und schon gehört mein Herz zu dir Kim Lawrence Julia 1427 25 2/2000
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... und schon gehört mein Herz zu dir Kim Lawrence Julia 1427 25 2/2000
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1. KAPITEL Mit einer schwungvollen Bewegung nahm der Ober den Deckel von der Suppenschüssel. Da er im Grunde seines Herzens ein Romantiker war, lächelte er zufrieden, als die attraktive junge Frau einen überraschten Laut ausstieß. Rachel war äußerst erstaunt. Nigel hatte ihr gegenüber zwar schon angedeutet, dass er ihr an diesem Abend einen Heiratsantrag machen würde, doch mit einer so extravaganten Geste hatte sie nicht gerechnet. Verblüfft betrachtete sie den Diamantring auf dem Samtkissen. Nigel Latimer beugte sich neugierig vor. Zufrieden mit der Reaktion seiner Begleiterin, nickte er dem Ober mit einem verschwörerischen Lächeln zu. "Er beißt nicht." Nigel griff über den Tisch, und nahm ihre Hand. "Probier ihn an. Du meine Güte, Rachel, du zitterst ja!" Ausgerechnet Rachel, die immer so beherrscht war. Er war erfreut und überrascht zugleich. Rachel ließ den Blick von dem Ring zu ihrer Hand schweifen, an dem sie einen größeren Ring trug. "Das ist ein Schock für mich", log sie mit bebender Stimme. Da sie ihn nicht kränken wollte, entzog sie ihm die Hand nicht. Die ganzen letzten Wochen hatte sie darüber nachgedacht, wie sie sich am besten verhalten sollte, wenn der Moment gekommen war. Doch nun hatte sie keine Ahnung, was sie sagen sollte. Sie blickte in Nigels attraktives Gesicht. Seine sympathischen Züge und das silbergraue Haar ließen ihn sehr distinguiert
wirken, was bei seinen Patienten gut ankam. Er war jeder Zoll der erfolgreiche, kompetente Chirurg. Hätte sie da nicht aufgeregt statt bestürzt sein müssen? Manche Menschen wussten einfach nicht, wie gut sie es hatten - und dazu gehörte sie offenbar auch! Natürlich rechnete Nigel damit, dass sie Ja sagte. Schließlich war er das, was sich viele Frauen erträumten: gut aussehend, nett und wohlhabend. Manchmal fragte sie sich, warum er mit über vierzig immer noch nicht verheiratet war, und es beunruhigte sie, wenn er sagte, sie sei die perfekte Frau und er habe sein ganzes Leben nur auf sie gewartet. Da er sehr hohe Erwartungen an sie stellte, schien es ihr fast, als würde sie eine Rolle für ihn spielen. Perfekte Frauen sagten immer das Richtige im richtigen Moment. Wie würde er wohl reagieren, wenn er ihre anderen, ganz und gar nicht perfekten Eigenschaften entdeckte? Er musste sie wahnsinnig lieben, wenn er ihr trotzdem den Hof machte, obwohl Charlotte, ihre Tochter, ihn bis zum Äußersten provozierte. Liebte sie ihn? Spielte es überhaupt eine Rolle? War es nicht wichtiger, dass man sich gut verstand und zusammenpasste? Schließlich war sie jetzt dreißig und damit längst über das Alter hinaus, in dem man erwartete, dass pubertäre Träume in Erfüllung gingen. All diese Gedanken gingen Rachel innerhalb weniger Sekunden durch den Kopf. Was ist bloß mit mir los? fragte sie sich. Nigels Miene verriet Besorgnis, als der Ober wieder erschien und verkündete, Miss French werde dringend am Telefon verlangt. Es war nicht nur der verzweifelte Wunsch nach einer Atempause, der Rachel veranlasste aufzuspringen. Nur der Babysitter wusste, wo sie war, und sie fragte sich alarmiert, was Charlie nun wieder angestellt hatte. Als sie kurz darauf zurückkehrte, erhob Nigel sich hastig. "Was ist los, Schatz?"
Sie unterdrückte einen Schluchzer. "Charlie ist verschwunden." "Da bist du ja!" Benedict Arden zuckte zusammen, als sich plötzlich zwei kleine Arme um ihn legten. "Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich nicht allein bin." Die letzte Bemerkung war nicht an ihn gerichtet, sondern an ein Paar mittleren Alters, das einen wohlhabenden Eindruck machte und ihn missbilligend betrachtete. Da sein Erscheinungsbild während der vergangenen vierunddreißig Jahre fast immer so gewesen war, dass Leute wie diese ihn von oben herab betrachteten, lächelte Benedict ironisch bei der Erinnerung daran, wie wichtig der erste Eindruck war. Aber wer, zum Teufel, war dieses Kind? "Ist das dein Vater?" erkundigte sich die Frau mitleidig und skeptisch zugleich. "Du meine Güte, nein!" Benedict wich einen Schritt zurück und stellte erleichtert fest, dass seine Brieftasche sich noch immer in der Innentasche seiner Fliegerjacke befand. Er hatte die Jacke von seinem Großvater geerbt, dem er sehr ähnlich sah, den er jedoch nicht mehr kennen gelernt hatte. Die Jacke, sein etwas zu langes Haar und sein Dreitagebart verliehen ihm ein beinah finsteres Aussehen, und er wirkte nicht gerade wie ein Typ, der ein Kind umarmte. Allerdings wurde er ja auch umarmt. Die dünnen Arme ließen ihn los, und blaue Augen blickten vorwurfsvoll zu ihm auf. Erst jetzt merkte Benedict, dass es sich nicht um einen Jungen, sondern um ein Mädchen handelte, denn es trug ein T-Shirt und Jeans. "Das ist mein Bruder", erklärte die Kleine. "Mein Stiefbruder. Mein Vater hat seine Mutter geheiratet", fügte sie hinzu, und eine steile Falte erschien zwischen ihren Augenbrauen. "Sein Vater ist jetzt tot." Benedict blinzelte, als sein Vater so herzlos beseitigt wurde. Dieses Kind war wirklich unglaublich!
"Wahrscheinlich war es der Alkohol." Seinem Vater zufolge trieb er ihn nämlich dahin - natürlich nur, wenn es sich um einen guten Jahrgang handelte, denn für Sir Stuart Arden war das Beste gerade gut genug. Benedict bedauerte seine leichtfertigen Worte sofort, als die blauen Augen anerkennend funkelten. Beinah hätte er laut aufgestöhnt, denn er wollte dieses verrückte Mädchen auf keinen Fall noch ermutigen. Wie ein Narr hatte er die Gelegenheit, jegliche Verbindung zu ihr zu leugnen, ungenutzt verstreichen lassen. Doch das würde er bald nachholen. Er hatte Pläne. Er hielt es für unwahrscheinlich, dass Sabrina sich nach ihm verzehrt hatte, obwohl sie es behauptete, und auf dem Anwesen, das seine Großmutter ihm im australischen Outback hinterlassen hatte, hatte er keine weibliche Gesellschaft gehabt. "Halten Sie es für verantwortungsbewusst, ein Kind zu dieser Zeit allein in der Stadt herumlaufen zu lassen?" Die Frau verzog verächtlich den Mund, als sie ihn von Kopf bis Fuß musterte. Der Mann wirkte nicht weniger angewidert, blieb jedoch auf Abstand. "Nein, das tue ich nicht", erwiderte Benedict, da er nachvollziehen konnte, warum sie so wütend war. " J...ja ... na ja ...", sagte sie stockend, durch seinen grimmigen Blick und seine Zustimmung offenbar völlig aus dem Konzept gebracht. "Sie wollten mich mitnehmen, Steve." Das Mädchen hatte eine sehr deutliche und durchdringende Stimme, und der Mann war peinlich berührt, als einige Passanten ihn daraufhin anblickten. "Mum sagt, ich soll nicht mit Fremden reden!" "Wir wollten sie nur zur Polizei bringen." "Tun Sie das." Allmählich brachte er, Benedict, diesen beiden barmherzigen Samaritern Sympathie entgegen. Er wünschte sich nichts mehr, als die Verantwortung für dieses Kind jemandem zu übertragen, der sich besser dafür eignete. Als er einen Schritt auf den Mann zumachte, wich dieser schnell zurück.
"Ende gut, alles gut", sagte er und umfasste den Arm seiner Frau. "Gute Nacht." Die Frau warf Benedict mehrere misstrauische Blicke über die Schulter zu, als sie sich von ihrem Mann fortführen ließ. Bestürzt sah Benedict ihnen nach. "Ich dachte schon, die würden nie verschwinden." Das Mädchen ließ seine Hand unvermittelt los. "Sie sind genau richtig gekommen." Er seufzte. "Sie wollten dir nur helfen. Das ist sehr löblich." "Ich brauche keine Hilfe." "Zur Polizei zu gehen ist keine schlechte Idee." So clever dieses Mädchen auch wirkte, er konnte es nicht allein in einer Gegend lassen, in der es von finsteren Gestalten nur so wimmelte. Ihre nächsten Worte verdeutlichten, dass sie ihn zu diesen finsteren Gestalten zählte. "Denen hätte die Polizei geglaubt." Sie deutete in die Richtung, in der das Paar verschwunden war. "Ihnen würde sie nicht glauben. Ich hab Sie ausgesucht, weil Sie so verwahrlost aussehen. Ich würde sagen, dass Sie versucht haben, mich zu kidnappen, und laut schreien. Sie würden mir glauben. Der Mann dachte, Sie würden ihn schlagen", fügte sie triumphierend hinzu. Ein Blick auf sein Spiegelbild im nächsten Schaufenster bewies Benedict, dass sie Recht hatte. Seine Mutter war bei seinem Anblick entsetzt zusammengezuckt, sein Vater war nicht so zurückhaltend gewesen. "Du meine Güte, er ist unter die Eingeborenen gegangen!" war noch eine seiner gemäßigteren Bemerkungen gewesen. Seine Schwester, die noch ein Teenager war, hatte überraschender reagiert. "Die Frauen werden über dich herfallen, weil sie sehen wollen, ob sich hinter deinem gefährlichen Äußeren eine empfindsame Seele verbirgt", hatte sie gesagt und damit genau ins Schwarze getroffen.
Seit er wieder zu Hause war, hatte er festgestellt, dass die Frauen sich ihm gegenüber etwas anders verhielten. Frauen waren wirklich seltsame Wesen. Dabei fiel ihm ein dringlicheres Problem ein ... "Wenn du nicht zur Polizei gehen willst..." Vielleicht ist dieses Mädchen dort schon bekannt, überlegte er und wurde wütend bei der Vorstellung, dass die Zukunft eines Kindes so vorhersehbar war. "Wie war's, wenn du nach Hause gehen würdest?" Sie schien über seine Worte nachzudenken. "Der Taxifahrer hat gesagt, dass mein Geld nicht reicht. Ich geh den restlichen Weg zu Fuß. Ich wollte zurück sein, bevor ... Ich komm schon klar." Sie biss sich auf die Lippe. Dass ihre Stimme dabei bebte, legte die Vermutung nahe, dass sie nicht halb so gleichgültig war, wie sie tat. Wahrscheinlich ängstigte sie sich zu Tode. "Ich bezahle dir das Taxi." "Sie?" Spöttisch verzog sie die Lippen. "Glaubst du, ich kann es mir nicht leisten?" "Ich steig nicht mit einem Fremden in einen Wagen." "Das höre ich gem. Ich fahre nicht in deine Richtung." "Warum wollen Sie mir helfen?" Gute Frage, Ben. Dieses Kind besaß die beunruhigende Gabe, immer auf den Punkt zu kommen. "So jung und schon so zynisch", sagte Benedict. Dann fiel ihm ein, dass er ja mit einem Kind sprach. ",Zynisch' bedeutet..." "Ich weiß, was es bedeutet. Schließlich bin ich nicht blöd." Eins zu null für dich, dachte er und musste ein Lächeln unterdrücken. "Und ich bin dein Schutzengel. Also nimm mein Angebot an, oder lass es", erklärte er betont gleichgültig. "Ich glaub, Sie sind verrückt, aber ich hab 'ne Blase." Sie blickte auf ihre Füße. "Neue Turnschuhe." "Folgen Sie dem Taxi." Der Fahrer kam seinem Wunsch gern nach, nachdem Benedict im Voraus bezahlt hatte. Er hätte gern noch mehr
bezahlt, nur um den Eltern dieser Göre seine Meinung sagen zu können. Das Gebäude, vor dem das Taxi schließlich hielt, lag allerdings in einer anderen Gegend, als er erwartet hatte. Vornehme alte Villen säumten die Straße und zeugten von Reichtum. Als er ausstieg, beobachtete er, wie das Mädchen auf eines der Häuser zuging. Sie bemerkte ihn erst, als sie den Schlüssel in die Tür zur Wohnung im Erdgeschoss steckte. "Was machen Sie hier?" "Ich würde mich gern mal mit deinem Vater unterhalten." Am liebsten hätte er diesen Narren erwürgt! "Ich habe keinen Vater." "Dann mit deiner Mutter." "Sie ist nicht da und kommt erst spät zurück." Das Mädchen öffnete die Tür einen Spalt breit und schlüpfte hinein. "Ihr Freund will ihr heute Abend einen Heiratsantrag machen." Dann fiel die Tür zu. Als das Bild einer herzlosen, egoistischen Frau, die ihr Kind über ihrem eigenen Vergnügen vernachlässigte, vor seinem geistigen Auge auftauchte, wurde Benedict wütend. Die letzten Worte des Mädchens waren von Tränen begleitet gewesen. Entschlossen drückte er auf die Klingel. "Ist es wirklich nötig, die Polizei zu alarmieren, Rachel?" fragte Nigel, nachdem der Babysitter wieder zu schreien begonnen hatte. Rachel French fuhr zu ihm herum, und ihre grauen Augen funkelten vor Zorn. "Es ist halb zwölf, Nigel, und meine zehnjährige Tochter ist nicht zu Hause. Sie könnte sonstwo sein!" Wenn sie an das Gespräch dachte, das sie heute mit ihrer Tochter geführt hatte, ahnte sie, wo diese womöglich steckte. Allerdings verstärkte es ihre Panik nur noch. Rachel blickte zum Babysitter, der wie ein Häufchen Elend auf dem Sofa saß. Sie
musste sich beherrschen. Ihre Fingernägel bohrten sich schmerzhaft in ihre Handflächen, doch ihre Miene war gefasst. "Es ... es war nicht meine Schuld!" "Das habe ich auch nicht behauptet. Charlie ist sehr ... einfallsreich. Hast du etwas gesagt, Nigel?" erkundigte Rachel sich eisig, als Nigel einen geringschätzigen Laut ausstieß. "So könnte man es auch nennen ..." Aus Frust darüber, dass alles an diesem Abend schief gelaufen war, vergaß er seine sonstige Zurückhaltung. "Zu einem anderen Zeitpunkt würde ich deine Meinung gern hören..." "Rachel, Schatz, ich bin ..." "Im Weg", beendete sie den Satz und schüttelte seinen Arm ab. "Susan, wann haben Sie Charlie das letzte Mal gesehen? Ich weiß, dass Sie völlig durcheinander sind, aber es ist sehr wichtig." Es kostete sie all ihre Willenskraft, Susan die Information nicht gewaltsam zu entlocken. "Wir müssen wissen, wann sie abgehauen ist." "Ich ... ich weiß nicht genau", brachte Susan hervor und schniefte. "Ich habe gelernt... Nächste Woche habe ich Prüfungen." Rachel schluckte die bissige Bemerkung, die ihr auf der Zunge lag, hinunter. "Sie werden nicht fürs Lernen bezahlt, sondern fürs Babysitten", bemerkte Nigel, woraufhin Susan nur noch heftiger zu schluchzen begann. "Nigel, hältst du wohl den Mund?" sagte Rachel scharf. In diesem Moment klingelte es an der Tür, und sie schöpfte wieder Hoffnung. "Charlie!" "Gehen Sie endlich weg?" Die Tür wurde einen Spalt breit geöffnet. "Susan soll nicht wissen, dass ich ..." "Charlie!" "Mum!" Das Mädchen ließ die Tür los, und Benedict ergriff die Gelegenheit, um sie zu öffnen. Am anderen Ende des Flurs
stand eine Frau, die ein enges, bodenlanges lavendelfarbenes Abendkleid trug und ein Handy in der Hand hatte, die sie nun sinken ließ. Neben ihr stand ein großer, distinguiert wirkender Mann mit silbergrauem Haar. "Ich bringe dich um, du kleiner Schlingel", sagte sie liebevoll, und der sinnliche Klang ihrer heiseren Stimme jagte Benedict einen Schauer über den Rücken. Dann sank sie auf die Knie, und das Mädchen warf sich ihr in die Arme. "Ist alles in Ordnung? Wie konntest du nur?" Rachel wusste nicht, ob sie mit ihrer Tochter schimpfen oder sie küssen sollte. "Seh, ist ja gut", fügte sie hinzu, als Charlotte von Schluchzern geschüttelt wurde. Erst jetzt bemerkte sie den Mann, der hinter ihrer Tochter stand. Flüchtig blickte sie in sein ausdrucksloses Gesicht. Mit seinem olivfarbenen Teint und dem schimmernden schwarzen Haar sah er wie ein Südländer aus. "Wer ist das, Charlie?" "Das ist... Steve. Er hat mich nach Hause gebracht. Ich wollte vor dir hier sein, Mum. Woher wusstest du ...?" "Susan hat uns natürlich angerufen." "Normalerweise kommt Susan nicht mehr in mein Zimmer, wenn John da ist." "John?" Rachel drehte sich zu Susan um, die ein wenig abseits stand und sichtlich nervös war. "Mein Freund. Er kommt manchmal und leistet mir Gesellschaft. Heute Abend musste er früher weg." Sie errötete und wandte den Blick ab. "Da haben wir ja Glück gehabt." Rachel strich sich eine braune Strähne, die sich aus ihrem Knoten gelöst hatte, zurück, und das wütende Funkeln in ihren Augen verschwand. Liebevoll strich sie ihrer Tochter über das seidige, kinnlange blonde Haar. Sie war so erleichtert. Es hätte wer weiß was passieren können. Sie ließ den Blick wieder zu dem Mann an der Tür schweifen und bekam vor Dankbarkeit feuchte Augen.
Benedict hoffte, dass er nicht tatsächlich aufgestöhnt hatte. Was für unglaubliche Augen! Helle, fast durchsichtige Haut und mandelförmige Augen, die von der Tatsache ablenkten, dass ihre Züge nicht ganz symmetrisch waren. "Es tut mir Leid, Miss French, aber John und ich sehen uns so selten, weil wir beide jobben und ..." "Ich habe nichts dagegen, wenn Ihr Freund kommt, Susan", unterbrach Rachel sie resigniert. "Ich möchte nur nicht, dass Sie Charlie vernachlässigen. Vielleicht sollten Sie jetzt nach Hause gehen." "Ja ... sicher. Ich hole nur meine Sachen." Rachel wandte ihre Aufmerksamkeit wieder ihrer Tochter zu. "Und, junge Dame, hat es sich nun gelohnt?" Schimpfen würde sie später mit ihr. "Du weißt, wo ich war?" "Dazu muss man kein Genie sein, Liebes." Ihre LieblingsBoygroup war anlässlich einer Preisverleihung in einem Londoner Theater gewesen, und Charlie hatte unbedingt einen Blick auf sie erhaschen wollen. Tagelang hatten sie darüber diskutiert, und schließlich hatte Charlie verdächtig schnell kapituliert. "Es war so voll, dass ich nichts sehen konnte", gestand sie. "Der Taxifahrer hat mich übers Ohr gehauen, und dann waren da noch diese neugierigen Leute ..." "Das war ja ein richtiges Abenteuer." Rachel musste an sich halten, denn sie mochte sich nicht vorstellen, was alles hätte passieren können. "Ist das alles, was du dazu sagen willst?" fragte Nigel ungläubig. Mutter und Tochter blickten ihn stirnrunzelnd an. Obwohl sie sich nicht ähnlich sahen, wurde in Momenten wie diesen deutlich, wie eng das Verhältnis zwischen ihnen war. Rachel stand auf, die Arme auf Charlottes Schultern gelegt. "Jetzt ja", erwiderte sie leise.
"Charlie muss bestraft werden. Sie muss wissen, dass sie sich nicht richtig verhalten hat." "Das geht dich nichts an!" rief Charlie und befreite sich aus Rachels Griff. Rachel seufzte. "Sprich bitte nicht so mit Nigel. Er hat sich große Sorgen um dich gemacht." "Hat er nicht! Er mag mich ja nicht einmal." Rachel zuckte zusammen, als ihre Tochter die Wohnzimmertür hinter sich zuknallte. "Entschuldige, Nigel." Obwohl sie wusste, dass Nigel es nur gut meinte, hatte sie Verständnis für Charlottes Verhalten. Charlotte und sie waren so lange allein gewesen, dass sie seine Bemühungen, die Verantwortung mit ihr zu teilen, ablehnte. Will ich die Verantwortung überhaupt teilen? fragte Rachel sich resigniert. "Ach ja?" Seufzend strich er sich durchs Haar. "Es tut mir Leid, Rachel", sagte er steif. "Ich wollte nur, dass es ein unvergesslicher Abend wird ..." "Na ja, wir werden ihn bestimmt nicht vergessen." Angesichts seiner ernsten Miene verschwand ihr Lächeln schnell wieder. "Vielleicht sollten wir ihn einfach abhaken." "Willst du mir damit sagen, dass du mich nicht heiraten willst?" erkundigte er sich ungläubig. "Natürlich nicht." Oder doch? Schuldbewusst betrachtete sie ihn. Dann machte sie einen Schritt auf ihn zu, um ihn zu küssen. Sie hatte ihre hochhackigen Pumps vorher abgestreift, und nun blieb der Saum ihres langen Kleids an einem losen Nagel in der Fußleiste hängen. "Verdammt!" fluchte sie leise, als der Stoff riss. "Oh, danke." Überraschend geschickt hatte der Fremde den Saum vom Nagel gelöst, und ihr fiel auf, dass seine Hände feingliedrig und sehr gepflegt waren. Als er sich aufrichtete und sie ansah, wurde ihr Lächeln ein Wenig unsicher.
Sie musste ihren Eindruck, dass er schlicht, aber nett war, revidieren, denn sein Blick war alles andere als schlicht oder nett gewesen. Ihr Magen krampfte sich zusammen, und sie war alarmiert. Noch nie zuvor war sie mit so viel Männlichkeit konfrontiert worden. In ihre Dankbarkeit mischte sich Misstrauen. Seine dunklen Augen hatten Intelligenz und an Arroganz grenzendes Selbstbewusstsein verraten. Jemand, der sich von der Hand in den Mund ernährte, war nicht so selbstsicher. Außerdem sah der Fremde alles andere als unterernährt aus. Ihr wurde heiß, als sie seinen schlanken, muskulösen Körper betrachtete. Egal, was er trug, er würde sich immer von der breiten Masse abheben. Nein, die Menge würde sich vor ihm teilen, denn er wirkte nicht so, als wäre er je herumgeschubst worden. "Ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken soll", sagte Rachel und stellte fest, dass es ziemlich überheblich klang. Du meine Güte, dachte sie, dieser Mann hat Charlie vor wer weiß was bewahrt, und du legst ihm zur Last, dass er eine starke Ausstrahlung hat. Wie sie ihm danken konnte? Obwohl es eigentlich unter seiner Würde war, konnte Benedict nicht umhin, die offensichtliche, abgedroschene Antwort zumindest im Geiste zu formulieren. Er hatte Lust auf den ersten Blick zwar schon erlebt, war aber noch nie so überwältigt gewesen wie bei dieser Frau. Rachel ... Er mochte den Namen, er mochte ... "Für Ihre Mühe..." Benedict betrachtete die Banknoten, die ihr Freund ihm entgegenhielt, und ließ den Blick dann langsam höher schweifen. Was sie wohl an diesem Kerl fand, abgesehen davon, dass er offensichtlich wohlhabend war? "Ich will Ihr Geld nicht", erwiderte er verächtlich. Rachel versetzte Nigel einen Knuff und funkelte ihn an. "Bitte seien Sie nicht gekränkt", sagte sie. "Nigel wollte nur ..."
"Den Loser ausbezahlen, weil er nicht in diese Umgebung passt?" "Hören Sie mal ..." Es überraschte sie nicht, dass Nigel nicht so selbstbewusst wie sonst klang. Sicher war er es nicht gewohnt, so behandelt zu werden. "Nigel!" fiel sie ihm verzweifelt ins Wort. Merkte er denn nicht, dass er den Stolz des Fremden verletzte? "Vielleicht sollten wir uns jetzt gute Nacht sagen. Charlie ..." "Du willst also, dass ich gehe? Von mir aus ..." "Sei nicht albern, Nigel." "Du nimmst ja sehr viel Rücksicht auf seine Gefühle", erklärte Nigel zu ihrer grenzenlosen Verwunderung. "Und was ist mit mir? Deine sachliche, ausgeglichene Art ist eine der Eigenschaften, die ich an dir schätze, Rachel, aber manchmal wäre es schön, eine Reaktion zu bekommen, die nicht... Vergiss es!" Er presste die Lippen zusammen und warf einen letzten Blick auf den Fremden. "Ich rufe dich morgen an, Rachel. Vergiss nicht, dass wir am Dienstag mit den Wilsons zu Abend essen. Und zieh etwas weniger Offenherziges an." Er musterte ihren tiefen Ausschnitt. "Du weißt ja, wie konservativ Margaret ist." Dann verließ er die Wohnung. Normalerweise ignorierte sie seine Bemerkungen über ihre Sachen, weil sie eher scherzhaft waren, doch diesmal konnte sie es nicht. Rachel runzelte die Stirn und blickte an sich hinunter. Da das Kleid Spaghettiträger hatte, konnte sie keinen BH darunter tragen. Allerdings gab es auch nicht viel zu sehen, da ihre Brüste nicht besonders groß waren. "O verdammt!" fluchte sie, nachdem sie an ihrem Ausschnitt gezupft hatte. Sie war es leid, es allen recht machen zu müssen und ständig Schuldgefühle zu verspüren. Die Falte zwischen ihren Augenbrauen wurde noch steiler, und Rachel warf den Kopf zurück, so dass ihr schlanker Hals
zur Geltung kam. Sekundenlang fragte sich Benedict, wie sie wohl reagieren würde, wenn er die Stelle küsste, an der ihr Puls schlug. Zeter und Mordio schreien, du Narr, rief er sich dann zur Ordnung. "War das meine Schuld?" Rachel blinzelte, und er merkte, dass sie ihn ganz vergessen hatte. Sie errötete verlegen und blickte nervös an sich hinunter, um sich zu vergewissern, dass ihr Kleid richtig saß. "Nein, natürlich nicht. Ich bin Ihnen wirklich dankbar und würde mich gern erkenntlich zeigen, ohne ..." "Meine Gefühle zu verletzen?" Rachel lächelte bedauernd. "Wie kann ich ...?" "Ich habe noch nichts gegessen. Wie war's mit... einem Sandwich?" Er unterstrich seine Worte mit dem Lächeln, mit dem er schon im Alter von fünf Jahren sämtliche Frauenherzen erweicht hatte. Ihr gesundes Misstrauen meldete sich zu Wort, doch schließlich nickte sie kaum merklich. "Kommen Sie." Er hatte sich bereits als vertrauenswürdig erwiesen, indem er Charlie nach Hause gebracht hatte. Sicher, er sah gefährlich aus, aber sie hatte Charlie oft genug geraten, die Menschen nicht nach ihrem Äußeren zu beurteilen ... Trotzdem war ihr ein wenig unbehaglich zu Mute. Als sie das Wohnzimmer betraten und Rachel sah, wie müde ihre Tochter aussah, krampfte ihr Herz sich zusammen. "Ist er weg ...?" Sie verstummte, als sie den Mann bemerkte. "Was machen Sie denn hier?" Es klang vielmehr neugierig als kritisch. "Mr. ... Steve hat Hunger." "Ich auch." "Du gehst dich jetzt waschen, und dann ab mit dir ins Bett." Zu Bens Überraschung zuckte Charlie die Schultern, lächelte und gehorchte. "Setzen Sie sich", fügte Rachel an ihn gewandt hinzu.
Er nahm Platz und blickte sich neugierig um. "Nett haben Sie es hier." Wenn es stimmte, dass ein Raum die Persönlichkeit seines Bewohners widerspiegelte, war Miss Rachel French bescheiden und liebenswert. Jedenfalls war es hier wesentlich gemütlicher als bei ihm, wo der Innenarchitekt sich gründlich ausgetobt und alles im Siebziger-Jahre-Look gestaltet hatte. Benedict streckte die langen Beine aus und seufzte zufrieden. Es war jetzt ohnehin zu spät, um noch zu Sabrina zu fahren. "Haben Sie ... haben Sie eine Wohnung?" Verlegen wandte Rachel den Blick von seinen zerrissenen Jeans ab. "Ja, das habe ich." Sie wirkte erleichtert, und er fühlte sich ziemlich mies. "Allerdings ist sie nicht so hübsch wie Ihre." "Ich wollte nicht neugierig sein. Es gibt nur so viele Obdachlose ..." "Sind Sie ein Weltverbesserer, Rachel?" Dass er ihren Namen so lässig aussprach, fiel ihr sofort auf. Er hatte eine schöne Stimme - schön und verführerisch. "Aus Ihrem Mund klingt das wie eine Beleidigung. Manchen Menschen ist das Schicksal anderer eben nicht egal", erklärte sie ernst. "Ich weiß, dass ich Glück gehabt habe, und ich weiß auch, dass Mitleid nicht gerade konstruktiv ist." "Aber etwas ganz Natürliches." "Es ist ein bisschen zu spät, um über soziale Unterschiede zu sprechen. Ich mache Ihnen ein Sandwich." Plötzlich hatte sie das Bedürfnis, dem Blick seiner braunen Augen zu entfliehen. "Kann ich Ihnen helfen?" Rachel war alarmiert, als der Fremde ihr in die Küche folgte, die ihr nun noch kleiner erschien. Erleichtert stellte sie fest, dass er im Gegensatz zu Nigel nicht so verschwenderisch mit Aftershave umging. Er riecht so männlich, dachte sie und atmete tief seinen Duft ein. Dann verspannte sie sich. Was mache ich bloß? überlegte sie verwirrt. "Nein, danke. Ist Käse okay? Ich habe nicht viel im Haus, weil morgen mein Einkaufstag ist." Als hätte es ihn interessiert!
Sicher wusste er, welche Wirkung er auf Frauen ausübte, und womöglich nutzte er es auch aus. Er kannte sich mit der weiblichen Psyche - und vermutlich auch mit der weiblichen Anatomie - gut aus. Unwillkürlich stellte sie sich vor, wie er sie berührte, und erschauerte. "Käse ist okay. Charlie hat mir erzählt, dass Sie heiraten wollen." Benedict lehnte sich zurück, die Ellbogen auf den Tresen gestützt. Rachel bückte sich, um das Messer aufzuheben, das sie hatte fallen lassen. Entsetzt fragte sie sich, wie viel Charlotte ihm erzählt haben mochte. Schnell steckte sie sich ein Stück Käse in den Mund. "Kinder bekommen ziemlich viel mit", fuhr er fort, als würde er sich mit solchen Dingen bestens auskennen. Tatsächlich hatte er keine Ahnung von Kindern. Seine Nichte war erst siebzehn Monate alt, und er hatte sie erst zwei Mal gesehen. "Und vorhin habe ich gehört..." "Charlie bekommt sehr viel mit." Sie ließ das Messer in die Spüle fallen und nahm ein sauberes aus der Schublade. "Sie ist sehr klug und hat einen IQ, der bei mir manchmal Komplexe hervorruft. Ab und zu vergesse ich, dass sie noch so jung ist." Sie hatte sich schon gefragt, ob es richtig gewesen war, nach London zu ziehen, wo Charlie auf eine Schule für Hochbegabte ging. Sie schien sich nämlich überhaupt nicht einzuleben. "Und? Wollen Sie heiraten?" "Ich weiß nicht." Warum habe ich ihm das gesagt? fragte sich Rachel. "Es muss schwer sein, ein Kind allein großzuziehen", meinte er nachdenklich. "Sicher wäre es eine Erleichterung, jemand zu finden, mit dem man die Verantwortung gemeinsam tragen kann, besonders wenn er im Geld schwimmt..." "Ich bin nicht auf der Suche nach einem Vater für Charlie. Und ich bin auch nicht aufs Geld aus." Wollte er sie provozieren, oder war er einfach nur unhöflich?
"Umso besser - das mit dem Vater, meine ich." Er lächelte entschuldigend. "Offenbar kann sie ihn auf den Tod nicht ausstehen." Rachel ertappte sich dabei, wie sie sein Lächeln erwiderte, obwohl sie sich unbehaglich fühlte, weil das Gespräch so persönlich wurde. "Sie hat ihren eigenen Kopf", gestand sie. "Aber ich entscheide selbst, mit welchen Männern ich ausgehe, so sehr ich Charlie auch liebe." Sie fragte sich, wie viele Männer es in den letzten zehn Jahren gegeben hatte. Dazu brauche ich keinen Taschenrechner, dachte sie. "Mayonnaise?" "Ja, bitte." "Bedienen Sie sich." Sie schob ihm den Teller zu. "Danke." Benedict zog einen der Barhocker, die unter dem Tresen standen, hervor. "Essen Sie nichts?" Dass es nur zwei Stühle gab, deutete darauf hin, dass ihr Freund nicht allzu oft bei ihr übernachtete. Es verschaffte ihm eine gewisse Genugtuung. Rachel dachte an das Essen, das ihr entgangen war. "In der ganzen Aufregung heute Abend, der Angst um mein Kind und dem Streit mit meinem Verlobten, habe ich den Appetit verloren." Als sie ihren Finger betrachtete, wurde ihr bewusst, dass sie den Ring nicht genommen und auch nicht Ja gesagt hatte. Obwohl sie nicht an so etwas wie Schicksal glaubte, erschien es ihr fast wie ein Zeichen. Vielleicht war sie doch noch Romantikerin genug, um jemand heiraten zu wollen, ohne den sie nicht leben konnte. Jemand, nach dessen Berührung sie sich sehnte. Einen Mann, dem sie ihre geheimsten Träume und Ängste anvertrauen konnte - der ihr Erfüllung schenkte. "Tun Sie das oft?" Einen Moment lang glaubte sie, sie hätte ihre Gedanken ausgesprochen, doch dann wurde ihr bewusst, dass er sich nicht auf ihre Fantasien bezog. "Normalerweise verliere ich meine Tochter nicht."
"Ich meinte, ob Sie sich oft mit Ihrem Freund streiten. Wie alt ist er eigentlich?" Benedict biss wieder von seinem Sandwich ab und beobachtete, wie Rachel errötete. Offenbar hatte er einen wunden Punkt getroffen. "Nigel ist zweiundvierzig", erwiderte sie scharf und trommelte mit den Fingern auf den Tresen. "Ich habe keine Ahnung, warum ich mich Ihnen gegenüber rechtfertige." "Wahrscheinlich ist Ihnen der große Altersunterschied unangenehm." "Großer Altersunterschied!" rief sie. "Ich bin dreißig." "Wirklich? Das sieht man Ihnen nicht an." Sein durchdringender Blick machte sie nervös. "Soll ich mich jetzt geschmeichelt fühlen?" fragte sie scharf, damit er ihr nicht anmerkte, dass sie schon seit Jahren niemand mehr so verunsichert hatte. "Normalerweise mache ich bessere Komplimente ..." "Davon bin ich überzeugt." "Aber ich möchte nicht aufdringlich sein." Rachel runzelte die Stirn. "Es fällt mir schwer, das zu glauben." "War er schon mal verheiratet?" "Nein. Und er ist auch nicht schwul!" "Gut, dass sie ihn gefragt haben." "Ich habe ihn nicht gefragt! Nigel ist ein sehr vorsichtiger Mann. Er hat miterlebt, wie in seinem Freundeskreis viele Ehen auseinander gegangen sind." Sie verschwieg allerdings, dass Nigel hauptsächlich wegen der finanziellen Nachteile, die eine Scheidung nach sich zog, entsetzt gewesen war. "Und an Vorsicht ist doch nichts auszusetzen." "Nein. Es sei denn, man hört nicht mehr auf sein Gefühl." "Das hat Nigel nicht so drauf." Rachel biss sich auf die Lippe, weil sie Nigel gegenüber sofort Gewissensbisse verspürte. "Und Sie?"
"Wie bitte?" fragte sie eisig. "Ich schätze, es gibt Momente, in denen eine Lady wie Sie es sich einfach nicht leisten kann, ihrem Gefühl zu folgen", sagte er langsam. Misstrauisch sah sie ihn an. Sie war sicher, dass er sich über sie lustig machte. "Ich meine, Sie würden nicht einfach mit irgendeinem Typen ausgehen, der von der Straße hier hereinspaziert. Haben Sie eine Liste? Geeignete Berufe, Gehalt und so weiter?" "Falls Sie damit sagen wollen, dass ich ein Snob bin ..." "Ich weiß nicht genau, was Sie sind", gestand er. "Ich taste mich vor." "Ich möchte aber nicht ertastet werden!" "Das erklärt Nigels frustrierten Gesichtsausdruck." "Sind Sie fertig mit dem Essen?" erkundigte Rachel sich demonstrativ, doch es prallte an ihm ab. "Haben Charlie und Sie schon immer allein gelebt?" "Sind Sie Fremden gegenüber immer so neugierig?" "Charlie hat mir das Gefühl vermittelt, zur Familie zu gehören." Seine Augen funkelten, und er lächelte. "Tatsächlich?" Sie zog die Augenbrauen hoch. "So etwas tut sie normalerweise nicht." "Manchmal ist es so, finden Sie nicht? Sie begegnen jemandem und haben das Gefühl, ihn schon ewig zu kennen. Es funkt sofort." Wenn er so leise sprach, schien es ihr fast, als würde er sie berühren, sie streicheln. Schnell verdrängte sie diesen Gedanken, denn die Vorstellung, von diesem Mann berührt zu werden, war sehr beunruhigend. "Ich versuche, mir kein vorschnelles Urteil zu bilden." Panik schnürte Rachel die Kehle zu. "Sicher ... funkt es bei Ihnen viel öfter als bei mir." Zu spät fiel ihr ein, dass ein derartiges Geplänkel mit jemandem, den sie eigentlich auf Abstand halten wollte, gefährlich sein könnte.
Er lachte. "Das klang aber wie ein vorschnelles Urteil." "Ich habe nicht gemeint ...", begann sie entsetzt und verstummte dann, weil sie genau das gemeint hatte. Eine vernünftige Frau hegte ein gesundes Misstrauen gegenüber Männern, die ihr Charisma als Waffe einsetzten. "Hinter einem spießigen Äußeren kann sich durchaus ein Sexprotz verbergen", warnte er sie. "Also, ist es mein sozialer Status oder mein Aussehen, was mich aus dem Rennen wirft?" "Ich mag solche Gespräche nicht." "Ich kann mich auch nicht entsinnen, je so ein Gespräch geführt zu haben." "Ich bin fertig, Mum." Rachel setzte eine lebhafte Miene auf und wandte sich um. Ausnahmsweise einmal war Charlies Timing perfekt. "Gut", erwiderte sie forsch. Das Herz ging ihr über, als sie ihre Tochter betrachtete. Wie konnte man einem Kind böse sein, das einen mit solchen Augen ansah? Vor allem, wenn es dunkle Ringe unter den Augen hatte. "Du solltest dich bei Mr. ..." "Sie kann Steve zu mir sagen." Ein Mann namens Steve wurde nicht mit einem silbernen Löffel im Mund geboren. Ein Mann namens Steve erstickte nicht an familiären Verpflichtungen. Als Benedict die Hand ausstreckte, rutschte sein Ärmel hoch und gab den Blick auf seine Rolex frei. Lässig schüttelte er den Ärmel wieder hinunter. Charlie beobachtete ihn fasziniert dabei. "Danke ... Steve?" Sie legte die Hand in seine und bedachte ihn mit einem wissenden Blick. "Ich bringe nur Charlie ins Bett - zum zweiten Mal heute Abend." Nachdenklich sah er den beiden nach. Charlie bekommt wirklich viel mit, dachte er. Sie, Rachel, hatte halbwegs damit gerechnet, dass sie ihren Gast nicht so leicht loswerden würde. Es war ein ziemlicher
Dämpfer für sie, aber natürlich war sie auch erleichtert, als sie ins Wohnzimmer zurückkehrte und er offenbar gehen wollte. "Danke für das Sandwich." "Sie haben mir gar nicht gesagt, wo Sie Charlie gefunden haben und wie ..." "Man könnte sagen, sie hat mich gefunden." Er lächelte jungenhaft. "Das werde ich Ihnen nie vergessen." "Aber Sie werden mich vergessen?" Rachel beschloss, diese Herausforderung zu ignorieren. Da sie ihn nicht auf falsche Gedanken bringen wollte, indem sie ihn küsste, umfasste sie seine Hand mit beiden Händen. "Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie erleichtert ich war, als ich das Klingeln an der Tür gehört habe. Bestimmt halten Sie mich für die schlechteste Mutter der Welt." Da er befangen ihre Hände betrachtete, ließ sie seine Hand los. "Ungefähr zwei Sekunden lang, aber der erste Eindruck täuscht manchmal." Rachel verstand seine Worte falsch. "Ich nehme an, das passiert Ihnen oft. Ich meine, so wie Sie aussehen ..." Sie schloss die Augen und atmete tief durch. Wenn du ein Loch gräbst, hör auf, bevor es zu tief ist und du nicht mehr herauskommst, sagte sie sich. "An Ihrem Aussehen ist nichts auszusetzen." "Und an Ihrem auch nicht, egal, was Ihr Freund sagt." Er klang amüsiert. "Ein Mann, der Ihnen vorschreibt, was Sie anziehen sollen, wird Ihnen vermutlich auch vorschreiben, was Sie denken sollen. Gute Nacht, Rachel." "Das werde ich nicht zulassen." "Braves Mädchen." Er umfasste ihr Kinn und berührte ihre Lippen mit seinen. Falls dieser keusche KUSS bei ihr den Wunsch nach mehr wecken sollte, dann funktionierte es! "Ich werde nicht Lebewohl sagen. Ich glaube, wir werden uns bald wieder begegnen."
Benommen blickte sie ihm nach. Sie wusste, dass seine Worte nichts zu bedeuten hatten, fragte sich jedoch, was sie tun würde, wenn er eines Tages wieder bei ihr auftauchte.
2. KAPITEL "Oh, wenn sie eine Leihgabe von Albert ist, dann ist sie wenigstens nett anzusehen." Benedict verzog den Mund. Er war nicht gerade glücklich über die Vorstellung, mit einer Fremden zusammenzuarbeiten. Maggies Voraussicht grenzte ans Übersinnliche. "Trotzdem finde ich es gemein, Mags, dass Sie mich an meinem ersten Tag hier im Stich lassen." "Ich könnte bleiben und Händchen halten, wenn Dir Aufenthalt in Australien Sie verweichlicht hat. Ich verstehe zwar kein Wort Deutsch, aber ich könnte einen intelligenten Eindruck machen." Seine Sekretärin warf ihm einen wenig mitfühlenden Blick zu, während sie weiter in der Akte blätterte. "Da sind sie ja", rief sie schließlich und nahm ein Bündel Papiere heraus. "Ich möchte Rachel alles ordentlich hinterlassen." Er lächelte bei der Erinnerung an diesen Namen. "Würden Sie Ihren Urlaub mir zuliebe wirklich abblasen?" "Nein, ich kann es gar nicht erwarten, von hier wegzukommen", gestand sie. "Schön, wenn jemand so gern arbeitet." "Sie haben gut reden. Sie haben sich mit Ihrer Rückkehr auch Zeit gelassen. Und außerdem ..." Energisch schob sie ihre modische Brille hoch. ".... bin ich Rechtsanwaltsgehilfin und keine Sklavin..." Benedict setzte sich auf die Ecke seines Schreibtischs. ."Assistentin' klingt dynamischer." "Momentan fühle ich mich nicht besonders dynamisch."
"Sie würden lieber mit Ihrem Mann an einem tropischen Strand liegen als hier bleiben?" fragte er ungläubig. "Sie können mich ruhig seltsam finden ... Ah, da sind Sie ja, Rachel!" rief Maggie, als sie im Nebenzimmer ein Geräusch hörte. "Rachel French, das ist Benedict Arden. Sie kennen sich wahrscheinlich noch nicht. Er hat gerade einen Rundgang gemacht, als Sie angefangen haben." Rachels Lächeln verschwand. Er war es tatsächlich. Rachel wusste nicht genau, wie lange der Schock anhielt. Jedenfalls wurde sie erst wütend, und dann fühlte sie sich gedemütigt. Handelte es sich um einen schlechten Scherz? "Ich lasse Sie beide allein. Ich habe Rachel schon alles gezeigt und sie gewarnt, dass sie bald nur noch ein Schatten ihrer selbst sein wird. Also seien Sie nett zu ihr, denn im Gegensatz zu mir braucht sie ihre Pfunde." Maggie warf ihrem Arbeitgeber einen Blick zu, der ihre Zuneigung nicht verbarg. "Das werde ich, Mags." Das kann ja heiter werden, dachte Benedict, als er seine neue Assistentin ansah und den feindseligen Ausdruck in ihren Augen bemerkte. "Er arbeitet viel zu hart und vergisst immer, dass seine Mitmenschen ein Privatleben haben." Maggie hat nichts gemerkt, dachte Rachel ungläubig. Sie schwieg beharrlich, denn wenn sie das sagte, was ihr auf der Zunge lag, hätte sie bestimmt ihren Job verloren. Soweit sie den Klatschseiten entnehmen konnte, hatte Benedict Arden, der Sohn von Sir Stuart Arden, dem Inhaber der Kanzlei, sehr wohl ein Privatleben. Rachel betrachtete ihn mit unbewegter Miene, doch ihre Augen funkelten spöttisch. Sein Anzug hatte vermutlich mehr als zwei ihrer Monatsgehälter gekostet. Und sie hatte geglaubt, er würde in einer heruntergekommenen Wohnung hausen! Unwillkürlich ballte sie die Hände zu Fäusten, und nur nebenbei nahm sie wahr, wie Maggie das Zimmer verließ. "Sie arbeiten also für Albert."
"Stimmt." "Seine Sekretärinnen verfügen immer über ausgezeichnete Fähigkeiten." "Wollen Sie damit sagen, dass ich den Job wegen meiner Beine bekommen habe?" Ihr war nicht entgangen, dass er ihre Beine betrachtete. Die schwarze Hose, die sie trug, ließ ihre Form allerdings nur erahnen. "Regen Sie sich nicht auf. Ich glaube nicht, dass Sie mit dem Chef schlafen. Jeder weiß, dass Albert nur gern schaut. Er ist glücklich verheiratet." "Wie schön zu wissen!" "Sicher wollen Sie wissen ..." "Maggie hat mir alles gezeigt. Ich habe die wichtigen Dokumente übersetzt. Ich weiß nicht, ob Sie sie schon gelesen haben..." Benedict Arden hatte die Lider gesenkt und stand auf. Er war einer der wenigen Männer, die lange Haare tragen konnten, und er war weiter über das Teenageralter hinaus, als sie, Rachel, angenommen hatte. Aber warum überraschte sie das, wenn sie ihn sonst auch in jeder Hinsicht falsch eingeschätzt hatte? Da sein Haar jetzt kurz war und er sich rasiert hatte, kamen seine markanten Züge voll zur Geltung. Er war umwerfend attraktiv. "Wir müssen zusammenarbeiten ..." "Vielleicht." Sie sagte es so, als hätte sie eine Wahl, was natürlich nicht der Fall war. "Die Rolle passt zu Ihnen." So wie er aussah, wollten viele aufstrebende leitende Angestellte in London aussehen - von der geschmackvollen Seidenkrawatte bis zu den auf Hochglanz polierten handgefertigten Schuhen. "Aber darauf verstehen Sie sich ja." Rachel stöhnte insgeheim auf. Jeder würde denken, dass sie gefeuert werden wollte. Vor ihrem geistigen Auge sah sie all die Rechnungen vor sich, die sie bis zum Monatsende bezahlen musste. Gib dich kühl und geschäftsmäßig, sagte sie sich.
"Dann sollten wir vielleicht unsere Differenzen beilegen", sagte Benedict Arden, ohne auf ihre scharfe Bemerkung einzugehen. Ärgerlich stellte sie fest, dass sie sich kindisch vorkam, wenn er die Augenbrauen hochzog. "Ich bin Sekretärin. Ich brauche keine Erklärungen, sondern Anweisungen." "Gut", erwiderte er leicht ungeduldig. "Anweisung eins: Setzen Sie sich." Er nahm einen der italienischen Designerstühle aus hellem Holz und zog ihn heran. "Wie können Sie es wagen, so mit mir zu reden?" fragte sie entgeistert. "Bitte." Sein Lächeln führte ihr vor Augen, dass seine Ausstrahlung jetzt nicht weniger gefährlich war als bei ihrer ersten Begegnung. Darüber konnten auch sein perfektes Outfit und sein kultiviertes Auftreten nicht hinwegtäuschen. "Schon besser", meinte er beifällig, als sie sich widerstrebend auf den Stuhl setzte. Er streifte ihren Nacken, als er den Stuhl losließ, und sie versuchte, nicht darauf zu reagieren. Sie hoffte, dass es Abscheu war, was sie erschauern ließ. "Warum sind Sie wütend?" Rachel wandte den Kopf. "Das bin ich nicht." "Als Sie hereingekommen sind, war ich verblüfft und neugierig", fuhr er ungerührt fort. "Auf mich haben Sie aber keinen verblüfften Eindruck gemacht." "Ich habe gelernt, meine Gefühle mit einem gewandten Auftreten zu überspielen." "Machen Sie sich über mich lustig?" "Warum so wütend, Miss French? Und streiten Sie es nicht ab. Ihre Augen sprühen Funken, seit Sie mich gesehen haben." Jetzt würde sie ihm sagen, was sie von ihm hielt. Plötzlich in ihr Leben zu treten und genauso plötzlich wieder zu verschwinden, so dass sie enttäuscht und unzufrieden war ...
"Ich hasse Lügen." In den unmöglichsten Momenten hatte sie sich dabei ertappt, dass sie sich fragte, was er gerade machte. Jetzt hatte sich herausgestellt, dass sein Lebensstil sich tatsächlich grundlegend von ihrem unterschied - allerdings nicht so, wie sie angenommen hatte. "Genau genommen, habe ich nicht gelogen." Das stimmte auch. Seine Moralvorstellungen waren nicht so hehr, dass er die Wahrheit nicht ein wenig ausgeschmückt hätte, wenn es nötig gewesen wäre. "Und was ist mit ,Steve'?" "Das war Charlies Idee." "Warum hätte meine Tochter einen Namen für Sie erfinden sollen?" fragte Rachel spöttisch. "Weil sie mich als ihren verloren geglaubten Bruder ausgegeben hat. Mir hat der Name gefallen, denn ,Steve' klingt so solide. Ich gebe zu, dass ich nicht Steven heiße, aber trotzdem bin ich der Mann, der Ihre Tochter gerettet hat obwohl sie es nicht wollte." Geistesabwesend biss sie sich auf die Lippe. Ja, Benedict Arden hatte Charlie gerettet. Das mit dem Bruder ergab jedoch keinen Sinn. "Sie haben sich auf meine ... unsere Kosten amüsiert. Sicher wird die Geschichte ,Als ich mich unters gemeinte Volk mischte' Ihnen monatelang Einladungen zum Essen verschaffen. Und ich habe Sie bemitleidet!" Ihre Stimme überschlug sich beinah. "Mitleid ist nicht gerade konstruktiv", erinnerte er sie. "Aber Sie haben nicht nur Mitleid verspürt." Die Art, wie er sie betrachtete, alarmierte Rachel genauso wie seine Worte, aber zum Glück ging er nicht weiter darauf ein. "Ich finde es sonderbar, dass Sie mich sympathischer fanden, als Sie dachten, ich würde zum Pöbel gehören. Ich weiß, es ist eine unverzeihliche Sünde, dass ich mich weder als Angehöriger der Unterwelt noch als Schlägertyp mit einem Herz aus Gold
entpuppt habe. Ist Ihnen schon mal der Gedanke gekommen, dass diese Sehnsucht nach ... etwas Ungezügeltem ..." Sie stieß einen wütenden Laut aus. "... eine Reaktion auf den Mann sein könnte, mit dem Sie zusammen sind? Sie sind auf der Suche nach etwas Gefährlicherem." "Ich bin nicht auf der Suche." "Wenn ich eine Frau kennen lerne, weiß sie normalerweise, was ich mache, wer meine Familie ist und wie mein Kontostand ist..." Rachel beobachtete, wie er sich rittlings auf einen Stuhl setzte. "Mir blutet das Herz ... Und Sie sehnen sich verzweifelt nach jemandem, der Sie um Ihrer selbst willen liebt", bemerkte sie sarkastisch. "Und deswegen laufen Sie herum wie ein Dealer!" "Laden Sie oft Dealer in Ihr Haus ein?" erkundigte Benedict Arden sich interessiert. "Ich war Ihnen dankbar ...", begann sie, doch er fiel ihr ins Wort. "War?" "Ich bin Ihnen dankbar", verbesserte sie sich, und ihr Tonfall strafte ihre Worte Lügen. "Und Sie haben mir Leid getan, falls Sie es unbedingt wissen wollen." Das ist die Strafe dafür, dass ich so sentimental war, dachte sie. "Sie dürfen die Schuld daran nicht sich geben. Ihr Körper ist darauf programmiert, einen Partner zu finden. Hormone scheren sich nicht um so etwas wie Herkunft oder finanzielle Dinge." "Lassen Sie meine Hormone aus dem Spiel!" rief sie. "Na gut." Benedict Arden lächelte sinnlich, und sie hätte am liebsten geschrien. "Mitleid ist mir lieber als Habgier." "So etwas Dummes kann nur jemand sagen, der aus der privilegierten Schicht kommt." "Sie haben Ihre eigenen Ansichten, was Wohlstand betrifft?"
"Nein, nur was Sie betrifft. Ich halte Sie für verwöhnt... verantwortungslos ..." Sie verstummte und biss sich auf die Lippe. "Sprechen Sie ruhig weiter", forderte er sie mit einem herausfordernden Lächeln auf. "Lassen Sie sich nicht dadurch beirren, dass ich Ihr Chef bin." "Nur vorübergehend." "Zum Glück?" "Sie haben viel Einfühlungsvermögen." "Und Sie sind sehr misstrauisch, Miss French. Lassen Sie uns einige Dinge klarstellen. Als ich Ihrer Tochter begegnet bin, wollte ein besorgtes Ehepaar sie gerade zur Polizei bringen. Da sie sehr einfallsreich und abgebrüht ist, hat sie mich als ihren Bruder ausgegeben. Anscheinend habe ich schlimm genug ausgesehen, um in den Augen des Gesetzes unglaubwürdig zu wirken und das nette Ehepaar abzuschrecken..." Das wütende Funkeln in ihren Augen wich einem nachdenklichen Ausdruck. So etwas traute sie Charlie durchaus zu. "Das erklärt aber nicht Ihr Aussehen und die Tatsache, dass ich gedacht habe ..." Rachel schüttelte skeptisch den Kopf. "Warum haben Sie es mir nicht einfach gesagt?" "Wenn Sie hier arbeiten, wissen Sie ja, dass ich sechs Monate auf einer Rinderzuchtfarm in der Nähe von Queensland gearbeitet habe und gerade zurückgekommen bin. Deswegen war mein Outfit nicht gerade elegant. Sie und Ihr Begleiter haben einfach nur falsche Schlüsse gezogen. Wie war das Essen bei den Wilsons? Haben Sie etwas Passendes getragen?" Sie verspannte sich und errötete. "Nigel ist erkältet. Wir waren nicht dort." "Ich habe Charlie in ein Taxi gesetzt und bin ihr hinterhergefahren, weil ich ihren Rabeneltern die Meinung sagen wollte. Ich habe ungefähr zehn Sekunden gebraucht, um festzustellen, dass ich mich getäuscht hatte, und angesichts Ihrer Schönheit zu verstummen..."
Rachel wollte ihm sagen, dass derart lächerliche Behauptungen bei ihr nur Brechreiz hervorriefen. Plötzlich erinnerte sie sich an den leeren Ausdruck, der sie zuerst zu der Annahme veranlasst hatte, er wäre nicht besonders intelligent. Er meinte es doch nicht etwa ernst, oder? Aus irgendeinem Grund konnte sie keinen klaren Gedanken mehr fassen. "Sagen Sie so etwas nicht!" "Das ist mein neues Ich." "Ich bin nicht schön, sondern einigermaßen attraktiv." Benedict Arden sollte nicht merken, wie schockiert sie war. Es war nicht schwer zu erraten, wie er zu seinem Ruf als Frauenheld gelangt war. Er zuckte die Schultern. "Man sagt, Schönheit entsteht im Auge des Betrachters. Und dieser Betrachter ..." Er tippte sich auf die Brust. "... hat ein Auge für Schönheit - und für ein gutes Herz." "Und das haben Sie ja auch weidlich ausgenutzt." "Ich bin in Versuchung geraten, aber ich bin davon ausgegangen, dass Sie mir kein Bett für die Nacht anbieten." Sie stieß einen wütenden Laut aus. "Sie hatten Recht!" Hatte er denn überhaupt kein Schamgefühl? "Nun, da wir das geklärt haben, fühle ich mich viel besser", gestand er seufzend. "Ich habe schon überlegt, wie ich Ihnen beibringen soll, dass ich ganz respektabel bin. Ich hatte gehofft, mein wildes Äußeres wäre nicht der Grund für die Anziehungskraft, und falls Sie auf Leder stehen ..." "Respektabel!" wiederholte sie ungläubig. "Ich erinnere mich an unsere erste Begegnung, wie ich mich an eine nette Anekdote erinnere, die man beim Essen zum Besten gibt." "Reden Sie es sich ruhig ein." Benedict stützte das Kinn in die Hand und wurde ernst. Das Gesundheitsministerium müsste vor dem Ausdruck in seinen Augen warnen, ging es ihr durch den Kopf, und ihre Haut prickelte.
"Außerdem ist es einfacher, Sie dann zum Essen einzuladen", fügte er fröhlich hinzu. "Ich werde langsam und deutlich sprechen, weil mir jetzt klar ist, dass mein erster Eindruck von Ihnen richtig war ..." "Und was war Ihr erster Eindruck?" "Zu viele Muskeln und zu wenig Grips - ein schöner Dummkopf! " erklärte Rachel wütend. "Ich bin verlobt", fuhr sie schnell fort. "Ich gehe nicht mit anderen Männern aus." "Ich sehe keinen Ring", bemerkte er skeptisch. "Wir haben eine Vereinbarung." "Neulich schien er aber nicht viel Verständnis für Sie zu haben. Netter Kerl, aber er hat nicht viel Fantasie." Dieser arrogante ... "Nur zu Ihrer Information: Nigel hat sehr viel Fantasie." "Das freut mich für Sie", erwiderte Benedict ernst. "Ein gutes Liebesleben ist wichtig." Prompt errötete sie wieder. "Ich wollte damit nicht sagen, dass er im Bett viel Fantasie hat." Er nickte mitfühlend. "Das hatte ich eigentlich auch nicht erwartet." "Nigel ist zehn Mal mehr wert als Sie!" "Das ist ein bisschen hart", schalt er sie. "Ich habe keinen Bauchansatz gesehen, aber damit muss man bei Männern in einem gewissen Alter rechnen. Er scheint sich gut gehalten zu haben. Leben Ihre Eltern noch?" Dieser abrupte Themenwechsel verwirrte sie. "Nein. Meine Tante Janet hat mich großgezogen." Janet French war immer für sie da gewesen. Sie war vor kurzem gestorben, und ihr Verlust hatte sie tief getroffen. "Ein reiner Frauenhaushalt", verkündete Benedict triumphierend. "Das hatte ich mir gedacht. Und jetzt sind Sie mit Charlie allein. Sie suchen einen Vaterersatz, keinen Liebhaber, Rachel."
"Dummes Psychogeschwätz." Spöttisch verzog Rachel die Lippen. "Das ist sexuelle Belästigung." "Nein, gegenseitige Anziehungskraft, das haben wir beide sofort gemerkt. Wenn ich kein Gentleman wäre, wäre es nicht bei einem Gutenachtkuss geblieben." "Sie haben ein unglaubliches Ego!" brachte sie hervor. "Ich würde Sie nicht einmal nehmen, wenn Sie in Geschenkpapier eingewickelt wären." "Stehen Sie auf so etwas? Ich habe mit Fetischismus nichts am Hut." "Und ich habe mit schmutzigen Anspielungen nichts am Hut." "Wenn es Ihnen lieber ist, können wir Berufliches und Privates streng voneinander trennen. Dass wir uns hier unterhalten, ist reiner Zufall. Wir mussten unsere Differenzen beilegen." "Unser Verhältnis zueinander ist rein beruflich", fühlte sie sich verpflichtet zu sagen. Er war hartnäckig, das musste man ihm lassen. Unter anderen Umständen hätte sie sich vielleicht geschmeichelt gefühlt. Sei ehrlich, Rachel, er ist umwerfend attraktiv, sagte sie sich. Wenn sie ungebunden gewesen wäre, hätte sie der Versuchung vielleicht nachgegeben. Aber sie war es nicht. Sie hatte ein Kind und zahlreiche Verpflichtungen. Sie tat nichts in einem plötzlichen Impuls - sie konnte es nicht. Sie hatte es einmal mit neunzehn getan und wusste, welche Konsequenzen es gehabt hatte - nicht, dass sie es je bereut hätte, ihr Kind behalten zu haben. "Das wird sich ändern, Rachel", sagte Benedict so selbstsicher, dass sie beunruhigt war. "Ich bin allein erziehende Mutter." "So? Gehen Sie denn nur mit potentiellen Vaterfiguren aus? Hatten Sie sich schon entschieden, als Steve bei Ihnen aufgetaucht ist?"
"Wenn ich die Wahl hätte, würde ich Sie nicht einmal in die Nähe meiner Tochter lassen!" Benedict Arden, der erklärte Genussmensch, hatte doch keine Ahnung, wie es war, ein Kind allein großzuziehen. "Wissen Sie was? Sie sind noch oberflächlicher, als ich nach dem Büroklatsch gedacht hatte. Es ist nicht ungewöhnlich, auch auf die Gefühle anderer Rücksicht zu nehmen." "Sie wollen wissen, was ich denke?" erkundigte er sich ungerührt. "Würde es einen Unterschied machen, wenn ich Nein sagen würde?" "Ich glaube, Sie hatten beschlossen, Steve die Tür zu öffnen, und das nicht nur, um zu beweisen, dass Sie kein Snob sind." Rachel setzte eine spöttische Miene auf, obwohl ihr klar war, dass seine Worte ihr keine Ruhe lassen würden. Steve hatte nicht existiert, aber dieser Mann existierte, und sie wusste instinktiv, dass Benedict Arden der gefährlichere der beiden war. "Sie sind keine Maschine und können Ihre Gefühle nicht kontrollieren. Sie sind eine allein stehende Frau, die zufällig ein Kind hat. Sie werden den guten alten Nigel niemals heiraten, denn trotz all seiner bewundernswerten Eigenschaften langweilt er Sie zu Tode." Benedict nickte zufrieden, als sie schuldbewusst dreinblickte. "Ich bitte Sie nur darum, Brot mit mir zu brechen und vielleicht eine Flasche Wein aufzumachen vielleicht auch zwei." "Wissen Sie eigentlich immer, was Sie wollen?" fragte sie ärgerlich. Ein seltsamer Ausdruck huschte über sein Gesicht und verstärkte die Fältchen in seinen Mundwinkeln. "Ich bin hier, oder?" Benedict zerrte an seiner Krawatte, als wäre sie plötzlich zu eng. "Haben Sie heute Abend Zeit?" "Ich mag Sie nicht einmal."
"Das wird sich geben - ich bin ein liebenswerter Typ." Sein Lächeln wirkte etwas selbstironisch. "Denken Sie darüber nach." Er warf einen Blick auf seine Rolex. "Die Besprechung mit Kurt ist in zwanzig Minuten, stimmt's?" Rachel warf ebenfalls einen Blick auf ihre Armbanduhr und stellte erschrocken fest, dass sie den vollen Terminplan ganz vergessen hatte. "Ja", erwiderte sie unsicher. "Als ich letztes Jahr mit ihm zu tun hatte, hat er seinen eigenen Übersetzer mitgebracht. Sie müssen Eindruck auf ihn gemacht haben. Sprechen Sie fließend Deutsch?" Als er aufstand, erhob sie sich ebenfalls. "Deutsch, Italienisch und Französisch", bestätigte sie. Als der Übersetzer nicht erschienen war, hatte sie ihre Fähigkeiten unter Beweis gestellt. Eigentlich hätte sie froh darüber sein müssen, dass Benedict nun über ihre Tätigkeit sprach. Sie wusste, dass sie gut in ihrem Job war. Albert hatte während Benedicts Abwesenheit einen Teil seines Aufgabengebiets übernommen, und zwar hauptsächlich Gesellschaftsrecht, doch dieser Klient wollte, dass Benedict den Fall übernahm. Albert war darüber, wie es schien, sehr froh gewesen, weil es sich um einen komplizierten Fall handelte. Da der Klient außerdem sie verlangt hatte, hatte man beschlossen, ihr die Urlaubsvertretung für Benedict Ardens Assistentin zu übertragen. Zu dem Zeitpunkt hatte sie allerdings noch nicht gewusst, wer Benedict Arden war. "Warum arbeiten Sie nicht als Übersetzerin?" "Das habe ich, als Charlie ein Baby war. Ich habe vorwiegend Manuskripte übersetzt." "Zu Hause?" Sie nickte. "Bestimmt haben Sie sich ziemlich isoliert gefühlt." "Als Charlie größer war, habe ich für eine Anwaltskanzlei in der Nähe gearbeitet."
"Und wo haben Sie gewohnt?" "In Shropshire." Entsetzt stellte sie fest, wie geschickt er sich darauf verstand, sie auszufragen, ohne etwas von sich preiszugeben. Dann fiel ihr jedoch sein bitterer Ausdruck ein, als Benedict angedeutet hatte, er wäre lieber woanders. War er schon unzufrieden mit seinem Beruf, oder passte dieser nicht zu seinen Vorstellungen von einem Leben im großen Stil? "Dort hat Ihre Tante Sie großgezogen. Und wäre es weit hergeholt, zu sagen, dass diese Tante nicht allzu scharf auf Männer war?" "Die Erfahrung hat mich gelehrt, vorsichtig zu sein." "Charlies Vater?" "Ich rede nicht mit Fremden über meine Tochter." "Ich interessiere mich für Sie, aber wenn es Sie glücklich macht, warte ich damit." Es machte sie nicht glücklicher, verschaffte ihr jedoch eine Atempause. Und während der engen Zusammenarbeit mit ihm stellte sie fest, dass er sehr kompetent war, auch wenn es ihm vielleicht an Hingabe mangelte, und das nötigte ihr Bewunderung ab. "Wir arbeiten gut zusammen, finden Sie nicht?" Rachel stellte die letzte Akte weg und antwortete nicht, obwohl sie sich seiner Nähe überdeutlich bewusst war. "Erzählen Sie das nicht Mags. Wann soll ich Sie abholen?" "Abholen?" Sie sah auf. "Zum Abendessen." "Heute gehe ich mit meiner Tochter Pizza essen, und selbst wenn es nicht der Fall wäre, würde ich nicht mit Ihnen ausgehen." "Wir können gern zu Hause bleiben." "Ich versuche nur, höflich zu sein." "Das brauchen Sie nicht. Sie haben seit einer halben Stunde Feierabend", meinte Benedict großzügig.
"Warum tun Sie das?" Er schien über die Frage ernsthaft nachzudenken, und sie hatte den flüchtigen Eindruck, dass er genauso verwirrt war wie sie. "Hormone?" Beinah hätte sie laut gelacht. Da sie ihn allerdings nicht ermutigen wollte, setzte sie eine gleichgültige Miene auf. "Sind Sie es vielleicht nur nicht gewohnt, zurückgewiesen zu werden? Gehören Sie zu den Männern, die lieber jagen, und dann sofort das Interesse verlieren, wenn sie die Beute haben?" "Um Ihre erste Frage zu beantworten: Auch ich wurde schon zurückgewiesen ..." "Sicher." "Dass Sie mir nicht glauben, ist sehr schmeichelhaft." "Das sollte es aber nicht sein." "Ich würde Ihre Kapitulation genauso genießen, wie Sie es genießen würden, zu kapitulieren." Hitzewellen durchfluteten sie, und Rachel war wütend auf sich selbst, weil ihre Fantasie bei dem Wort Kapitulation mit ihr durchging. "Aber dass die Jagd das Wichtigste sein soll, ist absoluter Quatsch. Und was Gefühle betrifft, weiß man nie, wie lange sie anhalten." "Reden wir hier von Stunden oder von Tagen?" konterte sie. Leider klang es wenig überzeugend. "Ich kann Qualität garantieren, kein ..." "Standvermögen?" Sie nahm die Jacke ihres Hosenanzugs vom Haken. "Lassen Sie mich mal." Widerwillig ließ sie sich von ihm hineinhelfen. "Kann ich Sie nicht in Versuchung führen?" Ihre Finger zitterten ein wenig, als sie die Jacke zuknöpfte. Benedict blieb hinter ihr stehen, die Hände erhoben. Obwohl er ihre Schultern nicht berührte, schien es ihr so. Es war ein seltsames Gefühl.
Als sie sich zu ihm umwandte und energisch den Kopf schüttelte, musste sie sich eingestehen, dass er sie tatsächlich in Versuchung führte. Obwohl er oberflächlich, unaufrichtig und hemmungslos war und eindeutig nicht zu ihr passte, sehnte sie sich nach ihm. Ihre Hormone spielten ihr einen Streich. So schockierend diese Erkenntnis auch war, so war sie, Rachel, entschlossen, kühl zu bleiben. Sie konnte damit fertig werden. Es war nur Verlangen und hatte nichts mit Gefühlen zu tun. "Bestellen Sie Charlie herzliche Grüße", rief Benedict seiner Sekretärin nach. Für ihn sah es so aus, als wollte sie beim Verlassen des Gebäudes sämtliche Rekorde brechen. Oder war er es, vor dem sie floh? Leise vor sich hin pfeifend, kehrte er in sein Büro zurück.
3. KAPITEL "Wohin wollen Sie?" Rachel merkte, dass sie mit ihrem derzeitigen Chef zusammengestoßen war. "T... tut mir Leid", brachte sie hervor. Nachdem sie sich einen Vormittag distanziert gegeben hatte, warf sie sich ihm förmlich in die Arme. Plötzlich verspürte sie den überwältigenden Drang, ihm von ihren Problemen zu erzählen. Sie sagte sich jedoch, dass es der falsche Ort und die falsche Person waren, während sie vergeblich versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien. "Wollen Sie die Mittagspause im Park verbringen?" Benedict wurde ernst, als er sah, wie blass sie war. "Was ist los?" Er umfasste ihre Schultern, und der Duft ihres leichten, blumigen Parfüms stieg ihm in die Nase. Der gequälte Ausdruck in ihren großen Augen übte eine seltsame Wirkung auf ihn aus. "Es tut mir Leid, aber ich muss los ... Charlie ... Es ist ein Notfall. Ich habe Ihnen eine Nachricht hinterlassen ..." Rachel legte Benedict die Hände auf die Brust und versuchte, an ihm vorbeizugehen. Was mochte er nur von ihr denken? Sie arbeitete erst den zweiten Tag für ihn und lief weg. Sie würde es ihm später erklären. "Halt! Was ist los?" "Ich weiß, dass es ungelegen kommt, aber ich ..." "Vergessen Sie es, und sagen Sie mir, was los ist." "Die Direktorin hat angerufen. Charlie ist in der Notaufnahme ..."
"In welchem Krankenhaus?" Er nickte, als sie es ihm sagte. "Kommen Sie, ich bringe Sie hin." "Was ..." Ihre früheren Chefs hatten in den seltenen Fällen, wenn Charlie etwas angestellt hatte, bestenfalls ungeduldig reagiert und ihr schlimmstenfalls mangelnde Professionalität vorgeworfen. "Ich dachte, Sie hätten es eilig." "Das habe ich auch." Rachel lächelte erleichtert, denn mit öffentlichen Verkehrsmitteln hätte sie über eine Stunde gebraucht. "Aber ich möchte Ihnen keine Umstände machen ..." "Halten Sie den Mund, Rachel. Ich versuche Ihnen zu zeigen, was für ein netter Typ ich bin. Damit habe ich mindestens eine Verabredung zum Abendessen bei Ihnen gut." Benedict lächelte gewinnend. "Ich lade Sie ein", versprach sie. Als er den dankbaren Ausdruck in ihren Augen sah, dachte er, dass er seine Dienste vielleicht zu niedrig veranschlagt hatte. Die Hand auf ihrer Schulter, führte er sie aus dem Gebäude. Er zerbrach sich den Kopf darüber, wann er sich das letzte Mal richtig Mühe gegeben hatte, um einer seiner Freundinnen zu gefallen, doch ihm fiel nichts ein. Allerdings hatten die Katastrophen im Leben seiner früheren Freundinnen allenfalls in einem abgebrochenen Nagel bestanden oder darin, keinen Friseurtermin zu bekommen. Als Rachel den Vorhang um das Bett zurückzog, bot sich ihr ein Mitleid erregender Anblick. "O Charlie!" "Ich weiß, ich seh' furchtbar aus, aber das Haar wächst wieder. Sie mussten es abrasieren, damit sie die Wunde nähen konnten. Das Blut ist aus meiner Nase." Charlie berührte die blutbefleckte Bluse ihrer Schuluniform. "Sonst ist mir nichts passiert." "Herzlichen Glückwunsch", bemerkte Rachel trocken, als sie sich ans Ende der Trage setzte.
"Sie wollen mich rauswerfen, also muss ich fit sein." "Und will Mrs. Faulkner dich auch rauswerfen?" Als sie die Direktorin in der Aufnahme zurückgelassen hatte, hatte diese ziemlich gestresst gewirkt. "Das hoff ich. Es ist eine blöde Schule. Die halten sich alle für so clever." "Und du nicht?" "Das ist was anderes", erwiderte Charlie ungeduldig. "Aber musst du dich gleich prügeln, Charlie?" Charlie zog die schmalen Schultern hoch. "Er war viel größer als ich. Ich würd' kein kleines Kind schlagen. Und ich hab ihn nicht verletzt. Ich bin nämlich die Treppe runtergefallen, bevor ich die Gelegenheit dazu hatte." "Mrs. French?" Eine Krankenschwester betrat das Zimmer. "Wenn sie irgendeines dieser Symptome zeigt ..." Besorgt überflog Rachel die Liste, die die Schwester ihr in die Hand drückte. "... bringen Sie sie sofort hierher. Ihr Hausarzt soll in zehn Tagen die Fäden ziehen. Hier ist der Bericht für ihn. Tut mir Leid, dass ich Sie wegschicken muss, aber heute Nachmittag ist hier viel los." Die Direktorin war in ein Gespräch mit Benedict vertieft, als Rachel mit Charlie in die Aufnahme zurückkehrte. Sie wirkte sehr viel entspannter als vorher, und sie, Rachel, war ihm ausnahmsweise einmal dankbar für seinen Charme. "Können wir uns kurz unterhalten, Miss French?" Die Direktorin blickte Charlie an. "Allein?" "Ich weiß, dass du nicht zu Fremden in den Wagen steigst, Charlie, aber vielleicht hättest du Lust, dir mal meinen anzusehen - mit der Erlaubnis deiner Mutter", schlug Benedict vor. "Was fahren Sie denn?" "Einen Mercedes?" "Was für einen?" Er sagte es ihr, und Charlie machte große Augen.
"Wow!" Hoffnungsvoll sah sie ihre Mutter an. Als Rachel wenige Minuten später zu seinem Wagen zurückkehrte, fachsimpelte Charlie gerade mit Benedict. "Tut mir Leid, dass es so lange gedauert hat." Sie blickte durch das offene Fenster auf der Beifahrerseite. "Ich hab mich nicht gelangweilt", erklärte Charlie fröhlich. "Er hat überhaupt keine Ahnung von diesem Wagen." "Jetzt schon", bemerkte Benedict trocken. "Ich habe mich bei Mr. Arden entschuldigt, nicht bei dir, Charlie. Wir fahren mit dem Taxi nach Hause." "Seien Sie nicht albern, Rachel." Bevor sie darauf reagieren konnte, hörte sie jemand ihren Namen rufen. "Rachel!" Beim Klang der vertrauten Stimme wirbelte sie herum. "Nigel!" Verblüfft sah sie ihren Freund an. "Was machst du denn hier?" "Ich arbeite hier, falls du es vergessen haben solltest. Aber was machst du hier?" Seine Miene veränderte sich, als er Charlie sah. "Aha, Charlie hat etwas angestellt. Warum hast du mich nicht angerufen, Schatz?" Deswegen war ihr, Rachel, der Name des Krankenhauses so bekannt vorgekommen. Der Klang des Koseworts machte sie seltsam verlegen. "Es ging alles so schnell. Ich habe im Büro einen Anruf bekommen, und Mr. Arden hat mir netterweise angeboten, mich herzufahren. Wie geht es dir? Ist deine Erkältung besser?" Wie hätte sie zugeben können, dass sie überhaupt nicht an Nigel gedacht hatte? Sie hatte ja sogar vergessen, dass er in diesem Krankenhaus arbeitete! "Es geht mir gut", erwiderte er schnell. "Kennen wir uns?" Stirnrunzelnd blickte er Benedict an, und Rachel hielt den Atem an. "Schon möglich", erwiderte Benedict ruhig. "Ich heiße Ben Arden."
"Sind Sie mit Stuart Arden verwandt?" "Das ist mein Vater." "Ja, Sie sehen ihm ähnlich." Benedict nickte gleichgültig, denn er wusste, dass er seinem Vater überhaupt nicht ähnelte, sondern nach seinem italienischen Großvater mütterlicherseits schlug. "Wir sind im selben Golfclub", fügte Nigel hinzu. "Ich bringe dich nach Hause, Rachel. Einen Moment noch." Er nahm seinen Pieper aus der Brusttasche seines Kittels. "Lassen Sie nur. Es liegt auf dem Weg", versicherte Benedict. Als er sie anlächelte, warf Rachel ihm einen frustrierten Blick zu. Jetzt, da ihre Panik verflogen war, wollte sie auf keinen Fall wieder zu ihm in den Wagen steigen. "Das ist sehr nett von Ihnen." Nigel lächelte dankbar. "Ich rufe dich heute Abend an, Rachel." Während Nigel sie auf die Wange küsste, war sie sich Benedicts forschenden Blicks bewusst. Vermutlich war es der Grund dafür, dass sie daraufhin den Kopf wandte, um den sichtlich überraschten Nigel auf den Mund zu küssen. Er wirkte verwirrt, aber erfreut, und sie verspürte sofort Gewissensbisse, weil sie ihn benutzte. Sie musste damit aufhören - eigentlich hätte sie es schon längst tun sollen. "Geh nach hinten, Charlie, und lass deine Mum vorn sitzen." Rachel bemerkte, dass Nigel erschrocken wirkte, als Charlie sofort gehorchte. "Vielleicht hat ihr der Schlag auf den Kopf gut getan", meinte er leise, als sie widerstrebend auf dem cremefarbenen Ledersitz Platz nahm, und winkte ihnen dann fröhlich nach. "Was hat er zu Ihnen gesagt? Sie sehen so mordgierig aus", fragte Benedict gespannt, als er losfuhr. "Ach, nichts." Sie wich seinem Blick aus und sagte sich, dass sie überempfindlich reagierte. Schließlich hatte Nigel nur Spaß gemacht. "Ich finde Steve besser. Benedict." Charlie krauste die Nase.
"Meine Freunde nennen mich Ben." "Ben. Ich fand es cool, als Mum mir erzählt hat, dass sie für Sie arbeitet." "Für dich ist er Mr. Arden", warf Rachel scharf ein. Dass Charlie Benedict toll fand, konnte sie gerade noch gebrauchen. "Mum war fuchsteufelswild, als sie rausgefunden hat, dass Sie uns an der Nase rumgeführt haben", sagte Charlie. "Ich glaub', sie ist immer noch sauer auf Sie." "Tatsächlich?" "Mach ein Nickerchen, Charlie. Du siehst müde aus", bemerkte Rachel, da sie wusste, dass sie Charlie nur so zum Schweigen bringen konnte. "Ich hab mir keine Sorgen um Sie gemacht so wie Mum." "Nein?" "Ich hab Ihre teure Uhr gesehen. Deswegen wusste ich, dass Sie entweder ein Dieb sein müssen oder ein exzentrischer reicher Typ." Mit einem zufriedenen Lächeln lehnte Charlie sich zurück. "Sie haben sich Sorgen um mich gemacht?" erkundigte sich Benedict mit einem selbstgefälligen Unterton, und Rachel fragte sich wütend, warum der Klang seiner Stimme eine so starke Wirkung auf sie ausübte. "Nicht mehr, als ich mich um andere Außenseiter der Gesellschaft sorge", erwiderte sie gleichgültig, obwohl sie innerlich aufgewühlt war. Sie würde niemals zugeben, dass vielmehr er es gewesen war, der sie so nachhaltig beeindruckt hatte. Allerdings war es ihr auch ungefährlich erschienen, von jemandem zu träumen, den sie nie wiedersehen würde, wie sie geglaubt hatte. Eine Weile herrschte Schweigen, und Charlie schlief auf dem Rücksitz ein. Daraufhin nahm Rachel die Liste, die die Krankenschwester ihr gegeben hatte, aus ihrer Tasche und überflog sie.
",Müde oder abgespannt'", las sie laut und blickte besorgt zu ihrer schlafenden Tochter. "Glauben Sie ...?" "Sie schläft nur, Rachel. Sie hat einen anstrengenden Tag hinter sich." Rachel lächelte gequält. Dann atmete sie tief durch und versuchte, sich zu beruhigen. Sie gab sich wirklich Mühe, nicht allzu gluckenhaft zu sein, doch manchmal... "Sicher halten Sie mich für eine neurotische Mutter." "Ich glaube, Sie haben die Mutterrolle perfektioniert, aber die Frauenrolle vernachlässigt." Seine Worte beunruhigten sie. "Sie finden mich unweiblich." "Ich halte Sie so ziemlich für die weiblichste Frau, der ich je begegnet bin." Ihr Magen zog sich zusammen, als Benedict ihr Gesicht betrachtete und den Blick dann tiefer schweifen ließ ... Gib mir Kraft, flehte sie stumm. "Sie versuchen nur, die Tatsache wettzumachen, dass Sie allein erziehend sind. Wann haben Sie das letzte Mal etwas für sich getan?" "Was meinen Sie damit?" "Etwas Spontanes, Egoistisches, meine ich ..." "Ich bin nicht sehr spontan." "Aber früher müssen Sie es mal gewesen sein." Rachel sah, wie er einen Blick in den Rückspiegel warf, und setzte eine eisige Miene auf. "Das geht Sie nichts an." "Stimmt", bestätigte er fröhlich. "Was glauben Sie, wie Charlie in acht Jahren zu Mute sein wird, wenn sie feststellt, dass Sie Ihr ganzes Leben auf sie ausgerichtet haben?" "Das habe ich nicht!" protestierte sie wütend. Unbehaglich erinnerte sie sich daran, dass Tante Janet im vergangenen Jahr etwas Ähnliches gesagt hatte, allerdings wesentlich taktvoller. "Wahrscheinlich wird sie Schuldgefühle haben, wenn sie ihren eigenen Weg gehen will. Sie tun ihr keinen Gefallen, wenn Sie Ihr Leben auf sie ausrichten."
"Das tue ich nicht!" "Noch nicht, aber Sie neigen dazu." "Sie haben doch keine Ahnung von Kindererziehung." "Vielleicht brauchen Sie einen unparteiischen Kritiker." Ihm kam der Gedanke, dass er gar nicht mehr so unparteiisch war. "Charlie wird immer der wichtigste Mensch in meinem Leben sein", sagte Rachel vehement. Benedict nickte verständnisvoll. "Führen Sie denn ein richtiges Leben, Rachel?" "Das dachte ich zumindest - bis Sie aufgetaucht sind und mich mit einigen klugen Worten eines Besseren belehrt haben." Sie warf ihm einen bitterbösen Blick zu. "Sie erzählen mir, wie ich leben soll! Sie leben doch auf einem anderen Planeten. Sie sind ein verwöhnter..." "Mir ist klar, dass Sie eher auf mich hören würden, wenn ich einige graue Haare und ein wichtigtuerisches Auftreten hätte ..." Rachel presste die Lippen zusammen. "Soll ich etwa glauben, dass Ihr Interesse und Ihre Besorgnis ganz selbstlos sind?" Benedict warf ihr einen beinah amüsierten Blick zu, als er vor dem Haus hielt, in dem sie wohnte. "Für so naiv habe ich Sie nie gehalten", gestand er geradezu herausfordernd ernst. "Warum regen Sie sich eigentlich so auf, wenn ich nett zu Ihnen bin, Rachel? Haben Sie etwa Angst davor, mich zu mögen?" Angst? Sie fürchtete sich panisch davor! Sicher hatte er nicht die Absicht, ihr Leben zu zerstören, doch Tornados hatten vermutlich auch keine bösen Absichten. Benedict gehörte zu den Menschen, die alle mochten. Auch Charlie mochte ihn bereits, und sie war normalerweise sehr zurückhaltend. Aber wenn sie erst jemand an sich heranließ ... Nein, es war völlig unverantwortlich, einen Mann wie ihn in ihr Leben zu lassen. Rachel lachte ein wenig von oben herab. "Sie sind so charmant ..." Die Hand am Türgriff, wandte sie sich halb zu ihm um.
"Vielleicht erlauben Sie mir, meinen Charme bei Ihnen spielen zu lassen?" Hilfe, dachte sie, und beschloss, sofort auszusteigen. Wenn ihre Beine ihr nur gehorcht hätten! Wenn er sie nur nicht so angesehen hätte! "Sie könnten mir einige Tipps geben, wie ich mich verbessern kann." "Ben...!" "Welch Fortschritt! Sie hat meinen Namen gesagt." Er machte eine ausholende Geste. "So schwer war es doch gar nicht, oder? Und nun zum Unterricht..." "Sie ... Sie sind albern", erklärte sie stockend, unfähig, den Blick von ihm abzuwenden. "Charlie ..." "Schläft wie ein Baby." Er umfasste ihr Kinn und streichelte mit dem Daumen ihre Wange. Sofort wurde der Ausdruck in seinen Augen intensiver, und sie war atemlos. Auch Benedict atmete schneller. "Ich möchte Sie küssen, Rachel French. Sagen Sie mir, dass Sie auch schon mit dem Gedanken gespielt haben." Er schluckte mühsam. "Es ist besser, wir belassen es dabei", erwiderte Rachel heiser. Benedict hatte den faszinierendsten Mund, den sie je gesehen hatte. Wie würde er sich wohl anfühlen? Atemlos wartete sie darauf, dass Benedict diese Frage beantwortete. "Aber es wäre frustrierend." Der verführerische Klang seiner Stimme ließ sie erschauern. Das musste ein Ende haben. "O verdammt!" rief sie, als sie die Anspannung nicht länger ertragen konnte. "Nun machen Sie schon." Sie schloss die Augen und beugte sich vor. Einen Moment herrschte Schweigen, dann begann Benedict schallend zu lachen. "Du meine Güte." Er lehnte sich zurück und wischte sich die Tränen aus den Augen. "Sie haben ausgesehen wie eine
Jungfrau in einem billigen Horrorfilm, die geopfert werden soll." Wieder begann er zu lachen. Zornig funkelte sie ihn an. "Ich bin keine Jungfrau." "Das habe ich mir gedacht." Seine Augen funkelten amüsiert. Gerade noch hatten sie vor Leidenschaft geglüht. Rachel fühlte sich zurückgewiesen und der Lächerlichkeit preisgegeben. Wütend stellte sie fest, dass sie immer noch von ihm geküsst werden wollte. Wenn er es nicht tat, musste sie eben die Initiative ergreifen ... Sie beugte sich noch weiter vor und umfasste sein Gesicht. Dann presste sie die Lippen auf seine. Als Benedict erstarrte, wurde ihr klar, dass sie einen großen Fehler begangen hatte. Ohne sich von ihm zu lösen, öffnete sie die Augen. Als sie seinem Blick begegnete, wäre sie vor Scham am liebsten im Erdboden versunken. Sie wollte sich von ihm lösen, doch in dem Moment veränderte sich der Ausdruck in seinen Augen. "Nicht!" sagte Benedict schroff, und selbst wenn sie sich hätte zurückziehen wollen, wäre es ihr nicht möglich gewesen, weil er die Arme um sie gelegt hatte. Ohne den Blickkontakt zu unterbrechen, drängte er langsam ihre Lippen auseinander und zog die Konturen mit der Zunge nach. Als sie das erotische Spiel seiner Zunge erwiderte, sah sie das Aufflackern in seinen Augen. Sie war ihm so nahe, dass sie die Spitzen seiner langen Wimpern und die feinen Fältchen um seinen Augen erkennen konnte. Rachel stöhnte lustvoll auf, als er die Zunge tief in ihren Mund gleiten ließ. Seine dunklen Züge verschwammen, und sie schloss die Augen. Sie legte ihm die Arme um den Nacken, als wäre es das Selbstverständlichste von der Welt. Einen Moment lang vergaßen sie alles um sich her und küssten und streichelten sich verlangend.
Obwohl Rachel es schaffte, sich eng an Benedict zu schmiegen, war es nicht nahe genug, um ihr Verlangen zu stillen. Sie krallte ihm die Fingernägel in den muskulösen Rücken, während sie sich in seinen Armen wand. "Rachel?" Rachel hörte auf, seinen Hals zu küssen, und sah benommen zu Benedict auf. "Ich glaube, Charlie wacht auf", brachte er hervor. Es fiel ihr nicht leicht, sich daran zu erinnern, wer sie war und wo sie war. Entsetzt blickte sie nach hinten, wo Charlie sich gerade rekelte. "Sind wir zu Hause?" "Ja. Wie geht es dir?" Ich war ja wirklich sehr erfolgreich damit, auf Abstand zu bleiben, sagte Rachel sich ironisch. Und sie konnte sich nicht einmal damit entschuldigen, dass der Mond schien und eine romantische Atmosphäre herrschte. Es war helllichter Tag, und sie hatte sich verhalten wie ... Das Blut schoss ihr ins Gesicht, als sie daran dachte, wie sie sich aufgeführt hatte. Und sie hatte damit angefangen! "Ich hab Schmerzen." "Wo?" fragte Benedict. Charlie streckte sich und dachte darüber nach. "Überall", erwiderte sie schließlich. Rachel warf einen verstohlenen Blick in seine Richtung. Wider Erwarten wirkte Benedict jedoch nicht selbstgefällig, sondern ... geistesabwesend. Er atmete tief ein und strich sich durchs Haar. Als sie sich daran erinnerte, dass sie es zerzaust hatte, wurde sie wieder verlegen. "Alles in Ordnung?" Sie lächelte höflich-distanziert. "Bestimmt müssen Sie ins Büro zurück." Es erschien ihr sicherer, beim Sie zu bleiben. "Sie wollen mich loswerden, stimmt's?" "So möchte ich es nicht ausdrücken."
"Die wohlerzogene Miss French", meinte er betont langsam. "Ich glaube, unter günstigen Bedingungen würden Sie Eigenschaften an den Tag legen, die uns beide überraschen würden." Diese Anspielung auf ihr schamloses Verhalten veranlasste Rachel, förmlich aus dem Wagen zu stürzen. Benedict war allerdings schneller als sie. Als sie die hintere Tür öffnete, um Charlie herauszuhelfen, hatte er sie schon hochgehoben. "Gehen Sie vor", meinte er fröhlich. Charlie kicherte, als er sich mit ihr drehte. "Gleich muss sie sich übergeben", bemerkte Rachel missbilligend. Sie hasste es, manipuliert zu werden, und kochte vor Wut, während sie seiner Bitte nachkam - zumindest hatte es wie eine Bitte geklungen, doch im Grunde war es ein Befehl gewesen. Schon wieder ließ sie Benedict in ihr Haus, und diesmal wusste sie genau, wie gefährlich er war! Wenn sie eine unverbesserliche Optimistin gewesen wäre, hätte sie sich vielleicht gesagt, dass sich nichts geändert hatte. Doch sie war realistisch und wusste, dass sie noch immer unter dem Einfluss ihrer Hormone stand. "Fühlen Sie sich wie zu Hause", erklärte sie zuckersüß, als er Charlie auf ein Ende des Sofas setzte und selbst am anderen Ende Platz nahm. Und es schien Charlie auch nicht zu stören, dass er ihre Füße kitzelte, die auf seinem Schoß lagen. "Störe ich wirklich nicht?" "Würde es etwas ändern, wenn ich Ja sagen würde?" Was bedeuteten ihm schon einige Küsse? Gar nichts, so viel stand fest. Kurz darauf kam er in die Küche und machte ihre Bemühungen, die Fassung wiederzugewinnen, zunichte. "Ich soll Ihnen von Charlie ausrichten, dass sie gern einen Milchshake hätte, und zwar am liebsten Schokolade."
"Ich weiß nicht, ob ich sie für ihr Verhalten noch belohnen soll", erwiderte Rachel, ohne ihre Arbeit zu unterbrechen. "Was machen Sie da?" "Ich möchte Tee aufbrühen." "Für mich sieht es so aus, als würden Sie nur die Tassen umstellen." "Ich kann mich nicht entsinnen, Sie in meine Küche eingeladen zu haben. Sie ist zu klein, und Sie sind... Sie sind... zu groß", fügte sie matt hinzu. "Ich komme nach meinem Großvater", erklärte Benedict entschuldigend. "Er war Australier italienischer Abstammung und in jeder Hinsicht ein großer Mann. Meine Schwester ist auch sehr groß, aber Tom, mein älterer Bruder, misst nicht einmal einsachtzig. Ich glaube, es ist der Duft, der auf engem Baum intensiver wird." Er sah sie entsetzt an, als wäre er über die letzte Bemerkung genauso verblüfft wie sie. "Was?" Benedict hatte den Blick gesenkt und betrachtete grimmig seine Hände, und an seinem Mund zuckte ein Muskel. "Selbst wenn Sie nicht mehr im Baum sind, liegt Ihr Duft noch darin, und auf engem Baum wie jetzt - oder im Wagen - bringt er mich um den Verstand. Er ist so unverwechselbar - nicht dieses hübsche Blumenzeug, sondern Ihr natürlicher Duft." Er hatte ein Glas von der Spüle genommen und spielte nervös damit. Plötzlich brach der Stiel. "Oh, tut mir Leid." "Sie bluten ja", sagte Rachel heiser, während sie beobachtete, wie Blut auf den weißen Tresen tropfte. "Kommen Sie, halten Sie Ihre Hand unter kaltes Wasser." Sie umfasste sein Handgelenk und hielt die Hand unter den Wasserhahn. "Florence Nightingale." "Ich kann Sie schlecht in meiner Küche verbluten lassen", meinte sie schroff. Sein Arm war mit feinen dunklen Härchen
bedeckt, die sich überraschend weich anfühlten, und sie musste gegen die Versuchung ankämpfen, ihn zu streicheln. "Es ist nur ein kleiner Schnitt." "Das ist sehr tapfer und machohaft von Ihnen, aber die Wunde scheint ziemlich tief zu sein", sagte sie besorgt. "Ich habe einen Erste-Hilfe-Kasten im Bad. Laufen Sie nicht weg." "Es ist schön, erwünscht zu sein." Erwünscht? Wenn er wüsste, ging es ihr durch den Kopf. Als sie durchs Wohnzimmer eilte, stellte sie fest, dass Charlie sich gerade ihr Lieblingsvideo ansah. Eigentlich hätte sie ihrer Tochter eine Standpauke halten müssen. Und was tat sie stattdessen? Sie träumte von einem schönen Körper, zu dem ein gefährlich schlauer Kopf gehörte. Nie wieder würde sie ihr Parfüm in die Hand nehmen können, ohne an Benedicts Worte erinnert zu werden - Worte, die sie mit einem Hochgefühl erfüllt hatten, denn er litt offenbar genauso wie sie. Aber vielleicht drosch er auch nur Phrasen. Er hatte schon so viele Freundinnen gehabt, dass man wohl kaum Originalität erwarten konnte. Trotzdem musste er ein sehr guter Schauspieler sein, um einen derart verlangenden Tonfall vortäuschen zu können. Rachel erschauerte, als sie den Moment noch einmal durchlebte. "Tut mir Leid, wenn es wehtut", sagte sie wenige Minuten später, als sie einen Verband auf die Wunde drückte. "Das lenkt mich von meinen anderen Schmerzen ab." "Welche ...?" Sie blickte zu ihm auf und bereute es sofort. "Ich glaube, Sie wissen, was ich meine." "Sie können zu Hause kalt duschen." "Sie wollen mir tatsächlich den Siebziger-Jahre-Look zumuten? Schwarze Fliesen und Spiegel an der Decke? Wie grausam!" "Wenn es Ihnen nicht gefällt...", begann sie neugierig. "Als man mich nach meiner Meinung gefragt hat, habe ich den Fehler gemacht zu sagen, es sei mir völlig egal."
"Wie konnten Sie so etwas Dummes tun?" Nachdem sie den Verband befestigt hatte, stand sie auf und betrachtete ihr Werk. "Weil es mir egal war." "Was für eine komische Einstellung!" "Das haben Sie nicht zum ersten Mal gemacht." Benedict betrachtete seine verbundene Hand. "Sie kennen doch Charlie. Überrascht Sie das? Allerdings hat sie sich noch nie geprügelt." Besorgt krauste Rachel die Stirn. "Reden Sie erst mal mit ihr, bevor Sie mit ihr schimpfen", bemerkte er beiläufig. "Warum sagen Sie das?" erkundigte sie sich misstrauisch. "Hat Sie Ihnen etwas erzählt?" Die Vorstellung, dass Charlie sich jemandem anvertraute, der praktisch ein Fremder war... Du meine Güte, ich bin eifersüchtig, sagte sich Rachel. "Manchmal ist es einfacher, mit jemandem zu reden, der nicht zur..." "Der nicht zum Problem gehört?" meinte sie grimmig. "Sie ist Ihnen gegenüber sehr fürsorglich." "Sie müssen es mir jetzt sagen, Ben." Benedict seufzte und blickte in ihr erhitztes Gesicht, das sehr angespannt wirkte. Schließlich nickte er. "Also gut. Sie hatten eine Unterrichtsstunde, in der jeder Schüler eine Kurzbiografie seines Vaters präsentieren sollte. Als Charlie an der Reihe war, hat sie gesagt, ihr Vater komme von einer Samenbank." "Sie hat was?" "Diese Information kam also nicht aus erster Hand?" "Wofür halten Sie mich?" fragte Rachel entsetzt. "Das Problem ist, was Charlie denkt." "Und Sie wissen, was sie denkt?" rief sie aufgebracht. "Ich kann doch nichts dafür, Rachel. Soll ich den Tee machen?" erbot er sich, als er bemerkte, wie mitgenommen sie wirkte.
"Warum nicht?" Schließlich war sie sonst auch überflüssig. Also warum sollte er da nicht auch die Hausarbeit übernehmen? Sie wusste, dass sie undankbar war, konnte jedoch nicht anders. "Dieser Junge hat freche Bemerkungen über Ihre ... sexuellen Vorlieben gemacht, und, wie ich bereits sagte, hat Charlie das Bedürfnis gehabt, Sie in Schutz nehmen zu müssen." Rachel schloss die Augen und stöhnte. "Sie hat nie nach ihrem Vater gefragt." Wenn sie es getan hätte, was hätte ich ihr dann gesagt? überlegte sie. Wie hätte ich ihr das mit Raoul erklärt? "Wollte er nichts damit zu tun haben?" "Er ist tot", sagte sie ausdruckslos. "Ach so." Sie nahm die Ellbogen vom Tresen und richtete sich auf. Dabei blickte sie Benedict an. Was mochte er jetzt denken? Dass es eine Tragödie war, die ein junges Liebespaar voneinander getrennt hatte? Was immer es sein mochte, es würde der Wahrheit nicht nahe kommen. Hatte sie sich von diesem desillusionierenden Erlebnis beeinflussen lassen, was ihr Verhältnis zu Männern betraf? War sie nicht vorsichtig, sondern misstrauisch gewesen? Hatte sie ihre Vorurteile und Unsicherheiten an ihre Tochter weitergegeben? Hatte sie es mit ihrer Selbstständigkeit übertrieben? Diese Fragen ließen ihr keine Ruhe mehr. "Mein Vertrauen in meine Fähigkeiten als Mutter hat gerade einen herben Rückschlag erlitten." "Stellen Sie Ihr Licht nicht unter den Scheffel, Rachel. Charlie ist ein außergewöhnliches Kind. Es muss schwer gewesen sein, allein..." "Ich war nicht allein", fiel sie ihm ungeduldig ins Wort. "Das Geld, dass ich von meiner Tante Janet geerbt habe, ermöglicht mir ein sehr angenehmes Leben. Es lässt sich natürlich nicht mit Ihrem vergleichen, aber die meisten Leute würden sich nicht beklagen. Als Charlie klein war, war Tante Janet immer für uns
da. Sie hat mich ermuntert, meine Ausbildung zu beenden. Im Vergleich zu anderen allein erziehenden Müttern hatte ich es leicht. Ich hatte ein Sicherheitsnetz ..." "Und Sinn für Proportionen?" "Was?" Er wirkte gelangweilt, und das beunruhigte sie. "Finden Sie nicht, Sie übertreiben ein wenig mit der Leier, dass Sie eine unfähige Mutter sind?" "Das sagen ausgerechnet Sie!" konterte Rachel ungläubig. "Sie haben mir doch gerade erzählt, was ich alles falsch mache." "Was ich über Kindererziehung weiß, passt auf die Rückseite einer Briefmarke. Natürlich werde ich Ihnen raten, mehr unter Leute zu gehen. Wir wissen schließlich beide, dass ich Hintergedanken habe." "Tatsächlich?" platzte sie heraus. "Ich möchte Ihr Liebhaber sein, Rachel." "Einfach so?" brachte sie hervor, denn sie konnte nicht fassen, dass er so direkt war. Sie spürte, wie sie errötete, und gleichzeitig wurde ihr heiß. "Sie sind sich Ihrer ja sehr sicher." Eigentlich hatte es höhnisch klingen sollen, doch es war vielmehr ein Krächzen. "Das Einzige, dessen ich mir sicher bin, Rachel, ist, dass wir beide gut zusammenpassen würden - sehr gut sogar." Sein rauer Tonfall war wie ein Streichern. "Nigel..." "O ja, Nigel", meinte Benedict nachdenklich. "Sie sollten Nigel sagen, dass es vorbei ist, finden Sie nicht?" Rachel öffnete den Mund, brachte allerdings keinen Laut über die Lippen: "Warum sollte ich das tun?" Seit dem Abend, an dem Nigel ihr den Heiratsantrag gemacht hatte, wusste sie, dass die Tage ihrer beschaulichen Beziehung zu ihm gezählt waren, doch es spielte in diesem Moment keine Rolle. Woher nahm Benedict sich das Recht, ihr Anweisungen zu geben? "Ich möchte das alleinige Recht..."
"Worauf? Auf meinen Körper?" Sie atmete scharf ein. "Ich bin keine radikale Feministin, aber das ist das Unverschämteste, das ich je..." "Ich bin noch nie einer Frau begegnet, die so auf ihre Unabhängigkeit pocht wie Sie ..." "Sie meinen, ich hänge nicht wie hypnotisiert an Ihren Lippen." "Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich mag es, wenn die Frau die Initiative ergreift", sagte Benedict verführerisch. Trotzig hob sie das Kinn. "Ein KUSS, und Sie betrachten ziemlich viel als selbstverständlich. Sie bekommen das alleinige Recht auf meinen Körper, und was bekomme ich? Nigel will mich heiraten ..." Sie machte eine bedeutungsvolle Pause. Damit hatte sie ihn sicher endgültig vergrault. Allerdings war sie darüber nicht so erleichtert, wie sie es hätte sein sollen. "Ich mache Ihnen keinen Heiratsantrag", erwiderte er ungerührt. "Sie überraschen mich", bemerkte sie sarkastisch. "Tun Frauen normalerweise genau das, was Sie ihnen sagen? Ich glaube schon. Anders kann ich mir Ihre unglaubliche Arroganz nämlich nicht erklären." "Ich habe es gleich aufgegeben, Sie mit den anderen Frauen, die ich kennen gelernt habe, zu vergleichen. Zum Glück mag ich Herausforderungen. Ich mag Sie." "Tatsächlich?" "Tun Sie nicht so überrascht, Rachel. Natürlich mag ich Sie, und Sie wissen das auch. Und wenn Sie bereit sind, mir eine Chance zu geben, finden Sie vielleicht heraus, dass ich gar nicht so übel bin." "Ich habe keine Zeit für ... Komplikationen." Oder ein gebrochenes Herz, fügte Rachel im Stillen hinzu. "Dann geben Sie also zu, dass ich für Sie eine Komplikation bin." "Wir erwarten nicht dasselbe vom Leben, Ben."
Benedict presste die Lippen zusammen, und seine Augen funkelten zornig. "Und woher wollen Sie wissen, was ich vom Leben erwarte?" Verblüfft sah sie ihn an. "Das weiß ich nicht. Woher sollte ich es auch wissen? Sie erzählen mir ja nichts. Sie verstehen sich darauf, mich auszuquetschen, aber was weiß ich von Ihnen?" Sie machte eine ausholende Geste und traf dabei eine Kupferpfanne, die an der Wand hing und nun scheppernd zu Boden fiel. "Überhaupt nichts. Aber dem Büroklatsch nach zu urteilen, verläuft Ihr Leben nach einem bestimmten Muster." "Sie hätten mich im Prinzip nur zu fragen brauchen. Für Sie bin ich ein offenes Buch. Was erzählt man denn im Büro über mich?" "Das hängt davon ab, ob man mit einem Mann oder mit einer Frau spricht", erwiderte sie zuckersüß. "Autsch!" Er zuckte übertrieben zusammen und lächelte jungenhaft. "Ich bringe Charlie den Milchshake." Entschieden kehrte sie ihm und dem für ihren Geschmack viel zu persönlichen Gespräch den Rücken zu.
4. KAPITEL "Und dann hat Mum ihn geküsst. Sie dachten, ich schlaf ..." "Charlie!" "Oh, hallo, Mum. Ich hab Nigel reingelassen. Du hast die Klingel nicht gehört. Du und Ben habt wohl..." "Das reicht, Charlie. Geh in dein Zimmer!" sagte Rachel leise, und Charlie machte ein betretenes Gesicht. "Aber..." "Sofort!" Als Rachel Nigels verletzten Gesichtsausdruck sah, fühlte sie sich wie ein Miststück - und aus seiner Sicht war sie es vermutlich auch. Nigel sah aus wie jemand, der den Glauben an den Weihnachtsmann verloren hatte. Sie konnte Charlie im Grunde nicht die Schuld geben. Sie hätte ihm eher sagen müssen, was sie für ihn empfand, oder besser gesagt, nicht empfand. Mit der für Kinder typischen Rücksichtslosigkeit hatte Charlie die Gelegenheit ergriffen, jemand loszuwerden, den sie nicht mochte. "Soll ich bleiben?" Rachel wandte sich zu Benedict um, der nach ihr das Wohnzimmer betreten hatte. "Lieber nicht", erwiderte sie leise. "Du meine Güte!" Nigel stand auf und musterte ihn ungläubig. "Er ist der Schlägertyp ... der Anwalt, für den du arbeitest." Nigel ließ den Blick von Benedict, der ihn gelassen ansah, zu Rachel schweifen, die errötet war. "Schwarzes Leder
und Rollenspiel ... Ich wusste gar nicht, dass du auf perverse Spielchen stehst, Rachel." Sein verächtlicher Tonfall verstärkte ihre Schuldgefühle noch. "Es war nur ein Zufall, Nigel." Nigel lachte spöttisch. "Ich mag zwar kein Genie sein, aber verkauf mich bitte nicht für dumm. Ich glaube nicht an Zufälle." Was sollte sie darauf erwidern. Noch vor wenigen Tagen hatte sie auch nicht an Zufälle geglaubt. Verzweifelt rang sie die Hände. Sie hatte nicht gewollt, dass es so endete. Warum hatte sie bloß nicht Schluss gemacht? Warum hatte sie Ben bloß geküsst? "Ich glaube nicht, dass du bei ihm ,nichts überstürzen' wolltest", ahmte Nigel sie nach und musterte sie dabei verächtlich. "Ben und ich ... Wir haben nicht..." Hilfe suchend sah sie Ben an. "Noch nicht. Wir haben noch nicht, Schatz", sagte er. "Vielen Dank!" brachte sie wütend hervor. Anscheinend machte es ihm Spaß. "Ich bin nur froh, dass ich rechtzeitig erfahren habe, was für eine Frau du bist. Ich war bereit, Zugeständnisse zu machen, was deine Jugendsünde betrifft." Rachel verspannte sich bei der herablassenden Anspielung auf die Existenz ihrer Tochter. Benedict legte ihr leicht den Arm um die Taille und streichelte ihre Hüfte, was sie beruhigte und außerdem noch ganz andere Gefühle in ihr weckte. "Wenn ich gewusst hätte, dass du Perversionen magst..." Nigel verzog verächtlich die Lippen, und nun hatte sie genug! "Es tut mir Leid, wenn ich dich verletzt habe, Nigel, aber das ist wirklich lächerlich, und das weißt du! Ich kann dich nicht heiraten. Ich hätte es dir sagen sollen." "Glaubst du etwa, ich würde dich noch heiraten?" Er sah sie an, als wäre sie verrückt. "Ich bin nur froh, dass wir nicht miteinander geschlafen haben..."
Rachel unterdrückte ein Stöhnen. "Ich bin auch froh", flüsterte Benedict ihr ins Ohr und strich ihr eine Strähne hinters Ohr. Ein lustvolles Prickeln überlief sie. "Ich dachte, du wärst etwas Besonderes", fuhr Nigel gehässig fort. "Ich habe dich in den Himmel gehoben. Jetzt ist mir klar, dass Jenny Recht hatte." "Jenny?" "Ted Wilsons Cousine. Sie war am Dienstag sehr mitfühlend." "An dem Dienstag, an dem du erkältet warst." "Ich hatte das Gefühl, dass wir etwas Abstand brauchen, um ..." "... zu schmollen?" beendete sie den Satz. "Und die Gäste auf der Dinnerparty mit meinen Fehlern zu unterhalten?" "Zu dem Zeitpunkt kannte ich noch nicht einmal die Hälfte deiner Fehler." "Kann es sein, dass du dich regelmäßig mit dieser mitfühlenden Person triffst? Wie hieß sie noch gleich?" Sie hatte ihm immer geglaubt, als er in letzter Zeit zahlreiche Verabredungen in letzter Minute mit der Begründung abgesagt hatte, er habe noch zu tun. Nun sah es so aus, als hätte er sich die ganze Zeit mehrere Möglichkeiten offen gehalten! "Jenny", erwiderte er pikiert. "Es ist ganz harmlos." "Hast du ihr das auch über uns gesagt?" Die dunkle Röte, die seine Wangen überzog, war sehr aufschlussreich. "Ich habe dich gebeten, mich zu heiraten." "Wirf noch einmal eine Münze." Dass Nigel nicht der Heilige war, für den sie, Rachel, ihn gehalten hatte, erleichterte ihr Gewissen. "Frauen wie du, die mit jedem ins Bett gehen, sind nichts Besonderes, und heutzutage ist es nur aus medizinischer Sicht gefährlich." "Das reicht", verkündete Benedict entschieden. "Rachel ist lange genug vor Ihnen zu Kreuze gekrochen. Hören Sie auf,
bevor Sie es noch schlimmer machen, und verschwinden Sie, Mann." Der warnende Ausdruck in seinen Augen strafte seinen höflichen Tonfall Lügen. "Und falls Sie sich zu weiteren Beleidigungen hinreißen lassen sollten, könnte ich mich dazu verleiten lassen ..." Das war zu viel! Rachel befreite sich aus seiner Umarmung. "Ich bin durchaus in der Lage, meine Probleme allein zu lösen." Benedict zuckte die Schultern und hob gespielt unterwürfig die Hände. "Daran habe ich auch nie gezweifelt." Er lächelte entwaffnend. Sie räusperte sich. "Gut." Dann wandte sie sich an Nigel. "Nigel ..." "Keine Angst, ich gehe schon." Er blickte von ihr zu Benedict. "Ich bin schließlich nicht blind. Den Weg nach draußen kenne ich ja", fügte er bitter hinzu. Wenige Sekunden später knallte er die Haustür zu. "Armer Nigel." "Der ,arme Nigel' hat eine schmutzige Fantasie und einen Ersatz, der schon in den Kulissen wartet." "So ist er nicht. Er war verletzt und fühlte sich gedemütigt." Es ärgerte ihn, Benedict, dass Rachel ihren ehemaligen Freund so verteidigte. "Warum haben Sie nicht mit ihm geschlafen?" "Ist das obligatorisch?" Nach ihrem Verhalten ihm gegenüber konnte sie ihm kaum sagen, dass ihre Libido nicht besonders stark ausgeprägt war. "Wenn man jemand heiraten will, normalerweise schon", bestätigte er trocken. "Ich habe nicht Ja gesagt." "Das hat er erwähnt." "Ich meine, ich habe seinen Heiratsantrag nicht angenommen." "Fand er das nicht seltsam?" beharrte Benedict. "Er war sehr verständnisvoll."
"Wohl eher vom Hals abwärts gelähmt." "Sie können ganz schön vulgär sein", bemerkte sie eisig. "Stimmt." Es klang wie ein Versprechen, und sie wich unwillkürlich einen Schritt zurück. Dabei stieß sie gegen einen Couchtisch, verlor das Gleichgewicht und fiel hin. "Fassen Sie mich nicht an!" rief sie, als Benedict sich vorbeugte. "Ich kann keinen klaren Gedanken fassen, wenn Sie mich berühren." "Das ist das Netteste, was Sie je zu mir gesagt haben", meinte er, während sie aufstand, den Tisch zurechtrückte und wünschte, sie würde eine lange Hose tragen. Ihre Finger zitterten leicht, als sie sich über den Rock strich. "Dann kosten Sie es aus, denn etwas Netteres werden Sie nie zu hören bekommen", erklärte sie boshaft. "Ich erfreue mich an allem, was Sie sagen, Rachel, selbst wenn es Beleidigungen sind." Rachel musste lachen. Dann schüttelte sie langsam den Kopf und sah Benedict vorwurfsvoll an. Dabei rutschte auch die letzte Haarnadel heraus, und ihr leicht gewelltes braunes Haar fiel ihr über die Schultern. "Verdammt!" rief sie. "Ist es so weich, wie es aussieht?" Sein Tonfall und sein verlangender Gesichtsausdruck warnten sie vor der gefährlichen Situation, und sie ignorierte die innere Stimme, die ihr riet, etwas zu riskieren. "Sie sollten lieber gehen, Ben. Ich bin Ihnen sehr dankbar für Ihre Hilfe." Sowohl für die erwünschte als auch für die unerwünschte, dachte sie. "Ich bin müde. Ich möchte ins Bett. Und ich muss mit Charlie reden", fügte sie so würdevoll wie möglich hinzu. Normalerweise fiel es ihr nicht schwer, sich würdevoll zu geben, denn ihre Ruhe und Gelassenheit waren ihr
Markenzeichen, und darauf war sie stolz. Was war bloß mit ihr los? Sie gehörte nicht zu den Frauen, die eine starke Schulter zum Anlehnen brauchten. Und sie küsste keine Männer, die Frauen nur als angenehmen Zeitvertreib betrachteten. "Über ihren Vater?" "Ich weiß nicht", gestand Rachel. "Wahrscheinlich werden wir über Samenspender reden." Das Gespräch mit Charlie stand ihr richtig bevor. "Und über uns?" "Wir sehen uns morgen im Büro", erklärte sie ausweichend. "Und dann tragen Sie Ihr Haar wieder ordentlich hochgesteckt", sagte Benedict so ironisch, dass sie verlegen errötete. An der Tür wandte er sich unvermittelt um. "Tragen Sie Ihr Haar morgen offen für mich." Auch nachdem er gegangen war, dachte sie noch über seine lächerliche Bitte nach. Wenn sie das Haar tatsächlich offen trug, würde er es als stummes Eingeständnis betrachten - als Kapitulation ... Kapitulation ... Rachel erschauerte heftig und spürte, wie ihre Knospen fest wurden. Sie musste verrückt sein, wenn sie seine heimlichen Fantasien verwirklichte. Niemals würde sie sich von einem Mann kontrollieren lassen! Als sie das Zimmer ihrer Tochter betrat, lag diese mit dem Gesicht im Kissen auf dem Bett. Sie zog ihr die Schuhe aus und deckte sie zu, bevor sie die Nachbarin anrief, die sich um Charlie kümmerte, wenn sie aus der Schule kam. Zum Glück erklärte sie sich gern bereit, am nächsten Tag auf sie aufzupassen. Sie, Rachel, wäre am liebsten zu Hause geblieben, aber als allein erziehende, berufstätige Mutter musste man leider viele Kompromisse machen. Als Benedict das Vorzimmer betrat, ließ er den Blick sofort zum Schreibtisch seiner Sekretärin schweifen. Die Morgensonne schien direkt in die Ecke, in der der Computer stand.
"Guten Morgen." Rachel hatte den Telefonhörer am Ohr. "Ihr Vater hat angerufen. Er ist auf dem Weg nach unten." Nicht einmal dieser hohe Besuch konnte ihm den Tag verderben. Benedict nickte. "Danke, Rachel." Selbst wenn er nicht ihr Haar betrachtet hätte, das ihr offen über die Schultern fiel, wäre ihr klar gewesen, dass er sich nicht für die Nachricht bedankte. An diesem Morgen wäre sie fast zu spät gekommen. Zuerst war sie wieder nach Hause gegangen, um ihr Haar hochzustecken, dann hatte sie in der Firma in letzter Minute die Damentoilette aufgesucht, um ihre Bemühungen wieder zunichte zu machen. Warum sollte eine Frau nicht ihre Frisur verändern, wenn ihr der Sinn danach stand? Falls Benedict irgendetwas hineininterpretierte, war das sein Problem. Dennoch hatte sie mit angehaltenem Atem auf ihn gewartet. Und dem Ausdruck in seinen Augen nach zu urteilen, hatte er sich gefreut. "Wie geht es Charlie heute?" "Sie lässt Sie herzlich grüßen." Und genau das machte ihr Sorgen. "Ist was?" Ich möchte nicht, dass meine Tochter Sie zu sehr ins Herz schließt, hätte unhöflich geklungen, aber es entsprach der Wahrheit. Bei dem Gespräch, das sie an diesem Morgen mit Charlie geführt hatte, war ihr klar geworden, dass diese bereits dazu neigte, in Benedict eine Vaterfigur zu sehen. Sie hatte taktvoll versucht, dem entgegenzuwirken, allerdings keinen Erfolg damit gehabt. Sie musste auf sich selbst aufpassen, doch sie wollte nicht, dass er auch ihrer Tochter das Herz brach. Es juckte ihr in den Fingern, das Haar hochzustecken. Was ist bloß mit mir los? überlegte Rachel wütend. Genauso gut hätte sie sich ein Schild um den Hals hängen können, dass sie nach seiner Pfeife tanzte.
Stuart Arden klopfte für gewöhnlich nicht an, und daher war sie überrascht, als er eintrat - und Benedict offenbar auch, seiner Miene nach zu urteilen. Der unerwartete Anblick der sehr schlanken, sehr großen und sehr jungen Blondine, die Benedict umarmte, war ein Schock für sie. Wenn sie in diesem Moment eine Schere in Reichweite gehabt hätte, hätte sie der Blondine vielleicht das Haar abgeschnitten und es ihm überlassen, seine Schlüsse daraus zu ziehen. Sir Stuart Arden, der durch und durch wie eine Stütze der Gesellschaft wirkte, stand daneben und betrachtete die beiden anerkennend. "Ich dachte, ich überrasche dich mit Sabrina ", sagte er, als sein Sohn sich aus der Umarmung löste. "Als Geschenk verpackt." Seine Miene war undurchdringlich, doch Rachel vermutete, dass er nichts gegen dieser Art der Begrüßung einzuwenden hatte. "Gefällt es dir, Schatz?" Verächtlich betrachtete Rachel die rot lackierten Fingernägel und das limonengrün und violett gestreifte Futteralkleid. Sabrina gehörte offenbar zu den Frauen, die jeden "Schatz" nannten. Im Fall von Benedict allerdings meinte sie es vermutlich auch so. Ihr besitzergreifendes Verhalten ihm gegenüber deutete auf eine enge Beziehung hin. Beim Gedanken daran, wie eng die Beziehung wohl sein mochte, wurde Rachel übel. "Ich hoffe, sie haben es dir nach dem Stoffverbrauch berechnet", meinte Benedict mit einem Blick auf den kurzen Saum. "Ich habe deinem Vater gesagt, dass ich dich kaum gesehen habe, seit du von dieser schrecklichen Farm zurückgekehrt bist." Schmollend sah Sabrina zu ihm auf. Sie, Rachel, hätte darauf wetten können, dass Sabrina dieses verführerische Lachen stundenlang geübt hatte.
"In Anbetracht der Zeit, die du am Schreibtisch verbringst, hat mich das überrascht, Benedict." Obwohl Sir Stuart Ardens Tonfall lässig war, bemerkte Rachel die Spannung, die zwischen Vater und Sohn herrschte. Sie hoffte, dass der Grund dafür nicht Benedicts Abwesenheit am Vortag war. "Hat sich jemand bei dir oder bei irgendwelchen Klienten über meine Arbeit beschwert?" Er, Benedict, kannte die Antwort bereits. Sein Vater war nicht sentimental. Er hatte nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass einer seiner Söhne die Familientradition fortführen und die renommierte Kanzlei, die ihr Urgroßvater gegründet hatte, eines Tages von ihm übernehmen sollte. Er, Benedict, arbeitete hier, weil er zu den Jahrgangsbesten seines Fachs gehört hatte und diese Kanzlei immer die Besten wollte. Er hatte zahlreiche Angebote von anderen Kanzleien abgelehnt, und sein Vater wusste es, obwohl er nie darüber sprach. "Wenn es so wäre, wüsstest du davon", erwiderte Stuart Arden. "Ich habe gestern Abend mit Ihrem Vater gesprochen, Sabrina. Er hat mir erzählt, dass Sie Ihren Kochkurs mit Auszeichnung absolviert haben." "Ich wollte meine Fähigkeiten an Benedict erproben." Sabrina blickte zu Benedict auf. Ihre Wimpern waren mehrfach getuscht. Darauf wette ich, dachte Rachel und fragte sich gleich darauf, was mit ihr los war. Ich werde nicht so um die Aufmerksamkeit eines Mannes buhlen, überlegte sie. Es ist so entwürdigend. "Aber er hat mich versetzt", fuhr Sabrina seufzend fort und tätschelte Benedict spielerisch die Hand. "Das hat mich umgehauen. Hat Daddy dir erzählt, dass er mir einen eigenen Partyservice beschaffen will?" "Wenn wir dir dabei irgendwie helfen können ..."
So läuft es also, wenn man die richtigen Leute kennt, dachte Rachel. Dies war Benedicts Welt, nicht ihre. Noch nie war undeutlicher bewusst gewesen, wie tief die Kluft zwischen ihnen war. Ihre Hände zitterten leicht, als sie am Computer zu schreiben begann. Für die Stuarts und Sabrinas dieser Welt gehörten Sekretärinnen lediglich zum Inventar. Vermutlich hatten die beiden sie nicht einmal bemerkt. Gleich darauf wurde sie allerdings eines Besseren belehrt. "Sie sind nicht Maggie." "Wie bitte?" Es dauerte einen Moment, bis Rachel merkte, dass die Worte an sie gerichtet waren. "Nein, das bin ich nicht." Sir Stuart Arden blickte sie erwartungsvoll an, aber sie wusste beim besten Willen nicht, was sie noch sagen sollte. "Ich dachte, du hättest das mit der Vertretung arrangiert, Vater", kam Benedict ihr unerwartet zu Hilfe. "Habe ich das? Ich tue ziemlich viel hier." "Und da du nicht mehr der Jüngste bist, kann natürlich niemand von dir erwarten, dass du dich an alles erinnerst", bemerkte Benedict verständnisvoll. "Ich wünschte, nur die Hälfte der so genannten jungen Männer, die ich kenne, hätte halb so viel Energie wie Sir Stuart", sagte Sabrina. Sie, Rachel, hatte noch nie verstanden, warum intelligente Männer auf solche Schmeicheleien hereinfielen. Aber es funktioniert immer, dachte sie, während sie beobachtete, wie der distinguiert wirkende Sir Stuart Arden seine Freude zu verbergen suchte. "Ich bin nur vorbeigekommen, um dich zum Mittagessen einzuladen. Du kommst doch mit, oder, Schatz?" Das Kosewort übte dieselbe Wirkung auf ihre Nerven aus wie der Bohrer eines Zahnarztes. Rachel biss die Zähne zusammen und beugte sich über den Schreibtisch. "Tut mir Leid, aber das müssen wir verschieben, Sabrina. Ich habe schon etwas vor."
"Ist es jemand, den ich kenne?" fragte Sabrina neckisch. "Komm, ich bringe dich raus." "Ich warte im Büro auf dich, Benedict", sagte Sir Stuart. "Vielleicht kann Mrs. French mir einen Kaffee bringen." "Miss French." Rachel fragte sich, wie er wohl reagieren würde, wenn sie ihn darauf hinwies, dass Kaffeekochen nicht in ihren Aufgabenbereich fiel. "Miss French." Er neigte leicht den Kopf, als er an ihr vorbeiging. "Ich nehme alles zurück. Arbeiten Sie gern für meinen Sohn? Ist er ein guter Chef?" erkundigte er sich beiläufig. "Ich freue mich über die Gelegenheit, meine Sprachkenntnisse anwenden zu können." Sie hatte das Gefühl, dass dieser Mann nie etwas Unüberlegtes sagte. "Sehr diplomatisch. Ich habe gehört, dass Sie eine clevere junge Frau sind." Es klang wie eine Beleidigung. "Ein Freund von mir arbeitet in Brüssel und ist immer auf der Suche nach Mitarbeitern wie Ihnen." Rachel lächelte unverbindlich. "Haben Sie schon mal mit dem Gedanken gespielt umzuziehen?" "Ich habe ein Kind, Sir Stuart." "Schicken Sie es auf s Internat. Dort lernen Kinder, unabhängig zu werden. Ich trinke meinen Kaffee schwarz", fügte er unvermittelt hinzu, bevor er Benedicts Büro betrat. Seine plötzliche Besorgnis, was ihre Zukunft betraf, alarmierte Rachel. Was mochte dahinter stecken? "Der Kaffee ist sicher für meinen Vater." Sie nickte. "Ich nehme ihn mit." Benedict nahm die Tasse entgegen. "Ein dringender Anruf in ..." Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. "... sagen wir, sieben Minuten? Machen Sie nicht so ein entsetztes Gesicht, Rachel. Was glauben Sie, von wem ich diese Taktik gelernt habe?"
Starr beobachtete sie, wie er die Zwischentür hinter sich schloss. Da sie früh zur Waise geworden war und sich nicht mehr an ihre Eltern erinnerte, war sie nicht gerade eine Expertin in Familienpsychologie, doch das Verhältnis zwischen ihm und seinem Vater war sicher keine typische Vater-Sohn-Beziehung. Stuart Arden hatte sich an den Schreibtisch seines Sohnes gesetzt, und zwar vielmehr aus Gewohnheit als in der Überzeugung, dass er diesen dadurch einschüchtern konnte. Sein Unabhängigkeitsdrang hatte ihn schon auf die Palme gebracht, als Benedict noch ein Baby war. Tom hingegen hatte nur einmal Rückgrat bewiesen, nämlich als er sich geweigert hatte, die Zulassung als Anwalt vor Gericht zu bekommen und in die Fußstapfen seines Vaters zu treten. "Was kann ich für dich tun, Vater?" Benedict stellte die Tasse auf den Schreibtisch und schlenderte zum Fenster, ohne die rote Lampe zu bemerken, die darauf schließen ließ, dass sein Vater die Sprechanlage eingeschaltet hatte. "Es gibt Gerede - über dich und diese French." "Du musst dich ja sehr anstrengen, um irgendein Gerede zu hören", bemerkte Benedict skeptisch. "Seitdem du wieder zurück bist, stimmt irgendetwas nicht mit dir. Und gestern hast du mit ihr das Büro verlassen und alle Termine am Nachmittag abgesagt. Man braucht nicht viel Fantasie..." "Nicht viel, nur eine ganz bestimmte Art von Fantasie." Den Kopf leicht zur Seite geneigt, die Augen zusammengekniffen, ging Benedict zum Schreibtisch und betrachtete seinen Vater nachdenklich. "Du hast also ihre Akte rausgesucht und bist hierher gekommen, um sie zu überprüfen. Ihr Name ist Rachel." Er kannte seinen Vater zu gut, um sich über sein Verhalten zu wundern. "Es gibt eine Firmenpolitik, was solche Dinge betrifft." "Das ist mir neu", erwiderte Benedict interessiert. "Schläfst du mit ihr?"
"Soll dieser Austausch von Intimitäten uns einander näher bringen? Ich möchte dich nicht enttäuschen, aber ich habe schon einen besten Freund, dem ich meine Geheimnisse anvertraue." "Du? Das glaube ich nicht. Du hast noch nie freiwillig irgendwelche Informationen preisgegeben. Als Kind hast du immer so ausweichend geantwortet..." "Ich war nur höflich. Du kennst mich so gut. ,Kümmere dich um deinen Kram' klang so ... direkt und respektlos." Stuart Arden biss die Zähne zusammen und trommelte ungeduldig mit den Fingern auf den Schreibtisch. Dieser gelangweilte Tonfall brachte ihn immer auf die Palme natürlich machte Benedict das mit Absicht... "Sie arbeitet für dich, sie hat ein Kind ... Du wirst ... falsche Erwartungen wecken. Natürlich ist sie scharf auf dich. Ich behaupte ja nicht, dass sie es bewusst darauf anlegt, dich einzufangen." "Das ist sehr großzügig von dir." "Spotte nur, Benedict, aber betrachte einmal die Fakten. Du bist eine gute Partie, wie man sagt. Wenn du mit ihr fertig bist, wird man über sie herziehen." "Wie rücksichtsvoll du doch deinen Angestellten gegenüber bist. Mich interessiert, woher du davon weißt. Ist es väterliche Intuition, oder lässt du mich überwachen?" Sein wütender Unterton ließ seinen Vater kalt. "Warum solltest du dir Ärger einhandeln, wenn es genug junge Dinger wie Serena gibt...?" "Sabrina", verbesserte Benedict ihn trocken. "Wie auch immer", winkte sein Vater ungeduldig ab, "für jemand in deiner Position ist die richtige Ehefrau sehr wichtig. Wärst du verheiratet gewesen, hättest du nicht sechs Monate dort verbracht, um einen Verwalter zu finden. Bestimmt hat sie dir das Anwesen nur hinterlassen, um mir eins auszuwischen", fügte er unwirsch hinzu.
"So wie ich Gran kannte, hast du wahrscheinlich Recht", räumte Benedict ein und lächelte jungenhaft. "In Anbetracht ihres Stammbaums wundert es mich, dass du Mum überhaupt geheiratet hast." "Das ist etwas ganz anderes." "Ja, natürlich. Aber habe ich dich richtig verstanden? Man ist sich darüber einig, dass ich heiraten soll... und zwar bald. Woher weißt du, dass ich mich nicht schon mit dem Gedanken trage?" Obwohl er seinen Vater damit nur hatte ärgern wollen, war er zu einer Erkenntnis gelangt, die ihn schockierte. "Du willst dir die Verflossene eines anderen aufhalsen? Das wäre gesellschaftlicher Selbstmord. Hast du eine Ahnung, wie viele Leichen eine Frau wie sie im Keller hat? Ein Richter am obersten Gerichtshof muss einen unbescholtenen Ruf haben ..." Benedict lachte auf. "Richter am obersten Gerichtshof! Das will ich also werden, wenn ich groß bin, stimmt's, Daddy?" "Alle sagen dir eine glänzende Zukunft voraus", verteidigte sich sein Vater, wohl wissend, dass er zu weit gegangen war. "Danke, Vater." Langsam erhob Stuart Arden sich von dem Ledersessel. Plötzlich fühlte er sich sehr alt. "Danke wofür?" fragte er misstrauisch. Er hätte lieber auf Emily hören und die Finger davon lassen sollen. Meine Frau weiß normalerweise, was sie sagt, dachte er grimmig. "Dass du mich daran erinnert hast, dass es mein Leben ist." "Wovon redest du? Du bist ein Arden, Junge. Du bist mein Erbe." "Solange ich mich dir füge?" meinte Benedict lässig. "Du hast noch mehr Kinder." "Dein Bruder ist glücklich als Anwalt auf dem Land." Verständnislos schüttelte Stuart Arden den Kopf. "Nat..." "Natalie ist ein Mädchen."
"Nat ist ein sehr ehrgeiziges Mädchen, das obendrein genauso clever ist wie ich." "Hat sie angefangen, in Oxford zu studieren, als ...?" "Oh, ich weiß, dass sie nicht drei Klassen übersprungen hat, aber nur, weil es sich deiner Meinung nach nicht lohnte, sie ständig zu mehr Leistung anzuhalten - weil sie nur ein Mädchen ist." "Du hast dich nicht beklagt!" "Vielleicht weißt du nicht, was wirklich wichtig ist", meinte Benedict plötzlich nachdenklich. Möglicherweise hätte vieles in seiner Kindheit besser sein können - doch das traf bestimmt auf einen Großteil der Bevölkerung zu. Ihn interessierte vielmehr die Gegenwart. "Du solltest dir Nat wirklich genau ansehen, Vater - vielleicht bist du angenehm überrascht. Sie ist jedenfalls ganz versessen darauf, dich von ihren Fähigkeiten zu überzeugen." "Im Gegensatz zu dir." Sein Vater wirkte nachdenklich. "Was diese Frau betrifft..." "Rachel", warf Benedict entschlossen ein. "Ich denke nur an dich." "Sie interessiert sich nicht für mich, falls es dir hilft..." Sein Vater lachte bedauernd. "Vielleicht hat sie ja doch etwas an sich." "Elterliche Zustimmung - ich fühle mich gleich besser." "Ich bin dir dankbar, wenn du deine Zunge im Zaum hältst, junger Mann. Und ich stimme nicht zu." "Warst du unhöflich zu ihr?" "Nein, ich war sogar sehr höflich." "Oh.« Stuart Arden seufzte verzweifelt. "Es kann sein, dass ich aus Versehen die Sprechanlage eingeschaltet habe ..." "Sicher hast du dafür gesorgt, dass sie eine gereinigte Fassung erhalten hat..."
"Als ich die rote Lampe gesehen habe, habe ich die Sprechanlage ausgeschaltet." Benedict warf seinem Vater einen durchdringenden Blick zu. Dann wandte er sich ab und verließ den Raum. Wie er nicht anders erwartet hatte, war niemand im Vorzimmer. Er konnte nicht in sein Büro zurückkehren, denn er fühlte sich außer Stande, seinen Vater anzusehen, geschweige denn mit ihm zu reden. Er war ihm gegenüber immer viel zu nachgiebig gewesen. Benedict fragte sich, wohin Rachel gegangen sein mochte. Ihre halb geöffnete Handtasche lag neben dem Schreibtisch. Natürlich - die Antwort lag auf der Hand. Wohin gingen Frauen, wenn sie heimlich ein paar Tränen vergießen wollten? "Guten Morgen, Ben." Eine seine Mitarbeiterinnen blickte ihn entgeistert an, als er an ihr vorbeiging und die Damentoilette betrat. "Morgen, Sarah." Mit einem Blick vergewisserte er sich, dass niemand vor dem Spiegel stand, der die ganze Wand in dem Kaum einnahm. Eine Toilettentür war geschlossen. "Ich weiß, dass Sie da drinnen sind, Rachel, also kommen Sie raus. Sie haben nur gehört, was Sie hören sollten." Trotz des dicken Teppichs hallte seine Stimme in dem Raum wider. "Ich weiß, dass Sie mich hören können, Rachel. Ich muss mit Ihnen reden. Kommen Sie raus, sonst schlage ich die Tür ein." Er atmete erleichtert auf, als der Riegel zurückgeschoben wurde. "Rach..." Sein Lächeln verschwand, als er sah, wer herauskam. Es war eine Anwältin, mit der er bereits mehrfach zusammengearbeitet hatte. "Tut mir Leid, Sie enttäuschen zu müssen, Ben." Vergeblich versuchte sie, ihr Lächeln zu verbergen. "Carol. Hallo. Ich dachte, Sie wären jemand anders." "Das dachte ich mir. Ich hatte ja keine Ahnung, dass Sie so romantisch veranlagt sind ... und so energisch." Es klang
amüsiert und neidisch zugleich, und schließlich lachte sie, doch da hatte er den Raum bereits verlassen.
5. KAPITEL "Tut mir Leid, ich komme zu spät." Kurt Hassler stand auf und streckte ihm die Hand entgegen. "Macht nichts, Ben. Rachel hat uns gesagt, dass Sie aufgehalten wurden. Sie hat sich so lange um uns gekümmert." "Das glaube ich." Verlegen wich Rachel Bens ironischem Blick aus. "Ich sehe Sie dann nach dem Mittagessen, Gentlemen", sagte sie kühl und stand auf. "Es ist ein Geschäftsessen. Daher wäre es gut, wenn Sie dabei wären, Rachel. Außerdem wird die Besprechung heute Nachmittag lange dauern, und wir möchten nicht, dass Sie mittendrin in Ohnmacht fallen." Ben wandte sich an die anderen Männer. "Diese jungen Frauen sind doch immer auf Diät." Sie lächelte gequält, denn er wusste vermutlich genau, wie sehr sie solche herablassenden Bemerkungen hasste. "Ich mache keine Diät, und es hat sich auch noch niemand beklagt, was mein Durchhaltevermögen betrifft." Sie stellte sich zwischen den stämmigen Kurt Hassler und Benedict. "Allerdings werde ich ein Gratisessen auf keinen Fall ausschlagen." Und sie würde Benedict auch auf keinen Fall sagen, dass sie sein Gespräch mit seinem Vater mitgehört hatte. Wenigstens brauchte sie sich jetzt keine Sorgen mehr zu machen, dass sie der Versuchung nachgeben würde, denn nun würde er sich bestimmt von ihr fern halten. Ein Techtelmechtel mit einer
Sekretärin, die obendrein ein Kind hatte, war es nicht wert, dafür seine Karriere aufs Spiel zu setzen. Und als der Nachmittag vorbei war, zweifelte sie nicht mehr daran, dass eine glänzende Zukunft vor ihm lag. Die Klienten hatten sich hoch zufrieden verabschiedet, weil er ihnen eine kostspielige und langwierige Auseinandersetzung vor Gericht erspart hatte. Und sie ging in dem Bewusstsein nach Hause, dass ihre Tätigkeit als Benedict Ardens Assistentin von kürzerer Dauer sein würde, als sie erwartet hatte. "Sie sind ja immer noch da." "In zehn Sekunden bin ich verschwunden." Rachel hängte sich ihre Handtasche um. "Bestimmt freuen Sie sich, dass es heute so gut gelaufen ist." "Was war mit dem dringenden Anruf nach sieben Minuten?" fragte Benedict unwirsch. Er setzte sich auf die Fensterbank und wirkte ihrer Meinung nach ziemlich schlecht gelaunt für jemand, der gerade so viel erreicht hatte. Langsam knöpfte sie ihre dunkle Jacke zu, was ihn zu irritieren schien. "Alberts Aushilfskraft hatte heute Morgen Probleme, eine Akte zu finden", erklärte sie mit einem letzten Blick auf ihren aufgeräumten Schreibtisch. "Es macht Ihnen doch nichts aus, dass ich zu ihr gegangen bin, um ihr zu helfen, oder?" "Warum sollte es mir etwas ausmachen?" "Sie wirken etwas ... nervös." Betont gleichgültig erwiderte sie seinen Blick, obwohl sie innerlich aufgewühlt war. Ob er auch wie sein Vater ein berechnendes Miststück in ihr sah? "Nervös", wiederholte er langsam, und der Gedanke schien ihn zu amüsieren. "Überrascht Sie das? Sie haben meinen Vater kennen gelernt ..." "Ich bin ihm schon einige Male begegnet." Sie presste die Lippen zusammen. "Er schien ziemlich viel über mich zu wissen."
"Sie haben es gehört, stimmt's? Sehen Sie mich an, Rachel", sagte Benedict eindringlich. "Was gehört?" fragte sie verwirrt. "Sie haben gehört, was mein Vater gesagt hat - was Sie hören sollten. Stimmt's?" Rachel blickte demonstrativ auf ihre Armbanduhr. "Na und?" Wie hatte sie nur so dumm sein können zu glauben, dass sie ihm je etwas bedeutet hatte? Männer wie Ben Arden nahmen Frauen wie sie nicht ernst. Eigentlich musste sie Stuart Arden dankbar dafür sein, dass er ihr die Augen geöffnet hatte. Als sie an diesem Tag durch die Flure des alten, luxuriös möblierten Gebäudes gegangen war, hatte sie sich zusammenreißen müssen, denn ständig hatte sie sich eingebildet, dass man über sie tuschelte. "Anscheinend liegen Sie und mein Vater auf der gleichen Wellenlänge", erklärte Benedict wütend und frustriert zugleich. Dann ging er zu ihrem Schreibtisch und stützte die Hände darauf. Prompt bekam sie weiche Knie. "Stört Sie das?" erkundigte sie sich kühl und griff nach dem Dokument unter seiner Hand, dessen Ecke er versehentlich geknickt hatte. Als er sich vorbeugte, stieg ihr sein maskuliner Duft in die Nase, und sie sah sein dunkles Brusthaar unter dem weißen Hemd. Obwohl der Raum klimatisiert war, rann ihr eine Schweißperle zwischen den Brüsten hinunter, und heftiges Verlangen flammte in ihr auf. Mit einer schwungvollen Geste fegte Benedict den Stapel Unterlagen vom Schreibtisch. "Lassen Sie das!" "Dafür werde ich bezahlt!" Sie hatte gar nicht gemerkt, dass sie die Bleistifte, die auf ihrem Schreibtisch lagen, angespitzt hatte. "Sie erreichen bei mir nichts, wenn Sie sich wie ein bockiges Kind aufführen!" Plötzlich begann sie zu zittern, weil sie sich erniedrigt fühlte. Was glaubte er eigentlich, wie ihr zu Mute war, wenn man über
sie sprach, als wäre sie ein ... Gegenstand? Er wollte vielleicht nicht daran erinnert werden, dass sein Daddy letztendlich das Sagen hatte, aber ihn hatte man ja auch nicht als geldgieriges Flittchen dargestellt! "Wie kann ich dann etwas bei Ihnen erreichen?" fragte Benedict rau. Rachel hielt es für klüger, nicht darauf einzugehen. "Warum hat er mich nicht einfach gefeuert?" meinte sie und biss sich auf die Lippe. "Weil er dann Probleme bekommen hätte." Er zweifelte nicht daran, dass sein Vater diese Maßnahme ergriffen hätte, wenn er es gekonnt hätte. "Hoffentlich haben Sie ihm klargemacht, dass er sich keine Sorgen zu machen braucht. Ein KUSS, ein kleiner Flirt ... Sicher sind Sie viel pragmatischer, als er denkt. Ich werde Ihrer glänzenden Zukunft bestimmt nicht im Weg stehen." "Ich bin viel egoistischer, als Sie beide glauben." Sie wusste nicht, was sie von dieser Bemerkung halten sollte, und seltsamerweise wirkte Benedict auch nicht erleichtert. Sie zuckte die Schultern und lachte gekünstelt. "Ich möchte nicht der Grund für Meinungsverschiedenheiten zwischen Ihnen und Ihrem Vater sein." "Mein Vater und ich haben immer Meinungsverschiedenheiten." "Von mir aus, aber ich möchte nicht Mittelpunkt Ihrer Streitigkeiten sein." Tränen stiegen ihr in die Augen, und sie blinzelte verzweifelt. "Als ich gehört habe, wie Sie über mich gesprochen haben ... habe ich mich beschmutzt gefühlt und ..." Die Kehle war ihr wie zugeschnürt, und Rachel schluckte mühsam. "Verletzt", sagte er sanft. "Ist auch egal. Manche Leute denken, dass man als allein erziehende Mutter zwangsläufig auf der Suche nach einem Mann ist." Sie räusperte sich, denn sie wollte jetzt nicht die
Fassung verlieren. "Soll ich für morgen Mittag einen Tisch für zwei bestellen?" "Wie kommen Sie auf die Idee, dass ich einen Tisch für zwei brauche?" "Ich dachte, vielleicht möchten Sie mit Sabrina essen gehen. Sie hat Ihnen eine Nachricht hinterlassen. Haben Sie sie nicht bekommen?" "Doch." "Sie scheint sehr viel Überzeugungskraft zu besitzen." Vielleicht kann ich einen Abendkurs über die Kunst des Augenaufschlags belegen, dachte Rachel boshaft, während sie freundlich lächelte. "Außerdem ist sie eine hervorragende Köchin", meinte Benedict. "Bestimmt fragen Sie sich, warum ich mich neulich mit einem Käsesandwich begnügt habe, oder? Ja ..." Er verschränkte die Arme vor der Brust, als sie erschrocken zu ihm aufsah. "Ich war auf dem Weg zu Sabrina, als Charlie mich gekidnappt hat. Können Sie einen Brief aufnehmen?" "Natürlich", erwiderte sie und ärgerte sich, als sie versehentlich die Bleistifte hinunterwarf. "Es ist ein Kündigungsschreiben", fuhr er ruhig fort, während sie auf dem Boden kniete und die Bleistifte wieder einsammelte. "Ein was?" Sie richtete sich auf und stieß sich dabei den Kopf am Schreibtisch. "Autsch! Ich soll kündigen?" "Nein, ich kündige." "Sie können doch nicht meinetwegen kündigen!" rief sie entsetzt und lehnte sich zurück. "Ich tue es auch nicht Ihretwegen." "Oh! Natürlich nicht." Das hast du davon, wenn deine Fantasie mit dir durchgeht, sagte sie sich. "Obwohl es sicher seinen Reiz hätte." Rachel krauste die Stirn. "Das sollten Sie sich gut überlegen, Ben."
"Ich weiß, dass Sie mich für einen oberflächlichen Partylöwen halten." Das ironische Funkeln in seinen Augen ließ sie schuldbewusst erröten. "Aber ich habe es mir gut überlegt. Seit meiner Rückkehr aus Australien zerbreche ich mir den Kopf darüber. Ich gehe zurück ..." "Ach so." Mach endlich die Augen auf, ermahnte sie sich. "Und wie Sie Ihre Freizeit verbringen, geht mich nichts an. Sie sind ein begehrter Junggeselle, und daher ist es ganz natürlich, wenn Sie gern aus sich herausgehen. Ohne Sie wird die Londoner Szene wahrscheinlich zum Stillstand kommen." "Mir wäre es lieber, wenn Sie sagen würden, dass zahlreiche Frauen in ihr Kopfkissen weinen." Darauf wette ich, dachte Rachel und atmete tief ein, um sich zu beruhigen. "Die Welt ist voll von leicht zu beeindruckenden Frauen." Ihr Tonfall ließ keinen Zweifel daran, dass sie sich nicht dazuzählte. "So viele sind mir noch nicht begegnet", konterte Benedict trocken. "Vielleicht haben Sie im australischen Busch mehr Glück." "Australische Frauen sind jedenfalls erfrischend offen." "Sind sie der eigentliche Grund dafür, dass Sie dorthin zurückkehren?" "Vorsichtig, Rachel, Sie scheinen eifersüchtig zu sein", meinte er gewandt. "Meine Großmutter hat mir eine Rinderzuchtfarm in Queensland hinterlassen, als sie vor vier Jahren gestorben ist. Ich habe einen Verwalter eingestellt und ihm die Leitung der Ranch überlassen, bis er im vorigen Jahr gegangen ist und sich herausgestellt hat, dass er viel Geld unterschlagen hatte." "Oh!" "Das kann man wohl sagen, vor allem da Nina mir Land, aber wenig Kapital hinterlassen hat. Vergessen Sie nicht, dass man eine Ranch in Australien nicht mit einem Bauernhof in England vergleichen kann. Viele Angestellte würden arbeitslos werden.
Wegen des zu großen Viehbestands und mehreren Trockenperioden war die Farm ziemlich heruntergewirtschaftet. Ich bin hingeflogen, um die rechtlichen Probleme zu klären und einen neuen Verwalter einzustellen - einen, dem ich vertrauen konnte. Wenn meine Mutter nicht dort aufgewachsen wäre und an der Farm hängen würde, hätte ich sie zum Verkauf angeboten. Es war ein einziges Theater." "War?" Benedict lächelte jungenhaft, und sie stellte fest, dass seine Augen noch nie so lebhaft gefunkelt hatten. "Das ist es noch, aber irgendwie hänge ich an der Farm. Mein Leben war immer so vorhersehbar. Ich musste überall der Erste und der Beste sein, und deswegen gab es schon lange keine Herausforderung mehr für mich. Mit Connor's Creek ist es etwas anderes. Das Land ..." Beinah verlegen zuckte er die Schultern. "Um es kurz zu fassen, ich habe die Suche nach einem neuen Verwalter immer weiter hinausgezögert und schließlich ganz aufgegeben." "Sie hatten also nie vor, hier zu bleiben?" War ich nur ein Lückenbüßer für ihn? fragte Rachel sich bitter. "Ich habe mir alle Möglichkeiten offen gelassen." Das stimmte nicht. Er hatte immer gewusst, dass er nach Australien zurückkehren würde. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie ..." "Erinnern Sie sich daran, wie ich ohne Anzug ausgesehen habe? Es ist mir dort auch schwer gefallen, die Leute davon zu überzeugen, dass es mir ernst ist. Manche Menschen beurteilen andere eben zu sehr nach dem Äußeren." Natürlich erinnerte sie sich daran, wie er ohne Anzug ausgesehen hatte. Und plötzlich konnte sie sich auch vorstellen, wie er sich die Hände schmutzig machte - wie er die Zwänge der Zivilisation abschüttelte und etwas in Angriff nahm, das nicht nur geistige, sondern auch körperliche Zähigkeit erforderte.
"Ihre Familie wird darüber nicht glücklich sein." Warum fühlte sie sich nur so leer? Schließlich fühlte sie sich lediglich körperlich zu ihm hingezogen. Dass er wegging, war in vielerlei Hinsicht die perfekte Lösung für ihr Problem. "Dad hat schon einen Nachfolger. Er weiß es nur noch nicht." "Und was ist mit Ihrer Karriere?" "Ehrlich gesagt, hat Jura mich immer gelangweilt." "Vielleicht stürzen Sie sich deshalb so ins gesellschaftliche Leben. Wer sagt denn, dass Sie sich nicht auch langweilen, wenn Sie ein paar Jahre Cowboy gespielt haben?" "Diese Bitterkeit passt nicht zu Ihnen, Rachel", erwiderte er leise. "Es gibt nicht viele Menschen, die einen Ort finden, von dem sie glauben, dass sie wirklich dorthin gehören. Ich weiß, was ich will." Sein warnender Unterton ließ sie erschauern. Wenn sie nicht sofort den Blick abwandte, würde es zu einer gefährlichen Kernschmelze kommen! Wenn ihm jemand vor einem Jahr gesagt hätte, dass man eine starke Bindung an einen Ort entwickeln konnte, hätte er, Benedict, gelacht. Jetzt wusste er es besser. Es war ein Gefühl, das er nicht in Worte fassen konnte. "Es ist ein großer Schritt", sagte Rachel heiser. "Große Schritte sind die einzigen, die man machen sollte, Rachel." Er streckte die Hand aus, und erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie immer noch auf dem Boden saß, die Bleistifte in ihrer Linken. Sie ergriff seine Hand und ließ sich von ihm hochhelfen. Dann zog er sie näher zu sich, und sie sah unwillkürlich zu ihm auf. Es war ein Fehler. Benedict würde ans andere Ende der Welt gehen, und dies war der geeignete Moment, um es sich ins Gedächtnis zu rufen.
Er wusste, wie ihr zu Mute war. Er wusste genau, welche Gefühle er in ihr weckte. Er war zu erfahren, um die Signale, die sie aussandte, zu übersehen. "Soll ich das, was Sie mir gerade erzählt haben, für mich behalten?" Als sie einen Schritt zurückweichen wollte, umfasste er ihren Ellbogen. "Sie sind die Einzige, der ich es gesagt habe." Seine Worte vermittelten ihr ein Gefühl der Intimität. Das ist nur eine Illusion, sagte sie sich. "Sind Sie traurig, wenn ich gehe, Rachel?" "Ich arbeite nur vorübergehend für Sie", erinnerte sie ihn betont gleichmütig. "Daher betrifft es mich nicht so." Alles in meinem Leben ist vorübergehend, fügte sie in einem Anflug von Selbstmitleid hinzu. "Das hatte ich ganz vergessen", erwiderte Benedict gewandt und betrachtete dabei ihren Ausschnitt. Fast rechnete sie damit, dass die schmale Goldkette, die sie trug, unter seinem verlangenden Blick schmolz. "Und wahrscheinlich könnte es mir auf persönlicher Ebene sogar nützen." "Inwiefern?" fragte Rachel unsicher. "Es passt Ihnen nicht, dass Charlie mich mag. Sie haben Angst, mir zu nahe zu kommen. Und das kann jetzt nicht mehr passieren, stimmt's? Ich bin sozusagen nur auf der Durchreise." "Das waren Sie immer", bemerkte sie bitter. "Außerdem stimmt es nicht!" Als er eine Augenbraue hochzog, schwieg sie. Eine Mutter musste ihr Kind beschützen. "Es ist eine ganz natürliche Reaktion. Sie halten die Männer gern auf Abstand. Deswegen hatte der gute alte Nigel es Ihnen wahrscheinlich auch angetan - Sie wussten, dass er die Grenze niemals überschreiten würde. Ich glaube nicht, dass Ihre Wohnung durch Zufall eine männerfreie Zone ist." "So ein Unsinn!" rief Rachel. "Ich bin alt genug, um zu wissen, dass gewisse Beziehungen vergänglich sind. Ich möchte
nicht, dass Charlie verletzt wird. Sie sind nett zu ihr, und sie interpretiert viel hinein. Sie ist an Männer gewöhnt, die sofort die Flucht ergreifen, wenn sie erfahren, dass ich ein Kind habe." "Sehen Sie doch mal in den Spiegel, Rachel!" Er umfasste ihr Kinn und betrachtete ihr Profil. "Die meisten Männer würden für Sie eine Horde krimineller Jugendlicher in Kauf nehmen." "Die meisten Männer wollen eine oberflächliche Beziehung." Ihr Widerstand erlahmte allmählich. "Und ist es nicht genau das, was Sie auch mit Steve - mit mir - wollten? Haben Sie nicht ein bisschen davon fantasiert, mit einem Fremden zu schlafen - keine Fragen, keine Komplikationen? Sie haben sich zu ihm - zu mir - hingezogen gefühlt. Bei einem Fremden hätten Sie alle Hemmungen über Bord werfen können." Ihr wurde schwindelig - vor Wut, wie Rachel sich einredete. "Sex mit einem Fremden entspricht nicht meiner Vorstellung von Sicherheit", erklärte sie mit bebender Stimme. "Ich glaube, für Sie wäre es ein Ventil für Ihre unterdrückte Sexualität", meinte Benedict ruhig. "Es würde mich nicht überraschen, wenn der Mann, mit dem Sie zuletzt geschlafen haben, Charlies Vater gewesen wäre", fügte er herausfordernd hinzu. Als er ihren Gesichtsausdruck sah, erstarrte er. "Du meine Güte! Es stimmt, oder?" Trotz seiner Sonnenbräune war er blass geworden. "Das war sicher nicht einfach, oder?" Rachel war so verblüfft, dass sie nichts erwiderte. Als sie mit neunzehn bei einem sehr sympathischen Ehepaar in Südfrankreich als Au-pair-Mädchen gearbeitet und dabei den berühmten Bruder des Hausherrn kennen gelernt hatte, hatte sie so reagiert, wie die meisten Mädchen in ihrem Alter reagiert hätten. Raoul Faure war Formel-1-Rennfahrer und dafür bekannt gewesen, dass er Freundinnen genauso sammelte wie Pokale. Sie gab sich damit zufrieden, ihn aus der Ferne anzuhimmeln, doch er machte ihr Avancen und sagte ihr, sie sei, das schönste
Mädchen der Welt. Seine Liebeserklärung war die Erfüllung all ihrer pubertären Träume - und was folgte, war unvermeidbar. In der darauf folgenden Woche kam er wieder in die Villa, diesmal allerdings in Begleitung einer schönen jungen Schauspielerin, die auch das Bett mit ihm teilte. Ihr, Rachel, gegenüber tat er so, als wäre überhaupt nichts gewesen. Erst später sollte sie verstehen, warum. Zu dem Zeitpunkt war sie verwirrt und tieftraurig. Ihr jugendlicher Idealismus hatte den Todesstoß erhalten. Unter dem Vorwand, sie hätte Heimweh, war sie dann abgereist, und die Faures waren sehr verständnisvoll gewesen und hatten glücklicherweise nichts geahnt. "Sex ist für mich nicht so wichtig", erklärte Rachel. "Tatsächlich?" fragte Benedict skeptisch. "Das sagte ich doch gerade, oder?" Zu spät wurde ihr klar, dass er diese Haltung als Herausforderung betrachten könnte. Und er nahm diese Herausforderung sofort an. Verlangend, beinah wütend presste er die Lippen auf ihre, und sie reagierte genauso heftig darauf. Sehnsüchtig drängte sie sich ihm entgegen, als er sie umarmte und hochhob, so dass sie den Boden nur noch mit den Zehenspitzen berührte. Sie schob die Hände in sein Haar, während sie das erotische Spiel seiner Zunge erwiderte, und stöhnte auf, als er sie plötzlich gegen die Wand drückte. Daraufhin löste er sich von ihr und hob den Kopf. Einen Moment lang sahen sie sich an, und Rachel bemerkte das triumphierende Funkeln in seinen Augen. Benedict liebkoste aufreizend ihre Lippen und spielte dann wieder mit ihrer Zunge. "Du bist ...", sagte sie heiser. Sie konnte kaum atmen, weil diese süße Qual sie überwältigte. "Was bin ich, Rachel?" drängte er. Als Rachel das Gesicht abwandte und an seiner Schulter barg, umfasste er ihr Kinn, damit sie ihn wieder ansah. "Sag es mir." Er ließ die andere Hand an ihrem Schenkel nach oben gleiten und hielt erst inne,
als er den Rand ihres Strumpfs erreichte. Sie spürte, wie er sich noch mehr anspannte und scharf einatmete. Schließlich umfasste er ihren Po. "Du bist grausam und sehr ... sehr schön, Ben." Er war grausam, weil er ein so starkes Verlangen in ihr weckte ... Plötzlich wurde sie ganz schwach in seinen Armen. "Ich wollte nicht, dass es hier passiert", brachte er hervor, während er ihr Gesicht betrachtete. Es ist nicht das Einzige, was nicht passieren sollte, dachte sie benommen, als er Daumen und Zeigefinger über ihren Hals gleiten ließ. "Nichts wird passieren", erwiderte sie. Seine angespannten Züge bewiesen, wie erregt er war. Außerdem spürte sie sein Verlangen ganz deutlich, und als sie sich in seinem Arm wand, wurde der intime Kontakt noch intensiver. Verräterisch süße Hitzewellen durchfluteten ihren Schoß. "Das ist doch lächerlich." Rachel spürte, wie er erschauerte, und wieder reagierte sie darauf. Seine Pupillen waren vergrößert, und ein feiner Schweißfilm bedeckte seine Haut. Ohne nachzudenken, streckte sie die Hand aus und streichelte seine Wange, die aufregend rau war. Dann führte sie die Finger an die Lippen, und ein Prickeln überlief sie, weil sie leicht nach Salz schmeckten. Regungslos stand Benedict da, und schließlich atmete er tief durch. "Ben..." "Pst", befahl er rau. Mit dem Finger zog er die Konturen ihrer Lippen nach und schob die Spitze in ihren Mund. Diese intime Geste übte eine verheerende Wirkung auf sie aus. "Ich liebe deinen Mund. Er lädt förmlich zum Küssen ein." Rachel stöhnte laut auf und presste den Handrücken an die Lippen, als er an dem Finger leckte, mit dem er gerade ihren Mund erkundet hatte.
"Du schmeckst so süß. Hättest du Lust, mich auch zu schmecken?" fragte er rau. Die erotischen Bilder, die vor ihrem geistigen Auge auftauchten, machten sie schwindlig. Sie krallte die Finger in sein Hemd, und dabei gingen einige Knöpfe auf. Unwillkürlich senkte sie den Blick. Die Haut an seinem flachen Bauch war glatt und tief gebräunt. Sie, Rachel, sehnte sich so danach, ihn zu berühren, dass ihr die Tränen kamen und sie ein ums andere Mal erschauerte. "Vielleicht hast du Recht. Ich sollte mit dir schlafen!" sagte sie schroff. "Ich sollte es hinter mich bringen, damit alles so weiterläuft wie bisher und dein Ego keinen Schaden nimmt denn welche Frau kann dem Sexprotz Ben Arden schon widerstehen?" Benedict blickte auf. Es wäre schön gewesen, wenn sie dahingeschmolzen wäre, doch so leicht ließ er sich nicht entmutigen. "Es gibt kein .vielleicht'", entgegnete er rau. Sein verführerischer Tonfall und das glühende Verlangen in seinen Augen weckten in ihr den Wunsch, Benedict zuzustimmen. "Es ist wahrscheinlich die einfachste Möglichkeit, darüber hinwegzukommen." Damit versuchte sie, den Eindruck zu vermitteln, dass sie eine unbeteiligte Beobachterin war. Es war allerdings nicht einfach. "Soll ich mich jetzt beleidigt zurückziehen?" Entsetzt stellte sie fest, dass er amüsiert wirkte. "Ich bin nur realistisch. Wäre es dir lieber, wenn ich gefühlsbetont reagieren würde?" Vielleicht sollte ich ihm sagen, dass ich mich in ihn verliebt habe. Dann würde er sofort die Flucht ergreifen, überlegte Rachel bitter. "Natürlich funktioniert diese Strategie nur, wenn du mir Feingefühl zuschreibst. Wenn ich mich nicht angewidert
zurückziehe und ,Ja, bitte' sage, hast du ein Eigentor geschossen. Und was den Sexprotz betrifft ..." Er schüttelte den Kopf und verzog das Gesicht. "Vielleicht bilde ich mir so viel auf meine Potenz ein, dass ich darauf vertraue, dass du zurückkommst und mehr willst. Oder vielleicht bin ich herzlos und egoistisch genug und sehe über dein offensichtliches Desinteresse hinweg. Ich glaube, du hast es dir nicht richtig überlegt, Rachel." "Ich würde nicht mit dir ins Bett gehen!" protestierte sie halbherzig. "Aber wenn du deine Kapitulation so darstellst, kannst du dir einreden, es wäre die einzige Lösung für ein schwieriges Problem. Habe ich dir vielleicht unrecht getan?" sinnierte er laut. "So brauchst du dich nicht mehr vor dir zu rechtfertigen, weil du mit mir schlafen willst. Stimmt's, mein Schatz?" "Ich bin nicht dein Schatz." "Und morgen wirst du mich wahrscheinlich hassen." Sein gelassener Tonfall strafte das verlangende Funkeln in seinen Augen Lügen. "Ich hasse dich jetzt schon." "Was soll das?" rief Rachel, als Benedict sie kurzerhand hochhob. Du meine Güte, ich genieße es, das hilflose Weibchen zu spielen, ging es ihr durch den Kopf. "Mein Büro hat eine abschließbare Tür und ein Sofa." "Und du hast den Schlüssel dafür?" brachte sie hervor. "Nein." Er drückte ihr etwas Kaltes in die Hand. "Du hast ihn." Rachel stellte fest, dass das Sofa weich und bequem war. Der Spitzen-BH, den sie trug, war fast durchsichtig, was Benedict unglaublich erregend fand - zumindest sagte er es und bewies es ihr anschließend auch. Er kniete vor dem Sofa, und sie fand den Anblick seines dunklen Schopfs, als er ihre Knospe durch den BH hindurch mit den Lippen umschloss, wahnsinnig erotisch. Auch den Rock hatte er ihr ausgezogen, so dass sie sonst nur noch den zum BH
passenden Spitzenslip trug, während er sich bisher lediglich seines Jacketts entledigt hatte. Plötzlich legte er ihr die Hand auf den Slip. Schockiert über die intime Berührung, zuckte sie zusammen und schlug die Beine übereinander. "Gefällt es dir nicht?" Es gefiel ihr. Sehr sogar. Daher sah sie ihn an und nahm das Bein wieder herunter. "Ja", sagte sie heiser, als er ihre Beine auseinander schob. "Es wird noch schöner", versprach er rau. Und das war auch der Fall. Der Anblick seines dunklen Schopfs, das Gefühl seiner Lippen durch den dünnen Stoff war fast unerträglich erregend. Schließlich schob er die Hand in den Slip, um ihre empfindsamste Stelle zu streicheln. "Hör auf", flehte sie. "Ich kann nicht mehr ..." "Wenn du mich später daran erinnerst, wo ich aufgehört habe", erwiderte er. "Ich glaube, den solltest du ausziehen." Mit dem Daumen reizte er die andere Knospe, und Hitzewellen durchfluteten ihren Körper. Rachel beugte sich vor, um ihren BH aufzuhaken. "Ist es so besser?" Benedict schluckte mühsam, während er ihre festen Brüste mit den rosigen Knospen betrachtete. "Sie sind perfekt. Du bist perfekt", brachte er hervor. "Als ich dich zum ersten Mal gesehen habe, hast du keinen BH unter dem blauen Kleid getragen..." "Es war lavendelfarben..." "Und ich konnte sehen, wie voll und fest deine Brüste sind. Als du dich vorgebeugt hast, konnte ich gerade genug erkennen, um ..." Er räusperte sich und wurde rot, was sie verblüffte. "Sagen wir, um den Verstand zu verlieren. Zieh ihn aus." Er hakte einen Finger unter den Bund ihres Slips. "Tust du es für mich?" bat sie heiser.
Aufreizend langsam streifte er ihr den Slip ab, und sie wand sich lustvoll, die Augen fest geschlossen, und stellte sich vor, wie er sich in ihr hin und her bewegte, sie ausfüllte ... Als er erregt aufstöhnte, öffnete sie die Augen wieder, und an seinen angespannten Zügen erkannte sie, dass er dasselbe dachte. Er sah so aus, als wäre er kurz davor, die Beherrschung zu verlieren. Das erregte und entsetzte sie gleichermaßen. "Jetzt komm her, und lass mich zu Ende führen, was ich angefangen habe", sagte sie verführerisch. Mit halb geschlossenen Augen beobachtete Benedict, wie sie sein Hemd ganz aufknöpfte und es auseinander schob. Sein Oberkörper war, wie sie bereits erahnt hatte, sehr muskulös und tief gebräunt und nun außerdem von einem feinen Schweißfilm bedeckt. Sie spreizte die Finger und legte Benedict die Hände seufzend auf die Brust. Dann ließ sie sie tiefer gleiten und genoss das Gefühl, dass seine Muskeln sich unter ihren Berührungen zusammenzogen. Schließlich schob sie eine Hand unter seinen Hosenbund, verharrte jedoch unsicher mitten in der Bewegung und sah fragend zu ihm auf. Der Ausdruck in seinen Augen verlieh ihr neues Selbstvertrauen. Als sie den Reißverschluss aufzog, rutschte seine Hose ein Stück hinunter, und sein Slip kam zum Vorschein. "Alles in Ordnung?" Plötzlich klang Benedict besorgt, und Rachel hob unvermittelt den Kopf, so dass ihr das Haar ins Gesicht fiel. Sie versuchte zu sprechen und merkte erst in diesem Moment, dass sie schnell und unregelmäßig atmete. Daher umfasste sie seine Schultern, um sich zu beruhigen, und atmete einige Male tief durch. "Ja, alles in Ordnung." In einem Anflug von Ehrlichkeit fuhr sie fort: "Ich kenne meinen eigenen Körper nicht - nicht wenn du mich berührst oder ich dich. Die Gefühle, die ich verspüre, sind mir fremd, Ben."
Seit sie ein unreifer Teenager gewesen war, hatte sie nichts Impulsives mehr getan, doch jetzt verspürte sie den unwiderstehlichen Drang dazu. "Mir kommt es vor, als würde es jemand anders passieren." Das Funkeln in seinen Augen wurde noch intensiver. "Vielleicht sollte ich dafür sorgen, dass es noch persönlicher wird - noch realer." "Hier ist genug Platz." Aufreizend klopfte sie neben sich aufs Sofa. "Wenn ich erst neben dir sitze, kann ich mich wahrscheinlich nicht mehr beherrschen." "Das Risiko gehe ich ein." "Ist es bequem?" fragte er, während er sich unter sie legte. "So würde ich es nicht nennen." Sie saß rittlings auf ihm, und er hatte sich gegen die Armlehne gelehnt. Dann sagte sie nichts mehr, weil er eine Knospe mit den Lippen umschloss und mit der Zunge reizte. Es war unglaublich erregend. Rachel stöhnte lustvoll auf und erschauerte heftig, bevor sie sich gegen ihn sinken ließ. Benedict hatte ihr eine Hand auf den Rücken gelegt und schob die andere in ihr Haar, um ihren Kopf nach hinten zu biegen und heiße Küsse auf ihrem Hals zu verteilen. Sein Duft erregte sie fast genauso wie seine geschickten Bewegungen. Geschickt... "Was ist los?" erkundigte sich Benedict, als sie innehielt. Sein Atem fächelte ihre Wange, als seine Zunge die empfindsame Stelle neben ihrem Ohr liebkoste. Dicht an Benedict geschmiegt, legte Rachel ihm die Arme um die Taille und hielt ihn fest, als würde es ihr die Unsicherheit nehmen, die sie plötzlich überkam. "Ich bin nicht gerade erfahren ... Ich habe das hier nicht mehr gemacht, seit..." Bisher hatte sie beim Sex noch keinen aktiven Part übernommen. Ben wollte mehr als das. Was war, wenn sie
ihn enttäuschte? "Mein Körper ist nicht perfekt ... Ich habe ein Kind zur Welt gebracht..." "Glaubst du, ich erwarte Perfektion?" Es klang wütend, und als er ihr Kinn umfasste und sie zwang, ihm in die Augen zu blicken, stellte sie fest, dass er sie zornig anfunkelte. "Denkst du, Sex kann man auf einer Skala von eins bis zehn bewerten? Ich kann überhaupt nicht beschreiben, wie es ist, deine Haut zu berühren." "Versuch es", sagte sie, wie berauscht von seinen Worten. "Versuch es, und sag es mir." "Es ist einfacher, wenn ich es dir zeige." Er nahm ihre Hand und führte sie an sich hinunter. Seine Reaktion auf ihre zarte Berührung verblüffte sie, und sie lächelte zufrieden. Die Lippen leicht geöffnet, sah sie verlangend zu ihm auf. "Das Ding hier lässt uns nicht viele Möglichkeiten." Benedict schlug mit dem Kopf gegen die gepolsterte Lehne, bevor er nach unten rutschte und Rachel mit sich zog. "Entweder liege ich unten und du oben oder ich oben ..." Er erstickte ihren leisen Aufschrei mit einem verlangenden KUSS. "... und du unten. Du hast die Wahl." "Mir ist alles recht." Benedict lachte. "Was ...?" Er neigte den Kopf und beobachtete, wie sie seine Hose und den Slip ein Stück nach unten zog. Als sie spürte, wie erregt er war, rang sie um Fassung. "Ich zeige Initiative." Aufreizend liebkoste sie eine seiner Brustwarzen mit der Zunge. Dann streifte sie ihm das Hemd ein Stück über die Schultern, so dass er sich auf die Ellbogen stützten musste, weil es ihn in seiner Bewegungsfreiheit einschränkte. "Ich erdrücke dich", warnte er sie rau. "Nur zu", ermunterte sie ihn und legte ihm die Beine um die Taille.
"Rachel!" Seine gequälten Züge ließen erahnen, wie sehr er sich beherrschen musste. Er rutschte unter ihre Schenkel, weil ihm nichts anderes übrig blieb. "Ich kann mich nicht bewegen." "Du kannst. Und zwar genau dorthin, wo ich dich haben will." "Halb angezogen hatte ich noch nie Sex." "Keine Angst, das geht schon." Benedict lachte heiser auf. "Du bist ein böses Mädchen, Rachel" , brachte er hervor. "Du meinst, ich liege oben, aber du übernimmst die Führung?" "Jetzt, da du es erwähnst..." Sie atmete scharf aus, als er in sie eindrang, und sie dachte überhaupt nicht mehr daran, die Führung zu übernehmen. "Du bist..." Atemlos schob sie die Hände unter sein Hemd, um seine warme Haut zu spüren. "Ich bin was?" Rachel brachte kein Wort mehr über die Lippen. Sie wollte ihn nur noch in sich aufnehmen, spüren, wie er sich in ihr bewegte. Er konnte ihren Bitten nicht widerstehen, und seine Stöße wurden immer heftiger, als er ihr gab, wonach sie verlangte. "O nein, ich habe kein Kondom benutzt!" Was Zärtlichkeiten nach einer leidenschaftlichen Begegnung betraf, so ruinierte das die Stimmung. "Keine Angst, ich habe nicht meine fruchtbaren Tage." Am liebsten hätte sie ihre Blöße bedeckt, weil sie sich so verletzlich fühlte. Und nun zeigte sich wesentlich mehr als ihre Verletzlichkeit! Rachel rückte so weit wie möglich von Benedict weg. "Darum geht es nicht." "Ach nein?" Sie sehnte sich so sehr danach, ihn zu berühren. Wäre es denn so schlimm? fragte sie sich wehmütig. "Denk bloß nicht, dass ich normalerweise so leichtsinnig bin."
"Das tue ich auch nicht." "Nächstes Mal..." "Es wird kein nächstes Mal geben." Das Sofa quietschte, als er sich auf einen Ellbogen stützte. "Ach?" Langsam ließ er den Blick über ihren erhitzten Körper schweifen. "Es hat nichts mit dir zu tun." "Das ist nett von dir." Er lächelte flüchtig, doch der Ausdruck in seinen Augen war ernst. "Trotzdem dürfen wir es nicht wieder tun." "Wenn du mir zehn Minuten gibst, wirst du deine Meinung ändern." Erneut durchfluteten Hitzewellen ihren Körper, als die erotischsten Bilder vor ihrem geistigen Auge auftauchten. "Ich muss nach Hause." "Lass mich raten. Ich gehöre nicht zu den Männern, die du mit zu Charlie nehmen würdest." Benedict wirkte alles andere als amüsiert. "Ich möchte keine falschen Erwartungen bei ihr wecken, Ben. Sie mag dich..." "Und ihre Mutter?" "Du bist ein sehr attraktiver Mann." "Aber?" "Lass das", bat Rachel ihn mit bebender Stimme. "Du hast ja nicht vor, dein Leben mit mir zu verbringen, oder? Wir haben überhaupt nichts gemeinsam, und ich bin auch nicht der Typ, der sich in einem Harem wohl fühlt." Sie lachte gekünstelt, als er ihr die Antwort schuldig blieb, dass es für ihn keine andere Frau gäbe - allerdings hatte sie es auch nicht erwartet. "Es ist für alle Betroffenen das Beste, wenn wir unsere Beziehung aufs Berufliche beschränken. Und jetzt würde ich mich gern anziehen."
"Und ich soll jetzt wohl woanders hinsehen? Tut mir Leid, Rachel, aber ich schaue dich nun mal gern an, wenn du nackt bist. Dann habe ich wenigstens etwas, wovon ich später zehren kann." "Musst du es einem immer so schwer machen?" "Es überrascht dich vielleicht, Rachel, aber obwohl ich ein abwechslungsreiches Liebesleben führe, bin ich noch nie in so einer Situation gewesen. Ich hatte keine sklavische Bewunderung erwartet..." "Nein? Nur Applaus vielleicht? Ich glaube, du bist nur eingeschnappt, weil die Frauen, mit denen du ausgehst, darauf warten, dass du Schluss machst!" Da sie befürchtete, dass er gleich wieder auf Tuchfühlung gehen würde, rutschte sie vom Sofa und landete dabei auf dem Po. Benedict beugte sich vor, und sie nahm ihre Bluse, die auf dem Boden lag, und hielt sie sich schützend vor die Brust. "Mit denen ich ausgehe? Du hast mir versprochen, mich zum Abendessen einzuladen, als ich dich zum Krankenhaus gebracht habe ... Ich glaube, du würdest mich lieber mögen, wenn ich tatsächlich ein armer Herumtreiber auf der Jagd wäre. Da warst du jedenfalls wesentlich mitfühlender. Die Tatsache, dass ich dir alles bieten kann, ist dir offenbar ein Gräuel." War das etwa sein Ernst? Rachel lehnte sich zurück und schlüpfte mit zittrigen Händen in ihre Bluse. "Wann hast du mir je alles geboten?" "Es erscheint mir nicht sehr sinnvoll, wenn du so abweisend bist." "Also gut. Wenn du mit mir essen willst, dann lade ich dich ein, und du kannst dich mit Blumen bei mir bedanken. Ich verspreche dir, dass ich sie behalten werde. Es ist ja nicht so, dass es mir keinen Spaß gemacht hätte ...", begann sie verlegen. "Das weiß ich." Er beobachtete, wie sie vergeblich versuchte, sich die Bluse über die Hüften zu ziehen, und sein Zorn schien zu verrauchen. Dann zog er die Hose hoch, machte den Gürtel
jedoch nicht zu. "Wann?" Verständnislos sah sie ihn an, denn sein berechnender Gesichtsausdruck beunruhigte sie. "Das Abendessen", erinnerte er sie. "Was? Oh, morgen, wenn du willst." "Braves Mädchen. Bring es so schnell wie möglich hinter dich. Suchst du den hier?" Benedict schwang die Beine auf den Boden und hielt dabei ihren Spitzenslip hoch. Unwillkürlich griff sie danach, aber er zog die Hand zurück. "Morgen also? Um acht?" "Ja, ja!" rief sie und atmete schließlich erleichtert auf, als er den Slip losließ. "Unser erstes Rendezvous", meinte er und führte ein unsichtbares Glas an die Lippen. "Den hier gebe ich dir später zurück." Er stopfte ihren BH in die Tasche. "Du siehst ohne viel besser aus." "Unser erstes Rendezvous", wiederholte sie trotzig.
6. KAPITEL "Ich muss aufs Klo." Charlie legte ihre Serviette weg. "Pass auf, dass sie meinen Teller nicht wegnehmen." Sie blickte misstrauisch zu einem der übereifrigen Ober. "Ich bin noch nicht fertig." "Es erstaunt mich immer wieder, wie viel du essen kannst", sagte Rachel und stand auch auf. "Ich kann allein gehen. Ich bin kein Baby mehr." "Entschuldigung." Rachel bemühte sich, ernst zu bleiben. "Außerdem müsst du mit Ben reden, wenn ich nicht da bin." "Kindermund ..." Benedict lehnte sich zurück und betrachtete Rachel, die unbehaglich dreinblickte. "Willst du damit andeuten, dass ich Charlie als ... als ...?" "Dass du sie als Puffer mitgebracht hast?" Er zog spöttisch die Augenbrauen hoch. "Wahrscheinlich hast du nur vergessen, mir zu sagen, dass wir nicht allein essen gehen werden." "Ich habe dir ein Abendessen geschuldet, und das hast du bekommen." "Habe ich mich etwa beklagt?" Lächelnd griff er über den Tisch und nahm ihre Hand. "Entspann dich", fügte er hinzu, als sie sich verspannte. "Ich amüsiere mich köstlich. Charlie ist toll. Wir haben überraschend viel gemeinsam. Ich war auch ein so genanntes begabtes Kind. Daher auch diese TreibhausGeschichte." "Was für eine Treibhaus-Geschichte?" erkundigte Rachel sich misstrauisch.
"Du weißt schon - man überspringt die Keimphase und geht gleich in die volle Blüte. Darauf haben sich diese Schulen für die Creme de la Creme spezialisiert. Ich will mich nicht mit dir streiten, Schatz", fügte er hinzu, als sie ihn anfunkelte. "Du hast eine komische Art, das zu zeigen." "Ich weiß, wie es dir geht. Einerseits möchtest du keine zu ehrgeizige Mutter sein, andererseits möchtest du sie fördern. Deswegen versuch, es ganz locker anzugehen. Aber vorerst", gestand er, "möchte ich nur eines über Charlie wissen. Wann liegt sie im Bett?" "Am Wochenende geht sie immer zu unterschiedlichen Zeiten ins Bett." "Wenn sie einnickt, kannst du sie immer noch in die Ecke stellen", bemerkte er sarkastisch. Unvermittelt entzog sie ihm die Hand, denn er hatte sie mit dem Daumen gestreichelt, und sie hatte sich auf nichts anderes konzentrieren können. "Bis dahin wirst du längst weg sein", erklärte sie scharf. "Du hast doch nicht etwa Angst davor, mit mir allein zu sein, oder?" Rachel biss die Zähne zusammen und lächelte dann strahlend. Seine Selbstgefälligkeit ging ihr auf die Nerven, zumal sie vermutlich gerechtfertigt war. "Ich bin allein mit dir, und hier ..." Sie streckte ihm die Hand entgegen. "Sie zittert nicht einmal." "Sehr hübsch." Benedict beugte sich vor und berührte ihre Hand mit den Lippen. Es durchzuckte sie heiß, sie konnte nichts dagegen tun. Langsam hob er den Kopf, und sie zog die Hand zurück und legte sie in den Schoß. Und jetzt zitterte sie. "Ich muss dir einige Dinge sagen - aber unter vier Augen, Rachel." "Ich glaube nicht, dass ich sie hören will", gestand Rachel. "Warum?"
Unter halb gesenkten Lidern beobachtete sie, wie er ihr Wein nachschenkte. Sie hatte nicht die Absicht, ihn zu trinken, denn an diesem Abend musste sie einen klaren Kopf behalten. "Du gehst weg." Zu spät für mich, dachte sie grimmig, während sie versuchte, nicht völlig die Fassung zu verlieren. Wahrscheinlich hätte er sich die Zeit bis zu seiner Abreise gern mit einer naiven Frau vertrieben, die völlig vernarrt in ihn war, doch sie würde nicht diese naive Frau sein. "Und macht dir das zu schaffen?" Er betrachtete sie forschend. "Falls du darauf wartest, dass ich sage, ich werde am Boden zerstört sein, verschwendest du deine Zeit", erwiderte sie ruhig. "Das mag ich an dir." "Was?" "Du bist eine Kämpfernatur." Benedict stützte das Kinn in die Hände und betrachtete bewundernd ihr erhitztes Gesicht. "Aber du solltest akzeptieren, dass es Dinge gibt, gegen die man nicht ankämpfen kann." "Tatsächlich?" Rachel presste die Lippen zusammen und unterdrückte den Wunsch, die Flucht zu ergreifen. "Du wolltest sagen: Und die wären?" "Du kannst also auch Gedanken lesen." "Gestern Abend haben wir beide Gedanken gelesen", sagte er rau. Sie konnte den Blick nicht von seinen Lippen abwenden und erinnerte sich daran, wie diese Lippen sie ... Energisch schüttelte sie den Kopf, um die Bilder zu vertreiben, die vor ihrem geistigen Auge auftauchten. "Ich dachte, wir hätten uns darauf geeinigt, dass es eine einmalige Sache ist", erklärte sie schroff. "Wir haben uns auf gar nichts geeinigt. Ich dachte, du gehörst nicht zu den Frauen, die für One-Night-Stands zu haben sind, Rachel."
"Das dachte ich auch." Vermutlich wusste er genauso gut wie sie, dass sie nun gezwungen sein würde, Nein zu sagen. "Würde es einen Unterschied machen, wenn ich nicht weggehen würde?" Diese Frage brachte Rachel völlig aus der Fassung. "Ich fühle mich natürlich geschmeichelt, dass du dich mit mir noch nicht langweilst. Aber solltest du nicht erst mal Erfahrungen mit normalen Beziehungen sammeln, bevor du eine Fernbeziehung in Erwägung ziehst?" Ihr war klar, dass Benedict und sie ganz unterschiedliche Vorstellungen von einer Beziehung hatten. "Und wenn ich nicht weggehen würde, würdest du mir dann dabei helfen, diese Bildungslücke zu schließen?" "Meine Freizeit ist momentan ziemlich knapp bemessen." Nervös zerknüllte sie ihre Serviette. "Ich glaube nicht, dass du bereit bist..." "Mich so zu binden", beendete er den Satz für sie. "Da kommt Charlie ..." Der frustrierte Ausdruck in seinen Augen bewies, dass Benedict mit seiner lässigen Art tiefere Gefühle überspielt hatte. Allerdings bemerkte Rachel es nicht, weil sie ihre Aufmerksamkeit auf den Mann neben ihrer Tochter richtete. "Rachel?" Noch immer blickte sie starr an ihm vorbei. Daher drehte Benedict sich um. Charlie reichte gerade einem großen Mann, der sein nasses Hemd abtupfte, ein leeres Glas. Offenbar schien er sich über ihr Missgeschick nicht aufzuregen. Rachel beobachtete, wie er erstarrte, als Charlie aufstand. Er sagte etwas zu ihr, und Charlie deutete mit einem Nicken in ihre Richtung. Rachels. Herz klopfte schneller, als die beiden näher kamen. Es war lange her, dass sie sich das letzte Mal gefragt hatte, ob sie je einen der Faures wiedersehen würde. "Hallo, Rachel." "Christophe, das ist ja eine Überraschung", sagte sie heiser.
"Für mich auch", erwiderte er nachdrücklich. Der Typ sprach mit französischem Akzent, und er, Benedict, versuchte, es ihm nicht zur Last zu legen. Allerdings konnte er sich kein Lächeln abringen, als der ältere Mann in seine Richtung blickte. "Du bist verheiratet, Rachel?" "Nein, nein ... Das ist Benedict Arden. Ben, das ist Christophe Faurer. "Charlie habe ich ja schon kennen gelernt." Jetzt begriff Benedict. Charlie hatte seine Augen! Deswegen kam ihm der Typ so bekannt vor. Kein Wunder, dass Rachel so schockiert gewirkt hatte. "Bist du allein in London?" Das ist der reinste Albtraum, dachte Rachel. Christophe wusste es. Natürlich hatte er die Ähnlichkeit zwischen Charlie und seinem Bruder bemerkt. "Annabel ist zu Hause geblieben. Sie hat nächsten Monat eine Ausstellung. Meine Frau", fügte er höflich an Benedict gewandt hinzu. "Sie ist Künstlerin." "Dann sind Sie also verheiratet", erklärte Benedict feindselig. "Ja." "Mir drängt sich eine Frage auf. Waren Sie auch verheiratet, als Rachel und Sie sich das letzte Mal begegnet sind?" "Ja, das war ich." "Und wann war das wohl?" "Ben!" Rachel sah ihn vorwurfsvoll an. Benedict führte sich ja auf wie ein eifersüchtiger Liebhaber. Schnell verdrängte sie diese Vorstellung und das angenehme Gefühl, das sie dabei empfand. "Vor elf Jahren." Christophe blickte zu Charlie. "Deine Mutter hat eine Zeitlang als Au-pair-Mädchen bei uns gearbeitet, Charlie. Sie war damals nicht viel älter als du." Entsetzt fragte sich Rachel, was er als Nächstes sagen würde. Falls Charlie die Wahrheit erfahren sollte, dann sollte sie sie von ihr erfahren.
"Tanz mit mir", bat sie ihn, und er blickte sie entgeistert an. "Bitte, Christophe." Sie lächelte gekünstelt. "Sehr gern." "Tut mir Leid", entschuldigte sie sich wenige Minuten später, als sie ihm zum zweiten Mal auf die Füße trat. "Sie ist von Raoul", erklärte er. Rachel nickte. "Er war mein Bruder, und ich habe ihn geliebt, aber er war ein egoistischer..." Ihr Französisch war so gut, dass sie diese wenig schmeichelhafte Bezeichnung verstand. "Und ich war ein dummes Mädchen", ergänzte sie, ohne ihm zu widersprechen, was den Charakter seines toten Bruders betraf. "Wusste er es?" "Nein." "Ich würde gern glauben, dass es einen Unterschied gemacht hätte, wenn er es gewusst hätte ... Du hast unter unserem Dach gelebt", fuhr er streng fort. "Wir waren für dich verantwortlich. Ich hätte es merken müssen. Ich wusste, wie Raoul war - er hatte kein Ehrgefühl." Verächtlich verzog er die Lippen. "Charlie ist meine Nichte - mein Fleisch und Blut. Ich hätte euch helfen können. Ich hoffe, dass du uns nicht mit Raoul über einen Kamm scherst. Aber ich könnte es dir nicht verdenken." "Nein, das tue ich nicht. Annabel und du wart sehr nett zu mir. Ich habe mich geschämt und hatte Angst. Niemand sollte erfahren, wie dumm ich gewesen war. Als ich später von dem Unfall gehört habe, habe ich mit dem Gedanken gespielt, es euch zu sagen, aber ich wollte nicht, dass ihr denkt... Na ja, es hätte ziemlich merkwürdig ausgesehen, wenn ich nach seinem Tod aufgetaucht wäre und behauptet hätte, ich hätte ein Kind von ihm."
"Charlies Augen sind Beweis genug." Christophe runzelte die Stirn. "Meine Familie hat dir unrecht getan, Rachel. Dir zu helfen wäre ein Privileg gewesen, nicht nur eine Pflicht." Die Kehle war Rachel wie zugeschnürt. Es ist erstaunlich, dass zwei Brüder so verschieden sein können, dachte sie traurig. "Und dieser Mann, der mich so ansieht, als würde er mich am liebsten umbringen - was bedeutet er dir?" "Benedict! Er würde nie ..." Da nur ein anderes Paar auf der Tanzfläche war, konnte sie Benedict sehen. Er machte tatsächlich den Eindruck, als wollte er Christophe am liebsten umbringen. "Vielleicht mag er es nicht, wenn du mit anderen Männern tanzt." "Mit wem ich tanze, geht ihn nichts an." Wütend presste sie die Lippen zusammen. Selbst wenn er annahm, Christophe wäre ihr ehemaliger Liebhaber - und genau das tat er vermutlich -, hatte er kein Recht, sich so besitzergreifend zu verhalten. Christophe blickte sie skeptisch an, schwieg jedoch diplomatisch. "Ich würde es gern wieder gutmachen. Es ist zu spät, ich weiß. Nicht!" Er legte ihr einen Finger auf die Lippen, als sie protestieren wollte. "Ich tue es auch aus egoistischen Motiven. Annabel und ich konnten keine Kinder bekommen." Obwohl es sachlich klang, hörte sie den gequälten Unterton heraus, und ihr Herz krampfte sich zusammen. "Es gibt keine Kinder in unserer Familie. Enthalte meiner Mutter nicht ihr einziges Enkelkind vor, Rachel. Du und Charlie könntet uns in Frankreich besuchen." "Charlie und ich haben auch keine Familie." Sie konnte nicht fassen, dass es so einfach war! Plötzlich gab es eine Großmutter, eine ganze Familie, die Charlie nie kennen gelernt hatte. Nicht in ihren kühnsten Träumen hätte sie, Rachel, das zu hoffen gewagt.
Christophe seufzte. "Danke, Rachel. Und jetzt gibst du mir besser deine Adresse, bevor ich dich zu dem jungen Mann zurückbringe." "Ich möchte, dass Ben mir gute Nacht sagt." Charlie gestikulierte wild mit ihrer Zahnbürste. Es ist schön, gebraucht zu werden, dachte Rachel, als sie beobachtete, wie Ben eine Verbeugung andeutete: "Ihr Wunsch ist mir Befehl, junge Lady", sagte er ernst. Rachel bückte sich, um Charlies KUSS entgegenzunehmen, und lächelte dabei gequält. Sie hatte noch nie erlebt, dass Charlie jemand so ins Herz geschlossen hatte. Es wäre egoistisch und ein Zeichen von Schwäche gewesen, auf die innere Stimme zu hören, die ihr riet, ihren Stolz zu überwinden und die wenige Zeit, die ihr mit ihm blieb, zu genießen. In ihrem tiefsten Inneren war ihr klar, dass sie genau das getan hätte, wenn sie ganz allein gewesen wäre. Als Benedict kurz darauf wiederkam, fühlte sie sich schwach und war unschlüssig, denn eigentlich hatte sie ihm sagen wollen, dass es schön mit ihm gewesen war, dies aber auch alles sei. "Ben, ich ..." Sie biss sich auf die Lippe und versuchte, ihre Gedanken zu sammeln. Die innere Leere, die sie verspürte, tat jetzt weh. Sie war immer da gewesen, doch erst nachdem Benedict in ihr Leben getreten war, war ihr, Rachel, klar geworden, dass es Einsamkeit war. "Er hat nicht von Charlie gewusst, stimmt's?" Nun konnte sie erst recht keinen klaren Gedanken mehr fassen. "Nein", gestand sie. "Ich hatte nicht damit gerechnet, ihn wiederzusehen. Er und seine Frau ..." "O ja, seine Frau", meinte er höhnisch. "Sie können keine Kinder bekommen. Deswegen hat Christophe..." "Das glaube ich nicht!" "Warum sollte er lügen? Er hat keinen Grund ..."
"Keinen Grund!" rief Benedict. "Du bist offenbar bereit, ihm alles zu glauben. Ein Wort von ihm, und du bist bereit, ihm alles zu verzeihen. Hast du nicht aus der Vergangenheit gelernt?" Wütend betrachtete er sie. "Es war nicht Christophes Schuld", protestierte Rachel. Benedict atmete scharf ein. Er wirkte sehr angespannt. "Meiner Meinung nach ist ein Mann - ein älterer, verheirateter Mann -, der ein junges Mädchen verfuhrt, das unter seinem Dach lebt..." Er neigte ein wenig den Kopf, als würde er darüber nachdenken. "... verantwortlich." Seine Augen funkelten vor Zorn. "Und noch viele andere Dinge. Aber die möchte ich nicht aufzählen, denn ich will deine Gefühle nicht verletzen. Wie willst du Charlie die wundersame Auferstehung ihres Vaters erklären? Er bekommt eine komplette Familie - sehr praktisch, so ein Trost im Alter. Und sie ist auch nicht so weit entfernt", fügte er boshaft hinzu. "Du bist verrückt nach älteren Männern, nicht? Der Mann ist wirklich bewundernswert. Er weiß die Gelegenheit zu nutzen." Zu spät wurde ihr bewusst, dass Christophe nicht der Einzige war, der die Familienähnlichkeit bemerkt hatte. Er und Raoul hatten sich zwar nicht ähnlich gesehen, aber die gleichen Augen gehabt - Charlies Augen. Sein unerwartetes Auftauchen hatte sie so durcheinander gebracht, dass sie Bens Schweigen auf dem Nachhauseweg gar nicht registriert hatte. Wie hatte sie nur so blind sein können? "Ben", sagte Rachel eindringlich. "Ich hätte nie gedacht, dass du so gutgläubig bist, Rachel", fuhr Benedict ungerührt fort. "Verdammt, du bist doch keine unreife Neunzehnjährige mehr! Was hat dieser Typ an sich, dass du so verrückt spielst? Mir gegenüber bist du so misstrauisch." Er presste die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf. "Wenn er dich bittet, mit ihm nach Frankreich zu gehen ..." "Das hat er schon." Jetzt wusste sie, was sie zu tun hatte.
Vielleicht würde es ihr das Herz brechen, doch es war die einfachste, nein, die einzige Möglichkeit, Benedict Arden aus ihrem Leben zu verbannen, und Charlie zuliebe musste sie es tun. Und er war schockiert, das sah sie ihm an. Aber selbst wenn lediglich sein Stolz verletzt war, hätte sie ihm am liebsten alles erklärt. "Er verschwendet wirklich keine Zeit", sagte Benedict schließlich langsam. "Und du hast behauptet ... Nein, sag nichts, ich weiß es." Er nahm sein Jackett, das über dem Sofa hing, und warf es sich über die Schulter. "Du glaubst vielleicht, dass du dich zur Geliebten eignest, Rachel, aber das tust du nicht." Plötzlich konnte sie ihn nicht in dem Glauben gehen lassen, dass ... "Ben", sagte sie eindringlich, "es ist nicht so, wie es aussieht." "Männer wie er ändern sich nicht, Rachel. Die Frauen geben sich gern der Illusion hin, dass sie es ihretwegen tun." "Du musst es ja wissen", bestätigte Rachel. Merkte er denn nicht, wie ironisch das aus seinem Mund klang? "Sicher, ich habe Frauen verführt und bin auch verführt worden, aber ich habe nie jemand benutzt. Er wird dir wieder das Herz brechen, Rachel, und wer sammelt dann die Scherben auf?" "Du nicht. Denn du wirst nicht da sein." Du bist derjenige, der mir das Herz bricht, du Narr, dachte sie. "Aber jetzt bin ich da." Ein nachdenklicher Ausdruck trat in seine Augen, und Benedict musterte sie anzüglich von Kopf bis Fuß, was sie als Beleidigung empfand. Allerdings übten Beleidigungen normalerweise nicht eine solche Wirkung auf sie aus. Er lächelte wissend, als sie die Arme vor der Brust verschränkte. "Und er nicht." "Ich wünschte, du wärst es nicht", erwiderte sie nachdrücklich. "Bevor dieser Typ aufgetaucht ist, warst du nicht so scharf darauf, mich loszuwerden."
"Wenn ich mich recht entsinne, hast du dich hier immer unter irgendeinem Vorwand eingeschlichen. Sag nie die Wahrheit, wenn du dein Ziel auch mit einer Lüge erreichen kannst", höhnte sie. In dem Moment wurde ihr bewusst, dass sie genau das getan hatte, als sie ihn in dem Glauben bestärkt hatte, Christophe wäre Charlies Vater. Sie errötete schuldbewusst. "Mein Ziel", wiederholte Benedict langsam. "Ich möchte ..." Er verstummte, als sie sich nervös die Lippen mit der Zunge befeuchtete. "Ich möchte deine nackten Brüste an meinem Körper spüren und hören, wie du mich anflehst. Ich möchte mit dir schlafen, Rachel. Bringt mich die Wahrheit diesmal ans Ziel?" "So kannst du nicht mit mir reden", brachte Rachel hervor. "Es ist... beleidigend." "Es ist die Wahrheit, und du bist auch nicht beleidigt, Rachel. Du bist erregt." Die Lippen leicht geöffnet, blickte sie ihn hilflos an. "Und ich bin es auch." Sie zwang sich, den Blick nicht zu senken. Ihre widerstreitenden Gefühle zerrissen sie innerlich. "Und nicht nur, wenn ich bei dir bin - wenn ich dich sehe. Es reicht, wenn ich an dich denke." Benedict lachte unvermittelt auf. "Und ich denke viel an dich, Rachel. Vermittelt dir das nicht ein Gefühl der Macht?" Das war überhaupt nicht der Fall. Noch nie zuvor hatte sie sich so hilflos gefühlt. Sie fühlte sich schwach und befürchtete, jeden Moment die Kontrolle über sich zu verlieren. Winzige schwarze Punkte begannen vor ihren Augen zu tanzen, und das Blut rauschte ihr in den Ohren. "Vielleicht..." Er hatte das Jackett fallen lassen und trat einfach darauf, als er auf sie zukam. "Vielleicht wird dir ganz heiß bei meinen beleidigenden Worten ... Ich stelle mir gern
deinen Körper vor, dass er bereit für mich ist..." Er legte ihr die Hände auf die Schultern und streichelte ihren Hals. "Das ist er auch." Seine erotischen Geständnisse ließen ihre Abwehrkraft endgültig schwinden. Mit fast verzweifeltem Verlangen zog Benedict sie an sich und presste die Lippen auf ihre, um ein erotisches Spiel mit der Zunge zu beginnen. "Rachel... Rachel..." Zwischendurch löste er sich immer wieder flüchtig von ihr, um ihren Namen zu flüstern. Nachdem er sie einen Moment gestreichelt hatte, legte er ihr einen Arm um die Taille und zog sie noch enger an sich, so dass er sie mit seinen gespreizten Beinen stützte. Rachel klammerte sich an ihn und seufzte auf, als ihre Zärtlichkeiten immer leidenschaftlicher wurden. In diesem Moment gab es für sie nichts mehr außer dem Mann, in dessen Armen sie lag. "Wo ist dein Schlafzimmer?" brachte Benedict hervor, nachdem sie sein Hemd aufgeknöpft hatte und es ihm abstreifen wollte. "Da hinten." Sie deutete hinter sich, und kurzerhand hob er sie hoch und ging mit ihr in die Richtung. Als sie den Kopf zurückwarf, löste sich ihr Haar und fiel ihr über die Schultern. "Ich habe kein Doppelbett", fügte sie hinzu und sah verführerisch zu ihm auf, nachdem er sie auf ihr Bett gelegt hatte. Was würde er als Nächstes tun? Vor freudiger Erwartung war sie ganz angespannt. "Es geht schon", meinte er zuversichtlich und zog sie so auf sich, dass sie rittlings auf seinem Knie saß. "Das ist hübsch. Es gefällt mir." Er hakte ihr zartblaues Mieder auf, zog es ihr jedoch nicht aus, sondern schob es nur auseinander. "Aber nicht so hübsch wie die hier." Dann umfasste er ihre Brüste, deren Knospen sich aufgerichtet hatten, und betrachtete sie verzückt. Rachel stöhnte lustvoll auf, als er die Knospen mit den Lippen umschloss und mit der Zunge reizte, und beugte den
Kopf vor, so dass ihr Kinn auf seinem gebeugten Kopf ruhte. Langsam ließ sie die Hände von seinen Schultern über seinen muskulösen Rücken gleiten und kniete sich dabei hin. Daraufhin umfasste Benedict aufstöhnend ihren Po und zog sie an sich, so dass sie spürte, wie erregt er war. Ohne sie loszulassen, ließ er sich rückwärts auf die Matratze fallen und zog sie mit sich, so dass sie jetzt rittlings auf ihm saß. "Zieh mich aus, Rachel", befahl er heiser und umfasste wieder ihre Brüste. Der Anblick seiner sonnengebräunten Hände auf ihren hellen Brüsten war unglaublich erregend, und Rachel atmete scharf aus, als Benedict die Knospen mit den Daumen streichelte. Schließlich nahm er ihre Hände. "Soll ich dir zeigen, wie, Rachel?" Sie drehte die Hände um und hob seine Rechte an die Lippen, um die Innenfläche zu küssen und anschließend zart mit der Zunge darüber zu streichen. "Ja. Zeig es mir, Ben." "Du weißt doch schon, wie du mich quälen kannst, Geliebte", brachte er hervor. "Gefällt es dir nicht?" Geliebte, das klingt gut, dachte sie verträumt. Warum sollte sie nicht seine Geliebte sein? War es zu viel verlangt, diese Zeit mit ihm zu verbringen - dem Mann, den sie liebte? Er lachte, doch sein Blick war grimmig. "Du scheinst zu wissen, was mir gefällt, Rachel." "Es ist leichter, wenn du es mir sagst." Rachel schob einen Finger in sein Brusthaar und neigte den Kopf, um zaghaft an seiner Brustwarze zu saugen. Benedict stöhnte lustvoll auf und umfasste ihren Kopf, um ihn tiefer zu sich zu ziehen. "Das ist gut." Er schloss die Augen, als sie weitermachte. Zwischendurch blickte sie immer wieder auf, um ihn anzusehen. Seine Züge waren angespannt und wirkten beinah gequält.
"Das gefällt mir." Sie strich sich das feuchte Haar in die Stirn und warf ihm einen verführerischen Blick zu. "Finden wir raus, was dir noch gefällt." Unvermittelt drückte er sie nach hinten, so dass sie auf dem Rücken lag, und kniete sich über sie. "Ich war noch nicht fertig." Demonstrativ zerrte sie an seinem Gürtel. "Mit zwei Händen geht es schneller." Schnell zog er sich Hose und Slip aus und warf sie beiseite. Hitzewellen durchfluteten ihren Schoß, als sie ihn nackt sah und feststellte, wie erregt er war. Ein scharfer Schmerz durchzuckte sie und nahm ihr fast den Atem. Tränen brannten ihr in den Augen. Niemand außer Ben würde je solche Gefühle in ihr wecken können. "Das freut mich." Seine Worte erschreckten sie, denn sie hatte gar nicht gemerkt, dass sie ihren Gedanken ausgesprochen hatte. "Soll ich ...?" Sie streckte die Hand aus und zögerte unsicher. "Ja ...oja!" Die roten Funken, die vor ihren Augen tanzten, schienen ein sichtbarer Beweis für die knisternde Atmosphäre zu sein. Nun brauchte sie keine weitere Ermunterung mehr, denn sie war sicher, dass Benedict das wollte, was sie wollte. Er stöhnte und keuchte, als sie ihn streichelte. Als er schließlich die Hand auf ihre legte, stieß sie einen Protestlaut aus. "Ich bin ein Marathonmann. Für mich ist der Weg das Ziel. Aber wenn du so weitermachst..." "Schonst du dich für einen Sprint zum Schluss?" Rachel lächelte schalkhaft. "Nur wenn du dich benimmst, du kleine Hexe." Er hielt ihre Arme fest, und sie wand sich auf ihm - nicht weil sie sich befreien wollte, sondern weil es ein schönes Gefühl war, ihn so zu spüren.
"Willst du wirklich, dass ich mich benehme?" fragte sie außer Atem. "Ich möchte, dass du dich ganz natürlich gibst, Rachel." Das kann ich, dachte sie glücklich und sah ihn leidenschaftlich an. Benedict erfüllte ihr die stumme Bitte und küsste sie. Sie nahm Überhaupt nicht wahr, wie er ihr die restlichen Sachen auszog, doch es dauerte nicht sehr lange, bis sie seine langen, schlanken Finger auf der nackten Haut spürte. Seine Zärtlichkeiten brachten sie fast um den Verstand. Jetzt brauchte sie ihn. Er musste zu Ende bringen, was er angefangen hatte. "Ja ... ja ... ja!" rief sie, als er in sie eindrang, und es war ein überwältigendes Gefühl, ihn in sich aufzunehmen und sich ihm anzupassen. Sobald er sich dann in ihr hin und her zu bewegen begann, legte sie die Beine um ihn und ließ es einfach geschehen. Und es war perfekt. Als Rachel danach erschöpft in seinen Armen lag, bedauerte sie nichts. Die Wellen der Lust ebbten langsam ab, doch sie hatte den Moment der Ekstase nicht vergessen. Sie würde ihn niemals vergessen. "Eigentlich wollte ich das nicht wieder tun", sagte sie. "Wirklich nicht?" fragte Benedict nachsichtig. "Ich sage nicht jedem auf diese Art Lebewohl." Ein schwaches Lächeln umspielte ihre Lippen, und da sie so schläfrig war, merkte sie auch nicht, wie er sich verspannte. "Lebewohl?" meinte er schroff. Doch sie hörte es nicht mehr, denn sie war bereits eingeschlafen. "Es ist wohl besser, wenn du jetzt gehst." Sein schläfriger Gesichtsausdruck ließ Ben jünger wirken als vierunddreißig. Rachel kämpfte gegen die Versuchung an, ihn in die Arme zu nehmen. Es wäre schön gewesen, wenn er neben ihr aufgewacht wäre. Sein dunkler Schöpf hatte an ihrer Brust gelegen, bevor sie heimlich aufgestanden war.
Benedict strich sich durch das zerzauste Haar, und die Decke rutschte hinunter und entblößte seine Brust und seinen flachen Bauch. "Heißt das ,Nimm deine Hose, und verschwinde'?" Unvermittelt setzte er sich auf und wirkte plötzlich hellwach. "Es heißt, es wäre besser, wenn du gehen würdest, bevor Charlie aufwacht. Bestimmt ist sie verwirrt..." "Dann wären wir schon zwei..." Er machte allerdings keinen verwirrten, sondern vielmehr einen wütenden Eindruck. "Sei doch vernünftig. Ich bin schließlich diejenige, die nachher peinliche Fragen abblocken muss", erinnerte Rachel ihn angespannt. "Ist es wirklich der Gedanke an Charlies Fragen, der dir Angst macht? Sind es nicht eher deine eigenen Fragen, die du um jeden Preis umgehen willst?" Er schlug die Decke zurück und schwang die langen Beine aus dem Bett. Bei dem Anblick krampfte sich ihr Magen zusammen, und es kostete sie einige Überwindung, den Blick von Benedicts muskulösen Schenkeln abzuwenden. "Es ist eine berechtigte Bitte", erwiderte sie, während sie den Gürtel ihres rauchblauen bodenlangen Morgenmantels zuzog. Benedict stand auf und kam auf sie zu. Er wirkte überhaupt nicht befangen. Verstohlen betrachtete sie ihn. "Das beweist, dass du dich für das, was passiert ist, schämst." "Es war ein ... ein ..." "Das passende Wort dafür fällt dir nicht ein, stimmt's?" Wütend funkelte Rachel ihn an. "Ich denke nur praktisch." "Ist dir Sex an sich nicht geheuer, oder ist nur Sex mit mir bei Licht besehen etwas Schmutziges für dich?" Dass er so wütend und desillusioniert wirkte, hätte sie nicht erwartet. Sie unterdrückte jedoch den Anflug von Unsicherheit und erwiderte herablassend: "Keine Angst, es hat nichts mit
deiner Männlichkeit zu tun. Du bist ein fantastischer Liebhaber." Lächelnd zuckte sie die Schultern. Benedict streifte sich den Slip über und zog die Brauen zusammen. "Konnte ich mit deinen idealisierten Erinnerungen an deinen ersten Liebhaber mithalten? Fantasien sind viel sauberer, nicht? Es gibt keinen Körper, den man am nächsten Morgen loswerden muss," Er lächelte unangenehm. "Danke", fügte er hinzu, als sie ihm die Socke reichte, nach der er gesucht hatte. Als ihre Hände sich berührten und sie zurückzuckte, zog er nur eine Augenbraue hoch, doch sie errötete verlegen. Wenn er gewusst hätte, warum sie den Körperkontakt scheute, wäre sie vor Scham im Erdboden versunken. "Im Gegensatz zu dir betrachte ich Sex nicht als Freizeitsport. Sicher finden manche Frauen es befriedigend ..." "Ich dachte, du hättest es befriedigend gefunden. Wenn ich mich recht entsinne, hast du sogar geschrien." "Musst du so vulgär sein?" Ihre Wangen glühten förmlich. "Ich will damit nur sagen, dass ich Sex ohne Liebe nicht gutheißen kann." "Das gelingt dir aber nicht. Praktisch zu denken ist nicht schlecht", meinte Benedict nachdenklich. ",Ich liebe dich' kann jeder sagen." "Ich tue es nicht." "Das habe ich gemerkt", bestätigte er wütend. "Dein gallischer Charmeur hat es sicher getan - wahrscheinlich sogar in zwei Sprachen -, und du weißt ja, was du davon hast. Letztendlich sagen Taten mehr als Worte. Worte bedeuten gar nichts." "Bei dir bestimmt." "Heißt das, du wärst nicht mit mir ins Bett gegangen, wenn ich dir ewige Liebe geschworen hätte?" fragte er fassungslos. "So gutgläubig bin ich nun wirklich nicht." Dass er darüber Witze machte, verletzte sie tief.
"Umso besser, dass ich meine Zeit nicht damit verschwendet habe, stimmt's? Wenn du ein Mann wärst und deine Partnerin um fünf Uhr morgens rauswerfen würdest, wäre es sicher etwas anderes." "Willst du damit etwa sagen, dass ich dich benutze?" fragte Rachel entgeistert. "Hast du das denn nicht?" "Meine Beweggründe scheinen dir heute Nacht nicht besonders wichtig gewesen zu sein." "Ich wollte dich." Bei seinen direkten Worten bekam sie weiche Knie. "Und ich konnte keine Zugeständnisse machen." "Und du glaubst, dass du es jetzt tust? Dies ist mein Zuhause, Ben, und ich entscheide, wer bleibt und wer geht. Ich tue ja nicht so, als wäre nichts passiert ..." Sie wünschte, er würde endlich sein Hemd zuknöpfen, denn der Anblick seiner sonnengebräunten Haut verwirrte sie noch mehr. "Tatsächlich?" "Wir sollten aus unseren Fehlern lernen." "Was für eine vernünftige Einstellung!" "Und auf deine Bemerkungen kann ich getrost verzichten", fauchte sie ihn an. "Tut mir Leid", entschuldigte Benedict sich halbherzig. "Was hast du aus unserem ... Fehler gelernt? Oder willst du nur Platz für deinen Lover machen? Bist du dir wirklich sicher, dass er der Richtige für dich ist, Rachel? Vielleicht findest du ja heraus, dass du erwachsen geworden bist." "Ich bestreite ja gar nicht, dass ich dich attraktiv finde." "Schade. Ich hätte gern mal wieder so richtig gelacht." Seinen sarkastischen Tonfall überging sie bewusst. "Mehr hat nie zur Debatte gestanden. Schließlich wissen wir beide, dass du nur für einige Wochen hier bist. Du hattest Recht..." "Es gibt für alles ein erstes Mal." Rachel rümpfte die Nase. "Als du gesagt hast, ich eigne mich nicht zur Geliebten."
"Du glaubst, er wird seine Frau deinetwegen, Charlies wegen verlassen? Werd endlich erwachsen, Rachel. Wenn Kinder zu bekommen ihm mehr bedeutet hätte, dann hätte er sie schon vor Jahren verlassen. Kerle wie er kehren immer zu ihren Frauen zurück." "Verdammt!" fuhr sie ihn an. "Ich rede nicht davon, Christophes Geliebte zu werden, sondern deine!" Benedict erstarrte, und sie hatte den flüchtigen Eindruck, dass er eine spontane Antwort hinunterschluckte. "Ich kann mich nicht entsinnen, dich darum gebeten zu haben", erwiderte er schließlich langsam und wippte auf den Füßen hin und her. Sie schnaufte verächtlich. Dieser selbstgefällige Mistkerl! "Es hat keinen Sinn, vernünftig mit dir zu reden, nicht wahr? Verschwinde!" rief sie. "Und zwar sofort!" Er glaubt, er kann mich haben, wann immer er will, und bis jetzt habe ich ihn in dem Glauben bestärkt, überlegte sie bitter. Benedict lächelte breit. "Willst du damit nach mir werfen?" Er deutete auf die Haarbürste, mit der sie gestikulierte. "Falls ich mit irgendetwas nach dir werfe, wird es etwas mit scharfen Kanten sein." Immer noch lächelnd, zog er sein Jackett an, ohne das Hemd zuzuknöpfen. Er wirkte dekadent und erotisch zugleich. Sei doch ehrlich, du würdest Ben Arden auch noch in einem Müllsack erotisch finden, sagte sich Rachel. "Wenn man bedenkt, dass du dein Kind nicht wecken willst, bist du etwas laut." "Noch hast du doch gar nichts gehört", erwiderte sie grimmig. "Bleib locker. Ich würde niemals bleiben, wo ich nicht willkommen bin." "Endlich hast du es begriffen." "Führ es auf die widersprüchlichen Signale zurück", bemerkte er trocken. An der Tür drehte er sich noch einmal um.
"Glaub mir, Schatz, du schadest dir damit nur selbst. Ich bin ein Morgenmensch." Die Bürste knallte gegen die geschlossene Tür.
7. KAPITEL "Moment mal." Sie, Rachel, musste es falsch verstanden haben. Zum Glück hatte Sir Stuart Arden sie gebeten, sich zu setzen, bevor er ihr gesagt hatte, warum er sie um diese Unterredung gebeten hatte. Ansonsten würde sie jetzt vielleicht auf dem Aubusson-Teppich liegen. "Sie wollen, dass ich mit Ihrem Sohn schlafe?" fügte sie mit bebender Stimme hinzu. Er lachte nicht, wirkte jedoch auch nicht wütend. "Das habe ich nicht gesagt." "Aber angedeutet!" "Sie sind eine sehr offene junge Frau, Miss Arden. Das gefällt mir." Er lächelte anerkennend. "Ich dachte, ich wäre ungeeignet als ...", begann sie trocken. "Ich gebe zu, dass ich vielleicht etwas vorschnell war. Mir gefiel die Vorstellung nicht, dass mein Sohn plötzlich eine ganze Familie am Hals hat." "Ich bin nicht auf der Suche nach einem Ehemann." "Seit dem Tag beobachte ich Sie. Und was ich gesehen habe, hat mich beeindruckt." Ihrer Meinung nach war es höchste Zeit, diese Farce zu beenden. "Sie haben das alles falsch verstanden. Ben kehrt nicht meinetwegen nach Australien zurück." Wie immer krampfte sich ihr Herz bei dem Gedanken daran zusammen. Sir Stuart Arden wirkte nicht überzeugt. Als man sie in sein Büro zitiert hatte, war sie davon ausgegangen, dass er sie
entweder sofort entlassen oder ihr nahe legen würde, seinen Sohn in Ruhe zu lassen. "Eigentlich sind Sie gar nicht sein Typ. Offensichtlich glaubt er, er wäre verliebt." "Ihr Sohn ist nicht in mich verliebt." Sie schaffte es, nicht zu erröten, doch ihr Herz klopfte schneller, und das tat weh. Er nickte langsam, was sie noch mehr zur Verzweiflung trieb. "Aber vielleicht denkt er, dass er es ist. Er ist es nicht gewohnt, zurückgewiesen zu werden." Zurückgewiesen! Wenn sie noch länger darüber nachdachte, würde sie hysterisch werden. "Benedict hatte sich schon entschieden, bevor er nach England gekommen ist." "Ha!" meinte er triumphierend. "Er hat sich Ihnen anvertraut. Das beweist alles." "Was?" "Dass er es ernst mit Ihnen meint." "Ich habe wirklich keinen Einfluss auf Ihren Sohn." "Mehr als ich." Zum ersten Mal wurde deutlich, wie frustriert und besorgt er war. "Ich bitte Sie, Ihren Einfluss geltend zu machen und ihn davon abzuhalten, einen großen Fehler zu begehen. Letztendlich wird er uns dankbar dafür sein." "Ich glaube nicht, dass Ben dankbar sein wird, wenn man sich gegen ihn verschwört", erwiderte Rachel. Stuart Arden war es nicht gewohnt, andere um etwas zu bitten, das merkte man ihm an. Wider Erwarten empfand sie Mitgefühl für ihn. Es musste ihn eine enorme Überwindung gekostet haben, sie um Hilfe zu bitten. Offenbar lag ihm sehr viel daran, dass Ben in England blieb. Allerdings durfte sie nicht vergessen, dass sich hinter dem besorgten Vater ein rücksichtsloser Mann verbarg, der zu allem bereit war, um seinen Willen durchzusetzen. "Ich glaube nicht, dass Ben sich die Entscheidung leicht gemacht hat."
"Haben Sie eine Ahnung, wie begabt er ist?" fragte er und hieb mit der Faust auf den Schreibtisch. "Vor ihm liegt eine glänzende Zukunft. Er wirft das alles weg. Und wofür? Für irgend so ein Trockengebiet. Es ist nur eine Laune, nichts weiter. Wollen Sie, dass er geht?" Sie wandte das Gesicht zu langsam ab. "Das habe ich mir gedacht", fügte er triumphierend hinzu. "Was ich will, steht nicht zur Debatte." "Schlafen Sie mit ihm?" So würdevoll sie konnte, stand Rachel auf. "Sie haben nicht das Recht, mich das zu fragen." "Seien Sie nicht beleidigt, meine Liebe." Nun gab er sich wie der nette Onkel. "Wenn Sie ihn wollen, warum kämpfen Sie dann nicht um ihn? Sie haben Waffen, über die ich nicht verfüge." Sie traute seinem Lächeln nicht. "Ich gehe jetzt wohl besser", erklärte sie. "Ein Kind - ein Baby - würde Benedict zur Räson bringen." Auf halbem Weg zur Tür blieb sie unvermittelt stehen und drehte sich verblüfft zu ihm um. "Wollen Sie mir etwa nahe legen, schwanger zu werden, damit Ben in England bleibt?" "Mit dem Gedanken haben Sie sicher auch schon gespielt." Stuart Arden meinte es tatsächlich ernst. "Eine Frau zu sein hat Nachteile, aber auch Vorteile, und ich habe Frauen, die ihre weiblichen Reize einsetzen, um ihr Ziel zu erreichen, immer bewundert. Ein tiefer Ausschnitt kann genauso wirksam sein wie das Verhalten, das von Absolventen einer Eliteschule erwartet wird." "Selbst wenn ich Ihrer Meinung wäre, glaube ich nicht, dass man das miteinander vergleichen kann", brachte Rachel hervor. "Wenn Ihnen die Vorstellung, tatsächlich schwanger zu werden, nicht gefällt, verstehe ich das. Allein die Erkenntnis würde ihn zur Vernunft bringen, und viele Frauen haben eine Fehlgeburt ..." Er verstummte viel sagend.
"Ich soll so tun, als wäre ich schwanger?" "Die Einzelheiten überlasse ich natürlich Ihnen." "Sie haben damit gerechnet, dass ich darauf eingehe?" fragte sie ausdruckslos. "Na ja, wir können beide nur gewinnen." Wütend atmete sie ein. "Ich werde Ben ermutigen, das Land zu verlassen, wenn er dadurch Ihren Machenschaften entkommen kann", verkündete sie hoch erhobenen Hauptes und mit funkelnden Augen. "Ich würde niemals ein Kind oder eine vermeintliche Schwangerschaft dazu benutzen, einen Mann zu ködern. Sie haben wirklich eine seltsame Auffassung von Liebe, Sir Stuart. Die Liebe, an die ich glaube, verbietet es, andere zu manipulieren." Sir Stuart wirkte nachdenklich. "Dann lieben Sie meinen Sohn." "Sie wissen bestimmt nicht, was Liebe bedeutet." Er lachte unvermittelt. "Das hat meine Frau auch zu mir gesagt, als ich ihr den ersten Heiratsantrag gemacht habe. Und sie hatte denselben verächtlichen Gesichtsausdruck", fügte er seufzend hinzu. "Und wie haben Sie sie dazu gebracht, Ja zu sagen? Haben Sie ihr damit gedroht, ihren Vater in den Ruin zu treiben oder ihre kranke Großmutter zu kidnappen?" Verblüfft stellte sie fest, dass er ihren Sarkasmus amüsant fand. "Vielleicht wird sie es Ihnen demnächst erzählen, meine Liebe. Ich hoffe, Sie sind mir nicht böse. Es war einen Versuch wert. Ich würde alles tun, um zu verhindern, dass Benedict seine Karriere wegwirft." "Vielleicht rechtfertigen Sie Ihr Verhalten mit väterlicher Besorgnis, aber ich nehme es Ihnen nicht ab. Ich glaube, Ihnen geht es mehr um Ihre Gefühle, Sir Stuart." Sie wandte sich ab und verließ sein Büro. "Hat Charlie die Neuigkeit wirklich gut aufgenommen?"
"Besser, als ich erwartet hatte", versicherte Rachel. Auch dieser Abend verlief besser, als sie erwartet hatte. Christophe war ein netter und amüsanter Begleiter, und sie hatte ihre Befangenheit schnell abgelegt. "Sie findet die Vorstellung, noch andere Verwandte zu haben, faszinierend. Als ich mich von ihr verabschiedet habe, hatte sie es sich mit einer Französischgrammatik gemütlich gemacht - leichte Lektüre." Rachel lachte. "Es ist ein zweischneidiges Schwert, wenn jemand so intelligent ist, stimmt's?" Rachel nickte. "Manchmal schon. Sie hat mich über deine Familie förmlich ausgequetscht, und erst jetzt ist mir klar geworden, wie neugierig sie ist, was ihren Vater betrifft. Wenn ich es gewusst hätte ... Wer weiß? Bestimmt möchte sie dich jetzt befragen." "Du machst mir Angst." "Ich habe ihr gesagt, sie kann lange aufbleiben, damit sie dich noch einmal sieht - wenn du nichts dagegen hast." Christophes Lächeln vertiefte sich. "Gern. Annabel wollte auch kommen, aber ich habe ihr gesagt, wir sollten es lieber langsam angehen lassen. Ich möchte Charlie nicht überfordern." "So leicht kann man Charlie nicht überfordern", meinte sie trocken. "Aber du hast Recht." "Das sieht fantastisch aus", bemerkte er, als der Ober ihm sein Dessert servierte. "Möchtest du wirklich keinen Nachtisch?" Rachel lächelte, als er mit großem Appetit zu essen begann. "Ich dachte, wir würden in ein französisches Restaurant gehen." Das Restaurant, in das er sie geführt hatte, hatte sich auf traditionelle englische Küche spezialisiert. "Ich habe eine Schwäche für englische Hausmannskost. Sagt man das so?" Sie nickte. "Stimmt, aber einem Kardiologen würden wahrscheinlich die Haare zu Berge stehen."
"Es kann nicht schaden, wenn man gelegentlich sündigt, Rachel." Der Meinung war sie nicht, denn sie hatte mit Ben gesündigt, und es hatte ihr geschadet. Plötzlich konnte sie sich nicht mehr konzentrieren, und es fiel ihr schwer, sich nicht anmerken zu lassen, dass sie keinen Appetit hatte. Außerdem hatte sie in letzter Zeit kaum geschlafen, sondern sich nur im Bett hin und her gewälzt. Ständig rief sie sich ins Gedächtnis, dass dieser Zustand nicht von Dauer sein würde, doch es nützte nichts. Sie war froh darüber, dass sie früher als geplant in Alberts Büro zurückgekehrt war. Mr. Arden wollte ihre Dienste offenbar nicht länger in Anspruch nehmen - zumindest hatte es so in der Kurzmitteilung gestanden. Schade, dass er es nicht seinem Vater gesagt hatte, bevor dieser sie zu sich zitiert hatte. Sie hatte Ben nur einmal aus der Ferne gesehen. Seine breiten Schultern und Sabrinas Kichern waren unverkennbar gewesen. "Möchtest du Kaffee?" fragte Christophe zum dritten Mal. "Tut mir Leid, ich war mit meinen Gedanken woanders." Rachel ließ ihr Weinglas los, das sie krampfhaft umklammert hatte, und rang sich ein Lächeln ab. "Hast du Lust, mit zu mir zu kommen. Dann kannst du dich länger mit Charlie unterhalten." Es war bereits nach Mitternacht, als Christophe sich verabschiedete. Rachel war bereits auf der Treppe, als es an der Tür klingelte. Offenbar hatte er etwas vergessen. Sie eilte hin, um zu öffnen. "Was ...?" Ihr Lächeln verschwand, als sie sich Benedict gegenübersah. "Verschwinde!" Sie wollte die Tür zumachen, doch er stellte einen Fuß hinein und drückte sie auf. Dabei stieß Rachel gegen den Schirmständer, und einige Schirme fielen heraus, "Lass die Tür ruhig auf. Du gehst sowieso1 gleich wieder", sagte sie grimmig. "Erst schuldest du mir einige Erklärungen."
"Du schuldest mir einige Erklärungen. Was hast du hier zu suchen?" "Ich habe gewartet, bis Faure geht. Das fand ich sehr rücksichtsvoll von mir." Sein Gesichtsausdruck war freundlich, doch Benedict schien sich nur mühsam zu beherrschen. "Du bist da draußen herumgeschlichen und hast hinter mir herspioniert!" rief Rachel wütend. "Ich weiß es." Was immer er wusste, er schien nicht besonders erfreut darüber. Es sah aus, als würde er jeden Moment platzen. "Das freut mich für dich. Zumindest wäre es der Fall, wenn ich wusste, wovon du redest." Sie sammelte die Schirme ein und stellte sie wieder in den Ständer. Die Hände tief in die Taschen seiner Jeans geschoben, stand Benedict da und blickte verächtlich auf sie herab. "Und du bist wohl auch nicht bei meinem Vater gewesen, stimmt's?" erkundigte er sich eisig. Rachel drehte sich zu ihm um, einen roten Schirm in der Hand. "Dachtest du, er würde es mir nicht erzählen?" Er sah, dass ihre Lippen bläulich waren. Wenn sie in Ohnmacht fiel, musste er schnell reagieren. "Ja, das dachte ich", gestand sie schließlich. Ihr schwirrte der Kopf. Stuart Arden war ein Mann, der alles aus Berechnung tat. Allerdings konnte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen, was er durch sein Geständnis gewonnen hätte. "Warum, zum Teufel, bist du zu ihm gegangen und nicht zu mir?" fragte Benedict gequält und strich sich ungeduldig durch das feuchte Haar. Es hatte zuvor einen Schauer gegeben, und nicht nur sein Haar war nass, sondern auch sein Hemd klebte ihm am Körper und betonte seine muskulöse Statur. Sie wurde immer verwirrter. Hatte Sir Stuart ihm etwa erzählt, sie hätte das Gespräch initiiert?
"Ich weiß, dass du wütend bist, aber du kannst mir daraus keinen Vorwurf machen." Eine tiefe Röte überzog sein Gesicht. "Hast du wirklich gedacht, ich wäre wütend?" fragte Benedict rau. "Das bist du doch, oder?" "Weil du es mir nicht gesagt hast, nicht weil du ..." "Hätte das nicht bis morgen oder bis Montag warten können? Ich finde deine Reaktion übertrieben, Ben." Verzweifelt versuchte sie, die aufsteigende Panik zu unterdrücken. Wenn er sie berührte, würde sie sofort schwach werden. "Es tut mir Leid, wenn du meine Reaktion übertrieben findest, aber ich erfahre nun mal nicht jeden Tag, dass ich Vater werde. Für dich ist es vielleicht nichts Besonderes, aber für mich ist es das erste Mal." Rachel war sprachlos. "Du glaubst, ich ...?", brachte sie schließlich hervor. "Dein Vater hat dir erzählt, dass ich ...?" "Zum ersten Mal in seinem Leben hat mein Vater sich anständig verhalten. Und das traust du mir offenbar nicht zu." Sie lachte hysterisch auf, und Benedict blickte sie an, als würde er sie am liebsten erwürgen. "Du findest das komisch?" erkundigte er sich kalt. Rachel rang nach Atem. "Ich bin hysterisch, du Idiot!" Tränen liefen ihr über die Wangen. "Soll ich dich links oder rechts ohrfeigen?" Er umfasste ihr Kinn und betrachtete ihr Profil von jeder Seite. "Das macht man doch bei einem hysterischen Anfall, oder?" "Das ... das würdest du nicht wagen!" Allmählich gewann sie die Fassung wieder. Benedict lächelte finster. "Fandest du nicht, dass ich das Recht habe, es zu erfahren?" erkundigte er sich sarkastisch. "Du hast schon einem Kind den Vater vorenthalten. Ich kann nicht fassen, dass du es wieder tun wolltest. Also, was immer du vorhattest, Rachel, du solltest mich in deine Pläne einbeziehen."
"Das ist wirklich lächerlich, Ben. Hörst du mir vielleicht mal zu?" "Mir ist klar, dass du mich für einen oberflächlichen Partylöwen hältst, aber hast du wirklich geglaubt, es wäre mir egal, ob eine Frau ein Kind von mir erwartet oder nicht?" Die Art, wie er den Blick über ihren Körper schweifen und schließlich auf ihrem flachen Bauch ruhen ließ, war ... erregend? Das ist doch verrückt, ermahnte Rachel sich energisch. Sie durfte nicht vergessen, dass diese Schwangerschaft das Produkt einer kranken Fantasie war. "Oder hast du nur nicht an meine Gefühle gedacht?" "Ach, es geht also nur um dich, ja?" Die Hände in die Hüften gestemmt, betrachtete Rachel ihn spöttisch. "Um deinen männlichen Stolz." "Alles in Ordnung, Miss French?" Ihr Nachbar aus dem ersten Stock, ein pensionierter Buchhalter, erschien im Pyjama im Treppenhaus. "Ich dachte, ich hätte etwas gehört..." "Es tut mir Leid, wenn wir Sie und Mrs. Rose gestört haben", sagte sie und wischte sich die restlichen Tränen von den Wangen. "Ich habe ihr ja gesagt, dass sie keine zweite Flasche Wein aufmachen soll. Sie redet ein wenig ... laut, wenn sie zu viel trinkt", erklärte Benedict in verschwörerischem Tonfall. "Wir gehen jetzt rein. Soll ich dir helfen, mein Schatz?" erkundigte er sich an sie gewandt. Sie biss die Zähne zusammen und blickte von ihrem sichtlich verwirrten Nachbarn zu Benedict. Offenbar hatte sie keine Wahl. "Es geht schon, danke", brachte sie hervor und schüttelte seine Hand ab. Die Wohnungstür war angelehnt, und Rachel schlüpfte unter seinem Arm hindurch, als Benedict sie ihr aufhielt. "Danke", sagte sie sarkastisch. "Wer weiß, was er jetzt denkt. Er hat mich
mit einem Mann weggehen und mit einem anderen zurückkommen sehen!" "Machst du dir Sorgen um deinen Ruf, Rachel? Dafür ist es ein bisschen zu spät, oder?" "Ich habe nichts getan, dessen ich mich schämen muss." "Das freut mich zu hören, denn wenn es so wäre ..." Er lächelte flüchtig und betrachtete sie mit funkelnden Augen. "Sagen wir, es erspart mir die Mühe, seine teuren Zähne zu ruinieren." "Selbst wenn ich mit der gesamten Fußballnationalmannschaft schlafen würde, würde es dich nichts angehen. Kehr lieber vor deiner eigenen Tür." "Ich bin am Boden zerstört", bemerkte er, machte jedoch nicht den Eindruck. "Schließlich arbeite ich schon seit Jahren daran, mein Ansehen aufzupolieren. Schläft Charlie?" Er blickte sich um. Rachel nickte widerstrebend. "Hat sie Faur6 kennen gelernt?" Sein Blick fiel auf den großen Strauß auf dem Esstisch, und Benedict verzog verächtlich den Mund. "Ein bisschen übertrieben." "Sie haben sich sehr gut verstanden." Dass Charlie gesagt hatte, sie würde Ben wesentlich lieber mögen als Christophe, verschwieg sie ihm. "Bist du zu dem Ergebnis gekommen, dass zwei Väter auf einmal zu viel sind?" "Du bist nicht der Vater meines Kindes, Ben." "Der zukünftige Vater, um genau zu sein." "Ich bin nicht schwanger." "Fällt dir nichts Besseres ein?" höhnte er. "Verkauf mich gefälligst nicht für dumm, Rachel." "Es ist die Wahrheit." "Findest du es so toll, ein Kind allein zu erziehen, dass du es wieder auf dich nehmen willst? Oder hoffst du, dass Faure dieses Kind auch als seins anerkennt?"
Rachel steigerte sich ganz bewusst in ihre Wut hinein. Es war besser als dieses Gefühl der Ohnmacht. "Ich kann dir eigentlich keinen Vorwurf aus deinem Verhalten machen. Wahrscheinlich geht dein Vater auch so mit deiner Mutter um. Aber wenn du noch einmal in diesem Ton mit mir redest ..." Ein amüsierter Ausdruck huschte über sein Gesicht. "Was ist daran so komisch?" "Du wirst es verstehen, wenn du meine Mutter kennen lernst." "Ich werde deine Mutter nicht kennen lernen." Benedict betrachtete sie so herablassend, dass sie am liebsten geschrien hätte. "Wahrscheinlich hast du darauf gebaut, dass ich das Land verlasse. Du hast irrtümlich angenommen, Dad wäre auf deiner Seite, aber er hat einen ausgeprägten Familiensinn!" "O ja, ich weiß Bescheid. Kannst du dir deinen Vater als lieben Großvater vorstellen, Ben?" Man hätte annehmen können, dass er die Geschichte seines Vaters unbedingt glauben wollte. "Es geht ausschließlich um uns, nicht um meinen Vater", erwiderte er ungeduldig. "Ich wünschte, es wäre so." "Er hat gesagt, du wolltest es ihm nicht erzählen. Er hat gesagt, du wärst so bedrückt gewesen und irgendwann damit rausgeplatzt." ",Er hat gesagt'!" äffte Rachel ihn nach und, wünschte, Sir Stuart wäre da gewesen, damit sie ihm die Meinung sagen konnte. "Du hörst mir gar nicht zu, oder? Wie könnte ich denn schwanger sein? Beim ersten Mal habe ich dir gesagt, dass nichts passieren kann, und dann haben wir verhütet." Ärgerlich stellte sie fest, dass sie wie ein Schulmädchen errötete. "Außerdem ist es erst drei Wochen her." "Die einzige völlig sichere Verhütungsmethode ist Enthaltsamkeit - und wir sind nicht enthaltsam gewesen", hielt Benedict dagegen.
Wir waren heiß aufeinander, ging es ihr durch den Kopf, und der Gedanke führte ihr vor Augen, dass einige Dinge sich nicht geändert hatten. Sie war immer noch heiß auf Benedict. Verlegen senkte sie den Blick, damit er es ihr nicht anmerkte. "Und es gibt so etwas wie Schwangerschaftstests." "Hör auf damit!" rief sie und hielt sich die Ohren zu. "Ich bin nicht schwanger. Dein Vater hat gelogen." "Ja, er lügt gelegentlich, aber warum hätte er es tun sollen? Was hätte er dadurch gewonnen?" Endlich hatte sie die Gelegenheit, es ihm zu erklären. "Weil er glaubt, dass du die Kanzlei und das Land nicht verlassen würdest, wenn ich schwanger wäre." Selbst in ihren Ohren klang das absurd. "Warum sollte er das glauben? Ich kann mir keinen besseren Ort als Connor's Creek vorstellen, um ein Kind großzuziehen." Sie wäre gern dabei gewesen, wenn er das seinem Vater beibrachte. Die Taktiken seines Vaters hatten also nicht verfangen. Benedict hatte nicht die Absicht, in seinem Beruf weiterzuarbeiten. Welch Ironie des Schicksals! "Charlie wird es auch gefallen", fuhr er fort. "Wenn wir verheiratet sind ..." "Verheiratet?" wiederholte Rachel matt. "Ich möchte kein Teilzeitvater sein, Rachel." Er betrachtete sie stirnrunzelnd und strich sich durch das dunkle Haar, als wollte er dadurch seine Müdigkeit verscheuchen. Und sie musste die Gefühle verscheuchen, die sie zu Wachs in seinen Händen machten. Er ist hart, Mädchen. Er braucht dich nicht, sagte sie sich energisch. "Und was ist mit ,du solltest mich in deine Pläne einbeziehen, Rachel'?" erkundigte sie sich spitz. "Anscheinend habe ich kein Mitspracherecht mehr." "Kein angenehmes Gefühl, stimmt's?" Sein Ärger verschwand vorübergehend, und Benedict sah sie besorgt an. "Du bist kreidebleich. Setz dich, bevor du noch umfällst."
"Ich will mich nicht setzen!" rief sie, als er sie auf den geschnitzten Eichenstuhl verfrachtete, den sie von ihrer Tante geerbt hatte. Unwillkürlich umfasste sie die abgewetzten Armlehnen, und es übte eine tröstliche Wirkung auf sie aus. "Du musst auf dich aufpassen", erklärte er schroff und wich zurück. Sehnsüchtig dachte sie daran, dass sie es unter anderen Umständen genossen hätte, von Benedict Arden umsorgt zu werden. Die Vorstellung, dass sie von ihm schwanger war, war gefährlich verführerisch. Seit sein Vater sie auf die Idee gebracht hatte, dachte sie, Rachel, ständig daran. "Ich bin nicht krank!" "Eine Schwangerschaft ist keine Krankheit", bestätigte Benedict ernst. "Hattest du Probleme bei Charlies Geburt? Ich habe die Narbe gesehen." Sie erschrak, als ihr einfiel, wann das der Fall gewesen war. Allerdings wusste sie nicht, warum sie sich Sorgen machte, denn in der Hinsicht hatte Ben offensichtlich das Interesse an ihr verloren. Natürlich war sie erleichtert gewesen, als er sie in Ruhe gelassen hatte, und nun half Sabrina ihm dabei, sich die Zeit zu vertreiben. "Ich hatte einen Kaiserschnitt." "Heißt das...?" "Ich bin nicht schwanger", bekräftigte Rachel und seufzte verzweifelt. Wenn er so weitermachte, würde sie es selbst noch glauben! "Du kannst die Augen nicht vor der Wirklichkeit verschließen, Rachel." "Du wirst dir ziemlich dumm vorkommen, wenn dir klar wird, dass ich die Wahrheit sage." "Verdammt!" Er kniff die Augen zusammen und betrachtete sie argwöhnisch. "Du denkst doch nicht etwa an eine Abtreibung, oder? Nein, das würdest du nicht fertig bringen." Sie wollte schon mit einem schweren Gegenstand nach ihm
werfen, als seine Miene sich aufhellte. Seine plötzliche Zuversicht schnürte Rachel die Kehle zu, und erneut stiegen ihr Tränen in die Augen. "Ich weiß nicht, was ich sagen soll", meinte sie schluchzend, und er drückte ihr ein großes Taschentuch in die Hand. "Ich war schockiert, zumal ich es von meinem Vater erfahren musste. Ich hatte es nicht geplant. Aber die Vorstellung, dass jetzt ein neues Leben in dir heranwächst, ist unglaublich", brachte er hervor. Sein bewegter Tonfall ging ihr sehr nahe. Schließlich kniete Benedict sich hin und umfasste ihre Schenkel. Es war unmöglich, seinem forschenden Blick auszuweichen. "Wenn du damit ,unglaubwürdig' meinst, stimme ich dir zu", erwiderte sie heiser. "Ich meine damit ,erstaunlich, außergewöhnlich, wundervoll'." Er verstärkte seinen Griff. "Eine Schwangerschaft ist nichts Ungewöhnliches, sondern etwas ganz Normales." "Nicht für mich, Rachel. Ich möchte sie gemeinsam mit dir erleben. Also schließ mich nicht aus." Die Erkenntnis, dass sie sich wünschte, sie wäre tatsächlich schwanger und hätte somit einen Grund, ihm nach Australien zu folgen, schockierte Rachel. Hatte sein Vater damit gerechnet mit ihrer Schwäche? Benedict liebte sie nicht, aber er hasste sie auch nicht. Genau das würde er jedoch tun, wenn sie ihrem Gefühl folgte. "Wenn wir einmal außer Acht lassen, dass ich nicht schwanger bin, wie kommst du eigentlich darauf, dass ich dir ans andere Ende der Welt folgen möchte? Ich weiß, selbst heute noch sind viele Leute der Ansicht, dass eine Frau ihrem Mann folgen sollte ..." Sie lachte und beobachtete, wie er die Lippen zusammenpresste. "Aber selbst die würden zustimmen, dass man ein solches Opfer nur aus Liebe bringt. Und ich kann mich nicht entsinnen, dass du je von Liebe gesprochen hast."
"Und wenn ich es getan hätte?" Seine Miene war undurchdringlich. In meinen Träumen hast du es getan, ging es Rachel durch den Kopf. "Du hast es aber nicht, ich auch nicht, und ich werde keinen Mann heiraten, den ich nicht liebe." "Dann muss ich dich vielleicht nur dazu bringen, mich zu lieben." Sie hatte den Eindruck, dass es ihr diesmal gelungen War, ihn aus der Reserve zu locken. Allerdings war sie nicht sicher, ob es richtig gewesen war. "Sei nicht albern." "Du klingst nervös, Rachel." "Ich bin nicht nervös, sondern müde. Du kannst niemanden dazu bringen, sich zu verlieben. Entweder passiert es oder nicht." Ich muss es ja wissen, dachte sie. "Dann brauchst du dir ja keine Sorgen zu machen." "Das tue ich auch nicht. Und du wirst dir bald darüber klar werden, dass es etwas voreilig war, von Heirat zu sprechen." "Überrascht es dich, wenn ich sage, dass ich in letzter Zeit oft mit dem Gedanken gespielt habe zu heiraten?" "Ja", erwiderte sie ausdruckslos, "das tut es. Erzähl mir bitte nicht, dass du unsterblich in mich verliebt bist." Ein Ausdruck, den sie nicht zu deuten vermochte, huschte über sein Gesicht. "Habe ich denn gesagt, dass ich mit dem Gedanken spiele, dich zu heiraten?" Benedict neigte den Kopf und betrachtete sie forschend. Rachel hob trotzig das Kinn. "Das ist ja wirklich eine ganz neue Art, eine Frau in sich verliebt zu machen." "Ich versuche nur, dich in Sicherheit zu wiegen." "Es ist ein Fehler, deine Taktiken darzulegen. Und denk daran, wie sicher ich mich fühlen werde, wenn du anfängst, mit anderen Frauen auszugehen", erklärte sie Zuckersüß.
Um seine Lippen zuckte es. "Sabrina ist ein reizendes Mädchen, aber kannst du sie dir auf einem abgelegenen Anwesen im australischen Busch vorstellen? Du hast keinen Grund, auf sie eifersüchtig zu sein." "Du bist also auf der Suche nach einer Frau mit einem kräftigen Rücken und einem gebärfreudigen Becken? Ich fühle mich geschmeichelt." "Das ist eine interessante Idee - besonders das mit dem gebärfreudigen Becken." Benedict ließ die Hände höher gleiten, bis sie auf ihren Hüften ruhten, und spürte, wie Rachel erschauerte. Er lächelte. "Und dass du fruchtbar bist, hast du ja bereits bewiesen." Als sie einen wütenden Laut ausstieß, lächelte er noch breiter. "Vielleicht habe ich dir einen falschen Eindruck von Connor's Creek vermittelt, Rachel. Es ist nicht so heruntergekommen und das Leben nicht so primitiv, wie mein Vater gern andeutet. Und die Entfernungen sind mit dem Flugzeug schnell zu überbrücken." "Du kannst fliegen?" fragte Rachel, wider Willen fasziniert. "Nina, meine Großmutter, hat mir zu meinem achtzehnten Geburtstag Flugstunden geschenkt. Da hat es mich gepackt und genau das hatte sie auch beabsichtigt. Auf ihre Art war sie genauso clever wie mein Vater. Sie hat kein Geheimnis daraus gemacht, dass ich die Farm einmal von ihr übernehmen sollte." "Und genau das hast du auch getan." "Wahrscheinlich lacht sie sich da oben jetzt ins Fäustchen." "Entschuldige, wenn ich nicht mitlache, aber ich finde es nicht besonders komisch, wenn man mich wie eine trächtige Kuh behandelt." "Du glaubst doch nicht, dass ich es ernst gemeint habe", schalt Benedict sie. "Aber wenigstens gibst du jetzt zu, dass du schwanger bist." "Das bin ich nicht." Sie schlug mit den Armen um sich, doch er hielt sie fest.
"Und dass du schwanger bist, ändert einiges, ob es dir gefällt oder nicht", erklärte er fest. Und ihm gefiel es nicht, auch wenn er das Gegenteil behauptete. "Bei Charlie hast du deine Sache großartig gemacht, aber du müsstest am besten wissen, dass ein Kind beide Eltern braucht." "Eltern, die sich lieben." "Mit der Liebe klappt es bei uns hervorragend." "Ich rede nicht von Sex", sagte Rachel vernichtend. "Selbst hervorragender Sex ist keine Basis für eine Ehe." Benedict wirkte sehr selbstgefällig. "Charlie mag mich auch." "Das ist wirklich das Letzte - die Gefühle eines Kindes auszunutzen." "Ich stelle nur die Tatsachen fest", meinte er ungerührt. "Für Charlie wäre es besser, wenn ich ihre männliche Bezugsperson wäre. Du musst zugeben, dass Faure nicht viel besser ist als ein anonymer Samenspender." "Ist das nicht etwas widersprüchlich? Du beharrst doch auf deinen Rechten als leiblicher Vater." "Er ist verheiratet. Deshalb hat er sich alle Rechte verwirkt." Verächtlich verzog er den Mund. "Und das werde ich ihm bald mitteilen." "Nein! Das kannst du nicht!" brachte sie entsetzt hervor. Sie konnte sich lebhaft vorstellen, wie der arme Christophe reagieren würde, wenn er glaubte, dass sie überall herumerzählte, er wäre Charlies Vater. "Ich werde mich von Faure fern halten, wenn du zugibst, dass du schwanger bist. Solange du es leugnest, kann ich nichts in die Wege leiten." Rachel wollte verneinen, schwieg jedoch. Vielleicht war es das Vernünftigste, erst einmal darauf einzugehen, damit er Christophe in Ruhe ließ. Am nächsten Tag würde sie Stuart Arden zur Rede stellen und ihn dazu bringen, seine Lüge zuzugeben.
"In die Wege leiten?" "Termine beim Gynäkologen. Ich würde dich gern begleiten." "Ich habe keinen Gynäkologen." "Bist du gar nicht beim Arzt gewesen?" Benedict runzelte missbilligend die Stirn, als sie den Kopf schüttelte. "Na ja, zuerst sollten wir..." "Sicher hast du Recht, Ben, aber ich bin wirklich sehr müde." Prompt verspürte sie Schuldgefühle, als er sie besorgt ansah und ihre Wange berührte. "Dann morgen?" Rachel nickte stumm. Als er die Hand zurückzog, wusste sie nicht, was sie davon halten sollte. Auch nachdem er gegangen war, glaubte sie seine Hand noch immer zu spüren, selbst als ihr Tränen über die Wangen liefen.
8. KAPITEL "Sir Stuart ist nicht zu Hause." "Ich warte auf ihn." Als Rachel die große Eingangshalle betrat, hallten ihre Schritte auf dem Marmorboden wider. Betont lässig blickte sie sich um, denn sie wollte sich nicht von unbedeutenden Dingen wie Kronleuchtern von der Größe ihres Wohnzimmers oder Gemälden eines Künstlers, den sie nur aus dem Museum kannte, einschüchtern lassen. "Das ist leider nicht möglich, Madam." Rachel hob das Kinn. Von einem Lakaien würde sie sich nicht wegschicken lassen. "Wenn Sie ihm sagen, dass ich hier bin, wird er mich empfangen." "Gibt es ein Problem, David?" Unwillkürlich sah Rachel in die Richtung, aus der die melodische Stimme ertönte. Auf der Treppe stand eine große schlanke Frau mit dunkelrotem Haar, das sie zu einem Pferdeschwanz gebunden trug. Anmutig eilte sie die restlichen Stufen hinunter. Sie trug Reitsachen, und ihr Halstuch war genauso leuchtend grün wie ihre Augen. "Diese Person wünscht, Sir Stuart zu sehen." Diese Person, dachte Rachel und verzog den Mund. "Ich habe ihr gesagt, dass er nicht zu Hause ist. Ich weiß nicht, wie sie an dem Sicherheitsbeamten vorbeigekommen ist." Sie hielt die Papiere mit dem Briefkopf der Kanzlei hoch. "Ich sagte, ich sei ein Kurier aus dem Büro."
"Und sind Sie es nicht?" erkundigte sich die Rothaarige interessiert. "Ich arbeite dort." "Für meinen Mann?" Mann! Rachel war, als hätte man ihr einen Schlag versetzt. "Das kann nicht sein!" Als sie darüber nachdachte, wurde ihr jedoch klar, dass diese Frau nicht Bens Gattin sein konnte. Wenn er verheiratet gewesen wäre - noch dazu mit einer solchen Schönheit -, wäre es allgemein bekannt gewesen. Also musste sie Sir Stuarts Frau sein. "Sie sind zu jung, um Bens Mutter zu sein", fuhr Rachel impulsiv fort. "Das heißt, ich dachte, Sie ..." Sie verstummte, bevor sie wieder ins Fettnäpfchen trat. Bisher war nichts nach Plan verlaufen. "Ich bin Emily Arden. Sie arbeiten für Ben, stimmt's? Suchen Sie ihn?" "Nein! Ich will ihn nicht sehen!" Nervös blickte Rachel sich um. "Dann freut es Sie sicher, zu hören, dass er nicht da ist", erklärte Emily Arden mit höflicher Miene. Rachel entspannte sich ein wenig. "Ich muss unbedingt mit Sir Stuart sprechen. Es handelt sich um eine persönliche Angelegenheit." "Muss ich mir jetzt Sorgen machen?" Rachel blickte sie verständnislos an und errötete dann. "Nein, darum geht es nicht." "Ich mache nur Spaß, meine Liebe. Mein Mann hat viele Fehler, aber jungen Frauen nachzustellen gehört nicht dazu. Allerdings macht er sich gern unsichtbar, wenn ihm der Sinn danach steht", fügte Emily Arden trocken hinzu. "Heißt das, er ist nicht zu Hause?" fragte Rachel mit bebender Stimme. Sie hatte sich bewusst in ihre Wut hineingesteigert, um Sir Stuart zur Rede zu stellen, und war nun maßlos enttäuscht.
"Warum trinken Sie nicht etwas mit mir, meine Liebe? Sie sehen aus, als könnten Sie es vertragen. Bitte kümmern Sie sich darum, David." Emily Arden nahm ihr die Unterlagen ab und gab sie dem Butler. "Würden Sie uns bitte Kaffee ins Wohnzimmer bringen? Kommen Sie", forderte sie sie auf, und Rachel folgte ihr ins Wohnzimmer. "Ein schönes Zimmer", bemerkte sie, als sie es betrat. "Ja, nicht? Dort wurde ich geboren", erklärte Emily Arden, als ihr Rachels, Blick auf eine gerahmte Luftaufnahme fiel. "Connor's Creek?" Als Benedict gesagt hatte, es wäre nicht heruntergekommen, hatte er stark untertrieben. Dort könnte ich leben, dachte Rachel, als sie das Anwesen betrachtete. Das heißt, wenn ich bereit wäre zu lügen und zu betrügen. "Richtig." Emily Arden ließ sich nicht anmerken, wie überrascht sie war. "Leider ist es dort momentan nicht so grün. Setzen Sie sich doch. So, und jetzt erzählen Sie mir, warum Sie mit meinem Mann sprechen müssen." "Er muss Ben die Wahrheit sagen. Ben glaubt mir nicht." "Was glaubt er Ihnen nicht?" "Dass ich nicht schwanger bin." Emily Arden blinzelte zweimal und verstärkte leicht den Griff um die Sessellehne. "Vielleicht bin ich ein bisschen schwer von Begriff, aber warum glaubt er, Sie wären schwanger?" "Weil sein Vater es ihm gesagt hat", brachte Rachel hervor. "Ist das nicht typisch für Stuart? Er richtet ein heilloses Durcheinander an und überlässt es mir, alles zu regeln." Emily Arden verschränkte die Arme vor der Brust. "Überall muss er sich einmischen." Starr blickte Rachel sie an. Sie konnte nicht fassen, dass Emily Arden ihr glaubte. "Sie glauben mir?" fragte sie erstaunt. "Ich tauche hier einfach auf und behaupte, ich ..."
"Ich weiß. Es ist ein Schock für Sie. Als Mutter zweier Söhne war ich immer darauf gefasst, dass eines Tages eine junge Frau hier auftaucht und behauptet, sie sei schwanger. Aber auf den Fall, dass sie sagt, sie sei es nicht, war ich nicht gefasst." "Es ist kein Witz." Emily Arden lächelte sie so freundlich an, dass Rachel mit den Tränen kämpfte. "Das sehe ich, meine Liebe. Entschuldigen Sie." "Es ist schrecklich", sagte Rachel und schluchzte. "Er will mich heiraten", fügte sie wütend hinzu. Emily Arden zog die Augenbrauen hoch, blieb jedoch ernst. "Wirklich?" "Nur wegen des Babys." "Aber es gibt kein Baby." "Sagen Sie es ihm. Mir glaubt er ja nicht." Ein ärgerlicher Ausdruck huschte über Emily Ardens Gesicht, als das Geräusch von Stimmen, das durch die geöffneten Verandatüren erklang, lauter wurde. "Wischen Sie sich die Tränen ab, meine Liebe", riet sie sanft. "Ich glaube, wir bekommen gleich Gesellschaft. Am besten sagen Sie mir Ihren Namen, bevor ich Sie dem Rest der Familie vorstelle." "Rachel... Rachel French." "Nat, Schatz, bitte bring nicht die Tiere herein. Sie stinken." "Ich mag den Geruch von nassen Hunden." Der schlanke, dunkelhaarige Teenager betrachtete Rachel neugierig. "Hallo." "Das ist Rachel French. Sie arbeitet mit deinem Bruder zusammen. Rachel, das ist Natalie, und das ist Tom, mein Ältester." Der schlanke Mann mit dem rotbraunen Haar hatte ein Kleinkind auf dem Arm. Er lächelte Rachel herzlich an. "Und das ist seine Frau Ruth." Ruth war genauso blass wie das schlafende Kind und hatte ein reizendes Lächeln. "Oh, und das ist Sabrina - eine Freundin der Familie."
Rachel wusste nicht, ob es nur Wunschdenken ihrerseits war oder ob Emily Arden zum Schluss tatsächlich etwas reserviert geklungen hatte. "Ich habe Sie schon mal gesehen. Jetzt weiß ich, Sie sind diese Sekretärin", meinte Sabrina gelangweilt. "Ist Ben auch hier?" "Leider nicht", erwiderte Emily Arden gewandt. "Ich gehe jetzt wohl besser", sagte Rachel und stand auf, weil sie sich ausgesprochen unwohl fühlte. Wenn Sir Stuart nicht da war, hatte es ohnehin keinen Sinn zu bleiben, und außerdem musste sie damit rechnen, dass Ben noch auftauchte. "Es tut mir sehr Leid, dass ich Sie gestört habe." "Ah, da kommt der Kaffee. Ich bestehe darauf, dass Sie noch bleiben." Emily Arden lächelte, doch ihr Tonfall duldete keinen Widerspruch. Offenbar setzte Sir Stuart seinen Willen zu Hause nicht immer durch. "Aber mein Freund holt mich ab." Demonstrativ blickte Rachel auf ihre Armbanduhr. "Wir lassen ihn herschicken, wenn er kommt. Wie heißt er?" "Faure." "Ein Franzose!" Die Tochter des Hauses verscheuchte einen Hund vom Sofa und setzte sich mit übereinander geschlagenen Beinen auf seinen Platz. "Ich finde Männer vom Kontinent viel aufregender als Engländer." Sie warf ihrem Bruder einen viel sagenden Blick zu. "Vor allem Franzosen. Meine Lover sollen alle Franzosen oder Italiener sein." "Danke", meinte ihr Bruder trocken. "Ich bringe Libby ins Bett. Sie muss jetzt Mittagsschlaf machen." Dann sagte er leise etwas zu seiner Frau, die daraufhin nickte. "Bitte sag Bescheid, dass sie wegen Rachels Freund am Tor anrufen sollen, Tom." "Ja." Er nickte, bevor er sich noch einmal kurz an seine Schwester wandte. "Vielleicht solltest du noch warten, bis du deine Zahnklammer loswirst, bevor du dich mit den Sexprotzen
vom Kontinent einlässt. Ein leidenschaftlicher Moment, und ihre Kronen könnten kaputtgehen." "Ich weiß nicht, wie Ruth es mit dir aushält!" rief seine Schwester ihm hinterher. Im nächsten Moment knallte die Haustür. "Ich glaube, Benedict ist wieder da", sagte ihre Mutter. "Oh, prima." Sabrina stand langsam auf und betrachtete sich mit einem selbstgefälligen Lächeln in dem goldgerahmten Spiegel an der gegenüberliegenden Wand. Rachel erhob sich ebenfalls. Sie überlegte noch, ob sie durch die Verandatüren flüchten konnte, bevor Benedict den Raum betrat, als die Tür geöffnet wurde. "Schatz." "Sabrina, was machst du hier?" Seine Reaktion hätte zarter besaitete Gemüter vermutlich verschreckt, doch Sabrina lächelte verführerisch und schwebte auf ihn zu. "Du meine Güte, Rachel!" Er erstarrte förmlich. Rachel bekam weiche Knie. "Ich wollte gerade gehen, Mr. Arden", sagte sie und beobachtete, wie er kalt lächelte. "Mr. Arden?" wiederholte er spöttisch. "Nein, Miss French, Sie werden nicht gehen!" "Also wirklich, Schatz, es ist Wochenende. Sicher hat das Mädchen Besseres zu tun, als ... was immer Sekretärinnen machen." Sabrina war vermutlich die Einzige im Raum, die die unterschwellige Spannung nicht bemerkt hatte. "Ich bin nicht seine Sekretärin!" "Sie ist nicht meine Sekretärin!" Sie, Rachel, und Benedict hatten gleichzeitig gesprochen und funkelten sich wütend an. "Was ist sie dann? Und warum ist sie hier?" fragte Sabrina und blickte verstimmt drein. "Gute Frage. Was bist du, und warum bist du hier, Rachel?" Benedict betrachtete sie aus zusammengekniffenen Augen.
"Ich habe einige Papiere hergebracht, die dein Vater unterschreiben soll." "Was für Papiere? Wo sind sie?" Er sah sich um, offenbar in der Gewissheit, dass er nichts entdecken würde. "Wahrscheinlich auf dem Schreibtisch deines Vaters, Benedict. Du siehst furchtbar aus", stellte seine Mutter fest. Sie, Rachel, fand, dass er geradezu sündhaft toll aussah, doch ihr war klar, was seine Mutter meinte. Seine Augen waren rot, und er hatte sich nicht rasiert. "Was hast du gemacht?" Rachel warf Emily Arden einen dankbaren Blick zu. Sie konnte jede Unterstützung gebrauchen. "Ich habe fast zwei Stunden auf Rachels Türschwelle kampiert." "Wenn du deine Zeit vergeuden willst, ist das nicht mein Problem", erwiderte sie wütend, als er sie verlangend ansah. "Apropos Problem ...", sagte er langsam. Das würde er nicht wagen! Ihr Magen krampfte sich zusammen. "Was erwartest du eigentlich von mir? Dass ich zu Hause bleibe, weil du mich vielleicht willst?" "Von ,vielleicht' kann keine Rede sein", meinte Benedict trocken und musterte sie anzüglich. Noch nie zuvor hatte sie sich so gedemütigt gefühlt - und noch nie zuvor war sie so wütend gewesen! Er lächelte noch breiter, als ihr das Blut in die Wangen schoss. "Wenn du dich schon nicht um meine Gefühle scherst, solltest du wenigstens so höflich sein, deine Familie nicht in Verlegenheit zu bringen", meinte sie mühsam beherrscht, doch er betrachtete sie ungerührt. "Ich bin nicht verlegen", bemerkte Natalie munter. Sabrina wirkte schockiert. "Aber sie ist ..." Verwirrt krauste sie die perfekte Nase, als sie ihr Spiegelbild mit ihr verglich. Sie, Rachel, war etwas kleiner als sie und hatte eine weiblichere Figur.
"Sie geht", erklärte Rachel scharf, denn sie wollte nicht von Sabrina auf ihre äußerlichen Unzulänglichkeiten hingewiesen werden. Und im Gegensatz zu Sabrina würde sie niemals zu Benedict passen. Sicher verfluchte er den Moment der Schwäche, der ihn an sie gebunden hatte. Sie konnte sich lebhaft vorstellen, wie erleichtert er sein würde, wenn er erfuhr, dass er keinen Anlass hatte, "das Richtige" zu tun. Sein Vater weiß ganz genau, wie er ihn manipulieren kann, überlegte sie bitter. "Nicht bevor ich es sage", entgegnete Benedict kalt. Rachel hörte allgemeines Murmeln und nervöses Kichern, wusste jedoch nicht, von wem es kam. Das Blut rauschte ihr in den Ohren. "Ich gehe, wann und wohin ich will, und wenn du versuchst, mich daran zu hindern, kannst du ..." "Was kann ich?" hakte er nach. Als sie sich umblickte, stellte sie fest, dass alle gespannt auf ihre Antwort warteten. "Weißt du was, Ben? Du bist der unsensibelste, egozentrischste, hinterhältigste ..." Sie stieß einen verächtlichen Laut aus. "Ich würde dich nicht einmal heiraten, wenn mein Leben davon abhängen würde." "Wie kommst du darauf, dass es nicht der Fall ist?" Wütend presste er die Lippen zusammen. "Du hattest Recht, Ruth. Ich schulde dir einen Zehner. Er hat einen Heiratsantrag gemacht! Also, ich ..." "Tom!" rief Benedict aufgebracht und drehte sich zu seinem Bruder um, der hinter ihm den Raum betreten hatte. "Ja, ich habe einen Heiratsantrag gemacht, aber sie hat ihn nicht angenommen. Sicher willst du mir einen Rat geben, oder?" Tom unterdrückte ein Lächeln und setzte eine angemessen ernste Miene auf. "Eigentlich wollte ich Miss French - Rachel gerade sagen, dass ihr Freund da ist." Seine grünen Augen funkelten und verrieten lebhaftes Interesse.
"Bitte ihn rein, Tom", wies Emily Arden ihn an. "Sie", verbesserte sie sich trocken, als die Tür aufging und Charlie hereinkam, gefolgt von ihrem Onkel. Charlie sah sich gelassen um, nicht im Mindesten eingeschüchtert von den vielen unbekannten Gesichtern. "Dieses Haus sieht aus wie die in den Wohnzeitschriften", meinte sie bewundernd. "Hallo, Mum", fügte sie lächelnd hinzu. "Sie ist ja alt." Sabrinas Ärger war beinah komisch. Entrüstet blickte Sabrina von ihr, Rachel, zu Charlie und dann wieder zu ihr. Dann bemerkte Charlie Benedict. "Ben!" Ihre Miene hellte sich auf, und Charlie sauste wie eine infrarotgesteuerte Rakete auf ihn zu. Gequält gestand Rachel sich ein, dass sie es auch am liebsten getan hätte, und sekundenlang beneidete sie ihre Tochter darum. Ihre Gefühle zu verbergen bedeutete, sich jedes Wort, jede Geste genau zu überlegen. Als Benedict sich hinunterbeugte und Charlie hochhob, schnürte sein Gesichtsausdruck Rachel die Kehle zu. Es war offensichtlich, dass er Charlie mochte. Seine Familie beobachtete mehr oder weniger entsetzt, wie er Charlie hochhob, sie dann wieder absetzte und ihr das feuchte goldblonde Haar zerzauste. "Ich hatte mich schon gewundert, wo du steckst." Als er Christophe bemerkte, wurde seine Haltung sofort feindselig. "Ich war mit Onkel Christophe unterwegs." Charlie blickte Christophe fröhlich an. "Wir waren schwimmen." "Ah ja, Onkel Christophe." In seinen Augen lag ein verächtlicher Ausdruck, als Benedict sie ansah, und Rachel hob trotzig das Kinn. Besorgt fragte sie sich, wie Christophe auf Benedicts unverhohlene Feindseligkeit reagieren würde. Ihr war klar, dass Benedict sich nur Charlies wegen zusammenriss. "Charlie ist eine hervorragende Schwimmerin." Christophe lächelte seine Nichte liebevoll an.
"Wenn ich nach Frankreich fahre, werd' ich im Meer schwimmen, nicht, Mum?" Rachel nickte schwach. "Und wann fährst du nach Frankreich, Charlie?" fragte Benedict mit undurchdringlicher Miene. Begeistert erzählte Charlie ihm von ihren Reiseplänen, und Rachel hörte zunehmend resignierter zu. "War es nicht toll, wenn Ben mitkommen könnte, Mum?" "Ja. Aber er ist ein viel beschäftigter Mann, und zu dem Zeitpunkt wird er wohl schon in Australien sein." So würdevoll sie konnte, erwiderte Rachel seinen spöttischen Blick. "Ich bin flexibel." "Ich aber nicht." "Wir haben ein offenes Haus. Du kannst gern jemand mitbringen, Rachel." Sie formte ein stummes "Nein" mit den Lippen und verzog das Gesicht, um Christophe zu verstehen zu geben, dass es keine gute Idee war, doch er wirkte umso verwirrter. Jetzt wünschte sie, sie hätte ihm am Morgen den Grund für ihren Besuch bei Sir Stuart gesagt. Wahrscheinlich dachte Benedict jetzt, der arme Christophe würde ihn einladen, damit sie ein Dreiecksverhältnis beginnen konnten. "Offen?" wiederholte Benedict verächtlich, und sie stellte sich unwillkürlich vor Christophe. "Ich persönlich ziehe Grenzen vor - im Haus, im Job und vor allem in der Ehe, Das schafft klare Verhältnisse." Christophe wirkte noch immer verwirrt, und sie hoffte, dass es dabei bleiben würde. Da er sehr treu war, würde Benedicts ironische Bemerkung ihm sicher keine Gewissensbisse verursachen. "Warum mag Ben Onkel Christophe nicht?" Es herrschte peinliches Schweigen, als Charlie sie, Rachel, anblickte. Dann zog sie ungeduldig an Bens weitem Hemd. "Er ist nett, Ben."
"Das glaube ich, Charlie." Sichtlich bemüht, seinen Zorn zu unterdrücken, lächelte Ben sie an. "Also, ich finde französische Männer sehr nett." Natalie stand auf und ging auf ihren Bruder zu, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Ihre Mutter lächelte stolz. "Danke, Mademoiselle." "Ich bin Natalie." Verlegen lächelnd streckte sie Christophe die Hand entgegen und betrachtete ihn bewundernd. Sie lachte entzückt, als er ihre Hand an die Lippen führte. "Davon könnt ihr noch lernen", fügte sie an ihre Brüder gewandt hinzu. "Sind Sie Bens Schwester?" erkundigte Charlie sich neugierig. "Ja, leider." "Sie sehen ihm ähnlich." Natalie schnitt ein Gesicht. "Ja, aber leider ist er viel hübscher als ich." "Du bist zu freundlich", bemerkte Benedict trocken. "Magst du Pferde, Charlie?" Natalie beugte sich zu ihr hinunter. "Ich wollte gerade zu den Ställen gehen ..." "Ich bin früher geritten", erwiderte Charlie mit funkelnden Augen. "Aber jetzt wohnen wir in der Stadt." "Hast du Lust, dir die Pferde anzusehen?" "Wir haben Ihre Zeit schon lange genug in Anspruch genommen." Rachel ignorierte den vorwurfsvollen Hundeblick, den Charlie ihr zuwarf. "Christophe hat heute Nachmittag einen Termin in der Stadt." Wenn Christophe diesen Wink auch nicht verstand, würde sie verzweifeln. "Ja, ich muss leider los." Sie seufzte erleichtert auf und lächelte ihm dankbar zu. "Das ist kein Problem. Ich kann Charlie und dich später zurückbringen, Rachel. Ich fahre sowieso in die Richtung." Man behauptete doch, dass Angst die Sinne schärfte. Die Ausnahme bestätigt die Regel, dachte Rachel, unfähig, den Blick von Benedict abzuwenden, der sie unverschämt ansah.
Leider fiel ihr keine passende Antwort ein, da sie keinen klaren Gedanken fassen konnte. "Ich... das heißt..." "Also abgemacht. Soll ich Mr. Faure zur Tür bringen?" "Es ist ein bisschen zu spät, den perfekten Gastgeber zu spielen", bemerkte seine Mutter. "Mr. Faure, vielleicht haben Sie Lust, uns mal wieder zu besuchen, wenn die Lage nicht so ..." Nachdenklich betrachtete sie ihren Sohn. "... brisant ist?" "Komm, Charlie." Mit einem durchdringenden Pfiff trieb Natalie die Hunde an. "Wir gehen zu den Pferden." Dann beugte sie sich zu ihrem Bruder hinüber. "Das wird dich einiges kosten", fügte sie leise hinzu. "Ich weiß." Noch immer sah er sie, Rachel, an. "Und ich erwarte einen detaillierten ..." Er warf seiner Schwester einen nachsichtigen Blick zu. "Du langweilst mich, Nat." "Du bist ja auch keine sechzehn mehr", konterte sie, nahm Charlie bei der Hand und führte sie in den Garten. "Wolltest du uns nicht die Fotos von der Verlobungsfeier deines Bruders zeigen, Sabrina?" Tom warf seiner Frau einen entschuldigenden Blick zu, als er sie hochzog. "Ruth hat gestaunt, als ich ihr erzählt habe, wer alles da war." Das genügte Sabrina, um sich von Rachel und Benedict abzuwenden. "Habe ich euch erzählt, dass ...?" Sie begann, all die weniger bedeutenden Mitglieder des Königshauses und die Prominenten aus den Medien aufzuzählen, die dabei gewesen waren. "Und sie ist viel dicker, als sie im Fernsehen aussieht..." Um wen es sich handelte, erfuhr Rachel nicht mehr, da die Türen im Herrenhaus der Ardens sehr massiv waren. "Endlich sind wir allein." "Ich habe mich gar nicht von Christophe verabschiedet. Bestimmt denkt er jetzt..." Benedict presste wütend die Lippen zusammen, und seine Augen funkelten kalt. "Er ist Geschichte", erklärte er und zuckte
gleichgültig die Schultern. "Und falls er auch nur ein Minimum an Feingefühl besitzt, weiß er Bescheid. Und wenn nicht..." Sie konnte kaum fassen, dass dies derselbe Mann war, der selbst für die kompliziertesten juristischen Probleme eine Lösung fand. "Wie kannst du es wagen, dich wie ein ... Barbar aufzuführen? Und wenn du mich anfasst, schreie ich ..." Panisch wich sie vor ihm zurück, als er auf sie zukam. Wenn er sie berührte, war es um sie geschehen. "Bei uns in der Familie geht es bei der Balz ziemlich laut zu. Ich glaube nicht, dass jemand kommt, wenn du schreist." "Deine Familie interessiert mich nicht." "Schade. Sie scheinen dich zu mögen. Natürlich würde es keinen Unterschied machen, wenn es nicht der Fall wäre, aber es macht alles viel einfacher, wenn sie meine Frau sympathisch finden." "Ben." "Ja?" Rachel hatte die Finger in sein Hemd gekrallt und den Kopf geneigt, als könnte sie es nicht ertragen, ihn anzusehen. Er spürte, wie angespannt sie war. Sie schloss die Augen und hoffte, dass er ihr endlich glaubte. "Ich bin nicht schwanger." "Ich weiß." Unvermittelt öffnete sie die Augen wieder. "Was hast du gesagt?" Verwirrt blickte sie zu ihm auf. "Ich weiß, dass du nicht schwanger bist." Geschickt löste Benedict das Band, mit dem sie ihr Haar zum Pferdeschwanz zusammengefasst hatte. "Schon besser", sagte er rau und legte ihr das Haar über die Schultern. Dann pustete er ihr eine Strähne aus dem Gesicht. Sein Duft weckte sofort Sehnsucht in ihr, und sie öffnete unwillkürlich den Mund. Benedict umfasste ihr Gesicht und presste die Lippen auf ihre, um sie zärtlich zu küssen. Prompt stiegen ihr Tränen in die Augen.
"Ich habe Dad zur Rede gestellt, und er hat mir seine Version der Geschichte erzählt. Ich nehme an, dass er mir alles verschwiegen hat, was ihn in einem ungünstigen Licht erscheinen lassen könnte." "Dann bleibt nicht viel übrig." Empfand er Mitleid mit ihr? War er deswegen so zärtlich? War ihm klar geworden, wie sehr sie sich wünschte, es wäre wahr? Das ertrug sie nicht. Das habe ich gewollt, sagte sich Rachel. Es war vorbei, sie konnte sich jetzt entspannen und so weitermachen wie bisher. Und warum ging es ihr dann nicht besser? Benedict ging es besser. Er wirkte richtig selbstgefällig. Er war frei. Sie hingegen würde sich nie von ihrer Liebe zu ihm befreien - niemals! Es war eine lebenslange Freiheitsstrafe. "Mein Vater ist sehr geschickt im Umgang mit Worten", gestand er. "Sicher bist du erleichtert?" "Ach ja?" Sein Blick ließ ihr Herz schneller klopfen, und Rachel bekam eine Gänsehaut. Verlegen senkte sie die Lider und lachte gezwungen. "Es ist ziemlich komisch, wenn man darüber nachdenkt." "Ich kann nicht nachvollziehen, was daran komisch ist." "Geh nicht so hart mit ihm ins Gericht. Ich glaube, er ist davon überzeugt, dass es nur zu deinem Besten war." "Das ist er immer. Du bist sehr verständnisvoll in Anbetracht der Tatsache, dass ich dir das Leben schwer gemacht habe." Betont gleichmütig zuckte sie die Schultern und stellte fest, dass sie die Finger schon wieder in sein Hemd gekrallt hatte. Sie ließ es los und versuchte, es glatt zu streichen. "Entschuldige. Es sieht aus, als wäre jemand über dich hergefallen." Benedict umfasste ihr Handgelenk. "Ich habe noch mehr Hemden. Und du kannst über mich herfallen, wann immer du willst."
Sie musste irgendetwas sagen, um sich abzulenken. "Jetzt kannst du ein neues Leben beginnen, so wie du es vorhattest. Ohne ... Übergepäck." Sie versuchte, großzügig und optimistisch zu klingen, obwohl ihr furchtbar elend zu Mute war. "Wäre es denn so schrecklich gewesen?" Er umfasste ihr Kinn, und unter Tränen sah sie ihn an. "Diesmal kann ich mich nicht damit rechtfertigen, dass ich jung war." "Musst du dich denn rechtfertigen?" "Wofür? Dass ich leichtsinnig und unverantwortlich bin?" "Nein, dass du ein Kind von mir bekommst." Benedict ließ die Hand tiefer gleiten und auf ihrem flachen Bauch ruhen. Wie gebannt betrachtete Rachel sie. Sie verspürte eine schmerzliche Sehnsucht, und die Tränen liefen ihr nun über die Wangen. "Ich habe mir gewünscht, dass es wahr ist", brachte sie hervor und schluchzte. Dann neigte sie den Kopf und barg ihn an seiner Brust. Es war irgendwie tröstlich. "Ich habe mit dem Gedanken gespielt, dich in dem Glauben zu lassen ..." Sie biss sich auf die Lippe und blickte schließlich zu ihm auf. "Dein Vater hat eine gute Menschenkenntnis." "Ich habe es mir auch gewünscht." "Du...?" Plötzlich hatte sie das Gefühl, der Boden würde unter ihren Füßen nachgeben. Nein, es war unmöglich. "Ich habe mir auch gewünscht, dass es wahr ist. Deswegen hat es auch so lange gedauert, bis ich eingesehen habe, dass du die Wahrheit sagst. Ich wollte, dass du ein Kind von mir bekommst. Ich dachte, ich könnte es als Druckmittel benutzen, damit du bei mir bleibst. Immer wenn ich versucht habe, dir zu sagen, was ich empfinde, hast du mich zurückgewiesen. Ich hatte Angst davor, dich für immer zu verlieren." In seinen Augen lag ein gequälter Ausdruck. Benedict nahm ihre Hand und führte sie an die Lippen. Zärtlich liebkoste er die Innenfläche. "Heirate mich, Rachel", sagte er bewegt. "Wenn du dir nicht vorstellen kannst, auf
Connor's Creek zu leben, können wir in England bleiben. Es ist nicht so wichtig, wo wir leben, solange wir zusammen sind. Ich liebe dich, Schatz, und ich möchte, dass Charlie, du und ich eine Familie sind. Warum sagst du nichts? Ist es wegen Faure?" fragte er rau. "Du hast etwas Besseres verdient als den abgelegten Mann einer anderen", fügte er leidenschaftlich hinzu. "Wenn du mir eine Chance gibst, werde ich dich glücklich machen, Rachel - glücklicher, als er es je gekonnt hätte!" Benedict liebte sie. Er war bereit, in England zu bleiben und ein Leben zu führen, das ihn krank machte. "Du kannst mich nicht lieben. Ich bin ..." "Die Frau, von der ich träume." Er umarmte sie so fest, dass sie kaum Luft bekam, und betrachtete sie zärtlich und besitzergreifend zugleich. "Die Frau, mit der ich zusammenleben und mit der ich alt werden will - die Frau, die ich lieben will, wenn sie es zulässt. Tust du es?" Rachel spürte, wie angespannt er war. Sie hob die Hand, die ein wenig zitterte, und ließ sie über seine Wange gleiten und schließlich an seinen Lippen ruhen. "Aber du hast dich von mir fern gehalten, nachdem ..." "Nachdem du mich rausgeworfen hattest? Überrascht dich das? Ich dachte, wenn du mich eine Zeit lang nicht siehst, würdest du vielleicht merken, wie sehr du mich vermisst. Ich hätte jedenfalls beinah den Verstand verloren." "Ich dachte, du und Sabrina ..." "Wir hatten im letzten Jahr eine Affäre, und ich habe Sabrina erklärt, dass ich kein Interesse daran habe, sie wieder aufleben zu lassen." Rachel nickte. Sie glaubte ihm vorbehaltlos. "Ich habe mir eingeredet, du wärst nur auf der Durchreise", erinnerte sie sich. "Aber wenn ich mit dir zusammen war, fühlte ich mich dir hilflos ausgeliefert. Noch nie hat mich jemand so traurig gemacht." Liebevoll blickte sie ihn an. "Oder so
glücklich. Ich habe mich in dich verliebt, Ben, obwohl ich wusste, dass es keine gemeinsame Zukunft für uns gibt. Und obwohl ich wusste, welche Konsequenzen es haben würde, habe ich mich mit dir eingelassen. Wenn ich nicht solche Angst davor gehabt hätte, dass Charlie dich ins Herz schließen würde, hätte ich bis zu deiner Abreise jede Sekunde mit dir verbracht. Ich habe mich nur zurückgezogen, um sie zu beschützen." "Vergiss nicht, dass Charlie mich ausgesucht hat", erinnerte Benedict sie. Er lehnte die Stirn gegen ihre und umfasste ihren Po. "Sie hat mich nach Hause gebracht - zu dir." "Ben!" erwiderte sie lachend und schluchzend zugleich. Und dann sagten sie eine Weile gar nichts mehr, sondern küssten sich verlangend. "Es könnte jemand reinkommen", bemerkte Rachel schließlich, als Benedict aufreizend ihren Hals küsste. "Ja", meinte er nur. "Sie werden ..." Lustvoll drängte sie sich seinen Lippen entgegen. "Sie werden eifersüchtig sein." "Du musst dich rasieren. Es erinnert mich an ..." Er hob den Kopf, und seine Augen funkelten diabolisch. "An wen erinnert es dich?" "Das weißt du genau", erwiderte sie zerknirscht. "Du hast mir Leid getan." "Gib zu, dass deine Motive nicht hehrer waren als meine." "Du bist vielleicht eingebildet, Benedict Arden!" "Wenigstens bist du ehrlich genug, um zuzugeben, dass du mehr im Sinn hattest, als mich zu retten", neckte er sie. "Das war vielleicht auch besser so, denn wie sich herausgestellt hat, bist du nicht mehr zu retten." Plötzlich wurde ihre Miene ernst. "Apropos ehrlich..." "Willst du mir etwas gestehen? Soll ich mich setzen?" "Vielleicht."
Misstrauisch blickte er auf sie herab. "Es geht um Christophe." Benedict hatte ihre Schultern umfasst, und Rachel spürte, wie er seinen Griff verstärkte. "Ich weiß, dass er Charlies Vater ist, aber..." "Nein, er ist es nicht." "Wie bitte?" "Er ist ihr Onkel. Sein Bruder Raoul war ihr Vater." "Raoul Faure." Benedict runzelte die Stirn. "Der Rennfahrer?" Sie nickte. "Ja. Ich habe ihn kennen gelernt, als ich bei Christophe und seiner Frau als Au-pair-Mädchen gearbeitet habe. Er war übers Wochenende da und hat sich wohl gelangweilt. Ich habe für ihn geschwärmt, und den Rest kennst du ja." Es war erstaunlich, dass sie diese traurige Episode mit lediglich zwei Sätzen beschreiben konnte. "Kurz darauf ereignete sich der Unfall. Christophe und Annabel wussten nichts davon. Christophe hat es erst gemerkt, als er Charlie begegnet ist und ihm die Familienähnlichkeit aufgefallen ist." "Und ich wollte ihn umbringen", sagte Benedict rau. "Ich dachte, er wollte sich wieder in dein Leben einschleichen und vielleicht sogar das Sorgerecht für Charlie beanspruchen." Er stöhnte. "Du hast keine Ahnung, wie schlimm die Vorstellung für mich war ..." Gequält sah er sie an. "Warum hast du mich in dem Glauben gelassen, Rachel?" "Charlie hatte keine richtige Familie, weil ich damals so naiv war und nur gesehen habe, was ich sehen wollte. Das wollte ich ihr nicht noch einmal antun. Sie mag dich sehr, und ich dachte, du würdest weggehen." Flehend sah sie zu ihm auf. "So wie Raoul dich verlassen hat", bestätigte er grimmig. "Das kann man nicht miteinander vergleichen", erwiderte sie schnell. "Du bist der erste Mann, den ich liebe." Zärtlich umfasste sie sein Gesicht. "Damals wusste ich nicht, was Liebe
bedeutet. Jetzt weiß ich es. Ich brauchte einen Vorwand, um dich zu vertreiben." "Weiß Charlie jetzt über ihren Vater Bescheid?" "Ja." Rachel betrachtete ihn forschend. "Alles?" "Na ja, ich habe ihr nicht gesagt, dass ihr Vater eine Woche nach der Empfängnis nicht einmal mehr meinen Namen wusste." "Betrachtet sie ihn schon als Helden?" "Macht es dir nichts aus?" Sie seufzte erleichtert. "Und ob es mir etwas ausmacht. Aber manchmal hat die Wahrheit einen zu hohen Preis." "Ich hatte Angst, du ..." "Ich liebe Charlie", erklärte Benedict leise. "Natürlich ist es mir nicht egal, was dieser Mistkerl dir angetan hat! Am liebsten würde ich den edlen Ritter spielen und alles wieder gutmachen." Er schüttelte sie sanft. "Und wenn du irgendjemandem erzählst, dass ich das zugegeben habe, werde ich dir nie verzeihen." "Meine Lippen sind versiegelt..." "Bei allen Männern außer mir", bestätigte er, und sie erschauerte, als er leidenschaftlich ihren Mund betrachtete. "Wenn ich daran denke, was du durchgemacht hast... Diesmal wird es anders sein", schwor er. "Du willst ein Baby?" "Du nicht?" Rachel blickte zu dem Mann auf, den sie liebte. "Doch, gern." "Lass Charlie ihren Vater als Helden betrachten. Ich kann damit leben. Wenn du mich liebst, kann ich mit fast allem leben." "Ich glaube, sie interessiert sich mehr für den Helden in ihrem Leben." "Und wer könnte das sein?" "Er ist schon vergeben", flüsterte sie ergriffen. "Dann heiratest du mich also?"
"Ja!" Beide drehten sich auf den Freudenschrei hin um. "Nat hat gesagt, ihr würdet heiraten. Sie hatte Recht!" Charlie tanzte im Zimmer auf und ab. "Ich habe immer Recht", sagte Natalie bescheiden. "Also, wo ist der Schampus?" Benedict blickte auf seine zukünftige Braut hinab. "Du musst jetzt Ja sagen." "Ich dachte, das hätte ich schon." "Vielleicht muss ich es mehr als einmal hören." Die Vorstellung, dass Benedict Bestätigung brauchte, schnürte Rachel die Kehle zu. "Kann ich ein Pferd haben? Nur ein kleines. Ben hat 'ne Menge Geld, sagt Nat. Nat sagt..." "Nat sagt zu viel." "Tut mir Leid, dass ich so ein raffgieriges Kind habe." "Sie hat mich zu dir gebracht. Ich werde ihr alles verzeihen", erklärte Benedict nachsichtig. Rachel seufzte. Er musste noch viel lernen. "Das wirst du bestimmt noch bereuen." "Jetzt habe ich nichts mehr zu befürchten." Sie erwiderte seinen Händedruck und nickte ebenfalls. "Ich hätte gleich wissen müssen, dass du mir nur Ärger machst", neckte sie ihn. Er zuckte lässig die Schultern. "Der erste Eindruck zählt nicht. Habe ich dich nachhaltig beeindruckt?" "Und ob", bestätigte sie glücklich.
EPILOG Rachel deckte das schlafende Baby zu. "Ist er eingeschlafen?" Sie schmiegte sich an Benedict, der sie umarmte. "Ja, endlich. Schaltest du bitte das Babyfon ein? Es ist gut gelaufen, nicht?" fragte sie glücklich, als er wieder zu ihr kam. Stolz blickte er sie an und nickte. Sie hatte viel Arbeit mit den Vorbereitungen für die Taufe ihres Sohnes gehabt und es trotzdem geschafft, den ganzen Tag verführerisch auszusehen und den ganzen Tag lang hatte er sich danach gesehnt, sie zu verführen. "Solltest du dich jetzt nicht mal ausruhen? Die anderen sind auf der Veranda und trinken den restlichen Champagner. Man hat heute so oft auf ihn angestoßen, dass es bis zu seinem achtzehnten Geburtstag vorhalten dürfte." Lächelnd betrachtete er seinen schlafenden Sohn. "Ich will nur noch ..." "Nein." Er legte ihr den Arm um die Taille. "Ich habe schon nach Charlie gesehen. Sie ist total erledigt." "Muss ich mir Sorgen machen, wenn du meine Fragen beantwortest, bevor ich sie überhaupt gestellt habe?" Nachdem sie einen letzten Blick auf das schlafende Baby geworfen hatte, schloss sie leise die Tür hinter ihnen. Mit Charlie lief momentan alles prächtig. Sie hatte ihr Pony bekommen. Sie alle warteten
nun mit angehaltenem Atem darauf, dass sie in die Pubertät kam. "Keine Angst, du schaffst es immer noch, mich zu überraschen. Heute Nacht zum Beispiel..." "Pst!" warnte Rachel ihn und legte ihm einen Finger auf die Lippen. "Vielleicht hört uns jemand." Benedict küsste ihren Finger und meinte dann nachdenklich: "Heute Nacht hast du dir darüber keine Gedanken gemacht..." "Ben!" Sie versuchte, wütend zu klingen, musste jedoch lächeln. In letzter Zeit lächelte sie oft. Ben arbeitete viel. Sie verstand jetzt, warum dieses Land ihn so faszinierte, und teilte diese Faszination bis zu einem gewissen Grad. Ihre eigentliche Leidenschaft galt diesem Mann, der genauso vielschichtig und fordernd war wie dieses raue Land, und sie, Rachel, fand Erfüllung darin, beides besser kennen zu lernen. Jetzt war ihr auch klar, was für ein großes Opfer er gebracht hätte, wenn er ihretwegen in London geblieben wäre. Schweigend gingen sie auf die Veranda, wo es angenehm warm war. Rachel blickte nach oben. Den Anblick dieses wunderschönen Nachthimmels würde sie wohl nie als selbstverständlich betrachten. "Sobald Ruth den Namen gehört hat, wusste sie, dass es Rachel war", sagte Tom Arden gerade lachend. "Und die meisten Juristen in der Londoner City wussten es auch", meinte seine Frau leise. "Du bist mit der Frau zur Schule gegangen, die in der Toilette war, als ...?" erkundigte sich Natalie mit funkelnden Augen. "Hast du William gehört?" fragte Benedict Rachel leise. "Ich bin sicher, dass ich ..." "Nein." Er wirkte sehr unbehaglich, als sie abwinkte und sich vorbeugte, die Hände auf das weiße Holzgeländer gestützt. Lächelnd lauschte sie, um die Pointe der Anekdote
mitzubekommen, über die ihre Gäste sich so amüsierten. Auch die Faures waren zur Taufe gekommen. "Ja, ich bin mit Carol zur Schule gegangen." "Könnt ihr euch vorstellen, dass ausgerechnet Ben eine Frau bis in die Damentoilette verfolgt?" frohlockte Natalie. "Ich hätte zu gern sein Gesicht gesehen, als die Tür aufging und jemand anders rauskam." Rachel wandte sich an ihren Mann. "Das hast du getan?" Erst in diesem Moment bemerkten die anderen sie und blickten zu ihnen herüber. "Ich dachte, du wärst da drin. Wehe, du lachst mich jetzt aus..." "Das würde ich doch nicht tun", brachte sie hervor, konnte sich jedoch nicht beherrschen. "Ich wünschte, ich wäre dabei gewesen." "Er hat damit gedroht, die Tür einzuschlagen", berichtete Tom. "Nicht", flehte sie. "Ich kann nicht mehr. Es tut weh." Sie hielt sich den Bauch. "Es tut auch weh, wenn alle sich über einen lustig machen", versicherte Benedict. "Apropos wehtun ... Ich habe zehn Pfund an Ruth verloren, weil ich mit ihr gewettet hatte, dass ihr nicht heiratet. Woher hätte ich auch wissen sollen, dass sie über Insiderinformationen verfügte?" meinte Tom unwirsch. Sir Stuart Arden stand vorsichtig auf. Er hatte an diesem Tag ziemlich viel australischen Wein getrunken. "Auf Rachel und Benedict. Ich habe ja immer gesagt, dass sie die Richtige für ihn ist, stimmt's, Emily?" Er blickte seine Frau Beifall heischend an, und sie verdrehte die Augen. "Genau meine Meinung." Ben umfasste Rachels Schultern. "Und wenn ihr mal eine Sekunde damit aufhören könnt, über mich zu lachen, kann ich auch einen Toast aussprechen - auf deine verführerischen Lippen."
"Nur eine Sekunde?" neckte Rachel ihn, bevor er den Kopf neigte, und dann nahm sie alles zurück. -ENDE -