe unheimliche Pathos des clangor tubarum kontrastiert mit der ins Lächerliche gezogenen Szenerie, das imitari wird zum verzweifelt komischen Versuch der Nachahmung. Dem vergeblichen Streben des Musikers nach einem heroischen Klang entspricht also der vergilische Ton im ironischen Spott, der das ineptum der Schauspiele a uf stilistischer Ebene offenbart. 1 spect. 9,1.2ab (CC IV 177 sq.) Habet Christianus spectacula meliora, si velit, habet veras et profuturas voluptates, si se recollegerit. Et ut omittam illa quae nondttm contemplari potest, habet istam mundi pulchritudinem quam videat atque miretur: solis ortum aspiciat, rursus occasum mutuis vicibus dies noctesque revocantem, globum lunae temporum cursus incrementis suis detrimentisque signantem, astrorum micantes choros et assidue de summa mobilitate fulgentes, (2) anni totius per vices membra divisa et dies ipsos cum noctibus per horarum spatia digestos et terrae molem libratam cum montibus et profusa ftumina cum suis fontibus, extensa maria cum suis fluctib·us atque littoribus, interim constantem pariter summa conspiratione nexibusque concordiae extensum aerem medium tenuitate sua cuncta vegetantem, nunc imbres contractis nubibus profundentem , nunc serenitatem r·efecta raritate revocantem, et in omnibus istis incolas proprios, in aere avem, in aquis piscem, in terra hominem. In den letzten beiden Kapiteln kommt Novatian a uf die meliora spectacula zu sprechen , an deren Betrachtung sich der Christ ergötzen kann : die von Gott geschaffene und geordnete Welt (spect. 9) und seine in der Heiligen Schrift festgehaltenen Heilstaten (spect. 10). Die kontemplativ ausgerich tete Darstellung der göttlichen Schöpfung enthält, wie d as auch in bezug a uf die Funktion ähnliche Einleitungskapitel zu de trinitate, einige von Vergil geprägte oder verwendete Elemente kosmologischer Dichtersprache. 2 Neben allgemeineren Entsprechungen bei der Darstellung der Himmelsphänomene, d ie im Wechsel von Tag und Nacht 3 , in der regelmäßigen Zu- und Abnahme des Mondes 4 und im Wandel der Sternbilder 5 der Welt Ordnung verleihen, und der festgelegten Lebensräume, zum Beispiel des Wassers 6 , läßt sich ein 1
Siehe unten (377) zu Cypr. (= Novatiani) epist. 30,6,3. 2 Darauf hat schon HARNAC K (39) verwiesen, ohne aber einer genaueren Untersuchung vorzugreifen: "Oie folgende Schilderung ist z. Th. ein Cento Vergilianus; ich verzichte darauf, die einzelnen Parallelen zu markiren". 3 So öfter in den Georgika, etwa georg. 1,247- 258; 3,341- 343; 3,40()-.403. Aber auch bei der gattungsüblichen Einteilung in Tag und Nacht in der Aeneis, so etwa Aen . 10,215sq. 10,257. 4 So etwa in den Georgika bei der Erläuterung der guten und schlechten Tage des Monats, 1,276-286; 276 ipsa dies alio alios dedit ortline Iuna, oder zu Beginn des lopas-Liedes in der Aeneis, 1, 742 hic canit errontem lunam solisque Iabores. 5 Zusammen mit Sonne und Mond etwa zu Beginn des Entwurfs der Ideallandschaft dichterischen Scha.ffens, georg. 2,275-278. 6 Etwa Aen. 1,221- 224 Et iam finis erat, cum Juppiter aethere summo I despiciens mare
Il .3. 2
Die Yergilzitate
205
deut lich faßbarer Vergilbezug vor allem für die folgenden Formulierungen vermuten: (1) Für die Junktur globus lunae gilt das oben (193) zu deren weiterer Belegstelle bei Novatian, trin. 1 ,2, Gesagte. Die Wiederholung spricht für ein bewußt gesetztes Lumen. Bemerkenswert ist, daß sich hier ( signantem) wie dort ( candentem) in der Hinz ufügung eines attributiven Partizips ein Reflex der vergilischen Syntax lucentemque globum lunae (Aen. 6,725) erkennen läßt. (2a) Zu dem Ausdruck anni totius per vices membm divisa et dies ipsos cum noctibus per horarum spatia digestos finden sich lexikalische und semantische Entsprechungen an einer Stelle im ersten Georgikabuch, georg. 1,208sq.: Libra die somnique pares ubi f ecerit horas et medium luci atque umbris iam dividit orbem. Für eine Referenz fehlen aber Anhaltspunkte, denn a uch das gemeinsame Vorkommen der drei - bzw. v ier, wenn man trotz Abweichung in Formalkategorie und Semant ik libratam ('ausgewogen ') mit libra ('Sternbild Waage') zusammenbringt - Begriffe besagt wenig, d a es durch d en Gegenstand nahegelegt wird. 1 (2b) Der Ausdruck aerem medium tenttitate sua cuncta vegetantem, (... }imbres contractis nubibus pmfundentem scheint von einer Passage der vergilischen Bugonie beeinflußt zu sein, georg. 4,31l sq. (308- 313): interea teneris tepejact·us in ossibus umor aestuat, et visenda modis animalia rniris, trunca ped1tm primo, mox et stridentia pennis, rniscentur, tenuemque magis magis aera carymnt, donec ut aestivis ejfusus nubibus imber e1'Upere, aut ut nervo p·ulsante sagittae, p1'ima leves ineunt si quando p1'0elia Parthi. Ten·uitas wird hä ufig als Eigenschaft der Luft erwä hnt 2 . Auch daß sich Regen a us den Wolken ergießt, ist ein naheliegender Ged anke, in dieser Formulierung aber selten belegt3 . Vo r a llem aber das Zusammentreffen der Mot ive spricht für einen Vergilbezug. Novatian nominalisiert also den tenuis
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2
3
velivolum ten·asque iacentis I litoraque et latos populos, sie vertice caeli I constitit et Libyae defixit Lumina regnis. georg. 3,541- 543 iam maris immensi prolern et genus omne natantum I litore in extremo ceu naufraga corpora ftuctus I proluit; insolitae fugiunt in ftu mina phoca.e. Die Verwendung der einzelnen Wörter ist unauffä llig (cf. ThLL V s.v. divido 1602,721603,34), den lexikalischen Parallelen fehlt. e ine Entsprechuug in der Syntax, die Pragmatik divergiert insofern , a ls Vergil die Tag- und Nachtgleiche beschreibt, wäht·end es Novatian um das Faktum der natürlichen Zeiteinteilung gehl. Zur Sache natürljch Gen 1,14- 18. Cf. T hLL I s.v. aer J050, l8-68; OLO s.v. tentLis 6a. Cf. ThLL Vll ,l s.v. 1. imber· zur Junktur mit ftmder·e (cf. 424 ,44 - aber nur das verbum simplex erwähm - und zur Juxtapositio n mit nubes, 424,56). PHI 5.3 und C LCLT - 5 b ieten zwa r eine Reihe von Belegen (etwa Lucan. 3,70; Apul. mund . 10; dann erst. Ambrosius und Augustinus), nirgends aber liegt eine so enge Juxtaposition vor wie bei Vergil uud Novatian . Eine feste Wendung scheint also nicht zugru nde zu liegen, die Gemeinsamkeit von Vergil und Novatian ist vielmehr a ußergewöhnlich.
206
II.3
Novatian
aer, wendet den Ausdruck für den Regenguß ins Passiv , verändert dabei das Präfix zu effun dere und ergänzt contractis1 . Die vergilische Szene vom Ausschwärmen der Bienen, das mit einem hervorbrechenden Regenschauer verglichen wird , dient Novatian als Vorlage für die Stilisierung seiner Darstellung der Schöpfungsordnung. Insgesamt gesehen läßt sich ein color Vergilianus zwar in der ganzen P assage erahnen, aber nur an wenigen Stellen sprachlich eindeutig fassen. Novatian sucht einen su blimen Ton der Naturschilderung, der sich mit dem stilistischen Vorbild Vergil berührt. Das Lob der Schöpfungsordnung steht in der Motiv ik eher a uf dem Boden biblischer Vorgaben. 2
de bono pudicitiae In dem Brief de bono pudicitiae mahnt Novatian seine Gemeinde nachdrücklich zur Keuschheit: Der Anfang ist verloren. Zunächst betont Novatia n seine Autorität als Bischof, mit der er nun für die Keuschheit und gegen das Laster a uftrete (Kapitel 1- 4). Dann stellt Novat ian die einschlägigen Regelungen im Alten und Neuen Testament sowie in der Gesetzgebung der Menschen dar (Kapitel 5- 7). Lobend führt er die biblischen Beispiele von Josef und Susanna vor Augen (Kapitel 8- 10). Entscheidend sei der Sieg über die voluptas (Kapitelll ). Abschließend mahnt Novatian zu wohlverstandener Körperpflege (Kapitel 12) und nochmals zu züchtigem Verhalten (Kapitel 13sq. ).
pudic. 10,1 (CC IV 122,7sq.) Non illos emollire potuit invita generosi sanguinis m emori.a, quae in quibusdam licentiam lasciviae ministrat, non decor corporis et apte positorum figura membror"Um, quae suggerit plerumque, ut qu asi flos quidam properantis velociter transiturus aetati$3 porrectae voluptatis occasione pascatur, non anni primi virentis et melioris aetatis, cum rudis adhuc sanguis aestuans naturae ftammas accendit et in medullis caeca versat incendia ad rem edittm suum etiam per per'icttlttm pttdoris itura, non ulla latebmrum et sine ullo conscio, ut a quibusdam putatur, occasio, quae maa;ima vis est admittendi sceleris, dum liberationis occurrit impunitas, non imposita necessitas de auctoritate iubentium et in temeritate participum atque sociorum, quo genere fmnguntur etiam recta saepe consilia, non praemia ipsa, quibus adquiescunt saepe et boni, non accusationes, non minae, non poena, non mortes. 1
Zu den nubibus contractis vielleicht auch georg. 1,323sq. et foedam glomerant tempestatem imbribus atris / collectae ex alto nubes; ruit arduus aether ? 2 Entsprechende Motive wären beispielsweise die pulchrihtdo der Schöpfung (Vulg. P sG 49, 11 ; PsH 26,4; Sir. 43,1; 43,20), die sinnvolle Einteilung von Tag und Nacht (Vulg. gen. 1,14), die Erwähnung der Fische (Vulg. gen. 1,26) ; PsH 8 ,9;) od er die Betrachtung der Himmelskörper (Vulg. dt. 4,19; 17,3; 4J·eg 23,5; PsG 148,2-4). 3 Die Formulierung j!os [... } aetatis, von HARNACK (41) als Anklang an Aen. 7,162 primaevo ftore iuventus namhaft gemacht , ist schon in der klassischen P rosa häufig belegt (ThLL Vl, l s.v. ftos 934 ,62- 73) .
207
Il.3.2 Die Vergilzitate
..
Die in d en vorhergehenden Kapiteln da rgestellte pudicitia des Josef in Agypt en (Kapitel 8) und der Susanna (K apitel 9) s ucht Novatian nochmals ins rechte Licht zu rücken , indem er die überwundenen Schwierigkeiten und Versuchungen hera us hebt. Für die Darstellung der jugendlichen Leidenschaft entlehnt Novatian ein Bild a us der Liebesdicht ung: Die in der medulla wütende fiamma ist seit Catull (100,7 cum vesana meas torreret fiamma medullas) belegt. Vergil beschreibt da mit dann Didos verzehrende Liebe, Aen. 4,66: {. ..J est mollis ftamma medullas inten~a et tacitum vi·uit sub pectore vulnus. Die poetisch hä ufig gebrauchte Metapher findet sich in der Prosa vor Novatiau nur b ei Apuleius. 1 Damit verbindet Novatia n dJe oxymoronhafte Junktur caeca {. ..] incendia für die im Inneren lodernden Liebesgluten. Diese Formulierung läßt sich zurückführen auf den caecus ignis, mit dem Vergil gleich zu Beginn des vierten Aeneisbuches den Seelenzustand der Dido beschTeibt, Aen. 4,2: A t regina gmvi iamdud·u m saucia cum volnus alit venis et caeco carpitur· igni. Das zugrunde liegende Bild geht offenbar a uf Vergil selbst zurück, wird aber hä ufig rezipiert.2 Novatian greift also nicht nur zur Darstellung brennenden Verlangens auf die Sprache der erotischen Dichtung in vergilischer Prägung zurück , sondern führt vielleicht sogar in den für Vergilkenner durchaus erkennbaren Referenzen a uf das Didobuch der Aeneis zwischen den Zeilen , gewissermaßen intertextuell, die unglückliche Königin von Ka rt hago als exemplum ftir die verhä nguisvolleu Konsequenzen vor Augen , die eine nicht beherrschte Liebesglut haben kann .3
pudic. 13, 2 (CC IV 126,6) Sub praetexto quippe naturae, quae homines semper· urget ad affectus, quibus ruinae collapsi generis resarciuntur, blandimento voluptatis fallens non ducit (sc. caroj ad continuandam legitimae coniunctionis sobolem, sed iactat in crimen. Als Gefä hrd ung der p·udicitia nennt Novatia n den Fortpflanzungstrieb. Für dessen P eriphrase lehnt er sich an Vergils Dar stellung der Regenerationskräfte eines Bienenvolkes nach einem Schädlingsbefall a n, georg. 4,249 (248250): 1
Cf. T hLL VIII s.v. medulla. 60 1,32- 44 in der Dichtung außer den genannten Belegen etwa Ov. am. 3, 10,27; Sen. Ag. 132; Med. 8 19; Lucan. 5,8 11 ; P et ron. 121 v. 105 etc. , in der Prosa Apul. met. 10,3 (Isti enim tui ocu.li per meos oculos a.d intima delapsi proecordia meis medu.llis a.cen-imum commovent incendiu.m. ) und hier. 2 Zwar erscheint die Formulierung ca.ecus ignis häu.figer (cf. ThLL 111 s.v. caecu s 45,5254; T hLL lll s.v. ca.ecus 46,24- 26), a ls Bild für das Liebesverlangen jedoch ist die Formulierung rein vergilisch, wörtlich zitiert Quodv. prom. 1,27; cf. PEASE ad Aen. 4,2 (86). 3 W ie eindrücklich Novatian die s prachliche Ausgestaltung der Paränese gelungen ist, zeigt übrigens deren die Vergilreferenzen einschließende Ausschreibung Ps. O rig. tracL. 5,7.
208
I1.3
Novatian
quo magis exhaustae fuerint, hoc acrius omnes incumbent generis lapsi sarcire ruinas complebuntque foros et ftoribus horrea texent.
Eine Gegenüberstellunge zeigt die Veränderungen, die Novatian vornimmt, vor allem aber den engen Zusammenhang der Formulierungen: georg. 4,249 pudic. 13,2
genens rumae 0
lapsi collapsi
0
0
sarc~re 0
gene1"tS
rutnas resarciuntur
Er verändert die Reihenfolge, wodurch er die Schlußstellung des finit gewordenen Verbums und eine ditrochäische Klausel erreicht, und ersetzt die Simplicia durch Komposita. Er paßt das Zitat also syntaktisch und stilistisch 1 dem Kontext an, behält aber die Juxtaposition der E lemente, ihre syntaktische Binnenstruktur und vor allem den Aussagegehalt des Zitatsegmentes bei, so d aß die Referenz erkennbar bleibt. Novatian überträgt das bei Vergil über die Bienen Gesagt e unmittelbar a uf den Menschen zum Zweck einer zwar etwas prüde anmutenden, aber gewiß nicht geistlosen Umschreibung eines ihm anstößigen Sachverhalt es, des menschlichen Fortpflanzungstriebes. Während es bei Vergil um die Erneuerung eines dezimierten Bestandes geht, stellt bei Novatian, der von weiterer Vermehrung spricht, collapsum genuseinen gewissen Anstoß dar , durch den das Animalische der Arterhaltung in ihrem Ankämpfen gegen den Tod be• tont, aber a uch das Textfremde markierend hervorgehoben wird.
3.3 3.3.1
Auswertung Die Zitatsegmente: Formen und Veränderungen
Die vorausgehende Bestandsaufnahme hat für dreizehn Stellen im Werk des Novatian Berührungen mit Vergil ergeben. Der Einfluß des Dichters ist also a ngesichts eines Umfanges von etwa 130 Seit en zwar nicht a uffallend groß, aber doch, zumal wenn man die rein innerchristliche Ausrichtung des Erhaltenen berücksichtigt, merklich. Nirgends jedoch wird Vergil genannt oder unverändert wiedergegeben. Die Ubereinstimmungen betreffen meist nur wenige Wörter: Das umfangreichste Zitat (pudic. 13,2) best eht in einer Prädikation von vier teilweise verä nderten Elementen , deren syntaktische Binnenstruktur beibehalt en wird. E in weiteres Zitat (spect . 9,2b) besteht a us fünf teilweise veränderten Einzelelementen, deren syntakt ischer Zusammenhang aufgelöst • 0
1
Als Erklärung der Permutation liegt die Adaptat ion in Prosa nahe , ebenso bei der Ersetzung von lapsi durch das semantisch gena.uere collapsi. Bei sarcire hingegen erscheint die S ubstitution weniger naheliegend, so sagt Novatian an anderer Stelle {Cypr. epist. 30,4,1) disciplinae evange.licae ruinas non f acile sarcirent, außerdem kommt resarcire bei den älteren Christiani Latini {CLCLT- 5) seltener vor als das Simplex. Ist es Novatians Hauptabsicht, sich von der Vorlage zu ent fernen?
ll.3.3 A uswert ung
209
ist. Unmittelbar vora us geht ein Zitat (spect. 9,2a) a us drei Einzelelementen. Sechsmal werden zweigliedrige nominale Junkturen zitiert, viermal unter Zusatz weiterer vergilischer Einzelemente. 1 Zwei Zitate beinhalten zweigliedrige verbale Junkturen. 2 An drei Stellen gibt Novatian vergilische Junkturen nicht mehr als Syntagmen wieder, sondern nur noch in ihrem ungefähren semantischen Bezug. 3 Zweimal werden lediglich charakteristische Einzelelemente vergilischer Diktion zusammengestellt . 4 Spezifisch vergilische Lexik nimmt Novatian jed och nirgends auf. Die Zitate beruhen auf Gemeinsamkeiten in der Struktur, und zw ar eher noch der sema ntischen a ls der syntakt ischen. Kein Zitat wird , wie erwähnt, unverändert wiedergegeben: Bei der vier Elemente umfassenden Prädikat ion ruinae cotlapsi generis resar-ciuntur (pudie. 13,2) nimmt Novatian eine Permutat ion, eine morphesyntaktische Adaptation des gesamten Ausdruckes und eine Substitution der verba simplicia durch entsprechende verba composita vor, womit er auf Prosifikation, aber wohl a uch auf Verfremdung a bzielt. Die zweigliedrigen Junkturen werden in allen Fällen morphosyntakt isch adaptiert und meistens perm utiert. An den begleitenden vergilischen E lementen ist oft eine Synonyms ubstitution zu beobachten, die der Verfremdung zu dienen scheint.5 Als Veränderung kann a uch die Übernahme einzelner Adjektive aus d er Kontextumgebung der zweigliedrigen Junktur in einem neuen Bezug gelten.6 Häufig werden mehrere E lemente unter Eing riff in die syntaktische Binneflstruktur, a ber bei gleichbleibendem semant ischen Bezug übernommen , so etwa, wenn effusus nubibus imber (georg. 4,312) durch Änderung der Di athese und des Numerus, Hinzufüg ung von contractis und Wechsel der Vorsilbe zu imbres contractis nubibus profundunt·ur (spect. 9,2b) wird. 7 Manchmal geht der syntaktische Bezug gänzlich verloren oder hat gar nicht bestanden, es existiert nur ein ungefährer semantischer Zusammenhang.8 1
2 3
4
5 6 7
8
Verändert wird der Zusatz trin. 1,2 ( candentem statt lucentemque zu globum lunae); aus dem unmittelbare n Kontext wird trin. I ,7 das Adjekt iv altus übernommen ; von a nderen VergilsteUen stammen die umfangreicheren Zusätze spect. 5,1 (spumanti patera + Aen. 3,66sq.); 7,2 (clangor tubae + georg. 4,7lsq.); ohne weiteren Zusatz bleiben spect. 2,1; 9, 1. Cypr. epist. 30,2,1 inlidat in scopulos mit vergilischer Semantik des Verbs; spect. 5,1 sonitus imitata tubarum, in Verbindung mit clangor tubae. So fließen pud ic. 10,1 die Liebesmetaphorik von Aen . 4,2 und 4,66 zusanunen; cib. lud . 3,3 liegt das vergilische sopitos suscita.t ignes {Aen. 5, 743; 8,410) zugrunde; hinter cib. lud. 6,3 voluptatum f...J mater deficere ist Aen . 6, l96sq. ne defice f... J/ diva parens zu vermuten. So cib. lud. 2,6 und , in bezugauf die Unterweltsvorstellungen, Cypr. epist. 30,7,2. So t rin . 1,2 candentem statt lucentem; s pect. 5,1 cruor statt sanguis; pudic. 10,1 incendia statt ignis; sp ect. 2,9b profundere statt effundere. So trin. l ,7 altus; sp ect. 7,2 mucus. Hierher gehört a uch d er erste Teil des Zitates spect. 9,2b ( tenuem f. ..J aiirem zu aiirem medium tenuitate}, außerdem Cypr. epist . 30,2, 1 (scopulis zu in scopulos); cib. lud. 3,3; spect. 7,2. So etwa Cypr. epist. 30,7,2; spect. 9 ,2a; cib. lud. 2,6; 6,3; pudic. lO,l.
210
II.3
No vatian
In vielen der letztgenannten Fälle ist die Kontamination von verschiedenen vergiliscben Versatzstücken ein charakteristisches Merkmal von Novatia ns Zitiertecbnik: So stellt er beispielsweise die Wendung clangor tubarum1 und aeris rauci canor increpat et I vox auditur fractos sonitus imitata tubarum (georg. 4,71sq.) zusammen zu clangores tubae bellicos alter imitatur raucos (spect. 7,2) oder spumans patera (Aen. 1,739) und spuman tia cymbia lacte I sanguinis et sacri pateras (Aen. 3,66) zu cruor eti am de iugulo calidus exceptus spumanti patera (spect . 5,1). 2 Die Kombination mehrerer nicht direkt verflochtener Reminiszenzen zu einem Zitatennest ist nur einmal zu beobachten (spect. 9,1.2a b). Bewußt eingesetzte Strategien der Markierung lassen sieb nirgends nachweisen,3 vielmehr sind manche Veränderungen an den Zitatsegmenten als Verfremdungen zu werten 4 . Novatian zit iert also in erster Linie produktionsorient iert. Ein wichtiges Mittel dabei ist die Kontamination sinnverwandter Stellen. 'fragendes Element der meisten Zitate ist die semantische Strukt ur. Syntax oder Lexik eines Einzelwortes werden hingegen kaum übernommen. 3.3.2
Die Zitate im Folgetext: Verteilung und Position
Die diskutierten Zitate verteilen sich a uf alle Sparten des Werkes: Der dogmatische Traktat de trinitate enthält zwei, ebensoviele einer der drei Briefe an die karthagische Gemeinde und wenigstens so viele jeder Brieftraktat5 . Es ist also keine Abna hme der vergilischen Präsenz zu beobachten , vielmehr hä ufen sich die Zitate sogar in den Brieftr aktaten der schismatischen Periode: Auf diese entfallen über die Hälfte der Zitate, obwohl sie weniger als ein Drittel des Werkes ausmachen. 6 Eine Erklär ung dürfte darin liegen, daß in den Brieftraktaten ein größeres rhetorisches und allgemein paränetisches Element liegt als in der dogmatischen Darstellung de trinitate und der Korrespondenz zw ischen den Gemeinden. In nerhalb der Brieftraktate wiederum finden sich die meisten Zitate in der Schrift de spectaculis: Drei davon stehen in unmit telbarem Zusammenhang mit der darin geführten Auseinandersetzung mit der paganen Kult ur,7 dasjenige über die Schönheit der Schöpfung wird nach der Vorgabe a us de trinita1
2
Cf. Aen . 2,313; 8,520; 11,192.
Ähnlich pudic. 10,1; Cypr. epist. 30,2,1; cib. lud. 2,6. 3 Markierung d urch Position findet sich nur im Zitatennest spect. 9,1.2ab; Markierung durch Frequenz im Prätext wäre nur für cib. lud. 3,3, vielleicht spect. 7,2 in Erwägung zu ziehen, Frequenz im Folgetext besteht nur trin. 1,2; spect. 9,1. In keinem dieser Fälle aber scheint Novatian mit diesen Formen der Markier ung zu arbeiten. Höchstens die poetische For m spumanti patera (spect. 5,1) könnte, in Verbindung mit der Metonymie, bewußt eine diatypische Interferenz provozieren. 4 So vor aUem pudic. 13,2; wohl auch spect. 9,2b. 5 Genauer gesagt Iinden sich cib. lud. d rei , spect. vier und pudic. zwei Zitate. 6 Das heißt, Novatian entwöhnt sich weder seiner paganen Bildung, noch distanziert er sich als Bischof einer rigoristischen Sonderkirche von Vergil. 1 So spect. 2,1 (vana superstitio); 5,1 (Opferszene) ; 7,2 ( tuba.- Spiel).
11.3.3
Auswertung
211
te wieder aufgegriffen 1• Im Werk de cibis Iudaicis veranscha ulicht Novat ian dreimal theologisch-exegetische Aussagen mit vergilischen Formulierungen. 2 Ebenfalls ein Ergebnis seiner Exegese drückt Novatian in der Schrift de bono pudicitiae mit Vergil aus; 3 a ußerdem beschreibt er den Fortpflanzungstrieb mit Worten des Dichters (pudic. 13,2). Im Brief an Cypria n greift Novatian auf vergilische Dikt ion für die Metapher von der Kirche a ls Schiff4 und für die Unterwelt 5 zurück. Die Vergilzitate sind a lso meistens unmittelba r in den t heologischen Diskurs eingeflochten und dienen oft der Formulierung exegetischer Ergebnisse, der Wiedergabe von P aganem dienen nur a usna hmsweise in der Schrift de spectaculis (2,1; 5,1; 7,2).
3.3.3
Die Zitate im Prätext: Herkunft und Thematik
Bei der Rückführung der Zitate lassen sich trotz deren geringer Zahl doch deutliche Schwerpunkte im Werk des Vergil erkennen: Die Eklogen werden offenbar nicht hera ngezogen, wohl aber die Georgika, und zwar, neben dem ersten 6 und dem dritten 7 , vor alle m das vierte Buch, das mit vier Zitaten vertreten ist, von denen dre i einen d irekten Bezug zu den Bienen a ufweisen8. Die Aeneiszitate sind vor allem deren erster Hälfte zuzuordnen, darin wiederum überwiegen, wie auch bei den anderen unte rsuchten tendenziell zu beobachten, das vierte9 und sechste 10 Buch. 11 Als Besonderhe it ist also Novatians anscheinende Vorliebe für die Georgika und vielleicht da rin wiederum für das vierte Buch und die Bienen festz uhalten. Dieser Eindruck bestätigt sich noch, wenn man , soweit dies ebe n möglich ist , ungefähre inhaltliche Schwerpunkte in den j eweils genutzten Prä texten hera uszuarbeiten versucht: 1 So entspricht specl. 9, l.2ab in FUnktion und l n halt weithin trin . 1,2.7. 2 So c ib. lud . 2,6 (Ackerbau a ls heilsgeschicht liche Depravation); 3,3 (Gesetz soll die Glut der Gerechtigkeit unter der Asche ne u entfachen); 6,3 (Gefahren der Triebhaftigkeit nach Motive11 der Bergpredigt). 3 So pudic. 10,1 (G röße der Versuchung d urch jugendliche Liebesglut, d er J osef und Susanna widerstanden ). 4 Cypr. epist. 30,2,1 - bei Vergil wird die Metaphe•· vo11 der Meeresbrandung allerdings fü r die unbändige Macht des Liebesverlangens gebraucht. 5 Cypr. epist. 30,7,2 hier ist Vergil a llerdings nur locus classicus der populären Vorstellungen, a uf die ovatian rekurriert.. 6 Daraus spect. 9,2a (georg. 1,208sq.). 7 Daraus Cyp r . epist. 30,2, 1 (georg. 3,261). 8 Auf die Bienen bezogen spect. 7,2 (georg. 4,71sq.); 9,2b (georg. 4 ,3llsq.); pudic. 13,2 (georg. 4,249); in den Rahmen der Aristaeus- Erzählung gehört t rin . 1,7 (georg. 4 ,528sq.). 9 So p udic. 10,1 (Aen. 4,2.66) ; Cypr . epist. 30,7,2 (Aen. 4,26). 10 So trin . 1,2 und spect. 9,1 (Aen. 6,725); Cypr. epist. 30,7,2 (Tartarus; Aen 6 ,740); c ib. lud. 6,3 (Aen. 6 ,196sq.) . 11 Den übrigen Büchern ist. nur Einzelnes oder me hrfach Vorkommendes zuzuordnen.
•
212
li .3
Novatian
1. Im Prätext vieler Zitate geht es um Naturschilderungen, teilweise allgemeiner Art 1 , teilweise speziell auf die Bienen2 , einmal a uf das Feuermachen3 bezogen.
2. E inen zweiten Schwerpunkt bilden Affektschilderungen: Zweimal übernimmt Novatian poetische Darstellungen des Liebesverlangens, 4 einmal zieht er eine Vergilstelle gegen ihren Kontext in djesem Sinne heran, 5 einmal überträgt er ein vergilisches Szenario der Liebesglut in einen anderen Zusammenhang 6 . 3. Als Repräsentant paganer Vorstellungen wird Vergil in bezugauf den Kult im Werk de spectaculis zit iert. 7 Vorstellungen und Diktion der vergilischen Unterwelt werden in der innerchristlichen Korrespondenz übernommen8 . Betrachtet man die Zitate nach ihrer form alen Stellung im Prätext, so finden sich auffallend viele Gleichnisse und Metaphern, die Novatian teils direkt verwendet ,9 teils überträgt , 10 teils rückgängig macht 11 und teils erst schafft 12 . Novatian übernimmt von Vergil also vor allem, inhalt lich betrachtet, Schllderungen von Natur und Affekten, bevorzugten rhetorischen Übungsthemen, formal betrachtet Metaphern. Dazu paßt, daß auch die Untersuchung der Zitatsegmente einen Schwerpunkt des Gemeinsamen im Bereich der Semantik ergeben hat: Novatian sucht bei Vergil in erster Linie das Bildhafte der dichterischen Sprache über Natur und Gefühlswelt.
3.3.4
Vergil bei Novatian: FUnktion und Bewertung
Insgesamt betrachtet läßt die Präsenz des Dichters darauf schließen , daß Novatian Vergil kennt , a n ihm anscheinend besonders seine bildhafte Spra1
2 3 4
5
6 7
8 9 10
11
12
So trin 1,2 und spect. 9,1; Cypr. epist. 30,2,1 (im Rahmen eines Vergleichs); spect. 9,2a. So spect. 7,2; 9,2b; pudic. 13,2. So cib. lud. 3,3. So pudic. 10,2; 13,2. So legt cib. lud. 6,3 die Venusanrede ne defice rebus / diva parens (Aen. 6,196sq.) zugrunde. So Cypr. epist. 30,2,1: die Gefä hrdung der Kirche. So spect. 2,1; 5, 1. So Cypr. epist. 30,7,2. So die Liebesmetaphorik pudic. 10,1. So übe rträgt Novatian etwa Cypr. epist. 30,2, 1 die Überwindung der Brandung durch einen verliebten Jüngling au f die Gefahrdung der Kirche. Auch die Heran.z iehung eschatologischer Diktion Vergils Cypr. epist. 30,7,1 könnte man so verstehen. So liegt spect. 9,2b das Bild vom Niederschlag für das Ausschwärmen eines Bienenvolkes zugrunde, wird von Nova.tian aber un mittelbar verwe ndet . Der Vergleich des Biene nsummens mit einer Schlachttro mpete wird von Novatian spect. 7,2 auf das tuba- Spiel zurückgeführt , jedoch in einer im Kontext ironisierenden Emphase. In d ieselbe Richtung der Emphase durch die bildhafte Dichtersprache weist wohl a uch die spumans patero (spect. 5, I ) . So gebraucht erst Novatian cib. lud . 3,3 die G lut unter der Asche metaphorisch.
Il.3.3 Auswertung
213
ehe schätzt und eine Vorliebe für das vierte Buch der Georgika hegt. Nirgends aber tritt Vergil in den Vordergrund. Seine Präsenz beschränkt sich auf sprachliche Versatzstücke, meist auf semantische Strukturen und Elemente von Metaphern, oft a us verschieden Stellen kontaminiert. Drei Funktionen der Vergilzitate bei Novatian lassen sich herausarbeiten: 1. Theologische, oft exegetisch gewonnene Ansichten werden mit Hilfe vergilischer Sprachelemente bildhaft ausgestaltet. 1 2. In poetischem Ton werden Schönheit und Ordnung der Schöpfung gepriesen, namentlich im e rsten Kapitel der Schrift de trinitate und im neunten Ka pitel des Brieftraktates de spectaculis. 2 3. Vergilische Ausdrücke über Kult und Opfer dienen , teils in ironischer Überzeichnung, der Auseinandersetzung mit der paganen Kultur in der Schrift de spectaculis. 3 Novatian geht es zum einen um das commovere im theologischen Diskurs, so vor allem in bildhaften Ausdrücken über Natur und Affekte, zum anderen will er den authentischen, ins Ironische gesteigerten Ton in der Auseinandersetzung mit der paganen Umwelt treffen. Rückschlüsse auf die Wertschätzung, die Novatian Vergil entgegenbringt, lä.ßt nur die Tatsache der Verwendung Vergils zu, die sich auch auf den rein innerkirchlichen Diskurs erstreckt. Dabei ist die Vergilrezeption des Novatian durchweg produktionsorientiert: Nirgends setzt er voraus, daß ein vergilischer Prätext als solcher perzipiert wird . Öfter aber rekurriert Novatia n mit Vergilzitaten auf einen weiter zu fassenden, kulturellen Prätext. So verlangt beispielsweise die ironische Überzeichnung des tuba-S piels (spect. 7,2) , daß der Leser den heroisch- pathetischen Ton wahrnimmt. 4 Auch soll der Leser, wenn Novatian die Versuchung durch jugendliche Liebesglut schildert (pudic. 10,1), den Rückgriff auf das Register der erotischen Dichtersprache wahrnehmen. Insbesondere a ber de r Rekurs a uf pagane, anscheinend nicht zuletzt vergiUsch geprägte Vorstellungen von der Unterwelt, unmittelbar übertragen a uf christliche J enseitsvorstellungen (Cypr. epist. 30,7 ,2) 5 , könnte andeuten, daß 1
2 3 4
5
Mit direktem Bezug zur Exegese c ib. lud . 2,6; 3,3; 6 ,3; pudic. 10,1; ekklesiologisch Cypr . epist.. 30,2,1; eschato logisch Cypr. epist. 30,7,2; moralisch pudic. 13,2. So insbesondere trin . 1,2.7; spect. 9,1.2ab. So spect. 2, 1; 5 ,1; 7,2. Ähnlich rekurriert die Opferschilderung (spect. 5,1) auf e ine poetisch gefärbte Kultsprache. Hier ist ei n Fo rschungsdesiderat zu konstatieren: Vergilische Vorstellungen als EinRußfaktor auf die früh en Christiani Latini finden in den übergreifenden Darstellungen zu der en Konzeption von Escha to logie im allgemeinen und Hölle im besonderen keine Erwälmung, so etwa 8 . DALEY, HOG rv 7a [1986J, llü-119; A.E. BERNSTEIN, The Formatio n o f Hell. Oeath and Retribution in t be Ancient and Ea.rly ChrisLian Worlds, lt haca / Lond on 1993, 267- 333; VORGIUMLER 91 - 94; DASSMANN 356-358;
214
Il.3
Novatian
Vergil nicht nur, rein produktionsästhetisch , von einem rhetorisch geschulten Autor als Fundgrube für bildhafte Ausdrücke ausgebeutet wird, sondern a uch bei der lnkulturation des Christentums in die römische Ge isteswelt eine Rolle spielt.
J .N. BREMMER, The Rise a nd Fall of Afterlife, London / New York 2002, 56-70. Einzelne punktuelle Gemeinsamke iten zwischen Vergil und der frühen christlichen Latinität. benennt AMAT in ihrer motivgeschichtlichen Arbeit über s pätantike Jenseitsvorstellungen ( 119; 137; 147; 153), doch bezieht sich nichts davon auf das Bild der Hölle. Den Einfluß vergilischer Gedanken auf die christliche Hölle in seinen An fängen zu untersuche n ist also, soweit ich sehe, ein Desiderat. Die in vorliegender Arbeit untersuchten Zitaten aus dem sechsten Aeneisbuch (thematisch einsch läg~ge zusammengestellt unten 353) könnten dafür e in erster Ansatzpunkt sein .
Cyprian
4 4.1
Zur Forschungslage
Caecilius Cyprianus ist der erste Bischof und Heilige unter den christlichen Autoren lateinischer Sprache. 1 Aus wohlhabender Familie in Nordafrika stammend , erhält er die in seinen Kreisen übliche rhetorische Ausbildung und wendet sich dann dem Christentum zu; seit 248 oder 249 Bischof von Karthago, erleidet er am 14. September 258 das Marty rium während der Valerianischen Verfolgung. 2 Cyprians literarische Hinterlassenschaft besteht vornehmlich a us epistulae, Korrespondenzen zu Fragen der Seelsorge aus der Zeit seines Episkopates, und aus libelli, Traktaten zu pastoralen Einzelfragen, die ihrerseits im Briefstil gehalten sind. Dazu kommen die apologetischen Schriften ad Donatum und ad Demetrianum, sowie die thematischen Bibelstellensam mlungen ad Fortunaturn ( de exhortatione martyrii) und testimonia. Cyprians Verhältnis zur paganen Kultu r ist von Desinteresse und Distanz geprägt. 3 Er scheint sich nicht nur so a uf die innerkirchlichen Belange und seine pastoralen Aufgaben als Bischof in schwerer Zeit zu konzentrieren , da ß für die Auseinandersetzung mit der Umwelt kein R aum bleibt,4 sondern dara uf nicht einmal Wert zu legen: Nirgends zitiert oder nennt er a usdrücklich pagl':Lne Autoren. 5 Philosophie und Rhetorik erteilt er eine Absage.6 Natürlich schreibt Cyprian nicht gänzlich unbeeinflußt von paganen Autoren , so hat die Forschung 7 Spuren von Cicero, Sallust , Seneca, Plinius, Quintilia n, Apuleius, 1
Eine Gesamtd arstellung und eine Übersicht über die Forschungsliteratur bieten H . GÜLZOW, Ant onie WLOSOK, P.L . SCHIIIIDT. HLL 4 (1997) §478; C. MARJ<SCHIES, 'Cyprianus !2]', ONP 3 (1997) 253- 255; A . H OFFMANN, 'Cyprian ' , LAC L (2002} 169- 174. 2 Cf. Hier. vir. i ll. 67. 3 All gemein über Cyprians Verhältnis zur paganen Kultur H ACENDA HL Von Tertullian 29-31, hier 29sq.; ELLSPERMANN 52sq.; KRA USE 109- 115. 4 Allgemeine Überl egungen zu K ontinuität und Wandel paga.ner Verhaltensmuster bei Cypria.n bietet H. MONTCOt.IERY, Saint Cyprian 's Secular H eritage, in: Studies in Ancient History and Numisrnatics presented to R. T HOI\'ISEN, A arhus 1988, 21 4- 223. 5 Cf. H ACENDAHL Von Tertttllian 122 Anm. 122sq.; CLA RK E lntroduction l l7sq. 6 ad Donat. 2 - dazu V. BUCHHEIT, Non agnitione sed gratia (Cypr. Don. 2), Hermes 115 (1987) 318-334; patient. 3; epist.. 55,16; epist. 60,3; cf. ELLSPERMANN 43- 51. 7 Zu den Zitaten aus pa.ganen P rosaikern, unter denen vor allem Seneca herausragt, etwa: H ARTEL im Apparat seiner CSEL- Ausgabe; U . MORJCCA, Di alcune probab ili font.i d 'un opuscolo di S. Cipriano, Athenaeum 5 ( 1917) 124- 158, v.a. 146-154; H . K OCH, Cyprianische Untersuchungen, Bonn 1926, 286- 333; L . CASTIGLION I, Cypri anea, RIL 66 {1933} 1071- 1085, v.a. 1081- 1083; H . KOCH, Novaziano e Plinio il G iovane, Religio 11 (1935) 321- 335, v.a. 327- 331 ; H AGENDAHL (1958) Latin Fathers 77; B UCHH EfT
( 1.979) Cyprian.., passim; Non agnitione (1987}, passim; Non homini {1989), passim; C. T IBILETI'l , U n t ema stoico in Seneca e S. Agostino, Au gust.inianum 22 (1982) 585593: M . SZARMACH , Oie Anspielungen auf die heidnische Literatur in Cyprians de bono patientiae, in: Worte, Bi lder, Töne. Studien zur Antike und Antikerezeption , FS B. l 'US hoc tempus est, quo indulgente vindem ia solutus animus in quietem sollemnes ac stata.s anni fatigantis indutias sortiatur und Min . Fel. 1,3 sane et ad vindemiam f eriae iudiciariam curam relaxaveront.
220
II.4
Cypriar
nische Bewegung sucht (der Strandspaziergang 1,4; die gleichmäßige Brandung des Meeres 3,3; das Spiel der Kinder 3,5sq.) , bleibt Cyprian bei deJ statischen Kontemplation des konventionellen locus amoenus und wählt dru homerische Weinla ubdach l. Die vergilische Formulierung dient sicherlich zu· erst der sprachlichen Ausgestaltung. Bemerkenswert ist die ged ankliche Ge meinsamkeit zwischen der erfolgreichen, ertragreichen Ans iedlung des Bie nenschwarms und dem erhofften Gelingen des geistlichen Gespräches - dar· in ist natürlich keine tiefsinnige Metaphorik zu sehen, eher aus produkti· onsästhetischer Sicht ein vielleicht unbewußter assoziativer Ansatzpunkt fü1 die Wahl dieser Vergilworte. Augustin (doctr. 4,14) zitiert die Cyprianstell( (von petamus bis fecerunt), allerdings um sich kritisch mit deren stilistische1 Überfrachtung auseinanderzusetzen. 2
ad Donat. 1 b (CC III A 3,17 sq.) Bene hic studia in aures damus, et durr in arbores et in vites videmus, oblectante prospectu oculos amoenamus, ani· mam simul et auditus instruit et pascit obtutus: quamquam tibi sola nun( gmtia, sola euro sermonis est, comtemptis voluptariae visionis inlecebris ir m e oculos tuos fixus es, qua ore, qua mente totus auditor es et hoc amon quo diligis.
Auch im folgenden Satz zeigt sich die Tendenz zur poetischen Stilisierun~ des Einleitungskapitels. Die Formulierung in me oculos tuos fixv.s es hat ihrE nächsten Parallelen in der vergilischen (Aen. 11 ,507 Turnus ad haec oculo~ horrenda in virgine fixus ) bzw. nachvergilischen Dichtersprache. 3
ad Donat. 2 (CC 111 A 3,22sq.) Geterum quale vel quantum est, quod in pec· tus tuum veniat ex nobis, exilis ingenii angust a mediocritas tenues admodurr fruges parit, nullis ad copiam fecundi caespitis culminibus ingmvescit, adgrediar tarnen facultate, qua valeo: nam et materia dicendi facit mecum.
Am Anfang des im Mittelpunkt des Werkes stehenden Monologes findet sich in höchst manieristischer Formulierung (etwa: cmeine Mittelmä ßigkeit kann nur ganz zarte Triebe hervorbringen und läßt nicht ein einziges Hä lmchen zu einem üppigen Rasen sprießen, trotzdem [.. .]') der topische 4 Ausdruck der Demut. Der mehrfach 5 in Erwägung gezogene Einfluß von ecl. 1,68 pauperis ei tuguri congestum caespite culmen läßt sich nicht ganz von der Hand weisen.
1 Ln der bcppaot~ der Kalypsogrotte, O d . 5,68sq. Ii S' aötoü ntavuoto 1t&pl o1t&lou~ ')'Aacpupoic I ruupl~ ijßwwoa, n6'1\A&I S& O"tacpuA.fioL 2 Dazu MÜLLER Vergilzitate 175. 3 ThLL VI,l s.v. figo 718,59-61 nennt als ersten Prosabeleg Aug. c. Petit. 2,90,199; KS I 290 zum Akkusativgebra uch. 4 Dazu aUgemein CuRTtUS 93~95; spezieil zum Bild des unfruchtbaren Feldes Cic. Tusc. 2,13. 5 So etwa WATSON 203, BüRNER 21, BALL 55sq.: "[T jhe rhetorician , however humble as a C hristian neophyte, could not withstand t he Iure of the alliterative possibilities in nullis ad ccpiam ooespitis culminibus ingravescit, given a Vergilian echo [...] to begin with." MARA 590.
Il.4. 2
Die Vergilzitate
221
Denn obwohl sich eine sprachliche Übereinstimmung nw- in der seltenen 1 Juxtaposition der Vokabeln caespes und culmen fassen läßt, deren Semantik2 und Syntax sich zudem unterscheidet, wird eine subtile Verbindung deutlich , wenn man den Kontext der Vergilstelle mit berücksicht igt, die wehmütige Klage des von seinem Land vert riebenen Meliboeus, der zweifelt, ob er jemals zu seiner Scholle wird zurückkehren können , ecl. 1,67- 69:
en umquam patrios longo post tempore finis pauperis et t·uguri congestum caespite culmen, post aliquot, mea regna, videns rnirabor aristas? Zweierlei Gemeinsamkeiten mit der Cyprianstelle lassen sich festhalten: Zum einen nämlich drückt in beiden Fällen der Sprecher mit den Vokabeln caespes und culmen die ärmliche Bescheidenheit dessen aus, was ihm gehört . So betrachtet konvergiert die Pragmatik beider Stellen .3 Zum anderen spricht Vergil im folgenden Vers , wenn a uch mit anderen Worten ( aliq·uot [. ..j aristas), gena u das a n, worum es auch bei Cyprian geht , das spärliche Wachstum einiger Hälmchen. Dazu kommt außerdem die Beobachtung, daß Cypria n gerade bei Bildern aus dem bäuerlichen Leben gerne auf vergilische Diktion zurückgreift. Diese, insgesamt a llerdings doch recht vagen, Indizien könnten vielleicht darauf hindeuten, daß Cyprian in seine manierierte Bescheidenheitstopik a uch noch eine kunstvolle Anspielung auf Vergils Eklogen eingeba ut habe, die sich erst dem gebildeten Vergilkenner erschließt.
ad Donat. 3 (CC Ill A 4,46- 49) Et qui pretiosa veste conspicuus in auro atqtJ.e in purpuro fulsit, ad plebeium se et simplicem cultum quando deponit? Fascibus ille oblectatus et honoribus esse privatus et inglorius esse non potest. Hic stipatus clientium cuneis, frequentior-e comitatu officiosi agminis honestatus, poenam putat esse, cum solus est. Im Rückblick a uf seine eigenen Ansichten vor seiner Bekehrung schildert Cyprian die E instellung des der Welt und ihren Lockungen Macht und Reicht um Verhafteten, dem die Werte des christlichen Lebens, da er die Neugeburt im Bad der Taufe noch nicht erfahren bat, unverständlich bleiben. In dieser Ko nt rastierung eines der Welt verhafteten Lebens mit dem eines in der Ta ufe Wiedergeborenen, macht B UCHHEIT einige Anklänge a n Vergils Laudes agricolarum am Ende des zweiten Georgikabuches namhaft, sowohl allgemein inhaJtliche als auch wörtliche , wenn a uch nur in einzelnen Schlüsselbegriffen. Im einzelnen nennt B uc HHEIT folgende Vergilstellen:'1 1
2
3
4
PHI 5.3 be legt die Wörter zusammen nur an der Vergilstelle und im ServiusKommentar zur Stelle. Bei Vergil geht es um eine einfache, grasbedeckte Behausung (cf. ThLL Il l s.v. caespes 11 1,6--8) , an der Cypria nstelle hingegen ist mit culmen wohl ein Halm oder eine Ähre gemeint (cf . T h LL rv. s.v. culmen 1292,82- 1293,7) . Bescheidenhe it a ls Tenor findet sich ebenso a uf Seiten des Tityrus am Ende der ersten E kloge, der das We nige, was er hat, mit Meliboeus teilen will. Bei Cyprian soll auch der andere, Donatus , teilhaben . B UCHH EIT Cyprian 351.
222 georg. 2,464sq. georg. 2,495sq. georg. 2,486 georg. 2,508-510
II.4
Cyprian
inlusasque auro vestis Ephyreiaque aera, alba neque A ssyrio fucatur lana veneno illum non populi fasces, non purpura regum ftexit ftumina amem silvasque inglorius (. .. J hic stupet attonitus rostris, hunc plausus hiantem per cuneos geminatus enim plebisque patrum corripuit.
Diese Gedanken nehme Cyprian, so B uCHHEIT, von K apitel 10 an wieder auf. Die Anregung zu diesem Rückgriff auf Vergil sei von Minucius FeliJ< (37,9sq.) 1 ausgegangen, dem Cyprian hier und auch in den Kapiteln 11 und 13 folge. Zwar betont BUCHH EIT a usdrücklich, daß d ie Dive rgenz im Wo rtla ut sich a us der "Tendenz Cyprians.. zur Umsetzung und Umschmelzung" 2 erkläre und vor allem die inhalt liche Ubereinstimmung sowie die Wiederaufnahme des Bezuges in den Kapiteln lOsqq. zähle3 , doch ergibt eine nähere Betrachtung der angeführten E inzelbezüge keine eindeutigen Hinweise a uf eine Vergilbenutzung: Ein goldverziertes Gewand gehört in die allgemein übliche Topil< bei der Darstellung luxuriöser Lebensverhält nisse.4 Bei Cyprian st eht purpum geda nklich und syntaktisch deutlich getrennt von fasces, a ußerdem ist es, anders als bei Vergil, nicht metonymisch gebra ucht. 5 Hinzu kommt, daß sich die von Cypria n verwendete Formulierung auro et purpura fulgere in 1
2
3
4
5
B EAUJEU (Introduction LXIX; ad l. 158) sieht in seinem Ko mmentar Minuc ius FeliJC als Vorbild der Cyprianstelle, C LARKE (a.d l. 368 Anm. 632) verweist dagegen auf diE topische Motivik von der Autarkie des stoischen We isen , cf. P OHLENZ I 261sqq.; P. W !LPERT. ' Autarkie ', RAC 1 ( 1950) 1039-1050. 8 UCHH EIT Cyprian 351. Dabei geht er ( cJ. Cyprian, 348) von FONTAJNES Konzept einer "conversion consciente du style" in der Schrift ad Donatum ( cf. Aspects 149-179) aus, d. h. von einer "Einschmelzung paganer AUusionen in diese im Kern neue, christliche Prosa" (B UCHHEIT Cyprian 348) . B uCHHEIT Cyprian 351 : "Maßgeblich ist, daß der Passus sowo hl inhaltlich als auch im einzelnen mit dieser einen Par tie Vergils konvergiert, daß Cyprian dieselbe Stelle ab 10ff. mit ä hnlicher Tendenz wieder aufgreift , und daß der Autor Uber einen Bezug aul den Octavius hjnaus die Ursprungsstelle assoziiert." So a uffällig oft in der nachklassischen Prosa, etwa Val. Max. 1,1,18 veste aurea nudatu.s; C urt. 3,3 vestem auro distinctam habebant; 3,13 vestes ( ... } auro et purpura insignes; 4,1 vestis purpura auroque distincta; 9,7; Suet. Nero 25,1; Fronto p.225 1.13; p.226 I. 7 v.d .H.; Apul. met. 2,8; 2,9, 2, 19; 10,20 stragula v este auro ac murice Tyrio depicta; 11 ,16; Hist. Aug. Aur. 17,4 ; Alex. 4 ,2; und in der Dichtung, etwa Lucr. 5, 1427; Verg. Aen. 3,483; 8,659; l1 ,72; Hor. carm. 4 ,9 ,14; Ov. epist.. 13,32; ars 3,131; met. 3,556; 8,448; Val. Fl. 3,340; Stat. Theb. 6 ,208; Sil 4, 155; 16,436. Vergil umschreibt mit Jasces die Konsuln-, mit purpuradie Königswürde ( cf. M YNORS ad l. 169). Etwas anders verhält es s ich an den übrigen Belegstellen des Begriffspaares ( cf. ThLL Vl,1 s.v. Jascis 304,57- 305,82), wo auf die A usstattung von Repäseotanten d es römischen Staates mit Purpurgewand und einer b estimmten Anza hl von Liktoren a ls Abzeichen ihrer Amtsgewalt angespielt wird: Ov. fast. 1,81 iamque novi pmeeunt Jasces, nova purpura Julget (cJ. BÖMER ad l. 16); laus Pis. 70 cum tua bis senos numeraret pv.rpuraJasces (cf. A. SEEL, Laus Pisonis, Diss. Erlangen 1969, ad l. 67sq.); Lucan. 2,19;
ll.4.2
Die Yergilzitate
223
der Prosa häufiger find et . 1 Auch inglorius erscheint schon in klassischer Prosa2, die Verwendung von cuneus ist an beiden Stellen wohl unterschiedlich zu erklären, bei Vergil nämlich ist an eine Situation im Theater gedacht3 , der Ge brauch bei Cyprian geht auf die militärische Fachsprache zurück4 . Berücksichtigt man schließlich, daß die von B UC HHEIT angeführten Vergilstellen sich auf eine längere Passage verteilen und daß der ganze Kontext, also der Gegensatz von Macht und Reichtum einerseits und einfachem Leben andererseits, einen topischen Charakter hat, 5 wird man für die Cyprianstelle nur vor dem Hintergrund der deutlicheren Referenzen in den Kapiteln 10-12 und auch da nur einen mittelbaren vergilischen Einfluß annehmen könne.n. Eine Referenz an dieser Stelle aber, die demnach erst ex post, also aus der Perzeption der Vergilzitate in den Kapiteln 10-12, nachträglich eine gewisse Deutlichkeit erhielte, sollte man nicht annehmen. Als Intention der Vergilbenutzung in Kapitel 3 benennt BUCHHEIT an anderer Stelle6 die Betonung der Radikalität der Konversion in der Taufe: An sich widerspreche solch eine Wandlung des Menschen der allgemeinen Erfahrung, für dle Vergil als Gewährsmann herangezogen wird. Dadurch verdeutliche Cyprian das grundlegend Neue der christlichen Lehre von der Wiedergeburt aus dem Geist in der Taufe. Der pagane Dichter fungiere also letztllch als Kontrastfolie zur schärferen Konturierung der specifica christiana. 7 Vergil jedoch tritt im Kapitel 3 kaum deutlich genug zwischen den loci Sen . dial. 9, L,l0; epist. 94 ,60; Sil. J4, ll2; cf. J J,96; Apul. met. 11 ,8 Nec ille deerot, qui ma.gi.stratum fa. scibus pttrpuraque luderet, f...]. l So etwa Liv. 34 ,3,9 ut a.uro et purpu.m fulga.mt,s; 35,40,7 auro pupttraque fulgen s; Curt. 3,10,9 ; F lo r. 1,24 (Ele fa nten ); o hne auro C ic . Cat il. 2,3 Hos quos video volitare inforo, quos stare ad curiam, quos etiam in senattun ven ire, qui nitent unguenti.s, qui fulgent purpum, mallem secum su os m ilites etluxisset. Quint. inst . 11 , 1,31; a uch Cyprian selbst, ad Donat. 11 qui amictu clariore conspicttus fttlgere sibi videtur in purpum. 2 Cf. ThLL VII ,l s.v . inglorius, bei C icero etwa leg. 1,32; Tusc. 3,57; 1555,53 zu georg. 2,486 (mit Serv. ad l.: als philosophischer terminus technicus); 1555,71 zu Cyprian (selbes Rubrum; einziger Cyprian- Beleg, vorher ab er chris tlich Tert. adv. Mare. 3,17). 3 Cf. ThLL fV s .v . ctm etts 1406,29. 4 Cf. ThLL IV s. v. cuneus 1405,83- 1406,25 zunächst militärisch (Maria Grazia MOSCI SASSJ, II sermo cas trensis, Bo logna 1983 , 27.123), ab Decl. in Catil. 14; Symm. or. 4,7, dann a.uch hä ufig bei d en C hristen für eine große Menschenmenge. Vielleicht hat schon Cyprian diese Verwendung d es a us dem sermo castrensis übernommenen Begriffs gekannt? 5 Als M ot iv in der paganen Gesellschaftskritik, dazu MORICCA 141 , mit Verweis auf Sen . Herc .f. 164- l68; Pbaedr. 486 sqq.; Thy. 446sqq.; Hor. sat. 1,1, v.a . 7Q-80; e pist . L,2,52; 2,1,97; Luc il. 243- 246 t>.1lARX ; a ußerdem Hier. epist . 53, und a ls rhetorischer Topos von den Vorzügen länd licher Einfachheit, dazu R . V JSCHER, Das einfache Leben, Göttingen 1965, 155, mit Verweis a uf C ic . S. Rose. 75. 6 B UCiii·IEIT Non hom in i 211. 7 Die Ko nstrastierung sieht B uCHHEIT, Non homini, passim , als Cyprians Grundprinzip bei der Benützung und Zitierung paganer Literatur an: Letztlich ge he es immer um die Betonung des signifikant Andere n d er christ lichen Lehre vor d em Hintergrund eines im Ansatz vielleicht ä hnlichen paganen Denke ns . Das belegt B uc mJ EIT zwar in erster Linie für Seneca , doch auch in bezug auf die Vergilbenutzung b etont er d ie unüberwi ndliche Divergenz der Inha lte, die Cyprian herausstelle, so Non a.gnitione 334.
224
li .4
Cyprian
communes paganer Gesellschaftskritik hervor, als daß seine Autorität hier ins Gewicht fallen könnte.
ad Donat. 4ab (CC III A 5,61 ) Haec egomet saepe mecum. nam et ipse quam plurimis vitae prioris erroribus tenebar, quibus exui me posse non crederem: sie vitiis adhaerentibus obsecundans eram, desperatione meliorum malis meis velut iam propriis ac vemaculis et favebam. sed postquam undae. genetalis auxilio superioris aevi labe detersa in expiatum pectus ac purum desuper se Lumen infudit, postquam caelitus spiritu hausto in novum me. hominem nativitas secunda reparavit, mirum in modum protinus confirmare se dubia, patere clausa, Lucere tenebrosa, jacultatem dare quod prius difficile. videbatur, geri posse quod inpossibile putabatur, ut esset agnoscere terrenum fuisse, quod prius carnaliter natum delictis obnoxium viveret, Dei esse coepisse, quod iam Spiritus sanctus animaret.
Cyprian beschreibt rückblickend , wie er seine eigene Taufe erfahren hat. Vorstellung und sprachlicher Ausdruck stehen in der Tradition der frühchristlichen Taufvorstellung als q>W't~o~-t6~ , konzipiert als Erleuchtungsmysterium. Dazu gehört das Einströmen des mit der Lichtsubstanz verglichenen Geistes.1 Indem Cyprian in die Schilderung bildhaft die Elemente ( unda, labes, Lumen) einbeziehe, spiele Cyprian, so FONTA I NE in seiner überzeugenden Interpretation der Stelle, mit deren in der Lit urgie verwandter Symbolkraft in der Absicht, dem Ungetauften die spirituelle Erfahrung der Taufe erahnen zu lassen.2 Die Aussage desuper se lumen infudit rekw-riere einerseits auf christliche Lichtsymbolik, andererseits gehe die Verwendung von infundere in einem theologischen Sinne auf Vergil zurück. 3 Dabei verweist F ONTA I NE4 auf georg. 3,507 projuit inserto Latices injundere cornu / Lenaeos (Heilmittel 1
2
3
4
Cf. Clem. Alex. paed. 1,28,2 und d ie Allegorese des Ma nnaregens a us Ex 16 ,4sqq. bei Philo fuga 126 u.ö.; d azu Antonie W LOSOK, La kta nz und d ie philosophische G nosis, He idelberg 1960, 93sqq.; 166 u.ö. FONTA INE Aspects 169: "La descript ion analogique du sacramentum ba ptismal n'est pas le nk it des rites materiels d u sa.cre ment; elle n'est pas no n plus une reverie subjective sur les etats d 'äme d e l'initie. Mais en la.issant se superposer et confluer des images e lementaires (eau, souillure , Jumiere), elle joue s ur le symbo lisme des elements ut ilises d ans Ia Iit urgie, e n cherchant a y puiser des s uggestions d e l'experience spirituelle q ui soie nt inteUigibles a un non- baptise." Die Rede von Wasser , Erde bzw. Sch mutz und Licht sei g leichermaßen mit ihren jildisch-christHchen und iJnen paganen lmplikationen zu verstehen: So sei das Wasser (unda genetalis) einerseits lebensspendend im jüdisch-christlichen S inn, a ndererseits aber mit e inem aus der paganen Religosität entlehnten Fruchtbarkeitsbegriff versehen; und die Reinigung in der Taufe sei zwar im engsten Sinne chr istlich, werde d a nn a ber in ihrer Wir kung mit den heidnisch- religiösen Ausdr ücken expiatus und p-urus beschrieben. FONTArNE l.c.: "Enfi n, ' l'infusion d e Ia lumie.re' est un echo d u christianis me indirect ill-uminatio, t raduisant. le terme grec cpW'tlOJ.L6c; mais l'image d e l'infusion spiritue lle ut ilise une accept ion met a phoriq ue et religieuse du verbe infundere q ui remonte a Ia poesie theologique d e Virgile." A spects 169 Anm. 42.
11.4.2
Die Vergilzitate
225
gegen die Viehseuche) und Aen. 9,461 iam sole injuso, iam rebus luce 1·etectis {Tagesanbruch) , vor allem aber auf 6,726 spiritusintus alit, totamque infusa per artus I mens agitat molem (kosmologische Anchisesrede). 1 Nächstliegendes Vorbild aber unter den von FO NTA I NE angefü hrten Stellen ist, durch die Verbindung mit desupe?- , Aen. 4,122 (12ü-122) , wo Juno das Unwetter ankündigt, d as Aeneas und Dido in die Höhle führen soll:
his ego nigmntem commixta grandine nimbum, dum trepidant alae saltusque indagine cingunt, desuper infundam et tonitru caelum omne ciebo. Die Junktur mit Lumen jedoch deutet auch auf den Einfluß von Seneca hin, Phaedr. 154 quid ille rebus Lumen infundens suum, I matris parens'f3 Cyprian nimmt also nicht gezielt au f Vergil Bezug, sondern zeigt sich in seiner Diktion - desuper4 und infundere5 gebraucht er, auch in diesem Sinne, hä ufiger - von dessen und von Senecas Dichtersprache6 angeregt. Auch für die Beschreibung seiner nativitas secunda, so FONTAINE weiter, verwende Cyprian in caelitus hausto spiritu einen vergilischen Ausdruck, so vor allem Aen. 10,899 (898sq.):
[. .. ] contra Tyrrhenus, ut auras suspiciens hausit caelum mentemque recepit. Durch die Verbindung mit caelitus scheint ein gewisser colo1· Vergilianus7 a uf, obwohl sich die Wendung spiritum haurire bei Velleius Patercu lus (2,22,4 exitiali hausto spi1'itu) und bei Seneca tragicus (Oed. 877 qua luce pdmum spiritus hausi) findet. 8 Vielleicht besteht in hau1'i1·e zugleich eine Ans pielung auf den zeitgenössischen Taufritus. 9 1
2
3 4
5
6
7
8 9
Cf. den abweichenden Gebrauch georg. 1,385 certatim Largos umeris infundere rares; Aen. 4 ,250 nix umeros infusa tegit, tum ftumina mento; 5,552 ipse omnem longo decedere circa I infusum populum et campos iubet esse patentis; 5 ,684 nec vires he1Y>um infv.saque .ftumina prasunt; 8,406 optatos dedit amplexus placidumque petivit I coniugis infu.sus gremio per membra soporem. Cf. ThLL Vll,l s.v. infundo 1509.13; vor a llem ThLL V s.v. desuper 789,38 nennen Verg. Aen. 4 ,122, dazu Gell. 2,30,4 (vom Wind); Cypr . ad Donat. 4; Ps. Apul. herb, 1 1.63 ist textkritisch fraglich. Hierzu stellt auch ThLL Vll ,l s.v. infundo 1506,42 den Cyprian- Beleg. Zum spezifisch christlieben Sinne a dea 'l'hLL V s.v. desuper 789,28; zum Gebrauch bei Cypria.n testim. 2,1 cum super ventos validas faceret desuper nubes; 3,80 = domin. or. 26 nullam h.aberes patestatem adversus me, nisi data esset tibi desuper (= J oh 19,11 ); morta.l. 25 tecta desuper tremerent; Demetr. 7 si raradesuper pluvia descendat f...J ecce verbera desuper. Cypr. ad Donat. 14 tta se spiritus ca.elestis inftmdit; testim. 3,6 = Fort. 9 dilectia Dei infusa est cardibus nost1-is; unit. 3 alias nescientibus tenebras rursus infundit; unit. 10 pectoribus et cordibus singulonLm mortale 1firus infundit; laps. 25. Die wiederum ist natürlich ihrerseits von Vergil beeinRußt, dazu etwa J . DINGEL, Seneca und die Dichtung, He idelberg 1974. Cf. georg. 2,340 cum primae lucem pewdes hausere. Cf. ThLL s.v. h.att.ria 2570,23-48; Verbindungen wie haurire aerem sim. ftir 'atmen ' häufiger in der nachklassischen P rosa. FONTAI NE Aspects 170 Anm. 44 : "11 se pourrait d 'ailleurs que ce virgilianisme recouvrit
226
Il.4
Cypriar
entscheidende Beobachtung läßt sich also folgendermaßen zusammenfassen: Cyprian verwendet Elemente vergilischer Sprache, um Einsichten über das christliche Glaubensmysterium zu formulieren. Da bei sucht er, wie schon die Divergenz des Zusammenhangs zwischen dem vergilischell und dem cypria nischen Text zeigt, keine inhaltliche Anknüpfung. Trotzdem sind die Zitate mehr als rhetorische Schmuckmittel, der Christ macht sich vielmehr die besonderen Möglichkeiten poetischer Welterfassung und Versprachlichung zu eigen und erkennt darin gewissermaßen via facti deren Eigenheit und Wert an. 1 FONTAINEs
ad Donat. lOab (CC lll A 9,200sq.) Incisae sint licet Leges duodecim tabulu et pubLico aere praefixo iura proscripta sint: inter Leges ipsas delinquiturl inter iura peccatur, innocentia nec illic, ubi defenditur, reservatur. Saevil invicem discordantium rabies et inter togas pace rupta forum litibus mugi1 • 1nsanum.
Für die Darstellung des verfallenen Rechtswesens, das Streit a uslöst statt Frieden zu stiften, greift Cyprian nicht nur Kritikpunkte a uf, dje sich in entsprechendem Kontext schon bei Seneca finden 2 , sondern auch E lemente vergilischer Sprache: Die Wendung pacem rumpere erscheint ab Aen. 12,202 in der Dichtung. 3 Ab georg. 2,502 - also von den Laudes agricolarum an, wie B UCHH EIT betont 4 - ist die Formulierung f orum insanum belegt, in Prosa ab Tacitus. 5
ad Donat. 11 (CC TI1 A 10,235) Quippe illum vides, qui amictu clarior"E conspicuus sibi videtur in purpura: quibus hoc sordibus emit, ut fulgeat, quo~ adrogantium fastus prius pertulit, quas superbas fores matutinus salutator obsedit, quot tumentium contumeliosa vestigia stipatus in clientium cuneos ante praecessit, ut ipsum etiam salutatum comes postmodum pompa praecederet, obnoxia non homini sed potestati! Neque enim coli moribu~ meT"Uit ille sed fascibus.
avec une precisioo extreme une [sic.1 rite baptismal contemporaio , s ' il est vrai qu 'il fai lle voir da ns le texte de Tert. apol. 39,9 qui unum spiritum biberunt sanctitatis bien plus qu'uoe simple a llusioo a 1 Cor. 12,13 {Vulg.): omnes in uno spiritu potati sumus: un rite d'absorption d 'eau, (... J." 1 Anders BUCH.HEIT Gyprian 349 Anm. 11: Bei dem Zitat desuper se Lumen infundit handle es sich, in bezugauf Aen. 4,122 desuper infundam um eine "bewußte Kootrastieruog zu der Androhung der Juoo", in bezugauf Ae n. 6,726 injusa per artus I mens um eiue "Umdeutung". Das Zitat aus der paganeo Literatur diene also a uch hier vornehmlich als Kootrastfolie. 2 Sen. dial. 4,8,2 inter istos quos togatos vides nulla pax est; 2,9,2. Dazu KOCH Cyprianische Untersuchungen 293 und B UCHHEIT Gyprian 352 Aom. 19. 3 Cf. ThLL X,l s.v. pax 877,19sq. Aen. 12,202; Sen. Herc. f. 416; Sil 1,11 al. 4 B UCHHEJT Cyprian 352. 5 Cf. T hLL VII,l s.v. insanus 1834,57-60: georg. 2,502; Prop. 4,1,134 turn tibi pauca suo de cannine dietat Apollo I et vetat insano verba tonare joro. Tac. dial. 13,5; Cypr. ad Donat. 10; Comm. apol. 587.
II.4. 2
Die Vergilzitate
227
Seine Entla rvung der vermeintlichen Güter der Welt , die tatsächlich nur Unfrieden und Leid bringen, beginnt Cyprian mit der Ehre. Dabei nehme er, so B UCHH EIT, wiederum, wie schon in Kapitel 3, nicht nu r das vergilische Begriffspaar Jasces und purpura aus den Laudes agricolarum im zweiten Georgikabuch a uf, sondern auch Formulierungen a us deren einleitenden Versen, georg. 2,461 sq. (458- 462): 1 0 fortunat os nimium, sua si bona norint, agricolasl quibus ipsa procul discordibus armis fun dit humo facilem victum iustissima tellus. si non ingentem foribus domtiS alta superbis mane salutanturn totis vomit aedibus undam.
Da Cyprian hier Jasces und purpura a ls Symbole staatlicher Macht verwendet, kommt d ie Stelle dem von B UCHHEIT rekla mierten vergilischen Vorbild georg. 2,495 non populi jasces, non purpura regum näher als Kapitel 3, doch ist angesichts der Geläufigkeit der Metonymie eine gewisse Zurückhaltung geboten. 2 Die dem Ausdruck j o1·es supe·rbae z ugrunde liegende Metonymie findet sich zwar hä ufiger , doch der Wortlaut und der Kontext machen den Bezug auf die Vergilstelle eindeutig, die a ls locus classic·us sowohl in der Formulierung a ls a uch in der Krit ik am n egotittm des städtischen Klientenwesens öfter rezipiert wird.3 Im Zusammenha ng mit dieser deut lichen Referenz läßt sich auch der cypria nlsche matutin·us salutator auf die vergilische m ane salutantum tmda zurückführen. 4 l 2
3
4
BUCHHE!T Cyprian 352sq.; cf. B AYARD Lotin XXI. Einzeldiskussion siehe oben (22 1sqq.) zu ad Oonat. 3. Vor a llem sollte m an bedenken, da ß gerade das gegenü ber den anderen Belegen Spezifische von georg. 2,495, die Gegenüberstellung von Konsuln- (Jasces) und Königswürde ( purpura) , hier nicht übernommen ist. H ä ufig findet sich in der Dichtung superbae fores oder postes dort, wo von der Ausschm ückung einer Tür zum Zeichen besonderer Macht oder E hre die Rede ist , etwa Lucr. 4, 1178 (postisque superbos); Aen. 2,504 ( postes {...J superbi); 8,196 (foribusque {... } superbis); 8 ,721 sq. ( superbis I postibus); Hor. carm. 4 ,15,7sq. superbis I postibus) ; Manil. 4 , 180 (postes ornare superbos). BeeinAußt von Verg. georg. 2,461sq. sind , wie die Entsprechungen im Kontext zeigen, Hor. epod. 2,7sq. foru.mque vitat et superba civium I potentiorum limina - die vo n B ucHtiEJT Cyprian 353 Anm . 2 , vorausgesetzte P riorität d er Georgika ist zwar nicht unumstritten, zur Problematik etwa T . ÜKSA LA , Beatus ille - 0 fortunatos. Wie verha lten sich Horazens zweite Epode und Vergils Georgica zueinander?, Aretos 13 {1979) 97- 109, aber für die Rezeptio n durch Cypr ian ohne Bela ng; Sen. Herc.f. 164sq. ille superbos aditus regum I durasque fo res expers somni / colit; epist. 68, 10 (cf. B uC HH EJT Cyprian 353 Anm. 22) Otium tibi ccmmendo, in quo maiora agas et pulch?iora quam quae reliquisti: pulsare superbas potentiorum f ores, digerere in littem.m senes orbos, plurimum in fot·o posse invidiosa potentia ac brevis est et, si verum aestimes, sordida. An die Formulierung lehnt sich St at. Theb. 2,223 f oribus cum inmissa supe1·bis I unda fremit wlgi a n. T hLL Vl ,l s. v. fores 1059,73 georg. 2,461; 1060,35 Stat . Theb. 2,223; 1063,8 Aen. 8,196; 1064,59 Paula Hier . epist. 46,12,2 interdum ad supe1·bas fores pergimus et f. .. J postes ingredimur auratos. Die Formulierung divergiert jedoch, auch der geschilderte Vorgang als solcher ist a lltäglich , etwa Cic. Cat. 1,10; fam. 9,20,3 ; Varro rust. 2,5,1; Manil. 5,66; Stat. s ilv . 4,9,48; Mart. 1,108,5; 2, 18,3; 3,36,3; 6,88, 1; 10,10,2; Suet. O tho 6,2.
228
II.4
Cyprian
ad Donat. 12 (CC TII A 11 ,256) Sed et quos divites opinaris wn tinu.ante~ saltibus saltus et de confinio pauperib·us exclu.sis infinita ac sine te rminis rura latius porrigentes, qu.ibu.s argenti et au.ri maximu.m pondu.s et pecu.niarum ingentiu.m vel exstructi aggeres vel defossae strues, hos etiam inter diviti~ su.as trepidos cogitationis incertae sollicitu.do discruciat, ne praedo vastet, nf percu.ssor infestet, ne inimica cuiusqu.e locu.pletioris invi dia calu.mniosis litibus inqu.ietet. Non cibu.s securo somnusve contingit, suspirat ille in convivio, bi bat licet gemma, et cum epulis marcidum corpus thoros mollior alto sinu condidit, vigilat in pluma nec intellegit miser, speciosa sibi esse supplicia, auro se alligatum teneri et possideri magis quam poss·idere divitias, adqu.€ - o detestabilis caecitas mentium et cupiditatis insanae profunda caligo! cum exonerare se possit et levare ponderibus, pergit poenalibus cumulis pertinaciter adhaerere.
Das folgende Kapitel widmet Cyprian der Kritik a n Reicht um und Luxus, die keine Grundlage eines rechten Lebens darstellen, sondern in quälende Ha bsucht führen. Auch hier sieht B UCHH EIT Vergils Lob des La ndlebens nachwirken .1 So gehe nämlich das ängstliche Vergraben der Schätze ( et aun maximum pondus et pecuniarum ingentium vel exstructi aggeres vel defossae strues), das 'IHnken aus dem edelsteinverzierten Becher ( bibat licet gemma) und das Ruhen auf weichem Lager ( mollior alto sinu condidit) a uf einen Abschnitt der das zweite Georgikabuch abschließenden Gegenüberstellung von ruhelosem Stadt- und gottgefälligem La ndleben (georg. 2,495-540) zurück, georg. 2,505- 507: hic petit excidiis u.rbem miserosque penatis, ut gemma bibat et Sar-rano dormiat ostro; condit opes alius defos soque incu.bat auro.
Allerdings findet sich die poetische Metonymie gemma bibere im gleichen Zusammenhang - und wohJ a uch a bhängig - , nämlich als Klischeebild des abgelehnten überflüssigen Luxus, bei Properz 2 . Was doch für Vergil als Referenzpu nkt spricht , ist, neben der Bekanntheit des Klassikers, zum einen die größere spachJiche Nähe, da Cyprian, wie Vergil, instrumental gemma und nicht, wie Properz, präpositional e gemma ha t , und zum anderen das bei Vergil und Cyprian vorha ndene Motiv vom weichen Lager. 3 Bemerkenswerterweise verwenden von Cyprian an christliche Autoren die Formulierung gemma bibere hä ufiger zur Bezeichnung eines schra nkenlosen Luxus.4 \Vas das Vergraben des Besitzes angeht, so wird man wohl eher BAYAR05 und 1
Cyprian 353. 2 Prop. 3,5,4 n ec bibit e gemma divite nostra sitis. 3 Seneca als mögliches Vorbild neben Yergil zieht B ALL (4.1 ) in Betracht , wohl vor d em Hintergrund von Stellen wie dial. 1,3, 13 quibus gemma ministratur; benef. 7,9,3 Video murrea pocula; parum scilicet luxuria magno fuerit, nisi, quod vomant, capacibus gemmis inter se propinaverint. epist. 110,12 si contempseris aureos leetos et gemmeam supeilectilem . 4 Cf. ThLL VI,2 s.v. gemma 1756,61- 72. 5 Latin XXIsq. ß UCHHEIT
II.4.2
Die Vergilzitate
229
(152) als B UCHH EIT folgen und hinter qui bus argenti et auri maximum pondus et pecuniarum ingentium vel exstructi aggeres vel defossae strues den Einfluß von Hor. sat. 1,1,41- 44 sehen: MOR1CCA
quid iuvat inmensum t e argenti pondus et auri fur tim defossa timid·um deponere terra'? quod, si conminuas, vilem 1'edigatur ad assem '? at ni i d fit, quid habet pulcri constructus acervus? Natürlich ist nicht a usgeschlossen, daß Vergils defossoque [. .. ] auro Cyprian erst an die Horazstelle hat denken lassen, doch scheinen insgesamt weniger zielgen aue Einzeltextreferenzen als vielmehr die Tendenz vorzuliegen, sich an Standardformulierungen und To poi dichterisch- populärphilosophischer Kritik am übermäßigen Reicht um zu orientieren, so daß man annehmen muß, vom Autor sei nicht dje Rückführung auf eine bestimmte Stelle, sondern die Perzeption des an den Klassikern orient ierten Grundtenors intendiert. 1 Zumindest für die Verwendung der Formulierung gemma bibere läßt sich aber nachweisen , daß sich diese von paganen Autoren , nicht zuletzt von Vergil, entlehnte Diktion einen festen Platz in der christHeben Paränese gegen schädlichen Reichtum und Luxus ero bert. ad Donat. 13sq. Höchstens eine lose gedankliche Verbindung zu Vergils Laudes agricolarum läßt sich mjt B uCHH EIT für das Motiv der trügerischen Sicherheit des Mächtigen (ad Donat. 13) und der Ruhe des einfachen Lebens (ad Donat . 14) feststellen.2 Insgesamt scheint B UCHH E!T die Bedeutung Vergils im gesuchten Zusammenspiel der Prätexte und loci communes in den Kapiteln 3 und 10- 14 ein wenig zu hoch einzuschätzen. 1
2
Seh1· a llgemein bleibt die Übereinstimmung in der Darstellung des Neides (ad Donat. 3 ne inimica cuiusque locupletioris invidia calumniosis litibus inquietet [... ] pergit magis jortunis angentibus incubare zu georg. 2,499 neque ille I aut doluit miserons inopem aut invidit habenti) , auf d ie B UCHH EIT Cypri{lrt 353 Anm. 26, am Rande verweist. B UCHifEIT ( Cyprian 353 Anm. 29) nennt zu ad Donat. 13 An tu vel illos putas tutos, illos saltim inter honorum infulas et opes largas stabili firmitate securos, quos regalis aulae splendore fulgentes ar'lnorum excubantium tutela circumstat? maio1· illis quam ceteris metus est. Tarn ille timer·e cogitur Qttam timetur. georg. 2,459sq. quibus ipsa procul discordibus armis I fundit humo facilem victum iustissima tellus. und z u ad Donat. 14 Una igitur placida et fida tronquillitas, una solida et firma securitas, si quis ab his inquietantis saeculi turbinibus extractus salutaris portus statione fundetur: ad caelum oculos tollit a terris et ad domini munus admissus ac deo suo mente iam proximus, quiCQuid apud ceteros in rebus humanis sublime ac magnum videtur, intra suam iacere conscientiam gloriatur. Nihil adpetere iam, nihil desiderare de saeculo polest, qui saeculo maior est. Quam stabilis, quam inconcussa tutela est, quam perennibus bonis caeleste praesiditLm, inplicantis mund·i laqueis solvi, in lucem immortalitatis aeternae de terrena jaece purya.ri. Viderit, quae in nos prius injestantis inimici pernicies insidiosa gmssata sit. Plus amare conpellimur, quod futuri sumus, dum et scire conceditur et damnar-e, quod eramus. Nec ad hoc pretiis aut ambitu aut manu opus est, ut hominis summa vel dignitas vel potestas elaborota mole pariatur: et gmtuitum de deo munus et fa.cile est. georg. 2,467 at secura quie.s et nescia. fallere vita.
230
fl .4
Cypria11
ad Donat. 14 (CC III A 12,298) Ut sponte sol radiat, dies luminat, fon~ rigat, imber inrorat, ita se spiritus caelestis infundit.
Seine Argumentation, daß die Gnade von Gott geschenkt, nicht vom Menschen erarbeitet wird, verdeutlicht Cyprian anband eines Naturbildes. Dru; darin verwendete Verb inrorare ist erstmals bei Vergil (georg. 1,280; 3,304) : nach ihm häufig in der Dicht ung, a ber a uch bei Fachschriftstellern (ab Cels. 5,26,8; Colum. 9,14,10) und späteren Christen belegt. 1 Die a uffa llende int ransitive Konstruktion, die hier erstmals seit Vergil (georg. 3,304, dort aber nicht mit dem Regen, sondern Aquarius als Subjekt) erscheint, 2 und die Nat urschilderung als Kontext lassen annehmen , daß Cyprian bewußt eine etwru; gesuchte Formulierung wählt und daß der dem Wort in dieser Verwendung anhaftende color Veryilianus und kaum die den Belegen nach eher begrenzte Verwendung in der Fachliteratur a usschlaggebend war. Vielleicht hat diese Cyprianstelle die spätere Verwendung des Wortes bei den Christiani Latin1 teilweise angeregt. 3
ad Demetrianum
Vermutlich im Jahre 252 verfaßt Cypria n sein zweites apologetisches Werk, eine öffentliche Erwiderung an den antichristliehen Polemiker Demetrianus. 4 Im Mittelpunkt steht einerseits die retorsio des Vorwurfs, die Vernachlässigung der hergebrachten Götter durch die Christen sei dle Ursache für die .. Ubel und Katastrophen der Zeit, zum anderen eine Protreptik zum Christentum. Nach einer den Anlaß der Schrift erklärenden Einleitung (Kapitel 1sq. ) widerlegt Cyprian zunächst (Kapitel 3- 11), daß die Schu.ld am Niedergang der Welt bei den Christen liege, mlt dem Hinweis auf einen natürlichen A.lterungsprozeß der Welt hin a uf das Eschaton, der sich gemäß den biblischen Ankündigungen vollziehe und den die heidnische Mißachtung des Christengottes noch beschleunige. Dann (Ka pitel 12- 16) wendet sich Cyprian gegen den Umgang der Heiden mit den Christen und gegen ihre Verehrung machtloser Götter. Dagegen stellt er die Macht des Christengottes (K apitel 17- 22), von dem für die Heiden Unheil , für die Christen Heil komme. Am Ende (Kapitel 23- 26) fordert Cyprian dazu auf, vertrauensvoll das göttliche Heilsangebot anzunehmen. Auffälligerweise beruft sich Cyprian a uch in diesem so eindeutig nach a ußen gerichteten Werk nirgends a usdrücklich auf pagane Autoritäten , sondern zitiert nur die Bibel. Darauf reagiert Laktanz mit einem Tadel (inst. 5,4,4 Qua materia non est usus ut debuit: non enim scripturae testimoniis, 1
2
3
Cf. T hLL Vll,2 s.v. 441 ,73. Cf. ThLL VII,2 442,62- 73.
Für den Regen gebraucht vor allem Hieronymus das Wort, nicht zuletzt psalt. sec. Hebr. 71 ,6 lsc. der von Gott erhoffte Friedenskönig] descendet ut pluvia super vellus ut stillae inrorontes tenum.
4
Zur Forschungslage Antonie WtOSOK, HLL 4 (1997) §478.8.
II.4.2
Die Vergilzitate
231
quam ille fsc. Demetrianusj ·utique vanam fictam commenticiam putabat, sed argumentis et ratione fuerat refellendus.) und die neuere Forschung mit einer Diskussion über den Adressatenkreis der Schrift und die Absichten, die Cyprian mit dieser Beschränkung verfolge. 1
Demetr. 3 (CC III 36,47; 48sq.) Non hieme nutriendis seminibus tanta imbrium copia est, non frugibus aestate torrendis solita fiagrantia est nec sie verna de temperie sua laeta sunt nec adeo arboreis f etibus autumna fecunda est. Um zu untermauern, daß nicht die Christen d ie Schuld an den gegenwärtigen Unglücksfäl len und Mißernten trügen, sondern die ganze Welt einem natürlichen Alterungsprozeß unterliege, verweist. Cyprian auf die immer ungünstiger werdenden Wachst umsbedingungen in den einzelnen Jahreszeiten. Aus dieser Thematik ergeben sich sprachliebe Berührungen mit der georgischen Dichtung Vergils, doch etwas mehr als Überschneidungen im Vokabular ( laetus, feC'undus, frug es torrere) 2 läßt sich nur in der a uch anderswo in ihrem Kontext a usdrücklich zitierten3 vergilisch- poetischen Wendung arborei fetus (georg. 1,55) 4 fassen. Cyprian zeigt sich bei der Formulierung seines AntiBauernkalenders also zumindest mittelbar von vergilischer Diktion beeinfiu ßt. Vielleicht steht a ber auch die ganze Szenerie der Georgika, die Pflege 1
Zusammenfassung HLL 4 (1997) 557sq. - Meist erklärt man d ie Argumentation aus der Bibel mit einer Ausrichtung auf ein heidnisches und christliches Publikum (HLL 4 [1997J 557: "Adressierung an C hristen"; in diesem Sinn SCHA NZ I HOSIUS 111 347; ALTANER I STUIBER 174 ). Nur von ·glaubensschwache n C hristen' spricht VON ALBRECHT (Literatur li 1243). M. BEVENOT, 'Cypria n', TRE 8 (1981) , 251 , schon mit etwas anderer Gewichtung: "mehr zur Ermutigung d er Christen a ls zur Gewinnung der Heiden". HECK {MT! 9taf.La.x.tiv l54 sq. ) spricht sich gegen eine innerchristliche Ausrichtung aus und vermutet, "daß Cyprian die Affinität zwisclte n römischem und altestamentlichem Religionsverständnis ausgenutzt und d emgemä ß den Rückgriff nur auf die Bibel für ausreichend, zulässig oder gar geboten gehalten hat" (155). 2 Etwa georg. 1,67- 69 at s~ non fu erit tellus f ecunda, sub ipsum I Arcturum tenui sat erit suspende1·e .sulco: I illic, officiant laetis n e fn;.gibv.s herbae I hic, sterilem exiguus n e deserat tLmor harenam. Die Formulierung fruges torrere findet sich zwar, worauf CALLICET ad l. (165) hinweist, zweimal bei Vergil (georg. 1,267 nunc torrete igni fruges, nunc frangite saxo; 1,298 et medto tosLas aestu terit area fruges), doch ist torre1·e d er einschlägige tenninus technicus (cf. OLD s.v. torreo 1b, etwa Plin. nat. 18,61 e diverso far, m ilittm. pamcum purgari nisi tosta non possunt.). Mit CALLICET {l.c.) einen poetischen Ton in den substantiv ierten Adjektiven verna und autumna zu sehen , ist sicher nicht zwingend, vie lleicht sollte man eher von einer Tendenz zum gekünstelt- periphrastischen Ausdruck sprechen: Vernum fsc. tempusj erscheint häufig in der a lltäglichen Prosa (schon beim Älteren Cato, dann regelmäßig im Vulgärlatein), autumnus kommt überhaupt kaum vor (cf . LHS II 155 a.) ) - Vergil jedenfalls verwendet keines von beiden. Der ebenfa lls bei ÜALLICET (l.c.) zu findende Hinweis auf die Überlieferungsvariante sata laeta statt sua laeta und die Parallele georg. l ,325 (324326) f... ] ruit ard1tus aether I et pluvia ingenti sata laeta boumque Labores I diluit hilft nur zur Erklärung der Verschreibung. 3 Quint. inst. 9 ,3 ,38 z itiert georg. I ,54sq.; Sen. epis t . 87,20 zitiert georg. 1,53- 58. 4 Georg. I ,54- 56 hic segetes. illic veniunt f elicius uvae, I arborei f etus alibi atque iniu,ssa virescunt I gromina. Oie Junktur ersche int nach ThLL I s.v. arboreus 428,7G-72 bei Vergil, Ovid , Columella, hier und Ammia nus.
232
Il.4
Cyprian
fruchtbarer Gärten, als Kontrastfolie hinter der nun von Cyprian angesprochenen Unfruchtbarkeit.
Demetr. 5 nec relictis vanis superstitionibus religio vera cognoscitur: Siehe oben (51) zu Tert. apol. 24,7.
Demetr. 20a (CC III A 47,392) Viget aput nos spei robur et firmitas fidei et inter ipsas saeculi labentis ruinas erecta mens est et immobilis virtu~ et numquam non laeta patientia et de Deo suo semper anima secura, sicul per prophetam Spiritus sanctus loquitur et hortatur spei ac fidei nostrae firmitatem caelesti voce corroborans. 'ficus ', inquit [Hab 3,17sq. ], 'non adferel fructum et non erunt nascentia in vineis. mentietur opus olivae et camp1 non praestabunt cibum. defi cient a pabulo oves et non erunt in praesepibu~ boves. ego autem in Domino exultabo, gaudebo in Deo salutari meo. ' Dei hominem et cultorem Dei subnixum spei veritat e et fidei stabilitate fundatum negat mundi huius et saeculi inf estinationibus commoveri. Vinea licet fallal et olea decipi at et herbis siccitate morientibus aestuans campus arescat, quid hoc ad christianos, quid ad Dei servos quos paradisus invitat, quos gmtia omnis et copia regni caelestis exspectat?
Die Christen ficht, so erklärt Cyprian, der überall sichtbare Niedergang der Welt nicht an. Durch den Propheten habe der Heilige Geist ja die Unfruchtbarkeit angekündigt und zum freudigen Durchhalten im Glauben aufgefordert. Diese Aussage wird zunächst durch ein Zitat belegt, das dann erklärend zusammengefaßt wird. Schließlich spitzt Cyprian die Aussage in einer provokativen Frage zu: Möge auch alles unfruchtbar werden und vertrocknen, was gehe das die Christen an? Bei der Schilderung der Thockenheit folgt Cyprian einer Passage aus den Georgika, in der Vergil den Nutzen künstlicher Bewässerung rühmt, georg. 1,107 (104- 109): quid dicam, iacto qui semine comminus arva insequitur cumulosque ruit male pinguis hanmae, deinde satis .ftuvium inducit rivosque sequentis, et, cum exustus ager morientibus aestuat herbis, ecce supercilio clivosi tramitis undam elicit ? (... j
Cyprian variiert also das vergilische exustus ager (. .. ] aestuat zu aestuans campus arescat, d.h. , er substituiert ager durch das synonyme campus und aestuat durch arescat, behält aber das Lexem aestuare morphosyntakt isch variiert als Substitut für exustus bei und fügt das erklärende siccitate hinzu. Das auffällige 1 herbis (... ] mmi.entibus bleibt, zwar in umgekehrter Reihenfolge, aber wiederum im Hyperbaton, erhalten. Indem Cypria n die bei Vergil 1
Cf. T hLL Vl11 s.v. morior 1494,26sq. : Junkturherba und moriri ecl. 7.57 Aret ager, vitio moriens sitit aeris herba; georg. 1,107, dazu Cypr . De metr.20; aber auch Ps. Quint. decl. 12,7.
ll.4 .2 Oie Vergilzita te
233
statische Prädikation ( exustus (... J aestuat - attribut ives Part izip Perfekt Passiv , Verb mit dmativer Aktionsart) in eine dynamisch- ingressive ( aestuans [. ..] arescat - attribut ives Partizip Präsens Aktiv, Verb mit ingressiver Akt ionsart) verwandelt, paßt er sie seinem gedanklichen Kontext an: W ährend nämlich Vergil die Dürre als konkreten und sit uativen Ausgangszustand beschreibt, dem da nn mit einer Bewässerungsmaßnahme a bzuhelfen ist, interpretiert der C hrist sie als Zeichen für einen unumkehrbaren, weil auf das Eschaton hinführenden, Ent wicklungsprozeß des ganzen Kosmos. Die vergilische Wendung über die Ttockenheit fügt Cyprian in die dreigliedrige konzessive Protasis des rhetorischen Fragesatzes ein. Auffälligerweise nehmen die ersten beiden Kola dieses Nebensatzes E lemente a us dem Lagehinweis des vorher zit ierten Ha bakukwortes a uf, die Unfruchtba rkeit der Weinstöcke ( vinea [. ..j fallat zu non erunt nascentia in vineis) und der Ölbäume 1 , während das dritte, vergilisch formulierte Glied , keine genaue Entsprechung beim Pro pheten ha t - es t ritt für das allgemeinere campi non praestabunt cibum ein. Diese bemerkenswerte Ersetz ung eines zu erwartenden biblischen durch einen vergilischen Gedanken liegt sicher in der rhetorischen 'W irkung des vergilischen Sz.e na rios todbringender Dürre begründet, die sich übrigens auch der Verfasser einer unter Quint ilians Namen überlieferten Muster- Verteidig ungsrede zur Recht fert igung eines Aktes von Kannibalismus a us Hunger zunutze macht .2 Die Verse haben a lso ihren Platz im Repertoire des Schu lrhetoren . Einen zusätzlichen Aspekt eröffnet die P ersonifikat ion morientes herbae; Servius erklärt sie: secundum Pythagoricos, qui dicunt omne quod crescit animam habere. Das sprachliche Spiel mit dem Geda nken a n eine beseelte Natur führt zur ück z u Cyprians vor allem im Ka pitel 4 a usgeführten Argument von einem Alterungsprozeß der Welt. D emetr . 20b (CC III A 47,402) Et tarnen pro arcendis hostibus et imbribus
impetrandis et vel auferendis vel temperandis adve1·sis rogamus sempe1· et preces fundimus et pro pace ac salute vestra propitiantes et placantes Deum diebus atque noctibus iugiter atque instanter oramus. Obwohl die Christen im G lau ben über die Katastrophen der zugrunde gehenden Welt hinwegscha uen können, beten sie, so versichert Cyprian, um Scho nung. Die Formulierung preces fundere erscheint a ls Ausdruck der Kultsprache e rstma ls bei Vergi1 3 , an zwei Stellen der Aeneis zur E inleitung von Ge beten, deren Erhöru ng den Fortgang der Dinge entscheidend bestimmt. Dabei ha ndelt es sich zum einen um das Stoßgebet des Cloanthus, das ihm den Sieg im Schiffsre nnen beschert, Acn . 5,234:
Et fors aequatis cepissent pmemia r-ostris, 1
Cyprian : olea decipiat - Habakuk: mentietur opus olivae. 2 Ps. Quint. decl. 12,7 Nosper arentes effusi oompos morientium herbar"Um omnes radices vellimus, eo quidem fortius, ut, si fieri possit, in venenum incidamus subeuntes insolitis cibis. 3 Hor. epod. 17,53, der erste Beleg nach ThLL Vl,l s.v. fundo 1566,79-81, hat den Sinn 'verschwenden '.
234
II.4 Cypria11 ni palmas ponto tendens u.trasq·ue Cloanthus judissetque preces divosqu.e in vota vocasset
und zum anderen um das Gebet des Aeneas in der Sibyllenhöhle, Aen. 6,55: [. .. j gelidu.s Teu.cris per du.m cucurrit ossa tremor, funditque preces rex pectore ab imo.
Zunächst bleibt die Wendung auf die Dichtersprache beschränkt, von Tacitus und Apuleius an findet sie sich vereinzelt in der Prosa, in der späteren christlichen Literatur wird sie häufiger verwendet. 1 Cyprian übernimmt also, wie es scheint, als erster Christ diese auf Vergil zurückgehende Formulierung der paganen Kultsprache und bezieht sie auf das Gebet der Christen. 2 Damit schafft er eine sprachliche Verbindung zwischen paganer und christlicher Frömmigkeit , die dem Ziel der Argumentation, der Widerlegung d~ Vorwurfs, die Gottlosigkeit der Christen habe die gegenwärtigen Katastrophen heraufbeschworen, zugute kommen soll. Der Hinweis auf das Gebet der Christen erhält durch die bewußte Anlehnung an vergilisch- pagane Gebetssprache einen subtilen Nachdruck. Bemerkenswert ist, daß die Formel von hier an Eingang in die christliche Latinität findet und sich bis Abaelard und Rupert von Deutz weiterverfolgen läßt .3
Demetr. 23 (CC III 49,450sq.) Respicite itaqu.e d·u m tempu.s est ad veram el aeternam salutem, et quia iam mundi finis in proximo est ad Deum mente~ vestras Dei timore convertite. Nec vos delectet in saecu.lo inter iustos et mite~ inpotens ista et vana dominatio, qu.ando et in agro inter cultas et fertile5 segetes lolium et avena dominetur, nec dicatis mala accidere, quia di1 vestri a nobis non colantur, sed sciatis esse hanc iram Dei, hanc (Dei) esse censuram u.t qui beneficiis non intellegitur vel plagis intellegatur. 1
2
3
Siehe unten (316) zu Arnob. na.t. 5,21. ThLL VI, l s.v. fv.ndo 1566,81 nennt Tac. ann. 14,30 als ersten Prosa.beleg; zudem pagan fusis precibus Apul. met. 11 ,3 ; Serv. Aen. 4,9; christlich etwa Zeno 1,1,21 ; Vulg. Lev. 16 ,10 (aber LXX d< -tf]v &TtoTtOIJ.Ttftv - die Rede ist vom Sündenbock); 2 Chron. 16,19; 7,1 Ueweils für LXX Ttpootux_,oOat, dafUr ansonsten meist orare, etwa Gen 20,7.17; Ri 13,8; 1 Sam 1,10.27; 1 Kön 8,33; Esra.6,10; J er 29,7). Die Art der Verwe ndung legt b ei Cyprian innerhal b des syntaktischen Trikolo ns die Vorstellungen einer gradatio gegenüber rogamus nahe. Die größte Intensität wäre dann iugiter atqv.e instanter oromus zuzuschreiben. Grundsätzlich wäre natürlich mit der Möglichkeit zu rechnen, daß C hristen (ebenso wie lsisanhänger, cf. Apul. met. 11 ,3 und WLOSOK Laktanz und die philosophische Gnosis 186 Anm. 15; 187 Anm. 17; HECK MT] Oto~:~.ax_tiv 50 Anm. 29) üblicherweise preces fundere gebrauchen. Dagegen spricht aber wo hl , daß ein Vergilkenner und geschulter Redner wie Cyprian kaum in einem apologetischen, d .h . auf Wirkung nach außen konzipierten , Text eine so exponierte vergilische Wendung unbedacht verwenden würde. - Zum Weiterleben d er Formel im Kirchenlatein siehe etwa: P a.scbasius Ra.dbertus, Expositio in lamentationes Hieremiae (CC 2 I. 1647) nec tarnen pro his ad eum prece8 fundere cessat. ld. , Expositio in Matheo (CC 4 I. 545) : Alioquin sine Deo apud Deum preces ftmdere aerem verbis implere possumus profecto effectv.m operis nequaquam obtinebimus. Petrus Abaelardus, Theologia 'Scholarium ' (CC 1 I. 584) quascumque ei preces fundit Rupertus Thitiensis, De sancta trinitate et operibus eius (CC 28 /n Isaiam II p. 1536, I. 1174) pressoque sub pedibus eius ore humilem precem fundant .
II .4.2
Die Yergilzitate
235
Cyprian ruft unter Hinweis auf das nahe Eschaton zur Bekehrw1g auf und warnt die Heiden davor, sich weiterhin an ihrer maßlosen und nichtigen Herrschaft1 über die Christen zu ergötzen. Dieser seien die Christen unterworfen, wie der Weizen vom Unkraut überwuchert werde. Dabei lehnt sich Cyprian deutlich an die Worte an , mit denen Vergil die Bedrohung der heranreifenden Feldfrucht durch wucherndes Unkraut schildert, georg 1,152- 154: [... ]; intereunt .segetes, subit aspem silva lappaeque tribolique, interque nitentia cu.lta infelix loliu.m et steriles dominantu.r avenae. Cyprian übernimmt also in seinem quando-Satz nicht nur lexikalische Elemente, sondern auch die Syntax (Verb, Subjekte, Präpositionaladverbiale) des Vergilsatzes, besonders markant scheint freilich die bei Vergil wiederholte Junktur von loli'um und avenae zu sein. 2 Die vorgenommenen Veränderungen dienen der Adaptation der dichterischen Vorlage an stilistische Erfordernisse der Kunstprosa: Das bei Vergil in der Präpositionalkonstruktion substantivierte cultus zieht er als Attribut zum hier eingefügten, im weiteren vergilischen Kontext aber präsenten segetes. Loli'um und avena verlieren ihre Epitheta und stehen im Numerus angeglichen nebeneinander, das Verb tritt an den Schluß des Kolons, so daß sich eine katalektisch- dikretische Klausel ergibt. Den color Vergilianus verwendet Cyprian, um die Unterdrückung der fruchtbringenden Christen durch die Heiden zu verdeutlichen. Berücksichtigt man aber den Kontext bei Vergil, in dem er von der Notwendigkeit spricht, das wuchernde Unkraut aus dem Acker zu reißen 3 , eröffnet sich in der Vergilreferenz die Perspektive auf das EnJe der heidnischen Unterdrückung der Christen. 4 Nicht vergessen werden darf allerdings ein zweiter Prätext, das neutestament liche Gleichnis vom Unkraut im Weizen (Mt 13,24- 30). Hier findet Cyprian die Anregung für sein Bild. 5 Auch läßt sich der unvermittelte Übergang auf die Ebene der Uneigentlichkeit (' weil ja auch im Ackerbau') 6 noch am ehesten mit dem Rü ckgriff auf Bekanntes erklären. Außerdem er1
Zu diesem Verständn is von inpotens ista et vana dominatio GALLICET ad l. 265sq. 2 Verg. ecl. 5,37 infelix lolitLm et ste1'iles nascuntur avenae. Weitere Belege für die Junktur unten (29 1) im Material zu Arnob. nal. 2,59. 3 Yerg. georg. 1,155- 159 quod nisi et adsiduis he1·bam insectabere rastris I et sonitu terrebis avis et ruris opaci I falce premes umbros votisque vocaveris imbrem, I heu ma.gnum alterius frustra spectabis acerwm I concussaque famem in silvis solabere quercu. 4 Übrigens steht das Unkraut bei Yergil im Zusammenbang mit dem labo1· improbus (georg. l ,J 45sq.); von daher könnte das Un kraut der Heiden auch unter dem Blickwinke l der Herausforderung zur tätigen Bewährung für die Saat des Christentums gesehen werden. 5 Zur Aussage des neutestamentlichen Bildes bei Cyprian BALL 54sq.: "!TJ he powerful but unjust a re likely the cockle a nd ta.res which tower above the cultivated and fertile grain , destined in due time to be bound up and burned by the harvesters." 6 Ansonste n pflegt. Cyprian, mehrere Bilder aneinanderzureihen und ihnen die Erklärung beizugeben , beispie lswe ise laps. 16; mortal. 12. Au1fällig ist hier überdies die Stell.u ng in einem Kausalsatz, der gemeinhin a uf einen feststehenden Grund hinweist, cf. KS fl 383, zum Modusgebrauc h KS rr 384 Anm. 3 und BAYARD Latin 226.
236
II.4
Cyprian
schließt sich vor dem Hintergrund des ne utestament lichen Gleichnisses, das ja a uf die Eschatologie, bildlich a uf die Trennung von Unkraut und Weizen bei der Ernte, abzielt , ein vert ieftes Verständnis des Bildes bei Cyprian. Auch ihm geht es letztlich um die endzeit liche Dringlichkeit , mit der die Heiden sich bekehren und von der Unterdrückung der Christen ablassen sollen. Das heißt also: Das Bild ist sowohl von Vergil als a uch vom neutestament lichen Text her verständlich, gänzlich a ber erschließt es sich nur dem Leser, der mit beiden P rätexten vertraut ist. 1 E r nämlich kann sowohl die Met aphorik vom Unkraut im Weizen in ihrer Tragweite erfassen als a uch die Aneignung vergilischer Sprache goutiere n. Cyprian schafft hier eine Synthese von christlicher Botschaft und vergilischer Diktion. Vvohl a uf ihn ist es zurückzuführen, wenn in der späteren christlichen Latinität immer wieder, teils mit direktem, teils mit indirektem Bezug a uf das neutestamentliche G leichnis, nicht oder nicht nur, gemäß de m griechischen Text von einem Unkra ut im Weizen (~t~6:v ta , zizania), sondern vergilisch von lolium und avena die Rede ist. 2
4.2.3
Biblische Tes timonien, pastorale und ekklesiologische Schrif.. t en
de habitu virginum
In dieser wohl noch vor Beginn der Decischen Verfolg ung entstandenen Sch1·ift wendet sich Cyprian, bereits als Bischof, an die Jungfra uen in seiner Gemeinde, die sich Gott geweiht haben.3 Ausgehend von einer allgemeinen Ermahnung zur diciplina und theologischen Erwägungen über den Stand der Jungfräulichkeit, gibt er Beispiele und Anweis ungen für das diesem Stande a ngemessene Auftreten. 1
2
3
Dem tut die Tatsache, daß die Schrift forma l an e ilten Heiden gerichteL ist, keinen Abbruch, Cyprian argumentiert ja im ganz-en Werk a-us der Bibel. So etwa Arnob. nat. 2,59 quid spinae, quid sent.es, qu.id avenae, quid lolium, quid herbarum aut froticum aut adolentia naribus aut tristia in odoribus semina? (dazu unten 291) ; Aug. in psalm. 64 ,16 (CC I. 5) etenim zizania ea proprie dicuntur, quae nascuntur in similitudine froment.orom, sicuti est lolium, sicuti est avena, et cetera talia quae primam herbam prorsus similem habent. Hier. in loel. 2 (CC I. 425) ceterum iuxta tropologiam, omnis anima te,-,a est domini, in qua seminat pater familias sementern suam, quae cum pro tritico zizania f ecerit, id est, avenas et lolium; et offenderit do minum suum, et postea egerit paenitentiam, plangensqu.e dixerit in Aggaeum 1 (CC I. 3 1) in quo labora.tur, et in sudore faciei comeditur panis; et terra generat nobis tribulos et spinas, et cum sementern acceperit tritici, lolio magis a11eni.sque fecund-a est. epist. 54, 1; 130,56 etc. - Natürlich läßt sich für den Einzelfall kaum je der vermittelnde Einfluß der Cyprianstelle sicher beweisen , wahrscheinlich macbeo ihn zumindest aber die Häufigkeit der Belege und die Tatsache, daß im nämlichen Zusammenhang öfter von triticumdie Rede ist, was dem biblischen aho, (' Weizen', cf. EWNT 3 s.v. ai-to' 578sq.) entspricht, bei Vergil aber nicht vorkommt. Gesamtdarstell ung und Hinweise zur Forschungsl iteratur bei H. C ÜLZOW HLL 4 (1997) §478.10. Kommentar von Angela E. KEENAN , Thasci Caecili Cypriani de habitu virginum. A commentary, with a n lntroduction aod Translation, Diss. Washington 1932
Il.4 .2
Die Vergilzitate
237
hab. virg. 1 ( H ARTEL I 187) Disciplina custos spei, retinaculum fidei, dux itineris salutaris, fom es ac nutrimentum bonae indolis, magistra virtutis facit in Christo m anere semper ac iugiter Deo vivere.
Das tautologische fomes ac nutrimentum im ersten Satz des Werkes könnte beeinfiußt sein von Aen. 1,176 (174- 176): ac primum silici scinti llam excudit Achates succepitque ignem foliis atque arida circum nutrimenta dedit rapuitque in fomite fiammam. Dafür jedenfalls sprechen die Seltenheit 1 und die semantische Besonderheit der Junktur fomes ac nutrimentum, die den Gedanken an das Entfachen eines Feuers voraussetzt2 , was auf den vergilischen Zusammenhang hinweist. Allerdings stehen bei Vergil die Substant ive weder in einem übertragenen Kontext noch syntaktisch parallel. Die Stelle kann also höchstens mittelbar dazu angeregt haben, das schon klassisch translate gebrauchte m ttrimenturn tmd das erst in der nachklassischen und christlichen Latinität entsprechend verwendete fomes3 als verstärkende Synonymenhäufung nebeneinanderzustellen. de lapsis
In der wohl auf der Frühjahrssynode 251, also nach dem Ende der Decischen Verfolgung, vorgetragenen Schrift de lapsis erörtert Cyprian die Frage, wie mit denjenigen Ch risten umzugehen sei, die unter dem Druck der Verfolgung a bgefallen und dem Opferbefehl nachgekommen waren, und unter welchen Bedingungen ihre Wiederaufnahme in die Kirche erfolgen könne.4 laps. 4 (CC III 222,65sq.) Has martyr·um caelestes comnas, has conf essorum gl01'ias spiritales, has stantium fratrum ma:t'imas eximiasque vir·tutes maestitia una contristat: quod avulsam nost1·orum viscerum partem violentus inimicus populationis suae strage deiecit. Quid hoc loco faciam, dilectissimi fratres, ftuctuan s vario mentis aestu quid aut quomodo dicam '? lacrimis magis quam verbis opus est ad expr'imendum dolor-em quo corporis nostri plaga deflenda est, quo populi aliquando nurner-osi multiplex lamentanda iact·ura est. 1
N ach T hLL V I , l s.v. f omessonst nur H ier. in l s. 30,30 nutrimentum etjomes ignis esL 2 Nach OL D s.v. 1 und dem Materi al im ThLL- Archiv s.v. find et sich nttt1'imentum erst ab Vergil für Brennstoffe, vorher nur tra.nslate Cic. orat. 42. - Cf. BALL 122. 3 ThLL V l ,l s.v. fomes nennt etwa Gell. 15,2,3 fomitem esse quendam {sc. ebrietatemj ingenii virtutisque; Apul. flor. 15 tot tamque multiiugis fomitibus disciplinarum toto orbe haustis; Tert . pall. 4 ex isto fomite aestuantem {... J regem; Cypr. hab. virg. 18 libidinum fom es accenditur; laps. 14 peccandi j omitem subministra.t etc. Zum vergi l ischen Gebrauch von j omes h ier auch A USTIN ad l. (76sq.), zur Verwendung bei Cyprian K EENAN a.d l., 7lsq. 4 Einen umfangreichen Similienappa.rat b ietet die Ausgabe von J . MARTIN, Sonn 1930 (Florilegium Patristicum XX ). Gesamtdarstellung und neuere Forschungsli teratur b ei CiiLZOW HLL 4 ( 1997) §478.11.
238
II.4
Cyprian
Nachdem er in den ersten drei Ka piteln das Ende der Verfolgung gefeiert und die st andhaft Gebliebenen gerühmt hat, wendet sich Cyprian nun vorsichtig und rhetorisch verbrämt seinem Thema zu, den lapsi. Sein betontes Zögern kleidet er in ein Bild (fluctuans vario mentis aestu) , das sich an drei Stellen der Aeneis vorgegeben findet, Aen. 4,532 für Didos nächtliche Qualen:
(. ..} ingeminant curae rursusque resurgens saevit amor magnoque irarum ftuctuat aestu
Aen. 8,19 für Aeneas' Besorgnis a ngesichts der sich zusammenziehenden feindlichen Truppen quae Laomedontius heros cuncta videns magno cu1nrum ftuctuat aestu und Aen. 12,486 für Aeneas' Rat losigkeit a uf der vergehHeben Suche nach dem eben entrückten Turnus:
heu, quid agat? vario nequiquam ftuctuat aestu, diversaeque vocant animum in contraria curae. Zweifellos bezieht Cyprian sich a uf diese Vergilstellen , worin ihm dann Hieronymus und Augustinus folgen. 1 Mit den ersten beiden Belegen hat Cyprian das die Art der bildlich a usgedrückten inneren Erregung erläuternde Genitivattribut zu aestu gemeinsam, am nächsten aber folgt er der Stelle aus dem zwölften Aeneisbuch, wie nicht nur das Adjekt iv varius, sondern auch die vorausgehende mit quid eingeleitete deliberative Frage zeigt. laps. 8 (CC III 225,161) Nonne quando ad Capitolium sponte ventum est,
quando ultro ad obsequium diri facinoris accessum est, labavit gressus, caligavit aspectus, tremuerunt viscera, bracchia conciderunt? Non sensus obstipuit, lingua haesit, sermo defecit? Cyprian stellt die rhetorische Ftage, wie die abgefallenen Christen sich nur freiwillig zum Opfer begeben konnten, und malt ein Szenario somatischer Widerstände. Der Ge brauch von haerere fü1· das Versagen der Sprache bei tiefer Erschütterung gehört in die Dichtersprache. 2 Ob Cyprian hier ein best immtes Vorbild wie Terenz Eun. 977 lingua haeret metu oder die viermal bei Vergil (Aen. 2,774; 3,48; 4,280; 12,868) vorkommende Wendung vox faucibus haesit vor Augen hat, muß offenbleiben. Jedenfalls greift er zur rhetorischen Ausgestalt ung auf poetische Topik zurück - das Versagen der Sinne und der Stimme gehört seit Sappho in die dichterische Pathographie.3 laps. 16 (CC III 230 ,27 sq.) navem scopulis ne in portum perveniat inlidunt: Siehe oben (196sq. ) zu Novatian. Cypr . epist. 30,2,1 1
2
3
Nach ThLL Vl ,l s.v. fl1.,ctv.o 943,17- 24.69-75 findet sich eine Formulierung aestv. flu ctuare im vorliegenden Gebrauch nur bei Vergil, Cyprian und im Anschluß an diese bei Hierooymus und Augustious. Cf. Th LL VI,3 s.v. haereo 2497,56-60. Cf . Sappho fr. 31 ,9-12 VOIGT.
Il.4.2
Die Vergilzitate
239
laps. 22 (CC III 233,440sq.) Quid de eo boni sentias, quem timorem fuisse
aput eum, quam fidem credas, quem corrigere nec metus potuit, quem persecutio ipsa non rej01mavit? Alta et erecta cervix nec q·uia cecidit inftexa est, tumens animus et superbus nec quia victus est fractus est. Zwar ist die Formulierungcervix (. .. Jin.fiexa vor Aen. 3,631 ceroicem in.fiexam posuit nicht und auch danach kaum belegt 1 , aber allzu deutlich wird der color Vergilianus in diesem zweifellos gesuchten Ausdruck wohl nicht, da in.fiectere für Körperteile2 und die hier im Bild gegenübergestellte cervix erecta3 in der späteren Prosa üblich sind. Obwohl es nämlich Cyprians Kritik am unbußfertigen Trotz mancher lapsi eine wirkungsvolle Nuance verliehe, wenn hier Vergils Bild vom tru nken hingestreckten Menschenfresser Polyphem in seiner maßlosen Überheblichkeit anklänge 4 , liegt der Schwerpunkt seiner Aussage doch zweifellos bei dem Gegensatz von erhobenem und gesenktem Haupt.
de unitate ecclesiae In der wohl gleichzeit ig mit de lapsis entstandenen Schrift , seinem, zumindest in bezugauf die Nachwirku ng, vielleicht bedeutendsten Werk, befaßt sich Cyprian mit einem Grundproblem seiner Zeit und seines Amtes, der Einheit der Kircheangesichts der Bedrohungen durch Schismen und Häresien.5 Zunächst stellt Cyprian die von Christ us gestiftete Kirche als den einen Ort göttlichen Heilshandeins dar (Ka pitel 1- 9), dann wendet er sich gegen ein häretisches Christentum außerhalb der Kirche (Kapitel 10- 22) , am Ende ruft er alle angesichts der nahen Parusie in die Kirche zurück (Kapitel 23- 27). unit. ecd. 9 (CC III 256,236) Nemo existimet bonos de ecclesia posse disce-
dere: tritic·um non rapit ventus, nec a1'borem solida mdice fundatam procella subvertit; inanes paleae tempestate iactantur, invalidae arbores turbinis incursione vertuntur. Im Rahmen seiner Ausführungen über die Heilsnotwendigkeit der Kirche (Kapitel 7- 9) erläutert Cyprian das klärende Wirken des Geistes: Während die Bösen nie wirklich in der Kirche Halt find en, können die Guten nicht aus ihr gerissen werden. Das verdeutHebt er anhaud der Bilder vom Weizen und vom fest verwurzelten Baum, denen er ant ithetisch die Spreu 1
Cf. ThLL VI I, I s.v. inflecto 1458,19-45: Aen. 3,631 ; C iris 449 ; Sch ol. Ter. Bemb. Haut. 372; Physiogn. 55 p. 77,1; bildlich Sen. Thy. 930; Cypr. laps. 22. 2 So etwa Me ta 2,64 ; Plin. nat. 11 ,87; Quint. inst. 11 ,3 , 142 digitis leviter inftexis; Hil. trin . 6, 7. 3 Cf. ThLL V,2 s.v. erigo 778,50- 54 , etwa Quint. decl. 301 p. 190,7; Firm. math. 5,3,54; Amm . 11 ,14,26 4 Jn dessen Beschreibung 6 19sq. wäre sowohl dieser gedanklich e Aspekt wie auch das Stichwort alta vorgegeben: ipse ardv:u.s, altaque pulsat I sidera. Darin liegt aber sicherlich keine bewußte Referenz, sondern höchstens die Assoziation , die Cyprian zu der Vergilstelle fUhrt . 5 Gesamtdarstellung und neuere Forschungsliteratur bei G ü LZOW HLL 4 (1997) §478.12.
240
Il.4
Cyprian
und die kraftlosen Bä ume gegenüberstellt. Das Verwehen der Spreu kleidet er in vergilische Wörter , georg. 3,134 (132- 134): saepe etiam cursu quatiunt et sole j atigant fsc . armentaj, cum graviter tunsis gemit area frugibus, et cum surgentem ad Zephyrum paleae iactantur inanes.
Da bei stellt Cyprian die Reihenfolge um , so daß de r Hexameterschluß verschwindet und das Verb am Ende des Kolons steht, und fügt das erklärende tempestate ein. Weniger deutlich nimmt er auch mortal. 12c inanes paleae ftatu portant e rapiuntur auf denselben Vergilvers Bez ug (mortal. 12c, dazu unten (242sq. ). Auch an jener Stelle verwendet Cyprian neben dem biblischen Bild der Trennung von Spreu und Weizen das des standfesten oder kraftlosen Ba umes im Sturm. Der Kontext ist ähnlich , hier wie dort geht es um die Trennung der Guten und Gerechten, die der Prüfung standhalten können, von den Bösen, denen die Festigkeit im Gla uben fehlt. Cypria n greift also zur Verdeutlichung desselben Ged ankens a uf dasselbe Repertoire an Bildern und a uf dasselbe Mittel der Ausgestalt ung mit einer vergilischen Formulierung zurück.
unit. eccl. 18 (CC 111 263,456) Sie et Ozias rex, cum turibulum f erens et contra legem Dei sacrijicium sibi violenter adsumens, resistente sibi A zaria sacerdote, obtemperare n ollet et cedere, divina indignatione confusus et leprae varietate in fronte maculatus est, ea parte corporis notatus, ojjenso Domino, ubi signantur, qui Dominum promerentur; et filii Aaron qui inposuerunt altari ignem alienum quem non praeceperat D ominus, in conspectu statim Domini vindicantis extincti sunt. Das von Cypria n hier für einen gottwidrigen Opfervorgang verwendete altari imponere scheint unter vergilischem Einfluß zu stehen: Die Formulierung aris imponere findet sich von Aen. 1,49 (fsc. quisnamj supplex aris imponet honorem?) an in hexametrischer Dicht ung zur Beschreibung eines Opfers. 1 C hristlicher Diktion hingegen gehört der Ausdruck altare an .2 Ein E lement vergilischer Kultsprache erscheint hier also in christlichen Kontext aufgenommen. Ob Cyprian damit die Distanzierung vom geschilderten Opfer sucht, muß fraglich bleiben. unit. eccl. 27 (CC III 267,607) Excitemus nos quantum possumus, dilectissimi jratres, et somno inertiae veteris abrupto ad observanda et gerenda Domini praecepta vigilemus. Angesichts der baldigen Wiederkunft C hristi fordert Cyprian zur Wachsamkeit und zur Rückkehr in die Gemeinschaft der Kirche a uf. Die dabei benutzte Formulierung somnum abrumpere ist von Vergil (georg. 3,530 nec 1
2
TbLL Yll,1 s.v. impono 652,74- 79 mit Beispie len aus Yergil, Ovid und späterer Epik. Cf. T hLL II s.v. altaria 1727,64 : ftir jüdisch-'t&pal 5E 6&at llivov atöoi OtXOl !xeta'tT}, ( cf. Hier . epist. 120,2; Aug. civ. 21 ,25; serm . 382,2). Auch bei lacrimas fundit, d as B ü RNER (24) auf Aen. 3,348 et multum lacrimas verba inter singula fundit zurückführen wiU , liegt e in in späterer Prosa ganz ü blicher Sprachgebra uch vor ( cf. ThLL Vl ,l s. v. fundo 1564,42- 52, etwa Sen. cont r. exc . 8,69; Sen . d ial. 6,1,2; 9,15,6; P lin. nat. 8,157 et.c.). laps. 25 (CC III 234,478sq.) Jlli ei aput idolum quo populus confluebat, quod caTmen necdum posset edere per aetatem, panem mero mixtum, quod tarnen et ipsum de immolatione pereuntium supm·erat, tradiderunt. B Ü RN ER (24) sieht hinter der FormuUerung panem mero mixturn d ie Vergilische Schilderu ng vom trunken im Schla f sich erbrechenden Poly phem , Aen. 3,633 eructans et frusta cruento I per somnum. commixta mero. Doch ist der Ausdruck ebenso na heHegend wie unauffä Uig: Merum find et sich hä ufiger in nachklassischer Prosa (cf. T hLL VIII s.v. me1-us: 848,66 merum, etwa M in. Fel. 31,5; Arnob. na t. 5,2) , ebenso miscere mit dem Dativ für Rezept w-e n und ähnliches ( cf. ThLL VIII s. v. misceo 1086,61- 1087, 14). unit . eccl. 18 ( CCL II1 262,442sq.) Sie Chore et Dathan et A biron, qui sibi contra Mosen et Aar-on sacerdotem sacrificandi licentiam vindicare conati sunt, poenas statim pro suis conatibus pependerunt: terra compagibus ruptis in profundum sinum patuit, stantes adque viventes recedentis soli hiatus absorbuit. Die Formulierung terra {. .. } patuit bringt BÜRNER (23) in Zusammenhang mit Aen. 1,298 (297- 299) ut terrae utque novae pateant Karthaginis arces I hospitio Teucris. J edoch di vergieren beide Stellen deutUch in semantischer Hins icht: Cyp rian spricht von einem sich au ftuenden Erdspalt (cj. T hLL X,l s.v. pateo 659,40- 57; ähnlich C ic. nat. 2,95 patefactis tenue fauctbus; Li v. 7 ,6,4 patentes terrae hiatus) , Verg il von Land , das zur Nutzung zur Verfügung steht. (cf. T hLL X,l s.v. pateo 664 ,1-46). e leem. 13 (CC lil A 63,253sq.) Obsederunt animum tuum sterilitatis tenebrae et recedente inde lumine veritatis carnale pectus alta et profunda avaritiae caligo caecavit. BÜRNER (24) sieht in der Beschreibung des spende nunwilligen Gewissens d en Einfluß des vergilischen (Aen. 3,311) Lux alma recessit. Gegen e ine Referenz, die a uf der Verbindung von recedere mi t dem Semem lt,[cj- basieren müßte, spricht a ber zum einen die Una uffä lligkeit der Formulierung bei Cyprian - der vorliegende Gebrauch von recedere ist aUgemein (cf. OLD s.v. ·recedo 2 'to move back or away'), die Meta phorik von Lumen, tenebrae, caligo in chris tUchem Kontext üblich , so etwa bei Cypria n selbst domin. or. 35 sole ac die saeculi recedente quando oramus et petimus ut supe1· nos Lux denuo venia.t; ä hnüch zel. 10; 11 - , z um anderen d ie Divergenz der Pragmatik - bei Verg il wird d er Tod umschrieben.
1.5
Arnobius
2,18 (M. 86,21- 24) Vestem illa fsc. animaliaj non norunt, setlas naves atque ara.tra conpingere nec denique superlectilem cetemm quam familiaris usu exposcit. Non sunt ista scientiae munem sed pauperrimae necessitatis inventa. Der aus dieser Gegenüberstell ung von Mensch und T ier herausgearbeitet e Gedan ke
386
IV .1
Ausgeschiedene Parallelen
von der Kulturentste hung a ufgru nd der natürlichen Schutzlosigkeit des Menschen, steht zwar, wie RAPlSARDA ( Arnobio 247) bemerkt, vielleicht a uch hinter Vergils Labor improbus (georg. 1,143-146). Doch ist die natürliche Schwäche d es Menschen als Ursache für K ulturentstehung und Staatenbildung Gemeingut antiken Denkens (grundlegend etwa Lucr. 5,925-1010; 1105-1121; C ic. o ft'. 1,158; 2,73sq.; rep . 1,39). 2 ,67 (M . 145,9) Aut Martium discrim en obeuntes spem proelii sumitis ex acuminibus auspicati? SPINDLER ( 12) nennt als Vorbild für spem proelii sumere Verg. Aen. 11.18 spe proesumite bellum. Das Vergilische spe proesumere aliquid (so auch Tac. ann . 11 ,7,1 aeternitatem famae spe proesumat; R ufin . Basil. hom. 3,1 p.1744 divitias [. ..J insani spe inaniter pmesumebat, cf. ThLL X,2 s.v. pmesumo 962,36; proesumere verwendet Arnobius d urchaus, so 1,38; 2,22; 2,33; 3,7; 3,10; 3,16; 5,4; 6,4; 7,37) weicht semantisch zu stark von spem alicuius rei sumere ab, a ls daß man , trotzähnlicher Pragmatik, einen Zusammenha ng fassen könnte . Für Martium discrimen muß man nicht mit RAPISARDA (254) den Einfluß von Lucan. 3,336; 4,770 (auch 5,723; Sil. 5,660) discrimen Martis annehmen, denn etwa a uch Curtius Rufus hat 9,6 ,24 belli Martisque discrimen impavidus subibo; 9,9,4 sine ullo Martis discrimine, cf. T hLL V, l s.v. discrimen 1359, 19- 37.
°
2, 75 (M. 155,4) Non infantes sub uberibus matmm centenarios legitis edidisse vagitum {. ..}'? Die Wendung sub uberibus bra ucht nicht mit S PINDLER ( 12) aus Verg. Aen . 5,285 geminique sub ubere nati erklärt zu werden, da. sie zum einen hä ufiger vorkommt (so etwa Liv. 10,23,12 sub uberibus lupae; Calp. ecl. 2,68; Stat. silv. 5,5,25.73sq.; T heb. 3,682; Sil. 3,63; Vulg. lev. 22,27; cf. Sil. 4,377 vagitum cohibens suspendit ab ubere natos; 9,71 matris in ubere nati) und sich Arnobius zu m a nderen nicht, wie die Vergilstelle, a uf Romulus und Remus, sondern ausdrücklich ( legitis) a uf eine andere QueUe (wohl Hdt. 1,68, zitiert bei Gell . 3,10,11- 15, cf . MCCRACKEN ad l. l 347 Anm. 471) bezieht, der er entnimmt, daß die Menschen fr üher größer - und d amit , so folgert er , der Erlösungstat C hrist i noch nkht bedürft ig gewesen seien. 3,10 (M. 168,12) Havet animus atque ardet, in chalcidicis illis magnis atque in palatiis caeli deos deasque inspicere intectis corporibus atque nudis, ab laccho Cererem, Musa ut pmedicat Lucretia, mammosam, Hellespontiacum Priapum inter deas virgines atque matres circumf erentem res illas proeliorum semper in expeditionem paratas. Nach SANTORELLI (246) stelle Arnobius llier P riapus auf eine Stufe mit den Tieren, indem er ihn durch die Referenz auf georg. 3,98 si quando ad proelia ventum est darste lle a ls ' un cavallo ehe, ormai vecchlo, si giunge a un dueUo d 'a more, si scatena inutilmente" ( cf. Serv . georg. 3,98 bene 'si quando', quia senex mro. et 'proelia ' pro coitu dixit.): "La maJinconia dell' imma.gine rende grottesca la divinita ehe non ha altro spessore se non q uello sessuale ehe si esaurisce nell'accoppiarnento." Jedodl besteht die dieser Interpretation zugrundegelegte Vergilreferenz lediglich a us einem sensu amatorio gebrauchten proelium. Diese meta phorische Ausdrucksweise fi ndet sich jedoch häufiger, na heliegend erweise in d er Liebesd ichtung (etwa Catull. 66,20 invisente novo p1·oelia torva viro; Prop. 2,1,45 nos contra angusto versamus proelia lecto), aber a uch in der Umgangssprache, wie d ie Be lege bei Pla utus (Persa 24 Saucius factus summ Veneris proelio) und in d en Metamorp hosen des Apuleius
IV.1.5
387
Arnobius
(2, 16 Miserere, inquam, et St4bveni maturius. Nam, ut vides, proelio quod nobis sine fetiali officio indixems iam proximante vehementer intentus, ubi primam sagittam saevi Cupidinis in ima praecordia mea delapsam excepi, arcum meum et ipse vigorate tetendi et oppido formido ne neruus rigoris nimietate rumpatur. 5,21 Nox ademt et maritus aderat primisque Ven eris proeliis velitatus in altum soporem descenderat.) zeigen ( cf. OLD s. v. p1·oelium 3b). Angesichts dieser Konnotation nähme sicher kein Leser zum Verständnis des Wortes proelia in diesem Kontext den Umweg über d ie Georgika- Stelle. Hinzu kommt, daß Arnobius die ganze P assage über P riapus in entsprechender eindeutig-zweideutiger Diktion gestaltet: res illas f. ..J in expeditionem paratas ( cf. VAN DER PUTTEN ad l. 94; nat. 5,9 o habitus f oedus Iovis ad obsceni certaminis expeditionem parati). Damit illustriert Arnobius rhetorisch geschickt das den Gott Priapus umgebende Obszöne, welches aufzudecken es ja auch keiner höchst subtilen Vergib·eferenz bedürfte . •
3,21 (M. 178,20) l nminentia dii nesciunt et sortibus vivunt agitantur·que fatalibus: ut quid cuique crastinus dies ferat aut hora, Latonius explicet atque aperiat vates. Die von RAPISARDA (Arnobio 248 Anm. 2) hergestellte Verbindung zur SibyllenSchilderung Aen. 6,77 sq. at Phoebi nondum patiens immanis in ant1·o I bacchatur vates hat ihren Anhalt in d em Stichwort vates und in dem Verweis a uf Apoll, bei Arnobius durch dichterisches (cf. OLD s.v.) Latonius. Da d ie sprachlichen Gem einsamkeiten aber a llgem ein bleiben, und da bei Arnobius nichts a uf die Siby lle im besonderen verweist, ergeben sich keine Anhaltspunkte für ei ne Referenz. 3,36 (M. 193,6) Si totidem nos modis totidemque sententiis deorum vestrorum subrueremus fidem, nulli esset dubi'um, quin ira et rabie concitati ignes, feras et gladios atque alia postular·etis suppliciorum in nos genero, quibus sittm soletis vestram nostri sanguinis adpetitione proluere. Fü r d en Gebrauch von p1·oluer·e sieht SPINDLER (13) Verg. Aen. 1,738sq. ille impiger hausit I spumantem pateram et pleno se proluit auro als Vorbild. Doch geht es Arnobius hier in erster Linie um einen drastischen Ausdruck, d er, wie vor allem die Belege bei den Satirikern zeigen ( cf. Hor. sat. 2,4 ,27 leni praecordia mulso prolueris melius; Pe rs. prol. 1 nec fonte labra prolui caballino, dazu KtSSEL 75: "E rsetzte die gepflegte Dichtersprache das Verb bibere zuweilen d urch die denzentere Vorstellung des Netzens 1... ], so wird bei d em 'ordinären ' Satiriker gleich ein 'Spülen ' daraus." Hor. sat. 1,5, 16 multa prolutus vappa nauta; daneben etwa Copa 29 si sapis, aestivo 1·ecubans mmc prolue vitro), der Umgangssprache angehört. Daß Vergils umgangssprachUche Verwendung von proluere (dazu etwa H ORSFALL 211) Arnobiu::; angeregt ha be, ist zwar nicht auszuschließen, aber angesichts der freien Verfügbarkeit des kolloquialen Sprachregisters unwahrscheinlich. 4,16 (M. 219, 1.4) R(es} si cum divinas apparamus adgredi atque aris fiammantibus sua reddere constituta, Mineruae omnes advolent ac de istius nominis possessione certantes poscant sibi singulae apparatum illum sacrorum reddi: quid in medio faciemus nos animal tenue vel in partes quas potius pii muneris officia transferemus? Das für die Darbring ung von Opfern verwendete reddere findet sich zwar auch, worauf SPINDLER (13) hinweist , bei Vergil (georg. 2,194 pandis fumantia reddimus exta) , doch ha ndelt es sich dabei um e inen häufig gebrauchten Fachausd ruck der Kultsprache (so Serv. georg. 2, 194 ; BERINGER 125; OLD s.v. reddo 9b ' to render ritual o fferings'; cf. Caes. Gall . 7,90,8 diemm XX supplicatio 1·edditur; Hor . carm. 2,7,17; 2,17,30; Ti b. 1,3,34; Ov. trist . 4,2,7sq.; Stat. Theb. 4,466; 9,564 ; Tac. bist.
388
IV .1
Ausgeschiedene Parallelen
4,53 supe1· caespitem redditis extis, zur Verbindung mit exta ThLL V ,.2 s.v. exta 1964,75-82), d en Arno bius doch wohl unabhängig von der VergilsteUe kennen und benutzen dürfte. 4,31 {M . 238, 12) Si in caeremoniis vestris rebusque divinis postilionibus locus est et piaculi dicitur cantmeta esse commissio, si per imprudentiae lapsum aut in verbo quispiam aut simpuvio deerrarit, [. .. ]: audetis abnuere in delictis tarn gravibus violari semper a vobis deos, cum in levioribus causis irasci eos ipsi cum pernicie saepius confiteamini civitatis? In dem urnständHchen , vielleicht auf rechtliche bzw. sakralrech tliche Sprache rekurrierenden Ausdruck piaculi dicitur contra.cta esse commissio {d azu Liv. 5,52,14 tantum sibi reique publicae piaculi contra.het ?) geht Arnobius von der Wendung piacula committere aus, dje weniger Vergilisch , so RAPISARDA ( Arnobio 248 Anm. 2) rrut Verweis a uf Aen. 6 ,569 distulit in seram commissa piacula mortem , als vielmehr in der Rechtssp rache üblich zu sein scheint, so etwa Liv. 5,52,13 Nonne in mentem venit quantum piaculum committatur? 29,18,9 quod piaculi commiserunt; Gell. 19,13,5 si piaculum (. .. ]non committitur praesente Apollinar-e; Vocabularium lurispruden tiae Romanae IV,1 785 s.v. piaculum mit Verweis a uf Paul. 1,21,4; piaculum im Sinne von 'Sünde, Verbrechen ' auch schon Plaut. truc. 223; Fabius Pietor bei Gellius 10,15,10. 5 ,5 (M. 235,21) Hanc fsc. Magnam Matremj in vertice ipso petrae datam quieti et somno quam incestis luppiter cupiditatibus adpetivit, sed cum obluctatus diu id quod sibi promiserat optinere nequisset, voluptatem in lapidem fudit victus. Obwohl SPINDLER (13 Anm. 1) zu Rech t darauf hinweist, daß obluctari erstmals bei Vergil {Aen . 3,38 adgredior genibusqtte adversae obluctor· harenae) belegt ist, hat sich d er Ausdruck schon im ersten nachchristlichen J a hrhundert in d er Prosa eingebügert (cf. ThLL IX,2 s.v. obluctor 116 ,81; C urt. 4,8,8 diu .flumini obluctatus fnautaj; Colum. 3, 18,12; 6,16,6; 8,14,8; Sen. dial. 7,25,6). 5,22 (M. 276,24) Alcumena Electra. La.tona La.odamia, mille aliae virgines ac mille m atres cumque illis Catamitus puer pudoris spoliatus est honestate: eadem ubique est luppite1· fabula [. .. }. Die Affäre des Zeus mit {d er At lastochter) Elektra gehört zum Grundbestand der a ntike n Mythologie (etwa Apollod . 3 ,10,1; Ov. fast. 4,31.1 77) und muß nicht, so JIRA NI (416) , durch Aen . 8,134- 137 (Dardanus, Iliacae primus pater urbis et auctor, I Electra., ut Grai perhibent, A tlantide cretus, I advehitur Teucros; Electra.m maximus Atlas I edidit, aetherios umero qui sustinet orbis.) a ngeregt sein. Fü.r d as dreimal {5,25; 7,11 ; 7,49) bei Arnobius vorkommende ineluctabilis verweist S PI NDLER (13) insofern zu Recht a uf Vergil , als d ort (Aen. 3,324; 8,334) das Wort erstmals belegt ist. Jedoch wird es schon bald (Vell. 2,57,3; Sen. nat. 3 pr. 16; 6 ,7 ,2; Tert. adv. Mare. 1,4,6; Cypr. ze l. 9) in die Prosa übernommen und vor a llem in d er späteren Latinität häu fig verwendet (cf. ThLL VII,l s.v. 1291). Hier liegt ein echter G renzfall und ein typisches Beispiel für die Aufnahme ursprünglich dk hterischer Lexik in die Sprache der nachklassischen Kunstprosa vor {siehe oben 25 Anm. 1). Weil d as Wort bereits im ersten nachchristlichen Jahrhundert mehr als verei nzelten Ein gang in die Prosa fi ndet, zur Zeit der behandelten Autoren also keinen color Ve1yilianus meh r an sich haben d ürfte, is t es hier ausgeschieden. Verg ils Einfeluß a uf die Sprache d er christlichen Lat inität ist in diesem FaU e indeutig indJrekt.
2 2.1
Stellenregister Ve rgil
Ausgeschied e ne P ar allelen e cl. 1,81: Novatian. cib. lud. 2,7 {379) 4,42-46: Cypr. hab. virg. (384) 6,6lsq.: Tert. coron. 12,2 (370) 8,71: Tert. mart. 1,5 {369) 10,8: Cy pr. Demetr. 1 (383) g e org. 1,55: Novatia.n. cib. l ud. 2,6 (379) 1,143- 146: Arnob. nat. 2,18 {385) 1,252sq.: Min . Pel. 17,6 (371) 1,276: Cypr. a.d Donat. 5 (383) 1,380: Min . Fe I. 3,5 (370) 1,440sq.: Min. Pel. 25,10 (372) 1,487: Novatian. cib. lud. 4,3 (380) 1,497: Min . Fel. 37,9 (372) 2,194: Arnob. nat. 4,16 (387) 2,386: Novatian. trin . 1,9 {373) 2,605: Novatia.n . trin. 2,10 (374) 3,98: Arnob. nat. 3,10 {386) 3,194: Cypr. ha b. virg. 2 (384) 3,311: Cypr. eleem. 13 (385) 3,356: Tert . a.dv . M are. 1,) ,3 (366) 4,136: Min. Fel. 37,9 (372) 4,240: Novatian. Cypr. epist . 36,2, 1 (378) 4,243: Min . Fel. 8,4 (371) ; Novatian. cib. lud. 3,23 (379) 4,478: Novatian. pudic. 13,4 (382) 4,482sq.: Min. Pel. 20,3 (372)
Aen . 1,298: Cypr. unit. eccl. 18 {240) 1,543: Cypr. epist . 55,9 (382) 1,604: ovatian. Cypr. epist. 30,1,1; pudic. 3,1 (375) 1,685-687: Tert. virg. vel. 14 ,5 (369) 1,739: Arno b. nat. 3,36 (387) 2,182: Novatia n. trin. 1,1 (373) 2,313: Novatian . Cypr. epist . 30,6,3 (377) 2,363.368sq. 755: Tert. anim . 30,3 (367)
2,369: Ter t. anim. 43 ,10 (368) 2,397: Cypr. ad Donat. 3 {382) 2,549: Novatia.n. Cypr. epist. 30,2,2 {376) 3,38: Arnob. nat. 5,5 {388) 3,104: Tert . nat. 2,17,5; apol. 12,5; 25 ,7; Min . Fel. 23,13; Arnob. nat. 4,25 {363) 3,244: Tert. nat. 1,7,20 {362) 3,320: Novatian . pudk. 13,4 (382) 3,324: Arnob. nat. 5,25; 7,11 ; 7,49 (388) 3,348: Cypr. laps. 22 {239) 3,517: Novatia.n. cib. l ud. 2,12 (379) 3,633: Cypr. Japs. 25 (385) 4,13: Novatia n. Cypr. epist. 30,2,2 (376) 4,244: Tert. anim . 49,2 (368) 4,470: Novatia.n . Cypr. epis t . 36,1,1 (378) 4,581: Novatian . Cypr. epis t. 30,8,1 (377) 4 ,669 sq.: Tert . pal l. 1,2 (366) 5,285: Arno b. nat. 2,75 (386) 5,818: Novatian. trin . 8,10 (374) 5,694sq.: Tert. Scap. 2,1 {365) 5, 785: Novatia n. cib. lud. 4,3 {380) 6 ,77s q.: Arnob. nat. 3,1 (296) 6,160: Min . Fel. 19,3 {371 ) 6,200: Novatian. trin. 2,10 (374) 6,288: Novatia n. cib. l ud. 2,12 (379) 6,429: Novatian. Cypr. epis t. 36, 1,2 {378) 6,569: Arnob. nat. 4,31 {388) 6,715: Ter t. anim. 50,4 {369) 6,746: Novatia n. cib. lud. 1,4 (378) 6,795: Tert. nat. 2,17,3; apol. 25,3 (363) 6,816: Cypr. ad Donat. 11 {226) 6,847- 853: Ter t. apol. 30,1sq. {364) 6,862: Tert. orat. 17,2 (369) ; Novatia.n . pudic. 13,4 (382)
390
I V. 2
7,44: Novatian. trin. 16,9 (375) 7,297: Novatian. Cypr. epist. 36,2,1 (378) 7,318: Novatian. pudic. 12,2 (382) 7,488: Min. Fel. 38,2 (373) 7,580: Novatian. pudic. 10,3 (381) 7,661: Tert. apol. 21 ,14 (364) 8,134- 137: Arnob. nat. 5,22 (388) 8,297: Tert. nat. 1,7,20 (362) 8,329: Tert. a pol. 10,8 (363) 8,334: Arnob. nat. 5,25; 7,11 ; 7,49 (388) 8,465: Novatian. cib. lud. 6,6 (380) 8,525sq.: Tert. a pol. 11 ,6 (364) 8 ,526: Novatian . Cypr. epist. 30,6,3 (377) 8 ,638sq.668sq.: Tert. spect . 23,2 (370) 8,698sq.: Tert. nat. 1,10,17; apol. 6,8 (362) 9,219: Novatian. t rin. 2,12 (374) 10,23: Min. Fel. 25,3 (372) 10,29sq.: Tert. apol. 14,2 (364) 10,500: Tert. Scap. 1,2 (365)
Stellenregister
10,601: Cypr. Demetr. 10; domin. orat. 5 (383) 10,813: Min. Fel. 5,9 (371) 10,845: Min. Fel. 18,11 (371) 11,5- 16: Tert. adv. lud. 9,20; adv. Mare. 3,14,4 (365) 11,18: Arnob. nat. 2,67 (386) 11 ,28: Novatian. Cypr. epist. 36,1,2 (378) 11,166: Novatian. Cypr. epist. 36,1,2 (378) 11 ,192: Novatian. Cypr. epist. 30,6,3 (377) 11 ,480: Novatian. pudic. 13,4 (382) 11 ,613: Novatian. Cypr. epist. 30,3,3 (376) 11 ,781: Novatian. Cypr. epist. 30,5,4 (376) 11,804: Cypr. laps. 22 (239) 11 ,888: Novatian. Cypr. epist. 30,3,3 (376) 12,96sq.: Ter t. a nim . 20,3 (367) 12,499: Novatian. t rin. 8,10 (374) 12,691: Cypr. ad Donat. 6 (383)
Zitate ecl. 1,68
ca.espite culmen
Cypr. ad Donat. 2 (220)
ecl. 3,3
infelix [. .. } pecus
Arnob. nat. 7,20 (327) ; 7,24 (327)
ecl. 3,60
I ovis omnia plena
Arnob. nat. 3,9b ? (297) Min . Fel. 32,7 (159)
ecl. 5,37
lolium [. .. } avenae
Arnob. nat. 2,59? (291)
ecl. 6,54
pallentis r-uminat herbo.s
Arnob. nat. 5,23b (316)
ecl. 8,65
mascula tura
Arnob. nat. 7,28 ? (329)
georg. 1, 18sq.
oleaeque Minerva / inven-
Arnob. nat. 3,31 (301)
trix georg. 1,30
ultimo. Thule
Arnob. nat. 6,5 ? (321)
georg. 1,55
arborei fetus
Cypr. Demetr. 3 {231)
georg. 1,62
Deuca.lion vacuum Lapides iactavit in orbem exustus ager morientibus aestuat h erbis
Arnob. nat. 5,5 (312)
georg. 1,107
Cypr. Demetr. 20a (232)
IV.2.1
391
Vergil
georg. 1,125.127b. 128
nulli subigebant arua coloni {. ..} ipsaque tellus I omnia liberius nullo poscente f erebat serpentibus addidit (. .. } lupos
Ter t. nat. 2,13,14 (44)
georg. 1, 135
silicis venis abstrusum {. .. } . tgnem
Arnob. na t . 7,50 (332)
georg. 1,152- 154
intereunt segetes {... } interque nitentia culta I inf elix lolium et steriles dominantur avenae
Cypr. Demetr. 23 (234)
georg. L,208sq.
die {. .. } horas ( ... J dividit
Novatia n. spect. 9,2a (204)
georg. 1,280 cf. 3,304
{im·orar·e)
Cypr. ad Donat. 14 ? (230)
georg. 1,298
terit area fruges
Cypr. mortal. 12b {242)
georg. l ,395sq.
stellis {... J obtunsa {. .. J Luna
Arnob. nat. 2,58 ? (290)
georg. 1,461sq.
ser·enas
georg. 1,473 cj. Aen. 3,574
ftammarumque globos
A.rnob. nat . 2,14b {283)
georg. 2,44
lege litoris oram
Min. Fel. 3.4 (117)
georg. 2,87
pomaque
georg. 2, 135 cf. Aen. 12,790
(anhelus)
Min. Fel. 7,3? (122)
georg. 2 ,461sq.
foribus (. .. } sttperbis I mane salutanturn {... } undam
Cypr. ad Donat. 11 (226)
georg. 2,464
aum vestis
Cypr. ad Donat. 3 ? (221)
georg. 2,482 = Aen . 1,746
tardis {. .. } noctibus
Arnob. nat. 1,2b (265)
georg. 2,4.86
(inglorius)
Cypr. ad Donat. 3 ? {221)
georg. 2,495
Jasces {. .. } purpura
Cypr. ad Donat. 3 ? (221); 12? (228)
georg. l ,l 29sq.
georg. 2,502 georg. 2,506
f. .. J nubes
f... J Alcinoi
insanumque j01·u.m
Arnob. na t. 1,11b ? {267)
Cypr. mortal. 8 (241)
Tert. pa ll. 2,7 ? (61)
ad Donat. l Ob (226) Cypr. ad Donat. 12 (228)
georg. 2,509
gemma bibat et Sarrano do1·miat ostro per cuneos
georg. 2,516
pomis exuberat
Cypr. patient. 4 (245)
georg. 2,542 cf. Ae n. 12,338
(Jumans)
Min . Fel. 7,3? {122)
Cy pr. ad Donat. 3? (221)
392
JV .2
f. .. j
Stellenregister
georg. 3,20 cf. Aen. 5,69
cru.do
georg. 3,34
spirantia signa
Arnob. nat. 6,16a (322)
georg. 3,65
suffice prolem
Arnob. nat. 3,9a (296)
georg. 3,92- 94
(Saturn und P hilyra)
Arnob. nat. 4,26 (308)
georg. 3,113sq.
primus Ericthonius curru.s et quattuor ausus I iungere equos rapidusque rotis insistere victor
Tert. spect. 9,3 (74)
georg. 3,134
paleae iactantur inanes
Cypr. unit. eccl. 9 (239); mortal. 12c (242)
georg. 3,136
genitali arvo et sulcos olimet
Tert. anim. 27 ,8 (67)
georg. 3,261
scopulis inlisa
Novatian . Cypr. epist. 30,2,1 ? (196); Cypr. Japs. 16 ? (196)
georg. 3,304 cf. 1,280
{inrorare)
Cypr. ad Donat. 14 ? {230)
georg. 3,384
{lanitium}
Arnob. nat. 1,11 ? (267); 1,21 (271); 5,25 ? (319); 7,16? (325)
georg. 3,415
agitare (. .. } nidore
Tert. uxor. 2,6,1 (76)
georg. 3,423
(agmen)
Arnob. nat. 7,44a ? (332)
georg. 3,530
somnos abrumpit
Cypr. unit. eccl. 27 (240)
georg. 3,556
catervatim
Arnob. nat. 7,39b ? (330)
georg. 4,61sq.
frondea (. .. } tecta petunt
Cypr. ad Donat. la (2t9)
georg. 4,64
tinnitusque (. .. J quate cymbala
Arnob . nat. 7,32 (330)
georg. 4,7l sq.
rauci (. .. j sonitus imitata tubaru.m
Novatian. spect. 7,2 (203)
georg. 4,261
{fu.ndamen)
Arnob. nat. 3,1 ? (296); 6,7? (322)
georg. 4,199
f etus (. .. } edunt
Arnob. nat. 2,16 (287)
georg. 4,221sq.
deum namque ire per omnis I terrasque tractusque maris caelumque profundum
Min . Fel. 19,2b (142)
georg. 4,243
stelio (. .. } lucifu.gis {. ..J blattis
Arnob. nat. 6,16b {322)
georg. 4,249
generis lapsi sarci1·e n1inas
Novatia n. pudic. 13,2 (207)
caestu
Arnob. nat. 1,36e (276); 7,33 (330)
IV.2. 1
393
Yergil
georg. 4,307
garrula (. ..J hir-undo
Tert. an im . 32,8 ? (68) ; Arnob. nat. 7,17 ? (325)
georg. 4 ,3ll sq.
t enuemque (. .. ] aera (. .. ] effusus nubibus imber·
Novatian. s pect. 9,2b (204)
georg. 4,346
dulcia furta
Arnob. nat. 5,31 ? (319)
georg. 4,422
ob·ice saxi
Min. Fel. 4,5 ? (119)
georg. 4,528sq.
altum (. .. ] spumantem undam
Novatian. t rin. 1,7 (195)
Aen.
(Aeneas)
Tert. nat. 2,9,12- 18 (80); a pol. 14,2 (51) ; adv. Mare. 1,5,1 (64); Min. Fel. 23,6 (151)
Aen.
(Dido)
Tert. mart. 4,5 (85) ; nat . 1,18,9; a po l. 50,5; a nim. 33,9; castit . 13,3; monog. 17 ,2; Min. Fe l. 20,6
Aen. 1,12- 18
urbs (. .. ] Karthag o ( ... ] Iuno (. .. ] posthabita ( ... j Samo. hic illius arma, I hic currus fuit; hoc regnum dea gentibus esse, I si qua fa ta sinant, iam tum t endi tque f o·uetque
Tert . nat. 2,17,6 (47); apol. 25,8a (52)
Aen. 1 ,13sq.
Karthago ( ... ] aspen i ma belli
Tert.. palt. 1,3a (58)
Aen. 1 ,46sq.
l ovisQtLe
I
studiisque
unx
Tert.. apol. 25,8b (52) ; Arnob. na t. 3,30 ? (300)
Aen. 1,49
a1·is imponet.
Cypr. unit. eccl 18 (240)
Aen. 1,106
s·ummo in ftuctu
Min. Fel. 3,6 ( 118)
Aen. I , 176
nutfimenta (.. .] i n fomi t e
Cypr. hab. virg. 1 ? (237)
Aen. 1,266
tmnsie1'int (.. .] hiberna
Cypr . epist . 37,2,2 (218)
Aen. 1,279
impe7'ium sine fine dedi
Tert. a pol. 25,16 (54); Min . Fel. 25 ,1 ( 154)
Aen. 1,282
Romanos rerum dominos
Arnob. nat. 4,1 (303)
Aen. 1,446sq.
t emplum ( ... J donis opulen tum et numin e
Min. Fel. 7,5 {125)
Aen. 1,661
ambiguam [... ] bilinguis
Tert. adv. Val. l ,4 ? (62)
Aen. 1,672
cardine rer-um
Arnob. nat. 7,39a {330)
et soror et con i-
394
TV .2
Stellenregister
Aen . 1,557.660 cf. 7,355
pectore {...1implicet
Min . Fel. 1,2 (114)
Aen. 1,734
laetitiae Bacchus dator
Arnob. nat. 3,33 ? (302)
Aen. 1,739
spumantem pateram
Novatia n. spect. 5 ,1 (202)
Aen. 1,743
unde hominum genus et pecudes, unde imber et ignes
Min. Fel. 19,2b (142)
Aen. 2, 1
intentique ora tenebant
Min . Fel. 39 (168)
Aen. 2,80
vanum {...1 mendacemque f.. -I finget
Arnob. nat. 1,54 ? (282)
Aen. 2,208 et al.
(volumen)
Arnob. nat. 7,44