Jens K. Holm Detektiv Kim unter schwerem Verdacht Band 08
s&c 12/2008
Eigentlich wollten Kim und seine Freunde Erik, B...
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Jens K. Holm Detektiv Kim unter schwerem Verdacht Band 08
s&c 12/2008
Eigentlich wollten Kim und seine Freunde Erik, Brille und Katja nur ein bißchen auf dem Rummelplatz bummeln gehen. Da sehen sie plötzlich vor einer Bude einen riesigen Menschenauflauf, sie drängen sich durch die Menge nach vorn, wo gerade Polizisten den aufgeregten Besitzer des Schießstandes vernehmen. Ein Unbekannter hat ihm alle kostbaren Gewinne zerschlagen und ist entkommen. ISBN: 3 570–07482–X Original: Kim og den oversavede dame Aus dem Dänischen von IRMGARD KOCH Verlag: Bertelsmann Jugendbuchverlag Erscheinungsjahr: 1972 Umschlaggestaltung: Illustrationen von ULRIK SCHRAMM
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Buch
Eigentlich wollten Kim und seine Freunde Erik, Brille und Katja nur ein bißchen auf dem Rummelplatz bummeln gehen. Da sehen sie plötzlich vor einer Bude einen riesigen Menschenauflauf, sie drängen sich durch die Menge nach vorn, wo gerade Polizisten den aufgeregten Besitzer des Schießstandes vernehmen. Ein Unbekannter hat ihm alle kostbaren Gewinne zerschlagen und ist entkommen. Sofort beginnen die Jungen Detektive mit ihren Ermittlungen, doch machen sie dabei einen Fehler und werden nun selbst von der Polizei verdächtigt. Bevor sie aber festgenommen werden, können sie fliehen und weiter auf eigene Faust den Verbrecher suchen. Sie lassen sich nicht entmutigen, obwohl im Laufe des Tages immer wieder neue Buden zerstört werden. Sogar auf das Karussell hat es der Unbekannte – oder ist es eine ganze Bande? – abgesehen. So wird aus einem lustigen Jahrmarktbummel ein gefährliches Abenteuer.
Folgende Kim Bände sind bereits erschienen: Detektiv Kim aus Kopenhagen Detektiv Kim und der verschwundene Schatz Detektiv Kim und der vermißte Polizist Detektiv Kim stellt eine Falle Detektiv Kim und das geheimnisvolle Haus Defektiv Kim auf der richtigen Fährte Detektiv Kim und der schlaue blaue Papagei Detektiv Kim unter schwerem Verdacht Detektiv Kim und die Spione
Jens K.Holm
DETEKTIV KIM
unter schwerem Verdacht
Bertelsmann Jugendbuchverlag
Originaltitel: Kim og den oversavede dame Aus dem Dänischen von IRMGARD KOCH Illustrationen von ULRIK SCHRAMM © Grafisk Forlag A/S, Kopenhagen Alle deutschen Rechte bei der Verlagsgruppe Bertelsmann GmbH/ Bertelsmann Jugendbuchverlag, Gütersloh, München, Wien 1972 Gesamtherstellung Mohndruck Reinhard Mohn OHG, Gütersloh ISBN 3 570–07482–X • Printed in Germany
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Die Dame lag in einer Kiste. Als der Mann sie zur Hälfte durchgesägt hatte, zog er die Säge heraus und sagte ein paar Worte zum Publikum. »Wenn er sich nur beeilen wollte und weitersägen würde«, flüsterte Erik, »ich bin gespannt, wie die Sache endet.« Es war Strandfest. Erik, Brille, Katja und ich waren in dem Zelt mit der zersägten Dame. Es war glühend hieß hier. Wir saßen in der allerersten Reihe auf einer harten Holzbank. Man hörte von draußen den Lärm des Festplatzes, die Musik, das Geschrei, die vielen Stimmen, die Ausrufer vor den verschiedenen Zelten, den Mann, der heiße Würstchen anbot, die lachenden jungen Mädchen, das Quietschen der Schiffschaukel und das Gelächter, das von den Autoskootern herüberschallte. Der Mann oben auf der Bühne schob seine Säge wieder in die Kiste und sägte weiter. Wir saßen mit angehaltenem Atem da und sahen zu, wie er ruhig und stetig sägte, wie ein Berufszimmermann, ohne sich zu übereilen. Der Kopf der
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Dame guckte an einem Ende aus der Kiste, die Füße am anderen. Sie lag da und lächelte. Das war uns unbegreiflich. Ich stellte es mir ziemlich schwierig vor, in dieser Situation zu lächeln. Erik flüsterte: »Was der kann, möchte ich auch können. Ich werde mal versuchen, es ihm nachzumachen. Mein Vater hat zu Hause eine große Säge. Wenn ihr nichts dagegen habt, werde ich mich in den nächsten Wochen mal an euch dreien versuchen.« Wir mußten lachen. Der Mann mit der Säge sah uns vorwurfsvoll an. Als er die Dame mittendurch gesägt hatte, sie aber immer noch froh und zufrieden aussah, legte er ein angeschmuddeltes Tuch über den Deckel und öffnete die durchgesägte Kiste. Die Dame sprang heraus, frisch wie ein Fisch im Wasser. Man konnte gar nicht erkennen, daß sie durchgesägt worden war. Sie lachte uns alle an. Sie hatte häßliche Zähne und war überhaupt nicht besonders schön. Der Mann erklärte, daß die Vorstellung zu Ende sei. Er forderte uns auf zu klatschen, damit die Leute, die draußen warteten, hören sollten, wie gut wir uns amüsiert hatten. Wir klatschten, so laut wir konnten, obwohl es im
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Zelt so warm war, daß wir am liebsten nicht einmal mit den Ohren gewackelt hätten. Wir klatschten aber trotzdem. Dann standen wir auf und verließen das Zelt zusammen mit den vielleicht fünfzig anderen Zuschauern »Wohin gehen wir jetzt?« »Ich würde gern Eis essen«, sagte Katja. Wir schlenderten alle vier zu der nächsten Eisbude. Es war Sonntagnachmittag gegen drei Uhr. Der Festplatz war um zwei Uhr geöffnet worden. Das Strandfest ist das Schönste, was ich kenne. Ich mag die Stimmung so gern, die verschiedenen Geräusche und Gerüche, ich mag dies Men-
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schengewühl und habe eine Schwäche für all die Zelte, die Akrobaten, die Spielautomaten, für Eis und Würstchen – einfach für alles. Wir bummelten umher, und bei jedem Schritt wirbelte der Staub in kleinen Wolken vor uns auf. Wir kamen an die Eisbude und kauften uns Eis, die größten Portionen, die wir bekommen konnten. Dann gingen wir weiter, vorbei am Tanzpodium, wo der Tanz in vollem Gange war. Wir sahen einen Augenblick den Tanzenden zu. Dann schlenderten wir weiter und blieben schließlich vor einem der Zelte stehen, vor dem ein Ausrufer Sahun Alid, den weißen Fakir, anpries, ferner die Schlangendame (die allerdings
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weniger einer Schlange als vielen anderen Dingen ähnelte), dann Sir Hamilton, den größten Zauberkünstler der Welt, sowie den Clown Limpo und den stärksten Mann der Welt, Iwanowitsch, den König der Ausbrecher, der aus der weiten russischen Steppe kam. Wir hatten schon Lust, uns die Vorstellung anzusehen, aber noch nicht jetzt. Wir hatten ja noch so viel Zeit. Mit Zeit waren wir nicht knapp, eher mit unserem Taschengeld. Wir mußten sehen, es so lange wie möglich zu strecken. Wenn man auf dem Strandfest ist, braucht man gar nicht die ganze Zeit Geld. Man kann auch einfach nur ziellos umherschlendern und sich alles ansehen, was da geschieht. Denn da geschieht ständig etwas. Wir waren nicht die einzigen, die umherbummelten und sich alles ansahen. Es war eine ganze Reihe uniformierter Beamter da, die wahrscheinlich von Frederiksvaerk herübergekommen waren. Die gingen auch umher, versuchten den ganzen Platz im Auge zu behalten und paßten dabei auf, daß nichts geschah, was nicht geschehen durfte. Larsen, der Polizeibeamte unseres Ortes, war auch da. Er war in Zivil und bummelte mit seiner Schwester zusammen herum, der arme
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Mann. Wir grüßten die beiden. Larsen grüßte auch freundlich zurück, seine Schwester jedoch nicht. Nachdem wir einmal über den ganzen Festplatz gegangen waren, stellten wir uns vor dem Tanzpodium auf und sahen zu. Dabei kam mir der Gedanke, daß es eigentlich Spaß machen müßte, einmal mit Katja zu tanzen. Allerdings nicht jetzt, wo so viele Menschen hier herumstanden und zuguckten, aber vielleicht heute abend. Ich tanze nämlich nicht besonders gut. Heute abend würden natürlich genauso viele Menschen da sein und zugucken, wahrscheinlich sogar mehr, aber dann würden auch mehr Leute auf der Tanzfläche sein. Jetzt war da höchstens ein halbes Dutzend. Wenn das Ganze erst richtig in Gang gekommen war und vielleicht fünfzig Menschen da oben tanzten, dann würde bestimmt niemand so genau aufpassen, ob ich zwei- oder dreimal einen verkehrten Schritt machte. Außer Katja natürlich, aber sie würde dann schon sagen, daß das nichts ausmache. »Hallo, Katja!« Ich drehte mich um. Das war John. Ich kannte ihn nicht sehr gut, denn er wohnte noch nicht lange im Dorf. Er ist größer als ich und wirklich schick angezogen. Seine Eltern scheinen wohl-
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habend zu sein. Er hat schwarzes Haar, und die meisten Leute sagen, daß es ein Vergnügen sei, ihn anzusehen. Ich finde das nicht. Ich mag ihn nämlich nicht leiden. Er schloß sich uns an und begrüßte uns alle vier. Er strahlte über das ganze Gesicht. »Darf ich um den nächsten Tanz bitten, Katja?« fragte er. Katja nickte erfreut. Der Tanz ging gerade zu Ende. Katja winkte uns zu und ging dann mit John zum Eingang des Tanzpodiums. Als die Kapelle wieder anfing zu spielen, waren Katja und John als erste auf der Tanzfläche. Ich stellte fest, daß John gut tanzen konnte. Er war sehr selbstsicher. Es schien ihm nicht das geringste auszumachen, daß so viele Menschen da herumstanden und gafften. »Von mir aus können wir weitergehen«, erklärte ich. »Warum sollen wir hier herumstehen und zusehen, wie die Leute tanzen? Kommt!« Brille zögerte. »Ja, aber was wird mit Katja?« »Sie wird uns schon finden«, sagte ich. Erik rief zu ihr hinauf: »Wir bummeln ein bißchen herum.« Sie verstand ihn trotz der Musik und nickte zu uns herunter. Dann gingen wir.
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Ein Polizist lief an uns vorbei. Er bahnte sich mit den Ellenbogen einen Weg durch die Menge und schien es sehr eilig zu haben. »Da scheint etwas los zu sein«, meinte Erik. »Kommt!« Wir drängelten uns auf dem gleichen Weg voran wie der Beamte und sahen plötzlich einen riesigen Auf lauf vor einem der Zelte am äußeren Rand des Platzes, nicht weit von dem Zelt entfernt, in dem wir kurz vorher noch gesessen und geschwitzt hatten. Es handelte sich um einen Schießstand. Auf einem großen Schild stand darüber: Drei Schuß eine Krone. Zunächst konnten wir gar nichts sehen, weil so viele Menschen davor standen. Wir versuchten, uns zwischen ihnen hindurchzuzwängen, aber das mußten wir bald aufgeben. Doch dann kamen wir auf den Gedanken, die Ankerwinde hinaufzuklettern, die die Fischer benutzen, um ihre Boote an Land zu ziehen, wenn sie überholt werden müssen, und jetzt konnten wir erkennen, was da vorging, jetzt konnten wir nämlich über die Köpfe der Menschen in den Stand hineinsehen. Hinter der Theke stand ein schwarzhaariger Mann, der gerade zwei Polizeibeamten eine Erklärung zurief und dabei lebhaft mit den Hän-
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den gestikulierte. Er war offenbar der Besitzer des Standes. Einer der beiden Beamten machte eifrig Notizen in ein kleines schwarzes Heft. Es wurde uns sehr schnell klar, was passiert war. Zum Teil konnten wir es den Erklärungen des Mannes entnehmen, zum Teil konnten wir es selber sehen. Irgend jemand hatte von hinten durch die Zeltwand hindurch die Gewinne des Schießstandes zerstört. Er mußte dazu eine Keule oder einen Hammer oder etwas Ähnliches benutzt haben. Die Gewinne hatten auf Regalen an der Rückwand gestanden, oberhalb der Schießscheiben. Nun lagen sie zerbrochen und zerschmettert auf dem Boden, ein wüstes Durcheinander von Uhren, Krügen, Vasen und Aschenbechern. Der Besitzer war wütend. Wir konnten es ihm nachfühlen. Das war ja auch ein übler Streich. Und natürlich war niemand da, der den Übeltäter gesehen hatte. Er mußte hinter dem Schießstand gestanden und auf die Rückwand losgeschlagen haben. Hinterher war er anscheinend über den Platz geflüchtet, der den Fischern zum Trocknen der Fische dient – zwischen den Netzen hindurch und vorbei an den kleinen Arbeitsschuppen, die die Fischer dort aufgestellt haben.
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»Mein ganzer Verdienst ist zum Teufel!« rief der Mann. Der eine der Beamten, ein langer Kerl mit einem verschlafenen Gesicht, klopfte ihm beruhigend auf den Arm. »Wir werden den, der das getan hat, schon erwischen«, tröstete er. Brille, Erik und ich sahen uns an. Wie der das wohl schaffen wollte? Der Standbesitzer rief: »Ja und was dann? Bekomme ich dadurch meinen Verdienst zurück? Werden davon meine Krüge wieder heil?« Wir sprangen vom Spill herunter und gingen hinter das Zelt. Dabei untersuchten wir das trockene Gras, fanden jedoch nicht den geringsten Anhaltspunkt, der uns hätte helfen können, dem Täter auf die Spur zu kommen. Erik war ein bißchen weiter fortgegangen. Plötzlich bückte er sich und rief: »Kommt doch mal her und seht euch das an!« Da lag ein dicker Stock. Erik hielt ihn in der Hand, als die beiden Beamten in der gleichen Absicht wie wir um das Zelt herumkamen. »Nun, was hast du denn da?« rief der eine. Erik ging zu ihm hin und reichte ihm den Stock.
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»Der hat hier gelegen. Vielleicht hat er es damit getan.« Der Beamte schlenkerte den Stock prüfend hin und her. »Hm? Was sagst du? Wo hat der gelegen?« Erik zeigte ihm die Stelle noch einmal. »Tja, es sieht beinahe danach aus.« Der andere Beamte, der mit dem verschlafenen Gesicht, war stehengeblieben und hatte uns mißtrauisch angesehen. Jetzt sagte er: »Hört mal her. Ihr habt das doch hoffentlich nicht getan?« »Wir?« Wir guckten ihn ungläubig an. »Natürlich haben wir das nicht getan.« »Erstens,« sagte Brille,»sind wir gerade eben erst gekommen.« »Und zweitens«, fügte Erik hinzu, »würden wir bestimmt nicht hier herumstehen, wenn wir es getan hätten.« Der Beamte sah ihn gereizt an. »Ja, gewiß«, gab er zu. »Aber aus Gründen der Sicherheit müssen wir eure Namen aufschreiben.« »Wozu denn das?« fragte ich. »Wir haben mit der Sache nichts zu tun. Wir sind nur um das Zelt herumgegangen, um vielleicht irgendeine
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Spur von dem Täter zu finden. Und dabei entdeckte Erik den Stock, mit dem der Mann das vielleicht getan hat. Gleich danach kamen Sie. Anders ist es nicht gewesen.« Der Beamte sah mich mit zusammengekniffenen, verschlafenen Augen an. »Und woher weißt du, daß es ein Stock war, mit dem das gemacht worden ist?« »Herrgott!« rief Erik, »das wissen wir ja gar nicht. Wir sagten nur, daß es mit dem Stock getan worden sein könnte.« Der Beamte hatte sein Notizbuch wieder aus der Tasche gefischt. Er leckte an dem Bleistift. »Dein Name?« Erik antwortete nicht. »Ich habe dich nach deinem Namen gefragt. Wie heißt du?« Als Erik immer noch schwieg, faßte der Beamte ihn am Arm und schüttelte ihn. »Hören Sie doch mal zu«, sagte Brille. »Wir haben wirklich nichts getan.« Der Beamte schüttelte Erik von neuem. »Kann ich vielleicht deinen Namen und deine Adresse erfahren, du?« Erik schüttelte mit zusammengekniffenen Lippen den Kopf. Der andere Beamte stand immer noch auf der
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gleichen Stelle und hielt den Stock in den Händen. Er schien sich nicht einmischen zu wollen. »Wozu brauchen Sie meinen Namen, wenn ich nichts getan habe?« fragte Erik. Der Beamte sagte, während er sich zu seinem Kollegen wandte: »Ich habe keine Lust, hier noch länger herumzustehen und zu diskutieren. Ich glaube, irgend etwas stimmt bei diesen drei Burschen nicht. Wir wollen sie mal mit zur Polizeiwache nehmen.« »Ich sage Ihnen ja schon meinen Namen«, sagte Erik. Der Beamte ließ seinen Arm los, um schreiben zu können. Erik sprang zwei Schritte zur Seite. »Haut ab!« rief er uns zu. Wir liefen alle drei davon. 2
Wir rannten los, und die beiden Beamten rannten hinter uns her. Da wir aber die kleineren waren, konnten wir leichter zwischen den Trockengestellen für die Fische hindurchschlüpfen. Wir liefen, so schnell wir konnten, aber wir konnten die bei-
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den nicht abschütteln. Erik rief uns leise zu: »Es ist wohl besser, wenn wir uns trennen und jeder für sich weiterläuft. Ich verschwinde jetzt zwischen den Schuppen hier rechts.« »Dann laufe ich in die entgegengesetzte Richtung, wieder mitten zwischen die Zelte und zurück auf den Festplatz«, schnaufte Brille. »Okay«, sagte ich. »Ich laufe dann weiter geradeaus.« In diesem Augenblick waren wir gerade vor unseren Verfolgern verborgen. Aber wir konnten hören, wie sie hinter uns herkeuchten. Erik flüsterte: »Wir treffen uns an der Schiffschaukel wieder, sobald wir sie losgeworden sind.« Dann war er weg. Brille war auch nicht mehr zu sehen. Ich lief weiter geradeaus und hoffte, einen Schlupfwinkel zu finden. Ich war noch niemals vorher hier gewesen, in dieser Wildnis von Schuppen und Trockengestellen, von Schubkarren, Teerfässern und Fischbehältern. Ich wußte gar nicht so recht, wie ich hier wieder herausfinden sollte. Andererseits gaben mir alle diese Dinge große Chancen, einen Unterschlupf zu finden. Ich blieb einen Augenblick an einem der Arbeitsschuppen stehen und versuchte die Tür zu öffnen.
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Aber sie war abgeschlossen. Als ich weiterlief, hörte ich, wie hinter mir jemand rief: »Da ist er!« Ich lief noch schneller und war den Blicken der beiden sofort wieder entschwunden. Alle beide waren hinter mir her. Das bedeutete, daß Brille und Erik ihnen entwischt waren. Ich brauchte jetzt also nur noch an mich selber zu denken. Das tat ich dann auch. Ich überlegte und überlegte, und dabei lief ich weiter, so schnell ich nur konnte. Es wurde mir jetzt bewußt, daß wir da in eine ganz unglückliche Lage geraten waren. Wir waren doch ganz unschuldig. Im Gegenteil, wir hatten den beiden Dummköpfen, die mir jetzt prustend und stöhnend auf den Fersen waren, sogar helfen wollen. Ich überlegte, was ich tun könnte, falls sie mich erwischen sollten. Ich hatte keine Angst. Mein Gewissen war so halbwegs rein. Dann kam mir der Gedanke, daß ich, falls es schiefgehen sollte, versuchen mußte, mit Larsen, unserem Dorfpolizisten, zu sprechen. Er kennt uns ja. Er würde den beiden fremden Beamten schon klarmachen können, daß wir es nicht gewesen waren, die die Gewinne des Schießstandes zerdeppert hatten. Puh! mir wurde ordentlich warm. Mein ein-
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ziger Trost war, daß es für meine Verfolger noch wärmer sein mußte. Noch viel wärmer sogar! Aber alles, was ich jetzt erzählt habe, spielte sich in viel kürzerer Zeit ab, als man beim Lesen meint. Die Verfolgungsjagd hatte viel weniger Zeit in Anspruch genommen, als ich zum Niederschreiben gebraucht habe. Jetzt war ich schon fast unten am Wasser. Aber da, direkt am Strand, standen sämtliche Autos und Wohnwagen der Zeltbesitzer. Ich schlüpfte zwischen ihnen hindurch und lief auf einen grünen Wohnwagen zu, dessen Tür offenstand. Ich blickte zurück. Zwischen mir und meinen Verfolgern befanden sich gerade einige Wagen. Ich sprang darum schnell die Treppe des grünen Wagens hinauf und verschwand in seinem Innern. Ich bemerkte erst hinterher, daß ein junges Mädchen dicht neben der Treppe gestanden hatte. Ich hatte es nicht gesehen, weil es Wäsche auf eine Leine hängte. Es konnte aber kein Zweifel darüber bestehen, daß es mich gesehen hatte. Ich hatte mich gerade unter dem Tisch im Wohnwagen versteckt, als ich die beiden Beamten heranstürmen hörte. Der eine rief:
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»Ist hier ein Junge vorbeigelaufen?« Ich hörte das Mädchen antworten: »Ja, er ist da hinuntergelaufen, zum Festplatz hin.« Aus dem Geräusch der Schritte hörte ich, daß die beiden Beamten weiterliefen. Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn. Ich war gerettet! Das Mädchen tauchte im Türrahmen auf. Es war wohl im gleichen Alter wie ich. Es trug einen enganliegenden Pullover mit Silberpailletten und einen ganz kurzen Faltenrock. Ich kroch aus meinem Versteck hervor. »Ich danke dir«, sagte ich. Das Mädchen lächelte mich an. Es war sehr hübsch und hatte ganz blonde Haare. »Hat das nicht prima geklappt?« fragte sie. »Ganz prima«, antwortete ich. Sie sah mich neugierig an. »Was hast du denn angestellt?« fragte sie dann. Ich schüttelte den Kopf. »Das ist es ja gerade, ich habe nichts getan. Es handelt sich um einen Irrtum, verstehst du? Sie glauben, daß ich etwas getan habe. Darum bin ich fortgelaufen, und nun laufen sie hinter mir her. Ich war mit zwei Freunden zusammen, aber die sind ihnen entwischt.«
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»Und ihr habt wirklich nichts getan?« Ich sah ihr an, daß sie nicht ganz glaubte, was ich sagte. »Es ist wahr«, bekräftigte ich. »Ja, aber warum …?« Ich guckte mich im Wagen um. Ich war noch nie vorher in einem Wohnwagen gewesen. Es war sehr schön und gemütlich hier, vor allem war viel mehr Platz, als ich je gedacht hatte. »Da ist irgend so ein Flegel gewesen, der sämtliche Gewinne in einem der Schießstände zerschlagen hat. Wir waren daher um das Zelt herumgegangen und wollten nachsehen, ob von dem Täter noch eine Spur zu entdecken wäre. In dem Moment kamen die Polypen und behaupteten, daß wir es getan hätten. Da sind wir abgehauen. Das ist alles.« »Ein Schießstand? Welcher denn?« Das Mädchen wirkte ganz aufgeregt. Ich schilderte ihr, wo das Zelt stand. »Das gehört meinem Vater.« »Deinem Vater? War das dein Vater, der da drin stand?« Sie schüttelte den Kopf. »Nein, aber mein Vater ist der Eigentümer. Der Mann in dem Schießstand ist nur bei meinem Vater angestellt. Ist viel zerstört worden?«
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Ich nickte. »Das glaube ich wohl. Der Kerl hat einfach durch die Zeltwand hindurch auf die Gewinne eingeschlagen.« Das junge Mädchen wurde ganz blaß vor Zorn. Ich verstand das sehr gut. »So ein Flegel!« sagte sie. Ich hatte Angst, daß sie anfangen würde zu weinen. Da hörten wir jemanden schnellen Schrittes herankommen. Das Mädchen stellte sich in die offene Tür. Ich hörte eine Männerstimme: »Inge, wo ist dein Vater? Irgend jemand hat die ganzen Gewinne im Schießstand und in der großen Tombola vernichtet.« »Auch in der Tombola?« fragte Inge. »Ja, eben, vor ein paar Minuten. Zuerst im Schießstand und ein paar Minuten später in der Tombola. Im Schießstand ist viel verdorben worden, aber in der Tombola war es nicht so schlimm. Wo ist dein Vater?« »Das weiß ich nicht. Er ist vor fünf bis sechs Minuten fortgegangen. Ich nehme an, daß er zum Festplatz wollte. Ich selber gehe auch gleich hin, weil ich in wenigen Minuten auftreten muß.« Der Mann lief weiter. Inge kam wieder in den Wagen zurück.
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»Was gibt es doch für Rüpel«, sagte sie. Ich nickte. »Gehört die Tombola auch deinem Vater?« »Ja. Er hat eine ganze Reihe Zelte hier. Herrje, wird er zornig sein, wenn er das erfährt! Es ist wirklich ärgerlich. Vater hat vorher schon so viel Sorgen gehabt.« »Jedenfalls weißt du jetzt, daß wir es nicht getan haben. Denn das in der Tombola muß passiert sein, als die Polypen schon hinter uns herliefen.« Sie lächelte ganz schwach. »Das habe ich auch gar nicht angenommen«, sagte sie. Dann guckte sie auf ihre Uhr. »Wo trittst du auf?« fragte ich. »Drüben im ›Varieté‹. Das ist das größte Zelt von allen. Ich bin Jongleur. Ich werfe Teller in die Luft und fange sie wieder auf.« »Gehört das Zelt auch deinem Vater?« »Ja«, antwortete sie. »Jetzt muß ich aber fort.« »Ich werde auch wieder gehen«, erklärte ich. »Ich danke dir, daß du mir geholfen hast.« »Nein, geh doch nicht fort!« »Das werde ich wohl müssen«, sagte ich. »Nein, du kannst hierbleiben, bis ich zurückkomme. Wohin willst du denn auch gehen?« Ich zuckte mit den Schultern.
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»Zum Festplatz.« »Dann wirst du sofort geschnappt. Nein, du mußt hierbleiben, bis sie es aufgegeben haben, nach dir zu suchen.« »Ja, wenn nun aber jemand kommt, solange du fort bist? Dann sieht es doch sonderbar aus, wenn ich hier herumsitze. Und wenn dein Vater kommt?« »Dann brauchst du ihm nur alles so zu erzählen, wie es ist. Grüß ihn von mir und sag ihm, ich werde, sobald ich nur kann, zurückkommen.« Sie sah wieder auf ihre Uhr. »Ich laufe jetzt, aber in einer Viertelstunde bin ich schon wieder zurück. Ich bin bei der großen Schau nicht dabei. Ich werde mich sehr beeilen.« »Schön«, sagte ich, »nochmals vielen Dank.« Sie lief hinaus, und ich setzte mich an den Tisch und wartete darauf, daß sie zurückkäme. An der Wand hing eine Uhr. Mir kam es so vor, als tickte sie nur ganz langsam. Ich horchte auf das Ticken und sah zwischendurch einmal auf den Zeiger. Er bewegte sich kaum. Ich überlegte, wie es Erik und Brille wohl ergangen sein mochte. Höchstwahrscheinlich standen sie jetzt dort hinten bei der Schiffschaukel und warteten darauf, daß ich auch auftauch-
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te. Vielleicht glaubten sie auch, daß ich festgenommen worden wäre. Ich habe nie gern gewartet. Vielleicht gibt es Menschen, die dafür geschaffen sind – ich bin es jedenfalls nicht. Ich stand auf und ging in dem Wohnwagen hin und her wie ein Löwe im Käfig. Vom Festplatz herüber konnte ich den Lärm hören. Am lautesten aber klang während der ganzen Zeit die Musik von der Tanzfläche. Ich hätte gern gewußt, ob Katja wohl noch immer mit John tanzte, aber ich hoffte, daß sie es nicht tat. Statt dessen wünschte ich mir, daß sie auf dem ganzen Festplatz herumlief, um mich zu suchen. Ich hatte richtig Sehnsucht nach ihr. Es ärgerte mich, daß ich nicht ordentlich tanzen gelernt hatte. Ich war zwar einige Monate zur Tanzstunde gegangen, aber ich hatte mir nicht besonders viel daraus gemacht. Jetzt ärgerte ich mich darüber und wünschte mir, genauso gut tanzen zu können wie John. Ich fragte mich, ob wohl alle Polizeibeamten auf dem Festplatz jetzt Ausschau nach uns hielten. Es war schon eine verteufelt unangenehme Lage, in die wir uns selbst gebracht hatten. Aber auf eine gewisse Art und Weise genoß ich die Situation auch wieder. Es war schon aufregend, gesucht zu werden, vor allem, wenn man
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nichts ausgefressen hatte. Wenn wir doch nur aufklären könnten, wer es in Wirklichkeit gewesen war! Das wäre prima. Nur so konnten wir uns von dem Verdacht befreien. Wenn wir den Täter erwischten und der Polizei auslieferten, dann wäre alles wieder in Ordnung. Was für große Augen sie dann alle machen würden! Und es gab ja auch einen Grund, den Täter zu suchen, einen sehr triftigen Grund sogar. Ich würde Inge, dem Jongleurmädchen, und ihrem Vater so gerne helfen. Inge hatte sich mir gegenüber sehr anständig verhalten. Ich konnte darum nur wünschen, daß ich es ihr auf irgendeine Art und Weise vergelten konnte. Es wäre gut, wenn Erik, Brille und ich – und Katja natürlich, wenn sie nicht zu sehr davon in Anspruch genommen war, mit John zu tanzen –, wenn wir vier den Mann fangen könnten, der die Gewinne in den beiden Zelten von Inges Vater zerschlagen hatte. War es vielleicht nur Zufall, daß beide Zelte, der Schießstand und die große Tombola, Inges Vater gehörten? Oder war es vielleicht ein Racheakt? Gab es jemanden, der ihm schaden wollte und deshalb systematisch vorging und ihm sein Geschäft verdarb? Es konnte natürlich auch ein ganz gewöhnlicher Dummejungenstreich sein, der mit Inges
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Vater nicht das geringste zu tun zu haben brauchte. Auch dann wäre es gut, den Burschen, der dafür verantwortlich war, zu fangen. Er verdiente eine ordentliche Tracht Prügel, dieser Flegel. Ich ging zur Tür und guckte hinaus, aber ich zog den Kopf schnell wieder zurück. Zwei Männer waren auf dem Weg zu diesem Wagen. Aber keiner von beiden war Inges Vater. Dazu waren sie zu jung. Sie mochten ungefähr zwanzig Jahre alt sein. Sie trugen Arbeitshosen und schmutzige Hemden. Sie glichen den Männern, die am vergangenen Abend hier herumgegangen waren und die Zelte und Karussells, das Riesenrad und alle die anderen Sachen auf dem Strandplatz aufgestellt hatten. Ich mochte ihre Gesichter nicht leiden. Sie sahen so brutal aus. Ich zog meinen Kopf also ganz schnell zurück und konnte daher ziemlich sicher sein, daß sie mich nicht gesehen hatten. Was sollte ich tun? Ich hatte keine Lust, mit ihnen zu sprechen und ihnen die ganzen Umstände zu erklären. Ich mußte ja auch annehmen, daß sie nur herkamen, um mit Inges Vater zu sprechen. Wenn sie feststellten, daß er nicht da war, würden sie schon wieder gehen.
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Also kroch ich unter den Tisch und versteckte mich. 3
Ich hörte, daß die beiden Männer zunächst an den Wagen herankamen, dann aber an der Tür vorbeigingen. Ich lag ganz still und horchte auf ihre Schritte. Sie gingen einmal um den ganzen Wagen herum, kamen aber kurz darauf wieder an die Tür zurück. »Da siehst du, daß ich recht hatte. Es ist niemand zu Hause«, bemerkte der eine von ihnen. »Die Tochter ist drüben bei ihrem Auftritt, und er selber ist wahrscheinlich auf dem Festplatz.« Sie betraten den Wagen. Ich konnte ihre Beine sehen. »Niemand hat uns hierhin gehen sehen.« »Bist du ganz sicher?« fragte der andere. Er war anscheinend vorsichtiger. Ich hatte irgendwoher Staub in die Nase bekommen. Der juckte jetzt so niederträchtig, daß ich große Angst hatte, ich würde niesen müssen, solange die beiden im Wagen waren. »Vielleicht wird er jetzt lernen, seine Nase
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nicht in Sachen zu stecken, die ihn nichts angehen«, meinte der erste. »Hoffentlich! Das wird ein Tag, den er niemals vergessen wird. Hast du das Petroleum da?« »Genug, um das Ganze hier in die Luft gehen zu lassen.« Ich konnte hören, daß er einen Korken aus einer Flasche zog. In der gleichen Sekunde, in der der Korken sich mit einem leichten Blubbern löste, mußte ich niesen. Mein Niesen hatte die gleiche Wirkung, als ob ich mit einem Revolver in die Luft geschossen hätte. Im Verlauf einer einzigen Sekunde waren die beiden zur Tür hinaus und weg. Ich mußte noch einmal niesen und konnte selber fast nicht glauben, daß ich gerettet war. Als ich zum erstenmal nieste, schoß mir nur ein einziger Gedanke durch den Kopf: So, jetzt bist du verloren! Statt dessen aber hatte ich die beiden Burschen verjagt. Das war fast zu schön, um wahr zu sein. Ich kroch wieder aus meinem Versteck hervor, richtete mich auf und sprang zur Tür. Die beiden waren nirgendwo zu sehen. Aber mein Gefühl sagte mir, daß sie zum Festplatz gelaufen waren. Daher sprang ich die kleine Treppe hinunter und lief hinter ihnen her. Ich schlüpfte zwischen den Arbeitsschuppen, den
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Wohnwagen und Lastautos hindurch und gelangte – vorbei an dem großen Zelt mit der Todesbahn, an einer Waffelbude und dem Glücksrad – wieder auf den Festplatz. Hier waren so viele Menschen, daß niemand auf mich achtete. Ich mischte mich unter die Menge und hielt dabei die ganze Zeit Ausschau nach den beiden Männern. Es stand für mich fest, daß diese beiden die Gewinne in den Zelten zerschlagen hatten. Außerdem war ich davon überzeugt, daß sie die Absicht hatten, Inges Vater noch weiteren Schaden zuzufügen. Das war aus dem, was sie gesagt hatten, deutlich genug hervorgegangen. Sie hatten den Wohnwagen in Brand stecken wollen. Wenn ich nicht dagewesen wäre und wenn ich nicht hätte niesen müssen, dann stünde er jetzt in hellen Flammen. Wer weiß, ob die beiden nicht noch einmal zum Wohnwagen zurückgehen würden, um es noch einmal zu versuchen. Aber das war ziemlich unwahrscheinlich. Denn jetzt war gerade eine Viertelstunde vergangen, seit Inge den Wagen verlassen hatte. Sie mußte inzwischen zurückgekommen sein oder zumindest auf dem Weg sein. Ich hatte kein ganz gutes Gewissen, weil ich fortgegangen war, obwohl Inge mich gebeten hatte zu bleiben. Ich mußte sie auf jeden Fall
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noch im Laufe des Abends treffen, damit ich ihr erklären konnte, was geschehen war. Und ich mußte sie auch vor den beiden Männern warnen. Vielleicht wußte sie sogar, wer es war, wenn ich ihr beschriebe, wie die Männer ausgesehen hatten. Vorläufig aber mußte ich dafür sorgen, den beiden auf die Spur zu kommen. Ich nahm mit ziemlicher Sicherheit an, daß sie irgend etwas Neues vorhatten, nachdem ihr Besuch im Wohnwagen nicht zum Ziel geführt hatte. Inge hatte mir erzählt, daß ihr Vater eine ganze Reihe von Zelten besaß. Wenn die beiden darauf aus waren, ihm zu schaden, so gab es also noch genug andere Möglichkeiten. Wenn ich nur Erik und Brille erwischen könnte! Aber die Schiffschaukel an der wir uns treffen wollten, war genau auf der anderen Seite des Platzes. Ich blieb einen Augenblick stehen. Und da sah ich die beiden Männer wieder. Sie kamen mir ganz gemächlich entgegen. Ich wollte mich gerade vor ihnen verstecken, als mir aber noch einfiel, daß sie mich ja gar nicht gesehen, sondern nur mein Niesen gehört hatten. Ich blieb also stehen. Nachdem sie an mir vorbeigegangen waren,
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schlich ich ganz verstohlen hinter ihnen her. Es bestand keine Gefahr, daß ich ihnen in dem Gewühl auffallen würde. Während sie umherbummelten, redeten sie miteinander, ohne einen Versuch zu machen, ihre Stimmen zu dämpfen. Auf dem Platz herrschte so viel Lärm und Getöse, daß sie wohl nicht damit rechneten, von irgend jemandem gehört zu werden. Ich hielt mich so dicht hinter ihnen, wie ich eben wagen konnte. Zwar konnte ich nicht alles hören, was sie sagten, aber ab und zu schnappte ich eine Bemerkung auf. Ich hörte den einen sagen: »Aber warum denn?« »Weil sie nicht riskieren wird, daß sie dahinterkommen«, antwortete der andere. »Ach was, sie kommen wahrscheinlich nie dahinter.« Der andere zuckte mit den Schultern. Ich konnte nicht verstehen, was er erwiderte. Und ich konnte mir auf das, was ich gehört hatte, keinen Vers machen. Ich war ihnen schon eine ganze Weile gefolgt, ehe ich ihre Stimmen aus all den Geräuschen wieder heraushören konnte. »… geht uns nichts an. Wir haben jetzt zwei von den Zelten bearbeitet, und Jensen hat sich
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das Karussell vorgenommen. Wir haben noch den ganzen Nachmittag und Abend vor uns.« Der andere lachte auf. »Er wird schon noch lernen, sich in Schach zu halten.« »Das hat Irma auch gesagt. Sie hat erklärt, daß der Spaß einmal zu Ende sei.« »Es wird ihm schon noch aufgehen, daß es sich besser auszahlt, wenn er alles so laufen läßt, wie es bisher gelaufen ist.« Plötzlich hörte ich eine scharfe Stimme hinter mir: »Da ist ja einer von ihnen!« Ich drehte mich um. Einer der beiden Polizisten von vorhin zeigte auf mich. Sein Kollege war dicht hinter ihm. Sie standen drüben auf der anderen Seite neben einem der großen Rouletts, die auf dem Platz aufgestellt worden waren, offensichtlich fest eingekeilt in die beiden sich entgegenwogenden Menschenströme. Ich zwängte mich durch die Menge und schlich hinter das große Zelt, in dem die Todesbahn war. Hier war ich vorläufig in Sicherheit. Die beiden konnten unmöglich gesehen haben, wo ich geblieben war. Ich setzte mich auf eine leere Kiste und dachte intensiv darüber nach, was jetzt zu tun war.
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Der Lärm von der Todesbahn war ohrenbetäubend. Er stammte von dem Motorengeräusch der Krafträder. Ich freute mich schon darauf, daß wir da hineingehen würden, um uns das anzusehen. Dies hier schien das schönste aller Strandfeste zu werden! Jetzt kam es aber in erster Linie darauf an, Erik, Brille und Katja zu finden. Ich hatte eigentlich keine Angst, mich wieder auf den Festplatz hinauszuwagen. Da draußen waren so viele Menschen, daß wir mühelos entwischen konnten, wenn die Polizisten uns entdecken sollten. Das Wichtigste war, daß wir wieder etwas hatten, an dessen Aufklärung wir mitwirken konnten. Während ich da auf meiner Kiste saß, mußte ich daran denken, wie eigenartig es doch eigentlich war, daß wir vier immer geradezu kopfüber in irgend etwas Geheimnisvolles hineinplumpsten. Jetzt aber waren wir selbst zum ersten Mal ernstlich in Verdacht geraten. Das machte die Sache natürlich erst recht spannend. Ich blieb noch eine Weile sitzen und kam immer mehr zu der Überzeugung, daß wir dies Geheimnis aufklären mußten. Und zwar ohne uns an die Polizei zu wenden, solange wir unserer Sache nicht ganz sicher waren. Überhaupt nicht darüber
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sprechen! Weil ja doch niemand glauben würde, was wir sagten! Hinter der Todesbahn stand ein Arbeitsschuppen. Die Tür stand offen. Ich erhob mich von meiner Kiste, ging zur Tür und guckte in den Schuppen. Er war, abgesehen von ein bißchen Tauwerk und einigen Fässern, leer. An der Tür baumelte ein großes Vorhängeschloß, in dem der Schlüssel steckte. Darüber war ich ein wenig erstaunt. Es war ein gutes, solides Schloß. Der Besitzer schien keine Angst zu haben, daß es jemand stehlen könnte, wenn es da so offensichtlich hing. Na ja, das mußte er schließlich selbst wissen. Ich wollte mich lieber wieder ans Tageslicht begeben und zuallererst einmal zum Tanzpodium gehen, um nachzusehen, ob Katja noch immer tanzte. Wenn sie noch da war, wollte ich versuchen, sie herunterzurufen, um ihr alle Neuigkeiten zu erzählen. Ich schlich um die Todesbahn herum und suchte mit den Augen den Festplatz ab. Ich konnte aber in der Nähe keinen Polizisten entdecken. Gleich darauf war ich auch schon wieder mitten im Gewühl. Ich ging, so schnell es sich machen ließ, zum Tanzpodium, sah mich dabei
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aber ständig nach allen Seiten nach den Polizeibeamten und nach den Verbrechern um. Es waren genug Polizisten da, aber die beiden Burschen, die hinter uns hergewesen waren, konnte ich nirgendwo erspähen. Ich kam zum Tanzpodium. Jetzt waren schon viel mehr Tanzende da und auch viel mehr, die nur herumstanden und zusahen. Ich stellte mich dazu und guckte, so gut ich konnte, über die Köpfe der Menge hinweg, doch ich konnte Katja nicht finden. Aber auch John war nicht zu sehen. Ich ließ mich ein Stück von dem Menschenstrom weitertreiben, bog dann aber bei der Bude mit den Waffeln ab. Ich kam an dem Zelt mit den Spielautomaten vorbei, an der Kindertombola und dem großen Glücksrad, an dem Würstchenmann und der Frau, die die Luftballons verkaufte, kam weiter vorbei an dem Karussell, das jetzt stillstand und ganz leer war, und schließlich noch an der großen Lotteriebude des Segelklubs, ehe ich bei der Schiffschaukel anlangte. Weder Brille noch Erik waren da. Ich sah mich nach allen Seiten um. Hier waren viele Menschen, eine lange Schlange wartete vor der Schiffschaukel. Aber die beiden waren nicht darunter. »Hej!« Ich guckte hoch. Da standen die beiden in ei-
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ner der Schaukeln und schaukelten, so heftig sie konnten. Es sah so aus, als ob die Schaukel sich jedesmal, wenn sie den höchsten Punkt erreicht hatte, überschlagen wollte. Ich winkte zu ihnen hinauf. Sie riefen mir etwas zu, was ich jedoch nicht verstand. Ich schüttelte daher den Kopf. Gleich danach war die Runde zu Ende, und die beiden kamen zu mir. »Auf diese Weise haben wir uns die Zeit vertrieben«, sagte Erik und grinste mich an. »Wir haben gleich sechs Fahrten auf einmal genommen. Aber wir bekamen allmählich doch Angst, daß sie dich geschnappt hätten.« »Wo bist du so lange gewesen?« fragte Brille. »In einem Versteck?« Ich schüttelte den Kopf. »Doch, wenigstens einen Teil der Zeit. Den Rest der Zeit brauchte ich, um unser Geheimnis aufzuklären und die Verbrecher zu finden.« »Jetzt gibst du aber an«, rief Erik. »Ja, ein bißchen schon«, gab ich zu. »Aber ich glaube, ich bin ziemlich nah dran. Zwei von ihnen würde ich wiedererkennen und …« »Warte mal«, unterbrach Brille mich. »Soll das heißen, daß es sich um eine ganze Bande handelt?«
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»Genau. Ich will es euch erklären …« Ich erzählte ihnen von dem Wohnwagen und von dem Jongleurmädchen. Sie hörten mir gespannt zu. »Das würde ja bedeuten, daß sie darauf aus sind, Inges Vater zu schaden«, meinte Brille. »Glaubst du, daß es sich um einen Racheakt oder so etwas Ähnliches handelt?« »Das muß es wohl sein. Sie haben nämlich außerdem noch versucht, die Gewinne in einer der anderen Tombolas zu zerstören, die auch Inges Vater gehört. Sie hätten sogar seinen Wohnwagen in Brand gesteckt, wenn ich nicht dagewesen wäre. Außerdem hörte ich sie davon sprechen, daß ein dritter Mann, den sie Jensen nannten, sich das Karussell vorgenommen hätte. Ich weiß nicht, was sie damit andeuten wollten.« »Das glaube ich aber zu wissen«, sagte Erik. »Das Karussell setzte nämlich aus, während wir hier standen und auf dich warteten – ehe wir zu schaukeln anfingen. Man sagt, daß der Motor kaputtgegangen sei.« »Er soll heißgelaufen sein«, fügte Brille hinzu. »Wie kann man einen Motor absichtlich kaputtmachen?« wollte ich wissen. Brille zuckte mit den Schultern. »Dafür gibt es viele Möglichkeiten. Man kann
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Sand hineinwerfen oder Zucker in das Öl mischen. Es gibt noch viel mehr Möglichkeiten, aber die mit dem Sand ist wohl die einfachste. Ich glaube übrigens nicht, daß die Leute am Karussell sich klar darüber sind, daß es sich um Sabotage handelt. Sie glauben, daß der Motor von selbst ausgefallen ist. Sie versuchten eine Weile, ihn wieder in Gang zu bringen, dann aber machten sie das Karussell zu und gingen fort.« »Der Mann, der das getan hat, soll Jensen heißen«, sagte ich. »Habt ihr keinen verdächtigen Burschen hier herumschleichen sehen, ehe es passierte?« »Nein«, erwiderte Erik. »Ich habe hier unten gestanden und nur auf die Schiffschaukel geachtet, aber nicht auf das Karussell.« »Das habe ich aber getan«, sagte Brille. »Ich sah, daß viele Menschen um das Karussell herumstanden und aufgeregt mit dem Inhaber sprachen. Das Karussell drehte sich noch, und der Mann stand mitten darauf. Ich kann mich so gut daran erinnern, weil ich überlegte, weswegen sie sich wohl so heftig zankten.« »Zankten sie sich?« »Ich konnte natürlich nicht verstehen, was sie sagten, weil die Musik mit voller Lautstärke spielte, aber es sah so aus, als ob sie aus irgend-
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einem Grund nicht einer Meinung seien. Aber das hilft uns ja nicht weiter, weil ich wirklich nicht darauf achtete, wie sie aussahen. Und weil sie den Inhaber des Karussells zu kennen schienen, nahm ich natürlich an, daß sie zu einem der Zelte gehörten.« Während wir uns noch unterhielten, waren wir langsam weitergegangen. Hier, in der Nähe des Karussells, waren nicht ganz so viele Menschen wie auf dem übrigen Platz. Eine ganze Traube von Zuschauern stand vor der Lotteriebude des Segelklubs. Wir waren gerade daran vorbeigegangen, als wir sahen, daß uns zwei Polizeibeamte entgegenkamen. Es waren zwar nicht die beiden von vorhin, aber wir wollten trotzdem nichts riskieren. Deshalb drehten wir uns um und wollten gerade wieder zurückgehen – da entdeckten wir die beiden anderen Beamten, die aus der entgegengesetzten Richtung kamen. Keiner von den vieren hatte uns bisher gesehen, oder wenn sie uns bemerkt hatten, hatten sie jedenfalls kein Interesse an uns. Aber wir wollten sichergehen. Alle Polizeibeamten hier auf dem Platz hatten bestimmt eine Beschreibung von uns bekommen. Wir verschwanden also in der Menge, die vor der Lotteriebude des Segelklubs stand.
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Ich schielte zurück und sah, daß unsere beiden Polizeibeamten stehengeblieben waren. Aber sie achteten nicht auf uns. Sie waren einfach stehengeblieben und hörten in aller Friedfertigkeit dem Mann zu, der die Lose verkaufte. Es war ein langer Vers, den der Mann mit imponierender Zungenfertigkeit herunterleierte. Als er damit fertig war, holte er einmal tief Atem und fuhr dann fort: »Und wie ist es mit dir, junger Mann mit dem hellen Haar? Wäre das nichts für dich – ein Los von der größten Lotterie aller Zeiten, von der Lotterie mit den sagenhaften Gewinnen? Könntest du dir nicht vorstellen, einen Skooter oder fünf Motorräder, zehn Eisschränke, fünf Fernsehapparate, eine Familienreise für zwei Personen nach Stockholm, zwei Nähmaschinen, fünf Herrenfahrräder, fünf Damenfahrräder, eine Kaffeedecke, drei Radioapparate, einen Gutschein für eine Buchhandlung in Hillerød, noch eine Kaffeedecke, oh … und was weiß ich noch zu gewinnen?« Erik grinste ihn an. »Wie stellen Sie sich vor, daß ich das alles nach Hause bringe? Was kosten die Lose?« »Drei für zwei Kronen. Bitte sehr.« Erik legte bedächtig ein Zwei-Kronen-Stück auf den Tisch.
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Wir hatten nämlich schon ein ganz schönes Loch in unser Taschengeld gerissen, und das Strandfest dauerte noch den ganzen Abend. »Und die anderen jungen Herren, wie ist es mit denen? Ihr wollt doch sicher nicht hinter euerm Freund zurückstehen?« Ich warf einen Blick über die Schulter zurück. Die beiden Beamten waren weitergegangen. »Lassen Sie uns aus dem Spiel«, bat ich. Der Mann lachte uns an: »Ihr werdet es noch bedauern, wenn euer Freund den ersten Preis anschleppt!« Erik stopfte die Lose in die hintere Hosentasche. Wir setzten unseren Rundgang fort. Ich guckte dabei nach Katja aus, aber ich konnte sie nirgendwo entdecken. »Habt ihr Katja nicht gesehen?« »Nee«, sagte Brille, »seit sie zum Tanzen raufgegangen ist, nicht mehr. Es ist ja möglich, daß sie immer noch tanzt.« »Nein. Ich war nämlich vorhin drüben und habe sie gesucht«, erwiderte ich. »Wir müssen sie aber finden«, meinte Erik. »Vorausgesetzt, daß ihr auch der Meinung seid, wir sollten die Übeltäter einfangen.« »Natürlich sollen wir das«, sagte Brille.
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Wir fanden John und Katja bei den Skootern. Erik drängelte sich durch sämtliche Zuschauer hindurch, bis er an der Absperrung um die Fahrfläche stand. Als er Katjas Aufmerksamkeit auf sich gelenkt hatte, gab er ihr ein Zeichen, und sie nickte. Bald danach war die Fahrt zu Ende, und Katja und John kamen zu uns. Ich schielte zu John hinüber, er lächelte. »Wir haben euch auf dem ganzen Platz gesucht«, sagte er, »aber wir konnten euch nicht finden.« »Wo wart ihr nur geblieben?« fragte Katja. Ich stieß Erik an, damit er nicht die ganze Geschichte ausplappern sollte, solange John dabei war und alles mitanhören konnte. Wir hatten ein Geheimnis, das wir aufklären mußten, aber ich wollte John nicht dabei haben. Wir sagten daher nur, daß wir auch nach ihr gesucht hätten, und dann schlenderten wir fünf weiter durch das Gewühl. Während wir so daherbummelten, überlegte ich, wie wir John auf angenehme Art und Weise loswerden könnten. Er ging neben Katja her und sah nicht so aus, als beabsichtige er, sich von ihr zu trennen. Im Weitergehen sah
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ich mich immer wieder um, zum Teil, um alle Polizisten im Auge zu behalten, zum Teil, um zu sehen, ob ich die beiden verdächtigen Männer nicht wieder entdecken konnte. Das gelang mir jedoch nicht. Gerade jetzt sah alles ganz normal aus: die Musik spielte, die Menschen waren froh, und überall in den verschiedenen Zelten und Buden wurden gute Geschäfte gemacht. Als wir so über den halben Platz gebummelt waren, sah John auf seine Armbanduhr. »Ich werde euch jetzt wohl verlassen müssen«, erklärte er. »Ich habe versprochen, auf einen Sprung nach Hause zu kommen, um ein paar Gäste zu begrüßen. Aber ich komme zurück, sobald ich kann. Ich werde euch dann schon finden.« »Das tust du sicher«, stimmte ich zu. Sobald er gegangen war, fingen wir wie auf Kommando an, Katja alles zu erzählen, was wir erlebt hatten. Sie war sofort Feuer und Flamme. Sie war kaum noch von der Stelle zu kriegen und versperrte so dem ganzen Menschenstrom den Weg. »Soll das heißen, daß …« Ich zog sie ein bißchen zur Seite. »Ja, das bedeutet, daß wir zur Zeit steckbrieflich gesuchte Personen sind.« »Allein für Kim haben sie eine Belohnung von
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fünftausend Kronen ausgesetzt, ganz gleich, ob tot oder lebendig«, ging Erik auf meinen Scherz ein. »Am liebsten hätten sie ihn tot – weil er ihnen dann nicht mehr entwischen könnte, verstehst du?« »Das bedeutet aber auch«, fuhr ich fort, ohne mich um Erik zu kümmern, »daß wir selber einer ganzen Bande auf der Spur sind und daß wir versuchen müssen, das Ganze so schnell wie möglich aufzuklären, einmal, um uns selber von dem Verdacht zu befreien, dann aber auch, um – um – äh …« »Um denen zu beweisen, was für tüchtige Burschen wir sind, weil wir solche Sachen aufklären können«, vollendete Erik meinen Satz. »Das meinte ich«, sagte ich. »Wir sollten uns mal nach einem ruhigen Platz umsehen, an dem wir alles besprechen können«, schlug Brille vor. Das war wirklich ein guter Gedanke. Allerdings war das leichter gesagt als getan. Wo sollten wir wohl einen ruhigen Platz finden, wenn Strandfest war? »Vielleicht sollten wir vom Strand fortgehen und einen Spaziergang machen«, meinte Erik. »Wir können ja später wieder hierher zurückkommen.«
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»Nein, das können wir nicht«, lehnte ich den Vorschlag ab. »Warum nicht?« »Weil an beiden Ausgängen des Platzes ein Polizeibeamter steht«, erklärte ich. »Ich habe das vorhin, als ich da vorbeikam, gesehen. Und ihr dürft mich Matz nennen, wenn nicht wir es sind, auf die sie da warten.« Erik lachte. »Das heißt also auch, daß wir überhaupt nicht vom Platz wegkommen, ehe wir die Sache nicht aufgeklärt haben. Das ist die beste Entschuldigung, die ich jemals gehabt habe, wenn ich nicht pünktlich zum Essen nach Hause gekommen bin. Ich bin nur nicht ganz sicher, ob mein Vater besonders entzückt davon sein wird. Er hat in dieser Beziehung so komische Vorstellungen. Was machen wir denn, wenn wir zum Essen nach Hause müssen?« »Ich kann überall vorbeifahren und euren Eltern Bescheid sagen«, bot Katja an. »Mich suchen sie ja nicht.« »Nee, noch nicht«, sagte Erik düster. »Das wird wahrscheinlich noch kommen. Aber sonst ist das ein brauchbarer Vorschlag.« Nach kurzer Überlegung schlug ich vor, uns hinter die Todesbahn zu setzen und dort die Angelegenheit zu besprechen.
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Wir schlüpften also zwischen den Zelten hindurch, ohne daß jemand auf uns achtete, und bald darauf saßen wir auf ein paar Kisten an genau der gleichen Stelle, an der ich kurz vorher schon einmal gesessen hatte. Hier herrschte Ruhe und Frieden, abgesehen von dem Lärm in dem großen Zelt, in dem die Motorräder ihre Todesfahrten machten. »Laßt uns zunächst einmal feststellen, was wir wirklich wissen«, schlug Brille vor. »Zunächst gibt es da einen Mann, dem die meisten Zelte hier auf dem Festplatz gehören. Und dann ist da jemand, der sich über ihn geärgert hat.« »Da bin ich nicht ganz sicher«, wandte ich ein. »Ich glaube allerdings, aus den wenigen Sätzen, die ich gehört habe, schließen zu können, daß er versucht hat, irgend etwas aufzudecken, und daß es das ist, worüber die anderen so wütend sind. Wir müssen versuchen, noch einmal mit Inge zu sprechen. Vielleicht weiß sie, worum es sich dabei dreht.« »Wer ist Inge?« fragte Katja. »Das ist die, die Kim rettete, als die Polypen hinter ihm her waren«, erklärte Erik. »Und es ist ihr Vater, dem die meisten Zelte gehören – auch Karussells und Schießbuden. Wie heißt er, Kim?« Ich schüttelte den Kopf.
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»Das weiß ich nicht. Aber ich kenne die Namen von zwei Mitgliedern dieser Bande. Der eine heißt Jensen, und das andere ist ein Mädchen mit Namen Selma. Jensen hat das Karussell stillgelegt. Außer diesen beiden sind dann noch die beiden Burschen da, die die Gewinne in dem Schießstand und in der Tombola zerschlagen haben und die außerdem den Wohnwagen anzünden wollten. Ich weiß nicht, wie sie heißen, aber ich würde sie sofort wiedererkennen.« Wir saßen eine Weile schweigend da und überlegten. »Wie stellt ihr euch das Weitere eigentlich vor? Was sollen wir tun?« fing Erik dann an. »Sie einfangen!« gab Katja zurück. »Das ist leicht gesagt«, seufzte Erik. »Hast du vielleicht eine Vorstellung davon, wie wir das machen sollen?« Damit hatte er ja recht. Wir konnten die Übeltäter vielleicht entdecken, ausspionieren, beschatten und zum guten Schluß der Polizei melden. Die Aussicht, sie zu fangen, war jedoch nicht sehr groß. Obwohl das für uns das allerschönste sein würde. »Das weiß ich auch nicht«, gab Katja kleinlaut zu. »Kannst du dir nicht etwas einfallen lassen, Brille?«
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Aber auch Brille, der sonst immer die besten Ideen von uns allen hat, schüttelte den Kopf. »Nee«, sagte er, »zunächst müssen wir jedenfalls einmal herauszufinden versuchen, worauf das Ganze hinaus soll. Was die Sache so erschwert, ist, daß die Polizei hinter Kim, Erik und mir her ist. Aber damit werden wir schon fertig, solange so viele Menschen auf dem Platz sind. Vielleicht ist es am klügsten, wenn wir uns in zwei Parteien aufteilen.« »Jetzt wäre es gut, wenn wir unsere WalkieTalkies hier hätten«, sagte Erik. »Dann könnte jeder einen bestimmten Teil des Platzes absuchen und trotzdem mit den anderen in Verbindung bleiben.« »Damit hast du recht«, bestätigte ich ihm. »Katja kann sie doch holen oder nicht?« »Doch«, sagte Brille. »Die Leute werden sich zwar nach uns umgucken, aber das soll uns nicht stören. Doch, der Gedanke ist brauchbar.« Aber noch ehe Katja sich von uns trennte, geschah etwas, das unsere Pläne völlig änderte. Nachdem wir da zusammengesessen und alles erörtert hatten, standen wir auf und machten uns langsam auf den Weg zu einem der Ausgänge des Festplatzes. Wir hielten uns jedoch während der ganzen Zeit hinter den verschiedenen
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Zelten und Buden. Wir krochen dabei unter Holzgestellen hindurch und kletterten über die Pardunen, Taue, die man zum Befestigen der Zeltmasten benötigt. Plötzlich faßte Katja mich am Arm. »Guck mal den da!« Wir blieben wie auf Anhieb stehen. Ein Stück von uns fort, gleich hinter dem »Varieté«, dem großen Zelt, in dem Inge die Teller in die Luft warf und wieder auffing, stand ein Mann. Er stand mit dem Rücken zu uns und hatte uns nicht kommen hören. »Was macht der da?« flüsterte Katja. Es sah ganz geheimnisvoll aus. Soweit wir erkennen konnten, untersuchte der Mann eine der Pardunen. »Ist das einer von den beiden?« flüsterte Erik mir zu. Ich schüttelte den Kopf. »Nein, den habe ich bis jetzt noch nicht gesehen. Möglicherweise aber ist es der, der Jensen heißt.« »Er geht hier herum und untersucht die Pardunen«, stellte Brille fest. »Ich möchte wetten, daß er beabsichtigt, sie durchzuschneiden.« »O Mann«, flüsterte Erik, »was du nicht sagst! Dann stürzt ja das ganze Zelt zusammen! Kim,
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ist das auch eins von den Zelten, die Inges Vater gehören?« »Ja, das gehört ihm«, flüsterte ich zurück. »Und zwar ist es das, in welchem Inge selber auftritt.« Wir blieben stehen und behielten den Mann im Auge. Wir erwarteten, daß er jeden Augenblick ein Messer zücken würde, um die Pardune durchzuschneiden. Aber vielleicht hatte er gar kein Messer bei sich. Vielleicht mußte er erst fortgehen und eins holen. Jedenfalls richtete er sich auf und ging an dem Zelt vorbei auf den Festplatz. »Hinterher!« rief Brille. Der Mann hatte schon einen guten Vorsprung. Wir konnten von Glück sagen, wenn wir ihn auf dem Platz wiederfinden würden. Wir beeilten uns darum, sosehr wir konnten. Aber wir hatten Glück. Sobald wir wieder auf dem Festplatz waren, sahen wir ihn. Er sah nicht so aus, als ob er es besonders eilig hätte. Er schlenderte gemächlich an den Zelten und Buden entlang. Wir trabten dicht hinter ihm her. Als er an dem Glücksrad vorbeiging, lehnte der Mann, der dort bediente, sich über den Tisch und rief: »Tag, Jensen!«
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»Habt ihr das gehört?« »Ja. Also ist er es«, sagte Erik. »Was nun?« fragte Katja. Vorläufig gingen wir nur hinter ihm her, und das war nicht schwer. Er ging nämlich immer noch langsam. Er war wesentlich älter als die beiden Burschen, die ich vorher gesehen hatte. Nach meiner Schätzung konnte Jensen etwa fünfundvierzig Jahre alt sein, vielleicht sogar etwas älter. Er war ziemlich schlank, und sein Haar fing an sich zu lichten. Was mochte er im Schilde führen? Und wo mochten seine beiden Kumpane in diesem Augenblick stecken? Waren sie etwa gerade dabei, noch mehr Zerstörungen anzurichten? Oder hatten sie jetzt alles ihm überlassen? »Worüber denkst du nach, Brille?« erkundigte ich mich. Daß er scharf nachdachte, konnte ich nämlich an dem geistesabwesenden Ausdruck in seinem Gesicht erkennen. »Hm?« machte er. »Ach so, ich ging nur so vor mich hin und versuchte herauszufinden, wie wir ihn fangen könnten. Das einzige, was mir dazu fehlt, ist ein Platz, wo keine Menschen sind. Und den man abschließen kann.«
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Erik grinste. »Mehr kann man mitten auf einem Strandfest wirklich nicht verlangen!« Der Mann ging jetzt etwas schneller, so, als wäre er zu einem Entschluß oder etwas Derartigem gekommen. Wir beschleunigten deshalb unsere Schritte auch ein bißchen. »Ich kenne so einen Platz«, sagte ich, und dann erzählte ich den anderen von dem Arbeitsschuppen hinter der Todesbahn, in den ich hineingeguckt hatte. »Und du weißt bestimmt, daß man ihn abschließen kann?« fragte Brille. »Ja, das kann man. An der Tür hängt nämlich ein Vorhängeschloß, und der Schlüssel steckt darin.« Brille strahlte über das ganze Gesicht. Ich verstand noch nicht, warum. Mir war natürlich sofort klargeworden, daß er den Mann da einschließen wollte – aber wie wollte er es anstellen, ihn hineinzubekommen? Brille wühlte in seinen Taschen herum. »Hat wohl einer von euch ein Stück Papier und einen Bleistift bei sich?« Erik angelte einen Bleistiftstummel aus seiner Tasche. »Papier gibt es hier genug«, meinte er und
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deutete mit der Hand auf den Boden. »Wir waten durch Papier.« Das taten wir wirklich. Die Stelle, über die wir gerade gingen, war übersät mit zerrissenen Eispapieren, leeren Zigarettenschachteln, weggeworfenen Eintrittskarten und ähnlichen Sachen. Aber das alles war ziemlich schmutzig und zerknüllt. »Ach«, fiel es Erik ein, »ich habe ja noch meine Lose! Ich gewinne ja doch nichts. Das habe ich noch nie getan.« Er zog die Lose aus der Tasche. Es waren drei, und sie waren an einer Seite zusammengeheftet. Er riß das oberste ab und reichte es Brille hin. Während der ganzen Zeit hatten wir den Mann weiter verfolgt, der Jensen hieß. »Was willst du tun?« fragte ich. »Willst du ihm einen Brief schreiben?« Brille nickte. »Dann kannst du ihm auch meine herzlichsten Grüße ausrichten«, neckte Erik ihn. »Der Brief wird nicht von uns sein«, erklärte Brille. »Von wem soll er denn sonst sein?« »Von den anderen aus seiner Bande.« Wir guckten ihn ein wenig überrascht an. »Wie willst du erreichen, daß er das glaubt?« wollte ich wissen. »Wir können den Brief ja gar
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nicht unterschreiben, weil wir ihre Namen nicht kennen.« »Doch. Du sagtest nämlich, daß ein Mädchen namens Selma zu der Bande gehört!« »Ach ja, das stimmt.« »Wir schreiben nur eine Nachricht für ihn auf den Wisch. Da braucht nur zu stehen, daß er in den leeren Schuppen hinter der Todesbahn kommen soll. Wir können mit Selma unterschreiben, und dann können wir ihm den Zettel bringen. Wenn wir das getan haben, laufen wir, so schnell wir können, zu dem Schuppen, und einer von uns stellt sich hinter die Tür. Wenn er dann näher kommt und hineingeht, schlagen wir die Tür zu und hängen das Schloß vor.« Das klang ja ganz einfach, aber ich zweifelte doch daran, daß es in Wirklichkeit so leicht sein würde. »Aber was ist, wenn er Selmas Handschrift kennt?« gab Katja zu bedenken. Brille überlegte. »Ganz streng genommen braucht der Zettel gar keine Unterschrift. Wir können einfach schreiben: Komm so schnell du kannst in den leeren Schuppen hinter der Todesbahn!« »Ich glaube nicht, daß das klappt, Brille«, sagte ich. »Aber wir können es trotzdem versuchen.«
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Wir waren dem Mann jetzt dicht auf den Fersen. Wir brauchten aber nicht zu befürchten, daß wir ihm unter den vielen anderen Menschen auffallen würden. Wir befanden uns jetzt gerade vor dem Zelt mit den Spielautomaten. Brille schlüpfte hinein und schrieb seine Nachricht auf das Los. Dabei benutzte er die Glasplatte eines Fußballspielautomaten als Unterlage. Einen Augenblick später war er wieder bei uns. »Wer von uns soll den Zettel abliefern?« »Das will ich schon machen«, sagte ich. Brille gab mir den kleinen Zettel. Ich ging ein paar Schritte vor und sammelte Mut. Dann riß ich mich zusammen und lief auf den Mann zu. »Entschuldigen Sie bitte«, stammelte ich, »heißen Sie vielleicht Jensen?« »Ja«, erwiderte er, »ja, das bin ich.« »Ich soll Ihnen diesen Zettel hier geben«, sagte ich. »Bitte schön.« Er sah erstaunt auf den Zettel, dann nahm er ihn und faltete ihn langsam auseinander. Bis er ihn ganz entfaltet hatte, war ich schon über alle Berge, so daß er gar nicht dazu kam, mich zu fragen, wer mich geschickt hätte. Ich drängte mich zwischen den Menschen hindurch und stand bald darauf wieder mit Erik, Brille und Katja zusammen. Der Abstand zwischen
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ihm und uns war ziemlich groß. Wir sahen gespannt zu ihm hinüber. Wie mochte er reagieren? Er schien es selber noch nicht richtig zu wissen. Wir beobachteten, daß er den kurzen Bescheid immer wieder las. Er drehte den Zettel um und besah ihn von der Rückseite. Dann steckte er ihn in eine seiner Taschen und kratzte sich im Nacken. Ja, und dann ging er wieder weiter. Und diesmal schlug er genau die Richtung zur Todesbahn hin ein! »Wie schnell er jetzt geht! Wir müssen uns beeilen«, sagte Brille. Wir beeilten uns, so gut es in dem Menschengewühl möglich war, und kamen ein paar Minuten vor Jensen bei dem Schuppen hinter der Todesbahn an. »Ich stelle mich hinter die Tür«, kündigte Brille an. »Ihr braucht euch zunächst nur im Hintergrund zu halten. Ihr könnt dann wieder hervorkommen und das Schloß vorhängen, sobald ich die Tür zugeschlagen habe.« »Das ist aber riskant, Brille«, gab ich zu bedenken. »Das laß man meine Sorge sein«, erwiderte er, »schließlich habe ich die Idee gehabt.« Er stellte sich so hinter die offene Tür, daß man ihn nicht sehen konnte. Katja, Erik und ich
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stapelten ganz rasch ein paar Kisten aufeinander und versteckten uns dahinter. Wir waren kaum damit fertig, als der Mann auch schon auftauchte. Er ging nicht sofort auf den Schuppen zu, sondern blieb einen Augenblick stehen und überlegte. Dann suchte er in seinen Taschen, bis er den Zettel fand. Er schüttelte ein paarmal den Kopf, zuckte dann mit den Schultern und ging auf den Schuppen zu. Wir verhielten uns ganz still und wagten kaum zu atmen. Das war vielleicht spannend! Der Mann war ziemlich schlank, trotzdem hatte ich aus irgendeinem unerklärbaren Grund heraus das Gefühl, daß er sehr stark sein müßte. Das hing irgendwie mit der Art zusammen, in der er sich bewegte, so leicht, so federnd. Vielleicht war er Akrobat. Wenn wir auch drei Jungen und ein Mädchen waren, so war es noch längst nicht sicher, ob wir uns gegen ihn wehren konnten, wenn er unsere Absicht erkannte oder wenn er durch die Tür wieder entwischte, ehe es uns gelungen war, das Schloß vorzuhängen. Wie Gebrüll klang das Knattern der Motorräder aus der Todesbahn herüber. Der Mann zögerte lange, ehe er in den Schuppen hineinging. Aber in der gleichen Sekunde, in
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der er sich entschlossen hatte und hinter der Tür verschwand, geschah eine ganze Menge auf einmal. Das erste war, daß Brille mit lautem Krach die Tür zuschlug. Der Mann reagierte unglaublich schnell. Im gleichen Moment, in dem Brille sich von außen gegen die Tür warf, warf er sich von innen dagegen. Beinahe wäre es schiefgegangen, aber Erik, Katja und ich waren sofort an Brilles Seite. Erik ließ sich mit seinem ganzen Gewicht gegen die Tür fallen, und das gab den Ausschlag. Nach wenigen Sekunden mußte der Mann hinter der Tür sich unserer Übermacht beugen. Und als er sich für einen neuen Angriff gewappnet hatte, war es schon zu spät. Da war es mir schon gelungen, das Schloß einzuhängen und abzuschließen. Ich steckte den Schlüssel in die Tasche und atmete erlöst auf. »Das hätten wir geschafft!« Erik grinste. »Wir sind doch wirklich ein paar tüchtige Burschen«, meinte er. »Stellt euch vor, die Sache hier hat geklappt! Ich hatte es fast nicht für möglich gehalten.« »Ich auch nicht«, stimmte ich ihm zu. Der Mann hämmerte gegen die Tür, um herauszukommen. Aber die Tür war stabil, und das
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Schloß war stabil, und in dem Lärm, der aus der Todesbahn drang, würde niemand ihn hören können. Er saß fest. »Das wäre also Nummer eins«, freute Brille sich und rieb sich die Hände. »Jetzt fehlt uns nur noch der Rest der Bande. Und sobald wir sie alle gefangen haben, können wir sie Larsen abliefern – jedenfalls nicht den fremden Polizisten.« »Aber wie in aller Welt stellst du dir vor, daß wir den anderen den Garaus machen? Wir können sie doch nicht zu dem da in den Käfig sperren!« »Das wird sich schon herausstellen«, vertröstete Brille uns. »Zunächst müssen wir einmal dahinterkommen, wo sie sind und was sie vorhaben.« »Ich möchte doch gern wissen, worum sich das Ganze handelt«, meinte Katja. »Das möchte ich auch«, sagte Brille. »Kim, glaubst du nicht, daß wir dein Jongleurmädchen ausfindig machen könnten, damit es uns etwas mehr erzählt?« »Wir können es ja versuchen«, antwortete ich. »Kommt!« Sie folgten mir vom Festplatz hinunter zu den Wohnwagen. »Können wir nicht hier den Abkürzungsweg
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nehmen?« fragte Erik. »Ich meine, wenn es uns nützen könnte?« »Nein. Die Abkürzung liegt nämlich nicht mehr innerhalb der Absperrung. Wenn man sie benützen könnte, würden wohl alle Leute das tun und damit erreichen, daß sie keinen Eintritt zu bezahlen brauchen.« Die Tür des Wohnwagens war abgeschlossen. Ich klopfte, aber es war niemand zu Hause. »Was nun?« fragte Brille. »Wir wollen es mal im ›Varieté‹ versuchen«, schlug ich vor. »Da tritt Inge nämlich auf.« Wir gingen den gleichen Weg zurück. »Wie sieht sie aus?« fragte Erik. »Oh, sie ist sehr hübsch. Sie ist in unserem Alter, hat blonde Haare und ist ganz braun gebrannt.« »Und außerdem kann sie Teller in die Luft werfen und wieder auffangen. Das ist das Allerbeste an ihr«, sagte Erik und lachte mich dabei an. »Du hast immer Glück, Kim. Auf mich ist noch nie jemand hereingefallen. Noch nicht einmal Larsens Schwester!« »Sie ist auch auf mich nicht hereingefallen, du Blödmann«, entgegnete ich. »Wer? Larsens Schwester?« »Nein, Inge. Sie ist ganz und gar nicht auf
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mich hereingefallen, sie hat mir nur geholfen, als die Polypen mir auf den Fersen waren.« »Wenn ich es gewesen wäre, der da angelaufen kam, dann hätte sie mit Sicherheit gerufen: Er sitzt drinnen unter dem Tisch. Aber bei dir war es Liebe auf den ersten Blick. So ein Glück müßte man auch mal haben!« »Du bist nicht recht bei Trost«, erwiderte ich. Katja ging neben uns her und sagte nichts. Als wir auf den Festplatz und zum »Varieté« kamen, hatte die Vorstellung gerade angefangen. »Aha, Sie kommen gerade richtig, meine Herren!« rief der Mann am Eingang. Wir sahen uns vorsichtig um, um auch sicher zu sein, daß keine Polizisten in der Nähe waren. Aber die Luft war rein. Wir holten also unser Geld hervor und gingen zu der Dame an der Kasse. Sie lächelte uns an. »Viermal, bitte.« »Danke«, sagte Erik. Er nahm das Wechselgeld an und zählte es nach. »Oh, Sie haben sich zu Ihren Ungunsten verrechnet. Sie haben mir eine Krone zuviel zurückgegeben.« Er reichte ihr die Krone hinüber. »Oh, vielen Dank!« sagte sie. »Das ist aber an-
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ständig von dir. Mir schwirrt es vor lauter Zahlen schon im Kopf. Ich sitze heute nämlich zum ersten Mal an der Kasse.« Die vier Eintrittskarten, die wir bekommen hatten, waren von einem Kartenblock abgerissen. Ich sah sofort, daß sie fortlaufende Nummern hatten. Im Augenblick war das allerdings gleichgültig. Wenn ich es aber trotzdem erwähne, so nur deshalb, weil sich später herausstellte, daß es für die Aufklärung unseres Geheimnisses von Bedeutung war. Davon wußte ich allerdings noch nichts, als wir jetzt das große Zelt betraten. Ein Mann stand am Eingang und nahm unsere Eintrittskarten entgegen. »Ganz vorn in der ersten Reihe sind noch vier Plätze frei«, sagte er. »Den Weg findet ihr schon alleine.« Die Vorstellung hatte schon angefangen. Auf der Bühne stand ein Mann in weißem Gewand mit einem Turban auf dem Kopf. Das war Sahun Alid, der weiße Fakir. Wir setzten uns so bequem es ging auf die Holzbank und spürten, wie unsere Anspannung langsam nachließ.
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Inges Auftritt war die fünfte Nummer des Programms. Sie wurde als Miß Viola angekündigt, das Wundermädchen aus Australien, das bereits die halbe Welt durch ihre großartige Nummer begeistert hätte. Sie kam auf die Bühne und machte einen etwas befangenen Eindruck. Sie lächelte dem Publikum zu und fing dann sofort mit ihrem Kunststück an. Sie sah ganz reizend aus. Was sie da vorführte, war nichts Besonderes. Es war das Übliche: ein paar Ringe in die Luft zu werfen und wieder aufzufangen. Das sah ziemlich einfach aus. Sie hatte mich noch nicht bemerkt. Ich versuchte, ihren Blick auf mich zu ziehen, aber sie war verständlicherweise ganz von ihrer Aufgabe in Anspruch genommen. Das wäre ich an ihrer Stelle auch gewesen. Erik stieß mich mit dem Ellenbogen an. »Da hast du aber Glück gehabt, Kim!« sagte er so laut, daß Katja, die an meiner anderen Seite saß, es hören konnte. »Stell dir vor, ein Mädchen aus Australien! Ich wäre schon zufrieden mit einem aus Brøndbyvester, wenn es so aussähe!«
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Inge hatte die Ringe fortgelegt. Sie nahm jetzt einen langen Stab, setzte einen Teller darauf und ließ ihn auf der Spitze des Stabes rotieren. Als der Teller richtig in Schwung gekommen war, bog sie den Kopf zurück, setzte den Stab auf die Stirn und ließ ihn los. Wir klatschten so laut wir eben konnten. Nach zwei Minuten etwa hob sie den Kopf wieder hoch, so daß der Stab abrutschte. Sie fing den Stab auf, nahm den Teller ab und verbeugte sich. Wir klatschten von neuem. Sie lächelte ins Publikum hinein. Dabei erspähte sie mich und lächelte mir noch einmal besonders zu. Ich lächelte zurück, zeigte zunächst auf sie selber, dann auf uns, um ihr begreiflich zu machen, daß wir gern mit ihr sprechen wollten. Sie nickte ganz leicht und fuhr dann mit ihrer Nummer fort. Jetzt warf sie erst einen Teller in die Luft, dann noch einen und noch einen, bis sie schließlich zwölf Teller im Spiel hatte. Erik war begeistert. »Das ist ja toll, Mann! Das werde ich zu Hause sofort versuchen, und wenn ich die ganze Nacht üben muß!« »Dann weckst du aber die ganze Familie auf«, flüsterte Katja. »Wieso? Das ist eine vollkommen geräuschlo-
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se Nummer. Achte nur mal darauf, du kannst keinen Laut hören.« Ich bin allerdings der Meinung, daß Inges Nummer spannender gewesen wäre, wenn sie nur ein einziges Mal einen Teller hätte fallen lassen, aber das tat sie natürlich nicht. Wir klatschten, als sie fertig war. Sie verbeugte sich und lächelte und gab mir ein Zeichen, ohne daß jemand etwas davon merken konnte. Soviel ich verstand, sollte das Zeichen bedeuten: Wir treffen uns nach der Vorstellung draußen. Dann trat sie ab, und Iwanowitsch, der König der Ausbrecher aus der weiten russischen Steppe, kam auf die Bühne. Er sah wie ein Gorilla aus. Erik flüsterte mir zu: »Ich fand Miß Viola aber viel schöner!« Iwanowitsch setzte sich auf einen Stuhl, an dem zwei Männer ihn mit schweren Eisenketten festbanden. Da blieb er eine Weile sitzen und schien vor sich hin zu dösen. Dann spannte er seine enormen Muskeln und riß die Ketten dabei auseinander. Sie fielen klirrend zu seinen Füßen auf den Boden. Wir klatschten Beifall. Ich mußte unwillkürlich denken, wie gut es doch war, daß wir nicht versucht hatten, ihn gefangenzunehmen. Dann wäre die Sache nicht so erfolgreich wie mit Jensen ausgegangen.
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Wie mochte es Jensen wohl gehen? Sehr wahrscheinlich hatte er sich inzwischen beruhigt, nachdem ihm aufgegangen war, daß niemand sein Rufen und Klopfen in dem Spektakel, der hinter der Todesbahn herrschte, hören würde. Er mußte ruhig dasitzen, bis die Polizei ihn abholte. Ich griff in meine Tasche. Ja, den Schlüssel hatte ich nicht verloren. Er konnte also getrost dasitzen und nachdenken, bis wir seine Mitschuldigen gefunden hatten. Bei dem Gedanken an Jensen mußte ich innerlich lächeln. Nach der Vorstellung fanden wir Inge sofort. Sie stand schon draußen und wartete. Ich stellte sie den anderen vor. »Wie hat es euch gefallen?« fragte sie. »Großartig!« sagte Erik. »Hör mal, du sprichst aber für eine Australierin ein recht gutes Dänisch!« Inge lachte. »Ich habe noch keinen Fuß auf australischen Boden gesetzt.« »Woher kommst du denn?« »Aus Brøndbyvester«, erklärte sie. Erik starrte sie entgeistert an. »Wir möchten etwas mit dir besprechen«, erklärte ich ihr. »Du mußt entschuldigen, daß ich den Wohnwagen verlassen hatte, ehe du zurück-
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kamst. Aber ich mußte unbedingt zwei Burschen nachgehen. Die wollten nämlich euern Wagen in Brand stecken.« Sie sah mich ganz erschrocken an. »Das ist doch nicht wahr!« rief sie dann. »Doch, es ist bestimmt wahr. Sie hatten eine Flasche Petroleum bei sich. Ich lag drinnen unter dem Tisch. Dann mußte ich niesen. Das veranlaßte sie abzuhauen. Ich lief hinter ihnen her, ohne daß sie es bemerkten.« »Wie sahen sie aus?« Ich beschrieb sie so gut ich konnte, aber ich fürchte, daß es keine besonders gute Beschreibung war. Inge stand mit zusammengezogenen Augenbrauen da und dachte nach. »Ich weiß nicht, wer das gewesen sein kann. Wir haben ja ziemlich viel Personal.« »Ist jemand dabei, der sich über deinen Vater geärgert hat?« fragte ich. Sie schüttelte langsam den Kopf. »Nicht daß ich wüßte«, entgegnete sie. »Doch, da muß doch wohl etwas im Gange sein. Ich habe nämlich festgestellt, daß Vater in den letzten Tagen ziemlich bedrückt war. Aber ich weiß nicht, was da los ist.« »Vielleicht hat er mit einem seiner Angestellten eine Auseinandersetzung gehabt«, meinte
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Brille. »Dann ist es ja nicht ausgeschlossen, daß der sich dafür rächen will.« »Vielleicht ist es auch jemand aus einem anderen Unternehmen«, fügte Katja hinzu. »Hier gibt es doch noch andere Zelte außer denen, die deinem Vater gehören, nicht wahr?« Inge nickte. »Ja. Doch, es sind ganz bestimmt welche da, aber zwischen den einzelnen Unternehmen hat es noch niemals Unfrieden gegeben. Sie halten ausgezeichnet zusammen, helfen sich gegenseitig und so …« »Du weißt auch nicht, ob dein Vater jemandem die Meinung sagen mußte in der letzten Zeit?« »Nein. Und wenn, dann hat er jedenfalls nicht mit mir darüber gesprochen.« »Was hat denn dein Vater zu dem, was mit dem Schießstand und der Tombola passiert ist, gesagt?« »Und mit dem Karussell?« warf Erik ein. »Ich habe noch gar nicht mit meinem Vater sprechen können, seitdem das alles geschehen ist. Er ist noch gar nicht in unseren Wohnwagen zurückgekommen. – Aber warum wollt ihr das eigentlich alles wissen?« »Weil wir versuchen wollen, die Sache aufzuklären.«
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»Das ist wirklich sehr nett von euch«, sagte Inge, »aber …« »Aber was?« fragte ich. »Ich meine nur so. Ich denke, die Polizei nimmt sich der Sache an und versucht herauszufinden, wer das alles getan hat.« »Sicher. Aber die Polizei glaubt ja, daß wir es getan haben. Verstehst du darum, daß wir die Übeltäter unbedingt fangen müssen, um uns selber von dem Verdacht zu befreien?« Sie nickte nachdenklich. »Ich könnte mir sogar vorstellen, daß ich mitmache, um dahinterzukommen«, meinte sie. »Wißt ihr was? Ich gehe jetzt los, um meinen Vater zu finden, und dann werde ich ihn bewegen, alles zu erzählen, was er weiß. Ihr versteht mich wohl, vielleicht weiß er, wer hinter dem Ganzen steckt.« »Warum meldet er es dann nicht der Polizei?« »Es ist möglich, daß er zunächst Beweise sammeln will«, bemerkte ich. »Und gerade dabei könnten wir ihm helfen. Ich weiß ja, wie die beiden Burschen aussehen.« »So in der Art habe ich es auch gemeint«, sagte Inge. »Kennst du ein Mädchen, das Selma heißt?«
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fragte Brille sie. Inge dachte einen Augenblick nach, dann schüttelte sie den Kopf. »Selma? Nee.« »Oder einen Mann namens Jensen?« »Nee. Das heißt, doch. Jensen gibt es übrigens mehrere, sowohl in unserem eigenen Unternehmen als auch in den anderen. Ich meinte nur, daß ich mir nicht vorstellen könnte, daß einer davon an der Sache beteiligt ist. Warum fragst du danach?« »Weil ich hörte, daß die beiden Burschen, die den Wohnwagen in Brand stecken wollten, von Selma und Jensen sprachen. Daraus schließe ich, daß es sich um eine ganze Bande handelt, verstehst du? Versuch jetzt, deinen Vater zu finden – dann können wir uns später wieder treffen.« Sie guckte auf ihre Armbanduhr. »Sollen wir sagen, in einer halben Stunde?« schlug sie vor. »In Ordnung«, antwortete Erik. In dem Augenblick kam eine Dame aus dem Zelt und ging zu dem Wohnwagen hinüber, der versteckt zwischen dem Bierzelt und den Skootern lag. Als sie an uns vorbeiging, grüßte sie Inge. »Das war die Dame, die zersägt wird«, erklärte Inge uns.
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»Das kann aber nicht sein«, entgegnete ich. »Doch.« »Ja, aber wir haben sie doch eben erst an der Kasse sitzen sehen. Sie hatte sich geirrt und Erik eine Krone zuviel herausgegeben. Aber er hat sie ihr selbstverständlich zurückgegeben.« Inge lächelte. »Ja, es stimmt schon, daß sie heute an der Kasse gesessen hat. Ich weiß nicht, warum. Mein Vater hat das so angeordnet. Er tauscht das Personal manchmal ein bißchen aus. Aber normalerweise ist sie die Dame, die zersägt wird. Das ist sie gewesen, solange ich denken kann.« »Es kann ja sein, daß sie ein Magengeschwür bekommen hat«, meinte Erik. »Aber nun versuch deinen Vater zu finden. Und sieh zu, daß du soviel aus ihm herausholst, wie du nur kannst.« »Ich werde mein möglichstes tun«, versprach Inge. »Ist es wirklich wahr, daß du aus Brøndbyvester kommst?« wollte Erik noch wissen. Sie lachte und schüttelte den Kopf. »Daher komme ich nicht. Ich bin aus Nørrebro. Aber man kann alles hören, was in der ersten Reihe gesprochen wird, wenn man oben auf der Bühne steht. Ich habe alles verstanden, was du gesagt hast.«
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Erik bekam einen ganz roten Kopf. Inge lachte. »Ich hätte daraufhin beinahe meine Ringe fallen lassen. So schön hast du das gesagt. Vielen Dank dafür!« »Ach, dann muß ich mich auch bei dir bedanken«, erwiderte Erik. 7
Zu Hause würden sie jetzt wohl das Mittagessen fertig haben. Nachdem wir Inge vorläufig auf Wiedersehen gesagt hatten, fuhr Katja mit ihrem Fahrrad los, um ihrem Vater, meiner Tante und meinem Onkel sowie Brilles und Eriks Eltern zu sagen, daß sie uns nicht zum Mittagessen erwarten sollten, sondern daß wir lieber auf dem Festplatz bleiben und uns mit ein paar Würstchen, Eis und ähnlichen Dingen begnügen wollten. Außerdem sollte sie die beiden Walkie-Talkies aus Brilles Laboratorium holen. Das waren zwei batteriebetriebene Sprechgeräte, die Brille konstruiert hatte und die uns schon gute Dienste geleistet hatten, weil man sich mit ihnen auch über große Entfernungen bestens verständigen
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konnte. Solange sie fort war, bummelten wir anderen drei wieder über den Festplatz, behielten aber während der ganzen Zeit die Polizisten im Auge und versteckten uns, sobald Gefahr im Anzug war. Zwischendurch gingen wir auch einmal hinter die Todesbahn und guckten nach dem Schuppen. Das Schloß hing so, wie wir es angebracht hatten, an der Tür. Unser erster Fang war also in Sicherheit. Wir gingen wieder zurück und versuchten unser Glück ein paarmal an dem Fußballautomaten in dem großen Spielzelt. Wir blieben mal hier, mal da stehen, hörten den Ausrufern zu und versuchten, in einem der Schießstände mit einem Luftgewehr zu schießen – natürlich nicht in dem beschädigten Zelt. Dem blieben wir wohlweislich fern! Wir genossen das Strandfest in vollen Zügen, obwohl wir darüber unser Geheimnis nicht für einen einzigen Augenblick vergaßen. Es war aber nicht so, daß das Strandfest dadurch in irgendeiner Weise für uns beeinträchtigt wurde. Im Gegenteil, wir empfanden es als ein zusätzliches Vergnügen oder so etwas Ähnliches. Und alles hatte ja gerade erst angefangen! Einen von den Männern hatten wir schon hinter Schloß und Riegel, aber es gab mindestens noch
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drei Mitschuldige, nämlich die beiden Männer, die die Gewinne in den beiden Zelten beschädigt hatten und die in dem Wohnwagen Feuer legen wollten – und dann noch die Dame oder das Mädchen, das Selma hieß. Die letzten drei waren noch auf freiem Fuß, aber wir würden sie schon noch erwischen. Wir waren ganz übermütig. Wir liefen herum und übertrafen uns gegenseitig in Vermutungen, wie leicht wir die drei anderen in die Falle locken würden. Dabei wußten wir in Wirklichkeit nicht einmal, wie wir die Sache überhaupt anpacken sollten. Wir begegneten Larsen, dem Polizisten des Fischerdorfes. Eine Weile blieben wir bei ihm stehen und unterhielten uns mit ihm. Noch hatte er dienstfrei. Er brauchte erst um sieben Uhr nach Hause zu gehen, um seine Uniform anzuziehen. Dann würde er für den Rest des Abends auf dem Festplatz seinen Dienst versehen. Er war in bester Stimmung und erzählte uns, daß seine Schwester schon nach Hause gegangen sei, um die Kartoffeln aufzusetzen; von den üblen Streichen, die passiert waren, sagte er kein einziges Wort. Vielleicht wußte er noch gar nichts davon. Jedenfalls ging deutlich aus seinen Worten hervor, daß er nicht ahnte, daß wir von allen übrigen Polizisten gesucht wurden.
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Als wir uns von ihm verabschiedet hatten, sagte Brille: »Es ist gut, daß er heute abend Dienst hat. Wenn wir dann die anderen gefangen haben, können wir sie alle zusammen bei ihm abliefern. Dann wird ihm das ganze Verdienst an der Sache zugeschrieben.« »Nicht das ganze«, wandte Erik ein. »Ein bißchen davon steht auch uns zu. Nein, Leute, die werden platt sein, wenn wir ankommen und die ganze Bande abliefern!« Brille mußte lachen. »Ja, aber vorläufig wissen wir ja noch nicht einmal, worum es sich handelt. Es genügt schließlich nicht, daß wir die Bande fangen. Wir müssen auch die Hintergründe aufklären.« »Ach was«, entgegnete ich, »das wichtigste ist doch, daß wir die Übeltäter fassen. Für das andere dürften die Schäden, die sie bis jetzt angerichtet haben, ja wohl ausreichend Zeugnis ablegen.« »Möglicherweise haben sie ja inzwischen damit aufgehört«, meinte Brille. Im gleichen Moment, als er das sagte, ertönte ein lauter Schrei hinter uns. Wir drehten uns um. Der Schießstand, an dem wir uns noch vor ein paar Minuten aufgehalten und geschossen hat-
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ten, stand in hellen Flammen. Wir rannten sofort hin wie alle anderen Menschen auch. Innerhalb einer halben Minute war es rund um die Brandstätte schwarz von Menschen. Es war nicht mehr viel zu machen. Der Besitzer des Zeltes konnte sich noch in letzter Minute retten. Eins der Luftgewehre hatte er noch in der Hand. Das zweite lag auf der Theke, das dritte mußte er im Zelt zurücklassen. Das Zelt war jetzt nur noch ein Gerüst von Brettern und Leisten, die mit Zeltwand bekleidet waren. Es dauerte nur noch ein paar Minuten, dann schlugen die Flammen meterhoch in die Luft. Brille, Erik und ich gehörten zu denen, die zuerst an die Brandstätte gelaufen waren. Wir standen daher in der vordersten Reihe, bereit zu helfen, sofern es etwas zu helfen gab. Aber man konnte nichts mehr tun. Der Mann, der die Schießbude betreut hatte, stand ganz verwirrt vor den Trümmern und starrte in die Flammen. Die Hitze war fast unerträglich. Wir mußten uns alle ein paar Meter weit zurückziehen. Brille flüsterte: »Sie haben es also nicht aufgegeben. Versuch doch mal, dich umzusehen, Kim. Vielleicht entdeckst du sie. Es ist ja möglich, daß sie hier unter
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den Zuschauern sind. Das wäre die einfachste Art, den Unschuldigen zu spielen.« Ich guckte mich um, konnte die beiden aber nirgendwo entdecken. Trotzdem waren wir ganz sicher, daß sie auch dies hier auf dem Gewissen hatten. Wer sollte es sonst getan haben? Und es war nicht schwer zu erraten, wie sie es angestellt hatten. Es hing immer noch ein Geruch von Petroleum in der Luft. Wahrscheinlich hatten sie Petroleum auf die hintere Zeltwand geschüttet und dann ein Streichholz daran gehalten. Jetzt heulte die Sirene der Feuerwehr. Gleich neben dem Schießstand befand sich das große Glücksrad. Dort war man eifrig damit beschäftigt, die Gewinne in Sicherheit zu bringen. Die Zeltwand hatte nämlich an einer Seite schon Feuer gefangen. Viele von den Zuschauern halfen. Da aber für uns kein Platz mehr war, blieben wir stehen. Hinter uns konnten wir die Musik vom Tanzpodium hören. Ich bezweifele jedoch, daß dort noch viele waren. Ich könnte mir eher denken, daß auch die letzten Tänzer fortgestürzt waren, um den Brand zu sehen. Im Zelt nebenan waren jetzt alle Gewinne in Sicherheit. Der Inhaber bemühte sich gerade, das große, schwere Glücksrad über die Theke zu schieben. Das Feuer fraß
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sich schnell weiter. Einige Männer kamen mit Wassereimern angelaufen, die sie unten am Strand gefüllt hatten, und schütteten das Wasser ins Feuer. Das zischte und spritzte zwar gewaltig, nützte aber auch nicht viel. Mit heulender Sirene kam die Feuerwehr langsam über den Festplatz gefahren. Es war nicht einfach für den Wagen, sich einen Weg durch die Menschenmenge zu bahnen. Die Leute hätten wohl sehr gern Platz gemacht, aber es war ihnen unmöglich, zurückzugehen, weil zu viele hinter ihnen standen. Aber schließlich kam die Feuerwehr bis zur Brandstätte. Die Männer sprangen vom Wagen und machten die Spritze einsatzbereit. Einen Augenblick später quoll das Wasser mit großer Wucht aus den beiden Schläuchen. Brille, Erik und ich und viele andere in der ersten Reihe wurden klatschnaß, ehe die Feuerwehrmänner die Schläuche auf den Flammenherd gerichtet hatten. Die Zuschauer, die naß geworden waren, lachten und schrien. Fast alle betrachteten den Brand als ein Extravergnügen, wie einen Teil des Strandfestes. Es brannten ja auch nur ein paar Zelte, und es handelte sich nicht um große Werte, die hier vernichtet wurden. Aber vielleicht, dachte ich, waren sie für den, dem sie gehörten, doch groß.
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Die Polizisten waren natürlich von allen Seiten herbeigelaufen. Sie standen bei dem Mann, der das Zelt betreute, und verhörten ihn. Die beiden Beamten, die uns den ganzen Tag verfolgt hatten, konnte ich aber nicht entdecken. »Hört mal«, flüsterte ich den anderen zu, »ich halte es für ziemlich riskant, hier herumzustehen. Hier können wir jeden Augenblick entdeckt werden.« »Das ist allerdings richtig«, sagte Brille. »Aber wie stellst du dir vor, daß wir hier rauskommen sollen?« Damit hatte er recht. Wir standen in der vordersten Reihe und hatten Hunderte von Menschen hinter uns. Wenn die Polypen uns entdeckten, waren wir verloren! Erik flüsterte: »Überlegt doch mal! Wenn sie uns hier finden, glauben sie natürlich, daß wir das hier auch getan haben!« Aus dem Zelt, in dem das Glücksrad gestanden hatte, loderten jetzt hell die Flammen. Die Feuerwehrleute hatten es aufgegeben, da noch viel retten zu wollen. Jetzt standen sie da und spritzten Wasser auf das nächste Zelt. Rechts von dem ausgebrannten Schießstand stand eine Bude mit Waffeln. Sie war jedoch so weit vom Feuer entfernt und lag nicht in Windrichtung, so daß
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keine unmittelbare Gefahr bestand. Brille sagte leise zu mir: »Wir müssen versuchen, die Burschen zu fassen, ehe sie noch mehr Unheil anrichten.« Ich nickte. »Hast du eine Idee, wie wir es anfangen sollen?« flüsterte Erik. »Wartet mal, bis Katja mit den Walkie-Talkies zurückkommt«, schlug Brille vor. »Dann werden wir schon einen Weg finden. Zunächst müssen wir uns aber in zwei Parteien teilen, jede bekommt ein Walkie-Talkie.« »Kim kann mit Katja zusammen gehen«, sagte Erik zu Brille. »Dann gehen wir beide zusammen. Wenn sich dann jeder einen Teil des Festplatzes vornimmt, können wir sie eigentlich gar nicht übersehen, vorausgesetzt, daß sie noch hier sind.« »Und was geschieht, wenn wir sie aufspüren?« fragte ich. »Dann müssen wir versuchen, etwas Ähnliches mit ihnen zu machen wie mit Jensen«, sagte Brille und machte mit dem Kopf eine Bewegung in Richtung der Todesbahn. »Wir können aber nicht damit rechnen, daß wir mehrere leere Schuppen finden«, flüsterte Erik.
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Da kam mir ein Gedanke. »Wie wäre es denn mit den Zirkuswagen? Von denen müssen doch eine ganze Reihe leerstehen. Der Bagagewagen zum Beispiel. Wenn wir sie in einen von denen locken könnten, dann …« »Da sagst du was! Die Idee ist großartig!« rief Erik. Die Feuerwehrmänner spritzten das Wasser jetzt auf die Reste des Schießstandes. Viel war nicht davon übriggeblieben, nur ein Haufen verbranntes Holz, qualmende Zelttuchreste, zerdepperte Krüge, Vasen, Aschenbecher, Lampen, Uhren, die gleichen Gewinne wie in dem ersten Schießstand, halbverbrannte Schießscheiben und lauter solche Sachen. Ein schwarzer, rußiger, glimmender Haufen, das war alles, was übriggeblieben war. Das Zelt, in dem das Glücksrad gewesen war, brannte immer noch weiter. Die Zeltwand war zu trocken gewesen; die Sonne hatte seit dem frühen Morgen darauf gebrannt. Jetzt erzwangen sich die Polizeibeamten den Weg durch die Menge zur Brandstelle hin. Erik packte mich am Arm und flüsterte: »Die haben uns gerade gefehlt!« Ich drehe mich um. Es waren die beiden Polizisten, die wir bereits kannten. »Was sollen wir machen?«
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Auch Brille drehte sich um. »Da ist nicht viel zu machen. Am besten bleiben wir auf unserem Platz stehen. Wir können nur hoffen, daß sie uns nicht sehen.« Also blieben wir stehen und versuchten so auszusehen, als ob wir gar nicht da wären. Und eine Zeitlang schien es so, als gelänge uns das auch. Die beiden Beamten gingen an den Resten der Zelte vorbei und stellten sich zu den übrigen Polizisten, die gemeinsam versuchten, einen Bericht abzufassen. Aber kurz danach kamen sie zurück, gingen noch einmal an die Brandstätte und traten mit den Füßen in die nassen, qualmenden Überbleibsel. »Wenn ich doch nur ein Mittel hätte, mit dem ich meine Haare schwarz färben könnte!« seufzte Erik. »In Detektivromanen färben sie sich die Haare immer schwarz. Wenn ich doch etwas Schwarzes hätte! Meinetwegen einen Füllfederhalter!« »Füllfedertinte ist nicht schwarz, du Dummkopf«, flüsterte Brille. »Die ist blau. Du möchtest doch wohl nicht mit blauen Haaren herumlaufen?« »Wer sagt denn überhaupt, daß ich herumlaufen möchte?« gab Erik zurück. »Wenn ich blaue Haare hätte, würden die beiden niemals glauben,
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daß ich es wäre. Sie suchen nämlich einen Jungen mit blondem Haar und keinen mit blauem.« Ich stieß Brille an. »Nimm deine Brille ab, Brille!« »Dann kann ich doch nichts mehr sehen«, flüsterte er zurück. »Das macht doch nichts. Die Hauptsache ist doch, daß sie uns nicht erkennen.« Brille nahm seine Brille ab und steckte sie in die Tasche. Aber wir wußten alle drei sehr genau, daß das nicht viel nützte. Wenn die beiden hier herübersahen, würden sie uns unweigerlich wiedererkennen. Wir drei waren viel zu leicht zu erkennen: Erik mit seinem hellen, fast weißen Haar, Brille mit seinem krausen Haar, ich selber mit meinem karierten Hemd. Jetzt war das Nachbarzelt bis auf den Grund niedergebrannt. Auch da lagen jetzt nur noch ein paar rauchende Trümmer herum. Trotzdem blieben die Leute stehen und sahen sich das alles an. Ich hoffte, daß sie es bald leid würden. Es gab doch gar nichts mehr zu sehen. Aber sie blieben eisern stehen. »So! Jetzt ist’s passiert!« flüsterte Erik. Der eine der beiden uns bekannten Beamten ließ seinen Blick forschend über die Zuschauer gleiten. Noch hatte er uns aber nicht gesehen.
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»Wir müssen hier herauskommen«, flüsterte ich. Das war leichter gesagt als getan. Wir versuchten, uns einen Weg nach hinten zu bahnen. Brille sah ganz unglücklich aus. Ohne seine Brille konnte er wirklich kaum sehen. »Entschuldigen Sie bitte, wir möchten gern hier heraus«, sagte ich. Erik zeigte mit dem Daumen auf mich. »Der da ist nämlich tollwütig und scheint wieder einen Anfall zu kriegen. Wir möchten ihn gern hier herausbringen, ehe er anfängt zu beißen.« Die Leute lachten und versuchten uns Platz zu machen. Aber der Druck von hinten war zu stark. Und da hörten wir auch bereits die Stimme, vor der wir uns schon die ganze Zeit fürchteten: »Hallo, ihr da! Wo wollt ihr hin?« »Raus!« antwortete Erik. »Wenn wir nur könnten!« Wir hatten uns schon ein paar Meter weiter vordrängeln können und uns eine Gasse gebahnt, die sich sofort wieder hinter uns schloß. Die Beamten hatten mehr Mühe als wir, durch die Menschenmenge hindurchzukommen, denn wir waren klein und konnten uns besser durchschlängeln. Da rief der eine von den beiden über die Köpfe der Menge hinweg:
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»Haltet die drei Burschen da fest! Wir möchten uns mal mit ihnen unterhalten!« »Das meint er nicht im Ernst«, sagte Erik zu dem ihm am nächsten Stehenden. »Das sagt er nur so.« Wir drängelten uns immer weiter durch. Ein wohlbeleibter Mann faßte Brille am Arm und hielt ihn fest. Erik und ich schlängelten uns weiter. Manchmal mußten wir uns auf allen vieren einen Weg zwischen den Beinen der Menge hindurch erkämpfen. Aber wir hatten jetzt einen großen Vorsprung. Brille war zwar festgehalten worden, aber Erik und mir gelang es auf fast wunderbare Weise, uns durch sämtliche Zuschauer hindurchzuarbeiten. Auf einmal waren wir draußen und frei. Der Festplatz war fast leer. Wir nahmen die Beine unter den Arm und rannten los. Die beiden Beamten waren immer noch in der Menge eingekeilt. Als wir gerade um das Tanzpodium herumliefen, hatten auch sie sich endlich freigekämpft und liefen hinter uns her. Erik faßte mich am Arm. »Sie haben gesehen, daß wir in diese Richtung gelaufen sind. Komm!« Wir rannten hinter das Tanzpodium und entdeckten eine Tür, die für die Musiker gedacht
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war. Erik stürzte auf sie zu. Wie wir gehofft hatten, war die Tür nicht verschlossen. Die Musiker waren auch alle rübergegangen, um sich den Brand anzusehen. Wir gelangten unbemerkt hinein und zogen die Tür hinter uns zu. »Komm!« rief Erik. »Hinter das Klavier!« Wir liefen in die Ecke, in der das Klavier stand, schoben es ein bißchen von der Wand ab, krochen dahinter und zogen es dann wieder an seinen Platz. Das war ein herrliches Versteck. Wir konnten hören, wie die beiden Polizisten draußen vorbeiliefen. Ich atmete befreit auf. »Das hat gerade noch geklappt, was?« »Ja. Jetzt sind nur noch wir beide da, um die Sache in Ordnung zu bringen.« »Und Katja«, fügte ich hinzu. »Natürlich«, sagte Erik. »Meinst du etwa, ich hätte sie vergessen?« Wir saßen still und lauschten. Die Menschen schienen jetzt wieder auf den Festplatz zurückzukommen. »Was sollen wir tun?« flüsterte ich. »Wir müssen noch ein bißchen hierbleiben. Sobald der Platz wieder voll von Menschen ist, können wir getrost wieder rausgehen.«
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»Wenn aber die Musiker in der Zwischenzeit kommen?« »Das werden sie kaum tun«, meinte Erik. Aber hier irrte er sich. Wir hörten, wie die Tür geöffnet wurde. Die Musiker kamen auf das Podium. Wir hörten sie mit ihren Stühlen rücken und miteinander sprechen. Wir hörten, wie sie ihre Instrumente stimmten. Wir hörten, wie der Pianist sich ans Klavier setzte. Einen Augenblick später fingen sie an zu spielen. Die Rückwand des Klaviers war abgenommen worden. Wir hockten dahinter, und es war, als ob uns die Töne geradezu in den Kopf gehämmert würden. Erik schnitt Gesichter und grinste. »Den Platz hier kann man wahrhaftig mit Orchesterloge bezeichnen!« 8
Eine dreiviertel Stunde später schwankten wir ganz verwirrt und halb taub wieder aus dem Musikzelt heraus. Die Musiker machten gerade Pause und waren zum Bierzelt hinübergegangen. Es war niemand da, der uns hätte bemerken kön-
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nen, als wir uns aus der Hintertür wieder herausschlichen. Einen Augenblick später hatten wir uns schon wieder unter die Menge gemischt. Auf Grund unserer unfreiwilligen Gefangenschaft hatten wir zwei Verabredungen versäumt, die eine mit Katja, die andere mit Inge. Jetzt mußten wir versuchen, die beiden zu finden, damit wir ihnen erklären konnten, warum wir nicht gekommen waren. Jedesmal, wenn wir eine schwarze Uniform sahen, machten wir uns so klein wir konnten und versteckten uns in der Menschenmenge. So kamen wir schließlich ans »Varieté«. Ich legte mein Ohr an die Zeltwand. Der Ausbrecherkönig Iwanowitsch hatte gerade seinen Auftritt. Dann würde es nicht mehr lange dauern, bis die Vorstellung zu Ende war. Wir stellten uns an den Eingang und warteten. Wir waren gerade zur richtigen Zeit gekommen und mußten nur ein paar Minuten warten, bis Inge zu uns herauskam. »Ich bin entwischt, bevor die Vorstellung zu Ende ist«, sagte sie. »Warum seid ihr nicht gekommen? Ich habe lange hier gestanden und auf euch gewartet.« »Wir konnten nicht kommen«, erklärte ich ihr. »Zunächst brannte der Schießstand, dann entdeckte die Polizei uns, und wir mußten uns
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verstecken. Und jetzt sind wir hier. Aber Brille haben sie festgenommen.« Inge sah ganz bekümmert aus. »Kim«, sagte sie, »ich kann meinen Vater nirgendwo finden!« »Du kannst ihn nicht finden?« Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe alle Wege abgesucht. Und ich habe alle Leute gefragt, aber keiner hat ihn in den letzten paar Stunden gesehen. Und dann ist das jetzt auch noch mit dem Schießstand passiert!« »Ja, und mit dem Glücksrad«, fügte ich hinzu. »Gehörte das auch deinem Vater?« »Nein, nur der Schießstand. Er besitzt zwei von den Schießständen hier auf dem Platz. Der zweite war der, der heute nachmittag zerstört worden ist. Sie zerstören alle unsere Sachen!« Sie stand vor uns und hatte Tränen in den Augen. Ich legte den Arm um ihre Schulter. »Wir werden sie schon erwischen«, tröstete ich sie, »ehe sie noch mehr Unheil anrichten. Wir wollen es jedenfalls versuchen.« Wir hatten ihr bis jetzt noch nichts von dem Mann erzählt, den wir gefangen und in dem Schuppen hinter der Todesbahn eingesperrt hatten. Aus irgendeinem unerklärlichen Grund ta-
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ten wir das auch jetzt nicht. Vielleicht kam es daher, daß wir am liebsten erst die ganze Bande fangen wollten, bevor wir etwas von dem, was wir bereits erreicht hatten, preisgaben. »Das heißt also«, meinte Erik, »daß wir immer noch nicht erfahren können, wer die Feinde deines Vaters sind?« »Er – er hat eigentlich noch nie Feinde gehabt«, sagte Inge. »Er ist doch so gutmütig. Aber da muß irgend etwas geschehen sein. Denn es sind ja nur die Zelte meines Vaters, auf die sie es abgesehen haben.« Wir gingen langsam weiter. Ich hatte meinen Arm immer noch um Inges Schulter gelegt. Sie ging daher dicht neben mir, wie um Trost zu suchen. Wir waren gerade am Tanzpodium vorbeigegangen, als wir Katja auf uns zukommen sahen, beladen mit den beiden Walkie-Talkies. Sie machte aber nicht den Eindruck, als ob sie sich freute, uns wiederzusehen. »Ach, das ist prima, Katja«, rief Erik ihr entgegen. »Gut, daß wir dich treffen. Wir wurden wieder von den Polypen verfolgt und mußten uns deshalb verstecken. Es ist ein neues Attentat verübt worden.« »Ja, ich habe schon davon gehört«, antwortete Katja. »Ich bin auch da gewesen und habe mir
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die Reste angesehen. Wißt ihr, daß Brille von der Polizei festgenommen worden ist?« »Ja, uns hätten sie beinahe auch geschnappt«, erklärte Erik. »Ich sah, wie er fortgebracht wurde«, sagte Katja. »Ich kam gerade in dem Moment da vorbei. Was sollen wir jetzt tun?« »Die richtigen Übeltäter fangen«, entgegnete ich. »Das ist der einzige Weg zum Erfolg.« »Aber auch der schwierigste«, seufzte Erik. »Gib mir eins von den Walkie-Talkies. Wegen des anderen mußt du dich mit Kim einigen. Es bleibt doch dabei, daß ihr zusammen geht?« »Ich kann nicht«, lautete Katjas Antwort. Wir guckten sie überrascht an. Sie stand da und sah Inge an. »Wie meinst du das?« erkundigte Erik sich. »John wartet bei den Skootern auf mich. Ich habe ihm versprochen zurückzukommen, sobald ich euch gefunden hätte.« »Also nun hör aber mal«, redete Erik auf sie ein, »du kannst doch nicht einfach …« Sie sah ihn zornig an. »Wenn ich es ihm doch versprochen habe!« »Zum Teufel, Mann!« »Ich bin kein Mann«, fauchte sie. Erik lächelte gutmütig.
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»Okay, okay. Ich meine ja nur, du kannst uns doch nicht mitten in der Verbrecherjagd einfach im Stich lassen!« »Warum eigentlich nicht?« fragte sie. »John und ich können genauso gut ein Auge auf alles haben wie ihr.« Erik und ich guckten uns an. Wir waren alle beide erstaunt über Katjas Verhalten. So war sie noch nie gewesen. Sie reichte mir das zweite Walkie-Talkie, dann drehte sie sich auf dem Absatz um und verschwand im Menschengewühl. Erik schnallte sich sein Walkie-Talkie auf den Rücken und schüttelte den Kopf. »Mädchen sind schon was Komisches«, murmelte er. »Verstehst du das, Kim?« »Nee«, sagte ich. Ich hängte mir das andere Walkie-Talkie um. Aber ich verstand Katja nur allzu gut. Ich verstand, daß sie lieber mit John als mit uns zusammen sein wollte. Ich begriff, daß es ihm endlich gelungen war, sie von uns fortzulotsen. Und ich sah ein, daß alle meine Träume nichts als unsinnige Gedanken gewesen waren. Mir ging auf, daß ich die ganze Zeit herumgelaufen war und mir ohne jeglichen Grund etwas eingebildet hatte und daß diese Sommerferien von jetzt an die allerlangweiligsten meines ganzen Lebens sein würden. Mir kam es plötz-
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lich so vor, als wäre weder das Strandfest noch unsere Verbrecherjagd, noch irgend etwas anderes von Bedeutung für mich. Dann merkte ich, daß ich immer noch den Arm um Inges Schulter gelegt hatte. Ich bekam ein ganz schlechtes Gewissen. Hier stand ich und bedauerte mich selber, und dabei hätte ich eigentlich viel eher Grund gehabt, Inge zu bedauern. Ihr mußten Erik und ich helfen. Erik und ich! Mehr waren wir nicht mehr. Nur noch die Hälfte unserer alten Bande. Aber wir mußten jetzt tun, was wir nur konnten. »Wie ist es, Inge, kommst du mit?« fragte ich. Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Ich muß in einer halben Stunde wieder auftreten. Ich will die Zeit bis dahin ausnutzen und meinen Vater suchen. Er muß doch irgendwo sein.« »Okay«, sagte Erik. »Wenn wir dich wieder treffen, so hoffe ich, haben wir die Bösewichter gefangen!« Inge lächelte, obwohl sie noch immer Tränen in den Augen hatte. »Ich hoffe, daß ihr es schafft«, sagte sie. Ich meinte ihr anzusehen, daß sie nicht recht daran glaubte. Sie ging schnell auf die Wohnwagen zu.
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»Gib mir doch einmal eine Beschreibung der beiden Burschen«, bat Erik. Ich tat es, so gut ich konnte. »Du kannst auf dieser Seite des Tanzpodiums bleiben«, schlug er dann vor. »Ich mache dann die Runde auf der anderen.« Und weg war er. Ich ging auch los. Wohin ich auch kam, starrten die Leute mich und mein Walkie-Talkie an, aber das war mir gleichgültig. Mir war ziemlich alles gleichgültig. Aber trotzdem ging ich umher und hielt Ausschau nach den beiden Burschen. »Etwas Neues?« fragte Erik im Walkie-Talkie. »Nee«, sagte ich. »Wenn wir den ganzen Platz abgesucht haben, müssen wir unser Glück zwischen den Zelten versuchen.« »Okay«, hörte ich ihn antworten. Es vergingen zehn Minuten, ehe unsere Suche zu einem Ergebnis führte. Da hörte ich, wie Erik plötzlich im Walkie-Talkie sagte: »Kim, ich glaube, ich habe sie!« »Wo bist du?« fragte ich zurück. »Mitten zwischen den Wohnwagen und Lastautos. Sie sind gerade aus einem der Wohnwagen herausgekommen. Ich bin ziemlich sicher, daß es die Richtigen sind.« »Ich komme sofort hinüber«, sagte ich.
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Während ich mich durch die Menge zwängte, hörte ich Eriks aufgeregte Stimme: »Beeil dich, Mann! Oh, beeil dich. Das hier ist fast zu schön, um wahr zu sein!« Sobald ich aus dem Menschenknäuel heraus war, fing ich an zu laufen. Ich lief zwischen den Zelten hindurch auf die Wohnwagen zu. »Wo bist du ungefähr?« fragte ich. »Kannst du den hohen Mast sehen?« »Jawohl«, antwortete ich. »Geh bis dahin und dann noch ein Stück weiter.« Ich lief so schnell mich meine Beine tragen wollten. Das Walkie-Talkie tanzte bei jedem Schritt auf meinem Rücken auf und ab. Beim Laufen war es nicht so angenehm, den Apparat auf dem Rücken zu haben. »Pssst!« Ich wandte den Kopf. Da stand Erik. Ich lief zu ihm hin. »Was ist denn los?« »Komm mit«, flüsterte er und zog mich mit sich. Er schleppte mich zu ein paar alten Schuppen. »Vorsichtig!« forderte er mich auf. »Sie brauchen uns jetzt noch nicht zu sehen. Aber da hinten bei einem der großen Wagen sind zwei Männer. Guck doch mal, ob sie das sind.«
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Ja, das waren sie. Sie waren damit beschäftigt, ein paar schwere Kisten aus einem der Wagen, der wie ein Möbelwagen aussah, herauszutragen. Erik guckte mich fragend an. Ich nickte. Er lächelte begeistert. »Das konnte gar nicht besser sein! Die sind uns ganz von selbst in die Falle gegangen!« »Wieso?« fragte ich. »Der Wagen da, aus dem sie die Kisten heraustragen, war bis vor wenigen Minuten noch mit einem Hängeschloß verschlossen. Das hängt jetzt an der Tür. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, daß sie es aufschlossen und dann hängen ließen.« Nach ein paar Minuten stand unser Plan fest. Wir legten die Walkie-Talkies neben uns ins Gras. Als die Männer wieder in den Wagen kletterten, um die nächste Kiste zu holen, liefen wir zu dem Wagen hin. Ich stellte mich hinter die Tür, bereit, sie zuzuschlagen. Erik lief über die schräggestellten Bretter und guckte in den Wagen hinein. »Tag«, sagte er, »gibt es hier was zu helfen?« »Zum Teufel mit dir!« entfuhr es dem einen der beiden Männer. »Okay«, sagte Erik. Ich warf die Tür so fest ich konnte zu. Erik war
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in letzter Sekunde zur Seite gesprungen, so wie wir es vereinbart hatten. Einen Augenblick später hatte er das Hängeschloß eingehängt und abgeschlossen. Die beiden Männer im Wagen fluchten, traten gegen die Tür und riefen und schrien. Erik grinste. »Das hätten wir geschafft«, sagte er und steckte den Schlüssel in die Tasche. 9
Nachdem wir die beiden Kerle eingesperrt hatten, schnallten wir unsere Walkie-Talkies wieder auf und schlenderten zum Festplatz zurück. »Guck mal da«, sagte Erik und zeigte in die Menschenmenge. »Da geht die zersägte Dame.« Ich guckte in die angedeutete Richtung. Diesmal war es die richtige zersägte Dame, das heißt, es war die, die heute nachmittag vor unseren Augen zersägt worden war. Sie kam aus einem der Wohnwagen und ging vor uns her zum Strand. Sie hatte die Tür des Wagens zugezogen, aber offensichtlich nicht abgeschlossen.
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Wir hätten eigentlich froh darüber sein müssen, daß wir die beiden Männer dingfest gemacht hatten. Erik war es auch. Er war beinahe verzückt. Er ging neben mir her, stieß mich immer wieder in den Rücken und sagte: »Ich werde verrückt, Mann! Nein, ist das toll! Jetzt haben wir bald die ganze Bande unschädlich gemacht!« »Und was nun?« brachte ich nur heraus. Er guckte mich an. »Warum bist du sauer?« fragte er. »Bin ich gar nicht«, erwiderte ich. »Ich meine nur: wie soll es weitergehen? Sollen wir hingehen und der Polizei alles erklären, damit Brille freigelassen wird? Wir können doch nicht zulassen, daß sie ihn den ganzen Abend festhalten. Das wäre nicht richtig.« Erik dachte nach. »Ich glaube, wir sind noch nicht ganz fertig«, meinte er dann. »Wir haben zwar schon drei, aber sicher sind es noch mehr. Da ist immer noch – was sagtest du, wie sie hieß?« »Selma.« »Ja, Selma.« »Und ich habe so ein unbestimmbares Gefühl, daß sie es ist, die das Ganze angezettelt
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hat«, sagte ich. »Ich kann es nur nicht richtig erklären.« Wir kamen jetzt an den Skootern vorbei. Ich guckte mich nach Katja um, aber sie war nicht da. »Du«, sagte ich zu Erik, »ich hielte es fast für das beste, wenn wir Larsen träfen und ihm alles erzählten. Er hat jetzt Dienst und müßte darum irgendwo hier auf dem Platz sein.« Erik nickte. »Es wäre natürlich schöner, wenn wir vorher die ganze Sache klargestellt hätten«, antwortete er. »Aber laß uns mal nach Larsen gucken.« Da trafen wir Inge. Sie hatte es eilig, weil sie in wenigen Minuten auftreten mußte. Darum konnten wir nur einen Augenblick mit ihr sprechen. Ihren Vater hatte sie immer noch nicht gefunden und sah deshalb sehr betrübt aus. Niemand hatte ihn gesehen. Dann lief sie weiter, und Erik und ich setzten ebenfalls unseren Weg fort. »Könntest du dir vorstellen, daß sie ihn entführt haben?« fragte Erik. »Das ist nicht unmöglich. Vielleicht haben sie ihn eingesperrt.« »Ich möchte doch zu gern wissen, worum sich das Ganze dreht«, sagte Erik.
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»Das möchte ich auch.« »Oje! Wir müssen verschwinden!« Zwei Polizeibeamte kamen uns entgegen. Sie beachteten uns gar nicht, trotzdem schlüpften wir sicherheitshalber in die Menschenmenge, die vor dem Zelt mit der zersägten Dame stand. Die Vorstellung sollte gleich anfangen. Der Mann, der die Dame zersägte, stand auf dem Podest vor dem Zelt und bemühte sich, Zuschauer anzulocken. »Gleich«, rief er, »werde ich die hohe Ehre haben, Miß Irma zu zersägen. Es wird das größte Erlebnis Ihres Lebens werden, meine Damen und Herren. Verzichten Sie nicht darauf! Kommen Sie sofort herein!« Ich stieß Erik in den Rücken. »Irma!« flüsterte ich. »Hm?« fragte er. »Irma! Sie heißt Irma. Nicht Selma. Ich habe mich heute nachmittag geirrt.« Er guckte mich mit aufgerissenen Augen an. »Soll das heißen, daß …?« »Ja, das heißt es!« flüsterte ich. »Das heißt, daß jetzt Dampf hinter die Sache kommt!« Die Polizisten waren weitergegangen. Wir brauchten uns nicht mehr in der Menschenmenge zu verstecken.
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»Dann war es also Irma, die wir hinten bei den Wagen sahen?« »Ja.« Erik dachte einen Augenblick lang nach. »Warte hier! Oder tu, was du willst, aber bleib über das Funkgerät mit mir in Verbindung.« »Was willst du unternehmen?« »Ihren Wagen untersuchen«, grinste er. »Es besteht kaum Gefahr, daß sie in der nächsten Viertelstunde zurückkommt. Sie hat die Tür nämlich nicht abgeschlossen.« »Ich komme mit!« »Nein, tu das lieber nicht«, lehnte Erik ab. »Du bleibst am besten hier auf dem Platz und versuchst, Larsen zu finden. Ich glaube, wir haben ihn bald nötig.« Ich sah sofort ein, daß das am vernünftigsten war. »Okay«, sagte ich daher. Erik winkte und verschwand in der Menge. Ich ging über den Platz und dachte über die Sache nach. Ich kam auch an der Schiffschaukel vorbei. In einem der Schiffe saßen Katja und John. Sie sahen mich nicht. Ich blieb stehen und blickte zu ihnen hinauf. Katja sah nicht so aus, als ob sie sich besonders gut amüsierte. Vielleicht vertrug sie das
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Schaukeln nicht. Aber mir konnte das ja gleich sein. Was ging es mich an, ob sie sich amüsierte oder nicht? Ich ging weiter. Mit meinem WalkieTalkie erregte ich überall Aufsehen. Eriks Stimme drang mir plötzlich ins Ohr: »So, jetzt bin ich da. Und wie wir erwartet haben, ist die Tür nicht abgeschlossen. Ich klettere jetzt in den Wagen.« Ich ließ mich mit dem Menschenstrom treiben. Es fing allmählich an dunkel zu werden. Alle Laternen und Lampen, alle die bunten, strahlenden Lichter auf dem Festplatz waren angezündet worden. Hin und wieder sah ich mich nach Larsen um, aber ich konnte ihn nicht erspähen. »Oh«, sagte Erik im Walkie-Talkie, »zum Teufel, jetzt kommt jemand!« »Zum Wagen?« fragte ich. »Ja, ein Mann. Du, das ist blöd. Wenn er hereinkommt, muß er mich unweigerlich finden.« »Kannst du nicht unter den Tisch kriechen?« flüsterte ich. »Nicht mit dem Walkie-Talkie auf dem Rücken. Das werde ich mal abnehmen.« Ich hörte ihn mit dem Sprechgerät hantieren. Ein paar Sekunden lang war alles still, deshalb
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konnte ich ganz schwach ein Geräusch hören, wahrscheinlich, als die Tür geöffnet wurde. Aber noch bevor eine weitere Sekunde verging, konnte ich – sehr deutlich – eine zornige Männerstimme vernehmen: »Was machst du hier, du Lümmel? Was, zum Teufel, soll das bedeuten?« Dann hörte ich Eriks Stimme. Sie klang ziemlich mutlos. »Oh«, sagte er, »also verstehen Sie – eh?« »Ja, darauf kannst du dich verlassen, daß ich das verstehe. So ein junger Dieb! Aber jetzt gehen wir mit dir zur Polizei!« »Oh«, bat Erik, »tun Sie das doch nicht!« »Kommst du freiwillig mit?« »Ja – ja, ich komme ja schon. Sie brauchen mir deshalb nicht das Ohr abzureißen, Mann. Ich habe doch nur das eine. Ach, Unsinn, ich habe natürlich noch eins, aber ich meine nur …« Ich mußte lachen und nahm darum schnell das Mikrophon vom Mund. Selbst in dieser Situation konnte Erik es nicht lassen, Unsinn zu reden. Aber abgesehen davon, die Situation war jetzt wirklich ernst. Jetzt war auch Erik gefangen, und ich war allein übriggeblieben. Und zwar ganz allein, denn mit Katja brauchte ich in dieser Sache wohl nicht mehr zu rechnen.
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Ich ging langsam weiter. Was nun? Zuallererst mußte ich jetzt Larsen finden. Er war der einzige, der uns aus der Patsche helfen konnte, in die wir uns langsam, aber sicher hineingebracht hatten. Katja und John kamen mir entgegen. John lächelte, als er das Walkie-Talkie auf meinem Rücken sah. Katja guckte geradeaus, so, als ob sie mich gar nicht bemerkt hätte. »Empfängst du damit Musik vom Mars?« erkundigte John sich. »Sei still!« sagte ich. Ich war schon vorher zornig, aber als John mich jetzt ärgerte, wurde ich noch zorniger. John sah so großmäulig aus, als er seine Bemerkung machte. »Wie meinst du das?« fragte er und guckte mich böse an. »Ich meine es so, wie ich es gesagt habe: daß du den Mund halten sollst!« Als wir dann aneinander vorbeigingen, stellte er mir ein Bein. Ich fiel, so lang ich war, in all den Dreck und Staub des Festplatzes. Die Leute blieben stehen und lachten. Schnell sprang ich wieder auf. Im nächsten Augenblick war die Schlägerei in vollem Gange.
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Ich war sehr zornig, und das verlieh mir mehr Kräfte, als ich eigentlich besaß. Dabei war ich nicht nur durch das Walkie-Talkie, das auf meinem Rücken herumtanzte, ein wenig behindert, sondern mußte auch sehr bald feststellen, daß John viel stärker war als ich, nicht nur größer, sondern auch stärker. Ich schlug mich, so gut ich konnte, hatte dabei aber ständig das verzweifelte Gefühl, daß ich unter allen Umständen der Unterlegene sein würde. Ich kämpfte verbissen und hartnäckig. John schlug sich kalt und ruhig, mit einem kleinen irritierenden Lächeln um den Mund. Um uns herum war sofort ein großer Menschenauflauf entstanden. Aber uns war das gleichgültig. Erst als an verschiedenen Stellen gerufen wurde: »Die Polizei kommt!«, gab es für einen Augenblick eine Unterbrechung in unserer Schlägerei. Als John sich zur Seite drehte, sprang ich aber wieder auf ihn los, und die Rauferei begann von neuem. »Was geht hier vor?« Die beiden Beamten, die Erik, Brille und mich den ganzen Nachmittag über verfolgt hatten, hatten sich einen Weg durch die Menschenmenge gebahnt.
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John duckte sich und zwängte sich durch die Zuschauer hindurch. Ich folgte seinem Beispiel und versuchte, mich in der entgegengesetzten Richtung wegzudrängeln. Die Beamten setzten uns nach und riefen uns zu, daß wir zurückkommen sollten. Als ich gerade dachte, ich hätte es geschafft, faßte ein Mann mich am Arm und hielt mich fest. Eine halbe Sekunde später war einer der Polizisten da und ergriff meinen anderen Arm. John konnte entkommen. Der Beamte, der versucht hatte, ihn zu erwischen, gab es bald auf und kam zu uns. »Da haben wir ja Glück gehabt«, sagte er und zeigte auf mich. »Das ist ja einer von denen, die heute nachmittag abgehauen sind. Den wollen wir jetzt mal mit zur Wache nehmen!« Sie nahmen mich in die Mitte und gingen mit mir über den Festplatz. Ich wischte mir währenddessen mit meinem Taschentuch übers Gesicht, um wenigstens die schlimmsten Blutspuren zu entfernen. Die Leute blieben stehen und sahen hinter uns her. Ich fühlte mich nicht besonders wohl in meiner Haut.
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Die Polizei hatte aus Anlaß des Strandfestes das Büro des Hafenmeisters gemietet und hier eine provisorische Polizeistation eingerichtet. Der Beamte schob mich in die Tür. Es war warm in dem Raum. Die Fenster waren geschlossen, wahrscheinlich, um die Beamten vom Lärm des Festplatzes abzuschirmen. Es waren auch zuviel Menschen in dem Zimmer. Erik und Brille saßen nebeneinander auf dem Sofa des Hafenmeisters und sahen sehr traurig aus. Der Beamte schob mich zu den beiden hin und forderte mich auf, mich zu setzen. Brille rückte zur Seite, so daß ich mich zwischen ihn und Erik klemmen konnte. Am Tisch unter der Lampe saß ein Polizeibeamter in Hemdsärmeln und schrieb mit kratzender Feder etwas auf ein Blatt Papier. Außer ihm waren noch drei oder vier andere Polizisten im Raum. Einer von ihnen saß auf einer Tischkante und las in einer Zeitung. Ein anderer stand neben der geschlossenen Tür, möglicherweise um aufzupassen, daß Erik, Brille und ich nicht entwischen konnten. Ein dritter stand neben dem Radio, drehte daran herum und versuchte, ihm ein paar Töne zu entlocken –
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als ob nicht schon genug Lärm von draußen hereinkam. Ein dicker Brummer stieß summend gegen die Fensterscheibe. Keiner von all den Menschen sagte etwas, als ich hereinkam. Darum setzte ich mich auch nur zwischen Erik und Brille und schwieg genauso wie die anderen. Die Wärme und die Stille hier drinnen waren bedrückend. Die ganze Situation war bedrückend. Ich guckte Erik verstohlen an, aber er sagte nichts, sondern schüttelte nur den Kopf. Der Beamte am Tisch räusperte sich, rieb sich die Nase und schrieb weiter. Seine Feder kratzte noch immer. Der andere legte die Zeitung jetzt fort und machte sich daran, das Walkie-Talkie zu untersuchen, das ich neben dem Sofa auf den Fußboden gestellt hatte. So saßen wir wohl zehn Minuten, glaube ich, vielleicht auch länger. Ich wurde immer nervöser. Was mochte der Beamte da wohl schreiben? Warum sagte er nichts? Warum fingen sie nicht sofort an, uns zu verhören? Ich hätte ihnen schon die passenden Antworten gegeben. Sie zogen die Sache absichtlich in die Länge – um uns mürbe zu machen, wie man zu sagen pflegt. Dies Verhalten blieb auch nicht ohne Wir-
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kung. Mit jeder Minute, die verstrich, gab ich meinen Widerstand mehr auf. Aber in dem Augenblick, in dem ich bereit gewesen wäre, alles zuzugeben – sowohl die Zerstörung der Gewinne wie auch die Brandstiftung und die Beschädigung des Karussells, vielleicht noch einen Mord und eine Reihe anderer Kleinigkeiten –, klopfte es an die Tür, und Larsen trat, gefolgt von Katja, ins Zimmer. »Hurra!« rief Erik. Der Beamte am Tisch sah ihn verärgert an. Larsen sagte: »Was geht hier vor?« Er war jetzt in Uniform. Der Beamte am Tisch legte den Federhalter fort und zeigte mit dem Daumen auf uns. »Wir haben die Burschen gefaßt, die im Laufe des Tages alle diese Dummejungenstreiche verübt haben, den Brand und die Verwüstungen und alles andere. Ich bin gerade dabei, einen Bericht darüber zu schreiben.« »Das ist doch Unsinn«, sagte Larsen.»Haben Sie die Burschen denn vorher verhört?« Der Beamte schüttelte den Kopf. »Bis jetzt nicht.« »Warum, zum Teufel, haben Sie das denn noch nicht getan? Steht mal auf, ihr Dummköpfe!«
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Die letzten Worte waren an Erik, Brille und mich gerichtet. Wir standen auf. Larsen sah uns unwillig an. »Kann ich eigentlich niemals etwas anderes als Schwierigkeiten mit euch haben?« fragte er. »Wir haben Ihnen schon einmal das Leben gerettet«, entgegnete Erik grinsend. »Halt den Mund, Bengel«, donnerte Larsen ihn an. »Was habt ihr wieder angestellt? Warum hat man euch hierhergebracht?« »Hören Sie mal zu«, sagte der Beamte am Tisch. »Es besteht wohl kein Zweifel daran, daß diese Burschen das alles auf dem Kerbholz haben.« »Unsinn«, sagte Larsen verärgert, »ich weiß, daß sie es nicht getan haben. Ich kenne diese drei. Wie kommen Sie zu der Behauptung, daß sie es waren?« Der Mann rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her. »Oh«, sagte er, »also, das – ja, zum Teufel, ich habe das gar nicht behauptet. Ich habe es nur von den anderen gehört.« Larsen sah mich scharf an. »Erklär mir mal, wie alles zugegangen ist, Kim!« Ich bemühte mich, alles zu erklären. Alle hör-
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ten mir jetzt zu. Es war ganz still im Raum. Als ich dann berichtete, daß wir den ersten Übeltäter gefangen und eingesperrt hätten, erhob sich der Beamte am Tisch. Er stand da und guckte mich mit leicht geöffnetem Mund an. »Sitzt der Bursche etwa immer noch da?« erkundigte Larsen sich. »Ja«, sagte ich und reichte ihm den Schlüssel. »Aber wir haben noch mehr. Wir haben die beiden anderen nämlich auch noch gefangen. Erik, du hast doch auch noch einen Schlüssel.« Erik grinste wie gewöhnlich und gab Larsen den Schlüssel des Möbelwagens. Larsen fiel aus allen Wolken. »Warum, zum Teufel, habt ihr euch nicht an die Polizei gewandt, anstatt herumzurennen und die Verbrecher selber zu fangen?« »Wir standen mit der Polizei nicht gerade auf gutem Fuß«, gab ich zu. Larsen lächelte ein ganz klein wenig, dann aber wurde seine Miene wieder dienstlich. »Erzähl weiter!« forderte er mich auf. »Außerdem«, fuhr ich fort, »hat, soweit wir das übersehen können, die zersägte Dame etwas mit der Sache zu tun. Deshalb wollte Erik ihren Wohnwagen untersuchen. Aber dabei wurde er dann geschnappt und der Polizei übergeben. Wir
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sind aber ziemlich fest davon überzeugt, daß die zersägte Dame zu der Bande gehört. Sie heißt Irma.« »Zum Teufel noch einmal«, sagte Larsen. »Warum, zum Teufel, haben die das alles wohl gemacht?« »Ich glaube, es handelt sich um einen Racheakt«, antwortete ich. Es klopfte. Der Mann, der vorhin aufgesprungen war, rief: »Herein«, und dann ging die Tür auf. Im Türrahmen stand Inge. Sie trug immer noch ihren kurzen Faltenrock und die Bluse mit den Pailletten. Sie weinte. Überrascht guckte sie uns vier (Katja stand ganz hinten in der Ecke) an und sagte dann: »Ich – ich möchte nur melden, daß mein Vater verschwunden ist.« »Die Zelte, die beschädigt worden sind, gehörten alle ihrem Vater«, erklärte ich schnell. Der Polizeibeamte setzte sich wieder an den Tisch und tauchte die Feder in die Tinte. »Dein Name?« fragte er. »Inge Jensen«, antwortete sie. »Was?« rief Erik. »Du heißt Jensen?« Sie sah ihn erstaunt an und nickte. »Heißt dein Vater auch Jensen? – Ach, so ein Unsinn, natürlich heißt er Jensen! Wie sieht er aus?«
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»Tja«, sagte Inge, »er ist ziemlich schlank, siebenundvierzig Jahre alt und …« »Und schon ziemlich kahlköpfig?« fiel ich ihr ins Wort. Sie nickte. »Und er trägt eine blaue Hose und blaue Segeltuchschuhe mit Gummisohlen?« Sie nickte eifrig. »Genau«, sagte sie. »Woher wißt ihr das alles?« Wir hatten alle drei rote Köpfe bekommen. »Sag du es ihr, Kim«, wandte Erik sich an mich. »Warum gerade ich?« »Dürfen wir vielleicht erfahren, worum euer Gespräch sich dreht?« fragte Larsen. Ich räusperte mich. »Ja – also – hm …« »Sie müssen verstehen …«, fing Brille an. »Dann ist es nämlich Inges Vater, den wir in dem Schuppen hinter der Todesbahn eingesperrt haben. Wir nahmen an, daß es einer von den Übeltätern wäre. Wir wußten ja, daß eins von den Mitgliedern der Bande Jensen hieß. Wir haben gar nicht daran gedacht, daß auch noch andere so heißen könnten. Er schlenderte nämlich so herum und guckte sich die Zelte an.«
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Larsen reichte dem jungen Beamten, der die Zeitung gelesen hatte, den Schlüssel. »Lauf zu dem Schuppen hinter der Todesbahn und laß den armen Mann raus. Und bitte ihn hierherzukommen, damit wir erfahren, worum sich das Ganze dreht!« Der Beamte nahm Jacke und Mütze und ging fort. Inge hatte aufgehört zu weinen. Sie stand noch immer in der Nähe der Tür und sah ganz eigenartig aus, so, als wüßte sie nicht, ob sie weinen oder lachen sollte. Dann entschied sie sich aber für das letztere. Erik sah sie ganz geknickt an. »Du brauchst nicht über uns zu lachen. Wir haben es doch so gut gemeint!« »Es gibt auch noch einen, der Jensen heißt«, sagte Inge. »Und zwar ist er mit einer Dame namens Irma verlobt.« »Mit der zersägten Dame!« deklamierte Erik. »Richtig«, bestätigte Inge. »Das heißt, sie ist heute zum ersten Mal zersägt worden. Bisher hat sie gegenüber im ›Varieté‹ an der Kasse gesessenich will damit sagen, sie war da Kassiererin. Aber dann ordnete Vater plötzlich an, daß sie ihren Platz mit Frau Svendsen tauschen sollte – das ist die, die vorher zersägt wurde. Auf die Weise kam dann Frau Svendsen dazu, an Irmas Stelle im Kartenverkauf zu sitzen.«
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»Vielleicht ärgern sie sich darüber so«, sagte ich. »Aber warum sollten sie sich darüber ärgern?« »Oha!« sagte Brille. Wir guckten alle gleichzeitig zu ihm hin. Er hatte sein Walkie-Talkie aufgenommen und drehte daran herum. »Was ist denn das?« fragte Larsen. »Da spricht jemand. Erik, wo hast du das andere Walkie-Talkie gelassen?« »Das liegt in Irmas Wohnwagen unter dem Tisch. Ich mußte es ja abnehmen, als ich unter den Tisch kriechen wollte, um mich zu verstecken.« Brille hielt den Apparat dicht an sein Ohr. »Ich kann nicht verstehen, was sie sagen. Es ist zu schwach.« »Kann man es nicht irgendwie verstärken, Brille?« fragte Katja. Brilles Augen wurden hinter seiner Brille ganz groß. »Klar, du hast recht, Katja!« Er lief auf das Radio des Hafenmeisters zu und fing an, daran herumzubasteln. Ich kann nicht genau erklären, was er da machte, aber ich glaube, daß er die Kabel aus dem Kopfhörer des Walkie-Talkies an den Lautsprecher des Radios
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anschloß. Dann stellte er das Radio lauter. Es war die ganze Zeit über eingeschaltet gewesen und funktionierte daher sofort. Jetzt konnten wir alle die Stimmen hören. Es handelte sich um die Stimmen eines Mannes und einer Frau. Der Mann sagte: »Du bist ein Dummkopf, Irma. Ich habe dir mindestens hundertmal gesagt, daß du die Tür abschließen sollst, wenn du fortgehst.« Irma protestierte, aber wir konnten ihre Worte nicht genau verstehen. »So?« sagte der Mann. »Nun, was meinst du? Was wäre wohl passiert, wenn die Polypen hier hereingekommen wären und all die falschen Eintrittskarten gefunden hätten, was dann? Und die ganzen Abrechnungen, hm? Und die ganzen Kröten, wie? Das hätte wohl alles nichts zu sagen, was?« »Jetzt halt mal den Mund, Jensen«, gab Irma ihm zur Antwort. »Du solltest lieber mal versuchen herauszufinden, wo Karl und Frederik geblieben sind. Die beiden sind spurlos verschwunden. Bist du ganz sicher, daß die Polizei sie nicht erwischt hat?« »Natürlich sind sie nicht erwischt worden! Und wenn es der Fall wäre, dann wäre immer
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noch niemand da, der beweisen könnte, daß sie das Feuer gelegt haben. Es ist ihnen nicht das Geringste nachzuweisen, verstehst du? Im übrigen glaubt die Polizei, daß ein paar Jungen das alles angerichtet haben. Der, den ich hier im Wagen angetroffen habe, gehörte auch zu denen, die die Polizei sucht. Der Polyp hat es mir selber erzählt. Das sind doch alles nur Dummköpfe!« »Dann ist er es also gewesen«, flüsterte Erik dazwischen. »Ich habe Angst«, hörten wir Irmas Stimme. »Ich wünschte, ihr hättet das Ganze gar nicht angefangen.« »Ihr sagst du? Wer war es denn, der behauptete, wir müßten ihm einen Denkzettel verpassen, hm?« »Ich habe nicht gesagt, daß ihr so scharf vorgehen solltet«, antwortete Irma. »Ihr solltet ihm nur einen Schrecken einjagen, damit er mir meinen Platz an der Kasse zurückgäbe.« »Na also, und glaubst du vielleicht nicht, daß uns das gelungen ist? Er hat es noch nicht einmal der Polizei gemeldet. Er ist den ganzen Nachmittag vom Festplatz weggeblieben. Er hat Angst, sag’ ich dir. Morgen wird er schon tun, was wir verlangen.«
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»Aber glaubst du, daß es wert war …?« »Ob es das wert war?« fuhr der Mann auf. »Ja, darauf kannst du dich verlassen. Es dreht sich immerhin um rund hundert Kronen pro Abend, und das während der ganzen Saison. Wenn die Saison zu Ende ist, haben wir alles in allem siebentausend Kronen eingenommen. Ein Viertel davon können die beiden unter sich teilen, der Rest ist für dich und mich. Und dann sagst du, das sei nicht der Mühe wert gewesen!« »Das habe ich nicht sagen wollen«, wandte Irma ein, »ich meinte nur, daß …« Larsen ging zum Tisch und schaltete den Apparat ab. »Schluß damit! Wir gehen hin und holen sie. Erik und Kim, ihr beiden könnt uns den Weg zeigen. Zunächst zu Irmas Wagen und dann zu dem Möbelwagen, in den ihr die beiden Burschen gesperrt habt. Marsch!« In der Tür begegneten wir Inges Vater. Er sah wütend aus. Inge fiel ihm um den Hals, und da sah er schon ein klein bißchen weniger böse aus. Aber ich wagte nicht, seinem Blick zu begegnen. »Hier sind die Burschen, die Sie eingesperrt haben«, sagte Larsen und zeigte auf uns. »Aber sie haben uns gleichzeitig auch auf die Spur der wirklichen Übeltäter gebracht. Deshalb sollten
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wir ihnen vielleicht vergeben? Es sieht so aus, als ob die Bande Sie um einen Teil Ihrer Einnahmen betrogen hat. Stimmt das?« Jensen nickte. »Ja, ich hege schon lange einen Verdacht. Ich hatte immer den Eindruck, daß alle meine Zelte hier in diesem Sommer gut besucht worden seien. Trotzdem waren weniger Eintrittskarten verkauft worden als im letzten Jahr, in dem es doch so viel geregnet hat. Ich konnte daher mit Recht annehmen, daß etwas nicht in Ordnung war.« »Das war es auch nicht«, sagte Brille. »Sie haben gefälschte Eintrittskarten ausgegeben.« Jensen nickte. »Ich dachte mir schon, daß es etwas Derartiges sein müßte. Die normalen Eintrittskarten sind mit fortlaufenden Nummern gekennzeichnet. Wenn nun die Kassiererin einen Block mit gefälschten Karten hat, kann sie ein paar Pfennige in die eigene Tasche stecken, ohne daß ich es hinterher kontrollieren kann. – Besonders wenn sie Hilfe hat, wenn das Ganze organisiert ist. Deshalb hatte ich heute Irma gegen die zersägte Dame ausgetauscht.« »Und deshalb haben die Burschen Ihnen all den Ärger gemacht«, sagte Larsen. »Sie glaubten,
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Ihnen einen Denkzettel verpassen zu müssen, damit Sie Irma zurück an die Kasse versetzen sollten. Wissen Sie, daß auch Ihr zweiter Schießstand abgebrannt ist, während Sie in dem Schuppen saßen?« Herr Jensen schüttelte den Kopf. »Soweit ich verstanden habe, konnte aber ein großer Teil Ihres Geldes sichergestellt werden. Kommen Sie mit, dann werden wir die Sache bald erledigt haben.« »Der ist großartig«, flüsterte Erik uns zu. Larsen guckte ihn an und lächelte. Dann gingen wir alle zusammen hinüber zu dem Wohnwagen. Katja zuckelte hinter uns anderen her. Sie sah ein bißchen traurig aus. Vielleicht vermißt sie John, ging es mir durch den Kopf. Wo mochte er wohl stecken? Von Irma und ihrem Verlobten – der also auch Jensen hieß – ist nicht mehr viel zu erzählen. Als die Polizei kam, gingen sie vollkommen ruhig mit in das Büro des Hafenmeisters. Sie waren sich sicher ganz klar darüber, daß da nicht mehr viel auszurichten war, vor allem, weil Larsen sowohl das Geld als auch die gefälschten Eintrittskarten in Irmas Kommodenschublade fand. Alles lag unter einem Berg Unterwäsche versteckt. Auch Frederik und Karl machten nicht
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viel Aufhebens, als sie die Polizisten sahen, die sie aus dem Wagen herausholten. Sie kamen ganz ruhig mit. Fast zu ruhig für unser Gefühl. Sie versuchten nicht ein einziges Mal zu entkommen. Als wir das Büro des Hafenmeisters beinahe wieder erreicht hatten, versperrte Larsen Brille, Katja, Erik und mir den Weg. »Fort mit euch«, sagte er barsch. »Ihr habt heute schon genug Unheil angerichtet.« Erik grinste. »Was würden Sie eigentlich ohne uns machen?« »Schlafen!« erwiderte Larsen. »Schlafen und faulenzen und rumdösen und schlummern und es ruhig und friedlich haben. Mein Gott! Was würde ich ohne euch alles tun! So, aber jetzt ab mit euch! Und – hm – Dank für eure Hilfe, ihr Hitzköpfe!« Er lachte und schlug uns die Tür vor der Nase zu. »Ein verdammt netter Kerl«, meinte Erik.
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Das Strandfest ging dem Ende entgegen. Erik, Brille, Katja und ich bummelten zum letzten Mal über den Festplatz. Ich war inzwischen an der Wasserpumpe gewesen und hatte mich gewaschen, so daß ich jetzt wieder ganz ordentlich aussah. Katja und ich hatten noch kein Wort miteinander gesprochen. Auf dem Tanzpodium rief ein Mann ins Mikrophon: »Und jetzt, meine Damen und Herren, wollen wir mit der Auslosung der Gewinne aus der großen Lotterie des Segelklubs beginnen! Einen Augenblick bitte!« Die Leute blieben stehen und hörten ihm zu. Wir vier natürlich auch. Er fuhr fort: »Der erste Preis, ein Motorroller, fällt in die Serie B, Nummer 3407. Ich wiederhole: Serie B, Nummer 3407 –« Brille stieß Erik an. »Hol doch mal deine Lose raus, Erik.« Erik lachte. »Okay«, sagte er, »aber viel Sinn hat es nicht. Ich habe noch nie etwas gewonnen.« Er angelte die beiden Lose aus seiner Tasche. Sie waren ziemlich zerknittert.
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»Serie N. Nr. 7208 und Nr. 7209. Den Roller habe ich jedenfalls schon mal nicht gewonnen.« »Es gibt noch viele andere Gewinne«, bemerkte Katja. Erik gab ihr die Lose. »Du kannst ja für mich nachsehen«, bat er sie. »Ich habe keine Lust dazu. Kommt, sollen wir nicht weitergehen?« Es war schon lange her, daß wir etwas zu essen bekommen hatten. Wir gingen darum an eine Würstchenbude und stillten unseren Hunger mit Würstchen. Der Mann am Mikrophon sprach noch immer. Ich hörte aber nicht richtig hin. »Was war das für ein Strandfest!« schwärmte Erik. »Spannend von Anfang bis zu Ende!« »Und alles ist gut ausgegangen«, stellte Brille fest. »Natürlich«, stimmte Erik zu. »Das muß es ja auch. Sonst kann Kim es doch nicht für sein neues Kim-Buch gebrauchen. Hast du schon mal überlegt, wie du es nennen willst, Kim?« »Na, alles mit der Ruhe«, antwortete ich. »Wir müssen zunächst einmal abwarten, ob ich überhaupt ein neues schreiben werde.« »Natürlich wirst du das«, sagte Erik. »Du kannst es doch ›Detektiv Kim unter schwerem
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Verdacht‹ nennen. Wie wäre das? Das wäre doch ein zugkräftiger Titel!« »Ja, das könnte ich …« Ich wurde von Katja unterbrochen. »Hört mal zu!« rief sie aufgeregt. »Nun sag schon, was los ist.« »Du hättest beinahe gewonnen. Nummer 7207 ist herausgekommen. Und du hast Nummer 7208 und 7209. Und zwar war das eine Freikarte für die schwedische Staatsbahn.« Erik lachte. »Was sollte ich wohl mit einer Freikarte für die schwedische Staatsbahn? Ein Glück, daß ich die nicht gewonnen habe. Sonst müßte ich den Rest des Sommers noch in Schweden herumkutschieren, und ihr müßtet hier ohne mich fertig werden. Was brütest du aus, Brille?« Brille hatte Katja die Lose abgenommen. Er war stehengeblieben und betrachtete sie mit offenem Mund. »Aber du hast ja gewonnen«, rief er dann. »Du hast mit dem Los gewonnen, auf das wir unsere Nachricht an Herrn Jensen geschrieben haben. Sieh hier, die drei Lose, die du bekommen hast, waren zusammengeheftet. Das oberste hast du abgerissen. Das muß demnach die Nummer 7207 gehabt haben!«
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Erik stand sprachlos da, starrte zunächst Brille und dann die Lose an. »Wir müssen das Los wiederfinden«, rief Katja. »Wie bitte?« fragte ich. »Was soll das heißen?« wollte Brille wissen. »Ich will damit nur sagen: ich kann mir nicht vorstellen, daß Herr Jensen gerade erbaut sein wird, wenn wir jetzt angelaufen kommen und ihn um den Zettel bitten, den wir benutzt haben, um ihn einzusperren. Ich könnte mir denken, daß das unbehagliche Erinnerungen oder so etwas Ähnliches bei ihm hervorruft.« »Damit hast du sicher recht«, sagte Erik. »Mir ist auch nicht ganz wohl bei dem Gedanken, ihn danach fragen zu müssen.« »Vielleicht hat er den Zettel einfach im Schuppen weggeworfen«, meinte Brille. »Als er den Schuppen betrat, hatte er ihn noch in der Hand. In dem Augenblick, als wir die Tür zuschlugen, muß ihm doch wohl klargeworden sein, daß der Wisch Schwindel war. Darum ist es nicht sehr wahrscheinlich, daß er ihn wieder in die Tasche gesteckt hat, oder? Es ist viel eher anzunehmen, daß er ihn in seinem Zorn einfach weggeworfen hat – meint ihr nicht auch?« Wir sahen ihn voller Bewunderung an.
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»Brille, du bist ein Genie«, lobte Erik ihn. »Kommt, laßt uns hinlaufen und nachsehen!« Wir schoben den Rest der Würstchen in den Mund und liefen zu dem Schuppen hinter der Todesbahn. Brille hatte tatsächlich recht. Es war noch keine halbe Minute vergangen, da hatten wir den Zettel schon in einer Ecke des Schuppens gefunden. Er war zu einer kleinen Kugel zusammengeknüllt. Wir falteten ihn auseinander und strichen ihn glatt. »Serie N, Nummer 7207. Tatsächlich, das ist es«, stellte Erik fest. »Hurra, hurra! Aber was, zum Teufel, soll ich mit einem Freifahrschein für die schwedische Staatsbahn? Das möchte ich mal wissen!« »Für zwei Personen, Kopenhagen-Stockholm«, erklärte Katja. »So hat es der Mann am Mikrophon gesagt.« »Das wird ja immer schöner!« seufzte Erik. »Was soll ich wohl in Stockholm? Ich kenne da oben keine Menschenseele. Ich würde mich die ganze Zeit nur langweilen.« »Ich habe eine Tante in Jönköping«, bemerkte Brille. »Gratuliere«, sagte Erik. »Möchtest du etwa, daß ich sie mitnehme nach Stockholm?« »Nein, du alter Esel, ich überlegte nur gerade,
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ob wir nicht alle vier hinfahren könnten, um sie zu besuchen. Das ist etwa auf dem halben Wege nach Stockholm. Vier Personen nach Jönköping entsprechen dann ungefähr zwei Personen nach Stockholm. Vielleicht kannst du die Fahrkarten umtauschen.« Wir starrten ihn ganz verblüfft an. »Aber Brille«, sagte Katja, »selbst wenn das möglich wäre, dann ist es immer noch nicht sicher, ob deine Tante sich freuen würde, wenn wir vier zu ihr kämen.« »Doch, das tut sie bestimmt«, antwortete Brille. »Sie hat alle Kim-Bücher gelesen. Und als sie mir zum Geburtstag gratulierte, schrieb sie, daß, wenn wir vier einmal nach Schweden kommen sollten, wir sie auch besuchen müßten. Sie wird begeistert sein!« Es fiel mir ein bißchen schwer, zu glauben, daß irgend jemand auf der Welt begeistert wäre, wenn wir ihn besuchten. Aber ich sagte natürlich nichts. Ich hielt es nämlich für eine ganz großartige Idee. »Glaubt ihr, daß wir die Erlaubnis dazu bekommen?« fragte Katja. »Würdest du sie bekommen?« wollte ich wissen. »Das glaube ich bestimmt«, meinte sie. »Ich bin eigentlich fest davon überzeugt.«
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»Dann wird alles übrige auch klappen«, sagte Brille. »Ich würde gern hinfahren. Du auch, Kim?« »Natürlich«, antwortete ich. »Und ich muß mit, denn schließlich sind es meine Fahrkarten«, sagte Erik. »Laßt uns schnell hingehen und fragen, ob wir sie eintauschen können.« Wir bahnten uns einen Weg zu dem Mann, der die Verlosung durchgeführt hatte. Sie war jetzt beendet. Wir zeigten ihm das Los und machten ihm unseren Wunsch klar. »Tja«, sagte er, »ich wüßte nicht, was dem im Wege stehen sollte. Aber ich kann mir nicht vorstellen, was ihr ausgerechnet in Jönköping wollt, das ist das langweiligste Nest der Welt!« »Wenn wir dahin kommen, nicht!« lachte Erik. 12
Nachdem wir mit dem Mann in der Lotterie des Segelklubs gesprochen hatten, schlenderten wir wieder über den Festplatz und waren mit uns selber und mit der ganzen Welt äußerst zufrie-
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den. Der Gedanke an unsere Fahrt nach Schweden – wir waren schon überzeugt, daß etwas daraus würde – machte uns ganz übermütig. Ich schielte zu Katja hinüber und versuchte herauszufinden, ob wir immer noch Feinde waren. Waren wir überhaupt Feinde gewesen? Ich kam nicht dahinter. Und wenn, aus welchem Grund eigentlich? Allerdings, ich hatte wohl recht, wenn ich ihr ein bißchen gram war. Aber sie hatte doch wirklich keinen Grund, böse auf mich zu sein! »Oooh!« sagten auf einmal alle Leute. Die erste Rakete war in die Luft gesaust und sprühte einen ganzen Wasserfall von Sternen über den Festplatz. Doch vielleicht war sie böse, weil ich mich mit John geschlagen hatte. »Aaah!« riefen die Leute jetzt. Das Feuerwerk war in vollem Gange. Wir blieben auch stehen und sahen in die Luft. Da näherte sich plötzlich Inge und stellte sich zu uns. »Ich habe euch schon gesucht«, sagte sie. »Ich möchte mich bei euch bedanken, weil ihr die Sache ans Licht gebracht habt. Auch mein Vater läßt danken.«
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»Och, darüber brauchen wir doch gar nicht zu reden«, sagte Erik und machte eine wegwerfende Bewegung mit der Hand. »So was machen wir alle naslang.« Wir standen da, unterhielten uns und sahen dem Feuerwerk zu. Auf einmal merkte ich, daß Katja nicht mehr bei uns war. Ich sah mich nach ihr um. Sie stand in der Nähe der Mole. Ohne den anderen etwas zu sagen, ging ich zu ihr hin. Sie merkten gar nicht, daß ich fortging. »Katja?« sagte ich zögernd. Sie drehte den Kopf und sah mich an. Sie hatte Tränen in den Augen. »Was ist denn los?« fragte ich. »Nichts«, sagte sie weinend. »Du kannst ruhig wieder zu ihr hingehen.« Ich sah sie überrascht an. »Zu wem hingehen?« »Zu dem Jongleurmädchen.« »Was?« fragte ich. »Warum sollte ich das denn?« Katja antwortete nicht. »Warum soll ich das denn?« wiederholte ich. »Warum solltest du es nicht? Nachdem du schon den ganzen Tag mit ihr herumgelaufen bist?« Ich starrte sie verblüfft an.
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»Aber das bin ich doch gar nicht«, verteidigte ich mich. »Jedesmal, wenn ich dich gesehen habe, bist du mit ihr herumgelaufen und hattest den Arm um ihren Hals gelegt«, stieß Katja hervor. »Aber mir soll es egal sein. Du kannst schließlich machen, was du willst.« »Nun hör mal zu«, bat ich sie. »Ich mache mir nicht das geringste aus Inge. Ich habe nur meinen Arm um ihre Schulter gelegt, weil sie über alles so traurig war. Und sie macht sich auch nicht das geringste aus mir. Wir beide machen uns nichts aus einander!« »Bestimmt nicht?« fragte Katja. »Bestimmt nicht.« Sie lächelte, während ihr die Tränen immer noch über die Backen liefen. »Ich hätte gar nicht gedacht, daß du uns gesehen hast«, sagte ich. »Ich dachte, du wärest ganz und gar von John in Anspruch genommen gewesen.« »Ach, von dem?« entgegnete sie. »Aber Kim, ich habe doch nur so getan, weil ich sehr böse auf dich und Inge war. Ich – ich hatte gar keine Verabredung mit ihm. Aber als ich dich und Inge zusammen sah, wurde ich so böse, daß ich wegging und ihn suchte, bis ich ihn fand.«
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»Also ein Mißverständnis nach dem anderen«, sagte ich. »Ja, wie dumm war ich doch«, meinte Katja. Beinahe hätte ich ihr gesagt, daß ich das auch gewesen sei, aber ich tat es dann doch nicht. Das Feuerwerk glitzerte über unseren Köpfen. Katja wischte sich die Augen ab, und einen Augenblick darauf gingen wir zu den anderen zurück. Erik guckte uns an. »Nun?« sagte er. »Ich war im Glauben, daß ihr euch verfeindet hattet?« »Das hatte ich auch gedacht, Erik«, antwortete Katja. Er lachte. »Ja«, sagte er dann, »wir sind schon ein paar Dummköpfe, wir beiden.« Das Feuerwerk endete mit einem gewaltigen Böllerschuß. Das Strandfest war vorbei.
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